Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel 9783641310752

Die Bibel erzählt Geschichten von Menschen, ihrem Alltag, ihrer Arbeit, ihrem Glauben, ihrem Leben. Dabei vergessen wir

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Editorial
Artikel
Abgaben, religiöse
Abtreibung
Ackerbau
Altar
Alter
Älteste
Amt / Diakonie
Apokalyptik / Eschatologie
Apostolat / Botenwesen / Apostolat
Arbeit / Lohnarbeit
Architektur / Bauwesen / Architektur
Armut
Astrologie / Astronomie
Asyl
Auslösen / Erlösen
Bandenbildung
Bank / Schatz / Bank
Bann
Bauwesen / Architektur
Befestigung / Waffen / Befestigung. Begierde / Habgier / Begierde
Behinderung
Belagerung
Beruf
Beschneidung
Bestechung
Bettler / Bettlerin
Bevölkerungsverhältnisse / -politik
Bild
Blut
Botenwesen / Apostolat
Braut / Bräutigam
Brief
Brot
Brunnen
Buch
Bund
Bürgschaft
Charisma
Christentum / Judentum / Christentum
Deportationen
Diakonie / Amt / Diakonie
Diaspora
Dorf
Ehe
Ehre / Schande
Eid
Eigentum
Ekklesia
Emotionen
Enthaltsamkeit
Erbe
Erlösen / Auslösen / Erlösen
Ernährung
Ernte / Saat / Ernte . Eschatologie / Apokalyptik / Eschatologie
Essen, gemeinsames
Essensgewohnheiten
Ethik und Recht
Eunuch
Exorzismus
Familie
Fest
Festung
Fischerei
Fluch / Segen / Fluch / Flüchtlinge / Fremde / Flüchtlinge
Folter
Frau / Mann
Freiheit
Fremde / Flüchtlinge
Fremde Religionen
Freundschaft
Friede / Krieg
Fron
Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit
Gartenbau
Gastfreundschaft
Gebet / Klage
Geburt
Gefängnis
Geld / Geldwirtschaft
Gelübde
Gemeinschaft / Liebe / Gemeinschaft
Gerechtigkeit / Recht
Gesellschaftsformen
Gesetz
Gewalt
Gewinn
Gewohnheitsrecht
Glück
Gnade
»Götze« / »Götzendienst«
Gottesdienst
Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin
Großmächte
Habgier / Begierde
Handel
Handwerk
Haus
Haustiere / Viehwirtschaft / Haustiere
»Heiden«
Heiligkeit
Heilsgestalten
Heilung / Krankheit / Heilung
Hirte / Hirtin
Humor / Ironie
Hunger / Hungersnot
Imperialismus
Individualität
Ironie / Humor / Ironie
Jagd
Jesusbewegung
Jobeljahr
Judentum / Christentum
Jünger / Jüngerin
Jungfrau
Kalender
Kanon
Kauf / Verkauf
Kinder
Klage / Gebet / Klage
Kleidung
Klima
Königtum
Körper
Körperpflege
Kosmosvorstellungen
Krankheit / Heilung
Kultgeräte
Kulturpflanzen
Landbesitz
Landwirtschaft
Landwirtschaftliche Geräte
Leben
Lebenszyklus
Lehren / Lernen
Leviten / Priester / Leviten
Licht
Liebe / Gemeinschaft
Lohn
Lohnarbeit / Arbeit / Lohnarbeit . Luxus / Reichtum / Luxus
Macht
Mann / Frau / Mann
Markt
Martyrium Widerstand / Martyrium
Maße und Gewichte
Mensch / Menschsein
Menschenrechte
Messianismus
Metalle / Metallverarbeitung
Militär
Mission
Mündlichkeit
Musik
Mutter
Nächste / Nächster
Nahrung, nichtpflanzliche
Nahrung, pflanzliche
Nahrungszubereitung
Namen
Naturerfahrung
Nomadentum
Nomos / Tora / Nomos
Öl / Salbe
Opfer
Pacht
Palast
Patriarchat
Philosophische Strömungen
Priester / Leviten
Propheten / Prophetinnen
Proselyt / Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin .Prostitution
Rache
Raum
Recht / Ethik und Recht. Recht / Gerechtigkeit / Recht. Rechtswesen / Rechtsprechung
Reichtum / Luxus
Reinheit / Unreinheit
Reisen
Religiöse Abgaben / Abgaben, religiöse. Religiöse Bewegungen
Religiöse Praxis
Religionen / Fremde Religionen. Rohstoffe
S
T
Unfruchtbarkeit / Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit
Unreinheit / Reinheit / Unreinheit
V
W
Z
Die Autorinnen und Autoren
Abkürzungen
Stellenregister
Sachregister
Bildnachweise
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Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel
 9783641310752

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SWB (08021) / p. 3 / 6.9.2022

Frank Crüsemann, Kristian Hungar, Claudia Janssen, Rainer Kessler und Luise Schottroff (Hg.)

Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel

Gütersloher Verlagshaus

SWB (08021) / p. 1 / 6.9.2022

SWB (08021) / p. 2 / 6.9.2022

SWB (08021) / p. 4 / 6.9.2022

2. Auflage, 2019 Copyright © 2009 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht gelungen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber. Umschlaggestaltung: init. Kommunikationsdesign GmbH, Bad Oeynhausen Umschlagmotive: Tamburinschlägerin und Musikant mit Aulos, ca. 800 v. Chr., Israel Museum, Jerusalem, Foto: akg-images / Erich Lessing; Olivenernte, Bardo Museum, Tunis, Foto © Photo Scala, Florenz; Titus-bogen: Triumphzug mit dem siebenarmigen Leuchter des Salomonischen Tempels, 81 n. Chr., Forum Romanum, Rom, Foto: akg-images / Erich Lessing Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg ISBN 978-3-641-31075-2 www.gtvh.de

SWB (08021) / p. 5 / 6.9.2022

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . .

679

Abkürzungen

685

. . . . . . . . . . . . . . . . .

Stellenegister . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Biblische Bücher mit alttestamentlichen Apokryphen . . . . . . . . . . . . . 2. Außerkanonische Schriften und Apostolische Väter . . . . . . . . . . 3. Qumran . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rabbinisches Schrifttum . . . . . . .

.

693

.

693

. . .

758

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . .

762

Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . .

771

759 760

SWB (08021) / p. 6 / 6.9.2022

SWB (08021) / p. 7 / 6.9.2022

Vorwort

Vorwort

Mit dem Sozialgeschichtlichen Wörterbuch zur Bibel (SWB) wird der Öffentlichkeit ein Werk vorgelegt, das nur entstehen konnte, weil sich viele Menschen darauf eingelassen haben, Neuland zu betreten. Ihnen gehört der Dank der Herausgeberinnen und Herausgeber. An erster Stelle sind die Autorinnen und Autoren der Artikel des Wörterbuchs zu nennen. Mehr als 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren bereit, teilweise umfangreiche Artikelgruppen zu bearbeiten. Denn zwar sind die Artikel im Wörterbuch nach dem Alphabet angeordnet, aber sie wurden in sachlichen Gruppen mit einem Hauptartikel (z. B. Familie) sowie mehreren Stichworten (z. B. Mutter, Verwandtschaft, Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit) und Kurzinformationen (z. B. Kinder, Vater, Waise, Witwe) vergeben und bearbeitet. Auch wenn die Verfasserinnen und Verfasser auf eigene Vorarbeiten zurückgreifen konnten, mussten sie doch aufgrund der umfangreichen Thematik, der Gattung eines Wörterbuchs und der Vorgaben der Herausgeberinnen und Herausgeber oft weit reichende Forschungen anstellen. Zudem wurden sie gebeten, in Paaren von Fachleuten für das Alte bzw. Neue Testament zusammenzuarbeiten, eine Arbeitsweise, die im deutschen akademischen Betrieb kaum praktiziert wird. Dafür, dass sie sich darauf eingelassen haben, sagen ihnen die Herausgeberinnen und Herausgeber Dank. Es versteht sich, dass das, was sich Herausgeberinnen und Herausgeber vorstellen – es ist im folgenden Editorial niedergelegt –, mit dem, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler denken, nicht identisch sein muss. Niemand hat ein Monopol auf das, was Sozialgeschichte heißt, ebenso wenig auf die inhaltliche Füllung der im Editorial angesprochenen befreiungstheologischen, feministischen und christlich-jüdischen Diskurse. Die beteiligten Autorinnen und Autoren – von der auf ein Thema spezialisierten Doktorandin bis zu etablierten Vertretern und Vertreterinnen ihrer Fächer – haben sich auf die Vorstellungen der Herausgeberinnen und Herausgeber eingelassen, zum Teil in längeren dialogischen Prozessen während der Abfassung der Artikel. Sie haben aber ihren Eigen-Sinn behalten. Deshalb sind alle Artikel namentlich gezeichnet. Herausgeberinnen und Herausgeber hoffen, dass sich die Vielfalt der Perspektiven unter dem Oberthema der sozialgeschichtlichen Auslegung bereichernd für die Benutzerinnen und Benutzer des Wörterbuchs auswirkt. Zu danken haben die Herausgeberinnen und Herausgeber auch dem Gütersloher Verlagshaus. Der Verlag hat das verlegerische Risiko für ein derartiges Projekt übernommen. Er hat seine Erfahrungen auf dem Gebiet von Wörterbüchern und Kompendien eingebracht und zugleich den inhaltlichen Vorstellungen der Herausgeberinnen und Herausgeber Raum gelassen. Herr Diedrich Steen und Frau Tanja Scheifele als Vertretung des Verlags haben das Projekt seit der ersten Besprechung im Dezember 2002 über die Erstellung des Nomenklators und die Vergabe der Artikel bis zur Schlussredaktion engagiert und kompetent begleitet. Schließlich haben wir denjenigen zu danken, die mit redaktionellen Arbeiten befasst waren. Neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlags war das vor allem Frau stud. theol. Charlotte Voß aus Marburg. Sie hat das mühevolle Geschäft der Vereinheitlichung und redaktionellen Bearbeitung von über 200 Artikeln übernommen. Darüber hinaus war Frau Schönfeld, ebenfalls Marburg, am Korrekturlesen beteiligt. Die Schlussredaktion lag in den Händen von Frau Dr. theol. Katrin Keita, Dinslaken. Zum Schluss sei noch ein kurzes Wort zur Benutzung des Wörterbuchs erlaubt. Die alphabetische Anordnung der Artikel wurde schon erwähnt. Innerhalb der Artikel finden sich die üblichen, mit einem Pfeil gekennzeichneten Verweise auf verwandte Artikel. Ein Sachregister soll zu Stellen führen,

VII

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VIII

Vorwort

die einen Sachverhalt unter einem Stichwort abhandeln, wo man es auf den ersten Blick vielleicht nicht erwarten würde. Schließlich erfasst ein umfangreiches Register alle erwähnten Bibelstellen (einschließlich außerkanonischer Schriften, Apostolischer Väter, Qumran und Rabbinischen Schrifttums), so dass auch von bestimmten Texten her Stichworte aufgefunden werden können. Für die biblischen Sprachen wird eine einfache Umschrift verwendet, die lediglich den Nichtsprachkundigen eine ungefähre Aussprache, den Sprachkundigen eine Identifikation ermöglichen soll. Die Herausgeberinnen und Herausgeber übergeben nun das Resultat von über sechsjähriger Arbeit den Benutzerinnen und Benutzern des Wörterbuchs und hoffen auf eine freundliche Aufnahme. Bielefeld, Heidelberg, Kassel und Marburg im Januar 2009 Frank Crüsemann, Kristian Hungar, Claudia Janssen, Rainer Kessler, Luise Schottroff

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Editorial

Editorial

1 Dieses Wörterbuch soll Hebammendienste leisten: Es soll alle unterstützen, die Interesse an biblischen Geschichten haben oder diese einfach besser verstehen wollen. Die Artikel des Wörterbuches erklären die Lebensverhältnisse der Menschen zu der Zeit, als die biblischen Traditionen entstanden und über Generationen und in sehr unterschiedlichen Lebenswelten weitergereicht und weiterentwickelt wurden – von der Entstehung des Volkes Israel über die Bildung selbständiger Staaten, die Zeit der Exilierungen, die Vorherrschaft des persischen und der hellenistischen Reiche bis hin zur Epoche des Imperium Romanum. Die Beiträge wollen den Alltag der Frauen und Männer beleuchten, von denen und für die die biblischen Schriften verfasst wurden. Dabei bleiben sie aber nicht stehen. Sie erschließen auch die symbolischen Bedeutungen, die in der Sprache der Alltagserfahrungen gründen. Während die großen, häufig so abstrakt und lebensfremd wirkenden Begriffe der traditionellen theologischen Sprache den Zugang oft erschweren, werden die biblischen Texte leichter verständlich, wenn der Weg über die Menschen mitten in ihrem Leben mit seinen Hoffnungen und Freuden, Widersprüchen und Problemen genommen wird. Werden dabei die Unterschiede in der Lebensweise zwischen heute und damals nicht überspielt, sondern bewusst in den Blick genommen, so kann ein Dialog entstehen, in dem die Bibel neu zu sprechen beginnt. Das geschieht vor allem, wenn biblische Texte in heutige Konfliktsituationen mitgenommen und dort auf ihre orientierende Kraft hin befragt werden. Das Wörterbuch kann sich in solchen Fällen als ein Fundbuch für geeignete Texte erweisen. Diesen Transfer zwischen der Lebenswelt der Menschen heute und damals versucht die sozialgeschichtliche Bibelauslegung zu leisten und immer neu zu ermöglichen. Deren Ansätze und Ergebnisse für die biblische Lebenswelt sollen in diesem Wörterbuch zugänglich gemacht werden. Sie liegen aber vor allem seiner Anlage zugrunde. Das Wörterbuch soll für alle, die die Bibel lesen, oder für die, die in der Praxis Bibeltexte auszulegen und zu erläutern haben, rasche und zuverlässige Informationen über die biblischen Lebenswelten liefern. In jedem Eintrag sollen sich deshalb zuerst Informationen über die materiellen Sachverhalte finden, dann über die sozialen (ökonomischen, politischen) bzw. institutionellen Zusammenhänge, und schließlich über die symbolischen und theologischen Bedeutungen. Mit diesem Ansatz verbindet sich die Hoffnung, dass die biblischen Texte besser verstanden werden und sich ein neuer Zugang zu aktuellen Fragestellungen eröffnet. 2 Die biblischen Texte sind vor zwei- bis dreitausend Jahren entstanden. Sie setzen antike Lebenswelten voraus, also Gesellschaftsformen, ökonomische Verhältnisse und Grundlagen des alltäglichen Zusammenlebens, die den Menschen, die die biblischen Texte verfasst haben, selbstverständlich waren. Sie sind uns heute jedoch vielfach nicht mehr bekannt: Wie sah die tägliche Versorgung mit Nahrungsmitteln aus? Welche Kleidung haben die Menschen getragen? Wer hat welche Arbeit verrichtet? Gab es eine Rente für ältere Menschen? Es liegt nahe, solche Begriffe der Lebenswelt zunächst mit den eigenen, den heutigen Erfahrungen zu füllen. Das beginnt bei Gegenständen des Alltags. Wer sich beispielsweise unter dem Spiegel von 1 Kor 13,12 (»Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild«) einen Badezimmerspiegel vorstellt, wird die Aussage missverstehen oder sinnlos finden. Man muss sich schon einen antiken »Spiegel aus Bronze mit polierter Oberfläche« (so im Art. Körperpflege) vergegenwärtigen.

IX

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X

Editorial

Die Rekonstruktion der biblischen Lebenswelt basiert naturgemäß auf der materiellen Kultur. Die wichtigsten Quellen dafür stellt heute die biblische Archäologie zur Verfügung. Wie die Gegenstände des Alltags aussahen – Werkzeuge, Geräte, Waffen, Schmuck und Häuser – all das ist im Detail außerordentlich gut bekannt und beschrieben. Allerdings will unser Wörterbuch kein archäologisches Lexikon sein. Nicht wie beispielsweise ein Pflug aussah allein, sondern wie mit ihm gearbeitet wurde, vor allem, wer mit ihm gearbeitet hat oder arbeiten musste, interessiert. Deshalb ist die Darstellung der Einzelheiten eingebettet in größere sachliche Zusammenhänge. Über den Pflug wird informiert im Artikel über landwirtschaftliche Geräte. Nur von den dort erläuterten sozialen Zusammenhängen und Konflikten aus erschließt sich dann auch der Symbolwert, der vielen Gegenständen und Begriffen aus der materiellen und der gesellschaftlich-politischen Sphäre in der biblischen Sprache zukommt. Auf diese Fragen und Zusammenhänge hin ist das Lexikon angelegt. Wir glauben damit eine wichtige Lücke zu füllen. Für biblische Orts- und Personennamen etwa, bei denen die Fremdheit auf der Hand liegt, gibt es entsprechend viele gute Hilfsmittel. Auch die Fragen der Entstehung und des Wachstums der biblischen Bücher steht nicht, wie so oft in der Bibelwissenschaft, im Zentrum. Da die sozialen Zusammenhänge sich nur langsam ändern, ist weniger eine exakte Datierung der Texte (die trotz großer Bemühungen in der Regel nur hypothetisch erreichbar ist) als vielmehr ihre Einordnung in die grundlegenden Epochen von Bedeutung. Auch die sprachlichen Erläuterungen der jeweiligen hebräischen und griechischen Worte und Begriffe sollen sich auf das notwendige Maß beschränken. 3 Für die Darstellung sozialer Begriffe und Institutionen, die im Zentrum des Wörterbuches stehen, ist entscheidend, aus welcher Perspektive sie wahrgenommen werden. Es gibt keine objektive, voraussetzungsfreie Wissenschaft. Über Voraussetzungen und Perspektiven muss reflektiert werden. Das gebieten nicht nur grundsätzliche hermeneutische Einsichten, es legt sich auch von der Bibel selbst her nahe. Den Herausgeberinnen und Herausgebern des Wörterbuchs sind drei hermeneutische Diskurse wichtig: der befreiungstheologische, der feministische und der christlich-jüdische Diskurs. Auf der Grundlage dieser drei Diskurse entwickelt sich ein neues Paradigma von Theologie. Das Erkennen und Benennen der eigenen Perspektive wird essentieller Teil der theologischen Arbeit. In diesem Rahmen sind alle heute in der exegetischen Wissenschaft praktizierten historischen und textanalytischen Methoden benutzbar und sinnvoll. Die befreiungstheologische Hermeneutik bietet einen umfassenden theologischen Ansatz für die notwendige Kontextualisierung von Bibelauslegung. Diese Hermeneutik fragt nach politischen und ökonomischen Macht- und Herrschaftsverhältnissen ebenso wie nach ihren Legitimationen. Das gilt für beide Kontexte, den gegenwärtigen der Interpretierenden und den historischen des biblischen Materials, wobei der Schwerpunkt der Artikel ganz überwiegend auf dem letzteren liegt. Von ihrem Konzept her ist die Einbeziehung feministischer Analysen und solcher, die sich aus dem jüdisch-christlichen Dialog ergeben, möglich und notwendig, auch wenn sie nicht in allen Formen von Befreiungstheologie vollzogen wird. Mit den Befreiungstheologien ist das hier vertretene Konzept von sozialgeschichtlicher Bibelauslegung gerade auch durch die Orientierung an zentralen biblischen Inhalten verbunden: Der Gott, von dem die Bibel spricht, ist parteilich zugunsten der Marginalisierten. Der kritische biblische Umgang mit Staat und Macht, die durchgängig befreiende Perspektive für Arme, für Sklaven und Sklavinnen

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Editorial

soll erschlossen werden. Es sind nicht zuletzt die damit verbundenen Konflikte, in denen Menschen Gott damals erfuhren. Ähnliche Konflikte sind für den größeren Teil der Menschheit heute schmerzliche Gegenwart. Und dort, in den Heimatländern der Befreiungstheologie, liegen Zusammenhänge mit und Analogien zu den Verhältnissen in biblischer Zeit auch deutlicher auf der Hand als oftmals in den industrialisierten Gesellschaften der so genannten »Ersten Welt«. Ein Beispiel ist das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs, das dem Leitbild des auf seinem Erbbesitz wirtschaftenden Haushalts des alten Israel nahekommt, wie es Tora und Propheten voraussetzen und gegen Übergriffe des Großgrundbesitzes verteidigen. Heute aber dient seine offizielle Propagierung in der Bundesrepublik und der Europäischen Union oft genug der Verschleierung der faktischen Förderung von industrialisierter Überschussproduktion und Massentierhaltung – seit der deutschen Vereinigung vor allem in den Beitrittsländern. Wie in einem solchen Konflikt die biblischen Texte zu lesen sind, kann das Lexikon selbst nicht zeigen, es kann aber vielleicht die Voraussetzungen dazu bereitstellen. Feministische Theologien haben seit den 1980er Jahren Fragen des Geschlechterverhältnisses in das Zentrum der Exegese gerückt. Die erste Phase prägte vor allem die Begeisterung darüber, die »großen Frauengestalten« der Bibel wiederzuentdecken, Identifikationsmöglichkeiten mit den »starken Frauen«, den Gottesstreiterinnen, Prophetinnen, Jüngerinnen – den »Frauen um …« – zu schaffen und den patriarchalen Charakter von Texten aufzudecken. Der biblische Alltag wurde vielfältiger: Nicht mehr nur Männer prägten das Bild, sondern die Gemeinschaft aus Frauen und Männern, Kindern, aus jungen und alten Menschen, Besitzenden, Abhängigen, Sklavinnen und Sklaven, Arbeitern und Arbeiterinnen. Beginnend mit der Entdeckung weiblicher Gottesbilder wurde die ganze Gottesfrage neu erschlossen. Die Analyse der gegenwärtigen Macht- und Hierarchiemechanismen diente in der Folge weiter dazu, die biblischen Texte und deren Auslegungsgeschichte einer kritischen Re-Vision zu unterziehen: Themen wie Anthropologie, Arbeitsteilung, Gewalt in ihren vielfältigen, vor allem auch sexuellen Formen, das Verhältnis zu Körper, Gesundheit, Krankheit und Heilung prägen seitdem die theologische Debatte. Feministische Theologien haben deutlich gemacht, dass die Beschäftigung mit Fragen des Geschlechterverhältnisses keine »Frauenthemen« sind, sondern Exegese und Theologie zentral betreffen. Geschlechtsneutrale Aussagen gibt es weder in biblischen Texten noch in deren Auslegungen. Die jeweilige Perspektive gilt es offen zu legen. Es gibt deshalb in diesem Wörterbuch keinen gesonderten Artikel »Frau in der Bibel«. Die Frage des Geschlechterverhältnisses wird durchgehend beachtet. Wir gehen davon aus, dass Frauen und Männer in nahezu allen Bereichen des alltäglichen Lebens, des Kultes und der gesellschaftlichen Organisation vertreten waren. Ihre unterschiedlichen Funktionen und Möglichkeiten der Einflussnahme sollen beleuchtet und theologische Begriffe hinsichtlich ihrer Bedeutung für das jeweilige Geschlecht kritisch befragt werden. Nur so kann die Vieldimensionalität des biblischen Alltages angemessen erfasst werden. Die dritte Perspektive ergibt sich aus einem veränderten Verhältnis von Christen und Juden. Der Holocaust bzw. die Schoa, das beispielloses Menschheitsverbrechen, in das sich Christen und Kirchen auf vielfältige Weise verstrickt hatten, wird heute zunehmend und zu Recht als Kultur- und Zivilisationsbruch massiver Art beschrieben. Für die Theologie bedeutete dieser Bruch mit eigenen Traditionen schon im deutschen Kirchenkampf eine theologische Wiederentdeckung des Alten Testamentes und führte seit den 1960er Jahren zu einer immer deutlicher werdenden positiven Sicht des Judentums durch die christlichen Kirchen. Damit ist eine Neuentdeckung biblischer Grundzüge mit weitreichenden Folgen aufs engste verbunden. All die verbreiteten Muster, das Neue Testament als Gegensatz zum

XI

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XII

Editorial

Alten und zum zeitgenössischen Judentum zu lesen oder als eine das Alte Testament überholende Weiterentwicklung haben sich als historisch falsch und theologisch fragwürdig herausgestellt. Das Neue Testament erweist sich vielmehr als ein in praktisch jeder Hinsicht jüdisches Buch, das sich durchgängig positiv auf »die Schrift« bzw. »die Schriften« bezieht. So kann, um nur wenige Grundthemen zu nennen, die »Weltlichkeit« des Alten Testaments, wie sie zuerst vor allem Dietrich Bonhoeffer entdeckt hat, nicht einem eher spirituell-jenseitig interpretiertem Neuen Testament entgegengestellt werden, oder die Kollektivität des einen der Individualität des anderen. Vor allem das Zentrum des alttestamentlichen Kanons, die Tora, wird als »heilig, gerecht und gut« (Röm 7,12), als unbestrittene Formulierung des guten Willens Gottes vorausgesetzt, und bestimmt die neutestamentliche Ethik. Die innergemeindlichen Konflikte zwischen Juden und nichtjüdischen Menschen sind erst auf diesem Hintergrund verständlich. Eine der Folgen dieser veränderten Sichtweise ist der Versuch, in den einzelnen Artikeln des Lexikons die Darstellung des Befundes in den beiden Teilen der christlichen Bibel soweit wie jeweils möglich ineinander zu verschränken, um die Kontinuitäten und die gemeinsamen theologischen Tiefenstrukturen sichtbar zu machen – trotz aller Differenzen im Blick auf historische Umstände, soziale Entwicklungen, kulturelle Milieus, sprachliche Grundlagen etc. Allerdings zeigt sich dabei – wie auch bei anderen der angesprochenen Themen und Fragestellungen –, dass sich theologische Traditionen und wissenschaftliche Gepflogenheiten nur langsam ändern. Die Herausgeberinnen und Herausgeber sind sich dessen bewusst, dass das Sozialgeschichtliche Wörterbuch zur Bibel (SWB) nur ein Schritt auf einem Weg ist und einen Zwischenstand anzeigt. Sie haben aber die Hoffnung, dass es ein brauchbares Werkzeug in dem Bemühen um eine sozialgeschichtliche Auslegung der Bibel darstellt. Frank Crüsemann, Kristian Hungar, Claudia Janssen, Rainer Kessler, Luise Schottroff

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Abgaben, religiöse

Abgaben, religiöse Im alten Israel wurden verschiedene religiöse Abgaben erhoben, die der Aufrechterhaltung des Opferkultes und anderen religiösen und sozialen sowie politischen Zwecken dienten. Von besonderer Bedeutung waren vor allem zwei Formen von Abgaben: »Erstlinge« und »Zehnter«. Darüber hinaus gab es auch verschiedene andere Steuern und Abgaben, von denen einige erst in der nachexilischen Zeit von Fremdherrschern eingeführt wurden. Zunächst widmen wir uns Erstlingsopfern und Zehntem, die beide eindeutig in der vorexilischen Zeit tief verwurzelt sind. 1. Das Erstlingsopfer bzw. die Erstlingsabgabe ist eine Institution, die in den verschiedensten Religionen und Kulturen weit verbreitet war (und oft noch ist) und sich auch in Israel und Juda etablierte. Sie ist das Resultat der Auseinandersetzung mit der besonderen Bedeutung des »Erstlings« in der menschlichen, animalischen und vegetativen Reproduktion. Die als besonderer Segen erfahrene Geburt des ersten Kindes und die in ähnlicher Weise als segenshaft erlebten Erstlingsgeburten von Nutztieren und Erstlingserträge von Ackerfrüchten lassen die jeweiligen »Erstlinge« als besonders kostbar erscheinen. Aus eben diesem Grunde werden solche »Erstlinge« in vielen Kulturen den üblichen Zusammenhängen entzogen und in je verschiedener Weise als exzeptionell deklariert, indem sie einer Weihe unterzogen oder als Opfer dargebracht werden; so wurden und werden z. B. erstgeborene Tiere geopfert, und dementsprechend wurden und werden oftmals Erstlingsfrüchte als vegetabilische Opfer dargebracht. Das Konzept des Erstlingsopfers erstreckt sich im Prinzip auch auf den menschlichen Bereich; es ist allerdings umstritten, ob jemals menschliche Erstlingsopfer dargebracht worden sind, da jene Kulturen, die solche Opfer für prinzipiell notwendig erachteten, zugleich Ersatzleistungen stipulierten, um die tatsächliche Durchführung solcher Opfer zu vermeiden. Zu allen genannten Erstlingsopfern bzw. -ab-

gaben (re¯3ˇs¯t) ı finden sich in der Hebräischen Bibel Beispiele. JHWH wurde in Israel, wie anderen Göttern in anderen Kulturen auch, das Anrecht auf die Erstlinge des menschlichen, animalischen und vegetabilischen Lebens zugesprochen. So ist der erstgeborene Sohn im Sozialsystem des alten Israel, wie auch in vielen anderen Gesellschaften, von herausragender Bedeutung und ist zugleich, gerade aufgrund seiner hervorgehobenen Stellung, dem Gott Israels geweiht und daher prinzipiell diesem Gott zu opfern. Diese Pflicht zum Opfer der männlichen Erstgeburt (vgl. Ex 13,1-2; 22,28) wird aber ausgesetzt, und der erstgeborene Sohn kann nun »ausgelöst« werden (vgl. z. B. Ex 13,11-13; 22,28), ohne dass JHWH daran Anstoß nehmen müsste. Im Bundesbuch (Ex 20,22-23,19), dem wahrscheinlich frühesten umfassenden rechtlichen Dokument, das in der Hebräischen Bibel bewahrt ist, werden – nach der Erwähnung der männlichen Erstgeburt in einer Art Präambel – sowohl das animalische als auch das vegetabilische Erstlingsopfer gefordert (vgl. Ex 22,29; 23,19). Aus Ex 34,11-26, wo im oft so genannten »kultischen Dekalog« ebenfalls von vegetabilischen und animalischen Erstlingsabgaben die Rede ist, lässt sich möglicherweise entnehmen, dass das Opfer der Erstlingsfrüchte (bikku¯rı¯m) im Vergleich mit dem der animalischen Erstgeburt die historisch ältere Form des Erstlingsopfers ist (vgl. die Rekonstruktion einer Grundschicht von Ex 34,12.14-16.18.21-24.26*, in der u. a. die Verwendung der Erstlingsfrüchte geregelt wird, durch Crüsemann 147-162). Dieser Schluss ist allerdings nur möglich, wenn man den »kultischen Dekalog« als altes jahwistisches Dokument versteht und nicht, wie einige Forscher in jüngster Zeit, als exilszeitliches Dokument, das das Bundesbuch revidiert (so Blum). Das Erstlingsopfer in seinen beiden Formen spiegelt den agrarischen Charakter der altisraelitischen Gesellschaft wider, der es entstammt. Mit dem Opfer der Erstlingsfrüchte (und später [?] auch der Erstgeburten der Tiere) wird gegenüber JHWH, der als Spender der Fruchtbarkeit erfahren wird, der Dank für seine Gabe in Form der

1

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2

Abgaben, religiöse

Ergebnisse dieser Gabe zum Ausdruck gebracht. Die entsprechenden Opferhandlungen wurden im Laufe der vorexilischen Geschichte Israels und Judas im Kontext der drei Wallfahrtsfeste formalisiert. Erstlingsfrüchte wurden als Abgaben an die Heiligtümer abgeführt, so z. B. anlässlich des Mazzotfestes (Lev 23,9 f.), und werden in der Hebräischen Bibel vielfach erwähnt, so z. B. in Ex 23,16; 34,22; Num 13,20; 18,13; Nah 3,12; Spr 3,9. Die Erstlinge von Nutztieren waren als Opfer darzubringen (Ex 13,12.15; 34,19; Num 8,16; Ez 20,26 und besonders die Ergänzung der Grundschicht in Ex 34, besonders die V. 19-20, laut Crüsemann 162-167). Erstlinge von Nutztieren und Erstlingsfrüchte waren laut Dtn 26,1-11 nicht zuletzt auch für den Unterhalt des mit dem Jerusalemer Tempel verbundenen Kultpersonals bestimmt; für das im Zeichen der Kultzentralisierung eine solche Versorgung mit Nahrungsmitteln grundlegend, ja überlebenswichtig war. Aber auch schon in der Zeit vor der Kultzentralisierung müssen die Erstlingsabgaben einen wesentlichen Teil der Versorgung des Kultpersonals der zahlreichen israelitischen und judäischen Heiligtümer ausgemacht haben; vgl. unten. 2. Auch der »Zehnte« (hebr. ma2a´s¯er) war keine spezifisch israelitisch-judäische Institution. Vielmehr gehörte er zu den »klassischen« religiösen Abgaben in den antiken Kulturen des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients (vgl. Jursa), und dementsprechend findet er sich auch in der Geschichte Israels und Judas. Solche Abgaben, in Naturalien zu leisten, wurden dem Unterhalt der Götter / des Gottes (und damit wiederum nicht zuletzt auch der Versorgung des jeweiligen kultischen Personals sowie ggf. der Armenpflege) gewidmet. Dtn 14,22-29 gibt einen guten Einblick in die Geschichte des Zehnten. Dieser Text ist das »Zehntgesetz, das sowohl den alljährlichen, für das Zentralheiligtum bestimmten Zehnten (V. 22-27), wie auch den jedes dritte Jahr zu erhebenden lokalen Armenzehnten (V. 28 f.) regelt« und »zu den alten Zentralisati-

onsgesetzen« (Veijola 303) zählt. Der ursprüngliche Text ist folgendermaßen zu rekonstruieren (Veijola 302 f.): »Wenn dir aber der Weg zu weit ist, so dass du ihn [scil. den Zehnten] nicht hintragen kannst, dann sollst du ihn in Silber umsetzen, das Silber in einen Beutel verschnüren und an die Stätte gehen, die Jahwe, dein Gott, erwählen wird. Dort sollst du für das Silber alles kaufen, nach dem dein Herz gelüstet, und du sollst dort vor Jahwe, deinem Gott, das Mahl halten und fröhlich sein, du und deine Familie.« Der Zehnte ist allgemein als eine Abgabe von rund 10 % der Ernte und des Viehs zu verstehen. Der hier geforderte Zehnte ist der »Zehnt vom gesamten Ertrag deiner Saat, der Ernte des Feldes« (Dtn 14,22); die Erwähnung der Erstlinge von Rindern und Kleinvieh in V. 23 ist wahrscheinlich ein deuteronomistischer Zusatz (Veijola 302). Im ältesten Bestand des Deuteronomiums, d. h. in spätvorexilischer Zeit, ist der Zehnt also fest verankert, aber im Vergleich zu früheren Zeiten (vgl. z. B. Am 4,4) findet sich eine interessante Modifikation: Hier, in Dtn 14,22-29, liegt ein Hinweis darauf vor, dass kultische Opferleistungen nun statt in Naturalien ersatzweise auch in kæsæf erstattet werden konnten. Die Grundbedeutung von kæsæf ist »Silber«. Auch wenn es hier nur um Hacksilber, also um die »Vorstufe« zu regulärem Münzgeld, gehen sollte, so ist das doch eine monetäre oder geldähnliche Ersatzleistung für den Zehnten. Dtn 14,22-29* ist der älteste Text des Alten Testaments, der eine solche Ersatzleistung erwähnt (vgl. Schaper 2006). Der Zehnte diente ebenso wie die animalischen und vegetabilischen Erstlingsabgaben dem Unterhalt des Kultpersonals. Hier ist Num 18 insofern von besonderer Bedeutung, als dieses Kapitel die Versorgung des Kultpersonals mit Erstlingsabgaben und Zehntem grundlegend regelt (vgl. V. 8-19 und V. 21-24 sowie die Regelung zu dem von den Leviten an die Priester zu entrichtenden »Zehnten vom Zehnten« in V. 25-32). Begründet wird diese Form der Versorgung mit dem Entschluss JHWHs, etwas von den für ihn bestimmten Erstlingsabgaben den Priestern zu überlassen (Num 18,8) und »alle Zehnten« den

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Abgaben, religiöse

Leviten »für Ihren Dienst« zugute kommen zu lassen (Num 18,21). 3. Die Konturen des Systems religiöser Abgaben in Juda und Jerusalem werden in den perserzeitlichen Quellen genauer sichtbar und historisch besser greifbar. Die persische Zentralgewalt nutzte die fiskalischen Einnahmequellen und die ökonomischen Möglichkeiten, die sich in den eroberten Gebieten auftaten. Es ist von zentraler Bedeutung, wie das achämenidische Reich Tempelsteuern nutzte. Eine Art »Steuerkiste«, durch die die Tempelverwaltung regelmäßig einen Teil der Einnahmen des Tempels an den Herrscher abzuführen hatte, war das hier genutzte fiskalische Instrument. Diese »königliche Kasse« (quppu ˇsa ˇsarri) hatte in neubabylonischer Zeit unter der Aufsicht von Tempel-»Finanzbeamten« (re¯ˇs ˇsarri be¯l piqitti) gestanden. Die Existenz der »königlichen Kasse« auch im Jerusalemer Tempel des perserzeitlichen Juda lässt sich aus Esr 4,13.20; Neh 5,4; 9,37; 10,39 (vgl. dort auch die Erwähnungen des Zehnten) erschließen. Ebenso waren auch am wiedererrichteten Jerusalemer Tempel, wie schon in der vorexilischen Zeit, Beamte tätig, deren Aufgabe es war, die zur Entrichtung der Steuern hinterlegten Silbergegenstände einzuschmelzen und zu Barren umzugießen, die dann zur Abwicklung von Zahlungen benutzt werden konnten (vgl. Sach 11,13 mit seiner Rede vom jo¯ser und Torrey 255-260). ˙ Der oder die Tempel einer Provinz (aram. medı¯na¯h) des Achämenidenreiches hatten einen zentralen Platz im Steuerwesen dieser Provinz. Die Bewohner der Provinz Jehud mussten verschiedene Arten von staatlichen Steuern abführen (vgl. Schaper 2000, 141-150): minda¯h (Esr 4,13; 7,24) bzw. midda¯h (Esr 4,20; 6,8), die für das Königshaus bestimmt war; belo¯ (Esr 4,13.20; 7,24), eine Art Kopfsteuer; und hala¯k (Esr 4,13.20; 7,24), eine Grundsteuer. Doch sammelten die lokalen Tempel nicht nur staatliche Steuern und Abgaben, die sie dann an die achämenidische Verwaltung weitergaben. Wie sich bei einer Analyse von Neh 10,36-40 zeigt, wurden auch in der Perserzeit von der ju-

däischen Bevölkerung an den Jerusalemer Tempel Steuern entrichtet, die der Durchführung des Kultus und der Alimentierung der Priester und Leviten – und wohl auch des übrigen Kultpersonals, obwohl das nicht ganz deutlich ist – dienten. Beim Jerusalemer Zehnten handelte es sich um eine Steuer für das Kultpersonal und nicht für den achämenidischen Großkönig. Eine genauere Analyse zeigt, dass es in Neh 10,39 und überhaupt im Abschnitt Neh 10,36-40 nicht um die (staatliche, von den Achämeniden eingeforderte) midda¯h geht, sondern um den von den Jerusalemer Priestern erhobenen Zehnten (vgl. Schaper 2000, 141-143). In den lesˇ¯ako¯t des Tempels wurden Abgaben für die Priester, die Leviten und anderes Tempelpersonal gesammelt und eingelagert (Neh 13,4 f.8 f. und 2 Chr 31,11 ff.; vgl. 1 Chr 9,26). Damit ist belegt, dass der Zehnte und andere Abgaben der Judäer an den Jerusalemer Tempel in dessen Schatz- und Vorratskammern (vgl. Neh 13,9; leˇs¯ako¯t) aufbewahrt wurden. Über die Sammlung und Lagerung von midda¯h, belo¯ und hala¯k geben uns die biblischen Belege (Esr 4,13.20; 6,8; 7,24) keine Auskunft – wahrscheinlich eben, weil die Einnahmen aus diesen Steuern unter staatlicher Aufsicht standen. In den Provinzen des Perserreiches existierten also zwei parallel zueinander arbeitende Steuersysteme: einerseits das staatliche bzw. königliche System (es gab unter der Herrschaft der Achämeniden keine Trennung zwischen königlicher Privatwirtschaft und staatlichem Bereich), das mit Schatz- und Vorratshäusern flächendeckend das ganze Reich umfasste, und andererseits das religiöse, an die jeweiligen lokalen Tempel und ihre Kultfunktionäre gebundene. Dieses duale Steuern- und Abgabensystem galt auch im perserzeitlichen Juda, während zugleich das althergebrachte Konzept des Zehnten überlebte, mit dessen Hilfe die Alimentierung des Tempelpersonals (und wahrscheinlich auch die Armenpflege) gewährleistet wurden. 4. Im Neuen Testament begegnen als mit römischer Billigung an den Jerusalemer Tempel zu

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Abtreibung

entrichtende Abgaben sowohl die Tempelsteuer (Schekelsteuer; Mt 17,24; vgl. 21,12; Mk 11,15; Joh 2,14 f.) als auch die Zehntabgaben (Mt 17,24-27; 23,23; Lk 11,42; 18,18; 19,42). Die für den Unterhalt des Tempels und die Aufrechterhaltung des Opferkults bestimmte Schekelsteuer als jährliche Kopfsteuer betrug zur Zeit Jesu aus Nazaret einen halben tyrischen Schekel, was einer silbernen Doppeldrachme bzw. zwei Denaren entspricht. Ihre Zahlung hatte religiösen wie nationalen Symbolcharakter und konnte aus diesem Grund als ein öffentlicher Bekenntnisakt interpretiert werden. Die Verweigerung der Tempelsteuer konnte deshalb auch als demonstrativer Abfall vom jüdischen Glauben verstanden werden (vgl. Mt 17,24-27). Nach der Tempelzerstörung des Jahres 70 n. Chr. wurden alle jüdischen Menschen zwischen 3 und 60 Jahren gezwungen, anstelle der Tempelsteuer für Jerusalem eine Steuer in derselben Höhe an den Tempel des capitolinischen Jupiter in Rom zu zahlen. Der Erste Zehnt, d. h., der zehnte Teil aller zu menschlichen Genuss bestimmten Feldfrüchte des Landes Israel, und der vom verbliebenen Ertrag für eine Wallfahrt nach Jerusalem bestimmte oder für die Armenversorgung zu entrichtende Zweite Zehnt scheinen von der jüdischen Bevölkerung Palästinas im 1. Jh. n. Chr. (zunächst auch im Judenchristentum) anstandslos und regelmäßig entrichtet worden zu sein. Die strikte Verzehntung über das in der Tora geforderte Maß hinaus (insb. Mt 23,23; Lk 18,18) ist charakteristisches Kennzeichen der Devianz pharisäischer Strömungen zu verstehen, das der demonstrativen Heiligung des Lebens und zugleich der Aufwertung des eigenen Status diente. Blum, Erhard, Das sog. »Privilegrecht« in Exodus 34, 11-26. Ein Fixpunkt der Komposition des Exodusbuches?, in: Marc Vervenne (Hg.), Studies in the Book of Exodus. Redaction – Reception – Interpretation, BEThL 126, Leuven 1996. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992. Eissfeldt, Otto, Erstlinge und Zehnten im Alten Testament. Ein Beitrag zur Geschichte des israelitisch-jüdischen Kultus, BWAT 22, Leipzig 1917.

Jursa, Michael, Der Tempelzehnt in Babylonien vom siebenten bis zum dritten Jahrhundert v. Chr., AOAT 254, Münster 1998. Otto, Eckart, Art. Erstlingsopfer, LThK 3, 3 1995, 835-836. Schaper, Joachim, Geld und Kult im Deuteronomium, JBTh 21 (2006), 45-54. Ders., Priester und Leviten im achämenidischen Juda. Studien zur Kult- und Sozialgeschichte Israels in persischer Zeit, FAT 31, Tübingen 2000. Tilly, Michael, So lebten Jesu Zeitgenossen, Stuttgart 2 2008, 62-67. Torrey, Charles Cutler, The Foundry of the Second Temple at Jerusalem, JBL 55 (1936), 247-260. Veijola, Timo, Das fünfte Buch Mose: Deuteronomium. Kapitel 1,1-16,17 ATD 8,1, Göttingen 2004.

Joachim Schaper / Michael Tilly

Abtreibung In der Bibel finden wir zur Abtreibung kein Wort, weder ein Verbot noch einen Hinweis auf eine Abtreibungspraxis. Heutige Abtreibungsgegner zitieren häufig das 6. Gebot aus dem Dekalog: »Du sollst nicht töten« (Ex 20, 13). Doch vorgeburtliches Leben wird in der Bibel nirgendwo geborenem Leben gleichgestellt. Textstellen wie »Du hast mich gewoben im Mutterschoß« (Ps 139, 13) und »Noch ehe ich dich bildete im Mutterleib, habe ich dich erwählt« (Jer 1, 5) zeigen, dass die Kraft Gottes im Körper der Mutter wirksam ist und dass die schöpferische Gegenwart Gottes alles umfasst und umgibt. Doch zum moralischen Status vorgeburtlichen Lebens lässt sich daraus nichts ableiten. Denn die Voraussetzung für das Menschsein ist der von Gott geschenkte Lebensatem (Gen 2, 7; Ez 37, 10; Joh 6, 63), dazu gehört die Tatsache des ersten Atemzuges nach der Geburt. In verschiedenen Bibelstellen kommt zum Ausdruck, dass es besser sein kann, nicht geboren zu werden, als ein freudloses Leben in Leid und Unterdrückung zu leben (Koh 4, 2-3; 6, 3-5; Hi 10,18-19). Im jüdischen Recht wird der Fötus erst als rechtliche Person anerkannt, wenn seine größe-

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Ackerbau

ren Teile aus dem Körper der Mutter getreten sind. Darum wird Abortion nicht generell abgelehnt oder bestraft, sie fällt nicht unter die biblische Gesetzgebung des Homizids, »Leben gegen Leben« (Ex 21, 22-23). Nur wenn die Mutter selber durch äußere Gewalteinwirkung, die eine Fehlgeburt verursacht, sterben sollte, tritt die biblische Regelung in Kraft. »Wenn zwei Männer raufen und sie verletzen dabei eine Schwangere, so dass eine Fehlgeburt eintritt, aber kein weiterer Schaden entsteht, so soll es mit Geld gebüßt werden. Was der Ehemann dem Täter auferlegt, das soll dieser geben für die Fehlgeburt. Entsteht aber ein weiterer Schaden, so sollst du geben Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn« (Ex 21, 22-25). Während der Verlust des Fötus als materieller Schaden vergütet wird, wird der Tod der (schwangeren) Frau mit der Todesstrafe geahndet. Die Mischna erlaubt das Töten eines Fötus, auch während der Geburt, um das Leben der Mutter zu retten (mOh 7, 6). Die Tosefta (tJev 8, 4) erlaubt einem Mann, der zwei Kinder hat und keine weiteren möchte, einen sterilisierenden Trank zu trinken, und, falls verwitwet, unverheiratet zu bleiben. In bJev 65a folgt aus dem Statement, dass Frauen nicht unter dem Gesetz der Fortpflanzung stehen, dass sie Verhütungsmittel oder Sterilisationsmittel nehmen können, wenn sie keine weiteren Kinder mehr haben möchten. In der griechischen Philosophie wurde die künstliche Beendigung der Schwangerschaft befürwortet. Platon und Aristoteles bejahten Abortion aus nationalökonomischen Gründen, wobei Aristoteles einschränkt, dass man die Frucht abtreiben müsse, bevor sie Leben und Empfindung habe. In den Schriften der Ärzte finden sich viele Hinweise auf Abtreibungen. So empfiehlt Soran, Abortiva immer zu geben, wenn es um die Gesundheit der Frau geht. Wo aber Ehebruch oder Besorgnis um die Blüte der Jugend geht, lehnt er Abortiva ab. Unter Abortiva zählt er auf: »sich stark bewegen … sich durchschütteln lassen, kräftig springen und übermäßig schwere Lasten heben, harntreibende Dekokte genießen und das Monatliche in Fluss bringen, scharfe Klistiere ge-

ben …« (Soranus 1,XIX,60). Neben Bädern und Salbungen kennt Soran auch abortive Eingriffe mit Instrumenten. Doch im römischen Recht unter dem Einfluss strengerer Ehegesetzgebung wurde eine Frau, die eine Abtreibung machen ließ, verbannt (Digesten 48, 8,8; Ulpian). In der Didache (verfasst um 120 n. Chr.) findet sich ein explizites Abtreibungsverbot: »… du sollst nicht Gift mischen, du sollst nicht das Kind durch Abtreibung töten, noch das Neugeborene umbringen …« (2, 2), ebenso im Barnabasbrief (verfasst um 130 n. Chr., Kap. 19, 5). Es kann diskutiert werden, ob die Warnung vor pharmakeia in der Offb 9, 21; 18, 23; 21, 8; 22, 15 und in Gal 5, 1921 als Warnung vor Giften, die eine Schwangerschaft abbrechen, zu lesen ist. Doch muss zuerst die Frage geklärt werden, wann Leben beginnt, bevor von Tötung gesprochen werden kann. Feldman, David, Marital Relations, Birth Control, and Abortion in Jewish Law, New York 1974. Lindemann, Andreas, Schwangerschaftsabbruch als ethisches Problem im antiken Judentum und frühen Christentum, WuD 26, Bielefeld 2001. Sutter Rehmann, Luzia, Geh, frage die Gebärerin. Feministisch-befreiungstheologische Untersuchungen zum Gebärmotiv in der Apokalyptik, Gütersloh 1995.

Friedrich Fechter / Luzia Sutter Rehmann

Ackerbau Sesshaftwerdung setzt die Möglichkeit von Ackerbau, Gartenkultur (3 Kulturpflanzen; 3 Saat und Ernte) und Viehwirtschaft voraus. Von der Besiedlung her ist dies seit vorgeschichtlicher Zeit im ganzen Vorderen Orient möglich. Für Palästina / Israel sind die regenreicheren Regionen dazu geeignet, in den Ebenen, an der Küste, in Galiläa und bis weit in den Süden an den Rand der wüstenhaften Gebiete. Soweit in den Ebenen Ackerbau betrieben wurde, war es vielfach notwendig, die Felder von Steinen zu räumen. An den Abhängen boten und bieten Terras-

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Ackerbau

Worfeln von Getreide: Das Korn fällt zu Boden, die Spreu wird verweht. Ägyptische Grabmalerei, Grab des Nacht in Schech abd el Qurna, 18. Dynastie (15701345)

sen die Möglichkeit, umfangreichere Erosionen zu verhindern und zugleich den Wasserhaushalt zu regulieren. Dies war vor allem für die einwandernden israelitischen Gruppen bedeutungsvoll, da diese in jedem Fall ins Gebirge hatten ausweichen müssen, um sich neue landwirtschaftliche Flächen durch Rodungen (exemplarisch Jos 17, 14-18) zu erschließen und eben durch Terrassierungen der verschiedenen Hänge, in Galiläa, auf der Westseite des samaritanischen und judäischen Gebirges und im regenreichen Hügelland (Schefela), bewirtschaftbar zu machen. Sowohl in Galiläa wie auch in der Umgebung von Jerusalem sind solche Terrassen auch archäologisch nachgewiesen. Terrassenackerbau ist bis heute gängige Praxis in Palästina. Für die steppen- und wüstenhaften Regionen im Süden legte sich ein bewässerungsintensiver Ackerbau nahe mit lang gezogenen Erdwällen den Hügeln entlang, schmalen Kanälen und Zisternen, die die Niederschläge einer größeren Region sammeln und dabei auch die durch Erosion frei gewordene fruchtbare Erde auffangen konnten. Dadurch ist auch im Süden Ackerbau möglich geworden. Nachgewiesen ist dies für den Negev in verschiedenen Phasen der Bronzezeit und mehrmals in der Eisenzeit (mit entsprechender Hinterlassenschaft von Siedlungen), gegen Ende der israelitischen Königszeit entsprechend auch in der Region von Qumran. Eine letzte Blütezeit der Bewässerungslandwirtschaft ist aus römischbyzantinischer Zeit gut belegt und untersucht. Bedeutungsvoll war diese Art Ackerbau aus öko-

nomischen wie auch aus politischen Gründen (Sicherung von Grenzen und von Handelswegen). Ursprünglich wurde die Ackererde mit Grabhölzern gelockert, die vom wenig dauerhaften hölzernen Pflug abgelöst wurden (3 Landwirtschaftliche Geräte). Seit der Mittel-Bronze-IIAZeit (ca. 2000 v. Chr.) konnte man Bronze für Pflugscharen verwenden (Funde aus Beth Schean und Tell bet Mirsim). Relativ früh und rasch wurden die bronzenen Pflugscharen durch eiserne ersetzt (Funde aus Eisen-I und Eisen-IIA u. a. aus Tell el-Ful und Beth-Zur, ab ca. 1200 v. Chr.). Der übrige Pflug bestand aus Holz. Er wurde in der Regel von zwei Tieren gezogen (meist Rinder, gelegentlich Esel). Bemerkenswert ist, dass die antiken Pflüge die Erde nur oberflächlich aufgerissen haben. Die Bereiche von Viehwirtschaft und Ackerbau haben sich vielfach überschnitten, indem oft Tierherden über die abgeernteten Felder getrieben worden sind (Weideersatz und Düngung). Ackerbau ist sowohl von der dörflichen als auch von der städtischen Bevölkerung (Mk 15, 21) betrieben worden. Angebaut wurden die verschiedenen 3 Kulturpflanzen, oft auch Obstbäume, in der teilweise vulkanischen Erde östlich des Jordan ganz besonders Getreide. Die Brache in jedem siebenten Jahr war wohl ursprünglich kultisch bestimmt und hat im so genannten Sabbat- und Halljahr eine ausgesprochen theologische Bedeutung bekommen (Ex 23, 11; Dtn 15, 1-11; Lev 25). Landwirtschaftliche Bearbeitung der Felder (Mk 4 par; Mt 22, 5 par; Lk 15, 15) und selbst der kleinsten Anbauflächen sorgte für die Lebensgrundlage der Menschen. Freilich drohte durch Dürren, Schädlingsbefall, Kriege, Pacht- und Tributverpflichtungen ständig Mangel. Überschüsse (wenn überhaupt vorhanden) wurden eingelagert oder gingen in den Export. Die Besitzverhältnisse waren durch das Latifundien-System geprägt, d. h. die Landwirtschaft wurde vielfach getragen von Lohnarbeitern, Tagelöhnern oder Pächtern. Hinter den Texten steht also »die Tatsache ausgeprägter gesellschaftlicher Ungleichheit« (G. Lenski), eine Situation, die ständig Anlass zu sozialer Unruhe und Konflikten gab. In neutesta-

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Altar

mentlicher Zeit wächst die Tendenz zur übertragenen Verwendung der agrarischen Bilderwelt (Mt 13, 38.44; 1 Kor 3, 9; 1 Kor 15, 35 ff.). Ihre kommunikative Kraft resultiert aus Verbreitung wie Plausibilität. Applebaum, Shimon, Economic Life in Palestine, in: Shmuel Safrai / M. Stern (Hg.), The Jewish People in the First Century II, Assen 1976, 631-700. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winnesota Lake / Indiana 1987. Cornfeld, Gaalyahu / Botterweck, G. Johannes (Hg.), Die Bibel und ihre Umwelt. Eine Enzyklopädie 1, BergischGladbach 1988. Deimel A. / Meissner, Bruno, Art. Ackerbau und Ackerwirtschaft usw., in: Erich Ebeling / Bruno Meissner (Hg.), Reallexikon der Assyriologie, Bd. 1, Berlin / Leipzig 1928, 16-21. Krauss, Samuel, Talmudische Archäologie II (Leipzig 1910), Hildesheim 1966. Lenski, Gerhard, Macht und Privileg. Eine Theorie der sozialen Schichtung, stw 183, Frankfurt am Main 1977. Meissner, Bruno, Babylonien und Assyrien 1, Heidelberg 1920, 184-227. Stärk, Lothar, Art. Ackerbau, in: Wolfgang Helck / Eberhard Otto (Hg.), LÄ 1, 1975, Sp. 58-62. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u. a. 1995. Zohary, Michael, Pflanzen der Bibel, Stuttgart 2 1986 (engl. 1982).

Ulrich Schoenborn / Peter Welten

Altar 1. Der kultische Altar Das hebräische Wort für »Altar«, mizbe¯ah, zeigt ˙ durch seine Abkunft vom Verb zbh »schlachten« ˙ (vgl. zæbah als Begriff für das Mahlopfer), wel˙ che Art von Opfer als zentraler kultischer Akt verstanden wurde: Der Altar diente vor allem – aber nicht ausschließlich: auch Libationen und vegetabilische Opfer wurden dargebracht – als Ort des blutigen Opfers (Brandopfer und Mahlopfer), an dem Israel in ganz besonderer Weise die Gegenwart seines Gottes erfuhr (3 Opfer). In-

Räucheraltar aus Megiddo (Höhe: 55 cm). Israelitische Königszeit

sofern waren Altäre, und ganz besonders der (Brandopfer-)Altar des Jerusalemer Heiligtums, bedeutende Orte der Gottesbegegnung und der Teilhabe am göttlichen Segen und damit Israels primäre sakrale Orte. Der mittels der Altäre vollzogene Kult wurde als konstitutiv für die Gottesbeziehung des opfernden Individuums bzw. der Opfergemeinschaft und für die sozialen Beziehungen in der israelitisch-judäischen Gesellschaft insgesamt empfunden. Als »typische Funktion des Altars« kann in Israel (wie übrigens auch in Griechenland und Rom) das »Verbrennen der Opfermaterie« im Brandopfer gelten (Seiwert 434). Das »Altargesetz« in Ex 20,24-26 kennt nur zwei Arten von Altären: Es differenziert zwischen dem Altar aus (unbehauenen) Steinen und dem Altar aus Erde. Allerdings wurden in Israel sowohl behauene monolithische als auch (aus behauenen oder unbehauenen Steinen) gebaute Altäre benutzt, erstere sowohl im offiziellen als auch im privaten Kult und wohl nur für Räucheropfer, letztere ausschließlich im offiziellen Kult. So fand sich z. B. in Tel Sheva ein aus behauenen Steinen gebauter und damit z. B. gegen Jos 8,31 verstoßender (Brandopfer-)Altar (vgl. King / Stager 340). Ein Beispiel für den Typus des (mit vier Hörnern versehenen) monolithischen (Brandopfer-)Altars ist der in Tel Dan gefundene, der zum Vergleich mit dem in Ez 43 beschriebenen einlädt (King / Stager 328).

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Alter

Bedeutung und Funktion des steinernen Brandopferaltars (thysiasterion) im Priesterhof des Jerusalemer Tempels spiegeln sich im Neuen Testament in Mt 23,18-20; Lk 11,51 par; Röm 11,3; 1 Kor 9,13; Hebr 7,13 wider; der Räucheropferaltar im Tempelheiligtum begegnet allein in Lk 1,11. Als Bestandteil einer zeitlich und räumlich gefassten transzendenten Wirklichkeit durch den Seher Johannes findet der himmlische Altar Erwähnung in Offb 6,9; 7,14; 8,3.5; 9,13; 14,18; 16,7. Mt 5,23 f. setzt die Opferpraxis im Judentum (3 Opfer) voraus, kann aber später vielleicht auf die frühchristliche Sitte liturgischer Spenden für die Armen in den Gemeinden auf einem Altar bezogen worden sein (vgl. Didasc 8,31 f.). 2. Der Abendmahlstisch Die christliche Bedeutung des Begriffs trapeza kyriou »Tisch des Herrn« ist geprägt von einer Metaphorisierung und Spiritualisierung des Opferbegriffs (vgl. Joh 2,21). An die Stelle des Altars als Opferstätte, auf der materielle Gaben für Gott niedergelegt werden, tritt der Tisch der Eucharistiefeier als zeichenhafter Repräsentation der Gemeinschaft mit dem erhöhten Herrn (vgl. 1 Kor 3,16). Da christliche 3 Gottesdienste zunächst nicht in sakralen Räumen, sondern in Privathäusern stattfanden, wurde bei den Gemeindeversammlungen (3 Ekklesia) ein (frei inmitten der Gemeinde stehender) Tisch benutzt, der dem profanen Gebrauch nicht entzogen war. In 1 Kor 10,21 führt die paulinische Bewertung des Herrenmahls als Opfer zur Auffassung der christlichen Mahlgemeinschaft am »Tisch des Herrn« (vgl. Mal 1,7.12) als alleinig legitimer und exklusiver Kultveranstaltung gegenüber den dämonisierten Kultmählern und Vereinsmahlzeiten der hellenistisch-paganen Umwelt der Gemeinde. Das Verständnis des geschichtlich einmaligen Heilswerks Jesu im Kreuzestod als des wahren Opferaltars in Hebr 13,10 akzentuiert die exklusive Heilsbedeutung der christlichen Altargemeinschaft (zu thysiasterion als Abendmahlstisch vgl. IgnEph 5; IgnMagn 7; IgnPhld 4). Begünstigt durch die Trennung von Eucharistie- und Agapemahl im 2. Jh. wurde der vom

Tisch der Eucharistiefeier abgeleitete und zunehmend sakralisierte Altar seit konstantinischer Zeit zur festen Grundausstattung des kirchlichen liturgischen Raums. King, Philip J. J. / Stager, Lawrence E., Life in Biblical Israel, Library of Ancient Israel Louisville, KY / London 2001. Kirsch, Johann P. / Klauser, Theodor, Art. Altar III (christlich), RAC 1, 1950, 334-354. Klinghardt, Matthias, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13, Tübingen / Basel 1996. Lona, Horacio E., Der Tisch des Herrn, in: Josef Schreiner (Hg.), Freude am Gottesdienst, FS Josef G. Plöger, Stuttgart 1983, 307-317. Mazar, Amihai, Archaeology of the Land of the Bible 10,000-586 B.C.E., Anchor Bible Reference Library, New York 2 1992, 492-502. Ratschow, Carl Heinz, Art. »Altar: I. Religionsgeschichtlich«, TRE 2, 1978, 305-308. Seiwert, H., Art. »Altar«, HRWG I, 1988, 433-437. Stuiber, Alfred, Art. Altar II. Alte Kirche, TRE 2, 1978, 308318. Weckwerth, Alfred, Tisch und Altar, ZRGG 15, 1963, 209244.

Joachim Schaper / Michael Tilly

Alter Der Begriff »Alter / Alte« muss in der biblischen Welt in gegensätzlichen Zusammenhängen gesehen werden. Einmal ist es ein Ehrenname. Dabei wird das Alter angesichts des Vorsprungs an Erfahrung und Weisheit geschätzt und in Anbetracht der tatsächlichen Vorrangstellung der »Ältesten« in der Gesellschaft gewürdigt. Altwerden wurde wegen der zunehmenden Gebrechlichkeit und Abnahme der Leistungsfähigkeit allerdings auch negativ bewertet. Der Gegenwert für ein Gelübde alter Menschen jenseits der 60 liegt nach Lev 27, 1-8 deutlich unter dem der leistungsfähigeren Altersgruppe, wobei auch hier der »Wert« der Frauen geringer geachtet wird. a) Za¯qe¯n bezeichnet im Alten Testament den in die Jahre gekommenen Menschen (Lev 19, 32 u. ö.), zo¯qæn das Greisenalter (Gen 48, 10), und das Derivat za¯qa¯n bedeutet Bart (Lev 13, 29 f.; 14, 9

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Alter

u. ö.). Das Alter ist zunächst positiv besetzt, denn der Stand der Ältesten (za¯qa¯n) ist durch alle Zeiten eine selbstverständliche und geachtete Größe in verschiedenen soziologischen Ebenen der Gesellschaft (Stadt: Dtn 19, 12; 21, 3 u. ö.; Stamm: Dtn 31, 28; Gemeinde: Lev 4, 15; Ri 21, 16; Volk: Ex 3, 16 u. a.). Die Macht der Ältesten gründete auf der Würde und der Weisheit des Alters (Spr 16, 31; Sir 6, 34; 32, 9) sowie auf der Macht des Pater familias in den Großfamilien. In den Stämmen führten die Ältesten der größten / bedeutendsten Familien das Wort. Sie waren u. a. für die Rechtsprechung zuständig, bildeten eine Art Adel (Hi 29,7 ff.) und spielten (gelegentlich) bei der Königswahl eine Rolle (2 Sam 5, 3; 1 Kön 12 u. ö.). Alte Frauen (ze¯qeno¯t) begegnen im Alten Testament einerseits als Spätgebärerinnen und bringen so Gottes übergroße Wirkmächtigkeit zum Ausdruck (vgl. Gen 18, 13; 24, 36; Rut 1, 12). Andererseits gelten sie als gesellschaftlich institutionalisierte Respektspersonen, deren Lebensweisheit sprichwörtlich ist (vgl. Sach 8, 4; Spr 23, 22). Ein hohes Alter zu erreichen war keine Selbstverständlichkeit. In gesellschaftspolitisch gesunden eisenzeitlichen Gesellschaften – so auch in Israel und Juda – stammen in Friedhöfen etwa die Hälfte aller Belegungen von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Bei den für diese Gesellschaften üblich hohen Geburtenraten ist also mit einer nennenswerten Säuglings- und Kindersterblichkeit (Geburt, Erkrankungen im Kindesund Jugendalter sowie Seuchen) zu rechnen. Auch waren Nomaden in nichtsesshafter Lebensweise im besonderen Maße der Gefahr ausgesetzt, zu erkranken oder dauerhaften Schädigungen – wie z. B. der Gicht – zu verfallen. Seuchen und Hungersnöte, Naturkatastrophen und Kriege (3 Friede / Krieg) waren eine ständige Gefahr. Deshalb wird man Ps 90,10 auch nur aus der Sicht der sesshaften (urbanen) Gesellschaft, der ja auch die Schreiber des Alten Testaments angehörten, verstehen können. Ein langes Leben wird als gnädiges Geschenk und gute Gabe Gottes angesehen (Dtn 4, 40; 6, 2). Gen 5 und 11,10-26 heben die mythisch-symbolische Bedeutung des hohen Alters hervor. Und

unter dem neuen Himmel und auf der neuen Erde wird jede/r mit beträchtlichem Alter gesegnet werden (Jes 65, 20). In alttestamentlichen Texten spielen neben dem psychischen und physischen Verfall auch die Frage der Ernährung der nicht mehr sich selbst versorgenden Greise und das Leben mit dem nahenden Tod eine wichtige Rolle. In der israelitischen Gesellschaft gab es keine kommunale oder staatliche Fürsorge für Alte. Für deren Ernährung und Pflege war die Familie zuständig. Nicht umsonst wird die offensichtlich nicht immer geliebte Pflicht im Dekalog ausdrücklich dem Pater familias aufgetragen und sogar – im Sinne eines auf Gottesfurcht und Ehre basierenden Generationenvertrages – mit der Verheißung eines langen eigenen Lebens versehen (Ex 20, 12 und Dtn 5, 16; vgl. Ex 21, 15.17 und Dtn 21, 18-21). Dieser Grundsatz wird auch in zwischentestamentarischer Zeit nachdrücklich wiederholt (Sir 3,14-16; vgl. Spr 30, 17; Weish 2, 10). Über altersbedingte Schwächen betagter Menschen berichten viele Texte wie z. B. Gen 27, 1 ff. und 1 Sam 3, 2; 4, 15 (Verlust der Sehstärke), 1 Kön 15, 23 (Gicht?); 1 Kön 1, 4 (fehlende Potenz) und Koh 11, 9-12,7. Um Gottes Unterstützung in diesen schweren Jahren bittet Ps 71. b) Literatur und bildende Kunst der hellenistisch-römischen Welt zeigen, dass Altern, seine Bewertung und der Generationenausgleich ein wichtiges Thema waren. In medizinischer Literatur wurde die dem Alter angemessene Lebensweise beschrieben. In der Lyrik klagte man häufig über das Alter, in Komödien hingegen wurden angeblich typische Schwächen von Alten ausgestellt. In Schriften zum Topos »Über das hohe Alter« (peri geros) wurde der Wert alter Menschen im Unterschied zu jungen verteidigt. Als alt galt man jenseits von 60 Jahren. Dann war man von Pflichten wie dem Kriegsdienst befreit. Im Neuen Testament werden die Lebenssituation von Alten, die Frage ihrer Würdigung oder deren Verhalten kaum angesprochen. Erst in den Schriften, die Familien von mehreren christlichen Generationen voraussetzen, wird die Ehrfurcht vor den Alten ausdrücklich gefordert

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Älteste

(1 Tim 5,1 f.; 1 Petr 5, 5) und vor angeblich typischen, nach Geschlecht unterschiedenen Alterslastern gewarnt (Tit 2, 2-4). Frauen sollten sich erst ab 60 Jahren auf den Witwenstatus (3 Witwe) zurückziehen dürfen (1 Tim 5, 9.14). Die dem Alter unterstellte Würde zeigt sich in der Weiterführung der Institution des Ältestenrats (presbyterium) in frühchristlichen Gemeinden (vgl. Apg 14, 23; 15, 23; Jak 4,15). In der Geburtsgeschichte Lk 1 f. spielen vier Alte eine hervorgehobene Rolle, unter ihnen zwei Frauen. Dies ist bemerkenswert, insofern in der griechischen Kunst und der nichtbiblischen Literatur alte Frauen oft negativ dargestellt werden. Bei ihnen lag das Augenmerk nicht auf dem Zuwachs an Weisheit, sondern auf dem körperlichen Verfall (vgl. PfistererHaas). Die unfruchtbare Elisabet wird als Frau nach der Menopause schwanger. Sie und Hanna prophezeien in der Tradition weiser alter Frauen des Alten Testaments (Joel 3, 1-5; Sach 8, 4; s. Janssen). Janssen, Claudia, Elisabeth und Hanna – zwei widerständige alte Frauen in neutestamentlicher Zeit, Mainz 1998. Gnilka, Christian, Art. Greisenalter, RAC 12, 1983, 995-1094. Pfisterer-Haas, Susanne, Darstellungen alter Frauen in der griechischen Kunst, Frankfurt/M. u. a. 1989.

Christine Gerber / Dieter Vieweger

Älteste 1. Auf der Ebene der biblischen Erzählung gibt es Älteste als politische Repräsentanten der Gemeinschaft von der Entstehung des Volkes Israel an (Ex 3, 18) durch alle Perioden bis zu den urchristlichen Gemeinden, aber sie stehen auch vor dem himmlischen Thron Gottes (Offb 4, 4 u. ö.). Dabei haben sie sicher sehr verschiedene Funktionen und Bedeutungen gehabt. Wie bereits in alten Texten des Zweistromlandes (etwa Gilgamesch-Epos) sind sie zunächst vor allem Repräsentanten von und in Städten. Schon deshalb

sind sie nicht einfach Ausdruck einer Sippenstruktur, weshalb das tatsächliche Alter wohl keine entscheidende Rolle spielt. Da es sich vielmehr um eine Funktions-, Macht- bzw. Ehrenbezeichnung handelt, können prinzipiell auch Frauen dazugehört haben (obwohl der hebr. Begriff za¯qe¯n mit za¯qa¯n / Bart zusammenhängt); nachweisbar ist dies vor allem durch inschriftliche Belege ab dem 2. Jh. 2. Nach den Erzählungen des Richterbuchs sind die Stadtältesten neben den Männern der 3 Stadt die entscheidende Führungsgruppe in den Städten dieser Periode (Ri 8, 14.16; 11, 5 u. ö.). In der israelitischen Königszeit sind die Ältesten ein zentraler Teil der staatstragenden Oberschicht (Jes 3, 2). Vor allem ist ihnen neben Berufsrichtern eine wichtige Funktion im – staatlichen! – Gerichtswesen zugewachsen (bes. 1 Kön 21, 8). Die prophetische Kritik sieht sie an der Ausbeutung der Ärmeren beteiligt (Jes 3,14). Aber auch im Reformprojekt des deuteronomischen Verfassungsentwurfs spielen die Ältesten die entscheidende Rolle im Recht (Dtn 19,12; 21, 2 ff.19 f.; 22,15 ff.; 25, 7 ff.). Im Exil sind Älteste die wichtigsten Repräsentanten der exilierten Gruppen (Ez 8, 1; 14, 1; 20, 1.3; Jer 29, 1). Auch bei entscheidenden Vorgängen der nachexilischen Neuformation sind Älteste beteiligt, so nach dem aramäischen Bericht am Tempelbau (Esr 5, 5.9; 6,7 f.14) oder beim Wirken Esras (Esr 10, 8.14). Spätestens ab der hellenistischen Periode wird die Selbstverwaltung Judas außer durch die Priesterschaft durch die Gerousia, einen Ältestenrat, wahrgenommen. Daraus wird dann das Synhedrion, in dem Priester und Laien = Älteste gemeinsam vertreten sind. Die Erzählung über die Übertragung des Geistes des Mose auf 70 Älteste in Num 11 wird im Judentum als die Gründungsurkunde dieses Synhedrions verstanden. 3. Im Neuen Testament sind Älteste (Presbyter) zum einen als Teil der jüdischen Führung häufig erwähnt (Synoptiker, Apg), zum anderen als innergemeindliche Funktionäre (Apg, nachpln.

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Amt / Diakonie

Briefe). Die Funktion der Ältesten, die Teil eines Kollegiums sind (Sg. nur in 1 Tim 5, 19), ist wohl alttestamentlich-jüdisches Erbe: Sowohl in Jerusalem als auch in der Diaspora sind sie belegt als Teil der Gemeindeorganisation, die damit alttestamentliche Traditionen weiterführt. Die aus dem 1. Jh. n. Chr. stammende Jerusalemer Theodotosinschrift (CIJ II No. 1404) erwähnt ausdrücklich Älteste, die bei der Gründung der Synagoge mitwirkten (vgl. auch Arist 310). Aber auch der Einfluss paganer Ältestengruppen der antiken Polis (»Gerusien«), die bei religiösen Verpflichtungen mitwirkten, ist zu bedenken. Nach lukanischer Sicht findet sich ein Kollegium von Ältesten zunächst in Jerusalem (Apg 11, 30; 15, 2 ff.; 16, 4; 21, 18) und erst danach auch in den paulinischen Gemeinden (14, 23; 20, 17). Tatsächlich kennt Paulus diese Funktion nicht, sie findet sich v. a. in den Pastoralbriefen. Älteste sind dort gemeindeleitende Organe (vgl. auch 1 Petr 5, 1), die eingesetzt werden (Tit 1, 5; vgl. Apg 14, 23), aber auch selbst die Hände auflegen (1 Tim 4, 14). Ihnen gelten besondere Bestimmungen zum Schutz (1 Tim 5,19) oder zur Belohnung (1 Tim 5, 17). Das Verhältnis zu Bischöfen ist nicht eindeutig zu bestimmen und wird gemeindespezifisch unterschiedlich gewesen sein. Frauen waren mit einiger Sicherheit ebenfalls Älteste (noch bis ins 6. Jh.; Eisen 112-137). Laut Jak 5, 14 übernehmen Älteste Krankengebet und -salbung. Die deutsche Bezeichnung »Priester« stammt etymologisch von »Presbyter«. 4. Auch in der Beziehung zu Gott können Älteste das Gottesvolk repräsentieren. So stehen nach Ex 24, 9-11 mit Mose, Aaron, Nadab und Abihu auch 70 Älteste vor Gott und nehmen stellvertretend für das Volk an Gottesschau und Mahlzeit teil. Wenn aber dann in Jes 24, 23 (vgl. Ps 105, 22) von »Gottes Ältesten« die Rede ist, spricht genau wie bei den 24 Ältesten im himmlischen Hofstaat Gottes nach der Offenbarung (4, 4.10; 5, 5-14; 7, 11.13; 11,16; 14, 3; 19, 4) viel dafür, dass es sich nicht um (erhöhte) Menschen, sondern um himmlische Wesen handelt (Willis). Doch da Älteste immer eine repräsentativ-stellvertretende

Funktion haben, fragt sich: Wen repräsentieren sie und warum? Eisen, Ute E., Amtsträgerinnen im frühen Christentum, FKDG 61, Göttingen 1996. Gertz, Jan Christian, Die Gerichtsorganisation Israels im deuteronomischen Gesetz, FRLANT 165, Göttingen 1994. Karrer, Martin, Das urchristliche Ältestenamt, NT 32 (1990), 152-188. Merkle, Benjamin L., The Elder and Overseer, Studies in Biblical Literature 57, New York u. a. 2003. Wagner, Volker, Beobachtungen am Amt der Ältesten im alttestamentlichen Israel, ZAW 114 (2002), 391-411.560576. Willis, T. M., Yahweh’s Elders (Isa 24, 23): Senior Officials of the Divine Court, ZAW 103 (1991), 375-385.

Frank Crüsemann / Markus Öhler

Amt / Diakonie Die Bezeichnung von Personen als diakonos (mask. u. fem; später fem. auch diakonissa) ist in der profan-griechischen Literatur nicht sehr häufig, ebensowenig das Nomen diakonia und das Verbum diakonein. Die damit verbundenen Tätigkeiten sowie ihre soziale Wertung sind ausgesprochen unterschiedlich ausgeprägt. Während in älterer Literatur die Übersetzung mit »Diener / Dienerin« mit Betonung auf der Niedrigkeit bevorzugt wurde (Beyer 81-93), ist zuletzt wiederholt auf Belege hingewiesen worden, die eine neutrale Wiedergabe im Sinn von »Beauftragung« nahe legen (Hentschel [mit Lit.]). Die soziale Konstruktion, die hinter der Verwendung von diakonos und den verwandten Ausdrücken steht, ist die eines Beauftragten, der gegenüber seinem Auftraggeber untergeordnet bzw. gehorsamspflichtig ist. Die konkrete Tätigkeit ist häufig der Tischdienst (Ar. Ach. 1015-1017; Dion Chrys. 7, 65-67; Philo cont. 50), was sich ja auch im Neuen Testament findet (vgl. Lk 10, 40; 12, 37; 17, 8; 22, 27 u. ö.). Dieser und andere niedrige Tätigkeiten werden vor allem von Sklaven, Sklavinnen und freien Frauen ausgeführt, so dass

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Amt / Diakonie

die jesuanische Umkehrung – der Herr, der Erste oder Größte soll als diakonos wirken (Mk 10, 4345 par; Lk 12, 37) – herkömmliche Statusverteilung in Frage stellt. Dies hat auch Folgen für die Gestaltung des Gemeindelebens: Diakonia wird als Tätigkeit höher gewertet, so dass auch Männer den Zugang dazu suchen. Die Bedeutung von diakonia lässt sich aber auch nicht auf niedrige Dienste eingrenzen. So finden sich auch Belege für Hofbeamte (Est 1, 10; 2, 2; 6, 3.5), Verwalter (Flav. Jos. Ant. 18, 193 f.) oder Boten und Botinnen (Epict. diss. 3, 22, 69; Philo post. 165; Flav. Jos. Ant. 1, 298). Auch die Verteilung von Almosen kann als Diakonie verstanden werden (TestHiob 11,1-2; Philo Jos. 241). Wie zumeist, so ist auch hier nach dem jeweiligen Kontext zu fragen, in dem der Begriff diakonos verwendet wird, was auch für das Neue Testament gilt. Die neutestamentlichen Belege, in denen Paulus seine apostolische Wirksamkeit als diakonia bzw. sich selbst als diakonos bezeichnet (1 Kor 3, 5; 2 Kor 3, 3-9; 4, 1; 5,18; 6, 3 f.; 11, 8.23; Röm 11, 13; vgl. Kol 1, 23.25; Eph 3, 7; 1 Tim 1, 12) sind Hinweise darauf, dass es nicht um die Niedrigkeit geht, wenn Paulus diese Vokabel verwendet, sondern um die Erfüllung des Auftrages, dem er sich verpflichtet fühlt. Die Kollekte wird als diakonia bezeichnet, die Paulus in den heidenchristlichen Gemeinden für Jerusalem einsammelt (2 Kor 8, 4.19 f.; 9,1.12 f.; Röm 15, 25.31). Hilfeleistung, die Paulus von einzelnen Personen geleistet wird, gilt ebenfalls als Dienst: Die Bitte des Apostels an Philemon, ihm den Onesimus zu überlassen, verweist darauf, dass Paulus durchaus die Hilfe eines Untergebenen in Anspruch nehmen wollte (Phlm 13 – im Gefängnis). In der Apostelgeschichte wird der persönliche Dienst für Paulus ebenfalls genannt (19, 22; vgl. 13, 5), ebenso in 2 Tim 4,11. Diakonia durch einen diakonos kann eine Leistung für eine Gemeinde bezeichnen: Stephanas widmete sich laut 1 Kor 16, 15 dem Dienst für die ekklesia von Korinth, wohl indem er sein Haus für Versammlungen zur Verfügung stellte. Aus Röm

16, 1 f. ist Phöbe bekannt, die eine Dienerin der Gemeinde in Kenchreä, dem Hafen Korinths, war. Ihre Funktion wird konkret als die einer Patronin (prostatis) bezeichnet, die Paulus und andere unterstützte (wie Stephanas), so dass diakonos hier wohl nicht als Amtsbezeichnung zu verstehen ist. Die Bezeichnung diakonos für Einzelpersonen findet sich auch im paulinischen (?) Kolosserbrief, wo Epaphras als Diener Christi für die Gemeinde bezeichnet wird (1,7; vgl. 1 Tim 4, 6), Tychikus als »treuer Diener« (4, 7; vgl. Eph 6, 21) sowie Archippus als vom Herrn für den Dienst beauftragt (4, 17). Auch hier handelt es sich kaum um ein definiertes Amt (vgl. auch 2 Tim 1, 18). Tatsächlich um Ämter handelt es sich im Präskript des Philipperbriefs: »Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Dienern (episkopoi kai diakonoi).« Die Bezeichnung schließt Männer und Frauen in diesen Funktionen ein, doch erfahren wir leider nichts über ihre konkrete Tätigkeit. Paulus erwähnt nämlich nur für Philippi diakonoi, die offenbar dort ein Amt innehatten. Ihr Verhältnis zu den Aufsehern scheint das einer Nachordnung gewesen zu sein. Tatsächlich sind diakonoi (wie episkopoi) aus hellenistischen Kulten und Vereinen bekannt (Klauser 905 f.). Sie waren dort häufig für Mähler verantwortlich, was vielleicht auch für Philippi gelten könnte. Eine Zuordnung auf niedrige Dienste ist mit der Bezeichnung als diakonos allerdings nicht gegeben. Möglich ist auch, dass Paulus in den Diakonen jene sah, die den Dienst der Verkündigung im lokalen Zusammenhang erfüllten, da er sich selbst ja auch als diakonos bezeichnete (Hentschel 175-178). Gegen Ende des 1. Jh. verfestigten sich die Sozialstrukturen der Gemeinden, so dass auch die Ämter genauer definiert wurden. Im Blick auf diakonoi ist hier v. a. 1 Tim 3, 8-13 zu nennen, wo das Anforderungsprofil für Diakone festgehalten wird. Der Vergleich zu den unmittelbar zuvor geforderten Eigenschaften der episkopoi zeigt, dass für die (auch hier wie Phil 1, 1 nachgeordneten) Diakone kaum anderes gefordert wird. Neben einer grundsätzlichen Anständigkeit ist aber auf-

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Amt / Diakonie

fällig, dass ihr Glaube angesprochen wird, der Hinweis auf Lehrtätigkeit hingegen fehlt. Man wird daraus allerdings keine Einschränkung auf karitative Tätigkeit lesen können, zumal Timotheus selbst ja auch ein diakonos ist (1 Tim 4, 6). Der Diakonat schließt auch in den Pastoralbriefen die Verkündigung mit ein. Die Nennung von Frauen in 3,11 zeigt zudem, dass es trotz der grundsätzlichen Skepsis des Verfassers (2,11 f.) auch weibliche Diakone gab. Der Abschluss (3,13) verweist darauf, dass bei einer korrekten Erfüllung des Amtes höheres Ansehen in der Gemeinde winkt. Eine besondere Rolle in der Frage nach der Entstehung des Diakonenamtes spielt Apg 6, 1-6. Lukas berichtet dort, dass es zu Problemen beim »täglichen Dienst«, d. h. der Versorgung bedürftiger Gemeindeglieder mit Lebensmitteln, gekommen war: Witwen des hellenistischen Teils der Gemeinde waren übersehen worden. Daher wurden sieben Männer (unter ihnen Stephanus und Philippus) ausgewählt, um von den Aposteln den Tischdienst zu übernehmen. In der altkirchlichen Tradition wurde darin das Diakonenamt begründet gesehen (Klauser 890), doch nennt Lukas weder das Amt selbst – diakonos kommt bei ihm nicht vor – noch agieren die Männer als Tischdiener: Sie verkündigen vielmehr wie die Apostel das Evangelium. Deutlich wird daraus zumindest, dass Lukas die Beauftragung zum Tischdienst wichtig fand und sie mit entsprechenden Termini bezeichnete. Dass er aber das Amt des Diakons (wie das des Aufsehers) aus seiner Gemeinde nicht kannte, ist wahrscheinlich (vgl. im Gegensatz die Einsetzung von Ältesten Apg 14, 23). Auch Lk 8, 1-3, der Dienst der Jesus nachfolgenden Frauen, kann nicht als Hinweis auf ein Diakonat gedeutet werden. Die spätere Entwicklung des Amtes des Diakons, die sich im Anschluss an die Pastoralbriefe vollzog, versuchte die verschiedenen Ämter genauer zu ordnen. In der Didache (um 90) wird die Wahl von Episkopen und Diakonen erwähnt (15,1 f.), die wie wandernde Propheten und Prophetinnen bzw. Lehrer und Lehrerinnen ihren Dienst in der Gemeinde erfüllen und dafür ge-

ehrt werden sollen. Auch der 1. Clemensbrief (96/97) nennt Episkopen und Diakone, die von den Aposteln eingesetzt wurden (42, 4). Über die Funktion der Diakone oder eine Beschränkung auf ein Geschlecht sagt er nichts. In den Ignatiusbriefen (um 110) finden sich die Diakone als drittes Glied eingereiht nach dem einen Bischof und den Presbytern. Während der Bischof an der Stelle Gottes stünde und die Presbyter die Apostel repräsentierten, wären die Diakone »mit dem Dienst Jesu Christi betraut« (IgnMagn 6, 1; vgl. IgnTrall 3, 1; IgnPol 5, 2). Hier wird aber nun ausdrücklich der Tischdienst den Diakonen zugeordnet (IgnTrall 2, 3), wenngleich er sich darin nicht erschöpft: Der Dienst an der Gemeinde Gottes ist die eigentliche Aufgabe (vgl. auch Ign Pol 5, 3). Dazu gehört u. a. die Tätigkeit als Bote (IgnPhld 10,1; IgnSmyr 10, 1), aber auch am Wort Gottes (IgnPhld 10, 2; 11,1). Im Hirten des Hermas (um 130) schließlich sind Diakone ausdrücklich für die Armenkasse verantwortlich (Herm sim 9, 26, 2), bei Justin wird die Verteilung von Gaben im Rahmen der Eucharistie genannt (Iust. apol. I 67, 5). Im Bericht über Christen des Statthalters Plinius d. J. (ca. 112) werden zwei Sklavinnen erwähnt, »die Dienerinnen genannt werden« (quae ministrae dicebantur; Plin. epist. 10, 96, 8). Auch für diese Zeit ist also mit Frauen in diesem Amt zu rechnen, allerdings ist dies später auf Witwen bzw. Jungfrauen beschränkt worden (Kalsbach 917-919). Hier werden in Bezug auf die Pastoralbriefe die Aufgaben der Diakonissen (1 Tim 3, 813) mit denen der Witwen (1 Tim 5, 8-10) verknüpft. Aubert, Marie-Josèphe, Des femmes diacres. Un nouveau chemin pour l’Église, Le point théologique 47, Paris 1987. Beyer, Hermann Wolfgang, Art. diakoneo ktl., ThWNT II, 81-93. Eisen, Ute E., Amtsträgerinnen im frühen Christentum, FKDG 61, Göttingen 1996. Hentschel, Anni, Diakonia im Neuen Testament. Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen, WUNT 2. Reihe 226, Tübingen 2007. Kalsbach, Adolf, Art. Diakonisse, RAC III, 917-928. Klauser, Theodor, Art. Diakon, RAC III, 888-909. Martimort, Aimé Georges, Les diaconesses. Essai historique, Rom 1982 (engl. 2 1986).

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Apokalyptik / Eschatologie

Schottroff, Luise, Dienerinnen der Heiligen. Der Diakonat der Frauen im Neuen Testament, in: Gerhard K. Schäfer / Theodor Storm (Hg.), Diakonie – biblische Grundlagen und Orientierungen. Ein Arbeitsbuch zur theologischen Verständigung über den diakonischen Auftrag, VDWI 2, Heidelberg 1990, 222-242. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, »Der Dienst an den Tischen«. Eine kritische feministisch-theologische Überlegung zum Thema Diakonie, Conc (D) 24 (1988), 306-313.

Markus Öhler

Apokalyptik / Eschatologie Das Wort Eschatologie begegnet im 17. Jh. zuerst bei Ph. H. Friedlieb (1644) und A. Calov (1677) und wurde im 19. Jh. durch Schleiermacher üblich. Die Bezeichnung Apokalyptik findet sich im 19. Jh. zuerst bei F. Lücke (1832), um Schriften nach Art der Offenbarung des Johannes, deren erstes Wort Apokalypsis ist, zu benennen. Während Eschatologie (gr. Lehre von den letzten Dingen) ein dogmatisch theologischer Begriff ist, der Themenbereiche wie Zeit und Welt, Gericht Gottes, Auferstehung der Toten und ewiges Leben umfasst, bezeichnet Apokalyptik (gr. Enthüllung / Offenbarung) in der jüdischen und christlichen Theologie überwiegend eine literarische Gattung (Ebach 260). Möglich ist es, Apokalyptik wie folgt zu präzisieren (Wolter 181 im Anschluss an Adela Yarbro Collins): »… Apokalyptik – nennen wir eine Redeform, die wir in solchen Texten vorfinden, deren Autoren die Leser zu Beginn darüber informieren (und zwar in der 1. Person Singular), dass er ihnen etwas mitteilt, was menschlicher Erkenntnisfähigkeit bisher prinzipiell verschlossen war, weil es nur im Wege einer kognitiven Grenzüberschreitung zugänglich ist. Der vorliegende Text erhebt dabei den Anspruch, diesen Inhalt erstmals in den Bereich der menschlichen Erkenntnis zu überführen und ihn damit bekannt zu machen.« Ebach (260) gibt dem Gebrauch der Begriffe Vorrang und nimmt dabei Unschärfen in Kauf. In einem soziologischen Verständnis von Apokalyptik wird versucht, jedes apokalyptische

Phänomen auf seinen Hintergrund zu befragen (Sitz im Leben) und Apokalyptik als Krisenphänomen sowohl als Ausdruck und möglichen Lösungsansatz soziologisch relevanter Identitätskrisen aufzufassen. Eschatologie und Apokalyptik kommen in vielen Religionen, wie z. B. der griechisch-römischen, mesopotamischen, hetitischen, ägyptischen, persischen, islamischen sowie der Maja-Religion vor (Hellholm 560). Nach der eng gefassten Definition von Apokalyptik von Wolter haben im Neuen Testament die meisten Texte einen eschatologischen Inhalt, nur sehr wenige können allerdings als apokalyptisch gelten (Röm 11, 25-26a, 1 Kor 15,15-28 und 1 Thess 4,13-18 sowie die Johannesapokalypse). Dies steht im Gegensatz zu der seit Käsemann von den meisten neutestamentlichen ForscherInnen angenommenen Auffassung, dass die meisten neutestamentlichen Texte von Apokalyptik durchdrungen sind. Eschatologisches Gedankengut und apokalyptische Vorstellungen waren in der Theologiegeschichte häufig in Krisen oder Aufbruchssituationen von besonderer Bedeutung, wurden aber immer wieder an den Rand gedrängt. Angesichts der grundlegenden Krise, in die der erste Weltkrieg mit dem tradierten Orientierungssystem auch die Theologie führte, entwickelte die dialektische Theologie eine Eschatologie als gegenwärtige Krisis des Ewigen über das Zeitliche. Die existenzdialektische Theologie Bultmanns konnte ebenfalls wenig mit den apokalyptischen Traditionen der Bibel anfangen. Eschatologie und Apokalyptik wurden als Gegensätze aufgefasst. Seit den 60er Jahren führte die veränderte Situation in den Industrieländern und die drängender werdenden Fragen nach Entwicklung und Revolution, einer gerechten Weltordnung für Frauen und Männer unterschiedlicher Ethnien und Klassen, Globalisierung und Bedrohung der Umwelt dazu, dass die Frage nach der Zukunft und damit auch apokalyptische und eschatologische Gedanken wieder in der Theologie interessant wurden. Der Pannenbergkreis knüpfte unter dem Stichwort »Offenbarung als Geschichte« an die idea-

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Apokalyptik / Eschatologie

listische Geschichtsphilosophie an. Moltmann nimmt in der »Theologie der Hoffnung« die Enderwartungen des linken Flügels der Reformation und die apokalyptischen Vorstellungen aus der Philosophie Ernst Blochs auf. Bei Metz, in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie (Gutierrez, Gebara), in jüdischen Auffassungen und Feministischen Theologien werden eschatologische und apokalyptische Gedanken positiv aufgegriffen, um Visionen und Utopien umfassender Befreiung zu entwickeln, die zum Einsatz für eine gerechtere Welt motivieren. Eschatologie findet sich in der Bibel insofern, als »eschaton«, »eschata« in der Septuaginta und im Neuen Testament erwähnt werden. Dabei kommt es in Jes 2, 4 und Mi 4,1 bei der Wiedergabe des hebräischen 3aharı¯t hajja¯mı¯m (den hin˙ teren Tagen) durch griechisch en tais eschatais hemerais (den letzten Tagen) zu einer Umdeutung mit Folgen: Aus (näherer oder fernerer) Zukunft wird durch den Superlativ Endzeit. Für das Erste Testament hat trotz aller Schwierigkeiten in Datierungsfragen die Aufgliederung des eschatologischen Redens in vier Perioden Anklang gefunden: eine präeschatologische (vor der klassischen Prophetie), protoeschatologische (Jesaja und seine Zeitgenossen), aktualisierend-eschatologische (Deuterojesaja und seine Zeitgenossen) und eine transzendentalisierend-eschatologische (dualistische) apokalyptische Periode (Vriezen / Haag 867). Für die Entstehung ist im Unterschied zu einer rein kultischen (Mowinckel) oder einer rein mythischen Ableitung (Gunkel) die Erklärung Müllers (1546) in modifizierter Form einleuchtend. Im Augenblick der erwarteten Erfüllung, wie sie z. B. beim Singen des Deboraliedes Ri 5 aufscheint, wächst die Überzeugung, dass diese eine Gottheit die allein wahre ist und alle anderen Götter verdrängt. Gottes immanente Ankunft geschieht als Rettung aus dem Krieg mit einer überlegenen Großmacht. Besungen werden von einer Frau (vgl. 1 Sam 2; Lk 2) die gerechten Taten Gottes, die Geschlechtergerechtigkeit einschließen (Jost). Die Hoffnung auf Rettung findet sich in allen wichtigen Traditionsbeständen des Ersten Testaments. Die zuneh-

mende Verschlechterung der sozialen und politischen Situation der Bevölkerung, verbunden mit einer geringer werdenden Hoffnung auf Veränderung aufgrund von Enttäuschungen im neoassyrischen und neobabylonischen Reich, spitzen sich in der Perserzeit, in der die großen Heilserwartungen nicht erfüllt werden, zu und enden in farbenreichen Endzeitbildern (Sach 9-11.12-14). Als apokalyptische Texte im Ersten Testament gelten Jes 24-27; Dan 2, 7-12, als frühjüdische apokalyptische Haupttexte werden 1 Hen 1-36, Dan, 4 Esra, 2 Bar und Texte aus Qumran angesehen. Obwohl sich Grad der Unterdrückung und historischer Hintergrund unterscheiden, reflektieren Eschatologie und Apokalypse Situationen der Krise und Hoffnung auf Rettung derer, die von den Machtstrukturen dieser Welt entmachtet sind und darunter leiden. Eschatologische und apokalyptische Vorstellungen können zu Weltveränderung, aber auch zu Weltflucht anleiten. Ihnen geht es um Gerechtigkeit, wenn auch die Visionen von Gerechtigkeit unterschiedlich sind. Ziel ist es, die transzendente Gottesgerechtigkeit in der Immanenz zu verankern und damit zu einem gerechten Handeln in der Praxis aufzufordern. Bloch, Ernst, Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt 1974. Collins, A. Yarbro, Cosmology and Eschatology in Jewish and Christian Apocalypticism, Leiden 1996. Ebach, Jürgen, Art. Eschatologie / Apokalyptik, Neues Handbuch Theologischer Grundbegriffe, München 2005, 260-272. Gebara, Ivone, Longing for Running Water. Ecofeminism and Liberation, Minneapolis 2001. Gutierrez, Gustavo, Theologie der Befreiung, München 1973. Haag, Ernst, Art. Eschatologie, Biblisch, Altes Testament, LThK III, 1995, 866-868. Hellholm, David (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983. Jost, Renate, Gender, Sexualität und Macht in der Anthropologie des Richterbuches, BWANT 164, Stuttgart 2006. Metz, Johann B., Jenseits bürgerlicher Religion. Reden über die Zukunft des Christentums, München 3 1981. Moltmann, Jürgen, Theologie der Hoffnung: Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, München 1965. Müller, Hans-Peter, Art. Eschatologie II, Altes Testament, RGG4 II, 1999, 1545-1553.

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Pannenberg, Wolfhart, Theologie und Reich Gottes, Gütersloh 1979. Vriezen, Th. C., Prophetie und Eschatologie (1953), in: Hans-Dieter Preuß (Hg.), Eschatologie im Alten Testament, WdF CDLXXX, Darmstadt 1978, 88-128. Wolter, Michael, Apokalyptik als Redeform im Neuen Testament, NT.S 51 (2005), 171-191.

Renate Jost

Apostolat 3 Botenwesen / Apostolat

Arbeit / Lohnarbeit Arbeiten und Arbeit ist konstitutiv für Anthropologie und Theologie der Bibel. Bereits in den Schöpfungserzählungen ist von der Arbeit Gottes und des Menschen die Rede. Die Erde ist abhängig von der Arbeit des Menschen: Solange kein Mensch existiert, um den Ackerboden zu bearbeiten (la2abo¯d 3æt-ha¯3ada¯ma¯h Gen 2,5), kann die Erde nichts produzieren. Ackerbau gehört damit zu den grundlegenden Arbeiten des Menschen nach dem Verständnis des Alten Testaments. Aufgabe des geschaffenen Menschen ist, den Ackerboden zu »bearbeiten« und zu »behüten« (Gen 2,15; 3,23); landwirtschaftliche Arbeit ist Schöpfungsauftrag. In den Schöpfungserzählungen wird zugleich die Ambivalenz von Arbeit reflektiert: sie ist nicht nur Arbeit am Ackerboden, damit dieser Ertrag bringen kann, sie ist auch lebenslange schweißtreibende Mühsal (Gen 3,1718). Hier spiegelt sich die Erfahrung mediterraner Agrikultur wider, die im Altertum vorrangig die menschliche Arbeit ausmachte und somit auch bestimmend ist für das Selbstverständnis der Menschen der Bibel. Daneben treten die Bereiche der Haus- und Viehwirtschaft, des Handwerks und des Handels. Weitere Arbeitsbereiche waren Dienstleistung, Rechts- und Bankwesen, Verwaltung, Militär und Polizei sowie der kultisch-religiöse Bereich. 1. Begriffsbestimmungen a) Die nominale Form des Begriffs 2¯obe¯d 3ada¯ma¯h (Gen 4,2) bezeichnet den Landarbeiter im Unter-

schied zum Kleinviehhirten. Da die Landarbeit körperlich schwer war, wurde der Begriff 2¯abad auch für Sklavenarbeit verwendet (Ex 1,14; 6,9) und das Nomen 2æbæd bezeichnet den Sklaven. Der Begriff 2abo¯da¯h dagegen ist allgemeiner, er bezeichnet Feldarbeit, die Arbeit mit Ton und Ziegeln und die mit Gewalt erzwungene Arbeit, den Frondienst (Ex 1,14), Tragedienste (Num 4,47), die Lohnarbeit (Gen 29,27; 30,26), den Soldatendienst bei der Belagerung einer Stadt (Ez 29,18), die Arbeit eines Tagelöhners (Lev 25,40) und den Sklavendienst (Lev 25,39). Schließlich werden alle Arten kultischer Tätigkeiten als 2abo¯da¯h bezeichnet (Num 4,33.35.39.43; 8,24; 18,4) oder als Arbeit im »Haus Gottes« (Neh 10,33; 1 Chr 23,28.32; 25,6). 2abo¯da¯h kann allgemein jede tägliche Verrichtung eines Menschen bezeichnen (Ps 104,23); hier steht er parallel zum Verb po¯2al. Liegt der Akzent beim Begriff 2abo¯da¯h aber eher auf schwerer körperlicher Arbeit, so bezeichnen die Begriffe po¯2al und 2¯a´s¯ah generell menschliche Arbeit (z. B. die Arbeit in einem Handwerk Jes 44,17). Priesterliche Texte verwenden den Begriff Arbeit vor allem in kultischen Kontexten; mit ihm wird jede Art niederer und höherer Dienste im Rahmen der Opferzurichtung und -darbringung, aber auch allgemeine Dienste im und am Tempel bezeichnet. Der Begriff »Arbeit für Gott« wird zu einem Gegenbegriff zur Arbeit für die Herrschenden (Ex 9,1). Die Arbeit für den Pharao ist lebensmindernd und extrem schwer, die Arbeit für Gott ist lebensfördernd und hat Festcharakter. Alle, die an der Errichtung des Heiligtums mitarbeiten, arbeiten freiwillig; jeder arbeitet gemäß seinen Begabungen und Fähigkeiten, wobei ausdrücklich auch die Arbeit von Frauen einbezogen und gewürdigt wird (vgl. Ex 35,26; 36,4). Der deuteronomische Begriff »Gott dienen« (2abo¯d 2æt jhwh) wird zu einem theologischen Begriff, der in umfassender Weise alle Arten von Tätigkeiten beschreibt, die gemäß der Tora dem Willen Gottes entsprechen (Dtn 6,13; 10,8). b) Im Neuen Testament begegnen die Lexeme kopos, kopian, mochthos und ponos, die im Griechischen die schwere, mühevolle Arbeit bezeichnen. In der Septuaginta steht kopian für ja¯ga2 und

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bezeichnet das Sichabmühen, z. B. in der Feldarbeit (Jos 24,13), in der Arbeit um Reichtum (Hi 20,18; Sir 31,3) oder die mühevolle Arbeit des Gottesknechts (Jes 49,4). Das Substantiv kopos ist in der Septuaginta meist Wiedergabe von 2¯ama¯l (Mühsal) und steht so neben ponos (Jer 20,18; Hab 1,3). Paulus gebraucht kopos und mochthos sowohl für seine handwerkliche Arbeit als auch für seine Verkündigungstätigkeit (1 Thess 2,9; 2 Kor 6,5; 11,23.27; 2 Thess 3,8). Kopos / kopian ist in den paulinischen Briefen terminus technicus für die Verkündigungstätigkeit von Männern und Frauen (Röm 16,6.12; 1 Kor 3,8; 15,10; 16,16; 2 Kor 10,14 f.; Gal 4,11; 1 Thess 3,5 u. ö.), der Gemeinde schlechthin (1 Kor 15,58; 1 Thess 1,3), so auch in Joh 4,38. In Kol 4,13 wird diese als ponos bezeichnet und damit ebenfalls als mühevolle Arbeit charakterisiert. Auch die Lexeme ergazesthai und ergates bedeuten sowohl das Arbeiten zum Erwerb des Lebensunterhalts als auch die Verkündigungstätigkeit. Paulus betont mit diesem Verb seine Arbeit mit den Händen (1 Kor 4,12; 1 Thess 4,11 als Ermahnung für die Gemeinde, dies ebenfalls zu tun) und somit das Arbeiten, welches den Lebensunterhalt sichert (1 Kor 9,6; 1 Thess 2,9; 2 Thess 3,8). Das Substantiv ergates bezeichnet im Profangriechischen die für Lohn Arbeitenden, in der Landarbeit (Philo agr. 5; Mt 9,37 f. par Lk 10,2) oder im Weinberg (Mt 20,1 f.8), aber auch in der Sklaverei (Flav. Jos. Ant. XII,194). Übertragen wird ergates auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der »Ernte Gottes« (Mt 9,37 f. par Lk 10,2; Mt 10,10 par Lk 10,7) sowie für Apostelinnen und Lehrende (2 Kor 11,13; Phil 3,2), d. h. für die Verkündigungsarbeit verwendet. Schon in der Jesusbewegung gilt das Unterhaltsrecht für die Reich-Gottes-Verkündigung (Mt 10,10 par Lk 10,7). Gemäß Paulus haben die Apostel und Apostelinnen das Recht auf Unterhalt durch die Gemeinden für ihre Verkündigungsarbeit (1 Kor 9,6-14), von dem Paulus ausdrücklich keinen Gebrauch macht (1 Kor 9,15). Er betont für sich das Ineinander von Verkündigungsarbeit und Handarbeit (1 Kor 4,12 f.; 9,15). Zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. wird die Versorgungsregel ausdrücklich für Apostelinnen, Apostel,

Prophetinnen und Propheten auf maximal zwei Tage eingeschränkt (Did 11,3-6), sicher um den Missbrauch dieser Regel einzudämmen. In 1 Tim 5,17 ist im Zusammenhang mit der Arbeit in Wort und Lehre von »Preis, Wert, Ehre« (time) die Rede. Es kann nicht mehr mit Sicherheit geklärt werden, ob time hier Entlohnung meint oder nicht vielmehr gesellschaftliche Anerkennung. 2. Arbeitsethos und Arbeitsteilung Gearbeitet haben im Altertum alle, deren Lebenssituation sie dazu nötigte und die fähig dazu waren: Männer, Frauen, Kinder und Tiere. Eine Freistellung von Männern, Frauen und Kindern von der (körperlichen) Arbeit konnte sich nur die schmale Oberschicht und diejenigen leisten, die es zu Reichtum gebracht hatten. Die überwältigende Mehrheit der antiken Gesellschaft musste selbst für ihr Auskommen sorgen, ohne auf die Arbeit von Lohnarbeitenden oder Sklavinnen und Sklaven zurückgreifen zu können. Insbesondere die Arbeit von Frauen und Kindern ist in den Quellen und in der Forschung vielfach unsichtbar. In der griechischen und römischen politischen Theorie ist die Verachtung von Lohnarbeitenden und Handwerkenden anzutreffen, diese sollten sogar vom Bürgerrecht ausgeschlossen werden (Plato rep. 421d; 496d; Arist. pol. 3,5,1278a; Cic. off. 1,150 f.). Politische Theorie wollte die Frauen auf den Bereich des Hauses beschränken (Arist. pol. 3,4,1277b; Xen. oic. 7), etwa auf das Spinnen, das Weben (Xen. oic. 7,5 ff.; Suet. Aug. 64), auf die Zubereitung von Nahrung und Kindererziehung (Xen. oic. 7,10-13) oder die Überwachung der Finanzen, der Besitztümer und des Einkaufs (Xen. oic. 8,22). Die gesellschaftliche Realität und das Selbstverständnis der Mehrheit der Bevölkerung der Antike entsprachen dem nicht. Zahllose Weihreliefs, Vasenbilder, römische Grabreliefs und -inschriften dokumentieren den Stolz derer, die für Lohn arbeiteten und derer, die ein Handwerk ausübten. Die genannten Quellen belegen auch, dass Frauen im Imperium Romanum in nahezu allen Berufssparten beschäftigt waren (vgl. Bradley; Eichenauer; Kampen; Scheidel). Geschlechtsspezifische Ar-

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beitsteilung war vor allem ein Phänomen der patriarchalischen politischen Theorie der Eliten. Männer der Unterschicht arbeiteten in Berufen, in denen sie auch heute kaum vermutet werden, wie etwa als (Milch-) Ammen (Bradley). Sklavinnen und Sklaven wurden ohnehin zu allen Arbeiten herangezogen, die ihren Besitzern zugute kamen. Selbst nach einer Freilassung konnten sich diese weiterhin durch vertragliche Einigung die Arbeitsleistungen der Freigelassenen sichern (Herz). Auch Kinder der Unterschicht wurden schon frühzeitig, je nach den finanziellen Möglichkeiten ihrer Familien und deren Erwerbszweig, in die Arbeit einbezogen. Römische Grabinschriften belegen, dass die Ausbildung in Handwerksberufen im Alter von 10-12 Jahren oder auch schon früher begann. Im landwirtschaftlichen Bereich wurden Kinder, Jungen und Mädchen, selbstverständlich zu Arbeiten im Feld sowie im Wein- und Olivenbau (Hes. erg. 469-71; Var. rust. 2,10,1; Mt 21,28-32) oder als Hirten und Hirtinnen (Var. rust. 2,10,1; 3,17,6) eingesetzt. Andere Beschäftigungen von Jungen und Mädchen waren der Verkauf bzw. die Geschäftsleitung (Dig. 14,3,8), um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Das Arbeitsleben von Sklavenkindern konnte schon ab dem 6. Lebensjahr beginnen (Dig. 7,7,6,1), was auch Grabinschriften bezeugen. Im Neuen Testament dient die Arbeit der Sicherung des Lebensunterhalts (1 Thess 4,11; 1 Kor 4,12; Apg 20,33 f.; 1 Tim 6,6.8 f.) und der Armenfürsorge (Apg 20,35; Eph 4,28). Eng damit hängt die Ablehnung von Habgier (Kol 3,5 u. ö.) und Sorge zusammen (Mt 6,25-34 par; Mk 4,19 par; vgl. 1 Kor 7,29-32a). Darüber hinaus gilt Verkündigungstätigkeit als Arbeit, die der Nahrung wert ist (Mt 10,10 u. ö.). 3. Arbeitswelt in der Bibel a) Um ein Bild von Arbeitsgebieten, Arbeitsformen und Arbeitsorganisation im Alten Testament zu gewinnen, bedarf es der Hilfe der archäologischen Forschung. Dabei erlauben Bauten und Grabbeigaben Rückschlüsse auf Arbeitsprozesse und Arbeitsspezialisierung. Im Land Israel finden sich in der kanaanäischen Spätbronzezeit nicht

nur Wohnhäuser und Handwerksstätten, in denen Töpferarbeiten verrichtet wurden, sondern auch Paläste, Verwaltungsgebäude sowie Festungs- und Langhaustempel. Die urbane Kultur setzte voraus, dass Arbeiten in Steinbrüchen, in der Steinbearbeitung, im Steintransport, in Lehmziegelmanufakturen, beim Fällen von Bäumen, in der Holzverarbeitung, in der Bronzeherstellung, um nur einiges zu nennen, organisiert und durchgeführt werden mussten. Waffenherstellung, Bronzeguss, Elfenbeinschnitzereien und Keramikproduktion sind in der Spätbronzezeit im Gebiet des späteren Israel nachweisbar. In der Eisen-I-Zeit (ca. 1250-1000 v. Chr.) ist die archäologisch erkennbare Dorfkultur bestimmt durch einen Haustyp mit aus Steinen aufgeschichteten Pfeilern, die ein hohes Maß an Arbeitsleistung bei der Steinbearbeitung, dem Transport und der Errichtung erforderten. Außerdem finden sich in dieser Epoche besonders ausgeprägte Vorratskrüge, in denen Getreide, Öl und Wein lagerte. Zu den dafür notwendigen Arbeiten gehören die Stein- und Holzbearbeitung, die Feldarbeit zum Anbau von Getreide, das Dreschen, das Pressen bzw. Mahlen von Öl und das Anlegen von Weinbergen, das Beschneiden der Reben, das Ernten und Keltern von Trauben und die Töpferarbeiten zur Herstellung der Vorratskrüge. In der Eisen-II-Zeit (ca. 1000-850 v. Chr.) beginnt eine intensive Bautätigkeit, die eine hoch differenzierte Arbeitsteilung voraussetzt. Offensichtlich haben die Israeliten die für die umfangreichen Baumaßnahmen notwendige Berufsdifferenzierung bereits in den kanaanäischen Stadtstaatengesellschaften vorgefunden. Der gesamte Baubericht über den Tempelausbau in 1 Kön 7 zeigt angesichts der Vielfalt von innenarchitektonischer Ornamentik und kunsthandwerklicher Gestaltung der Kultgeräte ein hohes Maß von Spezialisierung künstlerisch begabten Handwerks. Das Alte Testament liefert im Übrigen nur indirekt Informationen über Arbeitsorganisationsformen. Einen hohen Grad der Arbeitsteilung und -differenzierung belegen vor allem die viel-

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fältigen Begriffe, mit denen Handwerker (3 Handwerk) bezeichnet werden. Für einige Berufe scheint es eine Art von Zünften gegeben zu haben; zumindest tragen Gassen in Jerusalem Zunftnamen. In dem königtumskritischen Text 1 Sam 8 werden Arbeiten aufgezählt, die einst freie Bauern für einen König zu erbringen hatten: Die jungen Männer werden zum Heeresdienst bzw. als Leibwächter eingezogen, sie müssen die königlichen Ländereien unter Aufsicht pflügen und die Ernte einbringen; sie müssen die Waffen für das Heer und die Ausrüstung für die Pferde herstellen. Die jungen Frauen werden für die Herstellung von Salben, vor allem aber für Küchendienste wie Kochen und Backen verpflichtet. Über eine Entlohnung wird jedoch nichts gesagt. Es steht zu vermuten, dass der 3 Lohn eines Sklaven und einer Sklavin in der täglichen Mahlzeit bestand (Ex 21,2). Ein Tagelöhner (s´¯akı¯r) wurde für jeden Arbeitstag entlohnt (Dtn 24,15), mutmaßlich in der Höhe des Überlebensnotwendigen. Lohnarbeiter (Gen 29,27) verpflichteten sich offenbar für eine längere Zeit und einen vorher abgesprochenen Lohn. Da Frondienste wie Sklavendienste verstanden wurden, wird die Entlohnung entsprechend zu denken sein. Archäologische Untersuchungen von eisenzeitlichen Städten wie Hazor, Geser, Megiddo u. a. zeigen eine weiterentwickelte Form der Steinbearbeitung, so dass mit einer intensiven Ausbildung von Steinmetzen gerechnet werden muss. Die Innenausstattung des Tempels ebenso wie das in 1 Kön 7 erwähnte Libanonwaldhaus setzen hoch entwickelte Fähigkeiten in der Bronze- und Holzbearbeitung, aber auch in der Textilherstellung voraus. Hiskijas Tunnel von der Gihon-Quelle bis zum Teich von Siloah (2 Kön 20,20) zeigt, dass die Kenntnisse im Tunnelbau, die schon in den spätbronzezeitlichen Tunnelsystemen von Hazor und Megiddo entwickelt worden waren, weiter tradiert worden sind. Tunnelbau setzt ein hohes Maß an logistischer Arbeitsorganisation voraus. Für die frühhellenistische Zeit ist Hi 28 eine wichtige Quelle. Der Text spiegelt umfassende technologische Kenntnisse wider: über den unter-

irdischen Verlauf von Silberminen und deren Abbau, über die Goldverarbeitung, den Abbau von Eisen und die Kupfergewinnung durch Schmelzprozesse, über den Tunnel- und Schachtbau, über die Edelstein- und Goldstaubgewinnung. Das setzt neben schwerem körperlichem Einsatz bei der Bearbeitung des Felsens auch Abseiltechnik (V. 4), geologische Kenntnisse und eine ausgefeilte Arbeitsorganisation voraus. Ebenfalls in hellenistische Zeit gehört Spr 31. Der Text beschreibt die Arbeit einer selbständigen, grundbesitzenden Frau. Zu ihren Arbeiten gehören Woll- und Flachsverarbeitung (V. 13), Spinn- und Webarbeiten (V. 19), Hauswirtschaft (V. 15), der Erwerb von Ackerland und das Bepflanzen eines Weinbergs (V. 16), das Nähen von Kleidern und die Verarbeitung von Stoffen (V. 22), ferner der Handel mit den hergestellten Waren. b) Im Neuen Testament ist die vorherrschende Arbeitswelt durch Sklavinnen und Sklaven, aber auch von Handwerkerinnen und Handwerkern sowie durch die Landwirtschaft geprägt. Jesus selbst war (Sohn eines) Zimmermann(s) (Mk 6,3; Mt 13,55) und einige seiner Jünger Fischer und Zöllner (Mk 1,16; 2,14). In den Gleichnissen, die er erzählte, begegnet vornehmlich die Arbeitswelt der Landarbeit, der Haus- und Viehwirtschaft und des Handwerks: Säen und Ernten (Mk 4,1-9.26-32 par Mt 13,1-32 / Lk 8,4-8; 13,18 f.), Brotbacken (Mt 13,33), Fischerei (Mt 13,47-50), Hüten von Vieh (Lk 15,15), Arbeit im Weinberg (Mt 20,1-16; 21,28-32), Vermögens- (Lk 19,11-27 par Mt 25,14-30; evtl. Lk 16,1-9; Mt 18,23-35) und Gutsverwaltung (Mt 24,45-51). Die Reichgottesverkündigung galt ebenfalls als Arbeit, die der Nahrung(sversorgung) (trophe) wert ist (Mt 10,10 u. ö.). Daraus resultierte die Gleichstellung von Arbeit für den Lebensunterhalt und Verkündigungsarbeit. Beides musste sich aber nicht ausschließen, wie es Paulus vorlebt (1 Kor 4,12; 1 Thess 2,9). Er war Zeltmacher und arbeitete mit Prisca und Aquila in diesem Gewerbe zusammen (Apg 18,3). Auch von der Schneiderin Tabita wissen wir, dass sie als Jüngerin ihrer handwerklichen Arbeit nachgegangen ist (Apg 9,39). Dass

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die Purpurhändlerin Lydia nach ihrer Bekehrung in ihrem Gewerbe weitergearbeitet hat, ist anzunehmen (Apg 16,14 f.40). Berufsvereine (3 Verein) waren in Griechenland und Rom verbreitet, sie finden aber keine Erwähnung im Neuen Testament (vielleicht Apg 19,24). Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (mindestens 80 %) im Imperium Romanum war in der Landwirtschaft tätig, vornehmlich organisiert in kleinbäuerlichen Familien. Die Tätigkeiten waren vielfältig und reichten von der eigentlichen Landarbeit zur Produktion von Nahrungsmitteln bis zur Herstellung der Arbeitsgeräte, der Textilien und der Keramik im Haushalt. Die Landwirtschaft war jedoch durch schlechte Ernten und hohe Steuerverpflichtungen vielfach gefährdet und konnte Familien in die Sklaverei führen (Mt 18,24-30). Grundbesitz der politischen und sozialen Eliten wurde in Form von Sklavenarbeit, durch die Arbeit für Tagelohn (Mt 20,1-20) oder durch (Klein)pacht (colonatus, colonus), vielfach gegen Bezahlung in Naturalien, bewirtschaftet (Mk 12,1-9 parr Mt 21,33-41, Lk 20,9-16). Menschen, die für einen Tagelohn arbeiteten, standen an der untersten Stelle der Hierarchie der arbeitenden Bevölkerung, da sie vielfach nicht für einen Beruf ausgebildet waren und auch keinen Besitz hatten, der sie absicherte. 4. Sklaven- und Fronarbeit Die Vielfalt der Bautätigkeiten im antiken Israel machte eine hochdifferenzierte Arbeitsorganisation und -verwaltung erforderlich. Zu ihrer Durchführung wurde ein Fronarbeitssystem eingerichtet (1 Kön 9,20-22). Über die Größenverhältnisse der Organisation der Fronarbeit liefert das Alte Testament jedoch keine eindeutigen Informationen. Nach 1 Kön 9,23 hatte Salomo 550 Aufseher, die über die Arbeit (mela¯3k¯ah) des Volkes »herrschten«. Das hier verwendete Verb ra¯da¯h hat die Grundbedeutung »niedertreten«. In Lev 25,43.46 wird dieser Begriff im Zusammenhang mit der Sklavenhaltung verwendet. Das Verhältnis von Sklavenbesitzer und Sklave wird mit demselben Begriff charakterisiert, mit dem das Verhältnis der Fronarbeitsaufseher zu den Arbei-

tenden beschrieben wird. Frondienst und Sklavendienst sind aus der Perspektive der Arbeitenden ununterscheidbar. Die Zahl der Fronarbeiter wird in 1 Kön 9,15 ff. mit 30.000 angegeben. Anzeichen dafür, dass diese Zahl übertrieben ist, sind nicht erkennbar. Sieht man die Liste der Baumaßnahmen an, die in 1 Kön 9 enthalten ist, so scheint die Zahl durchaus realistisch, denn es handelt sich um nicht weniger als 10 Großbaustellen, wobei die Vorratsstädte und Streitwagenfestungen noch gar nicht berücksichtigt sind, da deren Zahl unbekannt ist. Weitere Zahlenangaben in 1 Kön 5,29 liefern das Bild einer straff organisierten Arbeit: Genannt werden 70.000 Lastträger, also Arbeiter, die Baumaterialien und vielleicht auch Versorgungsgüter zu transportieren hatten, 80.000 Steinbrecher, die in Steinbrüchen die Steine für die Baumaßnahmen zu brechen hatten. Schließlich wird noch die Zahl der Aufseher über die Fronarbeiter genannt: 3.300. Das entspräche einem Verhältnis von 9,09 Arbeitern pro Aufseher, also einem Verhältnis von 9 : 1. Das scheint ein realistisches Verhältnis zu sein, weil es praktikabel ist. Addiert man alle biblischen Angaben in 1 Kön 7-12, kommt man auf insgesamt 183 850 in die Fronarbeitsorganisation eingebundene Menschen. Der biblische Text erlaubt eine Rekonstruktion der Fronarbeitsorganisation. Während die Überlieferung in 1 Kön die Perspektive der Herrschenden spiegelt, eröffnet die Exodusüberlieferung (vor allem Ex 1-5) die Perspektive von Fronarbeitenden, indem sie von ihrem schweren Alltag, den steigenden Forderungen nach Produktionserhöhung und von Repressionen, denen sie durch Aufseher ausgesetzt sind, erzählt. In der Perspektive der Fronarbeitenden ist ihr Dienst dem Sklavendienst gleich (NBL I, Sp. 152). Sklaven und Sklavinnen wurden in der Antike zu nahezu jeder Arbeit herangezogen. Ihre Arbeit machte aber zu keiner Zeit die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung aus. Menschen gerieten durch Kriegsgefangenschaft, durch Menschenraub, durch Verschuldung oder als Findelkinder in die Sklaverei oder sie wurden als Kinder von Sklavinnen geboren, was vielfach

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eine enge Bindung zum Haus des Besitzers oder der Besitzerin (despotes / patronus/a) implizierte. Sklaven und Sklavinnen und ihre Kinder bekamen teilweise Ausbildungen und waren darin Freigeborenen ggf. im Vorteil. Durch ihre Angehörigkeit zu einem Haus (oikos), in dem sie gewisse Rechte, Schutz und Versorgung genossen, hatten sie ggf. eine größere soziale Absicherung als Menschen, die sich gegen Tagelohn verdingten und die noch ihre Unterkunft finanzieren mussten. So waren die Arbeitskosten für Sklaven und Sklavinnen wahrscheinlich höher als die Arbeitskosten für einen Menschen, der für einen Tagelohn arbeitete und nicht im oikos wohnte und mitversorgt werden musste. Der Lohn für Sklavenarbeit unterschied sich nicht von den Löhnen für Freigelassene und Freigeborene. Insbesondere in den Städten konnten es Sklaven und Sklavinnen zu Vermögen bringen und sich freikaufen oder freigekauft werden. Oder sie konnten zum Freikauf einen Kredit aufnehmen, den sie mit den eigenen Arbeitsleistungen ablösten. Besitzer und Besitzerinnen von Sklavinnen und Sklaven konnten sich noch die Arbeitsleistungen ihrer Freigelassenen (libertus/a) durch vertragliche Vereinbarung sichern (Herz). Es kann damit gerechnet werden, dass es zu einer Arbeitskonkurrenz zwischen Sklaven, Freigelassenen und Freien gekommen ist (Prell 169). Im Neuen Testament wird Sklavenarbeit greifbar als Feldarbeit (Lk 17,7-10; Mt 13,24-30), Arbeit im Haus / in der Küche (Lk 15,22.26; 17,7-10), ggf. als Türhüterin (Mk 13,33-37), in der Vermögens- (Lk 19,11-27 par Mt 25,14-30; evtl. Lk 16,1-9; Mt 18,2335) und Hausverwaltung (Lk 12,35-38.41-48 par). Schuldsklaverei drohte in antiken Gesellschaften, wenn Schulden nicht bezahlt werden konnten oder Diebstahl begangen wurde, der nicht ersetzt werden konnte (Ex 22,1 f.; Flav. Jos. Ant. III, 282 u. ö.). Sie bedeutete den Selbstverkauf oder den Verkauf der eigenen Kinder in die Sklaverei (Gen 47,18 f.; Lev 25,39; Neh 5,1-5; Ex 21,1-6.7-11; Mt 18,24 f.). Für Israel galt aber die Regel der Freilassung nach 6 Jahren. Dies gilt jedoch nicht für Frauen, wenn sie unfreie Nebenfrauen oder Frauen von Sklaven waren (vgl. Jepsen).

5. Arbeitskampfmaßnahmen In der Exodusüberlieferung (vor allem Ex 5) und in der ihr korrespondierenden Erzählung von der Reichsspaltung (1 Kön 12) werden verschiedene Elemente eines Arbeitskampfes sichtbar. In der Exoduserzählung richtet Mose eine Petition an den Pharao mit dem Ziel, eine Erlaubnis für eine Freistellung von der Fron zur Abhaltung eines religiösen Festes zu erhalten. Eine Verschärfung der Arbeitsbedingungen und eine Vergrößerung des Drucks auf die für die Produktionsmengen Verantwortlichen ist die Reaktion auf die Petition. Auch eine erneute Petition bleibt erfolglos, sie bewirkt eine noch weitere Verschärfung des Arbeitsdrucks. Nach dem Tod Salomos versammeln sich die Vertreter der Fronarbeitenden in Sichem und richten an Rehabeam die Petition, die schwere Arbeit (1 Kön 12,4) zu erleichtern. Da der König – ähnlich wie der Pharao – darauf mit einer Verschärfung der Fron reagiert, verweigern die Fronarbeitenden die weitere Arbeit und verlassen die Arbeitsstellen (V. 16). Es ist dies eine Form des passiven Widerstands, des zivilen Ungehorsams, der totalen Verweigerung. Die beiden Erzählungen zeigen die Pole, zwischen denen Arbeitskampfmaßnahmen stehen: der Gefahr einer Arbeitsverschärfung und der Möglichkeit der Arbeitsweigerung. 6. Arbeitsruhe Von herausragender Bedeutung sind die alttestamentlichen Bestimmungen zur Arbeitsruhe am 3 Sabbat (Ex 20,10; 23,12; 31,15; 34,21; 35,2 u. ö.). Der siebente Tag ist der Tag der Arbeitsruhe. Das heißt, Arbeit und Arbeitsleistung von Menschen und Tieren sind nicht pausenlos und täglich zu erbringen, es bedarf eines Ruhetags, an dem unterschiedslos alle Arbeitenden keine Arbeit verrichten müssen. Ausdrücklich werden auch Sklaven und Sklavinnen sowie die Nutztiere, die Arbeitsleistungen für den Menschen erbringen, in diese Arbeitsruhe einbezogen (Dtn 5,14). Die Begründung für die Arbeitsruhe variiert in priesterlichen und deuteronomischen Texten; während erstere auf die Schöpferruhe Gottes verweisen, erinnern letztere an die kollektiven

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Armut

Erfahrungen von Fron- und Sklavendienst in der Geschichte. Damit wird der Absolutheitsanspruch einer ausbeuterischen Arbeitsmoral begrenzt; Arbeit und Arbeitsruhe in (geordneter) Relation zueinander entsprechen dem Schöpfungsauftrag des Menschen. Auch die Jesusüberlieferung schließt sich dem Gebot der Arbeitsruhe an, wobei diese nicht zu eng gefasst wird. Das Logion: »Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat« (Mk 2,27) sowie die Erzählung vom Ährenraufen am Sabbat (Mk 2,23-28 parr Mt 12,1-8, Lk 6,1-5) und einer Heilung am Sabbat durch Jesus (Mk 3,1-5 parr Mt 12,9-13, Lk 6,6-10) zeigen Grenzen der Arbeitsruhe auf. Bradley, Keith, Discovering the Roman Family. Studies in Roman Social History, Oxford 1991. Eichenauer, Monika, Untersuchungen zur Arbeitswelt der Frau in der römischen Antike, EHS III/360, Frankfurt a. M. u. a. 1988. Herz, Peter, Die Arbeitswelt. Erwerbsmöglichkeiten, in: Kurt Erlemann u. a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 2005, 186-198. Jepsen, A., AMAH und SCHIPCHAH, VT 8 (1958), 293-297. Kampen, Natalie, Image and Status. Roman working Women in Ostia, Berlin 1981. Prell, Marcus, Armut im antiken Rom, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 77, Stuttgart 1997. Reden, Sitta von, Art. Arbeit, in: DNP 1 (1996), 963-969. Ringgren, Gelmer, Art. dbp ¯abad, THAT V, 1986, Sp. 10101012. Scheidel, Walter, Grundpacht und Lohnarbeit in der Landwirtschaft des römischen Italien, EHS III/624, Frankfurt a. M. 1994. Ders., Feldarbeit von Frauen in der antiken Landwirtschaft, Gymnasium 97 (1990), 405-431. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. Weippert, Helga, Palästina in vorhellenistischer Zeit, Handbuch der Archäologie Vorderasien II, Band 1, München 1988.

Jürgen Kegler / Ute E. Eisen

Architektur 3 Bauwesen / Architektur

Armut 1. Hebräische Terminologie Armut tritt in Israel wie in den anderen Ländern des alten Orients in mannigfacher Gestalt auf und spielt in vielen alttestamentlichen Texten eine Rolle. Charakteristisch für die alttestamentliche Überlieferung ist der Sachverhalt, dass »Armut« fast ausschließlich in relational konnotierten Begriffen thematisiert wird. Mit dem Begriff re¯ 3ˇs liegt zwar ein Äquivalent für das Abstraktum »Armut« vor, aber es ist nur in den Sprüchen belegt (Spr 6,11; 10,15; 13, 18; 24, 34; 28, 19; 30, 8; 31, 7). Die hebräische Sprache spiegelt hier wahrscheinlich eine religiös-ethische Grundeinstellung wider: Armut als Dauerzustand ist nicht akzeptabel. Armut tritt immer in der Person des Armen auf, und diese Person geht jeden an. Im allgemeinen Sinne arme Personen sind die ra¯ˇs bzw. miske¯n genannten. In der Regel gehörten die nicht rechtsfähigen Gruppen der Fremden, Witwen und Waisen zu den Armen. Von diesen Gruppen unterschieden, aber gleichfalls zur bedürftigen Unterschicht gerechnet, wurden die aus ökonomischen Ursachen verarmten Personen. Gemeinsam ist diesen Personen, dass sie noch rechtsfähig sind. Die unterschiedlichen Termini für diese »Armen« sind Relationsbegriffe und weisen auf deren jeweils gesellschaftliche wie wirtschaftliche Situation hin. Der 3æbjo¯n genannte Arme ist ein grundbesitzloser Landarbeiter oder städtischer Tagelöhner, dem es am Notwendigsten mangelt (Ex 23, 11), der aber noch rechtlich selbständig ist (Ex 23, 6; Am 5, 12). Das gilt auch von der als dal bezeichneten Person (Ex 23, 3), die sozial schwach ist, aber nicht besitzlos (Ex 30, 15; Lev 14, 21); verarmte Kleinbauern am Rande des Existenzminimums dürften zu dieser Gruppe gehört haben. Sozialrechtlich gehört noch der als 2¯anı¯»unterdrückt / gebeugt« bezeichnete Arme in die Kategorie der schutzwürdigen Personen (Ex 22, 24; Dtn 24, 12). 2. Geschichtliche Entwicklung Die Einführung der Monarchie im 10. Jh. v. Chr. und die im Verlauf des 9. Jh. v. Chr. sich ändern-

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Armut

den weltgeschichtlichen Rahmenbedingungen führten dazu, dass eine auf Selbstversorgung ausgerichtete Landwirtschaft umstrukturiert wurde. Die sich ändernden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zerstörten das verwandtschaftliche Sozialsicherungssystem. Eine zunehmende Verarmung breiter Schichten setzte ein. Die Überschuldung vieler Kleinbauern (3 Schulden) ließ sie zu abhängigen Pächtern und landlosen Lohnarbeitern werden. In den Städten bildete sich ein Proletariat. Zu Beginn der babylonischen Besatzung (587/86 v. Chr.) gehörte wahrscheinlich bereits die Mehrheit der judäischen Bevölkerung in die Kategorie der dallı¯m (2 Kön 25, 12; Jer 39, 10; 52, 16). Die wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze verschärften sich in der nachexilischen Zeit (Sach 7, 10; Mal 3, 5; Neh 5,1-7), so dass ein obdachloses Lumpenproletariat entstand, das von der Hand in den Mund lebte und der Willkür der Arbeitgeber ausgeliefert war (Hi 24, 4-12). 3. Bewertung im alttestamentlichen Schrifttum Die alttestamentlichen Schriften spiegeln in unterschiedlicher Weise den Prozess der wachsenden Verarmung des Volkes wider. Die Erfahrung von Armut wird in den Weisheitsschriften reflektiert. Armut wie Reichtum kommen von Gott (Spr 22, 2; 29, 13; Hi 34, 19; Sir 11,14). Sie ist eine Grundgegebenheit, Arme wird es immer geben (Dtn 15, 11). Armut gilt als sozial diskriminierend (Spr 14, 20; 18, 23; 19, 4.7; Koh 9, 13-16). »Armut« (re¯ 3ˇs) wird – auf dem Hintergrund einer landwirtschaftlich bestimmten Wirklichkeit – als Folge von Faulheit und falschem Lebenswandel hingestellt (Spr 6, 11; 13,18; 24, 34; 28, 19). Doch gilt es als ethisch geboten, sich des einzelnen Armen anzunehmen (Spr 14, 31; 31, 20; Hi 31,16; Sir 7, 36), und gottlos ist, wer die Armen bedrückt (Spr 28, 3.15), denn Gott wird für die Armen eintreten (Spr 22, 22 f.; Hi 34, 28). Erst die Propheten des 8. Jh. v. Chr. sehen, dass Armut kein individuell zu verantwortendes Schicksal ist, sondern seine Ursachen in ungerechten sozioökonomischen Strukturen hat (vgl. Lang). Sie decken auf, dass Rechtsmissbrauch,

Rechtsverweigerung und Korruption sowie die rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung unter dem Anschein des Rechts und die Durchsetzung der Profitinteressen mit Gewalt, die Hauptursachen der Verarmung großer Teile des Volkes sind (Am 3,10; 4, 1; Jes 1, 15-17.21-23; Mi 2, 1-2; 6, 10-12). Die angewandten Mittel beschränken sich nicht auf das Durchsetzen des rigiden Schuldrechts (Am 2, 6b.8; 8, 6a; Jes 5, 8.18) und die Verkürzung der Rechte der Armen und sozial einflusslosen »Schwachen« (Jes 1, 17.21-23; 5, 1-7.23; 10, 1 f.; Am 5, 7.10.12; Mi 3, 9-11; 7, 3; Zef 3, 3). Zum Wirtschaftsverhalten der Mächtigen gehören Missbrauch ihrer Verwaltungsmacht (Hos 5,10), Betrug beim Getreidehandel (Am 8, 4-6), bei der Darlehensvergabe (Mi 6, 11) und der Pfandnutzung (Am 2, 8; Hab 2, 6; Hi 22, 6) sowie unverhüllte Gewalt (Am 2, 7; 4, 1; 8, 4; Mi 2, 8 f.; Ez 22, 6 f.12.25; Mal 3, 5). Im Alten Orient stand das Recht der Armen unter dem Schutz der Götter. Die Verwirklichung dieses Schutzes oblag den Königen. In Israel wacht JHWH über die Rechte der Armen (Ps 9, 19 f.; 12, 6; 68, 6 f.; 82 u.a), erhört ihre Klage (Ex 22, 26) und errettet sie (Ps 35,10; 69, 34). Zahlreiche Psalmen haben die Gebetsrufe der Armen und für die Armen bewahrt (Ps 10; 70, 6; 94, 36). Die besondere Nähe der Armen zu Gott steht wahrscheinlich im Hintergrund der Selbstbezeichnung vieler Psalmenbeter als »elend und arm« (Ps 40, 18; 70, 6; 86, 1; 109, 22). »Recht schaffen für die Schwachen und Unterdrückten« zählt zu den vornehmsten Pflichten des israelitischen Königs (Jes 11, 4-5; Ps 72,1-4). Das Versagen der Könige ließ die Hoffung auf einen idealen König aufkommen, der die Rechte der Armen erfüllen würde (Jes 11,1-5; Jer 23, 5 f.; 33,14 f.). Im Unterschied zur altorientalischen Rechtsüberlieferung hat das Alte Testament die Rechte der Armen zusätzlich dadurch gesichert, dass alle israelitischen Vollbürger für die Einhaltung der entsprechenden Schutzvorschriften und Gesetze verantwortlich gemacht werden. Diskursive Formulierungen zeichnen das Armenrecht im Bundesbuch als Gottesrede aus (Ex 21, 1; 22, 20-26; 23, 3.6-12) und legen auf diese Weise fest, dass

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die Verwirklichung von »Recht und Gerechtigkeit« Pflicht eines jeden ist. Die Mahnung, Witwen, Waisen und Fremde nicht zu bedrücken, durchzieht als Motiv alle alttestamentlichen Rechtssammlungen (Ex 22, 20 f.; Lev 19, 33; Dtn 24, 17). Das Recht der Armen erlangt in konkreten Gesetzen allgemeine Verbindlichkeit (3 Wirtschaftsrecht; Pfandrecht: Ex 22, 25; Dtn 24, 6.1013.17; Zinsverbot: Ex 22, 24; Lev 25, 35-38; Dtn 23, 20 f.; Begrenzung der Arbeitsleistung bei Personalhaftung auf sechs Jahre: Ex 21, 2-6; Dtn 15, 12; allgemeiner Schuldenerlass [sˇemitta¯h]: Dtn 15, 1-3; 3 Jobeljahr: Lev 25). Die Durchführung von Schulderlässen ist nur für wenige Situationen historisch verbürgt (Jer 34, 8-22; Neh 5) und weitgehend theologisches Programm geblieben (Jes 61, 1-3). Die Sozialgesetze zielen darauf ab, den Armen ein Minimaleinkommen zu garantieren. Die Erträge der jedes siebte Jahr brach liegenden Felder werden den Armen zugesprochen (Ex 23, 10 f.), die allgemeine Nachlese steht den Armen ebenso zu (Dtn 24,19-22) wie der Zehnte jedes dritten Jahres (Dtn 14, 28-29). Der so genannte Mundraub im Weinberg und auf dem Feld wird dem Bedürftigen zugestanden (Dtn 23, 25 f.). Der Lohn ist einem Tagelöhner vor Sonnenuntergang auszuzahlen (Dtn 24, 14 f.). Die Versorgung der Armen mit Nahrung und Kleidung zeichnet den Gerechten aus (Ez 18,7.16; Hi 31, 16-20; Ps 112, 9). Das den Armen zugewandte Gut wird als Leihgabe an Gott verstanden (Ps 41, 2; Spr 14, 31; 19,17). Soziale Fürsorge ist von Gott geboten (Jes 58, 6 f.9 f.; Sir 4, 1-10). Die religiöse Begründung der Versorgung der Armen führt in der nachexilischen Zeit zur Entwicklung eines privaten Wohltätigkeitswesens. In den Mahnungen Ben Siras (4, 1-10) wird die ursprünglich königliche Aufgabe, Witwen, Waisen und Armen zu Recht und Auskommen zu verhelfen, als Auftrag an jeden Leser und jede Leserin seiner Schrift formuliert. 4. Die Lage im Römischen Reich Die Mehrheit (96-99 %) der Bevölkerung des Römischen Reiches gehörte zur Unterschicht – auf

dem Land ebenso wie in den Städten. Eine Mittelschicht gab es nicht. Die Armut hatte unterschiedliche Gestalten, die sich auch in der Terminologie ausdrückten. Die Bettelarmen (ptochoi, tapeinoi) lebten unterhalb des Existenzminimums: BettlerInnen, aber auch Kranke, Behinderte, Witwen, Waisen, Alte, sofern sie nicht einem patriarchalen Haushalt angehörten, der sie versorgte. Viele bäuerliche Familien, die ihr Land durch Verschuldung verloren, ungelernte ArbeiterInnen, nicht mehr arbeitsfähige SklavInnen waren von Bettelarmut bedroht oder auch betroffen. Viele Frauen und Kinder arbeiteten für ihr Überleben, doch ihr Verdienst deckte oft nicht die eigene Ernährung ab. Daneben gibt es Arme / penetes, die stabil am Existenzminimum oder darüber leben. Sie arbeiten im Handel, in festen Lohnverhältnissen, als SklavInnen oder in Schuldknechtschaft, in Handwerksbetrieben, auf Bauernhöfen. SklavInnen gehörten in ihrer Mehrheit zu den Armen. Im Finanzwesen gibt es Ausnahmen. Sklaven können hier hohe Positionen erreichen. Für solche Positionen werden deshalb Sklaven verwendet, weil sie anders als Freigeborene gefoltert werden können (Mt 18, 34; 25, 30). Deshalb hebt ihre hohe Position, die jederzeit gefährdet ist, ihre Abhängigkeit nicht auf, sondern setzt sie voraus. Die Elite vor allem in den Städten des Römischen Reiches genießt – verglichen mit den Armen – ein luxuriöses Leben. In literarischen Texten wie auch in der Bibel, vor allem dem Neuen Testament, begegnet das Gegensatzpaar Armut – Reichtum und bezeichnet die große Differenz der Lebensgrundlagen (s. etwa Sir; Lk). Reiche legen Wert darauf, in Kleidung, Wohnung und Nahrung ihren Reichtum zu demonstrieren. Sie verachten alle, die mit der Hand arbeiten müssen (s. z. B. Cic. off. 1, 42) und halten sie für politisch unmündig. Die Hierarchie in den Lebensgrundlagen und in der Arbeitswelt wird von Seiten der Reichen durch patriarchales Denken legitimiert: Ihnen komme von Natur her die Herrschaft über andere zu. Da diese Herrschaft gerecht und milde ausgeübt werde, sei sie dauerhaft und zukunftsfähig (z. B. Cic. off. passim).

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Armut

In der Bibelwissenschaft spiegelt sich diese antike Legitimation von Herrschaft über die Armen im Denkmodell des frühchristlichen »Liebespatriarchalismus«. Es wird von den am so genannten »neuen Konsens« Beteiligten angenommen (Theißen; Meeks). Nach diesem Konzept werden die Armutsverhältnisse zwar durchaus ähnlich gesehen wie oben beschrieben, aber es wird eine völlig andere Bewertung der Rolle der Reichen oder der Elite in den frühchristlichen Gemeinden angenommen: Ohne sie und ihren Liebespatriarchalismus hätten die Gemeinden nicht existieren und hätte das Christentum sich nicht dauerhaft etablieren können. Eine Führungsrolle der Elite ist jedoch bis weit ins 2. Jh. hinein in frühchristlichen Gemeinden nicht zu belegen (Schottroff 1990; Meggitt; Friesen u. a.), auch Paulus selbst gehörte zu den Armen. Das Bild, das insbesondere die synoptischen Evangelien vom Leben der Armen zeichnen, lässt sich durch außerbiblische Quellen reichlich bestätigen (Stegemann / Stegemann): Die Armen leiden Hunger und sind »nackt«, d. h. haben kein Obergewand, sie sind krank, ungebildet und politisch machtlos (Mt 25, 31-46; Lk 16, 19-31; 1, 46-55; vgl. 1 Kor 1,26-28). Mehrheitlich waren die Menschen in den frühchristlichen Gemeinden Arme, sowohl ptochoi als auch penetes. Auch die »Reichen« in den Gemeinden dürften oft aus der Perspektive der reichen Elite Arme gewesen sein (Friesen) und ihr Wohlstand ist mit dem des Bauern in Lk 15, 11-32 zu vergleichen, dessen Sohn selbst auf dem Feld arbeitet. 5. Theologische Schwerpunkte In Anknüpfung an alttestamentliche Texte (1 Sam 2, 1-10; Jes 61, 1.2; 35, 5.6 u. a.) spricht das Neue Testament vom Evangelium der Armen: »Den Armen wird die frohe Botschaft verkündet« (Lk 4, 18; Jes 61, 1) und »die Armen verkünden die frohe Botschaft« (Mt 11, 5 par). Das Verb euaggelizesthai sollte hier mit aktivischem Sinn gelesen werden wie Lk 4, 18 und der Nominativ ptochoi als Bezeichnung der Subjekte des Handelns wie im gesamten Vers Mt 11, 5 par. Durch die Verkündigung der Nähe Gottes werden aus

empfangenden Armen Gebende. Mit dem Evangelium der Armen ist eine eschatologische Umkehrung gemeint: Die Letzten werden die Ersten sein (Mt 20, 16 u. ö.). Diese Hoffnung hat Konsequenzen für die Gegenwart. Diese Hoffnung auf eschatologische Umkehrung zielt nicht auf Rache an den Reichen, sondern auf deren tätige Umkehr, die neue Verhältnisse für alle schafft. Sie sollen auf Mose und die Prophetie hören (Lk 16, 31). Auch Mt 5, 3 verheißt solche eschatologische Umkehrung. Die Formulierung »Arme im Geiste« in dieser Seligpreisung beschreibt Armut als umfassende Not. Sie umfasst die ökonomische, körperliche, soziale und seelische Dimension. Armut zerstört auch die Gottesbeziehung. Arme können Gott nicht loben. Die Formulierung knüpft an die Sprache der Psalmen an (Schottroff 1983, 164). Durch Gottes Zuwendung wird die Not gewendet, Arme erfahren Solidarität und werden wieder fähig, Gott zu loben. Gegen diese Deutung von Mt 5, 3 steht eine bibelwissenschaftliche Tradition, die zwischen einem ökonomischen Gebrauch des Wortes »arm« (Lk 6, 20) und einem metaphorischen (geistlich arm, arm vor Gott Mt 5, 3) trennt. Diese Deutungstradition gehört mit anderen zusammen, die das Evangelium der Armen mit den Interessen der Reichen kompatibel machen wollen: Es gehe für die Reichen um Almosen geben, nicht um Verzicht auf Privilegien und Besitz, also tätige Umkehr. Besitzverzicht (z. B. Mk 10,1721 par) sei allenfalls von wenigen Menschen, die Jesus in besonderer Weise wie die Jünger nachfolgen, gefordert oder bezeichne nur die innere Einstellung zum Besitz. Die Bevorzugung des Begriffes ptochoi für Arme in den Evangelien (penetes fehlt hier ganz) hat ihren Grund in der zentralen Bedeutung des Armenevangeliums im Sinne von Jes 61, 1 für die gesamte Jesustradition, ptochos ist hier nicht ein rein soziologischer Begriff, sondern ein umfassender theologischer Begriff, der auch ökonomische Not umfasst. Auch für Paulus ist das Evangelium der Armen Grundlage seiner Theologie. In 1 Kor 1, 26-31 deu-

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Astrologie / Astronomie

tet er die soziale Realität der korinthischen Gemeinde, die mehrheitlich aus Armen besteht, als Zeichen der Erwählung Gottes. In der Abendmahlspraxis der Gemeinde kritisiert er eine Form gemeinsamen Essens, die die Armen beschämt (1 Kor 11, 22) und hält es für notwendig, dass die Reichen am Gemeinschaftsmahl unter solchen Voraussetzungen nicht teilnehmen können. Die frühchristlichen Gemeinden haben auf der Grundlage der Armensolidarität der jüdischen Gemeinden (Bill. IV 536-610) verschiedene Formen solidarischer Verantwortung praktiziert. Die Kollekte des Paulus in griechischen Gemeinden zu Gunsten der Armen in Jerusalem war als Erwiderung der Gaben gedacht, die die Diasporagemeinden in geistlicher Hinsicht erhalten hatten (2 Kor 8, 13-15; vgl. Gal 2, 10; Röm 15, 26), und orientierte sich an der Gerechtigkeitsvorstellung der Gabe des Manna bei Israels Wüstenwanderung (Ex 16, 18). Niemand sollte sich bereichern, alle sollten nach ihrem Bedürfnis leben können. Die Texte der Apostelgeschichte, die von der »Gütergemeinschaft« der Urgemeinde in Jerusalem reden, beschreiben eine Armensolidarität auf der Grundlage einer Gemeinschaftskasse der Gemeinde, deren Inhalt Gotteseigentum ist. Gemeindeglieder, die noch Grundbesitz haben, erklären sich – vielleicht bei der Taufe – bereit, bei Bedarf Land zu verkaufen und das Recht auf Privateigentum zugunsten der Gemeinde aufzugeben (Apg 2, 42-45; 4, 35-5, 11; Richter Reimer). Ähnliche Rechtsvorstellungen setzt die korinthische Abendmahlspraxis voraus (1 Kor 11,1734). Selbst wenn die Texte der Apostelgeschichte über die Gütergemeinschaft Idealbilder zeichnen sollten, haben sie im Sinne des Textes verpflichtenden Vorbildcharakter. Durch die eschatologische Orientierung des Armenevangeliums stellen die Gemeinden mit ihrer Botschaft und Praxis eine gesamtgesellschaftliche Perspektive von Gerechtigkeit dar. Brunner, Hellmut, Die religiöse Wertung der Armut im Alten Ägypten, Saec 121 (1961), 319-344. Crüsemann, Frank, Armut und Reichtum. Ein Kapitel biblischer Theologie, in: ders., Maßstab: Tora. Israels Weisung für christliche Ethik, Gütersloh 2003, 208-221.

Fensham, Frank Charles, Widow, Orphan and the Poor in Ancient Near Eastern Legal and Wisdom Literature, JNES 21 (1962), 129-139. Friesen, Steven J., Poverty in Pauline Studies: Beyond the so-called New Consensus, JSNT 26, 3 (2004), 323-361. Lang, Bernhard, The Social Organization of Peasant Poverty in Biblical Israel, JSOT 24 (1982), 47-63. Lohfink, Norbert, Armut in den Gesetzen des Alten Orients und der Bibel, in: Norbert Lohfink, Studien zur biblischen Theologie, SBAB 16, Stuttgart 1991/1993, 239259. Meeks, Wayne A., Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, Gütersloh 1993. Meggitt, Justin, J., Paul, Poverty and Survival, Edinburgh 1998. Richter Reimer, Ivoni, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas: Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992. Sager, Dirk, Die Armen in den Psalmen, Zeitschrift für Theologie und Gemeinde 8 (2003), 41-64. Schottroff, Luise, Das geschundene Volk und die Arbeiter in der Ernte Gottes nach dem Matthäusevangelium, in: Luise und Willy Schottroff (Hg.), Mitarbeiter der Schöpfung. Bibel und Arbeitswelt, München 1983, 162166. Schottroff, Luise, »Nicht viele Mächtige«. Annäherungen an eine Soziologie des Urchristentums, in: dies., Befreiungserfahrungen, München 1990, 247-256. Schottroff, Willy, Die Armut der Witwen, in: Marlene Crüsemann / Willy Schottroff (Hg.), Schuld und Schulden. Biblische Traditionen in gegenwärtigen Konflikten, KT 121, München 1992, 54-89. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u. a. 1995. Theißen, Gerd, Studien zur Soziologie des Urchristentums, Tübingen 1979.

Christa Schäfer-Lichtenberger / Luise Schottroff

Astrologie / Astronomie Grundlage der (bis in die frühe Neuzeit nicht getrennten) Astrologie und Astronomie ist die Beobachtung des Einflusses der Gestirne auf das Leben. Von der Sonne hängen der Wechsel von Tag und Nacht und das Wachstum der Pflanzen ab,

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Astrologie / Astronomie

Menschen und Tiere sind in Rhythmen und Stimmungen von den Mondphasen abhängig. Die Gestirne erlauben Ordnung der Zeit (3 Kalender) und Orientierung im 3 Raum. So führt bereits frühe Empirie auf eine Relation von Gestirnen und lebensweltlichen Ereignissen. Diese Erfahrung wird im Alten Orient zu einer Makro-Mikrokosmos-Theorie ausgebaut: Einer Gestirnskonstellation korrespondiert ein entsprechendes Ereignis auf der Erde. So zeigt bereits in sumerischer Zeit z. B. eine Mondfinsternis den Tod des Königs an und führt zur Installierung eines »Ersatzkönigs«, der an dessen Stelle sterben muss. So führt die Erforschung des Himmels auf eine Gewissheit des Kommenden und eine kosmische Teilnahme an menschlichen Schicksalen. In altorientalischen Religionen nehmen Gestirnsgottheiten einen hohen Rang ein, u. a. in Ägypten die Sonnengötter Re und Aton, in Sumer der Mondgott Nannar und der Sonnengott Utu, in Babylonien entsprechend Sin und Schamasch, dazu die im Venusstern verkörperte Ischtar bzw. Astarte. Dabei variiert das Geschlecht der Gestirnsgottheiten (z. B. babylonisch männlicher Schamasch gegenüber kanaanäisch weiblicher Schapasch als Sonnengottheit) bzw. wechselt in sich (die Venus ist als Morgenstern der Gott Astar, als Abendstern die Göttin Astarte). Die Bedeutung von Astralkulten im alten Israel zeigt sich sowohl in archäologischen Zeugnissen (u. a. Stempelsiegel, s. Abb.) als auch im Spiegel der Kritik in alttestamentlichen Texten. In die Vorstellung von Israels Gott gingen v. a. im 8. und 7. Jh. v. Chr. solare Züge ein (etwa Ps 72; 84,12; 3 Licht). Die im Zuge der joschijanischen Reform beseitigten Kultformen (2 Kön 21,3-6; 23,4 ff.) enthielten Astralmotive. Zu nennen ist hier ebenfalls die gerade auch von Frauen verehrte »Himmelskönigin« (Jer 7,18; 44,17, dazu Jost). Einen Höhepunkt erfuhr die Verehrung einer Gestirnsgottheit durch die von dem seleukidischen Herrscher Antiochus IV. Epiphanes (175164) vollzogene Gleichsetzung JHWHs mit Zeus Olympios. Auf dem Brandopferaltar des Jerusalemer Tempels wurde ein Aufsatz mit astralen Motiven angebracht. In diesem »Greuel der Verwüs-

Die Göttin Ischtar im Sternennimbus. Eisenzeitliches Stempelsiegel aus Aschdod

tung« (Dan 9,27, vgl. 1 Makk 1,54) verkörperte sich der Verrat an Israels Glaube und Identität, Grund für den Widerstand der Makkabäer. Ein anderer Umgang mit der Thematik zeigt sich in großen astronomisch-astrologischen Entwürfen im äthiopischen Henochbuch (1 Hen 72-82). Doch haben hier die Gestirne letztlich keine eigene Macht, sondern werden von Gottes Geistkraft (ru¯ah) gelenkt. ˙ Reflektierende Texte des Alten Testaments entwerfen eine ambivalente Sicht auf die Gestirne. In Gen 1,14-19 sind sie auf ihre reine Funktion reduziert und jeder Göttlichkeit entkleidet. Nicht einmal die Namen »Sonne« und »Mond« werden genannt (das hebräische Wort für »Sonne«, ˇsæmæsˇ, käme dem Namen des babylonischen Sonnen- und Rechtsgott Schamasch nahe). Doch die religiöse Depotenzierung führt auf eine funktionale Potenz: Jene großen und kleinen »Lichter« sollen über Tag und Nacht herrschen und Zeiten und Feste anzeigen. In Dtn 4 ist die Besonderheit von Israel und Israels Gott grundlegend bezeichnet. Danach sind die Gestirne für die anderen Völker prägend, aber nicht für Israel. Diese Linie setzt sich in der rabbinischen Auffassung der Astrologie fort. Die Beachtung der 3 Tora befreit von der Macht der Gestirne, die jedoch für alle anderen Menschen anerkannt bleibt (bShab 156). Vergleichbar urteilt Paulus; die in Gal 4,1-11 verhandelten stoicheia (Elemente) sind (mindestens auch) astrale Kräfte. Wer Christus folgt, muss sich von diesen Mächten nicht beherrschen lassen. Im Dienste der Christusbot-

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Asyl

schaft hat aber auch die Astrologie ihren Ort, nämlich in den (orientalischen) Weisen (Magiern), welche dem Stern nach Betlehem folgten (Mt 2). Astrale Motive enthält auch die Johannesoffenbarung (z. B. 1,16). Das Problem der Astrologie besteht nicht in deren Unwissenschaftlichkeit. Denn die astronomisch-astrologischen Beobachtungen und Theoriebildungen galten in der Antike als Wissenschaft schlechthin und unerreichtes Vorbild der Geschichtswissenschaft (Diod. Sic. I,1). Die Astrologie ist geradezu die Universalreligion vor allem der römischen Kaiserzeit. Das Problem ist vielmehr der Verlust von Freiheit. Ist alles vorherbestimmt, wie kann es dann Freiheit und Ethik geben? Die Anziehungskraft der jüdischen (und dann später auch christlichen) Ethik gerade für die Unterprivilegierten liegt nicht zuletzt in der Freiheit von der buchstäblich fatalen Macht des Schicksals. Albani, Matthias, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen. Zur Begründung des Monotheismus bei Deuterojesaja im Horizont der Astralisierung des Gottesverständnisses im Alten Orient, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 1, Leipzig 2000. De Boer, Martinus C., The meaning of the phrase TA STOICHEIA TOU KOSMOU in Galatians, NTS 53 (2007), 204-224. Boll, Franz / Bezold, Carl / Gundel, Wilhelm, Sternglaube und Sterndeutung, Darmstadt 7 1977. Jost, Renate, Frauen, Männer und die Himmelskönigin, Gütersloh 1995. Keel, Othmar / Uehlinger, Christoph, Göttinnen, Götter und Gottessymbole, QD 134, Freiburg / Basel / Wien 1992.

Jürgen Ebach

Asyl Die Bibel weiß von Flüchtlingen aus politischen (Ex 2, 15; 1 Kön 11, 40) und wirtschaftlichen (Gen 12, 10; 26, 1) Gründen sowie von entkommenen Sklaven, denen – im Alten Orient einzigartig –

programmatisch zugestanden wurde, sich in freier Ortswahl niederzulassen (Dtn 23, 16 f.), was bedeutete, dass sich die Behandlung von Leibeigenen so ändern musste, dass sie ihre sozialen Bindungen einer Flucht vorzogen. Die als miqla¯t bezeichnete Rechtsinstitution ˙ des Asyls hingegen war in alttestamentlichen Gesetzestexten (in literaturgeschichtlicher Folge: Ex 21, 13 f.; Dtn 19, 1-13; 4, 41-43; Num 35) ausschließlich für Fälle unvorsätzlichen Totschlags vorgesehen und gehört demnach in den Bereich der Blutrache. Diese sah vor, dass im Falle einer Tötung zwischen zwei Sippen (Tötung zwischen Völkern wird durch Krieg, Tötung innerhalb einer Sippe innerfamiliär ausgeglichen) ein Mitglied der Sippe des Getöteten als »Löser« (go¯3e¯l) eingesetzt wird und den Täter tötet (3 Auslösen / Erlösen). Während die Blutrache vom entstandenen Schaden der Sippe des Getöteten aus konzipiert ist und nicht fragt, ob die Tötung vorsätzlich erfolgt ist, fragt die Institution des Asyls – im antiken Recht erstmals – umgekehrt aus der Perspektive des Täters, ob die Tötung versehentlich erfolgt ist, und schafft zwischen beiden Sichtweisen insofern einen Ausgleich, als sie dem Täter im Fall versehentlichen Totschlags Schutz vor seinem Verfolger gewährt. Das (vordeuteronomische) Bundesbuch bestimmt den Altar als Zufluchtsort (Ex 21, 13 f.; vgl. 1 Kön 2, 28-34). Vermutlich weil das deuteronomische Reformprogramm in joschijanischer Zeit die Abschaffung aller Heiligtümer außerhalb des Jerusalemer Tempels forderte (Dtn 12, 2-7), sieht das Deuteronomium ersatzweise drei Städte (Dtn 19, 1-7) und im Falle einer künftigen Erweiterung des Landes die Ausweisung von drei weiteren Städten (Dtn 19, 8-10) vor. Erst Jos 20 nennt in spät- oder nachexilischer Zeit je drei konkrete Orte im West- und Ostjordanland, deren Aussonderung durch Mose in Dtn 4, 41-43 in einer abermals jüngeren Fortschreibung erzählt wird. Jos 21 und Num 35, 6 schließlich verbinden Asyl- und Levitenstädte, und 1 Chr 6, 42.52 scheint sie generell gleichzusetzen. Da Asyl nur bei versehentlicher Tötung gewährt wurde, impliziert es eine Unterscheidung

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Auslösen / Erlösen

zwischen absichtlicher und unabsichtlicher Tötung und setzt eine Fallprüfung voraus. Während Dtn 19,12 f. vorsah, dass unberechtigt Asylsuchende von den Ältesten ihrer Heimat aus der Asylstadt geholt und der Blutrache ausgeliefert werden sollten, schreibt Jos 20, 4 f. eine Prüfung der Asylsuchenden noch vor ihrer Aufnahme durch den Ältestenrat im Stadttor der Asylstadt vor. Num 35, 12.24.25 verlagert die Entscheidung an die »Gemeinde« (2¯eda¯h), womit im Kontext die priesterliche Gerichtsbarkeit am Jerusalemer Tempel gemeint gewesen sein dürfte. Ob Ps 23, 5 f.; 27, 1-6; 57; 61 implizit auch Asyle am Jerusalemer Tempel vorsehen (Delekat), ist umstritten. Mit griech. a-sylos bezeichnet man, was dem (gewaltsamen) Zugriff entzogen ist (vgl. 2 Kor 11, 8 griech. sylan »ausrauben«). Der Bruch dieses Sakralrechts ist ein Kapitalverbrechen, griech. hierosylein (Röm 2, 22; Apg 19, 37). Asyl ist in der griechisch-hellenistischen Welt mit der Heiligkeit eines Ortes verbunden. Personen und Sachen, die diesem Ort zugehörig sind, dürfen von dort nicht gewaltsam weggenommen werden. Daraus entwickelt sich die Vorstellung einer Zufluchtstätte. Wer dort die Gottheit um Schutz anfleht, wird dadurch diesem Ort zugehörig und ist vor weiteren Zugriffen geschützt. Achtung und Missachtung dieses Tabus sind gleichermaßen überliefert. In hellenistischer Zeit galten oftmals auch Synagogen als heilig und vor Zugriff geschützt (griech. hieros kai asylos), nach Josephus galt das auch für den Jerusalemer Tempel oder gar die ganze Stadt (Flav. Jos. Ant. 13, 51: polin hieran kai asylon; vgl. 1 Makk 10, 31.43). Caesar und Augustus schützten die Tempelsteuer, die Synagogen, deren heilige Bücher und Einrichtungsgegenstände, indem sie deren Raub zum hierosylein erklärten (Flav. Jos. Ant. 16, 162-168). Die Römer übernehmen den Begriff aus dem Griechischen als Lehnwort. Das umfassende römische Rechtssystem lässt dem Asylrecht nur wenig Raum. Erst die Zunahme von Willkür gegen römische Bürger lässt die Bedeutung des Asylrechts anwachsen. Das Kirchenasyl des 4. und 5. Jh. entwickelt sich aus diesem Vorstellungszusammenhang und hat keine direkten Wurzeln

in der biblischen Asylvorstellung (Freistätte für Totschläger). Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992, 205208. Ruwe, Andreas, Das Zusammenwirken von »Gerichtsverhandlung«, »Blutrache« und »Asyl«, Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 6 (2000), 190-221. Staszak, Martin, Die Asylstädte im Alten Testament. Realität und Fiktivität eines Rechtsinstituts, ÄAT 65, Wiesbaden 2006. Traulsen, Christian, Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Zur Schutzfunktion des Heiligen von König Salomo bis zum Codex Theodosianus, JusEcc 72, Tübingen 2004. Turner, Bertram, Asyl und Konflikt von der Antike bis heute, Rechtsethnologische Untersuchungen, Berlin 2005.

Klaus Bieberstein / Lukas Bormann

Auslösen / Erlösen 1. Erlösung im Alten Testament »Erlösung« gehört zu den theologisch leicht unterschätzten Begriffen des Alten Testaments. Dabei sind in der Hebräischen Bibel die Erlösungsvorstellungen grundlegend, weil die Befreiung (3 Freiheit) aus der Gefangenschaft Israels in Ägypten zu den Ereignissen gehört, die in den biblischen Texten am häufigsten und am breitesten erinnert (z. B. Mi 6, 4 und Jes 43,16 ff.) und als Argument verwendet werden (z. B. Ex 20, 2; Lev 19, 36; 25, 42; Dtn 5, 6.15; 24, 22 u. ö.). Umfassend sind die Erlösungsvorstellungen in der Hebräischen Bibel, weil sie den weitest möglichen zeitlichen Bogen von der Urgeschichte des Volkes Israel bis zur erhofften Zukunft schlagen (Gunkel) und damit den zeitlichen Rahmen des Ganzen bilden. Die begriffliche Analyse des Wortfeldes zeigt zudem, dass Erlösungsvorstellungen theologische Spitzenaussagen sind, die zugleich tief im Alltag verwurzelt sind. Begrifflich wird »erlösen« in der Hebräischen Bibel vor allem mit den nahezu bedeutungsglei-

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chen hebräischen Wörtern ga¯3al und pa¯da¯h wiedergegeben (vgl. Hos 13, 14). Wenn man überhaupt zwischen beiden Verben differenzieren will, so steht ersteres bevorzugt für konkrete Vorgänge, die einzelne Personen betreffen, letzteres öfter für Vorgänge von allgemeiner Bedeutung. Beide von diesen Verben abhängigen Wortfelder sind jedoch nicht abstrakte theologische Begriffe, sondern konkret über Handlungen des zwischenmenschlichen Auslösens greifbar. In deutschen Bibelübersetzungen sind beide Verben nur dann durch das deutsche Wort »erlösen« korrekt wiedergegeben, wenn hierbei ein »auslösen« mitklingt. Dieses konkrete Auslösen verbindet bereits in der Hebräischen Bibel theologisch reflektiert ein zukünftig erwartetes Handeln Gottes. Erlösung ist dabei jeweils ein Rechtsbegriff, der soziale und theologische Dimensionen vereinigt. Wer biblisch von Erlösung sprechen will, muss sich damit der sozialen Wirklichkeit stellen, die durch solche konkreten Vorgänge des Auslösens verändert wird. Erst auf dem Hintergrund dieser konkreten sozialen Wirklichkeit kann ein weiterer theologischer Zusammenhang erschlossen werden. Entsprechend ist »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt« (Hi 19, 25) eine bekannte Fehlübersetzung, zumindest wenn dieser Satz auf eine endzeitliche Erlösung beschränkt bleibt: Vielmehr geht es hier um jemanden, der den Rechtsakt (3 Rechtswesen / Rechtsprechung) des Auslösens vollzieht. Konkret sind solche Handlungen des Auslösens zunächst individuelle Befreiungen, beispielsweise das Auslösen eines Gefangenen und einer durch 3 Sklaverei gebundenen Person, aber auch der Vollzug der so genannten Schwagerehe und der Blutrache. Ausgangspunkt der Schuldsklaverei ist eine finanzielle Notlage, die durch einen Verkauf scheinbar beseitigt wird: An die Stelle der nur finanziellen Not ist nun jedoch die der vollständigen Abhängigkeit, die Unfreiheit getreten. Eindrücklich beklagen die Propheten das Missverhältnis zwischen dem Ausgangsproblem und der Problemlösung. Im Amosbuch wird beispielsweise den als Unterdrücker Beschuldigten in den Mund gelegt: »Wann will der

Neumond ein Ende haben, dass wir Getreide verkaufen, und der Sabbat, dass wir Korn feilhalten können und das Maß verringern und den Preis steigern und die Waage fälschen, damit wir die Armen um Geld und die Geringen um ein Paar Schuhe in unsere Gewalt bringen und Spreu für Korn verkaufen?« (Am 8, 5.6, vgl. 2, 6). Nach diesem polemischen Text sei es sogar Teil einer komplexen Betrugsstrategie gewesen, Arme in Schulden zu treiben. Wenn die Verschuldeten dann den Kredit nicht bedienen können, geraten sie oder ein von dem Schuldner abhängiges Teil der Familie in die Sklaverei. Dass es nur ein Paar Schuhe sind, die diese Schuldknechtschaft verursachen, kann als Übertreibung gelten – aber genau dadurch wird das Missverhältnis zwischen dem geschuldeten Sachwert und der in Schuldknechtschaft geratenen Person deutlich, denn der in Unfreiheit Geratene nimmt im Zweifelsfall das gekaufte Schuhwerk mit in die Sklaverei. Der Mensch ist – so ist die Pointe der prophetischen Aussage – in diesem 3 Wirtschaftssystem die Zugabe zu einem Paar Schuhe. Faktisch werden es vor allem die jüngeren und weiblichen Mitglieder der Familie gewesen sein, die aus wirtschaftlicher Not verkauft wurden. Umso beachtlicher ist es, dass bereits die ältesten Teile biblischen Rechts Regelungen zur Begrenzung dieser durch Geldnot begründeten Unfreiheit enthalten: Es ist der Anfang des in Ex 21 beginnenden Rechtskodex des Bundesbuches, der das jeweils siebte Jahr nach dem Verkauf in die Schuldknechtschaft als Jahr der individuellen Befreiung bestimmt. Auch wenn dieses ältere königszeitliche Recht zu Recht wegen der zahlreichen Einschränkungen bei der tatsächlichen Befreiung (Ex 21, 4 ff.) kritisiert worden ist, bleibt die prominente Stellung dieser Rechtsaussage auch im vorliegenden Textzusammenhang beachtlich: Es gehört zu den ersten Sätzen, die nach dem direkt von Gott an das Volk gesprochenen Dekalog als Tora am Sinai gesetzt werden, und es ist damit in besonderer Weise die Einlösung des Grundsatzes »Ich bin JHWH, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft herausgeführt habe« (Ex 20, 2).

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Auslösen / Erlösen

Das Auslösen der Versklavten wird auch dadurch als hohes Rechtsgut ersichtlich, dass die späteren Rechtssätze umfassender greifende Regelungen zur Auslösung treffen (vgl. Dtn 15, 1218). Das 3 Jobeljahr in jedem 50. Jahr konkretisiert schließlich die Erfahrung von Erlösung, indem jeder alte Mensch einmal in seinem Leben erlebt, dass jede Familie ihren ererbten Landbesitz (3 Eigentum) wieder erlangt (Lev 25). Diese allgemeine Auslösung hebt jedoch nicht auf, dass es eigentlich Pflicht der Familie ist, den verarmten Verwandten wieder auf eigene Füße zu stellen (Lev 25, 25). Dass das Auslösen aus dem Bereich des Familienrechts (3 Rechtswesen / Rechtsprechung) stammt, wird auch an der Rechtsinstitution der so genannten Schwagerehe deutlich: Der Bruder des verstorbenen Mannes wird zum Löser, indem er an dessen Stelle die noch kinderlose Witwe schwängert. Die Witwe erhält durch das so gezeugte Kind eine soziale Absicherung, die Familie des verstorbenen Bruders bleibt erhalten. Da das Erbe aber nach dem Tod der Witwe an den Bruder bzw. dessen Nachkommen fiele, schädigt sich der Bruder durch den Vollzug der Schwagerehe selber. Entsprechend wird biblisch vor allem die Verweigerung dieser Rechtsinstitution erzählt (Gen 38, 8-11; Rut 4, 6). Eine Sonderform des Auslösens – und auch dies ist in der hebräischen Sprache eine Form von Erlösung – erfolgt schließlich durch die Blutrache. Mord wird dabei als eine Art von Blutentwendung der Familie des Opfers begriffen. Diese Schuld wird durch die einmalige Tötung des Täters gesühnt und somit ausgelöst. Die biblische Form der Blutrache ist ein besonderer Fall der Talion (»Auge um Auge, Zahn um Zahn«, Ex 21, 24 f., Lev 24, 20 u. ö.), die auf die Abschreckung des Ersttäters setzt. Das Besondere alttestamentlichen Rechts ist dabei gerade nicht die Regelung der Talion als solche, sondern vielmehr die Begrenzung der Blutrache in mehrfacher Hinsicht: Eine Tat wird durch maximal eine Tat gerächt, der Täter erhält die Möglichkeit, in einer Stadt um 3 Asyl zu bitten (Num 35, 1-15; Dtn 19, 113; Jos 20) und so ein ordentliches Gerichtsverfah-

ren zu bekommen, in dem zwischen Totschlag und Mord unterschieden wird (Num 35,16-34). Ein Auslösen setzt damit etwas an die Stelle von etwas anderem: Angestrebt wird die Wiederherstellung eines rechtlichen Gleichgewichts. In ähnlichem Sinn kann auch die Auslösung der Erstgeburt verstanden werden (Ex 13,13; 34, 20; Num 3, 44-51): Die Erstgeburt ist eigentlich zum Tod bestimmt oder Gott geweiht, wenn sie nicht besonders ausgelöst wird. In diesem todesrechtlichen Kontext können die Vorstellungen des Auslösens gerade eine lebensrettende Bedeutung annehmen. Diese Bedeutung wird auch der wenig gebildeten Volksmenge sehr gut präsent gewesen sein: Sie wird nicht nur beim Pessach liturgisch erinnert, davon wird auch eine Tempelsteuer abgeleitet, die bei einer menschlichen Erstgeburt in Form einer Ersatzleistung (Num 18, 15 f.) und beim Tier durch das Opfer des Tieres selber (Num 18, 17) abzugeben ist. Jede Familie erfährt damit mindestens einmal beim ersten Kind ganz konkret diesen Zusammenhang, jeder Viehbauer sogar jährlich bei einem ersten Wurf. Es war wohl vor allem die Reflexion des babylonischen Exils, in der die konkreten Erfahrungen des Auslösens zur theologischen Vorstellung der Erlösung erweitert wurden, denn ab dem babylonischen Exil werden die Erwartungen von Erlösung insgesamt gesteigert. So enthalten beispielsweise die Texte Jes 40 ff. eine Fülle von Erlösungsvorstellungen: »dein Auslöser, der Heilige Israels« (Jes 41, 14; 48, 17, 54, 5; vgl. 49, 26 u. ö.) kann als namensgleiche Selbstbezeichnung Gottes (3 Namen) verwendet werden, in der eine Distanzaussage von Heiligkeit mit einer Zusage von Zuwendung verknüpft wird. Inhaltlich wird dabei die Erwartung vor allem durch eine Steigerung des Exodus- sowie des Schöpfungsmotivs ausgedrückt: Der Schöpfer Israels wird es auch erlösen (Jes 43,1 f.; 44, 24 u. ö., vgl. 49, 5). Schöpfungsaussagen nehmen dabei die größtmögliche Perspektive ein: »So spricht JHWH, der König Israels und sein Erlöser, der Herr der Heerscharen: Ich bin der Erste, ich bin der Letzte, außer mir gibt es keine Gottheit« (Jes 44, 6). Auf Grund dieser Perspektive kann Erlösung auch als Ret-

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Auslösen / Erlösen

tung für alle Zeit beschrieben werden (Jes 45, 17): Die Vorstellung von Erlösung ist damit auch dort präsent, wo das Vokabular fehlt. Funktion der Anspielung auf Schöpfungsvorstellungen ist es dabei, die Erwartung von Errettung und Erlösung glaubwürdig zu machen: Für den Schöpfer ist nichts so groß, dass er es nicht schaffen kann (Jes 51, 9-11). Außerhalb der Prophetie sind es vor allem Psalmentexte, die die Hoffnung auf Erlösung ausdrücken: Dort, wo die Klage der Betenden nicht in Dank mündet, bleibt die Notsituation real. Ein Lobschluss von Psalmen, Psalmengruppen und des Psalters insgesamt ist damit ein Kennzeichen dafür, dass die Betenden durch den Psalm in eine Erlösungshoffnung eingebunden werden sollen. Auch hier ist es die große Gemeinschaft von Menschen, himmlischen Wesen (Ps 148, 1-4; 150, 1), der Tierwelt (Ps 148,7.10; 150, 6), des Wetters und der Erde (Ps 148, 8.9), die als Gottes Geschöpfe (Ps 148, 6; 149, 2) ihn loben und so die tatsächliche Erlösung vorwegnehmen. Auch hier ist der Anklang an Schöpfungsvorstellungen Teil eines gängigen Bezugs zwischen Ur- und Endzeit. 2. Erlösung im Neuen Testament Beim Pessachfest feiern Juden bis heute die Hoffnung, die ihr Bekenntnis zu Gott als Befreier bietet: Jeder und jede erinnert Gott nicht nur als den, der sein Volk aus der Gefangenschaft Ägyptens befreit hat, sondern als den, der jederzeit wieder befreien kann und befreien wird. Die Erlösungsvorstellungen ziehen damit einen großen Bogen vom geglaubten Anfang zum erhofften Ende. Die konkreten Erfahrungen von Auslösungen stellen aber auch in der gegenwärtigen Zwischenzeit wiederherstellende und vorwegnehmende Bezüge zu diesem großen Rahmen her. Dieser Rahmen wird im Neuen Testament aufgenommen und zur Hoffnung auf Erlösung in einer neuen Welt. Das Urchristentum verkündet, dass die neue Welt in Christus schon begonnen hat. Die alte Welt muss nicht zugrunde gehen, damit das Heil beginnen kann. Durch diese »präsentische«

Eschatologie steht es einer Versöhnungsreligion nahe, die in dieser Welt das Heil findet. Aber das Warten auf die Vollendung in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde entspricht einer Erlösungsreligion. Der Unterschied zwischen Versöhnungs- und Erlösungsreligion wird sozialgeschichtlich oft dadurch erklärt, dass Erlösungsvorstellungen Reaktion auf Verelendung seien. Das muss nicht sein. Das Christentum erfuhr im 2. Jh. in Gestalt der Gnosis eine Radikalisierung als Erlösungsreligion und drang gleichzeitig in höhere soziale Schichten ein. Das erlösungsbedürftige Böse kann auf drei Unheilsfaktoren zurückgeführt werden: auf Gott, auf die Sünde des Menschen und die Welt, deren Bosheit oft als Satan personifiziert wird. In der Jesusüberlieferung herrscht eine Balance zwischen den drei Unheilsfaktoren: Das Heil besteht im Sieg über den Satan (Lk 10, 18; Mt 12, 28 par), in der Vergebung der Sünden und darin, dass sich Gottes Güte durchsetzt: Sie ist im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg stärker als menschlicher Neid (Mt 20, 1-16) und im »verlorenen Sohn« stärker als das Urteil des älteren Sohnes (Lk 15,11-32). Dabei lässt sich eine »soziale Struktur« der Botschaft Jesu erkennen: Sein Ruf zur Umkehr wendet sich an alle, seine Gerichtspredigt primär an die Eliten, seine Heilspredigt an die Armen (Mt 5, 3 par), die Mühseligen und Beladenen (Mt 11, 28-30). Kann es ein Zufall sein, dass im Markusevangelium ein blinder Bettler als erster im Volk in Jesus den Davidssohn erkennt (Mk 10, 47 f.)? Das von Jesus verheißene Heil ist dabei so konkret wie die Not, die er beseitigt: Das Heil realisiert sich in Heilungen und Tischgemeinschaft. Es entspricht nicht den Träumen der Oberschicht (3 Soziale Schichtungen): Wir erleben keine Thronsaalszenen im Himmel, keine liturgischen Gesänge, kein Torastudium, eher eine Familienfeier (Mt 8, 11). Das Reich Gottes ist »kein Imperium, sondern ein Dorf« (Burchard 34). Trotzdem gibt es unter diesen einfachen Menschen den Traum, im Reich Gottes endlich an die Macht zu kommen: Die Zwölf werden Israel regieren (Mt 19, 28). Die Armen werden an der Gottesherrschaft beteiligt (Mt 5, 3). Heil ist

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Auslösen / Erlösen

Teilhabe an Herrschaft und Überwindung von Ohnmacht (Roose). Das verändert sich bei Paulus. Auch bei ihm finden wir eine Balance der drei Unheilsfaktoren. Die Rechtfertigung des Sünders ist ein zentrales Thema. Gleichzeitig werden die feindseligen Mächte durch Christus überwunden (1 Kor 15, 25-28). Aber auch Gott selbst erscheint als hart und unverständlich: Paulus konfrontiert mit Gottes unverständlicher Souveränität, wenn er von seinem Erwählen und Verwerfen spricht (Röm 9, 6 ff.), aber sie verwandelt sich in Barmherzigkeit (Röm 11, 25 ff.). Die Not, von der hier befreit wird, ist nicht primär materielle Not, von der speziell die unteren Schichten (3 Soziale Schichtungen) betroffen sind, sondern Not, die alle Menschen trifft: Der Römerbrief beginnt zwar mit der Versicherung, jetzt sei die alte »politische« Hoffnung auf einen neuen Davididen in Jesus erfüllt (Röm 1, 3 f.), aber er interpretiert die Befreiung durch ihn als Befreiung von 3 Sünde, 3 Gesetz (3 Tora / Nomos) und 3 Tod (Röm 5-8). Für die Befreiung von der Sünde benutzt er ein ergreifendes Bild, das nur sozialgeschichtliches Wissen lebendig macht: Christen müssen ihre Glieder nicht mehr der Unreinheit zum Sklavendienst hingeben (Röm 6,19). Paulus spielt hier auf den sexuellen Missbrauch von Sklaven und Sklavinnen an, gegen den sich diese nicht wehren konnten. So hilflos waren die Unerlösten der Sünde ausgesetzt. Positiv aber gilt bei Paulus – anders als bei Jesus, der sich das Gottesreich als Festmahl mit reich gedecktem Tisch vorstellt: Das Reich Gottes ist nicht »Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist« (Röm 14,17). Dieses spiritualisierte Heil soll Auswirkungen im Alltag haben: Starke und Schwache sollen tolerant miteinander umgehen (Röm 14,1 ff.). Der Sklave ist als Christ wie ein Bruder zu behandeln (Phlm). In Christus haben soziale Unterschiede letztlich keine Bedeutung mehr (Gal 3, 28). Die Heilsdeutung des Todes Jesu begegnet bei Paulus als Sühne und Ärgernis. Einerseits ist Jesu Tod ein Sterben für die Sünden anderer Menschen – was in drei Variationen zum Ausdruck

gebracht wird: in kultischer Metaphorik als Sühnopfer, in juridischer als Stellvertretung, in diplomatischer als Versöhnung. Immer geht es um Sühne, d. h. um eine Ersatzleistung für eine viel größere »Bestrafung« aller Menschen. Andererseits deutet Paulus den Tod Jesu als Ärgernis und Skandalon. Diese Deutung ist meist mit dem Begriff »Kreuz« verbunden und ist von der Sühnedeutung zu unterscheiden: Als Sühne soll das Kreuz die Beziehung zwischen Gott und Mensch »entstören«, als Skandalon eine »Störung« provozieren. Als Sühne überwindet es ein Defizit in der Wertverwirklichung, als Ärgernis enthüllt es ein Defizit der Wertmaßstäbe. Als Sühne überwindet es die Sünde des Menschen, als Ärgernis die Normen der Gesellschaft. Die beiden Deutungen des Todes Jesu bringen ferner zwei Grundwerte des Urchristentums zum Ausdruck: Liebe, die sich zur Selbsthingabe steigert (Röm 8, 31 ff.), und Demut, die sich zur Selbststigmatisierung radikalisiert (Phil 2, 6-11). Beide Deutungen dienen der Überwindung sozialer Grenzen, die Sühne soll die Grenzen zwischen den Völkern überwinden: Die Rechtfertigung aufgrund des Glaubens an den Heilstod Jesu (Röm 3, 25) soll Gott zum Gott aller Völker machen (3, 29): Ihre Sünde durch Abkehr von dem einen und einzigen Gott ist im Tode Christi überwunden. Daher kann sich Paulus ihnen als Heidenmissionar zuwenden und allen Menschen das Wort der Versöhnung predigen. Das Kreuz als Ärgernis dient dagegen vor allem der Überwindung von Grenzen zwischen den Schichten. Die Predigt vom Kreuz in 1 Kor 1, 18 ff. sagt: Gottes Erlösung besteht darin, dass er das Niedrige und Ohnmächtige in der Gesellschaft erwählt. Der Sühnetod ist nicht als Grundlage des Heils, sondern als Ausdruck des Unheils zu interpretieren und seine Überwindung als Heil. Unheil besteht darin, dass Menschen auf Kosten anderen Lebens leben wollen – auch auf Kosten des Gekreuzigten. Heil aber besteht darin, dass ein Leben möglich wird, das nicht auf Kosten anderen Lebens lebt. In der Johannesapokalypse treten als Unheilsfaktor die dämonischen Mächte (3 Macht) hervor. Der Satan erscheint als eine satanische Trini-

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Bandenbildung

tät, bestehend aus dem Drachen, der aus dem Himmel gestürzt wird, dem Untier, das aus dem Meer aufsteigt, und dem Tier vom Land her (Offb 12-13). Der Satan symbolisiert das Römische Reich. Im Hebräerbrief steht die Überwindung der Sünde im Mittelpunkt. Die Christologie wird als Entsprechung zum großen Versöhnungstag gedeutet: Ein für allemal hat Christus als himmlischer Hohepriester durch sein Selbstopfer die Sünde überwunden. Der Weg ins Allerheiligste, der nur dem Hohepriester einmal im Jahr offen stand, ist für alle geöffnet, die Christus nachfolgen (Hebr 9, 1-10, 18). In der Theologie der johanneischen Schriften ist die rechte Erkenntnis Gottes entscheidend. Gott zu erkennen, das ist der Weg zum Heil (Joh 17, 3). Albertz, Rainer, Loskauf umsonst? Die Befreiungsvorstellungen bei Deuterojesaja, in: Christof Hardmeier u. a. (Hg.), Freiheit und Recht. FS F. Crüsemann, Gütersloh 2003, 360-379. Burchard, Christoph, Jesus von Nazareth, in: Jürgen Becker u. a. (Hg.), Die Anfänge des Christentums, Stuttgart 1987, 12-58. Frey, Jörg / Schröter, Jens (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, WUNT 181, Tübingen 2005. Gunkel, Hermann, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, Göttingen 2 1921. Kraus, Hans-Joachim, Systematische Theologie im Kontext biblischer Geschichte und Eschatologie, NeukirchenVluyn 1983. Meeks, Wayne A., Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, Gütersloh 1993. Millard, Matthias, Die Komposition des Psalters. Ein formgeschichtlicher Ansatz, FAT 9, Tübingen 1994. Roose, Hanna, Eschatologische Mitherrschaft. Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung, NTOA 54, Göttingen / Fribourg 2004. Sanders, Edward P., Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstrukturen, StUNT 17, Göttingen 1985a. Sanders, Edward P., Jesus and Judaism, London 1985b. Stark, Rodney, The Rise of Christianity. A Sociologist Reconsiders History, Princeton 1996. Sundermeier, Theo, Erlösung oder Versöhnung? Religionswissenschaftliche Anstöße, EvTh 53 (1993), 124-146 = ders., Was ist Religion?, Gütersloh 1999, 43-65. Theißen, Gerd, Soteriologische Symbolik in den paulinischen Schriften. Ein strukturalistischer Beitrag, KuD 20 (1974), 282-304. Theißen, Gerd, Das Kreuz als Sühne und Ärgernis. Zwei

Deutungen des Todes Jesu bei Paulus, in: Dieter Sänger (Hg.), Paulus und Johannes, WUNT 198, Tübingen 2006, 427-455. Theißen, Gerd, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004.

Matthias Millard / Gerd Theißen

Bandenbildung Die Geschichte der Bandenbildungen steht mit den sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen einer agrarischen Gesellschaft in enger Verbindung. Banden / Sozialbanditen stellen bis in die römische Zeit eine besondere Art der sozialen Bewegungen dar. Banden entstehen, wenn Menschen auf Grund von Krisen (z. B. hohe Steuern, Hungersnöte) ihren gesellschaftlichen Ort verlassen und sich auf räuberische Aktionen verlegen. In Briefen an den ägyptischen Pharao aus dem 14. Jh. suchen kanaanäische Stadtkönige Unterstützung gegen die sie in ihrer Souveränität bedrohenden Hapiru. Mittelbar bedrohen die Hapiru die ägyptische Hegemonie. Hapiru bezeichnen kein Volk, sie sind Angehörige einer sozialen Randgruppe, die aus der gesellschaftlichen Ordnung der Stadtstaaten hinausgefallen sind. Mit dem Ende ägyptischer Vorherrschaft und dem sich zeitgleich vollziehenden Niedergang der Stadtkulturen gehen die Hapiru wahrscheinlich in der neu entstehenden Dorfkultur auf. Die Erzählungen um die Anfänge des Aufstiegs Davids (1 Sam 22 ff.) stellen einen Reflex auf ähnlich einschneidende gesellschaftliche und politische Umbrüche dar. Schroer bezeichnet die Existenz Davids, der durch seine Flucht vor Saul seine sozialen Bindungen verliert, vor diesem Hintergrund als Hapiruexistenz. Wie Abimelech (Ri 8 f.) und Jiftach (Ri 11) wird auch David zum Anführer anderer gesellschaftlicher Randexistenzen (1 Sam 22; 25). Von zentraler Bedeutung ist das Problem wirtschaftlicher Verarmung und Ver-

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Bann

schuldung (1 Sam 22,2). Historisch zutreffend mag sein, dass vergleichbare Gruppen im Dienst von Nomaden oder Dörfern als Schutzmacht vor anderen solchen Gruppen auftraten (vgl. 1 Sam 25). Anders als die Hapiru des 14. Jh. strebt David nach Darstellung des biblischen Textes nach der Konsolidierung umfassender politischer Macht. Mit Bandenbildung verbunden ist schließlich die Aufstandsbewegung der Makkabäer. Nach biblischem Zeugnis beginnt die Geschichte des Königtums Israels mit sozial Randständigen, auf deren Seite der Gott Israels sich stellt. Mit dem Ausgang ihrer Geschichte verbindet sich ihre unterschiedliche Wertung. Mit ihrer unterschiedlichen Wertung verknüpft sich noch einmal eine divergierende Beurteilung des Königtums. Sozialbanditen waren im gesamten Römischen Reich anzutreffen, besonders in Gegenden, wo sie ideale Bedingungen fanden, sich der staatlichen Macht zu entziehen. Sie erhalten von der übrigen bäuerlichen Gesellschaft Unterstützung: Die Aktionen gegen die Oberschicht werden als Widerstand gegen ungerechte Herrschaft gedeutet. Sozialbanditen repräsentieren die Interessen der Landbevölkerung gegenüber den Eliten. Unterstützer der Banditen hatten Anteil an der Beute. Die Sozialstruktur der Banden kann als egalitär bezeichnet werden (gleiche Verteilung der Beute, der Arbeit und anderer Pflichten). Banden stellten eine Art Gegenwelt dar. Die Führung innerhalb der Gruppe nahmen charismatische Personen wahr, die wegen ihres Auftretens und ihres Erfolges Macht beanspruchen konnten. Für den römischen Staat stellten diese Banden eine Bedrohung dar, auf die mit massiven militärischen Mitteln reagiert wurde (vgl. Ciceros Aktionen in Kilikien 51 v. Chr.: Cic. fam. 2,9,1 f.). Den Banditen drohte bei der Gefangennahme sofortige Folter und Hinrichtung wie die Kreuzigung. Unter der Herrschaft des Herodes und seiner Nachfolger nahm die Aktivität der Banden in Israel bis in die Zeit des Aufstandes gegen Rom stetig zu. Einige Banditenbanden versuchten gegen die römische Herrschaft einen anderen König zu setzen, wie z. B. Judas in Galiläa, Simon in Peräa und Athronges in Judäa (Flav. Jos. Bell.

2,55 ff.; Flav. Jos. Ant. 17,269 ff.). Diese Banden bildeten eine wichtige Basis für den Aufstand gegen Rom. Jesus selbst wird mit zwei »Räubern« (lestes) gekreuzigt, die wegen der Hinrichtungsart als Sozialbanditen einzustufen sind. Dies zeigt, dass Jesus und seine Bewegung seitens des Staates als Feind der Ordnung gesehen wurden.

Dietrich, Walter, Die frühe Königszeit in Israel. 10. Jh. v. Chr., BE 3, Stuttgart 1997. Fritz, Volkmar, Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr., BE 2, Stuttgart 1996. Horsley, Richard A. / Hanson, John S., Bandits, Prophets and Messiahs. Popular Movements at the Time of Jesus, Harrisburg 2 1999. Schroer, Silvia, Die Samuelbücher, NSK.AT 7, Stuttgart 1992. Shaw, Brent D., Der Bandit, in: Andrea Giardina (Hg.), Der Mensch in der römischen Antike, Frankfurt 2 1998, 337381.

Johanna Erzberger / Carsten Jochum-Bortfeld

Bank 3 Schatz / Bank

Bann Die in der Regel mit »Bann, bannen« übersetzte hebräische Wortgruppe (h¯eræm / hrm hif.; griech. ˙ ˙ meist mit anathema, sonst mit Worten für »vernichten« wiedergegeben) meint in der Grundbedeutung einen Vorgang des Aussonderns und Ausgrenzens. Von da kommen Worte wie Harem oder Charam als heiliger Bezirk. Im Alten Testament wird der Begriff vor allem im Zusammenhang mit Kriegshandlungen benutzt, im späteren Judentum wie in der christlichen Weiterführung geht es um Ausgrenzung von Abweichlern aus einer Gemeinschaft in religiösen und sozialen Konflikten. 1. Bann als Kriegshandlung In einer Inschrift des moabitischen Königs Me-

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Bann

scha aus dem 9. Jh. heißt es im Zusammenhang von Kriegen gegen Israel: »Ich bekämpfte die Stadt [Ataroth], nahm sie ein und tötete die ganze Bevölkerung der Stadt als Schauspiel für Kamosch und für Moab … Ich nahm es [die Stadt Nebo] ein und tötete sie alle, 7000 Mann, Beisassen. Frauen, Beisassinnen und Sklavinnen, denn an Aschtar-Kamosch hatte ich sie geweiht.« (TUAT I, 648 f.). Diese »Vernichtungsweihe«, die hier ein Nachbarkönig als Teil der Kriegshandlungen für seine Götter vollzieht, entspricht dem, was viele alttestamentliche Texte als Forderung in bestimmten Kriegen erkennen lassen, und belegt zugleich, dass solche Handlungen nicht auf Israel beschränkt waren und wohl zumindest partiell wirklich praktiziert wurden. Den Bann zu vollstrecken, gilt danach als ein kultischer Akt der Übereignung an Gott. Entsprechend darf das Bann-Gut für keine anderen Zwecke mehr eingesetzt werden, es ist der menschlichen Verfügung und normalen Nutzung vollständig entzogen, d. h. dass es völlig vernichtet oder getötet werden muss. Im Blick auf Menschen oder Tiere als Kriegsbeute bedeutet dies den Ausschluss vom Leben durch die sogenannte »Vernichtungsweihe«: »Alles Gebannte, das an Menschen mit dem Bann belegt wird, darf nicht ausgelöst werden: Es muss getötet werden« (Lev 27,29). Dieses horrende Abschlachten von Frauen, Kindern und Tieren ist abstoßend und schockierend und trotz seiner Verbreitung in den Texten theologisch hoch problematisch. Positiv ist immerhin festzuhalten, dass ein Motiv für den Krieg, nämlich Beute zu machen und Reichtum zu erwerben, damit wegfällt. Wer diese totale Übereignung an Gott nicht vollzieht, macht sich schwer schuldig (Achan in Jos 7 / 1 Chr 2,7; Saul in 1 Sam 15). Fragt man aber nach der sozialen und historischen Realität dieses Kriegsbannes, so ist Mehreres zu bedenken. Auf der einen Seite ist festzustellen, dass die Mehrzahl der Kriege, wie sie etwa in den Samuel- und Königbüchern geschildert werden oder aus anderen Quellen bekannt sind, eine solche Sitte nicht erwähnen, selbst wenn massive Grausamkeiten im Spiel sind. Nur

ausnahmsweise ist bei Kriegsgefangenen einmal davon die Rede (1 Kön 20,42) und nur gelegentlich werden etwa die äußerst grausamen assyrischen Kriege mit diesem Begriff bezeichnet (2 Kön 19,11). Die Praktizierung einer totalen Vernichtungsweihe wird also in historischer Zeit allenfalls eine Ausnahme gewesen sein. Zum anderen gehören Sprache und Vorstellungswelt der meisten Texte, die davon reden, einer bestimmten theologischen Schule an, der sogenannten deuteronomistischen, und ist hier für die Frühzeit und insbesondere für den Umgang mit den Vorbewohnern bei der Eroberung des Landes vorgesehen. So wird in Dtn 7,1 ff. der erbarmungslose Vollzug des Kriegsbanns an sieben namentlich genannten Völkern des Landes gefordert. Diese Völker sind, wie die Namen zeigen, fiktiv, da sie nachweislich in der Zeit der Entstehung der Texte (frühestens ab der späten Königszeit) nicht (mehr) existieren. Bei der (ebenfalls im Rückblick entworfenen) Schilderung der Landnahme wird zwar bei einigen Städten so verfahren (Jos 6,17 f.; 7 f.; Ri 1,17), aber schließlich wird ausdrücklich konstatiert, dass die Vorbewohner am Leben blieben (Ri 1; bes. Ri 3,5 f.; anders Jos 10,40) und Israel nun mit ihnen leben muss (1 Kön 9,20 f.; 22,11) und deshalb bei Annäherung an ihre Sitten selbst von solchen Vernichtungsgefahren bedroht ist (2 Kön 21,2 f.). Die eigentlichen Rechtsregeln des deuteronomischen Gesetzes (Dtn 12-26) sehen für Gegenwart und Zukunft gerade keine pauschale Abschlachtung, sondern rechtlich kontrollierte Einzelverfahren bei »kanaanäischem« Verhalten vor. Schließlich ist die Überwindung solcher Sitten ein Teil der eschatologischen Hoffnung: »Und einen Bann wird es nicht mehr geben, und Jerusalem wird in Sicherheit wohnen« (Sach 14,11; vgl. bes. Mal 3,24). 2. Bann als Exkommunikation Vielleicht als Fortsetzung alttestamentlicher Rechtsregeln wie Ex 22,19 (»Wer den Göttern opfert, außer JHWH allein, soll mit dem Bann belegt werden«) wird nachbiblisch zuerst in sekten-

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Bauwesen / Architektur

ähnlichen Gemeinschaften wie Qumran (z. B. CD 9,1) oder bei den Pharisäern, nach 70 n. Chr. im rabbinischen Judentum der Begriff des Bannes auf den zeitweisen oder dauernden Ausschluss aus der Gemeinschaft bezogen (z. B. bMQ 16a). Dabei wird ein kleiner von einem großen Bann unterschieden. »Der mit dem (großen) Bann Belegte darf weder lehren noch darf man ihn lehren, er darf keinen Lohn empfangen noch darf man von ihm Lohn empfangen« (bMQ 15a). Auch die Anfänge von Kirchenzucht im Neuen Testament sind teilweise mit dem Begriff des Bannes respektiv seiner griechischen Wiedergabe mit anathema verbunden (z. B. 1 Kor 16,22; vgl. etwa 1 Kor 5,1 ff.), was in der kirchliche Lehre und Praxis von Bann als schwerer »Kirchenzucht« (Martin Luther) eine Fortsetzung findet. Crüsemann, Frank, Gewaltimagination als Teil der Ursprungsgeschichte. Banngebot und Rechtsordnung im Deuteronomium, in: Friedrich Schweitzer (Hg.), Religion, Politik und Gewalt, Gütersloh 2006, 343-363. Dietrich, Walter / Link, Christian, Die dunklen Seiten Gottes, Bd. 1, Willkür und Gewalt, Neukirchen-Vluyn 4 2002, 195-201. Dietrich, Walter, Bannkriege in der frühen Königszeit; in: ders., Von David zu den Deuteronomisten. Studien zu den Geschichtsüberlieferungen des Alten Testaments, BWANT 156, Stuttgart / Berlin / Köln 2002, 146-156. Hunzinger, Claus-Hunno, Art. Bann II. Frühjudentum und Neues Testament, TRE V, 1979, 161-167. Lohfink, Norbert, Art., wt‡h5 h¯aram, ThWAT 3, 1982, 192-213. ˙ Ders., Die Schichten des Pentateuch und der Krieg; in: ders. (Hg.), Gewalt und Gewaltlosigkeit im Alten Testament, QD 96, Freiburg / Basel / Wien 1983, 51-110. Schäfer-Lichtenberger, Christa, Bedeutung und Funktion von Herem in biblisch-hebräischen Texten, BZ 38 (1994), ˙ 270-275. Wiesner, J., Der Bann in seiner geschichtlichen Entwicklung auf dem Boden des Judentums, Leipzig 1864.

Frank Crüsemann / Manfred Oeming

Bauwesen / Architektur 1. Israel bis zum Hellenismus Private Bauten wie Wohnhäuser, Gehöfte und Gräber u. ä. wurden zumeist in Eigenregie unter Beteiligung der eigenen Sippe und durch Mitarbeit von Nachbarn errichtet, ohne dass man dazu zwingend Baufachleute hätte heranziehen müssen. Eigene Erfahrung und Bautradition genügten. Öffentliche Bauten wie Festungen, Paläste, Tempel und Wasseranlagen u. ä. wurden dagegen von Fachleuten konzipiert und errichtet, die vom Bauherrn, in der Regel dem König, beauftragt waren. Diese monumentalen wie komplexen Bauwerke dienten der Präsentation königlichen und religiösen Selbstverständnisses und setzten hohes bautechnisches Wissen und organisatorische Erfahrung voraus, um die oft jahrelangen Bauzeiten (1 Kön 6, 37; 7, 1) mit allen logistischen und architektonischen Problemen bewältigen zu können. Bauzeichnungen (Ez 4, 1), Entwürfe (2 Kön 16, 10; 1 Chr 28, 11 f.18 ff.) und Grundrisse (vgl. das Stempelsiegel aus dem königszeitlichen Arad, das vermutlich den Grundriss der Festung zeigt) geben einen kleinen Einblick in solche Unternehmungen. Übernahmen und Zitate aus ausländischen Vorbildern gaben den Bauwerken eine kosmopolitische Note. Als Bauwerkzeuge werden vor allem Messschnur und Lot genannt. Bauliche Fachkenntnisse wurden als »Weisheit«, »Wissen« u. ä. eingeschätzt (1 Kön 7, 14; Spr 24, 3; vgl. 9, 1; 14, 1); bei den Deportationen durch die Babylonier wurden unter den Handwerkern gezielt auch Zimmerleute verschleppt. Seit dem Hellenismus konnten Bauleiter u. ä. als architekton bezeichnet werden (2 Makk 2, 30; vgl. Sir 38, 28; Jes 3, 2 in der Septuaginta). Öffentliche Bauherren waren in der Regel die Könige oder die Häupter der führenden Familien, später auch Provinzgouverneure und Hohepriester (Neh 3-4; Sir 50, 3). Auch Stämme können summarisch als kollektive Bauherren erwähnt werden (Num 32, 34-38; Ri 18, 28; 21, 23). Frauen spielten als Auftraggeberinnen offenbar kaum ein Rolle (1 Chr 7, 24; vgl. Spr 14, 1). Öffentliche Baumaßnahmen wurden durch Steuern,

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Bauwesen / Architektur

Fronarbeit, bezahlte Bauarbeit und Bauverträge mit benachbarten Königen u. ä. finanziert und organisiert. Bei der Wiedererrichtung der Jerusalemer Stadtmauer unter Nehemia waren an den verschiedenen Mauerabschnitten und Torbauten unterschiedliche Berufsgruppen (Beamte, Goldschmiede, Händler, Leviten, Priester u. a.) und Judäer aus mehreren Landstädten beteiligt (Neh 34). Unter den zahlreichen Bautrupps findet sich einer, der von »Schallum und seinen Töchtern« gebildet wird (3, 12). Das Alte Testament nennt neben verschiedenen Bauarbeitern vor allem Steinhauer, Steinmetze, Maurer und Schreiner als eigene Bauhandwerker. Besonders für die Innenarchitektur und -einrichtung werden entsprechend den Baumaterialien Holz, Metalle und Elfenbein u. ä. Zimmerleute, Goldschmiede und andere Handwerker genannt, über deren Selbstorganisation kaum etwas bekannt ist. 2. Hellenistisch-römische Zeit Der Bedarf und das Repräsentationsbedürfnis öffentlicher (Städte, Kultgemeinschaften, Militär, Hof) und privater Auftraggeber führt zu einer dramatischen Professionalisierung und Differenzierung von Architektur und Bauwesen in hellenistisch-römischer Zeit. Gleichzeitig fördert die Mobilität von Experten (italische Dekorateure im herodianischen Palästina!) und Baustilen die Internationalisierung von Architektur und Bauwesen durch gegenseitige Beeinflussung unterschiedlicher Baustile innerhalb des westlichen und vor allem des östlichen Mittelmeergebiets. Die kreative Kombination von klassisch-griechischen Bauformen (Tempel, Hallen, Theater) bzw. Dekorationselementen (Kanneluren, florale Motive, Ranken etc.) mit orientalischen Elementen sowie die Weiterentwicklung indigener stilistischer und kultureller Impulse führt ab der hellenistischen Zeit zunehmend zur Herausbildung regionaler materieller Kulturen (z. B. im jüdischen Palästina, bei den Nabatäern, und in der »gallorömischen Kultur«). Weit verbreiteter Gebrauch neuer Materialien (Marmor, Stuck, Glas), neue Bauformen (Gewölbe aus Etrurien; Oktogon, Mosaike) und Bautypen (Amphitheater, Ba-

silika, Synagoge, freistehende Monumentalbögen) ist wesentliches Kennzeichen der Epoche. Dessen ungeachtet setzen sich vor allem im privaten Hausbau traditionelle Bauformen oft genug ungebrochen (z. B. traditionelle Gehöfte mit Vierraumstruktur in Palästina) oder in adaptierter, gleichsam »modernisierter« Form fort (z. B. orientalische Tempelformen z. B. in Jerusalem oder bei den Nabatäern). Innovation in Bauwesen und Architektur wurde zumeist durch die Oberschicht der urbanen Zentren des Ostens inspiriert. Vor allem das ptolemäische Alexandria übte großen Einfluss auf Stilgefühl und Modetrends in Architektur und materieller Kultur im gesamten Osten aus (vgl. symptomatisch die Kombination griechischer, ägyptischer und orientalischer Elemente in der Darstellung des Festzeltes des Ptolemaios II. nach Athen. 5, 196a-197c oder die Thalamegos Ptolemaios IV. bei Athen. 5, 204d-206c), dann aber auch die alten griechisch inspirierten kleinasiatischen Städte und ab dem 1. Jh. n. Chr. zunehmend auch Rom. Nach noch recht zaghaften und partiellen Anfängen in der Hasmonäerzeit ist hellenistischer Einfluss auf Palästina besonders seit Herodes nachzuweisen. Nicht nur der Hof, sondern von dort ausgehend auch die durch Privilegien (Priesteradel) und Handel (städtische Eliten wie z. B. in Sepphoris) über die nötigen Mittel verfügende Oberschicht rezipierte hellenistische Kultur. Herodes und seine unmittelbaren Nachfolger nahmen jedoch auf regionale Besonderheiten Rücksicht und folgten dem schon unter hasmonäischer Herrschaft beschrittenen Weg anikonischer Kultur. Erst ab dem 3. (Dura Europos), vor allem aber ab dem 4. Jh. n. Chr. (Palästina) bildete das Judentum seine eigene Spielart ikonischer Kunst aus. Frauen werden als Baumeister oder Bauhandwerker nicht genannt, wohl aber als Auftraggeberinnen und Nutzerinnen von Architektur. Die Frage, inwiefern exklusive Nutzung bestimmter (Teile von) Bauten durch Frauen gegeben ist, ist in der Archäologie in lebhafter Diskussion (»gender and space«). Oft ist neben der

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Bauwesen / Architektur

Geschlechtszugehörigkeit auch der Stand weiblicher Nutzer von Architektur zu berücksichtigen. Als einziges aus der Antike erhaltenes Handbuch der Architektur ist Vitruvius, De architectura aus augusteischer Zeit von unschätzbarem Wert. Auch die Naturalis historia des älteren Plinius enthält wichtige Passagen zu Bauwesen, Architektur, Baumaterialien und Baumeistern, z. T. mit Exzerpten aus älterer Literatur. 3. Bauwesen und Architektur im Neuen Testament Im Neuen Testament spielen Architektur und Bauwesen in vielfältiger Weise eine Rolle. So werden verschiedene Haustypen genannt: einfache Häuser in Dörfern wie Mk 1, 29.33; 2, 4 mit Flachdach sowie aufwändigere Häuser in Städten wie Jerusalem mit Obergeschoss (Mk 14, 15), mit Hof und Außentor (Apg 12, 13 f.), mit drei Stockwerken in Alexandria Troas (Apg 20,9). Neben Häusern werden auch landwirtschaftliche Nutzbauten wie Türme oder oft mit einigem baulichem Aufwand angelegte Weinberge (Mk 12, 1) erwähnt, natürlich auch der Tempel in Jerusalem (Mk 11,15; 15, 29). Jesu Vater Josef und Jesus selbst werden als tekton (»Bauhandwerker« Mt 13, 35; Mk 6, 3) bezeichnet, Paulus war »Zeltmacher« (Apg 18, 3). An Baumaterialien werden Steine (Mk 12,10 mit Zitat aus Ps 118, 22), Holz, sowie das billigere Stroh und Heu (1 Kor 3, 12) erwähnt; Dachziegel waren in Palästina trotz Lk 5, 19 im 1. Jh. n. Chr. ungebräuchlich. Einen Architekten (1 Kor 3, 10) konnten sich nur Reiche leisten, oft lagen Planung und Bauausführung gemeinsam in der Hand des Eigentümers (Lk 14, 28-30). Auch im Bereich der Metaphorik begegnet die Welt der Architektur (vgl. JosAs 22, 13). Paulus vergleicht die Christen mit einem Tempel, in dem der Heilige Geist wohnt (1 Kor 3, 16; 6, 19), und als Gottes Bau (1 Kor 3, 9). Der Begriff oikodomein kommt besonders häufig in ekklesiologischem Kontext vor und hebt bildlich die Verantwortung des Baumeisters sowie das stetige und planvolle Aufbauen der Gemeinde hervor (z. B. Röm 15, 20; 1 Kor 3, 9-17; 8, 1.10; 1 Petr 2, 4-6 u. ö.). In weisheitlicher Manier vergleicht Matthäus den

Klugen, der auf die Worte der Bergpredigt hört, mit einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels gründet, während der, der nicht hört und nicht danach handelt, auf Sand baut, so dass sein Haus vom kommenden Sturzregen hinweggespült wird (Mt 7, 24-27). Anderson, James C., Roman Architecture and Society, Baltimore 1997. Braemer, Frank, L’architecture domestique du Levant à l’âge du fer, Paris 1982. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina VII, Gütersloh 1942, 1-246. Fine, Steven, Art and Judaism in the Greco-Roman World. Toward a New Jewish Archaeology, Cambridge 2005. Fritz, Volkmar, Die Stadt im alten Israel, München 1990. Hachlili, Rachel, Ancient Jewish Art and Architecture in the Land of Israel, HdO 7,4, Leiden 1988. Dies., Ancient Jewish Art and Architecture in the Diaspora, HdO 1/1,35, Leiden 1998. Hirschfeld, Yizhar, The Palestinian Dwelling in the Roman-Byzantine Period, Jerusalem 1995. Kempinski, Aharon / Reich, Ronny (Hg.), The Architecture of Ancient Israel from the Prehistoric to the Persian Periods, Jerusalem 1992. Lichtenberger, Achim, Architektur und Bauwesen, in: Klaus Scherberich (Hg.), Familie, Gesellschaft, Wirtschaft = Band 2 von: Kurt Erlemann / Karl Leo Noethlichs / Klaus Scherberich / Jürgen Zangenberg (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, Neukirchen-Vluyn 2005, 199-205. Netzer, Ehud, The Architecture of Herod, the Great Builder, TSAJ 117, Tübingen 2006. Nigro, Lorenzo, Ricercha sull’architettura palaziale della Palestina nelle età del bronzo del ferro: contesto archeologico e sviluppo storico, Rom 1994. Richardson, Peter, Building Jewish in the Roman East, Waco 2004. Schneider, Helmuth, Einführung in die antike Technikgeschichte, Darmstadt 1997. Stambaugh, John E., The Ancient Roman City, Baltimore / London 1988. Wright, George R. H., Ancient Buildings in South Syria and Palestine, Leiden 1985. Zwickel, Wolfgang, Der salomonische Tempel, Mainz 1999.

Ulrich Hübner / Jürgen Zangenberg

Befestigung 3 Waffen / Befestigung

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Behinderung

Begierde 3 Habgier / Begierde

Behinderung Der Begriff der Behinderung hat in der Bibel keine unmittelbare Entsprechung. Es wird aber häufig von im heutigen Verständnis behinderten Menschen berichtet. Nötig ist zunächst für eine präzise Definition die Abgrenzung vom Begriff der Krankheit (3 Krankheit / Heilung). Behinderung hat im Vergleich mit Krankheit, die mehr oder weniger objektiv diagnostizierbar ist, einen stärkeren Bezug auf getroffene gesellschaftliche Konventionen. So versteht das deutsche Sozialrecht Behinderung als längerfristige Abweichung von einem typischen und dem Alter entsprechenden Zustand, der die angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindert (vgl. SGB IX, § 2). Folgt man dieser Definition, so kann Behinderung verstanden werden als körperliche oder seelisch-geistige Abweichung von einer geltenden und konventionell vereinbarten Norm, die zur Be- und Verhinderung von Teilhabe am Gemeinschaftsleben führt. Dabei kann diese Normabweichung und Verhinderung von Teilhabe durchaus durch eine Krankheit bedingt sein. 1. Altes Testament Im Alten Testament wird Behinderung hauptsächlich durch vier typisierende Begriffe (häufig Adjektive mask. Sg. oder Pl.) benannt, die entweder einzeln oder kombiniert vorkommen und auch die neutestamentliche Wundertradition dominieren: Blindsein (2iwwe¯r, Ex 4, 11; Ps 146, 8; Jes 42, 16.18 ff.; 59,10, u. ö., vgl. DISO, 205); Stummsein (3ille¯m; vgl. Ex 4, 11; Jes 35, 6; Ps 38, 14; Spr 31, 8 u. ö.); Taubsein (h¯ere¯ˇs; vgl. Ex 4, 11; Jes 29, 18; 35, 5; ˙ Ps 38,14; DISO, 97); Gelähmtsein (pisse¯ah; vgl. ˙ 2 Sam 5, 6.8; 9, 13; Jes 33, 23; 35, 6; Spr 26, 7 u. ö.). Medizinische Aspekte kommen im Alten Testament bei der Thematisierung von Behinderung kaum zur Sprache, hauptsächlich geht es um Sozialbeziehungen und (religiöse) Partizipation,

insbesondere um Fragen von Ausgrenzung behinderter Menschen von Institutionen des Heiligen sowie um ihren spezifischen Schutz. In manchen Texten, die die Hoffnung auf Gottes Zukunft artikulieren, ist die Erwartung von Aufhebung von Behinderung ein wichtiger Teilaspekt (z. B. Jes 35, 5 f.). Ein Beleg für die Ausgrenzung von Behinderten ist möglicherweise die in der Textüberlieferung allerdings unklare Erzählpassage 2 Sam 5, 6-8, nach der es Blinden und Gelähmten offenbar verboten war, ins Innere Jerusalems zu kommen. Möglicherweise stehen bestimmte Vollkommenheitserfordernisse heiliger Orte hinter diesem Erzählmotiv. Auf eine ähnliche Vorstellung läuft jedenfalls die das Priesteramt betreffende Weisung Lev 21, 17-23 hinaus, in der zwölf verschiedene Formen von Behinderungen, Krankheiten oder Anomalien genannt werden, die eine dem priesterlichen Stamm angehörende Person vom Opferdienst ausschließen (ohne allerdings ihre sonstigen Rechte als Priester zu tangieren). Ähnliches gilt für die so genannte Gemeinderegel Dtn 23, 2-9, nach der Zeugungsunfähige keinen Zutritt zur Gemeinde haben sollen (Dtn 23, 2, vgl. dagegen Jes 56, 3-5). In der Weisheitstradition wird die Notwendigkeit der Fürsorge für Blinde und Gelähmte betont (Hi 29, 15). Für Stumme den Mund aufzumachen, ist Inhalt weisheitlicher Belehrung des Königs (Spr 31, 8). In der Toratradition wird der Schutz von Blinden und Tauben Israel insgesamt aufgetragen, und zwar mit der Verbindlichkeit der Weisung Gottes (Lev 19, 14; Dtn 27, 18). Der Saul-Enkel Merib-Baal / Mefi-Boschet (2 Sam 4, 4; 9, 1-13; 16, 1-4; 21, 7) ist das Beispiel eines Gelähmten im Zusammenhang des Königsamtes. Ezechiel vereinbart demgegenüber zeitweilige Stummheit und Prophetenamt (Ez 3, 26; 24, 27; 33, 22). 2. Neues Testament Auch im Neuen Testament werden bei Behinderungen regelmäßig die sozial-gesellschaftlichen Fragestellungen mit in den Blick genommen. So werden Menschen mit seelisch-geistiger Behinderung als Einsame dargestellt (vgl. Mk

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Belagerung

5, 1 ff.), Gelähmte als in ihrer Bewegungslosigkeit Hilflose (vgl. Mk 2, 1 ff.; Joh 5,2 ff.), Aussätzige als von der Gemeinschaft Ausgeschlossene (vgl. Lk 17, 11 ff. in Verbindung mit Lev 13,1 ff.) usw. In Bezug auf körperliche Normabweichungen ist zunächst bemerkenswert, dass Jesus nach den Traditionen der Evangelien sich größtenteils längerfristig behinderten Menschen zuwendet, die also dadurch bleibend geprägt sind, so z. B. Taubstumme (Mk 7,31 ff.), Blinde (Mk 8,22 ff.), Gelähmte (Mk 2, 1 ff. par; Joh 5,2 ff.) usw. Behinderungen im Sinne seelischer oder geistiger Normabweichung werden vielfach mit unreinen Geistern oder Dämonen in Verbindung gebracht (vgl. z. B. Mk 1, 21 ff.; 5, 1 ff. mit Parallelen). Die einmütige Aussage in den neutestamentlichen Texten ist, dass behinderte Menschen von Jesus und in der Gemeinde grundsätzlich aufgenommen sind und dass keine Behinderung denkbar ist, die aus der Gemeinschaft der Glaubenden ausschließen könnte. So wird in Apg 8,26 ff. dem äthiopischen Eunuchen, der gemäß Dtn 23,2 keinen Zugang zur jüdischen Gemeinde haben soll, programmatisch als erstem Nichtjuden der uneingeschränkte Beitritt zur christlichen Gemeinschaft durch die Taufe gewährt. North, Robert, Medicine in the Biblical Background and Other Essays on the Origins of Hebrew, AAug 142, Rom 2000. Preuß, Julius, Biblisch-talmudische Medizin. Beiträge zur Geschichte der Heilkunde und der Kultur überhaupt, New York 1971 (Berlin 1911). Wallhalla Fachredaktion, Das gesamte Sozialgesetzbuch, SGB I bis XII, Regensburg / Berlin 2007.

Andreas Ruwe / Dierk Starnitzke

Belagerung Die Eroberung einer Stadt war eine schwierige Angelegenheit, da sich die Städte in Israel meist über mehrere Jahrhunderte an derselben Stelle befanden und sich so allmählich ein Tell, ein na-

Abb. 1: Blick auf die Belagerungsrampe, die die Assyrer bei der Belagerung von Lachisch errichtet haben

türlicher Hügel mit steilen Flanken, ergab. Ein solcher Tell konnte bis zu 40 m hoch werden. Wollte man eine Stadt erstürmen, musste man zunächst diese Flanken überwinden und dann noch die Stadtmauer bezwingen. Teilweise war den Stadtmauern auch ein Glacis vorgelagert, das eine ähnliche Wirkung wie die steilen Flanken des Tell hatte. Lediglich in der Spätbronzezeit scheinen die meisten Städte nicht von einer Stadtmauer umgeben gewesen zu sein – wohl auf ägyptischen Druck hin, die sich so die militärische Oberhoheit im Land sichern wollten. Im Vorderen Orient gab es bereits seit dem 3. Jt. v. Chr. eine entwickelte Belagerungstechnik zur Eroberung befestigter Städte. Um die hohen Tellabhänge überwinden zu können, schüttete man Rampen auf, um auf diesen Sturmwidder bewegen zu können. Damit sich die mit Rädern auf den Rampen bewegen ließen und nicht in die nicht verdichtete Erde einsanken, legte man auf diesen Holzplanken aus (Abb. 1). Damit die Stadtmauer dem enormen Druck der Rampe standhielt, wurde in Lachisch, wo eine solche Anlage ausgegraben wurde, auf der Innenseite der Stadtmauern von den Verteidigern eine Gegenrampe errichtet. Im Palast des assyrischen Königs Sanherib (705-681 v. Chr.) in Ninive ist die Belagerung und Eroberung der Stadt Lachisch mit Hilfe solcher Belagerungsgerätschaft auf großen Reliefs dargestellt. Einerseits sind dort die kleinen und wohl leicht beweglichen Gehäuse, die auf vier Rädern fuhren, abgebildet. Von einem solchen

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Belagerung

Abb. 2: Die Belagerung von Lachisch. Assyrisches Relief

Gehäuse aus schießt ein Assyrer mit Pfeil und Bogen gegen die Verteidiger (Abb. 2). Ein anderer schüttet mit einer großen Kelle Wasser auf das Gehäuse und auf die Stange, um zu verhindern, dass das Gerät durch die Fackeln, die die Verteidiger von der Stadtmauer herabwerfen, in Brand gerät. In Tell es-Safi / Gat wurde kürzlich ein den Tell umgebender Graben entdeckt, der aus dem 9. Jh. v. Chr. stammen soll. Nach Meinung der Ausgräber wurde der Graben von den Aramäern unter der Führung von Hasael errichtet (vgl. 2 Kön 12,18); er könnte jedoch auch von den Stadtbewohnern als Verteidigungsanlage errichtet worden sein. Eine solche Verteidigungs-, aber auch Belagerungstechnik wird für den syrischen Raum in KAI 202, Z. 9-10 belegt. Die Errichtung solcher Anlagen stellte eine enorme Arbeitsleistung für die Bevölkerung dar. Seit dem 6./5. Jh. v. Chr. kamen die Griechen

mit den im Vorderen Orient bereits verbreiteten Techniken in Kontakt und insbesondere in den hellenistischen Großreichen wurde die Belagerungstechnik (griech. Poliorketik) in einem Wechselspiel von Ingenieurwissenschaft und Politik weiter perfektioniert. Das römische Militär lernte von der hellenistischen Poliorketik und entwickelte sie weiter. Mit der konsequenten Professionalisierung von Poliorketik änderte sich das Kräfteverhältnis von Belagerern und Verteidigern. Waren zuvor gut befestigte Städte in einer günstigen Lage, verloren im Laufe des 4. Jh. v. Chr. die Verteidiger ihre militärische Überlegenheit. Unterschiedliche Belagerungsmethoden fanden in griechisch-römischer Zeit Anwendung. Zur Zerstörung von Stadtmauern konnten diese untergraben werden, oder es wurde versucht, mit Hilfe einer Belagerungsrampe und fahrbaren gepanzerten Mauerbrechern (»Widderschildkröte«) eine Bresche in die Mauer zu schlagen. Während des Baus der Rampen schützten sich die Angreifer durch einen gedeckten Laufgang. Auch ballistische Waffen konnten zur Zerstörung von Stadtmauern eingesetzt werden. Spätestens seit dem 5. Jh. v. Chr. war die Circumvallation, also die Einschließung und Aushungerung der Siedlungen, eine gängige Belagerungsmethode, die allerdings entsprechende Ressourcen seitens der Belagerer erforderte. Seit der Mitte des 4. Jh. v. Chr. wurden mehrstöckige fahrbare Belagerungstürme mit Mauerbrechern, Katapulten und Fallbrücken mit einer Höhe von bis zu 30 m zum Angriff auf Stadtmauern verwendet. Einfache Sturmleitern waren insbesondere bei kleineren Besatzungen Erfolg versprechend. Derartige Konstruktionen bestanden in der Regel aus Holz, und entsprechend wehrten sich die Verteidiger mit Feuer, Ausfällen und dem Versuch Angriffsgerät in den Verteidigungsring zu ziehen. Artilleriemaschinen wurden von Angreifern und Verteidigern gleichermaßen eingesetzt. Der frühjüdische und neutestamentliche Erfahrungshorizont von Belagerung war von griechisch-römischer Poliorketik geprägt. Erfahrung damit machten die Bewohner der Levante bereits mit Alexander dem Großen. Bei seinem Zug nach

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Belagerung

Abb. 3: Belagerungsanlagen um Masada

Ägypten belagerte und eroberte er 332 v. Chr. unter anderem Tyrus und Gaza. Die Eroberung des Inselstaates Tyrus, den zuvor Assyrer und Babylonier vergeblich belagert hatten, gelang erst nach sieben Monaten und dem Bau eines künstlichen Dammes vom Festland zur Insel. Dieses Ereignis dürfte die Bewohner der Levante nachhaltig beeindruckt haben. Im 1. Makkabäerbuch werden ein Belagerungsturm (helepolis, Belagerung von Gezer: 1 Makk 13,43) sowie Artilleriemaschinen (1 Makk 6,20.51 f.; 11,20) auf Seiten der hellenistischen Armeen oder der Hasmonäer erwähnt. Es ist davon auszugehen, dass der Belagerungsturm, den die Hasmonäer bei der Belagerung von Gezer verwendeten, ein Beutestück war. Im Neuen Testament beschreiben Lukas und

die Johannesoffenbarung die endzeitliche Belagerung Jerusalems und stellen sie sich mit einer Circumvallation vor (Lk 19,43; 21,20; Offb 20,9). Damit blicken sie zurück auf die Belagerung und Eroberung Jerusalems im Ersten Jüdischen Krieg 70 n. Chr., wie sie im 5. Buch des Jüdischen Kriegs von Josephus beschrieben wird. Josephus berichtet u. a. von Belagerungswällen um Jerusalem, ballistischen Waffen, gepanzerten Unterständen, Mauerbrechern, Belagerungstürmen und Demoralisierung durch Aushungerung und grausamen publikumswirksamen Hinrichtungen. Von Josephus erfahren wir zudem von den Verteidigungstaktiken der Belagerten. In seinem Jüdischen Krieg beschreibt Josephus auch ausführlich die Belagerungen von Jotapata (Buch 3), Gamala (Buch 4), Masada (Buch 7) und Machä-

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Beruf

rus (Buch 7), und insbesondere von den beiden zuletzt genannten Orten kennen wir neben zahlreichen Funden ballistischer Geschosse einzigartige archäologische Befunde von Circumvallation und Belagerungsrampen (Abb. 3). Garlan, Yvon, Recherches de poliorcétique grecque, BEFAR 223, Athen 1974. Lendle, Otto, Texte und Untersuchungen zum technischen Bereich der antiken Poliorketik, Palingenesia 19, Wiesbaden 1983. Price, Jonathan J., Jerusalem Under Siege. The collapse of the Jewish state 66-70 C.E., Leiden 1992. Ussishkin, David, The Conquest of Lachish by Sanherib, Tel Aviv 1982.

Wolfgang Zwickel / Achim Lichtenberger

Beruf Im antiken Israel wie in neutestamentlicher Zeit übte die Mehrzahl der arbeitenden Menschen landwirtschaftliche Tätigkeiten aus. Arbeit mit dem Ackerboden erscheint in der Überlieferung als Grundaufgabe des Menschen, die bereits im Garten Eden als »Bebauen und Bewahren« (Gen 2,15), in den Strafsprüchen nach der Übertretung des Verbots als Mühsal und Schuften im Schweiß des Angesichts in ihrer Ambivalenz von Lebensförderung und Beschwernis dargestellt wird (Gen 3,17-19). Eine sehr alte Vorstellung der Ausdifferenzierung findet sich in Gen 4,2: Kain war »Ackersklave«, »Erdbearbeiter«, Abel Kleinviehhirt. Eine Differenzierung landwirtschaftlicher Tätigkeiten ist zwar erkennbar, etwa wenn das Pflanzen eines Weinbergs als spezialisierte Tätigkeit ausdrücklich erwähnt wird (Gen 9,20), oder wenn Amos sich als »Sykomorenritzer« bezeichnet (Am 7,14). Ob jedoch mit Landwirtschaft und Viehzucht verbundene spezialisierte Tätigkeiten wie die von Schnittern, Winzern, Flachsverarbeitenden, (Schaf-) Scherenden, (Woll-) Webenden, (Fell-) Gerbenden, bereits als Berufsausübung oder als temporäre, anlassbezogene

Handwerksarbeiten zu verstehen sind, ist oft schwer zu entscheiden. Weitestgehend wird in den Dörfern von den Menschen eine Fülle unterschiedlicher, jahreszeitlich bedingter Tätigkeiten ausgeübt, die zusammengenommen den »landwirtschaftlichen Beruf« ausmachen. Dass dieser auch die Hauswirtschaft mit ihren vielfältigen Aufgaben umfasste, wird dabei oft übersehen. Wie selbstverständlich Frauen in allen Bereichen mitarbeiteten, wird in Spr 31,10-31 eindrücklich entfaltet. Nach dem Geschichtsbild der biblischen Literatur entwickeln sich mit dem beginnenden Königtum aufgrund der Hofhaltung und der Bautätigkeit Spezialisierungen, die den Charakter dessen annehmen, was einen Beruf als hauptsächliche Tätigkeit zum Broterwerb und Sicherung des Lebens ausmacht. Einen hohen Grad der Arbeitsteilung und -differenzierung belegen die vielfältigen Begriffe, mit denen Handwerker bezeichnet werden. Zunächst gibt es einen generellen Begriff für Handwerker (ha¯ra¯ˇs). Durch die Verbindung dieses Wortes mit einem entsprechenden Nomen wird zwischen dem Steinarbeiter, dem Holzarbeiter und dem Metallarbeiter unterschieden. Diese noch relativ grobe Unterscheidung aufgrund der bearbeiteten Rohstoffe wird weiter differenziert durch Begriffe, mit denen die Arbeitsschritte oder die verschiedenen Bearbeitungsstufen an demselben Rohstoff gekennzeichnet werden. Damit wird bereits terminologisch eine hochdifferenzierte Arbeitsteilung sichtbar. a) Steinarbeiter 1. Steinbrecher 2. Steinmetz

h¯os¯eb 1 Kön 5,29 ˙˙ ha¯ra¯ˇsei 3æbæn 2 Sam 5,11

3. Maurer

ha¯ra¯ˇsei qı¯r

1 Chr 14,1

4. Siegelschneider

Pittu¯hei ˙ hota¯m ˙

Ex 28,11

1. Holzfäller

ko¯re¯t

Jes 14,8

2. Holzarbeiter / Zimmermann

ha¯ra¯ˇsei 2es(ı¯m) 2 Sam 5,11 ˙

3. Götterbildschnitzer

ha¯ra¯ˇs 2es ˙

b) Holzarbeiter

Jes 44,13-17

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Beruf

c) Metallarbeiter 1. allgemein

ha¯ra¯ˇs

2. Gussarbeiter

ha¯ra¯ˇs

3. Schlosser / Schmied

ha¯ra¯ˇs masege¯r 2 Kön 24,14

4. Waffenschmied

ha¯ra¯ˇs

5. Erz(be)arbeiter

ha¯ra¯ˇs nehosˇæt 1 Kön 7,14 ˙ ha¯ra¯ˇs barzæl Jes 44,12

6. Eisenarbeiter

Dtn 27,15

1 Sam 13,19

7. Gießer a) von Barren b) von Götterbildern

jo¯s¯er ˙ ha¯ra¯ˇs pæsæl

2 Kön 12,13

8. Goldschmied / Schmelzer

s¯ore¯f ˙

Ri 17,4

9. Silberschmied

s¯ore¯f kæsæf ˙

Jes 40,19

Jes 40,19 f.

Über die Organisation von Berufsgruppen im Alten Testament wissen wir relativ wenig. In Jer 37,21 wird eine »Bäckergasse« erwähnt, was die Vermutung nahe legt, dass Handwerker in den großen Städten wie Jerusalem zunftmäßig organisiert waren. In der staatlichen Verwaltung in der Königszeit und im Kultbereich entwickeln sich einige Ämter, deren Ausübung ein so hohes Maß an Spezialisierung voraussetzt, dass sie als Beruf bezeichnet werden können: Haushofmeister, Schreiber (Kanzler), Kommandant, Statthalter, wie aus den Listen in 2 Sam 8,16-18; 2 Sam 20,2326 und 1 Kön 4,1-6 hervorgeht. Auch wenn ihre Datierung umstritten ist, spiegeln sie zumindest die Existenz von Ämtern am königlichen Hof, die eine Ausbildung voraussetzen; mit Sicherheit gilt dies für das Amt des Schreibers. Über die Dauer der Ausübung der Amtstätigkeit lässt sich schwer urteilen, doch zeigt ein Vergleich der Listen, dass einige Inhaber der Ämter unter mehreren Königen tätig waren. Im kultischen Bereich kann man vom – dynastisch vererbbaren – Priesterberuf sprechen, setzt doch die rituell korrekte Durchführung der Opfer ein hohes Maß an Wissen und Ausbildung voraus. Daneben gibt es die niederen Tempeldienste, die wohl auch als Dauertätigkeiten für die täglichen Opfervollzüge zu verstehen sind.

Beim Tempelbau werden eine Fülle von kunstvollen Gestaltungselementen aufgezählt, die nur von geschulten und hochqualifizierten Handwerkenden ausgeführt werden konnten (1 Kön 6,14-36; vgl. Ex 35-39). Im Neuen Testament werden verschiedene Berufe vor allem aus Handwerk (techne), Handel, Haus-, Land- und Viehwirtschaft, Dienstleistung, Verwaltung, Militär und Kult erwähnt. Die Jesusbewegung rekrutierte sich offensichtlich mehrheitlich aus Menschen, die einem Handwerk nachgingen. Von Jesus heißt es, er sei tekton (Mk 6,3) bzw. Sohn eines tekton (Mt 13,55) gewesen. Tekton bedeutet zunächst einmal »Verfertiger, Erzeuger«, bes. auf Holzarbeiten bezogen (Hom. II. 6,315; Plato rep. X,597d; Flav. Jos. Ant. XV,390; Sir 38,27). Es kann sich dabei um einfaches (Bau-) Handwerk oder um gut ausgebildete Zimmerleute gehandelt haben. Es ist nicht auszuschließen, dass Jesus einfacher Bauhandwerker war, der als Tagelöhner in den umliegenden Dörfern und Städten gearbeitet hat. Ein Jünger Jesu war Zöllner (telones; 3 Verfemte Berufe), andere waren Fischer (halieus; Mk 1,16). Der Vater der in die Nachfolge berufenen Fischer Jakobus und Johannes, Zebedäus, hatte einen kleinen Betrieb, da er neben seinen Söhnen auch Tagelöhner beschäftigte (Mk 1,16-20). Ob Jesus und seine Jünger und Jüngerinnen nach ihrer Berufung weiter in ihren Berufen arbeiteten ist nicht wahrscheinlich, da sie einer Wanderexistenz nachgingen und auch die Aussendungsrede ihre Versorgung durch diejenigen vorsieht, die in den Genuss ihrer Botschaft und ihrer Heilungen kamen (Mt 10,10 par Lk 10,7). Ihre Gottesreichverkündigung sollte auch ihrem Auskommen dienen. Dies gilt auch für die nachösterliche Zeit und konnte in den späteren Gemeinden nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, sondern musste eigens betont und begründet werden (1 Kor 9,614). Auch die Christinnen und Christen der ersten nachösterlichen Gemeinden gingen vielfach handwerklichen Berufen nach. Paulus, Priskilla und Aquila sind hier zu nennen, die im Handwerk des Zeltmachens arbeiteten (skenopoios te techne; Apg 18,3). Paulus betont, dass er zusätzlich

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Beruf

zu seiner Arbeit für das Evangelium immer auch noch in seinem Handwerk tätig war, was er aber als Besonderheit und als ausgesprochen belastend auffasste (1 Kor 4,9-12). Die Apostel und Apostelinnen hatten das Recht, sich von der Gemeinde versorgen zu lassen, einem Recht, von dem Paulus keinen Gebrauch machen wollte (1 Kor 9,6-15). Im 2. Jh. wird das Versorgungsrecht für wandernde Prophetinnen und Propheten eingeschränkt und an Bedingungen geknüpft (Did 10,3-6). Es kann nicht gesagt werden, ob die sich in der zweiten Hälfte des 1. Jh. herausbildenden diakonischen und bischöflichen Ämter den erlernten Beruf der Betreffenden ersetzten (Phil 1,1; 1 Tim 3,1-13). Die Logik der Versorgungsregel für die Apostelinnen und Apostel lässt jedoch darauf schließen, dass die Amtsträgerinnen und Amtsträger ihre Ämter wie Berufe ausübten und dafür von den Gemeinden unterstützt wurden. Von den Gemeindemitgliedern selbst wird erwartet, dass sie ihrer Arbeit nachgehen (2 Thess 3,6-12). Weitere im Neuen Testament anzutreffende Handwerkende sind: die Jüngerin Tabita, sie ist Schneiderin (Apg 9,39), ein gewisser Simon ist Gerber (byrseus; Apg 9,43; 10,6.32), Demetrius in Ephesus ist Silberschmied (argyrokopos). Seine Mit- bzw. Zuarbeiter werden im Plural einfach technitais genannt (Apg 19,24). Vielleicht ist diese Erwähnung Reflex eines antiken Handwerksvereins (3 Verein) in Ephesus? Handwerksvereine sind seit dem Hellenismus belegt und vor allem für die römische Zeit reich bezeugt, werden aber im Neuen Testament nicht explizit erwähnt. Handwerk und Handel waren in der Antike oftmals eng verbunden und wurden vielfach von ein und denselben Personen ausgeführt. Eine prominente Händlerin im Neuen Testament ist die Purpurhändlerin (porphyropolis) Lydia aus Thyatira (Apg 16,14). Es ist nicht sicher zu entscheiden, ob sie mit Wolle handelte, die mit dem günstigen pflanzlichen Purpur, für den Thyatira bekannt war, gefärbt war oder mit dem teuren aus der Purpurschnecke gewonnenen Purpur. Im ersten Fall wäre sie der Unterschicht zuzuordnen, in dem zweiten könnte sie auch vermögend und sozial höher stehend gewesen sein. Für den Tem-

pelbereich werden Taubenhändler sowie die im Zusammenhang mit den unterschiedlichen geläufigen Währungen notwendigen Geldwechsler (kollybistes; Mt 21,12) erwähnt. Darüber hinaus tritt die Lebenswirklichkeit von in der Haus-, Land- und Viehwirtschaft arbeitenden Menschen in den Gleichnissen Jesu deutlich hervor (Mk 4,19.26-32 par Mt 13,1-32 / Lk 8,4-8; 13,18 f.; Mt 20,116; Mt 21,28-32; Lk 15,3-7). Aus dem Dienstleistungssektor werden im Neuen Testament der Beruf des Arztes (iatros) (Kol 4,14), des Herbergswirts (pandocheus; Lk 10,35) und der Prostituierten (3 verfemte Berufe; 3 Prostitution) erwähnt. Darüber hinaus ist von einem Anwalt (rhetor) Tertullus (Apg 24,1) die Rede. Auch der Bereich der Schifffahrt findet Widerhall im Neuen Testament: Matrosen (nautes; im Neuen Testament stets Pl. Apg 27,27.30; Offb 18,17) und ein Steuermann / Kapitän (kybernetes; Apg 27,11). Der Verwaltungssektor spielt im Neuen Testament in mehrerlei Hinsicht eine Rolle. Die staatliche Verwaltung (oikonomia) begegnet in der Erwähnung der Statthalter der römischen Besatzungsmacht (tetrarches / hegemon; Lk 3,1 u. ö.) sowie eines Stadtkämmerers Erastus (oikonomos tes poleos), der Angehöriger der christlichen Gemeinde war (Röm 16,23). In den Bereich der staatlichen Verwaltung fällt auch die Steuereinziehung, die durch Zöllner und Zöllnerinnen (3 verfemte Berufe) erfolgte. Private Verwaltung wird greifbar in Tätigkeiten, die der Verwaltung von Landbesitz oder Vermögen diente. Verwaltungstätigkeiten haben vermutlich auch die Bischöfe und Bischöfinnen (episkopos) der Gemeinden des 1. Jh. ausgeübt (Phil 1,1; Apg 20,28; 1 Tim 3,2; Tit 1,7), worauf ihre Bezeichnung hindeutet, die der paganen Verwaltung entlehnt ist. Die Präsenz des römischen Militärs in neutestamentlicher Zeit spiegelt sich im Neuen Testament. Es sind verschiedenste Dienstgrade genannt: vom einfachen Soldaten (stratiotes; Mk 15,16 par u. ö.) über den Hauptmann (hekatontarches in Apg 22,25; 23,23; der Latinismus kenturion in Mk 15,39.44.45) hin zum Anführer einer Kohorte (proskalesamenos; Apg 22,24; 23,22 u. ö.: chi-

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Beschneidung

liarchos) und Prätor (strategos; Apg 16,20.22. 35.36.38). Für den kultischen Bereich des Judentums gilt, dass der dynastisch vererbte Priesterberuf (hiereus; Lk 10,31 u. ö.) sowie die niederen Tempeldienste, die von den Leviten (leuites; Lk 10,32; Joh 1,19; Apg 4,36) besorgt wurden, selbstverständlich auch im Neuen Testament erwähnt werden. Zudem ist von heidnischen Priestern die Rede (Apg 14,13). Münderlein, Gerhard, Art. ha¯ras, TWAT II, 1977, 499-501. Richter Reimer, Ivoni, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas. Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. Yoder, Christine Roy, Wisdom as a Woman of Substance. A socioeconomic Reading of Proverbs 1-9 and 31:10-31, BZAW 304, Berlin / New York 2001. Zwickel, Wolfgang, Handwerk, CBL I (2003), 505 f.

Jürgen Kegler / Ute E. Eisen

Beschneidung 1. Die Begriffsgeschichte Die Beschneidung ist im Laufe der Zeit zu einem zentralen Ritus der Markierung der männlichen jüdischen Identität geworden. Der hebräische Fachterminus für »beschneiden« (mu¯l), der nur in diesem Kontext gebraucht wird, gibt über die Art des Schnittes keine Auskunft. Insgesamt enthält die Hebräische Bibel nur spärliche Hinweise darüber, wie die Beschneidung zu vollziehen ist. Neben der Anordnung in den Bestimmungen für die Wöchnerin in Lev 12 findet sich eine Vorschrift zur Beschneidung nur noch einmal in der Hebräischen Bibel in der Abrahamserzählung in Gen 17. Vermutlich war die Beschneidung ursprünglich ein Mannbarkeitsritus (Gen 17, 25 f.), der später am 8. Lebenstag eines Säuglings vollzogen wurde (Gen 17,12; Lev 12, 3; Apg 7, 8: Isaak,

Jakob, 12 Erzväter; Phil 3, 5: Paulus). Damit wurde die kollektive Beschneidung (Jos 5, 2-9) stark individualisiert. Im Judentum ist mit der Beschneidungsfeier (berı¯t mila¯) die Namensgebung verbunden. Erzählungen über diese Feier kennen wir von Johannes dem Täufer (Lk 1, 59) und Jesus (Lk 2, 21). Timotheus, der von einer jüdischen Mutter stammte, wurde von Paulus erst vor Beginn der gemeinsamen Missionsreise beschnitten (Apg 16, 3). 2. Die Beschneidung als körperliches Zeichen Die Beschneidung dient der Kennzeichnung des Bundes am Körper des Mannes (Gen 17, 12; Apg 7, 8). Das »Fleisch« des Mannes wird zu einem Zeichen mit doppeltem Verweischarakter: auf den Bund, d. h. auf Gott, und auf den Körper des Mannes. Die Beschneidung – primär die Zirkumzision (das Entfernen der Vorhaut des männlichen Gliedes) und darüber hinaus auch die Inzision (das Einschneiden in die Vorhaut) – stellt einen operativen Eingriff in den Körper dar, der nur unter Gefahr wieder rückgängig gemacht werden konnte. Die Operation zur Aufhebung der Beschneidung nennt sich Epispasmos. Sie war zur Zeit Antiochus IV. (167-164 v. Chr.) verbreitet, da einige Juden ihre Sympathien für die hellenistische bzw. römische Kultur durch diesen körperlichen Eingriff anzeigen wollten. Nach der Niederlage Antiochus IV. stellt sich die Frage, ob diejenigen Juden, die sich die Vorhaut wiederherstellen ließen, erneut beschnitten werden müssen, um Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft zu bleiben. Die Rabbinen lehnten es ab, da eine erneute Beschneidung für die Betroffenen nicht ungefährlich sei. Andere verlangen nach Auskunft der Tosefta die Beschneidung: »Viele ließen sich in den Tagen des Ben Koziba (132-135 n. Chr.) erneut beschneiden, hatten Söhne und starben nicht« (tShab 15 / 16, 9). Wir sehen an der regen Diskussion, dass es hellenisierte, bzw. romanisierte Juden gegeben haben muss, die die Beschneidung ablehnten und sich ihrer heidnischen Umwelt durch die Operation anpassen wollten. Gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. erlaubte Antonius Pius,

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Beschneidung

der Nachfolger Hadrians, den Juden ausdrücklich die Beschneidung ihrer Söhne. Eine Befreiung von dem Beschneidungsgebot gab es, wenn bereits einige Söhne einer Familie an den Folgen der Beschneidung verstorben waren (tShab 15, 8). So finden sich auch einige Texte, in denen von unbeschnittenen Israeliten (mNed 3, 11; bChul 4b) und sogar unbeschnittenen Priestern die Rede ist (tTer 10, 18; bJev 72a.b). 3. Geschlechterpolitische Aspekte Eine körperliche Beschneidung wird im Judentum bei Frauen als Bundeszeichen nicht durchgeführt, doch kommt Frauen bei dem Ritual eine große Bedeutung zu. Die Anordnung zur Beschneidung steht innerhalb der Bestimmungen für die Wöchnerin in Lev 12. Zipporah beschneidet in Ex 4, 24-26 ihren Sohn und ihren Mann. Während des Beschneidungsverbotes unter Antiochus IV. ließen Frauen sich lieber töten als ihre Kinder nicht zu beschneiden (1 Makk 1, 60). Frauen werden allerdings im Unterschied zu den Männern der fremden Völker nicht als die »Unbeschnittenen« bezeichnet. Auch in der heutigen Praxis ist die Beschneidung das männliche Bundeszeichen. Manche Frauen halten analog die Reinheitsregeln im Zusammenhang mit ihrer Menstruation ein und vollziehen ein Tauchbad in der Mikwe. 4. Beschneidung als ethnisches und soziales Zeichen Nicht nur die männlichen Nachkommen Israels sollten beschnitten werden, auch die männlichen Sklaven im jüdischen Haushalt waren in diese Bestimmung miteinbezogen (Gen 17, 10-14), um die Kultfähigkeit der Familie und des ganzen Hauses zu gewährleisten. Unbeschnittene wurden aus der Gemeinschaft des Volkes Israel ausgestoßen bzw. darin nicht aufgenommen (Gen 17, 14; Gen 34). Doch auch die Ägypter, Edomiter, Ammoniter und Moabiter waren beschnitten (vgl. Jer 9, 24 f.). So markiert der Ritus erst seit dem babylonischen Exil eine ethnische Grenze, wobei der männliche Körper zum Zeichen der religiös-»nationalen« Identität wurde.

Die Beschneidung gilt auch im Neuen Testament als ein Gebot Gottes, das seine Verankerung in der von Mose übermittelten Tora hat (Lev 12, 3). In Joh 7, 22 f. wird dieses Faktum innerhalb der Diskussion um Jesu Heilungen am Sabbat erwähnt. Jüdische Texte zeigen, dass die Beschneidung am 8. Tag, wenn dieser auf einen Sabbat fiel, geradezu geboten war (bShab 132a; mShab 18, 3). Allgemein ist das Sabbatgebot gleichrangig mit allen anderen Geboten, »und doch verdrängt die Beschneidung das Sabbatgebot« (jNed 3, 9 12b). Josephus berichtet davon, dass unter dem Hasmonäer Johannes Hyrkan I. Massenbeschneidungen unter den Idumäern zum Zweck der Zwangsjudaisierung durchgeführt wurden. Während der Auseinandersetzungen des jüdischen Volkes und ihren Fremdherrschern bekam die Beschneidung Bekenntnischarakter: Unter Antiochus IV. wurde im Rahmen seiner antijüdischen Agitationen auch die Beschneidung unter Strafe gestellt (1 Makk 1, 48 ff.). In den messianischen Gemeinden, die sich aus Juden und Nichtjuden zusammensetzen, wurde früh diskutiert, ob die Nichtjuden erst beschnitten werden müssen, bevor sie an Jesus als Messias glauben und der Gemeinschaft beitreten können. Viele Texte in den Paulusbriefen und der Apostelgeschichte setzten sich mit dieser Frage auseinander. Nichtjuden und Juden werden anhand ihres körperlichen Zustandes charakterisiert: Die »Gläubigen aus der Beschneidung« (Apg 10, 45; Röm 3, 30; Kol 4, 11; Tit 1, 10) werden mit den »Vorhaut genannten« (Eph 2, 11; vgl. Apg 10, 3; Röm 4,10; 1 Kor 7, 18) konfrontiert. Die jüdischen Gläubigen hielten die Beschneidung für ihre messianische Gemeinschaft als heilsnotwendig (Apg 15,1 ff.). Jakobus und die Ältesten werfen Paulus, dem Missionar der Nichtjuden, vor, dass er die Nichtjuden und die jüdischen Kinder vom Beschneidungsgebot befreien möchte (Apg 21, 21). Freiheit vom Beschneidungsgebot wurde Paulus und seinen Mitarbeitern wie Titus auf dem Apostelkonzil zugestanden (Apg 15; Gal 2, 6 ff.). Die Einführung der beschneidungsfreien Mission der Nichtjuden ist das zentrale Ereignis in der Theologiegeschichte des 1. Jh. n. Chr. Sie führ-

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Beschneidung

te zu einer Universalisierung der Christusbewegung jenseits der jüdischen Gemeinschaften. So weist Eph 2,11-13 ausdrücklich darauf hin, dass die jüdischen und nichtjüdischen Menschen durch das Blut Jesu Christi gemeinsam im Bund der Verheißung und unter dem Bürgerrecht Israels stehen. 5. Die Beschneidung und die Einhaltung der Tora An der Frage um die Beschneidung entzündete sich die inhaltliche Diskussion um den Stellenwert der Tora und um die Freiheit. Die Einhaltung der Tora wird als Beschneidung des Herzens, d. h. des Willens verstanden (Dtn 10,16; 30, 6). Viele Texte zeigen, dass die Beschneidung nur dann zum jüdischen Bundeszeichen wird, wenn auch die Gebote Gottes befolgt werden (Jer 4, 4; Röm 2, 25 ff.; 4, 12.16). Die Beschneidung verpflichtet zum Tun der Tora (Gal 5, 3; 6,13; Röm 2, 25; 1 Kor 7, 19; vgl. Apg 15, 5; Sir 44, 20). Die äußerliche Beschneidung wird durch Paulus insofern relativiert, indem er zeigt, dass allein die Befolgung der Gebote Gottes gilt (1 Kor 7, 1724). Dementsprechend soll jeder Mensch vor Gott in dem Zustand bleiben, in dem er ist, beschnitten oder unbeschnitten. 6. Die übertragene Bedeutung der Beschneidung Der Begriff Beschneidung wird auch im übertragenen Sinn benutzt. Da zwischen der durch die Beschneidung gekennzeichnete Zugehörigkeit zum jüdischen Volk und dem Verhalten des Einzelnen eine Diskrepanz herrschte (Dtn 10,16; 30, 6; Jer 4, 4; Ez 44, 7-9), entstand der Ausdruck »Beschneidung des Herzens«, der die fleischliche Beschneidung nicht aufhebt aber vollenden soll. Bereits zur Zeit des babylonischen Exils wurde deutlich, dass äußerliche und innerliche Beschneidung zusammen gehören (Ez 44, 6-9). In der Gemeinschaft von Qumran wird die Beschneidung dann im übertragenen Sinn für Aufrichtigkeit und gläubiges, frommes, Gott vertrauendes Leben angeführt (1QpHab 11,13). Die äußerliche Beschneidung verliert ihre Heils-

bedeutung. Der Eintritt in die Gemeinschaft entspricht der Initiation in den Bund Abrahams (CD 16, 1-6). Paulus zieht diese Linie weiter aus, indem er argumentiert, dass die Beschneidung nichts ist, was am Fleisch in Erscheinung tritt (Röm 2, 28), allein die Herzensbeschneidung – im Geist – zählt (Röm 2, 29; Apg 7, 51). Vorlage dieses Gedankens bilden die prophetischen Texte Ez 36, 26 f. und Jer 31, 31-34. In letzter Konsequenz verliert Paulus damit in seiner Leseweise die Leiblichkeit. Die Beschneidung wird nicht mehr als etwas Körperliches verstanden, sondern als ein rein spiritueller Akt. Dementsprechend formuliert Phil 3, 3: »Wir sind die Beschnittenen, die wir im Geist Gottes dienen und uns in Christus Jesus rühmen.« Durch Jesus Christus bekam der Bund der Beschneidung den Charakter einer neuen Schöpfung (Gal 6,15). Der neue Mensch wird durch den Akt der Taufe, die den Charakter der geistigen Beschneidung hat, angezogen (Kol 2, 11 f.). Aufgrund dieses Aktes werden Gegensätze aufgehoben, um einer neuen Wirklichkeit Raum zu geben. Entsprechend formuliert Kol 3,11: »Hier gibt es nicht mehr griechische und jüdische Menschen, Beschnittene und Unbeschnittene, Nichtgriechen, Skythen, versklavte und freie Menschen, sondern Christus ist alles in allem« (vgl. Gal 3, 28). Blaschke, Andreas, Beschneidung: Zeugnisse der Bibel und verwandter Texte, TANZ, Tübingen 1999. Cohen, Shaye, The Beginnings of Jewishness. Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkley / Los Angeles / London 1999. Ders., Why Aren’t Jewish Women Circumcised? Gender and Covenant in Judaism, Berkeley / Los Angeles / London 2005. Erbele-Küster, Dorothea, KÖRPERKULT und KULTKÖRPER. Variationen über Leviticus 12 und 15, in: Christina aus der Au / David Plüss (Hg.), Körper-Kulte. Wahrnehmung von Leiblichkeit in Theologie, Religions- und Kulturwissenschaften, Christentum und Kultur Bd. 6, Zürich 2007, 17-30. Wyner Mark, Elizabeth (Hg.), The Covenant of Circumcision. New Perspectives on an Ancient Jewish Rite, Hanover / London 2003.

Dorothea Erbele-Küster / Elke Tönges

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Bestechung

Bestechung »Bestechung macht Klarsichtige blind und verdreht die Sache der Gerechten«, heißt es sprichwortähnlich im Bundesbuch, dem ältesten biblischen Rechtsbuch, deshalb soll man Bestechung nicht annehmen (Ex 23, 8; ähnlich Dtn 16, 19). Hier werden deutlich intensive Erfahrungen verarbeitet. In Spr 17, 8 wird Bestechung im Blick auf die übliche Wirkung als Zauber- bzw. Gunststein bezeichnet. Hinweise auf Bestechung sowie den Kampf dagegen gibt es im Alten Orient seit den Anfängen von Staat, Verwaltung und Schrift. Das gleiche gilt für andere Mittel der Korruption und betrifft genau so die klassische Antike. So wird Bestechung im stadtrömischen 12-Tafel-Gesetz unter Todesstrafe gestellt (IX,3), war aber dennoch sehr häufig. Die Masse der biblischen Belege stammt aus der Sphäre des Rechts. Die Rechtskorpora suchen die Bestechung, die offenbar bis zu käuflichem Mord geht (Dtn 27, 25), zu unterbinden. Sprichworte halten typische Erfahrungen fest (Spr 17, 23), vor allem klagen die Propheten immer wieder die Käuflichkeit des Rechts an. »Sie geben dem Schuldigen Recht aufgrund von Bestechung« (Jes 5, 23). Deshalb ist nach Jes 1, 21 ff. Jerusalem zur käuflichen Hure geworden, weil »jeder Bestechungsgeld liebt und Geschenken nachjagt« (1, 23). Neben dem üblichen Begriff ˇs¯ohad / Geschenk (Bestechung) steht hier ein aus ˙ dem Akkadischen stammendes Wort (sˇalmo¯nı¯m), das dort »Begrüßungsgeschenk« für die zuständigen Beamten heißt. Es könnte aber auch ein Zusammenhang mit dem für das biblische Recht zentralen Begriff ˇslm pi. / Ersatz leisten / wiedergutmachen intendiert sein. Denn mit verwandten Begriffen ist mehrfach formuliert, dass das Recht mit seinen Bußzahlungen eine wichtige Einkommensquelle der Einflussreichen und Mächtigen war: »Sie trinken Wein von Bußgeldern« (Am 2, 8) und »sie nehmen Sühnegeld und weisen die Bedürftigen am Tor ab« (Am 5, 12). Eine derartige Korruption ist hier wie sonst naturgemäß vor allem ein Mittel der Reicheren, ihren Einfluss zu erhalten und zu vergrößern.

In Lk 18, 2 wird ein Richter erwähnt, der weder Gott noch die Menschen fürchtet. Dies ist auch als Hinweis auf seine Unbestechlichkeit verstanden worden, soll ihn aber – dies zeigen sprichwörtliche Verwendungen sowohl im Judentum wie in paganer Literatur (Flav. Jos. Ant. 10, 83; Dion. Hal. ant. X,10, 7) – wohl generell als ruchlos darstellen. Die Anweisung Johannes des Täufers an die Zöllner: »Fordert nicht mehr, als euch bestimmt ist!« (Lk 3,13) könnte auch auf Bestechlichkeit von Zolleinnehmern verweisen – die es gewiss gab –, ist aber wohl eher allgemein auf Betrug gemünzt. Im Zusammenhang der Osterperikopen spielt Bestechung in der Version des Matthäus eine Rolle: Die Ältesten bestechen die Soldaten, die das Grab bewachen hätten sollen, damit diese von dem Diebstahl des Leichnams Jesu erzählen (Mt 28, 12-15). Apg 24, 26 wird über den Statthalter Felix erzählt, dass er von Paulus Geld erhoffte. Dies sei einer der Gründe für die zweijährige Haft des Paulus in Cäsarea gewesen. Über Bestechung durch Felix berichtet auch Josephus (Flav. Jos. Ant. 20, 163), wie dies auch sonst häufiger über römische Statthalter, die ja auch als Richter fungierten, erzählt wurde. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes 3 2005, 188 ff.219 ff. Kleiner, Paul, Bestechung. Eine theologisch-ethische Untersuchung, EHS 23/459, Bern u. a. 1992. Kümmel, Hans-Martin, Bestechung im Alten Orient, in: Wolfgang Schuller (Hg.), Korruption im Altertum, München / Wien 1982, 55-64. Rapske, Brian, The Book of Acts and Paul in Roman Custody, The Book of Acts in Its First Century Setting 3, Grand Rapids / Carlisle 1994, 65-67. Schuller, Wolfgang (Hg.), Korruption im Altertum, München / Wien 1982.

Frank Crüsemann / Markus Öhler

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Bettler / Bettlerin

Bettler / Bettlerin 1. Altes Testament In der altisraelitischen Gesellschaft waren Bettler ausgesprochen selten, wie das Fehlen eines spezifischen hebräischen Terminus zeigt. Die hebräischen Termini für Arme, 3æbjo¯n und dal, können Bettler mitbezeichnen. In der Regel sorgten Familie und Sippe für verarmte Mitglieder. Erst die zunehmende Entstehung von Großgrundbesitz und das Anwachsen einer Schicht entwurzelter Kleinbauern, die sich als Lohnarbeiter verdingen mussten, führten zur Entstehung von bettelarmen Israeliten. Die Lohnarbeiter waren regelmäßig in Folge des Landwirtschaftjahres mit seinem schwankenden Arbeitsbedarf arbeitslos und dann abhängig von der Mildtätigkeit der Besitzenden. In der nachexilischen Zeit entstand ein obdachloses Lumpenproletariat, das von der Hand in den Mund lebte und der Willkür der Arbeitgeber ausgeliefert war (Hi 24, 4-12). In der ältesten Gesetzessammlung, dem Bundesbuch (Ex 20-23), werden »Bettelarme« nicht erwähnt. Eine staatliche Fürsorgepflicht existierte auch in späterer Zeit nicht, doch appellierten die biblischen Verfasser an die Freigebigkeit der besitzenden Israeliten (Dtn 15, 7 f.). Bettlern stand wie allen anderen Bedürftigen die Nachlese auf den Feldern zu (Dtn 24, 19-22). Mundraub zur unmittelbaren Befriedigung des Hungers war zulässig (Dtn 23, 25 f.). Bettelei galt als beschämend und Fluch (Ps 109, 10; Sir 40, 28 ff.). Die Israeliten wurden aufgefordert, den Armen Brot und Obdach zu geben sowie Nackte zu bekleiden (Ez 18,7.16; Jes 58, 7; Tob 4, 7.17). Soziale Fürsorge ist von Gott geboten (Jes 58, 6 f.9 f.; Sir 4, 1-10). Die Versorgung der Bedürftigen mit dem Lebensnotwendigen charakterisiert den Gerechten (Hi 31,16-20; Ps 112, 9). Gott ehrt, wer die Armen unterstützt (Spr 14, 31), die ihnen geschenkten Gaben gelten als Leihgabe an Gott (Ps 41, 2; Spr 19, 17). Die religiöse Begründung der Versorgung der Armen führt in der nachexilischen Zeit zur Entwicklung eines privaten Wohltätigkeitswesens. Eine grundlegende Wendung des Schicksals des Ar-

men konnte jedoch nur von Gott bewirkt werden (1 Sam 2, 8; Ps 113, 7; Hi 34, 28). 2. Römisches Reich Auf den Straßen Roms saßen Bettler und Bettlerinnen – vor allem an Standorten, die geeignet waren, Menschen um Geld oder Lebensmittel anzuflehen. Als solche Standorte werden Brücken, Hauseingänge, belebte Plätze genannt (Materialzusammenstellung Friedländer I 160). Seneca beklagt, dass die Wohlhabenden in der Regel die Bettelnden hochmütig und wegwerfend behandeln, selbst wenn sie durch eine Gabe als mitleidig erscheinen wollen. Sie fürchten zudem, von den Bettelnden berührt zu werden (Sen. clem. 6). Das Ausmaß der Bettelarmut lässt sich nur schätzen. Carcopino schätzt, dass im 1. Jahrhundert ein Drittel bis die Hälfte der stadtrömischen Bevölkerung von öffentlichen Zuwendungen (Getreideverteilung) gelebt hat (105); darunter werden viele Bettelnde zu vermuten sein. Der Übergang von Bettelei zu bitterer Armut war fließend. Auch die griechische Sprache unterscheidet nicht zwischen absoluter Armut (ptocheia) und Bettelei. Der babylonische Talmud (bQid 22a) hat die Vorstellung, für Frauen sei Bettelei unschicklich, doch ist auch für das jüdische Mutterland davon auszugehen, dass Frauen bettelten. Der Übergang von Prostitution zu Bettelei war ebenfalls fließend, und Frauen konnten sich nicht mehr wegen der Schicklichkeit sorgen, wenn sie alt oder krank wurden. Auch Kinder dürften gebettelt haben. Ausgesetzte Kinder wurden manchmal von Bettlern aufgegriffen, u. U. verstümmelt und zum Betteln abgerichtet (Sen. contr. 10, 33). Eine in Religion und Gesellschaft verankerte und öffentlich diskutierte und verantwortete Armenfürsorge gab es vor allem im Judentum (Materialsammlung Krauss III 63; Bill. IV 1, 536-558; Theißen 130 f.). Zur religiösen Praxis gehört es, Gutes zu tun. Die guten Taten für Arme heißen seda¯qa¯h / Gerechtigkeitstat oder miswa¯h / Gebot. ˙Die griechische Übersetzung mit˙ eleemosyne / Barmherzigkeit (im Neuen Testament gängig, aber s. Mt 6, 1 und 2 Kor 9, 9 f.) verschiebt den

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Charakter dieser religiösen Verpflichtung in die individuelle Gebebereitschaft. Die verbreitete deutsche Übersetzung mit »Almosen«, das etymologisch auf das griechische Wort eleemosyne zurückgeht, macht vollends aus der Armenfürsorge eine die Gebenden nicht verändernde individuelle Gabe von oben nach unten, die nicht mehr nach Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit in der Gemeinschaft fragen muss. In der jüdischen Praxis der guten Werke Armen gegenüber waren Frauen reflektierter und selbstbewusster (Bolkestein 413). 3. Neues Testament Das Neue Testament gibt viele eindringliche Berichte über Bettelarmut. Die Gestalt des armen Lazarus (Lk 16, 19-31), des behinderten Bettlers vor der Tempelpforte (Apg 3, 1-10) und der Armen, die von den Straßen und Mauern als Lückenbüßer zum Festmahl gezwungen werden (Lk 14, 23), fallen besonders ins Auge. Auch dürften viele der Kranken, die die Nachfolgegemeinschaft auf ihren Wegen in der Öffentlichkeit trifft, ebenfalls Bettler und Bettlerinnen sein. Auch in den entstehenden Gemeinden hat es Bettelarme gegeben, die durch innergemeindliche Verteilungsgerechtigkeit (Apg 2, 42-45) oder übergemeindliche Zahlungen aus der schlimmsten Not befreit wurden, wie die Kollekte des Paulus (2 Kor 8) zeigt. Bolkestein, Hendrik, Wohltätigkeit und Armenpflege im vorchristlichen Altertum, Groningen 1967 (1939). Carcopino, Jérôme, Rom. Leben und Kultur in der Kaiserzeit, Stuttgart 2 1979. Friedländer, Ludwig, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms I, Aaalen 1964 (1922). Krauss, Samuel, Talmudische Archäologie III, Hildesheim 1966 (1912). Pleins, David J., Art. Poor, Poverty Old Testament A. The Beggarly Poor: 3æbjo¯n. AncBibD V, 1992, 402-405. Theißen, Gerd, Studien zur Soziologie des Urchristentums, Tübingen 1979.

Christa Schäfer-Lichtenberger / Luise Schottroff

Bevölkerungsverhältnisse / -politik Die Bevölkerungsentwicklung hängt grundsätzlich von Faktoren wie Geburten- und Sterblichkeitsrate, Eheschließungen und -scheidungen sowie von räumlichen Faktoren wie Ein- und Auswanderungen bzw. 3 Deportationen ab. In der Antike werden hohe Bevölkerungszahlen im Allgemeinen positiv bewertet. Sie ermöglichen nicht nur eine effektive Verteidigung im Kriegsfall, sondern fangen ungeplante demographische Einbrüche durch Naturkatastrophen (besonders Hungersnöte) und Krankheiten (Seuchen) auf. Sinkende Bevölkerungszahlen werden in der Regel als Zeichen moralischen Verfalls gewertet. Die Sterblichkeitsrate von Kindern war in der Antike allgemein sehr hoch; nur etwa jedes zweite Kind überlebte das fünfte Lebensjahr. Dies wiederum bedingte eine hohe Geburtenrate, so dass Frauen aufgrund der wiederholten großen Risiken im Zusammenhang von Schwangerschaft und Geburt eine um etwa zehn Jahre niedrigere Lebenserwartung hatten als Männer. Frauen erreichten im Alten Israel wohl durchschnittlich das 30., Männer das 40. Lebensjahr. Für die neutestamentliche Zeit wird von einer etwa fünf Jahre längeren Lebenserwartung ausgegangen. Auch wenn strittig ist, wie verbreitet die Aussetzung oder Tötung von Kindern war, gab es faktisch wohl beide Formen der Geburtenkontrolle, und zwar aus sehr unterschiedlichen Motiven (Missbildung, Illegitimität, Ökonomie, Erbrecht, Geringschätzung von Töchtern). 1. Die Bevölkerung des ostmediterranen Raumes stellt zu keiner Zeit der Geschichte eine ethnische Einheit dar. In der 2. Hälfte des 2. Jt. wird die Region von Stadtstaaten dominiert, deren Bevölkerung gemischt ist und ihre Identität über die jeweilige Stadt erhält. Im Raum zwischen den Städten bewegen sich Kleinviehnomaden (Schasu) und deklassierte Elemente (2Apiru), die sich ethnisch nicht zuordnen lassen. Die Bezeichnung der Region als »Kanaan« hat geographische Bedeutung. Wenn später – vor allem in den bi-

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blischen Texten – von »Kanaanäern« die Rede ist, dann ist das eine Sammelbezeichnung. Noch die späten deuteronomistischen Listen der Vorbewohner des Landes (Gen 15,19-21; Ex 3,8; 23,23 u. ö.) bewahren die Erinnerung an die ethnische Vielfalt der Bevölkerung. Diese ändert sich auch nicht, als seit dem 12. Jh. v. Chr. neue Elemente die Gebirge von Juda und Efraim besiedeln. Sie sind selbst von unterschiedlicher Herkunft. Als aus ihnen im Lauf der Zeit die Größe »Israel« wird, lebt diese doch nicht allein im Land. Nicht nur befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft Philister, Edomiter, Moabiter, Ammoniter und Aramäer, ohne dass die Grenzen immer eindeutig wären. Auch innerhalb des israelitischen Siedlungsgebiets finden sich fremde Gruppen wie etwa die Gibeoniten (Jos 9) oder die Keniter (Ri 4,17; 5,24). Die Vorstellung des Josuabuches von der Eroberung eines geschlossenen Gebietes durch das ethnisch einheitliche Volk Israel ist eine in die Vergangenheit projizierte Wunschvorstellung, der schon durch das so genannte negative Besitzverzeichnis von Ri 1 widersprochen wird. Zudem zählt Ri 3,1-6 eine Fülle von im Land lebenden Völkerschaften auf, inmitten derer die eingewanderten Israeliten leben. In der israelitischen und judäischen Königszeit werden zwar weitere Bevölkerungselemente in die Größe »Israel« integriert, so dass man kaum, wie früher gern geschehen, von einem Dualismus von Israel und Kanaan sprechen kann. Doch schon die Existenz zweier Staaten, Israel und Juda, zeigt, dass die Vielfalt stärker ist als die Einheit. Schon seit dem 8. Jh. v. Chr. führt die assyrische und später babylonische Deportationspolitik (3 Deportationen) zu neuen Vermischungen. Besonders wichtig ist die Neuansiedlung nichtisraelitischer Völkerschaften im ehemaligen Nordreich. In der Perserzeit wird die Provinz Samaria von einer gemischten Bevölkerung bewohnt, wenn auch das israelitische Element dominiert. Die Provinz Jehud wird von Leuten bewohnt, die sich Jehudim, also Juden, nennen. Doch keineswegs leben alle Jüdinnen und Juden in der Provinz, sondern auch um sie herum und in der Diaspora. Umgekehrt zeigt die Mischehen-

problematik (Mal 2,10-16; Esr 9-10; Neh 13,23-31), dass auch in Jehud nichtisraelitische Menschen beheimatet sind. Mit der hellenistischen Epoche kommt als neues Moment die gezielte Gründung griechischer Städte und ihre Besiedlung mit Händlern und Kriegsveteranen hinzu, die sich in römischer Zeit fortsetzt. Auf diese Weise werden nicht nur Macht- und Einflussbereiche erweitert, sondern es wird auch sinkenden Wachstumsraten infolge von Ungleichgewichten von Geburten- und Sterberaten entgegengesteuert. Solche demographischen Maßnahmen verstärken bereits vorhandene Schichtungen der Gesellschaft. 2. Zwar sind Bevölkerungszahlen schwer zu schätzen; in vielen Fällen ist von runden und / oder symbolischen Angaben auszugehen (vgl. z. B. die 200.000 Mann in 1 Sam 15,4; Josephus). Deshalb ist immer mit Abweichungen zu rechnen. Dennoch geben die folgenden Zahlen, die sich an Finkelstein und Silberman orientieren, einen ungefähren Eindruck von der Besiedlung Palästinas. Selbst wenn man nach oben von diesen Zahlen abweicht, bleibt die Tatsache einer für moderne Verhältnisse äußerst geringen Bevölkerungsdichte. In der Zeit der Besiedlung zwischen 1200 und 1000 v. Chr. steigt die Bevölkerung im Bergland von 20.000 auf 50.000 Menschen. Im 8. Jh. rechnet man für das Nordreich mit 350.000 und für Juda mit 100.000 Einwohnern. Ende des 8. Jh. hat Juda, nachdem es Flüchtlinge aus dem 722 von den Assyrern eroberten Norden aufgenommen hat, mit 120.000-150.000 Menschen seine höchste Bevölkerungsgröße. Doch schon nach 701 sinkt die Zahl aufgrund von Kriegsverwüstungen und Deportationen auf etwa 80.000, von denen nach der Einnahme Jerusalems etwa ein Viertel, also 20.000 Menschen, deportiert wird. Die persische Provinz Jehud hat je nach Schätzungen 10.000 bis 30.000 Einwohner. Während man für Samaria in der Perserzeit etwa die dreifache Einwohnerzahl wie in Juda annehmen kann, ist Galiläa in dieser Phase ziemlich entvölkert. Auch die Städte lassen sich nicht mit den modernen Metropolen vergleichen. Während die

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Hauptstadt des Nordreichs, Samaria, Mitte des 8. Jh. etwa 15.000 Einwohner hat, dürfte die Bevölkerungszahl Jerusalems bis zum Untergang des Nordreichs wesentlich darunter gelegen haben. Nach 722 aber explodiert die Stadt geradezu durch Anlage einer Neustadt. Sie hat, wenn man das stadtnahe Umland mit einbezieht, etwa 20.000 Einwohner – so viel wie erst wieder in römischer Zeit. Nicht nur Flüchtlinge aus dem Norden, auch die entwurzelte Landbevölkerung aus dem kriegszerstörten Juda drängt in die Stadt, so dass Abnahme der Gesamtbevölkerung Judas und Steigerung in Jerusalem im 7. Jh. Hand in Hand gehen. Für die weitergehende Zeit lassen sich weder für Palästina insgesamt noch für einzelne Ortslagen wirklich verlässliche Aussagen treffen, da entsprechende archäologische Untersuchungen noch ausstehen. Übergreifende Angaben werden durch regional sehr uneinheitliche Siedlungsentwicklungen zusätzlich erschwert. Für Jerusalem und das Umland ist in römischer Zeit aber immerhin von einem erheblichen Aufschwung der Bevölkerung auszugehen. Allerdings dürfte die häufig genannte Zahl von 80.000 zu hoch gegriffen sein; vielmehr sind etwa 35.000 Einwohner wahrscheinlich. M. Broshi rechnet in byzantinischer Zeit mit etwa 1 Million Einwohner im gesamten Land. 3. In agrarischen Gesellschaften wird in der Regel eine große Zahl von Kindern als Segen erfahren. Kinder werden früh als Arbeitskräfte eingesetzt; was sie lernen, lernen sie durch das Mitarbeiten. Im Alter obliegt ihnen die Versorgung der Eltern. Eine große Familie ist identisch mit einem weiten Netz sozialer Sicherheit. Bei deutlichem Wachstum der Bevölkerung wird neues Land gerodet oder erobert. Allerdings kann es sein, dass in der mittleren Königszeit Israels und Judas die Bevölkerung eine Größe erreicht, die eine der Ursachen für die soziale Krise ist, die zu diesem Zeitpunkt (8. Jh. v. Chr.) sichtbar wird, zumal der in Phönizien und Griechenland begangene Weg der Gründung auswärtiger Kolonien unbekannt ist (so die These von Fleischer). All diese Entwick-

lungen vollziehen sich ohne politisch geplante Eingriffe. Erst mit dem Erscheinen der Assyrer in der Levante ab Mitte des 8. Jh. kann man von einer regelrechten Bevölkerungspolitik sprechen. Sie besteht freilich weder in der Beförderung noch in der Beschränkung von Bevölkerungswachstum, sondern in der Verpflanzung ganzer Völkerschaften in fremde Umgebungen (3 Deportationen). Seit der Niederlage des Nordreichs gegen die Assyrer im Gefolge des so genannten syrischefraimitischen Krieges (734-732) bis zur letzten babylonischen Verschleppung 582 unterliegt die Bevölkerung des Landes zahlreichen Exilierungen. Als das Kyros-Edikt 538 die Rückkehr eröffnet, wird von der Möglichkeit nur beschränkt Gebrauch gemacht. Die Bevölkerung Israels besteht seit der Zeit bis heute aus einem Teil, der im Land – seit 1948 im Staat Israel – lebt und einem zahlenmäßig größeren Teil in der Diaspora. Eine gezielte bevölkerungspolitische Maßnahme ist aus der Zeit des persischen Statthalters Nehemia bekannt. Nachdem er die Stadtmauer von Jerusalem wieder aufgebaut hat, verfügt er wegen der Unterbevölkerung Jerusalems einen so genannten Synoikismos; ein Zehntel der Bewohnerschaft der Landstädte wird in die Hauptstadt umgesiedelt (Neh 11,1 f.). Die hellenistischen Herrscher betreiben insofern eine aktive Bevölkerungspolitik, als sie von Griechen bewohnte Siedlungen gründen und mit Privilegien versehen, was die oben beschriebene ethnische Vielfalt fördert. Die Kolonisierung der Provinzen wird besonders in der römischen Kaiserzeit zu einem entscheidenden demographischen Faktor, da mit den Koloniegründungen nicht nur militärische und wirtschaftliche Interessen verfolgt werden, sondern die eigene Bevölkerung mit Land versorgt wird (Veteranenkolonien) und die Romanisierung des Reiches voranschreitet. Als gezielte bevölkerungspolitische Maßnahme ist jedoch vor allem die Ehegesetzgebung unter Augustus anzusehen, die u. a. Bußgelder für Ledige im heiratsfähigen Alter und Privilegien für Ehepaare mit mindestens drei (in den Provin-

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zen fünf) Kindern vorsieht. Vor diesem Hintergrund ist unter Umständen der Frauenspiegel in 1 Tim 2,9-15 zu verstehen, der in der Zusage des Heils allein durch Kindergebären gipfelt. 4. Die göttliche Bevölkerungspolitik der Bibel setzt auf Vermehrung. Nach Gen 1,28 wird sie bereits dem ersten Menschenpaar geboten. Seit Gen 12,2 erhalten die Erzelternfamilien eine Mehrungsverheißung, die nach Ex 1,7 in Ägypten zum Ziel kommt: Israel wird zum großen Volk. Allerdings fällt dieses Volk immer wieder von Gott ab, so dass er es noch am Sinai vernichten will. Nur Moses Intervention mit dem Verweis auf die Mehrungsverheißung an die Erzeltern kann dies verhindern (Ex 32,10.13). Seitdem schwebt die Minderung der Bevölkerung als Drohung über Israel, wenn es von der Tora abweicht, deren Befolgung wiederum den Segen der Mehrung mit sich bringt (Lev 26,9.22). In den Zukunftshoffnungen der Prophetie spielt entsprechend die Mehrung der Bevölkerung eine zentrale Rolle (Ez 36,10 f.). Dass Mehrung ein Segen ist, ist für eine Bevölkerung selbstverständlich, die andauernd ums Überleben kämpfen muss. Zum einen sind es Naturereignisse, die die Bevölkerung dezimieren: Dürre (vgl. 1 Kön 17-18), Heuschreckeneinfälle (vgl. Joel 1-2), Erdbeben, Epidemien und anderes (vgl. Am 4,6-11). Zum anderen führen soziale Spannungen zur Bildung einer armen Schicht, die am Rande des Existenzminimums steht und ständig von Hunger bedroht ist (vgl. die »Hungrigen und Nackten« in Ez 18,7 oder Mt 25,35 f.). Hi 24 beschreibt in erschütternder Weise den Überlebenskampf solcher obdachloser Familien. Schließlich sind die Menschen Kriegen ausgesetzt. Sie führen zum Tod der Männer, so dass sieben Frauen sich an einen Mann hängen (Jes 4,1) und die Könige beschuldigt werden, die Witwen zahlreich zu machen im Land (Ez 22,25). Überlebende Männer, Frauen und Kinder werden verschleppt und in die Sklaverei verkauft. Unter diesen Bedingungen ist die Mehrung einer Bevölkerung identisch mit Segen und Förderung des Lebens. Konservative Richtungen al-

ler Religionen machen daraus heute ein absolutes Fortpflanzungsgebot. Dieses dient einerseits der Aufrechterhaltung patriarchalischer Herrschaftsverhältnisse, indem Frauen auf ihre Rolle als Gebärerinnen reduziert werden. Zum anderen verkennt es, dass in modernen Produktionsverhältnissen die ungehemmte Vermehrung der Bevölkerung das Gegenteil der Lebensförderung bedeuten kann, die mit dem biblischen Mehrungsgebot gemeint war. Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass das Neue Testament (einschließlich 1 Tim 2,9-15!) das Fruchtbarkeitsgebot des Alten Testaments nicht wiederholt. Broshi, Magen, Methodology of Population Estimates. The Roman-Byzantine period as a Case Study (1993), in: ders., Bread, Wine, Walls and Scrolls, JSP.S 36, Sheffield 2001, 80-85. Carter, Charles E., The Emergence of Yehud in the Persian Period. A Social and Demographic Study, JSOT.S 294, Sheffield 1999. Faust, Avraham, The Settlement of Jerusalem’s Western Hill and the City’s Status in Iron Age II Revisited, ZDPV 121 (2005), 97-118. Finkelstein, Israel / Silberman, Neil Asher, Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München 2 2003. Fleischer, Gunther, Von Menschenverkäufern, Baschankühen und Rechtsverkehrern. Die Sozialkritik des Amosbuches in historisch-kritischer, sozialgeschichtlicher und archäologischer Perspektive, BBB 74, Frankfurt am Main 1989. Lemche, Niels Peter, The Canaanites and Their Land. The Tradition of the Canaanites, JSOT.S 110, Sheffield 1991. Müller, Peter, In der Mitte der Gemeinde. Kinder im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 2002. Pomeroy, Sarah B., Frauenleben im klassischen Altertum, Stuttgart 1985. Zertal, Adam, Manasseh Hill Country Survey, Vol. I, Leiden / Boston 2004.

Rainer Kessler / Heike Omerzu

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Bild 1. Allgemein Ein »Bild« ist eine auf visuelle Rezeption zielende Darstellung. Der Grad der visuellen Ähnlichkeit zwischen Abgebildetem und Bild wird als Ikonizität bezeichnet. Sie ist zwischen den Extremfällen einer vollständigen visuellen Entsprechung und der Anikonizität angesiedelt. Im Gegenüber zum Abgebildeten sind die meisten Bilder durch Abstraktion charakterisiert. Bildern kann eine über das Visuelle hinausgehende Repräsentationsfunktion zugeschrieben werden, die sich zwischen der Identifizierung von Bild und Dargestelltem einerseits und einer symbolischen Repräsentanz des Dargestellten im Bild andererseits bewegt. Wie Texte (3 Schriftkultur) sind Bilder ein Kommunikationsmedium. Formal ist zwischen zwei- und dreidimensionalen Bildern zu unterscheiden (Flachbilder bzw. Relief versus Rundplastik). 2. Altes Testament Das Bild war im Alten Israel ausweislich des archäologischen Befundes ein weit verbreitetes und äußerst prestigeträchtiges Medium. Während monumentale bildliche Darstellungen, anders als in Mesopotamien und Ägypten, hier selten gewesen zu sein scheinen, wurden Bilder insbesondere über Kleinkunst wie Amulette, Münzen und Siegel verbreitet und rezipiert. Neben mit Kunstfertigkeit und hohem Anspruch ausgeführten bildlichen Darstellungen in teuren Materialien, wie etwa den Elfenbeinschnitzereien aus Samaria, sind aus Kuntillet Agˇrud auch volkstümliche Gelegenheitszeichnungen auf pithoi und Putz mit verschiedenfarbigen Tinten erhalten (beide 9. Jh. v. Chr.). Sie demonstrieren, dass das Medium Bild nicht auf bestimmte soziale Schichten beschränkt war, es jedoch sozial bedingte Unterschiede in Material und handwerklicher Ausführung gab. Ikonographie und Technik der altisraelitischen Bilder belegen einen starken Einfluss benachbarter Kulturen (Ägypten, Mesopotamien, Phönizien). Während die altisraelitische Kleinkunst Darstellungen von Gott-

heiten durchaus belegt, fehlen Götterstatuen. In verschiedenen Kultstätten gefundene monolithische Steinpfeiler werden als anikonische Götterbilder gedeutet und mit den mas¯ebo¯t (Singular ˙ 14,23) der Hemas¯eba¯h, vgl. z. B. Gen 28,22; 1 Kön ˙ bräischen Bibel verbunden. Viele Bilder stehen ohne begleitenden Text oder sind unabhängig von ihm (so etwa in Siegeln, wo kaum Beziehungen zwischen bildlichen Darstellungen und dem Namen des Siegeleigners erkennbar sind). Daneben gibt es aber auch Belege für die Verbindung von Bild und Inschrift, wie etwa bei der Abbildung einer apotropäischen oder segnenden Hand neben einer Grabinschrift aus Chirbet el-Kom (8. Jh. v. Chr.). Die Bildervielfalt des archäologischen Befundes wird durch die biblischen Texte bestätigt. So ist das Wortfeld »Bild« durch eine große Anzahl verschiedener hebräischer Termini besetzt. Deren Bildung gibt Hinweise auf den altisraelitischen Bildbegriff, der das Bild als sekundäres Artefakt konzipierte und die Realpräsenz des Abgebildeten im Bild ablehnte: Während sich die meisten Bezeichnungen auf die handwerkliche Ausführung beziehen (je¯sær, masse¯ka¯, næsæk, 2¯as¯ab, pæ˙ demu¯t und dimjo¯n ˙von der sæl, sælæm), gehen ˙ Ähnlichkeit des Bildes mit dem Abgebildeten aus, tabnı¯t und temu¯na¯ hingegen vom abstrahierenden Charakter des Bildes. Der Terminus mas´kı¯t bezieht sich ursprünglich auf das Bild als Gegenstand der visuellen Rezeption. Dass der Bildbegriff bisweilen auch auf geistige Vorstellungen übertragen wurde, belegt die metaphorische Verwendung von Bildbezeichnungen (Ps 73,7: mas´kı¯t le¯ba¯b). Bilder erscheinen ebenso in öffentlichen Kontexten (Bilder im Tempel und an Kultgegenständen, z. B. Ex 28,33; 1 Kön 6,23-29) wie in privaten (Schmuck, vgl. Jes 3,18 f.). Als Medium der religiösen Kommunikation haben sie in den Schilderungen prophetischer Visionen (z. B. Jes 6; Ez 1) und symbolischer Handlungen (z. B. Jer 27 f.) eine zentrale Funktion. Num 12,8 bestätigt diese hohe kulturelle Bedeutung von Bildern als religiösem Kommunikationsmedium einerseits, thematisiert aber andererseits auch

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kritisch die Differenz zwischen Bild und Wirklichkeit. Das alttestamentliche Bilderverbot ist nicht nur im Dekalog (Ex 20,4-6; Dtn 5,8-10), sondern auch in verschiedenen anderen Texten belegt (Ex 34,14.17; Lev 19,4; Dtn 27,15). Die Verbindung mit dem Fremdgötterverbot in den meisten der genannten Überlieferungen deutet auf die Ursprünglichkeit dieses Zusammenhanges. Wahrscheinlich bezog sich das Bilderverbot zunächst nur auf im Kult verehrte Bilder und wurde dann sukzessive auf Gottesdarstellungen überhaupt ausgedehnt, nie aber als generelles Verbot bildlicher Darstellungen verstanden. Die Polemik gegen Kultbilder (siehe besonders Jes 44) richtet sich dagegen, dass diese als Artefakte leblos seien, wiewohl sie in Nachbarkulturen des Alten Israel als materialisierte Form der göttlichen Präsenz kultisch verehrt wurden. Angesichts einer an Kultbildern reichen Umgebung konnte das Bilderverbot damit zum Mittel der eigenen Identitätsbildung sowie der Abgrenzung nach außen werden, zumal die israelitische Kulttradition starke anikonische Elemente aufweist (Bundeslade, mas¯ebo¯t). Die mit dem Bilderverbot verbundene ˙ Transzendentisierung Gottes wurde durch die zunehmende Konzentration auf Texte als Medium der religiösen Kommunikation bis hin zum Konzept der »Orthodoxie des Buches« (3 Schriftkultur) vermittelt. Diese Verknüpfung von Bilderverbot und Wortoffenbarung findet sich etwa in der Paränese zum Bilderverbot in Dtn 4,12-20, nach der JHWH sich in Worten, nicht aber in seiner Gestalt offenbart hat. Während damit die Bedeutung von Gottesbildern in der altisraelitischen Theologiegeschichte sukzessive abnimmt und diese schließlich nur noch als Gegenstand der negativen Abgrenzung eine Rolle spielen, erhielt der Begriff des Abbildes Gottes in der Konzeption des Menschen als Gottes Ebenbild eine zentrale Funktion in der Anthropologie (Gen 1,27; 9,6). 3. Neues Testament Auch wenn das alttestamentliche Bilderverbot nirgends ausdrücklich zitiert wird, ist es in der

Kritik an den toten und stummen Götterbildern präsent (1 Kor 12,2; Gal 4,8 f.; Offb 9,20). Wie in der Septuaginta ist eidolon (eigentlich Abbild, Trugbild) terminus technicus für Götzenbild (Apg 7,41; Röm 2,22; 1 Thess 1,9). Daneben werden aber auch typos (Abbild, Geformtes; Apg 7,43), charagma (Zeichen, Gebilde, Apg 17,29) und eikon (Bild, Gestalt, Abbild Röm 1,23; Offb 13,14 f. u. ö.) gebraucht. Das Neue Testament nimmt die im hellenistischen Judentum ausgeprägte Götzenpolemik und -parodie auf (vgl. Bar 6; Weish 11-15) und führt die Herstellung von Götterbildern auf fehlende Gotteserkenntnis zurück (Röm 1,19-23). Außerhalb des hellenistischen Judentums nicht nachweisbare Komposita, z. B. kateidolon (voll von Götterbildern; Apg 17,16) oder Götzendienst (eidololatria), der vielfach in Lasterkatalogen neben Hurerei, Habsucht, Diebstahl oder Giftmischerei erscheint (1 Kor 5,10 f.; 6,9; Gal 5,19-21; Kol 3,5; Eph 5,5; 1 Petr 4,3; Offb 21,8; 22,15), belegen die Vielfalt und Dringlichkeit des Phänomens. Das entstehende Christentum setzt sich insbesondere an der Frage des Götzenopferfleisches mit den Problemen des Zusammenlebens in einer von anderen Gottheiten dominierten Welt auseinander. Während die Offenbarung oder das so genannte Aposteldekret zum generellen Verzicht auffordern (Apg 15,20.29; 21,25; Offb 2,14.20), diskutiert Paulus die Frage in 1 Kor 8-10 ausführlich, wobei er das Wissen über die Nichtexistenz der Götter der Rücksicht auf das Gewissen der Geschwister unterordnet. Das Neue Testament bewegt sich, so wird in der Forschung zunehmend deutlich, in einer medialen Welt, in der bildliche Repräsentationen nicht nur verschiedener Gottheiten (vgl. Apg 19,23-40), sondern auch des Römischen Reiches und seiner politischen Visionen das Alltagsleben dominieren (Zanker). Auf Münzen dargestellte Kaiserbilder werden in der Frage nach der Kaisersteuer (Mk 12,13-17 par) erwähnt, auf weitere römische Herrschaftssymbole, z. B. den Feigenbaum (Mk 11,12-14), wird angespielt. In der Johannesoffenbarung prägen Kaiserbilder einschließlich ihrer technischen Animationen ein

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Bild

Zentrum der Auseinandersetzung (Offb 13,11-17). Dabei wird nicht nur die Frage nach der Verehrung des Kaiserbildes (Offb 14,11; 15,2; 19,20) zur kritischen Instanz der Loyalität, sondern das in prophetischen und apokalyptischen Bildern von Rom als Welt- und Handelsmacht gezeichnete Bild nimmt vielfach Bezug auf die römische Ikonographie (vgl. Offb 17 f.). In Aufnahme prophetischer und apokalyptischer Traditionen und mythologischer Bilder aus der griechisch-römischen Welt zeichnet die Offenbarung zugleich selbst Bilder des Heiligen (Offb 1), des Thronraums (Offb 4 f. u. ö.), der Weltgeschichte (Offb 12), der Erlösten (Offb 6,9-11, 7,1-17; 15,1-8; 19,1-10, 21 f.) und von Jesus Christus. In diesen Bildern fällt die Pluralität der Dimensionen auf, die einlinige Identifikationen und Zweidimensionalität durchbricht. Jesus Christus ist sowohl der Menschensohngleiche (Offb 1,12-20), der Löwe (Offb 5,5) oder der zum Krieg ausziehende Logos (Offb 19,11-16) als auch das geschlachtete Lamm (Offb 5,6.9 u. ö.). Schließlich gründet die Grundthese des Hebräerbriefs, dass Christus als Hohepriester den Opferdienst im himmlischen Urbild des Tempels abschließend erfüllt hat (Hebr 8,110,19), auf der in der platonischen Schule virulenten Diskussion um Urbild (Idee) und Abbild (wahrnehmbare Welt). 4. Symbolische Deutung Neben der Bilderkritik kennt die Bibel auch eine Theologie der Bilder. In Anlehnung an Gen 1,26 f. und in Aufnahme jüdischer Weisheitstheologie (vgl. Weish 7,26; Philo LA I,43) wird Christus bereits in der älteren Hymnensprache Bild (eikon) Gottes genannt (Kol 1,15; vgl. 2 Kor 4,4). Als Bild Gottes ist er Erstling vieler Geschwister (Röm 8,29). Ebenso wie Gott sich im Bild des Irdischen abbilden lässt, ist den Glaubenden Anteil an dem Bild des Auferstandenen und Himmlischen geschenkt (2 Kor 3,18). Dieser Gedanke scheint auch hinter der Adam-Christus-Typologie zu stehen (Röm 5,15-19; 1 Kor 15,45-49), wobei kontrovers diskutiert wird, ob die ganze Menschheit, die in Kontinuität mit dem Lehmgebildeten steht, schon jetzt oder erst zukünftig auch das Bild des

Himmlischen trägt (1 Kor 15,49; 2 Kor 3,18; Phil 3,20 f.). Gott zeigt sein und ihr Bild in dem gekreuzigten Menschen und gibt durch die Auferstehung Christi der Menschheit Anteil am göttlichen Glanz (2 Kor 3,18-4,18). In merkwürdiger Spannung zu dieser Rede vom Bild Gottes steht die Behauptung in 1 Kor 11,7, allein der Mann sei ein Bild (eikon) und Abglanz (doxa) Gottes, die Frau lediglich Abglanz (doxa) des Mannes, die sich einer sonst bei Paulus nicht zu findenden Auslegung von Gen 2 verdankt (anders 1 Kor 15,45-49). In der Gleichnis- und Johannesforschung wird derzeit die prägende Bild- und Metaphernsprache neu entdeckt und für die Auslegung fruchtbar gemacht. Die durch Erzählungen und Metaphern erzeugten Bilder werden als brennpunktartige Verdichtung der Wirklichkeitserfahrung aufgefasst. In der semantischen Inkongruenz zwischen Bildspender (z. B. die Gleichnisse oder Brot, Licht, Weinstock etc. im Johannesevangelium) und dem Bildempfänger (z. B. das Gottesreich oder der Sprechende in den Ich-bin-Worten) lässt sich eine produktive Störung entdecken, die sowohl kognitive als auch emotionale Prozesse der Sinnfindung auslöst. Dabei ruft die mit der Bildsprache notwendig verbundene semantische Offenheit die Deutungsaktivität der Rezipierenden hervor, ohne sie identifikatorisch festzulegen. Berlejung, Angelika, Die Theologie der Bilder: Herstellung und Einweihung von Kultbildern in Mesopotamien und die alttestamentliche Bilderpolemik, OBO 162, Freiburg / Göttingen 1998. Dohmen, Christoph, Das Bilderverbot: seine Entstehung und seine Entwicklung im Alten Testament, BBB 62, Frankfurt/M. 2 1987. Frey, Jörg / Van der Watt, Jan Gabriël / Zimmermann, Ruben (Hg.), Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, WUNT 200, Tübingen 2006. Friesen, Steven J, Imperial Cults and the Apocalypse of John. Reading Revelation in the Ruins, Oxford 2001. Schroer, Silvia, In Israel gab es Bilder: Nachrichten von darstellender Kunst im Alten Testament, OBO 74, Freiburg / Göttingen 1987. Dies. (Hg.), Images and Gender: Contributions to the Her-

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meneutics of Reading Ancient Art, OBO 220, Fribourg / Göttingen 2006. Dies. / Keel, Othmar, Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient: eine Religionsgeschichte in Bildern, Bd. 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Fribourg 2005. Suter, Claudia E. / Uehlinger, Christoph (Hg.), Crafts and images in contact: studies on Eastern Mediterranean art of the first millennium BCE, OBO 210, Fribourg 2005. Uehlinger, Christoph (Hg.), Images as media: sources for the cultural history of the Near East and the Eastern Mediterranean (1st millennium BCE), OBO 175, Fribourg / Göttingen 2000. Wagner, Andreas / Hörner, Volker / Geisthardt, Günter (Hg.), Gott im Wort – Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bedingung des Monotheismus?, Neukirchen-Vluyn 2005. Weissensrieder, Annette / Wendt, Friederike / von Gemünden, Petra (Hg.), Picturing the New Testament. Studies in Ancient Visual Images, WUNT 2. Reihe 193, Tübingen 2005. Zanker, Paul, Augustus und die Macht der Bilder, München 1987. Zimmermann, Ruben, Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch, ThZ 56 (2000), 108-133.

Stefan Schorch / Angela Standhartinger

Blut »Das Vitalprinzip des Fleisches ist das Blut« (Lev 17, 14): Das Blut wird alttestamentlich als die Lebenskraft des Körpers schlechthin verstanden. Das hatte seinen Anhalt in der konkreten Erfahrung: Das Verbluten eines Verletzten, auch eines Tieres, so konnte man unmittelbar sehen, hatte am Ende dessen Tod zur Folge. Dieser unauflösliche, aber auch undurchdringliche Zusammenhang zwischen Blut und Leben führte in Israel wie in der Antike überhaupt zu der Vorstellung von der ambivalenten Heiligkeit und Mächtigkeit des Blutes. Es ist nützlich und schädlich, kann stärkend und gefährdend, apotropäischschützend und sühnend wirken. Der Umgang mit Blut wird einerseits strengen Tabuvorschrif-

ten unterworfen, andererseits in Kult und Mythos eingebunden. 1. Terminologie Angesichts der sonstigen Vielfalt der biblischen Körperterminologie ist die Eindeutigkeit im Falle des Blutes verblüffend: Hebr. da¯m und griech. haima für »Blut« von Menschen und Tieren haben keine lexikalischen Konkurrenten. Im Hebräischen dient außerdem der Plural da¯mı¯m dazu, Blutvergießen im kriegerischen und juristischen Sinn (Mord / Totschlag) auszudrücken. 2. Spezielle Aspekte: Blutscheu und Blutriten Angst und Abscheu vor Blutgenuss und Blutvergießen finden sich durchgehend in den Texten des Alten Testaments und des frühen Judentums. Während in der ursprünglichen Lebensordnung der Schöpfung das Töten und der Verzehr von Tieren durch Mensch und Tier nicht vorgesehen war (Gen 1, 29-31), wird in der nachsintflutlichen Kompromissordnung nur noch der Verzehr blutigen Fleisches verboten (Gen 9, 4; vgl. Flav. Jos. Ant. I,102; III,260). Im priesterlichen Schrifttum ist der Blutgenuss sogar mit Todesstrafe bewehrt und insofern praktisch einem mörderischen Blutvergießen gleichgestellt (Lev 7, 26-27, vgl. Jub 6, 7.12-14.18 f.; 7, 28-33). Die Schlachtung von Haustieren erfolgte ursprünglich im Kontext eines Heiligtums, das Blut wurde auf den Altar geschüttet (vgl. Lev 17, 10-14 und Dtn 12, 27). Erst mit der Etablierung des Zentralheiligtums nach der joschijanischen Kultzentralisation (Dtn 12, 13-19) wurde das jeweils lokale Schächten, das Ausblutenlassen des Tieres auf die Erde, Vorschrift (Dtn 12, 16.23-25). Auch wegen des Bluttabus ist der Verzehr von Aas in Israel vollständig untersagt (Ex 22, 30; Dtn 14, 21). Das für Judenchristen unvermindert geltende Verbot des Blutgenusses führte im Kontext der so genannten Heidenmission zum Konflikt um die kultische Reinheit: Um eine Tischgemeinschaft mit Christen und Christinnen heidnischer Herkunft zu ermöglichen, verlangt das so genannte Aposteldekret (Apg 15, 20.29; 21, 25) den Verzicht auf Genuss von in Tempeln geschlachte-

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tem so genanntem Götzenopferfleisch, von Blut und von »Ersticktem«, d. h. nicht geschächtetem und daher Blut enthaltendem Fleisch. In den paulinischen Gemeinden galten diese Regelungen jedoch nicht. Hier entstanden Konflikte durch die Abkehr vom heidnischen Götterkult mit seinen Kultmählern im öffentlichen oder privaten Bereich. In den »Schwachen«, die aus Angst vor der dämonischen Kraft in den kultischen Speisen diese nicht aßen, und den anderen, die sich größerer Erkenntnis und Freiheit rühmten, spiegeln sich soziale und bildungsmäßige Unterschiede in der korinthischen Gemeinde wider. Paulus argumentiert differenziert (1 Kor 8, 113; vgl. 10,14-32) im Wissen darum, dass eine religiöse und soziale Minderheit ihre Identität nicht preisgeben darf und andererseits nicht aus dieser Welt auswandern kann (1 Kor 5, 9 f.). Der Seher auf Patmos dagegen verurteilt die kleinasiatischen Christen in Pergamon und Thyatira wegen ihres Fleischgenusses (Offb 2, 14-16; 2023) und ruft dazu auf, »Babylon« zu verlassen (Offb 18, 4). Nach Gen 9, 5-6 ist das Vergießen von Menschenblut unter der Androhung von Todesstrafe bzw. Blutrache untersagt. Trotzdem hat das Israel nicht davon abgehalten, das Verletzen und Töten im Krieg für legitim und notwendig zu erachten. Auch hat es wohl, neben der primär privat vollzogenen Blutrache, öffentliche Hinrichtungen in Israel gegeben, bei denen der Zurschaustellung des Leichnams am »Holz« ein blutiger Akt vorausging (Dtn 21, 22 f.; Jos 8, 29; 10, 26 f.). Auch für das frühe Judentum und das Neue Testament gilt, dass Mord nur durch das Blut des Mörders gesühnt werden kann (Mt 23, 35; Apg 18, 6). In Mt 27, 24 f. übernimmt das »ganze (Bundes-)Volk« vor Pilatus, der seine Hände »in Unschuld wäscht« (vgl. dazu Ps 26, 6; 73, 13; es gab aber auch die konkrete Praxis bei Griechen und Römern), die Verantwortung für das unschuldig vergossene Blut Jesu. Dies wird in kultrechtlicher Terminologie formuliert, vgl. Dtn 27, 25 (in Dtn 21, 1-9 dagegen geht es darum, dass das unschuldig vergossene Blut gerade nicht über das Volk komme; vgl. auch Mt 27, 4: Judas). Diese Schuld

betrifft nach Matthäus jedoch die konkrete Generation und ihre Kinder und ist nach seiner Theologie mit der Zerstörung des Tempels und der Stadt Jerusalem im Jahre 70 abgegolten (Mt 21, 41; 22, 7; 23, 35-38; vgl. Frankemölle). Es kann aus dem Text also weder generalisierend die Rede von Israel als einem »Unheilskollektiv« noch von einer »Kollektivschuld ganz Israels« oder gar von einem Ende des Bundesvolkes abgeleitet werden, wie in der unheilvollen und blutigen (antijüdischen) Wirkungsgeschichte der Stelle geschehen. Auch die von der Redequelle Q (Lk 11, 49 ff.) den jüdischen Zeitgenossen angelastete Blutschuld der Prophetenmorde bezieht sich historisch auf konkrete Menschen und Situationen, nicht auf ein Volk »schlechthin«. 3. Blut und Kult Blut als solches ist »kein exklusives Mittel der kultischen Sühne« (Hartenstein); gleichwohl hängen an der Verwendung von (Tier)-Blut (alttestamentlich) verschiedene Wirkungen: a) Die Applikation von Blut im Hinblick auf Tempel, Altar oder sonstige mit dem Tempel verbundene Gegenstände (z. B. Ex 29, 20-21.36-37; Lev 4, 6; 16, 14-20; Num 19, 4) hat reinigende, kathartische Funktion. Von Priestern vorgenommene Blutapplikationen dürften angesichts ihrer Bedeutung und Häufigkeit in biblischer Zeit visuell wie sensuell hochpräsente Riten gewesen sein. Speziell beim Schlachten der Pessachlämmer war das Besprengen des Altarsockels mit dem Blut der Tiere für die Menschen der hellenistisch-römischen Zeit konkret erfahrbar. b) Die Anbringung von Blut kann eine engere Beziehung zum Heiligen herstellen oder bekräftigen, also eine Art Blutsbrüderschaft stiften (Lev 8-9: aaronitisches Priestertum; Ex 24, 3-8: Israel). c) Das Einstreichen mit Blut kann apotropäische Wirkungen entfalten (vgl. den Pessachritus nach Ex 12, aber auch Ex 4, 24-26 über die einen Blutausfluss verursachende Beschneidung). d) Blut kann aber auch verunreinigen, und d. h. vor allem temporär kultunfähig machen: Ausdrückliche Bestimmungen diesbezüglich gibt es für das Menstruationsblut (Lev 15, 19-33) und

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das Blut im Wochenbett (Lev 12, 2-8), in Ez 16, 6 ist außerdem von dem wohl verunreinigenden Geburtsblut die Rede. Allerdings sind derlei Blutflüsse bei Frauen eher unter dem Thema »Körperflüssigkeiten« verhandelt und in ihrer Wirkung mit dem Samenerguss von Männern zu vergleichen. Eine Menstruierende durfte deshalb nach den zur Zeit Jesu geltenden Niddagesetzen den Tempel nicht betreten und keinen Geschlechtsverkehr haben, konnte ihren Alltagspflichten jedoch weithin ungehindert nachkommen; die oft wiederholte Behauptung, die »Blutflüssige«, die an einer dauernden Genitalblutung litt, habe Jesus durch ihre Berührung in den Status kultischer Unreinheit versetzt, lässt sich anhand der Quellen aus frühjüdischer Zeit nicht eindeutig belegen (Metternich). Nach der Kontaktaufnahme mit verunreinigendem Blut sind Reinigungsriten vorgeschrieben. Blutkatastrophenszenarien wie die ägyptische Plage in Ex 7, 19-25 (vgl. Offb 8, 7 f.; 11, 6) erhalten ihre Eindrücklichkeit auf dem Hintergrund der verunreinigenden Wirkung von Blut, so wahrscheinlich auch bei den angedeuteten kosmischen Katastrophen nach Joel 3, 3-4 (vgl. Offb 6, 12). e) Anders als sonst im Alten Orient ist eine mantische oder medizinische Verwendung des Blutes in Israel nicht bekannt. 4. Die kulttypologische Deutung des blutigen Todes Jesu und das »Blut des Bundes« Zu den ältesten christlichen Traditionen gehören Formulierungen, in denen das Sterben Jesu als Dahingabe des Sohnes durch Gott oder als Selbsthingabe Jesu aus Liebe gedeutet wird (Röm 8, 32; Röm 4, 25; Gal 1, 4; 2, 20; Eph 5, 2.25; 1 Tim 2, 6; Tit 2, 14; Mk 10, 45). Eine weitere Deutung greift auf die jüdische Theologie des Martyriums sowie die griechische Vorstellung vom Tod des einzelnen für das Volk oder das Land zurück und deutet Jesu Tod als stellvertretenden Tod (2 Kor 5,14 f.21) für »die vielen« (Röm 5, 18 f.; vgl. Mk 10, 45), was hier bedeutet: für alle Menschen (so auch 1 Tim 2, 5 f.). Damit verbunden ist der Sühnegedanke, der sich ebenfalls bei den makkabäischen Märtyrern findet (2 Makk 7, 37 f.; 4 Makk 6, 27-29;

17, 21 f.). Paulus bezieht sich in Röm 3, 21-25 auf das biblische Blutritual des Versöhnungstages Lev 16, an dem der Hohepriester alljährlich hinter den Vorhang des Allerheiligsten trat und das Blut des Opfertieres auf die Deckplatte (hebr. kappo¯ræt, gr. hilasterion) spritzte. In diesem Sühneritual wurde erfahrbar, dass Gott die Vergebung und das Heil gewährt, das der Mensch nicht erleisten kann. In der frühchristlichen, kulttypologischen Deutung des ganz und gar unkultischen Geschehens der Hinrichtung des »Märtyrers« Jesus wird jedoch deutlich: Nicht das Blut bewirkt die Sünden wegnehmende Sühne, sondern die Haltung dessen, der es vergießt. Deshalb geschieht in Jesu Tod nicht nur die Vergebung der Sünden, sondern die Teilgabe an seinem Leben (Röm 8, 29; vgl. Röm 8, 32; 1 Kor 3, 22 f.; Gal 2, 20; 4,7) und die Ermöglichung der »neuen Schöpfung« (2 Kor 5, 19; Röm 6, 3-4). In Joh 19, 34 steht das Blut, das zusammen mit Wasser aus der Seite des toten Erlösers fließt, nicht für den Tod, sondern für das Leben, das in diesem Tod seine Vollendung erfährt und den Gläubigen mit dem Wasser des Geistes mitgeteilt wird. Das Deutewort Jesu über den Becher im Abendmahl bezog den Weinbund ausdrücklich auf das in seinem Tod vergossene Blut (Mk 14, 24; Lk 22, 20; 1 Kor 11, 25). Jesu »Bundesblut« am Kreuz besiegelt den neuen Bund (Jer 31, 31 f.); den typologischen Hintergrund bildet dabei das Blutritual beim Bundesschluss am Sinai Ex 24, 38 (Hebr 9, 15; 10, 29; 12, 24; 1 Petr 1, 2). Die Aussagen über das Blut Jesu im Neuen Testament verbinden diese Tradition mit den Hoffnungen jüdischer und gemeinantiker Frömmigkeit auf die reinigende und sündentilgende Wirkung des Opferbluts. Jesu Blut reinigt von den Sünden (Röm 3, 25; 5, 9; Eph 1, 7; 1 Joh 1, 7-9; Offb 1, 5; 7, 14) und macht die Erlösten zu Gottes bzw. Christi Eigentum (Apg 20, 28; Eph 2, 13; Offb 5, 9). »Wer aus dem Segensbecher trinkt, partizipiert am (sakramentalen) Blut Christi, d. h., letztlich an Christus selbst, und wird so hineingenommen in den neuen Bund, mit dem Gott sein erwähltes Volk an sich bindet. Der Bundestreue Gottes entspricht auf menschlicher Seite die Gemein-

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schaftstreue, die in Korinth sträflich vernachlässigt wird« (Merklein). Deshalb geht es für Paulus nicht um Wiederholung, sondern um Vergegenwärtigung der Lebenshingabe Jesu und um Lebensgemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus, der in Leib und Blut gegenwärtig ist (1 Kor 11, 26; 1 Kor 10, 14-22). In einem vielschichtigen Prozess im 1. Jh. entwickelte sich aus einer zunächst durchaus unterschiedlichen Praxis des Abendmahls in den ersten Gemeinden sowie in der Auseinandersetzung mit Missständen und Fehldeutungen die Theologie der (sakramentalen) Präsenz im Herrenmahl mit den Gaben von Brot und Wein als Leib und Blut Christi (1 Kor 10, 14-22; 11, 23-29; Mk 14, 22-25; Joh 6, 53-56). 5. Blut und Gesellschaft Unsere heutige Rede von »Blutsverwandtschaft« kann sich nicht auf das Alte Testament berufen, wo Verwandtschaftsbeziehungen mit den Worten »Fleisch und Knochen« ausgedrückt werden, aber nicht mit »Blut«. Erst spätalttestamentlich und dann neutestamentlich taucht das neue meristische Wortpaar »Fleisch und Blut« auf (vgl. Sir 14, 18; 17, 31 und dann z. B. Mt 16, 17). Es bezeichnet den Menschen in seiner körperlichen und ethisch-religiösen Fragilität. Durch die Annahme dieser menschlichen Schwachheit in »Fleisch und Blut« wird Christus zum Erlöser der Menschen aus Angst und Tod (Hebr 2, 14 f.). »Blutvergießen« ist seit Gen 4 die sozial zerstörerischste Form von Verbrechen (2 Kön 21, 16; 24, 4). Das teilweise sicher metaphorisch gemeinte Blutvergießen ist der Hauptvorwurf der prophetischen Sozialkritik (z. B. Jes 1, 15; Jer 2, 34; 7, 6; Hos 1, 4; Mi 3,10; Nah 3,1). Ohnmacht und Glaubensmut einer marginalisierten und teilweise verfolgten Minderheit in den Städten Kleinasiens spiegelt sich umgekehrt in den apokalyptischen Bildern von der blutigen Vergeltung an den Gewalttätigen; darin kommt zugleich die Gewissheit zum Ausdruck, dass Gott den Schrei der Unterdrückten hört (Offb 6,10; 16, 6; 19, 2). Das Blut der Märtyrer hat für die Verfolgten, wie in der jüdischen Vorstellung (4 Makk 6, 20.29), sühnen-

de Kraft (Offb 6, 11; 22, 14, vgl. Mk 10, 38 f.: Bluttaufe). 6. Gott und Blut Für die uns überkommene biblische Vorstellungswelt ganz ungewöhnlich ist, dass auch in Göttern Blut pulsiert. Diese Vorstellung ist aber z. B. im Ugarit des 13. Jh. belegt, wo die Göttin Anat ganz selbstverständlich das Blut ihres Bruders trinken (und sein Fleisch essen) kann, (vgl. TUAT Ergänzungslieferung 2001, 213-214). Kämpferische Gottheiten vergießen natürlich auch das Blut ihrer göttlichen oder menschlichen Gegner, wie es für JHWH das erschreckende Bild vom Keltertreter in Jes 63, 1-3 bezeugt. Für die alttestamentliche Anthropologie ist bezeichnend, dass die Menschheit nicht aus dem Blut eines unterlegenen Gottes (Kingu, so im Enuma Elisch) geschaffen ist. JHWH als Herr des Lebens spendet seinen Geschöpfen nicht Blut, sondern haucht ihnen Lebensatem oder seinen Geist ein (Gen 2, 7). Wegen der Identifizierung von Blut und Leben wird im blutigen Tieropfer dem Geber des Lebens gleichsam das Prinzip des Lebens zurückerstattet. Verschiedene biblische Texte deuten an, dass es blutige Kinderopfer in und um Israel gegeben haben könnte (Ez 16, 36; Ps 106, 38 und besonders exzessiv Weish 12, 5). Derartige Blutopfer von Menschen sind freilich bereits mit Gen 22 abrogiert. Der biblische Gott ist nicht blutrünstig. Abusch, Tzvi, Blood in Israel and Mesopotamia, in: Shalom M. Paul / Robert A. Kraft / Lawrence H. Schiffman / Weston W. Fields (Hg.) Emanuel. Studies in Hebrew Bible, Septuagint and Dead Sea scrolls in honor of Emanuel Tov, VTS 94, Leiden / Boston 2003, 675-684. Bail, Ulrike, Hautritzen als Körperinszenierung der Trauer und des Verlustes im Alten Testament, in: Jürgen Ebach u. a. (Hg.), »Dies ist mein Leib«. Leibliches, Leibeigenes und Leibhaftiges bei Gott und den Menschen, Jabboq 6, Gütersloh 2006, 54-80. Frankemölle, Hubert, Matthäuskommentar Bd. 2, Düsseldorf 1997. Hartenstein, Friedhelm, Zur symbolischen Bedeutung des Blutes im Alten Testament, in: Jörg Frey / Jens Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, WUNT 181, Tübingen 2005, 119-137.

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Botenwesen / Apostolat

Klauck, Hans-Joachim, Herrenmahl und Hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief, NTA NF 15, Münster 1982. Koch, Dietrich-Alex, Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n. Chr., in: Hans-Peter Müller / Folker Siegert (Hg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum. Münsteraner Judaistische Studien Bd. 5, Münster u. a. 2000, 158-188. Merklein, Helmut / Gielen, Marlis, Der erste Brief an die Korinther, Kapitel 11,2-16,24, ÖTK 7/3, Gütersloh 2005. Metternich, Ulrike, Sie sagte ihm die ganze Wahrheit. Die Erzählung von der »Blutflüssigen« – feministisch gedeutet, Mainz 2000. Wagner, Volker, Profanität und Sakralisierung im Alten Testament, BZAW 351, Berlin / New York 2005. Waszink, Jan Hendrik, Art. »Blut«, RAC 2, 1954, 459-473.

Margareta Gruber / Andreas Michel

Botenwesen / Apostolat 1. Die Sendung von Boten / Botinnen spielt in der gesamten Antike eine überaus wichtige Rolle, war sie doch – neben gelegentlichen optischen und akustischen Signalen – die einzige Möglichkeit einer Kommunikation jenseits der persönlichen Begegnung. So wird im Alten Testament vielfach von Boten und Botschaften berichtet. Sie ergehen im privaten Bereich, wenn z. B. Jakob nach Gen 32, 4 ff. seinen Bruder Esau benachrichtigen will, besonders aber im internationalen politischen Verkehr (Num 20, 14; 2 Kön 18, 17 ff.). Dabei geht es zunächst um mündlich übermittelte Botschaften, wobei typische Formeln der Übermittlung und Repräsentanz eine Rolle spielen. Doch auch schriftliche Botschaften, vor allem Briefe werden durch Boten übermittelt, weil so etwas wie ein öffentliches Postwesen selbst im Römischen Reich noch nicht existiert. Für die Kommunikation zwischen den frühchristlichen Gemeinden ist dies entscheidend: Boten überbrachten Schreiben und Anweisungen des Paulus (z. B. Timotheus 1 Kor 4, 17; 16, 10; Phil 2,19; 1 Thess 3, 2; oder Titus 2 Kor 8, 16 f.23; 12, 18) bzw.

Berichte über die Gemeinden (1 Thess 3, 6; 1 Kor 1, 11; 2 Kor 7, 6 f.). 2. In offenkundiger Entsprechung zum profanen Botenwesen werden im Alten Testament vielfach die Propheten gezeichnet. So ist von ihrer »Sendung« im Zusammenhang der so genannten Berufungserzählungen die Rede (Jes 6, 8 ff.; vgl. 1 Kön 22, 19 ff.; Am 7,14 f.). Vor allem aber entspricht die wichtigste und oft belegte Einleitung vieler prophetischer Worte mit ko¯h 3a¯mar jhwh / »So spricht JHWH / hat JHWH gesprochen« (Am 1, 3.6.9; Jes 7,7; 8, 11; Jer 2, 5; 4, 3 usw.) genau dem im profanen Botenvorgang verwendeten Wortlaut (Gen 32, 5; 2 Kön 18, 19 u. ö.). Allerdings ist auffallend, dass das übliche Nomen mal3a¯k / Bote vorexilisch nie und auch später nur äußerst selten auf Propheten bezogen wird (Hag 1, 13; im pl. Jes 44, 26; 2 Chr 36, 15; dazu der sprechende Personenname Maleachi / mein Bote in Mal 1, 1 und eventuell Mal 3,1), und nur einmal einem Priester gilt (Mal 2, 7; eventuell Koh 5, 5). Diese sprachliche Zurückhaltung dürfte damit zusammenhängen, dass der Begriff des mal3a¯k als »Bote Gottes bzw. JHWHs« eine recht feste Vorstellung war, mit zentraler Bedeutung für Gottesbegegnungen in alltäglichen Zusammenhängen. Wenn ein solcher Bote etwa der Hagar oder dem Elija in der Wüste rettend begegnet (Gen 16, 7; 1 Kön 19, 5 ff.), bleibt die Gestalt, in der damit Gott begegnet, seltsam offen. In anderen Fällen wie bei Gideon (Ri 6, 11 ff.) und besonders bei Manoach und seiner Frau (Ri 13) wird erst hinterher, bei ihrem Verschwinden deutlich, dass in der zunächst recht harmlos wirkenden Gestalt des Boten Gott selbst gegenwärtig war. Entsprechend wird auch in Ex 23, 21 ausdrücklich und grundsätzlich gesagt: »Mein Name ist in ihm«. Während im Hebräischen das ganz normale Wort für »Bote« auch den Gottesboten bezeichnet, unterscheidet die spätere Übersetzungstradition, so besonders die lateinische Übersetzung (Vulgata), zwischen menschlichen (nuntius) und göttlichen (angelus) Boten. Für letztere hat sich so der Sonderbegriff »Engel« herausgebildet. Neben der Mal3a¯k-Vorstellung gehen darin aber eine

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Botenwesen / Apostolat

Menge anders geprägte Traditionen ein, etwa die von Gottessöhnen (Gen 6, 2.4; Hi 1, 6 ff.), Keruben (Gen 3, 24), Serafim (Jes 6, 2 ff.) u. v. a., so dass in den Spätschriften des Alten Testamens (Dan), in den Apokryphen und dann im Neuen Testament (bes. Offb) eine reiche und bunte Fülle von Engelsvorstellungen existiert, bei denen der eigentlich zugrunde liegende Botenbegriff teilweise in den Hintergrund tritt. 3. Hinter der Bezeichnung »Apostel« (apostolos) steckt das griechische Wort apostello »senden«. Die Bezeichnung von Boten als Apostel war selten, aber möglich (vgl. Hdt. 1, 21; 5, 38; Plato Briefe 7, 346a). Die üblichen griechischen Begriffe wie »Bote« (griech. angelos), »Herold« (keryx) bzw. »Gesandter« (presbeutes; vgl. presbeia / Gesandtschaft in Lk 14, 32; 19, 14) sind im Neuen Testament selten. Der sprachliche Hintergrund für die frühchristliche Verwendung von »Apostel« ergibt sich eher vom aramäischen ˇselı¯ha »Bote / ˙ Gesandter« her. Dieser Begriff wurde nach 70 n. Chr. für Boten zwischen dem großen Synedrium und den jüdischen Gemeinden verwendet, war aber zuvor schon allgemein im semitischen Sprachgebrauch verankert. Daraus ergibt sich das hohe Alter der Bezeichnung »Apostel« im frühen Christentum, der auf die frühe nachösterliche Zeit zurückgehen dürfte. Vorausgesetzt ist grundsätzlich ein Sender / eine Senderin, ein Gesandter / eine Gesandte und (zumindest) ein Empfänger / eine Empfängerin. Der Bote partizipierte an der sozialen Stellung des Sendenden, wirkte er doch als dessen Stellvertreter (vgl. Joh 13, 16). Dies kommt in der Aussage des Paulus zum Ausdruck, wonach die Apostel an der Stelle von Christus gesandt sind (presbeuein: 2 Kor 5,20). Akzeptanz oder Ablehnung des Senders betraf selbstverständlich auch den Gesandten selbst, noch viel mehr aber umgekehrt: Wer den Boten ablehnte, lehnte auch den Sender ab. »Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat« (Lk 10, 16 par Mt 10, 40).

Als Apostel werden im Neuen Testament verschiedene Personen bzw. Gruppen bezeichnet. Vor allem im Johannesevangelium ist Christus der von dem Vater gesandte Offenbarer (3,17; 5, 36; 6, 57 u. ö.), allerdings wird die Bezeichnung Apostel nicht für Jesus verwendet (vgl. aber Hebr 3,1). a) Paulus hatte unterschiedliche Vorstellungen vom Apostolat: a) 2 Kor 8, 23 werden als Apostel Gemeindegesandte bezeichnet, auch Epaphroditus laut Phil 2, 25. Einzelne wurden von Gemeinden für bestimmte Aufgaben, die mit Reisen in Verbindung standen, eingesetzt, und zwar für eine bestimmte Zeit. Von einer Verkündigungstätigkeit ist dabei nicht die Rede. b) Für Paulus gehören die Apostel zu der Trias »Apostel, Propheten, Lehrer« (1 Kor 12, 28 f.; vgl. auch Eph 2, 20; 3, 5; 4, 11; Offb 18, 20), wobei hierbei eine gewisse Wertung gegeben ist. Da in dieser Passage die Gnadengaben (charismata) erörtert werden, wird deutlich, dass das Apostolat Gabe ist, kein Amt (vgl. auch 1 Kor 15, 9 f.). Im Unterschied zu den Gemeindeaposteln ist hierbei aber von einer überregionalen und zeitlich nicht begrenzten Beauftragung durch Gott auszugehen. g) Die Zahl der Apostel ist für Paulus nicht grundsätzlich begrenzt: 1 Kor 15,7 erwähnt »alle Apostel«, zu denen neben Petrus (vgl. 1 Petr 1, 1; 2 Petr 1, 1) und den anderen der Zwölf zumindest auch Jakobus der Herrenbruder gehörte. 1 Kor 4, 9 wird auch Apollos dazu gezählt, laut 9, 5 f. die Brüder Jesu sowie Barnabas. Röm 16, 7 werden Andronikus und Junia, die einzige namentlich genannte Apostelin, erwähnt. Der älteste Beleg 1 Thess 2, 7 schließt in die dort genannten Apostel die Mitarbeiter Silvanus und Timotheus mit ein. Da Timotheus nicht zu den Osterzeugen gehörte (Apg 16, 1), wird daraus deutlich, dass Paulus in der Frühzeit dies nicht als Voraussetzung für die Apostelschaft ansah. d) Wahrscheinlich im Zusammenhang der Krise, wie sie im Galaterbrief indirekt in Auseinandersetzung mit Predigern der Beschneidung zur Sprache kommt, wird Paulus seine eige-

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Botenwesen / Apostolat

ne Berufung zum Apostel so wichtig, dass er sie fortan betont und verteidigt. Damit verengt sich aber auch sein Verständnis von »eigentlichem« Apostolat. Die hohe Wertung des Aposteltitels zeigen schon die Briefanfänge (Röm 1, 1; 1 Kor 1, 1; 2 Kor 1, 1; Gal 1, 1; Kol 1, 1), aber auch einzelne Passagen. Laut Gal 2, 8 wurde sein Apostolat in derselben Weise von Gott gegeben wie jenes des Petrus. Im Ringen um seinen Einfluss in der korinthischen Gemeinde betont Paulus, dass er als Apostel bei ihnen wirkte (1 Kor 9, 1 f.) und auch Ansprüche wie ein Apostel stellen dürfte (9, 3-14). Dabei spielt die Erscheinung des Herrn eine wichtige Rolle, ebenso aber auch die Gründung der Gemeinde. 2 Kor 12, 12 ist überdies von Zeichen der Apostel die Rede (u. a. auch Wundertaten). Das Apostolat umgreift die gesamte Existenz, so dass auch die Leiden seiner Tätigkeit dazu gezählt werden können (1 Kor 4, 9; 2 Kor 11,16-33). Hingegen würden andere sich in betrügerischer Weise als Apostel ausgeben (2 Kor 11,13; vgl. Offb 2, 2). e) Der Bezug auf die Erscheinungen des Auferstandenen als qualifizierendes Element des Apostolats wird sowohl in 1 Kor 9, 1 als auch in 1 Kor 15, 8 f. deutlich. Aber nicht alle Osterzeugen sind automatisch Apostel (1 Kor 15, 6). Es braucht zusätzlich die Sendung durch den Auferstandenen, die aus dem Zeugen den Apostel macht. z) Die nachpaulinische Tradition versteht Paulus und die anderen Apostel als Gründer der Kirche (Eph 2, 20; vgl. Offb 21, 14). Paulus wird auch als Herold (keryx) bezeichnet (1 Tim 2,7; 2 Tim 1, 11). b) Von dem paulinischen Verständnis zu unterscheiden ist das des Lukas. Für ihn sind die Apostel die zwölf Jünger Jesu, ein Gedanke, der sich schon bei Markus angedeutet findet (6, 7.30; vgl. auch Mt 10, 2). Lk 6, 13 wird die unterschiedliche Benennung der Jünger als »die Zwölf« und »Apostel« eingeführt. Bei der Auslosung des Matthias anstelle des Judas macht Lukas deutlich, dass unverzichtbare Kriterien der Apostelschaft die Bekanntschaft mit dem irdischen Jesus und die Zeugenschaft der Auferstehung sind (Apg 1, 21 f.). Die zwölf Apostel in Jerusalem sind daher

auch (bis Apg 16, 4) das kirchenleitende Gremium, dem einzelne wie Jakobus der Herrenbruder (Apg 12, 17) oder die Ältesten (Apg 15, 4 ff.) beigesellt werden. Entsprechend wird auch Paulus von Lukas nicht als Apostel verstanden, lediglich im Zusammenhang der ersten Missionsreise werden Barnabas und Paulus als Apostel bezeichnet (Apg 14, 4.14), da sie von der Gemeinde in Antiochien ausgesandt wurden. Ob Lukas mit seinem auf die zwölf Jünger bezogenen Apostolatsverständnis auf Jerusalemer Traditionen zurückgreift, wird diskutiert. c) Zusammenfassung. Die unterschiedlichen Verwendungen des Apostelbegriffs demonstrieren die lokal und zeitlich bedingten Entwicklungen in der Bezeichnung, Wertung und Aufgabe von gemeindlichen und übergemeindlichen Funktionen. Wesentlich blieb dabei aber zumeist die Rückführung der Beauftragung auf Gott selbst, sei es durch den irdischen Jesus, den Auferstandenen, durch Los, Prophetie oder Geistbegabung. Dabei stand das Apostolat – so weit wir sehen können – bis zum Ende des 1. Jh. in hohem Ansehen, wenngleich es auch zu Missbrauch kam. Die in den 90er Jahren entstandene Kirchenordung Didache gibt u. a. Anweisungen zur Prüfung von Aposteln, die von einer Gemeinde zur anderen ziehen (Did 11, 3-6). Der Apostel / die Apostelin war von Gott beauftragte Autorität, aber nicht anderen hierarchisch übergeordnet. Er oder sie war gemeindegründend, nicht gemeindeleitend tätig. Dazu gehörten die Reisetätigkeit, die Verkündigung des Evangeliums und alle damit verbundenen Entbehrungen. Ihre Unterstützung konnten Apostel von den Gemeinden erhalten (vgl. 1 Kor 9; Did 11), doch im letzten waren sie Gesandte des Auferstandenen und Erhöhten. Lohmeyer, Monika, Der Apostelbegriff im Neuen Testament. Eine Untersuchung auf dem Hintergrund der synoptischen Aussendungsreden, SBB 29, Stuttgart 1995. Frey, Jörg, Paulus und die Apostel. Zur Entwicklung des paulinischen Apostelbegriffs und zum Verhältnis des Heidenapostels zu seinen »Kollegen«, in: Eve-Marie Becker / Peter Pilhofer (Hg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, WUNT 187, Tübingen 2005, 192-227.

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Braut / Bräutigam

Riepl, Wolfgang, Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer, Leipzig / Berlin 1913 (Nachdruck Hildesheim / New York 1972). Röttger, Hermann, Mal3ak jhwh, Bote von Gott. Die Vorstellung von Gottes Boten im hebräischen Alten Testament, Frankfurt/M. 1978. Wagner, Andreas (Hg.), Bote und Brief. Sprachliche Systeme der Informationsübermittlung im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Frankfurt/M. 2003. Westermann, Claus, Gottes Engel brauchen keine Flügel, München 1965.

Frank Crüsemann / Markus Öhler

Braut / Bräutigam Der hebräische Terminus kalla¯h bezeichnet im Alten Testament zum einen die Schwiegertochter (mit Ausnahme der sehr späten Texte Mi 7, 6 und Rut stets vom Mann aus gedacht), zum anderen die Braut. An den allermeisten Stellen wird er zur Illustration von Feststimmung und Freude gebraucht (Jes 49, 16; 61, 10; 62, 5; Jer 2, 32; 7, 34; 16, 9; 25,10; 33, 11), an den übrigen, um die (erotische) Anziehungskraft der Geschlechter darzustellen (2 Sam 17, 3; Joel 2, 16; Hld 4, 8-12; 5, 1). Auch beim männlichen Gegenüber h¯ata¯n begegnen beide ˙ Bedeutungen: »Schwiegersohn« und »Bräutigam«, letzteres meist in Parallele zu »Braut« (Jes 61, 10; 62, 5; Jer 7, 34; 16, 9; 25,10; 33, 11; Joel 2, 16). Die Termini haben eine Funktion im Zusammenhang des Rituals der Eheschließung, und zwar in der anfänglichen Phase der »Verlobung«, also nach der Entrichtung des mo¯har (Brautpreis) 3 Ehe. In dieser Phase galten die Brautleute schon als rechtlich einander verpflichtet, die Ehe aber noch nicht als endgültig geschlossen. An den o. a. Stellen wird deutlich, dass diese Phase als eine Zeit großer (Vor-)Freude empfunden wurde. Nach der Vorstellung von Dtn 22, 23-27 soll ein Mann, der mit der Verlobten eines anderen Mannes Geschlechtsverkehr hatte, getötet werden. Die Verlobte selbst soll, wenn sie innerhalb der

Stadtmauern verführt oder vergewaltigt wurde und sich nicht wehrte, zusammen mit dem Vergewaltiger hingerichtet werden. Wurde sie aber außerhalb der Stadtmauern vergewaltigt, wo ihr Widerstand nicht gehört werden konnte, blieb sie nach dieser Tora-Bestimmung unbestraft. Entsprechend den Bestimmungen der Hebräischen Bibel macht schon die Verlobung die Ehe rechtskräftig; denn die Braut ist seit der Verlobung rechtlich die Frau des Bräutigams, auch wenn sie noch im Hause des Vaters lebt. Die Verlobte blieb meist noch ein Jahr in ihrem Elternhaus, bis sie zu ihrem Mann übersiedelte. Die Bezeichnung der nymphe (Braut) als gyne (Frau) in Offb 19, 7; 21, 9; Mt 1, 20; Joh 7, 53 entspricht also geläufiger jüdischer Praxis (vgl. Gen 29, 21; Dtn 22, 24). Dieser Fall wird in Lk 1 vorausgesetzt. Nach Lk 1, 27 ist Maria mit Josef verlobt, aber die Heimholung hat noch nicht stattgefunden. Die erste Etappe der Heirat, die Verlobung (3eru¯s´¯n ı oder qidu¯šı¯n), eine formelle Zusage des Eheversprechens in Gegenwart von Zeugen, hat stattgefunden. Kommt die Heirat nicht zustande, bedarf es eines Scheidebriefes, damit die Verlobte wieder eine gültige Ehe schließen kann. Verweigerte zum Beispiel die Braut ihre Zustimmung zur Ehe, musste ihr der Verlobte einen Scheidebrief (3 Ehe) ausstellen. War der Bräutigam verschollen, blieb die Braut gebunden (agunah), bis ein Scheidebrief oder eine Todeserklärung für ihn vorlag. Gewöhnlich wurden Mädchen im Alter von 12 ½ Jahren, Knaben im Alter von 13 Jahren verlobt. Für diese frühe Eheschließung führt die Tosefta Armut und Not ins Feld: Wer seine Tochter heute verheiraten kann, soll es tun, denn wer weiß, ob er morgen dazu noch die Mittel hat (tQid 41a). Der Bräutigam gilt als ihr Mann, auch wenn er noch nicht den Unterhalt für sie bezahlt. Dennoch ist die Verlobungszeit eine Zwischenoder Übergangszeit. Diese Zwischen-Stellung der Braut wird ersichtlich anhand ihres Rechts zu geloben und Gelübde auf sich zu nehmen (mNed 10). Solange sie als Tochter im Haus ihres Vaters lebt, kann allein ihr Vater ihre Gelübde auflösen. Ist sie verlobt, kann der Vater nur zusammen mit ihrem Verlobten ihre Gelübde auf-

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Brief

lösen. Wird sie als Verlobte zur Waise, wird sie rechtlich autonom (wie die unverlobte Waise). Sobald die Tochter in das Haus ihres Verlobten / Ehemannes gezogen ist und der zweite Teil der Eheschließung stattgefunden hat, hat der Ehemann das alleinige Recht, ihre Gelübde aufzulösen. Wenn Paulus in 2 Kor 11, 2 die korinthische Gemeinde als »reine Jungfrau« anspricht, meint er eine Verlobte. Sie ist mit Christus verlobt. Paulus verwendet dabei die ekklesiologische Brautmetapher aus den prophetischen Traditionen (Jer 2, 23; Ez 16; 23; Hos 2, 19-20). Deutlich sind dabei auch die Assoziationen von freudiger Erwartung des Hochzeitfestes, der exklusiven Ausrichtung auf den Verlobten und von körperlicher Integrität.

sche Entscheidungen, Eingaben, Beschwerden, Verträge, Testamente, prophetische Botschaften u. a. enthalten (Klauck). In der römischen Zeit wurden Briefe zum Medium der Philosophie (Cicero, Seneca), da der Brief vielfach als »halber Dialog« interpretiert wird (Malherbe). Zufällig erhaltene Privatbriefe geben Einblicke in das alltägliche Leben (Deißmann, White). Aufgrund der beschränkten Literarizität (3 Schriftkultur) werden viele Briefe bei SchreiberInnen in Auftrag gegeben. Es gibt keine öffentliche Post, Briefe werden durch Boten versandt oder Reisenden mitgegeben. Für den königlichen Briefverkehr ist bereits im Perserreich ein Eilpostsystem entwickelt (vgl. Est 3,12 f.; 8,10). In politischer Auseinandersetzung und Verfolgung werden Briefe häufig abgefangen und mitgelesen (Riepl).

Biale, Rachel, Women and Jewish Law. The Essential Texts, Their History and Their Relevance for Today, New York 2 1995. Merz, Annette, Warum die reine Braut Christi (2Kor 11, 2) zur Ehefrau wurde (Eph 5, 22-33): Thesen zur intertextuellen Transformation einer ekklesiologischen Metapher, in: Claudia Janssen / Luise Schottroff / Beate Wehn (Hg.), Paulus. Umstrittene Traditionen – lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre, Gütersloh 2001, 148-165. Schaberg, Jane, The Illegitimacy of Jesus. A Feminist Theological Interpretation of the Infancy Narratives, New York 1990. Sutter Rehmann, Luzia, Konflikte zwischen ihm und ihr. Sozialgeschichtliche und exegetische Untersuchungen zur Nachfolgeproblematik von Ehepaaren, Gütersloh 2002.

2. Altes Testament Die Hebräische Bibel enthält keinen vollständigen Brief (hebr. se¯fær, ketab oder 3iggæræt), doch wird mehrfach aus Briefen zitiert, sowohl in hebräischen (2 Sam 11,15; 1 Kön 21,9 f.; 2 Kön 5,6 u. ö.) als auch in aramäischen Texten (Dan 3,3133; 6,26-28; Esr 4-7). Der literarische Gebrauch von Briefen hat Parallelen in aramäischen Texten aus Ägypten (Ahiqar und P. Amherst 63) und Qumran (Buch der Giganten; 4Q550). Aus Qumran ist mit 4QMMT wahrscheinlich ein halachischer Lehrbrief überliefert. Zwei griechisch erhaltene Briefe (2 Makk 1,1-10; 1,10-2,18) zeugen von der brieflichen Kommunikation zwischen Diaspora und Jerusalem. Epigraphisch lässt sich eine hebräische Brieftradition bereits für das 9. Jh. v. Chr. nachweisen (Briefpräskripte auf Pithoi aus Kuntillet Agˇru¯d), der älteste erhaltene hebräische Brief stammt aus dem 8. Jh. v. Chr. (Arad 40). Mit einer einzigen Ausnahme sind alle hebräischen Briefe aus vorchristlicher Zeit Ostraka, doch zeigt der Papyrus Murabba3at 17 (7. Jh. v. Chr.), dass auch dieses Schreibmaterial für Briefe im Gebrauch ist. Während die größte Anzahl der original erhaltenen hebräischen Briefe aus dem 6. Jh. v. Chr. stammt (16 aus Arad; 9 aus Lachisch), fehlen entsprechende archäologische Zeugnisse bislang für

Friedrich Fechter / Luzia Sutter Rehmann

Brief 1. Begriff Briefe ermöglichen die Kommunikation zwischen räumlich getrennten Menschen. In der Antike schrieb man sie v. a. auf Ton- und Wachstafeln, Tonscherben (Ostraka), Papyrus (3 Buch) oder Leder. Briefe können Nachrichten, politi-

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Brief

das 5. Jh. v. Chr.-1. Jh. n. Chr. Erst für das 2. Jh. n. Chr. sind aus dem Umfeld des Aufstandes von Bar Kochba hebräische Briefe wieder archäologisch belegt. Den Gebrauch des Aramäischen durch jüdische Briefschreiber belegen Briefe des 5. Jh. v. Chr. aus der damaligen jüdischen Militärkolonie Elephantine in Ägypten, darunter auch Korrespondenz mit Offiziellen in Jerusalem und Samaria. Das ältere hebräische und aramäische Briefformular weist Parallelen zum Formular anderer vorderorientalischer Brieftraditionen, besonders zur akkadischen und ugaritischen, auf. Unterschieden wird dabei zwischen Präskript (Adresse, Absender und Gruß) sowie Briefkorpus. Das Formular der hebräischen Bar KochbaBriefe scheint hingegen teilweise vom griechischen Formular beeinflusst. 3. Neues Testament Der Gebrauch von Briefen nimmt in hellenistisch-römischer Zeit zu. 22 der 27 Schriften des Neuen Testaments sind Briefe. Die Paulusbriefe an Gemeindeversammlungen (ekklesiai) sind politischen Briefen vergleichbar (Koester). Das paulinische Briefformular (Absender-Adressatenangabe und Gruß) entstammt jüdischen Gemeindebriefen (Taatz). Anlässe sind Empfehlung von MitarbeiterInnen (Röm 16,1-3 u. ö.), Organisation der Kollekte (1 Kor 16,1-4; 2 Kor 8 f.), Selbstvorstellung (Röm), Stellungnahmen zu Anfragen (1 Thess 4,15-5,11; 1 Kor), briefliche Stimmabgabe (1 Kor 5,4 f.), Austausch von Nachrichten (1 Thess, Phil) und theologische Auseinandersetzungen (Gal, 2 Kor). In Konflikten empfindet Paulus den Brief als unzureichenden Ersatz für das Gespräch (Gal 4,20; 2 Kor 10,10 f.; 1,13). Auch Gemeinden schreiben an Paulus (vgl. 1 Kor 7,1). Das Neue Testament enthält Rundbriefe (Gal, 1 Petr; Jak). Briefe an Einzelpersonen haben Amtsträger (1/2 Tim, Tit) oder Gemeindegruppen im Blick (Phlm, 2 Joh). Ob Hebräer und Jakobus als Brief oder theologische Abhandlung konzipiert sind, ist umstritten. In nachpaulinischer Zeit entstehen pseudepigraphe Paulusbriefe, die die durch den Tod des Paulus ausgelöste Krise überwinden (Kol) und die Pau-

lustradition mit unterschiedlichen Intentionen interpretieren wollen (Eph, 2 Thess, 1/2 Tim, Tit). 4. Symbolische Bedeutung Briefe können Gotteswort enthalten (Jer 29,4-23; Offb 1,8 u. ö.) und vom Himmel gesandt sein (Stübe). Die Offenbarung versteht sich als von Christus diktierter Brief (1,1-6). In der Auseinandersetzung mit den GegnerInnen im 2. Korintherbrief, die Paulus vorwerfen, mangels Empfehlungsbrief keinen Ausweis seiner Autorität zu besitzen, nennt Paulus die Gemeinde »unsern Brief« (2 Kor 3,2) und charakterisiert sie als Himmelsbrief (3,3-5). Deißmann, Adolf, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen 4 1923. Klauck, Hans-Josef, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Paderborn u. a. 1998. Koester, Helmut, Writings and the Spirit: Authority and Politics in Ancient Christianity, HThR 84 (1991), 353-372. Malherbe, Abraham J., Ancient Epistolary Theorists, SBL.SBS 19, Atlanta 1988. Pardee, Dennis: Handbook of ancient Hebrew letters: with a chapter on Tannaitic letters by David S. Sperling, with the collaboration of J. David Whitehead and Paul E. Dion, SBibSt 15, Chico, CA 1982. Riepl, Wolfgang, Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer, Leipzig / Berlin 1913. Schwiderski, Dirk, Handbuch des nordwestsemitischen Briefformulars: ein Beitrag zur Echtheitsfrage der aramäischen Briefe des Esrabuches, BZAW 295, Berlin / New York 2000. Standhartinger, Angela, Studien zur Entstehungsgeschichte und Intention des Kolosserbriefs, NT.S 94, Leiden 1999. Stübe, Rudolf, Der Himmelsbrief. Ein Beitrag zur allgemeinen Religionsgeschichte, Tübingen 1918. Taatz, Irene, Frühjüdische Briefe. Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums, NTOA 16, Freiburg / Göttingen 1991. Wagner, Andreas (Hg.), Bote und Brief: sprachliche Systeme der Informationsübermittlung im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Nordostafrikanisch-westasiatische Studien 4, Frankfurt/M. 2003. White, John L., Light from Ancient Letters, Philadelphia 1986.

Stefan Schorch / Angela Standhartinger

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Brot

Brot 1. Grundlegendes Brot und Getreideprodukte (vor allem aus Gerste, Dinkel und Weizen) waren in der gesamten Antike das Grundnahrungsmittel schlechthin (Ovid verbindet mit ihrer Einführung die Kultur überhaupt, Ov. fast. 4, 401), da Kartoffeln und Mais nicht bekannt, Reis, Hirse sowie Eierspeisen kaum verbreitet waren. Brot bildete die Grundlage aller täglichen Mahlzeiten, auch wenn andere Nahrungsmittel ergänzend dazu traten (3 Essensgewohnheiten; 3 Nahrung, pflanzliche; 3 Nahrung, nichtpflanzliche). Von daher kann »Brot« den Lebensunterhalt insgesamt bezeichnen (z. B. 2 Thess 3, 12) bzw. »Brot essen« das Abhalten einer Mahlzeit (z. B. Mk 3, 20; 3 Essen, gemeinsames). Brot ist in der griechischen Welt erst seit dem 5. Jh. v. Chr., in Rom erst seit dem 2. Jh. v. Chr. eingeführt worden und stellte zunächst lange einen Luxusartikel dar, der von professionellen Bäckern hergestellt wurde. Zuvor (und danach – zumindest für die unteren Gesellschaftsschichten – noch eine geraume Zeit daneben) ernährte man sich von einem Brei aus (gemahlenem) Getreide, das mit Wasser, Öl und / oder Wein vermischt und dann entweder an der Sonne oder auf heißen Steinen zu Fladen getrocknet wurde (griech. maza, lat. puls). Am weitesten verbreitet waren Fladen bzw. Brot aus (relativ kalorienarmem) Gerstenmehl und Dinkel, während der ernährungsphysiologisch höherwertige (Brot- oder Nackt-)Weizen, der als Delikatesse galt, nur in geringem Umfang angebaut wurde. 2. Mehlherstellung Das auf dem Feld gedroschene und gesiebte Getreide wurde gemahlen. Dabei entstand Grieß (hebr. so¯læt; der beste Teil des Getreides, oft irreführend mit »Feinmehl« übersetzt), Mehl (hebr. qæmah) und Kleie. Durch Sieben wurden die ver˙ schiedenen Bestandteile voneinander getrennt. Die Mehlfeinheit war abhängig von der Länge des Mahlens und Wiederholung des Mahlprozesses. In der Regel wurde nur soviel Mehl gemah-

Abb. 1: Reib- oder Sattelmühle (ab 10. Jt.). Rekonstruktion nach einer Anlage bei Rehov, 9. Jh.

len, wie gerade gebraucht wurde. Terrakottagefäße oder Säcke konnten dem kurzfristigen Mehltransport dienen. Die Werkzeuge blieben seit der Jungsteinzeit in etwa gleich. Reib- oder Sattelmühlen (Abb. 1) bestanden aus einem sattelartigen Unterstein aus hartem Basalt und einem Oberstein aus etwas weicherem Kalkstein. Aus Anatolien und Syrien sind Schlitzmühlen (Abb. 2) bekannt; die ältesten wohl aus Hama (9./8. Jh.). Die drehbare Handmühle (Abb. 3) kam erst in hellenistischer Zeit auf, abgeleitet von Töpferscheiben, die drehbare Großmühle (Abb. 4) erst in römischer Zeit. Seit dem 1. Jh. v. Chr. gibt es lokal auch Wassermühlen. Armen Leuten konnte eine Fläche aus getrockneten Lehmziegeln und Bitumen (ethnoarchäologische Ergebnisse von al-Hiba, Südirak) den Mühlstein

Abb. 2: Schlitzmühle, ab 9. Jh. v. Chr., im Orient ab 3. Jh. v. Chr.

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Brot

einen Tag, was für die Brotbitte des Vater-Unsers (Mt 6, 11; Lk 11, 3) wichtig ist: »Gib uns heute das Brot von morgen« bedeutet, dass das Getreide für das »morgige Brot« (artos epiousios) spätestens am Vortag vorhanden sein musste, damit sich rechtzeitig backfähiger Teig herstellen ließ.

Abb. 3: Drehbare Handmühle, römisch

ersetzen. Palastmanufakturen sind z. B. bekannt aus Abu Hureira (Neolithikum), Tell Brak, Ebla (um 2300), wo die Handmühlen auf Schrägen standen, so dass das Mehl in bereitstehende Gefäße fiel, und Gordion (Eisenzeit). Archive staatlicher Tempelmanufakturen in Südmesopotamien (Umma, Ur, Lagasch, Sagdana) legen Mühlbetriebe mit bis zu 1000 ArbeiterInnen nahe. Erst das Mahlen setzt die für den Backprozess notwendige Stärke des Mehls frei, die durch den Zusatz von Wasser oder Öl und Erwärmung für das Aufgehen sorgt und beim Backen dem Brot die Porosität verleiht, die es verdaulich und vor allem haltbar macht. 3. Brotherstellung Da die Stärke in verschiedenen Getreidesorten in unterschiedlicher Menge enthalten ist (am meisten im Brotweizen), konnte der Gärprozess durch beigemengte Säuerungsmittel (Plin. nat. 18, 102104: Bierhefe; mit Most versetzte Kleie oder Hirse; Sauerteig) unterstützt werden. In jedem Fall wurde dieser Gärprozess durch intensives Kneten mit der bloßen Hand im Backtrog (ANEP 152) in Gang gesetzt (vgl. Lk 13, 20 f.; Mt 13, 33; Jer 7, 18), wobei dem Teig auch Salz, Oliven- oder Sesamöl, Milch, Butter, Rosinen, Datteln und verschiedene Gewürze zugesetzt werden konnten. Am einfachsten ließ sich backfähiger Teig durch einen Sauerteig, also einen stärkehaltigen, sauren Teigrest herstellen, der mit der 8- bis 10-fachen Menge Mehl vermischt wurde und diese durchsäuerte. Dieser Säuerungsprozess dauert mindestens

4. Backen Der fertige Teig wird entweder direkt in der Glut (1 Kön 19, 6; Ez 4, 12) oder an der Wand kaminartiger, transportabler Tonöfen (hebr. tannur: Lev 2, 4; Hos 7, 4; griech. kaminos; klibanos, Mt 6, 30; 13, 42.50; Lk 12, 28), wie sie seit der HalafKultur (um 6000 v. Chr.) bekannt sind, oder in gemauerten, gedeckten Öfen, wie sie seit dem ausgehenden Neolithikum (Tell Sabi Abjad) bezeugt sind (3 Nahrungszubereitung, Abb. 3), später auch in transportablen Tabun-Öfen gebacken. Das Feuer wird durch schmale Öffnungen im unteren Bereich mit Gras und Schilf unterhalten. Wenn der Ofen warm genug ist, werden die Brote an die Ofenwand geklatscht und die obere Öffnung wird mit einem Lehmdeckel oder einem Kochgeschirr abgedeckt. Auch auf einer gewölbten, tönernen Backplatte (hebr. mahabat) oder in ˙ einer tönernen Backpfanne (hebr. marhæsˇæt; Lev ˙ 2, 7; 7, 9; ANEP 150), die in die heiße Asche gestellt wurde, konnte gebacken werden. So entstanden verschiedene Arten von Brot: dickes Fladen- oder Rundbrot (hebr: kı¯ka¯r; Ri 8, 5), dünnes Fladenbrot (hebr. ra¯qı¯q; Ex 29, 2.23; Lev 2, 4), auf Brotstäben (Ps 105,16; Ez 4,17; 5, 16) zum Schutz vor Nagetieren aufhängbares Ringbrot (hebr. halla¯h; Ex 29, 2.23; Lev 2, 4), herzförmige Kuchen ˙ (2 Sam 13, 6.8). Südlevantinische Bäcker waren in Ägypten als Gastarbeiter bekannt. Ägyptische Bilder bezeugen einen großen Reichtum an Brotformen (Ringe, Halbmonde, Hände, Ohren, Köpfe etc.). Aus Mari (um 1800 v. Chr.) sind Terrakottamodelle (Fische, Ornamente etc.) bekannt. In Pompeji hat sich Brot in professionellen Bäckereien erhalten; die runden Brote (zu etwa 1 kg) haben einen Durchmesser von 20 cm bei einer durchschnittlichen Dicke von 5 cm. Die Oberfläche ist kreuz- bzw. sternförmig eingekerbt, um das Zerteilen bzw. Zerbrechen zu erleichtern.

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Brot

Die einfachste Brotform ist ungesäuertes Fladenbrot (hebr. mass¯ah). Es ist das »Brot des Elends« (Dtn 16, 3), das˙˙»Sorgenbrot« (Ps 127, 2) oder »Tränenbrot« (Ps 80, 6), das in guten Zeiten an die Not und Armseligkeit in Ägypten erinnert (3 Fest), wahrscheinlich auch das »Trauerbrot« (Ez 24, 17.22; Hos 9, 4), andererseits aber auch das Brot, das man – allerdings gesalzen – am schnellsten und damit am frischesten zu Ehren von Gästen zubereiten konnte und das als Inbegriff einer Mahlzeit auch variantenreich als »Schaubrot« vor der Gottheit im Tempel aufgetürmt wurde (Ex 29, 2.23; 3 Opfer). Es ist bereits im frühdynastischen Grab der Königin Puabi aus Ur bezeugt (26. Jh. v. Chr.). Der Säuerungsprozess jedoch machte das Brot nicht nur bekömmlicher und nahrhafter als ungesäuerte Fladen, sondern auch haltbarer: Gebackenes Brot ließ sich aufbewahren, was tägliches Backen überflüssig machte (sofern genügend Mehl zur Verfügung stand). 5. Brotpreise Da die großen Getreideanbaugebiete der Antike nicht mit den Bevölkerungszentren zusammenfielen (3 Ernährung), war man schon im klassischen Griechenland und noch mehr in der römischen Antike auf Getreideimporte (vor allem aus Spanien, Nordafrika und Ägypten) angewiesen. Vor allem in der römischen Welt hatte der staatlich kontrollierte (und häufig subventionierte) Getreidepreis hohe politische Bedeutung, um so mehr, als er immensen Schwankungen unterworfen war; 30 % waren üblich, aber auch 100 % innerhalb nur weniger Wochen nach der Ernte sind belegt. Die Inflation der Getreidepreise, die Offb 6, 5 f. als Zeichen der Endzeit erwähnt, war also eine reale Erfahrung. Demnach kostet 1 Maß (choinix = 2, 2 l) Weizenmehl 1 Denar. Die gleiche Menge sollte einem Edikt zufolge, das 92/93 n. Chr. in Kleinasien die Getreidehöchstpreise festlegte, nicht mehr als 1/4 Denar kosten. Dieselbe Inschrift gibt den entsprechenden Preis vor der aktuellen Inflation mit 1/8 Denar an. Für die Bedarfsberechnung ist wichtig, dass 1 Denar als unterer Tageslohn galt (mit dem dann ja eine

Abb. 4: Drehmühle, römisch

ganze Familie unterhalten werden musste) und der tägliche Brotbedarf für Sklaven, die in der Landwirtschaft tätig waren, zwischen 1, 3 und 1, 6 kg lag (Cato agr. 56). Damit ist klar, dass die Schwankungen der Getreide- und Brotpreise für die unteren Gesellschaftsschichten oft Existenz bedrohend waren. 6. Theologisch-symbolische Bedeutung Angesichts seiner elementaren Bedeutung ist verständlich, dass Brot in vielfältiger Weise symbolisch – da es für Nahrung (3 Ernährung) schlechthin stehen kann –, bisweilen ausdrücklich religiös gedeutet wurde. Folgende Aspekte ragen heraus: a) »Schaubrottisch«. Am nächsten zum Götterbild in altorientalischen Tempeln stand ein Tisch mit den »Broten des Angesichts« (hebr. læhæm ˙ happa¯nı¯m) bzw. den »Broten der Aufschichtung« (hebr. læhæm hamma3arækæt), deren sporadischer ˙ Verzehr der Priesterschaft vorbehalten war, die als Diener gleichsam privilegierte Gäste am Gastmahl Gottes, der alle seine BesucherInnen speist (vgl. Ps 17, 15; 23, 5; 36, 9; 63, 3-6; 65, 5; vgl. KTU 1.4. V. 45-48), waren. Eine Ausnahme bildet die Notversorgung Davids (1 Sam 21, 7) mit Vorbildcharakter für Jesus (Mk 2, 25 par). Analog zur Gottheit wurden Verstorbene auf Stelen,

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Brot

Sarkophagen, Grabmalereien etc. mit Vorliebe als mit Brot Versorgte dargestellt, wodurch das Bild eine eschatologische Dimension erhielt (Ps 16, 11). Der mit Brot gedeckte Tisch des Alltags wird dergestalt symbolisch hervorgehoben als Brennpunkt der Regeneration, deren Kräfte der 3 Tempel auf allen Ebenen befördern helfen soll. b) Jesus wird mit Brot identifiziert. Diese Identifikation liegt dem Brotwort der Abendmahlsüberlieferung (Mk 14, 22 par) zugrunde, wo sie die elementare Bedeutung des Mahles für die Gemeinde bezeichnet. In umgekehrter Weise erklärt Joh 6, 51 ff. die Bedeutung (der Lehre) Jesu für die Gemeinde durch das Abendmahlsbrot. Einen besonderen Akzent setzt die Deutung Jesu als das vom Himmel herabkommende Lebensbrot (Joh 6, 30 ff.); die auf das alttestamentliche Manna (Ex 16, 4; Ps 78, 24 LXX) zurückgehende Metapher besagt, dass Jesus so lebensnotwendig ist wie Brot, und dass er wie das Brot eine Gabe Gottes ist (vgl. auch EvPhil 15 [NHC II/3, 55]). c) Weisheit / Lehre. Da Brot lebensnotwendig und eine Gabe Gottes ist, steht es häufig als Metapher für das Wort Gottes (Am 8, 11; Jes 55 1-3; Dtn 8, 3; vgl. Mt 4, 4) bzw. für Weisheit / Lehre insgesamt (Spr 9, 1-5 LXX; Sir 15, 3). Einen eigenen Akzent setzt dabei der Aspekt der Aneignung der Lehre: Die Weisheit gibt sich selbst zu essen (Sir 24, 21) und die Worte Gottes werden »verschlungen« (Jer 15, 16). Diese Metaphorik ist im hellenistischen Judentum (z. B. Philo LA II,86; III,175; Philo sacr. 86 usw.) und im frühen Christentum breit rezipiert worden: Dass Brot für Jesus bzw. seine Lehre steht, liegt der narrativen Logik der Speisungserzählungen Mk 6, 35-44; 8, 1-9 par zugrunde, denn hier geht es darum, dass die Jünger ausreichend viel Brot besitzen, um eine große Menge erst von Juden, dann von Heiden »satt zu machen« (Mk 6, 42; 8, 8). In der Erzählung von Jesu Auseinandersetzung mit den Pharisäern und seiner Begegnung mit der syrophönizischen Frau nutzt Markus (7, 1-30) diese Metaphorik, um auf hohem literarischen Niveau zu zeigen, dass die Botschaft für Juden und Heiden dieselbe ist, da sie das gleiche Brot essen (Mk 7, 28).

d) Mehrfach wird das Martyrium mit dem Brot in Verbindung gebracht. Wenn der Satan »euch wie den Weizen siebt« (Lk 22, 31), dann ist an mehrfache Versuchungen gedacht, die am Ende nur das Reinste übriglassen. Ähnlich spricht Ignatius davon, dass er »Weizen Gottes« ist, der durch die »Zähne von Bestien gemahlen« wird, so dass sein Martyrium ihn als »reines Brot« erweist (IgnRom 4, 1). e) Sehr verschieden wird Sauerteig gedeutet. Auf der einen Seite steht die Warnung vor Ansteckung durch Kontakt (1 Kor 5, 6; Gal 5, 9; Mk 8, 15 etc.), weil das Mehl unweigerlich vom Sauerteig durchsäuert wird. In Zusammenhang mit der Pessachvorschrift, den alten Sauerteig zu beseitigen und sieben Tage lang nur ungesäuertes Brot zu essen (Ex 12, 15; 13, 3.7), verwendet Paulus das Bild des Sauerteigs für den Gegensatz alt / neu (1 Kor 5, 8); wenn er die Gemeinde als »ungesäuertes Brot« bezeichnet (1 Kor 5, 7), betont er ihre Qualität als etwas grundsätzlich Neues. Daneben wird der Sauerteig auf die Herrschaft Gottes bezogen, wenn im Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13, 33; Lk 13, 20 f.) der Aspekt der unaufhaltsamen Infiltration und der Gegensatz von klein / groß (wenig Sauerteig durchsäuert viel Mehl) thematisiert wird: Hier liegt der Ton auf dem Gegensatz zwischen anfänglicher Unsichtbarkeit (»verbergen«) und dem unausweichlich sichtbaren Endprodukt bzw. auf dem Gegensatz von klein / groß (EvThom 96). f) Einheit. Das eine Brot, das die Gemeinde bei ihrem Mahl bricht, repräsentiert ihre Einheit (1 Kor 10,16 f.). Dieses Bild, das pagane Entsprechungen besitzt (Diog. Laert. 8, 35), ist verschiedentlich als Bitte um die Sammlung der Kirche weiterentwickelt worden; zugrunde liegt dabei die Vorstellung, dass in dem einen Brot viele Körner vermahlen sind (Did 9, 4 u. ö.). Die durch das eine Brot repräsentierte Einheit der (Mahl-)Gemeinde war im frühen Christentum vor allem wegen der differierenden Speisegewohnheiten von Juden- und Heidenchristen wichtig. Dazu legt Mk in einer langen Komposition dar, dass beide von ein und demselben Brot satt werden: Zunächst programmatisch-diskursiv in der Lehre

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Brunnen

Jesu (Mk 7, 1-23), dann veranschaulichend (7, 2430) und schließlich als missionarische Umsetzung durch die Jünger (8, 1-9). Berger, Klaus, Manna, Mehl und Sauerteig. Korn und Brot im Alltag der frühen Christen, Stuttgart 1993. Blanck, Horst, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, Darmstadt 1976. Blümner, Hugo, Die römischen Privataltertümer, HKAW IV 2/2, München 1911. Clerici, Luigi, Einsammlung des Zerstreuten, LWQF 44, Münster 1966. Duncan-Jones, Richard P., The Price of Wheat in Roman Egypt Under the Principate, Chiron 6 (1976), 227-253. Ebeling, Jennie R. / Rowan, Yorke M., The Archaeology of the Daily Grind: Ground Stone Tools and Food Production in the Southern Levant, NEA 67 (2004), 108-117. Elmiger, Max / Keel, Othmar, Das tägliche Brot, Heiliges Land 5 (1977), 35-43. Garnsey, Peter, Famine and Food Supply in the Graeco-Roman World. Responses to Risk and Crisis, Cambridge 1988. Hartenstein, Friedhelm, »Brote« und »Tisch des Angesichts«. Zur Logik symbolischer Kommunikation im Tempelritual, in: Johannes Friedrich Diehl / Reinhardt Heitzenröder / Markus Witte (Hg.), Einen Altar von Erde mache mir …, FS Diethelm Conrad, Waltrop 2003, 107-127. Jasny, Naum, The Daily Bread of the Ancient Greeks and Romans, Osiris 9 (1950), 227-253.

Matthias Klinghardt / Thomas Staubli

Brunnen Die Wasserversorgung beruhte auf Quellen, Brunnen und Zisternen. Quellen und Brunnen lagen oft außerhalb der Stadt am Fuß der Siedlungshügel (2 Kön 3, 25; 2 Chr 32, 2-4). Aus Furcht vor Belagerungen wurden im 9.-8. Jh. in einigen Städten Stollen in den Fels geschlagen, die zu Grundwasserbecken (Gibeon, Hazor, Geser) oder Quellen (Megiddo, Jibleam) führten oder Wasser in die Stadt leiteten (Jerusalem). In römischer Zeit erhöhte sich der Wasserverbrauch durch die wachsende Stadtbevölkerung, die neue Badekultur und gehobene Ansprüche der Ober-

schicht. Deswegen baute man – erst im Rahmen der Pax Romana möglich – Wasserleitungen, die Quellwasser über Aquäduktbrücken, Tunnel und luftdichte Druckleitungen von weit her heranführten (Caesarea Maritima). Brunnen und Zisternen waren meist Privat- (2 Sam 17, 18; 2 Kön 18, 31), in größeren Orten auch Gemeinschaftsbesitz (1 Sam 19, 22; 2 Sam 23, 15). Instandhaltung und Konfliktregelung (vgl. Gen 21, 25 ff.; 26, 15 ff.; Num 20, 17) oblagen lokalen (Ältesten), entlang überregionaler Handelsstraßen auch übergeordneten Autoritäten (Num 21, 17 f.). Der aufwändige Bau großer Brunnen, Stollen etc. setzt Herrschaftsverhältnisse voraus, in denen Menschen zur Arbeit verpflichtet werden konnten, zuweilen Kriegsgefangene (Mescha-Stele, KAI 181, 24 f.). In die Haushalte wurde das Wasser mit schweren Tonkrügen traditionell von Frauen getragen (Gen 24,11 ff.; Ex 2, 16; 1 Sam 9, 11; Joh 4,7; anders Jer 14, 3). Wasserstellen waren wichtige Orte der Kommunikation. 1. Quellen Es gibt in Palästina – regional verschieden – viele Quellen (Dtn 8, 7), die zwar oft brackig (2 Kön 2, 19 ff.) und wenig ergiebig, für Mensch, Vieh und Wildtiere aber lebenswichtig sind, für die Ackerwirtschaft jedoch irrelevant. Siedlungen wurden zunächst nur bei Quellen gegründet, und ihr Ausbau hing von deren Kapazität ab. 2. Brunnen (be3e¯r) Ein Brunnen ist ein durch Verschalungen (Balken, Steine, Ziegel) gesicherter Schacht zum Grundwasser (in Schechem über 30 m tief). Es gibt sie bei Ortschaften und in Weidegebieten (Gen 29). Geschöpft wurde mit an Seilen befestigten Tierhäuten oder Tongefäßen (Gen 21, 19; Jes 30, 14; Seilwinden erst seit dem Mittelalter). Zum Schutz vor Unfällen und Unbefugten deckte man sie ab (Gen 29, 2 f.; Lk 14, 5). Quellen und Brunnen sind terminologisch klar unterschieden, jedoch nicht immer – wohl angesichts des gemeinsamen positiven Images (vgl. Gen 16, 7 mit 16, 14). Sie gelten als Orte der Rettung und des Heils. Dass der Engel JHWHs

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Brunnen

Querschnitt durch typische Zisternen

der verzweifelten Hagar an einer Wasserstelle erscheint, ist ein Hinweis auf den glücklichen Ausgang (Gen 16, 7; vgl. 21, 19). Brunnenszenen stehen aufgrund ihrer Lebenssymbolik oft am Anfang von Heiratserzählungen (Gen 24; 29; Ex 2, 15 ff.). Als Quelle des Lebens bezeichnet die Weisheit Klugheit und Gottesfurcht (Spr 14, 27; 16, 22), Ps 36, 10 Gott selbst. Bei Ezechiel wird der Tempel im wahrsten Sinne des Wortes zur Quelle allen Lebens (Ez 47; vgl. Offb 22, 1 f.): In der Heilszeit sprudelt aus ihm eine Quelle (vgl. Joel 4, 18), deren Wasser einen Fluss bilden, an dem wunderbare Bäume wachsen, die jeden Monat leckere Früchte tragen und deren nie welkende Blätter als Arzneimittel dienen. Der Fluss erfüllt das Tote Meer mit Leben. Im Neuen Testament gilt das im Glauben an Christus geschenkte Heil als Quelle ewigen Lebens (Joh 4, 14; Offb 21, 6). 3. Zisterne (bo¯r; fälschlich oft »Brunnen«) Wo es weder Quellen noch Brunnen gab, waren Mensch und Vieh auf Zisternen angewiesen (2 Chr 26,10), natürliche oder in den Boden geschlagene Hohlräume (vgl. Jer 37, 16), in die Furchen an einem Hang Regenwasser für den Sommer leiteten. Effektiv wurden sie im porösen Kalkstein Palästinas erst durch eine abdichtende Putzschicht (wichtig für die Besiedlung des Berglands in der Eisenzeit I). Trockene Zisternen konnten als Gruben für Gefangene und Leichen dienen (Gen 37, 24; Jer 37,16; 38, 6 f.; 41, 9; Offb

9, 1 f.). Dunkle Zisternen hatten ein negatives Image als Stätten der Unterwelt und des Todes. »In die Grube = Zisterne fahren« bedeutet »sterben« (Ps 30, 4 u. ö.; ähnlich »Brunnen« in Ps 55, 24; 69, 16). Da Zisternen rissig und unzuverlässig werden, gelten fremde Götter als rissige Zisternen (Jer 2,13); JHWH ist dagegen eine Quelle mit lebendigem (= fließendem) Wasser. 4. Teiche Es gab in Städten auch große, offene Wasserbecken (z. B. in Gibeon 2 Sam 2, 13; vgl. Joh 5, 2; 9, 7), die auch der Feldbewässerung dienten (Koh 2, 6). Jes 41, 18 verheißt, dass die Wüste zum Teich wird. Dierx, Wiel / Garbrecht, Günther (Hg.), Wasser im Heiligen Land. Biblische Zeugnisse und archäologische Forschungen, Mainz 2001. Koenen, Klaus, Art. Wasserversorgung, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2005.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

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Buch

Buch 1. Allgemein Die gebräuchlichste Form des antiken Buches ist die Buchrolle (Abb. 1). Sie bestand aus Tierhaut oder Papyrus. Erstere wurde entweder als Leder gegerbt oder getrocknet und mit Kalk aufgehellt (Pergament, griech. membra, vgl. 2 Tim 4,13), in Streifen geschnitten und zu Rollen vernäht. Papyrus war als Schreibmaterial billiger. Hierfür wurde das Mark der am Nil wachsenden Papyruspflanze in Streifen aneinandergeklebt und in zwei rechtwinklig aufeinandergeschichtete Lagen gepresst (vgl. Plin. nat. 13,71-89). Das Papyrus (griech. byblos) wurde bereits in Rollen von ca. 610 m Länge und 15-30 cm Höhe verkauft. Im hellenistischen Ägypten kostete eine Rolle 4 Drachmen (vierfacher Tageslohn, vgl. Mt 20,1-16). Die Innenseiten der Rollen wurden mit dem Faserverlauf beschrieben, und zwar mit Schilfrohren und einer Tinte, die aus Wasser und Asche gemischt war (griech. melanos). Man konnte Bücher abwaschen und wiederverwenden (Palimpsest). Auf den Rollen wurde der Text in möglichst gleichmäßigen Kolumnen angeordnet. Wortlängen und Satzende spielten wegen der scriptua continua (3 Schriftkultur) keine Rolle. Der Titel des Buches wurde außen angehängt und oft auch am Ende des Buches genannt. Der Buchumfang war durch die Länge der Papyrusrolle beschränkt, wenn auch nicht einheitlich festgelegt. Daher sind z. B. die Samuel-, Königs-, und Chronikbücher in zwei Bücher geteilt. 2. Altes Testament Für die vorexilische Zeit fehlen bislang direkte Zeugnisse, doch scheint terminologisch zwischen »Buch« und »Schriftstück / Dokument« (beides hebr. se¯fær) nicht unterschieden worden zu sein. Erkenntnisse über die hebräische Buchkultur der nachexilischen Zeit beruhen insbesondere auf den Schriftrollenfunden aus der judäischen Wüste. Die häufigste Buchform der hebräischen Antike war demnach die Buchrolle aus Pergament (hebr. megilla¯h bzw. megillat se¯fær). Sie wurde einseitig in Kolumnen (hebr. dælæt) be-

Abb. 1: Buchrolle mit Text des Propheten Jesaja aus Qumran (1QJesa)

schrieben (s. aber Ez 2,10). Der Gebrauch von Papyrusrollen war weniger verbreitet, ist für literarische Texte aus Qumran aber belegt. Die rabbinische Literatur verbietet Papyrus als Schreibmaterial für biblische Texte völlig (Meg 2,2; jMeg 1,71d). Für die Überlieferung der griechischen Fassungen des Alten Testamentes, v. a. in Ägypten, waren Papyrusrollen demgegenüber das dominante Schreibmaterial, ebenso wie für die neutestamentlichen Schriften. 3. Neues Testament Seit dem 1. Jh. n. Chr. kam als neue Buchform der Codex auf. Einzelne Blätter wurden aufeinandergelegt, in der Mitte gefaltet oder in Lagen an der Falzseite zusammengeklebt. Solche Codices versah man mit Einbänden (Abb. 2). Durch die beidseitige Nutzung wurde der Papyrusverbrauch um ca. 40 % vermindert. Allerdings musste auf der Rückseite gegen den Faserverlauf geschrieben werden. Der Codex konnte bis zu 300 Blätter aufnehmen. Während das Gros der antiken Literatur bis zum 4. Jh. n. Chr. in Buchrollen überliefert wurde, findet sich christliche Literatur seit dem 2. Jh. vor allem in Codices. Einige Forschende halten dies für eine christliche Besonderheit, andere verweisen auf den Einfluss der römischen Praxis von Wachs- und Holztafelbüchern, denn die neue Buchform setzt sich auch andernorts durch. Der Codex war nicht nur billiger, sondern auch praktischer zu handhaben. Der Inhalt antiker Bücher war gefährdet. Ne-

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Bund

Abb. 2: Codex mit Ledereinband aus Nag Hammadi

ben der Zerstörung durch Blattverlust, Wassereinfluss etc. bot insbesondere der Produktionsprozess des Abschreibens zahlreiche Gefahren der Textzerstörung (3 Schriftkultur; vgl. Offb 22,18 f.). Ein Buchhandel existierte, aber die meisten Bücher entstanden durch private Abschriften. Insbesondere die jüdischen und christlichen Schriften fanden auf diese Weise Verbreitung (Gamble, Epp). 4. Theologische Bedeutung Im Neuen Testament wird aus verschiedenen Büchern des Ersten Testaments zitiert (Mk 12,26; Lk 4,17-20 u. ö.). Matthäus (1,1) und Johannes (20,30) nennen ihre Schrift Buch. Das Buch mit den sieben Siegeln, welches »innen und hinten beschrieben ist« (Offb 5,1), ist eine Doppelurkunde; dabei wurde der Text zweimal hintereinander auf ein Blatt Papier geschrieben, dann rollte man die obere Hälfte auf und versiegelte das Buch. So konnte der Text auf seine Originalität hin überprüft werden. Mit dem Buch des Lebens verbinden sich verschiedene Vorstellungen. Es kann an eine himmlische BürgerInnenliste gedacht sein (Dan 12,1; 1 Hen 47,3; Phil 4,3; Offb 3,5; 13,8; 17,8; 21,27) oder an ein Verzeichnis der Taten der Menschen (Dan 7,10; 1 Hen 90,20; 104,7; 4 Esr 60,20; 2 Bar 24,1; Offb 20,12). Aland, Barbara / Aland, Kurt, Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben

sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik, Stuttgart 2 1989. Blanck, Horst, Das Buch in der Antike, München 1992. Epp, Eldon, The Oxyrhynchus New Testament Papyri: »Not Without Honor Except in their Hometown«?, JBL 123 (2004), 5-55. Gamble, Harry Y., Books and Readers in the Early Church. A History of Early Christian Text, New Haven / London 1995. Haran, Menahem, Book-Scrolls in Israel in Pre-Exilic Times, JJS 33 (1982), 161-173. Hezser, Catherine, Jewish Literacy in Roman Palestine, TSAJ 81, Tübingen 2001. Koep, Leo, Das himmlische Buch in Antike und Christentum, Theophaneia 8, Bonn 1952. Tov, Emanuel, Scribal Practices and Approaches Reflected in the Texts Found in the Judean Desert, StTDJ 54, Leiden / Boston 2004. Würthwein, Ernst, Der Text des Alten Testaments. Eine Einführung in die Biblia Hebraica, Stuttgart 5 1988.

Stefan Schorch / Angela Standhartinger

Bund Für das hebräische Wort berı¯t und seine griechische Entsprechung diatheke ist im Deutschen (wie bereits im Lateinischen: foedus / testamentum) eine doppelte Übersetzung eingebürgert: einerseits »Bund«, andererseits »Testament«. Das ist ein Hinweis auf eine bleibende semantische Fremdheit des biblischen Begriffs, der nachbiblisch zum Schlüssel für die Zuordnung der beiden Teile der christlichen Bibel und damit auch von Judentum und Christentum geworden ist. Ob das der biblischen Grundlage entspricht, stellt sich heute zunehmend als fraglich heraus. 1. Begriff und profane Verwendung Hebr. berı¯t bezeichnet die feierlichste, einen 3 Eid (die Worte stehen oft parallel) noch übertreffende Festlegung bzw. Verpflichtung. Ein auch in der Umwelt belegter Ritus, wonach Tiere zerlegt und die Teile zu einer Gasse ausgelegt werden, durch die dann diejenigen hindurchgehen, die den »Bund« eingehen bzw. auf sich nehmen (Gen

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Bund

15, 9 f.17 f.; Jer 34, 18 f.; vgl. die Formulierung »einen Bund schneiden« u. ä.), symbolisiert wohl genau wie die üblichen Eidesformeln eine Selbstverfluchung für den Fall des Bruchs. In »profaner«, d. h. auf zwischenmenschliche Vorgänge bezogener Verwendung geht es um Bünde zwischen Einzelnen, etwa zwischen Abraham und Abimelech (Gen 21, 27.32; vgl. 26, 28) bzw. David und Jonatan (1 Sam 18, 3; 23, 18), zwischen Königen und ihrem Volk (2 Sam 5, 3; 2 Kön 11,17), vor allem aber zwischen Staaten (1 Kön 5, 26; 15, 19; 20, 34), jedoch auch zwischen Mann und Frau in der Ehe (Ez 16, 8; Mal 2, 14; Spr 2, 17). Dabei dürfte der deutsche Begriff »Bund« eher verdecken, dass es nur selten und als Ausnahme um ein »Bündnis« zweier halbwegs gleichberechtigter Partner bzw. Partnerinnen geht (1 Kön 5, 26). In der Regel geht entweder die überlegene Seite von zwei Partnern eine Selbstverpflichtung gegenüber der unterlegenen ein (z. B. Jos 9,15), oder die unterlegene Seite wird auf ein bestimmtes Tun verpflichtet (Jer 34, 8 f.). »Verpflichtung« ist deshalb eine durchaus angemessene Übersetzung (Kutsch), und es ist nicht zuletzt diese im Begriff liegende Asymmetrie der Partner, die die Basis für die theologische Verwendung bildet. Aus dem alten Orient ist eine ganze Reihe von »Staatsverträgen« überliefert, die die Forschung seit langem mit dem atl. Bundesdenken in Verbindung gebracht hat. Im 2. Jt. v. Chr. gibt es hetitische Verträge, vor allem aber dürfte Israel mit der Sitte der Assyrer Bekanntschaft gemacht haben, die von ihnen ab dem 8. Jh. v. Chr. militärisch unterworfenen und abhängigen Staaten durch feierliche, aufoktroyierte »Verträge« an sich zu binden. Sie enthalten vor allem die Verpflichtungen der unterlegenen Seite sowie massive Sanktionen, die etwa durch Flüche und Eide religiös abgesichert werden für den Fall des Bundesbruchs. Solche assyrischen Bundessetzungen (akkad. adê) sind auch für die beiden israelitischen Staaten in ihrem Verhältnis zu Assur und Babylon anzunehmen. Von einem solchen Bundesbruch dürfte Ez 17, 18 f. handeln. Noch in der Makkabäerzeit werden politische Bündnisse mit anderen Völkern gelegentlich mit dem alten

Bundesbegriff bezeichnet (1 Makk 1, 11; 11, 9). Dagegen wird etwa im Neuen Testament der Begriff allein noch theologisch gebraucht. 2. Der Gottesbund Es ist heute wahrscheinlich, dass es die – politisch oktroyierten, aber dennoch religiös abgesicherten – Bündnisse mit Assur und dann den Neubabyloniern gewesen sind, die den Hintergrund für den Aufstieg des Bundesbegriffs zu einem der zentralen theologischen Konzepte des Alten Testaments gebildet haben. Das lange Zeit angenommene hohe Alter der Vorstellung ist unwahrscheinlich. Vor dem Deuteronomium und seinem Umkreis etwa im 7. Jh. v. Chr. ist der Bundesbegriff wenn überhaupt, dann nur gelegentlich und wie nebenbei für die Beziehung zwischen Israel und seinem Gott verwendet worden. Vielleicht sogar zuerst im Deuteronomium verwendet, jedenfalls aber kommt in dessen Struktur und Theologie besonders deutlich zum Ausdruck, »dass die Loyalitätsverpflichtung gegenüber den assyr. Herrschern jetzt durch eine Verpflichtung zu JHWH ersetzt worden ist« (Weinfeld 796). Im Deuteronomium wie dann in der Sinaierzählung verpflichtet sich Israel auf der Basis der Befreiungstat Gottes und der Verheißung des Landes auf das Halten der 3 Tora (Ex 24, 7 f.). Katastrophen wie das Exil können so als Folgen eines Bundesbruchs interpretiert werden. Die theologischen Potenzen des Bundesbegriffs gehen aber weit über derart einfache Zusammenhänge hinaus. So wird im Deuteronomium nicht zuletzt die Erneuerung des Bundes und der Eintritt jeder neuen Generation in diesen Bund theologisch zentral. Dabei wirkt der Moabbund (Dtn 28, 69) als aktuelle Erneuerung des Horebbundes. Geht es hier schwerpunktmäßig um eine Verpflichtung Israels, so ist von einer Selbstverpflichtung Gottes vor allem in den Bundeszusagen an die Erzeltern die Rede. Bei diesen frühestens exilischen Texten kann man der Sache nach auch von Verheißung oder Zusage sprechen. So legt sich Gott gegenüber Abraham absolut auf die Gabe des Landes fest (Gen 15, 17 f.).

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Bund

Die hier nur angedeutete Erzählung, dass Gott selbst verborgen die Bundeszeremonie vollzieht, zielt auf die theologische Spitzenaussage, dass hier eine an die Existenz Gottes selbst gebundene Festlegung geschieht. In den priesterlichen Bundesschlüssen findet sich so etwas wie eine gegenseitige Verpflichtung. Aber bei Noach (Gen 9) wie bei Abraham (Gen 17) steht zwar der Festlegung Gottes auch eine Verpflichtung des menschlichen Partners entgegen, aber es liegt gerade keine gegenseitige Bedingung, also kein Vertrag vor: auch Versagen und Bundesbruch auf Seiten der Menschen kann die Festlegung Gottes im Bund nicht aufheben. Die Existenz der Menschheit wie die Zukunft Israels wird so allein von der Treue Gottes abhängig gemacht, unabhängig von jeder menschlichen Schuld. Dem entspricht die Rede von einem ewigen Bund (Gen 17, 7.13; Ex 31,16 u. ö.). In Gen 17 besteht das menschliche Bundeszeichen in der 3 Beschneidung der männlichen Kinder. Dieser Beschneidungsbund (berı¯t mila¯h) ist im Judentum bis heute der Ort des Eintritts der neuen Generation in den Bund. Die Bibel spricht von einer ganzen Reihe von »Bünden« (Noach / Abraham / Sinai / Levi / David), ohne dass die späteren die früheren aufheben oder entwerten (besonders Sir 44-50). Inhaltlich geht es beim Noachbund um eine Zusage Gottes an die gesamte Menschheit, ja an alles Leben, sonst geht es immer um Aspekte von Gottes Bund mit Israel. Eine Auswirkung des Bundes mit Israel auf die Völker wird nur als Auswirkung und Folge des Israelbundes ins Auge gefasst (Ex 19, 5 f.; Jes 55, 3-5). In der griechischen Übersetzung steht diatheke für berı¯t und übernimmt weithin dessen Bedeutung. Das Wort meint ebenfalls eine rechtlich bindende Festlegung, im außerbiblischen Gebrauch kann es aber gerade auch die »letztwillige Verfügung«, das »Testament« bezeichnen. Auch wo diese Bedeutung im Neuen Testament anklingt (Gal 3,15), geschieht es noch nicht im Sinne des Ungültigwerdens eines alten durch ein neues Testament.

3. Der neue Bund im Alten und im Neuen Testament Die Begriffe neuer / alter Bund und Neues / Altes Testament sind bekanntlich zur wichtigsten Bezeichnung und damit zum entscheidenden Schlüssel für das Verhältnis der beiden Teile der christlichen Bibel sowie von Judentum und Christentum gemacht worden. Doch diese Funktion wächst ihnen erst in nachbiblischer Zeit ab dem 2. Jh. n. Chr. zu (Just. dial. 11, 2-4). Zur Beurteilung des Befundes im Neuen Testament ist zunächst zu beachten, dass das Neue Testament selbst diatheke mehrfach eindeutig im Sinne der alten Beziehung zwischen Gott und Israel verwendet, und zwar so, dass sie durch Jesus Christus nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil bestätigt wird. So etwa in Lk 1, 72 f. Von besonderem Gewicht dafür ist, dass Paulus den Begriff »Bund« im Röm nicht für das mit Christus Geschehene verwendet, sondern ausschließlich und nachdrücklich für die unüberholbare Bindung Gottes an Israel: In Röm 9, 4 werden die »Bundesschlüsse« zu den bleibenden Prärogativen Israels gerechnet; und nach 11, 27 wird Gottes Bund mit ihm auch durch Israels »Unglauben« an den Messias Jesus nicht in Frage gestellt. Der »alte« Bund wird so zum eigentlichen Grund dafür, dass »ganz Israel« gerettet wird (V. 26). Für die neutestamentlichen Aussagen über einen »neuen Bund« ist der grundlegende und durchgängige Bezug aller dieser Aussagen auf Jer 31, 31-34 entscheidend. Nach dieser Verheißung besteht das Neue eines künftigen neuen Bundes darin, dass die alte und gleiche Tora der gleichen menschlichen Größe, nämlich Israel und Juda ins Herz geschrieben wird, so dass die Menschen von innen heraus den Willen Gottes tun. Gott hält so an Israel über den Bruch des Bundes durch Israel hinweg fest. Von einer auch nur zeitweiligen Verwerfung Israels ist (auch in der griechischen Fassung; gegen Schenker) nicht die Rede. Die neutestamentlichen Aussagen beziehen sich auf diese biblische Grundlage. Dabei gilt für alle: Man sieht die lange erwartete Erneuerung des alten Bundes im Wirken Gottes durch den Messias Jesus beginnen, weil und sofern

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Bürgschaft

(durch das Wirken des Geistes) die Tora endlich erfüllt wird, wie es in Jer 31 verheißen ist. Dabei wird das scharfe Gegenüber von altem und neuem Bund in 2 Kor 3 (dieses Sprachspiel ist von hier entscheidend geprägt) aus einer Auslegung von Bundesbruch und Erneuerung in Ex 32-34 entwickelt (Starnitzke), so dass gerade auch die neue Beziehung zu Gott im Neuen Bund im Alten Testament angelegt ist. Der Hebräerbrief zitiert Jer 31 im Wortlaut (8, 9 ff.; 10,16 f.). Zusammen mit anderen Merkmalen wie den »hebräischen« Gemeinden als Adresse (vgl. auch 2, 16) kann das nur bedeuten, dass es um ein innerjüdisches Gespräch über Christus und seine Funktion für die alttestamentlichen Verheißungen geht. Auch die Abendmahlsworte über den neuen Bund (1 Kor 11, 25; Lk 22, 20) sprechen keineswegs von einem anderen Bund mit einer anderen Größe und einem anderen Inhalt, sondern von einem mit dem Tod Jesu begonnenen neuen Bezug des menschlichen Herzen auf die Tora gemäß Jer 31. Obwohl Jer 31 nur von Israel spricht, sieht das frühe Christentum zunehmend auch die Menschen aus den Völkern in dieses Geschehen einbezogen, so etwa in der Formulierung der Einbeziehung der Vielen in den Bund in Mk 14, 24. Dennoch gilt der neue Bund nicht einfach als in der Kirche verwirklicht. Weder ist von einem Eintritt in einen Bund oder Ähnlichem die Rede (mit der Taufe wird der Bund etwa analog der Beschneidung niemals in Zusammenhang gebracht), noch sehen die neutestamentlichen Aussagen den Neuen Bund als Aufhebung des Alten an, wie es seit dem 2. Jh. in der Kirchengeschichte oft verstanden wurde. Die Anerkennung des bleibenden Israelbundes durch die Kirche seit den 1960er Jahren führt exegetisch notwendig zu einem neuen Verständnis gerade auch der neutestamentlichen Aussagen. Da mit dem Bundesbegriff die festeste, nicht aufzuhebende Selbstverpflichtung Gottes formuliert ist, würde jede Infragestellung des Alten Bundes, da dies die Treue Gottes leugnen müsste, auch dem Neuen den Boden entziehen.

Bieler, Andrea / Schottroff, Luise, Das Abendmahl. Essen, um zu leben, Gütersloh 2007. Christen und Juden III. Schritte der Erneuerung im Verhältnis zum Judentum. Eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2000. Crüsemann, Frank, »Ihnen gehören … die Bundesschlüsse« (Röm 9, 4). Die alttestamentliche Bundestheologie und der Christlich-jüdische Dialog, KuI 9 (1994), 21-38 = ders., Kanon und Sozialgeschichte, Gütersloh 2003, 279-204. Ders., Der neue Bund im Neuen Testament. Erwägungen zum Verständnis des Christusbundes in der Abendmahlstradition und im Hebräerbrief, in: Erhard Blum (Hg.), Mincha, FS R. Rendtorff, Neukirchen-Vluyn 2000, 47-60 = ders., Kanon und Sozialgeschichte, Gütersloh 2003, 295-305. Kutsch, Ernst, Verheißung und Gesetz. Untersuchungen zum sogenannten »Bund« im Alten Testament, BZAW 131, Berlin / New York 1973. Perlitt, Lothar, Bundestheologie im Alten Testament, WMANT 36, Neukirchen-Vluyn 1969. Schenker, A., Das Neue am neuen Bund und das Alte am alten. Jer 31 in der hebräischen und griechischen Bibel, FRLANT 212, Göttingen 2006. Starnitzke, Dierk, Der Dienst des Paulus. Zur Interpretation von Ex 34 in 2 Kor 3, WuD 25 (1999), 193-207. Weinfeld, Moshe, Art. vjt†b7 [berı¯t], ThWAT I, 1973, 781808.

Frank Crüsemann / Marlene Crüsemann

Bürgschaft 1. »Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen« heißt es im heutigen deutschen Recht (BGB § 756). In der gesamten Antike, wo an der Verschuldung (3 Schulden) weitreichende soziale Folgen hängen, etwa die Schuldsklaverei (3 Sklaverei) infolge personaler Pfandhaftung, gab es bereits im alten Orient ein ausgebautes Bürgschaftsrecht, das auch die mögliche Versklavung des Bürgen einschloss. So heißt es in einem Bürgschaftsvertrag aus Ugarit: Wenn der Schuldner in ein anderes Land zieht, wohl um den Folgen der Verschuldung zu entgehen, dann »werden sie 1000 (Scheqel) Silber bezahlen. Und wenn sie diese 1000 (Scheqel Silber) nicht

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bezahlen, dann wird man sie nach Ägypten verkaufen« (KTU 3.8; TUAT I, 212). Das griechische und römische Bürgschaftsrecht war ebenso wie das jüdisch-rabbinische breit ausdifferenziert und wurde auf verschiedene privat- und prozessrechtliche Bereiche angewandt. In den alttestamentlichen Rechtskorpora wird Bürgschaft nicht thematisiert, wohl aber setzen Erwähnungen in Erzählungen und den Sprichwörtern diese Institution voraus. Einmal geht es um Verschuldung. Hier dient Bürgschaft zur Sicherung der Schuld und ist terminologisch (2rb I) mit dem Pfandrecht verschränkt. Eindringlich warnen die Sprichwörter davor, Bürgschaft zu leisten. Wer bürgt schadet sich selbst (Spr 11,15), handelt unvernünftig (»herzlos« 17, 18) und sollte sich davon so schnell wie möglich freimachen (6, 1 ff.). Als soziale Folge wird mehrfach die Pfändung auch noch des letzten Gewandes genannt (20, 16; 27, 13). Eine mögliche Versklavung ist dabei nicht im Blick (wohl auch nicht 6, 2 f.). Die mehrfache Nennung von Fremden als Schuldner meint wohl, dass Verwandte oder Nachbarn, für die Jemand bürgen könnte, bei Ausländern verschuldet waren. Diese Warnungen dürften auch ein Maß von verweigerter Solidarität bedeuten, die mit der Herkunft der Sprüche eher aus Oberschichtskreisen zusammenhängen könnte. Das lassen die anderen Wertungen bei Jesus Sirach erkennen. Danach soll man andere nicht durch Verweigerung einer Bürgschaft im Stich lassen (Sir 29, 14). Allerdings wird auch zur Dankbarkeit gegen Bürgen gemahnt (29, 15 f.) und vor allem auf eine realistische Einschätzung der eigenen finanziellen Möglichkeiten gedrängt (29, 20; 8, 13). Dass es bei der Übernahme von Bürgschaft um ein letztes Einstehen füreinander gehen kann, zeigen vor allem Gen 43, 9; 44, 32: Josef will gegenüber seinem Vater persönlich für die Rückkehr Benjamins bürgen: »aus meiner Hand sollst du ihn einfordern. Wenn ich ihn dir nicht wiederbringe, dann will ich dir gegenüber alle Tage Schuld tragen«, was offenbar »die lebenslange Arbeitsleistung als Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung« (Ebach 321) meint.

2. Ein solidarisches Füreinandereinstehen wird auch gemeint sein, wenn nach tShevi 39a alle aus Israel füreinander bürgen sollen. Vor allem wird mehrfach Gott als rettender Bürge angerufen: »Bürge für mich« (Jes 38,14; vgl. Ps 119,122). In Hi 17, 3 ruft Hiob Gott zum Bürgen gegen sich selbst auf: »Leiste Bürgschaft für mich bei dir! Wer sonst würde sich durch Handschlag für mich verbürgen?« Die Rolle Hiobs zwischen Gott und Gott wird dabei besonders deutlich. Im Neuen Testament spielt Bürgschaft zweimal eine Rolle: Einmal im Kontext der Geschichte der Gemeinde von Thessalonich (Apg 17,1-9) und im Hebräerbrief. In Thessalonich kommt es nach der Gründung der Gemeinde durch Paulus und Silas zu einem Aufruhr, dem sich die Apostel entziehen können. Allerdings werden Jason, der Gastgeber der Gemeinde, und andere Christen vor die Stadtoberen (Politarchen) gezerrt mit der Anklage, gegen kaiserliche Gesetze (Umsturzversuch, Vereinigungsverbot?) verstoßen zu haben. Es kommt zwar nicht zu einer Verurteilung, Jason und die anderen müssen allerdings Bürgschaft leisten. Die griechische Formulierung labontes to hikanon ist Wiedergabe des lateinischen satis accipere. Die damit gegebene Bürgschaft in Form von Geld sollte sicherstellen, dass von der christlichen Gemeinde um Jason bzw. von Paulus und Silas kein Aufruhr ausgehen würde. Christologisch motiviert ist die Verwendung in Hebr 7, 22: Jesus ist für die Gläubigen der Garant (griech. engyos) für die bessere Ordnung (vgl. 8, 6). Der Verfasser nimmt die Rechtsvorstellung auf, wonach der Bürge mit seiner Existenz dafür einsteht, dass ein Vertrag oder eine vertragsähnliche Abmachung eingehalten wird (vgl. Sir 29, 15). Da Jesus von Gott selbst durch Schwur eingesetzt wurde (7, 20), ist seine Existenz Garant der Erfüllung von Gottes Verheißungen. Abeles, Armin, Der Bürge nach biblischem Recht, MGWJ 30 (1922), 279-294; 31 (1923), 35-53. Ebach, Jürgen, Genesis 37-50, HThKAT, Freiburg u. a. 2007. Falk, Ze3ev, Zum jüdischen Bürgschaftsrecht, RIDA 10 (1963), 43-53.

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Charisma

Koschaker, Paul, Babylonisch-assyrisches Bürgschaftsrecht. Ein Beitrag zur Lehre von Schuld und Haftung, Leipzig 1911, Nachdruck Aalen 1966. Meissel, Franz-Stefan, Art. Bürgschaft, DNP II, 1997, 822824. Partsch, Josef, Griechisches Bürgschaftsrecht, Leipzig / Berlin 1909.

Frank Crüsemann / Markus Öhler

Charisma Im modernen Sprachgebrauch hat das Wort Charisma eine so vielfältige Bedeutung angenommen, dass nicht unmittelbar erkennbar ist, was es mit der Auslegung der Bibel zu tun hat. Im Gegensatz zum griechischen Wort charis / Gnade ist die Nebenform charisma vor Paulus sehr selten belegt und ohne durchgängig eigene Bedeutung. Erst bei Paulus bekommt das Wort eine zentrale theologische Funktion. Er bezeichnet damit die verschiedenen Gnadengaben, die in der Gemeinde wirken (1 Kor 12). Im kirchlich-theologischen Feld wird seitdem der Versuch gemacht, Gemeindekonzepte nach seiner Charismenlehre zu entfalten und zu leben, immer wieder gibt es etwa charismatische Bewegungen. Vor allem aber ist es unabhängig davon zu einem zentralen Begriff der modernen (Religions-)Soziologie geworden, der wiederum in der Bibelwissenschaft zur Bezeichnung verschiedener Personen und Phänomene aufgegriffen worden ist. 1. Religionssoziologische Begrifflichkeit 1892 hat Rudolf Sohm an die paulinischen Zeugnisse eine kirchenrechtliche Konzeption angeschlossen, nach der ursprünglich rechtsfreie (eben: charismata-getragene) Gemeindestrukturen erst mit der Zeit ein Kirchenrecht ausbilden. Max Weber griff diesen Gedanken auf, freilich mit einer veränderten Methodik und einem eigenen Erkenntnisziel. Er bezeichnet als Charisma »eine (ganz einerlei: ob wirkliche oder angebliche oder vermeintliche) außeralltägliche Qualität eines Menschen«. In sozialen Beziehungen, also

auch Gemeinden, erhält der Glaube anderer an eine solche Qualität strukturierende Bedeutung. Bilden sich in Beziehungen Autoritätsverhältnisse, so nennt Weber diese Autorität charismatisch, wenn sie eine Herrschaft über Menschen darstellt, welcher »sich die Beherrschten kraft des Glaubens an diese Qualität dieser bestimmten Person fügen« (Einleitung 268 f.). Der biblische Begriff wird also vollkommen neu gefasst. Einerseits wird er mit R. R. Marrett religionswissenschaftlich erweitert zur Bezeichnung auch ähnlicher Erscheinungen (mana, orenda, maga) (Religiöse Gemeinschaften 150 f., andeutungsweise auch Einleitung 269). Andererseits werden spezifische Begriffsmerkmale mit Worten des Jesus der Evangelienüberlieferung exemplifiziert. So der Anfang charismatischer Herrschaft: die innovative Durchbrechung der Tradition einerseits (Mt 5, 21 f.: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist, … Ich aber sage euch …«; Einleitung 269, MWS I/19, 22), ihr Ende: das Schwinden des Charisma andererseits (»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Mt 27, 46 / Mk 15, 34; Einleitung 269; MWS I/19, 22). Zudem wird Herrschaft, also auch charismatisch legitimierte Herrschaft, keineswegs nur als ein Phänomen des religiösen oder des politischen Feldes aufgefasst. Sie kommt auf jedem anderen Feld vor. Der Begriff der Herrschaft ist vielmehr ein felderübergreifender Prozessbegriff im Sinne von »politics«. Methodisch ist es wichtig zu sehen, dass Webers Begriffe – so auch die des Charisma oder der charismatisch legitimierten Herrschaft – keine Gattungsbegriffe sind, unter die Erscheinungen subsumiert werden können, sondern scharf herausgearbeitete Sinnbegriffe (Einleitung 265, Kippenberg 11). Auf sie werden zu vergleichende Erscheinungen bezogen, um ihre historisch wirksame Eigenart ebenso hervorheben zu können wie die vielfältigen Übergänge zwischen ihnen, die in der historischen Realität angetroffen werden. Im Blick auf das Erkenntnisziel ist es zudem wichtig zu verstehen, dass Weber eine Auslegung der Bibel im Horizont der Predigttätigkeit nicht anstrebt. Vielmehr versucht er eine Aufhellung

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der Herkunft der aktuellen Kultur samt ihrer politischen und ökonomischen Komponenten. Webers Ansatz fand in der Sozialforschung kaum Fortsetzung. Er wird durchgehend als überaus anregend angesehen, wenn auch als kaum wiederholbar, in den historischen Details auch oft als ungenau oder überholt. Er wurde praktisch ersetzt durch die Erforschung kollektiven Verhaltens und sozialer, politischer und religiöser Bewegungen. 2. Der Begriff in der Bibelwissenschaft Zunächst ist er vor allem auf die Führungsgestalten der Richterzeit bezogen worden, in der Folge auch auf die Propheten und Mose, im Neuen Testament auf Gestalten wie Johannes den Täufer, Paulus und auf Jesus selbst (Hengel; Ebertz u. a.). Am Anfang dieses langen, komplexen und bis heute währenden Umgangs mit dem Weberschen Begriff steht Albrecht Alt. An seinen Studien (1930, 1951) lässt sich die Verwendung des Begriffs in der Bibelwissenschaft paradigmatisch erkennen. Alt übernimmt die Webersche Anregung ohne dessen Methodik und Erkenntnisziel. Methodisch verzichtet er auf den kulturgeschichtlichen Vergleich. Zudem beschränkt er sich auf das politische Feld. Er arbeitet nicht mit Sinnbegriffen, sondern mit Gattungsbegriffen. So unterscheidet er das Ideal oder die »Idee einer charismatischen Führerschaft« vom »dynastischen Prinzip« bzw. Gedanken (1930, 33; 1951, 124 f.) der Herrscherbestimmung. Die erstere – Designation durch JHWH, Akklamation des Volkes – habe ihren Sitz in Situationen der Bedrohung der ländlichen Gesellschaft der israelitischen Stämme. Er werde im Stil der Sage erinnert. Der zweite habe ihn in den ägyptischkanaanäischen, später philistäischen Stadtherrschaften und deren Interesse der Wahrung der Kontinuität. Er werde im Stil der historischen Erzählung erinnert. Noch Sauls Aufstieg zum König zeige die Elemente charismatischer Führung (1930, 17 f.), ganz im Gegensatz zum Aufstieg Davids. Vollends Davids Regelung der Thronfolge gehorche dann dem mit der Eroberung der Stadt Jerusalem wirksam gewordenen dynastischen Ge-

danken, der zugleich der Großreichspragmatik entspräche. Ähnliche Prinzipienwechsel seien im Nordreich zu beobachten (1951, 122 f.), nach dem frühen Scheitern Abimelechs (1930, 6 f.). Von Webers Überlegungen zur Veralltäglichung des Charisma gerade in Thronfolgesituationen, also des Übergangs zum Erbcharisma (Einleitung 23) macht Alt keinen Gebrauch, ohne das ausdrücklich zu diskutieren (1930, 6 ff.31; aber: 1951, 125.132). – Alts (theologisches) Erkenntnisziel liegt nicht in der kulturgeschichtlichen Diagnostik, sondern in der Ermittlung der Anfänge der Messiaserwartung (1930, 63 f.; 1951, 134). An die Stelle charismatischer Begabung träte der Bund JHWHs mit David und seinem Geschlecht, so dass später auch der zukünftige Messias aus diesem Geschlecht erwartet werde (1930, 23; 1951, 132 f.). Alt deutet hier die im Messias erhoffte Gabe »der Fülle der Charismata« (Jes 11,1 ff.) nahezu paulinisch und wendet sie von der Gemeinde auf den Messias zurück. 3. Neues Testament Das Wort Charisma (pl. charismata) ist außerneutestamentlich kaum bezeugt. Während Sir 7, 33 das Wort für gute Taten in zwischenmenschlichen Beziehungen des Alltags gebraucht, trägt es bei Philo (Philo LA III,78) einen theologische Akzent, da er es im Kontext der Schöpfungstheologie gebraucht, um von der Gabe Gottes zu sprechen. Hier ist eine Nähe zum neutestamentlichen Sprachgebrauch festzustellen, ohne dass eine direkte Abhängigkeit angenommen werden kann. Im Neuen Testanent kommt »Charisma« nur in der Briefliteratur vor, und zwar in der Mehrzahl in den paulinischen Briefen. Weitere Belege finden sich in den Pastoralbriefen (1 Tim 4, 14; 2 Tim 1, 6) und 1 Petr 4, 10. Ungeklärt muss bleiben, ob es vorpaulinisch einen Gebrauch des Wortes gegeben hat; am ehesten ist dann an die Wendung: »Gaben der Heilung« (charismata iamaton, 1 Kor 12, 9.28.30) zu denken. Charisma ist mit dem Wortfeld Gnade (charis) der Bildung nach und inhaltlich verbunden. Röm 5, 15 zeigt diese Struktur deutlich auf: Charisma ist Geschenk Gottes aus reiner Gnade,

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die unverfügbar dem Menschen in Jesus Christus zuteil wird. Paulus stellt Charisma in ein Beziehungsgeflecht zwischen dem Schenkenden (Gott), dem Empfangenden (Individuum oder Kollektiv) und denen, die an dieser Gnadengabe teilhaben. In diesem Zusammenhang bekundet das Charisma die Wirklichkeit der Gnade (2 Kor 1, 11; Röm 1, 11). Vorbildhaften Charakter hat dabei Israel als Erstbeschenkter. Nach Röm 11, 26 sind ihm eigen und bleibend die Charismata und die Berufung von Gott gegeben. Dabei sind die Charismata nicht auf die Gaben von Röm 9, 4 f. zu beschränken, wiewohl sie eingeschlossen sind. Die Charismata Israels sind durch die Berufung zum bleibenden Wesensmerkmal geworden und bestimmen seine Existenz, und zwar nach Paulus in Absehung der Annahme bzw. Nichtannahme des Evangeliums, die für die Charismata an Israel als Volk Gottes nicht entscheidend sind. Analog kann man folgern, dass Charisma für Paulus die seinsschaffende Gabe Gottes für ein Leben in Christus meint. Dabei bedarf es keiner Spezifizierung in einzelne Charismata, da der Erweis der Gnadengabe mit derselben zusammenfällt: Die erste Gnadengabe Gottes (Röm 6, 23), die jedem an Christus Glaubenden zuteil wird, ist das neue Sein (Röm 5, 15-16; 1 Kor 1, 7), das das eschatologisch zugesagte ewige Leben einschließt (Röm 6, 23). Charisma ist damit ein Grundbegriff christlicher Existenz, der auf alle ohne Unterschied anwendbar ist. Anzunehmen ist, dass als Zeit der Vermittlung des Charismas die Taufe erfahren wurde. Daher erklärt sich die Verbindung von Charisma und Pneuma. Zu diesem Grund-Charisma treten noch einzelne verschiedene Gnadengaben, die an einzelne Glaubende unterschiedlich geschenkt sind. Sie sind jedoch in spezieller Entfaltung Erweis derselben Gnade, die an jedem und jeder wirksam ist und alle gleichsam zu Charismatikern macht (Röm 12, 6a). Röm 12, 6-8 zählt dann in einer Reihung ohne Rangfolge Charismata (Prophetie, Diakonie, Amt, Lehre), deren Außeralltäglichkeit nicht bestritten wird, die jedoch fest in die Gemeinde eingebunden sind, da sie hier eine Exis-

tenzberechtigung und Wirkfunktion haben. Das Charisma als Gnadengabe Gottes ist nicht ziellos und zweckfrei: Das eigentliche Ziel ist nicht der Träger oder die Trägerin der speziellen Charismata, sondern die Gemeinde, in der sie wirksam werden sollen. Ein bezugloses Charisma gibt es für Paulus nicht. Dieser Befund gilt auch für das individuelle Charisma der Ehelosigkeit (1 Kor 7, 7), weil auch dieses sich für das gemeindliche Leben auszeichnen muss. In 1 Kor 12 hat Paulus wohl in Auseinandersetzung mit anderen Positionen in den Hausgemeinden Korinths, bei denen besondere Charismata der Legitimierung von Führungspositionen dienten und dadurch der egalitäre Status der Gemeinde bedroht wurde, eine pneumatologische und ekklesiologische Konzeption der Charismata entwickelt. Dabei bestreitet Paulus nicht das Exzeptionelle dieser Charismata und ihre unterschiedliche Verteilung, aber dennoch den individuellen Anspruch, der sich darauf gründet. Da Paulus dreimal mit Nennung des Begriffs Charisma von den Gnadengabengaben der Heilung spricht (1 Kor 12, 9.28.30), darf man postulieren, dass die Krankenheilung eine besondere Stellung unter den Charismatikern hatte, deren Wertschätzung spektakulärer Charismata auch in der Glossolalie zum Ausdruck kommt. Weiterhin werden wiederum in katalogartiger Form genannt: Weisheit, Erkenntnis, Glaube, Wunder, Prophetie, Unterscheidung der Geister, Deutung der Glossolalie. Diese Charismata werden in ihrer Unterschiedlichkeit und Akzentuierung an den »einen Geist« (1 Kor 12, 4) zurückgebunden, auf den die je verschiedenen Gaben zurückgehen, ohne dass der einzelne Mensch daran einen Anteil hätte (1 Kor 12, 11). Der Schenkende ist bei allen derselbe Geist, der allen das Charisma gibt, jedoch in unterschiedlichen Erscheinungsformen (1 Kor 12, 7). Zentral ist dabei, dass das Charisma die gesellschaftliche Wirklichkeit durchbricht: Eine geschlechtsspezifische oder schichtenspezifische Partizipation ist nicht erkennbar, zumal die Charismata davon grundsätzlich frei sind, insofern das Pneuma seine Wirkmächtigkeit unbegrenzt entfalten kann. Da zumindest Glaube ein Charis-

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ma ist, das allen Glaubenden gemeinsam ist, wird die Möglichkeit eröffnet, die individuellen Charismata an ihre Grundvoraussetzung zu binden, die außerhalb der Verfügbarkeit der charismatisch Begabten liegt. Der eine Geist wirkt bei allen, aber unterschiedlich, ohne dass daraus eine unterschiedliche Stellung des Ranges oder der Würde begründbar wäre. Daher sind auch die individuellen Charismata eingebunden in die Gemeinde, deren Aufbau und Nutzen, wie Paulus mit der Metaphorik des einen Leibes (1 Kor 12, 14-27) klar macht. Jede Geringschätzung anderer wegen vermeintlich fehlender Charismata wäre in diesem Sinne ein Missbrauch der Gabe, da sie dem Ziel des Gebers widerspräche. Der Erweis des rechten Charismas liegt nicht im Phänomen selbst, sondern in der Hinordnung auf die gemeindliche Existenz. Diese ist der Ort der Bewährung des Charismas. Paulus gelingt es, die Wertigkeit des Charismas zu einer Frage der Praxis zu machen. Das Außeralltägliche wird damit in den Alltag der Gemeinde gestellt, wo es seine eigene Funktion und Relevanz hat, insofern es sich darin als nützlich erweist. Das Charisma ist so wenig wie sein Fehlen Begründung einer besonderen Stellung. Man könnte durchaus von einer Entzauberung und Demokratisierung des Charismas sprechen. 1 Petr 4, 10 f. bezeugt, dass das egalitäre paulinische Konzept auch in späterer Zeit noch, wenn auch gebrochen, in Geltung war. Allerdings wird in den Spätschriften des Neuen Testaments der emanzipatorische Charakter der Charismata durch eine androzentrische Orientierung verwässert. Die Ausrichtung an gesellschaftlichen Vorgaben, die sich nicht zuletzt in der Übernahme patriarchalischer Normen und Organisationen dokumentiert, schränkt die Gruppe der Charismata fast ausschließlich auf Männer ein, wobei die Metaphorik annehmen lässt, dass es sich primär um freie Besitzende handelte, wenn es etwa heißt, die Glaubenden sollten mit diesen verschiedenen Gnadengaben sorgsam umgehen, was mit einer metaphorischen Wendung aus der Verwaltungssprache (wie gute Verwalter: 1 Petr 4, 10) verdeutlicht wird. Der angemessene Um-

gang mit einem speziellen Charisma, nämlich dem, ein Amt im Dienst an der Gemeinde auszufüllen, steht im Zentrum der paränetischen Reden in 1 Tim 4,14 und 2 Tim 1, 6. Nach 1 Tim 4,14 f. bedeutete eine Achtlosigkeit der Amtspflichten in der Gemeinde eine Vernachlässigung des erhaltenen Charismas, das als individuelles Charisma eben dazu befähigt, für andere dazusein. Die dem Charisma angemessene Praxis wird nicht vom Träger bestimmt, sondern leitet sich vielmehr aus dem Charisma selbst her. In 2 Tim 1, 6 wird ebenso wie in 1 Tim 4,14 die Übertragung des Charismas zur Befähigung zu einem Amt durch den sakramentalen Akt der Handauflegung vorausgesetzt. Damit ist eine Institutionalisierung der Kommunikation des Charismas (vgl. Röm 1, 11) geschaffen, die neben die allgemeine Begabung mit dem Charisma in der Taufe (zur Handauflegung bei der Taufe: Apg 8, 1417; 19, 6; Hebr 6, 2) noch eine eigene für Amtsträger stellt, doch geht damit weder die Vorstellung der von Gott herkommenden Gnadengabe verloren (2 Tim 1, 6) noch gerät damit die gemeindliche Anbindung aus dem Blick. Da in 2 Tim 1, 5 der Glaube als zeitliches und theologisches Prä des Charismas zum Amt genannt wird, wird man auch kaum von einer Abwertung des allgemeinen Charismas gegenüber dem individuellen sprechen können. Eher ist davon auszugehen, dass auf diese Weise Ämter in die egalitäre Ausrichtung der Gemeinden, die dieser Funktionen bedurften, eingebunden wurden. Die neutestamentlichen Zeugnisse über das Charisma belegen den Willen und die Fähigkeit der frühesten Gemeinden zur Integration verschiedenster individueller Erfahrungen bei Beibehaltung der grundsätzlichen, von Gott ermöglichten Gleichheit aller in der Gemeinde, die als Gegenentwurf zur Außenwelt gelebt wurde. Die Bedeutung der Charismata liegt rückblickend nicht primär in ihrer Existenz, sondern im Bestehen der Krisen, die mit ihnen verbunden waren. Alt, Albrecht, Die Staatenbildung der Israeliten in Palästina (1930), in: ders., Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. II, München 1953, 3 1964, 1-65.

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Deportationen

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Kristian Hungar / Rainer Kampling

Christentum 3 Judentum / Christentum

Deportationen Die 3 Großmächte des Alten Orients haben neben Kriegstaktiken auch Strategien zur Stabilisierung der Imperien entwickelt: Zu den Verwaltungs- und Befriedungsmodellen für die beherrschten Regionen gehörten besonders unter neuassyrischer und neubabylonischer Herrschaft (8. bis 6. Jh. v. Chr.) die systematische Verpflanzung von Bevölkerungsgruppen und die Mischung von Ethnien. Mesopotamische wie biblische Quellen berichten von solchen Umsiedlungsprogrammen. Dass Aushebung von Soldaten, Versklavung von Gefangenen, Deportationen und Zwangsumsiedlungen schon lange vor dem neuassyrischen Reich situationsbedingt praktiziert worden sind, ist aus verschiedenen vorderorientalischen Kulturkreisen erwiesen (sporadische Andeutungen in Königsinschriften). Konsequent wendete Tiglatpileser III. (744-727 v. Chr.) dieses Machtinstrument an. Siegesinschriften, Vasallenverträge und diplomatische Korrespondenzen (Androhung von Verschleppung), Berichte und Abrechnungen über die Aktionen durch Umsiedlungskommissare belegen das Phänomen. Einige assyrische Großkönige deportierten nicht nur Fremdvölker, sondern auch große Teile des babylonischen Brudervolkes, gelegentlich sogar rebellische assyrische Untertanen (so Sargon II., 722705 v. Chr., kurz nach Regierungsantritt). Nach vorsichtiger Bewertung überlieferter Zahlen sind in den zwei Jh.en viele Hunderttausende aus ihrer Heimat getrieben und an strategisch wichtigen Punkten des jeweiligen Imperiums angesiedelt worden. Wozu? – fragt die historische Wissenschaft. Die Deportationspolitik wird von den Machthabern nicht völlig offen gelegt. Klar genug ist: Zwangsumsiedlung sollte als Drohung abschreckend und im Vollzug als Strafe wirken. In den

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Diaspora

betroffenen Gebieten wollte man Widerstand brechen, neue Aufstände verhindern, durch Ansiedlung fremder Gruppen eine loyale und (Steuer)produktive Bevölkerung schaffen (vgl. 2 Kön 17, 24-41: eine spätere, aus orthodox jahwistischer Sicht negative Darstellung des Neuanfangs in Samaria nach 722 v. Chr.). Die Umgesiedelten sollten evtl. im assyrischen Gesamtgefüge auch Verteidigungs- oder Arbeitsaufgaben übernehmen. Sargon II. ließ z. B. seine auf dem Reißbrett entworfene Königsstadt Dur-Sˇarrukin unter Großeinsatz von »Fremdarbeitern« erbauen. (Möglicher Hintergrund von Gen 11, 1-9!). Von eigentlicher Versklavung der Deportierten hören wir jedoch nichts. Auch Zwang zu religiöser Anerkennung des Reichsgottes ist sehr selten bezeugt. Hier und da hatten die Exilierten verödete Städte wieder aufzubauen. Solche Einsätze verlangten mehr als Überredungskunst (vgl. Neh 7, 4; 11, 1 f.). Motivation und Zielsetzung der Umsiedlungspolitik waren also vielschichtig. In Syrien-Palästina hatte Assyrien Mühe, die Koalitionen von Kleinstaaten zu überwinden. Mehrfach erwähnen die Großkönige Deportationen von Besiegten. Sargon II. nennt für Israel (Samaria) auch eine genaue Zahl von Gefangenen: 27.280 Leute. 2 Kön 17, 6 schreibt dem Vorgänger Salmanassar V. die Eroberung Israels und die Umsiedlung der Bevölkerung im Jahre 722 v. Chr. nach Helach, zum Fluss Habor und nach Medien zu. Davon gibt es keine weiteren Spuren mehr. – Ähnlich verfuhren die Babylonier 150 Jahre später: Sie eroberten Juda und Jerusalem und deportierten in mehreren Schüben einige tausend Mitglieder der Oberschicht nach Mesopotamien. Dort wohnten sie in eigenen Ortschaften, in TelAbib, Tel-Melach, Tel-Harscha, Kerub-Adon, Immer (vgl. 2 Kön 24, 14-16; 25, 7.11; Jer 52, 14 f.28-30; Ez 3,15; Esr 2, 59) südlich von Babylon. Die Deportationen waren vermutlich Todesmärsche für viele Betroffene; die eigenständige Ansiedlung in Babylonien ermöglichte dem Judentum der 3 Diaspora dann aber das Überleben. Die babylonischen Siedlungen der aus Juda Verschleppten wurden zu Zentren des Jahwe-Glaubens und der Tora-Gelehrsamkeit. Die Folgen der Niederlagen

von 597 und 587 v. Chr. haben sich besonders tief in die Erinnerung der jüdischen Gemeinde eingegraben. Ga¯lu¯t, »Entblößung (des Landes)«, »Weggeführte« und go¯la¯h, »Deportation«, »Verschleppte« weckten Horrorvorstellungen (vgl. Jes 20, 2-4; Ez 12, 8-15; Sach 14, 2). Oft galt die Deportation als Strafe JHWHs für die Nichtachtung der Tora (vgl. Lev 26, 33-39; Dtn 28, 36 f.63-68; Neh 9, 16-30; psycho-soziale Nachwirkungen). Cancik-Kirschbaum, Eva, Die Assyrer. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, München 2003. Grabbe, Lester L. (Hg.), Leading Captivity Captive. »The Exile« as History and Ideology, JSOT.S 278, Sheffield 1998. Held, Moshe, On Terms for Deportation in the OB Royal Inscriptions, JANES 11 (1979), 53-62. Holloway, Steven W., Asˇˇsur is King! Asˇˇsur is King! Religion in the Exercise of Power in the Neo-Assyrian Empire, Culture and History of the Ancient Near East 10, Leiden 2002. Lipschits, Oded u. a. (Hg.), Judah and the Judeans in the neo-Babylonian Period, Winona Lake 2003. Oded, Busteny, Mass Deportations and Deportees in the Neo-Assyrian Empire, Wiesbaden 1979.

Erhard S. Gerstenberger / Monika Schuol

Diakonie 3 Amt / Diakonie

Diaspora Der Begriff diaspora leitet sich her von dem Verbum diaspeiro »ausstreuen, sich zerstreuen, getrennt werden«. Am häufigsten findet er sich in der Septuaginta, wo er als terminus technicus für die Zerstreuung der Juden (obwohl in den Texten selten genannt, sind die jüdischen Frauen häufig mitgemeint) unter die Heidenvölker und für die Zerstreuten selbst benutzt wird. Im neutestamentlichen Sprachgebrauch umfasst der Begriff diaspora nicht nur die als Minderheit in einem heidnischen Umfeld lebenden Juden, sondern auch den vergleichbaren Status der Juden- oder Heidenchristen (Lk 1, 1; 1 Petr 1, 1). Ein hebräisches

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Diaspora

Äquivalent für den griechischen terminus technicus gibt es nicht: diaspora ist nie exakte Übersetzung von hebr. go¯la¯h oder ga¯lu¯t (bzw. bibl.aram. ga¯lu¯) »Deportation, Deportierte«, nidda¯h »verstoßen werden« oder hasˇuleah »vertrieben, ˙ exiliert werden«, denn diaspora bezeichnet nicht die Wegführung als Strafe JHWHs für das Übertreten der Gebote der Tora (3 Deportationen, Exil), sondern die Übersiedlung von Israeliten bzw. Juden in Gebiete außerhalb Palästinas und beinhaltet auch den positiven Aspekt einer weiträumigen Ausbreitung des nicht untergegangenen Judentums mit der Gelegenheit zur Mission; also bedeutet diaspora den freiwilligen, meist beruflich bedingten Aufenthalt von Juden fern ihrer Heimat und wird nicht verwendet für die massenweise Flucht der Juden aus Jerusalem 70 n. Chr. nach der Tempelzerstörung. Nach Jes 11,11 erstreckte sich die Diaspora über drei Kontinente. Die Israeliten siedelten sich als Händler, Söldner und Kolonisten im Ausland an: So soll Salomo bereits im 10. Jh. v. Chr. weitreichende Handelskontakte nach Südarabien, Afrika, Kilikien und Syrien unterhalten haben (1 Kön 9 f.; vgl. auch Flav. Jos. Ant. 8,153 f.). In Ägypten lebten viele Israeliten, die im 8. Jh. v. Chr. dorthin geflohen waren, um der Gefangennahme durch den Assyrerkönig Sanherib zu entgehen (2 Kön 18, 19). In der Zeit Jeremias, nach der Ermordung Gedaljas, gelangten Israeliten mit dem Propheten als Geisel nach Ägypten, um sich der Vergeltung der Babylonier zu entziehen (Jer 42, 18-22; 43, 1-7). Der Pharao Psammetich II. bediente sich jüdischer Söldner bei seinem Angriff auf Nubien (Arist 13), Alexander der Große und auch der Diadochenherrscher Ptolemaios I. nahmen Juden mit nach Ägypten (Arist 3 f.; Flav. Jos. Ant. 11, 345). Juden siedelten, meistens als Militärkolonisten z. B. in Unterägypten bei Memphis und Migdol. Im oberägyptischen Elephantine unterhielten sie einen eigenen Tempel, ebenso in Leontopolis (Tell el-Yahudiye). Das Leben dieser Kolonie ist durch Papyrusfunde (Ende 5. Jh. v. Chr.) bekannt geworden. Hauptursache für die Zerstreuung Israels waren aber die 3 Deportationen von Israeliten

nach Assyrien und Medien im 8. Jh. v. Chr., nach Babylon im 6. Jh. und schließlich, wenn auch nur in beschränktem Ausmaß, die Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Römer 70 und 135 n. Chr. Besondere Bedeutung erlangte die Diaspora in hellenistisch-römischer Zeit. Zur Ausbreitung des Diaspora-Judentums durch Flüchtlinge aus Palästina führten die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Seleukiden und Ptolemäern (Arist 12 ff.; Flav. Jos. Apion. 1, 205-211; Flav. Jos. Ant. 12,144.156), die Auseinandersetzungen mit dem seleukidischen Oberherrn (1 Makk 1, 32.38; 2 Makk 5, 14.24) einschließlich des Makkabäeraufstandes (1 Makk 2, 43; 3, 9). Als Militärsiedler mit privilegiertem Status wurden Juden von den Seleukiden z. B. in Kleinasien angesiedelt, sie sollten dort Aufstände ersticken. In dieser Funktion gelangten Juden unter den Ptolemäern auch in die Kyrenaika und nach Ägypten. Weitere Gründe für die Auswanderung waren die Bevölkerungsdichte in Palästina, dessen landwirtschaftlich nutzbare Fläche begrenzt war und damit einhergehende Versorgungsschwierigkeiten sowie Dürrekatastrophen. Als bedeutendste Quellen für die Diaspora in hellenistisch-römischer Zeit sind Josephus und Philo zu nennen, deren Schriften mit teils apologetischem Charakter die Vorurteile der Nichtjuden gegen das Judentum entkräften sollten. Die zahlenmäßig stärksten Zentren waren Alexandria in Ägypten sowie bedeutende Orte in Syrien, Kleinasien (vgl. Apg 13-14; 15,1-27,7), auf den ägäischen Inseln, in Italien und ferner Nordafrika, Gallien und Spanien. Die größten jüdischen Gemeinden außerhalb des Römischen Reiches befanden sich in Mesopotamien (Su ¯ra¯, Neharde3a, Pu ¯mbedı¯ta¯). Die jüdischen Zuwanderer gründeten in der Regel keine neuen Orte, sondern ließen sich in bereits bestehenden Siedlungen nieder. So heißt es in der zeitgenössischen Literatur wiederholt, dass die Juden über die ganze Welt verbreitet gewesen seien, wobei die Angaben zweifellos übertrieben sind (PsSal 9, 2; Sib 3, 271; Flav. Jos. Ant. 14,115; Apg 2, 9-11). Juden lebten in den Städten als Handwerker und Händler, machten aber auch

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einen Teil der Landbevölkerung aus. Ihr Gesamtanteil an der Bevölkerung Kleinasiens lag im 1. Jh. n. Chr. im Durchschnitt sicherlich unter 5 %, während im ägyptischen Alexandria die Juden etwa 25-30 % der Einwohner stellten. Meistens waren sie als Bauern und Handwerker tätig. Die Verbindung der Diaspora-Juden mit der Jerusalemer Gemeinde (Hohepriester, Älteste, Sanhedrin) bzw. dem palästinischen Patriarchen (dem obersten Repräsentanten der Juden im Römischen Reich) wurde durch Wallfahrten, die Entrichtung der Tempelsteuer bzw. der Patriarchensteuer, den Austausch in Kalender-Fragen (Interkalation) und bald auch durch Vertreter der Diasporagemeinden beim Jerusalemer Opferkult aufrecht erhalten. Der Jerusalemer Tempel war eben seit dem 5. Jh. der einzig legitime Opferort (nur in Palästina? Vgl. Dtn 12). Doch ist ein regulärer Jahwekult z. B. für die jüdische Kolonie in Elephantine bezeugt. Das Zentrum der Diaspora-Gemeinde war die Synagoge. Älteste Fundstellen solcher »Versammlungs«- bzw. Gottesdiensthäuser befinden sich in Ägypten, Kleinasien und Griechenland (seit dem 3. Jh. v. Chr.). Sie wurden für alle profanen und geistlichen Angelegenheiten der Gemeinde genutzt. Vor allem fanden Wortgottesdienste mit Toralesung und Gebet dort statt, ähnlich wie in Neh 8, 1-12 dargestellt. Synagogen mit ihren Toraschreinen sind äußeres Symbol der religiösen Verfasstheit der Gemeinschaft; hinzu kamen besonders in der Diaspora zur Unterscheidung von der andersgläubigen Umwelt: Sabbat, Beschneidung, Jahresfeste. Geleitet wurde die Gemeinde von einem Ältestenrat (Gerusia), den Presbyteroi oder von einer Einzelperson (Gerusiarch, Ethnarch); der geistige Leiter war der Synagogenvorsteher (Archisynagogos); daneben gab es Archontes, Patrone, Prostatai, Priester, Vorleser, Diakone, Sänger. Als »Väter« bzw. »Mütter der Synagoge« werden vielleicht durch Stiftungen mit der Gemeinde verbundene Personen bezeichnet. Große Bedeutung hatten die Schreiber / Schriftgelehrten / Rabbiner; ihr Prototyp war Esra. Toraschulen blühten besonders in Palästina und Babylonien. Ihnen oblag die Pflege und Auslegung der Heili-

gen Schriften. Die babylonischen Lehrhäuser brachten aus ihrer jahrhundertelangen Überlieferung im Mittelalter den »babylonischen« Talmud zusammen. Häufig waren Synagogen sowohl in Griechenland als auch in Kleinasien Schauplätze von Auftritten des Apostels Paulus während seiner Missionsreisen (Apg 13,14.42.44; 14,1; 17, 17; 18, 4.26; 19, 8), und als Termin für die Zusammenkünfte wird der Sabbat genannt (Apg 13, 14.42.44; 17, 2; 20, 7). Das Zusammenleben von Juden und einheimischer Bevölkerung hatte verschiedene Facetten: Es kam wiederholt zu Konflikten, so z. B. Ausweisungen von Juden aus Rom (139 v. Chr., 19 und 49 n. Chr.) oder zu den pogromartigen Ausschreitungen im ägyptischen Alexandria (38 n. Chr., vgl. auch das Buch Ester, das entgegen dem Wortlaut Verfolgungen in der hellenistischen Zeit aufarbeitet); die Regel war aber ein Nebeneinander von Juden und Nichtjuden ohne gewalttätige Auseinandersetzungen. Generell war die jüdische Religion im Römischen Reich religio licita, ohne dass dadurch die Konfliktpunkte beseitigt worden wären: Die jüdischen Gemeinden besaßen eine bedingte Autonomie, z. B. eine begrenzte eigene Jurisdiktion und das Recht, ihr religiöses Leben selbst zu bestimmen (vgl. Arist 35-38.44 f.). Die Rechtsstellung der jüdischen Gemeinden war aber nicht einheitlich geregelt; sie mussten immer wieder um Bestätigung ihrer alten Rechte bitten bzw. diese vor Gericht einklagen. Auch der personenrechtliche Status des jüdischen Individuums war sehr unterschiedlich; häufig waren sie Bürger minderen Rechts, so dass sie zum Militärdienst sowie zu zusätzlichen Arbeits- und Steuerleistungen herangezogen werden konnten. Juden mit römischem Bürgerrecht waren von der Wehrpflicht und vom Kaiserkult befreit. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Christianisierung des Reiches erließen die römischen Kaiser, gehäuft nach 399 und 423 n. Chr., gegen die Juden (und auch gegen Häretiker und Heiden) gerichtete Gesetze: So waren z. B. Eheschließungen zwischen Juden und Christen verboten, den Juden wurde der Erwerb und der Besitz christlicher Sklaven unter-

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Diaspora

sagt, der Zugang zu bestimmten Ämtern verwehrt, und es durften keine neue Synagogen gebaut werden. Andererseits wurden angesichts zunehmender gegenseitiger christlich-jüdischer Provokationen und Ausschreitungen seit dem Ende des 4. Jh. n. Chr. die älteren Schutzgarantien für Juden fortgeschrieben. Damit wollte man ihnen körperliche Unversehrtheit, die Unverletzlichkeit jüdischer Feiertage sowie den Schutz ihrer Synagogen und Wohnhäuser vor Truppeneinquartierungen, Brandstiftung und Plünderung garantieren (vgl. vor allem die im Cod. Theod. 16, 8 gesammelten Kaiserkonstitutionen). Rom gehörte neben Alexandria (Ägypten) und Antiochia am Orontes (Syrien) zu den Orten mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil. Die in Rom seit Mitte des 2. Jh. v. Chr. nachweisbaren Juden waren in mindestens elf Synagogen organisiert, deren Existenz sich in manchen Fällen bis ins 1. Jh. n. Chr. zurückverfolgen lässt; eine zentrale Leitung des stadtrömischen Judentums insgesamt scheint es nicht gegeben haben; erkennbar ist aber eine große Vielfalt synagogaler Ämter, die auf im hohen Maße institutionalisierte Synagogengemeinden schließen lässt. Als Zeugnisse für diese jüdischen Gemeinden und ihre Organisation sind fast 600 Grabinschriften, meist aus dem 3./4. Jh. n. Chr., aus sechs Katakomben bekannt; häufig verraten nur vereinzelt auftretende jüdische Symbole (z. B. Menorah oder Lulab) sowie zuweilen benutzte hebräische Formeln und griechische Wendungen die jüdische Herkunft der Verstorbenen. Bemerkenswerte Hinweise auf die gelungene Integration der Juden Kleinasiens in ihre heidnische Umwelt bieten Inschriften aus Milet und Aphrodisias. Danach waren im Theater der Stadt mehrere Sitze für diese religiöse Minderheit reserviert, obwohl den Juden nach rabbinischer Auffassung der Theaterbesuch nicht erlaubt war. Juden in hohen Ämtern weisen auf voll integrierte jüdische Gemeinden, so z. B. in Acmonia im 3. Jh. n. Chr., während an anderen Orten aufgrund der Bestimmungen über den Ausschluss von Juden aus öffentlichen Ämtern vergleichbare Positionen seit dem 4. Jh. von Christen bekleidet

wurden. In Antiochia am Orontes kritisierte Johannes Chrysostomus 386 und 387 n. Chr. mit scharfer antijüdischer Polemik die Christen, die allzu engen Kontakt zu den Juden pflegten, indem sie in die Synagogen gingen, jüdische Feste besuchten und jüdische Bräuche (z. B. 3 Speisegesetze; 3 Beschneidung) annahmen. Die jüdischen Diasporagemeinden haben sich nach unserer Kenntnis in der Regel konstruktiv in ihre kulturelle Umgebung eingefügt (vgl. schon Jer 29, 1-7) und geistes- wie glaubensgeschichtlich Erstaunliches geleistet. Dennoch lebte auch eine starke Sehnsucht nach dem gelobten Land, besonders nach Zion / Jerusalem, unter den Expatriierten (vgl. Ps 137). Die Verbindung mit dem Ursprung schlug sich nieder auf die alten Wanderungserzählungen (vgl. Ex 1419; Num 10-34 passim), beflügelte aktuelle Träume von segensreicher Heimkehr (Jes 40-55) und prägte die hoffnungsvollen Erwartungen einer endzeitlichen Überwindung der Zerstreuung (vgl. Jes 60-62; Jer 31; 33; Ez 36 f.). Alle Versprengten sollen ins Land Israel zurückkommen, dazu noch die 3 Heiden. Jerusalem wird zur internationalen Hauptstadt des Gottesreiches (vgl. Ps 87; Apg 2). Der neuzeitliche Zionismus ist auf der Grundlage der Diasporaerfahrungen der mittelund osteuropäischen Juden im 19. und 20. Jh. entstanden (Antisemitismus, Pogrome). In Joh 7, 35 bezeichnet der Begriff Diaspora die jüdische Minderheit in griechisch-heidnischem Umfeld; in Apg 8, 1.4; 11,19 begegnet diaspora im Zusammenhang mit der Verfolgung von Christen und der Ausbreitung des Christentums. Jak 1, 1 und 1 Petr 1, 1 bieten einen übertragenen Gebrauch des Begriffs für Christen, die als von Gott Erwählte ihrer Umgebung entfremdet, in der Zerstreuung leben; ihre Heimat ist die himmlische Welt.

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Dorf

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Erhard S. Gerstenberger / Monika Schuol

Dorf Was in der Antike unter einem Dorf zu verstehen ist, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Das liegt u. a. daran, dass die literarischen Quellen in der Bezeichnung ländlicher Siedlungen uneinheitlich und hinsichtlich konkreter Lebensverhältnisse oft nur wenig aussagekräftig sind. Wichtige Einblicke in das dörfliche Leben vermitteln daher über die Literatur hinaus archäologische Zeugnisse, Inschriften und Papyri. Neben der Quellenlage machen außerdem regionale Unterschiede, etwa in Bezug auf die Siedlungsgröße, die Einwohnerzahl, die Sozialstruktur

Ringförmige dörfliche Siedlung in 3Izbet Sartah am Ostrand des Gebirges Efraim, nach 1200 v. Chr.

oder den rechtlichen Status eine exakte Begriffsbestimmung schwierig. 1. Eine klare Unterscheidung zwischen Stadt und Dorf trifft Lev 25,29-31: Die Stadt ist von einer Mauer umgeben, das Dorf nicht. Das Dorf zählt als Teil der Feldflur. Zu der Aufzählung von Stadt und Dorf nimmt 1 Chr 27,25 noch die Festung als dritte Siedlungsform hinzu, Dtn 3,4 f. unterscheidet in ummauerte und befestigte Städte auf der einen und offene Landstädte auf der anderen Seite. Im Josuabuch begegnet sodann eine spezielle Zuordnung von Dorf und Stadt, indem von den »Städten und ihren Dörfern« die Rede ist (Jos 13,23 u. ö.). Sprachlich noch enger wird diese Zuordnung, wenn die Dörfer als »Töchter« oder »Tochtersiedlungen« bezeichnet werden (Num 21,25; Jos 15,45 u. ö.). 2. Die Zusammenstellung von Städten und (ihren) Dörfern setzt bereits Siedlungsverhältnisse voraus, wie sie für die israelitische Bevölkerung erst ab der Königszeit gegeben sind. Zuvor leben die frühisraelitischen Siedlerfamilien im zentralen Gebirge ausschließlich in einzelnen Gehöften oder kleinen Siedlungen. Diese sind unbefestigt und bieten allenfalls durch eine ringförmige Anlage Schutz vor Feinden und wilden Tieren (s. die Abb.). Von Urbanisierung kann man erst im Verlauf der Königszeit sprechen. Daneben bleiben natürlich die dörflichen Strukturen bestehen, die mit den Zerstörungen durch die assyrischen und

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Ehe

babylonischen Truppen wieder an Gewicht gewinnen. Für die Perserzeit vermutet man, dass der größte Teil der Bevölkerung Judas in Dörfern wohnt. In hellenistischer Zeit findet dann aber im Raum Syrien-Palästina eine signifikante Urbanisierung statt, die in römischer Zeit noch zunimmt (vgl. für Galiläa Flav. Jos. Vit. 45.123.188; Flav. Jos. Bell. 2,252.599). Weiterhin gibt es viele dörfliche Siedlungen, von denen allerdings die wenigsten eigenständig sind. In der Regel sind die Dörfer in administrativer und wirtschaftlicher Hinsicht von Städten abhängig. Die landwirtschaftliche Produktion dient nicht mehr nur dem Eigenbedarf der Dorfbewohner – diese versorgen vielmehr auch die Städte mit Nahrungsmitteln und sind ihnen zu Abgaben verpflichtet –, so dass es zu einem erheblichen sozialen Gefälle zwischen Stadt und Land kommt. Für Kleinasien und Griechenland sind unter römischer Herrschaft im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse wie in Syrien und Palästina vorauszusetzen. Die Mehrheit der Dörfer wird durch Städte kontrolliert, verfügt aber über eine eigene lokale Versammlung, Verwaltung und Infrastruktur. 3. Obwohl die Evangelien pauschal von der Wirksamkeit Jesu »in Städten und Dörfern« berichten (vgl. Mk 6,56; Mt 9,35; Lk 8,1; 13,22), fehlt doch jeder konkrete Hinweis, dass er – mit Ausnahme von Jerusalem – je öffentlich in einer Stadt aufgetreten ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass Jesus – wohl bewusst – nur in Dörfern und im weiteren Umfeld von Städten (vgl. Mk 8,27 par Mt 16,13) wirkte, vor allem im Gebiet um den See Gennesaret (vgl. Mt 4,13; 11,21). Im Gegensatz dazu gibt es für die Ausbreitung des Christentums im 1. Jh. n. Chr. keine Zeugnisse für missionarische Erfolge in ländlichen Gegenden, obwohl etwa Paulus auf seinen Reisen solche durchzogen hat (vgl. z. B. Gal 1,2; Apg 16,6; 18,23). Zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. bezeugt Plinius der Jüngere allerdings für die Provinz Pontus und Bithynien Christen nicht nur in Städten, sondern auch in Dörfern und auf dem Land (Plin. epist. 10,96,9).

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Rainer Kessler / Heike Omerzu

Ehe 1. Allgemeines Ehe (von althochdeutsch: ewa = Vertrag) bezeichnet eine sozial anerkannte und durch (Rechts-)Regeln gefestigte Lebensgemeinschaft, traditionell gesehen von Mann und Frau. Die Modalitäten des Vertrages sowie seines Zustandekommens hängen von der jeweiligen Kultur und Gesellschaft ab. In vielen, insbesondere patrilinearen Gesellschaften hat die Ehe auch die Funktion der Absicherung einer bestimmten legitimen Erblinie (3 Patriarchat). Die Verknüpfung des Ehebegriffs mit Lebensgemeinschaft ist in der gesamteuropäischen Tradition zu finden und schließt sich an die Grundbestimmung des Römischen Rechts (CICiv inst. 1, 9,1) an. Die Ehe endet durch Scheidung, Nichtigerklärung oder mit dem Tod des Partners / der Partnerin. Wie in den meisten Gesellschaften gehörte auch im alten Israel die Ehe zu den elementaren Institutionen. Die Ehe wurde aber nicht einfach als Ausgangspunkt für die Entstehung einer Familie angesehen. Vielmehr war die Ehe eingebettet in die Familie beziehungsweise Verwandtschaft.

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Ehe

Im römischen Recht wurde die Ehe lange Zeit als freie Vereinbarung verstanden, die auf gegenseitiger Zustimmung beruhte, d. h. für die Eheschließung waren weder schriftliche noch mündliche Vereinbarungen, Formeln oder Handlungen konstituierend, der Konsens des Paares reichte. Das römische Gesetz war an der Legitimität der Kinder interessiert und an der Regelung der Besitzverhältnisse. Theoretisch konnten Frauen wie Männer gleichermaßen ihren Konsens aufkündigen und damit die Ehe beenden. Mit dem Satz »tuas res tibi habeto« (»nimm deine Sachen und geh!«) galt die Ehe als beendet. Faktisch resultierte aus dieser Formlosigkeit eine willkürliche und unsichere Rechtslage. Das Sorgerecht für die Kinder (custodias) fiel dem Ehemann zu, was einen Hinderungsgrund für Frauen darstellen konnte, sich trennen zu wollen. Das jüdische Recht fand im Römischen Reich auch vor nichtjüdischen Gerichten grundsätzlich Anwendung, insofern es um private Angelegenheiten ging. Dies war im Eherecht der Fall. Das heißt, Ehefrauen, die einen jüdischen Ehevertrag hatten (ketu¯ba¯h), konnten auch vor nichtjüdischen Gerichten ihre Rechte einklagen (mGit 9, 8). Dies trifft auch für den Zeitraum des Neuen Testaments (1. Jh.) zu. Allerdings musste sich ein nichtjüdisches Gericht von einem jüdischen Gericht bevollmächtigen lassen, um eine Scheidung zu erzwingen (jGit 9, 9). Die Rabbinen waren daran interessiert, dass ihre Handlungen durch römische Gerichte anerkannt wurden und erklärten darum auch griechisch geschriebene Scheidungsbriefe für gültig (mGit 9, 8). 2. Ehevertrag Im alten Israel erwarb sich ein Mann eine Frau durch den mo¯har (Brautpreis, Gen 34, 12; Ex 22, 16). Grundsätzlich kann ein jüdischer Mann mit mehreren Frauen verheiratet sein (Gen 4,19; 25,1). Die älteste ketu¯ba¯h (jüd. Ehevertrag, wörtlich: »das Geschriebene«, bezeichnet den schriftlichen Vertrag, wie auch die aufgeschriebenen finanziellen Summen) wurde in Elephantine gefunden (440 v. Chr.). Die älteste literarische Referenz findet sich in Tob 7, 19 (ca. 200 v. Chr.).

Die ketu¯ba¯h verpflichtet den Ehemann zum standesgemäßen Unterhalt seiner Frau und zur Zahlung eines vereinbarten Geldbetrags im Falle einer Scheidung. Die Witwe hatte keinen Erbanspruch auf die Güter ihres Mannes (die an die Kinder fallen), aber auf ihre volle Ketu ¯ba¯h-Summe samt ihrem persönlichen Eigentum, ferner auf Unterhalt im Haus des Verstorbenen. Es steht ihr als Witwe frei, zu heiraten, wen sie will. In der ketu¯ba¯h wurden auch die Mitgift und zusätzliche Schenkungen aufgelistet, die die Frau bei Beendigung der Ehe erhalten sollte. Die Verwaltung und Nutznießung dieser Summen obliegen dem Ehemann. Die Ehefrau bleibt aber Eigentümerin dieses anvertrauten Kapitals. Das rabbinische Eherecht baut auf der Institution der ketu¯ba¯h auf und regelt auch die ehelichen Rechte und Pflichten: das Recht der Ehefrau auf finanzielle und sexuelle Versorgung, und den Anspruch des Ehemanns darauf, dass die Frau die Angelegenheiten des gemeinsamen Haushaltes besorgt und Sittsamkeit wahrt. 3. Scheidung Ehescheidung war schon in biblischen Zeiten anerkannt: Lev 21, 7; 14; 22, 13; Num 30, 10; Dtn 21, 14; 22, 19.29; 24, 1-4. Doch wird in diesen Texten eine Scheidungspraxis reflektiert, die vom Mann ausgeht und die Frage aufwirft, ob Frauen sich scheiden lassen konnten. Im Kodex Hammurabi (1728-1686 v. Chr.) finden wir eine frühe Regelung von Scheidung. Mann und Frau können die Ehe scheiden. In Paragraph 142 finden wir ausdrücklich das Recht der Ehefrau, ihren Mann mit ihrer Mitgift zu verlassen und in ihr Elternhaus zurückzukehren, wenn sie ihren Mann hasst. Diese mesopotamische Tradition lässt sich ungebrochen durch die Zeit und in verschiedenen Sprachen verfolgen. Auch die aramäisch-jüdischen Papyri aus Elephantine (Ägypten 5. Jh. v. Chr.) schließen sich diesem gegenseitigen Kündigungsrecht an. Da dies nicht ägyptischer Tradition entsprach, war die jüdische Gemeinde in Elephantine wahrscheinlich durch die phönizische oder altaramäische Praxis beeinflusst, die in semitischer Tradi-

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Ehe

tion Frauen wie Männern das Scheidungsrecht zugestanden hatte. Im Vergleich dazu hat das römische Recht sich erst spät mit der formlosen Ehescheidungspraxis zu befassen begonnen (lex Iulia de adulteribus, 18 v. Chr.). Erst unter Kaiser Konstantin (um 331 n. Chr.) wurde eine Scheidung Sache des Strafrechts. Wobei die Scheidungsinitiative von Frauen zunehmend erschwert wurde: Eine Frau musste ihrem Mann Mord, Giftmischerei oder Grabschändung nachweisen können, ansonsten verlor sie jegliche finanzielle Ansprüche und wurde deportiert. Ein Mann musste seiner Frau Ehebruch, Giftmischerei oder Kuppelei nachweisen. Falls dies nicht gelang, war er verpflichtet, seiner Frau die Mitgift auszuzahlen und durfte nicht wieder heiraten. Die für Frau und Mann ungleichen Gründe und Strafen verstärkten die schon der formlosen Scheidung innewohnende Tendenz, die Geschlechter moralisch, juristisch und finanziell nicht mit denselben Maßstäben zu messen. Das jüdische Scheidungsrecht basiert auf der Institution der ketu¯ba¯h, die mit einem Scheidebrief (get) gekündigt werden kann. Eine Frau konnte keinen Scheidebrief ausstellen. Die Rabbinen hielten aber fest, dass sie von ihrem Mann einen Scheidebrief verlangen konnte, wenn er ihre elementaren Bedürfnisse (bezüglich Nahrung, Kleidung und Sexualität) nicht befriedigte. Das Gericht konnte einen jüdischen Mann zur Scheidung zwingen. Grundsätzlich gab es im jüdischen Recht kein Hindernis, wenn ein Mann seine Frau verstoßen, wegschicken, von sich trennen wollte, auch wenn der Prophet Maleachi (5. Jh. v. Chr.) den Mann verurteilt, der seine Frau von sich scheidet und ihr nicht die Treue wahrt (Mal 2, 14-16). Die Regelung von Dtn 24, 1-4 ist als Scheidungserschwerung für den Mann zu lesen. Denn sie verlangt das Ausstellen eines Scheidebriefs und betont, dass eine geschiedene Ehefrau frei ist, sich zu verheiraten, mit wem sie will. In mGit 9, 3 heißt es: »Der Hauptbestandteil des Scheidebriefes lautet: Und dieses sei dir von mir Scheidungsschrift, Entlassungsbrief und Befreiungsurkunde, damit du gehen kannst, um dich

zu verheiraten, mit wem du willst.« Der Hauptbestandteil eines Freibriefes lautet: »Du bist nun eine Freie; du gehörst nun dir selbst an.« Dieser Vergleich mit dem Freibrief einer Sklavin zeigt, dass eine Scheidung als Freilassen verstanden wurde. Der get musste sorgfältig aufbewahrt werden, denn er garantierte der Frau ihre Autonomie und diente als Identitätsausweis. Eine weitere Erschwerung der Scheidung stellten die finanziellen Verpflichtungen des Mannes gegenüber seiner Frau dar (bKet 39b). So versuchten die Rabbinen auf verschiedene Weise, der Frau eine finanzielle Grundlage zum Neuanfang zu sichern (mKet 7, 1-7). Sie verlangten, dass ein Ehemann mit seinem ganzen Besitz für die Ketu ¯ba¯h haftet und diese samt Mitgift bei seinem Tod oder bei einer Scheidung an die Frau auszuzahlen ist (vor allem tKet 12:1; jKet 8:11, 32b-c; bKet 82b). Jüdische Frauen konnten bei einer Scheidung ihre eigenen Kinder mitnehmen (bKet 65b; 102b). Vor Scheidung grundsätzlich geschützt ist eine Frau, wenn sie von einem Mann vergewaltigt wurde. Er muss sie heiraten und darf sie nie von sich scheiden (Dtn 22, 28-29). Damit musste er sein Leben lang für ihren Unterhalt aufkommen, ohne dass er eine Gegenleistung erwarten konnte. Wenn die junge Ehefrau verleumdet wurde, bei der Eheschließung nicht mehr Jungfrau gewesen zu sein, ohne dass dies bewiesen wurde, durfte der Ehemann sich nie von ihr scheiden lassen (Dtn 22, 13-18). Später wurden diese Scheidungsverbote auf die psychisch kranke Frau, eine sehr junge Frau und eine gefangene Frau ausgedehnt (mJev 14, 1; mKet 4, 9). Ansonsten konnte ein Mann sich mit unterschiedlichen Gründen immer von seiner Frau scheiden. »Gut« ist ein Scheidungsgrund nur in Bezug auf das Finanzielle: wer einen guten Grund hat, erhält die ketu¯ba¯h. Wenn sie gegen die Tora verstoßen hat und darum geschieden wird, verliert sie ihren Anspruch auf die Auszahlung der ketu¯ba¯h (mKet 7, 6). Wenn er aber ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigt, wird das Gericht ihre Klage unterstützen, so dass sie ihre ketu¯ba¯h und die Scheidung erhält. Vielfach wird ein Ehescheidungsverbot im

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Neuen Testament behauptet. Die vielfach dafür heran gezogene Stelle Mk 10,1-12 par ist jedoch nicht im Kontext des Scheiterns einer Ehe zu verstehen, sondern im Kontext der Nachfolge von Ehefrauen oder -männern. In Mk 10, 1-9 rät Jesus aber nicht zur Trennung, sondern er lädt auch Ehemänner ein, sich der Nachfolgebewegung anzuschließen, statt ihre aufbrechenden Frauen von sich zu scheiden. Der Wunsch, nach Jerusalem zu reisen, wird auch in mKet 13, 10 diskutiert, gilt dort aber als »guter« Scheidungsgrund sowohl für die Frau wie für den Mann. In der Bergpredigt spricht Jesus verschiedene Beziehungsfelder an, die zu Konflikten führen können. Dies sollte nicht im Muster »Verschärfung des jüdischen Gesetzes« verstanden werden, sondern als Anweisungen für das Zusammenleben von Brüdern und Schwestern. Das sechste beziehungsweise zehnte Gebot des Dekalogs hat auch in der Nachfolgegemeinschaft Geltung. Es muss sorgsam mit der Nähe von Schwestern und Brüdern umgegangen werden. Blicke können Zorn und Eifersucht hervorrufen (Mt 5, 27-28). Lieber soll ein Mann sich das Auge ausreißen oder die Hand abschneiden, als einen Übergriff zu machen und damit die Gemeinschaft zu gefährden. Auch das Wort der Unzucht (V. 32) gehört in den Kontext der Nachfolgegemeinschaft. Ein unzüchtiges Wort ist ein verbaler Akt, der gegen die Ehegesetze verstößt. Einer beleidigten Ehefrau ist es nach jüdischem Recht erlaubt zu gehen. Hier werden Ehemänner aufgefordert, sorgsam mit ihren Frauen umzugehen, damit diese nicht die Nachfolgegemeinschaft wegen Beziehungskonflikten verlassen. 1 Kor 7 und Mk 10, 1-12 par wissen um die Konfliktlösungen der Tora für Ehepaare. Sie spiegeln den Wunsch von Ehefrauen nach Nachfolge und religiösem Engagement wider, wie auch die Verunsicherung der Männer. Die Ehemänner neigen dazu, die Nachfolgekonflikte durch Scheidung zu »erledigen« (Mt 5, 32), statt durch Mitgehen, Warten, Sich-verändern zu lösen. Doch der synoptische Jesus und Paulus erinnern an die Lösungen der Tora, die zeitlich begrenzte Ehefreiheit auch in der Ehe anerkennen.

4. Partnerwahl Bereits an der Frage der Partnerwahl werden einige wichtige Elemente des Eheverständnisses im alten Israel deutlich. Viele der uns überlieferten Texte bezeugen ein großes Interesse an sippenendogamem Heiratsverhalten. Da Identität in der altisraelitischen Gesellschaft unilinear (nämlich patrilinear) definiert wurde, wurden Ehepartner aus dem Kreis der eigenen Verwandtschaft bevorzugt, weil dadurch eine Stärkung der verwandtschaftlichen Beziehungen erreicht wurde. Instruktiv in dieser Hinsicht ist etwa die Begründung der Brautwerbung für Isaak in Gen 24, 3 f., wo Abraham dem Seniorknecht den Schwur abverlangt, seinem Sohn keine Braut von den Kanaanäerinnen zu nehmen. Vielmehr solle der Knecht »zu meinem Land und zu meiner Verwandtschaft gehen« und dort eine Frau für Isaak nehmen. Diese Zielangabe bringt das elementare Interesse zum Ausdruck, Ehen im Kreis der Verwandtschaft zu stiften. Gerade in den Vätergeschichten spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Als bevorzugte Ehepartner erschienen die nächst möglichen Verwandten. So heißt es in der genealogischen Darstellung in Gen 11, 29, dass Nachor seines Bruders Tochter Milka geehelicht habe. Deren Enkelin Rebekka wird nach Gen 24,15.24.47 f.67 mit Isaak verheiratet. Auch Jakob erhält seine beiden Hauptfrauen aus derselben Familie (Gen 28, 2.5; 29 f.). Allen diesen Texten gemeinsam ist, dass die bevorzugten Ehepartner aus der väterlichen Verwandtschaft stammen. Was aber auffällt, ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung der Milka. Wenn eine Frau als wichtiges Glied in der Verwandtschaftsstruktur erscheint, erkennt man zum einen, dass das Prinzip patrilinearen Identitätsverständnisses nicht immer stringent durchgehalten wurde, zum andern, dass die Identität vor allem mit dem Rückbezug zum gemeinsamen Ahn und dessen Abstammungsort zusammenhängt. Somit kann man den Kontext endogamen Heiratsverhaltens präziser als den der Lineage bestimmen, d. h. eines Klans, dessen Angehörige ihre Abstammung vom gemeinsamen Ahnherrn historisch

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nachweisen können. Unter Umständen wird also im Interesse der Stärkung der Lineage vom vorherrschenden Prinzip patrilinearer Abstammungsregel abgewichen. Im Umkehrschluss legt es sich daher nahe, dass exogames Heiratsverhalten als Gefährdung verwandtschaftlicher Bindung aufgefasst werden konnte (Ri 14, 1-4). Wahrscheinlich sind von diesem Gesichtspunkt aus auch die rigorosen Maßnahmen Esras im Zusammenhang mit dem nachexilischen Mischehenproblem mit begründet. Nach 538 scheinen Probleme des Landbesitzes im Vordergrund gestanden zu haben. Da allerdings auch die Erbregeln von der Legitimität abhängig gemacht wurden, spielt die Frage nach der korrekten Partnerwahl auch hier eine erhebliche Rolle. Motive religiös-politischer Art dürften wahrscheinlich die rein verwandtschaftsbezogenen stark überlagert haben. Allerdings kann man bereits an der Erwähnung der »fremden Frauen« (z. B. Esr 10,10) erkennen, dass es eben nicht nur um religiöse und politische Motive geht, sondern auch um Fragen der Identität. Andererseits erhebt das Buch Rut Einspruch gegenüber den Interessen der Endogamie und ethnischer und religiöser Einheit. In der Ehe zwischen einer Moabiterin und einem Betlehemiten wird offensichtlich kein Problem gesehen. Dennoch ist auch hier ein hohes Interesse an verwandtschaftlichen Bindungen erkennbar, so dass gerade durch diese Erzählung die Feststellung gestützt wird, dass die Ehe im alten Israel eine Funktion der Verwandtschaft gewesen ist. Das Verhältnis zwischen JHWH und Volk wird gelegentlich im Bild der Ehe beschrieben (Hos 1-3; Jer 3, 1-5.6-10; Ez 16; 23), wobei dies stets aus der Rückschau auf die durch die Treulosigkeit des Volkes gebrochene Ehe geschieht. Da nach altorientalischer Rechtsauffassung die Frau durch Treulosigkeit ihre eigene Ehe brach (der Mann entsprechend die Ehe des andern Mannes, z. B. Dtn 22, 24), spiegelt diese Bildrede die Wirklichkeit in der altisraelitischen Gesellschaft wider, welche von öffentlicher Bloßstellung (Hos 2, 5) bis zur Steinigung als kollektiver Strafe reichen konnte (Dtn 22, 22; Ez 16, 40 u. ö.).

5. Inzesttabu Zwar wurden Ehen innerhalb der eigenen Verwandtschaft bevorzugt – im Interesse der Stärkung der Beziehungsbande –, doch wurde dieser Tendenz mit dem Inzesttabu ein Korrektiv gegenübergestellt (Lev 18, 7-16). Diese Tabureihe wurde später durch Hinzufügung von V. 17 f. zu einem Regelwerk für Eheschließungen gemacht. Da aber das Inzesttabu für den uns bekannten Textbereich des Alten Testaments durchaus als nicht einheitlich anzusehen ist, stellt sich die Frage nach der Reichweite dieser Norm und nach ihrem Geltungsbereich. So scheint etwa eine eheliche Verbindung zwischen Halbgeschwistern bisweilen toleriert worden zu sein (Gen 20 und 2 Sam 13). Es kann aber auch heißen, dass Lev 18 erst eine Norm aufstellen wollte, die innerhalb des Alten Testaments nicht schon Geltung hatte. Ein spezifisches Problem ergibt sich in dieser Hinsicht durch Lev 18, 16, denn hier wird die Möglichkeit einer Schwagerehe (Levirat) ausgeschlossen. Man sieht aber an den Rechtsbestimmungen von Dtn 25, 5-10, dass ein Levirat zu bestimmten Zeiten in Israel vorgesehen war. Unabhängig davon, wie man sich die Praxis vorzustellen hat, kann man an der Tatsache nicht vorbeisehen, dass Dtn 25, 5 von der Eheschließung mit der Frau des Bruders spricht, was Lev 18, 16 ohne Einschränkung verhindern möchte. Ein Inzesttabu im Sinne etwa von C. Lévy-Strauss müsste aber auf die ganze Gesellschaft bezogen werden können. Das aber scheinen im Falle von Lev 18 einige der alttestamentlichen Textbefunde nicht zu erlauben. Deshalb legt sich die Annahme nahe, dass das Inzesttabu hinter diesem Text ursprünglich eine Gruppennorm gewesen sein könnte, die durch Hineinnahme in ein Rechtscorpus und durch Umformung zu einer Heiratsregel zu einer gesellschaftlichen Norm erhoben werden sollte. Die dadurch entstandenen Spannungen zwischen Sollen und Sein dürften die Verfasser bewusst in Kauf genommen haben. 6. Ehelosigkeit, Unfruchtbarkeit Reproduktion ist ein Hauptthema des Buches Genesis. Drei von vier Matriarchinnen sind dennoch

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lange Zeit unfruchtbar und werden nur durch Gottes Zutun schwanger (Gen 17, 17; 25, 21; 30, 1). Das Elend der Kinderlosen drückt Rahel eindrücklich aus: »Verschaffe mir Kinder, wenn nicht, sterbe ich!« (Gen 30, 1). In 1 Sam 1, 2 ist die Erniedrigung Hannas, in Lk 1, 25 die Schande Elisabets als Kinderlosigkeit zu erkennen. Obwohl in der alttestamentlichen und jüdischen Tradition vorausgesetzt wird, dass Gott den Mutterschoß öffnet, wenn er will (vgl. Rut 4,13), ist keine Äußerung darüber zu finden, dass Unfruchtbarkeit eine Strafe Gottes an einer individuellen Frau sei. Dennoch scheint diese Vorstellung hinter der Strafbitte Hos 9, 14 und der Bildrede Jes 49, 20; 54, 1 zu stehen. Da bei DtrJes die erwartete Rettung bildhaft als Wendung der Not der unfruchtbaren Frau Zion angekündigt wird, könnte dies in der Tat darauf schließen lassen, dass Unfruchtbarkeit als Strafe Gottes gedeutet worden wäre. Im rabbinischen Recht wird der Frau zugestanden, nach einer zehnjährigen, unfruchtbaren Ehe eine Scheidung (mit ketu¯ba¯h) zu erhalten (mJev 6, 6), damit sie mit einem anderen Mann vielleicht schwanger werden kann. Der Mann muss seine Frau nicht wegen Unfruchtbarkeit verstoßen. Er kann eine zweite hinzunehmen. MJev 6, 6 verlangt nur vom Mann, sich fortzupflanzen, nicht von der Frau. Damit wird offengelassen, dass eine Frau kontrazeptive Mittel nehmen kann, wenn sie nicht mehr schwanger werden möchte. Dem Mann wird das erst erlaubt, wenn er zwei Kinder gezeugt hat. Dann kann er auch eine Unfruchtbare heiraten oder verwitwet bleiben. Ehelosigkeit ist unter diesen Umständen kein wünschenswerter Zustand. Unter den Gelehrten des Talmuds findet sich nur einer, Ben Azzai, der nicht verheiratet war (mSota 9, 15). Die Ehe wird von den Rabbinen als friedensstiftend betrachtet, weil sie den Mann von sexuellen Eskapaden abhält (Gen 2, 28, 1 Kor 6, 12-20; 7, 9). Paulus akzeptiert sexuelle Enthaltsamkeit in der Ehe aufgrund der Menstruationsgesetze (1 Kor 7,1). Religiöse Enthaltsamkeit sollte nicht aus Verachtung des Partners / der Partnerin resultieren, also nicht gegeneinander gerichtet sein (1 Kor 7, 5).

Dass Jesus ehelos war, lässt sich nicht belegen. Auch die Ehefreiheit (1 Kor 7, 8) des Paulus ist nicht gesichert. Paulus lässt Ehefreiheit wie Ehe gelten, wichtig ist ihm, »dass ihr wohlanständig seid und ohne Ablenkung bei Christus verbleibt« (1 Kor 7, 35). Die Christusbeziehung heiligt die Körper, weshalb Sexualität nicht aus der Gottesbeziehung ausgeklammert werden kann. Egkrateia (Enthaltsamkeit) bedeutet, die Welt zu verlassen, d. h. sich abzukehren von gesellschaftlichen Strukturen, die Gottes Willen nicht entsprechen (1 Kor 5, 10; 6, 10; 7, 29-35, ActThecl 23). Auch in einer Ehe kann egkrateia als Distanz zu den Strukturen der Welt gelebt werden. Engelken, Karen, Frauen im Alten Israel. Eine begriffsgeschichtliche und sozialrechtliche Untersuchung zur Stellung der Frau im Alten Testament, BWANT 130, Stuttgart u. a. 1990. Hauptman, Judith, Rereading the Rabbis. A Woman’s Voice, Boulder / Colorado 1998. Hugenberger, Gordon Paul, Marriage as a Covenant. A Study of Biblical Law and Ethics Governing Marriage Developed from the Perspective of Malachi, VT.S 52, Leiden u. a. 1994. ´ski E., The Wife’s Right to divorce in the Light of an Lipin ancient near eastern Tradition, The Jewish Law Annual 4, Leiden 1981, 9-27. Mette-Dittmann, Angelika, Die Ehegesetze des Augustus, Stuttgart 1991. Schottroff, Luise, Der erste Brief an die Gemeinde in Korinth. Wie Befreiung entsteht, in: dies. / Marie-Theres Wacker (Hg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 574- 592. Steinberg, Naomi, Kinship and Marriage in Genesis. A Household Economic Perspective, Minneapolis 1993. Sutter Rehmann, Luzia, Konflikte zwischen ihm und ihr. Sozialgeschichtliche und exegetische Untersuchungen zur Nachfolgeproblematik von Ehepaaren, Gütersloh 2002. Dies., Unzüchtige Rede (Mt 5, 32). Die Verwurzelung der Tora im Alltag, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel, Gütersloh 2004, 333-351. Toorn, Karel van der, Family Religion in Babylonia, Syria, and Israel. Continuity and Change in the Forms of Religious Life, SHCANE 7, Leiden u. a. 1996. Treggiari, Susan, Divorce Roman Style: How Easy and Frequent was it?, in: Beryl Rawson (Hg.), Marriage, Divorce, and Children in Ancient Rome, Oxford 1991, 31-46.

Friedrich Fechter / Luzia Sutter Rehmann

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Ehre / Schande

Ehre / Schande 1. Ehre / Schande in gesellschaftlichen Beziehungen Stärker als in modernen wird in vormodernen Gesellschaften die Stellung der Einzelnen durch die Zuschreibung von Ehre oder Schande markiert. Nur wer »in Ehre« ist, ist vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Wer »in Schande« steht, fällt aus der Gesellschaft heraus. Beides können sich die Einzelnen nicht selbst beilegen, es beruht vielmehr auf ihrem Ansehen durch die Gemeinschaft. a) Der zwischenmenschliche Bereich. Die hebräische Wurzel kbd, die dem deutschen Wortfeld »Ehre« entspricht, heißt »schwer (sein)«; den Menschen, die geehrt werden, wird Gewicht gegeben. Das fängt in der Familie an, wo das Gebot des Dekalogs, die Eltern zu ehren, an erster Stelle zu nennen ist. Oppositionsbegriff ist die Wurzel qll, die »leicht (sein)« bedeutet. Dem Elterngebot entspricht so die Sanktion gegen die, die Vater und Mutter »leicht machen«, also geringschätzen oder verfluchen (Ex 21, 17; Lev 20, 9; vgl. Dtn 27, 16). Ein weiterer Oppositionsbegriff ist bo¯ˇs; er bezeichnet sowohl die subjektive Beschämung als auch das objektive Zuschandenwerden (griech. aischyne). Darin kommt zum Ausdruck, dass die »Schande«, die einer Person zugeschrieben wird, diese tatsächlich »zuschanden« werden lässt. Nacktsein oder Betteln sind Grund, sich zu schämen bzw. den Zustand als Schande zu empfinden (Apg 3, 18; Lk 16, 3). Ehre und Schande dienen dazu, die Verhältnisse in der patriarchalen Familie zu stabilisieren (»Kinder ehren Vater und Mutter und Sklavinnen und Sklaven ihre Herrschaft«, Mal 1, 6; vgl. auch Kol 3, 18-4, 1). Diese Stabilität wird als bedroht angesehen, wenn die Sklavin ihre Herrin geringschätzt (Gen 16, 3 f.), wenn Männer und Frauen ihre als natürlich angesehenen Geschlechterrollen und deren symbolische Ordnung überschreiten (1 Kor 11, 4-6). Der Patriarch, der seiner Ehre beraubt ist (Hi 19, 9), wird zum Gespött seiner sozialen Umwelt einschließlich der eigenen Familie (V. 13-19). Im Gebet kann der Verlust der eigenen Ehre klagend vor

Gott gebracht werden (Ps 4, 3; 22, 7; 31, 12). Von Gott wird die (Wieder-)Herstellung der eigenen Ehre (Ps 91, 15) sowie die Beschämung der Feinde (Ps 83, 17; 1 Petr 3, 16) erwartet. b) Der weitere gesellschaftliche Bereich. Über die Familie hinaus kommt »Ehre« oder gegebenenfalls »Schande« Menschen zu, die eine besondere gesellschaftliche Stellung innehaben. Dies können Personen des religiösen Lebens sein (Prophetinnen und Propheten, Gottesmänner, Priester; Num 22, 17; 1 Sam 9, 6; Ez 13, 17-23) ebenso wie Angehörige der politischen Führung (Könige und Königinnen, Beamte, Männer und Frauen der Oberschicht; Gen 45, 13; 2 Kön 9, 30-37; Am 4,1-3; Ps 21, 6). Jes 22, 15-25 zeigt am Beispiel zweier hoher Minister, wie Ehre und Schande einander bedingen. Der erste, der als »Schande« für den König bezeichnet wird, soll seine »Ehrenwagen« verlieren, sein Nachfolger soll dagegen zum »Ehrenthron« für seine ganze Familie werden. c) Ehre und Schande von Frauen. Das Codierungssystem von Ehre und Schande spielt eine herausragende Rolle im Bereich sexueller Beziehungen. Wenn die Vorstellung von Schande auf die Situation von Frauen angewendet wird, ist fast immer der Bereich ihrer Sexualität und Reproduktionsfähigkeit angesprochen. Der Begriff begegnet mehrfach im Zusammenhang von Vergewaltigungen: Tamar versucht, ihren Bruder Amnon von seiner Tat abzubringen und schreit: »Wohin soll ich mit meiner Schande?« (2 Sam 13, 13). Judith bezieht sich mit diesem Begriff auf die Vergewaltigungen von Frauen im Krieg und unerlaubten Geschlechtsverkehr mit Jungfrauen (Jdt 9, 2). Lev 20 zählt eine Reihe möglicher inzestuöser Verbindungen auf, die als »Schande« bezeichnet werden. Als Schande gelten der Ehebruch von Männern und Frauen (Spr 6, 33; Sir 23, 16-27) wie auch homosexueller Geschlechtsverkehr (Röm 1, 26-27). Die Beendigung der Unfruchtbarkeit einer Frau wird als Ende ihrer Schande gepriesen (Gen 30, 23; Lk 1, 25). 2. Ehre und Schande als Metaphern Notlagen im Krieg und das Elend des Volkes nach einer militärischen Niederlage können als

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Schande charakterisiert werden. In diesem Sinn kann angesichts der militärischen Niederlage eines Landes gesagt werden, dass »seine Ehre zuschanden« wird (Jes 16, 14). Dabei spielt immer die oben erwähnte Doppelbedeutung mit: Eroberung macht zuschanden (Jdt 1, 14) und führt zu Spott und Beschämung (Neh 1, 3; 2, 17). Insbesondere gilt das für die Menschen, die ermordet oder zu SklavInnen ihrer Feinde werden. Zu ihrem Schicksal kommt die Schmähung durch die Feinde hinzu (1 Sam 11, 2; Ps 44, 14; Jdt 8, 22). Die Hoffnung richtet sich dann auf Gott, dass nun die Feinde ihrerseits zuschanden werden (Ps 78, 66). Bei Deuterojesaja wird Zion die Aufhebung ihrer Schande verheißen; dabei wird Zion in mehrfacher Weise als Frau metaphorisiert, die aufgrund von Kinderlosigkeit, Witwenschaft oder Scheidung »in Schande« ist (Jes 54, 1-8). Elisabet und Maria personifizieren verschiedene Aspekte der Frau Zion, deren Erniedrigung aufgehoben wird (Lk 1, 25.48). 3. Tragweite des Codes von Ehre und Schande a) Ehre / Schande als sozialwissenschaftliches Konzept. Vor allem in der englischsprachigen wissenschaftlichen Diskussion entsteht gelegentlich der Eindruck, dass das Konzept »Ehre / Schande« ein universaler Schlüssel zur Beschreibung antiker mediterraner Gesellschaften ist. Dabei werden Konzepte antiker Autoren zugrunde gelegt, wonach Ehre und Schande zwei Werte seien, die das Gemeinschaftsleben regelten. Diese Werte teilten den Geschlechtern unterschiedliche Rollen zu: Für Männer bedeute Ehre, Stärke und Mut zu zeigen, großzügig und mit Weisheit zu agieren, während Ehre für Frauen vor allem auf den privaten Raum der Intimität bezogen sei: Ehre betreffe ihre personale und sexuelle Integrität, die nach außen hin verteidigt werden müsse. Mit »Schande / Scham« werden Verletzungen dieser Vorstellungen von Männlichkeit bzw. Weiblichkeit verbunden. Das Konzept unterstellt allerdings, dass auch in einer Klassengesellschaft die handelnden Subjekte frei agieren und ihr Verhalten auf Ehrbarkeit hin ausrichten können. Gefragt wird nicht, wer sich »Ehre« leisten kann

und wer nicht. Mit der Hand arbeitende Menschen wurden von der in der römisch-hellenistischen Antike herrschenden Oberschicht verachtet (vgl. Cic. off. I,42, 150 f.). Ihr Anteil an der Gesellschaft machte jedoch über 90 % aus, Armutsprostitution ist unter Frauen weit verbreitet. Sklavinnen und Sklaven, deren Anteil in römischer Zeit 20-30 % der Bevölkerung betrug, werden nicht gesehen. Sie galten als Eigentum ihrer Besitzer, die frei über ihre Körper einschließlich der Sexualität und Arbeitskraft verfügen konnten. b) Relativierung und Umkehrung des herrschenden Codes von Ehre und Schande. Neutestamentliche Texte sprechen vor allem den Armen und Verachteten Ehre zu (Mk 10, 31.43) und entwickeln Gegenstrategien zu herrschenden Gesellschaftskonzeptionen. Paulus benennt diese Umkehrung gesellschaftlicher Verhältnisse deutlich. Er selbst und diejenigen, mit denen er unterwegs ist, zählen sich zu den Verachteten (1 Kor 4, 11-13). Von den Wohlhabenden und gesellschaftlich Angesehenen verlangt er, ihre eingeübten Verhaltensweisen zu verändern, denn »das Schwache der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zu beschämen« (1 Kor 1, 26-29). Die Gemeinde beschreibt er im Bild eines Körpers, in dem die am meisten verachteten Teile besonders zu ehren seien (1 Kor 12, 22-24). Im Neuen Testament wird von Schmach und Erniedrigung vielfach im Zusammenhang von Schmähungen, Verfolgung und konkretem Leiden gesprochen (Mt 5,11; Lk 6, 22). Diese Demütigungen erleidet auch Jesus am Kreuz (Mt 27, 44; Mk 15, 32) und in seinem Leben (Röm 15, 3). Die Kreuzigung wird als Akt der öffentlichen Erniedrigung mit politischen Implikationen verstanden. Die Auferweckung wird demgegenüber als Erhöhung des Erniedrigten dargestellt (Phil 2, 5-11). 4. Gottes Ehre und Gottesebenbildlichkeit a) Gottes ka¯bo¯d / doxa. Dass im Codierungssystem von Ehre und Schande Gott in ausgezeichneter Weise Ehre zugeschrieben wird, ist selbstverständlich. Ps 24 nennt Adonaj den »König der Ehre«. Dabei nehmen das hebräische Nomen

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ka¯bo¯d wie sein griechisches Äquivalent doxa geradezu materielle Gestalt im Sinn von »Lichtglanz« an, eine Eigenschaft, die in den antiken polytheistischen Systemen generell mit der Welt der Göttinnen und Götter verbunden ist. Jes 60, 1-3 schildert die Erscheinung der ka¯bo¯d JHWHs wie einen Sonnenaufgang. In Jes 58, 8; 62, 1 f. werden Gottes Glanz und Ehre synonym mit Gerechtigkeit und Recht verstanden. Gottes ka¯bo¯d wird in besonderer Weise mit seiner Präsenz im Tempel in Verbindung gebracht (1 Kön 8, 11), sie gehört Israel (Röm 9, 4). Vom Tempel ausgehend kann dann die ganze Erde als von Gottes ka¯bo¯d erfüllt vorgestellt werden (Jes 6, 3). Auch der Himmel kann in diese umfassende Vorstellung von Fülle einbezogen sein (Hab 3, 3); nach Ps 19 »erzählen die Himmel die Ehre Gottes«. Besonders in priesterlich geprägten Texten spielt das Konzept von Gottes ka¯bo¯d eine Schlüsselrolle. So laufen die priesterlichen Texte im Pentateuch auf die Gegenwart von Gottes ka¯bo¯d am Sinai (Ex 24, 16 f.), im Zelt der Begegnung (Ex 40, 34 f.) und im Opferkult (Lev 9) hinaus. Das stark priesterlich geprägte Ezechielbuch ist danach gegliedert, dass Ezechiel in der Berufungsvision den ka¯bo¯d Gottes sieht (Kap. 1-3), dass dieser dann aus dem Tempel in Jerusalem auszieht (Kap. 8-11), um schließlich im künftigen Tempel wieder Platz zu nehmen (43, 1-5). Nach Vorstellung des Paulus hat Gottes doxa die Auferstehung Christi bewirkt (Röm 6, 4). b) Der Mensch als Ebenbild Gottes. Dass Menschen sich durch ein bestimmtes Verhalten Ehre erwerben können (Spr 11, 16; 20, 3; Sir 5, 13), besonders durch den Gebrauch von Weisheit (Weish 8, 10), versteht sich in einem System, das in dieser Begrifflichkeit denkt, von selbst, ebenso wie die Tatsache, dass solche Ehre verloren gehen kann (Hi 19, 9). Einen Schritt weiter geht demgegenüber die Vorstellung, dass Gott einzelnen Menschen in besonderer Weise Ehre zuteil werden lässt. Nach Ps 21, 6 ist dies der König. In Ex 34, 29 f.35 wird man das »Strahlen« des Gesichts Moses so verstehen müssen, dass sich in ihm der Glanz Gottes widerspiegelt, wie denn die griechische Übersetzung die Stelle auch mit der Vo-

kabel doxa wiedergibt (vgl. 2 Kor 4, 6). Noch weiter aber reicht die Vorstellung, dass alle Menschen »mit ka¯bo¯d gekrönt« seien, wie Ps 8, 6 in Weiterführung des Gedankens der Gottebenbildlichkeit der Menschen aus Gen 1 formuliert. Paulus nimmt die Vorstellung auf, indem er sowohl gegenwärtig für die Christusgläubigen die doxa reklamiert (Röm 8, 30; 2 Kor 3, 8-18) als auch diese für die Zukunft erwartet (Röm 5, 2). Gegenwärtigkeit und Hoffnung bindet die Vorstellung von der doxa zugleich an die Leiblichkeit (1 Kor 15,40 f.). Durch diese umfassende Konzeption ist einem Denken in Ehre und Schande, das gerade der gesellschaftlichen Differenzierung dient, der Boden entzogen. Jedem Menschen in seiner Körperlichkeit kommt Ehre zu. Deshalb ist jeder Mensch zugleich aufgerufen, in allem Tun, auch im alltäglichsten wie Essen und Trinken (1 Kor 10, 31), Gott die Ehre zu geben (2 Kor 1, 20; Gal 1, 5; Phil 1, 11). Frettlöh, Magdalene L., Gott Gewicht geben. Bausteine einer geschlechtergerechten Gotteslehre, NeukirchenVluyn 2006. Janssen, Claudia, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1 Kor 15, Gütersloh 2005. Klopfenstein, Martin A., Scham und Schande nach dem Alten Testament. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zu den hebräischen Wurzeln boˆs, klm und hpr, ˙ Zürich 1972. Malina, Bruce, Die Welt des Neuen Testaments. Kulturanthropologische Einsichten, Stuttgart u. a. 1993. Matthews, Victor H. (Hg.), Honor and shame in the world of the Bible, Semeia 68, Atlanta, Ga. 1996. Olyan, S. M., Honor, shame, and covenant relations in Ancient Israel and its environment, JBL 115 (1996), 201-218. Peristiany, John G. (Hg.), Honor and Shame: The Values of Mediterranean Society, Chicago 1966. Plevnik, Joseph, Art. Honor / Shame, in: Bruce Malina / John J. Pilch (Hg.), Handbook of Biblical Social Values, Peabody, Massachusetts 2000, 106-115. Schaberg, Jane, The Illegitimacy of Jesus. A Feminist Theological Interpretation of the Infancy Narratives, New York 1990. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994 (bes. 206-277 + 258-296). Stansell, Gary, Honor and Shame in the David Narratives, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Was ist der

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Mensch … ? Beiträge zur Anthropologie des Alten Testaments, FS H. W. Wolff, München 1992, 94-114. Walter, Matthias, Gemeinde als Leib Christi. Untersuchungen zum Corpus Paulinum und zu den »Apostolischen Vätern«, NTOA 49, Freiburg / Schweiz / Göttingen 2001.

Claudia Janssen / Rainer Kessler

Eid 1. Materielle Sachverhalte Ein Eid oder Schwur bedeutet im Alten Testament eine besonders zuverlässige Aussage, an deren Wahrheitsgehalt, Einhaltung, Durchführung etc. der Sprecher bzw. die Sprecherin gebunden ist. Meist dient der Schwur dazu, eine unverbrüchliche Willensäußerung oder Absichtserklärung abzugeben (Gen 25, 31-34; Jos 2,12-14). An einigen Stellen findet sich der Schwur auch zur Bekräftigung einer Aussage (1 Sam 20, 3). Ein Schwur muss (abgesehen von seltenen Ausnahmen) eingehalten werden (Num 30, 3). Falsches (»lügnerisches«) Schwören wird deshalb ausdrücklich verboten (Lev 5, 22.24) und streng verurteilt (Jer 5, 2; 7, 9). Wenn eine Person einen Eid ablegt oder schwört, macht sie damit bekannt, dass sie mit negativen Folgen rechnet, wenn sie diesen Eid oder Schwur bricht (Jos 9,19 f.). Diese Folgen können den Eidbrüchigen als rechtliche Sanktionen (3 Strafe) (1 Kön 2, 4246) oder durch Gottes Eingreifen (2 Sam 3, 35) treffen. Einen Eid ablegen, schwören (ša¯ba2) und einen Fluch (3¯ala¯h) (3 Segen / Fluch) aussprechen für den Fall des Meineids oder eines gebrochenen Schwures liegen folglich nahe beieinander. In einigen Texten wird berichtet, dass, wer aus Versehen einen falschen Schwur ablegt oder einen Eid bricht, ausgelöst werden kann (Lev 5, 4-6; 1 Sam 14, 24-28.38-45). Der Schwur wird oft mit einer Schwurformel bekräftigt, eine Aussage kann auch allein durch eine solche Formel als Schwur erkennbar sein. Teile einer Schwurformel sind der Ausruf, bei wem oder was jemand schwört (z. B. »So wahr

Gott lebt!«), was der Sprecher mit dem Schwur nicht zu tun verspricht (z. B. »Wenn ich dich verrate«) und / oder die Folge, falls die Sprecherin ihren Schwur bricht (z. B.) »JHWH tue mir dies und das«. Vom Eid zu unterscheiden ist das 3 Gelübde. Dabei handelt es sich zwar auch um eine Versicherung, die der oder die Sprechende unbedingt einhalten wird. Doch konkreter als beim Eid sichert er oder sie Gott eine bestimmte Leistung zu, falls Gott in einer konkreten Notlage hilft (1 Sam 1, 11; Ri 11, 30 f.; Jona 1, 16). Das Gelübde kann zusätzlich durch einen Eid bekräftigt werden (Num 30, 3; Apg 18, 18; 21, 23). In der zwischentestamentlichen Literatur wird die alttestamentliche Eidpraxis vorausgesetzt und weitergeführt, aber auch problematisiert (Sir 23, 9-11; weiteres Material bei Vahrenhorst). Der Kern der schwurkritischen Diskussion ist die Sorge vor einem Übergriff auf die Heiligkeit des Gottesnamens durch den Schwur. Im Neuen Testament und der rabbinischen Literatur wird diese Diskussion ebenfalls geführt und oft zugunsten einer vollständigen Ablehnung des Schwörens entschieden. (Mt 5, 33-37; 23,16-22; Jak 5, 12). Die christliche Deutungstradition, nach der Jesus im Unterschied zum Judentum den Schwur ablehne, hält den jüdischen Quellen nicht Stand (Vahrenhorst). 2. Soziale und institutionelle Zusammenhänge Schwören oder einen Eid ablegen können Frauen (Rut 1, 17; 1 Sam 25, 26; 1 Kön 19, 2; 2 Kön 4, 30) und Männer; für den Eid im Zusammenhang mit einem 3 Gelübde wird ausdrücklich gesagt, dass Männer und Witwen oder geschiedene Frauen einen solchen Eid ablegen können, wobei bei jugendlichen Töchtern allerdings der Vater, bei verheirateten Frauen der Ehemann den Eid oder das Gelübde sofort aufheben kann (Num 30, 3-16). Der Mischna ist zu entnehmen, dass Gelübde in Ehekonflikten auch gerade für Frauen ein wichtiges Mittel der Krisenbewältigung waren (vgl. die Mischnatraktate Nedarim und Ketubbot; Sutter Rehmann). Möglicherweise ist manches Detail der Ehehalacha des Paulus (1 Kor

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Eigentum

7) auf diesem Hintergrund deutbar. Der Eid (meist im Zusammenhang mit dem Fluch) kommt im Alten Testament in Rechtsverfahren (3 Rechtswesen) zur Bekräftigung von Aussagen vor. Durch Eid bekräftigte Verpflichtungen können gegenseitig sein: Abimelech und Abraham schwören und schließen damit einen politischen 3 Vertrag (Gen 21, 31), David und Jonatan besiegeln damit ihre enge Freundschaft (1 Sam 20, 17.42). Wer andere einen Eid schwören lässt, verpflichtet sie zu etwas bzw. bringt sie dazu, sich selbst zu etwas zu verpflichten. Dies kann nur die jeweils mächtigere Person von einer untergebenen fordern, analog zu altorientalischen Vasallenverträgen (Gen 24, 3; Jos 2,17.20; 1 Kön 2, 42 f.). Öfters wird der Eid, Schwur oder Fluch (3 Segen / Fluch) im Zusammenhang mit dem Schließen eines 3 Bundes genannt. Als »Reinigungseid« wird in der Literatur, nicht in den alttestamentlichen Texten selber, ein Eid oder Schwur bezeichnet, den eine Person ablegt, so dass ihre Schuld oder Unschuld geklärt werden kann, indem Gott den Fluch an ihr wirksam werden lässt oder nicht (Ex 22, 7-10). Der Fluch kann so vor Gericht dazu dienen, die Wahrheit zu sichern oder herauszufinden (Num 5, 12-15 Fluchwasser, um Ehebruch herauszufinden), und verpflichtet Mitwisser oder Zeugen, die Wahrheit auszusagen (Lev 5, 1; Spr 29, 24; vgl. Ri 17, 2). Der Eid des Petrus (Mt 26, 72.74; Mk 14, 71) ist eine gravierende Toraverletzung: als Meineid und als Missbrauch des Gottesnamens. Der Schwur des Herodes führt den Tod Johannes des Täufers herbei (Mk 6, 23; Mt 14,7). Mit dieser Legende wird die Schwurpraxis implizit kritisiert, indem sie tödliche Konsequenzen eines leichtfertigen Schwurs aufzeigt. 3. Symbolische und theologische Bedeutung Der Eid hat immer eine religiöse Dimension, da eine Gottheit für die Wahrung des Eides und die Folgen eines Meineids oder Eidbruchs steht. Schwören bei JHWH oder bei einer anderen Gottheit bedeutet, dieser Gottheit die Macht zuzutrauen, den Eid zu wahren und eventuell den Fluch auf den Eidbrüchigen kommen zu lassen. Schwören

bei JHWH ist deshalb immer auch ein Zeichen der Zugehörigkeit zu dieser Gottheit (Jes 48,1). Auch JHWH schwört. Sofern Gott sich dabei auf einen Garanten bezieht, schwört Gott bei sich selbst (Gen 22, 16; Ez 5,11), bei Gottes næfæsˇ = Seele / Kehle / Leben (3 Körper) (Jer 51, 14) oder Heiligkeit (Am 4, 2), Gottes starkem Arm (Jes 62, 8) oder dem großen Namen (Jer 44, 26). Der Gott Israels schwört als metaphorischer Ehemann dem Volk und schließt dabei einen Bund mit ihm (Ez 16, 8). Gott hat sich gegenüber den Erzeltern durch Schwur verpflichtet (Verheißung JHWHs an die Erzeltern als / mit Schwur, Gen 24, 7; Dtn 31,7), schließt mit dem Volk einen Bund, an den das Volk dann durch den Fluch gebunden ist (Dtn 29,11-20). Der Hebräerbrief nimmt mehrfach auf die alttestamentlichen Gotteseide Bezug (Hebr 6,13 u. ö.). In prophetischer Rede erscheint der Schwur Gottes, um Gerichtsankündigungen für das Volk Israel (Am 4, 2) oder andere Völker (Jes 14, 24) zu bekräftigen. Auch die Zuverlässigkeit und Dauerhaftigkeit der Zusagen Gottes an David wird durch Gottes Schwur ausgedrückt (Ps 89, 4.36.50; 132, 11). Kreuzer, Siegfried, »So wahr ich lebe …«. Schwurformel und Gottesschwur in der prophetischen Verkündigung, in: Peter Mommer u. a. (Hg.), Gottes Recht als Lebensraum, FS H. J. Boecker, Neukirchen-Vluyn 1993, 179-196. Sutter Rehmann, Luzia, Konflikte zwischen ihm und ihr. Sozialgeschichtliche und exegetische Untersuchungen zur Nachfolgeproblematik von Ehepaaren, Gütersloh 2002. Vahrenhorst, Martin, »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«. Matthäus im halachischen Diskurs, Neukirchen-Vluyn 2002.

Uta Schmidt / Luise Schottroff / Claudia Janssen

Eigentum 1. Zur Terminologie Im modernen Recht wird zwischen Besitz und Eigentum unterschieden. Besitz meint dabei eine eingeschränkte Verfügungsgewalt über eine

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Sache (etwa beim Besitz einer gemieteten Wohnung deren Gebrauch), während Eigentum eine (weitgehend) unbeschränkte Verfügungsgewalt impliziert, v. a. das Recht des Verkaufs, der Verpfändung, Beleihung, Vererbung usw. (so im Unterschied zur Mietwohnung bei einer Eigentumswohnung). In einer auf Landwirtschaft basierenden Gesellschaft wie der antiken geht es vor allem um Eigentum an Land und anderen Ressourcen. In der Antike werden Sklavinnen und Sklaven selbstverständlich als Eigentum ihrer Herrschaften verstanden. Das hebräische Recht unterscheidet also nicht zwischen Eigentum an Sachen und an Personen. So gilt nach Ex 21, 21 in einem bestimmten Fall beim gewaltsamen Tod eines Sklaven der Herr als der Geschädigte: Die Begründung dafür heißt: »denn es war sein Geld«, d. h. der Herr hat nicht das Leben eines Menschen, sondern sein eigenes Kapital vernichtet. Zwar kann man die hebräischen Termini für Besitz / Eigentum, 3ahuzza¯h und nahala¯h, nicht ˙ ˙ auf die modernen juristischen Begriffe aufteilen. Dennoch geben sie zwei unterschiedliche Aspekte wieder: 3ahuzza¯h leitet sich von dem Verb 3ahaz ab, ˙ ˙ was festhalten bedeutet und besonders auf Gebrauch abzielt, während mit nahala¯h der Erbbesitz ˙ bezeichnet wird, also das vererbbare Eigentum. Bei diesem gibt es eine starke Tendenz, den vererbten Besitz möglichst nicht zu veräußern (vgl. die ablehnende Reaktion Nabots auf das Kauf- oder Tauschangebot des Königs in 1 Kön 21, 3). 2. Die Verhältnisse in Israel bis zur Perserzeit Es ist davon auszugehen, dass es seit den Zeiten der Entstehung Israels am Ende des 2. Jt. Eigentum der einzelnen Bauernfamilien gibt. Dieses wird als Erbbesitz verstanden, der möglichst in der Familie zu halten ist. Die Tatsache, dass sich in der Bande Davids aus der Zeit vor seinem Königtum über Juda Männer befinden, die verschuldet sind und sich dem Gläubiger entziehen (1 Sam 22, 2), weist darauf hin, dass Eigentum verpfändet werden und der Zugriff des Gläubigers auf Sachen und Personen erfolgen kann (vgl. auch 2 Kön 4, 1-7). Diese Möglichkeit wird ab dem En-

de des 8. Jh. zu einer Realität, die die Fundamente der Gesellschaft gefährdet. So beklagen Jes 5, 8 und Mi 2,1 f. die Konzentration von Häusern und Feldern in den Händen Weniger und die damit verbundene Enteignung der ehemaligen Besitzer. Dabei kritisieren die Propheten nicht das Eigentum als solches, sondern den müßigen Besitz, der den Besitzer nicht zur Arbeit verpflichtet, sondern ihm ermöglicht, die Früchte der Arbeit von ihm Abhängiger luxuriös zu verzehren. Von den Bauern persönlich genutztes Eigentum gilt durchaus als Voraussetzung für den Segen Gottes, der auf solcher Arbeit liegt (Kessler). Bundesbuch und Deuteronomium als Rechtskodizes aus der Königszeit setzen das Eigentum der Bauernfamilien an den Produktionsmitteln voraus. Sie kennen aber auch die Phänomene der Gefährdung des Eigentums durch Verpfändung bei der Aufnahme von Schulden, Zinszahlungen und schließliche Vollstreckung und versuchen ihr durch Schutzgesetze vorzubeugen (3 Wirtschaftsrecht). Erst im exilischen Heiligkeitsgesetz wird ein grundsätzlicher Eigentumsvorbehalt der Gottheit formuliert: »Das Land gehört mir« (Lev 25, 23). Mit ihm wird begründet, dass Land nicht »für immer« verkauft werden darf, sondern im 3 Jobeljahr an die ursprünglichen Eigentümer zurückzufallen hat. Wie sich auch in der persischen Epoche die Eigentumsverhältnisse ungleich entwickeln, zeigt eindrücklich die in Neh 5, 1-13 geschilderte Episode. Nehemia berichtet von einem Aufstand der kleinen Leute, die aufgrund ihrer Überschuldung an Sachen und Personen gepfändet werden. Die Rede ist von der Verpfändung von Häusern, Feldern und Weinbergen, von der Beleihung von Feldern und Weinbergen, um Getreide zu bekommen, und von der Versklavung von Söhnen und Töchtern, weil Felder, Häuser und Weinberge bereits anderen gehören. Nur durch einen sofortigen Schuldenerlass kann die explosive Situation entspannt werden. 3. Die hellenistisch-römische Zeit In hellenistischer Zeit setzt sich die Entwicklung zu einer ungleichen Besitzverteilung fort. Die

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Eigentum

Herrscher mit ihren Funktionseliten werden zur neuen besitzenden Schicht. Der König gilt in vielen Fällen als Eigentümer des Landes (Königsland), das er mit militärischer Macht (»mit dem Speer«) in Besitz genommen hat. Das Land verpachtet er an andere (griechische Kolonisten, ehemalige Soldaten, indigene Bauern usw.). Auch die Eliten sind Besitzer umfangreicher Ländereien, die sie verpachten. Land befindet sich in Verfügungsgewalt einiger weniger (3 Pacht). Die Angehörigen der Unterschicht verfügen außer über ihre landwirtschaftlichen oder handwerklichen Geräte kaum über Eigentum an Land etc. Sie müssen sich Land pachten, um produzieren zu können. Verpachtung von Eigentum führt, wenn die Pachtsummen nicht aufgebracht werden können, zur Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen (Schuldsklaverei). Durch die Pacht wird die Herrschaft über andere ausgeweitet. Eigentum ist eine wichtige Basis von Herrschaft, die es in der Sicht der Oberschicht auszubauen gilt. Im Römischen Reich stellen die Provinzen den Besitz des römischen Staates dar, der den unterworfenen Völkern zur Bewirtschaftung gegen Tribut- und Steuerzahlungen überlassen wird. Die von den Römern Unterworfenen verlieren ihren Besitz an die Sieger (vgl. die Umverteilung von Land nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes u. a. in Flav. Jos. Bell. 7, 6,6). Privateigentum ist in der Sicht der Oberschicht der hellenistisch-römischen Gesellschaft die Grundlage des Gemeinwesens, die nicht angetastet werden darf. Der Bürger – so die Sicht vieler staatsphilosophischer Entwürfe (vgl. u. a. Arist. e. N. 1295a25-1296b12 und Cic. rep. 4, 3-5) – muss über ein Eigentum verfügen, das ihm ein unabhängiges Leben sichert. Jeder Versuch, ungleiche Besitzverhältnisse zugunsten der Armen und Besitzlosen zu verändern, wird als Versuch, die Ordnung des Staates zu zerstören, bewertet. Die Größe des Eigentums entscheidet in hellenistischen Städten auch über den Umfang des politischen Mitspracherechts (Zensuswahlrecht). Im römischen Kaiserreich wird der Zugang zum Ritter- und Senatorenstand über einen Ver-

mögenszensus gesteuert. Eigentum ist innerhalb der hellenistisch-römischen Gesellschaft auch eine wichtige Grundlage für gesellschaftliche Anerkennung. In der hellenistischen Zeit treten vermehrt Frauen als Eigentümerinnen und damit als wirtschaftlich tätige Subjekte auf. Frauen sind Eigentümerinnen von Grundstücken und Produktionsstätten (P.SB X,10532; Suet. Cl. 18.19; Var. rust. 2, 2,20). Die testamentarische Verfügung in IG XII,3, 330, 98 nennt Frauen als Erbinnen gleichwertig neben Männern. IG XII,5, 872, § 8 kennt sogar den gemeinschaftlichen Besitz von zwei nicht verwandten Frauen. Gleichzeitig wird ein Eheverständnis – neben anderen – praktiziert, in dem die Ehefrau als Eigentum des Mannes gilt (vgl. die auch noch in der frühen Kaiserzeit praktizierte römische manus-Ehe [Gai. inst. 1, 109-113], die die Ehefrau in der Verfügungsgewalt des Mannes sieht). 4. Widerstand und Alternativentwürfe in der jüdischen und frühchristlichen Gegenkultur In Israel beinhaltet das Verständnis von Land als Privatbesitz Konfliktpotenzial: Die unterschiedlichen Eigentumskonzeptionen sind eine Ursache für Aufstandsbewegungen. Der Aufstand gegen den Zensus 6 n. Chr. richtet sich gegen den Anspruch des Kaisers, Israel als sein Eigentum zu sehen und Steuern zu erheben (tributum agri). Zu Beginn des Aufstandes 66 n. Chr. werden in Jerusalem Schuldurkunden verbrannt: Die rechtlichen Grundlagen für die Ausbeutung der bäuerlichen Schicht durch die Aristokratie und die Anhäufung von immer größerem Privatbesitz werden zerstört. Die Aufschrift von Münzen der Aufständischen zeigt, dass es ihnen um die Wiederherstellung des Kollektivs Israels als gemeinsamer Nutznießer des Landes geht, womit der Besitzanspruch Roms und der lokalen Eliten zurückgewiesen wird. Zu den Aufständischen in Galiläa zählen u. a. die Fischer vom See Gennesaret (Flav. Jos. Vit. 66): Sie sind nur Pächter der Fischereilizenzen auf dem See. Ihre Bereitschaft zum Aufstand zeigt, wie wenig ihre Arbeit sie absichern kann.

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Petrus und die anderen lassen, als sie Jesus nachfolgen, eine unsichere Existenz zurück. Sie kehren in der Nachfolge Jesu der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft den Rücken. Auch Mk 12, 1 ff. zeigt, wie konfliktgeladen Pachtverhältnisse sind: Die Pächter gehen, als sie die Pacht nicht mehr zahlen, mit Gewalt gegen die Abgesandten des Verpächters vor. Neutestamentliche Texte bringen zur Sprache, dass Menschen zum Eigentum von Menschen wurden (Offb 18, 13): Die Besitzenden machen Sklaven zu Instrumenten in ihrem Herrschaftssystem. Neben der Arbeit in der Landwirtschaft und den Bergwerken werden Sklaven als Verwalter des Vermögens eingesetzt. Ihre Stellung haben sie nur solange inne, wie sie im Sinne des Herrn funktionieren. Die Köper von Sklavinnen werden zu Objekten der sexuellen Bedürfnisse ihrer Besitzer. Die synoptischen Evangelien stehen in Distanz zu den Eigentumsverhältnissen der griechischrömischen Gesellschaft (und den damit verbundenen kulturellen Wertungen). An den reichen Mann ergeht in Mk 10 die Aufforderung Jesu, seinen Reichtum zugunsten der Armen zu verkaufen, d. h. er soll auf seinen gesellschaftlichen Status verzichten. Das Reich Gottes und das Festhalten an gesellschaftlichen Statusunterschieden schließen sich aus. Die Anhäufung von Eigentum auf Kosten anderer wird scharf angegriffen (Lk 6, 24 f.; 12, 13-21; 16, 19-31). Es entsteht eine Vision von alternativen Eigentumsverhältnissen: Mk 10, 29-31 geht davon aus, dass in der Nachfolgebewegung Häuser und Land nicht als Eigentum einzelner verstanden werden, sondern als Eigentum der ganzen Gruppe. In der Apostelgeschichte wird Besitz zum Wohl aller verkauft (2, 44 f.). Eigentum dient hier nicht zur Absicherung und Demonstration von Herrschaft, sondern wird in den Dienst der Gemeinschaft gestellt. Sie verfügt darüber, um Not zu beseitigen und den Zusammenhalt der Gruppe zu fördern. Innerhalb von Lukasevangelium und Apostelgeschichte agieren Frauen als Eigentümerinnen, die ihren Besitz ebenso für die Gruppe einsetzen (u.a Lk 8, 3;

Apg 16, 14 f.). Apg 2, 44 hat neben besitzenden Männern auch Frauen im Blick. Die neutestamentlichen Evangelien gehen von einer Umkehrung der Besitzverhältnisse aus. Lk 1, 53 spricht davon, dass Reiche ihren Besitz verlieren, und Hungernde satt werden. D. h. die Ursache des Hungers, die in der ungerechten Besitzverteilung liegt, wird beseitigt. In Mt 5, 5 wird den Sanftmütigen der Besitz des Landes verheißen. Das Land verbleibt nicht mehr in den Händen der Mächtigen. In Jak 2, 1 ff. werden die Folgen der kulturellen Bewertungen von Reichtum reflektiert: Die Zurschaustellung von Statusunterschieden setzt die Armen herab (2, 3 f.) und schadet so dem Zusammenhalt der Gemeinde. 5. Theologische Metaphorik In der Hebräischen Bibel wird nicht nur, wie erwähnt, ein Eigentumsvorbehalt der Gottheit in Bezug auf realen Landbesitz formuliert. Auch die Beziehung der Gottheit zu ihrer Verehrerschaft kann in Begriffen aus dem Bereich der Eigentumsvorstellungen gefasst werden. Am offensichtlichsten ist das, wenn Israel als »Volk seines (sc. JHWHs) Erbbesitzes« oder direkt als »sein Erbbesitz« (nahala¯h) bezeichnet wird (Dtn 4, 20; ˙ 9, 26 u. ö.). Umgekehrt kann aber auch JHWH als Erbbesitz der Aaroniden bzw. Leviten gelten (Num 18, 20; Dtn 10, 9 u. ö.), wodurch diese vor dem übrigen Volk ausgezeichnet werden. Auch das, was in religiöser Sondersprache als »Erlösung« erscheint, hat seine Herkunft in Eigentumsvorstellungen (3 Auslösen / Erlösen). Es geht um den Freikauf eines Versklavten, der anschließend seinem Freikäufer gehört. Präzise formuliert dies Jes 43, 1: »Fürchte dich nicht (Israel)! Ich habe dich erlöst (= freigekauft), ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Mir gehörst du.« Auch die Befreiung der Menschen durch Christus wird als Loskauf gedeutet. Sie gehören nicht mehr den Mächten der Welt (u. a. 1 Kor 7, 22 f.; Offb 5, 9 f.), sondern Gott bzw. Christus. Diese Aussagen bestreiten die absolute Verfügungsgewalt weltlicher Mächte über Menschen. Auch die Teilhabe am

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Ekklesia

Reich Gottes wird in Eigentumskategorien gedeutet (Mt 25, 34; Röm 8, 17). Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter, Tübingen 2002. Gerleman, Gillis, Nutzrecht und Wohnrecht. Zur Bedeutung von 3hzh und nhlh, ZAW 89 (1977), 313-325. ˙ ˙ Heinsohn, Gunnar / Steiger, Otto, Eigentum, Zins und Geld. Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft, Reinbek bei Hamburg 1996. Horst, Friedrich, Das Eigentum nach dem AT, in: ders., Gottes Recht, ThB 12, München 1961, 203-221. Ders., Zwei Begriffe für Eigentum (Besitz) nahala¯ und ˙ 3ahuzza¯, in: Arnulf Kuschke (Hg.), Verbannung und ˙ Heimkehr, FS W. Rudolph, Tübingen 1961, 135-156. Jochum-Bortfeld, Carsten, Die Verachteten stehen auf. Widersprüche und Gegenentwürfe des Markusevangeliums zu den Menschenbildern seiner Zeit, Stuttgart 2008. Kessler, Rainer, Arbeit, Eigentum und Freiheit. Die Frage des Grundeigentums in der Endgestalt der Prophetenbücher, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 231-250. Ders. / Loos, Eva (Hg.), Eigentum: Freiheit und Fluch. Ökonomische und biblische Einwürfe, KT 175, Gütersloh 2000. Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 1992. Pomeroy, Sarah B., Frauenleben im klassischen Altertum, Stuttgart 1985. Stavrianopoulou, Eftychia, »Gruppenbild mit Dame«. Untersuchungen zur rechtlichen und sozialen Stellung der Frau auf den Kykladen im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 42, Stuttgart 2006. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 2 1997.

Carsten Jochum-Bortfeld / Rainer Kessler

Ekklesia Im frühen Christentum steht ekklesia (»Gemeindeversammlung«) mehrheitlich als Selbstbezeichnung sowohl für die konkrete lokale Einzelgemeinde als auch für die Vorstellung einer universalen Gesamtgemeinde, der christlichen

Kirche. Vereinzelt begegnet im Neuen Testament darüber hinaus der Gebrauch zur Bezeichnung einer profan-politischen Volksversammlung (Apg 19, 32.39 f.) oder des biblischen Volkes Israel (Apg 7, 38). Während dem griechischen Begriff in der hellenistisch-römischen Umwelt der ersten Christen vor allem eine staatsrechtlich-politische Bedeutung zukommt, dient er in der jüdischen Tradition der Septuaginta häufig als Äquivalent der hebräischen Ausdrücke 2eda¯h und qa¯ha¯l. Letzterer bezeichnet generell eine durch Ort und Zeit bestimmte Versammlung von Menschen (1 Sam 19, 20; Spr 5, 14 u. ö.; vgl. Hebr 2, 12) und speziell die (z. B. zum Empfang der Tora oder zum 3 Gottesdienst) versammelte Gesamtgemeinde Israels (vgl. Dtn 4,10; 9, 10; 31, 30 u. ö.). In Qumran ist qa¯ha¯l bzw. qa¯ha¯l 3¯el (»Gemeinde Gottes«) mehrheitlich eschatologisch konnotiert und steht dabei zumeist für die eigene auserwählte Gemeinschaft (vgl. 4QMMTb 40). Die spezifisch christliche Verwendung von Ekklesia tritt zum einen in Konkurrenz zum zeitgenössischen paganen Vereinswesen und zur römischen imperialen Metaphorik (vgl. Eph 3, 10; 5, 23-32) und nimmt zum anderen den semantischen Gehalt von qa¯ha¯l zur Bezeichnung der eschatologischen Sammlung Gottes auf (1 Kor 12, 28; vgl. Dtn 23, 2-9). Im Neuen Testament wird der Terminus Ekklesia nahezu ausschließlich zur Bezeichnung nachösterlicher christusgläubiger Gemeinschaften verwendet. Die rekonstruierbare Verkündigung des historischen Jesus vom Anbruch der erlösenden Gottesherrschaft verfolgte keine separate Gemeindebildung, sondern die messianische Integration ganz Israels. Diese wird versinnbildlicht im Zwölferkreis und in der Hinwendung Jesu zu bzw. in der Mahlgemeinschaft mit marginalisierten Gruppen der jüdischen Gesellschaft. Die vereinzelten Erwähnungen von Ekklesia im Matthäusevangelium (Mt 16, 18; 18,17) stehen im Kontext der nachträglichen Verankerung frühchristlicher Strukturen in die Jesustradition. Keiner der anderen Evangelisten verwendet den Begriff; vielmehr vertreten die Erzählfiguren der Nachfolgegemeinschaft im Rahmen ihrer kreati-

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Ekklesia

ven narrativen Ausgestaltungen der Jesusüberlieferung ihre nachösterlichen Adressaten und deren Gemeinden. Auf der Grundlage der Übertragung theologischer Prädikate Israels auf die christliche Gemeinde begegnet ekklesia (1 Thess 1, 1; 1 Kor 4, 17; 7, 17; 16, 1.19; 2 Kor 8, 1; 12, 13; Gal 1, 2.22; Röm 16, 16; Phil 4, 15 u. ö.) bzw. ekklesia tou theou (1 Thess 2, 14; 1 Kor 1, 1; 2 Kor 1, 2) erstmals im paulinischen Schrifttum zur Bezeichnung von lokalen christlichen Einzelgemeinden als organisatorische und theologische Größen. Diese bestehen wohl unabhängig von den örtlichen Synagogengemeinden (zunächst von Paulus selbst verfolgt 1 Kor 15, 9; Gal 1, 13; Phil 3, 6; vgl. Apg 9, 31). Daneben steht Ekklesia in den paulinischen Briefen für ihre gottesdienstlichen Versammlungen als Teil des einen eschatologischen Gottesvolkes aus Juden und Heiden. Außerdem kennzeichnet der Begriff die Gesamteinheit aller Christen als Adressaten der geforderten Handlungsweisen in betonter Gleichsetzung mit der jüdischen und nichtjüdischen Umwelt (1 Kor 10, 32). Schließlich bezeichnet Ekklesia die – sämtliche Klassenschranken transzendierende – Gemeinschaft derer, die Gott erwählt hat (1 Kor 11, 22). Der heterogene Wortgebrauch bei Paulus entspricht der semantischen Polyvalenz des griechischen Begriffs und seines hebräischen Äquivalents in der jüdischen Tradition. Unwahrscheinlich ist dagegen die Annahme eines übergreifenden paulinischen Konzeptes der Repräsentation der Gesamtkirche in den lokalen christlichen Einzelgemeinden. Der durch Paulus geprägte christliche Gebrauch des Terminus Ekklesia wurde in der jüngeren frühchristlichen Tradition fortgeführt und weiterentwickelt (2 Thess 1, 1.4; 1 Tim 3,15 f.; 3 Joh 6; Offb 1, 4.11.20; 2,1-29; 3, 1-22; 22, 16) und – vor allem in den deuteropaulinischen Schriften – unter Aufnahme paulinischer Bildsprache (1 Kor 12, 12 ff.; Röm 12, 1 ff.) in kosmischer Perspektive ausgestaltet (Kol 1, 18.24; Eph 1, 22 f.; 3,10; 5, 2332). Erkennbar ist dabei durchweg die Tendenz zur überlokalen Bedeutung als christliche Gesamtgemeinde. In der Apostelgeschichte repräsentiert die Ekklesia (möglicherweise im Kontext

einer literarischen Periodisierung der Heilsgeschichte durch den dritten Evangelisten) zumeist den Abschnitt zwischen Ostern und Parusie, wobei die Kirche in einer vom Handeln Gottes bestimmten Kontinuität zur Geschichte Israels steht. Die Ekklesia entsteht aber in Israel und hält den Ruf an Israel fest (Apg 5, 11; 8, 1.3; 9, 31; 11, 22.26; 12, 1.5; 14, 27; 15, 3 f.22.41; 16, 5; 18, 22; 20, 28). Die »Ekklesia der Erstgeborenen« in Hebr 12, 23 bezieht sich nicht direkt auf die irdische Christusgemeinde, sondern meint die zum kultischen Dienst am himmlischen Heiligtum zusammentretende Festversammlung. Auf deren Mitgliedschaft besitzt das irdisch noch wandernde Gottesvolk freilich bereits eine privilegierte Anwartschaft. Die frühchristliche Verwendung des Begriffs Ekklesia ist von Anfang an heterogen, zeigt aber eine gewisse Entwicklungstendenz ausgehend von der Bezeichnung der aktuellen religiös bestimmten Versammlung einer konkreten Hausbzw. Ortsgemeinde (Jerusalem?) hin zu deren – zunächst offenbar vor allem von eschatologischem Selbstverständnis geleiteten – Selbstbezeichnung. Von hier aus wurde Ekklesia zum umfassenden Begriff für die christliche Kirche als organisierte und fassbare Institution. Versammlungsorte der ersten christlichen Gemeinden waren zumeist Privathäuser (Phlm 2; Röm 16, 4 f.23; Kol 4, 15 f.; vgl. 1 Kor 14, 12-35). Als Leiter der Hausgemeinde fungierte mehrheitlich wohl der pater familias; allerdings beweist Röm 16, 3.12.15 (vgl. Kol 4, 15) auch die Existenz von weiblichen Oberhäuptern der ersten Hausgemeinden. Zu den im Neuen Testament erwähnten Funktionen und Aufgaben der Ekklesia im Sinne einer konkreten Gemeinde gehören u. a. Gebet und Gotteslob (1 Kor 14, 26; Apg 2, 46 f.; Eph 3, 21), Fürbitte (Apg 12, 5), materielle Unterstützung von Personengruppen in prekärer wirtschaftlicher Situation (1 Tim 5, 16; vgl. Röm 16, 1) und von christlichen Missionaren (2 Kor 11, 8). In 1 Kor 12, 28-30; 14, 1-33a.36-40 differenziert Paulus zwischen verschiedenen einander ergänzenden Begabungen (d. h. gottgeschenkten Gaben) der Gemeindeglieder. Ihr heilvolles geschwisterliches

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Emotionen

Zusammenwirken soll die von ihm getadelten Spaltungen (d. h. das individualistische Vollendungsbewusstsein) innerhalb der korinthischen Gemeinde überwinden (1 Kor 11,18). Gemäß 1 Kor 11,16 entwickeln die autonomen lokalen Gemeinden individuelle Bräuche. Nach 1 Tim 3, 5 müssen bestimmte Angehörige der Ekklesia für diese in organisatorischer Hinsicht Sorge tragen. Bereits 1 Kor 6, 4 erwähnt Richter in den Gemeinden, Apg 13,1 auch Propheten und Lehrer, Apg 14, 23; 15, 22; 20, 17; Tit 1, 5 u. ö. Älteste, Phil 1, 1; 1 Tim 3, 8.12 (vgl. Apg 20, 28) Bischöfe und Diakone. Die Ekklesia setzt christliche Missionare (2 Kor 8, 18 f.) und Abgesandte (2 Kor 8, 23 f.) ein. In Mt 18, 17 (vgl. 1 Kor 5 f.; 3 Joh 9 f.) erscheint die christliche Gemeinde als Institution mit nicht allein gottesdienstlicher, sondern auch rechtlich-institutioneller und disziplinarischer Autorität, wobei sie als Sozialverband zunächst durch ihre ahierarchischen und ainstitutionellen Strukturen gekennzeichnet ist (1 Kor 6, 4; Mt 18, 1 ff.). Fundament der christlichen Identität aller Glieder dieser Gemeinschaft und aller zwischenmenschlichen (insbesondere familiären) Relationen untereinander ist die christliche Taufe. Sie stellt zugleich die Voraussetzung der sozialen und ökonomischen Teilhabe an der christlichen Gemeindesolidarität dar. Die durch sie begründete und in der Tischgemeinschaft realisierte Zugehörigkeit zur Ekklesia transzendiert statusbestimmende Volkszugehörigkeit, Geschlecht und soziale Stellung (Gal 3, 28; vgl. 1 Kor 11, 22), bewirkt allerdings nicht das Ende der bisherigen außerchristlichen Gemeinschaftszugehörigkeit ihrer Mitglieder, sondern nimmt ihr die konstitutive Bedeutung im Zusammenleben der Christen.

Berger, Klaus, Volksversammlung und Gemeinde Gottes. Zu den Anfängen der christlichen Verwendung von »Ekklesia«, ZThK 73 (1976), 167-207. Delling, Gerhard, Merkmale der Kirche nach dem Neuen Testament, NTS 13 (1966/67), 297-316. Gnilka, Joachim, Die neutestamentliche Hausgemeinde, in: Josef Schreiner (Hg.), Freude am Gottesdienst, FS Josef G. Plöger, Stuttgart 1983, 229-242.

Kee, Howard Clark, Who are the People of God? Early Christian Models of Community, New Haven 1995. Klauck, Hans-Josef, Hausgemeinde und Hauskirche im frühen Christentum, SBS 103, Stuttgart 1981. Merklein, Helmut, Die Ekklesia Gottes. Der Kirchenbegriff bei Paulus und in Jerusalem, in: ders., Studien zu Jesus und Paulus, WUNT 43, Tübingen 1987, 296-318. Schrage, Wolfgang, Ekklesia und Synagoge, ZThK 60 (1963), 178-202. Söding, Thomas, Ekklesia und Koinonia. Grundbegriffe paulinischer Ekklesiologie, Catholica 57 (2003) 107-123. Stiewe, Martin / Vouga, François, Das Fundament der Kirche im Dialog. Modelle des Kirchenverständnisses im Neuen Testament und in der konfessionellen Rezeptionsgeschichte, Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie 5, Tübingen u. a. 2003.

Michael Tilly

Emotionen 1. Allgemeine Grundlagen a) Gefühle und Affekte. Auch wenn das aus dem Französischen ins Deutsche gelangte Wort »Emotion« im biblischen Hebräisch und im neutestamentlichen Griechisch kein Äquivalent hat, kennen natürlich die Frauen und Männer, von denen die Bibel handelt, Gefühls- und Gemütsbewegungen. Emotionen werden konkret und auf bestimmte Situationen bezogen geschildert, von diesen abstrahierende Betrachtungen finden sich hier nicht. Der griechische Begriff aisthesis, der in den zeitgenössischen hellenistisch-philosophischen Diskursen innere Empfindungen und Affekte umfasst, hat in den wenigen Belegen im Neuen Testament diesen Sinn nicht, sondern bezieht sich vor allem auf das ethische Urteilsvermögen (Phil 1, 9, vgl. auch Lk 9, 45; Hebr 5, 14). Auch die stoische Lehre von den Affekten (pathe) findet im Neuen Testament keinen Widerhall, das entsprechende Verb pas3cho ist vor allem auf das Leiden und den Tod Jesu (Mk 8, 31 par) und derjenigen bezogen, die ihm nachfolgen (Apg 9, 16), und weist auf konkretes körperliches und soziales Leiden (Mk 5, 26; Lk 13, 2; 1 Kor 12, 26). Wenn von Emotionen berichtet wird, sind dies vor allem solche, die sich auf andere Menschen

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richten. Dazu gehören zum einen positive Gefühle: Biblische Erzählungen berichten, wie die Menschen lieben – als Frau den Mann (1 Sam 18, 20; Hld) und als Mann die Frau (Gen 34, 3; 1 Sam 1; Hld), als Vater den Sohn (Gen 22, 2) oder als Freunde einander (David und Jonatan); sie zeigen sogar das Ehepaar beim Liebesspiel (Gen 26, 8). Sie sprechen vom sexuellen Begehren (Gen 37, 9-12; 2 Sam 11; 13), aber auch von Erbarmen und Mitleid. Das negative Gegengefühl zur Liebe (3 Liebe / Gemeinschaft) ist der Hass, worunter generell Ablehnung und Abwendung zu verstehen sind, die sich nicht unbedingt in hasserfüllten Gefühlsausbrüchen niederschlagen müssen. Ebenfalls auf andere Menschen gerichtet bzw. von ihnen verursacht sind Furcht, Angst und Schrecken. Aber auch wenn die Texte von Jauchzen, Jubel und Freude, von 3 Trauer, von Klagen und Weinen der Menschen sprechen, beziehen sie sich damit nicht allein auf individuelle innere Gefühlsregungen, sondern auf konkrete Ereignisse und deren Reaktion darauf. Gefühle zu haben und sie auszudrücken, bildet in den Texten eine Einheit. Man kann wohl sagen, dass keine der uns bekannten Emotionen der Bibel fremd ist, auch wenn der Deutungsrahmen, in dem sie stehen, in vielen Fällen ein anderer ist als der heutige unserer westlichen Kultur. Die Ausdrucksformen, in denen sich Gefühle zeigen, sind immer sozial erlernt und kulturell bestimmt. Deshalb ist ein Verständnis von Gefühlen nur durch Analyse des sozialen Kontextes zu erschließen. b) Emotionen und Körper. Für das biblische Verständnis sind Emotionen stärker und oft auch anders körperlich situiert als in unserer Kultur (3 Körper). Emotionen werden vor allem den inneren Organen zugeordnet: dem Herzen, den Eingeweiden, Nieren, der Galle oder Leber. Am offenkundigsten ist das bei der »Barmherzigkeit«, die bei uns mit dem Herzen verknüpft wird (auch lat. misericordia), im Hebräischen dagegen mit dem Mutterleib (ræhæm = Mutterleib, ˙ rahamı¯m = Erbarmen, Barmherzigkeit; Trible). ˙ Damit findet allerdings keine Festlegung des Erbarmens auf ein biologisches Geschlecht statt,

denn neben dem Erbarmen einer Mutter für ihr Kind (1 Kön 3, 26) kann die Vokabel auch Barmherzigkeit zwischen Männern und das Mitgefühl Gottes bezeichnen (Gen 43, 14.30; Neh 1, 11). Im neutestamentlichen Griechisch ist im Zusammenhang von Mitleid, Erbarmen und Liebe entsprechend von den Eingeweiden die Rede (Lk 1, 78; Phil 1, 8; 2, 1; Kol 3, 12). Das Herz ist in erster Linie der Sitz von Verstand und Wille. Im Herzen können aber auch Freude und Fröhlichkeit sein (Ex 4,14; 1 Sam 2, 1), ebenso wie Bekümmerung (Gen 6, 6; Röm 9, 2), aber auch Stärke (Am 2, 14), planender und ausführender Wille (Jes 63, 4; Röm 6, 17) sowie weiser (Spr 10, 8) und einsichtiger Verstand (1 Kön 5, 9). Am deutlichsten wird diese Bündelung von Emotion, Wille und Verstand in der Vorstellung, dass die Tora Gottes (3 Tora / Nomos) den Menschen ins Herz geschrieben wird, so dass sie in der Lage sind, sie von innen heraus zu tun (Jer 31, 33; Röm 2,15; Hebr 8,10; 10,16). Organ des Begehrens (3 Habgier / Begierde) ist vorrangig die Kehle (næfæsˇ), wobei die Kategorie so zentral ist, dass næfæsˇ schließlich »Person, Selbst, Leben« (3 Leben) bedeuten kann. Der neutestamentliche Sprachgebrauch schließt sich diesem Verständnis an: psyche bezeichnet nicht die »Seele« im Gegensatz zum Körper, sondern den lebendigen Menschen (1 Kor 15, 45) und das natürliche physische Leben (Mt 6, 25; Mk 8, 35 ff. par; Apg 20, 10). Der Gedanke einer unsterblichen Seele ist dem Alten und Neuen Testament fremd. Die Liste der Verbindungen zwischen Organen und Gefühlen ließe sich fortführen, wobei sich zeigt, dass es keine eindeutige Zuordnung bestimmter Emotionen exklusiv zu bestimmten Körperteilen gibt. Vor allem gibt es keine getrennte Zuordnung von emotionalen und rationalen Äußerungen, weil der zugrunde liegende Dualismus von Rationalität und Emotionalität dem biblischen Denken fehlt. c) Emotionen und Politik. Die Äußerung von Gefühlen wird auf der literarischen Ebene vielfach ritualisiert dargestellt und umfasst mehr als die individuelle Verarbeitung von Alltagserfahrungen. Es ist immer auch eine kollektive

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Dimension angesprochen. Im Alten Testament zeigt sich das deutlich in der Verwendung von Trauermetaphorik in politischen Zusammenhängen. In der Prophetie ist der »Wehe-Ruf« direkt dem Klagegeschrei (3 Gebet / Klage) im Zusammenhang mit der Trauer über einen Verstorbenen entnommen (1 Kön 13, 30; Jer 22, 18), wird nun aber in prophetischer Polemik über Leuten ausgerufen, die in Wahrheit noch leben, in den Augen des Propheten wegen ihrer Untaten aber so gut wie tot sind (Jes 5, 8 ff.; 10,1; Jer 22, 13; Am 6,1; Mi 2, 1). Auf ganz andere Weise wird Klagemetaphorik in der Klage über das untergegangene Jerusalem aufgegriffen (Klgl) – mit langem Traditionshintergrund in den altorientalischen Stadtklagen. In diesem Sinn ist das Weinen Jesu über Jerusalem (Lk 19, 41) keine private, sondern eine politische Äußerung. Dasselbe gilt, wenn auch inhaltlich anders gefüllt, für das Weinen der Reichen über ihr künftiges Schicksal (Lk 6, 25; Jak 5, 1). Die in den Texten des Neuen Testaments dargestellten Empfindungen von Trauer, Schmerz, Qualen und Traurigkeit beschreiben die Realität des (unzeitigen) Sterbens (Mt 2, 18; Mk 5, 35 par; Lk 7, 13), des Abschieds, der Menschen in ein ungewisses Schicksal entlässt (Apg 20, 37; 21, 13), von Krankheit (3 Krankheit / Heilung) und 3 Gewalt (Mt 8, 12 u. ö.; Röm 7, 24; Phil 3, 21; Offb 16, 10 f.), die viele Menschen erleben. In den Texten wird dieses Leid öffentlich, sie nehmen Partei ein für die Opfer und stehen auf der Seite der Erniedrigten, denen sie Trost, Hoffnung und eine Wendung ihrer Lage zusprechen (Lk 1, 48; 6, 20-26; Mt 5, 3-12; Offb 21, 4). Die Darstellung von Menschen, die Gefühle haben und sie zeigen, ist damit Bestandteil der biblischen Gesellschaftsanalyse und Ausgangspunkt für die Situation veränderndes Handeln. Diese eminent politische Dimension tritt deutlich zutage, wenn die Darstellungen mit zeitgenössischen Texten in Verbindung gebracht werden, in denen geschildert wird, dass öffentlicher Ausdruck von Leid und Schmerz nicht erwünscht war und verfolgt wurde (Schottroff 1990). Tacitus beschreibt das Verbot der öffentlichen Klage oder der Bekundung von Trauer für einen Hingerichteten, die

als Akt der Solidarisierung verstanden wurde und die Weinenden selbst in Gefahr brachte (Tac. ann. 6, 19; vgl. auch Suet. Tib. 61; Philo Flacc. 72). Darstellungen von Leid und Trauer in neutestamentlichen Texten haben neben der Darstellung der Realität unter der römischen Besatzungsmacht zugleich ein gemeinschaftsstiftendes Moment, das zur Veränderung der Situation und der Überwindung von Leiden beitragen soll. Auch Lachen und Jubel erhalten auf diese Weise über die individuelle Gefühlsäußerung hinausgehend eine politisch-gesellschaftliche Dimension (Lk 1, 47; 6, 21). Aufgrund dieser Ausweitung der Perspektive kann dann auch das Subjekt emotionaler Äußerungen ein Kollektiv sein: Ganze Völker können jauchzend in die Hände klatschen (Ps 47, 2) und alles Geschaffene kann nach Befreiung / Erlösung (3 Auslösen / Erlösen) seufzen / stöhnen (Röm 8, 22). 2. Gesellschaftliche Funktionen von Emotionen Wie gezeigt, umfassen biblische Darstellungen von Emotionen individuelle und kollektive, innere und politisch-gesellschaftliche Ebenen. Während in der abendländischen Kultur seit der Romantik sozial geregelte Gefühlsäußerungen in Verdacht stehen, nicht »echt« zu sein, werden diese in der biblischen Tradition mit den subjektiven Äußerungen als Einheit gesehen. Ritualisierung von Gefühlsäußerungen hat allgemein gesprochen den Zweck, einen sozial verträglichen Umgang mit Emotionen zu ermöglichen. a) Rechtliche und politische Funktionen. Dtn 21, 15-17 regelt das Erbrecht (3 Erbe) im Fall, dass ein Mann zwei Frauen hat. Wenn dabei die eine als »die geliebte« und die andere als »die gehasste« bezeichnet werden, drückt das zwar auch innere Gefühlszustände des Mannes aus. Doch soll aus diesen Gefühlen rechtlich keine Diskriminierung folgen, weshalb beide Frauen erbrechtlich gesehen gleich zu behandeln sind. Wenn die Hebräische Bibel die Liebe zum Nächsten (Lev 19, 18; 3 Liebe / Gemeinschaft) und zum Fremden fordert (Lev 19, 34), dann spricht sie von einem Gefühl gegenüber diesen Menschen, das sich in einem toragemäßen Handeln gegenüber diesen

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Menschen äußert. Auch die gegenüber Gott geforderte Liebe ist ein Gefühlsausdruck, der alle Dimensionen menschlicher Existenz beansprucht, was durch die Beifügung: »Du sollst JHWH lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen næfæsˇ und mit deiner ganzen Kraft« (Dtn 6, 5) unterstrichen wird. Desgleichen stehen im Neuen Testament Nächstenliebe und Gottesliebe in enger Verbindung mit sozialen Dimensionen (Mt 22, 36-40; Röm 13, 9; Gal 5, 14), indem es in beiden um die Erfüllung der ganzen Tora geht. Die von Jesus in Aufnahme der alttestamentlichen Tradition (Lev 19, 18.34) gepredigte Feindesliebe (Mt 5, 38-48; Lk 6, 27-36) ist dabei als Ausdruck der Nachahmung Gottes zu verstehen und als konkreter Akt des gewaltfreien Widerstands (Schottroff 2003). Feindschaft und Hass gehen von den als Feinden bezeichneten Repräsentanten der römischen Besatzungsmacht aus (Mt 10, 22; Lk 1, 68.71; 6, 22). Feindesliebe soll den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt unterbrechen. Sie ist nicht als passive Haltung zu verstehen, sondern als Aufforderung, sich dem Bösen entgegenzustellen – allerdings nicht mit gleichen Mitteln zu reagieren (Mt 5, 39). Deutungen, welche Nächstenliebe als Konzept universaler Liebe verstehen, die Freunde und Feinde unterschiedslos umfasst, beachten nicht ihre kontextuelle Verortung. Die von Jesus gepredigte Feindesliebe ist als Reaktion auf strukturelle Gewalterfahrungen zu verstehen, die sowohl in persönlichen Beziehungen als auch im politischen Bereich wirksam sind. Auch Furcht ist ein innerer Zustand angesichts äußerer Gefahr. Wenn aber ein Höhergestellter zu einem Niedrigeren sagt: »Fürchte dich nicht!« (1 Sam 22, 23; 2 Sam 9, 7), dann will er ihn nicht primär von seiner inneren Not befreien, sondern gibt ihm zu verstehen, dass er sozial bei ihm angenommen ist. Entsprechendes gilt für die zahlreichen Sentenzen der Spruchweisheit, die den Zorn des Königs (3 Königtum) thematisieren (Spr 14, 35; 16, 14; 19, 12; 20, 2). Sie interessieren sich nicht so sehr für die Gefühlslage des Herrschers, sondern für die sozialen Folgen, die dadurch für seine Umgebung signalisiert werden. Deshalb ist Aufgabe seiner

Umgebung auch nicht, beruhigend auf den zornigen König einzureden, sondern durch weise Ratschläge die Ursache für seinen Grimm aus der Welt zu schaffen. Ein Beispiel für eine Äußerung von Gefühl, die sowohl individuell ausgelebt als auch sozial konnotiert ist, ist das Weinen. Dieses ist eine starke emotionale Äußerung, die auch nach biblischem Verständnis über einen Menschen kommen kann (Gen 43, 30; 45, 1 f.). Zugleich ist sie sozial eingebunden. Als Ausdruck des Schmerzes über ihren schweren Verlust weinen Davids Leute, »bis bei ihnen keine Kraft mehr war zu weinen« (1 Sam 30, 4); dann schreiten sie zur rächenden Tat. David selbst weint, solange sein Sohn sterbenskrank ist; nach dessen Tod hört er auf, weil er die Gottheit nicht länger mit seinem Weinen beeinflussen kann (2 Sam 12,15-23). Und Josefs Weinen vor seinen Brüdern (Gen 50,17) signalisiert diesen, dass er auf Rache verzichtet (Kessler). Auch 3 Trauer ist stark ritualisiert. Sie wird äußerlich signalisiert durch Kleidung und ritualisierte Verwahrlosung (»in Sack und Asche gehen«). Klagefrauen werden herbeigerufen, um der Trauer Ausdruck zu verleihen (Jer 9, 16; Am 5, 16). Für die heutige Interpretation ergibt sich daraus die Schwierigkeit, die Äußerungen einzuschätzen: Sind sie ein authentischer Ausdruck des Leidens? Warum hört David beim Tod des Kindes auf zu weinen? Wichtig ist es, die Situation nicht vorschnell zu bewerten und sich klar zu machen, dass sich Äußerungen von Gefühlen einer eindeutigen Festlegung entziehen. Eine prinzipielle Offenheit der Deutung bleibt bestehen. b) Genderaspekte. Emotionen und die mit Gefühlen verbundenen Körperteile werden in biblischen Texten nicht einem bestimmten biologischen Geschlecht (sex) zugeschrieben. Auch ursprünglich mit dem weiblichen Körper verbundene Empfindungen wie der Schmerz bei der Entbindung werden von Männern für den Ausdruck ihrer Gefühle verwendet (Röm 8, 22; Apg 2, 24). Trauer und Schmerz, Weinen und öffentliches Leiden wird von Frauen und Männern ausgesagt. Das Weinen Rahels (Jer 31,15; Mt 2, 18)

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steht stellvertretend für das Weinen vieler Mütter und Väter. Frauen wie Männer weinen: Rahel und Josef, Hanna und David, Jesus, die Jünger und Jüngerinnen, Maria von Magdala, Petrus, Paulus u. a. Festzustellen ist jedoch, dass der Ausdruck bestimmter Gefühle einem sozialen Geschlecht (gender) zugeschrieben wird. Das gilt ganz stark für den Zorn und alle seine Äußerungen. Er ist Ausdruck von Macht, die sich zornig äußert, wenn die Gerechtigkeit verletzt wird. Sie wird deshalb Königen und besonders dem göttlichen König zugeschrieben und davon abgeleitet Männern (»Mann des Zorns« und »Herr des Grimms« in Spr 29, 22). Nie wird von Frauen gesagt, dass sie zürnen. 3. Gottes Emotionen In einem Konzept, in dem zwischen emotionalen und rationalen Äußerungen nicht kategorial geschieden wird, bereitet es keine Schwierigkeit, Gott Emotionen zuzuschreiben. So wie Gott denkt und plant, einen Willen hat und ihn in Worten äußert, so hat er auch Gefühle, kann lieben, zürnen und sich erbarmen. Was gelegentlich unter dem Stichwort »Anthropomorphismus« als Problem verhandelt wird, bezieht sich dann zumindest in gleicher Weise auf Gottes Planen, Wollen und Reden wie auf emotionale Regungen. Doch stellt die Problematik des so genannten Anthropomorphismus ohnehin eine individualisierende Engführung dar, weil sie Emotionen nur als Äußerungen eines individuellen Charakters auffasst und nicht als eine Form sozialer Mitteilung. Sachgemäß würde man im Blick auf Gott besser von »Soziomorphismus« sprechen. So orientiert sich etwa die Rede von Gottes Zorn an der sozialen Gestalt des idealen Königs. Wie dieser zürnt er nicht aus emotionaler Unbeherrschtheit, sondern weil die Forderung nach Gerechtigkeit verletzt wurde. – Im Reden von göttlichen Emotionen in Analogie zu menschlichen sind zwei scheinbar gegensätzliche Momente vereint: qualitative Gleichheit und kategoriale Differenz. Das Beispiel von Hos 11 kann verdeutlichen, was das heißt. Hier ist zunächst von Gottes Liebe zu Israel die Rede, die schwer

enttäuscht wird (Stichwort »lieben / Liebe« V. 1.4). Wie menschliche Liebe setzt sie sich dem Gegenüber aus und wird dadurch verletzlich. Gott will Israel strafen. Dann aber erfolgt ein emotionaler Umsturz in Gottes Innerem (»mein Herz kehrt sich um« und »meine Reue entbrennt«, V. 8), der die emotionale (und darin soziale) Reaktion des »glühenden Zorns« (V. 9) verhindert. Und dies wird mit der kategorialen Differenz begründet: »Denn Gott bin ich und nicht Mann« (V. 9). – Das antijudaistische Stereotyp, dass der alttestamentliche Gott ein Gott der 3 Rache, der neutestamentliche Gott Jesu aber ein Gott der Liebe sei, beruht zunächst auf der nicht zulässigen Gegenüberstellung von Liebe und Rache. Der Rache geht es wie der Liebe um Gerechtigkeit (3 Gerechtigkeit / Recht) unter dem Aspekt der Wiederherstellung eines versöhnten Zustands (3 Versöhnung). Hinter der Zuschreibung der Rache an Gott steht im Ersten wie im Neuen Testament der Verzicht auf die Ausübung eigener Vergeltung (Dtn 32, 35; Jes 35, 4 f.; Röm 12, 19). Im Übrigen ist die Aufteilung von Rache und Liebe auf die beiden Testamente nicht durch den Textbefund gedeckt. In beiden Büchern betrifft die Mehrzahl der Zuschreibungen barmherzige und fürsorgliche Züge Gottes, auf die die unter Unrecht leidenden Menschen vertrauen.

Baumann, Gerlinde, Liebe und Gewalt. Die Ehe als Metapher für das Verhältnis JHWH – Israel in den Prophetenbüchern, SBS 185, Stuttgart 2000. Crüsemann, Marlene, Das weite Herz und die Gemeinschaft der Heiligen. 2 Kor 6, 11-7, 4 im sozialgeschichtlichen Kontext, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel, FS L. Schottroff, Gütersoh 2004, 351-375. Dietrich, Walter / Link, Christian, Die dunklen Seiten Gottes, 2 Bde., Neukirchen-Vluyn 2 1997 / 2000. Franz, Matthias, Der barmherzige und gnädige Gott. Die Gnadenrede vom Sinai (Exodus 34, 6 f.) und ihre Parallelen im Alten Testament und seiner Umwelt, BWANT 160, Stuttgart u. a. 2003. Groß, Walter, Zorn Gottes – ein biblisches Theologumenon, in: Wolfgang Beinert / Walter Groß (Hg.), Gott – ratlos vor dem Bösen?, QD 177, Freiburg u. a. 1999, 47-85. Jahnow, Hedwig, Das hebräische Leichenlied im Rahmen der Völkerdichtung, BZAW 36, Gießen 1923.

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Enthaltsamkeit

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Claudia Janssen / Rainer Kessler

Enthaltsamkeit Der deutsche Begriff »Enthaltsamkeit« hat keine eindeutige Entsprechung im Alten oder Neuen Testament. Der griechische Terminus Askese (askesis, vgl. askeo) bezeichnet ursprünglich positiv das (leibliche) Sich-Üben (vgl. Apg 24, 16). Als Bezeichnung für Nicht-Praktizieren oder NichtKonsumieren findet im Alten Testament v. a. ˇsmr (sich hüten / sich fern halten; Ri 13, 4; 1 Sam 21, 5) Verwendung; im Neuen Testament begegnen Formen von apecho (sich fern halten; Apg 15, 20.29; 1 Tim 4, 3; 1 Petr 2,11) und enkrateuomai (sich mäßigen; 1 Kor 7, 9; 9, 25; vgl. Tit 1, 8) oder enkrateia (Selbstbeherrschung, Mäßigung; Apg 24, 25; Gal 5, 23; 2 Petr 1, 6). Enthaltsamkeit ist im Alten und Neuen Testament in keinem Fall Selbstzweck oder Mittel zum Heilserwerb. Die meisten Formen der Enthaltsamkeit im Alten Testament sind in der mit der 3 Heiligkeit Gottes korrespondierenden Heiligkeit des Volkes begründet (Lev 19, 2). Als solche Formen gelten die 3 Speisegesetze, die den Ge-

nuss von unreinen Tieren (3 Reinheit / Unreinheit), Blut und Aas ausschließen (Gen 9, 4; Lev 11; Dtn 14, 3-21), der Verzicht auf Arbeit am 3 Sabbat und an den Festtagen (Ex 31, 12-17; 35, 1-3; Lev 16, 29.31; 23) und die sexuelle Enthaltsamkeit während der Periodenblutung der Frau (Lev 15, 24; 18, 19; 20, 18). All diese Praktiken dienen der Heiligung des Volkes. Sexuelle Enthaltsamkeit wird darüber hinaus auch als kultisch motivierte Vorbereitung für eine Theophanie bzw. Begegnung mit dem Heiligen genannt (Ex 19, 14 f.; 1 Sam 21, 5-7). Der (zeitweise) Verzicht auf Wein und Bier sowie auf bestimmte Speisen findet sich im Alten Testament als Vorbereitung der Priester auf ihren kultischen Dienst (Lev 10, 9), als Inhalt von 3 Gelübden, insbesondere im Zusammenhang des Nasiräats (Num 6; z. B. Simson Ri 13, 5 und Paulus Apg 18, 18), sowie als lebenslange Verpflichtung der Rechabiter, die auf Geheiß ihres Ahnvaters Jonadab eine antibäuerliche Lebensweise praktizieren und deshalb auf die Kultivierung von Feldern sowie auch auf feste Behausungen verzichten (Jer 35). Daneben begegnet das Fasten als die zeitweise völlige Unterbrechung von Nahrungsaufnahme als Ausdruck der Trauer (1 Sam 31,13; 2 Sam 1, 12) und im Kontext von individuellen und kollektiven Krisensituationen (z. B. Hanna in 1 Sam 1; David in 2 Sam 12,16-25; Dürre in Jer 14,1.12). Das Alte Testament kennt auch, vor allem für die (nach-)exilische Zeit die Einrichtung kollektiver oder nationaler Fasttage, die als Zeichen der Buße und Umkehr liturgische Vollzüge ergänzen (Neh 9, 1; Jes 58, 3-7; Joel 1, 14; Sach 7; Jona 3, 5). Als politisches Signal ist Enthaltsamkeit weniger aussagestark und demonstrativ als z. B. 3 Beschneidung (1 Makk 1, 48.63 f.) oder Sabbatheiligung (1 Makk 1, 43.45; 2, 34.38; 2 Makk 6, 6.11). Im Neuen Testament dient Enthaltsamkeit als Medium individueller Konzentration und Ausrichtung auf das Reich Gottes. Die neutestamentlichen Texte stellen Phasen und Akte der Enthaltsamkeit nicht grundsätzlich infrage (Mt 6, 16-18), so wird etwa auch Jesus als ein zeitweise Fastender beschrieben (Mt 4,1 f. par). Entschieden wird

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Enthaltsamkeit

ein Fasten abgelehnt, das einen anderen als Gott zum Adressaten hat (Mt 6,16-18). In dieser Hinsicht steht Fasten als Ausdruck der Enthaltsamkeit in einer Reihe mit dem Geben von Almosen (Mt 6, 1-4) und Gebet (Mt 6, 5-8; 3 Gebet). Wird die irdische Gegenwart Christi (die »Anwesenheit des Bräutigams«; Mt 9,14 f. par) als Präsenz des Reiches Gottes auf Erden verstanden (Lk 11, 20), dann erübrigt sich jede Enthaltsamkeit. Sie würde zum Zeichen des Unglaubens an die Gegenwart des Heils. Umgekehrt ist das Ende der Enthaltsamkeit Ausdruck der angebrochenen Heilszeit. Paulus sieht in der Fähigkeit zur Enthaltsamkeit (vgl. Sutter Rehmann) eine Gnadengabe (charisma, 1 Kor 7, 7; vgl. 1 Clem 38, 2). Es handelt sich folglich um keine von allen Christen eingeforderte Leistung oder um eine von allen Gläubigen gleichermaßen anzustrebende Art der Lebensführung. Die Teilhabe am Heil in Christus erleidet durch ein geordnetes, nicht enthaltsames Leben keinen Schaden (1 Kor 7, 28.36). Enthaltsamkeit hat im Umfeld des Neuen Testaments ihre Basis in einem Geist-Leib-Dualismus (vgl. Philo LA III, 190; Flav. Jos. Vit. 11 f.; Polyk 7, 2). Ein solcher Dualismus ist nicht deckungsgleich mit dem Dualismus von Reich Gottes und gegenwärtiger Welt. Paulus beschreibt das Sein derer, die an der Auferstehung der Toten teilhaben, als eine von Gott erneuerte leibliche Existenz (1 Kor 15, 40.44). Davon zu unterscheiden ist die alte »fleischliche« Existenz (1 Kor 15, 50). Paulus rechnet mit der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi (Röm 13, 11; 1 Kor 7, 26.29; 10,11). Wegen der damit verbundenen Bedrängnisse gilt für diejenigen, die zur Abstinenz befähigt sind, die Enthaltsamkeit als bessere Alternative (1 Kor 7, 8 f.26 f.37 f.). Der 1 Tim sieht bestimmte Ämter in der Gemeinde vor für ältere, zölibatär lebende Witwen (1 Tim 5, 9 f.). Johannes der Täufer, Jesus (Mt 19, 10-12) und Paulus (1 Kor 7, 8.25-40) scheinen ehelos gelebt zu haben. Anders als von Jesus (Mt 11,19 par) wird von Johannes dem Täufer u. a. auch der Verzicht auf alkoholische Getränke berichtet (Lk 1, 15; 7, 33). Allen, die sich sexuell nicht enthalten können,

empfiehlt Paulus die Eheschließung (3 Ehe), damit nicht über das Medium der Enthaltsamkeit der Satan Zugriff erhält und damit der Sinn der Enthaltsamkeit ins Gegenteil verkehrt wird (1 Kor 7, 8 f.; 1 Tim 5, 11-16). Paulus gesteht Enthaltsamkeit in einer Ehe allein für die Zeit des gemeinsamen Gebets zu (1 Kor 7,5 f.). Zeitlich begrenzte Enthaltsamkeit wurde oft durch ein 3 Gelübde bekräftigt. Demgegenüber fordert Jesus in der Bergpredigt, überhaupt nicht zu schwören (Mt 5, 33-37), worunter auch die verschiedenen Formen von (Entsagungs-)Gelübden zu fassen sind. Von Paulus ist ein traditionskonformer Umgang mit Gelübden berichtet (Apg 21, 23 f.; vgl. 18, 18). In den Deuteropaulinen dominiert eine kritische Haltung gegenüber der Enthaltsamkeit (Kol 2, 23; 1 Tim 4, 8; 5, 23); alles, was mit Danksagung empfangen ist (1 Tim 4, 4), ist gute Gabe Gottes. Charakteristische Formen der Enthaltsamkeit bieten die Möglichkeit zu sozialer Abgrenzung und Differenzierung. In der Didache werden die unterschiedlichen wöchentlichen Fastentermine zu einem Kriterium der Abgrenzung zwischen christlichen und jüdischen Gemeinden (Did 8,1; vgl. 1, 3). Josephus beschreibt die Enthaltsamkeit der Essener (3 Religiöse Bewegungen) als Wesensmerkmal, das sie aus ihrer Umwelt heraushebt. Sie sei Ausdruck der Beherrschung aller Leidenschaften (Flav. Jos. Bell. II,120.138). Auch untereinander unterscheiden sich die Essener durch ihre Art des Umgangs mit sexueller Enthaltsamkeit. Während eine Essenerfraktion asexuell lebt (Flav. Jos. Bell. II,120), gesteht eine andere geschlechtlichen Umgang zum Zwecke der Zeugung zu (Flav. Jos. Bell. II,160 f.). Ob das von Josephus als Motivation benannte negative Frauenbild (Flav. Jos. Bell. II,121) das der Essener oder mehr sein eigenes war, lässt sich kaum mit Sicherheit eruieren. Brown, Peter R. L., Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit am Anfang des Christentums, aus dem Englischen von Martin Pfeiffer, München 1991. Hoffman, Yair, The fasts in the Book of Zechariah and the

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Erbe

fashioning of national remembrance, in: Oded Lipschits (Hg.), Judah and the Judeans in the Neo-Babylonian period, Winona Lake 2003, 169-218. Ostmeyer, Karl-Heinrich, Die Sexualethik des Antiken Judentums im Lichte des Babylonischen Talmuds, Berliner Theologische Zeitschrift 12/2 (1995), 167-185. Sutter Rehmann, Luzia, »Und ihr werdet ohne Sorgen sein …«. Gedanken zum Phänomen der Ehefreiheit im frühen Christentum, in: Dorothee Sölle (Hg.), Für Gerechtigkeit streiten. Theologie im Alltag einer bedrohten Welt, Gütersloh 1994, 88-95. Seybold, Klaus, Jes 58, 1-12: Fastenpredigt. Bemerkungen zu einem prophetischen Gedicht, in: Friedrich Hartenstein / Michael Pietsch (Hg.), »Sieben Augen auf einem Stein« (Sach 3, 9). Studien zur Literatur des Zweiten Tempels. Festschrift für Ina Willi-Plein zum 65. Geburtstag, Neukirchen 2007, 345-358.

Maria Häusl / Karl Heinrich Ostmeyer

Erbe 1. Die Gesetzessammlungen des Alten Testaments enthalten kein systematisch ausgeführtes Erbrecht. Ob Israel ein solches überhaupt ausformuliert hat, ist nicht klar. Die Erbrechtsbestimmungen, die in einzelnen Erzählungen des Alten Testaments durchscheinen, fügen sich im Allgemeinen in den Kontext des altorientalischen Rechts ein. Israel hat sie offenbar von seiner Umwelt übernommen und möglicherweise auf der Ebene des Brauchtums geregelt. Der persönliche Besitz einzelner Familienmitglieder wird bei deren Ableben an die eigene Familie gefallen bzw. als Beigabe dem Toten mit ins Grab gegeben worden sein. Der Familienbesitz lag in der Regel in den Händen des Pater familias. Als Erblasser musste er möglichst weitsichtig vor seinem Tod das Erbe und damit auch seine Nachfolge regeln (Gen 27), spätestens aber im Angesicht des Todes (2 Kön 20, 1 sowie 2 Sam 17, 23). Schon zu Lebzeiten des Erblassers Erbteile zu erbitten oder zu erstreiten, erschien problematisch (Spr 20, 21). Davor wird auch in Sir 33, 20 f. gewarnt (anders Tob 8, 21). Das primäre Ziel einer guten Erbfolge war der Erhalt der Großfamilie. Dazu gehörte, dass

der materielle Besitz gesichert (Spr 19, 14; Rut 4, 3; 1 Kön 21, 3) und die Versorgung der Familie in Zukunft gewährleistet wurde. Außerdem sollte der Name der Toten nicht vergessen werden (z. B. Rut 4,10). Dieser Gedanke ist im orientalischen Kontext vermutlich im Sinne der Versorgung der Toten (d. h. des Totenkultes) zu verstehen. Als Erben kamen in aller Regel nur die Söhne, meist der älteste Sohn des Erblassers in Frage (mit Konflikten, s. Gen 21, 10; 25, 29-34). Demzufolge war es ein bitteres Geschick für die gesamte Familie, wenn kein Sohn vorhanden war, der die Familie weiterführen konnte (Am 8,10; ferner 2 Sam 18, 18). In diesem Fall war es nach Num 27,1-11 auch den Töchtern gestattet, das Erbe zu übernehmen, sofern sie nicht in andere Stämme einheirateten (Num 36, 1-12). Gab es auch keine Töchter, fiel das Erbe an die Brüder des Erblassers, ohne solche an die Brüder seines Vaters und schließlich an die nächsten Verwandten (Num 27, 9-11). Im absoluten Ausnahmefall kam auch ein Sklave als Erbe in Betracht (Gen 15, 2 ff.). Ehefrauen waren in Israel – anders als im Alten Orient an einigen Stellen bezeugt – nicht erbberechtigt. Der kinderlosen 3 Witwe blieb, wenn sie nicht in ihr Elternhaus zurückkehren wollte (Lev 22,13), nur die Leviratsehe (»Schwagerehe« Dtn 25, 5-10; Rut 4, 5), um dem Verstorbenen einen Erben zu gebären (3 Ehe). Der Landbesitz der israelitischen Stämme, dadurch vermittelt auch der Familien, wurde als »Erbteil« (nahala¯h) aus ˙ JHWHs Hand angesehen (Jos 13 ff.). 2. Mit dem hellenistisch-römischen Einfluss änderte sich auch die Lage der weiblichen Familienmitglieder, wie die Übernahme des Erbes durch Judit in Jdt 8, 3-7 belegt. Sie tritt sogar als Erblasserin auf, die vor ihrem Tod weitreichende Bestimmungen erlassen kann (16, 24; vgl. Tob 8, 21). Im Talmud wird die Frage kontrovers diskutiert, ob Töchter ein Erbe antreten konnten, wenn in der Familie erbberechtigte Söhne lebten. Hier zeigt sich ein Konflikt zwischen dem pharisäischen Festhalten am alttestamentlichen Gesetz und der sadduzäischen Angleichung an römische Rechtsnormen (Ilan 167 f.).

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Ernährung

3. Das Erbrecht war im Römischen Reich ausgefeilt und kompliziert, zudem Veränderungen unterworfen und je abhängig von der Rechtsposition. Personen sui iuris, d. h. nicht Sklavinnen und Sklaven oder in Manusehe verheiratete Frauen, konnten vererben, Frauen allerdings nur mit Einschränkungen. Per Testament konnten Erben beliebig eingesetzt werden. Ohne Testament, der Normalfall, gab es eine vorgeschriebene Erbfolge, in der zuerst die Kinder bedacht wurden, zuletzt der Ehepartner. Vererbt wurden der Besitz, ggf. aber auch 3 Schulden. Bei einer Freigelassenen war allerdings, sofern sie nicht mehrere lebende Kinder hatte, der patronus erbberechtigt. Töchter hatten prinzipiell Anteil am Erbe, erhielten aber nicht unbedingt genauso viel wie ihre Brüder. Sklaven und Sklavinnen gehörten zum vererbbaren Besitz und waren nicht erbberechtigt. Lk 15, 12 nimmt Bezug auf eine Möglichkeit des römischen Rechts, die vorweggenommene Erbfolge von emanzipierten Kindern. Lk 12, 13 spiegelt das Recht auf Erbteilung wider. Im Neuen Testament wird Erbe ansonsten vor allem als Metapher für den Besitz des Heilsgutes verwendet (des ewigen Lebens, Mk 10,17 u. ö.), der Gottesherrschaft (1 Kor 6, 9 f. u. ö.) oder der Verheißungen (Hebr 6,12 u. ö.). Die Menschen kommen dabei stets als Erben in den Blick, nie als Erblasser. Gerade diejenigen, die qua Status ohne Aussicht auf Erbe waren, mögen diese Zusage besonders geschätzt haben. Paulus verknüpft die alttestamentliche Metapher mit der Vorstellung der Gotteskindschaft, die zum Erbe berechtigt (Röm 8, 17; Gal 3, 29; 4, 1.7). Als Sohn Gottes wird auch Jesus als Erbe bezeichnet (Hebr 1, 2, vgl. Mk 12, 7). Das Erbe ist hier stets das geschenkte Gut, das die, die durch bestimmte Bedingungen erbberechtigt sind, zu einem bestimmten Zeitpunkt erhalten werden. Gardner, Jane, Frauen im antiken Rom, München 1995, 163206. Ilan, Tal, Jewish Women in Greco-Roman Palestine, TSAJ 44, Tübingen 1995, 167-174.

Christine Gerber / Dieter Vieweger

Erlösen 3 Auslösen / Erlösen

Ernährung Pflanzliche Nahrung gilt in der Südlevante als das Normale und Alltägliche, das für alle in friedlicher Weise zugänglich ist (Spr 15, 17), nach biblischer Darstellung aber sogar als das Ideale und Erstrebenswerte. Den Menschen des Paradieses werden die samentragenden Früchte als Nahrung zugeteilt (Gen 1, 29 f.), Verhältnisse, die man sich von einer künftigen Heilszeit sogar für die Tiere erhofft (Jes 11, 6 f.; 65, 25). Diese Auffassung spiegelt keine vegetarische Ideologie wider, sondern ein aus der Nähe zur Scholle innerhalb der ostmediterranen Mangelwirtschaft gewachsenes Bewusstsein für ökologisches und soziales Gleichgewicht in Umwelt und Gesellschaft. Noch in römischer Zeit wird nach Hochrechnungen aus Angaben in der Mischna über 50 % des täglichen Kalorienbedarfs durch Getreide, der Rest mehrheitlich durch Wein, Olivenöl, Gemüse und Früchte gedeckt. Für römische Verhältnisse ergibt sich aus den Angaben des Agrarschriftstellers Columella, dass die Getreideproduktion für einen Erwachsenen pro Jahr eine Anbaufläche von 1 ha erfordert. Der durchschnittliche Getreideertrag liegt beim Vierfachen der Saat, was die gigantischen Erträge von Mk 4, 8.20 ins rechte Licht setzt. Die Fruchtfolge, die Getreideanbau nur in jedem zweiten Jahr erlaubt (im Wechsel mit Lupinen / Rüben), sowie die häufigen klimatisch bedingten Missund Minderernten (im Schnitt zweimal in sieben Jahren) gefährden die Grundversorgung. Die Schwankungen vor allem in der Getreideversorgung erfordern vor allem für die großen städtischen Zentren eine Reihe von politischen Maßnahmen, zu denen eine umfassende Vorratshaltung, Preiskontrolle, staatliche Getreideverteilung sowie das Verbot der Getreidehortung gehört. Nahrung (hebr. læhæm) meint in der Südle˙ vante in erster Linie »Brot« und steht für Leben

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Essen, gemeinsames

schlechthin (Gen 41, 54 f.; 47, 13 ff.; 3 Brot), aber auch ein Eintopfgericht aus Getreide und Hülsenfrüchten kann »Brot« genannt werden (Ez 4, 9). Im fertigen, essbaren Produkt, dem Brot in seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen, vergegenständlicht sich in wie nichts sonst göttlicher Segen (Lev 26, 5; 2 Kön 18, 32; Ps 136, 25), menschliche Arbeitskraft in ihrer ganzen Mühsal (Gen 3, 19) und Jahrtausende alte Kultur, im Brotteilen menschliche Gemeinschaft (2 Sam 16, 1 f.; Jes 58,7). Die Tempelgemeinschaft versteht sich als Solidaritätsgemeinschaft, deren Stolz es ist, dass ihre Mitglieder nie um Brot betteln müssen (Ps 37, 25). Dafür wird Gott als Eigner des Tempels gepriesen (Ps 132, 15; 146, 7). Gute Freunde können als »dein Brot« bezeichnet werden (Obd 7), aber auch Arme, die ausgebeutet werden (Ps 14, 4; 53, 5), werden mit Brot verglichen und die Urbewohner des Landes Kanaan im Hinblick auf deren Versklavung (Num 14, 9). Die Erfahrung des Zerbrechens einer »Brotgemeinschaft« ist besonders schmerzhaft (Ps 41, 10; Obd 7). Der mit Brot Gesegnete ist moralisch verpflichtet, es mit dem Bedürftigen zu teilen (Jes 58,7; Ez 18, 7.16). Wer nicht selber über Grundbesitz verfügt, muss um Brot dienen, z. B. als Schuldknecht oder als Levit an einem Heiligtum (1 Sam 2, 36). Kein Brot zu haben ist ein Fluch (Lev 26, 26; 2 Sam 3, 29; Jes 3, 1). Wer kein Brot mehr zum Essen hat, sieht sich gezwungen, auszuwandern (Jer 42,14). Freiwillig kein Brot zu essen ist gleichbedeutend mit Fasten (2 Sam 3, 35; 12, 17; 3 Enthaltsamkeit) oder mit Gemeinschaftsverweigerung (1 Kön 13, 16 f.) oder Zeichen eines gestörten inneren Zustandes (1 Kön 21, 4 f.). Brot ist das Minimum, das man zum Heiligtum mitbringt (1 Sam 9, 7). Zusammen mit 3 Wein bildet Brot ein Paar, das komplette Mahlzeit bedeuten kann (Gen 14, 18; Ri 19,19), wenn noch Fleisch dazu kommt, ist es eine festliche Trias (1 Sam 10, 2; 16, 20; 25,18). Brot und Wasser ist demgegenüber das Minimum für den Unterhalt unterwegs (Gen 21, 14), in der Not (1 Kön 18, 4.13; Jes 30, 20) oder im Gefängnis (1 Kön 22, 27; Jer 37, 21) bzw. in Kriegsgefangenschaft (2 Kön 6, 22). Auf langen Reisen wird Brot

hart und zerbröselt (Ri 9, 5.12). Brot gehört zu jeder Mahlzeit. Man tunkt es in Linsenmus (Gen 25, 34), Essig (Rut 2, 14) oder Öl (Lev 2, 6) oder isst es zu Fleisch (Gen 27,17). Am Ende eines Festes wird den FestteilnehmerInnen das übrig gebliebene Brot verteilt (2 Sam 6, 19). Es symbolisiert die Großzügigkeit von Gott und Gastgeber. Ein großes Privileg ist es innerhalb der mediterranen Mangelwirtschaft, auf Lebzeiten das Brot am Tisch eines anderen essen zu dürfen, also in Pension zu leben (2 Sam 9, 7 ff.; 2 Kön 25, 29; Jer 52, 33). Wenn in römischer Zeit im Christentum das Brotteilen zum Zentrum liturgischen Handelns wird, so manifestiert sich darin altorientalisches Brauchtum, das zum gesellschaftlich verbindenden und religiös sinnstiftenden Zentrum einer mediterranen Koine geworden ist (3 Brot). Garnsey, P., Famine and Food Supply in the Graeco-Roman World. Responses to Risk and Crisis, Cambridge 1988.

Thomas Staubli / Matthias Klinghardt

Ernte 3 Saat / Ernte Eschatologie 3 Apokalyptik / Eschatologie

Essen, gemeinsames Im Unterschied zu heutiger Esskultur (vor allem in westlichen Ländern) nahmen in der Antike Erwerb, Zubereitung und Verzehr von Nahrung bei den meisten Menschen einen großen Teil der täglichen Zeit ein. Angesichts der großen Bedeutung, die dieser ganze Komplex für die Alltagserfahrung besaß, ist es nicht verwunderlich, dass das gemeinsame Essen eine der grundlegenden Gemeinschaftserfahrungen überhaupt war, das dementsprechend stark religiös besetzt und kulturell ausgezeichnet war.

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Essen, gemeinsames

Abb. 1: Nach Geschlechtern getrennte Mahlzeiten vor Gottheiten, begleitet von Musik. Phönizische Silberschale, 8./7. Jh. v. Chr.

1. Alter Orient Tägliche Mahlzeiten fanden in der Großfamilie statt, oftmals auf dem Feld, wo gearbeitet oder gekämpft wurde (Rut 2, 14; 1 Sam 17, 18). Das spontane Bewirten von Gästen gehörte zu den heiligen Regeln der Gastfreundschaft, die gottesfürchtige Menschen auszeichnete (Gen 18,1 ff.; 19, 3). Zu vom Königshaus, Notabeln oder von Vereinen, evtl. in Verbindung mit einem Totengedenken, organisierten Banketten (Am 6, 7; Jer 16, 5; 3 Abb. 1) in einem eigens dafür gebauten Haus gehörte auch 3 Musik, das Salben (3 Öl / Salbe; 3 Körperpflege) bzw. Parfümieren der Teilnehmenden und ein Trankopfer für die Patro- / Matronatsgottheit der Veranstaltung (Abb. 1; 3 Fest). Gemeinsames Essen war Teil gottesdienstlicher Versammlungen im Tor (Neh 8, 10.12), in einem Heiligtum (1 Sam 1, 9; 3 Opfer) oder gar im Himmel (Ex 24, 11). Mit feierlichem Essen und Trinken werden Verwandtschaftsbande (Gen 24, 54) und kultische Gemeinschaft (Jer 35) gestärkt, Bündnisse besiegelt (Gen 26, 30; Ex 24, 11) und Kriege beigelegt (2 Kön 6, 22-23). Die Zubereitung eines möglichst reichen Mahles – Selbstverständlichkeit echter Gastfreundschaft (Gen 18, 5-8; Ri 19, 21; 1 Sam 25,18 f.; 1 Kön 10, 4 f.) – fördert Anse-

hen und Ehre des Gastgebers. Es beweist seinen Eifer, seinen Reichtum und seine Großzügigkeit zugleich. Je nach Vermögen des Gastgebers konnten die Festvorbereitungen ins Unermessliche wuchern. Segensgaben der Bewirteten (Gen 18, 10 ff.; 1 Kön 17, 8-17) und gute Reputation sind der Dank. Gemeinsames Essen ist Zeichen von Friede und Normalität, ausgedrückt im Bild dessen, der unter seinem Weinstock und Feigenbaum isst und aus seinem Brunnen trinkt (Jes 36, 16). Jene, die gearbeitet haben – und nicht irgendwelche Kolonialherren – sind es, die die Früchte ihrer eigenen Arbeit auch wirklich essen dürfen sollten (Jes 62, 8-9). Mit einem Mahl kann der Regen begrüßt (1 Kön 18, 41), ein 3 Fest (3 Wallfahrt, Neumond etc.) oder ein Sieg gefeiert werden (1 Sam 30, 16). Ein ganz besonderes Mahl will JHWH seinen Freunden, den Vögeln und wilden Tieren bereiten, um seine Herrschaft zu legitimieren: Essen gehört zu den elementaren Freuden des Lebens (Koh 8, 15). Bankettszenen mit Frau und Mann verweisen auf ihre starke erotische Bindung (Abb. 2; vgl. Rut 3, 3.7). Diese verheißungsvolle Dimension des Essens machen sich Jaël (Ri 4,17-21) und Judit (12, 10-13,10) zunutze, um Tyrannen zu töten. Metaphern des Pflückens und Essens verweisen auf die Vollziehung des Beischlafs (Gen 2, 6-7; Spr 23, 17; Hld 4,16-5,1). Das Verebben der Lust an Essen, Trinken und Beischlaf ist ein Zeichen des nahenden Todes (2 Sam 19, 36) oder einer Depression (1 Kön 19, 4 f.; 21, 4 f.; 3 Sexualität / sexuelle Beziehung). Gastmähler waren der wichtigste Sitz im Leben für das Weitergeben von Weisheit. Davon abgeleitet kann die Weisheit selber als Gastgeberin vorgestellt werden (Spr 9, 1-5; Sir 24, 20-22; 51, 24; Mt 11, 28). Sich auf Ex 24, 11 berufend legt die jüdische Tradition höchsten Wert auf gemeinsames Essen im Zusammenhang mit dem Studium der Tora. Reiches Essen (Gen 49, 20), genügend Nahrung für 3 Waisen und 3 Witwen (Dtn 10,18) als Folge einer JHWH-fürchtigen Gesetzessanktion (Lev 26, 5; Dtn 28, 8), für die Tiere

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Abb. 2: Nordsyrisches Steatitkästchen, 8. Jh. v. Chr. Im oberen Register trinken sich eine stehende Frau und ein thronender Mann zu, im unteren liegen sie auf einem Bett

(Ps 104, 27), für die Menschen, die zum Fest beim Tempel zusammenkommen (Ps 133), ja für alle Lebewesen überhaupt (Ps 145,15 f.) wird als Segen Gottes verstanden. Das Essen in einer Gemeinschaft ist zugleich ein Solidaritätsbekenntnis zu ihr. Für den, der mitisst ohne göttliche Erlaubnis (1 Kön 13) oder mit unlauteren Absichten im Herzen (Est 7), kann das Mahl daher zum Gericht werden, ebenso für die, die zur Unzeit, unter falschen Vorzeichen oder ohne Einverständnis des Gastgebers feiern (Ex 32, 6; 34, 28; Hom. Od. 22). Letztlich dient das gemeinsame Essen auch der Wiederherstellung des Arbeitenden, doch dafür genügte schlimmstenfalls auch ein einsames Mahl (1 Kön 19, 6-8), deshalb ist der Aspekt der leiblichen Sättigung einer unter vielen (vgl. Lk 4, 4). Inbegriff des Glücks ist erst die Sättigung vor Gottes Angesicht in der Gemeinschaft der Kultgeschwister. Die Mahlzeit vor Gott ist im gesamten Vorderen Orient über Jahrtausende hinweg die beliebteste Darstellung im funerären Kontext und als solche Ausgangsbild eschatologischer Heilsvorstellungen (3 Tod).

2. Griechisch-römische Antike a) Das gemeinsame Essen ist in allen mediterranen Gesellschaften der griechisch-römischen Antike eine zentrale Instanz des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, in der soziale, kulturelle und religiöse Aspekte wie in einem Brennglas zusammengefasst sind. Für fast 1000 Jahre, vom Griechenland des 5. Jh. bis zum Ausgang der Antike, war das Gemeinschaftsmahl die soziale Institution schlechthin, in der Gemeinschaft mit allen kulturellen und religiösen Implikationen konkret erfahrbar war. Dessen große institutionelle Bedeutung war eine Folge der politischen Veränderungen der griechischen Polis seit Ende des 6. / Anfang des 5. Jh.: Das Gelage in der Gemeinschaft, ursprünglich ein Adelsprivileg, wurde zum zentralen Ausdruck der bürgerlichen Freiheit und Gleichheit unter freien Männern, so dass das gemeinsame Essen die androzentrische Polisgemeinschaft abbildete und als Schule für die Politikfähigkeit der Bürger diente (z. B. Plato; Theognis). Mit dem Rückgang der Bedeutung der Städte und der Partizipation der Bürger an den politischen Prozessen seit dem 3. Jh. wurde das Gastmahl einerseits entpolitisiert (was zugleich eine allmähliche Öffnung für Frauen und Sklaven impliziert), andererseits absorbierte es zahlreiche soziale Funktionen der Polis. Der Zusammenhang wird signifikant an dem starken Aufkommen von 3 Vereinen im Hellenismus (und dann noch einmal zu Beginn des römischen Prinzipats), denn alle freiwilligen Personenzusammenschlüsse – also Kultvereine, religiöse Gruppen, Berufsgenossenschaften, Familienvereine, Philosophenzirkel, Gelehrtenschulen, die so genannten Begräbnisvereine, Freundschaftsbünde usw. – haben durchweg das gemeinsame Essen als Kulminationspunkt ihres sozialen Lebens gemeinsam. D. h. dass außerhalb der Familie bzw. Hausgemeinschaft Gemeinschaft überhaupt nur in der Form des gemeinsamen Essens erfahrbar war. Der Organisationsgrad konnte von privaten Einladungen (entweder in das Privathaus oder in angemietete Räume) über spontane Gemeinschaften, die sich zu bestimmten Anlässen trafen, bis hin zu geschlossenen Vereinen (mit eigener

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Satzung und gelegentlich eigenen Banketthäusern) reichen. b) Verlauf. Der hohe Grad der Institutionalisierung zeigt sich darin, dass sich das gemeinsame Essen in sehr engen Formen vollzog, die sich über fast 1000 Jahre hinweg kaum veränderten. Man traf sich (nach Reinigung, 3 Körperpflege) am späten Nachmittag bzw. frühen Abend; nach Frühstück und Mittagessen war das abendliche Mahl (griech. deipnon; lat. cena) die Hauptmahlzeit des Tages (3 Essensgewohnheiten). Dieses Mahl bestand regelmäßig aus zwei Teilen, dem gemeinsamen Essen und einem nachfolgenden Trinkgelage, die durch eine religiöse Zeremonie miteinander verbunden waren. Zu Beginn des gemeinsamen Essens ist für jüdische und christliche Mähler (nur gelegentlich auch für pagane) ein Eingangsgebet bezeugt, das über dem 3 Brot(fladen) bzw. zur Verteilung der Brotbrocken gesprochen wurde (3 Essensgewohnheiten). Nachdem die Tische abgetragen waren, folgte eine religiöse Zeremonie. Zu dieser Zeremonie gehörte in paganen Mählern vor allem ein Gebet (Päan), das die Teilnehmenden unisono sprachen (Plut. qu. conv. I 1, 5 615a/b) sowie die Libation, eine Spende von ungemischtem 3 Wein bzw. das Larenopfer. Dazu tranken alle Teilnehmenden einen kleinen Schluck von dem Wein, ein Rest wurde vergossen. In jüdischem und christlichem Kontext fehlte zwar die Libation, aber ein Mahlabschlussgebet über dem Wein ist gut bezeugt (vgl. den »Segensbecher«, 1 Kor 10,16). Wie charakteristisch dieses Mahlabschlussgebet für das gemeinsame Essen insgesamt war, zeigt sich daran, dass das christliche Mahl von diesem Gebet seinen Namen bekam (griech. eucharistia = Dank). Die Gesten und Gebete, mit denen Jesus das Mahl beginnt bzw. beendet (z. B. Mk 6, 41; 8, 6; 14, 22 f.; 1 Kor 11, 24 f. usw.), sind typische Elemente eines Gastmahls. Nach der Libationszeremonie begann das Trinkgelage (griech. symposion, lat. convivium); dazu wurde der 3 Wein in einem Mischkrug (griech. krater) mit Wasser verdünnt und ausgeschenkt sowie der Nachtisch aufgetragen. c) Nachtischunterhaltung. Das Symposium war

geprägt von vielfältigen Formen der Unterhaltung. Bezeugt sind Geschicklichkeitsspiele, Gesang und Tanz, Rätsel, Rezitation von Gedichten, Lesungen, Mimus u. a. m., daneben natürlich vor allem das Tischgespräch, das häufig lehrhaften Charakter hatte. In den Gastmählern der zahllosen Vereine fand während des Symposiums vor allem die Ehrung verdienter Mitglieder statt. Die stark agonistische Ausprägung der Nachtischunterhaltung erklärt, warum verschiedentlich eine Art Schiedsrichter (Symposiarch) erwähnt wird: Er hatte dafür Sorge zu tragen, dass zwischen den Symposiasten kein Streit ausbrach und das Gelage in geordneten Bahnen vonstatten ging. d) Gelageordnung. Seit dem 5. Jh. v. Chr. haben das gemeinsame Essen und das Symposium die Form des Gelages: Die Teilnehmer saßen nicht, sondern lagen (einzeln oder zu zweit) auf Speisesofas (Klinen), mit einem Polster bzw. einer Lehne im Rücken und auf den linken Arm aufgestützt. Wegen der dreiseitigen Aufstellung der Klinen in Hufeisenform wird eine solche Tischrunde als »Triklinium« bezeichnet. Charakteristischerweise war die Zahl der Klinen in einem Triklinium begrenzt; bezeugt sind Tischrunden von ca. sieben bis maximal 17 Sofas, am häufigsten sind elf bis 13 Symposiasten. Die Ausgrabungen griechischer und römischer Banketthäuser zeigen entweder mehrere gleichartige Räume nebeneinander oder mehrere Triklinien in einem Saal, die auch große Gruppen beherbergen konnten (Abb. 3 und 4). e) Teilnehmende. Der patriarchale Charakter der Gesellschaft, in der das gemeinsame Essen stattfand, erklärt, dass zunächst nur Männer am Gelage teilnahmen. Sofern die griechische Vasenmalerei Frauen beim Gelage zeigt, handelt es sich durchweg um Hetären, nicht aber um Ehefrauen. Diese nahmen (wie die unmündigen Kinder) nicht am Symposium, sondern nur am Mahl teil (bei Platon z. B. werden die Frauen zu Beginn des Trinkgelages hinausgeschickt, Plato symp. 176e). In diesem Fall lagen sie nicht zu Tisch, sondern saßen entweder auf den Klinen zu Füßen des Gastgebers oder auf gesondert dazu gestellten Sesseln.

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Abb. 3: Rekonstruktion eines Banketthauses mit sieben Klinen

Für die römischen Verhältnisse seit der Zeitenwende wird aber immer häufiger berichtet, dass Frauen sowohl auf den Klinen lagerten als auch am Symposium teilnahmen. Darin zeigt sich ein Wandel in der Einschätzung der sozialen Stellung der Frauen (3 Frau / Mann), die sich auch in frühchristlichen Texten spiegelt (z. B. 1 Kor 11, 2 ff.), wo sie selbstverständlich regelmäßig am gemeinsamen Essen und am Symposium teilnahmen. 3. Soziale Aspekte a) Soziale Definition. Es entspricht der sozialen Funktion des Gemeinschaftsmahls, dass es soziale Grenzen definierte. Die soziale Abgrenzung richtete sich zunächst nach außen: Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft war identisch mit der Teilnahme an ihrem gemeinsamen Essen und wurde als Zulassung zu diesem geregelt. Dement-

Abb. 4: Banketthaus im Demeter-Kore-Heiligtum in Akrokorinth (LM 28) mit Küche (1), Triklinium zu acht Klinen (2) und angeschlossenem Seitenraum mit Sitzbank (3)

sprechend spiegelten unterschiedliche 3 Essensgewohnheiten die Definition der Gruppe. Das gilt für erlaubte / verbotene Speisen (3 Speisegesetze), für Speisezeiten (unterschiedliche Fasttage und Termine für das gemeinsame Essen, z. B. 3 Sabbat und Sonntag; wöchentliche / monatliche / jährliche Treffen zum gemeinsamen Essen), für unterschiedliche Zehnt- und Reinheitspraxis oder für den asketischen Verzicht auf bestimmte Speisen (z. B. Fleischgenuss / Vegetarismus) und Getränke (Wein / Wasser). So sind die Auseinandersetzungen um Essgewohnheiten zwischen Jesus und den Pharisäern, die die Evangelien berichten (Mk 2, 13-17.18-22; 7, 1-23; 8, 11-13 usw.), ein typisches Phänomen der Abgrenzung miteinander verwandter, aber unterschiedener Gruppen. b) Finanzierung. Wenn ein Privatmann Gäste zu sich einlud, finanzierte er das Mahl und teilte seinen Gästen Speisen und Getränke zu. Wenn eine Gruppe zum gemeinsamen Essen zusammenkam, wurde die Finanzierung (neben Speisen und Getränken werden häufig die Kosten für Miete, Ausstattung mit Klinen und Polstern sowie Beleuchtung genannt) zur gemeinsamen Aufgabe. Bei organisierten Gruppen (z. B. 3 Vereinen) dominieren zwei Modelle: Entweder trugen alle über die (häufig monatlich erhobenen und in den Statuten festgeschriebenen) Beiträge zur Finanzierung bei. Oder der Großteil der anfallenden Kosten ging zu Lasten einzelner Vermögender, z. B. eines Patrons. Solche asymmetrische Finanzierung, die vor allem für die vom Klientelwesen stark geprägten römischen Verhältnisse typisch ist, ist auch für das frühe Christentum bezeugt. So wird z. B. Gaius als »Gastgeber der ganzen Gemeinde« (Röm 16, 23) bezeichnet, was nicht bedeuten muss, dass er die Gemeinde in sein Privathaus eingeladen hatte, sondern wohl nur, dass er für einen Teil der allgemeinen Kosten aufkam. Zwischen Privateinladungen und Vereinsmählern gab es Zwischenformen, für die klare Regelungen fehlen; die Quellen behandeln verschiedentlich die problematische Situation einer im Entstehen befindlichen Gemeinschaft (Terentius Eun. III,4; Andr. I,1; Xen. symp. 1, 15 f.; Luc. dial. mort. VII,1 usw.).

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Der Vorschlag des Paulus, dass alle die von ihnen mitgebrachten Speisen untereinander aufteilen sollen (1 Kor 11, 33 f.), ist auch für Sokrates berichtet (Xen. mem. III,14, 1). c) Diakonie. In diesem Zusammenhang sind die sog. apophoreta, also die Mahlanteile, die den Gästen nach Hause mitgegeben wurden, von Bedeutung. Sie sind für private und organisierte Mähler ebenso bezeugt wie für große, öffentliche Opferfeste. Die Mengenangaben, die für diese Opferfeste genannt werden, machen deutlich, dass hier über die Teilnahme am gemeinsamen Essen die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln sichergestellt wurde. Dasselbe gilt für die privaten Mähler der römischen Zeit, wenn Patrone ihren Klienten durch die Mitgabe von Apophoreta eine ökonomisch wirksame Unterstützung zukommen ließen. Die Ausgabe solcher Apophoreta wird in frühjüdischen und christlichen Texten ausdrücklich als diakonia bezeichnet (vgl. TestHiob 11,1; Apg 6,1-7; ActThom 59 usw.). Das zeigt zum einen, dass man sich die Fürsorge für die Bedürftigen der eigenen Gemeinschaft sehr konkret als Anteilgabe an der gemeinsamen mensa vorstellen muss, zum anderen wird deutlich, dass der (oder die) diakonos primär im Rahmen des gemeinsamen Essens fungierte und hier ein für die soziale Struktur entscheidend wichtiges Amt ausübte (das in Vereinstexten häufig an der Spitze der Funktionärslisten geführt wird), weil die Zuteilung den sozialen Rang der Mitglieder darstellte. d) Gleichheit und Ungleichheit. Angesichts des (durchaus finanziell zu beziffernden) Nutzens, den ein Gastmahl bringen konnte, ist es verständlich, dass die Frage der Teilnahmeberechtigung bzw. der Einladung besondere Probleme schuf. Für Privateinladungen war die Auswahl der Gäste Sache des Gastgebers, der allerdings (vor allem in den römischen, durch das Patronagesystem geprägten Verhältnissen) häufig gesellschaftliche Verpflichtungen berücksichtigen musste und bei der Auswahl der Gäste auf ein gewisses Maß an Homogenität zu achten hatte. Für organisierte Gruppen war der Zugang normalerweise durch die Mitgliedschaft in der entsprechenden Grup-

pe geregelt. Dies ist in verschiedenen Vereinssatzungen bezeugt, darunter auch in der sog. »Gemeinderegel« aus Qumran (1QS VI). Wie aus Mitgliederlisten und Statuten hervorgeht, waren die paganen Gruppen, die zum gemeinsamen Essen zusammenkamen, sozial durchaus inhomogen. Grundsätzlich gilt, dass das gesellschaftliche und ökonomische Spektrum in Gruppen aus den unteren Schichten deutlich größer war als in den oberen Schichten; unabhängig von der sozialen Stratigraphie gilt für die Situation des gemeinsamen Essens, dass hier Personen sehr unterschiedlichen sozialen Standes und Ansehens zusammenkamen (Freie / Sklaven, Bürger / Nichtbürger, Männer / Frauen, Erwachsene / Kinder), was erhebliche Anforderungen an die Verwirklichung von Gemeinschaft stellte. e) Mahlportionen und Platzwahl. Angesichts dieser sozialen Inhomogenität, die beim Gemeinschaftsmahl sichtbar wurde, erhält die Frage ihre Brisanz, ob das Mahl eher die Unterschiede der Teilnehmenden oder ihre Gemeinsamkeit betonen sollte. Wie zahlreiche Zeugnisse erkennen lassen, waren vor allem zwei Aspekte des gemeinsamen Essens unter diesem Gesichtspunkt problematisch, nämlich die Zuteilung von Mahlportionen und von Plätzen. Dem gegenüber steht wiederholt die Forderung, die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer nicht durch die Differenzierung der Speisen und Getränke zu gefährden, sondern allen das Gleiche aufzutischen (z. B. Plin. epist. 2, 6; Luc. sat. 17). Solche Gleichheit ließ sich zwar bei den Mahlportionen verwirklichen, nicht aber bei der Zuteilung der Plätze, die unterschiedlich bequem waren und vor allem als unterschiedlich ehrenvoll galten: Es gab nur einen Ehrenplatz, demgegenüber andere Gelageplätze oder gar die Sitzplätze weniger ehrenvoll sind. Die Forderung, das »Ansehen der Person« nicht zu berücksichtigen und zwischen Arm und Reich keine Unterschiede zu machen (Jak 2, 1-4), ist daher typisch. 4. Symbolisch-theologische Bedeutung Vor allem die breite Symposienliteratur und die Dichtung betonen den religiösen Charakter des gemeinsamen Essens als utopisch-eschatologi-

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sches Bild einer idealen Gemeinschaft, die in begrenztem Maß schon jetzt erfahren wird. a) Gemeinschaft. Zentral ist die Erfahrung von unbeeinträchtigter Gemeinschaft beim gemeinsamen Essen. Ihr gegenüber konnten andere Aspekte (z. B. Sättigung, Diakonie, Gerechtigkeit, Vergnügen usw.) zurücktreten, wenn sie diesen zentralen Wert gefährdeten: Das ist die Folgerung, die Paulus zieht (1 Kor 11, 22.34) und die auch sonst bezeugt ist (z. B. Xen. mem. III,14). Die Gemeinschaft fand darin ihren Ausdruck, dass alle das gleiche aßen und tranken, dass alle das zentrale Gebet nach dem Mahl gemeinsam »wie aus einem Mund« sprachen (Plut. qu. conv. I,1, 5, 615a/b; Philo cont. 83 f.; Apg 2, 42; IgnMagn 7, 1 f. u. ö.) und dass alle zu der Unterhaltung während des Symposiums ihren Beitrag leisteten. Die religiös geprägte Vorstellung einer durch Frieden, Ordnung und Festfreude geprägten Gemeinschaft (Xen. fr. 1; vgl. 1 Kor 14, 33) muss angesichts der (gewissermaßen »systembedingten«) Gefährdung der Eintracht durch die Rivalität der Mahlteilnehmer als gezieltes Gegen- und Leitbild verstanden werden. b) Konkrete Utopie. In der Gegen- und Leitbildfunktion zeigt sich die religiöse Dimension des gemeinsamen Essens für die konkrete Gemeinschaftserfahrung, denn das Mahl ist eine Teilrealisierung des Heils, das man sich für die kommende Welt erhofft. Sie äußert sich vor allem in zwei Aspekten, nämlich der Fülle von Speisen und der Gleichheit der Teilnehmenden. Das Schlaraffenmotiv der überbordenden, unbegrenzten Fülle der Speisen ist nicht nur in der griechischen Komödie breit entfaltet, wo der Unterweltgott Plutos (= Reichtum, Fülle) für endlose Speisefolgen sorgt (z. B. Pherekrates bei Athen. VI,268e); auch in jüdischen und christlichen Texten ist Fülle von Speisen (vor allem von Wein und Öl) ein Zeichen des Messias bzw. des messianischen Mahls (2 Bar 29, 3-8; Joh 2, 1-12 usw.). Daneben steht der Aspekt der Gleichheit, zunächst der Mahlteilnehmer. So regelt der utopische Entwurf Lukians unter dem Schlagwort »In Allem das Gleiche!« ein ideales Mahl, in dem

alle die gleichen Portionen erhalten und es keine Ehrenplätze mehr gibt (Luc. sat. 17). Aber die Gleichheit muss sich auch zwischen denen erweisen, die dienen und die sich bedienen lassen. Darum stellt die Aufhebung bzw. Umkehrung der Standesunterschiede beim Tischdienst (der grundlegenden Sklavenfunktion) die radikalste Form von Gleichheit dar (vgl. Lk 22, 24-30: gegenseitige Bedienung; Joh 13, 4-17: Bedienung der Sklaven durch den Herrn; Strab. geogr. XVI, 4, 26: Bedienung durch den König): Gleichheit und Freiheit gehören im Kontext des gemeinsamen Essens zusammen. Diese Vorstellungen sind nicht eskapistisch, sondern formulieren eine konkrete, wenn auch noch unvollkommen realisierte Erfahrung von Heil. Paulus benennt die Differenz zu diesem vollkommenen Zustand mit den Worten »bis dass er kommt« (1 Kor 11, 26) und meint damit: Mit der eschatologischen Wiederkunft Christi erhält die jetzt bereits erfahrbare Gemeinschaft eine neue Grundlage, weil Christus dann zusammen mit seinen Jüngern »an seinem Tisch« liegen wird (Lk 22, 29 f.). Baldassarre, Ida (Hg.), Pompei: Pitture e Mosaici I-X, Mailand 1990-2003. Corley, Kathleen E., Private Women, Public Meals. Social Conflict in the Synoptic Tradition, Peabody (MA) 1993. Dunbabin, Katherine M. D., The Roman Banquet: Images of Conviviality, Cambridge 2003. Klinghardt, Matthias, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13, Tübingen / Basel 1998. MacDonald, Nathan, What did the Ancient Israelites Eat? Diet in Biblical Times, Grand Rapids 2008. McGowan, Andrew B., Ascetic Eucharists. Food and Drink in Early Christian Ritual Meals, Oxford 1999. Maier, Christl / Dörrfuß, Ernst Michael, »Um mit ihnen zu sitzen, zu essen und zu trinken«. Am 6, 7; Jer 16, 5 und die Bedeutung von Marze¯ah, in: dies. (Hg.), Am Fuß der ˙ Himmelsleiter. Gott suchen, den Menschen begegnen, FS Peter Welten, Berlin 1996, 121-131. Murray, Oswyn (Hg.), Sympotica. A Symposium on the Symposium, Oxford 1990. Nielsen, Inge / Nielsen, Hanne S. (Hg.), Meals in a Social Context. Aspects of the Communal Meal in the Hellenistic and Roman World, Aarhus 1998. Sayed Mohamed, Zeinab, Festvorbereitungen. Die adminis-

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Essensgewohnheiten

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Matthias Klinghardt / Thomas Staubli

Essensgewohnheiten 1. Alter Orient In der Regel wurde im Alten Orient zweimal am Tag, morgens und abends, gespeist. Typisch für eine ausbeuterische Führungsschicht ist das Essen außerhalb dieser Zeiten (Sir 10, 17). Gottheiten, Vornehme und geladene Gäste eines Oberschichtgelages speisten auf Stühlen sitzend an Tischen (Abb. 1; ANEP 144), gewöhnliche Leute auf Bänken, Steinen, Matratzen, Kissen oder Matten (Abb. 2). Besonders in den oberen Schichten und bei großen Gastmählern wurde nach Geschlechtern getrennt gegessen (Abb. 1; 3 Essen, gemeinsames, Abb. 1; Est 1, 9). Je nach Situation,

Vermögen und Lokaltradition wurde mit Fingern und mit Hilfe von Brotfladenstücken aus einer gemeinsamen Schüssel (Abb. 2), aus Näpfen, Schalen oder Tellern (Rut 2, 14; 3 Nahrungszubereitung Abb. 5/12-14) gegessen. Wie die Ethnoarchäologie zeigt, dauern diese Esssitten teilweise bis in die Gegenwart an. Hellenistische Esskultur blieb im Orient episodisch und mehrheitlich auf die Oberschicht sowie die städtische Szene begrenzt. Die Sitzordnung spiegelte den sozialen Rang wider (Gen 43, 33). Die Rangoberste, in der Regel die Königin bzw. Ehefrau, sitzt zur Rechten des Gastgebers / Hausvaters (1 Kön 2, 19; Ps 45, 10; 110, 1). 2. Mahlzeiten In der hellenistisch-römischen Welt nahm man üblicherweise drei Mahlzeiten am Tag zu sich: Das Frühstück (griech. akratisma; lat. ientaculum), das etwa zur dritten Stunde in der Regel kalt und einzeln eingenommen wurde; das Mittagessen (griech. ariston; lat. prandium) um die sechste / siebte Stunde war ebenfalls kaum mehr als ein kleiner Imbiss, der häufig ebenfalls einzeln verzehrt wurde. Nur die Hauptmahlzeit am späten Nachmittag / frühen Abend (griech. deipnon, lat. cena, achte / neunte Stunde) nahm die Hausgemeinschaft im Speisezimmer gemeinsam ein. Essenseinladungen ergingen regelmäßig nur zu dieser abendlichen Hauptmahlzeit (3 Essen, gemeinsames). In diesem Fall schloss sich regelmäßig ein Trinkgelage (Symposium) an, das sich

Abb. 1: Männer eines Gelages sitzen auf Stühlen, ihre Füße ruhen auf Schemeln. Sie werden von Dienern bewirtet, halten Lotosblüten und trinken aus Schalen. Vor ihnen stehen Tische mit Speisen und Getränken. Kanaanäische Bankettszene, Megiddo, um 1200 v. Chr.

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Essensgewohnheiten

Abb. 2: Elamitisches Deportationslager. Familien kauern im Freien oder sitzen auf Steinen und essen aus einer gemeinsamen Schüssel. Aus einem Schlauch wird Flüssigkeit in Becher abgefüllt. Ausschnitt aus einem assyrischen Palastrelief, Zeit Assurbanipals (668-627), Ninive

in Einzelfällen bis in die Morgenstunden hinausziehen konnte, in der Regel aber am späten Abend beendet war (Cic. fam. IX,26,1; Mart. IV,8, 6; Plin. epist. III,1, 8 f.). Die Hauptmahlzeit wurde immer im Liegen eingenommen (3 Essen, gemeinsames), nur bei Gastmählern gehörte es in Griechenland zum guten Ton, dass die Frauen auf den Klinen oder auf Sesseln saßen. Die Quellen informieren über ientaculum und prandium nur sehr sparsam, über die cena dagegen sehr ausführlich; darin spiegelt sich die unterschiedliche soziale und kulturelle Bedeutung, die diesen Mahlzeiten zugemessen wurde. 3. Räume Die Nachrichten über Frühstück und Mittagessen lassen keine schlüssige Erklärung zu, wo und wie diese Mahlzeiten eingenommen wurden. Dagegen erlauben Ausgrabungen sowie architekturtheoretische und andere literarische Quellen für die Hauptmahlzeit ein genaueres Bild, für die in den Häusern der römischen Welt verschiedene Speiseräume genannt werden (3 Haus). Zu unterscheiden sind das familiäre Esszimmer (tablinum), das den Quellen zufolge oft im Obergeschoss untergebracht war (vgl. Apg 20, 7 ff.), und das Gästespeisezimmer im Repräsentations-

bereich des Hausherrn (griech. andron), das deutlich größer und in der Regel direkt am Atrium gelegen war (Vitr. VI,7, 3 f.) und mit Triklinien ausgestattet sein konnte. Die Verteilung zeigt, dass das tablinum nur für intimere private Mahlzeiten genutzt wurde, während das gemeinsame Essen am / im Atrium durch die Öffnung zum Hof hin eine mindestens halböffentliche Angelegenheit war (so wird etwa in 1 Kor 14, 23 oder Jak 2, 1-4 vorausgesetzt, dass Unbekannte zum gemeinsamen Essen stoßen). In den großstädtischen Mietskasernen (insulae) waren die Räumlichkeiten entsprechend bescheidener. Wo Kochgelegenheiten ganz fehlten (3 Ernährung), ernährte man sich aus professionellen Garküchen (popinae) (3 Essen, gemeinsames). 4. Speisen Die Nahrungsmittel (3 Nahrung, nichtpflanzliche / pflanzliche), die zu den einzelnen Mahlzeiten eingenommen wurden, haben je nach sozialen und ökonomischen Voraussetzungen bzw. in städtischer und ländlicher Umgebung stark variiert, doch wird zum Frühstück 3 Brot (bzw. der ungebackene Fladen) nie gefehlt haben. Das abendliche Essen bestand auch in ärmlichen Verhältnissen aus mehreren Gängen, bei denen 3 Brot die Grundlage bildete, die durch Zukost (griech. opson) – meist vegetarische Produkte, selten Fleisch und nur in Küstennähe bzw. gehobenen sozialen Verhältnissen Fisch – ergänzt wurde. In der griechisch-hellenistischen Welt hat man, anders als in Rom, nicht während des Essens, sondern erst danach zum Symposium getrunken. 5. Besteck Besteck war insgesamt unbekannt und fand nur in der Küche, nicht aber beim Essen Verwendung (bezeugt sind nur als nicht repräsentative Luxusartikel Löffel für Austern): Man aß mit den Fingern bzw. nahm die Speisen mit Brotbrocken auf (Ar. equit. 1167): Dass zu Beginn der abendlichen Mahlzeit das Brot gebrochen und an die Anwesenden ausgeteilt wird (vgl. Mk 6, 41; 8, 6; 14, 22 par; Apg 2, 64 usw.), ist also ein gemeinantiker Brauch.

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Ethik und Recht

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Matthias Klinghardt / Thomas Staubli

Ethik und Recht Ethik im Sinne einer Theorie des guten Handelns findet sich in der Bibel nicht. Erst recht sind »Ethik« und »Recht« keine Metabegriffe im Sinne konzeptioneller bzw. gesellschaftlicher Systeme. Ethische Weisung ergeht zumeist konkret und situationsbezogen. Das bedeutet aber nicht, dass sich in den zahlreichen Passagen, die menschliches Handeln normieren, nicht doch Grundmuster ethischer Argumentation erkennen lassen. Dazu finden sich unterschiedliche Ansätze entsprechend der Polyphonie der biblischen Schriften. Obwohl naturgemäß ethische Normen auch hier auf das Engste mit denen des 3 Rechtswesens verzahnt sind, wie sie in einschlägigen 3 Gesetzen und insbesondere in der 3 Tora ausformuliert sind, liegt der Schwerpunkt im folgenden Artikel nicht in diesem Bereich. 1. Altes Testament Eine Ethik des Alten Testaments bezieht sich wie eine Theologie des Alten Testaments auf den gesamten Kanon. Nicht nur explizit die Güte menschlichen Handelns thematisierende Texte (vgl. etwa Mi 6, 8; Koh 12,13 f.) kommen dafür in Betracht. Ethische Implikationen hat das Alte Testament in allen seinen Teilen. Das gilt selbst für Ritualbestimmungen, Erzählungen, Hymnen,

Klagepsalmen, Liebespoesie usw. In gegenseitiger Durchdringung von gegenwartsbezogenen, theologischen, sozial-, mentalitäts-, kulturgeschichtlichen und kanonischen Fragestellungen ist eine Ethik des Alten Testaments als systematische oder als kanonisch angeordnete zu entwerfen. Neben individualethischen Gesichtspunkten (vgl. z. B. Ez 18 mit Dtn 24, 16), werden im Alten Testament Ansätze zu sozialethischen Themen (vgl. z. B. Dtn 15; Am 2, 6-8; Mi 2, 1 ff.), tier- und schöpfungsethischen Zusammenhängen (z. B. Gen 1, 28-31; 9, 4; Ex 34, 26; Dtn 20, 19 ff.; 22, 6) und interethnischen Beziehungen (z. B. Am 3, 2; 9, 7; Jes 56, 8) formuliert. Für alttestamentliche Ethik ist der Gottesbezug konstitutiv. In den verschiedenen Textbereichen der Hebräischen Bibel ist dieser Bezug allerdings unterschiedlich relevant hinsichtlich der jeweiligen Konzeption von Ethik. Im Zusammenhang der Sinaigebote ist er dominant, da Gottes befreiendes Handeln im Exodus die Voraussetzung für das in Gestalt göttlicher Weisungen formulierte Handeln Israels ist (vgl. Ex 20, 2 ff.). In der primär in der Erfahrungswelt Orientierung suchenden Weisheitsliteratur (z. B. Spr 26, 20; 27,17.20; vgl. Spr 6, 6 ff.) sind theologische Gesichtspunkte dagegen seltener und weniger konturiert. Besonders wichtig ist hier etwa das häufige Motiv der Gottesfurcht (vgl. Spr 1, 7; 9, 10; 10, 27; 14, 26; 15, 13.26; 16, 6 u.ö). Eine zentrale, aber schwierig zu beantwortende Frage ist, wie ethische Bildung im alten Israel stattfand. Auch das Verhältnis zwischen dem gegebenen Ethos (Tabu, Sitte, konventionelle Moral usw.) und den Möglichkeiten zu ethischer Autonomie bzw. Teilautonomie unter den Bedingungen antiker Gesellschaften ist zu bedenken. Ethik und Recht im Alten Testament. Von den Grundzügen des alttestamentlichen Rechts ist für die darauf basierende Ethik von besonderem Gewicht, dass an der Rechtsprechung in den Toren der Ortschaften neben Richtern und Amtleuten prinzipiell alle freien Männer beteiligt sind. Dementsprechend wird nach der Darstellung des Pentateuches die Tora auch ganz Israel anvertraut, das ganze Volk im Bund verpflichtet und somit für Recht und Gerechtigkeit verant-

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wortlich gemacht. Dementsprechend ist mit dem Begriffspaar Ethik und Recht auch die Frage nach dem Wesen des Pentateuches gestellt. Der Pentateuch bezeugt Recht im alten Israel, ist im Ganzen aber nicht als »Gesetz« zu bezeichnen. Die den Pentateuch bestimmende unauflösliche Verbindung von Erzählung, Gebot und Gesetz steht dem entgegen. Die Abfolge verschiedener Gebots- und Erzählebenen im Pentateuch sowie die häufig komplexe thematische Abfolge einzelner Gebotszusammenstellungen (vgl. etwa Lev 19,12-18+19 oder Dtn 22, 1-12) führt permanent zu ethischer Reflexion. Insofern stellt der Pentateuch eine wichtige Grundlage für theologische Ethik dar. Zeigt Ez 20, 25, dass die alttestamentliche Rechtstradition (bzw. einzelne Teile) bereits im alten Israel Gegenstand kritischer Beurteilung war, so dokumentiert Ps 19, 8-11 Begeisterung und große Wertschätzung dem Recht gegenüber. 2. Neues Testament Trotz ihrer Verschiedenheit teilen die neutestamentlichen Schriften bestimmte Voraussetzungen: 1. Es geht ihnen um das Tun des Willens Gottes (1 Thess 4, 3; Kol 4,12; 1 Petr 2, 15; Mt 7, 21; Mk 3, 35; Eph 6, 6; Hebr 10, 36; 13, 21; 1 Joh 2,17). Ethik ist im Neuen Testament immer theonome Ethik, und darum sind Christen auch in ethischen Fragen keine Auto- sondern »Theodidakten« (Joh 6, 45; 1 Thess 4, 9). 2. Neutestamentliche Ethik kann daher – anders als die philosophischen Ethiken der Umwelt – auf eine rationale Begründung verzichten. Ethische Plausibilitäten ergeben sich in erster Linie für die Menschen, die in einer von Gott gestifteten Verbindung mit ihm leben und handeln. 3. Diese Zuspitzung korrespondiert einer weiteren Grundannahme, die die Verwurzelung aller neutestamentlichen Ethiken im Judentum zeigt: Menschen antworten mit ihrem Tun auf Gottes vorausgehende Zuwendung und sein heilvolles Handeln (1 Joh 4, 10 ff.). Die Erfahrung widerfahrenen Heils motiviert die Ethik auch in solchen Kontexten, die inhaltliche Anleihen bei der allgemeinen Ethik machen (Gal 5, 19 ff.; Kol 3, 18 ff.; Eph 5, 22 ff.; vgl.

Zeller 82 ff.). 4. Neutestamentliche Ethiken rechnen in unterschiedlichen Nuancierungen damit, dass der Mensch sich im Gericht für sein Tun verantworten muss (Mt 12, 36; Röm 14,12; 1 Kor 3,13; 2 Kor 5, 10; Hebr 4, 13). Dieser Horizont motiviert aber meist nicht positives Verhalten (»das musst du tun, damit …«), sondern warnt davor, das von Gott geschenkte Heil zu verspielen (»das sollst du nicht tun, damit nicht …«; vgl. Konradt 523 f.). Im Folgenden sollen die wichtigsten ethischen Argumentationsmuster kurz vorgestellt werden. Die Orientierung an Vorbildern: a) Gott. Der matthäische Jesus begründet das Gebot der Feindesliebe mit dem Verweis auf das Handeln Gottes, das Guten wie Bösen die Lebensgrundlage gewährt (Mt 5, 45). Dem sollen die Angesprochenen in ihrem eigenen Tun entsprechen. Mt 5, 48 fasst alle voran stehenden Toraaktualisierungen so zusammen, dass Menschen in ihren Taten so »ungeteilt / aufrichtig« sein sollen, wie Gott es auch ist. In der lukanischen Parallele (Lk 6, 36) ist Gottes Barmherzigkeit der menschliches Tun normierende Vergleichspunkt. Die Evangelisten spiegeln hier vermutlich etwas vom Selbstverständnis des irdischen Jesus, der sich als Repräsentant der Gottesherrschaft wohl selbst am Handeln Gottes orientiert hat (vgl. Lk 11, 20). Dieses ethische Argumentationsmuster, das der Epheserbrief ebenfalls aufgreift (Eph 5, 1), hat Parallelen im Judentum, aber auch in der nichtjüdischen Umwelt, in der es mit dem Ratschlag »folge allzeit Gott« auf den Punkt gebracht wurde (vgl. Vahrenhorst 2002, 114 f.; 251 ff.). b) Jesus. Dass Jesu Anhänger Jesus in ihrem Handeln nachfolgen sollen, ist ein weit verbreiteter Topos in den Evangelien. Vor allem Markus betont ihn, aber auch der johanneische Jesus begründet seine Gebote mit dem Verweis auf sich selbst (Joh 13,15; 15, 12). Der matthäische Jesus gibt der Gemeinde ausdrücklich Anteil an seiner Vollmacht, so dass sie in seinem Namen ethische Weisung geben und Sünden vergeben kann und soll (Mt 9,7; 18,18). Jenseits der Evangelien sind es Paulus (Phil 2, 5 ff.) und der Verfasser des 1. Petrusbriefes (1 Petr 2, 21), die ihre Adressaten dazu

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auffordern, sich in ihrem Denken und Tun am Beispiel Jesu zu orientieren. c) Paulus und andere Gestalten des Urchristentums. Schon im 1. Brief an die Thessalonicher lobt Paulus die Gemeinde, weil sie sich an seinem Verhalten orientiert hat (1 Thess 1, 6). Dieses Motiv findet sich als Aufforderung in vielen seiner Briefe (1 Kor 4, 16; 7,7; 11, 1; Gal 4, 12; Phil 3,17; 2 Thess 3, 7.9). In den Pastoralbriefen wirkt dies nach, indem der Gemeindeleiter zum Vorbild wird (1 Tim 4, 12; 2 Tim 1, 13; Tit 2, 7). Der Hebräerbrief mahnt dazu, den Lehrern bzw. ihrem Glauben zu folgen (Hebr 6, 12; 13, 7.17). Entsprechung von Sein und Handeln: Dass das Handeln der Christen ihrem Wesen und ihrem Status auf der Seite Gottes entsprechen soll, ist ein Argumentationsmuster, das besonders in den Paulusbriefen verbreitet ist, in denen Paulus sein Denken in kultisch geprägter Sprache entfaltet: Im 1. Brief an die Thessalonicher spricht Paulus die Gemeinde darauf hin an, dass Gottes heiliger Geist in ihr gegenwärtig ist (1 Thess 4, 8). Dadurch sind sie zu einer heiligen Größe geworden. Daraus folgt für Paulus die Notwendigkeit, das Leben als Heiligung zu leben (4, 3). Ab dem 1. Korintherbrief nennt Paulus die Christen ausdrücklich Heilige. Sie sind also Gottes Eigentum. Das illustriert Paulus, indem er sie Tempel Gottes nennt (1 Kor 3, 16). Aus dieser Wesensbestimmung leitet sich die Notwendigkeit ab, dass die Gemeinde ihren Status als heilige Größe bewahren soll. Dazu gehören Trennungen von Innen und Außen und das Unterlassen bestimmter Handlungen, was Paulus in 1 Kor 5-7 konkret illustriert. Im Römerbrief ergibt sich aus der Beschreibung der Christen als Opfergabe, die Gott vom Apostel dargebracht wird (15,16), die Konsequenz, dass sie ihr Leben als »lebendige Opfer« leben. Darin besteht ihr »botschaftsgemäßer« Gottesdienst (12, 1). Orientierung an der Tora: Der Wille Gottes manifestiert sich nach jüdischer Überzeugung in der Tora, darum muss man sich an den Weisungen der Tora orientieren, wenn man dem Willen Gottes entsprechen will. Dieses Argumentationsmuster findet sich besonders deutlich bei Matthäus

(vgl. 5, 17 ff. und 7, 21) und im Jakobusbrief (Jak 2, 8 ff.; 4, 11). Jesus hat die Frage nach dem rechten Tun ebenfalls mit dem Verweis auf die Gebote der Tora beantwortet (Mk 10,19) und die ganze Tora im Doppelgebot der Liebe zusammengefasst (Mk 12, 29 ff.). Das Liebesgebot aus Lev 19, 18 ist im antiken Judentum als Summe der Tora beliebt (Konradt 1997, 296 ff.), was nicht bedeutet, dass es andere Gebote der Tora ersetzt (Lenhardt / von der Osten Sacken 174 ff.). Paulus (Röm 13, 9) und Jakobus (2, 8) verweisen ebenfalls auf Lev 19, 18. Obwohl Paulus die Rolle der Tora um der beschneidungsfreien Heidenmission willen im Galaterbrief einschränkt, geht er doch davon aus, dass sie eigentlich zu tun ist und dass sie auch als Maßstab im Gericht gelten wird (Röm 2, 12 ff.). Handlungsorientierende Funktion hat sie für Heidenchristen nur bedingt. Nur Röm 13, 8 ff. argumentiert in ethischem Kontext explizit mit der Tora. Die konkreten Weisungen, die Paulus in seinen Briefen gibt, decken sich jedoch mit vielen Geboten der Tora (vgl. Finsterbusch 97 ff.). Orientierung am Wohl des anderen: In den frühen Gemeinden kam es zu Konflikten zwischen Christen, die meinten, auch Fleisch, das wie damals üblich im Kontext heidnischer Kulte geschlachtet worden war, essen zu dürfen, weil an den Gottheiten, denen es geweiht ist, nichts dran sei, und solchen, die hier mehr Skrupel hatten (1 Kor 8). Auch zwischen Christen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft waren Speisefragen virulent (Röm 14, 1 ff.). Paulus empfiehlt hier sein eigenes Verhalten, das sich am Wohl des anderen orientiert und dafür auf eigene Freiheiten verzichtet (1 Kor 9; vgl. 1 Kor 10, 24). Auch jenseits solcher konkreter Anlässe fordert Paulus dazu auf, das Wohl des Nächsten zum Maßstab zu machen (Phil 2, 2 ff.), weil dies Christi Weg und Werk entspricht. Der Andere ist dabei in der Regel ebenfalls ein Gemeindeglied. Bisweilen geraten aber auch Nichtchristen in den Blick (1 Thess 5, 14; Röm 12, 17; Gal 6, 10; 2 Tim 2, 14). Rechtsverzicht: Mit der Orientierung am Wohl des Anderen kann sich der Verzicht auf das eigene Recht verbinden (1 Kor 9). Zur allgemeinen Empfehlung wird der Rechtsverzicht aufgrund

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der Einsicht, dass es besser ist, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun. Darum ist es im Zweifelsfall besser, auf die Durchsetzung eigener rechtmäßiger Ansprüche zu verzichten (1 Kor 6,7). 1 Petr 2, 19 verwendet diesen Gedanken als Trost in aktuellen Verfolgungssituationen, in denen die Durchsetzung des eigenen Rechtes ohnehin nicht möglich ist. In der Bergpredigt ergibt sich der Rechtsverzicht aus der Zuspitzung des Liebesgebotes im Sinne der Feindesliebe (Mt 5, 39 ff.). Boecker, Hans-Jochen, Recht und Gesetz im Alten Testament und im Alten Orient, Neukirchen-Vluyn 2 1984. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, Gütersloh 3 2005. Finsterbusch, Karin, Die Thora als Lebensweisung für Heidenchristen. Studien zur Bedeutung der Thora für die paulinische Ethik, StUNT 20, Göttingen 1996. Haase, Richard, Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher Fassung, Wiesbaden 2 1979. Konradt, Matthias, Gericht und Gemeinde. Eine Studie zur Bedeutung und Funktion von Gerichtsaussagen im Rahmen der paulinischen Ekklesiologie und Ethik im 1 Thess und 1 Kor, BZNW 117, Berlin / New York 2003. Ders., Menschen- oder Bruderliebe? Beobachtungen zum Liebesgebot in den Testamenten der Zwölf Patriarchen, ZNW 88 (1997), 296-310. Lenhardt, Pierre / von der Osten Sacken, Peter, Rabbi Akiva […], ANTZ 1, Berlin 1987. Otto, Eckart, Theologische Ethik des Alten Testaments, ThW 3, 2, Stuttgart 1994. Schmidt, Hans-Christoph, Die Gegenwartsbedeutung der Ethik des Alten Testaments. Überlegungen zu Ernst Würthweins Studie »Verantwortung«, ZThK 95 (1998), 295-312. Vahrenhorst, Martin, »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«. Matthäus im halachischen Diskurs, WMANT 95, Neukirchen-Vluyn 2002. Zeller, Dieter, Konkrete Ethik im hellenistischen Kontext, in: Johannes Beutler (Hg.), Der neue Mensch in Christus. Hellenistische Anthropologie und Ethik im Neuen Testament, QD 190, Freiburg u. a. 2001, 82-98.

Andreas Ruwe / Martin Vahrenhorst

Eunuch Das Wort Eunuch (eunuchos, übersetzt: der, der das Bett beaufsichtigt) meint einen kastrierten Mann, der in höheren gesellschaftlichen Schichten als Sklave im Hausdienst eingesetzt wurde. Dieser griechische Begriff gibt in der Septuaginta das hebräische sa¯rı¯s wieder, das an fast allen Belegstellen in den Bereich des Beamtenapparats verweist. Der hebräische Begriff ist ein akkadisches Lehnwort, was dafür spricht, dass mit dem Begriff auch die Sache, der Einsatz von Eunuchen als hohen Beamten, nach Israel importiert wurde. Wenn auch nur eine Stelle (Jes 56,3 f.) explizit auf die Unfruchtbarkeit des sa¯rı¯s referiert, so kann doch aus dem Kontext anderer Belege geschlossen werden, dass auch im Hebräischen der kastrierte Mann im Beamtenstatus gemeint ist. Vor allem in Persien wurde Kriegsgefangene versklavt und kastriert. Zu ihren Aufgaben gehörten Dienste, die im innersten Bereich des Hauses verortet waren (u. a. Körperpflege, Versorgung des Schlafgemachs, Verwaltung des Vermögens). Im neuassyrischen, babylonischen und persischen Reich gehörten Eunuchen zu den hohen Verwaltungsbeamten. In hellenistischer und römischer Zeit wurde diese Praxis fortgesetzt. Auch an den Höfen der Herrscher Judäas waren Eunuchen anzutreffen (Flav. Jos. Ant. 16,230). Die in den Alltag der im Palast lebenden Frauen integrierten Beamten im Esterbuch werden als Eunuchen bezeichnet (2,3.14.15), ebenso die zu den Frauen entsandten Boten (1,10 ff.) und die persönlichen Bediensteten der Königin. Die institutionelle Aufgabe impliziert hier wie analog an assyrischen, persischen, römischen und byzantinischen Höfen die Kastration. Auch die Androhung an Hiskija, seine Söhne würden sa¯rı¯sı¯m in Babylon sein (Jes 39,7 / 2 Kön 20,18), muss in sexuellem Sinn aufgefasst werden; nur so wird die Demütigung und die angstbesetzte Vorstellung vom Ende der eigenen Abstammungslinie voll verständlich. In Gen 37,36; 39,1 wird Potifar als Beamter des Pharao als sa¯rı¯s bezeichnet. Die Heirat von Eunuchen ist aus dem Achämenidenreich

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Exorzismus

und später aus dem byzantinischen Reich belegt. Dass sich das sexuelle Begehren seiner Frau auf einen anderen richtet (Josef), was innerhalb der Erzählungen der hebräischen Bibel einzigartig ist, mag implizieren, dass der Status auch des verheirateten Eunuchen etwas mit Kastration zu tun hat. Die Tora verbietet in Dtn 23,2 die Kastration. Jene Stellen, die von beamteten Eunuchen sprechen, thematisieren weder diesen Vorgang noch diskutieren sie die Praxis. Eunuchen galten als zuverlässige Sklaven, da sie nur im Bereich ihres Herrn eine angesehene Stellung hatten. Kastrierte Männer wurden in der Antike nicht mehr als vollgültige Männer anerkannt und wurden von daher gesellschaftlich abgelehnt. Eunuchen sind von daher z. B. in Theaterstücken Gegenstand des Spotts (so u. a. in Eurip. Orest. 1385, 1395 ff., 1426 ff.). Anerkennung erhielten Eunuchen nur im Rahmen ihres Sklavendienstes. In Persien wurden die Hofeunuchen deswegen als Gegengewicht zur Aristokratie eingesetzt, da sie als viel loyaler galten als manch persischer Adeliger. Die Figur des Eunuchen schillert zwischen institutioneller Macht und sowohl sexueller als auch gesellschaftlicher Machtlosigkeit. Auf diesen letzten Aspekt weist eindringlich Jes 56,3 f. hin. Unter anderen Marginalisierten wird der Eunuch als Hoffnungszeichen genannt. Ex negativo lässt sich aus dieser mehr als aus allen anderen Stellen die gesellschaftliche Ausgrenzung des Eunuchen, der hier das Pendant der kinderlosen Frau (Jes 54) bildet, erschließen. Dem Eunuchen wird ein von Gott geschenktes Erinnerungszeichen ja¯d wa¯ˇsem zugesagt, das über Söhne und Töchter (die im Alten Israel als RepräsentantInnen der Erinnerung galten) hinausgeht. In zwei neutestamentlichen Texten, die Jes 56 inhaltlich nahe stehen (Mt 19,12; Apg 8,26 ff.), tauchen Eunuchen auf. Im Gegensatz zur gesellschaftlichen Missachtung steht Eunuchen das Reich der Himmel offen. Sie werden trotz ihrer Zeugungsunfähigkeit nicht abgewertet. In Apg 8 wird die Taufe des Finanzverwalters aus Äthiopien – ein Eunuch (vielleicht ein Sklave aus

Schwarzafrika) – als paradigmatische Geschichte erzählt, wie das Evangelium unter den Völkern verbreitet wird. Lukas erzählt diese Geschichte nicht am Beispiel eines gesellschaftlich anerkannten Menschen, wie er es später in Apg 10,1 ff. tut. Vielmehr steht eine Person im Mittelpunkt, die auf Gedeih und Verderb an seinen Herrn gekettet ist und der sonst nur gesellschaftliche Verachtung entgegenschlägt. Guyot, Peter, Eunuchen als Sklaven und Freigelassene in der griechisch-römischen Antike, Stuttgart 1980. Kedar-Kopfstein, Benjamin, Art.: sa¯rı¯s, ThWAT V, 948-954. McCarter, P. Kyle Jr., Biblical detective work identifies the eunuch, BArR 28,2 (2002), 46-48.61. Tadmor, Hayim, Was the Biblical sarı¯s a Eunuch?, in: Ziony Zevit / Seymour Gitin / Michael Sokoloff (Hg.), Solving Riddles and Untying Knots. Biblical, Epigraphic, and Semitic Studies in Honor of Jonas C. Greenfield. FS Jonas C. Greenfield, Indiana 1995, 317-325.

Ilse Müllner / Carsten Jochum-Bortfeld

Exorzismus Der Exorzismus ist eine Handlung, die auf die aktive Beseitigung und Vertreibung von Dämonen und Schädlingsgeistern aus Orten, Sachen und Menschen ausgerichtet ist. Damit ist Exorzismus von apotropäischen Mitteln zu unterscheiden, die das Eindringen von Dämonen verhindern sollen oder Praktiken, die das Geschick der Betroffenen lindern (1 Sam 16, 14-17). Weiterhin ist Exorzismus nicht mit Nekromantie (1 Sam 28, 5-25) gleichzusetzen, da es sich hierbei um eine rein magische Praxis handelt. Sozio-religiöse Voraussetzungen für den Exorzismus sind die Partizipation an einem Weltbild, das im ganzen mediterranen Raum begegnet; eine schichten- oder geschlechtsspezifische Ausdifferenzierung ist nicht in dem Glauben an Dämonen, aber sehr wohl im Umgang mit ihnen zu belegen. Gemäß dem Verständnis der Dämonen als Schadensmächte werden sie als Grund für vielfache Übel angesehen. Diese Schädigung kann in Krankhei-

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ten bestehen, etwa Fieber (Lk 4, 39) oder in der völligen Inbesitznahme des Menschen bis zu dessen Selbstentfremdung in der Besessenheit (Mk 1, 23-25; 5, 2-5; 9, 17 f.). Wenn eine retrospektive Diagnostik meint, diese Phänomene etwa als psychopathologische Störungen deuten zu können, wird damit die eigentliche Bedrohung im Kontext der dämonologischen Wirklichkeitswahrnehmung verkannt: Das völlige Ausgeliefertsein an bedrohliche aus eigenen Kräften nicht überwindbare Mächte, die alle menschliche Lebensqualität zerstören und zu einer sozialen und religiösen Verelendung führt. Denn nicht nur soziale Beziehungen sind beeinträchtigt, sondern auch die religiöse Wertigkeit, da Besessenheit den Menschen in den Bereich der gottfeindlichen Kräfte stellt. Exorzismus ist ein grenzüberschreitender Akt, der Heilung, Befreiung und Restitution des Menschen bedeutet und aufgrund seines Eintretens für den Menschen in den Bereich des Dämons eine Gratwanderung zwischen religiös Erlaubtem und des der Magie bzw. Zauberei Verdächtigen (Mk 3, 22). Hier zeigt sich eine sozial begründete Unterscheidung: Während aus priesterlichen oder pharisäischen Kontexten keine exorzistischen Praktiken bekannt sind – hier wirkt das Konzept der Heiligkeit als apotropäisches Mittel – sind die Objekte der jesuanischen Exorzismen aus der agrarischen und kleinstädtischen Bevölkerung. Der Exorzismus ist keineswegs eine alltägliche Erscheinung; auch der Exorzist bleibt eine Ausnahmeerscheinung, da ihm besondere Befähigungen zu dieser Praxis eigen sein müssen. Der Exorzismus kann durch Worte, Gesten und Rituale (Mk 9, 29) erfolgen. Ob es einen Zusammenhang zwischen der Häufung von Besessenheit und dem Auftreten eines Exorzisten gibt, ist nicht zu erweisen; wahrscheinlich ist aber, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem vermehrten Auftreten und Krisensituationen wie ökonomischer Ausbeutung, Unterdrückung durch Fremdherrschaft und Infragestellung religiöser Werte gibt. Außerhalb des Neuen Testaments ist die Bezeugung des Exorzismus in anderen Schriften des Frühjudentums auffallend spärlich (1QGen

Ap; 4QOrNab; Flav. Jos. Ant. VIII,46-49; Jub 10, 10 ff.). Zunächst ist dieser Befund durch den Ausnahmecharakter des Exorzismus zu erklären, dann aber auch durch die Vorstellung, Gott allein als Retter vor den Dämonen anzusehen und diese Rettung als eschatologische Tat zu hoffen. Des Weiteren lassen die alten Schichten der Mischna eine wunderkritische Tendenz erkennen; der Exorzismus fügt sich nicht zum Selbstverständnis eines Toralehrers. Jesus ist zweifelsohne als Exorzist aufgetreten. Er hat sein Handeln als eschatologische Tatverkündigung im Rahmen der Reich-Gottes-Botschaft verstanden (Lk 11, 20) und als Ausweis deren Wesens. Der Exorzismus verweist auf die gute Ordnung der Schöpfung; er befreit den Menschen aus der Macht der dämonischen Kräfte und bereitet ihn so auf die Basileia Gottes vor, deren Wirklichkeit er durch den Exorzismus antizipatorisch erfahren hat. Offensichtlich hat Jesus den Exorzismus durch das Wort vollzogen; besondere Rituale werden trotz Mk 9, 29 nicht überliefert. Mk 5, 1-20 sprengt die sonst relativ schlichte Erzählform durch Umformung einer Exorzismus-Erzählung in eine antirömische Burleske. Allerdings lässt dieser Text erkennen, dass Besessene als Outsider angesehen wurden, deren Re-Integration in soziale Kontexte keineswegs einfach war. Da es in den Passionserzählungen keine Spur des Vorwurfes gibt, nach dem Jesus Zauberer gewesen sei, ist anzunehmen, dass die Exorzismen als mit der religiösen Praxis vereinbar angesehen wurden. Im Rahmen der neutestamentlichen Christologie werden die Exorzismen als Erweis seiner göttlichen Vollmacht rezipiert (Mk 1, 27) und als eschatologischer Kampf gegen die Dämonenwelt verstanden. Der gemeindliche Exorzismus beruft sich auf die Beauftragung Jesu, der seine Vollmacht an die Jünger übertragen hat (Mk 3, 15; 6, 7.12). Welche Bedeutung der Exorzismus hatte, zeigt sich nicht zuletzt in der Verbindung von Taufe und Exorzismus. Labahn, Michael, Jesu Exorzismen (Q 11,19-20) und die Erkenntnis der ägyptischen Magier (Ex 8, 15). Q 11, 20 als bewahrtes Beispiel für Schrift-Rezeption Jesu nach der

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Familie

Logienquelle, in: Andreas Lindemann, The Sayings Source Q and the Historical Jesus, BEThL 153, Leuven 2001, 617-633. Lange, Armin u. a. (Hg.), Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt, Tübingen 2003. Sorensen, Eric, Possession and Exorcism in the New Testament and Early Christianity, WUNT 2, 157, Tübingen 2002. Theobald, Michael, »Ich sah den Satan aus dem Himmel stürzen …«. Überlieferungskritische Beobachtungen zu Lk 10,18-20, BZ. NF 49 (2005), 174-190. Wahlen, Clinton, Jesus and the impurity of spirits in the synoptic gospels, WUNT 2, 185, Tübingen 2004.

Rainer Kampling

Familie 1. Allgemeine Grundlagen a) Gesellschaftsform. Das deutsche Wort »Familie« umfasst im Alten Testament be¯jt 3¯ab »Vaterhaus, Haushalt« und misˇpa¯h¯ah »Clan, Sippe« ˙ (3 Verwandtschaft), wobei der Haushalt die soziale Grundeinheit darstellt. In einem Haushalt des vorexilischen Israel leben Familienmitglieder aus drei bis vier Generationen: mehrere Brüder mit ihren Eltern, Ehefrauen und Kindern (Gideon Ri 6, 11; 8, 22; Michas Haus Ri 18, 22) sowie ggf. weiteren Verwandten der Vatersippe, Sklaven und Sklavinnen sowie einzelnen Personen, die abseits ihres Heimatortes leben (3 Fremde / Flüchtlinge). Die typische Wohnform im palästinischen Bergland der frühen Eisenzeit umfasst mehrere um einen Hof gruppierte Drei- oder Vierraumhäuser (3 Haus), die gemeinsames Wirtschaften erlauben (Meyers in Perdue 16 f.). Das Leben einer solchen »erweiterten Familie« ist geprägt durch Patrilinearität (an der Vatersippe ausgerichtete Erbfolge), Patrilokalität (Wohnort der verheirateten Söhne am Ort der Vatersippe) und Patriarchalität (rechtliche Verfügungsgewalt des männlichen Haushaltsvorstands; 3 Patriarchat). Mit der Entstehung des 3 Königtums wird die politische und ökonomi-

sche Bedeutung von Haushalt und Sippe in den Hintergrund gedrängt. Nach dem Ende der Monarchie wird unter persischer Oberherrschaft die Idee der in Sippen gegliederten Gesellschaft wiederbelebt, wobei die (be¯jt 3¯abo¯t) »Haus der Väter« (1 Chr 7, 7) genannte Einheit einer Sippe entspricht (Neh 7 par Esr 2), aber auch eine Dorfgemeinschaft (Neh 7, 26-33) bezeichnen kann. Allerdings kann diese Idealisierung die seit dem 8. Jh. v. Chr. einsetzende Entwicklung zur Klassengesellschaft mit starker sozialer Differenzierung nicht aufhalten. In der hellenistischen Zeit sind die Unterschiede zwischen Familien, aufgrund von Schichtzugehörigkeit, materiellen Grundlagen und Wohnort (Palästina oder Diaspora) beträchtlich. Zwar gab es in der Antike auch Lebensformen der Kleinfamilie (vgl. die Darstellung von Maria, Josef und Jesus in Lk 2 und Mt 1-2). Jedoch meinen der griechische Begriff oikos und das lateinische familia wie das hebräische be¯jt 3¯ab den ganzen Haushalt mit allen dort lebenden Personen, die dem pater familias / kyrios untergeordnet sind, mitsamt den Wohnund Wirtschaftsräumen sowie dem übrigen Besitz. Das Neue Testament weist diese Struktur in den so genannten Haustafeln (Kol 3, 18-4, 1; Eph 5, 21-6, 9) auf, sowie in 1 Petr 2, 18-3, 7 und im 1 Tim 3, 2-5; 5,1-6, 2. Die Aufzählung »Haus, Geschwister, Mutter, Vater, Kinder, Äcker« in Mk 10, 29 benennt verwandtschaftliche Beziehungen im Haushalt. Es zeigt sich auch hier die Zusammengehörigkeit von sozialen Beziehungen und materiellen Grundlagen. b) Materielle Grundlagen. Die kleinste selbstständige ökonomische Einheit im akephalen, agrarisch geprägten frühen Israel ist der Haushalt, der auf Landbesitz am Wohnort, Viehbestand, Subsistenzwirtschaft sowie zahlreicher Nachkommenschaft basiert. In vorexilischer Zeit leben selbst die Familienhaushalte der Landstädte von agrarischer Produktion oder von Handwerk, das innerhalb der Familie weitervermittelt wird (1 Chr 4, 21.23). Landbesitz gilt als Familienerbe und sollte nur innerhalb der Sippe veräußert bzw. bei Verlust durch die Sippe zurückgekauft werden (1 Kön 21; 3 Jobeljahr). In der

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Familie

Königszeit bildet sich eine Schicht von Land besitzenden Reichen, oft mit der Staatsverwaltung betrauter Beamter, die von den Propheten des 8.-7. Jh. kritisiert werden, weil sie Schwächere wirtschaftlich ausbeuten (Am 6, 1-6; Jes 5, 8; Jer 5, 26-29). Durch Überschuldung aufgrund von Missernten, Frondienst, Steuern und hohen Zinsen geraten viele bäuerliche Haushalte in die Schuldknechtschaft (3 Schulden), verlieren ihr Land und müssen Lohnarbeit oder Sklavendienste leisten (Ex 21, 1-11; 2 Kön 4,1). Diese Entwicklung führt zur Aufspaltung in eine eher städtische Oberschicht und in eine auf den Landgütern arbeitende Unterschicht. Neh 5 reflektiert einen solchen Konflikt zwischen wohlhabenden und armen Familien in persischer Zeit, der unter dem Statthalter Nehemia zugunsten eines Schuldenerlasses für die Armen entschieden wird. Die in der hellenistischen Zeit häufigen Kriege in Palästina schwächen die ärmeren Familien weiter durch Verlust der Häuser und Ernteerträge (1 Makk 5,13) sowie durch Kriegsgefangenschaft, die meist direkt zur Versklavung führt (1 Makk 3, 38-41; 2 Makk 8, 10 f.). Nach der Einführung des Münzgeldes durch die Perser setzt sich in hellenistischer Zeit die Geldwirtschaft durch, die zu einer alles bisherige Maß übersteigenden Aufhäufung von Besitz in den Händen Weniger führt. Der Tempel wird nun zum Bankdepot für Reiche (2 Makk 3,11.15.22; 4 Makk 4,7), aber auch zum Zufluchtsort für Überschuldete (1 Makk 10, 43). Einige wohlhabende Großfamilien wie die Tobiaden in Samaria (Neh 6; Flav. Jos. Ant. XII,157-222.224.228-236), die Oniaden in Jerusalem und die Makkabäer erkaufen sich politische und religiöse Ämter (2 Makk 4, 7-10.23-29; 5, 5-10, vgl. Kessler 177-181). Für die Oberschicht der persischen Zeit weist das Lob der fähigen Haushaltsvorsteherin (Spr 31,10-31) exemplarisch auf, wie sehr das Funktionieren des Haushalts als Wirtschaftseinheit vom Leitungshandeln der Frau abhängt. Während der Mann sich politisch betätigt, führt die Frau den Haushalt, der über die bloße Subsistenz hinaus durch Landkauf Güter produziert und am internationalen Handel mit teuren Stoffen beteiligt

ist. Das Idealbild bleibt zwar die vom Patriarchen geleitete Familie (Sir 7, 18-36), wobei die ökonomische Abhängigkeit des Patriarchen von der Ehefrau als nicht wünschenswert gilt (Sir 25, 22). Freilich ist das Ideal vielfach gefährdet, wie zahlreiche Hinweise auf Almosen (Sir 4, 1-10; 7, 10.32 f.; 35, 1 f.), die Tobiterzählung (vgl. Tob 2, 11-14) und das Testament des Hiob zeigen. In der griechischen Literatur entwickelt sich im 5. Jh. v. Chr. die Wissenschaft von der Haushaltsführung (Oikonomia); klassisch geworden ist der Oikonomikos des Xenophon. Er befasst sich mit der Verwaltung eines Landgutes mit dem Ziel der optimalen Ausnutzung vorhandener Ressourcen. Der von Xenophon angestrebte Idealzustand sieht eine weitgehende Delegierung der Hausverwaltungsaufgaben an die Ehefrau innerhalb des Hauses und an den Hausverwalter, den epitropos, außerhalb des Hauses vor. Der Hausherr selbst nimmt die Oberaufsicht wahr und ist für Aufgaben im Rahmen von Stadt und Kriegsdienst freigestellt. Das Wissen über Haushaltsführung findet im Neuen Testament seinen Niederschlag in den Haustafeln. In neutestamentlicher Zeit (1. Jh. n. Chr.) entstehen im Römischen Reich auf dem Land zunehmend größere Einheiten der Landwirtschaft. Daneben zeigen Ausgrabungen wie in Pompeii, dass es in römischen Städten ein Nebeneinander von Haushalten gab, die aus einer Vielzahl von Einkommensquellen schöpfen, darunter auch solche, die sich von Handwerkstätigkeiten erhalten (Bäcker; Wollverarbeitung; Metallverarbeitung; Laurence 57-61) und Haushalte, die für eine geringe Personenzahl ausgelegt sind. Mitglieder solcher Wohneinheiten ernähren sich von Kleinhandel. Ein Hausherr, der etwas auf sich hält, empfängt als patronus Personen in seinem Haushalt, die dort nicht leben. Freigelassene können zu Dienstleistungen gegenüber ihrem ehemaligen Herrn verpflichtet werden. Klienten werden von ihrem patronus vor Gericht vertreten und erhalten von ihm auch materielle Unterstützung, sind aber ihrerseits zu politischer Unterstützung und zur Aufwartung im Haus verpflichtet. Gäste und Freunde stehen während ihres Aufenthaltes

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Familie

unter dem Schutz und in der Verantwortung des Hausherrn. Spuren einer solchen Struktur finden sich möglicherweise in Apg 17, 5-9, wenn Jason Paulus und Silas Schutz und 3 Gastfreundschaft gewähren kann (Lehmeier, 322-324) oder Gaius Räumlichkeiten für die frühen Gemeinden (Röm 16, 23) zur Verfügung stellt. In Röm 16, 2 wird Phöbe als prostatis (patrona) bezeichnet, Gastgeberin und Beschützerin von Paulus und anderen. Nachdem sie und die zu ihrem Haushalt zählenden Menschen getauft sind, bittet Lydia Paulus und Barnabas, ihre Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. c) Rechtliche Grundlagen. Die Realität der Familie als ökonomischer Einheit ist im Wesentlichen von der Idee der Autorität des Haushaltsvorstands geprägt. Heirat ist keine Angelegenheit persönlicher Wahl, sondern ein arrangierter Tausch von Frauen und ein Vertrag zwischen verschiedenen Haushalten (Gen 34, 2; 1 Kön 3, 1; 3 Ehe). In den rechtlichen Regelungen werden Verletzungen des Rechts des Haushaltsvorstands thematisiert, etwa sexuelle Beziehungen zu einer unverheirateten Tochter (Ex 22, 15-16; Dtn 22, 2829) und Geschlechtsverkehr mit einer verheirateten Frau (Lev 20, 10; Dtn 22, 22). Die mehrfach überarbeitete Reihe der Inzesttabus Lev 18 weist auf eine Verschiebung des Kerns der Großfamilie von den Brüderpaaren zur Ehe des elterlichen Paares und damit auf eine gestiegene Bedeutung der Mutter in nachexilischer Zeit hin (Fechter, 314317). Sie schließt daher sexuelle Beziehungen zwischen Mitgliedern eines Haushalts aus, die in den Erzelternerzählungen vorkommen (Gen 20, 12; 29, 30). Sklavinnen und Sklaven werden durch Kauf oder als Kinder von Sklavinnen in einen Haushalt aufgenommen. Die Freilassung kann aufgrund von Freikauf oder der Entscheidung des Herrn erfolgen (3 Sklaverei). Die Adoption ist seit dem 2. Jt. v. Chr. in Babylonien nachweisbar und nimmt freie Personen, in aller Regel Männer, in einen Haushalt auf, z. B. um die Erbfolge zu sichern. Leibliche Kinder werden nicht durch Geburt in einen Haushalt aufgenommen, sondern durch einen Aufnahmeakt von Seiten des

pater familias (3 Kinder). Mt 1, 21 zeigt, dass auch in der jüdischen Gesellschaft die Akzeptanz des Kindes durch den pater familias besondere Bedeutung hat (Eltrop 35). Eine freie Frau kann durch Heirat in den Haushalt des Mannes aufgenommen werden (manus-Ehe), seit der späten Republik wurde jedoch häufiger die 3 Ehe sine manu geschlossen, in der die Frau Mitglied ihres Vaterhauses bleibt. Eine Ehe wird durch faktische Trennung geschieden, die Frau erhält dann im Falle einer manus-Ehe ihre Mitgift zurück. Im frühen Prinzipat ist die Ehe als Lebensform offenbar nicht mehr selbstverständlich (3 Fruchtbarkeit). Freie Frauen können weitgehend autonom leben. Im Neuen Testament werden Frauen als Hausherrinnen genannt oder mitgenannt, so z. B. Priska / Priszilla mit Aquila (Apg 18, 2; Röm 16, 3), Nympha (Kol 4, 15); Lydia (Apg 16, 15), Phöbe (Röm 16, 2). d) Soziale Beziehungen / Familienethos. Im alten Israel sind Leben und Rolle eines Individuums im Wesentlichen von der Position im familiären Kontext bestimmt. Die Familie gewährleistet die materielle Absicherung und körperliche Integrität des bzw. der Einzelnen. Die Bedeutung von 3 Kindern für die Familie ist groß, da Söhne das familiäre 3 Erbe weitertragen und für die Eltern im Alter sorgen, während Töchter Heiratsbeziehungen zu anderen Familien ermöglichen. Söhne werden in der Familie in die Religion eingeführt, zunächst durch die Beschneidung am 8. Tag, die auch für im Haushalt geborene männliche Sklaven gilt (Gen 17, 12; Lev 12, 1), dann beim häuslichen Pessachritual (Ex 13, 8.14; 3 Fest) und bei der Weitergabe der Tora (Dtn 6, 20). Wahrscheinlich wurden die genannten Riten erst im babylonischen Exil als Kennzeichen der JHWH-Religion relevant. Israel hat Teil an der im Mittelmeerraum verbreiteten Vorstellung, dass die Ehre einer Familie gewahrt werden muss (3 Ehre / Schande), d. h. sexuelle Beziehungen unverheirateter Töchter und das Fehlverhalten von Söhnen bringen Schande und fallen auf die ganze Familie zurück, es sei denn, die Eltern distanzieren sich öffentlich (Dtn 21, 18-21) oder treten den Gegenbeweis an (Dtn 22, 13-21). Unter diese Vor-

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stellungen von Ehre und Schande muss sich auch das Königshaus fügen (vgl. die Kritik an David in 2 Sam 12, 9-10; 19, 6-8). Von Kindern wird die Ehrung der Eltern gefordert (Ex 20, 12 par. Dtn 5, 16; vgl. 27, 16; inhaltliche Erläuterungen in Spr 19, 26; 28, 7; Sir 3,1-16; 22, 3-5). Die Weisheitstradition prägt ideale Rollenbilder im Sinne dieses Familienethos: der gute Haushaltsvorstand ist gottesfürchtig und gerecht (Spr 10, 3-9; 20, 7), die gute Ehefrau ist fleißig und schweigsam (Spr 12, 4; Sir 26,1-16), die Tochter keusch und klug (Sir 22, 4-5; 42, 9-14), der gute Sohn mäßigt seinen Sexualtrieb (Sir 5, 1-3; 26, 19) und der gute Sklave ist gehorsam (Spr 29, 19.21). Josephus betont die Analogie von Ehrfurcht vor Gott und den Eltern im jüdischen Gesetz und den ungeschriebenen Gesetzen der Griechen (Flav. Jos. Apion. 2,206). Während weisheitliche Schriften Idealvorstellungen bzw. die Sicht männlicher Oberschichtsangehöriger in einem hierarchisch strukturierten Haushalt formulieren, diskutiert die alttestamentliche Erzähltradition Familienkonflikte und ihre mögliche Lösung, vom Brudermord (Gen 4, 8) über die Rivalität zwischen Geschwistern (Gen 27, 34-35; 30; 2 Sam 13, 22) bis hin zur Rebellion gegen den Vater (2 Sam 15). Frauen wie Tamar (Gen 38), Rizpa (2 Sam 21, 1012), Rut und Noomi (Rut) handeln zwar um der Familie willen gegen die gesellschaftlichen Konventionen; es lässt sich jedoch nicht beurteilen, ob sie Ausnahmen oder Repräsentantinnen einer verbreiteten Praxis sind. Das in den Evangelien und bei Paulus in unterschiedlich rigider Weise vertretene Ethos des Verlassens und der Familienlosigkeit (Lk 14, 26; Mk 10, 28-29; 1 Kor 7, 7-8) widerspricht der gesellschaftlichen Norm sowohl im Blick auf die jüdische wie auch die griechisch-römische antike Welt. Dennoch haben Angehörige der frühen Gemeinden danach gelebt (1 Kor 9, 5; Did). Erst die Haustafeln (Kol 3, 18-4, 1; Eph 5, 21-6,9; 1 Petr 2, 18-3, 7) thematisieren das Ethos, das in der Sicht früher Gemeinden in den Haushalten zu gelten hat. Im 1 Petr sind Frauen und SklavInnen nichtgläubigen Hausherren unterworfen. Sie werden zu Unterordnung, Gehorsam und zum Ertragen

von Leid aufgefordert (2,18; 3, 1.6). Dies entspricht der Grundhaltung des 1 Petr, dass ChristInnen in der Öffentlichkeit keinen Anlass zur Klage geben sollen. Nur kurz werden auch die Männer zum vernünftigen Umgang mit den Frauen ermahnt (3, 7). Die apologetische Tendenz der Haustafel im 1 Petr zeigt sich am Fokus auf die untergeordneten Personen. Die Anpassung, nicht die Auflehnung gegen die umgebende Gesellschaft wird empfohlen (Balch 1981, 81-109). In Kol 3, 18-22 wird von Frauen, SklavInnen und Kindern Unterordnung erwartet. Auch hier ist das Anliegen vermutlich apologetisch (Standhartinger 274), zumal die Hausherren anders als etwa in der Oikonomia-Literatur zur Liebe ihren Frauen gegenüber und zur Milde Sklavinnen und Kindern gegenüber aufgefordert werden (Kol 3,19.21; 4,1). Gegenüber 1 Petr und Kol zeigen die Gemeindetafeln in den Pastoralbriefen keine apologetische Tendenz, sondern Einverständis mit der umgebenden Kultur (Wagener 217). Der 1 Tim erwartet von Gemeindeleitern, dass sie ihrem Haushalt gut vorstehen, d. h. sowohl ökonomische als auch Führungskompetenz besitzen (1 Tim 3, 4.12). In der Anordnung, dass Frauen nicht lehren, sondern still sein, sich unterordnen und Kinder gebären sollen (3, 11-14), verweist der 1 Tim auf eine andere Praxis: es gibt offenbar Frauen in der Gemeinde, die lehren. Der Text ist nicht deskriptiv, sondern präskriptiv zu verstehen (Wagener 230): Jüngere unverheiratete Frauen sollen heiraten (5, 11), Sklaven und Sklavinnen sollen ihren Herren dienen (6, 1-2); möglicherweise soll auch hier eine andere Praxis korrigiert werden. 2. Gesellschaftliche Funktion a) Genderaspekte. Im Gegensatz zur Moderne ist für die Antike eine Unterscheidung von öffentlichem und privatem / familiärem Raum nicht sinnvoll, weil der Haushalt gesellschaftlich bedeutsam ist und Frauen nicht gänzlich aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen sind. Zudem muss zwischen Epochen sowie Frauen unterschiedlicher Schichten differenziert werden. Die alttestamentlichen Texte setzen getrennte Wohn-

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räume für Frauen (2 Sam 11,7; Est 2, 3) und getrennte Erziehung (2 Kön 10,1) nur im Bereich des Königshauses voraus. Eine Ausgrenzung der Frauen ist in den räumlich beengten Wohnhäusern der Landstädte und Dörfer sowie bei der Feldarbeit (Rut 2, 3-9) nicht praktikabel. Deshalb ist unwahrscheinlich, dass im Alten Israel und frühen Judentum eine Trennung der Geschlechter im Alltag praktiziert wurde. Frauen haben Zugang zum Stadttor als Ort der Rechtsprechung (Dtn 21, 19; Rut 4, 1-4), zu öffentlichen Versammlungen im Jerusalem der persischen Zeit (Esr 10,1; Neh 5, 1; 8, 2), zum Marktplatz der hellenistischen Stadt, in vorexilischer Zeit auch zum Heiligtum (1 Sam 1, 3-9) und in römischer Zeit zu kultischen Begehungen der Polis (Stegemann / Stegemann 315). Ehefrauen aus der Oberschicht nehmen wohl an Gastmählern, nicht aber an den anschließenden Trinkgelagen teil, die Männern und Hetären vorbehalten sind. Allerdings existiert eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, insofern Ehefrauen, mit Ausnahme der Hauptfrauen des Königs, und Sklavinnen primär mit der Organisation des Haushalts befasst sind (vgl. Spr 31,10-31), während Männer neben der Feldarbeit oder Handwerksarbeit auch Rollen außer Haus, als Oberschichtsangehörige auch politische Ämter wahrnehmen. Auch hier gilt, dass diese Unterschiede für Familien der Unterschicht nicht zutreffen (Stegemann / Stegemann 321 f.). b) Politische Dimension. An den Königshöfen hat die Familienzugehörigkeit von der frühen israelitischen Königszeit bis in die römische Zeit eine politische Dimension, insofern Regierungsämter vom Vater auf den Sohn vererbt werden und bei gewaltsamen Umstürzen meist die Familienangehörigen das Schicksal des Familienvorstands teilen (2 Kön 10, 6-7; 25, 5-7). Heiratsbeziehungen zwischen Königsfamilien dienen dem Machterhalt (1 Sam 18, 17-18; 1 Kön 3, 1), vor allem unter ptolemäischer und seleukidischer Herrschaft (1 Makk 10, 54; 11, 9). Die Frauen des judäischen Königshauses haben Anteil an politischer Macht und setzen sich aktiv für die Sicherung der Dynastie ein (Solvang). In den Versuchen, das judäische Königtum wiederzubeleben, ist

die Zugehörigkeit zur davidischen Linie unerlässlich, wie die Genealogie der Thronanwärter Ismael (Jer 41, 1-3) und Serubbabel (Hag 2, 23, vgl. 1 Chr 3, 17-19) zeigt (3 Messianismus). 3. Religion und Familie a) Familienreligion. Mit diesem Begriff werden Riten und religiöse Vorstellungen bezeichnet, die im familiären Rahmen an Hausaltären oder Sippenheiligtümern beheimatet sind im Gegensatz zum Kult der offiziellen JHWH-Religion auf Stammesebene und an den Staatsheiligtümern (Albertz 52 f.). Angesichts der Quellenlage und der mehrfachen Überarbeitung der Texte im Blick auf ein monotheistisches Gottesbild bleibt die Rekonstruktion solcher Riten umstritten. Spuren finden sich in den Genesiserzählungen, die eine enge Verbundenheit der Großfamilie mit dem Gott des Stammvaters (z. B. »Schrecken Isaaks« Gen 31, 53.42) schildern, sowie in Personennamen, die bis in die frühe Königszeit überwiegend das theophore Element El tragen, während danach Namen mit Jah überwiegen, eine Entwicklung, die wohl auf eine Identifikation der Familiengötter mit JHWH zurückgeht. Spuren gibt es außerdem in agrarischen Festen, die nachträglich an den Tempel verlegt wurden (Ex 23,15-17; Dtn 16, 16). Hinweise auf eine Verehrung der Ahnen einer Sippe geben die Existenz eines Hausgottes (tera¯fı¯m, bei Laban Gen 31, 19.34-35, Saul 1 Sam 19, 11-17, Micha Ri 17, 1-5), die Gottesbefragung in familiären Notsituationen (Gen 25, 22; 1 Kön 14; 2 Kön 1) und das jährliche Schlachtopferfest der Sippe (1 Sam 1, 21; 20, 5-6, vgl. van der Toorn, 206-235). Die Beerdigung der Toten im Familiengrab (3 Tod) und deren Ehrung ist Aufgabe der Söhne (Gen 23, 1; 25, 9; 50,13; 2 Sam 18, 18). Frauen wirken bei Totenklagen (2 Sam 1, 24; Jes 32, 9-13; Jer 9,19; 31,15) und Totenritualen (1 Sam 28; Mk 16, 1-2par) mit. Auch die meist nachexilischen Verbote der Hautritzung für Tote (Dtn 14, 1-2; Lev 19, 28) und der Totenspeisung (Dtn 26, 14; Jes 65, 3-4) bestätigen die Praxis eines Ahnenkultes. Nach dem Ende von Staat und Tempel wird die Familie erneut zur Hauptträgerin der Religion. Zur Zeit des

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Zweiten Tempels begründen Sabbat, Beschneidung und Unterweisung in der Tora eine familiäre JHWH-Frömmigkeit, die charakteristisch für das Judentum wird. b) Gott und Familie. JHWH hat im Gegensatz zur Götterwelt des Alten Orients keine Familie, er ist ursprünglich ein solitärer Berggott. Inschriften aus Kuntillet 3Adjrud und Qirbet elQom aus dem 7./6. Jh. v. Chr., die JHWH mit einer göttlichen Partnerin namens Aschera verbinden, stammen aus Randgebieten Judas und bezeugen eine private Frömmigkeit. In prophetischen Texten wird das Verhältnis Gottes zur Bevölkerung Israels oder Jerusalems, die weiblich personifiziert werden, polemisch mit der Ehemetapher beschrieben (3 Ehe), wobei Gott die Rolle des zornigen, die Untreue seiner Ehefrau bestrafenden Mannes erhält (Hos 2; Jer 2-3; 13; Ez 16; 23). Seit dem Exil wird die Gott-Volk-Beziehung häufiger als familiäre beschrieben, etwa als Vater-Sohn- (Dtn 32, 6b; Jes 63,16; Jer 31, 20 3 Vater) oder Mutter-Kind-Verhältnis (Jes 46, 3 f.; 49, 15; 66,13 3 Mutter). Wo der irdische König »Sohn Gottes« genannt wird (Ps 2, 7), ist nicht Abstammung, sondern seine Funktion als Repräsentant des Volkes gemeint. Beginnend mit der Adoption Jesu durch Gott bei seiner Taufe bezeugen die Evangelien Jesus als »Sohn Gottes«. Jesus verwirft bei Markus die leibliche 3 Verwandtschaft zugunsten der Zuordung zu ihm selbst, die sich am Tun des Willens Gottes entscheidet (3, 31-34). Gotteskindschaft ist nicht exklusiv, sondern das Ziel für alle Menschen (Mt 5, 9). Diesen Gedanken entwickelt v. a. Paulus (Gal 3, 26). In den frühen Gemeinden wird das Verlassen der Haushaltsstrukturen um des Glaubens und der Gemeinde willen (Theißen) aufgewogen durch eine Gemeinschaft (ekklesia) von Geschwistern (adelphoi). Schon die Aussendungsrede geht davon aus, dass es aufnehmende Haushalte gibt (Lk 10, 5). Möglich ist, dass eine Gemeinschaft christlicher Haushalte die Versorgung und soziale Einbindung übernimmt (Mk 10, 30) bis hin zum Teilen des eigenen Besitzes (Apg 2, 46). Paulus verwendet für seine Bezie-

hung zu den Gemeinden eine vielfältige Familienmetaphorik (1 Kor 4,14-15 3 Kinder). Als Spitze gegenüber weltlichen Herren kann die Bezeichnung kyrios (Herr) für den gekreuzigten Christus verstanden werden (1 Kor 2, 8). Albertz, Rainer, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, GAT 8/1.2, Göttingen 2 1996. Balch, David L., Let Wives be Submissive. The Domestic Code in I Peter, Atlanta 1981. Balch, David L. / Osiek, Carolyn, Families in the New Testament World. Households and House Churches, Louisville 1997. Eltrop, Bettina, Denn solchen gehört das Himmelreich. Kinder im Matthäusevangelium. Eine feministisch-sozialgeschichtliche Untersuchung, Stuttgart 1996. Fechter, Friedrich, Die Familie in der Nachexilszeit. Untersuchungen zur Bedeutung der Verwandtschaft in ausgewählten Texten des Alten Testaments, BZAW 264, Berlin 1998. Kessler, Rainer, Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2 2008. Laurence, Ray, Roman Pompeii. Space and Society, London / New York 1994. Lehmeier, Karin, Oikos und Oikonomia. Antike Konzepte der Haushaltsführung und der Bau der Gemeinde bei Paulus, MThSt 92, Marburg 2006. Perdue, Leo G. / Blenkinsopp, Joseph / Collins, John J. / Meyers, Carol, Families in Ancient Israel, Louisville 1997. Solvang, Elna K., A Woman’s Place is in the House. Royal Women of Judah and their Involvement in the House of David, JSOT.S 349, Sheffield 2003. Standhartinger, Angela, Studien zu Entstehungsgeschichte und Intention des Kolosserbriefes, N.S 94, Leiden 1999. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 2 1997. Theißen, Gerd, »Wir haben alles verlassen« (Mc. X,28). Nachfolge und soziale Entwurzelung in der jüdisch-palästinischen Gesellschaft des 1. Jahrhunderts n. Chr. (1977), in: ders., Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 3 1989, 106-141. Toorn, Karel van der, Family Religion in Babylonia, Syria and Israel. Continuity and Change in the Forms of Religious Life, SHANE 7, Leiden 1996. Wagener, Ulrike, Die Ordnung des »Hauses Gottes«. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT II/65, Tübingen 1994.

Christl Maier / Karin Lehmeier

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Siegesfeier. Der Fürst sitzt auf einem Cherubenthron, die Fürstin reicht eine Lotosblüte, eine Frau spielt Leier; dahinter Diener. Elfenbeinritzung aus Megiddo, 1350-1150

Fest 1. Allgemein Das Hebräische kennt keinen Oberbegriff für »Fest«. So kann als Gemeinsamkeit allenfalls gelten: Feste dienen auf jeder Ebene der sozialen Schichtung der Bewahrung und Vertiefung des Gruppen-Zusammenhalts durch gemeinschaftlich gesteigerten Lebensgenuss und Pflege des gemeinsamen Erinnerns. Eine Reihe von Genüssen und Unterhaltungen stand der israelitischen Bevölkerung – sieht man von einer kleinen Oberschicht und der etwas breiteren Streuung des Wohlstands in persisch-hellenistischer Zeit ab – nur oder besonders im Rahmen von Festen zur Verfügung, etwa Fleischessen (3 Essen, gemeinsames) und Tanz (3 Musik). Wie bei jeder Lebensäußerung in der Antike gab es kein Fest ohne rituelle und kultische Dimension, weil alles, was den Menschen umgab, auch mit dem Segen (und Fluch) göttlichen Ursprungs umgeben war; dazu gehören Aussaat, Ernte, die gesamte Vegetation, das Wetter sowie das Leben eines jeden Menschen mit Geburt, Gebären, Krankheit und Tod. Wiederkehrende und einmalige Feste strukturieren Zeit. Kulturübergreifende Funktionen von »Fest« sind Geselligkeit, Mitwirkung, rituelle religiöse Organisation, zeitlich begrenzte symbolische Aufhebung der Ordnung (Gladigow), Konsum und Verteilung des Produzierten. Feste haben festgelegte Zeiten, Räume, Handlungsabläufe

und in der Regel Mythen ihrer Begründung (Berlejung). Die konkrete Gestaltung variiert, so wird es historisch sicherlich zuweilen Prozessionen gegeben haben (s. z. B. die Abb.), ob sich dafür aber in 2 Sam 6; 1 Kön 8; Ps 68, 26 u. a. textliche Belege finden, ist umstritten (Berlejung). Das Fest steht in einer doppelten Opposition zum a) Alltag und b) dem Fasten, das sich – seinerseits zeitlich begrenzt – vom Alltag durch eine bewusste Verminderung des Lebensgenusses abhebt. Im Judentum ist zum Beispiel der 9. Av (Tisch’a be-Av, Tag der Tempelzerstörung) ein Fast-, kein Festtag. Eine Ausnahme bildet der Versöhnungstag (Jom ha-Kippurim, Jom Kippur), er ist, obwohl an ihm gefastet wird, ein Fest- und Freudentag. Tage, an denen nicht gefastet werden durfte, waren im Judentum aufgelistet in der so genannten »Fastenrolle« (Megillat Ta3anit). Die amtliche Festlegung des Monatsbeginns bei Neumond wird in rabbinischer Tradition als qidduš, »Heiligung«, bezeichnet und so als Herausnahme dieses Termins aus dem profanen Zeitlauf interpretiert. In ähnlichem Sinne heißt der Segen, der über dem Ausgang von Sabbat und Festtag gesprochen wird, havdala, »Unterscheidung«. Wo das Neue Testament beiläufig auf die Beobachtung des jüdischen Festkalenders im ältesten Christentum zu sprechen kommt, wird der Gedanke der Unterbrechung mitunter ebenfalls spürbar; in Apg 20, 16 etwa verzichtet Paulus auf einen Missionsaufenthalt in der Provinz Asia, um

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rechtzeitig zum Wochenfest in Jerusalem sein zu können. Fast alle Feste des Alten Testaments entstehen aus kanaanäischen Traditionen, fast alle Feste des Neuen Testaments entstehen aus alttestamentlichen Traditionen. Dabei zeigen die Texte besonders des Alten Testaments nur einen kleinen und JHWH-zentrierten interessegeleiteten Ausschnitt von tatsächlich stattgehabten Festen und Festkulturen, so kommen z. B. der Tammuzkult (Ez 8, 14) und Kulte der Himmelskönigin (Jer 44 u. ö.) nur am Rande und abwertend vor. 2. Feste der Familie Hier gründen die großen Feste im Jahreskreis (Pessach bis Sukkot), und hier werden sie bis heute gefeiert, auch wenn sie zusätzlich nationale Bedeutung angenommen haben. An Festen im Lebenskreis (3 Lebenszyklus), die häufig (nicht mehr verifizierbare) rites de passage darstellten, wurden Entwöhnung (Gen 21, 8), Beschneidung eines Sohnes (berı¯t mila¯h, »Bund der Beschneidung«), Hochzeit (Gen 29, 22; 1 Makk 9, 37; Tob 8, 19 f.) und Begräbnis (Jer 16, 5; 22, 18 f.) mindestens durch gemeinschaftliches Essen, Trinken und Singen begangen. Obwohl Geburten sicher auch gefeiert wurden, gibt es dafür keine biblischen Belege (vielleicht Hi 3, 7) – mit Ausnahme des Geburtstags des Pharaos (Gen 40, 20). Familienfeiern anlässlich der berı¯t mila¯h werden in der Bibel nicht erwähnt, doch spricht das nicht gegen ihre Existenz. Von den israelitischen Hochzeitsfeiern können wir uns nach dem Hohelied Salomos ein ungefähres Bild machen (obwohl diese Komposition über die Liebe, trotz Anleihen am hieros gamos (Nissinen), weder eine »Hochzeitsliturgie« darstellt noch ausschließlich Hochzeitslieder enthält). Das alljährliche Großfamilienfest, mit dem David sich aus der Affäre mit Jonatan und Saul zieht (1 Sam 20, 6), ist wahrscheinlich ein Neumondsfest am lokalen Heiligtum zum Andenken an die Ahnen der Sippe (Theuer), ähnlich könnte auch hinter 1 Sam 28 ein Ahnen- bzw. Totenkult stehen, sie dürften historisch erheblich verbreiteter gewesen sein, als sie in den Bibeltexten vorkommen.

3. Feste im Jahreskreis Sie strukturieren das bäuerliche Jahr und wurden in der Dorfgemeinschaft und am lokalen Heiligtum gefeiert; was die Ernte betraf, sah man sich ganz besonders dem Wohlwollen der Gottheit(en) ausgesetzt (3 Kalender; 3 Zeitvorstellungen). a) Pessach war ursprünglich das erste Frühjahrsfest. Mit dem Einsetzen der Vegetationsperiode verließen die Schaf- und Ziegenherden mit ihren HirtInnen das Dorf und seinen näheren Umkreis, um erstens die jungen Keime von Feld und Garten nicht zu gefährden und zweitens die ökologische Nische von ´s¯adæh (»Weideland«) und midba¯r (»Steppe«) außerhalb der 3ada¯ma¯h (»Acker- und Gartenland«) zu nutzen (Transhumanz). Der Blutritus (s. die Erklärung in der Pessach-Legende Ex 12, 12-14) schützt die Ausziehenden in der »Fremde« und die Daheimgebliebenen, die durch den Auszug eines Teils ihrer Wehrkraft beraubt sind (Knauf). Pessach ist bis heute ein egalitäres Fest, da nach Ausweis der Bibel die einzelne Festgemeinschaft aus nicht mehr oder weniger Personen bestehen kann, als gemeinsam in einer Nacht ein Lamm aufessen können (Ex 12, 3 f.). Die Zubereitungsart ist vorgeschrieben (Ex 12, 8 f.; Dtn 16, 7). Innerhalb der Familie untermauert die heutige Pessach-Ordnung das Patriarchat (Festschreibung der Leitung und Unterweisung der Kinder durch den pater familias). b) Mazzot war ursprünglich das Fest des Beginns der Getreideernte (3 Saat / Ernte) und fand darum einige Wochen nach Pessach statt. Mit der vollständigen Entfernung des »alten« Sauerteiges demonstriert die Gemeinde der vegetationsspendenden Gottheit ihre völlige Abhängigkeit von der kommenden Ernte. Die Zusammenlegung von Pessach und Mazzot erfolgte frühestens im 8. Jh. (Israel) bzw. 7. Jh. (Juda), als die Siedlungsdichte keine Transhumanz mehr erlaubte und die Versorgung mit Viehzuchtprodukten durch ethnische Arbeitsteilung von viehzüchtenden Stämmen an den Rändern des israelitischen Siedlungsgebietes übernommen wurde. c) Schavuot war das Fest zum Abschluss der

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Getreideernte, Sukkot das Fest zum Abschluss der Wein- und Obsternte. In dieser Zeit verlassen die Stadt- und Dorfbewohner ihre Häuser und zelten zur Bewachung der besonders wertvollen Ernte in oder bei ihren Gärten (ein im Nahen Osten bis ins 20. Jh. erhaltener Brauch). Ob es neben Sukkot in der bäuerlichen Tribalgesellschaft noch ein Neujahrsfest gab (wie in Babylon einerseits und dem sich herausbildenden Judentum andererseits), ist zweifelhaft. Später wird das Laubhüttenfest mit Opfern und Umzügen im Tempel, dem Wohnen in einer »Hütte« (sukka¯h) und dem Schwenken von Zweigen und einer Zitrusfrucht (etrog) gefeiert; die rabbinische Tradition assoziiert es u. a. mit dem Freispruch in Gottes Gericht, Gottes wiederholtem Rettungs- und Neuschöpfungshandeln an seinem Volk und dem Heil der messianischen Zeit und der kommenden Welt (WaR 30). d) Der 3 Sabbat war ursprünglich ein Mondfest (vgl. noch Ez 46, 3) und stand in Opposition zu Rosch Hodesch, dem Neumond und Monatsanfang, der z. T. im Judentum als spezifisches Frauenfest gefeiert wurde / wird (vgl. 2 Kön 4, 23), in jedem Fall aber in der Antike festlich begangen wurde (1 Sam 20, 5). Erstaunlich viel Prophetie wird auf Neumond datiert, so dass sich wohl eine Korrespondenz ergibt (Ez 26, 1; 28, 17; 31,1; 32, 1; Hag 1, 1; Jub, ähnlich der Besuch beim Propheten Am 8, 5; 2 Kön 4, 23). Nachexilisch wurde der Sabbat durch babylonischen Einfluss eine Institution, die dem Feiern eine ganz neue und bleibende Bedeutung geben sollte, die Unterbrechung der Arbeit, und zwar für alle Menschen eines Haushalts und für alle Tiere. In der Exodusfassung des Dekalogs wird dieses Gebot mit der Erinnerung an JHWHs Schöpfungshandeln (Ex 20, 8), im Dtn mit der Erinnerung an die Befreiung Israels aus der Sklaverei (Dtn 5,12-15) begründet: wer pausenlos arbeitet, ist SklavIn in Ägypten. Gleichwohl musste der Sabbat (immer wieder?) durchgesetzt werden (Am 8, 4-8; Neh 13, 15-22). Inwieweit das Sabbatjahr – eine landesweite (!) Brache im Rhythmus von sieben Jahren (Lev 25, 1-7), deren Ertrag den Armen und den wilden Tieren überlassen

wird (Ex 23,11) – eingehalten wurde, ist unklar. Die Erwähnung des Sabbats für das Land (2 Chr 36, 21) zielt auf die Fiktion einer siebzigjährigen Brache, während die Oberschicht aus dem Land verschleppt war. 4. Einmalige Feste Als dritte Gruppe stehen neben den Festen im Lebens- und Jahreskreis die »Gelegenheits- Feste«, Anlässe außerhalb des Jahresfestkalenders, bei denen geschlachtet, und das heißt: geopfert wurde; denn bis zu Dtn 12, 15 gab es im Alten Orient und alten Israel keine »profane« Schlachtung. Gelegenheit zum Fest ergab sich durch Eintreffen von Gästen (Gen 18), aus Freude (1 Sam 6, 15) oder durch die Einlösung eines Opfer-Gelübdes nach Beendigung einer Notsituation (2 Sam 6; Est 8, 17; Hi 42, 11; Lk 15, 23) oder bei der Heimkehr siegreicher Krieger (s. z. B. Ri 11, 34). Im (u. U. erweiterten) Familienkreis wurde gemeinschaftlich mit der rettenden Gottheit gefeiert, indem das Opfertier verzehrt, die (wahrscheinliche) (Not-) Situation wie die Erlösung rezitiert und die Gottheit gepriesen und ihr gedankt wurde (s. »Todah«-Psalmen wie Ps 22; Jona 2). Spätestens nachexilisch wurde auch diese Feier an den Tempel gezogen, die ursprünglich am Ortsheiligtum oder auch im eigenen Haus stattfinden konnte. Inthronisationsfeste wurden sicherlich gefeiert, zumindest textlich gibt es dafür aber wenig Spuren (s. aber 1 Kön 1, 9-13.18 f.; Jdt 3, 8). Die spät- und nachbiblischen Feste haben teils biblische Wurzeln, teils historische Anlässe: Purim erinnert an die Rettung vor einem groß angelegten Pogromversuch im Perserreich (Est 9, 20 ff.), Chanukka an die Wiedereinweihung des Tempels durch Judas Makkabäus 164 v. Chr. und an den erfolgreichen Widerstand gegen die Religionsverfolgung unter der Seleukidenherrschaft (1 Makk 4, 59). 5. Lokale Feste Zu den Festen der Ortsgemeinde bzw. der Region gehören in erster Linie 3 Wallfahrten zu lokalen Heiligtümern, etwa Schilo (1 Sam 1, 3), bei denen auch viel Alkoholisches getrunken wurde (1 Sam

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1, 9.13 f.). Eine Wallfahrt zum örtlichen heiligen Hain der Baumgöttin könnte auch hinter Gen 18 stehen. Schon in der Tribalgesellschaft scheint ein jeweils lokal gefeiertes Fest der Viehzüchter bei der Schafschur eine Rolle gespielt zu haben (Gen 31; 38,12 f.; 1 Sam 25; 2 Sam 13, 23; Geoghegan). 6. Nationale und nationalisierte Feste Überregionale, nachgerade nationalisierte Bedeutung erreichten in erster Linie das Neujahrsfest, Jom Kippur sowie die alten bäuerlichen Feste Pessach-Mazzot, Schavuot und Sukkot in heilsgeschichtlicher (Re-)Interpretation. Mit der anzunehmenden Durchsetzung der Kultzentralisation des Jerusalemer 3 Tempels in nachexilischer Zeit wurde dieser zum einzig verbleibenden Wallfahrtsheiligtum, mit den Wallfahrtsfesten Pessach, Schavuot und Sukkot. Pessach vergegenwärtigt nun den Auszug aus Ägypten (Ex 12), Schavuot die Gabe der Tora am Sinai und Sukkot die Wüstenwanderung (Lev 23, 42). In nachexilischer Zeit sollten die drei großen Feste möglichst (Dtn 16, 1-6: unbedingt) am Tempel von Jerusalem gefeiert werden, mit entsprechenden Opferleistungen (vgl. Lev 23; Num 28 zu Opferkalendern insgesamt), das samaritanische Pessach wird bis heute auf dem Berg Garizim begangen. Inwieweit an den Wallfahrten nach Jerusalem nur Männer teilnahmen (Ex 23, 17; 34, 23) oder ob nur sie bestimmte Kulthandlungen vornahmen, Frauen aber mit zum Tempel zogen, ist unklar (zumindest gibt es keine exklusiv männlichen Opfervorschriften in Lev 23; Num 28 f.). Auffällig ist die Betonung einer immer wieder neu begonnenen Tradition, Pessach zu feiern (Jos 5, 10-11; 2 Kön 23, 21-23; 2 Chr 30, 1 f.), hier handelt es sich wahrscheinlich durchgehend um Rückprojektionen aus nachexilischer Zeit. Mit der Zerstörung des Zweiten Tempels sind die Feste wieder in den Familienkreis zurückgekehrt, aus dem sie kamen. Später werden nationale Erinnerung und persönliche Erinnerung verbunden, etwa wenn es in der Pessach-Haggada heißt: »Nächstes Jahr in Jerusalem!« und auch jede Person sich selbst aus Ägypten herausgeführt sieht. Damit

wird Geschichte zyklisch. Die jüdische Tradition schlägt hier den Bogen von der Befreiung aus der ägyptischen Versklavung zur endzeitlichen Errettung Israels, bei der Seder-Feier versinnbildlicht durch einen Becher Wein, der für den wiederkehrenden Propheten Elija bereit steht (vgl. Mal 3, 23). Schavuot zeichnet sich nicht durch spezielle Festriten aus. Die jüdische Tradition ordnet diesem Fest die Torabeschenkung am Sinai zu (vgl. Ex 19, 1; Dtn 16, 12); dies könnte auch in der Pfingsterzählung Apg 2 vorausgesetzt sein, auch wenn es sich am Text nicht sicher belegen lässt. Wahrscheinlich auf Schavuot fällt auch das Fest, das die essenische Gemeinde von Qumran alljährlich zur Bekräftigung ihres »Neuen Bundes« feierte und das durch liturgische Texte in der Gemeinderegel (1QS 1, 18-2, 18) und anderen Qumranschriften belegt ist. Jom Kippur (kalendarisch zehn Tage nach dem Neujahrsfest Rosch ha-Schana) ist der Versöhnungstag. Er hat ein wichtiges Element des babylonischen Neujahrsfestes (Akitu) übernommen: Marduk schrieb die Schicksalstafeln für das kommende Jahr – JHWH schreibt die Namen der Gerechten ins Buch des Lebens (Ps 69, 29; Phil 4, 3; Offb 3, 5; 17, 8; 20, 12.15, s. auch mRHSh 1, 2). Ob es im alten Israel ein Neujahrsfest gegeben hat, ist umstritten. Die in diesem Zusammenhang diskutierten JHWH-Königs-Psalmen könnten literarisch auf assyrischen Einfluss im 7. Jh. v. Chr. reagieren, da sie durchweg (wie etwa Ps 47) die assyrische Erweiterung der Neujahrsfestliturgie um das Motiv der als Chaosmächte vorgestellten politischen Feinde voraussetzen. Im ältesten Christentum stand der jüdische Festkalender mit aller Selbstverständlichkeit in Geltung, das judäisch-galiläische Judenchristentum hielt bis weit in die Spätantike an ihm fest. Apg 27, 9 zeigt, dass selbst der Versöhnungstag als Kalenderdatum im Bewusstsein blieb, auch wenn wir nicht wissen, ob und wie er in christlichen Gemeinden begangen wurde. Manche jüdischen Feste wurden jedoch im Christentum umgedeutet und damit zur Grundlage eines eigenen christlichen Festkalenders. Das gilt vor allem für

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Pessach als das Datum der Kreuzigung und Auferstehung Jesu (vgl. 1 Kor 5, 7; Joh 1, 29; 19, 36), später auch für Schavuot (griech. pentekoste, »Pfingsten«, vgl. Apg 2). Die jüdische Sieben-Tage-Woche wurde beibehalten, aber der Feiertag verschob sich vom Sabbat auf den ersten Wochentag als den »Tag des Herrn« (Offb 1, 10), den Tag seiner Auferstehung (Mk 16, 1 f. par; 1 Kor 15, 4). Für die paulinischen Missionsgemeinden ist die Praxis regelmäßiger Gemeindeversammlungen »am ersten Tag der Woche« von frühester Zeit an belegt (vgl. 1 Kor 16, 2); das nach Apg 20, 7 bei diesen Versammlungen vollzogene »Brotbrechen« ist wahrscheinlich nichts anderes als das in 1 Kor 11, 20 erwähnte »Herrenmahl«. Auch der Wiederholungsbefehl der Einsetzungsworte impliziert bereits eine regelmäßige liturgische Praxis (1 Kor 11, 25; vgl. Lk 22, 19). 7. Endzeit und Heilsgegenwart Am Versöhnungstag empfängt Israel die Vergebung seiner Sünden; seit dem Ende des Opferkults 70 n. Chr. gilt der Tag selbst, der mit Arbeitsruhe und Fasten begangen wird, als sühnewirksam (SifLev 16, 30). Ein Midrasch bemerkt, wenn Israel auch »alle Tage des Jahres« seiner Sünden wegen vom Satan verklagt werde, so müsse dieser doch am Versöhnungstag, an dem Israel Sühne erlangt, schweigen (WaR 21, 4). Der Neujahrstag wird u. a. mit der Bindung Isaaks, der Ankunft des Messias und der Totenauferweckung assoziiert. Das antike Judentum hat in vielen seiner Feste Vorausdeutungen auf endzeitliches Heil entdeckt und sich umgekehrt das endzeitliche Heil oft als Fest ausgemalt. In den Qumranschriften finden sich liturgische Vorschriften für die endzeitliche Mahlfeier, »wenn Gott bei ihnen den Messias geboren werden lässt« (1QSa 2, 11 f.). Die rabbinische Tradition kann die kommende Welt als »Welt, die ganz Sabbat ist«, bezeichnen (MekhShem 31,13) und erwartet für diese Zeit u. a. ein Festgelage, bei dem die Urmonster Leviatan und Behemot verspeist werden (WaR 13, 3; vgl. 2 Bar 29). Ein Jesuswort spricht von einem künftigen Festmahl in Gemeinschaft mit Abra-

ham, Isaak und Jakob im Reich Gottes (Mt 8, 11; Lk 13, 28 f.). Heilsgegenwart im liturgischen Vollzug wird akzentuiert in der Vorstellung von einem gemeinsamen Gotteslob von Engeln und Menschen in den Sabbatopferliedern aus Qumran (4QShir) und in der paulinischen Interpretation des Herrenmahls als Teilhabe am Blut und Leib Christi (1 Kor 10, 16; zur Taufe s. Röm 6, 3 f.; Gal 3, 27). In den Evangelien wird sowohl gegenwärtiges als auch künftiges Heil wiederholt mit Hochzeitsmetaphorik umschrieben: Ist der Bräutigam da, so kann man nicht fasten (Mk 2, 19 par); wohl deshalb lässt sich Jesus auch den Vorwurf gefallen, Fresser und Säufer zu sein (Mt 11, 19; Lk 7, 34). Durch seine Weinspende zu Kana erweist er sich als der »eigentliche« Bräutigam (Zimmermann 212, zu Joh 2,1-10). Auf den Bräutigam zu warten, kann dagegen für die Gäste zur Bewährungsprobe werden (Mt 25,1-13). 8. Feste von Personenverbänden (Berufs-, Geschlechts- und / oder Altersklassenverbindungen) In Häuptlingstümern wie in der frühen Königszeit spielen Feste, die der Häuptling / König aus eigenen Mitteln bestreitet, eine wichtige Rolle für den Erhalt des sozialen Zusammenhaltes des Stammes / Staates, für die Interessenabstimmung innerhalb der jeweiligen Aristokratien sowie die Pflege des Geschichtswissens, also die Identitätsbildung. Diese Funktion ist auch an altorientalischen Königs- und Großkönigshöfen erkennbar (Est 1, 1-9 u. ö.; Dan 5; vgl. Abb. 1 im Art. Essensgewohnheiten). Feste oder Festvereine der Aristokratie (nach Analogie der griechischen Symposien schon in archaischer Zeit) könnten schon seit dem 7. Jh. v. Chr. Sitz der Aufführung und Überlieferung von weisheitlicher und prophetischer Literatur gewesen sein nach dem Modell der Überlieferung der frühgriechischen Lyrik. Wahrscheinlich gab es solche Festvereine in Jerusalem in persisch-hellenistischer Zeit (marzeah, s. Jer 16, 5). Nach Ueh˙ linger dokumentiert Kohelet die philosophischen Gespräche einer solchen Männergesellschaft (vgl. Plato symp.). Ein altersklassenmäßig konstituier-

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9. Soziale Auswirkungen Besonders im Zusammenhang mit dem Laubhüttenfest berichten die Quellen von Ausgelassenheit und Entgrenzung: Zu Ausgang des ersten Festtags wurde im Frauenvorhof des Tempels eine Freudenfeier veranstaltet, deren Lichtschein ganz Jerusalem erleuchtete; »die Frommen und die Männer der Tat tanzten vor ihnen mit brennenden Fackeln in den Händen und sangen Lieder und Lobgesänge« (mSuk 5, 3-4); man kam nicht zum Schlafen (tSuk 4, 5); das enge Beieinander von Frauen und Männern habe gar zu »Leichtsinn« verleitet, so dass man schließlich für Frauen eine separate Tribüne errichtete (ebd. 4, 1). Andere rabbinische Texte reflektieren auf den festtagsbedingten Arbeitsausfall: Dass das Wochenfest, das in die Erntezeit fällt, anders als Pessach und Sukkot nur einen Tag dauert, wird als Schonungsmaßnahme gedeutet (SifDev 140); zugleich wird aber auch damit gerechnet, dass Gott während der Wallfahrtsfeste das Land der Pilgerinnen und Pilger bewacht (ebd. 52). In der synoptischen Überlieferung wird die Überwindung sozialer Barrieren vor allem den Festmählern zugeschrieben, die Jesus in Gemeinschaft mit den als sündig Deklassierten der jüdischen Gesellschaft feiert (Mk 2, 16 par; Lk 7, 34 par) und von denen er in Gleichnissen erzählt (Lk 14, 7-11.16-24; 15, 22 f.; Mt 22, 1-10). Für die Feier des Herrenmahls erhebt Paulus die soziale Gleichheit zur Norm: Denn wenn man es in Korinth so feiert, dass es die »Habenichtse« der Gemeinde »beschämt«, ist es kein Herrenmahl mehr (1 Kor 11, 20-22).

um Jerusalem und wegen ihres symbolischen Potentials Ereignisse von beträchtlicher Brisanz; die Schriften von Josephus Flavius sind voll von Hinweisen auf einschlägige Zwischenfälle. Die öffentlich zelebrierenden Hohepriester konnten von der Volksmenge bejubelt (Flav. Jos. Ant. 15, 50 ff.) oder auch erbost mit Zitrusfrüchten beworfen werden (Flav. Jos. Ant. 13, 372; mSuk 4, 9). War aus Antiochia der römische Prokonsul angereist, ließ sich in seiner Gegenwart gegen die Korruption des ihm unterstellten Prokurators von Judäa protestieren (Flav. Jos. Bell. 2, 280). Wiederholt ist von Aufläufen die Rede, die die Machthabenden nur mühsam unter Kontrolle zu halten vermochten (Flav. Jos. Bell. 2, 10 f.42 par Flav. Jos. Ant. 17, 213 ff.254 ff.); der in Mk 15, 6 erwähnte Usus einer Festtagsamnestie, für den es sonst keine weiteren Belege gibt, erscheint, als Maßnahme präventiver Beschwichtigung, vor diesem Hintergrund gleichwohl plausibel. Andererseits machten Pilgerfahrt, Ruhegebot und Feststimmung die Feiernden leicht zu Opfern feindlicher Aggression (1 Makk 2, 32-38; Flav. Jos. Ant. 14, 66.487 f.; Flav. Jos. Bell. 2, 232.515 f.), auch bei innerjüdischen Auseinandersetzungen (1QpHab 11, 4-8; Flav. Jos. Bell. 4, 402; 5, 99 f.). Religiöse Provokationen seitens nichtjüdischer Anwesender trafen an Festtagen besonders empfindlich (Flav. Jos. Ant. 18, 29 f.; 20, 106 ff. par Flav. Jos. Bell. 2, 224); in Apg 21, 27-30 bekommt dies, offenbar aufgrund einer Verwechslung, auch Paulus zu spüren. Insgesamt bietet die politische Geschichte jüdischen Feierns zur Zeit des Zweiten Tempels zwischen Festfreude und Befreiungshoffnung einerseits und machtpolitischen Gegebenheiten ein ambivalentes Bild. Wie wichtig allerdings praktizierte Festtagskultur auch für ein kämpfendes Judentum war, belegt ein Brief des Rebellenführers Bar Kochba, der sich mitten im Krieg gegen römische Truppen persönlich um die Beschaffung von Zweigen und Zitrusfrüchten für das Laubhüttenfest kümmert.

10. Politische Bedeutung Wallfahrtsfeste waren zur Zeit des Zweiten Tempels wegen der riesigen Menschenmengen in und

Assmann, Jan / Sundermeier, Theo (Hg.), Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt, Studien zum Verstehen fremder Religionen 1, Gütersloh 1991.

ter Festverein könnte hinter Hi 1, 4 stehen. Frauenfeste sind erwähnt in Texten über die Töchter Gileads in Ri 11 und die Benjaminitinnen in Ri 21, 21 (aus letzterem Brauch wurde inzwischen, unter Aufgabe der Genderbegrenzung, der Tu beAv am 15. Av). Genaueres bleibt im Dunkel der Vermutung.

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Festung

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Ulrike Sals / Friedrich Avemarie

Festung Palästina (die heutigen Staaten Israel, Jordanien, der südliche Libanon und die Westbank) ist ein Land, das sich je nach Region unterschiedlich verteidigen lässt. Von der Meerseite her müssen die wenigen Häfen (insbesondere Sidon, Tyrus, Akko, Tell Abu Hawam / heute Haifa, Dor, Cäsarea maritima [erst ab hellenistisch-römischer Zeit], Joppe / heute Jaffa, Aschdod-Yam, Aschkelon und Gaza) gegen feindliche Schiffe bewehrt sein. Dies geschah vor allem durch den Ausbau von geschützten Hafenanlagen, die sich leicht gegen Eindringlinge verteidigen ließen. Truppen auf dem Landwege waren auf die wesentlichen Straßenverläufe, vor allem die via maris (Beqa-Ebene zwischen Libanon und Antilibanon, Hulebecken, See Gennesaret, Untergaliläa, Jesreelebene, Karmel, von da an parallel zur Mittelmeerküste bis nach Ägypten), angewiesen. Strategisch günstige Stellen zur Abwehr einfallender Feinde waren der Abstieg vom Hulebecken zum See Gennesaret (dort lag die wichtige befestigte Stadt Hazor) und der Weg von der Jesreelebene zur Überquerung des Karmel mit den drei befestigten Ortslagen Megiddo, Taanach und Jokneam. Seit der Nutzung von Streitwagen im 2. Jahrtausend war vor allem die flache Jesreelebene ein idealer Kriegsschauplatz (vgl. die Schlacht Thutmosis III. gegen eine Koalition palästinischer Fürsten; Ri 4,7; 6,33; 7,22; 2 Kön 23,29). Nach Offb 16,16 soll hier auch die eschatologische Schlacht bei Har-

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Abb. 1: Stratum X der Festungsanlage in Arad

mageddon (= »Berg von Megiddo«) stattfinden. Insbesondere in Megiddo, aber vielleicht auch in einer Ortschaft südlich des Karmel waren daher ab dem 9. Jh. v. Chr. die israelitischen Streitwagen lokalisiert. Wollte man darüber hinaus das samarische oder judäische Bergland gegen einfallende Feinde schützen, musste man die Wadis, in denen die Straßen von der Küstenebene zum Bergland hinaufführten, befestigen. Dies geschah in der Regel während der Königszeit nicht durch Festungsbauten, sondern durch eine Stadtanlage, deren Mauerring etwas massiver ausgestaltet wurde und in der wahrscheinlich auch zusätzliche Waffen gelagert wurden. Zudem wird es in solchen Städten einen eigenen Heerführer gegeben haben (als Palastbau nachgewiesen z. B. in Lachisch, Hazor u. a.). Belegt ist der Bau solcher befestigten Stadtanlagen in der so genannten Befestigungsliste Rehabeams (2 Chr 11,5-12), die aber statt in das 9. Jh. wohl in das 7. Jh. v. Chr. datiert werden muss und eine Sicherung gegen die assyrischen Truppen sicherstellen sollte. Ähnlich befestigte Städte gab es zudem nördlich von Jerusalem zur Grenzsicherung zwischen Nord- und Südreich in Bet-El, Rama, Geba und Mizpa (1 Kön 15,17.22). Nur an der Südgrenze gab es eigene Festungsbauten mit einem quadratischen oder ovalen Grundriss (z. B. Arad, Kadesch-Barnea) (Abb. 1). Diese Festungen hatten aber nicht nur die Aufgabe,

das Territorium nach Süden hin zu schützen, sondern dienten multifunktional auch den Nomaden der Region als Unterschlupf und waren auch Handelszentren und Übernachtungsmöglichkeiten für Händler. So bietet die Festung in Arad (10.-6. Jh. v. Chr.), die als quadratische Anlage mit einer Seitenlänge von ca. 50 m Seitenlänge und befestigten Ecktürmen geplant war, im Inneren auch Möglichkeiten zur Lagerung von Waren. Die dort gefundenen Inschriften belegen auch die Funktion des Ortes als Handelszentrum für die Region. Bemerkenswert ist, dass es in Arad einen kleinen Tempel gab – den einzigen bislang in Juda ausgegrabenen Tempel. Dies kann wohl damit erklärt werden, dass Arad der letzte Außenposten Judas war, bevor Händler den unsicheren Weg zum Golf von Aqaba auf sich nehmen mussten. Daher errichtete man hier eine Kultstätte, die ein letztes Mal an sicherem Ort ein Gebet um Bewahrung auf der gefährlichen Reise ermöglichte. Unter den Seleukiden wurden in Palästina und

Abb. 2: Herodianische Festungen rund um das Tote Meer

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im Ostjordanland befestigte Militärkolonien angelegt. Aus ihnen entwickelten sich teilweise (z. B. in der späteren Dekapolis) hellenistische Städte, teilweise (z. B. die Akra in Jerusalem) schlug dieser Hellenisierung aber auch interner Widerstand entgegen. Die Stadtmauern dieser Orte waren zum Teil stark befestigt in hellenistischer Läufer-Binder-Technik und mit Bossen sowie Tor-Turm-Wehranlagen. Unter den Hasmonäern kam zusätzlich zu den befestigten Stadtzitadellen (z. B. Jerusalem) und den kleineren strategischen Forts ein besonderer Festungstyp auf, der unter Herodes eine Blüte erlangte: die Palastfestungen an vergleichsweise abgelegenen (z. B. Hyrkania, Masada, Herodeion [Abb. 2 und 3]) oder aber strategisch höchst bedeutsamen (z. B. Alexandreion, Machärus) Ortslagen. Diese Festungen dienten einerseits der Demonstration königlichen Reichtums und Macht und sicherten andererseits durch ihre starke Befestigung und hervorragende Wasserversorgung Grenzregionen, landwirtschaftliche Domänen und Verkehrswege. Der palastartige Ausbau mancher dieser Festungen setzte bereits ansatzweise unter den Hasmonäern ein, doch erst unter den Bedingungen der pax Romana in der Zeit des Herodes (37-4 v. Chr.) verloren diese Festungen ihre primär fortifikatorische Funktion und übernahmen verstärkt repräsentative und administrative Aufgaben; sie konnten aber auch als Gefängnisse und Hinrichtungsstätten verwendet werden (vgl. Machärus). Sowohl archäologische Befunde als auch literarische Quellen geben Zeugnis von diesen Festungen. Neben diesen außergewöhnlichen Palastfestungen gab es auch in herodianischer Zeit weiterhin zahlreiche kleine Festungen mit militär-strategischer Funktion, die nicht zuletzt der Unterdrückung innerer Unruhen dienten. Cohen, Rudolf / Schmitt, Götz, Drei Studien zur Archäologie und Topographie Altisraels, BTAVO B 44, Wiesbaden 1980, 9-27. Herzog, Zeev, The fortress mound at Tel Arad. An interim report, Tel Aviv 29 (2002), 3-109. Lawrence, Arnold W., Greek Aims in Fortification, Oxford 1979.

Abb. 3: Oberburg und Palastanlage nördlich der Oberburg in Herodeion Tsafrir, Yoram, The Desert Fortresses of Judaea in the Second Temple Period, The Jerusalem Cathedra II, 1982, 120145.

Wolfgang Zwickel / Achim Lichtenberger

Fischerei 1. Antikes Palästina Im antiken Palästina wurde seit jeher Fischerei in Binnengewässern und an den angrenzenden Meeren betrieben. Da Juda und Israel in alttestamentlicher Zeit meist keinen eigenen Zugang zum Mittelmeer hatten und das Rote Meer weit entfernt lag, scheint der Verzehr von Fischen einen geringeren Stellenwert gehabt zu haben als bei jenen Nachbarkulturen, die einen unmittelbaren Zugang zum Meer hatten. Darauf deutet auch der Sprachgebrauch des Alten Testaments, das nur »Fisch« bzw. »Fische« allgemein kennt, aber keine einzige spezielle Fischart namentlich nennt. Als Binnenländler waren Judäer und Israeliten somit wesentlich auf importierte Meeres-

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verschiedenen Netzen (u. a. Am 4, 2; Jes 19, 8; Ez 26, 5.14; 32, 3; 47, 10; Hab 1, 15-17; Hi 19, 6; 40, 25.31; Koh 9, 12; Sir 9, 3). Archäologisches Fundmaterial wie steinerne Netzbeschwerer, metallene Haken u. ä. sind in an fischreichen Gewässern gelegenen Orten gut belegt. Ikonographisch tauchen Fische nur gelegentlich auf hebräisch-judäischen Siegeln und Siegelabdrücken auf. Seit langem gab es einen regen internationalen Handel mit Trockenfisch. So exportierte z. B. der ägyptische Beamte Wen-Amun um 1075 v. Chr. Trockenfisch körbeweise aus Ägypten ins phönizische Byblos (TUAT 3, 919). Auch paläozoologisch ist dieser Fischhandel belegt: Fische aus dem Mittelmeer, die vor allem von Phöniziern (Neh 13, 16) bzw. »Kanaanäern« (Hi 40, 30) exportiert wurden (3 Handel), wurden bei Ausgrabungen im judäischen und israelitischen Binnenland ebenso gefunden wie Fische aus dem Roten Meer und aus dem See Gennesaret oder anderen Binnengewässern. In Jerusalem hieß ein Stadttor »Fischtor« (2 Chr 33,14; Zef 1, 10; Neh 3, 3; 12, 39), wohl weil es in der Nähe des Fischmarktes lag. Leichtes, von einer Person gesteuertes Boot. Orthostat am Tempelpalast von Tell Halaf, Anfang 1. Jt. v. Chr.

fische und den Fang von Süßwasserfischen in den eigenen Binnengewässern wie See Gennesaret, Hu ¯le-See, Jordan, Kischon u. a. angewiesen. Das Tote Meer dagegen schied als Fanggebiet aus (Ez 47, 10), nicht aber Quellteiche wie Ain Feshkha an seinen Ufern. Israelitische bzw. jüdische Berufsfischer hat es wohl nur am See Gennesaret gegeben. Da aus klimatischen Gründen Fische ein bis max. zwei Tage nach dem Fang verzehrt werden mussten, kam neben Frischfisch aus lokalen Gewässern vor allem getrockneter bzw. gesalzener (Tob 6, 7; KTU 4.427:23-19) Fisch auf die Speisekarte (vgl. die Stele aus dem nordsyrischen Samal ANEP2 No. 633). Unter den Süßwasserfischen ist auch der Genuss unreiner (Lev 11, 9-12) Fische wie Welse paläozoologisch nachgewiesen. Die Verwendung von Fisch-Innereien zu magischen und medizinischen Zwecken ist literarisch belegt (Tob 6, 6 f.9 f.20; 8, 2 ff.; 11, 4-16). Gefischt wurde mit Angeln, Harpunen und

2. Hellenistisch-römische Antike In der hellenistisch-römischen Antike wurde Fischerei an Binnengewässern und auf dem Meer betrieben (Plin. nat. 32, 11-13; Opp. Hal.), wobei je nach Region und beabsichtigtem Fang allerlei unterschiedliche Werkzeuge wie z. B. Angeln mit oder ohne Rute, verschiedene Köder (Ail. nat. 15; Opp. Hal. 3,76 ff.) oder Haken aus Metall, Horn oder Knochen, sowie Netze (Wurfnetz, Schleppnetz von Booten aus, Verg. georg. 1, 142; Opp. Hal. 3, 80 ff.; Mt 13, 47) oder Reusen aus Korb (Plin. nat. 21, 114) zum Einsatz kamen. In Plato soph. 219a-221c sind verschiedene Fangarten aufgelistet. An der spanischen, südgallischen, italischen und nordafrikanischen Küste existierten Betriebe, die auf die massenhafte Zucht von Fischen spezialisiert waren, und daraus zumeist Fischsauce bzw. -paste (garum, liquamen, hallex, Plin. nat. 31, 94 f.) herstellten und in großem Stil in Amphoren vertrieben (Masada). Fischsauce wurde in unzähligen Gerichten als Würzmittel (Apicius!) verwendet und galt nicht als regelrechte

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Fischerei

Speise. Wichtige Konservierungsmöglichkeiten waren das Trocknen oder Pökeln in Salz (tarichos, der griechische Name für Magdala am See Gennezareth lautet Tarichaea). Als besonderer Luxus galten den Römern Edelfische, die in eigens dazu angelegten Teichen gezüchtet wurden und, raffiniert zubereitet und im Ganzen gereicht, durchaus den Hauptgang eines Feinschmeckermenus bilden konnten (Colum. 8,16 f.; Plin. nat. 9, 67 f.; Athen. 7, 302e; Apicius 9, 11-13; 10,1,6-9; 11-13). Fischteiche (piscinae) gehörten zu vielen Landgütern und waren für die Oberschicht ein wichtiges Statussymbol, besonders wenn darin in Salzwasser Delikatessen wie Muränen oder andere Seefische ohne Rücksicht auf den Aufwand gezüchtet wurden (Var. rust. 3, 17, 5-10; Cic. Att. 1, 19, 6; Plin. nat. 9,170-172; Mart. 10, 30, 21 ff.; Tac. hist. 5, 12 in Jerusalem; jSan 10, 29c). Arme Leute aßen hingegen Trocken- oder Pökelfisch als Beikost zu Bohnen, Brei oder Brot (Mk 6, 38.41.43; Athen. 7, 276e-f). Besonders beliebt war Thunfisch (Plin. nat. 9, 44-53; Opp. Hal. 3, 620-648), der in großen Schwärmen im Mittelmeer auftritt, aber auch Schwertfisch oder Stör (Strab. geogr. 1, 2,16; 7, 3,18) oder in Palästina der Nilbarsch. Neben Fischen waren »Meeresfrüchte« wie Muscheln (besonders Austern aus Gallien), Krustentiere, Schnecken oder Tintenfische für viele Teile der täglichen Nahrung (Mosaike, Plin. nat. 9, 43-104). Ausgrabungen fördern regelmäßig Reste von regional vorhandenen Süßwasserfischen zutage. 3. Judentum Im Judentum gehörten Fische zu den gängigen Nahrungsmitteln, doch waren Meeresfrüchte und manche Fischsorten aus Gründen ritueller Reinheit nicht zum Verzehr zugelassen (mAS 2, 6). Man fing Fisch im Mittelmeer und im See Gennesaret mit Tiberias und Magdala / Tarichaea als Zentren. Vor allem durch das Neue Testament und rabbinische Quellen sind wir über die intensive Fischerei am See Gennesaret gut unterrichtet. Nach Josephus verfügte Magdala während des Ersten Krieges gegen Rom über 230 Boote (Flav. Jos. Vit. 12; 163). Vermutlich verfügte fast jede der Großfamilien in den zahlreichen Sied-

Einzelner Fischer in einem Boot. Relief einer Grabstele von der Insel St. Jacques, Frankreich, 1. oder 2. Jh. n. Chr.

lungen am See über ein Boot, da nur wenig landwirtschaftlich nutzbares Land am Ufersaum zur Verfügung stand. Angehörige der Oberschicht in Magdala und Tiberias dürften sich durch die Verpachtung von Booten und den Handel mit Fischprodukten einen guten Teil der Erträge des Fischfangs gesichert haben. Bei den Fischerfamilien handelte es sich in aller Regel nicht um arme Leute, sondern um Kleinunternehmer mit Eigentum an Netzen und Booten, die jedoch vermutlich Pacht für Fischereirechte an die Obrigkeit zu entrichten hatten. Nach Mk 1, 16-20 konnten neben Familienmitgliedern auch Tagelöhner beschäftigt werden, zudem gab es sicherlich auch arme Arbeiter. Fischerei war harte, gefährliche Arbeit. Fotos aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg belegen, dass auch Frauen auf Fischerbooten auf dem See Gennesaret zu finden sind. Gefischt wurde zumeist mit Wurf- und Schleppnetzen. Ein guter Fang brachte nicht nur der Familie unmittelbar Nahrung, sondern versprach durch Verkauf zusätzliche Einnahmen. Man fuhr früh (Lk 5, 5; Joh 21, 3) oder abends (Mk 6, 47) auf den See hinaus, gefürchtet waren vor allem abendliche Fallwinde (Mk 6, 48). Die Ausgrabungen in et-Tell (Betsaida) und Kafarnaum brachten zahlreiche Gegenstände zutage, die mit Fischfang zusammenhängen: Haken, Netzbeschwerer, Anker vom See Gennesaret. Gebrauchsgegenstände wie Importkeramik oder Glas bezeugen den beschei-

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Folter

denen Wohlstand der Fischerfamilien. Der Schiffsfund von Ginnosar hat wichtige Einblicke in die Bauweise von Nutzschiffen am See Gennesaret erbracht (Wachsman). Im Neuen Testament begegnen vor allem in den Evangelien zahlreiche Erzählungen über das Leben von Fischern (Mk 1, 16-20 par; 4, 35-41 par; 5, 2.18; 8, 14; 6, 42-52; Joh 21, 1-14). Das bekannte Bildwort Jesu von den »Menschenfischern« (Mk 1, 17) ist zwar nicht ohne Parallele (meist negativ konnotiert, Jer 16, 16; 1QH 5,7 f.; vgl. aber JosAs 21, 21: Asenet wird durch die Weisheit Josefs in den Bann geschlagen wie ein Fisch am Haken), doch kann die im Neuen Testament positive Bedeutung durchaus als eigene neutestamentliche Prägung gelten. Cotton, H. u. a., Fish Sauces from Herodian Masada, JRA 9 (1996), 223-239. Curtis, Robert I., Garum and Salsamenta. Production and Commerce in Materia Medica, Leiden 1991. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina Bd. 6: Zeltleben, Vieh- und Milchwirtschaft, Jagd, Fischfang, Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 9, Gütersloh 1939, 343-379. Fortner, Sandra / Rottloff, Andrea, Fisch, Flachs und Öl. Wirtschaftliches Leben und Handel rund um den See Gennesaret in hellenistisch-römischer Zeit, in: Gabriele Faßbeck / Sandra Fortner / Andrea Rottloff / Jürgen Zangenberg (Hg.), Leben am See Gennesaret. Kulturgeschichtliche Entdeckungen in einer biblischen Region, Mainz 2003 (Sonderband Antike Welt), 130-137. Hengel, Martin, Nachfolge und Charisma. Eine exegetischreligionsgeschichtliche Studie zu Mt 8, 21 f. und zu Jesu Ruf in die Nachfolge, BZNW 34, Berlin 1968. Higginbotham, James, Piscinae. Artificial Fishponds in Roman Italy, Chapel Hill 1997. Nun, Mendel, Der See Genezareth und die Evangelien. Archäologische Forschungen eines jüdischen Fischers, Gießen 2001. Rundgren, Frithiof, Der Fisch im Semitischen, in: Jan Bergman u. a. (Hg.), Ex orbe religionum. Studia G. Widengren oblata, Part I, Studies in History of Religions 21, Leiden 1972, 72-80. Sahrhage, Dietrich, Fischfang und Fischkult im alten Ägypten, Mainz 1998. Van Neer, Wim (Hg.), Fish Exploitation in the Past, Tervuren 1994. Wachsman, Shelley, The Sea of Galilee Boat: an extraordinary 2000 Year old Discovery, New York u. a. 1995. Yadin, Yigael / Naveh, Joseph / Meshorer, Ya’akov, Masada

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Ulrich Hübner / Jürgen Zangenberg

Fluch 3 Segen / Fluch Flüchtlinge 3 Fremde / Flüchtlinge

Folter Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, wie es heute im Grundgesetz verankert ist, gab es weder im Alten Orient, noch im Alten Testament und Neuen Testament. Körperliche Strafen waren deshalb durchaus rechtens (3 Strafe). Folter wird heute i. d. R. definiert als das Zufügen von körperlichen oder seelischen Qualen, um den Willen und Widerstand des Folteropfers zu brechen, zur Erlangung von Aussagen, Verhaltensweisen oder als Bestrafung. Um die Bevölkerung einzuschüchtern oder zu erpressen, wird Folter auch in der Öffentlichkeit angewendet. Meist wird Folter dabei von einer Instanz, d. h. im Auftrag der Regierung, des Militärs, der Polizei oder von Geheimdiensten angeordnet. Diese Art von Folter gibt es im Alten Testament fast nicht (Ausnahmen sind Dan 3; 2 Makk 7 und u. U. Jer 37, 15 f.). Grausame Behandlung Gefangener und Besiegter im Krieg (3 Friede / Krieg) war allerdings eine im ganzen Alten Orient verbreitete Realität und galt als Machtbeweis (Ri 1, 6 f.; 5, 30; 1 Sam 11, 2; 2 Kön 25, 7; Klgl 5,11). Die Mehrzahl der alttestamentlichen Belege dazu zeigt aber, dass es auch im Kontext des Krieges selten darum ging, die Besiegten gezielt zu quälen, sondern um deren Tod und Vernichtung (1 Kön 20, 29 f.; Jes 10, 7; Klgl 4, 9 f.). Die Erfahrung von Gewalt im Krieg findet ihren Niederschlag auch in meta-

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phorischer prophetischer Rede (Ez 16, 40 f.; Nah 3, 1-4;). Im Neuen Testament ist im Zusammenhang von Gefangennahmen und Gerichtsverfahren vielfach von Schlägen und Misshandlungen die Rede. Sie sind gewalttätige Übergriffe, die in manchen Fällen auch öffentliche Wirkung haben sollen (Mt 26, 67; Mk 15, 19; Apg 16, 23). Im Zusammenhang von Steuereintreibungen wird von öffentlicher Folter Einzelner berichtet, die ein Dorf erpressen soll (Philo spec. II,92-95; III,159-163). Besonders die langwierige und extrem schmerzhafte Kreuzigung verfolgt ein politisches Ziel: Sie ist als Folter zum Zweck der Unterdrückung der Bevölkerung zu bezeichnen. Verben, die im Zusammenhang der Verfolgertätigkeit des Paulus verwendet werden, weisen ebenfalls auf besondere Gewalttätigkeit hin: verfolgen (diokein 1 Kor 15, 9; Gal 1, 13.23); vernichten (porthein Gal 1, 13.23) und zugrunde richten (lymainein Apg 8, 3). Das Vorgehen, das Bedrohung, Nötigung, Gewalt gegen Personen und Sachen beinhaltet haben könnte, wird zwar deutlich benannt, jedoch nicht weiter geschildert. Apg 26,10 f. schreibt Paulus über die Rolle als Verfolger hinaus auch im anschließenden Verfahren eine wichtige Rolle zu. Seine Aufgabe ist es, die Männer und Frauen aufzuspüren und sie durch Zwang zu Geständnissen zu bringen, »zu lästern« (blasphemein). Dann liefert er sie dem Synhedrium in Jerusalem aus. Zwar ist hier nicht der terminus technicus basanizein verwendet, der auf Folter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens weist, doch wird deutlich, dass die Aussagen zumindest unter Androhung von Gewalt erzwungen werden. Von Folter an Paulus berichtet Apg 22, 24. Römische Soldaten peitschen (mastizein) ihn aus, um die Gründe für den Aufruhr um seine Person zu erfahren. Offb 18,7 nennt als ein Verbrechen »Babylons« (= Rom) Folter (basanismos). Von Folter an ChristInnen berichtet auch der römische Statthalter C. Plinius Secundus, der von ca. 111112 n. Chr. die Provinz Pontus-Bithynien verwaltete (Plin. epist. 96). Er lässt sie foltern, bis sie abfallen und gibt sie dann frei. Möglicherweise

stehen vergleichbare Erfahrungen hinter Befürchtungen, dass Menschen aus den Jesusgemeinden abfallen könnten, z. B. Joh 16, 1.4 (Cassidy 63). In verschiedenen Gleichnissen wird Gewalt und Folter an Sklaven geschildert. So lässt der König in Mt 18, 34 den als hohen Finanzverwalter tätigen Sklaven (3 Sklaverei), der ihm Geld schuldig ist, foltern, bis er seine Schuld beglichen hat. Gerade weil Sklaven gefoltert werden können, eignen sie sich nach Meinung der Herrschaft für die Finanzverwaltung (Glancy 118-122). Ein Verweis auf Folterkeller könnte die Beschreibung des Ortes sein, »an dem absolute Finsternis herrscht«. Dorthin wird im Gleichnis Mt 22, 1-14 der nicht angemessen bekleidete Gast geworfen: »Dort wird er schreien und vor Todesangst mit den Zähnen knirschen« (V. 13). Cavanaugh, William T., Torture and Eucharist. Theology, Politics, and the Body of Christ, Malden, Mass. / Oxford 2000. Cassidy, Richard J., John’s Gospel in New Perspective. Christology and the Realities of Roman Power, Maryknoll / New York 1992. Glancy, Jennifer A., Slavery in Early Christianity, Oxford / New York 2002. Omerzu, Heike, Der Prozess des Paulus. Eine exegetische und rechtshistorische Untersuchung der Apostelgeschichte, Berlin / New York 2002. Schottroff, Luise, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005.

Uta Schmidt / Claudia Janssen / Luise Schottroff

Frau / Mann 1. Allgemein »Mann« und »Frau« sind kulturell bedingte vielschichtige Konstrukte, bestimmt von Auffassungen über Körper und Differenzierung, von sexueller Orientierung, Geschlechterordnung und -beziehung und von Ursprungstheorien. Gerade die Fragestellung nach »Mann / Frau« im bi-

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blischen Kontext erfordert eine erhöhte Selbstreflexion über die eigenen hermeneutischen Leitbilder, um zu vermeiden, dass vorschnell Lücken in alten Texten und fremden Sprachen gefüllt werden, ohne diese als solche wahrzunehmen. Alte Texte sind immer auch als »Schule der Männlichkeit bzw. Weiblichkeit« zu lesen, da sie meist implizit erzählen, wie Mann / Frau zu sein hat und welches Verhalten die Gesellschaft ahndet oder belohnt. Während die feministische historische und hermeneutische Forschung seit mehreren Jahrzehnten auf diesen Feldern forscht, stehen biblische men’s studies noch in den Anfängen und weisen große Lücken auf (R. W. Connell). 2. Terminologie Im Alten Testament gibt es kein genaues Pendant zum deutschen »Mann«. Die wichtigsten Termini lauten: 3¯s ıˇ »Mann«, »Mensch«, »man«, »jeder«; 3¯ada¯m »Mensch«, »Mann«; 3¯ado¯n »Herr«; ba2al »Herr«, »Besitzer«, »Ehemann«; gæbær und gibbo¯r »(starker) Mann«, »Krieger«, »Held«; na2ar »Junge«; ba¯h¯ur »junger Mann«; za¯qe¯n »alter Mann«. ˙ Bereits an dieser Zusammenstellung ist zu erkennen, dass weniger ontologische als funktionale Aspekte eine Bedeutung hatten. Auch die Bezeichnungen für die Frau zeigen dies: 3¯s ıˇ¯ah (eigentlich »Menschin«); pilægæsˇ »Nebenfrau«; na2ara¯h »Mädchen«, »junge Frau«, »Hure«; betu¯la¯h »junge Frau«; gebı¯ra¯h »Gebieterin«, »Herrin« (auch Bezeichnung der Königsmutter). Da das hebräische 3¯s ıˇ im primären Sinn auch ein repräsentatives Mitglied einer Gruppe bezeichnen kann ohne Fokus auf »Männlichkeit«, stellt sich jeweils die Frage, wann das biologische Mannsein betont wird. Bereits in der griechischen Version des Alten Testaments schwankt die Übersetzung zwischen aner und anthropos. In der Vulgata finden sich dann für aner sowohl homo wie vir, wobei vir für sexuell aktive, lebendige Männer verwendet werden kann (z. B. Lk 1, 27 f.; 2, 36; 16, 18), homo hingegen für Erscheinungen von Männern, also Männerähnlichen oder dekonstruierten, gebrochenen Männern (z. B. Lk 8, 27 f.; 9, 30 f.; 11, 31 f.; 23, 47; 24, 4).

So ist präziser als bisher zu fragen, was aner genau bezeichnet: den sexuell aktiven Mann im Gegensatz zur Frau? Ist das im biologischen oder / und sozialen Sinn gemeint? Sehr wahrscheinlich bezeichnete aner die damalige dominante, aktive Geschlechterrolle, die in der Regel freie Männer innehatten. Aber: Wird ein Unfreier nicht mit aner bezeichnet? Schloss aner Homosexuelle aus? Bezeichnet aner den erwachsenen Mann im Gegensatz zum heranwachsenden oder alten Mann? Oder bezeichnet aner / andres die öffentlich sichtbaren und angesprochenen Individuen, die nach damaliger Sitte als »Männer« angesprochen wurden, auch wenn Frauen, Junge, Alte und Unfreie darunter waren? Der Zusammenhang von Apg 17, 22-34 scheint dies zu stützen: Paulus spricht andres von Athen an. Am Ende aber heißt es: »Einige schlossen sich ihm an, darunter auch Dionysius …, sowie eine Frau namens Damaris und weitere mit ihnen.« Während andres ein ehrenwerter Ausdruck ist, wird in 1 Sam 25, 22.34; 1 Kön 14, 10; 16, 11; 21, 21; 2 Kön 9, 8 im Hebräischen abschätzig von »An-die-Wand-Pissern« gesprochen. Eine Übersetzung mit »was männlich ist« verschleiert die negative Konnotation, da Männlichkeit im Deutschen kulturell positiv gewertet wird. Zu denken geben Formulierungen wie in Lev 6, 11, wo es wörtlich heißt: »Alles Männliche unter den Söhnen Aarons …«. Heißt das, dass unter Söhnen auch Töchter zu vermuten sind? Oder in Offb 12, 5, wo der griechische Text von einem »männlichen Sohn« spricht. Heißt das, dass es weibliche Söhne gab? Oder bezeichnet »männlich« etwas anderes als das Geschlecht? Bei allen Personenbezeichnungen im Maskulinum ist zu fragen, ob sie beide Geschlechter umfassen (inklusiv) oder exklusiv verwendet werden. Neben hermeneutischer Wachsamkeit ist auch intensive sozialgeschichtliche Arbeit erforderlich (vgl. Bibel in gerechter Sprache). So können die in den Text eingeschriebenen Konzepte von Mann / Frau, wie auch diejenigen in unseren Köpfen, erkannt werden. Wenn wir nur diejenigen Texte herbeiziehen, in denen Frauen ausdrücklich erwähnt werden, bewegen wir uns im

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Feld hegemonialer Männlichkeit, d. h. Frauen werden an den Rand geschrieben, ohne dass dies der gelebten historischen Wirklichkeit entsprechen muss (E. Schüssler Fiorenza). In den meisten Gruppenbezeichnungen können Frauen in der maskulinen Bezeichnung mit gemeint sein. 3. Rollenbilder Sehr wahrscheinlich sind nahezu alle uns überlieferten alttestamentlichen Texte aus männlicher Perspektive verfasst (Ausnahmen könnten etwa das Buch Rut sowie einige Psalmen darstellen) und entsprechend genderspezifisch ausgerichtet. Die altisraelitische Gesellschaft kann allgemein als androzentrisch bezeichnet werden. Die Position des Mannes dürfte allerdings im Wesentlichen die gesellschaftlich relevanten Repräsentanzfunktionen (Rechtsprechung, Schutzaufgaben, öffentliche Opfer, Nahrungsbeschaffung) betroffen haben. Dies bedeutete z. B., dass die gesellschaftliche Rolle der Frau wesentlich von ihrer Bezogenheit auf einen Mann her begründet wurde; was gerade an dem Text erkennbar wird, der gemeinhin als Beleg für die Selbstständigkeit einer Frau im Alten Israel herangezogen wird: Spr 31, 1031. Frauen wurden fast immer in Abhängigkeit von Männern beschrieben: Das Mädchen bzw. die Unverheiratete hing von ihrem Vater bzw. von ihren Brüdern, die Ehefrau von ihrem Ehemann (Gen 20, 3; Ex 21, 3 u. ö.), die Witwe von ihren Söhnen ab. Eine Geschiedene kehrte zumeist in ihre Herkunftsfamilie, d. h. in die Verfügung von Vater oder Bruder, zurück. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass für das Verhältnis zwischen Gott und Volk seit Hos 1-3 als bildhafter Vergleich öfters die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau begegnet (Ez 16; 23 u. ö.). Dieser allgemeine Befund jedoch ist im Blick auf die Rollenfunktionen zu differenzieren. Zwar hatten Frauen wohl keine Ämter im öffentlichen, besser offiziellen Kult (vgl. dagegen Jer 7, 18 und Jer 44). Andererseits zeigen z. B. die Festbestimmungen in Dtn 16, 11.14 (vgl. dagegen die traditionsgebundene Formulierung in V 16), dass Frauen selbstverständlich in die Anrede »du« ein-

geschlossen und somit den Männern gleichwertige Festteilnehmer waren oder (sieht man den Kern von Dtn als programmatische Reformschrift an) sein sollten. In Neh 8, 2 ist von einer kultischen Versammlung die Rede, zu der Männer und Frauen gehören. Zum Dritten scheint es im Zusammenhang mit Geburt und Todesfall spezifische für Frauen reservierte Funktionen gegeben zu haben (vgl. z. B. Rut 4, 14 f.; Jer 9, 16 f.; 2 Sam 1, 24). Schließlich könnte es die Institution des Siegesjubels durch Frauen gegeben haben (1 Sam 18, 6 f.; 2 Sam 1, 20). Innerfamiliär dürfte der Frau eine durchaus stärkere Position zugekommen sein, wobei ein vom Alter abhängiges hierarchisches Gefälle anzunehmen ist (vgl. z. B. Mi 7, 1-6). Man darf jedoch nicht davon ausgehen, dass die Rollendifferenzierung starr durchgehalten worden wäre; Kindererziehung z. B. dürften beide Geschlechter gleichermaßen vorgenommen haben (z. B. Gen 21, 8), wie umgekehrt die von den Kindern geforderten Respekterweise gleichgewichtig Mutter und Vater galten (Ex 20, 12). Hin und wieder begegnen sehr selbstständig gezeichnete Frauengestalten (neben den Erzmüttern z. B. Tamar [die Schwiegertochter Judas], Mirjam, Debora, Hanna, eine Schunamiterin im Umfeld Elischas, und Hulda; außerdem sei auf Judit und Ester in literarisch sehr späten Werken sowie auf die »Ausländerinnen« Rahab, Dalila und Rut verwiesen), was den Rückschluss erlaubt, Frauen seien nicht in der Rolle der Unterdrückten und gesellschaftlich Deklassierten gewesen. Für das Juditbuch lässt sich zeigen, dass die nichtjüdischen Männer durch Herrschaft, Städtebau und Krieg als dominant und autonom beschrieben werden. Sie erscheinen als recht brutal und zügellos. Die jüdischen Männer hingegen werden als abhängig, oft als Väter und Ehemänner gezeichnet. Sie erscheinen als fromm, da sie beten, zu Gott schreien, fasten und sich um ihre Frauen und Kinder sorgen (Jdt 4, 1-2.7.9). Während die heidnischen Männer stets ohne Frauen genannt werden (Abwesenheit, Unsichtbarkeit von Frauen), werden die jüdischen oft zusammen mit Frauen und Kindern genannt. Judit besiegt

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den heidnischen Kriegsfürsten als fromme Witwe – dies kann als besondere Schmach gegenüber einem dominanten Mann gesehen werden und zeigt, wie das Buch Judit in eine jüdische Widerstandskultur gehört, in der Männlichkeit und Weiblichkeit gegenbildlich zur nichtjüdischen Dominanzkultur geformt werden. Ähnliches lässt sich auch in 4 Makk beobachten, wo schwache Männer zu heldenhaften Märtyrern werden, die Stärke und enkrateia, sogar andreia (Männlichkeit, Tapferkeit) zeigen. In der Regel erhält eine Frau ihr höchstes Ansehen in ihrer Rolle als 3 Mutter. Dem entspricht, dass recht oft das Motiv der (vorübergehenden) Unfruchtbarkeit bzw. der biographisch späten Geburt begegnet. In diesen Fällen wird zum einen der natürlichen Tatsache Rechnung getragen, dass Kinderzeugung außerhalb menschlicher Verfügung liegt, zum andern wird die Bedeutung der solchermaßen spät oder unerwartet schwanger gewordenen Frauen unterstrichen. Interessant scheint, dass an einigen zentralen Stellen des Alten Testaments die Gleichwertigkeit von Mann und Frau betont wird, etwa in Gen 1, 26 f., wo die Gottebenbildlichkeit (d. h. die Würde) beiden Geschlechtern ohne Unterschied zuerkannt wird, oder im Proverbienbuch, wo sowohl Torheit wie auch Weisheit weibliche Personifikation erhalten. Andererseits wird doch an vielen Texten deutlich, dass Frauen als den Männern untergeordnet angesehen wurden. Das zeigt z. B. die Bedeutung der Jungfräulichkeit für die Ehe. 3 Sexualität wurde als Verfügungsrecht des Mannes betrachtet (Num 5, 11-31), Eheschließung und -scheidung von Männern verfügt (z. B. Dtn 22, 16; 24,1). Die Geburt eines Mädchens »verunreinigt« stärker als die eines Jungen (vgl. Lev 12,1-5). Eine geradezu misogyne Haltung scheint sich in Koh 7, 25-28 niedergeschlagen zu haben, während umgekehrt im gleichen literarischen Zusammenhang die Angewiesenheit des Mannes auf die Frau auch als etwas Positives angesehen wird (Koh 9, 9; vgl. auch 4,7-12). In der Gesamtschau kann das Alte Testament keineswegs als frauenfeindliches oder gar -verachtendes Buch angesehen werden (vgl.

dagegen Flav. Jos. Apion. 2, 201); es spiegelt vielmehr die im Alten Orient verbreitete Rollendifferenzierung der Geschlechter. In der Bewertung der Geschlechterbeziehung scheint es im Laufe der Zeit eine Verschiebung gegeben zu haben. Während man in vorexilischer Zeit durchaus davon sprechen kann, dass die familiäre Bindung der ehelichen vorgeordnet wurde (d. h. die 3 Ehe wurde als Funktion der Familie angesehen), kam es nach 587 v. Chr. allmählich zu einer Höherschätzung der Paarbeziehung. Das zeigt sich u. a. auch daran, dass, wie in patrilinear strukturierten Gesellschaften üblich, ursprünglich die Identität eines Menschen über die männliche Linie gefunden wurde, später aber Volkszugehörigkeit (»Jüdisch-Sein«) sich einerseits an der Beschneidung, andererseits aber an der jüdischen Mutter entschied. 4. Hegemoniale Männlichkeit Das Konzept der »hegemonialen Männlichkeit« ist in den men’s studies zentral, d. h. Männlichkeit wird wahrgenommen als Bündel der in einer Gesellschaft geltenden Normen, Verhaltensweisen und Eigenschaften, die das männliche Geschlecht konturieren. Sie ist bestimmt als Dominanz über das weibliche Geschlecht, wie über Hierarchiebildung innerhalb des eigenen Geschlechts. Nach D. Clines ist hegemoniale Männlichkeit in die biblischen Texte eingeschrieben. Er nimmt dabei Stärke, Gewalt, machtvolle und überzeugende Rede, Männerbündelei und Frauenlosigkeit als zusammengehörende Elemente wahr. In der Davidgeschichte ist es vor allem der Mann als Krieger, der die textuelle Bühne bestimmt und damit Kampf und Tötungsbereitschaft als Merkmale hegemonialer Männlichkeit affirmiert. Frauen werden auf dieser Bühne von Männern instrumentalisiert, als Objekte dargestellt oder ganz marginalisiert. Die Elijageschichten (1 Kön 17-2 Kön 2) entsprechen diesem Muster (J. Ebach), nicht jedoch die Paradiesgeschichte. Männlichkeit wird hier durch die Beziehung des 3¯s ıˇ zur 3¯s ıˇ¯ah definiert, die sich aus der Verbindung von behaupteter Abkünftigkeit der Frau aus dem Mann und seiner

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Zugehörigkeit zu ihr, über das gemeinsame Essen bis hin zur neuen Verbindung von Begehren und Herrschaft entwickelt (M.-Th. Wacker). Gen 1-4 sind für die Wahrnehmung und Normierung des Geschlechterverhältnisses entscheidend geworden. Diese Kapitel erlauben aber ein Fülle von Interpretationen – der Mann als Erster, die Frau als abgeleitete, ergänzende Existenz, sowie: Der erste Mensch (3¯ada¯m) stammt aus der Erde (3¯ada¯ma¯h), ist ein Erdlingswesen, aus dem Gott danach zwei aufeinander bezogene Lebewesen (Mann und Frau) schafft. Die Bezeichnung »Mann« (Gen 2, 23) kommt erst spät in der Erzählung und besagt, dass der Mann erst mit der Schaffung der Frau entstanden ist, vorher war der Erdling noch nicht »Mann«. Diese einander widersprechenden Interpretationen liegen durchaus im Text selbst: Während der Erdling 3¯ada¯m in Gen 2, 23 behauptet, die Frau (3¯s ıˇˇs¯ah) sei vom Mann (3¯s ıˇ) genommen, so hält in Gen 4, 1 Eva stolz dagegen: Sie hat mit Gottes Hilfe den 3¯s ıˇ hervorgebracht, als sie ihren ersten Sohn Kain geboren hatte. 5. Virilität / Feminität im alten Rom Der römische Virilismus wurde als ein bestimmendes Konzept von Männlichkeit im antiken Rom herausgearbeitet (Meyer-Zweiffelhoffer). Persönliche Freiheit und Dominanz über andere galten hier als Paradigmen der Männlichkeit, d. h. Virilität hatte weniger geschlechtsspezifische als herrschaftsbezogene Kontur. Sexuelle Beziehungen wurden v. a. im Verhältnis von Herrschaft und Unterwerfung, Kraft und Schwäche, Macht und Gehorsam, Aktivität und Passivität gesehen. Feminität gehört in dieses Konzept als Differenz und Defizienz und lässt sich durch zwei Existenzweisen bestimmen, die des Weiblichen und die des Sklavischen. Beiden gemeinsam sind Passivität und Reaktivität. Während die natürlich Passive – die puella (Mädchen) und uxor (Ehefrau), auch die passive tribade (Lesbe) – in diesem Konzept kaum interessieren und wir von ihrem Geschlechtsleben nichts erfahren, begegnen wir häufig, aber in verachtungsvoller Weise der adultera (aktiven Ehebrecherin), die man

auch als mulier virosa (als Mannstolle) wahrnahm, der vetula (sexuell aktive Alte), und der tribas (Lesbe in sexuell aktiver Rolle). Die Passivität des Sklaven ist gerechtfertigt durch seinen Stand, die der Frau durch ihr Geschlecht, d. h. sie ist »natürlich«. Passivität eines freien Mannes hingegen ist »gegen seine Natur«. Ein sexuell passiver Mann wurde deshalb abschätzig homo effeminatus (verweiblichter / weibischer Mann) genannt oder mollis (Weichling), cinaedus (Tänzer). Ein pathicus ist bereit zu dienen, sich zu unterwerfen, viri muliebria pati sind Männer, die sich als Frau gebrauchen lassen. Einen schlimmeren Vorwurf konnte man einem vir nicht machen. Dieses Konzept hat auch seine Spuren in Röm 1, 18-26 hinterlassen, wo Paulus Homosexualität problematisiert (3 Sexualität 5.). 6. Neues Testament Bei aller Verschiedenheit lässt sich auch Gemeinsames im Geschlechterkonzept des Neuen Testaments finden. So wird Sexualität auf die Ehe beschränkt, was eine Reduktion von legitimer, vom Mann initiierter Sexualität bedeutet (1 Kor 5-7). Paulus erklärte die Beschneidung für nicht zwingend. Damit entfällt nicht nur ein Charakteristikum der Juden, es stellt sich die Frage, was christliche Männlichkeit ist (Gal 3, 28). Hingegen bleibt die sichtbare Differenz zwischen den Geschlechtern in 1 Kor 11 bestehen. Frauen sollen lange, aber bedeckte Haare tragen. Unklar ist die zeitgenössische Normierung und Akzeptanz des öffentlichen Betens von Männern mit unverhülltem Haupt. Verhülltes Haupt von Männern in religiösen Zusammenhängen ist für Griechenland und Rom belegt. Die Verhüllung des Kopfes durch Gebetsmantel oder Gebetsschal im Judentum ist erst spät nachweisbar. Paulus konstruiert damit eine am körperlichen Erscheinungsbild ablesbare Geschlechterdifferenz. Damit steht er in der Toratradition (Dtn 22, 5), die verbietet, Kleider des anderen Geschlechts zu tragen. Die Paulusbriefe machen deutlich, dass Leitungsrollen in dieser Phase nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen ausgeübt worden

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sind. Die Apostelin Junia (Röm 16, 7), die Diakonin Phöbe (Röm 16, 1 f.), Missionarinnen wie Enodia und Syntyche (Phil 4, 2), die Prophetinnen in 1 Kor 11, 2-16 u. a. machen dies deutlich. Die Existenz von Apostelinnen, Prophetinnen, Lehrerinnen, Presbyterinnen, Gemeindewitwen, Diakoninnen, Bischöfinnen, Ökonominnen lässt sich bis ins frühe Mittelalter hinein verfolgen. Die nachpaulinischen Schriften können als Ausdruck einer Krise männlicher Autorität gelesen werden. In manchen Texten wird Ablehnung weiblicher Lehr- und Führungsautorität geäußert, was Einfluss von Frauen voraussetzt. Die Haustafeln (Eph 5, 22-6, 9; Kol 3, 18) setzen einen christlichen Haushalt mit hierarchischen Strukturen voraus: An der Spitze steht der Hausvater, dem die Ehefrau wie die Kinder und SklavInnen Gehorsam schulden. Diese Gehorsamsforderung ist gegenüber dem authentischen Paulus neu. Für das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte fällt auf, dass aner eine herausragende Signifikanz erhält (aner 127  im Neuen Testament, davon 116  in Lukas und Apg). Gleichzeitig hat Lukas Gender-Doubletten eingefügt, d. h. Erzählungen von Frauen neben inhaltlich ähnlichen Erzählungen von Männern. Dennoch erscheint die Ausbreitung des Christentums v. a. von Männern auszugehen, d. h. wohlgeordnet, gut organisiert und ohne jede Absicht einer Störung des gesellschaftlichen Friedens. Wo es allerdings dem römischen Staat um Ehe und Kindererzeugung ging, geht es im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte um Ehefreiheit (Lk 14, 26; 20, 34-36). Im Matthäusevangelium wird die Vaterrolle vom himmlischen Vater allein gefüllt, so dass es in der christlichen Gemeinschaft keine Vaterrolle mehr gibt (Mt 12, 46-50; 19, 27-29; 23, 9). Nachfolge erscheint als Bruch mit dem Vater (Mt 4, 22), der Vaterwelt. Die Bergpredigt ist androzentrisch formuliert, was als Kritik und Regulation christlicher Männlichkeit gelesen werden kann. Aggression, Dominanz, Verachtung gegenüber Frauen und Gewalt als Formen männlicher Lebensbewältigung wird eine Absage erteilt. Die Distanz zum kulturell dominanten Män-

nerideal ist noch Jahrhunderte lang zu erkennen als Zurückhaltung von Christen, am öffentlichen Leben teilzunehmen, als Verzicht auf die Übernahme von Ämtern, auf Teilnahmeverbot an städtischer Fest-, Theater-, Sportkultur, der Reserve gegen intensive Beziehungen zu Nichtchristen, Konflikt zwischen Militärdienst und Christentum. M. Leutzsch nennt diese Distanz eine deutliche Reduktion der Möglichkeiten, kulturell konforme Männlichkeit zu inszenieren. Bird, Phyllis, The Place of Women in the Israelite Cultus, in: Patrick D. Miller (Hg.), Ancient Israelite Religion. Essays in Honor of Frank Moore Cross, Philadelphia 1987, 397419. Boyarin, Daniel, Unheroic Conduct. The Rise of Heterosexuality and the Invention of the Jewish Man, Berkeley / Los Angeles / London 1997. Clines, David J. A., Interested Parties. The Ideology of Writers and Readers of the Hebrew Bible, Sheffield 1995. Connell, Robert W., Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, Opladen 3 2006. Ebach, Jürgen, Elija. Ein biblisches Mannsbild, in: MarieTheres Wacker / Stefanie Rieger-Goertz (Hg.), Mannsbilder. Kritische Männerforschung und theologische Frauenforschung im Gespräch, Berlin 2006, 65-92. Engelken, Karen, Frauen im Alten Israel. Eine begriffsgeschichtliche und sozialrechtliche Studie zur Stellung der Frau im Alten Testament, BWANT 130, Stuttgart u. a. 1990. Keil, Martha, Namhaft im Geschäft – unsichtbar in der Synagoge: Die jüdische Frau im spätmittelalterlichen Aschkenas, in: Christoph Cluse (Hg.), Europas Juden im Mittelalter. Beiträge des internationalen Symposiums in Speyer vom 20. bis 25. Oktober 2002, Trier 2004, 344-354. Leutzsch, Martin, Konstruktionen von Männlichkeit im Urchristentum, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel, Gütersloh 2004, 600-618. Meyer-Zweiffelhoffer, Eckhard, Im Zeichen des Phallus. Die Ordnung des Geschlechtslebens im antiken Rom, Frankfurt 1995. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Zu ihrem Gedächtnis. Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München 1988. Wacker, Marie-Theres, Wann ist der Mann ein Mann oder: Geschlechterdisput vom Paradiese her, in: dies. / Stefanie Rieger-Goertz (Hg.), Mannsbilder. Kritische Männerforschung und Theologische Frauenforschung im Gespräch, Münster 2006, 93-114.

Friedrich Fechter / Luzia Sutter Rehmann

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Freiheit

Freiheit Sache und Begriff der Freiheit ist für die Bibel von Anfang an und durchgehend zentral und grundlegend. Freiheit und Befreiung werden als Kern des Wirkens Gottes erfahren und als zentrale gesellschaftliche und ethische Norm durchgehalten, die aufs engste mit Gerechtigkeit verbunden ist. Allerdings ist dieser Begriff insbesondere in der hebräischen Bibel nicht mit einem, sondern mit einer ganzen Reihe von Worten bzw. Wortfeldern verbunden, vor allem aber mit der Vorstellung und Tradition des Exodus, der Herausführung Israels aus Ägypten. 1. Sozialgeschichte und Terminologie a) Im alten Israel gab es wie in der gesamten Umwelt 3 Sklaverei und darauf bezogen auch eine relativ differenzierte Terminologie für Freiheit / Befreiung. Nach sechs Jahren sollen Schuldsklaven frei / hopsˇi werden (Ex 21,2.5.26 f.), nach Dtn ˙ 15,12 f. gilt das auch für Sklavinnen, eine weibliche Form findet sich in Lev 19,20. Das Wort kann auch z. B. Abgabenfreiheit bezeichnen (1 Sam 17,25). Das Wort dero¯r bezeichnet eine Ausrufung von Befreiung aus Sklaverei und zur Sklaverei führenden Schuldenlasten (Lev 25,10 3 Jobeljahr; Jer 34,8.15.17), dann aber auch eine erwartete umfassende Befreiung (Jes 61,1). Eine große theologische Karriere haben die Begriffe ga¯3al und pa¯da¯h gemacht, die zunächst unterschiedliche Akte des Freikaufs und der Auslösung (3 Auslösen / Erlösen) von Überschuldeten und Versklavten bezeichnen (Lev 25 f.; Rut 2,20; 3,9 ff.; Lev 19,20; 1 Sam 14,45), dann aber für vielfältige Akte von Rettung, Befreiung und Erlösung durch Gott verwendet werden (Jes 43,1; 48,20 u. ö.; 1 Kön 1,29; Mi 6,4 u. v. a.). Das Wort ho¯r bezeichnet Freie, aber eher im Sinne von aristokratischen, politisch einflussreichen Kreisen (1 Kön 21,8.11; Jer 27,20; Neh 2,16; 4,8 u. ö.). Dagegen müssen als eigentliche Bezeichnung für Freie im Gegensatz zu Versklavten die üblichen Worte für die israelitische Bevölkerung im Ganzen gelten wie »Söhne [und Töchter] Israels«, »Männer [und Frauen] der Stadt« u. ä. Denn Israel versteht sich

insgesamt als ein freies Volk und eine befreite Gesellschaft. Dafür steht vor allem die Rede vom Exodus, der Herausführung Israels aus Ägypten, »dem Sklavenhaus«. Im alttestamentlichen Kanon finden sich Hinweise darauf in vielen Büchern aus unterschiedlichen Zeiten und theologischen Schulen, man hat sie als das »Urbekenntnis Israels« (Noth 50 ff.: Überblick über Belege) bezeichnet. In immer neuen Lagen und Zeiten neu erzählt, spiegelt sich darin die Geschichte des Freiheitsverständnisses und des Kampfes um Freiheit. Politisch steht der Exodus für die von Großmächten seit dem Zusammenbruch der ägyptischen Herrschaft im 12. Jh. freie Region, in der Israel entstand. Der Exodus war dann die politische Losung der Befreiung des Nordreichs vom Salomonischen Fronstaat (1 Kön 12,28). Die Exoduserzählung selbst sowie eine Fülle von formelhaften Erinnerungen formuliert das zentrale Selbstverständnis Israels. Bund und Tora am Sinai werden ausdrücklich auf den Exodus bezogen und so als Bewahrung und Ausgestaltung der Freiheit verstanden. Immer wieder wird insbesondere Schutz und Befreiung von Fremden (Ex 22,20; 23,9) und Armen (Dtn 24,18-22) mit dem Verweis auf die eigenen Erfahrungen im Exodus begründet. Das beginnt mit dem Dekalog (Ex 20,2; Dtn 5,6). Vor allem aber entfaltet das Deuteronomium eine auf dem Exodus gegründete Lebensordnung der Freiheit. Der König soll keine große Macht haben und das Volk nicht wieder nach Ägypten führen (Dtn 17,16), Überschuldete sollen befreienden Schuldenerlass erfahren (15,1 ff.), Sklaven überall in Israel Asyl erhalten (23,15 f.) usw. In exilischen Theologien wie der priesterlichen wird der Exodus durch den Begriff der Heiligkeit neu definiert (z. B. Lev 22,32 f.). Dadurch kann Freiheit selbst bei äußerlicher Unfreiheit dieser entgegengesetzt werden. Im Pessachfest, wo Befreiung und Freiheit jährlich gefeiert werden, kommt diese Spannung bis heute zum Ausdruck. Einerseits wird die Hoffnung auf reale politische Befreiung auch in Zeiten äußerlicher Unfreiheit erneuert: »Nächstes Jahr im aufgebauten Jerusalem«. Andererseits

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gilt immer, auch in schlimmen Zeiten: »In jeder Generation ist der Mensch (3¯ada¯m) verpflichtet sich selbst anzusehen, als sei er / sie aus Ägypten ausgezogen«. Auch die Hoffnung auf einen neuen Exodus (Jes 43,16-21; 52,11 f.) bis hin zur eschatologischen Befreiung (55,12 f.) wird bereits gegenwärtig als Möglichkeit von Freiheit wirksam. Ja, selbst die Totenauferstehung wird als Herausführung aus den Gräbern verstanden (Ez 37,12 f.). b) Auch nach dem Neuen Testament besteht die Gesellschaft aus Sklaven / Sklavinnen und Freien (1 Kor 12,13; Gal 3,28; Offb 6,15 u. ö.). Die Evangelien sprechen viel von den Sklaven / Sklavinnen, erwähnen den entsprechenden rechtlichen und sozialen Status der Freigeborenen nicht terminologisch, beschreiben ihn aber. Der Freigeborene hat die Freiheit, über einen anderen Menschen als Sklaven zu herrschen und ihn zu erniedrigen (Lk 17,7-10). Die Wahrnehmung der sozialen Realität von Sklaverei und Freiheit / Befreiung ist also nicht an die Wortgruppe eleuthergebunden. Die Freilassung (aphesis) Gefangener umfasst in dieser Zeit auch die Befreiung Versklavter, da Kriegsgefangenschaft zu Versklavung führte (Lk 4,18 in Aufnahme von Jes 61,1). Die Befreiung (apolytrosis) von der Herrschaft Roms wird in Lk 21,28 (siehe 21,20-28) als weltweites eschatologisches Geschehen ersehnt, das die Befreiung aus Sklaverei, aber auch andere Aspekte der Befreiung (im Sinne von 4,18.19) umfasst. Die politisch-soziale Befreiung wird in der Prophetie Marias (Lk 1,46-55) und Zacharias’ (Lk 1,68-78) mit Worten aus verschiedenen Teilen des Alten Testaments besungen. Diese Hoffnung auf die Befreiung (lytrosis 1,68; 2,38) Israels ist mit Jesu Tod nicht beendet (Lk 24,21). An den Exodus aus Ägypten erinnern das Abendmahl als Pessachmahl (Mk 14,22-25 par) und Pessachbezüge in christologischen Aussagen (z. B. Joh 1,29; 1 Kor 5,7). In Lk 12,35 wird Ex 12,11 aufgenommen und die Existenz in der Nachfolge Jesu als Aufbruch in den Exodus gedeutet. In der metaphorischen Sprache spiegeln sich diese gesellschaftlichen Zusammenhänge der Befreiung Versklavter und der Befreiung von politischer Unterdrückung. Die Existenz des / der

Freien spielt in der Metaphorik in 1 Kor 9 eine Rolle: Paulus beschreibt sein Apostolat als Freiheit (eleutheria) und das heißt exousia / Autorität, sich für seine Arbeit bezahlen zu lassen. Seinen freiwilligen Verzicht darauf versteht er als Selbstversklavung: Er muss wie ein Sklave (scil. Christi) das Evangelium ohne Lohn verkünden und kann diesen Auftrag nicht ablehnen. Die meisten metaphorischen Bezüge denken jedoch an Befreiung aus Sklaverei, wobei Sklaverei im rechtlichen Sinne und manchmal zugleich auch im politischen Sinne gemeint ist: Befreiung von der Herrschaft anderer Götter (1 Kor 8,1-6) hat nach Paulus die Freiheit und Autorität (eleutheria 1 Kor 10,29; exousia 8,9) zur Folge, Götzenopferfleisch zu essen, allerdings wird diese Freiheit eingeschränkt, wenn Geschwister da sind, die diese Befreiung von der Fremdherrschaft anderer Götter nicht oder nicht im selben Maße erfahren haben (1 Kor 8,10). Die Beendigung gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse, wie sie die Ehe für eine Frau bedeutet (Röm 7,3; 1 Kor 7,39), bringt Befreiung; Bürger und Bürgerinnen eines Landes sollten eigentlich nicht steuerpflichtig sein (Mt 17,26), also Freie. 2. Theologische Schwerpunkte a) »Ich bin JHWH deine Gottheit, weil ich dich aus Ägypten, dem Haus der Sklavenarbeit befreit habe.« So stellt sich Gott am Beginn des Dekalogs und damit der gesamten Sinaitora vor (Ex 20,2). Man kann diese Formel und ihre vielen Varianten durch das ganze Alte Testament hindurch geradezu als eine Definition dessen ansehen, was für die Bibel Gott heißt. Gott definiert sich durch den doppelten Bezug zu Israel wie zur Freiheit, beides ist von Gott nicht zu trennen. Ohne diese Bezüge ist schnell von einer anderen Gottheit, einem Götzen die Rede. Gott wird auch da, wo Freiheit nicht die Realität bestimmt, als befreiende Macht erhofft und angerufen. Solche Befreiungstat wird zugleich als seda¯qa¯h, als Gerechtigkeitstat, bezeichnet (Ri 5,11; Jes 46,12 f.). Dabei wird Not und Unfreiheit in der Regel unabhängig von Fragen der Schuld beschrieben, kann aber, besonders in den Psalmen, auch durch

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eigene Schuld (mit-)verursacht sein (Ps 106). Umgekehrt ist die schlimmste Sünde nicht die Verehrung anderer Gottheiten, sondern die Verwandlung des Exodusgottes in ein goldenes Gottesbild und damit die Pervertierung von Freiheit (Ex 32). Wie sehr Freiheit die biblische Rede von Gott und Mensch prägt, zeigt sich auch da, wo andere Bilder und Begriffe benutzt werden. Wenn etwa in Gen 1 die Menschen als Bild Gottes erschaffen werden, so wird ein in den Umweltreligionen durchgängig auf den König und dessen Herrschaft bezogener Begriff für das Menschsein bzw. die Menschheit insgesamt verwendet. Männer und Frauen werden zu königlicher Freiheit erschaffen und zur Herrschaft über Tiere und Erde eingesetzt. Im deutlichen Gegensatz etwa zu Schöpfungserzählungen des Zweistromlandes, wo die Menschen ausdrücklich zum (Sklaven-)Dienst für die Götter geschaffen werden (Enuma Elisch VI,7 f.33 f. [TUAT III, 592]; Atramchasis I,1 ff. [ebd., 618]), wird hier jede Herrschaft über Menschen anthropologisch disqualifiziert. b) Für Paulus ist die Befreiung aus der Sklaverei der Sünde vor allem im Römerbrief eine grundlegende Vorstellung. Die Sünde herrscht über die sündigenden Menschen wie eine Sklavenherrin oder ein imperialer Tyrann. Diese Sklaverei wird von Gott durch Christi Tod und Auferstehung beendet (Röm 6,18-23). Die Befreiten sind nun Sklaven und Sklavinnen Gottes – doch Paulus ist sich der Unangemessenheit dieser Metaphorik bewusst (3 Sklaverei). Entsprechend zur Befreiung der Kinder Gottes befindet sich auch die Schöpfung im Prozess der Befreiung (Röm 8,21). In den Paulusbriefen geht es nicht – wie im 20. Jahrhundert fast durchweg angenommen – um Befreiung vom Gesetz, der Tora, sondern um Befreiung von der Sünde. Diese Befreiung macht fähig, die Tora zu tun. Die Sklaverei besteht gerade darin, die Tora nicht zu tun (Röm 7; Gal 4 und 5). In 1 Kor 7,22 reflektiert Paulus die Befreiung, die ein Sklave, der sich in Christus befindet, erfährt: Er sei Freigelassener (apeleutheros) Christi. Eine Freilassung im rechtlichen Sinne wünscht

Paulus allen Versklavten, wenn sie erreichbar ist (7,21), doch in 7,22 geht es um die Sklaven und Sklavinnen ohne Aussicht auf Freilassung. Die Gemeinden haben in dieser Zeit noch keine Freikäufe praktiziert, wie es in der Didaskalia im 3. Jh. bezeugt wird (XVIII; Achelis-Flemming, S. 91, Z. 25-30). Dennoch stellt Paulus sich in 7,22 nicht eine innere Freiheit der Versklavten vor, wie sie Epiktet und andere Philosophen dieser Zeit propagieren (s. Epict. diss. IV, 1 u. ö.). Freigelassene Christi zu sein, hat soziale Konsequenzen in der Gemeinde (Phlm; Gal 3,28 etc.). Abschaffung der Sklaverei zu fordern war in dieser Zeit keine Denkmöglichkeit (Patterson), doch sollten die gesellschaftlichen Konsequenzen der Gleichstellung Versklavter in den Gemeinden nicht unterschätzt werden, denn sie hat auch Auswirkungen auf die umgebende Gesellschaft. In diesem Zusammenhang verwendet Paulus auch Metaphorik, die sich auf das Loskaufen Gefangener oder Versklavter bezieht und Versklavung von Menschen grundsätzlich in Frage stellt: 1 Kor 7,23; 6,20; Gal 4,5; vgl. 1 Petr 1,18.19. Im Brief an die Gemeinden in Galatien wird das Substantiv »Freiheit« (eleutheria) ganz nachdrücklich zur Bezeichnung der Befreiung durch Christus verwendet (2,4; 5,1.13). Diese Freiheit drückt sich darin aus, dass sich nichtjüdische Männer, die sich an Christus binden, nicht beschneiden lassen müssen. Diese Position war innerjüdisch nicht beispiellos, doch aber eher eine Extremmeinung. Es geht Paulus dabei darum, dass das Tun der Tora durch Christi Befreiung zustande kommt (Gal 5,25.14). Die Sklaverei, die dieser Freiheit entgegensteht, ist das Nichttun der Tora (5,3). Gal 2,16: die »Werke des Gesetzes« (erga nomou) werden nicht getan, deshalb führen sie nicht zur Gerechtigkeit. In Joh 8,32.33 kündigt Jesus die Befreiung durch die Wahrheit Gottes an. Sie bringt die Befreiung von der Sklaverei der Sünde (8,34). Seine jüdischen Gesprächspartner verweisen auf die Befreiungsgeschichte Israels mit seinem Gott. Auch für jüdisches Verständnis führt sie zum Tun der Tora. Der Dissens mit Jesus kann also nicht um Grundsätzliches gehen, sondern um

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die Frage, ob ein konkretes Verhalten Sünde ist oder nicht (Wengst). Achelis, Hans / Flemming, Johannes, Die syrische Didaskalia übersetzt und erklärt, Leipzig 1904. Crüsemann, Frank, Freiheit durch Erzählen von Freiheit. Zur Geschichte des Exodus-Motivs, EvTh 61 (2001), 102118 = ders., Kanon und Sozialgeschichte. Beiträge zum Alten Testament, Gütersloh 2003, 193-209. Ders., Bewahrung der Freiheit. Das Thema des Dekalogs in sozialgeschichtlicher Perspektive, KT 128, Gütersloh 2ð3Þ 1998. Horsley, Richard A., 1 Corinthians, Nashville 1998. Kloesel, Hans, Libertas (1935), in: Hans Oppermann (Hg.), Römische Wertbegriffe, Darmstadt 1974. Noth, Martin, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Darmstadt 2 1960. Osten-Sacken, Peter von der, Befreiung durch das Gesetz, in: ders., Evangelium und Tora, München 1987, 197-209. Patterson, Orlando, Paul, Slavery, and Freedom, in: Allen Dwight Callahan, Slavery in Text and Interpretation (Semeia 83/84), SBL 1998, 263-279. Schottroff, Luise, Die Schreckensherrschaft der Sünde und die Befreiung durch Christus nach dem Römerbrief des Paulus, in: dies., Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments, München 1990, 5772. Vollenweider, Samuel, Freiheit als neue Schöpfung, Göttingen 1989. Walzer, Michael, Exodus und Revolution, Berlin 1988. Wengst, Klaus, Das Johannesevangelium, Teilband 1, Stuttgart 2 2000.

Frank Crüsemann / Luise Schottroff

Fremde / Flüchtlinge 1. Terminologie im Alten Testament Das biblische Hebräisch verwendet verschiedene Begriffe für den Fremden. Im wesentlichen werden zwei Kategorien unterschieden: Ausländer (nokrı¯) und Fremde (ge¯r). Der sich nur vorübergehend in Israel aufhaltende Ausländer wird nokrı¯ genannt (1 Kön 8, 41), während der über ein unbegrenztes Wohnrecht verfügende Fremde ge¯r heißt und sich rechtlich in der Position eines Schutzbürgers befindet (Lev 19, 33 f.). Eine

Person, zu der man eher auf Distanz geht, die andersartig bzw. fremd wirkt (Hos 7, 9; Jer 5,19; Ez 11, 9), oder als Besatzer feindlich gesinnt ist (Hos 8, 7; Jes 1, 7), wird als za¯r bezeichnet. Ein Flüchtling (pa¯lı¯t) ist im Wortsinne ein Entronnener, sei ˙ es aus unmittelbarer Kriegsgefahr oder anderer Gewalt (Jer 44, 14.28; 51, 50; Ez 6, 8 f.). »Flüchtling sein« ist nur ein Übergangsstatus, in sozialrechtlichen Zusammenhängen kommt der Terminus nicht vor. 2. Ausländer Ausländer finden sich als Söldner, Spezialisten oder Kaufleute in den Diensten des Königs (1 Sam 21, 8; 2 Sam 11,1-27; 15, 18-22; 1 Kön 9, 26 f.; 10, 15) oder als Gesandte eines fremden Königs (Jes 18,1 f.; Jer 27, 3). Diese standen automatisch unter dem Schutz des Königs. Ausländer werden nur beiläufig in den Rechtssammlungen erwähnt, z. B. wenn die Geltung der Gesetze auf Israeliten und wohnsitzberechtigte Fremde begrenzt wird (Ex 21, 8; Dtn 14, 21; 15, 3; 17, 15). Ausländer sind vom Schuldenerlass (Dtn 15, 3) und dem Zinsverbot (Dtn 23, 21) ausgenommen. Männliche ausländische Kriegsgefangene konnten dauerhaft versklavt werden, während die Heirat mit weiblichen Kriegsgefangenen, die dann als frei galten, erlaubt war (Dtn 21, 10-14). Gekaufte Sklaven ausländischer Herkunft konnten lebenslang versklavt bleiben (Lev 25, 44-46). Grundsätzlich galt für vorübergehend anwesende Ausländer das Gastrecht (Gen 19, 6-8) und der Schutz von Leib und Leben (Dtn 21, 1-9). In den alttestamentlichen Erzählungen wird die Anwesenheit von Ausländern und Ausländerinnen in Israel sehr unterschiedlich bewertet. Die deuteronomistische Geschichtsdeutung sieht in der Anwesenheit der Vorbewohnerschaft und ihrer polytheistischen Kulte die Ursache für Israels Abfall von JHWH und gebietet, diese während der Landnahme auszurotten (Dtn 7, 1-6; 20, 16-18). Die teilweise Erfüllung dieser Forderung wird anhand narrativer Fiktionen demonstriert (Dtn 2, 31-3, 8; Jos 10-12), doch das in diesem Kontext auftauchende Heiratsverbot (Dtn 7, 3 f.; Jos 23, 12) wie auch die Berichte über vertraglich

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geregelte Beziehungen mit den kanaanäischen Städten (Jos 9; Ri 1, 19-3, 6) entlarven die Forderungen und Erzählungen als theologisch motivierte, programmatische Rückprojektionen. Die deuteronomistische Position ist strikt auf das Problem religiöser Apostasie begrenzt und bestimmt nicht die generelle Einstellung gegenüber Fremden (Jos 2; 6, 23-26; Ri 4,17-22). In den Erzählungen über Salomo erhöht einerseits dessen Heirat mit einer ägyptischen Prinzessin seinen Ruhm (1 Kön 3, 1; 7, 8b), hingegen führt die multinationale Zusammensetzung seines Harems ihn direkt zum religiösen Abfall (1 Kön 11,1-8). Ahabs Heirat mit der sidonischen Prinzessin Isebel wird missbilligt und Ausländer treten als Unglücksboten auf (2 Sam 1, 13; 18, 21). Andererseits gelten gerade Ausländer als besonders zuverlässig (2 Sam 15, 17-22) und aufrecht, wie Jeremias Rettung durch einen äthiopischen Höfling zeigt (Jer 38, 7-13). Die prophetische Verheißung eines Weltfriedens sieht die fremden Völker auf der Wallfahrt zum Zion (Jes 2, 2-4; Mi 4, 1-3). Prophetische Visionen aus der Zeit der persischen Oberherrschaft schildern, dass die Völker Israels Exulanten zurückbringen (Jes 49, 22 f.), Ausländer Jerusalems Mauern wiederaufbauen und Juda als Hirten, Bauern und Weingärtner dienen (Jes 60, 10; 61, 5). Im 5. Jh. v. Chr. überwiegen in den Kreisen der verantwortlichen jüdischen Funktionäre und Machthaber religiös motivierte Abgrenzungsbestrebungen die Beziehungen zu den Ausländern (Esr 9, 1 f.; Neh 2, 19 f.), die im Konnubiumsverbot münden (Neh 13, 23-27). Gegen diese Position wenden sich die biblischen Bücher Ruth und Jona, die ihre ausländischen Hauptfiguren als Vorbilder Israels präsentieren. 3. Fremde Fremde (ge¯rı¯m) spielen in der biblischen Überlieferung eine wichtige Rolle. Die Patriarchen weilen in Kanaan als Fremde (Gen 12-28; 32-35; 37). Das Volk Israel in Ägypten hat den Status von Fremden (Ex 6, 4; Dtn 23, 8). Moses lebte als Fremder in Midian (Ex 2, 22), die Familie Elimelechs in Moab (Rut 1, 1). Das Sozialverhalten ge-

genüber dem Fremden wird motiviert durch den Hinweis auf die einst gemachte Erfahrung eigener Fremdheit in Ägypten (Ex 22, 20; 23, 9; Dtn 10, 19). Der Fremde ist rechtlich selbständig, aber ohne eigenen Grundbesitz, doch kann er über ein Haus, Knechte, Mägde und Sklaven verfügen (Gen 12, 5.16; 19, 2; Ri 19, 21). Er ist nicht in das Verwandtschaftssystem eingebunden, da er fern seines Geburtsortes lebt. Der Herkunft nach handelt es sich um einen Israeliten aus einem anderen Stamm (Ri 17, 7 f.; 19,16) oder um einen Ausländer (Jes 16, 4). Der typische Fremde ist ein Wirtschaftsflüchtling, der seine Heimat wegen einer Hungersnot verlassen hat (Gen 12, 10; 26, 3; 47, 4; Rut 1, 1; 1 Kön 17, 8-16; 2 Kön 8, 1). Kriege können dazu führen, dass Flüchtlinge sich als Fremde in Israel niederlassen (Jes 16, 4; 2 Sam 4, 3). Die Fremden sind Adressaten der Tora und in den Bund JHWHs mit Israel eingeschlossen (Dtn 29, 10), daher müssen sie an der regelmäßigen öffentlichen Verlesung der Tora teilnehmen, um sie zu lernen (Dtn 31,12). Der Fremde hat nicht in allen Bereichen die gleichen Rechte und Pflichten wie die Einheimischen. Die Entwicklung des Rechts läuft aber auf eine weitgehende Gleichstellung des Fremden in kultischen Angelegenheiten und im Sozialrecht zu. Nach Ezechiel sollen die Fremden bei der nachexilischen Neuverteilung des Landes Anteil am Grundbesitz erhalten (Ez 47, 22 f.). Fremde sind von der Arbeit am Sabbat freigestellt (Ex 20, 10; 23, 12; Dtn 5, 14) und sollen Anteil an den öffentlichen Festen haben, am Wochenfest (Dtn 16, 11), am Laubhüttenfest (Dtn 16, 14) sowie an privaten JHWH-Kultfeiern (Num 15, 14-16.26.29.30). Zum Pessachfest ist der Fremde zugelassen, wenn er beschnitten ist (Ex 12, 19.48 f.; Num 9, 14). Der Fremde hat den Sühnetag (jom kippur Lev 16, 29) und das Verbot, Blut zu essen, einzuhalten (Lev 17, 10-13), darf aber verendete Tiere essen. Er hat verbotene Sexualbeziehungen zu meiden (Lev 18, 26) und wie die Einheimischen seine Opfer JHWH darzubringen (Lev 17, 8 f.; 20, 2). Der Fremde soll den Namen JHWHs nicht lästern (Lev 24, 16) und eine Reihe von kultischen Reinheitsbestimmungen

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beachten (Num 19, 10; Lev 17, 15 f.). Die Einhaltung dieser Kultgesetze dient nicht nur der Erhaltung der Kultfähigkeit des einzelnen Fremden, sie ist Voraussetzung für die Integration des Fremden in die israelitische Gesellschaft. Fremde werden in einer Reihe mit anderen wirtschaftlich Schwachen erwähnt (Dtn 14, 29; 16, 11.14; 24, 19-21; 26, 12). Es gilt als Fluchstrafe, wenn die Fremden selbst zu Gläubigern werden und Israeliten zu ihren Schuldnern (Dtn 28, 43 f.). Sie stehen wie die Witwen und Waisen unter dem besonderen Schutz JHWHs (Ps 94, 6; 146, 9), der ihnen »Brot und Bekleidung gibt«, sie werden darum der besonderen Liebe und Fürsorge der Besitzenden empfohlen (Dtn 10,18 f.). Fremde haben wie die Witwen, Waisen und Leviten ein Anrecht auf eine gesicherte Grundversorgung. Der Lohn ist auch einem fremden Tagelöhner vor Sonnenuntergang auszuzahlen (Dtn 24, 14 f.). Das Pfandrecht gilt für alle Armen (Dtn 24, 6.10-13), desgleichen fallen ihnen die Nachlese (Ex 23,10 f.; Dtn 24, 19-22) und der Zehnte jedes dritte Jahr zu (Dtn 14, 28-29). Fremde kommen gleichfalls in den Genuss des in jedem siebten Jahr durchzuführenden Schuldenerlasses (Dtn 15, 1-3). Die zeitliche Beschränkung der Personalhaftung für Schulden auf die Arbeitsleistung von sechs Jahren und die anschließende Freilassung der Schuldsklaven galt wahrscheinlich auch für die Fremden (Ex 21, 2-6; Dtn 15, 12-15). Die Mahnung, sie nicht zu bedrücken, durchzieht als Motiv alle alttestamentlichen Rechtssammlungen (Ex 22, 20 f.; Lev 19, 33; Dtn 24,17) und deutet an, dass sie nicht voll rechtsfähig, sondern in Rechtsverfahren auf die Vertretung durch einen israelitischen Vollbürger angewiesen waren. Die Richter werden ermahnt, sie im Prozess nicht zu benachteiligen (Dtn 1, 16). Ein Flucheid soll sie vor Rechtsbeugung schützen (Dtn 27, 19). Auch haben sie bei nicht vorsätzlichem Totschlag Anspruch darauf, in einer der Asylstädte Zuflucht zu finden (Num 35,15; Jos 20, 9). Prophetische Texte rügen die rechtliche Unterdrückung der Fremden und drohen mit JHWHs richtendem Einschreiten (Jer 7, 6; Ez 22, 7.29; Sach 7, 10; Mal 3, 5).

Die Charakterisierung der Patriarchen als Fremde in Palästina ist theologisch bedeutsam geworden. Der Psalmbeter (Ps 39, 13; 119, 19) wie der chronistische David (1 Chr 29,15) bitten um Gottes Hilfe und verweisen darauf, dass sie vor Gott nur ein Fremder und Beisasse wie die Väter seien. Das sich hier im Terminus ge¯r ausdrückende Selbstverständnis macht deutlich, dass nicht die Beziehung zum Land und seinem Besitz, sondern die Beziehung zu Gott und das Vertrauen auf ihn Lebensgrundlage sind. 4. Die Lage im Römischen Reich Kriege und wirtschaftlicher Druck haben auch während der Zeit des Römischen Reiches Flüchtlingsströme verursacht. Als Beispiel sei auf Berichte bei Josephus über Fluchtbewegungen der jüdischen Bevölkerung verwiesen: Vor dem jüdisch-römischen Krieg (66-70) verursachte der römische Statthalter Gessius Florus durch wirtschaftlichen Druck auf jüdische Städte wohl eine Massenflucht in andere Bereiche des Römischen Reiches, »weil sie überall im Ausland ein besseres Leben erhoffen durften« (Flav. Jos. Ant. 20, 256 vgl. Flav. Jos. Bell. 2, 279). Ägypten wird häufig als erstes Land genannt, in das jüdische Menschen fliehen (Flav. Jos. Apion. 1, 194; Flav. Jos. Bell. 7, 410.413; Flav. Jos. Ant. 12, 9; Flav. Jos. Apion. 1, 186 f.). Vespasian ließ bei der Eroberung von Tarichea massenhaft Flüchtlinge umbringen oder verkaufen, die in der Stadt Zuflucht gesucht hatten (Flav. Jos. Bell. 3, 532-542). Zwangsumsiedlungen und Kriegsgefangenschaft führen ebenfalls zu Entwurzelung von größeren Teilen jüdischer Bevölkerung (Materialsammlung bei Theißen 113-117). Sklavenflucht sollte oft durch Ketten verhindert werden und war ein sicherer Weg in Armut und Gefährdung in jeder Hinsicht. Auf große Wanderungsbewegungen lässt auch die Bevölkerung der Stadt Rom schließen – die zu einem nennenswerten Teil aus Kleinasien und Syrien stammt (Iuv. 3, 60-65). Tacitus (Tac. ann. 2, 85) berichtet von der Deportation von 4000 Freigelassenen aus Rom nach Sardinien. Sie seien »von ägyptischem und jüdischem Aberglauben angesteckt« gewesen. Wegen der

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Fremde / Flüchtlinge

schlechten Verdienst- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft gab es Landflucht und »agri deserti« und die Klagen darüber bei den führenden römischen Schichten (Martin 218 f.). Die Fremden (xenoi), die BürgerInnen einer anderen Stadt bzw. eines anderen Volkes sind, benötigen in der Gaststadt Rechtsschutz von Einheimischen. Sobald sie als ihre Gäste akzeptiert sind, werden sie von den Gastgebenden vor den Institutionen der Stadt rechtlich vertreten (Hiltbrunner u. a. 1091 f.; Apg 17, 5-9). Diese philosophisch und religiös hoch bewertete Gastfreundschaft ist für Reisende, insbesondere Geschäftsreisende, grundlegend (Hiltbrunner u. a. 1091 f.), dürfte aber Flüchtlingen, Kriegsgefangenen und Deportierten in der Regel nicht zugute gekommen sein. Sie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Zur jüdischen Tradition der Liebestätigkeit gehört auch die Verantwortung für Ortsfremde (Wikenhauser, besonders 375). Die Verantwortung für Hungernde, Durstige, Nackte und Kranke schließt in dieser Tradition die Flüchtlinge mit ein. Während in antiken Ethiken die Gastfreundschaft Fremden gegenüber hoch bewertet wird, sind Flüchtlinge und andere Entwurzelte kein eigener Gegenstand ethischer Reflexion. Die unerkannten Götter, die als Fremdlinge aufgenommen oder abgewiesen werden, sind ein mythisches Motiv, das in vielen Kulturen anzutreffen ist (Ov. met. 8, 626 ff.; Gen 18.19; Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen Nr. 87; Mt 25, 31-46). 5. Die Perspektive des Neuen Testaments Die Perspektive des Neuen Testaments auf Flüchtlinge und Fremde (xenoi) ist nicht die der rechtlichen Regelungen wie notwendigerweise in vielen Bereichen des Alten Testaments, sondern die der Erfahrung, der Ethik und der innergemeindlichen Praxis. So begegnen Flüchtlinge in Mt 2, 13-15 (Josef, Maria und das Kind Jesus fliehen aus politischen Gründen nach Ägypten); 24, 16 par (Flucht vor dem Krieg ins Gebirge); 26, 56 par (Flucht der Jünger und Jüngerinnen aus der Nähe Jesu aus politischen Gründen), Apg 7, 29 (Flucht des Mose aus Furcht vor Straf-

verfolgung in ein Drittland); Offb 12, 6 (Flucht der bedrohten Himmelskönigin in die Wüste). In der Paränese wird die biblisch-nachbiblische Tradition des Schutzgebotes für Fremde (Mt 25, 35) und der Verantwortung für Hungernde und Nackte (Mt 25, 35 f.; Mk 10, 21 par) weitergeführt. Gastfreundschaft im Rahmen der hellenistisch-römischen Praxis von Gastfreundschaft ist Grundlage der Ausbreitung der messianischen Botschaft: Wandernde ProphetInnen und LehrerInnen finden in jüdischen oder mit dem Judentum sympathisierenden Häusern gastliche Aufnahme (Mt 10,11 par; Röm 16, 3-5; Apg 16, 15; 18, 1-3; Röm 16, 23; Apg 21, 8.15-17 u. ö.). Messianische Gemeinden im Bereich der Diaspora unterstützen gegenseitig ihre Reisenden (Röm 16, 1-2 Phöbe hat christliche Gäste aufgenommen und rechtlich als prostatis vertreten und Paulus empfiehlt ihre gastliche Aufnahme in Rom; vgl. Mt 10, 40-42; Röm 12, 13; Hebr 13, 2; 1 Petr 4, 9; 1 Tim 5, 10). Die Didache überliefert Regeln, die helfen sollen, den Missbrauch von christlicher Gastfreundschaft durch Scharlatane zu verhindern (Did 11.12, s. aber Luc. per. 16; weiteres christliches Material bei Harnack 200-204; Hiltbrunner u. a.). Im metaphorischen Gebrauch ist von der Flucht vor Lastern die Rede (1 Tim 6, 11; 2 Tim 2, 22) und dem göttlichen Gericht (Mt 3,7 u. ö.), von der Überwindung des Status des Fremdseins gegenüber der Bürgerschaft Israels durch den messianischen Glauben (Eph 2, 12-19); jetzt sind die Glaubenden »nicht mehr Fremde und Ausländer«.

Bultmann, Christoph, Der Fremde im antiken Juda. Eine Untersuchung zum sozialen Typenbegriff »ger« und seinem Bedeutungswandel in der alttestamentlichen Gesetzgebung, FRLANT 153, Göttingen 1992. Crüsemann, Frank, Fremdenliebe und Identitätssicherung. Zum Verständnis der »Fremden«-Gesetze im Alten Testament, WuD 19 (1987), 11-24. Harnack, Adolf von, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Bd. I, Leipzig 1924. Hiltbrunner, Otto / Gorce, D. / Wehr, H., Art. Gastfreundschaft, RAC 8, 1061-1123.

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Lang, Bernhard, Die Fremden in der Sicht des Alten Testaments, in: Rainer Kampling / Bruno Schlegelberger (Hg.), Wahrnehmung des Fremden. Christentum und andere Religionen, Schriften der Diözesanakademie Berlin 12, Berlin 1996, 9-37. Martin, René, Plinius der Jüngere und die wirtschaftlichen Probleme seiner Zeit, in: Helmuth Schneider (Hg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit, Darmstadt 1981, 196-233. Schreiner, Josef / Kampling, Rainer, Der Nächste – der Fremde – der Feind, Die neue Echter-Bibel. Themen 3, Würzburg 2000. Steiner, Gerd, Der Gegensatz »eigenes Land«: »Ausland, Fremdland, Feindland« in den Vorstellungen des Alten Orients, in: Hans-Jörg Nissen / Johannes Renger (Hg.), Mesopotamien und seine Nachbarn, Teil 2, Berliner Beiträge zum Vorderen Orient 1 = Internationaler assyriologischer Kongreß 25, Berlin 1982, 633-664. Theißen, Gerd, Studien zur Soziologie des Urchristentums, Tübingen 1979. Wikenhauser, Alfred, Die Liebeswerke in dem Gerichtsgemälde Mt 25, 31-46, BZ 20 (1932) 366-377.

Christa Schäfer-Lichtenberger / Luise Schottroff

Fremde Religionen 1. Begriffliches In der Bibel findet sich kein in gegenwärtigem Verständnis entsprechender Begriff für »Religion« etwa im Sinne des Ensembles der Überzeugungen und Kultformen einer Glaubensgemeinschaft. Es gibt auch keine übergreifende Begrifflichkeit zur Kennzeichnung etwa der »ägyptischen«, »babylonischen« oder »römischen Religion«. In diesem Sinne ist begrifflich auch nicht von der »Religion Israels« die Rede. Das hängt vor allem damit zusammen, dass »Religion«, anders als in modernen Gesellschaften, im Altertum kein von anderen Lebensbereichen abgetrenntes Subsystem darstellte, vielmehr konstitutiv mit Gesellschaft, Politik, Kunst, Wissen(schaft) verbunden war. Es gibt jedoch Kennzeichnungen eines menschlichen Verhaltens, das man als »religiös«

bezeichnen kann, d. h. einer auf der Verantwortung vor der Gottheit basierenden ethischen Grundhaltung. In der Hebräischen Bibel gibt es in diesem Sinne die Wendung jir3at 3elohim (»Gottesfurcht«) bzw. jere¯3 3elohim (»gottesfürchtig«). Diese Gottesfurcht kann in einer Linie mit dem Halten der Gebote stehen (Dtn 13, 5; Koh 12, 13); »gottesfürchtig« sind einzelne Menschen Israels (1 Kön 18, 3; Neh 7, 2), aber auch Menschen anderer Völker. Beispiele dafür sind die möglicherweise nichtisraelitischen Hebammen (Ex 1, 17.21), der eindeutig nichtisraelitische Hiob (Hi 1, 1) oder auch Josef als vermeintlicher Ägypter (Gen 42, 18). Besonders aufschlussreich ist die Bemerkung Abrahams, er habe am Ort Abimelechs keine »Gottesfurcht« erwartet (Gen 20, 11). Die Erzählung in Gen 20 erweist diese Auffassung Abrahams als Irrtum, d. h. in ihrer Sicht gibt es im philistäischen Gerar sehr wohl Gottesfurcht, obwohl die Erzähler wissen, dass die Philister andere Gottheiten verehrten (zum Gegensatz zwischen JHWH und dem Philistergott Dagan 1 Sam 5). Die Haltung solcher »Gottesfurcht« zeigt sich als Menschenanstand; so widersetzen sich die Hebammen in Ex 1 Pharaos Befehl und tun, was ihre Aufgabe ist, nämlich Menschen zum Leben zu verhelfen. Solche »Gottesfurcht« ist also nicht notwendig an den Glauben an Israels Gott gebunden. Wohl aber wirkt Israels Gott auch an den nichtisraelitischen Gottesfürchtigen; die Hebammen macht Gott zu Stammmüttern (Ex 1, 21) und Hiobs Geschick ist ganz von Israels Gott bestimmt. Der hebräische Wendung jere¯3 3elohim korrespondiert im Neuen Testament die Rede von den »Gottesfürchtigen« – phoboumenoi ton theon (Apg 10, 2 u. ö.), sebomenoi ton theon (Apg 16, 14 u. ö.), dazu auch (in Inschriften) theosebeis. Diese Bezeichnungen beziehen sich auf Nichtjuden, welche von Israels Glauben und Israels Ethik angezogen sind, ohne den formellen Schritt der Konversion zum Judentum vollzogen zu haben, kennzeichnen aber auch eine religiöse Grundhaltung jüdischer und nichtjüdischer Menschen (3 Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin).

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2. Religionsgeschichtliche Perspektiven Die v. a. seit dem 19. Jahrhundert durch Ausgrabungen zutage gekommenen altorientalischen Schrift- und Bildzeugnisse zeigen, dass die Literatur und Religion Israels von Anfang an in einer engen Verbindung mit den Kulturen der Umwelt stand. Zahlreiche Stoffe, Formen und Motive (z. B. Schöpfungsmythen, Hymnen und Gebete, Rituale, Weisheitstexte) haben Vorlagen bzw. Parallelen in ägyptischen, mesopotamischen oder auch hetitischen Zeugnissen. Mit den Textfunden aus Ugarit kam es v. a. in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einer neuen Phase der Sicht auf Israels Verhältnis zu den Religionen der Umwelt. Es zeigte sich, dass der in manchen Texten des Alten Testaments selbst herausgestellte Gegensatz zwischen Israel und der kanaanäischen Kultur und Religion nicht die historischen und religionsgeschichtlichen Verhältnisse wiedergibt. Israels Gott trägt Züge der kanaanäischen Gottheiten Ba2al und El und auch die Göttinnen Anat, Aschera, Astarte haben im Alten Testament ihre Spuren hinterlassen. Die Welt Kanaans war nicht das Gegenbild zu Israel – Israel war Teil der kanaanäischen Kultur und Religion. In einem entscheidenden Punkt aber schien der Gegensatz Israels zu seiner altorientalischen Umwelt im Ganzen gleichwohl konstitutiv, nämlich in Israels bildlosem Monotheismus im Gegensatz zu den in Bildern sich manifestierenden vielen Gottheiten der fremden Religionen. Doch die archäologischen Funde der letzten Jahrzehnte aus Israel selbst haben auch diese Annahme korrigiert. Bis zum Ende der Königszeit, so lässt sich nun feststellen, unterschied sich Israels Religion nicht kategorial von den Religionen der kanaanäischen Umwelt. In Israel gab es Bilder (Schroer), in Israel gab es die Verehrung weiblicher Gottheiten (Jost; 3 »Götze« / »Götzendienst«), das Postulat der Alleinverehrung JHWHs gibt nicht faktische religiöse Praxis wieder, die in großen Teilen der Königszeit Elemente des assyrischen Staatskultes einschloss. Der Monotheismus steht, wie sich religionsgeschichtlich immer deutlicher zeigt, nicht am Anfang der Religion Israels, sondern ist das Ergebnis eines langen Prozesses, der mit

Elija und Hosea einsetzt und erst in der exilischen und nachexilischen Zeit voll zum Durchbruch kommt (Lang). 3. Kanonische Perspektiven Gegenüber dem Bild, das sich aus religionsgeschichtlicher Perspektive auf Israels Verhältnis zu den fremden Religionen ergibt, zeigt ein Blick auf die biblischen Texte und deren Gesamtkonzeption noch einmal ein bemerkenswert anders fokussiertes Bild (danach wird noch immer sehr selten gefragt, doch s. dazu Crüsemann, Gott; Baumgart). Namentlich im Pentateuch und v. a. in der Genesis begegnet eine Darstellung, die in bestimmter Hinsicht monotheistisch einsetzt. 3Elohim, Gott, erschafft die Welt (Gen 1), ohne dass eine explizite Polemik gegen andere Gottheiten in den Blick kommt. In Gen 2 f. wird 3elohim (Gott) als JHWH, Israels Gott, erkennbar. Die v. a. in Ex 18 sich zeigende besondere Beziehung Jitros, des midianitischen Schwiegervaters des Mose, und die Verortung der Moseberufung (Ex 3) und des Gottesberges Sinai im Midianitergebiet lässt erkennen, dass der zentrale Ort der Gottesbegegnung außerhalb des Israellandes liegt und lässt womöglich durchscheinen, dass JHWH selbst nicht von Anfang an (nur) Israels Gott war. Die auf solchen Beobachtungen fußende religionsgeschichtliche »Midianiter-« oder »Keniterhypothese« hat mithin Anhalt an der biblisch-kanonischen Darstellung selbst. JHWH gilt zunächst die Verehrung aller Menschen (Gen 4, 26). In der Erzählung vom unterschiedlichen Verhalten der Noachsöhne und dessen Folgen ist in Gen 9, 26 von JHWH als Gott Schems die Rede. Von nun an, so legt es die Erzählfolge der Genesis (in Verbindung mit Gen 10) nahe, kennt nur noch ein Drittel der Menschheit Gott als JHWH (Crüsemann, Gott). Im Blick auf Jafet ist weiter von 3elohim (Gott) die Rede, Kanaan wird an dieser Stelle keine Gottheit zugeordnet, er ist somit in bestimmter Hinsicht als gottlos gekennzeichnet. Die Vielfalt der Völker und Sprachen kommt in der so genannten »Völkertafel« in Gen 10 in den Blick. Nimmt man die Erzählfolge ernst, so

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setzt die in Gen 11 folgende Erzählung vom »Turmbau« in Babel die Multikulturalität nicht als Strafe für den Hochmut in Szene, sondern erzählt, wie Gott gegen den Versuch imperial hergestellter Einheit jene Vielfalt rettet (Ebach). Mit Gen 12, 1 ff. beginnt dann die besondere Geschichte Gottes mit Abra(ha)m und seiner Familie. Dass Abraham bei seinem Auszug mit den Göttern seiner Vorfahren gebrochen habe, ist ein Motiv nachbiblischer legendarischer Tradition – in der Genesis kommt es bezeichnenderweise nicht vor. Den Namen JHWH, den zunächst (Gen 4, 26) alle Menschen kannten, kennt dann (Gen 12, 8; 13, 4) Abra(ha)m. Als Weltschöpfer benennt Abra(ha)m Gott (Gen 14, 22) erst nach dem Kontakt mit Melchisedek, dem König von Salem (Gen 14, 17-20). Salem steht hier offenbar für das in der Tora nie namentlich genannte Jerusalem. An dieser Stelle kommt die kanonische Lektüre der Pentateuchtexte dem aus religionsgeschichtlicher Perspektive Wahrscheinlichen sehr nahe. Denn mit der Einbeziehung Jerusalems in das davidische Königtum gingen religiöse Züge des vorisraelitischen Jerusalemer Kultes auf Israels Gott über und dabei wurde auch die Rolle Gottes als Weltschöpfer zum Thema. Am Gottesnamen (3El-)2Eljon lässt sich erkennen, wie eine zunächst fremde (kanaanäische) Gottheit gleichsam eingemeindet, d. h. zu einem Namen für Israels Gott wurde. In Dtn 32, 8 ff., aber auch Ps 82 ist diese Entwicklung erkennbar, indem hier eine alte Konzeption noch durchscheint, in welcher Israels Gott eine Gottheit in einem von 2Eljon, dem Höchsten, geleiteten Götterversammlung war. In der Endgestalt der Texte ist 2Eljon jedoch als ein Name JHWHs, des einen und einzigen Gottes (Dtn 6, 4) zu lesen. Aber auch die Menschen und Völker, die JHWH nicht verehren, werden von Israels Gott geleitet. Das zeigt sich in Dtn 32, 8 im Konzept der Relation der 70 Völker der Welt (Gen 10), die den 70 Kindern Israels (Gen 46, 27; Ex 1, 5) korrespondieren. Die universale Geschichte der Menschheit ist auf diese Weise der partikularen, besonderen Geschichte Israels eingeschrieben. Selbst Assur und

Ägypten können darum als Gottes Volk und das Werk seiner Hände bezeichnet werden, allein Israel aber ist Gottes nahala¯h, Gottes Erbteil (Jes ˙ 19, 25). In diesem Konzept steht JHWH auch hinter den fremden Religionen; die Gestirnskulte hat er den Völkern zugeteilt (Dtn 4, 19). Für Israel gilt die bildlose Verehrung Gottes: Gott ist weder männlich noch weiblich und auch sonst in keinem Bild fassbar. Der kategoriale Gegensatz zwischen einem Gottesbild und Gott selbst ist das Thema von Ex 32, der Geschichte vom »Goldenen Stierbild«. Hier geht es nicht darum, dass Israel sich einen anderen Gott machen will, sondern darum, dass Gott in Gestalt eines von Menschen gemachten Bildes ein anderer Gott wird. Im Kontext von Ex 32-34 steht das Stierbild gegen die Tafeln (der Gebote), das Bild gegen das Wort, die »Schrift«. Das zentrale Thema ist die »Bewahrung der Freiheit« (Crüsemann, Freiheit), die nicht durch die Arbeit für selbstgemachte Götter aufs Spiel gesetzt werden soll. Wo Menschen Götter machen, wird die Schöpfung ins Chaos, ins tohu zurückverwandelt (Jes 44, 9 ff. 3 Wüste). In der Tora und namentlich in der Genesis finden sich keine ausgeprägten Auseinandersetzungen mit fremden Religionen. Das (vermutlich perserzeitliche) Gesamtkonzept ist von einer »Dialektik von Identität und Offenheit« (Baumgart 97) getragen. Eine entsprechende Offenheit zeigt sich auch überwiegend im dritten Kanonteil, in den Ketubim (Schriften). In den Psalmen kommen Bedrohungserfahrungen von Menschen in vielen Spielarten zur Sprache, fremde Religionen und ihre Gottheiten gehören nicht dazu. Wohl aber gilt auch hier die Abgrenzung Gottes von den selbstgemachten Göttern und Götterbildern (Ps 135). Das Hiobbuch schildert Hiobs Weg mit Gott; dass Hiob als Mensch aus dem (arabischen) Lande Uz andere Götter verehrt, kommt gar nicht in den Blick. Im Konzept des Esra- bzw. Nehemiabuches spielt zwar die Frage der Identität der Rückkehrergemeinde eine Rolle und dabei hat die Frage der Ehen mit ausländischen Frauen eine prominente Stellung. Doch auch hier geht es nicht um die Abwehr fremder Religio-

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nen. Wenn etwa in Esr 5, 12; Neh 1, 4; 2 Chr 36, 23 von JHWH als »Gott des Himmels« die Rede ist, konnte man darin in Israel eine Apposition zu JHWH als einzigem Gott sehen, in der religiösen Terminologie des persischen Reichs konnte man es als transnationale und mit persischer Auffassung verträgliche Bezeichnung für »Gott« verstehen. So kommt im ersten und dritten Kanonteil der Hebräischen Bibel (Tora und Ketubim) gerade im Konzept JHWHs als des einen Gottes eine Offenheit gegenüber anderen Völkern und ihrer Religiosität in den Blick. Eine Ausnahme bildet die Religion Kanaans, aber auch sie ist nicht an und für sich Gegenstand der Kritik, sondern dann, wenn Israel ihr verfällt. Menschen anderer Völker werden nicht verurteilt, weil sie fremde Gottheiten verehren, wohl aber, wenn sie Gewalt üben und andere unterdrücken. Das ist im Ganzen auch im mittleren Kanonteil der (vorderen und hinteren) Propheten nicht anders, doch kommen hier Konflikte mit fremden Göttern und Kulten erheblich stärker ins Bild. Aber auch jetzt geht es in erster Linie um solche Verehrungs- und Kultformen, in denen Elemente fremder Religionen in Israels Kult eindringen. Das gilt für den Konflikt, den Elija am Karmel mit Ba2al und den Ba2alspriestern mit erbitterter Gewalt austrägt (1 Kön 18) wie gegenüber dem assyrischen Staatskult, der im Zuge der Abhängigkeit Judas vom assyrischen Imperium in den Tempel eindringt (2 Kön 21, 1-18; 23). Die Schärfe hat auch damit zu tun, dass die Assyrer mit erheblich größerem Druck ihre Kulte in die eroberten Gebiete trugen, als es später die Perser taten. Doch noch in den schärfsten Polemiken der Schriftpropheten geht es darum, dass Israel sich nicht an die fremden Religionen anpassen soll. Dass andere Völker andere Gottheiten haben, ist nicht der entscheidende Punkt der Kritik. Die Vielfalt der Völker und Religionen bleibt akzeptiert, so heißt es in Mi 4, 5: »Ja, alle Nationen wandeln jeweils im Namen ihre Gottheit, und wir, wir wandeln im Namen JHWHs, unserer Gottheit, für immer und ewig.« Auch dem Ninive des Jonabuches gilt Gottes Vernich-

tungsbeschluss nicht, weil man dort andere Gottheiten anbetet, sondern wegen der Bosheit und Gewalt, und Gott verschont die Stadt, weil sie sich von der Gewalt abkehrt, und nicht, weil sie sich zu Israels Gott bekehrt. Aber auch hier stehen die fremden Völker letztlich unter der Macht und der Fürsorge von Israels Gott. So kann Gott in dem oben genannten Spitzensatz in Jes 19, 25 Ägypten und Assur »mein Volk« und »das Werk meiner Hände« nennen. Noch einmal spitzt sich der Kampf gegen das Eindringen fremder Religionsformen in den Makkabäerbüchern und auf andere Weise im Danielbuch zu. Gegen Antiochus IV., der eine Statue des Zeus Olympios im Jerusalemer Tempel aufstellt, formiert sich der Widerstand der JHWH-Treuen (3 Apokalyptik / Eschatologie). 4. Fremde Religionen im Neuen Testament Das Judentum der neutestamentlichen Zeit, besonders das hellenistisch geprägte Judentum, hat Elemente religiöser Konzeptionen der Umwelt aufgenommen. Zu nennen sind u. a. die Gnosis, aber auch Mysterienkulte. Auch Formen hellenistischer Philosophie finden ihren Niederschlag, besonders der Stoa (3 Philosophische Strömungen). Fragt man auch hier nicht nur nach religionsgeschichtlichen und religionsphänomenologischen Beziehungen, sondern nach der Darstellung in den Texten selbst, bestätigt sich zunächst der alttestamentliche Befund. Menschen anderer Völker und Religionen werden nicht verurteilt, weil sie fremde Gottheiten verehren. So interveniert etwa Paulus in Lystra nicht, weil die Bewohner der Stadt an die griechischen Götter glauben, wohl aber, als sie ihn und seinen Begleiter für Zeus und Hermes halten (Apg 14,11-18). In der Reaktion des Paulus auf diese Verwechslung zeigen sich deutliche Anklänge an die Konzeption von Dtn 4 und Mi 4: Gott hat die Völker »ihre eigenen Wege gehen lassen« (V. 16) und ihnen Wohltaten erwiesen. (Die nicht selten anzutreffende christliche Überlegenheitshaltung gegenüber anderen Religionen kann sich auf die Bibel nicht so berufen, wie manche Vertreter eines solchen Anspruchs es meinen.) Gleichwohl geht es

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darum, Menschen aus den Völkern für Israels Gott zu gewinnen, damit sie sich bewegen »weg von den Götterbildern, um der lebendigen und wahren Gottheit zu dienen« (1 Thess 1, 9). Der Paulus der (lukanischen) Apostelgeschichte kann für dieses Ziel die antike Religiosität und die antike Philosophie durchaus positiv werten. In Athen stoßen ihm die vielen Götterbilder sauer auf (Apg 17, 16). Gleichwohl lobt er in der dann folgenden »Areopagrede« (17, 22-31) die (bereits in der Antike sprichwörtliche) Frömmigkeit der Athenerinnen und Athener, die er deisidaimonesterous (»überaus fromme«, »superreligiöse«) nennt, und spricht er seine athenische Zuhörerschaft auf das an, was Israels Glaube und antike Philosophie verbindet. Er tut es in Aussagen, die sowohl biblisch als auch antik-philosophisch verstehbar sind: Gott ist Schöpfer, wohnt nicht in von Menschen gemachten Tempeln, ist nicht auf Menschen angewiesen (V. 24 ff.). Die Anknüpfung reicht bis zum wörtlich und positiv aufgenommenen Satz eines stoischen Dichters (Arat. Phain. 5, zitiert in V. 28). In der Rede von Auferstehung und Gericht (V. 30 f.) aber endet die Anknüpfungsfähigkeit und nur wenige folgen Paulus (V. 32 ff.). Gibt es in diesem Konzept neben den Differenzen zwischen biblischem und antikem Weltverstehen durchaus Verbindendes, so stellt sich der Gegensatz zwischen Israels Gott und der Macht des Römischen Reiches in strikter Opposition dar. Aber auch da gilt die Kritik nicht der Tatsache, dass andere Völker andere Gottheiten verehren. Wer weiß, dass es sie nicht wirklich gibt, weil allein JHWH Gott ist (1 Kor 8, 4; Gal 4, 8), kann auch von so genanntem »Götzenopferfleisch« essen (3 »Götze« / »Götzendienst«), ohne den fremden Religionen zu verfallen. Im Konzept von Offb 12 f. wird deutlich, dass die Trias von Satan, Kaiser und Pseudoprophet Trug, Talmi, Nachahmung der wirklichen Trias von Gott, Christus und Prophet ist. Doch auch das, was es in Wirklichkeit nicht gibt, kann wirkliche Macht haben (wie man mit einem falschen Scheck echtes Geld und mit falschen Wahlversprechungen echte Macht bekommen kann).

5. Religionskritik Die in der Neuzeit in je unterschiedlicher Weise von Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Sigmund Freud formulierte Kritik der Religion als Projektion menschlicher Wünsche, Verlusterfahrungen und Sehnsüchte hat in der Bibel selbst Anhalt. Insbesondere das Bilderverbot wendet sich gegen jede Projektion eigener Bilder und Wünsche auf Gott. In der Geschichte von »goldenen Stierbild« in Ex 32 f. wird das besonders deutlich; Mose lässt die, die ihr Gold für jenes Bild hergaben (32, 2 ff.), das gegossene Bild in den eigenen Leib zurücknehmen (V. 20): Die Projektion wird zur Injektion. In diesem Sinne religionskritisch argumentiert Paulus (Röm 1, 18-25). Wo immer Menschen versuchen, Gott zum Objekt zu machen, in Bildern oder Konstrukten in die Welt zu bannen, geraten sie selbst in den Bann der Bilder oder Konstrukte, die dann über sie Herrschaft gewinnen. Die Wirklichkeit der Götter zeigt sich biblisch am Kriterium der Gerechtigkeit. Götter, die den Armen nicht zum Recht verhelfen, sind sterbliche, zum Tode verurteilte Götter (Ps 82). Dieses Kriterium des Gott-Seins wird dann aber auch – in Frage, Klage und Hoffnung – zum Kriterium des Gott-Seins Gottes. 6. Zusammenfassung Aufs Ganze gesehen lässt sich zur Thematik der fremden Religionen in der Sicht der Bibel festhalten, dass sie nicht an und für sich als fremde Religionen ins Blickfeld der Kritik und der Ablehnung geraten, wohl aber – im Alten und im Neuen Testament – dann, wenn sie das alleinige Gottsein Gottes für Israel in Israel selbst und bei den Menschen aus den Völkern, die sich von den Götterbildern (Idolen) weg- und Israels Gott zuwenden, bestreiten, verdunkeln oder gefährden. Die besonders für die Genesis kennzeichnende Dialektik von Identität und Offenheit durchzieht in verschiedenen Gewichtungen und Ausprägungen daher die »Schrift« als Ganze. Baumgart, Norbert Clemens, Gottesbild, Schöpfungstheologie und die Völker in der Genesis, in: Lukas Bormann (Hg.), Schöpfung, Monotheismus und fremde Religionen, Neukirchen-Vluyn 2008, 63-98.

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Freundschaft

Crüsemann, Frank, Bewahrung der Freiheit, Gütersloh 2 1993. Crüsemann, Frank, Der Gott Israels und die Religionen der Umwelt, in: Friedrich Schweitzer (Hg.), Religion, Politik und Gewalt. XII. Europäischer Kongress für Theologie. Berlin 2005, Gütersloh 2006, 343-360. Ebach, Jürgen, »Wir sind ein Volk«. Die Erzählung vom »Turmbau zu Babel«, in: Giancarlo Collet (Hg.), Weltdorf Babel. Globalisierung als theologische Herausforderung, Münster 2001, 20-43. Hengel, Martin, Judentum und Hellenismus, WUNT 10, Tübingen 3 1988. Jost, Renate, Frauen, Männer und die Himmelskönigin, Gütersloh 1995. Keel, Othmar / Uehlinger, Christoph, Göttinnen, Götter und Gottessymbole, Freiburg i. Br. 3 1995. Keel, Othmar / Schroer, Silvia, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen / Freiburg (Schweiz) 2002. Klauck, Hans-Josef, Die religiöse Umwelt des Urchristentums, 2 Bde., Stuttgart u. a. 1996. Köster, Helmut, Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit, Berlin u. a. 1980. Lang, Bernhard (Hg.), Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus, München 1981. Niehr, Herbert, Der höchste Gott. Alttestamentlicher JHWH-Glaube im Kontext syrisch-kanaanäischer Religionen des 1. Jahrtausends v. Chr., BZAW 190, Berlin u. a. 1990. Schroer, Silvia, In Israel gab es Bilder, OBO 74, Göttingen / Freiburg (Schweiz) 1987. Wander, Bernd, Gottesfürchtige und Sympathisanten. Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporajuden, WUNT 104, Tübingen 1998.

Jürgen Ebach

Freundschaft Freundschaft bezeichnet eine enge emotionale und vertrauensvolle Verbundenheit, meistens zwischen zwei Personen. Diese Freundschaft kann innerhalb primärer sozialer Strukturen bestehen oder diese überschreiten, und sie kann Aspekte wechselseitiger Förderung beinhalten, aber zugleich ist wahre Freundschaft dadurch gekennzeichnet, dass sie die Frage nach Nutzen

oder Vorteil transzendiert (vgl. Dtn 13,7: »dein Freund, der dir so lieb ist wie dein Leben«). 1. Begrifflichkeit. Soziale Beziehungen Das Wortfeld für Freundschaft umfasst verschiedene hebräische Begriffe, die ihrerseits eine größere Bedeutungsbreite haben. Das Wort re¯a2 bezeichnet zunächst den Nächsten, sei es im Sinn des Nachbarn oder des Volksgenossen, hat aber in verschiedenen Zusammenhängen, insbesondere in der Weisheitsliteratur, die spezielle Bedeutung Freund. In ähnlicher Weise ist 3¯ohe¯b nicht einfach der Liebende, sondern der Freund, wobei auch im Verbum 3¯ahab »lieben« nicht nur der emotionale Aspekt ausgedrückt ist, sondern auch der Aspekt der Loyalität und des entsprechenden Verhaltens mitschwingt. Interessant ist auch das Wort do¯d, Liebling, das im familiären Zusammenhang den Onkel väterlicherseits bezeichnet. Da die hebräische / alttestamentliche Familie in der Regel am Wohnort der Familie des Vaters lebte, konnte der in der Hausgemeinschaft lebende Bruder des Vaters (= Onkel väterlicherseits) in besonderer Weise zum Freund innerhalb der Familie werden. Sozialgeschichtlich gilt für die alttestamentliche Lebenswelt wie auch prinzipiell, dass Freundschaft dort besonders relevant wird, wo primäre Strukturen wie Familie und Primärgruppen in den Hintergrund treten. Allerdings ist beides kein Gegensatz, vielfach ist von Brüdern und Freunden die Rede (2 Sam 3,8; 1 Kön 16,11, Ps 122,8; 38,12; 88,19; Spr 19,7). Das soziale Netz der Menschen in ihrem Alltagsleben wird im Bereich hellenistisch-römischer Kultur mit Begriffen bezeichnet, die nicht scharf gegeneinander abgrenzbar sind und oft nebeneinander aufgezählt werden: Freunde und Freundinnen (philos, phile), Verwandte (syggeneis), Nachbarn und Nachbarinnen, Gastfreunde und Gastfreundinnen (xenos etc.), siehe die Listen Lk 1,58; 14,12; 15,9; 21,16; Apg 10,24 u. a. (vgl. die Textgeschichte von Mt 5,47, in der adelphoi durch philoi ersetzt wird). Besonders das Lukasevangelium legt Wert auf die Nennung von Freunden und Freundinnen als Teil dieses Netzes. Frauen haben ein soziales Netz auch in der Ge-

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meinschaft von Frauengruppen (Lk 15,9; Mk 15,40 f.; Schottroff 1990). Die am sozialen Netz Beteiligten betrachten die Beziehung der Freundschaft, Nachbarschaft oder Gastfreundschaft als eine Beziehung mit hoher Verpflichtung. Sie freuen sich mit denen, die glückliche Lebenshöhepunkte erleben (Lk 1,57 f.: Elisabet bringt trotz langer Unfruchtbarkeit ein Kind zur Welt; siehe auch Lk 15,9); sie trösten Trauernde (z. B. Joh 11,19). Sie treten füreinander ein, wie der Sklave, der ein Verwandter / Freund des Sklaven ist, dem Petrus ein Ohr abschlug (Joh 18,26). 2. Freund / Freundin Freund und Freundin findet sich auch als Ausdruck der Liebessprache. Insbesondere im Hohen Lied wird der bzw. die Geliebte als Freund (do¯d; 1,13.14.15; 2,3 u. ö.) bzw. Freundin (ra3j¯ah; 1,9.15; 2,2.10.13 u. ö.) bezeichnet. Auch so¯d, eigentlich Rat bzw. Ratsgenosse, drückt sachliche und seelische Gemeinsamkeit aus und ist verschiedentlich mit Freund (Ps 25,14; Spr 3,32) wiederzugeben. do¯d kommt auch als Bezeichnung für eine Gottheit vor und bezeichnet dabei den besonderen emotionalen Aspekt der Beziehung zu Gott (z. B. Jes 5,1; Am 8,14; Mescha-Inschrift Z. 12). Ps 25,14 »JHWH ist denen Freund, die ihn fürchten, und seinen Bund lässt er sie wissen« beschreibt die Gottesbeziehung im Sinn der Freundschaft (und Fürsorge) Gottes zum Beter / zur Beterin (siehe auch Ps 60,7; Spr 3,32b sowie Hi 29,4). Von Mose heißt es, dass Gott mit ihm »wie ein Mann mit seinem Freunde redete« (Ex 33,11). In der nachexilischen Zeit wird Abraham ausdrücklich als Freund Gottes bezeichnet (2 Chr 20,7; ähnlich Susanna 3,11). Interessant ist der Name Rut, der wahrscheinlich mit re¯¯a2h zu verbinden ist und Gefährtin bzw. Freundin bedeutet. (Das Verhältnis der Rut zu Noomi ist zwar auch emotional-freundschaftlich gezeichnet, ist aber zunächst ein besonders loyales Verhältnis zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter). Neben den familiären bzw. kleingruppenspezifischen Bezeichnungen »do¯d« bzw. »Rut« findet sich das Thema der Freundschaft in der älteren Zeit vor allem bei David und Jonatan (1 Sam 18-

20). Das Leichenklagelied des David über die durch die Philister getöteten Saul und Jonatan (2 Sam 1,19-27) scheint sehr nahe an die Ursprungssituation heranzureichen. Die Formulierung »deine Liebe war mir wundersamer als Frauenliebe ist« ist nicht als Andeutung homoerotischer Liebe zu verstehen, sondern als Steigerung gegenüber der sonst intensivsten Liebeserfahrung (vgl. Sir 40,23). Die Erzählung über den Freundschaftsbund zwischen David und Jonatan (1 Sam 18-20) dient nicht zuletzt auch der Legitimation des Übergangs des Königtums vom Hause Sauls und dem Thronfolger Jonatan auf David. Im gewöhnlichen Sinn von »Freund« sprechen Gen 38,20; Ex 32,27; Dtn 13,7; 2 Sam 13,3; Hi 16,21; Spr 27,9.10; Jer 9,3 f. In der Königszeit gab es die Funktion des Freundes des Königs, der eine besondere Vertrauens- und Ratgeberstelle des Königs bekleidete (2 Sam 15,37; 16,16; 1 Kön 4,5; vermutlich auch in Gen 26,26). In den Verhältnissen eines Großreiches konnte der Titel »Freund des Königs« dann auch einen hervorgehobenen, besonders treuen Vasallen bezeichnen. Die Institution der Freundschaft mit dem Herrscher ist wie im Alten Orient auch in den hellenistisch-römischen Gesellschaften bekannt. Sie verpflichtet den Herrscher zu bestimmten Vergünstigungen, die Untertanen vor allem zu absoluter Loyalität, wie auch in Joh 19,12 erkennbar wird (Friedländer 1, 74-86). Besonders in der rabbinischen Literatur und bei Philo werden Abraham, das Volk Israel, die Propheten und Prophetinnen »Freunde / Freundinnen Gottes« genannt (vgl. Jak 2,23; Harnack 433; Stählin 56.166A.184). Obwohl die Bezeichnung der christlichen Gemeinschaft als Gemeinschaft der Geschwister (adelphoi) große Nähe zur Vorstellung von Freundschaft hat, hat sich eine entsprechende Selbstbezeichnung nicht durchgesetzt (Harnack). In Lk 1 werden Elisabet und Maria als Freundinnenpaar dargestellt. Ihre Verwandtschaft (1,36) ist wohl nicht im Sinne von Blutsverwandtschaft zu deuten, zumal der Begriff sygenes/is häufig auf freundschaftliche Beziehungen angewandt wird. Ihre Freundschaft wird als Teilen ihrer Beauftragung von Gott, Pro-

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phetinnen zu sein, verstanden (Janssen 138-158). Einerseits knüpft diese Erzählung an das antike Motiv des idealen Freundes / Freundinnenpaares an, andererseits an die Praxis innerhalb der christlichen Gemeinde, Frauengruppen oder Frauenpaare mit geistlichen Vollmachten zu betrauen (Röm 16,12; D’Angelo; Schottroff). In Joh 11 wird von Jesus als liebendem Freund erzählt, der seine Freundinnen Maria und Marta und seinen Freund Lazarus in der Not nicht allein lässt. Es wird nicht erzählt, was diesen Viererbund konstituiert hat. Er schließt Mahlgemeinschaft ein (12,1-8). 3. Freundschaft Von Freundschaft kann auch ohne die spezifischen Begriffe die Rede sein, etwa in den Erzählungen um Baruch, den Freund Jeremias (Jer 32,12-45,2). Die Vorkommen des Themas Freund und Freundschaft in der Weisheitsliteratur bezeugen die Bedeutung von Freundschaft über die Epochen hinweg. Die Sprüche mahnen zur Treue gegenüber dem Freund auch in schwierigen Lebenslagen und warnen vor falschen Freunden, die nur auf den eigenen Vorteil schauen und nur in der Zeit des Wohlergehens da sind (»Ein Reicher hat viele Freunde«, Spr 14,20; vgl. 19,4.6.7). Die Untreue des Freundes ist eine ganz besonders leidvolle Erfahrung (Ps 41,10; 55,14). Der wahre Freund ist verlässlich wie ein Bruder (Spr 17,17) oder sogar noch verlässlicher (Spr 18,24). Zu den Aufgaben des Freundes gehört es, guten Rat zu geben (Spr 27,9) und tröstende Worte zu finden (Klgl 1,2), ggf. aber auch schweigend Leid zu teilen (Hi 2,11-13). Die ehrliche Kritik durch den Freund ist wertvoller als alle Schmeicheleien (Spr 27,5 f.), Fehler weiter zu erzählen aber vertreibt den Freund (Spr 17,9). Bewährte Freunde soll man nicht aufgeben (»Von deinem Freund und deines Vaters Freund lass nicht ab«, Spr 27,10). Mit der Krise und Auflösung traditioneller Strukturen in der Familie und der Ortsgemeinschaft sowie der Erweiterung der Lebenswelten in der persischen und insbesondere der hellenistischen Zeit erhielten Freunde und Freundschaft

zunehmende Bedeutung (ähnlich wie in der griechischen Welt ab den Krisen des 5. Jh.). Dies spiegelt sich besonders bei Ben Sira, der in seiner Weisheitsschrift um 190 v. Chr. an insgesamt sieben Stellen Aspekte der Freundschaft thematisiert (Sir 6,5-17; 9,14[10]; 12,7 f.[8 f.]; 19,8-17; 22,2332[19-26]; 27,17-24[16-21]; 37,1-7[1-6]) und auch in anderen Zusammenhängen von ihr spricht. Er entfaltet dabei im Wesentlichen Aussagen der oben dargestellten älteren Weisheit, wobei er zur Vorsicht rät und eine gewisse prinzipielle Skepsis anklingt, z. B. »Willst du einen Freund finden, so erprobe zuerst seine Treue und vertrau ihm nicht allzu rasch … Mancher Freund ist nicht mehr als dein Kostgänger und hält in der Not nicht stand«. (6,7.10; 37,1 u. ö.); »sei auch vor Freunden auf der Hut« (6,13b). Ben Sira lobt – wie die ältere Weisheit – die Freundschaft und preist sie: »Ein treuer Freund ist nicht mit Geld oder Gut zu bezahlen« (6,15); »Gib deinen Freund um keinen Preis auf« (7,20; vgl. 25,12 u. ö.); »Ein treuer Freund ist ein starker Schutz« (6,14). Er mahnt aber auch in vielfältiger Weise, die Freundschaft zu pflegen und zu schützen (bis hin zur Mahnung, den Freund zur Rede zu stellen, um zu klären, ob eine Sache wahr ist oder Verleumdung, durch die andere die Freundschaft zerstören wollen; 19,15; 28,11). Wie bei anderen Themen macht Ben Sira auch hier die theologische Einbindung und den Gottesbezug explizit: »Ein treuer Freund ist ein Trost im Leben, wer Gott fürchtet, der bekommt einen solchen Freund« (6,16). 4. Gastfreundschaft Die Beziehung der 3 (Gast-)Freundschaft schafft auch überregionale Vernetzungen, so dass sich Reisende auf Unterkunft, Verpflegung und Schutz in fernen Orten verlassen können (Lk 11,5-8; Apg 27,3; Hebr 13,2 vgl. Gen 18,2 f.; 19,1-3; Röm 12,13 etc.). Die Ausbreitung des Christentums wird auch durch die Institution der Gastfreundschaft ermöglicht (Röm 16,23; Apg 16,15. Richter-Reimer 147-156). Hausgemeinden bzw. ihre Leiterinnen und Leiter treten als GastfreundInnen für wandernde BotInnen des Evangeliums ein. Zum Schutz der fremden Gäste kann

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auch Rechtshilfe gehören (Leonhard). Mahlgemeinschaft ist ein zentraler Aspekt der (Gast)freundschaft. Jesus wird deshalb »Freund der Zöllner und Sünder« (Mt 11,19 par) genannt, weil er mit Leuten gemeinsam das messianische Mahl im Voraus feiert, die die Tora nicht halten (können). Die Mahlgemeinschaftspraxis der besser gestellten Leute wird in Lk 14,12 zutreffend beschrieben: Sie laden nur ihresgleichen ein und grenzen Arme und Kranke aus, von denen keine Gegeneinladung zu erwarten ist. Jesus kritisiert diese Praxis fundamental (Lk 14,12-24) – auch durch seine eigene Praxis der Mahlgemeinschaft. 5. Lehr- und Lernbeziehungen Das Verhältnis von Lehrenden und Lernenden wird in der griechisch-römischen Antike sehr häufig als Freundschaft angesehen (für Sokrates siehe Harnack 435; mAv 5,19; Stählin 155). Deshalb redet Jesus die Jüngerinnen und Jünger gelegentlich als Freunde / Freundinnen an (Lk 12,4; Joh 15,13 ff.). In Joh 15,13 ff. wird diese Freundschaft in Gegensatz zu dem Verhältnis der Herren über Versklavte gestellt. Damit ist nicht eine Freundschaft zwischen Gleichen gemeint, denn Jesus gibt seiner Jüngerschaft Aufträge und sagt, er habe sie ausgewählt, nicht sie ihn. Doch Jesus lässt die Seinen an seiner Gottesbeziehung und seinem Offenbarungswissen uneingeschränkt Anteil haben; ein Sklave dagegen »weiß nicht, was sein Herr tut« (15,15). Die besondere Beziehung Jesu zum so genannten Lieblingsjünger fügt sich ebenfalls in diesen kulturellen Rahmen. Im Hellenismus begegnet immer wieder der Lehrer, der einen besonderen Lieblingsschüler hat (v. Tilborg 77-87; Joh 20,2; 13,23 u. ö.). Im Johannesevangelium wird die Beziehung Jesu zum Lieblingsjünger nicht explizit von einem homoerotischen Verhältnis abgegrenzt, das in der gesellschaftlichen Praxis gängig war. Auch das Verhältnis des Täufers zu Jesus wird bei Johannes als Freundschaft im Sinne einer Lehrer-Schüler Beziehung gedeutet (3,29). Die Bereitschaft, notfalls das eigene Leben für die Freunde und Freundinnen einzusetzen (Joh 15,12-17; außerbiblisches Material: Stählin 151)

dürfte sowohl im Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden begründet sein als auch in der Praxis der (Gast-)Freundschaft (Röm 16,4). D’Angelo, Mary Rose, Women Partners in the New Testament, Journal of Feminist Studies in Religion (1990), 65-86. Friedländer, Ludwig, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang der Antonine, Bd. 1-4, Aaalen 10 1964 (Neudr. der Ausg. Leipzig 1921-23). Harnack, Adolf von, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten Bd. I.II, Leipzig 1924. Heszer, Catherine, Rabbis and Other Friends: Friendship in the Talmud Yerushalmi and in Greco-Roman Literature, in: Peter Schäfer / Catherine Heszer (Hg.), The Talmud Yerushalmi and Greco-Roman Culture, vol. II, Tübingen 2000, 189-254. Janssen, Claudia, Elisabet und Hanna – zwei widerständige Frauen in neutestamentlicher Zeit. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, Mainz 1998. Leonhard, R., Art. Hospitium, RE 16, 1913, 2493-2498. Price, Anthony William, Love and Friendship in Plato and Aristotle, Oxford 1989. Reiterer, Friedrich Vinzenz (Hg.), Freundschaft bei Ben Sira, BZAW 244, Berlin / New York 1996. Richter Reimer, Ivoni, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas: Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992. Sauer, Georg, Jesus Sirach / Ben Sira, ATD.Apok 1, Göttingen 2000. Schottroff, Luise, Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments, München 1990, 291304. Stählin, Gustav, Art. phileo etc., ThW IX, 1973, 112-169. Tilborg, Sjef van, Imaginative Love in John, Leiden / New York / Köln 1993.

Siegfried Kreuzer / Luise Schottroff

Friede / Krieg Die Auseinandersetzung mit Frieden und Krieg ist ein zentrales Thema der Bibel: in der Schilderung geschichtlicher Erfahrungen, ihrer literarischen Verdichtung und theologischen Deutung. Die biblische Rede von Gott ist geprägt

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durch die Erfahrung, dass sich Gott gegen mächtige Kriegsgegner befreiend durchsetzt und deshalb die Hoffnung auf Frieden auch gegen andere Realitäten garantiert. 1. Begrifflichkeit Der hebräische Begriff Frieden / ˇs¯alo¯m meint von der Wurzelbedeutung her »unversehrt, ganz, heil sein«. Das Wort wird als Gruß (Ri 19,20) oder bei der Frage nach dem Wohlergehen benutzt. So erkundigt sich David bei Urija nach dem »Schalom des Krieges (milh¯ama¯h)« (2 Sam 11,7), »ob es mit ˙ dem Krieg gut steht«. Schalom umfasst positiv die Anwesenheit von Gesundheit, Wohlergehen, Erfolg, Fruchtbarkeit, Liebe, langem Leben, innerer Stimmigkeit und Zufriedenheit, »negativ« die Abwesenheit von Krankheit, Leid, Aggression und Gewalt. Das Wort kann dann aber auch als Gegenbegriff zu Krieg / milh¯ama¯h stehen (Koh ˙ 3,8; Ps 120,7; 1 Kön 20,18; Mi 3,5; Sach 9,10), ein Begriff, der immer auf militärische Vorgänge bezogen ist und dabei durch ein breit entwickeltes Wortfeld ergänzt wird. Schalom kann also Frieden im politisch-militärischen Sinne bis hin zum universalen »Frieden ohne Ende« (Jes 9,7) meinen und so zum umfassenden Begriff für Heil werden. Auch im Neuen Testament geht der griechische Begriff Frieden / eirene über die politisch-militärische Bedeutungsebene hinaus; er reflektiert umfassend die Konflikthaftigkeit menschlichen Lebens und bezeichnet theologisch fundierte Wege ihrer Lösung. Frieden umfasst versöhnte Beziehungen von Menschen untereinander und zwischen Menschen und Gott, vereinzelt auch einen inneren Zustand der Seelenruhe. Der Begriff wird auf soziale Beziehungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen bezogen, vom zwischenstaatlichen Bereich bis in die sozialen Nahbeziehungen. Eirene kann bezeichnen: Verhinderung oder Beendigung von Krieg oder bewaffneten Aufständen (Lk 14,32); Schutz des Eigentums vor Plünderung und Raub (Lk 11,21), Gewährung von Gastfreundschaft (Mt 10,13; Hebr 11,31; 1 Kor 16,11), Freiheit von gerichtlicher Verfolgung (Apg 9,31), gewaltfreie Konfliktlösung

(Mt 10,34 f.; Apg 7,26) sowie Harmonie und Einmütigkeit (2 Kor 13,11; Eph 4,3) im sozialen Nahbereich. Es ist Gott, der durch sein Handeln in Jesus dem Christus Frieden (Lk 2,14; Apg 10,36; Röm 5,1) bzw. 3 Versöhnung stiftet. Dem entspricht es zwischenmenschlich, Frieden zu halten (Mk 9,50; Röm 12,18; 2 Kor 13,11) bzw. durch Gewalt- und Vergeltungsverzicht zu stiften (Mt 5,9; Röm 12,14-21). Im Begriff eirene kann ein toratreuer (Lk 1,79; Röm 3,17) bzw. am Glauben an Christus ausgerichteter (1 Petr 3,14) Lebenswandel zusammengefasst werden. Zum umfassenden Friedensbegriff ist polemos, Krieg bzw. bewaffneter Kampf (Mk 13,7 par; Lk 14,31; Hebr 11,34; Offb 9,7.9) nicht der einzige oder zentrale Gegenbegriff, weitere sind: bia (Gewalt, Apg 5,26), diamerismon (Entzweiung, Lk 12,15), echthra (Feindschaft, Röm 8,7; Eph 2,14), machaira (Schwert, Mt 10,34; Offb 6,4), mache (Kampf / Streit, 2 Kor 7,5), orge (Zorn, Joh 3,36; Röm 12,19; Kol 3,6; Offb 14,10) u. a. 2. Historische und soziale Grundzüge Krieg gehörte zum »normalen« Sozialleben Israels. 2 Sam 11,1 spricht von der »Zeit, da die Könige in den Krieg zu ziehen pflegen«, nutzt das Phänomen also geradezu als kalendarische Bezeichnung einer Jahreszeit. Für das Alte Testament gehören Kriege zu den unheilvollen Grundgegebenheiten dieser Welt, die voller Gewalt ist (Gen 6,11). Kriege begleiteten die Geschichte Israels und ihre verschiedenen Phasen. Israel entstand in der Phase des Zusammenbruchs der Herrschaft Ägyptens über Palästina. In den Jahrhunderten bis zum Aufkommen der Großmacht Assur hatte es vor allem mit kleineren Nachbarstaaten um seine Existenz in Freiheit zu kämpfen. In der Frühzeit rekrutieren sich die Streitkräfte dabei primär durch Einberufung Freiwilliger aus einem oder mehreren Stämmen zu einem Waffenbündnis. Die Truppen wurden teilweise von den häuslichen Familien versorgt (1 Sam 17,17 f.) und mussten ihre Ausrüstung selbst beschaffen (nach M. Weber »Selbstequipierung«). Diese war in der Frühzeit eher bescheiden: Pfeil und Bogen, Spieße; wenige Dolche, Schwerter

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oder Speere, keine Streitwagen – die Philister dagegen hatten »eiserne 3 Waffen« (exemplarisch 1 Sam 17,5 ff.), die Feinde aus den Nachbarländern bald Schlachtrosse, Rammböcke und Belagerungsmaschinen. Ab David dürfte es einen allmählichen Übergang zu einem stehenden Berufsheer mit besserer Ausrüstung auf Staatskosten gegeben haben: Aus einer Ansammlung von Desperados (»lose Männer« nach 1 Sam 22,1 f.) entstanden – auch durch Anwerbung ausländischer Söldner (»Kreti und Pleti«) – feste israelitische und judäische Truppen, wobei die bemerkenswert hohen Zahlenangaben von Hunderttausenden aber nicht realistisch sind (nach der Inschrift von Salmanassar III. 853 v. Chr. hatte Jehu 2.000 Streitwagen). Die weitgehend genealogisch-statisch gegliederte Gesellschaft wird durch Berufsarmeen dynamisiert. Den enormen Lasten für die Bevölkerung (vgl. 1 Sam 8,1 ff.), die die sozialen Konflikte erheblich verschärfen, stehen hervorragende soziale Aufstiegsmöglichkeiten im Heer gegenüber. Das wird durch Davids Weg vom Hirtenkind zum Hauptmann, ja zum König symbolisiert. Andere Soldatenkönige sind Omri und Jehu. Eine neue Situation entstand ab dem 8. Jh. v. Chr. mit dem Aufkommen der überlegenen Großmächte Assur, Ägypten, Babylon. Über das altorientalische Kriegsleben ist vieles bekannt: Reliefplatten aus assyrischen Palästen geben plastische Eindrücke von Belagerungstechniken, Kampfmaschinen und -handlungen sowie von den Folgen von Eroberungen für die Zivilbevölkerung. Die hohen Tribute, die an die siegreichen Mächte zu leisten waren, wurden auf die Bevölkerung umgelegt und verschärften die sozialen Gegensätze erheblich. Mit dem Untergang der selbständigen Teilstaaten Israel und Juda gab es für Israel jahrhundertelang keine aktive nationale Kriegsführung mehr, wohl aber waren Juden häufig als Söldner tätig. Erst in der Makkabäerzeit, als für Freiheit und religiöse Rechte Krieg geführt wurde, entstand daraus wiederum ein eigener Staat. Wie die angedeuteten sozialen Folgen trafen auch die unmittelbaren Kriegshandlungen vor

allem die kleinen Leute und hier insbesondere die Frauen. Von sexueller Gewalt ist wie selbstverständlich schon im Deboralied mit brutaler Offenheit die Rede: »Ein Schoß, zwei Schöße pro Kopf jeden Mannes« (Ri 5,30). Zu den regelmäßig genannten Gräueln gehörte das Aufschlitzen von Schwangeren (Am 1,13). Insbesondere die Assyrer stellen ihre ungeheuren Grausamkeiten wie das Häuten der Gegner stolz auch bildlich dar. Die neutestamentlichen Friedensaussagen sind auf dem Hintergrund der imperialen Herrschaft Roms mit dem politisch-religiösen Friedensstifter-Anspruch der römischen Kaiser zu verstehen (vgl. 1 Thess 5,3). Diese »pax Romana« beruht auf der militärischen Überlegenheit der römischen Legionen. Nach der politischen Propaganda schafft die römische Herrschaft einen einheitlichen Staatsleib mit dem Kaiser als Haupt; sie befriedet verfeindete Völker durch Eingliederung in das römische Imperium. Römische Rechtsprechung dient als übergeordnete Instanz der Konfliktschlichtung und Friedenswahrung; die einzelnen Gruppen und Ethnien können nach ihren Gesetzen und Sitten leben, so lange sie »Wohlwollen«, d. h. Gehorsam gegenüber Rom wahren. Die Herrschaft Roms wird außerdem legitimiert durch den Anspruch überlegener Zivilisation und ist mit dem ökonomischen Versprechen von Wohlstand durch globalen Handel verbunden. Im Dienste dieser pax Romana wird Jesus von Nazareth als politischer Aufrührer hingerichtet. Die Jesusbewegung und die Mehrheit der neutestamentlichen Schriften nehmen – im Gegensatz zur römischen Propaganda – ihre gesellschaftliche und politische Gegenwart nicht als Frieden, sondern als Unterdrückung (Mk 10,42; Mt 20,25) wahr. Paulus sieht die Welt unter der Herrschaft der 3 Sünde, die synoptischen Evangelien deuten das leib-seelische Leiden der Menschen als dämonische Besessenheit. Wenn Dämonen den Namen »Legion« (Mk 5,9; Lk 8,30) tragen, so wird der militärische Hintergrund und die romkritische Tendenz deutlich. In Lukasevangelium und Apostelgeschichte wird die Kritik deutlich abgemildert,

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die Vertreter der pax Romana (3 Militär, Statthalter) erscheinen in günstigerem Licht. 3. Herrschaft Gottes: Kampf gegen unterdrückerische Gewalt und Friedensstiftung Wenn das »Urbekenntnis Israels« (M. Noth) JHWH als den definiert, der Israel aus Ägypten geführt hat (Ex 20,2 u. v. a.), dann ist ein Sieg über das ägyptische Militär eingeschlossen, der in alten Traditionen wie dem Mirjam-Lied Ex 15,21 besungen wird. JHWH ist ein »Kriegsmann« (Ex 14,14; 15,3), das Heerlager gilt manchen als Entstehungsort der Religion. In Erzählungen über die Frühzeit greift Gott selbst rettend ein. Im Deboralied kommt Gott von Seir / Edom (Ri 5,5), die Sterne am Himmel (V. 20) kämpfen mit und Naturgewalten (V. 21) bringen den Sieg, die Truppen Israels kommen JHWH nur zu Hilfe (V. 23). Die Erzählungen von den Kriegen der vorstaatlichen Zeit werden teilweise geradezu als »Kriege JHWHs« stilisiert, die – G. von Rad zu Folge – regelrechte liturgische Vollzugsformen hatten. Doch ist das rekonstruierte Schema von Einberufung des »Volkes JHWHs« durch Schofarblasen, Salbung der Waffen, Buß- und Opferriten, Gottesbefragung und Gottesentscheid, Kriegsansprachen, priesterliche Reinheit während des Krieges z. B. durch Verzicht auf Geschlechtsverkehr, nach erfolgreichem Kampf Vollstreckung des 3 Bannes, Auflösung des Heerbannes durch eine feierliche Entlassung »zu den Zelten, Israel« niemals vollständig belegt und den Texten eher übergestülpt. Zweifellos aber galt die Lade als besonders wirksame Waffe, da sie die helfende Gegenwart Gottes garantierte, dazu kommen Traditionen eines von JHWH selbst bewirkten »Gottesschreckens«, der in die feindlichen Truppen fuhr, so das diese sich in Panik gegenseitig selbst umbrachten oder flohen. Da der Kriegserfolg entweder Frucht von JHWHs Eingreifen allein (monergistisch) oder von JHWHs Hilfe (synergistisch) war, wurde in Israel niemals ein Heldenkult voll ausgebildet. In staatlicher Zeit betrachteten dann die Könige wie in jedem anderen Volk der Region auch den Krieg als Mittel der Politik, wobei freilich immer auch

die nationale Gottheit als »Oberherr« involviert war, dessen Willen vor den Schlachten durch priesterliche Orakel oder prophetische Schauungen einzuholen war. Diese Erfahrung von Gottes hilfreichem Eingreifen hat zu einer ganzen Reihe von theologisch höchst gewichtigen Einsichten und Formulierungen geführt. Dabei ist der Gegensatz von Waffen und Gottvertrauen von 1 Sam 17,45 über Grundsatzaussagen Jesajas (Jes 31,1-3) bis zum Gegensatz von Kriegsmacht und Gottesgeist (Sach 4,6) zentral. Eine große Rolle spielt die Rede von JHWH Zebaoth, dem »Gott der Heere«, die wohl als himmlische Heere zu verstehen sind. Eine der schönsten Kriegserzählungen berichtet, wie diese unsichtbare göttliche Schutzmacht plötzlich sichtbar wird (2 Kön 6,8 ff.). Nicht zuletzt wird der biblische Glaubensbegriff von Jesaja als Vertrauen auf die Macht JHWHs gerade in aktueller militärischer Bedrohung Jerusalems geprägt (Jes 7,9). Die Prophetie kritisierte zudem von Anfang an Unmenschlichkeiten im Krieg (Natan gegen David, 2 Sam 11 f.; Völkersprüche des Amos Am 1 f.) sowie überhebliches Vertrauen von Menschen auf ihre eigene Kriegsmacht. Ein neues Moment trat mit dem Aufkommen Assurs und anderer militärisch überlegener Großmächte auf. Besonders die Gerichtspropheten ab dem 8. Jh. deuten sie als vom Gott Israels gegen das eigene Volk eingesetzte Werkzeuge: (Gottes »Schermesser« Jes 7,20), mit denen er auf dessen soziale, politische und religiöse Verfehlungen reagiert. Kriegsgräuel und Ausplünderung der Völker durch Assur, den »Stock meines Zorns«, werden in Jes 10,5 ff. als zu bestrafende Überhebung des Werkzeugs gedeutet. Solche prophetische Kriegskritik hat eine klar erkennbare Traditionslinie. Je mehr Israel und Juda Opfer der Kriege wurden – und das Land wurde vielfach von feindlichen Armeen überzogen –, desto kritischer werden die theologischen Beurteilungen. Gott wird zunehmend als der erhofft, der die Kriege in aller Welt aufhören (Ps 46) und die Schwerter zu Pflugscharen umschmieden lässt (Jes 2 / Mi 4). Dazu gehörte auch der Versuch des deuteronomischen Geset-

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zes, so etwas wie ein erstes Kriegsrecht zu schaffen (Dtn 20; 23,10-15), wonach niemand zum Kriegsdienst gezwungen werden soll und bei Belagerungen die lebenswichtigen Bäume des Feindes zu schonen sind. Gehörten prophetische Kritiken anfangs noch zur Oppositionsliteratur, so hat sich in den frommen Oberschichtkreisen zunehmend die grundsätzliche Kritik am Krieg Geltung verschafft. War Friedenssehnsucht vorexilisch eher ein Phänomen der Unterschicht, erlangt sie exilisch-nachexilisch auch in der Elite breite Geltung. Das Gewaltmonopol JHWHs führte zur Hoffnung auf eine endgültige Befriedung der Welt. Im chronistischen Geschichtswerk ist Kriegsglück Folge von Toragehorsam (z. B. 2 Chr 13; 14; 20). Insbesondere in apokalyptischen Visionen wird ab der Perserzeit zunehmend ein großer Endkrieg zwischen den Söhnen der Finsternis und den Söhnen des Lichts erwartet, aus welchem eine neue Weltordnung des Friedens hervorgehen wird. Das Alte Testament bezeugt so eine sich steigernde Sehnsucht nach Frieden; es kennt dabei eine Reihe von unterschiedlichen Konzeptionen, wie sich diese Hoffnung konkretisieren soll: a) ein »innenpolitisches Modell«: Israel, besonders Jerusalem / Zion ist der Ort, an welchem sich gegen vielerlei Anfeindungen von außen eine Art »Gegengesellschaft« als Friedensreich paradigmatisch realisiert (Ex 18; Jes 9; 11; 54; Ps 46; 48; 85); b) ein »imperialistisches Modell«: ein großer König (»Messias«) erobert und beherrscht die ganze Welt; wenn alle Völker in sein Königreich eingegliedert sind, hört der Krieg auf (Ps 72); c) ein »weisheitliches Modell«: indem alle Menschen die Weltordnung beachten, ihre Hierarchien und Gesetze respektieren, entsteht Frieden (bes. Ps 34); d) ein »kultisches Modell«: die Schuld / Sünde, die der Mensch auf sich geladen hat und die sich nach dem Tun-Ergehen-Zusammenhang verheerend auf den Menschen auswirkt, kann weggenommen werden; der Kreislauf der Vergeltung kann durch Sühneriten (Lev 16) und durch stellvertretende Sühne aufgebrochen werden (Jes 53); e) ein »eschatologisches Modell«: allein Gottes endzeitliche Umwandlung und Neuschöp-

fung der Welt kann zu dauerndem Frieden führen (Jes 26,12; 32,17; 60,17; Tierfrieden Jes 65 f.). In summa lässt sich sagen, dass sich im Alten Testament »eine zunehmende Ablösung Gottes vom Krieg« (Albertz), ja ein »Ausstieg aus der Gewalt« (Lohfink) anbahnt (vgl. z. B. Jes 2 / Mi 4; Hos 2,20; Mi 5,9 f.). Das Neue Testament sieht die Verwirklichung von Frieden als Merkmal von Gottes eschatologischer Herrschaft, die im Auftreten des Christus Jesus bzw. in dessen Auferweckung beginnt. In den synoptischen Evangelien nimmt Jesus mit seiner Predigt von der nahen Gottesherrschaft (Mk 1,15 par) die eschatologische und messianische Tradition des Alten Testaments auf, und zwar in der entmilitarisierten Variante, nach der die Völker sich freiwillig JHWH unterstellen. Die basileia theou setzt sich auf Erden nicht militärisch durch; ihr Kampfaspekt besteht in der Entmachtung Satans und der Dämonen. Deshalb ereignet sie sich in Exorzismen und Heilungen, Geheilten wird der Frieden Gottes zugesprochen (Mk 5,34 par). Eine politische Positionierung innerhalb der Alternative bewaffneter Kampf oder betonte Loyalität gegenüber Rom lehnt Jesus ab (Mk 12,13-17). Dennoch ist sein Konzept der basileia theou nicht unpolitisch: Die Konstituierung des Zwölferkreises, sein Einzug in Jerusalem und die Tempelreinigung (Mk 11,1-10.15-19 par) provozieren als politische Symbolhandlungen den Konflikt mit der römischen Herrschaft und der Tempelaristokratie. Paulus konfrontiert, ausgehend vom universellen Heilswillen Gottes, seinen jüdischen Glauben radikal mit seiner Gegenwartserfahrung. Bund und Tora konnten den Frieden auf Erden nicht schaffen – vielmehr sind alle Menschen der Sündenmacht unterworfen und zu Feinden Gottes (und untereinander) geworden (Röm 3,9; 5,10). In dieser verzweifelten Lage sind Tod und Auferweckung Jesu Christi Akte göttlicher Feindesliebe. Gott versöhnt die Menschen mit sich, spricht sie in Vorwegnahme des eschatologischen Gerichts gerecht (Röm 5,1.11). Die theologische Semantik nimmt die juridische Dimension des Friedensbegriffs auf; der Freispruch im gött-

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lichen Gericht wird gegen die Gefangennahmen und 3 Strafen durch die römische Jurisdiktion aufgeboten (Röm 8,33 f.). Die als ungerecht erlebte römische Rechtsprechung soll von den Glaubenden nicht zur Konfliktregelung in Anspruch genommen werden (1 Kor 6,1-7). Andererseits begründet Paulus theologisch die grundsätzliche Loyalität gegenüber der politischen Macht (Röm 13,1-7). Die Deuteropaulinen Kolosser- und Epheserbrief stellen Christus als universalen Friedensstifter (Kol 1,20-24; Eph 2,3.14-17) dar. Während den römischen Kaisern die Versöhnung jüdischer und paganer Bevölkerung letztlich nicht gelungen ist, schafft Christus Frieden, indem er beide in seinem Leib vereinigt. Metaphorik aus dem Bereich des 3 Militärs verdeutlicht die antithetische Parallele zur Pax Romana (Röm 13,12; 2 Kor 6,7; 10,3 f.; 1 Thess 5,3 ff., Eph 6,10-17): Anstelle der Soldaten unter Führung des Kaisers sichern die Glaubenden im Auftrag Christi dessen Frieden (anders 1 Tim 1,18; 2 Tim 2,4). Johannes grenzt den Frieden, den Christus gibt, gegen den Frieden der Welt ab (Joh 14,27); Christus hat die Welt und die in ihr herrschende Angst überwunden (Joh 16,33). Frieden wird auf den binnengemeindlichen Raum beschränkt und dort als gegenseitige 3 Liebe verwirklicht. Der Jakobusbrief verknüpft Frieden konsequent mit sozialer Gerechtigkeit (Jak 3,17 f.). Das hegemoniale Gesellschaftsmodell wird schroff abgelehnt: Freundschaft mit der Welt ist Feindschaft mit Gott (Jak 4,4). In apokalyptischen Texten radikalisiert sich die Entgegensetzung von Gottesherrschaft und weltlicher Herrschaft zu einem grundlegenden Dualismus. Krieg und 3 Verfolgung sind Zeichen der Endzeit (Mk 13,7 par). Die Welt ist so in Gewalt verstrickt, dass Frieden nur noch durch die Neuschöpfung von Himmel und Erde (Offb 21,1) möglich scheint. Rom, das Christen aufgrund ihrer Weigerung, vor dem Kaiserstandbild zu opfern, verfolgt, gilt der Johannes-Offenbarung als Höhepunkt satanischer Macht auf Erden. Um den Glaubenden das Standhalten in der Verfolgung zu ermöglichen, schildert die Offenbarung Visionen des kosmischen End-

kampfes; Christus wird siegreich die Machtverhältnisse umkehren und die Glaubenden mit sich herrschen lassen. 4. Versöhnungsethik der Inklusion und Gleichheit als Konfliktursache Die Nachfolge Jesu führt synoptisch zu einer Versöhnungsethik, die soziale Barrieren horizontal und vertikal durchbricht, sowie Gewalt- und Rechtsverzicht beinhaltet. Horizontal werden mit dem Liebesbegriff ethische Verpflichtungen über soziale Grenzen hinaus ausgeweitet. Männliche Adressaten im Blick, radikalisiert die Bergpredigt Nächstenliebe zur Feindesliebe; wer der Gewalt von Stärkeren oder Mächtigeren (römische Soldaten, Räuber) ausgesetzt ist, soll den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durch kreative, das Risiko eigenen Leidens in Kauf nehmende Überraschungshandlungen (Mt 5,38-41) unterbrechen. Vertikal geht es um die Aufhebung von Herrschaft in der Nachfolgegemeinschaft; dazu gehört die verschärfte ethische Regulation von männlicher Gewalt und 3 Sexualität (Mt 5,21 f.27 f.). Die Ethik kristallisiert sich in den Begriffen der Demut und des gegenseitigen Dienens (Mk 9,33-37 par), sie konstituieren eine geschwisterliche Gemeinschaft von Gleichgestellten. In den 3 Familien führt Jesu Ruf in die Nachfolge zu scharfen Konflikten, er reißt die jungen arbeitsfähigen Erwachsenen aus dem ökonomischen Verband heraus (Mt 10,34 f. par). Intergenerationale Verpflichtungen werden radikal abgewiesen (Mt 8,21 f.). Die Theologie des Paulus zielt auf eine Integration der ganzen Welt in die Geschichte, die Gott mit Israel begonnen hat. In den christusgläubigen Gemeinden sind die sozialen Hierarchisierungen nach Ethnie, Geschlecht und sozialem Status aufgehoben (Gal 3,28); Einheit und Versöhnung beruhen auf der Entprivilegierung von jüdisch, frei und männlich Sein. Die »Einheit in Christus« bzw. die Erbauung der Gemeinde ist auch in weiteren Streitfragen des innergemeindlichen Miteinanders (Charismen, Sklavenbefreiung, Eheverweigerung, Arme und Reiche) wie des Umgangs mit der paganen Gesellschaft (Teil-

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Friede / Krieg

nahme an Festen, Fleischkonsum) zentrales Kriterium. Paulus betont trotz grundsätzlicher 3 Freiheit die Rücksicht auf die jeweils »Schwächeren« (1 Kor 8,9-13) bzw. hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse die Geltung überkommener Normen (1 Kor 11,2-16). In der Folgezeit führt die Orientierung an der Reaktion der nichtchristlichen Umwelt zu einer schrittweisen Rücknahme der 3 Freiheit von freien Frauen und SklavInnen (Kol 3,18-4,1 u. a.). Spät- und nach-neutestamentlich setzt sich die Sicht durch, Frieden und Harmonie könnten nur durch patriarchale (1 Tim) oder militärische (1 Clem) Ordnung gewährleistet werden. Die Botschaft des Friedenshandelns Gottes in Jesus dem Christus entfaltet eine wirkungsvolle Versöhnungsdynamik, löst aber auch massive Konflikte aus, da sie in Konkurrenz zur pax Romana steht, Privilegienverzicht und Bereitschaft zum Leiden fordert. In einer hierarchischen und militarisierten Gesellschaft kann massiver äußerer Druck zum Aufgeben der universalen Inklusion führen: Liebe und Frieden werden auf die Innengruppe beschränkt (Joh) bzw. es kommt zu einem scharfen dualistischen Gegensatz von Gott und Welt (Offb). Oder es wird umgekehrt eine Fassung christlichen Glaubens entwickelt, die das Gleichheitsideal aufgibt und den Ausgleich zum herrschenden Konzept der Friedenssicherung durch Macht und Hierarchie sucht (Apostelgeschichte, Pastoralbriefe). Zu Beginn des 21. Jh. führt fundamentalistischer Terror zur Frage, inwiefern monotheistische Religionen Unfrieden und Gewalt hervorbringen. Der Glaube an den einen Gott ermöglicht biblisch eine radikale Kritik gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und entlarvt Friedensansprüche, die nicht Frieden, sondern Ruhe durch Unterdrückung darstellen. Die 3 Apokalyptik zeigt, wie massive Gewalterfahrungen zu Vernichtungswünschen und dualistischen Konzepten des Kampfes von Gut und Böse führen. Diese Traditionen können als Hoffnungsbilder der Gewaltopfer gewürdigt werden; sie sind in Gefahr, Gewalt zu fördern, wenn sie Weltdistanz zu dualistischer Weltfeindlichkeit vereindeuti-

gen. Weiterführend sind heute die biblischen Traditionen, die radikale Kritik an gewaltsamen, ungerechten und Frieden untergrabenden Zuständen mit Liebe zur Welt verbinden. Albertz, Rainer, Konfliktschlichtung durch Machtverzicht – Jesaja 2,2-5 auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Kriegs- und Friedenstraditionen, in: ders., Der Mensch als Hüter seiner Welt, Calwer Taschenbibliothek 16, Stuttgart 1990, 114-131. Desjardins, Michel, Peace, Violence and the New Testament, Biblical Seminar 46, Sheffield 1997. Duhaime, Jean, The war Texts: 1QM and Related Manuscripts, London / New York 2004. Faust, Eberhard, Pax Christi et Pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zum Epheserbrief, NTOA 24, Freiburg / Göttingen 1993. Leutzsch, Martin, Konstruktionen von Männlichkeit im Urchristentum, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel. Festschrift für Luise Schottroff zum 70. Geburtstag, Gütersloh 2004, 600-618. Lohfink, Norbert, Die Schichten des Pentateuch und der Krieg, in: ders. (Hg.), Gewalt und Gewaltlosigkeit im Alten Testament, QD 96, Freiburg 1983, 51-110. Ders., Der »heilige Krieg« und der »Bann« in der Bibel, IKaZ 18 (1989), 104-112. Macky, Peter W., St. Paul’s Cosmic War Myth. A Military Version of the Gospel, New York u. a. 1998. Oeming, Manfred, Friedensbegriff und Friedensauftrag im Alten Testament. Biblische Impulse zur Vision vom Frieden, in: Klaus Garber u. a. (Hg.), Der Frieden – Rekonstruktion einer europäischen Vision, Bd. 1, Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden, München 2001, 116 (Lit.). von Rad, Gerhard, Der Heilige Krieg im alten Israel (1951), Göttingen 5 1969. Swartley, Willard M., War and Peace in the New Testament, in: Wolfgang Haase (Hg.), Religion. Vorkonstantinisches Christentum: Neues Testament, ANRW II.26.3, Berlin 1996, 2298-2408. Theißen, Gerd, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2 2001. Weippert, Manfred, »Heiliger Krieg« in Israel und Assyrien, ZAW 84 (1972), 460-493. Wengst, Klaus, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit. Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus und im Urchristentum, München 1986.

Frank Crüsemann / Manfred Oeming / Ulrike Wagener

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Fron

Fron Fronarbeit, die Ableistung unentgeltlicher Dienste für den König, war im Alten Orient allgemeinübliche Praxis. Die Verhältnisse in Israel stellen in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. 2 Sam 20,24; 1 Kön 4,6 u. a. berichten von einem »über die Fron« (3al hamas) gesetzten Beamten. Ein solches Amt wird durch ein in Jerusalem gefundenes Siegel vom Ende des 7. Jh. bestätigt. Fronarbeit diente der Durchführung größerer Bauvorhaben des Königs und des Staates und der Bewirtschaftung der Krongüter. In dieser Funktion wird Fronarbeit auch innerbiblisch nicht kritisiert. Während aber Vertreter ärmerer Schichten der Bevölkerung die von ihnen geforderte Fron persönlich abzuleisten hatten, waren Besitzer größerer Ländereien und Vermögende in der Lage, sich von Mitgliedern ihres Hauses vertreten zu lassen und Arbeitsausfälle in der eigenen Produktion zu kompensieren. Prophetische Texte, die den Begriff nicht verwenden, die Institution aber voraussetzen, kritisieren weniger den Umstand als die konkreten Bedingungen und das Ausmaß der Fronarbeit, das die ärmeren Schichten härter trifft und zur Verarmung weiter Teile der Landbevölkerung maßgeblich beiträgt (Mi 3,10; Jer 22,13-19 u.a). Divergierende Wertungen des Phänomens der Fronarbeit selbst innerhalb einzelner Texte stehen nicht selten in engem Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit dem Königtum. Das deuteronomistische Geschichtswerk berichtet von Baumaßnahmen der Könige (2 Kön 14,22; 15,35 u. a.), ohne Fronarbeit explizit zu thematisieren oder gar zu kritisieren. Ausführlich berichtet wird von Fronarbeit im Zusammenhang mit der Bautätigkeit Salomos (1 Kön 5), wo ihr übertrieben geschildertes Ausmaß eindrucksvoll zum propagandistischen Bild des Großkönigs beiträgt. Anders gelagert ist die einer Auseinandersetzung mit dem Königtum implizite Kritik, die sich vor dem Horizont eines in die Zeit der Wüstenwanderung »rück«-projizierten egalitären Selbstbildes Israels vollzieht. Als Gegenhorizont

entspricht ihm die »Erinnerung« an die Fronarbeit Israels in Ägypten (Ex 1,11). Kritik an bestehenden Verhältnissen vor diesem Hintergrund bietet das dem Propheten Samuel in der Auseinandersetzung um die Etablierung des Königtums in den Mund gelegte so genannte »Königsrecht« (1 Sam 8,11-17), das die Fronarbeit auch von Frauen explizit benennt. Auch die Auseinandersetzung der Vertreter des Nordreiches mit Salomos Sohn Rehabeam um ein angemessenes Ausmaß der Fron, die nach biblischer Darstellung zum Zerbrechen des Reiches führt, bezieht sich in ihrer Argumentation auf den egalitären, königlosen »Ursprung« Israels (»Zu deinen Zelten Israel«; 1 Kön 12,16) zurück. 1 Kön 9,15 ff. löst die Spannung, die zwischen einer positiven Wertung des Königtums und dem Ideal eines egalitären Israel besteht, und die am Thema der Fronarbeit beispielhaft aufscheint, indem Salomo Fronarbeit nicht Israel, sondern den Völkern des Landes zumutet. Auch in Zeiten der Nichtstaatlichkeit Israels war Fronarbeit für im Land wie in der Diaspora lebende Israeliten an der Tagesordnung (Est 10,1). Als von außen an Israel herangetragene Belastung, deren Kritik sich nicht länger im spannungsvollen Kontext der unterschiedlichen mit dem israelitischen Königtum verbundenen Ideologien vollzieht, ist sie aber nicht in gleicher Weise Gegenstand der (prophetischen) Kritik (vgl. aber Klgl 11). Der unter dem Vorzeichen eines Neuanfangs Israels nach dem Exil stehende Wiederaufbau von Stadtmauer und Tempel wird – auffallend genug – als Arbeit von Freiwilligen dargestellt und positiv gewertet (Neh 3). Auch das Neue Testament kennt Zwangsdienste (Mt 5,41; Mk 15,21). Die römische Besatzungsmacht konnte in den Provinzen Fahrzeuge und Tiere für Transportleistungen requirieren (lat. angaria, griech. angareia). Ebenso musste die Bevölkerung die Fuhrwerke versorgen. Gerade die Versorgung von Transporteinheiten konnte nicht durch Sklavenarbeit, sondern nur durch die ländliche Bevölkerung mit ihren landwirtschaftlichen Produkten erfolgen. Auch die Unterhaltung des kaiserlichen Kurierdienstes, der

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Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit

die Provinzen mit Rom verband, basierte auf Frondiensten. Mendelsohn, I., On Corvée Labor in Ancient Canaan and Israel, BASOR 167, 1962, 31-35 Kessler, Rainer, Staat und Gesellschaft im vorexilischen Juda vom 8. Jh. bis zum Exil, Leiden / New York / Köln 1992. Schottroff, Willy, Der Zugriff des Königs auf die Töchter. Zur Fronarbeit von Frauen im alten Israel, EvTh 49 (1989), 268-285 = ders., Gerechtigkeit lernen. Beiträge zur biblischen Sozialgeschichte, ThB 94, Gütersloh 1999, 94-114. Vaux, Roland de, Ancient Israel. It’s Life and Institutions, Michigan 1997.

Johanna Erzberger / Carsten Jochum-Bortfeld

Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit In den auf agrarischer Produktion basierenden Gesellschaften des Alten Orients, insbesondere in Syrien und Palästina des 1. Jt. v. Chr., ist die Fruchtbarkeit des Ackerbodens und der Tiere wie die der Menschen überlebensnotwendig. Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit werden als Gabe bzw. Vorenthaltung göttlichen Segens aufgefasst und sind deshalb herausragende Themen altorientalischer Religionen. 1. Land / Ackerboden Für das Siedlungsgebiet Israels, das keine großen Flüsse besitzt und für den Getreideanbau auf Regen angewiesen ist, ist die Fruchtbarkeit des Ackers keineswegs selbstverständlich (Gen 3, 17 als Zustandsbeschreibung). Getreideanbau war den israelitischen Siedlern der frühen Eisenzeit nur möglich, weil sie im judäischen und samarischen Bergland Felder terrassierten, die einen schnellen Abfluss des Regenwassers verhindern, und Zisternen anlegten, die Wasser für die trockenen Sommermonate speichern. Neben Getreide gedeihen im mediterranen Klima Palästinas Oliven, Feigen und Wein. Trotzdem ist das Land vom ergiebigen Winterregen abhängig, sind Dür-

re und Missernten im Altertum keine Seltenheit. Deshalb hat der Wettergott Baal als Regenmacher in Südsyrien-Palästina eine führende Rolle im Pantheon inne (vgl. das Baal-Epos aus Ugarit und den Wettstreit um Regen 1 Kön 18, 21-46). Die alttestamentlichen Texte bezeichnen das dem Volk Israel von Gott verheißene Land als fruchtbar, von der Milch der Weidetiere und von Honig, genauer: der Süße von Datteln, Feigen und Trauben, überfließend (Dtn 6, 3; Ez 20, 3 vgl. Num 13, 23). Diese Fruchtbarkeit wird als Gabe Gottes angesehen: Israel kann nur ernten, wenn es die Gebote seines Gottes befolgt (Dtn 28, 1-6.15-19.22; Jer 11,1-5). Dürre, Unfruchtbarkeit und Missernten werden häufig als Folge göttlichen Zornes (Dtn 11,17; Jes 1, 4-7; 54, 8-9) oder als göttliche Bestrafung des Fehlverhaltens Israels (Jer 3, 3; Ez 15, 8; Hag 2, 9-11) verstanden. Regen zur rechten Zeit wird als göttliche Zuwendung erbeten (1 Kön 8, 35-36; Jer 5, 23-24; Sach 10,1). Die ländliche Welt Palästinas ist die Welt Jesu und seiner Gleichnisse. Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit des Landes und der Pflanzen gehören zu den Alltagserfahrungen der Menschen, die Jesus anspricht (Mk 4, 7.8). In übertragener Bedeutung vergleichen weisheitliche Texte eine gerechte und gottesfürchtige Person mit einem fruchtbringenden, starken Baum (Ps 1, 3; 92, 13-15; Spr 11, 30), eine eigennützige und gemeinschaftsschädigende Person dagegen mit einem Dornstrauch oder dürren Baum (Sir 6, 2-3, vgl. die Jotamfabel Ri 9,7-15 sowie Jdt 12). Die übertragene Bedeutung der Unfruchtbarkeit findet auch im Neuen Testament häufig Anwendung (Mt 13, 22-23; 1 Kor 14,14; Eph 5, 11). Es wird erwartet, dass das Wort auf fruchtbaren Boden fällt und die Menschen, die es hören, Frucht bringen (Mk 4, 20). 2. Menschen und Tiere Die Bibel teilt mit der Antike das Wissen darum, dass Wesen beiderlei Geschlechts zur Zeugung von Nachkommen notwendig sind (Gen 1, 28; 7, 3). Die rabbinische Diskussion um Menstruation, männlichen Samen und 3 Abtreibung bezeugt ein differenzierteres Wissen um die biologischen Vorgänge als die biblischen Texte, die diese The-

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Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit

men kaum aufgreifen (Brenner 78-81). Grundsätzlich aber lässt sich in der Bibel keine Abwertung der Frau als bloßes Gefäß nachweisen, vielmehr eine Wertschätzung der 3 Mutter als Lebensspenderin. Weibliche Fruchtbarkeit wird im Alten Testament analog zur Fruchtbarkeit des Ackerbodens verstanden und damit die Frau in Analogie zur Mutter Erde. Die hebräische Wurzel ˇsmm bezeichnet sowohl das verwüstete, unfruchtbare Land (Jes 6, 11; 62, 4; Jer 6, 8) als auch die unfruchtbare oder kinderlose Frau (2 Sam 13, 20; Jes 54, 1; Klgl 1, 13). Fruchtbarkeit und Geburt sind im Alten Orient der Bereich von Frauen, Hebammen und Göttinnen (3 Mutter). Hebammen wissen um stimulierende Mittel für Geschlechtstrieb (vgl. Gen 30, 14; Hld 7,14) und Fruchtbarkeit, aber auch um solche zur Verhütung (Gen 38, 8-10). Während aus den Nachbarkulturen Rezepte und Riten zur Förderung der weiblichen Fruchtbarkeit und zur Geburtenkontrolle bekannt sind (Brenner 69), fehlen solche für das alte Israel fast völlig, weil ihre Verbindung zu Göttinnen und zur Magie späteren Überarbeitungen suspekt erschienen und sie vermutlich eliminiert wurden (vgl. Dtn 28,11). Im Neuen Testament fehlen sowohl Hinweise auf die Förderung der Fruchtbarkeit als auch auf Geburtenkontrolle, weil menschliche Fortpflanzung kein wichtiges Thema darstellt (s. u. 3.). Dennoch war die fehlende Fortpflanzung der römischen Oberschicht ein Politikum in der frühen Kaiserzeit, so dass Kaiser Augustus Gesetze zur Förderung des Gebärens erließ. Eheschließungen freier Bürgerinnen und Bürger wurden durch erbrechtliche Bevorzugung der ehelichen Gemeinschaft und des Kinderreichtums belohnt. Freie Frauen wurden bei der Geburt von drei, Freigelassene bei der Geburt von vier Kindern sui iuris, d. h. rechtlich autonom und keiner männlichen Rechtsvormundschaft unterstellt (Mette-Dittmann 149-150). Antike naturwissenschaftliche und medizinische Quellen weisen darauf hin, dass eine Vielzahl z. T. heute noch bekannter Wirkstoffe zur Verfügung standen, die die Fruchtbarkeit einschränkten oder sogar zur Abtreibung verwendet wurden (Brenner 76-81; Riddle 74-86).

Im Alten Testament sind zahlreiche Nachkommen Ausdruck und Ziel gottgefälligen Lebens (Ps 128, 3-6; 144,12-13). Männliche Unfruchtbarkeit wird nur im Falle der physiologisch feststellbaren Versehrtheit von Hoden oder Penis thematisiert und führt zum Ausschluss vom Priesteramt (Lev 21, 20) und von der Versammlung der Kultgemeinde (Dtn 23, 2, vgl. aber Jes 56, 3-5). Ansonsten wird Kinderlosigkeit eines Paares meist auf weibliche Unfruchtbarkeit zurückgeführt, die soziale Geringschätzung hervorruft (1 Sam 1, 6; 2 Sam 6, 23). Im Neuen Testament ist Elisabet unfruchtbar (Lk 1, 7), Gott erweist ihr Barmherzigkeit, indem er sie in hohem Alter schwanger werden lässt (Lk 1, 58). Die Genesiserzählungen kennen die Leihmutterschaft der persönlichen Sklavin (Gen 30, 4.9). Der Ehemann kann weitere Frauen heiraten (3 Ehe). Stirbt der Ehemann, ohne Söhne zu hinterlassen, kann seine 3 Witwe die Leviratsehe eingehen. Während im Alten Testament menschliche Fruchtbarkeit meist als Segen wahrgenommen wird, spielt die Fortpflanzung im Neuen Testament eine weitaus geringere Rolle. Unter dem Eindruck einer anbrechenden Notzeit werden die Frauen selig gepriesen, die nicht geboren haben und darum auch keine Kinder schützen müssen (Lk 23, 29). Sich um Angehörige sorgen zu müssen, erschwert eine ohnehin schwierige Zeit (1 Kor 7, 26). In metaphorischer Rede verwendet Paulus den Lobpreis der Unfruchtbaren aus Jes 54, 1, um Jerusalem in Analogie zur zunächst unfruchtbaren Sara als freie Mutter der Gemeinden darzustellen (Gal 4, 26 f.). Dass in den Gemeinden auch 3 Kinder vorhanden sind, wird nur beiläufig erwähnt (1 Kor 7, 14; Mk 10, 28-29) und nur in den Haustafeln kurz reflektiert (Kol 3, 20-21; Eph 6, 1-4). Erst in späten Texten werden Frauen zur Fruchtbarkeit aufgefordert (1 Tim 2, 15; 5, 14) wohl gegen eine Lebenspraxis von Frauen, die Lehre einschloss, gleichzeitig aber Heirat und Kinder ausschloss (1 Tim 2, 12; 5, 11-13 3 Witwe). 3. Fruchtbarkeit und Gottheiten Gottheiten, die im Alten Orient für die Fruchtbarkeit zuständig sind, sind vom Typus her meist

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Gartenbau

Götterpaare, deren sexuelle Vereinigung die Fruchtbarkeit von Acker, Mensch und Tier initiiert (z. B. Inanna und Dumuzi, Baal und Aschera). Dieser Mythos wird in sumerischen Stadtstaaten des 3. Jt. v. Chr. im jährlichen Ritual der sog. Heiligen Hochzeit dargestellt, in dem der König in der Rolle des en-Priesters den männlichen Part übernimmt. Die Bedeutung des Rituals geht über die Gewährleistung der Fruchtbarkeit hinaus. Es wird in Babylonien seit Mitte des 2. Jt. v. Chr. zur Hochzeit eines Götterpaares abgewandelt (Westenholz). Dagegen ist die sog. Kultprostitution eine Erfindung der religionsgeschichtlichen Forschung und im 1. Jt. v. Chr. nicht nachweisbar (Frevel 735-737). Spuren der Göttin Astarte im Zusammenhang mit Fruchtbarkeit finden sich in der Nennung von »Astarot des Kleinviehs« (Dtn 28, 4.18) in Segen und Fluch, die freilich im Kontext auf JHWH bezogen sind. Außerdem symbolisieren die zahlreich im Juda des 7. Jh. v. Chr. gefundenen Pfeilerfigurinen Fruchtbarkeit und Segen. Im Zuge der Entwicklung zum Monotheismus im Alten Testament wird das Thema Fruchtbarkeit von Zeugungsvorgängen entkoppelt: JHWH wird zum Herrscher über Leben und Tod ohne jegliche Verbindung zur Sexualität. Sein Bilden des Menschen im Mutterleib ist handwerklich (Ps 22, 10; 71, 6; 139, 13; Jes 44, 24; Jer 1, 5). Dagegen wird die Art und Weise, wie er den zunächst unfruchtbaren Erzmüttern (Gen 11, 30; 25, 21; vgl. Lk 1, 7) den Mutterleib öffnet, nicht näher erläutert (Gen 29, 31; 30, 22). Brenner, Athalya, The Intercourse of Knowledge. On Gendering Desire and Sexuality in the Hebrew Bible, BIS 26, Leiden 1997. Frevel, Christian, Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs, BBB 94/1.2, Weinheim 1995. Mette-Dittmann, Angelika, Die Ehegesetze des Augustus. Eine Untersuchung im Rahmen der Gesellschaftspolitik des Princeps, Hist. Einzelschriften 67, Stuttgart 1991. Riddle, John M., Contraception and Abortion from the Ancient World to the Renaissance, London 1992. Westenholz, Joan G., Heilige Hochzeit und kultische Prostitution im Alten Mesopotamien, WuD 23 (1995), 43-62.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Gartenbau Gärten als Pflanzfläche, meist nahe bei Häusern oder Siedlungen – selten in größeren Städten – gelegen (vgl. 1 Kön 21, 2) mit Obstbäumen, Kräutern, Gemüse und auch Blumen sind im gesamten Alten Orient üblich (3 Kulturpflanzen). Besonders beliebt sind Standorte bei Quellen oder 3 Brunnen. Bei königlichen Gärten in Assyrien und auch in Israel waren dies vielfach parkähnliche Anlagen (so auch 2 Kön 21, 18.26 der Garten Usas als Begräbnisort der Könige Manasse und Amon). Sprechend ist die hebräische Bezeichnung gan, abgeleitet von ganna¯h = »einfrieden, schützen«. Semantisch entspricht ihm das seltener vorkommende persische Lehnwort pardes (Koh 2, 3; Hld 4, 13), von dem über die Septuaginta »Paradies« abgeleitet ist. Für eine klassische Gartenkultur waren Palästina / Israel nicht besonders geeignet angesichts der Topographie und eines erheblichen Wassermangels (Dtn 11, 10-11), so dass auch Gärten weit außerhalb der Siedlungen hatten angelegt werden müssen. Die »Nachthütten« in Jes 1, 8 oder Wachtürme bzw. Zäune (Mk 12, 1) machten nur unter solchen Voraussetzungen Sinn. Bestimmte Gemüsearten konnten auch wild wachsend geerntet werden. Das setzt die »Ernte« der Diener Elischas 2 Kön 4, 38-40 voraus. Eine Aufzählung offensichtlich verbreiteter Gemüse findet sich Num 11, 5. Der Nutzen des Gartens steht zweifellos im Vordergrund (Dtn 11, 10; Jes 61, 11), als Kontrast in der Klage Klgl 2, 6 und Am 4, 9. Er ist zugleich auch ein Ort der Zuflucht (Joh 18,1: Getsemani), der Erholung (Gen 3, 8), besonders sprechend auch in der Susannageschichte (ZusDan = Dan 13). Bildlich spielt der Garten eine besondere Rolle in der Liebeslyrik, in Ägypten und auch im Hohelied, ebenso in der Weisheit (Sir 24, 11 ff.). Im Alten Orient sind Gärten im Zusammenhang mit Palästen und Tempeln wichtig (Assyrien, Babylonien, Persien, biblisch Est 1, 5 und 7, 7 f.). Teilweise waren diese Gärten in Assyrien und Babylonien so groß, dass dort auch Jagden stattfinden konnten. Aus Forsten königlicher Domänen (hebr. pardes) konnten privilegierte Bauvor-

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Gastfreundschaft

haben unterstützt werden (Neh 2, 8: hier Bauten im nachexilischen Jerusalem). Königliche Gärten sind auch für Jerusalem belegt und für die ausgehende Königszeit nachweisbar, um die man noch in späterer Zeit wusste (Jer 39, 4; 52, 7, auch Neh 3, 15 f.). Im Kontext der altorientalischen Königsideologie gehörte es zu den Aufgaben des Königs, selbst als Gärtner, d. h. als Garant der Ordnung der geschaffenen Natur zu wirken. Dem entspricht, dass in der Königstravestie in Koh 2, 4.5 der fiktive Weise und König Salomo Weinberge und Gärten anlegt. Das Erscheinen des auferstandenen Christus als »Gärtner« in Joh 20, 15 ist möglicherweise auf diesem Hintergrund zu verstehen. In 1 Kor 3, 6-10 vergleicht Paulus die Tätigkeit der Apostel mit gärtnerischen Arbeiten. Als Orte mysteriöser Praktiken werden Gärten Jes 65, 3 und 66,17 genannt. In diesem Zusammenhang ist auch an die »Adonisgärten« mit schnell wachsender und verdorrender Saat (zu Ehren von Tammuz / Baal) zu erinnern (Jes 17, 10 f.). Im Alten Orient ist die mythische Vorstellung eines bewässerten paradiesischen Gartens weit verbreitet. Sie ist Bestandteil der Idee eines glücklichen Idealzustandes in der Urzeit. Biblisch ist damit an den »Garten in Eden« (Gen 2, 8) bzw. »den Garten Eden« (Gen 2, 10.15; 3, 23 f.; Ez 36, 35; Joel 2, 3) zu erinnern (Westermann I, 284-286), also ein von vier Strömen durchflossener herrlicher Garten mit Bäumen. Eine geographische Identifikation ist schwierig und wohl grundsätzlich problematisch; zur Vorstellung des »Gottesgartens« vgl. Gen 13,10. Hinzuzunehmen ist die Schilderung vom Weltenbaum Ez 31, 2b-9. So kann dieser urzeitliche Garten auch zum Hoffnungsland in der Zukunft werden (Ez 36, 35), ja zum endzeitlichen Paradies. Bemerkenswert ist schließlich die Wirkungsgeschichte sowohl im Blick auf konkrete Gartenkultur wie auch mythisch im Islam. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake / Indiana 1987. Forkl, Hermann u. a., Die Gärten des Islam, Stuttgart 1993.

Hutter, M., Art. Garten, NBL 1, 1991, 730. Jacobs-Hornig, B., Art. xC, ThWAT 2, 1977, Sp. 35-41. Krauss, Samuel, Talmudische Archäologie, (Leipzig 1910) Hildesheim 1966; Bd. I. 113 ff.: Obst, Gemüse, Gewürze; Bd. II. 198 ff.: Gemüseanbau; 202 ff.: Obstgärten. Meissner, Bruno, Babylonien und Assyrien, Heidelberg 1920. Westermann, Claus, Genesis, BK I/1, Neukirchen-Vluyn 3 1983.

Ulrich Schoenborn / Peter Welten

Gastfreundschaft Gastfreundschaft (griech. philoxenia, von xenos »Fremder« und »Gast«) ist die Aufnahme von Fremden oder fernen Verwandten und deren Versorgung mit dem Lebensnotwendigen, ggf. die Ausstattung für die Weiterreise. In der altorientalischen und weitgehend auch in der griechisch-römischen Welt waren Privatreisende darauf angewiesen, in der Fremde aufgenommen zu werden und Schutz zu finden. Gastfreundschaft zu gewähren, gehörte zu den Tugenden dieser Gesellschaften (3 Reisen). a) Das Alte Testament fordert Gastfreundschaft, zeigt aber auch damit verbundene Konflikte. Abraham übte sie gegenüber drei Fremden nach Gen 18, 1-15 in vorbildlicher Weise. In Gen 24 gewährte sie die Familie Betuels / Labans gegenüber dem von Abraham ausgesandten Knecht. Die Witwe von Sarepta nahm Elija auf (1 Kön 17, 8-16; vgl. weiter 2 Kön 4, 8 ff.; Hi 31, 32; Jes 58, 7; Tob 4, 16). Gastfreundschaft wurde wie auch sonst in der Umwelt Israels mit Gegenseitigkeit motiviert: Weil Israel selbst in der Fremde (Ägypten) leben musste, werden seine Bewohner aufgefordert, Gastfreundschaft zu üben (Ex 23, 9 u. ö.). Die auf sie angewiesenen Fremden besaßen eine recht schwache Position. Fanden sie auf ihrer Reise in der gewünschten Stadt keine Aufnahme, so mussten sie mit ihrer Familie und all ihrer Habe schutzlos vor den Toren der Ortschaft bleiben. Fanden sie Aufnahme, so schützte sie der ihnen Gastfreundschaft gewährende Pater familias. Nach Gen 19 (Sodom und Gomorra) und Ri

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Gebet / Klage

19 (Schandtat Gibeas) stellte dieser den Schutz der Gäste sogar über den seiner jungfräulichen Töchter. In beiden Erzählungen wird aber auch erwähnt, dass die restlichen Bewohner das Gastrecht verachteten und sich an den Gästen vergehen wollten – ohne Zweifel einer der gewaltigsten Frevel für altorientalische Verhältnisse (vgl. für die griechische Welt auch Hom. Od. 21, 27-29). Dies konnte vor Gott und den israelitischen Stämmen nicht ungestraft bleiben (Gen 19; Ri 20). Als Kriegslist blieb der Bruch des Gastrechtes aber ungesühnt (Ri 4, 17-22). Das Weisheitsbuch Sir warnt schließlich vor der Gefahr, dass Gastgebende ausgenutzt werden (Sir 11, 2934 u. ö.). b) Die Evangelien erzählen davon, dass Jesus Gastfreundschaft gewährt wurde. Die Gastgebenden kommen in eine enge Beziehung zu Jesus (Mk 1, 29; 2, 14 f.; Joh 12, 1 ff.). Dieser brachte sich in Verruf, als er sich bei dem Zöllner Zachäus einlud (Lk 19, 2 ff.; vgl. Mk 2, 16). Sein Besuch bei Marta und Maria (Lk 10, 38-42) führte in einen Konflikt. Soll man dem Gast Jesus, der die Gastfreundschaft mit interessanter Rede dankt, zuhören wie Maria, oder muss man die Pflichten der Gastgeberin erfüllen wie Marta? – Die wie im Alten Testament geforderte Gastfreundschaft an Fremden und Bedürftigen wird im Gericht zum Kriterium (Mt 25, 35.40). c) In frühchristlicher Zeit kam der Gastfreundschaft wegen der missionarischen Ausrichtung des Christentums eine eigene Bedeutung zu. Menschen, die auf Reisen waren, um das Evangelium auszubreiten, brauchten Aufnahme, zunächst bei Nichtglaubenden (vgl. die Anweisungen Mt 10,11-15), dann bei Mitchristen und -christinnen, Bekannten oder Fremden (Apg 10, 48; 16, 14 f.; 21, 4.16; 28,14; Röm 16, 23; Gal 1, 18; Phlm 22; vgl. Apg 9, 43; vgl. die Forderung von Gastfreundschaft in Röm 12, 13; Kol 4, 10; 1 Petr 4, 9; Hebr 13, 2 und 3 Joh insgesamt). Unter den verschiedenen Begründungen fällt oft das Argument der Gegenseitigkeit. Das Recht von Aposteln auf Unterkunft wird auf Jesus selbst zurückgeführt und mit deren Gegenleistung begründet (1 Kor 9, 14; Lk 10,7). Jesus motivierte die Aufnah-

me seiner Gesandten als die seine und damit Gottes Aufnahme (Mt 10, 40; Joh 13, 20; vgl. Mt 25, 40 sowie Hebr 13, 2). Paulus forderte, Phöbe in Rom aufzunehmen, da sie selbst vieler »Patronin« war (Röm 16, 1 f.). Sie und andere wurden der Aufnahme mit »Referenzen« empfohlen (Phil 2, 1930). Es bestand offensichtlich die Gefahr, dass die Gastfreundschaft ausgenutzt wurde (2 Kor 11, 12 f.20). Die Didache begrenzte später das Gastrecht von Reisenden auf zwei bis drei Tage, es sei denn, sie gaben als Prophet oder Prophetin, Lehrerin oder Lehrer etwas zurück (Did 12,1-13, 3). d) Die Beziehung zwischen Gastgebenden und Gästen kann metaphorisch Gottes oder Jesu Wirken beschreiben. Israel betrachtete seinen Gott JHWH als seinen Gastgeber im verheißenen Land (Lev 25, 23 f.). Er wendete das Schicksal der israelitischen Vorfahren (»wandernde Aramäer«; Dtn 26, 5-22). Er speiste das durch die Wüste ziehende Volk mit Manna und Wachteln und versorgte es mit Wasser (Ex 16, 1-17, 7). Dies sollte es nie vergessen (Dtn 6, 10 ff.). Selbst bei dem im Jesajabuch verheißenen Freudenmahl am Ende der Tage ist Gott der Gastgeber (Jes 25, 6-8; vgl. Mt 8, 11). Auch Jesus wird in Aufnahme weisheitlicher Motive als der freundliche Gastgeber der »Mühseligen und Beladenen« geschildert (Mt 11, 28). Hiltbrunner, Otto u. a., Art. Gastfreundschaft, RAC 8, 1972, Sp. 1061-1123. Ders., Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum, Darmstadt 2005.

Christine Gerber / Dieter Vieweger

Gebet / Klage 1. Grundlagen In der Forschung besteht kein Konsens darüber, was als Gebet zu gelten hat. Ist Gebet die an Gott in der zweiten Person gerichtete Rede? Ist die Verhandlung Abrahams mit Gott über Sodom (Gen 18, 16-33) ein Gebet? Wie verhält es sich

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Gebet / Klage

Marmorstele aus Rheneia mit dem Rachegebet für die Jüdin Heraklea von Delos, ca. 100 v. Chr. (Vorder- und Rückseite)

mit Segnungen, magischen Formeln, Flüchen und Exorzismen? Wie sind nonverbale Handlungen zu bewerten, die der Verherrlichung Gottes dienen (vgl. 1 Kor 6, 20)? Wird eine bestimmte Auffassung von Gebet zum Maßstab, besteht die Gefahr, dass vieles ausgeblendet wird, was von den AutorInnen des Alten oder Neuen Testaments mit Selbstverständlichkeit als Gebet verstanden wurde. So war ein hebräischer, aramäischer oder griechischer Oberbegriff entsprechend dem deutschen Wort »Gebet« in der Antike unbekannt. Stattdessen begegnet eine Fülle unterschiedlicher Termini, die einzelne Aspekte dessen bezeichnen, was im Deutschen unter »Gebet« verstanden wird. Das Alte Testament kennt Bittgebete des Einzelnen und des Kollektivs, Dankgebete des Einzelnen und des Kollektivs, sowie 3 Gelübde, Hymnen und Lieder, die dem Lobpreis der Gottheit

dienen. Das Bittgebet des Einzelnen bzw. des Kollektivs präzisiert dabei den in der Forschung üblichen Begriff der »Klage des Einzelnen bzw. des Kollektivs« (Ps 22 bzw. Jes 63,7-64, 11). Denn Klage im engeren Sinne ist entweder Totenklage (2 Sam 1, 17-27) (3 Tod) oder Untergangsklage (Klgl 2. 4), die sich mit den Bittgebeten des Kollektivs berühren kann. Im Alten Testament sind Gebete meist in kultische Handlungen eingebettet und werden durch nonverbale Handlungen ergänzt (Verehrung der Gottheit, Tanz, Musik); oder kultische Handlungen und Opferhandlungen sind von sprechender, betender Hinwendung zur Gottheit begleitet. Gebete sind dabei nicht auf den offiziellen Kult bzw. das zentrale Heiligtum beschränkt, wenngleich gerade in Psalmen der Wunsch geäußert wird, dass die betende Person sich wieder im Heiligtum einfinden kann. Rituale im Lebenszyklus oder in Krisensituationen (z. B. Gebet / Ritual

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zur Heilung eines kranken Menschen) können auch in Wohnräumen stattfinden. Mit Blick auf das Neue Testament handelt es sich bei jeder Form menschlicher Kommunikation mit Gott und Christus um ein Gebet; das schließt auch nonverbale und kultische Formen der Hinwendung mit ein. Das Gebet, d. h. die Kommunikation mit Gott, wird durch die Heilstat Christi ermöglicht. Die Aufforderung zum permanenten Beten bedeutet (1 Thess 5, 17), kontinuierlich in Verbindung mit Gott zu stehen; ChristInnen sind folglich wesenhaft Betende (Ostmeyer 2002). 2. Gebetshaltungen und Gebetsorte Die Toten- und Untergangsklage ist von verschiedenen ritualisierten Handlungen begleitet: Zerreißen der Kleider, Entblößen des Oberkörpers und der Brust, Scheren der Haare (und des Bartes), Wundritzen der Haut. Das laute Weinen, Schreien und Klagen wird in Gruppen vollzogen, wobei die Arme auf den Kopf gelegt werden. Über Gebetshaltungen in der Zeit Altisraels informieren ikonographische Funde. Als Motiv auf Siegeln sind Verehrer und (seltener) Verehrerinnen als schreitende Personen mit rechtwinklig erhobenen Armen vor einer Gottheit oder einem Gottessymbol dargestellt. Auf einem Stelenheiligtum aus der Stadt Hazor (13. Jh. v. Chr.) finden sich vergleichbare Beterhände, die sich von unten einem Sichelmond mit Scheibe zustrecken. Neben VerehrerInnen mit erhobenen Händen sind auch solche mit Musikinstrumenten abgebildet, mit Handtrommel, Doppelflöte oder Leier (3 Musik). Die im Jerusalemer Tempel übliche Gebetshaltung war das Stehen (Lk 1, 10; mTaan 4,2; 3 Religiöse Praxis). In Abgrenzung dazu charakterisiert die Prostration das Beten der Qumrangemeinde (vgl. die Bezeichnung »Haus der Niederwerfung« für die Gebetsstätte der Essener, CD 11,22). Das Gebet im Stehen war sowohl bei Juden (polemisch: Mt 6, 5 par) als auch bei Christen in der Antike (Mk 11, 25) eine gebräuchliche Gebetshaltung. 1 Tim 2, 8 kennt zusätzlich das Erheben der Hände beim Gebet (vgl. Abb.), dage-

gen scheint die Prostration in den antiken christlichen Gemeinden die Ausnahme gewesen zu sein (1 Kor 14, 25). Proskynesen bezeichnen in den Evangelien keine übliche Gebetsgeste, sondern bringen die Anerkennung der Messianität Jesu zum Ausdruck (Mt 8, 2; Lk 24, 52). Darüber hinaus begegnet bei den Gebeten Einzelner das Niederfallen (Mt 26, 39) oder Knien (Lk 22, 41) als mögliche Gebetshaltung. Die äußere Haltung ist nicht Mittel zur Herstellung einer Verbindung, sondern jeweiliger Ausdruck der Beziehung zu Gott. Gebetet werden konnte überall (Mt 6, 6; 1 Kor 1, 2); der Tempel war für Frauen und Männer ein möglicher, jedoch kein notwendiger Ort des Betens (Lk 24, 53; Apg 3, 1; 22, 17). Feste Gebetszeiten bleiben in den alttestamentlichen Texten weitgehend unerwähnt, wenn man nicht auf die täglich stattfindenden Opferhandlungen im Jerusalemer Tempel verweisen will, die selbstredend mit Gebeten einhergehen (vgl. auch Jdt 9, 1). Von Daniel wird erzählt, dass er dreimal täglich betet (Dan 6, 11). Eine Orientierung des Gebetes nach Jerusalem wird nur in 1 Kön 8, 44.48 (par 2 Chr 6, 34.38) und in Dan 6, 11 genannt. Spezielle Gebetskleidung ist im Alten Testament außer für die Priester, die den liturgischen Dienst verrichten, nicht erwähnt. 3. Soziale, ökonomische und politische Zusammenhänge a) Gebete aller. Gebete werden im Alten Testament von allen sozialen Gruppen bzw. Einzelpersonen aus den verschiedensten sozialen Gruppen erzählt. Männer und Frauen beten (1 Sam 1, 26; 2 Sam 12, 16), viele der Psalmen sind in ihrer Situationsbeschreibung offen, nicht geschlechtsspezifisch festgelegt, so dass Frauen und Männer darin ihre Not erkennen können (Ps 17; Ps 55). Vor allem in den Bittgebeten für Einzelne wird immer wieder die durch die Not hervorgerufene Isolation, das Abgetrenntsein von der Familie oder der Primärgruppe beklagt. Das Gebet hilft, diese Isolation zu überwinden. Der Dank und das Lob der Gottheit wird vor anderen Menschen verrichtet, sie sollen von der rettenden Tat Gottes erfahren und einstimmen in den Lobpreis der

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Gottheit. Das Gebet besitzt deshalb einen Gemeinschaftsaspekt: Es thematisiert die Gemeinschaft im Gebet oder wird in Gemeinschaft vollzogen. Eine veränderte Situation ist in den späten alttestamentlichen Psalmen zu vermuten, die sich für Weisheitliches und Prophetisches öffnen. Denn darin kommt eine betende Rezeption autoritativer Schriften zum Ausdruck, die nicht mehr primär an Riten und Festen, an einer kultischen Ordnung orientiert ist, sondern die persönliche Reflexion theologisch Gelehrter darstellt. Das Gebet oder seine Wirksamkeit waren in neutestamentlicher Zeit unabhängig vom Geschlecht und vom Status der Betenden. Es bedurfte weder der Vermittlung eines Priesters noch einer Anleitung oder eines besonderen Charismas der Betenden. Selbst Paulus nimmt für sich keine privilegierte Rolle an, sondern bittet seine Gemeinden um Fürbitte für sich selbst (1 Thess 5, 25; Röm 15,30). Die Prophetin und Witwe Hanna betet in Lk 2, 37 f. ebenso wie der Zöllner in Lk 18, 13 unabhängig vom eigentlichen Tempelkult im Tempel. Jede jüdische Frau und jeder jüdische Angehörige sozialer Randgruppen hatten selbstverständlichen Zutritt zu Bereichen des Tempels, die den mächtigsten nichtjüdischen Männern, wie etwa den römischen Präfekten, verschlossen waren. Im jüdischen und christlichen Gebet sind alle geschlechtlichen und hierarchischen Schranken aufgehoben. Im Magnificat wird das Gebet einer jungen Frau das Medium der Vermittlung des Bildes der verheißenen Welt: Im Eschaton haben die ökonomischen Unterschiede und Hierarchien keine Gültigkeit mehr (Lk 1, 46-55). Für Paulus steht außer Frage, dass vor Gott und in Christus alle Trennungen zwischen Frauen und Männern, zwischen Sklaven und Freien und zwischen Juden und Nichtjuden aufgehoben sind (Gal 3, 28). b) Stellvertetendes Beten. Im Alten Testament wird regelmäßig auch von stellvertretendem und fürbittendem Gebet berichtet (Num 21, 7). In besonderer Weise kommt diese Aufgabe den ProphetInnen zu (Jer 37, 3). Die öffentliche Toten- bzw. Untergangsklage wird vornehmlich von Klagefrauen vollzogen, wenngleich auch

Männer erwähnt werden. Beim Tod eines Menschen besingen die Klagefrauen die einstigen Taten der Verstorbenen, im Eroberungskontext die einstige Schönheit der Stadt (Jer 9, 18-20). Dabei kann, wie die Erzählung von Rizpa deutlich macht, aus der Klage Anklage werden und ihr so eine hochbrisante politische Bedeutung zukommen (2 Sam 21, 10). Die weiblich personifizierte Stadt Zion / Jerusalem übernimmt bei den Untergangsklagen die stellvertretende Klage und führt hierin die Tradition der altorientalischen Stadtgöttinnen fort (Klgl 2, 20-22). 4. Theologie Alttestamentliche Gebete zeigen die vielfältige Wirklichkeitserfahrung der Menschen in der Kommunikation mit Gott. Sie nehmen den leidenden und den dankbaren Menschen in Trauer, Zorn, Not, Verlassenheit und Verzweiflung, aber auch in Freude, Dankbarkeit und Jubel ernst. Sie thematisieren die Erfahrung des Schweigens und der Ferne Gottes, aber auch den Wunsch nach Vergeltung als Appell an Gottes Gerechtigkeit. Zu wem ChristInnen beten, das ist ihr Gott. Das bedeutet: Ein Gebet, das primär die Zuhörerinnen oder Zuschauer im Blick hat, setzt das Publikum an die Stelle des biblischen Gottes (vgl. das Beten an den Ecken und Plätzen in Mt 6, 5). Der Vergöttlichung der Welt oder der eigenen Person im Gebet (vgl. Lk 18, 11 f.) stellt Mt 6, 6 die Hinwendung zu Gott als himmlischen Vater entgegen. Bei der Beschäftigung mit Gebeten im Neuen Testament stehen meist der Inhalt oder die Funktion des Betens im Mittelpunkt des Interesses. Doch wie jeder Akt der Kommunikation ist auch ein Gebet nicht allein bestimmt durch seinen Inhalt und Zweck. Wichtiger noch ist die Beziehung zwischen den Gläubigen, Christus und Gott, die sich im Gebet spiegelt (Ostmeyer 2006). Deshalb kann zum Bitten aufgefordert (Mt 6, 9; Lk 11, 9-13) und zugleich Gott als der beschrieben werden, der bereits alle Bedürfnisse kennt (Mt 6, 8). Wird Gebet als Ausdruck der Beziehung zu Gott aufgefasst, werden die Aussagen des Paulus

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zum permanenten Gebet verständlich (1 Thess 5, 17; vgl. 3,10; Röm 1, 9 f.; 12,12). Wenn Paulus zu unablässigem Gebet auffordert, so ermahnt er damit weniger zu Einzelgebeten, als dazu, beständig in der Beziehung zu Gott zu bleiben. In welcher Form sich die Gebetsbeziehung konkretisiert, ob als Klage, als Lob, als Bitte, als Segen oder Fluch (3 Segen / Fluch), ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidend. Unerfüllte Gebetsbitten stehen folglich nicht im Widerspruch zur göttlichen Zusage der Gebetserhörung. ChristInnen haben nicht das Ausbleiben konkreter Hilfe zu fürchten, sondern den Abbruch der Gebetsbeziehung. Die Bedeutung des Beziehungsaspektes sei anhand der Gleichniserzählung von Zöllner und Pharisäer illustriert (Lk 18, 9-14): Beide stehen im Tempel, beide beten zu Gott. Der Pharisäer dankt Gott u. a. dafür, nicht so zu sein wie Räuber, Ehebrecher und wie der Zöllner. Vom Zöllner heißt es bei Lukas, er schlug sich an die Brust und sagte nur: »Gott, sei mir Sünder gnädig« (Lk 18, 13). Die Gleichniserzählung wäre missverstanden, wollte man die Worte des Zöllners als Gebetsform etablieren. Kontrastiert werden nicht nur die Inhalte der Gebete, sondern gegenübergestellt wird auch die nonverbale Kommunikation mit Gott. Jesus spricht bei Lukas den Zöllner nicht aufgrund des Inhaltes seines Gebetes, sondern wegen der sich darin ausdrückenden Beziehung zu Gott gerecht (Lk 18, 14). In einer allein Jesus zugeschriebenen Art zu Beten manifestiert sich seine besondere Gottesbeziehung. Die Beschreibungen des Betens im Neuen Testament sind Spiegel des jeweiligen Gottes- oder Christusbildes seiner AutorInnen und erweisen sich als wesentliches Ausdrucksmittel ihrer Theologien und Christologien. Ehrlich, Uri, The nonverbal Language of Prayer. A New Approach to Jewish Liturgy, transl. by Dena Ordan, TSAJ 105, Tübingen 2004. Gerstenberger, Erhard S., Der bittende Mensch, in: HansPeter Müller / Thomas Harrison (Hg.), Babylonien und Israel. Historische religiöse und sprachliche Beziehungen 5, WdF 633, Darmstadt, 1980/1991, 372-380. Ders., Weibliche Spiritualität in Psalmen und Hauskult, in:

Walter Dietrich / Martin Klopfenstein (Hg.), Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte, OBO 139, Göttingen 1994, 349-363. Hamman, Adalbert G., La Prière. I. Le Nouveau Testament, BT.B, Tournai 1959. Marböck, Johannes, Vergessene Aspekte des Betens. Anregungen aus dem Alten Testament, ThPQ 133 (1985), 290295. Oorschot, Jürgen van, Strukturen des Gebetes, in: Renate Egger-Wenzel (Hg.), Prayer from Tobit to Qumran. Inaugural conference of the ISDCL at Salzburg Austria 5-9 July 2003, Deuterocanonical and cognate literature 1, Berlin / New York 2003, 17-39. Ostmeyer, Karl-Heinrich, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebetes im Neuen Testament, WUNT 197, Tübingen 2006. Ders., Das Vaterunser. Gründe für seine Durchsetzung als ›Urgebet‹ der Christenheit, NTS 50 (2004), 320-336. Pulleyn, Simon, Prayer in Greek Religion. Oxford Classical Monographs, Oxford 1997. Reventlow, Henning Graf, Das Gebet im Alten Testament, in: Renate Egger-Wenzel (Hg.), Prayer from Tobit to Qumran. Inaugural conference of the ISDCL at Salzburg Austria 5-9 July 2003, Deuterocanonical and cognate literature 1, Berlin / New York 2003, 1-15.

Maria Häusl / Karl-Heinrich Ostmeyer

Geburt Zeugen und Gebären (beides hebr. ja¯lad, griech. gennao) haben in der biblischen Anthropologie einen zentralen Stellenwert, von der »Natalität« geht alles Nachdenken über die Stellung des Menschen in der Welt aus. Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht setzt das Thema Fruchtbarkeit programmatisch an den Anfang, in den Erzelterngeschichten bilden die Geburten den roten Faden, die Heilsgeschichte Gottes mit Israel setzt immer wieder mit Geburtsankündigungen wichtiger Männer ein, Schwangerschaften werden zu Heilszeichen (Jes 7,14; Lk 1 u. ö.). Im Buch Hiob erinnert die formelhafte Wendung »der Mensch, von der Frau geboren« an die Vergänglichkeit, Kürze und Schuldverhaftung des

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Geburt

menschlichen Lebens (Hi 14,1; vgl. Gal 4,4) sowie an die Grenzen allen Strebens (Hi 15,14; 25,4). Geboren worden zu sein, ist dennoch Grund zum Jubel über das Geheimnis des Lebens und seinen Schöpfer. Nur in Situationen äußerster Verzweiflung verfluchen ein Jeremia (Jer 20,14-18) oder ein Hiob (Hi 3,3-12) den Tag ihrer Zeugung oder Geburt. 1. Sozialgeschichtliches a) Vorgang der Geburt. Während in der antiken Medizin (vgl. das Corpus Hippocraticum aus dem 5./4. Jh. v. Chr. und die Werke des Arztes Galen aus dem 2. Jh. n. Chr.) viele Details um die Geburt wie Anzeichen der nahen Geburt (Blasensprung, Öffnung des Muttermunds, Wehen) oder Ratschläge für geburtserleichternde Maßnahmen (Atmung, Geburtshilfeinstrumente) beschrieben werden, erfahren wir über das konkrete Geburtsgeschehen aus den erzählenden biblischen Texten nur wenig. Allerdings können wir im Rückschluss aus dem bildspendenden Bereich der Geburtsmetaphern manche Konkreta entnehmen. Erwähnt wird der Muttermund (2 Kön 19,3; Jes 37,3; Hos 13,13), auch die Nachgeburt (Dtn 28,56 f.). Nach einer – in idealer Sicht – zehnmonatigen Schwangerschaft, während der die Kindsbewegungen das neue Leben ankündigen (Gen 25,22; Lk 1,41), setzen die Wehen ein, die die Geburt einleiten (Jes 13,8; 21,3; 26,17; Jer 13,21; Mi 4,9; Joh 16,21; 1 Thess 5,3 u. a.) und konkret als »Zittern« bzw. »Beben der Hüften« (Jes 21,3; Nah 2,11) oder »Krämpfe« (Jes 13,8) beschrieben werden. Der Geburtsvorgang wird als kraftraubend (2 Kön 19,13; Jes 37,3), schwer (Gen 35,17) und schmerzvoll (Jes 66,7; Jer 22,23; Joh 16,21; Offb 12,2) wahrgenommen und oft sehr anschaulich beschrieben (z. B. »stöhnen, hecheln, nach Luft schnappen« in Jes 42,14; »sich winden« der Gebärenden in Jes 13,8; 26,17). Auch das eindrückliche »Schreien« (Jer 4,31; Offb 12,2) oder gar »Brüllen« (Mi 4,10) der (Erst-)Gebärenden ist in den sprichwörtlichen Sprachgebrauch eingegangen. In Gen 38,29 (Perez bedeutet Riss) könnte ein Hinweis auf den Dammriss bei schweren Geburten vorliegen.

Abb. 1: Zyprische und phönizische Terrakotten des 6.-5. Jh. v. Chr. stellen bisweilen Geburtsszenen dar. Das Beispiel zeigt die Gebärende sitzend oder kniend, während eine Hebamme sie von hinten hält und die andere vor ihr sitzt

Wie in allen Kulturen wurde der Umgang mit der Gebärenden und der Wöchnerin sorgfältig geregelt. Die Frau gebar mit Hilfe von Nachbarinnen (1 Sam 4,20; Rut 4,13-17) oder professionellen Hebammen (Ex 1,15-21), wahrscheinlich in hockender, nach griechischen Texten auch in kniender Stellung (Abb. 1). Ob sich die in Ex 1,15 f. erwähnten Steine auf die aus Ägypten bekannten Gebärziegel beziehen oder ob die Israelitinnen Gebärstühle kannten, wie sie in Ägypten benutzt wurden, ist nicht nachweisbar. Das Kind wurde nach Abtrennen der Nabelschnur gewaschen, mit Salz eingerieben, gewickelt (Ez 16,4; Weish 7,4; Lk 2,7) und an die Brust der Mutter oder einer Amme gelegt. Bei Zwillingen wurde das zuerst geborene Kind mit Hilfe eines Fadens markiert (Gen 38,27-30). Bei der Geburt war der Vater nicht anwesend. Ursprünglich gab die Mutter dem Kind seinen 3 Namen, doch weisen schon viele alttestamentliche Texte dieses Recht dem Vater zu (vgl. dann Mt 1,21; Lk 1,63). Die Namengebung bedeutete nach der biologischen die erste Stufe der sozialen Geburt. Eine nächste Stufe war für Jungen mit der Beschneidung am 8. Tag vorgegeben (Lev 12,3). War der Junge auch Erstgebo-

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Abb. 2: Die reiche Palmyrenerin dürfte nach der Inschrift auf dieser Skulptur aus einem Grab des 2. Jh. n. Chr. gemeinsam mit dem Knaben, den sie im Arm hält, im Kindbett gestorben sein

rener, so musste an seiner Stelle nach 40 Tagen ein Tieropfer im Tempel dargebracht werden, um das Kind auszulösen (Ex 13,2.13; 22,28 f.; Lk 2,22 f., vgl. Gen 22,2.10-14). Die Entwöhnung von der Mutterbrust nach etwa drei Jahren beschloss eine weitere Etappe (vgl. Gen 21,8). Die Wöchnerin wurde durch die Geburt längere Zeit unrein, wobei das Geschlecht des Kindes (vgl. die Wertmaßstäbe in Lev 27,2-7) die Länge dieses Zustands bestimmt (bei Jungen 7 + 33 Tage, bei Mädchen doppelt so lange). Erst ein Reinigungsopfer am Ende der Frist erlaubte ihr die Rückkehr in den normalen Alltag (Lev 12,1-8; Lk 2,2224). Eine ähnliche Einrichtung wie die in Ägypten übliche Wochenlaube wird in den biblischen Texten nicht erwähnt. b) Die Frau als (Nicht-)Gebärende. Das Leben einer Israelitin war idealerweise und in der Realität meistens von einer langen Kette von Schwangerschaften und Geburten geprägt. Viele biblische Texte (Gen 16,1; 25,21; 30,22 f.; Ri 13,2 f.; 1 Sam 1,5; Lk 1,7.36) thematisieren das Problem der Kinderlosigkeit (3 Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit) in einer antiken Gesellschaft, in der Kinderreichtum Segen und Aussicht auf Altersver-

sorgung darstellte. Für die Frauen bedeuteten die vielen Schwangerschaften, mögliche Fehlgeburten (Hi 3,16; Koh 6,3; Ps 58,9, vgl. 1 Kor 15,8) und die Geburten zugleich akute Lebensgefahr (Abb. 2). Ihre Lebenserwartung war, wie wir aus der Bibel (alle Erzmütter sterben vor ihren Partnern), aber auch von Knochenfunden in Gräbern dieser Zeit wissen, erheblich geringer als die der Männer, durchschnittlich nur gut dreißig Jahre (Männer vierzig). Sich dem Zwang des Gebärens zu entziehen, war den Frauen im alten Israel kaum möglich. Über Empfängnisverhütung und Abtreibung gibt es in den Texten keine Nachrichten. Um die Zeitenwende wurde allerdings in frühjüdischen (Philo cont. 68; Weish 3,13 f.) wie auch frühchristlichen Texten (Mt 19,12; 1 Kor 7,79.26.37 f., vgl. 2 Kor 11,2 f.; Herm vis 4) das Ideal lebenslanger sexueller Askese und Jungfräulichkeit befürwortet. Auf diese Weise könnte den Frauen ein zumindest kleiner Entscheidungsfreiraum eröffnet worden sein, der für manche vielleicht zu einer ersehnten und befreienden Lebensperspektive wurde (vgl. Apostelakten). Auf der anderen Seite wurden aber auch in der Urchristenheit traditionelle Mutterideale fortgeschrieben und z. T. sogar religiös überhöht (1 Tim 2,15; 5,14). 2. Geburt und Religion a) Schutzgottheiten bei der Geburt. Die Geburt ist wegen der großen Gefahr, die sie für Frau und

Abb. 3: Auf winzigen Siegeln der frühen Mittelbronzezeit (um 1700 v. Chr.) aus Anatolien und Palästina / Israel findet sich das W-Zeichen, das als Uterussymbol gedeutet wird. Häufig wurden gerade diese Siegel in Kindergräbern gefunden. Die Kleinen wurden so dem Schutz eines göttlichen Mutterschoßes anempfohlen

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Geburt

Kind bedeutet, in allen Religionen des Alten Orients dem speziellen Schutz von Gottheiten – in Ägypten beispielsweise Bes und Thoëris – unterstellt und wird von Ritualen, Beschwörungen, Gebeten und Mitteln der Schadensabwehr (Amulette u. a.) begleitet (Abb. 3-4). In der Diktion der biblischen Texte übernimmt JHWH die Zuständigkeiten der göttlichen Geburtshelferinnen / Hebammen. Er wirkt bereits auf geheimnisvolle Weise bei der Entstehung des Embryos im Mutterleib (Ps 139,13-16), und er ist es, der das Kind auf die Welt bringt und an die Brust der Mutter legt (Ps 22,10-12). Wahrscheinlich spielten aber in der Realität gerade im Umfeld der Geburt Göttinnen und Schutzgötter wie Bes auch in biblischer Zeit eine zentrale Rolle. Die Gebärmutter verbindet sich in der Körpersymbolik mit dem Affekt des Mitgefühls, das nicht nur Frauen, sondern auch Männer und sogar Gott in seinem Verhalten gegenüber Israel stark beeinflusst. Die alte, auch für Palästina bezeugte Verbindung der Geburt mit mütterlichen Schutzgottheiten hinterlässt im Ersten Testament dort ihre Spuren, wo der Tod als eine Rückkehr in den mythischen Mutterleib der Erde vorgestellt wird (Hi 1,21; Sir 40,1; vgl. Jes 26,19). Im Neuen Testament könnte in der Verknüpfung von Geburt und 3 Astrologie (Mt 2,1-12; Offb 12,2) eine Reminiszenz an diese Mythologie vorliegen. b) Geburtsmetaphorik. In der religiösen Deutung wurde das mühselige Gebären nach Gen 3,16 (von »Schmerzen« ist hier erst im griechischen Text die Rede) als Schicksal der Frauen und speziell als eine der Folgen der Vertreibung aus dem Paradies angesehen, leichtes Gebären wird erst für eine kommende Heilszeit (Jes 66,7) in Aussicht gestellt. Die existenziellen Grunderfahrungen um die Geburt werden somit zum Bildspender für religiöse Lebensdeutung, was eine reiche und ausgeprägte biblische Geburtsmetaphorik begründet. Zwar sind biologistische Schöpfungsvorstellungen, wie sie vor allem das alte Ägypten kannte, sehr selten anzutreffen. Wehen bzw. Schmerzen der Geburt und Freude über das neue Leben werden aber zu Bildern der Unheils- bzw. Heilszeit (vgl. neben den o. g. Pro-

Abb. 4: Der große Schutzgott der Schwangeren und Gebärenden, der Mütter und Kleinkinder ist in Ägypten Bes. Bes-Amulette sind in Palästina / Israel sehr häufig, vielleicht ein Hinweis darauf, dass die JHWHReligion nicht alle Bedürfnisse der Frauen rund um Schwangerschaft und Geburt erfüllen konnte. BesAmulette der späteren Eisenzeit aus Megiddo, links, und vom Tell el-Far3a Süd

phetenbelegen auch Mk 13,8 par; Gal 4,27), weshalb die Geburtsmetaphorik vor allem in der prophetisch-apokalyptischen Verkündigung eine zentrale Rolle spielt. Häufig werden Geburt und Geburtswehen mit dem Krieg verglichen, so in prophetischen Bildern (Jer 4,31; Mi 4,9). In der Geburt prallen für die Frauen Leben und Tod aufeinander wie für die Männer im Krieg. Nicht zufällig wird in programmatischen Texten der Jubel über Gottes Souveränität einer Hanna, die gerade geboren hat, und einer Maria, die ihr erstes Kind erwartet, in den Mund gelegt (1 Sam 2,1-10; Lk 1,46-55). Die Souveränitätsformel »Gott tötet, er macht lebendig« kann auch die Rettungserfahrung im Krieg (Dtn 32,39; Ps 18,28) umschreiben. Die existenziellen Grunderfahrungen von Gebären und Sterben werden dann auch mit dem frühchristlichen Sprachgebrauch der Auferweckung verbunden, indem hier etwa von den »Wehen des Todes« (Apg 2,24) die Rede ist. Für Johannes können im Horizont seiner gegenwartsbezogenen Theologie die Geburtsbilder dann sogar zum Ausdruck des Neuen Lebens im Glauben werden (vgl. »Geburt von oben / von Neuem« in Joh 3,3; vgl. 3,18; 16,21). Ferner kann die Leitungsverantwortung für das Volk oder die Gemeinde in Geburtsmetaphern ausgedrückt werden (Mose in Num 11,12;

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Gefängnis

Paulus in Gal 4,19). Signifikant ist dabei, dass auch Gott als Gebärende des Volkes Israel (Jes 42,14) beschrieben, oder die Herkunft Jesu nach Johannes in mütterliche Geburtsmetaphern (Joh 1,18: kolpos = Schoß / Brust) gekleidet wird. Bergmann, Claudia D., Childbirth as a metaphor for crisis: Evidences from the Ancient Near East in the Hebrew Bible, and 1QH XI,1-18, BZAW 382, Berlin / New York 2008. Brenner, Athalya, The Intercourse of Knowledge. On Gendering Desire and ›Sexuality‹ in the Hebrew Bible, Leiden u. a. 1997, 52-89. Dasen, Véronique (Hg.), Naissance et petite enfance dans l’Antiquité. Actes du colloque de Fribourg, 28 novembre – 1er décembre 2001, OBO 203, Freiburg CH / Göttingen 2004. Demand, Nancy H., Birth, Death, and Motherhood in Classical Greece, Baltimore / London 1994. Dieckmann, Detlef / Erbele-Küster, Dorothea (Hg.), »Du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen«. Beiträge zur Geburt im Alten Testament, Biblisch-Theologische Studien 75, Neukirchen-Vluyn 2006. Kügerl, Johannes, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt. Die Rezeption antiker medizinischer Theorien in theologischen Texten des Frühjudentums und des Frühchristentums, Norderstedt 2004. Kudlien, F. / Binder, G. / Kötzsche-Breitenbruch, Art. Geburt I (medizinisch), II (religionsgeschichtlich), III (ikonographisch), RAC IX, 1976, 36-216. Philip, Tanja F., Menstruation and Childbirth in the Bible. Fertility and Impurity, New York u. a. 2006. Pitre, Brant J., Blessing the Barren and Warning the Fecund: Jesus’ Message for Women concerning pregnancy and Childbirth, JSNT 81 (2001), 59-80. Schroer, Silvia / Staubli, Thomas, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 2 2005. Stol, Marten, Birth in Babylonia and the Bible. Its Mediterranean Setting, CunM 14, Groningen 2000. Sutter Rehmann, Luzia, Geh, frage die Gebärerin. Feministisch-befreiungstheologische Untersuchungen zum Gebärmotiv in der Apokalyptik, Gütersloh 1995. Van der Watt, Jan G., Birth as metaphor in the Gospel, in: ders., Family of the King. Dynamics of Metaphor in the Gospel according to John, BIS 47, Leiden 2000, 166-200. Winter, Urs, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt, OBO 53, Freiburg CH / Göttingen 2 1987.

Silvia Schroer / Ruben Zimmermann

Gefängnis Das Gefängnis dient im antiken Orient zumeist der sicheren Verwahrung eines Menschen, dem der Prozess gemacht werden soll oder über dessen weitere Behandlung aus anderem Grund noch nicht entschieden ist, etwa weil unklar ist, ob ein abtrünniger König nicht noch benötigt wird (2 Kön 17, 4; 23, 33; 25, 6-29). Es ist vor allem die Staatsgewalt, die Menschen festsetzt (Gen 39, 20-23; 40, 3.4.15; 41, 10.14; 42, 19), es können aber auch Privatpersonen sein (Gen 37, 22). Der Aufenthalt im Gefängnis spiegelt eine Leidensgeschichte, in der dem Gefangenen unter Umständen ein korrektes rechtliches Verfahren über lange Zeit willkürlich vorenthalten wird. Misshandlungen von Gefangenen sind an der Tagesordnung (Ri 16, 25). Obwohl Haft im Alten Testament durchweg eher der Untersuchungshaft entspricht, ist die Grenze zur Strafhaft nicht eindeutig. Haft ist auch im griechisch-römischen Bereich Untersuchungshaft bis zum Gerichtsurteil (Paulus in Phil 1, 13; Apg 28, 16.30), Exekutionshaft bis zur Hinrichtung (Jakobus Zebedaios in Apg 12,1 f.) oder Schuldhaft bis zur Bezahlung der Schulden (Mt 5, 25 f.; 18, 30). Strafhaft wird von den Juristen abgelehnt, kommt aber faktisch oft vor, wenn Menschen lange ohne Urteil inhaftiert werden. Haft ist ein Instrument polizeilichen Durchgreifens. Paulus hat das oft erfahren müssen (Apg 16, 23 ff.; 22, 30; 2 Kor 6, 5). Manch ein politischer Gegner wird inhaftiert, aber aus Opportunitätsgründen nicht hingerichtet – wie zunächst Johannes der Täufer. Auch ein gefährlicher Kranker kann gefesselt wie ein Gefangener gehalten werden (Lk 8, 29). Das Gefängnis ist ein für die Haft speziell eingerichteter Ort. In Jer 37, 15 wird beispielsweise ein Raum im Haus des Schreibers Schafan erwähnt. Zum Gefängnis gehört damit auch Gefängnispersonal, das von einem höheren Verwaltungsbeamten beaufsichtigt wird (Gen 39, 23). Aber auch jeder andere Raum ohne Fluchtmöglichkeit wie ein (trockener) Brunnen oder eine Zisterne kann als Gefängnis benutzt werden (Sach 9, 11). Die Haftbedingungen sind lebens-

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Geld / Geldwirtschaft

feindlich, die hygienischen Verhältnisse katastrophal, die Ernährung ist schlecht. Gefangene sind darauf angewiesen, von außen unterstützt zu werden. Erhalten ist die Petition eines Juden in Ägypten, der um Freilassung fleht, da »ich … zugrunde gehe, zumal ich in der Fremde bin und nicht das Nötige habe« (Arzt-Grabner 76). Er hat keinen Angehörigen am Ort, der sich um ihn kümmert. Gefangene zu besuchen (Mt 25, 36; vgl. Hebr 13, 3) ist für das Überleben der Gefangenen notwendig. Paulus dankt dafür im Philipperbrief (vgl. Phil 4, 10 ff.). Die Kontakte des Gefangenen mit einem unterstützenden Umfeld sind eine Versuchung, Haft zur Bereicherung auszunutzen: Der Prokurator Felix hofft, dass Paulus für seine Freilassung bezahlen würde (Apg 24, 26). Schon früh fällt Außenstehenden auf, wie intensiv sich die Christen um ihre Gefangenen kümmern – auch, indem sie Wärter bestechen (so im 2. Jh. Luc. per. 12 f.). Es gibt leichtere Formen von Haft. Paulus wird in Rom von einem Soldaten bewacht, kann Besuch empfangen und sogar »ungehindert« predigen (Apg 28, 16.30). Dass Befreiung aus Haft als Befreiungswunder dargestellt wird (Apg 12, 6 ff.; 16, 23 ff.) ist verständlich: Die Freilassung der Gefangenen gehört zur Sendung Jesu (Lk 4,18 = Jes 61, 1), und die Zuwendung zu den Gefangenen ist eine bleibende Aufgabe aller Christen (Hebr 13, 3). Begriffe aus dem Wortfeld von »Gefangenschaft« werden metaphorisch verwendet. Bereits beim unfreiwilligen Aufenthalt außerhalb des Landes Israel sieht sich Israel als Gefangener und hofft, befreit zu werden (2 Kön 24, 14; Ps 126,1.4). Der Prophet kann die gefangene Tochter Zion auffordern, sich selbst zu befreien und selbst die fesselnden Halsketten zu lösen (Jes 52, 2). In nachexilischer Zeit kann »Gefangenschaft« zur kollektiven Selbstbezeichnung der zurückgekehrten Exilierten verwendet werden (Neh 8,17). Paulus kann mit Wörtern aus der Sprachwelt von Gefangenschaft metaphorisch grundlegende menschliche Befindlichkeiten bezeichnen: Sowohl der Zustand des Menschen »unter dem Gesetz« (Röm 7, 6.23) als auch seine Bindung an Christus (2 Kor 10, 5; Phlm 1.9; 2 Tim 1, 8) können

mit diesem Sprachbild verknüpft werden. Auch der Epheserbrief stellt Paulus als Gefangenen vor (Eph 3, 1; 4,1) und verknüpft dies mit dem Hinweis, dass Jesus bei seiner Himmelfahrt Gefangene mitführte (Eph 4, 8). Hier deutet sich an, dass Gefangenschaft eine mögliche Metapher für das irdische Dasein des Menschen unter dem Gesichtspunkt seiner Erlösungsbedürftigkeit ist. Die Aufgabe des Sich-Kümmerns um Gefangene und die Hoffnung auf die Befreiung gewinnt so grundlegende Bedeutung für eine Existenz im Glauben. Arzt-Grabner, Peter, Philemon, Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament 1, Göttingen 2003. Krause, Jens-Uwe, Gefängnisse im Römischen Reich. Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 23, Stuttgart 1996. Wansink, Craig S., Chained in Christ. The Experience and Rhetoric of Paul’s Imprisonments, JSNT.S 130, Sheffield 1996.

Matthias Millard / Gerd Theißen

Geld / Geldwirtschaft 1. Rahmenbedingungen Arbeitsteilige Wirtschaft impliziert vielfältige Tauschvorgänge. Wo der unmittelbare Austausch von Naturalien und Gebrauchsgütern im Rahmen der Subsistenzwirtschaft nicht mehr genügte, wurde Geldwirtschaft nötig, bei der ein Geldwert als »Zwischenware« in die Austauschbeziehungen eingeführt wird. Kulturgeschichtlich ist zwischen Sachgeld (Muscheln, Perlen, seltenen Gebrauchsgütern, Vieh, Getreide u. a.) und Edelmetallgeld (Rohmetall oder Münzgeld) zu unterscheiden. Die Übergänge sind jeweils fließend. Während sich Metallgeld wegen seiner besonderen Vorteile (Haltbarkeit, Vergleichbarkeit, Teilbarkeit) gegenüber dem Sachgeld (zur ViehWährung vgl. Gen 24,35; 30,43; Hi 1,3; 42,12) im Handel bald durchsetzte, bleibt der zahlungsmittelfreie Naturalientausch auf regionalen Märkten auch in den Zeiten geprägter Münzen und kom-

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Geld / Geldwirtschaft

ben den griechischen eine Art Leitwährung, obwohl Münzen seit dem 4. Jh. auch in Samaria und Jerusalem (Jehud-Münzen) geprägt werden. Als Zahlungsmittel für Alltagsgeschäfte (Kleingeld) begegnen Münzen zunehmend erst seit der hellenistischen Zeit, ohne dass die seit Jahrhunderten bewährten premonetären Zahlungsmittel (Hacksilber, Barren, Schmuck) aufgegeben würden. In hellenistisch-römischer Zeit war Münzgeld primär Zahlungsmittel für den täglichen Bedarf. Für Umtausch und Kredit gab es Banken und private Darlehensgeber.

Abwägen von Geldscheiben. Ägypten, Neues Reich

plexer Finanztransaktionen erhalten. Der Einsatz von Edelmetall in der Geldwirtschaft setzt Übereinkünfte über das Verhältnis von Gewicht und Wert und ein (mindestens regional) anerkanntes Gewichtssystem mit entsprechenden Waagen, also letztlich entwickeltere soziale und politische Organisationsformen voraus. Zugleich vergrößert die Geldwirtschaft, an der die Angehörigen einer Gesellschaft sehr ungleich partizipieren, die sozialen Unterschiede. Der Einsatz von gewogenem Rohmetall (vor allem Silber, aber auch Kupfer und Gold) hat die Geldwirtschaft des Vorderen Orients seit dem späten 3. Jt. v. Chr. bestimmt (Ursprünge in Mesopotamien, in Ägypten jedoch erst seit dem Neuen Reich). Dies gilt auch für das eisenzeitliche Palästina. Die Anfänge der Münzprägung führen nach Westkleinasien ins 7./6. Jh. v. Chr. Die achämenidischen Perser prägten ihre berühmten Golddrachmen u. a. zur Repräsentation und zur Entlohnung ihrer griechischen Söldner, ohne jedoch einen klaren Geldumlauf zu organisieren. Die in Esr 2,69; 8,27; Neh 7,70-72 u. ö. erwähnte persische Golddrachme meint hier wohl nicht die berühmte Münze, sondern ihre Werteinheit, denn persische Münzen sind in Palästina archäologisch nur wenige nachgewiesen. Die frühesten Münzen stammen aus dem griechischen Raum (6. Jh. v. Chr.). Später werden phönizische Münzen ne-

2. Geld im Alten Testament Sofern Rohmetall als Zahlungsmittel und nicht nur als Währung (Umrechnungseinheit) für den Naturaltausch eingesetzt wurde, kursierte es in Roh- oder unterschiedlichen Barrenformen ohne standardisiertes Gewicht und Reinheitsgrad und konnte bei Wechselbedarf entsprechend geteilt / zerhackt werden, so dass man Hacksilber in Beuteln bei sich tragen (Jes 46,6; Spr 1,14; Gen 42,35; Hag 1,6; 2 Kön 5,23) oder es dort, wo viel Geld zusammenkam (3 Palast; 3 Tempel), auch wieder einschmelzen lassen konnte (Ex 32,16; Sach 11,13; 2 Kön 22,11). Zerhacktes Rohmetall und Schmuckstücke sind archäologisch vielfältig nachgewiesen. Dieser Zusammenhang bildet sich auch in der hebräischen Sprache ab. Der Begriff für Geld (hebr. kæsæf: Silber, Geld) unterscheidet nicht streng zwischen Silber oder Geld, wobei das vorherrschende »Geld« Silber gewesen sein dürfte, das als Rohstoff in Palästina nicht vorkommt und über Phönizien importiert wurde. Bezahlen heißt »darwägen« (hebr. ˇs¯aqal, vgl. Gen 23,16; Jes 46,6; Jer 32,9 f., vgl. 3 Kauf / Verkauf), denn der Wert eines Silberstücks wurde nach seinem Rohgewicht abgewogen. Reinheitsgrad und Feingewicht konnten nicht ermittelt werden. Aus einer Wiegeeinheit (hebr. ˇsæqæl – Gewicht, 3 Maße und Gewichte) wurde eine regelrechte Währungseinheit und später ein Münzname. Die auf Natural- und Gebrauchsgütertausch basierende bäuerliche Subsistenzwirtschaft im eisenzeitlichen Palästina bietet für die Entste-

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Geld / Geldwirtschaft

hung einer differenzierten Geldwirtschaft wenig Raum. Geldwirtschaft wird gefördert durch das Opfer- und Abgabenwesen der Tempel (Dtn 14,22-29), die Entwicklung des Staates und städtischer Zentren, durch ein System staatlicher und religiöser Steuern (Crüsemann), durch Bauten (2 Kön 12,5-15; 22,3-7), durch Bezahlung von Söldnern (Ri 9,4), Handwerkern und Arbeitern in Geld und Naturalien (2 Kön 12,12 f.; 22,5-9; Esr 3,7), Pferden und Streitwagen (1 Kön 10,26 ff.), Tributleistungen an Fremdmächte (2 Kön 12,19; 14,14; 15,20; 16,8; 18,14). Andererseits werden Abgaben an den Königshof sowohl in Naturalien (1 Sam 8,15; 1 Kön 4,7-20) als auch in Geldzahlungen (2 Kön 15,20; für die persische Zeit Neh 5,15) geleistet und der zwischenstaatliche Handel zwischen Salomo und Hiram wird als Kompensationsgeschäft abgewickelt, bei dem Rohstoffe und Güter ausgetauscht werden. Nicht zu unterschätzen sind die Tempel (Schaper), die auch als Verwaltungs- und Wirtschaftszentren fungieren, und denen bei Fehlen einer sonstigen Kapitalwirtschaft wohl als besonders geschütztem Ort auch die staatliche Vermögensbildung (Wertgegenstände, Geld) für Krisenzeiten oblag. Verschiedentlich wird der Jerusalemer Tempelschatz erwähnt (Jos 6,24; 1 Kön 7,51; 2 Chr 12,9; in Esr 2,69 / Neh 7,70 ist wohl eine besondere Tempelbaukasse erwähnt.) In den Tempelschatz gehen neben Steuern und Abgaben auch die Kriegsbeute oder Geschenke der Könige ein (2 Sam 8,11; 1 Kön 7,51; 15,15). Hacksilber wird am Tempel eingeschmolzen (Sach 11,13). Die Aufbewahrung geschieht in besonderen Räumen unter sorgfältiger Aufsicht und Verwaltung (Esr 8,33 f.; Neh 13,12). In politischen Krisen wird auch der Tempelschatz zur Konfliktlösung eingesetzt (1 Kön 14,25 f.; 2 Kön 12 f.). Ahas und Hiskija greifen für die assyrischen Tributleistungen neben dem Staatsschatz auch auf den Tempelschatz zurück (2 Kön 16,7 ff.; 18,14 ff.), der bei Eroberungen regelmäßig geplündert wird (2 Kön 14,14 Joasch von Israel; 2 Kön 24,13; 25,13-17 Nebukadnezzar; 1 Makk 1,2142 Antiochus IV.; Flav. Jos. Ant. XIV,7,1 Crassus; Flav. Jos. Bell. VI,8,3 Titus). In nachexilischer Zeit werden 3 Steuern an die persische Zentralregie-

rung (Königs-, Kopf- und Vermögenssteuer) über den Jerusalemer Tempel eingezogen, der offenbar auch die Funktion eines Bankhauses und einer lokalen Münzanstalt wahrnahm (Schaper). Zum Tempel als Bankdepot für vermögende Familien vgl. 2 Makk 3,11.15.22. Bewertungen: Geld (Silber und Gold) als Teil eines redlich verdienten Vermögens wird in Teilen der Weisheitsliteratur positiv und als Zeichen von göttlichem Segen wahrgenommen (Hi 22,25; Spr 2,4; 10,20; Koh 10,19; Gen 24,35). Jedoch erkennt Kohelet, dass dem Geld die Tendenz eignet, zur unbegrenzten Habgier zu verführen, weil es gegenüber Sachwerten abstrakt ist und tendenziell unbegrenzt angehäuft werden kann, und fasst diese Einsicht in die Sentenz: »Wer das Geld liebt, wird am Geld nicht satt« (5,9). Gleichzeitig bleibt in der prophetischen und weisheitlichen Sozialkritik die Gefahr der Habgier (Am 2,6; 8,6) und ungerechten Gewinnstrebens (3 Gewinn) dauernd bewusst. Zwar wird der Handelsbetrug nicht dem Geld, sondern der Manipulation der Waage angelastet (3 Handel), aber Geld und Besitz können zu Hochmut (Jos 2,7; Ez 28,4), Gottvergessenheit führen (Dtn 8,13; Hos 2,10; Ez 16,13). Geld bietet keine Gewähr für ein zufriedenes Leben (Koh 2,8; 5,9; 7,12). Kostbarer als Geld sind Weisheit und Einsicht (Hi 28,15; Spr 3,14; 8,10.19; 16,16; 22,1) oder Gottes Tora (Ps 119,72). 3. Geld im Neuen Testament a) Münzen – Funktion – Geldumlauf. Die Münzen, die im Imperium Romanum und somit in neutestamentlicher Zeit im Umlauf waren, wurden nicht zentral hergestellt, sondern in einem System von Reichs-, Provinzial- und Lokalprägungen. Die römischen Münzsorten waren Aureus (Goldmünze), Denar (Silbermünze; vgl. Mt 20,2), Sesterz und Dupondius (Messingmünzen) sowie As (Kupfermünze; vgl. Mt 10,29). Einem Aureus entsprachen durchschnittlich 25 Denare, einem Denar 4 Sesterzen; ein Sesterz war 2 Dupondien, 1 Dupondius 2 Asse wert. Im Alltag rechnete man meist nach Sesterzen oder Denaren (vgl. Mt 18,28; Lk 7,41; Mk 12,15 par), verwendete aber vor allem Dupondien und Asse bzw. Denare, wie die Peri-

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Geld / Geldwirtschaft

Münzen: 1-3: Yehud-Münzen; 4: herodianisch; 5-6: aus dem 1. Jüdischen Aufstand; 7-8: aus dem Bar-Kochba-Aufstand; 9: Iudaea Capta-Münze (Titus); 10: Münze der Colonia Aelia Capitolina (Hadrian)

kope von der Frage nach der Erlaubtheit der Kaisersteuer deutlich macht (vgl. Mk 12,13-17 par). Als Kleinstmünze diente der selten geprägte Quadrans (vgl. Mt 5,26; Mk 12,42 par über das »Scherflein« der Witwe), der einem Viertel As entsprach. Daneben waren auch griechische Münzen noch im Umlauf, bes. die Drachme als Grundeinheit, die z. B. von einer Frau im entsprechenden Gleichnis Lk 15,8-10 im ganzen Haus gesucht wird. Die kleinste griechische Münzein-

heit, das Lepton (= 1/2 Quadrans), wird in Mk 12,42 (par Lk 21,2) und Lk 12,59 erwähnt, ferner die Doppeldrachme in Mt 17,24 und die Tetradrachme bzw. der Stater in Mt 17,27. Keine Münzen, sondern Geldbeträge sind das Talent (= 6.000 Drachmen bzw. Denare; vgl. Mt 18,24; 25,14-28; 3 Gewinn; 3 Maße und Gewichte) und die Mine (= 100 Drachmen; vgl. Lk 19,13-25). Die Münzprägung erfolgte nicht aus wirtschaftlichen Gründen, vielmehr sollte sie den römischen Staat bzw. die Kaiser in die Lage versetzen, notwendige Zahlungen – etwa an das Heer – zu leisten. Und umgekehrt schöpften sie es dann als Zahlungsmittel für die Steuern und Abgaben wieder ab. In besonderer Weise begünstigte die Existenz des Geldes den 3 Handel bzw. den 3 Kauf und Verkauf von Immobilien, deren Wert in Geldsummen festgelegt werden konnte. Auch für Tributzahlungen, Steuern, gegebenenfalls auch Pachten und Strafen diente Geld als Wertmesser. Ebenso wurden die Mitglieder der ordines (Senatoren, Ritter, Stadträte) in Steuerklassen mit bestimmtem Mindestvermögen eingeteilt. Die Aufbewahrung des Geldes geschah in einem Geldbeutel am Gürtel, einem Riemen um den Hals oder Arm bzw. daheim in Kassetten, Körben, Säcken oder Urnen. Die bei den Leichen bzw. in den Häusern Pompejis entdeckten Münzen geben uns Aufschluss über den üblichen Geldumlauf in einer Stadt des Römischen Reiches, über das vorhandene Barvermögen. Von reichen Pompejanern belief sich dieses demnach auf einen durchschnittlichen Wert zwischen 250 bis 750 Denaren. Nur wenige lagen darüber. Der höchste gefundene Barwert betrug 2.712 Denare. Davon hätte eine Durchschnittsfamilie auf dem Land ungefähr 10 Jahre leben können; ein gehobener Lebensstandard eines städtischen Haushalts mit vier Sklaven hätte mit dieser Summe ein halbes Jahr lang finanziert werden können. Doch die zahlreichsten Funde zeigen, dass der durchschnittliche Bewohner Pompejis selten mehr als den Wert von 7 Denaren an Barvermögen besaß. Arme Leute hatten nur einige As in ihrem Beutel; dies genügte für ihre Ernährung. Der Tageslohn

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Geld / Geldwirtschaft

eines einfachen Arbeiters betrug durchschnittlich einen Denar (vgl. Mt 20,1-16). Münzen der jüdischen Aufstände: Um den Bruch mit Rom zu dokumentieren, begannen die Führer des Jüdischen Krieges (66-72 n. Chr.) Bronze- und Silbermünzen in Anknüpfung an hasmonäische Motive zu prägen. Die Bildmotive sind allgemein bekannte jüdische Kultsymbole. Auf den Münzen des Bar-Kochba-Aufstandes (132-135 n. Chr.) finden sich dessen Name, die Parolen »Erlösung« oder »Freiheit Israels« und vor allem der Stern, mit dem seine Messianität nach Num 24,17 betont werden sollte. Nach der Niederwerfung der Aufstände nahmen die Römer keine Rücksicht mehr auf jüdische Gefühle. Ihre Siegesmünzen trugen die Aufschrift Iudaea Capta (lat. »nach der Eroberung Judäas«) und zeigen ein Kaiserbild; nach 136 n. Chr. ließ Kaiser Hadrian Münzen prägen mit der Aufschrift des Namens der umbenannten Stadt Jerusalem: Colonia Aelia Capitolina. b) Geldwert – Kosten und Preise. Eine andere Möglichkeit, sich den Wert dieser Barschaften zu vergegenwärtigen, gibt ihr Vergleich mit einigen Preisen und Kosten in Pompeji. Aus pompejanischen Graffiti kennen wir z. B. den Preis für einen modius (= 6,503 kg oder 8,75 l) Weizen, nämlich 30 As, also fast 2 Denare (daraus wird auch der gegenüber Cicero, in Cic. Verr. 3,81, erfolgte Preisanstieg deutlich, zu dessen Zeit man für einen Denar noch 12 choinikes Weizen [= ca. 13 l; 3 Maße und Gewichte] bekam; beachte demgegenüber Offb 6,6, wo ein choinix [= ca. 1 l] Weizen sowie drei choinikes Gerste [= ca. 3 l] mit je einem Denar veranschlagt werden). Eine aus Aesernia (Mittelitalien) stammende Inschrift, die ein Zwiegespräch zwischen der Wirtin und dem Gast enthält, gibt uns Einblick in die Kosten, die man in Übernachtungsquartieren zu gewärtigen hatte, und zeigt anschaulich die Funktionen der Quartiere: »Wirtin, wir wollen zusammenrechnen!« »Du hast einen Sextarius (0,54 l) Wein, Brot: ein As; Zukost (Fleisch) zwei Asse.« »Geht in Ordnung.« »Ein Mädchen: 8 Asse.« »Geht auch in Ordnung.« »Heu für das Maultier: zwei Asse.« »Dieses Tier wird mich noch fertig-

machen!« (ILS 7478; Text bei Kloft 225; Stegemann / Stegemann 47). Die nach Mk 6,37 für die Brotspeisung von 5.000 Personen von den Jüngern veranschlagten 200 Denare (= 3.200 Asse) liegen in diesem Rahmen (beachte aber Joh 6,7), ebenso die zwei Denare (= 16 Asse), die der Samariter im Gleichnis dem Wirt für die Verpflegung des Verwundeten überlässt (Lk 10,35). Neutestamentliche Wertangaben finden sich ferner in Mk 14,5 (und Joh 12,5: Nardenöl um 300 Denare) und Apg 19,19, wo der Wert der verbrannten Zauberbücher aus Ephesus mit 50.000 Silberdrachmen angegeben wird. Alkier, Stefan, »Geld« im Neuen Testament. Der Beitrag der Numismatik zu einer Enzyklopädie des Frühen Christentums, in: Stefan Alkier / Jürgen Zangenberg (Hg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen 2003, 308-335. Burnett, Andrew M. / Amandry, Michel / Ripollès, Pere Pau, Roman Provincial Coinage, Bd. 1: From the Death of Caesar to the Death of Vitellius (44BC–AD69), London 1992 (Neudruck 2005). Crüsemann, Frank, Religiöse Abgaben und ihre Kritik im Alten Testament, in: Wolfgang Lienemann (Hg.), Die Finanzen der Kirche, München 1989, 485-524. Drexhage, Hans-Joachim / Konen, Heinrich / Ruffing, Kai, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert). Eine Einführung, Studienbücher. Geschichte und Kultur der Alten Welt, Berlin 2002, 149-156.177-183.271274.282-291. Duncan-Jones, Richard P., The Economy of the Roman Empire. Quantitative Studies, Cambridge 2 1982. Gott und Geld, JBTh 21 (2006). Gott und das Geld, WUB 47 (2008). Hladik, Joe, Geld(ver)leih im Imperium Romanum zur Zeit Jesu. Seine Praxis und die dadurch verursachte Not der SchuldnerInnen, Protokolle zur Bibel 1 (1992), 115-133. Howgego, Christopher, Geld in der antiken Welt. Was Münzen über Geschichte verraten, Darmstadt 2000. Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 1992. Meshorer, Ya’akov, Coins from the Holy Land, Oakville 2007. Mildenberg, Leo, Vestigia Leonis. Studien zur antiken Numismatik Israels, Palästinas und der östlichen Mittelmeerwelt, NTOA 36, Fribourg / Göttingen 1998. Müller, Gerfried G., Gedanken zur neuassyrischen »Geldwirtschaft«, in: Hartmut Waetzoldt u. a. (Hg.), Assyrien

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Gelübde

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Michael Ernst / Peter Arzt-Grabner / Thomas Naumann

Gelübde Unter Gelübde versteht man die Selbstverpflichtung zu einer meist kultischen Handlung vor einer Gottheit. Es stellt eine freiwillige religiöse Handlung dar, die durch Notsituationen hervorgerufen sein oder allein der Verherrlichung der Gottheit dienen kann. Gelübde werden von einzelnen Frauen und Männern und von Gruppen (Num 21, 2; 1 Sam 14, 24) abgelegt. Ursprünglicher Kontext sind wohl Notsituationen: Reisen in die Fremde in Gen 28, 20-22 und 2 Sam 15, 7 ff., Kinderlosigkeit in 1 Sam 1, 11, Krieg in Num 21, 1-3 und Ri 11, 30 f. Jiftachs Gelübde (Ri 11, 29-40), das die Opferung seiner Tochter zur Folge hat, wird dabei durch den Erzählverlauf deutlich kritisiert. Im Bundesbuch (Ex 20,22-23,33) finden Gelübde noch keine Erwähnung, während sie in der späten priesterlichen Gesetzgebung sehr ausführ-

lich behandelt sind. Gegenstand eines Gelübdes ist dann in der Regel die Darbringung einer Opfergabe (Lev 22, 18-23; Jer 44, 25) und / oder das Verrichten von Gebeten (Ps 56,13 f.; 116, 17-19). Nach deuteronomischer und priesterlicher Vorstellung sind die entsprechenden Opfergaben am Heiligtum darzubringen (Dtn 12, 6.11.17.26), nachexilisch ist auch die Ablösung der aus einem Gelübde entstandenen Verpflichtung durch einen Geldbetrag möglich (Lev 27, 1-8). Der Geldbetrag orientiert sich dabei am Alter und am Geschlecht der Person. Das Geschlecht der Person ist in Num 30 auch für die Gültigkeit des Gelübdes zentral. Während in Dtn 23, 22-24 für alle Personen auf die Einhaltung der Gelübde gedrängt wird, geschieht dies in Num 30, 3 nur für die Männer. Die Gültigkeit des Gelübdes einer Frau hängt dagegen von der Zustimmung des Vaters bzw. des Ehemannes ab. Nur eine verwitwete oder geschiedene Frau kann eigenverantwortlich Gelübde ablegen (Num 30, 10). Das Alte Testament kennt darüber hinaus auch Entsagungs-Gelübde (Ps 132, 2-5; Num 30, 14; 1 Sam 14, 24), besonders hervorzuheben ist das Nasiräat. Das lebenslange Nasiräat verpflichtet die Person, sich das Haupthaar nicht zu scheren und sich von Wein und Bier fernzuhalten (Ri 13, 5). Im zeitlich befristeten Nasiräat, das sowohl Frauen als auch Männer eingehen können, kommt das Verbot einen Leichnam zu berühren hinzu (Num 6,1-21). Die Haltung des Neuen Testamentes gegenüber dem Gelübde ist ambivalent und entspricht der des zeitgenössischen Judentums. Einem verbreiteten Bedürfnis, mittels Gelübden einem Vorhaben oder Wunsch Nachdruck zu verleihen, stehen Warnungen vor unbedachten Selbstverpflichtungen gegenüber (vgl. Spr 20, 25; Koh 5, 4). Ein Beispiel hierfür im Neuen Testament ist der mit einer Selbstverfluchung (3 Segen / Fluch) bekräftigte Schwur der Verfolger des Paulus, sich bis zu seinem Tod der Nahrung zu enthalten (Apg 23, 14.21). Im rabbinischen Schrifttum nehmen Erörterungen über die Ungültigkeit von Gelübden und deren Auflösung breiten Raum ein (vgl. bNed).

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Gerechtigkeit / Recht

In der Septuaginta ist mit »euche« derjenige Begriff, der in der klassischen Literatur für »Gebet« steht, zum Terminus technicus für Gelübde geworden und begegnet in diesem Sinne in Apg 18, 18b und 21, 23. Abgeschlossen wurde die Gelübdezeit mit dem Scheren des Kopfes und mit erheblichen Aufwendungen für Opfergaben im Tempel (vgl. Flav. Jos. Ant. 19, 294). Vergleichbar ist die Aufforderung an Paulus (Apg 21, 23 f.), als Beweis seiner Gesetzestreue die Kosten für die Gelübdebeendigung von vier Männern zu übernehmen. Die Selbstverpflichtung zu sexueller Enthaltsamkeit bis hin zu Ehelosigkeit wird im Neuen Testament (vor allem im Corpus Paulinum) mehrfach thematisiert oder angedeutet. Keuschheitsgelübde werden kritisch gesehen (vgl. 1 Kor 7, 5; 1 Tim 5,11 f.), wenngleich von Paulus Ehelosigkeit wegen der anstehenden Bedrängnisse als die bessere Alternative propagiert wird (1 Kor 7, 25-40; vgl. Mt 19, 12). Jesus wendet sich laut den Evangelien nach Markus und Matthäus gegen Gelübde auf Kosten dritter. Wer persönlichen Gütern entsagt und sie dem Tempel als Opfergabe weiht, um sie dadurch den Eltern vorzuenthalten, macht sich des Verstoßes gegen das Gebot der Elternehrung schuldig (Mk 7, 9-13 par). Jesus fordert in der Bergpredigt, überhaupt nicht zu schwören, was auch das Geloben als eine Sonderform des Schwörens mit einschließt (Mt 5, 33-37; vgl. bNed 9a). Avemarie, Friedrich, Art. Gelübde III. Antikes Judentum, RGG4 III, 2000, 606 f. Karrer-Grube, Christiane, Grenz-Überschreitungen. Zum Körperkonzept in der Erzählung über Jephtas Tochter in: Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hg.), Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte einer Feministischen Anthropologie, Stuttgart 2003, 94-121. Ostmeyer, Karl-Heinrich, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebetes im Neuen Testament, WUNT 197, Tübingen 2006, 49-52.301 f. Tita, Hubert, Gelübde als Bekenntnis. Eine Studie zu den Gelübden im Alten Testament, OBO 181, Freiburg / Schweiz 2001. Schenker, Adrian, Gelübde im Alten Testament: unbeachtete Aspekte, VT 39 (1989), 87-91.

Maria Häusl / Karl-Heinrich Ostmeyer

Gemeinschaft 3 Liebe / Gemeinschaft

Gerechtigkeit / Recht 1. Begrifflichkeiten Der ägyptische Schlüsselbegriff für »Gerechtigkeit« lautet ma3at, die biblisch-hebräischen Entsprechungen lauten sædæq und seda¯qa¯h und die ˙ kittu(m)˙und mıˇaru(m), akkadischen Synonyme ¯s wobei alle fünf annähernd synonym zu werten sind. a) ma3at. Der ägyptische Schlüsselbegriff ma3at wurde bereits in den Weisheitslehren des Alten (2700-2200 v. Chr.) und Mittleren Reiches (20001800 v. Chr.) entwickelt. Diese enthalten keine Gesetze, weder im juristischen Sinne noch im Sinne der Gebote des Alten Testaments, keine Vorschriften, deren Übertretungen durch Gerichte bestraft werden konnten oder vor Gott als Sünden galten. Vielmehr bieten sie ein Erfahrungswissen, Ratschläge für junge Männer, die sich auf eine Beamtenlaufbahn vorbereiten, um sie anzuleiten, welches Verhalten sie meiden sollen, um keinen Anstoß zu erregen, und wie sie sich verhalten müssen, um bei Mitmenschen beliebt zu sein, von Vorgesetzten gefördert und darum von Erfolg gesegnet zu werden. Dabei bezeichnet ma3at eine von Gott verfügte Ordnung. Doch ist diese nicht als eine von menschlichem Verhalten unabhängige Weltordnung im Sinne von Naturgesetzen zu verstehen. Zwar schließt sie nach ägyptischen Vorstellungen auch die Naturordnung, den Lauf der Gestirne und die Gattungen der Pflanzen und Tiere ebenso wie Abgrenzungen zwischen Ethnien und Ständen ein, doch wird sie oft mit Verben wie »tun«, »machen«, »errichten« oder »vernachlässigen« verbunden, die zeigen, dass sie zwar von Gott verfügt, weithin aber erst von Menschen in ihrem täglichen Füreinander-Handeln errichtet, vom Aneinander-Denken getragen wird und darum ständig gefährdet ist. Sie ist das Netz aller sozialen Wechselbeziehungen, das die Welt zu-

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sammenhält und in diachroner Hinsicht auf Erinnerung und in synchroner Hinsicht auf Reziprozität beruht, wofür Jan Assmann den Begriff der »konnektiven Gerechtigkeit« (iustitia connectiva) geprägt hat. Die ma3at ist also verletzlich, Menschen können gegen sie verstoßen und neigen sogar dazu. Doch bleibt die Verletzung dieser Ordnung nicht ungestraft. Vielmehr erregt, wer sie verletzt, in seinem Umfeld Anstoß, und wer in seinem Umfeld Anstoß erregt und sich unbeliebt macht, wird zu Schaden kommen. Daher rechnen die älteren Weisheitslehren meist mit einem immanenten sozialen Automatismus, der Tat und Folge verbindet. Erst als in der Ersten Zwischenzeit (2000-1800 v. Chr.) Ägyptens soziale Ordnungen, die die Erinnerung an Wohltaten und Übeltaten bewahren und den Zusammenhang von Tun und Ergehen garantieren konnten, zerbrachen, richteten sich die Hoffnungen verstärkt auf die (persönliche) Gottheit, Wohltaten und Untaten gleichermaßen nicht zu vergessen und dafür zu sorgen, dass der allzeit gefährdete Bogen vom Tun zum Ergehen geschlossen wird. b) sædæq und seda¯qa¯h. Das westsemitische (he˙ ˙ bräische, aramäische und phönizische) Äquivalent zum ägyptischen Begriff der ma3at lautet sdq ˙ und ist im Biblisch-Hebräischen vor allem in den Substantiven sædæq und seda¯qa¯h und im Adjek˙ in der Verbwurzel ˙ tiv saddı¯q sowie sdq bezeugt. ˙ ˙ Wurden diese Lexeme in deutschsprachigen Übersetzungen traditionell meist mit »Gerechtigkeit«, »gerecht« oder »gerecht sein« wiedergegeben und zumindest implizit als normgerechtes Verhalten gewertet, so haben Fahlgren und Koch inzwischen gezeigt, dass es sich in keinem der 524 Belege um ein gesetzestreues, normgerechtes Verhalten handelt und der Begriff stattdessen in Analogie zum ägyptischen Begriff der ma3at ebenfalls als Relationsbegriff interpretiert werden muss und ein gegenseitig verbindendes Verhalten bezeichnet, welches das fragile Netz der zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso wie der Beziehungen Gottes zu den Menschen oder der Menschen zu Gott pflegt.

Demnach ist im Biblisch-Hebräischen das Substantiv sædæq (nur singularisch belegt, offenbar ˙ eine Qualität bezeichnend) sachgemäßer mit »Gemeinschaftstreue / Fairness / Verbindlichkeit« (Jer 22, 13; Hos 2, 21; Ps 85, 11) wiederzugeben, das Substantiv seda¯qa¯h (auch pluralisch bezeugt) ˙ Taten (Gen 15, 6; Dtn 24, 13; Ri auf entsprechende 5, 11; Mi 6, 5; Dan 9,16) zu beziehen, das Adjektiv saddı¯q mit »sozial / fair / verbindlich« (Gen 6, 9; ˙Esr 9, 15; Neh 9, 33) und die Verbwurzel sdq im ˙ / verQal entsprechend mit »sich als sozial / fair bindlich erweisen« (Gen 38, 26; Ez 16, 52), im Pi’el mit »jemanden als sozial / fair / verbindlich etc. erweisen« (Jer 3, 11; Hi 32, 2) und im Hif’il mit »jemanden in seinen sozialen Bezügen rehabilitieren« (Dtn 25,1; 2 Sam 15, 4) zu übersetzen. So wird in Dan 9,16 an Gottes »Gesten der Verbundenheit« (sideqo¯t) appelliert, er möge von seiner ˙ Strafe ablassen, was bei einem noangebrachten mistischen Gerechtigkeitsbegriff unverständlich bliebe. Diesem profiliert relationalen Verständnis entsprechend bezeichnet dieselbe Wurzel sdq auch im Altaramäischen und Phönizischen ˙kein formal normgerechtes, sondern ein primär loyales Verhalten gegenüber dem persönlichen Gott oder Großkönig, das zugleich als Grundlage für ein gelingendes und darum auch langes Leben gilt (KAI Nr. 4 und 10). Dabei ist nicht unwichtig zu sehen, dass die von der Wurzel sdq abgeleiteten Begriffe vor ˙ allem in den weisheitlichen Schriften Spr und Hi (sowie in den Büchern Jes und Ez), das Lexem tora¯h (Tora) hingegen vor allem im Pentateuch, im Deuteronomistischen Geschichtswerk und im Chronistischen Geschichtswerk genannt wird. Offenbar gründen die Wurzel sdq einerseits und ˙ tora¯h andererseits in unterschiedlichen Diskursen, die erst in nachexilischer Zeit verstärkt aufeinander bezogen wurden (Ps 37, 30-32; 40, 9-11; 119). Dabei wird ein Verhalten nicht als »gerecht« bezeichnet, weil es der Tora entspreche. Vielmehr wird die Tora als »gerecht« bezeichnet (Dtn 4, 8; Ps 119, 142; vgl. Jes 42, 21; 51, 4-7), weil und insofern sie der Verwirklichung einer konsequent relational gedachten »Gerechtigkeit« diene. Demnach

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erweist sich »Gerechtigkeit« als Oberbegriff, an der sich Normen messen lassen müssen. So werden Verhaltensweisen genannt, die mitunter gerade in einer Emanzipation von vorgegebenen Rechtsordnungen bestehen können (Gen 38, 26; Dan 9,16) und in der Fürsorge für Arme (Am 2, 6; 5, 12; Ps 112, 9; Spr 31, 9), 3 Witwen und 3 Waisen (Jer 22, 3) ihren Niederschlag finden. Dass diese alttestamentliche Vorstellung einer konsequent relational gedachten »Gerechtigkeit« in gängigen deutschsprachigen Bibelübersetzungen nicht adäquat zum Ausdruck kommt, liegt an einer Überlagerung alttestamentlicher Konzeptionen von Recht und Gerechtigkeit durch Traditionen der Rechtsgeschichte, die man als Gottesvergiftung bezeichnen muss. So bezieht sich der meist mit »richten« wiedergegebene und negativ konnotierte Schlüsselbegriff ˇs¯afat ˙ nur selten auf das Walten eines Richters, der ein Verhalten mit einer gesetzten Norm vergleicht und ahndet, sondern auf das Walten eines guten Regenten (Ps 82, 8; 96,13 / 98, 9; Jes 51, 5), der zwischen Konfliktparteien »schlichtet« (mit menschlichem Subjekt: Ex 18, 16; mit göttlichem Subjekt: Gen 16, 5; 31, 53), Bedränger »zur Rechenschaft zieht / in Schranken weist« (mit menschlichem Subjekt: Ex 20, 4; mit göttlichem Subjekt: Ex 5, 21) und Bedrängte »rettet« (mit menschlichem Subjekt: Jes 11, 4; mit göttlichem Subjekt: Ps 10, 18). Darum ist auch das abgeleitete Substantiv misˇpat ˙ (Ps 89,15) meist nicht als »Gesetz«, sondern besser als »Schlichtspruch« zu übersetzen, wodurch der relationale Gerechtigkeitsbegriff besser zum Ausdruck kommt. Zugleich erweist sich das Problem eines vermeintlich strengen, strafenden Gottes des Alten Testaments im Kontrast zu einem gnädigen Gott des Neuen Testaments als Folge von Eintragungen misslungener Übersetzungen, deren implizit autoritär gesetzesorientierter Charakter von den Textbefunden her infrage gestellt werden muss. Dieselbe Wurzel kehrt auch in den theophoren Personennamen der jebusitischen Könige von Jerusalem 3ado¯ni-sædæq »mein Herr ist ˙ sædæq« (Jos 10, 1) und malki-s ædæq »mein König ˙ist sædæq« (Gen 14,18) wieder. ˙ Beide verweisen ˙

auf eine vom skizzierten Abstraktbegriff abgeleitete westsemitische Gottheit, die vermutlich nicht nur gute Taten bewirken, sondern auch darüber wachen sollte, dass dem Täter die guten oder bösen Taten nicht vergessen und die Bögen vom Tun zum korrespondierenden Ergehen geschlossen werden. Die Gottheiten sidqu »Gerechtigkeit« und mı¯sˇ¯aru »Geradheit«˙ werden in Ugarit (KTU 1.123:14; 2.8:5) sowie von Philo Byblius (I,10,13) als miso¯r sydyk bezeugt und finden im ostsemitischen Sprachraum in der akkadischen Göttin kittu(m) und dem Gott mı¯sˇaru(m) ihre Entsprechung – zwei Gottheiten, die in Kultliedern als Kinder des als Garant der Gerechtigkeit geltenden Sonnengottes bezeichnet werden und im alttestamentlichen Wortpaar sædæq und mı¯sˇ¯or (Jes ˙ 11, 4; Ps 45, 7-8) einen Widerhall finden. c) dikaiosyne. In der griechischen Antike besteht Gerechtigkeit (griech. dikaiosyne) in der Einhaltung der Gesetze eines Gemeinwesens. Der Mensch sei gerecht, der den Gesetzen des Gemeinwesens (griech. polis) folge (Arist. e.N. 1129ab). Zwar sieht Aristoteles, dass auch in Staaten mit gerechten Gesetzen Spannungen zwischen Gerechtigkeit und Recht entstehen können. Die diesen Missstand korrigierende Billigkeit (griech. epieikeia) beschränkt sich aber auf Ausnahmefälle (Arist. e.N. 1137ab). Es dominiert die optimistische Überzeugung, dass Gesetze Gerechtigkeit verwirklichen können. Das neutestamentliche Verständnis von dikaiosyne greift allerdings auf die Sprachtradition der Septuaginta zurück. Wo diese von dikaiosyne spricht, steht in der hebräischen Bibel ganz überwiegend sdq, aber oft genug auch hæsæd »Gnade« ˙ ˙ u. ö.), misˇpa¯t »Recht«, (Spr (Gen 19,19 17, 23) oder ˙ 3æmæt »Treue« (Gen 24, 49). Der biblische Gebrauch von dikaiosyne meint einen Relationsbegriff, der auf soziale, materielle und symbolische Kommunikationen und Interaktionen zielt, in deren Mittelpunkt die Lebensmöglichkeiten der Rechtssubjekte stehen (iustitia connectiva). Nach diesem Verständnis ist das Ergehen der Marginalisierten (Witwen und Waisen, Arme) das entscheidende Kriterium für Gerechtigkeit.

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Hier knüpft die Gerechtigkeitsforderung an, die in der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu aufgenommen wird. Die Gleichnisse Jesu greifen häufig materielle Sachverhalte auf, die der Rechtssphäre entstammen. In der Sphäre des Arbeits-, Familien-, Schuld- und Erbrechts ereignet sich die Verwirklichung der Tora, der Gerechtigkeitsforderung Gottes (Mt 18, 23-34; 20, 1-16; 21, 33-39; Lk 15, 11-32; 16, 1-9; 18,1-8). Die überzeugende und gewinnende Verwirklichung von Gerechtigkeit in der Rechtsbeziehung veranschaulicht die heilvolle Präsenz des Reiches Gottes. Im Matthäusevangelium wird diese Linie weitergeführt. Matthäus versteht dikaiosyne wesentlich als Praxis der Gerechtigkeit und als Tun der Tora (Mt 5,17-20). Dikaiosyne ist geradezu quantitativ gedacht. Sie muss »erfüllt« (Mt 3, 15) werden, nach ihr wird »gehungert und gedürstet« (Mt 5, 6), sie wird zum Überfluss gebracht (Mt 5, 20). Die Praxis der Gerechtigkeit zielt nicht auf öffentliches Ansehen (Mt 6,1). Sie ist der »Weg der Gerechtigkeit« (Mt 21, 32) und führt in den Herrschaftsbereich Gottes, in dem Gerechtigkeit verwirklicht ist (Mt 6, 33). Matthäus führt innerhalb des Neuen Testaments die Vorstellung der iustitia connectiva weiter, die im sozialen und kommunikativen Handeln füreinander besteht, und versteht sie als die Weise der Gestaltung der Gottesbeziehung. 2. Institutionengeschichte a) Dezentrale und zentrale Gerichtsbarkeit in alttestamentlicher Zeit. Als konkreter Ort der Suche nach »Gerechtigkeit« (sædæq) oder Beugung derselben wird wiederholt˙das Stadttor (sˇa2ar; vgl. Jes 29, 21; Am 5,7.10-12.14-15; Sach 8, 16; Spr 14, 19) genannt, vor dem sich in Städten der Eisenzeit II ebenso wie in frühachämenidischer Zeit gewöhnlich der größte offene Platz befand (»Marktplätze« in Ortszentren waren in vorhellenistischer Zeit unbekannt), und in alttestamentlichen Quellen werden im Tor insbesondere die Ältesten (zeqenı¯m; Dtn 21, 19; 22, 15; Jos 20, 4; Rut 4,11), aber auch professionelle Richter (sˇ¯ofet¯m; ı Dtn 16, 18) ˙ und Beamte (sˇ¯oterı¯m; Dtn 16, 18) als Personen der ˙ Rechtsfindung und Rechtsbeugung genannt.

Daneben galt auch der König schon in den älteren Hochkulturen Ägyptens und Syrien-Mesopotamiens als Hüter von Gerechtigkeit und Recht; schließlich sprach schon im ugaritischen Aqht-Epos König Daniil im Stadttor Recht für Witwen und Waise (KTU 1.17 V 6 ff.); und das Ideal des für Recht und Gerechtigkeit sorgenden Königs wurde auch in nachexilischen Texten in messianischen Heilshoffnungen fortgeschrieben (Jes 32, 1; 41, 2; 62, 2). So nahm auch in Jerusalem der König parallel zur Torgerichtsbarkeit eine Jurisdiktionsgewalt wahr, die seine Kompetenz als Pater familias seines eigenen Hofes und Führer des Heeres klar überschritt (2 Sam 14, 4-11; 2 Kön 8, 4-6), doch lassen die Quellen weder Spannungen noch klare Abgrenzungen der Zuständigkeiten zwischen zentraler und dezentraler Jurisdiktionsgewalt erkennen. Zwar dürfte eine dem König Joschafat zugeschriebene Rechtsreform (2 Chr 19) als fiktionale Retrojektion zu werten sein, die vor allem im Namen des Königs gegründet ist, doch scheinen bereits in spätvorexilischer Zeit unter König Joschija möglicherweise nach assyrischem Vorbild auch beamtete Richter (Dtn 16, 18-17, 13; 19, 15-21; 25, 1-3; Zef 3, 3-4) und damit eine Professionalisierung der Rechtsprechung eingeführt worden zu sein, die in achämenidischer Zeit dezentral, in Ortsgemeinden, fortgeführt wurde (Esr 7, 25; 10,14; fiktionale Verwendung des Richtertitels im Rückblick auf die vorexilische Zeit in 1 Chr 23, 4; 26, 29; 2 Chr 1, 2; 19, 5-6). b) Die Synagoge. Die Synagogengemeinde wurde von der römisch-hellenistischen Umwelt als eigene Rechtsgemeinschaft anerkannt (griech. politeuma). Sie regelte die alltagsrechtlichen Fragen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft (Vertragsrecht, Familienrecht, Erbrecht). Immer wieder bestätigen die hellenistischen Könige und die römischen Herrscher, dass die Juden einer Stadt »nach ihrem väterlichen Gesetz« (griech. kata ton patrion auton nomon) leben dürfen. Das Synagogengebäude wurde als sakraler Ort (griech. ieros kai asylos) anerkannt, und das mit ihr verbundene Eigentum war geschützt. Dennoch stand es Mitgliedern der Synagogengemeinschaft offen,

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in Rechtsfragen auch nichtjüdische Gerichte anzurufen. Für manche Rechtsgeschäfte war das hellenistische Recht besser geeignet und setzte sich auch in der Synagoge durch. Das hellenistische Urkundenwesen (Vertrags- und Eherecht) sicherte die Rechte der Vertragspartner zuverlässiger ab, z. B. durch die Ausfertigung einer Zeugenurkunde. Gerade Frauen hatten bisweilen ein Interesse daran, ihre Rechtsposition dadurch zu stärken, dass auch ihnen ein rechtsfähiger Ehevertrag ausgehändigt wurde (Babatha-Archiv). c) Die Gemeinde. Die Entstehung der Jesusgemeinschaften trifft auf diese offene Situation. Einerseits orientiert man sich am Recht der Umwelt, andererseits versucht man an der internen Rechtsprechung der Synagoge anzuknüpfen, indem man an der Gemeinschaft mit den Synagogen festhält oder nach deren Vorbild eigene Rechtsstrukturen ausbildet. In den Paulusbriefen spiegelt sich diese Übergangssituation. Paulus selbst akzeptiert die synagogale Rechtsprechung. In 2 Kor 11, 24 berichtet er von der Geißelstrafe, den »Vierzig-wenigereinen«, die er fünf Mal erhalten habe. In der Synagoge wird diese Strafe für eine Vielzahl von Toraübertretungen verhängt. Sie tritt z. B. an die Stelle des »ausgerottet werden« (Mak III,15a; vgl. Lev 20, 17-21; 18,18; 29) und ist in dieser Hinsicht eine Milderung. Die Strafe zielt auf die Reintegration in die Gemeinschaft: »nachdem er gegeißelt wurde, ist er wie dein Bruder« (Mak III,15). Im Johannesevangelium wird mehrfach (Joh 9, 22; 12, 42; 16, 2) der Ausschluss aus der Synagoge erwähnt (griech. aposynagogos). Ein solcher Ausschluss bedeutet gleichzeitig einen Verlust an Rechtssicherheit, weil die Synagoge als Garant der dort abgewickelten und garantierten Rechtsgeschäfte ausscheidet. Allerdings gab es bereits eine breite Erfahrung innerhalb des Judentums mit der Inanspruchnahme nichtjüdischer Rechtsinstitutionen, wie sie sich etwa im Gleichnis vom »ungerechten Richter« (Lk 18, 2.6) spiegelt. Die ersten Gemeinden (griech. ekklesia tou theou) versuchten, die synagogale Rechtsprechung weiterzuführen, indem sie eine eigene Entscheidungsstruktur etablierten. In 1 Kor 6, 1-

10 erläutert Paulus diese Rechtsstruktur. Der Auslöser ist die Anrufung heidnischer Gerichte durch die Gemeindeglieder (1 Kor 6, 6). Paulus hingegen fordert die Einrichtung einer innergemeindlichen, interaktionsnahen Rechtsprechung, die zwei Instanzenwege kennt: den Rechtsverzicht und die weise richterliche Entscheidung. Paulus empfiehlt den Rechtsverzicht. Es sei besser, Unrecht zu erleiden (1 Kor 6,7). Wo aber der Weg des Rechtsverzichts nicht gewählt wird, soll die Gemeinde selbst einen weisen (griech. sophos) Richter einsetzen, der in materiellen Rechtsfragen (griech. kriteria, elachista, biotika) entscheidet. Diese einfachen alltagsweltlichen Rechtskonflikte (biotika) sind zu unterscheiden von Fragen der Gemeindedisziplin. Während in den materiellen Rechtsfragen der »Weise« eine gerechte, im Sinne einer angemessenen und konfliktbeendenden Entscheidung treffen soll, entscheidet in Fragen des Gemeindeausschlusses die Gemeindeversammlung. In 1 Kor 5, 4 bezeichnet Paulus das Versammeln der Gemeinde mit griech. synagein. Dieses Wort liegt auch dem Begriff Synagoge zugrunde. Das Verb paradidonai ist terminus technicus für die Übergabe zum Erhalt der Strafe, sei es Gefängnis, Folter oder Hinrichtung. Wie die Übergabe an den Satan genauer zu bestimmen ist, muss offen bleiben. Man wird hier ein Strafritual vermuten können. Es wird jedoch deutlich, dass die Gemeinde als eine sakrale Gemeinschaft verstanden wird (Leib Christi), deren Verletzung durch eine symbolische Handlung geahndet wird, während die Rechtsfragen aus 1 Kor 6, 3 f. (biotika) eher materialrechtliche Lösungen erfordern. Die innergemeindliche Rechtsprechung hat sich nicht durchgesetzt. Es fehlten in der Kirche wohl die kulturellen und ethnischen Gemeinsamkeiten, die für die Plausibilität der Rechtsprechung eines »Weisen« oder für die Akzeptanz eines Beschlusses der Gemeindeversammlung notwendig gewesen wären. Auf einer anderen Ebene liegt die politische Frage, ob Paulus und mit ihm das gesamte frühe Christentum das staatliche und öffentliche

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Rechtsverständnis des Römischen Reiches akzeptiert hat. Eine grundsätzliche Kritik dieser Rechtspraxis findet sich nicht. Röm 13, 1-7 thematisiert die staatliche Ordnung und billigt dieser die Entscheidung über Leben und Tod, Strafe und Belohnung zu. Röm 13, 3 f. verbindet damit den Optimismus, dass nur die »üble« (griech. kakos) Tat den Zorn der staatlichen Amtsträger (griech. archontes) auf sich ziehe. Wie sich diese positive Einschätzung zu den Erfahrungen der Gemeinde verhalten, die Hinrichtungen (Apg 12, 2; Lk 21, 16), Gefängnis (Phil 1, 7.13 f.17; Phlm 1.10.13), Verfolgungen (Lk 21, 12; 1 Thess 2, 14; Röm 15), Folterungen (Mk 13, 9; 1 Thess 2,1 f.; Apg 16, 22-24) und Tierhatz (1 Kor 15, 32) als öffentliche Rechtspraxis erfahren haben, ist aus den vorliegenden Quellen nicht direkt zu entnehmen (vgl. Offb 13 und 17). Es ist allerdings wenig wahrscheinlich, dass etwa Paulus, der mehrfach behördlich gefoltert wurde (2 Kor 11, 24 f.; Apg 16, 22-24), ungebrochen am Rechtsoptimismus von Röm 13, 1-7 festgehalten hat. 3. Rechtfertigung Wenn »Gerechtigkeit« im biblischen Sinne konsequent als Relationsbegriff ernst genommen wird, kann sich »Rechtfertigung« nicht auf einen positiven oder negativen Vergleich mit einem Korpus gesatzter Normen beziehen, sondern muss als Rehabilitation, als Wiedereinsetzung eines Menschen in sein Netz sozialer (intersubjektiver) Beziehungen und somit als Sanierung derselben verstanden werden. Daher ist der Begriff sædæq auch nie in Bezug auf strafendes Handeln ˙bezeugt: »Er wäre eine contradictio in adiecto« (von Rad 389). a) Priesterschrift. So löst die Erzählung der Priesterschrift in ihrer frühesten Form am Übergang von der neubabylonischen zur achämenidischen Zeit die Bundestheologie in einer bewussten Absetzung von der deuteronomischdeuteronomistischen Theologie Gottes Beistandszusagen von jeglicher Verpflichtung des Volkes auf Gottes Gesetz; sie führt in Gen 9 einen ersten Bundesschluss ein, der sich auf alle Menschen und Tiere der Luft und der Erde bezieht, und in Gen 17

einen zweiten Bundesschluss ein, der sich auf Abrahams Nachkommen bezieht, und ordnet beiden Bundesschlüssen je ein Bundeszeichen zu (Regenbogen in Gen 9 und Beschneidung in Gen 17), womit – ohne den Schlüsselbegriff sdq(h) zu ver˙ wenden – der dezidiert relationale Gerechtigkeitsbegriff zum Schlüssel für die auch in priesterlichen Traditionen überlieferten Normen wird. b) Paulus. Für Matthäus ist die Praxis der Gerechtigkeit die Weise der Lebensgestaltung des Frommen. Paulus verbindet dikaiosyne stärker mit der Gottesbeziehung selbst. Er teilt mit den Verfassern der Hodajot die Anschauung, dass der Mensch Sünder sei und von Gott aus Barmherzigkeit gerecht gemacht werde (1QH 4, 34-38). Einzig der von Gott »gerecht Gemachte«, der Gerechtfertigte, ist der Gerechte, und durch diese Tat Gottes wird er zum angemessenen Gegenüber Gottes. Gerechtigkeit ist in diesem Zusammenhang keine isolierbare Eigenschaft, sondern eine in der Beziehung zu Gott realisierte wechselseitige Anerkennung. Der besondere Akzent der paulinischen dikaiosyne liegt in der Formel »durch den Glauben«, griech. dia pisteos (Phil 3, 9; Röm 3, 22 u. ö.). Der Glaube Christi, im Sinne von Treue und Loyalität, und der Glaube des Menschen an Christus, im Sinne von vertrauender Hoffnung, schaffen die Gemeinschaft Gottes mit den Menschen in Gerechtigkeit (2 Kor 5, 21). Diese Gerechtigkeit ist eine die Gottesbeziehung konstituierende Glaubensgerechtigkeit (Röm 3, 21-31), die auch die Gottlosen im biblischen Sinn von Frevler (asebes) integriert (Röm 4, 5). Die ethischen Anteile, die sonst mit dem Begriff dikaiosyne verbunden sind, treten bei Paulus zurück. Die Praxis der Gerechtigkeit kommt über die Gemeinde als Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder wieder ins Spiel und wird als Tun der Tora verstanden (Röm 13, 8-10; Gal 5,14; 6, 2). Assmann, Jan, Ma3at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München 1990. Bormann, Lukas, Recht, Gerechtigkeit und Religion im Lukasevangelium, StUNT 24, Göttingen 2001. Crüsemann, Frank, Das Gericht im Tor – eine staatliche Rechtsinstanz, in: Jutta Hausmann / Hans-Jürgen Zobel (Hg.), Alttestamentlicher Glaube und Biblische Theo-

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Gesellschaftsformen

logie. Festschrift für Horst Dietrich Preuß zum 65. Geburtstag, Stuttgart / Berlin / Köln 1992, 69-79. Crüsemann, Frank, Jahwes Gerechtigkeit (seda¯qa¯h / sædæq) ˙ ˙ im Alten Testament, EvTh 36 (1976), 427-450. Fahlgren, Karl Hj., seda¯qa¯h, nahestehende und entgegen˙ gesetzte Begriffe im Alten Testament, Uppsala 1932. Freuling, Georg, »Wer eine Grube gräbt …« Der Tun-Ergehen-Zusammenhang und sein Wandel in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur, WMANT 102, Neukirchen-Vluyn 2004. Gertz, Jan Christian, Die Gerichtsorganisation Israels im deuteronomischen Gesetz, FRLANT 165, Göttingen 1994. Koch, Klaus, Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament?, ZThK 52 (1955), 1-42. Koch, Stefan, Rechtliche Regelung von Konflikten im frühen Christentum, WUNT 2/174, Tübingen 2004. Levine, Lee I., The ancient synagogue, The first thousand years, New Haven u. a. 2000. Niehr, Herbert, Rechtsprechung in Israel. Untersuchungen zur Geschichte der Gerichtsorganisation im Alten Testament, SBS 130, Stuttgart 1987. Pucci Ben-Ze’ev, Miriam, Jewish rights in the Roman world, The Greek and Roman documents quoted by Josephus Flavius, TSAJ 74, Tübingen 1998. Schmid, Hans Heinrich, Gerechtigkeit als Weltordnung. Hintergrund und Geschichte des alttestamentlichen Gerechtigkeitsbegriffes, BHTh 40, Tübingen 1968. von Rad, Gerhard, Theologie des Alten Testaments, Bd. 1: Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels, München 1957.

Klaus Bieberstein / Lukas Bormann

Gesellschaftsformen 1. Begriffseingrenzung Die biblische Sprachwelt besitzt zwar keine Entsprechung zum modernen Gesellschaftsbegriff, doch stehen Kultur-, Literatur- und Religionsgeschichte naturgemäß in einem engen Wechselverhältnis mit sozio-ökonomischen Faktoren. Der Begriff der Gesellschaft wird im Folgenden für die Gesamtgestalt des menschlichen Zusammenlebens verwendet. Er wird hier nicht, wie es gelegentlich geschieht, als Gegenüber zur organisierten Form der Regierung gebraucht, sondern so umfassend, dass auch staatliche und andere Insti-

tutionen und Organisationen als Teil einer bestimmten Gesellschaftsform gelten. Dennoch ist für die biblische Zeit zu berücksichtigen, dass in der hellenistischen und römischen Periode zunächst das Judentum und später das Christentum selbst zunehmend zu Teilgesellschaften in einer größeren Weltgesellschaft werden und dass sich in ihnen Strömungen ausbilden, die wiederum den Charakter eigenständiger Gesellschaftsformen annehmen können. Die nachstehenden Ausführungen sind historisch angeordnet. Dabei zeigt sich eine gewisse Abfolge von Gesellschaftsformen. So schließt sich an eine Frühzeit ohne Staat mit dem Königtum eine staatliche Gesellschaftsform an. Ab dem 8. Jh. v. Chr. kann man von Klassen, Schichten oder Strata sprechen. Zugleich werden Imperien bestimmend für die Entwicklung im Nahen Osten. Dabei handelt es sich weder um die bloße Ablösung der einen Gesellschaftsform durch die nächste; Verwandtschaft und Familie bleiben z. B. durchgehend bedeutsam. Noch ist die Entwicklung einfach linear oder stellt gar einen Fortschritt dar. So kann das Judentum unter den Bedingungen von Fremdherrschaft und Exil Elemente der vorstaatlichen Gesellschaft neu beleben, indem die Familie wieder zur Basis jüdischer Existenz gemacht wird. 2. Gesellschaftsformen bis zur Perserzeit a) Die verwandtschaftsbasierte Gesellschaft. Die Anfänge Israels – der Name erscheint erstmals auf einer ägyptischen Stele Ende des 13. Jh. v. Chr. – liegen weitgehend im Dunkeln. Doch lassen archäologische Befunde, biblische Nachrichten und ethnologische Analogien den Schluss zu, dass die Basis dieser frühesten Gesellschaft die Verwandtschaft ist. Den Kern bildet die engere 3 Familie aus drei bis vier Generationen. Sie siedelt wahrscheinlich mit anderen Verwandten im Sippenverband. Verschiedene Sippen wiederum bilden zusammen einen Stammesverband (3 Stamm), über dessen eventuelle Führungsstruktur wir jedoch nichts wissen. Die Gesamtgröße Israel hat wohl keine organisatorische Struktur, wohl aber ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, das sich im Namen des gemeinsamen Urahnen Ja-

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kob = Israel und in dem gemeinsam verehrten Gott JHWH symbolisiert. In der Wissenschaft haben sich zur Bezeichnung dieser Gesellschaft Begriffe wie segmentär, egalitär, anarchisch oder tribal eingebürgert, die jeweils einzelne Aspekte hervorheben. b) Die Bildung früher Staaten. Etwa um 1000 v. Chr. kommt es zur Bildung erster dauerhafter Staaten, unter Saul im Gebiet von Benjamin und Efraim, unter David zunächst in Juda. David und dessen Sohn Salomo gelingt es, das nördliche Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen und wohl in einem gewissen Umfang zu erweitern – in welchem Grad, ist heute stark umstritten. Danach bricht dieser Staat auseinander, und bis zu ihrem Untergang am Ende des 8. bzw. am Anfang des 6. Jh. v. Chr. bestehen die Staaten Israel und Juda nebeneinander. Bei Israel bis ins 9. und bei Juda bis ins 8. Jh. v. Chr. muss man von frühen Staaten sprechen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die politische Führungsschicht nur eine zahlenmäßig kleine Gruppe darstellt, die Verwaltung (3 Staat / Verwaltung) wenig ausgebildet ist und die verwandtschaftlichen Strukturen die Masse der Bevölkerung zunächst ohne weitere Differenzierung wie in der vorstaatlichen Zeit prägen. c) Die Ausbildung antiker Klassengesellschaften. Dies ändert sich im 8. Jh. v. Chr., in Israel wohl etwas früher als in Juda. Bestehende Unterschiede zwischen ärmeren und reicheren Gruppen, die Existenz staatlicher Instanzen und andere Faktoren (Bevölkerungswachstum [3 Bevölkerungsverhältnisse / -politik], Kriege) führen dazu, dass sich in dieser Zeit Klassen ausbilden, die nicht mehr nur durch relative Besitzunterschiede, sondern durch gegenläufige Interessen gekennzeichnet sind. Wie überall in der Antike spielt dabei die Kreditpraxis die entscheidende Rolle. Aus der allzeit üblichen Verschuldung einzelner Familien wird zunehmend Überschuldung, so dass immer breitere Kreise der Bevölkerung in Abhängigkeit einer kleinen Oberschicht geraten (Verpfändung von Haus- und Grundbesitz, Schuldsklaverei; 3 Sklaverei). Die Familien erodieren. Frauen, in der verwandtschaftsbasierten Gesellschaft in

einer recht starken Position, werden die ersten Opfer, indem vorrangig Töchter in Schuldsklaverei gegeben werden. d) Exilierungen. Seit dem 8. Jh. v. Chr., in dem die assyrische Westexpansion die Levante erreicht, bestimmen zum ersten Mal außenpolitische Faktoren die gesellschaftliche Entwicklung wesentlich. Es kommt seit dem letzten Drittel des 8. Jh. v. Chr. immer wieder zu Exilierungen großer Bevölkerungsteile. Allerdings verlieren sich die Spuren der Exilierten weitestgehend. Das ist anders bei den von den Babyloniern durchgeführten Exilierungen Anfang des 6. Jh. v. Chr. In der Verbannung (Gola) bildet sich eine eigene Gesellschaft, in der die verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit, die jetzt wohl erstmalig in schriftlichen Registern festgehalten wird, wieder die Basis bildet. An ihre Seite treten ebenfalls erstmalig Bekenntnissymbole (Beschneidung, Sabbat, Speisegebote), mit denen man sich von seiner Umwelt abhebt und die Identität nach innen stärkt. Die im Land Gebliebenen eignen sich teilweise den Besitz der exilierten Oberschicht an, womit Konflikte für die Zeit nach dem Exil vorgegeben sind. e) Die perserzeitliche Provinzialgesellschaft. Ein großer Teil der Verbannten bleibt nach Übernahme der Vorherrschaft durch die Perser in Babylonien. Das Gegenüber von den im Land und den in der Diaspora Lebenden ist seitdem für die Existenz Israels kennzeichnend. Diejenigen, die sich zur Rückkehr entschließen, setzen sich materiell und ideologisch offenbar schnell gegen die im Land Gebliebenen durch; in Jehud rücken sie erneut in die Rolle der Oberschicht. In Jehud und Samaria bilden sich Provinzialgesellschaften, wie sie für das Perserreich typisch sind. Sie haben unter der Regierung eines persischen Statthalters, der häufig aber ein Einheimischer ist, eine relative Autonomie, die eine unerbittliche Steuerpflicht an das persische Reich und außenpolitische Abstinenz impliziert. Aufgrund der fremden Oberherrschaft gewinnt in Jerusalem der 3 Tempel zunehmend als identitätsstiftendes Symbol an Bedeutung. Dennoch sind Beschreibungen des perserzeitlichen Juda als »Theokratie« (so schon

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Josephus), »rein religiöser Gemeindeverband« (M. Weber) oder »Bürger-Tempel-Gemeinde« (J. Weinberg) unsachgemäß. Denn Jehud und Samaria sind primär politische Größen, und in Jerusalem steht neben der Priesterschaft ein Gremium von Ältesten als Repräsentanten der Bevölkerung dem Statthalter gleichberechtigt gegenüber. 3. Gesellschaftsformen in hellenistisch-römischer Zeit bis zur Entstehung des Prinzipats a) Das jüdische Ethnos der hellenistischen Zeit. Die Eroberung des Ostens durch die Griechen führt zur Bildung von Diadochenreichen. Da das Gebiet Judas jetzt von Alexandria (Ägypten) bzw. Antiochia (Syrien) aus verwaltet wird, steigt die Bedeutung des Hohepriesters enorm. Er vertritt das jüdische Volk gegenüber den ptolemäischen bzw. seleukidischen Königen. Die Oberschicht, die auch finanziell mit den jeweiligen Herrscherhäusern eng verbunden ist, strebt zunehmend eine Anpassung der jüdischen Lebensart an hellenistische Sitten an. Als im 2. Jh. v. Chr. der Versuch gemacht wird, in Jerusalem eine Polis-Verfassung zu installieren, und dann die jüdische Religion offiziell verboten wird, kommt es zu dem von Bauern- und Priesterfamilien getragenen Makkabäeraufstand. Er ist erfolgreich und mündet in das hasmonäische Königtum, das sich allerdings schnell den gewalttätigen hellenistischen Herrschaftsformen anpasst. Im Zuge dieser Umwälzung verliert die bisherige jüdische Oberschicht nicht nur ihre Macht, sondern auch Vermögen und Besitz. Sie wird abgelöst durch hasmonäerfreundliche Familien teils priesterlicher, teils nichtpriesterlicher Abkunft, aus deren Kreisen nun auch der Jerusalemer Hohe Rat (Gerusia / 3 Synhedrium) mit dem Hohepriester an der Spitze besetzt wird. Die Bedeutung dieses ursprünglich wichtigsten Organs für alle weltlichen und religiösen Belange der jüdischen Bevölkerung Palästinas wird jedoch zunächst durch das hasmonäische Hohepriestertum, dann durch das herodianische Herrscherhaus immer weiter zurückgedrängt. b) Das herodianische Klientelkönigtum. Herodes der Große bestellt als von Rom ernannter Vasal-

lenkönig (37-4 v. Chr.) das Synhedrium mit seinen eigenen Anhängern und setzt die Hohepriester mit Machtkalkül ein und wieder ab. Vor allem bildet er nicht zuletzt durch geschickte Ehebündnisse eine Herrscherdynastie aus, deren Mitglieder Schlüsselfunktionen in seinem umfangreichen Verwaltungsapparat einnehmen. Dessen hierarchischer Aufbau spiegelt die römische Ordnung wider, in der die patriarchalen Strukturen des Haushalts auf den Staat bzw. die Gesellschaft übertragen werden. Nach dem Tod des Herodes wird sein Großreich unter seine drei Söhne aufgeteilt, die als Klientelkönige über die Gebiete Judäa, Samaria und Idumäa (Archelaos), Batanäa, Trachonitis und Auranitis (Philippus) sowie Galiläa und Peräa (Herodes Antipas) herrschen. c) Römische Provinzialverwaltung. Unter der direkten römischen Herrschaft über Judäa ab 6 n. Chr. erhält der Hohe Rat wieder größere administrative und juristische Kompetenzen, die aber auf innerjüdische Angelegenheiten beschränkt sind, wie es dem Prinzip der römischen Provinzialverwaltung entspricht. Zugleich repräsentieren die beiden Hauptgruppen, die um die Zeitenwende den Hohen Rat bestimmen, nur eine Minderheit der jüdischen Bevölkerung: Die Sadduzäer gehören als Vertreter oder Anhänger der Jerusalemer Priesteraristokratie der Oberschicht an; die Pharisäer sind zumindest teilweise ebenfalls der führenden Schicht bzw. deren Gefolgsleuten zuzurechnen (Saldarini; Stegemann / Stegemann). Während sich für diese beiden Bewegungen keine gruppenspezifischen Sozialstrukturen sichern lassen, grenzt sich die dritte zeitgenössische religiöse Strömung durch ihre Sozialform klar nach außen ab. Dabei handelt es sich um die Essener (3 Religiöse Bewegungen), zu denen möglicherweise auch die Qumrangemeinschaft zu zählen ist. Sie haben ihre Wurzeln ebenfalls in priesterlich-aristokratischen Kreisen, woher ihre exklusiv-asketische Organisationsform unter Befolgung strikter Reinheitsvorschriften rührt. Macht schon die aktive Anhängerschaft dieser drei jüdischen Hauptströmungen einen zahlenmäßig geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus, gilt dies umso mehr

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für Gruppierungen, die sich hauptsächlich aus der Unterschicht rekrutieren. Dazu zählen u. a. die um die Zeitenwende zahlreichen messianischen und prophetisch-charismatischen Bewegungen sowie religiös-politische Widerstands- und Aufstandsgruppen (z. B. Zeloten; Sikarier), die als Repräsentanten einer Art Gegenkultur allenfalls kurzfristig die Massen mobilisieren können. 4. Gesellschaftsformen in der frühen Kaiserzeit Während die agrarische Lebensform unter den Klientelkönigen auch den Alltag der Jesusbewegung und der ersten Christen in Palästina prägt (besonders in Gestalt des Miteinanders von umherziehenden WanderpredigerInnen und sesshaften NachfolgerInnen Jesu), was sich vor allem in der Sprach- und Bildwelt der Evangelien spiegelt (z. B. Verhältnis von Grundbesitzern, Pächtern und Lohnarbeitern / Sklaven; Wachstumsgleichnisse), ist das Christentum an sich schon früh ein städtisches Phänomen. Dabei bildet das Imperium Romanum das formale Bindeglied eines Gemeinwesens, das sich durch große soziale Gegensätze auszeichnet. In der frühen Kaiserzeit ist das römische Reich eine hierarchisch geordnete Gesellschaft mit dem Kaiser (princeps) und seiner Familie (domus Caesaris) an der Spitze. Wie sich das Verhältnis der anderen gesellschaftlichen Gruppen zueinander jedoch exakt bestimmen lässt, ist strittig. Die modernen Begriffe Schicht, Klasse oder Stand erfassen nämlich nicht angemessen das Phänomen der römischen »Prestigehierarchie«, in der soziale Zuschreibungen wie Ehre und Ansehen nicht notwendig mit Reichtum, Einfluss und personenrechtlichem Status einhergehen müssen und umgekehrt. So stehen beispielsweise politisch unbedeutende Senatoren vermögend gewordenen Freigelassenen gegenüber. Angesichts fehlender überregionaler Strukturen ist das gesellschaftliche Leben der Einzelnen durch die Stadt (polis) als umfassende politisch-administrative, kulturell-religiöse und soziale Größe bestimmt. Dabei wird die jeweilige Stellung innerhalb der sozialen Hierarchie wesentlich durch die patriarchale Ordnung (3 Patriarchat) der römischen Bürgergesellschaft deter-

miniert. Jeder erwachsene männliche römische Bürger kann einem Haushalt (domus / oikos) bzw. einem Familienverband (familia) vorstehen, dem Ehefrau, Kinder und ggf. Sklaven angehören, die zwar an der gesellschaftlichen Position des pater familias teilhaben, selbst aber keine Macht besitzen. Vielmehr hat der Hausvater die Verfügungsgewalt über den Personenverband wie auch das gemeinsame Eigentum der 3 Familie inne (patria potestas). Dass auch der gesellschaftliche Horizont des frühen Christentums durch die Beziehungen zwischen Stadt und Haushalt abgesteckt wird, spiegeln die neutestamentlichen Schriften an vielen Stellen. So zeigen sie etwa einerseits, dass Paulus seine Mission offensichtlich gezielt an großen Metropolen wie Antiochia, Ephesus, Korinth oder Rom orientiert und dabei auf urbane Infrastrukturen zurückgreift. Andererseits ist das 3 Haus die Keimzelle der urchristlichen Gemeinden, insofern ihre Versammlungen – wie auch diejenigen der Juden (3 Synagoge), anderer privater Kulte und paganer 3 Vereine – in den ersten drei Jh. n. Chr. meistens in Privathäusern stattfinden (Hauskirchen). Diese Haushaltsvorstände (Patrone) werden oft mit ihrem ganzen Haushalt bzw. Familienverband zum Christusglauben bekehrt, woraus dann »Hausgemeinden« entstehen (vgl. z. B. Apg 16,14 f.31-34; 18,8; Röm 16,3-5.10 f.; 1 Kor 16,15; vgl. außerdem Phil 4,22). Innerhalb dieses gesellschaftlichen Gefüges prägt das Christentum schon bald eine spezifische Gruppenidentität aus (vgl. koinonia: »Gemeinschaft«; ekklesia: »Versammlung« oder »Gemeinde«), die sowohl hinsichtlich ihrer sozialen (vgl. z. B. Apg 2,44 f.: Ideal der Gütergemeinschaft; 1 Kor 11,17-34: Tischgemeinschaft; 1 Kor 12,5; 16,10.15; Mk 10,42-45; Apg 1,25 f.: Dienstgedanke) als auch ihrer personalen Komponenten ausgeleuchtet werden kann (z. B. Gemeinschaft der Heiligen, des Geistes, des Blutes Christi; Gemeinde als Leib Christi; vgl. 1 Kor 1,9; 10,16 f.; 12,12-27; 2 Kor 13,13; Phil 2,1). Unter den Christusgläubigen sind somit gerade jene Gegensätze und Statusdifferenzen aufgehoben, durch die die pagane Gesellschaft getragen wird (vgl. Gal 3,28; 1 Kor 12,13; Kol 3,11). Obwohl dieses deviante Selbstverständ-

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nis als Anlass für Benachteiligungen und Diffamierungen von Seiten der nichtchristlichen Mitwelt erfahren wird (vgl. Mt 5,11; 1 Petr 2,12; 3,16), ziehen sich die Christen weder aus der Welt zurück (vgl. 1 Kor 5,10), noch streben sie eine institutionelle Umwälzung der gegebenen Verhältnisse an. Da die christliche Existenz durch die Hoffnung auf eschatologische Vollendung der Gottesherrschaft bestimmt ist, in der alle, auch die sozialen Unterschiede aufgehoben sind, kann das bestehende gesellschaftliche System vielmehr für eine vorübergehende Zeit hingenommen werden (Röm 13,1-7; Eph 5,21-6,9). Die vor allem in den Haustafeln und Ämterspiegeln der nachpaulinischen Zeit enthaltenen Anweisungen an die Gläubigen, den ihnen von Gott zugewiesenen Platz innerhalb dieser Ordnung anzunehmen, ist dabei zugleich als eine Anpassung an die Umwelt zu werten. 5. Gesellschaftsformen und Symbolsprache Wenn unter Gesellschaft die Gesamtgestalt des menschlichen Zusammenlebens zu verstehen ist, dann ist es naheliegend, dass die unterschiedlichen Gesellschaftsformen auch Auswirkungen darauf haben, wie theologische, christologische und ekklesiologische Vorstellungen symbolisiert werden. Dies lässt sich in der Tat zeigen. a) Verwandtschaftliche Kategorien. Verwandtschaftliche Kategorien wirken in doppelter Weise auf die Symbolsprache. Zum einen wird die Gottheit auf den eigenen Verwandtschaftsverband bezogen. Gott ist »der Gott der Väter« oder der Gott eines bestimmten Ahnen. Zum anderen wird Gott selbst als Verwandter vorgestellt, so besonders in der Bezeichnung als 3 Vater. Auf diese Weise wird nicht nur der Glaube an Gott, den Schöpfer, als Basis einer exklusiven Gottesbeziehung ausgedrückt, sondern es kommen – im Rahmen der patriarchalen Gesellschaftsstrukturen – zugleich rechtliche Implikationen der Vaterschaft in den Blick. Dazu zählen der Autoritätsanspruch des Familienvorstands ebenso wie seine Fürsorgepflicht oder Vorbildfunktion. So geht die Vorstellung Gottes als »(Er-)Löser« (vgl. z. B. Jes 43,3.14; Mk 10,45) auf die Verpflichtung

zurück, in Schuldsklaverei geratene Familienangehörige freizukaufen. Das Selbstverständnis des Volkes Israels wie auch des neuen (christlichen) Gottesvolkes aus Juden und Heiden als Kinder Gottes korreliert der Bezeichnung Gottes als Vater, beschreibt dabei aber nicht primär ein natürliches Verhältnis, sondern betont die von Gott gewährte Ehrenstellung. Als Angehörige der familia dei sprechen sich Christen untereinander dann auch als Geschwister an (adelphos / adelphe; vgl. auch 1 Petr 1,22: philadelphia). Die Rede von Jesus Christus als Sohn Gottes drückt hingegen sein einzigartiges Gottesverhältnis aus; sie hat wiederum eine Entsprechung in der Anrede Gottes als Vater. b) Gott als König. Untrennbar mit der monarchischen Gesellschaftsform ist die Idee Gottes als eines Königs (3 Königtum) verbunden. Dabei erfährt sie in Israel zwei völlig gegensätzliche Ausprägungen mit gegenläufigen Konsequenzen. Nach der offiziellen Königsideologie ist Gott die Spitze einer Hierarchie, auf die der (irdische) König als (adoptierter) Sohn Gottes und sein Sachwalter auf Erden folgt (Ps 2; 110; vgl. Mk 1,11; Apg 2,34 f.; Hebr 1,13). Nach einer oppositionellen Königskritik dagegen schließt die Königsherrschaft Gottes gerade die Existenz eines irdischen Königs aus; Herrschaft eines Königs heißt Verwerfung der Herrschaft Gottes (Ri 8,22 f.; 1 Sam 8,7; 10,19; vgl. auch Joh 19,15 sowie Mt 6,24 / Lk 16,13). c) Gottes Option für die Schwachen. Mit zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung stellt sich die Frage, wer für die Schwachen in der Gesellschaft eintritt. Nach gemeinorientalischer Auffassung ist dies Aufgabe des Königs. Doch ist er darin gerade Stellvertreter Gottes, der gegebenenfalls selbst eingreift, um »Witwen und Waisen«, Arme und Schwache zu schützen (Dtn 10,18; Ps 72; Mk 10,23-31; Lk 18,1-8). d) Gott und das Exil. Mit dem Verlust des Tempels von Jerusalem und der Verbannung der Oberschicht stellt sich die Frage, wie unter diesen Bedingungen die Gottesbeziehung aufrechterhalten bleiben kann. So bildet sich die Vorstellung aus, dass Gott selbst mit ins Exil geht (Ezechiel). Die im Exil sich ausbildenden Be-

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kenntnissymbole und die zunehmende Bedeutung, die die Tora seit der Perserzeit erhält, führen dazu, dass das Judentum nach dem Verlust des Tempels 70 n. Chr. seine Identität wahren kann. e) Imperiale Bürgergesellschaft. Auch wenn sich die frühen Christen nicht von der Mehrheitsgesellschaft absondern, sind sie sich doch ihrer Sonderstellung bewusst. Sie empfinden sich in dieser Welt als »Fremde« minderen Rechts, als »Fremdlinge« oder »Gäste« (vgl. 1 Petr 1,1.17; 2,12; Hebr 11,9.13), die ihre eigentliche »Heimat« und ihr wahres »Bürgerrecht« in ihrem »Vaterland« im Himmel haben (Phil 3,20, Hebr 11,14-16). f) Christus- und Kaiserkult. Für die neutestamentliche Zeit ist zwar noch nicht von einer repressiven Durchsetzung des Kaiserkultes und von systematischen Christenverfolgungen auszugehen, doch spiegelt sich im Neuen Testament die Ablehnung der kultischen Verehrung der römischen Kaiser, die insbesondere im Osten des Reiches verbreitet war. Hier ist vor allem die Offenbarung des Johannes zu nennen, doch reflektiert z. B. auch die lukanische Kindheitserzählung (vgl. besonders Lk 2,11) in polemischer Weise die Proklamation des Kaisers als »Herr« (kyrios) und »Retter« (soter) oder profiliert Phil 2,6-11 die Niedrigkeit Christi gegen die Absolutheitsansprüche des Kaisers.

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Gesetz Ein Gesetz zu haben, ist für die Menschen der antiken Welt grundsätzlich eine positive Erfahrung. Gesetzgebung gehört im Alten Orient zur heilvollen Tätigkeit des Königtums, Griechen und Römer halten Gesetze für eine zivilisationsbegründende Errungenschaft, die die Kultur der Freien vor anderen auszeichnet, denn Barbaren und Tiere haben keine Gesetze. Das schließt punktuelle Kritik an einzelnen Gesetzen oder an ihrer Wirksamkeit nicht aus. Der theologische

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Gesetzesbegriff und mit ihm die vorwiegend protestantische Wahrnehmung des Gesetzes als knechtende Macht sind davon zu unterscheiden. Er geht auf die Erfahrung Luthers und seiner reformorientierten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen mit den Ausprägungen des mittelalterlichen Katholizismus zurück und entspricht nicht dem, was jüdische und nichtjüdische Menschen in der Antike mit dem Gesetz verbunden haben. 1. Alter Orient Schon aus dem 3. Jt. v. Chr. sind Gesetzbücher sumerischer Könige bekannt, später gibt es akkadische, assyrische und hetitische Gesetzessammlungen, besonders bekannt und umfangreich (228 Paragraphen) ist der Codex Hammurabi (alle TUAT I). Sie alle sind mit Namen und Tätigkeit von Königen verbunden, also kein unmittelbar göttliches Recht. Typische Themenfelder sind Eigentums-, Sklaven-, Körperverletzungs- und Eherecht. Es handelt sich nicht um im eigentlichen Sinne »positives Recht«, das die Gerichte bindet; kein Urteil beruft sich auf sie. »Sie sind deskriptiv und nicht präskriptiv« (Westbrook 5), eher so etwas wie rechtswissenschaftliche Sammlungen von Musterurteilen. 2. Altes Testament Zur Terminologie. In der Hebräischen Bibel sind ganz unterschiedliche Bezeichnungen für das zu finden, was pauschalisierend nicht selten »Gesetz« genannt wird (to¯ra¯h »Weisung«; 3 Tora / Nomos; mis wa¯h »Gebot«, h¯oq »Satzung«, huqqa¯h ˙ ˙ ˙ »Rechtsbestimmung«, misˇpa¯t »Rechtssatz«, 2¯edu¯t ˙ »Dokument«, misˇmæræt »Verpflichtung«, da¯ba¯r »Wort« usw.). Wie to¯ra¯h ist auch mis wa¯h (»Gebot«) von Haus aus kein Terminus ˙des Rechtslebens, sondern hebt entsprechend dem zugrunde liegenden Verb siwwa¯h (»befehlen, heißen zu ˙ tun«) auf das Angeordnetsein einer Bestimmung ab. Unter den genannten Termini sind nur h¯oq ˙ (»Satzung«); huqqa¯h (»Rechtsbestimmung«) und ˙ misˇpa¯t (»Rechtssatz«) Gesetzestermini. Nur die ˙ mit diesen Begriffen bezeichneten Passagen im Pentateuch können daher als Gesetz oder Gesetzesabschnitte bezeichnet werden. Daneben ste-

hen in der Tora durchgängig auch religiöse Gebote, von Grundregeln wie dem 1. und 2. Gebot bis zu kultischen Detailbestimmungen, dazu Schutzregeln für Arme, Fremde, Witwen, Waisen sowie (bes. im Dtn) verfassungsähnliche Bestimmungen etwa zu Wahl und Grenzen des Königs – das alles ohne Entsprechung in den altorientalischen Gesetzen. 3. Gesetze und Gesetzeskomplexe im Pentateuch Entsprechend dieser Terminologie sind besonders drei Zusammenhänge als Gesetze bzw. Gesetzesbücher anzusprechen. a) Passagen, die durch die Begriffe »Satzung / Rechtsbestimmung« bezeichnet sind (Ex 12, 24.43; 13, 10; 27, 21; 28, 43; 29,9.28; Lev 19, 19; 23, 14.21.31; Num 18, 8.11.19; Num 19, 10; 30, 17); b) Passagen, die misˇpa¯t (»Rechtssatz«) ge˙ nannt sind (Ex 21, 1.31; Num 35, 24) sowie Passagen, die die Doppelbezeichnung hahuqqı¯m weha˙ misˇpa¯t¯m ı (»die Satzungen und Rechtssätze«) o. ä. ˙ tragen (Dtn 12, 1; vgl. Lev 18, 4.26; 19, 37; 20, 22; 25, 18). Nur ein kleiner Teil des Pentateuches ist danach Gesetz. Vor allem der so genannte misˇpa¯t¯m-Teil ı des Bundesbuches (Ex 21, 2-22, 16), der ˙ deuteronomische Rechtskorpus (Dtn 12-26) und das so genannte Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26) bieten Gesetze. Vermutlich gehörten die misˇppat¯m ı ˙ des Bundesbuches sowie große Teile des deuteronomischen Korpus zum einst geltenden Recht in Juda während der Königszeit. Bei den Bestimmungen der priesterlichen Textebene des Pentateuch (so genanntes Heiligkeitsgesetz + rituell-kultische Vorschriften + priesterliche Erzähltexte) ist dagegen unsicher, in welchem Sinne sie den Status geltenden Rechts hatten. Gesetz gilt in der Hebräischen Bibel grundsätzlich als etwas Positives, leicht zu Erfüllendes und mit Segen Verbundenes (Dtn 30, 9-14). Auch ist es Gegenstand größter Freude und Wertschätzung (vgl. Ps 19, 10; 119). 4. Neues Testament In allen Gruppen des Judentums war das geltende Recht Teil der Tora (3 Tora / Nomos) und damit Gabe Gottes an Israel und Zeichen der Erwählung. Für Jesus und das Urchristentum gilt

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diese Grundlage weiter. Jesus bewegt sich im Rahmen der zeitgenössischen Gesetzesauslegung. Dagegen gab es bei der Frage, wie die jüdische Tora auch für die neu hinzukommenden Menschen aus den Völkern galt, im Detail unterschiedliche Positionen und entsprechende Auseinandersetzungen (3 Tora / Nomos). Auf diese Fragen und damit auf einen bestimmten theologischen Gesetzesbegriff ist die exegetische wie die allgemeine theologische Debatte stark fixiert. Dahinter treten andere Fragen, etwa nach den römischen Gesetzen und der Auseinandersetzung damit (vgl. Röm 13, 1-7; 1 Petr 2, 12-17), aber auch die Entstehung eigener christlicher Gesetze und ihrer Durchsetzbarkeit stark zurück (vgl. Roloff). Liedke, Gerhard, Gestalt und Bezeichnung alttestamentlicher Rechtssätze. Eine formgeschichtlich-terminologische Studie, WMANT 39, Neukirchen-Vluyn 1971. Roloff, Jürgen, Ansätze kirchlicher Rechtsbildung im Neuen Testament, in: Gerhard Rau u. a. (Hg.), Das Recht der Kirche Bd. I, Zur Theorie des Kirchenrechts, Gütersloh 1997, 337-389. Schaller, Bernd, Jesus und der Sabbat, FDV 1992, Münster 1994. Westbrook, Raymond, Studies in Biblical and Cuneiform Law, Paris 1988.

Andreas Ruwe / Martin Vahrenhorst

Gewalt 1. Sprachliche Grundlagen a) Definitionen. Die Wortgeschichte kennt vier Verwendungsweisen von »Gewalt« (Imbusch, 30): Öffentliche Herrschaft, territoriale Obrigkeit (Staatsgewalt), Verfügungsmacht und physische Schädigung oder politischer Zwang. Zunehmend werden damit auch psychische, institutionelle und strukturelle Prozesse bezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Sprachen fallen im deutschen Gewaltbegriff die Aspekte der physischen Schädigung (griech. bia; lat. violentia) und der legitimen Machtausübung (griech. kratos; lat. potestas) zusammen. Eine genaue Grenzziehung

zwischen beiden ist auch in der Bibel kaum möglich, weshalb der Artikel 3 Macht ganz eng mit diesem verzahnt ist. b) Das biblische Hebräisch kennt keinen eigenen und umfassenden Begriff für »Gewalt«. Stattdessen gibt es eine ganze Reihe von Wörtern, die gewaltförmige Konnotationen tragen und jeweils sehr Unterschiedliches beschreiben können: vom üblen Gewaltexzess über ambivalente Machtausübung und unvermeidlichen Energieaufwand bis zur bewundernswerten Krafttat. Menschliche und göttliche Gewalt werden überwiegend mit der gleichen Terminologie beschrieben, wodurch menschliche Gewalt sowohl legitimiert als auch in Frage gestellt werden und das Gottesbild kraftvoll, aber auch unheimlich erscheinen kann. An Nomina sind zu nennen: 3 ¯el, meist Gottesbezeichnung, zuweilen aber (z. B. Gen 31, 29; Mi 2, 1) »Stärke, Gewalt«; h¯azqa¯h physische »Gewalt« ˙ (z. B. Ri 4, 3), aber auch eher psychische »Kraft, Heftigkeit«; h¯ama¯s konkret zugefügte Gewalttat, ˙ das angetane Unrecht, sehr oft im sozialen Bereich; ja¯d und kaf, »Hand« bzw. »Handfläche«, die auch Gewalt ausüben können (»in jemandes Hand geben« oder »fallen«, z. B. Ri 6, 13; Jer 12, 7); ko¯ah »Vermögen, Tüchtigkeit, Kraft, Macht, Ge˙ walt«; 2¯oz »Gewalt« (z. B. Ps 90, 11), aber auch »Macht, Kraft, Festigkeit, Schutz«; to¯qæf (nur in Est) »Stärke, Gewalt«, aber auch »Nachdruck, Energie«. Bei den Verben ist das Bild ähnlich facettenreich. hms ist klar negativ gefärbt: »gewaltsam ˙ Unrecht zufügen«. ra¯sah ist »morden«, während ˙ ˙¯ka he¯mı¯t »töten« und na ¯h »(er)schlagen« auch ethisch ambivalentere Handlungen (wie Feindabwehr, Notwehr) einschließen. Ambivalent sind h¯azaq »fest sein, stark sein, festhalten, zupacken« ˙ und 2¯azaz »stark sein, Macht ausüben«. Hinzu kommen Verben, die weniger physische als strukturelle Gewalt ausdrücken: 2¯aˇsaq »bedrücken, ausbeuten, erpressen«; s¯arar II »einschnüren, bedrängen, anfeinden«; ra¯˙da¯h »herrschen«, oft mit dem Nebensinn des Unterdrückens (z. B. Jes 14, 2); ka¯basˇ »dienstbar machen, versklaven« (z. B. Neh 5, 5; aber auch »vergewaltigen«: Est 7, 8); 2¯ana¯h II »erniedrigen, demütigen«, auch »vergewaltigen«

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(Gen 34, 2; 2 Sam 13, 12.14; Ri 19, 24; Klgl 5,11). Viele Verben bezeichnen zunächst ein kraftvolles Agieren und nur in bestimmten Zusammenhängen dezidiert Gewalt gegen Menschen: ˇs¯abar, »zerbrechen, zerschlagen«; ˇsahat, »verderben, vernichten; ˙ ˇs¯amam, »veröden, verstören«; na¯tas, »niederrei˙ oder Altäßen, abbrechen« (meist von Häusern ren, von Menschen aber Ps 52, 7; Hi 19, 10); ra¯mas, »zertreten, zertrampeln« (von Menschen etwa 2 Kön 7, 17.20); pa¯ras, »einschneiden, durchbrechen« (im Sinne von˙Gewaltanwendung Hos 4, 2); ba¯qa2, »aufschlitzen, spalten« (von Holz Gen 22, 3, von Schwangeren Am 1, 13). c) Im Gegensatz zum Hebräischen verfügt das Griechische mit bia / biazo über eine Wortfamilie für »Gewalt« im physischen Sinne. Der neutestamentliche Gebrauch ist jedoch spärlich (7 ; vgl. Apg 5, 26; 21, 35; Lk 16, 16 par). Zum direkten Wortfeld gehören selten gebrauchte Adjektive wie chalepos (»gewalttätig« Mt 8, 28; 2 Tim 3, 1), skleros (»hart, streng« Mt 25, 24; Jud 15), harpax (»räuberisch« Mt 7, 15; Lk 18,11; 1 Kor 6, 10) und anemeros (»wild, grausam« 2 Tim 3, 3). Ferner gibt es eine große Anzahl von Wörtern zu den Begriffsfeldern »verletzen, schlagen, töten, kämpfen, zerstören, Krieg und Waffen«. Damit steht im Neuen Testament die konkrete und nicht die abstrakte Gewalt im Blickpunkt. 2. Die Realität der Gewalt a) Die Hebräische Bibel gibt ein ungeschöntes Bild von den ungezählten Gewalterfahrungen, die Altisrael gemacht hat. Gewalt wurde vornehmlich auf sechs Feldern wahrgenommen: – im Nahbereich, d. h. zwischen Individuen, meist innerhalb von Familien und oft von Männern gegen Frauen (z. B. Gen 4, 1-15; 37; Ri 11, 30-40; 19; 2 Sam 13; Jer 11,18-23; Ps 22); – in der Gesellschaft, als Gewalt zwischen Gruppen, der Privilegierten gegen die Schwachen, des Staates bzw. des Königs gegen das Volk (z. B. Gen 34; Ri 12; 20 f.; 2 Sam 2 f.; 18; 1 Kön 5, 27-31; 12, 12-15; 2 Kön 9 f.; 21, 16; Jes 5, 8-10; Jer 5, 1-9; 22,13-19; Am 2, 6-8; 5, 10-12; Mi 3, 1-3; Ps 12; 58; Hi 30, 1-8; Spr 28, 15 f.); verschiedentlich kommt es auch zur Gegengewalt der Schwa-

chen gegen die Starken (Mose gegen Ägypter in Ex 1, 11-15; vgl. auch 1 Kön 11, 26; Est; Jdt; 12 Makk); – zwischen Völkern, in der Regel unter Einbezug Israels, wobei dieses seltener Kriegsgewalt zufügt als unter solcher leidet; ein besonderes Problem stellt hier der so genannte »Bann« oder die Vernichtungsweihe dar (z. B. Jos 1012; Ri 4-16; 1 Sam 4; 13 f.; 15; 17; 31; 2 Sam 1; 8; 10; 1 Kön 20; 22; 2 Kön 3 f.; 6 f.; 18 f.; 24 f.; Jes 5, 26-30; 28; Jer 6,1-15; 38 f.; Ez 24; Am 1; Nah 2 f.; Obd; Ps 74; 80; 89; 137; Klgl 1 f.; 3 f.; Dan 2; 7); – zwischen Religionen bzw. um der Religion willen, wobei dies in Israel eher Theorie als Realität war (z. B. Dtn 7; 13; 1 Kön 18, 40; 2 Kön 10, 17-27; Esr 10); – gegen die Natur, namentlich von Seiten der Menschen gegen die Tiere (hier steht das so genannte dominium terrae Gen 1, 28 im Vordergrund; vgl. aber auch Gen 9, 1-7; Jos 11, 6.9; Ri 15, 4 f.; Lev 1; 3-5; Num 22, 22-31; 1 Sam 15, 3; 2 Sam 8, 4); – zwischen Gott und Mensch, wobei einerseits an das gängige (Vor-)Urteil vom gewalttätigen Gott des Alten Testaments, andererseits daran zu denken ist, dass der Zorn Gottes allermeist ein Ausdruck seines Gerechtigkeitswillens oder die Kehrseite seiner Liebe ist (z. B. Gen 6-8; 19; 22; Ex 34,7; Dtn 28; Ri 2,14 f.; 2 Sam 12; Jes 1, 5-9; 10, 6; 47, 6; 51, 9; Hos 11, 1-9; Am 3, 6; 9, 1-4; Nah 1; Ps 3, 8; 74, 13; 76, 7; 90, 1-12; 94; 104, 7; Hi 26, 12). b) Auch das Neue Testament spiegelt vielfältige Gewalterfahrungen: Im Nahbereich treten gewaltsame Familienkonflikte v. a. im Rahmen der Jesusnachfolge auf (Mk 3, 20 f.31-35; 13, 12 par; Mt 8, 21 f. par; 10, 34-36 par; Lk 21, 16). In einem breiteren gesellschaftlichen Rahmen stehen Hinweise auf Raub (Mk 15, 27; Mt 26, 55; Lk 10, 30; Joh 18, 40; 2 Kor 11, 26), Aufstände (Apg 5, 35-39; 21, 30-38) und Übergriffe durch die Herrschenden (Mt 2, 16: Kindermord; 3 Verfolgung). Strukturelle Gewalt spiegelt sich deutlich in den Sozialkonflikten des Jakobusbriefes wider (vgl. 2,1-13; 4,1-5, 6). Obwohl von Kriegen nicht direkt be-

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richtet wird, sind die altisraelitischen Kriegshelden positive Vorbilder (Hebr 11, 32-34). Militärisches Personal ist in der Passionsgeschichte (Mk 15, 16 par; Mt 28,12; Lk 23, 11.36; Joh 18, 3; 19, 2) und der Apostelgeschichte eher negativ konnotiert (4,1; 5, 24; 12, 4.6; 16, 20-23.35-39; jedoch neutral im Verfahren gegen Paulus, Kap. 21-28). Einige Soldaten dienen als Glaubensvorbilder (Mk 15, 39.44 f. par; Mt 8, 5-13 par; Lk 3,14; Apg 10,1 f.7). Eine Zunahme an kriegerischen Auseinandersetzungen wird für die Endzeit erwartet (Mk 13, 7 f. par; Offb 6-13). Im Rahmen dieser Bildwelt bewegt sich die apokalyptische Vorstellung von der finalen Gottesschlacht (Offb 16, 14.16; 17, 14; 19, 11-15; 20, 8; vgl. Jes 63, 1-3). Religiös motivierte Gewalt begegnet im Neuen Testament in Form von Verbalaggression (vgl. Luz) und durch soziale Ausgrenzung von solchen, die sich nicht an die Normen der Gemeinschaft halten (Mt 18,15-18; 1 Kor 5; 2 Thess 3, 6-15; 1 Tim 1, 20; 2 Petr 2; Jud). c) Vor allem dem Alten Testament ist immer wieder eine Schlagseite zur Gewalt nachgesagt worden: etwa von Markion (ca. 85-160 n. Chr.), der es nicht zuletzt deswegen nicht in der christlichen Bibel haben wollte. In der Neuzeit verwarf Immanuel Kant in seiner Stellungnahme zum »Streit der Fakultäten« (1798) das (vermeintlich) unethische Gottesbild von Gen 22. Ähnliche Stimmen melden sich bis in die Gegenwart zu Wort. Man kann ihnen Einiges entgegenhalten: die Hebräische Bibel sei wenigstens realistisch in der Wahrnehmung von Gewalt; viele Schilderungen selbst ausgeübter Gewalt seien fiktiv; die Menschen des Alten Testaments hätten Gewalt viel häufiger erlitten als ausgeübt; leidenden Menschen dürfe man nicht verbieten, ihnen zugefügte Gewalt anzuprangern und ihr Ende zu verlangen; Gewaltträume seien noch nicht Ausübung von Gewalt; destruktive und konstruktive Formen und Ziele von Gewalt seien zu unterscheiden. Mag das alles richtig sein, gilt es umgekehrt zu bedenken, dass ausgedachte Gewalt sehr rasch in reale umschlagen kann; dass Gewaltphantasien und -darstellungen womöglich nicht kathartische, sondern Gewalt fördernde Wir-

kung haben; dass die Idealisierung von Gewalt jedenfalls unzulässig, die Bibel (Altes und Neues Testament) davon aber nicht frei ist. Auch der Zusammenhang zwischen Männlichkeitskonstruktion und Gewalt ist in der Bibel nicht eindeutig: Neben dem Bild des »schönen Mannes« im Hohelied endet das Leben des Helden Simson in der Gebrochenheit selbstzerstörerischer Gewalt (Ri 16). Der große König David wird von einer Frau von einer Gewalttat abgehalten (1 Sam 25). Paulus, eine prägende männliche Gestalt des frühen Christentums, lässt viele Abweichungen von zentralen Aspekten hegemonialer Männlichkeit erkennen (vgl. Mayordomo). Es ist insgesamt mit dem biblischen Gewaltpotenzial äußerst differenziert und kritisch umzugehen. 3. Wege der Gewaltüberwindung Die Bibel bietet vielfältige Anleitung zur Überwindung von Gewalt. Vor allem sechs Aspekte stehen im Vordergrund: a) Der Gewalt »in den Arm fallen«. Dies ist der gängigste Weg, Grundlage aller Ansätze zur Legitimierung und Legalisierung von Gewalt. Gott handelt im Alten Testament in diesem Sinn: durch Einschreiten gegen Verfehlungen Einzelner (Gen 4, 13; 2 Sam 12, 7-10; 2 Chr 26, 19 f.) wie ganz Israels (Num 14, 39-45; Ri 2, 15; Jes 5, 25-30; Jer 5, 10-17); durch Eingreifen gegen Feinde der Frommen (Ps 1, 4 f.; 3, 8; 14, 5; 73, 18 f.) oder Israels (Ex 14; 17, 8-16; Ri 4-11; Ps 2; 21; 83). Freilich, manchmal bleibt solche Hilfe unverhofft aus (1 Sam 4; Ps 89, 39-46) oder es wird der Einsatz von Gewalt gegen das Böse als problematisch erkannt (Gen 8, 20-22; Jes 10, 5-15; Jer 12, 7-12; Jona 4). Was menschliche Gewaltanwendung betrifft, genügen ein paar Beispiele aus den Samuelbüchern: Gewiss wird der Gewalteinsatz gegen die Gewalttätigkeit Goliats (1 Sam 17) oder der Ammoniter (1 Sam 11) befürwortet. Andererseits werden verhängnisvolle Gewaltketten beschrieben, die ein einfaches Urteil »legitim oder illegitim« unmöglich machen (2 Sam 2 f.; 13-19). Im Neuen Testament wird direktes gewaltsames Eingreifen weder Gott zugeschrieben noch in seinem Namen angeordnet, wohl aber für die

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Endzeit ausgemalt. Jesus will nicht, dass die Jünger Feuer vom Himmel gegen ein abweisendes Dorf erbitten (Lk 9, 54; vgl. Mk 9, 38 f. par). Bei der Festnahme lehnt er menschliche und himmlische Gewalt ab (Mt 26, 51-53). Persönliche Rache wird in aller Deutlichkeit verboten (Mt 5, 38 f.; Röm 12, 17; 1 Thess 5, 15; 1 Petr 3, 9). Dies geschieht jedoch in der Erwartung, dass Gott selbst vergelten wird (Mt 16, 27; Röm 12, 19; 2 Tim 4, 14; Offb 6,10; 18, 6; 19, 2; 22, 12). Die Ungerechten werden im Feuer der Hölle bestraft (Mt 3,10-12 par; 5, 22; 7, 19; 13, 40-42.50; 18, 8 f.; 25, 41; Mk 9, 43; Lk 17, 29 f.; Joh 15, 6; 2 Thess 1, 8; Hebr 10, 27; 2 Petr 3, 7; Jud 7) – eine Vorstellung, die auch in den Gleichnissen Jesu begegnet (Mk 12,7-9; Mt 18, 34 f.; 21, 41; 22, 6 f.12 f.; 24, 49-51; 25, 30; Lk 12, 47 f.; 16, 23; 19, 27; 20, 14-16). Die Gewaltphantasien der Johannesoffenbarung (2, 23; 11, 5; 14,10 f.18.20; 16, 5 f.9-11; 18, 7 f.20; 19, 11-21; 20, 9 f.14 f.; 21, 8) sind vor dem Hintergrund der Ausgrenzungs- und Angsterfahrungen der kleinasiatischen Gemeinden zur Zeit Domitians (81-96) zu betrachten (vgl. Dietrich / Mayordomo 174-182). b) Gewalt begrenzen. Manche Texte plädieren dafür, aufkommende Gewalt nicht niederzuschlagen, sondern zurückzudrängen und einzudämmen. Im Alten Testament geht Gott in diesem Sinn gegen den Turmbau zu Babel vor (Gen 11,1-9). Laut Hi 40 f. sucht er Flusspferd und Krokodil, Sinnbilder des Chaos, nicht zu vernichten, sondern »nur« unter Kontrolle zu halten. Analog zielt das israelitische Rechtswesen nicht auf Abstrafung des Schuldigen, sondern auf Wiederherstellung ausgeglichener Verhältnisse zwischen Schädiger und Geschädigtem (z. B. Ex 20, 12-17; 21, 22-24; 2 Sam 14, 4-8; 1 Kön 3,16-28; 2 Kön 8, 16). Auch die Gewalt gegen Tiere und sogar gegen (Nutz-)Pflanzen wird im Recht (3 Rechtswesen) sorgfältig begrenzt (Ex 20, 10; Dtn 20, 19 f.; 22, 6; 25, 4; Spr 12, 10). Für die Begrenzung von Gewalt sind nach Röm 13,1-7 die regierenden Instanzen zuständig, die auf Gottes Anordnung hin Gutes loben und Böses strafen (vgl. 1 Petr 2, 13-17). Mit den auch von Christen zu entrichtenden Steuern (Mk 12, 12-17 par; Röm 13, 6) wurde zum Teil die römi-

sche Armee, die auch Polizeifunktionen hatte, finanziert. Gegen den Missbrauch der Staatsgewalt wehrt sich besonders die Johannesoffenbarung (3 Widerstand / Martyrium). c) Auf Gewalt verzichten. Dies ist in beiden Teilen der Bibel eine besonders hoch bewertete Option im Umgang mit der Gewalt. Laut dem Alten Testament verzichtet Gott häufig auf Gewalt, die wohl berechtigt wäre (Gen 2,16 f., 3, 21-24; 4,15; Ex 32, 9-14; Hos 11,1-9; Jona 4). Genauso halten es, oft unter ausdrücklicher Berufung auf Gott, auch Menschen (Gen 50,15-21; 1 Sam 11,12 f.; 2426; 2 Sam 16, 5-13; 2 Kön 6, 14-23). Prophetentexte verlangen von Israel den Verzicht auf Revanchismus und Gewalt (Jes 28, 12.16; 30, 15; 50, 4-9; 53, 17; Jer 27, 1-8; 29, 4-10; Ez 17; Sach 4, 6). Zentraler Text zum Gewaltverzicht ist Mt 5, 3848 (vgl. Lk 6, 27-36). Dem Regelkreis von Gewalt und Gegengewalt stellt Jesus entgegen: Kämpft nicht mit Bösem gegen Böses! (5, 38) Die anschließenden Beispiele (5, 39-42) dienen als Illustrationen dieses Leitprinzips. Dabei werden wichtige Gewaltzusammenhänge aufgedeckt in den Bereichen 3 Ehre und Schande (Ohrfeige mit Handrücken), Rechtsmissbrauch (Pfändung des Mantels), Nationalidentität (Nötigung durch römische Soldaten) und Armut (Leihen). Die empfohlenen Reaktionen sind kreativ-subversive Provokationen (im Sinne von Mt 10, 16b). Der Ausstieg aus der Gewaltspirale gipfelt in der Anweisung zur Feindesliebe (5, 43-47). Während andere Texte die Verwandlung der Übeltäter als Ziel vor Augen haben (Röm 12, 21; 1 Petr 2, 12), steht in 5, 45.48 die Wesensähnlichkeit mit Gott im Mittelpunkt (vgl. 5, 9). Die aus diesen Texten ableitbare Praxis des gewaltlosen Widerstands ist politisch keineswegs ineffizient. d) Der Gewalt vorbeugen. Der Gedanke der Gewaltprävention war schon in biblischer Zeit präsent. Damit der Brudermörder Kain nicht vogelfrei wird, verleiht ihm Gott ein (Schutz-)Zeichen (Gen 4, 15). Viele »apodiktische Rechtssätze«, die Gott zum gedachten Sprecher und im »Du« Israel zum Adressaten haben, wollen Gewalttaten im Voraus verhindern: »Du wirst nicht töten« (Ex 20, 13); »du wirst keine Witwe und Waise unter-

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drücken« (Ex 22, 21); »du wirst einen Fremden nicht ausbeuten« (Ex 23, 9). Doch auch das rein profane »kasuistische« Recht will, indem es nach geschehener Rechtsverletzung auf Wiedergutmachung besteht, möglicher Vergeltung wehren (z. B. nach Körperverletzung, Ex 21, 18 f., oder nach Verführung einer Jungfrau, Ex 22, 15). Die Schriften des Neuen Testaments belegen v. a. in Tugend- und Lasterkatalogen einen Wertekanon, dessen gewaltpräventives Potenzial offensichtlich ist: Barmherzigkeit (Jak 3, 17), Demut (Kol 3,12; 1 Petr 3, 8), Erbarmen (Kol 3, 12; 1 Petr 4, 3), Freundlichkeit (Gal 5, 22), Friede (Gal 5, 22; Jak 3, 17), Gastfreundschaft (1 Tim 3, 2; Tit 1, 8), Güte (2 Kor 6, 6; Gal 5, 22; Eph 4, 32; Kol 3, 12; 1 Tim 3, 3; Jak 3, 17), Liebe (2 Kor 6, 6; Gal 5, 22; 1 Tim 6, 11; 1 Petr 3, 8; 2 Petr 1, 7), Mitleid (Eph 4, 32; 1 Petr 3, 8), Aufrichtigkeit (2 Kor 6, 6; Jak 3, 17), Unparteilichkeit (Jak 3,17), Vergebungsbereitschaft (Eph 4, 32) und Wahrhaftigkeit (2 Kor 6, 7; Phil 4, 8). Viele dieser Tugenden kommen auch in der antiken Ethik vor, doch fehlen im Neuen Testament Einzeltugenden, die zum Typus des Kriegshelden gehören, v. a. die »Tapferkeit« (andreia von aner = »Mann«). Damit stellt das hier gezeichnete Charakterbild eine Alternative zum antiken Männlichkeitsideal dar. e) Gewaltursachen und -konsequenzen ausräumen. Ist es zu Gewaltakten gekommen, genügt es laut Bibel nicht, die (wirklich oder vermeintlich) Schuldigen zu bestrafen; vielmehr sind die Gründe der Gewalt ausfindig zu machen und zu beseitigen. Die Lehrerzählung des Jonabuchs zeigt, wie Gott aus der durch und durch bösartigen Stadt Ninive die Gewalt austreibt: nicht durch monströsen Gewalteinsatz, sondern durch eine unscheinbare Bußpredigt. Und die Lehrerzählung über Josef und seine Brüder (Gen 37-50) zeigt, wie Menschen mit Gottes Hilfe nicht nur auf Gewalt verzichten, sondern bereits geschehene und noch drohende Gewalt durch Schuldbearbeitung und Vergebungsbereitschaft gänzlich aus der Welt schaffen. Zwischenmenschliche Vergebung und Versöhnung begegnet mehrfach im Neuen Testament (Mt 5, 21-26; 6, 12.14 f.; 18, 21-35; Mk 11, 25; Lk 15, 11-

32; 17, 3 f.; 23, 34; Joh 8, 1-11; 20, 23; Röm 4, 7; 2 Kor 2, 6 f.; 12, 13; Eph 4, 31-5, 2; Kol 3, 12 f.) und erhält an einigen Stellen herausragende Bedeutung. Die Bitte im Unservater (Mt 6,12) wird anschließend im Sinne einer Abhängigkeit von menschlicher und göttlicher Vergebung gedeutet (6, 14 f.; vgl. 18, 35). Im Akt des Vergebens wird weder der Täter ent-schuldigt noch die Fehlhandlung aufgehoben, sondern die zwischenmenschliche »Störung« beseitigt. Das »Ablassen« von allen Rechten des Geschädigten (griech. aphiemi) wird durch die Nähe der Vergebungssprache zum Bereich finanzieller Schuld deutlich (Mt 6,12; 18, 2535). Der Schuldige hat kein Anrecht auf Vergebung: Er kann entweder die Summe begleichen (Mt 5, 26) oder um Erlass bitten (Mt 18, 32; Lk 17, 3 f.). Erlass geschieht nicht aus Einsicht in die Motive, sondern aus Mitgefühl (Mt 18, 26-27; 18, 35: »von Herzen«). Vergebung ist demnach freiwillige Schuldaufhebung und Verzicht auf Regressansprüche. Indem sie neue Beziehungen schafft, klärt sie nicht die Vergangenheit, sondern (er)löst die Zukunft (Lk 7, 42 f.47 f.). Sie ist im Sinne des griechischen charizomai eine Gabe (Lk 7, 41-43; 2 Kor 2, 7.10; 12,13; Eph 4, 32; Kol 3, 13). f) Mit der Überwindbarkeit der Gewalt rechnen. Die Bibel entwirft an vielen Stellen starke Hoffnungsbilder, die dazu ermutigen, Gewalt nicht als unausweichliches Geschick und als unausrottbar zu betrachten: Gott wird Israel die Tora »ins Herz schreiben« (Jer 31, 33), so dass es von selbst so handeln wird, wie es Gott gefällt; Gott wird einen Zukunftsherrscher senden, der für Recht und Gerechtigkeit (3 Gerechtigkeit / Recht) sorgt – womit die meisten Ursachen für Gewalt dahinfallen (Jes 9, 6 f.; 11, 4 f.); auch in der Tierwelt soll einmal das ewige Fressen und Gefressenwerden aufhören (Jes 11, 6-9); Wettstreit und Kampf zwischen den Religionen werden eines Tages enden (Zef 2, 11; 3, 9); und die Völker werden, belehrt durch die Tora, »Schwerter zu Pflugscharen« umschmieden und »das Kriegshandwerk nicht mehr lernen« (Jes 2, 4; Mi 4, 3). Die Vision eines künftigen Friedensreiches kündigt sich in vielen Aspekten der Gottesherrschaft an: Die wilden Tiere verlieren nach der

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Versuchung in der Wüste ihre Bedrohlichkeit (Mk 1, 13), durch Heilungen und Austreibungen werden Menschen umfassend befreit (Lk 10,18; 11, 20; ein schönes Beispiel: Mk 5,1-16), in gemeinsamen Mahlzeiten kommt es zur Integration unterschiedlicher Gruppen (Mk 14, 3; 11,19 par; Lk 7, 37; 10, 38-40; 14, 21). Ganz in diesem hoffnungsvollen Sinne endet die Johannesoffenbarung (21, 3b-4). Beauchamp, Paul / Vasse, Denis, La violence dans la Bible, Cev 76 (1992), 5-63. Dietrich, Walter / Link, Christian, Die dunklen Seiten Gottes Bd. 1, Neukirchen-Vluyn 4 2002. Ders. / Mayordomo, Moisés, Gewalt und Gewaltüberwindung in der Bibel, Zürich 2005. Ders. / Mayordomo, Moisés, Vertrauen schaffen – Sanftmut üben – Gerechtigkeit suchen. Wege der Gewaltprävention in der Bibel, in: Walter Dietrich / Wolfgang Lienemann (Hg.), Gewalt wahrnehmen – von Gewalt heilen. Theologische und religionswissenschaftliche Perspektiven, Stuttgart 2004, 168-185. Ders., Legitime Gewalt? Alttestamentliche Perspektiven, in: Friedrich Schweizer (Hg.), Religion, Politik und Gewalt. Die Beiträge des XII. Europäischen Kongresses für Theologie, Gütersloh 2006, 292-309. Ebach, Jürgen, Das Erbe der Gewalt. Eine biblische Realität und ihre Wirkungsgeschichte, Gütersloh 1987. Görg, Manfred, Der un-heile Gott. Die Bibel im Bann der Gewalt, Düsseldorf 1995. Imbusch, Peter, Der Gewaltbegriff, in: Wilhelm Heitmeyer / John Hagan (Hg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, Wiesbaden 2002, 26-57. Jeremias, Jörg, Die Reue Gottes. Aspekte alttestamentlicher Gottesvorstellung, BThSt 31, Neukirchen-Vluyn 2 1997. Lohfink, Norbert (Hg.), Gewalt und Gewaltlosigkeit im Alten Testament, Bonn 1983. Luz, Ulrich, Absolutheitsanspruch und Aggressionspotential im frühen Christentum, in: EvTh 64 (2004), 268-284. Mayordomo, Moisés, Konstruktionen von Männlichkeit in der Antike und in der paulinischen Korintherkorrespondenz, EvTh 68 (2008), 99-115. Römer, Thomas, Dieu obscur, Genève 1996. Schenker, Adrian, Versöhnung und Widerstand. Bibeltheologische Untersuchung zum Strafen Gottes und der Menschen besonders im Lichte von Exodus 21-22, SBS 139, Stuttgart 1990. Ders., Versöhnung und Sühne, BB 15, Fribourg 1981. Trible, Phyllis, Mein Gott, warum hast du mich vergessen! Frauenschicksale im AT, Gütersloh 1987.

Walter Dietrich / Moisés Mayordomo

Gewinn Gewinn in wirtschaftlichen Prozessen meint den Überschuss und Vorteil, der über die Relation von Aufwand und Ertrag, Ausgaben und Einnahmen hinausgeht, im Unterschied etwa zu Lohn im Sinne eines Entgeltes für erbrachte Arbeitsleistungen. 1. Im Alten Testament a) Begriffe. Die hebräische Sprache gewinnt die eher abstrakten Begriffe für Gewinn, Vorteil, Vorzug durch die übertragene Bedeutung konkreter Arbeitsvorgänge und -resultate, wobei die Grundbedeutung nicht immer präsent bleiben muss. Gewinn ist, was als Ertrag am Ende übrig, d. h. überschüssig bleibt (hebr. jitro¯n, jo¯ter, mo¯ta¯r, häufig bei Kohelet). Gewinne sind Überschüsse aus der Ernte (hebr. tebu ¯3¯ah; vgl. Spr 3,14; 8,19;10,16; 15,6), Gewinn aus Arbeitsleistungen (hebr. pe2¯ulla¯h, vgl. Spr 10,16; 18), Erträge aus der Kriegsbeute und Plünderung (hebr. ˇs¯ala¯l; negativ in Jes 10,2; Spr 1,13; positiv im Sinne von Handelserträgen in Spr 31,11), Erträge, die durch Fernhandel erworben wurden (hebr. sahar, vgl. Jes 23,3.18 ˙ [Tyrus]; Spr 31,18). Damit sind Wirtschaftsfelder bezeichnet, auf denen Gewinne erzielt werden konnten. Für das antike Israel sind dies vor allem Landwirtschaft und Regionalhandel, seltener der Krieg und der Fernhandel (3 Handel). In der prophetischen Anklagerede wird das Erzielen unrechtmäßiger Gewinne sprachlich mit Gewaltverbrechen in Verbindung gebracht: hebr. bæsa2 ˙ – abschneiden (das Gewebe vom Webstuhl, übertragen: den Lebensfaden), töten (vgl. Jer 6,13 par 8,10; Ez 22,27; Hab 2,9; ferner Spr 1,19; 15,27); hebr. 2¯aˇsaq– erpressen, betrügen (hebr. piqqa¯do¯n – erpresster Gewinn, vgl. Lev 5,23; Ps 62,11); hebr. ˇs¯alal – plündern, ausrauben (Jes 10,2, Spr 1,13). b) Unrechte Gewinne. Während der positive Vorgang der landwirtschaftlichen Gewinnerwirtschaftung durch königlich dominierte Vorratswirtschaft etwa in der Josefsgeschichte breit entfaltet wird, beklagen prophetische und weisheitliche Texte den auf Unterdrückung der Schwachen, auf Bestechung und Erpressung be-

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Gewinn

ruhenden betrügerischen Gewinn (3 Schulden, Zinsverbot) von korrupten städtischen Beamten (Ez 22,27), Richtern (Ex 18,21; 1 Sam 8,3), Priestern und Propheten, die sich ihre Dienstleistungen teuer bezahlen lassen (Mi 3,11; Jer 6,13 par 8,10), aber auch des Königs (Jer 22,13-19) bzw. in nachexilischer Zeit der Anführer des Volkes (Jes 56,11). Weiter wäre an Grundstücksspekulationen, betrügerische Kreditgeschäfte, Handelsbetrügereien und das Problem der Schuldsklaverei zur Gewinnmaximierung durch einzelne zu denken, aber wohl auch an die staatlichen Reform- und Umverteilungsmaßnahmen, die sich für Juda in der Hiskijazeit nahe legen (W. Zwickel), die von manchen als staatliche Willkür erlebt wurden. Unrechte Gewinne sind in biblischer Sicht keine Kavaliersdelikte, sondern Gewaltverbrechen, die Kennzeichen des Frevlers sind und im Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht folgenlos bleiben sollen. Entsprechend der in vielen altorientalischen Ethiken hervorgehobenen Sünde der Habgier heißt es in der weisheitlichen Unterweisung: Wer sich durch Raub bereichert, »endet im Tod« (Spr 1,13), »zerstört sein Haus« (Spr 15,27). Aber wer ungerechten Gewinn hasst, wird lange leben (Spr 18,16; Jes 33,15). c) Rechtmäßige Gewinne. Demgegenüber sind rechtmäßige Wertschöpfungsvorgänge zur Gewinnerwirtschaftung alttestamentlich kaum dokumentiert. Auch die landwirtschaftlichen Überschussproduktionen auf den königlichen Domänen (Wein, Oliven), die anhand der gesiegelten Krugstempel aus der Hiskijazeit, aber auch durch Werkstätten und Vorratsgebäude archäologisch dokumentiert sind, gewähren keinen näheren Einblick in die ökonomischen Prozesse der Überschusserwirtschaftung. Für die selbstversorgende Landwirtschaft im königszeitlichen Israel wird dies nur im geringen Maße möglich gewesen sein, aber auch dort musste man naturale Überschüsse auf den Märkten feilbieten, um Güter zu erwerben, die man selbst nicht produzierte. Die ältere Spruchweisheit gibt jedenfalls die Maxime aus, dass sich Mühe und Arbeit lohnen und entsprechenden Gewinn bringen, während Geschwätz und Müßiggang in den Mangel führen

(Spr 14,23; 21,5). Und die »tüchtige Hausfrau« wird in Spr 31,18 ausdrücklich dafür gelobt, dass sie mit Fleiß und einem guten Gespür für Gewinn selbstständig Handel treibt. Diese positive Haltung gegenüber ehrbarem Gewinnstreben wird man grundsätzlich voraussetzen dürfen, wie auch Sir 42,5 betont, dass ein Händler sich seines Verdienstes nicht zu schämen braucht. Andererseits erteilt der Weise Kohelet dem wirtschaftlichen Gewinnstreben und sozialen Aufstiegsbemühungen insgesamt eine Absage: Welchen Gewinn hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne? (1,3). Nicht nur Ausbeutung und Erpressung erscheint ihm tief gewaltsam, sondern auch die freie und erfolgreiche Arbeit führt zu Sorgen und Konkurrenzkampf, die es unmöglich machen, sich seines Gewinnes zu freuen (4,1 ff.; vgl. 5,10 f.). Vorteile biete nur Wissen und Einsicht (7,11), aber auch diese sind letztlich durch die Sterblichkeit der Menschen bedroht (2,12 ff.). Diese Skepsis wird auch bei Jesus Sirach weiter geführt (20,9 f.; 31,5). Anders als der Lohngedanke erscheint die Vorstellung von Überschuss und Gewinn in der hebräischen Literatur kaum im theologischen Zusammenhang. Noch im Ps 119,36 bitten die Beter, dass Gott ihr Herz auf das göttliche Zeugnis ausrichte und nicht auf materiellen Gewinn (hebr. bæsa2). Doch ist die Einsicht von der (göttlichen) ˙Weisheit als dem wahren Lebensgewinn, der wirtschaftlicher Überschuss und Reichtum gegenübergestellt wird, offen für übertragene Bedeutungen, wie sie sich im frühen Judentum und im Neuen Testament finden. 2. Neues Testament In römischer Zeit konnten mehr oder weniger große Gewinne in praktisch allen wirtschaftlichen Bereichen erzielt werden, in der Landwirtschaft ebenso wie im Holzhandel, in der Ausbeutung von Minen und Steinbrüchen, in der Ziegelproduktion, der Textilproduktion, in Finanzgeschäften jeder Art, im Wohnungsbau, in der Vermietung städtischer Gebäudekomplexe und natürlich auch im Sklavenhandel. Zwei Be-

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Gewinn

reiche sind aufgrund besonders hoher Gewinnmöglichkeiten hervorzuheben, der Geldverleih und – innerhalb der Landwirtschaft – der Weinhandel. a) Gelddarlehen. Das Kreditgeschäft ist eines der am häufigsten bezeugten Geschäfte in den dokumentarischen Papyri der römischen Zeit. Obwohl der übliche Zinsfuß bei verzinslichen Gelddarlehen ab 51 v. Chr. 12 % jährlich (1 Drachme pro Mine pro Monat) betrug, war Zinswucher offenbar weit verbreitet (vgl. Tac. ann. 6,16). So sind Zinsfüße von bis zu 60 % bezeugt (Hor. sat. 1,2.12-22; zu einem Fall mit 48 % vgl. Luc. symp. 32). Dazu kam noch die mögliche Zinskapitalisierung, die darin bestand, dass nicht bezahlte Zinsen der ursprünglichen Kreditsumme zugeschlagen wurden; für diese erweiterte Kreditsumme galt dann die gleiche Zinsrate. Aufgrund erhaltener Darlehensverträge lassen sich im Grunde alle Bevölkerungsgruppen als Darlehensgeber und -nehmer nachweisen. Bankiers bildeten eher den kleineren Teil der Kreditgeber, in erster Linie fungierten Freigelassene und Sklaven als Geldverleiher (so genannte faeneratores), nicht selten im Auftrag reicher Privatleute, die dadurch und vor allem im Fall von Zinswucher offiziell ihren »moralischen« Status wahren konnten. Dies traf besonders auch auf Senatoren zu, denen Kreditgeschäfte seit Caesar offiziell untersagt waren. Ein deutliches Beispiel für einen Freigelassenen, der sich in hohem Ausmaß durch Geldverleih bereichert und diesen wiederum über seine liberti betreibt, ist der in Petrons Satyrikon auftretende Trimalchio (Petron. 76,9). Bezeichnenderweise hatte er zuvor das von seinem Herrn ererbte Vermögen vor allem in den Weingroßhandel investiert. Alle genannten Aspekte lassen sich mehr oder weniger deutlich auch im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30) wiedererkennen: Obwohl keine genaue Zeit genannt ist (nach V. 19 kehrt der Herr nach »langer Zeit« zurück), ist ein Gewinn von 100 % (!) im Falle des ersten und zweiten Sklaven (griech. doulos, nicht »Diener« wie in vielen Übersetzungen) wohl nur durch Zinswucher erklärbar. Der Hinweis an den dritten

Sklaven, er hätte das ihm anvertraute Geld wenigstens den Bankiers (griech. trapezites) bringen sollen (V. 27), hat wohl den offiziellen Zinsfuß von 12 % im Auge, der im Gesamtzusammenhang des Textes indirekt als gering ausgewiesen wird. Bei der Auslegung des Gleichnisses unter dem Aspekt von Gewinn geht es nicht um eine christologische, sondern um eine paränetische Dimension, also um das Wahrnehmen des Risikos bzw. der Chance unter eschatologischem Aspekt für jede Christin bzw. jeden Christen. Dass Darlehen keineswegs nur aus Notsituationen heraus aufgenommen wurden, sondern auch, um damit Gewinne zu erzielen, kam sowohl im Zusammenhang mit Zinswucher vor (der bei Banken zum Zinsfuß von 12 % aufgenommene Kredit wurde zu einem bedeutend höheren Satz weiter verliehen), als auch im Zuge des Großhandels, wie z. B. die Notizen eines Großkaufmannes (Mitte 2. Jh. n. Chr.; vgl. Drexhage / Konen / Ruffing 264-265) zeigen, wo ein Seedarlehen mit einer Summe von mehr als 170 Talenten erwähnt wird. Der Text ist als Hintergrund für den in Mt 13,46 erwähnten Großkaufmann nicht uninteressant (vgl. Ernst), ferner für die in Jak 4,13-17 beschriebenen Großhändler. b) Für Naturaldarlehen wurde normalerweise nicht der Zinsfuß angegeben, sondern die insgesamt zu zahlende Zinsmenge, die – unabhängig von der Laufzeit – 50 % (hemiolion) betrug. c) In der Landwirtschaft wurden mit dem Weinbau bzw. mit dem Verkauf von Wein besonders hohe Gewinne erzielt, nämlich 7-10 % gegenüber 5-6 % für andere Feldfrüchte (vgl. Duncan-Jones 59). Dementsprechend wird der Weinbau bei antiken Autoren als erstrebenswerteste landwirtschaftliche Unternehmung betrachtet (vgl. Cato agr. 1,7; Colum. 3,3; Plin. nat. 14,8.47-52; Plin. epist. 1,20,16). Für den Weinbergbesitzer war dies umso profitabler, als dieser normalerweise sämtliche Arbeiten an Pächter übertrug und als Pacht zwischen der Hälfte und zwei Drittel des Ertrags erhielt. Diese Hintergründe sind für das Winzergleichnis in Mk 12,1-9 bedeutsam (beachte die Parallele im koptischen Thomasevangelium 65; vgl. Kloppenborg).

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Vergleichsweise häufig begegnet im Neuen Testament die Wortfamilie »gewinnen, Gewinn« in einem nichtökonomischen, bildlich-analogen Zusammenhang, der unter dem hier behandelten Aspekt nicht relevant ist (vgl. u. a. Mt 18,15; Mk 8,36; 1 Kor 9,19-22; Phil 1,21; 3,7-8; Tit 1,11; 1 Petr 3,1). Drexhage, Hans-Joachim / Konen, Heinrich / Ruffing, Kai, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert). Eine Einführung, Studienbücher. Geschichte und Kultur der Alten Welt, Berlin 2002, 149-156.271-274. Duncan-Jones, Richard P., The Economy of the Roman Empire. Quantitative Studies, Cambridge 2 1982. Ernst, Michael, »… verkaufte alles, was er besaß, und kaufte die Perle« (Mt 13,46). Der émporos im Neuen Testament und in dokumentarischen Papyri, Protokolle zur Bibel 6 (1997), 31-46. Hinkelammert, Franz, Der Schuldenautomatismus, in: Kuno Füssel u. a., »… in euren Häusern liegt das geraubte Gut der Armen«. Ökonomisch-theologische Beiträge zur Verschuldungskrise, Fribourg / Brig 1989, 79-190. Hladik, Joe, Geld(ver)leih im Imperium Romanum zur Zeit Jesu. Seine Praxis und die dadurch verursachte Not der SchuldnerInnen, Protokolle zur Bibel 1 (1992), 115-133. Kellermann, Dieter, Art. bs2, ThWAT I, 1973, 731-36. ˙ Kloppenborg, John, The Tenants in the Vineyard: Ideology, Economics, and Agrarian Conflict in Jewish Palestine, WUNT 195, Tübingen 2006. Rupprecht, Hans-Albert, Kleine Einführung in die Papyruskunde, Die Altertumswissenschaft, Darmstadt 1994, 118-119 (ausführliche Lit.). Szaivert, Wolfgang / Wolters, Reinhard, Löhne, Preise, Werte. Quellen zur römischen Geldwirtschaft, Darmstadt 2005. Zwickel, Wolfgang, Die Wirtschaftsreform des Hiskia und die Sozialkritik der Propheten, EvTh 59 (1999), 356-377.

Peter Arzt-Grabner / Michael Ernst / Thomas Naumann

Gewohnheitsrecht 1. Grundlagen Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche prägen alle Bereiche des Zusammenlebens in alttestamentlicher Zeit. Sie stellen »Selbstverständlichkeiten«

dar, während nur ein Bruchteil der Abläufe durch explizite rechtliche Bestimmungen geregelt ist. Als Gewohnheitsrecht wird bezeichnet, was in rechtlichen Angelegenheiten und Auseinandersetzungen üblich, aber nicht ausdrücklich und schriftlich festgelegt ist. Formulierungen wie »so handelt man nicht« (2 Sam 13, 12; o. ä. Gen 20, 9; 29, 26; 34, 7) deuten darauf hin, dass hier ursprünglich Gewohnheitsrecht oder Sitten und Gebräuche vorlagen, selbst wenn inzwischen im Ganzen des Alten Testaments an anderer Stelle die entsprechenden Rechtsbestimmungen zu finden sind. Auch im Neuen Testament findet sich der Verweis auf Gewohnheit als Norm (1 Kor 11,16). Zur Zeit des Römischen Reiches verändern sich die Moralvorstellungen konservativer Philosophen von der gesellschaftlichen Stellung der Frauen. Sie meinen, nur durch strikte Moralgesetze und ihre Überwachung durch Männer könnten Frauen im Zaum gehalten werden (Schottroff 105117). Inhaltlich nehmen z. B. 1 Tim 1.2 und 1 Kor 14, 34.35 auf solche Vorstellungen Bezug. 2. Sozialgeschichtliche Zusammenhänge In der Sippe als Rechtsgemeinschaft entscheiden in Streitfragen Familienchefs oder Dorfälteste. Grundlage ihrer Entscheidungen ist i. d. R. das, was in der Sippe üblich und überliefert ist – Gewohnheitsrecht eben (Gen 38, 24-26; Rut 4, 1-12; 3 Rechtswesen / Rechtsprechung). Die Gewohnheiten verschiedener Gruppen, die sich in der Rechtsprechung bewährt haben, werden in Israel nach und nach zu Normen und Gesetzen. So ist im Lauf der Zeit für Israel eine Entwicklung vom Gewohnheitsrecht hin zu expliziten und schriftlich festgehaltenen Rechtsbestimmungen anzunehmen. Für die, die von der Rechtsprechung ausgeschlossen sind, d. h. Frauen, Fremde, Unfreie, SklavInnen und Kinder (3 Rechtswesen / Rechtsprechung) müsste sich die Lage mit der Verschriftlichung und Verfestigung von Gewohnheitsrecht zu expliziten Rechtsbestimmungen zumindest theoretisch verbessert haben: Denn während Gewohnheitsrecht den Konsens der Gruppe darstellt, der von den Mächtigen

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Glück

und Einflussreichen immer stärker bestimmt ist als von den übrigen, können im verschriftlichten Recht auch Schutzbestimmungen für Gruppen ohne Einfluss festgehalten werden (Ex 22, 20-26; Lev 19, 33 f.; Dtn 24,17-22), da diese schriftlichen Rechtsbestimmungen dann unabhängig von der jeweiligen Autorität existieren. Zu ihrer Durchsetzung sind allerdings weiterhin mächtige FürsprecherInnen nötig (Jes 10, 2). Nach 587 v. Chr. werden durch die geistliche Oberschicht die aus Gewohnheitsrecht zu Recht und Gesetz gewordenen Regelungen noch stärker sakralisiert, d. h. auf JHWH bezogen und so teilweise neu legitimiert. Im nachbiblischen Judentum findet sich eine intensive Rechtsdiskussion, die sich nicht nur auf die schriftliche Tora, sondern auch auf mündliche Tora, Halacha und Gewohnheitsrecht (minhag, dazu Perlmuter) gründet. Im frühen Christentum lässt sich eine Entwicklung von der Berufung auf die »Natur« (Röm 1, 26; 1 Kor 11, 14) hin zur Berufung auf das »Gesetz« im Sinne von Sitte und Tradition (1 Kor 14, 34; 1 Tim 1, 8 im Zusammenhang mit 2, 12) beobachten. Bei Paulus geht es in Röm 1, 26 und 1 Kor 11,14 um die Absolutsetzung einer Asymmetrie im Geschlechterverhältnis, die der Sitte, vielleicht auch dem Gewohnheitsrecht entspricht, aber faktisch als der Natur entsprechende Gegebenheit erklärt wird (zu Röm 1, 26 vgl. Brooten 215-266). In den nachpaulinischen Texten werden die Autorität des Paulus und das »Gesetz« für konkrete Maßnahmen zur Verdrängung von Frauen aus der Öffentlichkeit der Gemeinden in Anspruch genommen: Sie sollen schweigen und nicht lehren. Das »Gesetz«, auf das sich die Argumentation stützt, kann in 1 Kor 14, 24 und 1 Tim 1, 8; 2, 12 nicht schriftliche oder mündliche Tora sein, da dort diese Vorschriften für Frauen nicht zu finden sind, während sie Parallelen in hellenistisch-römischer Literatur haben (Crüsemann 210-214). Dieses »Gesetz« hat die nachneutestamentliche christliche Gemeindegestaltung stark beeinflusst.

Brooten, Bernadette, Love between Women, Chicago / London 1996. Crüsemann, Marlene, Unrettbar frauenfeindlich: Der Kampf um das Wort von Frauen in 1 Kor 14,(33b)34-35 im Spiegel antijudaistischer Elemente der Auslegung, in: Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hg.), Von der Wurzel getragen. Christlich-feministische Exegese in Auseinandersetzung mit Antijudaismus, Leiden u. a. 1996, 199-223. Gerstenberger, Erhard S. / Perlmuter, Hayim Goren, Art. Gewohnheit / Gewohnheitsrecht I, TRE 13, 241-248. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern, Gütersloh 1994.

Uta Schmidt / Luise Schottroff / Claudia Janssen

Glück Glück ist die gegenwärtig erfahrbare Fülle des Lebens, die Gott den Menschen schenkt. In der biblischen Tradition gibt es keinen dem deutschen Wort »Glück« entsprechenden Begriff. Am nächsten kommen einer Definition die Glücklichpreisungen, die mit 3aˇsre¯ bzw. makarios eingeleitet werden. Ansonsten wird vom Glück erzählt, gebetet und gesungen. Glück findet im alltäglichen Leben statt. Glücklich ist eine Frau nach der Geburt (Gen 30, 13) oder ein Familienvater über seine Familie (Ps 127, 5). Glück ist, wenn Menschen geheilt (Apg 3, 8) oder gesättigt werden (Mk 6, 41-44). Was Glück bedeutet, lässt sich in den Momenten erfahren, in denen das Leid aufgehoben, in denen Resignation überwunden wird (Mt 5, 3-12). Bilder vom Glück beziehen ihre Kraft aus der alltäglichen Erfahrung von Gewalt, Hunger und Verfolgung, die sie als überwunden beschreiben: Ohne feindliche Bedrohung sitzen die Menschen »unter Weinstock und Feigenbaum« (Mi 4, 4), Alt und Jung treffen sich auf den Plätzen der Stadt (Sach 8, 4 f.), Geschwister leben einträchtig beieinander (Ps 133). Als regelrechter Traktat über das Glück im Kontext der zeitgenössischen hellenistischen Philosophie lässt sich das Buch Kohelet verstehen (Schwienhorst-Schönberger). Kohelet bindet das

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Glück an die Gottesbeziehung, indem er es als Gabe Gottes beschreibt, der von Seiten des Menschen die Gottesfurcht entspricht. Zugleich lehnt er es scharf ab, die Erwartung von Glück ins Jenseits oder die Zukunft zu verlegen. Vielmehr ist Glück im täglichen Leben zu erfahren (carpediem-Motiv), jedoch nicht in der Fülle des Reichtums – da ist »alles Windhauch« –, sondern im bescheidenen Genuss. Dass jede Aussage über das Glück zu einer Aussage über die Beziehung zwischen Menschen und Gott wird, ist ein Grundtenor biblischer Tradition. Glücklich sind das Volk Israel (Dtn 33, 29; Ps 33, 12; 89, 16) und einzelne Menschen (Ps 65, 5; 94, 12; 146, 5), denen Gott sich zuwendet. Glücklich ist auch, wer sich Gott zuwendet. Glück kann direkt darin bestehen, dass Menschen Gott vertrauen (Ps 34, 9), dass ihnen Schuld vergeben ist (Ps 32, 1 f.) oder sie sich in der – auch räumlich gedachten – Nähe Gottes befinden (Ps 84, 5 f.). Glück entsteht aber auch indirekt als Folge des Studiums der Tora (Ps 1, 1), der Übung von Gerechtigkeit (Ps 106, 3) oder der Hinwendung zu den Schwachen der Gesellschaft (Ps 41, 2). Weil die Gottesbeziehung der Kern der Glückserfahrung ist, bedeutet Glück nicht einfach die Abwesenheit allen Leidens und existentieller Not. Deshalb macht der Erwerb von Weisheit glücklicher als der von materiellen Gütern (Spr 3, 13 f.). Glück ist die Erfahrung der Nähe Gottes – auch in schwierigen Situationen (Röm 8, 38-39). In der Abendmahlstradition wird das messianische Mahl vorweggenommen (Mk 14, 17-25), das Essen in der Basileia Gottes, der Utopie des Glücks und der Gerechtigkeit. Eschatologische Freude kann jetzt gespürt werden, in den Momenten, in denen Menschen das Leben als von Gottes Gegenwart durchdrungen und verwandelt erleben (Lk 1, 4148). Glück ist aber auch immer ersehntes Glück, das Vertrauen auf die Wirklichkeit ewig lebendigen Lebens, in dem Tod und die Macht der Sündenherrschaft ein Ende haben (Röm 6, 22 f.). Auferstehungstexte beschreiben dieses Glück als Leben in der Fülle Gottes, das den Erfahrungen von Ohnmacht, Gewalt und Erniedrigung gegenübergestellt wird (1 Kor 15, 42-44).

Schwienhorst-Schönberger, Ludger, »Nicht im Menschen gründet das Glück« (Koh 2, 24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie, HBS 2, Freiburg 2 1996. Ders., Kohelet, HThKAT, Freiburg u. a. 2004. Standhartinger, Angela, Glück in der Bibel, in: Ilona Nord / Fritz Rüdiger Volz (Hg.), An den Rändern. Theologische Lernprozesse mit Yorick Spiegel, Münster 2005, 347-360. Sutter Rehmann, Luzia / Metternich, Ulrike / Rapp, Ursula (Hg.), Zum Leuchten bringen. Biblische Texte vom Glück, Gütersloh 2006.

Claudia Janssen / Rainer Kessler

Gnade 1. Ausgangspunkt: heutiger Sprachgebrauch Den deutschen Wörtern »Gnade« (in LÜ 299, in EÜ 213 Belege) und »gnädig« (in LÜ 128, in EÜ 80 Belege) liegen im hebräischen Sprachgebrauch des Alten Testaments meist das Verb hnn sowie ˙ die Substantive h¯en, ra¯s¯on und hæsæd, gelegent˙ ˙ ˙ lich aber auch das Verb rhm und das Substantiv ˙ rahamı¯m und im griechischen Sprachgebrauch ˙ des Neuen Testaments meist das Nomen charis zugrunde. Demnach gibt der deutsche Schlüsselbegriff »Gnade« nicht unmittelbar biblischen Sprachgebrauch wieder, sondern fasst ganz unterschiedliche biblische Redeweisen unter einen deutschen Begriff zusammen und impliziert damit einen signifikant prägenden Zugriff auf heterogene Vorstellungen biblischer Texte. 2. Im Sprachgebrauch der hebräischen Bibel a) h¯en, »Gunst«. Das Substantiv h¯en (70 Belege; in ˙ ˙ LÜ 47 mal mit »Gnade« wiedergegeben) bezeichnet die freundliche, gütige, ungeschuldete Zuwendung eines sozial Übergeordneten zu einem Untergeordneten, die am besten mit »Gunst« oder »Zuneigung« wiederzugeben ist. Es ist nur im Singular belegt und bezieht sich demnach nicht auf einzelne Akte der Zuneigung, sondern auf die Empathie des Übergeordneten

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Gnade

(König: 1 Sam 16, 22; 27, 5; Kronprinz: 1 Sam 20, 3.29; Vezir: Gen 47, 25) zu seinem Untergebenen, die in einzelnen Gunsterweisen ihren Ausdruck findet. Auch die häufig bezeugte Formel ma¯s¯a3 h¯en ˙ ˙…« be2¯ejne¯ … »Gunst finden in den Augen von gründet, wie Ergebenheitsbezeugungen in Anreden und Selbstvorstellungen (1 Sam 1, 18; Rut 2, 10.13) zeigen, in einer höfischen Sprachwelt. Dabei stellt das Substantiv h¯en eine Ableitung ˙ der Verbwurzel hnn dar, die im Deutschen man˙ gels eines entsprechenden Verbs nicht adäquat übersetzt, sondern nur umschrieben werden kann (99 Belege; in LÜ 4 mal mit »Gnade« und 37 mal mit »gnädig« wiedergegeben). Diese Gunstgewährungen gründen nicht nur in der Großzügigkeit des Übergeordneten, sondern gelegentlich auch in Qualitäten des Untergeordneten, etwa in dessen Not (Hi 19, 21), oder in spezifischen Stärken, die der Übergeordnete für sich zu nutzen gedenkt (Gen 39, 4; 1 Sam 16, 22). Dabei geht das Augenmerk in späten Texten zusehends vom Spender auf den Empfänger der Gunst über (Spr 22, 1), weshalb h¯en auch als Ei˙ genschaft des Begünstigten erscheinen kann und dann mit »Anmut« oder »Lieblichkeit« als Grund der Zuwendung übersetzt werden muss. Wenn Gott als Spender von h¯en auftritt, tritt ˙ naturgemäß der Aspekt der freien Zuwendung stärker in den Vordergrund, doch fehlt es nicht an Belegen, in denen Gottes Zuwendung entweder mit der Notlage (Ps 25, 16; 31, 10; 56, 2) oder dem Hilfsbegehren der betroffenen Menschen begründet (Ps 57, 2; 86, 3), zuweilen aber auch an Bedingungen geknüpft wird (1 Kön 8, 33.47; 2 Chr 6, 24.37). b) ra¯s¯on, »Zorn« und »Wohlgefallen«. Das Substantiv ˙ra¯s¯on (56 Belege; in LÜ 13 mal mit »Gnade« und 1˙mal mit »gnädig« wiedergegeben) hingegen verschiebt den Akzent so stark auf die emotionale Seite, dass es »Zorn« (Gen 49, 6) und »Wohlgefallen« (Spr 16, 15; 19, 12) gleichermaßen bedeuten kann und in der zweitgenannten, häufigeren Bedeutung nicht selten auf Gottes erhofftes »Wohlgefallen« angesichts eines untadeligen Opfers (Lev 22, 19 ff.; Jes 56,7) begegnet.

c) rhm. Die Wurzel rhm weist in einen ganz ˙ ˙ anderen Bereich. Denn das Substantiv ræhæm be˙ zeichnet den Mutterschoß, und das Substantiv rahamı¯m (40 Belege; meist mit »Erbarmen« wie˙ dergegeben) sowie das Verb rhm (47 Belege, meist ˙ im Pi’el; meist mit »barmherzig« wiedergegeben) sind entsprechend mit der unverbrüchlich liebenden Zuwendung einer Mutter (Jes 49, 15) an ihr Kind konnotiert, können aber auch von einem Vater (Ps 103, 13) oder von Feinden (1 Kön 8, 50; Jes 13, 18) ausgesagt und – wie in der Mehrheit aller Belege – auf Gottes Zuwendung zu seinem Volk (Gen 43,14; Dtn 13, 18; 1 Kön 8, 50) übertragen werden, von wo aus das Partizip Piel merah¯em in späten Texten (Jes 49, 10; 54, 10; Ps ˙ 116, 5) zum Gottesprädikat wurde, impliziert also (außer in Ps 18, 2) ebenfalls stets ein Gefälle der Zuwendung eines sozial Höheren zu einer oder einem Untergebenen. d) hæsæd, »Gunsterweis«. Dagegen bezieht sich ˙ das Substantiv hæsæd (256 Belege; in LÜ 55 mal ˙ mit »Gnade« und 13 mal mit »gnädig« wiedergegeben) schließlich nicht auf die Haltung des Gewährenden, sondern auf einzelne Akte seiner Güte oder Freundlichkeit; es ist entsprechend auch im Plural belegt (Gen 32, 11; Jes 55, 3) und kann mit den Verben 2¯a´s¯ah »tun« (Gen 24, 12) und na¯tan »geben« (Mi 7, 20) verbunden werden. Dabei setzt hæsæd – anders als h¯en und rhm – ˙ ˙ ˙ kein soziales Gefälle voraus. So wird öfter erwartet, dass der Empfänger von hæsæd dem Spender ˙ mit einem ebensolchen hæsæd-Erweis korrespon˙ diert (Gen 21, 23; Jos 2, 12.14), wobei die formelhafte Verbindung hæsæd we-3æmæt »Güte und ˙ Vertrauen« (Gen 24, 49; 47, 29; Jos 2, 14) auf die erwartete Zuverlässigkeit der Beziehung anspielt. 3. Charis im biblisch-griechischen Sprachgebrauch In der Septuaginta steht das griechische charis meist für das hebräische h¯en. Charis bezeichnet ˙ die positive Qualität einer Beziehung: »Gnade finden« im Sinne von Wohlgefallen finden oder »Gnade geben / erhalten« im Sinne von Ansehen schenken / erhalten. Im Neuen Testament nehmen Lukas und die Apostelgeschichte diese For-

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mulierungen dort auf, wo sie bewusst biblischen Stil imitieren wollen (Lk 1, 30; 2, 40.52; Apg 7, 46). In der deuterokanonischen Literatur finden sich die biblischen Formulierungen charis kai eleos (Weish 3, 9; 4,15; vgl. 1 Tim 1, 2; 2 Tim 1, 2; 2 Joh 3) und »Gnade finden« (Sir 1, 13; 3, 18; 6, 18 u. ö.). Charis wird nun aber auch als eine objektive Übereignung vorgestellt (Weish 8, 21: »Geschenk Gottes«; Sir 7, 33; 12,1; 17, 22; 20, 16; vgl. Lk 6, 32-34; 17, 9). Sehr häufig steht charis auch für Anmut, Schönheit (20, 13; 24, 16; 26, 13.15 u. ö.). Das wichtigste Geschenk Gottes ist die Weisheit, die Einsicht in seine Schöpfung (Weish 8, 20 f.). Der chaotische Zustand der heidnischen Welt hat eine seiner Ursachen in der Missachtung dieser Gnadengabe (Weish 14, 25 f.). Der Zusammenhang zum biblischen Begriff h¯en reißt zwar nicht ganz ab, insofern meist Gott ˙ als Urheber der Gnade vorgestellt wird, er hat sich aber doch so gelockert, dass die einfachen hellenistischen Bedeutungen Gabe, Geschenk, Dank oder Anmut auch begegnen. Charis bekommt eine Bedeutung, die den Rahmen der Gott-Mensch-Beziehung überschreitet und die irdische Erfahrungen von Schönheit, Wohlergehen und Erfolg einbezieht. Sozialgeschichtlich bedeutsam ist der Gebrauch des Begriffs im hellenistischen Euergetismus. Charis bezeichnet dort sowohl die Wohltat (»Gabe«) des Herrschers selbst als auch den Dank (»ehrende Anerkennung«) der Beherrschten für diese Wohltat. Damit ist auch das Judentum vertraut (Philo legat. 60; 88; 147; 158; 253; 287 u. ö.). Auch die jüdischen Gemeinschaften (politeuma) nehmen am Austausch von Gunsterweisen und Ehrungen teil (CJZC Nr. 71). Im römisch-hellenistischen Benefizialwesen kann mit charis das Medium des dynamischen Austauschs von Wohltaten und ehrender Anerkennung für die Wohltaten bezeichnet werden (daneben aber auch time, epainos u. a.). Die hellenistische Vorstellung des Wohltäters ist längst in die römische politische Propaganda der Caesaren integriert. Die Leistungen des Herrschers, insbesondere seine Wohltaten, legitimieren seinen Herrschaftsanspruch und integrieren die vielen Völker, vor

allem aber deren Eliten, in das römische Imperium (Aug. r.g.). Das Neue Testament ist da kritisch (Lk 22, 25: »die Herrscher lassen sich Wohltäter nennen.«). Paulus setzt sich intensiv mit den politischen Hintergründen des Begriffs auseinander und bezieht diese Vorstellungen in sein charis-Konzept mit ein. Paulus gestaltet das Briefformular um. Während der hellenistische Brief als Grußformel nur das chairein (»Gruß«) kennt und in der Regel mit dem allgemeinen errosthe (»lebt wohl«) oder eutycheite (»gehabt euch wohl«) endet, stellt Paulus charis in den Mittelpunkt. Der Eingangsgruß lautet in der Regel, »Gnade sei mit euch und Friede von Gott« (Röm 1, 7; 1 Kor 1, 3; 2 Kor 1, 2; Gal 1, 3; Phil 1, 2; 1 Thess 1, 1; Phlm 3), der Schlussgruß »die Gnade unseres Herrn Jesus (Christus) sei mit euch« (Röm 16, 20; 1 Kor 16, 23; 2 Kor 13, 13; Gal 6, 18; Phil 4, 23; 1 Thess 5, 28; Phlm 25). Charis wird zum Leitbegriff paulinischer Gemeindekommunikation. Charis hat eine besondere Bedeutung für die soziale Realität der paulinischen Gemeinden. Die Gemeinde verfügt über durch den Geist gewirkte Gnadengaben (charismata). Sie gehören der Gemeinde (Röm 1, 11; 1 Kor 1, 7; 2 Kor 1, 11) und werden für die Gemeinschaft eingesetzt (Röm 12, 6; 2 Kor 12, 4-11.28-31). Paulus nennt als Charismen in der Gemeinde: Prophetie, Diakonie, Lehre, Trost, Heilung, Weisheitsworte, Machttaten, Unterscheidung der Geister, Zungenreden und Übersetzung des Zungenredens. Die Charismen begründen keine Hierarchie (1 Kor 7, 7), sondern vertiefen die egalitäre Struktur, indem sie als Medien des wechselseitigen Austauschs fungieren (1 Kor 12, 28-31) und auf die eine größere Gnadengabe verweisen (1 Kor 12, 31), mit der Paulus wohl das ewige Leben meint (Röm 6, 23). Das Charisma des Paulus ist sein Apostolat (Röm 1, 5; 12, 3.6; 15,15; 2 Kor 3, 10; Gal 2, 9), dessen Besonderheit in der Sendung zu den Heiden besteht (Gal 1, 16). Es handelt sich bei charis um eine relationale und kommunikative Kategorie. Charis wird zudem mit einer dynamischen Begrifflichkeit verbunden. Das quantitativ konnotierte Verb »über-

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Gnade

fließen« (perisseuein) und das Substantiv »Überfluss« (perisseia) dienen dazu, die Dynamik und die Produktivität der Gnade herauszustellen (Röm 5, 15-21). Diese Dynamik des Überfließens ist durchaus nicht metaphorisch oder paradox gemeint, sondern manifestiert sich in den konkreten Medien des Austauschs zwischen den Aposteln und ihren Gemeinden, nämlich in Lohn, in Unterhalt und in anderen Formen materieller Unterstützungen. Am konkretesten wird dieses Verständnis von Gnade schließlich in der Kollekte der paulinischen Gemeinden für Jerusalem (2 Kor 8,1.4.6 f.19; 2 Kor 9, 8.14). Die Geldsammlung der Gemeinden Achaias und Makedoniens ist charis (2 Kor 8, 1). Der Vollzug der Geldsammlung als Ereigniswerdung der charis ist Imitation des Christusgeschehens, denn auch die Gnade Jesu bestand darin, dass er, der reich war, arm geworden ist, damit er durch seine Armut die Gemeinden reich mache (2 Kor 8, 9). Dadurch gewinnt das Gnadengeschehen bei Paulus eine neue Qualität. Nicht der überlegene Herrscher oder der über grenzenlose Ressourcen verfügende Schöpfergott wandelt Armut in Reichtum, sondern die Gemeinde selbst schafft aus ihrer tiefen Armut Reichtum (2 Kor 8, 2). In der paulinischen Fassung der rechtfertigenden Zuwendung Gottes zu den Sündern (Röm 3, 23) und zu den Gottlosen (Röm 4, 5; 5, 6) ist die Gnade der Ermöglichungsgrund der Sündenvergebung (Röm 3, 24; 4,16) und tritt an die Stelle des biblischen Verständnisses von Strafverschonung, was in der Septuaginta eher mit eleos, eleein ausgedrückt wird. Das Übermaß der göttlichen Gnade selbst ist dynamisch und produktiv. Sünder werden zu Gerechten, Gottlose zu Gliedern der Gemeinde Gottes. Das Barmherzigkeitshandeln der Gemeinde, die Kollekte und die Unterstützung der Apostel wirken auf diesen produktiven Prozess der Gott-Mensch-Beziehung ein. Sie befördern in der konkreten Hilfeleistung das Zunehmen (»Überfließen«) der Gnade. Dieser Prozess wiederum wirkt für die Gemeinde ewiges Leben (Röm 5, 21; 6, 23: zoe aionios) und lässt den majestätischen Lichtglanz Gottes bzw.

Christi, seine Herrlichkeit (doxa) aufleuchten (2 Kor 8, 19.23). Die römisch geprägten Hörer der paulinischen Gnadenverkündigung werden die von Paulus mit charis verbundene Vorstellung des dynamischen Austauschs mit den Konventionen und mit der Terminologie der reziproken Ethik des Benefizialwesens verbunden haben (Harrison). Der biblische Gnadenprozess zielt auf die Integration der Sünder und Gottlosen, die dadurch zur Solidarität mit den Armen befähigt sind (Röm 15, 26; Gal 2, 10). Es entsteht ein Austausch, der Mehrwert produziert und u. a. geistliche Güter gegen fleischliche Güter eintauscht (Röm 15, 27). Charis bezeichnet die produktive und egalitäre soziale Realität der Gemeinde im kritisch diskursiven Gegenüber zur unproduktiven und hierarchischen Realität der politischen Umwelt zur Zeit des römischen Imperiums. Außerhalb des paulinischen Sprachgebrauchs flacht die Bedeutung von charis ab. Bereits in den Pastoralbriefen setzt sich das biblische eleos wieder durch (1 Tim 1, 2; 2 Tim 1, 2.16.18; Tit 3, 5). Das gilt möglicherweise auch für das Johannesevangelium, das charis ausschließlich im Prolog verwendet (Joh 1, 14.16 f.). Dennoch bleibt charis ein zentraler Begriff, wenn es darum geht, die Zusagen, die im Handeln Gottes und im Handeln der Menschen liegen, zum Ausdruck zu bringen. Franz, Matthias, Der barmherzige und gnädige Gott, Die Gnadenrede vom Sinai (Exodus 34, 6-7) und ihre Parallelen im Alten Testament und seiner Umwelt, BWANT 160, Stuttgart 2003. Georgi, Dieter, Der Armen zu gedenken, Die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem, Neukirchen-Vluyn 2 1994. Harrison, James R., Paul’s language of grace in its GraecoRoman context, WUNT II/172, Tübingen 2003. Theobald, Michael, Die überströmende Gnade, Studien zu einem paulinischen Motivfeld, fzb 22, Würzburg 1982. Zeller, Dieter, charis bei Philon und Paulus, SBS 142, Stuttgart 1990.

Klaus Bieberstein / Lukas Bormann

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»Götze« / »Götzendienst«

»Götze« / »Götzendienst« Die seit Luther mit Götze / Götzendienst aus der Hebräischen Bibel übersetzten Worte zeigen einen falschen Gottesdienst an und werden häufig im Plural verwendet, um den Gegensatz zu dem einen Gott JHWH herauszustellen. Zu ihnen gehören (3ælı¯lı¯m) – Nichtse – z. B. Ps 96, 5; Jes 2, 8.18.20; sowie (2¯as¯ab) – Krampfgebilde – z. B. 2 Sam 5, 21; Hos 4, ˙17; 14, 9; (gillu¯lı¯m) – Steinbrocken / Kotballen – z. B. 2 Kön 17, 12; Ez 6, 4 ff.; (sˇiqqu ¯sı¯m) – Scheusale – z. B. 2 Kön 23, 24; Jer 4, 7; 7, 30 etc. Auf das Material der Herstellung der abgelehnten Götterbilder weisen (pæsælı¯m) – Schnitzbild – z. B. Ex 20, 23; 34,17; Lev 19, 4; 26, 1; Dtn 4, 1519, (mase¯ka¯h) gegossenes Gottesbild – z. B. Dtn 9,12; 2 Kön 17, 16, (sæmæl) – steinernes Gottesbild – z. B. Dtn 4,16; 2 Chr 33, 15, Ez 8, 3.5. Da sich die kostspielige Herstellung dieser Götterbilder nur Angehörige einer kleinen Oberschicht leisten konnten, beinhaltet die Kritik einen sozialkritischen Aspekt (vgl. Ri 17,1-6; Jost). Während in der älteren Forschung die Auffassung vorherrschte, dass Israel von Anfang an JHWH allein verehrte und die Polemik in dem Augenblick entstand, als Israel mit kanaanäischen Gottheiten in Berührung kam, hat sich in der neueren Forschung die These durchgesetzt, dass die polemischen Texte ein spätes Produkt gelehrter Theologie sind, auch wenn mit Traditionen eines bilderlosen JHWH-Kultes und monolatrischen Tendenzen schon früher gerechnet werden kann. Texte wie die Kritik am Kult der Himmelskönigin (Jer 7, 17-18 und Jer 44,15-25) und die königskritischen Aussagen der Königsbücher (2 Kön 21, 3; 23, 6) weisen darauf hin, dass in der Volksfrömmigkeit wie auch in der Staatsreligion der Königszeit JHWH zusammen mit anderen Göttinnen und Göttern verehrt wurde. Neben Figurinen nackter Frauen aus Ton belegen die Funde aus Kuntillet 3Agrud und Hirbet el Qom, dass im 8. Jh. v. Chr. Aschera als JHWHs Paredros verehrt wurde (Jost). Als Hausgötter waren Teraphim (Gen 31, 30), Statuetten vergöttlichter Ahnen, die als Orakel dienen konnten (Sach 10, 2),

in Gebrauch. Erst seit der Perserzeit, nachdem sich ein theoretischer Monotheismus herausgebildet hatte, werden andere Götter als nicht existent verspottet (Jes 44, 6-20). Im Hintergrund steht der Versuch Israels, sich durch Abgrenzung nach außen innerlich zu festigen – ein Prozess, der schon in der spätvorexilischen Zeit begann. In diesen Zusammenhang gehört auch der Topos der fremden Frauen, die zum Götzendienst verführen (vgl. 1 Kön 11; Num 25, 11 ff.), die biblische Polemik, Götzendienst als »Hurerei (za¯na¯h) hinter anderen Gottheiten her« (Ex 34, 15 f.) oder »von JHWH weg« (Hos 1, 2; 4,12; 9, 1; vgl. allg. Hos 1-3; Jer 2-3; Ez 16; 23) zu verstehen, und die (von der Forschung fortgeschriebene) Tendenz, durch eine entsprechende Metaphorik den weiblichen Anteil als den eigentlich problematischen besonders zu betonen. Dahinter steht die wachsende Bedeutung der Familien und damit verbunden der Frauen für die Religion (Wacker). Das Wort eidolon wird im profanen Griechisch nur selten für Götterbild verwendet, so dass in der Septuaginta und im Neuen Testament, wenn das Wort eidolon verwendet wird, ein spezifischer Gebrauch vorliegt. In Lasterkatalogen (1 Kor 5, 10; 6, 9 f.; Gal 5,19 ff.; Kol 3, 5; 1 Petr 4, 3) wird wie im nachbiblischen Judentum der Dienst an fremden Göttern auf eine Stufe mit Unzucht, Zügellosigkeit, Habgier etc. gestellt. Wie für das Judentum gilt für Paulus: Es gibt keine Götter neben Adonaj (1 Kor 8, 4; 10,19; Gal 4, 8), sie sind das Werk von Menschen (Röm 1, 23). Deshalb ist der Verzehr von Opferfleisch grundsätzlich erlaubt. Um aber den im Glauben Schwachen keinen Anstoß zu geben, sollen die Starken verzichten (1 Kor 8, 1-13; 10, 23-11,1). Die Teilnahme an kultischen Opfermahlzeiten wird von ihm aber strikt abgelehnt, da dahinter Dämonen stehen könnten (1 Kor 10, 14-22).

Dietrich, Walter / Klopfenstein, Martin A. (Hg.), Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte, OBO 139, Fribourg / Göttingen 1994. Heil, Christoph, Die Ablehnung der Speisegebote durch

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Gottesdienst

Paulus. Zur Frage nach der Stellung des Apostels zum Gesetz, BBB 96, Weinheim 1994. Jost, Renate, Frauen, Männer und die Himmelskönigin, Gütersloh 1995. Dies., Der Fluch der Mutter. Feministisch-sozialgeschichtliche Überlegungen zu Ri 17,1-6, in: Ulrike Bail / Renate Jost (Hg.), Gott an den Rändern. Ein Lesebuch zur sozialgeschichtlichen Bibelauslegung, München / Gütersloh 1996, 17-23. Keel, Othmar / Uehlinger, Christoph, Göttinnen, Götter und Gottessymbole, Freiburg i. Br. 4 1998. Preuß, Horst Dietrich, Verspottung fremder Religionen im AT, BWANT 92, Stuttgart 1971. Schroer, Silvia, In Israel gab es Bilder, OBO 74, Fribourg / Göttingen 1987. Wacker, Marie-Theres, Art. Götzendienst I, Altes Testament, LThK IV, 1995, 960-962.

Renate Jost

Gottesdienst In gottesdienstlichen Handlungen, Ritualen und Kultformen realisiert sich die Gottesbeziehung und drückt sich zugleich das identitätstiftende kollektive religiöse und kulturelle Bewusstsein einer Gemeinschaft aus. Auf der Grundlage gemeinsamer Feiern und Opferdarbringungen (3 Opfer) einzelner Familien und Sippenverbände zur Verehrung der Gottheit gewinnt in der Zeit der Könige Israels und Judas der regelmäßige Opfergottesdienst am Jerusalemer 3 Tempel als dem materiellen und empirisch fassbaren Zentrum der gemeinschaftlichen JHWH-Verehrung Gestalt und Bedeutung. In nachexilischer Zeit wird dabei der Aspekt der allgemeinen Sühnefunktion des Opferkultes (Lev 17, 11; Ps 65, 2-5 u. ö.) immer wichtiger. Die in der Perserzeit forcierte Forderung nach einer Kultzentralisation in Jerusalem schlägt sich vor allem in der zunehmenden politischen und sozioökonomischen Relevanz des zentralisierten Opferkultes nieder. Außerbiblisches und archäologisches Material weist auf den Fortbestand kanaanäischer Mythologumena und Riten in Teilen der jüdischen Bevölke-

rung noch in spätnachexilischer und hellenistischer Zeit hin. Im Mittelpunkt des täglichen Opfergottesdienstes im nachexilischen Jerusalemer Tempel, der in Entsprechung zur Kultgesetzgebung der Tora am frühen Morgen und am späten Nachmittag vor den Augen der im Vorhof der Israeliten versammelten Gemeinde stattfand, stand (neben der Darbringung des Räucheropfers im Heiligtum) die Darbringung des täglichen Brandopfers auf dem 3 Altar im Priestervorhof. Die Reorganisation der Jerusalemer Priesterschaft gegen Ende der Perserzeit führte zu dem Konzept der 24 priesterlichen Dienstabteilungen (1 Chr 24, 7 ff.; Neh 12, 12-20). Die Angehörigen dieser Dienstabteilungen, denen man durch Familienzugehörigkeit angehörte, kamen in der Spätzeit des Zweiten Tempels aus ihren verschiedenen Wohnorten im ganzen Land, wo sie vorwiegend von der Landwirtschaft lebten, in regelmäßigen Abständen zur Verrichtung ihres siebentägigen Opferdienstes nach Jerusalem (vgl. Lk 1, 8). Dem Opfertier wurde, nachdem es als makellos erkannt worden war, von einem Priester (3 Priester / Leviten) die Hand aufgestemmt, sodann wurde es geschlachtet und sein Blut an die Ecken des Altars gesprengt. Das Tier wurde zerteilt und ganz oder teilweise im Feuer verbrannt. Die Opferanteile kamen entweder Gott selbst, dem Heiligtum oder dem hier amtierenden Kultpersonal zu. Die mehr oder weniger prestigeträchtigen Priesterdienste bei den täglichen Opfern, den Fest- und Privatopfern (vgl. Neh 10, 35) wurden nach einer Notiz in der späteren rabbinischen Überlieferung durch ein Losverfahren festgelegt (mJoma II 2). Seit der Zeit des babylonischen Exils bildete sich neben dem Jerusalemer Tempelkult und der privaten häuslichen Frömmigkeit (Gebete; Mahlgemeinschaften; Feste) mit der regelmäßigen öffentlichen Toralesung und dem gemeinschaftlichen Gebet in der 3 Synagoge eine weitere Form des jüdischen Gottesdienstes heraus. Vor allem aufgrund der Exklusivitätsforderung des zentralisierten Opferkultes im Jerusalemer Tempel mussten die hellenistisch-jüdischen Gemeinden

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– zunächst in der Diaspora – ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte in der 3 Synagoge, die in ein abendliches Gemeinschaftsmahl münden konnten, betont unkultisch gestalten. Erst nach der Tempelzerstörung und dem Ende des Opferkultes (70 n. Chr.) kam es zur sukzessiven Übernahme von Funktionen und Symbolen des Tempels durch die Synagoge (z. B. Duchan, Menora, Toraschrein an der Stelle des Allerheiligsten); ebenso traten die Gebetszeiten bald an die Stelle der Opferzeiten. Die vielfältigen gottesdienstlichen Formen und Praktiken des zeitgenössischen Judentums in Tempel und Synagoge und auch die Versammlungen paganer Vereine und Mysterienkulte bildeten den Rahmen zur Ausgestaltung der frühchristlichen Gottesdienste, die zunächst noch keine einheitliche Gestalt hatten. Die ersten judenchristlichen Gemeinden nahmen am Tempelkult in Jerusalem (Apg 2, 46; 3, 1; 5, 21) und den gottesdienstlichen Versammlungen in den Synagogen teil; in der Evangelienüberlieferung begegnen sowohl Tempel (Lk 2, 46-49; Mk 11, 15-17 par; Joh 18, 20 u. ö.) als auch Synagoge (Mk 1, 39 par; 6, 2 par; Joh 6, 59 u. ö.) als Wirkungsstätten Jesu. Die Mahlgemeinschaften Jesu mit sozial Ausgestoßenen (Mk 2,15-17 par; 6, 35-44 par u. ö.) formulieren in der Aufhebung gesellschaftlicher Schranken und in der zeichenhaften Realisierung sozial gerechter Verhältnisse auch einen Anspruch an die Alltagswirklichkeit der nachösterlichen Gemeinden; die Einbeziehung marginalisierter Gruppen in das Mahlgeschehen entspricht der zunächst ahierarchischen Binnenstruktur der 3 Ekklesia und ihrer Gottesdienste (vgl. 1 Kor 12, 13). In der Apostelgeschichte beginnt der paulinische Missionsaufenthalt an einem Ort stereotyp in der lokalen Synagoge (Apg 13, 5.14; 14, 1; 17, 1 f. u. ö.). Das eigenständige charismatische Selbstbewusstsein der Christusgläubigen führte jedoch bald zum Entstehen eigener gottesdienstlicher Versammlungsformen. Deren konstitutive Gestaltungselemente nahmen sowohl Strukturen des Opferkultes im Jerusalemer Tempel als auch der synagogalen Wortgottesdienste und der

häuslichen Mahlgemeinschaften jüdischer Familien und Vereine in sich auf. Zentrum der Gottesdienste der ersten christlichen Gemeinden, die bald regelmäßig am ersten Tag der Woche, dem »Tag des Herrn« (1 Kor 16, 2; Apg 20, 7) stattfanden, war die familiäre Gemeinschaft bzw. das private Haus. Gottesdienstliche Leitungsaufgaben wurden dabei zumeist von den Hauseltern ausgeübt. Das Brotbrechen (Apg 2, 46; 20, 7), d. h. das gemeinsame Essen und Trinken als symbolhafte Grunderfahrungen des Lebens während der regelmäßigen abendlichen Mahlfeiern, bei denen eucharistisches Mahl und Sättigungsmahl zunächst noch miteinander verbunden waren (vgl. 1 Kor 11, 23-25), wurde zum Ausdruck der Gemeinschaft und des Bekenntnisses der Getauften (vgl. 1 Kor 1, 15 f.; Apg 2, 38.41) zu Jesus Christus (vgl. 1 Kor 11, 20). Neben der Mahlfeier wurden in den Gottesdiensten der frühen christlichen Gemeinden die jüdischen Heiligen Schriften verlesen und aktualisierend ausgelegt (2 Kor 3,14; vgl. 1 Tim 4,16). Sie wurden dabei (Apg 5, 42; 10, 33; 16, 32 u. ö.) »auf Christus hin« interpretiert, d. h. als Schlüssel für das Verstehen des in Jesus Christus geschehenen Handeln Gottes. Während des Gottesdienstes wurden auch die Briefe der Apostel verlesen (1 Thess 5, 27; Kol 4, 16; Apg 15, 30 f.). Von ekstatischen und pneumatischen Phänomenen während solcher Wortgottesdienste zeugt 1 Kor 14, 22-26. Begleitet wurden Mahlfeier und Wortgottesdienst von gemeinsamen Gesängen (Kol 3, 16; Eph 5, 19) und Gebeten (Apg 1, 13 f.; 4, 23-31; 12, 12; 1 Tim 2,1). 1 Kor 11, 5 dokumentiert die aktive Teilnahme von Frauen am öffentlichen Gottesdienst (vgl. Apg 1, 14); das Schweigegebot für Frauen in 1 Kor 14, 33b-35 ist vielleicht ein nachpaulinischer Zusatz, der dann der frühkirchlichen Tendenz der Zurückdrängung von Frauen entspricht, wie sie u. a. die Pastoralbriefe bezeugen (vgl. 1 Tim 2, 9-15). Auf der Basis der frühchristlichen Gottesdienste entwickeln sich seit dem 2. Jahrhundert liturgische Formen, die sich zunehmend verfestigen.

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Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin

Cullmann, Oscar, Urchristentum und Gottesdienst, AhThANT 3, Zürich 4 1962. Hahn, Ferdinand, Der urchristliche Gottesdienst, SBS 40, Stuttgart 1970. Klinghardt, Matthias, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13, Tübingen / Basel 1996, insb. 252267; 333-347. Kraus, Hans-Joachim, Gottesdienst in Israel. Grundriß einer Geschichte des alttestamentlichen Gottesdienstes, München 2 1962. Salzmann, Jorg Christian, Lehren und Ermahnen. Zur Geschichte des christlichen Wortgottesdienstes in den ersten drei Jahrhunderten, WUNT 2, 59, Tübingen 1994. Wick, Peter, Die urchristlichen Gottesdienste, BWANT 150, Stuttgart 2 2003. Williamson, Hugh G. M., The Origin of the Twenty-Four Priestly Courses: A Study of 1 Chronicles xxiii – xxvii, in: John A. Emerton (Hg.), Studies in the Historical Books of the Old Testament VT.S 30, Leiden 1979, 251268. Zwickel, Wolfgang, Der Tempelkult in Kanaan und Israel, FAT 10, Tübingen 1994.

Michael Tilly

Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin Das antike Judentum übte in hellenistisch-römischer Zeit eine beachtliche Anziehungskraft aus. Die Anerkennung wie auch Verehrung des Gottes Israels durch Nichtisraeliten wird freilich bereits in der hebräischen Bibel greifbar (Ex 18,10 f.; Jos 2, 8-13; 9; 1 Kön 8, 41-43; 2 Kön 5, 15.17; Jes 56, 3.6 f.; Jona; Rut; hinzu kommt das Motiv der Völkerwallfahrt zum Zion: Jes 2, 2-5; Mi 4,1-4 u. ö.). 1. Hinwendung zum Judentum Die Formen der Hinwendung zum Judentum waren vielfältig. Das Spektrum reichte von a) der Bewunderung einzelner Elemente jüdischer Religiosität, b) über die Anerkennung oder Hochachtung der Macht JHWHs im Rahmen des antiken Polytheismus, c) soziale und politische

Begünstigungen von und enge freundschaftliche Beziehungen mit Juden, d) die Praktizierung bestimmter jüdischer Riten (Sabbat u. a. m.), e) die exklusive Verehrung des jüdischen Gottes ohne strikte Toraobservanz bis hin zur f) vollen Konversion (Cohen 141-163). Der Begriff des »Proselyten« markiert den letztgenannten Fall (f), der des »Gottesfürchtigen« weist auf losere Anbindungen (bes. c-e). Eine präzise Definition der beiden Termini ist schwierig, da ihre Verwendung in den antiken Quellen mehrdeutig ist. 2. Proselyt a) Terminologischer Befund. Proselytos heißt wörtlich »Hinzugekommener«. Der griechische Begriff begegnet 77-mal in der Septuaginta, 4-mal im Neuen Testament (Mt 23, 15; Apg 2, 11; 6, 5; 13, 43) und ist mehrfach auf Inschriften belegt. Josephus meidet ihn (s. aber Flav. Jos. Ant. 18, 82). Philo gebraucht zudem die Vokabel epelytos. b) Bedeutung. In der Septuaginta erscheint proselytos durchweg als Übersetzung des hebräischen Terminus ge¯r. Damit wurde der im Unterschied zum no¯krı¯ dauerhaft im Land lebende und teilweise in die Volksgemeinschaft integrierte Fremde bezeichnet, der als solcher unter Gottes Schutz stand. Der Begriff ge¯r / proselytos erfuhr im Laufe der Zeit eine zusehends stärkere theologische Aufladung (Feldmeier 39-74) und avancierte allmählich zur Bezeichnung für Konvertiten zum Judentum. In der altkirchlichen Literatur wurde er auch für Konvertiten zum Christentum verwendet (Levinskaya 40-46). c) Aufnahmebedingungen, Gender. Zentrale Voraussetzung für die Konversion zum Judentum war bei Männern in der Regel die 3 Beschneidung, die die Anerkennung der Tora als verbindliche Offenbarung voraussetze. In der vorrabbinischen alttestamentlich-jüdischen Literatur wird einzig sie erwähnt, in der rabbinischen Literatur begegnen zwei weitere Bedingungen (bKer 9a; SifBem 108; bJev 46). Zum einen wird ein rituelles Tauchbad genannt (bJev 47a-b). Die Existenz dieser so genannten Proselytentaufe ist jedoch erst gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. nachweisbar. Das Ritual dürfte aber wohl auf eine bereits ältere

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Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin

Praxis zurückgehen, nämlich auf die erste Waschung nach der Beschneidung, mit der sich Konvertiten rituell von ihrer Vergangenheit reinigten. Wichtig ist: Mit der Etablierung der Immersion im 2. Jh. n. Chr. konnten auch Frauen ihren Status als Konvertiten mit einem initiatorischen Akt erkennbar besiegeln. War die Immersion für Männer ein Konversionsritual, so für Frauen das Konversionsritual (Cohen 170). Wie sich vor dem 2. Jh. n. Chr. weibliche Proselyten von Sympathisantinnen unterschieden, ist schwer zu sagen. Gewöhnlich erfolgte die Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft wohl qua Heirat eines jüdischen Mannes oder infolge eines Sklavenverhältnisses. Unklar ist, welchen Status verheiratete Frauen hatten, die sich dem Judentum anschlossen, deren nichtjüdische Männer aber nicht konvertierten. Als weitere Aufnahmebedingung wird in den rabbinischen Texten schließlich die Darbringung eines Opfers im Tempel genannt. Mit der Zerstörung des Heiligtums 70 n. Chr. fiel diese Voraussetzung zwangsläufig weg. d) Anerkennung. In der jüdischen Welt erfuhren Proselyten einerseits Lob und Anerkennung, zumal für den Mut, konversionsbedingt einen Bruch mit der vertrauten Lebenswelt (Familie, Freunde) in Kauf zu nehmen. Z. T. wurde betont, ihnen stünden die gleichen Rechte zu wie Juden von Geburt (Philo spec. I,51-55; 4, 178; Philo virt. 102-108.219; Flav. Jos. Apion. 2, 210; s. auch bJev 47b). Andererseits schrieb man ihnen einen inferioren Status zu und war skeptisch bezüglich ihres Durchhaltevermögens (Flav. Jos. Apion. 2, 123; Philo Mos. I,147; Philo praem. 152; Philo virt. 182; s. ferner 4Q174 3, 4; 11Q19 40, 6). Namentlich die rabbinische Literatur weist ein schillerndes Spektrum von wertschätzenden, kritischen bis despektierlichen Äußerungen auf (Feldman 338-341). Nichtjüdische Autoren konnten Proselyten als illoyal schmähen (Tac. hist. 5, 5,2; Iuv. 100). Die Ausbreitung des Proselytismus ist nur schwer zu erhellen. 3. Gottesfürchtige a) Der terminologische Befund ist komplex. In der hebräischen Bibel markiert der Begriff der Got-

tesfurcht neben der numinosen Furcht vor JHWH (z. B. Ex 34,10; Ps 99, 3) eine sittlich-fromme Haltung (z. B. Gen 20, 11; 22, 12; Dtn 4, 10), die Orientierung an den Geboten (z. B. Ps 112, 1; 119, 63) und die kultische Gottesverehrung. Der in den Psalmen geläufige Ausdruck »Gottesfürchtige« steht für die Kultgemeinde bzw. das Bundesvolk (z. B. Ps 22, 24.26; 31, 20; 66, 16; 85, 10) oder die »Frommen« (z. B. Ps 25, 14; 33, 18). Im Neuen Testament werden in der Apostelgeschichte dem Judentum nahestehende Nichtjuden als phoboumenoi ton theon (10, 2.22; 13, 16.26), sebomenoi ton theon (16, 14; 18,7) oder als sebomenoi (13, 50; 17, 4.17) bezeichnet. In 10, 35 subsumiert Lukas unter der Wendung phoboumenos auton Juden und Nichtjuden (en panti ethnei), und in 13, 43 begegnet die schwer zu deutende Wendung sebomenoi proselytai. In der paganen Literatur findet sich bei Iuvenal die Beschreibung eines nichtjüdischen Vaters, der den »Sabbat verehrt« (metuentem sabbata) und auf Schweinefleisch verzichtet, aber noch nicht, wie dann seine Söhne, mit der Beschneidung den letzten Schritt zum Judentum vollzieht (Iuv. 14, 96-106). Hinzu kommen Inschriften aus spätantiker Zeit mit den Stichworten theosebes / theosebeis, sebomenoi (selten) oder lat. metuens. Ihre Deutung und Relevanz für das hier angezeigte Thema sind vielfach strittig (Wander 95-137). In einigen rabbinischen Texten begegnet die Wendung jere ˇsamajim (»den Himmel [= den Herrn] Fürchtende«) für Nichtjuden, die dem Judentum zugeneigt, aber keine Proselyten waren (Siegert 110-126). Auch in der altkirchlichen Literatur finden sich Indizien für nichtproselytische Sympathisanten des Judentums (Iust. dial. 10, 4; Tert. nat 1, 13; Commod. inst. 1, 24.37). Der komplexe teminologische Befund hat in der Forschung zu diversen Thesen und Spekulationen geführt. Die zentrale Frage lautet: Verweist die Begrifflichkeit im griechischrömischen Kontext auf eine klar identifizierbare Gruppe von Nichtjuden mit deutlicher Affinität zum Judentum, oder liegen allgemeine Ehrenbzw. Frömmigkeitsbezeichnungen vor, die für Juden, Proselyten und Nichtjuden gebraucht wurden? Handelt es sich mithin um termini technici

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für eine Gruppe sui generis neben Juden, Proselyten und Nichtjuden, oder ist von nichttechnischem Sprachgebrauch auszugehen? Trifft ersteres zu, stellt sich die weitere Frage, wann das Aufkommen und die Existenz einer solchen Gruppe zeitlich anzusetzen ist. b) Forschung. Die These, es habe bereits im 1. Jh. n. Chr. eine klar umrissene Gruppe von nichtproselytischen Anhängern des Judentums gegeben, ist seit Langem etabliert. Sie wird aber immer wieder angezweifelt. Skeptiker betonen, die Ausdrücke phoboumenoi / sebomenoi ton theon und theosebes dienten zumal im 1. Jh. n. Chr. nicht als Gruppen-, sondern als allgemeine Frömmigkeitsbezeichnungen für Juden, Proselyten und Nichtjuden (Wilcox). Alf Thomas Kraabel räumt zwar einen technischen Gebrauch des Vokabulars in der Apostelgeschichte ein, bewertet diesen aber als theologisches Konstrukt des Lukas. Seit der Entdeckung der Inschrift(en) von Aphrodisias gilt den meisten die historische Existenz einer klar identifizierbaren Gruppe von Gottesfürchtigen jedoch als gesichert, was freilich nicht ausschließt, dass die fragliche Begrifflichkeit auch als bloße Ehrenbezeichnung verwendet werden konnte. c) Die Inschriften aus Aphrodisias. 1976 wurde in Aphrodisias (Kleinasien) eine 2, 80 Meter hohe, auf der vorderen und der linken Seite beschriftete Marmorstele entdeckt. Zunächst wertete man beide Seiten als eine Inschrift. Man datierte sie auf den Beginn des 3. Jh. n. Chr. Heute geht man von zwei Inschriften aus, die auf das 4. und 5. Jh. n. Chr. datiert werden (Koch). Die Bedeutung der Inschriften liegt darin, dass hier Juden, Proselyten und nichtjüdische theosebeis deutlich voneinander unterschieden werden. Auf der Vorderseite finden sich zwei Listen mit 107 Namen mutmaßlich von Sponsoren der Synagoge. Die erste nennt 52 meist jüdische Namen, auf der zweiten, durch einen Zwischenraum abgesetzten Liste erscheinen nach der Einleitung kai hosoi theoseb(e)is fast nur nichtjüdische Namen von 55 Personen (darunter neun Senatsmitglieder). Auf der linken Stelenseite wird die Stiftung einer wohltätigen jüdischen Einrichtung

dokumentiert, der neben gebürtigen Juden namentlich drei Proselyten und zwei Gottesfürchtige angehörten. Die Existenz einer spezifischen Gruppe von »Gottesfürchtigen« ist damit (zumindest für die Spätantike) belegt. Die Inschriften aus Aphrodisias zeigt zudem, dass das Etikett theosebes unterschiedliche Formen der Beziehung zur jüdischen Gemeinde umfasste, von bloßen Spendern bis zu sozial und religiös engagierten Partnern der jüdischen Gemeinschaft. Den bzw. die Gottesfürchige(n) gab es nicht. d) Sozialer Status, Gender. Aus den Zeugnissen geht hervor, dass zu den Wohltätern jüdischer Einrichtungen Mitglieder lokaler Elitefamilien gehörten. Evtl. verhinderte ihre Zugehörigkeit zur Elite, die mit polytheistisch geprägten kultischen Aufgaben verbunden war, dass sie Proselyten wurden (Stegemann / Stegemann 224). Auffällig ist, dass in den einschlägigen antiken Quellen ausgesprochen viele Frauen erscheinen. Zu nennen sind Julia Severa, eine Priesterin des Kaiserkultes, die maßgeblich zur Errichtung der Synagoge im kleinasiatischen Akmonia beitrug (CIJ 766), Capitolina, eine Sponsorin der Synagoge in Tralles (CIG 2924), Lydia in Apg 16, 14, Frauen des Königshauses von Adiabene (Flav. Jos. Ant. 20, 34 f.) und Neros Frau Poppäa Sabina (Flav. Jos. Ant. 20, 195), deren genaue Beziehung zum Judentum indes umstritten ist. Hinzu kommen generelle Bekundungen (Apg 13, 50; 16, 13 f.; 17, 4.12; Flav. Jos. Bell. 2, 560) und der Befund der Grabinschriften mit einem Frauenanteil von 50 % bei Proselyten und von 80 % bei Gottesfürchtigen (Horst 171). Generell gilt es aber mit zu bedenken, dass dem männlich dominierten griechischrömischen Diskurs die rhetorische Tradition immanent war, Frauen gleichsam als natürliche Symbole der Verwundbar- bzw. Angreifbarkeit mit Konversion und marginalisierter Religion zu verbinden (Lieu 83-99).

Cohen, Shaye J. D., The Beginnings of Jewishness. Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkeley u. a. 1999. Feldman, Louis H., Jew and Gentile in the Ancient World. Attitudes and Interactions from Alexander to Justinian, Princeton 1993.

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Feldmeier, Reinhard, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 64, Tübingen 1992. Horst, Pieter W. van der, Das Neue Testament und die jüdischen Grabinschriften aus hellenistisch-römischer Zeit, BZ NF 36 (1992), 161-178. Koch, Dietrich-Alex, The God-fearers between facts and fiction. Two theosebeis-inscriptions from Aphrodisias and their bearing for the New Testament, Studia Theologica 60 (2006), 62-90. Kraabel, Alf Thomas, The Disappearance of the »God-fearers«, Numen 28 (1981), 113-126. Levinskaya, Irina, The Book of Acts in Its Diaspora Setting, Grand Rapids / Carlisle 1996. Lieu, Judith, Neither Jew nor Greek? Constructing Early Christianity, London / New York 2002. Siegert, Folker, Gottesfürchtige und Sympathisanten, JSJ 4 (1973), 109-164. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u. a. 2 1997. Wander, Bernd, Gottesfürchtige und Symphatisanten. Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporajuden, WUNT 104, Tübingen 1998. Wilcox, Max, The »God-Fearers« in Acts – A Reconsideration, JSNT 13 (1981), 102-122.

Christian Strecker

Großmächte 1. Vorgeschichte Die Menschen haben Jahrtausende als Jäger und Sammler in Horden gelebt; erst seit dem 10. Jt. v. Chr. (Sesshaftwerdung in Ostanatolien) konnten sich größere soziale Gebilde entwickeln. Städte sind im Vorderen Orient ab dem 8./7. Jt. nachweisbar (vgl. Jericho). Von ihrer Organisation und politischen Macht erfahren wir nach der Erfindung der Schrift (ab 2700 v. Chr.). 2. Mesopotamien Im Zweistromland entstand wegen günstiger Bewässerungsbedingungen ein dichtes Siedlungsnetz. Die Stadt Uruk erreichte im 4. Jt. v. Chr. eine Einwohnerzahl von ca. 40 000; Keramikfunde belegen ihre überregionale Bedeutung. Ältes-

König Naramsin besiegt seine Feinde. Stele um 2200 v. Chr. (Akkadisches Reich)

te Schriftzeugnisse verraten ein gemein-sumerisches Kulturbewusstsein (Städte-, Götterlisten usw.), Dynastiebildungen, religiöse Zentren. Um 2470 v. Chr. dokumentiert Eannatum von Lagasˇ auf der »Geierstele« einen Landkonflikt mit der Nachbarstadt Umma: Der vom »Staats«gott Ningirsu gezeugte König diktiert seinem Gegner Friedensbedingungen. Andere Machtzentren waren Ebla in Nordsyrien, Mari am mittleren Eufrat und Elam im südöstlichen Mesopotamien. Als erster imperialer »Staat« gilt das Reich von Akkad. Sein Zentrum lag am mittleren Tigris und Dijala. Fünf Könige (u. a. Sargon, Naramsin) regierten ca. 2340-2200 v. Chr. Sie erheben Anspruch auf »Welt«geltung. Naramsin ließ sich göttlich verehren, sein Nachfolger nahm den

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Programmnamen »König aller Könige« an. Vereinnahmte Territorien werden von Statthaltern verwaltet oder beaufsichtigt. Sargon lässt z. B. seine Tochter Enheduana, Hohepriesterin des Gottes Sin (sumerisch: Nanna-Suen), in der alten sumerischen Metropole Ur die Interessen Akkads gegen lokale Prätendenten vertreten. – Ökonomischen und politischen Wettbewerb gab es von Anfang an. Tempel waren traditionell Wirtschaftszentren (Archive!). Das Einheitsbewusstsein (»Sumer und Akkad«; »Könige der vier Weltenden«) nährt den Eroberungsauftrag seitens der Hauptgottheit. Beides setzt sich in der kollektiven Erinnerung fest. Altorientalische Großmächte wollen die ganze Welt besitzen, befrieden, ordnen. 3. Ägypten Nach der Vereinigung von Ober- und Unterägypten und der Expansion bis in den Sinai, nach Libyen und Nubien im 3. Jt. v. Chr. stieg Ägypten im 2. Jt. zur Großmacht auf. Auch Palästina unterstand zeitweilig seiner Herrschaft. Zentralfigur des ausdifferenzierten Staatswesens war der Pharao, der in Memphis residierte. Die Definition des Pharao als Prozessionsstatue des Sonnengottes macht ihn zum erwählten Herrscher des Amun bzw. Amun-Re. Theben, religiöses Zentrum des Landes, wird auch als Nabel der Welt deklariert, dem alle Völker tributpflichtig sind, und der Pharao hat diesen Zustand militärisch herzustellen. Den Bruch mit der religiösen, künstlerischen und politischen Tradition führte Amenophis IV. / Echnaton durch die Erklärung des Aton zum einzigen Gott und mit der Gründung der neuen Hauptstadt Amarna herbei (»Amarnazeit«). Bereits Tutanchamun kehrte jedoch zu den alten Verhältnissen zurück. Die wirtschaftlichen Grundlagen für den Reichtum Ägyptens waren die reichen Ernteerträge, erwirtschaftet von abhängigen Bauern, Fernhandel und Bergbau (z. B. Gold und Türkis), wobei die Lebensbedingungen für die Minenarbeiter nahezu unerträglich gewesen sein müssen. Die hochstehende Kultur Ägyptens wirkte sich auch auf Israel aus: Bedeutsam für das Alte Testa-

ment ist der Einfluss der ägyptischen Weisheit auf die Psalmen und Sprüche (z. B. Ps 104; Spr 22,17-23, 11); ägyptische Weisheitsschulen waren im gesamten Orient hoch geschätzt (1 Kön 5, 10). Zentral für das Selbstverständnis des späteren Israel sind die Landverheißung, nach dem Kampf Moses gegen den Pharao der Auszug aus Ägypten und die Errettung vor den Verfolgern sowie der Bundesschluss am Sinai (Ex 3; 7-14; 24; 34). Spätere Beziehungen zu Ägypten sind charakterisiert durch Salomos Heirat einer Pharaonentochter (1 Kön 9, 16) und intensive Handelsbeziehungen (1 Kön 10, 28 f.), aber auch durch Feldzüge Ägyptens nach Palästina (1 Kön 11, 40; 14, 25; 2 Chr 12, 2.9); die Propheten kritisieren das Lavieren Israels und Judas zwischen Assyrien und Ägypten im 8. Jh. (Jes 30, 1-7; 31, 1-3; Hos 7, 11; 12, 2) und das Vertrauen auf Ägypten in Aufständen gegen die assyrische Oberherrschaft (Ez 17, 29-32). 4. Dritte Dynastie von Ur Auf das Reich Akkad folgten politische Turbulenzen, dann schwang das Pendel der Macht zurück zum sumerischen Süden. Utuhegal von Uruk und sein Bruder Urnamma von Ur konnten Lagasˇ überwinden und die Stadt des Nanna-Suen zum Zentrum eines Großreiches machen. Die sumerische Königsliste zählt fünf Könige als ihre dritte Dynastie (= Ur III): Urnamma, ˇSulgi, Amarsuena, ˇSusuen, Ibbisuen (ca. 2112-2004 v. Chr.). Ihr Reich entsprach dem von Akkad. Nur waren wieder sumerische Sprache und Kultur – versetzt mit akkadischem Erbe – tonangebend. Urkunden belegen die immer akuten Probleme einer Größtgesellschaft: Alle öffentlichen Lebensbereiche mussten möglichst gemeinnützig organisiert werden. Der religiös begründete Ur III-Staat (Gottkönig!) war in ca. 40 halbautonome Provinzen gegliedert, überwachte das Kanalsystem, monopolisierte weitgehend den ExportImporthandel, unterhielt eine schlagkräftige Truppe und ein zuverlässiges Botensystem, erhob Steuern und Abgaben, sorgte für einheitliche Maße und Gewichte, setzte Standards für die Rechtsprechung. Außenpolitik machte allein die Zentralregierung. Sie pflegte den Anspruch auf

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Weltherrschaft und versuchte, vor allem östliche Konkurrenten in Schach zu halten. Von Bemühungen um innere Ordnung zeugt u. a. das sozialpolitische Regelwerk des Urnamma. Die Gottheiten verordnen Gerechtigkeit für alle. Großmächte verstehen sich (immer?) als göttlich legitimierte Gestalter und Wohltäter der Menschheit. 5. Altbabylonien In den folgenden eineinhalb Jahrtausenden bleibt das Zweistromland kulturelles Kerngebiet des Vorderen Orients, in dem sich aus konkurrierenden Stadtstaaten phasenweise Großreiche mit wechselnden Metropolen bilden. Vor allem verstehen es die Babylonier und die Assyrer, Imperien aufzubauen. – Ein Beispiel von politischer Herrschaft über das vereinigte Sumer und Akkad ist die Regierung des »Gesetz«gebers Hammurabi (1792-1750 v. Chr.) aus der I. Dynastie von Babylon (1894-1594 v. Chr.). Seine Stele mit 280 Musterentscheiden für ein breites Spektrum von Rechtsfällen stellt die Investitur des Königs durch den Sonnengott ˇSamasˇ auch bildhaft dar: Zeugnis umfassenden Ordnungswillens. Orientierungsrahmen ist jene Gerechtigkeit, die nach dem Willen der Götter auf der Erde herrschen soll. Die staatliche Großgesellschaft, in Klassen gegliedert (etwa: »Edle«, »Freie«, »Hörige«), hatte sehr früh ein (bleibendes!) Grundprinzip ihrer eigenen Konstruktion entdeckt: den Schutz vor Willkür und Gewalt. Arme, Frauen, Sklaven waren in das Rechtssystem einbezogen. Der König befreite durch Erlass SchuldsklavInnen. Biblische Rechtswahrung wuchs aus dieser Tradition (vgl. Ex 21 f.). 6. Die Hetiter Das Hetiterreich, gegründet im 17. Jh. v. Chr., erstreckte sich von seinem Kerngebiet Zentralanatolien im Osten bis an den oberen Eufrat, im Norden bis an die Schwarzmeerküste und im Süden bis zum Mittelmeer. Die Machtausübung in diesen Gebieten erfolgte durch militärische Unterwerfung und vertragliche Bindung. Die hetitischen Könige erhielten ihre Legitimation durch

Der hetitische Großkönig Tudhalija IV. wird von seinem persönlichen Schutzgott umarmt. Relief aus Yazilikaya, 13. Jh. v. Chr.

die höchsten Gottheiten (Wettergott, Sonnengöttin) und wurden von diesen zu Statthaltern über das Hatti-Land eingesetzt. Die hetitischen Könige und Königinnen mit Residenz in der Hauptstadt Hattusˇa waren oberster Priester bzw. Priesterin im Staatskult, der aus vielen anatolischen und syrischen Lokalpanthea entstanden war. Die hetitischen Tempel fungierten zugleich als wirtschaftliche Zentren mit eigenen Bediensteten und Ländereien, wobei für die Feldarbeit auch Deportierte herangezogen wurden. Im Alten Testament tritt das Hetiterreich wiederholt in Erscheinung: Abraham erwirbt von dem Hetiter Efron die Begräbnisstätte für Sara und findet dort auch selbst seine letzte Ruhe (Gen 23, 3-20; 25, 9 f.). David und Salomo nahmen sich Hetiterinnen als Frauen (2 Sam 11, 3.6.17. 21.24; 12, 9 f.; 23, 39; 1 Kön 1, 11). Die Hetiter werden zusammen mit anderen ethnischen Gruppen in Kanaan erwähnt, als die Israeliten dort sesshaft werden (Num 13, 29; Jos 9,1; 11, 3; 12, 8; Ri 3, 5). Fraglich ist allerdings, ob sich die Bezeichnung Hetiter tatsächlich auf das Hetiterreich bezog oder ob nicht vielmehr, so auf jeden Fall nach

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dem Zusammenbruch des Hetiterreiches um 1180 v. Chr., die Bevölkerung Syriens und Palästinas gemeint ist. 7. Die Assyrer Nördlich von Babylon siedelten die Assyrer, ein Geschwistervolk mit unterschiedlichem akkadischen Dialekt. Altassyrische Händlerfamilien bewohnten im 19. Jh. v. Chr. Kolonien in Kleinasien (Kanisˇ bei Kayseri); sie betrieben von dort ihre Geschäfte mit Metallen und Textilien. Der Warenaustausch lief über große Entfernungen (Seidenstraße!). Es entstand ökonomische Dominanz, wenn sich Wirtschaftszentren bildeten, Kapital akkumulierte und zu Herrschaftszwecken eingesetzt wurde (vgl. Ez 28, 1-19). Die Assyrer haben den merkantilen Weg zur Macht nicht konsequent verfolgt. Jahrhunderte später, nach hetitischer und Mitanni-Herrschaft, haben sie ca. 1300-600 v. Chr. militärisch eine nachhaltige Großmachtpolitik betrieben. Im »mittelassyrischen« Reich taten sich Adadnirari I., Salmanassar I., Tukultininurta I. und Tiglatpileser I. (13.-11. Jh.) als starke Imperatoren hervor. Die zweite Etappe, das »neuassyrische« Reich (883609 v. Chr.) führt zu ungeahnten Höhen der Weltherrschaft und endet abrupt in der Niederlage vor den vereinigten Babyloniern und Medern. Die assyrischen Armeen folgten dem Drang zum Mittelmeer und eroberten dank fortschrittlicher Kriegstechnik und Heeresorganisation die Bergregionen im Osten und Norden sowie Syrien-Palästina (im Alten Testament genannt: Salmanassar III. [858-824 v. Chr.]; Tiglatpileser III. [744-727]; Salmanassar V. [726-722]; Sargon II. [721-705]; Sanherib [704-681]). Für kurze Zeit beherrschten sie Ägypten (Asarhaddon [680-669]; Assurbanipal [668-630]). Damit war die weiteste geographische Ausdehnung erreicht. Die Tradition hat sie zu grausamen Kriegern stilisiert: Dieser Ruf geht auf eigene Inschriften zurück, auch auf biblische Denunzierungen (vgl. Jes 7, 20; 9, 4). Gräueltaten gehörten zu den Strafen für Aufständische. Welche Weltmacht hat je darauf verzichtet? Neu waren Massendeportationen (3 De-

Darius der Große empfängt fremdländische Delegationen. Relief aus Persepolis, 5. Jh. v. Chr.

portationen). Sie sollten regionale Widerstände brechen und die Bevölkerung homogenisieren. Die häufigen Feldzüge scheinen jedoch vorrangig der Staatskasse gedient zu haben. Es ging um ökonomische und z. T. religiöse Kontrolle. Die kulturellen Leistungen assyrischer Künstler, Architekten, Techniker sollten nicht übersehen werden. Das Großreich war mehr als ein Eroberungsund Verwaltungssystem. Die Besiegten freilich schmerzte das harte Regiment. Viele biblische Texte bezeugen die Angst vor diesen Eroberern (vgl. 2 Kön 16-19; Jes 7, 10-25; Nah 1-3), denen Israel 722 v. Chr. zum Opfer fällt (3 Deportationen!). Aber es gibt auch versöhnlichere Stimmen (Jes 19, 23-25; Jona 3 f.). 8. Neubabylonier und Perser Das neubabylonische Reich (612-539) war ein Vorspiel zu den Mächten, die im Osten auftauchten. Nur Nebukadnezzar II. (604-562) spielt die

Ischtar-Tor von Babylon, Ende der Prozessionsstraße. Um 580 v. Chr.

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Rolle des Weltherrschers. Er regiert in den Grenzen des Vorgängerstaates, konsolidiert seine Herrschaft in Syrien-Palästina, erobert und verbrennt Jerusalem, deportiert die Elite Judas, baut Babylon zu einer Riesenmetropole aus (»Hure« Babylon: vgl. Gen 11,1-9; Jes 13 f.; Offb 17). Doch die Perser standen vor der Tür. Östlich des Zagros-Gebirges hatten sich seit dem Ausgang des 2. Jt. v. Chr. medische und persische Stämme aus Zentralasien angesiedelt. Medien hatte bereits die Babylonier gegen Assyrien unterstützt. Seit 559 v. Chr. nahm der Perser Kyros II. die Geschicke der Welt in seine Hände und begründete ein unermessliches Imperium. Unter seinen Nachfolgern Kambyses, Darius I. und Xerxes I. (530-465 v. Chr.) erstreckte es sich über mehr als 5000 km von Lybien bis an den Indus und entsprach in seiner Fläche dem heutigen Europa bis zum Ural. Die Perser brachten innerasiatische Traditionen mit, nahmen aber auch westliche Kultur auf und schufen ein neues geistiges und politisches Klima. Die Großkönige beriefen sich auf den einen Gott Ahuramazda, den »Herrn der Weisheit«, und die unter dessen Schirmherrschaft waltenden Regionalgottheiten. Sie missionierten nicht, überließen vielmehr allen Völkern die eigene Kultausübung. Sie sollen sogar Tempelbauten in den Provinzen gefördert haben (vgl. Esr 1; 3-6). Nur Ordnung und Gehorsam mussten herrschen, in allen 20 Satrapien. Oberste Pflicht war die Entrichtung der Steuern und Abgaben. Wirtschaft und Handel florierten (Archive der Unternehmerfamilien Murasˇu und Egibi); der staatliche Sektor war bedeutend (Persepolis-Tafeln). Das immense Reich war verwaltungs- und verkehrsmäßig, strategisch, nachrichtentechnisch durchorganisiert. In bildender Kunst und Architektur mischten sich asiatische und vorderorientalische Motive. Die amtlichen Selbstdarstellungen (Königsinschriften) sehen den achämenidischen Herrscher als den Mittelpunkt des Reiches (Völkerdelegationen an der Audienzhalle in Persepolis!), doch bleibt er der universalen Ordnung (arta = Wahrheit; Grundnorm; vgl. Artaxerxes: »der sich auf Wahrheit gründet«) verhaftet. Das »Gesetz der Meder und

Perser« kann er nicht mehr zurücknehmen (vgl. Est 1, 19; Dan 6, 9.13.16). Israel begrüßte Kyros als Befreier (Jes 44, 21-45, 7) und enthielt sich jeder Kritik (doch vgl. Neh 9, 32-37). 9. Hellenistische Staaten Ausgehend von seiner Machtbasis in Makedonien brach Alexander der Große 334 v. Chr. zu einem Eroberungsfeldzug auf, der ihn über Kleinasien, die Levante, Ägypten, Mesopotamien und Sogdien schließlich (326 v. Chr.) bis in den Nordwesten Indiens führte. Anerkennung als legitimer Nachfolger der Pharaonen und Achämeniden fand er, indem er die einheimischen politischen und religiösen Traditionen akzeptierte. Alexanders Eroberungen waren auf die Weltherrschaft ausgerichtet, dienten aber auch der Aneignung von Reichtum in Form von Beute und Tribut. Als Alexander starb (323 v. Chr.), existierte keine Thronfolgeregelung. Daher wurde sein Reich in mehrere, später dem Römischen Reich einverleibte Monarchien (»Diadochenreiche«) aufgeteilt. In der biblischen Literatur findet Alexander ein negatives Echo: Das vierte Tier in der Vision Daniels (Dan 7,7.23-27) symbolisiert das Böse durch Alexanders Weltreich; Alexander ist ein mächtiger, arroganter König (Dan 8, 5-8.21 f.; 11, 3; 1 Makk 1, 1-8). Die Diadochen brachten Unglück über die Erde (1 Makk 1, 9). Mit der Gründung eines Gymnasiums zog die hellenistische Kultur in Jerusalem ein, der auch einige Priester nicht abgeneigt waren (2 Makk 4, 12-15). Die Seleukiden privilegierten die Jerusalemer Kultgemeinde (2 Makk 3, 3) und griffen schlichtend in die Kämpfe um das Hohepriesteramt ein (2 Makk 4, 7-10.23 f.); zur Bedrohung wurden sie durch die Plünderung und Schändung des Jerusalemer Tempels (1 Makk 1, 17-28; 2 Makk 5, 1523), das Verbot des Jerusalemer Kultes und die Einführung der heidnischen Religion (1 Makk 1, 41-64; 2 Makk 6,1-9) mit dem Makkabäeraufstand als Folge (1 Makk 2 ff.; 2 Makk 8 ff.). 10. Die Herrschaft Roms Das Römische Reich trat nach seiner territorialen Ausdehnung im westlichen Mittelmeerraum im

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Großmächte

2. Jh. v. Chr. durch die Bündnisverträge mit den Makkabäern in den Gesichtskreis Judäas. Augustus begründete das römische Kaisertum (Prinzipat) mit dynastischer Thronfolge; es gab auch Designationen des Nachfolgers durch Adoption und Ausrufungen des neuen Kaisers durch die Truppen. Die römischen Kaiser erhoben den Anspruch auf Weltherrschaft; sie wurden vielerorts als Gott verehrt (Kaiserkult) und als von der Vorsehung bestimmte Retter Roms propagiert. Die dem Römischen Reich als Provinzen eingegliederten Gebiete unterstanden vom Kaiser oder vom Senat entsandten Statthaltern, deren Aufgaben die militärische Sicherung der Provinzen sowie die Steuereintreibung und Beaufsichtigung der Rechtspflege waren. Mancherorts blieben auch, der römischen Oberherrschaft unterstellt, die einheimischen Dynasten an der Macht (Klientelkönige); dies war unter Caesar und Augustus auch bei Herodes und seinen Nachfolgern bis zur Provinzialisierung Judaeas (6 n. Chr.) der Fall. Motive für die Eroberungskriege Roms waren die Absicherung der Lebensmittelversorgung der stadtrömischen Bevölkerung, Zugang zu Bodenschätzen, Beteiligung am Fernhandel, Aussicht auf Beute und zusätzliche Steuereinnahmen sowie die Beschaffung von Sklaven. Als Garantiemacht Judäas in makkabäischhasmonäischer Zeit tritt das Römische Reich in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. zunächst positiv in Erscheinung (1 Makk 8, 12 f.). Besondere Beachtung findet die Ausdehnung römischer Herrschaft im 1. Jh. n. Chr.: Nero führt mit den Heiligen einen Krieg und wird angebetet (Offb 13). Rom ist die »Mutter der Huren und aller Abscheulichkeiten der Erde« und übt die Herrschaft über die Erde aus (Offb 17, 4 f.9.18); das Lamm wird aber den Sieg davontragen, und das in Anknüpfung an die Fremdvölkersprüche der alttestamentlichen Propheten (z. B. Jer 50 f.; Ez 13 f.) als Babylon bezeichnete Rom wird fallen (Offb 18, 2; vgl. auch 1 Petr 5,13). In ihren endzeitlichen Erwartungen verkörpert Rom für die Christen (vgl. Dan 2, 31-45; Offb 13, 11 f.) das letzte Weltreich, das von Gottes ewiger Herrschaft abgelöst wird. Dem steht die neutestamentliche Forderung nach

Gehorsam gegenüber der gottgesetzten Obrigkeit entgegen (Röm 13, 1-7; vgl. auch 1 Petr 2, 1317); in diesen Zusammenhang gehört auch das Wort Jesu von der Steuer (Mt 22, 15-21) und die den Konflikt mit Rom (3 Imperialismus) heraufbeschwörende Verpflichtung der Christen, für den Kaiser zu beten (1 Tim 2,1 f.; vgl. auch 1 Clem 61, 1). Römische Machtausübung in der Provinz Judäa wird konkret fassbar durch eine Steuerschätzung (Lk 2,1-3). Auch die Rolle der römischen Autoritäten in den Prozessen gegen Jesus (Mt 26, 47-27, 66 par) und Paulus (Apg 22, 3026, 32) lassen ein weiteres Charakteristikum römischer Herrschaftsausübung erkennen: Der einheimischen Rechtsprechung waren das Statthalter- bzw. Kaisergericht als höhere Instanzen übergeordnet. 11. Globalisierungskritik Im Vorderen Orient und im Mittelmeerraum haben sich über die Jahrtausende immer größere und kompliziertere politische Gebilde entfaltet. Man kann in ihnen »überdehnte« Staaten sehen. Als Vielvölkerreiche entwickeln sie einen Zwang zur Einheit: in der Fokalisierung auf König und Dynastie (Gottesgnadentum); Organisation von Verwaltung, Steuererhebung, Militär; Schaffung von Reichssymbolen (-religionen). Die Antriebskräfte zu einer ins Universale strebenden, einheitlichen Ordnung der Welt liegen wohl im Menschen verborgen (vgl. Gen 11,1-9). Aus der Sicht der Herrschenden entsprach jedes befriedete Weltreich göttlichem Plan; es sollte Träume von Gerechtigkeit und Wohlergehen erfüllen. Moderne Theorie zeigt auf Prestigedenken und »nach außen gewendete Gewalt« (Max Weber) oder auf Profitstreben und Wirtschaftsinteressen (Karl Marx). Die oft ausgebeuteten Untertanen, traditionell nach Ständen und Klassen (Elite – Freie – Hörige; Frauen jeweils patriarchal eingebunden) unterschieden, beurteilten ihre Situation anders (vgl. Neh 9, 32-37), strebten nach Befreiung und hofften auf die bessere Gerechtigkeit ihrer Gottheiten. Darum sehen biblische Zeugnisse in Großmachtbestrebungen überwiegend eine Usurpation göttlicher Privilegien und

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Habgier / Begierde

eine Verletzung der von Gott gewollten gerechten und menschlichen Ordnung (vgl. Ez 27 f.; Jes 14; Jer 50 f.; Offb 17 f.). Oft setzen sie die Theokratie dagegen. Ahn, Gregor, Religiöse Herrscherlegitimation im achämenidischen Iran, Acta Iranica 31, Leiden 1992. Assmann, Jan, Theologie und Weisheit im alten Ägypten, München 2005. Bellen, Heinz, Grundzüge der Römischen Geschichte, 3 Bde., Darmstadt 1994-2003. Bresciani, Edda, An den Ufern des Nils. Alltagsleben zur Zeit der Pharaonen, Darmstadt 2002. Briant, Pierre, From Cyrus to Alexander. A History of the Persian Empire, Winona Lake 2002. Edzard, Dietz Otto, Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen, München 2004. Franke, Sabina, Königsinschriften und Königsideologie. Die Könige von Akkade zwischen Tradition und Neuerung, Münster 1995. Gehrke, Hans-Joachim, Geschichte des Hellenismus, Oldenbourg-Grundriss der Geschichte 1a, München 3 2003. Gerstenberger, Erhard S., Israel in der Perserzeit, Biblische Enzyklopädie 8, Stuttgart 2005. Helck, Wolfgang, Geschichte des Alten Ägypten, HO I/1, 3, Leiden 1981. Huss, Werner, Ägypten in hellenistischer Zeit 332-30 v. Chr., München 2001. Kessler, Rainer, Die Ägyptenbilder der hebräischen Bibel, SBS 197, Stuttgart 2002. Klengel, Horst, Geschichte des hethitischen Reiches, HO I/ 34, Leiden 1999. Roth, Martha T., Law Collections from Mesopotamia and Asia Minor, Atlanta 1995. Sallaberger, Walther / Westenholz, Aage, Mesopotamien. Akkade-Zeit und Ur III-Zeit, OBO 160/3, Fribourg und Göttingen 1999. Selz, Gebhard J., Sumerer und Akkader. Geschichte – Gesellschaft – Kultur, München 2005. Stausberg, Michael, Die Religion Zarathushtras. Geschichte – Gegenwart – Rituale, 3 Bde., Stuttgart 2002-2004. Vera Chamaza, Galo W., Die Omnipotenz Assurs. Entwicklungen der Assur-Theologie unter den Sargoniden Sargon II., Sanherib und Asarhaddon, AOAT 295, Münster 2002. Wiemer, Hans-Ulrich, Alexander der Große, München 2005.

Erhard S. Gerstenberger / Monika Schuol

Habgier / Begierde An zentraler Stelle in der Tora, im Dekalog (Ex 20, 17; Dtn 5, 21), wird die Gier negativ bewertet: »Du sollst nicht gieren nach …«. Als Objekte der Gier werden Haus und Feld, Ehefrau, Sklave und Sklavin, Rind und Esel sowie sonstiger Besitz des Nachbarn genannt. Das Verbot des Begehrens steht im Dekalog neben dem Ehebruch- und Diebstahl-Verbot. Während es sich bei Ehebruch und Diebstahl um manifeste und vielleicht sogar gewalttätige Eingriffe in die Rechte Anderer handelt, geht es beim Verbot der Begierde um ein Verlangen, das sich legaler Mittel bedient und dennoch die Lebensgrundlagen der Nächsten untergräbt. Im sexuellen Bereich ist an Verführung zu denken. Im wirtschaftlichen Bereich geht es vorrangig um das Ausnutzen des Kreditrechts. Auf legalem Weg bringen wirtschaftlich starke Gläubiger den Besitz, die Familienglieder und schließlich den Schuldner selbst in ihre Hände (vgl. Mi 2, 1 f.9). Die Gier, die der Dekalog verbietet, ist also mehr als nur ein inneres Wünschen, mehr als eine Sünde in Gedanken. Jagdmetaphern für das Verhalten der Gläubiger belegen, dass es ein zielstrebiges Handeln ist, um an den Besitz anderer zu gelangen (vgl. Jer 5, 26; Ps 109, 11; Spr 6, 5). Ab der hellenistischen Epoche, seit dem 3. Jh., kann man von einer ausgeprägten Geldwirtschaft mit einem internationalen Bank- und Kreditwesen, aber auch dem Eindringen von Geld in die Geschäfte des Alltags sprechen. Der Besitz von Geld aber ist seinem Wesen nach grenzenlos. Kohelet spricht von der Liebe zum Geld, die nicht satt wird (5, 9). Sie steht damit in Konkurrenz zur Liebe zu Gott, die im »Höre, Israel!« geboten wird (Dtn 6, 4 f.). Jesus, der als Lehrer der Tora gerade das »Höre, Israel!« und das Gebot der Nächstenliebe aus Lev 19, 18 für den Kern der Tora hält (Mt 22, 34-40 par), spitzt den Gegensatz zu: »Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon« (Mt 6, 24). Habgier orientiert sich nicht an den Bedürfnissen – sie ist unersättlich und zerstörerisch und gilt als Inbegriff der Sünde (Röm 7,7; 13, 9). Auch hier wird deutlich, dass es sich um ein

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strukturelles Phänomen handelt, an dem jeder und jede einzelne partizipiert und das alle gefährdet. Ökonomische Auseinandersetzungen sind ein Alltagsproblem in den Gemeinden (Mk 4, 19; Lk 12,15; 1 Kor 6, 7; 2 Kor 7, 2; 9, 5). Die Habgier wird mit Götzendienst in eins gesetzt und gilt als Wurzel von allem Bösen (Eph 5, 5; Kol 3, 5; 1 Tim 6,10). Hier wird deutlich, dass das Problem der ökonomischen Gier ein zentrales theologisches Problem ist. Wenn es bei der Frage der Habgier um nicht weniger als die Frage nach Gott geht und Habgier kein bloß individuelles Fehlverhalten ist, das sich leicht abstellen ließe, sondern das strukturelle Problem einer ganzen Gesellschaft darstellt, dann kann die Reaktion darauf nicht in einem Appell an die Einzelnen bestehen, doch etwas weniger habgierig zu sein. Und in der Tat sieht die biblische Lebensordnung, die Tora, mit dem Sabbat eine gesellschaftliche Einrichtung vor, die der Gier in diesem Sinn eine Grenze setzen soll. Paradigmatisch ist die Erzählung von Ex 16. Am Beispiel der Versorgung mit Manna während der Wüstenwanderung wird es entfaltet: Denen, die mehr begehren, als sie brauchen, verfault das Eingesammelte. Alle aber sammeln genug, und am Tag vor dem Sabbat sogar das Doppelte, damit an diesem Tag niemand arbeiten muss. Wer aber dennoch am Sabbat sammeln geht, findet nichts. In prophetischen Texten wird eine solche Ökonomie des Genug für alle mit dem Stichwort Schalom belegt, das nicht nur den äußeren Frieden, sondern auch ausreichende Nahrung und materielles Wohlergehen bezeichnet (Sach 8,12). Die Ordnung von Sabbat und Schalom ist das Gegenbild zu einer Welt, die von der Begierde auf Kosten der Nächsten beherrscht wird (Mt 4,8-11).

Crüsemann, Frank, Bewahrung der Freiheit. Das Thema des Dekalogs in sozialgeschichtlicher Perspektive, KT 128, Gütersloh 1993. Kessler, Rainer, Das hebräische Schuldenwesen. Terminologie und Metaphorik, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 31-45. Ders., »Du sollst nicht begehren …«. Kleine biblische Sozi-

algeschichte der Gier, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009. Schottroff, Luise, Die Befreiung vom Götzendienst der Habgier, in: dies. / Willy Schottroff (Hg.), Wer ist unser Gott? Beiträge zu einer Befreiungstheologie im Kontext der »ersten« Welt, München 1986, 137-152.

Claudia Janssen / Rainer Kessler

Handel 1. Rahmenbedingungen der antiken mediterranen und levantinischen Wirtschaft a) Grundlagen. Jedes wirtschaftliche System setzt gewisse Rahmenbedingungen für Produktion, Verteilung der Produkte (Distribution) und Konsum voraus (»Interdependenzen«). Für den Verbrauchsbereich ist die Entwicklung von Transportmitteln (3 Verkehr) und das Geldsystem (3 Geld / Geldwirtschaft) von Bedeutung. Ebenso beeinflussen auch politische Faktoren das Wirtschaftssystem; zu ihnen gehören vor allem der Ausbau und die Sicherung der Transportwege. Fernhandel ist durch staatliche Macht ermöglichter und kontrollierter Handel. Er blüht in Zeiten starker Staaten und verkümmert bei instabilen internationalen Lagen. Dies gilt seit dem 3. Jt. v. Chr. für den Alten Orient wie auch später für das Römische Reich. Da der Fernhandel (besonders zu Land) sehr teuer war, sind typische Produkte des Fernhandels vor allem Luxusgüter, Rohstoffe mit einem günstigen Verhältnis von Gewicht und Wert (Metall, Glas, Holz, Olivenöl, Harze) und technologisch spezialisierte Produkte für die Oberschicht, während Waren des täglichen Bedarfs vor allem im Regionalhandel ausgetauscht wurden. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung im eisenzeitlichen Israel arbeitete in bäuerlichen Selbstversorgungsbetrieben, in denen außer in Manufakturen gefertigten Keramik- und Eisenwaren alles Lebensnotwendige (Nahrung, Kleidung, Werkzeug, Behausung) selbst hergestellt wurde. Ihre Produktion war am eigenen Konsum orientiert und ließ in der Regel kein Surplus zu.

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Landwirtschaftliche Überschüsse (Öl, Wein, Getreide, Terebinthenharz) wurden vor allem in staatlich organisierten Gütern erwirtschaftet, gelagert oder zur staatlichen Vorratshaltung bzw. für den Regional- und Fernhandel gesammelt. Handwerk und differenzierte Arbeitsteilung gab es in vorhellenistischer Zeit wohl nur in wenigen städtischen Zentren. In der hellenistisch-römischen Zeit gewannen die Städte als Orte des Handwerks, der Manufakturen und vor allem mit einer verbrauchsorientierten Bevölkerung gegenüber der Landbevölkerung eine größere Bedeutung, ohne jedoch das Wirtschaftssystem grundlegend zu verändern. b) Landwege. Der syrisch-palästinische Raum (Levante) ist als Landbrücke zwischen Ägypten, Kleinasien und Mesopotamien bereits seit dem 3. Jt. v. Chr. in den überregionalen Austausch mit Gütern (Fernhandel) einbezogen worden. Die Haupthandelsroute von Ägypten nach Phönizien und Damaskus (via maris) folgte von Süden kommend dem Küstenverlauf nach Norden. Auf der Höhe von Megiddo zweigte eine nordöstlich ins Landesinnere über Hazor nach Damaskus führende Route ab, die sich mit der von Elat ostjordanisch geführten Königsstraße (Num 20,17; 21,22) verband. Von Damaskus aus führten dann in alle Himmelsrichtungen große Handelsstraßen (die ausgebauten Königsstraßen der altorientalischen Reiche). Dieses Netz der vorderorientalischen Fernstraßen (Dorsey) mit ihren Wegstationen und Karawansereien bildet die Grundlage des späteren und für die Zukunft bestimmenden römischen Straßensystems. Der Landtransport erfolgte im Schritttempo über Karawanen (vor allem bepackte Esel bzw. Maultiere, auf kürzeren Strecken auch Karren ziehende Rinder). Erst ab der Eisenzeit II (1000 v. Chr.) standen in den Trockengebieten auch inzwischen domestizierte Dromedare als Lasttiere zur Verfügung (Beförderte Lasten: Esel = 90 kg; Kamel = 200 kg; Ochsenkarren = ca. 400 kg). Pferde wurden im Alten Orient nicht für Transportzwecke, sondern für militärische Aufgaben und ab ca. 1300 v. Chr. für berittene Eilboten (50-60 km / Tag) genutzt (3 Verkehr).

c) Seewege. Fernhandel per Schiff, der den Transport größerer Mengen erlaubte, bestand im 2. Jt. im östlichen Mittelmeerraum vor allem in einer eng an der nahen Küstenlinie orientierten 3 Schifffahrt (Yalçin u. a.). Erst während und nach dem Zusammenbruch des bronzezeitlichen Staaten- und Wirtschaftssystems um das 12. Jh. (Seevölker), konnten die Phönizier mit ihren großen hochseetüchtigen Schiffen (1 Kön 10,22; 22,49; Jes 2,16; 60,9) das Handelsmonopol nicht nur im östlichen Mittelmeer übernehmen, sondern nach Westen bis hin nach Spanien (9. Jh.) ausdehnen (Markoe), so dass im Alten Testament das iberische Tarschisch als das westlichste Ende der Welt erscheinen kann (Jer 10,9; Ez 27,12; Jona 1,3; 4,2). Israel verfügte über keine dauerhaft genutzten Mittelmeerhäfen, wenngleich das Nordreich Israel zeitweise Zugang zu den Häfen Akko, Dor und Jaffa und das Südreich Juda zeitweise wohl Zugang zum Hafen von Elat am Roten Meer (1 Kön 9,26-28; 22,48 f.) besaß. Auch die sagenhaften Expeditionen Salomos ins südliche Goldland Ofir von Ezjon Geber am Golf von Akaba aus (1 Kön 9,26-28; 22,48-50 par Chr) werden mit Hilfe der phönizischen Schiffe durchgeführt. Der Fernhandel, auch der phönizische Seehandel, profitierte erheblich von dem einheitlichen Wirtschaftsraum, der ab dem 8. Jh. durch die Westexpansion des assyrischen Reiches und der nachfolgenden Großreiche (Neubabylonier, Perser) geschaffen wurde. 2. Handel im Alten Testament a) Der Norden. Als Akteur im internationalen Handel trat Israel kaum in Erscheinung. Während die via maris und die nördliche »Königsstraße« das Territorium Nordisraels (Jesreel, Gilead) streiften, lag Juda (Jerusalem) etwas abseits der großen Straßen. Als Exportgüter aus Juda und Israel werden ausschließlich agrarische Produkte erwähnt, u. a. Olivenöl, Weizen, Holz, Wein, Feigen, Honig (Gen 43,11; 1 Kön 5,25; Ez 27,6.17; Esr 3,7), während unter den Importgütern Edelmetalle (Gold, Silber, Zinn, Blei), Holz (Zeder, Zypresse), Elfenbein und Keramik gelistet werden, also Luxusgüter und benötigte Rohstoffe (1 Kön

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10,10 f.22; Jes 60,9; Ez 27,12). Wichtige Handelspartner waren im Süden die Ägypter (Schipper), im Norden vor allem die Phönizier und die Aramäer in Damaskus. In alttestamentlicher Perspektive gelten jedoch die Phönizier als Händler par excellence, sowohl im Seehandel als auch im (küstennahen) Binnenhandel. Die Ebenen von Jesreel und Akko bildeten für die phönizischen Häfen (Tyrus und Sidon) ein wichtiges Hinterland (Kornkammer), wovon auch israelitische Stämme profitieren konnten (Gen 49,20; Dtn 33,24). Die wirtschaftsgeschichtlich aufschlussreiche Liste Ez 27,11-16, die vielleicht tyrische Urkunden des 7.-6. Jh. verwendet, beschreibt in einer Mischung aus Bewunderung und Verachtung die weltweiten Handelspartner und Handelsgüter der Phönizier. Der Fernhandel wurde staatlich kontrolliert, war Teil staatlicher Verträge und über Handelsniederlassungen organisiert. 1 Kön 29,34 bezeugt für das 9. Jh. eine aramäische Niederlassung in Samaria und eine israelitische in Damaskus. Die für den Fernhandel zuständigen Händler werden hebr. soh¯er (= akkad. tamka¯ru) genannt, wäh˙ rend der regionale Kleinhandel entweder in der Hand der Erzeugerinnen (Spr 31) und Erzeuger oder von Kleinhändlern (hebr. kena2an[i], ro¯kel) lag (Spr 31,24; Hos 12,8; Zef 1,11; Sach 9,7.11; 14,21; Hi 40,30). Mit kena2an[i] (Kanaanäer) ist zunächst der phönizische Kleinhändler in der Region gemeint (Jes 23,8), später allgemein der Kleinhändler, wobei unklar bleibt, ob das Wort jemals den Aspekt des Volksfremden verlor (Zef 1,11; Sach 14,21). Phönizier waren mindestens in exilisch-nachexilischer Zeit mit kleinen Handelsniederlassungen auch im Bergland (Schechem, Jerusalem) zu finden (H.-P. Müller), Zahlreiche Münzfunde (3 Geld / Geldwirtschaft) bezeugen starke phönizische Präsenz und Handelsaktivitäten im Binnenhandel noch in hellenistischer Zeit, die zuweilen auch als Konkurrenz empfunden werden mochten (Neh 13,24 f.; Sach 14,21). b) Der Süden. Im Unterschied zu Nordisrael berührte das wirtschaftlich deutlich schwächer entwickelte und wohl erst seit dem 9.-8. Jh. als Territorialstaat mit entsprechenden Verwaltungs- und

Handelsstrukturen agierende judäische Südreich im Kernland keine der Fernhandelsrouten. Allerdings führten im Negev, in der Bucht von Beerscheba, die letzten Ausläufer der von Südarabien über die Edomitis führende »Weihrauchstraße« bis zum Zielhafen Gaza durch zeitweise judäisch kontrolliertes Gebiet. Die Stämme im Negev, zu denen auch Judäer gehört haben, hatten vor allem Zwischenhändlerfunktionen, während am Endpunkt die Kontrolle und Wertschöpfung durch die assyrische Weltmacht dominierte. Wenn assyrische Tributlisten von Jerusalem Waren wie Ebenholz (aus Indien) und Gold fordern, die nur über die Weihrauchstraße zu bekommen sind, zeigt sich Jerusalem im 7. Jh. als nicht unbedeutender Nutznießer des Fernhandels. In der gleichen Epoche belegt die im philistäischen Ekron (Tel Miqne) nahe der via maris nachweisbare (assyrische?) Großanlage zur industriellen Olivenölproduktion mit einer geschätzten Kapazität von 1000 Tonnen jährlich, in der ein Großteil der Olivenernte des judäischen Berglandes verarbeitet wurde, dass unter den Bedingungen des assyrischen Imperiums der Handel auch mit Massenprodukten wie Olivenöl (nach Ägypten, Arabien und Assyrien, wo Olivenanbau nicht möglich ist) betrieben werden konnte (Frankel). Auch der staatlich organisierte judäische Binnenhandel (Wein u. a.) mit genormten und gesiegelten Einheits-45 l-Krügen (3 Maße und Gewichte) gewann mindestens innerhalb Palästinas im späten 8. Jh. an Bedeutung (Zwickel). Aber von diesen archäologisch nachweisbaren, prosperierenden Fernhandelsaktivitäten Judas erfahren wir aus der biblischen Überlieferung nichts. Eventuell spiegeln die Überlieferungen von den sagenhaften Handelsexpeditionen Salomos das wirtschaftliche Selbstbewusstsein des judäischen Staates im 8./7. Jh. (1 Kön 9,26-28; 10,11.21 f.26-29; 22,48-50). c) Der Binnenhandel. Der regionale Handel wurde von den Erzeugern selbst oder von professionellen Händlern getragen. Bevorzugter Marktplatz (3 Markt) war der Raum in oder bei den Stadttoren (2 Kön 7,1.17-20 [Samaria]; Neh 13,1522 [Jerusalem]), wo auch die Bäuerinnen und

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Bauern aus dem Umland ihre Waren anboten. Fischtor und Schaftor im nachexilischen Jerusalem verweisen auf spezialisierte Märkte. Für das spätvorexilische Jerusalem sind die Bäckergasse (Jer 37,21) und das Haus des Töpfers (Jer 18,2) Hinweise auf spezialisierte Geschäftsgassen (Basare) in städtischen Zentren, in denen von Handwerkern gefertigte Waren zu kaufen waren, vielleicht auch in speziellen Gebäuden. Märkte im Umkreis von oder in Heiligtümern (Opfer, Devotionalien) bzw. zu Wallfahrtsfesten sind wahrscheinlich, allerdings sind Händler (kena2an[i]) im Zweiten Tempel textlich erst spät belegt (Sach 9,7.11; 14,21). In Texten der exilisch-nachexilischen Zeit wird häufiger der Handel am Sabbat beklagt (Neh 10,32; 13,14-21; Jes 58,13 f.; Jer 17,19-27; Am 8,5). Der Kleinhandel mit Waren und Darlehen vollzog sich als Tausch von Naturalien (Hi 2,4) oder als Barkauf, bei dem vor dem Aufkommen von Münzgeld gehacktes Silber abgewogen wurde (3 Kauf / Verkauf). d) Bewertungen von Handel und Händlern. Wie andere sesshafte Bauerngesellschaften auch steht das antike Israel dem Handel und den ortsvariablen Händlern weithin misstrauisch gegenüber. Wenigen neutralen oder positiven Bewertungen des Handels (Koh 7,12; 11,1 f.; Spr 31) stehen eine Fülle von Negativurteilen vor allem in der Weisheitstradition gegenüber: Händler gelten als habgierige Betrüger, deren Verdienst mit unrechten Mitteln erworben wird (Spr 11,26; 28,8.16; Koh 7,7; Jes 33,15). Handel und Handelsgewinn (3 Gewinn) ist etwas, wovon sich der Weise fernhalten soll (Spr 3,13-18; 8,18 f.; 16,16; 22,1b), ja geradezu ein Einfallstor für die Sünde (Sir 26,29-27,2). Der auch in der altorientalischen Rechts- und Weisheitstradition (z. B. Codex Hammurabi, TUAT I, 54) bekannte Vorwurf der Habgier und betrügerischen Manipulation der Waage (3 Kauf / Verkauf) zieht sich durch alle Literaturbereiche: Tora (Lev 19,35 f.; Dtn 25,13-16); prophetische Überlieferung (Ez 45,10-12; Hos 12,8; Am 8,5); Weisheitstradition (Spr 11,1; 16,11; 20,10.23; Sir 42,4 u. a. Mi 6,10 f.). Die auf Solidarität ausgerichtete Rechtsordnung fordert fairen Handel, d. h. »rechtmäßige Waage« (Ez 45,10; Lev 19,36; Hi 31,6), wobei

durchaus Gewinne erwirtschaftet werden können (Spr 31,18). Ein positives Handelsrecht hat die Tora allerdings nicht ausgebildet. Die prophetische Sozialkritik an betrügerischen Händlern als Teil einer die Schwachen ausbeutenden Oberschicht in Israel und Juda reagiert auf die ökonomischen Verwerfungen ab der mittleren Königszeit, hat aber wohl nicht die Kleinhändler und ihren Warenhandel im Blick, sondern entweder staatliche Instanzen (Hos 12,8) oder Angehörige einer reichen, ausbeuterischen Oberschicht, die durch betrügerischen Handel mit Krediten (Naturalkrediten) zur Verarmung und Schuldknechtschaft der Gläubiger führten (Am 8,4-6; Mi 6,10 f.). Lob und Lohn für fairen Handel finden sich jedoch kaum. e) Frauen als Händlerinnen. Eine interessante Ausnahme bildet jedoch das Gedicht von der »tüchtigen Haus- und Handelsfrau« (Spr 31,1031), in der sich Handelstüchtigkeit und Weisheit in einer stark typisierten Frauengestalt verbinden. Dieser Text wirft ein Schlaglicht auf die harte Arbeitsbelastung von Frauen in der Subsistenzwirtschaft, aber auch auf die Bedeutung von Frauen im Binnenhandel sowie auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im nachexilischen Juda, in denen Frauen die volle Verantwortung für die gesamte Wirtschaft einnehmen konnten und wohl auch entsprechende Rechte (z. B. Kauf eines Ackers) besaßen. Jene »starke Frau« (V. 10) erwirtschaftet naturale Überschüsse, die sie selbst auf dem Markt feilbietet und dabei ein Gespür für gute Gewinne im Handel entwickelt, die ihr gehören, und die sie zum Nutzen »ihres Hauses« wieder einsetzt. Neben Nahrungsmitteln stellt sie in Hausarbeit Textilien aus Leinen und Wolle sowie Luxus(unter)wäsche aus importierter Atlasseide (hebr. sa¯din, V. 24; vgl. auch Jes 3,23) her. Die feine Wäsche verkauft sie selbst, während selbsterzeugte Gürtel an Zwischenhändler abgegeben werden. Nur in diesem Text werden Textilien zu den israelitischen Handelsartikeln gezählt (anders in Ez 27,17; Esr 3,7). Andererseits kauft sie durch den Seehandel importierte Nahrungsmittel (Delikatessen?), weshalb sie selbst

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mit den Schiffen eines phönizischen Fernhändlers (soh¯er) verglichen werden kann (V. 14). Es ˙ ist allerdings umstritten, in welcher Weise dieses stark an phönizischen Verhältnissen orientierte Idealbild für judäische Wirtschaftsverhältnisse ausgewertet werden darf. Auch wenn die phönizische Wirtschaft (See- und Fernhandel, edle Textilproduktion, Purpurfärberei) als Vorbild gedient hat, wird hier doch das Idealbild einer Judäerin gezeichnet, bei der sich Handelstüchtigkeit und Weisheit verbinden. 3. Handel im Römischen Reich und im Neuen Testament Wie die vergangenen Großreiche profitierten auch die Römer von einem im gewissen Sinn einheitlichen Währungsgebiet, in dem ein Transfer auch größerer Geldmengen zwischen den einzelnen Regionen leicht möglich war. Außerdem waren die ökonomischen Aktivitäten in die sozialen Strukturen der Gesellschaft »eingebettet«. D. h. neben der selbstversorgenden Hauswirtschaft war der zentrale Faktor der antiken Wirtschaft – nämlich Land (nicht Kapital!) – durch feste Besitzstrukturen an die Oberschicht gebunden. Insofern war die Akkumulation von Reichtum begrenzt; Ausnahmen waren nur der Großhandel und die Steuerpacht. a) Märkte. Der Handel in der römischen Antike war nicht marktorientiert, sondern beruhte auf Mangel. Die hohen Transportkosten ließen Handel fast nur für Wein, Öl sowie für leicht transportierbare Luxuswaren zu; der hinsichtlich seiner Quantität beträchtliche Transport von Getreide in Schiffen war dort möglich, wo ein fruchtbares Hinterland mit leicht zugänglichen Seehäfen verbunden war (Nordafrika / Ägypten). Die antiken Märkte waren nur von lokaler Bedeutung und im Übrigen angewiesen auf die wenigen Betriebe, die Überschuss produzieren konnten. Der Mangel an Kaufkraft beim Großteil der ländlichen Bevölkerung verhinderte eine strukturelle Verbesserung. Transporte von Massengütern gab es kaum; die Massenproduktion bestimmter Waren in Manufakturen war technisch und ökonomisch aber möglich. Diese weni-

gen Manufakturen waren Familienbetriebe (inklusive Sklavinnen und Sklaven) und auf bestimmte Massengüter (Töpferwaren, Ziegel, Textilien, Waffen) spezialisiert. b) Transport. Allein die Binnen- und Seeschifffahrt besaß eine größere Bedeutung für das Transportwesen und damit für die Möglichkeit des Fernhandels. Natürlich hat auch der Landhandel durch den Ausbau des Straßensystems neue Regionen erschlossen, er konnte aber aufgrund der höheren Transportkosten und der geringeren Lademöglichkeiten sowie der Langsamkeit der Wagen nie die Bedeutung des Seehandels erreichen (3 Verkehr). c) Kleinhändler und Großhändler. Grundsätzlich sind Kleinhändler (kapelos; tabernarius; in 2 Kor 2,17 begegnet das Verb kapeleuo in übertragenem Sinn, bezogen auf jene, die mit dem Wort Gottes Handel treiben), vor allem auch in Verbindung mit Gewerbe, und Großhändler (emporos; mercator; vgl. Mt 13,45; Jak 4,13-17 und vor allem die ausführliche Schilderung in Offb 18,3.1115.23; 3 Geld / Geldwirtschaft; 3 Gewinn) zu unterscheiden. Zahlreiche Quellen belegen, dass auch Frauen in Unternehmen führend tätig sein konnten (so wohl auch die in Apg 16,14.40 erwähnte Purpurhändlerin Lydia). Das alltägliche Leben wurde natürlich vom lokalen Handel bestimmt. Man schätzt seinen Anteil auf gut drei Viertel des Wertes aller im Rahmen der Gesamtwirtschaft ausgetauschten Güter. Er fand in den Städten und Dörfern, aber auch an bestimmten Stellen auf dem Lande statt, an denen sich die Bauern an Markttagen (nundinae) trafen (vgl. die Wandkritzeleien mit den Markttagen in der Umgebung von Pompeji: CIL IV 8863). In den Städten gab es dazu noch spezialisierte Kaufleute, die bestimmte Waren (Textilien, Keramik, Holzgegenstände) verkauften. d) Luxusgüter. Was den kostspieligen Transport wirklich lohnte, war der Handel mit Luxusgütern, die nicht nur in der römischen Oberschicht ihre Abnehmer fanden. Pfeffer aus Indien kostete z. B. bis zu 15 Denare das Pfund (= 327 g), Zimt aus Südostasien kam auf 10 Denare das Pfund, Weihrauch aus Arabien, ein im

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Kult wie in der Medizin viel verwendetes Produkt, wird mit 3-6 Denaren das Pfund gehandelt, wobei die Transportkosten und Zollabgaben jeweils bis zwei Drittel dieser Summe ausmachten. Zollregelungen aus der Zeit der Kaiser Mark Aurel und Commodus geben einen Einblick in die importierten Luxuswaren: Spezereien zur Herstellung von Salben und Parfum, Baumwolle, Pelze, Edelsteine, Seide, Eunuchen, wilde Tiere für die Zirkusspiele, Haare aus Indien (für die Herstellung von Waffen). Dieser Import nach Italien schuf ökonomische wie menschliche Verbindungen, eine Weltläufigkeit und einen Konsum, welche mit den altrömischen Tugenden wie parsimonia, modestia und virtus kaum mehr zu verbinden waren. Zeitgenössische Stimmen gegen den Handel mit Luxuswaren sind wichtige Quellen gerade für dessen Existenz. Die Tatsache, dass sich die wirklich Reichen der Kaiserzeit mit ihrem 3 Reichtum nicht direkt in den Handel eingeschaltet haben, besaß Folgen für die Dimensionen dieses Wirtschaftszweiges: Zur Bildung von großen Handelshäusern und -gesellschaften, wie man sie aus dem Mittelalter kennt, konnte es unter den gegebenen Umständen nicht kommen, da das Handelskapital und die Investitionen vergleichsweise bescheiden blieben; auch das Bankwesen (3 Geld / Geldwirtschaft) wies nur eine rudimentäre Entwicklung auf. e) Handel im Land Israel in römischer Zeit. Handwerk, Gewerbe und – von ihnen teilweise abhängig – der Handel blühten im Land Israel zumal im Zusammenhang mit der Hellenisierung auf, die zugleich eine gewisse Urbanisierung bedeutete. Seit dieser Zeit ist Palästina auch wirtschaftlich in den östlichen Mittelmeerraum und später dann in das weitere durch das römische Imperium umschlossene Gebiet integriert. In der Mitte seiner Herrschaft entwickelte Herodes der Große eine geradezu exzessive Bautätigkeit, die – zusammen mit einem Ausbau des Verkehrsnetzes – zweifellos auch die Wirtschaft des Landes belebte. Der Handel war durchaus differenziert, aber keineswegs dominierend. Binnenhandel fand

mit den verschiedensten Waren statt, wobei jedoch Getreide, Öl und Wein den Hauptanteil ausmachten. Er war dezentralisiert; Märkte gab es in vielen größeren Orten, nicht zuletzt in Jerusalem. Freilich war der Handel hier weithin beschränkt auf das zugehörige Hinterland. Einem größeren überregionalen Handel standen die üblichen Hindernisse im Wege: Transportprobleme und Zollkosten. Gleichwohl existierte in geringem Maß auch Fernhandel. Import und Export gab es aber nur bei wenigen Gütern, naturgemäß bei Luxusgütern wie Parfümen und bei solchen Verbrauchsgütern, die im Land Israel selbst überhaupt nicht oder nicht ausreichend vorhanden waren wie zumal Eisen, Kupfer, Blei, Gold und Silber (vgl. Arist 114; Flav. Jos. Bell. 5). Freilich konnte es auch zum Import von Getreide in Zeiten von Missernten und Hungersnöten kommen. Ben-David, Arye, Talmudische Ökonomie. Die Wirtschaft des jüdischen Palästina zur Zeit der Mischna und des Talmud 1, Hildesheim / New York 1974. Bienkowski, Piotr / van der Steen, Eveline, Tribes, Trade and Towns: A New Framework for the Late Iron Age in Southern Jordan and the Negev, BASOR 323 (2001), 21-47. Dorsey, David A., The Roads and Highways of Ancient Israel, Baltimore / London 1991. Drexhage, Hans-Joachim / Konen, Heinrich / Ruffing, Kai, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert). Eine Einführung, Studienbücher. Geschichte und Kultur der Alten Welt, Berlin 2002, 119-147.259-269. Drexhage, Hans-Joachim, Handel I (geschichtlich), RAC 13, 1986, 519-561; Handel II (ethisch), RAC 13, 1986, 561-574. Duncan-Jones, Richard P., The Economy of the Roman Empire. Quantitative Studies, Cambridge 2 1982. Ernst, Michael, »… verkaufte alles, was er besaß, und kaufte die Perle« (Mt 13,46). Der émporos im Neuen Testament und in dokumentarischen Papyri, Protokolle zur Bibel 6 (1997), 31-46. Frankel, Rafael, Wine and Oil Production in Antiquity in Israel and other Mediterranean Countries, Sheffield 1999. Füssel, Kuno, Die politische Ökonomie des römischen Imperiums in der frühen Kaiserzeit, in: ders. / Franz Segbers. (Hg.), »… so lernen die Völker des Erdkreises Gerechtigkeit«. Ein Arbeitsbuch zu Bibel und Ökonomie, Luzern / Salzburg 1985, 36-59. Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 1992. Markoe, Glenn E., Die Phönizier, Darmstadt 2003.

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Michael Ernst / Peter Arzt-Grabner / Thomas Naumann

Handwerk 1. Israel bis zur persischen Zeit Die Gestaltung der eigenen Lebensweise durch Produkte und Gegenstände aus manueller Tätigkeit ist seit der prähistorischen Zeit in Palästina gut belegt. Als die frühen Israeliten begannen, dort sesshaft zu werden, fanden sie in den kanaanäischen Stadtkulturen eine Handwerkstradition vor, die bereits hoch entwickelt, allerdings durch die Umbrüche im Verlauf des Übergangs von der Spätbronze- zur frühen Eisenzeit auch stark beeinträchtigt war. Während der Königszeit entwickelte sich das Handwerk auch in Israel zu einem wirtschaftlich wesentlichen und qualitativ hoch stehenden gesamtgesellschaftlichen Faktor. Neben Land- und Viehwirtschaft und Handel basierte die Wirtschaft in Israel und Juda auf

dem Handwerk. Das Alte Testament benennt Handwerker terminologisch (ha¯ra¯ˇs u. ä.) vor allem nach ihrer Tätigkeit bzw. nach dem Material, das sie bearbeiteten, insbesondere nach den Materialien Stein (3 Bauwesen / Architektur), Metall (3 Metalle / Metallverarbeitung), Holz und Textilien, und konnte dabei wiederum im Einzelfall genauer differenzieren (z. B. bei den Metallhandwerkern Silber-, Gold-, Kupfer-, Waffenschmiede, Schlosser und Gießer). Offensichtlich waren viele Handwerker in Juda und Israel nicht »ein-seitig« spezialisiert, sondern beherrschten mehr als nur ein Handwerk. Bei der Herstellung von Kompositgegenständen wie (Götter-)Statuen (z. B. Jer 10,9) erwies sich dies als Vorteil, da hier die Kooperation zwischen verschiedenen Metall-, Stein-, Holz- und Textilfachleuten so oder so notwendig war. Handwerker konnten in Lohnarbeit stehen oder als Selbständige tätig sein. Eine Minderheit lebte als Wanderhandwerker (Gen 4,22), andere arbeiteten als »Gastarbeiter« in der Fremde, z. B. phönizische Handwerker in Jerusalem. Andere wiederum mussten – z. B. als Kriegsgefangene – als Zwangs- bzw. Fronarbeiter arbeiten (z. B. 1 Kön 5,27 f.; 9,20 f.). Nach Eroberungen wurden Handwerker bevorzugt deportiert, da man ihr Fachwissen auch im Exil nutzen wollte (z. B. 2 Kön 24,14.16; 25,11 f.; Jer 24,1; 29,2). Handwerk konnte als Neben- bzw. Zusatzerwerb das Einkommen aus einem anderen Beruf ergänzen, aber auch als Hauptberuf die maßgebliche oder einzige Einnahmequelle sein. Bauern dürften stets auch über eine Reihe von handwerklichen Fähigkeiten verfügt haben, wie auch Handwerker gerade im dörflichen Bereich land- und viehwirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen gehabt haben dürften. Professionelle und laienhafte Handwerkstätigkeit sind nicht immer zu unterscheiden. Insgesamt war die Arbeitsteiligkeit auch im ruralen Bereich so weit fortgeschritten, dass eine Kooperation verschiedenster Berufszweige lebensnotwendig und unumgänglich geworden war. Die Produktion handwerklicher Güter im Privathaus und seiner unmittelbaren Umgebung ist

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z. B. durch zahlreiche Spinnwirtel und Webgewichte belegt. Offenbar gehörte zu den handwerklichen Aufgaben von Frauen vor allem die Textilherstellung (Ri 16,13; Spr 31,19-24). Auf die berufsbezogene, siedlungsgeographische Aufteilung in Handwerkerviertel (vgl. Neh 3,31) verweisen Grabungsbefunde in Arad, Ekron, Sarepta, Tell Bait Mirsim und anderen Orten (vgl. die Bäckergasse in Jerusalem Jer 37,21). Gerber und Walker mussten außerhalb oder am Rande der Städte Quartier nehmen (2 Kön 18,17; Jes 7,3; 36,2; vgl. Apg 10,6). In den städtischen Zentren lagen auch staatliche Manufakturen und Bauhütten, die vom Königshaus bzw. dem Tempel bewirtschaftet wurden und im Auftrag des Königshofes tätig wurden (2 Sam 5,11; 1 Kön 5,32; 7,13 f.; 1 Chr 22,15 f.). Die Herstellung der Produkte und ihre Vermarktung konnten in den gleichen Händen liegen (Jer 19,1), die Produkte konnten aber auch durch andere aufgekauft und in den (Zwischen-)Handel gebracht werden. Ein Teil der handwerklichen Produktion deckte den Eigenbedarf wie z. B. die Anfertigung von Werkzeugen und Arbeitsgeräten und deren Reparatur. Gleichzeitig dienten handwerkliche Güter als Tauschmittel im System der Tauschwirtschaft bzw. des lokalen Klein- und regionalen Zwischenhandels. Handwerklich hochwertige Gegenstände aus wertvollen Rohstoffen gelangten in den internationalen Fernhandel. Dazu gehörten Schmuck u. ä. aus Edelmetallen und (Halb-)Edelsteinen, Schnitzereien (Möbelappliken u. ä.) aus Elfenbein oder Gravuren auf Muscheln (Tridacna). Motivik und Stil derartiger Handwerkskunst unterlag vielfältigen auswärtigen Einflüssen aus Ägypten, Mesopotamien und Phönizien. Gleichzeitig gab es auch Massenproduktionen, insbesondere im Bereich der Töpferei und bei der Herstellung von Terrakottafigurinen u. ä., die mittels Modelen vervielfältigt werden konnten. Die Ausbildung von Handwerkern war vor allem in den dörflichen Gebieten eine familiäre Angelegenheit. Auch ganze Sippen konnten berufsmäßig spezialisiert sein (z. B. 1 Chr 4,14.21.23). In den urbanen Zentren des Landes konnten

Handwerker gilden- oder genossenschaftsähnlich organisiert sein (vgl. z. B. ein phönizisches Ostrakon des 5. Jh. v. Chr. aus Akko, Gen 4,22; Neh 3,31 f.); hier dürfte die Ausbildung von Lehrlingen entsprechend außerfamiliär erfolgt sein. Die Spezialisierung und Professionalisierung der einzelnen Handwerkersparten hing nicht nur allgemein von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ab, sondern nahm im Bereich öffentlicher Auftraggeber und sozial hochrangiger Kunden deutlich zu. Der Bau und die Ausstattung öffentlicher Bauten wie Paläste und Tempel sind dafür beispielhaft, denn vor allem hier wurden hoch spezialisierte Handwerker herangezogen. Ebenso bezeichnend sind Prestige- und Luxusgüter, die von Vertretern der Oberschicht erworben wurden und nur von entsprechend ausgebildeten Fachhandwerkern hergestellt werden konnten. Handwerkliche Fertigkeiten und Wissen galten als »Weisheit«, z. B. bergmännisches bzw. metallurgisches Wissen (Jer 49,7; Obd 8). In der alttestamentlichen Götzenbild-Polemik werden die Handwerker zwar einerseits wegen ihres Geschicks gelobt, ihnen andererseits aber zugleich höhere Einsicht und Vernunft abgesprochen (z. B. Jes 44,11-20), während später Sir 38,25-38 »Hand«-Werker (griech. cheirotechnes) und Schrift-Kundige und damit Geschicklichkeit und Weisheit gegeneinander abzuwägen sucht. Das Prestige der Handwerker, die neben ihrer ökonomischen Bedeutung als eine die materiellvisuelle Tradition tragende Bevölkerungsgruppe betrachtet werden können, war je nach ihrer spezifischen Sparte und dem Ort ihrer Tätigkeit unterschiedlich. Während z. B. das Prestige der Handwerker hochwertiger Materialien im Tempel hoch war (vgl. Ex 31,3; 35,31; 1 Kön 7,14), dürfte jenes der Gerber minimal gewesen sein. Mythologische Abstammungstheorien und Verkörperungen wie die von Tubal-Kaijn als dem Stammvater aller Kupfer- und Eisenschmiede (Gen 4,22) sind im Alten Testament die Ausnahme (vgl. anders Philo von Byblos). Theologisch konnte dagegen JHWH als Gott dargestellt werden, dem die Fähigkeiten und Aufgaben eines

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göttlichen Handwerkers eignen (z. B. Jes 64,7; Jer 18,6), während in der Königsideologie z. B. Salomo als idealer Baumeister und Handwerker auf dem Thron dargestellt werden konnte (v. a. 1 Kön 5-9). 2. Römisches Reich Generell ist in der hellenistisch-römischen Antike eine Tendenz zur Spezialisierung und zur Arbeitsteilung in bestimmten »Branchen« zu beobachten. Die Ursachen dafür lagen in verbesserten Transportmöglichkeiten, die Märkte über den regionalen Bezieherkreis hinaus eröffneten und so erst Massenproduktion ermöglichten, in einer deutlichen Entwicklung zur Monetarisierung der Wirtschaftsbeziehungen, die Investitionen und Gewinnmaximierung mit sich brachte, sowie in einer Gesellschaftsstruktur, die horizontale und vertikale Mobilität vor allem von ständisch nicht gebundenen Schichten wie Freigelassenen oder freigeborenen Provinzialen förderte. Freilich wirkten sich diese Faktoren in den kulturell unterschiedlich geprägten Regionen des Römischen Reiches nicht gleichartig aus. Handwerkliche Produktion konnte sowohl auf der Arbeitsleistung von Sklavinnen und Sklaven (etwa auf Latifundien) beruhen als auch auf der von Lohnarbeitern (etwa in einer Manufaktur) oder selbständigen Handwerkern (etwa in einem Dorf). Nur wo die Nachfrage Massenproduktion ermöglichte und die Produkte problemlos transportiert werden konnten, entstanden Fertigungszentren zum Teil mit mehreren Produktionsstätten, bei denen man durchaus von Manufakturen sprechen kann. Regelrechte Fabriken befanden sich in staatlichem Besitz und waren vor allem mit der Gewinnung und Weiterverarbeitung von staatseigenen Rohstoffen befasst. Das römische Militär verfügte über spezialisierte »Handwerkseinheiten« (fabri), die nahezu alles aus Holz, Metall, Stein und Keramik (Ziegelöfen z. B. der Legio X in Jerusalem!) herstellten, was die Truppe benötigte (Veg. mil. 2,11). a) Ländlicher Bereich. Naturgemäß vollzogen sich zahlreiche Handwerksarbeiten im Bereich der Landwirtschaft, wo stets ein besonders hoher Einsatz körperlicher Arbeit verlangt war. Geräte

vom Pflug bis hin zur Ausrüstung der Pferde mussten hergestellt und repariert werden. Jeder landwirtschaftliche Betrieb verfügte daher über Einrichtungen und Personal zur Holz- und Metallbearbeitung (Beispiele von Cato agr. z. B. 4-5; 12-16 Liste der Ausstattung verschiedener Betriebe; 17-20 Bau eines neuen Hofes; Colum. 12,3,6), um so weit wie möglich selbständig wirtschaften zu können. In den Dörfern, die neben großen, oft auf Sklavenarbeit beruhenden Gütern in der frühen Kaiserzeit noch das Rückgrat landwirtschaftlicher Produktion bildeten, war die Spezialisierung noch nicht so weit fortgeschritten wie in der Stadt, so dass mancher Bauer sicherlich in beschränktem Maße zeitweise auch Handwerker war und umgekehrt. Oft wurden zusätzlich Tagelöhner für einfache handwerkliche Tätigkeiten angeheuert, um saisonale Arbeiten zu bewältigen (Mk 1,20; Mt 20,1-16; Lk 15,19 zu Tagelöhnern bzw. Lohnarbeitern in der Fischerei und Landwirtschaft; Mt 21,33 zu Bauten auf einem Weinberg; vgl. auch Cato agr. 14; 16; 22; 135; Var. rust. 1,16,3). Andere Dienstleistungen wurden von fahrenden Handwerkern angeboten, die ihre Werkzeuge mit sich führten und Kunden in Städten und Dörfern aufsuchten. Vermutlich konnten nur wenige dieser fahrenden oder saisonalen Handwerker von ihrer Arbeit leben, Taglöhner noch weniger (Lk 15,19). Jedoch konnten vor allem Handwerker mit eigenem Betrieb durch ihre Arbeit zu bescheidenem Wohlstand kommen, manche sogar zu regelrechtem Reichtum (Plin. nat. 34,37; 35,62; 35,88; Grabmal des Bäckers Eurysaces in Rom). Trotz aller gemeinschaftlichen Arbeitsteilung innerhalb eines Dorfes konnten bestimmte für den Alltag notwendige Dinge nur durch Spezialisten hergestellt werden, die ihren Lebensunterhalt ganz überwiegend bzw. ausschließlich durch diese spezielle Tätigkeit bestritten. Die am weitesten verbreitete Gruppe aus dieser Kategorie waren sicherlich Töpfer, die selbst im Palästina des 1. Jh. v. Chr. ihre Ware in Massenproduktion herstellten. Im Unterschied zur Feinware, die von noch höher spezialisierten Manufakturen hergestellt und zum Teil über weite Strecken transportiert

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Hinweisschild einer römischen Schmiedewerkstatt, 1. Jh. n. Chr.

wurde (z. B. Terra Sigillata), war die »Reichweite« derartiger Alltagsware zumeist regional begrenzt. In Jalame in Nordisrael wurde eine spätantike Glashütte ausgegraben – ein bisher nahezu einzigartiger Fund, der sehr interessante Einblicke in die Arbeitsweise und das Formenspektrum eines spezialisierten Handwerksbetriebs liefert. Wie differenziert hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeiten und zugleich spezialisiert auf lokale Anbaumöglichkeiten sich Landwirtschaft gestaltete, zeigt das Beispiel von Qumran, wo das bisher umfangreichste Corpus von Metallgeräten und Werkzeugen in Palästina gefunden wurde (größtenteils noch unpubliziert). Geräte zur Dattelpalmenpflege, zum Beschneiden und Entlauben von Ästen, zum Ernten der Früchte, Sicheln zum Schneiden von Getreide, Hacken zum Auflockern des Bodens, aber auch Scheren zur Schafschur u. a. zeigen die Bandbreite lokaler Landwirtschaft und des damit verbundenen Handwerks. Zwei Keramikbrennöfen und große Mengen von Fehlbränden sowie aufbereiteter Ton in einem Setzbecken bezeugen intensive Keramikproduktion über den Eigenbedarf hinaus. Ferner wurden auch Matten und Korbwaren aus

Palmfasern hergestellt sowie Textilien gewebt (Webgewichte) und eventuell sogar zum Teil mit Indigo gefärbt. Weitere Beispiele für das Seiler- und Korbflechterhandwerk stammen aus Höhlen unweit von Masada. Zur Zeit ist umstritten, ob einige Installationen in Qumran, En Feshkha und Jericho (in der »Industrial Area« = Areal F des hasmonäisch-herodianischen Palastkomplexes) zur Herstellung von Parfumen oder Dattelwein verwendet wurden. Im judäisch-samarischen Bergland, in Galiläa und in der Küstenebene wurden zahlreiche Installationen zum Pressen von Öl und Wein gefunden, die zum Teil hoch komplex waren und gute technische Kenntnisse erforderten (z. B. Marescha). b) Städte. In den Städten waren die Absatzmöglichkeiten für handwerkliche Produkte größer und daher auch das Angebot breiter gefächert. Dennoch dürften die allermeisten Handwerksbetriebe auch in den größten Städten nicht über das Maß eines um Lehrlinge, Sklaven und Lohnarbeiter erweiterten Familienbetriebs hinausgegangen sein. Töpferei, Holzbearbeitung, Bauwesen und die Bereitstellung der grundlegenden Nahrungsmittel (Öl, Brot, Fleisch) stellten die hauptsächlichen Betätigungsfelder solch kleiner Handwerksbetriebe dar, die über die Stadt verstreut oder in Handwerksvierteln zusammengezogen waren. Besonders Bäcker unterstanden obrigkeitlicher Kontrolle, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Die Konkurrenz war hart, und ein übergroßes Angebot bedeutete oft Preisverfall. In Caesarea Maritima, Bet-Shean und Sepphoris sind Werkstätten von Metallhandwerkern in Häusern entdeckt worden (Tiegel, zur Einschmelzung bestimmte Altmetalle, Schlacken und Brennvorrichtungen), doch können solche spezialisierten Kleinbetriebe in viel mehr Städten und zum Teil auch Dörfern vorausgesetzt werden. Im Allgemeinen waren Handwerksbetrieb und Laden gemeinsam im selben Haus untergebracht, in dem auch die Familie wohnte (Pompeji, Ostia). Gerber, Abdecker und Walker hatten ihre Betriebe aufgrund der Geruchsbelastung oft außerhalb der Orte, andere handwerkliche Produktionsstätten wie Töpferei-

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en benötigten Platz für die Aufbereitung des Tons und den Betrieb der feuergefährlichen Brennöfen. Die wirtschaftliche Prosperität einer zahlenmäßig wachsenden und zunehmend nach kulturellen Ausdrucksmöglichkeiten suchenden jüdisch-palästinischen Oberschicht in herodianischer Zeit führte zu einer in der Region bisher unerreichten Ausdifferenzierung handwerklicher Tätigkeiten und Absatzmärkte (Palästina zog so mit der östlichen hellenistischen Mittelmeerwelt gleich). So wird seit Mitte des 1. Jh. n. Chr. der bei Jerusalem und in der Nähe von Nazaret besonders gut anstehende weiche Kalkstein abgebaut und vor Ort zu einer Vielzahl von Gegenständen weiterverarbeitet, die sowohl dem Geschmack wie auch den religiösen Bedürfnissen der Kunden entsprechen (Ossuare, Tischplatten, Kleingefäße wie Becher, Schalen oder »Tassen« zum Teil mit religiösen Konnotationen, Großgefäße wie Kratere). Wie Grabungen in Hizma bei Jerusalem durch Y. Magen zeigen, kann man hier ähnlich wie im Fall der Keramik- oder Glasherstellung von regelrechten Manufakturen sprechen, bei denen die Rohstoffgewinnung, die schrittweise Weiterverarbeitung bis zum Endprodukt sowie Designentwicklung und Vermarktung in einer Hand lagen und eine große Anzahl von Arbeitskräften beschäftigt war. Leider sind die sozialgeschichtlichen Rahmenbedingungen dieser Industrie bisher noch zu wenig erforscht. So wissen wir weder, wem solche Manufakturen gehörten noch aus welcher Schicht die Besitzer und Arbeiter stammten. Reste von Glasverarbeitung in kleinerem Umfang (Fragmente von Blasrohren, Rohmaterial, Abfall) wurden u. a. im herodianischen Jerusalem (Y. Israeli) und in Qumran (Produktionsabfall) gefunden. Gerade die Glasverarbeitung ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich durch technologischen Fortschritt (Erfindung des Glasblasrohrs an der heutigen libanesischen Küste gegen Ende des 1. Jh. v. Chr.) und die Verfügbarkeit der Rohmaterialien bestimmte handwerkliche Spezialkenntnisse rasch verbreiten und sich lokal beschickte Märkte und Moden entwickeln konnten – nicht zuletzt weil

Schuhmacher. Sarkophagrelief, Rom

in diesem Fall nicht der Rohstoff, sondern die Kenntnis der Technologie im Vordergrund stand, die bei ausreichender Versorgung mit Halbfertigprodukten (Glasrohlinge) praktisch überall ohne großen Aufwand in konkrete Produkte umgesetzt werden konnte. Oft waren Städte für bestimmte Produkte bekannt (Korinth und Athen für Keramik, Tarsos für Leinweberei, Dion Chrys. 34,21-23) und konkurrierten auch miteinander (Athen. 469b), Heiligtümer waren nicht nur Abnehmer für zahlreiche Handwerksleistungen, sondern auch Produktionsort (Votive, »Souvenirs«, vgl. Apg 19,24). c) Der Bedarf der Oberschicht. Besonders großen Bedarf an hochspezialisierter, exquisiter Handwerksarbeit hatte die Oberschicht. Hier lag der Absatzmarkt für hochwertige Luxusprodukte wie Schmuck, teure Gefäße aus Edelmetall oder Textilien. Allein die Bauprojekte des Herodes beschäftigten ein Heer von hochqualifizierten und hochspezialisierten Handwerkern, die zum Teil selbst aus Italien angeheuert wurden (Mosaizisten, Dekorateure für Wandmalerei, Textilweber). Aus der Spätantike sind regional mobile Mosaizistenschulen bekannt, die auf Auftragsbasis so-

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wohl für reiche Privatleute als auch für Synagogen- oder Kirchengemeinden arbeiten. Anders als in der Spätantike, wo uns die Namen zahlreicher Handwerker (und oft auch ihrer Auftraggeber) auf Mosaiken überliefert sind, fehlen uns solche Angaben für das 1. Jh. weitgehend. Allein der Glashüttenbesitzer (?) Ennion hat seinen Namen auf wunderschönen Gefäßen hinterlassen, die an der libanesischen Küste hergestellt und in der Oberstadt von Jerusalem wie auch im römischen Cambodunum (Kempten) gefunden wurden. Ähnliche »Markenzeichen« finden sich auch auf Terra Sigillata gestempelt, wobei auch in der Antike bereits derartige Qualitätssiegel gern von »Piraten« kopiert wurden. Baumeister und Bildhauer wurden oft von unterschiedlichen Auftragebern angeheuert und waren hoch mobil. 3. Das Ansehen handwerklicher Arbeit Da das herrschende, von den bevorzugten »standesgemäßen« Tätigkeiten aus bestimmte Ethos der Eliten körperliche Betätigung als unschicklich definierte, war das Ansehen von handwerklicher Arbeit in aller Regel nicht sehr groß (Plato leg. 846a-847b; Arist. pol. 1328b; Cic. off. 2,150; Xen. oic. 4,2). Der Handwerker galt nicht viel, selbst wenn sein Werk bewundert wurde (Plut. Perikles 2,1). Dennoch dokumentieren gerade in der Kaiserzeit zahlreiche Grabsteine zum Teil mit bildlicher Darstellung des Gewerbes den Stolz und das wachsende Ansehen von Handwerkern. Von zahlreichen Inschriften wissen wir, dass sich bestimmte Berufsgruppen in Vereinen organisierten. Diese Vereine fungierten als wichtiges soziales und religiöses Netzwerk, in dem für den sozialen Zusammenhalt gesorgt wurde, kaum jedoch für effizienten Umgang mit dem Markt. Kinderarbeit war im Handwerk wie in allen Bereichen antiker Wirtschaft weit verbreitet. Handwerkliche Tätigkeit von Frauen war abhängend vom Stand selbstverständlich. Wer sein Handwerk nicht innerhalb der eigenen Familie lernen konnte, vertraute sich als Lehrling einem »Meister« an und wurde in dessen Familie aufgenommen (didaskalike). Aus Ägypten sind Ausbildungsverträge auf Papyrus erhalten (P.Oxy.

275; 725; vgl. Plin. nat. 36,16 f.). Demnach bezahlt der Lehrling Geld und kann dafür im Gegenzug in festgesetztem Umfang Ausbildung, Verpflegung und Unterbringung erwarten. Neben Freigeborenen wurden auch Sklaven für bestimmte Tätigkeiten ausgebildet, nicht zuletzt um ihren Wert zu steigern und sich ihrer Kenntnisse selbst nach einer etwaigen Freilassung zu versichern. In Fortführung von Gen 3,17-19 galt die Mühsal täglicher Arbeit im Judentum als selbstverständlich und wurde weder romantisiert noch im Ansehen herabgewürdigt. Vor allem spätere Rabbinen betonen, dass selbst Gelehrte ihren Lebensunterhalt nicht durch ihre Gelehrsamkeit, sondern durch (handwerkliche) Arbeit bestreiten sollten – ein Erbe pharisäischer Frömmigkeit (Sir 7,15; mAv 1,10; bSota 20a; bPes 118a). 4. Neues Testament Neben der Landwirtschaft spielt das Handwerk im Neuen Testament nicht nur als Ursprungsbereich von Metaphern und Regeln eine große Rolle, sondern auch als sozialgeschichtlicher Kontext vieler seiner Protagonisten. Nach Apg 18,2 f. betrieb Paulus mit Aquila und Prisc(ill)a das Zeltmacherhandwerk (skenopoioi), Jesu Vater war »Zimmermann« (tekton), worunter man eine »allgemeine Fachkraft für Holzverarbeitung und auch viele Detailarbeiten beim Hausbau« (Peter Herz) zu verstehen hat. Lydia, die erste Christin Europas, war Purpurhändlerin (Apg 16,14 f.) und dürfte Purpur nicht nur hergestellt, sondern auch die damit gefärbten Waren verkauft haben. Den hohen Stellenwert, den die Arbeit für Paulus als ehemaligem Pharisäer und vermutlichem Sproß einer Handwerksfamilie besaß, zeigt 1 Thess 2,9 f.: Paulus rühmt sich, dass er der Gemeinde nicht zur Last gefallen ist, sondern durch eigene harte Arbeit seinen Lebensunterhalt selbst verdient hat (vgl. 1 Kor 4,12; 9,6-10). Dies rät auch Paulus der gesamten Gemeinde in Thessalonike (1 Thess 4,11; vgl. noch strikter 2 Thess 3,7-12). Der Jakobusbrief warnt die Reichen, keinen ungerechten Besitz anzuhäufen und den Arbeitern ihren Lohn nicht vorzuenthalten (Jak 5,4).

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Haus

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Ulrich Hübner / Jürgen Zangenberg

Haus Der Begriff bajit im Alten Testament ebenso wie oikos, oikia im Neuen Testament bezeichnet nicht allein das »Gebäude«, sondern auch die soziologische Größe »Familie«, die als Haushalt in einem Gebäude lebt (3 Familie). Häuser sind der Ort des familiären Zusammenlebens und prägen die Sozialstrukturen der Familie / Gesellschaft, wie diese ihrerseits auch die Architektur beeinflussen. 1. Alttestamentliche Welt Das hebräische Wort bajit kommt im Alten Testament über zweitausend Mal vor. Es hat Entsprechungen in vielen semitischen Sprachen und bezeichnet viele Arten von »Behausungen«. Dabei kann es sich um private Häuser (Ex 12, 7; Dtn 6, 7 u. ö.), aber auch um repräsentative Gebäude wie Tempel, die Wohnungen Gottes / der Götter (Ri 9, 4; 1 Kön 6, 1 ff. u. ö.) und Paläste (Gen 12,15; Jer 39, 8) handeln. Selbst die Wohnungen der Toten

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(Koh 12, 5) und Behausungen von Tieren werden so bezeichnet (Hi 8, 15; 27,18; 39, 6). a) Architektonische Informationen werden im Alten Testament nur spärlich überliefert, schließlich hatten Schreiber und Lesende die verschiedenen Bauwerke ihrer Zeit vor Augen. Heute ist man auf die archäologischen Befunde der vorderasiatischen Archäologie angewiesen, um die Erzählungen aus der palästinischen Eisenzeit auf adäquatem Wissensstand zu lesen. Das israelitisch-jüdische Palästina hat in keiner Epoche seiner Kulturgeschichte eigenständige Haustypen geschaffen, sondern war stets von wechselnden, u. a. ägyptischen, syrisch-kanaanäischen und mesopotamischen Vorbildern abhängig. Das Haus war im Alten Orient nicht gleichbedeutend mit überdachter Wohnfläche. Zu einem Haus gehörten grundsätzlich auch Freiflächen, meist ein (Innen-)Hof, manchmal mehrere Höfe oder auch umfriedete Bereiche um ein überdachtes Gebäude, eine Hütte oder ein Zelt. Das tägliche Leben spielte sich vielfach unter freiem Himmel ab. Die Innenhöfe nahmen daher oft einen beträchtlichen Anteil an der Grundfläche eines Hauses ein. Hier gab es u. a. Kochgruben (Herde), Webstühle und Silos. Daher konnte der überbaute Bereich eines Hauses relativ klein gehalten werden. Diese Beschränkung war auch ökologisch bedingt. Das für die Überdachung notwendige Holz stand nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Außerdem gab es in einer ummauerten Stadt nur beschränkt Bauland. Das Fundament, der untere Teil der Mauern, bestand meist aus ein- bis dreireihig nebeneinander gesetzten, unbehauenen Felssteinen, die in mehreren Lagen übereinander geschichtet wurden, d. h. aus mörtellosen »Trockenmauern«. Im Ausnahmefall wurde sogar die gesamte Wand aus Steinen hergestellt. Die glatte Seite der Steine zeigte nach außen und innen (Schauseiten). In die Zwischenräume der Trockenmauern wurden kleinere Steine gefüllt oder an den Außenseiten auch als Keile eingepasst. Die eigentlichen Mauern der Häuser wurden in der Regel mit Tonerde Schicht für Schicht aufgebaut. Seltener wurden sie aus sonnengetrockneten (Lehm-)Ziegeln er-

richtet. Bei größeren, besonders bei repräsentativen Gebäuden verwandte man ab dem 9. Jh. v. Chr. auch behauene Quader, die man meist in der Form von »Läufern« und »Bindern« abwechselnd in Längs- und Breitlage aufschichtete. Schwellen und Türangelsteine weisen auf die Existenz von Türen hin. Der untere Zapfen drehte sich im Loch des Türangelsteins, der obere wurde im Türsturz eingesetzt. Manche Räume hatten eine eigene Tür, andere wurden – wenn überhaupt – durch Vorhänge abgetrennt. Fenster (d. h. kleine Öffnungen) konnten aufgrund des Erhaltungszustandes eisenzeitlicher Häuser nur selten nachgewiesen werden. Das Dach wurde mit mehr oder weniger großen Balken abgestützt. Da das Holz der limitierende Faktor beim Hausbau war, waren die Räume in der Regel schmal und lang. Die schmalere Seite konnte mit den zur Verfügung stehenden Ästen und Reisig mehrlagig überdeckt und schließlich mit Lehm abgedichtet werden. Die Fußböden bestanden praktischerweise aus gestampftem Lehm oder wurden manchmal noch mit Steinen ausgelegt. Wahrscheinlich gab es in Schlafräumen und Ställen auch Stroh bzw. Strohmatten, insbesondere in der Übergangsjahreszeit und in der Regenzeit. In reicher ausgestatteten Häusern kann es auch Teppiche gegeben haben. b) Charakteristisch für die Eisenzeit I und II (1200-520 v. Chr.) sind Häuser mit einem Innenhof, von dem aus die einzelnen überdachten Räume betreten werden konnten. Eine häufige Variante ist das so genannte Vierraum-Haus, das man besser »Vierzonen-Haus« nennen sollte. Es besteht im vorderen Bereich aus drei parallel angelegten Zonen, dem Innenhof und an dessen beiden Seiten zwei schmalen Vorratsräumen oder Ställen. Im hinteren Bereich befindet sich eine weitere Zone, der eigentliche Wohnbereich. Der Hauseingang befand sich meistens in der Mitte der Hofseite, seltener in einem Seitenraum. Der Hof wurde durch Holz- bzw. Steinpfeiler, durch Mauern oder auch in einer kombinierten Bauweise von den seitlichen Längsräumen abgetrennt. Die beiden parallel zum Innenhof liegenden Räume konnten, wie auch der quer liegende

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Hauptraum im hinteren Teil des Hauses, weiter unterteilt werden. Natürlich hatte man auch die Möglichkeit, den Hofbereich auf Kosten eines oder zweier Nebenräume zu erweitern. Dann entstanden die typischen Derivate des VierraumHauses, das Zweiraum- oder Dreiraum-Haus. Und umgekehrt: Erforderte es die familiäre Situation, so war mit Einbauten ins Zweiraumoder Dreiraum-Haus die Ausgestaltung als Vierraum-Haus möglich. Das Vierraum-Haus ist in Palästina und im Süden Syriens seit dem Ende des 13. Jh. v. Chr. bekannt. Die besterhaltenen Reste eines solchen Gebäudes in einer spätbronze- / früheisenzeitlichen Stadt finden sich in Tell el-3Umeiri im Ostjordanland (10 km südwestlich von Amman). Meist wurden die früheisenzeitlichen Vierraum-Häuser in dörflichen Siedlungen aufgefunden. Im Laufe der israelitisch-judäischen Königszeit wurde dieser Bautyp im gesamten palästinischen Raum sowohl in den Städten als auch auf dem Land üblich (Shiloh; Braemer; Netzer; Holladay). c) Die Vierraum-Häuser hatten meist ein oberes Stockwerk. Die Dicke des aufgehenden Mauerwerkes im hinteren Teil des Hauses, d. h. der hinteren Breiträume, und die Lage einiger nachgewiesener Treppenaufgänge machen eine zweigeschossige Rekonstruktion sehr wahrscheinlich. Es legt sich aus klimatischen Gründen nahe, dass es sich dabei um die bevorzugten Wohn- und Schlafräume gehandelt hat (Stager; Netzer). Die Rekonstruktion des oberen Stockwerks ist heftig umstritten. Beide von Netzer im Standardwerk »The Architecture of Ancient Israel« veröffentlichten Rekonstruktionen sind unbrauchbar. Auch biblische Berichte gehen von einer oberen Etage aus. Abgesehen von Obergeschossen in repräsentativen Gebäuden, die wahrscheinlich keine Vierraum-Häuser waren (wie der königliche Palast in 2 Sam 19,1-5 und in 2 Kön 1, 2), illustrieren die Erzählungen in 1 Kön 17,19 und 2 Kön 4, 10 f. wohl die Situation in Vierraum-Häusern: Nach 1 Kön 17, 19 heilte Elija in Zarpat bei Sidon den Sohn einer Witwe im Obergemach, wo er auch wohnte und sein Bett stand. Nach 2 Kön 4, 10 f. wurde Elischa in der Stadt Schunem eine

Hausformen der frühen Eisenzeit: 1 und 2: Breitraumhäuser; 3: Dreiraumhaus; 4: Vierraumhaus

Kammer im Obergemach eingerichtet, in der Bett, Tisch, Stuhl und Lampe standen. Auch in Ri 3, 20-25 und Jos 2, 15-18 werden Obergemächer vorausgesetzt. d) Die Vierraum-Häuser besaßen eine enge Verbindung zum kanaanäischen Hofhaus und damit zur kanaanäischen Kultur (Kempinski). Sie boten angesichts der im Allgemeinen landwirtschaftlichen Lebensgrundlage der palästinischen Bevölkerung – in einigen Familien durch handwerkliche Tätigkeiten ergänzt und in Einzelfällen sogar ersetzt – optimale räumliche Voraussetzungen zum Überleben. Angesichts des häufig ausbleibenden oder nur geringfügig fallenden Regens und der z. T. für die Landwirtschaft weniger guten Eignung der Böden konnte man im eisenzeitlichen Palästina nur mit einer gemischten 3 Landwirtschaft überleben (Getreidefeldbau in den Tallagen, Gemüseanbau in Hausnähe, Ölbaumpflanzungen sowie Weinanbau in den Hanglagen, Tierzucht, evtl. handwerkliche Aktivitäten). Das Vierraum-Haus war in seinen unterschiedlichen Ausführungen die ideale Behausung für eine Gruppe, die flexibel all diesen Tätigkeiten – je nach klimatischen Bedingungen mit verschiedenen Gewichtungen – nachkommen musste. Es bot hinreichende

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Wohn- und Schlafmöglichkeiten für die Menschen, Unterkunft für das Vieh, Abstellmöglichkeit für die Werkzeuge, Lagerraum für Vorräte (Nahrungsmittel für Mensch und Tier sowie Saatgut), ausreichend Raum für handwerkliche Tätigkeiten (z. B. fürs Spinnen und Weben), sowie zum Zubereiten der Nahrung und zu ihrem Verzehr. Als »Massenprodukt« konnte es sich über Jahrhunderte wohl auch deshalb durchsetzen, weil man nur Ressourcen des Umlandes benötigte, für seinen Bau keine Facharbeiter oder besonderen Werkzeuge erforderlich waren (anders die öffentlichen Gebäude aus behauenen Steinen), je nach familiären Bedürfnissen der Bau von Zwei-, Drei- oder Vierraum-Häusern möglich war, in ummauerten Stadtgebieten das Vierraum-Haus mühelos als Reihenhaus eingefügt werden konnte und dieser Bautyp durch differierende Mauertechniken und Variabilität in Größe und Lage genügend Möglichkeiten für eine repräsentative, nach außen gewünschte Selbstdarstellung bot. e) Die im Vierraum-Haus lebende Kernfamilie war je für sich selbständig organisiert. Sie besaß eine eigene Kochstelle, bereitete ihre Nahrung selbständig zu, verwaltete ihre Vorräte, und beherbergte die eigenen Tiere. In soziologischer Hinsicht handelte es sich um eine Nuclear family (Stager) von etwa 5-8 Personen (vgl. Faust 235). Die von einem Pater familias geleitete Großfamilie (Extended family; be¯t-3¯ab; Faust, Dar) kann nicht in einem einzelnen Gebäude, sondern nur in aus mehreren aneinander gebauten Häusern bestehenden Gebäudekomplexen gesucht werden (Stager). 2. Frühjüdische und neutestamentliche Welt a) Das Prinzip des Hofhauses blieb in Palästina bis in neutestamentliche Zeit hinein dominant. Zumindest die städtischen Wohnheime entsprachen in der neutestamentlichen Zeit mit ihrer Bautechnik und Architektur der hellenistisch-römischen Kultur (Dekapolis; Caesarea u. Skytopolis u. a.). Im Verlaufe des 3./2. Jh. v. Chr. bildete sich in der griechisch beeinflussten Welt das Peristylhaus heraus. Dieser Bautypus verbreitete

sich mit der Hellenisierung auch über die städtischen Zentren Palästinas und verband sich dabei mit traditionellen Wohnhausformen. Die Peristylhäuser spiegelten mit ihren Säulengängen, den manchmal vorhandenen (rituellen) Badeanlagen, Wasserspielen und Obergeschossen das Bedürfnis der reiche(re)n Stadtbevölkerung nach Repräsentation und Luxus wider. Die Wohnhäuser wurden im Stadtbereich in Insulae, in rechteckige Karrees, die aus der schachbrettartigen Aufteilung des »hippodamischen Stadtplanes« entstanden, angeordnet. Doch gab es selbst in Städten zwischen den nach hellenistisch-römischem Baustil ausgeführten Häusern und den traditionellen Bautechniken und -formen vielfache Übergänge. In ländlichen, kleinoder vorstädtischen Bereichen wird sich die traditionelle Lehmbauweise erhalten haben. Die Erzählung von der Heilung des Gichtbrüchigen (Mk 2,1-12 par) könnte in einem solchen Kontext spielen, allerdings auch in einem minder ausgestatteten römischen Privathaus, das nicht immer mit Ziegel-, sondern auch mit flachem Lehmdach denkbar ist. Daneben gab es im ländlichen Bereich auch ausgesprochen weitläufige Villenanlagen, die dem Repräsentationsbedürfnis der Besitzer größerer Landsitze oder landwirtschaftlich ausgerichteter Gutsbetriebe (Domänen) Rechnung trugen. Eine typische Form ländlicher Besiedlung außerhalb der Dörfer oder Weiler war das aus der Eisenzeit herkommende »Turmgehöft« (Mk 12,1 par; Lk 14, 28). b) Häuser in Städten der frühchristlichen Mission im Mittelmeerraum waren unterschiedlich geschnitten, wie Ausgrabungen in Ephesus, Pompeii und Herculaneum und auf Delos zeigen. So muss man lokalgeschichtlich vorgehen. Die folgenden Bemerkungen können also nur allgemein sein. Zudem ist umstritten, in wieweit sich in der Architektur der Häuser die sozialen Beziehungen innerhalb eines Haushalts, insbesondere die Position von Frauen und Sklaven / Sklavinnen abbildete, inwiefern wir sie also dort »orten« können (vgl. George 21 f. [Literatur!]). Die meisten Häuser hatten einen zentralen Innenhof, was der mediterranen Witterung entgegenkommt. Grie-

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chische Häuser, in der Osthälfte des Mittelmeergebiets gelegen, hatten typischerweise ein Peristyl (säulenumstandener Hof) im rückwärtigen Teil des Hauses, zu dem sich ein oder mehrere repräsentativ ausgestaltete Räume mit Wandmalereien etc. öffneten; dies war der Empfangsbereich für Gäste. Die am Eingang zur Straße hin gelegenen Räume hatten eine wirtschaftliche Funktion. Idealerweise hatten diese Häuser getrennte Bereiche für das Privatleben und die Öffentlichkeit. In der zeitgenössischen Literatur werden diese geschlechtsspezifisch als gynaikonitis (Frauenbereich) und andron oder andronitis (Männerbereich, Empfangsbereich für Gäste) bezeichnet. Das typische römische oder italische Haus hatte ein atrium, d. h. einen Lichthof, der in der Mitte offen war und eine Zisterne für Regenwasser hatte. Eine Trennung in privaten und öffentlichen Bereich ist hier weniger deutlich. Die Häuser standen Besuchern offen, nur Reiche konnten sich einen Türsteher leisten. Das römische Haus hatte (mindestens) ein lararium, einen Schrein für die lares und penates, die Hausgötter, die in Familienriten verehrt wurden. Es hatte also eine wichtige Funktion in der familiären Religiosität. Neben diesen Hausformen gab es schlichtere Häuser, etwa griechische ohne Peristyl, und vielfältige Variationen. Die Größe und Aufteilung des Hauses war von dem Reichtum des Inhabers und der Größe seiner darin lebenden familia mitbestimmt. In großen Häusern konnten Peristyl und Atrium kombiniert werden, dann war das Peristyl für die Öffentlichkeit gedacht. Sklavinnen und Sklaven (3 Sklaverei) hatten keinen erkennbar eigenen Wohnbereich. Sie lebten vermutlich in den Wirtschaftsräumen, in denen sie arbeiteten, oder in den Wohnräumen der Familienmitglieder, die sie versorgten. Es gab offenbar wenig Intimität (George 13 f.). In kleineren Häusern wohnte wohl nur die Kernfamilie. Die meisten Menschen lebten allerdings nicht in ihrem eigenen Haus (domus), sondern in kleinen Appartements in Mietshäusern (insulae) bzw. in den Häusern anderer. In dichtbesiedelten Städten wie Rom gab es für arme Menschen Wohnungen in mehrstöckigen Mietshäusern, deren

Bauqualität, Sicherheit und Preis in den oberen Stockwerken abnahmen. Diese sind ab der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. archäologisch bezeugt. Die Reste von Städten wie Pompeii deuten darauf hin, dass Arme und Reiche nicht in getrennten Stadtvierteln lebten. c) Die Christinnen und Christen der städtischen Mission haben sich anfangs nicht in eigenen sakralen Räumen, sondern zumindest teilweise in Privathäusern versammelt. Vielleicht traf sich schon im Haus des Petrus in Kafarnaum eine erste »Hausgemeinde« (so Gehring 51-93). Für die paulinische Mission sind solche Gemeinden im Hause eines Gemeindegliedes belegt (1 Kor 16, 19 und Röm 16, 3.5; Phlm 1 f.; Kol 4, 15, vgl. auch 1 Kor 16, 15 f.). Größere Gruppen konnten sich im Peristyl bzw. Atrium und den angrenzenden Räumen versammeln. Wegen der offenen Türen und der Dichte der Bebauung waren solche Treffen nicht »privat« (vgl. 1 Kor 14, 23). Archäologisch bezeugt ist eine Hauskirche aus dem 3. Jh. in Dura Europos (am Eufrat). Hier lässt sich der Umbau von einem Haus zu einer Hauskirche rekonstruieren (vgl. die Skizzen bei Gehring 514 f.). Inwieweit dieser Ort die Sozialstruktur der Gemeinde und das Miteinander zwischen den Gemeindegliedern prägte, ist allerdings noch nicht geklärt. Neuerdings ist wieder umstritten, ob private Häuser wirklich der wichtigste Versammlungsort waren und nicht auch oder vor allem andere Räumlichkeiten angemietet wurden (s. Balch). Diskutiert wird, ob es in Städten wie Korinth oder Rom ein Nebeneinander von Hausgemeinden (he kat’ oikon ekklesia, Belege s. o.) und Gesamtgemeinde (he ekklesia hole, Röm 16, 23; 1 Kor 14, 23) gab (s. Gehring 45-48.275-282 zur Diskussion) und ob sich Spannungen unter den Gemeindemitgliedern in Korinth und anderswo durch das Nebeneinander verschiedener Hausgemeinden erklären lassen. Unklar ist aber auch, ob sich mit der Rolle des Hausbesitzers als Gastgeber bzw. der Hausbesitzerin (solche sind Maria, die Mutter des Johannes Markus, Apg 12, 12; Lydia 16, 14 f.40; Nympha Kol 4,15) als Gastgeberin eine Autoritätsrolle oder eine liturgische

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Funktion in der gottesdienstlichen Versammlung verband. Mit guten Gründen ist anzunehmen, dass die Etablierung patriarchaler Strukturen (3 Patriarchat) in den frühchristlichen Missionsgemeinden dadurch unterstützt wurde, dass man sich nicht nur in Häusern traf, sondern auch die verschiedenen Gruppen eines Haushalts gemeinsam zur Gemeinde gehörten (so die von den Haustafeln vorausgesetzte Situation, vgl. Kol 3, 18-4, 1 u. a.). Konnte so trotz egalitärer Ideale und Lebensformen die soziale Hierarchie innerhalb der 3 Familie wie zwischen Patron/in und Klienten etc. vielerorts prägend bleiben, gibt es doch auch Gegenentwürfe (vgl. 1 Kor 7; TheklaAkten; zur Ehefreiheitsbewegung 3 Ehe). 3. Metaphorik »Haus« und damit zusammenhängende Größen sind ein verbreitetes bildliches Motiv und spiegeln die Alltagserfahrungen wider. Allgemein redet man vom Tempel als »Haus Gottes« (1 Kön 8; Joh 2, 16 u. ö.). In Joh 14, 2 verdeutlicht der Raum die vielen Bleibestätten (mone, Luther »Wohnungen«) im endzeitlichen »Hause« Gottes. Da »Haus« mehr umfasst als das Gebäude, können auch soziale Größen als »Haus« bezeichnet werden. Im Alten Testament sind insbesondere Stammesverbände (Haus Levi, Ex 2, 1; Haus Josef, Jos 17,17) und Dynastien (Haus Davids, 1 Kön 12, 19; Haus Jehus, Hos 1, 4) zu erwähnen. Auch die Gesamtheit Israels kann – neben dem häufigeren »Kinder Israels« – als »Haus Israel« zusammengefasst werden. Im Neuen Testament sind Metaphorisierungen der Gemeinde als »Haus« bzw. »Bau« verbreitet, sei es statisch mit Christus als Fundament (1 Kor 3, 9 f.), sei es dynamisch als Baustelle (1 Petr 2, 5; Eph 2, 21; vgl. »Haus Israel« im Alten Testament). Missionare (1 Kor 4,1 f., vgl. 9,17), Gemeindeglieder (1 Petr 4, 10) oder der Bischof (Tit 1, 7) werden mit dem Hausverwalter (oikonomos) im Hause Gottes verglichen. In Eph 2, 19-22 werden mehrere Aspekte des Hauskonzepts metaphorisiert, das »Fundament« der Gemeinde aus Aposteln und Propheten, Christus als »Eckstein«, das »Wachsen« des Baus, aber auch das »Wohnrecht« der nichtjüdischen Christen

und Christinnen als Mitbewohner (oikeioi). Voller Implikationen ist das Bild von der Gemeinde als Haus (oikos) Gottes im 1 Tim: In seiner Funktion als »Haushalt« wird es zum Modell der Ekklesiologie und Ethik. Die patriarchale Struktur der Familien wird nicht nur bekräftigt, sondern darüber hinaus zum Vorbild für die Gemeinde (3, 14 f.), was impliziert, dass nur ein durchsetzungsfähiger Hausvater Gemeindeleiter werden kann (3, 1-5; vgl. Wagener; 3 Patriarchat). Balch, David, Rich Pompeiian Houses, Shops for Rent, and the Huge Apartment Bulding in Herculaneium as Typical Spaces for Pauline House Churches, JSNT 27 (2004), 27-46. Braemer, Frank, L’architecture domestique du levant à l’âge du fer, Recherche sur les civilisations 8, Paris 1982. Dalman, Gustaf, Das Haus, Hühnerzucht, Taubenzucht, Bienenzucht, Arbeit und Sitte in Palästina 7, Gütersloh 1942, Repr. 1964. Dar, Shimon, Landscape and pattern, An Archaeological Survey of Samaria 800 B.C.E.–636 C.E., BAR, Oxford 1986. Faust, Avraham, Differences in Family Structure between Cities and Villages in Iron Age II, TA 26, 1999, 233-252. Gehring, Roger W., Hausgemeinde und Mission. Die Bedeutung antiker Häuser und Hausgemeinschaften von Jesus bis Paulus, Gießen 2000. George, Michele, Domestic Architecture and Household Relations. Pompeii and Roman Ephesos, JSNT 27 (2004), 7-25. Herzog, Zeen, Administrative Structures in the Iron Age, in: Immanuel Dunayevsky u. a. (Hg.), The Architecture of Ancient Israel, Jerusalem 1992, 223-230. Holladay, John S., Jr., Local Kingdoms and World Empires, in: Thomas E. Levy (Hg.), The Archaeology of Society in the Holy Land, London 1995, 386-389. Netzer, Ehud, Domestic Architecture in the Iron Age, in: Aharon Kempinski u. a. (Hg.), The Architecture of Ancient Israel, Jerusalem 1992, 193-201. Osiek, Carolyn / Balch David L., Families in the New Testament World. Households and House Churches (The Family, Religion and Culture), Louisville / Kentucky 1997. Reich, Ronny, Palaces and Residences in the Iron Age, in: Immanuel Dunayevsky u. a. (Hg.), The Architecture of Ancient Israel, Jerusalem 1992, 202-222. Richardson, Peter, Towards a Typology of Levantine / Palestinian Houses, JSNT 27 (2004), 47-68. Shiloh, Yigael, The Four-Room House – The Israelite TypeHouse?, Eretz-Israel 11 (1973), 277-285.32*. Stager, Lawrence E., The Archaeology of the Family in Ancient Israel, BASOR 260 (1985), 1-35.

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»Heiden«

Wagener, Ulrike, Die Ordnung des »Hauses Gottes«. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT 2.65, Tübingen 1994.

Christine Gerber / Dieter Vieweger

Haustiere 3 Viehwirtschaft / Haustiere

»Heiden« Mit »Heiden« werden mehrere differenzierte hebräische und griechische Begriffe in der Übersetzungstradition zusammengefasst (hebr. 2ammı¯m, go¯jim; griech. ethne, hellenes; lat. gentes). Als »Heiden«, besser: »Völker« werden in späten Schichten des Alten Testaments (und im Neuen Testament) die nicht zum Gottesvolk (3 Volk / Völker) gehörigen Menschen und Nationen bezeichnet, aus denen JHWH Israel erwählt hat (Dtn 7, 6-9), wobei die stark negative Bewertung von go¯jim vor allem beim Deuteronomisten im Zusammenhang mit dem Fall des Nordreiches hervortritt (2 Kön 17, 8.11.15.33). JHWH ist auch Gott der Heiden (Röm 3, 29), denn ihm gehört die ganze Erde, alle Völker sind von ihm geschaffen (Universalismus). Durch Verheißung, Bund und Beschneidung erhält der Glaube Abrahams seine charakteristischen Merkmale. Es entsteht das Bewusstsein der Besonderheit und ausschließlichen Einmaligkeit (Gen 12, 2; 15, 5 f.; 17, 16; Jos 24, 20). Mit dem Empfang der Gesetzestafeln und dem Bekenntnis zum Gott Israels als dem einzigen Gott (Dtn 6, 4 f.; Jes 44, 6; 48, 12 f.) wächst die Kritik an Götzendienst und Gesetzlosigkeit der Heiden (Dtn 7, 5; 9, 4 f.; Jes 40, 12-31; 41, 7.21-29; Jub 11, 4 f.; 12, 1-21), die als politisch überlegene und kulturell hochstehende Nachbarn oder Zwingherren (Assur, Babylon, Perser, hellenistische Reiche, Römer) den Glauben Israels gefährdeten (Dtn 7, 4). Seine Auserwähltheit versteht Israel als Verpflichtung, die Heiden zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen (Ex 19, 5 f.; Jes

2, 2-4; 43, 10; 49, 6); dies missionarische Ziel wird mit der endzeitlichen Hoffnung auf einen siegreichen Messias und das Gottesreich verbunden (Dan 2; 7). Im Neuen Testament werden die Wendungen »Juden und Griechen« (Apg 14, 1) und »Juden und (Heiden-)Völker« (Apg 14, 25) bedeutungsgleich benutzt. Die Christen pfropfen sich in den Stamm der Erwählten ein (vgl. Röm 911). Jesus wurde zwar zu den Juden gesandt (Mt 15, 24; Röm 15, 8) und als König der Juden gekreuzigt (Mk 15, 26); er nahm sich aber auch der Heiden an, stellte deren Glauben als Vorbild dar (Mt 8, 10; 15, 28) und sicherte ihnen Teilhabe am Heil zu (Mt 26, 31). Tod und Auferstehung Jesu werden zum Fundament der Kirche aus Juden(Christen) und Heiden (Röm 3, 25-30; Eph 2, 11-22). Von den Heiden wird ein völliger Bruch mit ihren Traditionen gefordert. Das Apostelkonzil von Jerusalem befreit allerdings die bekehrten Heiden von der Beschneidung (Apg 15, 1-19; Gal 2) und bestätigt Paulus’ Sendung zu den nichtjüdischen Völkern. Paulus setzt voraus, dass die Heiden in der Lage sind, Gott zu erkennen (Apg 14,15-17; 17, 2231; Röm 1, 18-32); sie ziehen aber den Zorn Gottes auf sich, wenn sie sich von ihm abwenden. Im Neuen Testament wird gegenüber dem Alten Testament und der Septuaginta nicht nur Israel den Heiden gegenübergestellt; vielmehr liegt ein dreipoliges Bedeutungsfeld Christen – Heiden – Juden zugrunde: ethne bezeichnet die Heidenvölker im Unterschied zu den Juden (Mt 10, 5) und auch Christen (1 Kor 5, 1). Die zum Christentum bekehrten Heiden werden mit ex ethnon (Apg 15, 23.25; Röm 16, 4; Eph 3, 1) oder hellenes (Röm 1, 16; 1 Kor 1, 24) bezeichnet, weil man sie von den Konvertiten aus dem Judentum unterscheiden möchte. hellenes bezieht sich jedoch im Allgemeinen auf die Nichtjuden und benennt so die Griechen als die hervorstechendsten Repräsentanten des Heidentums. Damit wird hellenes zum Synonym für »Heiden« (z. B. Joh 7, 35; Mk 7, 26; Apg 11, 20; vgl. bereits 2 Makk 4, 10 f.). Durch die Zugehörigkeit von Juden und hellenes zum neuen Glauben wird der alte Gegensatz nach innen aufgehoben (Gal 3, 28). In der apokalyptischen Literatur kommt die ambivalente Situation

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der Heiden als Feinde Gottes einerseits und zur Erkenntnis Gottes Berufene andererseits in mythischer Sprache zum Ausdruck: Die götzendienerischen Völker, symbolisiert durch wilde Tiere und als »Hure«, »Babylon« usw. stigmatisiert, kämpfen gegen den Gesalbten und verfallen der Vernichtung; die Diener Gottes hingegen werden unabhängig von ihrer ethnischen oder kulturellen Herkunft für immer Wohnung nehmen im neuen Jerusalem (Offb 7, 9-17; 21, 24 f.). Sozialwissenschaftlich gesehen entspringt die strenge Unterscheidung der eigenen (überlegenen) Gruppe von »den anderen« (Barbaren; Ungläubigen; Verdammten; Nicht-Menschen usw.) einer tief im Menschen angelegten Sehnsucht nach perfekter und umfassender Selbstverwirklichung. Besonders in der Geschichte der monotheistischen Religionen führt sie oft zu einem fundamentalistischen Absolutheitsanspruch, der die Erkenntnis von der Einzigkeit und Absolutheit Gottes zur Karikatur verkehrt. Conzelmann, Hans, Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-römischen Zeit, BHTh 62, Tübingen 1981. Feldmeier, Rainer / Heckel, Ulrich, Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 1/70, Tübingen 1994. Fredouille, Jean-Claude, Art. Heiden, RAC 13, 1986, 11131149. Hirss, Ilmars, Ein Volk aus Juden und Heiden: Der ekklesiologische Beitrag des Ersten Petrusbriefes zum christlichjüdischen Gespräch, Münsteraner Judaistische Studien 15, Münster 2003. Kraus, Wolfgang, Zwischen Jerusalem und Antiochia. Die »Hellenisten«, Paulus und die Aufnahme der Heiden in das endzeitliche Gottesvolk, SBS 179, Stuttgart 1999. Wehnert, Jürgen, Die Reinheit des »christlichen Gottesvolkes« aus Juden und Heiden. Studien zum historischen und theologischen Hintergrund des sogenannten Aposteldekrets, FRLANT 173, Göttingen 1997.

Erhard S. Gerstenberger / Monika Schuol

Heiligkeit 1. Bedeutung des Wortfeldes Das Stichwort »heilig« wird gemeinhin im Sinne von »abgesondert« verstanden. Heilig ist, was der Gottheit geweiht d. h. zugeeignet ist. Diese Kategorie grenzt Personen (Ex 29, 44; Lev 20, 7; Num 15, 40), Gegenstände (Ex 29, 37.44), Zeiten und Orte (Ps 2, 6; 24, 3) vom alltäglichem Gebrauch für Gott ab. Die hebräische Wurzel für heilig qdsˇ bezeichnet als Substantiv das Heiligtum bzw. die Heiligkeit, als Adjektiv und Verb heilig sein und heiligen, weihen. Heiligkeit ist im priesterlichen Gebrauch, der vorherrschend ist im Alten Testament (Ex; Lev; Num; Ez), eine kultische Kategorie. Doch laut Lev 19 bildet sie sich gerade auch in ethischem Handeln, d. h. im Alltag ab. Heiligkeit steht daher in einem dynamischen Spannungsverhältnis zum Profanen. Der Gebrauch von hieros und den Ableitungen des Adjektivs tritt im Neuen Testament wie schon in der Septuaginta aufgrund ihrer heidnisch-kultischen Konnotation vollkommen zurück. Heilig wird durch die Worte hagios und hosios wiedergegeben. Der parallele Gebrauch der Worte heilig und gerecht (Mk 6, 20; Apg 3,14; Röm 7, 12) zeigt, dass das Wort »heilig« gelegentlich in übertragenem Sinn verwandt werden kann. 2. Gottes Heiligkeit In erster Linie ist Heiligkeit ein Attribut Gottes bzw. des Namens Gottes (z. B. Lev 22, 32; Jes 6, 3; Ps 22, 4; Ps 99; Hebr 12, 10), ja es ist in priesterlicher Tradition das göttliche Attribut schlechthin. Jes 57, 13 transformiert diesen Gedanken: Gott, der Erhabene und Heilige, der in der Höhe wohnt, erfüllt die Zerbrochenen mit seiner Geistkraft. Gottes Heiligkeit hat laut Jes 6 zur Folge, dass die gesamte Erde mit Gottes Glanz erfüllt ist. Heiligkeit bringt damit ein Beziehungsverhältnis zum Ausdruck. Die an Gott glaubende Gemeinschaft ist heilig, da Gott heilig ist (Ex 19, 5-6; Lev 19, 2.26; Dtn 14, 2; Röm 1, 7). Gott heiligt sein Volk (Ex 31, 13-17) und setzt den Sabbat als Zeichen dieses Bündnisses ein (Ex 20, 8; 31,14 f.).

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Hagios ist oft Attribut der Heilsgabe Gottes, wie auch der Gabe der göttlichen Geistkraft (s. u.). Im Neuen Testament ist die Bitte »dein Name werde geheiligt« Bestandteil des Unser VaterGebetes (Mt 6, 9; Lk 11, 2 vgl. auch Lk 1, 49). Hintergrund dieser Bitte ist die jüdische Vorstellung, dass neben Gott auch Gottes Name heilig ist (z. B. Ps 33, 21; 106, 47). 3. Heiligkeit Jesu In christologischen Zusammenhängen wird Jesus als »Heiliger Gottes« bezeichnet (Mk 1, 24 par; Lk 4, 34; Joh 6, 69; vgl. Offb 3, 7 und Apg 3, 14). Der präexistente Messias ist Schöpfungsmittler Gottes (Joh 1, 10 ff.) und gehört unmittelbar in den Raum Gottes mit hinein. Dies wird bereits in der Geburtsankündigung Jesu proklamiert (Lk 1, 35). Innerhalb des Jerusalemer Gemeindegebetes wird Jesus als von Gott gesalbter heiliger Knecht tituliert (Apg 4, 27.30). Die Heiligkeit Jesu ist daher eine jüdische Sprachmöglichkeit, die bereits das Baby eng mit dem Bereich Gottes verknüpft. Jesus ist für die Glaubenden zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und vor allem zur Erlösung geworden (1 Kor 1, 30; Hebr 10,14). Dieses Erlösungswerk dehnt sich auch auf die Menschen aus den Völkern aus und bekommt so eine universale Perspektive. 4. Heilige Geist(kraft) Die Geistkraft Gottes verbürgt die Nähe Gottes. Außergewöhnlich ist Ps 51, 13, wo der / die in Schuld verstrickte Betende darum bittet, Gottes heilige Geistkraft möge sie / ihn nicht verlassen (vgl. Jes 63, 10). In der Krise wird der von Gott geschenke Odem (Geist) als heilig erkannt. In mehr als einem Drittel der Textstellen im Neuen Testament wird das Adjektiv »heilig« dann als Bezeichnung der heiligen Geistkraft gebraucht. Besonders im Lukasevangelium und der Apostelgeschichte ist sie weit verbreitet. Die heilige Geistkraft bezeichnet die schaffende Gegenwart Gottes (vgl. Gen 1, 2), die etwa Maria schwängert (Lk 1, 35). Sie gilt als göttliches Wesen, gehört eindeutig der himmlischen Sphäre an und ist

Mittlerin, Offenbarerin und Trägerin des göttlichen Wortes. Die Geistkraft wird somit als Selbstmitteilung und Entäußerung Gottes verstanden und vermittelt den Glaubenden die Präsenz Gottes bzw. Jesu Christi (Apg 15, 8). In der Apostelgeschichte zeigt sich die heilige Geistkraft als pneumatisches Phänomen (1, 8; 2, 24,15 f.), das die Verbindung der Glaubenden zu Gott und auch untereinander herstellt. Sie ermöglicht den Christusgläubigen ein gottgemäßes Leben (Röm 8). In den paulinischen Briefen wird die Funktion der heiligen Geistkraft betont, das christliche Sein zu ermöglichen (1 Thess 1, 5 f.). Die Kraft ist eschatologische Gabe (vgl. Ez 36, 27; 27, 14), die die fortschreitende Heiligung der Glaubenden garantiert. Als solche befähigt die Geistkraft die Glaubenden zum christlichen Lebenswandel. 5. Heiligkeit von Personen(gruppen) »Ihr seid heilig – ja seid es! – denn heilig bin ich« (Lev 19, 2). Mit diesem Aufruf ist das programmatische Kapitel zur Praxis von Liturgie und Sozialethik in Levitikus überschrieben. Heiligkeit hat dabei zwei Seiten: sie ist Grenzziehung (nach außen) und Einladung zur Heiligung (nach innen). Diese Heiligung nach innen ruft die Gemeinschaft zur sozialen Verpflichtung auf. Diese verwirklicht sich in gerechtem Handeln (seda¯˙ qa¯h) wie der Armen- Witwen- und Waisenfürsorge sowie gerechtem Geschäftsverhalten unter Brüdern (1 Thess 4, 3-6; Hebr 12, 14). Die Folgen der Heiligung nach außen für die Exilsgemeinschaft wird in der Absonderung von Dritten, den anderen Völkern (Lev 20, 25 f.; 1 Thess 4, 5) sichtbar. Es ist eine Theologie, die der Identitätssicherung im Exil, in der Diaspora oder unter Fremdherrschaft dient. Heiligkeit ist für diese priesterliche Konzeption mit Grenzziehung in sozialer, ethischer und kultischer Hinsicht verbunden. Daneben wird im Zusammenhang mit der Heiligkeit des Volkes, das aus Ägypten befreit wurde, unterstrichen, dass Gott die gesamte Erde gehört (Ex 19, 5 f.). Herausragende Menschen der gläubigen Gemeinschaft gelten als heilig: die Priester (Ex

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29, 44; Lev 21; 1 Sam 7, 1), die Propheten (2 Kön 4, 9; Lk 1, 70; Apg 3, 21; 2 Petr 3, 2) oder in nachpaulinischer Zeit die Apostel (Eph 3, 5). In der Hebräischen Bibel gilt der Priester als heilig, da er es ist, der die Speisen Gott letztlich darbringt. Für dieses Werk soll er dem Volk Israel heilig sein (Lev 21, 8). Allein der Hohepriester kann in das Allerheiligste eintreten (Lev 16, 3-4). Zur Begründung wird wiederum die Heiligkeit Gottes betont, mit der Gott sein Volk Israel geheiligt hat. Praktischen Niederschlag fand dieses Verständnis in den besonderen Reinheitsvorschriften für Priester (Lev 21). Männern und Frauen, die sich zeitlich begrenzt unter ein Gelübde stellen als Naziräer/innen, sind ebenfalls heilig (Num 6). Vielfach werden die messiasgläubigen Menschen im Neuen Testament als »die Heiligen« (Röm 8, 27; Eph 6, 18; Hebr 13, 24) oder »heilige Geschwister« genannt (Röm 1, 7; Hebr 3,1). In den paulinischen Briefen bezieht sich diese Bezeichnung explizit auf die Jerusalemer Urgemeinde (Röm 15, 25 f.31; 1 Kor 16, 1). Metaphorisch wird Gottes Volk auch als »heiliger Tempel« bezeichnet (1 Kor 3, 17; Röm 15, 25.31; Eph 1, 15). Inwieweit diese Bezeichnung auch auf die nichtjüdische christusgläubige Gemeinde ausgeweitet wurde, ist umstritten. Heiligkeit ist jedoch nicht nur ein Zustand, sondern muss ständig durch konkrete Taten realisiert werden (Lev 19; Dtn 14, 2; Eph 1, 4; 5, 27; Kol 1, 22). Die Handlungskategorie der Heiligung ist griechisch vom Status nicht zu unterscheiden. Zur praktizierten Heiligkeit gehört auch das Festhalten am Glauben Gottes. Dieses Beharren kann in Situationen der Anfechtung bis hin zum Martyrium führen. Aus einem Heiligkeitsverständnis der Gemeinde Gottes hat sich im Christentum im 2. Jh. n. Chr. die Märtyrertheologie auf Vorlage der jüdischen Martyrien (2 Makk 6; 7) entwickelt. Das Martyrium und damit vor allem das Festhalten an dem Glauben Gottes wurde zum Ausdruck der reinen und wahren Heiligkeit der einzelnen Menschen bzw. der Gemeinde und ist eschatologisch motiviert. Die Glaubenden werden durch Gottes Berufung und Christi Tod

vermittelt zu Heiligen. D. h., dass sie sich durch den Glauben an den Messias Jesus für Gott absondern und sich der Welt entziehen (Kol 1, 12; 1 Petr 1, 13 ff.). Der zum Judentum übergetretene Mensch wählt es »in Heiligkeit zu leben«. Die frühen messiasgläubigen Menschen auch. Sie geben sich den paulinischen Briefen zufolge durch den heiligen Kuss, ein Erkennungszeichen der messiasgläubigen Gemeinde, zu erkennen. Paulus ermutigt seine Gemeinden zu diesem körperlichen Zeichen, indem er am Ende seiner Briefe dazu aufruft (Röm 16, 16; 1 Kor 16, 20; 2 Kor 13,12; vgl. auch 1 Thess 5, 26; 1 Petr 5, 14: Kuss der Liebe). Dieser Kuss ist für die Gemeindemitglieder Ausdruck der Heiligkeit im Alltag. Die Heiligkeit der Glaubenden im Neuen Testament ist nicht nur kultisch oder durch den heiligen Geist vermittelt worden, sondern schließt die unbedingte Annahme Gottes durch die Glaubenden mit ein. Die Begriffe »Heiligung« und »Heiligkeit« drücken das einmalige Hinzutreten der Glaubenden in die göttliche Gemeinschaft und damit in den von Gott definierten heiligen Raum nach Vorlage von Lev 19, 2 (1 Petr 1, 16) aus. Heiligung kann auch auf einen bewussten Akt zwischen Gott und einzelnen Menschen oder dem Gottesvolk als Gemeinschaft zurückgehen (Hebr 2, 11; 9, 13; 10,10.14.29; 13,12). Ziel der Heiligung ist die vollkommene Heiligkeit der Glaubenden, die durch eine Reinigung von jedweder Befleckung des Fleisches oder Geistes (2 Kor 7,1) erreicht werden kann. Damit können die Glaubenden auch ihre Untadeligkeit und Heiligkeit vor dem Gericht Gottes erweisen (1 Thess 3, 3). Besonders der Hebräerbrief zeigt die Heiligung der Glaubenden begründet durch das einmalige Selbstopfer Jesu als Sühnhandlung auf (Hebr 1, 3; 10, 22). Heiligkeit dient also der Abgrenzung von der paganen Umwelt. Sie gewinnt zunehmend durch die Berufung und Taufe an Gewicht. Daher soll auch der Lebenswandel durch Heiligkeit, die sich in gemeinschaftlicher Sorge ausdrückt, bestimmt sein.

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6. Heilige Gegenstände Alle Gegenstände, die im Kult Verwendung finden (Ex 29, 37; 40, 10) sowie die Kleidungstücke der Priester (Ex 28, 40-43) sind heilig. Das Fleisch der dargebrachten Tiere der Reinigungsgabe und der Schuldgabe (Lev 6, 10.18.22; 7, 1.6 vgl. Ez 42,13) bzw. die pflanzliche Gabe (Lev 2, 3.10) ist hochheilig und darf deshalb nur von den Priestern gegessen werden. Das Mahl- bzw. Friedensopfer hingegen ist »nur« heilig. Im Essen des Fleisches dieser Opfergaben hat die gesamte Gemeinschaft Anteil an der Heiligkeit (Ex 12, 1-14; Lev 7,11-15). Die Zusagen Gottes sind heilig (Ps 105, 42). Entsprechend ist auch für das Neue Testament die Tora Gottes Wille und gilt daher als »heilig, gerecht und gut« (Röm 7,12; vgl. 2 Petr 2, 21). Gleiches gilt von einzelnen Geboten. »Wenn Gott ein neues Gebot für Israel gibt, fügt er ihnen Heiligkeit hinzu« (MekhJ de Kaspa 20 zu Ex 22, 30). Begründet wird die rabbinische Aussage mit der Heiligkeit der Speisegebote aus Lev 11, 44 und Dtn 14, 2 f. Aus Gottes Rede mit Mose (Ex 20, 22) wird in der rabbinischen Literatur abgeleitet, dass der Vermittlungsvorgang in der »heiligen Sprache«, also Hebräisch, geschehen soll (MekhJ Jitro 9 zu Ex 20, 22). In Teilen der Orthodoxie wird diese Auslegung zum Anlass genommen, lediglich beim Gebet Hebräisch zu reden, im Alltag jedoch andere Sprachen zu bevorzugen. 7. Heiligung der Zeit Die Heiligung der Zeit ist an eine exakte Festlegung des Kalenders und damit auch der Feste und Feiern gebunden. Der Sabbat ist heilig, weil er sich vom Alltag abhebt, in dem er an die Schöpfung erinnert (Ex 20, 11) und an die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten (Dtn 5, 12). An ihm soll von der Arbeit Abstand genommen werden (Ex 16, 23; 20, 8). Auch die hohen Feiertage wie die Wallfahrtsfeste sind hervorgehoben und gelten als heilig (Pessach, Schawuot, Sukkot vgl. Lev 23; Num 29; 3 Fest). 8. Heiligung des Raumes Als räumliche Komponente zeigt sich die Heiligkeit in Abstufungen der Architektur des Zelthei-

ligtums bzw. des Tempels. Dabei werden drei Heiligkeitsstufen unterschieden: die Vorhalle (3u¯la¯m), der heilige Hauptraum (hejka¯l) und das Allerheiligste (debı¯r). Das Allerheiligste (Ex 26, 33-34), indem sich auch die Lade befand, betrat der Hohepriester einmal im Jahr an Jom Kippur, um für die Vergebung der Vergehen des Volkes Israel zu bitten (Lev 16). In vorexilischer Zeit war der Zugang zum Innenraum des Tempels Laien und Laiinnen gestattet (1 Sam 2, 9-18; 2 Kön 12, 10). Im Herodianischen Tempel wurde der Vorhof der Männer von dem Bereich der Frauen abgegrenzt. Nichtjüdinnen und Nichtjuden waren, anders als in den Synagogen, das Betreten der rituellen / gottesdienstlichen Plätze des Tempels nicht gestattet. Das Konzept »Jerusalem als heilige Stadt« kennen wir aus Jes 52,1; 48, 2; Joel 4, 17 u. ö. (vgl. Mt 4, 5; 27, 53; Offb 11, 2 u. a.). Im Neuen Testament wird dieses Konzept auf das himmlische Jerusalem übertragen (Offb 21, 2). Ferner können Räume als »heilig« gelten, indem Menschen sie aufgrund ihrer besonderen Erfahrung gegenüber anderen Räumen hervorheben und rituell begehen (Gen 28: Bet-El; 2 Petr 1, 18: der Berg der Verklärung). Heiligkeitskonzeptionen ziehen unweigerlich äußerliche Reinigungsriten nach sich, um Zugang zum Heiligen zu erhalten. Solche Riten sind die Beschneidung, die (Opfer-)Gaben oder die Taufe (1 Kor 6, 11). Crüsemann, Frank, »Nimm Deine heilige Geistkraft nicht von mir«. Ps 51, 13 und die theologische Aufgabe der Exegese im Spannungfeld zwischen Religionswissenschaft und theologischer Tradition, in: Andreas Ruwe u. a. (Hg.), Behutsames Lesen: Alttestamentliche Exegese im interdisziplinären Methodendiskurs, FS für Christoph Hardmeier, Leipzig 2007, 367-381. Tönges, Elke, »Heiligkeitskonzepte in der Schrift an die hebräische(n) Gemeinde(n)«, in: Kerstin Schiffner / Klaus Wengst / Werner Zager (Hg.), Fragmentarisches Wörterbuch. Beiträge zur biblischen Exegese und christlichen Theologie, Horst Balz zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2007, 203-211. Vahrenhorst, Martin, Kultische Sprache in den Paulusbriefen, WUNT 230, Tübingen 2008. Weiß, Wolfgang, »Heilig« in ethischen Kontexten neutestamentlicher Schriften, in: Dieter Sänger (Hg.), Heiligkeit

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und Herrschaft. Intertextuelle Studien zu Heiligkeitsvorstellungen und zu Psalm 110, BTS 55, Neukirchen 2003, 44-64. Wright, David P., Art. Holiness (OT), ABD 3, 1992, 237-249.

Dorothea Erbele-Küster / Elke Tönges

Heilsgestalten Die Schöpfungsgeschichte (Gen 1) erzählt von dem Heil, das Gott für diese Erde vor Augen hat: ein unbedrohter Ort zum Leben; Männer und Frauen, die ohne Herrschaft miteinander umgehen; Gottes Segenskraft, die sich durch menschliche Arbeit ausbreitet; Friede, der auch die Tiere einschließt. Dieses gesegnete Leben bleibt menschliche Bestimmung, auch nachdem durch menschliche Überheblichkeit Fluch und Gewalt die Erde beherrschen. Doch diese Bestimmung ist an den Gegebenheiten nicht mehr ablesbar. Deshalb fällt von nun an alles Licht auf Israel, das gerufen wird, die Bestimmung aller zum Vorschein kommen zu lassen. Diese Berufung Israels zum Heil der Völker wird im Buch Genesis als Ouvertüre der gesamten Bibel in genealogischen Erzählungen entfaltet. Erzählt wird von einer Menschheitsfamilie, in der es keine biologischen Besonderheiten, keine rassischen Unterschiede gibt. Israels besonderer Rang in dieser Familie ist der des erstgeborenen Sohnes, der nach patriarchalem Familienrecht für den Rest der Familie verantwortlich ist und ihn repräsentiert. Dieser Rang steht Israel nicht qua Geburt zu, er wird ihm als Aufgabe zugewiesen: Verantwortung zu tragen für den Frieden aller und ihnen zum Segen zu wirken. So entfaltet Israel mit Hilfe der Struktur des patriarchalen Familienverbandes das Geheimnis seines Bestehens: Der Eine, Israel, ist Zeichen, dass Gottes Geschichte mit der Menschheit Heilsgeschichte ist. Dabei sind es wiederum einzelne Gestalten, die diese Berufung des ganzen Volkes sichtbar werden lassen.

1. Noach Eine Welt wird beschrieben, die an menschlicher Bosheit und Gottes Abscheu darüber zugrunde zu gehen droht. Diese kaputte Welt ist Bezugspunkt und Verantwortungsbereich der Gerechten. In Noach gewinnt die Überzeugung Gestalt, dass in der vom Untergang bedrohten Welt einzelne Gerechte Auswege schaffen, nicht nur für sich, die eigene Familie oder ein paar Fromme, sondern für die ganze Schöpfung. Und so zieht am Ende der Flutgeschichte alles Lebendige gerettet aus der Arche (Gen 8, 18.19). 2. Abraham und Sara Der Bruch mit ihrem bekannten Lebensumfeld und seinen Normen charakterisiert und umklammert das Leben von Abraham und Sara (vgl. das zweifache læk leka¯ »geh vor dich hin« in Gen 12, 1; 22, 2). Denn was Gott von den Menschen will, ist in den von Herrschaft geprägten Lebensverhältnissen dieser Welt nicht ablesbar. Im Aufbruch und der Erwartung eines Landes, in dem geschwisterliches Leben wachsen kann, wird Gottes Wille sichtbar. Als Nomadinnen und Nomaden dieser Erwartung werden Abraham und Sara gesegnet und zur Segensquelle für die übrige Menschheit (Gen 12, 2-3; 22, 17-18). 3. Jakob Rebellion gegen verantwortungslose Herrschaft steht am Anfang von Jakobs Weg. Er kann im Bündnis mit Rebekka die Position des Erstgeborenen und dessen Segen an sich bringen. Doch wird Jakob, wenn er zu Macht kommt, anders handeln, als es von Esau befürchtet wurde? Der Name Israel, der Jakob gegeben wird, ist mit der Bejahung dieser Frage verbunden, nämlich mit der Erkenntnis, dass Gott für den geprellten Bruder eintritt und als dessen Stellvertreter Jakob entgegentritt (Gen 32, 23-33). Jakob wird von Gott zur Auseinandersetzung mit seiner Schuld herausgefordert und gerade so wird er zur Heilsgestalt: der Gesegnete lässt schließlich seinen Bruder am eigenen Segen teilhaben (Gen 33, 11).

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4. Mose Mose ist mit Israels Befreiungsgeschichte unauflöslich verbunden: mit der Befreiung von Sklaverei als Volksführer, mit der Befreiung von den Normen der Sklaverei durch die Übermittlung der Tora. Sein Name steht für die eine gesetzliche Grundlage, die allen staatlichen Ämtern und Institutionen vorgeordnet ist, an die alle – seien sie König, Priester oder Prophet/innen – in gleicher Weise gebunden sind. In Krisensituationen, wenn das Volk Gott verlassen hat, ist Mose Israels Fürsprecher (vgl. Ps 106, 23). Angesichts von Gottes Zorn und Hoffnungslosigkeit steht er als Bürge ein für die bleibende Zusammengehörigkeit von Gott mit seinem Volk Israel (Ex 32, 9 ff.). Sein Name steht für die Überzeugung, dass der Wille Gottes trotz menschlicher Sünden- und Todesverfallenheit in den Bereich des menschlichen Verstehens eintritt und im menschlichen Zusammenleben Gestalt gewinnen kann. 5. Priester Die Tora schafft Institutionen, um das Israel zugedachte Heil zu gestalten und zu bewahren. Zu diesen Institutionen gehört das Priestertum (3 Priester / Leviten). Sie sollen mit Gebet und Segen, mit Lehre und Gottesdienst inmitten der in Schuld verstrickten Gemeinde für deren Leben eintreten. Nicht nur charismatische Persönlichkeiten (3 Charisma) können also zu Heilsgestalten werden, sondern auch Beamte und Funktionäre, die die ihnen anvertraute Arbeit tun. 6. Prophetinnen und Propheten Neben der Sinaioffenbarung ergeht Gottes Wort durch Prophet/innen. Sie sind als Sprecher/innen Gottes auch nach der Gabe der Tora für Gottes Weg mit Israel charakteristisch und notwendig (3 Propheten / Prophetinnen). Bereits in der Tora wird eine prophetische Gestalt angekündigt, die in der Nachfolge Mose die Einzelnen zur Mündigkeit und Verantwortung vor Gott ruft, und sie bei ihrer Verantwortung für das Gemeinwesen behaftet. Fehlt die Prophetie, drohen Fundamentalismus und Selbstüberhöhung der Amtsträger, denn die Tora ist in Gefahr, mit Got-

tes Wort identifiziert zu werden und die Position Gottes zu usurpieren (Num 20, 1-13). In der Tora erfüllt Mirjam diese torakritische Funktion der Prophetie. 7. Elija Der Prophet Elija ist Repräsentationsfigur der Prophet/innen. Im Neuen Testament steht er in der Verklärungsgeschichte neben Mose zu Seiten Jesu und verkörpert neben der Tora die prophetische Überlieferung (Mk 9, 2 ff.). Von Elija wird erzählt, dass er in den Himmel aufgenommen wurde. Von dort wird er erwartet, um unter den Menschen Versöhnung zu stiften und ihre Begegnung mit Gott vorzubereiten (Mal 3, 22-24). Die mit ihm verbundene Erwartung des Anbruchs einer neuen Welt hat dazu geführt, dass beim jüdischen Pessachmahl ein Platz für Elija freigehalten wird, in der Hoffnung, dass er in jedem Moment eintritt. In den neutestamentlichen Schriften wird Elijas Wiederkunft vor dem Kommen des Messias erwartet (Mk 9, 11 f.). Matthäus identifiziert den kommenden Propheten Elija mit Johannes dem Täufer (17,12 f.). 8. Der Gottesknecht Das Jesajabuch bringt mit der Figur des Gottesknechtes zur Sprache, dass einzelne prophetische Persönlichkeiten die Berufung des ganzen Volkes zum Vorschein kommen lassen. Gottesknecht ist ein Ehrenname sowohl für das Volk Israel (Jes 49, 3), als auch für Einzelne, die dem Volk gegenüber treten (Jes 49, 6; 50,10, vgl. z. B. Ex 14, 31 Mose oder 2 Sam 7, 5.8 David). Der leidende Gottesknecht (Jes 52,13-53, 12), der in den neutestamentlichen Schriften wesentliches zum Verständnis der Geschichte Jesu beigetragen hat, bewahrheitet Israels Auftrag, den Völkern Tora erkennen zu geben. Durch seine Bewährung – vermutlich seine beharrliche, auch angesichts politischer Verfolgung durchgehaltene Verkündigung einer Heimkehrchance für Israel durch den Machtwechsel in Babylon –, die auch den eigenen Tod in Kauf nimmt, wurde das Volk aus Schuldverstrickung und ohnmächtiger Versklavung befreit. An dieser Erfahrung wurde Israel

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die eigene Geschichte inmitten der Völker verständlich: Das Exil ist nicht das Ende, sondern Zeit der Neuorientierung und Neukonstituierung Israels; an Israels Exil und Neubeginn inmitten der Völker wird Gottes Recht den Völkern offenbar. 9. Der Menschensohn Auch der Menschensohn ist eine Gestalt der prophetischen Überlieferung, die mit Blick auf eine Repräsentationsfigur die Berufung aller Menschen zur Sprache bringt. Angesprochen als Menschensohn erleidet Ezechiel in symbolischen Handlungen und Visionen die Geschichte seines Volkes. Daniel sieht inmitten bestialischer Verhältnisse mit den Wolken des Himmels eine Gestalt kommen, »wie der Sohn eines Menschen … und ihm wurde die Regierung, Ehre und das Königtum übergeben« (Dan 7, 13). Statt Bestien sieht er einen Menschen zu Macht kommen – »Menschensohn« ist Wiedergabe des aramäischen Begriffs bar-3ænasˇ bzw. des hebräischen Begriffs bæn-3¯ada¯m, der alltäglichen Bezeichnung für einen einzelnen männlichen Menschen. Daniel sieht, dass der Himmel für Humanität einsteht und sich dafür verbürgt, dass Israel nach fairen Regeln im eigenen Land leben wird. Diese erträumte Macht der Menschlichkeit steht im Hintergrund, wenn im Neuen Testament vom Menschensohn gesprochen wird. Der eine Repräsentant der Menschen zeigt die Macht und die Möglichkeiten, die Gott den Menschen zugedacht hat (z. B. Mk 2, 1-11). Wenn Jesus den Menschensohn kommen sieht (z. B. Mt 26, 64), hält er wie Daniel daran fest, dass trotz herrschender Gewalt Menschlichkeit sich auf Erden durchsetzen wird. 10. David und die Beter/innen der Psalmen Das in der Bibel erwartete Heil hat eine politische Gestalt: eine Erde, auf der Israel in Ruhe im eigenen Land unbedroht von Feinden nach seinen Gesetzen leben kann. Deshalb spielt unter den vielen Frauen und Männern, die im Laufe der Geschichte an Israels Frieden mitgewirkt haben (z. B. Josua oder Ester), David eine besondere Rol-

le. Unter Davids Führung gelang die Gründung eines Staates Israel und seine innere und äußere Konsolidierung (3 Königtum). Diesem politischen Erfolg wird durch die Zusage, dass Davids Haus und Königtum ewigen Bestand haben werden, theologische Bedeutung gegeben (2 Sam 7, 16). Auch wenn mit der Dynastieverheißung zunächst kurzfristige politische Interessen verbunden sein mögen, mit ihr artikuliert sich eine Hoffnung, die die ganze biblische Überlieferung geprägt hat: Solange die Welt besteht, werden Davids Leben und Werk Früchte tragen und mitwirken an der Vollendung von Israels Geschichte inmitten der Menschheit. Davids Leben wird eine Heilsbedeutung zugesprochen, die sich in der messianischen Erwartung der Prophet/innen niedergeschlagen hat (3 Messianismus), die aber auch das biblische Psalmenbuch geprägt hat. Viele Psalmen sind durch ihre Überschrift als Psalmen Davids gekennzeichnet. Wer sie betet, gerät in eine Schicksalsgemeinschaft mit David. Hier wird sichtbar, dass das in Israel erwartete Heil auch eine liturgische Gestalt hat: Betend vollzieht sich die Erkenntnis, dass jede und jeder Einzelne in Leid, Verfehlung oder Erfolg mitverantwortlich ist für das messianische Schicksal Israels und der gesamten Menschheit. 11. Jesus Die neutestamentliche Überlieferung und Theologie stellt eine Heilsgestalt, nämlich Jesus Christus, in den Mittelpunkt. Auf ihn werden die Heilsgestalten der erinnerten Geschichte wie die Propheten, Mose oder David bezogen und zu ihm werden die zeitgleichen Heilsgestalten positiv – wie Johannes der Täufer, die Apostel, Jüngerinnen und Jünger – oder negativ – wie die Hohepriester (Joh 11, 51), die Pseudochristoi und Pseudopropheten (Mk 13, 22) – in Beziehung gesetzt. Diese Darstellung entspricht der Vorstellung der heilswirksamen Existenz Jesu, die bereits im ältesten Credo formuliert wird (1 Kor 15, 3-5) und die in den Texten des Lukas (Lukasevangelium, Apostelgeschichte) einen eigenen Höhepunkt findet, indem Jesus als Personifikation des Heils für Israel und darin für die Völker gedeutet wird

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(Lk 1, 31 f.46-55; 2, 28-32; Apg 2, 39). Diese Heilsgeschichte stellt keinen Bruch zur Geschichte Gottes mit Israel dar, sondern ist nach neutestamentlichem Zeugnis Heilszuwendung Gottes zu seinem Volk. Für die neutestamentliche Konstruktion der Heilsgestalt Jesus Christus ist eine Akzeptanz der Heilsgestalten Israels grundlegend, und zwar nicht nur, weil die Formung und Darstellung der Heilsgestalt Jesus weitgehend mit den vorgegebenen Motiven erfolgte, sondern auch, weil sie erst von hierher verstanden werden kann. Es geht keineswegs um eine Depotenzierung der vorgegebenen Traditionen, sondern diese ermöglichen erst das Verstehen, Beschreiben und letztlich den Glauben an den Heilsmittler Jesus Christus. Kreuzigung, Auferstehung und Visionen sind die Geschehnisse, die zu dieser soteriologischtheologischen Reflexion führten. Ihre Verbalisierung erfordert eine Beschreibung der Relation zwischen Gott und Jesus Christus, da von dem einen nicht in der Absehung des anderen gesprochen werden kann (vgl. etwa den Visionsbericht des Paulus: Gal 1, 15 f.). Damit ist die Theozentrik des Neuen Testaments nicht in Abrede gestellt, aber diese wird von Jesus Christus her ebenso wie die Überlieferung und der Glaube Israels bedacht. Die Bündelung aller Heilserwartungen auf Jesus macht ihn zur Heilsgestalt und zum Heilsmittler, so dass das gegenwärtige Leben als Existenz des Heils im Angesicht Gottes (Röm 6,11 u. ö.) und das nichtendende Leben in Christus (Röm 6, 23 u.ö) geschieht. Trotz der zentralen Bedeutsamkeit der nachösterlich einsetzenden Ausformung der Christologie ist zu fragen, ob es Aspekte im Auftreten des historischen Jesus gab, die ihn als Heilsgestalt auswiesen. Diese könnten dann nachösterlich modifiziert rezipiert worden sein. Zunächst ist die Botschaft vom Nahen des Reiches Gottes zu nennen, die als Heilsbotschaft ihren Überbringer als Heilsgestalt qualifiziert. In prophetischer Tradition (Jesaja, Jeremia) hat Jesus sich mit dieser Verkündigung identifiziert und einen temporalen und kausalen Zusammen-

hang zwischen seiner Person und dem Eintreten des Angekündigten hergestellt (Lk 10,13-20). Heil ist dabei nicht allein spirituell zu denken, sondern im Sinne einer umfassenden Restitution derer, die marginalisiert oder stigmatisiert waren. Jesu Wunder, und hier insbesondere die Exorzismen, geschahen im Rahmen der Verkündigung. Sie vermittelten antizipatorisch die Wirklichkeit des Reiches Gottes, in dem Heil und Heilung zusammengehören und die Güte Gottes allen, die ihrer bedürfen, zuteil wird. Daher ist auch die Orientierung an den religiös und sozial Ausgegrenzten als Heilsansage zu verstehen. Insofern die Randgruppen in Gemeinschaft mit Jesus eintreten, machen sie sich bereit für die gute Herrschaft Gottes, die sie aber als gegenwärtig im solidarischen Miteinander erfahren. Weiterhin hat die Symbolhandlung der Konstituierung des Zwölferkreises einen sehr starken Bezug auf die eschatologische Sammlung und Wiederherstellung Israels, die für messianische und politische Deutungen offen war (Mt 19, 28; Lk 22, 30). Dass die Ermordung Jesu am Kreuz auf die Verurteilung als König der Juden durch den Vertreter Roms hin eindeutig auf eine politische Wahrnehmung des Auftretens Jesu verweist, kann als Indiz dafür gelten, dass er dafür Anzeichen sah. Die zeitenwendende Herrschaft Gottes, wie Jesus sie ankündigt, stellte auch das Imperium in Frage. Die grausame Hinrichtung am Kreuz selbst bietet nachösterlich Haftpunkte für theologische Deutungen. So ist die Rezeption der Gottesknechtlieder durch das Sterben am Kreuz beeinflusst, und auch die Vorstellung des Opfertodes und die Symbolisierung Jesu als Pessachlamm knüpfen an das blutige Sterben an (Röm 3, 25). Diese Elemente einer impliziten Christologie werden dann nachösterlich in die explizite aufgenommen, wobei davon auszugehen ist, dass sich die Wahrnehmung des Stattgehabten durch eine nachösterliche Perspektive grundlegend verändert. Bei der Ausformung der Figur Jesu als Heilsgestalt stehen titulare Kurzformeln wie Christus, Herr, Sohn Gottes, Bekenntnissätze, Akklamationen und katechetische Sätze am Anfang. Dabei

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Heilsgestalten

ist es bemerkenswert, wie rasch sich die Ausbildung vollzog. Das Credo von 1 Kor 15, 3-5, das möglicherweise in Jerusalem entstanden ist, kennt bereits den Christustitel, die Legitimation durch die Schrift und, insofern es sich nicht um eine spätere Erweiterung handelt, die soteriologische Deutung. Besondere Beachtung verdient dabei der Verweis auf die Schrift; hier wird nicht mit einzelnen Texten oder gar Versen argumentiert, sondern die Schrift in ihrer Gesamtheit wird zum Zeugnis des Heilsgeschehens. Die christologische Lektüre der Schrift ist für die Theologiebildung basal. Aus ihr kann man traditionelle und anerkannte Modelle der Heilsgestalten übernehmen, womit man jedoch auch unter dem Zwang steht, bei allen Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten den Unterschied zu Jesus Christus herauszustellen. Die Zugehörigkeit Jesu zum Hause David gehört zum alten Überlieferungsgut (Röm 1, 3; Mk 10, 47 f.; 11,10) und wird selbst da noch festgeschrieben. Neben eine affirmative Parallelisierung (Mk 2, 25) bzw. Benennung Davids als legitimierende Instanz (Apg 1, 16; 2, 25; 4, 25) tritt die Überbietung Davids durch Jesus Christus (Mk 12, 35 ff.; Apg 2, 34). So wie die historische Heilsgestalt, Johannes der Täufer, integriert wird, so geschieht es auch mit den erinnerten Heilsgestalten. In der narrativen Vermittlung der Evangelien konnte diese Integration durch die Rezeption verschiedener Elemente erfolgen, die in ihrer Gesamtheit Jesus Christus als die Heilsgestalt zeigte, in der alle Erinnerungen und Hoffnungen sich vereinten. Matthäus etwa hat in der Geburtserzählung und in der Gestaltung der Bergpredigt an der Gestalt des Mose angeknüpft, und damit Jesus mit Aspekten der Gesetzesautorität und des Prophetischen verknüpft. Er ist als Sohn Davids Sohn Israels, dessen Hoffnungen er erfüllt (Mt 1, 1.21; 12, 23). Heiden (Mt 15, 22) und Juden (Mt 20, 30 f.; 21, 9) erhoffen sein Erbarmen. Diese Hinwendung, die der Idealzeichnung des Königs David entspricht, ist Ausdruck seiner Messianität. Als Sohn Davids und als der Messias ist Jesus der König Israels (Mt 2, 1-11; 21, 5), der unter dem Volk Gottes die Zeichen des Heils Gottes vollbringt (Mt 11, 2.5). Diese

narrativen Beschreibungen der Heilsgestalt Jesus gipfeln im Sohn-Gottes-Titel (Mt 16, 16; 26, 63 f.). Die Relation Jesu zu Gott erweist sich als Grund seines gesamten vor- und nachösterlichen Seins und konstituiert seine Heilsrelevanz. Nachneutestamentliche Theologie hat – durchaus auch in antijüdischer Stoßrichtung – die Rezeption der Heilsgestalten Israels zur Ausformung der Christologie zum Anlass genommen, diese Heilsgestalten abzuwerten und ihre Bedeutung bestreitend ihnen nur noch typologischen Verweischarakter zusprechen wollen. Dabei wird verkannt, dass sie nach neutestamentlicher Überzeugung nur insofern Interpretamente für Jesus von Nazaret sein können, als sie wirklich Heilsgestalten Gottes sind. Neutestamentlich gibt es keine Substitution, sondern eine, wenn auch bisweilen, fragile Kontinuität. Blenkinsopp, Joseph, Geschichte der Prophetie in Israel. Von den Anfängen bis zum hellenistischen Zeitalter, Stuttgart u. a. 1998. Butting, Klara, Prophetinnen gefragt. Die Bedeutung der Prophetinnen im Kanon aus Tora und Prophetie, Wittingen 2001. Calvert-Koyzis, Nancy, Paul, Monotheism and the People of God. The Significance of Abraham Traditions for Early Judaism and Christianity, JSNT.S 273, London 2004. Flusser, David, Jüdische Heilsgestalten und das Neue Testament, in: ders. / Martin Majer (Hg.), Entdeckungen im Neuen Testament, Band 2: Jesus – Qumran – Urchristentum, Neukirchen-Vluyn 1999, 212-252. Frankemölle, Hubert, Mose in Deutungen des Neuen Testaments, in: ders., Jüdische Wurzeln christlicher Theologie. Studien zum biblischen Kontext neutestamentlicher Texte, BBB 116, Bodenheim 1998, 91-107. Gielen, Marlis, ›Ihre Kinder seid ihr‹. Die Erzmutter Sara in der neutestamentlichen Rezeption, in: Rainer Kampling (Hg.), Sara lacht – Eine Erzmutter und ihre Geschichte, Paderborn 2004, 131-156. Huber, Konrad, »Zeichen des Jona« und »mehr als Jona«. Die Gestalt des Jona im Neuen Testament und ihr Beitrag zur bibeltheologischen Fragestellung, Protokolle zur Bibel 7 (1998), 77-94. Karrer, Martin, »Von David zu Christus«, in: Walter Dietrich / Hubert Herkommer (Hg.), König David – biblische Schlüsselfigur und europäische Leitgestalt, Stuttgart 2003, 327-365. Kampling, Rainer, »… Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids …« Reflexionen zu einer nicht stattgefundenen Rezeption, in: ders. (Hg.), »Dies ist das

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Hirte / Hirtin

Buch …«. Das Matthäusevangelium. Interpretationen – Rezeption – Rezeptionsgeschichte, FS Hubert Frankemölle, Paderborn 2004, 157-176. Kraus, Wolfgang, Die Bedeutung von Dtn 18, 15-18 für das Verständnis Jesu als Prophet, ZNW 90 (1999), 153-176. Lierman, John, The New Testament Moses. Christian Perceptions of Moses and Israel in the Setting of Jewish Religion, WUNT 2. 173, Tübingen 2004. Minnaard, Gerard, Er rief seinen Namen: Israel! Erzählungen von Segen und Verantwortung aus dem 1. Buch Mose, Wittingen 1996. Moyise, Steve (Hg.), The Old Testament in the New Testament. FS J. L. North, JSNT.S 189, Sheffield 2000. Öhler, Markus (Hg.), Alttestamentliche Gestalten im Neuen Testament. Beiträge zur Biblischen Theologie, Darmstadt 1999. Wengst, Klaus, Jesus zwischen Juden und Christen. Re-Visionen im Verhältnis der Kirche zu Israel, Stuttgart 2 2004.

Klara Butting / Rainer Kampling

Heilung 3 Krankheit / Heilung

Hirte / Hirtin In der altorientalischen Lebenswelt ist der Hirte systemisch mit dem Ackerbauer verbunden (Gen 4, 2; Jer 31, 24), weil 3 Landwirtschaft und 3 Viehwirtschaft die Wirtschaftsgrundlage bildeten. Bei der Aufzucht von wandernden Herdentieren zur Fleisch- und Milchversorgung wie Bereitstellung von tierischer Arbeitskraft und zur Gewinnung von Rohstoffen wie Wolle und Fell ist der Hirte verantwortlich für Versorgung und Pflege der Tiere (u. a. Tränken und Füttern; Melken und Schur vgl. Gen 31, 38-41). Ein Hirte muss über züchterische Erfahrung (Gen 30, 32-43; 31, 28: Begattungs- und Geburtshilfe; Lev 22, 24: Kastration) und veterinärmedizinische, aber auch bodenkundliche und meteorologische Kenntnisse (Ez 34, 4; Ps 78, 48; Sach 11,15) verfügen, sowie über Erfahrungen hinsichtlich Tierverhalten (Jer 9, 9; Joh 10, 3 f.27), Schlachtung (Am 6, 4; Sach 11, 7) und Rechnungslegung verfügen. Der Hirtenberuf wird wohl überwiegend von Männern, aber durchaus auch von Frauen ausgeübt, wie sowohl

biblische Texte (Gen 29,9; Ex 2,16-19, dazu Flav. Jos. Ant. 2,259) als auch außerbiblische Quellen (Hom. Od. 12,131 f.) zeigen. Hüteten gemeinhin Herdenbesitzer (Gen 4, 20; Am 1, 1; 7, 15) bzw. ihre Familienangehörigen (Gen 37, 12-17; Ex 2, 16; 3, 1) die für den Eigenbedarf dienende Herde, so führte die Haltung von größeren Viehbeständen zur Anstellung von Lohnhirten (Gen 47, 6; Ex 22, 9-12; 1 Chr 27, 29; Sach 11, 4-14; Joh 10, 12 f.). Diese hafteten dem Eigentümer für die anvertrauten Tiere (Gen 31, 39; Ex 22,12) und wurden am jährlichen Abrechnungstermin aus der Herde entlohnt (vgl. Gen 30, 28 ff.). Da das Römische Reich bei der Lebensmittelproduktion die Getreidewirtschaft bevorzugte, wurden Hirten zunehmend kärglicher bezahlt, was ihren sozialen Abstieg bedeutete (Lk 15,15 f.). Ihr existenzieller Kompensationsversuch, auch Fremdweiden zu nutzen und Erträge aus der Herde zu unterschlagen, ließ Hirten erst (anders Gen 46, 34) in nachbiblischer Zeit in den Geruch eines unehrlichen Berufstandes geraten. Die Aufgaben des Hirten waren abhängig von der gehaltenen Viehart (3 Viehwirtschaft / Haustiere) und dem Einsatzgebiet: Im zumeist gebirgigen und steppenartigen Palästina bildete die Haltung von Kleinviehherden aus Schafen und Ziegen (1 Sam 25, 2) die Grundlage der Weidewirtschaft. Rinderherden waren nur auf den wenigen, reichlich Grünfutter bereitstellenden Ebenen zu betreuen (Gen 21, 27; 1 Chr 27, 29; Am 7,14; Joel 1, 18) und die Herdenhaltung von Eseln (Ex 22, 9; Hi 1, 14), Kamelen (Jer 49, 32) und Schweinen (Mk 5, 13 f. par; Lk 15, 15) spielte kaum eine Rolle. Wurden Hirten mit der Wanderweidewirtschaft zwischen den Winterweiden der regenarmen Steppe und den Sommerweiden des (abgeernteten) Kulturlandes beauftragt (Transhumanz), so waren sie längere Zeit auf sich allein gestellt in abgelegenen Regionen unterwegs (vgl. die Musikinstrumente (3 Musik) zur Unterhaltung Ri 5, 16; 1 Sam 16, 18 f.23). Wurden sie aber, was der Regelfall war, auf intensiv bewirtschaftetem Land wie auch auf der Brache eingesetzt – u. a. zur Düngung und zum Überhüten von Getreidesaaten zu kräftigerem Wachstum –, so

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Hirte / Hirtin

zogen sie tageweise im Gebiet um den heimatlichen Pferch umher. Konflikte um Weide- (Gen 13, 7) und Brunnennutzung (Gen 21, 25.30; 26, 1533; Ex 2, 16-19) waren an der Tagesordnung. Vom Arbeitsalltag eines Hirten gibt Ps 23 ein instruktives Bild: Der Marsch mit der Herde von Weideplatz zu Weideplatz (Ez 34, 14), zu Wasserstellen (Gen 29,1-10; Ex 2, 15b-21) und zum nächtlichen Ruheort auf freiem Feld (Lk 2, 8) in Höhlen bzw. Pferchen aus Steinen und / oder Gestrüpp (Num 32, 16; 1 Sam 24, 4; Hab 3, 17). Seine Ausrüstung bestand aus dem zum Tierfang eingesetzten Stab, und zur Abwehr von wilden Tieren (1 Sam 17, 34; Jes 56, 9; Jer 50,17; Ez 34, 8; Am 3,12) wie Dieben (Hi 24, 2) dienten Schlagstock (Ez 20, 37; Sach 11,7.10.14) und Steinschleuder (1 Sam 17, 40). Daneben verfügte der Hirte über Wasserschlauch, Provianttasche (1 Sam 17, 40) und Zelt (Jes 38, 12). Hütehunde (3 Viehwirtschaft / Haustiere) waren ihm zu Hilfe (Hi 30, 1) und nur die jährliche, gemeinschaftlich begangene Schafschur (1 Sam 25, 2-12; 2 Sam 13, 23 f.) unterbrach als zugleich festliche Gelegenheit sein zurückgezogenes Arbeitsleben. Das hohe gesellschaftliche Ansehen spiegelt sich in der biblischen Sprache wider: Der Hirte steht für die Legitimität der Herrschaft eines Einzelnen (des Königs) über die Vielen (die Menschen, das Volk), was seine Verpflichtung für Versorgung, Schutz und Ordnung seiner (Untertanen-) Gesellschaft einschließt (vgl. Ps 77, 1; 78, 52; 95, 7). Seine Abwesenheit bedeutet ihren Ruin (Num 27,17; 1 Kön 22, 17 = 2 Chr 28, 16; Sach 13, 7; Mk 6, 34 par; 14, 27 par). So tituliert Israel JHWH als (königlichen) Hirten seines Volkes (Gen 49, 24; Ps 80, 2; Koh 12, 11, vgl. als ikonologische Parallele Hermes Kriophorus) und in Abwehr illegitimer Vergottung nicht den eigenen, jedoch den fremden irdischen König (Jes 44, 28; Jer 6, 3; 25, 34-36; Nah 3, 18). Auch wird das Hirtenbild bei Idealgestalten bemüht (Mose: Jes 63,11; David: 2 Sam 24, 17 = 1 Chr 21, 17 em.; der erwartete Messias: Ez 34, 23 f.; 37, 24). In nachexilischer Zeit wird die Hirtenbezeichnung auf politische Oligarchien angewandt und gewinnt zunehmend einen herrschaftskritischen

Charakter (Jes 56, 11; Jer 2, 8; 10, 21; 23, 1-4; 50, 6; Ez 34, 2-10; Mi 5, 4; Sach 11, 4-17). Andererseits erfährt sich der einzelne Fromme in einem persönlichen Vertrauensverhältnis zum göttlichen Hirten (Gen 48, 15; Ps 23, 1, vgl. 28, 9). Das Neue Testament nimmt die Hirtenmetaphorik christologisch (Joh 10, 1-18; Hebr 13, 20; 1 Petr 2, 25), hierarchisch-ekklesiologisch (Apg 20, 28 f.; Eph 4,11; 1 Petr 5, 2) und frömmigkeitssprachlich (Joh 10, 1 ff.) auf. Das herrschaftliche Hirtenbild wird verlassen, wenn in soteriologischer Hinsicht Christi Tod über die Qualität des Hirten entscheidet (der »gute« Hirte Joh 10, 11), der verherrlichte Christus in der Doppelfunktion von Lamm und Hirte erscheint (Offb 7, 17) und in der Glaubensmystik die Gegenseitigkeitsbeziehung eingeführt wird (Joh 10,14), sowie wenn in der Paränese Gemeindeleiter auf ihre Vorbildfunktion hingewiesen werden (1 Petr 5, 3). Die Hirten in der lukanischen Geburtserzählung Jesu (Lk 2, 8-20) verdanken sich messianologischer (vgl. 1 Sam 16, 11; Mi 5, 1-5) und bukolischer Poesie (vgl. alttestamentlich die nomadische Hirtenidylle in den Erzvätererzählungen): Der mit (Gesetzes-)Gewalt durchgesetzten imperialen Pax Romana steht der weltweite Freiheitsfriede des christlichen Evangeliums gegenüber. Becker, Jürgen, Die Herde des Hirten und die Reben am Weinstock. Ein Versuch zu Joh 10,1-18 und 15,1-17, in: Ulrich Mell (Hg.), Die Gleichnisreden Jesu 1899-1999. Beiträge zum Dialog mit Adolf Jülicher, BZNW 103, Berlin / New York 1999, 149-178. Engemann, Josef, Art. Hirt, RAC 15, 1991, Sp. 577-607. Hunziker-Rodewald, Regine, Hirt und Herde. Ein Beitrag zum alttestamentlichen Gottesverständnis, BWANT 155, Stuttgart 2001. Peters, Joris, Römische Tierhaltung und Tierzucht. Eine Synthese aus archäozoologischer und schriftlich-bildlicher Überlieferung, Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 5, Rahden 1998. Seibert, Ilse, Hirt – Herde – König. Zur Herausbildung des Königtums in Mesopotamien, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, SSA 53, Berlin 1969. Willmes, Bernd, Die sogenannte Hirtenallegorie Ez 34. Studien zum Bild des Hirten im Alten Testament, BET 19, Frankfurt a. M. 1984.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

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Humor / Ironie

Humor / Ironie 1. Allgemein Als komisch wird die Verknüpfung zwischen verschiedenen Elementen bezeichnet, deren Zusammenhang als ungewöhnlich und unpassend wahrgenommen wird. Humor entdeckt das Komische, indem er es abwertungsfrei, mit einem Element der Überraschung und auf spielerische Weise, also in Freiheit und mit keinem anderen Zweck als dem Hervorrufen von Lachen, zum Ausdruck bringt. Auch Ironie und Satire beziehen sich auf das Komische, implizieren aber im Unterschied zum Humor die Überlegenheit derjenigen, die sich ihrer bedienen. Sie können didaktischen Zwecken dienen, aber bis zur spöttischen Herabsetzung des Gegenstands gehen (3 Schimpfwörter) und daher auch als Widerstandsstrategie eingesetzt werden. Charakteristisch für die Ironie gegenüber der Satire ist, dass das Gegenteil des Gemeinten geäußert wird. Ironie wirkt aber nur, wenn das Gemeinte durch den Gesprächspartner dennoch wahrgenommen wird, und ist daher stets durch Ironiesignale markiert. Diese können in der Rede selbst liegen (Betonung, Stimmlage etc.), aber auch durch redebegleitende Gesten markiert werden. Weil sich Humor und Ironie über das Komische auf soziale Normen und Tabus beziehen und ihre Wirkung häufig aus deren Hinterfragen, Verletzung oder Sprengung entsteht, sind sie stark kulturabhängig, und ihre Identifizierung in den biblischen Texten ist insofern mit großen hermeneutischen Herausforderungen verbunden. Diese Problematik hat auch dazu beigetragen, dass die Existenz von Humor und Ironie im Alten und Neuen Testament im Verlauf der Rezeptions- und Forschungsgeschichte in Abrede gestellt werden konnte. 2. Altes Testament Ein Indiz für die altisraelitische Wahrnehmung des Komischen ist zunächst die Verwendung von hebr. s¯ahaq / s´ahaq »lachen« (Gen 17,17; 18,12; ˙ ˙ ˙ ist hier 21,6). Komisch offenkundig die als unpassend empfundene Fruchtbarkeit Saras und Abra-

hams im hohen Alter. Nach Ps 2,4; 37,13; 59,9 lacht Gott über die Feinde der Beter, wohl weil deren Attitüde wegen der Inkongruenz von Anspruch und Vermögen als komisch erscheint. In Ri 16,25 erregt Simson Lachen, weil er als kraftloser Held komisch wirkt. Humor im Sinne einer spielerischen und nicht-abwertenden Kommunikationshaltung ist in alttestamentlichen Texten eher selten zu finden. Besonders das Jonabuch wird gelegentlich als humoristische Schrift verstanden, insofern der davonlaufende Protagonist zwar als die komische Parodie eines Propheten erscheint, dabei aber doch mit vollkommener Sympathie gezeichnet ist. Daneben findet sich Humor besonders in einigen Sprichworten, wie etwa Spr 26,17 (»Wer vorübergeht und sich mengt in fremden Streit, der ist wie einer, der den Hund bei den Ohren zwackt«). Spr 11,22 (»Ein schönes Weib ohne Verstand ist wie eine Sau mit einem goldenen Ring durch die Nase«) führt vor Augen, wie stark kulturabhängig die Wahrnehmung von Humor und die Abgrenzung von abwertenden Ausdrucksweisen ist. Ironie und Satire sind als literarische Mittel alttestamentlicher Texte weit häufiger. In 1 Kön 18,27 verspottet Elija ironisch das fruchtlose Bemühen der Baalspropheten: »Ruft laut! Denn er ist ja ein Gott; er ist in Gedanken oder hat ein Geschäft oder ist über Land oder schläft vielleicht, dass er aufwache.« Jes 14 bietet ein ironisches Trauerlied Israels auf den König von Babylon. In Jes 44,12-19 findet sich die satirische Beschreibung der Herstellung von Götzenbildern. Einige Auslegerinnen sehen in Frauengestalten wie Tamar, Ester oder Judit Identifikationsfiguren, die zur Lächerlichmachung patriarchalischer Strukturen anleiten (Brenner). 3. Neues Testament Lachen ist im Neuen Testament Ausdruck der Hoffnung und des sozialen Protests. Während den Weinenden in den Seligpreisungen das Lachen verheißen ist (Lk 6,21), wird den Reichen angekündigt, dass ihnen das Lachen vergeht (Lk 6,25; vgl. auch Jak 4,9). In den Passionserzählun-

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Hunger / Hungersnot

gen ist der gekreuzigte Jesus Opfer des Spotts (Mk 15,29-32 par). Der Einsatz von Witz und Ironie lässt sich in hyperbolischen Übertreibungen und Grotesken beobachten, die sowohl die Frömmigkeitspraxis der eigenen Gruppe (z. B. Mt 7,3-5; Mk 10,25 par) als auch die konkurrierender Gruppen (z. B. Mt 23,23-27; Apg 19,13-17) in den Blick nehmen. Insbesondere in Gleichnissen (vgl. z. B. Lk 18,2-5) oder im Johannesevangelium (vgl. z. B. Joh 9,24-27) finden eine Reihe von Auslegungen ironische Züge. Im Konflikt mit den Gemeinden in Galatien greift Paulus Adressaten und kurierende Missionare mit beißender Ironie an (Gal 1,6-9; 5,12). Zugleich zeichnet sich Paulus unter Aufnahme zahlreicher Motive und Redeformen des antiken Mimos und der Komödie selbst als Narr und Tor (vgl. 1 Kor 1-4; 2 Kor 11,3-5; 11,2212,13), was nicht ohne Implikationen für die apostolische Selbstdarstellung und ihren christologischen Inhalt bleibt (Welborn). Die frühchristliche Ethik lobt Witz und Heiterkeit (Röm 12,8; Kol 4,6; Herm mand 10,3,1-4). Bei den Kirchenvätern setzt sich der bereits bei Jesus Sirach (21,20) zu findende Vorbehalt gegen das ungezügelte Lachen durch (Clem. Al. paid. 2,5). Brenner, Athalya (Hg.), Are we amused? Humour about women in the biblical period, JSOT.S 383, London u. a. 2003. Friedman, Hershey H., Humor in the Hebrew Bible. Humor 13 (2000), 258-285. Good, Edwin Marshall: Irony in the Old Testament, Philadelphia 1965. Holland, Glenn S., Divine irony, Selinsgrove / London 2000. Jónsson, Jakob, Humour and Irony in the New Testament Illuminated by Parallels in Talmud and Midrash, BZRGG XXXVIII, Leiden 1985. Morreall, John, Sarcasm, irony, wordplay, and humor in the Hebrew Bible: a response to Hershey Friedman, Humor 14 (2001), 293-301. Radday, Yehuda T. / Brenner, Athalya (Hg.), On Humour and comic in the Hebrew bible, JSOT.S 92, Sheffield 1990. Welborn, Laurence L., Paul, the Fool of Christ. A Study of 1 Corinthians 1-4 in the Comic-Philosophic Tradition, Early Christianity in Context 293, London / New York 2005. Ders., The Runaway Paul, HThR 92 (1999), 115-163.

Stefan Schorch / Angela Standhartinger

Hunger / Hungersnot Von Hunger spricht die Bibel sehr konkret, aber auch in übertragener Bedeutung. Hunger trotz harter Arbeit und langen Wegen, besonders auch bei Wüstenbewohnern, sind ein bekanntes und benanntes Phänomen (2 Sam 17, 29). Die Erzvätererzählungen wissen von mehrfachen Hungersnöten wegen des Ausbleibens von Regen und den entsprechenden Maßnahmen: zeitweise »Flucht« nach Ägypten (Gen 12,10; 26,1 und insbesondere die Josefgeschichte Gen 3750). Dabei war auch Ägypten bei Ausbleiben der Nilüberschwemmungen von Hungersnöten bedroht (besonders in den so genannten Zwischenzeiten). Durch Hunger ist die Wüstenwanderung Israels gekennzeichnet, dem Gott mit der Gabe der Himmelsspeise Manna und Wachteln begegnet (Ex 16). Drastisch zeichnet auch die Dürreerzählung in der Elijaperikope die Folgen von Dürre, die weite Landstriche heimsucht (1 Kön 17/18). Neben der Dürre haben vor allem Heuschreckenplagen Hungersnöte hervorgerufen. Im Blick auf die verschiedenen 3 Kulturpflanzen macht Joel 1, 1-20 die Folgen drastisch deutlich. Dass es sich dabei um ein endgültiges Gericht handelt, zeigt besonders Joel 2. Zur Dürre hinzu werden Hungersnöte (auch Durst) vielfach auf Ungehorsam gegenüber Gottes Geboten zurückgeführt (Dtn 28, 48; 32, 24; Offb 18, 8). Kriegerische Ereignisse und Belagerungen konnten in Städten ebenfalls zu Hungersnöten führen: 2 Kön 6, 25.29 (Samaria) und 2 Kön 25, 3 (Jerusalem), die sogar Kannibalismus zur Folge haben konnten. Formelhaft begegnet die Abfolge von »Schwert und Hunger« (Jer 5, 12 und passim) oder gar die Trias »Schwert, Hunger und Pest« besonders im Jeremiabuch (Jer 14, 12 und passim). Die durch Dürre, Heuschrecken und kriegerische Ereignisse verursachten generellen Hungersnöte und Versorgungsprobleme haben während der gesamten Zeit der alttestamentlichen Geschichte bei entsprechenden Anlässen zu ad hoc angesetzten Buß- und Fasttagen geführt. Sie sollen das gute Verhältnis zu Gott wie-

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Imperialismus

Jeremias, Joachim, Jerusalem zur Zeit Jesu. Eine kulturgeschichtliche Untersuchung zur neutestamentlichen Zeitgeschichte, Göttingen 3 1969. Kohns, H. P., Art. Hungersnot, RAC XVI, 1994, 828-894. Welten, Peter, Art. Buße II, TRE 7, 1981, 433-439. Theißen, Gerd, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004.

Ulrich Schoenborn / Peter Welten Hungernde, die nur noch aus Haut und Knochen bestehen. Ägyptisches Kalksteinrelief, Saqqara, 5. Dynastie (2480-2350)

derherstellen (1 Kön 21, 9.12; Jes 22,12-14; Joel 1, 14; Jona 3; 2 Chr 20, 6-17). In neutestamentlicher Zeit verschärft sich das Hungerproblem strukturell. Die römische Ausplünderung der Kolonien führt zu einem häufigen Mangel an Lebensmitteln, besonders bei den armen Teilen der Bevölkerung. Die Pachtverhältnisse lassen den Pächtern kaum das Nötigste zur eigenen Versorgung. Tagelöhner und Tagelöhnerinnen sind für jeden Tag, an dem sie keine Arbeit finden, mit Hunger bedroht, da ein Tagelohn eben für die Bedürfnisse eines Tages berechnet ist. Umherziehende Gruppen wie Jesus und seine Anhängerschaft sind von Hunger bedroht, wie die Erzählung vom Ährenraufen am Sabbat zeigt (vgl. auch Mt 21, 18; Mk 11,12 u. ö.). Dasselbe gilt für die Wandercharismatiker in Jesu Nachfolge (Lk 6, 21.25). Der reale Hunger gehört zu den Begleiterscheinungen der apostolischen Existenz (Röm 8, 35; 1 Kor 4,11; 2 Kor 11, 27; Phil 4,11-13). Hunger ist Kennzeichen des Angewiesenseins auf Gott (Hunger kennzeichnet den Armen – Lk 16, 19-31) und zugleich eschatologisches Signum des Noch-Nicht (1 Kor 4, 6-13), dem die leibhafte Erfüllung folgt (Jes 49, 10; Joh 6, 35; Offb 7, 16). Hunger ist Strukturmerkmal einer von Krisen heimgesuchten Zeit und als solcher Appell zu sozialer Verpflichtung, gerichtet an diejenigen, die über ausreichend materielle Güter verfügen. Die Hoffnung aber richtet sich darauf, dass Gott allen letztlich »ein fettes Mahl zubereiten« wird (Jes 25, 6; vgl. Mt 8,11; Offb 19, 9).

Imperialismus Die territoriale Ausdehnung der altorientalischen und hellenistischen Großreiche sowie des Römischen Reiches war getragen vom Streben nach Herrschaft über viele Völker (3 Großmächte) und wirtschaftlichen Interessen (Versorgung mit Sklaven, Rohstoffen, Lebensmitteln). Definiert man entsprechend dem recht weiten Begriffsfeld des 19. Jh. »Imperialismus« als Inbegriff jeglicher aggressiv-expansiver und von einer universalen Reichsidee bestimmten Außenpolitik, lässt sich der Begriff tatsächlich auf die Reichsbildungen in Vorderasien und im ägäischen Raum anwenden. Expansion zur Wahrung der eigenen Sicherheitsinteressen (»defensiver Imperialismus«) wird im Zusammenhang mit dem Aufstieg Roms zur führenden Großmacht im Mittelmeerraum im 2. Jh. v. Chr. diskutiert: Als Beispiele werden in der Kontroverse um die Bewertung der römischen Außenpolitik die Kriege gegen Karthago und Makedonien sowie das brutale Vorgehen der römischen Eroberer gegen die Besiegten (Zerstörung der Städte Korinth und Karthago 146 v. Chr.) genannt. In den Jahrtausenden davor sind Nuancierungen der Expansions- und Herrschaftsideologie vom akkadischen und ägyptischen bis zum persischen Reich und den hellenistischen Imperien durchaus feststellbar (z. B. im Gottkönigtum, den Verwaltungs- und Befriedungstechniken; 3 Großmächte). Grundtenor ist eine religiöse Legitimation: Die Staatsgottheit befiehlt die Unterwerfung der Fremdländer, um die göttliche

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Individualität

Grundordnung der Welt zu garantieren. Alle politischen und ökonomischen Interessen der imperialen Machthaber sind darin eingeschlossen. Die Expansion der Großreiche durch militärische Gewalt wird in den biblischen Texten durchgängig verurteilt: Angeprangert werden Zerstörung von Städten, Verwüstung des Landes sowie Ermordung oder 3 Deportation der Einwohner. Prophetische Anklagen und Gerichtsworte über die Völker richten sich gegen eine Großmachtpolitik, die die kleineren Völker vernichtet, Macht und Reichtum anhäuft und für ihre politischen und wirtschaftlichen Ziele rücksichtslos Tier und Material einsetzt (vgl. z. B. Ez 25; 27-30; Am 1, 6-2, 3; Nah 3; Hab 2, 5-19). Entsprechend dieser negativen Urteile werden die Kriege Israels gegen seine Nachbarn mit seiner Erwählung und dem damit verbundenen Eingreifen JHWHs in die Kämpfe legitimiert, wie im Landnahmebericht (Jos 1-12) deutlich wird. Der Gott Israels hilft seinem Volk (analog: altorientalische Gottheiten ihren Dynastien), um es vor dem Untergang zu retten, legitimiert aber keine königlichen Eroberungsfeldzüge aus rein politischen Gründen. Allerdings bricht Herrschaftsstreben oft genug durch, auch im Traum von der Weltgeltung Israels, vgl. die Herrschaftsformel: »vom Eufrat bis an die Grenze Ägyptens« (Gen 15,18 f.; Ex 23, 31; Dtn 1, 7; 11, 24 f.; 1 Kön 5, 1; Ps 72, 8-11). In Umkehrung der Vorstellung von einer friedlichen Völkerwallfahrt zum Zion (Mi 4, 1-5 / Jes 2, 2-4) sagt Joel voraus, dass die Völker verblendet seien und Frieden für Israel und die ganze Welt erst durch die Vernichtung dieser Völker in einer letzten großen Entscheidungsschlacht vor den Toren Jerusalems erreicht werden könne (Joel 4). Anders als bei den Nachbarvölkern und den Großmächten wird die Kriegführung gesetzlich geregelt; besondere Grausamkeiten gegenüber der Bevölkerung sollen idealerweise vermieden werden (Dtn 20; vgl. jedoch V. 16-18!). Neben der Herrschaft Gottes ist der Machtbereich irdischer Herrscher beschränkt (Mk 12, 17; vgl. bereits Jes 7, 9; 30, 1-5; Jer 2, 10-13; Ps 146, 3); in diesen Grenzen wird dem (römischen) Staat das Recht der Machtausübung nicht be-

stritten (Röm 13). Menschliche Herrschaft ist Gegenstand von Kritik: Das Streben nach Gewaltherrschaft wird als typisch heidnische Verhaltensweise gebrandmarkt und der Königsherrschaft Christi gegenübergestellt (Mk 10, 42-45; Offb 13, 1-3; 17, 1-18). Ebach, Jürgen, Das Erbe der Gewalt. Eine biblische Realität und ihre Wirkungsgeschichte, GTB 378, Gütersloh 1980. Flach, Dieter, Der sogenannte römische Imperialismus. Sein Verständnis im Wandel der neuzeitlichen Erfahrungswelt, HZ 222 (1976), 1-42. Niditch, Susan, War in the Hebrew Bible. A Study in the Ethics of Violence, New York 1993. Otto, Eckart, Krieg und Frieden in der hebräischen Bibel und im Alten Orient: Aspekte für eine Friedensordnung in der Moderne, Theologie und Frieden 18, Stuttgart 1999. Walter, Rudolf / Fisch, Jörg / Groh, Dieter, Imperialismus, GGB 3 (1982), 171-236. Werner, Robert, Das Problem des Imperialismus und die römische Ostpolitik im zweiten Jahrhundert v. Chr., ANRW I/1 (1972), 501-563.

Erhard S. Gerstenberger / Monika Schuol

Individualität 1. Generelles Am Anfang dieses Artikels müssen Vorbehalte stehen: Als Abstraktbegriff ist »Individualität« dem konkreten biblischen Denken eher fremd. Sodann ist grundsätzlich fraglich, ob vor der neuzeitlichen »Entdeckung des Menschen« (J. Burckhardt) »Individualität« im Sinne eines stärker ausgeprägten Eigenstandes, autonomer Entscheidungsmöglichkeiten, ausdifferenzierter Lebenswege, ja selbst körperlich-äußerlicher Eigentümlichkeit überhaupt als soziale Beschreibungskategorie geeignet ist: Dennoch gibt es innerhalb der fast 1000 Jahre Sozialgeschichte, die hinter dem Werden der Bibel stehen, eine nicht einlinige, aber insgesamt doch sich entwickelnde Wahrnehmung von Individualität, die in helle-

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Individualität

nistisch-griechischer Zeit tendenziell beschleunigt wird. Die griechisch-römische Antike hatte einen Begriff vom menschlichen Individuum, was sich bereits in den Überlegungen der Sophisten zeigt und über Platon und Aristoteles bis in die Neuzeit zu verfolgen ist. Institutionell lässt sich das Individuum in der Rechtspraxis der römischen Kaiserzeit verfolgen (persona). Die römische Antike, in der auch das Neue Testament entstand, hat das Individuum »als einen Menschen angesehen …, der sich seiner selbst als einzelner, denkender und sich-selbst-verantwortlicher Mensch bewusst ist, sich aber gleichwohl durch seine jeweilige soziologische Rolle bzw. Funktion fest im gesellschaftlichen Gefüge verankert weiß« (Sigismund). 2. Terminologie Ein einzelnes »Individuum«, Mensch wie Tier, wird alttestamentlich durch die Angabe einer Filiation angezeigt: Ein einzelnes Schaf ist »der Sohn eines Schafes«, eine einzelne Frau eine »Tochter Israels«. Eine Größe wie »Israel« kann entweder kollektiv als »(Volk) Israel« oder als eine pluralische Größe »Söhne (und Töchter) Israels«, also als »Israeliten (und Israelitinnen)« bezeichnet werden. Die patrilineare Filiation – und nicht wie im modernen Leben der Nachname oder das Geburtsdatum – ist in allen alttestamentlichen Texten neben dem eigenen Namen die wichtigste identifizierende Angabe für einzelne Personen, vgl. z. B. »Abimelech, der Sohn Jerubbaals« (Ri 9,1), oder »Michal, die Tochter Sauls« (1 Sam 3, 13). Menschen in biblischer Zeit haben also zuerst eine diachrone, eine durch Generationen von – gelegentlich auch weiblichen – Vorfahren bestimmte Identität. Nur so ist die Bedeutung von großen Genealogien in der Bibel richtig einzuordnen (vgl. besonders die »Toledot« in Gen 5, 1 bis 37, 2 und die Genealogien in 1 Chr 1-9 oder Mt 1, 1-17). Auch synchron bestimmt nicht dominant der Blick auf das einzelne Individuum dessen Identität, sondern die Kenntnis der Zugehörigkeit zur Gruppe, zur Familie, zur Sippe, der es angehört und die es schützt. Eine zweite Möglichkeit, ein Individuum zu bezeichnen,

ist mit der Verwendung des Wortes næfæsˇ (3 Leben, Kehle) gegeben, was zeigt, dass Individualität zentral durch Vitalität zu bestimmen ist. 3. Ermöglichung von Individualität im Alten Testament Die tiefe Verwurzelung in den sich weitenden sozialen Beziehungen von Familie, Verwandtschaft und Sippe, die soziale Rolle, die einen Menschen weitgehend ausmacht, wird in biblischer Zeit nicht als Zeichen mangelnder Authentizität wahrgenommen. Die Kehrseite des zu erwartenden Verhaltens von einzelnen ist, dass das individuell Außergewöhnliche deshalb als – durchaus nicht diskreditierende – Fremdbestimmung wahrgenommen wird, so etwa als Begabung mit dem Geist Gottes (eindringlich bei König Saul, vgl. 1 Sam 10, 6; 11, 6; 16, 14; 18, 10; 19, 9). Biblisches Denken zeichnet sich etwa im Gegensatz zur antiken griechischen Literatur dadurch aus, dass es fast gänzlich auf die Darstellung des Innenlebens der Figuren verzichtet. Freilich fehlen Individualisierungstendenzen nicht ganz, auch wenn man sich im Klaren darüber sein muss, dass die alttestamentliche Darstellung individueller Persönlichkeiten, wie z. B. des Königs David, Literatur von (männlichen) Eliten über Eliten darstellt. Tendenzen, die gesamtgesellschaftliche Prozesse kennzeichnen, kommen darin kaum zum Ausdruck. Gleichwohl: Wo tradierte Strukturen zusammenbrechen, kommen widersprüchliche soziale Differenzierungsprozesse in Gang, die Individualisierungstendenzen stärken. Zu den Ursachen solcher Prozesse gehören aus israelitischer Perspektive die Neuformierung Israels und seines gentilen Systems im Exil wie auch das faktische Zerbrechen großfamilialer Strukturen unter den Bedingungen des wirtschaftlichen Drucks in der Perser- und der hellenistischen Zeit. Theologisch bedeutsam war ferner die Aufkündigung der Solidarität der Generationen im Zusammenhang der Schuldfrage (Dtn 24, 16; Ez 18), sowie die Ausbildung der Gottesbildlichkeit des Menschen in der priesterschriftlichen Literatur (Gen 1, 26-28): Die Übertragung der königstheologischen Sicht des Menschen auf alle menschlichen Individuen,

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auch auf Frauen, nach der Zerstörung des Königtums in Israel / Juda bietet mindestens theoretisch einen Ansatzpunkt dafür, ein am Königshof gewachsenes, stärkeres Selbstverständnis des einzelnen (Königs) breitenwirksam zu entfalten, so sehr man sich im Klaren darüber sein muss, dass auch altorientalische Könige primär Rolle, nicht Individuum gewesen sind. Auch die Krise der Weisheit in perserzeitlicher und dann hellenistischer Zeit kann als Ausdruck der Auflösung normierter Erwartbarkeiten wahrgenommen werden, was der Biografie des Einzelnen mehr Freiraum gibt (Hiob). 4. Dyadische Persönlichkeit und Individualität im Neuen Testament Seit H. W. Robinson sprach man lange von der »corporate personality« im Alten Israel, von einer »primitiven Persönlichkeit«, die nicht individuell, sondern kollektiv wahrnimmt und empfindet. Die neuere Kulturanthropologie spricht differenzierter von der »dyadischen Persönlichkeit« der Menschen im antiken Mittelmeerraum des 1. Jahrhunderts, deren Selbstverständnis in ihr soziales Umfeld »eingebettet« ist: Sie ist ein »Individuum, das sich wahrnimmt und ein Bild von sich macht aufgrund dessen, was andere in ihm sehen und was sie ihm vermitteln«, insbesondere »Mitglieder wichtiger, die Persönlichkeit unterstützender Gruppen wie Familie, Dorfgemeinschaft, selbst Stadt und Nation« (Malina 71). Im Unterschied zum modernen Individuum ist diese antike Persönlichkeit – wie auch im Alten Testament konstatiert – anti-psychologisch und anti-introspektiv; sie äußert sich entsprechend stereotyp und standardisiert (Tit 1, 12; Joh 4, 9; Mk 6, 3). Individuell ist nicht der Einzelne, sondern die Gruppe; deshalb richten sich die moralischen Normen nicht an das Individuum, sondern an die Stände (Haustafeln, Eph 5, 21-6, 9; 1 Tim 2, 8-3, 15). Wenn man diese Persönlichkeitsstruktur für die Zuhörerschaft Jesu voraussetzt, fällt neues Licht auf die Lebensrealität der ersten Jünger und Jüngerinnen Jesu, die als Einzelne aus dem sozialen Netz der Familien- und Dorfstruktur herausgerufen werden. Ihnen wird zugemutet, ein

Leben im Widerspruch zur Gruppenidentität zu beginnen, das soziale Milieu anstößig zu überschreiten (Lk 7, 34; Mt 11,19: Freund der Zöllner und Sünder; Mt 12, 19: Eunuch; Mk 3, 22: mit Beelzebul im Bund). In den antiken Kategorien konnte dieses Aussteigertum nicht als eine Form der Selbstverwirklichung verherrlicht werden; vielmehr ging es eher um eine Form des sozialen Todes (vgl. Mk 8, 34), weswegen Jesus harte Bedingungen der Selbstprüfung fordert (Lk 14, 28-32). Diese »familienfeindliche« Praxis Jesu und sein Aufruf zur Entscheidung angesichts der drängenden Natur der Gottesherrschaft hat viel zur Beförderung individueller Biografien beigetragen. Auch »hinter« den typisiert erzählten Geschichten von Heilung und Vergebung können individuelle Biografien der Frauen und Männer der ersten christlichen Generation sichtbar gemacht werden (Gruber). 5. Individualität und Gottesbeziehung Die Religiosität im alten Israel war geprägt von einer Mehrschichtigkeit mit fließenden Übergängen. Neben der »öffentlichen« Religion des Staatskultes standen Formen familialer Frömmigkeit, von denen uns heute die Archäologie ein differenziertes Bild präsentiert. Im Rahmen vor allem der familialen Frömmigkeit war es das aus Ägypten und Mesopotamien stammende Modell des »persönlichen Gottes«, das die Entwicklung einer individualisierten Gottesbeziehung zwischen Gott und Beter besonders gefördert hat. Damit war eine Grundbedingung gegeben für die Individualisierung im Rahmen der Gottesbeziehung, mit dem an sich paradoxen Ergebnis, »daß hohe Selbsteinschätzung und das Bewußtsein tiefer Verfehlung zusammenkommen« (Stolz). Ein alttestamentlicher Höhepunkt dieser individualisierenden Entwicklung ist dabei die Hoffnung des Beters / der Beterin auf Gottesgemeinschaft über den Tod hinaus (Ps 73, 24). Das Vertrauen auf Gott am Lebensende hat sein Pendant in der vor allem nachexilisch wachsenden Gewissheit des / der Einzelnen, schon von Mutterleib an auf den Schöpfergott hin verwiesen zu sein (vgl. Ps 139, 13 oder Jer 1, 5).

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Individualität

Jesu Begegnungen mit Menschen, seien es Freunde oder Feinde, Sünder oder Fromme, sind von einer sehr persönlichen, den Menschen individuell wahrnehmenden und herausfordernden Art geprägt. Darin zeigt sich die prophetische Tradition Israels, in der immer wieder individuelle Menschen von Gott aus der Gemeinschaft herausgerufen, vor Gott gestellt und mit einer Botschaft in die Gemeinschaft zurückgesandt werden. Auch Paulus sieht sich in dieser Linie der prophetischen »Individualisierung« (Gal 1, 15); seine Briefe sind wertvolle Dokumente der christlichen Gründergeneration, die ein hohes Maß an persönlicher Mitteilung enthalten (Phil 1, 7-8; 2 Kor 12,1-18; Röm 16, 1-16). Die Weise, in der er auf die Fragen konkreter Menschen eingeht, lassen einen »Seelsorger« erkennen, der Männern und Frauen zu einem Selbstbewusstsein und zu einem Verhalten ermutigt, das festgelegte familiäre und soziale Rollen sprengt (1 Kor 7; Phlm). Darin zeigt sich seine Überzeugung, dass der fundamentale Transformationsprozess, der die Welt in Tod und Auferstehung Jesu ergriffen hat, eine Umwandlung des Individuums zur Folge hat (2 Kor 5, 17; Röm 6,1-11), die konsequent auch zu einer Umwandlung des sozialen Miteinanders führen wird (Gal 3, 28; 1 Kor 12, 13). Bemerkenswert ist ferner Röm 7, wo Paulus ein typisch verstandenes »ich« (ego) den radikalen Verlust seiner Identität als Geschöpf Gottes durch die Macht der Sünde schildern und beklagen lässt. Trotz aller Typisierung lässt die Differenziertheit dieser Aussagen auf eine Fähigkeit zur Introspektion schließen, die antiken Menschen in der Regel nicht zugestanden wird. Hier wird ein Verständnis von Individualität greifbar, das sich der persönlichen Erfahrung der rettenden Tat Gottes verdankt (Röm 7, 25-8, 2; vgl. Gal 2, 20) und das zum Ausgangspunkt der Konstitution des subjektiven Bewusstseins wird (1 Kor 15, 10). 6. Individualität Gottes? Ist der biblische Gott ein Individuum? Schon insofern er einen Namen – JHWH – trägt, eignen ihm Unverwechselbarkeit und Eigenheit im Un-

terschied zu anderen Gottheiten. Folgt man der biblischen Darstellung, dann ist dieser Gott – Anzeichen auch eines Emanzipations- und Individualisierungsprozesses – nicht (mehr) eingebunden in eine Genealogie von Göttinnen und Göttern wie in den Mythen, die wir aus der Umwelt des Alten Testaments kennen. Im Rahmen der biblischen Monolatrie, der Alleinverehrung, wird JHWH als einzigartiger, von Israel zu liebender Gott seinem Volk gegenübergestellt (Dtn 6, 4), eine Terminologie, die u. a. mit der Sprache von Liebesgedichten eng verwandt ist (Hld 6, 9): Es handelt sich also hier um eine Einzigartigkeit, eine Individualität, die nicht zuerst auf der eigenen Wahrnehmung beruht, sondern auf der Wertschätzung durch den oder die Andere. Mit der Entwicklung des strengen Monotheismus in Israel wurde es sinnlos, von einer Individualität Gottes zu sprechen, es sei denn im Hinblick auf die Schöpfungs- und Menschenwelt. Di Vito, Robert, A., Old Testament Anthropology and the Construction of Personal Identity, in: CBQ 61 (1999), 217238. Fechter, Friedrich, Die Familie in der Nachexilszeit. Untersuchungen zur Bedeutung der Verwandtschaft in ausgewählten Texten des Alten Testaments, BZAW 264, Berlin / New York 1998. Gruber, Margareta, Jesus – »Anführer und Vollender« christlicher Nachfolge. Zu einer Theologie der Lebensentscheidung nach dem Neuen Testament, in: Mirijam Schambeck / Walter Schaupp (Hg.), Lebensentscheidung, Würzburg 2004, 74-112. Kessler, Rainer, Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2 2008. Malina, Bruce J., Die Welt des Neuen Testaments. Kulturanthropologische Einsichten, Stuttgart u. a. 1993. Ders. / Neyrey, Jerome H., Portrait of Paul. An Archeology of Ancient Personality, Louisville 1996. Robinson, H. Wheeler, The Hebrew Conception of Corporate Personality, in: Paul Volz (Hg.), Werden und Wesen des Alten Testaments, BZAW 66 (1936), 49-62. Sigismund, Marcus, Individuum, Famile und Gesellschaft, Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 1, NeukirchenVluyn 2004, 38-48. Stolz, Fritz, Einführung in den Biblischen Monotheismus, Darmstadt 1996. Strecker, Christian, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive, FRLANT 185, Göttingen 1999.

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Jagd

Theißen, Gerd, Erleben und Verhalten der ersten Christen. Eine Psychologie des Urchristentums, Gütersloh 2007.

Margareta Gruber / Andreas Michel

Ironie 3 Humor / Ironie

Jagd »Jagd, jagen« wird im Hebräischen einerseits mit dem gleichen Verb – ra¯daf – ausgedrückt wie »verfolgen« (vgl. Riepl; 3 Verfolgung), andererseits mit der Wurzel sjd. Laut Gen 1, 28 hat Gott ˙ den Menschen die Herrschaft über die Tiere zugesprochen und laut Gen 9, 3 ausdrücklich ihre Tötung (und Jagd) zur Nahrungsbeschaffung erlaubt. Der erste in der Zunft der Waidmänner war Nimrod, »ein gewaltiger Jäger vor JHWH« (Gen 10, 8 f.). Sicher hat man ihn sich mit der üblichen Jagdwaffe, Pfeil und Bogen, vorzustellen (doch wurden auch Lanzen und Beile sowie Fallgruben und Fangnetze eingesetzt). Esau jagte Wildbret und gewann damit die Zuneigung seines Vaters (Gen 27, 2-5 u. ö.). Nicht nur an der Tafel König Salomos war Wildbret beliebt (1 Kön 5, 3); jedermann wusste Fleisch von Gazellen und Hirschen zu schätzen (Dtn 12, 15.22). Selbstverständlich wurde auch der Fischfang gepflegt (Lev 11, 9; Dtn 14, 9). Man fing Heuschrecken (Lev

Abb. 1: Assyrische Jäger in einem Wald. Relief aus Chorsabad, Palast Sargons II. (721-705)

Abb. 2: Königliche Flusspferdjagd. Aus einem Grab im ägyptischen Theben, 18. Dynastie (1570-1345)

11, 22) und alle möglichen Arten von Vögeln (Dtn 14,11). Auf dem Wüstenzug sollen sich die Israeliten wesentlich von Wachteln ernährt haben, die sie aber gar nicht jagen mussten, weil sie matt zu Boden fielen (Ex 16, 12 f.; Num 11, 31 f.). Im Lande dann machte man Jagd auf Vögel (und Eier), durfte aber nicht ganze Nester samt den Vogelmüttern ausräumen (Dtn 22, 6 f. – offenbar ein Element von Tierschutz). Die Jagd auf Rebhühner dient David als Bild dafür, wie Saul ihn verfolgt (1 Sam 26, 18.20). So sehr also Jagdbeute als Speise geschätzt war: Das Religionsgesetz verlangte die Unterscheidung von reinen und unreinen (Wild-)Tieren – und nur die ersteren durfte man essen (Lev 11; Dtn 14, 1-21). In Israel (wie auch in seiner Umwelt, vgl. Abb. 1) diente das Jagen und Erlegen von Tieren hauptsächlich der menschlichen Ernährung. Nur selten ist im Alten Testament davon die Rede, dass auch Raubtiere gejagt bzw. getötet wurden, weil sie störten oder gefährlich wurden (Hld 2, 15; 1 Sam 17, 34-36; im utopisch-pazifistischen Gegenbild: Jes 11, 7). Die altorientalische Königsideologie setzt an genau dieser Stelle den Akzent. Immer wieder werden Herrscher in Ägypten auf der Flusspferd- und in Mesopotamien auf der Löwenjagd gezeigt (s. Abb. 2 und 3): nicht etwa, weil dies aristokratische Vergnügungen sind, auch nicht, weil man die Untertanen vor solch gefährlichen Tieren schützen will, sondern weil

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Jesusbewegung

Jesusbewegung

Abb. 3: Der neuassyrische König Assurnasirpal II. bei der Löwenjagd. Relief aus dem Palast in Nimrud

diese Inbegriff für alles sind, was die Herrschaft des Königs und damit das Wohlergehen des Volkes bedroht: von inneren Gegnern über äußere Feinde bis zu transzendenten Chaosmächten. All dies hält der König auf Raubtierjagd symbolisch nieder. Es ist eine herrliche Ironie, wenn in Nah 2, 12-14 die assyrischen Löwenjäger selber zu Löwen gemacht – und dem Schwert ausgeliefert werden. Brewer, Douglas, Hunting, Animal Husbandry and Diet in Ancient Egypt, in: Billie Jean Collins (Hg.), A History of the Animal World in the Ancient Near East, Handbook of Oriental Studies 1.64, Leiden 2002, 427-456. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. 6: Zeltleben, Vieh- u. Milchwirtschaft, Jagd, Fischfang, SDPI 9 = BFChTh 2.41, Gütersloh 1939. Janowski, Bernd u. a. (Hg.), Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993. Riepl, Christian, Jagen, Nachjagen, Hinterherjagen. Zur Valenz von G-RDP. In: Maria Häusl / David Volgger (Hg.), Vom Ausdruck zum Inhalt, vom Inhalt zum Ausdruck. Beiträge zur Exegese und Wirkungsgeschichte alttestamentlicher Texte, FS Th. Seidl, ATSAT 75, St. Ottilien 2005, 83-98. Salonen, Armas, Jagd und Jagdtiere im alten Mesopotamien, AASF.B 196, Helsinki 1976.

Walter Dietrich

Der Begriff Jesusbewegung wurde allem Anschein nach von Gerd Theißen 1977 in die neutestamentliche Exegese eingeführt und ist seitdem etabliert, wenn es auch über das Bezeichnete weiterhin Differenzen gibt. In nichtdeutschsprachiger Forschung zum Neuen Testament ist er in Übersetzung übernommen worden. Die Untersuchungen zur Jesusbewegung haben die soziologische Forschung zum Neuen Testament und seiner Zeit vorangetrieben und die Exegese für die befreiungstheologische Interpretation geöffnet. Ein besonderes, wenn auch häufig übersehenes Verdienst dieser Fragestellung liegt darin, sowohl innerkirchlich wie außerkirchlich zahlreichen Menschen einen neuen Zugang zum Evangelium ermöglicht zu haben. Begriff und Inhalt der Jesusbewegung tangieren die Geschichte des frühen Christentums und die Interpretation der neutestamentlichen Texte, welche den einzigen Zugang zur Jesusbewegung ermöglicht. Den Texten wird dabei notwendigerweise ein hohes Maß an historischer Verlässlichkeit zugetraut. Durch die Interdisziplinarität der Fragestellung – Einbeziehung der Archäologie, der Ethnologie und Soziologie – wird allerdings eine Verengung überwunden. Das textliche Material umfasst insbesondere die Logienquelle, vormarkinische Texte und Traditionsgut aus anderen Strängen der neutestamentlichen und nachneutestamentlichen (etwa Didache) Überlieferung. Der Erfolg der Forschungen zur Jesusbewegung ist nicht nur darin zu sehen, dass Fragen nach dem Leben, dem Alltag und der Glaubenswelt in der konservativen Exegese zumeist idealtypisch abgehandelt wurden, sondern auch, dass damit eine Lücke geschlossen wurde, die die Beschränkung auf die Jerusalemer Urgemeinde, auf Paulus und seine Gemeinden mit sich brachte. Zugleich wurde durch die These der Jesusbewegung und ihre historische Wahrscheinlichmachung ein Bindeglied zu Jesus von Nazaret hergestellt, da das normierende und legitimierende Zentrum der Jesusbewegung der historische Jesus

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Jesusbewegung

war, der als Erstwandercharismatiker die Jesusbewegung durch den Ruf in die Nachfolge begründete und an dem sich das Selbstverständnis der Jesusbewegung ausrichtete. Jesu Charisma reichte über seinen Tod hinaus und wurde durch die visionäre Erfahrung des Auferstandenen nochmals unüberbietbar bestärkt, so dass die Praxis der Vergegenwärtigung der vorösterlichen Lebensweise einen weiteren Bezugspunkt im auferstandenen und erhöhten Herrn erhielt. Weiterhin sind durch die Jesusbewegung die Fragen der Verortung ihrer Entstehung berührt, näherhin der Stadt-Land-Konflikt. Das vorherrschende Interesse an der Urbanität des frühen Christentums, erwachsen aus der Konzentration auf Jerusalem und die paulinischen Missionsfelder, wird hier um die galiläisch-judäische Perspektive erweitert; damit wird auch dem Wirkungsfeld Jesu von Nazaret Rechnung getragen. Nicht zuletzt liegt das besondere Verdienst der These von der Jesusbewegung darin, die jüdischen Kontexte der Entstehung des Christentums stark zu akzentuieren. Dadurch wird die Debatte nach der Relevanz des zu Unrecht marginalisierten Judenchristentums offen gehalten und zugleich vertieft. Die Rekonstruktion der Jesusbewegung geht davon aus, dass es sich um eine innerjüdische Gruppierung handelte, die dem Judentum und seinen Institutionen (Tempel, Toralehrer etc.) kritisch, aber grundsätzlich bejahend gegenüberstand. Dafür spricht auch die Annahme, dass die Jesusbewegung die Zerstörung des Zentralheiligtums in Jerusalem im Jahre 70 als eigenständige Gruppe nicht überdauerte. Ihre Impulse jedoch wirkten beträchtlich länger fort. Die Jesusbewegung ist nach Theißen im soziohistorischen Kontext der jüdischen Erneuerungsbewegungen zu verstehen, von denen sie eine ist. Diese Erneuerungsbewegungen hatten sowohl ökonomische Ursachen, partielle Verelendung von Bauern und Kleingewerbetreibenden u. a. durch die Steuerlast, als auch politische Gründe, die Besatzung der Römer u. a. mit der traumatisch erfahrenen Einschränkung des Kults, ferner die Kooperation der judäischen Oberschicht mit den Besatzern, und religiöse Motive, die mit den

vorherigen eng zusammenhängen und auf der Frage nach der Möglichkeit einer religiösen Praxis aufbauen. Wie groß die Zahl der Partizipanten an diesen Erneuerungsbewegungen war, muss man offenlassen, wobei es zu bedenken gilt, dass der Tempel trotz aller vorhandenen Kritik an der Priesterklasse und ihrer Praxis (vgl. PsSal) weiterhin für den überwiegenden Teil der galiläisch-judäischen Bevölkerung als Zentrum des religiösen Lebens gelten konnte, unbeschadet der anzunehmenden Existenz einer eigenen religiösen Lebensform im Umfeld der Synagoge. Jesus von Nazaret lebte als mittelloser Wanderprophet und Verkündiger des Nahens des Reiches Gottes im galiläischen Raum und war auf finanzielle Unterstützung angewiesen (Lk 8, 3). Er konstituierte um sich einen Kreis von Frauen und Männern, die seinem Charisma glaubten und seine Lebensform übernahmen. Diese Lebensform wurde auch nachösterlich beibehalten. Kennzeichnend für diese Praxis waren u. a. die Nichtsesshaftigkeit als herumziehende Verkünder (Mk 1, 16; 10, 28-30), die antifamiliäre Grundtendenz (Mk 1, 20; 10, 29; Lk 14, 26), die Armut (Mt 10, 89) und die Akzeptanz sozialer Randgruppen (Mk 2, 17). Hierbei findet ein Umwertungsprozess statt: Konstellationen wie etwa die Familienkonflikte, die nach ihrem Anlass durchaus in religiösen Divergenzen wie etwa der Relevanz des Elterngebots begründet sein konnten, dies ist wohl der eigentliche Hintergrund der Korbanfrage (Mk 7, 10-13), finden in der Hinordnung auf den Wanderpropheten eine neue Wertigkeit und Begründung, die diese Auseinandersetzung positiv bestärkend erfahren (Mt 8, 21-22) und neue soziale Gefüge entstehen lassen. Die Außenseiterposition kann im Vollzug der Selbststigmatisierung als die angemessene Existenz gedeutet werden. Die Frage nach dem ökonomischen Status der Mitglieder der Jesusbewegung wurde innerhalb der Forschung kontrovers geführt. Gegen die These eines freiwilligen Besitzverzichts der Mitglieder der Jesusbewegung wurde mit dem Nachweis zahlreicher Belege angeführt, dass diese ursprünglich den Bettelarmen und den real, nicht symbolisch Marginalisierten wie den Frauen zu-

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Jesusbewegung

zurechnen sind; erst nach der sozialen Änderung und der Entwicklung von Gemeindestrukturen sei die Frage nach dem Besitzverzicht als Ausdruck einer neuen Lebensform relevant geworden. Das Signum der Jesusbewegung sei nicht das Ziel der Erneuerung, sondern der Befreiung gewesen (Luise Schottroff; Wolfgang Stegemann). Mit diesem befreiungstheologischen Ansatz können auf der Textebene Elemente der Armenfrömmigkeit, wozu die radikale Zusage des Reiches Gottes an die Armen und ihr Lob gehört, überzeugender erklärt werden; weiterhin hebt er die theologische Engführung der Erforschung der Konflikte im Christentum, übrigens weit über die Zeit des Neuen Testaments hinaus, auf, indem er sozio-ökonomische Ursachen berücksichtigt. Die jesuanische Lebensform, die besitz- und wehrlose Verkündigung des Reiches Gottes in einem geradezu unerschütterlichem Gottvertrauen (Mt 6, 24-34), bestimmt die nachösterliche Praxis der Jesusbewegung. Auch hier begleitete Wundertätigkeit, insbesondere Exorzismen, die Verkündigung. Durch die Bestätigung des Anspruches Jesu in der Auferstehung erhielt eine an ihm konforme Lebenspraxis nicht nur einen neuen Impuls, sondern schuf eine Verbindung zu dem Erhöhten. Ohne dass das Urcharisma Jesu tangiert wurde, wurden die Verkündiger selbst zum Träger des Charismas. Anzunehmen sind vorösterliche und nachösterliche sesshafte Gruppen von Sympathisanten im dörflichen Milieu. Hier finden sich u. a. zahlreiche Frauen in hervorgehobener Position. Zu nennen wären etwa Maria und Marta in Betanien, die Schwiegermutter des Petrus und Maria von Magdala. Die ortsfesten Gruppen waren für die Jesusbewegung notwendig; sie ermöglichten die randständige Lebensform, indem sie den Lebensunterhalt gewährten und einen Ort der gegenseitigen Motivation ermöglichten. Hier, wo sie als charismatische Autoritäten akzeptiert waren, konnten die Wanderprediger die Unterstützung finden, die ihnen außerhalb verwehrt wurde. Die die Jesusbewegung konstituierende Ausrichtung an Jesus führte neben der imitierenden Praxis auch zu einem

Prozess der theologischen Reflexion über die theologische Bedeutung Jesu. Mit dem Gottessohn-Titel wurde die enge Relation Gottes zu Jesus unterstrichen, der ihn nicht im Tod gelassen hatte. Die Bezeichnung Jesu als Messias verweist zunächst auf die enge Israelbindung; Jesus wurde als Retter und Restitutor Israels geglaubt, der die vollkommende Befreiung verkündigte; daher wurde die Reich-Gottes-Botschaft an Israel weiterhin verkündet, freilich um die christologische Aussage erweitert. Der Menschensohn-Titel war am ehesten geeignet, eine Identifikation zu ermöglichen: Auch der Irdische war Außenseiter (Mk 9, 31; 10, 45) und Opfer gewesen; gleichwohl konnte man hoffen, an seiner Herrlichkeit teilzuhaben (Mt 19, 28). Bei dieser Grundstruktur der Jesusbewegung waren Konflikte mit der Außenwelt vorgegeben. Einerseits musste sie sich von ihrer dominierenden kulturellen Umgebung distanzieren, obwohl sie die Glaubensgrundlagen weitgehend teilten (Mt 5,17-19.23). Die Spannung mit ihrer Umgebung resultierte einerseits aus dem christologischen Bekenntnis, andererseits aus einer unterschiedlichen Wahrnehmung des Vorbefindlichen, das die Jesusbewegung als eschatologische Krise wahrnahm. Die Überwindung dieser Spannungen nach außen ist wiederum eine Umwertung und zugleich eine aktive Kritik an der gesellschaftlichen Gewalt: Fremd- und Eigenaggressionen wurden durch das Liebes- und Friedensgebot subversiv unterlaufen. Damit wurde eine Möglichkeit eröffnet, aus dem Zwang zur Perpetuierung der Aggression auszubrechen. Neben historischen Faktoren ist als Grund für das Ende der Jesusbewegung paradoxer Weise ihr Erfolg zu nennen. In dem Maße, in dem die ortsfesten Gruppen an Größe zunahmen, entwickelten sich andere Strukturen und Autoritätskriterien, die auf die Gruppen und ihre Bedürfnisse zugeschnitten waren. Die, die sich weiterhin am Bettelleben Jesu und seines Kreises orientierten, konnten dann als die die Gruppenidentität bedrohenden Außenseiter wahrgenommen werden, wie der 3. Johannesbrief oder die Darstellung der Gegner in den Pastoralbriefen zeigen. Geblieben

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Jobeljahr

ist von der Jesusbewegung aber zweifelsohne das Wissen um das je Bessere gegenüber der sich selbst absolut setzenden Welt und ihren Interessen als bleibendes Moment der Beunruhigung im Christentum. Bilde, Per, Kognitive Dissonanzreduktion in der Jesusbewegung. Ein sozialpsychologischer Beitrag zum Verständnis neutestamentlicher Texte, EvTh 65 (2005), 118-135. Horsley, Richard A., Sociology and the Jesus movement, New York 2 1994. Ders., Galilee: history, politics, people, Valley Forge 1995. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 2 1996 (1994). Dies. / Stegemann, Wolfgang, Jesus von Nazareth, Hoffnung der Armen, Stuttgart 1978. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, 2., durchges. und erg. Aufl. Stuttgart 1997. Theißen, Gerd, Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums, KT 35, München 1977. Ders., Studien zur Soziologie des Urchristentums, 3. erw. Aufl., WUNT 19, Tübingen 1989. Ders., Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000. Ders., Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004. Tiwald, Markus, Wanderradikalismus. Jesu erste Jünger – ein Anfang und was davon bleibt, ÖBS 20, Frankfurt 2002.

Rainer Kampling

Jobeljahr Das Jobeljahr in Lev 25 proklamiert die Auslösung von Grundbesitz und von Personen nach sieben mal sieben Jahren. Es beschränkt die Möglichkeit, ererbten Grundbesitz zu verkaufen: Da der Verkauf im Jobeljahr rückgängig gemacht wird, sinkt der mögliche Verkaufswert der ererbten Grundstücke kontinuierlich vom ersten Jahr nach diesem Erlassjahr bis kurz vor Beginn des nächsten. Lev 25 gibt dabei zu erkennen, dass ei-

gentlich die 3 Verwandtschaft dem verarmten Israeliten helfen soll: Der nächste Verwandte ist der Löser, der den drohenden Verkauf des Grundstücks zu verhindern hat (25,25). Falls dies nicht geschieht, ist der Verkauf so schnell wie möglich rückgängig zu machen, wenn jemand aus der Familie wieder zu Geld kommt. Die Rückerlangung des verkauften ererbten Grundstücks wird damit in mehreren Stufen angestrebt, wobei das Jobeljahr als das letzte Mittel geplant ist. Gegenüber den anderen, wohl älteren Rechtsquellen im Alten Testament scheint durch das Jobeljahr die Befreiung der verkauften Sklaven vom 7. Jahr nach dem Verkauf (Ex 21,2-6; Dtn 15,12-18) auf das 50. Jahr hinausgezögert zu werden. Zwingend ist die Konstruktion eines Gegensatzes zwischen diesen Texten jedoch nicht, da die älteren Rechtsquellen Möglichkeiten vorsehen, die zu einer dauerhaften Versklavung führen. Gerade insofern ist die Einführung des Jobeljahrs als Jahr der allgemeinen Befreiung keine Abschwächung der älteren Gesetzgebung. Die Bestimmung des Jobeljahres ist so eng wie kaum ein anderes Stück der Tora in den Zusammenhang von Exodus, Gesetzgebung und Landnahme eingebunden: Das Jobeljahr setzt die bevorstehende Landverteilung voraus und wird mit der von Gott beim Exodus aus Ägypten geschenkten Freiheit begründet. Das Jobeljahr ist insofern eine nicht bloß erinnerte, sondern reale Erfahrung des Exodus in jedem 50. Jahr. Es stellt sich die Frage, wie realistisch eine solche Regelung war. Die rabbinischen Quellen sind sich einig, dass das Jobeljahr nachbiblisch wohl ein chronologisches Gerüst abgibt, aber nicht mehr praktiziert wird. Dafür werden wirkungsgeschichtlich seine theologischen Grundintentionen umso wichtiger. Dazu gehört neben der Vorstellung periodischer Wiederherstellung eines gerechten Urzustandes der wirtschaftsethische Spitzensatz, dass Grund und Boden deshalb nicht für immer verkauft werden dürften, weil der Gott Israels ihr eigentlicher Eigentümer ist (Lev 25,23). Das Motiv, dass im Jobeljahr »Freilassung ausgerufen« wird (V. 10), macht es zum Modell

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Judentum / Christentum

für Freilassung überhaupt. So kann man in der prophetischen Ankündigung von Jes 61,1 f., »Freilassung« und »ein Jahr des Wohlgefallens für JHWH auszurufen«, einen ins Eschatologische gewendeten Anklang an die Jobeljahrvorstellung hören. Die Hoffnung auf Wiederherstellung aller Besitzverhältnisse im Jobeljahr hat in der lukanischen Antrittspredigt Jesu (Lk 4,16-20) einen Nachklang: Jesus übernimmt in der Synagoge von Nazaret die Schriftlesung mit der Ankündigung des geistgesalbten Propheten (Jes 61,1 f. in der Septuaginta), der den Armen frohe Botschaft bringt, Gefangenen die Freilassung (aphesis) verkündigt, Blinden die Heilung (MT: Befreiung der Gefesselten), Zerschlagenen die Freilassung (aphesis). Letzteres ist ein Zusatz aus Jes 58,6 LXX. Jesus ruft das Gnadenjahr des Herrn aus, lässt aber die Ankündigung eines »Tags der Vergeltung« in Jes 61,2 aus. Sein Wirken wird als Erfüllung der mit dem Jobeljahr verbundenen Verheißungen verstanden. Ausdrücklich betont Jesus: Heute ist dieses Schriftwort in Erfüllung gegangen. Man kann die Antrittspredigt Jesu nicht direkt für den historischen Jesus in Anspruch nehmen. Dennoch sind wahrscheinlich ältere Traditionen in dieser lukanischen Komposition erhalten. In der Tat wird die Erwartung eines Jobeljahrs in Qumran (11QMelch = 11Q13) mit der Erwartung des Freudenboten aus Jesaja verbunden – also genau in jener Verbindung, die in der Antrittsrede vorausgesetzt ist, nur dass in Qumran der Tag der Vergeltung eine wichtige Rolle spielt. Entscheidend für eine theologische Bewertung ist: Lukas platziert die Rede an zentraler Stelle. Er will, dass die Leser das Wirken Jesu in ihrem Lichte lesen. Hat er ihm also eine sozialpolitische Bedeutung beigemessen? Oder hat er die Freilassung spiritualisierend als Sündenvergebung (aphesis hamartion) gedeutet, die im Zentrum des lukanischen Heilsverständnisses steht? Die Wahrheit liegt dazwischen: Schon in der Antrittsrede veranschaulicht Jesus das Gnadenjahr des Herrn an konkreten Beispielen. Daher darf man das Armutsethos des Lukasevangeliums nicht zu einem

Spendenaufruf an einzelne Christen (also zu einem Individualethos) herabdefinieren, es ist das Sozialethos einer Gemeinschaft. Dieses Ethos hat potentielle Bedeutung für die ganze Gesellschaft. Wenn sich Christen heute auf das lukanische Sozialethos für ihr gesellschaftliches Engagement berufen, tun sie es in eigener Verantwortung – aber nicht gegen die Intentionen des lukanischen Doppelwerks. Albertz, Rainer, Die ›Antrittspredigt‹ Jesu im Lukasevangelium auf ihrem alttestamentlichen Hintergrund, ZNW 74 (1983), 182-206. Ders., Die Tora Gottes gegen die wirtschaftlichen Sachzwänge. Die Sabbat- und Jobeljahrgesetzgebung Lev 25 in ihrer Geschichte, ÖR 44 (1995), 290-310. Bianchi, Franceso, Das Jobeljahr in der hebräischen Bibel und den nachkanonischen jüdischen Texten, in: Georg Scheuermann (Hg.), Das Jobeljahr im Wandel. Untersuchungen zu Erlaßjahr- und Jobeljahrtexten aus vier Jahrtausenden, fzb 94, Würzburg 2000, 55-104. Crüsemann, Marlene / Crüsemann, Frank, Das Jahr, das Gott gefällt, BiKi 55 (2000), 19-25. Fager, Jeffrey A., Land Tenure and the Biblical Jubilee. Uncovering Hebrew Ethics through the Sociology of Knowledge, JSOT.S 155, Sheffield 1993. Fried, Lisbeth S. / Freedman, David N., Was the Jubilee Year Observed in Preexilic Judah?, in: Jacob Milgrom, Leviticus 23-27. A New Translation with Introduction and Commentary, AncB 3B, New York u. a. 2001, 2257-2270. Lefebvre, Jean-François, Le jubilé biblique. Lev 25 – exégèse et théologie, OBO 194, Fribourg / Göttingen 2003. Meinhold, Arndt, Art. Jubeljahr I, TRE 17, 1988, 280-281. Robinson, Gnana, Das Jobel-Jahr. Die Lösung einer sozialökonomischen Krise des Volkes Gottes, in: Dwight R. Daniels u. a. (Hg.), Ernten, was man sät, FS K. Koch, Neukirchen-Vluyn 1991, 471-494.

Matthias Millard / Gerd Theißen

Judentum / Christentum Das Verhältnis zwischen »Judentum« und »Christentum« ist komplex und durch die Geschichte belastet. Die Etablierung, Profilierung und Sicherung christlicher Identität gegenüber dem Judentum, aus dem das Christentum erwuchs, erfolgte

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Judentum / Christentum

in der abendländischen Geschichte von der Spätantike bis in die Neuzeit hinein vielfach auf der Grundlage von Ausgrenzungen und stereotypen Verzeichnungen jüdischer Vorstellung und Praktiken (Legalismus, Ritualismus etc.). Sie ging überdies mit infamen Beschuldigungen (Gottesbzw. Christusmörder, Brunnenvergifter, Wucherer, Verschwörer etc.), vielfältigen Pressionen und blutigen Verfolgungen jüdischer Menschen einher. Spätestens seit dem unsäglichen Verbrechen der Schoah war und ist die Frage nach der christlichen Verantwortung für die erschreckende Judenfeindschaft in der Geschichte der westlichen Kultur und mit ihr eine Neubesinnung auf die vielfältigen Beziehungen zwischen Judentum und Christentum unausweichlich. Damit ist in historischer Perspektive die Frage verknüpft, wann und aus welchen Gründen sich der christliche Glaube vom Judentum löste. Darüber wird in der jüngeren Forschung kontrovers debattiert. 1. Problemanzeigen a) Identität, Hybridität, Macht. Im Umfeld des jüngeren kulturwissenschaftlichen und postkolonialen Diskurses wird vielfach betont, kollektive Identitäten (Kulturen, Nationen, Religionen) seien nicht in »reiner«, homogener Form vorgegeben, sondern als hybride (= aus der Mischung von Elementen aus verschiedenen Kulturen hervorgegangene), permanent wandelbare und diversen Machtinteressen unterliegende soziale Konstrukte zu begreifen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wer darüber bestimmt, was »jüdisch« und was »christlich« ist und wo die vermeintlichen Grenzen liegen. Und weiter: Wer bzw. was ist bei den Begriffen Judentum und Christentum im Blick? Bestimmte Menschen und Gruppen oder theologische Inhalte? Es will bedacht sein, dass enge soziale Beziehungen inhaltliche Differenzen nicht unbedingt ausschließen und sich soziale Separationen umgekehrt auch trotz weitgehender inhaltlicher Konvergenzen vollziehen können. Inwieweit ist es also angemessen, die Begriffe »jüdisch« und »christlich« im Sinn von Oppositionsbegriffen

auf die ersten Jahrhunderte zu applizieren? Die Gefahr, erst später machtvoll etablierte Begriffsfüllungen in die Vergangenheit zurückzuprojizieren, gilt es zu bedenken. b) Quellen. Texte sind nicht frei von Interessen. Dies gilt auch für die antiken Aussagen über das Verhältnis von Juden und Christen, die sich größtenteils einflussreichen »orthodoxen« Stimmen verdanken. Dort, wo sie vermeintlich gegebene kollektive Identitäten beschreiben, mag es sein, dass sie diese allererst zu produzieren suchen. Bestimmten Interessen folgend mögen sie dort Brüche akzentuiert und Ausgrenzungen angestrebt haben, wo andere Kontinuitäten sahen und lebten. Eine unkritische Textauswertung steht in der Gefahr, einseitig der Perspektive der Gewinner der Geschichte zu folgen. c) Historische Ereignisse und Entwicklungen, an denen man lange Zeit die Trennung von Judentum und Christentum festmachte, werden mit Blick auf ihre Datierung und / oder Bedeutung jüngst verstärkt hinterfragt. Dass etwa die birkat ha-minı¯m, eine Verwünschung von Häretikern, die über die Aufnahme in das Achtzehngebet in den Synagogengottesdienst gelangte, primär auf den in Joh 9, 22; 12, 42; 16, 2 begegnenden Synagogenausschluss Christusgläubiger zielte, erscheint ebenso fraglich (Horst) wie die These, das so genannte »Judenchristentum« habe nach 70 oder 135 n. Chr. nur noch eine marginale Rolle gespielt (Reed). 2. Wichtige Theorien zur Trennung von Judentum und Christentum a) Substitutionsmodell. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. hinein stellte man Judentum und Christentum in der Regel von vornherein als eigenständige Größen einander gegenüber. Jesus und seine Nachfolger wurden als Protagonisten einer neuen Religiosität betrachtet. Diese habe die jüdische Mutterreligion gleichsam als Tochter beerbt und abgelöst. Zumal in ethischer Hinsicht habe das frühe Christentum das vermeintlich degenerierte, in Ritualismus und Legalismus erstarrte »Spätjudentum« überwunden und zugleich die national-partikularistische jüdische

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Judentum / Christentum

Religion zur universalen christlichen Weltreligion entschränkt. b) Parting(s) of the Ways. Dem offenkundig theologisch voreingenommenen Substitutionsmodell steht seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. ein Alternativmodell entgegen. Dieses postuliert eine anfänglich gemeinsame Identität von Judentum und Christentum, die sich erst später, der Gabelung eines Pfades in zwei Wege entsprechend, aufspaltete. In Verwandtschaftsmetaphorik übertragen, rückt hier an die Stelle der Mutter-Tochter-Relation das Bild von der Zwillingsgeburt des rabbinischen Judentums und des Christentums aus der einen Mutter, nämlich der Gruppenvielfalt des Judentums des Zweiten Tempels (Segal). Das Modell begegnet in zahlreichen Ausformungen, bei denen zumal der Zeitpunkt der Gabelung variiert. In jüngerer Zeit nimmt man allerdings davon Abstand, die Trennung zeitlich an einem Punkt zu fixieren. Man geht stattdessen von einem Prozessgeschehen aus, das sich in mehreren Etappen an mehreren Orten auf unterschiedliche Weise vollzog. Meist wird postuliert, die endgültige Trennung habe sich zwischen den beiden jüdischen Aufständen 66-70 und 132-135 n. Chr. vollzogen (anders Jossa). Mehrere in diesen Zeitraum datierte Indizien werden hierfür geltend gemacht (Dunn 230-259): die als Verurteilung von Christen definierte Einführung der birkat ha-minı¯m, der allmähliche Aufstieg des rabbinischen Judentums als normatives Judentum, der mit der Zerstörung Jerusalems vermeintlich einhergehende Einflussverlust des Judenchristentums, die zunehmende Dominanz christologischer Fragestellungen bei christlichen Autoren gegenüber der konsequenten rabbinischen Kritik an jeglicher Missachtung der Einheit Gottes, die Aneignung der Septuaginta auf christlicher Seite gegenüber der hebräischen Schriftlesung in der Synagoge, die Kanonisierungsprozesse hier wie dort und die Benennung der Christen als eigenständige Gruppe bei einigen nichtjüdischen Autoren (Suet. Nero 16, 2; Plin. epist. 10, 96 f.). Das »Parting(s)«-Modell weist gegenüber dem Substitutionsmodell größere historische Sensibilität auf. Das Judentum zur

Zeit Jesu wird nicht mehr als im Verfall begriffen gesehen und die Einbindung der Anfänge des Christentums ins Judentum ernst genommen. Dennoch bleiben Probleme: In den antiken Quellen finden sich Belege, die enge Kontakte zwischen Juden und Christen bis ins 4. Jh. dokumentieren (s. u.). Es ist zudem fraglich, ob Christentum und rabbinisches Judentum bereits ab dem 2. Jh. n. Chr. als derart »orthodoxe« Größen mit stabiler Identität auftraten, wie es das »Parting(s)«-Modell suggeriert. Was das Christentum anbelangt, weisen nichtkanonische Schriften und so genannte Häresien (Gnosis etc.) in eine andere Richtung, und archäologische Indizien wie auch soziologische Überlegungen lassen daran zweifeln, dass Autorität und Einfluss des frühen rabbinischen Judentums bereits derart umfassend ausgebildet waren (Schwartz 110-128). c) Spätdatierung (4. Jh. n. Chr.). In kritischer Distanz zum »Parting(s)«-Modell postulieren einige Forschende in jüngerer Zeit, dass die Wege über mehrere Jahrhunderte gleichsam kreuz und quer verliefen und sich allererst im 4. Jh. n. Chr. auf breiterer Ebene auseinander bewegten (Boyarin, Lieu). Nach dem Bar-Kochba-Aufstand bestanden demnach noch lange Zeit intensive soziale Kontakte und enge inhaltlich-theologische Konvergenzen zwischen Juden und Christen fort. Aus den Quellen ergibt sich, dass Christen z. T. nach wie vor Synagogen besuchten (Or. hom. in Lev 5, 8; Chrystostomos’ Reden »Gegen die Juden«, passim), den Sabbat und Festzeiten einhielten (Aug. ep. 54, 2,3) und jüdische Praktiken übernahmen (Didasc 26). Ohne Polemiken, Konflikte und Separationen in Abrede zu stellen, waren demnach die Grenzen zwischen Judentum und Christentum über lange Zeit fließend. Im 4. Jh. n. Chr. trat dann allerdings insofern eine Wende ein, als nun eine bestimmte Form des Christentums kraft imperialer Unterstützung zur Vorherrschaft gelangte und sich in Reaktion darauf das rabbinische Judentum zu konsolidieren und sich damit das Judentum im heutigen Sinn zu konstituieren begann (Boyarin). Die dieser historischen Phase entspringenden Texte, der patristische Kanon und die rabbinischen Korpo-

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Judentum / Christentum

ra, spiegeln weithin die Position und Perspektive der Gewinner der Geschichte. Es handelt sich um Medien, mit denen diese ihre Zukunft kontrollieren und die Vergangenheit in ihrem Sinn fixieren wollten. Dementsprechend wurden scharfe Grenzen zur Sicherung der eigenen Identität gezogen (Fredriksen / Lieu 97). Dass es bereits im 2. Jh. und z. T. auch davor markante Profilierungen einer spezifischen christlichen Identität gab, steht freilich außer Frage. Man wird jedoch vorsichtig damit sein müssen, daran bereits einen allgemeingültigen, unumkehrbaren Bruch zwischen Judentum und Christentum festzumachen: (1) Der in Apg 11, 26, 26, 28 und 1 Petr 4, 16 belegte Name Christianos / Christianoi dürfte zunächst von außen an die Christusgläubigen herangetragen worden sein (vgl. Tac. ann. 15, 44 [Chrestianer]; Suet. Nero 16, 2; Plin. epist. 10, 96). Er muss keine definitive Lösung vom Judentum indizieren, sondern mag als Bezeichnung für eine spezifisch jüdische Gruppe fungiert haben. Als Selbstbezeichnung erscheint er erstmals bei Ignatius positiv angeeignet (IgnEph 11, 2; IgnMagn 4; Röm 3, 2). (2) Der Begriff Christianismos begegnet ebenfalls bei Ignatius zum ersten Mal, und zwar im Gegenüber zum Ioudaismos (IgnMagn 10, 3; IgnPhld 6, 1). Die Begriffsopposition dürfte – darauf weist der Terminus Ioudaismos – zumal rituelle Differenzen (Sabbat, Beschneidung), also Unterschiede im »way of life« markieren. Bezeichnend ist, dass die Vokabel bei den übrigen Apostolischen Vätern fehlt. (3) In den Märtyrerakten erscheint wiederholt das Bekenntnis der Märtyer »Ich bin ein(e) Christ(in)« (MartPol 10, 1; MartJust 4; PassPerpet 3, 2; Tert. apol. 49, 5; Eus. h.e. 5, 1,19.20.26.50). Es markiert jeweils eine Oppositionierung im mythischen (gegenüber dem Teufel oder Kosmos) oder auch sozialpolitischen (gegenüber Juden, Nichtjuden, dem Mob, römischen Offiziellen) Raum (Lieu 254). Die hinter den literarischen Texten stehende historische Realität ist nur schwer zu klären, ebenso, inwieweit die in der Formulierung artikulierte Identität auf Nichtmärtyer übertragbar ist. (4) Von Bedeutung ist schließlich die Rede vom

Christentum als »drittem Geschlecht« (triton genos / tertium genus) bzw. überhaupt als Geschlecht (Kerygma Petri [Clem. Al. strom. 6, 3941]; Aristides apol. 2; Diog 1, 1), die wohl der Umkehrung von Verunglimpfungen von nichtjüdischer Seite diente, aber auch aus Auseinandersetzungen um die kontinuierliche Identität des Gottesvolkes resultiert haben mag (Lieu 259266). Unter der Voraussetzung einer noch nicht endgültig erfolgten Trennung zwischen Judentum und Christentum sind die zahlreichen kritischen und polemischen Aussagen über Juden im Neuen Testament (1 Thess 2, 14-16; Mk 4, 10-12; Mt 23; 27, 25; Joh 8, 44; Offb 2, 9; 3, 9) weniger als antijudaistische Zeugnisse denn als Beispiele für innerjüdische Auseinandersetzungen zu werten (Stenschke u. a. 250). Diese schlossen offenbar auch gewaltsames Vorgehen gegen Christusgläubige ein (Nachstellungen: Gal 1, 13.23; 1 Kor 15, 9; Phil 3, 6; Verhaftungen: Apg 4, 3; 5,18; 12, 4; Tötungen: Apg 7, 57; 12, 2; Flav. Jos. Ant. 20, 200 f.).

Boyarin, Daniel, Border Lines. The Partition of JudaeoChristianity, Philadelphia 2004. Dunn, James D. G., The Partings of the Ways. Between Christianity and Judaism and their Significance for the Character of Christianity, London / Philadelphia 1991. Fredriksen, Paula / Lieu, Judith, Christian Theology and Judaism, in: Gillian Rosemary Evans (Hg.), The First Christian Theologians, Oxford 2004, 85-101. Horst, Pieter W. van der, The Birkat ha-minim in Recent Research, ExT 105 (1994), 363-368. Jossa, Giorgio, Jews or Christians? The Followers of Jesus in Search of Their Own Identity, WUNT 202, Tübingen 2006. Lieu, Judith M., Christian Identity in the Jewish and Graeco-Roman World, Oxford 2004. Reed, Annette Yoshiko, »Jewish Christianity« after the »Parting of the Ways«, in: Adam H. Becker / dies. (Hg.), The Ways that Never Parted, Tübingen 2003, 189-231. Schwartz, Seth, Imperialism and Jewish Society, 200 B.C.E. to 640 C.E., Princeton / London 2001. Segal, Alan F., Rebecca’s Children. Judaism and Christianity in the Roman World, Cambridge / London 1986. Stenschke, Christoph u. a., Apologetik, Polemik und Mission: Der Umgang mit der Religiosität der »anderen«, in: Kurt Erlemann u. a. (Hg.), Neues Testament und antike Kultur III, Neukirchen-Vluyn 2005, 244-253.

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Jünger / Jüngerin

Wander, Bernd, Trennungsprozesse zwischen Frühem Christentum und Judentum im 1. Jahrhundert n. Chr., TANZ 16, Tübingen / Basel 1994.

Christian Strecker

Jünger / Jüngerin Jünger / Jüngerin ist die übliche deutsche Wiedergabe des griechischen mathetes bzw. mathetria, Personenbezeichnungen, die vom Verb manthanein, sich auf etwas einstellen / lernen, abgeleitet sind. Dabei geht es jedoch zumeist nicht nur um ein intellektuelles Lernen, sondern um Nachfolgen (akolouthein) in weiteren Sinne, was sachlich auch mit anderen Vokabeln wie z. B. dienen (diakonein), hinterher (opiso) gehen oder kommen, würdig sein (axios einai) bezeichnet werden kann. Das Phänomen eines solchen engen Verhältnisses von vorbildhaften Lehrenden und untergeordneten Lernenden begegnet in unterschiedlichen antiken Kontexten mit verschiedener Nuancierung, darunter in philosophischen Schulen (3 Philosophische Strömungen) und im rabbinischen Judentum (3 Religiöse Bewegungen). In den neutestamentlichen Evangelien ist auch von JüngerInnen Johannes des Täufers (Mt 11, 2 par; Mk 2,18 par; 6, 29; Joh 1, 35.37 u. ö.), der Pharisaioi (Mt 22, 16; Mk 2, 18) und des Mose (Joh 9, 28) die Rede, die weitaus meisten der ca. 260 Belege beziehen sich allerdings auf die Nachfolgegemeinschaft in der 3 Jesusbewegung, einer im Hinblick auf die damalige Gesellschaft devianten charismatischen Bewegung (vgl. Stegemann / Stegemann 171-174), bei der die AnhängerInnen des Charismatikers Jesus als JüngerInnen bezeichnet werden; von hier ausgehend wird der Begriff dann auch für Christusglaubende der nachösterlichen Zeit verwendet. Verwandte, aber nicht deckungsgleiche Bezeichnungen sind die »Zwölf« (dodeka) und die ApostelInnen (apostoloi) (3 Botenwesen / Apostolat). Konstitutiv für die Nachfolge / Jüngerschaft sind in den Evangelien das Verlassen von 3 Fami-

lie und angestammtem Wohnort (3 Haus), die Aufgabe von Besitz und 3 Beruf sowie Leidensbereitschaft (vgl. Mt 10, 37 par; Mk 8, 34 f. par; 10, 29 f. par). Auch in Berufungserzählungen einzelner Jünger fordert Jesus die Aufgabe bisheriger Lebenskontexte (vgl. Mk 1, 16-20 par); Vorbild ist die Berufung Elischas durch Elija 1 Kön 19, 19-21 (vgl. Ebner 144 f.). Der Anspruch Jesu kann auch scheitern, etwa am Reichtum (vgl. Mk 10,17-22 par; 3 Reichtum / Luxus). Die meisten JesusjüngerInnen dürften aus der ländlichen Unterschicht Galiläas gestammt und nicht viel Besitz zum Verlassen gehabt haben (vgl. Stegemann / Stegemann 177-181; 3 Soziale Schichtungen). In der Forschung werden die genannten Verhaltensweisen mit dem Begriff Wanderradikalismus, Wandercharismatikertum o. ä. beschrieben (vgl. z. B. Theißen 1989; Tiwald; Patterson für das Thomasevangelium: »itinerant radicalism«) und auf den historischen Jesus zurückgeführt. Dabei kann das Verhältnis zum Judentum einerseits und Römischen Reich andererseits unterschiedlich bestimmt werden, so zeichnet etwa Theißen das Bild einer innerjüdischen Erneuerungsbewegung (vgl. Theißen 2004, 101-110), während Schottroff von einer »jüdischen Befreiungsbewegung innerhalb der pax romana« redet (Schottroff 23), womit ein stärkerer Fokus auf den problematischen Lebensbedingungen im Römischen Reich liegt (3 Königtum; 3 Soziale Bewegungen). Beiden Ansätzen ist jedoch – wie auch insgesamt der neueren Forschung – gemeinsam, dass sie Jesus, seine JüngerInnen und die von diesen gebildete Bewegung innerhalb des antiken Judentums verorten und nicht, wie oft in der älteren Forschung, einen Gegensatz zwischen Jesusbewegung und Judentum konstruieren. In den meisten Belegen ist von mathetai im Plural die Rede, womit sich – da solche Pluralbildungen sowohl für reine Männergruppen als auch für gemischtgeschlechtliche Gruppen verwendet werden können – die Frage nach Frauen als Jüngerinnen stellt. Der Terminus mathetria, Jüngerin, begegnet im Neuen Testament nur in Apg 9, 36 von der Christusgläubigen Tabita; in

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Jünger / Jüngerin

apokryphen Quellen werden auch Anhängerinnen des historischen Jesus als Jüngerin bezeichnet (vgl. EvPetr 12, 50: Maria Magdalena; EvThom 61: Salome). Betrachtet man daneben auch die anderen genannten Begriffe, mit denen Jüngerschaft und Nachfolge beschrieben werden, wie etwa akolouthein und diakonein, so werden diese gleichermaßen auch auf Frauen bezogen (vgl. bes. Mk 15, 40 f. par; Lk 8, 1-3). Zudem sind in Bildworten und Doppelgleichnissen der Logienquelle durch ihre auf beide Geschlechter bezogene Metaphorik auch Frauen angeredet und werden damit für die Jesusbewegung geworben (vgl. Q / Lk 12, 24-27; 13, 18-21; 17, 34 f. u. ö.). In Mk 3, 20 f.31-35par gehören zur neuen Gemeinschaft nicht nur »Brüder«, sondern auch »Mutter« und »Schwestern«. (Allerdings kein »Vater«; diese Stelle nimmt Gott ein.) Unter den für Jesus zu verlassenden Familienmitgliedern werden bei Markus, Matthäus und im Thomasevangelium Eltern, Kinder und Geschwister genannt (vgl. Mk 10, 29 f. / Mt 19, 29; Mt 10, 37 f. / EvThom 55), nur Lukas ergänzt unter den zu Verlassenden die Ehefrau und zeichnet damit das Bild einer männlichen Anhängerschaft Jesu (vgl. Lk 14, 26; 18, 29), was jedoch für den historischen Jesus und seine Jüngerschaft kaum zutreffend gewesen ist. Schüssler Fiorenza hat in diesem Zusammenhang den Begriff der »Nachfolgegemeinschaft von Gleichgestellten« geprägt, in der »die Rolle der Frauen nicht peripher oder trivial, sondern zentral und daher von höchster Bedeutung für die Praxis der ›Solidarität von unten‹« sei (Schüssler 203). Inzwischen gibt es einen weitreichenden Konsens in der Forschung, dass Frauen zur Jesusbewegung gehörten (vgl. Standhartinger). Als hinderlich für die Vorstellung von Frauen als Jüngerinnen Jesu hat sich in der Wirkungsund Rezeptionsgeschichte die Bezeichnung »die Zwölf« erwiesen, da diese oftmals fälschlich mit den JüngerInnen gleichgesetzt wurden und in den synoptischen Evangelien mit einer Liste von zwölf Männernamen verbunden sind (vgl. Mk 3, 13-19 par). Die Namenslisten sind allerdings in ihren verschiedenen Fassungen nicht miteinan-

der identisch, was auf den sekundären Charakter der Namenszusammenstellungen hinweist. In späteren, apokryphen Schriften gibt es neben der Gruppe von zwölf Jüngern auch eine Gruppe von sieben Jüngerinnen (so in der Sophia Jesu Christi und der ersten Jakobus-Apokalypse), oder die »Zwölf« bestehen aus acht Männern und vier Frauen (so in der Pistis Sophia; vgl. Petersen 242245). Schon diese Abweichungen machen deutlich, dass es sich bei den »Zwölf« um eine ideale Zahl handelt. Die Zahl ist von den »zwölf« Stämmen Israels abgeleitet (auch dies in neutestamentlicher Zeit eine mehr ideale als reale Zahl) und repräsentiert die vollkommene endzeitliche Gemeinschaft (vgl. Mt 19, 28 / Lk 22, 30). So kann auch an solchen Stellen von »Zwölf« die Rede sein, an denen die Logik eine andere Zahl erfordern würde (vgl. 1 Kor 15, 5). Oft genannte Mitglieder sowohl der »Zwölf« als auch der JüngerInnengruppe sind Petrus, Johannes und Jakobus, daneben aber auch Judas, »einer der Zwölf« (vgl. Mt 26, 14.47; Mk 14, 43; Lk 22, 3; Joh 6, 71 u. ö.) oder »einer der Jünger« (Joh 12, 4) genannt, dessen Anwesenheit auf die Verletzbarkeit und Unvollkommenheit der Gruppe verweist. Daneben wird vor allem im Markusevangelium das Unverständnis der JüngerInnen insgesamt betont (vgl. Mk 4, 40; 5, 31; 6, 37.52; 7, 16 f.; 8, 16-21; 9, 6; 14, 30 f.6672; 16, 7 f. u. ö.). Sie sind oftmals nicht in der Lage, die an sie gestellten Ansprüche zu erfüllen, werden aber dennoch zur Verkündigung an andere aufgerufen (vgl. Mk 6, 7-13 par; Lk 10, 1-12; Mk 16, 1-8 par), die sie paarweise und ohne Geld, Vorräte und mehr als die allernötigste Kleidung durchführen sollen, angewiesen auf die Unterstützung anderer. Im so genannten Missionsbefehl Mt 28, 19 fordert Jesus dazu auf, alle Völker zu JüngerInnen zu machen (matheteuo). Hier wird das Konzept der Jüngerschaft für die Zeit nach Ostern entschränkt. Entsprechend wird der Begriff Jünger / Jüngerin dann auch nach Jesu Tod als generelle Bezeichnung für Christusgläubige verwendet (vgl. Apg 6, 1 f.; 9, 1.10.26.36.38 u. ö.), wobei auch solche außerhalb Palästinas gemeint sind. Nach Apg 11, 26 wurden die JüngerInnen zuerst in Antiochia ChristInnen (christianoi)

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Jungfrau

genannt – hier zeichnet sich das Aufkommen einer neuen Gruppenbezeichnung ab, die den ursprünglich an den historischen Jesus gebundenen Ausdruck mathetai zunehmend ersetzen sollte. Im Johannesevangelium ist der Ausdruck mathetai vor allem in den Abschiedsreden ebenfalls durchsichtig auf die nachösterliche Gemeinde, deren Situation in den Reden des johanneischen Jesus an seine JüngerInnen thematisiert wird (vgl. Joh 16, 1-4 u. ö.). In diesem Evangelium spielen die »Zwölf« nur eine Nebenrolle und es gibt viele Missverständnisse von Seiten der JüngerInnen Jesu (vgl. Joh 11,11-16.39 f.; 13, 3-10 u. ö.). Andererseits gilt die namenlose Gestalt eines besonderen Jüngers, »den Jesus liebte« (vgl. Joh 13, 23; 19, 26.35; 21, 20-24 u. ö.), als Zeuge und Traditionsgarant für die besondere Form johanneischer Jesusüberlieferung. Dasselbe Muster findet sich auch in apokryphen Evangelien, so z. B. im Hinblick auf Thomas im Thomasevangelium und auf Maria Magdalena im Mariaevangelium, es ist zumeist mit einer Kritik oder Relativierung des Führungsanspruches Petri und der Ansprüche zugehöriger Gruppen verbunden. Der Ausdruck mathetai kommt im Neuen Testament außerhalb von Evangelien und Apostelgeschichte nicht mehr vor. Es gibt aber vor allem in den paulinischen Briefen Belege für die nachösterliche Fortführung eines missionarischen Wanderdaseins, das auch weiterhin – nicht nur bei Paulus selbst, der sich nicht Jünger, sondern Apostel nennt (vgl. 1 Kor 9, 1-5; 15, 7-9 u. ö.; 3 Botenwesen / Apostolat) – zu Konflikten mit der römischen Obrigkeit führte. Auch hier sind nicht nur Männer, sondern auch Frauen beteiligt und die paarweise Missionsarbeit begegnet auch hier wieder, so z. B. bei Petrus und seiner Frau (1 Kor 9, 5); Priska und Aquila (Röm 16, 3 f.; Apg 18, 2); Junia und Andronikus (Röm 16, 7); Tryphäna und Thryposa (Röm 16, 12).

Bieberstein, Sabine, Verschwiegene Jüngerinnen – vergessene Zeuginnen. Gebrochene Konzepte im Lukasevangelium, Freiburg / Schweiz 1998. Ebner, Martin, Jesus von Nazareth in seiner Zeit. Sozialgeschichtliche Zugänge, SBS 196, Stuttgart 2003.

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Silke Petersen

Jungfrau 1. Betu¯la¯h Mit hebr. betu¯la¯h wird das junge, noch nicht verheiratete Mädchen bezeichnet (3 Mann / Frau). In der Septuaginta ist parthenos das Äquivalent zu betu¯la¯h (Ausnahmen s. u.). Die Priester durften nur Jungfrauen heiraten, keine geschiedenen Frauen (Lev 21, 13 f.). Wer eine betu¯la¯h verführte, musste eine Buße bezahlen, sie heiraten (Ex 22,15) und lebenslänglich für ihren Unterhalt aufkommen (Dtn 22, 28). In der Bibel ist der Vater der Hauptbegünstigte für die intakte Jungfräulichkeit seiner Tochter, denn er erhält den Braut-Preis. Im rabbinischen Recht erhält die Frau, die als Jungfrau geheiratet hat, die doppelte Summe dessen, was eine Frau, die als Witwe oder Geschiedene geheiratet hat,

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Jungfrau

bekommt (mKet 1, 2). Damit wird deutlich, dass ihr sexueller Status einen absolut wichtigen Faktor bei der Eheschließung darstellt. Gefangene und Sklavinnen galten nicht mehr als Jungfrauen, wie auch Witwen und Geschiedene. Der Talmud konstatiert, dass Jungfräulichkeit auch durch Verletzung verloren gehen kann (btKet 1, 7). 2. 2Alma¯h Der hebräische Terminus 2alma¯h bezeichnet die junge Frau, die noch keine Kinder geboren hat. So verweist Jesaja in 7, 14 auf eine schwangere junge Frau, um einen Zeitraum anzugeben, innerhalb dessen die von ihm angesagten Ereignisse stattfinden werden. Von einer Jungfrauengeburt ist hier eindeutig nicht die Rede. Durch die Fehlübersetzung der Septuaginta von Jes 7, 14 mit parthenos ergaben sich in der Rezeptionsgeschichte weit reichende Konsequenzen, die vom hebräischen Text der Stelle nicht gedeckt sind. 3. Bo¯gæræt Der dritte in Frage kommende hebräische Terminus, der v. a. im rabbinischen Judentum verwendet wird, bezeichnet ein autonom gewordenes Mädchen. Dies kann auf zwei Arten geschehen: 1. Wenn ihr Vater stirbt. 2. Wenn sie 12 ½ Jahre alt wird und Reife erlangt (in physischer und mentaler Hinsicht). Die Bibel bezieht sich nirgends auf eine bo¯gæræt. Sie geht davon aus, dass ein Mädchen, das die Pubertät erreicht, verheiratet wird und von der väterlichen Autorität unter die Autorität ihres Ehemannes kommt. Die Rabbinen entwickelten hingegen eine weitere Kategorie: Ein Mädchen, das nicht mehr unter der väterlichen Autorität steht und weder verlobt, noch verheiratet ist. Die bo¯gæræt hat das Alter erreicht, in dem sie einer Ehe zustimmen oder sie ablehnen kann. Ihr Vater darf daher nicht länger eine Heirat für sie arrangieren (mNid 5, 7; mKet 4, 1). Wenn eine bo¯gæræt vergewaltigt wird, bezahlt der Täter nicht eine Buße, sondern er muss sie heiraten, d. h. für ihren Unterhalt aufkommen.

4. Parthenos Für die differenzierten hebräischen Ausdrücke kennt das Griechische nur den einen Terminus parthenos. Unter Jungfrauen sind – wie die Nebeneinanderstellung von »Jungfrauen und Unverheiratete« 1 Kor 7, 34 zeigt – im Sinne der hebräischen betu¯la¯h heiratsfähige Mädchen gemeint, die noch im Hause der Eltern leben. Das Wort »Jungfrau« hat als solches noch nicht die Bedeutung wie im späteren Christentum, in dem alle unverheiratet lebenden Frauen, unabhängig von ihrem Alter, »Jungfrauen« genannt wurden. Das Ausmaß der ehefrei lebenden Frauen im frühen Christentum bedarf einer sozialgeschichtlichen Erklärung, die über den Hinweis auf die Gruppe der Therapeutinnen hinausgeht (Philo cont. 68; vgl. Weish 3, 13). Eine Spur ist sicher die egkrateia-Lebensweise, des Auszugs aus der Welt und aus der patriarchalen Ehe, wie sie neben 1 Kor 7 in den apokryphen Apostelakten zu finden ist. Die Mutter Jesu wird »Verlobte« (Mt 1, 18) und »Jungfrau, die verlobt war« (Lk 1, 27) genannt. Parthenos bezeichnet im biblischen Kontext die junge Frau im Heiratsalter (2alma¯h). Erst das Protoevangelium des Jakobus deutete dies als sexuelle Unberührtheit vor und nach der Empfängnis Jesu (hier verbanden sich der Mythos der Gotteszeugung und Vorstellungen der Himmelskönigin Isis). Doch historisch reflektiert die neutestamentliche Grundlage die Tatsache der Verlobung eines jungen Mädchens im heiratsfähigen Alter. In Lk 1, 48 spricht Maria von tapeinosis (Erniedrigung), was einen deutlichen Bezug zu Gewalt- und Unterdrückungserfahrung hat. Marias Erhöhung stellt ihre Würde wieder her, die sie durch tapeinosis verloren hat. Ihr Lied verbindet persönliche und politische Befreiung, was auch der Solidarität Marias und Elisabets prophetische Kraft verleiht. Hauptman, Judith, Rereading the Rabbies. A Woman’s Voice, Boulder / Colorado 1998. Ilan, Tal, Jewish Women in Greco-Roman Palestine, Peabody / Massachusetts 1996. Schottroff, Luise, Der erste Brief an die Gemeinde in Korinth. Wie Befreiung entsteht, in: dies. / Marie-Theres

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Kalender

Wacker (Hg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 574-592. Sutter Rehmann, Luzia, »Und ihr werdet ohne Sorge sein …«. Gedanken zum Phänomen der Ehefreiheit im frühen Christentum, in: Dorothee Sölle (Hg.), Für Gerechtigkeit streiten. Theologie in einer bedrohten Welt, Gütersloh 1994, 88-97.

Friedrich Fechter / Luzia Sutter Rehmann

Kalender Das Wort »Kalender« kommt von den römischen calendae, der öffentlichen Ausrufung der Monatstage beim ersten Erscheinen des Neumondes, und meint heute die Daten der öffentlichen »zeitliche(n) Selbststrukturierung einer Gesellschaft« (Rüpke 593). Die Bibel enthält keinen vollständigen Kalender, am nächsten kommen ihm mehrere so genannte »Festkalender« (a). Im Ganzen lässt die Bibel ein Bild erkennen, das dem nachbiblischen jüdischen Kalender bereits recht nahe steht (b). Die gesellschaftliche und theologische Bedeutung des Kalenders tritt am deutlichsten in Kalenderstreitigkeiten hervor (c). Zur Zählung der Jahre 3 Zeitvorstellungen. a) Die ältesten »Festkalender« Ex 23, 10-19 und 34, 18-23 kennen neben 3 Sabbat und 3 Sabbatjahr drei jährliche so genannte Wallfahrtsfeste (3 Fest), die an überörtlichen Heiligtümern gefeiert wurden. Sie sind auf Daten im bäuerlichen Jahr (3 Saat / Ernte) bezogen: Es geht um Beginn (Mazzenfest) und Abschluss (Wochenfest) der Getreideernte im Frühjahr und um das Erntefest (Obst und Wein) im Herbst, mit dem das Jahr endete bzw. begann. Das entspricht dem Kalender von Gezer (Renz 30 ff.; ca. 10. Jh. v. Chr.) mit 12 auf das Jahr verteilten und den bäuerlichen Arbeiten zugeordneten Monaten. Das Mazzenfest (noch ohne Verbindung mit dem Pessach) liegt im Monat des Auszugs, gemeint ist der mit dem Neumond beginnende Frühlingsmonat. Es verbindet also das Heranreifen des Korns mit dem Mondrhythmus und mit historischer Er-

innerung. In Dtn 16 sind die Feste an dem einen zentralen Kultort zu feiern. Pessach und Mazzen, aber auch das sieben Wochen spätere liegende Wochenfest sind mit der Erinnerung an den Exodus verbunden. Im Herbst wird sukko¯t, das Laubhüttenfest gefeiert. Vor allem durch die Teilnahme von Landlosen und Fremden haben die Feste hier einen stark sozialen Charakter. In Lev 23; Num 28 f. werden dann Monate und Tage gezählt: Pessach beginnt am 14. Tag des 1. Monats (Lev 23, 5), der im Frühling (März / April) liegt. Es folgen 7 Wochen bis zum Wochenfest. Im 7. Monat (September / Oktober) wird am 10. Tag Jom Kippur / Versöhnungsfest und am 15.7. das Laubhüttenfest begangen. Hinzu kommt ein Fest am 1. Tag des 7. Monats, das noch namenlos ist, aber dem nachbiblischen Jahresbeginn (ro3ˇs haˇs¯ana¯h) entspricht. Num 28 f. regelt darüber hinaus das tägliche Opfer im Tempel (ta¯mı¯d), sowie die besonderen Opfer an Sabbat und Neumondstagen. Diese Texte spiegeln vermutlich eine Geschichte vom 9./8. Jh. v. Chr. bis zum Abschluss der Tora im 4. Jh. v. Chr. Die gemeinsame Feier der Erntefeste und ihr zunehmender Bezug auf den Exodus und damit die grundlegende Gottesgeschichte strukturieren das Jahr. Hinzu treten dann Versöhnungs- und Neujahrsfest und noch später Purim und Chanukka. Der Jahresbeginn liegt im Herbst und bleibt dort, obwohl in Spannung dazu die Monate vom Frühjahr an gezählt werden, so dass der Jahresbeginn im 7. Monat liegt. Dahinter steht vermutlich assyrisch-babylonischer Einfluss, was einem Nebeneinander älterer, von Kanaan übernommener Monatsnamen (Aviv, Ziv, Etanim, Bul) mit jüngeren, deutlich von Babylonien beeinflussten entspricht (Nisan, Chislew, Adar …). b) Die 12 Monate sind Mondmonate. An der öffentlichen Beobachtung des Neumonds hängen faktisch die Termine aller Feste und damit der gesamte Jahreslauf. Doch hat Israel sicher keinen reinen Mondkalender gehabt (wie später der Islam). Damit ergab sich eine Differenz zwischen den ca. 354 Tagen von 12 Mond-Monaten und den ca. 365 Tagen des Sonnenjahrs, die wie in allen

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luni-solaren Kalendern durch Schaltmonate zum Ausgleich kommen musste. Für die biblische Zeit ist darüber nichts bekannt, doch wird vermutlich aus gegebenem Anlass ein Schaltmonat, wohl ein 2. Adar, eingefügt. Später kennt das rabbinische Judentum einen 19-jährigen Zyklus mit 7 Schaltjahren von je 13 Monaten. Dazu kommt der von allen astronomischen Gegebenheiten völlig unabhängige 3 Sabbat mit weitreichender Bedeutung für die Terminierung bestimmter Feste. c) Keine andere »das Leben regulierende Norm [hat] schwerwiegendere Konsequenzen für die Kohärenz einer Gemeinschaft als Kalenderdifferenzen«. Eine Veränderung führt notwendigerweise zum »Zusammenbruch des Gemeinschaftslebens«, weshalb eine Kalenderrevision durch eine Gruppe das »Anzeichen des endgültigen Bruchs mit der Muttergemeinde« ist (Talmon 154 mit Bezug auf E. Durkheim). Im Alten Testament gibt es nur einen einzigen solchen Hinweis: die Verschiebung des Herbstfestes um einen Monat (1 Kön 12, 32 f.). Leider ist für uns undurchsichtig, ob dahinter Konflikte zwischen Nord- und Südreich oder erst mit der persischen Provinz Samaria oder gar den Samaritanern stehen. Um die Zeitenwende gibt es dann einen massiven Kalenderkonflikt im Judentum. Hier ist im Jubiläenbuch und ähnlich in zahlreichen Qumrantexten ein Beharren auf einem reinen Sonnenkalender festzustellen. Wer den Mond beachtet, wie das offizielle Judentum, »verdirbt die Zeiten« (Jub 6, 36) und zerstört alle sakralen Ordnungen. Auf dem Hintergrund dieser heftigen zeitgenössischen Konflikte ist es umso beachtenswerter, dass im Neuen Testament keine Kalenderdivergenzen mit dem offiziellen Judentum erkennbar sind. Die Evangelien (samt Johannesevangelium) und damit auch deren Gemeinden, aber auch Paulus, lassen eine Beachtung und Wertschätzung der jüdischen Feste erkennen; wo es Konflikte gibt, erweisen sie sich auf diesem Hintergrund als innerjüdisch. Erst im 2. Jh. wird eine Differenz in den Fastenzeiten erkennbar (Did 8, 1), und es ist erst die christliche Verschiebung des Ostertermins vom jüdischen Pessach (14. Nisan), was noch bis Ende des. 2. Jh. n. Chr. weit verbreitet

war, auf den 1. Sonntag nach dem Frühlingsäquinoktium, wie sie endgültig durch das Konzil von Nicaea (325 n. Chr.) erfolgte, womit der Bruch mit dem Judentum festgeschrieben ist. Albani, Matthias, Zur Rekonstruktion eines verdrängten Konzepts: Der 364-Tage-Kalender in der gegenwärtigen Forschung, in: ders. u. a. (Hg.), Studies in the Book of Jubilees, TSAJ 65, Tübingen 1997, 127-164. Basnitzki, Ludwig, Der jüdische Kalender. Entstehung und Aufbau (1938), Frankfurt 2 1989. Finegan, Jack, The Handbook of Biblical Chronology, Peabody 1964. Huber, Wolfgang, Passa und Ostern, BZNW 35, Berlin 1969. Mohn, J. / Lichtenberger, H. / Meßner, H. / Gerö, S., Art. Kalender I. Allgemein / II. Jüdischer Kalender / III. Christlicher Kalender, RGG4 X, 2005, 747-75. Renz, Johannes, Die althebräischen Inschriften, Teil 1: Text und Kommentar, Handbuch der althebräischen Epigraphik Bd. I, Darmstadt 1995. Rüpke, Jörg, Kalender und Öffentlichkeit. Die Geschichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom, RVV 40, Berlin / New York 1995. Talmon, Shemaryahu, Kalender und Kalenderstreit in der Gemeinde von Qumran, in: ders., Gesellschaft und Literatur in der Hebräischen Bibel, Ges. Aufsätze I, Neukirchen-Vluyn 1988, 152-189.

Frank Crüsemann / Marlene Crüsemann

Kanon 1. Begriff Das griechische Wort kanon meinte zunächst einen »Stab« und erhielt dann in der Baukunst die spezifische Bedeutung »Maßstab«. Übertragen wurde der Begriff in der Musiktheorie für das Maß der richtigen Proportionen verwendet, in der Ethik für die Regel des rechten Handelns (vgl. 1 Kor 10,13-16; Gal 6,16) und in Astronomie und Geschichtswissenschaft für eine Tabelle oder Liste. Ab der Mitte des 4. Jh. n. Chr. wurde das Wort zur Bezeichnung von Synodalbeschlüssen verwendet. Zur Bezeichnung einer normativ einund ausgegrenzten Liste biblischer Bücher erscheint der Begriff zum ersten Mal auf einem

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Kanon

Regionalkonzil in Laodicea um 360 n. Chr. Wissenschaftssprachlich meint »Kanon« heute üblicherweise eine normative Sammlung heiliger Schriften, bisweilen aber darüber hinaus auch eine normative mündliche Tradition. 2. Altes Testament Im Hinblick auf das Alte Testament ist zwischen der Kanonisierung (im Sinne der religionswissenschaftlichen Begriffsdefinition) von Schriftenkorpora, von Einzelschriften als Teil dieser Korpora sowie einer bestimmten Textgestalt zu unterscheiden. Die Anfänge eines kanonischen Bewusstseins zeigen sich deutlich in dem selbstreferentiellen Anspruch des Deuteronomiums, die Aufzeichnung normativer Weisungen Gottes zu enthalten (»seine Gebote und Gesetze, die in diesem Buch der Weisung geschrieben stehen« – Dtn 30,10 u. ö.), in der so genannten Kanonformel (»ihr sollt nichts hinzufügen … und nichts wegnehmen« – Dtn 4,2; 13,1) sowie in dem Bericht über die Verlesung der Moseweisung in Neh 8,1. Als Korpus dürfte zunächst die 3 Tora ihre autoritative Stellung zwischen dem 5. und 4. Jh. v. Chr. erlangt haben, vielleicht vor dem Hintergrund einer Autorisierung durch die persischen Reichsbehörden. Die zeitliche Vorrangstellung der Tora spiegelt sich wahrscheinlich noch in der ab dem 2. Jh. v. Chr. bezeugten traditionellen Reihenfolge der drei alttestamentlichen Buchsammlungen (Tora, Propheten, Schriften) wider. Ein weiteres Indiz ist, dass die in der Mitte des 3. Jh. v. Chr. begonnene griechische Bibelübersetzung (Septuaginta) anfangs nur den Pentateuch umfasste und erst später erweitert wurde. Deutlich ist zudem, dass sich mit der Tora der breiteste kanonische Konsens unter den verschiedenen Gruppen der antiken israelitisch-jüdischen Tradition verband, wie insbesondere die Beschränkung auf die Tora bei den Samaritanern zeigt. Bezüglich des Umfangs des Alten Testaments sowie seiner kanonischen Teilsammlungen stellt Josephus (Ende 1. Jh. n. Chr.) die älteste Quelle dar. Er rechnet mit insgesamt 22 Schriften, darunter 5 Bücher Moses, 13 prophetische sowie 4 sonstige Bücher (Flav. Jos. Apion. I,38-40).

Etwa zeitgleich weiß 4 Esr 14,44-46 von 24 öffentlichen kanonischen Schriften neben 79 nichtöffentlichen Büchern. Die in der rabbinischen Tradition geläufige Anzahl und Anordnung der 22 alttestamentlichen Bücher wird im babylonischen Talmud überliefert (BB 14b). Die Kanonisierung bestimmter Textfassungen der einzelnen Schriften erhielt ihren stärksten Schub durch den im 2. Jh. v. Chr. einsetzenden Wandel der religiösen Mentalität des antiken Judentums, in dessen Fokus nun zunehmend der genaue Wortlaut der biblischen Texte geriet. Dies zeigt sich v. a. im autoritativen Gebrauch biblischer Zitate (»wie geschrieben steht …«) sowie in der Ausbildung fester, Vokalisierung und Interpunktion fixierender oraler Lesetraditionen. Diese wurden innerhalb des rabbinischen Judentums erst ab dem 5. Jh. n. Chr. durch die Masoreten verschriftlicht (Vokal- und Akzentzeichen). Die Kanonisierung bestimmer Schriften bedeutet immer zugleich die Ausgrenzung anderer. In den verschiedenen Kanonumfängen des rabbinischen Judentums, der Samaritaner und der Septuaginta spiegeln sich daher auch gruppenspezifische Identitätsbildungsprozesse. 3. Neues Testament Die Reich-Gottes-Bewegung um Jesus von Nazaret schrieb zunächst keine Texte. Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung, Worte Jesu und Erzählungen aus der Jesusbewegung werden bis zur Mitte des 2. Jh. n. Chr. vor allem mündlich überliefert. Der Auferstandene und der heilige Geist waren in den Gemeinden lebendig anwesend und sprachen im Mund der ProphetInnen und ApostelInnen (vgl. 1 Kor 5,4; 14; Joh 16,13). Als Schrift las und zitierte man Pentateuch, Propheten und Psalmen, aber auch Texte, die heute nicht mehr zum Kanon gehören (vgl. Lk 11,49; Joh 7,38; 1 Kor 2,9; Eph 5,14; Jak 4,5; Jud 14 u. ö.). Durch Mose und die Propheten offenbart und zum Teil verstanden als Archiv des Geistes enthält »die Schrift« Gottes Wort und kann so die eigene Gegenwart im Lichte des göttlichen Willens interpretieren. Die ältesten Texte des Neuen Testaments, die

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Paulusbriefe, waren an Einzelgemeinden in spezifischen Situationen gerichtet. Erst nach dem Tod des Apostels begann man mit der Sammlung und Verbreitung der Briefe über die Einzelgemeinden hinaus (Kol 4,16). Es hat mehr Paulusbriefe gegeben, als uns überliefert sind (vgl. 1 Kor 5,9-11). Einige Briefe (z. B. 2 Kor) sind nachträglich aus mehreren Briefen zusammengestellt worden. Pseudepigraphe, d. h. zugeschriebene Briefe, lassen Paulus abschließende Worte sagen (Kol) und interpretieren die Paulusüberlieferung mit unterschiedlichen Intentionen (Eph, 2 Thess, 1/2 Tim, Tit). Im 2. Jh. hat es sicher Paulusbriefsammlungen gegeben (2 Petr 3,15 f.). Umfang und Inhalt wurden aber weiterhin diskutiert. Zwischen 40 und 50 n. Chr. beginnt der Prozess schriftlicher Aufzeichnungen von Worten und Taten Jesu und des Auferstandenen. Die meisten dieser Sammlungen sind jedoch nur erhalten, wenn sie in spätere Evangelien aufgenommen wurden (z. B. Logienquelle Q, EvThom). Soweit wir es angesichts der Quellenlage rekonstruieren können, kommt es erst in der Krise des 1. jüdischrömischen Krieges (66-70 n. Chr.) zur Abfassung von Markus und weiteren Darstellungen der Jesusgeschichte mit Passionserzählung. Andere Evangelien, die uns allerdings zumeist nur in Zitaten oder zufällig gefundenen Fragmenten erhalten blieben, sind als Dialoge zwischen Jesus und einzelnen JüngerInnen und als Erscheinungserzählungen konzipiert (Koester). Noch Mitte des 2. Jh. wurde von vielen die mündliche Überlieferung der Jesusworte für zuverlässiger und inspirierender erachtet als schriftliche Evangelientexte (Papias bei Eus. h.e. 3,39,3-4). Der Erste, von dem wir wissen, dass er eine Textsammlung besaß, die Matthäus, Lukas und 10 Paulusbriefe umfasste, ist Markion, der in der Mitte des 2. Jh. aus der römischen Gemeinde ausgeschlossen wurde und eine eigene Kirche gründete. Markion meinte allerdings, die ihm vorliegenden Texte seien von jüdischen Einflüssen korrumpiert und legte eine kritische Revision vor. Das Alte Testament, das er in einem heute verlorenen Buch mit dem Titel »Antithesen« kommentierte, war für ihn keine christliche Schrift

(Tert. Marc.). Die kirchliche Entwicklung hat am Alten Testament festgehalten, lief dabei jedoch auch Gefahr, es dem Judentum zu enteignen. Die Entstehung des Kanons führte über weitere Auseinandersetzungen. Gegen die in gnostischen Kreisen verbreitete Hochschätzung von mündlicher Überlieferung einschließlich geheimer Belehrungen (z. B. von Salome, Maria u. a.) begannen die Kirchenväter wie Irenäus, Tertullian, Clemens und Origenes eine schriftliche Textsammlung zu begründen. Neben der in antignostischer Frontstellung betonten These ihrer Herkunft von Aposteln / -schülern wurde vor allem die Übereinstimmung mit dem inhaltlich bestimmten, aber nicht wörtlich festgelegten Maßstab (kirchlicher) Wahrheit (kanon tes aletheias) bzw. der Glaubensregel (regula fidei) hervorgehoben. Weitere Argumente waren Verbreitung, Relevanz und Inspiration. Einige später aufgenommene Texte, z. B. das Johannesevangelium, wurden im 2. Jh. von später als orthodox geltenden Autoren abgelehnt (z. B. Gaius bei Eus. h.e. 2,25,6), von Gnostikern aber bereits um 160 kommentiert. Die Vier-Evangeliensammlung wird am Ende des 2. Jh. erstmalig verteidigt (Iren. haer. 3,11,8 f.). Sie musste sich u. a. noch gegen Evangelienharmonien durchsetzen, von denen die des Tatian (ca. 170) die syrische Kirche bis ins 5. Jh. prägte. Apostelgeschichte und katholische Briefe traten spät hinzu, wobei ihr Umfang umstritten blieb, ebenso wie der Hebräerbrief im Westen und die Offenbarung im Osten. Bis zum 4. Jh. war es noch nicht möglich, das gesamte Neue Testament in einem Codex (3 Buch) unterzubringen. Die ältesten Papyri enthalten wenige Teilsammlungen (Paulusbriefe: P46 [um 200]: mit Hebr, ohne 1/2 Tim; Tit; vier Evangelien; Apg: P45 [3. Jh.]), vor allem aber Einzeltexte. Es sind mehr Papyri des Thomasevangeliums oder Mariaevangeliums bekannt als vom Markusevangelium. Im 3. und Anfang des 4. Jh. führte die Christenverfolgung vielerorts zur Büchervernichtung. Als sich das Christentum im 4. Jh. zur Reichskirche entwickelte, wurde mit staatlichem Auftrag an der Rekonstruktion und Verbreitung einer normativen, kanonischen Schriftsammlung gear-

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Kanon

beitet (Eus. v.C. 4,36). Nun entstanden die ersten Vollbibeln und Kanonlisten. Berühmt ist der so genannte Canon Muratori (4. Jh., Hahneman, andere Datierung 2./3. Jh.). Dieses Listenfragment nennt 4 Evangelien, 13 Paulusbriefe und anderes einschließlich kurzer Begründungen. Z. B. wird die allgemeine Bedeutung der 13 Paulusbriefe an 7 Gemeinden betont. Gemessen am heutigen Kanon fehlen 1/2 Petr, Jak, 3 Joh (oder 2 Joh) und Hebr, dafür werden SapSal und ApkPetr genannt. In Vollbibeln der folgenden Jahrhunderte erscheinen auch ActPaul, ActPetr, 1/2 Clem, Barn, Did oder Herm. An den Rändern blieb der Kanon auch nach dem 4. Jh. offen. Zugleich treten Abgrenzungen und Zensur in den Vordergrund. Euseb, der Kanon Muratori und der älteste Zeuge für einen (im Neuen Testament vollständig, im Alten Testament weitgehend) mit dem heutigen übereinstimmenden Kanon (Ath. ep. fest. 39) teilen die Schriften in drei Kategorien: anerkannte, zweifelhafte bzw. zum privaten Gebrauch erlaubte und falsche Schriften (Eus. h.e. 3,25,1-7). Einzelne Bücher, z. B. die von Euseb abgelehnte Petrusapokalypse, die Paulusakten, aber auch die Offenbarung, wechseln zwar auch später noch zwischen den Kategorien, aber zugleich nutzt die nun orthodoxe Reichskirche den Kanon als Mittel zur Ausgrenzung ihrer GegnerInnen. 4. Abschluss des Kanons Erst im Zuge der Reformation wurde der christliche Kanon abgeschlossen. Die römisch-katholische Kirche legte das Alte Testament im Tridentinum (1545-63) entsprechend der lateinischen Vulgata fest, wogegen die reformatorischen Kirchen dem hebräischen Kanonumfang folgten. Luthers inhaltliche Kritik an Hebr, Jak, Jud, und Offb bewahrte eine grundsätzliche Offenheit des Kanons (Lührmann). Die altprotestantische Orthodoxie dehnte die kanonische Anerkennung des masoretischen Textes auch auf die Vokalund Akzentzeichen aus (Johann Gerhard, Loci theologici, Locus primus, XIV-XV). Trotz und wegen seines Entstehungsprozesses bleibt der Kanon eine vielfältige, sich intern er-

gänzende aber auch kritisierende Sammlung, die sich gegen einseitige Festschreibungen einer Mitte oder eines Kanons im Kanon verwehrt. Christliche AuslegerInnen fragen derzeit einerseits nach den innerkanonischen Interpretationslinien (Childs; Rendtorff), plädieren anderseits aber auch gegen die ausgrenzenden und marginalisierenden Tendenzen des Kanons für eine erneute Öffnung (Schüssler Fiorenza). Assmann, Aleida und Jan (Hg.), Kanon und Zensur. Archäologie der literarischen Kommunikation II, München 1987. Butting, Klara, Prophetinnen gefragt. Die Bedeutung der Prophetinnen im Kanon aus Tora und Prophetie, Wittingen 2001. Chapman, Stephen B., The Law and the Prophets: a study in Old Testament canon formation, FAT 27, Tübingen 2000. Childs, Brevard S., Die Theologie der einen Bibel, Freiburg 2003. Gamble, Harry Y., The New Testament Canon. Its Making and Meaning, Philadelphia 1985. Georgi, Dieter, Die Aristoteles- und Theophrastausgabe des Andronikus von Rhodus. Ein Beitrag zur Kanonproblematik, in: Rüdiger Bartelmus u. a. (Hg.), Konsequente Traditionsgeschichte. FS Klaus Balzer, OBO 126, Freiburg / Göttingen 1993, 45-78. Hahneman, Geoffrey M., The Muratorian Fragment and the Development of the Canon, OTM, Oxford 1992. Koester, Helmut, Ancient Christian Gospels, Their History and Development, Philadelphia / London 1990. Kooij, Arie van der, The Canonization of Ancient Books Kept in the Temple of Jerusalem, in: ders. / Karel van der Toorn (Hg.), Canonization and Decanonization, SHR 82, Leiden / Boston / Köln 1998, 17-40. Lange, Armin, From Literature to Scripture. The Unity and Plurality of the Hebrew Scriptures in Light of the Qumran Library, in: Christine Helmer / Christof Landmesser (Hg.), One Scripture or Many? Canon from Biblical, Theological, and Philosophical Perspective, Oxford 2004, 51-107. Lührmann, Dieter, Die apokryph gewordenen Evangelien. Studien zu neuen Texten und zu neuen Fragen, NT.S 112, Leiden 2004. Ohme, Heinz, Kanon ekklesiastikos. Die Bedeutung des altkirchlichen Kanonbegriffs, AKG 67, Berlin / New York 1997. Rendtorff, Rolf, Die Theologie des Alten Testaments, 2 Bde., Neukirchen-Vluyn 1999/2000. Schorch, Stefan, Die Vokale des Gesetzes. Die samaritanische Lesetradition als Textzeugin der Tora, Bd. 1 Genesis, BZAW 339, Berlin / New York 2004.

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Kauf / Verkauf

Schüssler Fiorenza, Elisabeth (Hg.), Searching the Scriptures I/II, New York 2 1994.

Stefan Schorch / Angela Standhartinger

Kauf / Verkauf Kauf zielt »auf die Übertragung des Eigentums … an der Sache vom Verkäufer auf den Käufer gegen Entgelt« (Rupprecht 115). Bei den Kaufobjekten kann es sich um Immobilien, Mobilien, Tiere und Menschen (Sklavinnen und Sklaven) handeln. In bestimmten Fällen werden durch die Ausstellung einer Kaufurkunde die vom Verkäufer erbrachte Leistung und der Empfang des Kaufpreises bestätigt. In biblischer Zeit war dies vor allem bei wertvolleren Kaufobjekten der Fall (Perle Mt 13,46, Gold Offb 3,18; vielleicht auch bei den wohlriechenden Ölen für die Salbung Jesu Mk 16,1 und dem für die Grablegung Jesu gekauften Leinentuch, Mk 15,46). Jer 32,10 f. schildert einen Grundstückskauf Jeremias »gemäß Gesetz und Vorschrift«. Er schreibt einen Kaufbrief in zwei Fassungen, versiegelt die eine und lässt die andere von Zeugen unterschreiben, dann wägt er den Kaufpreis vor Zeugen ab und deponiert die Kaufurkunde. Abrahams Kauf eines Begräbnisplatzes (Gen 23) geschieht inmitten einer Versammlung rechtsfähiger Männer (Verkäufer, Käufer, Zeugen), kommt aber ohne Schriftstück aus. Der Kleinhandel mit Waren und mit Darlehen vollzog sich auf Märkten, speziellen Basaren oder beim Erzeuger (3 Handel) als Tausch von Naturalien (Hi 2,4) oder als Barkauf, bei dem vor dem Aufkommen von Münzgeld gehacktes Silber abgewogen wurde (3 Geld / Geldwirtschaft). Zu Angaben über Warenpreise vgl. 2 Kön 7,1.16 (Gerste, Feinmehl), Lev 5,15 (Widder), 1 Kön 10,29 (Pferd und Streitwagen), Lev 27,16; Jer 32,9 (Acker). Auch Sklaven konnte man verkaufen oder tauschen, unabhängig davon, auf welche Weise sie versklavt wurden (Ez 37,13; Am 1,6.9).

P-Texte unterscheiden zwischen im Haus geborenen und um Geld gekauften Sklaven (Gen 17,27; Ex 12,44). Die Samaria-Papyri (DJD XXVIII, 2001, 1-116) enthalten jüdische Kaufverträge aus dem 4. Jh., in denen offenbar jüdische Sklaven als Dauersklaven endgültig verkauft werden, während die Tora ihre Freilassung nach einer Reihe von Jahren vorsieht (Ex 21,26 f.; Dtn 21,10-14). Als Tage der Marktruhe galten Sabbat und Neumond (Am 8,5; Jer 17,19 ff.). Das Aushandeln des Preises war selbstverständlich (Gen 23). Die Möglichkeiten zum Betrug beim Kaufvorgang waren zahlreich. Händlerinnen und Händler konnten betrügen u. a. durch Austausch oder Manipulation der Gewichtssteine, durch Veränderung der Hohlmaße, durch Manipulation der Waage oder durch Benutzung bzw. Umrechnung von regional nicht üblichen Gewichten oder Maßen (3 Maße und Gewichte) sowie bei Darlehensgeschäften durch überhöhte Zinsforderungen und Ausnutzung von Zwangslagen. Der Verkäufer war für Rechtsmängel (Rechte Dritter an der Sache) haftbar, beim Verkauf einer Sklavin oder eines Sklaven hatte er außerdem zu garantieren, dass diese frei von Lepra und Epilepsie waren. Grundstücks- (vgl. Mt 13,44; 27,7; Lk 14,18; Apg 4,34.37; 5,1) und Sklavenkäufe (im übertragenen Sinn 2 Petr 2,1) bedurften darüber hinaus der öffentlichen Registrierung. Ausgehend vom Sklavenkauf bzw. -freikauf betont Paulus in übertragener Redeweise, dass die christliche Gemeinde um einen vergleichsweise hohen Preis gekauft wurde (1 Kor 6,20; 7,23; beachte auch Offb 5,9; 14,3-4). Auch wenn im Neuen Testament von Kauf / Verkauf oft im kleinen Rahmen die Rede ist, so galten auch ohne Ausstellung einer Urkunde im Grunde dieselben genannten Prinzipien, so beim Kauf von Nahrungsmitteln (Mt 14,15; Mk 6,36-37; Lk 9,13; Joh 4,8; 6,5; 1 Kor 10,25), Lampenöl (Mt 25,9-10), Spatzen (Mt 10,29; Lk 12,6), Kleidungsstücken (Lk 22,36) und Waffen (Lk 22,36). Erwähnenswert ist noch das Institut der Arrha (arrhabon), also der Zahlung eines Angelds, das später auf den Kaufpreis angerechnet wurde, bei Nichterfüllung der Leistung durch den Verkäufer an den Käufer zurück-

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Kinder

gezahlt werden musste (womöglich in zweifacher Höhe), bei Nichtabnahme durch den Käufer aber beim Verkäufer verblieb. Im übertragenen Sinn ist vom arrhabon des Geistes in 2 Kor 1,22 und 5,5 die Rede, vom arrhabon des Erbes in Eph 1,14. In übertragener Bedeutung tauchen Kauf / Verkauf in dem Sinne auf, wie wir auch heute davon sprechen, etwas erworben zu haben (Einsicht, Weisheit, Wahrheit, Freunde). Die hebräische Sprache kommt hier entgegen, denn das hebräische Verb qa¯na¯h bedeutet zugleich »erwerben, hervorbringen, erschaffen«, ist also offen für nichtkommerzielle Bedeutungsebenen. Die Rede vom »Auskaufen der Zeit« (= die Zeit nutzen) geht auf Spr 23,23 (vgl. Kol 4,5) zurück. Vor allem wird Gottes Erwählung Israels metaphorisch als »Kauf« eines Volkes zu seinem Eigentum ausgedrückt (Ex 15,16; Ps 74,2; Jes 11,11). Aber auch Schöpfungsvorstellungen können mit der Kaufmetapher verdeutlicht werden (Ps 78,54 Zion). Ernst, Michael, »… verkaufte alles, was er besaß, und kaufte die Perle« (Mt 13,46). Der émporos im Neuen Testament und in dokumentarischen Papyri, Protokolle zur Bibel 6 (1997), 31-46. Kessler, Rainer, Samaria-Papyri und Sklaverei in Israel, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 196-206. Rupprecht, Hans-Albert, Kleine Einführung in die Papyruskunde, Die Altertumswissenschaft, Darmstadt 1994, 115-117.119-121 (ausführliche Lit.). Schmidt, Werner H., Art. qnh erwerben, THAT II, 650-659. Szaivert, Wolfgang / Wolters, Reinhard, Löhne, Preise, Werte. Quellen zur römischen Geldwirtschaft, Darmstadt 2005.

Peter Arzt-Grabner / Michael Ernst / Thomas Naumann

Kinder 1. Gesellschaftliche Bedeutung Kinder garantieren in der Bibel das physische Überleben und führen die religiöse Überliefe-

rung weiter. Angesichts hoher Kindersterblichkeit gilt Kinderreichtum als eine Gabe Gottes und Zeichen göttlichen Segens (Gen 1, 28; 30, 20; Ps 127, 3), reiche Nachkommenschaft als eine der zentralen Bundesverheißungen (Gen 12, 2; 17; 26, 4). Kinderlosigkeit (3 Fruchtbarkeit) ist wirtschaftlich und sozial gesehen eine Katastrophe und führt für Frauen oft zu gesellschaftlicher Diskriminierung (1 Sam 1, 6-11; Rut 1, 20 f.; vgl. Fischer in Ebner 56-75). Die biblischen Texte lassen erkennen, dass die Kindheit nicht als eigenständige Lebensphase verstanden wurde. Alttestamentliche Erzählungen und Klagelieder, die den Tod von Kindern als grausames Schicksal beklagen (2 Kön 8, 12; Ps 137, 9; Jes 13, 16; Klgl 1, 20), zeigen, dass Kinder besonders schutzbedürftig und in Kriegszeiten häufig Opfer von Gewalttaten sind. In der griechisch-römischen Antike sind Kinder rechtlos, auch wenn sie Vermögen vom Vater erben (Gal 4, 1-2). Der griechische Begriff pais kann sowohl Kind als auch Sklave / Sklavin bedeuten und ist Sinnbild für Dienerschaft und Niedrigkeit (Mk 9, 36-37). Kinder, die der pater familias nicht aufnahm, wurden ausgesetzt (3 Familie). Die »Kindersegnung« (Mk 10, 13-15 par) ist nicht als besondere Würdigung von Menschen in der Lebensphase der Kindheit zu lesen, sondern als Hervorhebung von Rechtlosigkeit und Abhängigkeit (Ebner 319). Als Lebensphase der Unmündigkeit und Unreife kommt die Kindheit in der Metaphorik vor (1 Kor 3, 1-3; 13,11; vgl. auch Philo LA III,3, 144 und Epict. diss 2, 16, 39). 2. Erziehung Kleinkinder werden lange von der Mutter gestillt (1 Sam 1, 22-25; nach 2 Makk 7, 27 drei Jahre) und wachsen dann in der 3 Familie auf, wo sie erzogen und in das familiäre Handwerk eingeführt werden oder in der Land- und Viehwirtschaft mitarbeiten (Gen 37, 13; 1 Sam 16, 11). Das Proverbienbuch bezeugt die Weitergabe von Alltagswissen durch beide Eltern (Spr 1, 8; 6, 20, vgl. 4, 19; 30, 17); Kürze und Prägnanz der Sprüche lassen auf mündliche Weitergabe schließen. Sie leiten zu einer strengen Erziehung an, die auch körperliche Züchtigung einschließt (Spr 3,12; 23, 13-14;

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Sir 30, 1). Söhne und Töchter werden in der familiären Erziehung früh auf ihre geschlechtsspezifischen Rollen vorbereitet. Um Ehre und Ansehen der Familie zu erhalten (Spr 28, 7; 29, 15; Sir 22, 3), werden Töchter möglichst noch in der Pubertät verheiratet (Dtn 22, 13-21). Sexuelle Beziehungen heiratsfähiger Söhne werden zwar nicht unterbunden, ihre Lenkung in akzeptable Bahnen ist aber Ziel elterlicher Mahnreden (Spr 19). Öffentliche Schulen konnten bisher vor der hellenistischen Zeit nicht nachgewiesen werden; Söhne des Königshauses hatten private Erzieher (2 Kön 10,1). Das Deuteronomium entwirft ein Programm, wonach Eltern ihren Kinder die Volksgeschichte vergegenwärtigen (Dtn 4, 9 f.), im Alltag die Gebote lehren und erklären sollen (Dtn 6,7.20-25) und die Kinder an der öffentlichen Verlesung der Tora teilnehmen (Dtn 31,12 f.). Im Neuen Testament weist 2 Tim 3, 15 auf die Weitergabe der heiligen Schrift an Kinder hin, in Eph 6, 4 ist nach Spr 3, 11 vom Gottesbezug der Erziehung die Rede. Kinder sollen zum Gehorsam erzogen werden (1 Tim 3, 4) und nach Dtn 5, 16 die Eltern ehren (Eph 6,1-3). Die Haustafeln mit reziproken Ermahnungen richten sich auch an die Väter, die ihre Kinder nicht zornig machen (Eph 6, 4) und nicht kränken (Kol 3, 21) sollen. In der griechisch-römischen Antike wurden Betreuung und Erziehung in größeren Haushalten an Fachpersonal delegiert, Schulen mit Unterweisung durch griechische Lehrer privat organisiert (vgl. 1 Thess 2, 7 Amme; 1 Kor 4,15 Erzieher). 3. Familienlosigkeit und Kindschaftsmetaphorik Das Ethos der Familienlosigkeit, das in den frühesten Traditionen des Neuen Testaments greifbar ist, führt dazu, dass Kinder, deren Lebenswirklichkeit und deren Erziehung kein zentrales Thema des Neuen Testaments sind. Lk 2, 41-52 thematisiert Jesu Kindheit; die leiblichen Eltern konkurrieren mit dem Verhältnis Jesu zu Gott, den er 3 Vater nennt. Die 3 Verwandtschaft im Haushalt wird ersetzt durch die Gemeinschaft derer, die Gottes Willen tun (Mk 3, 35). Kinder

gehören zu den Personen, die man um Jesu willen bereit sein muss zu verlassen (Lk 14, 26), umgekehrt aber Vorbild werden für das richtige Verhältnis Erwachsener zu Gott (Mk 10,15). Nach Paulus werden Kinder glaubensverschiedener Partner durch den / die Gläubige/n heilig (1 Kor 7, 14), ein Hinweis auf die Existenz von Kindern in der Gemeinde (vgl. auch Mk 10, 30). Metaphorisch bezeichnet Paulus die Gläubigen nicht nur als Kinder Gottes (Gal 3, 26; Röm 8,14-17 3 Erbe), sondern auch als seine »Kinder« (1 Kor 3-4). 4. Kinderopfer Prophetische Polemik in Jeremia und Ezechiel verweist auf eine »Tofet« genannte Opferstätte im Hinnomtal südlich von Jerusalem, an der in der ausgehenden Königszeit sog. Molekopfer dargebracht werden. Der Ritus wird mit »Söhne durchs Feuer gehen lassen« (2¯abar hifil, Jer 32, 35; Ez 16, 21; 20, 31) oder »Kinder verbrennen« (s´¯araf, Jer 7, 31; 19, 5; Ez 16, 21) umschrieben. Die Tora (Dtn 12, 31; 18,10) verwirft den Ritus als Praxis der kanaanäischen Nachbarvölker (vgl. 2 Kön 16, 3). Dagegen thematisiert die Erzählung von der »Bindung Isaaks« (Gen 22), die der Tofet-Polemik wohl zeitgenössisch ist, einen rätselhaften und selbstwidersprüchlichen Gott, der in seiner Souveränität lebensfordernd und lebensrettend sein kann und dem Abraham mit (Ehr-)furcht begegnet (Michel 313-316). Ebner, Martin u. a. (Hg.), Gottes Kinder, JBTh 17, Neukirchen-Vluyn 2002. Eltrop, Bettina, Denn solchen gehört das Himmelreich. Kinder im Matthäusevangelium. Eine feministisch-sozialgeschichtliche Untersuchung, Stuttgart 1996. Gerber, Christine, Paulus und seine Kinder. Studien zur Beziehungsmetaphorik der paulinischen Briefe, BZNW 136, Berlin 2005. Michel, Andreas, Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament, FAT 37, Tübingen 2003.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Klage 3 Gebet / Klage

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Kleidung

Kleidung 1. Quellen Von der Kleidung der BewohnerInnen der südlichen Levante zu biblischen Zeiten wissen wir nur zu einem kleinen Teil auf Grund archäologischer Funde. Lediglich in den extrem niederschlagsarmen Gebieten des südlichen Jordantals, rund um das Tote Meer sowie in den südlichen und östlichen Wüstengebieten konnten organische Stoffe wie Textilien und Leder in Höhlen und Gräbern die Jahrhunderte und Jahrtausende überdauern. Hauptsächliche Quellen sind daher Texte und bildliche Darstellungen. Allerdings ist bei den ikonographischen Belegen zu beachten, dass es sich dabei fast ausschließlich um Darstellungen handelt, in denen die Menschen in Palästina aus einer Fremdperspektive wahrgenommen werden. Zudem werden meist nicht die einfachen Menschen dargestellt, sondern Mitglieder oberer Schichten, so dass aus diesen Darstellungen nur bedingt auf »die« Kleidung »der« Menschen geschlossen werden kann. 2. Funktionen von Kleidung Kleidung ist als Schutz vor Witterungseinflüssen unabdingbar. Zu den klimatischen Bedingungen Palästinas gehören heiße Sommer und kühle, regenreiche Winter. Auch im Sommer können die Nächte sehr kalt sein. Kleidung ist jedoch auch ein wichtiges nonverbales Kommunikationsmittel, sie dient zur Darstellung des Status und der sozialen Position eines Menschen. Mit Hilfe von Kleidung kann der / die Einzelne einer bestimmten Region oder Ethnie zugeordnet werden, er / sie wird als zugehörig bzw. fremd erkennbar. Wichtig ist Kleidung auch als gemeinschaftsschaffendes Element in Notlagen. Einer allgemeinen Notsituation begegnete man mit dem Ausrufen eines kollektiven »Fastens«, wozu auch das Umgürten eines Sackes gehörte (z. B. Jona 3, 5). Eine weitere Möglichkeit, Unglücksfällen zu begegnen, war das Einreißen der Kleidung (z. B. 2 Sam 1, 11). Diese Handlungen konnten auch ohne den üblicherweise dazugehörenden emotionalen Zustand (Trauer, Entsetzen) durch-

geführt werden, dienten sicherlich aber vor allem dazu, 3 Emotionen einen konventionell festgelegten Ausdruck zu geben. Nacktheit kann nach den Quellen nicht als »Naturzustand« des Menschen verstanden werden, sondern ist ein – gewöhnlich negativ konnotierter – Ausnahmezustand. Kleidung ist deshalb zur Wahrung der Ehre und Würde einer Person unerlässlich (3 Ehre / Schande). Durch Entblößung (als Strafe) oder Verringerung der Kleidung (Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Arme) kann die Entehrung einer Person wirkungsvoll dargestellt werden. Umgekehrt kann die Ehrung eines Menschen u. a. durch Einkleidung in wertvolle Gewänder ausgedrückt werden. 3. Typen von Kleidung Bezüglich der Form muss man sich die Kleidung im Alten Orient sehr einfach vorstellen. Kostbare Gewänder zeichneten sich nicht durch raffinierte Schnitte, sondern durch hochwertige Ausgangsmaterialien (z. B. feines Leinen oder gefärbte Wolle) und gute Verarbeitung, evtl. mit Mustern oder Figurenschmuck, aus. Lange Zeit herrschten Schurze und Wickelgewänder vor, also einfach große Tücher. Zur Zeit des Alten Testaments (ab 1000 v. Chr.) war jedoch die Grundform der Kleidung das Hemdgewand: Ein hemdgewandartiges Kleidungsstück kann aus einem langen, rechteckigen Stück Stoff gefertigt werden, in das eine Kopföffnung geschnitten oder eingewebt wird. Auch ist es möglich, ein Hemdgewand aus zwei Stoffbahnen zusammenzufügen, die oben so zusammengenäht werden, dass ein Halsausschnitt entsteht. Diese Grundform kann variiert werden: Mit Seitennähten kann das Hemdgewand als einziges Kleidungsstück oder Unterkleidung dienen. Vorne geöffnet ergibt sich ein mantelähnliches Kleidungsstück, ohne Seitennähte erhält man einen Poncho, beides ist nur als Oberbekleidung tragbar. Ein langes, weites Hemd oder eines mit angesetzten Ärmeln bedeckt fast den ganzen Körper. Im Regelfall wurden Hemdgewänder gegürtet. Weitgehende Körperbedeckung stellte hohe Stellung und soziale Anerkennung dar. Dies

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spiegelt sich im Alten Testament darin wieder, dass das lange Hemdgewand (keto¯næt, mit angesetzten Ärmeln: keto¯næt passı¯m) von hochgestellten Persönlichkeiten getragen wurde, z. B. von Priestern (vgl. z. B. Ex 28, 40, Esr 2, 69), Beamten (2 Sam 15, 32, Jes 22, 21) oder einer Königstochter (2 Sam 13, 18 f.). Ein me2¯l ı – meist mit »Mantel« übersetzt – zeigte einen noch höheren Status an. Dies wird dadurch deutlich, dass der Hohepriester über der allen Priestern zustehenden keto¯næt noch einen me2¯l ı trug (Ex 28, 4). Auch der Prophet Samuel (1 Sam 15, 27), Saul (1 Sam 24, 5) und sein Sohn (1 Sam 18, 4) trugen dieses Kleidungsstück. Bei der Arbeit, im Kampf oder auf Wanderschaft hatten Männer ein kürzeres Hemdgewand an, den mad, der die Knie unbedeckt ließ. Frauenkleidung war knöchellang. Ein weiteres wichtiges textiles Ausstattungsstück war die ´simla¯h / ´salma¯h, ein großes, rechteckiges Stück Tuch, das nicht nur als Mantel / Umschlagtuch diente, sondern auch als Bettlaken (Dtn 22, 17), Schlafdecke (Ex 22, 25 f., Dtn 24, 13), Transport- und Aufbewahrungsmittel (z. B. Ex 12, 34, Ri 8, 25, 1 Sam 21, 10) benutzt wurde und unbenutzt einfach ein Wertgegenstand war. Anders als der me2¯l ı war die ´simla¯h kein Statussymbol. Über Unterwäsche erfährt man aus den biblischen Texten wenig. Nur bei den Vorschriften zur Priesterkleidung werden spezielle »Unterhosen« (mikena¯sajim) erwähnt (z. B. Ex 28, 42; Lev 6, 3; Ez 44, 18), die wahrscheinlich eher einer Windel als einem Lendenschurz glichen. Vermutlich trugen aber auch andere Menschen zu alttestamentlicher Zeit Unterwäsche. Archäologisch sind jedenfalls in Ägypten große Mengen solcher Lendentücher bezeugt. Die Bezeichnungen für die Kleidung im Palästina der neutestamentlichen Zeit weisen einerseits auf griechisch-römische Einflüsse und andererseits auf die Übernahme östlicher Elemente hin und lassen auf eine recht weitgehende Differenzierung der Kleidung und ihrer Herstellung schließen. Grundlegend bleibt für Männer und Frauen die Kombination eines Untergewandes (chiton) mit einem Obergewand (himation, chlamys, stole, endyma sowie das im Neuen Testament

nicht belegte phelones). Freie trugen als Fußbekleidung meist geschnürte Ledersandalen, seltener auch geschlossene Schuhe, SklavInnen hingegen liefen barfuß. Das hemdartige Untergewand war meist aus zwei Stoffbahnen gefertigt, die seitlich und oben zusammengenäht wurden und Öffnungen für Hals und Arme ließen. Allerdings lässt die Erwähnung eines ungenähten und in einem Stück gewebten Untergewandes Jesu in Joh 19, 23 auch auf andere Fertigungsweisen schließen. Das Untergewand reichte bei Männern bis unter die Knie, bei Frauen bis zu den Knöcheln hinab und war in Nachahmung der römischen Tunika mit über die gesamte Gewandlänge verlaufenden farbigen Parallelstreifen verziert. Es wurde – wie auch das Obergewand – gegürtet. Darunter trugen Männer einen Lendenschurz. Das Obergewand war in der Regel ein weiter Mantel oder Umhang (himation), der um den Körper drapiert wurde. Frauenmäntel waren in der Regel länger als die Mäntel für Männer und dienten auch zur Verhüllung der Haare in der Öffentlichkeit. Kinder trugen zunächst die hemdartigen Untergewänder, später dazu die geschlechtsspezifischen Obergewänder. Neugeborene wurden in schmale Stoffbinden gewickelt. Neben der Alltagskleidung erwähnen die neutestamentlichen Schriften auch Gewänder für spezielle Anlässe: So erhält der heimgekehrte Sohn von seinem Vater neben Sandalen und einem Ring ein Festgewand (stole, Lk 15, 22). Festgewänder waren deutlich länger als die Alltagskleider, drückte doch die Länge den Grad der Untätigkeit aus. Mt 22, 11 wird ein Hochzeitsgewand (endyma gamou) erwähnt. 2 Tim 4, 13 erwähnt den Reisemantel (griech. phailone, lat. paenula) des fiktiven Paulus, also einen Mantel aus schwerem Stoff oder Leder, der zumeist mit einer Kapuze versehen war und entsprechenden Schutz für unterwegs bot. Kurz, weit und fließend waren Soldatenmäntel (chlamys), wie sie nach Mt 27, 28 bei der Verspottung Jesu verwendet wurden. Zur körperlichen Arbeit zogen Männer die Kleidung bis auf den Hüftschurz aus (vgl. Joh 13, 4 f.).

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Kleidung

Auch außerhalb Palästinas bestand im Einflussbereich der griechisch-römischen Kultur im 1. Jh. n. Chr. die Grundbekleidung für freie Erwachsene aus einem Unter- und einem Obergewand. In Rom hatte das Untergewand (tunica) von Griechenland her Einzug gehalten und wurde noch im 1. Jh. v. Chr. von traditionsbewussten Römern wie dem jüngeren Cato abgelehnt, der die Toga direkt über dem Lendenschurz (cinctus, subligaculum) trug (Gell. VI,12, 3). Auch lange Ärmel setzten sich für Männer erst mit der Zeit durch. In Griechenland trug man über dem Untergewand (chiton, chitonion) verschiedene Arten von kürzeren oder längeren Mänteln (himation), die entweder um den Körper drapiert oder an den Schultern mit Fibeln zusammengehalten wurden und für Frauen und Männer unterschiedlich gestaltet waren. In Rom unterlag die Kleidung stärker als in Griechenland sozialen Konventionen und sogar gesetzlichen Regelungen. So kennzeichnete das Untergewand (tunica) durch die Anzahl und Breite von vertikal verlaufenden eingewebten Purpurstreifen ihre Träger als Angehörige des Ritter- oder Senatorenstandes. Darüber hatten männliche Bürger eine Toga zu tragen, ein langes, weißes Gewand aus Wolle, das allerdings wegen der umständlichen und unbequemen Trageweise zunehmend auf offizielle Anlässe beschränkt und durch praktischere Mäntel (paenula, lacerna, pallium oder sagum) aus dunkleren Stoffen ersetzt wurde. Dazu gehörten Schuhe, die sich zum Teil ebenfalls je nach Standeszugehörigkeit unterschieden. Ursprünglich trugen auch freie Frauen die Toga (Var. vita pop. rom. 1); doch wurde diese mindestens seit dem 2. Jh. v. Chr. durch die stola (vestis longa), einer langen, weit geschnittenen und dadurch faltenreichen Form der Tunica, als Zeichen der ehrbaren vornehmen Frau ersetzt, durch die sie sich von einfachen Frauen, die die stola nicht tragen durften, absetzte. Die Toga hingegen wurde zum Kennzeichen von Prostituierten und anderen Frauen, die nicht den herrschenden Moralvorstellungen entsprachen (Juv. II,68; Mart. II,39; Cic. phil. II,44; 3 Prostitution). Unter der Tunika trugen Frauen

Morgentoilette einer Dame. Römisches Relief, 2. oder 3. Jh. n. Chr.

einen Hüftschurz und ein Brustband, und gegen die Kälte wurden, wenn vorhanden, mehrere Tuniken übereinander sowie Mäntel (palla) getragen. Das pallium der Männer und die palla der Frauen entsprachen dem griechischen himation, waren häufig farbig gestaltet und wurden ab dem 2. Jh. n. Chr. zur vorherrschenden Mantelform. 4. Armut und Reichtum – Bedeutung der Kleidung Die Bedeutung von Kleidung war zu biblischen Zeiten (Altes und Neues Testament) deutlich größer als in der heutigen, westlichen Gesellschaft, weil Textilien viel teurer waren. Bei ärmeren Menschen war das Obergewand häufig der einzige Wertgegenstand und diente deshalb oft als Pfand – eine Praxis, die im Alten Testament missbilligt wurde (Dtn 24, 17). Auch »second-handWare« hatte einen beachtlichen Wert, Raubmord beinhaltete deshalb oft auch das Ausziehen der Leichen (z. B. Ri 14, 19; 1 Sam 27, 9; Lk 10, 30; Mk 15, 24). Jährlich ein Gewand oder die dafür nötige Menge Wolle gehörte zum Gehalt, zusätzliche Kleidung war für die meisten Menschen uner-

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Nomadische Familien in vielfältig gemusterter Kleidung. Ägyptische Grabmalerei aus Beni Hasan, 12. Dynastie (um 1900 v. Chr.)

schwinglich. Ständig getragen und von schlechter Qualität war die Kleidung deutlich weniger haltbar als heutzutage. Schon altbabylonische Klagebriefe zeigen, wie bedrängend die Sorge um Kleidung für viele war, die Absender baten flehentlich um neue Kleidung als Ersatz für fehlende oder abgenutzte Kleidungsstücke. Besonders hart schildert Amos die Unterschiede zwischen arm und reich: Die Menschen der Oberschicht liegen auf den gepfändeten Textilien der Armen (Am 2, 8). Damit ist diesen ihre einzige Decke und Schutz vor der Kälte der Nacht genommen (Dtn 24, 12 f.). Auch der Alltag der meisten Angehörigen der Jesusbewegung und der ersten Gemeinden war durch die Sorge um ausreichende Kleidung (vgl. Lk 12, 22 f.) geprägt. Jak 2, 2 charakterisiert einen armen Gottesdienstbesucher durch schmutzige Kleidung. Auch sozialgeschichtliche Untersuchungen in der Stadt Rom belegen den Kleidungsmangel der unteren Schichten. Einfache Leute trugen auch außer Haus meist nur die Tunika. Viele mittellose Freie konnten sich in ihrem ganzen Leben nur eine einzige Toga leisten, und diese stammte oft aus der Schenkung eines Patrons oder aus einer öffentlichen oder privaten Kleiderspende an das Volk. Ein vergleichsweise preisgünstiges und dadurch auch für einfache Leute erschwingliches Kleidungsstück war der Allwettermantel

mit Kapuze, die paenula, die aus dickem, grobem Wollstoff bestand und von Männern und Frauen getragen wurde. Generell ist für Arme grobe, abgenutzte, dunkle und knappe Kleidung kennzeichnend, oftmals geflickt oder auch schmutzig. Die kurze Tunika wurde als funktionelles Arbeitsgewand zum Kennzeichen der Handwerker. SklavInnen mussten von ihren BesitzerInnen gekleidet werden, doch wurde diese Pflicht oft sträflich vernachlässigt. Die mit dem Kleidungsmangel der Armen korrespondierende Forderung an besser gestellte Menschen, Bedürftige mit Kleidung zu versorgen, findet sich seit der Zeit der Pharaonen bis in neutestamentliche Zeit immer wieder (z. B. Ez 18, 16; Lk 3,11). So wird z. B. in 2 Chr 28, 15 berichtet, wie Kriegsgefangene mit Kleidung versorgt werden. Nach Mt 25, 36 wird das Kleiden eines Bedürftigen zu den Not-wendenden Taten gerechnet, und Apg 9, 39 verdeutlicht die Bedeutung der von Tabita gefertigten Kleidung für die bedürftigen Witwen in Joppe. Auch in Rom waren Kleiderspenden von privater oder kaiserlicher Seite von großer Bedeutung. Kostbare Textilien zählten neben Gold und Silber zu den typischen Wertgegenständen. Wegen der einfachen, wenig körpernahen Formen brauchte Kleidung nicht »maßgeschneidert« sein und konnte deshalb gut verschenkt und vererbt

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Kleidung

(oder auch geraubt) werden. Gegenüber Edelmetallen hatten Textilien jedoch einen Nachteil: Sie waren anfällig für Insektenfraß, Schimmel (»Aussatz« an Textilien, vgl. Lev 13 f.) und zerschlissen bei Gebrauch früher oder später. Das Abnutzen von Textilien war allgegenwärtig und konnte deshalb eine Metapher für Vergänglichkeit werden (z. B. Hi 13, 28, Ps 102, 27). In den biblischen Texten ist fast durchgängig eine gewisse Ambivalenz gegenüber kostbarer Kleidung zu beobachten. In Ezechiels Ehebrecherinnen-Allegorien (Ez 16 und 23) spielt jeweils kostbare Kleidung eine fatale Rolle. In Ez 16 missbraucht die »Braut Gottes« (Jerusalem) die ihr geschenkte Kleidung, um damit selbst gefertigte Götterbilder zu bekleiden. Die Assyrer, mit denen sich die Schwestern Ohola und Oholiba einlassen, werden als kostbar gekleidet und damit besonders attraktiv geschildert (Ez 23). Im Neuen Testament lässt sich ähnliches beobachten: Einige Erzählfiguren werden mit Hilfe von zahlreichen und / oder luxuriösen Gewändern charakterisiert. So kleidet sich der reiche Mann in Lk 16, 19 in Purpur und feinste Stoffe, während in krassem Gegensatz dazu Lazarus offenbar halbnackt vor seiner Tür liegt. Jak 2, 2 kennzeichnet einen reichen Gottesdienstbesucher durch prachtvolle Kleidung, macht aber gleichzeitig deutlich, dass dessen Praxis ungerecht ist (Jak 2, 6). Hier dient der Kleiderreichtum zur negativen Charakterisierung der Figuren, wie Kleiderpracht in den Texten generell kritisch betrachtet wird (vgl. auch 1 Tim 2, 9; 1 Petr 3, 3). Kostbare Textilien waren ein hervorragendes Mittel der Herrschaftsrepräsentation. Die Königin von Saba war z. B. von der Kleidung der Diener Salomos sehr beeindruckt (1 Kön 10, 5). In Analogie dazu können die Priester als der irdische Hofstaat des im Tempel residierenden Königsgottes verstanden werden. Die textile Prachtentfaltung, wie sie in den priesterschriftlichen Texten zur Herstellung des Zeltheiligtums (Ex 28) beschrieben und gutgeheißen wird, dient also letztlich der Ehre Gottes. Umgekehrt ist es in Apg 12, 21-23, wonach Herodes sich in einem kostbaren königlichen Gewand öffentlich präsentier-

te, die Ehre jedoch nicht Gott, sondern sich selbst zukommen ließ – und (deshalb) kurz darauf starb. 5. Material und Herstellung der Kleidung In der Bibel kommen Angaben zu Material und Herstellung von Kleidung meist nur am Rande vor. Wichtigste Ausnahmen sind die Texte über die Einrichtung des Zeltheiligtums in der Zeit der Wüstenwanderung (Ex 28) und das »Lob der starken Frau« (Spr 31). Die häufigsten Grundmaterialien für Kleidung waren Wolle und Leinen. Seltener waren Baumwolle (Est 1, 6) und Seide (im Alten Testament unsicher; im Neuen Testament Offb 18, 12). Auch Ziegenhaar wurde verarbeitet, allerdings wurden Ziegenhaarprodukte nur im Ausnahmefall zur menschlichen Bekleidung verwendet (Sackumgürten als Trauergestus). Purpurwolle musste importiert werden, Karmesinwolle konnte wohl in Palästina hergestellt werden. Mindestens seit neutestamentlicher Zeit war in Palästina die Textilverarbeitung der wichtigste ökonomische Faktor nach der Landwirtschaft, wobei in Juda der Schwerpunkt auf der Woll-, in Galiläa auf der Leinenverarbeitung lag. Zahlreiche archäologische Funde belegen die entsprechenden Gerätschaften und Installationen der betreffenden Berufsgruppen und HeimhandwerkerInnen. Auf dem Land wurde Kleidung verbreitet von den Frauen in Heimarbeit hergestellt. Wollarbeiten zählten zu den Tugenden der römischen Matrone und gehörten zu den Pflichten jüdischer Ehefrauen. Oft wurde allerdings der zu Hause gesponnene Faden zur Weiterverarbeitung an professionelle WeberInnen außer Haus gegeben. Weitere Berufsgruppen sind FärberInnen, Gerberinnen und WalkerInnen, die wegen der auftretenden Gerüche und der notwendigen Wasserinstallationen oft in eigenen Vierteln meist außerhalb oder am Rand der Städte lebten und arbeiteten, sowie FlickschneiderInnen. Durch Textilarbeiten konnten Frauen eine gewisse wirtschaftliche Selbstständigkeit erlangen. Im kaiserzeitlichen Ägypten nahm die Heimarbeit für die

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Klima

Kleidung der römischen Legionen Manufakturcharakter an. Generell ist zu beobachten, dass die Entlohnung für Männer, Frauen und Kinder unterschiedlich war. Männer verdienten oft doppelt so viel wie Frauen. Kinder arbeiteten für Kost, Logis und ein neues Gewand pro Jahr. Bender, Claudia, Die Sprache des Textilen. Untersuchungen zu Kleidung und Textilien im Alten Testament, BWANT 177, Stuttgart 2008. Blanck, Horst, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, Die Altertumswissenschaft, Darmstadt 2 1996. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. V: Webstoff, Spinnen, Weben, Kleidung, Schriften des Deutschen Palästina-Vereins 8, Gütersloh 1937. Forbes, Robert J., Studies in Ancient Technology, Vol. IV, Leiden 2 1964. Hönig, Hans Wolfram, Die Bekleidung des Hebräers. Eine biblisch-archäologische Untersuchung, Zürich 1957. Kühnel, Harry (Hg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, Stuttgart 1992. Pekridou-Gorecki, Anastasia, Mode im antiken Griechenland. Textile Fertigung und Kleidung, Beck’s Archäologische Bibliothek, München 1989. Prell, Marcus, Sozialökonomische Untersuchungen zur Armut im antiken Rom. Von den Gracchen bis Kaiser Diokletian, Stuttgart 1997, 106-114. Scharf, Ursula, Straßenkleidung der römischen Frau, EHS III; 585, Frankfurt/Main u. a. 1994. Scholz, Birgit Ingrid, Untersuchungen zur Tracht der römischen matrona, Arbeiten zur Archäologie, Köln 1992. Vogelsang-Eastwood, Gillian, Pharaonic Egyptian clothing, Studies in Textile and Costume History 2, Leiden u. a. 1993. Waetzoldt, Hartmut, Art. Kleidung. Philologisch, RLA 6, 1980-83, 18-31. Weippert, Helga, Textilproduktion und Kleidung im vorhellenistischen Palästina, in: Gisela Völger / Karin von Welck / Katharina Hackstein (Hg.), Pracht und Geheimnis. Kleidung und Schmuck aus Palästina und Jordanien, Köln 1987, 136-142. Weippert, Helga, Art. Kleidung, in: Manfred Görg / Bernhard Lang (Hg.), Neues Bibellexikon, Lfg. 9, Solothurn / Düsseldorf 1994, 495-499. Wenning, Robert, Anmerkungen zu palästinensischen Textilien in hellenistischer, römischer und byzantinischer Zeit aus archäologischer Sicht, in: Gisela Völger / Karin von Welck / Katharina Hackstein (Hg.), Pracht und Geheimnis: Kleidung und Schmuck aus Palästina und Jordanien, Köln 1987, 144-149.

Claudia Bender / Sabine Bieberstein

Klima In Palästina / Israel sind die klimatischen Verhältnisse durch große Unterschiede auf kleinem Raum gekennzeichnet. Die Küstenregionen bis hinauf auf den Kamm des judäischen und samaritanischen Gebirges sowie das westliche Galiläa haben dank der Steigungsregen Teil am mittelmeerischen subtropischen Klima. Gebiete wie der Ostabfall der genannten Gebiete und das Jordantal liegen im Regenschatten und sind darum wüstenhaft. Mit weniger Regenfällen als im Westen reicht das Kulturland über die ostjordanische Tafel, um dann in die östlichen Wüstengebiete überzugehen. Typisch sind niederschlagslose Sommer (Ende Mai bis Oktober) und regenreiche Winter (Ende Oktober bis spätestens Mai). Dabei können ein Frühregen (Oktober / November) und eine Hauptregenzeit im Januar vom Spätregen (April / Anfang Mai) unterschieden werden. Der Regen konzentriert sich jeweils auf wenige Tage, im zunehmend entwaldeten Land oft mit katastrophalen Folgen. Auf den Höhenlagen der Gebirge fällt bisweilen Schnee. Um die verschiedenen Aspekte des Klimas im »Heiligen Land« kennen zu lernen, gibt es seit 1851 Niederschlagsmessungen und Klimabeobachtungen in Jerusalem. Seit 1895 hat der Deutsche Palästinaverein verschiedene Wetterstationen im Land eingerichtet und regelmäßig die Ergebnisse veröffentlicht. Die durchschnittliche Regenmenge in Jerusalem beträgt etwa 560 mm pro Jahr, allerdings mit einer großen Variationsbreite (als Vergleich: Leipzig etwa 627 mm). Nach Süden nimmt die Regenmenge beträchtlich ab angesichts des sich absenkenden judäischen Gebirges. Etwa auf der Höhe von Beerscheba liegt die Linie der Niederschlagsgrenze von 300 mm und damit der Übergang in die steppen- und wüstenhaften Zonen, die nur noch mit künstlicher Bewässerung bewirtschaftet werden können. Die Winde wehen meist von Westen her und entfalten eine angenehm kühlende Wirkung. Vor allem im Frühjahr und zu Beginn der Herbstregen sind Ostwinde zu beobachten, die mit

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Königtum

Wüstensand angereichert unangenehm sind und die Temperaturen auch in Jerusalem bis um 20 Grad steigen lassen (arab. »Chamsin« genannt, ein Scirocco). Entsprechend variieren auch die durchschnittlichen Temperaturen: Juni bis September ca. 24 Grad, Jerusalem im Januar ca. 7, 9 Grad. Markant ist der Unterschied zwischen Tages- und Nachttemperatur, der im Sommer in Jerusalem ca. 14 Grad beträgt, was zu der Charakterisierung führt: »kaltes Land mit heißer Sonne« (F. M. Abel). Sprechend für die Klimata im Land ist die Vegetationskarte bei Zohary (27; vgl. auch Abb. 2 im Art. Landwirtschaft). Sie zeigt in den regenreicheren Regionen eine mittelmeerische Vegetation. Von Norden her dringt in die trockenen Gebiete des oberen Jordantales die iranisch-turanische Vegetation vor, von Süden her bis zum Toten Meer die saharo-arabische, die kleine Enklaven bildet, schließlich die sudano-dekkanische Vegetation. Diese Aufteilung zeigt auf eindrückliche Weise, was auch die Rhythmen der Geschichte deutlich machen, dass Palästina / Israel ein ausgesprochenes Brückenland zwischen Ägypten / Afrika, dem syrisch-eufratenisch-asiatischen und schließlich dem mittelmeerisch-europäischen Gebiet darstellt. In den regenlosen Sommermonaten fallen große Mengen Tau, die für Gemüse und Früchte, die erst im Herbst reif werden, von entscheidender Bedeutung sind. Markante Klimawandlungen scheinen in historischer Zeit nicht stattgefunden zu haben, wobei leichte Schwankungen in den Niederschlagsmengen konsequenzenreich sein konnten. Bemerkenswert ist, dass in der Antike die klimatischen Eigentümlichkeiten in Palästina / Israel nicht naturwissenschaftlich erklärt wurden, sondern als Folge göttlicher Einwirkung (Mt 5, 45; Apg 14,17) oder mythisch als Kampf zwischen Baal und dem Meeresgott Jam verstanden wurden, wobei Baal im Herbst seinen Herrschaftsantritt mit Gewittern, Sturm und Hagel manifestiert. Nach dem Spätregen fällt er dem Todesgott Mot zum Opfer.

In neutestamentlicher Zeit tritt neben das vom Klima direkt abhängige agrarische Milieu immer mehr ein Leben in urbaner Umgebung. Am Rande taucht bereits auf, was man empirische oder pragmatische Beobachtung zum Klima nennen kann (Mt 7, 24 ff. par; Lk 12, 54 f.). Dass weiterhin mythologische Dimensionen im Hintergrund mitlaufen, zeigen z. B. die Sturmerzählungen Mk 4, 35 ff.; Joh 6, 1 ff.; Apg 27, 13 ff. Abel, Felix-Marie, Géographie de la Palestine, Tome I, Paris 1933, 108-135 (le climat). Atlas of Israel, Jerusalem / Amsterdam 1970, Karten VI. Dalman, Gustaf, AuS I/2, 1928, 281 ff.: Frühling; 469 ff.: Sommer. Exner, Felix M., Zum Klima von Palästina, ZDPV 33 (1910), 107-164. Hirschfeld, Yizhar, A Climatic Change in the Early Byzantine Period? Some Archaeological Evidence, PEQ 136 (2004), 133-149. Krauss, Samuel, Talmudische Archäologie II, (Leipzig 1910) Hildesheim 1966, 148 ff. Keel, Othmar, Klima in: ders. / Max Küchler / Christoph Uehlinger, Orte und Landschaften der Bibel 1: Geographisch-geschichtliche Landeskunde, Einsiedeln / Göttingen 1984, 38-53. Noth, Martin, Die Welt des Alten Testaments, Berlin 4 1962, 25-30. Zohary, Michael, Pflanzen der Bibel, Stuttgart 2 1986 (engl. 1982).

Ulrich Schoenborn / Peter Welten

Königtum 1. Historische Rekonstruktion Die Institution des Königtums prägte die Gesellschaften des Alten Orients. In unterschiedlichen Ausprägungen war diese zentrale Herrschaftsform in Ägypten, Mesopotamien, Persien, Griechenland und Rom anzutreffen. Mit dem König als zentraler Instanz wird die Sozialform des Staates verbunden. Maßgeblicher Schritt zum Königtum ist die Zentralisierung von Herrschaft. Kleinere Territorialstaaten konnten von einem König regiert werden und gleichzeitig einem

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Großreich untergeordnet sein. So unterstanden die palästinischen Stadtstaaten des 2. Jt. einem König mit dynastischer Erbfolge, der dem ägyptischen Pharao untergeordnet war. Die biblische Darstellung spricht von Saul, David und Salomo als den drei ersten Königen Israels. Nur David und Salomo hätten den Norden Israel und den Süden Juda regiert, nach dem Tod Salomos habe es ein Nord- und ein Südreich gegeben. Davor sei Israel als segmentäre Stämmegesellschaft organisiert gewesen. Die außerbiblische Quellenlage erlaubt es nicht, das 10. Jh. hinsichtlich seiner Herrschaftsform exakt zu rekonstruieren. Archäologisch ist eine auf die Deurbanisierung des 12. Jh. folgende Reurbanisierung festzustellen. Allerdings gibt es im 10. Jh. noch keinen Beleg für Herrschaftsarchitektur. Epigraphische Hinweise auf NordReichs-Könige finden sich im 9. Jh.: Ahab ist in einem Bericht über den Feldzug Salmanassars III. erwähnt, die Mescha-Stele spricht vom »Haus Omris«. Die Inschrift von Tel Dan, der einzige außerbiblische Beleg des Davidsnamens, spricht ebenfalls Mitte des 9. Jh. von einem »Haus«, also einer Dynastie Davids. Die Größe Jerusalems lässt mit etwa 1000 EinwohnerInnen nicht darauf schließen, dass von hier aus ein Großreich regiert wurde. Dass David und seine Nachkommen von hier aus ein Stadtkönigtum regiert haben, ist aber wahrscheinlich. Die Neuentwicklung von Städten bildete die Basis, auf der die Staaten des 9. Jh. aufbauten. Das Königtum als Herrschaftsform und der Staat als soziale Organisationsform gehören im Alten Orient zusammen. Die Stämme als Organisationsform von Sippen fanden in Palästina wohl ab dem 10. Jh. die Möglichkeit, zentrale Strukturen zu entwickeln, sich gegeneinander zu profilieren, Stadt- und schließlich Flächenstaaten zu schaffen. Dabei ist nicht erst für den voll entwickelten Staat im 9./8. Jh. dieser Terminus und für seine Leitung der Begriff des Königs zu verwenden, sondern schon für den Frühen Staat, dessen Herrschaftsgebiet zunächst kleinräumig und dessen soziale Struktur noch nicht so ausdifferenziert ist (Kessler).

Für die Entstehung des Königtums machen die biblischen Texte vor allem die Philisterbedrohung und die Notwendigkeit eines militärischen Zusammenschlusses verantwortlich. Diese, modifiziert auch in der Exegese vertretene Begründung greift historisch aber zu kurz, weil sie die vielfältigen ökonomischen und sozialen Bezüge nicht berücksichtigt. Nach Angelika Berlejung sind für die Entwicklung von der Stammesorganisation zum Flächenstaat vor allem drei Faktoren maßgeblich: 1. Das Fehlen der Vorherrschaft einer der Großmächte, 2. der von der phönizischen Handelsmacht ausgehende ökonomische Impuls, der zur Reurbanisierung führte, und 3. die Möglichkeit, an Stadtstaaten-Traditionen der Spätbronzezeit anzuknüpfen. Die Entwicklung zum Flächenstaat ist für das Nord-Reich im 9. Jh., für Juda im 8. Jh. nachzuweisen. Beide Reiche wurden dynastisch regiert. Während für Juda die davidische Dynastie durchgängig bis zum babylonischen Exil (587/6) biblisch bezeugt ist, waren im Nord-Reich wechselnde Herrscherfamilien an der Macht, von denen die Omriden besondere Bedeutung besaßen. Die dynastische Herrschaftsform gibt der Familie eine staatspolitische Dimension. Mitglieder der königlichen Familie sind an der politischen Herrschaft beteiligt, der familiale Status gerät im Fall von Gebirah (judäische Königsmutter), Königssohn und Königstochter in die Nähe eines BeamtInnentitels. »Sohn des Königs« und »Tochter des Königs« sind zwischen dem 8. und dem 6. Jh. als Siegel belegt. Die Funktion der gebira¯h, der Königsmutter, ist die machtvollste politische Frauenrolle der Königszeit, ein Siegel mit dem Namen Isebel und der Hinweis in 1 Kön 21,8 lassen sich dahingehend deuten, dass Königsmütter politisch und ökonomisch eigenständige Entscheidungen treffen konnten. Diese Verknüpfung von Familien- und Staatspolitik, wie sie in der Dynastie geschieht, wird vor allem in den Samuelbüchern heftiger Kritik unterzogen. Sie stellen die damit einhergehende Sexualisierung des Politischen in mehrfachen Akten sexueller Gewalt im Königshaus dar (Müllner). Die Herrschaftsform des selbstständigen Kö-

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nigtums endete für das Nordreich 722 mit der Eroberung durch die Assyrer unter Salmanassar V, für das Südreich Juda mit der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier unter Nebukadnezzar (587/6). Erst die Widerstandsbewegung der Makkabäer führte wieder zu einer judäischen Königsherrschaft: 129-63 regierten die HasmonäerInnen. Königtum (basileia) meint in neutestamentlicher Zeit das römische Reich und von ihm abhängige Vasallenstaaten. Bei der Eroberung des östlichen Mittelmeerraumes verfolgte Rom keine einheitliche Linie beim Aufbau imperialer Strukturen und favorisierte in einigen Gebieten die Form der indirekten Herrschaft durch einen von Rom eingesetzten König bzw. Fürsten (Klientelkönige). So war man von den Aufgaben der Verwaltung von Provinzen entbunden. Der Status der einzelnen Gebiete Israels veränderte sich nach der Eroberung durch Pompeius (63 v. Chr.) ständig. Zunächst war Judäa autonomer Teil der Provinz Syria. Von 37 v. Chr.-6 n. Chr. herrschte Herodes als von Rom ernannter Klientelkönig. Bis 41 n. Chr. stand Judäa unter direkter römischer Verwaltung, während in Galiläa Herodes Antipas regierte (4 v. Chr.-39 n. Chr.). Herodes Agrippa (41-44) wurde wieder autonomer König in Judäa. Sein Sohn Agrippa II wurde König über das nördliche Ostjordanland und von Teilen Galiläas und Peräas. Er hatte auch das Recht, die Angelegenheiten im Jerusalemer Tempel zu regeln (u. a. die Bestimmung des Hohepriesters). Diese Herrscher agierten insgesamt wie hellenistische Könige: Sie bauten aufwendige Palast- und Tempelanlagen, Theater und Rennbahnen und veranstalteten öffentliche Spiele (Wagenrennen, Gladiatorenkämpfe). Herodes Antipas ließ das zerstörte Sepphoris wieder aufbauen und nutzte es als Residenzstadt. Am Westufer des Sees Gennesaret erbaute er Tiberias als Ehrung für den Kaiser Tiberius neu. Als Zeichen der Loyalität gegenüber Rom ließ Herodes Tempel zu Ehren des Augustus errichten (Flav. Jos. Ant. 15,339.364). Da in ihrem Herrschaftsgebiet große hellenistische Bevölkerungsgruppen waren, unterstützten sie – allerdings nur im Ausland – hellenistische Kulte

(Wiedererrichtung eines Apollo-Tempels in Athen; Suet. Aug. 60). Die Bautätigkeit musste durch die Abgaben der Bevölkerung finanziert werden. Der von Herodes veranlasste Kindermord in Betlehem (Mt 2,16-18) ist zwar eine Legende. So wie Herodes aber Widersacher und potentielle Gegner beseitigen ließ, schien man ihm ein solches Massaker zuzutrauen. Die Ermordung des Johannes durch Herodes Antipas (Mk 6,14 ff.) zeigt diesen als einen König, der den Propheten Gottes beseitigt. Herodes Agrippa verspottet in Lk 23,11 mit seinen Soldaten Jesus. In der Offenbarung des Johannes werden die Klientelherrscher Roms (die Könige der Erde) als diejenigen angeklagt, die mit der Hure Babylon (Rom) Hurerei treiben (17,2), d. h.: sie plündern ihre Länder für Rom aus und praktizieren den gottfeindlichen Herrscherkult. 2. Königskritik Israel und Juda sahen sich den wechselnden Vormachtsverhältnissen der politischen Umgebung ausgesetzt. Zwischen Ägypten, Aram-Damaskus, Assur und Babylonien bewegten sich die Herrscher in unterschiedlich erfolgreichen Koalitionen. Tributzahlungen an Assur und Babylon sowie militärische Aktivitäten stellten eine hohe finanzielle Belastung dar. Auch die Urbanisierungsbestrebungen, die von der Entwicklung einer zentralen Regierung mit der dazugehörigen Verwaltung stabilisiert wurden, stellten einen starken Eingriff in die ökonomischen Verhältnisse einer Agrargesellschaft dar. Beamte gehörten zu den wirtschaftlich Mächtigen, die ihren Wohlstand oft auf Kosten der Armen erwirtschafteten und zum Gegenstand prophetischer Sozialkritik wurden (Jes 3,14; Jer 34,8-22). Mit der Stadtentwicklung entstand der Rentenkapitalismus: Land wurde nicht mehr von denen bewirtschaftet, die es auch besaßen, sondern wurde zum Kapital, das als Lehen vergeben werden konnte und Einkommen abwerfen sollte. Immer mehr GrundbesitzerInnen lebten in den Städten von den erwirtschafteten Erträgen. Die daraus sich entwickelnde soziale Asymmetrie ist Gegenstand der prophetischen Kritik (z. B. Jesaja,

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Amos, Micha) wie auch von Sozialgesetzen der Tora. In der Kritik werden Könige und Beamte in engen Zusammenhang mit den wirtschaftlich Mächtigen gestellt. Als Oberschicht standen sie dem Volk gegenüber. In einigen Texten wird das Königtum grundsätzlich abgelehnt, da es das, was es den Menschen verspricht (Gewährung von Schutz) nicht einhalten kann (Ri 9,8-15). Ein menschliches Königtum ist überflüssig, da Gott allein herrscht (Ri 8,22 f.). Auch Hos 1,4; 7,3-7; 8,4 kann als fundamentale Opposition zum Königtum verstanden werden: Das Königtum hat keine Legitimation (8,4), die Einsetzung von Königen ist Ausdruck der Entfremdung von Gott (9,15). Hos 13,10 ff. versteht das Königtum als Strafe Gottes für Israels Vergehen gegen Gott. Die alttestamentliche Bewertung des Königtums ist hoch ambivalent. Königsfreundliche und königsfeindliche Texte stehen in denselben Textbereichen nebeneinander. Das Königtum wurde als von außen nach Israel importierte Institution und die Herausbildung des Königtums als Anpassung an die Umwelt dargestellt. Mehrfach wird die Forderung nach einem König mit dem Wunsch »zu sein wie die anderen Völker« begründet (Dtn 17,14; 1 Sam 8,5). Die Gefahren des Königtums nach innen werden eindrücklich in 1 Sam 8 dargestellt: Sie liegen in der sozialen Ausbeutung der Untergebenen. Die ideale Vorstellung vom König stellt einen engen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Königs und dem Ergehen des Volks und sogar dem Gedeihen des Landes dar (1 Kön 5,5; Ps 2; 45; 72). Der König ist für die Rechtspflege (2 Sam 8,15; 1 Kön 10,9; Ps 72 u. a.) und die Kriegsführung (1 Sam 8,20) zuständig, steht aber nicht über dem Gesetz. Er erlässt – anders als etwa die mesopotamischen Herrscher – das Gesetz nicht. Königtum und Staat werden in der Hebräischen Bibel ebenso wie andere Bevölkerungsschichten an sozialen Idealen gemessen. Wo König oder Beamte ihr Recht missbrauchen, fallen sie der prophetischen Kritik anheim. Weder wird das prinzipielle Recht des Staats zur Bautätigkeit und auch zur Fronarbeit bestritten, noch das Recht

zur Kriegsführung. Wo aber die Bauten mit Blut (Mi 3,10; Hab 2,12) erkauft werden oder dem Luxusbedürfnis des Königs dienen (Jer 22,13-19), wo die Kriegspolitik des Königs verfehlt ist (Ez 22,5 f.), da setzt die Kritik an den Machthabern ein. Die Macht des Königshauses ist nicht despotisch, sondern bleibt an weitere gesellschaftliche Gruppen gebunden: an die Beamten und an die freie Landbevölkerung (Kessler). In der Begrenzung königlicher Macht, die sich auch im Königsgesetz des Deuteronomiums niederschlägt (Dtn 17), liegt ein markanter Unterschied judäischer Königsideologie zum altorientalischen Umfeld, aus dem eine solche systematische Unterordnung des Königs unter einen souveränen Rechtstext nicht bekannt ist (Levinson). Das römische Reich wird in neutestamentlichen Texten z. T. sehr negativ bewertet. Die Macht über die Königreiche der Welt – und damit ist Rom gemeint – wird in Mt 3,8 f. als teuflisch charakterisiert. Diese Einschätzung findet sich gesteigert in der Offenbarung des Johannes wieder: Rom wird dort als Königtum des Tieres, dem in 13,7 die Macht über die ganz Welt gegeben wird, gesehen (16,10). Dieses Tier hat seine Macht vom Widersacher Gottes (13,2). Das römische Reich wird in der Offenbarung wegen seiner Eroberungspolitik und der ökonomischen Ausbeutung der Provinzen angegriffen: Das Tier ist ein Mischwesen aus Raubtieren (13,1), es beherrscht alle Völker und bekriegt seine Gegner (12,17; 17,14). Rom bedeutet für die Menschen auf der Erde der Tod (6,3 f.). Das Zentrum des Reiches lebt von den Warenströmen, die die Händler aus den Provinzen des Reiches herbeischaffen (18,11-13), während in den Provinzen Getreide sich verteuert und Hunger herrscht (6,6). Diese negative Sicht Roms und seiner Vasallen wird nicht von allen neutestamentlichen Schriften geteilt: Agrippa II. wird in der Apostelgeschichte positiv dargestellt: Er sieht Paulus nach dessen Verteidigungsrede als unschuldig an (Apg 26,32). In Röm 13,1 wird staatliche Gewalt als von Gott eingesetzt verstanden. Damit erfährt die staatliche Macht durch Gott eine Begrenzung (vgl. Dan 2,21; 7; Offb 13,5). Die Obrig-

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keit ist in Röm 13 an den Auftrag Gottes gebunden, Menschen vor Verbrechen zu schützen. Ob und inwieweit Menschen vor staatlicher Gewalt geschützt werden müssen, reflektiert Paulus hier nicht, obwohl er selbst Opfer solcher Gewalt geworden ist. 1 Petr 2,14 spricht von der gebotenen Unterwerfung unter den König und seinen Statthaltern, die die Aufgabe haben, die Menschen vor Verbrechen zu beschützen. Von einer göttlichen Einsetzung des Staates ist hier hingegen nicht die Rede. 3. Königtum Gottes Ebenso wie im Alten Orient wurde auch in Israel Gott als König vorgestellt. Wo allerdings in einem polytheistischen Kontext von der Herrschaft eines Gottes über andere Gottheiten gesprochen wird, muss das monotheistische Denken die Vorstellung umstrukturieren. Die alttestamentliche Vorstellung vom Königtum Gottes stand in einem Konflikt zur menschlichen Königsherrschaft, der in den Texten auf unterschiedliche Weisen gelöst wird (vgl. die Konkurrenzbeziehung in 1 Sam 8 mit der Harmonisierung des göttlichen Königtums mit der Davididenherrschaft in 1 Chr 17,14; 28,5 u. a.). Die göttliche Macht bleibt Korrektiv auch dort, wo wie in den Königspsalmen (z. B. Ps 72) der König Handlungsrollen übernimmt, die anderswo (Ps 85) Gott ausfüllt. In seiner königlichen Rolle sorgt Gott vor allem für Gerechtigkeit. Das Königtum Gottes wurde in nachexilischer Zeit zur Hoffnungsperspektive, die in hellenistischer Zeit zum Nährboden für die Messiaserwartung werden konnte. Auch im Neuen Testament steht das Königtum Gottes im Kontrast zur menschlichen Herrschaft. In Joh 18,36 f. setzt der gefangene Jesus seine Herrschaft von der Macht des Pilatus, die auf Waffengewalt beruht, ab. Jesus lässt seine Anhänger nicht für sich kämpfen. Jesus ruft in der synoptischen Tradition die Menschen unter Hinweis auf das nahe herbeigekommene Königtum Gottes zur Umkehr auf (Mk 1,14 f.), was sich in einer radikal veränderten sozialen Praxis ausdrücken soll. Die Angesprochenen sollen sich

aus dem politischen und wirtschaftlichen System zurückziehen (Mk 2,13 ff.; 10,28) und ein alternatives Sozialmodell mit aufbauen, in dem das Königtum Gottes Wirklichkeit wird (Mk 10,42-45). Gegen die Ausbeutung in den Reichen der Menschen wird der gegenseitige solidarische Dienst gesetzt. Dienst heißt hier Macht- und Statusverzicht und wird zur Einlassbedingung in das Königtum Gottes (Mk 10,14.23). Die Wunder Jesu werden als Zeichen des anbrechenden Königtum Gottes gesehen. In ihnen wird z. T. auch der Protest gegen das römische Reich deutlich: Der Exorzismus in Mk 5,1 ff. zielt auf die Vertreibung der Besatzer ab. Das Königtum Gottes wird auch in Gleichnissen thematisiert: In Mk 4,26 ff. wird das Königtum Gottes als Wachsen von Getreide verstanden: Wo Menschen von den Früchten der Natur leben können, geschieht Königtum Gottes (vgl. Mk 6,30 ff.). In Mt 13,33 ff. wird das Königtum Gottes mit dem Backen von Brot, dem Nahrungsmittel schlechthin, in Beziehung gesetzt. Dies steht im Gegensatz zu den in der Antike häufig auftretenden Hungersnöten, vor denen die Regierenden die Bevölkerung häufig nicht bewahrten (vgl. Offb 6,6). In Mt 20,1 ff. wird das Königtum Gottes dem Handeln eines Gutsbesitzers in der Antike entgegengestellt, der die Notlage von Tagelöhnern ausnutzt (die Einstellung von Arbeitskräften richtet sich nach seinem Bedarf, ein Mangel an Arbeitskräften gibt es nicht; die Tagelöhner sind zur Gänze vom Gutsbesitzer abhängig) und seine Position durch Freigebigkeit (Zahlung des gleichen Lohnes trotz unterschiedlicher Arbeitsleistungen) herausstellt. So erwarben sich Regierende oder Angehörige der Oberschicht beim Volk Ansehen, was zur Stabilisierung ihrer Stellung beitrug. Diese Freigebigkeit steht im Gegensatz zum Königtum Gottes, in dem es keine Großgrundbesitzer mehr gibt, sondern alle die Erde besitzen werden (Mt 5,17), um von ihr zu leben (vgl. Mi 4,4). Mt 20,16 verheißt das Aufbrechen von Herrschaftsverhältnissen, die in Antike u. a. auf ungleicher Besitzverteilung basierten. Während die Machthaber der Welt nur vorgeben, ihre Untertanen zu beschützen und zu

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versorgen (Ri 9,15; Lk 22,25), sorgt Gott in der Tat für die Menschen – so Mk 4,32: Im Schatten des Senfstrauches finden die Vögel Schutz. In den Gleichnissen vom Königtum Gottes wird im besonderen Maße die Arbeitswelt von Frauen zur Sprache gebracht, ganz im Gegensatz zur Kultur der römisch-hellenistischen Gesellschaft, die Frauenarbeit unsichtbar macht und sie als minderwertig abqualifiziert. Die Brot backende Frau in Mt 13, 33 jedoch wird zum Gleichnis für das Königtum Gottes. Mit der Wertschätzung der Versorgungsarbeit der Frau durchbricht das Gleichnis die patriarchale Kultur, die diese Wertschätzung versagt. In biblischen Texten werden Königsvorstellungen »demokratisiert«: In Offb 1,6 / 1 Petr 2,9 gilt das ganze Volk / die ganze Gemeinde als königlich. In Jes 55,3 f. wird die Davidsverheißung auf das Volk ausgeweitet. Die Herrschaft verliert ihre Objekte. In apokalyptischen Traditionen wird das Königtum Gottes als Überbietung des menschlichen Königtums verstanden: Die als übermächtig auftretenden Potentaten unterstehen eigentlich der Macht Gottes und haben so ihre Stellung eingebüßt. Christus ist der Herr der Könige (Offb 1,5), das Königtum Gottes setzt sich durch, in dem die weltlichen Machthaber überwunden werden (Offb 11,15). Dies wird z. T. mit Bildern voller Gewalt geschildert. Die Feinde Gottes werden vernichtet (Offb 19,16 ff.). Die Texte verbleiben so in den Strukturen menschlicher Herrschaft. Neutestamentliche Texte verstehen Jesus im Lichte messianischer Traditionen (Mk 11,1 ff.; Lk 2,1 ff.). Der Messias ist kein strahlender König, er selbst wird ein Opfer menschlicher Herrschaft (in Aufnahme von Sach 9,9). In seiner Niederlage am Kreuz zeigt sich, dass er der Sohn Gottes ist (Mk 15,39). Auch in der Johannesoffenbarung ist Christus, der »Herr der Könige« (1,5), ein Opfer der Gewalt Roms. Das geschlachtete Lamm ist das zentrale christologische Motiv der Offenbarung (Offb 5). Dieses Motiv nimmt die Leidenserfahrungen der Menschen auf, es protestiert gegen die gewalttätige Wirklichkeit und deckt auf, dass Roms Herrschaft auf Gewalt ba-

siert (18,24). Das Lamm bleibt jedoch nicht Opfer, es wird mit Gott regieren, ohne dass dabei die Spuren des Leides einfach getilgt werden (5,12). Berlejung, Angelika, Geschichte und Religionsgeschichte des antiken Israel, in: Jan Christian Gertz (Hg.), Grundinformation Altes Testament, UTB 2745, Göttingen 2006, 55-186. Crüsemann, Frank, Widerstand gegen das Königtum. Die antiköniglichen Texte des Alten Testaments und der Kampf um den frühen Staat, WMANT 49, NeukirchenVluyn 1978. Dietrich, Walter, Von David zu den Deuteronomisten. Studien zu den Geschichtsüberlieferungen des Alten Testaments, BWANT 156, Stuttgart 2002. Ehrlich, Carl S. (Hg.), Saul in Story and Tradition, FAT 47, Tübingen 2006. Hanson, Kenneth C. / Oakman, Douglas E., Palestine in the time of Jesus, Minneapolis, 1998. Kessler, Rainer, Sozialgeschichte des alten Israel, Darmstadt, 2 2008. Kiesow, Anna, Löwinnen von Juda. Frauen als Subjekte politischer Macht in der judäischen Königszeit, Theologische Frauenforschung in Europa 4, Münster 2000. Levinson, Bernard M., The Reconceptualization of Kingship in Deuteronomy and the Deuteronomistic History’s Transformation of Torah, VT LI/4 (2001), 511-534. Müller, Reinhard, Königtum und Gottesherrschaft. Untersuchungen zur alttestamentlichen Monarchiekritik, FAT 2.3, Tübingen 2004. Müllner, Ilse, Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2 Sam 13,1-22), HBS 13, Freiburg / Br. 1997. Neu, Rainer, Von der Anarchie zum Staat. Entwicklungsgeschichte Israels vom Nomadentum zur Monarchie im Spiegel der Ethnosoziologie, Neukirchen-Vluyn 1992. Niemann, Hermann Michael, Herrschaft, Königtum und Staat. Skizzen zur soziokulturellen Entwicklung im monarchischen Israel, FAT 6, Tübingen 1993. Schottroff, Luise, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Zu ihrem Gedächtnis … Eine feministische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München 1988. Wengst, Klaus, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit, München 1986.

Ilse Müllner / Carsten Jochum-Bortfeld

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Körper

Körper 1. Körper und Körperkonzepte Generelles: Statt von »Körper« bzw. »Körpern« ist angesichts der biblischen Literatur eher von Körperkonzepten bzw. Körperbildern zu sprechen, die auf realen Körpererfahrungen beruhen und sich dabei durch ihren Entwurfcharakter einerseits, durch Vielfältigkeit andererseits auszeichnen. Anders als in der leitenden modernen Wahrnehmung werden Körper in der Bibel nicht ikonographisch, sondern literarisch abgebildet. In der Lektüre werden die selektiv fokussierten literarischen Körperbilder von den Rezipierenden auf der Basis ihrer je eigenen zeitgenössischen Erfahrungen zusammengesetzt und imaginiert. Dabei treffen unterschiedliche Perspektiven aufeinander: Während der heutige Blick auf Körper eher individualistisch geprägt ist, ist biblisch die kollektive Perspektive entscheidend, die den einzelnen Körper vornehmlich als Vertreter einer sozialen Rolle im Rahmen verschiedener Oppositionsbildungen (wie: Einzelner / Sippe, männlich / weiblich, alt / jung etc.) wahrnimmt. Im synthetischen biblischen Denken werden Lebewesen zudem als psychosomatische Ganzheiten verstanden. Leben vollzieht sich im Körper und bezogen auf den Körper, der seinerseits eine Vielfalt von Beziehungen ermöglicht. 2. Körper und Sprache Für das mit »Körper« Gemeinte gibt es im Alten Testament keinen einheitlichen und eigentlich auch keinen umfassenden terminus technicus. Während für lebende, aber sterbliche Körper ba¯´s¯ar (Fleisch), daneben auch 2æsæm (Gebein, Knochen) und noch seltener ˇse3e¯r ˙(Fleisch) Leitbegriffe sind, werden für tote Körper die Worte gewija¯h, pægær und nebe¯la¯h (Leiche, Leichnam, Kadaver) gebraucht. Der Leichnam ist amorphe und beziehungslose Masse und wird auch deshalb sprachlich in seine einzelnen Körperteile, die Gefühle, Beziehungen und Tätigkeiten besonders stark zum Ausdruck bringen können, kaum mehr differenziert. Die alttestamentliche Schranke zwischen Leben und Tod ist so im Blick auf

den Körper sprachlich weitgehend geschlossen. In der Körperterminologie des griechischen Neuen Testaments dauert einerseits die hebräische Bedeutung der Termini noch fort; gleichzeitig setzt mit der neuen Sprache ein Prozess gegenseitiger Durchdringung von Hebräisch-semitischer und griechisch-hellenistischer Weltwahrnehmung ein. So unterscheidet das griechische Denken nachplatonischer Tendenz zwischen dem körperlichen Fleisch (sarx) und der unkörperlichen Seele (psyche). Die Hebräische Bibel kennt diese Unterscheidung nicht und hat auch kein Äquivalent für das griechische soma (Leib), das im biblischen Gebrauch den körperlichen Menschen in seiner Ganzheit bezeichnet. Von großer Tragweite für die Wirkungsgeschichte biblischer Körper-Texte ist die Verwendung anthropologischer Terminologie für theologische Aussagen: »Gott sah sich die Erde an: Sie war verdorben; denn alles Fleisch auf der Erde lebte verdorben« (Gen 6, 12). »Fleisch« meint hier nicht die Körperlichkeit des Menschen (und der Tiere) im Unterschied zu seiner geistigen Seele, sondern die ethische und religiöse Schwäche des Menschen vor Gott, die er an »Leib und Seele« erfährt. Es ist jedoch erst Paulus, der diese im Alten Testament angelegte Linie vollends zuspitzt und das Begriffspaar »Fleisch-Geist« für den soteriologischen Gegensatz zwischen Gut und Böse, Gott und Sündenmacht verwendet (Gal 5, 16 f.; Röm 7, 19-20). Da er außerdem noch das griechische Wort für »Leib« (soma) an einigen Stellen fast synonym zu »Fleisch« (sarx) verwendet (Röm 6, 6; 7, 24; 8,13), ist es in der Auslegungsgeschichte zu einem folgenschweren Missverständnis gekommen: Das griechisch-anthropologische Bezugssystem wurde mit dem hebräisch-theologischen zur Deckung gebracht; und so entstand die für die Wirkungsgeschichte biblischer Rede über den menschlichen Körper unheilvolle Gleichung: Fleisch / Leib / Körper = Sünde. 3. Körpersymbolik im Alten Testament Die intensivsten und dichtesten »Körpertexte« findet man im Alten Testament im Zusammen-

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hang zweier poetischer Textgattungen: in den Liebesliedern des Hohenlieds (vgl. Hld 4, 1-5; 5, 11-16 und 7, 2-8) und in Klageliedern, besonders im Buch Hiob (vgl. Ps 17; 22, 14-22; 38, 2-11; 63, 2-10 oder Hi 16, 8-17). Kleinere Psalmen können regelrecht nach Körperteilen gegliedert sein, vgl. Ps 121 (V. 1: Auge, V. 3: Fuß, V. 5: rechte Hand, V. 7: Kehle / Leben). Im Hiobbuch findet sich in 40, 25 ff. zudem eine herausragende Körperbeschreibung im Preislied auf das mythische Chaoswesen Leviatan: Gerühmt werden – in singulärer Ausführlichkeit – dessen Zunge, Nase, Backe, Haut, Kopf, Glieder, Gebiss, Gesicht, Zähne, Augen, Mund, Nüstern, Kehle, Hals, Wampen des Fleisches, Herz. Überhaupt wird selten vom Körper als Ganzem gesprochen, fast immer geht es um einzelne oder auch mehrere einzelne Körperteile – in diesem Sinne bezeichnen auch die Körperleitbegriffe ba¯´s¯ar, 2æsæm und ˇse3e¯r Teile ˙ lebendige Fleisch für das Ganze, nämlich das und das Knochengerüst. Dabei geht es nicht um das äußere Erscheinungsbild, sondern um die mit den Körperteilen verbundenen Fähigkeiten und Gefühle, die sich in biblischer Wahrnehmung z. T. erheblich von heutiger Metaphorik bzw. wissenschaftlichem Denken unterscheiden. Bezeichnenderweise spielen z. B. im biblischen Denken Gehirn und Lunge gar keine Rolle – sie tauchen noch nicht einmal als bezeichnete Größen auf. Dafür wird das Herz nicht primär als Sitz der Emotionen, sondern als Sitz des Denkens verstanden (vgl. z. B. Koh 8, 5). Die kommunikative Seite des menschlichen und göttlichen Körpers – auch seine Kommunikationsverweigerung – kommt in der Rede vom (An)gesicht zum Ausdruck, vgl. dazu nur den aaronitischen Segen in Num 6, 24-26. Neben dem komplexen Organ des Mundes, der Lippen und der Zunge spielen für die Aufnahme von Kommunikation Augen und Ohren eine zentrale Rolle, ohne dass man daraus schließen müsste, dass im biblischen Denken das Ohr vor dem Auge rangiert. Als gefühlsbetonende Körperteile treten die inneren Organe des Bauchraumes auf, die Nieren (Ps 26, 2; 73, 21) und die Gebärmutter, der Mutterschoß (hebr: ræhæm, dieselbe Wurzel wie im Wort für »Barm˙

herzigkeit«), wobei dem Magen und der Leber kaum eine Bedeutung beigemessen wird – im Falle der Leber, die im Kontext der Umwelt eine wichtige Rolle bei der Leberschau spielte (vgl. Ez 21, 36), ein eher überraschender Befund! Während die inneren Organe eher die empathische Seite des Körpers symbolisieren – und mit der Gebärmutter tun sie dies für weibliche und männliche Körper –, steht die nach außen sichtbare Nase symbolisch für die aggressive Seite, die Erregbarkeit zum Zorn, interessanterweise nur von Männern (und Göttern). Für das Handeln und Tätigsein, auch für Aggressionen, wird die Symbolik der Extremitäten bemüht, von (rechter) Hand, Arm, Fuß und Bein. Die Kehle (næfæsˇ) als Organ des Begehrens und der zu stillenden Bedürfnisse, der Vitalität, haben Generationen von Leserinnen und Lesern der Bibel überhaupt nicht wahrgenommen, weil sie in der Septuaginta mit psyche und dann mit »Seele« (im Gegensatz zum »Leib« im Sinne einer dualisierenden Anthropologie) übersetzt wurde. Oberhalb der Kehle sitzen mit Nacken, Stirn und Kopf die Körperteile, die am ehesten den Eigensinn des Einzelnen symbolisieren, mit dem Haar aber auch wieder seine bzw. ihre Vitalität und Schönheit. 4. Körpererfahrung und Körpertheologie im Neuen Testament Das Neue Testament zeigt den menschlichen Körper in zwei eindrücklichen und zunächst sehr konträren Zusammenhängen: In den zum Urbestand der Jesusüberlieferung gehörenden Heilungswundern und Exorzismen betrifft das Heil, das von Jesus ausgeht, die konkreten irdischen Körper von Menschen, die in ihrer notwendigen Beziehung zur Ganzheit gesehen werden. Dabei spielt – im Anschluss an die antike Thaumaturgie – die körperliche Berührung eine wichtige Rolle: Jesus berührt gelähmte (Mk 2,1-12) und abgestorbene Gliedmaßen (Mk 3, 1-6), taube Ohren, blinde Augen (Mk 8, 22-26; 10, 46-52), aussätzige Haut (Lk 5, 12-16; 17, 11-19), blutende Frauenkörper (Mk 5, 25-34), fiebrige (Mk 1, 30), epileptische, von Dämonen gequälte (Mk 5, 1-20;

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7, 24-30; 9, 14-29) und sogar tote Körper (Mk 5, 3543; Lk 7,11-17). Die körperliche Unversehrtheit wird in zeichenhaft eschatologischer Perspektive (vgl. Jes 61, 1 f. und Mt 11, 5; Lk 4,18) zum Hinweis auf ein umfassendes Heil, das dem Menschen als Person von Gott zugedacht ist (Mk 2, 1-12). Diesen vielen geheilten und in ihrer Würde / Ehre wiederhergestellten Körpern von Menschen gegenüber steht der zerstörte und der Schande preisgegebene gekreuzigte Körper Jesu. In der Zeit, als das Neue Testament entstand, war die grausame und entwürdigende Hinrichtungsart der Kreuzigung der ganzen Bevölkerung des Römischen Reiches erschreckend vor Augen. Die Römer kreuzigten Gewaltverbrecher, Sklaven und politische Aufrührer; im Judäa des 1. Jh. haben nach Aufständen mehrfach Massenkreuzigungen stattgefunden, bei denen auch Frauen und Kinder nicht verschont wurden. Der Erstickungstod der an einen Querbalken angebundenen oder angenagelten Körper wurde durch einen Sitzbalken hinausgezögert und zum Schluss durch das Brechen der Knochen herbeigeführt (Joh 19, 31-33). Für die mediterrane Gesellschaft der Antike spielte die Zuteilung von Ehre und Schande eine Schlüsselrolle für die Eigen- wie für die Fremdwahrnehmung (Malina); gerade der Körper fungierte dabei als symbolisches Medium, um Ehre und Schande sichtbar zu machen. Vor diesem Hintergrund bedeutet die Verkündigung eines Gekreuzigten eine Inversion der religiösen wie auch der sozialen, individuellen, und selbst der kosmischen Ordnung dieser Kultur (vgl. 1 Kor 1, 18-2, 10a; Gal 3, 28; Eph 2, 15 f.). Die Umwertung der Werte Ehre und Schande (Leben und Tod) in der Erfahrung des Kreuzes prägt das Selbstverständnis des Apostels Paulus, der sich als einen Körper der Schande zeichnet (1 Kor 4, 8-16; 2 Kor 6, 4-10; 11, 23-33; Gal 4,13-20). Seine körperlichen Leiden durch Strapazen und Verfolgung, aber auch den »Stachel im Fleisch« (2 Kor 12, 7), vermutlich eine schmerzvolle chronische Krankheit, deutet er als Transparenz seiner Körpererfahrung für Tod und Auferstehung Jesu (2 Kor 4,10 f.; 12, 7-10; 4, 7). Der »armselige Leib« des Menschen ist für Paulus der Ansatzpunkt eines Verwand-

lungsprozesses, in dem der ganze Mensch von der Kraft Christi »in die Gestalt seines verherrlichten Leibes« umgestaltet wird (Phil 3, 21). Dies beginnt in der Taufe, in der der Körper des Christen mit »Christus (als Gewand) bekleidet« (Gal 3, 27) wird und so eine neue Identität bekommt. Deshalb kann Paulus die Männer von Korinth dazu aufrufen, Gott in ihrem Körper zu verherrlichen (1 Kor 6, 20), und zwar durch die Gestaltung ihrer Sexualität (1 Kor 6, 15-20). »Körper« im Zusammenhang mit Auferstehung (vgl. 1 Kor 15, 42-49) bezeichnet dabei das für die Person unerlässlich Welthafte – und insofern auch die Erfahrung »im Körper« –, das über die Welt und ihr Geschick hinaus von Gott her überweltliche Gültigkeit bekommt. 5. Körper und Gesellschaft Biblisch haben lebendige Körper immer relationalen Charakter. Das zeigt schon das erwähnte vielfältige Körpervokabular, bei dem die physische von der mentalen, psychischen, kommunikativen Seite nicht zu trennen ist. Mit den hebräischen Termini für »Körper« wird ohnehin grundlegend Beziehung, Verwandtschaft und Solidarität ausgedrückt: Mit dem ersten Auftreten der Worte »Fleisch« und »Gebein« wird die fundamentale Zusammengehörigkeit von Mann und Frau thematisiert (Gen 2, 20-24). In biblischer Sprache ist nicht von »Blutsverwandtschaft«, sondern von verwandtem »Gebein und Fleisch« die Rede (z. B. Gen 29, 14). Seit Sintflut und nachmaligem Bund in Gen 6-9 bringt der sich über Mensch und Tier erstreckende Gebrauch des Wortes ba¯´s¯ar (Fleisch) ein tiefes Solidaritätsbewusstsein zwischen Mensch und Tier zum Ausdruck. Auch bei toten Tier- bzw. Menschenkörpern wird sprachlich nicht wie im Deutschen zwischen »Leichnam, Leiche« (Mensch) und »Kadaver« (Tier) differenziert. Körpervokabular eignet sich auch, um metaphorisch die Zerrüttung gesellschaftlicher Beziehungen auszudrücken: Wenn Micha der Führungsschicht »Haut abziehen, Knochen zerschlagen, Fleisch zerstückeln und fressen« vorwirft (Mi 3, 3), dann ist in dieser auf das Kollektiv »Volk« bezogenen

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Redeweise der Vorwurf des Blutvergießens impliziert, aber eben nicht konkretisiert. Wenn Eltern das Fleisch ihrer Kinder, Frauen das ihrer Familienangehörigen essen (Lev 26, 29; Dtn 28, 53-57), dann ist das Ende von Mitmenschlichkeit und Gesellschaftsfähigkeit erreicht. Nur im Blick auf die Sozialverwobenheit des individuellen Körpers kann man juristische Texte wie die Reinheitsgesetze von Lev 11-15 verstehen, wo einzelne Körpercharakteristika (Genitalausflüsse, Hautveränderungen) sozial und kultisch zu stigmatisieren vermögen. Im Neuen Testament ist mit der Botschaft von der Fleischwerdung des Logos die Durchlässigkeit des Körpers für Gott gegeben. Sie gilt für den Körper des einzelnen Menschen, aber auch für den sozialen Körper der Gemeinschaft. Nach Paulus führt die in der 3 Taufe gewonnene (Gal 3, 27 f.; 1 Kor 12, 13) und in der sakramentalen Teilhabe am »Leib des Herrn« (1 Kor 10,16 f.) vergegenwärtigte neue Identität »in Christus« nicht in die uniforme Identität »einer Gestalt« (wie in späteren gnostischen Schriften, in denen bezeichnenderweise soma als ekklesiologischer Terminus nicht vorkommt); vielmehr entsteht eine ekklesiologische Pluralität, die im Sinn des Organismusgedankens als körperhafte Wirklichkeit konzipiert ist: »So sind wir Vielen ein Leib in Christus, einzeln genommen jedoch Glieder voneinander« (Röm 12, 5, vgl. 1 Kor 12, 27). Im Unterschied zu der antiken Fabel des Menenius Agrippa vom Streit der Körperteile, die der Stabilisierung der Vorherrschaft der Patrizier dient, betont Paulus den gegenseitigen Dienst im sozialen Körper (1 Kor 12, 12-31; Röm 12, 4-8). Was in Leben und Lebenshingabe Jesu sichtbar wurde und im rituellen Vollzug der Gemeinschaft erfahren wird, wird weiter in das Miteinander christlicher Gemeinden in hellenistisch-römischer Gesellschaft ausbuchstabiert. Die »Schwachen« und »Armen«, ob nun materiell (2 Kor 8 f.), sozial (1 Kor 1, 26-31; Phlm) oder religiösethisch (1 Kor 8; 10, 23-31; Röm 14) rücken ins Blickfeld. In den theologischen Konflikten der korinthischen Gemeinde spiegeln sich auch differierende Körpererfahrungen unterschiedlicher

sozialer Schichten (Martin). Nach Paulus wird die neue Einheit im sozialen Körper jedoch nicht einfach durch revolutionäre Umwertung der Werte hergestellt, sondern nach dem Maßstab der Liebe, die »Starke« und »Schwache« gleichermaßen zu dieser »größeren Gnadengabe« herausfordert (1 Kor 13). Weitere Brisanz gewinnen diese Aussagen im Licht der Kuturanthropologie, die davon ausgeht, dass der menschliche Körper als Abbild der Gesellschaft aufgefasst wird (Douglas). Vor diesem Hintergrund ist die soziale Tragweite von 1 Kor 12,13; Gal 3, 28 und auch Eph 2, 11-22; 5, 21-33 neu zu sehen: Die neue Identität des Einzelnen »in Christus« führt zu einer neuen communitas, in der ethnische (Juden und Hellenen) soziale (Sklaven und Freie) und, zumindest ansatzweise, geschlechtliche Rollen (Mann und Frau) neu definiert werden können (Walter). 6. Männerkörper, Frauenkörper Bezeichnend für die Terminologie mindestens des Hebräischen ist, dass ein Körper-Leitwort wie ba¯´s¯ar (Fleisch) keineswegs nur oder auch nur dominant »Körper« bezeichnet: Daneben steht ein weites Spektrum an Bedeutungen, vom »essbaren Fleisch« (tierisches, ausnahmsweise auch menschliches, vgl. Lev 26, 29; 1 Sam 17, 44) bis zur Bezeichnung der sichtbaren männlichen (Lev 15, 2-7) wie weiblichen (Lev 15,19) Geschlechtsorgane im Genitalbereich. Diese geschlechterunspezifische Mehrfachsemantik von ba¯´s¯ar zeigt: Meistens sind Körper nicht geschlechtsspezifisch konnotiert. Nur selten werden differenzierende Spezifika wie Brüste oder Barttracht thematisiert. Sexuell konnotierte Termini und Szenen werden in der biblischen Sprache gelegentlich verhüllend wiedergegeben. Dass etwa Abrahams Knecht schwört, indem er seine Hand an Abrahams Genitalien legt, wird mit »unter der Hüfte« umschrieben (Gen 24, 9). Bei der Moabiterin Ruth ist deutlich, dass sie die Nacht – zweideutig – an den »Beinen« und nicht nur demütig zu »Füßen« des Boas liegend verbringt (Rut 3, 4.7.8.14). Daneben gibt es freilich auch Texte, die sich nicht scheuen, einen als

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weiblich imaginierten Körper fast pornographisch zu inszenieren (Ez 16). Die Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter in der Jüngerschaft Jesu ist Ausgangspunkt vielfältiger Argumentationen. Die Frauen, die im Lukasevangelium der Liste der namentlich genannten männlichen Jünger gegenübergestellt werden, sind durch eine charakteristische Körpererfahrung gekennzeichnet. Sie werden als kranke, von Dämonen beherrschte Körper vorgestellt und geheilt (Lk 8, 1-3). Männliche Jünger werden demgegenüber durch das Wort gewonnen (Melzer-Keller 192). Exegetinnen haben hier die »verschwiegenen Jüngerinnen und vergessenen Zeuginnen« (Bieberstein) hinter den Texten wieder sichtbar gemacht. Frauen sind jedoch auch die, die den Körper Jesu liebevoll berühren (Lk 7, 36-50; Joh 12, 1-8). Die Zeuginnen der Hinrichtung Jesu, die seinem Körper die letzte Ehre der Salbung erweisen wollen, sind die ersten Zeuginnen der Auferstehung (Mk 16, 1-8; Joh 20, 1-18). Das Markusevangelium verfolgt eine Strategie der Irritation im Blick auf geschlechtliche Rollenzuteilung: Es finden sich eine Reihe von Tätigkeiten und Erfahrungen, die charakteristisch für Sklaven und Frauen sind, und die im Evangelium nur von Jesus und von Frauen, nicht von männlichen Jüngern ausgesagt werden (Graham): dienen (Mk 10, 45; 15, 41), vor Angst erschauern (Mk 14, 33; 16, 5), leiden (vgl. Mk 8, 31; 9, 12; 5, 26), Qual empfinden (Mk 5, 29.34; vgl. 10, 34). Vor dem Hintergrund des »EhreSchande-Paradigmas« der antiken Welt signalisieren diese Tätigkeiten sozial seine Erniedrigung, in der christlichen Inversion des Paradigmas seine todüberwindende Liebe; und es ist der verletzliche, leidende (Frauen-)Körper, der provozierend zum Zeichen der sozialen Dekonstruktion und zum Symbol des Heils wird. 7. Gottes Körper Körpermetaphorik ist für die alttestamentliche Rede vom Göttlichen von großer Bedeutung – nach der Zahl ihrer Vorkommen geordnet wird vom Gesicht, von Hand, Nase, Auge, Mund, Arm, Rechte, Ohr, Eingeweide, Kehle, Herz und Fuß einer Gottheit geredet. Auffällig ist, dass die

grundlegenden, den ganzen Körper eher als äußerlich sichtbaren präsentierenden Termini Fleisch, Knochen, Haut, aber auch Blut (anders z. B. für den Gott Kingu im Enuma Elisch-Epos Tafel VI,33) sich für das Göttliche überhaupt nicht finden. Was die mit Gottheiten verbundenen Körperteile betrifft, dominieren solche, die Tätigkeiten und Gefühle anzeigen. Charakteristisch dafür sind insbesondere Hand, Arm und Rechte auf der einen, (An)Gesicht (Zu- und Abwendung), Nase (Zorn) und Eingeweide (Erbarmen) auf der anderen Seite. Gleichwohl kann, wenn auch metaphorisch, davon geredet werden, dass JHWH »Schatten« spendet (vgl. z. B. Ps 121, 5), was mindestens die Vorstellung einer körperlichen Gestalt einschließt. Ohne dass der Akzent der Aussage auf sichtbarer körperlicher Ähnlichkeit läge, setzt auch die Gottesbildlichkeit des Menschen als plastische Statue Gottes (Gen 1, 27a) voraus, dass man selbst im Kontext einer bildlosen nachexilischen JHWH-Verehrung ohne Imaginationen von Gottes Gestalt nicht auskam. Die Formulierung von Gen 1, 27b verdeutlicht aber: Diese Gestalt ist nicht sexuell konnotiert. Dazu passt, dass JHWH, wenngleich von seiner religionsgeschichtlichen Herkunft her ein »männlicher« Gott, keine primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale (wie Genitalien, Bartbehaarung oder auch Brüste) zugeordnet werden. Allerdings wird indirekt über die Aufrufung von Rollen, die in biblischer Zeit von Männern besetzt wurden, JHWH mehrheitlich als männliche, weil königliche oder, besonders im Neuen Testament, väterliche Gottheit imaginiert, aber man vgl. dagegen Dtn 32, 18; Jes 42, 14 und grundsätzlich Hos 11, 9. Baumann, Gerlinde, Das göttliche Geschlecht. JHWHs Körper und die Gender-Frage, in: Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hg.), Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte einer feministischen Anthropologie, Stuttgart u. a. 2003, 220-250. Bieberstein, Sabine, Verschwiegene Jüngerinnen – vergessene Zeuginnen. Gebrochene Konzepte im Lukasevangelium, NTOA 38, Freiburg / Schweiz / Göttingen 1998. Douglas, Mary, Ritual, Tabu und Körpersymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur, Frankfurt a. M. 1981.

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Körperpflege

Frevel, Christian / Wischmeyer, Oda, Menschsein. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments, NEB Themen 11, Würzburg 2003. Graham, Susan L., Silent Voices. Women in the Gospel of Mark, Semeia 54 (1992), 145-158. Groß, Walter, Gen 1, 26.27; 9, 6: Statue oder Ebenbild Gottes? Aufgaben und Würde des Menschen nach dem hebräischen und dem griechischen Wortlaut, JBTh 15 (2000), 11-38. Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hg.), Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte einer Feministischen Anthropologie. Mit Beiträgen von Ulrike Bail u. a., Stuttgart 2003. Janssen, Claudia, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1 Kor 15, Gütersloh 2005. Malina, Bruce J., Die Welt des Neuen Testaments. Kulturanthropologische Einsichten, Stuttgart / Berlin / Köln 1981. Martin, Dale B., The Corinthian Body, New Haven / London 1995. Melzer-Keller, Helga, Jesus und die Frauen, HBS 14, Freiburg 1997. Neyrey, Jerome H., The Social World of Luke-Acts. Models for Interpretation, Peabody / Mass. 1991. Schart, Aaron, Die »Gestalt« YHWHs. Ein Beitrag zur Körpermetaphorik alttestamentlicher Rede von Gott, ThZ 55 (1999), 26-43. Schroer, Silvia / Staubli, Thomas, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 2 2005. Walter, Matthias, Gemeinde als Leib Christi. Untersuchungen zum Corpus Paulinum und zu den »Apostolischen Vätern«, NTOA 49, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 2001. Wolff, Hans Walter, Anthropologie des Alten Testaments, München 7 2002.

Margareta Gruber / Andreas Michel

Körperpflege 1. Altes Testament Spiegel aus Bronze mit polierter Oberfläche, Schminkpaletten aus Diorit, eine Werkstatt zur Parfümherstellung in En-Gedi, Geräte zum Drehen von Locken in Tall al-3Au ¯l (bei Gaza) und Gezer – die Palästina-Archäologie hat viele Zeugnisse für eine entwickelte Kultur der Körperpflege bereits im eisenzeitlichen Israel zutage befördert. Auch im Alten Testament kommt Körperpflege

an einigen Stellen vor. Abgesehen von hygienischen Aspekten wird sie hier als Mittel sozialer Interaktion erwähnt, wobei nicht nur zwischenmenschliche, sondern auch religiöse Zusammenhänge gemeint sind. Der Beruf des Salbenmischens wird in 1 Sam 8, 13 und Neh 3, 8 genannt (vgl. 1 Chr 9, 30). Das Einreiben mit Öl ist ein wichtiges Detail (Dtn 28, 40; Ez 16, 9; Mi 6,15; Dan 10, 3) (3 Öl / Salbe). Von Isebel wird erzählt, dass sie sich vor der Begegnung mit dem Usurpator Jehu schminkt und zurechtmacht (2 Kön 9, 30). Ähnlich soll sich Ruth auf Anraten Naomis vor der Begegnung mit Boas pflegen (Rut 3, 3; vgl. Ez 23, 40). In 2 Chr 28, 15 ist von einer mildtätigen Salbung von Kriegsgefangenen die Rede. An vielen Stellen im Hohenlied wird die betörende Kraft von Düften und Salben beschrieben (Hld 1, 3.12-14; 4, 6.10.14; 5, 13 u. ö.). Die Balsamierung von Leichen wird nur in Bezug auf Jakob und Josef erzählt (Gen 50, 2.26). In priesterlichen Texten dienen Vorschriften zur Haartracht der äußeren Unterscheidung zwischen Priestern, reinen und unreinen Laien (Lev 10, 6; 13, 45; 14, 8; 19, 17; 21, 5.10). Außerdem werden in Ex 30, 22-38 wertvolles Salböl und wertvolle Duftstoffe auf den Gebrauch im Heiligtum begrenzt, profaner Gebrauch ausdrücklich verboten. Viele Kosmetika bestanden aus kostbaren Zutaten, die zum Teil importiert werden mussten. Sie waren entsprechend teuer und nur einer Oberschicht erschwinglich. Insofern existiert auch eine Linie prophetischer Kritik am Gebrauch von Kosmetika (vgl. Am 6, 6; Jes 3, 16 ff.; 57, 9). Die Rekrutierung von Frauen des Volkes u. a. für die Salbenherstellung wird als eine negative Folge der Installation des Königtums in Israel gesehen (1 Sam 8, 13). Ein rituell wichtiges Element von Körperpflege waren Waschungen. Sie dienen etwa als »rites de passage« im Trauerfall (bei Tod eines Angehörigen: 2 Sam 12, 20; 14, 2). Die Ermöglichung von Fußwaschungen gilt als Inbegriff von Gastlichkeit (Gen 18, 4; 19, 2; 24, 32; 43, 24; Ri 19, 21; 2 Sam 11, 8). Hld 5, 3 ist vielleicht ein Beleg für die Sitte abendlicher Fußwaschung. Vereinzelt fungiert

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Kosmosvorstellungen

Fußwaschung an anderen Menschen als diplomatische Niedrigkeitsgeste (1 Sam 25, 41). Waschung der Hände wird hingegen mit Bewältigung von Schuld verbunden (Dtn 21, 6; Ps 26, 6; 73, 13, vgl. Jes 1, 6; 4, 4). Waschung ist ansonsten als Übergangsritus nach verschiedenen Unreinheitsformen (vgl. 2 Sam 11, 2; Lev 15, 6 f.; 17, 15 f. u. ö.; vgl. Ez 16, 4.9) sowie für Übergänge bei diversen Priesterverrichtungen im Heiligtum (Ex 30, 18 f. u. ö.) vorgeschrieben. Rituelle Waschung ist ein wichtiges Thema in den priesterlichen Texten des Pentateuches, während sie sonst nur vereinzelt Erwähnung findet (2 Sam 14, 2). Dieser textliche Befund konvergiert mit dem archäologischen, wonach Ritualbäder (Mikwen) in Palästina vermehrt erst für die Zeit des Zweiten Tempels nachzuweisen sind. 2. Neues Testament Das biblische Menschenbild kennt keine Unterscheidung von Körper einerseits und Seele oder Geist andererseits. Bester Beleg dafür ist, dass die Auferstehung als zentrales Kerygma des Christentums im Neuen Testament nie als Loslösung der Seele oder des Geistes vom Körper verstanden wird. Voraussetzung des Verhältnisses zum eigenen Körper ist vielmehr in den neutestamentlichen Texten durchgehend, dass die Erlösung des eigenen Leibes von der Vergänglichkeit erwartet wird (Röm 8, 26 f.) und dass also die Auferstehung Jesu und der Glaubenden sich gerade in leiblicher Form vollzieht (vgl. Mk 16, 8 ff.; Mt 28; Lk 24; Joh 20 f.; 1 Kor 15, 44 usw.). Einerseits wird damit einer übertriebenen Sorge um und Beschäftigung mit dem eigenen Körper gewehrt (vgl. Mt 6, 25 ff.). Andererseits bewirkt die Erwartung der leiblichen Auferstehung eine Aufmerksamkeit für die eigene Leiblichkeit und die Pflege des eigenen Körpers. Jesus lässt sich trotz Widerspruches mit teuren Ölen pflegen (vgl. Mk 14, 3 ff. mit Parallelen, dort teilweise auf die Totensalbung bezogen) und weiß regelmäßig Essen und Trinken zu genießen. Die Glaubenden sollen, auch wenn sie fasten, angemessene Körperpflege betreiben (Mt 6, 17 f.). Die gebotene Körperpflege beinhaltet Hygiene

(d. h. vor allem regelmäßiges Waschen), auch Kosmetik (d. h. Verwendung von Salben), aber keinen übertriebenen Schmuck (vgl. 1 Tim 2, 9 f.) (3 Schmuck). Man soll auch den Körper (des Partners bzw.) der Partnerin pflegen (Eph 5, 25 ff. mit der christologischen Begründung, dass Christus auch die Gemeinde in dieser Weise pflege). Die Fußwaschung Jesu in Joh 13 hat sicherlich auch eine hohe symbolische Vorbildfunktion im Sinne der dienstbaren Haltung gegenüber Glaubensgeschwistern, dies schließt aber den materiellen Aspekt der gegenseitigen Körperpflege und durchaus auch des Verwöhnens mit ein. Reich, Ronny, Miqwa3ot. Jewish Ritual Immersion Baths in Eretz-Israel in the Second Temple and Mishnah and Talmud Periods, Jerusalem 1990. Staubli, Thomas, Art. Waschung, NBL III, 2001, 1059-1061. Weippert, Helga, Art. Haartracht, BRL2 , 1979, 129-131. Winter, Urs, Art. Kosmetik, NBL II H-N, 1995, 538-540. Ders., Art. Schminke, NBL III O-Z, 2001, 494-495.

Andreas Ruwe / Dierk Starnitzke

Kosmosvorstellungen Der Kosmos (das griechische Wort kosmos bedeutet Schmuck, bezeichnet aber auch die geordnete Welt) ist in der Wahrnehmung und Deutung einer Kultur und Religion die (schön) geordnete Welt, die in altorientalischen und biblischen Symbolsystemen in Himmel, Erde und Unterwelt bzw. Himmel, Erde und Meer eingeteilt ist (3 Weltbild). Der Kosmos ist von den Göttern erschaffen; Mythen erzählen davon und Rituale dienen dazu, die Welt und ihre Ordnungen zu erhalten und zu erneuern. 3 Naturerfahrung und ihre Deutung und dabei besonders die Beobachtung der Gestirne (3 Astrologie / Astronomie) prägen 3 Raum- und 3 Zeitvorstellungen, aber auch gesellschaftliche Strukturen. So ist es in altorientalischen Religionen die Aufgabe des Königs, feindlichen Mächten zu wehren, die Weltordnung in gerechter Herrschaft zu bewahren

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Kosmosvorstellungen

und so den Kosmos zu stabilisieren. Wo Unrecht herrscht, steht die Ordnung der ganzen Welt auf dem Spiel. Das wird in eindrucksvoller Weise in Ps 82 zum Thema: Wenn die Götter den Armen nicht zum Recht verhelfen, wanken die Fundamente der Erde (V. 5) – Gerechtigkeit ist eine buchstäblich fundamentaltheologische Frage! Im biblischen Hebräisch gibt es keinen abstrakten Begriff für das Weltall, wohl aber Vorstufen (Wyrwa 618 f.), z. B. die Formulierung: Himmel, Erde und was unter der Erde ist (Ex 20,4 u. ö.), kol oder hakkol (das Ganze, Jes 44,24; Jer 10,16, Koh 1,2; Ps 103,19); später wird auch das Wort 2¯ola¯m (etwa: Weltzeit) in diesem Sinne gebraucht. In rabbinischer Literatur gibt es die Unterscheidung zwischen dieser Welt (2¯ola¯m hazæ) und der kommenden Welt (2¯ola¯m habba¯ 3). In der griechischen Septuaginta wird das Wort kosmos in der Übersetzung hebräischer Texte u. a. als Wiedergabe von »Schmuck« gebraucht, in von vornherein griechisch konzipierten Schriften (Weisheit; Makkabäer) dann aber im Sinne von Welt(all). Dieser Sprachgebrauch findet sich durchgehend auch im Neuen Testament (kosmos im Sinne von Schmuck [von Frauen] nur in 1 Petr 3,3). Nach biblischer Auffassung hat diese Welt einen Anfang, und so ist auch der Grund dafür gelegt, dass sie auch ein Ende hat. In der Auffassung von der Schöpfung und damit auch der Ordnung dessen, was ist und wie es ist, zeigen sich im Alten Testament unterschiedliche Konturen. Ist sie nach Gen 1 das wohlgeordnete Werk eines souveränen Schöpfergottes, so zeigt etwa Ps 104 deutlicher die Konflikte in der Welt und vollends in den Gottesreden des Hiobbuches (Hi 38 ff.) kommt zum Ausdruck, dass die von Gott erschaffene bunte Welt keine heile Welt ist, sondern eine Welt, in der widerstreitende Interessen ihren Ort und ihr Recht haben und die dennoch keine chaotische Welt ist. Vielmehr vermag allein Gott dafür zu sorgen, dass das Chaos nicht herrscht. Ähnlich differenziert sind die Aussagen über die Weisheit (hokma¯h) als vitales kosmolo˙ gisches Prinzip und als Möglichkeit der Erkenntnis der kosmischen Ordnung. Ist die Weisheit in

Spr 8 Welt und Menschen zugewandt, so ist sie nach Hi 28 verborgen und unzugänglich und in der Skepsis Kohelets (Koh 1,2 u. ö.) ist das Ganze (hakkol) Windhauch, absurd (hævæl). Das Neue Testament entwickelt kaum eigene kosmologische Vorstellungen, sondern folgt dem Alten Testament und der frühjüdischen Literatur, aber auch antiken Deutungsmustern (z. B. der sublunaren Sphäre, Eph 2,2). In seiner theologischen Sicht ist der kosmos die unter dem Gericht stehende Struktur dieser Welt und ihrer Gesetze und Mächte. Der Kosmos steht im Gegensatz zu Gott (2 Kor 7,10; 1 Joh 4,4 ff.) und ist daher zum Vergehen verurteilt. »Und die mit der Welt (kosmos) umgehen, sollen so leben, als gingen sie in ihr nicht auf. Denn die Gestalt der Welt (schema tou kosmou) geht vorüber« (1 Kor 7,31). Die Gewissheit, dass die herrschenden Verhältnisse nicht die auf ewig herrschenden sind, kann die Glaubenden ermutigen: »In der Welt (kosmos) werdet ihr bedrängt, doch ich habe die Welt besiegt« (Joh 16,33). »Der Fürst dieser Welt« (Joh 12,31; 16,11; vgl. 14,30 und 2 Kor 4,4), in dem sich der Teufel und als seine reale Gestalt der römische Kaiser manifestiert (vgl. Offb 12 f.), herrscht nicht auf ewig (der Satan fällt vom Himmel, Lk 10,18). Doch hat der Untergang dieser Welt (3 Apokalyptik) nicht das letzte Wort. Erwartet wird vielmehr eine Neuschöpfung (für die das Neue Testament allerdings nie das Wort kosmos gebraucht). Assmann, Jan, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa, München u. a. 2000. Ebach, Jürgen, Art. Anthropogonie / Kosmogonie, HrwG I, 1988, 476-491. Hübner, Jürgen u. a. (Hg.), Theologie und Kosmologie, Tübingen 2004. Keel, Othmar / Schroer, Silvia, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen / Freiburg / Schweiz 2002. Wyrwa, Dietmar, Art. Kosmos, RAC XXI, 2005, 614-761.

Jürgen Ebach

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Krankheit / Heilung

Krankheit / Heilung 1. Allgemeines Krankheit und Heilung sind anthropologische Konstanten, differieren aber, was ihre diagnostische und therapeutische Wahrnehmung, ihre soziale Bedeutung und religiöse Qualität angeht, in antiken und modernen Gesellschaften u. U. erheblich. Insofern stellt sich die Frage nach Krankheits- und Heilungskonzepten im Alten Testament. Obwohl Krankheit und Heilung in der Hebräischen Bibel grundsätzlich im engen Zusammenhang mit dem Glauben an JHWH, den Gott Israels, thematisiert werden, ist es unangemessen, die relevanten Texte mit pauschalen theologischen Vorannahmen zu befrachten (z. B.: »Krankheit gilt im Alten Testament entweder als dämonisch oder durch den strafenden Gott verursacht.« Oder: »Das vorauszusetzende Heilungsmonopol JHWHs wirkte sich beeinträchtigend auf die Entwicklung der profanen Medizin im alten Israel aus.«). Für jeden biblischen Text, in dem es um Krankheit oder Heilung geht, ist zunächst einmal induktiv nach der in ihm verfolgten Darstellungshinsicht zu fragen. Neben medizinischen und theologischen sind dabei auch soziale und institutionelle Aspekte zu berücksichtigen. Archäologische oder inschriftliche Zeugnisse zu Krankheit und Heilung im Alten Israel sind kaum bekannt, was aber nicht zu voreiligen Schlüssen führen darf. Sowohl für die alten Kulturen in Vorderasien als auch für das Alte Ägypten existieren zahlreiche Originalzeugnisse über physiologisch orientiertes medizinisches Wissen auf der einen Seite und über Anwendung von religiösen Ritualen und Beschwörungen im Krankheitsfall auf der anderen. Konvergenz oder Parallelität von naturkundlichem und religiösem Umgang mit Krankheit und Heilung ist für die Hochkulturen charakteristisch (vgl. Hrouda 260 f.; Eggebrecht 388-393). Es ist nicht anzunehmen, dass Syrien-Palästina als Transferregion zwischen den Zentren des »fruchtbaren Halbmondes« grundsätzlich von den Verhältnissen in den Zentren auszunehmen ist, wobei die religiösen Besonderheiten Israels (Monolatrie, Mono-

theismus) wie auch geopolitische und soziale Differenzierungen (Peripherie – Zentrum, arm – reich) zu berücksichtigen sind. 2. Krankheit im Alten Testament Im Alten Testament wird Krankheit sowohl als individuelles (vgl. 2 Kön 4,19 f.31-35) wie als kollektives Phänomen der Seuche (z. B. dæbær »Pest«, vgl. 2 Sam 24, 10-17) erwähnt. In einigen Belegen werden bestimmte Seuchen mit Ägypten in Verbindung gebracht (Dtn 7, 15; 28, 27.60; Am 4,10). Daneben ist die metaphorische Verwendung von Krankheitsterminologie breit belegt, etwa in der Anwendung auf ein gestörtes Verhältnis Israels / Judas zu JHWH in prophetischen Texten (vgl. Hos 5, 13; Jes 1, 5 f.; 30, 12 f.). Neben Allgemeinbegriffen für »Krankheit« (hålı¯; mad˙ wæ¯h, mahalæ¯h) kommen solche Begriffe vor, die ˙ spezifische Krankheitsbilder zu bezeichnen scheinen (z. B. »Geschwür, Entzündung« ˇseh¯n, ı ˙ vgl. Hi 2, 7). Diese sind nicht mit modernen diagnostischen Bezeichnungen zu verwechseln. Nicht wenige dieser Begriffe entstammen alten Fluchtraditionen (vgl. 2 Sam 3, 29 mit Lev 22, 4; Num 5, 2). Es handelt sich somit um besondere Krankheiten, deren Bedrohungspotential nicht nur im konkreten physiologischen Ergehen liegt, sondern durch die Schrecknisse der Fluchtradition verstärkt wird, die bestimmte Krankheiten als Folge von gesellschaftlicher oder persönlicher Verfehlung thematisiert, mit begleitenden Unheilsformen verknüpft und so extrem erwartungsbildend wirkt (vgl. Lev 26; Dtn 28; 29). Ein weiterer Allgemeinbegriff für Krankheit ergibt sich aus der Wurzel dwj, die u. a. auch den Aspekt der Traurigkeit (»Krankheit des Herzens«, Jes 1, 5; Jer 8, 18; Klgl 5,17), als Verb und Adjektiv auch Menstruation (Lev 12, 2; 15, 33; 20, 18) ausdrücken kann. Häufig werden Hautkrankheiten (Dtn 28, 21-27; 1 Sam 5, 6.9.12; 2 Kön 5, 7; Jes 38, 21; Hi 2, 7) erwähnt. Unfruchtbarkeit (Gen 11, 30; 25, 21; 29, 31; Ri 13, 2; 1 Sam 2, 5; Jes 54, 1), deren soziale Folgen in Hi 24, 21 und Ps 113, 9 angedeutet sind, und Tod einer Mutter bei Geburt (Gen 35,17; 1 Sam 4, 19-21) spielen ebenfalls eine Rolle. In Spr 17, 22 und 18, 14 kommen Erfahrungen über

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psychosomatische Zusammenhänge sowie das Ideal der tapferen Erduldung von Krankheiten zur Sprache. In einigen Psalmen, die die Krankheitsthematik ansprechen, wird neben somatischen Aspekten besonders soziale Isolation als wesentlicher Bestandteil der Krankheitserfahrung erwähnt (Ps 38; 41). Ferner wird bekenntnishaft ein Zusammenhang von Krankheit und Verfehlung hergestellt (Ps 38, 4.19; 41, 5; vgl. auch 2 Sam 12,15; Jer 30, 15). Dämonen mögen als Ursache für Krankheiten verstanden worden sein. Allerdings werden Dämonen im Alten Testament vergleichsweise selten erwähnt. In einigen Erzähltexten, die Krankheit bei Königen erwähnen (1 Kön 14, 1 ff.; 1 Kön 15, 23; 2 Kön 1, 2 ff.; 8, 8 ff., 20,1 ff. / Jes 38,1 ff.), stehen nicht Genese und Verlauf des Leidens, sondern die Frage des religiösen Verhaltens des jeweiligen Königs vor oder in Folge der Erkrankung im Vordergrund. Ähnliches gilt auch für die Hioberzählung. Hiob wird vom »Satan« mit einer schlimmen, an anderer Stelle als Fluchfolge geltenden Hautkrankheit geschlagen (Hi 2, 7, vgl. Dtn 28, 27), obwohl er redlich und gottesfürchtig ist. Im Rahmen traditionaler Erwartungsnormierung unterstellen die Freunde Hiobs, dass sich Hiob verfehlt habe (vgl. etwa Hi 4, 7). Ein Zusammenhang von Krankheit und Strafe Gottes als Ursache wird in diesen Erzählungen jedoch nicht hergestellt. In der Hioberzählung wird er sogar bestritten. Auch das berühmte vierte Lied über den Gottesknecht (Jes 52,13-53, 12), dessen Leiden wesentlich durch gesellschaftliche Verachtung infolge krankheitsbedingter, extrem unansehnlicher äußerer Erscheinung bestimmt ist (vgl. Jes 53, 3-5.10), widerspricht standardisierten Erwartungen, wonach Krankheit die Folge persönlicher Schuld und eine Strafe Gottes sei. 3. Heilung im Alten Testament a) Der Berufstand der Ärzte war im Alten Orient und Ägypten bekannt. Im Codex Hammurabi etwa finden sich Bestimmungen zur Bezahlung von Ärzten sowie zur Haftung bei Behandlungsfehlern (§ 215-224; vgl. Hetitische Gesetze, § 10+IX). Auch im Alten Testament werden Ärzte

erwähnt (rofe3 h¯obe¯ˇs, Gen 50, 2; Jes 3, 7; Jer 8, 22; Hi ˙ 13, 4). Ein bei einer Grabung in Jerusalem gefundener Siegelabdruck (Bulle) eines gewissen tobsˇillem ben zakar, der wohl ins 7. Jh. v. Chr. zu datieren ist, zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Berufsbezeichnung »der Arzt« (WSS 177, Nr. 420). Wie Ärzte im eisenzeitlichen Israel gearbeitet haben, welche gesellschaftliche Stellung sie hatten und in welchem Verhältnis sie zu den Institutionen und Konzepten primärer JHWHReligion standen, ist im einzelnen nicht bekannt. Ex 21, 18 f. dokumentiert andeutungsweise finanzielle Hintergründe bei Behandlungen. In 2 Chr 16, 12 wird als relecture von 1 Kön 15, 23 erzählt, dass der Südreichskönig Asa wegen eines Leidens »bei den Heilenden / Ärzten« Hilfe suchte und nicht bei JHWH. Hier tritt möglicherweise für spätere Zeit ein Gegensatz zwischen der Heilungskompetenz JHWHs und der der Ärzte zutage. Andere Deutungen von 2 Chr 16, 12 sind aber nicht auszuschließen. In Sir 38, 1-15 wird vielleicht im Gegenzug dazu aufgefordert, Heilkundige (hiatros und myrepsos) und Arzneimischungen (meigma) als Gottes Schöpfungen zu begreifen. b) Heilmittel. Für den Alten Orient und das Alte Ägypten sind medizinische Gegenstände sowie Literatur zu Behandlungsformen und Heilmitteln gefunden worden. In Mesopotamien hatten Listen über Ingredienzien (uruanna-Texte) eine lange Tradition. Auch im Alten Testament gibt es Spuren von Heilmittelkunde. Z. B. wurden Öl (sˇæmæn, Jes 1, 6) und Balsamharz (s¯orı¯, Jer 8, 22) ˙ (Jer 51, 8). heilende Wirkungen zugeschrieben Vereinzelt wird auch die Feige im Heilungskontext erwähnt (2 Kön 20, 7 / Jes 38, 21; vgl. 1 Sam 20, 13). Bekannt war das Ostjordanland (Gilead) als Exportland von (Heil-)Pflanzen, besonders nach Ägypten (Gen 37, 25; Jer 8, 22; 46,11). c) Priester werden in alttestamentlichen Texten nicht als Heiler im engeren Sinn verstanden. Sie haben diagnostische Aufgaben für den eingeschränkten Bereich bestimmter Hautkrankheiten und Oberflächenanomalien (Dtn 24, 8; Lev 13 f.) sowie bestimmter Erkrankungen an den Sexualorganen (Lev 15). Dabei handelt es sich im We-

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sentlichen um solche Krankheitsformen, die als Fluchfolgen religiös besonders negativ kodiert waren. Außerdem sollen Priester im Falle von Gesundung bei derartigen Krankheiten sowie nach Geburten Reinigungsriten durchführen. Hinter den in Lev 12-15 formulierten Aufgaben der Priester im Heilungskontext stehen besondere religiöse und kosmologische Erfordernisse, die keineswegs auf Krankheit im Allgemeinen zu übertragen sind; rituelle Reinigung durch Priester ist im Alten Testament kein Grundmodus von Heilung (3 Reinheit / Unreinheit). d) Einige Propheten werden in alttestamentlichen Erzählungen erwähnt, in denen Heilungen vorkommen, insbesondere Jesaja, Elija und Elischa (vgl. außerdem z. B. noch 1 Kön 13, 1-6). Totenauferweckungen werden von Elija (1 Kön 17, 17-24) und Elischa (2 Kön 4) erzählt. Elischa ist zudem maßgeblich an der Befreiung Naamans von seiner Hautkrankheit beteiligt (2 Kön 5). Jesaja agiert im Zusammenhang der Heilung des Königs Hiskija, wobei die Funktion des Einsatzes von Feigen (2 Kön 20, 7) bei gleichzeitigem Gebet und Buße des Königs unklar ist. Die Heilungsaktionen von Propheten stehen vermutlich im Zusammenhang mit dem Bemühen um Legitimation und Geltung als Prophet, wobei das Zusammenwirken von Prophet, JHWH und dem bzw. den Betroffenen im Einzelfall sehr unterschiedlich strukturiert sein kann. e) Aspekte von Volksreligion. Im Alten Testament gibt es Spuren der Vorstellung, dass Könige heilen. In 2 Kön 5 wird ein Brief eines aramäischen Königs an den König Israels erwähnt (2 Kön 5, 5 ff.), in dem letzterer aufgefordert wird, Naaman von seiner Hautkrankheit zu befreien, was aber als unmöglich abgelehnt wird. Ähnlich findet sich in Hos 5, 13 eine Kritik am Nordreich (Efraim), zum Großkönig nach Assur mit der Erwartung von Heilung (rp3) gegangen zu sein. Möglich ist, dass es sich in diesen beiden Texten um Metaphorisierungen handelt. Vielleicht wurzeln diese Texte aber auch in altorientalischer Königsideologie; Heilung wäre dann eine Spezialform grundsätzlicher Heilserwartung an den König. Im Zusammenhang von Ge-

sundheit und persönlicher Integrität sind schließlich die vielen ägyptisierenden oder ägyptischen Amulette zu nennen, die in Ausgrabungen in Israel gefunden wurden (häufige Motive: Bes-Darstellungen und Udjat-Auge). Als interessante Mischung aus Elementen von Volksfrömmigkeit und primärer Religion kommen die in einem Grab in Ketef Hinnom gefundenen Silberlamellen in Betracht, die wohl als Amulette dienten (Jerusalem, evtl. 6./7. Jh. v. Chr., vielleicht jünger). Sie bieten Texte, die unter Bezug auf solare theologische Motive und Zitation von Num 6, 24-26 auf Selbstvergewisserung hinsichtlich der Hilfe JHWHs zielen. f) Theologische Motive. Gott gilt in Schlüsseltexten des Alten Testament als Heilender. In Ex 15, 26 ergeht in Umkehrung von Motiven der Fluchtradition die Zusage, dass JHWH das Volk Israel alle schlimme Krankheiten, die Ägypten getroffen haben, nicht treffen lassen werde, wenn es seine Gebote und alle Rechtsatzungen halte (vgl. Ex 23, 25 f.), was mit der Aussage begründet wird, dass JHWH für Israel ein Heilender sei. Ebenso wird in bestimmten hymnischen Texten bekenntnishaft zum Ausdruck gebracht, dass Gott heilt. Zu erwähnen sind besonders der Lobgesang der Hanna (1 Sam 2, 6) und das Moselied (Dtn 32, 39). In beiden Texten verbindet sich das Wissen um Gottes Einzigkeit (monolatrisch gedacht?) mit der Erfahrung, dass Gott eherne Verhältnisse grundstürzend verändert. 4. Neutestamentliche Aspekte von Krankheit und Heilung In den griechischen Texten fungieren astheneia oder nosos als Hauptbegriffe für Krankheit und hauptsächlich therapeuein oder hiasthai für das Heilen von Krankheit. Der Kranke kann auch noch als arrostos bezeichnet werden. In den Pastoralbriefen findet sich ein eher pragmatischer Umgang mit Fragen der Krankheit. Dem literarischen Timotheus wird geraten, wegen eines Magenleidens und zahlreicher anderer Krankheiten (astheneiai) regelmäßig Wein zu trinken (1 Tim 5, 23). Laut 2 Tim 4, 20 lässt der literarische Paulus seinen Mitarbeiter Trophimus in Milet zurück,

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weil er wegen einer Krankheit nicht mit Paulus weiterreisen konnte. Hier ist kein theologisches, sondern ein rein medizinisches Krankheitsverständnis vorausgesetzt. Es kann aber auch im Neuen Testament zunächst an Vorstellungen angeknüpft werden, die Krankheit als Zeichen der Verfehlung und Gottesferne und damit als Strafe Gottes verstehen. So fragen die Jünger in Joh 9, 2 Jesus: »Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?« Gegenüber dieser Weltsicht, die Krankheit und Sünde in direkte Verbindung bringt, wird dann aber Krankheit positiv als Möglichkeit verstanden, durch die sich die Wirksamkeit Gottes zeigen kann. So antwortet Jesus in Joh 9, 3: »Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden.« In Mk 2, 1-11 wird ebenfalls mit der Differenzierung zwischen Sünde und Krankheit gearbeitet. Anstatt den Gelähmten zu heilen, vergibt ihm Jesus zunächst die Sünden, um ihn dann auf die kritische Frage nach der Vollmacht zur Sündenvergebung hin auch von seiner Lähmung zu heilen. Krankheit ist also in neutestamentlicher Sicht keine Folge individueller Sünde, sondern von ihr unabhängig. a) Psychisch-geistige Erkrankungen und Dämonen. In den Synoptikern können Heilungen körperlicher Krankheiten und Dämonenaustreibungen unterschieden werden. Physische Krankheiten sind also in der Regel nicht durch Dämonen bewirkt, sondern können auch ein eigenes Problemfeld bilden (als Gegenbeispiel vgl. jedoch Lk 13, 11). Mit der Wirksamkeit eines Dämonen oder »unreinen Geistes« werden oft Phänomene verbunden, die man heute als psychische Krankheiten auffassen würde (vgl. Mk 1, 21 ff.; 5, 1 ff.). Dabei wohnt nicht der unreine Geist in dem Menschen, sondern der Mensch wohnt in dem Geist (vgl. Vouga 40 f.), der gelegentlich auch im Plural beschrieben werden kann (vgl. Mk 1, 24; 5, 9). Die Befreiung von dem Geist und damit gewissermaßen die Heilung von der psychischen Krankheit besteht darin, dass Jesus ihn dazu

bringt, sich aus dem Menschen zurückzuziehen bzw. den Menschen aus seiner Sphäre zu entlassen. Der Mensch erhält damit sein Bewusstsein von sich selbst, seine Identität, seine Selbständigkeit zurück oder erstmals geschenkt. Er wird dadurch auch (wieder) in soziale Zusammenhänge integriert (Mk 5, 19a: »Geh in dein Haus zu den Deinen.«) Die Befreiung vom Geist bzw. die Heilung zielt auf die Verbreitung der frohen Botschaft durch die Geheilten (Mk 5, 19b). Auch Krankheiten, die physische Ursachen haben, aber psychisch-geistige Effekte zeigen, können der Wirksamkeit von Dämonen zugerechnet werden, wie z. B. Epilepsie (Mk 9, 14 ff. mit Parallelen). Jesus bedroht dann den unreinen Geist, damit die Heilung geschehen kann (Mk 9, 25 ff.). b) Die Heilung körperlicher Krankheiten. In den Evangelien und der Apostelgeschichte finden sich summarische Notizen über die Heilung vieler Krankheiten durch Jesus oder die Jünger. Die Fähigkeit zur Heilung von Krankheiten geht etwa nach Markus von Jesus auf seine Anhänger über (z. B. auf die Zwölf Mk 6, 13). Die Zwölf und außerdem Paulus besitzen auch laut Apostelgeschichte die Fähigkeit, Kranke zu heilen (z. B. Apg 28, 8 f.). Bei den Heilungen muss man die einzelnen neutestamentlichen Traditionen unterscheiden: Die Krankenheilungen Jesu im Markusevangelium, die von Matthäus und Lukas fast vollständig übernommen werden, sind häufig mit seiner Verkündigung der Herrschaft Gottes verbunden, so dass sich die Nähe und Wirksamkeit dieser Herrschaft (Mk 1, 14 f.) bereits in Jesu Heilungen erweist. Auffällig ist dabei, dass von Jesus meistens chronische Krankheiten geheilt werden (eine Ausnahme bildet z. B. die Heilung der Schwiegermutter des Petrus in Mk 1, 29 ff. mit Parallelen). Thematisiert wird also Krankheit oft nicht als punktuelles Ereignis akuter Erkrankung, sondern als das Leben bestimmende Grundbefindlichkeit. Zahlreiche Heilungen Jesu sind mit bestimmten Gesten verbunden. So legt er den Kranken die Hand auf, berührt sie oder richtet sie auf. In Mk 7, 31 ff. und 8, 22 ff. berührt er die bei dem Taubstummen und dem Blinden

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zu heilenden Stellen und verwendet zur Heilung seinen Speichel. Vielleicht sind genau aufgrund dieser eigentümlichen Handlung die beiden Texte in Matthäus- und Lukasevangelium ausgelassen worden. Ein wichtiger Aspekt in manchen Heilungsgeschichten ist der Glaube bzw. das Vertrauen (pistis). Der Glaube der an Blutungen leidenden Frau in Mk 5, 25 ff. bewirkt, dass sie von ihrem Blutfluss geheilt wird. Dabei geht durch die Berührung der Kleidung Jesu eine heilende Kraft von Jesus aus (vgl. auch Mk 6, 56), die nach Mk von ihm nicht kontrolliert, sondern nur wahrgenommen werden kann. Jesus interpretiert dann das Geschehen mit den Worten: »Deine pistis hat dich geheilt.« Aber auch die pistis der Angehörigen (vgl. Mk 9, 24) und anderer nicht näher Charakterisierter kann Heilung bewirken (Mk 2, 5). Umgekehrt kann die fehlende Akzeptanz der Person Jesu auch bewirken, dass unter diesen Bedingungen seine Fähigkeit zu heilen eingeschränkt ist (vgl. Mk 6, 5). Einmütig wird in den Evangelien berichtet, dass von Jesus auch am Sabbat geheilt wurde (vgl. z. B. Mk 3,1-6). In den Traditionen der Spruchquelle Q zeigt sich durch Jesu Heilung von Krankheiten, dass er der ist, auf den Johannes wartet (Lk 7, 22 und Mt 11, 3). In der Aussendungsrede wird diese Fähigkeit zu heilen an die Jünger weitergegeben und in unmittelbare Verbindung mit der Verkündigung des Gottesreiches gestellt (Lk 10, 9 und Mt 10, 7 f.). In der lukanischen Fassung wird dabei das Heilen vor der Verkündigung genannt. Im Matthäusevangelium erfüllen sich durch die Krankenheilungen Jesu alttestamentliche Verheißungen. So werden im Anschluss an eine summarische Notiz über Jesu Heilungen in Mt 8, 17 diese mit einem so genannten Erfüllungszitat aus Jes 53, 4 interpretiert: »Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten.« Astheneia und nosos finden sich hier zusammen. Das Zitat meint an dieser Stelle nicht das auf sich Nehmen der Leiden der Menschen durch Christus, sondern die Befreiung von Krankheit und Leid durch die Heilungen Jesu. Mt geht es aber nicht nur um das Heilen von

Krankheiten, sondern auch darum, Kranke zu besuchen und damit nicht sich selbst zu überlassen (Mt 25, 36). Diese Sorge für die Kranken steht unter der Verheißung, dass darin zugleich Christus begegnet werden kann (Mt 25, 40). Krankheit erscheint im lukanischen Doppelwerk (Lk und Apg) neben den schon genannten Aspekten auch als Isolation von sozialen Zusammenhängen in der Perspektive kultischer Unreinheit. Jesu Heilung der zehn Hautkranken vollzieht sich, als er sie zu den Priestern schickt, damit ihre Reinheit festgestellt werden soll (Lk 17, 14; vgl. Lev 14, 2 ff.). Es findet sich bei Lk auch die Vorstellung, dass der Mensch eine Krankheit hat und diese direkt angesprochen werden kann. So fährt Jesus in 4, 39 das Fieber an und befiehlt ihm, zu weichen, woraufhin die Schwiegermutter des Petrus geheilt wird. Im Johannesevangelium werden Heilungen Jesu als Zeichen (semeia) interpretiert, durch die das Volk Jesus nachfolgt (Joh 6, 2). Die semeia haben insgesamt den Sinn, den Glauben an Jesus als Christus und Sohn Gottes zu wecken, damit die Glaubenden dadurch das Leben finden können (Joh 20, 31). c) Krankheit und Heilung in Bezug auf die Glaubensgemeinschaft. Die Heilung durch Jesus führt die Kranken zurück in ihre sozialen Zusammenhänge (Mk 5,19 f. mit Parallelen) sowie in die jüdische Kultgemeinschaft (Lk 17, 11 ff.). Die Befreiung der Tochter einer Frau aus dem Gebiet von Tyrus von ihrem unreinen Geist scheint zunächst daran zu scheitern, dass diese keine Jüdin ist (Mk 7, 24 ff. und Mt 15, 21 ff.). Ihre Heilung als Konsequenz des Dialoges zwischen der Frau und Jesus signalisiert dann, dass Jesu Heilungswirken sich auch über die Juden hinaus an die Nichtjuden richtet. Ein ekklesiologisch bezogenes Krankheitsverständnis findet sich in 1 Kor 11, 30. Hier werden Krankheit und Tod mit einer unwürdigen Feier des Abendmahles in Verbindung gebracht, wie Paulus sie in der korinthischen Gemeinde wahrnimmt. »Deshalb sind unter euch viele Schwache (astheneis) und Kranke (arrostoi) und einige gestorben.« Hier ist offenbar die Abendmahlsgemeinschaft der Gemeinde selbst

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als Leib Christi vorgestellt (vgl. 1 Kor 10,16), so dass an diesem Leib einige Glieder durch einen problematischen Vollzug des Abendmahles erkranken können. In Jak 5,14 ff. findet sich demgegenüber die Praxis, dass es ein gemeindliches Gebet für die Kranken gibt und dass dabei die Presbyter eine bedeutende Funktion haben. d) Krankheit als Offenheit für das Wirken Christi. Der in den authentischen Paulusbriefen zentrale Begriff für Krankheit ist astheneia. Hier bildet die astheneia die zentrale Wirkmöglichkeit Christi. Paulus ist wahrscheinlich über längere Zeit selbst krank gewesen. Entweder handelte es sich um Epilepsie (vgl. 2 Kor 12, 7) oder um eine Augenkrankheit (vgl. Gal 4, 15: »Ich bezeuge euch, dass ihr, wenn möglich, eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet« und 6,11: »Seht, mit welch großen Buchstaben ich euch mit meiner Hand schreibe«). Nicht zuletzt diese Krankheit ließ ihn bei persönlichen Besuchen hilfsbedürftig erscheinen (vgl. Gal 4, 13: »Ihr wisst, dass ich euch durch die astheneia des Fleisches beim ersten Mal das Evangelium verkündet habe.«) Von einigen Gemeindegliedern in Korinth wird Paulus seine schwächliche Erscheinung vorgeworfen: »Seine Briefe sind zwar gewichtig und stark, sagen sie, aber die leibliche Anwesenheit ist schwach (asthenes)« (2 Kor 10, 10). Daraufhin zitiert er ein von Christus an ihn gerichtetes Wort: »Dir reicht meine Gnade, denn die Kraft kommt in astheneia zur Vollendung« (2 Kor 12, 9a). Astheneia wird damit zu einem konstitutiven Moment christlicher Existenz. Die Begründung ist christologisch und paradox; gerade die astheneia gibt die Möglichkeit, für die Stärke Christi offen zu werden. »Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner astheneiai rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohne« (2 Kor 12, 9b). Diese Formulierungen beziehen sich wahrscheinlich auf die besagte Krankheit des Paulus, den von ihm so genannten »Dorn im Fleisch, Engel Satans« (1 Kor 12,7), der die wichtige Funktion hat, dass Paulus aufgrund der an ihn geschehenen Offenbarung nicht überheblich wird.

Beyerle, Stefan, »Medizin« – Phänomene im Alten Israel und im antiken Judentum, in: Michael Roth / Jochen Schmidt (Hg.), Gesundheit – humanwissenschaftliche, historische und theologische Aspekte, Theologie – Kultur – Hermeneutik 10, Leipzig 2008. Eggebrecht, Arno (Hg.), Das Alte Ägypten. 3000 Jahre Geschichte und Kultur des Pharaonenreiches, Gütersloh 4 1997, 388-393. Herrmann, Christian, Ägyptische Amulette aus Palästina / Israel. Mit einem Ausblick auf ihre Rezeption durch das Alte Testament, OBO 138, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1994. Hrouda, Barthel (Hg.), Der Alte Orient. Geschichte und Kultur des alten Vorderasien, Gütersloh 1991, 260 f. Janowski, Bernd, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vlyun 2003, 174-214. Karenberg, Axel / Leitz, Christian (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II: ›Magie und Medizin‹ und ›der alte Mensch‹ in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraumes, Naturwissenschaft – Philosophie – Geschichte 16, Münster u. a. 2002. Leven, Karl-Heinz, Antike Medizin, München 2005. Luhmann, Niklas, Der medizinische Code, in: ders.: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, Opladen 1990, 183-195. Meinhold, Arndt, Ärzte kontra JHWHs Heilungsmonopol. 2 Chr 16,12b im Licht der frühjüdischen Heilungskonzeptionen von Sirach 38, 1-15 und Tobit, in: Julia Männchen (Hg,), »Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden.« (Jes 56,7). FS Thomas Willi, Neukirchen-Vluyn 2007, 103-117. Vouga, François, Die Wahrheit des Evangeliums als kreative Freiheit; in: H. Brandhorst / D. Starnitzke / M. Wedek (Hg.), Die Freiheit bestehen, Bielefeld 2001, 28-41.

Andreas Ruwe / Dierk Starnitzke

Kultgeräte In allen altorientalischen Religionen waren die in den verschiedenen Kulten benutzten Geräte von größter Wichtigkeit, da sie die Durchführung des jeweiligen Kultes überhaupt erst ermöglichten und vielen Kultgeräten über die kultische Funktion hinaus oft auch symbolische Bedeutung zugemessen wurde. Der in Israel und Juda praktizierte »offizielle« JHWH-Kult und die privaten Kultpraktiken der »Familienreligion« un-

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Kultgeräte

terschieden sich in dieser Hinsicht nicht von anderen altorientalischen Kulten. Der Kult und die für seine Durchführung nötigen Geräte waren, um einen von Cassirer geprägten Begriff aufzunehmen, wesentliche Bestandteile des »symbolischen Universums« Israels. Im Gebiet Palästinas sind Kultgeräte verschiedenster Art von der Bronzezeit bis zum Ausgang der Antike durchgängig archäologisch belegt. Im Folgenden werden wir uns auf die mit dem Kult des Jerusalemer Tempels in Verbindung stehenden Geräte und Gegenstände beschränken, da sie literarisch am besten dokumentiert sind. Die Kultgeräte des Ersten, »Salomonischen« und des Zweiten, nach dem Ende des Babylonischen Exils errichteten, Jerusalemer Tempels gestatten tiefe Einblicke in den vorexilischen Kult und die Jerusalemer Tempeltheologie sowie in die kultischen Praktiken und religiösen Vorstellungen der achämenidischen und der hellenistischen Epoche. In 1 Könige werden die im Tempel befindlichen Geräte und Gegenstände aufgezählt: der Cherubenthron (6, 23-28), die für den Tempel angefertigten Metallarbeiten (7, 13-51), die Säulen Jachin und Boas (7, 15-22), das eherne Meer (7, 23-26), der Kesselwagen (7, 27-39) und eine Vielzahl von weiteren für den Tempel bestimmten Arbeiten (7, 40-51), vor allem der 3 Altar, der Schaubrottisch und die Leuchter. Den Tempel schmückten zahlreiche symbolisch »aufgeladene« bildliche und glyptische Dekorationen wie Lotusblüten, Granatäpfel, Palmen und Palmetten, Rinder, Löwen, usf. Das zentrale kultische Objekt des Tempels aber, untergebracht im Allerheiligsten unter den Flügeln der Cheruben, war laut Deuteronomistischem Geschichtswerk die Bundeslade, die die am Sinai von Gott selbst beschriebenen Tafeln mit den Zehn Geboten beherbergte (1 Kön 8,1-9). Möglicherweise ist auch die im Tempelbereich befindliche Königssäule (2 Kön 11, 14; 23, 1-3) im weitesten Sinne als Kultgerät zu verstehen. Die Symbolik dieser Kultgeräte ist hauptsächlich um die Themen Schöpfung und Fruchtbarkeit gruppiert. Die Bedeutung des Wassers

Erbeutetes Kultgerät aus dem Tempel von Jerusalem. Titusbogen, Rom, 70 n. Chr.

(ehernes Meer, Kesselwagen), das Motiv des Lebensbaumes (Säulen, Innenausstattung des Tempels) und die Symbole der Fruchtbarkeit (Granatäpfel; 1 Kön 7, 42) verbinden sich miteinander. Der Tempel galt als eine Art Spiegelbild der Schöpfung, und von daher kam den Kultgeräten ihre besondere Bedeutung im Gesamtkontext dieser symbolischen »Schöpfung« zu. In ihrem Zentrum stand der Cherubenthron. Man verstand Naturordnung und Kultordnung als einander entsprechend. Die symbolhaft fungierenden Kultgeräte und anderen Ausstattungselemente des Tempels boten »elementare Lebensorientierungen, und zwar angesichts der Spannung zwischen der vorgestellten Ordnung der Welt und den faktischen Gegebenheiten, in denen Ordnungs- und Unordnungselemente immer ineinander liegen« (Janowski 17). Der utopische Tempelentwurf des Ezechielbuches (zu den Kultgeräten vgl. besonders 41, 15b-26; 43, 13-17) wurde in der nachexilischen Zeit nicht zur Realität. Vielmehr war der zweite Tempel, aufgrund der ökonomischen Situation jener Zeit, in Anlage und Ausführung wesentlich bescheidener als sein Vorgängerbau und als der ezechielische Entwurf. Gleichwohl war die Ausstattung des Tempels weiterhin grundlegend für das Symbolsystem der JHWH-Religion, obwohl das vormalige Herzstück, die Bundeslade, (wahrscheinlich im Jahre 586 v. Chr.) zerstört worden war und im Zweiten Tempel auch keine Kopie derselben aufgestellt wurde (vgl. 1 Makk 4 und Flav. Jos. Bell. 5,5,5).

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Kulturpflanzen

Day, John (Hg.), Temple and Worship in Biblical Israel, LHBOTS 422, London und New York 2005. Ehrlich, Ernst Ludwig / Levinson, Nathan Peter, Die Kultsymbolik im Alten Testament und im nachbiblischen Judentum; Bd. 1: Textband (von E. L. Ehrlich), Symbolik der Religionen 3, Stuttgart 1959, Bd. 2: Tafelband (von N. P. Levinson), Symbolik der Religionen 17, Stuttgart 1972. Janowski, Bernd, Das biblische Weltbild. Eine methodologische Skizze, in: ders. / Beate Ego (Hg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte, FAT 32, Tübingen 2001, 3-26. Keel, Othmar, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Göttingen 5 1996. King, Philip J. / Stager, Lawrence E., Life in Biblical Israel, Library of Ancient Israel, Louisville / London 2001, 339353. Zwickel, Wolfgang, Der salomonische Tempel, Kulturgeschichte der antiken Welt 83, Mainz 1999.

Joachim Schaper

Kulturpflanzen Kulturpflanzen sind solche, die im Lauf der Geschichte durch Züchtung bzw. Auswahl aus den 3 Wildpflanzen entwickelt worden sind. Eine Aufteilung nach den verschiedenen Klimaregionen macht wenig Sinn. Getreide z. B. gedeiht auch im Steppengürtel, wird aber faktisch in regenreicheren Regionen angebaut. Kultivierte und damit ertragreichere und leichter zu bearbeitende Getreidearten (3 Nahrung, pflanzliche) wie Gerste (Rut 1, 22; Joh 6, 9; Gerste gilt als »Brot der Armen« und war auf Gebiete mit geringerem Niederschlag beschränkt) und Weizen setzen einen 3 Ackerbau voraus, der im Alten Orient seit prähistorischer Zeit paläobotanisch und durch Funde von Getreidekörnern belegt ist. Der kultivierte Brotweizen hat als Vorgänger das Einkorn (Triticum monococcum) und den wilden Emmer (Triticum dicoccoides). Eine Kulturform von Emmer (Triticum dicoccon Schrenk) wurde im Alten Orient und auch in Palästina angebaut (hebr. kussæmæt, vgl. Jes 28, 25; Ez 4, 9). Zu Anbau

und Verarbeitung von Brotgetreide siehe 3 Saat und Ernte). Neben den Getreidearten ist unbestreitbar der Weinstock die wichtigste Kulturpflanze. Nach der biblischen Urgeschichte gilt Noach als der Erste, der einen Weinberg pflanzt (Gen 9, 20). Die Heimat des Weinstocks ist das kleinasiatisch-nordmesopotamische Bergland, wo wilde, kleinbeerige Arten gedeihen, die sich allerdings schon in der Antike weit in den Norden in den Mittelmeerraum ausgebreitet haben (auch ins Donaugebiet). In Palästina / Israel ist Weinbau seit 3000 v. Chr. belegt, z. B. im frühbronzezeitlichen Jericho, in Arad oder in Lachisch. Die Weintraubenart in Palästina war fleischig, nicht besonders saftig und mit starker Haut. Die Trauben wurden z. T. zu Rosinen und dann zu Rosinenkuchen verarbeitet, teils zu Wein. Weinstöcke ließ man im Weinberg (kæræm) normalerweise 2-3 m wachsen, in Obstgärten wurden sie auch hoch in die Bäume gezogen. Weinberge lagen oft weit entfernt von den Siedlungen (Ri 15, 5; 21, 20 f.; Mt 20, 1 ff.; 21, 33 ff. par; Mk 12,1 ff.) Dass man unter einem Weinstock sitzen konnte, zeigt, dass der Wein häufiger in »Lauben« hochgezogen worden ist (1 Kön 5, 5; Mi 4, 4). Vermutlich wurden vor allem dunkle Trauben gepflanzt (Traubenblut Gen 49, 11; Dtn 32, 14). Natürliche Feinde der reifenden Trauben waren neben verschiedenen Schädlingen (Meltau) Füchse (Hld 2, 15), Wildschweine (Ps 80, 14) und neben Vögeln auch menschliche Diebe (Jes 1, 8; 5, 2). Rebholz ist allein zum Verbrennen geeignet, nicht für Tischlerei oder Bau (Ez 15, 2-6), ist also ziemlich wertlos. Die bedachte Anlage hat das Weinberglied Jes 5, 1-7 zum Thema. Hier wird zugleich deutlich, dass der Rebstock ein theologisch besetztes Bild für Israel selbst (Hos 10,1; Jer 2, 21; Ps 80, 9) bzw. das Volk Gottes (Joh 15,1 ff.) ist. Die Weinlese gab Anlass für ein Freudenfest und wurde als Zeichen des Segens, der auf dem Land lag, gefeiert (Gen 49, 11). Im Gegenzug konnte die Zerstörung des Weinbergs als Chiffre für Gottes Strafe gedacht werden (Jes 5; 16, 10). Als profanes Bild begegnet es in Hld 6, 11; 8, 12. Gern wird die Weinrebe als ornamentales Symbol eingesetzt.

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Kulturpflanzen

Eine große Rolle spielte auch der Ölbaum (hebr. zajit, Olea europaea), als wilder Ölbaum in Palästina und Syrien beheimatet, kultiviert wohl schon seit 5000 v. Chr. im Chalkolithicum (Funde von Kernen in Teleilat Ghassul und in der »Schatzhöhle« bei En-Gedi). Er pflanzt sich gelegentlich durch Wurzelreiser fort (Ps 128, 3) oder durch Pfropfen edler Reiser auf wilde Ölbäume (Röm 11,17-24). Paulus greift dies als Gleichnis für das Verhältnis der Menschen aus den Völkern zu Israel auf. Allerdings verkehrt er das in der Olivenkultur übliche Verfahren, bei dem edle Reiser auf wilde Bäume gepfropft werden, und spricht davon, dass die Menschen aus den Völkern als wilde Reiser in den edlen Ölbaum Israel eingesetzt werden. Oliven bzw. Olivenöl (3 Öl / Salbe) gehörte zu den Hauptprodukten Palästinas (Dtn 7, 12; 8, 8; Hos 2, 8; Lk 16, 6) und Syriens und ist ausgesprochener Exportartikel (Hos 12, 2; Ez 27, 17; 1 Kön 5, 25; Esr 3, 7) besonders nach Ägypten und Mesopotamien, wo man sich sonst mit Sesamöl begnügen musste (3 Handel). Das Öl war begehrt in der Küche (1 Kön 17, 8-16; Ex 29, 40), in der Körperpflege und Kosmetik, in der Medizin (Mk 6,13; Lk 10, 34; 11, 42) und zur Beleuchtung (Öllampen Mt 25, 3.4), aber auch für die Kraft- und Machtvermittlung bei der (Königs-)Salbung und beim Opfer (Lev 2; Ex 29, 40; Num 28, 5; Lk 7, 46; Joh 12, 13). Der Ölzweig symbolisiert Frieden, Hoffnung, neues Leben (Gen 8, 11). Ein weiterer wichtiger Baum ist der aus den iranischen Bergen stammende Feigenbaum (Ficus carica L.), in den Kulturen meist eingeschlechtliche Bäume, zwischen die früher zweigeschlechtliche Bocksfeigen gepflanzt worden sind. Obwohl eine anspruchslose Pflanze (typisch für den Ackerbau ohne Bewässerung), bedurfte sie der Pflege (Lk 13, 6 ff.). Die Fruchtbildung, gewährleistet durch die Feigengallwespe, stellt ein besonderes naturkundliches Ereignis dar. Älteste Belege in Palästina stammen bereits aus dem Neolithicum. Neben den sogleich gegessenen Frühfeigen (hebr. bikku¯ra¯h, Hos 9, 10) waren wegen ihrer Süßigkeit die »Spätfeigen« (hebr. te3e¯na¯h) zur Vorratshaltung geeignet. Sie wurden

roh, getrocknet oder als Kuchen verarbeitet gegessen. Die Früchte des wilden Feigenbaumes / Sykomore galten als Armennahrung. In der Medizin fanden Feigenpflaster Verwendung (2 Kön 20, 7). Entsprechend der kulturgeschichtlichen Entwicklung bekleideten sich Adam und Eva zunächst mit Blättern des Feigenbaums (Gen 3, 7). Die Jotamsfabel Ri 9, 7-15 belegt die Bedeutung von Ölbaum, Feigen und Weinstock für das alltägliche Leben im Unterschied zu dem ironisch genannten Dornstrauch. Als Zeichen des endzeitlichen Friedens nennt Mi 4, 4 Weinstock und Feigenbaum. Zu den wichtigen Gewächsen der Obstgärten gehört zweifelsfrei auch der Granatapfel, Punica granatum L., hebr. rimmo¯n, im Vorderen Orient auch wild, kultiviert wohl am Kaspischen Meer und in der nordöstlichen Türkei. Erste Funde in Palästina stammen aus der frühen Bronzezeit (um 3000 v. Chr.) aus Geser, Jericho und Arad. Die lederartige Fruchthaut enthält fächerförmig angeordnet in großer Zahl rote, saftige Beeren. Das dürfte der Grund sein, warum der Granatapfel als Fruchtbarkeitssymbol verstanden wurde. Die Beeren wurden zu Saft und Wein verarbeitet, auch getrocknet als Vorrat aufgehoben. Teile der Frucht wurden zu Heilzwecken verwendet, die Rinde des Baumes u. a. zum Färben. Granatäpfel dienten auch zum Export nach Ägypten. Der Granatapfel begegnet als Dekorationselement (Säulen am Eingang des Tempels 1 Kön 7, 17.42). Farbige Nachbildungen schmückten das Kleid des Hohepriesters Ex 28, 33 f.; verbreitet ist er als Dekorationselement auf Kultgeräten. In Ägypten waren Modelle aus Glas, Ton, Fayence oder Stein verbreitet. Er diente auch als Bild für die Braut in Hld 4, 3; 6, 7 (vgl. hier weitere Vorkommen). Zu den wichtigen Fruchtbäumen im Obstgarten zählten weiterhin die Mandelbäume (Amygdalus communis L., hebr. ˇs¯aqed / der Wachsame) im Blick auf die frühe Blüte im Jahr (Januar / Februar), was die Mandelbaumvision Jeremias voraussetzt (Jer 1, 11); vgl. die vom Mandelbaum gewonnenen Stäbe zur Ermittlung des Priesterstammes Num 17,16-26. Blühende Mandelzweige sind auch als Dekorationselemente

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Kulturpflanzen

wahrscheinlich (Leuchter, Lade). Nach Gen 43,11 sind Mandeln Exportprodukt nach Ägypten, seit der 18. Dynastie belegt, vor allem für die Ölgewinnung. Im Blick auf ihren Wasser- und Wärmebedarf ist die Dattelpalme (Phoenix dactylifera L.; hebr. ta¯ma¯r) vor allem in den Oasen des Jordantales beheimatet, begegnet auch an der Küste, kultiviert seit prähistorischer Zeit, ursprünglich aus dem unteren Zweistromland stammend. Sie stand Modell für den »Baum des Lebens« (Gen 2). Als stilisierte Palme mit zwei flankierenden Tieren ist sie im Alten Orient vielfach belegtes Bildmotiv und gehört so auch zum Schmuck des Salomonischen Tempels (1 Kön 6, 29.32.35; Ez 41), in der phönizischen Kunst auch als stilisierte Säule vorkommend. Der Palmzweig ist vielfach Symbol des Lebens, insbesondere im Zusammenhang mit dem Laubhüttenfest (Lev 23, 40 und Neh 8,15). Die Dattelpalme ist auch Bild für die Braut im Hohelied (Hld 7, 7-9). Der Palmzweig signalisiert Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit. In der Makkabäerzeit zirkulierten Münzen mit der Palme als Siegessymbol. Dattelstämme fanden als Bauholz Verwendung, Blätter wurden zu Matten und Körben verarbeitet. Die Früchte dienten zur Gewinnung von Saft, Honig, als Süßmittel, in Ägypten als Opfermaterie, besonders im Zusammenhang mit dem Totenkult seit dem Alten Reich, insbesondere für den verstorbenen König. Verfahren zur künstlichen Bestäubung sind seit prähistorischer Zeit bekannt. Zu den indigenen Obstbäumen gehört ebenfalls der Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua L.; Lk 15, 16). Die bohnenartigen Früchte enthalten reichlich verschiedene Zucker und Proteine, sind also sehr nahrhaft. Existenz und Identifikation von Walnüssen ist dagegen höchst umstritten. Bei den Baka-Bäumen (hebr. ba¯ka¯ 3) 2 Sam 5, 23.24 und Ps 84, 7 dürfte es sich um die schwarze Maulbeere (Morus nigra L.) handeln, deren Früchte im alten Israel gegessen worden sind. Zitrusfrüchte dagegen existierten in Palästina / Israel in der Antike nicht. Gemüse wurde, wie verkohlte Überreste belegen, im Alten Orient seit dem Neolithicum

gezogen. Weite Verbreitung ist für Zwiebelgewächse und Knoblauch (Num 11, 5 f.) anzunehmen. Das gilt auch für die verschiedenen Kürbisgewächse und Melonen (Num 11, 5; Jes 1, 8). Dazu kommen die Dicke Bohne (Saubohne, Vicia faba) als Winter- oder Frühjahresgemüse, hebr. po¯l (2 Sam 17, 28 und Ez 4, 9), Linsen (Lens culinaris Medic., hebr. 3ada¯ˇs¯ah) 2 Sam 23, 11 f. und besonders Gen 25, 29 f. Durch Funde belegt ist zumindest seit der Eisenzeit auch die Bitterwicke (Vicia ervilia Wild.), wohl Tierfutter und Speise für ärmere Schichten. Kichererbsen (Cicer arientus L.) sind seit dem Neolithicum belegt, wurden geröstet und gesalzen und dienten als Suppenbeilage: hebr. h¯amis, ˙ ˙ Jes 30, 24 (auch mit Sauerampfer identifiziert, KBL). Ebenfalls seit dem Neolithikum über Funde belegt sind Erbsen (Pisum sativum). Von Indien bis Ägypten ist auch der Bockshornklee (Trigonella foenum graecum L.) als Gemüse und Gewürz bekannt und ist durch Funde aus Ägypten belegt. Als Gewürze sind verschiedene Kümmelarten belegt, literarisch und archäologisch, die wie Getreide gedroschen werden (Jes 28, 25.27; Mt 23, 23), oder schwarzer Senf (Mk 4, 30 ff. par). Zu nennen sind weiter Flachs, Linum usitatissimum L., seit prähistorischer Zeit als Nahrung, für Ölgewinnung und vor allem für Gewebe (Leinen; Dtn 22, 11; Hos 2, 7; Spr 31,13; zur Herstellung von priesterlichen Kleidern Lev 13, 47 f.; Ez 44,17 f.), hebr. pesˇæt. Archäologisch für die Eisenzeit nachweisbar ist auch Sesam (Sesamum indicum). Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake, Indiana 1987. Dalman, Gustaf, AuS Bd. 1-8. Gütersloh 1928-2001 (Bd. 8 hg. von Julia Männchen). Ebeling, Erich / Meissner, Bruno (Hg.), Reallexikon der Assyriologie, Berlin (bis Bd. 10, Lfg. 3./4.), 1928-2004. Gemünden, Petra von, Vegetationsmetaphorik im NT und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Fribourg / Göttingen 1993. Helck, Wolfgang / Otto, Eberhard (Hg.), Lexikon der Ägyptologie, Bd. 1-7, Wiesbaden 1975-1992. Helps for Translators, Fauna and Flora in the Bible, United Bible Societies, London u. a. 1982. Keel, Othmar / Küchler, Max / Uehlinger, Christoph, Orte

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Landbesitz

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Ulrich Schoenborn / Peter Welten

Landbesitz 1. Der grundsätzliche Stellenwert von Landbesitz Für die antike Gesellschaft war Kulturland zur Nahrungsmittelerzeugung von existenzieller Bedeutung (3 Landwirtschaft). Sein Besitz bedeutete Auskommen und Wohlstand. Zugleich entschied er über politischen Einfluss, sozialen Status (»Ehre«) und Privilegien in der agrarischen Gesellschaft. Da Land Leben ermöglicht, wird es gemeinorientalisch religiös bewertet, insofern Götter Herren des Landes sind, die es den Menschen zur Nutzung überlassen. In Palästina war das Angebot ertragreichen Landes aufgrund von klimatischen (semiarid – halbtrocken – mit gestaffelten Niederschlagsmengen), geologischen (viele Gebirgszonen, wenige und kaum nutzbare Flüsse) und bodensystematischen Bedingungen (z. B. Kalk-Karstzonen) eingeschränkt. Es ließ sich nur geringfügig durch Terrassierung und Bewässerung (künstliche Zisternen seit der Eisenzeit, 3 Brunnen) erweitern bzw. intensiver nutzen. Der begrenzten Lebensressource entspricht die in alttestamentlichen Texten häufig und terminologisch vielfältig auftretende Benennung als Landanteil, Erbbesitz, Messschnur (= zugemessenes Land), Los etc., insofern sich in »Schicksalbegriffen« das Anliegen einer von Hungersnot bedrohten Bevölkerung artikuliert. In ihrer agrarischen Perspektive besitzt der Boden als Standort für Wohnung (nur Lev 25, 29) und Raum für Verkehr sowie hinsichtlich von Bodenschätzen kaum Bedeutung, an denen Palästina ohnehin arm ist. Da Jesus die Gottesherrschaftsverkündi-

gung unabhängig von Israels Landverheißung formulierte (vgl. Mt 8,11 f. par) und sich das Urchristentum zunehmend in einem städtischen Milieu entwickelte, das vorwiegend von 3 Handwerk (z. B. Apg 16,14; 18, 3), Wirtschaft, 3 Handel und Verwaltung (3 Staat / Verwaltung) geprägt ist, kommt dem Thema im Neuen Testament außer Mt 5, 5 (Aufnahme von Ps 37, 11) kein eigenes Gewicht zu. 2. Historischer Abriss a) Vorstaatliche Zeit. Im Alten Testament hat sich die Erinnerung bewahrt, dass das von Israel bewohnte Land ursprünglich Eigentum der Kanaanäer (Gen 12, 5; Dtn 1, 7; 11, 30) bzw. von nichtisraelitischen Völkern war (Gen 15, 19 f.; Ex 3,17; Esr 9, 1). Der als »Landnahme« apostrophierte Vorgang der Besiedelung vollzog sich sukzessive am Beginn der Eisenzeit im Anschluss an den Niedergang der kanaanäischen Stadtkultur. Im Gegensatz zu deuteronomistischen Texten, die Israel als kriegerische Großmacht handeln lassen (vgl. Jos 6; 9), erfolgte sie nicht durch Beschlagnahme nach Siegerrecht, sondern durch Sesshaftwerden von Kulturlandnomaden und ergänzend durch Rückkehr der unter Mose aus ägyptischer 3 Fron fliehenden JHWH-Gruppe. Israel siedelte zunächst in abgelegenen Dörfern (Merenptah-Stele; Ri 5, 13-22.24-30) und auf aufgegebenen Siedlungshügeln. In dieser vorstaatlichen Zeit befand sich das nutzbare Land in Stammesbesitz und wurde vielleicht durch »Los« einzelnen Sippen zugeteilt (Num 36, 2.7; Jos 13-19; Mi 2, 5, vgl. Hekataios von Abdera bei Diod. Sic. 40, 3,7). b) Staatliche Zeit. Durch die sich im 10. Jh. etablierende israelitische Monarchie wurde das beherrschte und eroberte Land Staatsgebiet, das sich einteilte in das Eigentum der Krone (1 Kön 4,7-19; 1 Chr 27, 25-31; Ez 45, 8 f., darunter Jerusalem als Besitz des davidischen Königshaus, 2 Sam 5, 6-10), der Tempel (vgl. Lev 27, 19-21), der Städte (Lev 25, 29 f.) und der selbständigen Bauern, die ihrem jeweiligen Grundherrn dienst- und zehntpflichtig waren (1 Sam 8, 15-17; 17, 25; Am 4, 4). Levitenstädte hatten wahrscheinlich ihr eigenes Recht (vgl. Num 35, 1-8; Jos 21).

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Landbesitz

Im Unterschied zur vorstaatlichen Religiosität, die JHWH als Schutzgott einer Menschengruppe (»Gott der Väter«) erfuhr, rezipierte Israel in staatlicher Zeit die gemeinorientalische Vorstellung, dass das Land JHWHs Erbbesitz (1 Sam 26,19; 2 Sam 14,16; Ps 68, 10), Bodenanteil (Jer 12, 10), Grundbesitz (Jos 22, 19), Haus (Hos 8, 1; 9,15) und Land sei (Jer 2, 7; Hos 9, 3), das er seinem Volk zum Gebrauch übergeben habe. In idealer Vorstellung eignet jeder israelitischen (Groß-)Familie ein (Dorf-)Haus und ein Anteil an Grund und Boden zur wirtschaftlichen Subsistenz (vgl. Mi 2, 2). c) Exilische Zeit. Der Verlust der Staatlichkeit 722 v. Chr. für das Nordreich »Israel« und 587 v. Chr. für das Südreich »Juda« bedeutete für Oberschichtskreise die Deportation nach Mesopotamien und damit den Verlust ihrer Landgüter. Diese wurden von der Besatzungsmacht an umgesiedelte fremde Bevölkerungsgruppen (so nur die Assyrer, 2 Kön 17, 24) bzw. an ausländische (Militär-)Kolonen verteilt (Klgl 5, 2) oder im Zuge einer Landreform an besitzlose jüdische Bauern übergeben (so unter Gedalja Jer 39, 10; 40, 10). Den Verlust des Staatsgebietes kompensierte Israel in religiöser Hinsicht durch die Vorstellung der Landverheißung (Gen 13,14-16; 28,13 f.). Sie beinhaltet die geschichtliche Theorie, dass JHWH das Land bereits den Erzvätern versprochen (Dtn 6,10.18.23; 7, 13 u. ö.) und dem aus Ägypten befreiten Israel übergeben habe (Dtn 5, 16.31; 15, 7 u. ö.). Die Hoffnung auf Landbesitz führte zu verschiedenen Vorstellungen über seine Ausdehnung, da man sich an der ägyptischen Expansion im 2. Jt. (Gen 15,18; Ex 23, 31; Dtn 1, 7), an dem davidisch-salomonischen Großreich (Ri 20, 1; 1 Sam 3, 20; 2 Sam 3,10), an der ägyptischen (Num 34; Ez 47; Jos 13, 2-5) oder an der persischen Provinzeinteilung (1 Kön 5, 4) orientieren konnte. Das soteriologische Verständnis von Landbesitz legitimierte und relativierte zugleich Israels Anspruch auf das Land: Es besitzt sein Lebensrecht nur von Gott und kann es verlieren, wenn es Gottes Gebote nicht hält (Dtn 6, 17 f.; 11,13 f. u. ö.).

d) Zeit des Zweiten Tempels. Die Hoffnung auf eine erneute politische Souveränität erfüllte sich für Israel in nachexilischer Zeit jedoch nicht (Ausnahme: die Zeit des Hasmonäischen Königtums ca. 140-63 v. Chr.). Stattdessen war Palästina dem jeweiligen Besatzungsstatut seiner Eroberer unterworfen, die es durch mit großem Grundbesitz ausgestattete Provinzgouverneure (vgl. Neh 5,14-16) verwalten ließen. Unter persischer Vorherrschaft kam es um 520 v. Chr. zwischen den durch die Exilierung zu Grundeigentum gelangten palästinischen Juden (Ez 33, 24; Sach 5, 3) und ihren aus dem babylonischen Exil zurückkehrenden Landsleuten zu einem Streit um das Land, insofern das KyrosEdikt für die Rückkehrer eine Restitution auf ihrem ursprünglichen Eigentum vorsah (Esr 2, 1 f.70; Neh 7, 6). Dieser Konflikt blieb prinzipiell ungelöst und äußerte sich in frühnachexilischer Zeit in der gegenseitigen Schuldzuweisung am Verlust der Staatlichkeit (Jes 65,13.21 f.; Ez 11, 15; 33, 21-27). Da die Rückkehrer eine Vergrößerung der Landbevölkerung und eine Aufteilung des Landes in unwirtschaftliche Kleingüter bewirkten, führte Nehemia um 444 n. Chr. eine Wirtschaftsreform durch: Er ordnete eine Entschuldung von Bauern bei den Vornehmen und damit ihre Restitution als Landbesitzer an (Neh 5, 6-13), ließ ein Zehntel der Landbevölkerung nach Jerusalem umsiedeln (7, 4 f.; 11, 1 f.), um ihren wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern, und verzichtete für seine Statthalterschaft auf den Erwerb von Landbesitz (5,16), um einer schädlichen Konzentration von Landbesitz mit gutem Beispiel entgegenzutreten. Der Übergang zur hellenistischen Vorherrschaft in Palästina bewirkte, dass das Land insgesamt als königlicher Besitz angesehen wurde. Unter der Herrschaft der Ptolemäer (ab ca. 300 v. Chr.) gab es drei Kategorien von Land: unter direkter Verwaltung stehendes Königsland wie die Balsamplantagen von Jericho und En-Gedi, das Land in der Obhut von Städten – Jerusalem dürfte einen halb-autonomen Status als Polis des jüdischen Volkes eingenommen haben – und schließlich vom König vergebenes Land, entweder an

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Landbesitz

Staatsdiener, als Geschenk an vornehme Offiziale (vgl. Zenon-Korrespondenz: Beth Anath in Obergaliläa) oder an Privatleute (Jdt 8,7, vgl. den Besitz der Tobiaden um Iraq el-Emir). Kennzeichnend für das ptolemäische 3 Wirtschaftssystem war die hierarchische Verwaltung des Landes (Koh 5, 7 f.) und die Vergabe an ausländische Investoren (6, 1 f.), um einen maximalen Ertrag aus dem vom König kontrollierten Land zu erwirtschaften. Die systematische Förderung von Großgrundbesitz führte zunehmend zu einem Antagonismus zwischen wohlhabenden Landbesitzern und armen, weil verschuldeten und am Existenzminimum lebenden Pächtern (vgl. Sir 13, 18; 34, 21 f.; 3 Pacht). Der Wechsel zur seleukidischen Vorherrschaft über Palästina (ab 200 v. Chr.) bewirkte Landverluste für Anhänger der proptolemäischen Partei. Die von den Seleukiden eingeleitete Stärkung des Hohepriesteramtes und der Gerousia bewirkte für den Status von Judaea, dass das Land als Eigentum des jüdischen Volkes angesehen wurde (vgl. Flav. Jos. Ant. 12, 141). Das Land, ausgenommen die königlichen Güter, war im Besitz von Privatleuten. Die hellenistische Reform bewirkte um 175 v. Chr. für Jerusalem die Umwandlung in eine griechische Polis. Städtische Juden, die zu Bürgern zweiter Klasse geworden und nicht bereit waren, sich dem Hellenismus anzupassen, zogen sich aus Jerusalem zurück (1 Makk 1, 38; 2, 29 f.). Ihr aufgegebener Besitz wurde konfisziert und durch königliches Recht an Juden verkauft, die die hellenistische Reform unterstützten (Dan 11, 39). Der nach und nach erfolgreiche makkabäische Bürgerkrieg machte den Landgewinn jüdischer Hellenisten rückgängig (1 Makk 6, 24 f.; 7, 24b; 10, 12 f.) und bewirkte insgesamt, dass die hasmonäische Aufstandspartei durch Vertreibung oder Akquirierung ihre bereits bestehenden Besitztümer erheblich vergrößerte (z. B. Ekron 1 Makk 10, 89). Während der expansiven hasmonäischen Regentschaft (vgl. Flav. Jos. Ant. 14, 74) entstand eine neue makkabäische Landaristokratie (1QpHab 8,11 f.; 9, 4 f.). Die römische Eroberung durch Pompeius 63 v. Chr. bedeutete zunächst Landverlust für die

Hasmonäer und eine ständig wachsende finanzielle Belastung für alle Landbesitzer durch Steuern. Von Herodes’ I. Klientelfürstentum ist bekannt, dass die königliche Familie selbst über Domänen verfügte (Flav. Jos. Bell. 2, 98) und dass ihr Grundbesitz durch hasmonäische Güter und durch von den Römern übergebene Städte (Jericho, Gaza, Anthedon, Joppe etc.) enorm vermehrt wurde. Königliche Einflusspolitik war es, das konfiszierte oder durch Steuerdruck freigewordene Land an Militärveteranen (Flav. Jos. Ant. 15, 296; Bell. 1, 403) oder an den proherodianisch gesinnten Adel zu vergeben (vgl. Ant. 17, 147; Vit. 422 f.). In der Folge gab es in der von jüdischen und paganen Aristokraten (vgl. Lk 19, 21 f. par) dominierten palästinischen Gesellschaft nur noch wenige selbständige Grundbesitzer (vgl. Mt 13, 4; 22, 5; Mk 10, 22.29 parr; Lk 12, 16-21; 15, 11-32), und die Landwirtschaft auf verwaltetem oder gepachtetem Gebiet wurde allgemein. Die ertragreichsten Ländereien dürften sich in fürstlichem bzw. römisch-provinzialem Besitz befunden haben, so dass ganze Städte und Dörfer verpachtet wurden, während ansonsten reiche städtische Großgrundbesitzer ihre Besitztümer von Kleinpächtern (Mk 12, 1-9 parr) oder Sklaven bewirtschaften ließen. 3. Zur Vorstellung des Landes als »Erbe« Israels Einstellung zum Land erläutert der Begriff »Erbbesitz / Erbanteil« (nahala¯h), der den im ˙ Prinzip unverkäuflichen, im patrilinearen Erbgang an die nächste Generation weiterzugebenen Landanteil meint: Da Israel sich selbst als »JHWHs Nachala« bezeichnen kann (Dtn 4, 20; 32, 8 f.; 1 Sam 10,1 u. ö.), gehört Grund und Boden nicht zum Verfügungs- oder Eigentumsrecht, sondern bedeutet eine Verpflichtung. Durch Weitergabe innerhalb der Sippe dient das Land zugleich dem Erhalt der bäuerlichen Gentilgesellschaft. Für diese Einstellung dem Land gegenüber gibt es Beispiele: a) Als es in einer Zeit der Bevölkerungszunahme bei begrenzten Landressourcen und erbrechtlich bedingter Grundstückzerstückelung (vgl. Dtn 21, 17) zu unwirtschaftlichen und überschuldeten

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Kleinsthöfen kam, erhoben im 8. Jh. Propheten Klage gegen die Verdrängung kleinerer Grundbesitzer mittels des harten antiken Kreditrechts mit seinen rigiden Pfändungs- und Haftungsbedingungen (2 Kön 4,1-7; Neh 5, 2 f.; Mt 18, 2427: Zugriff auf Besitz und Person des Schuldners und seiner Familie) durch eine kleine reiche Oberschicht (Jes 5, 8-10; Am 2, 6-8; Mi 2,1-5 u. ö.). Zielvorstellung der prophetischen Sozialkritik war die Existenz des selbstständigen Israeliten auf den eigenen Immobilien. b) Ein israelitisches Verbot des Verkaufs von angestammtem Grundbesitz, das oft in Abgrenzung zu kanaanäischem Bodenrecht angenommen wurde, lässt sich nicht nachweisen (vgl. Rut 4, 3). Beim königlichen Begehren, Nabots Weinberg zu besitzen (1 Kön 21, 1-16), bleibt offen, ob Nabot am väterlichen Erbland festhält, weil er der Krone nicht verkaufen will oder weil er nicht darf. Für das deuteronomistische Geschichtswerk aber bleibt es für Israel nicht ohne Folgen, wenn eine übermächtige Monarchie (vgl. 1 Sam 8, 15) den Landbesitz Schwächerer durch Justizmord und unter Ausnützung des formalen Rechts – herrenloses Land wird vom Staat konfisziert (2 Sam 9; 2 Kön 8, 1-6) – an sich bringt (1 Kön 21, 19). c) Erbrechtlich geht Landbesitz im Regelfall an die Söhne (vgl. Hi 42, 15) und nur bei einem Fehlen männlicher Erben an die Töchter über (vgl. Num 27,1-8) unter der Bedingung, dass sie innerhalb des Stammes ihres Vaters einheiraten (36, 59). Sollte dennoch der Fall eintreten, dass israelitischer Grundbesitz durch Verschuldung, Verlassen (2 Kön 3, 6) oder Vertreibung (Ez 7, 12 f.) in fremde Nutznießung gelangt, so soll er nach der Vorstellung des priesterlichen Heiligkeitsgesetzes durch einen Verwandten familiensolidarisch ausgelöst werden (Lev 25, 25-28, s. Rut). d) Ziel der in exilischer Zeit formulierten priesterlichen Reformvorstellung des 3 Jobeljahrs, jedes 50. Jahr allen Volksangehörigen u. a. eine Lastenbefreiung zu gewähren und damit die Restitution des gepfändeten oder verkauften Grundbesitzes zu ermöglichen (Lev 25, 10-22, Ausnahmen bei Stadthäusern und Levitenstädten), war es, der durch Missernte und anschlie-

ßender Hungersnot eintretenden Besitzlosigkeit präventiv zu begegnen. Da auch vorgesehen war, dass Schulden, um deren willen Land veräußert wird, in ihrer Höhe proportional zu der bis zum Jobeljahr verbleibenden Zeit bis auf Null sinken (Lev 25), wird Land nicht verkauft. Veräußert werden allenfalls Nutzungsrechte, denn JHWH selbst behält sich sein Eigentum am Land vor (25, 23), da er doch Herr über die ganze Erde ist (Ps 24,1; 89, 12). Bohlen, Reinhold, Der Fall Nabot. Form, Hintergrund und Werdegang einer alttestamentlichen Erzählung (1 Kön 21), TThSt 35, Trier 1978. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987. Davies, William David, The Territorial Dimension of Judaism, Berkeley u. a. 1982. Dietrich, Walter, Wem das Land gehört. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte Israels im 6. Jahrhundert v. Chr., in: Rainer Kessler u. a. (Hg.), »Ihr Völker alle, klatscht in die Hände!«. FS E. S. Gerstenberger, Exegese in unserer Zeit 3, Münster 1997, 350-376. Fiensy, David A., The Social History of Palestine in the Herodian Period. The Land is Mine, SBEC 20, Lewiston u. a. 1991. Fritz, Volkmar, Die Landnahme der israelitischen Stämme in Kanaan, ZDPV 106 (1990), 63-77. Goodman, Martin, The First Jewish Revolt. Social Conflict and the Problem of Debt, JJS 33 (1982), 417-427. Keel, Othmar u. a., Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land Bd. I, Zürich u. a. 1984, 206-288. Kessler, Rainer, Gott und König. Grundeigentum und Fruchtbarkeit, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 167-184. Pastor, Jack, Land and Economy in Ancient Palestine, London / New York 1997. Schottroff, Willy, Zur Sozialgeschichte Israels in der Perserzeit, VF 27 (1982), 46-68. Würthwein, Ernst, Naboth-Novelle und Elia-Wort, ZThK 75 (1978), 375-397.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

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Landwirtschaft

Landwirtschaft 1. Geografische, ökologische und soziale Rahmenbedingungen Palästina gehört zum Gebiet des so genannten »Fruchtbaren Halbmonds«, in dem seit der so genannten Neolithischen Revolution (10.-7. Jt. v. Chr.) der Übergang vom Jäger- und Sammlerinnentum (3 Wildtiere) zur Ackerbaugesellschaft vollzogen worden war. Die methodische Erzeugung von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln machte gegenüber Wechselfällen der Umwelt unabhängig und ermöglichte durch Vorratshaltung die ganzjährige Ansiedlung. Diesen Zivilisationsprozess (vgl. Gen 4, 1-16) begünstigte, dass die gebirgigen Teile des Vorderen Orients Heimat zahlreicher einjähriger Wildgräser und -pflanzen sowie Tierarten waren, die sich zur züchterischen Ertragssteigerung bzw. Domestikation (3 Viehwirtschaft) eigneten. Landwirtschaft umfasste neben dem Feldfruchtanbau zur Ernährung und Kleidung (z. B. Flachs) auch die Arborikultur, den Weinbau und die Garten- und Bienenkultur, aber auch die Rohstoffgewinnung für Gebrauchsgegenstände (z. B. Seile, Wolle, Lampenöl) und Farbstoffe (z. B. Hennastrauch und Safran). Sie war vielerorts symbiotisch mit Viehhaltung verbunden (Ex 22, 4). Der Wald wurde gemeinschaftlich vorwiegend für Brennmaterial, besonders auch für opferkultische Zwecke, genutzt. Luxusware wurde z. B. in den Balsamgärten von Jericho und En-Gedi (Flav. Jos. Ant. 9, 7; Bell. 1, 138.361; 4, 469) erzeugt. Binnenfischerei war nur am See Gennesaret möglich. Insgesamt war die Zahl der für menschlichen Verzehr angebauten Früchte recht groß. Landwirtschaft zu treiben war nicht identisch mit der Entscheidung für eine Subsistenzproduktion (vgl. Spr 28, 19). Klimatische Schwankungen, die öffentliche Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die steigenden Belastungen durch Steuern und Abgaben, Modetrends und Vorlieben der Bevölkerung hatten zur Folge, dass die Landwirtschaft von einem zunehmenden 3 Markt beeinflusst wurde. So wurde Olivenöl,

Abb. 1: Antike Terrassierung im judäischen Hügelland

Wein oder Weizen aus einer bestimmten Region (etwa Galiläa) bei den Konsumenten bevorzugt und dementsprechend verstärkt angebaut, die Haltung und Mast von Tieren eingeführt. Schließlich bewirkte die sich in römischer Zeit durchsetzende (Teil-)Pacht, dass der besitzlose Bauer als Kolone die Verfügung über seinen Anbau verlor. Das rationale Ziel der Ertragsoptimierung (vgl. Jes 28, 23-29) wie der kostengünstigen Produktion führte zur ständigen Verbesserung von Arbeitsprozessen bei der Urbarmachung wie Landgewinnung (systematisierte Terrassenackerwirtschaft, s. Abb. 1), dem Fruchtanbau (Brache; Fertilisierung durch Düngung, Ps 83, 11; Lk 13, 8; 14, 35; Fruchtwechsel zwischen Getreide und Gemüsepflanzen, Jes 28, 25 f.) und zum technologischen Fortschritt bei den Arbeitsmitteln und Silos (3 Landwirtschaftliche Geräte): So war der Übergang vom Hack- zum Pflugbau mit Tierkraft vollzogen und der eiserne Pflug war seit ca. 1000 v. Chr. eingeführt. Ölgewinnung aus Oliven wurde fabrikmäßig mithilfe von Pressen und Steinmühlen betrieben. Die Kultivierung der Weizenpflanze (z. B. Emmer, Hartweizen) und des Ölbaums (Röm 11,17-24), die Züchtung von Weinrebensorten (vgl. Jes 5, 2: ´sore¯q) und die Keltertechnik sowie die Veredelung (Pfropfen, vgl. Lk 6, 43 par) und künstliche Befruchtung (Kaprifikation bei Feigenbäumen) bei Obstbäumen war weit entwickelt. Agrarische Wirtschaft geschieht standortabhängig. Da Palästina keine nutzbaren Flüsse und nur einige Quellen besitzt (3 Brunnen), wur-

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Landwirtschaft

Abb. 2: Jahresmittel der Niederschläge in Palästina

de Ackerbau als extensiver Regenfeldbau betrieben (vgl. Dtn 11,10 f.). Bildet im semiariden Übergangsklima Palästinas die durchschnittliche Jahresmenge von 200-300 mm Niederschlag die

Grenze zur Steppe / Wüste (Abb. 2), so war (risikobehafteter) Getreideanbau im mittleren und nördlichen Teil Palästinas möglich. Aufgrund der vielfältigen Topographie Palästinas mit unterschiedlichen Bodenverhältnissen beträgt die landwirtschaftlich nutzbare Fläche nur 20 % der Grundfläche: Der Rest ist Sand, Fels und / oder Wüste. Vielerorts wird zudem die in die Fläche strebende Agrarwirtschaft durch Felsen, Karst oder ungleich tiefen Boden behindert. Mit Waldrodung (Jos 17,15-18) und Distelbeseitigung wie z. T. einer Entsteinung (Jes 5, 2: Aufhäufung zu Grenzwällen bzw. Verwendung im Terrassenbau) wurde Ackerland gewonnen. Zum Schutz wurde es eingezäunt (Num 22, 24; Jes 5, 5; Spr 24, 31). Um der durch den exzessiven Regenfall bewirkten Bodenerosion entgegenzuwirken, war Terrassierung bei Oliven- und Feigenhainen sowie Weinbergen zwingend notwendig (vgl. Ez 38, 20). Zu den bevorzugten Anbaugebieten zählte neben den Schwemmlandböden in Tälern und Ebenen (z. B. die Ränder der Jesreel-Ebene) das Gebirgsland von Samaria (Terra-rossa- und Rendzina-Böden) und Galiläa (zusätzlich auch Vulkanböden) sowie das terrassierte judäische Bergland. Im nördlichen Negev musste bewirtschaftetes Land aufgrund von Bodenerosion und Bewässerungsproblemen wieder aufgegeben werden. Zwischen den Ackerflächen gab es ausgedehnte Steppen, die in der Regenzeit als Weideland zur Viehhaltung genutzt wurden, während im Sommer mit dem Kleinvieh u. a. die Düngung der abgeernteten Felder bewirkt wurde (3 Hirte / Hirtin). Die landwirtschaftlichen Erträge wurden durch jahreszeitlich versetzt einsetzenden oder gar ausbleibenden Früh- und / oder Spätregen (vgl. Dtn 11,13-17; Jer 14, 1; 17, 8), Tierfraß (z. B. Wildschweine, Feldmäuse, Ameisen, Getreidewürmer, Vögel und Heuschrecken), aber auch durch Getreidekrankheiten (Am 7, 1; Joel 1, 4; 2, 25), Fruchtfäule und menschlichen Diebstahl sowie Kriegswirren (Ri 6, 2-4) gemindert. In Palästina konnte rasch Ernährungsnot entstehen, die jedoch erst nach mehrjährigen Ernteausfällen zur allgemeinen Hungersnot führte (Gen 12, 10;

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Landwirtschaft

2 Sam 21, 1; 1 Makk 9, 24). Dagegen half nur konsequente Vorratswirtschaft (Gen 41, 33-36). Zudem sorgten die großen institutionellen Produzenten wie Palast- und Tempelgüter für Reserven bei Korn und Saatgut. Im Prinzip war die (geringe) Produktivität der palästinischen Landwirtschaft in der Lage, die Bevölkerung zu ernähren. Bei Olivenöl, Wein und Datteln, aber auch Weizen wurden Überschüsse exportiert (vgl. 1 Kön 5, 25; 2 Chr 2, 9.14; Apg 12, 20). So konnte insgesamt die Produktion gesteigert werden und für einen Teil der Bevölkerung ein relativer Wohlstand entstehen (vgl. Neh 10, 38.40; 13, 12; 2 Chr 31, 5). Begünstigt wurde der Handel mit (wertvollen) Agrarprodukten (vgl. Flav. Jos. Vit. 70-76) durch das (Fern-)Wegenetz, das zur römischen Zeit eine Renovierung und beträchtliche Erweiterung erfuhr. Landwirtschaft war die Haupterwerbsquelle in Palästina (1 Sam 8, 14-17; Arist 107 f.112-116; Flav. Jos. Apion. 1, 60). Da überschlägig 90 % der Bevölkerung in so genannten primären Produktionsbereichen, d. h. vor allen Dingen in der Landwirtschaft tätig war, prägte sie das gesamte ökonomische, soziale und kulturelle Leben. Denn nicht nur der tägliche Arbeitseinsatz auf Acker und Weide, sondern auch die im Gehöft / Haus stattfindende Weiterverarbeitung gehörte zum landwirtschaftlichen Produktionsprozess: So galt es, aus pflanzlichen Bestandteilen Matten, Körbe und Seile herzustellen (Jer 13,1; Ez 40, 3), Leinen aus Flachs zu gewinnen (Jes 19, 9), Gemüse einzulegen sowie Obst zu trocknen (Rosinen, vgl. 1 Sam 25, 18; 30, 12 u. a.; Feigen 2 Sam 16, 1 f.; Jer 40, 10.12; Am 8, 1 f.) und einzulagern für die erntelose Zeit, Wein zur Hefeabscheidung umzufüllen, Würzwein (Hld 8, 2) mit Honig, Pfeffer oder Myrrhe anzusetzen, Bier mit Gerste zu brauen (Ri 13, 7.14; Jes 29, 9), Brennholz bereit zu stellen, Tiere zu schlachten und ihr Fleisch zu konservieren etc. Nicht zu vergessen die Beschickung von lokalen Märkten und Läden in der näheren Umgebung (vgl. Mt 20, 3) mit schnellverderblichen Agrarprodukten wie Gemüse und Obst, die in Körben, Amphoren oder (Tier-)Schläuchen (Mk 2, 22 par), auf Tierrücken oder mit Wagen trans-

portiert wurden. Prägte landwirtschaftliche Handarbeit den gesellschaftlichen Lebensraum, so wurde sie auch aus moralischen Überzeugungen empfohlen: Förderte sie doch nach der antiken Wirtschaftstheorie die Autarkie von Haus und Polis (vgl. Spr 10, 5; 12, 24; Lk 15,11 ff.). Antike Landwirtschaft war voller Mühe. Tierkraft beim Pflügen, Dreschen und Transport unterstützte die Anstrengung. Gefordert war der körperliche Einsatz jedes irgendwie zur Handarbeit fähigen Haushaltsmitgliedes (3 Familie und 3 Sklaverei). Entsprechend ihrer Fähigkeit und Kräfte wurden auch Kinder und ältere Menschen, z. B. zum Getreidesieben und Schweinehüten, eingesetzt. Die Arbeitsorganisation einschließlich Ertragsvermessung und Rechnungslegung oblag dem alleinwirtschaftenden Bauern oder seinem Gutsverwalter (Lk 16, 1 ff.). Schwere Feldarbeit, die aufgrund des heißen Klimas in den frühen Morgenstunden (vgl. Mt 13, 29 f.; Mk 13, 16), ja nachts stattfand, wurde Männern zugemutet (vgl. Gen 3, 17-19; 1 Sam 8, 11 f.; Lk 17, 7). Aber auch Frauen und Kinder, die gemeinhin in der Hauswirtschaft tätig waren, mussten bei hohem Arbeitsanfall auf dem Feld Schwerstarbeit leisten (z. B. Garbenaufbinden in der Ernte). Die anstehende Arbeit musste im Prinzip von den Mitgliedern des Hauswesens bewältigt werden, zur Feldbearbeitung mit dem Pflug, zur Feldfruchtbewachung und -ernte wurden zusätzlich Tagelöhner (Mt 20, 1.7; Joh 10, 12) oder Lohnarbeiter (Mk 1, 20; Lk 10, 2.7 par; 15, 17.19) mit monatlichen und u. U. auch jahreszeitlichen Verträgen angeworben. Landwirtschaftliche Tätigkeit war zumeist eine auf Zusammenarbeit angewiesene und in Gemeinschaft begangene Betätigung, besonders eintönige Arbeit wurde mit Gesang bewältigt (Jes 16, 10). In geringem Maß war landwirtschaftliche Tätigkeit arbeitsteilig organisiert, so z. B. beim Pflügen und der Viehweide (Lk 17, 7), bei der Getreide- und Weinernte (vgl. Hld 8, 11; Jer 49, 9; Obd 5) und dem Marktverkauf. Der frühe lebenszeitliche Beginn und das kräftezehrende Arbeitsleben war ein Grund mit für die geringe durchschnittliche Lebenserwartung.

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Abb. 3: Hauptanbauregionen

2. Hauptprodukte In Palästina, das als Land bezeichnet wird, wo Weizen und Gerste gedeihen (Dtn 8, 8; 33, 28; Rut 2, 23 u. ö.), stellte der Feldbau von Getreide (Weizen und Emmer, Gerste) und Hülsenfrüchten (Linsen, Saubohne und Kichererbse, Wicke, vgl. Gen 25, 29 f.; 2 Sam 17, 28; 23, 11 f.; Ez 4, 9) die Grundnahrungsmittel bereit. Auf den weniger geeigneten Hängen wurden in der Regel meistens im Mischanbau (vgl. Ps 128, 3; Hld 6, 11) Oliven, Feigen und Wein angebaut (Ri 9, 8 f.). Als Fruchtbäume befanden sich u. a. auch der Granatapfelbaum, Mandelbaum, Nussbaum, Johannisbrotbaum, die Pistazie, Sykomore (1 Chr 27, 28) und Dattelpalme (Oasen von Jericho und Elim) in Kultur (vgl. Abb. 3). Für das halbwild gehaltene Weidevieh (3 Viehwirtschaft) war der Hirtenberuf (3 Hirte / Hirtin) unentbehrlich. Bei Transhumanz übernahmen Halbnomaden den Viehtrieb. Hauptsächlich wurden Schafe und Ziegen gehalten, Rinder nur als Zugtiere. Die Schweinemast war verbreitet (Lk 15, 16). Kamel und Esel dienten als Transportmittel. Hühner- (Lk 13, 34 par) und Taubenzucht lieferten Fleisch und Eier (Lk 11,12), die Bienenzucht Honig. In kleinen Nutzgärten (vgl. 2 Kön 21, 18.26; Jes

61, 11) wurde im so genannten Stockwerksbau unter Schatten spendenden Bäumen, unterteilt in Beete (Hld 6, 2), Gemüse angebaut (Dan 1, 11-16: z. B. Zwiebel, Lauch, Knoblauch, Kürbis, Wassermelone [Num 11, 5] und Posthorngurke [Jes 1, 8; Jer 10, 5], an Blattgemüse z. B. Mangold) und Gewürze (z. B. Koriander: Ex 16, 31; Num 11,7; Schwarzkümmel: Jes 28, 25.27; Dill, Pfefferkümmel, Minze). Bot der Garten ergänzende Nahrungsmittel, so musste er bei sinkendem sozialen Status die Hauptnahrung ersetzen (Plin. nat. 19, 52: der Garten ist der »Acker des Armen«). Durch künstliche Bewässerung – und sei es nur durch mit einem Krug geschöpftes Wasser –, Düngung (vgl. Jes 25,10), Fruchtfolge, Schädlingsbekämpfung, Veredelung und Gartentechnik (Umgraben mit Hacke, verschieden tiefes Eingraben, Umsetzen von Jungpflanzen) wurde versucht, die Hortikultur mit mehreren Ernten auf das ganze Jahr auszudehnen. 3. Das agrarische Jahr Landwirtschaftliche Produktion wird von den Gesetzmäßigkeiten der Natur bestimmt. Ja, aller Erfolg beruht darauf, dass die landwirtschaftlichen Arbeiten zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt werden. Produktive Landwirtschaft war darum abhängig von einem (priesterlich erstellten) 3 Kalender (vgl. den so genannten Bauernkalender von Geser aus dem 10. Jh. v. Chr.): In Halbtrockenzonen wie Palästina beginnt das landwirtschaftliche Jahr vor Beginn der herbstlichen Regenperiode im September / Oktober und endet, nachdem der Spätregen (Jak 5, 7) die Fruchtreife ermöglicht hatte, im (Früh-)Sommer (Mai / Juni; 3 Saat und Ernte).

Abb. 4: Säen und Pflügen. Ägyptische Grabmalerei, Grab des Nacht in Schech abd el Qurna, 18. Dynastie (1570-1345)

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Den Beginn macht die Bodenvorbereitung durch Beseitigung von Dornen und Distelgewächsen und mehrmaligem Umbruchpflügen (Jer 4, 3; Hos 10, 11 f.; Spr 20, 4). Die Aussaat (Gen 8, 22; Lev 26, 5) geschah mit der Hand (Ps 126, 5 f.; Koh 11, 4.6; Mk 4, 3 parr) und anschließendem Eggen (vgl. Jes 28, 24; Hos 10, 11; 1 Kor 9,10 f.) oder mit einem Saattrichter am Pflug auf das vom Frühregen genässte Land (Ps 65,12, s. Abb. 4). Auf den besäten Feldern musste mehrmals Unkraut gejätet (Mt 13, 27-30) und die Vögel durch Vogelscheuchen abgeschreckt werden (Jer 10, 5). Auch Baumplantagen wurden gepflügt, in unmittelbarer Nähe des Baumes wurde gehackt. Auf den Weinfeldern mussten zusätzlich Ableger gewonnen, die Reben an Gabelhölzer (vgl. Jes 7, 25) oder an Bäume hochgebunden (vgl. 1 Kön 5, 5; Ez 17, 8) und zur Ertragssteigerung beschnitten werden. Fruchtbäume mussten zurückgeschnitten, Sykomoren zu Fruchtgewinn und Schädlingsbekämpfung angeritzt (Am 7,14) und nicht mehr fruchttragende Bäume (Lk 3, 9 par) durch Jungpflanzen ersetzt werden. Die Ernte begann zuerst mit der von Hülsenfrüchten, darauf folgten Flachs, Gerste und Weizen (Rut 2, 23). In Tälern wurde früher, auf (kälteren) Berglagen später geerntet. Vom reif stehenden Getreide wurden mit der Sichel die Ährenspitzen abgeschnitten (Dtn 16, 9; 23, 26; Joh 4, 35). Die gesammelten und in Garben aufgebundenen Getreideähren (Ex 22, 5; Ps 126, 6; Mt 13, 30) wurden nach der Trocknung mit Wagen oder mit Körben auf die Tenne transportiert (Am 2, 13), um dort mit Tierhilfe (Dtn 25, 4) ausgedroschen zu werden (Lev 26, 52; 2 Sam 24,1624; Lk 3, 17 par). Dasselbe geschah teilweise mit Hülsenfrüchten. Das gebrochene Getreide wurde anschließend mehrmals im Wind geworfelt (Jes 30, 24; Jer 4, 11; 15, 7). Nach dem Sieben mit Grobund Feinsieb (Am 9, 9; Lk 22, 31) wurde das gewonnene Korn – abgemessen von Hohlmaßen – in Vorratskrügen oder -kammern oder (unteroder überirdischen) Silos oder in (öffentlichen oder privaten) Lagerhäusern gespeichert (Dtn 28, 8; 1 Kön 9, 19; Lk 12, 18) Die durchschnittlichen Erträge betrugen bei Weizen 1:5 (vgl. Ket 112a;

R. Jose), bei Gerste lagen sie höher (bei Leguminosen 1:4, bei Sesam 1:2). Gegen Wurmfraß wurde dem Getreide Asche beigemischt. Die Lagerungsverluste lagen bei ca. 10 % des Ertrages. Der auf der Tenne gewonnene Häcksel wurde als Viehfutter (Gen 24, 25; Ri 19, 19; Jes 11, 7) oder Baumaterial (Ex 5,12) gesammelt. Das Saatgut (vgl. Mt 13, 24) wurde von Unkrautsamen handverlesen. Anschließend an die Getreideernte war Weinlese (Num 13, 20; Lev 26, 5). Zum Schutz der wertvollen, reifenden Trauben und ihrer Ernte wie ihres alsbald einzuleitenden Verarbeitungsprozesses, der Kelter, siedelte die Hausfamilie zeitweise auf die Felder in schattige Hütten (Jes 4, 6) oder (Wach-)Türme um (Jes 5, 2 = Mk 12, 1 parr). Die Pressrückstände wurden in Krügen und Amphoren abgefüllt und zur Fermentation in unterirdische Keller mit gleichbleibender Temperatur verbracht. Pro Morgen wurden 500-1500 Liter Wein erzeugt (vgl. Colum. 3, 3,4; 3, 3,10 f.). Mit verschiedenen Zusätzen und Filtermethoden wurden verschiedenartige Weinqualitäten destilliert (vgl. Ez 27,18: jajin hælbo¯n; Hos 14, 8: jajin ˙ leba¯no¯n; Est 1, 7; Dan 1, 5). Danach galt es bis zum September / Oktober das andere Obst von den Bäumen zu nehmen (Ex 23, 16; 34, 22; 2 Sam 16, 1; Jer 40, 10.12; Feigen wurden fast das ganze Jahr geerntet) und Olivenernte (Jes 17, 6; 24, 13, alle zwei Jahre, z. T. bis in den Dezember hinein) zu halten. Die Früchte mussten zur Weiterverarbeitung zumeist transportiert werden. 4. Landwirtschaft und religiöses Leben Da ertragreiche Landbewirtschaftung Existenz und Zivilisation ermöglichte, Fruchtgewinn wie Tiervermehrung aber als natürlicher Prozess dem Einfluss des Menschen entzogen ist (Mk 4, 26-29), war sie im Alten Orient mit religiösen Vorstellungen besetzt. Das fruchtbare Land wurde vorgestellt im Besitz der Götter, die es dem Menschen zur Existenzsicherung überlassen und den Fruchtungs- und Mehrungsvorgang mit ihrer Macht begleiten. Im Gegensatz zum griechischen Götterhimmel gab es in der kanaanäi-

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schen Religion keine eigene Gottheit nur für Ackerbau und Viehzucht. Der Hauptgott Baal, der als Gewittergottheit den nährenden Regen fallen lässt, bestimmte den biologischen Zyklus der jahreszeitlichen Wiederkehr der lebensstiftenden Vegetation. Im Unterschied dazu verehrte Israel den göttlichen Landwirt JHWH (Ps 104, 1018) als den keinerlei Kraftverlust unterliegenden souveränen Schöpfer und Erhalter des gesamten natürlichen Lebens (vgl. Segen: Ps 65,10-14; Dtn 11,14 f.; 28, 1-14, Fluch: Lev 26, 19 f.; Dtn 11,16 f.; 28,15-51; priesterliches Brachjahr als Privilegrecht JHWHs: Ex 23, 10 f.; Lev 25, 6), der als Eigentümer des Kulturlands (Lev 25, 23) dieses Israel zur Existenzsicherung zur Verfügung stellte (3 Landbesitz). Aus Dankbarkeit gegenüber JHWH wurde der Opferkult von Erstlingen (Num 18, 8-32; Dtn 18,1-9) eingerichtet (Gen 4, 3 f.; Lev 19, 24 f.). Geben die anstehenden Feldarbeiten dem Arbeitsjahr des sesshaften Bauern seinen festen Rhythmus, so bieten ihm die kurzen arbeitsfreien Zeiten nach eingebrachter Ernte Muße zu gemeinschaftlichen Freudenfesten (Ps 126, 5; Jes 9, 2). In religiöser Hinsicht ging es bei den jährlich wiederkehrenden Dankopferfesten (vgl. die Festkalender in Ex 23,14-17; 34, 18-26; Lev 23; Dtn 16, 1-17) zugleich um die Kräfte des Neuwerdens in der Natur und für Israel besonders um die Bekräftigung der einzigen königlichen Autorität JHWHs über das Land als Schöpfer und Ordner des ganzen Lebens. So markierte ursprünglich Mazzot den Beginn der Gerstenernte und Schavuot (Wochenfest) das ca. sieben Wochen später liegende Ende der Weizenernte, während Sukkot (Laubhüttenfest) am Schluss des landwirtschaftlichen Jahres die Einbringung der Früchte feiert. Als weiteres Naturfest ist Pascha zu nennen, das auf viehzüchterische Ursprünge zurückgeht, wenn im Frühjahr die Tiere erste Junge bringen und die Milchproduktion reichlich wird (Ex 12, 311). Alle agrarischen Feste wurden durch Israels Bekenntnis zum geschichtsmächtigen Gott (vgl. Dtn 5, 6) mit Bezug auf den Auszug aus Ägypten nachträglich historisiert. War vorexilisch das kalendarische Neujahr(-sfest) mit Sukkot verbunden, so wurde es nachexilisch aufgrund des per-

sischen Verwaltungskalenders im Frühjahr mit dem Pascha verbunden (3 Fest). 5. Landwirtschaft und Besitzverhältnisse Das agrarisch nutzbare Land (3 Landbesitz) befand sich in privatem (Num 27, 1-8; Dtn 21, 15-17; 1 Kön 21, 1-3), königlichem / staatlichem (1 Chr 27, 26-28) oder priesterlichem Besitz (Num 35, 18). Neben Domänen, die Eigentum der politischen Elite waren und durch Großpächter bzw. Unterpächter oder Sklaven bewirtschaftet wurden, stand der bäuerliche Klein- und Mittelbesitz, der – fragmentiert durch das Erbrecht und belastet mit steigenden Steuern – immer weniger eine größere Familie ernähren konnte. Durch fehlende Ressourcen reichte bereits eine Missernte aus, dass selbständige Kleinbauern ihren Betrieb verschuldeten und an Grundbesitzer verloren, die ihn ihnen wiederum zur 3 Pacht überließen. Besitzlosigkeit führte zur Verarmung der Bauern und bewirkte schließlich Landflucht (vgl. Mk 10, 29 par; Flav. Jos. Vit. 66.77 f.105111.126-131). Der Konzentrationsprozess von Grundbesitz in den Händen weniger begleitete Israels Geschichte (Am 2, 6-8; Jes 5, 8), nahm aber in hellenistischer Zeit aufgrund des Zuflusses ausländischen Kapitals zu, um in römischer Zeit darin zu kulminieren, dass die Aristokratie Großdomänen besaß (vgl. Mt 25, 14-30; Lk 12, 16-20), so dass die (Teil-)Pacht (fast) allgemein wurde. Die Landwirtschaft erwirtschaftete nicht nur den überaus größten Anteil am Volkseinkommen, sondern von ihr wurden durch Steuern und Abgaben auch die staatliche Administration und die religiöse Institution bestritten (Zehnt). Zusätzlich zur Feldarbeit war der Bauer zur Instandhaltung der Infrastruktur verpflichtet. Zur urchristlichen Zeit war der Steuer- und Abgabendruck so hoch, dass von der geernteten Frucht nur ca. 45 % einer bäuerlichen Familie als Lebensunterhalt verblieben. Als agrarische Gesellschaft mussten soziale Verpflichtungen gegenüber Armen, Witwen und Waisen aus agrarischen Ressourcen bestritten werden: So ermöglichte (Lev 19, 9 f.; 23, 22) und erlaubte man die Nachlese auf dem Feld (Ex

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23,11; Dtn 24, 19-22). Ja, nach deuteronomischer Vorstellung sollte sogar ein Zehnter im Drittjahr der Armenfürsorge gewidmet werden (Dtn 26,12). 6. Metaphern und Motive In welchem Ausmaß die Landwirtschaft das kulturelle Leben Israels prägte, ist sowohl an der Metaphernsprache der Psalmisten (Ps 65, 9-13; 104, 13-16; 107, 37 f.; 144, 12-14) als auch der prophetischen Bildersprache (z. B. Israel als Weinberg Jes 5, 1-8, als kultivierter Weinstock Jer 2, 21; 6, 9; Ez 14, 6-10; 15, 6; Hos 10,1; 14, 8 oder als dreschendes Tier Hos 10,11; Mi 4,13) wie auch den Gleichnissen und Bildworten von Gideon (Ri 8, 2), Jotam (Ri 9, 8-15), Simson (Ri 14, 8), Natan (2 Sam 12, 1-4) und Jesus von Nazaret (z. B. Mk 4, 3-8; Lk 12, 16-20; 15, 4-6 par; 15, 11-32) zu entnehmen. Schließlich waren der Salomonische Tempel (1 Kön 6,18.29.32.35) und die Kleider der Priesterschaft (Ex 37, 17.21; 39, 25 f.) mit agrikulturellen Motiven reich verziert. Ben-David, Ariye, Talmudische Ökonomie. Die Wirtschaft des jüdischen Palästina zur Zeit der Mischna und des Talmud Bd. 1, Hildesheim / New York 1974. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina, 7 Bde., SDPI = BFChTh, Gütersloh 1928-1942. Eyre, Christopher J., The Agriculture Circle, Farming, and Water Management in the Ancient Near East, in: Jack M. Sasson (Hg.), Civilizations in the Ancient Near East Vol. 1, New York 1995, 175-190. Goodman, Martin, State and Society in Roman Galilee, A.D. 132-212, Oxford Centre for Postgraduate Hebrew studies, Totowa (N.J.) 1983. Faßbeck, Gabriele u. a. (Hg.), Leben am See Gennesaret. Kulturgeschichtliche Entdeckungen in einer biblischen Region, Mainz 2003. Fellmeth, Ulrich, Essen und Trinken im antiken Palästina, in: Ulrich Mell (Hg.), Pflanzen und Pflanzensprache der Bibel, Erträge des Hohenheimer Symposions vom 26. Mai 2004, Frankfurt a. M. u. a. 2006, 71-89. Habbe, Joachim, Palästina zur Zeit Jesu. Die Landwirtschaft in Galiläa als Hintergrund der synoptischen Evangelien, NTDH 6, Neukirchen-Vluyn 1996. Herz, Peter, Erwerbsmöglichkeiten, in: Neues Testament und Antike Kultur Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 2005, 190198.

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Klaus Koenen / Ulrich Mell

Landwirtschaftliche Geräte Landwirtschaftliche Geräte wurden vor allem zur Feldbestellung benötigt, insbesondere beim arbeitsintensiven Anbau von Getreide. Für den Anbau von Gemüse und Früchten wurden Hacken gebraucht, zum Stutzen mancher Sträucher und Bäume Messer und bei einigen Früchten Erntestöcke, mit denen z. B. Oliven vom Baum geschlagen wurden. Aufwendige Einrichtungen erforderte das Pressen von Trauben in der Kelter (3 Wein) und von Oliven in der Ölpresse (3 Öl / Salbe). 1. Pflug Das wichtigste landwirtschaftliche Gerät war der Pflug. Für Palästina gibt es aus biblischer Zeit weder Darstellungen noch Beschreibungen von Pflügen. Ihr Aussehen kann nur aus bei Grabun-

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gen gefundenen Pflugscharen, ägyptischen und mesopotamischen Abbildungen und bis ins 20. Jh. in Palästina gebräuchlichen Pflügen erschlossen werden. Kernstück eines Pfluges ist eine möglichst harte Pflugschar. Sie bestand zunächst aus einem dicken, angespitzten Holzpflock, seit ca. 2000 v. Chr. auch aus Bronze und seit ca. 1000 v. Chr. zunehmend aus Eisen (vgl. 1 Sam 13, 20). Die Verwendung härteren Metalls ermöglichte ein gründlicheres Auflockern des Bodens, was zu einer Steigerung der Erträge führte. Pflugscharen aus Metall waren nur 15-35 cm lang und schmal. Sie bildeten unten eine Spitze – also kein Blatt wie heutige Pflugscharen – und waren oben zu einem rohrförmigen Schaft gekrümmt, in dem das Pfluggestell steckte, dessen Lenkholz der Bauer hielt. Es gab Lenkhölzer, die mit einer Hand bedient werden konnten, so dass der Bauer die andere frei hatte, um die Zugtiere mit einem so genannten Ochsenstecken anzutreiben (vgl. Sir 38, 26). Es gab aber auch Lenkhölzer, für die der Pflügende beide Hände benötigte und die deswegen eine zweite Arbeitskraft zum Antreiben der Zugtiere erforderten, wohl die Bäuerin, die jedenfalls auf ägyptischen Darstellungen in der Landwirtschaft arbeitet (Grab des Sennedjem in Der el-Medina, 19. Dyn.), oder Kinder. Unten am Pfluggestell war der Jochbalken montiert, der den Pflug mit dem Joch verband, das auf dem Nacken der Zugtiere lag und mit Stricken an ihnen befestigt war. Die Herstellung der Pflüge zeugt von der Kunst der Metall- und Holzbearbeitung (Jub 11, 23). Das landwirtschaftliche Jahr begann in Palästina im Oktober / November, sobald der erste Regen den vom Sommer gehärteten Boden weicher werden ließ (Ps 65,11), mit dem Pflügen (h¯arasˇ; ˙ Spr 20, 4). Der Pflug wurde sowohl zum eigentlichen Pflügen = »Öffnen« (pa¯tah) des Bodens ge˙ braucht als auch nach dem Säen zum Eggen (s´¯adad; Jes 28, 24). Zunächst wurde der Boden nicht wie durch heutige Pflugblätter gewendet (»umgepflügt«), sondern in Furchen nur etwa 10 cm tief aufgerissen und so gelockert. Das Ziehen bzw. Halten, Lenken und Wenden des Pflu-

ges war für Tier und Mensch eine sehr schwere Arbeit (Hos 10, 11). Unabhängige Bauern bearbeiteten ihre eigene Scholle. Für die Bestellung der Krongüter konnte ein König nach 1 Sam 8,11 f. junge Männer zwangsverpflichten, ein Hinweis darauf, dass die Arbeit von Männern verrichtet wurde. Jesus illustriert mit dem nach vorne gerichteten Blick des Pflügenden, dass die ankommende Gottesherrschaft das Selbstverständnis Israels bestimmen soll (Lk 9, 62). Als Zugtiere dienten nicht Pferde, sondern Rinder (Hi 1, 14), zuweilen auch Esel (Jes 30, 24). Meist bildeten zwei Tiere im Joch ein Gespann. Daraus hat sich »Gespann« (Jes 5,10) als Ausdruck für ein Flächenmaß entwickelt, nämlich für die Fläche, die ein Bauer mit einem Rindergespann an einem Tag pflügen kann. Da man häufig nicht über zwei Rinder verfügte, hat man Rind und Esel wohl auch zusammen eingespannt – entgegen dem Verbot in Dtn 22, 10. Praktisch ist dies möglich und von arabischen Bauern bis ins 20. Jh. gemacht worden. Unmittelbar nach dem Pflügen wurde gesät, indem das Saatgut, z. B. Gerste, Emmer, Weizen, Dill oder Kümmel (Jes 28, 24 f.), mit der Hand ausgestreut wurde (3 Saat / Ernte). Um es mit Erde zu bedecken und damit auch vor Vögeln zu schützen (Jub 11,11; Mk 4, 4), wurde das Feld danach erneut gepflügt bzw. geeggt, und zwar quer zur ersten Pflugrichtung. Saattrichter, die am Pflug montiert waren, kamen in Palästina – anders als in Mesopotamien – wohl erst in hellenistischer Zeit auf. Ihre Einführung schreibt das Jubiläenbuch (2. Jh. v. Chr.) Abraham zu. Sie wurden von einer weiteren Person bedient – vermutlich Frau oder Kindern – und ermöglichten ein gezieltes Einsähen in die Furche und sofortiges Bedecken des Saatguts (Jub 11, 23 f.). Das zweite Pflügen bzw. Eggen erübrigte sich deswegen. Nach der Einsaat hoffte man auf Regen, ohne den Saatgut und Ernte verloren waren. 2. Hacke Wo im Bergland Mittelpalästinas die Hügel zu steil oder durch Terrassierung in kleine Parzellen

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Landwirtschaftliche Geräte: 1: Pflug; 2: Pflugschar; 3: Hacke; 4: Hackenköpfe; 5: Sichelklingen; 6: Dreschplatte; 7: Dreschschlitten; 8: Wendegabel

aufgeteilt waren, konnte ein Pflug nicht eingesetzt werden, sondern nur eine Spatenhacke. Als Hacke bezeichnet man eine Reihe von sehr wichtigen, nicht nur in der Landwirtschaft viel benutzten Arbeitsgeräten, bei denen an einem Holzstiel ein Kopf aus Holz, Stein, Kupfer, Bronze oder Eisen ungefähr rechtwinklig angebracht ist. Mit Hacken wurden Feldstücke umgegraben, Boden planiert, Erde weggeräumt, Gestrüpp gerodet, Unkraut gejätet und Bäume gefällt, aber auch Lehm gestochen, Holz geglättet, Steine zurecht gehauen und viele andere Arbeiten verrichtet. Je nach Verwendungszweck hatte der Kopf der Hacke eine andere Form. Es konnte sich um ein flaches Spatenblatt, einen spitzen Dorn oder eine Klinge handeln, die parallel (Axt) oder quer (Beil) zum Stiel steht. Die Köpfe waren mit Stricken an den Stiel gebunden, wobei ein Spalt im Stiel zusätzlichen Halt bieten konnte. Andere Köpfe hatten ein Loch für den Stiel. Spatenblätter konnten oben zu einer Tülle gebogen sein, die den Stiel umfasste. Für verschiedene Arten von Hacken kennt das Alte Testament unterschiedli-

che Begriffe, allerdings ist nicht klar, welcher Begriff welche Hacke meint. Da sich viele Bauern teure Metallwerkzeuge kaum leisten konnten, dürfte es einfache Hacken mit Holz- und Steinkopf noch lange nach Aufkommen der Metallköpfe gegeben haben. Von ihnen ist auf Ausgrabungen naturgemäß nichts zu finden. Deswegen lässt sich nicht abschätzen, wie hoch der Anteil der Bauern mit besserer bzw. schlechterer Gerätschaft war. Bildlich ist von einer Hacke in der alttestamentlichen Verheißung die Rede, dass die Völker ihre Schwerter zu Spatenhacken schmieden werden (Mi 4, 3 = Jes 2, 4). Das bäuerliche Werkzeug wird für den Propheten zu einem Symbol des Friedens. Die traditionelle Übersetzung »Pflugschar« scheitert an 1 Sam 13, 20 f., da das hebräische Wort dort neben dem parallelen Wort für Pflugschar nicht ebenfalls »Pflugschar« bedeuten kann. 3. Sichel Für die Ernte, insbesondere von Getreide, war die Sichel wichtig. Sensen gab es anscheinend nicht.

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Die Sichel bestand aus einer gebogenen, innen scharfen Klinge und einem Griff aus Holz oder Knochen. Die Klinge wurde zunächst von mehreren scharfen Feuersteinen gebildet, die in einen Rippenknochen oder gekrümmten Ast eingesetzt waren. Bronzeklingen gab es erst ab der Mitte des 2. Jt., schärfere Eisenklingen ab Anfang des 1. Jt. Die Getreideähren wurden in Büscheln abgeschnitten und zu Garben gebunden (Gen 37,7). Ägyptische Darstellungen zeigen, dass man Getreide nicht am Boden, sondern kurz unterhalb der Ähren schnitt und den unteren Teil der Pflanzen – wohl als Tierfutter – auf dem Feld stehen ließ. Den Schnittern folgten Helferinnen bzw. Helfer, die heruntergefallene Ähren auflasen (Jes 17, 5 f.; Jer 9, 21). Dabei darf man an Frauen denken (so dargestellt im Grab des Sennedjem; s. o.), aber wohl auch an Kinder und ältere Familienmitglieder. Nach der Ernte durften sich die Armen holen, was sie noch fanden (Lev 19, 9 f.; 23, 22; Dtn 24, 19). Bildlich kann von Gottes (endzeitlichem) Gericht als Ernte gesprochen werden. Dabei veranschaulichen Sichel und reifes Erntegut, das unbedingt geschnitten werden muss, die Härte und Unabänderlichkeit des göttlichen Gerichts (Joel 4,13; Mk 4, 29; Offb 14, 1416). 4. Dreschplatte, Dreschschlitten, Wendegabel Mit Lasttieren oder Wagen wurden die Getreideähren zur Tenne gebracht (Am 2, 13). Die Tenne – ein felsiger oder fest gestampfter, ebener Platz – lag meist östlich der Siedlungen, damit der vorherrschende Westwind die Spreu nicht in den Ort wehte. Sie stand allen Bauern des Ortes zur Verfügung, jedoch gab es auch private Tennen (2 Sam 6, 6; 24, 16). Von wem und nach welchem Verfahren Gemeinschaftstennen an einzelne vergeben wurden und wie oft es dabei zu Konflikten kam, wissen wir nicht. Gedroschen wurde auf unterschiedliche Weise: 1) Gewürze und kleine Getreidemengen wurden mit Stöcken – nicht Dreschflegeln – geschlagen (Ri 6,11; Jes 28, 7; Rut 2, 17), möglicherweise vor allem von Frauen. 2) Über größere Mengen wurden Rinder oder Esel im Kreis getrieben, da-

mit sie die Körner mit ihren Hufen austraten (Mi 4,13). Dabei konnten die Tiere fressen, wenn man ihnen – Dtn 25, 4 entsprechend – das Maul nicht verbunden hat. 3) Dreschplatten, wie sie in Palästina noch bis ins 20. Jh. in Gebrauch waren, gab es wohl schon in der Antike. In die Unterseite einer vorne nach oben gekrümmten Holzplatte waren scharfe Basalt- oder Feuersteine, später auch Eisenklingen eingelassen, die nicht nur das Korn lösen, sondern auch das Stroh schneiden sollten. Rinder oder Esel zogen die Platte, während jemand als Gewicht auf ihr saß oder stand und die Tiere antrieb. Eine zweite Person musste das Getreide mit einer Wendegabel immer wieder umdrehen. Inwiefern Bauer und Bäuerin bei dieser Arbeit feste Rollen hatten oder sich abwechselten, wissen wir nicht. Dass an dieser Arbeit auch Kinder und ältere Menschen beteiligt waren, wird man annehmen dürfen. 4) Eine Weiterentwicklung ist der Dreschschlitten, zwischen dessen hölzernen Kufen an mehreren Achsen jeweils mindestens zwei dicke Scheibenräder aus Holz mit dem scharfkantigen Profil von Zahnrädern saßen. Dass es diese Geräte schon im antiken Israel gab, belegt Jes 28, 27 f. (Parallele zu »Wagenrad«) und die Septuaginta-Übersetzung von Jes 41, 15 (»neue, scharfe Dreschwagenräder«). In der alttestamentlichen Bildersprache bedeutet »Menschen zu dreschen«, dass diese besonders brutal vernichtet werden (Ri 8, 7; 2 Kön 13, 7; Jes 21, 10; 25,10). Amos (1, 3) wirft den Syrern vor, andere Völker gedroschen zu haben. Auch Israel wurde gedroschen (Jes 63, 18). Umgekehrt wird aber auch Israel die Völker mit harten Hufen dreschen (Mi 4, 13) bzw. zu einer starken Dreschplatte werden, der nichts im Weg steht (Jes 41, 15). In Hab 3, 12 ist es Gott, der als Bauer die Völker drischt. In Jes 27,12 hat »mit einem Stock dreschen« hingegen eine positive Bedeutung: JHWH will die wertvollen Körner, die zerstreuten Israeliten, aus den Ähren herausholen. 5. Wurfgabel, Wurfschaufel Nach dem Dreschen wurde das Getreide geworfelt. Von welchen Familienmitgliedern diese Ar-

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beit vor allem verrichtet wurde, wissen wir nicht. Das Getreide wurde zuerst mit einer hölzernen Wurfgabel (Jes 30, 24; Jer 15, 7) und in einem zweiten feineren Durchgang mit einer Wurfschaufel (Jes 30, 24) bei gleichmäßigem, nicht zu starkem Wind (Jer 4, 11 f.) in die Luft geworfen, damit Körner, Unkraut, Strohstoppeln, Häcksel und Spreu nach ihrem spezifischen Gewicht unterschiedlich weit geweht wurden. Mit Strohstoppeln zündete man Feuer an, feineren Häcksel und Unkraut verwendete man als Tierfutter, beide waren wichtig für die Herstellung von Lehmziegeln. Nur die ganz feine Spreu war wertlos (Hos 13, 3). Auch »worfeln« meint bildlich »vernichten« (Jer 51, 2). Israel wird Berge dreschen und worfeln, so dass der Wind sie verweht (Jes 41, 16). JHWH worfelt als Bauer sein Volk (Jer 15, 7). Johannes der Täufer kündigt Israel ein endgerichtliches Worfeln an, bei dem Gott die Spreu vom Weizen trennt (Lk 3, 17 par). 6. Sieb Nach dem Worfeln wurden die Körner zur Reinigung zweimal gesiebt. Mit einem Grobsieb, das die Körner durchließ, sonderte man zunächst größere Steinchen, Dreckklumpen und verbliebenes Stroh aus, mit einem Feinsieb danach alles, was kleiner als die Körner war, z. B. Sand und Unkrautsamen. Die Siebe bestanden in der Regel vermutlich aus einem hölzernen Ring von ca. 50 cm Durchmesser, durch den Streifen aus Tierhaut oder Palmblättern so geflochten waren, dass zwischen den Streifen Löcher blieben. Das Schütteln der Siebe war eine anstrengende Arbeit, die vielleicht vor allem von Frauen und helfenden Kindern verrichtet wurde – doch haben wir dazu keine Quellen. Das gereinigte Getreide wurde dann bis zum Mahlen in Vorratskrügen und Silos gelagert. Bildlich spricht Am 9, 9 von einem Grobsieb, das die Sünder aussiebt. Hier wird das Gericht, das Amos ganz Israel ankündigt, redaktionell als Läuterungsgericht gedeutet, das nur die Sünder trifft. Damit wird den Gerechten in Israel eine Heilsperspektive eröffnet.

7. Winzermesser Ein Winzermesser (Mi 4, 3; Jes 2, 4) ist ein Messer, mit dem man nach der Blüte der Rebstöcke überzählige Schösslinge abschnitt (Jes 18, 5) und vermutlich später auch die Trauben erntete. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. II-III, Gütersloh 1932-1933 (Nachdruck Hildesheim u. a. 1987). Koenen, Klaus, Art. Dreschen und worfeln / Art. Pflug, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www. wibilex.de), 2008. Ders., Art. Hacke / Art. Sichel / Art. Sieb, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2005. Thompson, John A., Handbook of Life in Bible Times, 1986.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

Leben 1. Generelles »Leben« kann man wegen seiner Vieldimensionalität nicht einfach definieren. Am ehesten heißt »Leben« biblisch »in Beziehung stehen«, vornehmlich zur mitmenschlichen Welt, besonders aber zu Gott. Leben wird begrenzt durch den Oppositionsbereich des Todes (3 Tod), der zumindest in der früheren alttestamentlichen Zeit und in der offiziellen Religion durch Beziehungslosigkeit speziell JHWH gegenüber gekennzeichnet gewesen sein muss. Die Unterbrechung sozialer und religiöser Beziehungen, also der soziale oder kultische »Tod«, wird deshalb oft mit dem physisch-biologischen Tod gleichgestellt: Vornehmlich in den alttestamentlichen Klagetexten findet sich ein fließender Übergang in der Rede von Leben und Tod, die Artikulation von Todeserfahrungen mitten im Leben: Ein schwerkranker, sozial und kultisch isolierter Beter etwa kann sich als »dem Totenreich, der Scheol, nahe«, »hinabfahrend in die Grube«, »hingestreckt unter die Toten« präsentieren (Ps 88, 4-6 oder Hi 33, 22)

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bzw. als abgeschnitten von Gottes Wirklichkeit (dafür z. B. Ps 88, 11-14). Die Existenz in der Scheol, der Unterwelt, wird dabei alttestamentlich zwar nicht unkörperlich, aber dennoch nicht als Leben, sondern eher als Dahinvegetieren verstanden. 2. Terminologie Der mit »Leben« gemeinte Sachverhalt kommt im Hebräischen am häufigsten in zwei Worten zum Ausdruck: in dem Wort næfæsˇ (Kehle) einerseits und in der Pluralbildung hajjı¯m (Leben; ˙ dazu das Verb »lebendig sein / machen« und das Adjektiv »lebendig«) andererseits. Zwar können beide Worte öfter praktisch austauschbar gebraucht werden (vgl. etwa Hi 9, 21; Ps 7, 6; 26, 9; 88, 4; Jona 4, 3.8). Wo aber das Wort hajjı¯m steht, ˙ ist ausweislich der sehr häufigen Verbindung »alle Tage seines Lebens« – z. T. auch mit »Jahr« (vgl. z. B. Ps 31,11; Spr 4, 10; Tage und Jahre zusammen: Spr 9, 11) – vor allem geglücktes, weil langes Leben in den Blick genommen: Jung zu sterben, gilt als Katastrophe (Hi 36, 14), 70 bis 80 Jahre gelten als Lebenssättigung (Ps 90, 10). Der Gebrauch des Wortes næfæsˇ (Kehle, Atem: Leben ist also zuerst Atmen!) hingegen akzentuiert eher die Vitalität, die Lebenskraft, Begehrlichkeit, ja Gier (Ex 15, 9) und Buntheit des Lebens, aber auch das einzelne Leben – wir würden eher sagen, die einzelne Person – unabhängig von der Lebensdauer. Schon die priesterschriftliche (Gen 1, 20.21.24.30), aber auch die nichtpriesterschriftliche Schöpfungserzählung (Gen 2, 7.19) verwenden den Terminus technicus næfæsˇ hajja¯h (lebendiges Leben / le˙ bendiges Wesen) für Tiere und Menschen und bringen dadurch eine grundlegende Zusammengehörigkeit von tierischem und menschlichem Leben zum Ausdruck. Diese Gemeinsamkeit wird allerdings durch die Konzessionen nach der Sintflut schwerwiegend gestört: Ab jetzt ist tierisches Leben anders als menschliches dem Tötungsverbot entzogen (vgl. Gen 9, 3 gegen Gen 9, 5-6). Kompensiert wird dies etwas dadurch, dass der von Gott gesetzte Bund dann wieder »allen lebendigen Wesen« gilt (Gen 9, 9 ff.), außerdem durch das Bluttabu der Hebräischen Bibel.

In der griechischen Antike ist Zoe das faktische Leben von Lebewesen (Menschen und Tieren) und Pflanzen. Es prägt sich aus im Bios, dem Lebenswandel (auch Lebensunterhalt). Die Psyche ist das dem Individuum eigene (unsterbliche) Lebensprinzip und Trägerin des Lebens. Der neutestamentliche Sprachgebrauch zeigt nur 10 Vorkommen von Bios, 103 Vorkommen von Psyche, und 135 Vorkommen von Zoe. Letzteres erscheint im Zusammenhang mit seinem Oppositum, dem Tod; es bezeichnet das »ewige Leben und das von Christus ausgehende Leben der Gläubigen« (Dautzenberg). Dieser terminologische Befund signalisiert eine theologische Akzentverschiebung. 3. Aspekte von »Leben« in Erzählung, Poesie und Theologie Es wäre falsch, zumindest einseitig, das biblische Verständnis von »Leben« nur von den Stellen ausgehend zu erheben, die das Wort »Leben« oder eine seiner Ableitungen verwenden. Was »Leben« ist, wird vielmehr in der Bibel ganz unterminologisch erzählerisch bzw. poetisch entfaltet. Im alttestamentlichen Zusammenhang ist »Leben« dabei fast ausschließlich, anders als etwa im benachbarten Ägypten, als diesseitiges Leben gefasst, ohne die Aussicht auf ein kompensatorisch wirkendes Leben nach dem Tod. Letzteres wird mit der anschwellenden Artikulation ausbleibender Gerechtigkeitserfahrungen in nachexilischer Zeit biblisch greifbar: in der Hoffnung des individuellen Beters auf eine Gottesgemeinschaft über den Tod hinaus (Ps 73, 24) bzw. in einer ansatzhaften kollektiven Auferstehungserwartung (Jes 26, 9; Dan 12, 2; 2 Makk 7), schließlich im ganz späten Weisheitsbuch auf ganz andere Weise in der griechisch-hellenistischen Theorie von der Unsterblichkeit der Seele (Weish 3,1-4). Dieser Prozess »göttlicher Kompetenzausweitung« (Janowski) dürfte tatsächlich bereits vorexilisch in der privaten und familialen Frömmigkeit eingesetzt haben, worauf die Grabinschrift und die Ikonographie der rettenden Rechten JHWHs (?) in Chirbet el-Qom (Mitte bis Ende 8. Jh. v. Chr.) verweisen. Gleichwohl sind alttestamentliche To-

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tenerweckungstexte normalerweise Texte, die dem Verstorbenen das (diesseitige) Leben zurückkehren lassen (1 Kön 17, 7-24; 2 Kön 4,18-37). Gerade im Alten Testament steht so dem ganz selbstverständlichen Bewusstsein um die Flüchtigkeit des Lebens (z. B. Ps 103, 15-16) ein umso intensiveres Bemühen um Gelingen und Gefülltsein des Lebens gegenüber. Begriffe und Metaphern, die neben und für Leben stehen können, sind allesamt positiv besetzt: Segen (Dtn 30, 19; Ps 133, 3), Glück (Hi 21, 25), Freude (Ps 85, 7), Heil bzw. Wohlergehen (sˇ¯alo¯m: Mal 2, 5; Spr 3, 17) oder Licht (Hi 33, 28.30). Besonders Nachkommenschaft kann gleichsam das Leben füllen oder gar »zurückkehren lassen« (Rut 4,15), wenn es vorher in Ermangelung derselben »verbittert« war (1 Sam 1, 10). Alttestamentlich gehören zu einem guten Leben – neben ausreichender Länge – öffentliches Ansehen, Ehre, Besitz, besser noch Reichtum, und sein Nutzen (Spr 3, 16; Hi 1, 3; 42,10), der Genuss von Wein ebenso (Sir 31, 27) wie derjenige geschlechtlicher Beziehungen (Koh 9, 9, aus männlicher Perspektive formuliert). Dass Arbeit, aber auch allerlei widrige Umstände selbstverständlich zum Leben dazugehören, erklären die Sentenzen in Gen 3, 16.17 ff.; dass die Sterblichkeit des Menschen unumgänglich ist, wird ätiologisch in Gen 2-3 begründet. Im Neuen Testament ist kein Begriffspaar theologisch so »aufgeladen« wie das Oppositionspaar Leben und Tod. »Leben« ist die Heilsgabe Gottes schlechthin, im Johannesevangelium christologisch radikalisiert und direkt mit Christus identifiziert (Joh 1, 4; 5, 25; 6, 33; 11, 25; 17, 2 f., vgl. 1 Joh 1, 2; 5, 11 f.20). Die Neubestimmung von »Leben« als »ewiges Leben« in der Verkündigung der Auferstehung Christi als dem Sieg über den Tod verändert Denken und Sprache gleichermaßen. Bei Paulus bildet »Tod und Leben« die semantische Achse seiner Briefe. Er kennt zwei Arten des Todes, dem zwei Arten von Leben entsprechen: Der Unheilstod ist die Konsequenz der Sünde (Röm 6, 23; 5,12.14-21; 7,10 f.). Er wird entmachtet durch den Heilstod; dieser ist von Christus ein für alle Mal gestorben (Röm 6, 10);

er hat die Macht des durch die Sünde verursachten Todes gebrochen (Röm 8, 3 f.; 2 Kor 5, 21) und besitzt die Kraft, andere Menschen in diese »Gerechtigkeit« hineinzunehmen (2 Kor 5,14.21; Röm 5, 18; 6, 3-11; Gal 2, 19; 3, 27). Dieser Tod ist als kontradiktorische Opposition der »Tod des Todes« und insofern der Weg zum Leben. Das neue Leben in Christus, Frucht seines Heilstodes, ist in der Auferstehung Jesu grundgelegt (Röm 14, 9; 1 Kor 15, 20); dadurch ist der Mensch »gerecht gemacht« (von der Sünde befreit, vgl. Röm 3, 24 f.; 6, 7.11; 8, 2; 2 Kor 5, 21) und befähigt zu einer neuen Lebensgestaltung (Röm 6, 4: »Neuheit von Leben«) »von Gott her«, »in Christus«, »im Geist« (2 Kor 5,17 f.; Röm 6,11; 8, 9-13). Dieses Leben ist »Neue Schöpfung« (2 Kor 5,17), »äonisches« Leben (Röm 5, 17.21). Das Leben des »alten« Menschen in der Sünde ist dagegen in Wahrheit Tod (Röm 6, 21; 8, 6-8). 4. Leben und Gesellschaft Dass Leben biblisch nicht modern als individuelles, persönliches Leben wahrgenommen wird, lehrt schon ein Blick auf die Talionsformel, die mit »Leben für Leben« einsetzt und damit einer die Gewalt sehr wohl einschränkenden, gleichwohl unpersönlichen »Verrechnung« das Wort redet. Immerhin ist – außer in Fällen von Blutrache und de facto in Kriegen – das menschliche Leben die Grenze des Rechtes des anderen bzw. der anderen Sippe (entsprechend Gen 9, 5-6). Dass dabei auch schon der Entzug der Lebensund Produktionsmittel als Anschlag auf das Leben verstanden werden kann, zeigt z. B. Dtn 24, 3. Umgekehrt bedeutet es ein »Aufleben« auch für die Nicht-Armen, wenn die Armen endlich satt werden (Ps 22, 27). Freilich sind auch Schieflagen in die biblische Literatur eingearbeitet: Für die Zeichnung etwa der – versagenden – Abrahamsfigur in Gen 12, 10-20 ist von großer Bedeutung, dass hier ein Mann auf Kosten (s)einer Frau ein – gutes – Leben führen will und kann (Gen 12, 13). Bei der Jiftacherzählung in Ri 11, 29-40 wird sozusagen das Leben einer zu opfernden jungen Frau gegen das Überleben ihres Stammes aufgewogen. Über-

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haupt ist es schockierend, aber auch bezeichnend für den Realitätssinn der Bibel, wie oft in biblischen Texten gerade Frauen und Kinder Opfer kollektiver Gewalt sind und dadurch Lebenschancen oder sogar ihr Leben verlieren. 5. Gott und das Leben Für die Bibel stammt Leben selbstverständlich von dem Gott, der ganz auf der Seite des Lebens steht, von JHWH. Wo er im ersten Schöpfungsbericht in Wort und Tat tätig wird, entsteht einfach »lebendiges Leben« (Gen 1, 20 u. ö.), während er im zweiten Schöpfungsbericht den lebendigen Menschen durch das Einblasen von »Lebensatem« schafft (Gen 2, 7); an anderen Stellen kann diesbzgl. auch vom »Geist« statt vom »Lebensatem« die Rede sein (z. B. Ez 37, 8-10). Gott kann daher auch als »Geber« des Lebens (Hi 3, 20, vgl. dann auch 12, 10), Spender und Quelle des Lebens (Ps 36, 10), als »Gott meines Lebens« (Ps 42, 9) bzw. als das Leben des Menschen bzw. Israels selbst bezeichnet werden (Dtn 30, 20; vgl. 32, 47), der auch das »Buch des Lebens« (Ps 69, 29) führt. Es ist daher nur konsequent, nicht nur das Leben selbst (z. B. Ps 34,13), sondern auch wiederum den das Leben liebenden (Weish 11, 26) Gott mit »ganzem Leben« zu lieben (Dtn 6, 5 u. ö.) und entsprechend auch seine Gebote, aus denen heraus Israel »lebt« (Dtn 8, 3). Als Gott des Lebens kann er dieses Leben allerdings auch mindern (Hi 27, 2), »zu Ende weben« (Jes 38,12) bzw. ganz allgemein das Leben »nehmen« (1 Kön 19, 4). Wegen der großen Bedeutung der – kultisch vermittelten – Gottesbeziehung nimmt es nicht wunder, dass »Leben« oft stark in kultischen und tempelbezogenen Vorstellungselementen zum Ausdruck gebracht wird (vgl. z. B. die næfæsˇ-Psalmen 42 oder 63). Sitz des Lebens ist das 3 Blut (Lev 17, 11.14; Dtn 12, 23), das seinerseits eine besondere Affinität zum Heiligen hat. In mythologischer Redeweise ist im biblischen und außerbiblischen Zusammenhang außerdem ausdrücklich ein »Lebensbaum« belegt, der als Spender göttlichen, weil unsterblichen Lebens gilt (Gen 2, 9 u. ö.; Spr 3, 18 u. ö.; altorientalisch taucht das vergleichbare Mo-

tiv des Lebenskrautes im Gilgamesch-Epos auf, im Adapa-Mythos das Motiv des Lebenswassers). Für die beliebte moderne Rede vom »lebendigen Gott« sollte man beachten, dass sie zumindest alttestamentlich zum einen eher in polemischen Kontexten gegen Fremdgötter und -völker auftaucht, zum anderen gerade die Inkompatibilität zwischen JHWH und dem Bereich des Todes zum Ausdruck bringt (Dtn 5, 26; Jos 3,10; 1 Sam 17, 26; 2 Kön 19, 4; Jer 10, 10; Hos 2, 1; Ps 42, 3; 84, 3 u. ö.). 6. Urchristliche Botschaft vom Auferstehungsleben Die urchristliche Grundbotschaft von der Auferstehung als der Überwindung des Todes wird in den neutestamentlichen Schriften unterschiedlich konkretisiert und kontextualisiert. Die als Paradox formulierte Kurzformel vom Verlieren und Retten / Gewinnen des Lebens (psyche, Mk 8, 35, vgl. par Mk 16, 25 und Lk 9, 24; Mt 10, 39 par Lk 17, 33; Joh 12, 25) geht vielleicht auf Jesus zurück. Der »soziale Tod« des Jüngers durch Verzicht auf Eigentum und Herkunft führt zum Gewinn des neuen Lebens in der neuen, in geschwisterlicher Gütergemeinschaft lebenden Gemeinschaft, die das »Hundertfache« zurückgibt (Mk 10, 30), mit einer Ausnahme: »Wer als ›Vater‹, d. h. als Hausvorstand, in die christliche Gemeinde eintritt, verlässt seine Bestimmungsrechte über Eigentum und die Personen ›seines‹ Hauses – und wird zum Bruder« (Ebner 84). In dieser neuen Art des sozialen Miteinanders kann bereits jetzt der in der Person Jesu »ankommende« Äon (vgl. Mk 1, 14) erfahrbar werden, der »ewiges Leben« bedeutet. In Joh 12, 25 wird Tod und Auferstehung Jesu als spirituelles Angebot für »Griechen« (Joh 12, 20) formuliert, die für die Mysterienkulte offen sind. Der individuelle Lebensgewinn steht im Vordergrund der Interpretation des Gleichnisses vom sterbenden und Frucht bringenden Weizenkorn in Joh 12, 25. Die Symbolkraft des Weizenkorns, das man in der Antike tatsächlich für tot hielt, spielte in den Mysterienkulten, z. B. in Eleusis oder in den Isismysterien, eine Rolle: Neues Leben geschieht

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durch die scheinbare Vernichtung von Leben hindurch, was kultisch eindrücklich begangen wurde. Dagegen setzt das Johannesevangelium eine andere Mysterienkonzeption: »Anstelle der strengen religiösen Observanz für den Gott tritt die Praxis eines bestimmten sozialen Verhaltens, das sich an Jesu Lebenshingabe für andere orientiert« (Ebner) und das die Psyche ins »ewige Leben« (zoe aionion) bewahren lässt. In Lk 15, 24.32 wird der paradoxe Spruch über Tod und Leben ad intra kontextualisiert: »Tot« war der verlorene Sohn in der Fremde, »lebendig« ist er als von Gott Wiedergefundener. Durch die Kontextualisierung der paulinischen Theologie in die antike Kultur wird die befreiende, geradezu revolutionäre Kraft ihrer Rede von Tod und Sterben sichtbar: Das römische Imperium inszenierte den Sieg über Gesetzlosigkeit und politische Feinde durch Gladiatur und triumphus; sie dienten als »Technologien der Macht« (Foucault) der Herrschaft und Disziplinierung. Auch in der Taufe wird, ritualtheoretisch betrachtet, die Überwindung des Todes »inszeniert« (Röm 6,1-11), aber mit diametral entgegengesetzten Konsequenzen: Die Taufe nimmt die Menschen gerade aus der herkömmlichen Lebenswelt heraus, gibt ihnen Kraft, ihr zu widerstehen (was sich später im Martyrium zeigt) und eine neue Kultur auszuprägen. Eine neue Communitas entsteht. Auch die Macht über Leben und Tod in der patriarchalen Struktur erfährt eine Aushöhlung: Gal 3, 27 f. beschreibt eine neue Sohnschaft, die im Gegensatz zum Herrschaftsraum der physischen Vaterschaft ganz auf das Leben ausgerichtet ist (Strecker). Theologisch-existentiell gewendet: Nicht das Sterben als solches steht bei Paulus im Zentrum, sondern das (tägliche) Sterben mit Christus, wodurch das »Leben Jesu« im Leben des Apostels sichtbar wird (2 Kor 4, 7-12). Bezeichnend ist, dass Paulus Tod und Leben als gleichzeitig wahrnehmbare Größen beschreibt: »Schatz« im irdenen Gefäß (2 Kor 4, 7), Kraft in Schwachheit (2 Kor 12, 9 f.), Leben in Todesgestalt (2 Kor 6, 9 f.). Das Leben erweist sich dabei nicht in der Rettung vor dem Tod, sondern im Aufbrechen einer neuen, unverfügbaren

Dimension »mitten im Tod« und durch den Tod hindurch. Die Bedrängnis bleibt bestehen, aber im Gewinn einer inneren Weite und Freiheit dieser Situation gegenüber ist der »Osterdurchgang« dennoch erfahrbar (Gruber). So ist auch der Tauftod kein punktuelles Geschehen, sondern mündet in einen Prozess, der andauert; ein Prozess der Verwandlung des vom »Tod« geprägten Lebens in ein neues Leben (Phil 3, 7-11), das sich in der Verwandlung bei der Auferstehung aus den Gräbern (1 Kor 15, 51-54) und dem endgültigen Leben bei Gott (1 Thess 4, 15-17) vollenden wird. Dautzenberg, Gerhard, Art. Leben IV. Neues Testament, TRE 20, 1990, 526-530. Ebner, Martin, Überwindung eines »tödlichen« Lebens. Paradoxien zu Leben und Tod in den Jesusüberlieferungen, in: Martin Ebner (Hg.), Leben trotz Tod, JBTh 19, Neukirchen-Vluyn 2004, 79-100. Gruber, Margareta, Herrlichkeit in Schwachheit. Eine Auslegung der Apologie des Zweiten Korintherbriefs 2 Kor 2,14-6, 13, fzb 89, Würzburg 1998. Janowski, Bernd, Der Gott des Lebens. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 3, Neukirchen-Vluyn 2003. Leuenberger, Martin, »Deine Gnade ist besser als Leben« (Ps 63, 4). Ausformungen der Grundkonstellation von Leben und Tod im alten Israel, Biblica 86 (2005), 343-368. Liess, Kathrin, Der Weg des Lebens. Psalm 16 und das Lebens- und Todesverständnis der Individualpsalmen, FAT 2. Reihe 5, Tübingen 2004. Michel, Andreas, Gott und Gewalt gegen Kinder, FAT 37, Tübingen 2003. Pola, Thomas, Was ist »Leben« im Alten Testament?, ZAW 116 (2004), 251-252. Siegert, Folker, Joh 12, 24, das Gleichnis vom Weizenkorn, in: Ruben Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007. Strecker, Christian, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive, FRLANT 185, Göttingen 1999.

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Lebenszyklus 1. Erleben und Benennen von einzelnen Lebensphasen Unterschiedliche Lebensphasen des Menschen können diachron im Prozess des individuellen Erinnerns und Erzählens sowie synchron im Zusammenleben unterschiedlicher Generationen erlebt und abgegrenzt werden. Im rituellen Feiern werden beide Aspekte vereint und Schlüsselereignisse bzw. Übergangsstadien der Phasen markiert. Ein eindrücklich erzähltes Beispiel dafür, wie die Rituale die Altersdifferenz vergegenwärtigen, wird bei der Beschneidung Jesu gegeben, wo die hoch betagten Alten Simeon und Hanna den Säugling segnen (Lk 2,22-40). Bei Hanna wird ferner lebensgeschichtlich auf ihre kurze Ehezeit zurückgeblickt. Klassische Übergangsriten fanden im Judentum anlässlich von 3 Geburt, Erwachsenwerden, Heirat und 3 Tod statt. Dass die Geburt nicht den Anfang, sondern schon einen Übergang markiert, wird daran deutlich, dass das jüdische Denken um den Lebensbeginn bereits vor der Geburt weiß, sei es als eine Art Präexistenz bei Gott (Ps 139,16 f.; Jer 1,4 f.; Lk 2,21), sei es als Embryo im Mutterleib (Ri 13,4 f.; Hi 1,21; 38,8; Lk 1,41.44). Da Geburt (Lev 12,2), Sexualreife (Lev 15,16-18) und Tod (Num 19,11-22) nach jüdischem Verständnis Unreinheit hervorriefen, wurden die Lebensphasen nur teilweise durch Tempelrituale begleitet (z. B. Beschneidung Jesu nach Lk 2,21-23; Auslösungsopfer beim Erstgeborenen, vgl. Ex 13,2.13; 22,28 f.; 34,19). Die 3 Familie bzw. Hausgemeinschaft, in der in der jüdisch-christlichen Tradition meist drei Generationen zusammenlebten, war der Ort, an dem sich die Differenz ebenso wie die Gemeinschaft der unterschiedlichen Lebensphasen manifestierte. In der Gemeinschaft der Christusgläubigen wurde schon früh die Beschneidung insbesondere in der Öffnung für Nicht-Juden aufgegeben (Gal 2,3-5.12; 5,6; Apg 15,5-11), aber erst spät durch die Kindertaufe ersetzt. Eine Wertschätzung von Menschen verschiedener Lebensphasen nach ihrer Produktivkraft, ihrem Geschlecht und ihrer zu erwartenden

Sterblichkeit findet sich in Lev 27,1-8, wo die Auslösung von Gelübden beziffert wird. Danach ist ein Mann zwischen 20-60 Jahren 50 Schekel Silber wert, eine Frau 30, ein 5-20-Jähriger 20 Schekel, eine 5-20-Jährige 10 Schekel, ein noch kleinerer Junge 5, ein Mädchen 3 Schekel, ein Mann von über 60 Jahren 15, eine Frau 10 Schekel. Nicht nur die Geschlechtsreife, sondern auch die damit verbundene Gebärfähigkeit der Frauen und die Wehrtüchtigkeit der Männer ist ein maßgeblicher Faktor der Wahrnehmung von Altersstufen. Lebensphasenbewusstsein wurde dabei vom Erwachsenenstatus und gewöhnlich vom erwachsenen Mann aus generiert (Androzentrismus). Jer 6,11 unterscheidet pauschal fünf Phasen des Lebens (Kinder, junge Männer, Erwachsene, Alte sowie Hochbetagte). Gen 17,25 bestimmt spezifizierend den Zeitpunkt der Geschlechtsreife und der politischen, kultischen und geschäftlichen Eigenverantwortlichkeit junger jüdischer Männer im kulturellen Gedächtnis Israels. Die politische Ausdeutung der Lebensalter stand noch enger als in der griechisch-römischen Welt mit religiöser Reife und Verantwortlichkeit im Zusammenhang. Im Alter von 13, so die bis heute in der Bar Mizwa lebendige abrahamitische Weisung, wird der Junge (für Mädchen wurde im 19. Jh. die Bat Mizwa eingeführt) reif, die Gebote JHWHs zu erfüllen. Der rabbinische Traktat Avot 5,21 unterteilt dann das ganze menschliche Leben – Gen 17,25 integrierend – nach religiös-rechtlichen Reifegraden. Mit 5 Jahren ist der Mensch reif, die biblischen Schriften zu erlernen, mit 10 erreicht er die Reife für die Mischna, mit 13 hat er die Reife für die Gebote, mit 15 wird er im Talmud unterrichtet, mit 18 ist er bereit für die Ehe, mit 30 kann er ein religiöses (oder gesellschaftlich-politisches) Amt übernehmen, mit 40 kann er Recht sprechen (3 Rechtswesen / Rechtsprechung), mit 60 erlangt er die Weisheit für das Ältestenamt. Die Zeit der Kindheit wurde anhand verschiedener Kriterien häufig nochmals unterteilt, wobei das Gestilltwerden (jo¯ne¯q / Säugling), Laufenlernen (taf / noch nicht lauffähiges Kleinkind in Ez 9,6), Sprechenlernen (Jes 8,4) und die Zunah-

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me an Verstand und moralischem Urteilsvermögen (Jes 7,15 f.) eine Rolle spielen. Im Neuen Testament wird die Kindheit oft als Phase der Unmündigkeit und Unreife betrachtet (1 Kor 3,1-3; 13,11). Erst im Heranwachsen wird Weisheit erworben (Lk 2,52). Erziehung diente dazu, die Unmündigkeit zu überwinden, eine Vorstellung, die sich auch außerhalb des Neuen Testaments nachweisen lässt (Philo LA III,144 und Epict. diss. 2,16,39). Dass die Stellung der 3 Kinder im sozialen Gefüge der antiken Gesellschaft äußerst gering war, zeigt sich auch daran, dass die hebräischen (2æbæd) und griechischen (pais) Begriffe für »Junge« ebenso in der Bedeutung »Sklave« verwendet werden können. So ist eher erstaunlich, welche Aufmerksamkeit und Würdigung dem Kind im Neuen Testament auch zukommen kann. Einerseits gibt es eine Reihe von Heilungen Jesu an kranken Kindern (Mk 9,14-29; Lk 7,1-10) oder Totenerweckungen (Mk 5,21-24.35-43; Lk 7,11-17). Andererseits werden die Kinder nicht nur angenommen (Mk 9,36 f.) und gesegnet (Mk 10,13-16), sie können in ihrem Vertrauen sogar als Modell für erwachsene Christen vor Augen gestellt werden (Mt 18,3). Die Metapher des »Kindes« wird dann im frühen Christentum zu einer Leitkategorie christlicher Existenz (Mt 5,9; Joh 1,12; 1 Kor 4,14 u. a.). Die Zeit des reifen Erwachsenenalters ist im alten Israel für Frauen die Zeit des Gebärens und der Arbeit und Verantwortung für die Hausgemeinschaft, ebenso für öffentliche Aufgaben wie die Totenklage u. a. Für Männer kommen zu den familienbezogenen Aufgaben politische, juristische (Torgerichtsbarkeit) und militärische Pflichten hinzu. Auch religiöse Funktionen wie das Levitenamt sind auf diesen Zeitabschnitt begrenzt (Num 4,3.23). Das im ganzen Orient bekannte Amt der 3 Ältesten wird zwar in jedem kulturellen Kontext und jeder Epoche neu definiert, ist aber ein Nachweis für das hohe Ansehen eines Kollektivs von erfahrenen Männern (vgl. 1 Kön 12,6 ff. zu den gemäßigten Ratschlägen der Ältesten, die Rehabeam aber nicht hören will), das dann auch in der Leitungsstruktur frühchristlicher Gemeinden aufgegriffen wird.

Auffälligerweise wird schon im Ersten Testament das Vorrecht der Älteren vielfach außer Kraft gesetzt, oft sogar von Gott selbst, der sich beispielsweise einen David aus der Schar seiner älteren Brüder auswählt (1 Sam 16,1-13). Das »Neue« oder die »Verjüngung« gilt im frühen Christentum vielfach als Ideal einer sich selbst erfindenden Glaubensgemeinschaft (vgl. Mt 9,16; 2 Kor 5,17). Jesu Weisheit und Gottesfurcht entspringt nicht der Segnung des hohen Alters, da er die religiöse Reife des 50. Lebensjahres nicht erreicht hat (Joh 8,57). Ebenso defizitär wie die Kindheit wird das hohe Alter der Grauhaarigen (3¯s ıˇ ´sejba¯h; Dtn 32,25) erlebt (der alte David nach 1 Kön 1,1-4; vgl. Schwäche Ps 71,9). Koh 12,1-8 beschreibt den körperlichen Verfall des Alternden in dramatischen Worten (vgl. Gehhilfe in Sach 8,4), auch der geistige Verfall wird thematisiert (2 Makk 4,40; Jub 23,11), und Charakterzüge des alten Menschen wie z. B. Geschwätzigkeit (Sir 32,13; 1 Tim 4,7) kritisch benannt. Auch Paulus bezeichnet sich in diminuierender Weise als »alten Mann« (Phlm 9). 2. Konzeptbildung und Metaphorisierung der Lebensphasen Bereits in der Antike wurden unterschiedliche Konzepte herangezogen, um die Diachronizität des menschlichen Lebens zu reflektieren und zu verstehen. Besonders häufig begegnet hierbei die Metapher des Lebens als »Weg« (Spr 2,9; 5,6; vgl. Joh 11,9 f.). Ferner konnte man etwa in Analogie zu den vier Jahreszeiten zwischen dem Kind, dem jungen Menschen, dem gesetzten Alter und dem hohen Alter unterscheiden (vgl. Ov. met. 15,199236; Hor. ars. 156-179). In der bekannten Rätselfrage der griechischen Sphinx (vgl. Sophoc. Oed. R. 416-418) nach dem seltsam mehrbeinigen Lebewesen wird der Lebenszyklus des Menschen mit einem Tageslauf verglichen, nach dem der Mensch am Morgen seines Lebens auf Händen und Füßen krabbelt, am Mittag auf zwei Füßen geht, und als Greis einer Stütze als dritten Fußes bedarf. Die Stoa differenziert am Modell der »geistigen Entwicklung« unterschiedliche Stadien der Reife. So unterscheidet Cicero zwischen

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Schwäche (infirmitas), Mut (ferocitas), Ernst (gravitas) und Reife (maturitas) (Cic. Cato 33), eine Vorstellung, die sich auch bei Paulus in paränetischen Forderungen an die korinthische Gemeinde widerspiegelt (1 Kor 13,11; vgl. 14,20). Eine andere Möglichkeit der Periodisierung von Lebensphasen bot der Zugang zur politischen Partizipation. Bereits in den Polisstaaten des klassischen Griechenlands trat ein Sohn mit der Übernahme des oikos aus der Unterordnung unter seinen Vater heraus, was einen – nicht immer spannungsfreien – Rollenwechsel einleitete. An den Vorstand über einen oikos war die Übernahme politischer Ämter geknüpft. Die gerousia, ein mit Männern über 60 Jahren besetzter Adelsrat im lakonischen Sparta, verweist ferner auf eine andere Tradition innerhalb der griechischen Welt. Im republikanischen und kaiserzeitlichen Rom wurde mit der Anerkennung eines Jugendlichen als Bürger – durch das Anlegen der toga virgilis – dessen Eintritt in das junge Erwachsenenalter (Lebensphase der adulescentia) religiösrituell zelebriert. Die jungen Erwachsenen standen jedoch bis zur eigenen Familiengründung noch immer unter der Weisungsbefugnis ihres jeweiligen pater familias (3 Familie). Im Alter von 25 Jahren konnten römische Bürger schließlich eine politische Karriere beginnen. Diese endete spätestens mit dem 60. Lebensjahr, welches zugleich die Phase des Alters (senectus) einleitete. Der senex blieb als Garant für Weisheit und Erfahrung für den Rest seines Lebens hoch geehrt. Das konkrete »blühende Erwachsensein« wird in den antiken römischen Quellen jedoch oft in die 35 Jahre einer potenziellen Amtsfähigkeit eingeordnet. Einen unmittelbaren Widerhall dieser Verknüpfung von Lebensalter und Leitungsämtern kann man sowohl im Ältesten- bzw. Richteramt jüdischer Gemeinschaften als auch in der Institution der Ältesten in den frühchristlichen Gemeinden erkennen (presbyteroi, Apg 14,23; 1 Tim 5,17.19; vgl. Offb 4,4): Die Ältesten sollen über bestimmte moralische Qualitäten verfügen (Tit 1,69), ferner sind ihnen die Jüngeren untergeordnet (1 Petr 5,5), nach Jak 5,14 sollen sie für Kranke be-

ten und sie salben. Der Verfasser des 1. Petrusbriefs nennt sich »Mitältester« (vgl. 1 Petr 5,1: sympresbyteros), wie sich auch der Autor der beiden kurzen Johannesbriefe, der mit dem Leiter der johanneischen Gemeinden gleichgesetzt werden darf, im Präskript als »der Alte« (ho presbyteros, 2 Joh 1; 3 Joh 1) bezeichnet. Nach 1 Tim 5,3-9 kann man auch bei den 3 Witwen (cherai) ein öffentliches Amt in der Gemeinde annehmen. 3. Generationenbeziehungen und Generationenkonflikte Das gelungene Miteinander der Generationen wie z. B. das Sitzen der Alten und Spielen der Jungen auf dem Marktplatz (Sach 8,4-5) ist Gegenstand der Heilsverheißungen. Im Alltag hingegen gab es Reibungen zwischen den Generationen, vor allem beim Übergang des Kindes zum Erwachsenwerden, ebenso zwischen Erwachsenen und Alten. Konflikte mit Heranwachsenden werden im Horizont einer patriarchal geprägten Familienstruktur nur subtil sichtbar. Grundsätzlich müssen die Kinder den Eltern in allen Dingen gehorchen (Kol 3,20), Ungehorsam der Kinder taucht hingegen regelmäßig in Lasterkatalogen auf (Röm 1,30; 2 Tim 3,2) oder gilt als Ausdruck chaotischer Endzeitverhältnisse (Mk 13,12 par). Gewalt von Erwachsenen gegen Kinder wird in der biblischen Tradition kaum thematisiert, schon gar nicht problematisiert. Allerdings können die Opferungsszenen von Isaak (Gen 22) und Jiftachs Tochter (Ri 11) auf einen verdeckten Vater-Kind-Konflikt hindeuten. Auch das Alter der Tochter des Synagogenvorstehers (Mk 5,2243, V. 42: 12 Jahre) kann lebensphasentypisch interpretiert werden. In Lk 2,40-52 wird am Beispiel des heranwachsenden Jesus der Autoritätskonflikt mit dem Elternhaus narrativ inszeniert. Der 12-jährige Jesus verlässt ohne Absprache (V. 43) die Familie, ruft Unverständnis, Entsetzen, ja sogar Schmerzen hervor (V. 48.50), bevor er sich dann schließlich wieder seinen Eltern unterordnet (V. 51). Das hier benutzte Verb hypotassestai (= unterordnen) begegnet als terminus technicus in den so genannten Haustafeln (oikonomikos), einer aus der griechischen Tradition

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Lebenszyklus

seit Xenophon bekannten Gattung der Ermahnung, die das Zusammenleben zwischen Mitgliedern des Hauses (oikos) und somit auch der Generationen regeln soll. In der neutestamentlichen Briefliteratur wird diese Gattung modifizierend übernommen, indem ein zwar nicht gleichwertiges, aber wechselseitiges Verhältnis zwischen Kindern und beiden Eltern angemahnt wird: Die Kinder sollen den Eltern zwar traditionell gehorchen (Eph 6,1; Kol 3,20) bzw. dankbar sein (1 Tim 5,4), die Eltern sollen aber die Kinder auch nicht reizen (Eph 6,4; Kol 3,21). Dass auch die Beziehung zwischen erwachsenen Kindern und ihren alten Eltern ethischer Regeln bedarf, wird an der Entwicklung des Elterngebots ablesbar: Schlagen und Verfluchen der Eltern wird mit Todesstrafe geahndet (Ex 21,15.17). Das Deuteronomium greift in familiäre Konflikte ein, indem es die Eltern vor missratenen erwachsenen Kindern schützt (Dtn 21,18-21). Im 4. Gebot des Dekalogs (Ex 20,12; Dtn 5,16) wird grundsätzlich und in positiver Formulierung Achtung und Ehrung der Eltern gefordert, wobei es einerseits um die ganz konkrete soziale Altersversorgung und auch die Sorge um Bestattung und ehrenvolle Erinnerung der Toten, andererseits um Grundhaltungen und Umgangsweisen geht. Die hierbei bemühte Argumentation ist beachtlich, denn sie ist weniger sachlich, altruistisch als konsequentialistisch. Die Würdigung der alten Eltern dient letztlich dem Fortbestand der eigenen Generation, des eigenen Lebens (»damit du lange lebst …«). Ein solches lebensphasenübergreifendes Bewusstsein durchzieht das israelitische Denken und verknüpft sich mit einem zerdehnten Tun-Ergehen-Zusammenhang: Die Folgen des eigenen Tuns wirken nicht nur auf die Handelnden selbst zurück, sie treffen auch die Nachkommen (so sprichwörtlich Ez 18,2; Jer 31,29 f.) bis zur vierten Generation (Ex 34,7; Hi 42,16). Im Endeffekt wird die Ehrung der Eltern als Vollzug von Frömmigkeit und wahrer Gottesverehrung dargestellt, Elternehrung ist JHWH-Furcht (Lev 19,32). Im Neuen Testament wird das Elterngebot aufgenommen und nach Mk 7,10-14 jegliche Form

einer liberalen Auslegungspraxis zurückgewiesen. Daneben zeigen sich Ausweitungen: So kann das 4. Gebot nun auch für das Verhältnis minderjähriger Kinder und ihrer Eltern herangezogen werden (Eph 6,3 f.), andererseits wird es über die enge Familie hinaus angewandt. In einer von Familienmetaphern konstituierten Gemeinde wird der Umgang mit den alten Eltern zum Modell für das Verhalten allen Alten gegenüber. Sie sollen »wie Väter« und »wie Mütter« (1 Tim 5,1 f.) behandelt werden. Albertz, Rainer, Hintergrund und Bedeutung des Elterngebots im Dekalog, in: Geschichte und Theologie. Studien zur Exegese des Alten Testaments und zur Religionsgeschichte Israels, Berlin / New York 2003, 157-185. Ariès, Philippe, Geschichte des Todes, übers. v. Hans-Horst Henschen / Una Pfau, München 10 2002 (Originalausgabe: L3homme devant la mort [1982]). Ebner, Martin u. a. (Hg.), Gottes Kinder, JBTh 17, Neukirchen-Vluyn 2002. Jungbauer, Harry, »Ehre Vater und Mutter«. Der Weg des Elterngebots in der biblischen Tradition, WUNT II/146, Tübingen 2002. Kunz-Lübcke, Andreas, Das Kind in den antiken Kulturen des Mittelmeers: Israel – Ägypten – Griechenland, Neukirchen-Vluyn 2007. Neumann, Josef N. / Sigismund, Marcus, Der Mensch in seinen Lebensphasen, in: Kurt Erlemann (Hg.), Neues Testament und antike Kultur, Bd. 2: Familie – Gesellschaft – Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 52-64. Schottroff, Willy, Alter als soziales Problem in der hebräischen Bibel, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Was ist der Mensch? Beiträge zur Anthropologie des Alten Testaments, FS H. W. Wolff, München 1992, 61-77. Seifert, Elke, Tochter und Vater im Alten Testament. Eine ideologiekritische Untersuchung zur Verfügungsgewalt von Vätern über ihre Töchter, Neukirchen-Vluyn 1997. Steinkamp, Hermann, Das Generationenverhältnis im Spiegel biblischer Motive, WzM 55 (2003), 68-80. Volp, Ulrich, Die rituelle Prägung des menschlichen Lebens, in: Kurt Erlemann (Hg.), Neues Testament und antike Kultur, Bd. 2: Familie – Gesellschaft – Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 1-8. Wolff, Hans Walter, Anthropologie des Alten Testaments, Gütersloh 7 2002, 177-189. Woyke, Johannes, Die neutestamentlichen Haustafeln. Ein kritischer und konstruktiver Forschungsüberblick, SBS 184, Stuttgart 2000.

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Lehren / Lernen Altes Testament Die wesentliche Bedeutung, die dem Lernen bzw. Lehren im Alten Testament zukommt, lässt sich schon allein am Namen des wichtigsten der drei Kanonteile ablesen: Die Grundbedeutung von »Tora« (3 Tora / Nomos) ist die Weisung der Eltern an ihre Kinder (Spr 1, 8). Die Vielfalt der Begriffe für »lernen« und »lehren« ist ein Hinweis für das große Gewicht, das die biblischen Texte Lern- und Lehrvorgängen beimessen: »einüben, lernen« (lmd kal; vgl. Jes 1, 17; 26, 9 ff.; Dtn 4, 10; v. Tieren Ez 19, 3.6; lmd im pi: »lehren, gewöhnen« vgl. Jer 2, 33; Esr 7,10); »züchtigen, zurechtweisen« (jsr pi; vgl. Jes 28, 25.26; Ps 94, 10.12); »zeigen, unterweisen« (jrh III hif; vgl. Spr 4, 4; Jes 2, 3); »verdeutlichen« (b3r pi; vgl. Dtn 1, 5; 27, 8; Hab 2, 2). 1. Archäologischer Befund Die vielfältigen Funde von Schriftstücken zeigen, dass die Alphabetschrift ab dem 8. Jh. weit verbreitet gewesen sein muss. Die ABCdarien, die in Lachisch, Arad, Aroer, Kadesch-Bernea und Kuntillet-Arjud gefunden wurden, weisen darauf hin, dass die Schreibfertigkeit nicht nur in den Ballungsgebieten vermittelt wurde. Ob diese Funde allerdings als ein Hinweis auf ein institutionalisiertes Schulwesen verstanden werden müssen, bleibt umstritten. Als gesichert kann gelten, dass die Familie ein wichtiger Ort des Lehrens und Lernens gewesen sein muss. Die Übereinstimmung von Namen, die auf Siegelabdrücken aus dem 8.-6. Jh. v. Chr. gefunden wurden, mit Namen, die in biblischen Texten auftauchen (v. a. 2 Kön 22; Jer 36), macht es möglich, Beamtendynastien zu rekonstruieren. Innerhalb dieser Familien muss eine umfangreiche Schriftgelehrsamkeit und damit weit reichende Traditionsweitergabe gepflegt worden sein, aus der die in der Forschung im weitesten Sinne als »deuteronomistisch« geltenden Bestandteile des Alten Testaments entstanden sein müssen. Eine ähnlich geartete Schriftgelehrsamkeit muss auch hinter der Priesterschrift stehen, ohne dass sich dafür

bislang jedoch archäologische Befunde beibringen ließen. 2. Biblischer Befund Der alttestamentliche Kanon lässt sich als ein sorgfältig aufeinander abgestimmtes dreistufiges Lernprogramm begreifen, bei dem jedes der drei Teile für einen ganz spezifischen Lernschritt steht. Die Tora mit ihrer Betonung der Augenzeugenschaft und ihren Anweisungen zur ständigen Wiederholung und zum Einprägen von Geschichtsabläufen und Geboten stünde dann für den Lernschritt, in dem sich Inhalte erarbeitet bzw. eingeprägt werden. Im zweiten Kanonteil, den 3 Propheten und Prophetinnen (vordere und hintere), ginge es dann um ein exemplarisches Lernen, weil hier die Tora in die unterschiedlichsten Kontexte gestellt und so ihre Wirkung bzw. ihr Fehlen thematisiert wird. Im dritten Kanonteil, den Schriften, schließlich werden die unterschiedlichen Standpunkte ausgelotet, die gegenüber der Tora eingenommen werden können. Insofern wäre dies der Lernschritt der Anverwandlung. a) Tora. Bereits bei der Entfaltung der condition humaine in den ersten Kapiteln liegt die Notwendigkeit menschlichen Lernens auf der Hand: Die vom ersten Menschenpaar erworbene Fähigkeit, gut und böse voneinander zu unterscheiden (Gen 3), die Anfälligkeit für Gewalt (Gen 4) und ihre erste Begrenzung durch das Recht (Gen 9, 17) machen Lernvorgänge unverzichtbar. Der Mensch besitzt keine von Natur aus ins Herz geschriebene ethische Ausstattung. Die Gottebenbildlichkeit und der damit verbundene Auftrag, über die Schöpfung zu herrschen, bleibt dem Menschen trotz der Ausbreitung von Gewalt und der Erkenntnis erhalten, dass die Pläne des menschlichen Herzens von Jugend auf böse sind (vgl. Gen 1, 26 ff. mit Gen 6, 5; 8, 21-9, 7). Beides muss aus biblischer Sicht gegenüber neuzeitlichen Bildungskonzepten festgehalten werden, die im Gefolge Schleiermachers erst in der Bildung die Verwirklichung der Gottebenbildlichkeit sehen. Die Notwendigkeit von rechtlichen Normen

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und ihrer Tradierung wird in den Erzelternerzählungen insofern weiter entfaltet, als diese sich als Geschichte avant la lettre verstehen lassen. In ihr werden die wesentlichen Gesetze und Gebote, die später am Sinai offenbart werden, von den Figuren in einem »Learning-by-doing«-Prozess bereits erahnt. Dass dies alleine jedoch nicht ausreicht, lässt sich daran ablesen, dass diese Epoche in der Sklaverei in Ägypten mündet, aus der nur JHWH selbst befreien kann. Gott vollbringt seine Taten, damit den Kindern davon erzählt wird (Ex 10, 12). Die Pessachnacht, die die Nacht der Befreiung Jahr für Jahr vergegenwärtigt, wird zum Lernanlass schlechthin, der Kinderfragen provozieren soll (Ex 12, 26-28; 13,14-18). In der Wüste muss Israel sowohl den Umgang mit der unmittelbaren Präsenz JHWHs als auch mit seiner Abwesenheit erst lernen (Ex 19-Num 10). Die dort gegebenen Gebote dienen der Bewahrung der im Auszug geschenkten Freiheit. Im Deuteronomium wird eine Didaktik entfaltet, die die Weitergabe dieser Geschichte und dieser Rechtsordnungen über Generationen hinweg sichern soll. Hier wird Lernen zur Grundvoraussetzung der kollektiven Identität Israels (Assmann). Moses letzter Tag ist zugleich der Tag vor der Landnahme. In dieser besonderen Lernsituation wird der Sinai / Horeb als der Urlernort kenntlich gemacht (Dtn 4, 10): Jede Generation soll sich als Augenzeugen und -zeuginnen der Ereignisse dort angesprochen fühlen. Dies ist der Sinn des »transhistorischen« (Finsterbusch) Gebrauchs der 1. Pers. pl. im Deuteronomium. Nur so wird sie in die Lage versetzt, das »Erlebte« der nächsten Generation so weiterzuvermitteln, als habe sie selbst am Sinai / Horeb gestanden. Da mit der 2. Pers. sg. im Deuteronomium durchgängig Männer und Frauen angesprochen sind und mit dem Begriff ben keineswegs nur »Söhne« gemeint sind, ist klar, dass es für das Lernen und Lehren im Deuteronomium keine Geschlechtergrenzen gibt. Im Land selbst sollen den Kindern Lernanlässe im Alltag geschaffen werden: Die Gebote Gottes sollen an die Wände und an die Tore und Türpfosten geschrieben werden (Dtn 6, 6.20). Darüber hinaus werden über das Jahr

verteilt drei Wallfahrtsfeste installiert (Dtn 16), die ebenfalls als Lernorte und -anlässe angesehen werden müssen. In Dtn 31, 9-13 wird gefordert, am Laubhüttenfest des Erlassjahres (Dtn 15), das alle sieben Jahre begangen wird, die Mosereden wieder zu verlesen, die er an seinem letzten Lebenstag aufschreibt. Damit vollzieht sich an diesem Tag das Lernen vor dem Hintergrund der Umsetzung des entscheidenden Lernzieles: Herstellung eines sozialen Ausgleiches durch Befolgen der Gebote der Tora. b) Propheten. Der Geschichtsbogen, der in den vorderen Propheten dargestellt wird, wird durch den Gegensatz von Toragehorsam (Jos) und Toravergessenheit (Ri 2,10) eröffnet. Die Geschichte des Volkes Israel geht zwar weiter, nachdem eine neue Generation aufgekommen ist, die von den »großen Taten Gottes« nichts mehr weiß, steuert aber auf das Exil zu. Auch die Institution des Königtums kann diesen Prozess nicht mehr aufhalten. Die Tora wird zwar drei Generationen vor dem Exil noch durch den Priester Hilkija und den Schreiber Schafan geschickt ins politische Spiel gebracht und König Joschija nimmt sie sich zu Herzen. Die Reform, die er einleitet (2 Kön 2223) ist jedoch eine von oben und kommt in jeder Hinsicht zu spät. Eine Generation später ist alles beim Alten. Erst das Exil ist die Rückkehr an den Lernort des Deuteronomiums, von dem die Landnahmegeneration aus aufbrach, um ins Land zu ziehen (Dtn 30). Aus dem Programm der Vermittlung der Tora an jedes israelitische Kind kann Israel neue Hoffnung schöpfen. Dabei wird betont, dass die Tora nichts Abwegiges, sondern etwas völlig Naheliegendes ist (Dtn 30, 11-14). Der in Jos-2 Kön dargestellte Geschichtsfaden bildet den Hintergrund für das Verständnis der so genannten »hinteren« Propheten (Jes-Mal). Der Torabezug der einzelnen Prophetenbücher in ihrer heutigen Gestalt macht deutlich, dass die göttliche Botschaft, die der Prophet ausrichten soll, in der Tora gründet. Somit wird in den Prophetenbüchern durchgespielt, was es bedeutet, den Willen Gottes in einem Umfeld zu lehren und umzusetzen, das nicht mehr nach JHWH fragt und seinen Willen nicht tut. Umso leiden-

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schaftlicher rufen die Propheten die Frühgeschichte Israels in Erinnerung (Hos 11,1-3), klagen das gegenwärtige Unrecht an und fordern »Erkenntnis Gottes« ein (Hos 4, 1-3.6). An den sozialen Verhältnissen entscheidet sich das Schicksal der jeweiligen Gegenwart. Insofern bieten die Prophetenbücher die Gelegenheit, die Tora, ihre Wirkungsmöglichkeiten und ihre Notwendigkeit exemplarisch in unterschiedlichen geschichtlichen Kontexten kennenzulernen. Hierbei kann es zu völlig unterschiedlichen Lernsituationen kommen. In den prophetischen Büchern selbst wird eine Sozialform prophetischen Lernens vorgestellt (2 Kön 2; Ez 20, 1). JHWH selbst kann als der Lehrer der Tora bezeichnet werden (Jer 31; Jes 50, 4-6). Auch die Völker werden in diesen Lernprozess mit einbezogen (Jes 2 und 32; vgl. Sach 8, 23). c) Schriften. Der dritte Kanonteil hält eine breite Palette von Möglichkeiten bereit, einen eigenen Standpunkt zur Tora und den Propheten und Prophetinnen zu finden und zu begründen. Ps 1 zeigt wiederum die Spannbreite zwischen denen, die beständig die Tora lernen und den »Gewissenlosen« auf, die nichts von der Tora wissen, und wirbt mit farbigen Naturbildern für die erste Möglichkeit. Die Kenntnis der Psalmen schafft die Voraussetzung für die aktive Teilnahme an der Liturgie der Wallfahrtsfeste. Diese Teilhabe reicht von offensiver Klage bis hin zu geschichtssummarischen Bekenntnissen (Ps 78; 105 / 106). Die Weisheitsliteratur spannt den Horizont der unterschiedlichen Einstellungen zur Tora und zu den Propheten und Prophetinnen noch einmal weiter. Der vor allem im Deuteronomium und den Prophetenbüchern proklamierte TunErgehen-Zusammenhang wird einerseits noch einmal auf den Punkt gebracht (»Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben« Spr 12, 28), als auch radikal in Frage gestellt (Hiob). Die eigenen Grenzen der Weisheit bleiben dabei ein wichtiges Thema. Sich selbst für weise zu halten, ist der Inbegriff der Torheit (Spr 26, 12).

Neues Testament Das Leben und Sterben Jesu und seine Auferstehung haben mannigfaltige Lernprozesse ausgelöst, die ihren Niederschlag in den neutestamentlichen Schriften gefunden haben. In den Evangelien wird das Verhältnis Jesu zu seinem engsten Umfeld als Lehr- und Lernbeziehung geschildert. Auch die Briefliteratur verdankt sich schulbildenden Traditionen. Das didaktische Konzept des alttestamentlichen Kanons, das auf der Tora basiert, setzt sich im Neuen Testament weiter fort. Die Bergpredigt als Eingangstor zum Neuen Testament in ihrer Eigenschaft als Auslegung der Tora nimmt diese alttestamentliche Kanonstruktur wieder auf. Nicht umsonst liegt im ersten Evangelium die durchdachteste Darstellung Jesu als Lehrer vor. Hier sind zunächst einmal die bewusst gestalteten Analogien zu Mose zu nennen. Jesus legt auf einem Berg die Tora aus, seine Reden im weiteren Verlauf des Evangeliums erinnern an die Mosereden der Tora. Deren Abschlusswendungen (Mt 7, 28; 11,1; 13, 53; 26, 1) lassen sich auf Dtn 31, 1.24; 32, 45 f. beziehen (Allison). Vor allem in den Versen 26, 1 f., die zur Verstetigung des Gesagten über den Tod des Redners hinaus überleiten, werden diese Anspielungen am deutlichsten greifbar. Dabei wird gleich zu Beginn des Evangeliums durch 5, 17 und 7, 12 deutlich gemacht, dass bei diesen Bezügen zwischen Moses und Jesus keinesfalls an eine Relativierung oder gar Überbietung der Tora durch Jesus gedacht ist. Es handelt sich vielmehr um deren Auslegung, die zugleich Reich-Gottes-Verkündigung ist. Die Diskussion um die so genannten »Antithesen« (Mt 5, 21-48) haben gezeigt, dass Jesu Toraauslegung sich hier völlig im Rahmen jüdischer Schriftgelehrsamkeit vollzieht, die durch die Verschärfung der Gebote einen »Zaun um die Tora« zieht. Die Parallelen zwischen Mose und Jesus dienen dazu, Jesus als vollmächtigen Ausleger der Tora darzustellen. Diese Vollmacht (exousia) bewirkt, das die Menschen von seiner Lehre (didache) überwältigt sind (Mt 7, 28; 22, 33). Um diese konkrete, lebensbezogene Kraft seiner Auslegung geht es, wenn Jesus den Leh-

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renden seiner Zeit gegenübergestellt wird. Die Autorität derjenigen, »die auf dem Stuhl des Mose sitzen« (Mt 23, 2) – hier handelt es sich um das 3 Synhedrium – wird dabei keinesfalls in Frage gestellt (V. 3). Deren Entscheidungs- und Lehrbefugnis bleibt unangetastet, wenn Jesus von seinen Schülern und Schülerinnen fordert, sie sollen tun, was sie sagen. An denjenigen, »die auf dem Stuhl des Mose sitzen«, wird lediglich das Auseinanderfallen von Lehre und Tat kritisiert. Im Matthäusevangelium wird deren untrennbare Zusammengehörigkeit immer wieder betont (Mt 9,13; 11, 28). Die übliche Reihenfolge »Lernen, um zu tun« kann hier sogar umgedreht werden: »Tun, um zu lernen«. Im Matthäusevangelium wird Jesus insgesamt 12 Mal als didaskalos »Lehrer« bezeichnet, wobei er sich selbst nie so nennt. Nur in 26, 18 spricht er indirekt von sich in der 3. Pers. sg. mit diesem Titel. Grundsätzlich werden ansonsten didaktische Titel im ersten Evangelium gemieden. Die Anrede als »Rabbi« (rabbi) wird sogar grundsätzlich verworfen (23, 7+8). Von den Schülern und Schülerinnen Jesu spricht nur Judas ihn so an (26, 25.49). Die anderen Evangelien gehen demgegenüber sehr viel unbefangener mit dieser Bezeichnung um (Mk 9, 5; Joh 6, 25; 20, 16). Dabei zeigt sich, dass diese Anrede keinesfalls für ihn reserviert ist, sondern Jesu selbstverständliche Verwurzelung im jüdischen Diskurs über die Auslegung von Tora und den Schriften verdeutlicht. »Jesu Lehre deckte sich in Form und Gehalt mit der jüdischer Lehrer seiner Zeit. Die Urgemeinde übte die gewohnte Lehr- und Lernsitte weiter« (Vetter 426). Die Anrede mit »Rabbi« bleibt auch nicht auf Jesus beschränkt: Auch Johannes der Täufer wird so angesprochen (Joh 3, 26). Bei Lukas begegnet darüber hinaus noch die Anrede als »Meister« (epistates) in klarer Differenz zu den anderen Evangelien (8, 24; 9, 33; 9, 49). Im profanen Griechisch wird mit dieser Anrede eine Aufsichtsperson angesprochen, zu der ein Autoritätsverhältnis besteht. Jedoch ist diese Anrede auch für den Lernbereich belegt. Dass der Gebrauch dieses Titels bei Lukas dazu dient, Jesus von anderen Schriftgelehrten abzu-

grenzen (Byrskog), lässt sich an keiner der drei Stellen konkret nachweisen. Wenn Jesus im Matthäusevangelium anhand der Reden in die Nähe Moses gerückt wird, dient dies auch dazu, ihn als Lehrer darzustellen. Die in diesem Zusammenhang wiederholt auftauchenden Verben »lehren« (didaskein) und »verkündigen« (keryssein) werden bei Matthäus, aber auch in den synoptischen Evangelien insgesamt inhaltlich nicht immer klar unterschieden. Dies wird z. B. in Mk 6, 7-13.30 deutlich. Als Jesus seine Jünger aussendet, spricht er von »verkündigen« (V. 12), wohingegen sie von »lehren« sprechen als sie zurückkommen (V. 30). In den Passagen, in denen Jesu Tätigkeiten zusammenfassend auf den Punkt gebracht werden, steht »lehren« (didaskein) immer an erster Stelle (4, 23; 9, 35; 11, 1). Dies zeigt das außerordentliche Gewicht an, das Matthäus der Lehrtätigkeit Jesu beimisst. In Mt 4, 23 und 9, 35 wird unmittelbar darauf Jesu heilende Tätigkeit (therapeuein) erwähnt. Diese Aufzählungen machen deutlich, dass Jesu lehrende Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang mit seinem gesamten heilenden Wirken gesehen werden muss. Die von Jesus gelernt haben, werden selbst zu Lehrenden (Mt 28, 20; vgl. auch Mk 6, 7-12.30), wobei ihnen unter Hinweis auf Gott und den Messias deutlich gemacht wird, dass sie mit ihrer Lehrtätigkeit keine Hierarchien untereinander begründen sollen (Mt 23, 8-10, vgl. Mt 10, 24). In den neutestamentlichen Schriften insgesamt wird durch die Auslegung der Tora und der Schriften gelernt. »Lehren meint in der Jesusbewegung wie in Israel Aktualisieren des in der Tora offenbarten Willens Gottes für bestimmte Menschen in einer bestimmten Situation im Namen Gottes, nicht Kenntnisvermittlung … ›Gelernt‹ werden sollen die Satzung und Rechte des HERRN, die jetzt im Gegenüber zu bestimmten Adressaten und angesichts einer bestimmten Situation ausgelegt werden« (Wegenast 135). Ansätze für eine flächendeckende Schulung der jüdischen Kinder finden sich ab der Mitte des 1. Jahrhunderts. Jesus ben Gemaliel, Hohepriester 63-64 n. Chr. wies an, dass in jeder Pro-

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vinz und Stadt ein Lehrer für die Kinder von 6-7 Jahren bestellt wird. Dabei wird eine nach Alter gegliederte Schulung erkennbar, über die es später heißt: »Mit 5 Jahren [ist man] für die Schrift (miqra) [bestimmt], mit 10 für die Mischna, mit 13 für die Ausübung der Gebote, mit 15 Jahren für den Talmud.« (mAv 5, 24). Es ist davon auszugehen, dass der Unterricht in der Synagoge erteilt wurde, ob im Haupt- oder Nebenraum lässt sich nicht mehr feststellen und wird nach Region variiert haben. Die Rolle der Synagoge »für die Vorlesung des Gesetzes und den Unterricht in den Geboten« ist durch die Theodotus-Inschrift für das 1. Jh. n. Chr. belegt. In Qumran und Massada hat man mit Bänken ausgestattete Säle gefunden. Möglicherweise haben sie als Unterrichtsräume gedient. In jedem Fall war Jerusalem vor seiner Zerstörung 70 n. Chr. Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. Die Lehr- und Lernorte waren auf den Vorplätzen des Tempels in der Nähe der Tempelbibliothek gelegen. Einen Widerhall davon findet sich in Lk 2, 41-51; Apg 3, 11; 4,1 f.; 5, 12 ff. Jesu Verkündigung des Reiches Gottes in Gleichnissen wurzelt in der zeitgenössischen jüdischen Schriftgelehrsamkeit und kann nur in Bezug auf seine Tradition angemessen verstanden werden (Mt 13, 52). An Beispielen und Gleichnissen, die dem Alltag der einfachen Landbevölkerung entnommen sind, veranschaulicht Jesus den Willen Gottes. Besonders auffällig ist die Nähe dieser bildreichen Lehre zur Schöpfung (Gleichnisse von der selbstwachsenden Saat in Mk 4; Beispiel vom Feigenbaum in Mt 24, 32 / Mk 13, 28; die Sorglosigkeit der Vögel und Schönheit der Lilien in Mt 6, 26-29). Jesus weist hier auf das gegenwärtige Handeln des Schöpfers hin. Bild- und Sachhälfte lassen sich insofern nicht grundsätzlich voneinander unterscheiden. Jesus fordert seine Hörer und Hörerinnen durch das »wie« der Gleichnisse aber auch auf, selbst nach Analogien in ihren eigenen Lebenszusammenhängen zu suchen. Damit geht Jesus einerseits in der Verwendung seiner Bilder und Geschichten auf seine Hörer und Hörerinnen zu, andererseits fordert er sie zugleich dadurch massiv heraus. Die sich daraus ergebenden Streitgespräche sind Bestand-

teil jüdischer Auslegungspraxis. Die in den Evangelien dargestellte Schärfe der Dialoge zwischen Jesus einerseits und den Pharisäern und Schriftgelehrten andererseits lässt sich als ein Reflex des Ablösungsprozesses der christusgläubigen Gemeinde von der Synagoge erklären. In den Evangelien werden unterschiedliche Situationen geschildert, in denen gelernt wird. Sehr oft lehrt Jesus unter freiem Himmel (Mt 5,1; 13, 1+2; 24, 3). Die Vermutung liegt nahe, dass seine Tischgemeinschaften Lernorte gewesen sind. Daraus lässt sich nun allerdings kaum ein Gegensatz zum jüdischen Lehrbetrieb konstruieren. Immer wieder lehrt Jesus in den Ortssynagogen und nimmt an den dort üblichen Diskursen teil (Mt 9, 35; 12, 9; 13, 54; Mk 6, 2; Lk 4,14-22; 6, 6; Joh 6, 59). Paulus selbst bezeichnet sich nirgendwo als »Lehrer«. Dennoch kann kaum bestritten werden, dass die rekonstruierbaren Tätigkeiten und Dienste, die er an den Gemeinden ausgeübt hat, viel mit dem zu tun haben, was wir heute unter »lehren« verstehen. Er sieht sich als »Vater« (1 Kor 4,15; Gal 4, 12-20; 1 Thess 2, 7-11), Baumeister (1 Kor 3, 9-17) oder Gärtner (1 Kor 3, 7). Der Torabezug ist für ihn grundlegend (Röm 3, 31; 15, 4). Immer wieder baut er mündlich überlieferte Glaubensformeln in seine Briefe ein (Röm 3, 2526* u. a.). Dies zeigt, dass er auch von den Gemeinden lernt. Die Orte, an denen Paulus lehrt, sind ganz unterschiedlicher Art und lassen sich nicht spezifizieren. Nach Darstellung der Apostelgeschichte sind immer wieder Synagogen (Apg 6, 9; 13, 14.42; 14,1; 17, 1.10.17 u. a.) der Anlaufpunkt, von denen aus Paulus sein Evangelium verkündet. Doch auch öffentliche Plätze sind der Ort philosophischer und religiöser Dispute (Apg 17, 22 ff.). Ebenso lehrt Paulus in Häusern. Zusammenfassend heißt es in Apg 20, 20 das Paulus von sich gesagt habe, er habe »öffentlich und in den Häusern« gelehrt. Auch seine Briefe müssen Lerngegenstand gewesen sein, wobei sich herausstellte, dass sie nicht leicht zugänglich waren (2 Petr 3, 15 ff.). Die Diskussion um »echte« und »unechte« Paulusbriefe brachte die Frage nach dem Verhältnis zwischen Paulus und den Verfassern der »unech-

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ten« Paulusbriefe auf. Unbestritten ist die Tatsache, dass sich letztere um eine große Nähe zu paulinischen Argumentationsmustern bemühten und insofern ein zumindestens Lehrer-Schülerähnliches Verhältnis vorgelegen haben muss. In der zweiten Generation wird Paulus denn auch wiederholt als »Lehrer« und seine Botschaft als »Lehre« bezeichnet (Kol 1, 7; vgl. 1, 28; 2,7; 1 Tim 2, 7). Nachbiblisch kommt ihm sogar der Titel »Lehrer der Gerechtigkeit für die ganze Welt« zu (1 Clem 5,7). Allison, Dale C., The new Moses. A Matthean Typology, Edinburgh 1993. Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 2 1999. Breitmaier, Isa, Lehren und Lernen in der Spur des Ersten Testaments. Exegetische Studien zum 5. Buch Mose und dem Sprüchebuch aus religionspädagogischer Perspektive, Beiträge zum Verstehen der Bibel 8, Münster 2004. Byrskog, Samuel, Jesus and the only Teacher: Didactic Authority and Transmission in Ancient Israel, Ancient Judaism and the Matthean Community, Stockholm 1994. Crüsemann, Frank, Die Bildung des Menschengeschlechtes. Überlegungen zum Thema »Bildung« im Alten Testament, in: ders., Maßstab: Tora. Israels Weisung für christliche Ethik, Gütersloh 2003, 269-292. Finsterbusch, Karin / Ego, Beate (Hg.), Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung, WUNT 180, Tübingen u. a. 2005. Finsterbusch, Karin, Weisung für Israel. Studien zum religiösen Lehren und Lernen im Deuteronomium und seinem Umfeld, FAT 44, Tübingen 2005. Dies., Jhwh als Lehrer der Menschen. Ein Beitrag zur Gottesvorstellung in der hebräischen Bibel, BthS 90, Neukirchen-Vluyn 2007. Kirchhoff, Renate, Was lernten die verschiedenen Anfängerinnen und Anfänger im Glauben bei Paulus?, ZPTh 53 (2001), 153-161. Koerrenz, Ralf, Prophetie und Lernen, ZPTh 52 (2000), 21-31. Schmeller, Thomas, Schulen im Neuen Testament? Zur Stellung des Urchristentums in der Bildungswelt seiner Zeit, HBS 30, Freiburg i. Br. 2001. Schottroff, Luise, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 1997. Taschner, Johannes, Die Mosereden im Deuteronomium. Eine kanonorientierte Untersuchung, FAT 59, Tübingen 2008.

Vetter, Dieter, Das Judentum und seine Bibel. Gesammelte Aufsätze, Würzburg 1996. Wegenast, Klaus, Lehren und Lernen in den Synoptischen Evangelien – Anleitung für religiöse Bildung im 3. Jahrtausend oder historische Spurensuche?, ZPTh 53 (2001), 133-144. Zimmermann, Alfred F., Die urchristlichen Lehrer, WUNT 2/12, Tübingen 2 1988.

Johannes Taschner

Leviten 3 Priester / Leviten

Licht Menschen, Tiere und Pflanzen bedürfen des Lichts, um leben zu können. Im Orient und so auch in Israel wird die Sonne aber nicht nur als hell und wärmend, sondern auch als heiß und stechend erfahren (vom Stechen der Sonne und überraschenderweise auch des Mondes spricht Ps 121,6, vielleicht ist beim Mond hier an unheilvolle Wirkungen wie der Mondsüchtigkeit gedacht, vgl. Mt 17,15). Um auch im Dunkeln sehen zu können, bedient man sich des Feuers und besonders verschiedener Formen von öl- oder fettgespeisten Leuchten (Ex 27,20; Mt 25,3 ff.). Es handelte sich dabei zunächst um offene Schalen, später um eigens geformte, geschlossene, mit einem Einfüllloch versehene Lampen. Als Docht diente Flachs oder Hanf (Jes 42,3). Die grundlegende Erfahrung des lebensspendenden Lichts führt in vielen Kulturen und Religionen vom Alten Orient und der Antike bis in die Gegenwart zu einer vielschichtig konnotierten Lichtmetaphorik. »Licht« kann so (in Opposition zum Gegenbegriff »Finsternis«) für das Gute, Göttliche, Geordnete, Erleuchtete stehen und insbesondere mit Gott selbst verbunden werden. Metaphorisch steht Licht für Moral und Recht (so ist z. B. der babylonische Sonnengott Schamasch zugleich Gott des Rechts). Das Unrecht verkörpert sich sprichwortartig (doch vgl. schon Hi 24,13-17) im »lichtscheuen Gesindel«. Die Sonne bringt es an den Tag – auch diese aus

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Licht

Grimms Märchen und einem Gedicht Chamissos bekannte Wendung geht der Sache nach auf den Alten Orient und die Antike zurück. Wenn Licht in eine Angelegenheit gebracht wird, wird sie aufgeklärt (Begriffe für die geistesgeschichtliche Epoche der »Aufklärung« geben in mehreren Sprachen – z. B. engl. enlightenment, frz. siècles des lumières, ital. illuminismo – die Lichtmetaphorik unmittelbar wieder). In der antiken Philosophie spielt die Verbindung von Licht und Erkenntnis eine zentrale Rolle; für Parmenides ist das Erkennen ein Weg von der Nacht ins Licht; bei Platon (Politeia, Plato rep. 508 bzw. 511) steht im »Sonnengleichnis« die Idee des Guten in Analogie zum Sein und Wirken der Sonne, im »Höhlengleichnis« kommt der Gegenbegriff des Dunklen und Unverstandenen ins Bild. Diese Verknüpfung wirkt bis in die Gegenwartssprache, wenn etwa Argumente »einleuchtend« sind, ein Sinn »dunkel« bleibt oder jemandem »ein Licht aufgeht«. Alle genannten grundlegenden Bedeutungsfelder des Lichts (Leben, Ordnung, Recht, Moralität, Erkenntnis) finden sich vielfach und in verschiedensten Ausprägungen auch in der Bibel. Das erste in Gen 1 genannte Schöpfungswerk Gottes ist das Aufstrahlen-Lassen des Lichtes. Es vollzieht sich – anders als die weiteren Schöpfungswerke – allein durch Gottes wirkendes Wort. Dabei wird das Licht in Gen 1 von den erst später erschaffenen Gestirnen getrennt. Dahinter steht die programmatische Abwehr eines möglichen Verständnisses der Gestirne als eigene Gottheiten (3 Astrologie / Astronomie), aber auch die Erfahrung, dass das erste morgendliche Licht am Horizont bereits vor dem Erblicken der aufgehenden Sonne sichtbar wird. Die Stellung des Lichts in Gen 1,3 als erstes Schöpfungswerk bringt jedoch vor allem zum Ausdruck, dass es die Voraussetzung eines planenden, ordnenden, unterscheidenden und Leben schaffenden Tuns überhaupt ist, während die Finsternis mit dem Chaos verbunden ist (Bauks). Dazu ist mit dem Aufstrahlen des Lichtes und der darauf folgenden Trennung von Licht und Finsternis nebst der Benennung des Lichtes als

Tag und der Finsternis als Nacht der Tag »1« oder ein Tag (Gen 1,5) und in der Folge der Rhythmus von Nacht und Tag (Abend und Morgen) gesetzt und somit eine erste Ordnung der Zeit (3 Zeitvorstellungen). Ist im Aufriss von Gen 1 die Finsternis nicht von Gott erschaffen (wohl aber ihrer Totalität entkleidet, indem sie auf den Bereich der Nacht begrenzt ist), so betont dagegen Jes 45,7, dass Gott Licht und Finsternis erschaffen habe. In der innerbiblischen Spannung beider Aussagen kommt eine theologische Grundfrage zum Ausdruck. Einerseits ist Gott mit dem Guten und so mit dem Licht verbunden (Ps 27,1; 104,2 u. ö.). Dazu gehört auch das Motiv der Hilfe Gottes am Morgen (Janowski), d. h. der Erwartung, dass mit dem neu beginnenden Tag auch Gottes Rettungshandeln je neu einsetzt (Ps 5,24; 59,17; 90,14; 143,8; Hi 38,12-15). Andererseits und zugleich kann Gott von den dunklen Seiten in der Welt und in Gott selbst nicht dispensiert werden, wenn anders Gott Gott der ganzen Wirklichkeit ist. Diese Spannung sollte nicht harmonisierend aufgelöst werden, sondern als das vielfältige und dabei gerade nicht beliebige Zeugnis der »Schrift« wahrgenommen werden. »In deinem Licht sehen wir das Licht« – diese Formulierung in Ps 36,10 lässt das Licht Gottes als transzendentale Bedingung der Wahrnehmung von Licht und der Wahrnehmung überhaupt erkennen. Dass der Lichtglanz von Gottes Antlitz auf Menschen leuchte und sich in ihrem Antlitz widerspiegele, ist Wunsch und Ausdruck des Segens (Num 6,24-26, vgl. Ps 4,7; 118,27). Eine große Rolle spielt im Alten Testament die Verbindung von Licht und Recht. Das Recht (misˇpa¯t) kann selbst als Licht bezeichnet werden ˙ (Jes 51,4: Gottes Recht wird zum Licht der Völker, vgl. Hos 6,5; Jes 60,1-3), das Gebot (miswa¯h) ist ˙ eine Leuchte und die Tora (3 Tora / Nomos) ist Licht (Spr 6,23, dazu die rabbinische Bemerkung im DevR 7,3: »Wie das Öl Leben für die Welt ist, so sind auch die Worte der Tora Licht für die Welt«). Das Licht ist aber auch der Maßstab gerechter Herrschaft. »Wer über die Menschen als gerecht herrscht, wer in Ehrfurcht Gottes herrscht, ist wie Licht am Morgen, wenn die Sonne auf-

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Licht

geht …«, heißt es in den letzten Worten Davids (2 Sam 23,3 f.). Denen, die Gottes Namen die Ehre geben, geht »die Sonne der Gerechtigkeit« auf (Mal 3,20), und durch das Tun des Gerechten (mit den Hungernden das Brot teilen, die Fremden aufnehmen, die Nackten kleiden) wird das Leben hell (Jes 58,6-10, vgl. Ps 112,4). Eine bemerkenswerte Verbindung mit dem Licht zeigt sich in der Funktion von Propheten als »Warner« (Ez 3,17 u. ö.). Denn es spricht viel dafür, das meist mit »warnen« wiedergegebene Verb za¯har (Hifil) nicht von za¯har I in der Bedeutung »leuchten« zu trennen. In der in Ez 3,17 und an weiteren Stellen des Buches vorliegenden grammatischen Form wäre es demnach die Aufgabe des Propheten, den Menschen »ein Licht aufzustecken«, sie »aufzuklären«. Wenn er dieser Aufgabe nicht nachkommt, wird er für das zur Verantwortung gezogen, was dann geschieht bzw. nicht geschieht. Die mehr wissen als andere haben keine elitäre Position des Besserwissens einzunehmen, sondern die Pflicht, das Wissen weiterzugeben. Hier zeigt sich gerade in der Lichtmetaphorik eine bleibende soziale Aufgabe der Wissenden und die kategoriale Differenz von Elite und Avantgarde. Weil Gott und Gottes Präsenz mit dem Licht verbunden sind, gehört das Licht in Form von Öllampen und Leuchtern auch zum Inventar des Kultes Israels aller Zeiten. Eine »Lampe Gottes«, welche in der Nacht brannte, ist in 1 Sam 3,3 bereits für das Heiligtum in Schilo erwähnt; im Salomonischen Tempel gab es zehn goldene Leuchter (1 Kön 7,49). Vor allem aber gehörte der berühmte siebenarmige Leuchter (meist als die Menora bezeichnet), der in etwas unterschiedlichen Formen in Sach 4 (vgl. auch Offb 11,4); Ex 25; Num 8, dazu auch 1 Chr 28,15 ins Bild kommt, zur Ausstattung des Zeltes der Begegnung und des Tempels. Eine Abbildung des von Titus im Jahre 70 n. Chr. nach der Eroberung Jerusalems im Triumphzug nach Rom verbrachten Leuchters findet sich auf dem Titusbogen auf dem Forum Romanum. Der von diesem unterschiedene »achtarmige Leuchter« geht auf die nach der Entweihung des Tempels durch Antiochus IV.

Epiphanes und dem Aufstand der Makkabäer erfolgte Reinigung und Wiedereinweihung des Tempels im Jahre 165 v. Chr. (vgl. 1 Makk 1,59 nebst 4,59) zurück. Nach einer Legende gab es nur noch ein einziges Fläschchen mit reinem Öl, welches nur für einen Tag gereicht hätte, das aber durch ein Wunder acht Tage brannte (bShab 21b). Hier liegt der Ursprung des jüdischen Chanukkafestes, das in zeitlicher Nähe zum (im Termin mit einem vorchristlichen Lichtfest im Zusammenhang der Wintersonnenwende verbundenen) Weihnachtsfest begangen wird (3 Fest). Die Lichtmetaphorik des Alten Testaments setzt sich – erweitert durch antike Motive – im Neuen Testament fort. Ein neuer Aspekt ist die Verbindung des Lichtes mit dem Messias Jesus. In der Verklärungsszene (Mt 17,1-8) wird Jesus von einer lichten Wolke umhüllt und so in das Licht Gottes hineingenommen. Die Lichtmetaphorik begegnet ausgeprägt im Johannesevangelium, zuerst im Prolog (Joh 1,1-18). Das am Anfang in die Welt gesprochene Wort wird und wirkt Leben »und das Leben war das Licht der Menschen« (V. 4). Hier klingen alttestamentliche messianische Erwartungen an (Mi 7,8; Jes 9,1) aber ebenso die oben genannten Passagen (besonders aus Jes 58), die das gerechte Tun mit dem Licht verbinden (Wengst 56-60). Die Finsternis konnte das Licht nicht fassen (V. 5, das griechische Wort katalambanein meint umfassen, erfahren, begreifen), aber mit Jesus Christus wird es offenbar (V. 9.14). Dieses Motiv kehrt an mehreren Stellen in Joh wieder, besonders im »Ich-bin-Wort« in Joh 8,12 in der doppelten Wendung »das Licht der Welt« (to phos tou kosmou) und »das Licht des Lebens« (to phos tes zoes, d. h. das Licht, welches Leben ist). Hier scheint die Rede von Israel und der Tora als »Licht der Völker« (Jes 42,6; 49,6; 51,4; 60,3) durch (3 Mission). In Mt 5,14 ff. ist die Prädikation »Licht der Welt« denen zugesprochen, die Jesus nachfolgen. Sie sollen das Licht sichtbar werden lassen und darum auf einen Leuchter stellen und nicht »unter den Scheffel« (d. h. ein Hohlmaß, einen Krug, der es verdecken würde und bald erlöschen lie-

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Liebe / Gemeinschaft

ße). Auch hier zeigt der engere und weitere Kontext, dass die Wort- und Bedeutungsfelder »Licht« und »leuchten« mit dem Tun des gebotenen Gerechten verbunden sind. Eine etwas andere Akzentuierung findet sich bei Lukas, wenn die »Kinder des Lichts« (hyioi tou photos) den »Kindern der Welt« gegenübergestellt werden (Lk 16,8). Letztere sind die, die sich in der Realität dieser Welt und Zeit zuhause wissen (und sich darum auch geschickter darin bewegen), während die »Kinder des Lichts« schon der kommenden Welt teilhaftig und darum in dieser Welt nicht ganz zuhause sind. Die Teilhabe der Glaubenden am Kommenden hebt jedoch das ethisch Gebotene nicht auf, sondern ermöglicht es. Das im Lichte des Kommenden jetzt schon Mögliche bringt Eph 5,8 f. bündig zum Ausdruck: »Lebt als Kinder des Lichts! Denn die Frucht des Lichts besteht in lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.« In der Gewissheit, dass die Nacht bald vorüber sei, d. h. dass die gegenwärtigen Verhältnisse nicht die ewig gegebenen sind, kann Paulus in Röm 13 die Glaubenden auffordern, den Anordnungen der Obrigkeit zu folgen und doch schon die »Rüstung des Lichts« (ta hopla tou photos) anzuziehen (V. 12) und die 3 Tora in der Nächstenliebe zu erfüllen (V. 8). Aalen, Sverre, Die Begriffe »Licht« und »Finsternis« im Alten Testament, im Spätjudentum und im Rabbinismus, Oslo 1951. Arneth, Martin, »Sonne der Gerechtigkeit«. Studien zur Solarisierung der Jahwe-Religion im Lichte von Psalm 71, BZAR 1, Wiesbaden 2000. Bauks, Michaela, Die Welt am Anfang. Zum Verhältnis von Vorwelt und Weltenstehung in Gen 1 und in der altorientalischen Literatur, WMANT 74, Neukirchen-Vluyn 1997. Hartenstein, Friedhelm, Das Angesicht »JHWHs«, FAT 55, Tübingen 2008. Janowski, Bernd, Rettungsgewißheit und Epiphanie des Heils. Das Motiv der Hilfe Gottes »am Morgen« im Alten Orient und im Alten Testament, WMANT 59, Neukirchen-Vluyn 1989. Langer, Birgit, Gott als »Licht« in Israel und Mesopotamien, ÖBS 7, Klosterneuburg 1989. Wengst, Klaus, Das Johannesevangelium, 1. Teilband: Kapitel 1-10, ThKNT 4,1, Stuttgart u. a. 2 2004.

Jürgen Ebach

Liebe / Gemeinschaft Das Wortfeld »Liebe« wird im Hebräischen und in dessen Folge im neutestamentlichen Griechisch ähnlich umfassend gebraucht wie im Deutschen. Die Liebe zwischen Mann und Frau (Gen 26, 8; 1 Sam 18, 20; Hld) wird so bezeichnet, ebenso die Liebe zwischen zwei Männern (2 Sam 1, 26). Menschen lieben sich selbst und ihre Kinder (Gen 22, 2; Mk 12, 6). Sie sollen ihre Mitmenschen lieben (Lev 19, 18; Mt 19,19), was auch die Fremden umfasst (Lev 19, 34; 3 Fremde / Flüchtlinge). Sogar bloß sexuelles Verlangen wie bei dem Vergewaltiger Amnon (2 Sam 13, 1.4) wird Liebe genannt. Gegenstand der Liebe sind auch abstrakte Größen wie Gerechtigkeit und Weisheit (Spr 4, 5-6), Wahrheit und Frieden (Sach 8, 19). Menschen können das Geld lieben (Koh 5, 9). Schließlich sollen sie Gott lieben (Dtn 6, 5). Körperliche Gesten wie der heilige Kuss gehören zur Liebe dazu (1 Petr 5, 14). Vielfach ist die Rede von Liebe zwischen Menschen, die über eine individuelle Zweierbeziehung hinausweist, so wenn es heißt, »ganz Israel und Juda« liebe David (1 Sam 18, 16). Jesus hat unterschiedliche Menschen lieb (Mk 10, 21; Joh 11, 5; 13,23.34), Paulus nennt Männer und Frauen aus den Gemeinden seine »Geliebten« (Röm 16, 5.12; 2 Kor 11, 11). Liebe schafft Gemeinschaft, an ihrem liebevollen Verhalten zueinander sollen die Menschen in der Nachfolge Jesu erkannt werden (Joh 13, 35). Liebe steht jeglichem Individualismus entgegen, sie erweist sich in einem Miteinander, das von Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit getragen ist (Lk 11, 42; 1 Kor 13, 1-13; 1 Joh 3,18), u. a. darin, dass (materielle) Gaben geteilt werden (2 Kor 8, 24). Alle bisher erwähnten Beispiele für menschliche Liebe machen nicht die in gegenwärtigen Diskussionen oft ins Feld geführte Unterscheidung zwischen Sex, Eros und Agape. Die Beziehung zwischen Gott und Israel wird als Liebesgemeinschaft beschrieben (Dtn 6, 5; 7, 13; Röm 11, 28). Beim Propheten Hosea wird die Gemeinschaft zwischen Gott und Israel durch die Ehe Hoseas symbolisiert, ihr Bruch wird mit der problematischen Metapher der »Hurerei« diffa-

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Lohn

miert (Hos 1-3). Wenn die Liebe zu Gott praktiziert wird, bedeutet sie Abkehr von 3 Habgier und der Orientierung am Geld (Mt 6, 24; vgl. Koh 5, 9). Gott ist Liebe (2 Kor 13, 11; 1 Joh 4, 8.16). Gott liebt Gerechtigkeit (Ps 33, 5) sowie die Menschen, die durch diese Liebe dazu befähigt werden, Gott zu lieben (Röm 5, 5). Neutestamentliche Texte sehen einen besonderen Erweis göttlicher Liebe in der Sendung des Messias Jesus (Röm 5, 8; 8, 39). Die Glaubenden werden durch die göttliche Liebe zu Gottes Kindern (1 Joh 3, 1.10). Gott zu lieben bedeutet, die Tora zu halten (Mt 22, 36-40; Joh 15, 10), diese Liebe ermöglicht ewig lebendiges Leben (Joh 3, 36). Liebe bezeichnet eine soziale Beziehung, die emotionale Dimensionen umfassen kann, aber nicht muss (3 Emotionen). Liebe hebt rechtliche Beziehungen nicht auf, sondern umfasst sie. In diesem Sinn nennt Mi 6, 8 als das dem Menschen Gebotene zuerst »Recht tun« und dann, dies einschließend, »Güte lieben«. Wie konkret das zu verstehen ist, führt Dtn 21, 15-17 am Fall einer Ehe mit zwei Frauen aus; die (emotional) geliebte Frau darf bei der Regelung des Erbes nicht gegenüber der (emotional) »gehassten« bevorzugt werden. Weil Liebe mehr ist als eine emotionale Äußerung, kann sie auch geboten werden, und zwar als Liebe gegenüber Menschen wie gegenüber Gott. Jesus fasst im Doppelgebot der Liebe die Tora zusammen, indem er Dtn 6, 5 und Lev 19,18 zitiert (Mt 22, 34-40 par). Die Texte beschreiben Liebe als Ausdruck sozialen Verhaltens, das unabhängig von persönlichen Zu- oder Abneigungen verantwortungsvolles Verhalten begründet. Liebe soll deshalb auch feindlich gesinnten Menschen gelten, um Gewalt zu überwinden (Mt 5, 44). Liebe ist die Basis für ein aufrechtes Leben ohne Furcht (1 Joh 4, 16-21), aber nicht ohne Konflikte. Berlejung, Angelika, Die Liebenden sind den Göttern gleich. Liebe und Eros im Kulturraum des Vorderen Orients, Welt und Umwelt der Bibel 21 (2001), 3-7. Fischer, Irmtraud, Über »die Liebe« in hierarchischen Gesellschaftsformen. Sozialgeschichtliche Voraussetzungen zum Verständnis von Liebe in der Hebräischen Bibel, in: Marlis Gielen / Joachim Kügler (Hg.), Liebe,

Macht und Religion. Interdisziplinäre Studien zu Grunddimensionen menschlicher Existenz, FS H. Merklein, Stuttgart 2003, 63-81. Kreisel-Liebermann, Hanna, Ich will euch einen noch köstlicheren Weg zeigen. Erster Brief an die Gemeinde in Korinth 13, 1-3, in: Claudia Janssen / Beate Wehn (Hg.), Wie Freiheit entsteht. Sozialgeschichtliche Bibelauslegungen, Gütersloh 1999, 146-150. Müllner, Ilse, Die Gewalt benennen. Liebe und Eros … und Gewalt in biblischen Texten, Welt und Umwelt der Bibel 21 (2001), 59-63.

Claudia Janssen / Rainer Kessler

Lohn 1. Begriffe Lohn wird im Hebräischen 28mal mit dem Wort ´s¯aka¯r und viermal mit mas´ko¯ræt (Gen 29,15; 31,7.41; Rut 2,12) bezeichnet. Die Grundbedeutung des zugrundeliegenden Verbs ist »Gleiches mit Gleichem vergelten«, woraus sich dann »entlohnen, entschädigen«, aber auch »danken« entwickelt hat. Im Neuen Testament begegnen mehrere Bezeichnungen für Lohn. Am häufigsten begegnet der Begriff misthos (Lk 10,7; 1 Tim 5,18 u. ö.), der in der Septuaginta für die Bezahlung von Arbeitern und Arbeiterinnen (Ex 2,9; Dtn 15,18), für den Leviten- und Priesteranteil (Mi 3,11) und für den Soldatensold (Ez 29,18) steht. Des Weiteren finden sich die Begriffe opsonion (auf Soldatensold begrenzt) (1 Kor 9,7), misthapodosia (Belohnung, Vergeltung) (3mal Hebr) sowie antimisthia (Lohn, Vergeltung) (Röm 1,27 sensu malo; 2 Kor 6,13), die beiden letzten Begriffe finden sich nur in christlicher Literatur. In der Bibel gilt der Grundsatz, dass der Arbeitende seines Lohnes wert ist (Num 18,31; Dtn 25,4; Lk 10,7; 1 Kor 3,8; 1 Tim 5,18) und Lohnverweigerung wird unter Gerichtsandrohung gestellt (Jer 22,13; Jak 5,4). Die Vorstellung, dass der Mensch von Gott Lohn empfängt, zeichnet sich bereits im Alten Testament ab (Gen 15,1; 30,18; Spr 10,16; 11,18) und ist im Neuen Testament gängig. In der Jesus-

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Lohn

überlieferung wird inner- und endzeitlicher Lohn in Aussicht gestellt (Mt 5,12; 6,1.2.5.16 u. ö.) und nicht minder bei Paulus (1 Kor 3,14; Röm 2,111; 2 Kor 5,10; Gal 6,7-10). Gottes Gericht ergeht nach den Taten der Menschen (Mt 25,31-46; Röm 2,1 ff.; 1 Tim 4,14). 2. Arbeitslöhne im Alten Testament Lohn als Kompensation für geleistete Arbeit kommt in vielfältigen Zusammenhängen vor: Lohn wird Ammen versprochen (Ex 2,9), Fuhrleuten (Ex 22,14), Schiffern (Jona 1,3); Hirtinnen und Hirten (Sach 11,12); Wahrsagern und Wahrsagerinnen (Num 22,7): Ein Bote erhält Botenlohn (2 Sam 4,10). Beim Bau des Salomonischen Palastes und Tempels schließt Salomo mit dem König Hiram von Tyrus einen Vertrag über die Lieferung von Zedern; dafür erhalten die Arbeiter einen Lohn, den Salomo erstattet (1 Kön 5,20). Hos 2,14 kennt Weinstöcke und Feigenbäume als Lohn für Liebesdienste. Leider wissen wir über die Höhe von Löhnen wenig; der Levit im Priesterdienst des Micha erhält 10 Silberschekel pro Jahr sowie Kleidung und Unterhalt; für 100.000 Söldner zahlt der König Amazja 100 Talente Silber (2 Chr 25,6). Ein Sklave bringt seinem Besitzer nach sechs Jahren Dienst als Gewinn das Doppelte von dem, was ein Tagelöhner gekostet hätte (Dtn 15,18). Mit »Lohn« kann auch Bestechungsgeld gemeint sein (z. B. Mi 3,11). Schließlich wird als Lohn auch die Beute, die ein Heer macht, bezeichnet (Ez 29,18 f.; 2 Chr 15,7). In einem allgemeinen Sinn kann Lohn als Entschädigung für Mühe verstanden werden (Jer 31,16) oder als Unterhaltssicherung (Sach 8,10). Innerhalb der sozialen Stratifikation der Gesellschaft waren vor allem Tagelöhner auf die zuverlässige Auszahlung ihres Lohnes angewiesen (vgl. die Bestimmungen in den deuteronomischen [Dtn 24,14-15] und priesterschriftlichen [Lev 19,13] Gesetzeskorpora). Es wird ausdrücklich bestimmt, dass die Tagelöhner ihren Lohn am Tag, an dem sie gearbeitet haben, erhalten sollen (vgl. Hi 7,2; Mal 3,5). In Jes 19,10 stehen Weber und Lohnarbeiter parallel zueinander; Weberinnen und Weber waren wohl ebenfalls im Taglohn be-

schäftigt. Auch wenn ein Tagelöhner längere Zeit bei dem Arbeitgeber verbleibt, erhält er einen Lohn nur entsprechend den geleisteten Arbeitstagen (Lev 25,40.50); er bleibt in einem Sonderstatus, der ihm z. B. die Teilnahme am familiären Pessachmahl verbietet (Ex 12,45). Eine besondere Form von Lohn erhalten die Leviten (Num 18,3032). In weisheitlichen Texten bekommt Lohn eine immaterielle Bedeutung, wenn Weisheitslehrer Ehre und Leben als Lohn der Demut und Gottesfurcht versprechen (Spr 22,4). Auch das Andenken an Menschen kann als eine Form von Lohn bezeichnet werden, denn Tote, die kein Andenken mehr haben, haben auch keinen Lohn (Koh 9,5). Im metaphorischen Sprachgebrauch kann von Gott als dem, der Lohn gibt oder sich erwirbt, gesprochen werden. Lohn kann in einer Verheißung bestehen, einer Segensgabe (Gen 15,1; Rut 2,12), in einem Kind (Gen 30,18; Ps 127,3) oder in der Rückkehr aus dem Exil (Jer 31,16). Das aus dem Exil zurückkehrende Volk Israel kann in der poetischen Sprache Deuterojesajas sogar als Lohn, den Gott sich erworben hat, bezeichnet werden (Jes 40,10, aufgenommen in Jes 62,11). 3. Arbeitslöhne im Neuen Testament Lohn für geleistete Arbeit erfolgte in der Antike nicht nur in barer Münze, sondern vielfach auch in Form von Naturalien und Sachzuwendungen wie Kleidung oder Wohnung. Auch die Kombination war möglich. Wie hoch die Löhne waren und durch welche weiteren Zuwendungen sie ergänzt waren, ist den Quellen vielfach nicht zu entnehmen. Tagelöhner und Tagelöhnerinnen (misthios, erithakos / erithakis), die oft ungelernte Arbeitskräfte waren, verdienten einen Denar bzw. eine Drachme pro Arbeitstag (Mt 20,1-20) und bewegten sich, sofern sie nicht weitere Zuwendungen in Form von Kleidung, Naturalien oder Wohnung erhielten, am Existenzminimum. Die Mehrzahl der übrigen Löhne war in der Regel höher. Facharbeiter im Bauwesen verdienten durchschnittlich das Doppelte; ein einfacher Soldat verdiente eineinhalb so viel. Das Existenzminimum einer vierköpfigen Familie auf dem Land betrug mit »non food«-Artikeln und Steu-

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Macht

ern etwa 250 bis 300 Denare (vgl. Stegemann / Stegemann), in der Stadt reichte das nicht. Es ist anzunehmen, dass vielfach Frauen und ggf. auch Kinder arbeiteten, um das Familieneinkommen zu sichern, was auch das Neue Testament belegt (3 Arbeit / Lohnarbeit). Ob Frauen weniger verdienten als Männer ist anzunehmen, aber nur vereinzelt bestimmbar (vgl. Schottroff). Menschen, die in der Ernte arbeiteten, konnten Anteil an der Ernte bekommen (Cato agr. 136); Arbeitsund Ausbildungsverträge auf Papyri geben Auskunft über Verpflegung während der Arbeit und Zuwendung von Kleidung (P.Oxy. 498; 725); Gutsverwalter und -verwalterinnen wurden mit Naturalien entlohnt (Mk 12,1-12 parr Mt 21,33-46; Lk 20,9-19). In der römischen Antike gab es verschiedene Formen der Vereinbarung über Arbeitsleistungen und ihre Entlohnung: 1. Die Verpachtung einer Person, sie bedeutete Sklavenarbeit (locatio rei); 2. die Verpachtung von Arbeit (ein Arbeitsvertrag galt in Rom als Pachtvertrag; locatio operarum), z. B. als Saisonarbeit in der Getreide- und Olivenernte (Cato agr. 5,4, rät nur für einen Tag einzustellen, wodurch wahrscheinlich weitere Versorgungskosten entfielen); 3. der Werkvertrag (locatio operis faciundi) für bestimmte Arbeiten (Bauwerke, öffentliche Arbeiten, Herstellung oder Reparatur von Gegenständen); 4. Verträge für mehrere Monate; 5. das, was wir heute Leiharbeit nennen: Geschäftsleute stellten Trupps von Menschen zusammen, die sie an Menschen mit Landbesitz zur Arbeit in der Ernte vermieteten (manceps operarum).

Ben-David, Arye, Talmudische Ökonomie I, Hildesheim / New York 1974. Bienert, Walther, Die Arbeit nach der Lehre der Bibel, Stuttgart 2 1956, bes. 88-96. Hetzer, Catherine, Lohnmetaphorik und Arbeitswelt in Mt 20,1-16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse, NTOA 15, Freiburg, Schweiz / Göttingen 1990. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum

und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, 2., durchges. u. erg. Auflage, Stuttgart u. a. 1997. Szaivert, Wolfgang / Wolters, Reinhard, Löhne, Preise, Werte. Quellen zur römischen Geldwirtschaft, Darmstadt 2005.

Jürgen Kegler / Ute E. Eisen

Lohnarbeit 3 Arbeit / Lohnarbeit Luxus 3 Reichtum / Luxus

Macht 1. Allgemeines a) Macht bedeutet die Fähigkeit, Beabsichtigtes durchzusetzen (zu »machen«) – auch gegen entgegenstehende Interessen. Macht wird individuell, gesellschaftlich und international ausgeübt; religiöse Menschen rechnen zudem mit transzendenten Mächten. Machtausübung ist unvermeidlich; machtfreie Verhältnisse sind allenfalls Utopie. Macht an sich ist weder gut noch schlecht; die Frage ist, wer sie wie über wen zu welchem Zweck ausübt. Moderne Demokratien leben von dem Ideal, dass »alle Macht vom Volk ausgeht« und die Gewalten geteilt sind. Der Bibel liegen solche Ideale fern – und doch zeichnen sie sich schon ab. b) Im Sprachgebrauch spiegeln sich ambivalente Machterfahrungen. Die einschlägigen hebräischen Begriffe schillern zwischen erwünschter und heilsamer Macht- und destruktiver Gewaltausübung: h¯azaq »fest sein, stark sein, festhalten, ˙ zupacken, Gewalt üben«; 2¯azaz »stark sein, Macht ausüben, gewaltsam behandeln«; ra¯da¯h »herrschen, unterdrücken«; 3 ¯el »Gottheit, Stärke, Gewalt«; ja¯d / kaf »Hand / Handfläche, Kraft, Gewalt«; ko¯ah »Vermögen, Tüchtigkeit, Kraft, ˙ Macht, Gewalt«; h¯azqa¯h »Kraft, Heftigkeit, Ge˙ walt«; 2¯oz »Schutz, Festigkeit, Kraft, Macht, Gewalt«. Das neutestamentliche Griechisch redet von physischer 3 Gewalt (bia, biazo), Stärke oder

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Macht

Kraft (ischys, kratos) und, in einem umfassenderen Sinn, von Macht, Vermögen (dynamis), Vollmacht und Befugnis (exousia). Eine eindeutige sprachliche Zuordnung zum göttlichen, menschlichen oder widergöttlichen Bereich ist nicht möglich. 2. Hebräische Bibel a) Gottes Macht ist im Prinzip unermesslich. Zwar gibt es für das Wort »Allmacht« kein hebräisches, sondern nur ein griechisches Äquivalent (pantokrator). Mit diesem wird oft die hebräische Gottesbezeichnung »JHWH Zebaot« wiedergegeben; seba¯ 3o¯t sind die (himmlischen) ˙ Heerscharen, denen keine menschliche Macht widerstehen kann. JHWH Zebaot wird ohne jede menschliche Hilfe mit den Philistern fertig (1 Sam 5 f.; vgl. 7, 10 f.) und ebenso mit anderen Feinden (Ri 7, 21 f.; 2 Kön 19, 35 u. ö.). Am Ende der Tage wird er alle Feindmächte besiegen (Ez 38 f.; Joel 4, 9-16; Sach 9, 11-15; Dan 2). Er muss nicht einmal handgreiflich werden; sein bloßes Wort bewirkt alles: Es hat die Welt ins Leben gerufen (Gen 1; Ps 104,7), es ist »wie Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt« (Jer 23, 29), es kann »herunterfallen« wie schwere Materie (Jes 9,7) und es »kehrt nicht leer zurück« zu seinem Urheber (Jes 55, 11). So betet Jeremia: »Du, Herr JHWH, siehe, du allein hast den Himmel und die Erde gemacht durch deine große Macht und durch deinen ausgereckten Arm – dir ist überhaupt nichts unmöglich«, und Gott antwortet: »Siehe, ich bin der Gott allen Fleisches – sollte mir irgendetwas unmöglich sein?« (Jer 32, 17.27) So viel Zutrauen in JHWHs unbegrenzte Macht hatte Israel nicht immer. Bevor die monotheistische Einsicht ausgereift war, dachte es sein Wirken geographisch und ethnisch begrenzt (Dtn 32, 8 f.; Ri 11, 24; 1 Sam 26, 19; 1 Kön 20, 23; 2 Kön 5, 17; Ps 83). Doch als von außen fremde Völker (und Götter!) auf es eindrangen, wuchs – vorab bei den Propheten – die Erkenntnis, dass JHWH auch fernab Israels wirksam sein musste (Jes 5, 26-30; Jer 29, 1-14; Am 1 f.; 9, 7; Nah 2 f.; Zef 2). Das hatte seine Kehrseite. Offenbar lieh er fragwürdigen Subjekten viel von seiner Macht:

fremden Großkönigen (Jer 27, 4-11; Jes 45, 1-4) oder gar den Vertretern des Chaos, Behemot und Leviatan (Hi 40 f.). Irritierende Gedanken kamen auf: Anscheinend schafft Gott »Licht und Finsternis«, bewirkt »Heil und Unheil« (Jes 45,7; vgl. auch Spr 16, 4); er »macht lebendig und er tötet«, »macht reich und arm, erhöht und erniedrigt« (1 Sam 2, 6 f.); er rettet nicht nur, er »verstockt« auch (Ex 4, 21 u. ö.; Jes 6, 9 f.); er »versucht«, »reizt« und »verführt« Menschen (Gen 22, 1; 2 Sam 24; Jer 20, 7; Hi 2, 3). Immer wieder bleiben seine Machterweise aus (z. B. Jer 18, 19-23; Ps 6; 22; 38; 40; 57; 80; 88; Klgl 5 usw.). Der verzweifelte Ruf »Warum schläfst du?« (Ps 35, 22 f.; 44, 24 f.) zeigt die Grenzen wenn nicht seiner Macht, so doch ihrer Wahrnehmbarkeit. So zweifeln Skeptiker nicht an seiner Macht, wohl aber an deren Erkennbarkeit (Hi 36, 26; 9, 10.12; Koh 3, 11). b) Menschliche Macht ist in noch viel stärkerem Maß ambivalent. Sie wird als positiv erlebt, wo man sie selbst ausübt oder von ihr profitiert. Psalmisten danken Gott, dass sie mit ihm »über Mauern springen« können (Ps 18, 30) und er ihre »Füße auf weiten Raum stellt« (Ps 31, 9); sie danken für Macht und Siege des Königs (Ps 2; 21); sie staunen über die hohe Stellung des Menschen und gar der Säuglinge (Ps 8). Gewiss las man gern, wie David alle Nachbarvölker niederwarf (2 Sam 8); wie Menschen es von ganz unten an die Spitze der Macht schafften (David: 1 Sam 162 Sam 8; Josef: Gen 37 f.; 40 f.; Jiftach: Ri 11); wie Propheten Macht hatten über die Schwerkraft (2 Kön 6, 5-7), über Feuer vom Himmel (1 Kön 18, 21-40), über Krankheiten (2 Kön 5; 20, 1-11), über ganze Heere (2 Kön 6, 8-23), ja über Leben und Tod (1 Kön 14, 1-18; 17, 17-24; 2 Kön 4, 18-37). Mit Ehrfurcht las man vom Stab des Mose, der Nilwasser in Blut verwandeln und Trinkwasser aus dem Fels zaubern konnte (Ex 7, 20; 17, 5 f.). Dem stehen negative Erfahrungen mit menschlicher Macht gegenüber. Männer missbrauchen ihre physische Macht über Frauen (Ri 19; 2 Sam 13). Wirtschaftlich Mächtige beuten Schwache aus (vgl. neben der prophetischen Sozialkritik etwa Hi 30, 1-8; Koh 3, 16; 4, 1; 5, 7). Das

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Macht

Königtum unterliegt generell dem Verdacht auf Machtmissbrauch (Dtn 17, 14-20; Ri 9, 7-15; 1 Sam 8, 11-17; 2 Sam 11; 1 Kön 21; Jer 22, 13-19; Ez 34; Hos 8, 4; Spr 24, 21; 28, 15 f.; Koh 4,14). Großmächte machen sich selbstherrlich und gierig über kleinere Völker und Länder her (Gen 11,1-9; Ex 1; 5; 1 Kön 20; 2 Kön 6; Jes 10, 5-15; 14, 1-27; Jer 50 f.; Nah 2 f.; Dan 2; 7). Aus solchen Erfahrungen resultiert tiefes Misstrauen gegen menschliche Machtentfaltung. Es werden warnende Beispiele aufgerichtet von Menschen, die nach Macht strebten und tief fielen (z. B. Abimelech: Ri 9; Adonija: 1 Kön 1 f.; Rehabeam: 1 Kön 12). Es wird davor gewarnt, selbst mächtig sein zu wollen (Jes 22, 15-19; Jer 22, 13 f.; Spr 15, 16; 18, 11 f.; 29, 26) oder Mächtigen zu vertrauen (im Innern: Ps 33, 16 f.; 146; nach außen: Jes 30, 1-3; 31,1-3; Hos 5, 13 f.). Die Vorbildlichkeit Davids beruht weniger auf seiner Macht als auf seiner Fähigkeit zur Demut (2 Sam 6, 21 f.; 12,13). Furcht einflößende Waffen sollen in Nutzen bringende Werkzeuge umgeschmiedet werden (Jes 2, 4; Mi 4, 3). Gott ist kein Freund der Krieger und der Satten, Kinderreichen und Noblen, sondern der Wankenden, Hungrigen, Unfruchtbaren und Niederen (1 Sam 2, 4 f.8; vgl. Zef 2, 3; 3, 12 f.; Ps 37, 11). 3. Neues Testament a) Im Neuen Testament finden sich viele Aspekte des alttestamentlichen Machtdiskurses wieder. Gottes Macht wird uneingeschränkt bezeugt (Mk 10, 27 par; 14, 36; Lk 1, 37; Röm 1, 20; Eph 1, 19; 3, 20 f.; Kol 1, 11; 1 Petr 4, 11; 5, 11; Jud 25; Offb 5, 13), häufig mit ähnlichen Hoheitstiteln (Mt 11, 25; Mk 14, 62; Lk 1, 49; Röm 9, 29; 1 Tim 1, 17; 6,15; Hebr 1, 3; Jak 5, 4; Offb 6,10). Besonders in Verfolgungssituationen (3 Verfolgung) ist der Glaube an die geschichtslenkende Macht Gottes Quelle der Hoffnung und des politischen Widerstands (3 Widerstand / Martyrium). Entsprechend begegnet der Allmächtige – mit Ausnahme eines alttestamentlichen Zitats in 2 Kor 6,18 – nur in der Bildwelt der widerständigsten Schrift des Neuen Testaments, der Johannesoffenbarung (pantokrator: 1, 8; 4, 8; 11,17; 15, 3; 16, 7.14; 19, 6.15; 21, 22).

b) Eine besondere Zuspitzung erfährt das Bekenntnis zur Macht Gottes in der Auferweckung Jesu (Röm 1, 4; 1 Kor 6,14; 15, 43; Phil 3, 10). Darin bekundet sich der Glaube an den Sieg über den 3 Tod (Röm 5, 12-8, 39; Offb 20, 6; vgl. Kol 2,15). In den Evangelien wird die gesamte Mission Jesu als Antizipation dieses Sieges gedeutet (Mt 11, 27; Lk 4,14; Joh 5, 20.27; 10, 18; 17, 2). Sein Kampf in der Wüste (Mt 4, 1-11; Lk 4, 1-13) und die Exorzismen (z. B. Mk 1, 21-28; 5, 1-16; Lk 4, 31-36) machen dies deutlich (Mk 3, 27; Lk 11, 20-22; Mt 12, 28; vgl. Mk 2, 1-12 par). Die Übertragung göttlicher Macht auf seine Nachfolger (Mk 3, 15; 6,7; Mt 10, 1; Lk 10, 17-20) stellt einen Statuswechsel dar: Sie haben nun Anteil an der Herrschaft (Mt 5, 3; 17, 2427; 19, 28 par; vgl. Röm 5, 17; 1 Kor 6, 3; Gal 4, 26; 2 Tim 2, 12; Offb 2, 26; 3, 21; 20, 6). In der Apostelgeschichte wirkt Gottes Kraft v. a. durch den Geist in der Mission (1, 8; 4, 33; usw.) in »Zeichen und Wundern« (2, 22; 8, 9-13; vgl. 2 Kor 12, 12; Gal 3, 5; Mk 16, 17 f.). Für Paulus ist das Evangelium »Kraft Gottes« zur Rechtfertigung (Röm 1, 16 f.; 1 Kor 1, 18). Entsprechend wirkt diese Kraft in seinem Dienst (Röm 15,18-21; 1 Kor 2, 3-5; 4, 19 f.; 2 Kor 4, 7; 12,11 f.; 1 Thess 1, 5; Phil 4, 13). c) Satan (Mt 4, 1 par; Lk 8, 12; Röm 16, 20; 1 Thess 2, 18), Beelzebul (Mt 10, 25; 12, 24 par), die Schlange (Offb 12, 3-17; 20, 2), der »Herrscher dieser Welt« (Joh 12, 31; 14, 30; vgl. 1 Kor 2,12; 2 Kor 4, 4), der Zerstörer (1 Kor 10, 10), der Böse (Mt 6, 13; 2 Thess 3, 3; 1 Joh 2, 13), der Antichrist (1 Joh 2, 18-22; 2 Joh 7) oder »Mächte und Gewalten« (1 Kor 2, 6-8; 15, 24-27; Eph 1, 21 f.; 1 Petr 3, 22) – in solchen Begriffen wird die elementare Erfahrung zur Sprache gebracht, dass Menschen übergeordneten »Mächten« ausgeliefert sind. Dahinter stehen pagane Gottheiten, Gestirne, magische Kulte, Laster, politische Zwangssysteme, Schicksalsglaube, Dämonenfurcht usw. Der Glaube wird als Befreiung von diesen negativen Mächten erfahren (Gal 4, 4-7; 1 Kor 2, 6-7; vgl. Eph 3, 10; Röm 8, 38 f.). Sie werden am Ende von Christus vernichtet und dem Vater übergeben (1 Kor 15, 24; vgl. Kol 2, 15). Der Kampf der Kirche gegen die lebensverneinenden Mächte (Eph 2, 2; 3, 10; 6, 1017) steht in der Klammer zweier Überzeugungen:

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Markt

Christus hat die Mächte geschaffen und er hat sie überwunden (Kol 1, 16; 2, 10-13; Eph 1, 21; 2, 2 f.; vgl. Wink). d) Der frühchristliche Machtdiskurs wird besonders komplex durch die historische Erinnerung an die Kreuzigung Jesu, die nicht aus dem Bekenntnis ausgeklammert, sondern in dessen Zentrum gestellt wird (1 Kor 2, 2; Phil 2, 8; Gal 3, 1). Die Kreuzigung war als »grausamste und abscheulichste Todesstrafe« (Cic. Verr. II,5,165) die Hinrichtungsform für politische Aufrührer und Sklaven. Vor diesem Hintergrund besitzt das »Ärgernis des Kreuzes« (Gal 5, 11; vgl. 3,13; Hebr 12, 2) durchaus politische Brisanz gegenüber den Hegemonialansprüchen des Römischen Imperiums. Gerade als Zeichen göttlicher Kraft stellt das Kreuz nach Paulus alle gängigen Macht- und Weisheitskonzepte radikal in Frage (1 Kor 1, 1825). Diese paradoxe Struktur ist nur aufgrund göttlicher Wirkung erkennbar (2, 6-16), so dass das Evangelium nicht durch religiöse oder philosophische Eliten kontrolliert werden kann. Die Paradoxie des Kreuzes ist für Paulus Signatur der neuen Wirklichkeit. Das hat nicht nur persönlich-biographische (vgl. 1 Kor 2, 1-5; 2 Kor 4, 10; 12, 9 f.; 13, 4; Gal 6,13), sondern auch ekklesiologische Konsequenzen (vgl. die gemischte Sozialstruktur der korinthischen Gemeinde in 1 Kor 1, 26-31). Diese in der Realität geerdete Kreuzes»theologie« fußt in der Verkündigung Jesu: »Viele Erste werden Letzte und die Letzten Erste sein« (Mk 10, 31; Mt 19, 30; 20, 16; Lk 13, 30; vgl. zur Vorstellung von einem Positionswechsel Mk 9, 35; 10, 42-45; Mt 18, 4; 20, 26; 23, 11 f.; Lk 9, 48; 14, 11; 18, 14; 22, 24-27). Dies spielt auch in der Erzählwelt eine wichtige Rolle (Lk 1, 48-53: Erwählung von Frauen; Lk 6, 20-26: endzeitliche Umkehrung; Joh 13, 1-17: Fußwaschung). Die Überzeugung, dass Gott sich an den Niedrigen orientiert (vgl. 2 Kor 7, 6), führt schließlich zur Neubewertung der Demut (tapeinophrosyne) als einer grundlegenden sozialen Tugend (Phil 2, 1-5; Röm 12, 16; Eph 4, 2; 1 Petr 5, 5; Mt 11, 28-30; 21, 5), in der Statusverzicht und Solidarität zum Ausdruck kommen (vgl. Theißen 112-120; Wengst).

Dietrich, Walter, Grenzen göttlicher Macht nach dem Alten Testament, ZThK 96 (1999), 439-457. Ders. / Link, Christian, Die dunklen Seiten Gottes Bd. 2, Neukirchen-Vluyn, 2 2004. Kessler, Rainer, Die Bibel in Zeiten der Globalisierung: Quelle der Inspiration oder Dokument der Modernisierungsverlierer?, in: ders., Gotteserdung, BWANT 170, Stuttgart 2006, 14-23. Ders., Staat und Gesellschaft im vorexilischen Juda. Vom 8. Jahrhundert bis zum Exil, VT.S 47, Leiden u. a. 1992. Ritter, Werner H. / Feldmeier, Reinhard, u. a., Der Allmächtige. Annäherungen an ein umstrittenes Gottesprädikat, BTS 13, Göttingen 1997. Smend, Rudolf, Der Ort des Staates im Alten Testament (1983), in: ders., Die Mitte des Alten Testaments. Exegetische Aufsätze, Tübingen 2002, 174-187. Theißen, Gerd, Die Religion der ersten Christen, Gütersloh 2 2001. Wengst, Klaus, Demut, Solidarität der Gedemütigten. Wandlungen eines Begriffes und seines sozialen Bezugs in griechisch-römischer, alttestamentlich-jüdischer und urchristlicher Tradition, München 1987. Wink, Walter, Naming the Powers, Philadelphia 1984; Unmasking the Powers, Philadelphia 1986; Engaging the Powers, Minneapolis 1993.

Walter Dietrich / Moisés Mayordomo

Mann 3 Frau / Mann

Markt Das Wort Markt bezeichnet zunächst den Platz, an dem Waren verkauft und gekauft werden, dann aber im übertragenen Sinn auch den Bereich des Warenaustauschs überhaupt, ohne dass der konkrete Ort dabei eine Rolle spielt. Waren werden in der Antike zum großen Teil auf lokalen Märkten verkauft. Daneben gibt es von Haus zu Haus ziehende Händler, die Waren verkaufen und aufkaufen (vgl. Spr 31, 24). Globale Marktstrukturen, innerhalb derer wirtschaftliche Akteure selbständig handeln konnten, sind kaum vorhanden. Der internationale 3 Handel liegt weitgehend in staatlichen Händen. Dabei können in internationalen Beziehungen wechselseiti-

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Markt

ge Handelsrechte eingeräumt werden (1 Kön 20, 34). Waren, die überregional gehandelt werden wie z. B. Getreide, können nicht unbedingt frei auf einem Markt verkauft werden: Der Getreidehandel in Athen wurde zur Sicherung der Versorgung staatlich eingeschränkt. Provinzen wie Ägypten mussten Rom kostenlos mit Getreide versorgen, damit die Alimentation der Hauptstadtbevölkerung gewährleistet war. Die Städte im Gebiet des alten Israel haben keinen zentralen Marktplatz. Ihr einziger freier Platz ist der Platz direkt am Stadttor. An ihm können sich kleine Märkte etablieren. In den Städten kann es auch spezielle Märkte an einzelnen Toren geben, wie die Bezeichnung eines Tores in Jerusalem als »Fischtor« nahe legt (Neh 12, 39; vgl. 13, 16). Daneben bilden sich in den Städten basarähnliche Straßen, wo sich die Händler einer Branche konzentrieren (vgl. die »Bäckerstraße« Jer 37, 21). Innerhalb der griechischen Polis stellt der Markt (agora) einen zentralen Ort dar, auf dem Konsumenten und Produzenten in Austausch treten. Bauern und Handwerker bieten ihre Produkte und Dienstleistungen an. Handel wurde nicht nur auf einem zentralen Platz, sondern zunehmend auch in offenen Säulenhallen (stoa) getrieben. Märkte gab es aber auch in kleineren Dörfern. Auf dem Markt agierten Frauen entgegen der Ansicht antiker Autoren, dass nur das Haus ihr angestammter Ort sei, selbstverständlich in der Öffentlichkeit und vertrieben ihre Waren. Die Marktgeschäfte standen unter einer besonderen rechtlichen Aufsicht, die über den reibungslosen Ablauf wachte (Kontrolle von Gewichten etc.). Märkte stellten in den Augen der Oberschicht mit ihren Menschenmengen, dem Lärm und Gestank (Viehmärkte, Feuer in Produktionsstätten, Abfälle) eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität dar. Sie, die von den wirtschaftlichen Prozessen profitierten, blickten mit Verachtung auf das Markttreiben (Mart. 7, 61). In Mt 20, 3 ist die agora der Ort, an dem Arbeitskräfte angeworben wurden. Bäuerliche Produzenten oder Tagelöhner verfügten über gerin-

ge finanzielle Ressourcen, so dass sie gezwungen waren, zügig zu Geld zu kommen. Einen Lohnpoker etc. konnten sie sich nicht leisten. Der Weinbergbesitzer in Mt 20, 1 ff. nutzt das Überangebot an Arbeitskräften für sich aus: Im Wissen um die große Zahl von Arbeitskräften kalkuliert er bei der Anwerbung zunächst knapp, die Tagelöhner sind darauf angewiesen, dass er sie einstellt. Auf dem Markt erlebten Menschen aus der Unterschicht ihre unterlegene Stellung. Der Markt stellte auch den Ort der politischen Öffentlichkeit und des kulturellen Austauschs dar. So ist in den Städten Israels das Tor primär nicht der Ort des Marktes, sondern des Gerichts. Nach Apg 16, 19 findet auf dem Markt der Prozess gegen Paulus und Silas statt. Hier konnte die Staatsmacht in Gestalt der richterlichen Gewalt öffentlich demonstriert werden, damit sie das Volk bewusst erlebte. Von daher sind in größeren Städten im Umfeld des Marktes repräsentative Gebäude zu finden, die mit ihrer Pracht die Größe von Macht und Herrschaft demonstrierten. Öffentliche Plätze waren ein wichtiger Ort des gesellschaftlichen Diskurses. Philosophische Gruppen wie die Stoiker hatten hier ihre erste Wirkungsstätte. Nach Apg 17, 17 f. kommt es auf der agora Athens zwischen Paulus und Vertretern verschiedener philosophischer Richtungen zum Diskurs. Die Missionsbemühungen des Paulus scheitern hier jedoch. Fritz, Volkmar, Die Stadt im alten Israel, München 1990. Kolb, Frank, Die Stadt im Altertum, Düsseldorf 2005. Polanyi, Karl, Handelsplätze in frühen Gesellschaften, in: ders., Ökonomie und Gesellschaft, stw 295, Frankfurt am Main 1979, 284-299. Ders., Der marktlose Handel zur Zeit Hammurabis, in: ders., Ökonomie und Gesellschaft, stw 295, Frankfurt am Main 1979, 300-316. Reden, Sitta von, Art. Markt, Marktaufsicht, DNP 7, 1999.

Carsten Jochum Bortfeld / Rainer Kessler

Martyrium 3 Widerstand / Martyrium

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Maße und Gewichte

Maße und Gewichte 1. Rahmenbedingungen Maße und Gewichte sind Ergebnis von sozialen Übereinkünften, die in einer Region, in einem Staat oder im Einflussgebiet eines Tempels für eine bestimmte Zeit gelten, aber geschichtlichen Wandlungen unterliegen. Absolute Werte differieren auch bei gleichlautenden Maßen wie etwa bei der verbreiteten Elle. Auch für die alttestamentliche Zeit werden wir in Palästina mit dem Nebeneinander unterschiedlicher Maßsysteme und regionalen Unterschieden rechnen müssen. Noch die rabbinische Überlieferung unterscheidet drei Maßsysteme: das Wüstenmaß, das häufig alttestamentlichen Angaben zumindest nahe kommt, das Jerusalemer Maß, das den römischen und daher neutestamentlichen Werten entspricht, sowie das sefforische Maß. Das Alte Testament kennt zahlreiche Maßbegriffe, teilt aber nur wenig über ihre Relationen zueinander mit, und dies vornehmlich in Texten der nachexilischen Zeit. Spärlicher noch sind Anhaltspunkte für absolute Werte. Bei den Relationen einzelner Maße findet sich in der Bibel sowohl das hexadezimale System (12/6), das u. a. die babylonische und später die griechische Metrologie bestimmt, wie auch das Dezimalsystem (10/5). Die meisten Verhältnisbestimmungen alttestamentlicher Maßangaben sind aber erst hellenistisch oder römisch belegt, so dass sich für das eisenzeitliche Israel sehr viel weniger Genaues sagen lässt, als es die Übersichten in den Bibelausgaben und Lexika erahnen lassen, die häufig einfach die späteren römischen oder rabbinischen Maße zugrunde legen. Moderne Genauigkeit ist in keinem Fall zu erwarten. Präzisierungen biblischer Angaben sind möglich durch (inzwischen reichliches) archäologisches und epigrafisches Material, durch Vergleich mit zeitgenössischen Maßsystemen der biblischen Umwelt und in begrenztem Maß auch durch Rückschluss vom späteren rabbinischen Maßsystem her. Für das Neue Testament ist wegen der Geltung des römischen Maßsystems eine größere Genauigkeit möglich.

2. Längen- und Wegmaße Wie auch sonst in alten Kulturen werden in der Bibel die Maßstäbe von Körperteilen abgeleitet. Das hauptsächliche Längenmaß ist die Elle, die von der Spitze des Ellbogens bis zur Spitze des Mittelfingers gemessen wird. Kleinere Einheiten sind die Spanne einer Hand, d. h. der Abstand von der Daumen- bis zur Kleinfingerspitze der gespreizten Hand (Ex 28,16, ca. 22-23 cm, 1 Elle = 2 Spannen), die an der Fingerwurzel gemessene Handbreite (Ex 25,25, ca. 7-8 cm, 1 Elle = 6 Spannen), der Finger (Daumenbreite Jer 52,21, ca 1,9 cm, 1 Elle = 24 Finger). Unter griechischem Einfluss kommen noch Fuß, Doppelschritt, Stadion und Meile hinzu. a) Längenmaße. Das Normalmaß für eine biblische Elle (hebr. 3amma¯h – Unterarm; griech. pechys) beträgt 44-45 cm (Gen 6,15 f.; 7,20; Ex 2527 u. ö.; die römische Elle beträgt dann 44,4 cm bei 6 Handbreit zu 7,4 cm). Nach 2 Chr 3,3; Ez 40,5; 43,13 war aber noch eine Handbreit größere Elle (ca. 52 cm) in Jerusalem (6.-4. Jh. v. Chr.) in Gebrauch, die etwa der königlichen ägyptischen Elle entsprach. Beide Maße sind an Bauten archäologisch nachgewiesen. Die große Elle lag nach den Angaben der Schiloahinschrift wohl auch dem Jerusalemer Hiskijatunnel (spätes 8. Jh.) zugrunde (1200 Ellen = 600 m; KAI 189) und könnte noch in neutestamentlicher Zeit in Palästina maßgebend geblieben sein. In Mt 6,27 und Lk 12,25 wird der Ausdruck im übertragenen Sinn verwendet: niemand kann seine Körpergröße (oder das Lebensalter) von sich aus auch nur um dieses kleine Maß verlängern. Die Länge der ausgebreiteten Arme (ca. 1,80 m) heißt griechisch orgyia: entweder Klafter oder Faden (Apg 27,28); es handelt sich um eine griechische Maßeinheit von 4 Ellen. Der Fuß (griech. pus) als Maßeinheit wird nur in Apg 7,5 benutzt. Unklar bleibt der Maßbegriff hebr. go¯med (Ri 3,16), der eine Länge zwischen Handbreite und Elle bezeichnet. Als Messinstrumente werden ein langer Rohrstab (Ez 40,5) und eine Messschnur (Am 7,17; Sach 1,16) erwähnt. b) Wegmaße werden häufig entsprechend allgemeiner Erfahrung angegeben. Bei einer Tages-

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Maße und Gewichte

reise zu Fuß oder mit dem Esel sollte man an 3040 km denken (Num 11,31; Gen 30,36; Ex 3,18; Jona 3,3; Lk 2,44), bei einem Schritt an ca. 90 cm. Keine eigentlichen Entfernungsangaben sind die »Erstreckung des Landes« (Gen 31,23), der Sabbatweg (Apg 1,12; = 2.000 Ellen), oder Angaben für Distanzen außer Hörweite in Gen 16,21 (»einen Bogenschuss weit«, je nach Bogenart zwischen 60-110 m) oder in Lk 22,41 (»einen Steinwurf weit«, ca. 30 m). Im Neuen Testament ist die Grundeinheit die Meile (milion als Transliteration der römischen Angabe mille passuum = »tausend Doppel-Schritte«); sie war 1.480 m lang und wird in Mt 5,41 genannt. Eine Meile umfasst 8 Stadien: ein stadion hatte 100 orgyiai und entspricht also 185 m; nachdem man für die Länge der Rennbahn in Olympia dieses Längenmaß verwendete, konnte das Wort auch für eine Arena benutzt werden (so 1 Kor 9,24). 3. Flächenmaße Flächenmaße wurden in der Bibel entweder durch die Angabe von Länge und Breite oder des Umfanges oder des Durchmessers einer Fläche bestimmt (1 Kön 6,2 f.; 7,23; 2 Chr 4,1 f.; Ez 40,47.49; 41,2.4). Das Joch (heb. sæmæd, 1 Sam ˙ die ein Rin14,14; Jes 5,10) meint die Ackerfläche, dergespann an einem Tag pflügt. Das wären nach talmudischen Angaben 2.000 m2 , während das römische Joch (lat. iugerum) 2.523 m2 umfasst hat. Eine andere, schon in Babylon übliche Form der Flächenbestimmung war die Angabe der zur Aussaat benötigten Menge Saatgetreide. Nach talmudischen Angaben (bEr 23b, jSota 5,3) berechnete man für eine Sea Aussaat eine Fläche von 490 m2 (2.500 Quadratellen, 1 Elle = 0,44 m), etwa ein Viertel der Tagesleistung eines Pflügers. Flächenmaße kommen im Neuen Testament nicht vor. 4. Hohlmaße im Alten Testament Zur Abwägung flüssiger und fester Stoffe wie Öl, Wein, Wasser, Getreide usw. werden eine ganze Reihe Hohlmaße in Gefäßform genannt und genutzt. Bei den Flüssigmaßen dient Wasser, bei den Trockenmaßen Getreide als Maßstab des Li-

Abb. 1: Israelitisches Hohlmaß, ca. 40 l; Aufschrift: bt lmlk (»Bat nach königlichem Maß«). Lachisch, 8. Jh. v. Chr.

tervolumens, was naturgemäß zu unterschiedlichen Gewichten führt. a) Flüssigmaße sind die alttestamentlich und epigrafisch nachgewiesenen Bat, Hin und Log. Ihr Verhältnis zueinander ist jedoch alttestamentlich nicht bestimmt. Epigrafische Zeugnisse kennen viertel und halbe Log und Ez 45,11 ff. etwa fügt das Bat in ein Dezimalsystem ein. Nachexilisch-hellenistisch dürfte ein Log etwa 0,5 l umfasst haben (Lev 14,10-24), das Hin ca. 6 l (Lev 19,36 LXX) und das Bat 36 l. In römischer / rabbinischer Zeit gilt ein römischer Sextar als 1 Log (0,546 l). Dieses größere Fassungsvermögen haben auch archäologisch nachgewiesene steinerne Maßgefäße aus der herodianischen Zeit. Für die vorexilische Zeit gelten diese Maße nicht. Eine Maßreform schimmert noch in Ez 45,11 ff. (frühnachexilisch) durch, wo die Hohlmaße für Flüssiges den Trockenmaßen angeglichen werden (1 Bat = 1 Efa). Doch ist vorexilisch ein sehr viel kleineres Log epigrafisch belegt (Renz 35) und auch das Hin von Ez 4,11 dürfte kleiner als spätere Angaben sein. Eventuell kann das zeitgenössische ägyptische Hin (0,48 l) als Richtgröße für vorexilische judäische Verhältnisse dienen (Renz 36), denn auch das Bat dürfte kaum mehr als 2225 l umfasst haben. Dies belegen die Beschreibung des Ehernen Meeres in 1 Kön 7,46 (2000 Bat Inhalt, verschiedene Berechnungen kommen auf ein Bat zwischen 21 und höchstens 29 l (Powell 22,8 l). Die beiden mit bat- Inschriften versehenen Krüge aus Lachisch und Bet Mirsim (8. Jh.

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v. Chr., Abb. 1) haben ein Volumen von etwas über 20 l. Falls die judäischen lamælæk-Krüge aus dem späten 8. Jh. als Doppelbat-Krüge »nach königlichem Maß« zu interpretieren sind, wäre mit sehr schwankenden Maßen zu rechnen. Ihr Fassungsvermögen variiert zwischen 39 und 52 l bei durchschnittlichen 45 l (1 Bat = 19-26 l). Ein kleiner Krug aus Beerscheba aus der gleichen Zeit fasst 1,2 l mit der Aufschrift »Hälfte nach königlichem Maß«, was sich evtl. auf die Hälfte eines Zehntels des Bat (1 Bat = 24 l) beziehen lässt. b) Trockenmaße. Bei den alttestamentlich und epigrafisch als Abkürzungszeichen gut belegten Trockenmaßen lassen sich zwei unterschiedliche Systeme unterscheiden, das System Homer / Efa / Omer, das später in dezimalen Relationen 1:10:100 gefasst wird, sowie das aus Babylon stammende hexadezimale System Kor / Sea / Kaba (später 1 Kor = 30 Sea = 180 Kab). Die alttestamentlichen Texte, die epigrafischen Belege und die nachträgliche Gleichsetzung in Ez 45,11.14 (1 Homer = 1 Kor; 1 Efa = 3 Sea) zeigen, dass die Systeme wohl bis in die frühnachexilische Zeit nebeneinander benutzt wurden, aber doch ungefähr vergleichbare und daher angleichbare Größen bildeten. Sea und Efa sind die gebräuchlichsten Hohlmaße für Getreide, sowohl als Maßeinheit wie auch als Maßkrug (vgl. Efa in Sach 5,6 ff.; Dtn 25,15). Sea ist wie Kor akkadisches Lehnwort (hebr. se3a¯h, akkad. sutu¯, griech. saton, vgl. Gen 18,6; 1 Sam 25,18; 1 Kön 18,32; 2 Kön 7,1.16.18) und dürfte ca. 7-8 l umfasst haben. Efa (hebr. 3efa¯h) ist ein ägyptisches Lehnwort. Das ägyptische Maß (ägypt. jpt) umfasste 40 Hin = 19,2 l oder 50 Hin = 24 l und kann als Richtgröße für das judäische Efa (20-24 l) gelten. Ez 46,14 nennt 1/6; Lev 5,11; 6,13 u. ö. (alle nachexilischen Schriften) nennen 1/10 Efa, ohne die nächst kleinere Einheiten (Gomer) zu erwähnen, während erst die späte Glosse (Ex 16,36) erklärt: 1 Efa = 10 Gomer. Nach rabbinischem Wüstenmaß gilt für 1 Efa = 21,8 l. Angaben aus römischer Zeit gehen von ca. 36 l für 1 Efa = 1 Bat aus. Ein Gefäß aus Qumran (1. Jh. n. Chr.) mit der Aufschrift »zwei Sea, 7 Log« (DJD III, 37-41) lässt vom Fassungsvermögen sogar an ca. 46 l für 1 Efa / Bat denken.

Gomer (hebr. 2¯omær, griech. gomor) ist ein nur in Ex 16,13-36 erwähntes kleines Getreidemaß und bezeichnet die tägliche Ration für eine Person, die allgemein im Orient mit ca. 1-1,5 l Mehl / Getreide angesetzt werden kann. Die spätere Relation 1/10 Efa; 1/100 Homer lässt aber eher an 2 l denken. Dies entspricht etwa auch dem in kultischen Texten erwähnten kleinen Trockenmaß Issaron (hebr. 2i´s¯aro¯n, griech. dekaton, vgl. Ex 29,40; Lev 14,10.21). Das kleine Trockenmaß Kab (hebr. qab, griech. kabos) stammt als Flüssigmaß aus Ägypten, begegnet als 1/4 Kab nur in 2 Kön 6,25 (vorexilisch) und wird rabbinisch als 1/6 Sea = 1/180 Kor = 1,2 l Wüstenmaß / 1,44 l Jerusalemer Maß aufgefasst. Die größte Maßeinheit für Getreide bzw. Trockenware ist die in vielen altorientalischen Maßsystemen verbreitete Eselslast = 1 Homer (hebr. ho¯mær, akkad. imaru, ugarit. mr, griech. koros), vgl. Ex 8,10 und Num 11,32 (Wachteln); Lev 27,16; Jes 5,10; Hos 3,2; Ez 45,11.13 f. (jeweils Getreide). Das in vorexilischen Texten nicht belegte und dem akkad. kuru entlehnte Kor (30 Sea) entspricht wohl annähernd dieser Größe (hebr. kor, griech. koros), vgl. 1 Kön 5,2 (Getreide, Öl); 5,25; 2 Chr 2,9; 27,5; Esr 7,22 (jeweils Getreide). Homer und Kor sind vornehmlich Trockenmaße, werden aber in Ez 45,14 auch als Flüssigmaße verstanden, bzw. es wird Äquivalenz zu den Flüssigmaßen hergestellt (1 Kor / Homer = 10 Bat). Hos 3,2 erwähnt noch Letech als Maß für einen halben Homer. Geht man bei der Bestimmung des absoluten Wertes eines Homer / Kor von dem aus, was ein Esel tragen kann, käme man bei realistischer Einschätzung auf 150-200 l (= 90-135 kg, Powell) oder 220 l (Jaroš). Auch die Verhältnisbestimmung 1 Homer = 10 Efa (ca. 21-23 l) sowie das spätere rabbinische Wüstenmaß (ca. 220 l) führen in den Bereich der maximalen Belastung eines Esels. Aber es gibt keine Gewähr dafür, dass sich das Maß noch an der tatsächlichen Belastung eines Esels orientiert hat. Und das hier vergleichbare assyrische imaru hat in verschiedenen stark schwankenden Maßsystemen deutlich geringere Werte (80-160 l = ca. 60-100 kg).

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5. Hohlmaße im Neuen Testament a) Trockenmaße. Das choinix (Viertel; nur Offb 6,6; EÜ »Maß«) war ein griechisches Maß von ca. 1,09 l. Das saton (nur Mt 13,33; Lk 13,21) entspricht entweder dem alttestamentlichen Sea (7,5-8 l) oder dem römischen modios (ca. 8,75 l); die Menge, die die Brot backende Frau in Mt 13,33 verwendet (drei sata) reichte für ca. 50 kg Brot, also für die Wochenration eines Oikos oder für ein größeres Fest. Das koros (aus Lk 16,7: EÜ »Sack«) entspricht dem hebräischen Kor (ca. 260 l). Der bereits genannte modios (ca. 8,75 l) bezeichnet eigentlich das Gefäß zum Abmessen dieser Menge (Mt 5,15; Mk 4,21; Lk 11,33; EÜ jeweils »Gefäß«), das, würde man tatsächlich ein Öllämpchen darunter stellen, wie in der Bergpredigt (Mt 5,15) als Bildwort angedeutet, verunreinigt und damit für den Hausgebrauch unbrauchbar würde. b) Flüssigmaße. Der in Mk 7,4 genannte xestes (EÜ »Krug«) bezieht sich ebenfalls auf das zum Abmessen verwendete Gefäß; es war ein griechisches Flüssigkeitsmaß von ca. 0,54 l. Bei dem »Fass« von Lk 16,6 handelt es sich um die Maßeinheit batos, die dem hebräischen Bat entspricht und ca. 39 l umfasst. Joh 2,6 nennt den metretes, das als griechisches Flüssigkeitsmaß etwa dem hebräischen Bat entsprach. 6. Gewichtsangaben Gewichte sind genormte Steine (hebr. 3æbæn, Dtn 25,13). Andere Materialien (Glas, Bronze, in römischer Zeit Blei) sind selten. Während Getreide, Öl, Wein u. a. dem Volumen nach in Hohlmaßen gewogen wurde, dienten die Gewichtssteine vor allem zum Wägen von Metallen, z. B. des Kaufpreises in Form von gehacktem Silber (3 Geld / Geldwirtschaft; 3 Kauf / Verkauf). Die Normierung der Gewichte erfolgte nach Übereinkunft der Vertragspartner (Gen 23,26), durch den Tempel (Ex 30,13 u. ö. »Schekel des Heiligtums«) oder den Staat (2 Sam 14, 26 »Schekel des Königs«). Auch hier ist mit regionalen Unterschieden und Überschneidungen konkurrierender Systeme zu rechnen, so dass biblische Angaben nicht einfach innerhalb eines Systems kombiniert werden können. Die grundlegende Gewichtseinheit ist der

Abb. 2: Gewichte. 1-4: judäische Gewichtssteine; 5: hellenistisches Bleigewicht

aus Babylonien stammende Schekel (semitische Wurzel ˇsql »abwiegen«; hebr. ˇsæqæl, griech. siklos, vgl. Gen 23,15 f.; Ex 21,32; Lev 5,15 u.ö). Der Halbschekel wird Beka (hebr. bæqa2, griech. drachme, Gen 24,22; Ex 38,26) genannt, der Viertelschekel Reba (hebr. ræba2, vgl. 1 Sam 9,8), und die kleinste Einheit Gera (hebr. gera¯h, akkad. giru, griech. obolos) wird in P-Texten als 1/20 Schekel bestimmt (vgl. Ex 30,13; Lev 27,5; Num 3,47; 18,16; Ez 45,12). Die Gewichtsbezeichnung Pim (1 Sam 13,21) ist nicht als 2/3 Schekel, sondern eher als philistäischer »Schekel« zu deuten (7,89 g, A. Ben-David, UF 11, 1979, 35-41). Bei der Gewichtsangabe aram. pere¯s (Teil, Anteil) in Dan 5,25 ist unklar, worauf sie sich bezieht, und auch hebr. qes´¯t ı ¯ah (Gen 33,19, Jos 24,32; Hi 42,11) lässt ˙ sich vorläufig nicht bestimmen. Das größte Gewicht ist das Talent (hebr. kikka¯r = runde Scheibe, griech. talanton, lat. talentum) und entspricht nach Ex 38,25 f. 3000 Schekel. Die schweren Tribute an die Großmächte werden in Talenten an Silber und Gold gewogen (z. B. 2 Kön 18,14). Ez 45,12 übernimmt die babylonische Mine (hebr. manæh; griech. mna, lat. mina), die 50 Schekel betragen soll, während es in Babylon 60 Schekel waren. Im praktischen Gebrauch erscheint die Mine erst in der Spätzeit (Esr 2,69; Neh 7,70 f.), während vorher Talente und Schekel bestimmend waren. Die Relationen der P-Texte (einschließlich Ezechiel), ergeben: 1 Talent = 50 Minen = 3000 Schekel, 1 Mine = 60 Schekel, 1 Schekel = 24 Gerar). Im palästinischen System sind dezimale und sexagesimale Relationen vermischt. Im Vergleich hierzu die klare babylonische Systematisierung: 1 Talent = 60 Minen = 3600 Schekel, 1 Mine = 60 Schekel, 1 Schekel = 24 Gera. Archäologisch sind beschriftete und unbe-

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schriftete Gewichte aus Kalkstein (und Bronze) in verschiedenen Formen vielfältig belegt, so dass hier durch Mittelwerte relativ genaue Angaben möglich sind, wenngleich die Bandbreite z. T. erheblich ist (Kletter, Renz). Danach würde ein Schekel etwa 11,3 g (Bandbreite 11-13 g) entsprechen und ein Talent ca. 34,2 kg. Archäologisch gesichert lässt sich für Juda seit dem 8. Jh. v. Chr. folgendes System aufstellen: 1 Talent (34,2 kg) = 50 Minen (je 570 g) = 50 Schekel (je 11,3 g); 1 Beka (1/2 Schekel = ca. 6 g). Das kleinste Gewicht Gera ist als 1/4 Schekel (ca. 3 g) und als 1/20 Schekel (ca. 0,565 g) belegt. Archäologisch belegt sind Gewichte zu 400, 40, 16, 8, 4. 2, 1, 1/2, 1/4 Schekel (Razner). Dabei stammt das Beschriftungssystem wohl aus Ägypten. Es benutzt neben einem Schekelzeichen in Form einer waagerechten Schleife hieratische Zahlzeichen. Im Neuen Testament finden sich nur zwei Gewichtsangaben: die litra, d. h. die röm. libra (Pfund; Joh 12,3; 19,39) zu 327,45 g (wovon sich die englische Abkürzung lb für Pfund herleitet), und die talantiaios schweren Hagelkörner in Offb 16,21 (EÜ: zentnerschwer), die also ein Talent schwer waren; das wären entsprechend 125 römische librae, also ca. 41 kg. Das von Josephus belegte hellenistisch-römische Maßsystem rechnet im Dezimalsystem mit 1 Talent = 50 Minen = 2500 Schekel, wobei 1 Schekel ca. 16,3 g und 1 Mine 818,62 g (= 21/2 römischen Pfund zu 327,45 g) entsprachen. Ben-David, Arye, Talmudische Ökonomie. Die Wirtschaft des jüdischen Palästina zur Zeit der Mischna und des Talmud 1, Hildesheim / New York 1974. Helck, Wolfgang, Art. Maße und Gewichte, LdÄ III, 11991209. Jaroš, Karl, Art. Maße und Gewichte, NBL II, 731-735. Kletter, Raz, Economic Keystones. The Weight System of the Kingdom of Juda, JSOT 276, Sheffield 1999. Powell, Marvin A., Art. Weights and Measures, ABD VI, 897-908. Ders. u. a., Maße und Gewichte, RLA VI, 457-530. Renz, Johannes, Maße, Gewichte und Ziffern, in: ders. / Wolfgang Röllig, Handbuch der althebräischen Epigraphik, Bd. II/1, Darmstadt 1995 (ferner Bd. II/2), 435-438.

Michael Ernst / Peter Arzt-Grabner / Thomas Naumann

Mensch / Menschsein Das Menschenbild der biblischen Schriften beruht nicht auf einer systematischen »Anthropologie«. Der Mensch wird nicht durch ihn auszeichnende Fähigkeiten, weder als animal rationale noch als »Person« mit den Kriterien Selbstbewusstsein und Autonomie definiert. Was Menschen ihr Menschsein verleiht, ist ihre in Erzählungen und Metaphern reflektierte Bezogenheit und Beziehungsfähigkeit, sei es zu Gott, zu sich selbst, zum Mitmenschen oder zu Tieren. Es ist dabei charakteristisch, dass der Mensch in jeder dieser Dimensionen als beziehungsfähig beschrieben wird, zugleich aber auch als der, der immer wieder in konkreten Verhältnissen scheitert und dabei auf das Geschenk der Vergebung und des Neubeginns angewiesen bleibt. Auch wenn diese unterschiedlichen Dimensionen in der Vielfalt biblischer Schriften nicht systematisch reflektiert oder gar separiert werden, so lassen sich doch gemeinsame Grundzüge in den verschiedenen Ansichten zum Thema »Mensch (sein)« erkennen. Einige Aspekte teilt das alte Israel hierbei mit dem ganzen Orient, und das Judentum sowie das frühe Christentum teilweise mit dem griechisch-hellenistischen Menschenbild. In der jüngeren Forschung wird zunehmend das Menschenbild einzelner biblischer Schriften in den Blick genommen. Im Sinn einer biblischen Theologie bleibt jedoch die Frage nach Kernaussagen der biblischen Anthropologie und ihrem kerygmatischen Gehalt zu beantworten, die inmitten konkreter Lebensumstände hervorleuchten. 1. Mensch und Gott Die Beziehung zwischen Gott und Mensch wird oft als die von Schöpfer und Geschöpf (Gen 1-3; Jes 45,12; Mk 10,6) beschrieben. Darin kommt die Einsicht zur Geltung, dass der Mensch sein Leben und Sein nicht sich selbst verdankt. Er erlebt sich als abhängig und beschenkt zugleich. In beiden Testamenten wird Gott als Schöpfer und Quelle allen Lebens bekannt (Ps 36,10; 104,10; Hi 38-40; Mk 10,6; Hebr 10,5). Der Erdling ist aus Staub ge-

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schaffen, hinfälliges Fleisch (ba¯´s¯ar) und wird erst durch Gottes Lebensatem (ru¯ah) ein lebendes ˙ Wesen (Gen 2,4-7; vgl. metaphorisch auch Ez 37). Beim Tod erlischt die næfæsˇ. Ein Weiterleben von personalen Teilen eines Individuums wie der griechischen Seele (psyche) ist bis in die hellenistische Zeit kein Thema jüdischer Anthropologie. Die altisraelitische Religion ist radikal diesseitsorientiert (anders Crüsemann, 3 Tod) (Ps 6,6; 18,5 f.; 22,16; 31,6; 116,3; Hi 34,14 f.). Im Neuen Testament wird die Schöpferkraft Gottes auch von Jesus ausgesagt, in dem »alles erschaffen« wurde (Kol 1,16 f.; Joh 1,1-18), der selbst als Auferstandener in einem Akt der Neuschöpfung Leben einhaucht (Joh 20,22), schenkt (Joh 11,14-44; 2 Kor 5,17) und sogar repräsentiert (Joh 14,6). Die Reaktion auf das Wunder des Erschaffenseins von Mensch und Schöpfung ist Jubel und Dankbarkeit, die in persönlichen Gebeten wie auch in kultischen 3 Festen mit Musik und Tanz zu Ehren Gottes zum Ausdruck gebracht werden. Gottesdienst ist nach altorientalischem Verständnis ein zentraler Sinn menschlichen Daseins. Die Reaktion auf die Endlichkeit ist einerseits Demut (Spr 22,4), innere Freiheit oder Verzicht (1 Kor 7,29-31), andererseits eine ungeheure Lebensfreude, Lebensgenuss und Lebenssehnsucht (Ps 16,11; 63,5; Koh 3,12; Joh 10,10). Trotz der unüberwindbaren Verschiedenheit zwischen Geschöpf und Schöpfer, trotz der bleibenden Abhängigkeit des Geschöpfes von dem, der es erschafft (wie der Töpfer das Geschirr, vgl. Jer 18,1-6), wird doch eine erstaunliche Verwandtschaft und Nähe von Gott und Mensch postuliert. Nach Ps 8,6 ist der Mensch nur wenig geringer als ein göttliches Wesen (3ælohı¯m). Und der erste Schöpfungsbericht (Gen 1,26 f.) formuliert, wahrscheinlich in Anlehnung an ägyptisches Gedankengut, die programmatische Idee der Gottebenbildlichkeit der geschaffenen Wesen, des Mannes und der Frau. Gott und Mensch sind sich ähnlich, wie Kinder den Eltern ähnlich sind (vgl. Gen 5,3). Die Idee der Verwandtschaft von Gott und Mensch, die in Gen 1 in einem hymnischen Zusammenhang gepriesen wird, scheint keineswegs

dem Streben nach Unsterblichkeit oder dem Verlangen nach anderen Bedingungen menschlicher Existenz entsprungen zu sein. Sie kann eher als Ausdruck von Grenzbewusstsein verstanden werden. So wie Gott letztlich unfassbar bleibt (Ps 139,17), bleibt auch der Mensch sich selbst und anderen immer partiell ein Geheimnis. Dies führt zur entscheidenden ethischen Konsequenz, dass der Mensch – gerade als Ebenbild des Schöpfers – sich nicht nur einer letzten Erkenntnis, sondern auch einer Fremdbestimmung und Verfügungsgewalt durch andere und sogar sich selbst entzieht. Die Übertragung des Konzepts von Heiligkeit auf das menschliche Leben (vgl. Lev 11,44 f.; 1 Kor 3,17; 6,19; Eph 1,4; 1 Petr 1,16) verleiht diesem Schutzraum Ausdruck. Daneben reflektiert die Gottebenbildlichkeit die familiäre, bei aller Furcht vor dem Göttlichen oft sehr vertrauliche Art der israelitischen Gottesbeziehung. Israels Gott ist als Schöpfer ein fürsorglicher, uneigennütziger Gott, der die Menschen nicht – wie in mesopotamischen Erzählungen – aus eigenen Interessen erschafft (Arbeitsentlastung). Die BeterInnen der Psalmen oder ein Hiob scheuen sich nicht, den Schöpfer des Universums in die Pflicht zu nehmen, sie machen ihm Vorwürfe, sie zitieren ihn sogar auf die Anklagebank (Hiob), sie rütteln und zerren an ihm, klagen, stürmen, fordern (Hi 10,1 ff.; 14,13 f.; Ps 64,2; 116,3). Dieses Verhalten zeugt von großem Beziehungsvertrauen. Gott wird als Gegenüber, als Hilfe, manchmal auch als Feind erlebt, aber die Beziehung hält. Es verwundert dann nicht mehr, dass das Gottesverhältnis häufig im Bild menschlicher, oft auch leidenschaftlicher Liebesbeziehungen beschrieben wird. Die Beziehung wird von Seiten Gottes erprobt, wenn – aus menschlicher Sicht – der Zusammenhang von Tun und Ergehen nicht mehr erkennbar ist (Hi 1,6-11 ff.). Von Seiten der Menschen wird sie durch Verfehlungen, Schuld und 3 Sünde herausgefordert, die in die Gottesferne führen. Menschsein ohne Schuld ist nicht vorstellbar. Doch werden weder Einzelne noch das Volk Israel mit dieser Gefährdung allein gelassen. Gesetz, Propheten und Weisheit bieten Regeln, Korrektu-

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ren, Reinigung, Opfer, Gottesbefragung (Orakel) und andere Hilfestellungen an, um sowohl den Umgang mit dem Heiligen als auch die alltägliche Lebensgestaltung in Einklang mit Gottes Willen zu bringen (Dtn 6,1 ff.; 1 Kön 9,4 f.). Die Sünde lauert immer (Gen 4,7), aber Wiedergutmachung, Umkehr, Vergebung sind bei Menschen und Gott möglich. 3 Segen und Fluch hängen vom Gelingen der Balance ab. In der neutestamentlichen Gleichnisrede Jesu wird häufig die Situation und meist die Beziehung der Protagonisten untereinander zum Erkenntnisund Lernfeld für die Beziehung von Gott und Mensch: So leiden wir mit einer Frau, deren Münze verloren gegangen ist (Lk 15,8-10), freuen uns mit einem Vater, der seinem zurückgekehrten Sohn entgegengeht (Lk 15,11-32), wundern uns über einen Gutsbesitzer, der gleichen Lohn für alle auszahlt (Mt 20,1-16), oder erschrecken über einen reichen Mann, den inmitten materialistischer Zukunftsplanungen der Tod trifft (Lk 12,16-20). Vielfach soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es Gott selbst ist, der die Menschen sucht, ihnen entgegengeht und sie wertschätzt. Die verschiedenen Möglichkeiten, sich der Wiederherstellung der gebrochenen und verletzten Gottesbeziehung zu vergewissern, werden im Neuen Testament auf Jesus konzentriert. Sein Leben und besonders auch Sterben am Kreuz erfüllen die Funktion der Gottesgegenwart im Tempel (Joh 2,19-22) und dessen Feste (z. B. Wasserspende beim Sukkot Joh 7,37), der Sühne (Röm 3,25 f.; Hebr 9-10) oder des Gabe- (Eph 5,2) und Gemeinschaftsopfers (1 Kor 5,7). Daneben werden neue Metaphernbereiche, wie die der (politischen) Versöhnung (2 Kor 5,20) oder des Sklavenloskaufs (1 Kor 6,20) gefunden, um die in Christus vollzogene Restitution der Gottesbeziehung verständlich zu machen. Trotz des geschenkten Heils bleibt das menschliche Leben endlich, dem Tod geweiht und hinfällig. Es ist wie ein Hauch (Koh 2,1-11; Jak 4,14), wie schnell verdorrendes Gras (Ps 103,15 f.; Jes 40,6 f.; 51,12; vgl. 1 Petr 1,24), durchzogen von Krankheit (Jak 5,14 f.) und Leid (Jak 5,10.13), und führt letztlich zum Tod (Jak 1,15; 5,20, vgl. 3,8).

Diese Grundkonstituente, das Bestehen auf der Geburtlichkeit, Zerbrechlichkeit und Fragmentarizität des Lebens (Hi 14,1), stellt eine Herausforderung an moderne Menschenbilder dar. Nach altisraelitischer Vorstellung endet die Gottesbeziehung radikal und unwiderruflich mit dem 3 Tod eines Menschen. Nur zaghaft wird in singulären Texten vor dem 3. Jh. v. Chr. über die Grenze hinaus gedacht (vgl. Dan 12), in der Hoffnung auf Gottes Treue und eine Wiederherstellung der Gerechtigkeit, wo diese im Leben nicht erfahren wird. Das Neue Testament ist hingegen durchzogen von der Vorstellung eines »ewigen Lebens« (z. B. Mk 10,17; Joh 6,47), das sich in zeitlicher Zerdehnung auch in der aus der griechischen Gedankenwelt stammenden und z. B. von den Pharisäern vertretenen Auferstehungshoffnung zeigt. War die Grundfrage schon Gegenstand in jüdischen Diskursen, wie am Streitgespräch Jesu mit Sadduzäern deutlich wird (Mk 12,18-27; vgl. auch Joh 11,24), so gewinnt der allgemeine Auferstehungsglaube durch die Erfahrung der Auferweckung Jesu (Mt 28,1-16) eine besondere Dynamik in den frühen Gemeinden (1 Thess 4; 1 Kor 15). Partiell werden sogar konkretere Vorstellungen über das Sein des Auferstehungsleibes (z. B. geistlicher Leib in 1 Kor 15,4249) wiedergegeben. In der Regel beschränkt sich die Rede von der Auferweckung jedoch auf wirkmächtige Bilder wie den mütterlichen Schoß Abrahams (Lk 16,22 f.), die zärtliche Geste des Abwischens von Tränen (Offb 21,4) oder ein Festund Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14). Die Antwort biblischer Schriften auf die Erfahrung der Endlichkeit des menschlichen Lebens liegt nicht im Aufrichten metaphysischer Konzepte, vielmehr radikalisiert das frühe Christentum die jüdische Vorstellung von Zeitgebundenheit als ein Eingebundensein des Menschen in die Geschichte, derer sich der Mensch durch Geschichten, d. h. als Erzählgemeinschaft vergewissert. Eine solche narrative Konstitution des Menschseins (Reinmuth) zeichnet die individuelle Lebensgeschichte in den weiten Horizont der Geschichte Gottes mit den Menschen hinein und findet sprachliche Formen der retrospekti-

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Mensch / Menschsein

ven Erinnerung ebenso wie der prospektiven Hoffnung. 2. Mensch und Selbst Das biblische Menschenbild unterscheidet sich in manchen Grundkomponenten stark von unserem abendländischen, weitgehend von der griechischen Philosophie geprägten Menschenbild. Anhaltspunkte dafür bietet die hebräische Sprache, in der zentrale Begriffe wie le¯b (Herz) oder næfæsˇ (Kehle) sich nicht mit unseren anthropologischen Begriffsfeldern zur Deckung bringen lassen. Die Körpersymbolik des Ersten Testaments richtet sich nicht auf Formen und Aussehen, sondern auf die Wirkungen menschlicher Augen, Ohren, Hände usw. aus. Zugleich ist sie quasi transparent auf die Gottheit hin. So wird nicht nur die Hinfälligkeit menschlichen Lebens als von Gott gegeben hingenommen, sondern auch die Gottebenbildlichkeit konkretisiert sich darin, dass der menschliche Leib in allen seinen Teilen und Dimensionen in einer Gottesbeziehung steht und dass menschliche Grunderfahrungen wie das freundlich zugewandte Gesicht, aber auch Affekte wie das Mitgefühl (Gebärmutter) oder der Zorn (Nase) auch auf die Gotteserfahrung und das Gottesbild übertragen werden. Menschsein wird hierbei auf zweierlei Weise bestimmt: Einerseits wird es stets an körperliche, fleischliche Existenz gebunden. Andererseits wird es als Übertragungs- und Interpretationsaufgabe verstanden, die sich besonders durch sprachliche Bilder (Metaphern) und Erzählungen vollzieht. Auch das menschliche Handeln ist nicht nur Ergebnis rationaler Erwägungen, sondern umfasst gleichermaßen Denken, Fühlen und Wollen, wie es durch Formulierungen wie »von ganzem Herzen« (Dtn 6,5; 10,12; Apg 8,37) oder »Herz und Nieren« (Ps 7,10; 26,2; Jer 11,20; 17,10) zum Ausdruck kommt. Weder ein dichooder trichotomisches Auseinanderdividieren noch eine rationale oder voluntaristische Reduktion des Menschen sind mit der biblischen Anthropologie zu vereinbaren. Der Mensch ist vielmehr eine Einheit, die die leibliche Existenz zum

Ausgangspunkt von Gottes- und Menschenbeziehungen nimmt, derer er sich in einer ständigen Erzähl- und Interpretationsgemeinschaft vergewissert. Ohne diese »ganzheitliche« Vorstellung des Menschseins in Frage zu stellen, kommen im Neuen Testament dann zusätzlich Einflüsse griechischer Philosophie zur Geltung: So wird die »Vernunft« (nous, vgl. Sir 17,5) stärker hervorgehoben, ferner unterliegt der Mensch einem »Gewissen« (syneidesis, 1 Kor 8,7-12) und ist zur »Freiheit« (eleutheria, Gal 5,1, vgl. 1 Kor 6,12) gerufen und verurteilt. Auf diese Weise können Denkmodelle und Interpretationszusammenhänge entwickelt werden, nach denen der Mensch die Zerrissenheit mit sich selbst, die schon in vielen alttestamentlichen Überlieferungen differenziert beschrieben und analysiert wird, besser versteht. So bleibt das menschliche Verhalten ambivalent, weil gute und böse Taten aus dem Herzen des Menschen kommen (Lk 6,43-45), weil sich »äußerer« und »innerer Mensch« (2 Kor 4,16) unterscheiden, nicht nur Leib und Geist unterschiedliche Maßstäbe setzen (Gal 5,1-11), sondern bisweilen zwei Seelen in einer Brust wohnen (vgl. Jak 1,6.8: aner dipsychos). Menschen erleben Spannungen zwischen Hören und Tun (Jak 2,12-26) oder zwischen dem Wollen (des Guten) und dem tatsächlichen (Nicht-)Vollbringen (Röm 7,15-25). Der Jakobusbrief gibt gleichwohl ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass diese Zerrissenheit des Menschen nicht die Hoffnung auf und die Rede von »Vollkommenheit« und »Ganzheitlichkeit« verwehrt (teleios und holokleros in Jak 1,4.12; vgl. auch Mt 5,48; Joh 17,23). Der appellative Charakter mancher Texte lässt den Eindruck entstehen, dass die (Wieder-)Herstellung der Ganzheit aus der Anstrengung des Menschen heraus möglich ist. Obgleich die stoische Lösung dieser Spannung in Form der Mahnung zur Verbesserung, Übung und Anstrengung dem neutestamentlichen Denken nicht gänzlich fremd ist (Phil 3,12-14), werden Rettung und Erlösung gemäß den biblischen Texten gerade als von Gott gewirkt erfahren.

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Nicht die Befreiung und Vervollkommnung des Eigenen, sondern vielmehr das Maß an Akzeptanz dieser Fremdbestimmung ermöglichen Menschsein. Entsprechend wird die Sorge um den eigenen Leib im Bild eines »Tempels des heiligen Geistes« (1 Kor 6,19) entfaltet, wird »Freiheit« provokant als freiwilliger Sklavendienst für Christus (1 Kor 7,22) bezeichnet oder wird das Leben aus der Christusbeziehung mit der Metapher des Überkleidens (»Christus anziehen«, vgl. Gal 3,27) beschrieben. Besonders bei Paulus wird gelingendes Menschsein als Sein »in Christus« (Röm 6,2; 16,7 u. a.) definiert, so dass letztlich nicht ich selbst lebe, sondern »Christus in mir« lebt (Gal 2,20) oder redet (2 Kor 13,3). Dies schließt die Geltung einer paradoxen Erfahrung mit ein. Die Kraft Gottes wirkt nicht »trotzdem«, sondern geradezu wegen und inmitten der Sünden und Schwächen von Menschen (vgl. 2 Kor 12,9 f.). Nicht die Überwindung von Krankheit und Leid aus eigener Kraft, sondern der Zuspruch von Gnade, der Glaube oder der Heilige Geist bewirken die Restitution der inneren Einheit des Menschseins. Obgleich in der Gegenwart oder im Namen Jesu solche Erfahrungen des Heilseins körperlich erfahren werden können, ist es auch hier wieder das Einzeichnen in die Interpretationsgeschichte, die Menschsein in seiner Ganzheit ermöglicht. Nicht metaphysische oder essentialistische Kategorien machen den Menschen im biblischen Sinn zum Menschen, sondern das Eingebundensein in eine Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaft: Die Frage nach dem Menschen lautet deshalb nicht abstrakt »Was ist der Mensch?«, sondern entsprechend: »Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?« (Ps 8,1), oder neutestamentlich formuliert: »Was ist der Mensch im Horizont der Jesus-Christus-Geschichte« (Reinmuth)? 3. Mensch und Mitmensch Die beiden Schöpfungserzählungen in Gen 1 und 2 machen Aussagen über »alle Menschen«, den Erdling (3¯ada¯m) und seine Position in der von Gott geschaffenen Welt. Beide Schöpfungserzählungen tragen der Tatsache Rechnung, dass

es menschliche Wesen in zweierlei Geschlecht gibt. Der erste Schöpfungsbericht hebt hervor, dass der Sinn dieser Einrichtung in der Fruchtbarkeit liegt. Der zweite Schöpfungsbericht hat die Vermehrung der Lebewesen nicht im Blick und sieht den Grund in Gottes Erkenntnis, dass es nicht gut für den Erdling sei, allein zu bleiben (Gen 2,18). Die Erschaffung der Geschlechter und ihre Zuordnung aufeinander dient hier primär der Vertreibung der Einsamkeit und ist diesem Zweck auch untergeordnet. Wenngleich die biblischen Schriften im großen Ganzen die lebenslange Partnerschaft von Mann und Frau und die Familiengründung als normal ansehen, scheint dem doch ein noch tiefer gehendes Wissen zugrunde zu liegen, dass es verschiedene Arten von Freundschaft und Partnerschaft gibt, die die Einsamkeit vertreiben, so die Männerfreundschaft (David und Jonatan), aber auch die treue Lebensgemeinschaft von Frauen (Noomi und Rut). Das Hohelied hat die Erinnerung an die – nicht eheliche! – Liebe der Verliebten bewahrt, Sehnsuchtslieder, in denen ein stark egalitäres Geschlechterbild zum Tragen kommt. Die gesellschaftliche Kontrolle über die Sexualität verweist diese allerdings in die Grenzen der Ehe und gesteht nach patriarchalen Gesetzen den verheirateten Männern viel weiter reichende sexuelle Freiheiten zu als den Frauen. Schöpfungstheologisch wird die Beziehung der Geschlechter im Ersten Testament als paritätisches Gegenüber beschrieben. So liegt hier zweifellos eine Wurzel der Vorstellung einer reziproken Zweierbeziehung, wie sie sich um die Zeitenwende in christlichen Texten zeigt. Eine zweite besteht im zeitgenössischen philosophischen Diskurs, wie er sich in den Schriften von Plutarch (coniugalia praecepta, vgl. Plut. mor. 138cd; 142e) oder Musonius Rufus (Reliquiae) erhalten hat. Dort wird dafür geworben, das hierarchisch-funktionale Gegenüber der Geschlechter zugunsten einer partnerschaftlichen Beziehung aufzugeben. Plutarch verwendet sogar den aus der Physik entlehnten Begriff der »Verschmelzung« (Plut. mor. 142f), um die Harmonie der Beziehung zu beschreiben. Musonius spricht

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von einem durch Liebe geprägten »gegenseitigen Treueverhältnis«. Nicht nur in reziproken Wendungen bei Paulus in 1 Kor 7, in denen er in wörtlicher Wiederholung aus der Perspektive der Männer und der Frauen formuliert, zeigt sich ein deutlicher Einfluss dieses Denkens. Nach Mk 10,11 ist der Mann in der Lage, seiner eigenen Frau gegenüber Ehebruch zu begehen, was ein Treueverhältnis voraussetzt. Selbst in so genannten Haustafel-Texten, die traditionell eine Unterordnung der Frauen forderten, kann – wie das Beispiel von Eph 5,21-33 zeigt – die Liebes- und Sorgeforderung an die Männer ins Zentrum gestellt und zu wechselseitiger Unterordnung aufgefordert werden (Eph 5,21). War für die zeitgenössischen Philosophen die Partnerschaftlichkeit der Geschlechter mit sexueller Askese erkauft worden (um nicht durch die hierarchisch geprägte Sexualität in alte Rollenschemata zurückzufallen), so sieht Paulus in der Sexualität keinen Hinderungsgrund seines Eheideals – im Gegenteil. Sexuelles Begehren wird sogar ganz explizit als Grund für die Partnerschaft anerkannt, und das, ohne funktional dem Zweck der Fortpflanzung unterworfen zu werden, die für Paulus hier keiner Erwähnung wert ist. Sexualität wird hingegen als Wert und Lebensform an sich betrachtet; nicht Souveränität, Macht oder egoistische Lust, sondern höchste Achtsamkeit und Unverfügbarkeit des anderen sollen ihre Ausübung prägen (1 Kor 7,4), so dass sich Heiligkeit in ihr spiegeln kann (1 Thess 4,4). Paulus steht hier in jüdischer Tradition, für die Erotik und Sexualität selbstverständlich zum Menschsein gehören; sie werden nie als solche diffamiert, können aber als machtvolle Sphäre erlebt werden, die den Menschen gerade in seiner Ganzheitlichkeit gefährdet (1 Kor 6,18). Menschsein ist im alten Israel wie in allen altorientalischen Kulturen immer ein Menschsein in Beziehung, weit über die Geschlechterbeziehung von Lebenspartnern hinaus. Der einzelne Mensch erfährt sich von der Geburt an als Gemeinschaftswesen, angewiesen auf den Zusammenhalt von Familie, Sippe und Clan (vgl. die

Einleitungsformeln vieler großer Erzählungen in Gen 5,1; 6,9 f.; 10,20 ff.). Nicht individuelle Lebensgestaltung, sondern die Einbindung in diese Beziehungsnetze wird gefordert. Das Leben stellt sich als eine ununterbrochene Reihe von to¯ledo¯t (Zeugungen / Geburten) dar. Im Urchristentum wird diese soziale Konstitution des Menschen fortgeschrieben und ausgeweitet. War im alten Israel das Volk die Bezugsgröße, so ist es nun die Gemeinde, die als organischer Leib aus vielen Gliedern beschrieben wird (1 Kor 12), der aber nicht mehr als ethnisch-nationale Größe, sondern um Christus als Haupt (Eph 4,15; 5,23) und Mitte (Mt 18,20) konstituiert wird. Durch diese Christuszentrierung nivellieren sich ethnische Herkunft, sozialer Status und Geschlecht (Gal 3,28 f.), stattdessen wird die Beziehung der Familienmitglieder zur bestimmenden Leitmetapher einer Gemeinschaft aus Schwestern und Brüdern (Mk 3,31-35; Joh 1,12; sowie die Anrede der Gemeinde als adelphoi – »Geschwister«, z. B. 1 Thess 1,4; Röm 1,13), die sich um Teilhabe in Freud und Leid (1 Kor 12,26), Vergebungs- und (Mt 6,14 f.; 18,21 f.; Eph 4,32) Friedensbereitschaft (1 Thess 5,13; Jak 3,17 f.) sowie gegenseitige Fürsorge (Jak 2,15 f.), kurzum: um Nächstenliebe (Joh 15,9-17; Jak 2,8) bemüht. Die radikal soziale Konstitution des Menschen wird in der Parabel vom »Barmherzigen Samariter« eindrücklich inszeniert. Im Prozess einer systematischen Dekategorisierung wird die Frage nach dem Nächsten nicht nur auf jeden hilfsbedürftigen Menschen ausgeweitet (Lk 10,30: anthropos), in der Umkehrung der Frage durch Jesus (Lk 10,36) wird der Blick vom Hilfsadressaten zum Subjekt des Helfers gelenkt: In der Formulierung »Wer ist Nächster geworden (gegonetai)?« wird der Prozess der »Nächstenwerdung« selbst in den Mittelpunkt gerückt. Die Bedürftigkeit des anderen lässt den Menschen erst zum Menschen werden. Die soziale Existenz eines Menschen geht bei dieser Betonung des Kollektivs sogar über den Tod hinaus – in den Kindern lebt der Verstorbene weiter, doch werden andererseits Schicksalsschläge wie Kinderlosigkeit, Krankheit oder der

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Verlust von Angehörigen zu realen Todeserfahrungen inmitten des Lebens (2 Sam 6,23; Ps 88,4.16). Neben Freundschaft und Erotik, Mutterliebe und Loyalität oder Solidarität zwischen Sippenangehörigen und größeren Völkerverbänden prägen auch Herrschaft, 3 Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung das menschliche Zusammenleben. Das Erste Testament setzt in Erzählungen, Gesetzen, Prophetie und Weisheit durchgehend solche Missstände voraus und kritisiert sie häufig aufs schärfste. Auch die kleinen frühchristlichen Gemeinden kämpfen mit denselben Phänomenen, wie z. B. der Jakobusbrief vor Augen führt: Arme werden benachteiligt und ausgegrenzt (Jak 2,1-4), Eifersucht und Eigennutz (Jak 3,14.16), gegenseitiges Verfluchen (Jak 3,8), Streitereien und Verleumdung (Jak 4,1 f.11), ja, Unterdrückung und gar Mord an den Gerechten (Jak 5,6) prägen den Umgang untereinander. Viele dieser Erscheinungen werden als Entgleisungen vom Schöpferwillen Gottes angesehen (Kain und Abel, Gen 4,3-16), manche als Problemkomplex kaum reflektiert (wie die Verfügungsgewalt der Väter über ihre Töchter). Erstaunlich ist, wie offen die biblische Literatur sich mit vielen dieser Themen auseinandersetzt. Ob Vergewaltigung am Königshof (2 Sam 13) oder Justizmord eines Königs (1 Kön 21,21-29), ob Schuldsklaverei (Am 8,6; Neh 5,2) oder inzestuöse Sexualbeziehungen (Lev 18; 1 Kor 5) oder scheinheiliges Verhalten (2 Sam 12,1-15; Apg 5,111) – das Bewusstsein für menschliche Verfehlungen ist hoch. Ein besonders sensibler Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen ist der Umgang mit Fremden. Feindlichkeit und Feindbilder prägen oft das Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher Herkunft oder Religion und den Kontakt mit anderen Völkergruppen. Grundrechte der GastarbeiterInnen und Ausländer im Land werden in den Gesetzbüchern gewährleistet, ausdrücklich unter Verweis auf Israels eigene Erfahrung mit dem Leben in der Fremde. Nachexilischer Feindseligkeit gegenüber den »fremden Frauen« steht programmatisch das Buch von

der frommen Ausländerin Rut gegenüber. Soziale Unterschiede zwischen Menschen werden zwar nicht grundsätzlich hinterfragt, doch zeigt sich wiederum in der ganzen biblischen Tradition, die sich darin mit altägyptischen und altmesopotamischen Idealvorstellungen trifft, ein großes Bemühen um Schutzmaßnahmen zugunsten der Schwächeren und eine zumindest appellative Eindämmung der Willkür von Reichen und Mächtigen. Im Neuen Testament wird ausgehend von Jesu Zuwendung zu Armen und Ausgegrenzten (Mt 5,2-12) dieses Hilfsethos zum bestimmenden Faktor der christlichen Gemeinde (Apg 6-7). Obgleich uns z. B. die Paulusbriefe einen Einblick gewähren, dass auch hier von Anfang an Konflikte und Spannungen die konkrete Realität der Menschengemeinschaft kennzeichnen, bewahrt sich das frühe Christentum die Vision einer um Christus versammelten und durch ihn geschenkten Gemeinschaft allen Differenzen und Divergenzen der einzelnen Menschen zum Trotz. In dieser Hoffnung leben alttestamentliche Visionen von einer Völkergemeinschaft (Jes 2,2-4; Mi 4,1-5) und der weltweiten Verehrung JHWHs weiter. 4. Mensch und Tier / Mitwelt Während die griechische philosophische Tradition sehr großen Wert auf die Verschiedenheit des Menschen vom Tier legte, ja Menschsein regelrecht als Nicht-Tiersein definierte, sind die biblischen Schriften darin einig, dass Mensch und Tier sehr viel gemeinsam haben. Sie werden nach Gen 1 am selben Tag erschaffen, und noch Kohelet (3,19-21) postuliert, dass sie gleich seien, nämlich Staubexistenzen, deren Leben mit dem Tod endet. Das Zusammenleben mit den Nutztieren, einer Hauptgrundlage der Ökonomie, die Furcht vor, aber auch Faszination von wilden Tieren, schlagen sich in differenzierten Gedanken über das Verhältnis von Mensch und Tier nieder. Nach Gen 1,28 und Ps 8,7 f. ist der Mensch den (wilden) Tieren übergeordnet, es wird ihm gestattet, über die Tiere zu herrschen. Damit ist allerdings nicht der Willkürherrschaft stattgegeben, wenngleich die spätere Auslegung dieser Verse als »domini-

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um terrae« im Verein mit den technischen und ökologischen Entwicklungen der Neuzeit oft in diese Richtung ging. Entsprechend der biblischen Bestimmung bleiben die Menschen besonders als Handelnde gegenüber den Tieren auf Gott verwiesen, der den Handlungsauftrag gibt und ihn unter seinen Segen stellt. Im Umgang mit Blut und durch Opferrituale wird gerade diese Zugriffsverwehrung des Menschen über fremdes Leben immer wieder neu vergegenwärtigt (Gen 9,4; Lev 17,11). Tiere hatten im alten Israel darüber hinaus verbriefte Rechte, z. B. das Rind das Recht auf einen freien Arbeitstag (Dtn 5,14) oder der Esel das Recht auf erste Hilfe (Ex 23,5). Die weisheitlichen Schöpfungstraditionen des Ersten Testaments vertreten zudem Positionen, die von Gen 1 in wichtigen Aspekten abweichen. So ist der Mensch hier nicht das Zentrum oder der Höhepunkt der Schöpfung, sondern steht neben den Tieren und anderen Schöpfungselementen, wie im Ps 104 oder in den Gottesreden des Hiobbuches (38-41), wo von der Menschenschöpfung nicht die Rede ist, dafür aber das eigene, nicht vom Menschen und seinen Nutzungsansprüchen abhängige Existenzrecht der Tiere von Gott verteidigt wird. Diese Traditionen werden im Neuen Testament besonders in der Bilder- und Gleichniswelt aufgenommen. Tiere und Pflanzen können hier zum Anschauungsfeld religiöser Rede (z. B. die Henne, die ihre Küken sammelt, Lk 13,34), sogar zum Vorbild des Menschen werden, wie dies im Gleichnis von den Raben und den Lilien wirkmächtig formuliert wird (Lk 12,2426). Die Würdigung der Tiere verschleiert aber nicht die bleibende Differenz zwischen Mensch und Tier. Wenn im zweiten Schöpfungsbericht in einer erzählerischen Steigerung die Tiere dem Menschen als Gegenüber nicht genügen, sondern erst die Frau als geglücktes Schöpfungsexperiment betrachtet wird, so ist zugleich deutlich, dass Tiere nicht als vollständiger Ersatz für menschliche Gemeinschaft angesehen wurden. Tieren wird hingegen ein Sensorium für die göttliche Dimension, d. h. so etwas wie Religiosität, zugebilligt (vgl. Num 22,22-35; 1 Sam 6,1-12), wes-

halb Menschen gut daran tun, auf die im Verhalten von Tieren erkennbare göttliche Weisung zu achten. Die Befindlichkeit des altisraelitischen Menschen in der Welt / Natur war vom Wissen geprägt, dass die geschaffene Welt nicht völlig entgöttlicht ist. Es gibt Spuren des Numinosen in allem Geschaffenen. Den Umgang damit regeln Tabuvorschriften, z. B. Moratorien bei der Bewirtschaftung des Erdbodens oder beim Abernten von jungen Fruchtbäumen. Die Annahme von Göttlichkeit in der Schöpfung ist kein Widerspruch zum israelitischen Monotheismus, sondern seine Eigenart, weil die Schöpfung weniger als Produkt und mehr als ein Kunstwerk eines künstlerisch tätigen Gottes angesehen wurde, der in allem Geschaffenen seine eigenen Fingerabdrücke hinterlässt (Ps 8,4). Frevel, Christian / Wischmeyer, Oda, Menschsein, Würzburg 2003. Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hg.), Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte einer Feministischen Anthropologie, Stuttgart 2003. Janowski, Bernd u. a. (Hg.), Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993. Ders., Konfliktgespräche mit Gott, Neukirchen-Vluyn 2003. Ders., Der Mensch im alten Israel. Grundfragen alttestamentlicher Anthropologie, in: ZThK 102 (2005), 143-175. Keel, Othmar / Schroer, Silvia, Schöpfung. Alttestamentliche Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Freiburg CH / Göttingen 2 2008. Niebuhr, Karl-Wilhelm, Ethik und Anthropologie nach dem Jakobusbrief – eine Skizze, in: Friedrich-Wilhelm Horn / Ruben Zimmermann (Hg.), Begründungszusammenhänge neutestamentlicher Ethik, WUNT, Tübingen 2009 (im Erscheinen). Reinmuth, Eckart, Anthropologie im Neuen Testaments, Tübingen 2006. Schroer, Silvia / Staubli, Thomas, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 2 2005. Schroer, Silvia, Feministische Anthropologie des Ersten Testaments. Beobachtungen, Fragen, Plädoyers, in: lectio difficilior 1/2003 (www.lectio.unibe.ch/03_1/schroer. htm). Wolff, Hans Walter, Anthropologie des Alten Testaments, Gütersloh 7 2002. Zimmermann, Ruben, Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines

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Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt, WUNT II/122, Tübingen 2001.

Silvia Schroer / Ruben Zimmermann

Menschenrechte 1. Grundsätzliches Die juristische Fassung der Menschenrechte ist ein neuzeitliches Projekt, das in französischen und amerikanischen Verfassungen seinen rechtsverbindlichen Anfang nahm und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN (1948) und den beiden Menschenrechtspakten (1966) einen Ansatz zu weltweiter Geltungsdurchsetzung fand. Eklatante Verletzungen gerade in der Moderne sprechen gegen ein evolutionistisches Verständnis der Menschenrechte als Entwicklung zu größerer menschlicher Solidarität in der Neuzeit. Die Menschenrechte gelten unveräußerlich jedem einzelnen Menschen; sie differenzieren sich in Freiheits- und Schutzrechte, insbesondere gegenüber staatlicher Gewalt (»Rechte der ersten Generation«), und Teilhaberechte an sozialen und wirtschaftlichen Gütern (»Rechte der zweiten Generation«). Eine Weiterentwicklung vollzieht sich gegenwärtig in der Fixierung von »Rechten der dritten Generation«, die kollektive Rechte von Gesellschaften und Völkern wie Frieden und gesunde Umwelt zum Inhalt haben. Die Rede von den verschiedenen Generationen von Menschenrechten impliziert nicht die Annahme bloß vorübergehender Bedeutung bestimmter Inhalte, sondern benennt die unterschiedlichen Phasen ihrer Formulierung und öffentlichen Diskussion. Die Menschenrechte wurden z. T. gegen die christlichen Kirchen durchgesetzt; gleichwohl gehören sie zum Kern biblischer Tradition. Nicht nur die griechisch-römische Antike (vgl. z. B. das stoische Konzept der menschlichen dignitas), sondern auch die Bibel, vornehmlich die Tora (= Pentateuch und seine literarischen Vorgänger),

bietet konzeptionelle Ansätze und konkrete Gebote, die den Grundlagen und einzelnen Bestimmungen der neuzeitlichen Menschenrechtskataloge entsprechen. Das Neue Testament ist hier wie sonst in Fragen allgemeinen Rechts ausdrücklich und eindeutig auf die Tora bezogen (Mt 5,17 ff.; Röm 3,31; 1 Kor 7,19; 3 Gerechtigkeit / Recht; 3 Rechtswesen / Rechtsprechung). Theologische Arbeit an den Menschenrechten kann sich nicht in dem Nachweis erschöpfen, dass ihre Wurzeln in der Bibel oder in bestimmten theologischen Grundvorstellungen liegen. Vielmehr: Die andauernde Unheilsgeschichte der Menschenrechtsverletzungen sowie die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte bei den diversen Vertextungen in der Neuzeit zeigen, dass die Menschenrechte eine geschichtliche Größe sind, die neben ihrer Umsetzung in positives Recht immer wieder der Verständigung und gegebenenfalls der Reformulierung und Ergänzung bedürfen. Ihre In-Beziehung-Setzung zur Tora hat mehrere hermeneutische Effekte: Die unterschiedlichen Profile und Gemeinsamkeiten werden sichtbar. Es entstehen Möglichkeiten der Reflexion der bisherigen Formulierung und Praxis der Menschenrechte. Angesichts weitgehender Parallelität wird die Bedeutung der Tora für Glauben und Leben in der Gegenwart deutlich. Der geschichtliche Abstand zwischen der Tora, die unter Bedingungen einer antiken Gesellschaft entstanden ist, und den neuzeitlichen Menschenrechten ist durchweg in Rechnung zu stellen. Die Tora ist allerdings nicht nur eine Wurzel für Ideen der Menschenrechte. Da zumindest Teile des Pentateuch im eisenzeitlichen Juda kodifiziertes Recht darstellen, können menschenrechtsrelevante Gebote als antike Vorgänger der auf Überführung in positives Recht zielenden Menschenrechte gelten, was durch ihre Form als göttliches Gebot keineswegs ausgeschlossen ist. 2. Gottebenbildlichkeit Die Menschenrechte werden mit der jedem Menschen eignenden Würde begründet, unter Hinweis auf Vernunft- und Gewissensbesitz (Art. 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte). In

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Menschenrechte

der Tora ist in vergleichbarer Weise von der Gottebenbildlichkeit des Menschen als Mann und Frau die Rede (Gen 1,26 f.), ohne dass dabei Vernunft und Gewissen ins Zentrum gerückt wären. Stattdessen ist jene mehrstellige Relationalität der Menschen im Verhältnis zu Gott, als Mann und Frau und als Herrschende gegenüber der kreatürlichen Umwelt gemeint, die unverlierbar dem Menschen als solchem eignet (vgl. Gen 5,1 f.) und die der Grund dafür ist, weshalb jedes menschliche Leben durch eine Zusicherung Gottes unter Schutz gestellt wird (Gen 9,5 f.). Zur Würde des Menschen gehört, was jene in Gen 1,26 ff. genannten Relationalitäten konstituiert, die in ihrer Summe die Ebenbildlichkeit ausmachen. Demgegenüber ist die Herausstellung von Vernunft- und Gewissensbesitz im Zusammenhang mit der Würde des Menschen eine Engführung. Auch das Konzept der Verwandtschaft aller Menschen (Gen 10) gehört in »das biblische Menschenbild«, wobei in den Hochkulturen des Alten Orients ähnliche Vorstellungen anzutreffen sind (für Ägypten vgl. z. B. das sog. Pfortenbuch, 5. Nachtstunde). Begriff und Vorstellung der Ebenbildlichkeit und der einen Menschheitsfamilie werden in der Tora zwar nirgends zur Begründung konkreter Gebote verwendet. Im Verhältnis zu altorientalischen und athenischen Rechtsüberlieferungen (vgl. TUAT I/1 und Meier 51 ff.) ist allerdings auffällig, welch großen Stellenwert z. B. das Fremdenrecht in der Tora hat. Die anderen antiken Rechtstraditionen konzentrieren sich zumeist auf eingeschränkte Kreise von »Bürgern« (politai), die die entscheidenden Rechtssubjekte sind. Sie führten durchaus zu gewissen Zuwächsen an gesellschaftlicher Partizipation und Gleichheit. Die Rechte von Nicht-Bürgern (Frauen, Fremden, Metöken, Sklavinnen und Sklaven) sind in ihnen jedoch selten im Blick. Vor diesem Hintergrund ist es hinsichtlich der Gewährleistung von allgemeinen Menschenrechten relevant, wenn in der Tora – den begrenzten Bereich der Rechte der »Einheimischen« überschreitend – die Bedrückung von Fremden verboten (Ex 23,9) und die rechtliche Gleichstellung von Einheimischen und Fremden

(Ex 12,49; Lev 24,16; Num 15,30) erklärt wird (vgl. Jes 56,3 ff.); zu anderen Gruppen 3 Rechtswesen / Rechtsprechung; 3 Sklaverei. 3. Verfassungsstrukturen und Menschenrechte Die Menschenrechte sind ihrer Herkunft nach kein positives Recht. Sie zielen darauf ab, in geltendes Recht überführt zu werden, stellen aber humane Grundnormen dar. Wenn sie in Verfassungen übernommen werden, wird eine fruchtbare Spannung von Gerechtigkeit und Recht erzeugt, die für die weitere Entwicklung des positiven Rechts förderlich ist. In der Hebräischen Bibel zeigt sich der analoge Vorgang am Anfang der kanonisch überlieferten Rechtsentwicklung, in der Grundgestalt des Bundesbuches (Ex 20-23), das einerseits aus zumeist strafrechtlichen Ausgleichsregeln, den Mischpatim (Ex 21,1-22,19), andererseits aus gottesrechtlichen Geboten besteht, die u. a. verschiedene Schutzbestimmungen für die sozial schwächsten Gruppen der Gesellschaft (Arme, Fremde, Witwen und Waisen) enthalten (Ex 22,20-23,19). In der Verbindung mit dem Strafrecht bekommen die Schutzregeln Rechtscharakter und werden der relativen Unsicherheit mildtätiger Freiwilligkeit entzogen. Zugleich wird den strafrechtlichen Ausgleichsregeln durch Verbindung mit Schutzbestimmungen für sozial Schwache ein Maßstab von Gerechtigkeit hinzugefügt, der humanisierend wirkt. Diese Anfänge im Bundesbuch sind für die gesamte biblische Rechtsentwicklung prägend geworden. Deutlich wird an den Wechselwirkungen der beiden Hauptteile des Bundesbuches, warum der Schutz wirtschaftlich-sozial Schwacher für die Tora insgesamt zentral geworden ist. Die athenische Demokratie erreichte eine weitgehende Deckung des Kreises an Rechtsetzung Beteiligter mit dem davon Betroffener (Meier 41). Sie war aber, da primär auf den Binnenausgleich von Bürgergruppen ausgerichtet, anfällig für das Ausblenden der Rechte von Nichtbürgerinnen, Nichtbürgern und sonstwie Marginalisierten. Diese Verfassung ist geprägt durch die Tendenz zur Identifikation von Recht

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und Gerechtigkeit mit dem Konsens der Bürger. Auf der anderen Seite stellten die Verfassungstraditionen der Hochkulturen im Alten Orient die Könige ins Zentrum, die als Vermittler von göttlichem Recht fungierten. Wie in der Tora wurde auch im altorientalischen Bereich ein göttlicher Ursprung des Rechts behauptet. Allerdings fungierte dieses göttliche Recht, indem es an den König als entscheidende Vermittelungsinstanz gebunden war, als ein Instrument königlicher Herrschaft. Die für die Rechtsentwicklung fruchtbare Spannung von Recht und Gerechtigkeit hat auch in diesem Verfassungstyp keinen wirklichen Ort, da positives Recht und göttliche Gerechtigkeit im König institutionell zusammen fallen. Im Vergleich mit den Verfassungsmodellen der athenischen Demokratie und des Königtums des Alten Orients treten die für die Humanisierung des Rechts förderlichen Strukturen der Tora deutlich zutage, besonders im Deuteronomium. Als ursprungsgeschichtliche Mosetora steht das Gottesrecht gesellschaftlich organisiertem positivem Recht gegenüber. Der prophetische Mose wird durch keine gesellschaftliche Institution vertreten. Auch der König ist weder Vermittler noch Verwalter von Gottesrecht, sondern dessen Rezipient neben anderen (vgl. Dtn 17,18-20). Zugleich bringt die für das Gottesrecht wichtige Ägypten- und Exodustradition Gottes Bindung an die Entrechteten zum Ausdruck. Dadurch und durch die zentrale Rolle des so genannten »Volkes des Landes« bzw. verschiedener gesellschaftlicher Gruppen (»Bürger«, 3 Priester; 3 Propheten) bei der Rechtsentwicklung wird die schon das Bundesbuch auszeichnende fruchtbare Spannung zwischen Recht und Gerechtigkeit im Verfassungstext des Deuteronomiums zur Geltung gebracht. 4. Bürgerliche und politische Menschenrechte Die »Menschenrechte der ersten Generation« stellen mehrheitlich Rechte dar, die die Freiheit der einzelnen Menschen insbesondere im Verhältnis zum Staat zum Inhalt haben. In der Tora finden sich häufig Regelungen zu ähnlichen Themen. Allerdings ergeben sich auch Differen-

zen, wobei der Abstand zwischen Antike und Moderne zu berücksichtigen ist. So sind in Art. 4 (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) Sklaverei und Sklavenhandel in all ihren Formen verboten. Ein kategorisches Verbot von 3 Sklaverei findet sich in der Tora zwar nicht. Wohl aber wird eine wichtige Form, die Schuldsklaverei, bereits in dem ins 8. Jh. v. Chr. zu datierenden Bundesbuch auf einen Dienst von maximal sechs Jahren befristet (Ex 21,2) und für Sklavinnen unter bestimmten Umständen ein »Töchterrecht« vorgesehen (Ex 21,9). Weitergehend wird im Deuteronomium ein Recht auf Schutz vor Auslieferung und auf Niederlassungsfreiheit für entlaufene Sklaven formuliert (Dtn 23,16 f.), was einem großen Schritt in Richtung Abschaffung von Sklaverei gleichkommt. Einen wichtigen Komplex unter den »Menschenrechten der ersten Generation« stellen diejenigen Bestimmungen dar, die vor staatlicher Willkür und ungerechter Justiz schützen (vgl. Art. 5-13, Allgemeine Erklärung). Auch dazu existiert eine ganze Reihe entsprechender Regelungen in der Tora. Einschlägig sind die so genannte Zweizeugenregelung als Voraussetzung von Verurteilung (Dtn 19,15) und die Unterscheidung der Sanktionierung von Mord und Totschlag (Ex 21,13 f.; Dtn 19,1 ff.). Körperstrafen sind nur ausnahmsweise vorgesehen (Dtn 25,2.11 f.), Kollektivstrafen verboten (Dtn 24,16). In diesen Zusammenhang gehört auch das Recht der Einzelnen, über Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an Kriegszügen zu entscheiden (Dtn 20,5-9). Auf den ersten Blick scheint dagegen die zentrale Bedeutung, die die Forderung von Alleinverehrung Gottes in der Tora hat (vgl. etwa Dtn 5,7 ff. und Dtn 13), mit den Bestimmungen der politischen Menschenrechte kaum vereinbar (so Huber 305), da in Art. 18 das Recht auf Weltanschauungsfreiheit einschließlich der Möglichkeit von Konversion und öffentlicher pluraler Religionsausübung formuliert ist. Gleichwohl verdient in dieser Hinsicht Beachtung, dass in den jüngeren priesterlichen Bestimmungen der Tatbestand der Gotteslästerung in der Weise behandelt wird, dass die Möglichkeit der Verehrung unterschiedlicher

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Gottheiten impliziert und eine Bestrafung durch eine menschliche Instanz ausdrücklich nicht vorgesehen ist (Lev 24,15). Grundsätzlich ist zu beobachten, dass viele Bestimmungen der Tora nicht nur vor Übergriffen des Staates schützen wollen. In gleicher Weise werden Familienangelegenheiten verrechtlicht und dadurch die einzelnen Menschen vor Willkürmaßnahmen von Familie und Sippe geschützt, die ebenfalls mächtige Institutionen waren. 5. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte Die »Menschenrechte der zweiten Generation« betreffen Problemfelder der wirtschaftlich-sozialen Sicherung. Besonders in diesen Teil der Menschenrechtskataloge werden als Entstehungshintergrund die Bedingungen der Industriegesellschaften deutlich, wie sich u. a. für das Recht auf freie Berufswahl, gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit, Schutz vor Arbeitslosigkeit, Zulassung von Gewerkschaften (Art. 23 f.) zeigen lässt. Derartige Bestimmungen fehlen natürlich in der Tora, die auf eine antike Stammes- und Klassengesellschaft zugeschnitten ist mit Subsistenzwirtschaft (Ackerbau und Viehzucht) als dominierender Wirtschaftsform. Im Horizont solcher Verhältnisse sind die Effekte der Wirtschaftsgebote (Zinsverbot, Schuldenerlass, Pfandnahmebeschränkung; 3 Wirtschaftssystem) und der Leistungsvorschriften für die ökonomisch Schwächsten (Sklavenfreilassung, Armensteuer usw.) in der Tora allerdings durchschlagend. Sie stellen bleibende Herausforderungen für moderne Fassungen von wirtschaftlichen Menschenrechten dar. Die Kodifikation jener biblischen Bestimmungen hilft wirksam Verelendung zu verhindern, Subsistenz zu sichern und Gleichheit und Zusammenhalt in der Gesellschaft zu fördern. Die Gebotsform der biblischen Wirtschafts- und Sozialleistungsbestimmungen, ihre Verknüpfung mit göttlichem Segen und mit anderen Freiheitsrechten (vgl. z. B. Dtn 23,20 f. im Kontext von Dtn 23,22-26) begünstigen ihre Wirksamkeit. Soziale Menschenrechte in der Tora sind ferner das Ruhetagsgebot, dessen alte Be-

gründung die Erholung von Arbeit ins Zentrum rückt (Ex 23,12), ferner die Vorschrift, einen Lohnarbeiter stets am Tag seines Arbeitens zu entlohnen (Dtn 24,14 f.). Was weitere soziale Menschenrechte betrifft, so ist die allgemeine Schulpflicht, die in den modernen Katalogen gefordert wird, in der Hebräischen Bibel zwar nicht nachzuweisen. Jedoch wird die am Laubhüttenfest zu verlesende Tora in Dtn 31,11 f. zum Gegenstand des Lernens von ganz Israel gemacht (einschließlich Frauen, Kindern und Fremden), was gesamtgesellschaftliche Bildungsstrukturen voraussetzt. 6. Kollektive Menschenrechte Verletzung menschlicher Würde geschieht nicht zuletzt durch globale Prozesse, gegenüber künftigen Generationen, im Zusammenhang weltweiter Zerstörung der natürlichen Umwelt usw. Bei negativen Folgen technologischer Entwicklung in der globalisierten Welt sind ganze Völker und Gesellschaften betroffen. Insofern erscheint es notwendig, die Erfahrungen von Krieg, Naturzerstörung und des Ausschlusses vom gemeinsamen Erbe der Menschheit in den Menschenrechtstexten zu berücksichtigen und diese entsprechend fortzuschreiben (anders Huber 317), ohne dabei die Dringlichkeit der politischen und wirtschaftlichen Menschenrechte aus dem Blick zu verlieren. Auch hinsichtlich solcher kollektiver Menschenrechte gibt es Vorbilder in der Tora. Gen 9,4 und Dtn 12,23 f. etwa sind Vorschriften, die den menschlichen Zugriff auf das Leben der Tiere begrenzen. Aus Dtn 22,6, wo der Erhalt der Reproduktionsfähigkeit von Vögeln vorgeschrieben und Artenschutz in der Tora verankert ist, sowie aus anderen Bestimmungen (Ex 23,19b; Lev 22,26 ff.; Dtn 20,19 f.) ergibt sich ein Recht der Natur als Bestandteil der Tora. Daneben: Die Erzähltexte des Buches Genesis stellen die Völkergemeinschaft als Stammbaum einer Familie dar, um unterschiedliche Nähe und Distanz der Völker bei gleichzeitig gemeinsamer Verwandtschaft zum Ausdruck zu bringen, in der u. a. auch enge Beziehungen Israels zur Fremdkultur »Kanaan« denkbar werden (vgl.

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Gen 38,2), was für die Gestaltung internationaler Beziehungen maßgeblich sein kann. Crüsemann, Frank, Menschenrechte und Tora – und das Problem ihrer christlichen Rezeption, in: ders., Maßstab: Tora. Israels Weisung und christliche Ethik, Gütersloh 2003, 148-163. Gehrke, Hans-Joachim / Gotter, Holger, Revolution des Politischen: Glanz und Elend der athenischen Demokratie, in: Antikensammlung Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Die Griechische Klassik – Idee oder Wirklichkeit, Ausstellungskatalog, Berlin / Mainz 2002, 166-172. Huber, Wolfgang, Gerechtigkeit und Recht. Grundlinien christlicher Rechtsethik, Gütersloh 3 2006. Meier, Christian, Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, stw 427, Frankfurt / Main 1980. Otto, Eckart, »Menschenrechte« im Alten Orient und im Alten Testament, unter: http://www.theologie-online.uni-goettingen.de/at/otto_text.htm. Scholl, Andreas, Geschlossene Gesellschaft: Die Bewohner des klassischen Athen in den Bildern und Inschriften ihrer Grabdenkmäler, in: Antikensammlung Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Die Griechische Klassik – Idee oder Wirklichkeit, Ausstellungskatalog, Berlin / Mainz 2002, 179-190.

Andreas Ruwe

Messianismus 1. Der Messias Am Anfang des 1. Samuelbuches besingt Hanna den Gott, der sie befreit und formuliert in diesem Zusammenhang die Gewissheit, dass der Ewige »seinem König Macht verleihen und das Horn seines Gesalbten erhöhen« wird (1 Sam 2, 10). In Anspielung auf seine Amtseinsetzung durch 3 Salbung wird hier Israels König als der »Gesalbte JHWHs« bezeichnet. Nach dem Untergang der Monarchie wird der Titel auch auf den Hohepriester übertragen (Lev 4; 6, 15). Doch in der Regel bezieht er sich auf den König: der Gesalbte, hebr. ha ma¯ˇs¯ah ı = Messias, in griechischer ˙ Übersetzung: der Christus (1 Sam 12, 3; 24, 7.11 u. a.). Diese Bezeichnung begegnet stets in Ver-

bindung mit JHWH (der Gesalbte JHWHs, mein bzw. sein Gesalbter) und transportiert eine theologische Erwartung an das königliche Amt. So erwartet Hanna eine politische Gestalt, die Zeichen und Garant eines von Gott initiierten Umsturzes ist, bei dem die Armen aus dem Dreck geholt und Krieg und Unrecht beendet werden (1 Sam 2, 1-10). Der besungene Gesalbte ist ein Symbol dafür, dass der Gott Israels sein Recht in den politischen Institutionen dieser Welt durchsetzen wird. Der Titel begegnet neben den Samuelbüchern in erster Linie in Psalmen (Ps 2; 18; 20; 28; 84; 89; 132; 2 Sam 22, 51; 23, 1; Hab 3, 13; Klgl 4, 20). In Liedern, Gebeten und Klagen wird die Hoffnung auf einen Messias weitergegeben. Denn in Liedern werden die Grenzen der Erfahrung überschritten und es ersteht die Welt, die nach Gottes Willen möglich ist. Ein solches Lied in Hannas Mund steht zu Beginn des 1. Samuelbuches als eine Lektüreanleitung der Geschichte der Könige Israels, deren Anfänge in den Samuelbüchern erzählt werden. Maßstäbe für eine kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Tagesgeschäft der Könige werden gesetzt. Der Messias der Hebräischen Bibel ist also keine Figur der Endzeit, sondern Leitbild und Gegenbild, das der kritischen Reflexion realer Machtverhältnisse dient und in diesen Machtverhältnissen zum Vorschein kommen will. 2. Ein Friedensregent auf dem Thron Davids Durch die David gegebene Verheißung, sein Königtum werde durch die Zeit fortbestehen (2 Sam 7; Ps 89; 132), wird die Erwartung eines messianischen Königs mit der Hoffnung auf einen Thronfolger aus dem Hause Davids verknüpft. Möglicherweise ist die Dynastieverheißung überhaupt die Wurzel der biblischen Messiaserwartung. Auf jeden Fall wird Davids Königtum messianisiert, d. h. mit seinem Untergang vollzieht sich seine Wandlung von einer politischen Institution zu einer theologischen Kategorie, die – wie der Titel Messias – zur Auseinandersetzung mit herrschenden Gewaltverhältnissen befähigt. Hier sind all jene prophetischen Texte zu nennen, die – obwohl der

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Messiastitel nicht verwendet wird – als klassische Belegstellen für die biblische messianische Erwartung gelten. Zwei Schlüsselelemente dieser Erwartung formuliert Jer 23, 5-8: 1. ein König aus dem Geschlecht Davids macht Gerechtigkeit zum Hauptanliegen seiner Regierungstätigkeit und 2. das Volk der beiden ehemaligen Königreiche Israel und Juda kehrt zurück, um sicher in seiner Heimat zu leben (vgl. u. a. Jer 33, 14-18; Ez 34, 2324; 37, 21-25; Sach 6,12 f.). Die Erinnerung an Gottes Treueversprechen gegenüber David mobilisiert den Widerstand der 3 Prophet/innen, sich mit dem Verlust von Königtum und staatlicher Autonomie nicht abzufinden. Dennoch transportieren ihre Visionen nicht einfach restaurativroyalistische Träume. Denn mit der unbedingten Priorität der Gerechtigkeit unter den königlichen Regierungsaufgaben wird die Auseinandersetzung mit den Fehlern der vergangenen Könige auf die Tagesordnung der Zukunftsplaner/innen gesetzt. Die kritische Reflexion des vorexilischen Königtums und der Politik der Krieg führenden Großmächte spitzt sich zu in der Erwartung eines Friedensherrschers (Jes 9, 1-6; 11,1-9; Sach 9, 9 f.; Mi 5, 1-5). Das regierende Herrscherhaus und seine Politik wird nicht fortgeführt, sondern Gott schafft einen neuen Anfang mit »einem Reis aus Isais Stamm« (Jes 11,1; vgl. Mi 5, 1). In einer von Krieg und Ausbeutung befreiten Schöpfung regiert auf Davids Thron ein Herrscher nicht mehr »mit eisernem Stab« (Ps 2, 9), sondern »mit dem Stab seines Mundes« (Jes 11, 4; vgl. Sach 9, 10). Diese Erwartungen einer Zeit nach Untergang des Königtums werden in der prophetischen Überlieferung der Königszeit verankert (Jes 9, 1-6; 11,1-9; Mi 5, 1-5). Diese Konstruktion betont, dass die Erwartung eines Friedensregenten von jeher der Politik in Israel Richtung geben wollte, und unterstreicht ihre Relevanz für politische Orientierung in der Gegenwart. 3. Die messianische Zeit In den Chor der messianischen Erwartungen gehören auch die Stimmen, die die messianische Zeit erhoffen, ohne dass dabei eine Einzelgestalt eine hervorgehobene Rolle spielt. Die Davidver-

heißungen werden auf das ganze Volk übertragen (Jes 55, 1-5). Nicht eine einzelne königliche Gestalt, sondern Israel als königliches Volk ist Repräsentant der Regierungsmacht Gottes und Zeichen für Gottes Heilshandeln an den Völkern. Gerechtigkeit und Frieden breiten sich durch die Geistkraft des Ewigen aus, die auf allen Frauen und Männern in Israel ruht (Jes 32, 15-18). Die Könige und Völker der Erde kommen, erkennen Israels Status an und entschädigen sie für alle widerfahrene Unterdrückung (Jes 60). In diesen Zusammenhang gehört auch die überraschende Zuschreibung des Messiastitels an den Herrscher einer imperialen Großmacht. Der Perserkönig Cyrus, der sich anschickt, Babylon zu erobern, wird von Prophet/innen der Exilszeit als Gesalbter JHWHs bezeichnet (Jes 45,1), denn durch die Eroberung Babylons wird den exilierten Juden und Jüdinnen die Aussicht auf Rückkehr nach Jerusalem eröffnet. Ein Messias ist, wer Israels Weg zu diesem friedlichen Leben in der Heimat ebnet! Der biblische Messianismus ist eine vielgesichtige theologische Strömung, doch ob er sich auf einen neuen David konzentriert oder die Erneuerung des gesamten Volkes durch Gottes Geist erwartet, in seinem Zentrum steht die Hoffnung auf eine von Gott initiierte politische Neugestaltung, die Israel ein Leben in Frieden im eigenen Land ermöglicht. 4. Messianismus im Fühjudentum Der Messianismus im Frühjudentum ist als theologische Reaktion auf geschichtliche Situationen, die als tief greifende Krise gedeutet werden, zu verstehen, wobei die Kritik am Gegenwärtigen sich auf die Überlieferung als Maßstab beruft. Ein gewichtiges Moment der Entstehung des Messianismus ist die Wandlung der Hasmonäerherrschaft von einer durch das Volk getragenen und bejahten Herrschaft hin zu einer orientalischhellenistischen Despotie, mit ihren verheerenden sozialen und ökonomischen Folgen. Die folgende Fremdherrschaft der Römer mit ihren kulturellen, religiösen und ökonomischen Unterdrückungsstrategien, die von Teilen der Tempelaristokratie mitgetragen wurden, führten zu einer

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Krisensituation bzw. wurden als solche gedeutet. Die verschiedenen messianischen Konzeptionen werden von dieser Krisensituation beeinflusst, indem sie eine Umkehrung der negativen bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse durch den Messias voraussetzen; damit wirken sie zugleich im Sinne einer permanenten Kritik auf die Wahrnehmung religiöser, gesellschaftlicher und ökonomischer Zustände ein. Je nach Akzentuierung der Kritik herrschender Verhältnisse kann ein kultischer oder königlich-politischer Messianismus überwiegen, wobei alle Konzeptionen für einander durchlässig sind. Die Wende erwartet man durch einen Agenten Gottes, einen Messias. Gemeinsam ist den verschiedenen Vorstellungen die idealisierte Retrospektive, in der etwa die Figur des Davids trotz der königskritischen Tendenz der Überlieferung verklärt werden kann, die Ausrichtung auf eine zukünftigeschatologische Besserung in Form einer Umkehrung des Bestehenden und die völlige oder partielle Absage an die gegenwärtige religiös-soziale Situation. Damit ist der Trägerkreis des Messianismus auf bestimmte systemkritische oder marginalisierte Gruppierungen beschränkt. Bezeichnenderweise lehnt die religiöse Gruppe der Sadduzäer, die mit dem Tempel als Kultort und politischem Zentrum am engsten verbunden war, den Messianismus ab, während seine Perspektiven den Opfern und Kritikern des Systems eine Möglichkeit der Existenz in Hoffnung bieten, die das Bestehende in seiner Vorläufigkeit erkennt. Entgegen der im christlichen Kontext gepflegten Annahme, die dann auch im Verlauf der Theologiegeschichte antijüdisch instrumentalisiert wurde, ist der Messianismus keineswegs eine vorherrschende Strömung, sondern auf kleinere Gruppen beschränkt. Weder historisch noch theologisch ist angezeigt, dass jede Hungerrevolte, jeder Bauernaufstand oder jede Aktion, die sich gegen die herodianische oder römische Herrschaft richtet, als messianisch zu bezeichnen ist. Durch diese theologische Vereinnahmung wird die Kontextualisierung mit anderen Revolten im Imperium verunmöglicht und die Bedeutung der Prophetie, insbesondere die der Gestalt des Mose

als Befreiungsprophet im Prozess der erinnerten Utopie, in den einzelnen Gruppierungen nicht gewürdigt. Grundsätzlich ist für das Frühjudentum festzustellen, dass der Messianismus und damit die Figur des Messias ein offenes Konzept ist, in das verschiedenste traditionelle und neue Elemente zusammenfließen können. Weiterhin ist auf das Vorhandensein eschatologischer Vorstellungen hinzuweisen, die in strenger Theozentrik ohne Messianismus und damit auch ohne die Figur gedacht sind. Diese Offenheit zeigt sich nicht zuletzt in Texten, die das Vorhandensein des Messianismus belegen. Die Sammlung der Psalmen Salomos, die im 1. Jh. v. Chr. abgeschlossen wurde, lässt noch deutlich das politische Ereignis, das dem Messianismus besonderen Auftrieb gab, die Okkupation Jerusalems durch römische Truppen 63 v. Chr., erkennen. Der erwartete Befreier wird Israel als Theokratie restituieren, wobei es nicht nur zur Ausschaltung der Römer, sondern auch ihrer Jerusalemer Agenten kommt. Die kriegerische Phase geht einem Friedensreich voran (PsSal 17; 18). Ähnlich ist die Erwartung 4. Esra; der Messias bereitet die Heilszeit durch seinen Einsatz vor. Die Aufrichtung der Herrschaft Gottes ist das eigentliche Ziel, das denen, die auf der Seite Gottes stehen, Restitution alles erlittenen Unrechts bringen wird. Ob es den Verfassern denkbar war, die Meinung zu vertreten, diese könne ohne eine grundlegende soziale Veränderung geschehen, ist mehr als fraglich. Selbst wenn die Verfassergruppe nicht zu den sozial Deklassierten gehörte, wird es auch ihnen nicht möglich gewesen sein, an Traditionen wie der Herrschaft Gottes anzuknüpfen, ohne deren Implikationen zu transportieren. Die Schriften aus Qumran zeigen, dass es möglich war, verschiedenste Entwürfe gleichzeitig zu vertreten, ohne eine Systematisierung anzustreben. Dies ist als weiteres Indiz dafür zu bewerten, dass weder der Messianismus noch die Figur des Messias zu den zentralen theologischen Interpretamenten gehörten. Man kann allerdings erkennen, dass der kultisch-priesterliche Messianismus überwiegt, was sich unschwer aus dem theologischen Selbstverständnis herlei-

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tet (CD 19,10). Bei den Texten aus Qumran zeigt sich das methodische Problem der Rekonstruktion des Messianismus besonders scharf. So kann die Erwartung eines eschatologischen Propheten (1QS 9,11) oder einer Richtergestalt (1Q161) durchaus aus anderen theologischen Konzepten als dem des Messianismus stammen. Eine bedeutende Wandlung des Messianismus findet außer in der Jesusbewegung (s. u.) in der Zeit des judäischen Freiheitskampfes statt. In der zelotischen Ideologie findet eine Aktualisierung des Messianismus in dem Sinne statt, dass die messianische Zeit gegenwärtig ist bzw. herbeigeführt werden soll. Dementsprechend wird aus dem erhofften zukünftigen Messias eine konkrete historische Gestalt. Sowohl Mehahem ben Juda (Flav. Jos. Bell. II,444) wie auch Simon bar Giora (Flav. Jos. Bell. IV,575; VII,29) beanspruchen die Würde eines Messias für sich, wobei anzumerken ist, dass Flavius Josephus in seiner Selbstdarstellung auf Elemente des Messianismus zurückgreift. Die stattfindende politische Konnotation des Messianismus ist situativ bedingt; es gibt keinen Anlass, sie als die vorherrschende für das gesamte 1. Jh. zu betrachten. 5. Messiaserwartung im Neuen Testament Der neutestamentliche Messianismus bezeugt eine erste geschlossene Konzeption einer messianischen Bewegung im Frühjudentum. Dabei kommt es zu einer gegenseitigen Beeinflussung: Die Überlieferungen über Jesus werden messianisch gefärbt, der spezifische Messianismus der Jesusbewegung wird durch die Person Jesu definiert, etwa hinsichtlich der Identifikation des Täufers mit Elija als Vorläufer des Messias oder mit der Hervorhebung des Leidens des Messias, so dass ein Gesamtbild entsteht, nach dem Jesus in Person und Wirken allein dem Messias entspricht. In Abgrenzung und mit polemischer Absicht wird anderen Entwürfen des Messianismus unterstellt, sie seien ausschließlich national-politisch ohne theologische Fundierung ausgerichtet; deren Scheitern ist durch das Ende des judäischen Kriegs im Sinne eines Geschichtsbeweises offensichtlich. Der Messias-Begriff kann, da er

keine festgelegte Größe ist, als zusammenfassende Chiffre für Jesus dienen, indem in ihn verschiedenste Deutelemente zusammen gefügt werden. Ob Jesus von Nazaret sich selbst als Messias verstanden und proklamiert hat oder von anderen als solcher wahrgenommen wurde, ist kaum mit Sicherheit zu entscheiden. Sollte er gemeint haben, er sei davidischer Herkunft, wäre das ein möglicher Erklärungsansatz. Seine Handlungen standen einer messianischen Deutung offen, da etwa die Hinwendung zu den Marginalisierten der Gesellschaft als Tat in der Tradition des Königsideals Davids und als Sammlung ganz Israels verstanden werden konnte. Auch die Wunder, insbesondere die Exorzismen mit dem Aspekt der umfassenden Befreiung und sozialen Restituierung, waren als Zeichen des Anbruchs der messianischen Zeit begreifbar. Da diese Deutmöglichkeit grundsätzlich vorgegeben war, ist ein bereits vorösterliches Verstehen Jesu im Rahmen des Messianismus nicht ausgeschlossen. Dann wäre ansatzweise geklärt, aus welchem Grund der Titel Messias (griech.: Christos) zum zentralen Hoheitstitel Jesu in der Jesusbewegung wurde, der in allen neutestamentlichen Schriften bis auf 3. Joh umfassend bezeugt ist (ca. 531). Die Verbindung des Eigennamens Jesus mit dem Titel Christos wird zur häufigsten gebrauchten Titulatur, die ihren Akklamations- und Bekenntnischarakter auch da beibehält, wo der Artikel vor Christos fehlt. Die Erfahrung der Vision des Auferstandenen als der, der von Gott aus dem Tod gerettet und erhöht wurde, wirkt prägend auf den Messianismus ein. Der Messias Jesus hat nicht nur in seinem irdischen Leben in Gottes Auftrag gewirkt, sondern steht in unauflöslicher singulärer Beziehung zu ihm, indem er ihn mit einem unüberbietbaren Akt der Befreiung aus dem Tod holt. Im Messianismus der Jesusbewegung ist Christos nicht nur ein funktionaler Begriff, sondern insbesondere ein relationaler, mit dem die bleibende Gottesnähe ausgedrückt wird. Gleichzeitig ist dieser Messianismus selbst im Prozess ständiger Modifikationen und Aktualisierungen. Da der mit dem Titel verbundene Kontext der kultischen Salbung auch außerhalb

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jüdischer Traditionen verständlich war, konnte der Titel in Übertragung auch von Nichtjuden rezipiert werden, wobei der Aspekt der Befreiung hin zu einem menschenwürdigen Leben in der Gemeinde zweifelsohne eine neue Perspektive darstellt. Dabei bleiben aber traditionelle Elemente, wie etwa die Davidabstammung, bewahrt (Röm 1, 3). Die eschatologische Dimension des Messianismus ist in diesem Konzept durchgängig präsent. Durch Jesu Tod und Auferstehung ist die Gegenwart und Zukunft als eschatologische Zeitspanne der Heilsmöglichkeit bestimmt, wobei die Parusie als letztes Kommen des Christos sein messianisches Werk vollendet. Den Kern des Messianismus der Jesusbewegung bildet die Soteriologie, die alle anderen Motive an sich zieht, integriert und interpretiert, die aber trotz aller theologiegeschichtlichen Retuschen immer noch die Sehnsucht nach Befreiung birgt. Attias, Jean-Christophe u. a. (Hg.), Messianismes. Variations sur une figure juive, Religions en perspective 10, Genève 2000. Charlesworth, James H. u. a. (Hg.), Qumran – Messianism. Studies on the Messianic Expectations in the Dead Sea Scrolls, Tübingen 1998. Eskola, Timo, Messiah and the throne. Jewish Merkabah mysticism and early Christian exaltation discourse, WUNT 2, 142, Tübingen 2001. Fabry, Heinz-Josef / Scholtissek, Klaus, Der Messias. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments, NEB Themen 5, Würzburg 2002. Hengel, Martin / Schwemer, Anna Maria, Der messianische Anspruch Jesu und die Anfänge der Christologie, WUNT 138, Tübingen 2001. Horbury, William, Messianism among Jews and Christians. Twelve Biblical and Historical Studies, London u. a. 2003. Karrer, Martin, Jesus Christus im Neuen Testament, GNT 11, Göttingen 1998. Rohrbaugh, Richard L., Ethnozentrismus und geschichtliche Fragen. Die Frage nach dem messianischen Bewusstsein Jesu, in: Wolfgang Stegemann u. a. (Hg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 212-223. Schreiber, Stefan, Gesalbter und König. Titel und Konzeptionen der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und urchristlichen Schriften, BZNW 105, Berlin 2000.

Klara Butting / Rainer Kampling

Metalle / Metallverarbeitung 1. Altes Testament Die im Alten Testament am häufigsten erwähnten Metalle sind Gold, Silber, Eisen, Kupfer bzw. Bronze, Zinn und Blei. In Aufzählungen werden sie häufig in dieser Reihenfolge aufgelistet (Gen 4, 22; Ex 25, 3; 35, 24; Num 31, 22; Dtn 33, 25; Ez 22,18.20; 1 Chr 18, 10; 22, 14.16). Es ist aber auffällig, dass sich in zahlreichen Texten bei Gold und Silber die umgekehrte Reihenfolge findet (»Silber und Gold«) (Gen 24, 35; Dtn 7, 25; 2 Sam 21, 4 u. ö.). Dies scheint vor allem bei älteren vorexilischen Texten der Fall zu sein. Dafür spricht auch die Abfolge bei der Grabinschrift von Silwan (1. Hälfte 7. Jh., HAE Jer(7):2): »Hier ist kein Silber und kein Gold«. Zur Deutung hat man vorgeschlagen, die Abfolge Silber-Gold als Bevorzugung des Gebrauchswerts vor dem Tauschwert zu verstehen. Silber hat als Geldware einen hohen Gebrauchswert, während Gold nur Luxusartikel ist. Das hätte sich in nachexilischer Zeit umgekehrt, als der Tauschwert mit Ausbreitung der Geldwirtschaft an Bedeutung gewonnen hat (Kessler). Die Tatsache, dass unter Berücksichtigung des Tauschwertes Gold wertvoller als Silber ist, ist im Übrigen unabhängig davon, dass auch in nachexilischer Zeit Geld (und Münzen) silberbasiert sind, wie schon in vorexilischer Zeit. Das Hebräische unterscheidet terminologisch nicht zwischen Kupfer als Metall und Bronze als Legierung aus Kupfer und Zinn (Zinn: Num 31, 22; Ez 22, 18.20; 27, 12; Sach 4, 10; vgl. Am 7, 7); Kupfer ist vor allem dann gemeint, wenn das Rohmaterial als solches angesprochen wird, Bronze, wenn Werkzeuge und andere Gegenstände aus dieser Legierung hergestellt sind. Spätestens ab dem Ende der frühen Eisenzeit begann Eisen als Gebrauchsmetall v. a. für Nutzgegenstände neben die Bronze zu treten (1 Sam 13,1921), ohne diese zu ersetzen. Auch die Kenntnis der Stahlherstellung verbreitete sich zunehmend (Sir 31, 26 LXX / Vulg.; evtl. Nah 2, 4). Das an Bodenschätzen arme Palästina kennt Kupferlagerstätten im Wa¯dı¯ l-cAraba und auf dem Sinai sowie, sieht man von Meteorit-Eisen ab, kleinere

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Metalle / Metallverarbeitung

Eisenvorkommen im cAgˇlu ¯n (vgl. Dtn 8, 9). In den Besitz anderer Metalle gelangte man durch Tribute, Kriegsbeute oder internationalen Handel; Gold z. B. kam aus Südarabien (Gen 2, 11 f.; 1 Kön 10, 2.10; Ez 27, 22; Ps 72,15; vgl. in 1 Makk 8, 3: römische Gold- und Silberbergwerke in Spanien) bzw. Ophir (neben den alttestamentlichen Belegen eine Gefäßinschrift vom Tell el-Qası¯le), Silber, Eisen, Zinn und Blei aus Tarschisch (Ez 27, 12) oder Bronze aus Jawan, Tubal und Meschech (Ez 27, 13). Eisenzeitliche Hortfunde aus zerhacktem Edelmetall sind in Arad, Dor, En-Gedi, Eqron und Eschtemoa belegt. Kupfererze wurden im eisenzeitlichen Palästina in industriellem Maßstab im Untertagebergbau (Hi 28, 1-11) abgebaut, wozu man bis zu 70 m tiefe Förder- und Belüftungsschächte in die Tiefe trieb, die mit Hilfe von Seilwinden befahren werden konnten (vgl. Hi 28, 4). Das abgebaute Material wurde durch Beseitigung des tauben Gesteins mittels Handscheiden, Schlämmen, Waschen und Windsichtung aufbereitet. Abbau, Verhüttung und die Logistik der Bewachung, Wasser-, Lebensmittelund Brennstoffversorgung waren zentral organisiert. Verhüttet wurde in Schmelzöfen (Dtn 4, 20; 1 Kön 8, 51; Jer 11, 4; Jes 48, 10; Ez 22, 18.20.22; Spr 17, 3; 27, 21; Sir 43, 4), deren Winddüsen bzw. Blasebälge (Jer 6, 29; Spr 26, 21 cj.) mit Menschenkraft bedient wurden (ANEP2 133). Das in einstufigem Schmelzverfahren verflüssigte Rohmetall (vgl. Schmelztiegel in Spr 17, 3) wurde in verschiedene Barrenformen gegossen (vgl. Jos 7, 21; 3Q 15 1, 6 f.; 2, 4.11 u. ö.) und auf den Markt gebracht, wo die Barren auch als prämonetäre Zahlungsmittel dienen konnten. Die Weiterverarbeitung fand in lokalen Schmiedewerkstätten bzw. Gießereien statt (1 Kön 7, 46 par 2 Chr 4,17). Archäologisch sind Metallwerkstätten z. B. in Taanach, Tell el-Qası¯le, Hirbet el-Msˇ¯aˇs und Bet-Sche˙ mesch nachgewiesen. Ein phönizisches Ostrakon belegt eine gildenartige Organisation von Metallhandwerkern im Akko des 5. Jh. v. Chr., wie sie z. B. auch aus Gen 4, 22; Neh 3, 31 f. und aus Ugarit bekannt ist. Die Herstellung von Großbronzen wie Säulenkapitellen und Kultgeräten (1 Kön 7, 13-50) setzte professionelle Metallhandwerker

und hervorragende metallurgische Kenntnisse der Gußtechniken u. ä. (Ex 32, 4; 1 Kön 12, 28; Hos 13, 2) voraus. Die Herstellung von Kompositgegenständen wie (Götter-)Statuen (z. B. Jer 10, 9) machte die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Metall-, Stein-, Holz- und Textilfachleuten notwendig. Gold als das edelste der Metalle kam da zum Einsatz, wo die Sphäre des Göttlichen symbolisch dargestellt werden sollte. Nach dem Bericht vom Bau des Salomonischen Tempels war dieser reichlich mit Gold ausgestattet (1 Kön 6, 21 f.28 u. ö.). Gold kann aber auch an die Stelle des wahren Gottes treten. So ist das Stierbild, mit dem der Abfall vom Gott des Sinaibundes symbolisiert wird, aus Gold (das »Goldene Kalb« Ex 32). Und auch die Statue Nebukadnezzars, die alle Welt anbeten soll, ist nach Dan 3 aus Gold. 2. Neues Testament Auch in neutestamentlicher Zeit waren Metalle weit verbreitet. Gold, Silber, Kupfer und Bronze waren als Münzgeld in Gebrauch (Mt 10, 9). In Palästina war vor allem Kleingeld aus Kupfer und Bronze in großen Mengen im Umlauf, Silbermünzen wurden als Umlaufwährung (denarion Mt 22, 13-17, lt. 20, 2 ein Tageslohn), leicht transportable Wertanlage oder für religiöse Zwecke geprägt (Tempelsteuer, vgl. Mt 17, 24; 26,15; 27, 3.5.6.9). Einheimische Goldprägungen sind aus Palästina nicht bekannt. Berühmt war aber das goldene Inventar des Tempels (Leuchter). Gold und Silber wurden auch für Schmuck verwendet oder dienten als Überzug über weniger wertvolle Metalle oder Holz (Vergoldung). Der Silberschmied (argyrokpos) Demetrius hat wohl keine vollplastischen Artemisfigürchen hergestellt, sondern gehämmerte Silberplaketten mit schematischer Darstellung des Heiligtums (Apg 19, 24). Bronze hatte – neben der Vermünzung – große Bedeutung zur Herstellung höherwertiger Gegenstände wie z. B. Geschirr (Bronzekannen Bar Kokhba-Höhlen), Kultgegenstände (Weihrauchschaufeln), Kandelaber, Zierbeschläge oder Figurinen. Einfachere Metalle standen zur Werkzeugherstellung und als Baumaterial in

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weiter Verwendung. Blei wurde z. B. zur Verklammerung von Blöcken und zur Herstellung von Bleirohren zur Wasserverteilung gebraucht, hatte aber auch magische Bedeutung. Eisen nahm man für Werkzeuge, Geräte, Nägel, Beschläge und eine große Anzahl weiterer Dinge des täglichen Bedarfs. Zuweilen sind auch einfache Fingerringe aus Eisen zu finden (Qazone). Handel und Transport trugen wesentlich zur weiten Verbreitung aller Arten von Metallen bei (Offb 18, 11-13). Auch sind der Bedarf und die Verteilfunktion des Militärs nicht zu unterschätzen. Transportiert wurde sowohl in der Halbrohform (Barren, Unzen) als auch in Form von Fertigprodukten, doch berichtet Diodor davon, dass selbst Eisenerz aus Elba nach Puteoli zur Verarbeitung geschafft wurde (5, 13, 1 f.). Gewonnen wurde Metall durch Bergbau in Minen (z. B. Eisen aus Noricum und Osteuropa, Blei aus Britannien, Zinn aus Spanien und Britannien, Kupfer aus Südpalästina oder Zypern, Silber aus Griechenland und Spanien oder Gold aus Thrakien; vgl. Strab. geogr. 11, 2,19 Flussgold; 10,1,9 Kupfer und Eisen in Chalkidike) oder (bei Edelmetallen) als Tribut oder Kriegsbeute. Eine große Rolle spielte auch das Einschmelzen älterer Gegenstände. Bücher 33 und 34 der Naturgeschichte des Plinius enthalten zahlreiche Nachrichten zur antiken Metallurgie. Sowohl die Gewinnung der Rohmetalle als auch in weiten Teilen die Verarbeitung war härteste Knochenarbeit (Strab. geogr. 12, 3,40 über unmenschliche Verhältnisse in den Minen von Pontus oder Diod. Sic. 3, 12-15 über ptolemäischen Goldabbau in Ägypten). In spätrömischer Zeit wurden Gefangene in den Minen zur Zwangsarbeit eingesetzt (Punon / Fena¯n nach Eus. h.e. 8, 13). Oft führte der Erzabbau durch riesigen Holzbedarf zur Abholzung großer Forstgebiete (Strab. geogr. 14, 6,5 zu Zuständen in Zypern). Metalle werden im Neuen Testament in unterschiedlichen Zusammenhängen erwähnt. Häufig begegnen »Gold und Silber« im Kontext von eschatologisch motivierter Reichtumskritik (Jak 5, 3 Gold und Silber »rosten«, was physikalisch unzutreffend ist). In 1 Kor 3, 12 werden Gold und

Silber als wertvollste in einer Reihe von metaphorischen »Baumaterialien« erwähnt, deren Wert durch das eschatologische Feuer an den Tag treten wird. Die Jünger haben weder Gold noch Silber (Apg 3, 6; vgl. Mt 10, 9). Das himmlische Jerusalem besteht aus reinem Gold (Offb 21, 18). Bol, Peter C., Antike Bronzetechnik. Kunst und Handwerk antiker Erzbildner, München 1985. Collini, Paolo, Studi sul lessico della metallurgia nell’ebraico biblico e nelle langue siro-palestinesi del II e I millenio a. c., Studi Epigrafici e linguistici Sul Vicino Oriente Antico 4 (1987) 9-44. Dothan, Moshe, A Phoenician Inscription from cAkko, IEJ 35 (1985) 81-94. Hauptmann, Andreas, Zur frühen Metallurgie des Kupfers in Fenan / Jordanien, Der Anschnitt Bh. 11, Bochum 2000. Kessler, Rainer, Silber und Gold, Gold und Silber. Zur Wertschätzung der Edelmetalle im Alten Israel, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 46-57. Rothenberg, Benno (Hg.), Researches in the Arabah 19591984, Vol. 1-2, London 2 1990. Schneider, H., Einführung in die antike Technikgeschichte, Darmstadt 1992. Yalçin, Ü. / Pulak, C. / Slotta, R. (Hg.), Das Schiff von Uluburun. Welthandel vor 3000 Jahren, Veröffentlichung aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum 138, Bochum 2005.

Ulrich Hübner / Jürgen Zangenberg

Militär 1. Organisation des Militärwesens Wie in allen nicht-staatlich organisierten Gesellschaften kämpfen auch im Israel der Frühzeit im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen alle, die dazu in der Lage sind. Die Führung übernimmt eine Person, der die Anderen dies zutrauen und der sie deshalb folgen (vgl. das Deboralied Ri 5). Mit dem Übergang zur Staatlichkeit tritt neben das allgemeine Aufgebot eine Berufstruppe. Diese übernimmt militärische Spezial-

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aufgaben (Mauererstürmung, erster Angriff; vgl. 1 Sam 11 f.; 1 Kön 20,14-20) und stellt das Offizierskorps. An der Spitze der militärischen Organisation steht der Heerführer. Die Offiziere sind nach Truppenstärke (Anführer von 1.000, 100, 50) oder Waffengattungen (Infanterie, Streitwagen) spezialisiert. Im Juda des 6. Jh. finden sich auch griechische Söldnertruppen (Arad-Ostraka). Umgekehrt verdingen sich Soldaten aus Israel wohl noch in der späten Königszeit in Ägypten und werden als militärische Garnison in Elephantine bis zum Ende des 5. Jh. mit der Sicherung der Südgrenze beauftragt. – Ab dem 8. Jh. machen Israel und Juda Erfahrungen mit dem Militär zunächst der assyrischen, dann der ägyptischen und babylonischen 3 Großmächte. Wenn Jes 9,4 mit dem akkadischen Fremdwort (se3¯on) vom (assyrischen) Soldatenstiefel spricht, der dröhnend aufstampft, zeigt das den Schrecken, den diese Heere verbreiten. Die Folge der assyrischen bzw. babylonischen Eroberung von Israel und Juda ist, dass es kein eigenes Militär mehr gibt. Dies bleibt so bis in die persische und hellenistische Epoche. Erst im 167 v. Chr. beginnenden Aufstand der Makkabäer werden Judäer wieder selbständig militärisch aktiv. In einer Art Guerrilla-Krieg, wie ihn die Makkabäer-Bücher beschreiben, gelingt es ihnen, die hochgerüsteten Heere der Seleukiden zu schlagen und eine weitgehende Selbständigkeit für Judäa zu erringen. Nach inneren Kämpfen wird Israel 63 v. Chr. den Römern tributpflichtig, behält aber zunächst seine staatliche Selbstständigkeit, seit 40 v. Chr. unter der Dynastie der Herodianer. Augustus teilt 4 v. Chr. das herodianische Königreich auf, 6 n. Chr. wird Judäa mit Idumäa und Samaria römische Provinz, während Galiläa und Peräa als herodianisches Herrschaftsgebiet (Tetrarchie) bestehen bleiben. Die kaiserliche Provinz Judäa wird von einem Statthalter mit dem Titel praefectus, später procurator verwaltet. In ihr sind bis 66 n. Chr. keine römischen Legionen stationiert, sondern Hilfstruppen, sog. Kohorten (speirai). Diese stehen an den Hauptverbindungswegen im Landesinneren (Jerusalem, Caesarea, Samaria, Askalon, Jericho und Machaeros) und

Assyrische Infanterie beim Vormarsch auf Lachisch unter Sanherib, 701 v. Chr. Palastrelief aus Ninive

sind vorrangig für die innere Sicherheit verantwortlich; eine Trennung zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben besteht nicht. Die Hilfstruppen bestehen aus Fußsoldaten, teilweise ergänzt durch Reiterei und Bogenschützen, und setzen sich entweder aus lokal ausgehobenen Soldaten, oder, als sogenannte »italische Kohorten« (vgl. Apg 10,1), aus Soldaten mit römischem Bürgerrecht zusammen. Die Herodianer rekrutieren ihre Truppen bevorzugt aus der nicht-jüdischen Bevölkerung (vgl. Mt 8,5 par) und strukturieren sie nach dem römischen Modell. Oberbefehlshaber der Truppen ist in Judäa der kaiserliche Statthalter, in Galiläa der herodianische Herrscher; chiliarchos (lat. tribunus) ist ein Befehlshaber über 1.000 Mann, hekatontarchos (lat. centurio) ein Hundertschaftsführer. Beim Prozess und der Hinrichtung Jesu werden Soldaten unter dem Oberbefehl des Pilatus tätig (Mt 27,27-37 par), nach Lk 23,6-12 findet außerdem eine Anhörung durch Herodes Antipas statt, bei der er in Begleitung von Soldaten auftritt. Die Anwesenheit des Besatzungsheers bringt für die Provinzbevölkerung vielfältige Belastungen mit sich: Einquartierung und Verpflegung der Truppen, Transportdienstleistungen und Hilfe beim Straßenbau. Seit 6 n. Chr. gibt es eine römische Militärkasse (aerarium militare), die aus der 1 %igen Warenumsatzsteuer und 5 %igen Erbschaftssteuer bestritten wird; dies reicht jedoch zum Unterhalt nicht aus. Die Provinzbevölkerung zahlt eine Kopfsteuer sowie landwirt-

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schaftliche Naturalabgaben von 10 % der Ernte. Kaiserliche Direktiven versuchen wiederholt, Missbrauch einzudämmen (z. B. Claudius, Edikt aus Tegea, 49/50 n. Chr.), offensichtlich sind die Provinzialen willkürlichen Übergriffen durch Soldaten, Offiziere und Steuereintreiber ausgesetzt. Auch fördert das Heer die 3 Prostitution. Bei der Ausbreitung des frühen Christentums im Römischen Reich kommt es immer wieder zu Konflikten und Unruhen, die ein Eingreifen städtischer oder provinzrömischer Organe nach sich ziehen. Paulus berichtet von mehrfachen Festnahmen und Körperstrafen (2 Kor 11,23 f.). Andererseits wird von Bekehrungen von Offizieren erzählt (Apg 10,7). In der Darstellung der Apostelgeschichte greift römisches Militär zugunsten des Paulus ein und rettet ihn vor seinen jüdischen Gegnern (Apg 21,31-40; 23,10); seine Gefangenschaft in Rom wird als ausgesprochen menschenfreundlich geschildert (Apg 28,16), seine Hinrichtung nicht erwähnt. 2. Militärsprache in metaphorischer Verwendung Vor allem in den Psalmen dient das aggressive Tun von Soldaten als eine der Bildquellen (neben der Jagd und dem Treiben wilder Tiere) für die Beschreibung der Feinde des Beters. Exemplarisch kann dafür Ps 59 genommen werden. Der Beter oder die Beterin bittet um Rettung vor den Feinden. Von diesen heißt es, dass sie »angreifen« (V. 4), dass sie »heranstürmen« und »sich aufstellen« (V. 5). Wie ein Belagerungsheer »umkreisen« oder »umzingeln« sie die Stadt (V. 7). Und doch ist klar, dass es sich dabei um Bilder handelt für ein aggressives und auf Vernichtung abzielendes verbales Verhalten: »Schwerter sind auf ihren Lippen« (V. 8). Wie beliebt der Vergleich verbaler mit militärischer Aggression ist, zeigt auch Jer 9, wo es von den Feinden heißt: »Sie spannen ihre Zunge wie einen Bogen« (V. 2) und »Ein tödlicher Pfeil ist ihre Zunge« (V. 7). Und natürlich hat auch die häufige Klage, dass die Feinde Beterin oder Beter »verfolgen« (Ps 7,2 u. ö.), eine militärische Konnotation.

Neutestamentlich wird vereinzelt militärische Bildersprache verwendet, um Jesu Sieg über Satan und die Dämonen (Lk 11,21) bzw. die Entschlossenheit der geforderten Nachfolge (Lk 14,32) zu verdeutlichen. Wenn es Mt 10,34 heißt, Jesus sei gekommen, das Schwert zu bringen, so ist auch dies metaphorisch zu verstehen: Das Auftreten Jesu stiftet Entzweiung zwischen den verschiedenen Generationen im Haus. In Off 6,4 hingegen steht das Schwert für Krieg und physische Gewalt. Im paulinischen Schrifttum findet sich ausgeprägte Kampf- und Rüstungs-Metaphorik zur Schilderung gläubiger Existenz (Röm 13,12; 2 Kor 6,7; 10,3 f.; 1 Thess 5,8; Eph 6,10-17). Dabei werden vor allem die defensiven Teile der soldatischen Ausrüstung (Helm, Brustpanzer, Schild, Gürtel) mit Glaube, Liebe und Hoffnung (1 Thess 5,8) bzw. mit Wahrheit, Gerechtigkeit, Glaube und Heil (Eph 6,10 ff.) verbunden. Die Lanze des Soldaten als Offensivwaffe fehlt; trotzdem ist die Metaphorik nicht rein defensiv: In 2 Kor 10,4 spricht Paulus von seiner Missionsarbeit als der Zerstörung von gegen Gott gerichteten Festungen und der Gefangenennahme von Menschen in den Gehorsam gegenüber Christus. In Eph 6 wird das Schwert als Waffe des Geistes zur Metapher für das Wort Gottes – und die gemeinhin mit Gewalttaten assoziierten Soldatenstiefel symbolisieren die Bereitschaft, für das göttliche Friedensevangelium einzutreten. 3. Gott als Krieger und Schutzburg Alter orientalischer Tradition folgend kann Gott auch in der Hebräischen Bibel als »Kriegsmann« bezeichnet (so Ex 15,3) oder geschildert werden. Ein sprechendes Beispiel ist Ps 18. Der bedrängte König ruft zu JHWH. Dieser greift zugunsten des Königs ein (V. 8-19) und zerstreut mit seinen abgeschossenen Pfeilen die Feinde (V. 15). Danach rüstet er den König aus und lehrt ihn das Kriegshandwerk, so dass er selbst die Feinde vernichten kann (V. 33-43). Überwiegend freilich wird Gott nicht als aggressiver Krieger gezeichnet, sondern mit dem Bild von Verteidigungswaffen. Der oben schon zitierte Ps 59, der die Feinde mit Militärbildern malt, preist zugleich Gott als »Burg»

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und »Zufluchtsort» (V. 10.17 f.). Insgesamt sind Bilder, die JHWH mit Abwehrwaffen in eins setzen, weitaus häufiger als diejenigen, die ihn als Angreifer darstellen. So beginnt sogar Ps 18 mit einer eindrucksvollen Reihung solche Bilder: »mein Fels, meine Fluchtburg, meine Festung, mein Schild, mein Fluchtort« (V. 3). Noch weiter gehen die Texte, die den durchaus gut gerüsteten Gott zugleich als den feiern, der den Kriegen ein Ende bereitet (Ps 46). Die Septuaginta macht sogar aus dem »Kriegsmann« von Ex 15,3 den »Herrn, der die Kriege zerschlägt«. Nach Mt 26,53 setzt auch Jesus voraus, dass Gott über riesige himmlische Heere verfügt – er bezeichnet sie mit dem römischen Begriff als Legionen –, ihr Einsatz zu seiner Rettung wird jedoch abgelehnt. Die Briefliteratur spricht durchgängig vom Gott des Friedens (Röm 15,33; 16,20; 1 Kor 13,11; Phil 4,9; 1 Thess 5,23; Hebr 13,20). Angesichts der Gewalt der römischen Weltmacht und der von ihr Abhängigen schafft Gott 3 Frieden nicht mit militärischen Mitteln, sondern durch Gewaltverzicht. In den Visionen der Offenbarung ist dieser Verzicht jedoch nur vorläufig – im eschatologischen Endkampf wird Christus siegen und so die göttliche Friedensherrschaft aufrichten. Adam, Klaus-Peter, Der Königliche Held. Die Entsprechung von kämpfendem Gott und kämpfendem König in Psalm 18, WMANT 91, Neukirchen-Vluyn 2001. Brandl, Ulrich, Frauen und römisches Militär. Beiträge eines Runden Tisches in Xanten vom 7. Bis 9. Juli 2005, BAR International Series 1759, Oxford 2008. Burckhardt, Leonhard A., Militärgeschichte der Antike, München 2008. Junge, Ehrhard, Der Wiederaufbau des Heerwesens des Reiches Juda unter Josia, BWANT 75, Stuttgart 1937. Kissel, Theodor K., Untersuchungen zur Logistik des römischen Heeres in den Provinzen des griechischen Ostens (27 v. Chr.-235 n. Chr.), in: Hans-Joachim v. Drexhage / Peter Herz / Christoph Schäfer (Hg.), Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike, Bd. VI, St. Katharinen 1995. Konrad, Michaela, Römisches Militär in den Ostprovinzen – Defensivmaßnahme oder politisches Instrument?, in: Klaus Stefan Freyberger / Agnes Henning / Henner von Hesberg (Hg.), Kulturkonflikte im Vorderen Orient an der Wende vom Hellenismus zur römischen Kaiserzeit, Rahden 2003, 237-256.

Lohfink, Norbert, Dtn 1,9-18: Gerichtsverfassung und Militär, in: ders., Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur V, SBAB 38, Stuttgart 2005, 253-272. Macky, Peter W., St. Paul’s Cosmic War Myth. A Military Version of the Gospel, New York u. a. 1998. Riede, Peter, Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen, WMANT 85, Neukirchen-Vluyn 2000. Saddington, D. B., Roman Military and Administrative Personnel in the New Testament, ANRW II.26.3, 2409-2435.

Rainer Kessler / Ulrike Wagener

Mission 1. Begriff Eine exakte Entsprechung für den im 16. Jh. von Jesuiten eingeführten Begriff der »Mission« (lat. missio, Sendung) findet sich weder im Alten Testament noch im Neuen Testament. Die Erhebung missionarischen Denkens und Handelns aus den biblischen Texten erfolgt insofern mittels eines von außen an diese herangetragenen Begriffs. Dessen Bedeutung ist – nicht zuletzt in Anbetracht der durch die Verquickung mit dem Kolonialismus bedingten negativen Assoziationen mit Hegemoniestreben, Intoleranz, Auslöschung fremder kultureller Identitäten etc. – umstritten. Zahlreiche divergente Definitionen sind in der Diskussion. Martin Goodman etwa versteht unter Mission im Kern die auf die Integration Außenstehender in die eigene Gruppe zielende proselytisierende Mission. Von dieser hebt er drei uneigentliche Formen der Mission ab, die einen solchen Anschluss gerade nicht anstreben, nämlich die nur auf die Weitergabe einer bestimmten Botschaft ausgerichtete informative Mission, die allein am Verhalten der Adressaten orientierte erzieherische Mission und die apologetische Mission, die lediglich die generelle Akzeptanz und den Schutz der eigenen Religion erreichen will. Wolfgang Reinbold beschränkt den Missionsbegriff konsequent auf die gezielte, planvoll

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organisierte Ausbreitung einer Religion unter Menschen, die dieser nicht angehören, und unterscheidet davon die so genannte Propaganda, worunter er jene sich auf der Ebene der Mikrokommunikation vollziehende Verbreitung religiöser Überzeugungen im persönlichen oder halböffentlichen Raum versteht, durch die absichtsvoll oder auch unabsichtlich Anhänger und Anhängerinnen gewonnen werden. Weitere Definitionen ließen sich anführen (Schmeller, Mission). Je nach gewählter Definition macht die Anwendung des Missionsbegriffs auf bestimmte biblische Texte mehr oder weniger Sinn. 2. Altes Testament Eine organisierte Missionstätigkeit ist dem Alten Testament fremd. In der Forschung werden jedoch verschiedentlich bestimmte alttestamentliche Aussagen und Motive als Anstoß zur Entwicklung des Missionsgedankens und als Voraussetzung der späteren christlichen Mission bewertet (Schnabel 57-93). Dies betrifft namentlich den Glauben an Gott als Schöpfer und Herrn der Geschichte, dessen universalem Anspruch auch die Völkerwelt unterstellt ist (Gen 12, 1-3; Völkersprüche), dies betrifft ferner das Motiv der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2, 2-5 / Mi 4, 1-4; Jer 3, 17; 16, 19-21; Jes 25, 6-9; 56, 6-8; 60,1-5; Zef 3, 810; Hag 2, 6-9; Sach 8, 20-23; 14, 16-19), die Rolle des Gottesknechts als Licht der Völker (Jes 42, 1.6 f.; 49, 6; vgl. 51, 4 f.), die Rede von den »Entronnenen«, die JHWH zu den Völkern sendet (Jes 66, 19-21), aber auch die Integration des »Fremdlings« (ge¯r) in das Gottesvolk (Num 15, 15 f.). Es lässt sich freilich darüber streiten, inwieweit die Assoziierung der genannten Themen und Motive mit einem wie auch immer gearteten Missionsbegriff jeweils erhellend ist. 3. Frühjudentum a) Forschung. Bis Ende der 1980er Jahre galt es weithin als gesichert, dass das Diasporajudentum in hellenistisch-römischer Zeit gezielt proselytisierende Mission unter Nichtjuden betrieb. Zahlreiche namhafte Forscher erblickten darin die eigentliche Voraussetzung der christlichen Mission

(von Harnack). Seit den 1990er Jahren erfährt diese These verstärkt Kritik und Ablehnung (Goodman). b) Befund. Aus den Quellen ist eine breite jüdische Missionsbewegung nicht stichhaltig zu erheben. Die griechischsprachige jüdische Literatur (Arist., Weish, JosAs, Sib etc.) diente kaum missionarischen Absichten, sondern der inneren Selbstvergewisserung des Diasporajudentums sowie der Korrektur kursierender Zerrbilder des Judentums. Dass die Vertreibungen von Juden aus Rom in den Jahren 139 v. Chr., 19 n. Chr. und 49 n. Chr. durch jüdische Missionsaktivitäten bedingt waren, ist nicht gesichert. Ebenso wenig weisen Bekundungen bei Horaz (Hor. sat. 1, 4,142 f.) und Juvenal (Iuv. 6, 542-544; 14, 96106) zwingend auf solche Aktivitäten (Schnabel 163 f.). Im Bericht des Josephus über die Konversion von Mitgliedern des Königshauses von Adiabene (Flav. Jos. Ant. 20, 34-48), fällt auf, dass die beteiligten Juden Ananias und Eleazar nicht explizit als Wandermissionare namhaft gemacht werden. Überhaupt ist in der antiken jüdischen Literatur kein einziger jüdischer Missionar eindeutig als solcher identifizierbar. Josephus’ Hinweise auf den beachtlichen Zulauf von Nichtjuden zum Judentum (Flav. Jos. Apion. 2,123.282284; Flav. Jos. Bell. 2, 463.560; 7, 45) dokumentieren dessen Attraktivität, nicht aber unbedingt Mission. Die Berichte über Zwangsbeschneidungen (Flav. Jos. Ant. 13, 257 f.318 f.397) lassen sich ebenso wenig als Beleg für eine Mission unter Nichtjuden auswerten wie die jeweils heiratsbedingten Beschneidungen der Könige von Emessa und Pontos (Flav. Jos. Ant. 20, 139.145 f.). Auch Röm 2,19 f. dokumentiert weniger jüdisches Missionsstreben denn das starke Selbstbewusstsein des fiktiven jüdischen Gesprächpartners gegenüber Nichtjuden. In Mt 23, 15 muss keine proselytisierende Mission unter Nichtjuden im Blick sein. Im Hintergrund mag das Bestreben von Pharisäern stehen, Juden für ihre Bewegung zu gewinnen. Den Quellen ist insofern eine gezielte proselytisierende Mission im Frühjudentum nicht zu entnehmen, was freilich jüdische Bestrebungen, Nichtjuden bei konkreten Anläs-

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sen im Sinne Goodmans informativer, erzieherischer oder apologetischer Mission für jüdische Belange einzunehmen, nicht ausschließt. 4. Frühes Christentum a) Forschung. Die traditionelle, nach wie vor geläufige Vorstellung, der zufolge die frühe Ausbreitung des Christusglaubens wesentlich auf einer gezielt durchorganisierten, proselytisierenden Mission vermittels im öffentlichen Raum predigender Wandermissionare basierte (Schnabel), wird in jüngerer Zeit problematisiert und relativiert. Ihr wird entgegengehalten, dass sich der Christusglaube maßgeblich (auch) auf informellen Wegen ausbreitete, nämlich über soziale Netzwerke, d. h. über die alltägliche Kommunikation und das lebenspraktische Zeugnis Christusgläubiger in privaten wie auch beruflichen Kontakten sowie über Loyalitätsbindungen unterschiedlichster Art (Reinbold, Stark). Danach waren es zumal jene eingangs erwähnten weichen »Missions«-faktoren wie informativer Austausch, ethische Vorbildlichkeit samt Apologetik, die im sozialen Nahraum Konversionen zum Christusglauben herbeiführten. Folgende Entwicklungen gilt es zu beachten: b) Jesus trat mit seiner Botschaft von der hereinbrechenden Basileia und seinem heilvollen Wirken in Heilungen und Exorzismen zunächst nur in Untergaliläa auf, näherhin am Nordwestufer des Sees Gennesaret. Die vermutlich bereits vorösterliche Konstituierung des Zwölferkreises (Mk 3,14; Mt 19, 28) ist als symbolischer Akt im Hinblick auf die erwartete Restitution des Gottesvolkes zu begreifen. Primärer Adressat seines Redens und Handelns war die jüdische Bevölkerung (Mt 15, 24; Röm 15, 8). Mögliche Exkursionen in die Nachbargebiete Galiläas (Mk 5, 1; 7, 24.31; 8, 27) dürften darauf ausgerichtet gewesen sein, die bedrohte Identität der im ländlichen Umfeld der hellenistischen Städte siedelnden Juden zu stabilisieren (Schmeller, Jesus). Insgesamt ist Jesu Auftreten an der Figur des Propheten zu messen, nicht aber an der des Missionars. Der so genannte Missionsbefehl Mt 28, 18-20 (vgl. mit anderen Schwerpunkten Lk 24, 22-29; Apg 1, 8;

Joh 20, 21 f.; Mk 16, 15 f.) spiegelt, wie die darin enthaltene Taufformel bekundet, bereits Verhältnisse einer späteren Zeit wider. Heftig umstritten ist, ob der Auftrag, »alle Völker« (panta ta ethne) zu Jüngern zu machen (Mt 28, 19), Israel einschließt oder nicht. Auch aus einer inklusiven Deutung lässt sich allerdings in Anbetracht der damals noch keineswegs abgeschlossenen Trennung von 3 Judentum und Christentum und der heute gänzlich anderen Rahmenbedingungen kein aktueller Auftrag zur Judenmission der Kirche ableiten. c) Hellenisten, Antiochia, Jerusalemer Konvent. Die Apostelgeschichte macht den Beginn der überregionalen, die Grenzen des Judentums überschreitenden Expansion des Evangeliums an der Vertreibung der so genannten Hellenisten aus Jerusalem (Apg 8, 1) fest. Diese wandten sich danach zunächst Samaritanern (8, 4-25), dann Proselyten (8, 26-40) und schließlich – nachdem Petrus über die Bekehrung eines Gottesfürchtigen den Weg dafür geebnet hatte (10, 1-11, 18) – den »Griechen« (11, 20) zu. Diese Darstellung folgt dem programmatischen Wort in Apg 1, 8, bindet alle Schritte an die Autorität Jerusalems zurück und ist in vielerlei Hinsicht durch lukanische Theologie geprägt. Tatsächlich dürfte sich die Ausbreitung des Christusglaubens kaum in dieser geregelten, dem Konzept heilsgeschichtlicher Kontinuität verpflichteten Form vollzogen haben. Es ist insgesamt mit einer unkoordinierten, informellen Verbreitung des Evangeliums etwa durch Jerusalempilger, internationalen Geschäftsverkehr und Sklavenhandel zu rechnen. Der Durchbruch zu einer programmatischen Ausrichtung des Evangeliums auf Nichtjuden ereignete sich nach Apg 11, 20 in Antiochia. Von der Beschneidungsforderung dürfte dabei entweder von Anfang an oder aber bald abgesehen worden sein, was zu Spannungen mit Jerusalem führte, die dann auf dem Jerusalemer Konvent zunächst weithin behoben wurden (Gal 2, 1-10; Apg 15, 129). d) Paulus gilt als die zentrale Gestalt einer organisierten frühchristlichen Mission. Durch Anspielungen auf Jes 49, 1-6 und Jer 1, 5 profiliert er

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in seiner Rückblende auf das Damaskuserlebnis in Gal 1, 15 f. sein Wirken als gottgewollte aktuelle Erfüllung der prophetischen Erwartung der Hinwendung der Völker zum Gott Israels. Wiederholt kommt er auch im Römerbrief auf seine Rolle als Völkerapostel zu sprechen (1, 5 f.; 1, 13-15; 11, 3; 15,18 f.). Nach der Apostelgeschichte missionierte er primär in Synagogen (9, 20; 13, 5.14; 14, 1 u. ö.), ferner auf dem Marktplatz (17, 16-34), in Häusern (18,7 f.; 20, 7 f.; 28, 30 f.), einem Lehrsaal (19, 9 f.) und im Gefängnis (16, 25-34). Die paulinische Mission hat sich aber wohl zumal informell im Umfeld des oikos (Röm 16, 23; Apg 18, 1-3; 1 Kor 16, 19), bei der Arbeit (1 Thess 2, 9) und selbst in Situationen wie Haft (Phil 1, 12-14) und Krankheit (Gal 4,13 f.) vollzogen. Das lukanische Bild, das Paulus zumal als Synagogenprediger und als Judenmissionar zeichnet, dürfte nur bedingt den historischen Abläufen entsprechen, spiegelt sich doch darin deutlich die lukanische Vorstellung vom generellen Verlauf der Heilsgeschichte. Aus Gal 1, 15 f.; 2, 7-9; Röm 11,13 f.; 15, 15 f. geht zumindest hervor, dass der Apostel sich primär zu Nichtjuden gerufen sah. Zu den Modalitäten der paulinischen Mission (Reinbold 182-225) gehörte das Prinzip der Pioniermission. Danach war es nicht statthaft, dort das Evangelium zu verkünden, wo Christus bereits genannt wurde, um nicht auf fremdem Fundament zu bauen (Röm 15, 20; 1 Kor 3,10; 2 Kor 10, 15 f.). Die paulinische Mission war ferner Zentrumsmission. Sie konzentrierte sich auf die Provinzhauptstädte und setzte auf das Wachstum und die Ausstrahlung der dort gegründeten Gemeinden. Sie vollzog sich überdies als Mitarbeitermission. Paulus konnte offenbar auf einen ansehnlichen Kreis von Mitarbeitern und Unterstützern (Timotheus, Titus, Silas, Apollos u. a.) zurückgreifen, zu dem auch Frauen wie u. a. Priska, Euodia, Syntyche und wohl auch Phöbe zählten (Schüssler Fiorenza 217-222). Umstritten ist, inwieweit Paulus ein eigenverantwortliches missionarisches Agieren seiner Gemeinden voraussetzte, die Gemeinden also als Subjekte missionarischen Wirkens betrachtete (Ware). Auffällig ist schließlich, dass der Apostel seine Mission ganz auf den nördli-

chen Mittelmeerraum konzentrierte, den Kernbereich der griechisch-römischen Welt respektive des römischen Imperiums. Aus römisch-imperialer Perspektive betrachtet, erschien sie dergestalt als Weltmission. e) Die spätere Ausbreitung des Christusglaubens bleibt anonym (Did 11-13) und vollzog sich wohl weithin über Kontakte im Alltag (Celsus frag. 3, 55). Goodman, Martin, Mission and Conversion. Proselytizing in the Religious History of the Roman Empire, Oxford 1994. Harnack, Adolf von, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Wiesbaden 1966 [4 1924]. Harris, William Vernon (Hg.), The Spread of Christianity in the First Four Centuries. Essays in Explanation, Leiden 2005. Reinbold, Wolfgang, Propaganda und Mission im ältesten Christentum, FRLANT 188, Göttingen 2000. Schmeller, Thomas, Jesus im Umland Galiläas, BZ NF 38 (1994), 44-66. Ders., Mission im Urchristentum. Definition – Motivation – Konkretion, ZNT 15 (2005), 2-11. Schnabel, Eckhard J., Urchristliche Mission, Wuppertal 2002. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Zu ihrem Gedächtnis … Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München / Mainz 1988. Stark, Rodney, Der Aufstieg des Christentums. Neue Erkenntnisse aus soziologischer Sicht, Weinheim 1997. Vaage, Leif E. (Hg.), Religious Rivalries in the Early Roman Empire and the Rise of Christianity, Waterloo 2006. Ware, James P., The Mission of the Church in Paul’s Letter to the Philippians in the Context of Ancient Judaism, NT.S 120, Leiden / Boston 2005.

Christian Strecker

Mündlichkeit 1. Allgemein In den antiken Kulturen spielten mündliche Kommunikation und Überlieferung eine bedeutende Rolle. Geschätzt wird, dass nur 3-15 % der Menschen in der Antike lesen und schreiben konnten (Harris), wobei der Prozentsatz je nach

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Kultur, Schichtenzugehörigkeit und Geschlecht differierte und zudem mit sehr unterschiedlichen Maßen literaler Kompetenz zu rechnen ist. Für das Palästina der römischen Zeit wird mit einer Literalitätsrate der jüdischen Bevölkerung von weniger als 3 % gerechnet, wobei extreme Unterschiede zwischen Land- und Stadtbevölkerung bestanden haben dürften (Bar-Ilan). Kulturvergleichende Studien haben gezeigt, dass es zwar keine universalen Sprachmuster mündlicher Überlieferung gibt, jedoch ErzählerInnen in mündlichen Kulturen ihre Texte mit einer Performance aufführen, die es ihnen ermöglicht, einerseits Texte ziemlich wortgetreu zu überliefern und zugleich für die jeweiligen Situationen auszuformen (Lord). Eine solche Performance ist durch die emotionale Bewegung von Vortragenden und Hörenden gekennzeichnet (Shiner). Man spricht für die hellenistisch-römische Zeit von einer rhetorischen Kultur, in der schriftliche und mündliche Überlieferung sich gegenseitig beeinflussen und ineinander übergehen (Robbins) können. Zu unterscheiden ist zwischen der »primären Mündlichkeit« oraler Kulturen und der »sekundären Mündlichkeit« literaler Kulturen. Ebenso wie mündliche Überlieferung verschriftlicht wird, kann Geschriebenes mündlich überliefert werden. 2. Altes Testament Die Erkenntnis, dass die alttestamentlichen Schriften zahlreiche auf die präliterale Phase einer primären Mündlichkeit zurückgehende Traditionen bewahren, geht auf die ältere formgeschichtliche Forschung zurück. Neben den von Hermann Gunkel postulierten »Sagen« entstammen wahrscheinlich v. a. einige poetische Texte, insbesondere Lieder, Sprichworte und Genealogien, einer strukturellen Primärmündlichkeit. Auch nach der Entstehung einer eigenständigen hebräischen Schrifttradition ab dem 9. Jh. v. Chr. bleiben weite Teile der altisraelitischen Gesellschaft jedoch illiterat. Dies spiegelt sich in alttestamentlichen Texten zur Erziehung, die sowohl im familiären (Dtn 6,7) als auch im öffentlichen Kontext (Dtn 31,9-13; Neh 8) im allgemeinen auf

einen mündlichen Unterricht bzw. das Vorlesen (siehe auch Jer 36,21) abzielen. Die bedeutende Stellung der mündlichen Lehre in der vorexilischen Zeit zeigt sich auch daran, dass die im 7. Jh. v. Chr. einsetzende Fokussierung der geistigen Kultur auf geschriebene Texte und deren theologische Qualifizierung (3 Schriftkultur) nicht unwidersprochen blieb: Jer 8,7-9 kritisiert mit dem Medium Schrift einhergehende Schreiberinterventionen und stellt dem geschriebenen Text das ursprüngliche mündliche Gotteswort (debar JHWH) als eigentlichen Maßstab gegenüber, dessen Empfang die Propheten für sich reklamieren. Der chronistische Gebrauch von debar JHWH zur Bezeichnung des geschriebenen Gesetzes (2 Chr 35,6 u. ö.) dokumentiert den Vollzug des für die Entwicklung des Judentums zentralen Übergangs von der konzeptionellen Mündlichkeit zur konzeptionellen Schriftlichkeit des Gotteswortes. Damit beginnt eine mündliche Schriftauslegung, die explizit erstmals in Qumran bezeugt ist (1 QS 6,7-8). Die Texttradierung erfolgt im Medium einer schriftgestützten Mündlichkeit und erfordert von den Schreibern das auswendige Beherrschen kulturell zentraler Texte (vgl. Spr 3,3). Neben der Tradierung von Texten entstehen aber auch paraschriftliche Überlieferungen, d. h. mündliche Nacherzählungen und Ausschmückungen der schriftlichen Tradition, die sich z. T. in der so genannten parabiblischen Literatur niederschlagen. Ab dem 2. Jh. v. Chr. wurde die Lesung der schriftlichen Texte, zunächst und insbesondere der Tora, als Bestandteil der Überlieferung fixiert, auch in Abgrenzung zu konkurrierenden Gruppen wie den Samaritanern. Wegen der damit verbundenen identitätsstiftenden Funktion des Lesens kann man dann von »lektionalen Kulturen« sprechen. Die regelmäßige öffentliche Lesung aus der Tora und anderen alttestamentlichen Schriften ist ab dem 1. Jh. n. Chr. bezeugt (Apg 13,13-15; Flav. Jos. Apion. 2,1,18). 3. Neues Testament Worte und Erzählungen von Jesus, der Auferstehung und den ersten Gemeinden werden zuerst

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mündlich überliefert (vgl. z. B. Lk 24,13 f.; Joh 4,39; vgl. 1 Tim 5,13). Damit sind die Erzählungen jeweils orts- und zeitgebundene Ereignisse. Worte und Geschichten werden einerseits weitererzählt, andererseits aber auch je nach Situation und Bedürfnissen adaptiert und verändert. Die in den Evangelien und den Apostelgeschichten festgehaltenen Fassungen sind Zwischenergebnisse dieses Überlieferungsprozesses. Auch als Evangelien und Apostelgeschichten seit dem Ende des 1. Jh. n. Chr. aufgeschrieben werden, werden die Geschichten von Jesus und den ersten AuferstehungszeugInnen mündlich weitererzählt. Eine Reihe von Texten der Evangelien, z. B. die Notizen über Thomas und Philippus im Johannesevangelium oder die Maria-MagdalenaErzählungen (Mt 28,9 f.; Joh 20,1-18 und Mk 16,911), lassen sich nur auf dem Hintergrund eines viel breiteren mündlichen Traditionsstroms erklären, der uns leider weitgehend verloren ist. Die ältere Formgeschichte (Bultmann; Dibelius) begann, die mündlichen Vorformen der in den Evangelien eingegangenen Jesusgeschichten zu rekonstruieren. Dies wird neuerdings unter Einbeziehung kulturanthropologischer Forschungen aufgegriffen und modifiziert (Wire, Hearon, Schröter, Horsley 2006a). Umstritten ist, ob die Verschriftlichung der Jesusüberlieferung eine grundlegende Neukonzeption beinhaltet und damit in Diskontinuität zur mündlichen Tradition steht (Kelber; Schröter) oder ob einige frühe Evangelien eine Verschriftlichung mündlicher Traditionen darstellen und ein Einfluss mündlicher Überlieferungsformen z. B. in der Gestaltung der Logienquelle Q, des Thomasevangeliums oder des Markusevangeliums zu entdecken ist (Horsley / Draper 1999; Horsley 2006a). Mündliche Überlieferung wird im letzteren Fall als Ausdruck der Widerstandskultur galiläischer Landbevölkerung verstanden (Horsley 2006b). Gefragt wird auch nach dem Einfluss der Überlieferungsformen und -orte (z. B. in den Mahlgemeinschaften) auf die Ausformung der Jesusüberlieferung und Christologie (Koester; Aitken). Die neutestamentlichen Texte rechnen damit, dass die meisten ihrer RezipientInnen nicht

selbst lesen. Paulus fordert die Thessalonicher auf, den Brief allen Geschwistern vorzulesen (1 Thess 5,27; vgl auch Kol 4,16). Johannes von Patmos preist nicht nur die VorleserInnen, sondern auch die HörerInnen seines Buches selig (Offb 1,3). In der Antike wird meist laut gelesen (3 Schriftkultur). Nach Apg 4,13 sind Petrus und Johannes Analphabeten (agrammatoi). Nach Joh 7,15 wundern sich die Umstehenden, dass Jesus die Buchstaben bzw. Schriften kennt, obgleich er (sie) nicht gelernt hat. Dagegen liest Jesus nach Lk 4,16-20 das Buch Jesaja vor. Im Gottesdienst in Korinth bringen alle Geschwister etwas ein, einen Psalm, eine Lehre, eine Offenbarung, Zungenrede und ihre Auslegung, aber interessanterweise keine Schriftlesung. Erst im 2. Jh. verlangt 1 Tim 4,13 vom Gemeindeleiter das Vorlesen und verweist auf die Nützlichkeit von schriftlichen Texten (2 Tim 3,14-16). Die Frage, wie sich hörende von lesenden Rezeptionen unterscheiden, wird diskutiert (Ong; Kelber; Dewey; Hearon; Horsley 2006a). In einer Kultur, in der Geschriebenes von Hand kopiert werden muss und daher anfällig ist für versehentliche und absichtliche Veränderungen, verwundert es nicht, wenn die mündliche Überlieferung hoch geschätzt wird. Von Plato (Plato Phaid. 275a-e) bis Clemens von Alexandrien (Clem. Al. strom. 1,11,1-14,4) werden vier Kritikpunkte am Medium Schrift genannt: Die Schrift fördert das Vergessen, sie lässt sich nicht befragen und sei daher tot und nicht lebendig, sie führt zu unkontrollierter Ausbreitung der Gedanken und daher zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Irenäus zitiert als Meinung einiger GnostikerInnen: Schriften »seien nicht richtig, auch nicht zuverlässig und vielfältig auszulegen, so dass niemand aus ihnen die Wahrheit finden könnte, der die Überlieferung nicht kenne. Denn nicht durch Schriften werde sie überliefert, sondern durch die lebendige Stimme.« (Iren. haer. 3,2,1). Mündliche Überlieferung »mit lebendiger Stimme« wird im 2. Jh. von Papias (Eus. h.e. 3,39,3 f.) und von 2 Joh 12; 3 Joh 14 bevorzugt. Der 2 Thess rechnet mit dem Umlauf mündlicher Paulusworte (2 Tim 2,2.15).

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Mündlichkeit

Obgleich Paulus der älteste Autor der im Neuen Testament versammelten Schriften ist, findet sich gerade bei ihm die deutlichste Schriftkritik: »Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig« (2 Kor 3,6; vgl. auch Röm 2,29; 7,6). Schrift ist für Paulus ein ausschließendes und damit elitäres Medium, das in seiner Verbreitung gehemmt, der universalen mündlichen Predigt unterlegen ist (vgl. Röm 10,5-14). Das Evangelium ist für Paulus kein festgeschriebener Text, sondern eine Aktion der Gerechtigkeit Gottes (Kelber). Auffälligerweise reden bei Paulus Mose und die Propheten (Röm 9,24.27; 10,19-21 u. ö.), die Gemeinden verkündigen das Gotteswort in alle Welt (1 Thess 1,8; Röm 1,8) und der Glaube kommt aus dem Hören (Röm 10,17). Achtemeier, Paul J., Omne Verbum Sonat: The New Testament and the Oral Environment of Late Western Antiquity, JBL 109 (1990), 3-27. Aitken, Ellen B., Jesus’ Death in Early Christian Memory. The Poetics of the Passion, NTOA / SUNT 53, Göttingen / Freiburg 2004. Alexander, Loveday, The Living Voice: Scepticism Towards the Written Word in Early Christian and in Graeco-Roman Texts, in: David J. A. Clines / Stephen E. Fowl / Stanley E. Porter (Hg.), The Bible in Three Dimensions, Essays in Celebration of Forty Years of Biblical Studies in the University of Sheffield, JSOT.S 87, Sheffield 1990, 221-247. Alexander, Philip S., Orality in Pharisaic-Rabbinic Judaism at the Turn of Eras, in: Henry Wansbrough (Hg.), Jesus and the Oral Gospel Tradition, JSNT.S 64, Sheffield 1991, 159-184. Bar-Ilan, Meir, Illiteracy in the Land of Israel in the First Centuries, in: Simcha Fishbane / Stuart Schoenfeld (Hg.), Essays in the Social Scientific Study of Judaism and Jewish Society Bd. 2, New York 1992, 46-61. Bultmann, Rudolf, Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 9 1970. Dewey, Johanna / Malbon, Elizabeth Struthers (Hg.), Orality and Textuality in Early Christian Literature, Semeia 65, Atlanta 1995, 37-65. Dibelius, Martin, Die Formgeschichte des Evangeliums (1933), Tübingen 4 1961. Harris, William V., Ancient Literacy, Cambridge / London 1989. Hearon, Holly E., The Mary Magdalene Tradition. Witness and counter-witness in Early Christian Communities, Collegeville 2004.

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Stefan Schorch / Angela Standhartinger

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Musik

Musik 1. Allgemein Musik ist nach biblischer Überlieferung eine der frühesten Erfindungen der Menschheit: Jubal, ein Sohn von Lamech, gilt als Ursprung aller Zither- und Flötenspieler (Gen 4, 21). Neben seiner Schwester Naama erfanden seine beiden Brüder das Pastoralnomadentum und die Waffenherstellung. Unabhängig von diesem Text ist Musik älter als Sprache. Lautäußerungen der Vögel und Säugetiere dienen dem Anlocken potentieller Fortpflanzungspartner oder dem Abschrecken potentieller Konkurrenten oder Feinde. Da das primäre Musikinstrument der eigene 3 Körper ist (Stimme, Händeklatschen, Füßestampfen), wird irgendeine Art von Musik die menschliche Spezies von Anfang ihrer Evolution an begleitet haben. Darstellungen / Funde von Musikinstrumenten gehen in Altisrael / Palästina ins 12. Jt. v. Chr. zurück. Entsprechend ist Musik seit jeher dezentral, d. h. unterschiedlich in verschiedenen Zeiten, Orten, gesellschaftlichen Schichten und den ökonomischen Möglichkeiten der Durchführungstechnik und -materialien. Zu aller Vielfalt kommen erstaunliche Kontinuitäten, besonders in Form und Material von Musikinstrumenten. Bedauert wird, wer Musik (wegen Altersgehörverlust) nicht mehr hören kann (2 Sam 19, 36; Koh 12, 4) – weshalb auf ägyptischen Reliefs durch feindlichen Mutwill SängerInnen und MusikerInnen Finger und Mund verstümmelt wurden, um den Toten Musik vorzuenthalten (Hickmann). Man soll die Musik nicht stören (Sir 32, 5). 2. Melodien Über die Melodien antiker Lieder wissen wir so gut wie gar nichts. Rückschlüsse von gegenwärtigen Liedern in Synagogen und Kirchen bleiben hypothetisch. Im Alten Testament werden einige Melodien nach den Liedtexten zitiert, mit denen sie bekannt geworden sind (z. B. Ps 22, 1 »Nach der Weise ›Hindin der Mörgenröte‹«). In den Psalmüberschriften gibt es zahlreiche Anweisun-

gen auf ihre musikalische Umsetzung, ihre Bedeutung ist aber weitgehend unbekannt. Gleiches trifft auch auf das häufige »Sela« zu, das Psalmtexte unterbricht. Schon die Septuaginta hat sich eher einen Reim auf die Melodie- und Instrumentenbezeichnung gemacht, als sie zu kennen. Im masoretischen Text sind die Akzente und Vokale auf den hebräischen Buchstaben, die prosodische Funktion haben, mit melodischen Usi verbunden worden, so dass jeder hebräische Text des Alten Testaments auch gesungen bzw. zumindest melodiös vorgetragen werden kann. Gesang scheint im Neuen Testament geheimnisvoll zu sein, jedenfalls wird in Offb 14, 3 das Kennen des neuen Liedes zu einem Kriterium der Erlösung; es wird keinen Gesang und keine Instrumentalmusik mehr in Babylon geben (Offb 18, 22), allerdings wird derlei für das Himmlische Jerusalem auch nicht erwähnt. 3. Liedtexte Liedtexte gehören zu den ältesten Texten der Bibel überhaupt. Hierzu zählen vor allem von Frauen gesungene Siegeslieder wie das Mirjamlied (Ex 15, 20) und das Deboralied (Ri 5*). Das Lamechlied (Gen 4, 23) gehört zu den so genannten (männlichen) Prahlliedern. Alle poetischen Texte können auch als gesungen vorgestellt werden. So wird die so genannte Gnadenformel von Ex 34, 6b-7 in Esr 3,11 zur Grundsteinlegung des Tempels gesungen; und wird an einigen Stellen des Alten Testaments zitiert (vgl. Num 14, 18; Ps 86, 15; 103, 8). Liedtexte dienten der Übermittlung ihrer Inhalte, deshalb gibt es so genannte Geschichtspsalmen (Ps 78; 105; 106) oder das Lied des Mose (Dtn 31,19-22.30; 32, bes. 32, 46); die Tora ist wie ein Lied (Ps 119, 54; vgl. Eph 5,19; Kol 3, 16). Dabei sind Liedsammlungen im Alten Orient und so auch im Alten Testament wohlüberlegte literarische Kompilationen, die traditionelles Material nicht nur selektieren und arrangieren, sondern oft auch ergänzen und fortschreiben. Das gilt wohl schon für das »Buch des Aufrechten«, einer höfischen Sammlung von Liedern aus dem 10. und 9. Jh., die in Jos 10,13; 2 Sam 1, 18; 1 Kön 8, 13 der Septuaginta erwähnt ist. Das Hohelied

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bildet in Form einer Anthologie eine weisheitliche Abhandlung über die Liebe; Klagelieder ist eine theologische Komposition, die die Zerstörung Jerusalems besingt, und der Psalter ist ein Gebetbuch, obgleich der Gesang diese Sammlungen wohl schon zu alttestamentlichen Zeiten begleitet hat. 4. Instrumente Im antiken Israel standen neben der menschlichen Stimme Schlag- bzw. Rhythmus-Instrumente zur Verfügung, zur Melodie-Führung Blas- und Zupf-Instrumente. Dabei gibt es große lokale Unterschiede und Wandlungen im Verlauf der Zeit. Wenig ist unumstritten. Auch die antiken Autoren sind nicht verlässlich, so überliefert Josephus (Flav. Jos. Ant. VII,12, 3), das Kinnor sei wahrscheinlich mit Stäbchen geschlagen worden; sicher ist das aber nicht. Schiere Massenprodukte in der Levante sind eisenzeitliche Terrakotten, die Trommlerinnen darstellen (Abb. 1). Die Musik-Instrumente waren vielfältig. Hervorzuheben sind: Der ha¯lı¯l (1 Kön 1, 40 u. ö.), eine Doppelflöte, die vor allem bei freudigen Festen außerhalb des Tempels Verwendung fand, und der 2¯uga¯v, der als Längsflöte vorgestellt werden kann; sie diente über lange Zeit zur Klage. Wichtig ist der Unterschied zwischen dem nevæl, einem Zupfinstrument mit einem Ledersack als Resonanzkörper, und dem kinno¯r, einer Leier, die mit einem Plektron gespielt wurde (Braun). Verschiedene Musikinstrumente sind erwähnt in 1 Kor 14, 7 f.; Mt 9, 23. 5. Tanz Archäologische und ikonographische Forschung hat gezeigt, dass der Tanz häufig durch Rasseln oder Glöckchen an verschiedenen Körperteilen der Tanzenden unterstützt wurde (vgl. auch 2 Sam 6, 5). Für das antike Ägypten gibt es Belege für ein differenziertes Tanzrepertoire (BrunnerTraut). Es gab (auch terminologisch) Geschlechtertrennung; textlich und ikonographisch sind Reigen von Frauen überliefert (Ri 21, 21), Prozessionen (Ps 68, 26) und Solotänze (2 Sam 6, 20 ff.; Spr 8, 30 f.). Die ältesten ikonographischen Belege

Abb. 1: Frau mit Rahmentrommel. Terrakottafigur, ca. 450 v. Chr.

aus Altisrael / Palästina stammen von Siegelabdrücken aus der Frühbronzezeit. Ekstatischer Tanz wird in biblischen Schriften stets negativ gesehen (1 Kön 18, 26 ff.; Ps 107, 27). Anders scheint das in 2 Sam 6 zu sein, hier wird Davids religiöser Überschwang den gesellschaftlichen Ressentiments in den Worten seiner Frau Michal gegenüber gestellt. Auch die Weisheit tanzt vor JHWH (Spr 8, 30 f.). Sowohl in 2 Sam 6; Spr 8, 30 f. als auch auf den vielen ikonographisch belegten Darstellungen hat Tanz eine massive erotische Bedeutung, verbunden mit der damit repräsentierten Einladung zum Koitus als Animation für das Kommen des Herbstregens während der Neujahrsfestlichkeiten (Keel 1996). Im Neuen Testament kommt Tanz nur an wenigen Stellen im Zusammenhang mit Festen vor (Mk 6, 22 par; Lk 15, 25; s. noch Lk 7, 32). 6. Funktionen / Verwendungsbereiche Im alten Orient wie im alten Israel dient Musik zur Begleitung (und Verschönerung) von Arbeit, Fest, Krieg und Kult; Musik um ihrer selbst willen existierte nicht. a) Arbeit (3 Arbeit / Lohnarbeit). Bei ihrer Arbeit spielen Hirtinnen Flöte (Ri 5,16), zur Ernte (3 Saat / Ernte) wird gesungen (Jes 9, 3; 16, 9; Ps 65,14). Außer zur Emotionsabfuhr bzw. zum Emotionsaufbau und der Rhythmisierung me-

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chanischer Arbeitsprozesse dient Musik hier auch zur Markierung von Territorialität bzw Präsenz. Das bekannteste biblische Lied im Zusammenhang mit möglicher Arbeit ist Ps 137. Es scheint Baulieder gegeben zu haben, z. B. in Num 21, 27 oder im Brunnenlied (Num 21, 17 f.). Auch die Aufseher haben Musik gespielt (2 Chr 34, 12). Gerade Musik bei der Arbeit sowie womöglich einzelne Lieder dürften eine hohe Konstanz über die Jahrhunderte gehabt haben. b) 3 Feste und Königshöfe. Zu Festen und Feiern gehören Gesang, Tanz und Musik. Das sind z. B. Hochzeit (Ps 45, 9; 1 Makk 9, 39), Leichenbegängnis mit Klageliedern (hebr. qı¯no¯t) von Klagefrauen (mit Flötenbegleitung Jer 48, 36), Gelage (Jes 5, 12; Hi 21, 12; Sir 32, 5 f.; Am 6, 5) oder Freudenfeste (Lk 15, 25). Auch wenn man »bei Hofe« und unter den »oberen Zehntausend« mehr Musik »zur Unterhaltung« konsumiert (weil man sie sich leisten kann), hat sie dann als Statussymbol doch zugleich herrschafts-kommunizierende und -erhaltende Funktion. Und wenn ein Sänger / eine Sängerin vor Königen und Prinzen (Ri 5, 3) von vergangenen großen Taten des eigenen Stammes- und Kriegsgottes singt, wird zugleich das kollektive Gedächtnis und damit der Gruppenzusammenhalt gepflegt. Das Verstummen von Musik (Jer 25, 10; Offb 18, 22) oder ihr Verwandeln in Klage (Am 8, 10; Jes 43, 14) ist Zeichen der allumfassenden Zerstörung durch Krieg; Musik gehört zur Beschreibung des wiedererbauten Jerusalem (Jes 26, 1; 30, 29; 51, 3; anders Offb 21 f.). c) Krieg (3 Friede / Krieg). Ohne Beteiligung der Gottheit war Krieg im alten Orient und im alten Israel nicht möglich. Im Krieg dienen Prahl- (vgl. Gen 4, 23 f.) und Spottlieder (vgl. Jes 14, 4; 37, 22) zur Anstachelung der Krieger, nicht nur unmittelbar vor dem Kampf, sondern besonders wenn von den zurückbleibenden Frauen den Ausziehenden zugesungen, und ganz besonders wenn darin die Leistungen einiger »Helden« explizit miteinander verglichen werden (1 Sam 18, 7 f.; 21, 11; 29, 5). Widderhörner, später Trompeten, dienen der Signalübermittlung (Ri 3, 27; 1 Makk 4, 13 f.; 6, 33). Die literarische (und traditi-

onsgeschichtliche) Schichtung in Jos 6 zeigt, wie das »Kriegsgebrüll« der Grundschicht um das Schofar-Blasen der priesterlichen Ergänzungsschicht erweitert wurde. Auf dem Höhepunkt des Kampfes kann plötzliche und starke Lärmentfaltung schlachtentscheidend sein (Jos 6; 2 Chr 20) oder den Beistand der Gottheit erbitten (Num 10, 9; 31, 6). Das geht in 2 Chr 20 sogar so weit, dass durch den Lobgesang Gottes durch die Menschen auf dem Schlachtfeld JHWH die Schlacht allein siegreich führt, Lobgesang über den Sieg ist die Folge (2 Chr 20, 26.28). Gesang und Reigentänze zur Trommelbegleitung insbesondere von Frauen feiern den Sieg (Ex 15, 20; Ri 11, 34; eschatologisch Jer 31, 4); im jetzigen literarischen Kontext ist auch das kleine rhapsodische Epos Ri 5* zu einem (von einer Frau und einem Mann im Duett gesungenen) Siegeslied geworden. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, und Heldenlieder über die Großen der Vergangenheit dienten zur Einübung und dem Memorieren der Bewegungsabfolge beim Bogenschießen (2 Sam 1, 17). Der eschatologische Tag JHWHs geht stets mit Lärm einher (Zef 1, 16; Joel 2, 1), ähnlich das apokalyptische Ende der Welt (Mt 24, 31 par; Offb 8, 6-10 u. ö.) und die Auferstehung der Toten (1 Kor 15, 52; 1 Thess 4, 16; anders Ez 37, 5.7.10.14: rauschender Atem). d) Kult und Prozessionen (3 Wallfahrt). Im Kult hat die Musik ähnliche Funktionen wie im Krieg: sie leitet ein und aus, strukturiert standardisierte Abläufe (Liturgien wie Manöver), begleitet individuelle und chorische Gesänge, markiert Höhepunkte oder den Einsatz kollektiv auszuführender Handlungen (Dan 3, 5-15; 1 Kor 14,15.26). So ist biblisch Musik am Ersten Tempel belegt (Am 5, 23) sowie die Freude am Fest für das Goldene Kalb als Inkarnation des Gottes, der Israel aus Ägypten befreite (Ex 32, 17-19). Auch Wallfahrten wurden von Musik und Gesang begleitet (Jes 30, 39), ebenso wie Prozessionen (Ps 68, 26). Die Einweihung der Stadtmauer von Jerusalem wurde zu einem kultisch-festlichen Akt (Neh 12, 27.35 f.). Schofar- oder Trompetenblasen markiert den Eintritt spezieller Zeiten wie Sabbat

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Musik

(s. die hebräische Inschrift vom Zweiten Tempel in Jerusalem: »[Platz] des Trompetenblasens am Sabbat« oder Rosch haschana [Neujahr]). In der Fiktion des Stiftszelt-Kults trägt der Hohepriester Glöckchen am Gewandsaum, damit er beim Einund Austritt aus dem Heiligtum nicht stirbt (Ex 28, 35 vgl. dazu Flav. Jos. Ant. III,7, 4 und 7, 7). Alle Instrumentgattungen, dazu Musik und Tanz, vereinigen sich im eschatologischen Lobpreis der Erlösten (Ps 150). e) Therapie (3 Krankheit / Heilung). In den Samuelbüchern soll die Musik (Davids) heilende Wirkung auf den depressiven König Saul haben, ist aber nicht unbedingt erfolgreich (1 Sam 16, 1423; 18, 10; 19, 9), ähnlich Spr 25, 20; Sir 22, 6. Propheten versetzen sich mit Musikhören (2 Kön 3, 15) oder Musikmachen (1 Sam 10, 5; 1 Chr 25, 12) in Ekstase bzw. in die Stimmung für numinose Erlebnisse. Klagegesang kann ebenfalls therapeutische Funktion haben, Musik hat zuweilen apotropäische Funktion. Die Wirkung von Musik auf die Stimmung bzw. das Hervorrufen einer Reaktion ist in Lk 7, 32 beschrieben. 7. Professionalisierungen Schon in der Tribalgesellschaft gab es (semi-) professionelle MusikantInnen, die den Status von ge¯rı¯m hatten (persönlich freie Menschen ohne Grundbesitz und Stimmrecht in der Stammesversammlung). Umgekehrt gehört es zum Ideal der höfisch-kriegerischen Gesellschaft der (früh-)staatlichen Zeit, dass ein junger Aspirant auf höheren Rang nicht nur kämpfen, sondern auch singen und musizieren kann, seine Vorgesetzen und Kameraden liebt und darüber auch hörenswerte Gedichte / Lieder zustande bringt (vgl. 2 Sam 1, 17-27). Berufsmusiker am Königshof sind biblisch (2 Sam 19, 36; 1 Kön 10, 12) wie auch annalistisch und ikonographisch belegt (Sanherib-Annalen, s. TUAT 1, 390 und SanheribReliefs, s. Keel, 325 Abb. 470). Eine regelrechte Gilde von Tempelsängern und -sängerinnen wird in Esr 2; Neh 7; 12; 2 Chr 35, 25 u. ö. unter den »Rückkehrenden« aus Babylonien erwähnt. Unter den Tempelsängern am Zweiten Tempel gab es professionelle Musiker und Musik-

Abb. 2: Klagefrauen mit entblößten Brüsten. Relief vom Sarg des Königs Ahiram von Byblos, 12. Jh. v. Chr.

meister (Ps 5,1); es ist allerdings noch nicht gelungen, Kompositionen der im Traktat Qubbah, Sektion Avshi des Jerusalemer Talmuds namentlich erwähnten levitischen Tempelmusiker Yohanan Hodi ben Nachal und Pinchas Shlomi ben Riv zu identifizieren. Totenklage war in der gesamten Levante stark ritualisiert, und das Singen der Klagefrauen fester Bestandteil einer Totenfeier, in Ägypten gab es sogar Berufsklagefrauen (LÄ III, Sp. 444-447). Diese Sitten sind vornehmlich ikonographisch belegt (Schroer; s. Abb. 2), in die Texte gelangte dies nur selten (Jer 9, 16-18; 1 Sam 1, 24); geschlechterübergreifende Trauer ist in 2 Chr 35, 25 ausgedrückt. Die Gattung der Klagelieder wird von männlichen Propheten aufgenommen und für ihre jeweilige Aussageabsicht eingesetzt (Ez 26, 17; Am 5, 1; Mt 11, 17 par; s. auch David 1 Sam 1, 17-27; 3, 33 f.). Zeremonielle Trauerrituale von Frauen finden sich in Ri 11, 37-40 und Ez 8, 14 f. PsalmendichterInnen können professionelle Gruppen gewesen sein, so wohl die Nachkommen Korachs und »Asaph«. David, Salomo und Mose als Verfasser der biblischen Psalmen sind nachträgliche Zuschreibungen von Texten, in denen sich der zugeschriebene Psalm und die Biographie seines »Verfassers« gegenseitig interpretieren. Allgemeiner können Lieder auch Werbefunktion haben (Jer 23, 16). Braun, Joachim, Die Musikkultur Altisraels-Palästinas. Studien zu archäologischen, schriftlichen und vergleichenden Quellen, OBO 164, Freiburg (CH) 1999. Brunner-Traut, Emma, Der Tanz im Alten Ägypten. Nach

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Ulrike Sals

Mutter 1. Mutterschaft im Alten Orient Die biblische Urmutter Eva trägt im Hebräischen den Namen hawwa¯h »Lebendige«, der als »Mutter ˙ alles Lebendigen« gedeutet wird (Gen 3, 20). In Gen 4, 1 sagt Eva, sie habe zusammen mit JHWH einen Mann, Kain, gezeugt. Mythologisch betrachtet erinnern diese Verse an Muttergöttinnen, die nach dem Zusammensein mit einem Schöpfergott die Schöpfung aus sich heraus gebären. Auch wenn Eva in Gen 2-3 als eine von

Gott erschaffene Frau erscheint, dokumentiert sie doch die enge Verbindung von Frau und Göttin. Die reproduktive Fähigkeit der Frau, ihre lebensspendende Potenz wurde im Alten Orient vielfach in Text und Bild dokumentiert. Dass Sexualität, Schwangerschaft und Geburt herausragende Themen im Leben von Frauen sind, zeigen die zahlreichen nackten, schwangeren und stillenden Figurinen und Idole, die Frauen und Göttinnen darstellen (Keel / Schroer). Der Uterus wird seit Beginn des 2. Jahrtausends in Form eines W-Zeichens abgebildet. Es begegnet auf mittelbronzezeitlichen Siegelamuletten in Palästina, die wohl verstorbenen Kindern mitgegeben wurden (Keel / Schroer 31.59-61). Der hebräische Begriff für Mutterschoß, ræhæm, ist wurzelver˙ wandt mit rahamı¯m »Mitgefühl«, eine Emotion, ˙ die auch auf JHWH übertragen wird (s. u.). Die Einheit von Mutter und Kind (vgl. Ps 131, 2) ist seit dem Neolithikum gelegentlich als Ikon bezeugt, seit der Mitte des 3. Jt. v. Chr. in Form eines säugenden Muttertieres, ein Motiv, das auf einem Elfenbein (8. Jh. v. Chr.) und einer Münze aus Samaria (4. Jh. v. Chr.) belegt ist. Die in Juda zahlreich in Privathäusern gefundenen Pfeilerfigurinen aus dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. präsentieren ihre Brüste, ein Gestus, der nährende und erotische Fülle und Segen ausdrückt (Keel / Schroer 28.184). Auch im Alten Testament konnotieren Brüste Segen (Gen 49, 25), Nahrung (Hi 3,12; Ps 22, 10; Hld 8, 1) und Erotik (Hld 4, 5; 7, 8-9; 8, 10). Im 1. Jt. verbreitet sich das Bild der Göttin Isis, die den Horusknaben stillt, im ganzen Mittelmeerraum. Es ist in persischer Zeit neben Statuetten einer Schwangeren zahlreich auf Skarabäen und Amuletten, die z. T. auch in Palästina gefunden wurden, vertreten. Skarabäen und Amulette sind weniger Schmuck als gefahrabweisend, das Bild der stillenden Göttin symbolisiert den Segen und Bewahrung von Mutter und Kind. Die Gefahren der Geburt für das Leben der Mutter (Gen 35, 16-18; 2 Sam 4, 20) und eine vermutlich hohe Sterblichkeit von Neugeborenen und Kindern (1 Kön 3, 19; 2 Kön 4, 20; Jes 65, 20) fließen in alttestamentliche Erzählungen ein. Skelettfunde bestätigen den frühen Tod von Frauen

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Mutter

und eine hohe Kindersterblichkeit (Brenner 65 f.). 2. Gesellschaftliche Bedeutung Die Bedeutung der Mütter für den Erhalt des Volkes spiegelt sich in alttestamentlichen Texten von den Erzelternerzählungen bis zu den Auseinandersetzungen um die Mischehen in Esra / Nehemia. Sie wird unterstrichen durch Erzählungen, in denen Mütter sich aktiv zugunsten eines Sohnes einsetzen und gegen die Macht des Vaters dessen Karriere befördern wie Rebekka (Gen 27) und Batseba (1 Kön 1-2). Einige Texte reflektieren die Tragik der Mutter, die ihre Kinder verloren hat wie Rizpa (2 Sam 21, 10), Rahel als Symbol für Nordisrael (Jer 31,15) und Jerusalem (Klgl 1, 20). Andere thematisieren die Verzweiflung kinderloser Frauen wie Tamar (Gen 38) und Hanna (1 Sam 1-2) und ihre Anstrengungen, doch noch zu Nachwuchs zu kommen. Geburtsankündigung an die Mütter oder Väter durch Engel betonen schon vorab die Bedeutung ihrer Söhne, so bei Hagar und Ismael (Gen 16, 11-12), Abraham und Isaak (Gen 17, 19), der Frau des Manoach und Simson (Ri 13, 2-8), Zacharias und Johannes (Lk 1, 11-17), Josef und Jesus (Mt 1, 18-23 par. Lk). Im Gebot der Elternehrung (Ex 20, 12; Dtn 5, 16), das auf die materielle Versorgung und Würdigung der Eltern im Alter zielt, ist die Mutter ausdrücklich neben dem Vater genannt. In Spr 1, 8; 6, 20 wird ihre Rolle als Erzieherin und Ratgeberin hervorgehoben. Zwar sind Rituale und Gebete um Schwangerschaft und Geburt im Alten Testament nicht überliefert, die Bedeutung der Geburt spiegelt sich jedoch in Texten, die Geburtsmetaphorik verwenden. So kündigen Heilsweissagungen mit Hilfe des Geburtsmotivs Rettung (Jes 7,14-16) oder neues Leben im Land (Jes 49, 20-22; 54,1) an. Außerdem begegnet das Motiv der gebärenden, zwischen Leben und Tod schwebenden Frau in prophetischen Unheilsweissagungen, um Angst und Bedrohung auszudrücken (Jes 13, 8; Jer 6, 24; 30, 5-7; Mi 4, 9-10). Probleme bei der Geburt symbolisieren eine Notzeit (2 Kön 19, 3; Jes 26,17-18; Hos 9,13) oder das Unvermögen des Vol-

Mutter Erde als die große Gebärerin. Mesopotamisches Tonrelief, Larsa-Zeit (ca. 1960-1860)

kes (Hos 13, 13). Paulus spricht davon, dass er die Gemeinden in Galatien erneut unter Wehen gebäre, ein Bild für den theologischen Konflikt und die Unwilligkeit der Gläubigen in Galatien, Paulus zu folgen (Gal 4, 19). Gebärende Frauen kommen im Neuen Testament nur an wenigen Stellen vor. Die bis dahin unfruchtbare Elisabet (3 Fruchtbarkeit) gebiert in hohem Alter Johannes (Lk 1, 24; vgl. 1 Sam 1-2), Maria gebiert Jesus (Lk 2, 7) ohne dass die Geburt selbst geschildert wird. Jesu Geburt bedeutet Heil für die Menschen (Lk 2,11), während die schwere Geburt eines Kindes durch eine himmlische Gestalt innerhalb des apokalyptischen Geschehens zunächst Unheil und Kampf bedeutet (Offb 12, 27). Die Erwartung eines nahen apokalyptischen Geschehens lässt die Bedeutung von 3 Familie und Fortpflanzung in den frühen Traditionen des Neuen Testaments zurücktreten (Lk 23, 29; 1 Kor 7, 29-31). Die erste Erwähnung der Maria als Mutter Jesu in Mk 6, 4 ist bemerkenswert insofern, als hier eine Abstammung Jesu von der Mutter konstatiert wird (Kitzberger). Jedoch wird keine besondere Rolle gegenüber Jesus sichtbar. In Mk 3, 31 stellt Jesus seiner Mutter und seinen Brüdern Menschen, die den Willen Gottes tun, als wahre Familie gegenüber. Die Entzweiung der Familie, der Tochter von der Mutter (Mt

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10, 35) spiegelt die Erfahrung der ersten JesusanhängerInnen. Das Zitat Mi 7, 6 in diesem Zusammenhang kennzeichnet die gesellschaftliche Erfahrung des Zerbrechens von solidarisch-ökonomischen Familienstrukturen (3 Verwandtschaft) als Endzeiterfahrung. In den frühen christlichen Gemeinschaften bilden sich familiäre Ersatzstrukturen, in welchen auch die Mutterrolle ausgefüllt wird (Mk 10, 30). Metaphorisch kann auch vom himmlischen Jerusalem als Mutter der Gemeinde gesprochen werden (Gal 4, 26). Erst in späteren Texten setzen sich neutestamentliche Autoren mit dem Verhältnis von Eltern und Kindern auseinander (Kol 3, 20-21; Eph 6,1-4). Der Gehorsam der Kinder wird gegenüber den Eltern gefordert, während nur die Väter zum rechten Umgang mit den Kindern ermahnt werden. Eph 6, 2 bezieht sich explizit auf Dtn 5, 16. Zur Mutterschaft aufgefordert werden die Frauen der christlichen Gemeinden in 1 Tim 2, 15; 5,14. Dies deutet darauf hin, dass auch andere Lebensentwürfe möglich waren und gelebt wurden (3 Familie; 3 Witwe). 3. Mutter des Königs Der hebräische Begriff gebı¯ra¯h »Gebieterin« bezeichnet eine politische Rolle der Mutter des Königs als Mitregentin (Jer 13, 18; 29, 2), die im Falle seines vorzeitigen Todes die Thronfolge gewährleisten soll. Im Alten Testament werden neben Bathsheba die Namen der Mütter von drei israelitischen und 17 judäischen Königen genannt, aber nur die Judäerinnen Atalja, die Mutter Ahasjas, und Maacha, die Mutter Asas, mit dem Titel gebı¯ra¯h bezeichnet. Atalja regiert nach dem Tod ihres Sohnes, wird aber in einer Palastrevolte getötet (2 Kön 11). Maacha wird aus ihrer Stellung entfernt, weil sie die Göttin Aschera verehrt (1 Kön 15,13). Batscheba setzt sich für ihren Sohn Salomo als Thronfolger ein und erscheint in 1 Kön 2,19 als Mitregentin. Der gewaltsame Tod Isebels durch Jehu (2 Kön 9, 30-35) verweist auf eine noch einflußreiche Position Isebels zur Regierungszeit ihres Sohnes. Herkunft und Deutung der gebı¯ra¯h-Position sind umstritten: Die Namensnennung in den Königsnotizen und Hin-

weise auf die (Mit-)regentschaft verweisen eher auf ein offizielles Amt wie bei den Hetitern (Donner) als auf die persönliche Machtentfaltung einzelner Frauen (Ben-Barak). 4. Gott als Mutter Da der biblische Monotheismus eine Muttergöttin ausschließt, muss er die Rolle der Mutter in die Gottesmetaphorik aufnehmen (Jes 42,14; 46, 3 f.; 49, 15, vgl. Schüngel-Straumann 1998). In der Heilsweissagung Jes 66,10-13 wird die Mutterrolle JHWHs durch Jerusalem vermittelt, das die Heimkehrenden aufnimmt und ernährt. In Hos 11, 1-4 sind »väterliche« und »mütterliche« Züge kaum voneinander zu unterscheiden (3 Vater); ebensowenig dort, wo von Gottes Erbarmen die Rede ist (Ps 16, 7-11; 25, 6; 40, 12; 103, 4). Das im Alten Testament häufige Motiv der schützenden Adlerflügel (Ex 19, 4; Dtn 32, 11; Ps 57, 2) ist eine Fehlübersetzung der hebräischen Bezeichnung für Geierflügel, die auf die im Alten Orient bekannte Geiergöttin verweisen (Schroer). Im Neuen Testament vergleicht Gott sich mit einer Henne, die ihre Küken unter ihren Flügeln versammelt (Mt 23, 37 par Lk 13, 34). 5. Mutterschaft und Misogynie Die Aufforderung an die Frauen, Kinder zu gebären und so selig zu werden (1 Tim 2, 15) geht einher mit der Abwertung der Frau gegenüber dem Mann. Kontext ist das Lehren der Frauen in der Gemeinde in der Mitte des 2. Jh. Frauen sollen nicht lehren und nicht ihre Ehemänner beherrschen. Diese Rangordnung wird mit der Ersterschaffung Adams und der Erstverführung Evas begründet. Dem Autor der Pastoralbriefe geht es darum, das asketisch gelebte Witwenamt zu bekämpfen und die Rolle der Christinnen primär an der Reproduktionsfunktion zu orientieren. Deutlich ist hier aber, dass es zur Zeit der Entstehung der Pastoralbriefe Frauen gab, die im Rahmen des Witwenamtes eine lehrende Funktion innerhalb der Gemeinde inne hatten (Wagener 107-108). Solche misogynen Deutungen von Gen 3 finden sich in 2 Kor 11, 3 und in hellenistischfrühjüdischen Traditionen (Sir 25, 24; Jub 2, 5.8;

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20-25; ApkMos 7-11; VitAd 3; vgl. Schüngel-Straumann 1997, 25-59). Im Neuen Testament wird jedoch auch die Tradition der besonderen Schuld Adams aufgegriffen, die sich außerbiblisch nachweisen lässt (Röm 5, 12-14; 1 Kor 15, 22; vgl. 4 Esra 1, 6-7). Die Aufwertung Marias als »Reine« und Gegenfigur zu Eva findet sich erst bei den Kirchenvätern und steht im Kontext asketischen Lebens. Ben-Barak, Zafrira, The Status and Right of the Gebira, JBL 110 (1991), 23-34. Brenner, Athalya, The Intercourse of Knowledge. On Gendering Desire and »Sexuality« in the Hebrew Bible, BIS 26, Leiden 1997. Donner, Herbert, Art und Herkunft des Amtes der Königinmutter im Alten Testament, in: ders., Aufsätze zum Alten Testament, BZAW 224, Berlin 1994, 1.24. Keel, Othmar / Schroer, Silvia, Eva-Mutter alles Lebendigen. Frauen- und Göttinnensymbole aus dem Alten Orient, Freiburg / Schweiz 2004. Kitzberger, Ingrid Rosa, Art. Maria, RGG4 5, 2002, 798-799. Schroer, Silvia, »Im Schatten deiner Flügel«. Religionsgeschichtliche und feministische Blicke auf die Metaphorik der Flügel Gottes in den Psalmen, in Ex 19, 4; Dtn 32, 11 und in Mal 3, 20; in: Rainer Kessler u. a. (Hg.), »Ihr Völker alle, klatscht in die Hände!«, FS Erhard Gerstenberger, Münster 1997, 296-316. Schüngel-Straumann, Helen, Denn Gott bin ich, und kein Mann. Gottesbilder im Ersten Testament – feministisch betrachtet, Mainz 1998. Dies., Die Frau am Anfang. Eva und die Folgen, Münster 2 1997. Wagener, Ulrike, Die Ordnung des »Hauses Gottes«. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT II/65, Tübingen 1994.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Nächste / Nächster 1. Altes Testament »Nächster« (re¯a2) ist im Alten Testament allgemein der Mitmensch, d. h. das Gegenüber einer nicht primär verwandtschaftlich begründeten Beziehung, die negativ durch Verzicht von Gewalt und Ungerechtigkeit und positiv durch Nä-

he und Solidarität gekennzeichnet ist. Höchst unterschiedliche Beziehungen können gemeint sein. Der Kontext bestimmt jeweils das Intendierte. So kann »Nächster / Nächste« den oder die Geliebte/n bezeichnen (Hld 1, 9; 5, 6) oder den Freund (1 Kön 16, 11; Spr 17, 17; Ps 38, 12; 88, 19). Kollegialitätsverhältnisse können so bezeichnet werden (1 Kön 20, 35; Jer 23, 27; 29, 23; Sach 3, 8), auch Nachbarschaft im konkreten Sinn des Nebeneinanderwohnens (Ex 11, 2; Jer 6, 21; Spr 3, 29; 25, 17) oder Geschäftsbeziehungen (Spr 6, 1). Häufig hat »Nächster« einen politischen und sozialen Sinn und bedeutet »Mitbürger«, etwa im Sinn der Zugehörigkeit zum selben Ort (Dtn 19, 14) oder zum selben Volk (vgl. Dtn 15, 2.12; Jes 3, 5; 19, 2; Jer 9, 1 ff.; 34, 14-17). In der Rechtstradition findet sich der Begriff in den wichtigsten Teilsammlungen (Dekalog: Ex 20, 16-18; Bundesbuch: Ex 21, 14.18.35; 22, 6-13; Heiligkeitsgesetz: Lev 19, 13-18; Deuteronomium: Dtn 13, 7; 15, 2; 19, 4.5.11; 22, 24.26; 23, 25 f.; 24, 10) und ist hier im Unterschied zu den sehr viel älteren altorientalischen Rechtsbüchern ein Zentralbegriff. Liegt dort ein Mehrklassenrecht vor, indem etwa Körperverletzungen von und an Freien und Sklaven im Strafmaß unterschieden werden (vgl. z. B. Codex Hammurabi § 196-205 und Mittelassyrisches Rechtsbuch § 1.3-4), so tritt im alttestamentlichen Recht der Begriff »Nächster« an die Stelle sozialer Klassenbegriffe ohne weitere soziale Differenzierung, was gewisse Unausgewogenheiten etwa bei der Strafzumessung für Körperverletzung im Bundesbuch freilich nicht ausschließt (vgl. Ex 21, 18-26). Im Zusammenhang der Vorstellung vom »heiligen Volk« (2am qa¯do¯ˇs) wird dann im Deuteronomium der Ansatz zu einer Bruderschaftsethik entwickelt, die sich besonders durch die Verpflichtung zur Entschuldung von hebräischen Darlehnsnehmern (3a¯h) ˙ im Unterschied zu ausländischen (nåkrı¯) auszeichnet (vgl. Dtn 15, 2-6.12). Im so genannten Heiligkeitsgesetz, vor allem in Lev 19, wird schließlich eine Nächstenethik entwickelt, bei der die Forderung von Nächstenliebe (Lev 19, 18), ausdrücklich auf den Fremden (ge¯r) ausgedehnt wird (Lev 19, 33 f.). Dazu kommt der Verzicht auf

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nichtjustiziables unsolidarisches Verhalten, etwa im wirtschaftlichen Umgang oder vor Gericht (Lev 19,13 f.15 f.) einschließlich innerer Haltungen gegenüber dem Nächsten (Lev 19,16 f.). In diesem Kontext wird als Schlusspunkt des Abschnitts Lev 19, 11-18 schließlich das bekannte Gebot der Nächstenliebe formuliert (Lev 19, 18). Als Zielpunkt des Unterabschnitts Lev 19, 17 f. ist das Nächstenliebegebot ein Gebot von Feindesliebe, das auf eine rechtliches Mindestmaß überschreitende Solidarität gegenüber dem Nächsten zielt. Philologisch unsicher ist, ob die bekannte Übersetzung von Lev 19, 18 durch Buber / Rosenzweig (»halte lieb deinen Genossen, dir gleich«) oder die traditionelle Wiedergabe mit »wie dich selbst« vorzuziehen ist. Im ersten Fall wird das Liebesgebot mit Gleichheit oder Ähnlichkeit des Nächsten begründet. Die traditionelle Übersetzung parallelisiert hingegen Nächstenliebe und Selbstliebe und macht letztere implizit mit zur Verpflichtung. 2. Neues Testament Im Neuen Testament begegnet das Stichwort »Nächster« vor allem in Zitaten von Lev 19, 18. Jesus, Paulus, Jakobus und ein jüdischer Schriftgelehrter (Lk 10, 27) greifen das Liebesgebot auf, um damit – zum Teil unter Ergänzung von Dtn 6, 5 – auszusagen, was im Zentrum der Tora steht. Diese Gewichtung steht in jüdischer Tradition, die in vor- und nachneutestamentlicher Zeit im Gebot der »Nächstenliebe« eine summarische Zusammenfassung oder »große Regel« der Tora gesehen hat (so Rabbi Akiva in BerR zu Gen 5, 1). Es stellt sich aber die Frage, wer eigentlich mit dem Nächsten gemeint ist. Geht es um Angehörige der eigenen sozialen Gruppe oder tendenziell um alle Menschen? Im Neuen Testament lassen sich beide Tendenzen feststellen. Einerseits kann man beobachten, dass der Nächste vor allem als Mitglied der eigenen Gemeinschaft verstanden wird: Röm 15, 2 findet sich im Kontext einer Ermahnung zum Zusammenleben von »Starken« und »Schwachen« (gemeint sind konkret Christen jüdischer und nichtjüdischer Provenienz) innerhalb der Gemeinde,

wobei Paulus die Regel aufstellt, dass jeder der Angesprochenen sein Leben dem Nächsten zu Gefallen gestalten soll. Röm 15, 5 macht deutlich, dass es um die Gesinnung der Gemeindeglieder »untereinander« geht. Ähnlich ist es in Eph 4, 25. Die Ermahnung zur Wahrhaftigkeit gegenüber dem Nächsten wird damit begründet, »dass wir untereinander Glieder sind«. Der Leib, um dessen Glieder es geht, ist nach Eph 4, 16 die Gemeinschaft derer, deren Haupt Christus ist. Im Kontext von Jak 4, 12 erläutern sich die Begriffe »Nächster« und »Bruder / Schwester« gegenseitig: Innerhalb der Gemeinde soll es keine Verleumdungen geben. Röm 13, 8-10 scheint allgemeiner formuliert zu sein, doch begründet der Verweis auf Lev 19, 18 hier die Aufforderung, dass die Adressatinnen und Adressaten einander lieben sollen. Es geht also auch hier um die Verwirklichung innergemeindlicher Solidarität. Andererseits zeichnen Texte aus der Jesusüberlieferung ein anderes Bild: In Mt 5, 43 wird Lev 19, 18 so gedeutet, dass auch der Feind zum Nächsten wird. Damit sind Gegner der eigenen Gruppe gemeint und auch Vertreter der römischen Besatzungsmacht. Jesus fordert hier nicht nur zum Rechtsverzicht auf, sondern sogar zur Fürbitte für den Feind. Völlig entschränkt wird der Begriff des Nächsten in Lk 10, 25 ff. Jesus weigert sich, zu definieren, wer mit dem Nächsten gemeint ist (10, 29) und lässt die Hörer des Gleichnisses mit der Zumutung zurück, dass prinzipiell jeder jedem zum Nächsten werden kann (10, 36). Dieser doppelte Befund im Blick auf die Enge oder Weite des Nächstenverständnisses bündelt brennglasartig eine Entwicklung im frühen Christentum: Für den ältesten Bestand der Jesusüberlieferung gilt, dass Jesus »gruppenunspezifisch« redet und handelt (vgl. Becker 385). Das Gebot der Feindesliebe begründet er mit dem Verweis auf Gott den Schöpfer, der allen Leben und Lebensgrundlage schenkt (Mt 5, 45). Jesu Tischgemeinschaften spiegeln dies wieder. Doch die Glieder der frühen Gemeinden verdanken nun ihre Identität der Erfahrung, durch das Handeln Gottes in Christus zu einer Gott eigenen Gemeinschaft geworden zu sein (vgl. 1 Thess 4, 3-8;

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1 Kor 3,16; dazu Vahrenhorst 2008, 145 ff.), die sich von ihrer Umgebung unterscheidet. Von daher rückt die Gestaltung dieser Gemeinschaft praktisch und theoretisch ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das – modern gesprochen – diakonische Handeln der Gemeinde gestaltet sich darum zuerst und vor allem als Handeln an Menschen, die ebenfalls dem Christentum angehören (Gal 6, 10). Die »geringsten Brüder« aus Mt 25, 40 sind vom Sprachgebrauch des Matthäusevangeliums her eher Jesusanhänger – und nicht etwa alle Hungrigen, Kranken und Gefangenen (vgl. Luz 537). Die Entwicklung der sozialen Praxis in der frühen Kirche folgt dieser Spur der innerchristlichen Solidarität. Ihr missionarischer Erfolg dürfte nicht zuletzt darauf gründen, denn der Einsatz für bedürftige Gemeindeglieder beeindruckte sogar Gegner des Christentums (vgl. Tert. apol. 39; Luc. per. 13). Barbiero, Gianni, L’asino del nemico: Renuncia alla vendetta e amore del nemico nella legislazione dell’Antico Testamento (Esr 23, 4-5; Dtn 22, 1-4; Lev 19, 17-18), AnBib 128, Rom 1991. Becker, Jürgen, Feindesliebe – Nächstenliebe – Bruderliebe. Exegetische Beobachtungen als Anfrage an ein ethisches Problemfeld, in: ders., Annäherungen. Zur urchristlichen Theologiegeschichte und zum Umgang mit ihren Quellen, BZNW 76, Berlin / New York 1995, 382-394. Kampling, Rainer / Schreiner, Josef, Der Nächste, der Fremde, der Feind – NT, Die Neue Echter Bibel, Themen: Bd. 3, Würzburg 2000. Luz, Ulrich, Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18-25), EKK I/3, Zürich u. a. 1997. Mathys, Hans-Peter, Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Untersuchungen zum alttestamentlichen Gebot der Nächstenliebe (3. Mose 19, 18), OBO 71, Göttingen / Freiburg / Schweiz 1986. Schüle, Andreas, »Denn er ist wie Du«. Zu Übersetzung und Verständnis des alttestamentlichen Liebesgebots Lev 19, 18, ZAW 113, 2001, 515-534. Theißen, Gerd, Das doppelte Liebesgebot in der Jesusüberlieferung, in: Annette Merz (Hg.), Jesus als historische Gestalt, FRLANT 202, Göttingen 2003, 57-72. Vahrenhorst, Martin, Kultische Sprache in den Paulusbriefen, WUNT 230, Tübingen 2008. von Harnack, Adolf, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Leipzig 1902.

Andreas Ruwe / Martin Vahrenhorst

Nahrung, nichtpflanzliche 1. Allgemeines Für die Jäger- und Sammlerkulturen war Fleisch, speziell jenes von Gazellen und Hirschen, ein wichtiger Nahrungsfaktor. Überjagung, Sicherheit und Bequemlichkeit drängte zur Domestikation, die um 9000 v. Chr. nur bei Ziegen und Schafen, um 7000 v. Chr. auch bei Schweinen und Rindern erfolgreich war. Stand zunächst der Wildfleischersatz im Vordergrund, wurden um 5000 v. Chr. ihre Sekundärprodukte, Milch, Wolle, Dung und Arbeitskraft der Tiere wichtiger. Im späten 4. Jt. weicht die häusliche Viehwirtschaft der kollektiven. Vieh wird zum Zahlungsmittel in einer stark arbeitsteiligen Gesellschaft (3 Viehwirtschaft). Die Schlachtung findet bis in römisch-byzantinische Zeit hinein mehrheitlich in rituellem Kontext, also bei einem 3 Altar, statt. Im 3 Opfer werden nach einer viel beachteten These von Walter Burkert in jägerischer Tradition Aggressionen rituell umgelenkt. Die enge Verbindung von Fleischessen und Kult beginnt sich in der zweiten Hälfte des 1. Jt. v. Chr. immer stärker aufzulösen (vgl. Dtn 12, 15). Paulus betrachtet den Zusammenhang zwischen Gottesdienst und Fleischkonsum als irrelevant, mahnt aber zur Rücksicht auf solche, die den Genuss von Fleisch, das fremden Göttern geopfert wurde, ablehnen (1 Kor 8,13). Verglichen mit heutigem westlichem Standard war der Konsum tierischer Nahrung extrem selten, meist beschränkt auf festliche Anlässe (3 Fest). Vor übertriebenem Fleischkonsum warnt die Spruchweisheit (Spr 15,17; 23, 20). Die Oberschicht wird dafür gerügt (2 Sam 12, 4; Am 6, 4). Die unkontrollierte Lust, Fleisch zu essen, wird von priesterlichen Kreisen als Ausdruck unreflektierten, infantilen, regressiven Begehrens geradezu sarkastisch kommentiert (Num 11, 4-21). 2. Fleisch a) Von Schlachtvieh. Wichtigster Fleischlieferant war gewichtsmäßig in biblischer Zeit das Rind (ca. 70 %), auch wenn anzahlmäßig Schafe und Ziegen überwogen. Die Tiere wurden, wie überall

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Abb. 1: Schlachthausszene aus der Mastaba des Ptahotep in Saqqara (2480-2350). Den bereits getöteten Tieren werden als erstes die Beine abgeschnitten. Der hinterste Schlächter, der seine Hand ins Blut des Rindes getaucht hat, streckt sie einem Priester entgegen und sagt: »Sieh dieses Blut!«. Jener antwortet: »Es ist rein!«

im Alten Orient, geschächtet (Lev 1, 5; Abb. 1). Der fachmännische Tötungsschnitt an der Halsschlagader hatte mit einem absolut einwandfreien, scharfen Messer (meistens aus Silex) ohne Pause, ohne zu pressen, zu graben oder dabei Blutgefäße herauszuziehen, zu erfolgen (vgl. Schulchan aruch, Joreh De’ah, 18; 23). Das Fleisch wurde meistens gekocht (1 Sam 2, 13), bei speziellen Anlässen (z. B. Pessachfest; Ex 12, 8), in der Eile oder auf dem Feld auch gebraten. Als begehrtester Teil galt das Fett. b) Von Wild. Archäologisch sind Wildknochen in menschlichen Siedlungen im Vergleich zu Haustierknochen nur in geringen Mengen vertreten. Trotzdem spielte die 3 Jagd für das Selbstverständnis der Menschen – wie heute noch – eine bedeutende Rolle. Dtn 14, 5 nennt ausdrücklich sieben Großwildtiere: Hirsch (3ajja¯l), Gazelle (sebı¯), Reh (jahmu¯r), Wildziege (3aqqo¯; evtl. ist ˙ ˙ damit der nubische Steinbock gemeint, der in den bergigen Gegenden der Südlevante häufig ist, und der sonst hebr ja¯2el / ja2ala¯h genannt wird), zwei Antilopenarten (?; hebr. dı¯sˇ¯on, t3o¯). Außer Steinbock und Gazelle wurden alle Großwildtiere in der Südlevante ausgerottet, meist erst im 19./20. Jh. In der Steinzeit bot die Gazelle das mit Abstand beliebteste Fleisch. Da sie nicht domestiziert werden konnte, suchte man in Ziegen und Schafen Ersatz. Die Gazelle gehörte u. a. zur königlichen Tafel (1 Kön 5, 3). Daneben wurden Bären, Wildschweine, Streifenhyänen, Honig-

dachse, Sandfüchse und Hasen gejagt und verspeist, wie die Archäozoologie dokumentiert, evtl. auch Weinbergschnecken. Die biblischen 3 Speisegesetze bilden die Realität nicht ab, sondern setzen sie voraus und postulieren ihr gegenüber ein priesterliches Ideal. c) Von Geflügel. Geflügel gehört nebst Großund Kleinvieh zur Fleischtafel (Neh 5,18). Als Haustiere wurden nebst Tauben wahrscheinlich auch verschiedene Hühnervögel (hebr. to¯r, vgl. ugarit. tr und akkad. tarru; in den Bibelübersetzungen mit Turteltaube wiedergegeben) gehalten (vgl. Schuldurkunde über Vogelfutter, TUAT NF I,82), die im Verlauf des 9./8. Jh. v. Chr. aber allmählich durch das aus Südostasien stammende Haushuhn, das damals im Mittelmeerraum Verbreitung fand, verdrängt wurden. Daneben spielte der Wildvogelfang lange Zeit eine Rolle (3 Jagd). Darauf verweist die Tatsache, dass in Lev 11,13-19 nur 20 Vögel (mehrheitlich Greifund Aasvögel) namentlich als unrein taxiert werden. Ergiebig konnten Wachtelfänge sein, wenn diese Zugvögel, erschöpft vom Langstreckenflug, in Schwärmen zwischenlandeten (Ex 16, 12 f.; Num 11, 31-34). Als Fleischlieferanten bedeutend waren vor allem Wildhühner wie das Chukarsteinhuhn (Alectoris graeca chukar Gray) und das Halsbandfrankolin (Frankolinus frankolinus L.), die beide mit hebr. qo¯re¯3 gemeint sein könnten, der Strauß, der zwar zu den unreinen Tieren gerechnet wurde, dessen Jagd aber ikono-

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graphisch für Mesopotamien gut bezeugt ist und für die Südlevante indirekt im verbreiteten Siegelmotiv vom »Herrn der Strauße«, und Wasservögel, wo diese vorkamen. So fanden sich im Zivilisationsschutt der Bronzezeit von Kinneret Haubentaucher-, Schwarzhalstaucher-, Kormoran-, Seidenreiher-, Graugans-, und Blässhuhnknochen. Eier wurden bis zur Einführung des Haushuhnes wildbrütenden Vögeln weggenommen. Wenn Eier genommen werden, dann nicht auch die Vogelmutter (Dtn 22, 6). In der römischen Küche gehören Eier zu den normalen und häufigen Speisen und werden in der Regel als Vorspeise genossen; nach Lk 11,12 ist ein Ei eine Kleinigkeit, um die man bitten kann. 3. Fisch Fische wurden mit Reusen, Angelhaken (Hi 40, 25), Harpunen (Hi 40, 31) und Netzen gefangen (3 Fischerei). Im größeren Stil war das nur an der Mittelmeerküste und am See Gennesaret möglich. Der Ägypter Wenamun bringt Stockfische vom Nildelta mit nach Byblos (11. Jh. v. Chr.). Die Philister zahlten den Neuassyrern Tribut in Gestalt von Stockfisch. Die Tyrer waren in Jerusalem, wo es sogar ein Fischtor (Zef 1, 10; Neh 3, 3) gab, mit Stockfisch präsent (Neh 13, 16). Am See Gennesaret entwickelte sich eine Fischindustrie von überregionaler Bedeutung erst in römischer Zeit (Flav. Jos. Bell. III,445.458). Ihre Produkte waren sogar in Rom bekannt (Strab. geogr. 16, 2). Tarichäa, der griechische Name für Magdala (Nunaija), »Fischturm«, bedeutet »Pökelort«, Betsaida »Fischhausen«. Für die lokale Bevölkerung gehörte Fisch zusammen mit Brot zur Grundnahrung (Mt 14,17 ff. par). Frische Fische wurden über dem Feuer geröstet (Tob 6, 5; Lk 24, 42; Joh 21, 9) und manchmal, einer antiken Theorie folgend, wonach Fisch schwer verdaulich sei, mit Honig als verdauungsförderndem Mittel serviert, so vielleicht auch dem Auferstandenen durch seine Jünger (Lk 24, 42). 4. Milchprodukte a) Milch. Ab der Sekundärprodukterevolution im 4. Jt. v. Chr. wird nicht mehr in erster Linie

Abb. 2: Frau mit Butterfass auf dem Kopf aus der Beerscheba-Kultur, Gilat, ca. 4500 v. Chr. Das Gerät wurde an einem Strick über ein Stück Holz gehängt und dann hin und her bewegt

das Primärprodukt Fleisch, sondern die Milch von Schafen, Ziegen und Kühen genossen. Die Menschen entwickeln allmählich Enzyme, die in der Lage sind, tierische Laktose zu verdauen. Die Milchwirtschaft ist typisch für die Südlevante (3 Landwirtschaft). Dies bezeugt die Frau mit dem Butterfass aus der Beerscheba-Kultur (Abb. 2) und der ägyptische Reisende Sinuhe (92; um 1950 v. Chr.), wenn er feststellt, dass an allem, was dort gekocht wird, Milch ist. Die Sitte, Fleisch in Milch bzw. Joghurt zu kochen, wie sie heute noch in der Südlevante üblich ist, wird im Verbot, ein Böcklein in der Milch seiner eigenen Mutter zu kochen (Ex 24, 19; 34, 26; Dtn 14, 21; 3 Speisegesetze), vorausgesetzt. »Ein Land, überfließend von Milch und Honig« ist das Kennzeichen für Israel in deuteronomistischer Diktion (Ex 3, 8.17; 13, 5; 33, 3; Lev 20, 24; Num 13, 27; 14, 8; Dtn 6, 3; 11, 9; 26, 9.15; 27, 3; 31, 20; Jos 5, 6; Jer 11, 5; 32, 22; 20, 6.15). In Num 16, 13 f. wird der Ausdruck von einigen Leviten als Lügenpropaganda bestritten und für Ägypten beansprucht. Milch steht für den Superlativ an Ertrag. Je nach Kontext kann das hebräische Wort h¯ala¯b auch für ˙

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Abb. 3: Molkereiszenen auf einem Relief aus dem Ninchursanga-Tempel von Tell el-3Obed (Südirak), um 2500 v. Chr. Oben: Melken; unten: Reinigen, Abseihen, Buttern, Stall

das ebenfalls weiße und eiweißreiche »Fett« oder die höchste Qualität von irgendetwas anderem, z. B. Weizen, stehen (Dtn 32, 14; vgl. Gen 45, 18). Abel opfert von diesem Luxus seiner Herde, wenn er Jungtiere und Milch (nicht Fett!) darbringt (Gen 4, 4). »Milch / Fett« kann auch als männlicher Eigenname verwendet werden (1 Sam 23, 29). b) Derivate. Wegen der leichteren Verdaulichkeit von vergorener Milch und ihrer längeren Haltbarkeit wurde Milch meistens weiterverarbeitet (vgl. Abb. 3). Milchprodukte können mit einem Minimum an Gerätschaften hergestellt werden. Soweit solche gebraucht werden, bestehen sie in der Regel aus vergänglichen Materialien (Tierhäute, Stoffe, Holzgeschirre), so dass sie archäologisch kaum nachweisbar sind. Ethnoarchäologisch sind folgende Produkte nachgewiesen und für die biblische Zeit wahrscheinlich: Aus »süßer« Milch (hebr. h¯ala¯b) ent˙ steht durch Zugabe von Joghurtferment Joghurt (arab. laban rab). Durch Zufügen von Salz kann dieser Joghurt bis zu einem Monat im Ziegenschlauch aufbewahrt werden. Der gesalzene Joghurt kann aber auch nach leichter Erhitzung abgeseiht, gepresst und in Ballen zu einer Art Käse getrocknet werden (arab. gˇamid; vgl. 1 Sam 17, 18; Spr 27, 27). In abgeseihtem Zustand (arab. labana) ist Joghurt eine besondere Delikatesse. Um ihn in dieser Form haltbar zu machen, wird er

stückchenweise in Olivenöl eingelegt oder mit Bulgur vermischt und getrocknet (arab. kisˇk; evtl. entspricht diesem ˇsepo¯t in 2 Sam 17, 29). Lokal werden die so getrockneten Ballen auch gemahlen. Der Joghurt kann aber auch durch Schütteln in der Ziegenhaut zu Butter weiterverarbeitet werden. Wird diese nicht frisch gegessen, kann durch Kochen mit regional unterschiedlichen Gewürzen und gestoßenem oder gemahlenem Getreide gereinigte (d. h. entwässerte), lang haltbare Butter (arab. samn), das kostbarste aller Milchprodukte, hergestellt werden. Die ausgekühlte Butter kann durch Stossen noch weiter entwässert werden (arab. qisˇdah). Daran erinnert Spr 30, 33 und daher ist mit hebr. hæm3a¯h diese ˙ Art Butter und nicht »Dickmilch, Rahm« (vgl. die Übersetzungen in Gen 18, 8; Dtn 32, 14; Ri 5, 25; 2 Sam 17, 29; Jes 7, 15.22; Hi 20, 17; 29, 6) gemeint. Es ist die durch Arbeit veredelte, besonders nährreiche, haltbare und daher jederzeit Gästen offerierbare crème de la crème der bäuerlichen Gesellschaft. Der beim Buttern übrig bleibende, entfettete Joghurt wird entweder getrunken oder als Zutat für verschiedene Gerichte verwendet oder mit Bulgur vermischt und getrocknet (arab. kisˇk). Durch Zugabe von Labmagen eines eintägigen Schaf- oder Ziegenböckleins kann aus Milch auch »süßer« Käse (hebr. gebı¯na¯h, Hi 10,10; arab. gˇibna) hergestellt werden, der in Lake aufbewahrt wird. Getrocknet, zerstoßen

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und vermischt mit Salz kann das Lab haltbar gemacht werden. 8. Honig Die Anfänge der Apikultur liegen vielleicht in Hatti (Anatolien), wo Bienen in den ältesten Texten erwähnt werden und mythologisch bedeutend sind. Sie ist allerdings schon für das 3. Jt. auch in Ägypten bezeugt. Die dazwischen liegende Levante wird biblisch geradezu als »Land, das von Milch und Honig fließt« charakterisiert. Beide Produkte verweisen auf das Vorhandensein ausgedehnter Blumenwiesen. Honig stammte teils von wilden Bienenstöcken in Felsspalten, hohlen Bäumen und Tierkadavern (Dtn 32, 13; Ri 14, 8 f.; 1 Sam 14, 26-30), teils aus Apikulturen, die dem Zehnten unterlagen (Lev 2, 12; 2 Chr 31, 5). Für Honig gab es ein eigenes Maß (3 Maße und Gewichte). Honig gehörte zu den Grundnahrungsmitteln (Sir 39, 26), war aber im Kult – wohl wegen seiner fermentierenden Wirkung wie Hefe – tabuisiert (3 Opfer). Er galt in einer Gesellschaft, die keinen Zucker kannte, als Inbegriff des Süßen (Ri 14, 18; Sir 11, 3) und war daher eine Metapher für höchste Annehmlichkeiten, die man besonders Kindern zukommen ließ (Spr 24, 13). Apikulturelle Hinterlassenschaften fehlen wegen der vergänglichen Materialien der Bienenstöcke (Tonröhren, Schilf, Mörtel). In Mesopotamien wurden Bienen erst unter Schamasch-resch-uzur im 8. Jh. von den Hetitern eingeführt, der erstmals den Honig vom Wachs durch Sieden der Wabe trennte. Honig galt dort auch als Heilmittel. 9. Salz Es diente einerseits der Konservierung von Lebensmitteln, besonders von Fleisch und Fisch (3 Fischerei), andererseits als allgegenwärtige Speisewürze (Hi 6, 6), die auch bei 3 Opfern Verwendung fand (Lev 2,13). Dabei spielt wohl wie beim Salzbund mit Menschen (2 Chr 13, 5) bzw. mit dem persischen Königshaus (Esr 4, 14) die Symbolik der Dauerhaftigkeit des Salzes eine Rolle. »Dummes« Salz (Mt 5,13 par) meint vielleicht feucht gewordenes Salz, das seine Kraft

verliert. Die Salzgewinnung am Toten Meer, im Alten Testament meist »Salzmeer« genannt, war von überregionaler Bedeutung und wahrscheinlich für den frühen Aufschwung der Städte in der Aravah (Jericho, Tuleilat el-Ghassul, Bab edh-Dhra) verantwortlich (3 Handel) und sogar Teil der eschatologischen Heilsvision Ezechiels (47, 11), bei der der größte Teil des Salzmeeres durch das Süßwasser der Tempelquelle fruchtbar gemacht werden sollte. 10. Wasser Wasser, aus dem wir Menschen hauptsächlich bestehen, ist das wertvollste Nahrungsmittel überhaupt, das dem Körper regelmäßig zugeführt werden muss, weil er sonst schnell zugrunde geht. Während die Ägypter ihr Trinkwasser aus dem Nil beziehen konnten (Ex 7, 21), waren so zuverlässige Wasserquellen in der Südlevante spärlich und in der Wüste (Ex 17, 1) kaum vorhanden. Die Abhängigkeit vom sehr unregelmäßigen jährlichen Niederschlag äußert sich mannigfaltig in Bitt- und Dankritualen (3 Opfer; 3 Fest). Entsprechend hoch ist die Bedeutung von Quellen und Brunnen, was sich in ihrer ätiologischen Namensgebung kundtun kann (be3er lahaj ro¯ 3¯ı Gen 16, 14; 2ein haqo¯re3 Ri 15,19). Die Be˙ nutzung von Zisternen zur Gewinnung von Trinkwasser gehört zu den technologischen Neuerungen der Eisenzeit. Die sichere Versorgung von Städten mit Trinkwasser äußerte sich in teils unter-, teils oberirdischen Architekturkomplexen, die zu den imposantesten archäologischen Hinterlassenschaften der Südlevante gehören (3 Wasser). Wassertrinken aus der eigenen Zisterne oder dem dorfeigenen Brunnen war der Innbegriff von Beheimatung (2 Sam 23, 15). Selbst wenn es Wasser gab, war damit nicht garantiert, dass es Trinkwasserqualität hatte (Ex 15, 23; 2 Kön 2, 19). Das Wasserschöpfen und -tragen (auf den Schultern, nicht auf dem Kopf) war Frauen-, Kinder-, Fremden- oder SklavInnenarbeit (Danels Tochter Pughat mit dem Beinamen »die Wasser auf den Schultern trägt« KTU 1.19 II 1.6; IV, 28.37; Gen 24, 14-17; Ex 2, 16; Dtn 29, 10; Jos 9,21.23.27). Für diese Arbeit wurden

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Schöpfeimer (delı¯) und Wasserkrüge (kad, 3 Nahrungszubereitung Abb. 5/2) verwendet. Dann wurde das Wasser für den Hausgebrauch in poröse Krüge, die eine kühlende Wirkung hatten, für unterwegs in Schläuche (hemæt; Gen ˙ 21, 14-19) und enghalsige, verschließbare Krüge (3 Nahrungszubereitung Abb. 1) und für Tiere in Tröge gefüllt. Getrunken wurde aus Bechern (3 Essensgewohnheiten Abb. 2), notfalls auch aus Scherben (Jer 10,14), aus der hohlen Hand oder direkt aus dem Bach (Ri 7, 5 ff.). Wie vor allem die Spruchweisheit zeigt, war Wassertrinken eine gewohnheitsmäßige, alltägliche Sache (Hi 15, 16; 34, 7), außer in Notzeiten, wenn Wasser rationiert werden musste (Ez 4, 11-17) oder wenn jemand sehr streng fastete (Ex 34, 28, Jona 3,7). Wenn es die Verhältnisse erlaubten, wurde Wasser mit Wein vermischt getrunken. Ferner wurde Wasser in der Küche zur Zubereitung von gekochten oder gesottenen Speisen im Kochtopf verwendet (3 Nahrungszubereitung). Aubaile-Sallenave, Françoise, Al-Kishk: The Past and Present of a Complex Culinary Practice, in: Sami Zubaida / Richard Tapper (Hg.), A Taste of Thyme. Culinary Cultures of the Middle East, London / New York 1994/2000, 105-139. Burkert, Walter, Homo necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen, Berlin / New York 2 1997. Curtis, Robert I., Ancient Food Technology, Technology and Change in History 5, Leiden / Boston / Köln 2001. Janowski, Bernd / Neumann-Gorsolke, Ute / Gleßmer, Uwe (Hg.), Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993. Palmer, Carol, Milk and Cereals: Identifying Food and Food Identity among Fallahin and Bedouin in Jordan, Levant 34 (2002), 173-195.

Thomas Staubli

Nahrung, pflanzliche 1. Allgemeines Viele unserer Kulturpflanzen, insbesondere Getreide und Hülsenfrüchte, wurden im Raum des

Fruchtbaren Halbmondes domestiziert. Dies ist die Grundlage des Übergangs von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise (11000 und 7000 v. Chr.). Die Tierdomestikation setzte rund 3000 Jahre später ein und erreichte im Altertum punkto Diät nie den Stellenwert der Pflanzen. Die Levante blickte in der Eisenzeit also bereits auf eine mehrtausendjährige Zucht- und Verwertungsgeschichte zurück. Im Vergleich zur landwirtschaftlichen Produktion sind wir über die kulinarische Verwendung der Nahrungsmittel, insbesondere außerhalb des Kultes (3 Opfer), sehr schlecht unterrichtet. 2. Aus Getreide a) Allgemeines. Seit dem Neolithikum bis heute ist Getreide im Vorderen Orient und im Mittelmeerraum das Grundnahrungsmittel. Getreide war daher auch das am weitesten verbreitete Tausch- und Zahlungsmittel. Das Weizenkorn diente als Ausgangsmaß für Gewichtsmaße (3 Maße und Gewichte) und spätere Geldwährung (3 Geld). Die Weiterverarbeitung der Getreideernte (3 Saat / Ernte) zu verschiedenen Nahrungsmitteln war fast ausschließlich Frauenarbeit (Gen 18, 6; Lev 26, 26; 1 Kön 17, 12), konnte lokal aber auch berufsmäßig von Männern ausgeübt werden (Gen 40, 1; Jer 37, 21). Aus den Textdokumenten des mesopotamisch-anatolischen Raumes sind weit über 300 verschiedene Mehlspeisen bekannt. b) Arten. Gerste ist am häufigsten und Grundlage der Alltagsnahrung. Weizen ist nährreicher, begehrter, aber auch anspruchsvoller und teurer und damit Festtagsnahrung. Beide Einkornarten und Emmer sind lokal, vor allem in den frühen Epochen, verbreitet. c) Lagerung. Vor Kleinnagern, der artenreichsten Säugetierfamilie in Vorderasien, Insekten und Pilzbefall musste Getreide geschützt, trocken und kühl gelagert werden. Dazu dienen in der kupfersteinzeitlichen Halaf- und der Ubaidkultur runde oder rechteckige Getreidegruben und / oder Silos. Kollektive, runde oder elliptische, gewölbte, oberirdische, innen gepflasterte Bienenkorbspeicher mit vier bis neun Meter

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Durchmesser sind aus Arad (3000-2800), Bet Jerach (2800-2400; ca. 40 Tonnen), Bir el-Abd (14001300) bekannt, Untergrundsilos aus Bet Schemesch, Hazor, Megiddo (7 m Tiefe, zwei Wendeltreppen; 12800 Garben Kapazität), an größere Komplexe (von Eliten) angebaute, rechteckige Lagerhäuser aus Tell el-Ifschar (Mittlere Bronzezeit), Jericho, Lachisch, Megiddo, Tell Beit Mirsim (Eisenzeit), typisch israelitische, große Lagerhäuser mit Steinsäulenunterteilung aus Megiddo, Beerscheba, Hazor und Dotan (Eisenzeit), weitere Lagerräume aus Dotan, Ta’anach, Dan und Samaria. Große Lagerkomplexe standen unter der Aufsicht von Tempel- oder Palastautoritäten. Daneben gab es kleinere Kornspeichereinrichtungen in Gestalt von gepflasterten oder steinausgelegten Gruben bei Privathäusern (Dotan, Schechem, Tell el-Ifschar, Tell Dschemmeh etc.). d) Rösten, Quetschen, Schroten. Milchkorn (kurz vor der Reife geerntetes Getreide) wurde als besondere Köstlichkeit zu einer Art Popkorn geröstet (hebr. karmæl; arab. frika: Lev 2, 14; 23, 14; 2 Kön 4, 42). Daneben gab es auch gewöhnliches Röstkorn von ausgereiftem Getreide (hebr. qa¯lı¯[h]; Lev 2,14.16; 1 Sam 17, 17; 2 Sam 17, 28; Rut 2, 14). Es gehörte zusammen mit Korn zur Grundnahrung (1 Sam 17, 17; 25, 18). Heutzutage wird es (besonders von Kindern und Pilgern) gezuckert gegessen. Häufig wurde einfach eine Grütze gekochten Getreides gegessen. Meistens wurde es dazu geschrotet. Durch Kochen der Körner, Kühlen, Trocknen, (manchmal Schälen,) Mahlen und Sortieren durch Sieben in verschiedene Größen entsteht als besonders edles Getreideprodukt Bulgur (Lev 2, 7: Grieß im Topf als aufwändigstes Speiseopfer). Ein Sack mit Grieß (für bulgurähnliche Mahlzeiten) fand sich in Bet Schemesch. Spelzgetreide (Einkorn, Emmer), das nicht frei gedroschen werden kann, muss im Mörser gequetscht oder im Ofen bei ca. 200 º C geröstet werden, damit sich der Spelz löst. Neben schweren Fixmörsern gab es leichtere, bewegliche Mörser auf drei Beinen (Jericho, Ebla; Frühe Bronzezeit, Mittlere Bronzezeit). e) Zur Mehl- und Brotherstellung 3 Brot. f) Bierherstellung. Das Brauen umfasste:

(1) Malzen: Gerste, selten auch Emmer, wurde befeuchtet und, wenn der Keimprozess einsetzte, bis zu drei Wochen getrocknet, damit die Stärke sich in Malzzucker wandelt. Dieses grüne Malz konnte durch zusätzliches Erhitzen im Ofen länger haltbar gemacht werden. Das Malz wurde zerkleinert und mit verschiedenen Ingredienzien wie Honig, Datteln, Kräutern, Gewürzen und Wasser zu einem Teig verarbeitet und dann im Ofen zu einer Art Kuchen verbacken. (2) Maischengärung: Grüner Malz, Malzkuchen und Gerstenspreu werden mit Wasser vermischt und unter Umrühren erhitzt, dann abgekühlt, dann mit Honig, Wein oder Dattelsirup ergänzt, um den Alkoholgehalt zu steigern. Um bei jedem Bier die gleiche Hefequalität zu erhalten, wurde das Bier jedes Mal im selben Topf gebraut, in dem Heferückstände zurückblieben, oder es wurde davon dem Malzkuchen oder der Maische beigegeben. Nach der Gärung wurde das Bier in 30oder 60-Liter-Krüge abgefüllt. (3) Filtern: Gesiebtes Bier konnte direkt aus Bechern getrunken werden. Ungesiebtes wurde mit Strohhalmen getrunken. In Anatolien (Gordion) und Syrien / Palästina wurden Bierkrüge mit Sieben im oberen Einguss und im seitlichen Ausguss gefunden. Altorientalisches Bier war dick, dunkel, trüb, alkoholarm, süß und proteinreich und damit eine wertvolle Ergänzung der Tafel. Es gab unterschiedliche Qualitätsstufen und Arten, je nach Zusammensetzung und Zusätzen. Die älteste Bezeugung von Bierstein bzw. Bierhefe stammt aus Godin Tepe (Zagros, spätes 4. Jt.). Etwa gleichzeitig tauchen auch in der Südlevante erste Anzeichen für Bierproduktion auf: ein Kultgefäß mit Siebausguss (Negev), eine Brauereiinstallation (En Besor), Trichtergefäße (Der el-Balah). Unter den Philistern (12./11. Jh.) kommt der so genannte »Bierkrug« auf, der von den Israeliten (10.-8. Jh.) adaptiert wird, ohne jedoch der Weinkultur (3 Wein) ernsthafte Konkurrenz zu machen. Wohl weil Getreide eher knapp war und Wein in Juda besonders gut gedieh, blieb letzterer wichtigstes Rauschgetränk und als einziges Getränk dem Kiddusch vorbehalten. Darin zeigt sich ein Unterschied zu Mesopotamien, wo Bier

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für Glück und Zivilisation steht und der Wildmann Enkidu übers Biertrinken zivilisiert wird (Gilgamesch-Epos II,44-51). Immerhin erlaubten die babylonischen Juden Bier anstelle von Wein für das Sabbatendritual (bPes 107a). 3. Aus Gemüse Nebst dem Getreide spielten Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen) seit der Steinzeit (Arad; Bab edh-Dhra) in der levantinischen Küche wie heute noch (Hommos!) eine grundlegende Rolle in der Alltagsernährung (Gen 25, 29-34; 2 Sam 17, 28; 23, 11). Mehlspeisen konnten mit Hülsenfrüchten gestreckt werden (Ez 4, 9). Nebst Gurken, Melonen, Lauch, Fenchel, Zwiebeln und Knoblauch wurden auch Wildkräuter gekocht, besonders in Notzeiten, manchmal mit Vergiftungsfolgen (2 Kön 4, 39). Sehr arme Menschen müssen sich in der Not von Karuben (Johannisbrot) ernähren (Jes 1, 20 hæræb: lies »Karube«, ˙ nicht »Schwert«; Lk 15, 16). 4. Aus Oliven Von allen Nahrungsmitteln der Südlevante ist das, was der Ölbaum liefert, die Oliven und das aus ihnen gepresste Öl, das typischste der Region (Ri 9, 8). Die Kultivierung des wilden Ölbaumes (Olea europaea L.) nahm hier im ausgehenden Paläolithikum ihren Anfang (Funde von Har Hanegev), in enger Verbindung mit der Entwicklung der Ölgewinnungstechnologie (3 Landwirtschaft) und prägte das vielerorts bis heute erhaltene Landschaftsbild des Hügellandes. Das aus dem Presssaft in Vorratsgefäße dekantierte Öl diente als Mittel zur 3 Körperpflege (auch 3 Salbung) und als Medizin, als Brennmaterial für Lampen (3 Licht), vor allem aber als Grundnahrungsmittel in Mehlspeisen: für Mehl-Öl-Gemische (Ex 29, 40), Ölkuchen (Ex 29, 23; Lev 2, 4; 7, 12), Fladenbrote (Lev 2, 4 f.; 5,14; 7, 12), Eingebrocktes (Lev 2, 6), Grützen (Lev 2, 7). Mit Öl vermengtes Mehl ist die einfachste und grundlegendste Opfergabe (3 Opfer) und als solche ein Abbild der Alltagsgrundnahrung. Die Verwendung des Öls entspricht etwa derjenigen der Butter in der mitteleuropäischen Küche. In Salz-

lake eingelegte Oliven kamen wohl erst in hellenistischer Zeit auf. 5. Aus Früchten a) Trauben wurden gegessen, wie auch das Sprichwort weiß (Jer 31, 29 f.; Ez 18, 2), in viel größeren Mengen aber zu 3 Wein, in Südmesopotamien auch zu Sirup verarbeitet, für Konservierungszwecke zu Weinessig. Zu Weinbeeren getrocknet fanden sie Verwendung beim Backen. Getrocknete Weinbeeren sind aus Anatolien (Çayönü) seit dem 9. Jt. bekannt, aus der Südlevante ab dem 5./4. Jt. (Jericho, Lachisch, Arad, Tell Schuna Nord / Transjordanien). b) Da Feigen mehrmals im Jahr und je nach Standort zu unterschiedlichen Zeiten heranreifen, liefern sie fast das ganze Jahr hindurch süße Früchte. Getrocknet werden sie vor allem als Süßstoff für Kuchen verwendet (1 Sam 25, 18; 2 Sam 16, 1; 1 Chr 12, 40). Weil zu jedem Haus auch mindestens ein Feigenbaum gehörte, stand er für friedliche Sesshaftigkeit. c) Sykomoren / Maulbeerfeigen, die nur in tiefen Lagen gediehen (1 Kön 10, 27) und deren Reifung durch Ritzen beschleunigt werden konnte (Am 7, 14), wurden ähnlich wie Feigen verwendet. d) Granatäpfel gehören zu den besonders geschätzten Erträgen des Landes (Num 13, 23; Dtn 8, 8), die Segen, Erotik und Wohlstand symbolisieren können. Die von Fruchtfleisch umhüllten Samen im Inneren des Apfels werden frisch genossen oder zu Saft gepresst. Der eingedickte Saft ergibt einen lange haltbaren, süßsauren Sirup. e) Datteln. Seit dem 4. Jt. v. Chr. in Eridu bezeugt, wurden sie vor allem getrocknet oder zu Sirup als Zusatz für Brot, Bier und Wein verarbeitet. Dattelpressen sind aus Tailaka (Kuwait; 1850-1500 v. Chr.) und Ras al Qala’a (Bahrain, um 500 v. Chr.) bekannt. In der Südlevante gelangten Dattelpalmen nur in der Aravah zur Reife. Jericho war als »Palmenstadt« bekannt (Dtn 34, 3; 2 Chr 28, 15; Ri 1, 16; 3, 13; Flav. Jos. Bell. 4,176; Madabakarte). Wahrscheinlich wurden Datteln mit Getreide zu Früchtekuchen verbacken (2 Sam 6, 19). Wichtiger als die Früchte (das Wort »Dat-

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tel« findet sich in der Bibel nicht) waren offenbar die Symbolik der Palme als Lebensbaum, besonders in der Ikonographie des 3 Tempels, und die Palmzweige (3 Fest). f) Äpfel galten als besondere Delikatesse und als Aphrodisiakum, weshalb sie im Hohenlied wichtig sind (2, 3; 8, 5). Der Anbau von Äpfeln (hebr. tappu¯ah) hat möglicherweise zur Namens˙ gebung einzelner Orte (Jos 15, 34; 16, 8) geführt. 6. Nüsse a) Pistazien. Die Früchte der echten Pistazie (Terebinte) war ein Handelsgut (Gen 43,11), lokal wohl auch kultiviert, obwohl in der Südlevante nur die atlantische Pistazie heimisch ist, aus deren nicht essbaren, roten Früchten ein Öl gepresst werden kann. b) Mandeln wurden in der Südlevante kultiviert und nach Ägypten exportiert (Gen 43,11). Über die Verwendung in der Küche ist nichts bekannt. Neben dem rohen Verzehr ist das Einbacken in Kuchen wahrscheinlich. 7. Speisegewürze Von den Gewürzen werden nur Dill (griech. anethon; Anethum graveolens), Kumin / Kreuzkümmel (hebr. kammo¯n; Cuminum cyminum), der als Brotwürze verwendete Schwarzkümmel (hebr. qæsah; Nigella sativa), Minze (griech. hedyos˙ ˙ Koriander (hebr. gad; Coriandrum satimon), vum), Ysop (hebr. 3e¯zo¯b; Origanum Maru), Raute (griech. peganon; Ruta graveolens), Kurkuma (hebr. karko¯m; Curcuma longa), der wie in unserer Küche der Pfeffer verwendete Senf (griech. sinapeos; Brassica nigra) und Lorbeer (hebr. 3o¯ræn; Laurus nobilis) in biblischen Texten namentlich erwähnt, allerdings nie in kulinarischem Kontext, so dass über die genaue Verwendung in der Küche nichts bekannt ist. In assyrischen Quellen kommen darüber hinaus – falls die oft schwierigen Wortidentifikationen zutreffend sind – Safran, Rauke, Fenchelsamen, Thymian, Sumak, Kümmel, Ajowa / Indischer Kümmel, Minze, Gartenkresse, Asant, Kardamom, Sesam, Raute, Zwiebelsamen und Origano vor.

Bottero, Jean, Art. Gewürze, RLA 3, 340-344. Dayagi-Mendels, Mikhal, Drink and Be Merry. Wine and Beer in Ancient Times, Jerusalem 2 2000. Eitam, David / Heltzer, Michael (Hg.), Olive Oil in Antiquity. Israel and Neighbouring Countries from the Neolithic to the Early Arab Period, Padova 1996. Frankel, Rafael / Avitsur, Shmuel / Ayalon, Etan, History and Technology of Olive Oil in the Holy Land, Tel Aviv 1994. Curtis, Robert I., Ancient Food Technology, Technology and Change in History 5, Leiden / Boston / Köln 2001.

Thomas Staubli

Nahrungszubereitung Zwischen der Ernte (3 Saat und Ernte) und dem Genuss beim gemeinsamen Mahl (3 Essen, gemeinsames) liegt, je nach Nahrungsmittel, ein unterschiedlich langer Weg der Nahrungszubereitung, sofern das Erntegut nicht in paradiesischer Weise unmittelbar am Ort des Wachstums roh verzehrt wird (Gen 3, 6). Die Nahrungszubereitung beanspruchte in der vorindustriellen Südlevante einen beachtlichen Teil menschlicher, meist weiblicher, Arbeitszeit. Sie bestand aus einer Vielzahl von Tätigkeiten, teils mit Gerätschaften, die hochdifferenziertes 3 Handwerk vo-

Abb. 1: Nahrungsmitteltransport in Vorratskrügen auf einem Kamel. Auch Sack und Krug der Kameltreiber dienten wohl der Aufnahme von Lebensmitteln. Detail aus einem Relief von der Eroberung Lachischs 701 v. Chr. aus dem Palast Sanheribs in Ninive

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Nahrungszubereitung

Abb. 3: Nahrungszubereitung in einem assyrischen Fort. V. l. n. r.: Kochen mit Kochtopf über offenem Feuer; Ausnehmen eines Schafes; Vorratskrüge; Mahlen von Getreide. Festungsszene aus dem Nordpalast Assurbanipals (668-627) in Ninive

das Einkochen von Fruchtsäften zu Sirup (ferner 3 Wein; Molkereiprodukte; 3 Nahrung, nichtpflanzliche). Abb. 2: Nahrungszubereitung in einem assyrischen Fort. O. l.: Kühlen von Getränken in Tongefäßen durch Fächern. O. r.: im Detail unklare Nahrungszubereitung. U. l.: Ausnehmen eines Schafes. U. r.: Einfüllen oder Herausnehmen des Teigs bei einem Ofen mit abnehmbarem Dach. Bis auf die Schlachtung wurden diese Tätigkeiten im zivilen Alltag von Frauen und Kindern ausgeführt. Festungsszene aus dem Nordwestpalast Assurnasirpals (883-859) in Nimrud

raussetzen und die teilweise zur Aussteuer einer Frau gehörten. 1. Transport Zunächst müssen die Erzeugnisse zum Ort der Lagerung oder des Endverbrauchs transportiert werden. Dazu wurden sie in Säcke oder Körbe gefüllt, von Menschen (Abb. 5/2), auf Eseln oder Kamelen transportiert (Gen 42, 25.27). Mit Körben beladene Lastesel werden besonders in der Frühbronzezeit in der Südlevante als Ikonen des Segens betrachtet und in Terrakotta gestaltet als Grabbeigaben mitgegeben. Für Flüssigkeiten wurden Ziegenhautschläuche oder Vorratskrüge verwendet (Abb. 1 und 5/1). 2. Konservierung Früchte (Num 6, 3), Fisch und Fleisch (Num 11, 32) wurde auf Dächern oder erhöhten Podesten zum Dörren ausgelegt und so, teilweise zusätzlich durch Salzen, haltbar gemacht. Auch die Konservierung durch Essig war bekannt und

3. Lagerung Geeignete Vorratshaltung war in der Südlevante mit ihren enormen klimatischen Schwankungen eine große logistische Herausforderung für die Nahrungsendverbraucher. Von ihr hing in Hunger- und Kriegszeiten das Überleben einer Gemeinschaft ab. Das Verderben der Vorräte ist daher ein Fluch (Dtn 26, 26; Ps 105, 16, Jes 3, 1; Ez 4,16; 5, 16; 14,13), große Vorräte ein Segen (Ps 144,13), der aber auch zur Versuchung der Selbstsicherheit (2 Makk 12, 14) und gemeinschaftsvergessener Bereicherung (Lk 12, 18 f.) werden kann, wovor die Spruchweisheit warnt (Spr 27, 24; Sir 11, 18). Konkret wurden zum Schutz vor Insekten,

Abb. 4: Präsentation von Nahrungsmitteln anlässlich eines königlichen Banketts in Ninive. V. l. n. r.: Gezopfte Granatäpfel, aufgespießte, geröstete Heuschrecken, Wildgeflügel, Wildhasen, Feigen auf einem geflochtenen Teller. Relief aus dem Palast Sanheribs (704-681) in Ninive

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Nahrungszubereitung

Abb. 5: Judäisches Tongeschirr aus der Eisenzeit II (9.-7. Jh. v. Chr.), das dem Transport, der Lagerung, Zubereitung und Einnahme menschlicher Nahrung diente. 1: Vorratskrug (ca. 40 l; næbæl) für Transport (1 Sam 25,18; 2 Sam 16,1) und Lagerung von Wein (Jer 13,12; 48,11 f.), Öl und Getreide. Vorratskrüge des Krongutes wurden mit dem königlichen Stempel versehen. 2: Wasserkrug (7-10 l; kad), wie er v. a. von Frauen und Mädchen (1 Sam 9,11) zum Schöpfen am Brunnen verwendet wurde. Die Frauen trugen ihn auf der Schulter (Gen 24,15-17). Er konnte auch der Aufbewahrung von Mehl dienen (1 Kön 17,12.14). 3: Kugeliger, kleiner Kochtopf (ca. 1,5-5 l; pa¯rwur oder du¯d) zur Herstellung von Brühen und Suppen (Ri 6,19). Die Form diente der Zurückhaltung der Hitze. Er wurde entweder direkt in die Glut gesetzt, durch Steine abgestützt oder auf einen Dreifuß gestellt. 4: Flacher, großer Kochtopf (ca. 3-7 l; sı¯r), der besonders zur Fleischzubereitung verwendet wurde (Ez 11,3; 24,3). Beide Kochtopfarten dienten auch der Herstellung von Gemüseeintöpfen (2 Sam 17,28; 2 Kön 24,38-41). 5: Teigschüssel (misˇ3arot von ´se3or, Sauerteig; für ca. 1 kg Mehl), in der der Teig geknetet wurde und wo man ihn aufgehen ließ (Ex 12,34). 6-7: Krug (3asu¯k) zum Aufbewahren (2 Kön 4,2) und Einschenken von Flüssigkeiten. 8: Kelch (ga¯bı¯2a) für besonders feierliche Anlässe, oft auch aus Metall (Gen 44,2.12.16f.). Auch tiergestaltige Henkelbecher und Humpen (9) wurden für solche Zwecke verwendet (vgl. ANEP 332). 9: Humpen zum Schöpfen von gewürztem Wein (6,5 dl; ko¯s, wörtl. »Käuzchen« wegen der Form, griech. poterion). Der randvolle Humpen ist ein Segensbild (Ps 23,5). Das Trinken aus einem solchen Becher gehört zum Ritual von Dankliturgien (Ps 116,13), zu denen auch die Eucharistie gehört. Den vom Gastgeber angebotenen Humpen durfte man nicht zurückweisen, auch wenn das Getränk nicht schmeckte oder man es nicht vertrug. Er wurde daher zum Symbol für ein Schicksalsverhängnis (Ps 75,9; Jer 25,17.28; 49,12; Mk 14,36). 10: Krüglein (ca. 2,5 dl; pak) zum Schöpfen von Wein oder Öl aus dem Vorratskrug und zum Salben von Königen (1 Sam 10,1; 2 Kön 9,1). Der Humpen wurde aus der Schüssel mit dem gewürzten Wein (14) geschöpft (Ez 23,32) oder mit einem Krug gefüllt (Jer 35,5). 11: »Pilgerflasche«. Verschließbare Flasche für unterwegs (ca. 1-3 l; zapakat; 1 Kön 19,6). Sie gehörte zum unverwechselbaren ˙ verziert. Sie konnte auch der Aufbewahrung von persönlichen Besitz (1 Sam 26,11 f.16) und war daher oft schön angebrochenem Öl im Haus dienen (1 Kön 17,12.14). 12-13: Teller und Schalen (zalahat oder saf oder zeloh¯t) ı ˙ mit einem Stück ˙Brot wurden vor dem Brennen mit einem Knochen poliert und am Ende des Essens säuberlich ausgewischt (vgl. 2 Kön 21,13). Der Faule, so macht sich das Sprichwort lustig, sei noch zu faul, um die Hand von der Schale zum Mund zu führen (Spr 19,24; 26,15). Diese Art Keramik war so billig, dass jederzeit neue zur Verfügung stand (2 Kön 2,20). 14: Essschüssel für das gemeinsame Mahl (3 Essen, gemeinsames), die auch aus Metall hergestellt sein konnte, für edle Anlässe oder für den Tempel (hebr. q2¯ara¯h und / oder 3¯aga¯n; griech. tryblion; Ex 25,23; Num 7,13; Mk 14,20). In Schüsseln dieser Art wurde auch der Würzwein gemischt, der mit dem Humpen (9) geschöpft wurde (Hld 7,3).

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Namen

Kleinnagern und unbefugten Menschen innerhalb von Festungen, Siedlungen und Häusern Silos angelegt (s. die Abb. im Art. Dorf) oder gut verborgene Vorratshöhlen in den Feldern (Jer 41, 8), ab hellenistisch-römischer Zeit auch lange, hohe Gebäude mit dicken Mauern und Lüftungen. Josef wird als vorausblickendes Genie staatlicher Vorratshaltung dargestellt (Gen 41, 35). Gleichzeitig führt die Josefsnovelle drastisch vor Augen, dass, wer über eine umfassende Vorratsinfrastruktur verfügt, ein Mittel in der Hand hat, um die vom Vorrat Abhängigen zu versklaven (Gen 47,13-26). Josua gilt als umsichtiger Vorratslogistiker im Krieg (Jos 1, 11), David als ein König, der bei seinem Tod ein Reich mit Vorräten hinterlässt (1 Chr 22, 5), Rehabeam, Joschafat und Simon Makkabäus als tüchtige Reorganisatoren des Reiches, die Festungen mit Vorräten bauen lassen (2 Chr 11,11; 17, 13; 1 Makk 14, 10; 3 Staat / Verwaltung). Das Aufkommen der Vorratsthematik in den Chronikbüchern zeigt an, dass in hellenistischer Zeit diesbezüglich ein Entwicklungsschub zu verzeichnen war. Zur Aufbewahrung am Lagerort dienten oft Korbwaren, besonders für Dörrobst (1 Sam 25, 18; 30, 12; Jer 24, 1; Am 8, 1) und Brot (Gen 40,16-18; Mk 6, 43; 8, 3 par). Warmzuhaltende Speisen wurden in Körbe gelegt, die mit Heu isoliert waren (Iuv. III,14; VI,542). 4. Küche Damit die Grundnahrungsmittel in der Küche verwendet werden konnten, mussten sie zunächst in oftmals mühseliger Arbeit gesiebt, geschält, gehackt, gequetscht und gemahlen werden (3 Brot). Als Nahrungszubereitung im engeren Sinne gilt das seit der Jungsteinzeit für Menschen typische Zubereiten von Nahrung auf der Feuerstelle, die in der Regel das Zentrum eines Hauses bildet (3 Haus). Die archaischste, direkteste und damit einfachste Art des Garens auf dem Feuer ist das Braten, wie es beim traditionellsten aller 3 Feste, an Pessach, zur Anwendung kam. Viel häufiger aber war das indirekte Garen, in der einfachsten Variante auf heißen Steinen oder Scherben, z. B. beim Rösten von Korn, meistens aber in

einem mehr oder weniger großen Keramikkochtopf (Abb. 3 und 5/3-4). Darin konnten Suppen, Saucen und Eintöpfe aller Art zubereitet werden (3 Nahrung, nichtpflanzliche / pflanzliche). Die Gerichte wurden gesalzen und u. a. mit Senf, Kumin, Koriander, Dill, und Knoblauch gewürzt. Getränke bedurften vor dem Servieren in Krügen zum Abfüllen in Schalen (Abb. 5/6-11) u. U. der Kühlung (Wasser; Spr 25, 25; Abb. 3), Mischung (3 Wein) und des Abseihens (Bier; 3 Nahrung, pflanzliche). 5. Präsentation Die fertig präparierten Mahlzeiten wurden, insbesondere anlässlich von 3 Festen, in Schalen oder auf geflochtenen Untersätzen aufgeschichtet, an Stäbe gespießt, zu Kränzen geflochten, auf Tischen drapiert, insgesamt schön präsentiert (Abb. 4; ANEP 52), so dass unmittelbar vor dem Verschwinden durch Verzehr im gemeinsamen Mahl (3 Essen, gemeinsames) der in der zubereiteten Nahrung vergegenwärtigte Segen Gottes und der menschlichen Arbeit auch visuell genossen und gewürdigt werden konnte. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987. Botéro, Jean, Art. Küche, RLA 6, 277-298. Keel, Othmar, Judäische Keramik aus der Zeit des Jesaja und Jeremia (Eisenzeit II), Heiliges Land 4 (1976), 19-26. Schroer, Silvia / Staubli, Thomas / Theuer, Gabriele, Arbeitsgeräte einfacher Frauen, in: Frauendinge, Frauenbibelarbeit 4, Stuttgart / Düsseldorf 2000, 12-25.

Thomas Staubli

Namen Das hebräische Wort ˇs¯em wie auch der griechische Begriff onoma bezeichnen den Namen und was er mit sich trägt oder bewirkt: guten oder schlechten Ruf, Ruhm, Ansehen, Gedächtnis, Nachruhm. Konkrete Namen für Menschen, Völker, Orte und die Gottheit sind nie bedeu-

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Namen

tungslos, d. h. sie haben im weiteren Sinn immer einen symbolischen Anteil. Künstliche Symbolnamen (sprechende Namen; vgl. Mathys), wie sie beispielsweise in der Geschichte von Abigajil und Nabal, der ein Dummkopf ist und so heißt (1 Sam 25,25), im Buch Rut (Rut / Freundin, Kiljon / Schwindsucht u. a.) oder in der johanneischen Literatur (z. B. die Prophetin Isebel in Offb 2,20) vorkommen, sind hingegen seltener. 1. Die Wahl des Namens Im priesterschriftlichen Schöpfungsbericht folgt der Erzählung, wie Gott Licht und Finsternis, Himmel und Trockenes schied, jeweils die Notiz, dass Gott die so entstandenen und unterschiedenen Werke benannte (Gen 1,5.8.10). Die Psalmenbeter und -beterinnen (Ps 147,4) gehen davon aus, dass Gott jeden Stern mit Namen kennt. Nach Gen 2,19 f. wird Adam, dem Erdling, die Benennung der Tiere als Aufgabe zugewiesen. Der Name drückt nicht das Wesen des Benannten an sich aus, sondern das Begegnende und Erscheinende. Erst durch den Akt der Anerkennung, der ein »Nachschaffen« und Aneignen ist, wird ein Kind zur Person, die Frau zur Partnerin (Gen 2,23; 3,20), das Tier zu einem Mitgeschöpf, der Ort zu einer geschichtlich bedeutenden Stätte. Im alten Israel wurde den Neugeborenen bei der Geburt bzw. Beschneidung ursprünglich wohl von der Mutter ein Name gegeben, wie dies noch bei Johannes dem Täufer in Lk 1,59 f. ablesbar ist. Dabei achtete man nicht vorrangig, wie heute oft üblich, auf den Klang, sondern auf die Bedeutung. Tiernamen waren beispielsweise sehr beliebt (jona¯h / Taube, nahasˇ / Schlange, ra¯hel / ˙ ˙ Mutterschaf, sippora¯h / Vogel, debora¯h / Biene), ˙ wobei die bewunderte Eigenschaft eines Tieres, seine Beziehung zu einer Gottheit, vielleicht auch die Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis die Auswahl bestimmten. Manche Namen halten den Zeitpunkt der Geburt fest (haggit / die am ˙ Fest Geborene), andere auffällige Eigenschaften (paulus / der Kleine) oder die Bedeutung für die Eltern (jedida¯h / Liebling, re3ube¯n / seht, ein Sohn). Viele Namen enthalten theophore Ele-

mente, wie -ja¯/jo¯ oder -ja¯hu (für JHWH), ba2al / bel (Herr), 3¯el (Gott), 3¯ab (der vergöttlichte Ahnvater). Oft sind die Namen vollständige kleine Sätze: mı¯ka¯3¯el »wer ist wie Gott«; 3elija¯h »mein Gott ist JHWH«, jo¯na¯ta¯n »JHWH gibt«. Sie sind ein Miniaturhymnus und Dank an eine Gottheit, zugleich ein Bekenntnis der namengebenden Eltern zu einer ihnen besonders wichtigen Gottheit und stellen das Kind unter deren Schutz. Unter dem Einfluss griechisch-römischer Kultur sind Namenskombinationen häufig anzutreffen, wobei sowohl Abstammung (Tochter Raguels, Tob 3,7; vgl. bereits Gen 36,2.12.14), regionale bzw. lokale Herkunft (Simon der Kananäer, Mk 3,18; Maria aus Magdala Mt 28,1; Lk 8,2) als auch Eigenschaften (Thomas Didymos = Zwilling, Joh 11,16; 20,24; Simon der Zelot, Lk 6,15; Apg 1,13) im Cognomen festgehalten werden. Am Jesusnamen lässt sich ablesen, dass solche Beinamen durchaus ihre eigene Dynamik entwickeln konnten, denn »Jesus von Nazareth« (Mk 1,9) wird in Mk 1,24 »Nazarener« (nazarenos) genannt, während Mt 2,23 eine prophetische Verheißung als »Nazoräer« (nazoraios) erfüllt sieht, was von einigen Forschern auf das alttestamentliche Nasiräat gedeutet wird. Vielfach kommt es um die Zeitenwende auch zur Gräzisierung hebräischer Vornamen, wie z. B. Mirjam ! Maria(m), Lk 1,27; Jochanan ! Johannes Mt 1,2; Jakob ! Jacobos Mk 3,17), sowie zu Namenskombinationen aus jüdischen und griechisch-römischen Vornamen, wie z. B. »Saulus Paulus« oder »Simon Petrus«. Gewöhnlich ändert ein Mensch den Namen das ganze Leben lang nicht. Namensänderungen begleiten aber existenzielle Krisen und Neuanfänge im Leben (z. B. Sarai ! Sara Gen 17,15; vgl. 32,29; 41,44 f.). Dies gilt allerdings nicht für den sprichwörtlich gewordenen jüdisch-römischen Doppelnamen »Saulus Paulus«, denn auch nach dem Damaskuserlebnis wird der Name »Saul« verwendet (vgl. Apg 11,25.30; 12,25), während »Paulus« erst bei der Begegnung des Apostels mit dem Prokonsul von Zypern und Namensvetter erwähnt wird (Apg 13,7.9). Namensänderungen können der willkürlichen Machtdemonstration eines Starken über einen Schwächeren dienen (2 Kön 24,17:

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Mattanja ! Zidqija); sie können aber auch ein Jüngerverhältnis zum Ausdruck bringen (so die Benennung der Zebedäus-Söhne als Boanerges = Donnersöhne, Mk 3,17) oder mit einem besonderen Auftrag verbunden sein (Simon ! Petrus / Fels, vgl. Mt 16,16-18; vgl. Mk 3,16). Die Könige Israels haben, wie zumindest der fünfgliedrige Name Davids in 2 Sam 23,1 und die Namen des Kindes in Jes 9,5 nahe legen, ähnlich wie die Pharaonen in Ägypten beim Herrschaftsantritt mehrere Thronnamen ausgewählt. 2. Die Präsenz einer Person oder göttlichen Macht im Namen Während bis weit in die nachexilische Zeit in Israel ein eigentlicher Glaube an ein Weiterleben von Toten in einem Jenseits nicht nachweisbar ist, spielt der Name von Verstorbenen für das soziale Weiterleben eine eminent wichtige Rolle. In einem Sohn lebt der Name und damit die ganze Person eines männlichen Israeliten weiter. Auch durch die spätere Zeugung von Nachkommen mit einer Witwe konnte der Name des verstorbenen Mannes lebendig erhalten werden (vgl. Dtn 25,6; Rut 4,5). Machthaber und Kollektive verschaffen sich einen unvergänglichen Namen durch monumentale Bauten (Gen 11,4). Das Vergehen des Namens mit dem Tod war die größte Sorge eines Menschen im alten Israel (Ps 41,6). Die Vernichtung des Namens und damit der Erinnerung an eine Gottheit (Hos 2,19; Sach 13,2), ein Volk (Jos 7,9) oder eine Stadt (Jes 14,22) bedeutet endgültige Vernichtung, damnatio memoriae. Demgegenüber ist es JHWH selbst, der dem Menschen und Volk durch Nennung des Namens Würde und Bestand verleiht. So soll Aaron die Namen der Israeliten ins Heiligtum tragen, damit Gott ihrer gedenkt (Ex 28,12.29). Den Kinderlosen garantiert nach Jes 56,5 Gott selbst ja¯d wasˇ¯em, »Denkmal und Name« (danach auch der Name der Holocaust-Gedenkstätte). Die persönliche Namensanrede durch JHWH wird zum Ausdruck einer tröstlichen Schöpfer- und Erlöserbeziehung (Jes 43,1). In der johanneischen Theologie wird die Namensanrede und -kenntnis zum Ausdruck einer engen Jüngerbeziehung, wie

es im Bild des die Namen rufenden Hirten eindrücklich inszeniert wird (vgl. Joh 10,3). Die Kenntnis eines Namens macht die benannte Größe in einem gewissen Maß verfügbar, gibt Sicherheit im Umgang auch mit gefährlichen, unbekannten oder geheimnisvollen Mächten. Wird der Name eines Eroberers über einer Stadt (2 Sam 12,28) oder der Name eines Gottes über einem Volk (Am 9,12) ausgerufen, so wird der performative Charakter solcher Sprechakte und die Wirkmacht des ausgesprochenen oder geschriebenen Namens besonders deutlich. Entsprechend fragt Jesus den Dämon in Mk 5,9 nach seinem Namen und gewinnt so Macht über ihn. Mit dem Rufen oder Anschreiben eines Namens ist Präsenz und auch Besitzanspruch verbunden. So ließen Könige Standarten mit ihrem Namen oder Inschriften an strategisch wichtigen Orten anbringen (Staubli). Der Name des Gottes Amun war gegen Ende des 2. Jt. v. Chr. in Geheimschrift (Kryptographie) auf vielen Siegelamuletten auch in Palästina / Israel im Umlauf. Auf diesem Hintergrund wird verständlicher, warum die Enthüllung des Gottesnamens JHWH für Israel so wichtig ist. Die Preisgabe des Namens (Ex 3,13 ff.) macht JHWH in seiner Wirkmächtigkeit zugänglicher, kommunizierbarer, quasi »existenter«. Im Namen JHWHs wird gesegnet (Dtn 10,8), geflucht (2 Kön 2,24), geschworen (Dtn 6,13) oder prophezeit (Dtn 18,18 ff.; Jer 14,14; 29,9), der Name bedeutet hier Autorisierung. Bereits im Bundesbuch (Ex 20,24; 23,21) und dann vor allem in der deuteronomistischen Theologie bekommt der Name Gottes eine eigene göttliche Dignität, er wird als solcher verehrungswürdig, ganz ähnlich wie in Ägypten die Namen der Pharaonen oder Götternamen verehrt wurden. JHWH erwählt Jerusalem zum Ort, wo er seinen Namen wohnen lassen will (Dtn 12,5 u. ö.) oder wohin er seinen Namen legt (Dtn 12,21). Neben die Ehrung und Heiligung des Namens Gottes (Ps 30,5; 99,3) kann dann ebenso Missbrauch und Schmähung des Namens treten, wobei nicht nur die Feinde (Ps 74,18; Ez 20,9.14), sondern auch die JHWH-Gläubigen selbst den Namen Gottes entheiligen können, sei es durch Götzendienst

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Namen

(Lev 18,21; 20,3; Ez 20,39), sei es durch ethisches Fehlverhalten (wie z. B. Falschzeugnis Lev 19,12 oder sexuelle Vergehen Am 2,7). Die besondere Achtung des Namens führt dazu, dass das Missbrauchsverbot im Dekalog erscheint (Ex 20,7; Dtn 5,11; vgl. Lev 24,16). In zwischentestamentlicher Zeit, aber nicht vor dem 3. Jh. v. Chr. (de Troyer), wird statt des Gottesnamens adonaj oder hasˇ¯em gelesen. Im Neuen Testament begegnet diese Namenstheologie wieder in der Vater-unser-Bitte (Mt 6,9) und wird vermehrt auf Jesus übertragen. Gemäß johanneischer Theologie ist Jesus nicht nur »im Namen des Vaters« gekommen (Joh 5,43), sondern macht ihn kund (Joh 17,6) und handelt in seinem Namen (Mk 11,9; Joh 5,43; 10,25). Ihm wurde ein »Name über alle Namen« verliehen (Phil 2,9 f.; Hebr 1,4). So wird nicht nur die Legitimation Jesu durch den Namen zum Ausdruck gebracht, Jesu Name wird dann selbst zur Repräsentation der Gottesgegenwart, indem sich die Gemeinde im Namen Jesu versammelt (Mt 18,5.20; Apg 8,12; vgl. Röm 1,5), die Jünger in Jesu Namen bitten (Joh 16,23-26), Wunder vollbringen (Apg 3,6; 4,7; 16,18; Jak 5,14) oder Sündenvergebung zusprechen (Lk 24,47; Apg 10,43; 1 Joh 2,12). Auch die Taufe erfolgt nicht nur »im Namen Jesu« (Apg 10,48; 1 Kor 6,11), sondern regelrecht »auf den Namen Jesu« (Apg 2,38; 8,16; Röm 6,3; 1 Kor 11,3) oder auf den dreifachen Namen Gottes (Mt 28,19), was die Übereignung an Jesus bzw. Gott zum Ausdruck bringen soll (Namensnennung beim Taufakt Apg 22,16; Jak 2,7). 3. Die Erforschung von Namen (Onomastik) Namen sind für die Rekonstruktion von politischer Geschichte (z. B. die Namen der Mütter der judäischen Könige in den Königsbüchern), Geographie (Ortsnamen), Sozial- und Religionsgeschichte ein unersetzlicher Fundus. Personennamen und Völkernamen (Genealogien) können bei gebotener methodischer Sorgfalt (vgl. Keel / Uehlinger 230-234) Hinweise auf ethnische, geographische, religiöse Zugehörigkeiten geben. Namen helfen, da Kinder mit dem Vaternamen als Sohn oder Tochter von xy bezeichnet werden (Fi-

liation), Familien- und Generationengeschichten zu verfolgen. In Kombination mit Amtsbezeichnungen geben sie Aufschlüsse über Berufe. 1.200 israelitische oder judäische Personennamen sind in inschriftlichen Zeugnissen der Eisenzeit II-III überliefert, etwa 800 auf westsemitischen Namenssiegeln, davon etwa 100 aus Palästina / Israel. Im gesamten Alten Testament sind etwa 1.400 Personennamen überliefert, davon allerdings nur ca. 90 Frauennamen (Stamm; zur Anonymität von Frauen in der biblischen Überlieferung Schroer und Reinhartz). Es gibt eine Reihe von hebräischen Namen, die nicht geschlechtsspezifisch sind (Abija, Talja, Gomer, Maacha, Schelomit, Zibja und weitere), in manchen Fällen könnten sich hinter vermeintlichen Männernamen unerkannte Frauen verbergen. Die theophoren Namen der hebräischen Inschriften (vgl. Tigay) zeigen beispielsweise, dass im 8. Jh. in Juda keine Göttinnen mehr in diesem Bereich der persönlichen Frömmigkeit vorkommen und dass gegen Ende des 8. Jh. Personennamen an JHWH, aber nicht mehr an Baal gebunden werden. Im Neuen Testament sind besonders Namenslisten, wie sie für den Zwölferkreis (Mk 3,16 ff.) oder Jüngerinnen (Lk 8,2 f.), für die Hellenisten, die alle griechische Namen tragen (vgl. Apg 6,5), oder im Postskriptum von Briefen (z. B. Röm 16,1-15) belegt sind, für die Rekonstruktion geographischer, zeitlicher oder ethnisch-religiöser Einzelheiten zu Schriften bzw. zugehörigen Personen oder Gruppen aufschlussreich. So sind z. B. unter den fünf namentlich bekannten Personen (Apg 16,14: Lydia; Phil 4,2 f.: Euodia, Syntyche, Klemens; Phil 2,25; 4,18: Epaphroditos) aus der Frühzeit Philippis, der ersten christlichen Gemeinde auf europäischem Boden, drei Frauen und vier griechische und nur ein lateinischer Name – deutliche Hinweise, welcher sozialen Schicht die Gemeinde zuzuordnen ist. Dass gerade auch solche Listen mit einem bestimmten theologischen Interesse erstellt wurden, wird z. B. am Stammbaum Jesu in Mt 1,1-17 sichtbar, der 41 Namen enthält, darunter auch drei Frauennamen (vgl. Ostmeyer). Wie hilfreich die Erforschung von Namen sein kann, wird an Röm 16,7 illustriert: Die in der Exe-

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gese lange verbreitete Auffassung, dass der Akk. Iuniam von einem männlichen Vornamen »Junias« stammt, wurde durch die vergleichende Onomastik widerlegt, denn während der Männername kaum belegt ist, erfreute sich der weibliche Name Junia in dieser Zeit weiter Verbreitung. In Röm 16,7 wird also eine Apostelin Junia erwähnt. Bauckham, Richard, Paul and other Jews with Latin names in the New Testament, in: Alf Christophersen (Hg.), Paul, Luke and the Graeco-Roman world, London 2002, 202-220. Delling, Gerhard, Biblisch-jüdische Namen im hellenistisch-römischen Ägypten, in: Cilliers Breytenbach / ders. (Hg.), Studien zum Frühjudentum. Gesammelte Aufsätze 1971-1987, Göttingen 2000, 392-422. Dobbeler, Stephanie von, Die Versammlung »auf meinen Namen hin« (Mt 18:20) als Identitäts- und Differenzkriterium, Novum Testamentum 4/3 (2002), 3, 209-230. Epp, Eldon E., Text-critical, exegetical, and socio-cultural factors affecting the Junia / Junias variation in Romans 16,7, in: Adelbert Deneaux (Hg.), New Testament textual criticism and exegesis, Leuven 2002, 227-291. Ilan, Tal, Lexicon of Jewish Names in Late Antiquity, Texts and Studies in Ancient Judaism 91, Tübingen 2002. Mathys, Hans-Peter, »Künstliche« Personennamen im Alten Testament, in: Jürg Luchsinger (Hg.), »… der seine Lust hat am Wort des Herrn!«, Festschrift für Ernst Jenni zum 80. Geburtstag, Münster 2007, 218-249. Noth, Martin, Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung, Hildesheim / New York 1980. Ostmeyer, Karl-Heinrich, Der Stammbaum des Verheißenen: theologische Implikationen der Namen und Zahlen in Mt 1.1-17, New Testament Studies 46/2 (2000), 175-192. Reinhartz, Adele, »Why Ask My Name?«. Anonymity and Identity in Biblical Narrative, New York / Oxford 1998. Schroer, Silvia, Frauengeschichte hat ein Recht auf Namen, in: Sabine Bieberstein / Daniel Kosch (Hg.), Auferstehung hat einen Namen. Biblische Anstöße zum Christsein heute. Festschrift für Hermann-Josef Venetz, Luzern 1998, 129-135. Stamm, Johann Jakob, Hebräische Frauennamen, in: Hebräische Wortforschung. Festschrift zum 80. Geburtstag von Walter Baumgartner, VT.S XVI, Leiden 1967, 443452. Staubli, Thomas, »Den Namen setzen«. Namens- und Göttinnenstandarten in der Südlevante während der 18. ägyptischen Dynastie, in: Izaak J. de Hulster / Rüdiger Schmitt (Hg.), Iconography and Biblical Studies. Proceedings of the iconography sessions at the joint

EABS / SBL conference: 22-26 July 2007, Vienna, Austria, Münster (im Druck). Thorley, John, Junia, a Woman Apostle, Novum Testamentum 38 (1996), 18-29. Tigay, Jeffrey H., You Shall Have No Other Gods. Israelite Religion in the Light of Hebrew Inscriptions, Atlanta 1986. Uehlinger, Christoph, Westsemitisch beschriftete Stempelsiegel: ein Corpus und neue Fragen, Biblica 79 (1998), 103-119. Zimmermann, Christiane, Die Namen des Vaters: Studien zu ausgewählten neutestamentlichen Gottesbezeichnungen vor ihrem frühjüdischen und paganen Sprachhorizont, Leiden 2007.

Silvia Schroer / Ruben Zimmermann

Naturerfahrung 1. Natur als Begriff Der Begriff »Natur« für die Pflanzenwelt oder das, was man heute als »grüne« Natur bezeichnen könnte, vollends ein Verständnis von Natur im Sinne einer eigengesetzlichen Einheit physischer Zustände und Abläufe ist der Bibel wie dem Alten Orient und weithin auch dem antiken Lebensgefühl fremd. Zwar kommt im Neuen Testament gelegentlich das Wort physis vor, doch meint es eher ein menschliches oder göttliches Wesen. So geht es in Röm 2,14 um die Fähigkeit mancher Menschen, die Tora (3 Tora / Nomos) »von Natur aus«, »aus sich selbst heraus« (physei) zu erfüllen, ohne sie zu kennen. Anders akzentuiert 1 Kor 2,14, ein »natürlicher Mensch (physikos anthropos)«, d. h. ein Mensch, der »einfach vor sich hinlebt«, sei unfähig, das Geschenk der göttlichen Geistkraft anzunehmen. 2 Petr 1,4 handelt von der Teilhabe am göttlichen Wesen (physis). Vor allem wegen der hochproblematischen Wirkungsgeschichte eigens zu erwähnen ist die Verwendung des Wortes »natürlich« (physikos) in der Beurteilung von Formen der 3 Sexualität. In Röm 1,26 spricht Paulus von sexuellen Verhaltensweisen, die »gegen die Natur« (para physin) seien. An anderer Stelle erklärt er, die Natur

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Naturerfahrung

(physis) lehre, dass ein Mann keine langen Haare haben solle (1 Kor 11,15). Das Wort physis ist – an beiden Stellen – nur dann plausibel, wenn es gerade kein Naturgesetz oder etwas biologisch oder anthropologisch »Naturgegebenes« meint, sondern eine gesellschaftliche und kulturelle und in veränderten gesellschaftlichen Strukturen auch veränderbare Verhaltensnorm. Physische Vorgänge im Leben von Menschen kann das biblische Hebräisch mit dem Wort dæræk (Weg) bezeichnen. So ist »der Weg der Frauen« in Gen 31,35 die Bezeichnung der Menstruation und Davids Rede vom »Weg aller Welt« meint in 1 Kön 2,2, dass alle Menschen sterben müssen. Der Vorgang des Entstehens des Menschen im Mutterleib, d. h. die Erfahrung, dass aus Flüssigem Festes wird, vergleicht Hi 10,10 mit dem Gerinnen von Milch zu Käse. In Ps 139,13 ff. wird die Erschaffung des Menschen im Mutterleib dagegen metaphorisch als handwerkliches Tun Gottes beschrieben, wobei auch Tätigkeiten genannt sind, die in der Sozialgeschichte mit weiblicher Arbeit verbunden sind (weben, buntwirken). Pejorativ kann ein Verhalten oder Sein von Menschen mit dem von Tieren verglichen werden (Ps 73,22; Tit 1,12); das gilt in besonderem Maße für die Kennzeichnung imperialer Herrschaft als tierischer, bestialischer, der eine wahrhaft menschliche Herrschaft folgen wird (Dan 2; 7). In dieser Linie steht auch die Bezeichnung Jesu als »Mensch« (die meist als »Menschensohn« wiedergegebene Formulierung hyios tou anthropou meint entsprechend hebr. be¯n 3a¯da¯m zunächst einen Angehörigen der Gattung »Mensch« und dann so etwas wie den wahrhaft Menschlichen). 2. Machterfahrungen Naturerfahrungen sind im Alten Orient und in der Bibel Begegnungen mit dem Wirken der Götter bzw. Gottes. Die Differenz zwischen antiker und moderner Sicht zeigt sich plakativ, wenn es im Griechischen heißt: »Zeus regnet«, wo wir sagen: »Es regnet«. Darum ist es für das Verstehen etwa neutestamentlicher Wundergeschichten eher irreführend, von einer Gruppe von »Natur-

wundern« zu sprechen und sie kategorial von Heilungswundern zu trennen. Wenn Jesus einen Sturm stillt (Mk 4,35-41), siegt er gegen Wind und See als Mächte und setzt kein »Naturgesetz« außer Kraft. Ebenso ist es bei Heilungen (zur Krafterfahrung etwa Mk 5,25-34), Exorzismen (Mk 9,14-28 und besonders deutlich in Mk 5,1-20 die »Austreibung« der Mächte, die einen Menschen »besetzen«, d. h. konkret der im Dämon »Legion« sich verkörpernden römischen Besatzung) und auch bei der Auferweckung von den Toten, bei der die Macht des Todes als des »letzten Feindes« (1 Kor 15,25 f.) gebrochen wird (3 Tod). Auch hier wird kein Natur-»Gesetz« durchbrochen. Das gilt in ähnlicher Weise auch für alttestamentliche Erzählungen wie die vom Schilfmeer, welches Gott durch einen starken Ostwind zurücktrieb und es trocken legte (Ex 14,21), so dass das aus Ägypten fliehende Volk Israel es trockenen Fußes durchschreiten konnte, während das sie verfolgende Heer Pharaos in den Fluten versank (Ex 14 f.). Wo JHWH auf Israels Seite ist, können auch Sterne und Flussläufe mitkämpfen (Ri 5,20 f.). Naturerscheinungen wie Erdbeben und Zeichen vom Himmel gehören aber auch zusammen mit politischen und sozialen Katastrophen (Krieg, Seuchen, Hungersnöte) zu den Zeichen der Endzeit (Lk 21,7-11.25-28; 3 Apokalyptik). 3. Ordnende Naturkunde und abstrakte Naturwissenschaft Auch wenn Naturerfahrungen immer Erfahrungen mit göttlicher Macht waren, war es den Menschen des orientalischen Altertums darum zu tun, nach Ordnungen und auch nach Regelhaftigkeiten im Zustand und im Ablauf der »Natur« zu suchen. Dabei ging es weniger um die Entdeckung von Kausalprinzipien als um die ordnende und benennende Erfassung der Phänomene. Nicht, wie z. B. Regen entsteht, war die Hauptfrage, sondern die Unterscheidung der verschiedenen jahreszeitlichen Formen und der entsprechenden Benennungen des Regens. Die altorientalische »Listenweisheit« sortiert, was es jeweils von welchen Arten gibt. Salomos Weis-

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heit besteht nach 1 Kön 5,13 u. a. darin, dass er alle Pflanzen von der großen Zeder bis zum kleinen Ysopkraut hersagen konnte. Diese Form enzyklopädischen Wissens entfaltete zudem einen literarisch-ästhetischen Reiz; so bietet Hi 4,10 f. gleich fünf verschiedene Bezeichnungen für Löwen. Die Beobachtung der Um- und Mitwelt des Menschen und ihrer Rätselhaftigkeit kann zu entsprechenden Fragen an die »Natur« des Menschen werden (mehrere solcher Vergleiche in Spr 30,14-31 und Jak 3, vgl. aber auch das »Feigenbaumgleichnis« in Mk 13,28 ff. par). In der Schöpfungsgeschichte in Gen 1 spielt der Ordnungsbegriff mı¯n (Art) eine große Rolle, indem die Tiere und Pflanzen »nach ihren Arten« erschaffen sind. In der Klassifizierung der (in der Bibel nicht im eigentlichen Sinn als Lebewesen angesehenen) Pflanzen nach ihrer Fortpflanzungsweise (Gen 1,29 f.) zeigt sich eine verblüffend genaue Kenntnis biologischer Vorgänge. Folgt man der masoretischen Akzentuierung im Text der Hebräischen Bibel in Gen 1,21 genau, so gibt es da mit den großen »Seeungeheuern« (tannı¯nim) jedoch Lebewesen, die nicht »nach ihren Arten« erschaffen und damit sozusagen »unartig«, monströs sind. In diesen Ungeheuern, die an anderen Stellen unter Bezeichnungen wie Leviatan, Schlange (na¯h¯aˇs) oder Rahab auftreten ˙ (Jes 27,1; Ps 104,26; Jes 51,9), zeigt sich ein Element einer Gegenwelt. So können jene Monstren mit dem Teufel verbunden werden (Offb 12,9); die Schlange in der Paradiesgeschichte ist dagegen nicht als böses, sondern – mit einem Wortspiel im hebräischen Text von Gen 3,1 – als ebenso nacktes wie kluges Tier gekennzeichnet. Jene Gegenwelt ist in Gen 1 in die Ordnung der Schöpfung eingebunden, doch treten die hier eher beiläufig in den Blick kommenden Monstren in anderen Texten als Bedrohung der Welt und ihrer Ordnung hervor (Jes 27,1; Hi 40 f.; Offb 12 f., Ebach 1984). Gegenüber dieser ordnenden und systematisierenden Naturkunde zeigt die frühe griechische Naturwissenschaft einen Fortschritt, der in gewisser Weise aber auch als Reduktion zu beschreiben ist. So gilt etwa Thales von Milet als

der, der als erster eine Sonnenfinsternis vorhersagte (nämlich für den 28. Mai 585 v. Chr.). Das entsprechende Wissen war in der babylonischen 3 Astrologie längst vorhanden. Thales reduzierte das dieser zugrundeliegende religiöse und mythische Beobachtungs- und Deutungssystem auf eine Rechenoperation, die nun ohne religiöse, numinose und mythologische Rahmenvorstellungen rein naturwissenschaftlich anwendbar wurde. Entsprechendes gilt z. B. auch für den Satz des Pythagoras, welcher in der Sache längst vorher etwa in ägyptischen Bauwerken angewendet wurde, jedoch nicht mathematisch-naturwissenschaftlich abstrahiert war. Diese Reduktion auf Operationalisierbarkeit steht am Beginn eines Naturbegriffs im engeren Sinne und mit ihm die Entzauberung der Welt und deren Unterwerfung unter das Prinzip der Zweckrationaliät. Das wird in einer erhellenden Bemerkung Immanuel Kants deutlich, der in seiner Schrift »Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte« (1786) im Bezug auf Gen 3 über den Menschen ausführt: »Das erstemal, daß er zum Schafe sagte: der Pelz, den du trägst, hat die Natur nicht für dich, sondern für mich gegeben, ihm ihn abzog, und sich selbst anlegte (V. 21): ward er eines Vorrechtes inne, welches er, vermöge seiner Natur, über alle Tiere hatte, die er nun nicht mehr als seine Mitgenossen an der Schöpfung, sondern als seinem Willen überlassene Mittel und Werkzeuge zu Erreichung seiner beliebigen Absichten ansah« (Kant 91 – der Aufklärer lässt daran anschließend den für seine Ethik zentralen Grundsatz anklingen, dass der Mensch dem Menschen niemals zum Mittel werden dürfe). Anders als in Kants Lektüre wird jedoch in Gen 3,21 keineswegs geschildert, dass der Mensch dem Schaf das Fell abzog. Vielmehr macht Gott den Menschen eine Kleidung, um sie vor- und fürsorglich für das Leben draußen, außerhalb des geschützten Gottesgartens, auszustatten. Dazu kommt aber vor allem, dass in Gen 3,21 keineswegs eindeutig von einem Tierfell die Rede ist oder gar damit implizit das Töten von Tieren vorausgesetzt ist. Das Wort 2¯or bedeutet »Haut«; es kann um eine Tierhaut gehen, aber auch darum, dass Gott den

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Menschen Kleidung für ihre Haut verfertigt, was nicht das Töten von Tieren voraussetzt (ausführlich dazu Jacob 123 ff.). 4. Keine Romantisierung Obwohl der Umgang der Menschen des Alten Orients und der Welt der Bibel Natur im Sinne von Tieren, Pflanzen oder auch meteorologischen Phänomenen dadurch gekennzeichnet ist, dass in all dem göttliches Wirken erfahren wurde, darf doch nicht vergessen werden, dass sich das Verhalten gegenüber Tieren keineswegs nur in der Form von Hege und Pflege zeigte. Auch für das biblische Israel sind die Tiere Gefährten und Feinde des Menschen (Janowski u. a.; 3 Viehwirtschaft / Haustiere; 3 Wildtiere). Es ging stets auch darum, die in der dem Kulturland (3 Kosmosvorstellungen; 3 Raum; 3 Weltbild) gegenüberstehenden Wildnis sich bedrohlich erweisende »Natur« zu domestizieren oder auch zu eliminieren. So manifestierten sich zwar in wilden Tieren wie Löwen, Krokodilen, Nilpferden (etwa im alten Ägypten) machtvolle Gottheiten; das hinderte aber nicht die 3 Jagd auf solche Tiere bis hin zur Ausrottung von Tierarten wie des syrischen Elefanten bereits im orientalischen Altertum (Keel / Schroer 39-44, dort, 40, auch der erhellende Hinweis darauf, dass der Prophet Amos [3,15; 6,4] zwar den in der Verwendung von Elfenbein sich zeigenden Luxus der Reichen sozialkritisch attackierte, »aber die Ausrottung der Elefanten hat ihn nicht beschäftigt«). Das Fällen der Zedern des Libanon war im Alten Orient (vom Helden Gilgamesch des Epos bis zur Praxis assyrischer Herrscher) ein realsymbolischer Machterweis (kritisch dazu Jes 14). Gegen die Zerstörung von Bäumen als Mittel im Krieg (3 Friede / Krieg) wendet sich eine strikte Bestimmung der 3 Tora (Dtn 20,19). Romantisierende oder spiritualisierende Auffassungen gehen auch da fehl, wo in der Bibel von Hirtinnen (Gen 29,9) oder Hirten (3 Hirte / Hirtin) die Rede ist. Deren Aufgabe bestand nicht zuletzt darin, wilde Tiere oder um die kostbaren Wasserplätze konkurrierende Hirten abzuwehren (1 Sam 17,34 ff.; Am 3,12). Gerade diese

wehrhafte und darin behütende Funktion führte dazu, dass »Hirte« zu einem symbolischen Begriff für Führungsfiguren (Ez 34) und besonders zu einer Art Titel des Königs wurde (1 Kön 22,17; Jes 44,28). Diese Titulatur wird metaphorisch auch auf Gott übertragen (Ps 80,2; Jes 40,10 f.), aber auch da bleibt diese Wehrhaftigkeit ins Bild gesetzt (so explizit in Ps 23 – V. 4 spricht vom Hirtenstab und vom eisenbewehrten Knüppel dieses Hirten). 5. dominium terrae Die Erfahrung und Deutung der Lebenswelt ist im Alten Orient und in Israel von der Spannung zwischen der Mitgeschöpflichkeit der »Natur« auf der einen und dem Behauptungsinteresse des Menschen gegenüber der außermenschlichen Welt auf der anderen Seite geprägt. Der nach einem Begriff der Auslegungsgeschichte oft mit dem lateinischen Begriff dominium terrae bezeichnete »Herrschaftsbefehl« in Gen 1,28 beauftragt den als »Bild Gottes« männlich und weiblich erschaffenen und als Gottes Mandatar in der Welt bestimmten Menschen in einem Segenswort dazu, sich die Erde und die Tiere zu unterwerfen (Ockinga; Rüterswörden), d. h. ihnen den eigenen Willen aufzuzwingen. Konkret gemeint ist etwa das Anspannen von Tieren vor einen Pflug, der Verzehr von Milch und Eiern, das Scheren von Schafen, aber auch das Pflügen der Erde bis hin zur Anlage von Bergwerken, nicht aber das Töten von Tieren. Denn die folgende vegetarische Nahrungszuweisung an Menschen und Tiere, die ihnen getrennte Bereiche im Lebenshaus Welt anweist (Zenger 96 ff.), entwirft eine Herrschaft ohne Blutvergießen. Weder töten Menschen Tiere noch Menschen und Tiere einander. Dieses buchstäblich vorsintflutliche Modell eines Friedens in und mit der »Natur« hat ihr Pendant in der prophetischen Verheißung eines solchen Friedens (Jes 11,6-8; 65,25, vgl. auch Hos 2,20). Utopische Erinnerung und utopische Hoffnung nehmen das, was ist und wie es ist, gleichsam in die Zange und bestreiten, dass es immer so sein müsse und immer so sein werde (Ebach 1986). In der realen Welt aber gibt es wi-

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derstreitende Lebensformen und -interessen (Hi 38 ff.; Ps 104). So bekommen die Menschen nach der Flut die Erlaubnis, Tiere zu essen (Gen 9,2 f.), aber das Verbot des Blutgenusses (9,4 ff. – Tierblut darf nicht genossen werden, Menschenblut darf nicht einmal vergossen werden) wehrt auch hier einer beliebigen Verfügung des Menschen über die Tiere und ihre Gattungen (das Blut verkörpert das überindividuelle Leben). Aus den Bestimmungen von Gen 9 wurde im Judentum die Lehre von den »noachidischen», d. h. den für alle Menschen verbindlichen Geboten abgeleitet (Müller). Zu ihnen gehört explizit auch das Verbot der Grausamkeit gegenüber Tieren. Die von Gen 9,4 her geforderte »Schächtung« von Tieren mit der Durchtrennung der Schlagader mit einem sehr scharfen Messer, das nach den Vorschriften keine Scharten haben darf, ist (gegen ein immer wieder zu hörendes Vorurteil) eine vergleichsweise schmerzlose Form der Tötung. 6. Rein und unrein Die Klassifizierung von Tieren nach reinen und unreinen (Lev 11; 3 Opfer; 3 Reinheit / Unreinheit; 3 Speisegesetze) folgt dem oben genannten Ordnungsinteresse. Sie erfolgt nach bestimmten Normenvorgaben, nach denen ein Tier bestimmte Merkmale haben sollte (Douglas). So hat ein normaler Fisch Schuppen und Flossen, ein Aal z. B. ist danach ein gleichsam unnormaler Fisch und darum unrein. Die rein-unrein-Klassifizierung ist nicht mit einer grundsätzlichen Wertung in eins zu setzen. So ist z. B. das Kamel ein außerordentlich wertvolles Tier und gleichwohl »unrein«, weil es (anders als das »Normaltier« Rind) zwar ein Wiederkäuer ist, aber keine gespaltenen Klauen hat (Lev 11,4). Missverstanden sind solche Kategorien vollends dann, wenn sie als moralische Qualifikationen aufgefasst werden, obwohl eine solche Wertung bereits in biblischen Texten mitklingen kann. Wenn Petrus in einem Traum aufgefordert wird, Unreines zu essen (Apg 10,916, vgl. Ez 4,13 f.), hebt das nicht die Einhaltung der Speisegesetze für jüdische Menschen auf, macht aber darauf aufmerksam, dass es sich nicht um Forderungen handelt, die (wie die »noachi-

dischen Gebote«, vgl. dazu Apg 15,20) gleichsam »naturgemäß« auch für Menschen aus den Völkern gelten (3 Essen, gemeinsames). 7. Das Stöhnen der Schöpfung Das Leiden, das die Glaubenden erfahren, ist in Röm 8,18-27 eingebunden in ein Seufzen der ganzen Schöpfung, die unter Geburtswehen stöhnt und leidet (V. 22 f.). Die von Gott erschaffene und erhaltene Welt ist wie in Hi 38 ff. oder Ps 104 auch in Röm 8 keine »heile« Welt. Die sehnlich erwartete und gegen den Augenschein erhoffte (8,24 f.) Rettung als Befreiung »der Schöpfung selbst aus der Versklavung durch die Korruption (apo tes douleias tes phthoras)« (V. 21) gibt schon jetzt die Widerstandskraft, das Neue zu erwarten (V. 25). Der 3 Geburt voraus gehen die Wehen – an vielen Stellen der Bibel eine Realmetapher für große Schmerzen, bei denen ein gutes Ende nicht garantiert ist, aber auch (dazu Sutter Rehmann) für Schmerzen, an deren Ende neues Lebens steht (Jes 13,8; 66,7; Mi 4,9 f.; Hi 39,3; Joh 16,21; Offb 12,2.5). So sind auch die »Geburtswehen« der neuen Zeit mit kommenden Katastrophen erfüllt (mehrfach z. B. in Lk 21 oder Offb 6-8), bis sich der große biblische Rahmen (Gen 1-3; Offb 21 f.) schließt und die neue Schöpfung das Wasser des Lebens bereithält (Offb 22,17). Altner, Günter (Hg.), Ökologische Theologie. Perspektiven zur Orientierung, Stuttgart 1989. Bindemann, Walter, Die Hoffnung der Schöpfung. Römer 8,18-27 und die Frage einer Theologie der Befreiung von Mensch und Natur, Neukirchen-Vluyn 1983. Douglas, Mary, Reinheit und Gefährdung, Frankfurt a. M. 1988. Ebach, Jürgen, Leviathan und Behemoth. Eine biblische Erinnerung wider die Kolonisierung der Lebenswelt durch das Prinzip der Zweckrationalität, Paderborn u. a. 1984. Ders., Ursprung und Ziel. Erinnerte Zukunft und erhoffte Vergangenheit, Neukirchen-Vlyun 1986. Jacob, Benno, Das erste Buch der Tora. Genesis, Berlin 1934 (Nachdruck New York o. J. [1974]). Janowski, Bernd u. a. (Hg.), Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993. Kant, Immanuel, Mutmaßlicher Anfang der Menschen-

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Nomadentum

geschichte [1786], in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 9, Darmstadt 1968, 85-102. Keel, Othmar / Schroer, Silvia, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen / Freiburg (Schweiz) 2002. Krolzig, Udo, »Macht euch die Erde untertan … !« und das christliche Arbeitsethos, in: Klaus Michael Meyer-Abich (Hg.), Frieden mit der Natur, Freiburg 1979, 174-195. Link, Christian, Schöpfung, 2 Bde., HST 7/1.2, Gütersloh 1991. Müller, Klaus, Tora für die Völker. Die noachidischen Gebote und Ansätze zu ihrer Rezeption im Christentum, Berlin 2 1998. Ockinga, Boyo, Die Gottebenbildlichkeit im Alten Ägypten und im Alten Testament, Wiesbaden 1984. Rüterswörden, Udo, dominium terrae. Studien zur Genese einer alttestamentlichen Vorstellung, BZAW 215, Berlin / New York 1993. Sutter Rehmann, Luzia, Geh, frage die Gebärerin! Feministisch-befreiungstheologische Untersuchungen zum Gebärmotiv in der Apokalyptik, Gütersloh 1995. Zenger, Erich, Gottes Bogen in den Wolken, SBS 112, Stuttgart 1983.

Jürgen Ebach

Nomadentum 1. Die Existenz von Nomaden ist im östlichen Mittelmeergebiet belegt, lange bevor dort eine Größe Israel nachweisbar ist. Das zeigen ägyptische Texte und Wandmalereien sowie die Texte aus Mari am nördlichen Eufrat. Bei der Einordnung des Nomadismus in die antike Sozialgeschichte müssen zwei Irrwege vermieden werden, die die ältere Forschung häufig gegangen ist. Als Erstes ist festzuhalten, dass Nomadismus kein einheitliches, sondern ein äußerst vielfältiges Phänomen ist. Bis ins 1. Jt. hinein geht es nahezu ausschließlich um Kleinviehnomaden; Kamelzüchter, mit den heutigen Beduinen vergleichbar, spielen erst nach der Wende zum 1. Jt. eine gewisse Rolle. Dabei kann die konkrete Form des Nomadismus in saisonalem Wechsel von Sesshaftigkeit und Wanderung, in der Wanderung zwischen verschiedenen Residenzen oder in unregelmäßigen

Wanderungsbewegungen bestehen. In der Regel ist dabei das Verhältnis zwischen Nomaden und Sesshaften nicht das eines feindlichen Gegenübers, sondern eines symbiotischen Miteinanders. Das führt zweitens zu dem vermeidbaren Missverständnis einer evolutionären Betrachtung. Es gibt keine Entwicklung von den Jägern und Sammlern über die Nomaden zu den Sesshaften. Nomadismus und Sesshaftigkeit bestehen über lange Epochen nebeneinander, und immer wieder kommt es vor, dass Sesshafte in die nomadische Lebensweise übergehen (»Renomadisierung«). Das in der Eisen-I-Zeit entstehende Israel setzt sich wahrscheinlich zu einem Teil aus renomadisierten Angehörigen der bronzezeitlichen kanaanäischen Stadtkultur zusammen. 2. Die Hebräische Bibel führt Israel auf nomadisierende Erzelternfamilien zurück und zeigt darin eine positive Sicht der nomadischen Lebensweise. Hosea und das Deuteronomium bewerten die Wüstenzeit vor der Landnahme als Zeit eines positiven und ungetrübten Gottesverhältnisses. Die Gruppe der Rechabiter hält auch noch in der Königszeit das nomadische Ideal aufrecht (Jer 35). 3. Im Neuen Testament findet sich kein konkreter Reflex der Nomadenkultur, was darauf zurückzuführen ist, dass sich einerseits bereits die Jesusbewegung aus ehemals sesshaften Anhängern zusammensetzt. Ihre Sozialform des so genannten »Wanderradikalismus« ist nicht durch Viehzucht motiviert, sondern dient vielmehr der Mission und setzt ihrerseits ortsgebundene AnhängerInnen zur Unterstützung in den Dörfern (3 Dorf) voraus. Andererseits hat sich das Christentum schon früh als ein urbanes Phänomen ausgebreitet, wenn auch in vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Gesellschaften. 4. Die positive Sicht des Nomadentums lebt darin fort, dass Erscheinungen des Kulturlandes archaisierend als nomadische Phänomene symbolisiert werden. Zu nennen ist hier zum einen die häufige Apostrophierung des Jerusalemer Tempels als

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Öl / Salbe

»3 Zelt« (Ps 15,1; 27,5 f. u. ö.), zum andern die Prädikation des Herrschers (Ez 34) oder Gottes (Ps 23) als »Hirte« (3 Hirte / Hirtin). Diese Bezeichnungen haben ihren Fortbestand bis in neutestamentliche Zeit, in der »Hirte« zu einer christologischen Würdebezeichnung wird und die Gläubigen sich selbst als »Schafe« titulieren (vgl. z. B. Joh 10; 1 Petr 2,25; Hebr 13,20). Klengel, Horst, Zwischen Zelt und Palast. Die Begegnung von Nomaden und Seßhaften im alten Vorderasien, Wien 1972. Rowton, Michael B., Dimorphic Structure and the Parasocial Element, JNES 36 (1977), 181-198. Rowton, Michael B., Dimorphic Structure and the Problem of the 2Apiru-2Ibrı¯m, JNES 35 (1976), 13-20. Rowton, Michael B., Urban Autonomy in a Nomadic Environment, JNES 32 (1973), 201-215. Scholz, Fred, Nomadismus: Theorie und Wandel einer sozio-ökologischen Kulturweise, Stuttgart 1995. Silva Castillo, Jorge (Hg.), Nomads and Sedentary People, Mexiko 1981. Staubli, Thomas, Das Image der Nomaden im Alten Israel und in der Ikonographie seiner sesshaften Nachbarn, OBO 107, Freiburg, Schweiz / Göttingen 1991.

Rainer Kessler / Heike Omerzu

Nomos 3 Tora / Nomos

Öl / Salbe Duftende Öle, Salben, Parfümwasser und Räuchermittel gehörten zum täglichen Bedarf des Menschen im Altertum. Die Kunst, duftende Aromastoffe an Fette und Öle zu binden, stammt aus dem Nahen Osten; ihr Gebrauch in der 3 Körperpflege, in Kult und sepulkraler Kultur ist im östlichen Mittelmeerraum bereits in vorgeschichtlicher Zeit archäologisch nachweisbar. Der Bedarf an diesen Stoffen war ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der Handelsbeziehungen und damit des Kulturaustausches zwischen den Völkern der Antike und ist deshalb auch politisch kaum zu überschätzen. Ein Zen-

trum der Herstellung, aber auch des Handels mit Salben und Drogen waren die phönikischen Städte (vgl. die Kontrolle des Karawanenweges aus Saba durch Salomo 1 Kön 10; ferner das Klagelied Ezechiels über Tyrus Ez 27, 17.19.22). Nach den Kriegszügen Alexanders des Großen erfuhr der Salbenhandel im ganzen östlichen Mittelmeerraum einen starken Aufschwung (Paszthory 47.60) Man salbte entweder mit dem Grundstoff Öl, vor allem Olivenöl, oder man vermengte ausgelassenes Tierfett zu festeren Salben durch die Beifügung aromatischer Stoffe, vor allem Pflanzenextrakten und Harzen. Das griechische Wort Myron meint weniger eine Salbe als vielmehr dünnflüssige Öle pflanzlicher Herkunft. Für die Herstellung von Ölen und Salben im familiären Kontext waren grundsätzlich Frauen zuständig (1 Sam 8, 13; vgl. Lk 23, 56). Einige Texte zeugen auch von einem berufsmäßigen Expertenwissen (Ex 30, 25; Neh 3, 8), das man besonders in kultischem Zusammenhang anwenden konnte (Num 4,16; 1 Chr 9, 30; Ex 30, 33; 37, 29: Salböl und Räucherwerk). Je nach Konsistenz wurden die Öle bzw. Salben unterschiedlich aufgetragen, d. h. in einem Spektrum vom Einreiben bis zum Begießen. Ölen und Salben diente therapeutischen Zwecken (Sir 38, 7; Offb 3,18) bzw. der Wundbehandlung (Jes 1, 6). Als Haut- und Schönheitspflege von Frau und Mann unmittelbar nach dem Baden bzw. Waschen (2 Sam 12, 20; Ez 16, 9; Rut 3, 3; Dan 13,17; Mt 6, 17) signalisierte das Einölen bzw. Salben Gesellschaftsfähigkeit und auch sexuelle Kontaktbereitschaft. Sosehr das Salben und Ölen für alle Schichten typisch und Ausdruck der Lebensfreude war (Jes 61, 3; Ps 133, 2; Spr 27, 9; daher nicht im Prozess des Trauerns: 2 Sam 14, 2), so sehr konnte der Gebrauch unterschiedlich feiner Salben gravierende sozialökonomische Verwerfungen signalisieren (Am 6, 6, vgl. Offb 18,13). Das Salbungsritual von rechtem Ohrläppchen, rechtem Daumen und rechtem großen Zeh am Ende einer Aussätzigkeit (Lev 14, 17-18.28-29) kann apotropäische Funktion haben, zeigt aber auch die – freudige – Wiederaufnahme des Ge-

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Öl / Salbe

heilten in die Gemeinschaft an. Mk 6, 13 berichtet von Krankenheilungen, die in jüdischer und gemeinantiker Weise von einer Salbung als »medizinischer Anwendung« begleitet wurden; Jak 5, 14-16 ordnet dieses Ritual jedoch dem fürbittenden Gebet als der eigentlichen Heilshandlung am Kranken unter (Frankemölle). Im übertragenen Sinn wurde dem Öl auch kräftigende Wirkung zugeschrieben; deshalb findet sich im Alten Orient und auch in Israel der Ritus der 3 Salbung im Zusammenhang mit Rechtsakten bei der Übertragung des Königsamtes (ma¯ˇsah bzw. chrio, 1 Sam 9,16; 10, 1; 15, 1.17; ˙ 2 Kön 9, 3.6 u. ö.) oder der Salbung der Priester (Ex 29,7; 40, 15). Auch Propheten können metaphorisch von ihrer Beauftragung und Sendung als einer Salbung durch Gott reden (Jes 61, 1), was dann auf Jesus, den Gesalbten (Christos) übertragen wird (Lk 4, 18, Apg 4, 27; 10, 38; Hebr 1, 9). Daran knüpft die urchristliche Rede von der Salbung der Gläubigen durch den Heiligen Geist an (2 Kor 1, 21; 1 Joh 2, 20.27). Die Einbalsamierung eines Leichnams blieb im israelitischen Kontext die Ausnahme, die sich bezeichnenderweise nur im Falle Jakobs und Josefs in Ägypten findet (Gen 50, 2-3.26). Die Salbung sollte im Judentum nicht den Verwesungsprozess verzögern noch war sie, wie in Ägypten, Teil der Mumifizierung; vielmehr war sie ein Ritus, der den Toten ehren (vgl. 2 Chr 16, 14 mit 1 Kön 15, 24) und die Angehörigen trösten sollte (Zangenberg 889). Die Evangelien berichten von einer Salbung des Leichnams Jesu, die bei den Synoptikern nach dem Paschafest stattfinden soll (Mk 16, 1; Lk 23, 56), bei Johannes jedoch bereits während der Bestattung vollzogen wird (Joh 19, 40). Wohlriechende Essenzen (aromata) wie Myrrhe, ein wertvolles Duftharz, und Aloe, ein Duftholz (Adlerholzbaum), wurden in Öl oder Salbe eingemischt und dem Leichnam beigegeben oder in fester Form neben dem Leichnam verbrannt (Zangenberg 885 und 2 Chr 16, 14). Joh 19, 40 setzt die erstere Variante voraus. Zangenberg konstatiert weiterhin mit Bezug auf archäologische und literarische Untersuchungen zur jüdischen Bestattungskultur in Palästina, dass die johan-

neische Darstellung zwar königliche Assoziationen erwecken will (vgl. Ps 45, 9), mit bemerkenswerter Genauigkeit jedoch einem Begräbnis der Jerusalemer Oberschicht entspricht (Zangenberg 886). Das johanneische Szenario des Begräbnisses Jesu »wie es Sitte ist bei den Juden zu begraben« (Joh 19, 40) ist damit in Inklusion zu Joh 1, 11 ein letzter Hinweis darauf, dass »das Heil von den Juden kommt« (Joh 4, 22, vgl. Zangenberg 892). In Joh 12, 1-8 nimmt Maria von Betanien den »Tag der Zurüstung für das Begräbnis« (entaphiasmos) durch die Salbung (aleipho) der Füße Jesu prophetisch vorweg und weist dadurch gleichzeitig auf seine Auferstehung hin. Die Salbung der Hände und Füße (so auch Lk 7, 38) und häufiger noch des Hauptes (vgl. Mk 14, 3; Mt 26, 7) bei einem Gastmahl ist breit bezeugt (rabbinische Belege bei Wengst 48; aus dem hellenistisch-römischen Bereich bei Paszthory 46-59; vgl. etwa Plin. nat. XIII,4[21 f.] zu der als überflüssig empfundenen Salbung der Füße); auch der luxuriöse Preis von (über) dreihundert Denaren (Mk 14, 5; Joh 12, 5) korrespondiert mit antiken Angaben. Ob es sich hier (nur) um literarische Übertreibung oder um die Erinnerung handelt, dass sich unter den Freundinnen und Sympathisanten Jesu auch wohlhabende Männer (Josef von Arimathäa und Nikodemus) und Frauen (vgl. Lk 8, 1-4) befanden, ist aus dem historischen Abstand schwer zu sagen. Für Johannes ist die verschwenderische Salbung der Füße Jesu, die er parallel zur Fußwaschung durch Jesus (Joh 13, 1-11) inszeniert, ein zentrales Element seiner Theologie der Freundschaft, in der er das antike Freundschaftsideal der sozialen Beziehung unter Gleichgestellten aufgreift und provozierend auf die Beziehung zwischen Gott und Mensch im Geschehen der Erlösung zuspitzt (Gruber). Dayagi-Mendels, Michal, Perfumes and Cosmetics in the Ancient World, Jerusalem 1993. Frankemölle, Hubert, Krankensalbungen im Neuen Testament. Biblische Korrekturen zur sogenannten »Letzten Ölung«, in: Manfred Probst / Klemens Richter (Hg.), Heilssorge für die Kranken und Hilfen für die Erneuerung eines missverstandenen Sakraments, Freiburg u. a., 2 1980, 28-38.

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Gruber, Margareta, Die Zumutung der Gegenseitigkeit. Zur johanneischen Deutung des Todes Jesu anhand einer pragmatisch-intratextuellen Lektüre der Salbungsgeschichte Joh 12, 1-8, in Gilbert van Belle (Hg.), The Death of Jesus in the Fourth Gospel. Colloquium Biblicum Lovaniense LIV, 2005, BEThL 200, Leuven 2008, 647-660. Paszthory, Emmerich, Salben, Schminken und Parfüme im Altertum. Herstellungsmethoden und Anwendungsbereiche im östlichen Mittelmeerraum, Sondernummer Antike Welt 21, Mainz 1990. Wengst, Klaus, Das Johannesevangelium, ThKNT 4, 2, Stuttgart 2001. Zangenberg, Jürgen, »Buried according to the Customs of the Jews«. Joh 19, 40 in its Material and Literary Context, in: Gilbert van Belle (Hg.), The Death of Jesus in the Fourth Gospel. Colloquium Biblicum Lovaniense LIV, 2005, BEThL 200, Leuven 2008, 873-892.

Andreas Michel / Margareta Gruber

Opfer 1. Altes Testament Dem Opfer in seinen vielfältigen Ausprägungen kam in der Religion des alten Israel zentrale Bedeutung zu. Der Opferkult ermöglicht ganz allgemein eine bestimmte Form der Kommunikation zwischen dem Opfernden und seinem Gott und ist insofern in einer Vielzahl von Religionen einer der grundlegenden Vollzüge. Im alten Israel verstand man die Durchführung von Opfern, wie in anderen Kulturen auch, als eine fundamentale Pflicht des Menschen gegenüber seinem Gott. In Israel aber ist das ausgeprägte Verständnis des Opfers als eines Aktes der Begegnung mit dem Gott Israels von besonderer Bedeutung: Im Opfer ist JHWH anwesend und spendet dem Opfernden seinen Segen, wie besonders aus dem Altargesetz Ex 20,22-26 deutlich wird, durch das der rite vollzogene Kult unauflöslich mit der Segenszusage verknüpft wird, indem der rite gebaute und benutzte Altar der Ort ist, an dem JHWH sich einfindet, die Anwesenheit des Gottes Israels als Anwesenheit des »Ehrengastes« bei einem Gastmahl erfahren wird und die gött-

Auffangen des Blutes. Assyrische Opferdarstellung, Palastrelief aus Ninive, Zeit Sanheribs (701-681)

liche Anwesenheit in einem Segnen der Mahlteilnehmer durch die Gottheit ihr ultimatives Ziel hat (Marx 2000, 131-138). So heißt es in Ex 20,24: »Einen Altar von Erde mache mir, auf dem du dein Brandopfer und Dankopfer, deine Schafe und Rinder, opferst. An jedem Ort, wo ich meines Namens gedenken lasse, da will ich zu dir kommen und dich segnen« (Luther-Übersetzung, Revision 1984). Durch das Altargesetz bekommen wir Einblick in die Opfervorstellungen der israelitischen und judäischen Gesellschaft des 9. oder 8. Jh. v. Chr., doch sind die in ihm zum Ausdruck kommenden Konzepte mit hoher Wahrscheinlichkeit noch wesentlich älter. Im Altargesetz spiegelt sich das Ethos einer antiken Agrargesellschaft, die ihr Konzept von Gastfreundschaft auf die kultische Interaktion zwischen der Gottheit und ihren Verehrern projiziert. Konstitutiv für das israelitische Opfer ist weniger der Akt der Tötung des Opfertieres als solcher (zu bedenken ist dabei ohnehin, dass bei weitem nicht alle Opfer Tieropfer waren; vgl. im Folgenden) als vielmehr der Gabe-Charakter des Opfers bzw. seine Bedeutung als Huldigung an JHWH (Marx 1994, Marx 1997). Opferhandlungen dienten sowohl dem Wohl des einzelnen als auch dem der Gruppe bzw. Großgruppe: So stehen Brandopfer (2ola¯h) und Mahlopfer (zæbah) ˙ im Zusammenhang mit dem Bundesschluss zwischen JHWH und seinem Volk (vgl. z. B. Ex 24,38), und Opfer wurden alltäglich und natürlich erst recht zu Festtagen aufgeführt. Beim Mahlopfer partizipierten die Stifter der Opfermaterie

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Herbeischaffen der Opfergaben. Assyrisches Bronzerelief, Tell Balawat, Zeit Salmanassars III. (858-824)

– gemeinsam mit den das Opfer darbringenden Kultfunktionären, für die die Opferpraxis einen wesentlichen Teil der Lebensmittelversorgung darstellte – am als Gemeinschaftsmahl konzeptualisierten Opfervorgang und traten als Mitglieder der Mahlgemeinschaft, die JHWH einschloss, nicht zuletzt auch (für die Dauer des Opfers und des damit verbundenen Mahles) in Gemeinschaft mit dem Gott Israels ein. Auf diese Weise vergewisserten sie sich der – punktuellen, an das Mahl gebundenen – Gegenwart des Gottes Israels. In der nachexilischen Zeit sollte das Konzept der Gegenwart JHWHs eine ganz wesentliche Ausweitung erfahren; vgl. unten. Der Opferkult wird in der Hebräischen Bibel oft mit dem zusammenfassenden Ausdruck zæbah uminh¯ah bezeichnet (vgl. z. B. 1 Sam 3,14; Am ˙ ˙ 5,25). Mit dieser Begriffskombination (»Schlachtopfer und Gabeopfer«) »sind hier nicht Sühnopfer gemeint, sondern es werden die beiden Grundarten des Opfers aufgezählt, um den gesamten priesterlichen Opferdienst zu bezeichnen« (Gese 90). Sowohl Pflanzen- als auch Tieropfer wurden dargebracht. Für letztere konnten Rinder, Ziegen, Schafe und laut P auch Tauben herangezogen werden, und sie wurden entweder als Brandopfer oder als Mahlopfer durchgeführt. Beim Brandopfer (2ola¯h) wurde das Opfertier völlig vernichtet und damit ganz dem Gott Israels übergeben, während beim Mahlopfer (zæbah) das ˙ Fleisch des Tieres von der Opfergemeinschaft ver-

zehrt wurde. Das Mahlopfer wurde in vielerlei Gestalt gefeiert, darunter die toda¯h (Dankopfer) und das Pessach-Opfer. Unter Pflanzenopfern sind einerseits Trankopfer (Wein), andererseits Speisopfer (Mehl oder ungesäuertes Brot) zu verzeichnen. Sie wurden oft ergänzend zu einem Tieropfer durchgeführt (Marx 1999). Bei den Opfermaterialien handelt es sich also durchweg um zubereitete Lebensmittel, wobei aber nicht die Ernährung des Gottes im Mittelpunkt steht, sondern die Gastfreundschaft des Israeliten gegenüber seinem Gott (Marx 1997; Marx 2000, 135-136). Hieraus ergibt sich auch, welches Bild von JHWH den Opfervorstellungen zu Grunde liegt, denn »[w]enn (…) Gott, der zuerst seine Andersartigkeit behauptet, indem er jedes Bildnis von sich selbst verbietet, sich bereit erklärt, anläßlich eines Opfers zu kommen und das Angebot der Gastfreundschaft anzunehmen, so bekundet er seine Ähnlichkeit mit den Menschen«, und, indem er an einem Mahl teilnimmt, das aus den Agrarprodukten des Landes Israel zubereitet ist, »noch dazu seine besondere Bindung an sein Volk und dessen Land« (Marx 2000, 137). In der nachexilischen Zeit traten zu den althergebrachten Opfern die zwei Sühnopfer hinzu, das Sündopfer (hatt¯a3t; es kam ausschließlich den ˙ ˙˙ Priestern zugute und beinhaltete einen Blutritus, der am Brandopferaltar vollzogen wurde) und das Schuldopfer (3¯aˇs¯am; auch dieses wurde ausschließlich von der Priesterschaft verzehrt; der

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Stifter des Opfers erhielt auch hier keinen Anteil). In ersterem wurde vermittels eines Blutritus Sühne für unbewusstes Fehlverhalten erwirkt, und es kam besonders im Blick auf die Reinigung des Heiligtums zum Tragen. Im Schuldopfer wurde dagegen, bei Veruntreuung von Eigentum eines Israeliten oder des Gottes Israels, JHWH gegenüber, der als Herrn allen materiellen Besitzes verstanden wurde, Buße geleistet. Diese beiden neuen Opferarten hatten zentral das Bewirken von Sühne zum Ziel (Janowski 2000). Die Priesterschrift und Ez 40-48 sind die wichtigsten größeren alttestamentlichen Textkomplexe für die Rekonstruktion des exilisch-nachexilischen Opferverständnisses in Israel. Mit dem erst nachexilisch auftretenden Konzept des Sühnopfers wurde ein bedeutender Schritt in der theologischen Entwicklung Israels getan. »In der priesterschriftlichen Theologie wird als Basis des Kultes die Sühne erkannt. Man weiß jetzt, daß Kult nur als Sühnegeschehen möglich ist und daß darum Sühne den Bereich des Kultischen grundsätzlich prägen muß« (Gese 91). Durch die solchermaßen bewirkte Sühne werden die Voraussetzungen für das Wirksamwerden des göttlichen Segens wiederhergestellt. »Sühne geschieht durch die Lebenshingabe des in der Handauflegung mit dem Opferherrn identifizierten Opfertieres.« So ergibt sich die »Definition des Sühneaktes als stellvertretender Totalhingabe. … Das Opfertier wird an das Heiligtum Gottes hingegeben, es kommt in den Kontakt mit dem Heiligen. Die kultische Sühne vollzieht sich also nicht im bloßen Tod des Opfers, sondern in der Lebenshingabe an das Heilige, im Kontakt mit dem Heiligen.« Auf diese Weise »tritt Israel bei der kultischen Sühne in den Kontakt mit Gott« (Gese 97). Ist schon im (vorexilischen) Altargesetz neben dem Segen Gottes seine Gegenwart bei den Israeliten der wesentliche Punkt des Opferkultes, so wird das im (nachexilischen) Opferkonzept der Priesterschrift umso deutlicher. Wie Marx (2000, 138-141) hervorhebt, wird aus Ex 29,38-46, der Regelung des täglichen Opfers, deutlich, wie – ganz ähnlich wie im Altargesetz, doch dasselbe weiter-

entwickelnd und andere Akzente setzend – die Regelung des Opferkultes in einer Zusage der Heiligung (des Heiligtums und der Priester) und der Gegenwart Gottes gipfelt: »Daselbst will ich den Israeliten begegnen, und das Heiligtum wird geheiligt werden durch meine Herrlichkeit. (…) Und ich will unter den Israeliten wohnen und ihr Gott sein, dass sie erkennen sollen, ich sei der Herr, ihr Gott, der sie aus Ägyptenland führte, damit ich unter ihnen wohne, ich, der Herr, ihr Gott« (VV. 43.45-46; Luther-Übersetzung, Revision 1984). Hier wird der Opferkult an dem einen legitimen Heiligtum – und damit ultimativ die Gegenwart JHWHs unter seinem Volk in dessen Land – aus der Perspektive der nachexilischen Zeit zum Ziel des Exodus erklärt. Aus der punktuellen Anwesenheit Gottes ist zudem eine Einwohnung (sˇekina¯h) JHWHs in seinem Volk geworden: »Im Gegensatz zu Ex 20 wohnt Gott hier nicht mehr im Himmel, von wo er zu den Menschen anläßlich eines Opfers herunterkommt. Er ist zum gegenwärtigen Gott geworden« (Marx 2000, 139). Um die dauerhafte Gegenwart Gottes in seinem Volk zu ermöglichen, war nun, in der nachexilischen Zeit, das rite vollzogene Opfer wichtiger als je zuvor. Vornehmster und theologisch subtilster Ausdruck der nachexilischen Sühnetheologie ist die Konzeptualisierung des Versöhnungstages (jom kippu¯r) in Lev 16. Auch bei den Pflanzenopfern brachte die nachexilische Zeit eine Weiterentwicklung der Opfersystematik. Die Priesterschrift führt eine Vielzahl von Varianten auf, vgl. z. B. Lev 2 (Marx 1994). Ein wichtiger Aspekt des israelitischen Opferwesens war weiterhin das bereits in der vorexilischen Zeit wohletablierte Konzept der »Erstlinge«, das sowohl bei Feldfrüchten (bikku¯rı¯m) als auch bei der tierischen (sˇægær, pætær, ræhæm) ˙ ˙ und menschlichen Leibesfrucht (bekor) zum Tragen kommt. Nach der herrschenden Vorstellung gehörten diese Erstlingsfrüchte JHWH (Ex 22,28) und mussten ihm daher geopfert werden. In Bezug auf die menschlichen Erstgeborenen bedeutete dies, dass diese auszulösen waren, da

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das Menschenopfer laut Gen 22 und Lev 20 untersagt war. Gerade dieses Verbot lässt aber annehmen, dass Menschenopfer in der vorexilischen Zeit hier und da vorkamen (vgl. 2 Kön 16,3; 21,6). Jer 32,35 mit seiner Kritik an der Praxis des Menschenopfers unterstützt diese Vermutung. Möglicherweise war das Opfer menschlicher Erstgeborener bis zu einem gewissen, nicht näher bestimmbaren Punkt der vorexilischen Geschichte Israels Bestandteil des offiziellen Kultes (Levenson). Später konnten die Leviten in ihrer kultischen Funktion als Ersatz für das menschliche Erstlingsopfer angesehen werden (Num 3,11-13). Die Erstlinge der Tiere und Pflanzen wurden gemeinhin anlässlich des Wochenfestes, das das israelitische Erntefest war, geopfert (3 Abgaben, religiöse). Auch hiermit wurde zum Ausdruck gebracht, dass JHWH ultimativ als der Besitzer des Landes und seiner Produkte angesehen wurde. Die Opferung der Erstlingsfrüchte sollte kontinuierliche Fruchtbarkeit von Land und Vieh sichern. Die Leviten, selbst als »Erstlinge« klassifiziert (vgl. oben), erhielten zu ihrer Versorgung einen Anteil der dargebrachten Erstlingsfrüchte (Dtn 26,1-11). In Dtn 26,5-10 ist ein Text überliefert, der wahrscheinlich vom Opfernden bei der Übergabe des Opfers an das Heiligtum rezitiert wurde. Die Entwicklung der »Opferlogik« (Marx 2000) Israels spiegelt die Entwicklung der israelitischen und judäischen Gesellschaft unter dem Druck der politisch-militärischen Geschichte der syrisch-palästinischen Region und den Verlust der Staatlichkeit wider: Nach und nach wurde, ganz wesentlich unter dem Eindruck des Exils, das gesamte Opfersystem im Sinne einer Sühnekonzeption reinterpretiert, was nicht zuletzt auf die Einsicht in die Insuffizienz der althergebrachten »Opferlogik« zurückzuführen ist, einer Logik, die zwar Sünden zu eliminieren versprach, eine Reinigung des Individuums und des Volkes, die die Einwohnung des Gottes Israels überhaupt erst ermöglichen würde, nicht gewährleisten konnte. Um der Gegenwart Gottes Raum zu machen, bedurfte es des Sühnopfers gemäß seines in der Priesterschrift niedergelegten

Ritus. Von nun an konnte allein der Kult am einzigen legitimen Heiligtum die Reinheit Israels garantieren und damit die Gegenwart JHWHs in seinem Volk ermöglichen. 2. Neues Testament In der synoptischen Tradition wird der jüdische Opferkult gemäß den Geboten der Tora wiederholt vorausgesetzt (Mk 1,44 parr; Mt 5,23; 23,1820; Lk 17,14). Die Antithese zwischen Barmherzigkeit und Opfer in der Verkündigung Jesu (Mk 12,28-34; Mt 9,13; 12,7 u. ö.) greift das traditionelle Motiv der prophetischen Opferkritik auf (vgl. Hos 6,6). Dies entspricht sowohl der Akzentuierung der allgemeinen Sühnefunktion des Opfers im Judentum des 1. Jh. n. Chr. als auch der Bedeutung des Doppelgebots der Gottes- und Nächstenliebe als Maßstab der Kulttora im (sich nach 70 n. Chr. endgültig vom Tempelkult ablösenden) Judenchristentum (vgl. Mk 7,9-13), das allerdings zunächst am Tempelopfer festhielt (Apg 21,26; 24,18). Die Austreibung der Geldwechsler und Opfertierverkäufer als partes pro toto des andauernden Opferbetriebs bei der Tempelaktion Jesu (Mk 11,15-19 parr; vgl. Sach 14,21) kann als ein Hinweis auf eine eschatologisch motivierte Opferkritik verstanden werden: Angesichts des anbrechenden Gottesreichs verliert der Tempelkult seine Heilsrelevanz (vgl. Mk 14,58 parr). Bei Paulus begegnet eine durchdachte christologisch-soteriologische Deutung des Kreuzestodes Jesu in kultischen Kategorien. Allein das sühnende und heilstiftende Opfer Jesu (Röm 3,25; 4,25; vgl. 8,3.32 sowie Eph 5,2) vermag den wegen seiner Sünden auf Israel lastenden Zorn Gottes abzuwenden; es ist keine menschliche Kulthandlung, sondern Ausdruck der freien Zuwendung Gottes (1 Kor 5,7). Auch Johannes (Joh 1,29.36) betont die sühnestiftende Kraft der Kreuzigung als Opfergeschehen in Analogie zum Pessachopfer (Joh 18,28). Während Paulus bei der Einsetzung des Herrenmahls vor allem den Gemeinschaftsgedanken in den Blick nimmt (1 Kor 11,23-25), entwickelt sich im frühen Christentum auch eine Deutung der Eucharistie als Opfermahl und erinnernde Vergegenwärtigung des Kreuzes-

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todes als Sühnopfer (Mk 14,22-25 parr). Paulus (Röm 12,1 f.; 15,15 f.; Phil 2,17; 4,18) und jüngere christliche Autoren (1 Petr 2,5) spiritualisieren den Opfergedanken zudem und übertragen ihn auf die Liturgie und (in paränetischer Absicht) auf die christliche Lebensführung in der Nachfolge des Gekreuzigten (Hebr 13,15). Dem Verfasser des Hebräerbriefs gilt der Sühnetod Jesu am Kreuz als Opfertod und Opfergabe zugleich (Hebr 7,27; 9,25 f.28); die im priesterlichen Opferdienst manifeste alte Heilsordnung ist für ihn als Heilsweg nunmehr funktionslos geworden. 3. Feministisch-sozialgeschichtliche Perspektiven Feministisch-theologische Entwürfe setzen an der Wirkungsgeschichte der Rede vom Opfer an und machen deutlich, dass diese vielfach der Verharmlosung und Legitimation von Gewalt gedient hat (Strobel). Als Aufgabe wird gesehen, ein Verständnis des Opfers zu entwickeln, das dessen vielfältige Dimensionen (Segenszusage, Gabencharakter, Gegenwart Gottes, Verarbeitung von Schuld und Tod, Gerechtigkeit, Heiligkeit der körperlichen Existenz) jenseits einer kontextlosen dogmatischen Deutung und deren religiöser Legitimation von Gewalt zum Ausdruck bringt (Kuhlmann). Als problematisch wird vor allem der undifferenzierte Gebrauch des deutschen Wortes »Opfer« erachtet. Es umfasst drei Dimensionen, die in anderen Sprachen – so auch im Griechischen und Hebräischen – mit unterschiedlichen Worten wiedergegeben werden: 1. Gewaltopfer: engl. victim 2. kultisches Opfer: engl. sacrifice 3. übertragen: sich auf-opfern. Wirkungsgeschichtlich hat dies dazu geführt, dass der kultische Verstehenshintergrund und der Aspekt des Gewaltopfers in Bezug auf das Opfer Christi miteinander verschränkt wurden. Dieses wurde zudem als Vorbild für christliche Lebenspraxis (»sich aufopfern«) dargestellt. a) Sühnopfer. Wenn im Deutschen das Wort »Opfer« verwendet wird, steht häufig die Vorstellung des Sühnopfers im Hintergrund, das auf den gewaltsamen Tod Jesu bezogen wird. In den neutestamentlichen Schriften steht das Sühn-

opfer jedoch eher am Rande (Brandt). Feministische Exegetinnen haben deutlich gemacht, dass der sozialgeschichtliche und religionswissenschaftliche Hintergrund der Rede vom Sühnopfer ein wichtiger Schlüssel für das Verständnis der neutestamentlichen Texte ist und kommen vor diesem Hintergrund zu einer differenzierten Darstellung der Opfermetaphorik und der dahinterstehenden Gottesvorstellung: Der Kontext der neutestamentlichen Rede über das Sühnopfer ist die römische Besatzung Israels. Die andauernde Erniedrigung, Vergewaltigung, Versklavung wird als Verunreinigung gedeutet, als Folge der Schreckensherrschaft der Sünde (Schottroff). Dass selbst der Messias getötet wurde, ist Anlass von Verzweiflung über den augenscheinlichen Triumph des Bösen: Wie kann Leben in Heiligkeit und Gottesnähe noch möglich sein angesichts der Übermacht von Gewalt und zwangsläufigem Schuldigwerden (vgl. auch 4 Esra)? Wie Sünde darf auch Sühne nicht individuell-moralisch verstanden werden. Sie ist im Zusammenhang der Kreuzigung Jesu als politisch-religiöse Kategorie und Sprache des Widerstands zu verstehen. Das Land bedarf der (kultischen) Reinigung. Als wichtiger Verstehenshintergrund für die Deutung des Lebens und des Todes Jesu als Sühnopfer ist eine Tradition jüdischer Martyriumstheologie anzusehen. In dieser wird das Festhalten an der Tora und der Widerstand fremden Herrschern gegenüber (mit der grausamen Folge des Martyriumstodes) als Sühnopfer für die Sünden des Volkes verstanden (vgl. 4 Makk 17,20ff.). Das Sterben der WiderstandskämpferInnen, ihr Verzicht auf Gewalt und Gegengewalt erfährt dabei eine nachträgliche (kultische) Deutung. Ihr mutiges Handeln wird als geschichtlicher Wendepunkt gedeutet, mit dem die Versöhnung zwischen jüdischem Volk und Gott möglich geworden ist. Paulus bezeichnet Jesus in Röm 3,25 als hilasterion, als (Sühne-)Ort, an dem die Versöhnung mit Gott ermöglicht wird. Der Kontext im Römerbrief ist die Erfahrung von Gewalt, an der Juden / Jüdinnen wie die Menschen aus den Völkern mitschuldig werden (vgl. Röm 3,9-20). Die-

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se Situation bedarf der Sühne, eines weltumgreifenden Versöhnungstages, damit ein Neuanfang für alle möglich werden kann – so Paulus. Auf der Bildebene wird das Blut Jesu hier mit dem des Opfertiers gleichgesetzt, das an den Altar gesprengt wurde. Das Blut symbolisiert Leben und Neuanfang, es bezieht sich auf Jesu ganzes Leben und bezieht auch die Ermordung am Kreuz mit ein (Brandt). Nicht der Tod hat die Versöhnung Gottes ermöglicht: Die Sendung des Messias unter die Strukturen der Gewalt, denen er wie alle anderen ausgesetzt war, hat zu ihrer Überwindung geführt (vgl. Röm 8,3), Gerechtigkeit bewirkt und das Befolgen der Tora ermöglicht. Hier wird kein opfernder Gott vorgestellt, für dessen verletzte Ehre Genugtuung geleistet werden müsste, im Gegenteil: Die Darstellung Jesu als »Sühnort« ist für Paulus ein Bild der Ermutigung, mit dem er zum Ausdruck bringen will, dass auch angesichts des Todes mit Leben zu rechnen ist, Leben, das von Gott geschenkt ist. b) Gabe. In vielen deutschen Bibelübersetzungen wird das griechische Wort thysia mit »Opfer« wiedergegeben, wodurch der Charakter der Gabe (hebr. zæbah, minh¯ah), der im Hintergrund steht, ˙ ˙ undeutlich wird. In Röm 12,1 bezeichnet dieses Wort die gesamte Existenz als Gabe für Gott (vgl. Ps 40,7-10; 50,23), als Handeln in Gerechtigkeit und solidarischer Gemeinschaft und meint anders als in der Wirkungsgeschichte oft gedeutet keine selbsterniedrigende Opferhaltung. Der Alltag und der eigene Körper (als Tempel der heiligen Geistkraft 1 Kor 6,19) werden durchlässig für Gottes heilige Gegenwart. Nach der Zerstörung des Tempels stellt die Rede über das Opfer den Versuch dar, jüdische Identität und die Möglichkeit der Kommunikation mit Gott, trotz der Unmöglichkeit des Rituals, das an den Tempelkult gebunden ist, zu bewahren. In Hebr 10,4-10 wird Jesus als Hohepriester vorgestellt, der den Bund (mit Bezug auf Jer 31) mit Gott erneuert und durch sein ganzes Leben (thysia) Heiligkeit für alle Menschen ermöglicht (vgl. auch Eph 5,2).

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Joachim Schaper / Michael Tilly / Claudia Janssen

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Pacht Pacht meint ein entgeltliches Rechtsgeschäft, bei dem ein Verpächter einem Pächter eine Sache zu Gebrauch bzw. Nutzung auf Zeit überlässt oder mit einem vereinbarten Ergebnis übergibt. In der Antike war sie neben Land und Betrieben (Mk 12, 1 par) auch bei Häusern / Wohnungen (vgl. Apg 28, 30, heute: Miete), Schiffen, Vieh (vgl. Joh 10,12), Steuer- / Zollforderungen, Erwerbsstellen, Arbeit und Ausbildung (vgl. Mt 20, 7, heute: Arbeitsvertrag) sowie bei der Säuglingsernährung (Amme) üblich. Ökonomisch bedeutsam war die Bodenpacht (Gen 47, 23 f.). Sie ermöglichte es, von Kulturland Einkünfte zu erzielen, wenn man dieses nicht selbst bewirtschaftete (3 Landwirtschaft). Die Verpachtung von Land gegen Pachtzins in Geldform, Naturalien oder Ernteerträgen ist in Mesopotamien seit dem 3. Jt. und in Ägypten seit dem 2. Jt., in Palästina aber wohl (Am 5, 11a könnte allenfalls eine staatliche Naturalsteuer belegen) erst in hellenistischer Zeit (Zenonkorrespondenz) und vermehrt in römischer Zeit (Mk 12,1-9 parr; Babatha-Archiv; Bar Kochba-Dokumente; Mischna) belegt. Das könnte Indiz sein, dass in nachexilischer Zeit ein landwirtschaftlicher Konzentrationsprozess zu Gütern und Domänen einsetzte (3 Landbesitz): Verschuldete Kleinbauern verloren ihr angestammtes Land an Großgrundbesitzer, von denen sie es dann pachten mussten. Die Gestaltung der Pachtverhältnisse reichte von der Einzel- über die Gesellschaftspacht (Mk 12, 1 parr) bis hin zur Unterpacht, wobei als Verpächter auch Institutionen (Palast, Tempel) auftraten. Der Pachtzins konnte bei Getreideland in Naturalien, bei Gemüse-, Reben- und Palmenland in Geld entrichtet werden. Das wirtschaftliche Risiko z. B. bei einer Missernte lag ohne vertragliche Minderungsklausel beim Pächter, außer bei der »Teilpacht«, bei der der Verpächter einen prozentualen Anteil an der tatsächlichen Ernte erhielt (vgl. Plin. epist. IX,37,3; Gen 47, 23 f.; Mk 12, 2 parr). Obwohl Pachtverträge als zweiseitige Rechts-

geschäfte formal zwischen Gleichberechtigten abgeschlossen werden, drückt sich in ihnen ein wirtschaftlich-soziales Machtgefälle aus (3 Macht): So liegt bei einer gewissen Zahl von kompetenten Landlosen beim Grundbesitzer die Wahl seines Partners und die Formulierung der Pachtkonditionen, während der Kleinpächter alternativlos das Überleben seiner Familie sichern muss. Der wirtschaftliche Antagonismus verschärft sich, wenn der Pächter für den Pachtzins ein Pfand entrichten muss, das im Falle von Nichterfüllung zur Befriedigung der Ansprüche des Verpächters veräußert wird. Zum Zeitpunkt der Pachtzinsabgabe reagierten überschuldete Kleinpächter deshalb nicht selten mit Gewalt gegen die zu keinem Nachlass bereite Verpächterseite (P.CZ I 554; Mk 12, 2-5 parr), wenn sie es nicht besser gleich vorzogen, sich ihren Verpflichtungen durch Landflucht zu entziehen. Durch Verpachtung direkter (Bodenertragsund Kopfsteuer) und / oder indirekter staatlicher Abgaben (Grenzzoll, Marktgebühr, Wegegeld etc.) an Privatpersonen und -gesellschaften verfügte die öffentliche Verwaltung im Voraus über Einnahmen (3 Steuern). Die im Neuen Testament genannten »Zöllner« gehören jedoch nicht zu den Mitgliedern römischer Großsteuergesellschaften, die eine ganze Provinz steuerlich pachteten, sondern zu dem seit hellenistischer Zeit in Palästina eingeführten dezentralisierten System der Steuer(klein)pacht und werden besser als »Abgabenpächter« (Lk 19, 2) bezeichnet. Als vermögende Juden erhielten sie bei der jährlichen Versteigerung den Zuschlag und suchten über die vorgestreckte Pachtsumme hinaus einen Mehrertrag einzutreiben. Wurde die Zollhöhe nicht öffentlich festgelegt (vgl. den Steuertarif von Palmyra) und wurden Steuerpächter amtlicherseits nicht kontrolliert, war ihrer Willkür Tor und Tür geöffnet. Abgabenpächter galten darum als notorische Tora-Übertreter (Mt 11,19 par; Mk 2,15 par; Lk 15, 1) bzw. unmoralische Menschen (Mt 21, 31), deren Umgang ein frommer Jude tunlichst meidet (vgl. Mt 18, 17; 3 Verfemte Berufe). Die vom historischen Jesus bezeugte Gemeinschaft mit ihnen (vgl. Lk 19, 1-10) demons-

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Palast

triert seinen Anspruch, ganz Israel für seine Verkündigung der ankommenden Gottesherrschaft zu gewinnen. [Strack, Hermann L.] / Billerbeck, Paul, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch Bd. 1, München 4 1965, 867-875. Herrenbrück, Fritz, Jesus und die Zöllner, WUNT 2/41, Tübingen 1990. Mell, Ulrich, Die »anderen« Winzer. Eine exegetische Studie zur Vollmacht Jesu Christi nach Markus 11, 27-12, 34, WUNT 77, Tübingen 1994. Schottroff, Willy, Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Mk 12, 1-9 parr.). Ein Beitrag zur Geschichte der Bodenpacht in Palästina, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Beiträge zur biblischen Sozialgeschichte, ThB 94, Gütersloh 1999, 165-204.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

Palast Ein Palast ist ein Gebäudekomplex, der einem Herrscher als Regierungs- und Wohnsitz dient (meist in Verbindung mit einer Kultstätte). Er stellt das lokale Zentrum dar und dient durch eine aufwändige Ausgestaltung der Repräsentation und Demonstration von Herrschaft. Im Palast wird Herrschaft räumlich greifbar: Der Palast ist der Ort, von dem aus Regierungsgewalt ausgeübt wird. Gleichzeitig bezeichnet das Wort »Palast« auch die soziale Institution, die sich um den jeweiligen Herrschaftsträger bildet (Familie des Herrschers, Beamte, Sklavinnen und Sklaven). Es sind z. T. die Personen, die die Ausübung der Herrschaft nachhaltig prägen (z. B. die Regelung der Davidsnachfolge in 1 Kön 1 durch eine Koalition aus verschiedenen Gruppen; Hinrichtung des Täufers in Mk 6,19 durch Einflussnahme der Herodias, der Prozess des Hohen Rates gegen Jesus findet nach Mt 26,58 im Palast des Hohen Priesters statt). Die Bibel bezeugt Palastanlagen für Jerusalem und Samaria. In Samaria sind Überreste aus dem 9. Jh. archäologisch nachweisbar. Palastbauten

finden sich in Verwaltungszentren wie Megiddo, Hazor und Lachisch. Der Mehrzahl der Palastbauten ab dem 9. Jh. liegt ein bis ins 13. Jh. v. Chr. üblicher städtischer Haustyp zugrunde, bei dem sich die umliegenden Räume auf einen Hof hin orientieren. Verschiedene öffentliche und private Funktionen des Palastes können auf Bereiche eines Gebäudes oder auf Gebäude innerhalb der Anlage (so wohl nach 1 Kön 7 in Jerusalem) verteilt sein. Der Palastbezirk ist durch Mauer und Tor von den Wohnvierteln der Stadt getrennt. In Megiddo und Lachisch nimmt er zeitweise mehr als die Hälfte der bebauten Fläche ein. In den Bautypen spiegelt sich der Einfluss überregional einflussreicher politischer Mächte. Bis ca. 1000 v. Chr. lassen sich ägyptische Einflüsse in der südlichen Levante nachweisen. Umstritten ist der Einfluss des syrischen Palasttyps (Bit Hilani) auf die nördliche Levante ab ca. 900 v. Chr. Ab dem 8. Jh. v. Chr. setzen sich im ehemaligen Nordreich Paläste assyrischen Stils durch. Im übertragenen Sinn meint »Palast« (hebr. 3armo¯n; he¯ka¯l; be¯t hamælæk) auch die Institution des Königtums und die politische Größe, die es vertritt. Der Palastvorsteher (»der über dem Haus des Königs«) bekleidet eines der höchsten Ämter im Staat (Jes 22,15 u. a.). Bau und Institution von Tempel und Palast sind realiter wie ideengeschichtlich verknüpft. Nach 1 Kön 7 sind Palast und Tempel Teil einer baulichen Anlage. Für den Alten Orient lässt sich ein enger architektonischer Bezug andernorts auch archäologisch nachweisen. Hebr. he¯ka¯l bezeichnet den Königspalast oder das Heiligtum. be¯t hamælæk und be¯t JHWH entsprechen einander begrifflich. Die Architektur spiegelt den wechselseitig engen Bezug verschiedener hinter Tempel und Palast stehender Herrschaftskonzepte. Die Darstellung des Verhältnisses von Tempelund Palastarchitektur ist Träger einer Ideologie, die zur Historie in Spannung treten kann. Die Darstellung in 1 Kön 7 widmet dem Tempelbau deutlich mehr Text, ohne die längere Bauzeit und die größeren Dimensionen des Palastes zu verschweigen. Die Rede von Thron und Herrschaft Gottes beziehen sich häufiger auf den

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Palast und Tempel im Jerusalem der Königszeit (Rekonstruktion von Th. A. Busink). 1: Tempel; 2: Palast; 3: Palast der Königin; 4: Thron: 5: Ställe (ergänzt); 6: Libanonwaldhaus; 7: Heiliger Fels; I: Tempelhof; II: Großer Hof; III: »Anderer« Hof; IV: Neuer Hof

Tempel als auf den königlichen Palast als auf ihren Bildgeber. Texte, bei denen der Herrschaftssitz des Königs den Hintergrund der Vorstellung bildet, bleiben die Ausnahme (Ps 11,4). Ein utopisches Gegenkonzept bietet die räumliche Trennung von Palast und Tempel im Ezechielbuch (40-48), wo die beschriebene Dimension die größere Bedeutung des Tempels unterstreicht. Die hellenistischen Diadochen erbauten in ihrem Herrschaftsgebiet Paläste, die den Königen oder ihren Statthaltern als Regierungssitze dienten. Sie benötigten, da sie nicht aus alten Königsgeschlechtern stammten, diese Machtdemonstration zur Stabilisierung ihrer Herrschaft. Die Finanzierung und Durchführung erfolgte durch Steuereinnahmen, Kriegsbeute und Einsatz von Sklaven. Die Römer übernahmen viele dieser Paläste für ihre Statthalter. In diesen Anlagen befanden sich auch Kultstätten, die u. a. der religiösen Verehrung des Herrschers dienten. Pergamon, die Residenzstadt der Attaliden, wurde bereits unter Augustus Zentrum des Herrscher-

kultes in der Provinz Asia, Trajan ließ zu diesem Zweck zwei Tempel errichten (vgl. Offb 2,13). In Israel betrieben die Hasmonäer und Idumäer im großen Umfang den Bau von Palastanlagen, die Hasmonäer u. a. in Jericho und Jerusalem, Herodes in Caesarea, Masada (von den Hasmonäern begonnen), Sepphoris und Kypros. Sie dienten als Wohn- und Regierungssitz, aber auch als befestigter Ort in Krisenzeiten (wie Masada und Herodeion). Herodes Antipas ließ in Galiläa eine neue Hauptstadt (Tiberias) mit einem Palast (Flav. Jos. Vit. 66 f.) errichten. Die Menschen in Israel mussten die Bautätigkeit durch ihre Abgaben finanzieren, gleichzeitig fanden hier viele Lohn und Brot. Mit Fertigstellung des Baus verloren viele ihre Arbeit, weswegen Agrippa II versuchte, durch Bauprogramme Verdienstmöglichkeiten zu schaffen (Flav. Jos. Ant. 20,9,7). Innerhalb der Offenbarung des Johannes dient die Vorstellung vom Thron Gottes der Bestreitung menschlicher Herrschaftsansprüche (Offb 4,2 im Gegenüber zum Thron des Satans in Offb 2,13, ebenso 7,15 in Opposition zu 17,15-18). Fritz, Volkmar, Paläste während der Bronze- und Eisenzeit in Palästina, ZDPV 99 (1983), 1-42. Netzer, Ehud, Die Paläste der Hasmonäer und Herodes’ des Großen, Mainz 1999. Nielsen, Inge, Art. Palast IV. Griechenland und Rom, DNP 9, 2000, 175-185. Weippert, Helga, Palästina in vorhellenistischer Zeit, Handbuch der Archäologie II/1, München 1988.

Johanna Erzberger / Carsten Jochum-Bortfeld

Patriarchat 1. Patriarchat als Analysekategorie Patriarchat ist eine Wortbildung aus griech. pater (Vater) und arche (Herrschaft) und heißt wörtlich »Herrschaft des Vaters« bzw. »der Väter«, nämlich über die Sippe bzw. eine größere Gemeinschaft. Das Wort ist ein moderner Be-

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griff, seine Elemente werden aber bereits in der politischen Literatur der paganen Antike kombiniert, nach der die »Vaterherrschaft« das Modell der staatlichen Lenkung ist (vgl. z. B. Aristoteles, s. Schüssler Fiorenza 1988, 310-312; Cicero, s. Schottroff 1994, 40-51). »Vater« ist hier der männliche Vorstand des hierarchisch organisierten Haushaltes, in dem neben Eheleuten (3 Ehe) und 3 Kindern andere Verwandte und Sklaven / Sklavinnen (3 Sklaverei) lebten. Die Nominalbildung knüpft an die Bezeichnung »Patriarch« an. Werden so die »Erzväter« genannt (Apg 7, 8 u. ö.), bedeutet arche noch »Anfang«, patriarches also »Stammvater«. Mit der Verwendung für das »Familienoberhaupt« (2 Chr 19, 8 LXX) und der Benennung kirchlicher Bischöfe als Patriarchen seit dem 5. Jh. n. Chr. ist dann die Konnotation der Herrschaft zentral. In unserem Gebrauch ist der Begriff jedoch nicht quellensprachlich, sondern als soziologische Kategorie bedeutsam, die vor allem durch den feministischen Diskurs als heuristischer und politischer »Kampfbegriff« Eingang in die historische Analyse und Gesellschaftskritik fand. Mit »Patriarchat« wird eine Herrschaftsform bezeichnet, die systemisch sowohl die Struktur der einzelnen Familien wie der Gesamtgesellschaft bestimmt. E. Schüssler Fiorenzas Definition knüpft an das aristotelische Ordnungsdenken an und macht deutlich, dass es nicht einfach um die Herrschaft von Männern über Frauen geht, sondern um eine »männlich bestimmte abgestufte Pyramide von Unterordnung und Ausbeutung …, die Unterdrückung von Frauen gemäß der Klasse, der Rasse, der ethnischen oder nationalen Herkunft und der Religion der Männer« (1991, 15). Um die Komplexität der Unterdrückungsstrukturen zu verdeutlichen, schlägt Schüssler Fiorenza vor, den Begriff Patriarchat durch »Kyriarchat« zu ersetzen, was auf die Herrschaft der »Herren« (kyrioi) anspielt (1997, 31-41). Der Begriff hat jedoch von seiner Etymologie her spezifische Aussagekraft, weist er doch auf den Kontext der Familie, die Geschlechterhierarchie und auch – bislang noch wenig problematisiert – die Unterdrückung von Kindern bzw. jüngeren Generationen. Das Patriarchat prägt

nicht nur Gesellschaften und ihre Teilbereiche, sondern auch das Denken und die Wirklichkeitskonstruktion. Darum sind Analysen des Patriarchats auf utopische Gegenentwürfe, etwa eine radikale Demokratie, angewiesen (vgl. Schüssler Fiorenza 1997, 40 f.). Vermutungen über matriarchale Gesellschaften vor und neben der patriarchalen weisen darauf hin, dass das Patriarchat keine »natürliche« Gegebenheit ist, für die es unter Berufung auf das Wesen der Geschlechter oft gehalten wird (Lerner). 2. Ebenen und Elemente des Patriarchats Die Menschen der biblischen Zeit lebten in patriarchal strukturierten Gesellschaften. Diese Feststellung ist allgemeingültig, sagt aber wenig über das konkrete Leben der Einzelnen aus. Denn diese Struktur differiert von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Zeit zu Zeit, und ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben und die Möglichkeiten, den Lebensentwurf zu gestalten, sind auch für die Menschen innerhalb eines Patriarchats je unterschiedlich. Ihre Situation, d. h. ihr Selbstbestimmungsrecht und die Verfügungsgewalt über andere Menschen, ist abhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Lebensalter, ihrem Status, ihren ökonomischen Bedingungen und ihrer Herkunft, religiös wie ethnisch. Die konkrete patriarchale Struktur findet ihre Verwirklichung durch explizite Gesetze, die Menschen je abhängig von den eben genannten Kriterien Rechte zuschreiben, aber wesentlich mehr durch nicht ausdrücklich niedergelegte Verhaltensnormen, Sitten und Gebräuche, kulturelle Gewohnheiten und die sprachliche Repräsentanz der Wirklichkeit. Relevant sind auch – gerade für die Wahrnehmung der modernen Patriarchate – die faktische Arbeitsteilung zwischen Geschlechtern, Generationen und Ständen und die symbolische Ordnung. Auf der Ebene der Familie war das Patriarchat in der Antike insbesondere durch patrilineare Vererbung und patrilokale Ortswahl und das Ideal der monogamen Frau bestimmt. Ein wesentlicher Aspekt war die Beherrschung der weiblichen Sexualität zur Sicherstellung der Vaterschaft und damit des Fortbestands der Familie

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in männlichen Erben. Die Gesamtgesellschaft fand ihre patriarchale Gestalt durch eine Beschränkung des Zugangs zur gesellschaftlichen Macht auf wenige Männer. 3. Patriarchale Systeme in biblischer Zeit Nur exemplarisch ist hier zu zeigen, wie sich die komplexen und geschichtlich wie individuell variablen Patriarchate darstellten. Wir müssen überdies unterstellen, dass das Patriarchat nie eine allseits akzeptierte Größe, sondern stets umkämpft war, so dass seine Geschichte eigentlich als Konfliktgeschichte zu rekonstruieren ist zwischen Durchsetzung von Macht und ihrer Unterminierung sowie den sich daraufhin ergebenden Veränderungen. Einen solchen Entwurf bieten Schroer für die Zeit des Alten Testaments und Frühjudentums, Schüssler Fiorenza 1988 für das frühe Christentum. a) Die Texte aus der »klassisch«-alttestamentlichen Zeit spiegeln eine konservative patriarchalisch strukturierte Gesellschaft wider. Beispielhaft zeigt sich dies an der umfassenden »Verfügungsgewalt von Vätern über ihre Töchter« (Seifert). Schwerer oder zumindest ebenso schwer wie in der Umwelt Israels / Judas haben es die Frauen in der alttestamentlichen Welt, faktische Anerkennung zu erlangen, die auch durch Funktionen (3 Priester / Leviten; 3 Königtum) öffentlich sichtbar wird; bezeugt sind jedoch anerkannte Prophetinnen (z. B. Mirjam, s. Ex 15, 20 f.; Num 12; Debora, Ri 4 f. und Hulda, 2 Kön 22). Nur selten kommt die Wertschätzung der Frau außerhalb der familiären Einbettung (3 Familie) in den alttestamentlichen Texten zum Ausdruck (z. B. Rahab Jos 2; Jael Ri 4, 17-22; in 1 Kön 1 wird Batsebas Einfluss auf die männliche Erbfolge im davidischen Haus hervorgehoben). b) An der römischen Gesellschaft zur Zeit des Neuen Testaments lässt sich eine strikt patriarchale Struktur zeigen. Gesetze gaben dem Pater familias größere Machtfülle noch als in der griechischen Kultur. Ehefrau, Kinder – auch bereits erwachsene – und Klienten unterstanden seinem Recht. Nach Lacey ist die monokratische Patria potestas (väterliche Macht) die basale Institution

des Römischen Reiches, nicht der oikos (3 Haus). Nach der Schichtanalyse von Stegemann / Stegemann (58-94) ist die römische Gesellschaftsstruktur zu rekonstruieren in der Form einer Pyramide mit einer breiten Basis von Unfreien und Besitzlosen, einer schmalen Spitze von politisch und ökonomisch mächtigen Freien. Der Mann an der Spitze konnte mit dem Titel Pater patriae (»Vater des Vaterlandes«) geehrt werden. Wenige Mitglieder der politischen Elite Roms und der Provinzen bildeten mit den Gefolgsleuten (retainers), zu denen auch Freigelassene gehören konnten, die Oberschicht. Innerhalb der großen Zahl der Unterschichtzugehörigen sind Handwerker oder Pächter, Sklaven / Skavinnen und vollkommen Arme wie etwa Kranke, Witwen und Waisen zu unterscheiden hinsichtlich ihres Besitzes und ihrer Möglichkeiten, Macht auszuüben. Die soziale Mobilität war gering; Aufstiegschancen bot etwa der Militärdienst. Der Status von Frauen hing von dem der Männer ab, zu denen sie gehörten. Diesen untergeordnet, waren sie z. T. doch anderen Männern übergeordnet, etwa den Sklaven in ihrem Haushalt (vgl. Mayer-Schärtel, Graphik 315). Gerade höhergestellte Frauen hatten gleichwohl informelle Macht und Möglichkeiten zu selbstbestimmtem Leben. c) Die Überlieferungen des frühen Christentums, das innerhalb des römischen Patriarchats seine eigenen Strukturen aufbaute, zeigen durch androzentrische Darstellungen hindurch noch deutlich antipatriarchale Tendenzen. Von diesen zeugt die vermutlich vorpaulinische Taufaussage Gal 3, 28, auf die sich wohl die in Korinth erkennbare Bewegung zur Freiheit von 3 Ehe und für Sklaven / Sklavinnen (3 Sklaverei) (vgl. 1 Kor 7, 20-22.32-38) berief. Herkömmliche Beziehungen in der patriarchalen Familie wurden relativiert durch die Zugehörigkeit zur Familie Gottes, vgl. Mk 3, 31-35. Mit der Geschwister-Anrede ist allerdings keine wirkliche Egalität verbunden, da die Geschwisterbeziehung nicht egalitär war (Aasgaard). Die sich in der Großkirche schließlich durchsetzenden hierarchischen Strukturen folgen der Übernahme der Oikos-Struktur (3 Haus) in

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christliche 3 Familien samt der dazugehörigen Ideologie. »Aristoteles und Cicero haben mit ihren Vorstellungen von patriarchaler Herrschaft das Christentum stärker bestimmt als Neues Testament, ›Altes Testament‹ und nachbiblisches Judentum«. Beide vertraten das Ideal, dass die »Ehe und Familie … Kern eines geordneten patriarchal organisierten Staatswesens« sein sollten (Schottroff 1991, 320). Nach diesem (auch von Philo und Josephus aufgegriffenen) Konzept hat der Staat ein Interesse an der Aufrechterhaltung der patriarchalen Familienstruktur und entspricht diese Rollen- und Machtverteilung der unterschiedlichen Natur der Menschen. Dieses patriarchale Ideal bestimmt im Neuen Testament insbesondere die so genannten »Haustafeln«, die eine Unterordnungsstruktur innerhalb der christlichen Familie fordern (Kol 3, 18-4, 1; Eph 5, 21-6, 9; vgl. 1 Petr 2, 18-3, 7). Die Pastoralbriefe erklären das Konzept der patriarchalen Familie schließlich zum Modell der Gemeindestruktur und legen so den Grund zur Entwicklung einer patriarchalen Ämterstruktur in der Großkirche (Schüssler Fiorenza 1988, 343 ff.). Diese Entwicklung im Christentum wird gelegentlich soziologisch als »Liebespatriarchalismus« charakterisiert. Das Christentum der Städte habe so und nur so bestehen können, indem es sich der Gesellschaftsstruktur integrierte und das Gefälle zwischen Reichen (und Ehemännern, Freien etc.) zu Armen (und Frauen, Unfreien etc.) übernahm, aber durch Liebe ausglich (Theißen im Anschluss an E. Troeltsch). Diese Charakteristik wird jedoch kritisiert, insofern sie implizit die Patriarchalisierung als notwendige Voraussetzung für das »Überleben« des Christentums wertet (Schüssler Fiorenza 1988, 117 ff.123 f.). 4. Das Patriarchat als Ordnung der symbolischen Welt In den anthropomorphen Vorstellungen von Gott bzw. Göttern spiegelt sich die patriarchale Gesellschaftsordnung wider. Patriarchale Metaphern und Symbole der transzendenten Welt bestärken die Auffassung von der Legitimität bzw. Naturgemäßheit der immanenten Ordnung. Der

sich in der Bibel durchsetzende Monotheismus unterstützt durch die Ausschaltung von Göttinnenverehrung diese andromorphe Gottesvorstellung. Die metaphorische Bezeichnung Gottes als »Vater«, übernommen aus dem alttestamentlichjüdischen Metaphernschatz (Böckler, Strotmann) und auch außerhalb der Bibel religiös vertraut, wurde im Christentum, unterstützt durch die Rede von Jesus als »Sohn Gottes«, eine zentrale Gottesbezeichnung. Die Vater-Metapher bedeutet dabei je nach Aussagezusammenhang Unterschiedliches. Sie kann z. B. den »Erzeuger« Israels bezeichnen, der Anspruch auf Alleinverehrung hat (Dtn 32, 6 f.). Oft deutet sie auf die »väterliche Fürsorge« Gottes (z. B. im »Vaterunser« Mt 6, 9-13). Patriarchal konzipiert ist auch die biblische Ehemetaphorik (3 Ehe), welche die aus der Lebenswelt vertraute patriarchale Ehestruktur aufnimmt. Wenn von Gott und Israel bzw. Christus und Kirche als Ehepaar gesprochen wird, ist Gott bzw. Christus immer »Ehemann« und damit derjenige, der über die »Ehefrau(en)« bestimmen kann und allein Recht auf ihren Körper hat. Die patriarchale Symbolik kann jedoch auch im Bruch mit den üblichen menschlichen Verhaltensweisen die Andersartigkeit Gottes aufscheinen lassen. So kann von Gott erzählt werden als dem Vater, der seinen versagenden Sohn in Freuden aufnimmt (Lk 15, 11-32), oder vom Ehemann, der seine untreue Frau nicht entlässt (Hos 3). Auch dann ist jedoch die hierarchische Struktur und die autoritäre Rolle des Vaters bzw. Ehemannes für Gott vorausgesetzt. Schließlich kann gerade die Rede von Gott als Vater auch die Kritik an den menschlichen Herrschaftsformen beinhalten, indem die Vaterrolle exklusiv Gott zugesprochen wird: »Ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen …, denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist« (Mt 23, 9). Aasgaard, Reidar, »My Beloved Brothers and Sisters!« Christian Siblingship in Paul, JSNT.S 265, Sheffield 2004. Böckler, Annette, Gott als Vater im Alten Testament. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung eines Gottesbildes, Gütersloh 2000. Lacey, Walter K., Patria Potestas, in: Beryl Rawson (Hg.),

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Philosophische Strömungen

The Family in Ancient Rome. New Perspectives, London u. a. 1986, 121-144. Lerner, Gerda, Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt u. a. 1991. Mayer-Schärtel, Bärbel, Das Frauenbild des Josephus. Eine sozialgeschichtliche und kulturanthropologische Untersuchung, Stuttgart u. a. 1995. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. Schroer, Silvia, Auf dem Weg zu einer feministischen Rekonstruktion der Geschichte Israels, in: Luise Schottroff / dies. / Marie-Theres Wacker, Feministische Exegese. Forschungserträge zur Bibel aus der Sicht von Frauen, Darmstadt 1995, 100-143. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Brot statt Steine. Die Herausforderung einer feministischen Interpretation der Bibel, Luzern 2 1991. Dies., Jesus – Miriams Kind, Sophias Prophet. Kritische Anfragen feministischer Christologie, Gütersloh 1997 (amerikan. Orig.: Jesus Miriam’s Child, Sophia’s Prophet. Critical Issues in Feminist Christology, New York 1994). Dies., Zu ihrem Gedächtnis. Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München u. a. 1988. Seifert, Elke, Tochter und Vater im Alten Testament. Eine ideologiekritische Untersuchung zur Verfügungsgewalt von Vätern über ihre Töchter, Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen 9, Neukirchen 1997. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 2 1997. Strotmann, Angelika, »Mein Vater bist du!« (Sir 51, 10). Zur Bedeutung der Vaterschaft Gottes in kanonischen und nichtkanonischen frühjüdischen Schriften, FTS 39, Frankfurt a. M. 1991. Theißen, Gerd, Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde, ZNW 65 (1974), 232-272.

Christine Gerber / Dieter Vieweger

Philosophische Strömungen 1. Allgemeiner hellenistischer Zeitgeist Die Welt der athenischen antiken Polis ist geprägt von der Philosophie der Vorsokratiker, Platons und des Aristoteles. Mit dem Aufstieg Makedoniens und der Gründung des Großreiches

Alexanders des Großen, mit der die Auflösung der Polisstruktur einhergeht, vollzieht sich um 300 v. Chr. auch ein Paradigmenwechsel in der Philosophie. Platon und Aristoteles und ihre Schulen, die Akademie und der Peripatos, werden durch die neuen Schulen der Skeptiker, Stoiker, Epikureer und Kyniker zurückgedrängt. Auch wenn insbesondere die platonische Akademie noch weit in die hellenistisch-römische Zeit hineinwirkt und daher eine Abgrenzung zu den neuen Strömungen nicht immer klar möglich ist, beherrschen diese nicht nur die theoretische und praktische Philosophie für etwa ein halbes Jahrtausend in Griechenland und Rom, sie durchdringen beinahe alle Kulturbereiche und verdrängen oder überformen frühere philosophische, künstlerisch-literarische, wissenschaftliche und religiöse bzw. theologische Positionen. Das Neue dieser Strömungen besteht vor allem darin, dass die Philosophie sich in einer immer komplexer und unübersichtlicher werdenden Welt auf die elementaren, lebenspraktischen Fragestellungen konzentriert, indem sie fragt, wie gelingendes Leben für den einzelnen Menschen möglich ist. Die Unterordnung der Logik, Metaphysik und Kosmologie unter die Frage nach der individuellen Glückseligkeit (eudaimonia) des Menschen bedeutet jedoch nicht, dass logische Gedankengänge vernachlässigt werden: Die Vernunft (logos), die durch die Philosophie erlernt werden kann, ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Leben. Ein weiteres Kennzeichen der hellenistischen Strömungen ist die starke Abhängigkeit von der persönlichen Lebenshaltung ihrer Begründer, die für die klassischen philosophischen Schulen weitaus weniger bestimmend war. Oft stellt der Begründer das Ideal des Weisen dar, der im Besitz der vollkommenen Tugend ist und dem es nachzueifern gilt. Die jüdischen und christlichen Schriften aus römisch-hellenistischer Zeit nehmen Gedanken der verschiedenen Strömungen auf. Zum Teil grenzen sie sich bewusst von ihnen ab, zum größeren Teil aber setzen sie sich in ergänzender, harmonisierender oder überbietender Form mit ihnen auseinander.

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Philosophische Strömungen

2. Platonismus Der Platonismus gehört bis in die Spätantike zu den einflussreichsten philosophischen Schulen und das theologische Denken der hellenistischen Welt ist sehr stark durch ihn geprägt. Dies gilt insbesondere für die von Platon und seinen Schülern vorgenommene Unterscheidung zwischen der transzendenten Welt der Ideen, die als die eigentliche Welt angesehen wird, und der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Auch wenn der Mensch in dieser materiellen Welt lebt, so hat seine Seele / Vernunft doch die Möglichkeit, an der Ideenwelt teilzuhaben. Die Unterscheidung von Ideenwelt und wahrnehmbarer Welt nimmt z. B. der hellenistisch-jüdische Philosoph Philo von Alexandrien in der Interpretation der beiden Schöpfungsberichte auf: Gen 1 schildert die Schöpfung der geistigen Ideenwelt, während in Gen 2 die wahrnehmbare Welt erschaffen wird. Im Neuen Testament findet die Idee des platonischen Urbild-Abbild-Schemas im Hebräerbrief eine Aufnahme. In Kapitel 8, 1-10, 18 diskutiert der Verfasser die Überlegenheit der himmlischen Realitäten über die irdische Kopie und zeigt so die Gültigkeit des neuen Bundes. Es geht hier gerade nicht um eine Kritik am jüdischen Tempelkult, sondern um die Verortung Christi in eine spekulativ gedeutete biblische Geschichte. Der Tempelkult war, so argumentiert der Verfasser, ein Schatten seiner himmlischen Realität. Durch den Tod Christi als wirklicher Mensch ist nun die himmlische Realität verändert. 3. Skepsis Als Gründer der skeptischen Schule wird von späteren Skeptikern Pyrrhon von Elis (365-275 v. Chr.) angenommen. Eine Zusammenfassung der skeptischen Lehre findet sich jedoch erst bei Sextus Empiricus (ca. 200-250 n. Chr.). Die Skepsis richtet sich in klassischer Zeit gegen dogmatische Gewissheitsansprüche in der eigenen platonischen Tradition. Im Rückgriff auf das sokratische Nichtwissen, welches sich insbesondere in den Frühdialogen Platons findet, nimmt sie eine sophistische Relativierung der Wahrheit vor. Durch den prüfenden Blick (griech. skeptesthai)

wird für die Skeptiker die Perspektivität des Urteils und die Unsicherheit der Sinneswahrnehmung sichtbar. Als Weiser gilt demzufolge der, der sich eines Urteils über die Wirklichkeit enthält und sich an dem orientiert, was sich ihm als das Wahrscheinliche zeigt. Dies führt wiederum zu einer pragmatischen Lebensorientierung. Anklänge an die Strömung des Skeptizismus finden sich auch in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur (z. B. Koh 5, 17 und Hi 28). Auch hier wird aufgrund menschlicher Erfahrung und geschichtlicher Veränderung die Präsenz der Weisheit in der Natur in Frage gestellt. Die wahrscheinlich zum überwiegenden Teil in gebildeten Gesellschaftsschichten verbreitete Skepsis, der alle Magie und Mystik fern liegt, erhofft sich die Gegenwart Gottes / der göttlichen Weisheit allein im Hier und Jetzt. 4. Epikureismus Der Epikureismus ist benannt nach seinem Gründer Epikur (341-270 v. Chr.), der 306 v. Chr. in Athen diese Schule in einem von ihm erworbenen Garten gründete. Da die Schriften Epikurs bis auf drei Lehrbriefe verloren sind, zieht man zur Rekonstruktion seiner Lehre die Schriften von Horaz (65-24 v. Chr.) und Lukrez (ca. 97-55 v. Chr.) heran. Epikur vertritt die Vorstellung, dass das Geschehen einer Gesetzlichkeit folgt, die sich aus der Bewegung der Atome ergibt. Die Epikureer gehen davon aus, dass es zwar Götter gibt, doch diese am Geschick der Menschen keinen Anteil nehmen, da sie sich im Zustand vollkommener Glückseligkeit befinden. Religion und Frömmigkeit lassen sich folglich nicht mit irgendwelchen jenseitigen Mächten verbinden. Ziel dieser philosophischen Schule ist es, die Eudaimonia zu erlangen, indem man sich von allen abergläubischen Ängsten zugunsten einer heiteren Gelassenheit löst und so in den Zustand der Unerschütterlichkeit (ataraxia) gelangt. Hierfür muss auch die Angst vor dem 3 Tod überwunden werden, denn nach epikureischer Vorstellung geht der Tod, solange der Mensch lebt, ihn nichts an, tritt er ein, existiert der Mensch nicht mehr. Diese radikale Diesseitsorientierung führt bei

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den Epikureern aber nicht zu einem zügellosen Lebenswandel, sondern wird dahingehend gelebt, dass die Freuden und Annehmlichkeiten des Lebens verantwortlich wahrgenommen werden. Jeglicher Luxus (3 Reichtum / Luxus) wird abgelehnt, da man sich durch ihn in eine Abhängigkeit begeben würde. Die Gemeinschaft der Epikureer, zu deren Mitgliedern auch Frauen, Sklavinnen und Sklaven zählen, trifft sich in dem von Epikur erworbenen Garten, um an diesem Ort das Ideal der an 3 Freundschaft ausgerichteten Lehr- und Lebensform zu verwirklichen. Nach seinem Tod würdigte die Schule ihren Begründer, indem sie ihm zu Ehren Gedenktage veranstaltete. Einfluss hatte die epikureische Schule dann im 1. Jh. v. Chr. in Rom vor allem in der Oberschicht. Der Rückzug ins Private (lathe biosas) und die Entpolitisierung können hier als Reaktion oder Protest der gebildeten Minderheit gedeutet werden: Sie verliert ihren politisch-gesellschaftlichen Einfluss nach dem Untergang der römischen Republik und mit der Entstehung des Kaisertums, was als Zerfall der klassischen römischen Werte angesehen wird. 5. Stoa Die Stoa ist zur Zeit des Neuen Testaments neben dem Epikureismus eine der geographisch sehr verbreiteten und gesellschaftlich sehr einflussreichen philosophischen Schulen. Als Gründer der Stoa gilt Zenon aus Kition (ca. 333/332-264 v. Chr.), der um ca. 300 v. Chr. in Athen eine Schule gründete, die nach ihrem Versammlungsort stoa poikile (bunte Halle) benannt wurde. Die Stoa wird in drei Epochen unterteilt, wovon die jüngere Stoa, die in die römische Kaiserzeit fällt (Zeitenwende bis ca. 180 n. Chr.), für das frühe Christentum besonders prägend ist. Die Stoa nimmt das sokratische Erbe in der Tradition der Kyniker auf (s. u.). Die Ethik wird in der stoischen Philosophie allen anderen Disziplinen vorgeordnet, da die Tugend das einzige Gut ist, das es gibt. Ziel ist es, mit der Natur in Übereinstimmung zu leben (zen kata ten physin). Die Natur des Menschen ist für die Stoiker die vernünftige Einsicht (logos), die das Menschsein

ausmacht. Grundlegend ist hierbei, dass diese vernünftige Einsicht des Menschen identisch mit der den Kosmos durchwaltenden Weltvernunft (logos) ist. Dieser Gedanke des weltdurchwaltenden Logos wird zur Grundlage der hellenistischen Theologie. Durch die Auslegung der alten Mythen (v. a. Homer) in Form der Allegorie soll, durch die Identifizierung des Logos mit den Göttern, der alte Götterglaube überwunden und mit Hilfe der Einsichten der Philosophie aktualisiert werden. Diese Form der Schriftauslegung wird von jüdisch-hellenistischen Autoren (u. a. Philo v. Alexandrien) zur Auslegung der Tora übernommen. Das Leben gemäß der Vernunft führt den Menschen zur Verwirklichung seiner Freiheit. Bedroht wird dieses Leben durch Affekte, insbesondere den Zorn, und Leidenschaften, die als krankhafte Zustände der Seele verstanden werden und den Einblick und damit auch das Leben in Einklang mit der Weltvernunft verhindern. Die Stoiker verstehen sich als politische Weltenbürger, die sich im Gegensatz zu den Epikureern aktiv für das Gemeinwesen einsetzen. Die Vorstellung der alles durchwaltenden Weltvernunft führt weiterhin zu einer deterministischen Sicht der Welt: Der Mensch soll sich auf der Bühne des Weltgeschehens an dem Platz, an dem er vom Schicksal bestimmt steht – sei er Kaiser oder Sklave –, beweisen und bewähren. Er nimmt so zwar Anteil an der Welt, aber sie berührt ihn nicht wirklich (griech. ataraxia). Anklänge an diesen Gedanken des leben »als ob nicht« finden sich auch bei Paulus in 1 Kor 7, 2931. Zeigt sich, dass das vernunftgemäße Leben an diesem Platz völlig unmöglich ist, bleibt dem Stoiker die Möglichkeit des 3 Suizids, den z. B. der Erzieher Neros, Seneca, wählt. In der Apostelgeschichte (Apg 17, 16-34) lässt Lukas Paulus auf dem Areopag mit Hilfe stoischer Gedanken sein Evangelium von dem Gekreuzigten verkünden, die in einem Zitat des Stoikers Aratos (3. Jh. v. Chr.) gipfeln: »Denn von seiner [Gottes] Art sind wir« (Apg 17, 28). Wie eng das beginnende Christentum die Verbindung zur stoischen Philosophie empfunden hat, macht auch der pseudepigraphe apokryphe Briefwechsel zwischen Pau-

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Priester / Leviten

lus und dem berühmten stoischen Philosophen Seneca (ca. 4. Jh.) deutlich. 6. Kynismus Da der Kynismus kein systematisch ausgearbeitetes philosophisches System hinterlassen hat, ist der Begriff der Schule hier umstritten. Oft wird er als oppositionelle Lebensweise aufgefasst. Der Kynismus nimmt sich Sokrates zum Vorbild, von dem berichtet wird, dass er in der Öffentlichkeit Menschen in Diskussionen verwickelt habe, die sie zum Nachdenken über sich selbst brachten. Als Gründer des Kynismus gilt Diogenes von Sinope (ca. 412/403-324/321 v. Chr.), der durch sein schamloses und provokantes Auftreten die Verwerfung aller kulturellen und bürgerlichen Werte demonstrieren wollte. Wegen seiner sprichwörtlichen Bissigkeit wurde er auch »der Hund« (kyon) genannt. Die kynischen Wanderprediger, erkennbar an Bettelsack, Stock und verschlissenem Mantel (tribon), betätigten sich später jedoch auch als Seelsorger und Ratgeber. Statt einer Lehre wird auf der Schaffung und Weitergabe von drastischen Beispielen des praktischen Verhaltens in Form von kurzen Geschichten, die in einer Pointe gipfeln (Apophthegma bzw. Chrie), aufgebaut. Die Form des Apophthegmas ist auch aus der Jesusüberlieferung bekannt (z. B. Mk 6, 15 par EvThom 31), weshalb die Jesusbewegung in der Forschung teils mit kynischen Wanderphilosophen verglichen wurde. Fraglich bleibt hierbei jedoch, ob die Mitglieder der Jesusbewegung freiwillig die Option der 3 Armut wählten, wie dies die kynischen Wanderprediger taten, oder ob für sie Armut nicht schlicht Realität war. Der Weg zur Eudaimonia führt im Kynismus über eine kultur- und sozialkritische Einstellung, die durch die Emanzipation von allen an Herkunft, sozialer Stellung, Vermögen, Sitte, Tradition und Konvention ausgerichteten Werten erreicht wird. Als Ideal gilt die Unerschütterlichkeit, die sich gegen ein lustorientiertes Leben wendet. 7. Mischformen In der Zeit des Neuen Testaments gibt es auch eine Reihe von Mischformen der unterschiedli-

chen philosophischen Strömungen. Literarisch tritt besonders die kynisch-stoische Diatribe hervor, die aus einem gemäßigten Kynismus und Stoizismus entstand. Hierbei handelt es sich um eine philosophische Unterweisung in dialogischer Form, in der sich der Philosoph mit tatsächlichen oder imaginären Gesprächspartnern auseinandersetzt. Diese Form der Unterweisung wird auch von Paulus in seinen Briefen eingesetzt (z. B. in Röm 6, 1-3). Bultmann, Rudolf, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe, Göttingen 1910. Crossan, John Dominic, Der historische Jesus, München 1994. Dillon, John M., The Middle Platonists: 80 B.C. to A.D. 220, London 1977. Flashar, Hellmut, Die hellenistische Philosophie, in: ders. (Hg.), Grundriss der Geschichte der Philosophie, Band 4, Basel 1994. Harich-Schwarzbauer, Henriette, Philosophinnen, in: Thomas Späth u. a. (Hg.), Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis, Stuttgart / Weimar 2000. Inwood, Brad, The Cambridge Companion to the Stoics, Cambridge 2003. Köster, Helmut, Introduction to the New Testament I, New York 1995, 137-156. Long, Anthony A. / Sedley, David N., Die hellenistischen Philosophen, Texte und Kommentare, Stuttgart 2000. Long, Anthony A., Hellenistic Philosophy: Stoics, Epicureans, Sceptics, New York 1974. Rosenau, Hartmut, Hellenistisch-römische Philosophie, in: Kurt Erlemann u. a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, Band 3: Weltauffassung, Kult, Ethos, Neukirchen-Vluyn 2005, 1-21.

Friederike Oertelt

Priester / Leviten 1. Grundlegendes. Im alten Israel war, wie auch in allen anderen antiken Gesellschaften, die Funktion und Stellung des Priestertums von zentraler Bedeutung. In Israel entwickelten sich im Wesentlichen zwei Klassen von kultischem Personal, die »Priester« und die »Leviten«. Bevor wir uns

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aber der Geschichte der Priesterschaft(en) im engeren Sinne widmen, sollten zunächst die Funktion von Priestern im alten Israel und ihre Stellung im Sozialgefüge erläutert werden. Da, wie in anderen antiken Gesellschaften auch, der korrekte Vollzug des Kultes als Grundvoraussetzung des Lebens und Überlebens der Gruppe galt, hatten die Priester und insgesamt das Kultpersonal (also auch jene Helfer der Priester, die zwar kultische Aufgaben vollzogen, aber nicht zur Durchführung der entscheidenden Opferakte autorisiert waren) eine Schlüsselstellung in der altisraelitischen Gesellschaft inne. Die Priester hatten neben der Durchführung des Kultes die Aufgabe, durch die Erteilung von to¯ro¯t (sg. to¯ra¯h) rechtliche Probleme zu lösen und lebenspraktische Hilfestellung zu leisten. Ihre zentrale Stellung behielten die Priester und Leviten – in immer wieder modifizierter Weise, geprägt von den mit den politischen und sozialen Entwicklungen einhergehenden Anpassungen, aber doch in einer im Wesentlichen unangefochtenen (in der nachexilischen Zeit sogar noch wesentlich gesteigerten) Weise – bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels. Das spiegelt sich auch im Neuen Testament. 2. Bis zur spätvorexilischen Zeit wurde nicht zwischen »Priestern« als Kultfunktionären »erster Klasse« und Leviten als Kultfunktionären »zweiter Klasse« differenziert. Mehrere priesterliche Familien (z. B. die Aaroniden, die Leviten, die Zadokiden und die Abjathariden) existierten nebeneinander und taten Dienst an den zahlreichen israelitischen und judäischen Heiligtümern (vgl. Cody 1969). Diese »Koexistenz« verschiedener priesterlicher Familien an verschiedensten Heiligtümer dauerte bis zur josianischen Zeit an. Mit der josianischen Reform aber begannen sich die Lebens- und Wirkensbedingungen der Priesterschaften aufgrund der Zentralisierungsbestrebungen des Königs, des Hofes und der Beamtenschaft (einschließlich des Jerusalemer Priestertums) radikal zu verändern. Die terminologische und praktische Differenzierung zwischen »Priestern« und »Leviten« wurde dann für

die weitere Entwicklung der israelitisch-jüdischen Religion sehr bedeutsam. Bezüglich der deutlichen Trennung zwischen »Priestern« und »Leviten« zeigt die detaillierte Analyse, dass die bereits von Wellhausen vorgetragene These – dass nämlich die durch die Reformen Josias geschaffene Realität der faktischen Trennung zwischen »Priestern« und »Leviten«, der eine Grundlage im Deuteronomium fehlt, die von der Ezechielschule aber in den Rang einer göttlichen Verordnung erhoben und damit gleichsam rechtlich in Kraft gesetzt wurde – der historischen Wirklichkeit entspricht (vgl. Schaper 2000). Bei der Auseinandersetzung zwischen Priestern und Leviten, die in Ez 40-48 ihre Spuren hinterlassen hat, ging es nicht zuletzt um wirtschaftliche Fragen wie die Sicherung der Versorgung von Priestern und Leviten sowie das Eintreiben von Steuern, bei dem der Jerusalemer Tempel sowohl in der vor- als auch in der nachexilischen Zeit eine Schlüsselfunktion hatte. In diesem Zusammenhang ist auch die Funktion des Jerusalemer Tempels im System des achämenidischen Steuerwesens zu sehen (vgl. Schaper 1995). 3. Mit dem Ende der Exilszeit – während der möglicherweise eine (sehr eingeschränkte) Form des JHWH-Kultes aufrecht erhalten worden war – wurde die Hierarchie der Kultusfunktionäre an dem Jerusalemer Tempel, dem einzig verbleibenden Heiligtum, ebenso wie der Tempel selbst, wiedererrichtet. Das Amt des Hohenpriesters wurde in der frühnachexilischen Zeit geschaffen, und eine Stabilisierung der neuen Tempelhierarchie fand in den Jahren 515-445 v. Chr. statt. Aufgrund der Stellung, die die Land-Leviten, die Abjathariden und wohl auch die Aaroniden während des Exils in Juda eingenommen hatten, verlief die Wiederherstellung der (modifizierten) Tempelhierarchie nicht ohne massive Auseinandersetzungen zwischen den in Juda verbliebenen und den aus dem Exil heimkehrenden Priestern – Konflikte, die u. a. in Sach 1-8 greifbar sind. Sie endeten damit, dass die Zadokiden unter dem Deckmantel einer »aaronidischen« Ge-

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nealogie ihre ehemalige Vormachtstellung mehr oder minder wiedererlangten – sicherlich nicht ohne Unterstützung durch die Achämeniden, da diesen an einer Stabilisierung der Kultushierarchie lag. Diese war am ehesten mit Hilfe derer zu erreichen, deren Familie jahrhundertelange Erfahrung mit der Verwaltung des Jerusalemer Tempels hatte. In der Provinz Jehud besaß die Priesterschaft mit dem Priesterkollegium ein sehr einflussreiches politisches Gremium, das die Leviten völlig ausschloss. Die Entwicklung der Struktur der Tempelhierarchie trat in eine Konsolidierungsphase ein; Dienstordnungen gemäß den »Vaterhäusern« wurden in dieser Zeit (ca. 515-445 v. Chr.) aufgestellt und verstärkten die interne Differenzierung der Kultusbeamten-Hierarchie. 4. Zur Zeit Nehemias und Esras (445-398 v. Chr.) trat eine Wende im Schicksal der Leviten ein, hervorgerufen durch ihre aktive Bevorzugung durch Nehemia und die Betrauung mit wichtigen »polizeilichen« und anderen Funktionen. Unter Esra wurden die Leviten dann mit einem der Schlüsselämter in einer sich wandelnden Religion betraut: Sie wurden zu Auslegern der (schriftlich überlieferten) religiösen Traditionen (zuerst etwa Neh 8). Diese religiöse »Revolution« stärkte ihre Stellung nachhaltig. Im Blick auf die Geschichte der Priester und Leviten in der spätpersischen Zeit waren die priesterlichen Genealogien in P und Chr von bleibender Bedeutung und prägten die weitere Kultgeschichte bis hin in die hellenistisch-römische Zeit und bis zum Untergang des Zweiten Tempels. Diese Genealogien sind Zeugnis einer Neuformierung der priesterlichen Familien Jehuds, mittels derer sich die Jerusalemer Priesterschaft ein kohärentes, die diversen in ihr vertretenen Traditionen neu interpretierendes und integrierendes Selbstverständnis konstruierte, das den inneren Frieden in der Priesterschaft wahrte und die Basis für die Einteilung in vierundzwanzig Priesterklassen abgab. Auch bei den Leviten wurden in der spätpersischen Zeit umfassende Reformen ins Werk ge-

setzt: Eine Amalgamierung von Levitenschaft und Sängerschaft wurde durchgeführt, die schließlich auch die Klasse der Torwächter integrierte. Dies erlaubte den »eigentlichen« Leviten, ihre neuen Funktionen (Lehrer, Richter, etc.) auszuüben und zugleich weiterhin im Tempel repräsentiert zu sein. Mit dieser Neuverteilung der Aufgaben wurde auch die materielle Versorgung der Leviten gesichert. Die gemeinsame Geschichte von Priestern und Leviten in der Achämenidenzeit endete also mit der Konsolidierung beider Gruppen und einer Verbesserung der materiellen Situation und der gesellschaftlichen und kultushierarchischen Stellung der Leviten. Ein Verhältnis, das zeitweise von Kooperation, zeitweise von massiven Auseinandersetzungen geprägt gewesen war, erreichte nun ein Äquilibrium. 5. In der hellenistischen Zeit gingen mit der Etablierung der hasmonäischen Herrschaft und den sich daraus ergebenden Legitimationsproblemen Erschütterungen in der Priesterschaft einher, die allerdings weniger die nun etablierten Strukturen der Priester- und Levitenschaft am Jerusalemer Tempel betrafen als vielmehr die hohepriesterliche Sukzession. Die Entwicklung des priesterlichen und levitischen Dienstes am Jerusalemer Tempel in der persischen und der hellenistischen Epoche war für die weitere Entwicklung des Judentums im Mutterland und in der Diaspora von großer Tragweite. Die Leviten verwandelten sich nach und nach von Kultusbeamten zweiter Klasse zu Trägern der bedeutendsten religiösen und intellektuellen »Revolution« im perserzeitlichen und hellenistischen Juda. Diese Entwicklung sollte besonders im Bereich der Schriftauslegung und der religiösen Lehre Früchte tragen (vgl. Hengel 1994). Ohne dass die zentrale kultische Funktion der Priester in Frage gestellt worden wäre, wurde ihre Position relativiert. Die Leviten stärkten ihre neue Schlüsselstellung im religiösen – und damit auch im politischen und sozialen – Leben des spätachämenidischen Juda und bauten sie in der hellenis-

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tischen Zeit weiter aus. Sie nahmen eine Form der Schriftauslegung auf, die in der Arbeit der priesterlichen »Exegeten« an den Rechtsüberlieferungen Israels in der vorexilischen Zeit ihre Grundlage hatte. Bald wurde die Schriftauslegung zur Domäne der Leviten. Damit war der Grund zu jener Entwicklung gelegt, die zur Folge hatte, »daß in den Wirren nach der Alexanderzeit durch den neuen hellenistischen Einfluß die politisch führende Priesterschaft teilweise ›verweltlichte‹ und nicht mehr in ausreichender Weise in der Lage war, der Aufgabe der schriftgelehrten Interpretation der heiligen Texte nachzukommen, und daß mehr und mehr die Leviten in diese Funktion eintraten« (Hengel 1994, 31). 6. In der achämenidischen Zeit begann also eine Transformation der israelitischen Religion (vgl. Assmann 1997), deren Wurzeln bis in die (spät-)vorexilische Zeit zurückreichen, die sich bis in die hellenistische Ära und darüber hinaus fortsetzte und die sich schließlich in der Reaktion des Judentums auf den Untergang von Tempel und Kultushierarchie im Jahre 70 n. Chr. vollendete. Diese Entwicklung wäre ohne den beschleunigten Aufstieg der Schriftkultur von der spätvorexilischen Zeit an nicht möglich gewesen. Nun wurde vollends deutlich, dass die levitische Tradition zum Inbegriff der jüdischen Religion geworden war, nachdem schon die Bedeutung »Levis« immer stärker betont worden war, wie nicht zuletzt auch aus der Behandlung Levis in den Testamenten der zwölf Patriarchen abzulesen ist. Die Pharisäer und die Rabbinen nahmen die levitische Tradition auf, entwickelten sie fort und machten sie damit zu einer intellektuellen und religiösen Kraft von weltgeschichtlicher Bedeutung. Die Entstehung einer eigenen levitischen Tradition war vom Konflikt zwischen Priestern und Leviten geprägt, und das wird auch daraus deutlich, dass noch manche der rabbinischen Erben der levitischen Tradition von jener anti-priesterlichen Stimmung geprägt waren, die schon bei den perserzeitlichen Leviten zu spüren war. Dementsprechend wandte sich z. B. Johanan

ben Zakkai nach der Zerstörung des Tempels gegen die Beibehaltung priesterlicher Privilegien. So verwandelte sich die Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen des Tempelpersonals in eine Auseinandersetzung zwischen religiös-politischen »Parteien«, nämlich zwischen Sadduzäern und den Pharisäern, die mit dem Sieg der religionsgeschichtlich »flexibleren«, d. h. angesichts der Veränderungen der religiösen Situation von Gemeinschaft und Individuum anpassungsfähigeren, Tradition endete. 7. Auch in der Darstellung von »Priestern« und »Leviten« im Neuen Testament spiegeln sich die soziale Differenzierung des Kultpersonals am Jerusalemer Tempel, seine Kontrolle durch die priesterliche Aristokratie sowie der jähe Verlust von Funktion und Macht des Priestertums und seiner Parteigänger nach der Tempelzerstörung des Jahres 70 n. Chr. wider. Erwähnt werden Leviten (Apg 4,36) und Angehörige gewöhnlicher Priesterabteilungen (Lk 1,5.8 f.; Joh 1,19; Apg 6,7; vgl. 1 Kor 9,13), der die äußere Ordnung im Tempel beaufsichtigende »Tempelhauptmann« (Apg 4,1; 5,24) sowie – als religiöse Autoritäten (insbesondere als institutionelle Anführer des Synhedriums beim Prozess Jesu) und als kultische Funktionsträger – Vertreter der Priesteraristokratie und der Hohepriester (Mk 11,18; 14,1 parr; Joh 7,32; Apg 4,6; Hebr 2,17 u. ö.). In der synoptischen Überlieferung wird die Priesterschaft des Jerusalemer Tempels in ihrer kultischen Funktion anerkannt (Mk 1,44 parr; Lk 17,14). Auch die Pointe der Beispielerzählung vom »barmherzigen Samariter« (Lk 10,30-35) zielt nicht auf eine grundsätzliche Kritik an Priestern und Leviten und ihren Funktionen. 8. Dagegen verwendet der Hebräerbrief das levitische Priestertum als christologischen Schlüsselbegriff im Sinne einer typologischen Entsprechung des Christusgeschehens (Hebr 5,1-10; 7,128; 10,1-18). Indem hier das Leiden und gegenwärtige Wirken Jesu Christi als versöhnende Mittlerfunktion nach dem Modell des Opferdienstes des Hohenpriesters gestaltet und so ihm in gewisser Weise auch gegenübergestellt wird, zeigt sich das

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paränetische Interesse des Autors an der Selbstvergewisserung seiner Adressaten angesichts des auf ihnen lastenden kulturellen und religiösen Assimilationsdrucks, was später im Zusammenhang der Ablösung vom Judentum im Sinne einer Neukontextualisierung wesentlicher Aspekte der religiösen Tradition verstanden werden konnte. Kennzeichnend ist dabei die christologische bzw. kollektive Verwendung der kultischen Begriffe. Zwar werden vom Priestertum Christi auch Aufgaben seiner Mandatare in der Gemeinde abgeleitet (Hebr 13,7.17) und begegnet in 1 Petr 2,5.9 (vgl. Offb 1,6; 5,10; 20,6) die »Priesterschaft« der Gläubigen als ekklesiologische Metapher, doch gehören die Verwendung des Begriffs Priester als kirchliche Funktionsbezeichnung und die Vorstellung eines »allgemeinen Priestertums« aller Gläubigen erst zur Rezeptionsgeschichte des Neuen Testaments. Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1997. Cody, Aelred, A History of Old Testament Priesthood, AnBibl 35, Rom 1969. Hengel, Martin, ›Schriftauslegung‹ und ›Schriftwerdung‹ in der Zeit des Zweiten Tempels, in: ders. / Hermut Löhr (Hg.), Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum, WUNT 73, Tübingen 1994, 1-71. Schaper, Joachim, The Jerusalem Temple as an Instrument of the Achaemenid Fiscal Administration, VT 45 (1995), 528-539. Ders., Priester und Leviten im achämenidischen Juda, FAT 31, Tübingen 2000. Scholer, J. M., Proleptic Priests, JSNT.S 49, Sheffield 1991. Vanhoye, Albert, Old Testament Priests and the New Priest according to the New Testament, Petersham, Mass. 1986.

Joachim Schaper / Michael Tilly

Propheten / Prophetinnen 1. Die Begriffe Die Worte Prophet / Prophetin gehen auf die griechischen Begriffe prophetes / prophetis zu-

rück, die in der Septuaginta die hebräischen Bezeichnungen na¯bı¯3 / nebı¯3a¯h wiedergeben, die höchstwahrscheinlich Berufene/r bedeuten. Im Hebräischen begegnet außerdem ro¯ 3æ¯h, Seher und ho¯zæ¯h, Schauender – hier übersetzt die Septuaginta ebenfalls prophetes. Hin und wieder werden prophetisch begabte Persönlichkeiten auch »Mann Gottes« genannt. Die verschiedenen Titel lassen vermuten, dass zum Phänomen der Prophetie eine lange Entwicklung und ein vielfältiges Erscheinungsbild gehört. Da jedoch die unterschiedlichen Titel verwendet werden können, um ein und dieselbe Person zu charakterisieren (1 Sam 9, 7-10), sind sie nicht geeignet, Unterschiede festzuschreiben. Auch die herabsetzende Bezeichnung »Verrückter« (2 Kön 9,11; vgl. Jer 29, 26; Hos 9, 7), die wahrscheinlich ekstatische Erfahrungen diskreditieren will, verweist auf die Bandbreite der prophetischen Phänomene (vgl. 1 Sam 10, 5-6.10-13; 19, 20-24). Zudem sind alle möglichen Techniken der Zukunftserforschung und -befragung, wie Wahrsagerei, Zauberei oder Beschwörung in Israel unter dem Sammelbegriff Prophetie praktiziert worden (z. B. Mi 3, 5-7; Jer 14, 14; 27, 9; 29, 8), bis sie in dem so genannten Prophetengesetz als falsche Prophetie ausgegrenzt wurden. 2. Das Prophetengesetz Das Prophetengesetz weist alle möglichen Methoden der Zukunftserforschung und -sicherung zurück (Dtn 18, 9-14) und stellt ihnen eine Lehre der für Israel charakteristischen Prophetie entgegen (Dtn 18, 15-22). Gott hat die Prophet/innen als Mittler zwischen Gotteswelt und Menschenwelt am Sinai eingesetzt, damit sie die Nachfolge Moses antreten und seine Tätigkeit durch die Geschichte hindurch fortführen. Damit wird ein Kriterium formuliert, um Prophetie zu erkennen und zu prüfen: Prophetie ist nur dann wahre Prophetie, wenn in ihr der Eine Gott zur Sprache kommt, der sich Israel am Sinai mit der Gabe der Tora offenbart hat. Prophet/innen sind also keine Wahrsager/innen. Sie sagen die Zukunft nicht voraus, sondern sie sagen die Zukunft, die Gott heraufführt, an, um deutlich zu machen,

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worauf es in der Gegenwart ankommt. Die Zuordnung von Tora und Prophetie, die das Prophetengesetz vornimmt, hat die Gestalt der biblischen Überlieferung geprägt. Mose wird allen ihm folgenden Prophet/innen als Korrektiv vorangestellt (Dtn 34,10-12). Sein Nachfolger Josua organisiert den Einzug ins Land mit der Mosetora in der Hand. Unter der Überschrift »Prophet/innen« wird von nun an die Tora aktualisiert. Diese Aktualisierung der Tora geht allerdings über die Anwendung bekannter Regeln weit hinaus. Sie ist deshalb auch nicht die Aufgabe der Priester, denen das Buch der Tora zur Aufbewahrung anvertraut ist (Dtn 17, 18; 31, 9), sie ist die Aufgabe der Prophet/innen. Die Umsetzung der Weisung ins Leben ist neue Offenbarung des lebendigen Gottes – so wird es in dem Gegenüber von Tora und Prophetinnen festgehalten. Neben der Tora, als dem am Sinai offenbarten Wort Gottes, ist das Wort Gottes aus dem Mund der Prophet/innen in der Geschichte erneut zu hören. Damit fällt das Prophetengesetz mit der Zuordnung von Tora und Prophet/innen zugleich eine grundsätzliche kanontheologische Entscheidung. Die Tora, die Grundlage des Kanons, wird vor einer Identifizierung mit Gottes Wort geschützt. Denn Gottes Wort ist nie nur geschriebener Text, sondern immer auch gesprochene prophetische Rede. Allerdings droht der Prophetie trotz aller Wertschätzung immer die Gefahr der falschen Prophetie. Beispielhaft ist hier der im Jeremiabuch beschriebene Konflikt zwischen Jeremia und Hanania. Beide verkünden das Wort des Ewigen, doch ihre Botschaften stehen in diametralem Widerspruch (Jer 28). Auch das Prophetengesetz findet hier keine Lösung. Wahre und falsche Prophet/innen lassen sich weder an ihrem Titel erkennen, noch an ihrer Einbindung in religiöse Institutionen. Letztlich lassen sich sogar die Inhalte nicht in wahr und falsch katalogisieren. Denn der Trost, Gott werde Jerusalem bewahren (Jes 37, 6), kann zu Prophetie verkommen, die verblendet (Jer 28; Klgl 2, 14.20), genauso wie Unheilsansagen zu falscher Prophetie werden können, wenn sie Gleichgültigkeit verbreiten und die Unabänderlichkeit einer elenden

Situation behaupten (Ez 18, 2). Die Frage: »Wie sollen wir das Wort erkennen, das der Ewige nicht geredet hat« (Dtn 18, 21), kann letztendlich nur im Rückblick beantwortet werden. Weil Gottes Wort nicht leer bleibt, wird die Geschichte zeigen, ob Prophet/innen im Namen Gottes geredet haben oder nicht! 3. Die Vorderen Prophet/innen Schlüsselfiguren für das Prophetieverständnis des Werkes Josua-2 Könige sind die beiden Prophetinnen Debora (Ri 4 f.) und Hulda (2 Kön 22), deren Prophetie einen Rahmen um die Geschichte der Prophetie im Land bildet. Deboras Prophetie führt einen Umgang mit Geschichte vor, der für das Geschichtswerk konstitutiv ist. Ihre prophetischen Imperative richten sich im Deboralied an alle, denen die Geschichte Israels erzählt wird (Ri 5). Sie werden aufgefordert, das Gehörte als Ruf in die Entscheidung zwischen Segen und Fluch weiterzuerzählen (Ri 5, 1.9.23.24) und damit selbst zu Prophet/innen zu werden. Entsprechend wird in Huldas Prophetie jeder defaitistischen Lektüre der Geschichte, die Israel ins Exil geführt hat, widersprochen. Die Theologie des Geschichtswerks wird zusammengefasst, wenn Hulda die kommende Katastrophe und die Treue Gottes ansagt. Die Bundesgeschichte Gottes mit Israel wird durch das Gericht, auf das die Sammlung Josua-2 Könige hinausläuft, nicht aufgehoben. Eine zentrale Gestalt der Vorderen Prophetenbücher ist der Prophet Elija (3 Heilsgestalten), während die bekannten Schriftpropheten – abgesehen von Jesaja (2 Kön 19 f.) und einer kurzen Notiz über Jona, Sohn Amittais (2 Kön 14, 25) – nicht berücksichtigt werden. Vermutlich waren die klassischen Schriftpropheten, die wie Jeremia den Untergang Judas angekündigt hatten, nach Eintreffen dieses Ereignisses noch derart umstritten (vgl. z. B. Jer 44,1-19), dass in dem Geschichtswerk mit Hilfe der volksnahen Figur des Propheten Elija über die Bedeutung der Gerichtsprophetie für Israels Identität und Geschichte nachgedacht wird. In der Elijageschichte wird die kritischen Frage, ob die Gerichtsrede der Prophet/innen das Unheil Israels mit herbeigeführt

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Propheten / Prophetinnen

habe, bearbeitet (vgl. 1 Kön 17,18; 18, 17 ff.) und in Auseinandersetzung mit dieser Anfrage eine Apologie der Gerichtsprophetie geschaffen (Blum 1997). 4. Die Schriftprophet/innen Charakteristisch für die im zweiten Teil des Prophetenkanons gesammelten Prophetenbücher Jesaja, Jeremia, Ezechiel und die zwölf kleinen Prophet/innen ist die Redewendung »so spricht der Ewige«, mit der sich die Prophet/innen als Bot/ innen Gottes zu erkennen geben. Von Gott beauftragt konfrontieren sie Israel mit Gottes Gerechtigkeitswillen, dessen Wissen in Israel vorausgesetzt wird. Die in dieser Sammlung dokumentierte prophetische Bewegung beginnt im 8. Jh. angesichts der Bedrohung durch das assyrische Reich von außen und durch Verelendung von innen. Im Nordreich melden sich Amos und Hosea, im Süden Micha und Jesaja zu Wort. Sie sagen den Untergang an, weil die Gesellschaft durch Akkumulation von Grund und Boden und Verarmung aus den Fugen geraten ist. Angesichts der Expansion des babylonischen Imperiums gewinnen ein Jahrhundert später noch einmal mehrere prophetische Persönlichkeiten an Bedeutung. Zefanja, Habakuk, Jeremia und Ezechiel prangern die sozialen Missstände an und verkündigen das Kommen der babylonischen Truppen als selbstverschuldetes Gericht. Nach dem Verlust von Eigenstaatlichkeit und Königtum ringen im babylonischen Exil und danach Prophet/innen um eine neue Zukunftsperspektive für Israel (so z. B. Jes 40-55; 56-66; Hag; Sach). Die Aufteilung von Gerichtsverkündigung vor und Heilsverkündigung nach der Katastrophe wird allerdings durch die Beobachtung relativiert, dass in ihrer kanonischen Gestalt keine/r der Prophet/innen ein radikales »Nein« über Israel spricht (Rendtorff 1991). Die gesamte prophetische Überlieferung zielt auf Umkehr und Lebensperspektiven jenseits von Ausbeutung und Unrecht. Obwohl alle Prophetenbücher unter dem Namen von Männern überliefert werden, können wir davon ausgehen, dass Frauen an ihrer Gestaltung mitgearbeitet haben – verborgen z. B.

in dem Kollektiv, das in Jes 40 seine Berufung zur prophetischen Rede bezeugt. Anonym haben Frauen und Männer ihre Botschaft in Jes 40-55 als Teil des Jesajabuches überliefert und die 200 Jahre alten Jesajatexte weiter geschrieben. Durch solche Fortschreibungsprozesse haben die Prophetenbücher ihre kanonische Gestalt bekommen. In dieser durch Fortschreibungsprozesse geprägten Endgestalt bezeugen die Prophetenbücher, dass die Verschriftlichung der Prophetie nicht ihr Ende bedeutet, vielmehr wird jeder Mann und jede Frau durch die Lektüre prophetischer Texte zu prophetischer Rede herausgefordert. 5. Prophet/innen und Rabbinen Die Bedeutung, die die Schriftauslegung bereits in der Schrift für das Prophetieverständnis gewinnt, wird von den Rabbinen weiter ausgeführt. Prophet/innen werden als Toragelehrte verstanden. Sie sind Glied in der Kette der Weitergabe der Tora: »Mose empfing die Tora vom Sinai und gab sie weiter an Josua und Josua an die Ältesten, und die Ältesten gaben sie weiter an die Propheten und die Propheten an die Männer der Großen Versammlung« (mAv 1, 1). Die Rabbinen treten die Nachfolge der Prophet/innen an in der Überzeugung, dass seit dem Tag, da der Tempel zerstört wurde, die Prophetie den Prophet/innen genommen und den Weisen gegeben wurde (bBB 12a). Damit ist nicht gesagt, dass Prophet/innen aus den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verschwunden sind. Bei Josephus werden Propheten erwähnt (Flav. Jos. Bell. 2,13,5; 6,5,2); das Lukasevangelium erzählt von einer Prophetin Hanna im Tempel (Lk 2, 36-38). Doch die Rabbinen sprechen diesen Figuren ihre Autorität ab (z. B. bBB 12b). Gottes Wille offenbart sich in der Toraauslegung und Diskussion der Gelehrten. In diesem Zusammenhang hat auch die Rede von Prophetie ihren Platz, so formulierte z. B. R. Johanan: »Steht jemand morgens früh auf und ein Schriftvers kommt ihm in den Mund, ist dies eine kleine Prophetie« (bBer 55b). Doch selbst eine Stimme vom Himmel kann die Mehrheitsentscheidung der Gelehrten nicht außer Kraft setzen (bBM 59b).

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Prostitution

6. Prophet/innen im Neuen Testament In den neutestamentlichen Schriften werden die Prophetenbücher als Teil des Kanons vorausgesetzt, auf den mit den Formel »Tora und Prophet/innen« (Mt 5, 17; 7, 12 u.ö) oder »Mose und die Prophet/innen« (Lk 16, 29.31; 24, 27 u. ö.) verwiesen wird. Was die Prophet/innen erwartet und verkündigt haben, wird in der Geschichte Jesu Christi bewahrheitet und bekräftigt. »So viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja; deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns« (2 Kor 1, 20; vgl. z. B. Röm 1, 2; 9, 29). Die Verheißungen werden bestätigt, nicht abgetan. Wenn von erfüllter Prophetie die Rede ist (Mt 1, 23; 2, 5 f.15 u. ö.), ist sie nicht an ihr Ende gekommen, sondern ihre Erwartungen eines neuen Himmels und einer neuen Erde werden neu entfacht (z. B. Mt 25, 31-46; 26, 64). Zeichen dieser bleibenden Erwartung ist die Existenz von Prophet/innen in den neutestamentlichen Gemeinden. Nicht nur Johannes der Täufer als Umkehrprediger und Wegbereiter Jesu (Mk 11, 32; Mt 11, 9; Lk 1, 76) und Jesus selbst (Mk 6, 15; 8, 27; Mt 21, 11.46; Lk 24,19; Apg 3, 22) wurden als Propheten geglaubt und verkündigt. Auch nach Jesus haben Prophet/innen in den Gemeinden eine wichtige Funktion. Prophetie charakterisiert die Kirche (Apg 2, 17.18; 19, 6). Prophet/innen werden mehrfach gleich nach den Apostel/innen erwähnt (1 Kor 12, 28 f.; Eph 2, 20; 3, 5; 4, 11; Offb 18, 20). Sie bilden zusammen mit den Apostel/innen (3 Botenwesen / Apostolat) das Fundament der Kirche (Eph 2, 20). Die Apostelgeschichte bezeichnet bedeutende Persönlichkeiten der frühen Gemeinde als Prophet/innen (13, 1; 15, 32; vgl. auch 11, 27 f.; 21, 9.10 f.). Mit der Johannesoffenbarung ist auch im Neuen Testament ein Prophetenbuch überliefert worden (Offb 1, 3; 22, 7.10.18.19). Aufgabe der Prophetie ist der Aufweis des Weges Jesu in einer Welt, in der dieser Weg verborgen ist. Aufgrund dieser Verborgenheit ist Prophetie ein Wagnis (1 Kor 13, 9.12), das in der Tora (Mt 7, 21) und in der verkündigten Geschichte Jesu (1 Kor 13) sein Korrektiv findet und von der Gemeinde aufgrund der gegebenen Kriterien beurteilt werden muss (1 Kor 14, 30). Selbst ein Engel vom

Himmel kann das überlieferte Evangelium nicht außer Kraft setzen (Gal 1, 8). Blenkinsopp, Joseph, Geschichte der Prophetie in Israel, Stuttgart u. a. (1998). Blum, Erhard, Der Prophet und das Verderben Israels. Eine ganzheitliche, historisch-kritische Lektüre von 1 Regum XVII-XIX, VT 47 (1997), 277-292. Butting, Klara, Prophetinnen gefragt. Die Bedeutung der Prophetinnen im Kanon aus Tora und Prophetie, Wittingen 2001. Ebach, Jürgen, Kassandra und Jona. Gegen die Macht des Schicksals, Frankfurt a. M. 1987. Greenspahn, Frederick E., Why prophecy ceased, JBL 108 (1989), 37-49. Fischer, Irmtraud, Gotteskünderinnen. Zu einer geschlechterfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der hebräischen Bibel, Stuttgart 2002. Merklein, Helmut, Der Theologe als Prophet. Zur Funktion prophetischen Redens im theologischen Diskurs des Paulus, NTS 38 (1992), 402-429. Rendtorff, Rolf, Kanon und Theologie. Vorarbeiten zu einer Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1991. Safrai, Chana, Propheten/Prophetie III. Judentum, TRE 27, 1997, 499-503. Steck, Odil Hannes, Die Prophetenbücher und ihr theologisches Zeugnis. Wege der Nachfrage und Fährten zur Antwort, Tübingen 1996.

Klara Butting

Proselyt 3 Gottesfürchtige / Proselyt / Proselytin

Prostitution 1. Altes Testament Mit dem hebräischen Wort für Prostituierte (za¯na¯h) kann sowohl eine Frau bezeichnet werden, die sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung anbietet, als auch eine Frau, die ihre Sexualität nicht nur mit einem einzigen Mann oder nicht innerhalb einer ehelichen Bindung lebt (vgl. Schulte). Daneben wird diskutiert, ob es im Alten Testament Kult- und Zwangsprostitution gegeben hat.

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a) Sozialer Hintergrund. Prostitution ist im Alten Testament durch wirtschaftliche Not motiviert. Sie ist oft die einzige Möglichkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts für Frauen, die weder durch einen Ehemann noch durch ihre Herkunftsfamilie abgesichert sind. Einblick in die Situation von Prostituierten geben zwei längere Erzählungen und einige kurze Notizen. Tamar (Gen 38) schlüpft in die Rolle einer Prostituierten, weil ihr der normale Weg zu Nachkommen durch den Schwiegervater verwehrt wird. Rahab (Jos 2,2-22; 6,17-25) besitzt ein Gasthaus, in dem auch sexuelle Dienstleistungen angeboten werden. Mit diesem Betrieb ernährt sie ihre ganze Großfamilie. Als Prostituierte werden weitere Frauen bezeichnet, über die sonst nicht mehr zu erfahren ist: die Mutter Jiftachs (Ri 11,1), die Frau, deren Dienstleistung Simson (Ri 16,1) in Anspruch nimmt, und auch die zwei Frauen, über die Salomo sein sprichwörtliches Urteil fällt (1 Kön 3,16). Kritisch sieht das Sprüchebuch die Prostituierten (23,27; 29,3): Sie bringen einen Mann um Geld und Leben. Vom Schicksal einer altgewordenen Prostituierten erfahren wir in Jes 23,15-18. Je nach Kontext erscheint so ein anderes Bild von Prostitution. Ähnlich wie in den alttestamentlichen Texten ist die Bewertung von Prostitution in der altorientalischen Welt nicht notwendig negativ. Im mesopotamischen Gilgamesch-Epos (I, 167-205) ist die Schenkin und Prostituierte Schamchat diejenige, die dem wilden Enkidu die Kultur nahebringt. Die Prostituierte erscheint hier als Bringerin und Vermittlerin der Zivilisation. b) Prostituierte. Prostituierte sind durch ihre Kleidung kenntlich. Tamar ist verschleiert, als sie sich als Prostituierte an die Straße setzt (Gen 38,14 f.). Was sich hinter dem »Prostituiertenzeichen« (Hos 2,4) verbirgt oder dem »Prostituiertengewand« (Spr 7,10), ist unklar. Der Lohn einer Prostituierten (hebr. 3ætnan) fällt unterschiedlich aus. In Gen 38,17 wird ein Ziegenböckchen genannt, in Spr 6,26 dagegen ist es nur ein Rundlaib Brot. Eine Prostituierte muss (Gen 38,17 f.) selbst sicherstellen, dass sie ihre Bezahlung erhält.

Im Alten Testament ist Prostitution nicht verboten. Allerdings ist es einem Vater untersagt, seine Tochter zur Prostitution anzuhalten (Lev 19,29). Priester dürfen weder Prostituierte heiraten, noch dürfen sich ihre Töchter prostituieren (Lev 21,7-9). Ob die qede¯ˇs¯m ı (»Geweihte«) zu Recht als Kult- oder Tempelprostituierte angesehen werden, ist fraglich. Als qede¯ˇs¯m ı werden (2 Kön 23,7) Frauen und Männer bezeichnet, die kultische Funktionen unterhalb der priesterlichen Aufgaben wahrnehmen, etwa beim Opfern. Vermutlich leben sie nicht in Familien, sondern in Wohnungen am Jerusalemer Tempel. Ihre relativ größere sexuelle Freiheit und die Kritik an bestimmten Formen des Kultes hat wohl dazu geführt, dass sie in der späten Königszeit aus prophetischer und deuteronomistischer Sicht in abwertender Weise mit Prostitution in Verbindung gebracht werden (Hos 4,14; Dtn 23,18 f.; so Jost 130 f.). Inwieweit die Institution der Prostitution an Tempeln im Alten Orient verbreitet war, ist umstritten (Jost 131 f.). Belegt sind für Mesopotamien Frauen (naditu), die klosterähnlich und zölibatär an Tempeln leben. Um Zwangsprostitution könnte es sich handeln, wenn davon gesprochen wird, dass »ein Mann und sein Vater zu demselben Mädchen gehen« (Am 2,7). Hier dient möglicherweise eine Sklavin oder Hausangestellte einer Großfamilie als Prostituierte. Eine Verknüpfung von Prostitution und Unterdrückung bzw. Gewalt kann in Gen 34,31 vorliegen. Dort sagen die Brüder der Dina über ihre vergewaltigte Schwester, dass der Vergewaltiger mit ihr wie mit einer Prostituierten umgegangen sei. c) Metaphorik. In den prophetischen Büchern des Alten Testaments wird die Beziehung von JHWH und Israel oder Jerusalem an einigen Stellen mit einem Sprachbild illustriert, in dem das Wortfeld za¯na¯h (eigentlich: »sich prostituieren«) eine wichtige Rolle spielt (vgl. Baumann). Israel und Jerusalem werden als Frauen dargestellt, deren Ehemann JHWH ist. Die Beziehung wird derart geschildert, dass »sie« von ihm »weghurt« (za¯na¯h), d. h. mit anderen »Männern« sexuell verkehrt. Die Liebhaber oder Konkurrenten JHWHs

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können andere Gottheiten sein wie Baal (Hos 13) oder Großmächte wie Ägypten, Assyrien und Babylonien (Ez 16; 23). Obwohl diese Metaphorik sich des Wortfelds za¯na¯h bedient, geht es nicht eigentlich um Prostitution, denn es fehlt beispielsweise die Bezahlung. In diesen Texten wird za¯na¯h in ausgeweiteter Weise und in stark negativer Färbung verwendet. An einigen Stellen bedeutet za¯na¯h eher »Ehebruch begehen« als »sich prostituieren«. »Unzucht« oder »Hurerei treiben« ist denn auch eine häufig gewählte Übersetzung des Wortes, die den moralisch abwertenden Klang des Wortes in den alttestamentlichen Texten wiedergeben soll. In der Entstehungszeit will diese Metaphorik wohl aufrütteln und die Zuhörenden mittels sexueller Skandalisierung erreichen. Es geht um die Schuld Israels bzw. Jerusalems am eigenen Schicksal. Aus heutiger Sicht ist eine solche Rollenzuweisung nicht unproblematisch: In den Texten verschwimmen einerseits Prostitution und Ehebruch, und andererseits wird männlich-göttliche Gewalt als legitime Reaktion auf das Verhalten der Frauen dargestellt. Die Metaphorik wird im Neuen Testament in Offb 17; 19,2 aufgenommen. 2. Neues Testament a) Sozialer Hintergrund. Prostitution, d. h. Geschlechtsverkehr mit wechselnden Personen gegen materielle Belohnung, ist in hellenistisch-römischen Gesellschaften ein Massen- und ein Unterschichtgeschehen. Die Prostituierten (mehr Frauen als Männer) sind in der Regel Versklavte oder Freigelassene. Sklavinnen müssen ihren Herrschaften sexuell zur Verfügung stehen oder werden von ihnen Dritten zur Verfügung gestellt. Der Lohn gehört den Besitzenden. Viele Frauenberufe sind im Nebenerwerb Prostitutionsberufe: Gastwirtinnen, Kellnerinnen u. a. Freie Frauen, die als Prostituierte arbeiten, sind in der Regel durch Armut zu dieser Arbeit gezwungen. Oberschichtangehörige bedienen sich der Prostituierten außer Hause seltener, da sie Sklavinnen im Haus zur Verfügung halten. Prostituierte werden als Unterschichtangehörige von der Oberschicht verachtet, z. B. wegen des

Schmutzes und Gestanks in den Bordellen (zur Sozialgeschichte der Prostitution in dieser Zeit s. besonders Kirchhoff und Stumpp). Außerehelicher Geschlechtsverkehr von Männern mit nichtverheirateten Frauen ist auch im Rahmen hellenistisch-römischer Gesellschaften keine moralisch oder rechtlich negativ bewertete Praxis. Paulus gibt diese gesellschaftliche Wertung in 1 Kor 6,12 zutreffend wieder: »alles steht mir frei«. Einzelne Philosophen bewerten Prostitution negativ und wollen (Oberschicht-)Männer zum Maßhalten erziehen (Kirchhoff 90-103; Stumpp 271-286). Während die Wörter porne, pornos (und selten vorkommend porneia) im Griechischen außerhalb des Einflussbereiches des Judentums sich auf Prostitution beziehen, werden diese Wörter in der Septuaginta, dem nachbiblischen Judentum und frühen Christentum in einem weiteren Sinne gebraucht. Sie beziehen sich auf sexuelle Beziehungen, die nach der Tora bzw. ihrer Auslegung illegitim sind. »Paulus verbietet in (1 Kor) 6,12-20 nicht speziell den Verkehr mit Frauen, die sich gewerbsmäßig prostituieren, sondern jeden Verkehr mit einer Frau, für die der betreffende Christ nicht der einzige (noch lebende) Sexualpartner ist« (Kirchhoff 36). Die Wortgruppe porn- allein ist also noch kein Indiz dafür, dass es um Prostitution geht. b) Prostituierte. Für 1 Kor 6,12-20 ist dennoch damit zu rechnen, dass Paulus primär an Prostituierte denkt, da er von einer verbreiteten Praxis spricht, nicht von Einzelfällen. In Mt 21,31 f. treten die pornai als (Berufs-)Gruppe neben Zöllnern und Zöllnerinnen auf. Deshalb wird ebenfalls an Prostituierte zu denken sein. Porneia und damit auch Prostitution wird als Toraübertretung verstanden, obwohl Prostitution nach der Tora nicht generell verboten ist. Auch verheiratete Freier begehen keinen Ehebruch und ungebundene Frauen ebensowenig. Die Bewertung von Prostitution als Toraübertretung liegt auf derselben Ebene wie die entsprechende Bewertung von Zöllnern und Zöllnerinnen, wenn sie hamartoloi genannt werden (Mk 2,15 u. ö.). Diese Berufe gelten als notorischer Zwang zur Toraun-

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treue. Die Prostituierten werden dabei nicht wegen eines sexuellen Deliktes zu Sünderinnen, sondern wegen anderer Delikte, z. B. Diebstahl, der ja auch bei Zöllnern und Zöllnerinnen als notorisch gilt. Die »Sünderin« Lk 7,36-50 ist so dargestellt, dass an eine Prostituierte zu denken ist, auch wenn der Begriff ebenfalls wie der der porne einen weiteren Sinn hat. Es ist also damit zu rechnen, dass unter den hamartoloi, mit denen Jesus gemeinsam isst, auch sonst Prostituierte (beiderlei Geschlechtes) zu finden sind. Viele der Sklavinnen und Sklaven, auch in den frühchristlichen Gemeinden, dürften Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Zwangsprostitution seit ihrer Kindheit gemacht haben. In den Evangelien werden Prostituierte als vorbildlich Glaubende genannt, deren Gerechtigkeit im Kontrast steht zur mangelnden Gerechtigkeit von Hohepriestern und Ältesten (Mt 21,31 f. neben 21,23). Ihre Gerechtigkeit entspricht der der porne Rahab (Hebr 11,31; Jak 2,25 vgl. Jos 2,6), die auch im Stammbaum Jesu neben Tamar (vgl. Gen 38) auftaucht (Mt 1,3.5). Wie schon in der nachbiblisch-jüdischen Tradition werden diese Frauen zu besonderen Vorbildern, gerade weil es von ihnen nicht zu erwarten war. Dabei ist nicht die Reue der Prostituierten im Blick, sondern das von Gott gewirkte Wunder ihrer Gerechtigkeit trotz ihres Berufes und bei weiter bestehender Arbeit als Prostituierte. Eine ausführliche Erzählung von der Rechtfertigung einer Prostituierten findet sich in Lk 7,36-50. Die Liebe zu Gott, die diese Frau in ihrem Leben ausdrückt, und ihr Vertrauen (7,47-50) sind trotz ihrer vielen Toraübertretungen größer als die Gerechtigkeit des gastgebenden Pharisäers. Er meint, Gerechtigkeit zu praktizieren bedeute, sich von dieser Frau nicht berühren zu lassen. Hier geht es nicht um die »Reue« der Sünderin. Der Konflikt zwischen Jesus und pharisäischen Gruppen über Jesu Gemeinschaft mit Sündern und Sünderinnen hat den Kern, dass Jesus eine messianische Gemeinschaft vorausnehmend feiert, ohne dass die Sünder und Sünderinnen eine praktische metanoia vollzogen haben (E. P. Sanders; Schottroff). Paulus verhandelt ausführlich die Praxis ver-

heirateter Männer der korinthischen Christusgemeinde, zu Prostituierten zu gehen (1 Kor 6,12-20). Sie setzen also fort, was sie aus der Zeit vor ihrer Taufe gewohnt sind. Möglicherweise haben ihre Ehefrauen während der bestehenden Ehe Ehefreiheit praktiziert und deshalb den Geschlechtsverkehr verweigert (1 Kor 7,1-5; A. Wire 77-82). Paulus argumentiert diesen Ehemännern gegenüber, ihre Christusbeziehung sei mit der Beziehung zu einer Prostituierten unvereinbar. Die Christusbeziehung verwandelt den Körper (soma), da Gott in ihm wohnt (6,19). Paulus wendet die Tradition von Gen 2,24 (die Zwei werden ein Körper – sarx) auf die Christusbeziehung (6,17) und die Beziehung zur Prostituierten (6,16) an. Die Anwendung von Gen 2,24 auf die Beziehung legitimer Eheleute wird vorausgesetzt. Damit wird die Beziehung zur Prostituierten für den Mann sehr ernst genommen. Die Prostituierte interessiert Paulus nicht, obwohl anzunehmen ist, dass es in der korinthischen Christusgemeinde, in der sich vorwiegend Menschen aus der Unterschicht zusammenfinden (1,26), einige Prostituierte gibt. Der androzentrische Blick des Paulus hindert ihn, die Situation dieser Frauen und ihre Christusbeziehung ernst zu nehmen. Die häufig vertretene Behauptung, in Korinth habe es Kultprostitution am Aphroditetempel gegeben, ist wenig wahrscheinlich (Kirchhoff 46 f.). c) Metaphorik. In Offb 17-19 wird Rom als »Hure Babylon« dargestellt. Dabei geht es nicht wie z. B. im metaphorischen Gebrauch des Wortes za¯na¯h in Hos 1-3 um Abfall von Gott im »Ehebruch«, sondern um die Entwürdigung der Göttin Roma bzw. der die Stadt Rom symbolisierenden symbolischen Frau als Prostituierte. Sie sitzt auf dem »Ungeheuer«, das im Römischen Reich alle Macht innehat. Ihre Freier sind Könige und der Teil der Erdbevölkerung, der Rom politisch / religiös huldigt. Diese Prostituierte ist prächtig geschmückt, sie betrinkt sich – beides sexistische Klischees in der Darstellung Prostituierter (Zanker). Diese Frau wird vom Ungeheuer und ihren Freiern brutal ermordet (17,16). In dieser Szene werden biblische Metaphorik, die Symbolisierung von Städten in Frauengestalten, sexisti-

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sche Klischees, reale Frauenerfahrung und Roms Geschichte zusammengeschaut. Möglicherweise wird in diesem Text die Prostituierte als Sklavin vorgestellt, denn sie gehört dem Ungeheuer. Baumann, Gerlinde, Liebe und Gewalt. Die Ehe als Metapher für das Verhältnis JHWH-Israel in den Prophetenbüchern, SBS 185, Stuttgart 2000. Jost, Renate, Von »Huren« und »Heiligen«. Ein sozialgeschichtlicher Beitrag, in: Hedwig Jahnow u. a., Feministische Hermeneutik und Erstes Testament. Analysen und Interpretationen, Stuttgart u. a. 1994, 126-137. Kirchhoff, Renate, Die Sünde gegen den eigenen Leib. Studien zu porne und porneia in 1 Kor 6,12-20 und dem sozio-kulturellen Kontext der paulinischen Adressaten, Göttingen 1994. Sanders, Ed Parish, Jesus and the Sinners, JSNT 19 (1983), 536. Schottroff, Luise, Die große Liebende und der Pharisäer Simon, in: dies., Befreiungserfahrungen, München 1990, 310-323. Schulte, Hannelies, Beobachtungen zum Begriff der Zônâ im Alten Testament, ZAW 104 (1992), 255-262. Stumpp, Bettina Eva, Prostitution in der römischen Antike, Berlin 1998. Wire, Antoinette C., The Corinthian Women Prophets, Minneapolis 1990. Zanker, Paul, Die trunkene Alte. Das Lachen der Verhöhnten, Frankfurt 1989.

Gerlinde Baumann / Luise Schottroff

Rache »Rache« wird im modernen Sprachgebrauch als eine emotionsgeleitete, oftmals ungezügelte Reaktion auf erlittenes Unrecht verstanden, die primär dem Rächer Genugtuung bringen soll, oftmals neues Unrecht schafft und darum verwerflich und ethisch zu überwinden ist. Dieses moderne Vorverständnis setzt indes eine längere Entwicklung zu einer funktionsfähigen staatlichen Justiz voraus und wird Kulturen ohne solche Strukturen nicht gerecht. So ist zu bedenken, dass in Israel und Juda eine Rechtsaufsicht, die Untaten zwischen Sippen (Untaten zwischen Völkern wurden durch Krieg, Untaten in-

nerhalb von Sippen durch die Autorität des oder der Sippenältesten ausgeglichen) ausgleichen konnte, lange Zeit fehlte. Daher oblag im Falle einer Tötung zwischen zwei Sippen einem männlichen Vertreter (hebr. go¯ 3e¯l) der geschädigten Sippe die Pflicht, Delikte in einem durch Traditionen eng geregelten Rahmen selbst zu ahnden (Num 35, 19-29; Dtn 19, 11-13). Demnach handelte es sich im Vollzug der »Rache« (hebr. na¯qa¯m) nicht nur um eine legitime, sondern sogar um eine gebotene Form zur Verfolgung von Untaten, damit der Täter nicht über sein Opfer obsiege. Erst mit dem Erstarken staatlicher Strukturen, die in der Lage waren, Rechtsverletzungen wirksam zu verfolgen, wurde Selbstjustiz verworfen, um emotionsgeleitete Zügellosigkeit zu vermeiden und sicher zu stellen, dass das Ziel der Rechtsverfolgung nicht in der Genugtuung des Rächers, sondern in der Wahrung oder Wiederherstellung von Gerechtigkeit liege. Wo Gott in einer impliziten Kritik an mangelhaften gesellschaftlichen Strukturen in weisheitstheologischen Horizonten als Garant des Tun-Ergehen-Zusammenhangs (Ps 58, 11 f.; 94) und in eschatologischen Horizonten als Regent aller Völker (Ps 82, 8; 96, 13; 98, 9; Jes 51, 5) angesprochen wird, wird ihm auch die Aufgabe übertragen, Rechtsverfolgung zu übernehmen (Ps 58; 69; 109; 137), und im Gegenzug von Menschen erwartet, auf bislang gebotene Selbstjustiz zu verzichten (1 Sam 24, 13; Jer 11, 20; Spr 20, 22; 25, 21; Röm 12, 19), Racheverlangen zu überwinden und Tätern in Liebe zu begegnen (Lev 19,17 f.; Mt 5, 43-48). Angesichts dieser rechtsgeschichtlich begründeten Bedeutungsverschiebung des Begriffs »Rache« von der zunächst gebotenen Ahndung zur emotionsgeleiteten Selbstjustiz ist es irreführend, na¯qa¯m mit dem heute negativ konnotierten Begriff »Rache« wiederzugeben. Vielmehr muss in neuen Übersetzungen deutlich werden, dass die an Gott gerichtete Bitte um Rechtsverfolgung einen Verzicht auf Selbstvollzug voraussetzt und mit der Erwartung des Tages der »Rache« Gottes die Hoffnung verbunden ist, dass Gott die verletzte Gerechtigkeit wiederherstellen und den

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Opfern die ihnen bislang verwehrte Gerechtigkeit zukommen lassen möge (Jes 34, 8; 35, 4; 59, 17; 61, 2; 63, 4). In der Septuaginta und im Neuen Testament sind Rache (griech. ekdikesis) und Zorn (griech. orge) Reaktionen Gottes auf die Beschädigung seiner Gerechtigkeitsordnung. So ist der »Tag des Zorns« der Zeitpunkt der Wiederherstellung der göttlichen Gerechtigkeitsordnung. Die Männer und Frauen des Volkes Gottes erwarten diesen Tag mit Hoffnung. Gott tritt als energischer Richter der Ungerechtigkeit entgegen (Offb 6, 10; 19, 2). Die ungerechten Strukturen, die das Strafhandeln Gottes herausfordern, werden oftmals in Dualitäten zur Sprache gebracht wie Mann – Frau, mächtig – schwach, gewalttätig – hilflos, gottlos – fromm. Gott wird sich erbarmen und den Seinen Recht schaffen (Lk 18,7 f.). Die Verkündigung Jesu nimmt hier die Impulse der Psalmenfrömmigkeit auf. Die Überlieferungen des antiken Judentums und die neutestamentlichen Texte stimmen weitgehend darin überein, dass die Wiederherstellung einer umfassenden Gerechtigkeit Sache Gottes ist (Röm 12, 19). Aus dieser Überlegung entwickelt sich eine Vielfalt von ethischen Imperativen, die auf verschiedene Weise den Verzicht auf menschliche Rache bzw. Widervergeltung fordern. In weisheitlicher Tradition gilt es als klug, auf Rache, Emotion und Vergeltung zu verzichten (Spr 12, 16; 17, 9; 19, 11; 20, 22; 24, 29; Mt 5, 39; Röm 12,17.21; 1 Thess 5, 15), und auch der Feind verdient fürsorgliches Liebeshandeln, Empathie und Fürbitte (Spr 24, 17 f.; 25, 21 f.; Mt 5, 44; Lk 6, 27 f.; Röm 12, 20; 1 Petr 3, 9). Die Forderung der Feindesliebe (Mt 5, 44; Lk 6, 27.35) ist eine Konsequenz aus der inneren Logik des Verzichts auf Widervergeltung. Sie zielt nach innen auf die Bewahrung der sozialen Gemeinschaft im Nahbereich (Sippe, Dorf) und nach außen auf den Umgang mit Verfolgung und Unterdrückung (Mt 5, 41; Röm 13, 14). Ansätze zur Universalisierung dieser ethischen Forderungen begegnen dort, wo der Verzicht auf Widervergeltung mit der Barmherzigkeit des Schöpfergottes begründet wird (Mt 5, 45; Lk 6, 36; vgl. Ps 145, 14-20). In

der weiteren Entwicklung wird auch das Vorbild Christi in der Tradition von Jes 53 zur Begründung herangezogen (1 Petr 2, 23). In Lk 21, 22 wird die Eroberung Jerusalems als Tag der Rache bzw. Heimsuchung bezeichnet. Paulus sieht den Zorn Gottes darin wirksam, dass Gott die Heiden ihrem eigenen Vernichtungshandeln »dahingegeben« hat (Röm 1, 24-32). Hier sind Ansätze für die spätere christliche Geschichtstheologie, die in hellenistischer Tradition gegenwärtiges Geschehen als strafende Rache Gottes bzw. der Götter deutet (vgl. Apg 28, 4). An einigen wenigen Stellen wird die Vorstellung von der weltlichen Gerechtigkeit als Rächerin aufgenommen (Röm 13, 4; 1 Thess 4, 6; 1 Petr 2, 14). Peels, Hendrik G. L., The Vengeance of God. The Meaning of the Root NQM and the Function of the NQM-Texts in the Context of Divine Revelation in the Old Testament, OTS 31, Leiden 1995. Zerbe, Gordon M., Non retaliation in early Jewish and New Testament texts. Ethical themes in social contexts, JSPE.S 13, Sheffield 1993. Zenger, Erich, Ein Gott der Rache? Feindpsalmen verstehen, Biblische Bücher 1, Freiburg u. a. 1994.

Klaus Bieberstein / Lukas Bormann

Raum 1. Handelnd erschlossener Raum Eher als ein mathematisch-physikalischer Raumbegriff erfasst das deutsche Wort »Raum«, was sich für den Alten Orient und die Bibel mit dem Stichwort verbindet. Es kommt von »räumen« und das meint das Roden eines Geländes für einen Siedlungsplatz. Das Wort bezeichnet dann auch das so gestaltete Gelände selbst (PongratzLeisten 264 f.). Raum ist also nicht immer schon gegeben, sondern handelnd erschlossen und erlebt. Das gilt besonders für die Kulturen des südlichen Zweistromlandes. Sesshaftes Leben hatte dort mangels der für den Regenfeldbau nötigen

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Mindestregenmenge von vornherein die Anlage von Bewässerungssystemen und damit eine arbeitsteilige Gesellschaft zur Voraussetzung. In sumerischen und babylonischen Mythen ist die Anlage der Bewässerungsgräben zunächst das Werk der Götter. Von den frühesten bis zu späten mesopotamischen Traditionen wird die Menschenschöpfung durchweg so erklärt, dass die Götter die Menschen erschufen, damit die ihnen die Arbeit abnehmen, die sie zuvor selbst tun mussten. Alttestamentliche Anthropologie knüpft daran an und widerspricht dem: Es gibt in der Bibel kein Menschsein ohne Arbeit, aber nicht Menschsein durch Arbeit (Ebach 2004). Doch auch nach der biblischen Urgeschichte ist es die Aufgabe der Menschen, ihren Lebensraum durch Arbeit zu gestalten (Gen 1,28; 2,5.15; 3,23; 4,2.20; 3 Naturerfahrung). Das durch Arbeit erschlossene Kulturland grenzt sich ab von lebensfeindlichen Räumen. Es geht dabei auch um die Grenze zwischen dem Land der Lebenden und dem Land der Toten und eine symbolisch konstruierte Umwelt (3 Kosmosvorstellungen; 3 Weltbild). Die deutende Erschließung des Raumes erfolgt in der Form einer mental map, einer kognitiven, affektiven und religiös-symbolischen geistigen Landkarte. Die Verortung im Raum lässt dabei auch das zum Thema werden, das (noch) keinen Raum (topos) hat, d. h. die Utopie. 2. Geschichten- und Geschichtsräume Räume und Orte sind von Geschichten erfüllt, d. h. von dem, was an ihnen geschehen ist und geschehen wird, und dem, was ihnen in der kollektiven Erinnerung zugewachsen ist. »Canossa« ist ja nicht nur ein Schloss in der Provinz Reggio und »Buchenwald« nicht nur ein Gebiet bei Weimar; »Schalke« ist mehr als ein Stadtteil von Gelsenkirchen und »Woodstock« nicht lediglich eine große Wiese im Staat New York. Vielmehr verbinden sich mit den Orten ihre Geschichte(n). Was die Geschichten in der Erinnerung und lebensweltlichen Orientierung von Menschen bedeuten, reicht weit über die Identifizierung der Orte nach Längen- und Breitengraden hinaus.

Das gilt in hohem Maße für biblische Orte und Räume. Wenn z. B. in Gen 12 erzählt wird, wie Abra(ha)m und Sara(i) das Land Kanaan durchwanderten, und dabei Orte wie Haran, Schechem (mit der Orakeleiche), Bet-El und Ai sowie das Südland (Negev) genannt werden, so durchziehen die Erzeltern nicht nur geographisch identifizierbare Gebiete, sondern Räume gewesener und kommender Geschichte(n). Die durchmessenen Räume sind auch Text-Räume. Ägypten ist in der biblischen Erinnerung das Land der Sklavenarbeit (3 Fron) und damit der Raum, aus dem Israel herausgeführt wurde – Ursprung und Grund der alttestamentlichen Theologie als Befreiungstheologie (Ex 1-15, aufgenommen und erinnert u. a. in Ex 20,2; Lev 19,36; Dtn 26,1-11; Ps 114, Jer 2,6; Dan 9,5; Apg 7,36; Hebr 8,9), aber es ist auch der Raum, in dem Israels Eltern als Fremdlinge Zuflucht fanden (Gen 12; 46, vgl. Ex 23,9; Lev 19,34; Dtn 23,8). Ägypten kann aber auch in mythischer Gestalt auftreten, nämlich als Chaosdrache Rahab (Jes 30,7; Ps 87,4). Aufschlussreich ist hier besonders Jes 51,9 f.: Gott wird aufgerufen, Israel aus dem Exil zu befreien, wie Gott einst das Ungeheuer Rahab zerschlug, so dass die Befreiten hindurchziehen konnten. Hier gerinnen das Schöpfungsmotiv des urzeitlichen Sieges Gottes über den Chaosdrachen und der Durchzug durch das Schilfmeer (Ex 14 f.) im religiösen Symbolsystem zu einem Geschehen, das sich im Kommenden wiederholen und erfüllen soll. Einige weitere alt- und neutestamentliche Beispiele mögen solche Raum-Figurationen weiter konturieren: Das Ninive des Jonabuches trägt den Index der Erfahrungen Israels wie auf andere Weise der Name Babel in Gen 11 oder der in Offb 16,16 unter dem Namen Harmagedon aufscheinende »Berg von Megiddo« als Ort der letzten Entscheidungsschlacht. In Megiddo besiegte und tötete einst der ägyptische Pharao Necho den judäischen König Joschija (2 Kön 23,29). Wenn nach Lk 2 die Geburt Jesu in Betlehem erfolgte, dann ist mit dem Ort eine lange Geschichte vergegenwärtigt, die mit der Geschichte Ruths und Davids und dem verheißenen Friedensherrscher

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aus der Familie Isais, des Vaters Davids (Jes 10,3411,9), verbunden ist. Und weiter: Das Auftreten Johannes des Täufers in der 3 Wüste, an eben dem Ort, an dem einst Josua das Volk Israel über den Jordan ziehen ließ (Mk 1,5-9; Mt 3,6; Jos 4,13.19), verbindet die Botschaft des Kommenden und den Ruf zur Umkehr mit Israels Geschichte(n), und das Josuabuch selbst folgt in seinem Aufbau gleichsam einer geographisch-geschichtlichen Reise auf einer mental map. Raum und Traum kommen vor allem im Paradiesthema zusammen: Die »Paradiesgeographie« in Gen 2,10-14 entwirft eine Verortung des Gottesgartens, die sich auf eigentümliche und programmatische Weise als genaue Angabe des Raumes lesen lässt (die dort genannten vier Ströme sind, wenn auch auf verschiedene Weise, identifizierbar) und zugleich als Entzug jeder Identifizierung (es gibt keinen konkret geographischen Ort, von dem jene vier Ströme ausgehen). Wenn das Hohelied ein Gegenlied zur Vertreibung aus dem Garten in Eden anstimmt, in dem eine reale erotische Liebe ins Spiel kommt, in der Männer nicht mehr über Frauen herrschen (vgl. Gen 3,16 mit Hld 6,3; 7,11), dann ist der Garten nicht mehr geschlossen (Hld 4,12-5,1) und es öffnet sich ein Lebens-Spiel-Raum diesseits von Eden. 3. Raum-Reise Eine phantastische Raumreise findet sich in der neueren Geschichte Israels: Als Ort, an dem die Exilierten der Deportation von 597 v. Chr. in Babylonien angesiedelt wurden, nennt das Ezechielbuch Tel Aviv. Dieser Ortsname geht zurück auf das babylonische til abubi und bezeichnet einen »Sintflut-«, d. h. einen Ruinenhügel. Hebräisch gedeutet liest sich der Name dagegen als »Ährenhügel«. Der 1902 erschienene zionistisch-programmatische Roman »Altneuland« von Theodor Herzl trug in der hebräischen Übersetzung den Titel »Tel Aviv«. Die 1909 als Vorstadt von Jaffa gegründete und 1921 selbständig gewordene Stadt bekam nach Herzls Roman und letztlich auf Ezechiel zurückgehend ihren Namen Tel Aviv. Der Name des Exilsortes – »Ruinen-« und »Ährenhügel«, Sinnbild von Zerstörung und

Neubeginn – wurde zum Namen der ersten Stadt, die in der Neuzeit allein von jüdischen Menschen gegründet und gestaltet wurde. So kam Tel Aviv vom babylonischen Exil ins Israelland. Verwirklichte Träume können auch Räume in Bewegung bringen. 4. »Heimat« Anders als das Selbstverständnis vieler Völker hält Israels Erinnerung in der großen Mehrheit der Traditionen (anders in den Chroniken) fest, dass es nicht immer im Land war (Crüsemann 2001). Es ist das Land, das Gott den Eltern Israels verheißen und dem Volk gegeben hat, ein Land, das Israel selbst nicht bereitet hat (Dtn 6,10 ff.). Israels Heimatbegriff ist nicht der der (in der Regel nur vorgeblich) Autochthonen, die immer schon da gewesen sein wollen. Heimat ist vielmehr das Land, in das man kommen wird, gekommen ist und – nach langen Zeiten vieler Exile – wieder kommen wird. Erinnerung und Utopie geben diesem Land Raum und diesem Raum Gestalt. 5. Landverteilung Zur Gestaltung des Raums gehört die Landverteilung für Israels Familien, Sippen und Stämme. Sie spielt in Numeri, Josua und Chroniken eine große Rolle, aber auch im utopischen Entwurf einer gerechten Raumordnung in Ez 40-48 als Gegenmodell zu Latifundienwirtschaft und Feudalstrukturen der Königszeit (3 Landbesitz; 3 Eigentum). Mit dieser elementaren Raumfrage hängt auch zusammen, dass mehrere hebräische Begriffe, die den zugemessenen Anteil am Boden bezeichnen (nahala¯h – im Erbgang weitergegebe˙ ner Bodenanteil, go¯ra¯l – Los, helæq – Anteil) zu ˙ Schicksalsbegriffen werden (von daher noch heute die Rede vom »Los« des Menschen). Entsprechendes gilt für das griechische Wort[feld] kleros. Wenn in der Seligpreisung in Mt 5,5 den Sanftmütigen zugesprochen wird, »sie werden das Land erben (kleronomesousin)«, kommt aber auch das Thema der gerechten Landverteilung real zur Sprache.

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6. Orientierung im Raum Die Orientierung im Raum ist wie in vielen anderen Sprachen auch in den biblischen mit der Ordnung der Zeit verbunden (»vorn« und »hinten« sind räumliche wie zeitliche Orientierungsmarken – dabei liegt für den Hebräer die Zukunft »hinten«, »im Rücken« und die Vergangenheit »vorn«, »vor Augen«). Im räumlichen Sinne »vorn« ist die Ostrichtung, von daher liegt der Süden rechts und der Norden links. Raum und Zeit umfassen auch das hebräische Wort 2¯ola¯m und das griechische aion (Weltzeit). 7. Entgrenzung des Raums Zu einem Kennzeichen der 3 Apokalyptik wird eine Begrenzung der Zeit zur Frist. »Es eilt mit Macht die Welt zu Ende« (4 Esr 4,26). Der Begrenzung der Zeit – Es wird nicht immer so weiter gehen! – korrespondiert eine Entgrenzung des Raums. »Der Höchste hat nicht eine Welt allein erschaffen, sondern zwei« (4 Esr 7,50). »Denn wenn es nur das Leben gäbe, das jedermann hier hat – nichts wäre bitterer als dies« (2 Bar 21,13). In einer neuen Welt wird zu Hause sein, wer in dieser fremd blieb (Ebach 2001). In dieser Linie stehen neutestamentliche Texte, die das Kommen des Gottesreichs künden. Die Glaubenden haben Bürgerrecht, Heimat (politeuma) im Himmel (Phil 3,20). Erwartet wird eine radikale Veränderung der Welt in Raum und Zeit. Aber es heißt im »Vaterunser« »Dein Reich komme!« (Mt 6,10) und nicht: Versetze uns doch bitte bald in dein Reich! Keine (gnostische) Erlösung von der Welt wird erwartet und erhofft, sondern die Erlösung der Welt. So erwartet (in Aufnahme von Jes 65,17 ff.) Offb 21,1-8 einen neuen Himmel und eine neue Erde. In der Erwartung, das Meer werde nicht mehr sein (V. 1), gehen mythische und politische Symbolik zusammen. Denn das Meer ist nicht nur der Rest der chaotischen Urflut, sondern auch das konkrete Mittelmeer, über das die römischen Besatzungstruppen kamen und das sie »mare nostrum« (unser Meer) nannten. Der Raum ohne Meer ist der Traum ohne imperiale Herrschaft.

8. Wo wohnt Gott? Israels Bewusstsein, nicht immer im Land gelebt zu haben, korrespondiert, dass der Gottesberg (Sinai, Horeb), der Ort der für Israels Identität zentralen Geschehnisse (Ex 19-24) des Bundesschlusses und der Gabe der 3 Tora nicht im Israelland verortet ist, sondern – eine genauere Lokalisierung wollen offenbar die biblischen Texte selbst nicht geben – draußen, in der 3 Wüste. Israels Mitte ist danach ein exzentrischer, ein u-topischer Ort (Crüsemann 2005, 39-75). Der Raum der südlichen Wüste, das midianitische oder edomitische Gebiet ist bis in späte Texte des Alten Testaments der Ort, von dem her JHWH, Israels Gott, erscheint. Aber Gott kann auch vom Norden, vom Zaphon her kommen. In diesem Sinne kommt auch Gott selbst von draußen. Daneben und dagegen können andere Traditionen Gott im Raum des Heiligtums, des 3 Tempels verortet sehen (Jes 6). Die Spannung der Aussagen über den Ort Gottes zeigt sich in zwei unterschiedlichen Übersetzungs- und Verstehensmöglichkeiten von Ex 25,8. Man kann lesen: »Macht mir ein Heiligtum und ich will in eurer Mitte wohnen«, man kann aber auch verstehen: »Macht mir ein Heiligtum, aber wohnen will ich in eurer Mitte«. Gott kann auch außerhalb des Tempels und des Israellandes präsent sein und im Exil erscheinen (Ez 1-3; 10). Eine andere Weise, Gott Raum zu geben, formuliert Ps 22,4: Gott wohnt, thront »auf den Lobgesängen Israels« und gezielt doppelt verortet, lässt Jes 57,15 Gott sagen: »Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, deren Geistkraft gebeugt ist«. Schließlich kann das Wort ma¯qo¯m – »Ort«, »Raum« selbst, ausgehend von einer Interpretation von Est 4,14, zum Gottesnamen werden. Die Rabbinen formulieren (u. a. BerR 68 zu Gen 28,11): »Die Welt ist nicht der Ort Gottes, Gott ist der Ort der Welt« (Frettlöh). Bail, Ulrike, »Die verzogene Sehnsucht hinkt an ihren Ort«. Literarische Überlebensstrategien nach der Zerstörung Jerusalems im Alten Testament, Gütersloh 2004. Crüsemann, Frank, Bausteine zu einer christlichen Theologie des jüdischen Landes, in: Christoph Quarch / Dirk

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Rechtswesen / Rechtsprechung

Rademacher (Hg.), Deutscher Evangelischer Kirchentag Frankfurt am Main 2001. Dokumente, Gütersloh 2001, 119-130. Ders., Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Rechts, Gütersloh 3 2005. Ebach, Jürgen, Zeit als Frist, in: Richard Faber u. a. (Hg.), Abendländische Eschatologie. Ad Jacob Taubes, Würzburg 2001, 75-91. Ders., Menschsein mit, nicht durch Arbeit. Zum Thema Arbeit in der hebräischen Bibel, ThPQ 152 (2004), 275-283. Frettlöh, Magdalene L., Von den Orten Gottes zu Gott als Ort. Ma¯qo¯m, eine rabbinische Gottesbenennung, und die Lehre von der immanenten Trinität, in: dies. / JanDirk Döhling (Hg.), Die Welt als Ort Gottes – Gott als Ort der Welt. Friedrich-Wilhelm Marquardts theologische Utopie im Gespräch, Gütersloh 2001, 86-124. Pongratz-Leisten, Renate, mental map und Weltbild in Mesopotamien, in: Bernd Janowski / Beate Ego (Hg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte, FAT 32, Tübingen 2001, 261-279.

Jürgen Ebach

Recht 3 Ethik und Recht Recht 3 Gerechtigkeit / Recht

Rechtswesen / Rechtsprechung 1. Zur Einführung Im Alten Orient (Ägypten und Mesopotamien), zu dessen Kulturraum das Alte Israel zählt, wird das menschliche Vermögen, Gerechtigkeit walten zu lassen und Recht zu sprechen, nicht als selbstverständlich vorhanden betrachtet, sondern als hohe Kompetenz und von den Gottheiten gegeben angesehen (vgl. 1 Kön 3, 9-12; Spr 8, 15 f.; Jes 11, 2-5). Im Alten Orient wird häufig der König als oberster Mittler oder Wahrer des göttlichen Rechtswillens verstanden (3 Gerechtigkeit / Recht). Rechtsprechung dient damals wie heute dem Bemühen, innerhalb von sozialen Gemeinschaften Konflikte zu regeln. Menschheitsgeschichtlich werden Streitfälle lange Zeit auf der Basis von mündlich überliefertem 3 Gewohnheitsrecht entschieden. Auf seiner Grundlage

werden strittige Fälle von lokalen Autoritäten geschlichtet, ohne dass deshalb unbedingt auf übergeordnete Prinzipien oder Rechtsnormen zurückgegriffen werden muss. Eine der ältesten und umfangreichsten schriftlichen Rechtssammlungen ist der »Codex Hammurabi«, der auf den altbabylonischen König Hammurabi (1792-1750 v. Chr.) zurückgeführt wird, aber selbst bereits eine längere Vorgeschichte besitzt. Aus dem Recht einer Gesellschaft lässt sich viel über ihre ethische Einstellung ablesen: Ob etwa durch Schuldenerlasse in regelmäßigen Abständen ein Ausgleich zwischen den Interessen von Besitzenden und Nichtbesitzenden gesucht wird, oder ob Männer und Frauen eine unterschiedliche Rechtsstellung besitzen, spiegelt das soziale Klima einer Gesellschaft. Im Alten Testament sind zunächst drei Sammlungen von Rechtstexten zu finden: als im Grundbestand wohl älteste das Bundesbuch (Ex 20, 22-23, 33), das in seiner ersten Fassung noch vorexilische Deuteronomische Gesetz (Dtn 1226) und das eher nachexilische Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26). Daneben legt beispielsweise auch das Sprüchebuch in vielen Einzelsprüchen Zeugnis von der Schlichtung von Streitfällen ab (z. B. Spr 18, 5; 18, 17; 20, 8 u. ö.). Einen direkten Einblick in die israelitische Rechtspraxis gibt die Schilderung einer Verhandlung im Tor im Rutbuch (Rut 4, 1-12). Rechtliche Regelungen und deren Bruch stehen hinter der Schilderung von Rechtsbeugung und sozialen Vergehen bei Amos (2, 6 f.; 5, 10-12; 8, 4-6), bei Micha (2, 1 f.; 3,1-11) oder im Hiobbuch (Hi 24, 2-17). Umstritten ist, ob sich die Sichtweisen und Interessen von Frauen in den Rechtstexten niedergeschlagen haben. Bei dem Text über Rufmord gegen eine verheiratete junge Frau (Dtn 22, 13-21) etwa lässt sich fragen, ob die Regelung dem Schutz der Frau vor einer Ehescheidung zu ihren Ungunsten dient (Otto 1998), oder ob sie nur eines von zahlreichen möglichen Beispielen für die Ausübung patriarchaler und männlicher Gewalt über Frauen mit Hilfe rechtlicher Mittel ist (Washington 1998).

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2. Die Entwicklung des Rechtswesens im Alten Israel Es ist aufgrund der Quellenlage kaum möglich, die Entwicklung des altisraelitischen Rechtswesens exakt nachzuzeichnen: Zum einen ist die Datierung vieler Texte fraglich, zum anderen überlagern sich aller Wahrscheinlichkeit nach unterschiedliche Formen des Rechtswesens. Auf eine Mehrzahl von Ursprüngen des alttestamentlichen Rechts deuten die unterschiedlichen Gattungen von Rechtstexten hin. Neben Rechtssätzen, die konkrete Tatbestände und Rechtsfolgen ausführen (die so genannten »kasuistischen« Rechtssätze, z. B. in Ex 20, 22-23,19) gibt es andere wie den Dekalog (Ex 20, 1-17; Dtn 5, 6-21), die eher abstrakt Grundsätze des Rechts formulieren (die so genannten »apodiktischen« und »prohibitiven« Rechtssätze). Während Letztere wohl dem Familien- oder Sippenrecht entstammen (Gerstenberger 1966), werden Erstere ihren Ursprung im Ältestengericht (s. u.) haben (Boecker 1984, 129-135). Die alttestamentlichen Rechtstexte dienen vor allem drei Zwecken (Otto 1997, 203): Sie sollen innerhalb von Familien Normen durch Sanktionen sichern, zwischen unterschiedlichen Sippen Konflikte unter Anwendung von möglichst wenig Gewalt regeln, und sie sollen den Umgang mit der göttlichen Sphäre in Kultgesetzen regeln. Anders als in der römischen Rechtstradition, die auf die Durchsetzung eines abstrakten Rechtsideals abzielt, setzt das alttestamentliche Rechtswesen auf den Ausgleich und die Streitschlichtung im Einzelfall. Mit einiger Gewissheit lässt sich folgendes Bild der Entwicklung des Rechtswesens in Israel zeichnen: In der vorstaatlichen Epoche entscheiden die Oberhäupter von Familienverbänden oder Sippen Streitfälle innerhalb der Sippe nach eigenem Ermessen und ohne Verhandlungen (z. B. Gen 16, 5 f.; 38, 24-26). Bei Konflikten zwischen Familienverbänden gibt es Verhandlungen, bei denen aber die jeweilige faktische Stärke eine große Rolle spielt (Gen 31; 34; Ri 17 f.). Eine übergeordnete Rechtsinstanz existiert noch nicht. Es gibt Hinweise darauf, dass nicht nur

Männer, sondern auch Frauen die Rolle eines Familienoberhauptes einnehmen können. Die Titulierung Deboras als »Richterin« (Ri 4, 4) und »Mutter in Israel« (Ri 5, 7) weist nicht nur auf Deboras charismatisches Führungsamt, sondern auch auf eine damit verbundene Kompetenz zum Entscheiden von Streitfällen (gegen Crüsemann 1997, 82 f.): Bei ihr werden (Ri 4, 5) die Menschen vorstellig, um sich Rechtsentscheide zu holen. Für ihr ganzes Haus, d. h. für die Großfamilie treffen Rahab (Jos 2) oder die Frau von Schunem (2 Kön 8) wichtige Entscheidungen; für eine ganze Stadt tut dies die weise Frau von Abel-bet-Maacha (2 Sam 20, 16-22). Über die engste verwandtschaftliche Gruppe hinaus reicht der Kreis der Richtenden und zu Richtenden im Fall der Orts- oder Torgerichtsbarkeit. Damit befinden wir uns bereits in der israelitischen Königszeit (Crüsemann 1997, 8095). Liegt ein Streitfall an, werden im Stadttor, dem belebtesten Platz einer altisraelitischen Ortschaft, die Ältesten zusammengerufen (beispielhaft in Rut 4, 1-12). Niehr (52 f.) weist darauf hin, dass die Ältesten sozusagen die Repräsentanten der einzelnen Sippen einer Ortschaft sind. Boecker (24) betont, dass nur Vollbürger und damit besitzende freie Männer als Älteste richten können. Auch wenn die Texte dies nicht explizit formulieren, so werden doch Frauen – und mit ihnen Fremde, Kinder, Unfreie und SklavInnen – vom Kreis dieser richtenden Ältesten ausgeschlossen sein. Die Richtenden sind für ihre Aufgabe nicht speziell ausgebildet. Sie urteilen nach dem überkommenen Gewohnheitsrecht und ihrer Lebenserfahrung; auf schriftlich niedergelegtes Recht werden sie sich nur in Ausnahmefällen beziehen. Auf solche Laienrichtenden zielen wohl die Anweisungen in Ex 23, 1-8. Dass ein Schwerpunkt der Ältestengerichtsbarkeit auf Familienangelegenheiten liegt, dokumentieren Dtn 21, 18-21; 22,13-21 sowie 25, 5-10. Neben der Ältestengerichtsbarkeit gibt es in der Königszeit auch Berufsgerichte (vgl. 2 Chr 19, 4-11). Am Königshof ausgebildete Richter sitzen nicht nur in den großen Städten zu Gericht,

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sondern stehen – analog zu den Verhältnissen in Mesopotamien – auch teilweise den Ortsgerichten vor. Das Deuteronomium entwirft mit der Absicht der Professionalisierung des Gerichtswesens das Modell einer doppelten Gerichtsbarkeit (Gertz): Neben lokale Ältestengerichte treten Berufsrichtende (Dtn 16, 18-20). Im Bereich der kultischen Gerichtsbarkeit wirken sich die Zentralisationsbemühungen des Deuteronomiums dahingehend aus, dass nun nur noch am Jerusalemer Tempel priesterliche Richtende tätig werden sollen (Dtn 17, 8-13). Der König selbst ist als oberste Rechtsinstanz gedacht. Die Anrufung des Königs als Richter basiert auf Vorstellungen, die im gesamten Alten Orient verbreitet sind. In der israelitischen Praxis hat der König diese Rolle aber wohl selten ausgeübt, und wenn, dann ist sie auf seine Funktionen als pater familias für den Königshof, als Heerführer sowie auf Streitfälle in der Hauptstadtregion beschränkt. Fälle, in denen der König als Rechtsinstanz angerufen wird, sind z. B. in 2 Sam 15, 1-6; 1 Kön 3, 16-28; 2 Kön 6, 26-31 oder 8, 1-6 belegt. Nachexilisch kommt es wohl zur Überschneidung von Kompetenzen zwischen den Ortsgerichten und der persischen Gerichtsbarkeit (Otto 1997, 206). Es lässt sich darüber hinaus annehmen, dass in dieser Zeit – entsprechend zur gesamten gesellschaftlichen Entwicklung – insgesamt die priesterliche Rechtsprechung einflussreicher wird. Problematisch stellt sich diese im Alten Testament geschilderte Rechtsprechung für alle dar, die von der aktiven Teilnahme an ihr ausgeschlossen sind. Dies sind neben Frauen, Fremden, Unfreien, SklavInnen und Kindern auch diejenigen, die selbst nicht zu den Angesehenen oder Besitzenden zählen oder die sogar mit solchen in Konflikt geraten. Für alle diese Gruppen stehen die Chancen nicht gut, Recht zu erlangen. Noch schlimmer ist es, wenn Richtende bestechlich sind oder das Recht beugen (Jes 1, 23; Am 5, 713; Mi 3, 1-4; 7, 3; Zef 3, 3). Häufig bleibt den Rechtlosen dann nur, JHWH als oberste Rechtsinstanz anzurufen. Dies bezeugen etwa die Psal-

men 7, 35, 37, 43 oder 109. Wer sich zu unrecht beschuldigt sieht, ruft JHWH als Richter an (z. B. Ps 7; 17; 26 usw.). JHWH richtet auch, so die Hoffnung, über göttliche (vgl. Ps 82) und menschliche Richtende (Ps 58). Jedenfalls ist es auch nach den Rechtstexten JHWH, der sich für die besonders Schwachen einsetzt und auf ihrer Seite steht (Ex 22, 21 f.). 3. Rechtsverfahren und rechtsprechende Institutionen im Alten Israel Entsprechend den Institutionen des Rechtswesens sind auch die Rechtsverfahren zu alttestamentlicher Zeit unterschiedlich. Oberstes Ziel ist aber in jedem Fall, einen Konflikt so beizulegen, dass der Fortbestand der Familie oder der sozialen Gruppe gewährleistet ist. Es geht stärker als im heutigen Rechtsverständnis um Ausgleich zwischen den Rechtsparteien und weniger um Bestrafung oder die Wahrung von Rechtsprinzipien. Im Familienverband schlichtet das Familienoberhaupt die Streitfälle, die ihm durch die Geschädigten oder durch Zeugen zu Gehör gebracht werden. Ähnlich ist dies beim Orts- und beim Berufsgericht. Nach der Rekonstruktion von Boecker (20-43) beginnt es damit, dass Geschädigte oder ZeugInnen das geschehene Unrecht öffentlich laut kundtun (vgl. Dtn 22, 27). In der wissenschaftlichen Literatur wird dies häufig als »Zetergeschrei« (s¯a2aq / za¯2aq) (Boecker ˙ sich dabei um den 40-43) bezeichnet. Es handelt Hilfeschrei von Ohnmächtigen in tiefster Not, die keine andere Möglichkeit mehr zur Erlangung des Rechts sehen als eben diesen Schrei (z. B. in Dtn 22, 23-27). Trifft dieser dringliche Appell auf Gehör, dann finden sich einige Älteste im Tor zum Ortsgericht zusammen (ist dies nicht der Fall, so ist das ein Ausdruck von Rechtlosigkeit im Land: Hab 1, 2-4). Die geschädigte oder klagende Person oder aber ZeugInnen tragen den Fall vor. Weitere Streitparteien werden angehört; das können die Angeklagten, Klagenden oder aber ZeugInnen (3 Zeuge / Zeugin) sein. Beweise werden gesammelt; hierzu zählen auch die Aussagen von ZeugInnen, die durch einen

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3 Eid bekräftigt werden können. Gibt es keinerlei Beweise, so wird auf eine Erklärung der beklagten Person zurückgegriffen. In ihr erklären sie ihre Unschuld vor der Gottheit und verleihen ihrer Gewissheit Ausdruck, dass sie im Fall eines Meineids der Fluch der Gottheit treffen wird (z. B. Hi 31). Liegen Beweise vor, beraten sich die Ältesten und fällen das Urteil, das im Anschluss verkündet wird. Es lautet typischerweise (Dtn 25,1; Spr 24, 24) entweder saddı¯q (gerecht) oder ˙ ra¯ˇsa2 (schuldig). Rechtsfolgen können benannt werden, um durch sie einen Ausgleich zwischen den Streitparteien herzustellen und den Geschädigten Wiedergutmachung widerfahren zu lassen oder um Sanktionen bzw. Strafen gegen die Schuldigen zu verhängen. 4. Gott als Richter und Angeklagter JHWH steht als oberster Rechtsherr oder höchste Instanz (Spr 16, 33) hinter dem Rechtshandeln der Rechtsprechenden (vgl. 2 Chr 19,7). JHWH ist die letzte Instanz zur Anrufung bei geschehenem und (noch) ungesühntem Unrecht (1 Sam 2, 25; 1 Kön 8, 31 f.; vgl. Hab 1, 2 f.). Wenn ZeugInnen fehlen oder aus der Sicht einer der Streitparteien eine Falschaussage gemacht haben, ist es allein JHWH, der gerecht richten kann (z. B. Ex 22, 6-10). Auch durch das Aussprechen eines Fluchs wird in den Fällen, in denen sich die Schuldigen einem menschlichen Gericht entziehen können, JHWH als Richter angerufen. In vielen Klagepsalmen findet sich die Anrufung JHWHs, der betenden Person Recht zu verschaffen. In einer Rechtssituation, in der es kaum »verbriefte« Rechte gibt und das Rechtserlangen abhängig davon ist, ob überhaupt ein Gericht zusammentritt und wer ihm angehört, ist eine solche Instanz sehr wichtig. Sie ist dies nicht nur für die Einzelnen, die durch Gott ihr Recht (doch noch) bekommen, sondern auch für die Gesellschaft, in der letztlich Unrecht nicht ungesühnt bleiben darf, um zumindest das Ideal von Rechtsfrieden und -sicherheit zu wahren. Häufig dient das Rechtsverfahren daneben als Sprachbild für die Auseinandersetzung zwischen der Gottheit und den Menschen (3 Strafe). In

nachexilischen Texten wird JHWH in einer die gesamte Welt umspannenden Perspektive als Weltenrichter gesehen, der über alle Völker richtet. In die Sprache rechtlicher Auseinandersetzung ist auch der Konflikt im Hiobbuch gekleidet. Hier werden Gott harte Anklagen entgegengeschleudert, weil er den Gerechten Hiob so leiden lässt und damit die Gerechtigkeit seiner eigenen Weltordnung stört (z. B. Hi 9, 22-24; 19, 6-12). JHWH antwortet mit dem Verweis auf die Grenzen seines Ordnungsschaffens, die in seiner Schöpfung selbst begründet liegen (Hi 3841*). 5. Die Entwicklung des Rechtswesens zur Zeit des Zweiten Tempels und danach Das Rechtswesen des gesamten Mittelmeerraumes hat sich unter römischer Herrschaft durch römische Verwaltung und Rechtsinstanzen grundlegend verändert. a) Römisches Rechtswesen in den Provinzen. Das Römische Reich war in Provinzen eingeteilt, die nach der Eroberung oder Annexion unter römischer Verwaltung standen und seit Augustus in kaiserliche (provinciae Caesaris) bzw. Provinzen des römischen Volkes (provinciae populi Romani) unterschieden wurden. Die durch römische Beamte verwalteten Gebiete und Städte wurden zu Verwaltungseinheiten, in denen die staatliche und lokale Ebene auch in der Rechtsprechung zusammen wirkten. Im Bereich Kultur und Religion wurde auf eine reichsweite Vereinheitlichung verzichtet. So war lokalen Institutionen die selbständige (auch strafrechtliche) Regelung religiöser Angelegenheiten erlaubt, insofern es nicht um Kapitaldelikte ging. An dem Konflikt in Ephesus (Apg 19, 23 ff.) werden die verschiedenen rechtlichen Zuständigkeiten sichtbar. Der städtische Beamte (grammateus) erklärt sich für nicht zuständig, denn die Männer seien weder Tempelräuber, noch hätten sie die Göttin gelästert (19, 37) – es ginge also nicht um religiöse Angelegenheiten. Privatrechtliche Anklagen sollten bei Gerichtstagen vor die Prokonsuln (anthypatoi) gebracht werden (19, 38). Die Versammlung sollte sich deshalb auflösen, damit nicht der An-

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schein erweckt werde, es ginge um Aufruhr (19, 40) – dieser würde die Römer zum Eingreifen nötigen. In den Provinzen des römischen Volkes waren Statthalter konsularen Rangs, die den Amtstitel Prokonsul trugen, für die Rechtsprechung bei Kriminaldelikten und zivilen Angelegenheiten mit hohem Streitwert zuständig. Sie besuchten jährlich in einem bestimmten Rhythmus die Städte ihrer Provinz, um dort in Rechtsangelegenheiten zu entscheiden. In den kaiserlichen Provinzen war der Statthalter rechtlich gesehen der Kaiser selbst. Der Statthalter vor Ort wurde vom Kaiser eingesetzt und trug die Amtsbezeichnung Legat. Die Rechtsprechung lag in seiner Zuständigkeit. Der Briefwechsel zwischen Trajan und dem Statthalter C. Plinius Secundus, der die Provinz Pontus-Bithynien verwaltete, gibt einen guten Einblick in dessen Tätigkeit (Plin. epist. 10). Deutlich wird auch, dass er in rechtlichen Fragen die Entscheidung des Kaisers erbittet, der im Laufe der Kaiserzeit zur einzigen Quelle des Rechts wird (Bleicken 267). Er erlässt Dienstanweisungen (mandata), die als Fallrecht zusammengefasst für alle Beamten verbindlich waren. Auf Anfragen gibt er Antworten (rescripta) in Form von Briefen, die gesammelt und auf spätere Fälle angewendet wurden. Edikte des Kaisers wurden zur generellen Regel und verbindlichen Norm erhoben. Bis zur Zeit des Claudius (41-45) war Judäa keine eigene Provinz, sondern abhängiger Teil von Syrien. In Lk 2, 2 wird der Statthalter in Syrien erwähnt, der die Volkszählung veranlasst. Pilatus war diesem als Präfekt (Praefectus Iudaeae) unterstellt (vgl. Stern in: Safrai / Stern 316). Im Neuen Testament wird er hegemon genannt (z. B. Mt 27, 2), Tacitus (Tac. ann. 15, 44) nennt ihn procurator, eine Amtsbezeichnung, die allerdings zur Zeit des Pilatus noch nicht benutzt wurde. Er ist für das Gerichtsverfahren gegen Jesus zuständig und für die Kreuzigung verantwortlich (Mk 15, 1-15). Mk 13, 9 zeigt, dass von Anfang an auch die Angehörigen der jüdisch-messianischen Jesusgruppe des Aufruhrs verdächtig sind und römischer Verfolgung unterliegen (vgl. auch 2 Kor 11, 23).

Staatliche Amtsträger standen Angehörigen der Provinzbevölkerung mit unterschiedlicher Rechtsstellung gegenüber. Diese war abhängig von dem Rechtsstatus der jeweiligen Kommune, dem persönlichen Status der Einzelperson bzw. deren Zugehörigkeit zu einem religiösen oder weltlichen Verein. Fehlendes Individualrecht konnte durch einen privilegierten Gruppenstatus kompensiert werden. So erhielt z. B. die jüdische Gemeinde in Rom unter Cäsar als Verein bestimmte Privilegien (vgl. Flav. Jos. Ant. 14, 213216). Zum anderen hatten einzelne Personen oder Familien in hellenistischen Städten, die das römische Bürgerrecht erhielten, nur wenige konkrete Vorteile, denn sie verblieben im angestammten Rechtskreis und hatten dessen Pflichten wie z. B. Steuerabgaben weiter zu erfüllen. Ob Paulus tatsächlich das römische Bürgerrecht hatte (Apg 16, 37 f.; 22, 25-29), wird diskutiert, weiterhin bleibt strittig, was es im Blick auf seinen Prozess bedeutete. Über den Ablauf eines Gerichtsverfahrens gibt Apg 25, 16 Auskunft: Ein Angeklagter hat das Recht, sich vor seinen Klägern zu verteidigen, bevor ein Urteil gefällt wird. Auch wenn Arme und Frauen als ZeugInnnen vor Gericht auftreten konnten und das Recht auf einen Richter haben, der die Person nicht ansieht, beschreiben die Klagen über ihre Kämpfe oder Erfolglosigkeit vor Gericht nicht nur Einzelfälle, sondern Unrechtsstrukturen (z. B. Sir 35,14-18; Lk 18, 1-8; P.Oxy. VIII 1120). Für Frauen waren Rechtsgeschäfte im republikanischen Rom nur durch einen männlichen Vormund zugänglich. In der Kaiserzeit wurden die Vormundschaftsgesetze für Frauen in Theorie und Praxis gelockert, doch blieben sie unter der Gewalt des pater familias bzw. der seines Rechtsnachfolgers, der auch Strafen über die ihm unterworfenen Frauen verhängen konnte. b) Jüdische Rechtsinstitutionen unter römischer Herrschaft. Auch den jüdischen Gemeinden war die selbständige (auch strafrechtliche) Regelung religiöser Angelegenheiten erlaubt (z. B. die synagogale Prügelstrafe, vgl. 2 Kor 11, 24), mit Ausnahme der Kapitalgerichtsbarkeit. Spezifische religiöse Privilegien umfassten das Recht auf ein

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Rechtswesen / Rechtsprechung

Leben »nach Vätersitte« (u. a. Beschneidung, Schutz der heiligen Schriften, Halten des Sabbats, Recht auf Versammlungen in den Synagogen zum Gottesdienst, auf das Einsammeln der Kollekte für den Jerusalemer Tempel, Befreiung von der Verehrung des Kaisers durch Kaiserstatuen). Diese Rechte sicherten die Grundbedingungen jüdischen Lebens, sie waren in verschiedenen Städten schwer durchsetzbar, immer wieder kam es zu Konflikten (Noethlichs 77-89). Der Begriff religio licita für diese Rechte geht auf Tertullian zurück (Tert. apol. 21, 1) und ist kein terminus technicus des römischen Rechtes. Er ist insofern irreführend, als die jüdischen Rechte nicht auf der römischen Einschätzung des Judentums als Religion beruhten und es sich auch nicht um eine generelle Regelung, sondern um ad hoc Verfügungen handelte (Applebaum in Safrai / Stern 460). Da sich das jüdische Gesetz / die Tora nicht nur auf den Kult, sondern auf das ganze Leben bezieht, ist Rechtsprechung für die eigenen Mitglieder sowohl im Mutterland als auch in den Synagogen der Diaspora Angelegenheit jüdischer Instanzen – im Rahmen, den das römische Imperium vorgibt (Apg 18, 14-16). Grundlage der Rechtsprechung ist die Tora, d. h. schriftliche und mündliche Tora und die daraus erwachsende Halacha (Safrai). Bis zum jüdischen Aufstand 70/ 71 n. Chr. hatte Judäa einen eigenen Ethnarchen und mit dem Synhedrium auch eine eigene jüdische Rechtsinstanz, von der allerdings nicht klar ist, ob sie permanent existierte. Die Rechtsprechung wird sich jedoch vorwiegend in den lokalen Gerichten abgespielt haben. Die Rechtsprechung zur Zeit des Römischen Reiches umfasste nicht die Kapitalgerichtsbarkeit (Joh 18, 31). Dabei scheint es aber eine Grauzone gegeben zu haben, in der Rom jüdische Kapitalgerichtsbarkeit duldete, wenn die eigenen politischen Interessen nicht tangiert schienen. So erklären sich die Steinigung des Stephanus (Apg 6, 6-7, 60) und des Jakobus (nach Flav. Jos. Ant. 20, 200). Steinigung als Todesstrafe wurde zudem zu dieser Zeit jüdischerseits problematisiert und eingeschränkt (Ilan 135 f.; Tomson 102). Viele Rechtsgeschäfte

basieren nicht unbedingt auf der Rechtsprechung einer Institution, sondern auf formellen Verträgen, so z. B. im Schuldrecht, Erbrecht und im Frauen betreffenden Recht (3 Ehe). Frauen haben gegenüber Männern eingeschränkte Rechte und unterliegen in vieler Hinsicht der Verfügungsgewalt der Väter. Frauen haben nach der Mischna volles ökonomisches Recht, z. B. das Recht, Eigentum zu besitzen. Sie können zwar generell vor Gericht nicht als Zeuginnen auftreten, faktisch aber gab es Ausnahmen von dieser Regel (Ilan 166). Das jüdische Rechtswesen in der Zeit des Zweiten Tempels ist – wie auch die römische Rechtsituation – nicht als monolithisch vorzustellen. c) Die Gemeindeversammlung als Rechtsinstanz. Das Neue Testament ist von Toraauslegung, mündlicher Tora und Halacha, also der umfassenden jüdischen Diskussion über die jüdische Lebensweise, durchzogen, die auch Grundlage von institutioneller Rechtsprechung ist (vgl. Tomson zu 1 Kor; Vahrenhorst zu den Kommentarworten Mt 5, 21-48). Das frühe Christentum hat in Gemeindeversammlungen in Fortführung synagogaler und sonstiger lokaler jüdischer Rechtsprechung Rechtsfälle entschieden (Apg 2, 42-47; 4, 32-5, 11; 1 Kor 11,17-34). In Fragen der Eigentumsverteilung innerhalb der Gemeinde wird auf ein auf der Tora und ihrer Auslegung basierendes Eigentumsrecht Bezug genommen, das zwischen Privateigentum (idion Apg 4, 32; 1 Kor 11, 21) und Gotteseigentum unterscheidet (Jos 7,1-11). In 1 Kor 5, 1-11 diskutiert Paulus den Fall eines Gemeindegliedes, das mit seiner Stiefmutter dauerhaft zusammenlebt. Diese Verbindung ist ein Verstoß gegen Lev 18, 8; 20, 11. Die rabbinische Diskussion zu der Frage, ob dieses Recht der Tora auf Proselyten / Gottesfürchtige anwendbar sei, ist kontrovers (s. z. B. bSan 57b-58a; bJev 98a-b; dazu mit anderer Schlussfolgerung Tomson 100). Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse erklärt sich, dass sich die korinthische Gemeindeversammlung bereits zugunsten dieser Beziehung ausgesprochen hat, Paulus aber strikt dagegen ist. In seiner Rolle als abwesendes Mitglied der

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Gemeindeversammlung protestiert er gegen den Beschluss der Gemeinde und fordert einen erneuten Beschluss und den Ausschluss des Mannes aus der Gemeinde (5, 5; Schottroff). In 1 Kor 6, 1-8 kritisiert Paulus, dass sich Gemeindeglieder in (finanziellen?) Rechtsangelegenheiten an nichtjüdische Institutionen gewandt haben. Er verlangt, dass – wenn es denn schon zu einem Rechtstreit zwischen Gemeindegliedern kommt – sie unbedingt innerhalb der Gemeinde einen Rechtsspruch suchen. Hier urteilt Paulus ebenfalls wie die rabbinische Tradition (Materialsammlung Billerbeck III 362 f.), wobei sicher in allen Fällen auch politische Vorsicht eine Rolle spielte. In Mt 18, 15-17 ist die Gemeindeversammlung die letzte Instanz in einem Konflikt zwischen Gemeindegliedern, bei dem eine Seite der anderen Unrecht getan hat. Wenn die Aussprache der Betroffenen und danach die Verhandlung vor zwei bis drei ZeugInnen nicht zum Einlenken führen, soll die Gemeindeversammlung den letzten Versuch einer Einigung unternehmen. Falls die verursachende Seite auch dann nicht einlenkt, soll sie aus der Gemeinde ausgeschlossen werden. Die Gemeindegerichtsbarkeit verfügt also bei schweren Vergehen, die die Gemeinde insgesamt gefährden (vgl. 1 Kor 11, 30), einen Gemeindeausschluss (Apg 15, 1-33). Neben diesen gemeindlichen Rechtsvorgängen wird auch das qualifizierte Urteil Einzelner oder kleinerer Gemeinschaften als richten / urteilen (krinein) bezeichnet (Apg 16, 14; 15, 19; Joh 7, 24; Röm 14, 5.10), dem mehr Verbindlichkeit als eine Privatmeinung zukommt. Das bedeutet, dass es eine breite Kultur und Schulung des Recht schaffenden Urteilens gibt, an der nicht nur institutionell Beauftragte Anteil haben. 6. Religiös-metaphorischer Gebrauch von Rechtsvorgängen Die Hoffnung auf die endgültige Durchsetzung der Gerechtigkeit auf der Erde durch Gott bzw. durch messianisch handelnde Töchter und Söhne Gottes enthält auch Bilder, die sich auf das Rechtsleben in der Gesellschaft beziehen. Gott

wird die Welt richten (Apg 17, 31; 24, 25; Röm 3, 6). Der König-Mensch sitzt auf seinem Thron und schafft Recht (Mt 25, 31-46). Der Messias und Gottessohn herrscht als König im Auftrag Gottes und wirft alle Feinde, die Gewalt und Tod bringen, endgültig nieder. Danach gibt er die Königsmacht an Gott zurück (1 Kor 15, 2528). Diese Bilder aus der Welt der politischen Herrschaft beziehen sich auf das Rechtshandeln des Königs / Kaisers. Es muss nicht mit Wörtern aus der Wortgruppe krin- verbunden sein. Es ist eine Engführung, von Gottes endzeitlichem »Gericht« zu sprechen und dabei eher an Strafe als an ein Heilsgeschehen, d. h. die Schaffung weltweiter Gerechtigkeit, zu denken. Dabei ist zu beachten, dass die Wortgruppe krin- einen wesentlich weiteren Bedeutungsbereich umfasst als nur das Rechtshandeln im institutionellen Sinne, z. B. auch alltägliche individuelle Meinungen und Pläne (Apg 27, 1) oder eben auch die Herstellung weltweiter Gerechtigkeit (z. B. PsSal 17, 26). Deshalb kann, wenn solche Wörter auf Gott oder messianische Gestalten bezogen sind, nicht immer mit »richten« übersetzt werden. Das Rechtshandeln der Zwölf für die Stämme Israels (Mt 19, 18 par) oder der Heiligen, d. h. der Gemeinde Christi (1 Kor 6, 2.3), meint eben dieses Schaffen von Gerechtigkeit für das endzeitliche Volk und die Welt. Diese Gerechtigkeit beginnt bei den Opfern der Gewalt, den unterdrückten Völkern und den Armen. Das imperiale Rechtshandeln im gesellschaftlichen Zusammenhang wird in den jüdischen und christlichen Texten dieser Zeit fast durchweg kritisiert. Als imperiale Herrschaft legitimierende Aussage ist vor allem Röm 13, 1-7 gelesen worden. Doch steht die Legitimität des imperialen Rechthandelns hier unter dem Vorbehalt, dass Gott die Herrscher einsetzt und auch ihre Herrschaft beendet und die Gewalttäter als Feinde Gottes straft (vgl. Dan; PsSal 17.18; Joh 8, 11; Apg 17, 31; Offb 18). Die Hoffnung auf die Schaffung weltweiter Gerechtigkeit durch Gott ist ein antithetisches Bild, das den Gegensatz zwischen dem imperialen Rechtshandeln in der politischen Gegenwart und göttlichem Rechtshandeln und göttlicher Gerechtigkeit zeigt.

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Rechtsvorgänge aus lokalen Gerichten spiegeln sich seltener in Bildern für Gottes Gerechtigkeitshandeln, das sich auf Einzelne bezieht, die für ihre Unrechtstaten bestraft werden (Mt 7, 2; 23,14; Röm 2, 2). Das weltweite Rechtshandeln Gottes ist Heilshandeln. Mit dem Tun von Unrecht verbindet sich der ewige Tod. Die Erwartung des Gerichts ist deshalb vor allem eine hoffnungsvolle Erwartung auf das Heilshandeln Gottes und ist auf die Umkehr derer gerichtet, die an Unrecht und Gewalt beteiligt sind (1 Kor 11, 32). Sie will die Gegenwart verändern. Bleicken, Jochen, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches Bd. 1., 3. verb. Aufl. Paderborn u. a. 1989. Boecker, Hans Jochen, Recht und Gesetz im Alten Testament und im Alten Orient, Neukirchener Studienbücher 10, Neukirchen-Vluyn 2 1984. Crüsemann, Frank, Die Tora, München 2 1997. Eck, Werner, Die Provinzen, in: Thomas Fischer (Hg.), Die Römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie, Stuttgart 2001, 49-53. Gertz, Jan Christian, Die Gerichtsorganisation Israels im deuteronomischen Gesetz, FRLANT 165, Göttingen 1994. Gerstenberger, Erhard S., Wesen und Herkunft des »Apodiktischen Rechts«, WMANT 20, Neukirchen-Vluyn 1966. Ilan, Tal, Jewish Women in Greco-Roman Palestine, Tübingen 1995. Niehr, Herbert, Rechtsprechung in Israel. Untersuchungen zur Geschichte der Gerichtsorganisation im Alten Testament, SBS 130, Stuttgart 1987. Noethlichs, Leo, Das Judentum und der jüdische Staat. Minderheitenpolitik im Alten Rom, Darmstadt 1996. Omerzu Heike, Der Prozess des Paulus. Eine exegetische und rechtshistorische Untersuchung der Apostelgeschichte, Berlin / New York 2002. Otto, Eckart, Art. Recht / Rechtstheologie / Rechtsphilosophie, I. Recht / Rechtswesen im Alten Orient und im Alten Testament, TRE 28, 1997, 197-209. Ders., False Weight in the Scales of Biblical Justice? Different Views of Women from Patriarchal Hierarchy to Religious Equality in the Book of Deuteronomy, in: Victor H. Matthews u. a. (Hg.), Gender and Law in the Hebrew Bible and the Ancient Near East, JSOT.S 262, Sheffield 1998, 128-146. Safrai, Shemuel, The Literature of the Sages, Assen / Maastricht, Philadelphia 1987. Ders. / Stern, M. (Hg.), The Jewish People in the First Century, Vol. I, Assen 1974.

Schottroff, Willy, Zum alttestamentlichen Recht, VF 22 (1977), 3-29. Seeligmann, Isac Leo, Zur Terminologie für das Gerichtsverfahren im Wortschatz des biblischen Hebräisch, in: B. Hartmann u. a. (Hg.), Hebräische Wortforschung. Festschrift für Walter Baumgartner, VT.S XVI, Leiden 1967, 251-278; Wiederabdruck in: Erhard Blum (Hg.), Isac Leo Seeligmann, Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel, FAT 41, Tübingen 2004, 293-317. Tomson, Peter J., Paul and the Jewish Law: Halakha in the Letters of the Apostle to the Gentiles, Assen / Mastricht / Minneapolis 1990. Vahrenhorst, Martin »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«. Matthäus im halachischen Diskurs, Neukirchen-Vluyn 2002. Washington, Harold C., »Lest He Die in the Battle and Another Man Take Her«: Violence and the Construction of Gender in the Law of Deuteronomy 20-22, in: Victor H. Matthews u. a. (Hg.), Gender and Law in the Hebrew Bible and the Ancient Near East, JSOT.S 262, Sheffield 1998, 185-213.

Gerlinde Baumann / Claudia Janssen / Luise Schottroff

Reichtum / Luxus 1. Terminologie und allgemeine Bewertung des Reichtums im Alten Testament »Reichtum« ist ebenso wie »Armut« ein Topos der erzählenden Literatur, der prophetischen Verkündigung wie der Weisheitsliteratur. Das biblische Hebräisch differenziert bei der Benennung von Reichtum nach Art und Umfang desselben. Die Verbalwurzel 2aˇsar bezeichnet allgemein »reich sein / werden« und als Substantiv 2¯oˇsær »Reichtum«. Als tu¯b bzw. to¯bah geltender Besitz ist von Gott geschenkter Reichtum, im Wesentlichen wird der Begriff angewandt auf die als Segen Gottes verstandenen Erzeugnisse des Landes. Mit ho¯n wird aus beweglichen Gütern bestehender Reichtum bezeichnet und mit hajil primär ˙ Sach- und Grundvermögen. Die gesellschaftliche Bedeutung des Reichtums wird häufig durch Attribute wie ga¯do¯l (groß) und ka¯bo¯d (schwer, gewichtig) angezeigt, was auf die mit dem Besitz verknüpfte Macht und das Sozialprestige hin-

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Reichtum / Luxus

weist. Vermögen schließt die Verfügungsgewalt über abhängige Personen ein, in der Regel bilden SklavInnen einen Teil des als 2oˇsær bezeichneten Reichtums. Die Beurteilung des Reichtums ist ambivalent. Reichtum gilt als Geschenk Gottes (Koh 5, 18; 6, 2; 1 Sam 2, 7) und ist Ausdruck seines Segens (Gen 24, 35; Dtn 8,17 f.; Ps 65,10; Spr 10, 22). Einer Grabinschrift (8. Jh. v. Chr., Hirbet el-Qo¯m) zufolge war Urija der Reiche von JHWH gesegnet (HAE I, 207 f.). Die im Alten Orient verbreitete Vorstellung, dass Tun und Ergehen des Menschen einander bedingen, steht im Hintergrund der Auffassung vom Reichtum als Folge angemessenen Verhaltens vor Gott und den Menschen (Hi 1, 9 f.; 1 Chr 29, 12; 29, 28; Spr 28, 20; Ps 112, 3). Biblische Gestalten wie die Erzväter (Gen 13, 2; 26, 12-14; 30, 43) und Könige wie David und Salomo (2 Sam 12, 7 f.; 1 Kön 3, 13; 10, 23) verfügen über unermesslichen Reichtum. Die positive Sicht des Reichtums geht davon aus, dass er rechtmäßig erworben worden ist, Gottes Segen sich also im Erfolg von Arbeit (Spr 10, 4; 11, 16; 13, 11; Gen 26, 12-14) oder Handel (1 Kön 10, 22.28 f.) kundgetan hat. Aber auch Klugheit und Weisheit können Reichtum mit sich bringen (Spr 3, 16; 8, 18.21; Koh 7, 12; Ez 28, 4), doch eine Garantie bietet Weisheit nicht dafür (Koh 9, 11). Der Verlust des Reichtums gilt daher als Indiz für Torheit, Gottlosigkeit bzw. schwere Vergehen (Hi 15, 20-29; 27,1323). Zwar macht Gott arm und reich (1 Sam 2, 7; Spr 22, 2; 29, 13; Hi 34, 19; Sir 11,14), doch Segen und Gerechtigkeit Gottes einerseits und soziale Frevel und Reichtum der Großen andererseits stehen einander gegenüber. Die Erfahrung, dass sich der Übeltäter seines Lebens und Reichtums erfreut, lässt vor allem im Umkreis der jüngeren Weisheit den Tun-Ergehen-Zusammenhang fragwürdig werden (Ps 49, 6 f.17; Koh 9,11). Die Risiken des Reichtums für den Reichen sieht die alttestamentliche Weisheit in seiner Unbeständigkeit (Spr 11, 4; 11, 28; 23, 5; Ps 62, 11) und der ihm innewohnenden Verführung, immer mehr anhäufen zu wollen (Koh 4, 8; 5, 9; Spr 28, 22). Reichtum führt zur Hybris (Dtn 8, 17; Ps 49, 7; 52, 9). Reichtum schadet der Gesellschaft,

denn er fördert die Korruption (Koh 10, 19) und führt zur Unterdrückung der sozial Schwachen (Spr 22, 7). Erstrebenswerter als Reichtum sind Weisheit (Koh 4, 13), Gerechtigkeit (Spr 16, 8), Frieden (Spr 17,1) und Gesundheit (Sir 30, 14). 2. Soziale Entwicklung in Israel Die Monarchie und das Vordringen der Großreiche nach Syrien-Palästina führten zu tiefgreifenden Veränderungen von Gesellschaft und Wirtschaft Israels und Judas. Die in der Frühzeit der Siedlungsgeschichte herrschende Subsistenzwirtschaft wandelte sich unter dem Zwang steigender Abgaben zu einer auf Mehrwert ausgerichteten Marktwirtschaft um. Das Verwandtschaftssystem als sozioökonomische Sicherung war der Belastung nicht gewachsen. Die Solidarpflicht der Sippen war nicht mehr praktikabel. Viele Kleinbauern gerieten in die Abhängigkeit der mit dem Königshof verbundenen »Großen«. Der Anhäufung von Reichtum auf Seiten der Kreditgeber stand eine stetig zunehmende Verschuldung großer Teile des Volkes andererseits gegenüber (3 Schulden). 3. Kritik und Gegenmaßnahmen Ab der Mitte des 8. Jh. v. Chr. wird das sozioökonomische Verhalten der »Großen« von den Propheten öffentlich angeklagt. Sie werfen der Oberschicht vor, sich ausschließlich an ihren Profitinteressen zu orientieren und das Gemeinwohl nachhaltig zu schädigen. Hosea, Amos, Jesaja und Micha charakterisieren die Angesprochenen als Wirtschaftsverbrecher. Die Täter versklaven ihre Mitbürger und deren Familien um geringer Schulden willen (Am 2, 6-8; Mi 2, 8 f.), pressen das Letzte aus den Armen heraus, um den eigenen Luxus zu finanzieren (Am 4, 1), und genießen ein sorgloses Leben, obwohl die Existenz des Volkes auf dem Spiel steht (Am 6, 1; 6, 4-6; Jes 5, 11 f.22). Sie verhalten sich nicht nur unsolidarisch, sondern korrumpieren die Rechtsprechung (Am 5, 10-12) und nehmen Bestechung an (Jes 5, 23). Die Reichen schreiben die Rechtsordnung zu ihren Gunsten um, nehmen den Armen den Rechtsweg und bringen die Witwen um ihren

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Unterhalt und die Waisen um ihr Erbe (Jes 10,1 f.). Sie stellen ihren Reichtum schamlos zur Schau (Jes 3, 16-24). Profitgier bestimmt ihr Handeln und jedes Mittel zu ihrer Befriedigung ist ihnen recht (Mi 2, 1 f.). Gewalt und Betrug sind die Basis ihres Wirtschaftsverhaltens. Sie erhöhen ihre Gewinne durch manipulierte Messung der verkauften Ware (Hos 12, 8 f.; Mi 6, 10-12) und Minderung der Qualität (Am 8, 4-6). Lebensnotwendige Naturaldarlehen werden so verteuert, dass die auf sie angewiesenen Bauern diese nicht mehr begleichen können und wegen der Personalhaftung als Schuldknechte in die Gewalt der Großgrundbesitzer geraten. Die Reichen bringen Häuser und Felder in so großem Umfang in ihren Besitz, dass weite Teile des Volkes um ihre Existenz gebracht werden (Jes 5, 8). Keine der für die Führung des Volkes verantwortlichen Gruppen schreitet ein. Der König sät das Unrecht, das er doch ausrotten sollte (Hos 10, 3 f.). Die Verwaltung des Königs dient der Bereicherung der Funktionäre, die Grenzsteine verrücken (Hos 5, 10) und in deren Häuser das den Armen geraubte Gut sich ansammelt (Jes 3, 14). Die Priester und Propheten sind käuflich und legitimieren offenkundig die Rechtsbrüche (Hos 5, 1 f.; Mi 3, 11). Die Ältesten, »Häupter« und Obleute des Volkes nehmen ihre Aufgabe als Vertreter der Interessen des Volkes nicht mehr wahr, denn sie halten das Unterdrückungssystem mit aufrecht. Gut und Böse werden in ihr Gegenteil verkehrt und Hybris tritt an die Stelle von Verantwortung (Jes 5, 20 f.). Die Führenden verachten die Weisung Gottes und verwerfen seine Worte (Jes 5, 24). Gott aber wird die Unterdrücker zur Verantwortung ziehen. Reichtum rettet nicht aus Gottes Gericht (Jes 10, 3). Die Propheten drohen durchweg den verantwortlichen Amtsträgern, Volksvertretern und Großgrundbesitzern Gottes richtendes Einschreiten an, d. h. den Verlust ihres Reichtums und ihrer Luxusexistenz (Hos 5, 1 f.; Am 2, 13-16; 3, 11 f.; 4, 2; 6,7 f.; 8, 7; Jes 3, 1-3.13 f.25 f.; 5, 12b-17.24; Mi 2, 3-5; 3, 12; 6, 11-15). Die in den politischen und sozioökonomischen Auseinandersetzungen der 2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr. um die »Sozialpflichtigkeit des Eigen-

tums« von den Propheten vertretene Grundposition wird von den Propheten der folgenden Jahrhunderte weiter verfolgt. Jeremia und Ezechiel klagen die Führungsschicht wegen ihrer Raubpraktiken an (Jer 5, 26-28; Ez 22, 25-27). Silber und Gold werden sie nicht vor dem Zorn JHWHs bewahren (Zef 1, 18). Gott wird die Nichterfüllung bzw. Verletzung sozialer Grundgebote rächen, indem er dem Reichen sein Vermögen nimmt (Hi 22, 6-9). Zu den wesentlichen Anforderungen an einen Reichen gehört, dass dieser seine ökonomische Überlegenheit nicht gegenüber dem Schuldner ausnutzt, ihm das Existenzminimum belässt bzw. dafür sorgt, dass die Armen entsprechend versorgt werden (Ez 18,7-9.16; Jes 58, 6 f.9 f.; Hi 29, 12-13). Zu den sozialen Pflichten des Reichen gehört auch das nachdrückliche Eintreten für das Recht der Schwachen vor Gericht (Hi 29, 16 f.). Die Überzeugung von der sozialen Fürsorgepflicht der Reichen bewegt in nachexilischer Zeit die vermögenden Juden, Volksgenossen aus der Sklaverei im Ausland freizukaufen (Neh 5, 8). Nehemia appelliert an die soziale Verantwortung und Solidarität der Führenden und kann sie zu umfassenden Entschuldungsmaßnahmen bewegen (Neh 5, 9-13). In der Weisheit wird die Fürsorge für die sozial Schwachen als Leihgabe an Gott verstanden (Spr 14, 31; 19, 17). Die nachkanonische Schrift von Ben Sira führt diese Positionen weiter, die Reichen werden vor Hybris gewarnt (Sir 3, 17) und zur sozialen Fürsorge aufgerufen (Sir 4, 1-10). In den Qumran-Schriften wird von den Angehörigen der Gemeinschaft verlangt, dass sie auf die Nutzung eigenen Vermögens zu Gunsten der Gemeinschaft verzichten. Die Gemeinschaft strebt für ihre Mitglieder eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Güter an. 4. Das römische Reich Das römische Reich war ein Agrarstaat, der sein grundlegendes Wirtschaftssystem trotz vieler politischer Veränderungen während der späten Republik und der Prinzipatszeit nicht wesentlich veränderte. Akteure der Wirtschaft waren die politisch an der Führung beteiligten Familien in

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Rom und während der Prinzipatszeit dann auch die lokalen städtischen Oberschichtfamilien in den Provinzen. Ihr Reichtum bestand im Besitz von Ackerland, SklavInnen und Geld. Dieser Reichtum konnte von ihnen konsumiert werden durch Schatzsammlungen von Kunstgegenständen, Gold, Perlen und anderen Luxuswaren, durch zusätzlichen Landerwerb und ein gutes Leben mit qualifizierten Wohngebäuden, Nahrungsmitteln, Kleidung, ärztlicher Versorgung und teuren Festlichkeiten (Goodman). Das Neue Testament zeichnet ein Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse, die durch einen krassen Gegensatz zwischen Armen und Reichen und damit verbundenen Erfahrungen von Gewalt von oben in der armen Bevölkerungsmehrheit geprägt sind. Dieses Bild deckt sich mit den außerbiblischen Quellen (dazu Alföldy 77-84; Kloft 190-246). Der scharfe Gegensatz zwischen vielen Armen und wenigen Reichen spiegelt die Härte der Situation für die Bevölkerungsmehrheit in der Prinzipatszeit. Das Neue Testament spricht fast durchweg aus der Perspektive der Armen. Dazu gehört auch, dass möglicherweise die Wohlhabenden in der korinthischen Gemeinde (1 Kor 1, 26) gar nicht zur Stadtelite gehören, vielmehr aus der Perspektive dieser Elite eher Arme (penetes) sind, die aber denen, die ums tägliche Überleben kämpfen, als wohlhabend erscheinen (Friesen). Über Luxus reden diese Texte mit Kritik, wie sich im Neuen Testament vor allem in der Tradition der Enthauptung des Täufers durch Herodes Antipas bei einem Geburtstagsfest (Mk 6, 21-29 par) und zwei Parabeln von törichten reichen Männern (Lk 12, 16-21; 16, 19-31) zeigt. Über den Luxus z. B. von Crassus, Lukullus und Trimalchio berichten Schriftsteller wie Plutarch und Petronius ausführlich und mit dem Ton der Kritik und Verachtung (Plut. Marcus Cato zu Crassus und Lukullus; Petron. Cena Trimalchionis). Diese Kritik am Luxus bedeutet aber nicht, dass die öffentliche Selbstdarstellung der Reichen durch die Demonstration des Reichtums in Kleidung, Nahrung, SklavInnen und Macht in außerbiblischen Quellen in Frage gestellt wird.

5. Bewertung des Reichtums im Neuen Testament Reichtum wird im Neuen Testament in der Regel mit negativem Vorzeichen dargestellt: Der reiche Kornbauer Lk 12, 16-21 hortet Getreide, um den Preis hochzutreiben – ein wesentlicher Grund für Hungersnöte in dieser Zeit (s. dazu auch Offb 6, 6). Der reiche Mann gewährt dem armen Lazarus vor seiner Tür (Lk 16, 19-31) nicht einmal Almosen, obwohl Mose und die Propheten gebieten, den Armen Essen und Kleidung zu geben (Material zur jüdischen Armenfürsorge Bill. IV, 536-610). Der reiche Mann (Mk 10, 17-27 parr – bei Mt ist er ein Jüngling) ist trotz seiner Sehnsucht nach ewigem Leben und trotz seiner Absicht der Treue zur Tora unfähig, Jesus nachzufolgen, weil Jesus von ihm vollständige Preisgabe seines Besitzes zugunsten der Armen verlangt. Als Grund für seine Verweigerung wird sein großer Reichtum angegeben (Mk 10, 22 parr). In Offb 18 wird ein Bild vom Reichtum der Stadt Rom gezeichnet, von dem besonders Könige, Kaufleute und Schiffsherren (Reeder) profitiert haben. Das gute Leben der Reichen wird sehr genau beschrieben: ihre Kleidung, mit der sie sich öffentlich als Reiche darstellen (Lk 16, 19; Mt 11, 8 par; Offb 18,12.16; Jak 2, 2); ihr Essen (Offb 18, 14; Lk 16, 19-31; 6, 25; Offb 6, 6 Wein und Öl; 1 Kor 11, 17-34), ihr Schmuck (Jak 2, 2; Offb 18, 12.16). Ihr Wohlstand ist mit politischer Macht verbunden (Lk 1, 51-53; 1 Kor 1, 26), die von den Armen als Machtmissbrauch erfahren wird (Lk 1, 51; Mk 10, 42 parr). Die Erfahrungen der christlichen Gemeinden in dieser Zeit mit Reichen sind ambivalent. Einerseits gibt es Reiche, die Jesus nachfolgen (Lk 19, 2 Oberzöllner Zachäus; Mk 15, 43 parr). Josef von Arimathäa könnte ein (reicher – so Mt) Mann der Oberschicht sein, vielleicht nicht Jünger Jesu so Mt / Joh, sondern ein Gleichgesinnter in der Erwartung des Gottesreiches wie bei Mk. Frauen aus den städtischen Oberschichten (Apg 17, 4.12) engagieren sich für die Christusbotschaft. Auch Nikodemus wird der Oberschicht zuzurechnen sein (Joh 3, 1 ff.; 7, 50; 19, 39). Nikodemus und Jo-

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Reichtum / Luxus

sef von Arimathäa werden andererseits bei Johannes wegen der Feigheit, sich öffentlich zu Jesus zu bekennen, und im Blick auf übertriebenen Luxus bei der Ehrung der Leiche Jesu (Joh 19, 38-40) kritisiert. Reiche in der korinthischen Gemeinde stören durch egoistisches Verhalten die Abendmahlsgemeinschaft (1 Kor 11,17 ff.). Reiche erwarten und erhalten Privilegien in der Gemeinde (Jak 2, 3). Die theologische Auseinandersetzung mit Reichtum ist im Neuen Testament kompromisslos. Reichtum und Geld sind eine widergöttliche Macht (Mt 6, 24 par), die verhindert, dass Reiche Jesus nachfolgen (Mk 10, 17-27 parr, besonders 10, 25 parr). Absoluter (freiwilliger) Besitzverzicht zugunsten der Armen wird gefordert (Mk 10, 21 parr). In dieser kompromisslosen Haltung lässt sich zwischen einzelnen neutestamentlichen Schriften kein grundsätzlicher Unterschied herausarbeiten, auch wenn das Thema nicht überall gleichartig präsent ist. Die Vision, an der sich diese theologische Auseinandersetzung orientiert, ist die des Hannaliedes (1 Sam 2, vgl. Tritojesaja, bes. Jes 61): Gott macht dem Unrecht des Gegensatzes von Reichen und Armen ein Ende und stürzt ungerechte Herrschaft um (Lk 1, 4654; 1 Kor 1, 26-31 und viele andere Stellen). Diese Vision enthält keine Rachephantasien, sondern die Vision, dass die Armen satt und glücklich sein werden. Ihr Weinen hat ein Ende. Dass die Reichen hungern werden, sagt nur Lk 6, 25. Das Hauptinteresse liegt auf der Überwindung der tiefen Kluft zwischen Reichen und Armen, die der Kluft zwischen Himmel und Hades entspricht (Lk 16, 26). Sie ist nur überwindbar durch die Umkehr / den Besitzverzicht der Reichen (Lk 16, 29-31). Die Macht des Reichtums korrumpiert auch Arme, die sich durch Aussicht auf Wohlstand verführen lassen. Diese Verführung ist (neben dem Verfolgungsdruck) Hauptgrund dafür, dass Gemeindeglieder abtrünnig werden (Mk 4, 19 parr). Die Mahnung gegen die Habgier (pleonexia) gehört in die Grundsubstanz aller so genannten Lasterkataloge (Röm 1, 29; Kol 3, 5 u. ö.). Habgier

ist Götzendienst (Kol 3, 5; Eph 5, 5 vgl. Mt 6, 24 par). Die scharfe Analyse des Reichtums als widergöttliche Macht steht in jüdischer Tradition (CD 4,15 ff.; TesXII Gad 5, 1; AssMos 2, 5; 5, 1; weiteres Material ThWNT VI 269,19-270, 43) und versteht sich oft als Auslegung des 9. und 10. Gebotes mit seinem Verbot des Begehrens. Habgier ist eine epithymia / Begierde (Apg 20, 34). Die jüdische und frühchristliche Analyse der zerstörerischen Macht der Geldwirtschaft ihrerseits gehört in den Kontext griechischer und römischer Kritik an der Geldwirtschaft (Plin. nat. 33; weiteres Material bei L. Schottroff 1986), die allerdings hier nicht in ihrer religiösen Dimension benannt wird. Die christliche Auslegungstradition dieser frühchristlichen Erfahrungen und Analysen lässt sich in der dominanten westlichen Exegese als Entschärfung kennzeichnen: Der reiche Jüngling scheitere, weil er als Individuum eine falsche Einstellung zum Reichtum habe. Es gelte, sich innerlich zu befreien, dann sei Reichtum mit dem christlichen Glauben vereinbar. Daneben findet sich in der westlichen Auslegung des Neuen Testaments immer wieder die Annahme, dass viele Christen und Christinnen zu neutestamentlicher Zeit reich waren, weil erwähnt werde, dass sie ein Haus haben, oder sonst Gründe für ihren Reichtum konstruiert werden (z. B. Purpurhandel Apg 16, 14; zur kritischen Analyse dieser Auslegungstradition s. Richter Reimer 1992; Meggitt). 6. Reichtum in metaphorischer Sprache In der metaphorischen Sprache wird vom Schätzesammeln (Mt 6, 19 par u. ö.), Reichwerden (1 Kor 1, 5 u. ö.), Überfluss Empfangen (Röm 15, 29) in der Beziehung zu Gott gesprochen. Diese Metaphorik will die Alternative zum Schätzesammeln »auf der Erde« benennen und reiht sich in die frühchristliche jüdische Kritik am Reichtum ein. Auch die übertragene Verwendung eines Spruches, der den Zynismus der Geschäftswelt ausdrückt, kritisiert indirekt eben diesen Zynis-

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Reinheit / Unreinheit

mus: »Wer da hat, dem wird gegeben …« (Mk 4, 25). Alföldy, Géza, Römische Sozialgeschichte, Wiesbaden 3 1984. Crüsemann, Frank, Armut und Reichtum. Ein Kapitel biblischer Theologie, in: ders., Maßstab: Tora. Israels Weisung für christliche Ethik, Gütersloh 2003, 208-221. Friesen, Steven, J., Poverty in Pauline Studies: Beyond the so-called New Consensus, JSNT 26 (2004), 323-361. Goodman, Martin, The Ruling Class of Judaea, Cambridge 1987. Hengel, Martin, Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche, Stuttgart 1973. Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, Darmstadt 1992. Laurent, Françoise, Les biens pour rien en Qohéleth 5, 9-6, 6 ou la traversée d’un contraste, BZAW 323, Berlin 2002. Meggitt, Justin J., Paul, Poverty and Survival, Edinburgh 1998. Morla Asensio, Víctor, Poverty and Wealth: Ben Sira’s View of Possessions, in: Renate Egger-Wenzel / Ingrid Krammer (Hg.), Der Einzelne und seine Gemeinschaft bei Ben Sira, BZAW 270, Berlin u. a. 1998, 151-178. Murphy, Catherine M., Wealth in the Dead Sea Scrolls and in the Qumran community, StTDJ 40, Leiden u. a. 2002. Phillips, A., The Attitude of Torah to Wealth, in: ders., Essays on biblical law, JSOT.S 344, Sheffield 1986/2002, 148163. Richter Reimer, Ivoni, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas, Gütersloh 1992. Schottroff, Luise, Die Befreiung vom Götzendienst der Habgier, in: Luise und Willy Schottroff, Wer ist unser Gott?, München 1986, 137-152. Whybray, R. Norman, The Good Life in the Old Testament, London 2002.

Christa Schäfer-Lichtenberger / Luise Schottroff

Reinheit / Unreinheit Die Begriffe »Reinheit / Unreinheit« sind Ordnungskategorien, die Grenzen ziehen: Zuerst im kultischen Rahmen, davon abgeleitet dann in ethnischer, sozialer und moralischer Hinsicht. Sie unterscheiden zwischen Kultfähigkeit (rein) und Kultunfähigkeit (unrein), und in Einzelfäl-

len zwischen Gemeinschaftsfähigkeit und -unfähigkeit. Als Norm drückt das Konzept der Reinheit vor allem den angestrebten Zustand, die Vollkommenheit, aus. 1. Bedeutung des Wortfeldes Der Alltagsgebrauch des deutschen Wortfeldes »Reinheit« versteht dieses im Sinne von Reinlichkeit und Sauberkeit in Abgrenzung gegenüber Schmutzigen (so auch Mt 27, 59). Im Buch Exodus beschreibt das Adjektiv »rein« die Reinheit und den Glanz von Gold für den Bau des Heiligtums (vgl. Ex 25; 28; 30; 39). In Levitikus wird es für Gegenstände, Menschen und Tiere gebraucht, die kultisch rein sind. Eine Person muss erst (durch einen Priester) für rein erklärt werden, bevor sie wieder kultfähig ist. Unreinheit ist daher keine Eigenschaft, die Menschen, Tieren oder Dingen inhärent ist, vielmehr entsteht Unreinheit in der Praxis der Zuschreibung: So ist ein Haus mit Pilzbefall laut Lev 13 erst unrein, nachdem der Priester es für unrein erklärt hat. Eine Gefährdung stellen die Reinheitsbestimmungen allein für das Heiligtum dar. Für die Reinheitsbestimmungen in Levitikus ist »unrein« also eine kultische Kategorie, die den Status eines Gegenstandes mit Blick auf den Kult und das Heiligtum beschreibt. Der Begriff hat nichts mit Hygiene oder Abscheu zu tun. Während im Deutschen und Griechischen »rein« und »unrein« ein Gegensatzpaar einer Wortfamilie bilden, sind die beiden Lexeme im Hebräischen zwei Wurzeln: t¯aho¯r (rein) und ˙ t¯ame¯3 (unrein). Die Gegenwortbildung unrein / ˙ rein (akatharos; katharos) geht auf die griechische Bibel zurück. Dem hebräischen t¯ame¯3 ent˙ sprechend könnte anstelle für »unrein« von »kultgefährdend«, »kultuntauglich«, »im Widerstreit mit dem Kult« bzw. »kultabstinent« gesprochen werden. 2. Begriffsgeschichte In den priesterlich-kultischen Texten sind die Reinheitsvorschriften vor allem auf die Priester (Num 8, 6 f.; 15, 21; Ex 30, 18-21; Ez 44, 25-27) und den Kult (Lev 11-15) bezogen. Reinheit ist daher

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in erster Instanz ein funktionaler Begriff zur Bewertung der Kultfähigkeit. Sekundär diente er dann der Qualifizierung des moralischen Zustands. Ein Text wie Ps 51 bedient sich der kultisch-rituellen Sprache und gebraucht diese für die persönliche Gebetsprache bzw. Spiritualität. Neue Wortverbindungen werden geschaffen: so bittet das Ich um Gottes Gnade und Reinigung. Es verlangt ein »reines Herz«, d. h. Willenszentrum (Ps 51, 12; vgl. Spr 20, 9; 22, 11; vgl. 1 Tim 1, 5; 2 Tim 2, 22; 1 Petr 1, 22). Der Verstehenshintergrund bleibt der Kult, auch wenn die Reinigung nicht der Priester, sondern Gott vollziehen soll. Vor allem unter prophetischem und weisheitlichem Einfluss wurde Reinheit zu einem umfassenden Begriff für kultisch-spirituelle und sozialethische Maßstäbe. Nach Jes 1, 16 f. bildet sich Reinheit in der Ethik ab. In Weiterentwicklung dessen wurde Reinheit dann zur Metapher für sittlich angestrebte Lebenspraxis, Unreinheit zum Synonym für Sünde und Vergehen. Unreinheit wurde zu einem Attribut dessen, was nicht dem Bereich JHWHs zugehört (Gen 35, 2; Jer 2, 23; 19,13; Ez 23, 30; 36, 25; Am 7, 17). Daher stellt die Verehrung fremder Götter eine schlimme Verunreinigung für Israel (Ez 20; 23; vgl. Apg 10, 28; 1 Kor 7, 14) und den Tempel (1 Makk 1, 44-51; 4, 36-59) dar. Der Aspekt der Unreinheit wurde vor allem in der hellenistischen Zeit virulent. Unreinheit wird mit Götzendienst (Jub 1, 9; 11, 4.16) und Unzucht (Jub 16, 4-6; 20, 3-5 u. ö.) verbunden. Der moralisch »reine« Zustand wird im Neuen Testament vor allem in den Pastoralbriefen betont (1 Tim 3, 9; 2 Tim 1, 13). 3. Die Reinheitsbestimmungen und ihre Praxis Haupttext sind die Reinheitsbestimmungen in Lev 11-15. Die Hebräische Bibel kennt »natürliche« Verunreinigungen, die teilweise unumgehbar sind, wie die Kultunfähigkeit, die aufgrund des Samenverlusts, der Menstruation, des Geschlechtsverkehrs, der Geburt oder des Kontakts mit Toten resultiert. Nicht jede körperliche Sekretion ist also verunreinigend, Tränen oder Speichel etwa nicht. Nicht zuletzt spielt die

Geschlechtlichkeit bzw. 3 Sexualität eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Körperausscheidungen. Lev 15 unterscheidet zwischen geschlechtlichen Ausflüssen beim Mann wie dem Samenerguss und denen bei der Frau wie die Menstruation. Warum diese Dinge Unreinheit mit sich bringen, wird in der Tora nicht erklärt. Neben diesen so genannten natürlichen Verunreinigungen stehen solche, die aus Vergehen resultieren. Die beiden Gruppen tragen unterschiedliche Charakteristika. Verunreinigungen, die aufgrund externer Gründe wie dem Kontakt mit Toten oder mit Samenerguss entstehen, können ihre verunreinigende Kraft auf Dritte weitergeben, sie strahlen sozusagen aus. Bestimmte Maßnahmen sollen deshalb getroffen werden, um einer Verunreinigung des heiligen Bezirks zuvorzukommen. Diese kultische Unreinheit d. h. Kultunfähigkeit kann an Dritte weitergegeben werden, doch zugleich lässt sie sich auch mit Hilfe von Reinigungsritualen wie dem Abwarten einer bestimmten Zeitperiode oder dem Waschen des Körpers aufheben. Teilweise besiegelt die Darbringung einer Brandund Reinigungsgabe die Wiedereingliederung in den Kult, d. h. die Reinigung etwa nach der Geburt (Lev 12). Der Priester vollzieht die Reinigungshandlung mit den dargebrachten Gaben, wobei nach der Schächtung des Tieres ein Teil des Blutes gegen den Altar gesprengt wird. Im Fall der ehemals mit Ekzem befallenen Person wird Blut auf das Ohrläppchen aufgetragen (Lev 14, 4-6.51-53). Das Blut nimmt damit eine zentrale Rolle ein (vgl. Lev 1, 5.11; 16, 14-15; Num 18, 7; Hebr 9, 13 f. u. ö.). So gelten die Messiasanhänger als durch Jesu Blut gereinigte, reine Menschen (Tit 1, 15; vgl. Joh 13,10 f.; Offb 1, 5; 7, 14; 22, 14). Allerdings kann auch selbst beim Sünd- bzw. Reinigungsopfer das Tier durch eine pflanzliche Gabe ersetzt werden (Lev 5,11-13). Blut ist damit nicht unersetzlich für die Reinigungsriten. Außerdem kommt Wasser eine besondere reinigende Funktion zu (vgl. Lev 15; Num 19 u. ö.; vgl. Sach 13, 1; Ez 36, 25 f. bereits in einem nichtkultischen Kontext gebraucht; vgl. Hebr 6, 2; 10, 22). Die Reinigungsriten haben keinen therapeuti-

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Reinheit / Unreinheit

schen Charakter, da sie erst nach Ablauf einer bestimmten Frist bzw. dem Abklingen des Ekzems (Lev 14) vollzogen werden. In den narrativen Texten des Alten Testaments werden nur vage Umsetzungen der Reinheitsbestimmungen im Alltag sichtbar. Die Texte in Levitikus führen zwar einige Details an, was getan werden soll, um die Ausbreitung der Unreinheit einzudämmen. Ihr Regelwerk eröffnet jedoch zugleich einen Interpretationsspielraum: Sind die Reinheitsbestimmungen in Lev 15 im Blick auf denjenigen mit einem geschlechtlichen Ausfluss allgemeingültig, weil sie am Längsten und Detailliertesten sind? Warum muss ein Mensch, der das unreine Lager eines Mannes mit Ausfluss berührt, seine Kleidung waschen (Lev 15, 5) und warum wird dies von einem, der sich auf einen unreinen Gegenstand setzt, nicht verlangt (V. 6)? Der Text in Levitikus verlangt nicht von der Menstruierenden, dass sie sich nach der Menstruation im Wasser badet, allein vom Mann mit einem geschlechtlichen Ausfluss. Auch von der Mikwe als Ort der postmenstruellen Reinigung ist in Lev 15 nichts zu lesen. In der Rezeptionsgeschichte wurden diese Unbestimmtheitsstellen dann aufgefüllt. Es entstand die Institution der Mikwe als Ort der rituellen Waschungen im Alltag. Die zahlreichen archäologischen Befunde zeigen uns, dass in der römischen Epoche die rituelle Reinigung in Mikwen eine große Rolle spielte. Im Unterschied zu den biblischen Texten fordern die rabbinischen Schriften dann das vollständige Untertauchen sowohl der Frau nach der Geburt als auch der Menstruierenden (mNid 4, 3; 10, 8; mMiq 8, 1.5). Der Bau von Reinigungsbädern und die Bestimmungen rund um deren Größe, Aussehen, den Wasserzulauf etc. in der jüdischen Literatur sind in den ersten Jahrhunderten u. Z. belegt. Die kontroverse Deutung der Funde aus der Zeit des Zweiten Tempels macht jedoch deutlich, dass die Bäder nicht ausschließlich als eine rituell-kultische Interpretation der Reinheitsbestimmungen von Lev 11-15 zu verstehen sind, sondern auch vor dem Hintergrund privater Hygiene einer städtisch, hellenistisch be-

einflussten Oberschicht gedeutet werden müssen. Die Reinheitsbestimmungen scheinen nicht die Alltagspraxis im Alten Israel wiederzuspiegeln, sondern ein spätes Ideal darzustellen, das bis heute in der Praxis wirkmächtig ist. Die kultische Dimension tritt zurück. So konnten die Menschen problemlos am synagogalen Leben teilnehmen. Die Reinheitsbestimmungen gewinnen im Laufe der Zeit eine identitätsstiftende Funktion, wie sich nicht zuletzt an der Praxis dieser in der Diaspora und dem derzeitigen Bauboom von Mikwen etwa in den Vereinigten Staaten ablesen lässt. Inwieweit die bekannten Reinheitsriten das Leben der Menschen im 1. Jh. u. Z. prägte, ist umstritten. Bekannt ist, dass die verschiedenen jüdischen Gruppen die Reinheitsvorschriften sehr unterschiedlich ausgelegt haben. Die radikalste Auffassung vertraten die Essener (CD 6, 17). Sie wollten sich bewusst vom Kult in Jerusalem und auch von der übrigen Bevölkerung abgrenzen. Aus diesem Grund bezogen sie die priesterlichen Reinheitsvorschriften auf ihre Gemeindemitglieder (1QS 3, 4-6). Josephus berichtet uns von den täglichen Reinigungsbädern (Flav. Jos. Bell. 2, 129). Diese spielten, wie die Ausgrabungen in der Jerusalemer Altstadt zeigen (Berlin), auch zu neutestamentlicher Zeit eine große Rolle. Nach der Zerstörung des Tempels verloren alle kultisch an den Tempel gebundenen Vorschriften ihre Bedeutung und die Reinheitsvorschriften wurden im Alltag umgesetzt. Diese Umsetzung verantworteten vor allem die Pharisäer. So ist es laut dieser Auslegung Jüdinnen und Juden nicht möglich, mit Nichtjuden Tischgemeinschaft zu haben. Der häusliche Tisch übernimmt nun die Funktion des Tempelaltars: »R. Jochanan und R. Eleazar pflegten zu sagen: »So lange wie der Tempel steht, ist der Altar Sühnestätte für Israel. Nun sühnt der Tisch eines Menschen für ihn« (bBer 55a). Außerdem finden wir in der rabbinischen Literatur Hinweise darauf, dass Reinheit und Unreinheit von Ort zu Ort verschieden definiert wurde (R. Shimon ben Menasja SifDev § 48). In der hellenistischen Epoche wurde Unrein-

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heit mit Götzendienst sowie mit Unzucht verglichen. Es wurde hervorgehoben, dass Israel sich durch seine Reinheitsvorschriften von anderen Völkern unterscheidet (Dan 1, 8; 4 Makk 7, 6). In der spät neutestamentlichen Zeit wurde das Konzept, Gottlosigkeit und Götzendienst bedeuten Unreinheit, weiter ausgeführt (Apg 10, 28; 1 Kor 7, 14; Offb 17, 4; 18, 2). Demzufolge soll die Rede über unreine Dinge vermieden werden (Eph 5, 3; vgl. bPes 3a). In den Lasterkatalogen wird die Unreinheit näher spezifiziert. Der kultische Aspekt wird mit dem ethischen verbunden (vgl. Lk 11, 41; so bereits in Lev 18 und 20). Viele neutestamentliche Texte wurden in der Vergangenheit vor dem Hintergrund der jüdischen Reinheitsvorschriften gelesen und antijüdisch ausgelegt. So wurde im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 25-37) das Vorbeigehen des Leviten und Priesters durch deren strikte Reinheitsvorschriften erklärt. Ein Levit darf jedoch einen Verstorbenen berühren und Priester sind wie alle anderen Menschen dazu aufgefordert zu helfen, gerade wenn der überfallene Mensch in einem lebensbedrohlichen Zustand ist (V. 30). Die Erzählung zeigt ein Beispiel praktizierender Nächstenliebe. Sie ist nicht kultkritisch, sondern lässt als Hauptfigur einen Samariter handeln. Insofern gehört sie zu jenen jüdischen Geschichten, in denen gute Taten, die von Nichtjuden ausgeübt werden, betont werden (vgl. jPea 1a). Weiter biblische Vorlagen haben diese Art von Geschichten z. B. in Num 22-24 oder Mal 1, 1. Auch die Geschichte der blutflüssigen Frau (Mk 5, 25-34 par) ist nicht durch jüdische Menstruationsvorschriften zu erklären, denn die Menstruation führte nie zum Ausschluss der Frau aus ihrem häuslichen Umfeld oder zur sozialen Ächtung. Es galt lediglich das Verbot des Geschlechtsverkehrs mit einer Menstruierenden (Lev 18,19; 20, 18). Die Reinheitsbestimmungen in Lev 15 legen einen anderen Akzent: Laut V. 24 überträgt sich dadurch die siebentägige Kultunfähigkeit auch auf den Mann. Jesus hat diesem Zeugnis zufolge die blutflüssige Frau also weder aus ihrer Isolation noch aus der sozialen Ächtung befreit.

Es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass Jesus bei seinen Gesprächen mit den unterschiedlichen jüdischen Autoritäten die Reinheitsvorschriften grundsätzlich abgelehnt oder sich gar von seinen jüdischen Wurzeln befreit hat. Vielmehr ist zu beobachten, dass Jesu Umgang und Interpretation der Reinheitsriten die mannigfaltigen Auffassungen innerhalb der verschiedenen jüdischen Gruppierungen seiner Zeit widerspiegelt. Er wird in den neutestamentlichen Texten als Repräsentant einer Reinheitsvorstellung dargestellt, die den Kontakt mit den unreinen Menschen (Lk 17, 11-19; Mt 11, 5 par; Mk 2,13-17) am Rande der Gesellschaft nicht scheut. Obwohl die Kirchenväter den jüdischen Reinheitsgesetzen ablehnend gegenüber standen, ist zu beobachten, dass Riten wie das Händewaschen vor dem Gebet (Jak 4, 8) bereits Eingang in die christliche Liturgie gefunden haben. Eine Erklärung ist die, dass diese Riten bereits vor der Trennung vom Judentum von den messiasgläubigen Gemeinden übernommen worden sind. Eine fehlerhafte Interpretation der Reinheitsbestimmungen aus Levitikus führte bereits im 3. Jh. bei den Kirchenvätern zum Ausschluss von Menstruierenden von Abendmahl und Taufe. Die Vorstellung der Unreinheit der Wöchnerinnen hat sich in der katholischen Kirche bis ins 20. Jh. hinein erhalten. 4. Die Speisegesetze Vor allem die jüdischen 3 Speisegesetze werden mit Hilfe der Kategorien von »rein und unrein« erklärt (Mk 7, 1-23; Mt 15, 1-20; Lk 11, 38 f.; Apg 10). Die Speisegebote stehen im Zusammenhang mit der Heiligkeit des Volkes (Ex 22, 30; Lev 11, 44; Dtn 14, 2). Die jüdischen Kaschrutgesetze regeln den Anbau, die Auswahl, Zubereitung und den Verzehr von Speisen. In der Tora wird zwischen reinen und unreinen Tieren unterschieden (Lev 11; Dtn 14, 3-21). Ferner ist jeglicher Blutgenuss verboten (Lev 17, 11 f.; Gen 9, 4). Diese Regel führte zum Schächten, dem vollständigen Ausbluten des Tieres. Weder das Fleisch noch das Fett von verendeten Tieren darf verzehrt werden (Ex 22, 30; Lev 7, 24; Dtn 14, 21; vgl. Ez 4,14). Ein wei-

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Reisen

teres Verbot der Speisetora gilt dem Kochen des Tierkindes in der Milch seiner Mutter (Ex 23,19; 34, 26; Dtn 14, 21). Dieses Verbot führte im orthodoxen Judentum dazu, milchige und fleischliche Speise von einander getrennt zu essen. Alle weiteren Gebote, die z. B. mit dem Händewaschen und Segen vor dem Essen zu tun haben, finden sich erst in der mündlichen Tora. Eine unterschiedliche Praxis sowie ausdifferenzierte Gebote finden sich in der Griechischen Bibel und in dem Grunddokument der rabbinischen Literatur, der Mischna. Das gemeinschaftliche Essen wurde in den messiasgläubigen Gemeinden ein Problem, wenn jüdische und nichtjüdische Menschen sich zum gemeinsamen Mahl trafen. Die Reinheit des Gottesvolkes ist ein Thema, wenn die messiasgläubige Gemeinde sich aus Juden und Nichtjuden zusammensetzte. Das Aposteldekret (Apg 15, 20.28 f.; 21, 25) bewahrt den jüdischen Messiasanhängern trotz ihres Umgangs mit Nichtjuden ein Mindestmaß an ritueller Reinheit. Paulus nimmt an, dass mit dem Messias Jesus die kultisch-rituellen Unterscheidungen unbedeutend geworden sind (Röm 14, 20). Daher setzt er sich auch gegen die Einführung der jüdischen Speisegesetze zur Wehr (Gal 2, 11-14; 4, 9-11; 5, 3). Die Überwindung von Reinheitsvorschriften hat für Paulus in Einzelfällen geradezu befreienden Charakter (1 Kor 7, 14). Der Hebräerbrief lehnt die Speisegebote endgültig ab (13, 9), da für ihn der himmlische Hohepriester Christus die Reinigung durch die Vergebung aller Sünden durch seinen Kreuzestod erlangt hat (9, 22; 10, 2 f.). Dazu sind die rituellen Waschungen (Hebr 6, 2) in Fortführung prophetischer Traditionen auch mit der inneren Reinigung verbunden (Hebr 10, 22). Besonders die Johannestaufe gilt als Reinigungsakt, die eine innere Reinigung voraussetzt (Flav. Jos. Ant. 18, 116-119). Seit Lev 11, 44 (vgl. 1 Thess 4, 7) ist Reinheit ein Attribut der von Gott geforderten Heiligkeit. Am Ende des Mischnatraktates Sota, einem spät bezeugten Text, wird bei der Beschreibung der Stufen der Vollkommenheit das enge Verhältnis beider Begriffe hervorgehoben: »Eifrigkeit führt zur

Unschuld, Unschuld zu Reinheit, Reinheit zu Heiligkeit, Heiligkeit zu Demut, Demut zu Sündenscheu, Sündenscheu zu Frömmigkeit, Frömmigkeit zu Heiligem Geist, Heiliger Geist zur Auferstehung der Toten, die Auferstehung der Toten geschieht durch Elijahu, seiner sei zum Guten gedacht.« (mSota 9, 15). Bachmann, Veronika, Die biblische Vorstellungswelt und deren geschlechterpolitische Dimension. Methodologische Überlegungen am Beispiel der ersttestamentlichen Kategorien ›rein‹ und ›unrein‹, in: lectio difficilior 2/ 2003 (http.//www. lectio. unibe.ch). Berlin, Andrea M., Jewish Life before the Revolt: The Archeological Evidence, JSJ XXXVI (2005), 417-470. Erbele-Küster, Dorothea, Körper und Geschlecht. Studien zur Anthropologie von Leviticus 12 und 15, WMANT 121, Neukirchen-Vluyn 2008. Harrington, Hannah K., The Impurity Systems of Qumran and the Rabbis. Biblical Foundations SBL Dissertation Series 143, Atlanta / Georgia 1993. Maccoby, Hyam, Ritual and Morality. The Ritual Purity System and its Place in Judaism, Cambridge 1999. Metternich, Ukrike, »Sie sagte ihm die ganze Wahrheit«. Die Erzählung von der »Blutflüssigen« feministisch gedeutet, Mainz 2000. Negrey, Jerome H., The Idea of Purity in Mark’s Gospel, Semeia 35 (1986), 91-128. Tomson, Peter, Jewish Purity Laws as Viewed by the Church Fathers and by the Early Followers of Jesus, in: Marcel J. H. M. Poorthuis / Joshua Schwartz (Hg.), Purity and Holiness. The Heritage of Leviticus, Leiden 2000, 73-91.

Dorothea Erbele-Küster / Elke Tönges

Reisen Reisen in der Antike ist so teuer, beschwerlich und gefährlich, dass es als Bürde empfunden und nach Möglichkeit vermieden wird. Arme Menschen reisen nicht und sehr wohlhabende lassen eher andere in ihrem Auftrag reisen. Entsprechend den Angaben der Bibel reist man zu Fuß oder reitet auf einem Esel, wobei Gepäck von Lasteseln oder Kamelen (Gen 37,25) transportiert wird. Hochgestellte Personen reisen gele-

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gentlich in Wagen (Gen 45,19 ff.; 2 Kön 5,21; Apg 8,28). Da Alleinreisen zu gefährlich ist (Lk 10,30), reist man mindestens zu zweit (1 Sam 9,1 ff.; Tob 5,4.15.17; Mk 6,7; Apg 13 f.), schließt sich zu Reisegruppen zusammen (Apg 15,37 ff.) oder an bestehende Karawanen an. Hochgestellte Personen reisen mit Bediensteten (Gen 22,3; 1 Sam 28,8) oder organisieren eigene Karawanen, die mit Schutztruppen und Schutzbriefen abgesichert werden (Gen 32 f.; 2 Kön 5,2-7; 1 Kön 10,2; Esr 8,22; Neh 2,9). Für weite Reisen wird das System der Fernhandelsstraßen (3 Handel) oder die Schifffahrt genutzt. Unterkunft fand man nach Möglichkeit bei Angehörigen der eigenen Volksgruppe (Ri 19,12), bei Freunden oder Verwandten. Empfehlungsschreiben sicherten auch den Aposteln Aufnahme in den besuchten Gemeinden und Synagogen. Der wichtige Brauch der 3 Gastfreundschaft galt als soziale und religiöse Verpflichtung (Gen 18 f.; Hebr 13,2). Bei Fernreisen konnte wohl auch das seit der neuassyrischen Zeit bestehende System an Herbergen / Karawansereien (Ummauerte Vierecke mit großem Hof und einem Torzugang) genutzt werden, das später vom römischen Postsystem übernommen wurde. In hellenistisch-römischer Zeit nahmen der Reiseverkehr, entsprechende Unterkünfte und das System gewerblicher Gastwirtschaft deutlich zu. Die jüdischen 3 Wallfahrten führten zu eigenen Synagogen-Herbergen (Mk 14,14). Vor Antritt einer Reise suchte man sich göttlichen Beistand in den Gefahren des Weges durch Fasten, Opfern und Beten zu sichern (Esr 8,21; Tob 5,17), in vorexilischer Zeit wohl besonders an den in den Stadttoren integrierten Kultstätten (2 Kön 23,8; Ez 8,3-5; Ps 121,8). Reisetypen. Unabhängig von den Transportmitteln (3 Verkehr) können je nach Anlass verschiedene Arten von Reisen unterschieden werden. Handels- und Geschäftsreisen werden berufsbedingt unternommen, vor allem von Großhändlern (3 Handel; vgl. Gen 37,25; Tob 1,13; Mt 13,45; Offb 18,3.11.15.23; vielleicht auch Mt 25,14). Privatreisen dienen vor allem dem Besuch von Verwandten (vgl. Lk 1,39) und Freunden. Auf

diesem Wege wurden Heiratsbeziehungen vermittelt (Gen 24), geliehenes Geld zurückgegeben (Tobit) oder auch private Post übermittelt, wie etwa die Paulusbriefe. Die in diesem Zusammenhang zu erwähnenden Missionsreisen (vgl. besonders die Reisen des Paulus; 3 Mission) sind als Sonderform von Privatreisen bzw. in gewissem Sinne als Kombination von Geschäfts- und Privatreisen zu verstehen (beachte auch den Reisebefehl Jesu in Mt 28,19). Auch Bildungsreisen, um Erfahrungen und Wissen zu erwerben, gehören in diese Kategorie. Eine frühe Form ist das Aufsuchen weiser Männer oder Frauen in der Erwartung, Rat und Belehrung zu erhalten (1 Sam 9; 1 Sam 28; 1 Kön 10,1-13; 2 Kön 5; Sir 34,9.11). Reisen zum Heiligtum und Wallfahrt. Eine jährliche 3 Wallfahrt nach Schilo belegt schon 1 Sam 1,3, nach Bet-El 1 Sam 10,3, das Gebot zur dreimaligen Wallfahrt nach Jerusalem Dtn 16,16. Mehrmals werden im Neuen Testament Wallfahrten nach Jerusalem erwähnt: zum Paschafest (vgl. Lk 2,41; Mt 20,29; 21,8; Joh 12,12), zum Laubhüttenfest (vgl. Joh 7,2.8.10), zum Tempelweihfest (vgl. Joh 10,22), zu einem nicht näher charakterisierten »3 Fest« (vgl. Joh 5,1; vgl. auch Apg 8,2728; Lk 2,22). Diplomatische und politische Reisen waren wegen des Fehlens anderer distanzüberwindender Kommunikationsmittel unabdingbar für alle Ebenen der innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Kommunikation und Verwaltung. Herrscher schickten Gesandtschaften (Jes 30,2; Jer 29,3; 1 Makk 8,17 ff.; 12,1) oder auch den Geheimdienst mit besonderen Aufträgen (Jer 26,21 f.). Das altorientalische Boten-Institut (3 Botenwesen / Apostolat) sicherte, dass der bevollmächtigte Bote im Auftrag und als Vertreter seines Herrn agieren konnte. Die Verwaltung erforderte vielfältige Reisen ebenso wie die Diplomatie oder das Militärwesen. Neutestamentliche Beispiele liegen mit Lk 19,12.14 vor sowie mit Apg 27-28. Casson, Lionel, Reisen in der Alten Welt, München 2 1978. Della Portella, Ivana / Pisani Sartorio, Giuseppina / Ventre, Francesca, Via Appia. Entlang der bedeutendsten Straße der Antike, Stuttgart 2003.

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Religiöse Bewegungen

Elliger, Winfried, Paulus in Griechenland. Philippi, Thessaloniki, Athen, Korinth, Stuttgart 1987. Heinz, Werner, Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich, Stuttgart 2003. Llewelyn, S. R., New Documents Illustrating Early Christianity, 7. A Review of the Greek Inscriptions and Papyri Published in 1982-83, with the collaboration of R. A. Kearsley, Macquarie University 1994, 58-92. Schulz, Raimund, Die Antike und das Meer, Darmstadt 2005. Travel and Religion in Antiquity. Les Voyages et la Religion en Antiquité, Canadian Society of Biblical Studies Seminar, http://www.philipharland.com/travelandreligion. htm.

Peter Arzt-Grabner / Michael Ernst / Thomas Naumann

Religiöse Abgaben 3 Abgaben, religiöse

Religiöse Bewegungen Das Judentum der hellenistisch-römischen Zeit war durch eine Vielfalt religiöser Bewegungen und Gruppierungen geprägt. 1. Josephus Josephus unterscheidet drei Parteien (haireseis): Pharisäer, Sadduzäer und Essener (Flav. Jos. Ant. 13, 171-173; 18,11-25; Flav. Jos. Bell. 2, 119-166; s. auch Flav. Jos. Vit. 9-12). Als vierte Partei stellt er ihnen bisweilen die Widerstandsgruppe um Judas Galilaios zur Seite (Flav. Jos. Bell. 2, 118; in Flav. Jos. Ant. 18, 4.19 f.23 wird Judas den Pharisäern angenähert). Bei den Gruppenportraits handelt es sich um Idealbilder. Die Parteien ähneln den großen griechisch-römischen Philosophieschulen, wobei die Sadduzäer den Epikureern, die Pharisäer den Stoikern und die Essener den Pythagoreern entsprechen. Josephus will das Judentum als der hellenistischen Bildung ebenbürtig ausweisen und die Rebellen als Abtrünnige brandmarken. Das damalige Judentum ging freilich nicht in den genannten Parteien auf.

2. Entstehung Im Werk des Josephus begegnen die drei Gruppen erstmals in der frühen Hasmonäerzeit. Es liegen mehrere, notgedrungen spekulative Erklärungen für ihr Aufkommen in der Forschung vor. Nach Albert Baumgarten bewirkte die Hinwendung der Hasmonäer zum Hellenismus unter traditionalistischen Juden eine nahezu traumatische Desillusionierung. Diese Enttäuschung, eine wachsende literarische Bildung und Urbanisierung im damaligen Palästina sowie millenarische Erwartungen hätten schließlich im Umfeld der konservativen sozialen Elite dazu geführt, dass sich eigenständige »Sekten« formierten, die angesichts der hellenistischen Einebnung des Unterschieds zwischen Juden und Nichtjuden die vormals gegenüber Nichtjuden herausgestellten jüdischen Distinktionszeichen (boundary markers) in punkto Essen, Kleidung, Ehe, Handel und Kultus nun gegenüber jenen Mitjuden profilierten, die mit der neuen Zeit gingen. Ekkehard und Wolfgang Stegemann erklären die Gruppenbildungen aus einer ähnlichen Perspektive systematisch als Devianzphänomene in einer massiven Krisensituation der palästinischen Gesellschaft. Die Rückführung der Pharisäer und / oder Essener auf die in 1 Makk 2, 42; 7, 13 f. und 2 Makk 14, 6 erwähnten Chassidim, steht angesichts der dürftigen Informationen über diese Gruppe in der Kritik (Stegemann / Stegemann 138). 3. Pharisäer a) Bedeutung und Profil. Was die Schichtzugehörigkeit anbelangt, lassen sich die Pharisäer den so genannten Gefolgsleuten (retainer class) zurechnen, also jener Gruppe, die in vielfältiger Weise den Herrschenden unmittelbar zu dienen hatte (Saldarini 39-48.295-297 u. ö.). Sie agierten überwiegend in Städten, in denen die regierende Oberschicht lebte, und partizipierten indirekt an deren Macht. Umstritten ist, ob die Pharisäer in Genossenschaften (Chaburot) organisiert waren (skeptisch Stemberger 79 f.). Über die engere Kerngruppe hinaus existierte ein größerer Kreis von Anhängern und Sympathisanten. Tal Ilan

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weist auf Indizien, wonach es neben Pharisäern auch Pharisäerinnen gab (Ilan 73-110). Wie weit der theologische und gesellschaftliche Einfluss der Bewegung reichte, ist unklar. Gemeinhin wird eine prägende Kraft der Pharisäer auf das jüdische Volk vor 70 n. Chr. postuliert. Nach Roland Deines galten die pharisäischen Ideale in besonderer Weise als authentischer Ausdruck des Jüdischen. Der Pharisäismus könne daher als »normativ« bezeichnet werden. Dagegen pocht E. P. Sanders auf den religiös-politischen Primat der jüdischen Priesterschaft und reduziert die gesellschaftliche Rolle der Pharisäer auf die einer kleinen Religionspartei, die in den maßgeblich von Priestern bestimmten »Common Judaism« integriert gewesen sei. Das von Jacob Neusner propagierte Zwei-Stufen-Modell, wonach die Pharisäer unter den Hasmonäern zunächst als politisch aktive Bewegung in Erscheinung traten, sich dann aber in römischer Zeit zu einer quietistischen, ganz auf Reinheit und die Speisegebote bedachten religiösen Sekte entwickelten, ist zweifelhaft (Meier 311-313). Nach der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. kam den Pharisäern eine wichtige Rolle bei der Restitution des jüdischen religiösen Lebens zu. Sie hatten mit ihrer Ausweitung diverser für den Priesterdienst geltender Vorschriften auf die alltägliche Lebenspraxis indirekt die Grundlagen für ein frommes Leben auch ohne Tempel vorbereitet. Es bleibt aber umstritten, ob und inwieweit man eine direkte Entwicklungslinie zwischen den Pharisäern vor 70 und den Rabbinen nach 70 ziehen darf. b) Lehre. Die in der älteren Forschung propagierte und bis in die jüngere Zeit in christlichen Kreisen kursierende Charakterisierung der Pharisäer als Repräsentanten eines hohlen Formalismus und selbstgerechten Legalismus ist als grob verzerrende und einer unkritischen Quellenlektüre aufruhende Konstruktion zu kritisieren. Sie dient der Profilierung der christlichen Gnadenreligion auf Kosten des Judentums. Die Pharisäer legten Wert auf die Genauigkeit (akribeia) der Toraauslegung (Flav. Jos. Bell. 1, 110; 2, 162; Flav. Jos. Ant. 17, 41; Flav. Jos. Vit. 191; Apg 22, 3; 26, 5), nicht aber im Sinne eines stupiden

Rigorismus, sondern im Sinn verantwortlicher Detailgenauigkeit. Eine zentrale Rolle spielten die Überlieferungen der Väter / Ältesten (Flav. Jos. Ant. 13, 296 f.408; Flav. Jos. Vit. 191; Mk 7, 3.5 / Mt 15, 2; s. auch Gal 1, 14), also mündlich überlieferte Auslegungen und Applikationen der schriftlichen Tora, die eine genaue Toraobservanz im alltäglichen Leben sichern sollten und so als pragmatische Konkretisierung des Willens Gottes fungierten. Bedeutsam war zumal die Befolgung von Reinheitsbestimmungen, v. a. mit Blick auf Speisen und Geschirr, den Umgang mit Toten und Gräbern, Ehe und Scheidung, den Kult im Jerusalemer Tempel, den Zehnten und Priesterabgaben sowie die Wahrung des Sabbats und heiliger Feste (Meier 320 f.). Die Pharisäer teilten ein apokalyptisches Weltbild, das u. a. die Erwartung der Auferstehung der Toten (Mk 12, 1827 par; Apg 23, 6-8; 26, 5 ff.; Flav. Jos. Bell. 2, 163; Flav. Jos. Ant. 18, 14), postmortale Vergeltung (Flav. Jos. Bell. 2,163; Flav. Jos. Ant. 18,14) und die Anerkennung von Engeln und Dämonen (Apg 23, 8) einschloss. Nach Josephus propagierten sie ein Zusammenwirken von Schicksal und menschlicher Vernunft (Flav. Jos. Bell. 2, 162 f.; Flav. Jos. Ant. 13, 172; 18, 13). 4. Sadduzäer a) Bedeutung und Profil. Die Sadduzäer rekrutierten sich i. W. aus der herrschenden Oberschicht Jerusalems. Ihr Einfluss auf das Volk war laut Josephus gering (Flav. Jos. Ant. 13, 298; 18, 17). Ya’akov Sussmann gibt jedoch zu bedenken, dass die in den Rabbinica erwähnte sadduzäische Halakha wohl nicht allein unter sadduzäischen Aristokraten verbreitet war. Sie sei auch von religiösen Sekten, namentlich den Essenern, befolgt worden, die gleichsam an zwei Fronten stritten, einerseits religiös-politisch gegen die priesterliche sadduzäische Aristokratie, andererseits religiös-halachisch gegen die Widersacher der strikten sadduzäischen Tradition, also die Pharisäer. b) Lehre. Nach Josephus (Flav. Jos. Ant. 13, 297 f.) hielten sich die Sadduzäer im Gegensatz zu den Pharisäern allein an die in der Tora (Pentateuch) schriftlich festgelegten Satzungen, wäh-

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rend sie die mündliche Überlieferung verwarfen. Die Mischna weist den Sadduzäern jedoch auch halakhische Positionen zu, die sich nicht in der schriftlichen Tora finden (Meier 400-406). Von ihrer konservativen Tempeltheologie her dürften die Sadduzäer gegenüber Neuerungen und Anpassungen eher skeptisch eingestellt gewesen sein. Sie standen offenbar eschatologisch-apokalyptischen Themen und Motiven wie der Auferstehung von den Toten (Mk 12, 18-27; Apg 23, 8; Flav. Jos. Ant. 18, 16), der postmortalen Vergeltung (Flav. Jos. Bell. 2, 165) sowie Spekulationen über Engel und Dämonen (Apg 23, 8) skeptisch gegenüber. Nach Josephus (Flav. Jos. Ant. 13, 173; Flav. Jos. Bell. 2, 164 f.) lehnten sie Schicksalsvorstellungen ab. 5. Essener a) Bedeutung und Profil. Die Hauptquellen (Josephus, Philo, Plinius d. Ä.) bieten kein durchweg einheitliches Bild. So heißt es bei Plinius, die Essener hätten ohne jede Frau gelebt und seien jeglicher Wollust abhold gewesen (Plin. nat. 5,73). Josephus berichtet hingegen, dass sie die Ehe zwar gering schätzten, aber nicht generell ablehnten (Flav. Jos. Bell. 2, 120 f.), mehr noch, er kennt eine Gruppe von Essenern, die nach einer dreijährigen Probezeit die Ehe eingingen, freilich nicht aus Lust, sondern um der Nachkommen willen (Flav. Jos. Bell. 2, 160 f.). Laut Philo lehnten die Essener den Besitz von Waffen und die Anwendung von Gewalt ab (Philo prob. 79). Josephus schildert sie auf dieser Linie als todesmutige Märtyrer im Jüdischen Krieg (Flav. Jos. Bell. 2, 152 f.), berichtet aber auch von einem Essener namens Johannes, der als Befehlshaber im Krieg agierte (Flav. Jos. Bell. 2, 567), und schreibt den Essenern Waffenbesitz zur Abwehr von Räubern zu (Flav. Jos. Bell. 2, 125). Übereinstimmend charakterisieren Josephus und Philo die Essener als bewundernswerte, von der Gesellschaft abgeschiedene freiwillige Vereinigung frommer und tugendhafter Menschen, die gütergemeinschaftlich einander verbunden waren, die Schrift studierten, beteten und genügsam und bis zu einem gewissen Grad asketisch lebten. Dieses Bild ist je-

doch nur bedingt historisch verwertbar. Die Essener werden hier gezielt als Gruppe präsentiert, die gegenüber griechischen philosophischen Schulen und hellenistisch-römischen Religionen die Ideale der griechisch-römischen Moral nicht nur propagierte, sondern auch praktisch umsetzte. Sie dienten Josephus und Philo insofern als »Trumpfkarte«, mit der sie im Rahmen des antiken Diskurses über das ideale Leben und die ideale Gesellschaft eine gewisse jüdische Überlegenheit reklamieren konnten (Bilde 62-64). b) Die Essener und Qumran. Nach der Entdeckung der Schriftrollen am Toten Meer im Jahr 1947/48 und den Ausgrabungen in Chirbet Qumran in den 1950er Jahren setzte sich bald die These durch, die Schriften seien in Qumran lebenden Essenern zuzuordnen. Sie wird bis heute mehrheitlich vertreten. Man beruft sich dazu u. a. auf das Zeugnis Plinius’ d. Ä., der die Essener an der Westküste des Toten Meeres lokalisiert (Plin. nat. 5, 73), auf archäologische Indizien wie die in den Höhlen entdeckten zylindrischen Vorratskrüge zur Aufbewahrung der Rollen, die sich auch in Chirbet Qumran fanden, sowie auf ungewöhnliche Konvergenzen zwischen den antiken Essenerberichten und den Qumranschriften wie z. B. das Verbot des Ausspuckens (Flav. Jos. Bell. 2, 122; 1QS 7, 13) oder die Ablehnung von Öl (Flav. Jos. Bell. 2, 122; CD 12, 15-17; 4Q513 13,4). Gegen die Qumran-Essener-These werden u. a. Differenzen zwischen den antiken Essenerberichten und den Qumranschriften, z. B. einzelne Abweichungen in den Beschreibungen des Aufnahmerituals (Flav. Jos. Bell. 137-139; 1QS 6, 13-23), geltend gemacht, ferner die inhaltliche Disparatheit der Qumranschriften, die nicht auf eine gemeinsame theologische Linie zu zwingen sei, die große Zahl der hinter den Manuskripten auszumachenden Schreiber, die nicht zur mutmaßlichen Einwohnerzahl in Qumran passe, und archäologische Indizien, die der Bestimmung Chirbet Qumrans als Sitz einer religiösen Gemeinschaft im Wege stünden. Vor diesem Hintergrund wird derzeit debattiert, ob Chirbet Qumran statt einer essenischen Siedlung ehedem ein militärischer Posten war, der später als Landwirtschaftsbetrieb

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oder Tonwarenfabrik diente (Magen / Peleg; Hirschfeld). Die Manuskripte wären anlässlich des Jüdischen Krieges aus diversen Orten in die Qumranhöhlen gebracht worden. Es bleibt abzuwarten, ob die Qumran-Essener-These fällt. Baumgarten, Albert I., The Flourishing Jewish Sects in the Maccabean Era. An Interpretation, JSJ.S 55, Leiden 1997. Bilde, Per, The Essenes in Philo and Josephus, in: Frederick H. Cryer / Thomas L. Thompson (Hg.), Qumran between the Old and New Testament, JSOT.S 290, Sheffield 1998, 32-68. Deines, Roland, The Pharisees Between »Judaisms« and »Common Judaism«, in: D. A. Carson u. a. (Hg.), Justification and Variegated Nomism I, WUNT II/140, Tübingen 2001, 443-504. Hirschfeld, Yizhar, Qumran. Die ganze Wahrheit. Die Funde der Archäologie – neu bewertet, Gütersloh 2006. Ilan, Tal, Silencing the Queen. The Literary Histories of Shelamzion and Other Jewish Women, Tübingen 2006. Magen, Yizhak / Peleg, Yuval, Back to Qumran: Ten Years of Excavation and Research, 1993-2004, in: Katharina Galor u. a. (Hg.), Qumran. The Site of the Dead Sea Scrolls: Archaeology Interpretations and Debates, Leiden / Boston 2006, 55-113. Meier, John P., A Marginal Jew. Rethinking the Historical Jesus III, New York 2001. Neusner, Jacob, From Politcs to Piety. The Emergence of Pharisaic Judaism, Englewood Cliffs 1973. Saldarini, Anthony J., Pharisees, Scribes and Sadducees in Palestinian Society. A Sociological Approach, Grand Rapids / Michigan 2001 [1988]. Sanders, Ed Parish, Judaism. Practice and Belief 63 BCE – 66 CE, London / Philadelphia 1992. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u. a. 2 1997. Stemberger, Günter, Pharisäer, Sadduzäer, Essener, SBS 144, Stuttgart 1991. Sussmann, Ya’akov, The History of the Halakha and the Dead Sea Scrolls, in: Elisha Qimron / John Strugnell (Hg.), Qumran Cave 4. V: Miqsat Ma’as´´se ha-Torah, DJD X, Ox˙ ford 1994, 179-200.

Christian Strecker

Religiöse Praxis 1. Allgemeine Grundlagen a) Bestimmung. Im Judentum und Christentum der Antike lässt sich kaum zwischen Religiöser Praxis und profanem Handeln trennen, auch das alltägliche Leben ist Teil der Religiösen Praxis. Im Alten Testament werden z. B. Landwirtschaft (Dtn 22, 9 f.), Kleiderordnungen (Dtn 22, 5.11), Bausicherheit (Dtn 22, 8), Lebensmittelrecht (Lev 11), Erbrecht für Töchter (Num 27, 1-11) oder Umgangsformen (Lev 19, 32) ebenso wie der Tempelkult (Ex 29, 38-43) und Feiertagsriten (Ex 31,1217) als gottgewollt biblisch legitimiert. Auch das Neue Testament unterscheidet nicht zwischen Religiöser Praxis und Alltag: Die Gemeinde gilt als 3 Tempel (1 Kor 3, 16 f.) und die christliche Existenz wird als eine permanente Pessachfeier (1 Kor 5, 7 f.), als andauernder 3 Gottesdienst (Hebr 10,19-25) oder als immerwährendes Gebet verstanden (1 Thess 5, 17). Das biblische Verständnis einer ganzheitlichen Existenz vor Gott lässt keinen Raum für profanes Handeln. Das Herausgreifen bestimmter Handlungsweisen als Ausdruck von Religiöser Praxis bedeutet die Übertragung heutiger Kategorien auf das antike Israel sowie auf das Judentum und das Christentum der Antike. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen explizit an Gott oder Christus gerichtete verbale oder nonverbale Handlungen. Die soziale Ordnung einer Gesellschaft (3 Soziale Schichtungen) schlägt sich in der Religiösen Praxis nieder, da die einzelnen Menschen, Familien, Dorfgemeinschaften, Städte und Staaten TrägerInnen religiöser Handlungen sind. Zu allen Zeiten sind neben dem »offiziellen Kult« an nationalen Heiligtümern auf mittlerer und unterer Ebene religiöse SpezialistInnen mit lokaler Bedeutung und Familien als TrägerInnen religiöser Handlungen anzunehmen. Entsprechend findet Religiöse Praxis an verschiedenen Orten, in Wohnräumen, im Freien und in speziellen kultischen Gebäuden statt. Eine trennscharfe Abgrenzung der Ebenen ist nicht möglich, vielmehr ist mit gegenseitiger Beeinflussung zu rechnen.

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b) Quellen. Das Alte Testament enthält Ritualbeschreibungen, (z. B. Ritual zum Versöhnungstag in Lev 16), Opferbestimmungen (z. B. Lev 1-7) sowie Gebetstexte (z. B. Psalmen); es fehlen aber Ritualanweisungen im engeren Sinne, wie sie uns aus speziellen Handbüchern aus Mesopotamien bekannt sind. Weitere Kenntnisse zur Religiösen Praxis in Israel vermittelt die Archäologie; neben den Kultstätten ist vor allem auf die Kleinfunde zu verweisen: 3 Kultgeräte, Figurinen, Amulette, 3 Siegel. Gebiete mit jüdischer Bevölkerung zeichnen sich in neutestamentlicher Zeit u.a durch die Verbreitung von rituellen Tauchbädern (Mikwen) aus. Weitere Charakteristika jüdischer Gegenwart sind die Bestattung von Gebeinen in Ossuaren (3 Tod) und das Fehlen von dezidiert heidnischen Elementen und von Schweineknochen. Rückschlüsse auf den Ablauf des Kultes am Jerusalemer Zweiten Tempel erlauben die Darstellungen bei Josephus, die Erwähnungen im Neuen Testament und vor allem die Bestimmungen der Mischna. Oft ist nicht eindeutig bestimmbar, wann Versammlungsräume in der Hauptsache religiösen Zwecken dienten. Für die Rekonstruktion der religiösen Praxis von Christen der ersten beiden Jahrhunderte lässt sich hauptsächlich auf schriftliche Quellen zurückgreifen (z. B. 1 Kor 11, 20-34; Plin. ad Trai. 96). 2. Gesellschaftliche Funktionen und geschichtliche Entwicklungen religiöser Praxis Für die einzelnen Menschen und für 3 Familien gehört die Religiöse Praxis zur Bewältigung ihres Alltages, wobei vermutlich vor allem der landwirtschaftliche Jahreszyklus (3 Landwirtschaft; 3 Zeitvorstellungen), der 3 Lebenszyklus sowie Krisen- und Notsituationen wie etwa 3 Krankheit, Hungersnot (3 Hunger / Hungersnot) oder weite 3 Reisen mit religiösen Akten in Wort (3 Gebet; 3 Gelübde) und Handlungen (3 Opfer) einhergingen. Über die genauen Praktiken der persönlichen Frömmigkeit und der Familienreligion sind wir nur bruchstückhaft informiert. Figurinen und Kultgeräte, die in Wohnhäusern gefunden wurden, lassen vor- und nachexilisch

einen familiären Hauskult annehmen, der wohl vor einem 3 Altar in den Wohnräumen verrichtet wurde. Unter den Fundobjekten sind die weiblichen Pfeilerfigurinen hervorzuheben, die ab dem Ende des 8. bis in die 2. Hälfte des 7. Jh. v. Chr. in Palästina zahlreich gefunden wurden. Hierbei handelt es sich vermutlich um Segensikonen für das Haus und seine BewohnerInnen. In den Bereich der persönlichen Frömmigkeit gehören auch die Amulette, die »den / die Träger/in durch ihre magische Kraft schützen und Böses von ihm / ihr ablenken sollen, ihn / sie mit Gesundheit und anderen Gütern ausstatten und ihn / sie überdies ihrer magischen Kraft teilhaftig werden lassen sollen« (Herrmann 2 f.). Als Kultgeräte für den häuslichen Gebrauch sind vor allem Räuchertassen bzw. -kästchen sowie Libationsgefäße zu nennen. Sie lassen auf Räucheropfer und vegetabile Opfer schließen (Jer 7,18; 19, 13). Jer 7,18 und Jer 44, 15-25 zeigen, dass Frauen und Männer diese Formen der Verehrung von Gottheiten praktizierten. Zum häuslichen Kult gehörte wohl auch die Ahnenverehrung bzw. der kultische Umgang mit den verstorbenen Vorfahren. Dabei ist im tera¯fı¯m eine figürische Repräsentation eines Familienahns zu sehen, der zu besonderen Situationen der Familie oder zu »familienjuristisch wichtigen Vorgängen« (Schroer) befragt werden konnte (Ez 21, 26; Sach 10, 2). Der Umgang mit einem tera¯fı¯m bedurfte keiner religiösen SpezialistInnen. Auffallend häufig wird er im Zusammenhang mit Frauen erwähnt; darin könnte sich ein Reflex auf die mantische Kompetenz von Frauen im familiären Bereich spiegeln (Gen 31,19; 1 Sam 19,13). Für eine mittlere soziale Ebene bzw. für größere soziale Einheiten, für ein 3 Dorf, eine Region oder einen 3 Stamm sind spezielle kultische Orte und religiöse SpezialistInnen charakteristisch. Für die vorexilische Zeit (bis 586 v. Chr.) sind offene Kultplätze, so genannte Kulthöhen mit Masseben und / oder heiligen Bäumen typisch. 3 Tempel mit lokaler Bedeutung sind aus Schilo, Dan (Ri 18), Nob (1 Sam 21) und Arad bekannt. Diese Heiligtümer sind für die Bevölkerung der Umgebung Orte des Dankes und der Bitte um

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den Beistand der Gottheit sowie Ziele des jährlichen Opferfestes (1 Sam 1, 2) bzw. der drei Hauptfeste des bäuerlichen Festkalenders (Ex 23,14-17; 3 Wallfahrt). Zu den religiösen SpezialistInnen der lokalen Ebene gehören diejenigen, die mantische und magische Praktiken wie Orakel oder Totenbefragungen, (vgl. Dtn 18, 9-14 und 1 Sam 28) durchführen, ebenso HeilerInnen (3 Krankheit / Heilung), 3 ProphetInnen und das Kultpersonal an den lokalen Heiligtümern. Darüber hinaus sind auch die Hebammen und Klagefrauen zu nennen, deren Tun ebenfalls religiöse, kultische und magische Aspekte besitzt. Hebammen begleiten den Eingang der Menschen ins Leben (Gen 35, 17; 1 Sam 4, 20), Klagefrauen den Ausgang aus dem Leben (Jer 9, 16-21). So gelten gerade Frauen »als Schwellenwächterinnen des Lebens und als stark genug, klagend dem Tode entgegenzutreten und ihm nicht das letzte Wort zu überlassen« (Schroer). Der offizielle Kult fand unter Verantwortung des Königs an den nationalen Heiligtümern statt, im Nordstaat Israel in Bet-El, Dan und Samaria, im Südstaat Juda in Jerusalem. Besondere Bedeutung errang der 3 Tempel in Jerusalem, der nachexilisch wieder errichtet wurde (520-515 v. Chr.) und dessen Kult unter Verantwortung des Hohepriesters das religiöse Zentrum der nachexilischen Provinz Jehud bildete. Zentral waren die täglichen bzw. zu Festtagen stattfindenden Opferhandlungen, die in der Verantwortung der Priesterschaft (3 Priester / Leviten) lagen. Als weiteres Kultpersonal sind Leviten, SängerInnen (Ps 68, 25-28), am Eingang des Heiligtums Dienst tuende Frauen (Ex 38, 8; 1 Sam 2, 22) sowie männliche und weibliche Geweihte (Gen 38, 21 f.; Dtn 23, 18 f; 1 Kön 15, 12; 2 Kön 23, 7; Hos 4, 14) bekannt. Die Deutung der Geweihten als Kultprostituierte ist inzwischen aufgegeben, ihre kultische Funktion aber ungeklärt. Im offiziellen JHWH-Kult ist eine Dominanz des männlichen Kultpersonals zu beobachten, während die von Frauen wahrgenommenen kultischen Funktionen an Heiligtümern durch biblische Texte vielfach als Falsch- und Fremdkult abgewertet bzw. eliminiert werden.

In der Geschichte Israels haben sich offizielle Religion, Familienreligion und lokale religiöse Traditionen auf unterschiedliche Weise beeinflusst. So richtete sich die kultische Reform des König Joschija im Jahre 622 v. Chr. gegen die Verehrung JHWHs an anderen Orten außerhalb von Jerusalem und gegen die synkretistische Verehrung anderer Gottheiten neben JHWH. Alle Opferhandlungen außerhalb Jerusalems wurden verboten (2 Kön 23), die agrarischen Hauptfeste wurden zu Wallfahrtsfesten in Jerusalem (3 Wallfahrt). Noch einschneidender für die religiöse Praxis waren die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und die Exilierung von Bevölkerungsteilen nach 586 v. Chr. In der Exilszeit entstanden unter den JHWH-VerehrerInnen Formen der Religiösen Praxis, die nicht an ein Heiligtum gebunden waren: Versammlungen zum Gebet, Hinwendung zur Tora als dem unverbrüchlichen Wort Gottes (Neh 8), 3 Beschneidung als Zeichen des Bundes JHWHs mit Israel (Gen 17), Halten des 3 Sabbats (Ex 31,12-17; Lev 23, 3), Einhalten von Speisegesetzen (Lev 11), (die auf den kultischen Kategorien von rein und unrein beruhen (3 Speisegetze; 3 Reinheit / Unreinheit). Die von der Familie getragene Religiöse Praxis und die Versammlung zum Hören auf das Wort Gottes waren wesentliche Bestandteile des religiösen Lebens, die auch während der Zeit des Zweiten Tempels (ab 520 v. Chr.) nicht aufgegeben wurden und nach dessen Zerstörung (70 n. Chr.) entscheidende Bedeutung erlangten. Während in vorexilischer Zeit offizielle Religion und lokale bzw. familiäre Religion eher nebeneinander existierten, ist für die nachexilische Zeit eine stärkere Annäherung anzunehmen. Die Bindung der Religiösen Praxis an einen bestimmten Ort (den Tempel), an feste Zeiten oder an ausgewählte Personengruppen (3 Priester / Leviten) konkurrierte in der Endphase des Zweiten Tempels mit dem Bedürfnis nach einem orts- und institutionsunabhängigen religiösen Leben. Zwar blieb der Tempel als Mitte jüdischer Existenz bis zu seiner Zerstörung im Jahre 70 n. Chr. weitgehend unangefochten, doch wurden

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Religiöse Praxis

selbst ursprünglich an den Tempel gebundene Religiöse Praktiken zunehmend auch davon unabhängig durchgeführt und so zu Bestandteilen der Alltagsreligiosität. Nicht nur Gebete und Lesungen, sondern auch religiöse Waschungen vollzogen jetzt nicht mehr nur die, die im Begriff waren, den Tempel zu betreten. An zahlreichen Orten lassen sich für diese Zeit Mikwen nachweisen, die in den Stand einer rituellen Reinheit versetzten, die ihren »Sitz im Leben« allein im Tempelkult hatte. Forciert wurde diese Entwicklung im Jahrhundert vor der Zerstörung des Zweiten Tempels (70 n. Chr.) vor allem durch die pharisäische Partei. Der religiöse Alleinvertretungsanspruch der Priester und der sadduzäischen Partei wurde relativiert. Es handelte sich de facto um eine Demokratisierung der jüdischen Religion, an die das sich entwickelnde Christentum nahtlos anknüpfen konnte (3 Religiöse Bewegungen). Das Volk Israel war zur Zeit des Zweiten Tempels eingeteilt in 24 Abteilungen (Liver / Sperber 89 f.), die sich in ihrem Dienst am Tempel wöchentlich abwechselten (vgl. 1 Chr 24 f.; Flav. Jos. Vit. 1, 2). Die einzelnen Abteilungen bestanden aus Priestern, Leviten und Laien. Während die beiden erstgenannten Gruppen sich um Opfer und Tempeldienste kümmerten, standen die Nichtpriester als »Standmannschaften« (»Maamadot«; Liver / Sperber 91) dabei und begleiteten das gottesdienstliche Geschehen mit 3 Gebeten und Gesängen (mTaan 4,2; 3 Musik). Da nicht jeweils alle Israeliten zweimal im Jahr zum Dienst am Tempel pilgern konnten, war es üblich, dass in der Dienstwoche die daheim Gebliebenen Gottesdienste feierten, in denen sie sich parallel zu den Tempelgottesdienstzeiten der Standmannschaften versammelten und den Schöpfungsbericht lasen, Psalmen sprachen etc. (Elbogen 237). Die Beteiligung der Standmannschaften ermöglichte die Repräsentanz des gesamten jüdischen Volkes aus Priestern, Leviten und »Laien« am Opferkult und damit auch die Teilhabe derer an den Sühnewirkungen, die nicht physisch zugegen waren (jSheq 5,2, 48d; Reif 58.75). Teilnahme am Tempelkult setzte den Status ri-

tueller Reinheit (3 Reinheit / Unreinheit) voraus. Vor Betreten der inneren Bereiche des Tempels hatten Jüdinnen und Juden ein Tauchbad zu nehmen (mJoma 3,3). Nichtjuden war das Betreten der Tempelbezirke jenseits des »Vorhofs der Heiden« bei Todesstrafe verboten (OGIS 598). D. h. ein jüdischer Zöllner (Lk 18, 10) und eine kultisch reine jüdische Frau hatten Zutritt, der römische Prokurator jedoch nicht (Flav. Jos. Apion. 2, 103 f.). Jesus und auch Paulus (Apg 24,18) müssen vor Betreten des Tempels ein Tauchbad genommen haben. Jesus hat weder den Tempelopferkult noch die religiösen Praktiken seiner Zeit prinzipiell in Frage gestellt, seine Kritik richtete sich gegen bestimmte Ausprägungen (z. B. Geldgeschäfte und Verkauf von Opfertieren im Bereich des Tempel oder Transporte durch das Tempelareal, vgl. Mk 11, 15-17 par). Die üblichen Sabbatriten dürfte Jesus eingehalten haben; in den überlieferten Erzählungen zu Reinheitsfragen (Mk 7, 1-23) und zum Sabbat (Mk 3, 1-5 par) geht es nicht um deren Abschaffung, sondern um ihre Wertung. Die Einschätzung, der Sabbat sei für den Menschen da (Mk 2, 27 f.), wurde von den wichtigsten Gruppen im Judentum der neutestamentlichen Zeit weitgehend geteilt (1 Makk 2, 40 f.). Bei den im Neuen Testament überlieferten Sabbatkontroversen handelte es sich um Auslegungsfragen. Aufs Ganze gesehen stand die Jesusbewegung den pharisäischen Gruppen sehr viel näher (Mt 12, 11) als z. B. der Qumrangemeinde, der es nicht gestattet war, am Sabbat ein Tier aus der Grube zu ziehen (CD 11,13 f.). Die ersten ChristusanhängerInnen trafen sich im Tempel (z. B. Apg 2, 46) und anfangs noch in Gebetsräumen innerhalb jüdischer Privathäuser. Zunächst unterschieden sich jüdische und christliche Religiöse Praxis hauptsächlich durch das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus. Bald bildeten sich als Unterscheidungskriterien auf jüdischer Seite die Amida (18-Bittengebet) und in den christlichen Gruppen das (inhaltlich jüdische) Vaterunser heraus, das schon früh als das von Jesus selbst gelehrte christliche »Urgebet« verstanden wurde (vgl. Did 8, 2 f.).

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Der urchristliche Gottesdienst orientierte sich an der jüdischen Praxis. Neben 3 Gebeten, der Feier des Abendmahls (Did 9 f.) und dem Rezitieren hymnischer Stücke (Kol 3, 16) zählten alttestamentliche Lesungen und das Verlesen von Briefen (1 Thess 5, 27) zum christlichen Gottesdienst (Abschriften der Paulusbriefe kursierten; Kol 4, 16). Paulus setzt prophetische Gottesdienstelemente voraus und versucht, einzelne charismatische Elemente, wie das Zungenreden, zurückzudrängen (1 Kor 14). Fasten (Did 8, 1) und die Gabe von Almosen (Mt 6, 1-4) begegnen im Neuen Testament neben dem Beten (Mt 6, 5-15) als wichtige Möglichkeiten Religiöser Praxis. Beides wird jedoch dann abgelehnt, wenn jemand anderes als Gott Adressat des Handelns ist. Sexuelle 3 Enthaltsamkeit wird vereinzelt praktiziert, aber z. B. in 1 Kor 7, 5.9 kritisch gesehen. Unterschiede zwischen Frauen und Männern oder SklavInnen und Freien sind in Christus aufgehoben (Gal 3, 28). Die einzelnen Gemeindeglieder haben jedoch verschiedene Funktionen (1 Tim 3,1-13) und Gnadengaben (z. B. 1 Kor 12). Bezüglich der Kleiderordnung und Haartracht gelten geschlechtspezifische Regelungen (1 Kor 11, 4-16). Die im Neuen Testament begegnenden und der Zeit geschuldeten Aufforderungen an Frauen zur Unterordnung (z. B. Eph 5, 21-24) betreffen nicht den Status der Frau vor Gott oder in Christus: 1 Kor 11, 4 f. setzten voraus, dass Männer und Frauen im Gottesdienst gleichermaßen beten und prophetisch reden. Die Grußliste in Röm 16, 1-16 lässt auf herausragende Funktionen von Frauen in den ersten christlichen Gemeinden schließen. So hat sich z. B. in den Gemeinden, an die sich der erste Timotheusbrief richtet, ein besonderes von älteren Witwen wahrgenommenes Amt etabliert (1 Tim 5, 3-16). 3. Theologie Alle Formen der Religiösen Praxis in Wort und Handlung dienen der Kommunikation mit dem Göttlichen, der Verehrung von Gottheiten, der Versicherung des Schutzes und des Wohlwollens der Gottheiten und der Aufrechterhaltung der göttlichen (kosmischen) Ordnung. Religiöse Fes-

te strukturieren zudem die Zeit, markieren den Wechsel von Alltag und Festzeit, von Arbeit und Ruhe und stiften besonders im kultischen Mahl Gemeinschaft mit den Gottheiten und unter den Menschen (3 Zeitvorstellungen). Die im Alten Testament vereinten theologischen Stimmen äußern sich auf ganz unterschiedliche Weise zur Religiösen Praxis. Neben priesterlichen Entwürfen, die dezidiert kultische Vorschriften zu Opferhandlungen formulieren (Lev), finden sich Stimmen, die unpolemisch von familiären und lokalen religiösen Praktiken berichten und Stimmen, die verschiedene Formen kultischer Handlungen sowohl der familiären, lokalen oder offiziellen Religion scharf kritisieren. Vor allem in prophetischen Texten wird der (offizielle) Opferkult ohne soziale Gerechtigkeit angeprangert und mit der Forderung nach Gerechtigkeit verknüpft. Kritik wird geübt am Polyjahwismus mit seinen verschiedenen Kultstätten für JHWH. Und Kritik findet sich auch an der Verehrung anderer Gottheiten bzw. an synkretistischen Einflüssen auf den JHWH-Kult (Verehrung der Himmelsmächte, Molok-Kult, Baal- und Ascheraverehrung). Nachexilisch wird die Frage kontrovers diskutiert, wer zur JHWHTempel-Gemeinde gehört und legitim am Kult teilnehmen darf. Die zentralen religiösen Praktiken des sich konstituierenden Christentums gründen in seiner jüdischen Umwelt. Jedoch hat, um ein charakteristisches Beispiel zu nennen, die christliche 3 Taufe ihr Vorbild nicht unmittelbar in den jüdischen Tauchbädern. Während das Tauchbad für den regelmäßig wieder herzustellenden Status der rituellen Reinheit steht und ohne Täufer vollzogen wird, bewirkt die Taufe das einmalige Ende der alten Existenz und gleichzeitig den Beginn des neuen Lebens in Christus. Die Notwendigkeit der christlichen Taufe gründet in einer fundamentalen anthropologischen Neubewertung, die bereits bei Johannes dem Täufer angelegt ist (vgl. Lk 3, 7-18). Während Jüdinnen und Juden sich als gute Schöpfung Gottes verstehen, deren Kultfähigkeit in der Antike jeweils durch Reinigungsriten wieder

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Rohstoffe

herzustellen war, geht Paulus von der Verlorenheit des durch Adams Fall korrumpierten Menschen aus (z. B. Röm 5,12-21). Rettung ermöglichen allein der Heilstod Christi und dessen einmalige und individuelle Zueignung in der Taufe (Röm 6,1-11). Taufe ist daher eher mit der Beschneidung vergleichbar (vgl. Kol 2, 11-15); beide Riten stehen für die einmalige Eingliederung in den Bund mit Gott. Während zur Erlangung kultischer Reinheit die Waschung mit fließendem Wasser unabdingbar war, hängt die Wirkung der Taufe nicht entscheidend von der Wasserqualität ab (Ostmeyer 2000). Die Feier des Abendmahls (Mk 14, 22-24 par) steht einerseits in der Tradition des jüdischen Pessachmahls (vgl. Mk 14,14), weist jedoch zugleich wesentliche Unterschiede auf. Als Gedächtnismahl von Jesus selbst eingesetzt, konnte es von der nachfeiernden christlichen Gemeinde allein im Zusammenhang mit Jesu Kreuzestod und Auferstehung verstanden werden (1 Kor 11, 23-26). Das einmal jährlich gefeierte jüdische Pessachmahl vergegenwärtigte die Befreiung aus Ägypten und die Bewahrung der jüdischen Familien vor dem Zugriff dessen, der in der Pessachnacht die Erstgeborenen der Ägypter schlug (Ex 12, 29 f.). In Anknüpfung und Abgrenzung sah die christliche Gemeinde sich als eine Gemeinschaft, die durch Christus als Pessachlamm permanent vor dem Zugriff gefährdender Mächte bewahrt war (1 Kor 5, 7 f.). Teilnahme am Abendmahl bedeutete für ChristInnen jedweder Herkunft die Bestätigung der Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft in Christus (Ostmeyer 2002). Der Auferstehung Christi wird an jedem achten (= ersten) Tag gedacht. Während der Sabbat den siebten Tag als den Tag bezeichnet, an dem Gott von seinem Schöpfungswerk ausruhte, symbolisiert der achte Tag als erster Tag der Woche (Sonntag) die mit der Auferstehung Jesu beginnende Neue Schöpfung. Albertz, Rainer, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit. 2 Bde., GAT 8, Göttingen 2 1996, 1997. Bird, Phylis, The Place of Women in the Israelite Cultus, in: Patrick D. Miller (Hg.), Ancient Israelite Religion. FS Frank M. Cross, Philadelphia 1987, 397-421.

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Maria Häusl / Karl-Heinrich Ostmeyer

Religionen 3 Fremde Religionen

Rohstoffe Palästina, das Land, in dem sprichwörtlich »Milch und Honig« geflossen sein sollen, war ein rohstoffarmes Land. Zu seinen wenigen Bodenschätzen gehören Kupferlagerstätten beiderseits des Wa¯dı¯ l-cAraba (besonders in den Regionen um Fena¯n und Wa¯dı¯ Menec¯ye) ı und spärliche Ei-

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Rohstoffe

senvorkommen im cAgˇlu ¯n (vgl. Dtn 8, 9). Zinn zur Bronzeherstellung musste dagegen ebenso importiert werden wie Gold, Silber und Blei oder Edelsteine. Im Bereich des Toten Meeres (lacus Asphaltitis) gab es vor allem drei verschiedene Bodenschätze: 1. Asphalt bzw. Bitumen (vgl. Gen 14, 10; Diod. Sic. 2, 48-54; 19, 93-100; Plin. nat. 35, 178), der wegen seiner elastischen, wasserabstoßenden, konservierenden und antitoxischen Eigenschaften seit dem Neolithikum vor allem als Binde- und Dichtungsmaterial, z. B. zu Abdichtung von Booten und Flechtwerk (Gen 6, 14; Ex 2, 3) und in der Architektur (Gen 11, 3, TUAT 2, 492; Herodot 6, 119) benutzt wurde, archäologisch belegt als Klebstoff bei der Herstellung von Statuen und Einlegearbeiten u. ä. (zur medizinischen Verwendung vgl. z. B. Plin. nat. 35, 178182); 2. Salze, die am Rande des abflusslosen Binnensees als Steinsalz abgebaut oder dort und an der Mittelmeerküste in Verdunstungspfannen (Ez 47, 11; Zef 2, 9) gewonnen werden konnten. Speisesalz wurde zum Konservieren von Lebensmitteln (Tob 6, 7; Neh 13, 16) und Würzen von Speisen (Hi 6, 6; Sir 39, 26) und zur Tierhaltung (Jes 30, 24) benötigt und war darüber hinaus von kultischer (Ex 30, 35; Lev 2, 13; Ez 43, 24; Esr 6, 9; 7, 22), medizinischer (2 Kön 2, 20 f.; Ez 16, 4) bzw. magischer Bedeutung (Ri 9, 45; Sefire A-Inschrift Z. 36); 3. Schwefel, der im Alten Testament allerdings nur im Zusammenhang mit Sodom und Gomorra (Gen 19, 24; Dtn 29, 2) und in Hi 18,15; Jes 30, 33; 34, 9; Ez 38, 22; Ps 11, 6 metaphorisch belegt ist. Nahe der Mündung des Belos ins Mittelmeer bei Akko gab es berühmte Sande (Plin. nat. 36, 190-199; Flav. Jos. Bell. 2, 10, 2, 188191; Tac. hist. 5, 6), die den Grundstoff zur Herstellung von Glas bildeten (vgl. Hi 28, 17; eventuell Spr 26, 23). An den Häfen der phönizisch-palästinischen Mittelmeerküste wurde aus verschiedenen Schneckenarten Purpur als überaus wertvolles Färbemittel gewonnen (Ri 8, 26; Dan 5, 7.16.29; 2 Chr 2, 6 sowie Jer 10, 9; Jes 1, 18). Die natürlichen Rahmenbedingungen erlaubten in Palästina die Produktion landwirtschaftlicher Produkte wie Getreide, Oliven und Wein (vgl. Dtn 8, 8 u. ö.) nicht nur zur Eigenversorgung,

sondern auch zum Export. Die landesweite Kleinviehhaltung führte u. a. zur Herstellung qualitätsvoller Wolle (z. B. 2 Kön 3, 4; Ez 27, 18). Abholzung und Überweidung führten spätestens seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. zu einer zunehmenden Degradation der Wälder. Wertvolles Holz zum Bau von offiziellen Gebäuden (1 Kön 5-7.9) und von Schiffen (Ez 27, 6) musste darum überwiegend importiert werden. In römischer Zeit war das rohstoffarme Palästina Teil des mittelmeerischen Wirtschaftsraums. Z. B. wurden Feinkeramik aus Syrien, Zypern, Italien, Südgallien und später Nordafrika, Baumaterialien (Marmor aus Kleinasien, Porphyr aus Ägypten), Gebrauchsgegenstände (Glas aus der Levante) eingeführt, Asphalt, Datteln oder Kosmetika (Balsam) ausgeführt. Zentrum dieses weltumspannenden Handels war Rom, das daher vom Schreiber der Johannes-Apokalypse als Sinnbild verkommener Ausbeutung angeklagt wird (Offb 18,11-13). In Palästina selbst wurden Kalkstein, Basalt und Ton lokal verarbeitet. Holz war selten (Palmholz und -blätter spielten zur Herstellung von Haushaltswaren eine Rolle sowie als Baumaterial). Wein, Früchte, Getreide und Oliven konnten im Land gewonnen und konsumiert werden. Buchholz, Hans-Günther, Der Werkstoff Holz und seine Nutzung im ostmediterranen Altertum, Weilheim / Oberbayern 2004. Nenna, M.-D. (Hg.), La route de verre. Ateliers primaires et secondaires du second millénaire av. J.-C. au Moyen Âge, Travaux de la Maison de l’Orient Méditerranéen 33, Paris 2000. Weisgerber, Gerd, The mineral wealth of ancient Arabia and its use I: Copper mining and smelting at Feinan and Timna – comparision and evaluation of techniques, production, and strategies, Arabian Archaeology and Epigraphy 17 (2006), 1-30. Zangenberg, Jürgen, Das Tote Meer in neutestamentlicher Zeit, in: Ulrich Hübner u. a. (Hg.), Nach Petra und ins Königreich der Nabatäer. Festschrift für M. Lindner, BBB 118, Bodenheim 1998, 49-59.

Ulrich Hübner / Jürgen Zangenberg

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Saat / Ernte

Saat / Ernte Landwirtschaftliche Aspekte bringen die Lebensgrundlage der Menschen in Palästina im eigentlichen wie im übertragenen Sinne zur Sprache. So umfassen Saat und Ernte eine ganze Reihe von Tatbeständen, die biblisch eine große Rolle spielen und für die aus »vortechnischer« Zeit reichlich Vergleichsmaterial aus der palästinischen Volkskunde vorliegt, Beobachtungen, die besonders im Monumentalwerk von Gustaf Dalman, »Arbeit und Sitte in Palästina« (AuS) gesammelt sind. Es geht hier in erster Linie um Anbau und Verarbeitung von Getreide und Obst, aber auch Weinbau und Ölgewinnung fallen unter diese Stichworte. 1. Saat Im heutigen Palästina sind Winter- und Sommersaat üblich, jeweils nach dem Früh- und dem Spätregen (Jak 5,7). Dabei ist allerdings in der Bibel eine Sommersaat nicht genannt, aber doch in geringerem Maß zu vermuten. Die Wintersaat (vor allem Weizen, Gerste, Hirse; ferner Kümmel, Koriander und andere Gewürze) wurde zwischen November und Dezember vorgenommen. Das als Ackerland geeignete Feld musste für die Saat vorbereitet werden. Dabei ergibt sich zwischen der vorigen Ernte und der Neubearbeitung eine Brache von ca. vier bis fünf Monaten, bei einem Wechsel der Felder eine von einem Jahre und mehreren Monaten. Eine nicht wirtschaftlich, sondern religiös bedingte Brache als Sabbat für das Land bedeutete es, wenn nach Ex 23, 10 und Lev 25, 2 ff. im Sabbatjahr eine generelle Brache durchgeführt wurde. Nach Lev 25, 8 ff. ist eine solche in jedem 50. Jahr gefordert worden (Halljahr). Ein Zeugnis für ihre Durchführung liegt allerdings erst in 1 Makk 6, 53 vor. Ob das Halljahr weiterhin eingehalten worden ist, bleibt fraglich. Als Vorbereitung für die Bestellung der Äcker kam eine Düngung in Frage. Eine erste Möglichkeit bestand darin, dass Schafe und Ziegen auf die abgeernteten Felder getrieben wurden, wohl in Gen 37,12.17 vorausgesetzt (Josefs Brüder mit

Pflügen und Säen. Mosaik aus Saint Romain-en-Gal, 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.

den Kleinviehherden bei Dotan), wobei der Kot als Düngung diente. Das Verbrennen von Dornen und Stoppeln konnte ebenfalls Düngung bedeuten. Düngung ist wichtig (Lk 13, 8), ausführlich aber erst in der Mischna belegt (AuS II, 142-146). Mischsaat war nach Lev 19, 19; Dtn 22, 9 untersagt. Weiter diente zur Vorbereitung auch das Pflügen (eigentlich die Arbeit der Knechte und Lohnarbeiter; 3 Landwirtschaftliche Geräte), wobei es teilweise erst unmittelbar nach dem Säen erfolgte (vorausgesetzt im Gleichnis vom Sämann Mk 4, 3 ff. par). Ein Übergang vom Grabholz zum Holzpflug und schließlich zu einem Gerät mit Metallpflug ist nicht genau feststellbar. Wirklich funktional war erst die Pflugschar aus Bronze (in Palästina / Israel seit der Mittleren Bronzezeit IIA). Noch geeigneter war Eisen (Funde z. B. aus Tell el-Ful / Gibea (Eisenzeit I bzw. Eisenzeit IIA). Die Pflugschar (15-35 cm) besteht aus einem vorne zugespitzten Blatt und einem Schaft, der das Lenkholz umschließt. Dieses wiederum war am Joch für das Tiergespann (sæmæd) befestigt ˙ (meist zwei Rinder, auch Esel denkbar; vgl. 1 Sam 11, 7 und bes. 1 Kön 19, 19; Jes 30, 24). Hebr. h¯arasˇ, ˙ pflügen, kann auch »vorbereiten« bedeuten, das übertragen in Gerichtsansagen vorkommt (Jer 26, 18 und Mi 3, 12). Gesät wird durch den Sämann in weitem Wurf von Hand (Mk 4, 26; Lk

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Saat / Ernte

8,5; Mt 13, 3 ff.); der auf den Pflug aufgesetzte Saattrichter stammt aus Babylonien und ist in Palästina / Israel erst in makkabäischer Zeit bekannt geworden. Im Einzelfall konnten bestimmte Pflanzensamen auch präzise in die Furchen gesteckt werden (Mk 4, 31: Senfkörner, Reihensaat). Wenn nach dem Säen gepflügt wurde, musste dies in zeitlich geringem Abstand erfolgen (Vogelfraß). Deswegen wurden die Felder abgeteilt (parzelliert), damit das an einem Tag Gesäte parzellenweise auch noch eingepflügt werden konnte. Den richtigen Zeitpunkt für die verschiedenen Arbeiten und die entsprechenden Methoden zu finden, ist in weisheitlichem Zusammenhang als Gottesgabe bzw. als Einverständnis mit der ewigen Ordnung (Jes 28, 26) verstanden worden und setzt auf Seiten des Menschen entsprechenden Fleiß (Spr 20, 4 und passim) sowie Kompetenz voraus (Lk 9, 62). Keimen und Entwicklung des Getreides wird genau beobachtet, denn vielfältig sind die Bedrohungen (Fäulnis, Dürre, Hitze, Hagel – Am 4, 7.9; Dtn 28, 22; Hag 2, 17). Unter den Schädlingen des wachsenden Getreides sind neben dem Unkraut (Mt 13, 25 ff.: Lolch) vor allem die Heuschrecken zu nennen (Dtn 28, 38; Joel 1 und 2 als Gerichtsakt; Am 7, 1 f.). Die noch nicht reife Ähre heißt 3a¯bib, die dem Monat Nisan den Namen »Ährenmonat« gab. 2. Getreidernte Das reife Getreide wurde – regional zu etwas unterschiedlichen Zeiten – geschnitten, zwischen Mitte April und Ende Mai, die Gerste zuerst und etwa zwei Wochen später der Weizen. Es folgen Weinlese und Olivenernte; Obst wird in den Zwischenzeiten geerntet. Wenn die Ernte reich ausfiel und schnell eingebracht werden musste, wurden zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt (Tagelöhner). Erntearbeit wurde nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen durchgeführt, wie die Erzählung von Rut zeigt. Zu erwähnen ist, dass ursprünglich das Mazzenfest das Fest der Gerstenernte war, das sieben Wochen spätere Wochenfest das Fest der Weizenernte (Dtn 16, 9), nunmehr systematisiert und je zu einem gemein-

samen Termin gefeiert. Erntezeit ist Freudenzeit (Jes 9; Jer 5, 24), die festlich begangen wird. Die Ähren wurden mit der Sichel (hebr. hær˙ me¯ˇs Dtn 16, 9 und maga¯l Jer 50,16) (Dtn 16, 9; 23, 6; Joel 4,13; Mk 4, 29; Offb 14, 14 ff.) hoch am Halm abgeschnitten. Die Sicheln bestanden bis an die Wende zur Spätbronzezeit aus Feuersteinstücken, die in ein gebogenes Holz eingelassen waren. Bronzesicheln sind vor allem in Syrien und Ugarit gefunden worden. Seit der Eisenzeit II sind Eisensicheln üblich. Das geschnittene Getreide wurde eingesammelt (Rut 2, 8.23 Mägde; Mt 13, 30) und gebunden. Für die Armen ließ man eine Ecke des Feldes stehen (hebr. pe3a¯h), die auch Nachlese halten durften (Lev 19, 9 f.). Mit einem Wagen (Am 2, 13) oder auch von Hand wurden dann die Garben auf die Tenne gebracht. Dort hat man sie mit Stöcken bearbeitet, Tiere traten sie aus (1 Kor 9, 9), oder man bearbeitete sie mit dem Dreschschlitten. Letzterer bestand nach heute noch auffindbaren palästinischen Analogien aus vorne gewölbten Brettern, deren Unterseite mit Feuerstein oder Eisenmessern »beschlagen« war. Die vorgespannten Zugtiere (z. B. Rinder) zogen den Schlitten im Kreis über die Tenne (vgl. Jes 28, 27; als Gerichtsinstrument gedeutet Jes 41, 15). Anschließend wurde meist im Westwind das Dreschgut mit hölzernen, mehrzinkigen Gabeln geworfelt (Mt 3, 12; Lk 3, 17). Die Tenne ist ein flacher, ebener Platz knapp außerhalb der Siedlung, hebr. go¯ren, in der Bibel vielfach erwähnt (z. B. Dtn 16, 13) und heute noch bei manchen palästinischen Dörfern zu finden. Die Tenne kann die Funktion eines heiligen Platzes wahrnehmen (Gen 50,10 als Ort einer Klagefeier für Jakob, Goren-Atad, aber auch Eigenname). Als Ort des Tempels bzw. für den Tempelbau war die Tenne des Arauna bedeutsam, die nach 2 Sam 24, 16-25 durch den Propheten Gad als Ort des Altarbaus bestimmt worden ist. Als Ortsname begegnet Migron, »Dreschplatz«. Eine gute Ernte ist Anlass zu einem Freudenfest. Zur Vorratshaltung und Einspeicherung, zum Mahlen und zur weiteren Verarbeitung siehe 3 Nahrungszubereitung und 3 Brot.

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Saat / Ernte

durch erhöhten Druck und eventuelle Erhitzung ein zweites oder gar ein drittes Mal ausgepresst werden. Das Öl wurde in Tonkrügen gelagert. Ein großer Ölbaum liefert ca. 25 l Öl. Nach der Kelterung konnte das Öl zusätzlich gereinigt werden (so die Deutung von ˇsæmæn ra¯has der ˙˙ Ostraka von Samaria). Da die Ölbäume nur alle zwei Jahre ergiebig tragen, ist eine entsprechende Anlage der Ölpflanzungen notwendig, die einen jährlich ausreichenden Ertrag sichert. Angesichts des langsam wachsenden Ölbaumes hatte ein Abholzen der Ölpflanzungen im Kriegsfall verheerende Folgen und war deswegen in Israel verboten (Dtn 20, 19).

Olivenernte. Spätantikes Mosaik, Tunesien

3. Olivenernte Weiter spielen der Anbau von Ölbäumen (3 Kulturpflanzen; 3 Öl / Salbe) – Veredelungsverfahren bei Ölbäumen sind Röm 11, 17.24 vorausgesetzt – und die Verarbeitung der Oliven eine wichtige Rolle. Die reifen Oliven werden mit Stöcken abgeschlagen oder geschüttelt und dann in Körben gesammelt (Dtn 24, 20; Jes 17, 6; 24, 13). Die geernteten Oliven müssen zuerst zerquetscht und entsteint werden. Vielfach finden sich Ölquetschen in der Nähe der Olivengärten, oft in den Fels gehauene Vertiefungen als Mörser. Olivenmühlen mit großem, senkrecht laufendem Oberstein begegnen in Palästina seit römischer Zeit. Erst in einem zweiten Schritt werden die Früchte ausgepresst. In älterer Zeit werden die zerquetschten Beeren in ein Tuch gefüllt und ausgewrungen. Beim Quetschen dürfen die Steine nicht zerklopft werden, weil sonst das Öl bitter wird. Stärker technisiert wurden Ölpressen mit schweren Balken gebaut und mit Gewichten beschwert. Die Kenntnis des Schraubengewindes seit römischer Zeit bedeutete eine entscheidende Verbesserung. Da die Olivenernte erst zwei Monate nach der Weinlese erfolgte, konnten Weinpressen auch für die Oliven verwendet werden. Das beim ersten Pressvorgang gewonnene Öl hatte die beste Qualität. Der Ölkuchen konnte

4. Metaphorik Die Tätigkeiten von »säen und ernten« nehmen bereits im Alten Testament übertragene Bedeutung an – wahrscheinlich durch weisheitliche oder sprichwortartige Verwendung veranlasst – und entwickeln sich immer stärker zu metonymischen Bildern für Lebensphänomene (Nachkommenschaft; Wirkungen menschlichen Handelns Gal 6, 8; 2 Kor 9, 6; Entsprechung zwischen Saat und Ernte mit ethisch-psychologischer Konnotation). Jesus verwendet häufig Vorgänge aus der Landwirtschaft, darunter die des Säens und Erntens, in seinen Gleichnissen. Die Vorgänge in der Natur selbst ebenso wie die Arbeit der Männer und Frauen in der Landwirtschaft treten dadurch in Beziehung zum Kommen des Gottesreiches. In der neutestamentlichen Literatur werden Bilder von Saat und Ernte ausgeprägt mit theologischen Zielrichtungen verwendet: Mission ist das Einholen einer Ernte (Mt 9, 37 f. par; 25, 24 par; Joh 4, 36 f.; 1 Kor 9, 11); die Taufe gilt als Neugeburt aus unvergänglichem Samen (1 Petr 1, 23); Paulus kleidet seine Gedanken über Tod und Auferstehung in das Bild des Säens, dem allerdings nicht die Ernte, sondern die Auferweckung gegenübergestellt wird (1 Kor 15, 39-44); Gericht und Heil werden als Ernte beschrieben, wobei neben den heilvollen Aspekt des Einbringens der gewaltsame des Abschneidens tritt (Offb 14, 15 f.; Mt 3,12; 13, 30.39; Mk 4, 29). Im eschatologischen Diskurs präzisiert die Metonymie Unmittelbar-

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keit, Dringlichkeit und Notwendigkeit des Gerichts. Rückgriff auf bildhafte Zusammenhänge (z. B. die Arbeit mit Sichel, Worfschaufel, Kelter) präzisieren die theologischen Ausführungen. In die Entfaltung der religiösen Gedankenwelt mischen sich soziologische Implikationen ein. Die so genannte Vergeblichkeitsformel im Alten Testament – man wird säen und nicht ernten usw. – (Dtn 28, 38-40; Jes 5, 9 f.; Am 5, 11 u. ö.) setzt freie Bauern voraus. Auch der AmosSchluss mit den Bildern gesegneter Saat und Ernte geht von freien bäuerlichen Familien aus. Jesus setzt in den Gleichnissen dagegen oft Produktionsverhältnisse voraus, in denen die Arbeitenden nicht frei, sondern abhängig sind. Nach Jak 5, 1-6 schafft Gott Gerechtigkeit denen, die um ihren Arbeitslohn betrogen wurden. Die Verweise auf Großgrundbesitz, Pachtwesen, Lohnsystem, Stadt-Land-Gefälle, Preisverfall u. a. bewirken nicht selten Verfremdungen, die zu Erkenntnis führen wollen (Mt 20, 1-16). Derartige Verhältnisse in den Texten setzen ein kulturelles Gedächtnis voraus, das in der Moderne erst mit Hilfe von hermeneutischer Reflexion erarbeitet werden muss. Dalman, Gustaf, AuS Bd. 2: Der Ackerbau, 1932; Bd. 3, Von der Ernte zum Mehl; Bd. 4, 1935, Brot, Öl und Wein. Gemünden, Petra von, Vegetationsmetaphorik im NT und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Fribourg / Göttingen 1993. Jeremias, Joachim, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 7 1965. Ders., Palästinakundliches zum Gleichnis vom Säemann, NTS 13 (1966/67), 48-53. Kellermann, Diether, Art. Öl und Ölbereitung, BRL, 2 1977, Sp. 238-241. Krauss, Samuel, Talmudische Archäologie II, (Leipzig 1910) Hildesheim 1966. Sonnen, Johann, Landwirtschaftliches vom See Genezareth, Biblica 8 (1927), 65-87; 188-208; 320-337.

Ulrich Schoenborn / Peter Welten

Sabbat In der biblischen Präsentation des Sabbats ist das Gebot erst der dritte Schritt. Am Beginn steht die Ruhe Gottes selbst am siebten Tag und die Heiligung dieses Tages (Gen 2, 2 f.). Erzählerisch wird dabei sichtbar, dass der Sabbat anders als alle anderen Feste nicht der Herrschaft der Gestirne (1,14 ff.) untersteht. In Ex 16 entdeckt Israel sodann auf dem Wüstenzug den Rhythmus der 7-Tage-Woche als das der Versorgung durch Gott zugrunde liegende Muster: Arbeit am Sabbat erbringt nichts. Am Sinai schließlich wird Israel der Sabbat geboten, zuerst im Dekalog (Ex 20, 811; Dtn 5,12-15) und dann in weiteren Geboten (Ex 31, 12-17 u. a.). Darüber hinaus gibt es in der Tora Regeln zu Opfern im Heiligtum (Num 28, 9 f.), zur Verbindung mit den Festen und zur rechtlichen Sanktionierung des Sabbatbruchs (Num 15, 32-36). Alle anderen biblischen Erwähnungen beziehen sich – besonders in den dargestellten Sabbatkonflikten – auf diese Basis in der Tora. a) Entstehung und Alter. Die Diskussion um die Entstehung des Sabbats ist durch die Tatsache geprägt, dass in einer Reihe von vorexilischen Texten dezidiert von »Neumond und Sabbat« als einem festen Paar von Festtagen die Rede ist (Am 8, 5; Hos 2, 13; Jes 1, 13; 2 Kön 4, 23). Liegt es nicht nahe, dass Sabbat hier als Gegenüber zum Neumond den Vollmondstag bezeichnet? Dafür gäbe es dann Entsprechungen nicht nur im babylonischen Vollmondstag, der auch noch einen vergleichbaren Namen hat (sˇab / pattu), sondern auch in den für Kanaan belegten Festtagen im Mondrhythmus. Dass dieser Tag in Hos 2,13 eher den »Tagen der Baalen« zugerechnet wird, könnte eine solche These unterstützen. Sicher ist diese Deutung aber nicht, denn die gleiche Formel wird auch später gebraucht (Jes 66, 23), wo unbestreitbar bereits der biblische Sabbat im Blick ist. Dessen Name leitet sich zudem einfacher vom immer wieder in seinem Zusammenhang gebrauchten hebräischen Verb ˇs¯abat / aufhören; ablassen her. Vor allem aber gibt es eine Reihe von ebenfalls vorexilischen Texten, die von einer Ar-

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Sabbat

beitsruhe im Abstand von 7 Tagen ohne jeden Bezug auf den Mondrhythmus reden (Ex 23, 12; 34, 21). Dabei ist einfach vom »siebten Tag« die Rede, ohne dass das Nomen »Sabbat« gebraucht wird. Manche rechnen deshalb mit einem doppelten Ansatz und mit einer irgendwann ab dem Exil erfolgten Zusammenführung. Zwingend ist das nicht und es würde auch nicht das Spezifische des biblischen Sabbats erklären. Denn vom religiösen Gehalt eines eventuellen, dem Kanaanäischen nahe stehenden Vollmondfestes ist in den biblischen Texten kaum etwas zu spüren (anders Hartenstein). b) Das Spezifikum, das den Sabbat von allen anderen bekannten Festtagen unterscheidet, ist die Kombination einer mondphasenunabhängigen 7-Tagesstruktur mit einer Unterbrechung der Arbeit an jedem siebten Tag. Alles Kultische, wie bestimmte Opfer, Gottesdienste etc. ist demgegenüber deutlich und auf Dauer zweitrangig. Der wahrscheinlich älteste Text in Ex 34, 21 spricht von einem Aufhören der bäuerlichen Arbeit ausgerechnet in den jahreszeitlich entscheidenden Phasen von Saat und Ernte, genauer von Pflügen und Mähen (weit vorausgreifend sei darauf verwiesen, dass die älteste staatlich-christliche Sonntagsgesetzgebung durch Kaiser Konstantin zwar Arbeitsruhe anordnet, aber ausgerechnet die bäuerliche Arbeit in wichtigen Phasen davon ausnimmt). Ökonomisch gesprochen wird damit ein Siebtel an möglichen Erträgen nicht realisiert. Beim damaligen Stand der vor allem bäuerlichen Wirtschaft ist das ein entscheidendes Signal: Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Surplus, dessen, was über die elementare Lebenssicherung hinaus erzeugt werden kann, wird in eine solche Ruhe investiert. Vor allem die Dekalogfassungen beziehen nicht nur die ganzen Familie ein, sondern auch Sklaven und Sklavinnen sowie die Fremden, ja selbst die Tiere (Ex 20, 10). In den großen Sabbatkonflikten der exilisch-nachexilischen Zeit steht die Ausweitung des Sabbats aus dem bäuerlichen Bereich auf den städtischen Distributionssektor zur Debatte, auf Handel und Gewerbe gerade auch mit Nichtisraeliten (besonders Jer 17, 19 ff.; Neh

13, 15 ff.). Die jüdische Sabbathalacha entfaltet vor allem im Detail, was mit »Arbeit / Werk«, das nicht getan werden soll, gemeint ist. Für diese nachbiblische Geschichte ist entscheidend, dass sich in den Kämpfen der Makkabäerzeit Fromme samt ihren Familien zunächst eher töten ließen, als den Sabbat zu brechen (1 Makk 2, 32-38). Diese Praxis wurde dann geändert (ebd. 2, 39 ff.). Der Grundsatz »Lebensgefahr verdrängt den Sabbat« (mJoma 8, 6 u. v. a.) hat hier seinen Ausgangspunkt. Der Sabbat ist in nachbiblischer Zeit vor allem ein häusliches Fest. Insbesondere die Havdala, die Trennung von Heiligem und Profanem am Ende das Sabbattags zeigt, dass es um das Heilige im Alltag geht. Theologisch wird seine Bedeutung im Sabbatpsalm 92 und zahlreichen Sabbathymnen in Qumran reflektiert. Aber der Sabbat wird natürlich auch im Tempel begangen. Er ist durch die Ruhe Gottes mit dem Thema Schöpfung und den Schöpfungsrhythmen verknüpft. Zusammen mit den größeren Rhythmen von 3 Sabbat- und 3 Jobeljahr sowie anderen Siebenerrhythmen wie den 70 Jahren des Exils (Jer 25, 11 f.; Dan 9) ergeben sich verschiedene Ansätze zu einer Sabbatstruktur von Geschichte und Welt. Nicht zuletzt ist der Sabbat auf verschiedene Weise mit dem erwarteten Eschaton verbunden worden. Er kann wie in Jes 58, 13 f. zum Vorschein des kommenden Heils werden, kann die Abläufe auch noch in dieser Zukunft bestimmen (Jes 66, 23) oder aber einfach zum Symbol für die kommende himmlische Ruhe werden. c) Sabbat in Christentum und Neuem Testament. Die das spätere Christentum prägende Verschiebung des wöchentlichen Ruhetags vom Sabbat auf den ersten Tag der Woche, den Sonntag, den ersten Tag der Schöpfung und der Auferstehung Jesu, wie sie endgültig durch die staatliche Gesetzgebung ab Konstantin erfolgte (und der dann der Islam durch die Verschiebung auf den Freitag folgte), übernimmt, trotz der religiösen Trennung, die damit festgeschrieben wird, den biblischen Grundrhythmus, der sich anthropologisch bewährt hat (und der sich auch durch verschiedene Versuche, etwa einen 10-Tages-

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Rhythmus an die Stelle zu setzen, nicht ablösen ließ). Aber diese Kontinuität wurde in der Kirchengeschichte nicht selten mit einer Disqualifikation des jüdischen Sabbats verbunden. Doch das Neue Testament sieht den Sabbat durchgängig positiv und von grundsätzlicher Kritik oder Überwindung ist nirgends die Rede. Die Evangelien, die ja immer auch für die Gemeinden ihrer Zeit und deren Praxis sprechen, setzen nicht nur in der Passionsgeschichte die jüdische Woche selbstverständlich voraus. Lukas lässt Jesus (Lk 4, 31 ff.) wie Paulus (Apg 13,14 ff.) im Rahmen eines Sabbatgottesdienstes ihre öffentliche Verkündigung beginnen. Gerade auch die Sabbatkonflikte der Evangelien gehen durchgehend vom Sabbat als dem unbestrittenen göttlichen Gebot der Tora aus. Gestritten wird um Einzelfragen von Interpretation und Praktizierung, die inhaltlich wie methodisch im Rahmen dessen bleiben, was über Sabbatdispute im zeitgenössischen und rabbinischen Judentum bekannt ist. Nicht zuletzt die Tatsache, dass diese Texte nahezu alle ausdrücklich mit Verweisen auf das Alte Testament als Schrift argumentieren, zeigt, dass es um innerjüdische Fragen geht. Während Matthäus und Lukas wie auch sonst die grundsätzliche Geltung der Tora gerade auch an diesem Thema demonstrieren, werden einige Formulierungen bei Markus in der Forschung nicht selten torakritisch interpretiert. Doch wird in Mk 2, 23 ff. der Verweis auf den aktuellen Hunger der Jüngerschaft ausdrücklich biblisch begründet (V. 25 f.). Der nachfolgende Grundsatz, dass der Sabbat für die Menschen da ist, findet sich auch im Rabbinischen: »Euch wurde der Sabbat übergeben und nicht ihr wurdet dem Sabbat übergeben« (Mech zu Ex 31, 12.14; bJoma 85b). Er wird in Mk 2 durch den dialektischen Hinweis theologisch unterstrichen, dass sich eben dieser Vorrang des Menschlichen darin zeigt, dass die himmlische Menschengestalt von Dan 7 als Repräsentant des Reiches Gottes (so wie die Menschen überhaupt) Herr über den Sabbat ist. Bei Paulus wird wie in den Deuteropaulinen der Sabbat als solcher gar nicht erwähnt. Das zeigt, dass die mit ihm verbundenen Fragen nicht

zu den wichtigen Konflikten in dieser sonst so konfliktreichen Zeit gehörten. Die wenigen möglichen Anspielungen bleiben unsicher. In Gal 4,10 hat Paulus offenkundig nicht den jüdischen Sabbat (oder andere jüdische Feste) vor Augen, sondern, wie der Kontext zeigt, nichtjüdische Kulte und ihre besonderen Tage. Und in 1 Kor 16, 1 f. wird zwar der erste Tag der Woche, an dem auch nach Apg 20, 7 die Gemeinde zum Abendmahl zusammenkommt, zur Sammlung der Kollekte bestimmt. Dabei ist aber eben der Wochenrhythmus vorausgesetzt. Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass der erste Wochentag nach jüdischer Sitte am Abend nach dem Sabbat beginnt. In Röm 14, 5 f. werden wie in der Frage der Speiseregeln mehrere Lebensmöglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander gesetzt und höchstes Gewicht auf die gegenseitige Respektierung gelegt; an dieser hängt nach V. 20 das Heil. Zu beachten ist dabei auch, ob und wie weit die für jüdische Menschen geltende römische Anerkennung derartiger Besonderheiten auch für die neu hinzu kommenden Gläubigen aus den Völkern gegolten haben. Können etwa Versklavte und andere Menschen der Unterschicht (1 Kor 1) den Sabbat überhaupt halten? Und was hängt daran? Im Ganzen zeigt sich, dass für das Urchristentum der wöchentliche Ruhetag und die so strukturierte Woche Voraussetzung bleibt und es offenkundig keine größeren Konflikte und schon gar keine von theologischer Grundsätzlichkeit gibt. Stimmen, die den Sabbat kritisieren und von Christen eine grundsätzliche Distanz zu ihm als jüdischer Institution fordern, gibt es zuerst im 2. Jh. mit Marcion an der Spitze (Rordorf 20), aber auch bei Ignatius (ebd. 78) u. a. – stets im Zusammenhang mit einer antijüdischen Tendenz. Wie wenig daraus aber auf eine grundsätzliche Lösung vom Sabbat geschlossen werden kann, zeigt eindeutig der Befund im 3. Jh. Hier werden vielfach christliche Gottesdienste am Sabbat gehalten und der Tag positiv gesehen (Apostolische Konstitutionen; Rordorf 58 u. v. a.). Gerade ein solches Neben- und Miteinander von Sabbat und Sonntag könnte für eine biblische Theologie wie für eine christliche Praxis in der

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Sabbatjahr

Gegenwart eine Herausforderung sein. Erst die staatliche Gesetzgebung ab Konstantin (zuerst 321 n. Chr.; Rordorf 113) macht den Sonntag zur staatlich geschützten Einrichtung, erst von da an kann von einer Ablösung im christlichen Selbstverständnis und von einem Nebeneinander von jüdischem Sabbat und christlichem Sonntag die Rede sein. d) Theo-Logie. Beim Sabbat ist wie bei kaum einer anderen Institution die Identität von Religiösem und Sozialem unübersehbar gegeben. Als symbolische Realisierung der Befreiung durch den Exodus wie der Vorausnahme der kommenden Freiheit gehört er konstitutiv zur Identität des Gottesvolkes. Zudem sollte seine Bedeutung für den biblischen Gottesbegriff nicht unterschätzt werden. Dass Gott selbst von der Arbeit ruht, hält wie kein anderer der sog. Anthropomorphismen zeichenhaft die Differenz zu jedem philosophischen Gottesbegriff fest. Gerade der übliche Begriff göttlicher Allmacht wird so überwunden. Die Identität von Religiösem und Sozialem ist auf diese Weise zentral in der Gottesvorstellung selbst angesiedelt. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes (1992), Sonderausgabe = Gütersloh 3 2005. Doering, Lutz, Schabbat: Sabbathalacha und -praxis im antiken Judentum und Urchristentum, TSAJ 78, Tübingen 1999. Hartenstein, Friedhelm, Der Sabbat als Zeichen und heilige Zeit. Zur Theologie des Ruhetags im Alten Testament, JBTh 18 (2003), 103-131. Heschel, Abraham J., Der Sabbat. Seine Bedeutung für den heutigen Menschen, Neukirchen-Vluyn 1990. Kessler, Rainer, Das Sabbatgebot. Historische Entwicklung, kanonische Bedeutung und aktuelle Aspekte, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 85-102. Mayer-Haas, Andrea J., »Geschenk aus Gottes Schatzkammer« (bSchab 10b). Jesus und der Sabbat im Spiegel der neutestamentlichen Schriften, NTA NF 43, Münster 2003. Robinson, Gnana, The Origin and Development of the Old Testament Sabbath. A Comprehensive Exegetical Approach, BET 21, Frankfurt / New York 1988. Rordorf, Willy, Sabbat und Sonntag in der Alten Kirche, TC 2, Zürich 1972. Schaller, Berndt, Jesus und der Sabbat, FDV 3, Münster 1994.

Schottroff, Luise / Stegemann, Wolfgang, Der Sabbat ist um des Menschen willen da. Auslegung von Markus 2, 23-28, in: Willy Schottroff / Wolfgang Stegemann (Hg.), Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Auslegungen – Neues Testament. München / Gelnhausen 1979, 58-70.

Frank Crüsemann / Marlene Crüsemann

Sabbatjahr a) Handlungsanweisungen für das Sabbatjahr finden sich in drei Passagen der Tora; sie spiegeln vermutlich ein Stück weit die Geschichte der Institution. Im Bundesbuch (wahrscheinlich 8. Jh. v. Chr.) soll nach Ex 23, 10 f. im siebten Jahr nicht wie sonst gesät und geerntet werden. Man soll es »loslassen, freigeben« (sˇ¯amat; na¯tasˇ). Was von ˙ ˙ selbst wächst, ist für die Armen bzw. die Tiere. Könnte soweit noch analog zur Freilassung der in 3 Sklaverei Lebenden (21, 1 ff.) an eine individuelle Brache einzelner Teile des Landbesitzes gedacht sein, spricht die Einbeziehung von Weinbergen und Ölbaumpflanzungen eher für einen kollektiven Vorgang. Parallel zum 3 Sabbat (23,12) geht es beim Sabbatjahr um den Verzicht auf einen beträchtlichen Teil möglicher Erträge. Nach Dtn 15, 1 ff. (wohl im 7./6. Jh.) soll alle sieben Jahre eine »Loslassung« (sˇemit¯at) ausgerufen ˙ werden. Gemeint ist ein Schuldenerlass. Von Brache ist nicht die Rede, so dass an die Stelle des Verzichts auf die Ernte im siebten Jahr ein Verzicht auf alle Außenstände treten soll. Betroffen ist allein das wirtschaftliche Inland (mit »Ausländern« sind nicht die in Israel lebenden 3 Fremden gemeint). Dieses Gesetz ist Teil eines ganzen Systems von deuteronomischen Wirtschafts- und Sozialgesetzen, die eine Art soziales Netz bilden. Gemeinsam mit dem Zinsverbot soll in den für den sozialen Abstieg so entscheidenden Vorgang der Verschuldung (3 Schulden) und deren Folgen regelnd eingegriffen werden. Sind im alten Orient unregelmäßige Entschuldungen durch königliche Dekrete belegt, so erhalten sie hier eine berechenbare und regelmäßige Gestalt. Ein-

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Sabbatjahr

dringliche religiöse Mahnungen sprechen die Frage an, wer dann überhaupt noch an Bedürftige leiht. In Lev 25 und damit im priesterlichen Bereich (wahrscheinlich 6./5. Jh.) ist für das siebte Jahr, das hier zuerst »Sabbatjahr« heißt (sˇenat ˇsabba¯ton V. 5), wiederum allein eine agrarische Brache vorgesehen (V. 3-7). Alle sozialen Impulse sind dagegen auf das 3 Jobeljahr (V. 8 ff.) verschoben. b) Dass diese wohl nacheinander entstandenen Gesetze als Teil der kanonisierten Tora zusammengelesen und addiert wurden, ist zuerst in Neh 10, 32 belegt. Zur Selbstverpflichtung, wichtige Toragebote zu praktizieren, gehört es, das siebte Jahr »loszulassen« und auf alle Außenstände zu verzichten. Für die Zeit davor gibt es keine eindeutigen Belege für eine Realisierung. Gar hinter das Bundesbuch in die Frühzeit zurückzugehen, ist reine Spekulation. In der prophetischen Sozialkritik kommt es nicht vor und weder bei der Sklavenfreilassung von Jer 34 noch bei dem Schuldenerlass von Neh 5 wird auf derartige Rhythmen verwiesen. Dazu kommt, dass eine Reihe von priesterlichen Belegen davon spricht, dass das Exil kam, weil das Land seine Sabbatjahre nicht bekommen hat (Lev 26, 34.43; 2 Chr 36, 21). Dagegen findet sich eine dünne, aber eindeutige Spur von Belegen für eine Praktizierung für die Zeit des Zweiten Tempels von Alexander dem Großen (Flav. Jos. Ant. XI,313-47) bis zum Bar Kochba Aufstand (P.Mur 24). In einem Sabbatjahr gab es etwa Probleme bei der Belagerung von Städten (1 Makk 6, 49.53; Flav. Jos. Ant. XIII,234) und bei der Zahlung von Steuern. Eine weitgehend stimmige Folge von Sabbatjahren ist rekonstruierbar (Wacholder 1973). Nicht zuletzt der von Hillel (60 v.-20 n. Chr.) erlassene so genannte Prosbol spricht für Probleme, die durch die Praktizierung entstanden. Als er in der wirtschaftlichen Not der Römerzeit sah, »dass das Volk sich weigerte, einander ein Darlehen zu gewähren«, ermöglichte er einen vorgängigen, vor Gericht zu erklärenden Verzicht des Schuldners auf den in der Tora gebotenen Verfall der Schuld (mShab 10,2-4). Die Anwendung dieser Regelung ist belegt (P.Mur 18). Mit dem weitgehenden

Ende jüdischen Landbesitzes im Land Israel wurde wohl auch das Sabbatjahr nicht mehr praktiziert. c) Die mit dem Sabbatjahr (wie dem 3 Jobeljahr) verbundene Befreiungsthematik eröffnet (mindestens ansatzweise) messianische Perspektiven (Wacholder 1976). Im Neuen Testament finden sich dafür aber nur Andeutungen. Am deutlichsten ist, dass Lukas Jesus bei seinem ersten Auftritt in Nazaret Jes 61, 1 f. auslegen lässt (Lk 4,18 f.), mit deutlichen Bezügen zu den Geboten von Lev 25 und Dtn 15. Und dann durchzieht das Thema des Erlassens von Schulden das ganze Evangelium (6, 30.34; 11, 4; 16, 6 ff.). Für die Jesusbewegung von größerem Gewicht ist die Vaterunser-Bitte (Mt 6, 12; Lk 11, 4), die das Erlassen von Schuld wie auch Schulden von jeder Zeitschiene löst und an die erbetene Vergebung durch Gott bindet. d) Das Sabbatjahr ist – anders als der 3 Sabbat – mit der biblischen Zeit erloschen, nicht aber die mit ihm verbundenen Hoffnungen und Anstöße. Größere Unterbrechungen der Lebensarbeit (sabbatical) und die erwartbare Möglichkeit eines Neuanfangs aus Schuld, Schulden und Abhängigkeiten sind für eine von Freiheit bestimmte Gesellschaft (und Kirche) eine bleibende Herausforderung. Albertz, Rainer, Art. Sabbatjahr, NBL 2, 2001, 394 f. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes (1992), Sonderausgabe = Gütersloh 3 2005. Ders. / Crüsemann, Marlene, Das Jahr, das Gott gefällt, BiKi 55 (2000), 19-25. Kippenberg, Hans G., Religion und Klassenbildung im antiken Judäa. Eine religionssoziologische Studie zum Verhältnis von Tradition und gesellschaftlicher Entwicklung, StUNT 14, Göttingen 1978. Wacholder, Ben Zion, The Calendar of Sabbatical Cycles during the Second Temple and the Early Rabbinic Period (1973), in: ders., Essays on Jewish Chronology and Chronogaphy, New York 1976, 1-44. Ders., Chronomessianism. The Timing of Messianic Movements and the Calendar of Sabbatical Cycles, ebd., 240257.

Frank Crüsemann / Marlene Crüsemann

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Salbung

Salbe 3 Öl / Salbe

Salbung Salböl (3 Öl / Salbe) gehörte im alten Orient zu den elementaren Bedürfnissen des täglichen Lebens. So konkretisiert sich im 23. Psalm die Fürsorge Gottes in einem gedeckten Tisch, einem gefüllten Becher und dem mit Öl gesalbten Haupt. Auch wenn große Unterschiede in Veredlung und Preis des Öls vorausgesetzt werden müssen (z. B. Ex 30, 22; Mk 14, 3), war Salböl nicht nur Luxusartikel der Wohlhabenden, sondern in allen Schichten ein Teil des täglichen Bedarfs. Salbung gehörte zur täglichen 3 Körperpflege (2 Sam 12, 20; Rut 3, 3); sie wurde eingesetzt zur Heilbehandlung von Wunden (Jes 1, 6); Wohlbefinden und Freude wurden durch Salbung vermittelt (Koh 9, 8). Neben dieser Bedeutung der Salbung im Alltag lassen sich besondere Salbriten erkennen. Gegenstände wurden gesalbt, um sie für den gottesdienstlichen Gebrauch zu weihen (Gen 28, 18; 31,13; Ex 30, 26-28). Unter den Waffen wurde der Schild gesalbt, vermutlich um seine schützenden Kräfte zu stärken. Menschen wurden im Zusammenhang herausragender Beauftragungen gesalbt. Die Amtseinsetzung des Königs, des Hohepriesters (Ex 29, 7; Lev 4, 3.5) und auch die Einsetzung in den prophetischen Dienst (1 Kön 19,16; Jes 61, 1) wird mit dem Stichwort »salben« in Verbindung gebracht. Unter diesen ist die Königssalbung von besonderer Bedeutung, auf deren Hintergrund sich der Begriff des Messias bzw. Christus herausgebildet hat, der übersetzt »der Gesalbte« bedeutet (3 Messianismus). Ausgangspunkt dieser Tradition ist die Salbung des Königs durch das Volk. So wird David durch Salbung von den Familienoberhäuptern zuerst zum König über Juda (2 Sam 2, 4), später auch über Israel eingesetzt (2 Sam 5, 3). Diese Salbung ist ein Rechtsakt, der den Gesalbten zur Herrschaft im Auftrag der Volksvertretung ermächtigt. Eine entsprechende Zeremonie wird bei dem Herr-

schaftsantritt der Könige Judas in der Nachfolge Davids noch einige Male berichtet (1 Kön 1, 39; 2 Kön 11, 12; 23, 30). Auf dem Hintergrund dieser Sitte gewinnt eine andere Form, die Salbung als prophetische Zeichenhandlung, ihre Bedeutung, die nicht von Repräsentant/innen des Volkes, sondern allein von Gott initiiert wird (1 Sam 10,1; 16, 13; 2 Kön 9, 6). So wird im Falle Davids der Machtübermittlung durch das Volk eine Salbung im Auftrag Gottes durch den Propheten Samuel vorangestellt (1 Sam 16, 1). Das Königtum wird durch diese Beauftragung durch Gott in die Pflicht genommen, sich ganz dem Gerechtigkeitswillen Gottes zu unterstellen. Der König wird zum »Gesalbten Gottes«. Auch in neutestamentlicher Zeit gehört die Salbung zur täglichen 3 Körperpflege (Mt 6, 17), sie ist als Mittel der Krankenheilung bekannt (Mk 6, 13; Lk 10, 34; Jak 5,14 f.) und Bestandteil von Festen als Zeichen der Verehrung und Vermittlung von Wohlbefinden (Lk 7, 36-50). Die stärkende Wirkung von Salböl steht im Hinterrund der Salbungsgeschichte, mit der die Passionsberichte einsetzen (Mk 14, 3-9; Mt 26, 6-13). Jesus wird während einer Mahlzeit von einer namentlich nicht genannten Frau mit einem kostbaren Öl gesalbt. Jesus erkennt in dieser Tat eine Unterstützung, die ihn in Hinblick auf die vor ihm liegende Auseinandersetzung in Jerusalem stärkt und ihn bis in seinen Tod begleitet. In diesem Sinne deutet er die Tat der Frau: Sie hat seinen Leib im Voraus zum Begräbnis gesalbt (Mk 14, 8). Angesichts der anstehenden Konfrontation mit den Regierungskräften in Jerusalem gewinnt diese Salbung zugleich die Bedeutung einer prophetischen Zeichenhandlung, die Jesus zum öffentlichen Auftritt als König des jüdischen Volkes, der sich in seiner Passion vollzieht, ermächtigt (vgl. besonders 2 Kön 9, 6). Die Salbung Jesu ist ein wichtiger Schlüssel, um ihn in seiner Würde als Messias / Christus nicht zu isolieren, sondern als Teil einer ihn unterstützenden Gemeinschaft zu begreifen. Auch losgelöst vom realen Vollzug des Salbritus spielt die bildhafte Redeweise einer Salbung durch Gott in den neutestamentlichen Schriften sowohl bei

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Schatz / Bank

der Reflexion der Geschichte Jesu (Lk 4, 18; Apg 4, 27; 10, 38; Hebr 1, 9), als auch bei der Darstellung der christlichen Lebenspraxis (2 Kor 1, 21; 1 Joh 2, 20.27) eine Rolle, um Geist- und Machtübermittlung von Seiten Gottes in Worte zu fassen. Fander, Monika, Die Stellung der Frau im Markusevangelium unter besonderer Berücksichtigung kultur-und religionsgeschichtlicher Hintergründe, MTHA 8, Altenberge 1989 Karrer, Martin, Der Gesalbte. Die Grundlagen des Christustitels, FLANT 151, Göttingen 1991. Kutsch, Ernst, Salbung als Rechtsakt im Alten Testament und im alten Orient, BZAW 87, Berlin 1963. Schreiber, Stefan, Gesalbter und König. Titel und Konzeption der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und urchristlichen Schriften, BZNW 105, Berlin / New York 2000. Waschke, Ernst-Joachim, Der Gesalbte. Studien zur alttestamentlichen Theologie, BZAW 306, Berlin / New York 2001.

Klara Butting

Schande 3 Ehre / Schande

Schatz / Bank Seit menschliches Wirtschaften Überschüsse produziert und (luxuriöse) Gegenstände hergestellt werden, die über den täglichen Bedarf hinausgehen, kommt es zur Schatzbildung. Dabei dienen Schatzhäuser zur Aufbewahrung des Vermögens von Palästen und Tempeln. Tempel verwahren neben ihren Einkünften aus Verpachtungen etc. Weihegaben und Schenkungen. In der biblischen Darstellung der Geschichte der Königszeit spielen der Schatz des Palastes und der Schatz des Tempels, die immer getrennt aufgeführt werden, obwohl offenbar über beide der König die Verfügungsgewalt hat, eine durchgehende wichtige Rolle (1 Kön 14, 26 u. ö.). In der Perserzeit ist damit zu rechnen, dass der Zweite Tempel in Jerusalem eine fiskalische

Funktion im persischen Abgabensystem hat. In ihm werden die Abgaben gesammelt. In ihm befindet sich auch eine Einschmelzstelle, wo loses Silber und Gold in gut transportierbare Formen gebracht wird. In hellenistischer Zeit ist dann eindeutig die Rolle des Tempels als Bank belegt, insofern in ihm Einlagen sicher aufbewahrt werden können (2 Makk 3). Zugleich werden im Tempel Einlagen gemacht, die zugunsten von Witwen und Waisen im Sinn einer Armenkasse verwaltet und ausgegeben werden (Kessler). Der in 2 Makk 3, 9 ff. berichtete Griff des Heliodor nach dem Tempelschatz (zur Zeit Seleukos IV., 187-175 v. Chr.) stellt eine wirtschaftliche Gefahr für die Einleger dar. Gleiches gilt für die Aktion des römischen Prokurators Florus, der damit den Anlass für den Ausbruch des jüdischen Aufstandes gegen Rom liefert (66 n. Chr.). Der Schatz des Jerusalemer Tempels muss sehr umfangreich gewesen sein: Nach der Plünderung des Tempels durch die Römer (70 n. Chr.) sinkt der Goldpreis durch das Überangebot beträchtlich. Der Artemistempel in Ephesus gehört zu den wirtschaftlich stärksten paganen Tempeln. In Apg 19, 23 ff. gerät Paulus mit den Silberschmieden, die im Umfeld des Tempels ihr Geld verdienen, in Konflikt. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft und Vergrößerung der Zahl der wirtschaftlichen Akteure entstehen im griechischen Raum ab dem 5. Jh. von Tempeln unabhängige Banken, deren zentrale Aufgabe neben der Aufbewahrung von Geld der Münzwechsel und die Überprüfung von Münzen ist: Wegen des Fehlens einer einheitlichen Währung müssen zur Abwicklung von finanziellen Transaktionen Münzen in eine andere Währung umgetauscht werden. Dies ist die Aufgabe von Geldwechslern (trapezites, argentarius), die ihrer Aufgabe auf öffentlichen Plätzen in Städten nachgehen. Auch in Jerusalem sind Wechsler in die Bezahlung der Tempelsteuer involviert, die die verschiedenen Münzen in den wertstabilen tyrischen Halbschekel umtauschen. Bei den Wechselgeschäften muss der Wert der Münzen geprüft werden, was Aufgabe der Münzprüfer (lat. nummularii) ist.

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Schifffahrt

Die sichere Verwahrung von Geld ist gerade in unruhigen Zeiten ein großes Problem (vgl. Mt 6,19). Banken übernehmen diese Aufgabe. Solche Einlagen können verzinst werden (vgl. Lk 19, 23). Banken können vom deponierten Geld gegen Vorlage einer schriftlichen Berechtigung Geld an Dritte auszahlen. Kredite werden nicht unbedingt aus der Einlage von Kunden, sondern aus dem Besitz des Bankiers vergeben. Sie dienen häufig der Zwischenfinanzierung von Geschäften oder der Finanzierung von Handelsgeschäften (z. B. Seedarlehen). Im Bankwesen sind häufig Sklaven oder Freigelassene tätig. In den Augen der römischen Oberschicht wird Geldverleih, soweit er nicht der Unterstützung eines Standesgenossen dient, als eine unehrenhafte Tätigkeit angesehen (Cic. off. 1, 150). In hellenistischer Zeit bilden sich auch Staatsbanken heraus, die u. a. die Eintreibung und Deponierung von Steuern übernehmen. Wo Geld nicht bei einer Bank deponiert werden kann, verbergen viele ihr Geld. Dies belegen zahlreiche Hortfunde aus verschiedenen Krisenzeiten. Auch das Auffinden solcher Schätze ist ein weit verbreiteter Topos in der antiken Literatur (Mt 13, 44). In der synoptischen Tradition taucht das Motiv des Schätzesammelns auf: Menschen horteten in der Antike Vermögen, um sich von wirtschaftlichen Krisen unabhängig zu machen (Lk 12, 20). Ein solches Verhalten wird im Lukasevangelium als unsolidarisch bewertet: Menschen sorgen nur für ihre eigene Sicherheit und versagen so den Armen ihre Unterstützung. Vermögen wird so auf Kosten anderer aufgehäuft. Stattdessen wird ein Verkauf des Besitzes zugunsten der Armen gefordert (Lk 12, 33 f.). Dies wird als Schatz im Himmel verstanden. Eißfeldt, Otto, Eine Einschmelzstelle am Tempel zu Jerusalem, in: ders., Kleine Schriften II, Tübingen 1963, 107109. Kessler, Rainer, Armenfürsorge als Aufgabe der Gemeinde. Die Anfänge in Tempel und Synagoge, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 207-218. Schaper, Joachim, The Jerusalem Temple as an Instrument

of the Achaemenid Fiscal Administration, VT 45 (1995), 528-539. Ders., The Temple Treasury Committee in the Times of Nehemiah and Ezra, VT 47 (1998), 200-206. Schmitz, Winfried / Andreau, Jean, Art. Banken, II. Griechenland, III. Rom, DNP 2, 1997, 431-435. Stegemann, Wolfgang, Christliche Solidarität im Kontext antiker Wirtschaft; in: Rainer Kessler / Eva Loos (Hg.), Eigentum: Freiheit und Fluch. Ökonomische und biblische Einwürfe, Gütersloh 2000, 89-106. Themenheft: Gott und das Geld, WUB 47 (2008).

Carsten Jochum-Bortfeld / Rainer Kessler

Schifffahrt 1. Juda und Israel in vorhellenistischer Zeit Da Judäer und Israeliten in alttestamentlicher Zeit meist keinen eigenen Zugang zum Mittelmeer hatten und das Rote Meer weit entfernt lag, gehörten sie nicht zu den ausgewiesenen Seefahrerkulturen wie die der Phönizier und Ägypter, die schon seit Jahrhunderten (Hoch)Seeschifffahrt betrieben. Erst seit der Expansion des Hasmonäer-Staates bis an die Mittelmeerküste nahmen Juden in nennenswertem Umfang aktiv an der Seefahrt auf dem Mittelmeer teil (Weish 5, 10; 14, 1-7; 1 Makk 8, 26.28; 13, 29; 14, 5; 2 Makk 12, 3.6.9). Bis dahin waren Judäer und Israeliten in Bezug auf die maritime Schifffahrt auf die Unterstützung und nautischen Kenntnisse der Phönizier angewiesen (1 Kön 9, 26-28; 10,11.22 par in 2 Chr 8, 18; 9, 21), heuerten gelegentlich in deren Diensten als Matrosen an (Ri 5, 17) und reisten auf phönizischen u. a. Schiffen (Jona 1, 3). Die eigentlichen Schiffsbesatzungen bestanden aus Männern (1 Kön 9, 27; Ez 27, 8 f.27.29; Jona 1, 5 f.). Nur auf dem See Gennesaret und dem Toten Meer gab es eine eigene Binnenschifffahrt, die dem Handel und auf dem See auch dem Fischfang diente. Flussschifffahrt war in Palästina unbedeutend. Während größere Schiffe stets aus Holz gebaut waren, konnten kleinere Boote aus Papyrus

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Holztransport auf Schiffen vor der phönizischen Küste. Relief aus Chorsabad, Palast Sargons II. (721-705)

oder Schilf hergestellt sein (Jes 18, 2; Hi 9, 26). Immerhin waren Judäern und Israeliten gewisse nautische Kenntnisse zu eigen, wie die Beschreibung der fiktiven Arche (Gen 6,14-16), phönizischer Handelsschiffe (Ez 27) oder verschiedene Hinweise auf die Schiffe der Kittim (Num 24, 24; Dan 11, 30) und auf die Tarschisch-Schiffe zeigen, die Schiffe meinen, die Tarschisch (Jes 23, 1.6. 10.14; Jer 10, 9; Ez 27, 12.25; Jona 1, 3; 4, 2) und Ophir (1 Kön 10, 22; vgl. 2 Chr 9, 21; 1 Kön 22, 49 par 2 Chr 20, 36 f.) anliefen, oder aber allgemein hochseetüchtige Handelsschiffe (Jes 2, 16; 60, 9; Ps 48, 8; Spr 31,14; mit Rudern vgl. Jes 33, 21; Ez 27, 6). Flöße aus Baumstämmen konnten im Schlepptau von Seeschiffen hinter sich hergezogen werden (1 Kön 5, 23; 2 Chr 2, 15; vgl. Weish 14, 1-7; ANEP2 107). Bezeichnend im Sprachgebrauch des Alten Testaments sind die häufigen Entlehnungen nautischer Fachtermini aus dem Ägyptischen und Aramäischen. Wracks phönizischer bzw. griechischer Schiffe der späten Eisenzeit und der Achämenidenzeit vor der palästinischen Mittelmeerküste sind bisher v. a. aus Dor und Ma’agan Mikha’el, Darstellungen phönizischer Handelsund Kriegsschiffe unter anderem von phöni-

zischen Münzen und assyrischen Reliefs bekannt (ANEP2 106 f.356). 2. Griechisch-römische Antike In der griechisch-römischen Antike war das gesamte Mittelmeer mit einem Netz von Häfen umspannt. Neben den gut ausgebauten Fernstraßen waren die Schifffahrtsrouten nach dem Ende des römischen Bürgerkriegs das hauptsächliche infrastrukturelle Band, das die antike Mittelmeerwelt zusammenhielt. Häfen wurden nicht nur von den Kaisern ausgebaut (Portus bei Ostia löst seit Claudius langsam Puteoli ab), sondern auch von Klientelkönigen wie Herodes (Ascalon, Caesarea Maritima) oder Juba (Iol Caesarea). Sie dienten nicht nur als Umschlagplätze für Waren, sondern sicherten durch Zölle und Abgaben wichtige Einnahmen für regionale Herrscher und förderten den kulturellen Austausch. Vor allem der Transport von Massengütern (Getreide, Öl, Metalle) war per Schiff weitaus effektiver zu bewerkstelligen als über Land, aber auch Personen (Truppen, Handelsreisende, Touristen) legten weite Strecken übers Meer in viel kürzerer Zeit als über Land zurück (vgl. die Liste bei Plin. nat. 19, 3 f.).

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In Gebrauch waren Segler (Kapazität meist zwischen 50 und 200t), Ruderer oder Schiffe mit kombiniertem Antrieb. Da es keine speziellen Passagierschiffe gab, benutzten Reisende Kabinen auf Transportschiffen. Der Komfort war freilich nicht groß, auch drohten Seeräuber (vgl. schon Hdt. 1, 166; Luc. Nav.) und Verspätungen (Plin. epist. 10,15). Die bevorzugte Reisezeit über das Mittelmeer dauerte vom 27. Mai bis zum 14. September, während Frühjahr und Herbst wegen der oft stark wechselnden Stürme als gefährlich galten. Im Winter, zwischen dem 11. November und dem 10. März, waren die Meere wegen Unwetter, langer Nächte und Dunkelheit »geschlossen« (maria clauduntur), bevor man im Frühjahr mit großen Festen die Wiedergeburt des Schiffsverkehrs feiern konnte (natalis navigationis, Veg. mil. 4, 39). Die Navigation erfolgte durch die Beobachtung von Gestirnen, Wetter, Gezeiten und Strömung (Veg. mil. 4, 40-42; vgl. Jak 3, 4 Steuermann als Sinnbild). Die Entdeckung der Monsunwinde eröffnete bereits in ptolemäischer Zeit den Seeweg nach Indien über den Ozean und manche Kapitäne erreichten später sogar das chinesische Meer (Strab. geogr. 2, 5,12), um Seide, Gewürze (besonders den begehrten Pfeffer) und Massenwaren nach Westen zu bringen (Offb 18). Bald bildeten sich spezielle Routen heraus. In der Kaiserzeit kam der Verbindung Alexandria-Rom wegen des Getreidehandels die größte Bedeutung zu (»Alexandriner« Apg 27, 6; 28,11; Sen. ep. 77), oft erhielten Schiffseigner kaiserliche Privilegien für bestimmte Routen (Tac. ann. 13, 51, 2) und bildeten corporationes (Ostia!). Im Westen war der Transport von Zinn aus Irland und Britannien besonders lukrativ. Handbuchartige Reisebeschreibungen wie z. B. der Periplus Maris Erythraei (ed. L. Casson) für Kapitäne, die die Routen zwischen dem römischen Ägypten, Afrika, Südarabien und Indien befuhren, geben interessante Einblicke in nautische Fähigkeiten, geographische Kenntnisse und kulturelle Gegebenheiten antiken Schiffsverkehrs. Auch in der Antike überlieferte man von legendären Entdeckern allerlei Seemansgarn (vgl. Py-

theas von Massalia und das »sagenhafte Land von Thule«). Schiffbrüche gehörten fast sprichwörtlich zum maritimen Alltag, die antike Literatur (Jona; Hom. Od. 5, 282-423; Verg. Aen. 1, 36-135; Catullus 68; Sen. ep. 22, 12; 2 Kor 11, 25 f.; Apg 27, 27; Flav. Jos. Vit. 14-16; Iuv. 12; Luc. nav. 1, 8 f.) und unzählige Schiffswracks entlang der Seefahrtrouten sprechen Bände. Man schätzt, dass bis zu 20 % der Schiffe pro Jahr auf der Reise verloren gingen (vgl. Jak 4,13 f.). Nicht umsonst war das Steuerruder das Erkennungszeichen der fortuna gubernatrix, die das unwägbare Schicksal der Menschen regierte. Der Anker hingegen dient dem Hebräerbrief als Sinnbild für Christus (6,19). 3. Palästina in griechisch-römischer Zeit In Palästina beschränkte sich die Schifffahrt auf das Anlaufen der Seehäfen (Gaza, Asdod, Askalon, Caesarea, Ptolemais) und den Verkehr auf den Binnengewässern Totes Meer zum Aufsammeln von Naturasphalt und zum Transport sowie auf dem See Gennesaret (zum Transport und Fischfang, vgl. Mk 1, 16-20; 3, 9; 4, 35-41; 6, 45-52; Joh 6, 15-21; Ankerfunde; 3 Fischerei). Der Jordan war nicht schiffbar. Neue Erkenntnisse brachten die Ausgrabungen im herodianischen Hafen von Caesarea und die Schiffsfunde von Ginnosar und Ma’agan Mikha’el. Obwohl sich Israel nicht als Seefahrervolk sah, liebäugelte zumindest die Oberschicht mit Emblemen aus der maritimen Welt (maritime Dekorationselemente am Makkabäergrab von Modein nach 1 Makk 13, 25-30, Schiffsgraffiti im Jasongrab, Anker auf Hasmonäermünzen). Vom Export von Öl und Wein über Häfen wie Caesarea profitierte die Region insgesamt. Auch für die Ausbreitung des Judentums war die maritime Infrastruktur sicher nicht ohne Bedeutung, wenngleich dazu genauere Angaben fehlen (vgl. Mt 23,15). Wie wichtig die Schifffahrt zwischen Palästina und Kleinasien bzw. Rom und die Seerouten innerhalb des östlichen Mittelmeers für die Verbreitung des frühen Christentums waren, bezeugen die paulinischen Briefe wie auch die Apostelgeschichte (Apg 13,13; 20, 3.5 f.13; 21, 1-3; 27; 28, 11-15 nennen

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verschiedene Reiserouten). Marcion war Reeder. Die große Anzahl von maritimen Fachbegriffen im Talmud dokumentiert das kontinuierliche, wenn auch zumeist theoretische Interesse jüdischer Gelehrter an der Schifffahrt (D. Sperber). Brody, Aaron Jed, »Each Man Cried out to his God«. The Specialized Religion of Canaanite and Phoenician Seafarers, Atlanta / GA 1998. Casson, Lionel, Ships and Seamanship in the Ancient World, Baltimore 2 1986. Göttlicher, Arvid, Die Schiffe im Alten Testament, Berlin 1997. Kettenbach, Günter, Einführung in die Schiffahrtsmetaphorik der Bibel, Frankfurt a. M. u. a. 1994. Patai, Raphael, The Children of Noah: Jewish Seafaring in Ancient Times, Princeton 1998. Popkes, Wiard, Wassertransport, in: Kurt Erlemann / Karl Leo Noethlichs / Klaus Scherberich / Jürgen Zangenberg (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 2: Familie, Gesellschaft, Wirtschaft, NeukirchenVluyn 2005, 208-211. Schulz, Raimund, Die Antike und das Meer, Darmstadt 2005. Sperber, Daniel, Nautica Talmudica, Ramat Gan / Leiden 1986.

Ulrich Hübner / Jürgen Zangenberg

Schimpfwörter 1. Allgemein Als Schimpfwort wird ein verbaler Ausdruck bezeichnet, der auf eine Abwertung und Herabsetzung des Bezeichneten zielt, indem er diesen als sozialen Standards (z. B. solchen der Ästhetik, der Moral, der intellektuellen oder physischen Fähigkeiten) nicht wert oder nicht entsprechend darstellt. Schimpfworte entstammen folglich insbesondere den semantischen Bereichen von Sexualität (obszöne Ausdrücke), Religion (Blasphemie), Unreinheit (Fäkalbereich), Krankheit, geistigen und körperlichen Mängeln sowie sozialer Stellung. Schimpfworte werden v. a. in der unmittelbaren Ansprache verwendet und sind in biblischen Texten daher besonders in der literari-

schen Wiedergabe direkter Kommunikationssituationen belegt. Anders als beim Spott (3 Humor / Ironie) fehlt dem Schimpfwort in der Regel die humoristische Note. Verschiedene biblische Texte scheinen den Gebrauch von Schimpfworten zu verurteilen (Ps 15,3; 34,14; Sir 23,12-15; Mt 5,22; Kol 3,9; Eph 5,4; 1 Petr 3,9) oder gar mit der Anwendung körperlicher Gewalt gleichzusetzen (Ps 140,12). Dennoch finden sich im Alten und im Neuen Testament sowohl einzelne Schimpfworte als auch längere schmähende Textpassagen (Zef 1,2-2,3; Spr 13-15; 1 Tim 1,9 f.; 2 Tim 3,1-9; Jdt 7-16). 2. Altes Testament Ein häufiges Mittel der Beschimpfung ist die Verwendung von Tiernamen: »Wurm« (Hi 25,6; Ps 22,7), »Floh« (1 Sam 24,15), »Skorpion« (Ez 2,6; Sir 26,7), »Wolf« (Zef 3,3), »Löwe« (Zef 3,3), »Kuh« (Am 4,1), »Pferd« (Jer 5,8), »wildes Tier« (Jes 56,9). Als Schimpfwort besonders verbreitet war offenkundig »Hund« (Sir 26,25), bisweilen auch unter Zusatz beleidigender Attribute: »toter Hund« (1 Sam 24,15; 2 Sam 9,8; 16,9), »stummer Hund« (Jes 56,10). Spezifischere Bezüge auf die Tierwelt belegen die Schimpfworte »Hundekopf« (2 Sam 3,8), »Eselsglied« und »Hengsterguss« (Ez 23,20). Die beiden letzteren demonstrieren die Bedeutung des Sexuellen als Bereich verbaler Verletzungen. Ein besonders krasses Beispiel hierfür liegt in 1 Sam 20,30 vor, wo Saul seinen Sohn Jonatan als »Sohn einer Widerspenstigen« und als »Schande des Schamteils seiner Mutter« bezeichnet. Schimpfworte des Fäkalbereiches sind »Wandpisser« (1 Sam 25,22; 2 Kön 14,10), der Vorwurf, mit Kot beschmutzt zu sein (Spr 30,12; vgl. Mal 2,3), sowie die Drohung, die eigenen Exkremente essen (2 Kön 18,27 / Jes 36,12, im Qere euphemistisch abgemildert) oder zur Speisenzubereitung verwenden zu müssen (Ez 4,12). Hierbei ergeben sich Überschneidungen mit dem Vorwurf ritueller Unreinheit (Klgl 4,15). »Schmutz« kann aber auch für »Nutzlosigkeit« stehen (Jes 57,20; vgl. Jes 1,25; Ez 22,19). Explizit ist »Nichtsnutz« etwa in Ri 20,13 und 1 Sam 25,25 als Schimpfwort belegt, implizit in Ez 29,6 (»Rohr-

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Schmuck

stab«). Eng damit verbunden ist der Vorwurf der Trunkenheit (Jes 28,1). Moralische Defekte sind in »Sünder« (Ez 33,8), »Wegelagerer« (Jer 3,2) der Gegenstand von Beschimpfungen, in Jes 48,8 verstärkt durch den Vorwurf »von Mutterleib an«. Schimpfliche Vergleiche mit Sodom und Gomorra als Urbilder moralischer Insuffizienz bieten Dtn 32,32; Jes 1,10; Jer 23,14. Auf intellektuelle Defekte zielen demgegenüber die Beschimpfungen »unverständig« (Dtn 32,6; Hos 4,14) oder »töricht« (1 Sam 25,25; Ez 13,3) ab, auf körperliche Mängel »Glatzkopf« (2 Kön 2,23) sowie die Vorwürfe der Verfettung (Dtn 32,15), der Schwäche (Neh 3,34) sowie der Stumm- (Jes 56,10), Tauboder Blindheit (Jes 42,18). Die Beschimpfung als »Feind« (1 Kön 21,20; Est 7,6) kündigt die sozialen und persönlichen Beziehungen auf. Als Bestandteil religiöser Polemik sind Beschimpfungen etwa in »Gräuel der Verwüstung« (Dan 11,12; 1 Makk 1,54) und durch die Bezeichnung »Nichtsnutze« (Ps 96,5) belegt. 3. Neues Testament Auch hier begegnen als Schimpfworte applizierte Tiernamen wie »Schlangenbrut« (LkQ 3,7 / Mt 3,7), »Fuchs« (Lk 13,32), »Wolf« (Mt 7,15) und »Hund« (Phil 3,2), womit im Kontext das Publikum, bestimmte Herrscher sowie andere Missionsgruppen gemeint sind. Die Grenze zwischen Ironie und Beschimpfung ist erreicht, wenn Paulus in Gal 5,12 und Phil 3,2 konkurrierenden Christusmissionaren »Kastration« statt »Beschneidung« nachsagt. Paulus kennt aber auch die Selbstbeschimpfung mit Worten aus der Fäkalsprache wie »Unrat« in 1 Kor 4,13 oder »Mist« in Phil 3,8 und bezeichnet sich selbst als Narr und Dummkopf (1 Kor 4,10; 2 Kor 11,11-12,11). In Lasterkatalogen werden Schimpfnamen aus dem Bereich der Sexualität wie »Ehebrecher«, »Weichling« oder »Knabenschänder« neben Götzendiener, Dieb und Räuber (1 Kor 6,9 f.) oder Lügner und Muttermörder (1 Tim 1,9 f.) aufgeführt. Geht es bei den Lasterkatalogen zunächst um ethische Selbstabgrenzung (vgl. auch Gal 5,1921), so werden Schimpfwortsammlungen im 2. Jh. zur Diffamierung gegnerischer Positionen

genutzt (z. B. 1 Tim 1,9 f.; 2 Tim 3,1-9; Tit 1,10-16; Jdt 7-16 / 2 Petr 2,10-22). Hierher gehört auch die stereotype Beschimpfung der Schriftgelehrten und PharisäerInnen mit der moralischen Invektive »Heuchler« insbesondere im Matthäusevangelium (vgl z. B. Mt 23,13.15.27 u. ö.). An einigen Stellen wird deutlich, dass sich die Jesusbewegung auch selbst Beschimpfungen ausgesetzt sah, etwa wenn Jesus »Fresser« und »Säufer«, »Freund der Huren und Zöllner« heißt (LkQ 7,34 / Mt 11,19) oder seine AnhängerInnen geschmäht und verleumdet werden (1 Kor 4,12; Joh 9,28; 1 Tim 5,14). Hutton, Jeremy M., »Abdi-Asirta, the slave, the dog«: selfabasement and invective in the Amarna Letters, the Lachish Letters, and 2 Sam 3:8, ZAH 15-16 (2002-2003), 2-18. Schorch, Stefan, Euphemismen in der Hebräischen Bibel, OBC 12, Wiesbaden 2000. Wissemann, Michael, Schimpfworte in der Bibelübersetzung des Hieronymus, BKAW Reihe 2, N.F. 86, Heidelberg 1992. Du Toit, Andrie, Vilification as a Pragmatic Device in Early Christian Epistolography, Biblica 75 (1994), 403-411.

Stefan Schorch / Angela Standhartinger

Schmuck Unter »Schmuck« kann man allgemein »Zierde / Verschönerung« verstehen, meist denken wir dabei jedoch an einen der Verschönerung dienenden Gegenstand, der zur Zierde bestimmter Körperteile vorgesehen ist und bevorzugt aus kostbaren Materialen gefertigt wird. Für die allgemeinere Bedeutung von Schmuck gibt es verschiedene hebräische Ausdrücke, z. B. ha¯da¯r, hada¯ra¯h und tif3æræt. Diese Wörter können jedoch nicht nur »Schmuck« bedeuten, sondern auch z. B. mit Glanz, Herrlichkeit, Hoheit oder Ehre übersetzt werden. Der Aspekt der Ästhetik, der bei dem modernen, westlichen Verständnis von Schmuck dominiert, steht im Alten

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Testament im Dienste der Sichtbarmachung von Ansehen. Daher kommt es auch, dass diese Begriffe oft auf Gott oder seine Beauftragten, den König oder den Hohepriester, angewendet werden. Schmuckstücke konnten auch als Amulette verwendet werden, die allerdings weniger als Abwehrmittel gegen Negatives verstanden wurden, als vielmehr zur Mobilisierung positiver Energien. In der Bibel kommt diese Funktion von Schmuck merkwürdigerweise nicht in den Blick, obwohl man davon augehen kann, dass die Menschen damals Amulette trugen. Schmuckgegenstände wurden im Hebräischen zusammenfassend mit 2adı¯ bezeichnet. Es gab auch noch Spezialausdrücke für Nasen- und Ohrringe (næzæm), Armreife (s¯amid), Fingerringe (taba2at), Diademe (3at¯aro¯t),˙Spangen oder Ket˙ ˙ ten. Frauen und Männer haben sich geschmückt, in der Bibel finden sich jedoch Schmuckgegenstände häufiger in Zusammenhang mit Frauen. Allerdings repräsentiert der Schmuck von (Ehe-)Frauen nicht selten den ökonomischen Status der (Ehe-)Männer. Stärker als heute war Schmuck multifunktionell. Fingerringe hatten oft die Funktion von Siegelringen (Est 3, 12; Lk 15, 22). Goldene Schmuckgegenstände waren eine Wertanlage, der næzæm hat vielleicht sogar als Währung (vgl. Hi 42,11) gedient. Bei öffentlichen Sammlungen (Ex 32, 2 f., 35, 22, Ri 8, 24 f.) wurde goldener Schmuck, vor allem Ringe (næzæm) gespendet. Heute gibt es zwar Anlässe, zu denen bevorzugt Schmuck getragen wird, grundsätzlich ist das Tragen von Schmuck jedoch dem Geschmack der einzelnen Person überlassen. In biblischen Zeiten waren die Anlässe, zu denen Schmuck getragen wurde, strenger geregelt. Es gab zwei Bereiche, die mit dem Tragen von Schmuck assoziiert waren, Hochzeit und Königtum. Die Braut wurde vom Bräutigam oder dessen Beauftragten mit Schmuck beschenkt (Gen 24, Ez 16, 11 f.). Der König ist ebenfalls kostbar geschmückt. Der exemplarischen Braut und dem idealen König ist gemeinsam, dass sie über große natürliche Schönheit verfügen, die dann durch Schmuckgegenstände vollendet wird (1 Sam 9, 2, 1 Sam

16, 18, Ez 16, 14, Ez 28,12 ff.). In diesen Zusammenhang kann auch die Liebeslyrik des Hohenliedes eingeordnet werden (z. B. Hld 1, 10 f.). Der König war jedoch nicht nur selbst kostbar geschmückt, er konnte auch andere Menschen mit Schmuck auszeichnen (Gen 41, 42). Damit zeigte er auch, dass er sich kostbare Geschenke leisten konnte (2 Sam 1, 24). Meist legte man sich den Schmuck nicht selbst an, sondern bekam ihn von einer höher gestellten Person (beim König war dies Gott, vgl. Ps 21, 4). Selbst legte man sich Schmuck an, um einer anderen Person Ehre zu erweisen. Die Bewertung von Schmuck ist in der Bibel ambivalent. Die Verwendung von Schmuck zur Herstellung von Götterbildern wurde gerügt (Ex 32, 2 f., Ri 8, 24 f.), Spenden zur Ausstattung des JHWH-Heiligtums dagegen nicht (Ex 35, 22). Sich zur Ehre JHWHs zu schmücken, war gewünscht und gefordert (z. B. Ps 29, 2, 96, 9), in Bezug auf andere Götter war solches Verhalten verwerflich (Hos 2, 15, Ez 23, 40 f.). Nach Jak 2, 2 kennzeichnet ein goldener Ring und prächtige Kleidung einen reichen Mann, der wegen Unterdrückung und Rechtsbeugung in die Kritik gerät (Jak 2, 6). Eine Steigerung erfährt die Negativbewertung von Schmuck in der Charakterisierung der Hure Babylon (Offb 17, 4), deren Behängtsein mit kostbarem Schmuck Ausdruck der ausbeuterischen, korrupten und gewaltvollen Herrschaft des in ihrer Figur symbolisierten Römischen Reiches ist. Kritisch bewertet wird äußerer Schmuck auch in 1 Petr 3, 3 und 1 Tim 2, 9, dem analog zu hellenistischen Frauenparänesen innere Tugenden entgegengesetzt werden. Zumindest im letzteren Fall zielt der Verfasser allerdings gegen wirtschaftlich unabhängige Frauen, die sich in der Gemeinde durch verantwortliche Funktionen hervorgetan hatten und nun wieder in traditionelle Rollen zurückgedrängt werden sollen. Rosenzweig, Adolf, Kleidung und Schmuck im biblischen und talmudischen Schrifttum, Berlin 1905. Uehlinger, Christoph, Art. Schmuck I.III, RGG4 7, 2004, 939941.

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Schönheit

Winter, Urs, Mit einem einzigen Blinken Deines Halsschmuckes …, in: Bettina Eltrop u. a. (Hg.), Frauendinge, FrauenBibelArbeit 4, Stuttgart 2000, 64-68.

Claudia Bender / Sabine Bieberstein

Schönheit Schönheit kann von Menschen, Dingen oder Vollzügen ausgesagt werden und wird im Alten Testament meist positiv konnotiert. Zur Schönheit finden sich biblisch zu beiden Geschlechtern Aussagen. Besonders intensiv wird sie vom jeweils anderen Geschlecht im Hohelied besungen, wo ein Drittel aller Belege für das zentrale Wort »schön« (ja¯pæh) auftaucht, dort fast immer auf die Frau bezogen (Ausnahme Hld 1, 16). Ästhetische Vorstellungen wie die zahlreichen Metaphern sind zeitgebunden und bedürfen der kulturellen Übersetzung; explizit findet sich die Qualifikation »schön« bezogen auf das »Aussehen« (Gen 12, 11 u. a.), die »Gestalt« (Gen 29,17), die »Augen« (1 Sam 16, 12), den »Hals« und die »Wangen« (Hld 1, 10), die »Schritte in den Sandalen« (Hld 7, 2) und die »Stimme« (Ez 32, 32). Die Vergänglichkeit menschlicher Schönheit wird selbstverständlich bekräftigt (Ps 39, 12). In der Königsfigur tauchen alttestamentlich Gestalten auf, die als Amtsträger schön sind bzw. sein müssen, als die »schönsten von allen Menschen« (Ps 45, 3). Der Hervorhebung des Königs dient die Feststellung der Schönheit der Königin(innen) (vgl. Est 1-2) und sonstiger mit dem König verbundener Personen am Hof. Schönheit ist Bestandteil altorientalischer Königsideologie. Vielleicht auch weil der Gottesknecht nach Jes 53, 2 gerade nicht »schön« anzusehen war, verzichtet das Neue Testament bei Jesus Christus konsequent auf die Feststellung seiner Schönheit. Die Schönheit von Dingen hat auch funktionalen Charakter und ist auf ihre Brauchbarkeit und Lebensförderlichkeit ausgerichtet. In solchen Zusammenhängen sind »schön« und »gut« auch

terminologisch oft in eins gesetzt. So kann man die wiederholte Aussage der biblischen Schöpfungserzählung in Gen 1 »und siehe, es war gut« als Aussage über die Schönheit der Schöpfung lesen, über die auch in den Psalmen gestaunt wird (vgl. auch Koh 3, 11; zum Übergang von »schön« und »gut« Koh 5,17). Allerdings erschöpft sich Schönheit nicht in ihrer Funktion für den Menschen, sonst hätte das Staunen über den Leviatan in Hi 41 keinen Platz. Auch Abstrakta bzw. Vollzüge können als »schön« bezeichnet werden, so etwa die zwischengeschlechtliche Liebe selbst (Hld 4,10), die liebende Tat (Mt 26, 10) oder auch die Weisheit (Weish 8, 2). Im Blick auf die Figur der quasi-göttlichen Weisheit ist zu beachten, dass biblisch die ausdrückliche Zuweisung von Schönheit – anders ka¯bo¯d – an Gott keine Rolle spielt, was mit dem Bilderverbot zusammenhängen könnte. Die wenigen Belege für kalos im Neuen Testament zeigen: Schönheit ist anziehend und bringt den Kaufmann dazu, für seine »schöne« Perle alles zu verkaufen (Mt 13, 45). Schönheit ist jedoch, wenn sie mit Pracht (Lk 21, 5) oder Ehre (Lk 6, 26) verbunden ist, trügerisch und, wie bei den Gräbern, die Außenseite des Todes (Mt 23, 27). Dass Schönheit nicht nur sinnliche Reize befriedigt, sondern mit der Seele und dem Charakter eines Menschen zu tun hat, zeigt sich auch im griechischen Ideal der kalokagathia, der Vereinigung des sinnlich Schönen und des seelisch Guten. Für Plato ist Schönheit Harmonie und Proportion und, so im Phaidros (30), Ausstrahlung und Glanz. Das griechische Wort des Neuen Testaments für das Aufstrahlen göttlicher Schönheit und Herrlichkeit ist doxa. Profangriechisch bedeutete es »Meinung, Ansehen, Ehre«. Die Septuaginta verwendete es jedoch – vielleicht um die Offenbarung des biblischen Gottes von der Epiphanie der antiken Gottheiten abzugrenzen – zur Übersetzung des alttestamentlichen ka¯bo¯d, des theophanen Machtglanzes Gottes, und schuf damit für die biblische Literatur ein theologisches Grundwort. Doxa wird bei Paulus und Johannes zum Schlüsselwort für ihr Verständnis von Schönheit. Sie verwenden es in Kontexten,

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Schriftkultur

die vom Ideal des Schönen im klassischen Sinn und wohl auch vom Schönheitsempfinden in der Alltagswahrnehmung der Menschen weit entfernt sind: Doxa, göttliche Präsenz, strahlt auf in den Leiden des Apostels (2 Kor 4,7-18) und der Gläubigen (Röm 8,18 ff.); und im Johannesevangelium ist doxa die Macht, der Glanz und die unwiderstehliche Schönheit der Liebe Gottes, die sich in der Lebenshingabe Jesu zeigt (Joh 12, 27 f.; 17, 1-5). Die Folgen dieser Umwertung der Maßstäbe von Weisheit und Torheit (1 Kor 1, 26-31) zeigen sich im sozialen Verhalten der Christen und Christinnen, in ihrer Wahrnehmung und Sorge für die Bedürftigen. Augustin, Matthias, Der schöne Mensch im Alten Testament und im hellenistischen Judentum, Frankfurt 1983. Eco, Umberto (Hg.), Die Geschichte der Schönheit, München u. a. 2004. Grund, Alexandra, »Wie schön sind deine Zelte, Jakob!« Beiträge zur Ästhetik des Alten Testaments, BTHSt 60, Neukirchen-Vluyn 2003. Schwindt, Rainer, Gesichter der Herrlichkeit. Eine exegetisch-traditionsgeschichtliche Studie zur paulinischen und johanneischen Christologie, HBS 50, Freiburg u. a. 2007. Most, Glenn W., Art. Schöne (das), HWPh 8, 1992.

Margareta Gruber / Andreas Michel

Schriftkultur 1. Allgemein Die antike Welt ist in der Zeit der Entstehung des Alten und Neuen Testaments eine Schriftkultur mit hohen Anteilen an Mündlichkeit. Nur relativ wenige Menschen konnten in der Antike lesen und schreiben (3 Mündlichkeit). Schrift wurde genutzt zur Kommunikation über große Distanzen, in der Verwaltung und im Handel, für private Verträge oder Testamente, zur öffentlichen Bekanntmachung durch Inschriften und schließlich zur Aufzeichnung religiöser Traditionen und Erzählungen. Menschen, die selbst nicht lesen oder schreiben konnten, hatten durch (öffent-

Schreiber. Ägyptisches Grab aus Saqqara, wahrsch. 4. Dynastie (2615-2480)

liches) Vorlesen und die Beauftragung von SchreiberInnen Anteil an der Schriftkultur. 2. Das Alphabet Schriftkulturen entstanden im Alten Orient in der zweiten Hälfte des 4. Jt. v. Chr. zuerst in Ägypten und Mesopotamien. Die ältesten Alphabetinschriften vom Sinai (Serabit el-Khadim) und aus Palästina (Gezer, Lachisch, Schechem) werden in die erste Hälfte des 2. Jt. v. Chr. datiert. Eigenständige lokale Alphabetschriftkulturen scheinen sich in Syrien / Palästina ab dem 14. Jh. v. Chr. zunächst im Norden auszuprägen. In der überregionalen schriftlichen Kommunikation blieb aber zunächst das Akkadische dominierend, wie das Beispiel der in el-Amarna (Ägypten) gefundenen diplomatischen Briefe aus verschiedenen kanaanäischen Stadtstaaten, darunter auch Jerusalem und Schechem, zeigt (14. Jh. v. Chr.). Um 1200 v. Chr. werden mit einer Alphabetschreibübung (Abecedarium) auf einem Ostrakon aus 2Izbet Sartah erste Indizien einer in Paläs˙ ˙ tina verbreiteten alphabetischen Schultradition greifbar. Die erst in hellenistischer Zeit belegten hebräischen Buchstabennamen (Aleph, Beth etc.) gehen auf das Phönizische zurück; biblisch ist daneben allerdings auch eine Kurzform belegt (Jes 28,10.13: saw – qaw). ˙ 3. Sprachen und Schriften in Palästina In den palästinischen Inschriften dominieren vom 9.-6. Jh. v. Chr. die hebräische Schrift und

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Sprache, während das Aramäische nun den Platz des Akkadischen als Sprache der internationalen Kommunikation einnahm (vgl. 2 Kön 18,26). Seit der Perserzeit (6.-4. Jh. v. Chr.) wurde das Hebräische in Palästina auch im Alltag zunehmend durch das Aramäische verdrängt, wie etwa die Papyri mit Rechtstexten aus dem Wadi Daliye (4. Jh. v. Chr.) dokumentieren. Indes lebt das Hebräische nicht nur als Sprache religiöser Literatur fort, sondern wurde nach Ausweis umgangssprachlicher Formen in den Bar-Kochba-Briefen noch in der 1. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. in Teilen des palästinischen Judentums wie wohl auch unter den Samaritanern in verschiedenen dialektalen Varianten gesprochen. Ab dem 2. Jh. v. Chr. ist die Anschauung belegt, das Hebräische sei eine heilige Sprache (Jub 12; der Begriff lesˇ¯on qo¯dæsˇ erscheint erstmals im 1. Jh. v. Chr. in 4Q464). Während die im späten 2. Jh. v. Chr. als gegenüber den Juden separate Gruppe erscheinenden Samaritaner die hebräische Schrift beibehielten und später auch für ihren aramäischen Dialekt verwendeten, wurde ihre Verwendung unter den Juden schließlich völlig aufgegeben. So wurde der Gebrauch der jeweiligen Schrift zu einem bedeutenden Merkmal der Abgrenzung und kulturellen Identifizierung. Die mit den Eroberungen Alexanders im 4. Jh. v. Chr. einsetzende Hellenisierung brachte dem Griechischen die Dominanz als Verkehrs- und eine weite Verbreitung als Volkssprache im gesamten östlichen Mittelmeerraum. So wurde das Griechische die bei weitem vorherrschende Sprache des ägyptischen Judentums, und die in Alexandria begonnene griechische Übersetzung des Pentateuchs markiert zudem den Aufstieg des Griechischen zu einer der bedeutendsten Sprachen der jüdischen Religion. Demgegenüber blieb der Gebrauch des Lateinischen im Palästina der römischen Zeit wohl weitestgehend auf römische Verwaltung und Heer beschränkt. 4. Die hebräische und aramäische Schriftkultur Palästinas Als Schriftträger sind insbesondere Ostraka (v. a. für 3 Briefe, Verwaltungs- und Schultexte), Stein

Ostrakon aus Mesad Hasavyahu (Petition eines Erntearbeiters). 7. Jh. v. Chr.

(v. a. für Monumentalinschriften, Siegel, Gewichte, Graffiti), Putz (Kuntillet Agˇrud, aramäische Bileaminschrift aus Deir Allah, vgl. auch Dtn 27,2 f.), Ton (für Siegelabdrücke) und Papyrus belegt, daneben aber auch Leder (für Buchrollen, vgl. 1QJesa als besterhaltenes Beispiel, siehe 3 Buch), Holztafeln, Metall (Amulette von Ketef Hinnom, vgl. auch Ex 28,36; 1 Makk 8,22) und Elfenbein. Zum Werkzeug eines Schreibers (so¯fe¯r) gehörten Stift (2¯et – Jer 17,1 u. ö.), Tinte (deio¯ – Jer ˙ 36,18), das Tintengefäß zum Anrühren der Tinte (qæsæt – Ez 9,2.3.11), eine Holztafel für Notizen (lu¯ah – Jes 30,8; Hab 2,2 bzw. pinakidion – Lk 1,63), ˙ Schriftrollen (megillat se¯fær – Jer 36,2 u. ö.) sowie ein Messer (ta2ar – Jer 36,23) zum Schneiden, Linieren und Radieren von Papyrus und Leder. Schriftrollen wurden in Kolumnen beschrieben (dælæt – Jer 36,23; 3 Buch). Papyri wurden gefaltet, mit Schnur umwickelt und mit einem Tonklumpen gesichert, in den das Siegel (h¯ota¯m) ein˙ geprägt wurde (1 Kön 21,8; Jer 32,10). Teures Schreibmaterial wurde wiederverwendet (Palimpsest). Wort- und Abschnittsgrenzen wurden mit Trennzeichen oder Spatien markiert. Nach Ausweis der Diversität von Textgattungen und Schriftstilen (Kursiv- und Formal-

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schrift) ist die Schreiberausbildung anspruchsvoll und differenziert. Zwei in Ketef Hinnom (Jerusalem) gefundene Silberamulette mit Teilen des Priestersegens (Num 6,24-26) bilden das älteste archäologische Zeugnis eines in der Hebräischen Bibel enthaltenen Textes (um 700 v. Chr.) und illustrieren die Produktion, Rezeption und Überlieferung literarischer und poetischer Texte im Juda der vorexilischen Zeit. Aus Juda dürften auch die meisten der in der Hebräischen Bibel enthaltenen Texte stammen, wenngleich für einige ein Hintergrund im Nordreich erwogen werden kann (z. B. Deuteronomium) oder sogar wahrscheinlich ist (Hosea). Schreiber werden mehrfach in der Hebräischen Bibel erwähnt und scheinen wichtige administrative Funktionen am Jerusalemer Hof (2 Kön 12,11: so¯fe¯r ha-mælæk – »königlicher Schreiber«; siehe auch 2 Kön 22; Jer 36,10) ebenso wie unter der persischen Administration (Esr 7,6) oder in der jüdischen Gesellschaft der hellenistischen Periode (1 Makk 7,12-14; 2 Makk 6,18; Sir 38,24-39,11: grammateus) innegehabt zu haben, wobei der Begriff in älterer Zeit eher ein Amt, in jüngerer Zeit demgegenüber auch allgemein den jüdischen »Gelehrten« bezeichnet. Die Schreiberausbildung scheint in familienähnlichen Strukturen stattgefunden und neben dem Schreiben von Dokumenten auch auf die auswendige mündliche Aneignung von kulturellen Referenztexten abgezielt zu haben. Dieses Memorieren von Texten wird wahrscheinlich mit dem Ausdruck »auf die Tafel des Herzens schreiben« (Spr 3,3) bezeichnet. Als Experten der literalen und oralen Kultur (3 Mündlichkeit) dürften die Schreiber eine bedeutende Rolle bei der Entstehung und Tradierung der alttestamentlichen Schriften gespielt haben (vgl. etwa Jer 36 sowie, für einen kritischen Fokus, Jer 8,8). Jes 29,11 f. scheint schon für die vorexilische Zeit zu belegen, dass es neben den Schreibern auch weitere Schriftkundige (jo¯de¯a2 se¯fær) gibt. So dürfte auch der private Schriftenbesitz nicht selten gewesen sein: 1 Makk 1,54-57 belegt den privaten Besitz von Torarollen in prähasmonäischer Zeit; aus dem späten 1. / frühen 2. Jh. n. Chr. sind etwa

die Privatarchive der jüdischen Witwe Babatha mit ca. 35 Dokumenten sowie das kleinere der Salome Komaise erhalten. Wenngleich Schreiber am Hof und im Tempel tätig waren, fehlen demgegenüber mindestens für die prähellenistische Zeit Belege für die Existenz zentraler Institutionen der literalen Kultur, wie etwa einer Jerusalemer Tempelbibliothek, denn die Notiz 2 Makk 2,13-15 von Nehemia als Bibliotheksgründer dürfte legendarisch sein. Möglicherweise zielt der Text auf die Gründung eines königlichen Archivs (bibliotheke, vgl. Esr 6,1; Est 2,23 [LXX]) durch die Hasmonäer. Josephus berichtet von öffentlichen Archiven in Jerusalem (Flav. Jos. Ant. 8,2,8; Flav. Jos. Bell. 2,17,6; 6,6,3) und Sepphoris (Flav. Jos. Vit. 38). Genaue Aussagen über den Umfang von Literalität in der altisraelitischen Gesellschaft sind unmöglich, doch scheinen in spätvorexilischer Zeit mindestens elementare Lese- und Schreibfähigkeit kein seltenes Phänomen zu sein. So belegt die Bittschrift eines Erntearbeiters den internen Schriftverkehr auch in dem kleinen Provinzort Metzad Haschavjahu (7. Jh. v. Chr.), und ˙ nach Ausweis des Lachischbriefes 3 war Literalität im frühen 6. Jh. v. Chr. nicht auf ausgebildete Schreiber beschränkt, sondern wurde auch von mittleren Funktionären erwartet und war offenkundig prestigeträchtig. Evidenz für Schulen fehlt weitestgehend, und der erste ausdrückliche Beleg eines regelrechten schulischen Curriculums für Kinder stammt erst aus Qumran (1QS 1,6-8). Die alttestamentlichen Texte betonen demgegenüber den mündlichen Unterricht in der Familie (Dtn 6,7) oder der Gemeinde (Dtn 31,9-11). Schreiben hatte im Alten Israel wahrscheinlich auch magische Konnotationen. Bisweilen scheinen besonders das hebräische Alphabet oder auch einzelne Buchstaben mit apotropäischer Absicht verwendet worden zu sein, und dieser Brauch scheint sich bis in das 2. Jh. n. Chr. fortgesetzt zu haben. In einem Grab des 1. Jh. n. Chr. ist zudem der magische Gebrauch des griechischen Alphabets belegt (Ossuarium Nr. 6 aus dem Goliatgrab in Jericho). Magischen Gebrauch

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von Schrift illustriert auch das in Num 5,12-31 belegte priesterliche Ritual zur Prüfung einer des Ehebruchs verdächtigen Frau. Zudem sind es bemerkenswerterweise zwei Amulette, welche den ältesten archäologischen Beleg eines biblischen Textes enthalten (um 700 v. Chr.). 5. Religiöse und theologische Qualifizierung von Schriftlichkeit Während Jer 8,8 eine deutliche Schriftkritik impliziert, propagiert das Deuteronomium nicht nur die Vorstellung von Gott als Schreiber (Dtn 5,22 u. ö.), sondern zieht eine direkte Verbindung zwischen Offenbarung und Verschriftlichung (Dtn 27,3; 29,20 u. ö.), welche das Konzept der »Orthodoxie des Buches« (Jack Goody) und damit Schriftauslegung hervorbringt. Die Schriftlichkeit des offenbarten Gotteswillens wird dadurch noch betont, dass »diese Worte« auf Hand und Stirn gebunden und an Türpfosten und Stadttor geschrieben werden sollen (Dtn 6,8 f.). Dem Propheten Ezechiel wird nach der Darstellung der Berufungsvision die Offenbarung in Form einer beidseitig beschriebenen Schriftrolle zuteil, die er essen muss (Ez 2,8-3.3). Berufung auf die Autorität der Schrift (2 Chr 23,18 u. ö.: »wie geschrieben steht«) sowie Ansätze zur Schriftauslegung (z. B. Dan 9) lassen sich bereits im alttestamentlichen Schrifttum feststellen; in Qumran sind mehrere Kommentare zu biblischen Büchern (pæsˇær) erhalten. Neben die Vorstellung, dass Gott bestimmte, Menschen zugängliche Texte schreibt, tritt zudem der Gedanke einer himmlischen Buchführung in einem »Buch des Lebens« (Ps 69,29; vgl. Ex 32,23; Mal 3,16 u. ö.). 6. Neues Testament Obgleich wenige aramäische Worte im Neuen Testament vorkommen (vgl. z. B. Maranatha 1 Kor 16,22), schreiben die VerfasserInnen der Schriften des Neuen Testaments griechisch. Allerdings ist das Sprachniveau unterschiedlich. Während der 2 Petr den gehobenen und barocken Stil der Zweiten Sophistik imitiert, kommt das Johannesevangelium insgesamt mit ca. 400

verschiedenen Wörtern aus und die Offenbarung enthält eine Reihe grammatischer Fehler (vgl. Callahan). Das griechische Wort für Lesen, anagignosko, bedeutet wörtlich wiedererkennen. Griechische Texte sind in scriptio continua verfasst. Die ausschließlich verwendeten Großbuchstaben werden je nach Spalten- oder Seitenbreite aneinandergehängt, ohne Wort- oder Satztrennungen (3 Buch). Zeichen zur Lesehilfe kommen selten vor. Gelesen wird in der Regel laut, auch dann, wenn man für sich allein liest (Apg 8,30-34). Daher werden Schriften gehört (vgl. 2 Makk 15,3739; Apg 13,27). Öffentliche Vorlesungen gehören nicht nur zur Versammlung in der Synagoge am Sabbat (vgl. Apg 13,15; 15,21; 2 Kor 3,14 f.), sondern werden auch bei Gastmählern, auf dem Marktplatz oder im Theater präsentiert. In den Evangelien wird »Lesen« fast ausschließlich im Kontext der Auseinandersetzung mit PharisäerInnen, Sadduzäern und Schriftgelehrten thematisiert (Mk 2,25 par; Mk 12,10.26 par; Mt 12,5; 19,4; 21,16). Ihnen wird mangelnde Textkenntnis vorgeworfen. Das gemeindliche Lesen heiliger Texte (2 Tim 3,14-16) oder Paulusbriefe ist erst im 2. Jh. reflektiert (Eph 3,4; 2 Petr 3,16). Beim Schreibenlernen beginnt man mit dem Nachzeichnen vorher eingeritzter Buchstaben. Abgeschriebene Texte werden zugleich auswendig gelernt. Lese- und Schreibfähigkeit sind in der griechischen Antike nicht unmittelbar verbunden. Der Erste Korinther-, Galater- und der Römerbrief werden nicht von Paulus selbst geschrieben, wie die persönlichen Nachschriften in Gal 6,11-18 und 1 Kor 16,21-24 und die Nennung des Schreibers Tertius in Röm 16,22 zeigen. Dagegen schreibt Paulus zumindest den Philemonbrief (Phlm 19) selbst. Der Beruf des Schreibers und der Schreiberin (Haines-Eitzen), griech. grammateus, findet verschiedene Betätigungsfelder. Wie die zahlreichen auf Papyrus erhaltenen Privatbriefe und Verträge zeigen, bieten professionelle SchreiberInnen ihre Dienste Analphabeten und wenig literalisierten Personen (bradeos graphontes: langsam schreibend) an. Von Wohlhabenden werden Sklavin-

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nen oder Sklaven als SekretärInnen oder als VorleserInnen beschäftigt oder mit dem Abschreiben von Büchern betraut. Grammateus kann auch ein öffentliches Amt meinen, eine/n Ortsoder StadtschreiberIn, ArchivarIn oder Verwaltungsbeamte (vgl. Apg 19,35). Nur in den synoptischen Evangelien treten die SchreiberInnen bzw. die Schriftgelehrten (hoi grammateis) als einheitliche Gruppe auf. Sie werden als Lehrer des Volkes und Interpreten der Schrift und Tradition (Mk 1,22 par; 9,11 par) vorgestellt. Matthäus und Lukas nennen sie auch Gesetzeslehrer (nomikos, nomodidaskalos). Zusammen mit den Hohepriestern treten die Schriftgelehrten als treibende Kraft der Verhaftung und Auslieferung Jesu in der synoptischen Passionsgeschichte auf (Mk 8,31; 10,33 par; Mk 14,1 / Lk 22,2; Mk 14,42; Mk 14,53 / Mt 26,57; Mk 15,1; Mk 15,31 par / Mt 27,41 / Lk 22,66). Im Markusevangelium stellen sie darüber hinaus eine mit den PharisäerInnen verbundene Oppositionsgruppe dar, die aus Jerusalem kommend die Jesusbewegung in Galiläa kritisiert (3,22; 7,1). Möglicherweise kennt Markus auch Schriftgelehrte aus der pharisäischen Partei (Mk 2,16; vgl. Apg 23,9). Zum Abschluss von Jesu Lehre im Tempel stimmt Jesus allerdings gerade im Markusevangelium mit einem Schriftgelehrten überein (Mk 12,28-34 par). Im Matthäusevangelium wird die Lehrautorität der Schriftgelehrten ausdrücklich anerkannt (Mt 23,2), ihre Missionspraxis, einige ihrer Rechtsentscheide und ihre Lebenspraxis dagegen hart kritisiert (Mt 23,3-33). Das Matthäusevangelium kennt aber auch Schriftgelehrte in der eigenen Gemeinde (Mt 13,52; 23,34). Die ältesten Zeugnisse christlicher Schriftüberlieferung stammen aus dem 2. Jh. n. Chr. Der älteste Papyrus (P52 ) wird auf ca. 125 n. Chr. datiert und enthält Verse aus Joh 18. Aus den 2. und 3. Jh. sind uns 35 weitere Papyri mit Evangelien enthalten, von denen 15 das Johannesevangelium, 12 das Matthäusevangelium, 7 das Lukasevangelium, 3 das Evangelium des Thomas, 3 das Evangelium des Petrus, 2 das Evangelium der Maria, 1 das Markusevangelium, eines eine Evangelienharmonie und 5 weitere sonst unbekannte

Evangelien enthalten (Lührmann / Schlarb). P46 bezeugt eine Sammlung von 9 Paulusbriefen (+ Hebräerbrief) am Ende des 2. Jh. Schriftliche Textüberlieferung ist in der Antike nur durch Kopieren von Hand zu Hand möglich. Daher ist Schriftliches anfällig für Korruptionen zufälliger oder absichtlicher Art (vgl. Offb 22,18 f.). Zur Aufgabe des Abschreibens gehört daher auch die mit literar- und tendenzkritischen Methoden durchgeführte Textkorrektur. Für die neutestamentliche Textüberlieferung wird zunehmend deutlich, dass ein Urtext nicht rekonstruiert werden kann (Epp). Die SchreiberInnen christlicher Texte des 2. und 3. Jh. sind Privatleute, die die Schriften selbst nutzen und über ein privates bzw. gemeindliches Netzwerk austauschen. Sie zeigen sich zugleich theologisch interessiert. In und zwischen den Handschriften zeichnen sich theologische Debatten ab. Sie entwickeln ein Abkürzungssystem (nomina sacra) für häufig gebrauchte wichtige Worte, wie z. B. Kyrios (KS) oder Geist (Pneuma PN). Die ersten großen Vollbibeln (Sinaiticus [A], Vatikanus [B]) entstehen nach der konstantinischen Wende im 4. und 5. Jh. 7. Symbolische Bedeutung Ob und inwieweit das Neue Testament, wenn es »die Schrift«, d. h. aus Pentateuch, Propheten oder übrige Schriften zitiert, tatsächlich einen geschriebenen Text benutzt, lässt sich im Einzelnen schwer ausmachen. Vielfach wird sicher aus dem Gedächtnis und nicht aus Büchern zitiert. Daher heißt es häufig, dass die Schrift spricht (Joh 7,42; 19,28.37; Röm 11,2; Jak 2,23 u. ö.). Die Schrift kann auch als Personifikation erscheinen (Gal 3,8). In den frühen Christusbekenntnissen wird global auf »die Schriften« verwiesen (Röm 1,2; 1 Kor 15,3-5), ohne dass eine spezifisch gemeinte Stelle auszumachen wäre. Zugleich ist deutlich, dass die »Schrift« häufig den Pentateuch oder weitere jüdische Schriften in und außerhalb des heutigen 3 Kanons meint, die für die eigene Gegenwart interpretiert wurden. Seit dem 4./5. Jh. ist dann aber auch der magische Gebrauch neutestamentlicher Texte z. B. auf Amuletten bezeugt.

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Schulden

Im hellenistischen Judentum gilt der griechische Text der »heiligen Schrift« als Archiv des Geistes, da er dem menschlichen Geist Anteil an der göttlichen Weisheit geben kann (Philo von Alexandrien). Schlüssel zu der in und durch »die Schrift« gefundenen göttlichen Weisheit ist die allegorische Auslegungsmethode, die insbesondere dort, wo eine wörtliche Auslegung Widersprüche oder Brüche im Text aufdeckt, nach der tieferen Bedeutung des Geschriebenen fragt. Diese Auslegungsmethode verwendet auch die Gleichnisauslegung (z. B. Mk 4,13-20 par) und vor allem Paulus in seinem Wüstenmidrasch (1 Kor 10,1-13), für die Hagargeschichte (Gal 4,2131) oder für Ex 32-34 (2 Kor 3,7-18). Achtemeier, Paul J., Omne Verbum Sonat: The New Testament and the Oral Environment of Late Western Antiquity, JBL 109 (1990), 3-27. Callahan, Allen D., The Language of Apocalypse, HThR 88 (1995), 453-470. Carr, David M., Writing in the tablet of the heart: origins of scripture and literature, New York 2005. Dean, Margaret E., The Grammar of Sound in Greek Texts: Toward a Method for mapping the Echoes of Speech in Writing, ABR 44 (1996), 53-70. Epp, Eldon, The Oxyrhynchus New Testament Papyri: »Not Without Honor Except in their Hometown«?, JBL 123 (2004), 5-55. Fishbane, Michael, Biblical interpretation in ancient Israel, Oxford 1985. Haines-Eitzen, Kim, Guardians of Letters. Literacy, Power, and the Transmitters of Early Christian Literature, Oxford 2000. Haran, Menahem, Book-Scrolls in Israel in Pre-Exilic Times, JJS 33 (1982), 161-173. Ders., More concerning Book-Scrolls in Pre-Exilic Times, JJS 35 (1984), 84 f. Ders., Archives, libraries, and the order of the biblical books, JANES 22 (1993), 51-61. Hezser, Catherine, Jewish literacy in Roman Palestine, TSAJ 81, Tübingen 2001. Lührmann, Dieter / Schlarb, Egbert (Hg.), Fragmente apokryph gewordener Evangelien. In griechischer und lateinischer Sprache, MThJ 59, Marburg 2000. Marrou, Henri-Irénée, Geschichte der Erziehung im Klassischen Altertum (übers. v. Richard Harder), Freiburg / München 1957. Metzger, Bruce M., The Text of the New Testament. Its Transmission, Corruption, and Restoration, Oxford 3 1992.

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Stefan Schorch / Angela Standhartinger

Schulden In der altorientalischen Antike setzt der Verschuldungsprozess in der Regel mit der Aufnahme von Krediten ein, die der Möglichkeit weiteren Wirtschaftens (Saatgut) oder direkt dem Konsum dienen. Die Bedingungen der Darlehensvergabe und die Umstände der Darlehensaufnahme bestimmen, ob das aufgenommene Darlehen zu einer Dauerschuld und somit zur Überschuldung führt. Die Folgen von Verschuldung und Überschuldung betreffen ökonomisch und rechtlich nicht allein den Schuldner, sondern seinen gesamten Haushalt. 1. Hebräische Terminologie Das biblische Hebräisch verfügt über eine differenzierte Terminologie zur Beschreibung des Schuldenwesens. Es kennt zwei Begriffe für »leihen, ausleihen«. Der eine Begriff, la¯wa¯h II, bezeichnet den Vorgang eher aus der Perspektive

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des Gläubigers und wird wertneutral verwendet (Dtn 28, 12; Jes 24, 2), gelegentlich auch positiv, wenn das Verleihen sozial erwünscht ist (Ps 112, 5; Spr 19, 17). Der zweite Begriff, na¯ˇs¯a 3 / na¯ˇs¯ah, sieht den Vorgang aus der Perspektive des Schuldners und impliziert, dass das Darlehen als Last betrachtet wird (Ex 22, 24; Neh 5, 7). In der Regel werden Darlehen gegen die Stellung eines Pfandes (habo¯l) vergeben; das können Gebrauchs˙ güter des täglichen Lebens sein, Äcker, Tiere oder Personen des eigenen Haushaltes (Dtn 24, 6; Neh 5, 2-4; Am 2, 8; Hi 24, 3). An die Stelle des Pfandes kann ein Bürge treten, der mit seiner Habe haftet (Spr 20, 16; 22, 26 f.). Die Nutzung des Pfandes steht dem Gläubiger zu. Das Pfand verfällt, wenn der Gläubiger es nicht durch Tilgung der Schuld auslösen kann. In der Regel wird das Darlehen gegen Zinsen verliehen. Zwei Arten von Zinserhebung sind belegt, næsˇæk (Abzug) und tarbı¯t / marbı¯t (Aufschlag / Zuwachs). Die Zinsen werden entweder bei der Auszahlung (næsˇæk) vom ausgeliehenen Kapital abgezogen, oder sie werden bei der Rückzahlung und u. U. auch während des Kreditzeitraumes fällig (tarbı¯t). Kann der Schuldner die Forderungen des Gläubigers nicht begleichen, dann hat dieser das Recht, ihn zu »bedrängen« (Dtn 15, 2 f.), ohne zuvor ein Gericht anrufen zu müssen. Das privatrechtliche Vorgehen kann bis zur Schuldversklavung führen. Im Falle andauernder Zahlungsunfähigkeit hat der Gläubiger Zugriff auf alle der Familienautorität des Schuldners unterstehenden Angehörigen (Sklaven, Kinder, Ehefrau) und schließlich auf den Schuldner selbst. 2. Schulden als Problem von Rand- und Risikogruppen Die Verschuldung von gesellschaftlichen Risikogruppen beruht auf strukturellen Defiziten verwandtschaftlich organisierter Sozialsysteme. Witwen und Waisen wie auch Fremde und Arme gehören zu den sozioökonomischen Risikogruppen, die zu allen Zeiten der Geschichte Israels ökonomisch prekär gestellt waren. Ihre Situation ist Folge überlasteter, mangelnder oder nicht mehr funktionierender Verwandtschaftsnetze

sowie ihrer rechtlichen Unselbständigkeit. Generell waren diese Personengruppen im Alten Orient der besonderen Fürsorge des Königs empfohlen und standen unter dem Schutz der Götter. Altorientalische Könige proklamierten Schuldenerlasse und Freilassungen (Prolog des Codex Urnammu TUAT I,18 f., Prolog des Codex Lipit Eschtar TUAT I,22 f.; Edikte von Ammi-saduqa und Samsu-iluna) oder erließen Bestimmungen zum Schutz wirtschaftlich schwacher Personengruppen (Reformtexte Uru-inimginas, Codex Hammurabi § 112-121). Altorientalische Weisheitsliteratur (Lehre des Merikare; Lehre des Amenemope) wie auch die Königsinschriften propagieren den Schutz der Armen. Das Alte Testament steht in dieser Tradition. Auch israelitische und judäische Könige werden daran gemessen, ob sie »Recht und Gerechtigkeit« für das Volk verwirklichten (2 Sam 8,15; 2 Kön 23, 25; Jer 22, 15 f.). Diese traditionelle Regierungsaufgabe des Königs wird in der alttestamentlichen Rechtsüberlieferung an alle Vollbürger delegiert. Einige konkrete Bestimmungen versuchen, die Härte des Schuldrechts abzumildern. Das Pfandrecht wurde im Hinblick auf die Armen und insbesondere die Witwen eingeschränkt. Der Gläubiger durfte das Haus des Schuldners nicht betreten und zur Selbsthilfe greifen (Dtn 24, 10 f.). Das Obergewand durfte nur tagsüber als Pfand genommen werden (Ex 22, 25; Dtn 24,12 f.), das Kleid der Witwe sollte nicht gepfändet werden (Dtn 24, 17), das galt auch für lebenswichtige Geräte wie die Handmühle (Dtn 24, 6). Überlieferte Vorwürfe (Am 2, 8; Hi 22, 6; 24, 3) und archäologische Funde (Ostrakon von Mesad Haschavjahu – TUAT I, 249 f.) zeigen, dass gegen diese Minimalvorschriften häufig verstoßen wurde. In der frühen Königszeit scheint die Verschuldung noch ein Problem sozioökonomischer Randgruppen zu sein (1 Sam 22, 3; 25, 10). Im 9. Jh. hilft Elischa einer Witwe in einer individuell bedingten wirtschaftlichen Notsituation (2 Kön 4, 1-7). Im 8. Jh v. Chr. hat die Überschuldung einen derartigen Umfang angenommen, dass die Propheten die Verschuldung breiter Be-

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völkerungsschichten als eine Bestand und Einheit Israels bedrohende Erscheinung begreifen und öffentlich zur Sprache bringen. 3. Soziohistorische Entwicklung der allgemeinen Verschuldung Zwei Faktoren bestimmen im Wesentlichen das Entstehen und Andauern von Schuldverhältnissen, die Produktionsweise und das Verwandtschaftssystem. a) Die vorstaatliche Zeit. In der Frühzeit der Ansiedlung siedeln Verwandtschaftsgruppen zusammen (Num 32, 39-42; Jos 15, 14-19; 17, 1; Ri 10, 35). Die Siedlerhaushalte kooperieren bei Arbeitskräftemangel, verteilen erzielte Überschüsse und gleichen auftretende Versorgungsmängel aus. Heiratsbeziehungen schaffen ein Verwandtschaftssystem, das mehrere Ortschaften miteinander verbindet. Auf der Basis der so geschaffenen sozialen Beziehungen werden ökologische Risiken der einzelnen Hauswirtschaften bzw. der jeweiligen Ortschaften (Am 4, 6 ff.) unentgeltlich ausgeglichen. Andauernde Schuldverhältnisse entstehen unter diesen Bedingungen nicht, da die Wirtschaftsbeziehungen vom Prinzip zeitverzögerter Gegenseitigkeit bestimmt werden. b) Die Königszeit. Bevölkerungsanstieg und Siedlungsverdichtung lassen mit der Zeit die Einführung politischer Instanzen zur Organisation des Gemeinschaftslebens notwendig werden. Die Bedrohung durch benachbarte Herrschaften kann den Zusammenschluss mehrerer Siedlungen erzwingen oder auch die Zusammensiedlung in einer befestigten Großsiedlung. Die Einrichtung einer politischen Organisation wird notwendig. Politische Zentralinstanzen können auf Dauer nur bestehen, wenn sie den erwirtschafteten Mehrwert zum Zeitpunkt seiner Entstehung abschöpfen und ihn verbrauchen bzw. zentral speichern. Auf diese Weise verlieren die einzelnen Siedlungen ihre wirtschaftliche Autarkie und damit die Fähigkeit, Notsituationen aus »eigenem Vermögen« zu bewältigen. Die kontinuierlichen Versorgungsansprüche der vertikal strukturierten politischen Organisation gehen

zu Lasten der Aufrechterhaltung des horizontal verfassten Verwandtschaftssystems, das den Prinzipien von Gegenseitigkeit und Solidarität folgt. Die biblischen Überlieferungen lassen erkennen, dass die administrative Organisation des im 10. Jh. v. Chr. entstehenden Staatswesens schwach ausgeprägt war, aber Israel wie Juda sich bis zur Mitte des 9. Jh militärisch gegen die Nachbarn erfolgreich behaupten konnten. Die Organisation des Staates und seine Einrichtungen konnten aus Tributen unterworfener Nachbarstaaten sowie der Palasthauswirtschaft mit unterhalten werden. Überschuldung einzelner Haushalte führte in der Frühzeit der Monarchie nicht unausweichlich in die Schuldknechtschaft, da den Betroffenen noch die Flucht in Landesteile offen stand, die bisher nicht von einer staatlichen Verwaltung kontrolliert wurden (1 Sam 22, 2). Allgemeine Abgaben wurden wahrscheinlich erstmals unter Salomo erhoben (1 Kön 4, 7-19). Die Möglichkeit der Verwandtschaftsgruppen, die Subsistenz einzelner Hauswirtschaften in Mangelsituationen durch Verteilung der Überschüsse zu erhalten, wurde nicht nur durch die Abschöpfung des Surplus eingeschränkt, sondern auch durch den Zugriff des Königs auf aufgegebene Äcker (2 Kön 8, 1-6) und den Einzug von Äckern aus politischen Gründen (2 Sam 16, 4). Anstatt dass die Äcker an die Sippe zurückgefallen wären und so deren Fähigkeit erhöht hätten, einzelne Hauswirtschaften wirksam zu unterstützen, verwandelten sich der König und seine Funktionäre in Großgrundbesitzer, die nicht mehr mit ihrem Vermögen solidarisch für Ernteausfälle haften mussten. Am Königshof bildete sich ein neues Wirtschaftszentrum heraus. Die im Zentrum angesiedelte Oberschicht konnte sich von den Solidaritätsverpflichtungen der ländlichen Sippen emanzipieren, da die Loyalität gegenüber dem Monarchen ihre Existenz garantierte. Ihre ökonomischen Interessen stimmten mit denen der im Lande ansässigen Notabeln überein, die für die Verwaltung des staatlichen Abgabensystems vor Ort zuständig waren. Die sozioökonomischen Folgen der monarchischen Verfassung (vgl. 1 Sam 8,11-17) trafen ab der zweiten Hälfte des

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9. Jh. und verstärkt ab der Mitte des 8. Jh. mit den ökonomischen Auswirkungen des Vorherrschaftsanspruches der Großmächte zusammen. Verlustreiche Kriege und die Vasallitätsverpflichtungen Israels und Judas den Großmächten gegenüber erhöhten die allgemeine Abgabenlast der Bevölkerung. Gleichzeitig entfielen die externen Tributeinnahmen des Hofes, da Juda und Israel als Vasallen nicht mehr über abgabenpflichtige Nachbarstaaten gebieten konnten. c) Verlust der Eigenstaatlichkeit. Auch der Verlust der Staatlichkeit erst Israels (722 v. Chr.), dann Judas (586 v. Chr.), der die Finanzierung eines eigenen Königshofes erübrigte, verringerte die Abgabenlast der allgemeinen Bevölkerung nicht ausreichend, wie die dem Statthalter Nehemia vorgetragenen Beschwerden über die generelle Schuldenlast zeigen (Neh 5). In der Zeit der hellenistischen wie der römischen Oberherrschaft schritt die Konzentration von Landbesitz voran. Es kam zur Latifundienbildung, einer an der fernen Reichshauptstadt orientierten Oberschicht und zur Überschuldung und Verarmung der Landbevölkerung. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von der mittleren Königszeit bis zur römischen Oberherrschaft waren für die Masse der kleinen Grundbesitzer strukturell vergleichbar. Die allgemeine Steuerpflicht der Grundbesitzer führte dazu, dass die Haushalte im Falle von Missernten oder sozialen Schicksalsschlägen sich verschulden mussten. War die Sippe nicht mehr in der Lage, einzelne Hauswirtschaften ökonomisch zu unterstützen, dann waren diese gezwungen, Darlehen von nichtverwandten Personen zu nehmen. Angesichts der damals im alten Orient üblichen Zinssätze (zwischen 20 % und 60 % je nach Art des Darlehens) konnte dieses bei Andauern der wirtschaftlichen Zwangslage leicht den Haushalt in die Schuldenspirale treiben. Zunächst wurden einzelne Familienmitglieder (Töchter, Söhne, Ehefrau) als Sicherungspfand oder zur Begleichung der Schulden als Sklaven dem Gläubiger überlassen, schließlich fiel das Land bei Zahlungsunfähigkeit an den Gläubiger, und der Schuldner musste sich selbst in die Schuld-

knechtschaft verkaufen (Neh 5, 1-5). Der Masse verschuldeter und bereits in Schuldknechtschaft befindlicher Kleinbauern stand die kleine Gruppe der Großgrundbesitzer gegenüber, die zudem dem jeweiligen Oberherrn die Ablieferung der staatlichen Abgaben garantierte. 4. Prophetische Kritik Die sozioökonomischen Strukturen, die Verschuldung und Überschuldung bedingen, werden von den Propheten erst ab der Mitte des 8. Jh. v. Chr. thematisiert. Die sozialen Vorwürfe von Amos, Hosea, Micha und Jesaja richten sich an eine mit dem Hof in Verbindung stehende Oberschicht, die ihre sozioökonomische Position betrügerisch ausnutzt, um sich zu bereichern (Am 2, 6-8; 5, 10-12; 8, 4-5; Hos 12, 8; Jes 3,12.14; Mi 6, 10-12). Die Oberschicht zerstört die Subsistenzbasis des Volkes (Jes 5, 8 f.; Mi 2,1 f.8 f.; 3, 13.9-11) und leistet sich auf Kosten der Allgemeinheit jeden Luxus (Am 6, 4-6; Jes 3, 16-24; 5, 11 f.). Die Propheten verurteilen scharf die sozioökonomische Ausbeutungspraxis und kündigen den Schuldigen JHWHs Strafgericht an (Jes 3, 1-3; 5, 8-24; Am 2,13-16; 3, 12-15; 6, 7; 8, 7-10). Die aufrichtige Verehrung JHWHs schließt die Ausbeutung und Unterdrückung der nicht leistungsfähigen Mitglieder der Gesellschaft aus (Am 5, 14 f.; Hos 5; 10,12-15; Mi 2, 10; 3, 1-4; Jes 5,1-7; 10, 1-4). Die Sozial- und Wirtschaftskritik der Propheten des 8. Jh wird dann von den öffentlich auftretenden Propheten der nachfolgenden Jahrhunderte aufgenommen und verschärft. Jeremia (5, 26-28; 34, 8-16), Zefanja (3, 3 f.) und Ezechiel (18, 10-13; 22, 6 f.12.25-29) verurteilen das gemeinschaftsschädigende Verhalten der Führungsschicht und setzen es gleich mit der Aufkündigung der Gemeinschaft mit JHWH. Nachdrücklich wird die Praxis des Zinsnehmens von den Propheten bekämpft. Zins auf ausgeliehenes Kapital zu nehmen gilt als unvereinbar mit einem JHWH wohlgefälligen Leben (Ez 18, 8.13.17). Zinsnehmen schließt auch nach Ansicht des Psalmdichters von der Teilnahme am JHWH-Kult aus (Ps 15, 5).

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5. Maßnahmen zur Entschuldung Die alttestamentlichen Gesetze kennen drei verschiedene Maßnahmen zur Entschuldung bzw. Verhinderung von Überschuldung (3 Wirtschaftsrecht): Zinsverbot, zeitliche Haftungsbegrenzung (3 Auslösen / Erlösung) und allgemeine Restitution der vormaligen Eigentumsverhältnisse (3 Jobeljahr). 6. Sozialgeschichtlicher Überblick über die Lage im Römischen Reich Verschuldung war im Römischen Reich die Hauptursache für Verlust von Eigentum an selbstbewirtschaftetem Land und damit die Ursache für ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse der betroffenen Menschen. Die Eintreibung der Schuld kann bedeuten, dass das Land als dingliche Sicherung des Darlehens in das Eigentum des Gläubigers übergeht. Diese Form von Bereicherung ohnehin reicher jüdischer und nichtjüdischer Familien und auf der anderen Seite Verarmung und der Verlust von kleinen bäuerlichen Betrieben ist in der Zeit vor dem jüdisch-römischen Krieg (66-70 n. Chr.) eine der Ursachen für Aufstandsbewegungen der Menschen im jüdischen Mutterland (Goodman). Ein Profit, wie er in Mt 25,14-30; Lk 19,11-27 erwirtschaftet wird, setzt diese Bereicherungsmethode voraus, denn die (Bank-)Zinsen hellenistisch-römischer Geldverleiher (Lk 19, 23 par) können solchen Profit nicht ermöglichen. Die Verbrennung (66 n. Chr.) des Archivs in Jerusalem, in dem Schuldscheine deponiert waren, hatte hohe symbolische und politische Bedeutung, selbst wenn möglicherweise die Gläubiger Kopien der Schuldscheine besaßen (Flav. Jos. Bell. II,425-429). Der Brand stärkte die Aufstandsbewegung, die sowohl Rom als auch die jüdische Oberschicht, sofern sie sich den Interessen Roms verpflichtet fühlte, angriff. In den Höhlen des Nordwestufers des Toten Meeres sind seit 1948 u. a. mehrere Schuldscheine aus dem 1. und 2. Jahrhundert gefunden worden. Sie erlauben einen Einblick in die Praxis des »Prosbols« bzw. einer anderen Form von Umgehung eines Sabbatjahr-Erlasses im Jahr 54/55

n. Chr. (DJD II, 18, Z. 6.7; dazu Llewelyn-Kearsley 230-232; Koffmahn 86 f.). Solche rechtlichen Möglichkeiten wie der »Prosbol«, der Dtn 15 faktisch außer Kraft setzt (dazu Crüsemann in: Crüsemann / Schottroff 101), machten es für Reiche attraktiv, Kredite zu vergeben, und erlaubten ihnen enorme Gewinne. In anderen Bereichen Palästinas wie überhaupt des Römischen Reiches ist die soziale und politische Situation, die der Brand des Jerusalemer Archivs sichtbar macht, nicht grundsätzlich andersartig. Einen guten Einblick vermitteln die Briefe Plinius d. J. (gestorben ca. 114 n. Chr.). Er bevorzugt als Großgrundbesitzer in Norditalien Ländereien, die durchaus nicht an einem Ort zusammen liegen müssen, und getrennt von Pächtern (coloni) bewirtschaftet werden (Martin 206 f.). Große zusammenhängende Ländereien (Latifundien) haben nach seiner Meinung den Nachteil, dass sie auch unfruchtbares Land umschließen und dass sie eine unrentable Bewirtschaftung durch Schuldgefangene und Sträflinge nahe legen (Colum. I,3, 12). Die Ursache für die enorme Schuldsumme eines königlichen Sklaven, der im Finanzbereich tätig ist, in Mt 18, 23-35 wird nicht explizit genannt. Die Höhe der Summe deutet darauf hin, dass der betroffene Sklave die Finanzen einer Region für den »König« einzutreiben hat und persönlich mit seiner Familie und seinem Körper für zu geringe Einkünfte haftbar gemacht wird. Er »schuldet« also Gelder, die Dritte an den König zahlen müssen, für deren Eintreibung er aber die Verantwortung trägt. Überschuldung kann für Verschuldete zu Erzwingungshaft (Mt 5, 25 f. par) und / oder Schuldsklaverei führen, wie sie bei Plinius und Columella gut sichtbar werden. In Mk 12, 1-9 par arbeiten Pächter auf einem Weinberg, der neu angelegt wurde, d. h. der vorher in kleinbäuerlicher Subsistenzwirtschaft bebaut und nun zum Weinberg umgebaut wurde. Weinbau galt im Römischen Reich als besonders profitabel. Solche Pächter waren vormals Bauern in Eigenverantwortung und werden nun häufig durch harte Pachtverträge überschuldet (W. Schottroff 189 f.; zu den verschiedenen For-

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men von Schuldknechtschaft, wie sie in rabbinischer Literatur begegnet, s. Ben-David 58-72). Das Neue Testament zeichnet ein eindringliches Bild der Not von Menschen durch Verschuldung (Mt 5, 25 f. par; 18, 23-35; Lk 7, 41-42; 16, 1-9). Schulderlässe (Lk 7, 41-42; Mt 18, 23-35) waren Lösungsversuche, mit denen Gläubiger auch ihren Besitz und ihre Macht sichern wollten (Leutzsch in: Crüsemann / W. Schottroff 109.118). 7. Theologischer Gebrauch In Mt 6, 12 par und Röm 13, 7 wird Verschuldung (opheilema) im ökonomischen Sinne mit Verschuldung in ethischer / religiöser Hinsicht zusammengebracht: Gottes Schulderlass setzt bei den Gott gegenüber schuldigen Menschen die Bereitschaft voraus, als Gläubiger Schulden im ökonomischen Sinne zu erlassen. Das »im Vaterunser verwendete Wort (war) in der Sprache des Judentums zur Zeit Jesu der allgemeinste Ausdruck für Sünde und zugleich ein Begriff für materielle Schulden« (Crüsemann in: Crüsemann / W. Schottroff 92 f.). In Röm 13,7 wird ein Wort desselben Wortstammes (opheile) als Oberbegriff für eine ökonomische Schuld (Kopfsteuer) und eine ethische Verpflichtung gebraucht. In vergleichbarer Weise besteht nach Röm 15, 26-27 eine Schuld der Diasporagemeinden gegenüber Jerusalem sowohl in ökonomischer als auch in ethischer Hinsicht. Sie geben Jerusalem Geld als Rückzahlung für deren geistliche Gaben. Diese theologische Verwendung ökonomischer Begriffe für Verschuldung gibt es im Alten Testament noch nicht. Sie begegnet seit der Übersetzung des Alten Testaments ins Aramäische. In den synoptischen Evangelien lehrt Jesus die Bereitschaft, Kredite zu vergeben (Mt 5, 42), ohne eine Rückzahlung zu erwarten (Lk 6, 34.35). Der dritte Sklave im Gleichnis von den Talenten weigert sich, das Geld seines Herren um einen stattlichen Betrag zu vermehren, wie es seine Mitsklaven befehlsgemäß tun (Mt 25, 14-27 par). Der dritte Sklave ist der Held der Geschichte. Er handelt ganz im Sinne der Barmherzigkeit Jesu (Mt 25, 31-46; Herzog 167; L. Schottroff 243 f.). In Lk

13, 3.4; 11, 4 wird von »Schuld« Gott gegenüber im Wechsel mit »Sünde« gesprochen, in 2 Kor 12, 11.14; Eph 5, 28 u. ö. von ethischen Pflichten als »Schuld«. Auch hier ist die Schuld-Beziehung nicht völlig von einer ökonomischen Verpflichtung ablösbar. Die Verschuldung ist eine so verbreitete Not, dass sie auch in der Sprache in vielfältiger Weise präsent ist. Im Vaterunser und der entsprechenden nachbiblisch-jüdischen Vorstellung von Sünde geht es um »Koppelung der Vergebung, die wir von Gott erbitten und die wir zum Leben brauchen, mit dem Erlass aller Schuld unsererseits, wobei finanzielle Schulden eingeschlossen sind« (Crüsemann in: Crüsemann / Schottroff 102). Methodisch bedeutet diese Deutung von Mt 6, 12 par und der entsprechenden Schuld / Schulden-Metaphorik, dass Bild und Sache in Bildern, Metaphern und Gleichnissen nicht getrennt werden können, wobei dann das Bild nur als Bild und Anschauungsmaterial für das Eigentliche (die Sache) gewertet wird (L. Schottroff 120-137). Eine solche methodische Einsicht stellt die Auslegungsgeschichte der Schuld / SchuldenMetaphorik mit ihrer Abtrennung der metaphorischen Bedeutung von der Ökonomie grundsätzlich in Frage. Ben-David, Arye, Talmudische Ökonomie. Die Wirtschaft des jüdischen Palästina zur Zeit der Mischna und des Talmud, Bd. 1, Hildesheim / New York 1974. Benoit, Paul / Milik, Józef Tadeuz / de Vaux, Roland, Les grottes de Murabba2 ât I, Texte, DJD II/1, Oxford 1961. Bianchi, Francesco, Das Jobeljahr in der hebräischen Bibel und in den nachkanonischen jüdischen Texten, in: Georg Scheuermann (Hg.), Das Jobeljahr im Wandel. Untersuchungen zu Erlaßjahr-und Jobeljahrtexten aus vier Jahrtausenden, FzB 94, Würzburg 2000, 55-104. Chirichigno, Gregory C., Debt-Slavery in Israel and the Ancient Near East, JSOT 141, Sheffield 1993. Crüsemann, Marlene / Schottroff, Willy (Hg.), Schuld und Schulden. Biblische Traditionen in gegenwärtigen Konflikten, München 1992. Edzard, Dietz Otto, ›Soziale Reformen‹ im Zweistromland bis ca. 1600 v. Chr.: Realität oder literarischer Topos?, in: János Harmatta / G. Komoróczy, Wirtschaft und Gesellschaft im Alten Vorderasien, Budapest 1976. Nachdruck aus den Acta Antiqua Academiae Scientarium Hungaricae Tom. XXII/1-4. 1974, 145-156.

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Segen / Fluch

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Christa Schäfer-Lichtenberger / Luise Schottroff

Segen / Fluch 1. Allgemeine Grundlagen a) Bestimmungen. Segen ist die mit Worten formulierte Zusage der Fülle göttlicher Kräfte und damit die umfassende Ermächtigung zu gelingendem Leben. Fluch ist dementsprechend die durch Worte ausgelöste Schadensmacht, die die Verstoßung aus dem heilvollen Lebensraum und Lebensminderung zur Folge hat. Die Nähe von Segen und Lebensfülle zeigt sich etwa in Dtn 7,13 oder Dtn 28, 3-13, wo die Fruchtbarkeit des Landes, bei Mensch und bei Tier sowie der politische Erfolg als Kennzeichen des Segens aufgezählt werden. Die Nähe von Fluch und Lebensminderung lässt sich etwa an den Zerstörungsbeschreibungen von Städten ablesen, die niedergebrannt, zerstört und unbewohnbar zum Inbegriff des Fluches werden (Jer 25, 18; 49, 13). In den alttestamentlichen Texten sind Segen und Fluch in unterschiedlichen Konzeptionen und aus verschiedenen Perspektiven präsent. Selten meint Segen einfach eine elementare Lebenskraft, die an Übergangssituationen gebunden ist und nicht zurückgenommen werden kann. In Gen 27 wird etwa die vom Vater auf den Sohn übertragene Kraft als Segen bezeichnet. Der Prophet Bileam ist gerufen, das feindliche Kriegsheer durch einen Fluch zu schwächen. Wenn er es stattdessen segnet, so bedeutet dies eine Stärkung seiner (militärischen) Kraft (Num 22 f.). Meist wird Gott als der Ursprung von Segen und Fluch angesehen. Der Mensch kann dann Segen (und Fluch) für sich oder andere erbitten (Gen 1; 12, 1-3). Das neutestamentliche Segensverständnis steht in der Tradition des Alten Testaments. Segnen ist kein einseitiger Vorgang, sondern ein wechselseitiges Geschehen: Abraham wird gesegnet und soll selber ein Segen sein (Gen 12, 2 f.; Gal 3, 8 f.). Es wird den hebräischen und griechischen Termini (ba¯rak und eulogeo) nicht gerecht, wenn ihr Bezug auf Menschen oder Dinge mit »segnen«, ihr Bezug auf Gott aber mit »lobpreisen« wiedergegeben wird. Beim Segnen handelt es sich um eine der wenigen Möglichkeiten des

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Menschen, ein göttliches Handeln in gleicher Form zu erwidern und mit Gott auf einer Ebene zu verkehren. Sowohl Gott als auch Menschen sind Subjekt und Objekt des Segnens: Menschen segnen einander (Lk 1, 42; Röm 12, 14), Gott segnet Menschen (Gal 3, 9; Eph 1, 3b; Hebr 6, 14), und Menschen segnen Gott (Ps 18, 47; 145,1.2.10.21; Lk 1, 64; 2, 28; Eph 1, 3a). Segnen und Gesegnet-Werden sind nicht auf Gott oder Menschen beschränkt. Gesegnet-Sein können beispielsweise auch Tiere (Gen 1, 22), der Ackerboden (Dtn 28, 4) oder andere Gegenstände (Dtn 28, 5). Gott segnet, was dem Menschen zum Segen gereichen soll (1 Kor 10,16a; Hebr 6, 7) und Menschen segnen Gott über den Dingen oder angesichts der Dinge seiner Schöpfung (Mt 14, 19 par). Durch das Segnen wird eine Verbindung zu Gott hergestellt, unabhängig von wem es ausgeht und auf wen es bezogen ist. In diese Segensbeziehung werden andere Menschen und Dinge hinein genommen. b) Medien und Gesten des Segens und des Fluches. Als segensvermittelnde oder schutzgebende Medien dienen die zahlreich in Israel gefundenen Amulette und Figurinen, die aus den Sphären weiblicher und männlicher Gottheiten stammen können. In Inschriften von Kuntillet 3Agˇrud und Hirbet el-Qom ist in der Segensformel neben ˘ JHWH auch Aschera genannt: »Es segne dich JHWH von Teman und seine Aschera«. Wahrscheinlich ist Aschera hier als Kultobjekt, das den Segen JHWHs vermittelt, und nicht als göttliche Partnerin angesprochen. Die Inschriften von Hirbet el-Qom und Ketef Hinnom (vgl. aaro˘ nitischer Priestersegen in Num 5, 24-26) fanden sich als Grabbeigaben, so dass JHWH als segensmächtige Gottheit über den Tod hinaus erscheint. In Gräbern und auf Inschriften begegnen auch Fluchformeln gegen Grabräuber bzw. gegen die mutwillige Zerstörung der Inschrift (BLay(7):4-7; EGed(8):2; Jer (7):2; Nim(8):1). Wenngleich Segen und Fluch elementar an das gesprochene Wort gebunden sind, und beide darum als durch Sprache vollzogene Handlungen, also als performative Handlungen bestimmt wer-

den müssen, so sind auch unterstreichende Gesten bekannt. Zu Segenshandlungen gehören das Auflegen oder das Erheben der Hände (Gen 48,14; Lev 9, 22). Flüche können mit magischen oder aggressiven Handlungen verbunden sein (Spr 6, 12-14; 2 Sam 16, 5-14). Der materialisiert gedachte Fluch kann wie eine Flüssigkeit oder Speise in die Körper der Verfluchten eindringen (Num 5,18.22; Ps 109, 18). Num 5, 11-31 zeigt zudem, dass der Fluch in ein Fluchritual eingebettet ist. Die Ikonographie zeigt die Hand in apotropäischer Funktion, die Schadensmächte gleich einem Fluch abwehrt (Hirbet el-Qom). Verwün˘ schungstäfelchen, Tongefäße oder Figurinen mit Ächtungstexten wurden bisher in Israel noch nicht gefunden. Auch im Neuen Testament vollzieht sich Segen sowohl als Sprechakt (Mk 11,14) als auch in Verbindung mit Gesten der Hände. In Mk 10, 16 legt Jesus Kindern die Hände auf und segnet sie. Mehrfach blickt er im Kontext des Segnens zum Himmel (Mk 6, 41 par; vgl. Joh 11, 41). Jesu Sprechen des Segens über dem Brot, das er bricht und verteilt (Mk 6, 41 par, 14, 22 par; Lk 24, 30), steht in der Tradition des Judentums. Zum Abschied segnet Jesus vor seiner Himmelfahrt seine Jüngerinnen und Jünger, indem er die Hände erhebt (Lk 24, 50; vgl. 1 Tim 2, 8). Die Wirksamkeit der neutestamentlichen Segnungen wird nicht an besondere Gesten geknüpft; wichtiger als eine begleitende Handlung ist für Paulus die Verständlichkeit des Segenswortes. Ein nur im Geist gesprochener Segen macht es den Gesegneten unmöglich, den Segen als solchen zu erkennen (1 Kor 14,16). Segnung ist damit kein magischer Vorgang, sondern sie entfaltet ihre beziehungsstiftende Wirkung erst, wenn sich Segnende und Gesegnete bewusst als Teilhabende an der Beziehung zu Gott erkennen. 2. Soziale Aspekte Sowohl Segen als auch Fluch besitzen eine soziale Funktion. Während der Fluch die Grenzen einer sozialen oder politischen Gemeinschaft absteckt (Jos 9, 22 f.), stärkt der Segen die Gemeinschaft. Menschen verstehen Segen und Fluch als wirk-

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Segen / Fluch

same Machtsphären, die das Zusammenleben beeinflussen und konkret erfahrbar sind (Spr 26, 2; 27, 14). Altorientalische Vertragstexte zeigen, dass der Fluch als sakrale Sanktion im Rechtsleben fungiert, der sozialen Kontrolle dient (Num 5; Spr 11, 26; 20, 20; 24, 24; 28, 27), aber auch soziale Werte vermittelt (Dtn 27,15-26). Segnen und Segen Empfangen sind unabhängig von Geschlecht und Status. Zum Segnen bedarf es weder einer Bevollmächtigung noch einer besonderen Begabung. Da Gott derjenige ist, der den Segen ermöglicht, sind keine qualitativen Unterschiede zwischen Segnungen von Frauen und Männern erkennbar. Elisabet segnet mit Selbstverständlichkeit spontan ihre Cousine Maria und das in ihr heranwachsende Kind (Lk 1, 42). Simeon segnet im Tempel die Eltern Jesu (Lk 2, 28-32). Wer segnet, öffnet seine Beziehung zu Gott für andere, und wer andere als gesegnet bezeichnet, konstatiert damit deren Verbindung zu Gott. Segnen bedeutet de facto ein Einebnen von Hierarchien. Segenempfangende und Segenspendende stehen mit Gott in einer Segenssphäre. Wenn selbst Gott sich im Alltag segnen lässt, spielen demgegenüber Statusunterschiede unter Menschen keine Rolle (vgl. Hebr 7, 7). Die unbedingte Selbstverfluchung muss als Ausdruck der tiefen Verzweiflung einer Person gewertet werden (Jer 20, 14 f.; Hi 3, 1). Auch die so genannten Fluchpsalmen Ps 58, Ps 83, Ps 109, Ps 137 (auch Ps 69, 23-29) sprechen mit Ausnahme von Ps 109, 17 f. nicht von Fluch, sondern von ausgleichender Gerechtigkeit (3 Rache), die in der Bedrängnis die betende Person ihrer Gottheit als erhofftes gerechtes Handeln überträgt. 3. Segenskonzeptionen und Segenspraxis In der deuteronomischen Konzeption werden Segen und Fluch an den zwischen Gott und Israel geschlossenen Vertrag, an den Bundesschluss geknüpft. Mit altorientalischen Gesetzeskorpora und v. a. mit assyrischen Vasallenverträgen vergleichbar, schließt deshalb das deuteronomische Gesetz mit entsprechenden Segens- und Fluchformeln (Dtn 28). Im Kult werden ritualisierte Segenshandlun-

gen vollzogen, die auf der geglaubten Gegenwart der Gottheit im Heiligtum und im Kult basieren. So werden Kult und Heiligtum zu zentralen segensvermittelnden Instanzen, die der priesterlichen Spezialisten bedürfen (Num 6, 22-27). Als SpezialistInnen für Schadenszauber können die Zauberinnen und Zauberer in Ex 7, 11; 22, 17; Dtn 18, 10 f. und Jer 27, 9 gelten. Im Neuen Testament bedeutet die Teilhabe an der Segensbeziehung zu Gott zugleich die Beseitigung des Trennenden zwischen Mensch und Gott und steht damit für Rechtfertigung (Röm 3, 9 f.). Der Zutritt zur Segenssphäre Gottes und die Möglichkeit, Segen zu empfangen und selbst zu spenden, wird durch Christus eröffnet (Röm 3, 24 f.; 15,29; Gal 3, 8 f.14). Zum Segen gehört im Neuen Testament dessen Weitergabe; Mission heißt dementsprechend, Außenstehende in die Segensbeziehung hinein zunehmen (1 Kor 14, 16; vgl. Röm 12,14). Bedeutet Segnen die Hineinnahme des Gesegneten in die Beziehung zu Gott, so steht die Verfluchung für die Ausstoßung aus dem Raum, in dem Gott und Mensch miteinander verkehren. Tiere (Gen 3, 14), der Ackerboden (Gen 3, 17) oder andere Gegenstände können verflucht sein. Die Verfluchung eines Feigenbaums durch Jesus hat dessen Verdorren zur Folge (Mk 11,14.20 f. par). Die Ungerechten (2 Petr 2, 9 f.; adikoi) stehen als »Kinder des Fluches« (2 Petr 2, 14) außerhalb der Beziehung zu Gott (vgl. Mt 25, 41), der der implizite Adressat des Fluches ist (vgl. Apg 8,20; 1 Kor 5, 4 f.; 16, 22; 1 Tim 1, 20; 2 Tim 4,14; Jud 9). Dadurch, dass Jesus durch seine Kreuzigung selbst zum Fluch wurde (katara, Gal 3, 13), hat er ihn beseitigt und den Gläubigen den Weg zum Segen eröffnet (Gal 3, 14). Fluchen (katarasthai) ist demnach keine Möglichkeit für Christen (Röm 12, 24). In Jak 3, 9 f. wird argumentiert, dass der Fluch (katara) den Menschen als Ebenbild Gottes trifft und sich damit gegen Gott selbst richtet. Der Fluch wird dem Heil bringenden Bekenntnis zum Kyrios Jesus (1 Kor 12, 3b) gegenübergestellt (vgl. Röm 10, 9 f.). Vom Fluchen (katarasthai) ist die endgültige Trennung vom Heil (das Anathema-Sein) zu un-

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Sexualität / Sexuelle Beziehung

terscheiden. Paulus betet darum, selbst von Christus getrennt zu werden, wenn dadurch seine Stammesgenossen an seine Stelle treten können (Röm 9, 3). Anathema kann nur sein, wer von Gott dazu gemacht wurde (vgl. 1 Kor 16, 22; Gal 1, 8 f.). Viele der neutestamentlichen Segenshandlungen vollziehen sich spontan und stehen damit in der jüdischen Segenstradition. Das Leben toratreuer Jüdinnen und Juden ist vom Aufstehen bis zum Zubettgehen und durch das Jahr hindurch in allem ausgerichtet auf Gott. Durch die Ausführungen im Mischnatraktat Berakhot wird nahe gelegt, dass schon in neutestamentlicher Zeit das Sprechen von Segenssprüchen im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Verrichtungen verbreitet war. Jede Segnung bedeutete, dass das, worüber man den Segen sprach, hinein genommen wurde in die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Die Fülle jüdischer Segenssprüche zeigt, dass das Leben praktizierender Jüdinnen und Juden in allen seinen Einzelbereichen auf Gott hin ausgerichtet war und ist (vgl. Röm 14, 6). So wird auch angesichts von Leid und Tod Gott als gerechter Richter gesegnet (bBer 60b). Der bei überraschenden Ereignissen spontan gesprochene Segen setzt eine permanente Bereitschaft voraus. Im Schlaf, wenn die Segensbereitschaft nicht vorhanden ist, gilt der Mensch trotzdem nicht als von Gott getrennt: Im Morgengebet wird dafür gedankt, dass Gott dem Menschen seine Seele, die er während des Schlafens zu sich genommen hatte, beim Erwachen wieder zurückgegeben hat (vgl. BerR 14, 9). Die Segensbereitschaft ist Ausdruck eines fortdauernden Gesprächs mit Gott. Frettlöh, Magdalene L., Theologie des Segens. Biblische und dogmatische Wahrnehmungen, Gütersloh 1998. Fuchs, Ottmar, Fluch und Klage als biblische Herausforderung. Zur spirituellen und sozialen Praxis der Christen, BiKi 50 (1995), 64-75. Gubler, Marie-Louise, Segen und Fluch in der Bibel, Diakonia 33 (2002), 11-17. Heckel, Ulrich, Der Segen im Neuen Testament. Begriff, Formeln, Gesten. Mit einem praktisch-theologischen Ausblick, WUNT 150, Tübingen 2002.

Jörns, Klaus-Peter, Segen – und kein Fluch? Überlegungen zur Einheit Gottes im Vorfeld der Praktischen Theologie, in: ders., Der Lebensbezug des Gottesdienstes. Studien zu seinem kirchlichen und kulturellen Kontext, München 1988, 259-279. Ostmeyer, Karl-Heinrich, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebets im Neuen Testament, WUNT 197, Tübingen 2006. Schenk, Wolfgang, Der Segen im Neuen Testament. Eine begriffsanalytische Studie, ThA XXV, Berlin (Ost) 1967. Schottroff, Willy, Der altisraelitische Fluchspruch, WMANT 30, Neukirchen-Vluyn 1969. Steymans, Hans-Ulrich, Deuteronomium 28 und die adê zur Thronbesteigung Asarhaddons, Segen und Fluch im Alten Orient und in Israel, OBO 145, Freiburg / Schweiz u. a. 1995. Wagner, Andreas, Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament, BZAW 235, Berlin u. a. 1997, 253-285.

Maria Häusl / Karl-Heinrich Ostmeyer

Sexualität / Sexuelle Beziehung 1. Grundzüge Das Alte Testament vermittelt bezüglich Sexualität kein einheitliches Bild. Während das Hohelied Sexualität und Erotik preist, gehört Sexualität im System der Reinheitsvorschriften zum Hauptbereich von Verunreinigung. Dies betrifft zunächst Frauen wie Männer gleichermaßen. Von Sexualität geht Kraft aus, Kraft, die heilen oder schaden kann. Sowohl für das Alte Testament wie auch für das beginnende Judentum fällt auf, dass Sexualität keinen eigenständigen religiösen Wert darstellt: Zwar finden wir Anklänge an das im Alten Orient bekannte Motiv der Heiligen Hochzeit (vgl. etwa die Metaphorik am Beginn des Hoseabuches; evtl. Lev 19, 29), in der Bildsprache des Tempels gab es zahlreiche Fruchtbarkeitssymbole, und nicht selten wird das Verhältnis zwischen Gott und Volk in sexuell konnotierten Bildern beschrieben (z. B. Jes 5, 1-7). Außerdem finden sich ikonographische und textliche außerbiblische Belege dafür, dass JHWH (zumindest in einem umgrenzten religions-

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Sexualität / Sexuelle Beziehung

geschichtlichen zeitlichen und / oder räumlichen Kontext) eine »Aschera« genannte Parhedra zugewiesen bekommen haben dürfte. Doch werden diese Belege im Alten Testament zurückgedrängt. Einerseits werden im Alten Testament Schönheit und Sexualität positiv gesehen, andererseits enthält Sexualität etwas Gefährliches, Gemeinschaftsbedrohendes. Diese Sicht hat sich vor allem für Frauen negativ ausgewirkt: »Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, ihretwegen müssen wir alle sterben« (Sir 25, 24). Eine im Zusammenhang mit einem Gelübde in anderen Kulturen oftmals begegnende Verpflichtung zur sexuellen Enthaltsamkeit kann im Alten Testament nicht belegt werden (vgl. Ri 13-16; Num 6,1-21). 2. Positive Bewertung von Sexualität Sexuelles Lieben wird im Alten Testament durch die Verben bo¯ 3 (»kommen«, »hineingehen«) und ja¯da2 (»wahrnehmen«, »erfahren«, »(er)kennen«) bezeichnet, wobei bo¯2 wahrscheinlich den körperlichen Vorgang des Eindringens meint. Während das deutsche »Erkennen« eine mentale, abstrakte Komponente enthält, setzt das hebräische ja¯da2 einen kontaktiven Aspekt voraus, d. h. das Moment des sinnlichen Erfahrens. Erotische Anziehungskraft wird in ätiologischer Rede in Gen 2, 18-25 damit begründet, dass sich Zusammengehöriges wieder vereinigen will. Gott schuf erst 3¯ada¯m (3 Frau / Mann 4.), das ungeteilte Menschenwesen, danach differenzierte Gott in männlich und weiblich. Das Menschenpaar bildet ab, was den Menschen ausmacht, und lässt neues Menschsein entstehen. Ansätze zu einer Sexualität, die Sinnlichkeit, Erotik und Liebe integriert, finden sich in Joh 4, 1-42; 13, 23 und Lk 7, 36-50. Jesus wird als Freund von SünderInnen, ZöllnerInnen, Prostituierten und EhebrecherInnen bezeichnet (Mt 21, 32). In Mk 10, 1-12 lädt Jesus die Ehemänner ein, der Stimme ihrer Frau zu folgen und sich mit ihnen zusammen auf die Reise nach Jerusalem zu begeben. Er erinnert sie an die Anfänge (Gen 1, 27 und 2, 24), als der Mann bereit war, seine Heimat um der Liebe willen zu verlassen, und

wirbt um Beweglichkeit und Beziehungstreue von verheirateten Männern (3 Ehe). 3. Entblößung Der nackte Körper gehört nicht in die Öffentlichkeit. Das ätiologisch mit der Erkenntnis von Gut und Böse begründete Schamgefühl in Gen 3,7 bringt dies klassisch zum Ausdruck. Das Bewusstsein der Scham um die eigene Nacktheit erhält eine starke Bedeutung und wird verbunden mit dem Motiv des »Seins-wie-Gott.« Entblößung galt als unschicklich oder lächerlich (2 Sam 6, 16.20), wie auch als entehrend und fluchwürdig (Gen 9, 22-25; vgl. Lk 8, 27; Mk 15, 20 par; Mt 25, 38). Das »Aufdecken« (ga¯la¯h) der Schamgegend wurde als sexuelle Annäherung angesehen (vgl. das Inzesttabu Lev 18, 6-16a). Aus diesem Grund soll der Weg zum Altar keine Stufen haben (so schon im Bundesbuch Ex 20, 26) und den Priestern wurden Hosen für ihren Altardienst verordnet (Ex 28, 42; Ez 44, 18). Wenn in der Bildrede in Ez 16 Nacktheit thematisiert wird, so wirft dies ein Licht auf die sozialgeschichtliche Wirklichkeit: Die Nacktheit des »kindlichen Jerusalems« wirkt auf den vorübergehenden JHWH mitleiderregend (Ez 16, 4-6), die der Heranwachsenden erotisch (V. 8), die Nacktheit der Verheirateten in der Öffentlichkeit abscheulich (V. 25). Durch diese Bildrede zeigt sich, wie sich weibliche Sexualität in männlichen Augen darstellte: Der Mann, auf den eine Frau angewiesen war (3 Frau / Mann), reklamierte seine alleinige Verfügungsgewalt. 4. Sexuelle Gewalt Die meisten Gewalttäter sind Männer, auch in der Bibel. Es bedarf deshalb der besonderen Sorgfalt, über sexuelle Gewalt zu sprechen, sonst werden Frauen in der Opferrolle festgeschrieben. Gerade die christliche Theologie hat mit der Rede vom Opfer die Opferexistenz von Frauen stabilisiert. Beim Lesen muss darauf geachtet werden, ob die geschilderte Gewalt zum Durchbrechen eines Schweigetabus verhilft oder ob sie die weibliche Opferrolle verstärkt. Frauen werden zur Beute in Kriegen (Gen 34, 29; Ri 5, 30; 21; Mk 13, 17

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par), d. h. sie sind sexueller Gewalt ausgesetzt. Als Kriegsgefangene bedürfen sie deshalb des besonderen Schutzes (Dtn 21, 10-14). In den Erzelternerzählungen (Gen 12, 12; 20, 2; 26, 7) werden Sara und Rebekka als Fremde sexueller Gewalt ausgesetzt. Doch wird dieser Aussetzung widersprochen. Das biblische Recht unterscheidet zwischen Geschlechtsverkehr mit der und gegen die Zustimmung der Frau (Dtn 22, 23-27). Wenn nach patriarchaler Auffassung die Vergewaltigung einer Frau gar primär als Entehrung des Mannes verstanden wurde, in dessen Verfügungsgewalt sie stand (Gen 34; 2 Sam 13; Ri 19; evtl. Mt 1, 19), kann die Rolle der Frau als Opfer sogar stark zurückgedrängt werden. 5. Homosexualität Die Tora verurteilt an zwei Stellen Beischlaf zwischen Männern (Lev 18, 22; 20, 13). Eine Begründung dafür wird, wie auch bei anderen Sexualtabus, nicht gegeben. Weibliche Homosexualität wird nicht erwähnt. Das wird man kaum als stillschweigende Duldung verstehen dürfen, sondern vielmehr auf ein rein männlich geprägtes Interesse an der männlichen Sexualität zurückführen müssen. Dass zwischen den Moralvorstellungen priesterlicher Gesetzgeber und dem gelebten Leben große Differenzen bestehen können, zeigt Davids Trauergesang auf seinen Freund Jonatan, indem er dessen Liebe zu ihm für wunderbarer als Frauenliebe erklärt (2 Sam 1, 26). Röm 1, 16-32 erwähnt und verurteilt männliche wie weibliche homosexuelle Beziehungen. Diese Aussage muss im Kontext der antiken Welt reflektiert werden. B. Brooten zeigt, dass die antiken Quellentexte beinahe einstimmig sexuelle Liebe zwischen Frauen verurteilen, wohingegen männliche Homosexualität manchmal geduldet, manchmal verurteilt wurde. Weibliche Homosexualität galt grundsätzlich als »unnatürlich«, d. h. die »natürlichen« Geschlechterrollen verletzend. Das Überschreiten der gender-Rolle scheint das zentrale Argument zu sein. Das phallozentrische Sexualitätsmodell der Antike ging von einem Penetrator und einer passiven, penetrierten Person aus. Während es für einen erwachsenen, freien Mann

unehrenhaft war, zu einer passiven Person degradiert zu werden, passten sexuelle Beziehungen zwischen Frauen überhaupt nicht in dieses Modell, es sei denn, die eine Frau sei als Tribade vorzustellen, als vermännlichte Frau. Antike Quellen sind nach Brooten damit beschäftigt, eine genderstratifizierte soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. Sie beschreiben Männer als aktiv, die »tun«, »handeln«, »agieren«, während Frauen »passiv sind« und »erleiden.« Sexualität zwischen Frauen verwirre dieses Schema oder erlaube Frauen eine aktive Rolle, die ihnen »naturgemäß« nicht zusteht. 6. Patriarchales Recht Sexualität spielt in patriarchalem Recht eine prominente Rolle. Es definiert Frauen über die Besitzer ihrer Sexualität: den Vater als Herrn der Jungfrau, den Ehemann als Herrn der Ehefrau. Die Witwe jedoch ist frei, »herrenlos«, ebenso die Geschiedene und die Unverheiratete (bo¯gæræt; 3 Jungfrau). Weibliche Sexualität wird in patriarchalen Gesellschaften entsprechend massiv kontrolliert. So schützten z. B. die Ehebruchsgesetze nur die Ehe des Mannes: Die Ehebrecherin brach ihre Ehe und diejenige ihres Mannes. Ein verheirateter Mann konnte hingegen nur die Ehe eines anderen brechen, nicht seine eigene. Das patriarchale Recht sicherte verheirateten Männern zudem die Freiheit, zu Prostituierten zu gehen (z. B. Gen 38, 15) oder mehrere Ehefrauen zu haben. Für die Zeit des Alten und des Neuen Testaments gilt: Sexuelle Initiative gehört sich für Männer, für Frauen ist sie negativ oder zumindest ambivalent (Ausnahmen im Hohenlied). Evas Initiative im Paradies (Gen 3, 2 f.) wird in 1 Tim 2, 14 negativ bewertet und mit sexuell konnotierter Verführung zur Sünde gleichgesetzt. In der Genealogie Jesu finden sich dagegen fünf initiative Stammmütter, die die patriarchale Ordnung stören: Tamar, Rahab, Rut, Batseba, Maria (Mt 1). Das gesellschaftliche Beharren auf einer sexuell unberührten Braut und die Sicherung der Vaterschaft sind Säulen einer patriarchalen Gesellschaft, und diesbezüglich unterschied sich auch das Judentum des Zweiten Tempels nicht von sei-

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ner Umgebung. Dasselbe gilt für die Zeit des frühen Christentums. Für das Neue Testament ist die große Zahl von Witwen bedenkenswert (1 Tim 5, 11), wie die Rede von Unverheirateten und Jungfrauen. In christlichen Gemeinden scheinen sich Lebensformen entwickelt zu haben, die von der patriarchalen Ehe unabhängig waren (Apg 9, 36 f.). Die Enthaltsamkeitspraxis (enkrateia) eröffnete Möglichkeiten, der sexualisierten Norm auszuweichen (apokryphe Apostelakten). Damit endete die patriarchale Verfügungsgewalt über weibliche Sexualität (1 Kor 7, 4.34). Doch neben diesen Aufbrüchen gewannen auch frauenverachtende neuplatonische Vorstellungen Einfluss im Christentum. Dennoch gibt es auch Evidenzen für eine Lockerung patriarchaler Normierung, so auch in der rabbinischen Literatur. Im Talmud findet sich eine Reihe von Geschichten, in denen die Klagen wegen nicht intakter Jungfräulichkeit der Ehefrau abgewiesen werden (bKet 10a). In jJev 1, 2; 2d; 13, 1,13c wehrt sich eine Waise erfolgreich gegen den Heiratsdruck, obwohl sie ein Kind auf ihren Schultern trägt. 7. Prostitution Ein gewiss erheblicher, wenn auch nicht messbarer Teil sexueller Beziehungen geschieht in Verhältnissen, die auf Prostitution beruhen (3 Prostitution). Brooten, Bernadette, Love between Women. Early Christian Responses to Female Homoeroticism, Chicago / London 1996. Jost, Renate, Von »Huren und Heiligen«. Ein sozialgeschichtlicher Beitrag, in: Hedwig Jahnow u. a., Feministische Hermeneutik und Erstes Testament. Analysen und Interpretationen, Stuttgart 1994. Kirchhoff, Renate, Die Sünde gegen den eigenen Leib, Göttingen 1994. Metzger, Martin, Keruben und Palmetten im Jerusalemer Heiligtum, in: Wolfgang Zwickel (Hg.), Vorderorientalische Ikonographie und Altes Testament. Gesammelte Aufsätze, Jerusalemer Theologisches Forum 6, Münster 2004. Müllner, Ilse, Art. Gewalt: Bibel und Theologie, in: Elisabeth Gössmann u. a. (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 2 2002, 234-236. Schroer, Silvia, Auf dem Weg zu einer feministischen Re-

konstruktion der Geschichte Israels, in: Luise Schottroff / Silvia Schroer / Marie-Theres Wacker, Feministische Exegese. Forschungserträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen, Darmstadt 1995, 83-172. Stolz, Fritz, Von der Begattung zur Heiligen Hochzeit, vom Beuteteilen zum Abendmahl, in: ders. (Hg.), Homo naturaliter religiosus. Gehört Religion notwendig zum Menschsein?, Studia Helvetica Religiosa, Bern u. a. 1997, 39-64. Strotmann, Angelika, Art. Sexualität, in: Elisabeth Gössmann u. a. (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 2 2002, 505-507.

Friedrich Fechter / Luzia Sutter Rehmann

Siegel 1. Materielle Sachverhalte Siegel sind kleine Gegenstände, z. B. Platten, Zylinder, Kegel, tier- oder menschengestaltige Gebilde (besonders stark verbreitet als Stempelsiegel war der aus Ägypten kommende Skarabäus (Abb. 1), der die Form eines Mistkäfers hat), v. a. aus Stein oder Kompositmaterial (z. B. unreiner Quarzsand), z. T. auch aus Knochen oder Holz. Sie können mit einer Schnur um den Hals oder Arm oder an einem Ring getragen oder mit einer Nadel an der Kleidung befestigt werden (Abb. 2). Das Motiv bzw. die Motive und u. U. die Schrift sind eingekerbt, geritzt oder gebohrt (Ex 28,11; 39, 6). Abdrücke wurden vor allem in ungebrannten Ton gestempelt oder abgerollt (Hi 38, 14; Abb. 3). In Palästina / Israel wurden in kontrollierten Grabungen seit Ende des 19. Jh. ca. 10.000 Stempelsiegel und ca. 500 Rollsiegel gefunden. Keel nimmt an, dass illegal noch 10-mal mehr Siegel gefunden wurden, mit Fälschungen ist jedoch auch zu rechnen. Siegel gab es im Alten Orient und in Ägypten, von wo aus sie auch nach Palästina importiert wurden; in Palästina wurden ab ca. 1700 v. Chr. Siegel produziert, lange Zeit mit ägyptischen Motiven oder in ägyptischem Stil. Ab dem 6. Jh. v. Chr. verschwindet die ägyptische Ikonographie

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Abb. 1: Skarabäus der Mittleren Bronzezeit IIA in Afek

und wird durch assyrisch-aramäische ersetzt. Ungewöhnlich zahlreich verglichen mit der Umwelt sind die nordwestsemitischen Namenssiegel v. a. des 7. und 6. Jh., von denen viele ganz ohne Bilder gestaltet sind. Motive auf Siegeln sind Gottheiten, deren Verehrer/innen, Tiere, oft mit Symbolen oder selbst symbolhaft, häufig auch kombiniert oder in Szenen dargestellt (Abb. 4). Im Alten Testament werden die Wörter Siegel (h¯otam), siegeln, verschließen (h¯atam) und (Sie˙ ˙ gel-)Ring (tabba2at), im Neuen Testament die ˙ Wörter Siegel / siegeln (sphragis / sphragizein) und einmal Siegelring (daktylion, Lk 15, 22) gebraucht. 2. Soziale und institutionelle Zusammenhänge Siegel hatten vermutlich mehr als nur eine Funktion. Ihre Verwendung im Rechts- oder Verwaltungsakt war dabei nur ein Aspekt. Mit einer Siegelbulle, einem Tonklumpen, in den ein Siegel gedrückt wurde, wurden verschnürte Papyrusrol-

Abb. 2: Verschiedene Methoden, das Siegelamulett am Fingerring zu befestigen

len (3 Schriftkultur) versiegelt (Abb. 5; Jes 29, 11; Jer 32, 10 f.; Est 3, 12 vgl. Offb 5, 1 u. ö.), ebenso auch Verschlüsse von Gefäßen, Säcken (3 Handel) oder Türen (Hi 14, 17). Siegelabdrücke dienten hier als Garantie- oder Beglaubigungszeichen. Siegelabdrücke finden sich auch auf Gefäßen und Gefäßhenkeln, viele (über 1200) davon von den lmlk-Siegeln, d. h. »dem König gehörend« (vermutlich 8.-7. Jh. v. Chr.). Ihre genaue Funktion ist unklar, vermutlich ging es um die Kennzeichnung von Besitz. Solche Siegelabdrücke, vor allem (aber nicht ausschließlich) der nordwestsemitischen Schriftsiegel aus dem 8.-6. Jh. bezeugten somit die Authentizität der Kennzeichnung. Im Neuen Testament wird von der Versiegelung des Steines vor Jesu Grab durch jüdische Obere und eine Wachmannschaft erzählt. Sie soll den Diebstahl der Leiche verhindern (Mt 27, 66). Die Namenssiegel tragen Namen, evtl. die Verhältnisbestimmung bat = »Tochter von« oder be¯n = »Sohn von« und Vaternamen (3 Namen), oder Titel der Besitzerin / des Besitzers (3 Königtum; 3 Staat / Verwaltung) und zeigen so, dass Amts- und Privatpersonen damit »zeichnen« konnten, vergleichbar mit Stempel und Unterschrift heute (1 Kön 21, 8; Jer 32, 10; Neh 10, 1; Est 8, 8). Mit einem Siegel / -ring wurde die Verfügungsgewalt übergeben (Gen 41, 42; Est 3, 10; Lk 15, 22). Siegel gehörten (auch) deshalb zum Wertvollsten und Persönlichsten, was ein/e Wohlhabende/r besaß (Gen 38, 18.25). 3. Symbolische und theologische Bedeutung Siegel hatten häufig Amulettcharakter (3 Religiöse Praxis). Form und Motive sollten die Person, die sie trug, und deren positive Kräfte verstärken oder sie schützen. Letzteres galt für Lebende wie Tote (viele Siegel wurden in Gräbern gefunden, Siegelabdrücke eher in Siedlungen). Der Amulettaspekt war bei den Bildsiegeln offensichtlich wichtiger als andere Funktionen, da bei den Bildsiegeln weit mehr Siegel als -abdrücke gefunden wurden, während bei den Namenssiegeln das Gegenteil der Fall ist. Als Besitz mit hohem persönlichem Wert wurden Siegel auch als Geschenke an Gottheiten und Menschen

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brechen können (Offb 5; 6). Die zu Gott Gehörenden, die 12 Stämme, werden durch Siegel auf der Stirn als Eigentum Gottes gekennzeichnet und geschützt (Offb 7). Bei Paulus wird die Geistkraft metaphorisch Siegel genannt (2 Kor 1, 22; s. auch Eph 1, 13). Erst nachneutestamentlich wird die Taufe Siegel genannt (Herm sim 9, 16).

Abb. 3: Altsyrisches Rollsiegel und Abrollung: syrischer Ba3al / Hadad und altbabylonischer Gott

weitergegeben. Siegel, die Gottheiten oder deren Symbole zeigten, dienten evtl. auch dazu, die Verbundenheit der Träger mit dieser Gottheit und deren Heiligtum festzuhalten. Die Aspekte der Technik des Siegelns und ihrer Bedeutung als kostbarer, kunstvoller Gegenstand sowie deren Amulettcharakter werden bei den Steinen mit Siegelgravur, die den Efod schmücken sollen, deutlich (Ex 28, 9-12.17-22). Dazu kommt die Möglichkeit, mit einem Siegel Machtbefugnisse zu übertragen, in der Rede vom Siegel im metaphorischen Sinne: König (Jer 22, 24) und Statthalter (Hag 2, 23) sind Siegel am Finger bzw. der Hand JHWHs. In Hld 8, 6 soll der Angesprochene seine Geliebte wie ein Siegel ans Herz legen. Hier fließt möglicherweise auch noch die Schutzfunktion gegen den Tod mit in die metaphorische Bedeutung ein. Im Neuen Testament wird besonders in den Bildern der Offenbarung des Johannes das Bild vom Siegel vielfach verwendet: Ein Buch mit sieben Siegeln wird Christus übergeben. Die nacheinander geöffneten Siegel lassen weltweite Katastrophen frei, die aber die Macht Christi nicht

Abb. 4: Unbeschriftetes Stempelsiegel aus Shiqmona, 7. Jh. v. Chr.

Avigad, Nahman / Sass, Benjamin, Corpus of West Semitic Stamp Seals, Jerusalem 1997. Keel, Otmar, Art. Siegelamulett, NBL III, 587-601. Ders., Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina / Israel. Von den Anfängen bis zur Perserzeit. Einleitung, OBO.A 10, Freiburg CH / Göttingen 1985. Röllig, Wolfgang, Siegel und Gewichte, HAE II/2, Darmstadt 2003, 79-433. Uehlinger, Christoph, Art. Siegel, I. Archäologisch, RGG4 VII, 1307-1309.

Uta Schmidt / Luise Schottroff / Claudia Janssen

Abb. 5: Verschnürte und versiegelte Papyrusurkunde zu einer Hausschenkung aus Elephantine, 402 v. Chr.

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Sklaverei

Sklaverei 1. Altes Testament a) Zur Begrifflichkeit. Der hebräische Begriff 2æbæd ist abgeleitet von 2¯abad, dienen, arbeiten, und zwar gegenüber Menschen verschiedensten Standes, aber auch gegenüber einer Gottheit. 2æbæd ist kein Status-, sondern in erster Linie ein Relationsbegriff. Dementsprechend hat 2æbæd eine große Bedeutungsbreite vom Minister oder Vasall eines Königs bis hin zum Sklaven für verschiedene Dienste in Haushalt und Landwirtschaft. Als Element der Namensgebung ist 2æbæd Ausdruck für das Bekenntnis und die Loyalität zu einer Gottheit (Abdiel, Obadja etc. = Knecht / Diener / Sklave Els, JHWHs etc.) bis hin zum Ehrentitel Gottesknecht bzw. Knecht JHWHs. Das moderne Verständnis von »Sklave« bezieht sich nur auf einen Teil dieser Verhältnisse. Ähnlich breit ist auch das Verständnis der Bezeichnung für eine Sklavin, sowohl für 3¯ama¯h als auch für ˇsifhah. Neben dem allgemeinen Begriff bezeich˙ net ˇsifhah eine Sonderstellung im Sinn einer be˙ sonderen persönlichen Zuordnung zur Herrin und deren persönlichem Lebensbereich (bis hin zur Funktion als »Leihmutter«, d. h. ersatzweise Gebärerin von Kindern für die Herrin, Gen 16,24; 30,3-5.9 f.). Wieweit für die vorhellenistische Zeit von Sklaverei im Sinn einer völligen Rechtlosigkeit und Reduktion des Menschen auf seine Arbeitskraft gesprochen werden kann, ist fraglich und ein Problem der Definition. Für Sklaven wie für Sklavinnen gab es unterschiedliche Rechtsstellungen, insbesondere je nach »Weg« in die Sklaverei, z. B. durch Schuldknechtschaft oder als Kriegsgefangene oder durch Geburt. Die Schwierigkeit einer genauen Abgrenzung zeigt sich auch für den Alten Orient und in der griechischen Welt. Sie ist (neben unterschiedlichem Sprachempfinden) auch der Grund für die unterschiedliche Verwendung von Sklave / Knecht / Diener bzw. Sklavin / Magd / Dienerin in den Bibelübersetzungen. b) Verbreitung und Akzeptanz. Sklaverei ist durch die ganze alttestamentliche Zeit hindurch bezeugt, angefangen von den Sklaven und Skla-

vinnen in den Erzelternerzählungen über die Erwähnung von Sklaven in verschiedenen Erzählungen der Königs- (2 Kön 4,1; Jer 34,8-11) und der nachexilischen Zeit (Esr 2,58.65; Neh 5) bis hin zu den Worten Ben Siras über die Behandlung von Sklaven (Sir 7,22 f.; 33,25-32). Das Vorhandensein von Sklaven und Sklavinnen bzw. von Sklaverei ist dabei als selbstverständlich vorausgesetzt. Das alte Israel unterscheidet sich in den Erzählungen wie in den gesetzlichen Regelungen kaum von der altorientalischen Umwelt, wie etwa die Texte von Nuzi und Ugarit sowie die mesopotamischen Rechtskodizes zeigen. Für Ägypten besteht zwar der Unterschied, dass alles Land und mit ihm alle Menschen als Eigentum des Pharao oder als Eigentum der Tempel gelten, die Regelungen vor Ort und im Einzelnen unterscheiden sich aber kaum von den sonstigen Regelungen für Sklaven. Die einzige zahlenmäßige Angabe, dass mit Serubbabel und Jeschua neben 42.360 Judäern auch 7.337 Sklaven (ca. 1/6 bzw. 17 %) aus Babylon zurückkehrten (Esr 2,64 = Neh 7,66), ist zwar in sich erstaunlich, entspricht aber wohl statistisch in etwa auch den Gegebenheiten des Heimatlandes. Auch für die Umwelt nimmt man an, dass es erst ab ca. 200 v. Chr. durch die von Rom geführten Kriege zu größeren Zahlen von Sklaven kam. Die Problematik der Sklaverei wird im Alten Testament nur selten, aber immerhin doch thematisiert, und zwar vor allem bei den Propheten. Dabei wird insbesondere die Versklavung ehemals freier Israeliten kritisiert, vor allem dort, wo sie durch Rechtsbeugung und durch Ausnutzung von Notsituationen entstand (z. B. Am 2,68). In weiterer Folge wird sie als Widerspruch zur gottgewollten Sozialgestalt Israels gesehen, was dann auch zum Leitmotiv gesetzlicher Regelungen (Dtn) und – einzelner – sozialer Initiativen (Neh 5) wird. In Notzeiten wurden Sklaven gelegentlich frei gelassen, wahrscheinlich für den Soldatendienst (Jer 34) oder zur Stärkung des sozialen Gefüges (Neh 5). Die Existenz von Sklaverei blieb aber weithin unbestritten. c) Formen und Regelungen des Sklaventums. Bei

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den Sklavinnen und Sklaven in den Erzelternerzählungen spielt neben der Abhängigkeit und der Arbeitsverpflichtung auch eine gewisse Vertrauensstellung eine Rolle, insbesondere in der Rolle der ˇsifhah, die ggf. sogar Kinder für ihre ˙ Herrin gebiert. Zum Reichtum Labans gehören Knechte und Mägde, die wohl doch wie Sklaven gekauft wurden. Nach der jüngeren Priesterschrift hat Abraham 2aba¯dı¯m, die im Haus geboren oder die gekauft waren, somit Sklaven (ähnlich der König von Koh 2,7). Die Israeliten waren Sklaven in Ägypten, weil sie nicht entlohnt und vor allem weil sie festgehalten wurden. Wie weit aber hinter den Erzählungen von der Knechtschaft im »Sklavenhaus« Ägypten genauere historische Erinnerungen stehen, ist umstritten. Zweifellos sind die Erzählungen im Lichte späterer Erfahrungen, insbesondere mit den Fronarbeiten in der israelitischen Königszeit, gestaltet; gerade darin zeigen sie aber auch die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Knechtschaft, Frondienst und Sklaverei. In den Erzählungen über die Königszeit setzt die Bemerkung Nabals »es gibt jetzt viele 2aba¯dı¯m, die ihren Herren davongelaufen sind« (1 Sam 25,10), die Abhängigkeit und Flucht von Sklaven voraus. Die im Krieg von den Aramäern geraubte junge Israelitin war Sklavin im Haushalt des Generals Naeman. Der Gläubiger, der die beiden Kinder der Witwe zu 2aba¯dı¯m haben will (2 Kön 4,1), will sie als Schuldsklaven haben. Die schon wegen nur geringer Schulden verkauften Israeliten waren Sklaven, die offensichtlich weiter verkauft werden konnten (Am 2,6). Zu den Drohungen von Dtn 28, gehört, dass die Israeliten als Kriegssklaven und -sklavinnen verkauft würden. Auch die Weisheitsliteratur setzt Sklaverei voraus. Dass nach Hi 7,2 der 2æbæd sich nach dem Schatten sehnt und der s´akı¯r auf den Lohn wartet, macht den Unterschied zwischen Sklave und Tagelöhner deutlich. Für Ben Sira ist es selbstverständlich, dass der Sklave »Brot, Strafe und Arbeit« braucht und gegebenenfalls auch mit Schlägen zu strafen ist, andererseits warnt er, dem Sklaven zu viel aufzuerlegen, so dass dieser davonlaufen könnte, und fordert: »Hast du einen

Sklavenhalsband aus Bronze, Rom

Sklaven, so behandle ihn wie einen Bruder, denn du hast ihn nötig wie dein eigenes Leben.« (33,30-32; ähnlich 7,22 f.). Ein Sklave sollte zudem nicht gehindert werden, wenn er frei werden kann (7,23); leider erwähnt Ben Sira nicht, unter welchen Umständen dies der Fall sein kann (Freikauf durch Angehörige oder durch eigene Ersparnisse?). d) Sklaven und Sklavinnen in den alttestamentlichen Gesetzen. Zum Verständnis der gesetzlichen Regelungen ist zu beachten, dass die Gesetze das Gewohnheitsrecht voraussetzen und (nur) besondere Probleme oder Anliegen thematisieren. Das Sklavengesetz Ex 21,2-11 setzt voraus, dass der gekaufte hebräische Sklave nach sechs Jahren ohne weitere Leistungen frei zu lassen ist. Ist er mit seiner Frau gekommen, so kann diese mit ihm gehen. Wenn der Herr dem Sklaven die Frau gegeben hat, so muss der Sklave Frau und Kinder zurück lassen. Wenn er aber »seinen Herrn und Frau und Kind lieb hat« und bleiben will, dann wird daraus ein dauerndes Verhältnis der Sklave-

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rei. Eine als (Schuld-)Sklavin verkaufte Tochter darf dagegen nicht frei gelassen werden. Sie darf aber nicht nach außerhalb Israels verkauft werden. Der Herr darf sie für sich nehmen oder sie für seinen Sohn bestimmen. Dann ist sie nach dem Recht der Töchter zu behandeln. Wenn der Sohn sich eine weitere Frau nimmt, darf ihre Versorgung an Nahrung, Kleidung und Unterkunft nicht geschmälert werden. Wird dies nicht eingehalten, ist sie ohne Lösegeld frei zu lassen. Unklar ist, warum die Freilassung im Alten Testament nach sechs Jahren erfolgt, während der Codex Hammurabi (Babylon, ca. 1750 v. Chr.) in § 174 eine Freilassung nach drei Jahren verfügt (war der Preis eines Sklaven in Babylon niedriger, so dass er in drei Jahren abgearbeitet war, oder ist im Alten Testament die Freilassung an das Erlassjahr nach sechs Jahren angepasst?). Im Deuteronomium (15,12-17) wird die Freilassung nach sechs Jahren ausdrücklich auf Sklave und Sklavin bezogen. Der / die hebräische Sklave / Sklavin hat aber auch das Recht, auf Dauer zu bleiben. Im Fall der Freilassung soll er / sie »nicht mit leeren Händen« gehen, sondern der Herr hat eine materielle Starthilfe in die Freiheit mitzugeben. Dies wird einerseits mit der Erinnerung an die Sklaverei in Ägypten begründet, andererseits mit dem Hinweis darauf, dass der Sklave »sechs Jahre wie zwei Tagelöhner« gearbeitet hat. Eine Kriegsgefangene darf zur Ehefrau genommen werden. Dabei ist ihr zunächst ein Monat Trauerzeit einzuräumen. Die vollzogene Ehe ändert ihren Status: Im Falle der Entlassung darf sie nicht verkauft oder (wieder) als Sklavin behandelt werden, sondern sie ist frei zu lassen. (21,10-14). Wie in 15,15 erinnert das Deuteronomium zur Begründung seiner sozialen Gebote häufig an die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Die ausdrückliche Einbeziehung aller Sklavinnen und Sklaven in die im Dekalog gebotene Sabbatruhe (Dtn 5,14; Ex 20,10) geht wohl ebenfalls darauf zurück (vgl. auch die Teilnahme an den Festen, Dtn 12,12.18; Ex 12,44). Das Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26) will die (Schuld-)Sklaverei von Israeliten faktisch abschaffen. Ein verschuldeter Israelit soll – längs-

tens bis zum Erlassjahr – seine Schuld wie ein Tagelöhner oder Beisasse (aber nicht als Sklave) abarbeiten (25,39-43). Gerät ein Israelit bei einem Nichtisraeliten in Sklaverei, so sollen ihn die Verwandten frei kaufen und er soll seine Schuld innerhalb seiner Verwandtschaft abarbeiten (25,4754). Das Heiligkeitsgesetz wendet sich aber nicht generell gegen Sklaverei: Wenn man Sklaven oder Sklavinnen haben will, soll man sie von fremden Völkern kaufen. Diese sind dann Eigentum für immer und können entsprechend an die Nachkommen der Besitzer vererbt werden (25,44-46). Das Heiligkeitsgesetz begründet wie das Deuteronomium seine Regelungen damit, dass Gott die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. e) Perspektiven. Das Alte Testament entwickelt keine Anthropologie der Sklaverei, wie etwa Theognis und Plato, für die Sklaven und insbesondere Barbaren für diesen Status geboren sind. Es entwickelt dagegen eine Theologie der Befreiung und der Solidarität, die nicht nur zu einer Begrenzung, sondern zu einer Aufhebung der Sklaverei tendiert (Lev 25). Insbesondere die Bestimmung von Dtn 23,16 f., wonach entlaufene Sklaven oder Sklavinnen nicht an ihre Herrschaft ausgeliefert werden, sondern ihnen ein Ansiedlungsrecht am Zufluchtsort gewährt werden soll, ist in der gesamten Antike einmalig. Bei ihrer Befolgung käme sie faktisch einer Aufhebung der Sklaverei gleich. Auch die Mahnung, das mögliche Freiwerden eines Sklaven nicht zu verhindern (Ben Sira), ist äußerst beachtlich. 2. Nachbiblisches Judentum / Neues Testament a) Sozialgeschichte und Terminologie. Sklaverei erlangt in der Blütezeit des Römischen Reiches eine besonders grausame Gestalt und betrifft Menschen anders als vorher massenhaft. Sklaven und Sklavinnen gelten rechtlich als res (Rechtsobjekt) und nicht als Person. Sie sind Eigentum ihres Besitzers oder ihrer Besitzerin. In den Eroberungskriegen Roms wurden fast alle Kriegsgefangenen versklavt; weitere Ursachen für Sklaverei waren: Verschuldung, politischer Widerstand, Kindesaussetzung und -verkauf, Herkunft von einer

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versklavten Mutter. Sklavenarbeit ersetzte die Maschinen in Großbetrieben, Plantagen, Großhandwerk, Bergwerken und im Transport von Waren und Material. Die Arbeit in den Haushalten galt unter den Versklavten als wesentlich leichter als die Arbeit in den Großbetrieben. Freilassungen waren möglich, erlaubten jedoch nur begrenzte Freiheiten, da Freigelassene weitgehend unter der Gewalt der Freilassenden verblieben und auch Dienste für sie zu erbringen hatten. Sklavenarbeit war eine der Grundlagen von Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Sklaverei unterscheidet sich grundlegend von den vielfältigen Formen abhängiger Arbeit, für die im Alten Testament das Wort 2æbæd verwendet wird. Um die Differenz deutlich zu machen, soll im Folgenden für den hellenistisch-römischen Bereich von »absoluter« Sklaverei geredet werden. Die Sklaverei in hellenistisch-römischen Gesellschaften ist durch die Totalität des Zugriffs auf einen Menschen, d. h. auf seinen Körper definiert. Dass unter den vielfältigen Wörtern für Sklaven und Sklavinnen auch das Wort soma (Körper) auftaucht (im Neuen Testament in Offb 18,13), ist kennzeichnend für diese Totalität. Alle Formen von Gewalt sind üblich und weitgehend legal: Geschlagenwerden, sexuelle Gewalt, Folter, Ermordung (Patterson; Glancy). Die Differenz der Realität der Sklaverei zwischen dem Alten Orient / Alten Testament und den späteren hellenistisch-römischen Verhältnissen wirkt sich auf die griechische Terminologie im jüdischen und damit auch frühchristlichen Schrifttum aus: Im Pentateuch der Septuaginta lässt sich Zurückhaltung in der Wiedergabe von 2æbæd mit doulos beobachten (Wright in: Callahan 90-108). Paulus übernimmt zwar die biblische Tradition der positiven Metapher 2æbæd Adonaj und benutzt dafür das Wort doulos (Röm 1,1 etc.), aber auch bei ihm lässt sich Zurückhaltung bei der positiven metaphorischen Verwendung von doulos beobachten (Röm 6,19; Crüsemann; Horsley in: Callahan 169-171). Die jüdische Gesellschaft hat aktiv und passiv an der absoluten Sklaverei im hellenistisch-römischen Sinne Anteil (Überblicksinformation

Stern 624-630; entsprechende Beobachtungen zur Sklaverei-Terminologie bei Josephus, Philo, den Apokryphen und Pseudepigraphen bei Wright in: Callahan). An einigen Stellen wird Sklaverei grundsätzlich kritisiert. Erst in der rabbinischen Literatur findet sich die Unterscheidung zwischen dem rechtlosen »kanaanitischen« und dem »hebräischen« Sklaven (z. B. BM 1,5; Falk 509-513). Es wird heute diskutiert, ob die »hebräische« Sklaverei im Sinne des Rechtes der Tora völlig von der absoluten Sklaverei verdrängt war oder ob sie noch eine Nebenrolle spielte. b) Sklavinnen und Sklaven in den frühchristlichen Gemeinden. In Röm 16,3-16 werden acht Frauen und 18 Männer als Glieder der christlichen Gemeinde(n) (wohl in Rom) identifizierbar. Peter Lampe (152 f.) zählt 13 Menschen, bei denen eine Aussage zu freier oder unfreier Herkunft möglich ist, davon sind die Mehrheit versklavt (9) und davon wiederum die Mehrheit Sklavinnen. Hinzu kommen Hausgemeinden mit SklavInnen, die zum Haus gehören und sich den Gemeinden anschließen (16,5.14 f.), und versklavte Gemeindeglieder aus Häusern nichtchristlicher Herren (Röm 16,10b und 11b). Für die frühchristliche Bewegung ist generell von einer starken Beteiligung Versklavter auszugehen. Erst in der Mitte des 3. Jahrhunderts finden sich Regelungen, die Versklavten den Zugang zu christlichen Leitungsaufgaben versperren (Schäfke 533), woraus zu schließen ist, dass vorher diese Frage keine Rolle spielte. Falls das Wort »ministra« in Plin. epist. 96,8 auf eine Leitungsfunktion deutet, sind hier zwei Sklavinnen als christliche Amtsträgerinnen genannt, die erfolglos von römischen Repräsentanten gefoltert werden. Die Sklavin Rhode (Apg 12,12-17) verhält sich nicht als Sklavin, die Befehle ausführt, sondern als spontan und selbstbewusst handelndes Glied der Gemeinde (Richter Reimer 248; anders Harrill 59). Generell lässt sich der Schluss ziehen, dass es notwendig ist, neutestamentliche Schriften mit einer Hermeneutik zu lesen, die Sklavinnen und Sklaven als an ihnen beteiligte Subjekte und nicht als Objekte von Fürsorge betrachtet, wobei die Kirche als Kirche der Freigeborenen gedeutet wird.

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c) Gleichnisse Jesu und Metaphorik des Paulus. In den Gleichnissen Jesu wird ein Bild der Sklaverei gezeichnet, das dem außerbiblischer Quellen von der absoluten Sklaverei der hellenistisch-römischen Gesellschaften entspricht. Versklavungen erscheinen als zeitlich unbegrenzt und erlauben den Zugriff auf die Körper. Sklaven und Sklavinnen werden geschlagen (Lk 12,45), gefoltert (Mt 18,34) und getötet (Mk 12,1-12), sie werden in zwei Teile zerhackt (Mt 24,51). Die Familie eines Sklaven kann von ihm weg weiterverkauft werden (Mt 18,25). Dieser Zugriff auf die Körper gilt auch für Versklavte in gehobenen Positionen der Finanzverwaltung (Mt 18,23-35; 25,14-30). Solche versklavten Finanzverwalter werden gelegentlich als Beleg der Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs für Versklavte gedeutet. Doch der absolute Charakter der Sklaverei wird durch hohe Positionen nicht tangiert. Gerade weil sie gefoltert werden können, eignen sie sich nach Meinung der Herrschaft für die Finanzverwaltung. Die Gleichnisse Jesu zeichnen also ein genaues Bild von den Strukturen der Gewaltherrschaft über versklavte Menschen. Dieses Bild soll als Gegenbild zur gerechten Welt Gottes (basileia tou theou) gelesen werden. Durch die Vergegenwärtigung der basileia Gottes wird das Unrecht, von dem die Gleichnisse erzählen, als solches erkennbar: Gottes Macht ist anders als die der Herren über Versklavte (Schottroff 2005). Durch diese Antithese wird die Sklaverei delegitimiert. Die lange Zeit in der Auslegungsgeschichte der Gleichnisse praktizierte Gleichsetzung Gottes mit den Herrengestalten in den Gleichnisbildern jedoch hat den guten Sklaven, der seinem Besitzer gehorcht, als Bild der Gläubigen verstanden und damit den antithetischen Charakter der Gleichnisse aus den Augen verloren. Paulus verwendet Sklaverei-Metaphorik für negativ bewertete, gottfeindliche Beziehungen. In ihr zeichnet er ein düsteres Bild. Die Herrin Sünde (Röm 6,6; 7,25) macht den ganzen Menschen, das soma zu ihrem Instrument (Röm 6,12-14), sie zwingt ihn in die Gesetzlosigkeit (Röm 6,19), sie schlägt ihn mit dem Stachelstock (1 Kor 15,56) und liefert ihn dem Tod aus, den sie

als Sold zahlt (Röm 6,23). Die hier von Paulus skizzierte absolute Sklaverei bleibt – wohl absichtlich – gleichzeitig transparent für politische Unterdrückungserfahrung unter der Pax Romana (Schottroff 1990; Horsley in: Callahan 170.176). Bei Paulus und in der Offenbarung findet sich neben dieser deskriptiven eine antithetische metaphorische Sprache für die Beziehung zu Christus und zu Gott, die an den biblischen Gebrauch von 2æbæd Adonaj anknüpft, der ebenfalls antithetischen Charakter trägt (Callender in Callahan 79). Menschen werden SklavInnen Gottes genannt, weil Gott allein die Herrschaft über Menschen gebührt. Gott bringt den von Menschen Versklavten die Befreiung. In diesem Sinne nennt Paulus sich und andere Sklaven Christi (Röm 1,1 u. ö.; Offb 1,1 u. ö.); im Lukasevangelium wird Maria Sklavin Gottes genannt (Lk 1,38.48). Für den historischen Paulus ist diese Bezeichnung kein schon festgelegter und abgrenzender Titel, er drückt im Zusammenhang jeweils aus, was er damit sagen will: Er ist von Christus beauftragt, das Evangelium weiter zu tragen wie die Propheten (vgl. 1 Kor 9,17; Gal 1,15; Offb 1,1 u. ö.). Paulus verwendet das Verb douleuein im positiven Sinne als paradoxen Gegenbegriff zur Unfreiheit unter der Sünde. Die Befreiung durch Christus und die Treue zum Gott Israels und der Tora, um die es ihm hier geht, beendet alle andere Sklaverei. Im Christushymnus Phil 2,6 erniedrigt Christus sich selbst, lebt und stirbt am Kreuz wie ein Sklave. Diese Solidarisierung mit Sklaven und Sklavinnen in der Situation der Erniedrigung ist in der jüdischen Tradition nicht singulär, wie z. B. die Gestalt des Gottesknechtes zeigt. Auf diesem Hintergrund ist die Vorstellung des Paulus vom Sklaven / doulos Christi (Röm 1,1 etc.) nicht nur antithetisch zu hören, sondern auch als Solidarisierung von Freien mit Versklavten. Durch die harte Sklavereipraxis in hellenistisch-römischer Zeit hat sich der Kontext der Bezeichnung »Sklave / Sklavin Gottes« geändert. Es ist zu fragen, ob diese Metaphorik »Züge von Demütigung und Erniedrigung annahm, die dem Hebräischen fremd sind, und ob dieses theologi-

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sche Gedankengebäude dazu diente, Entmenschlichung zu legitimieren oder nicht« (Wire in: Callahan 284 [im Original englisch]). Joh 15,15 zeigt, dass diese Frage im frühen Christentum diskutiert worden ist, darum wird die Konsequenz gezogen: »Ich nenne euch nicht mehr Sklavinnen und Sklaven«. In der späteren christlichen Geschichte wird die ursprünglich antithetische Metaphorik jedoch zur Legitimation von Sklaverei verwendet, wie in Eph 6,6 bereits zu erkennen ist: SklavInnen werden SklavInnen Christi genannt, wenn sie ihren BesitzerInnen aufrichtig dienen. d) Stellungnahmen zur Sklaverei. In Fortführung biblischer Tradition hat der Schuldenerlass, als Bekämpfung einer der Ursachen von Sklaverei, eine zentrale Rolle in der Jesusüberlieferung (Mt 6,12 u. ö.). Jes 61,1 f. wird in Lk 4,18 programmatisch für Jesu Botschaft und Praxis und umfasst auch die Befreiung der Gefangenen. Die Erinnerung an den Exodus aus Ägypten und damit die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten hat einen prominenten symbolischen Ort in der Abendmahlspraxis; entweder wird das Abendmahl als Pessachmahl verstanden (synoptische Evangelien) oder Jesus als Pessachlamm (Joh 1,29 u. ö.). Offb 18,13 ist als Protest gegen hellenistisch-römische Sklaverei zu lesen (C. Martin 82109). Der Loskauf (apolytrosis) der Leiber (Röm 8,23) umfasst das Ende der Sklaverei. Sklaverei wird wie Armut als Leiden wahrgenommen, das ein Ende haben muss. Eine politische Forderung nach Abschaffung der Legalität von Sklaverei im nachaufklärerischen Sinne lag nicht im Horizont der Menschen, deren einziges wirksames Mittel politischen Protestes das Martyrium war, wie der Lebensweg Jesu exemplarisch zeigt. Scharfe Kritik an der Sklaverei findet sich im Jubiläenbuch (11,2), und bei den Essenern und TherapeutInnen in der Darstellung Philos (Philo prob. 79; Philo cont. 70; vgl. Josephus, Flav. Jos. Ant. 18,21). Drei explizite Stellungnahmen zur Sklaverei betreffen bei Paulus seine Vorstellung von der Gestaltung des Zusammenlebens von Freien und Unfreien in den Gemeinden. Sie sollen auf gleicher Augenhöhe leben und arbeiten (Phlm 16;

Gal 3,28). In 1 Kor 7,21.22 geht es darum, dass Versklavte, die die Freilassung erreichen, von der Berufung Gottes (klesis) Gebrauch machen (Bartchy). Christliche Besitzer und Besitzerinnen von versklavten Menschen sind also nach Paulus um Christi willen verpflichtet, auf ihr Recht zu verzichten. Die Arroganz der kulturellen Legitimation von Sklaverei als gott- oder naturgegeben (Aristoteles, z. B. Arist. pol. 1252a,5.30; 1253b,30 ein Sklave sei »beseelter Besitz«. Cicero, Cic. rep. III,36; 37) und die damit gegebenen prärassistischen Urteile, die die Freiheit der Freien definieren, wird ihnen unmöglich gemacht. Die Klischees, die in der Antike über Sklavinnen und Sklaven verbreitet werden (z. B. in Komödien), sind den Klischees des viel späteren Rassismus verwandt. Die Auslegungsgeschichte des Neuen Testaments zeigt – besonders deutlich in der Auslegung von Apg 8,26-40 –, dass der Ausschluss von Menschen mit schwarzer Hautfarbe und Versklavten aus den Gründungslegenden des Christentums eine rassistische Lektüre des Neuen Testaments stillschweigend begründet (Felder 140145). Vor allem aber sind die Sklavenmahnungen (Kol 3,22-4,1; Eph 6,5-9; 1 Petr 2,18-25; 1 Tim 6,1 f. und Tit 2,9 f.; Did 4,11; 1 Clem 21,4-9 u. a.) der späteren Briefliteratur über Jahrhunderte als Legitimation von Sklaverei gelesen worden und deshalb einer grundlegenden Kritik zu unterziehen. (C. Martin in: Felder 213-218). Bartchy, S. Scott, Mallon Chresai: First-Century Slavery and the Interpretation of 1 Corinthians 7:21, SBL Diss. Series 11, Missoula 1973. Boecker, Hans Jochen, Recht und Gesetz im Alten Testament und im Alten Orient, Neukirchen-Vluyn 2 1984. Callahan, Allen D. / Horsley, Richard A. / Smith, Abraham (Hg.), Slavery in Text and Interpretation, Semeia 83/84, Atlanta 1998. Cardellini, Innocenzo, Die biblischen ›Sklaven‹-Gesetze im Licht des keilschriftlichen Sklavenrechts, BBB 55, Bonn 1981. Chirichigno, Gregory C., Debt-Slavery in Israel and the Ancient Near East, JSOT.S 141, Sheffield 1993. Crüsemann, Marlene, Röm 6,19-23. Sozialgeschichtliche Bibelauslegung, Junge Kirche 63 (2002), 59-61. Fabry, Heinz-Josef, Deuteronomium 15. Gedanken zur Geschwister-Ethik im AT, ZAR 3 (1997), 92-111.

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Siegfried Kreuzer / Luise Schottroff

Soziale Bewegungen »Soziale Bewegungen stellen soziale Gebilde aus miteinander vernetzten Personen, Gruppen und Organisationen dar, die mit kollektiven Aktionen

Protest ausdrücken, um soziale bzw. politische Verhältnisse zu verändern oder um sich vollziehenden Veränderungen entgegenzuwirken.« (Rucht / Neidhard, 544). Eine Bewegung zeichnet sich durch eine kollektive Identität aus, die u. a. auf der gemeinsamen Deutung der politischen / sozialen Lage basiert. Eine Situation wird als ungerecht usw. aber auch als veränderbar verstanden. Grundlage für eine solche Deutung ist ein gemeinsamer Denkrahmen, der die Kriterien für die Situationsdeutung, für die Handlungen und ihre Ziele beinhaltet. Eine soziale Bewegung entsteht außerhalb des machtpolitischen Zentrums einer Gesellschaft. Verschiedene Theorien zur Entstehung Israels zeichnen sich durch die Annahme unterschiedlicher gesellschaftspolitischer Voraussetzungen aus. Grundzüge sind dennoch erkennbar: Die Frühgeschichte Israels vollzieht sich im Kontext massiver sozialer Umstrukturierungen. Mit dem Zusammenbruch der lokalen Stadtstaaten während des 12. Jh. geht die Entstehung neuer Dorfkulturen in den höher gelegenen östlichen Regionen einher. Die neue Dorfkultur steht in kultureller Kontinuität zu den Städten (Keramik), unterscheidet sich aber vor dem Hintergrund ihrer eher egalitären und segmentären als hierarchischen und zentralistischen Sozialstruktur. Die Verehrung JHWHs wird zum Identifikationspunkt einer sich aus disparaten Gruppen bildenden neuen Größe. Bevölkerungswachstum, Re-Urbanisierung, die politische Integration der Städte und eine zunehmend zentralistische Verwaltung führen unter der Bedingung der Staatlichkeit zu einer Ausdifferenzierung armer und reicher Gesellschaftsschichten. In ihrer Kritik sozialer Missstände beruft sich die prophetische Literatur des 8. und 7. Jh. auf das ethische Ideal gesellschaftlicher Solidarität. Das Ideal solidarischer Ordnung wird mit der persönlichen Beziehung des Gottes JHWH zu ganz Israel begründet. Eine Bewegung mit sozialem oder ökonomischem Programm begründen die Propheten nicht. Im 8. Jh. wird Hosea im Nordreich zum Vertreter einer JHWH-und-nicht-Baal-Verehrung.

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Mit der Kritik der Verehrung des Baal untrennbar verbunden ist die Kritik an der herrschenden Schicht, die Hosea mit dessen Verehrern identifiziert. Ähnliches gilt für den Elija-Elischa-Erzählkreis. Der Kampf um die Verehrung des Gottes Israels wird zum Kampf um die soziale und kulturelle Einheit der israelitischen Gesellschaft. In der Tradition der JHWH-allein-Bewegung steht die Schilderung der Kultreform unter Joschija (2 Kön 23) im Südreich und, sofern sie auf historischen Ereignissen beruht, diese Kultreform selbst. Sie erfüllt am deutlichsten die Kriterien einer sozialen Bewegung. Träger der mit den in 2 Kön 23 ff. geschilderten Reformen ist der 2am ha¯ 3a¯ræs, in Opposition zum Königshaus stehende, Grund˙ besitzende, freie Bauern. Sein Anliegen wird von Teilen der Hofbeamten- und der Tempelpriesterschaft unterstützt. Der 2am ha¯ 3a¯ræs ˙ nutzt die Chance des Machtvakuums nach dem Zusammenbruch der assyrischen Vorherrschaft zur Absetzung des assurfreundlichen Königs und zu Inthronisation des Kindes Joschija. Um eine Reform von unten handelt es sich nicht. Die vom am ha¯ 3a¯ræs verfochtenen Reformen werden im Namen des Königs durchgesetzt. Die geschilderten Details der von Joschija proklamierten Kultreform treffen sich in weiten Teilen mit wesentlichen Bestimmungen des Deuteronomiums. Immer noch sieht die Mehrzahl der Exegeten in der von Joschija und den hinter ihm stehenden Kreisen seiner Reform zu Grunde gelegten Schrift eine Urfassung des Deuteronomiums. Die so genannte »deuteronomistische Bewegung« verbindet eine sozialkritische mit einer politischen und einer religiösen Perspektive. Die Macht des Königs wird vor dem Hintergrund eines egalitären Ideals (vgl. das so genannte »Königsgesetz« Dtn 17,14 ff.) beschränkt. Als einigendes Moment tritt die Allein-Verehrung JHWHs an seine Stelle. Das ethische Ideal gesellschaftlicher Solidarität, das die Schriftprophetie vertritt, beeinflusst das positive Recht, dem utopische Charakterzüge allerdings anhaften. Die Aufwertung des Jerusalemer Tempels zum einzigen legitimen Kultort passt sich den historischen Gegebenheiten an. Unter assyrischer Vorherrschaft

beschränkt sich der Einflussbereich des Staates Juda zuletzt auf die Umgebung Jerusalems. Sie hindert die Diversifizierung der JHWH-Religion und stärkt so die Einheitlichkeit der JHWH-Allein-Verehrung. In zentralen deuteronomistisch beeinflussten Texten von Samuel- und Königbüchern verbindet sich die Kritik am Arrangement der herrschenden Schicht mit der fremden Macht mit der Kritik eines religiösen Synkretismus (exkludierende Identifikation). Die Bedrohung Israels wird als Bedrohung des Gottes Israels empfunden. Die Identifikation von Gott und Volk äußert sich im Ideal des nur diesem Gott verpflichteten und ursprünglich egalitären Israel (inkludierende Identifikation). Die Konzentration auf die Verehrung des einen Gottes JHWH wird zum Integrationsmoment nach innen und Abgrenzungsmerkmal nach außen. Diese Entwicklung findet in kritischer Auseinandersetzung mit dem, aber nicht ohne das Königtum statt. Sie schafft Voraussetzungen, an die eine Neuformulierung des Selbstverständnisses Israels ohne Staat und König anknüpfen kann. Wegen der weiten Verbreitung deuteronomistischer Sprache und Theologie sind die Grenzen einer deuteronomistischen Bewegung schwer zu bestimmen. Manches spricht für einen Verzicht auf einen solchen Begriff. Hohe Steuerlast unter persischer Herrschaft und die Reintegration der – nicht sehr zahlreichen – Heimkehrer aus dem Exil führen zu im Einzelnen kaum noch zu bestimmenden sozialen Konflikten. Die Verknüpfung mancher Gesetze mit den Ansprüchen der Rückkehrer auf Land ist umstritten. Im Zuge der konfliktreichen Begegnung mit den hellenistischen Reichen und deren Kultur entstanden in Israel zahlreiche soziale Bewegungen. Die griechische Kultur wurde als Kultur der Eroberer angesehen und abgelehnt, gleichzeitig stand sie quer zur Alleinverehrung JHWHs. Die hellenistischen Machthaber und ihre Herrschaftseliten ihrerseits konnten diese Ablehnung nicht verstehen und gingen aggressiv gegen die jüdische Religion vor (Judenfeindschaft in Ägyp-

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ten; Verfolgung durch Antiochos IV.: u. a. Verbot der Tora). Teile der jüdischen Oberschicht strebten z. T. aus wirtschaftlichen und politischen Erwägungen eine Annäherung an die griechische Kultur an. Durch die Frage, wie auf die hellenistische Repression zu reagieren sei, entstanden die Bewegungen. Hauptmerkmal war die Treue zur Tora, deren Geltung durch die Religionspolitik des Antiochos IV und durch die Assimilierungsversuche der jüdischen Oberschicht gefährdet erschien. Auf der Basis des Bekenntnisses zu JHWH kam es zum Aufstand. Der Kampf für die Tora war das Ziel des Aufstandes (1 Makk 2,27), der von einer breiten bäuerlichen Schicht, schriftgelehrten Kreisen (Chassidim) und Teilen der Priesterschaft getragen wurde. An der Frage, wie weit der Aufstand gehen sollte, zerbrach die Bewegung. Die Chassidim wollten nach der Rücknahme der antijüdischen Religionspolitik mit den Seleukiden über eine Teilautonomie Israels verhandeln (1 Makk 7,12 ff.). Die Makkabäer wollten die Errichtung eines quasi unabhängigen Königreiches, was sie 142 v. Chr. erreichten (hasmonäische Dynastie). Dabei griffen die Hasmonäer auch nach dem Amt des Hohepriesters, das ihnen, da sie nicht zadokidischer Abstammung waren, nicht zustand. Unter der Leitung eines zadokidischen Priesters ging deswegen eine Gruppierung in die Total-Opposition zur neuen Führung in Jerusalem (Qumran-Sekte / Essener). Diese Gruppe verstand sich als das wahre Israel, da nur sie an den Geboten der Tora festhielten. Ihre Lebensweise zielte auf Gütergemeinschaft ab. Aus den ebenfalls in der Opposition befindlichen Chassidim entstanden vermutlich die Pharisäer, deren Ziel die Ausgestaltung jüdischer Identität (Bekenntnis zu dem einen Gott) – unter partieller Ablehnung hellenistischer Kultur – in allen Bereichen des Alltags war (Übertragung priesterlicher Heiligkeitsvorstellungen auf das ganze Volk). Dafür musste die Tradition stets im Hinblick auf neue Herausforderungen ausgelegt werden. Die mündliche Tora hatte für die Pharisäer normative Geltung. Zu ihrem Programm gehörte auch eine breite Bildung des Volkes, damit die religiösen Traditionen verbreitet werden

konnte. Die Pharisäer dürften die Bewegung sein, die der Jesus-Bewegung sehr nahe stand. Teile der Priesteraristokratie unterstützen die Hasmonäer, die späteren Sadduzäer. Sie bestimmten das Leben im Jerusalemer Tempel nachhaltig. Als autoritative Grundlage erkannten sie im Gegensatz zu den Pharisäern nur die schriftliche Tora an. Die ungeklärten Konflikte zwischen diesen Gruppen und die Verstärkung der sozialen Krise unter der römischen Herrschaft bildeten den Nährboden für neue Bewegungen. Im Kontext des Zensus von 6 n. Chr. bildeten sich Widerstandsgruppen gegen Rom: Judas Galiläus propagierte die Alleinherrschaft Gottes über sein Volk und forderte Israel auf, sich durch Steuerverweigerung für die Durchsetzung der alleinigen Herrschaft Gottes einzusetzen. Er lieferte die ideologische Basis für den militärischen Widerstand der Sikarier und Zeloten gegen Rom (66-73). Die Sikarier (lat. sica: Krummdolch) waren eine terroristische Gruppierung, die gegen die prorömische Oberschicht in Israel agierten (Attentate gegen Reiche und Plünderungen; Flav. Jos. Ant. 20,187). Die Zeloten bekämpften vor allem die Jerusalemer Priesterschaft, die ihrer Meinung nach den Tempel verunreinigt hatte. Sie gingen in der Tradition des makkabäischen Freiheitskampfes davon aus, dass Gott ihnen im Kampf gegen Rom beistehen würde. Eine Bewegung anderer Art stellte die um den Propheten Johannes des Täufers dar, der zur Zeit des Herodes Antipas das Gericht Gottes ankündigte. Rettung vor diesem Gericht konnten die Menschen nur durch die Umkehr und die damit verbundene Taufe im Jordan durch Johannes erlangen (Mk 1,4). In der Umkehr sollte sich Israel wie bei der 40-jährigen Wüstenwanderung erneuern. Nach Flav. Jos. Ant. 18,117 forderte Johannes zum unbedingten Halten der Tora auf, was in Opposition zur prorömischen Regierung des Herodes Antipas stand. Bei Josephus finden sich Zeugnisse weiterer prophetischer Bewegungen in dieser Zeit (Flav. Jos. Ant. 20,97 ff.167 f.169 ff.). In diesem breiten Strom der Bewegungen ist die Gruppe um Jesus von Nazaret zu verorten.

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Soziale Schichtungen

Zentrales Element war die Ankündigung des nahen Königtum Gottes (Mk 1,14 f.). Jesus rief damit zu einer oppositionellen und solidarischen Praxis auf, die für die Befreiung der Menschen auf Grundlage der religiösen Traditionen Israels eintrat (Mk 12,28 ff.: alleinige Verehrung Gottes, Gebot der Nächstenliebe). Dabei stellte die Gruppe um Jesus ein Gegenentwurf zu real erfahrbaren Herrschaftsverhältnissen dar: Alle waren zum Dienst füreinander aufgerufen. Die Differenz zwischen Herren und Unterworfenen / Sklaven (3 Sklaverei) wurde aufgehoben (Mk 10,4245). Für Menschen aus der Unterschicht war die Gruppe in Krisenzeiten attraktiv, sie bot ein Netz der Solidarität (Mk 10,28-31). Ausgegrenzte und Diskriminierte (Zöllner, Prostituierten oder Bettler) fanden hier soziale Bindungen und Anerkennung. Dies gilt gerade für Frauen, die in der Bewegung eine besondere Rolle spielten (z. B. Mk 15,40.41). Die Bewegung hat sich teilweise vom antiken Wirtschaftssystem getrennt. Viele aus der Anhängerschaft haben ihre Berufe verlassen. Dies ist als Ausstiegsbewegung aus einem System zu verstehen, das Menschen nicht mehr ernährt. Gleichzeitig setzen einige ihren Besitz für die Unterstützung der Gruppe ein (Lk 8,3; 10,38 ff.). Im Gegensatz zu den Zeloten / Sicariern lehnte Jesus militärische Gewalt strikt ab (Mt 5,39 ff.), er selbst ruft bei seiner Gefangennahme nicht zum Kampf gegen Rom auf. Vielmehr fordert er zu einem Handeln auf, das sich der Alleinverehrung Gottes und der Solidarität verpflichtet weiß. Dies kann zum Konflikt mit den Mächtigen führen, dem nicht ausgewichen werden darf.

Albertz, Rainer, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bände, Göttingen 2 1996/1997. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, Gütersloh 2005. Lang, Bernhard, Die Jahwe-allein-Bewegung. Neue Erwägungen über die Anfänge des biblischen Monotheismus, in: Manfred Oeming / Konrad Schmid (Hg.), Der eine Gott und die Götter. Polytheismus und Monotheismus im Antiken Israel, Zürich 2003. Otto, Eckart, Kontinuum und Proprium. Studien zur Sozial- und Rechtsgeschichte des Alten Orients und des Alten Testaments, Wiesbaden 1996.

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Johanna Erzberger / Carsten Jochum-Bortfeld

Soziale Schichtungen 1. Die Entwicklung der Gesellschaft oder besser der Gesellschaften, die von der verwandtschaftsbasierten Gestalt der vorstaatlichen Epoche bis zur Zeit der römischen Besatzung in Israel bestehen, kann als Geschichte zunehmender sozialer Ausdifferenzierung beschrieben werden (zur Epochengliederung siehe 3 Gesellschaftsformen). Bereits die Familienverbände der Eisen-I-Zeit sind mit Sicherheit nicht alle gleich stark. Zudem ist mit unterschiedlicher Machtverteilung innerhalb der Familienverbände zu rechnen, indem Ältere mehr Einfluss haben als Jüngere, vielleicht auch Männer mehr als Frauen, obwohl dies nicht so selbstverständlich ist, wie oft angenommen. Doch erst mit der Ausbildung stabiler Staaten seit etwa 1000 v. Chr. entsteht eine klare Differenzierung zwischen einer politischen Führung, die nicht mehr (vorrangig) an der wirtschaftlichen Produktion teilnimmt, und der breiten Masse, die nach wie vor in familiären Strukturen lebt und das Wirtschaftsprodukt erarbeitet. Ab dem 8. Jh. v. Chr. lässt sich dann beobachten, dass sich innerhalb der Bevölkerung zwei Klassen mit einander entgegengesetzten ökonomischen Inter-

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essen ausbilden. Einer kleineren Oberschicht gelingt es, immer mehr Land in ihren Händen zu konzentrieren (vgl. Jes 5,8; Mi 2,1 f.) und Menschen über die Praxis der Schuldsklaverei in direkte Abhängigkeit zu zwingen. Aus dieser Klasse rekrutiert sich zugleich die Beamtenschaft; sie kooperiert – in Juda mehr als in Israel – aufs engste mit dem regierenden Königshaus. Ihr gegenüber steht eine zunehmende Zahl verarmender Familien. Wird ihre Schuldenlast unaufhebbar – der Schritt von der vorher schon üblichen Verschuldung zur Überschuldung –, kann es zum Verlust des Landes und der persönlichen Freiheit kommen. Besonders gefährdet sind Mädchen, die als erste in Schuldsklaverei weggegeben werden (Neh 5,1-13), und Frauen, die, wenn die Männer sich entfernt haben, aus ihrem Besitz verjagt werden (Mi 2,9), ganz zu schweigen von den notorisch bedrohten »Witwen und Waisen«. Gegen Ende der Königszeit taucht im Deuteronomium erstmalig die Gestalt des Tagelöhners auf (Dtn 24,14 f.), der täglich seine Arbeitskraft feilbieten muss und im Fall des Misserfolgs für sich und seine Familie kein Einkommen hat. Am Übergang zur Zeit des babylonischen Exils ist dann in Ez 18,7.16 von Bettelarmen (»Hungrigen und Nackten«) die Rede, die nur noch von fremden Gaben leben. Mit der Wegführung größerer Teile der Oberschicht nach der Einnahme Jerusalems 586 entspannt sich die Lage insofern, als unter babylonischer Herrschaft eine Landreform durchgeführt wird, die die Verarmten wieder zu ihrem Besitz bringt (2 Kön 25,12; Jer 39,10). Allerdings ist auch damit zu rechnen, dass sich Babylonier und Angehörige anderer Völker Besitz aneignen (Klgl 5,2). Vor allem aber beanspruchen zurückgekehrte Nachkommen der früheren Besitzer in der Perserzeit den alten Besitz wieder für sich, allem Anschein nach mit durchschlagendem Erfolg. Die Quellenlage ist hier insofern schwierig, als nahezu alle in Frage kommenden biblischen Texte aus der Sicht der Gola-Heimkehrer formuliert sind, die daran interessiert gewesen sein dürften, die Konfliktlage zu vertuschen. Doch zeigt der drohende Aufstand zur Zeit Nehemias (Neh 5,1-13), dass Mitte des 5. Jh. v. Chr.

der Klassengegensatz auf keinen Fall geringer ist als in der späteren Königszeit. Nimmt man Texte wie Jes 58,6 f., in denen von Gefangenen, Hungrigen, Obdachlosen und Nackten die Rede ist, Hag 2,6 mit dem Bild des Lohnarbeiters, der »in einen löchrigen Beutel arbeitet«, oder die Elendsschilderung von Hi 24 hinzu, dann muss man sogar von einer Verschärfung ausgehen. Sie schreitet in hellenistischer Zeit voran. Als neues Phänomen kommt jetzt hinzu, dass mit der aufkommenden Geldwirtschaft die wenigen reichen Familien der Oberschicht sich in das System der hellenistischen Kapitalwirtschaft eingliedern. Die Familie der Tobiaden etwa deponiert große Vermögen in der ptolemäischen Hauptstadt Alexandria, die sie u. a. durch Pacht der Steuereinnahmen erwirbt, wobei sie sich auf Kosten der eigenen Bevölkerung zu bereichern versteht. Der Makkabäeraufstand des 2. Jh. v. Chr. ist nicht zuletzt auch ein Kampf der Unterschicht gegen die ökonomische Ausbeutung durch die fremden Herrscher und die mit ihnen kooperierenden einheimischen Familien. Die siegreich aus diesem Aufstand hervorgehenden Hasmonäer konfiszieren das Eigentum der entmachteten Aristokratie. Die neue Oberschicht rekrutiert sich aus priesterlichen und nichtpriesterlichen Familien, die der neuen Führung loyal verbunden sind. In dieser Zeit geht es den Kleinbauern in Palästina verhältnismäßig gut, da sie nicht nur von den Abgaben an die Seleukiden befreit sind, sondern vielfach entweder Pächter königlicher Ländereien oder sogar selbst Grundbesitzer werden. Diese Situation ändert sich jedoch unter römischer Vorherrschaft wieder grundlegend. Im Zuge der Neuordnung Palästinas unter Pompeius ab dem Jahr 63 v. Chr. werden etliche Bauern enteignet. Gleichzeitig kommt es zu einer immer größeren Verschuldung infolge wachsender Steuer- und Abgabenlasten und so letztlich zur Verelendung weiter Teile der Bevölkerung. Diese Situation bessert sich auch unter herodianischer Herrschaft nicht: Herodes der Große zieht hohe Abgaben ein – u. a. auch den Tribut an Rom – und eignet sich im Zuge der Ablösung der alten Oberschicht umfassenden Grundbesitz an, den er teilweise an

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seine Beamtenschaft und Anhänger weitergibt. Daher gehören sowohl die Mitglieder der Oberschicht (Herodianer, Priester- und Laienadel) als auch deren – häufig nichtjüdische – Gefolgsleute (z. B. Beamte, Verwalter, Priester, Tempelpersonal, lokale Magistrate, Soldaten, Steuerpächter, Großhändler) zu den Wohlhabenden der Gesellschaft. Dieser kleinen Minderheit steht eine breite Unterschicht gegenüber, die keinen Anteil an Macht und Privilegien hat. Die Ausdifferenzierung verschiedener Unterschichtsgruppen ist schwierig, ein wichtiges Kriterium sind (relative) Unterschiede hinsichtlich Besitz oder Einkommen. Auf diese Weise lässt sich eine Gruppe von relativ Armen (hebr. 2¯anı¯; griech. penetes) bestimmen, die oberhalb des Existenzminimums anzusiedeln ist. Ihr sind einige verhältnismäßig wohlhabende Bauern, Fischer, Händler, Handwerker oder Pächter zuzurechnen. Während der Weinbergsbesitzer aus Mt 20,1-16 und der Vater des »Verlorenen Sohnes« aus Lk 15,11-32, die einen Verwalter bzw. Sklaven und etliche Tagelöhner beschäftigen können, wohl noch zur Oberschicht zu rechnen sind, dürfte der Sklavenhalter aus Lk 17,7-10 ebenso wie der Verwalter des reichen Mannes in Lk 16,1-8 der wohlhabenden Unterschicht angehören (vgl. ähnlich die Gutsherren in Mt 13,24-30; 20,1-16). Daneben gibt es jedoch auch die absolut Armen (hebr. 3æbejo¯n; griech. ptochoi), die nur mit Mühe menschliche Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnung oder Kleidung befriedigen können, so z. B. Kleinbauern und -fischer, Tagelöhner oder Hirten. Diese Gruppe ist besonders von der Verschuldung betroffen und vielfach zum täglichen Überleben auf die Hilfe anderer angewiesen (vgl. Lk 3,11; Mt 11,5; 25,35 ff.; Jak 2,15 f.). Zu diesen Bettelarmen gehören oft chronisch Kranke (vgl. Mt 11,5; Lk 16,19 ff.) oder 3 Witwen und 3 Waisen, wovon die Evangelien ebenfalls zeugen (vgl. Mk 7,27 f.; 9,33-37; 10,13-16; 12,42 f.). Die gravierenden sozialen Unterschiede in Palästina sorgen für ständige Unruhen und revolutionäre Bewegungen, die die jüdische Geschichte von der Zeitenwende bis zum Ausbruch des ersten Krieges gegen Rom bestimmen. Bezeichnenderweise werden direkt zu

Beginn dieses Aufstandes die Schuldarchive verbrannt (vgl. Flav. Jos. Bell. 2,427). Für die Verhältnisse außerhalb Palästinas gilt prinzipiell Ähnliches. Allerdings vollziehen sich im Imperium Romanum so umfassende gesellschaftliche und administrative Veränderungen, dass alle Modelle einer Stratifizierung der frühkaiserzeitlichen Gesellschaft mit Problemen behaftet sind (vgl. 3 Gesellschaftsformen). Grundsätzlich ist jedoch von einer großen sozialen Unausgewogenheit auszugehen. Die Teilhabe an der Macht (qua Führungsamt oder Reichtum) gliedert die Gesellschaft in eine schmale Oberschicht und in die breite Masse einer unprivilegierten Unterschicht. Zur Oberschicht gehören zunächst die Angehörigen des Kaiserhauses (familia Caesaris), sodann die Senatoren, Ritter und Dekurionen (Ratsherren), deren Wohlstand vor allem auf Grundbesitz beruht. Dieser Gruppe sind außerdem – unabhängig von Geschlecht oder Rechtsstatus – wohlhabende Personen zuzurechnen, u. a. auch Vasallenkönige wie die Herodesdynastie, sowie Gefolgsleute (z. B. Freigelassene mit privilegierter Stellung und Einfluss). Die Masse der Bevölkerung ist jedoch zur Unterschicht zu rechnen, deren relativer Status wiederum nach Besitz oder Einkommen zu differenzieren ist. In ländlichen Gebieten leben die meisten Kleinbauern, Pächter und Tagelöhner wohl nur knapp über dem Existenzminimum. In den Städten gehören Handwerker, Kaufleute, Ärzte, Lehrer, Verwalter und Tagelöhner zur Unterschicht. Der Status von Sklaven, die weitgehend rechtlos sind, ist sozial äußerst heterogen. Er hängt nicht zuletzt von dem ihrer Herren ab. 2. Dass es soziale Schichten in der Gesellschaft gibt, gilt vielen Texten der Bibel als Realität. »Nie wird es an Armen im Land fehlen«, bemerkt Dtn 15,11. Jesus greift das auf: »Die Armen habt ihr immer bei euch« (Mt 26,11 par). Die Bestimmungen der Tora ebenso wie die Weisheit der Sprüche gehen selbstverständlich von der Existenz von Armen und Reichen, Schwachen und Mächtigen aus. Dennoch bleiben sie dabei nicht stehen. Vor die Feststellung, dass es an Armen nie fehlen wer-

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de, stellt Dtn 15,4-6 programmatisch die Aussage, dass es keine Armen geben werde, wenn die Tora befolgt wird. In der Tat kann das Deuteronomium als Programm gelesen werden, das Armut und die Existenz marginaler Gruppen (Lohfink) möglichst einschränken und letztlich überwinden will. Dazu dienen in erster Linie Wirtschaftsund Sozialgesetze, die der Verarmung vorbeugen (regelmäßiger Schuldenerlass, Dtn 15,1-11; Zinsverbot, 23,20 f.; Einschränkungen bei der Pfandnahme, 24,6.10-13) oder ihre Folgen abmildern sollen (Freilassung von Schuldsklavinnen und -sklaven und deren Ausstattung mit einem Startkapital, 15,12-18). Auch die Kultgesetze mit der Betonung, dass alle einschließlich Sklavinnen und Sklaven, Leviten, Fremden, Witwen und Waisen in die Kultfeier einzubeziehen sind (Dtn 16,11 u. ö.), unterstreichen die prinzipielle Egalität aller Angehörigen des Gottesvolkes. Schließlich dienen auch der Verzicht auf den Zehnten an Tempel oder Staat (14,22-29) und die Forderung nach einer bescheidenen Regierung (17,14-20) diesem Ziel. Für das Deuteronomium – und Gleiches lässt sich für die Tora als Ganze sagen – ist Segen der Arbeit nur denkbar, wenn zugleich sozialer Ausgleich hergestellt wird (F. Crüsemann). Zwar geht auch die Spruchweisheit, deren Aufgabe vorrangig die Beobachtung der Realität und die Herleitung von Verhaltensregeln ist, von der selbstverständlichen Existenz sozialer Schichten aus. Sie stellt auch einen Zusammenhang zwischen Faulheit und Armut her, allerdings immer nur so, dass Faulheit zu Armut führt (Spr 6,6-11), nie jedoch so, dass von der Armut eines Menschen auf dessen vorangehende Faulheit geschlossen würde. Hier wird vielmehr die Zuwendung zu den Armen gefordert, die ebenso Gottes Geschöpfe sind wie alle anderen auch (Spr 14,31). Diese Zuwendung nimmt in der Praxis die Form von Almosen an. Diese werden jedoch zumindest der Idee nach als Akt der Gerechtigkeit gegenüber dem Armen, nicht als Akt herablassender Barmherzigkeit verstanden (vgl. in Mt 6,1-4 den Wechsel zwischen eleemosyne und dikaiosyne für »Almosen«). In den Evangelien finden sich verschiedentlich

Reflexe der Schuldenproblematik, beispielsweise in der Bilderwelt der Gleichnisse (vgl. Mt 6,12; 18,23-35). Trotz der Überzeugung der Gleichheit aller vor Gott (vgl. Gal 3,28; Kol 3,11) wird die Existenz der 3 Sklaverei im Neuen Testament nicht hinterfragt. Vielmehr setzt bereits Jesus die Hierarchie zwischen untergebenen Sklaven, diesen vorstehenden Sklaven und Herren voraus (Mt 24,45-51; Lk 12,41-48; 16,1-8). Paulus, der sich selbst wiederholt in metaphorischer Weise als »Sklave Christi« bezeichnet (vgl. Röm 1,1; Gal 1,10; Phil 1,1), rät in 1 Kor 7,20-23 Sklaven dazu, auf ihre Freilassung zu verzichten, und schickt den entlaufenen Sklaven Onesimus zu dessen Besitzer zurück (Phlm). Auch wenn die Deuteropaulinen von den Herren eine gerechte Behandlung der Sklaven erwarten (Eph 6,9; Kol 4,1), verlangen sie doch deren Unterordnung (vgl. Eph 6,5-8; 1 Tim 6,1 f.; Tit 2,9 f.). Gleichzeitig findet sich in allen Traditionsschichten die Metapher der Befreiung aus der Schuldknechtschaft der Sünde zur Kindschaft Gottes (Joh 8,33-36; Röm 6,15-23; 8,14-17; Kol 2,14). Die soziale Stellung der frühen Christen und Christinnen lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Wahrscheinlich wird die Mehrheit von ihnen der Unterschicht zuzurechnen sein, wobei zugleich auch mit Mitgliedern aus der Oberschicht, etwa als Vorsteher der Hausgemeinden, zu rechnen ist. Ein bewusster Statusverzicht, wie ihn die Jesusbewegung ebenso wie die Paulusbriefe fordern (Demut, Niedrigkeit, Arbeit; vgl. 1 Kor 1,26-31; 4,6-13; 2 Kor 11,12-31), setzt einen gewissen Status und Besitz voraus. Das gleiche gilt für die Absage an Privateigentum bzw. das Ideal der Gütergemeinschaft, das die Apostelgeschichte zeichnet (vgl. Apg 2,24 f.). Auf diese Weise wird das hierarchische Wertesystem von Scham und Ehre (Malina) der griechisch-römischen Kultur außer Kraft gesetzt. Alföldy, Géza, Die römische Sozialgeschichte, Wiesbaden 3 1984. Crüsemann, Frank, Gottes Fürsorge und menschliche Arbeit. Ökonomie und soziale Gerechtigkeit in biblischer Sicht, in: ders., Maßstab Tora. Israels Weisung und christliche Ethik, Gütersloh 2003, 190-207. Herrmann-Otto, Elisabeth, Reiche und Arme / Oberschicht

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Soziale Sicherung

und Unterschicht / Sklaven und Freigelassene, in: Klaus Scherberich (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 2005, 86-99. Kessler, Rainer, Das Wirtschaftsrecht der Tora, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 11-30. Ders., Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2 2008. Lohfink, Norbert, Das Deuteronomium in der Endgestalt – Entwurf einer Gesellschaft ohne marginale Gruppen, in: ders., Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur III, SBAB 20, Stuttgart 1995, 205-218. Malina, Bruce J., Die Welt des Neuen Testaments. Kulturanthropologische Einsichten, Stuttgart 1993. Sandoval, Timothy J., The Discourse of Wealth and Poverty in the Book of Proverbs, Biblical Interpretation Series 77, Leiden / Boston 2006. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christengemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u. a. 1995.

Rainer Kessler / Heike Omerzu

Soziale Sicherung 1. Soziale Sicherungssysteme werden in tribal strukturierten Gesellschaften vor allem durch Regelungsmechanismen auf Clan- / Gruppen- / Sippen- und Großfamilienebene organisiert. Da die biblischen Texte ihrer Intention nach diese Organisationsformen nicht selbst thematisieren, sondern nur indirekt erkennen lassen, können nur annäherungsweise Aussagen über die soziale Sicherung von Mitgliedern der tribalen Gesellschaftsformen gemacht werden. Als Vergleiche können nicht moderne Gesellschaftsformen und ihre sozialen Sicherungssysteme herangezogen werden, sondern allenfalls rezente Stammesgesellschaften. Es ist davon auszugehen, dass im antiken Israel von der frühesten Zeit bis in die römische Zeit verschiedene Lebensformen nebeneinander existierten: die halbnomadische Lebensweise von Kleinviehnomaden, die agrarische Lebensweise in den (unbefestigten) Siedlungen

und Dörfern, und die durch Mischformen von hauswirtschaftlichen, handwerklichen, landwirtschaftlichen und höfischen Elementen gekennzeichnete urbane Lebensform. In der (halb-)nomadischen Lebensweise wird soziale Sicherung durch die Glieder der Großfamilien und Sippen garantiert. Der Besitz der Herden sichert die elementare Versorgung mit Nahrungs- und Bekleidungsmitteln, die Pflege kranker Mitglieder geschieht durch die Verwandten. Dürre und Tierkrankheiten können zwar das Überleben gefährden, aber da das beweidete Territorium nicht eingegrenzt ist, können durch Migration regionale Dürreperioden umgangen werden. In den landwirtschaftlich genutzten Regionen ist der Landbesitz bzw. das Nutzungsrecht an den Erträgen des Landes die wesentliche Existenzsicherung. Im theologischen Konzept der deuteronomisch-deuteronomistischen Bewegung gilt zwar die Gottheit als Besitzerin des Landes (Dtn 26,9-11), aber die Nutzung des Landes und seiner Erträge wird den Stämmen zugesprochen. Sie verwalten und verteilen die Ländereien. Gefährdet ist diese Existenzsicherung durch Missernten, Dürreperioden, Verluste bei der Lagerung oder durch kriegsbedingten Ernteraub. Gerade auch angesichts der relativ geringen Lebenserwartung in antiken Gesellschaften kommt dem Erbrecht eine erhebliche Bedeutung bei der Sicherung des Nutzungsrechts am Land zu. Da nicht nur die männlichen Nachkommen, sondern in späterer Zeit auch Töchter erbberechtigt waren, konnte sich als Konflikt ergeben, dass das Erbteil von Töchtern bei Einheirat in einen anderen Stamm diesem zufiel und dem patrilinearen Stamm verloren ging. In Num 36,1-12 werden ein solcher Konflikt und seine Lösung geschildert. Konflikte in den wenigen urbanen Regionen werden im Spiegel der Kritik prophetischer Bewegungen in der Königszeit (900-587 v. Chr.) sichtbar: Privilegien und Macht der Oberschicht werden durch 3 Bestechung, Einflussnahme auf Gerichtsverfahren und durch Aufkauf von Land und Häusern von verarmten Mitbürgern gesichert (Am 2,6; Mi 2,1 f.; 3,1-4.9-11). Man muss da-

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von ausgehen, dass die Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts in den reicheren Familien weitgehend von Sklavinnen und Sklaven geleistet wurde. Das in den Städten tätige 3 Handwerk war in Berufsgruppen zusammengeschlossen, ob und wie jedoch eine Absicherung gewährleistet wurde, erfahren wir aus den Texten nicht. Spezifische Formen sozialer Sicherung lassen sich aus den Gesetzestexten des Bundesbuches und des deuteronomischen Gesetzes erschließen. Zu den wichtigsten gehören: a) Der Brautpreis. Der heiratswillige Mann hat dem Brautvater einen Brautpreis (als Kompensation für den Verlust der familiären Arbeitskraft) zu zahlen; er kann auch durch befristete Arbeitsleistung erbracht werden (Gen 29). b) Die Leviratsehe. Starb ein verheirateter Mann ohne Kinder, war es die Aufgabe des Bruders, die 3 Witwe zu sich zu nehmen und die Schwagerehe mit ihr zu schließen. Ein aus dieser Schwagerehe hervorgehender Sohn galt dann rechtlich als Sohn des Verstorbenen (Dtn 25,59). Eine Verweigerung der Schwagerehe durch einen Mann wurde als Ehrlosigkeit sozial geächtet. Auf diese Weise war die Witwe versorgt und der Besitz ihres verstorbenen Mannes ging an den Sohn aus der Schwagerehe über. c) Das Zinsverbot. Es findet sich schon im Bundesbuch und stellt den Versuch dar, durch Gesetzesbestimmungen Verarmungsprozesse zu mildern (Ex 22,24). Durch das Zinsverbot soll eine Schutzfunktion aufgebaut werden. Der Schuldner muss nur das Kapital bzw. die Naturalgaben zurückgeben, die er oder sie geliehen hat, sie oder er muss jedoch dem Gläubiger keinen Mehrwert zurückerstatten. Dass das Zinsverbot nicht unumstritten war, zeigt Spr 28,8: Erzielter Mehrwert soll Armen zugute kommen. d) Nachbarschaftliche Solidarität und Almosen. Schaden, der Nachbarn droht, selbst wenn man mit ihnen verfeindet ist, soll durch tatkräftige Hilfe verhindert werden (Ex 23,5). Nachbarschaftshilfe, auch ganz konkrete materielle Unterstützung durch Nachbarn, soll letztlich das große Ziel einer Gemeinschaft ohne Armut erreichen (Dtn 15,4). Zu dieser Solidarität gehört auch

die Anforderung an die Besitzenden, Notleidenden Darlehen zu gewähren (Dtn 15,7). e) Der Zehnte. Ursprünglich eine Abgabe zur Finanzierung von Tempeln und königlicher Hofhaltung (1 Sam 8,15-17), entwickelt sich der Zehnte zu einer Pflichtabgabe am Heiligtum, von dem die Leviten und Priester Anteile erhalten (Num 18,21-24); die Abgabe geschah in Form von Naturalgaben. Im Deuteronomium wird der Zehnte eine jährliche Pflichtabgabe für das Zentralheiligtum, von dem jedoch die für die eigene Verpflegung auf dem Weg zum Heiligtum nötigen Dinge zum eigenen Verzehr abgezogen werden dürfen oder die Gabe in Geldform entrichtet werden kann (Dtn 14,22-27). In jedem dritten Jahr musste der Zehnte für die Leviten, Fremdlinge, Waisen und Witwen am Wohnort des Abgabepflichtigen entrichtet werden (Dtn 14,2829). In nachexilischer Zeit wird der jährliche Pflichtzehnte zum Unterhalt der Priesterschaft am Heiligtum erhoben (Neh 10,38-39). Der Zehnte diente somit primär der sozialen Sicherung der am Heiligtum Tätigen, in zweiter Linie verarmten Mitbürgern am eigenen Wohnort. f) Das siebte Jahr – diese Bezeichnung wird neben dem 3 Sabbatjahr verwendet – hat eine mehrfache soziale Sicherungsfunktion: Im siebten Jahr soll alles, was in diesem Jahr von selbst wächst, d. h. ohne Arbeitsleitung durch Menschen, dem Grundbesitzer, seinem Sklaven und seiner Sklavin, seinen Tagelöhnern und den Beisassen, aber auch dem Vieh und dem Wild als Nahrung dienen (Ex 23,10 f.). Im siebten Jahr mussten hebräische Schuldsklaven ohne Lösegeld freigelassen werden – es sei denn, sie wollten es nicht (Ex 21,2-11). Für Sklavinnen galten besondere Schutzregeln, sofern der Sklavenkäufer eine Sklavin als Ehefrau für seinen Sohn vorgesehen hatte (Ex 21,9). Das deuteronomische Gesetz gebietet dem Sklavenbesitzer, die Freigelassenen nicht mittellos zu entlassen, sondern ihnen Anteil an den Ernteerträgen als Lebensmittel mitzugeben; es gebietet zudem den Schuldenerlass und verbietet das Eintreiben von Schulden bei Stammesangehörigen im siebten Jahr (Dtn 15,2). g) Das 3 Jobeljahr. Das fünfzigste Jahr ist nicht

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nur wie ein Sabbatjahr ein Brachjahr, es hat in exilischer Zeit (Lev 25) die wichtige soziale Funktion, dass alle in Schuldknechtschaft geratenen Personen frei gelassen und dass in Pacht genommene Grundstücke wieder an ihre ursprünglichen Besitzersippe zurück gegeben werden müssen. Die Bestimmungen in Lev 25,15 ff. legen die Schlussfolgerung nahe, dass das Jobeljahr vor allem die Funktion hatte, den Wert eines Ertrages eines Ackers und die Arbeitskraft eines Schuldsklaven zu berechnen. Je ferner das Jobeljahr war, desto höher war der Kaufpreis für den Ertrag eines Ackers. Da nach theologischem Verständnis das Ackerland der Gottheit gehörte, konnte streng genommen immer nur der Ertrag, d. h. die mutmaßlichen Ernten, die ein Acker erbrachte, als Kaufpreis berechnet werden. h) Die vor allem im Deuteronomium häufige Einschärfung der Elternehrung will nicht so sehr emotionale Beziehungspflege leisten, sondern hat eine wichtige soziale Sicherungsfunktion: Elternehrung bedeutet, dass die erwachsenen Kinder soziale Verantwortung für die Eltern übernehmen, gerade auch dann, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig oder wunderlich geworden sind. In weiterem Sinn kann man auch das System der Ersatzleistungen bzw. Entschädigungen bei Verletzungen und Beschädigungen durch Dritte (Ex 21,22.26 f.; 22,15; Dtn 21,13-19) sowie den Sabbat hier nennen. Als ein Tag der Ruhe dient er der Erholung und Regeneration der Arbeitskraft (vgl. Ex 23,12). Die deuteronomische Begründung des Sabbatgebots fordert, für Sklaven und Sklavinnen am Sabbat die gleiche Erholungsruhe wie sie die Besitzer für sich beanspruchen. 2. Das primäre soziale Sicherungssystem der hellenistisch-römischen Antike war die 3 Familie (oikos, oikia, familia, domus). Sie bedeutete die Gesamtheit der Personen (und Sachen) einer Hausgemeinschaft, die eine Lebens-, Wohn-, Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft bildete. Ein Problem der Quellenlage besteht darin, dass in der Hauptsache die legitime Familie und zudem vorwiegend die Familie der Oberschicht thematisiert wird. Andere Formen des Zusam-

menlebens und die Sklavenehe, die in der Regel anerkannt war, finden wenig Widerhall in den Quellen. Hausgemeinschaften (oikoi) wurden durch Eltern und Kinder konstituiert, ggf. Findel- oder Adoptivkinder, nichtselbständige Familienmitglieder, Alte, Sklaven und Sklavinnen und Freigelassene (libertus/a). Pater und mater familias sicherten durch Vermögen und / oder Arbeitsleistung, in reichen Häusern ggf. auch durch Sklaven und Sklavinnen, in armen Häusern ggf. durch Mithilfe der Kinder, das Familieneinkommen (3 Arbeit / Lohnarbeit), das allen Mitgliedern des Hauses mehr oder weniger zugute kam und sie sozial absicherte. Die Frauen brachten in der Regel eine Mitgift (dos) in die Ehe, die ihnen nach dem Tod ihrer Ehegatten oder bei Ehescheidung ausgezahlt werden musste. Eheschließung war ein privater Akt und diente vor allem der finanziellen und rechtlichen Absicherung der Eheleute und ihrer Kinder. Söhne und Töchter erbten nach römischem Recht zu gleichen Teilen. Waren keine Kinder vorhanden, wurden vielfach Kinder und auch Erwachsene adoptiert, die in die Erbfolge eintraten und damit sozial abgesichert wurden. Im Neuen Testament weist die Jesusbewegung eine ausgeprägt familienkritische Tendenz auf. Jesus wird eine Neudefinition des Familienbegriffs zugeschrieben: »Wer den Willen Gottes tut, ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter« (Mk 3,35 parr Mt 12,50; Lk 8,21). Mehr noch: Nachfolge Jesu bedeutete den Bruch mit der engsten Familie (Lk 14,26; ähnlich Dtn 33,9 und z. B. JosAs 12,13). Die elementarsten Pflichten, wie etwa die Bestattungspflichten gegenüber den eigenen Eltern, sollten keine Geltung mehr haben (Mt 8,21 f.). Die soziale Sicherung durch die herkömmliche Familie, durch Besitz und Beruf wurde aufgegeben zugunsten des Vertrauens auf die Versorgung durch würdige Häuser (oikia axia) (Mt 10,9-11). Die Fischer Jakobus und Johannes verlassen die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem Vater Zebedäus und folgen Jesus nach (Mk 1,19 f.). Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger führen eine Wanderexistenz und leben von der 3 Gastfreundschaft

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Soziale Sicherung

(Mk 1,29; 14,14; Lk 7,36 ff.; 19,5 u. ö.). Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie noch ihre Berufe ausübten. Auch die Aussendungsrede legt die Berufsaufgabe nahe (Mt 10,5-15). Durch Paulus ist verbürgt, dass denjenigen, die das Evangelium verkündigten, die Versorgung durch die Gemeinden zugesichert war (1 Kor 9,6-14). Eine solche Versorgung wurde aber nicht von allen in Anspruch genommen wie das Beispiel des Paulus zeigt, der nach eigenen Angaben von seiner Hände Arbeit lebte. Erst Anfang des 2. Jh. wurde die Versorgungsregel für wandernde Prophetinnen und Propheten auf zwei Tage eingeschränkt (Did 10,3-6). Nach paulinischem Verständnis war die Gemeinde eine Gemeinschaft, in der ethnische, soziale und genderbezogene Rangunterschiede negiert und eine wechselseitige Verantwortlichkeit und Fürsorglichkeit praktiziert werden sollte (Gal 3,28). Dies zeigt sich insbesondere in der regelmäßigen Mahlfeier (kyriakon deipnon), die auch der Unterstützung der Armen diente, da alle Beteiligten satt werden sollten (1 Kor 11,17-34). Dem Aspekt der Armenfürsorge ordnet sich die Kollekte für die Armen in Jerusalem zu, die zugleich die Dankbarkeit der heidenchristlichen Gemeinden gegenüber der Jerusalemer Muttergemeinde ausdrückte (Röm 15,25-28). Auch Rechtsstreitigkeiten sollten innergemeindlich geschlichtet werden (1 Kor 6,1-11), was soziale Sicherung implizierte. Von den Angehörigen der Ortsgemeinden wurde erwartet, dass sie arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen (2 Thess 3,6-12). Ein Überlieferungsstrang aus der Apostelgeschichte propagiert Gütergemeinschaft für die frühe Jerusalemer Gemeinde (Apg 4,32-35). Ob es sich dabei um eine idealisierende Rückprojektion durch den Verfasser der Apostelgeschichte handelt oder ob diese von der Jerusalemer Urgemeinde in Ansätzen auch gelebt worden ist, kann nicht mehr geklärt werden. Deutlich wird darin die im Neuen Testament erkennbare Tendenz, die Gemeinde als neue Familie zu verstehen, die jenseits von Rang und Status, Ethnie und Gender Rechte und Pflichten der gegenseitigen Fürsorge bedeutete (vgl. Gal 3,28 sowie die an Familien-

metaphorik reiche Sprache, wie etwa die wechselseitige Anrede als Geschwister [adelphoi]). In der Apostelgeschichte wird eine spezielle Witwenspeisung greifbar. Eigens dafür werden sieben Männer gewählt und mit diesem Tischdienst beauftragt, der laut Apg 6,2 zuvor von den Zwölfen verrichtet worden ist. Gemäß den Pastoralbriefen sollten 3 Witwen in der Regel durch ihre Angehörigen versorgt werden, eine Ausnahme davon bildeten nur die in Not geratenen Witwen (1 Tim 5,4.16; Jak 1,27). Waisenkinder werden als Versorgungsbedürftige einmal im Neuen Testament erwähnt (Jak 1,27). In der Jesusüberlieferung wird die Aufnahme von Kindern grundsätzlich empfohlen (Mk 9,37). In der römischen Gesellschaft gab es neben der Familie private Institutionen der sozialen Sicherung: die 3 (Gast)freundschaft, das Handwerkskollegium und vor allem das Patronatswesen. Das in der hellenistisch-römischen Antike verbreitete Patronats- bzw. Klientelwesen, das eine Form der sozialen Sicherung sozial Schwacher darstellte, findet einen unmittelbaren Widerhall in der Person der Phoebe in Röm 16,1-2. Von ihr heißt es, dass sie Patronin (prostatis) von vielen und auch von Paulus gewesen ist (Röm 16,2). Patrone und Patroninnen (prostatis / prostates / patronus) versorgten ihre Klientinnen und Klienten (cliens / clientela) mit verschiedenen Gütern. Diese konnten von ihrem Patron oder ihrer Patronin Kost und Logis oder bei der allmorgentlichen Aufwartung (salutatio) Nahrungsmittel oder Geld (sportula) erhalten. Zudem wurde ihnen von diesen Schutz und Protektion, insbesondere auch vor Gericht (patrocinium), gewährt. Im Gegenzug begleiteten sie ihre patroni/ae auf Ausgängen (oder Reisen) und förderten durch ihre Gefolgschaft deren gesellschaftliche Reputation. Die Patronin und Diakonin Phoebe wird von Paulus der römischen Gemeinde mit der Bitte um entsprechende Aufnahme empfohlen (Röm 16,2). Maßnahmen des römischen Staates zur sozialen Sicherung galten nur Menschen mit römischem Bürgerrecht. Diese waren von Steuern befreit und zahlten reduzierte Abgaben. Weitere kaiserliche Zuwendungen an römische Bürger

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waren Frumentationen, d. h. öffentliche Getreidezuwendungen in Rom, sowie Alimentationen, d. h. kaiserliche Stiftungen, die seit dem späten 1. Jh. Familien in Rom und Italien Ernährung, Kleidung und Ausbildung ihrer legitimen und illegitimen Kinder beiderlei Geschlechts gewährten. Hinzu kamen öffentliche Fürsorgeprogramme, Speisungen und Geldspenden zu besonderen Anlässen. Menschen, die weder in eine familia oder eine clientela eingebettet waren, konnten in Zeiten großer Not die Sklaverei wählen: Den Verkauf der eigenen Kinder oder den Selbstverkauf mit Gewinnbeteiligung zur Begleichung der Schulden. Dies bedeutete zwar den Verlust der freien Geburt, aber zugleich die Einbindung in eine familia als serva/us oder später liberta/us mit höheren Aussichten auf gesellschaftlichen Aufstieg. Die Alternative war oftmals das Abrutschen in die absolute Armut. Albertz, Rainer, Hintergrund und Bedeutung des Elterngebots im Dekalog, ZAW 90 (1978), 348-374. Kloft, Hans (Hg.), Sozialmaßnahmen und Fürsorge. Zur Eigenart antiker Sozialpolitik, Grazer Beiträge Suppl. III, Graz 1988. Krause, Jens-Uwe, Witwen und Waisen im römischen Reich, HABES 16-19, 4 Bde., Stuttgart 1994/5. Kessler, Rainer, Soziale Sicherung in vorstaatlicher, staatlicher und substaatlicher Gesellschaft. Das Beispiel des antiken Israel, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 140-147. Knoch, Stefan, Sklavenfürsorge im römischen Reich, Sklaverei – Knechtschaft – Zwangsarbeit 2, Hildesheim 2005. Lampe, Peter, Paul, Patrons, and Clients, in: J. Paul Sampley (Hg.), Paul in the Greco-Roman World: A Handbook, Harrisburg / London / New York 2003, 488-523. Lehmeier, Karin, Oikos und Oikonomia. Antike Konzepte der Haushaltsführung und der Bau der Gemeinde bei Paulus, MThSt 92, Marburg 2006. Prell, Marcus, Armut im antiken Rom, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 77, Stuttgart 1997. Strecker, Christian, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive, FRLANT 185, Göttingen 1999. Schulz, Hermann, Leviten im vorstaatlichen Israel und im Mittleren Osten, München 1987.

Jürgen Kegler / Ute E. Eisen

Speisegesetze Wohlgeschmack und Widerwillen sind kulturell bedingte, in der Antike seltener als heute auch individuelle Phänomene. Sie produzieren je nach Kultur mehr oder weniger umfassende, mündlich oder schriftlich tradierte, kollektive Vorstellungen und manchmal sogar autorisierte Vorschriften darüber, was gegessen und was gemieden werden soll. Speisegesetze spiegeln zunächst ökologische Gegebenheiten, in der Folge aber auch soziale Abgrenzungsbedürfnisse zwischen Völkern, Klassen, Geschlechtern oder Generationen. 1. Allgemeines Die Theologen des Jerusalemer Tempels betrachteten Menschen, Vögel und Landtiere als vegetarisch bestimmte Wesen (Gen 1, 29). In der unkontrollierten Lust nach Fleisch sahen sie eine Schwäche (Num 11, 4.13). Nach der Sintflut wird der Fleischgenuss von Gottes Gnaden zugestanden, jedoch unter striktem Ausschluss des Blutes, das als Sitz des gottgeschenkten Lebens galt (Gen 9, 3-6; Lev 17; Dtn 12, 20-25). Dieses noachidische Gebot, das aus jüdischer Perspektive für die ganze Menschheit und alle Tiere gilt, wurde für die Heidenchristen beim Apostelkonzil ausdrücklich bestätigt (Apg 15, 20). Für Israel wird diese großzügige Lösung durch die Tora auf einige wenige Tierarten eingeschränkt – dies in auffälligem Kontrast zu Mesopotamien, wo außer bei Pferd, Hund und Löwe keine Nahrungstabus bekannt sind. Lev 11 und Dtn 14 beziehen sich auf Jerusalems Tempelbürgergemeinde der Perserzeit. Sie geben allerdings eine damals schon traditionelle Priesterlehre wieder, denn solche Dinge werden nicht von heute auf morgen erfunden und verordnet. Erlaubte Speisen werden darin als »rein« (t¯aho¯r), unerlaubte als »unrein« (t¯ame3) bezeich˙ ˙ net. Diese Begriffe sind weder im neuzeitlichen Sinne mit Hygiene noch im christlichen Sinne mit Moralität zu verbinden, sondern im Sinne überkommener Gebräuche und damit als Teil der (hebräischen) Weltordnung zu verstehen. Ihre Realisierung wird als Heiligung begriffen

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Abb. 1: Lamaschtu-Amulettfragment aus Bet-Guvrin, um 700 v. Chr. Die mesopotamische Krankheitsdämonin Lamaschtu ist ein Mischwesen aus unreinen Tieren. Dazu gehören auch Schweine, die an ihren Brüsten saugen.

(3 Heiligkeit). Es erstaunt daher nicht, dass die mesopotamische Krankheitsdämonin Lamaschtu als komplexes Mischwesen aus lauter unreinen Tieren dargestellt wurde (Abb. 1). Wer sich durch die Berührung unreiner Tiere verunreinigte, musste sich Waschungen unterziehen, um die rituelle Reinheit wieder zu erlangen (3 Reinheit / Unreinheit). Die biblischen Speisegesetze ergehen als Gottesworte an Mose und Aaron mit dem ausdrücklichen Hinweis, sie das Volk zu lehren. Es handelt sich also um einen populären Teil des Gesetzes. Es ist die Aufgabe der Priester, das Volk darüber ins Bild zu setzen. Das Gesetz unterscheidet Land-, Wasser- und Lufttiere und ist damit ein frühes Beispiel für Taxonomie. 2. Landtiere a) Allgemein. Zu den Landtieren gehören domestizierte Tiere / Vieh (behe¯ma¯h) und Wildtiere (hajjo¯t). Für beide gilt: Nur was zum einen Hufe hat, und zwar durchgespaltene, also so genannte Paarzeher, und zum anderen wiederkäut, darf gegessen werden. Im Gegensatz zur Liste in Dtn 14, 4 f. werden in Lev 11, 2-8 nicht die reinen, sondern die unreinen Tiere aufgezählt, weil die reinen in den vorangehenden Opfervorschriften

(Lev 1 ff.) ja schon Erwähnung fanden. Aufgrund dieser Kategorisierung werden das Kamel mit seinen Kissenfüßen, der Klippdachs und der Hase, die als Wiederkäuer betrachtet wurden, weil sie die Nahrung in den Backen eine gewisse Zeit horten, jedoch tatzenartige Füße haben, verboten. Huftiere (z. B. Pferd, Esel, Maulesel, Onager), Tatzentiere (z. B. Hund, Katze, Fuchs, Bär) und kleinere reptilien- und mausartige Landtiere, sowie Kriechtiere, die als menschliche Nahrung in Betracht kommen, werden in Nachträgen ausdrücklich als verbotene Tiere genannt (Lev 11, 26-27.2930.41-42), offenbar, weil das Verbotskriterium zu abstrakt ist, um einfach anwendbar zu sein. Das Schwein wird als einziges Tier verboten, das zwar gespaltene Hufe hat, aber nicht wiederkäut. Tatsächlich erweckt das biologistische priesterliche Kriterium den Eindruck, als sei es eigens im Hinblick auf das Schwein entwickelt worden: »Der Herrscher des Universums weiß, dass es kein anderes Tier gibt, das gespaltene Hufe hat und unrein ist als das Schwein« (bChul 59a). Von den genannten Tieren kam es auch als einziges als regelmäßiger Nahrungsspender in Frage, denn Klippdachs und Hase (nicht Kaninchen!) sind Wildtiere, und das Kamel hat eine so lange Tragzeit, dass es auch in kamelzüchtenden Gesellschaften nicht eine Basis für die Fleischversorgung bilden kann. b) Sonderfall »Schwein«. Schweine hatten entlang der Flussläufe und in den Eichenwäldern des Vorderen Orients im Altertum hervorragende Lebensbedingungen. Ihrer hohen Reproduktionsrate wegen und als Abfallverwerter waren Schweine in städtischen Gesellschaften vor allem der Kupfersteinzeit verbreitet. Schweineknochen lassen sich in Palästina archäologisch auch später noch an verschiedenen Orten in kleineren Mengen nachweisen. Für Vieh züchtende Gesellschaften war das Schwein jedoch uninteressant, da es im Gegensatz zum Vieh keine Sekundärprodukte (Milch, Wolle, Dung) lieferte, ein direkter Nahrungsmittelkonkurrent des Menschen war und man von der Viehzucht her genügend Fleisch hatte. Bei den Griechen hingegen war das Schweineopfer weit verbreitet und bei den Phi-

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Abb. 2a + b: Das säugende Muttertier gehört zu den am weitesten verbreiteten Segensbildern des Alten Orients. Links: Säugende Kuh auf einem Pithos aus Kuntilled 3Adschrud, 7. Jh. v. Chr. Rechts: Siegelamulett mit säugender Capride aus Ta3anach, 8. Jh. v. Chr.

listern macht der Schweinefleischanteil immerhin noch rund ein Fünftel aus. In hellenistischer Zeit wurde das Opfern von Schweinefleisch (Gräuel der Verwüstung Dan 9, 27; 11, 31; 12, 11; unheilvoller Gräuel auf dem Brandopferaltar 1 Makk 1, 54.59; unrechtmäßige Schweineopfer Flav. Jos. Ant. 12, 243.253) und das Essen von Schweinefleisch (2 Makk 6, 18) von den Griechen zum Loyalitätstest an Juden verwendet. Der Verzicht auf Schweinefleisch wurde für Jüdinnen und Juden daher fortan zum Bekenntnis zur eigenen jüdischen Tradition. Die Verbindung von Schwein und westlicher Kolonialmacht lebt in römischer Zeit fort. In der Erzählung von der Heilung des Besessenen von Gerasa (Mk 5) fungieren Schweine im Ordnungsprozess des Exorzismus als Sympathietiere des Übels, das auf sie gebannt wird und mit ihnen im galiläischen »Meer« versinkt. Die Sympathie wird dadurch verstärkt, dass das Übel »Legion« heißt und die zehnte, in Palästina stationierte, römische Legion einen Eber im Wappen führte. 3. Wassertiere Was ein echter Fisch und demnach genießbar ist, hat für Israel Flossen und Schuppen. Die Auffassung spiegelt die Sicht von Binnenländlern auf dem Bergrücken wider, die kaum Zugang zu fischreichen Gewässern hatten. Es ist denn auch bezeichnend, dass im ganzen Ersten Testament keine einzige reale Fischsorte genannt wird, dafür zwei Meeresfabelwesen, die Tannin und der

Leviatan (vgl. Ps 74, 13 f.), drachenartige Verkörperungen des Chaos. 4. Lufttiere Keine Tiergruppe wird so arten- und kenntnisreich vorgestellt wie die Vögel. Das Jordantal als nördlichster Ausläufer des afrikanischen Grabenbruches ist für Zugvögel eine wichtige Orientierungshilfe und ein willkommenes Feuchtgebiet, wo sie Station machen. Vögel hatten eine grundsätzlich positive Symbolik. Sie verkörperten Lebendigkeit und hatten durch ihr Fliegen am Himmel eine natürliche Nähe zum Göttlichen. Im Reinigungsritual des Aussätzigen verkörpert daher ein Vogel, der frei gelassen wird, den vom Übel befreiten Menschen (Lev 14, 7). Somit gelten alle Vögel als rein, mit Ausnahme einer Reihe von namentlich aufgeführten Ausnahmen (Lev 11,13-19). Diese Tiere sind allerdings sehr schwer zu identifizieren, da sie oft nur mit lautmalerischen Wörtern, ihrem Ruf entsprechend, charakterisiert werden. Etwas Gemeinsames all dieser Flugtiere, das ihre Unreinheit begründen könnte, lässt sich kaum finden. Einige sind eindeutig Aasfresser. Andere sind besonders nachtaktiv. Das Fleisch des Storches gilt als ungenießbar, das Nest des Wiedehopfes als unsauber. Die Insekten galten als abscheulich (Lev 11, 20.23). Sie werden prototypisch als vierfüßig beschrieben, obwohl die meisten sechs oder – wie im Falle der Spinnen – gar acht Beine haben. Eine Ausnahme bilden die Insekten mit Sprungbeinen,

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die namentlich präzisiert und auf vier Arten eingeschränkt werden (Lev 11, 21 f.). Während hier tatsächlich Arten im Blick sind, beschreibt Joel 1, 4 und 2, 25 vier Entwicklungsstadien der Tiere. Heuschrecken wurden, wie noch heute in vielen Gegenden Afrikas, als Delikatesse gesammelt und roh, geröstet oder fritiert gegessen (3 Nahrungszubereitung, Abb. 4). 5. Das Böcklein in der Milch seiner Mutter Außer der Liste reiner und unreiner Tiere gibt es in der Tora noch die mehrmals wiederkehrende Vorschrift, ein Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter zu kochen (Ex 24, 19; 34, 26; Dtn 14, 21). Sie ist im Kontext eines Viehzüchtermilieus zu verstehen, wo Fleisch oft in Milch-, Joghurt- oder Käsesaucen zubereitet wird (3 Nahrung, nichtpflanzliche). Die Sitte wird dahingehend eingeschränkt, dass es verboten ist, ein Jungtier in der Milch der leiblichen Mutter zu kochen. Das Tabu verweist auf die quasi natürliche Sphäre der Heiligkeit, die Mutter und Jungtier umgibt, die in der Levante mit der Göttin Astarte verbunden war (vgl. auch Dtn 28, 4.18, wo vom segensreichen Wurf, 2aˇsta¯ro¯t, des Kleinviehs die Rede ist) und die sehr oft auch ikonographisch evoziert wird (Abb. 2a-b). Im städtischen Judentum der Perserzeit und des Hellenismus, wo der bäuerliche Verständnishorizont fehlte, wurde das Gesetz generalisiert, hin zur generellen Trennung von Milch- und Fleischküche, die bis heute für die koschere jüdische Küche konstitutiv ist. Sie beförderte nicht nur die Abgrenzung von traditionellen Viehzüchtern, sondern auch die Abgrenzung von anderen Völkern. 6. Jüdische Erklärungen der Speisegesetze Einige griechisch-römische Intellektuelle, die einerseits die Juden für ihren geläuterten Eingottglauben bewunderten, machten sich andererseits über archaische und in ihren Augen barbarische Sitten wie den Sabbat, die Beschneidung und die Beachtung von Speisetabus, besonders das Schweinetabu, lustig (so Tacitus, Petronius und Iuvenal). Die taxonomischen Unterscheidungskriterien der Tora (Wiederkäuer, Paarzeher,

Schuppen, Flossen, Sprungbeine) waren keine überzeugenden Argumente. Daher ist es verständlich, dass aufgeklärte jüdische Kreise nach neuen Vernunftgründen bzw. nach einem tieferen Sinn der Speisetabus suchten, der auch die Griechen überzeugen musste. So wird im Aristeasbrief (Arist 15,143-147) aus dem 2. Jh. v. Chr. beispielsweise erklärt, dass die reinen Vögel Vegetarier seien, die unreinen Vögel hingegen Fleischfresser. Erstere werden auf die gesetzestreuen Menschen, letztere auf die Frevler gedeutet. Maimonides (1135-1204) hat später versucht, aus den Tierlisten ein stringentes hygienisches System herauszulesen, ein Erklärungsmuster, dem man heute noch begegnen kann, das aber ebenso wenig greift wie die Allegorese. Der Speisezettel ist das Ergebnis einer über Jahrhunderte gewachsenen Kultur, in dem sich primär wirtschaftliche, aber auch religionspolitische und ideologische Faktoren bemerkbar machen. Außerhalb des Landes mit der gewachsenen Kultur, in der Diaspora, werden die Tabus mehr und mehr als unergründlicher Wille Gottes verstanden (SifQid 11, 22). Die Tabus werden teilweise sogar verschärft, um sie zu Zeichen der Restriktion und Heiligkeit innerhalb des Judentums zu machen. Sie dienen nun der permanenten Erinnerung an die Gottheit, die Tora und die Zusammengehörigkeit des jüdischen Gottesvolkes. 7. Frühes Christentum Da die Formen und Grundlagen des gemeinsamen Essens (3 Essen, gemeinsames) in hohem Maß die Darstellung der Identität von Gemeinschaften bestimmten, bedeutete die Entstehung christlicher Gruppen mit einer eigenen (und von der jüdischen unterschiedenen) religiösen Identität, die sich durch die Hinzunahme von Heiden ergab, notwendigerweise auch eine Verschiebung der grundlegenden Speisegesetze, wie sich an den Diskussionen um rein / unrein (3 Reinheit / Unreinheit) sehr deutlich zeigt. Das frühe Christentum hat dabei durchweg an dem Anspruch festgehalten, dass seine gemeinsamen Mahlzeiten durch Reinheit qualifiziert seien und sie deswegen auch die Gebote der Tora er-

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füllten. Dabei umfassen die auf die Reinheit des gemeinsamen Essens bezogenen Regeln sehr viel mehr als nur die Frage nach erlaubten / verbotenen Tieren. Die Geltung von Speisegesetzen, mit denen das frühe Christentum seine soziale und religiöse Identität definierte, wurde in einem weiten Spektrum diskutiert: Verzehntung der Speisen (Lk 11, 42); Fastenpraxis und -termin (Mk 2, 18-22; Did 8, 1); Reinigung vor dem Essen (Mk 7, 1 ff. par); Reinheit der Speisen (Mk 7, 14 ff. par); Fleisch- und Weinaskese (Röm 14, 13-23; 1 Kor 8, 13); Genuss von Blut bzw. nicht ausgeblutetem Fleisch (Apg 15, 20.29; 21, 25); Genuss von Götzenopferfleisch (Apg 15, 29; 21, 25; 1 Kor 8); Teilnahme an paganen Opfermählern (1 Kor 10,14 ff.) sowie die Tischgemeinschaft von Beschnittenen und Unbeschnittenen (Gal 2, 11-14; 3 Beschneidung). Nur in der Vision des Petrus (Apg 10,11-16; 11, 5-11) spielen die auf verbotene (unreine) Tiere bezogenen Speisegesetze eine Rolle; wie Apg 10, 34 f. zeigt, repräsentieren die unreinen Tiere hier unreine Menschen, um die es eigentlich geht. Durch das Festhalten an der Autorität der Tora, ohne zugleich alle einzelnen Speisegebote zu übernehmen, wurden Differenzierungen nötig, die hermeneutisch begründet werden mussten. Dies konnte auf verschiedene Weise geleistet werden: Mk 7, 6-13 kritisiert die »eigene Überlieferung« und stellt ihr den Anspruch des »Wortes Gottes« gegenüber; Paulus hält Speisegesetze für Adiaphora (1 Kor 8, 8) und orientiert die Speisegesetze an übergeordneten Kriterien, z. B. der Auferbauung der Gemeinde (Röm 14, 19) bzw. der authentischen Überzeugung und der Integrität des Gewissens (Röm 14, 22; 1 Kor 8, 7-13); der Barnabasbrief erklärt die Speisegesetze insgesamt allegorisch. Am weitesten verbreitet ist die Ansicht, dass für »reine« Menschen auch alle Speisen erlaubt sind (Mk 7, 19 par; Röm 14, 14; Tit 1, 15 usw.); ein Kennzeichen für solche Reinheit der Esser ist dabei das Dankgebet (griech. eucharistia), das sie über den Speisen sprechen: Dieses Kriterium erweist alle Christen als rein, mit der Folge, dass die konkrete Geltung von Speisegesetzen innerhalb des Christentums im selben Maß zurückging wie jüdische

Traditionen. Da diese Diskussion um reine / unreine Speisen von sehr verschiedenen theologischen Ansätzen ausgeht und zugleich so gut wie nie konkrete Regelungen nennt, lässt sich auch keine einheitliche Lösung ausmachen. Schon die frühesten Regelungen bei Paulus zeigen eine große Flexibilität, und für die späteren Zeugnisse am Ende des 1. / Anfang des 2. Jh. lässt sich noch viel weniger sagen, ob – und wenn ja: welche – Speisegesetze in christlichen Gemeinden eingehalten wurden. 8. Ausblick auf den Islam Der Islam wählte zwischen jüdischen und christlichen Positionen einen Mittelweg. So wird das Schweinetabu zwar beibehalten, im Übrigen aber werden lokale Essgewohnheiten bereits von Mohammed als kulturell bedingt respektiert (Sahih al Buchari, LXX,10). Anders im Bereich der Getränke. Hier führte der Islam mit dem Weintabu eine neue Grenze ein, die man in Israel zwar als Sitte südöstlicher Nachbarn kannte, für sich aber nicht als gültig erachtete (Jer 35, 5 f.). Harris, Marvin, Wohlgeschmack und Widerwillen. Das Rätsel der Nahrungstabus, Stuttgart 1988. Keel, Othmar, Das Böcklein in der Milch seiner Mutter und Verwandtes, OBO 33, Freiburg (CH) / Göttingen 1980. Ders., Die kultischen Maßnahmen Antiochus’ IV. Religionsverfolgung und / oder Reformversuch? Eine Skizze, in: ders. / Urs Staub, Judentum und Hellenismus, OBO 178, Freiburg (CH) / Göttingen 2000, 87-122. Ders. / Staubli, Thomas, Im Schatten Deiner Flügel. Tiere in der Bibel und im Alten Orient, Freiburg (CH) 2001. McGowan, Andrew B., Ascetic Eucharists. Food and Drink in Early Christian Ritual Meals, Oxford 1999. Milgrom, Jacob, Leviticus 1-16, AB 3, 1, New York u. a. 1991. Schäfer, Peter, Judeophobia. Attitudes Toward the Jews in the Ancient World, London 1997. Whitekettle, Richard, Of Mice and Wren: Terminal Level Taxa in Israelite Zoological Thought, SJOT 17 (2003), 163-182.

Thomas Staubli / Matthias Klinghardt

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Sprache / Sprachen 1. Die Sprachen der biblischen Texte a) Hebräisch ist die Sprache, in der ursprünglich die Texte des Alten Testaments verfasst wurden. Ausnahmen sind die aramäischen Passagen Jer 10,11; Dan 2, 4b-7, 28; Esr 4, 8-6, 18 und 7,12-26. Die hebräische Sprache gehört mit dem Moabitischen, Edomitischen und Ammonitischen ursprünglich dem kanaanäischen Zweig der nordwestsemitischen Sprachen an. Geschrieben wurden diese Sprachen in Alphabetschriften, die ab der ersten Hälfte des 2. Jt. auftauchen (3 Schriftkultur). Die Reduktion der ägyptischen Hieroglyphen- und der mesopotamischen Keilschrift auf 30 und weniger Zeichen, die den gesprochenen Lauten entsprechen, stellt eine bedeutende Vereinfachung dar, die zur Verbreitung der Literalität in breite gesellschaftliche Schichten einen wesentlichen Beitrag geleistet haben muss. Ostraka mit so genannten ABCdarien, die aus der Zeit um 1200 v. Chr. stammen und als Schreibübungen interpretiert werden, lassen sich als Beleg hierfür anführen. Die ältesten außerbiblischen hebräischen Inschriften stammen aus der Zeit ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. Bis zum babylonischen Exil ist für das Hebräische die altisraelitische Schrift in Gebrauch. Diese wird nach dem Exil immer weniger verwendet und durch die aramäische Quadratschrift abgelöst, in der die hebräischen Bibelausgaben bis heute gehalten sind. Sprachgeschichtlich lassen sich drei Phasen des Hebräischen voneinander unterscheiden: Die sozialgeschichtlichen Umbrüche von der späten Bronze- hin zur frühen Eisenzeit bringen das Hebräisch als eine eigene Sprache hervor. Die ältesten Texte des Alten Testaments, das Befreiungslied in Ex 15 und das Deboralied in Ri 5, werden dieser Epoche zugerechnet. Dem so genannten »klassischen Hebräisch« werden Texte ab dem 9. Jahrhundert bis zum Exil zugerechnet. Hier begegnen zum ersten Mal auch außerbiblische Schriftzeugnisse (3 Schriftkultur), die mit Hilfe sprachmorphologischer Vergleiche auch zur Datierung biblischer Texte herangezogen werden.

Diese haben eine große Nähe zu den älteren Bestandteilen des Alten Testaments ergeben. Die Funde weisen darauf hin, dass ab dem 8. Jahrhundert die Literalität relativ weit verbreitet gewesen sein muss (3 Lehren / Lernen). Die nachexilischen Texte zeigen gegenüber dem »klassischen Hebräisch« noch einmal eine Weiterentwicklung in der persischen und hellenistischen Zeit. Da Aramäisch im Persischen Reich als lingua franca diente, wird Hebräisch mehr und mehr verdrängt. In der Zeit der Römer wird es nur noch um Jerusalem herum gesprochen, im Norden Israels wird Aramäisch eher die Sprache der dort ansässigen Bevölkerung gewesen sein. Ab dem Desaster des Bar Kochba-Aufstandes von 135 n. Chr. ist Hebräisch für einen langen Zeitraum keine Alltagssprache mehr. Dies ändert sich erst wieder mit seiner Wiederbelebung im 19. und 20. Jahrhundert im Zuge der zionistischen Bewegung und der Entstehung des modernen Staates Israel. Hebräisch ist jedoch immer als literarische und liturgische Sprache lebendig geblieben. b) Griechisch. Im Zuge der Exilierung sowie der anschließenden Sesshaftwerdung in der Diaspora entstand das Bedürfnis, die biblischen Texte auch in der Umgangssprache der Alltagskultur, also auf Griechisch, lesen zu können – nicht zuletzt deshalb, weil ein immer größerer Teil der Menschen kein oder kaum Hebräisch mehr sprach. Die Hellenisierung des östlichen Mittelmeerraums nach dem Feldzug Alexanders machte Griechisch zur lingua franca. Dabei treten die für diesen Prozess üblichen morphologischen Veränderungen auf. Die Kategorien, die in der Muttersprache derjenigen, die sich dieser neuen Sprache bedienen, kein Äquivalent haben, schleifen sich ab. Den Dialekt, der so entstand, bezeichnet man als Koine (»allgemeine Sprache«). Die Ausdehnung des Griechischen machte auch vor Jerusalem und den umliegenden Gebieten, in denen jüdische Menschen wohnten, nicht Halt. Ganz offensichtlich gehörten auch viele Priester der »hellenistischen« Partei an. Der makkabäische Aufstand richtete sich gegen die vollständi-

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ge Hellenisierung des Jerusalemer Tempels. Geht man von den Erzählvoraussetzungen der Aristeas-Legende als historischer Basis aus, ist anzunehmen, dass auch die Jerusalemer Priesterschaft Griechisch konnte und in dieser Sprache auch lehrte. Die Übersetzung des Alten Testaments vollzog sich nach und nach. Ab dem 3. Jh. v. Chr. erfolgte zunächst die Übersetzung zunächst der Tora, dann auch die der prophetischen Bücher wie der Schriften ins Griechische – die Septuaginta (im Folgenden LXX) entstand. In der Folgezeit kam es sowohl basierend auf der LXX zu weiteren Übersetzungen, z. B. ins Syrische und Koptische, als auch zu Erweiterungen ursprünglich hebräischer Texte bzw. zu ganz neuen Fassungen. Dabei war, wie das Vorwort zur griechischen Übersetzung des Sirachbuches vor Augen führt, den Übersetzenden unzweifelhaft bewusst, dass die Übertragung in die andere Sprache Verluste mit sich bringt. Innerhalb der LXX sind große Unterschiede im Übersetzungsstil und in der Übersetzungsqualität festzustellen. Sie reichen von einer wortwörtlichen bis hin zu einer eher paraphrasierenden Wiedergabe des hebräischen Textes. Die Übersetzung der Tora ist in einem sehr viel besseren Griechisch gehalten als die übrigen Kanonteile, woran sich ihre Hochschätzung schon in den ersten Jahrhunderten vor Chr. ablesen lässt. Die starke Förderung der hellenistischen Kultur unter König Herodes I. (73-4 v. Chr.) mag mit dazu beigetragen haben, dass die Sprache, in der sich die unterschiedlichen in Palästina ansässigen Bevölkerungsgruppen verständigten, auch unter römischer Oberherrschaft Griechisch war. Latein war vornehmlich auf das Heer beschränkt. Ob Jesus selbst Aramäisch oder Griechisch gesprochen hat, bleibt umstritten. Die kommunikative Situation mit der Syrophönizierin (Mk 7, 24-30; Mt 15, 21-28), dem Hauptmann von Kafarnaum (Mt 8, 5-12; Lk 7, 1-10; Joh 4, 46-53) oder auch mit Pilatus (Mk 15; Mt 27; Lk 23; Joh 18, 2819,16) wird als unproblematisch dargestellt. Die Verfasser der neutestamentlichen Schriften wandten sich an die westliche Diaspora.

Darum kann es kaum verwundern, dass die neutestamentlichen Schriften durchgängig in griechischer Sprache verfasst sind. Jüdische Inschriften in den römischen Katakomben und auf Ossuarien, die man um Jerusalem gefunden hat, zeigen die weite Verbreitung der griechischen Sprache unter der jüdischen Bevölkerung auch nach der Zerstörung des Tempels um 70 n. Chr. Das Griechisch, in dem das Neue Testament verfasst ist, zeigt die gleiche Variationsbreite auf wie in der LXX. Während die Paulusbriefe, der Hebräerbrief und das lukanische Schrifttum in einem guten Griechisch verfasst sind, zeugt die Offenbarung des Johannes an vielen Stellen von einem »nachlässigen« Sprachgebrauch. In allen neutestamentlichen Schriften weisen die Zitate aus den »Schriften« viele Hebraismen auf und weichen von der LXX ab, was darauf schließen lässt, dass die Verfasser das hebräische Alte Testament kannten. 2. Sprache und Sprachen in den biblischen Texten a) Anthropologische Dimension. Der Sprache als Grundelement der Kommunikation in gesprochener wie geschriebener Form wird in den biblischen Texten alles verändernde Macht zugeschrieben. Sprache ist ein mächtiges Instrument sowohl göttlichen wie auch menschlichen Handelns, kann schöpferisch wie zerstörerisch wirken: Durch Sprache erschafft Gott die Welt (Gen 1; Joh 1). Auch Menschen haben mit ihrer Sprache Gewalt über Leben und Tod: »Tod und Leben liegen im Machtbereich der Sprache; und die sie lieben, dürfen ihre Frucht genießen.« (Spr 18, 21) Darum wird gemahnt, vorsichtig mit ihr umzugehen (Spr 13, 3; 17, 20; 21, 23). Der Sprache wird im zwischenmenschlichen Bereich geradezu eine physische Macht zugeschrieben (Spr 25, 25). In Gen 11 geht die Verwirrung der Sprache einher mit der Verteilung der Menschheit über den gesamten Erdboden (V. 8). b) Kulturelle Identität und Sprache. Die Vielfalt der Menschen mit unterschiedlichen Sprachen ist von Gott gewollt, der Hang des Menschen zur eigenmächtigen Vereinheitlichung erfährt Gottes

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Widerspruch (Gen 11,1-9). Diese Episode übt massive Kritik an der Ideologie der altorientalischen Großmächte, die in ihrem Machtbereich eine Vereinheitlichung der unterdrückten Völker durchsetzten. Erst das Perserreich beließ den tributpflichtigen Völkern eine begrenzte kulturelle Identität. U. a. durften sie ihr eigenes Recht pflegen, das in ihrer Sprache verfasst war. Wie stolz Israel auf seine Sprache war, schimmert in Ez 3, 5 durch: »In der Tat – du wirst nicht zu einem Volk gesandt, dessen Sprache unverständlich und dessen Dialekt unergründlich ist, sondern zum Haus Israel.« In Neh 13, 24-27 wird vor der Nichtkenntnis der »jüdischen« Sprache als Gefahr für den Fortbestand der Volksidentität gewarnt. In der Darstellung von Apg 21, 37-22, 2 bekommt Paulus in Jerusalem die Gelegenheit, vor einer gegen ihn aufgebrachten Menge zu sprechen. Er redet – so die Apostelgeschichte – auf Hebräisch, um so seine Zugehörigkeit zum jüdischen Volk zu unterstreichen. Es gelingt ihm dadurch zunächst, eine noch größere Aufmerksamkeit zu erzeugen (V. 2). In Mt 26, 73 wird die Sprache als ein für Dritte erkennbares Herkunfts- und Identitätsmerkmal deutlich. In Apg 6,1-6 wird ein Konflikt innerhalb der Gemeinde zwischen Griechisch und Hebräisch sprechenden jüdischen Menschen sichtbar. Die unterschiedlichen Sprachen sind mit tiefen kulturellen Unterschieden auch in der Frage der Geschlechterdifferenz verbunden. Die gemeinsame Sprache allein reicht nicht aus, um ein Einverständnis herzustellen. Der Bezug zur gemeinsamen Tradition und dessen Interpretationsmöglichkeiten werden in den Darstellungen des Todes Jesu bei Markus und Matthäus thematisiert: Der Ausruf Jesu: »Eli, Eli lama asabtani« – von den Evangelisten Matthäus und Markus ausdrücklich als Anfang von Ps 22 gekennzeichnet – wird von den Umstehenden fälschlich als Ruf nach dem Propheten Elija gedeutet (Mt 27, 46 f. / Mk 15, 34 f.). Ihre Erwartungshaltung an den Messias macht es ihnen in der Sicht von Markus und Matthäus unmöglich, Jesus im Augenblick seines Todes und damit dessen Bedeutung überhaupt zu verstehen.

c) Sprache als Herrschaftsinstrument und als Widerstandspotential. Die Unterjochung unter ein fremdes Volk, dessen Sprache unverständlich ist, gilt als Inbegriff der Strafe Gottes (Dtn 28, 49; Jer 5, 15). Gott selbst wird in einer unverständlichen Sprache mit seinem Volk reden (Jes 28,1113). Die Worte dieser Sprache werden im Text lautmalerisch wiedergegeben. Dem entspricht die Verheißung, dass Israel das Volk, »das undeutlich, unverständlich mit stammelnder Zunge, sinnlos spricht«, nicht mehr sehen muss (Jes 33, 19). Der assyrische Belagerer Jerusalems, Rabschake, wird von den Beamten des judäischen Königs Hiskija gebeten, nicht Hebräisch vor den Ohren des Volkes zu sprechen. Dies könne, so die Befürchtung, demotivierend wirken (2 Kön 18, 26). Sie bitten den fremden Feldherren, sich der aramäischen Sprache zu bedienen, die als internationale Verkehrssprache nur von den führenden Köpfen verstanden werden kann. Diese Szene dient der Veranschaulichung der Ausweglosigkeit der Situation, in der sich Jerusalem angesichts der übermächtigen assyrischen Streitmacht befand. Damit wird aber auch zugleich die Wunderhaftigkeit der Rettung durch JHWH hervorgehoben (2 Kön 19, 35). Wenn der Text des Esrabuches in 4, 8-6, 18 und 7, 12-26 in die Amtsprache des Perserreiches, das Aramäische, wechselt, dient dies dazu, die Originalität und Glaubhaftigkeit der Korrespondenz zwischen Artahasa, dem Persischen König, den persischen Beamten vor Ort und Esra glaubhaft zu machen. Die dort eingespielten Briefe geben den gesamtpolitischen Rahmen für die in den Büchern Esra und Nehemia dargestellten Geschichtsläufe vor. Die Aufschrift des Schildes, das über dem Gekreuzigten angebracht wird (Joh 19, 20), ist ausdrücklich in den damals gängigen drei Sprachen verfasst: »Hebräisch steht für die Sprache des jüdischen Volkes, Latein für die Sprache des Militärs und der politischen Macht, Griechisch für die internationale Kultur- und Verständigungssprache der damaligen Welt. Das Kreuz des ›Königs der Juden‹ beansprucht damit universelle

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Bedeutung; es geht alle an.« (Reiser 14). Nach Auffassung des Johannesevangeliums hat Pilatus in seiner Absicht, Jesus zu verspotten, ohne es zu wissen die Wahrheit aufgeschrieben. Der Umstand, dass sie dort nun in den drei damals gängigen Sprachen über dem Kreuz steht, unterstreicht ihren universellen Anspruch. Die in Apg 2 geschilderten Ereignisse, bei denen die Sprachbarrieren keine Rolle mehr spielen, obwohl alle ihre unterschiedlichen Sprachen beibehalten, verstehen sich als erste Anzeichen der Erfüllung der Verheißung der von Gott gewirkten Versammlung aller Völker, auf die Israel immer schon hoffte (Jes 2, 2-5; 66, 18). Dabei wird in diesen Texten festgehalten, dass diese Überwindung der Sprachbarrieren und die dadurch gewonnene Einheit immer eschatologische Tat Gottes und nicht des Menschen ist. Gen 11 kann demzufolge keineswegs als eine Erzählung gelten, die durch die christliche Botschaft »überwunden« sei. Die Vielfalt der Völker und ihrer Sprachen ist und bleibt der Wille Gottes. In 1 Kor 16, 22; Did 10, 6 findet sich ein Gebetsruf in aramäischer Sprache: maranatha; wohl: unser Herr komm. Vergleichbar ist die Gebetsanrede abba / Vater (Röm 8, 15; Mk 14, 36; Gal 4, 6). Die Griechisch sprechende messianische Gemeinde benutzt die ihr fremde Sprache und drückt damit ihre Verbundenheit mit dem Gott Israels und der jüdischen Kultur aus. Assmann, Aleida u. a. (Hg.), Schrift und Gedächtnis. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation, München 3 1998. Blass, Friedrich / Debrunner, Albert / Rehkopf, Friedrich, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 15 1979. Ehlich, Konrad, Sprache und sprachliches Handeln, Berlin 2007. Jenni, Ernst, Studien zur Sprachwelt des Alten Testaments, Stuttgart 1997. Muisses, G., Art. ›Languages‹ (Greek), ABD IV, 195-203. Reiser, Marius, Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments. Eine Einführung, UT 2197, Paderborn u. a. 2001. Schramm, G. M., Art. ›Languages‹ (Hebrew), ABD IV, 203214. Soden, Wolfram v., Aus Sprache, Geschichte und Religion

Babyloniens. Gesammelte Aufsätze, hg. von Luigi Cagni / Hans-Peter Müller, Neapel 1989. Uehlinger, Christoph, Weltreich und »eine Rede«. Eine neue Deutung der sogenannten Turmbauerzählung (Gen 11,1-9), OBO 101, Freiburg / CH u. a. 1990. Willi-Plein, Ina, Sprache als Schlüssel. Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament, Neukirchen-Vluyn 2002.

Johannes Taschner

Staat / Verwaltung 1. Allgemein Es gibt in biblischer Zeit weder einen Begriff, der dem modernen Staatsbegriff entspricht, noch eine vom Herrscher abgehobene Institution »Staat«, die etwa als Handlungsträger auftreten könnte. Dennoch ist der Begriff sachgemäß, da es durchaus die Verbindung von Staatsvolk, festem Territorium und organisierter Verwaltung gibt, da nach außen Verträge abgeschlossen und nach innen die Sicherung von Friede und Recht beansprucht werden. Das vorneuzeitliche, patrimoniale Beamtentum orientiert sich nicht an einer abstrakten Größe Staat, sondern am Herrscher, d. h. in der Regel am König (3 Königtum). Die Struktur der staatlichen Verwaltung hat so die Grundzüge einer herrschaftlichen Hausverwaltung, wie noch die deutschen mittelalterlichen Begriffe zeigen: Truchsess, Kellermeister, Mundschenk, Marschall, Hausmeier, Fronvogt, Intendant, Kämmerer, Seneschall. Der folgende Artikel ist auf die Struktur der staatlichen Verwaltung konzentriert. 2. Israelitische Königszeit a) Das Moment der Nähe zum Herrscher ist hier durchgängig erkennbar. So zählt der 2al-haba¯jit / »über das Haus« / Hausvorsteher, den es nach Gen 43,16.19; 44, 1.4 auch in Josefs Haus gibt, zu den Spitzen der Verwaltung (1 Kön 4, 6), vgl. den »Freund des Königs« (1 Kön 4, 5) sowie die häufig bezeugte Bezeichnung »Diener des Königs« (2æbæd hamælæk), ein Relationsbegriff, der

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die Bindung an den König deutlich macht. Die Herkunft der Beamten lässt auf die Beteiligung von Oberschichten an der Ausübung der Herrschaft schließen. Das gilt vor allem für die Gruppe der ´s¯arı¯m / »Beamte« (1 Kön 4, 2). Die Verwandtschaftsverhältnisse zeigen, wie einflussreiche Sippen auch familiär an das Königshaus gebunden sind (z. B. 1 Kön 4, 11.15); zudem wird die Erblichkeit von Führungspositionen deutlich. Die Nennung der Beamten (s´¯arı¯m) neben dem König zeigt an, dass dieser Personenkreis an der Ausübung der Regierung teil hat (Jes 32, 1; Jer 4, 9; 17, 25; 26, 21; 36, 21; Hos 3, 4; 7, 3; 13, 10; Ps 148, 11 u. ö.). Der Gebrauch von Beamtentiteln im amtlichen Verkehr scheint nicht sehr verbreitet gewesen zu sein. So wird in den Ostraka aus Arad (vor 598/7 v. Chr.; HAE I/1 347-403) der Kommandant des Forts, Eljaschib, nicht mit seinem Titel angeredet, sondern nur mit seinem Namen. Eine nicht unerhebliche Anzahl von so genannten »privaten« 3 Siegeln ist daher vielleicht staatlichen Funktionsträgern zuzuordnen. Als Schreibmaterial der Verwaltung dienten Tonscherben, z. B. für Proviantanweisungen wie für briefliche Mitteilungen (Funde aus Arad und Lachisch). Wahrscheinlich werden der König wie die Beamten ihre wichtigsten Dokumente eher auf Papyrus oder andere vergängliche Schriftträger geschrieben haben, so dass uns die eigentliche Korrespondenz nicht erhalten ist. Belegt aber ist etwa ein regelrechter Rundbriefverkehr zwischen befestigten Orten, so dass Offiziere wohl lesen und schreiben konnten. Bei diesen Nachrichten finden sich auch prophetische Botschaften (Lachisch 3, 19-21: HAE I/1 418 f.) und ein Hinweis auf den zentralen Jerusalemer Gerichtshof (Lachisch 4, 6-8: HAE I 419-422; vgl. Dtn 17, 8-13; 19, 15-21). Ein ägyptischer Einfluss auf die Verwaltungspraxis in Juda wird durch den Gebrauch hieratischer Zahlzeichen deutlich (HAE I/1 195 f.; II/1 48-51). b) Verwaltung von Finanzen und Gütern. Die Verpflegung der Soldaten geschah durch die staatliche Verwaltung und wurde wohl aus dem Zehnten (1 Sam 8,15-17; vgl. HAE I/1 364-366) be-

stritten. Zur Zeit der assyrischen und später babylonischen Westexpansion müssen der militärische Bereich und sein logistischer Hintergrund die Kernaufgabe des Staates und der Verwaltung gewesen sein. In den Bereich der Verwaltung gehören Fragmente von ca. 2000 Krughenkeln, die mit lmlk (»dem König«) sowie einem der vier Ortsnamen: Hebron, Ziph, Socho oder MMŠT beschriftet sind. Die Fundorte verteilen sich auf das gesamte judäische Territorium. Sie stammen vermutlich aus der Zeit Hiskijas (Ende 8. Jh.) und stehen in Zusammenhang mit Lieferungen aus den Krongütern der vier genannten Orte. Ca. ein Siebtel der Krüge trägt noch zusätzlich Siegelabdrücke verschiedener Personen. Möglicherweise handelt es sich um Inhaber von nicht vererbbarem Dienstland, denen die Lieferung gutgeschrieben wurde. Einen Einblick in die Praxis der Besteuerung geben die so genannten fiskalischen Siegel, deren Abdrücke auf Tonbullen erhalten sind. Ihr Gebrauch ist zeitlich und örtlich begrenzt, entspricht jedoch der Verwaltungsweisheit, dass der Gebrauch eines Stempels viel Schreiberei erspart. Da diese Siegel die Termini r3ˇsnj »Erstlinge« (HAE II/2 Nr. 30.11) und mækæs »Abgabe« (HAE II/2 Nr. 30.17) aufweisen, ist die Zuordnung zur fiskalischen Verwaltung gesichert. Eine Datierung in die Regierungszeit Joschijas (640 bis 609) ist wahrscheinlich. Wenn der König Steuern oder Erstlinge einzieht, steht dies in Widerspruch zu den Regelungen des Deuteronomiums (14, 22-29; 15, 19-23; 26, 1-15), das also nicht einfach Verhältnisse der Joschijazeit spiegelt. Einen Einblick in die Verwaltung des Nordreichs Israel gewähren die Ostraka von Samaria aus der ersten Hälfte des 8. Jh. (HAE I/1 91). Hier wird in Lieferungslisten u. a. der Beamte in Samaria genannt, der für einen Distrikt zuständig war. Als Gegenstand der Lieferung werden »alter Wein« oder »Öl für die Reinigung / gereinigtes Öl« genannt. Es kann sich dabei um regelmäßige Steuern oder einmalige Abgaben aus Krongütern handeln.

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c) Titel und Funktionen. Eine Anzahl von Siegeln und Siegelabdrücken erlaubt in Kombination mit biblischen Belegen einen Überblick über die Beamtentitel (vgl. HAE II/2 110-116). Bis auf die Besonderheit, dass einige davon mit dem Element 3aˇsær gebildet sind, gleichen die Titelbildungen und damit das Verwaltungswesen Judas und Israels dem der umgebenden Völker in Syrien / Palästina und Mesopotamien, was Übernahmen von Verwaltungspraktiken von Ägypten, speziell in Juda, nicht ausschließt. 2æbæd hamælæk »Diener / Sklave des Königs«. Statt »König« kann hier auch der Name des betreffenden Königs stehen. Der Titel ist auch in Phönizien, Edom, Moab, Ammon und einigen Aramäerstaaten belegt. Im Alten Testament bezeichnet er die Anhängerschaft eines Herrschers, zu dessen Haus die »Diener« gehören (2 Sam 9, 2; 15, 14 ff.). Im Unterschied dazu ist s´ar »Beamter« kein Relationsbegriff, der die Abhängigkeit vom König zum Ausdruck bringt. Zu den »Dienern des Königs« werden auch militärische Kräfte gerechnet (1 Sam 22, 17; 2 Sam 11, 1.11; 20, 6 f.; 1 Kön 1, 33.38; 20, 12). 3aˇsær 2al-haba¯jit »Der über dem Haus (steht), Palastvorsteher«. Für eine herausgehobene Stellung spricht ein Felsengrab mit Inschrift in der Umgebung Jerusalems (HAE I/1 264 f.; vgl. Jes 22, 15 f.). Ob auch die Verwaltung des Krongutes diesem Amt unterliegt, ist umstritten. Wenn ein Thronfolger an Stelle seines Vaters die Regentschaft ausübt, wirkt er als Palastvorsteher (2 Kön 15, 5). 3aˇsær 2al-hamas »Vorsteher des Fronwesens«. Der einzige aus dem Alten Testament bekannte Inhaber dieses Amtes ist Ado(ni)ram (2 Sam 20, 24; 1 Kön 4, 6; vgl. 5, 28; 12, 18). Der Titel ist bisher auf einem Siegel belegt (WSS Nr. 20; 7. Jh.), aus dem sich schließen lässt, dass der Inhaber sowohl in der lokalen Führungsschicht verwurzelt war als auch Anteil an der Ausübung der Regierung hatte. ´sar-ha2¯r ı »Stadtkommandant«. Im Alten Testament ist das Amt in Ri 9, 28 ff.; 1 Kön 22, 26; 2 Kön 10, 5; 23, 8 genannt; sein Träger gehört nicht der lokalen Selbstverwaltung an, sondern

dem Bereich der staatlichen Administration; Siegelbelege sind WSS Nr. 402; HAE I/1 54 f.; II/2 Nr. 9.8; 17.35. so¯fe¯r »Schreiber«. Der Titel tritt auch in phönizischen, moabitischen, ammonitischen und aramäischen Siegeln auf. Das Siegel Baruchs, des Sohnes Nerijas (WSS Nr. 417) gehört möglicherweise der auch im Alten Testament genannten Person (Jer 32, 12 ff.). Der Titel wird in den Beamtenlisten 2 Sam 8,17; 20, 25; 1 Kön 4, 3 erwähnt. Der Schreiber ist mit der Kontrolle der Tempelkasse beauftragt (2 Kön 12, 10); er verhandelt als Mitglied einer Delegation hoher Würdenträger in 2 Kön 18, 17-37 mit dem Rabschake. Man wird in dem »Schreiber« den Chef der Kanzlei zu sehen haben. ko¯he¯n »Priester«. Der »Priester« tritt in Beamtenlisten auf (2 Sam 8, 17; 20, 25, 1 Kön 4, 4; vgl. Am 7,10-17). Bisher sind zwei Siegel mit diesem Titel belegt (HAE II/2 219; WSS Nr. 29; HAE II/2 Nr. 7.6). mazkı¯r. Der Titel erscheint neben den Beamtenlisten (2 Sam 8, 16; 20, 24; 1 Kön 4, 3) noch in der Delegation, die mit dem Rabschake verhandelt (2 Kön 18, 18.37). Insofern muss es sich um ein bedeutendes Amt gehandelt haben, von dessen Funktion nichts Sicheres bekannt ist. Belegt ist er auf einem moabitischen Siegel vom Ende des 8. Jh. (WSS Nr. 1011). na2ar »Adjutant, Gutsverwalter«. Der Titel ist auch phönizisch und ammonitisch belegt, zudem auch in den Ostraka aus Arad. Dort ist von einer militärischen Bedeutung auszugehen (HAE I/1 378.401; vgl. 1 Sam 14, 1.6; 20, 21 f.35 ff.). Die Siegel (HAE II/2 113) verweisen auch auf eine Verwendung dieser Bezeichnung für Verwalter (vgl. 2 Sam 9, 2; 19,18). ben mælæk, bat mælæk Die Titel sind auf Siegeln recht häufig belegt (HAE II/2 111 f.) und bezeichnen Königssöhne bzw. Königstöchter. Zu den Titeln, die zwar von den Siegeln bekannt sind, nicht jedoch im Alten Testament (s. HAE II/2 110-116), gehören ´sar ha¯3esu¯r »Türhüter des Gefängnisses«, 3æbæd jhwh »Diener Jahwes«, Berufsbezeichnungen sind wohl: ro¯fe¯ 3 »Arzt«, so¯ref »Goldschmied«; zu dieser Kategorie

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gehören möglicherweise auch einige Träger des Titels »Schreiber«. Zu den Titeln, die das Alten Testament nennt, die bisher jedoch nicht inschriftlich bezeugt sind, gehören die militärischen Ränge, wie sie in Ex 18, 21.25 genannt werden: Anführer (s´ar) von Tausend, Anführer von Hundert; von Fünfzig und von Zehn (vgl. Dtn 1, 15). Dabei werden in Ex 18 den militärischen Rängen richterliche Funktionen zugewiesen. Der Richter. Es ist eine erhebliche Anzahl von Tonbullen mit Siegelabdrücken bekannt, die auf ihrer Rückseite Abdrücke von Papyrusfasern zeigen. Geht man davon aus, dass Urteile schriftlich ausgefertigt wurden und sieht hierin die Aufgabe der ˇsoterı¯m in Dtn 16, 18 (vgl. Septuaginta), ˙ erstaunt es, dass bis jetzt kein Siegel oder Siegelabdruck eines ˇsoter »Aufseher« oder ˇs¯afat ˙ ˙ »Richter« gefunden wurde. Im Ganzen besteht das Problem, wie sich die Welt der Inschriften und Siegel zu der Textwelt des Alten Testaments verhält. Nach dem deuteronomischen Geschichtswerk erreicht die territoriale Ausdehnung Israels unter David und Salomo einen Höhepunkt, zu dessen Schilderung auch die Beamtenlisten und andere Verwaltungsmaßnahmen herangezogen werden – mit der Reichsteilung hört dies abrupt auf. Nach D. W. Jamieson-Drake kann man zur Zeit Salomos aber eher von einem »chiefdom« sprechen (136-145), ein Staat entstehe erst ab dem 8. Jh.; zur Kritik Kessler (2008, 79-81). d) Soziale Wirkungen und Kritik. Die Stellung des Beamtentums gibt dem Staat Juda ein besonderes Gepräge, das R. Kessler als »partizipatorische Monarchie« bezeichnet hat. Partizipation meint hier eine Koalition der Wohlhabenden mit dem Königtum. Doch es sind immer wieder auch negative Folgen belegt. Das gilt für die Reichsteilung nach dem Tod Salomos. So lässt sich in den Beamtenlisten die Karriere des Vorstehers des Fronwesens Ado(ni)ram verfolgen, mit dessen Steinigung die Reichsteilung in 1 Kön 12, 18 besiegelt wird. Die Fronarbeit (vgl. 1 Kön 9,15-23) und die Versorgung des Hofes durch Is-

rael (nicht durch Juda; 1 Kön 4, 1-20) sind die erkennbaren politischen Gründe für die Spaltung. Die Ursachen für eine verstärkte soziale Ungleichheit und die Verelendung größerer Teile der Bevölkerung Israels und Judas im 8. Jh., wie sie die prophetische Sozialkritik (3 Propheten / Prophetinnen) erkennen lässt, waren neben dem Besitzstreben der Oberschicht (Jes 5, 8-10) wohl auch die hohen Steuer- und Abgabenlasten. Das Buch Deuteronomium nimmt die Anklage der Prophetie des 8. Jh. auf, indem es darlegt, wie Israel hätte leben sollen und weiter leben soll. Zwar soll es ein Königtum geben (Dtn 17, 14-20), doch sollen die Verwaltungsfunktionen von allen Bürgern übernommen werden. Dies betrifft die Steuern und Abgaben (Dtn 14, 22-29; 15, 19-23; 26, 1-15), die nicht an den König gehen, aber auch das Militärwesen, das nicht mehr dem König untersteht und das mit der allgemeinen Wehrpflicht dem Söldnerwesen keinen Raum mehr gibt. Die in diesem Zusammenhang genannten »Aufseher« ˇsoterı¯m (Dtn 20, 5) werden laut Dtn ˙ 16, 18 vom Volk selbst eingesetzt. Auch die Offiziere treten erst im Kriegsfall in Dienst (Dtn 20, 9). Die kommunale Selbstverwaltung liegt in den Händen der Ältesten; aus dem Kreis der Honoratioren rekrutieren sich auch die Richter. Einen königlichen Stadtkommandanten, der epigraphisch gut bezeugt ist, gibt es im Deuteronomium nicht. Es hat mit dem Beamtentum auch die an der Herrschaft partizipierende Oberschicht abgeschafft und Regelungen getroffen, die den Zustand sozialer Ausgeglichenheit herstellen sollen (Dtn 15,1-18). Hier legt sich ein Vergleich mit der Entwicklung der griechischen Polis nahe. Auch der Verfassungsentwurf des Ezechielbuches zieht dem Eigentum des Königs und seiner Beamten enge Grenzen, um den Besitz der Bevölkerung nicht zu beeinträchtigen. Im Erlassjahr kehrt das Land, das der König zur Versorgung seiner Beamten vergeben hat, an ihn zurück (Ez 46, 16-18).

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3. Die persische Zeit Das babylonische Exil bedeutet das Ende des selbständigen judäischen Staates und seiner Verwaltung. Mit dem Aufkommen des Reiches der Achämeniden vollzieht sich dann ein tief greifender geschichtlicher Umbruch, der als frühe Globalisierung charakterisiert werden kann. Text- und Bildzeugnisse erheben den Anspruch, dass es sich um ein Friedensreich handelt. Die religiöse und kulturelle Identität der unterworfenen Völker soll durch ein vertretbares Maß an lokaler Autonomie gefördert werden. Der Ausbau des Straßennetzes erlaubt bisher unbekannte Möglichkeiten der Kommunikation, die durch die einheitliche Verwaltungssprache des Großreichs, das Reichsaramäische, ermöglicht wird. Eine Gruppe von Verwaltungstexten erlaubt Einblicke in Ausschnitte der Administration der Zentrale in Persepolis (vgl. H. Koch in TUAT NF I, 221-248). Für den Bereich Judas gibt es nur einige inschriftliche Zeugnisse, darunter Siegel / Siegelabdrücke und Münzlegenden. So nennt eine der Bullen: lejeremaj haso¯fe¯r / »Jeremai, den Schreiber« (Avigad 7 f.); sie erinnert an das Amt Esras (Esr 7, 6) und an Ereignisse, über die das Nehemiabuch berichtet (Neh 13, 13). Belegt sind auch das Amt des Priesters (Kottsieper, TUAT NF II, 323) und das des Präfekten (Esr 9, 2; Neh 2, 16 u. ö.; DJD 28, 88.98). Umstritten ist das Amt des Statthalters: Sanballat, der Statthalter Samarias (pahat ˇsomra¯n), ist ebenso bekannt (WSS ˙ Nr. 419) wie für Juda der Siegelabdruck Elnatans, des phw3 (Avigad 6 f.), was zu der Frage ˙ führt, ob dieser Ausdruck nicht auch einen Unterstatthalter oder ein anderes Amt bezeichnen kann. Damit verbunden ist die Annahme von A. Alt, dass Juda zur Provinz Samaria gehörte; modifiziert von K.-D. Schunck, der annimmt, dass Scheschbazzar und Serubbabel Untergouverneure, zuständig für Juda, waren; unter Artaxerxes I. wäre mit Nehemia als erstem Statthalter Juda zu einer eigenen Provinz geworden. Demgegenüber geht A. Lemaire davon aus, dass Juda schon früher eine eigene Provinz bildete. Durch alttestamentliche und epigraphische Zeugnisse lässt sich die Abfolge der Statthalter in Samaria

und Juda sowie der Jerusalemer Hohepriester rekonstruieren. Das persische Steuersystem ist differenziert und belastend; es gibt drei Abgaben, die Esr 4,13.20; 7, 24 aufzählen: midda¯h belo¯ wahala¯k, Tribut, Kopfsteuer und Grundsteuer. Die Abgaben waren so belastend, dass sie vielfach zur Schuldsklaverei führten (Neh 5, 1-13, vgl. die Urkunden aus Wadi Daliyeh, DJD 28, 3-116). Die Tribute der Provinzen wurden am Regierungssitz der persischen Könige gehortet; die Verwandlung des Goldes und vor allem des Silbers, in Münzen, begonnen mit Alexander d. Großen, führte zum Aufblühen der Wirtschaft in hellenistischer Zeit. 4. Die römische Zeit Die römische Verwaltung, mit der wir in neutestamentlicher Zeit konfrontiert sind, entspricht weit stärker den modernen Formen staatlicher Verwaltung. So gehören zu den Grundsätzen der römischen Administration: Ausbildung und Laufbahnen von Beamten, klare Kompetenzen und gesetzliche Richtlinien sowie die Einstellung, dem Staat zu dienen. Allerdings war mit der Verwaltung selbstverständlich auch die Ausübung und Repräsentation der römischen Machtstellung verbunden, die faktisch in Abhängigkeit vom römischen Kaiser als dem obersten Organ ausgeübt wurde. Damit war die Verwaltung neben dem Militär ein Machtinstrument, das zur politischen Kontrolle und ökonomischen Bereicherung des römischen Imperiums und seiner Eliten auf Kosten Unterworfener dem Imperium diente. Daraus erklären sich die vielen kritischen Aussagen neutestamentlicher Texte über das römische Imperium (z. B. Mk 10, 42-45 par; Lk 1, 52), die auch die Grenzen betonen, die der Gott Israels dieser Herrschaft setzt (z. B. Mk 12, 17; Röm 13, 1 im Kontext der Aussagen des Danielbuches). a) Die lokale Administration. Für die Bewohner und Bewohnerinnen des Imperium Romanum war die erste Verwaltungsinstanz in der Regel keine römische Institution, sondern die lokale Administration. Die römischen Statthalter hatten zwar grundsätzlich die Oberhoheit über alle Be-

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reiche der Provinz, überließen aber viele Bereiche den einheimischen Institutionen. a) Die Stadt. Eine hellenistische Polis bzw. eine römische Colonia oder ein Municipium wurde von Stadtoberen geleitet, die sich durch Wahl aus den führenden Geschlechtern rekrutierten und die finanziellen Belastungen eines Amtes, das unentgeltlich war, tragen konnten. Sie stellten den Gemeinderat (boule; curia), das eigentlich entscheidende Gremium, demgegenüber die griechische Volksversammlung (demos) nur noch geringe Bedeutung hatte. Ihnen zugeordnet war Hilfspersonal (apparitores oder Staatssklaven) wie Schreiber oder Aufsichtsorgane. Vielfach waren aber auch private Unternehmer (publicani) für die Ausführung von staatlichen Aufgaben zuständig, vor allem im Steuer- und Abgabenwesen (Zöllner). Diese kauften das Recht von der römischen Verwaltung und vollzogen es auf eigene Rechnung. Die Bürger einer Stadt bzw. die zugewanderten Einwohner hatten dieser Ordnung entsprechend, die auf die Eliten ausgerichtet war, wenig Einfluss auf die Regeln bzw. den Vollzug der Verwaltung. Aus der Apostelgeschichte wird an etlichen Stellen deutlich, dass Christen in der Regel mit lokalen Behörden konfrontiert wurden. In der römischen Kolonie Philippi sind dies die beiden höchsten Beamten mit richterlicher Kompetenz, die duumviri iure dicundo (Apg 16, 20-22.35-38 als strategoi bezeichnet) bzw. ein Kerkermeister (16, 23.27.36). Im hellenistischen Thessalonich werden von jüdischen Gegnern die Politarchen angerufen (17, 6.8), in Ephesus treten die Asiarchen bzw. der Stadtschreiber auf (19, 31.35). b) Palästina. Für hellenistische Städte wie Tiberias oder Sepphoris werden wir kaum mit anderen Verhältnissen zu rechnen haben als sonst im hellenistischen Raum. Für Städte und ihnen zugeordnete Dörfer in Galiläa und Judäa, die jeweils Distrikten zugeteilt waren, wird man annehmen dürfen, dass die lokalen Institutionen aus früherer Zeit weitergeführt wurden, also die Verwaltung durch Oberste bzw. v. a. Älteste (z. B. 1 Makk 1, 26; Lk 7, 3). Die Nennung von Sanhedrinen (Mk 13, 9 par; mSota 1, 3; mSan 11, 3) verweist

ebenfalls auf lokale Institutionen. Eine gewisse Rolle spielten auch Priester und Leviten, an die auch die von der Tora festgelegten Abgaben gingen (Erstlinge, Hebe, Zehnte). Wichtig waren vor allem jene, die schreiben konnten: Schriftgelehrte bzw. Schreiber (vgl. Flav. Jos. Bell. 1, 479; Flav. Jos. Ant. 16, 203; Mk 2, 6). Auch Richter wie jenen aus dem Jesusgleichnis Lk 18,1-8 gab es offenbar. Die Tora und ihre Auslegung wird für kultische und juridische Fragen ebenso wie für die Verwaltung eine wichtige Rolle gespielt haben, freilich nur nach Maßgabe der Möglichkeiten unter römischer Besatzung. Josef aus dem judäischen Arimathäa wird als Ratsherr (bouleutes) bezeichnet (Mk 15, 43 par), was ebenso auf lokale Verwaltungseinheiten verweist. Für die Auswahl der entsprechenden Personen spielten (priesterliche) Herkunft und Vermögen die entscheidende Rolle. Neben den autochthonen Verwaltungsorganen waren Juden in Palästina selbstverständlich auch mit römischen Behörden, zumeist aus den Reihen des Militärs, bzw. den von ihnen autorisierten Publicani, v. a. Zöllner, konfrontiert. b) Die Provinzialverwaltung. Das Imperium Romanum der frühen Kaiserzeit bestand aus Provinzen und Klientelkönigtümern bzw. -fürstentümern. Die Provinzen wurden seit 27 v. Chr. zum Teil vom Kaiser, zum Teil vom Senat besetzt. Kaiserliche Provinzen (Provinciae Caesaris) waren etwa Ägypten oder Syrien. Sie wurden von einem durch den Kaiser ernannten Legaten verwaltet, der in der Regel zwei bis drei Jahre im Amt war. Unter Tiberius gab es aber auch durchaus längere Amtszeiten, wie bei Pontius Pilatus (10 Jahre; Flav. Jos. Ant. 18, 89). Neben den großen kaiserlichen Provinzen gab es kleinere wie Judäa, deren Statthalter (Praefekten aus ritterlichem Geschlecht, später Prokuratoren) einem Legaten (bei Judäa dem Syriens) untergeordnet waren. Für die Verwaltung einer kaiserlichen Provinz griff der Legat bzw. Praefekt vor allem auf militärisches Personal zurück. Später gab es auch Prokuratoren zur Finanzverwaltung. Die zehn senatorischen Provinzen (u. a. Asia oder Cypern) wurden vom römischen Senat mit einem ehemaligen Konsul bzw. Praetor für ein

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Jahr besetzt. Ihnen standen »zivile« Beamte zur Seite, wie ein Quaestor oder ein Legatus pro praetore. Diese dienten wie auch jene in kaiserlichen Provinzen unter anderem zur Finanzkontrolle, zum Führen des Archivs und anderen Aufgaben. Abgesehen von den Aufgaben, die den lokalen Behörden überlassen wurden, waren die Statthalter für die Gerichtsbarkeit und die Eintreibung von Steuern und Abgaben verantwortlich. Während letzteres mittels Pachtverträge an Publicani vergeben wurde, blieb die Kapitalgerichtsbarkeit wie die Verhandlung von großen Fällen dem Statthalter vorbehalten. Dieser hielt dazu in größeren Städten Gerichtstage ab. Zudem bestand seine Aufgabe in der Abhaltung kultischer Verrichtungen für Rom und den Kaiser sowie für lokale Gottheiten. Die konkrete Verwaltung einer Provinz wurde von den Statthaltern sehr verschieden gehandhabt: Klagen über Ausbeutung und Grausamkeit waren ebenso häufig wie besondere Ehrungen. In der Regel begegnete ein antiker Mensch dem Statthalter allerdings kaum persönlich, da dieser lediglich mit den lokalen Eliten Kontakt suchen musste. Innerhalb des Neuen Testaments wird von mehreren Statthaltern berichtet, zumeist im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren. Neben Pontius Pilatus sind dies in Zypern (Lucius?) Sergius Paullus (Apg 13,7), in Achaia L. Iunius Gallio Annaeanus (Apg 18, 12-17) und in Judäa Antonius Felix (Apg 23 f.) sowie Porcius Festus (Apg 25 f.). Die lukanische Geburtsgeschichte verweist auf den syrischen Legaten P. Sulpicius Quirinius (Lk 2, 2). c) Das Klientelkönigtum. Unter Herodes d. Gr. war Judäa (inklusive Galiläa, Samaria und Batanäa) bis 4 v. Chr. ein Klientelkönigtum Roms, das vertraglich und durch Abgaben dem Kaiser verpflichtet war. Nach seinem Tod zerfiel das Gebiet in Klientelfürstentümer. Judäa, Samaria und Idumäa wurden bis 6 n. Chr. von dem Ethnarchen Archelaos regiert, in Galiläa und Peräa herrschte bis 33 n. Chr. Herodes Antipas als Tetrarch. Zwischen 6 und 37 war Judäa Provinz unter dem syrischen Legaten, zwischen 37 und 44 herrschte Herodes Agrippa I. als König über Judäa, Samaria,

Galiläa und Batanäa (im Land selbst war er nur von 41-44). Danach blieb Judäa Provinz, während in Galiläa Herodes Agrippa II. herrschte. Die konkreten Verwaltungsstrukturen vor Ort blieben während dieser Veränderungen sicherlich dieselben, für Judäa (und auch Galiläa) spielte zu allen Zeiten der Sanhedrin als Legislative und Judikative eine wichtige Rolle. Seine relative Unabhängigkeit bestand sowohl unter der Herrschaft von Klientelfürsten wie unter den Römern. Alt, Albrecht, Die Rolle Samarias bei der Entstehung des Judentums, KS II, München 1953, 316-337. Avigad, Nahmon, Bullae and Seals from a Post-Exilic Judean Archive, Qedem 4, Jerusalem 1976. Avishur, Yitzhak / Heltzer, Michael, Studies on the Royal Administration in Ancient Israel in the Light of Epigraphic Sources, Jerusalem 1996. Bleicken, Jochen, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreichs, 2 Bde., UTB 838+839, Paderborn 4 1995 / 3 1994. Eck, Werner, Die Verwaltung des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit. Ausgewählte und erweiterte Beiträge, 2 Bde., Basel 1995 / 1998. Freyne, Sean, Galilee-Jerusalem Relations According to Josephus’ Life, in: ders., Galilee and Gospel, WUNT 125, Tübingen 2000, 73-85. Haensch, Rudolf, Die römische Provinzverwaltung im Frühen Prinzipat, in: Kurt Erlemann / Karl Leo Noethlichs / Klaus Scherberich / Jürgen Zangenberg (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur 1, Neukirchen-Vluyn 2 2004, 149-158. Horsley, Richard A. (Hg.), Die ersten Christen. Sozialgeschichte des Christentums Bd. 1, Gütersloh 2007. Jamieson-Drake, David W., Scribes and Schools in Monarchic Judah. A Socio-Archeological Approach, JSOT S 109, Sheffield 1991. Kessler, Rainer, Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2 2008. Ders., Staat und Gesellschaft im vorexilischen Juda. Vom 8. Jahrhundert bis zum Exil, VT.S XLVII, Leiden 1992. Lemaire, André, Histoire et Administation de la Palestine à l’Époque Perse, in: Ernest-Marie Laperrouszaz / ders. (Hg.), La Palestine à l’Époque Perse, Paris 1994, 11-53. Rüterswörden, Udo, Die Beamten der israelitischen Königszeit. Eine Studie zu rs´ und vergleichbaren Begriffen, BWANT 117, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1985. Sacher Fox, Nili, In the Service of the King. Officialdom in Ancient Israel and Judah, Monographs of the Hebrew Union College 23, Cincinnati 2000. Schunk, Klaus-D., Das Amt des peh¯a im Alten Testament, ˙ in: Stefan Beyerle u. a. (Hg.), Recht und Ethos im Alten

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Stadt

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Udo Rüterswörden / Markus Öhler

Stadt Auch wenn sich aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen keine allgemeingültige Definition einer antiken Stadt geben lässt, wird darunter unter siedlungstypologischen Aspekten in der Regel eine baulich geschlossene Siedlung mit größerer, sozial gegliederter Bevölkerung, eigener Administration sowie spezialisierter Arbeitsteilung verstanden, die zugleich den politischen, ökonomischen und kultischen Mittelpunkt des Umlandes bildet. Die Lage einer Stadt ist in der Regel von natürlichen und strategischen Voraussetzungen wie Geographie und Infrastruktur abhängig. 1. Geschichte der Stadtkultur bis zur Perserzeit Die israelitischen Siedlungen der frühen Eisenzeit (ca. 1200-1000 v. Chr.) sind allesamt unbefestigt und haben nur dörflichen Charakter. Erst mit der ab 1000 v. Chr. einsetzenden Bildung früher Staaten in Israel und Juda erhalten Städte für die israelitische Bevölkerung eine größere Relevanz, wenngleich sie in Palästina selten mehr als 1-2 ha umfassen und das Königtum Sauls noch ohne Residenzstadt auskommt. Von besonderer Bedeutung ist die Übernahme der alten Jebusiterstadt Jerusalem durch David, der sie zur Hauptstadt seines entstehenden Reiches macht. Nach der Bildung eines eigenständigen Nordreichs Israel gründet dessen König Omri zu Beginn des 9. Jh. Samaria als Hauptstadt. Beide Städte sind

im Wesentlichen Sitz des Hofes und der Verwaltung, in Jerusalem steht zusätzlich der wichtigste Tempel. Die alten Kanaanäerstädte, die nun im Einflussbereich der Flächenstaaten Juda und Israel liegen (z. B. Megiddo, Taanach, Hazor), werden von diesen mehr oder weniger integriert. Dennoch bedeutet die Königszeit eine tiefgreifende Veränderung, die sich an den Grundrissen ablesen lässt. Viele Siedlungen werden ummauert (dies ist das Kriterium für ihre Bezeichnung als »Stadt«, hebr. ¯r; 2ı qirja¯h / qæræt). Die Mehrzahl der Bewohner ist allerdings nach wie vor in der Landwirtschaft tätig und bearbeitet die um die Stadt herumliegenden Felder. Ein großer Sprung in der Stadtentwicklung tritt mit den assyrischen Expansionsbestrebungen seit Mitte des 8. Jh. v. Chr. und dem Untergang des Nordreichs im Jahr 722 ein. Jerusalem wächst nun – einerseits durch Flüchtlinge aus dem Norden, andererseits durch den Zuzug von Bewohnern der Landschaft Juda – binnen kurzem gewaltig an. Es erhält eine »Neustadt« mit erweiterter Stadtmauer. Händler und Geldwechsler spielen nun erstmals im Wirtschaftsleben der Metropole eine Rolle (vgl. Zef 1,11). Mit den joschijanischen Reformen vom Ende des 7. Jh. erhält der Tempel von Jerusalem eine bevorzugte Stellung, die auch das Wirtschaftsleben der Stadt berührt (vgl. Dtn 14,24-26). Weder die Zerstörung Samarias nach der assyrischen noch die Jerusalems nach der babylonischen Eroberung können die Bedeutung der beiden Städte in der folgenden Zeit schmälern. In der persischen Zeit sind sie die Hauptstädte zweier Provinzen. 2. Geschichte der Stadtkultur in hellenistischrömischer Zeit In der hellenistischen Epoche entstehen erstmals Großstädte mit 100.000 und mehr Einwohnern, z. B. Alexandria, Antiochia am Orontes oder Ephesus. In der Kaiserzeit entwickelt sich Rom ebenfalls zur Großstadt, wobei die Infrastruktur der pax Romana zugleich die Urbanisierung der Provinzen fördert. Neben dem Ausbau bestehender Siedlungen erfolgen vielfach koloniale Neugründungen an wirtschaftlich wie militärisch

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Stadt

Grundriss von Tell-es-Seba3, Stratum II (8. Jh. v. Chr.)

wichtigen Verkehrsknotenpunkten. In Palästina behalten Samaria und Jerusalem zwar ihre Bedeutung als Metropolen bei, gleichzeitig finden aber – wie auch in der Umwelt – Zusammenschlüsse (Synoikismen) und Neugründungen in größerem Maße statt, und zwar für eine nichtisraelitische Bevölkerung. Diese sind in der Regel wie eine griechische Polis verfasst und nach dem hippodamischen Gitternetz-Plan gestaltet, bei dem die rechtwinklig angeordneten Straßen Wohnblöcke (insulae) bilden. Als Angehörige der hellenisierten Oberschicht Jerusalems versuchen, in der Stadt eine Polisverfassung nach dem Vorbild Antiochias einzuführen (2 Makk 4,9), ist das einer der Gründe für den Makkabäeraufstand (167 v. Chr.). In Palästina werden später Caesarea Maritima und Jerusalem durch Herodes den Großen sowie Sepphoris und Tiberias durch seinen Enkel Herodes Antipas zu Metropolen nach römischem Vorbild ausgebaut. Dabei unterteilen die beiden die Stadttore miteinander verbindenden Hauptachsen, cardo und decumanus, die Stadt in Viertel, deren Gesamtbild durch öffentliche Bauten und Anlagen wie z. B. Forum, Säulengänge, Amtsgebäude, Tempel, Theater, Thermen, Gymnasium sowie durch steinerne Wohnhäuser geprägt ist.

Obwohl seine Ursprünge in den ländlichen Gegenden Galiläas liegen, breitet sich das Christentum von Anfang an vornehmlich in Städten aus. Die Urgemeinde konstituiert sich nach Ostern in Jerusalem (vgl. Apg 1,12-14) und richtet ihre Mission schon früh – unter maßgeblicher Beteiligung der so genannten Hellenisten (Apg 6,1-6) – auf die Städte im Umland aus (z. B. Samaria, Caesarea). Auf diesem Weg wird das syrische Antiochia bald zu einem wichtigen Missionsstützpunkt (vgl. Apg 11,19-26), von dem aus auch die Zentrumsmission des Städters Paulus ihren Ausgang nimmt. Ein wesentliches Motiv für die urbane Orientierung des frühen Christentums dürfte die mit den Städten einhergehende Infrastruktur sein. Neben der Anbindung an das römische Straßensystem zählen hierzu u. a. eine Vielzahl öffentlicher wie privater Versammlungsorte, aber auch Unterkunfts- und Erwerbsmöglichkeiten (vgl. Apg 18,2 f.). Zugleich ist in den Städten eher ein religiös plurales und zumindest teilweise mit der jüdischen Synagogenpredigt vertrautes Publikum anzutreffen, das für christliche Mission aufgeschlossen sein oder sie als einen Verein oder Kult neben vielen anderen tolerieren könnte. Innerhalb nur weniger Jahrzehnte nach dem Tod Jesu entstehen so viele

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christliche Gemeinden vor allem in den Städten im Osten des Imperium Romanum, z. B. im südlichen (wie Antiochia in Pisidien; Ikonium) und westlichen Kleinasien (wie Ephesus, Troas), in Makedonien (Philippi, Thessaloniki) und Achaia (Korinth), aber auch in Rom selbst. Gerade in den größeren Städten ist mit einer Organisation der Christen in mehreren, unabhängigen Hausgemeinden zu rechnen. 3. Die Stadt als Symbol a) Distanz zur städtischen Lebensform. Nach biblischem Verständnis wird die erste Stadt der Menschheit bereits von Kain gebaut (Gen 4,17) und gehört demnach wie Ackerbau und Viehhaltung (Gen 4,1-16) zu ihren frühesten Lebensformen. In Gen 11,1-9 erscheint mit Babel zum ersten Mal im biblischen Kanon eine Stadt, die in der weiteren Geschichte Israels noch eine große Rolle spielen wird, wobei sie schon bei ihrer ersten Erwähnung negativ konnotiert ist. Die Erzelternfamilien, mit denen das künftige Israel in den Blick kommt, zelten zwar gelegentlich im Umland von Städten, geraten dann aber auch leicht in Konflikte mit den Stadtbewohnern (Gen 34). Die Fremdheit gegenüber der städtischen Lebensform durchzieht die gesamte Ursprungsgeschichte Israels bis zur Landnahme (vgl. Jos 112; Ri 1; 9). Im Grunde setzt ein Umschwung erst mit der Übernahme Jerusalems durch David ein. Doch noch in der Königszeit lehnen etwa die Rekabiter die Sesshaftigkeit und Stadtkultur prinzipiell ab und sehen sich damit in Übereinstimmung mit ur-israelitischen Traditionen (Jer 35). In hasmonäischer Zeit verband sich die programmatische Abkehr von Jerusalem und der Rückzug an das Tote Meer, welche die vom »Lehrer der Gerechtigkeit« angeführte Qumrangemeinde vollzog, maßgeblich mit der Kritik an der Illegitimität des Hohepriesteramtes und damit am Tempelkult, aber nicht an der Stadt als solcher. Manche der seit der Zeitenwende entstehenden jüdischen Erneuerungsbewegungen versammelten sich in der Wüste (vgl. Theudas: Flav. Jos. Ant. 20,97 f.; Johannes der Täufer), was jedoch ebenfalls eher allgemein an prophetische Tradi-

tionen anknüpft, denn als Kritik an städtischer Kultur aufzufassen ist. Die positive Konnotierung Galiläas im Gegenüber zur negativ besetzten Stadt Jerusalem, wie sie sich vor allem im Markusevangelium findet, ist hingegen nicht nur im Passionsgeschehen begründet, sondern dürfte zugleich Reflex der Praxis Jesu sein. b) Jerusalem. Dennoch bedeutet die Integration Jerusalems unter David aufs Ganze der Geschichte Israels gesehen einen Paradigmenwechsel. Allmählich werden mit Jerusalem und seiner Existenz als Stadt verbundene Traditionen in die Religion Israels integriert. Die Identifizierung des Zion als Gottesberg strahlt auf ganz Jerusalem aus, so dass beide Namen schließlich synonym gebraucht werden. Jerusalem ist in besonderer Weise Ort der Präsenz JHWHs. Es wird zum Mittelpunkt der Welt und zur heiligen Stadt, die mit Zügen ausgestattet wird, die sie in der Realität gar nicht hat (wasserreiche Kanäle, Ps 46,5; Erhabenheit des Berges, Ps 48,2 f.). Deshalb ist die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier mehr als eine gewöhnliche Kriegskatastrophe. Mit dem Wiederaufbau des Tempels zu Beginn der Perserzeit, rund ein halbes Jahrhundert nach der Zerstörung, werden die alten Zionstraditionen neu belebt und auch theologisch ausgebaut. Im Neuen Testament hat die Zionstheologie keine eigenständige Bedeutung mehr, sondern geht in der Erwartung des endzeitlichen Jerusalems auf (Hebr 12,22; Offb 14,1). Die Erwähnung der Stadt Jerusalem trägt im Neuen Testament fast immer zugleich einen theologischen Akzent, etwa als Ort der Kreuzigung Jesu (vgl. Mk 10,33; Apg 4,27). Im lukanischen Doppelwerk gilt Jerusalem dann vor allem als Ort der Erscheinungen des Auferstandenen und als Zentrum der Urgemeinde. Von hier breitet sich das Christentum weltweit aus (Lk 24,47; Apg 1,8), wobei die 3 Mission stets an Jerusalem zurückgebunden bleibt (vgl. z. B. Apg 11,22; 15; 21,17-26). Bei aller kritischen Distanz gegenüber der Urgemeinde (Gal 2) spiegelt sich diese Verbundenheit letztlich auch im Kollektenwerk des Paulus (Gal 2,10; 1 Kor 16,1-4; 2 Kor 8 f.; Röm 15,25-32). c) Babel. Während Jerusalem auf der sym-

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Stadt

bolischen Ebene immer mehr in die Rolle der heiligen Stadt gerät, nimmt ihren Gegenpart zunehmend Babel bzw. Babylon ein. Keine nichtisraelitische Stadt wird in den biblischen Schriften mit solchem Hass überzogen, sieht man einmal vom leidenschaftlichen Gedicht auf den Untergang der assyrischen Metropole Ninive bei Nahum ab. Babel wird schon in der Urgeschichte eingeführt (Gen 11,1-9) und erscheint dann vor allem in den Drohworten des Jesaja- und Jeremiabuches als Inbegriff der bösen Macht (vgl. bes. Jes 13 f.; 21,1-10; 47; Jer 50 f.). Es ist gewiss die Erfahrung der Exilierung von 586 v. Chr., die der antagonistischen Gegenüberstellung von Jerusalem und Babel das Material geliefert hat (vgl. Ps 137). Im Neuen Testament dient Babylon schließlich als Chiffre für Rom, dessen Untergang ersehnt wird (Offb 14,8; 17 f.; vgl. 1 Petr 5,13 sowie 4 Esr 3,1). 4. Gottesstadt und Zukunftshoffnung Die zunehmende Bedeutung Jerusalems wirkt sich nicht nur auf die Symbolik, sondern auch auf die Gottesvorstellung aus. Obwohl viele Texte die Erinnerung wachhalten, dass der Gott Israels ursprünglich von außerhalb des Landes kommt (vgl. neben der Sinaitradition Dtn 33,2; Ri 5,4; Hab 3,3), wird Jerusalem doch zunehmend zum Wohnsitz Gottes. Dies kann in Zionspsalmen sehr unmittelbar ausgedrückt werden (Ps 46; 48), während das Deuteronomium diese Unmittelbarkeit abschwächt, indem das Wohnen auf den »Namen JHWHs« eingeschränkt wird. In Ezechiel ist es der »ka¯bo¯d JHWHs«, der an dessen Stelle tritt. Gott wird jedenfalls mit der Stadt in unmittelbare Beziehung gesetzt, so dass letztlich aus der »Stadt Davids« (2 Sam 5,7) die »Stadt (unseres) Gottes« (Ps 46,5; 48,2) wird. Auf einer judäischen Inschrift des 7. Jh. v. Chr. wird JHWH dementsprechend auch als »Gott Jerusalems« apostrophiert (HAE I 245 f.). Angesichts der engen Verbindung Gottes mit Jerusalem ist es nicht verwunderlich, dass sich schließlich endzeitliche Hoffnungen mit der Stadt verbinden. Die Zukunft wird dabei nicht als wiedergewonnenes Paradies verstanden, sondern als Stadt, in der

Gott gegenwärtig ist und friedliches Leben ermöglicht (Jes 60; Sach 8,3-8). Selbst wo die Zukunftshoffnung in bäuerlichen Farben gemalt wird (Mi 4,4, Sitzen unter Weinstock und Feigenbaum), hängt sie eng mit dem Tempel von Jerusalem (Jes 2,2-4 = Mi 4,1-3) und seiner friedensstiftenden Funktion zusammen. Im antiken Judentum wird die endzeitliche Erneuerung Jerusalems, das zum Ziel des verstreuten Volkes Israel wie aller Völker wird, sowohl geschichtsimmanent als ein Eingreifen Gottes bzw. seines Messias auf Erden erwartet (vgl. z. B. 1 Hen 24-27; Tob 13 f.; PsSal 11; 17; 2 Bar 32,4; 59,4) als auch als Substitution der historischen Stadt durch ein himmlisches Jerusalem, das auf Erden herabkommen wird (vgl. z. B. 1 Hen 90,28-38; 4 Esr 7,26; 13,35 f.). Das frühe Christentum knüpft spätestens seit der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. (vgl. aber auch bereits Gal 4,25 f.!) nicht mehr an die auf die konkrete Stadt gerichteten Vorstellungen an, das himmlische Jerusalem wird vielmehr zum Sinnbild der vollkommenen, transzendenten Stadt, die zugleich die neue Schöpfung nach Auflösung des alten Äons verkörpert (vgl. Hebr 12,22; Offb 21,1-22,5). Die frühen Christen erwarteten die Parusie Christi ebenso in Jerusalem wie die endzeitliche Völkerwallfahrt. Bieberstein, Klaus / Bloedhorn, Hanswulf, Jerusalem. Gründzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft, 3 Bde., BTAVO 100, Wiesbaden 1994. Fritz, Volkmar, Die Stadt im alten Israel, München 1990. Koenen, Klaus, Bethel. Geschichte, Kult und Theologie, OBO 192, Freiburg Schweiz / Göttingen 2003. Kolb, Frank, Die Stadt im Altertum, München 1984. Meeks, Wayne A., Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, aus dem amerik. Englisch übersetzt von Sieglinde Denzel und Susanne Naumann, Gütersloh 1993. Niemann, Hermann Michael, Kern-Israel im samarischen Bergland und seine zeitweilige Peripherie: Megiddo, die Jezreel-Ebene und Galiläa im 11. bis 8. Jh. v. Chr. Archäologische Grundlegung, biblische Spiegelung und historische Konsequenzen, UF 35 (2003), 421-485. van Oorschot, Jürgen, Die Stadt – Lebensraum und Symbol. Israels Stadtkultur als Spiegel seiner Geschichte und Theologie, in: Markus Witte (Hg.), Gott und Mensch

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Stamm

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Rainer Kessler / Heike Omerzu

Stamm 1. Entgegen der verbreiteten Bezeichnung des vorstaatlichen Israel als »Stammesgesellschaft« ist die Kategorie »Stamm« in der Ethnologie so problematisch, dass sie bereits als »abgelöst« oder »aufgegeben« bezeichnet wird (FiedermutzLaun). Dies liegt nicht daran, dass es Stämme nicht gegeben hätte, sondern daran, dass sie als soziale Größe kaum fassbar sind. Dies gilt auch für Israel. An zwei Stellen der Hebräischen Bibel wird die Struktur der auf Verwandtschaftsbeziehungen basierenden Idealgröße Israel so angegeben: 3 Volk – Stamm – Sippe – 3 Haus – Mann (Jos 7,14-18; 1 Sam 10,18-21). Davon ist der Stamm am wenigsten konkret und spielt offenbar auch gegenüber dem Haus und der Sippe (also der engeren und erweiterten Familie) nur eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl gibt es das Bewusstsein, einem bestimmten Stamm anzugehören,

wie insbesondere das Debora-Lied in Ri 5 zeigt, das zehn Stämme nennt, darunter mit Machir und Gilead im Übrigen zwei, die in den späteren Zwölfersystemen nicht mehr auftauchen. Noch Paulus weiß, dass er dem Stamm Benjamin angehört (Röm 11,1; Phil 3,5). Mit der Bildung eines Staates verschwinden die Stämme nicht, verlieren aber wohl jede politische Bedeutung, die sie zuvor eventuell noch hatten. 2. Das im Kanon der Schrift schon in der Genesis grundgelegte Zwölfersystem – als System der zwölf Söhne von Jakob = Israel – ist kaum vor der Königszeit entstanden. Noch die Erzählung von der Begegnung des ersten Nordreichkönigs Jerobeam I. mit dem Propheten Ahija von Schilo rechnet so, dass das salomonische Reich in zwölf Teile zerrissen wird, von denen Jerobeam zehn und Salomos Sohn einen bekommen soll. Im Übrigen differiert die Zugehörigkeit zu den Zwölf je nachdem, ob Levi mitgezählt wird; in diesem Fall ist Josef ein einziger Stamm, andernfalls muss Josef in Efraim und Manasse aufgeteilt werden. Doch selbst wenn die Vorstellung von den Stämmen als ein Zwölfersystem erst in der Königszeit entstanden ist, spiegelt es innerisraelitische Identitäten wider. Dies belegen vor allem die Stammessprüche (Gen 49; Dtn 33), die den einzelnen Stämmen bestimmte charakteristische Eigenschaften zuschreiben. 3. Diese identitätsstiftende Bedeutung des Stämmesystems spiegelt sich auch in neutestamentlicher Zeit noch wider; so z. B. in Bezug auf den Priesterstamm Levi (Apg 4,36: Barnabas; vgl. Lk 1,5: Elisabet), dann aber vor allem mit Blick auf den Stamm Juda, dem David angehörte. Entsprechend der Natansweissagung in 2 Sam 7,12-14, die den Messias als Nachkommen Davids identifiziert, gehört auch Jesus dieser Linie an (Mt 1,6; Lk 3,31; Hebr 7,14; Offb 5,5; vgl. auch die Davidssohnfrage Mk 12,35-37). 4. Die Symbolik der Zwölfzahl für die Gesamtheit Israels (vgl. Ex 24,4 zwölf Masseben; Jos 4,9.20 zwölf Steine im Jordan bzw. in Gilgal usw.)

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Steuern

wird im Neuen Testament aufgegriffen. So repräsentiert die Zwölfzahl des engsten Jüngerkreises Jesu (vgl. Mk 3,14 par; Apg 6,2) die Erwartung der endzeitlichen Wiederherstellung des Gottesvolkes. Ihnen wird verheißen, dass sie bei der Wiederkehr des Menschensohnes zum Gericht »auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten« (Mt 19,28) werden. Die zwölf Körbe Brot, die bei der Speisung der 5.000 eingesammelt werden (Mk 6,43 par), nehmen das endzeitliche Mahl vorweg. Auch die Summe der 144.000 Erwählten aus allen Stämmen Israels in Offb 7,48 ist durch die Zwölfzahl bestimmt, insofern aus jedem der zwölf Stämme zwölftausend »das Siegel trugen«. Schließlich ist auch der Bau des himmlischen Jerusalem an der Zwölfzahl orientiert (Offb 21,15-21), es hat Ausmaße von dreimal zwölftausend Stadien, eine hundertvierundvierzig Ellen hohe Mauer, deren Grundsteine zwölf Edelsteine bilden, und schließlich zwölf Tore aus zwölf Perlen. Fiedermutz-Laun, Annemarie, Art. Stamm / Sippe, RGG4 7, 2004, 1675 f. Knauf, Ernst Axel, Art. Stämme Israels, RGG4 7, 2004, 16761678. Koch, Dietrich-Alex, Zwölferkreis und Gottesvolk. Überlegungen zur Frühgeschichte neutestamentlicher Ekklesiologie, in: Werner Brändle / Ralf Stolina (Hg.), Geist und Kirche, FS Eckhard Lessing. Frankfurt / Main u. a. 1995, 1-20. Levin, Christoph, Das System der zwölf Stämme Israels, in: John Adney Emerton (Hg.), Congress Volume. Paris 1992, VT.S 41, Leiden u. a. 1995, 163-178. Martin, James D., Israel as a tribal society, in: Ronald Ernest Clements (Hg.), The World of Ancient Israel. Sociological, Anthropological and Political Perspectives, Cambridge u. a. 1989, 95-117. Schorn, Ulrike, Ruben und das System der zwölf Stämme Israels. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zur Bedeutung des Erstgeborenen Jakobs, BZAW 248, Berlin / New York 1997. Theißen, Gerd, Gruppenmessianismus. Überlegungen zum Ursprung der Kirche im Jüngerkreis Jesu, JBTh 7 (1993), 101-124.

Rainer Kessler / Heike Omerzu

Steuern Steuern sind in der Antike Einnahmen des Staates zur Bestreitung seiner herrschaftlichen Aufgaben (Militär, Verwaltung, Hofstaat, Repräsentation von Herrschaft, Kult). Ob in vorstaatlicher Zeit vergleichbare Abgaben erhoben wurden, ist ungewiss, auf freiwillige Leistungen weisen Ri 8,24 f.; 1 Sam 10,27 hin. Sicher ist, dass die Zentralisierung von Herrschaft im Königtum die Einführung regelmäßiger Steuern nötig macht und einen dementsprechenden Verwaltungsapparat hervorbringt. Dieser verursacht Kosten, ohne selbst produktiv zu sein, und gehört damit zu jenen Faktoren, die die Steuerlast in die Höhe treiben. In den biblischen Texten sind ebenso wie in anderen altorientalischen Dokumenten unterschiedliche Arten von Steuern belegt. Sie beziehen sich einerseits auf das Erwirtschaftete, etwa in Form des Zehnten (ma2a´ser), andererseits auf die Person. So wurde die Tempelsteuer als Kopfsteuer von jedem männlichen erwachsenen Israeliten erhoben. Weitere hebräische und aramäische Begriffe für Steuern und Abgaben sind: midda¯h, belo¯, 3æˇska¯r, hala¯k, teru¯ma¯h, minh¯ah. ˙ Das Entstehen eines Verwaltungsapparats ist in Israel und Juda mit dem sich entwickelnden Königtum verbunden, die Kritik am Königtum richtet sich immer auch gegen die unmäßigen ökonomischen Belastungen. In der Königszeit wurde der Zehnte an die staatlichen Tempel gezahlt (1 Sam 8,15.17 in Verbindung mit Gen 28,22; Am 4,4; dazu Ostrakon Arad 5, HAE I). Die Steuerlast wurde vielfach als drückend erlebt und hat wohl schon zum Zerfall des davidisch-salomonischen Staates (1 Kön 12) beigetragen. Dazu kommt, dass die Verpflichtung zu Tributzahlungen seit der assyrischen Krise des 8. Jh. das Abgabenaufkommen erhöhte. Die Landwirtschaft musste zunehmend auf Überschussproduktion hinarbeiten; wo das nicht gelang, gerieten immer weitere Kreise der Bevölkerung in Überschuldung (3 Schulden) bis hin zur Schuldknechtschaft. Hier versucht der Reformentwurf des Deuteronomiums einzugreifen, indem der Zehn-

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Steuern

te in zwei Jahren für kultische Feiern, im dritten aber zum Unterhalt der Landlosen samt Leviten verwendet werden sollte (Dtn 14,22-28; 26,12 ff.); das ist die erste bekannte Sozialsteuer der Weltgeschichte. Die Belastung der Bevölkerung Israels durch Abgaben verschärfte sich noch weiter, als Juda Provinz des persischen Reiches wurde. Anders als die babylonischen Vorgänger nahmen sich die Mitglieder des Achämenidenhofs von der Steuerlast aus. Die Steuern an die persische Zentralregierung wurden nicht wie der Zehnt für die israelitischen Könige z. T. in Naturalien gezahlt, sie mussten in Form von Edelmetallen erbracht werden. Die Abgabe sowohl von Naturalien als auch von Metallen wurde sowohl im babylonischen als auch im persischen Großreich von der Tempelverwaltung organisiert, die dafür eigene Ämter vorsah (Sach 11,13: jo¯ser). Der Tempel ˙ die für den hat sowohl jene Abgaben erhoben, eigenen Erhalt notwendig waren, besonders den nach Num 18,20 ff. geforderten Zehnten für das Kultpersonal (teilweise in Naturalien), als auch jene, die an die persische Zentralregierung abgeführt wurden. Die Metalle wurden zur Lagerung eingeschmolzen, die angemessene Menge konnte abgeschnitten und zum Weitertransport vorbereitet werden. Der Tempel hatte eine hohe ökonomische Bedeutung nicht nur nach innen, sondern auch als Bindeglied zur persischen Zentralverwaltung. Die Einführung der Geldwirtschaft bzw. die Abgabe von Edelmetallen stellte die Bevölkerung in Juda vor die Aufgabe, Produkte auf den Markt zu bringen, die einen hohen Ertrag einbrachten, oder sie mussten sich Geld leihen (Neh 5,4). Die Völker des persischen Reiches finanzierten so die Expansionspolitik des Darius in Richtung Griechenland. Die Steuerpolitik der Perser führte zur Verschärfung der sozialen Krise in Israel: Immer mehr Menschen gerieten in die Schuldknechtschaft (Neh 5,2-5). Reformprogramme sollten der zunehmenden Verelendung entgegenwirken (Neh 5), die Berufung auf die innerjudäische Solidarität mit ihrer familialen Bindungskraft wirkt der reichspolitischen ökonomischen

Logik entgegen. Die Tora entwirft ein Bodenund Schuldrecht, das der Verarmung entgegensteuert (Lev 25,8-55; Dtn 15,1-18). In der persischen Zeit entstanden Abgaben zur Unterhaltung des neu erbauten Tempels, wobei die ursprünglich alternativen Forderungen von Priesterschrift und Deuteronomium faktisch addiert wurden. In Neh 10,33-40 ist neben dem Drittel eines Schekels, von Holzlieferungen (jeweils für die Opferhandlungen) von Erstlingsabgaben von Baumfrüchten, Wein und Öl (für die Priester) und vom Zehnten für die Leviten entsprechend Num 18 die Rede. Inwieweit diese Abgaben verpflichtend weiter bestehen konnten, ist nicht eindeutig. Nach Ex 30,11-16 beträgt die Steuer einen halben Schekel. Mal 3,8-10; Neh 13,12 kennen einen Zehnt für den Tempel. Das Kultpersonal wurde weiterhin auch über Anteile aus Opferhandlungen versorgt (u. a. Lev 7,8.33-36). 1 Makk 10,39 zeigt, dass der Unterhalt des Tempels in seleukidischer Zeit nicht durch eine ausreichende Steuer abgesichert war. Stegemann / Stegemann (114 f.) gehen davon aus, dass unter den Hasmonäern die auch für die Diaspora geltende Steuer eingeführt wurde. Sie betrug 2 Denare für jeden jüdischen Mann ab dem 20. Lebensjahr (Flav. Jos. Ant. 3,196). Zu der Tempelsteuer kam auch in neutestamentlicher Zeit weiterhin der Zehnte auf Getreide, Wein und Öl zum Unterhalt der Priester und Leviten hinzu; die Verzehntung des Viehbestands (Lev 27,32 f.; 2 Chr 31,4 ff.) hat sich nach Neh 10,36 ff. nicht durchgesetzt. Quellen aus neutestamentlicher Zeit gehen von einer Verzehntung aller pflanzlichen landwirtschaftlichen Speiseprodukte aus (Mt 23,23; mMaas 1,1). Darüber hinaus wurde in regelmäßigen Abständen ein Zehnter zur Unterstützung der Armen erhoben (Drittjahreszehnt nach Dtn 14). Die hohen Abgaben für den Staat führten dazu, dass die religiös bedingten Abgaben z. T. als hohe Belastung angesehen wurden. Die Steuerpolitik der 3 Großmächte blieb in hellenistischer und römischer Zeit ein massives Problem für Israel. Das ptolemäische Reich steigerte – in der Tradition der ägyptischen Staatswirtschaft stehend – die steuerlichen Belastun-

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Steuern

gen durch die so genannte Steuer- oder Staatspacht: Der Staat verpachtete die Steuereinnahmen an lokale Machthaber, die die Abgaben in Eigenregie eintreiben mussten. Die Steuerpächter konnten die Geldmengen und Produkte, die sie über die gezahlte Pacht hinaus eintrieben, als Gewinn behalten. Das Steueraufkommen in Israel konnte dadurch deutlich vergrößert werden. Die jüdische Oberschicht beteiligte sich an diesem System und wurde so zum Nutznießer der ptolemäischen Steuerpolitik: Der Tobiade Josef z. B. konnte den Ertrag in seinem Gebiet verdoppeln (Flav. Jos. Ant. 12,160-236). Unter den Hasmonäern wurde Israel zwar von den Steuern der fremden Mächte befreit (142 v. Chr.; 1 Makk 13,36-41), die neuen Machthaber setzen aber die Steuerpolitik ihrer Vorgänger fort und finanzierten ihr Königtum über Steuern. Die Steuern unter römischer Herrschaft konnten als »Siegesbeute und Kriegesbuße« (Cic. Verr. 3,6,12) verstanden werden. Die Römer favorisierten in ihren Provinzen zunächst ein ähnliches System wie die Ptolemäer. Die Staatspacht führt im Römischen Reich zu massiven Konflikten. Die Ausbeutung der Provinzen durch die Steuerpächter führte jedoch zu unruhigen politischen Situationen. Caesar ließ deswegen Steuerpächter im ganzen Reich verbieten, die Verwaltung des Kaiserreiches konnte auf sie noch nicht ganz verzichten (Pachtgesellschaften trieben vor allem indirekte Steuern und Zölle ein) und kontrollierte sie schärfer. Für das Eintreiben der Steuern wurden im Kaiserreich einzelne Verwaltungsträger (die Prokuratoren) eingesetzt. Die Klientelkönige in Israel zahlten an Rom einen persönlichen Tribut, den sie durch Steuererhebungen in ihren Territorien finanzierten. Hierbei setzten sie weiterhin Steuerpachtgesellschaften ein (vgl. die Zöllner im Neuen Testament). Die steuerlichen Belastungen blieben in Israel auch unter römischer Herrschaft hoch, da die Klientelfürsten durch die Abgaben nicht nur den Tribut für Rom, sondern auch ihren Herrschaftsapparat finanzierten. Herodes, der zunächst als Verwalter über Galiläa eingesetzt worden war, erwies sich als eifriger Steuereintreiber. Mit seiner Hilfe

konnte der syrische Statthalter Cassius 700 Talente (ca. 10 % des geschätzten Bruttosozialproduktes Judäas) als steuerliche Einnahmen verbuchen. Die Regierung des Herodes muss insgesamt von einer hohen Abgabenlast geprägt gewesen sein. Neben direkten Steuern gab es indirekte Steuern (25-33 % auf Getreide; 50 % auf Baumfrüchte). Nach seinem Tod versuchte eine jüdische Gesandtschaft in Rom, die Inthronisierung des Archelaus zu verhindern und eine Verringerung der Abgaben zu erreichen. Von Archelaus befürchtete man ein weiterhin hohes Steuerniveau (Flav. Jos. Ant. 17,308). Im Jahr 6 n. Chr. wurde Israel in eine römische Provinz (Judaea) umgewandelt, die Steuern wurden jetzt wieder direkt an die Römer gezahlt. In diesem Zusammenhang wurde in der Provinz (und nicht im ganzen Reich) die in Lk 2 und Flav. Jos. Ant. 18,1 f. erwähnte Volkszählung durchgeführt. Sie diente zur Erfassung der Steuerpflichtigen für die Grund- und die Kopfsteuer (tributum soli / tributum capitis). Die Steuer betrug jährlich ein Denar für jedes männliche Familienmitglied ab 14 Jahren und für jedes weibliche ab 12. Die Einschreibung in Steuerlisten fand, anders als es in Lk 2 erzählt wird, am Wohnort statt. Hinzu kamen indirekte Steuern auf bestimmte Produkte und Zolleinnahmen (portoria) für Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren. Der Zensus 6 n. Chr. führte unter der Führung von Judas Galiläus zur Rebellion gegen die römische Herrschaft. Steuerzahlungen wurden in Israel zu einer Ursache für soziale Unruhen, da die Belastungen sehr hoch waren. Im Vorfeld des Aufstandes von 66 n. Chr. kam es in Jerusalem und Umgebung zur Verweigerung von Steuerzahlungen. Die negativen sozialen Folgen der Abgaben an Rom dürfte auch eine Ursache des Aufstandes gewesen sein. Die Frage der Steuerzahlungen war also immer auch eine Frage der Loyalität gegenüber Rom. Paulus ermahnt in Röm 13,1-7 die Gemeinde in Rom zur Loyalität dem römischen Staat gegenüber, d. h. Steuern und Zölle sind den Organen des Staates, der im Dienst Gottes steht, zu zahlen.

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Steuern

Eine direkte Konfrontation mit dem Staat galt es, gerade hier im Machtzentrum, zu vermeiden. Die Stellungnahme Jesu in Mk 12,13-17 wird häufig in der Linie von Röm 13 gelesen und als Anerkennung der staatlichen Macht, die das Recht hat, Steuern zu erheben, verstanden. Jesus allerdings problematisiert die Frage seiner Gegner und stellt so ihre Haltung in Frage. Da sie ganz selbstverständlich am Wirtschaftsleben teilnehmen (sie besitzen römisches Geld), müssen sie natürlich auch Steuern zahlen. Darüber hinaus müssen sie Gott geben, was Gottes ist. Die Pointe der Geschichte ist, dass es zwischen Kaiser und Gott zu einem Konflikt kommen kann, in dem dann Gott mehr zu gehorchen ist als dem Kaiser (als Repräsentant des Römischen Reiches). Die Aufforderung, Gott zu geben, was Gottes ist, muss im Kontext der Botschaft vom nahen Reich Gottes verstanden werden. Umzukehren und sich dem Reich Gottes zuzuwenden, heißt auch wirtschaftlichen Strukturen, die Menschen unterdrücken, den Rücken zuzukehren, um so nicht weiter diese ungerechten Strukturen mit aufrecht zu erhalten. Jesus und seine Anhängerschaft – im Gegensatz zu den Fragestellern – nehmen nicht mehr am Wirtschaftsleben teil. Sie haben kein Einkommen mehr, von dem sie Steuern zahlen. Die Konsequenz der Botschaft vom nahen Reich Gottes zeigt sich im Nachfolgeruf an den Zöllner Levi (Mk 2,13-17). Er wird von Jesus aufgefordert, ihm nachzufolgen. Nachfolgen heißt, wie in Mk 10,21, das Zurücklassen der bisherigen Existenz. Levi soll nicht mehr am versklavenden Steuer- und Zollsystem mitarbeiten. Jesu Antwort auf die Frage in Mk 12 ist kein Aufruf zur Aufruhr gegen Rom, die Kopfsteuer musste – gerade im Hinblick auf die drohende Bestrafung – gezahlt werden. Sein Eintreten für das Reich Gottes zielt jedoch auf eine Praxis, die sich gegen das ausbeuterische 3 Wirtschaftssystem wendet. Das Lukasevangelium nimmt hier eine etwas andere Position ein. Die ökonomische Ausbeutung wird heftig kritisiert (Lk 6, 24; 12,16 ff.), der Zöllner Zachäus bleibt aber nach der Begegnung mit Jesus bei seiner Tätigkeit. Er setzt seinen Be-

sitz zur Hälfte für die Armen ein und erstattet zu viel erhobenen Zoll vierfach (Lk 19,8). Zu einem Bruch mit dem Steuersystem kommt es hier nicht. Für die Lebenswelt der frühen christlichen Gemeinden ist nach dem jüdischen Aufstand gegen Rom noch eine andere Steuer relevant geworden: der fiscus iudaicus. Die Tempelsteuer lenkte Kaiser Vespasian in die römische Staatskasse um (für den Wiederaufbau des Jupiter-Tempels). Die 2 Denare mussten aber von Männern und Frauen ab dem 3. Lebensjahr gezahlt werden. Die Steuer verdeutlichte die Niederlage Israels. Soweit frühe christliche Gruppierungen noch im Synagogenverband lebten, waren sie von dieser Steuer mit betroffen. Die Diskussion um die Zahlung der Tempelsteuer in Mt 17,22-27, zu der der matthäische Jesus hier auffordert, könnte ein Akt der Solidarität christlicher Gruppierungen mit dem Judentum sein, zu dem sie sich durch die Zahlung der Steuer bekannten. Albertz, Rainer, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bde., Göttingen 2 1996. Crüsemann, Frank, Der Zehnte in der israelitischen Königszeit, WuD 18 (1997), 21-47. Berlejung, Angelika / Merz, Annette, Art. Abgabe / Steuer / Zehnt, HGANT, Darmstadt 2006, 74-77. Hanson, Kenneth C. / Oakman, Douglas E., Palestine in the time of Jesus, Minneapolis 1998. Kippenberg, Hans G., Religion und Klassenbildung im antiken Judäa, Göttingen 1978. Schaper, Joachim, The Jerusalem Temple as an Instrument of the Achaemenid Fiscal Administration, VT 45/4 (1995), 528-539. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 2 1997.

Ilse Müllner / Carsten Jochum-Bortfeld

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Strafe

Strafe 1. Grundlagen Ein eigenes Wort für »Strafe« oder »strafen« gibt es im Hebräischen nicht. Was im Zusammenhang des Alten Testaments als solche bezeichnet wird, hängt deshalb immer von der jeweiligen Definition ab. Strafe im rechtlichen Sinne ist die vorgesehene Reaktion darauf, dass eine Person bestehende (Rechts-)Normen verletzt hat. Durch Strafe als Folge der Normverletzung soll die Geltung der (Rechts-)Norm gesichert werden. Sie wird von anderen Menschen bzw. Instanzen oder Gott durchgesetzt und ist für die betroffene Person mit Einbußen verbunden. Der Grundsatz hinter allen Ausführungen des biblischen Strafrechts besteht darin, »dass bei allen materiellen und körperlichen Schäden, die ein Mensch einem anderen zufügt, das Recht der Tora einen Ausgleich des Schadens, soweit das menschenmöglich ist, und damit auch die Ermöglichung eines Wieder- und Weitermiteinanderlebens als Ziel des Rechts vorsieht« (Crüsemann 166). Ausgerichtet ist das biblische Strafrecht auf die Opfer, denen Gerechtigkeit geschehen soll. Deswegen ist für das Verständnis der Vorgänge, die wir heute Strafe nennen, der Bezug auf die Gerechtigkeit Gottes und die Lebensbeziehungen aller – auch der TäterInnen – in der Gemeinschaft untereinander grundlegend. Im Neuen Testament gibt es zwar ein Wort, das Strafe (timoria) bzw. bestraft werden (timorein) bezeichnet (Apg 22, 5; 26, 11; Hebr 10, 29), vielfach wird jedoch die Umschreibung mit axion (würdig sein / verdient haben) verwendet (Lk 23, 41). Auch die Todesstrafe wird so bezeichnet (axion thanatou, Apg 25, 11.25). Im Blick auf konkrete Strafen muss unterschieden werden, ob diese von jüdischen oder römischen Rechtsinstanzen verhängt werden. Sie basieren auf unterschiedlichen Rechtsvorstellungen (3 Rechtswesen / Rechtsprechung; 3 Gerechtigkeit / Recht). 2. Materielle Sachverhalte Das Phänomen »Strafe« findet sich im Alten Testament in sehr verschiedenen Texten. Während

Strafen in Gesetzestexten in einem im weitesten Sinne juridischen Kontext stehen, sind in Erzähltexten Strafen z. T. nicht von Repressionen Mächtiger gegenüber unliebsamen Untertanen (Jer 37, 13-16) zu unterscheiden; von rechtlichen Regelungen oder Verfahren irgendwelcher Art ist oft nicht die Rede. Auch sind in Texten, in denen von Bestrafung durch Menschen oder Gott erzählt wird, die übertretenen Bestimmungen oder Verbote oft nur implizit erkennbar (z. B. 2 Sam 24). In Weisheitstexten kann von der Nennung von Strafen oft implizit auf einen dahinter liegenden rechtlichen Vorgang geschlossen werden (Spr 19, 5). Weitaus mehr Belege als für die o. g. Fälle gibt es für Strafaktionen im kriegerischen Kontext (3 Friede / Krieg). Diese stellen aber i. d. R. keine Strafen gemäß der obigen Definition im Zusammenhang des Rechtswesens dar und können deshalb auch nicht als Belege dafür herangezogen werden. Strafen werden im Verhältnis zur Straftat verhängt, dabei soll das Talionsrecht (Ex 21, 23-25) die Angemessenheit sichern; ein wörtliches Verständnis ist schon im engsten Kontext ausgeschlossen. Mit der Zeit entwickeln sich Rechtssätze, nach denen Strafen verhängt werden (3 Rechtswesen). Für viele Vergehen ist eine Straf- oder Ersatzleistung (Ex 21, 22.26.30-37; 22, 25; Lev 5, 20-24) vorgesehen, die den Schaden ausgleicht, aber auch darüber hinausgehen kann. Entschädigungszahlungen für Körper- und Eigentumsdelikte werden von Gerichten verhängt, die Vorgänge zwischen den Parteien regeln. »Schillem / heilen, ganz machen – die Wurzel, die auch dem Wort Schalom zugrunde liegt, ist das wichtigste Wort für diese Zahlungen« (Crüsemann 166). Auch nach der Lehre Jesu hat das Talionsrecht weiterhin Geltung und wird von ihm für die Gegenwart im Sinne eines Rechtsverzichts ausgelegt (Mt 5, 38 f.). a) Körperliche Strafen. Körperliche Strafen werden nicht oft explizit genannt: »Züchtigung« (Dtn 22, 13-18; 25, 1-3; Jer 30, 11; genauer beschrieben als Schlagen mit dem Stock in Spr 22, 15; 23, 13 f.) und Verstümmelungen, die im biblischen Recht nicht vorgesehen sind, können nicht wie im altorientalischen Recht als gängige

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Strafe

Strafen angenommen werden, da sie nur selten und fast ausschließlich im Kontext des Krieges (3 Friede / Krieg) und in metaphorischer Rede belegt sind, wie das Abschneiden der Daumen (Ri 1, 6 f.), der Hand (Dtn 25, 11 f.), von Nase und Ohren (Ez 23, 25), das Ausstechen der Augen (Num 16, 14; Ri 16, 21). Es gibt auch Belege dafür, dass Menschen als Strafe gefangen gehalten und / oder gefesselt (Jer 20, 2 f.) mit Eisen- oder Bronzefesseln (Ri 16, 21) oder Stricken, in der Zisterne (Jer 37, 16), wobei trockene Zisternen vermutlich als 3 Gefängnis dienten (Sach 9, 11; Jer 38, 6 ff.); Samson wird in ein Haus der Gefangenen gebracht und muss dort die Mühle drehen (Ri 16, 21). Bis zum jüdischen Aufstand 70/71 n. Chr. hatte Judäa mit dem Synhedrium eine eigene jüdische Rechtsinstanz. Die Rechtsprechung wird sich jedoch vorwiegend in den lokalen Gerichten und Synagogen abgespielt haben. Im Neuen Testament wird an verschiedenen Stellen berichtet, dass Prügelstrafen von jüdischen Instanzen verhängt wurden (Mk 13, 9; Apg 5, 40; 23, 2 f.). Die synagogale Prügelstrafe, die 39 Schläge bedeutete, wird explizit in 2 Kor 11, 24 genannt. Dass Paulus daran beteiligt war, über AnhängerInnen des Messias Jesus diese Strafe zu verhängen, lässt sich aus Apg 22, 19 erschließen. Wie das jüdische sah auch das römische Recht bei einfacheren Vergehen und bei Delikten, die vor Zivilgerichten verhandelt wurden wie z. B. Diebstahl oder Vermögensschäden, Geldbußen bzw. Schadenersatz als Strafen vor. Politische Vergehen, die vor römischen Strafgerichten verhandelt wurden, wurden mit der Todesstrafe oder dem Entzug der Bürgerrechte (Konfiskation des Besitzes, Verbannung) bestraft. Schläge bedeuteten in diesem Zusammenhang oftmals keine verhängte Strafe, sondern willkürliche Gewalt, die eine Gefangennahme oder ein Verfahren begleiteten (Apg 16, 21-23). Die Geißelung Jesu (Mk 15, 15 par) ging dem Todesurteil voraus und stellte eine zusätzliche schwere Strafe dar, die oft zum Tode der Geschlagenen führte (Blinzler 323). Haftstrafen als solche gab es in der Antike nicht, Gefängnisse wur-

den genutzt, um die Angeklagten bis zum Verfahren zu verwahren (Apg 16, 24-40) oder zur Zahlungserzwingung (Mt 5, 25 f.). b) Todesstrafe. Todesstrafe im Alten Testament steht auf eine große Zahl von Vergehen, häufig gefordert oder festgestellt durch die Formulierung »er muss unbedingt sterben« (mo¯t ju¯ma¯t). Einige todeswürdige Vergehen sind Totschlag und Mord (Ex 21, 12; Lev 24, 17.21), Vergehen gegen die Eltern (3 Familie; Schlagen Ex 21, 15 oder Verfluchen Ex 21, 17; Lev 20, 9), Menschenraub (Ex 21, 16; Dtn 24, 7), etliche sexuelle Vergehen (3 Ehe; bei Ehebruch sollen beide sterben, Lev 20, 10; Übertretung von Inzestverboten innerhalb der 3 Familie, Lev 20, 11 f. u. a.), Vergehen, die Gott und Gottes Gebote direkt betreffen (3 Religiöse Praxis; Entweihung des Sabbats Ex 31,14 f.; 35, 2; Num 15, 32-36; Verfluchen des Namens Gottes, des Namens JHWHs Lev 24, 10-16; 1 Kön 21, 116; Verehrung anderer Gottheiten Dtn 13, 2-19; Menschen, die Toten- oder Wahrsagegeister sind Lev 20, 27; falsche Propheten Dtn 18, 19-22). Die Todesstrafe wird oft als Steinigung angeordnet (Lev 24, 14; Dtn 13, 10 f.; 1 Kön 21, 10-14), selten als Tod durch Verbrennen (Gen 38, 24; Lev 20, 14; 21, 9), der Tod durch Aufhängen ist für das Persische Reich (Est 2, 23; 5, 14) und Ägypten (Gen 40,19.22) belegt. Der Tod durch das Schwert steht im Alten Testament fast ausschließlich im Kontext des Krieges (3 Friede / Krieg), als Strafe im juristischen Sinne kommt er nicht vor. Es ist aber fraglich, ob die Gesetzestexte, die die Todesstrafe für etliche Vergehen fordern, auch umgesetzt wurden. Dagegen spricht zum einen, dass es wenige »Ausführungsbestimmungen« gibt. Zu nennen sind v. a. Num 35, 30; Dtn 19, 15, doch die Bestimmung, dass mindestens zwei 3 Zeugen gefordert sind, dürfte die Zahl der Todesurteile noch verringert haben, da sie für etliche der todeswürdigen Verbrechen fast unmöglich zu erfüllen war. Dazu kommt, dass die Absichtlichkeit der Tat (z. B. Num 15, 27-31 ) nachgewiesen werden muss. Zudem gibt es verglichen mit der Zahl der Gesetzestexte sehr wenige erzählende Texte, in denen ein Todesurteil vollstreckt wird (ein bekanntes Beispiel ist 1 Kön 21, 1-16, das aber wenig

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Strafe

zuverlässig ist, weil es hier gerade um einen Unrechtsprozess geht). So ist vielleicht davon auszugehen, dass die mo¯t ju¯ma¯t-Sätze faktisch eher ermahnende und drohende Funktion hatten (Gerstenberger 17-19). In nachbiblischer Zeit ist die Todesstrafe im Kontext der jüdischen Gesellschaft selten geworden. Es gab ausführliche Rechtsdiskussionen darüber, was an deren Stelle treten sollte (Ilan 135 f.; Tomson 102). Die Rechtsprechung zur Zeit des Römischen Reiches umfasste nicht die Kapitalgerichtsbarkeit (Joh 18, 31). Dabei scheint es aber eine Grauzone gegeben zu haben, in der Rom jüdische Kapitalgerichtsbarkeit duldete, wenn die eigenen politischen Interessen nicht tangiert schienen (Apg 7, 58 f.; Joh 8, 1-11; Flav. Jos. Ant. 20, 200). Die Kreuzigung ist eine römische Strafe, die als öffentliche Demonstration zur Abschreckung gegen Aufruhr und politischen Widerstand (Mk 15, 26) eingesetzt wird (Hengel). Das der Verurteilung Jesu durch römische Behörden vorangehende jüdische Verfahren des Synhedriums, das in den Passionsgeschichten der Evangelien beschrieben wird, stellt zwar das Vergehen der Blasphemie fest (Mk 14, 64), die Überlieferung an die römischen Behörden hat jedoch politische Gründe in der berechtigten jüdischen Sorge, dass Rom Aufruhr annehmen würde (Joh 11, 48). c) Bann. Der 3 Bann ist keine Strafe im eigentlichen Sinn, wird aber an einigen Stellen als Strafe angeordnet (Ex 22, 19; Dtn 13,13-16). Durch Formulierungen wie »soll (aus ihrer Mitte) ausgerottet werden«, »soll seine / ihre Schuld (2awo¯n) / 3 Sünde (hatah) tragen« bleibt oftmals ˙˙ offen, ob damit eine Todesstrafe oder eine anderer Form der Bestrafung gemeint ist, oder ob hier die (soziale) Folge aus der Tat einfach benannt wird (z. B. Lev 20, 17-21; 1 Kor 5, 5; Apg 5, 1-11). 3. Symbolische und theologische Bedeutung Strafe ist gedanklich in den Tun-Ergehen-Zusammenhang eingebettet: Strafe dient im weitesten Sinne der Wiederherstellung eines Gleichgewichts, sie setzt das Tun der StraftäterInnen in angemessene Relation zu deren Ergehen. Damit

verbunden ist die Vorstellung, dass Taten von Anfang an in unlösbarer Verbindung mit ihren Folgen für die Täterin oder den Täter stehen, und nicht erst im Rückblick das eine mit dem anderen in Verbindung gebracht wird; (»schicksalwirkende Tatsphäre«, Koch 142). Diese Vorstellung schlägt sich sprachlich darin nieder, dass die Bedeutungen »Strafe«, 3 »Sünde« und »Schuld« (2awo¯n, hatah) oft nicht eindeutig voneinander ˙˙ abgrenzbar sind (vgl. Gen 4,13). Die Folge kann sich aus der Logik der Tat ergeben oder von der Gemeinschaft oder Gott herbeigeführt werden. So werden in den Texten des Alten Testaments auch von Gott bewirkte Tatfolgen genannt, z. B.: Unglück, Seuchen, Krankheit, plötzlicher Tod (2 Sam 12, 9-12.14; Spr 22, 22 f.). Ungesühnte Taten verletzen das Gleichgewicht und gefährden so den Einzelnen oder die ganze Gemeinschaft (Dtn 19, 11-13; 2 Sam 21, 1-6). Aus diesem Grund gibt es Ersatzhandlungen für den Fall, dass ein Verbrechen nicht erfolgreich geahndet werden kann. Der Fluch (3 Segen / Fluch; 3 Eid) steht in diesem Zusammenhang, da damit im Voraus eine Tatfolge über diejenigen ausgerufen wird, die ein Gesetz oder Verbot übertreten bzw. eine Vereinbarung brechen (Dtn 27, 15-26; 1 Kön 8, 31 f.). Zur Vorstellung des Fluchs gehört, dass die Tatfolge den Übertretenden automatisch trifft, d. h. nicht unbedingt von Menschen ausgeführt werden muss. Der Fluch ist verbunden mit der Macht Gottes / einer Gottheit, der / die Tatfolge bewirken kann. Auch die als Eingreifen Gottes verstandenen Konsequenzen für Gottes Volk und andere Völker gehören zum gedanklichen Zusammenhang von Tat und Folge. Die dafür verwendeten Bilder stammen jedoch häufig nicht aus dem Bereich des Rechtswesens, sondern aus dem Kontext des Krieges (3 Friede / Krieg), so z. B. sexuelle Gewalt gegen Frauen (Jes 47, 1-3; Nah 3, 4-7), Tod durch Schwert oder Hunger (Jer 11, 21-23), Verwüstung und Zerstörung (Jes 9, 17-20; Mi 3, 9-12). Auch das Neue Testament beschreibt das Eingreifen Gottes vielfach mit (straf-)rechtlichen Bildern und Begriffen. Doch ist es eine Engführung, von Gottes endzeitlichem »Gericht« zu

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sprechen und dabei eher an Strafe als an ein Heilsgeschehen, d. h. die Schaffung weltweiter Gerechtigkeit, zu denken (z. B. Joh 3, 19; 12, 31; Ps Sal 17, 26). Auch die Vorstellung der ekdikesis Gottes (Röm 12, 19 in Aufnahme von Dtn 32, 35; Offb 6,10; 19, 2) richtet sich darauf, dass Gott umfassende Gerechtigkeit herstellt, und wird deshalb mit Wörtern wie »Rache« oder »Gericht« missverständlich wiedergegeben. Aussagen wie Mt 25, 31-46; Röm 1, 24-26; 2, 6 ff. und solche über das Gericht Gottes sind vor dem Hintergrund des Tun-Ergehens-Zusammenhangs zu verstehen. Altes wie Neues Testament zeugen offensichtlich davon, dass Menschen Folgen von Übertretungen in Gottes Hand sehen, auch wenn es sich um harte und manchmal aus heutiger Sicht schwer verständliche Konsequenzen handelt. Dennoch ist die Rede von einem »strafenden Gott« vor dem Hintergrund, dass es den Begriff der »Strafe« im Alten Testament nicht gibt, missverständlich. Die Auslegungs- und Wirkungsgeschichte hat diesen Aspekt überbewertet und zu einem einseitig juridischen und hierarchischen Bild der Gott-Mensch-Beziehung geführt. Das von Hebr 10, 29 f. gezeichnete Bild eines strafenden Gottes – wenn es tatsächlich an dieser Stelle so beabsichtigt ist –, scheint relativ allein zu stehen.

Blinzler, Josef, Der Prozess Jesu, Regensburg 4 1969. Crüsemann, Frank, Gottes Gerechtigkeit und menschliches Recht, in: ders., Maßstab: Tora. Israels Weisung für christliche Ethik, Gütersloh 2003, 164-174. Gerstenberger, Erhard S., »Apodiktisches« Recht – »Todes«Recht?, in: Peter Mommer u. a. (Hg.), Gottes Recht als Lebensraum, FS für Hans Jochen Boecker, Neukirchen-Vluyn 1993, 7-20. Hengel, Martin, Mors turpissima crucis. Die Kreuzigung in der antiken Welt und die »Torheit« des »Wortes vom Kreuz«, in: Johannes Friedrich u. a. (Hg.), Rechtfertigung. FS für Ernst Käsemann zum 70. Geb., Tübingen 1976, 125-184. Hieke, Thomas, Das Alte Testament und die Todesstrafe, Biblica 85 (2004), 349-374. Ilan, Tal, Jewish Women in Greco-Roman Palestine, Tübingen 1995. Knierim, Rolf P., Zum alttestamentlichen Verständnis von Strafe, in: James Alfred Loader / Hans Volker Kieweler

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Uta Schmidt / Luise Schottroff / Claudia Janssen

Suizid 1. Todeswünsche In Situationen der Erschöpfung oder angesichts von Unrecht und Ausweglosigkeit kann der Wunsch nach dem Tod oder dem gar nicht Geborenwerden laut werden, so bei Mose (Num 11,15), Elija (1 Kön 19,4), Hiob (3), Jeremia (15,10; 20,14-18) und Jona (4,1-8). Drohende Kinderlosigkeit kann bei Frauen Lebensmüdigkeit auslösen (Gen 30,1; vgl. auch 25,22). Aber nicht einmal Tamar nimmt sich nach ihrer Vergewaltigung (2 Sam 13) das Leben, obwohl sie fortan wie eine Tote unter den Lebenden ihr Dasein fristet. Griechinnen der Oberschicht hätten auf eine Vergewaltigung mit Suizid reagiert. In der griechischen Tradition wurde der Selbstmord nicht nur beschrieben (seit Hom. Od. XI,271 f.) und literarisch verarbeitet (Sophoc. Ai. 815 f.; Eurip. Hel. 835 f.), sondern auch philosophisch legitimiert und in der Stoa sogar empfohlen (Diog. Laert. VII,130; Sen. ep. 70.77; kritisch hingegen Arist. e.N. III,11 1116a; V,15, 1138a). Solches Gedankengut findet am ehesten im Buch Kohelet einen gewissen Widerhall. Der Prediger formuliert, ohne selber in verzweifelter Lage zu sein, einen Vorzug des Nicht-Geborenseins oder Schon-Verstorbenseins gegenüber dem Le-

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ben: »Ich wandte meinen Blick auf all die Unterdrückungen, die unter der Sonne geschehen. Siehe da, die Tränen der Unterdrückten, die keinen Tröster haben … Da pries ich die Toten, die längst gestorben sind, vor den Lebenden, die noch weiter leben müssen, und mehr noch als sie beide den, der noch nicht ist, der nicht sieht das böse Treiben, das unter der Sonne geschieht« (Koh 4,1-3). Die Möglichkeit des Suizids kommt aber hier so wenig wie in den älteren Texten in den Blick. Entsprechend können auch in neutestamentlichen Texten Todessehnsucht und Klage (Phil 1,23; 1 Kor 9,15; Offb 9,6) ausgesprochen werden. Die Verheißung des neuen Lebens in Christus kann ferner zu einer Relativierung (Röm 14,8; 2 Tim 2,11) oder sogar positiven Bewertung des Sterbens als »Lust« und »Gewinn« (Phil 1,21; 2 Kor 5,8) führen, bleibt aber weit von einer theologischen Rechtfertigung des Suizids entfernt. 2. Suiziderzählungen Die Erzählungen von vollzogenen Suiziden sind Geschichten über Männer, die in äußerster Bedrängnis den Weg der Selbsttötung als letzten Ausweg wählen. So wünscht sich der durch den Mühlsteinwurf einer Frau schwer verletzte König Abimelech den Tod und bittet seinen Waffenträger um den Todesstoß (Ri 9,50-54), um nicht durch die Hand einer Frau zu sterben, was als unehrenhaft galt (Ri 4,21; 5,26.31; Jdt 16,5). Nach 1 Sam 31,3 f. (vgl. 2 Sam 1,5 ff.) stürzt sich Saul in der militärisch verlorenen Schlacht von Gilboa in sein Schwert, um nicht durch Feinde getötet zu werden. In einer politisch ähnlich ausweglosen Situation bringt sich der Absalom-Ratgeber Ahitofel selbst um (2 Sam 17,23) oder endet die siebentägige Königsherrschaft Simris durch eine Selbstverbrennung (1 Kön 16,18 ff.). Der Richter Simson vollzieht einen Racheakt an den Feinden, bei dem er seinen eigenen Tod in Kauf nimmt (Ri 16,28 ff.). Judas erhängt sich, als er die Folgen seines Verrats erkennt und sie bereut (Mt 27,3-10). Alle biblischen Suizidberichte sind dramatische politische Geschichten, in denen Männer versuchen, ihre Ehre zu wahren (2 Sam 17,23; 1 Kön

16,18 ff.; 2 Makk 14,41 ff.; Mt 27,5) oder – in einem Fall – ihr Leben als Märtyrer (3 Widerstand / Martyrium) zu beschließen (1 Makk 6,43 ff.). 3. Wertung Auch wenn einzelne Formulierungen bei der neutestamentlichen Deutung des Todes in Betonung der Freiwilligkeit der Lebenshingabe Jesu sowie der Jünger/innen (vgl. Joh 10,18; 11,16; 15,13; Apg 21,13; Hebr 9,14; Offb 14,13) an das Phänomen der Selbsttötung anklingen, sollte man begrifflich zwischen einer riskierten bzw. akzeptierten Fremdtötung und einer aktiven Selbsttötung unterscheiden. Letztere scheidet historisch betrachtet für den Tod Jesu ebenso wie für die frühen Märtyrer/innen aus. Suizid in Extremsituationen wird zwar nicht verurteilt, gleichwohl führt dies nicht zu seiner theologischen Legitimation. So kann Josephus zwar den Selbstmord der Juden und Jüdinnen von Masada glorifizieren, aber zugleich eine generelle Rede gegen den Suizid anfügen (Flav. Jos. Bell. III,361-382). Diese Ambivalenz bestätigt der Umgang mit den Selbstgetöteten. Während im alten Griechenland teilweise eine ehrenvolle Bestattung unterbleibt (Aisch. III,244; Flav. Jos. Bell. III,8,5), berichtet die Bibel mehrfach von ihrer würdevollen Beisetzung (Ri 16,31; 1 Sam 31,11-13; 2 Sam 17,23). Die primäre Option bleibt das vom Schöpfer geschenkte Leben, das nicht eigenmächtig zurückgewiesen werden darf. Der Einzelne ist in der Gemeinschaft getragen, seine Befindlichkeit ist nicht die einzige Basis für die Entscheidung über Leben und Tod. Clemons, James T., What Does the Bible Say about Suicide?, Minneapolis 1990. Droge, Arthur J. / Tabor, James, A Noble Death: Suicide and Martyrdom among Christians and Jews in Antiquity, San Francisco 1992. Lenzen, Verena, Selbsttötung in der Bibel. Für eine Ethik der Liebe zu den Leidenden, BiKi 47 (1992), 87-93. Minois, Georges, Geschichte des Selbstmords (Orig. Histoire du suicide), Düsseldorf / Zürich 1996. Van Henten, Jan Willem / Avemarie, Friedrich, Martyrdom and noble death: selected texts from Graeco-Roman, Jewish, and Christian antiquity, London 2002.

Silvia Schroer / Ruben Zimmermann

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Sünde 1. Sünde und Schuld Das umgangssprachliche Verständnis von »Sünde« meint eine individuelle und für die Gemeinschaft meist folgenlose Verletzung des ethisch Gebotenen. Sünde im biblischen Sinn hingegen bezeichnet den folgenreichen Bruch der auf Gott zurückgeführten sozialen und rechtlichen Ordnung der Gemeinschaft. Die biblische Rede von Sünde berührt deswegen beständig soziale, kultische, wirtschaftliche, rechtliche und politische Zusammenhänge. Die durch die Sünde des einzelnen gewirkte Schuld lastet auf der Gemeinschaft und erfordert einen Umgang, der auf die Beseitigung der Folgen der Schuld ausgerichtet ist (Sühne). Diese Grundstruktur: Sünde, Schuld und Schuldfolgenbeseitigung begegnet in der altorientalischen und in der antiken Religionsgeschichte immer wieder. 2. Alttestamentliche Vorgaben Der neuzeitliche christliche Sündenbegriff geht auf den neutestamentlichen Sündenbegriff (hamartia) zurück, der erst durch die Septuaginta geschaffen wurde, indem sie unterschiedliche hebräische Begriffe zur Bezeichnung verfehlter Verhaltensweisen vereinheitlichend meist durch hamartia wiedergab, was einen systematisierenden Zugriff auf heterogene Vorstellungen impliziert und die Anfänge einer systematischen Sündentheologie signalisiert. Die wichtigsten, von der Septuaginta unter dem Begriff der hamartia subsumierten hebräischen Wurzeln sind ht3, 2wn und psˇ2. ˙˙ Die primäre, profane Bedeutung der Wurzel ht3 (240 mal als Verb; 344 mal als Substantiv, da˙˙ von 298 mal als hatt¯a 3t, 35 mal als h¯et3, acht mal ˙ ˙˙ ˙˙ als hat¯a 3a¯, zwei mal als hatt¯a 3a¯ und ein mal als ˙˙ ˙ ˙˙ hæt3a¯) bedeutet zunächst »ein Ziel verfehlen« ˙ ˙ (Jes 66, 20 Qal; Ri 20, 16 Hif.) und im übertragenen Sinn sich »gegen jemanden verfehlen«, was sowohl gegenüber Menschen (2 Kön 18,14) als auch gegenüber Gott (1 Sam 2, 25; Ps 51, 6) geschehen kann, wobei eine Verfehlung gegenüber einem Mitmenschen zugleich auch als Ver-

fehlung gegenüber Gott gewertet wird (Gen 20, 6). Die Wurzel 2wn (17 mal als Verb; 233 mal als Substantiv 2a¯wo¯n) hingegen bedeutet im profanen Sinn zunächst »verbiegen, beugen, krümmen« (Ps 38, 7; Jes 21, 3) und im übertragenen Sinn das Recht zu »beugen« (Hi 33, 27) oder »verkehrten« Sinnes zu sein (Spr 12, 8), und so bezeichnet das Substantiv 2¯awo¯n entsprechend »krumme« Taten gegenüber Mitmenschen (Hi 31,11) ebenso wie kultische Verfehlungen (Hos 4, 8). Die Wurzel psˇ2 (41 mal als Verb und 93 mal als Substantiv pæsˇa2) schließlich muss als Überbegriff für jegliche Personen- und Sachdelikte gelten (Gen 50,17; 1 Sam 24, 12). Das Bewusstsein allgemeiner Fehlbarkeit wird am klarsten in 1 Kön 8, 46 greifbar »Es gibt keinen Menschen, der nicht fehl geht (3aˇsær lo¯ 3 jæhæt¯a 3)« (ähnlich Spr 20, 9; Koh 7, 20; ferner ˙ ˙ Gen 8, 21; Hi 4, 17; 14, 4; Ps 14, 3 / 53, 3; Jer 5, 1-5). Doch benutzt die traditionell als »Sündenfall« interpretierte Erzählung Gen 2, 4b-3, 24 keinen der genannten Begriffe, sondern bietet eine Ätiologie des Menschen als Wesen, das wissend (wie Gott) und sterblich (wie die Tiere) zugleich und infolgedessen in seiner exzentrischen Positionalität dem Paradies entfremdet ist, denn erst die anschließende Erzählung von Kains Mord an Abel führt in Gen 4, 7 den Terminus hatt¯a 3t und in 4,13 ˙ ˙˙ den Terminus 3a¯wo¯n ein, um in einer »Ursündenerzählung« das Fehlverhalten des Menschen auf Neid am Glück des Anderen zurückzuführen. Diese soziale Verankerung des (späteren) Sündenbegriffs wird auch und vor allem in der Sozialkritik zumal der vorexilischen Propheten greifbar (hatt¯a 3t: Mi 1, 5; 2¯awo¯n: Hos 7, 1; pæsˇa2: Am 2, 6; ˙ ˙˙ 5, 12). Dabei ist mit den genannten Schlüsselbegriffen nicht nur an die Untaten selbst gedacht. Vielmehr werden hatt¯a 3t und 2a¯wo¯n in unterschiedli˙ ˙˙ chen Stammesmodifikationen im Sinne eines Zusammenhangs von Tun und Ergehen (3 Gerechtigkeit) zum Teil auf den gesamten, als Einheit verstandenen Bogen von der Untat über die resultierende Schuld (hatt¯a 3t: Gen 43, 9.32; 3a¯wo¯n: ˙ ˙˙ Ez 18,18-20) bis zur Strafe (3a¯wo¯n: Ez 21, 30.34;

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35, 5; 44, 10.12) und im Fall der Wurzel ht3 sogar ˙˙ noch auf das Sühnopfer (Lev 6,18-19; Ez 40, 39; 42, 13) und die rituelle Entsündigung (Num 8, 21; 19,19) bezogen, so dass moderne Übersetzungen, die zwischen »Vergehen«, »Schuld«, »Strafe« und »Sühnung« zu unterscheiden suchen, mitunter als problematische Eintragungen erscheinen. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob eine Tat, mit der andere geschädigt wurden, bewusst oder unbewusst, vorsätzlich oder versehentlich, erfolgt ist; wichtig ist allein der eingetretene Schaden (1 Sam 14, 24-44); doch werden in späten Texten im Umfeld der Priesterschrift auch systematische Unterscheidungen zwischen Taten bisˇega¯ga¯h »aus Versehen« (Lev 4-5; Num 15, 22-29) und beja¯d ra¯ma¯h »mit erhobener Hand« (Num 15, 30) greifbar. Diese drei und weitere zwölf Begriffe für Vergehen, Schuld und Sühne wurden von der Septuaginta meist unter dem Begriff hamartia subsumiert, worin ein Ansatz zu einer systematisierenden Sündentheologie greifbar wird. 3. Sünde und Gruppenidentität Innerhalb des Judentums des 1. Jh. wird ein intensiver Diskurs über das, was als »Sünde« zu gelten hat, geführt. Es begegnen zwei Grundentscheidungen, die aber durchweg aufeinander bezogen bleiben: einerseits bezeichnet Sünde die Verfehlung gegenüber den Regeln des gemeinschaftlichen Lebens (Missachtung der Schwachen, Habsucht, Ehebruch), andererseits bezieht sich der Begriff auf Vergehen, die die Vorstellungen von Heiligkeit, Reinheit und Kult tangieren. Die soziale und die religiös-kultische Dimensionen bilden keinen Gegensatz. Der einheitliche Sprachgebrauch von griech. hamartia für Sünde, griech. hamartanein für sündigen und griech. hamartolos für Sünder bestätigt das. Das Neue Testament gebraucht zudem Unrecht (griech. adikia) oder Gesetzlosigkeit (griech. anomia) als Synonyme zu hamartia. Der Begriff Sünde dringt in fast alle Lebensbereiche ein. Es verwischen sich die Grenzen zwischen dem rechtlich Gebotenen und dem ethisch Gebotenen in dem Maße, in dem Recht und

Ethik selbst ununterscheidbar zum Gegenstand von Auseinandersetzungen werden. Das zeigt der Konflikt um die notwendigen Werke des Gesetzes (4QMMT) zwischen den Jerusalemer Tempelpriestern und der Gruppierung unter der Führung des Lehrers der Gerechtigkeit (um 150 v. Chr.). Letztere bilden eine Gemeinschaft (hebr. jahad), die ein eigenständiges Konzept von Sün˙ de, Schuld und Vergebung entwickelt, nach dem Reinheit und Sünde eng aufeinander bezogen sind. Die Jerusalemer Tempelpriesterschaft vertritt hingegen weiterhin die Vorstellung, dass sie die für Israel notwendige Sühneleistung gewährleisten kann. Der jahad entwickelt eigene Prakti˙ ken der Sühne (1QS 3,6-12). Das gilt auch für Johannes den Täufer. Er fordert Umkehr (griech. metanoia; Mt 3, 8; Lk 3, 8) und sagt Vergebung (griech. aphesis) der Sünden zu, die durch eine einmalige Taufe besiegelt wird. Alle diese Konzepte von Sünde haben auch eine politische Dimension. Der jahad bezeichnet den Jerusalemer ˙ Hohepriester, den mächtigsten Mann in Judäa, als Frevelpriester. Der Täufer greift die Heiratsdiplomatie des galiläischen Tetrarchen Herodes Antipas (Mt 14, 3 f.; Mk 6, 17 f.; Lk 3,19 f.) an, die einen Krieg mit dem Nabatäerkönig heraufbeschworen hat (Flav. Jos. Ant. 18, 116 f.). Der Begriff Sünde wird in diesen Verwendungszusammenhängen zu einem ebenso schillernden wie zentralen Begriff der politischen Auseinandersetzung. Die Täuferverkündigung (Mt 3, 7-10 und Lk 3,7-9) thematisiert die Sündenschuld von Israel als Volk Gottes. Die Umkehr und die als rituelle Abwaschung der Sündenschuld (Joh 3, 25) verstandene einmalige Umkehrtaufe eröffnen den Eintritt in den Teil des Volkes Gottes, der dem endzeitlichen Vernichtungsgericht entkommt. Es bleibt eine Spannung zwischen tätiger Umkehr und dem passiven Taufritual zur Schuldfolgenbeseitigung (Lk 3, 8; vgl. Flav. Jos. Ant. 18, 116-9). Die Jesusüberlieferung ist in der Frage, ob Jesus und seine Jünger zur Sündenvergebung getauft haben, nicht einheitlich. Während Joh 3, 22.26; 4, 1 f. die Taufe an den Anfang des öffentlichen Auftretens Jesu stellt, schweigt die synop-

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tische Tradition. Die nachösterliche Jesusbewegung praktiziert die Taufe zur Sündenvergebung (Apg 2, 38; 1 Kor 1, 14-16). Möglicherweise hat Jesus selbst Sünden vergeben (Mk 2, 5; Lk 7, 4749), sicher ist, dass er auf die Vergebungsbereitschaft Gottes hingewiesen hat (Lk 6, 36; Mt 5, 45; metaphorisch in den Gleichnissen). In der ältesten Jesustradition begegnet das Motiv der Gemeinschaft mit Sündern. Die Mahlgemeinschaft setzt die gegenseitige soziale Anerkennung voraus, darüber hinaus ist sie eine feste Metapher für das Reich Gottes (Mt 8, 11; Lk 13, 29; 14, 15; 22, 29 f.). Die in Mk 2, 15-17 berichtete Tischgemeinschaft nimmt die endzeitliche Integration der Sünder in das Volk Gottes vorweg. Die weitere Entwicklung überträgt die Vorstellung der Sünderannahme in Israel auf die Gemeinde (Lk 7, 36-50; 15, 11-32; 18, 9-14; 19, 1-10). Die Sünderannahme ist Anlass zur »Freude« (Lk 15, 7.10.32; 19, 6). In der Jesustradition dominiert die soziale Dimension der Sünde. Sie konkretisiert sich am Umgang mit dem Besitz, mit den Marginalisierten und mit den Schutzbedürftigen. Der / die Sünder/in überwindet die Sünde durch solidarische Praxis (Lk 19, 8). Die Gemeinschaft überwindet die Sünde durch ihre Integrations- und Vergebungsbereitschaft gegenüber Randgruppen (Sünder, Zöllner, im Patriarchat desintegrierte Frauen) im Horizont des barmherzigen Gottes. Die weitere Traditionsentwicklung sieht im prophetischen Zug Jesu zum Jerusalemer Tempel eine symbolische Kommunikation über den Zusammenhang von Sünde, Schuld und Vergebung. Jesus gibt sich als »Lösegeld« (griech. lytron; Mk 10, 45). Die Sterbebereitschaft Jesu wird in den Abendmahlsworten als stellvertretende Lebenshingabe gedeutet, aber nur bei Matthäus ausdrücklich mit der Vergebung der Sünden verbunden (Mt 26, 28). 4. Universalität der Sünde Die neutestamentlichen Texte, die auf Kreuz und Auferstehung Jesu zurückblicken, entwickeln neue Zugänge zum Sündenbegriff. Die Bekenntnisformel in 1 Kor 15, 3-5 nimmt das Sterben zur Vergebung der Sünden auf. Röm

3, 24-26 deutet das Sterben Jesu als Sühne für die Sündenschuld. Der Hebräerbrief sieht im Tod Jesu die Sühnewirkung, die der Tempelkult nicht mehr leistet (Hebr 10,11-14). Die Sündlosigkeit, die in der jüdischen Tradition auch von den Erzvätern ausgesagt wird (OrMan 8), wird auf Jesus übertragen (Joh 8, 46; 2 Kor 5, 21; 1 Petr 1, 19; 1 Joh 3, 5; Hebr 4, 15). Diese Vorstellung verstärkt den Zusammenhang der sühnenden Wirkung des Todes Jesu mit der Vergebungsbereitschaft des biblischen Gottes. In diesem Kontext, jenseits der sozialen Wirklichkeit Palästinas und jenseits der ethischen Herausforderungen des Alltags, wird »Sünde« zum Teil eines kosmischen Dramas, das sich zwischen Gott und seiner Schöpfung vollzieht. Der Rückbezug zum Tatcharakter der Sünde wird bisweilen undeutlich, reißt jedoch nie ab (Röm 5,12). Für Paulus ist Sünde die »Übertretung« (griech. paraptoma; Röm 4, 25; 5, 15-20; 11, 11 f.; 2 Kor 5, 19; Gal 6, 1) der im Liebesgebot zusammengefassten Tora (Röm 13, 8-10; Gal 5, 14) und der in der Tora proklamierten Schöpfungsordnung (Röm 1, 18-32). Die Übertretung geschieht allerdings so umfassend und permanent, dass die Sünde zum Prinzip einer menschenfeindlichen Herrschaft wird. Die Vorstellung von der universalen Herrschaft der Sünde steht in Beziehung zur Einschätzung der sozialen und politischen Verhältnisse im Römischen Reich. Die Sünde bewirkt den Tod (Röm 5, 12) und herrscht durch den Tod (Röm 5, 21), so dass die ganze Schöpfung »seufzt« (Röm 8, 22). Christus hat die Macht der Sünde gebrochen, indem er den Tod überwunden hat (1 Kor 15, 55-57). Im Johannesevangelium begegnet auch der absolute Gebrauch von Sünde. Sie beherrscht den, der sie tut (Joh 8, 34). Sie ist eine Wirkmacht der »Welt« (griech. kosmos; Joh 1, 29). Der Sünde tritt der Glaube (griech. pistis) entgegen, so dass der Unglaube als Sünde bezeichnet werden kann (Joh 8, 24; 16, 9). Das Kommen Jesu macht den Unglauben offenbar, der nun als Sünde verstanden wird (Joh 9, 41; 15, 22.24). Die »Welt« muss durch den Paraklet zur Erkenntnis der Sünde gebracht werden (Joh 16, 8 f.). Die Gemeinde ist be-

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Synagoge

reit zur Integration der Sünder und ist zur Sündenvergebung befähigt (Joh 20, 23). Heyden, Katharina, Die Sünde Kains. Exegetische Beobachtungen zu Gen 4, 1-16, BN 118 (2003), 85-109. Klawans, Jonathan, Impurity and sin in ancient Judaism, Oxford 2000. Knierim, Rolf, Die Hauptbegriffe für Sünde im Alten Testament, Gütersloh, 2 1967. Metzner, Rainer, Das Verständnis der Sünde im Johannesevangelium, WUNT 122, Tübingen 2000. Otto, Eckart, Vom Rechtsbruch zur Sünde. Priesterliche Interpretationen des Rechts, JBTh 9 (1994), 25-52. Pagels, Elaine H., Adam, Eva und die Schlange. Die Geschichte der Sünde, Reinbek 1994. Röhser, Günter, Metaphorik und Personifikation der Sünde. Antike Sündenvorstellungen und paulinische Hamartia, WUNT 2/25, Tübingen 1987. Sung, Chong-Hyon, Vergebung der Sünden. Jesu Praxis der Sündenvergebung nach den Synoptikern und ihre Voraussetzungen im Alten Testament und frühen Judentum, WUNT 2/57, Tübingen 1993. van der Toorn, Karel, Sin and Sanction in Israel and Mesopotamia, SSN 22, Assen 1985. von Soosten, Joachim, Die »Erfindung« der Sünde. Soziologische und semantische Aspekte zu der Rede von der Sünde im alttestamentlichen Sprachgebrauch, JBTh 9 (1994), 87-110. von Stemm, Sönke, Der betende Sünder vor Gott. Studien zu Vergebungsvorstellungen in urchristlichen und frühjüdischen Texten, AGJU 45, Leiden / Boston / Köln 1999.

Klaus Bieberstein / Lukas Bormann

Synagoge Der neutestamentliche Gebrauch des Begriffs Synagoge spiegelt dessen breites Bedeutungsspektrum und auch die unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen der jüdischen Einrichtung wider. Das Verbalsubstantiv (von griech. synago »zusammenführen«) bezeichnet in der biblischen Überlieferung sowohl die lokale jüdische Einzelgemeinde oder Gemeindeversammlung (hebr. kenæsæt; besonders in der ägyptischen Diaspora begegnet griech. proseuche in vergleichbarer Bedeutung; vgl. Apg 13, 43; Offb 2, 9; 3, 9) als auch

den Versammlungsort bzw. -raum dieser Gemeinde (hebr. be¯t [ha-]kenæsæt; vgl. Mk 1, 21.23 par; Mt 9, 35; Lk 7, 5; Joh 18, 20; Apg 9, 20), ohne allerdings auf einen bestimmten Gebäudetyp mit besonderen architektonischen Kennzeichen zu verweisen. In christlicher Tradition versinnbildlicht der Begriff nachbiblisch zudem das Judentum in heilsgeschichtlicher Gegenüberstellung zur Kirche (3 Ekklesia). Aufgrund der vielfältigen Ausprägungen und Bedeutungen des Synagogeninstitutes im antiken Judentum zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten sowie der daraus resultierenden unterschiedlichen Entwicklungen ist weder eine eindeutige Definition noch eine klare Trennung ihrer religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Aufgaben möglich. Die spätere rabbinische Tradition führt die Synagoge in legendarischer Weise auf Mose selbst zurück (TPsJ zu Ex 18, 20; vgl. Apg 15, 21). Die so genannte »große Synagoge« (kenæsæt ha-gedo¯la¯h) überbrückt dabei als fiktives Bindeglied in der ununterbrochenen Traditionskette den Zeitraum zwischen den Propheten Israels und der pharisäischen Bewegung. Der eigentliche historische Ursprung des Synagogeninstitutes als Versammlungsort für öffentliche Toralesung (vgl. Apg 15, 21) und gemeinschaftliches Gebet (vgl. Mt 6, 5) lässt sich dagegen nicht exakt datieren; die ältesten literarischen Erwähnungen des Begriffs zur Bezeichnung gottesdienstlicher Veranstaltungen (3 Gottesdienst) entstammen der exilischen und frühnachexilischen Zeit (vgl. Neh 8, 1-8; Ez 11,16; Ps 74, 8). Wahrscheinlich hängt die Entwicklung der gottesdienstlichen Funktionen der Synagoge mit der sich während dieser Epoche herausbildenden Bedeutung der Tora und ihrer regelmäßigen Rezitation als grundlegender Bestandteil des jüdischen religiösen Lebens zusammen. Die Aufgaben des Jerusalemer 3 Tempels als des institutionalisierten Zentrums des Judentums und der Synagoge als einer dezentralen Einrichtung scheinen sich dabei von Anfang an ergänzt zu haben. Synagogen gab es in der Antike überall, wo Juden in eigenständigen Siedlungsgemeinschaf-

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Synagoge auf der Festung Masada. Ältere (links) und jüngere Baustufe

ten lebten. Als zentrale Versammlungsräume dienten sie nicht nur religiösen Bedürfnissen (Torastudium und Gebet), sondern auch der Aufrechterhaltung und der Gestaltung des alltäglichen gemeinschaftlichen Lebens (Kommunikation und Organisation). Die im 1. Jh. n. Chr. einsetzende breite literarische Bezeugung von Synagogen im Judentum und im Christentum (hier insbesondere als Adressat und Ausgangspunkt der frühen Mission) zeigt ihre Bedeutung als allgemeiner Bestandteil des jüdischen Lebens in Palästina und in der gesamten Diaspora. Zumeist versammelten sich die antiken jüdischen Gemeinden entweder in privaten Räumen in Wohnhäusern bzw. in einem als Zentrum der Gemeinde adaptierten Privathaus oder in profanen öffentlichen Gebäuden. Mit zunehmender Rechtssicherheit und obrigkeitlicher Akzeptanz wurden diese Gebäude den Bedürfnissen der wachsenden Gemeinden angepasst; größere Synagogenbauten wie in Alexandria (vgl. tSuk 4,6) stellten jedoch durchweg die Ausnahme dar. Hinsichtlich Anlage und Bauplatz einer eigens zum Zweck der Gemeindeversammlung errichteten Synagoge herrschte – entgegen der späteren rabbinischen Idealvorstellungen – zumeist große Freizügigkeit; ihre Bauart richtete sich hauptsächlich nach den materiellen Möglichkeiten der Auftraggeber und nach regionalen Stilformen. Erst allmählich bildeten sich Konstanten bezüg-

lich der dekorativen Symbolik und des Inventars heraus. Die bislang ältesten als Synagogenbauten identifizierten Architekturfunde entstammen der Diaspora (Delos, 1. Jh. v. Chr.). Tatsächlich scheint die Entfernung vom Mutterland die Entwicklung des Synagogeninstitutes gefördert zu haben; außerhalb Jerusalems und Judäas hatte sie als Zentrum der lokalen jüdischen Gemeinde offenbar eine andere Bedeutung im öffentlichen Leben inne als in der unmittelbaren Nähe des Jerusalemer Tempels als Kultzentrum. In Jerusalem versammelten sich Angehörige bestimmter Landsmannschaften in ihren Synagogen (vgl. Apg 6, 9); dagegen übernahm die Synagoge in der Diaspora auch wesentliche Funktionen des Gemeindezentrums einer durch gemeinsame Herkunft und Glaubensüberzeugung definierten Minderheit, die inmitten einer mehrheitlich nichtjüdischen Umgebung und umgeben von fremden Kulten und Kulturen dem permanent auf ihr lastenden Assimilationsdruck widerstehen und ihre religiöse und kulturelle Identität behaupten will. Das alltägliche Leben einer solchen Minorität in einer fremden (bzw. als fremd empfundenen) Umwelt erforderte gemeinsame Beratungen und Entscheidungen, eine gemeinsame Verwaltung und Organisation und ein Versammlungslokal, an dem dies alles stattfinden konnte. Unter den zahlreichen synagogalen Ehrentiteln und Amtsbezeichnungen ragen hervor der

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Synagoge

archisynagogos »Synagogenvorsteher« (vgl. Lk 13, 14; Apg 13, 15), zu dessen Verwaltungsaufgaben und kultischen Funktionen insbesondere die Überwachung der Gottesdienstordnung gehörte, und der presbyterous »Älteste« (vgl. Lk 7, 3), der einen aufgrund seiner Familienzugehörigkeit, seines Reichtums oder seines Wissens einflussreichen Gemeindeangehörigen mit besonderer sozialen Stellung kennzeichnet. Strittig ist der Konsens der älteren Forschung, dass die Bezeichnung von Frauen als archisynagogos (CIJ II, Nr. 741; Nr. 756) nicht auf ihre Partizipation an synagogalen Leitungsfunktionen hinweise, sondern auf weibliche Angehörige eines männlichen Amtsinhabers. Neuere Arbeiten weisen auf die mangelnde Bezeugung eines solchen »Ehrentitels« ohne funktionale Bedeutung in den antiken Quellen hin (Brooten). Die Beschränkung von Frauen im synagogalen Gottesdienst ist erst in rabbinischen Texten aus dem 3. Jahrhundert belegt. Die Synagoge als religiöse Gemeindeorganisation und als kommunale politische Gemeinde war allein in den überwiegend von Juden bewohnten Gebieten Palästinas deckungsgleich; die frühesten bislang entdeckten Synagogenbauten in Palästina stammen allerdings erst aus dem 3. Jh. n. Chr. Mit der Synagoge als kommunalem Gemeindezentrum konnten von Anfang an verschiedene soziale, kulturelle und administrative Einrichtungen verbunden sein, so z. B. Kinderschulen, Gerichte, kommunale Versammlungen, Bibliotheken, Archive, Herbergen (in Jerusalem vor allem für Pilger aus der Diaspora) und auch Einrichtungen der Armen- und Krankenfürsorge. Der Ausschluss aus einer solchen Synagogengemeinschaft bedeutete die lebensbedrohende, radikale, soziale Isolation. Der Wortgebrauch der neutestamentlichen Autoren differiert beträchtlich. Im Markusevangelium ist die Synagoge hauptsächlich Schauplatz des Wirkens Jesu in den Orten Galiläas (vgl. Mk 1, 21; 6, 2 ff.). Matthäus gebraucht den Begriff als verallgemeinerndes Synonym für die gesamte jüdische Gemeinde und betont dabei die Isolation seiner Adressaten innerhalb des Judentums

(vgl. Mt 10, 17; 12, 9; 13, 54). Insbesondere weist in der redaktionell gestalteten Drohrede Mt 23 eine Auseinandersetzung mit Funktionen der Synagoge (Gemeindeversammlung; Auslegung der Tora; Gericht) auf das besondere Selbstverständnis der matthäischen Gemeinde als devianter jüdische Gruppierung hin. Während Lk 12,11 das Bestreben der jungen christlichen Gemeinde nach Selbstbehauptung bzw. die Erfahrung des Ausschlusses aus der jüdischen Gemeindeorganisation und den damit verbundenen bedrohlichen Verlust sozialer Absicherung zu reflektieren scheint, steht die stereotype Nennung von lokalen Synagogen als Ausgangspunkten der paulinischen Mission (Apg 13, 5.14; 14, 1; 17, 1 f. u. ö.) im Zusammenhang mit dem literarischen Bemühen des Lukas um Kontinuität zwischen Judentum und Kirche im Rahmen seiner heilsgeschichtlichen Konzeption. Der Verfasser des Johannesevangeliums konnotiert die Synagoge negativ (Joh 12, 42; 16, 2), was im Rahmen seiner narrativdramaturgischen Darstellung von Vertretern bestimmter Gruppen im Judentum zu verstehen ist. Die Bezeichnung »Synagoge des Satans« (Offb 2, 9; 3, 9) ist Ausdruck der Überzeugung des Verfassers der Johannesoffenbarung, rivalisierende jüdische Gemeinden hätten den Ehrennamen »Israel« nicht verdient; eine generelle judenfeindliche Tendenz des Buches ist hieraus allerdings nicht abzuleiten. Dadurch, dass die Synagoge nach der nationalen und religiösen Katastrophe der Tempelzerstörung (70 n. Chr.) neben der familiären Frömmigkeit als grundlegendes und bereits institutionalisiertes Element des jüdischen religiösen Lebens in Palästina und in der Diaspora bereits bestand, wurde dessen Kontinuität bzw. Neukonstituierung nach dem Verlust des Tempels als des integrativen und identitätstiftenden religiösen Zentrums erleichtert. Haussynagogen waren Vorbilder der frühchristlichen Hausgemeinden (vgl. Jak 2, 2). Die christliche Kirche übernahm auch Komponenten des jüdischen Synagogeninstitutes wie z. B. grundlegende Strukturprinzipien der Raumgestaltung und wesentliche Teile der liturgischen Tradition.

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Synhedrium

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Michael Tilly

Synhedrium Im Neuen Testament begegnet das Synhedrium (griech. synedrion: »Ratsversammlung«, »Hoher Rat«; der hebräische Begriff sanhedrı¯n ist dem griechischen Wort entlehnt) zumeist als zentrales administratives, juridisches und politisches Entscheidungsgremium des Judentums am 3 Tempel in Jerusalem unter der Leitung des Hohenpriesters, das Jesus und seine Anhängerschaft verhört und verurteilt (Mk 14,55 par; 15,1 par; Lk 22,66 [als Versammlungsort]; Joh 11,47 [als Zusammenkunft]; Apg 4,15; 5,27.34.41; 6,12.15; 22,30; 23,1 ff.; 24,20; vgl. Mk 13,9 par; Mt 5,22). Als oberste Institution der jüdischen Selbstverwaltung auf der Basis der Tora als Verfassung entspricht das Synhedrium der gerousia (»Ältestenrat«), der aristokratischen politischen Vertretung des weitgehend autonomen Tempelstaates Jerusalem / Judäa in seleukidisch-makkabäischer Zeit (1 Makk 12,6; 2 Makk 1,10; 11,27; vgl. Flav. Jos. Ant. 12,138).

Zu den Aufgaben des Synhedrions, das sich aus Vertretern des sadduzäischen Priesteradels (»Hohepriester«), Vertretern der Jerusalemer Honoratioren (»Älteste«) und rechts- und torakundigen Personen ohne genealogische Legitimation (»Schriftgelehrte«; in Joh 11,47 mit der pharisäischen Bewegung identifiziert) in wechselnden Mehrheitsverhältnissen zusammensetzte (vgl. Mk 8,31 parr), gehörten die innerjüdische Verwaltung und Rechtsprechung mit Ausnahme der Kapitalgerichtsbarkeit (das ius gladii war generell den römischen Autoritäten vorbehalten; vgl. jSan 18a, 43 f.; bSan 41a), die Aufsicht über den Jerusalemer Tempel sowie die Kalenderregulierung. Nach dem Ende der Hasmonäerherrschaft (63 v. Chr.) war das Synhedrium nur noch ein mit begrenzten Machtbefugnissen und Einflussmöglichkeiten auf das Umland ausgestatteter Stadtrat in Jerusalem (vgl. Flav. Jos. Ant. 14,167 ff.) und seit der Unterstellung Judäas unter direkte römische Verwaltung (6 n. Chr.) unter der ständigen Aufsicht der Präfekten bzw. Prokuratoren vollends ohne politisches Gewicht bzw. direkte Zuständigkeiten und Einfluss. Fraglich ist zudem der Fortbestand der Körperschaft als permanente Institution jüdischer Selbstverwaltung. Auch die Größe des Gremiums ist unsicher; spätere Quellen (mSan 1,6) wollen von 71 Mitgliedern wissen (vgl. Ex 18,21-23; Num 11,16; Dtn 17,8-13). Entgegen der kerygmatischen Darstellungsabsicht der Evangelisten, die vor allem in der pauschalierenden Diskreditierung des jüdischen Gremiums bei ihren christlichen AdressatInnen besteht, fungierte das Synhedrium während des Prozesses Jesu und bei den Verhören des Petrus, des Johannes und des Paulus allenfalls als ordentliche Vertretung der ursprünglichen Ankläger gegenüber den römischen Autoritäten. Erst in der Zeit nach der Tempelzerstörung (70 n. Chr.) wurden die religiösen Aufgaben und Kompetenzen des Synhedriums insbesondere hinsichtlich der Deutung und Anwendung der Tradition bzw. der halachischen Entscheidungen von den Rabbinen als Bestandteil einer idealen theokratischen Verfassung gezeichnet und in anachronistischer und verallgemeinernder Weise

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Taufe

in Analogie zu den Funktionen eines zeitgenössischen rabbinischen Gelehrten und seines Schülerkreises verstanden (mSan). Goodblatt, David, The Monarchic Principle, TSAJ 38, Tübingen 1984. Jacobs, Martin, Die Institution des jüdischen Patriarchen, TSAJ 52, Tübingen 1995. McLaren, James S., Power and Politics in Palestine, JSNT.S 63, Sheffield 1991. Safrai, Zeev, The Role of the Jerusalem Elite in National Leadership in the Late Second Temple Era, in: Marcel Poorthuis / Chana Safrai (Hg.), The Centrality of Jerusalem. Historical Perspectives, Kampen 1996, 65-72.

Michael Tilly

Taufe 1. Begriffsgeschichte Nach dem Neuen Testament wurden Christusgläubige offenbar von Beginn der Bewegung an getauft. Wer sich neu zu Jesus als Messias bekannte, wurde durch die Taufe in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Taufe wird in den biblischen Texten als einmaliger passiver Akt beschrieben. Der Täufling tauft sich nicht selber, sondern wird getauft. Dieses Geschehen ist nicht wiederholbar und unterscheidet sich insofern von wiederholbaren rituellen Waschungen und Tauchbädern. Das griechische Verb baptizo beschreibt im jüdischen wie im christlichen Gebrauch den Ritus des Untertauchens. Die Septuaginta benutzt baptizein als Übersetzung des hebräischen t¯abal »tau˙ chen«. Mit dieser Vokabel wird das Tauchen eines Bissens in Wein (Rut 2, 14), der Füße in den Fluss (Jos 3,15), das Tauchen der Finger in Blut (Lev 4, 6.17 u. ö.), in den Reinigungsgesetzen das Eintauchen verunreinigter Gefäße in Wasser (Lev 11, 32) beschrieben. Das siebenmalige Tauchen Naemans (2 Kön 5, 14) illustriert die Bedeutung des Jordans. In späterer Zeit wird »tauchen« und damit auch baptizo zum terminus technicus für Tauchbäder zur Reinigung levitischer Unreinheit

verwandt (bBer 2b; mJoma 3, 2 ff. u. ö.; Jdt 12,7; Sir 31(34),30). Insofern kann baptizo sowohl das Eintauchen ins Wasser als auch ein vollständiges Untertauchen wiedergeben. Der Vorgang des ganzkörperlichen Untertauchens ist in der baptistischen Gemeinschaft, bei den Zeugen Jehovas und den Ostkirchen bis heute üblich. 2. Waschungen In Israel werden Waschungen im Zusammenhang mit Reinheitsritualen vollzogen (vgl. Lev 14; 15). Teilweise ist auch das Waschen von Gegenständen erforderlich oder ein spezifisches Reinigungswasser wird zur Besprengung hergestellt (Num 19; vgl. Num 8,7, wo es der Entsündigung dient). Betont wird, dass es sich um lebendiges d. h. Quellwasser bzw. fließendes Wasser handeln soll. Ein visionärer Text (Sach 13, 1) sieht vor, dass eine Quelle geöffnet wird, die dem Hause Davids und den Bewohnern Jerusalems zur reinigenden Entsündigung dienen wird. Vor dem Hinzutreten zur Opferstätte sollen die Priester Hände und Füße am kupfernen Becken waschen (Ex 30, 18-21). Vor der Salbung und Einsetzung der Priester wurden diese ebenfalls gewaschen (Lev 8, 6). Auch die Essener haben für ihre Gemeinschaft besondere Waschungen entwickelt, sie ziehen das Untertauchen vor (1QS 3, 8 f.: »Durch seine Unterwerfung unter alle Gesetze Gottes wird gereinigt sein Fleisch, so dass er sich besprengen kann mit Reinigungswasser und sich heiligen mit Wasser der Reinheit«). Josephus berichtet uns von den Waschungen, die den gemeinsamen Mahlzeiten der Essener vorausgingen (Flav. Jos. Bell. II,129). Auch bei den Qumranwaschungen geht es um eine Intensivierung der levitischen Reinheitsforderung. 3. Die Proselytentaufe In die neutestamentliche Zeit gehört die »Taufe« der 3 Proselyten (bJev 47a). Ihr Ursprung ist nicht festzulegen, da sie zunächst als nichts Besonderes galt und daher anfangs auch noch nicht mit einem Ritual verbunden war. Die Proselytentaufe muss vor der christlichen Taufe entstanden

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Taufe

sein. Sie ergänzte das Ritual der männlichen Beschneidung, und beseitigte somit die kultische Unreinheit der Nichtjuden. Insofern ist die Waschung der Nichtjuden das einzige Ritual, das Frauen wie Männer beim Eintritt in die jüdische Religionsgemeinschaft absolvierten. Ein doppelt bezeugter Text zeigt, dass die Proselytentaufe spätestens im 1. Jh. n. Chr. zu einer von allen Gruppen fest anerkannten Institution geworden ist (mPes 8, 8; mEd 5, 2). Die jüdischen Waschungen gehören mit der Proselytentaufe zu den Reinigungsriten und dienten der rituellen Reinheit. Der Proselyt wird als »eben geborenes Kind« bezeichnet, da er nun die Tora befolgen und sich an die Gebote halten will. An eine naturhafte Wiedergeburt oder an ein Sterben ist nicht gedacht. 4. Johannes der Täufer und sein Aufruf zur Umkehr Jesu Taufe durch Johannes den Täufer (Mk 1, 911 par) ist vermutlich der Beginn und Vorbild der christlichen Taufbewegung, wie die Erzählung von Jesu letztem Mahl (Mk 14, 22-25 par), die die Feier des Abendmahls begründete. In dieser Kultlegende werden bereits die Elemente des Wassers, die Gabe des Geistes und die Proklamation der Kindschaft in der Nachfolge des Sohnes Gottes zusammengeführt. Die Taufbewegung um Johannes den Täufer war zu Jesu Zeit prominent. Johannes wirkte in der Wüste und zog von dort aus, indem er Umkehr predigte und Menschen taufte. Sein Beiname, »der Täufer« (Mt 3, 1), bezeichnet seine Aufgabe (Mk 1, 4). Die Johannestaufe war unauflöslich mit Umkehr verbunden. Allerdings ist nicht deutlich, ob die Taufe Ausdruck der vorher geschehenen Umkehr ist (Gen. Subj.) oder ob erst die Taufe die Umkehr geschehen lässt (Gen. Obj.). Vieles spricht für die letzte Deutung. Im Matthäusevangelium bekennen die Menschen bei der Taufe ihre Vergehen, nach Lukas hält Johannes den Menschen ihre Vergehen vor und nach Matthäus und Lukas ruft Johannes die Täuflinge zum veränderten Lebenswandel nach der Taufe auf. Ziel und Zweck der Johannestaufe ist es, die Vergebung für die Vergehen zu erlangen. Was genau und wie diese

Vergebung erreicht wird (durch das Eintauchen, durchs Wasser, durch das Sündenbekenntnis oder den Umkehrwille) ist nicht an den Texten festzumachen. Ein weiteres Charakteristikum der Johannestaufe ist, dass die Predigt, das verkündete Wort, unauflöslich mit dem Taufakt verbunden ist (Mk 1, 7 par). So erwarten die von Johannes getauften Menschen die nahe bevorstehende endzeitliche Gottesherrschaft. Die Johannestaufe war, wie die Geschichte von Apollos zeigt, auch nach Jesu Tod noch verbreitet (Apg 18, 25), wurde dann aber von den messiasgläubigen Menschen durch die Taufe auf den Namen Jesu verdrängt (Apg 19, 4-6). 5. Jesus und die Taufe Ob Jesus jemals selber getauft hat, ist zweifelhaft. Nur das Johannesevangelium beschreibt Jesus als den Urheber der späteren christlichen Taufpraxis (Joh 3, 22.25 f.; 4, 1 f.). Wenn auch die Taufpraxis Jesu hier nur angedeutet wird, so ist doch die gemeinschaftsstiftende Wirkung der Taufe mit Berufung auf das Heilsereignis zentral. Mit der Taufe Jesu verbunden ist das Motiv der Gabe des Heiligen Geistes in Form einer Taube (Mk 1, 10 par). Ferner wird Jesus in den Taufberichten von Gott die Sohnschaft zugesprochen (Mk 1, 11 par). Die Gabe des heiligen Geistes und der Zuspruch der Kindschaft sind gegenüber der Johannestaufe neue Taufelemente und bis heute konstitutiv für die christliche Taufhandlung. Die ersten Jesusschülerinnen und -schüler beziehen sich bei ihren Taufhandlungen auf Jesus Christus. Mehrere formelhafte Wendungen vor allem in der Apostelgeschichte und den paulinischen Briefen belegen, dass das Taufen »auf den Namen Jesu« (Apg 8, 16; 19, 5; vgl. 1 Kor 1, 13.15; Gal 3, 27; Röm 6, 3; Mt 28, 19), »Jesu Christi« (Apg 10, 48; vgl. 1 Kor 6,11) einen markanten Punkt christlicher Taufpraxis bildete. Die Formel scheint eine spezifische Bildung der messiasgläubigen Gemeinden gewesen zu sein, die die Auferstehung Jesu Christi von den Toten zur Begründung ihrer Taufpraxis mit Hilfe dieser Formel zum Ausdruck bringen wollten. Durch das Aussprechen des Namens Jesu während der Tauf-

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Taufe

handlung wird der Messias Jesus und sein heilsbedeutendes Werk für die Gemeinde lebendig und bestimmt von nun an das Leben der Getauften. Nur an einer Stelle, am Ende des Matthäusevangeliums wird die Taufe direkt mit einem Befehl Jesu verbunden. Im Taufbefehl ist erstmal die so genannte triadische Formel der Taufe auf den »Namen des Vater, des Sohnes und des heiligen Geistes« (Mt 28, 19; vgl. Did 7, 1) zu finden. In der ersten Kirchenlehre wird die Taufhandlung dahingehend ausgeweitet, dass ihr die ethische Unterweisung des Täuflings (vgl. die Proselytentaufe), sowie ein Fasten (3 Enthaltsamkeit) des Täuflings und des Taufenden vorausgehen (Did 7, 1-4). Danach wird der Täufling nach Möglichkeit unter fließendem Wasser getauft. 6. Taufende Frauen Frauen wurden nicht nur getauft, sondern haben vermutlich auch getauft. Die Paulusbriefe berichten, dass Frauen in den Gemeinden missioniert haben. Zu dieser Missionstätigkeit wird auch – obwohl nicht explizit erwähnt – die Taufe gehört haben. In den apokryphen Theklaakten wird von Thekla berichtet, sie habe die reiche Tryphaina und ihr Haus »erleuchtet« (ActThecl 39). Theklas mehrfache Rettung vor dem Martyriumstod und ihr stellvertretendes Gebet für die tote Tochter Tryphainas macht es wahrscheinlich, dass Thekla auch die Vollmacht erhält, eine Taufe zu vollziehen (Albrecht 263). 7. Taufe und Geistempfang Wasser bzw. Waschung sind in der christlichen Praxis ein grundlegendes Element der Taufe. Allerdings gehen die äußere Waschung und rituelle Bäder einher mit einer inneren Reinigung (Hebr 6, 2; 10, 22; 1 Petr 3, 21). In Mt 3,11 wird in einem apokalyptischen Text vom Messias ausgesagt, dass er mit Feuer und heiligem Geist taufen wird. Der Geist, bzw. die Erfahrung der Gegenwart des Geistes im Taufgeschehen ist Zentrum urchristlicher Tauftheologie. Die Kraft des Geistes

gewährt die Aufnahme in die eschatologische Heilsgemeinde. Dieser Geistempfang ist ein Element, das die Taufe auf Jesu Namen von der des Johannes unterscheidet (Apg 19, 1-6). Demzufolge gehören Taufe und Geistempfang im Neuen Testament eng zusammen. In der Pfingstpredigt schließt Petrus mit dem Bußaufruf und dem Versprechen, den heiligen Geist zu empfangen (Apg 2, 38). Petrus vermittelt die Gabe des heiligen Geistes (Mt 16, 18 f.). Durch ihn empfangen die Menschen in Samarien den heiligen Geist, obwohl Philippus dort bereits gepredigt und getauft hat (Apg 8, 14-17). Petrus öffnet so auch Nichtjuden den Zugang zum heiligen Geist (Apg 10). Er sieht daraufhin ein, dass auch Nichtjuden, die bereits den heiligen Geist empfangen haben (Apg 11, 16), mit Wasser getauft werden sollten, denn Wassertaufe und Geistempfang gehören untrennbar zusammen (Apg 10, 47). Den narrativen Texten der Apostelgeschichte ist zu entnehmen, dass die der Taufe vorangehende Taufunterweisung recht kurz ausfallen konnte. So wurde der äthiopische Kämmerer von Philippus während einer Wagenfahrt unterwiesen (Apg 8, 30-37). Eine Parallele zur Lehrunterweisung über die zentralen Themen der jüdischen Religion bei der Proselytentaufe ist die Rede des Petrus in dem Haus des Centurio Kornelius vor dessen Verwandten und Bekannten (Apg 10, 3643). In der Alten Kirche wurde diese Taufunterweisung zu einem Unterricht von bis zu drei Jahren ausgeweitet. 8. Taufe als gemeinschaftstiftendes Ritual / Initiation Im Neuen Testament ist die Taufe das Primärdatum der christlichen Existenz. Durch ihren Vollzug wird der Täufling in die messiasgläubige Gemeinschaft aufgenommen. Allerdings steht mit der Festlegung der Taufe als Initiationsritus die reinigende Wirkung der Taufe allen Gläubigen nur einmal zu Verfügung. Offensichtlich wurden die jüdischen Sündenvergebungsrituale von Johannes dem Täufer und später von den messiasgläubigen Gemeinden als nicht ausreichend empfunden, so dass der Aspekt der Sündenver-

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gebung zusammen mit der reinigenden Wirkung von Wasser in dem Taufakt endete. Frühe Taufberichte begegnen uns in den paulinischen Briefen. Dort antwortet Paulus im ersten Korintherbrief auf ihm mündlich überlieferten Streitigkeiten in der korinthischen Gemeinde, die dadurch ausgelöst wurden, dass sich die Gemeinde in Gruppen geordnet nach dem Täufer der Gemeindemitglieder bildeten (Paulus, Apollos, Petrus, vielleicht auch Christus; 1 Kor 1, 12). Fest steht, dass seit Paulus die Taufe grundlegendes Ritual der Messiaszugehörigkeit ist. 9. Die Täuflinge Kein Aspekt ist so umstritten wie das Alter der Täuflinge, denn die heute populären Kindertaufen sind biblisch nicht belegt. Die Debatte blühte wieder auf in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts durch Anfragen Karl Barths an die Exegeten. Die durch Joachim Jeremias verbreitete These, hinter der Formel »sie / er und ihr / sein ganzes Haus ließen sich taufen« (vgl. 1 Kor 1, 16; Apg 11,14; 16, 15.33; 18, 8) beinhalte auch die Kinder, ist biblisch nicht haltbar. Weder 1 Kor 7, 14 noch die so genannte Oikosformel sind ein Beleg für eine frühe Kindertaufe. Dagegen spricht, dass schon in der Hebräischen Bibel bei der Rede vom »ganzen Haus« Kinder nicht mit eingeschlossen waren (vgl. 1 Sam 1, 21 f.). Kinder waren in den frühen Gemeinden bei Taufzeremonien anwesend, jedoch nie als Täuflinge aktiv beteiligt, da die Taufzeremonie nur nach vorheriger Unterweisung über die Glaubensinhalte (Did 7, 1) ähnlich wie bei der Proselytentaufe stattfinden konnte. Bei der Frage, ob auch Sklavinnen und Sklaven zu einem Haushalt gehören, ist auf Gal 3, 28 zu verweisen. Diese Taufformel richtet sich ausdrücklich auch an sozial Benachteiligte. Der Sklave Onesimos scheint zur jesuanischen Gemeinschaft zu gehören, da Paulus ihn als Bruder bezeichnet. Einen Hinweis auf die Taufe des Sklaven findet sich jedoch nicht im Philemonbrief. 10. Die Taufe bereits Verstorbener Durch die Deutung der Taufe als Initiationsritus und damit als Garant der Auferstehung für die

Gläubigen entstand in der korinthischen Gemeinde das Problem, dass / wie die toten Familienmitglieder ebenfalls in den Genuss dieser Zusagen kommen könnten. Einige Gemeindeglieder ließen sich daher stellvertretend für ihre toten Angehörigen taufen (1 Kor 15, 29). Aus diesem Grund nennt man in der Forschung diese Taufe die stellvertretende Taufe bzw. die Vikariatstaufe. 11. Symbolhafte Deutungen der Taufe In einigen Texten wird die Taufe als Neuschöpfung (Schaffung eines neuen Menschen) gedeutet (Joh 3, 3-6). Sie ähnelt der Geburt und ist ein Schwellenritus. In Tit 3, 5 und Joh 3, 5 ist die Taufe auf die Wiedergeburt eines Menschen bezogen. Eine Folge der Taufe ist, dass alle Unterschiede und hierarchischen Polaritäten (Mann-Frau; Jude-Nichtjude; Sklave-Freie) aufgehoben werden (Gal 3, 27 f.). Dieser von Paulus initiierte Neuschöpfungsaspekt wird jedoch später von den Pastoralbriefen wieder aufgehoben. Durch die Taufe erlangt man »Heil und Rettung« (1 Petr 3, 20 f.; 1 Kor 10). Das Heil und die Rettung sehen so aus, dass die Getauften von der Macht der Sünde getrennt sind (Apg 2, 38; 22, 16; 1 Kor 6,11; Röm 3, 25; 6,1 f.; Hebr 10, 22; Barn 11, 1.11). Sie leben in der Einheit des Leibes Christi (1 Kor 12, 13) und haben bereits Anteil an den Kräften der kommenden Welt (vgl. 2 Kor 1, 22; 5, 5; Röm 8, 23). Paulus verbindet mit der Taufe vor allem die Vorstellung eines Lebens in Gerechtigkeit (Röm 6, 2 ff.) fernab der Sündenmacht. So kann der Getaufte ein dem Willen Gottes entsprechendes Leben führen. Der Kolosserbrief deutet die Taufe als Beschneidung (Kol 2, 11 f.) und den Ritus als Eintritt in die lebensspendende messiasgläubige Gemeinschaft. Diese Deutung kommt der Proselytentaufe im Judentum nahe, denn in mJev 2, 29 wird der Proselyt mit einem neugeborenen Leben verglichen. Nach der Beschneidung der männlichen Proselyten ermöglicht erst das Tauchbad (die Mikwe) den Menschen, am Opferkult teilzunehmen.

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Tempel

Auch Christi Tod kann als Taufe gedeutet werden (Mk 10, 38 f.; Lk 12, 50). In Röm 6, 4 ist der Tod Jesu in der Taufe gegenwärtig. Durch die Taufhandlung stirbt die Sünde ab und die neue pneumatische Existenz des Täuflings beginnt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es viele unterschiedliche Taufdarstellungen und -bedeutungen in den neutestamentlichen Texten gibt, die sich dem modernen Wunsch der Vereinheitlichung kreativ entziehen. Die Taufe wird dabei meist als Schwellenritus verstanden, der ein neues Leben eröffnet. Aland, Kurt, Die Säuglingstaufe im Neuen Testament und in der alten Kirche, TEH 86, München 1961. Albrecht, Ruth, Das Leben der heiligen Makrina auf dem Hintergrund der Thekla-Tradition. Studien zu den Ursprüngen des weiblichen Mönchtums im 4. Jahrhundert in Kleinasien, FKDG 38, Göttingen 1986. Barth, Gerhard, Die Taufe in frühchristlicher Sicht, Neukirchen-Vluyn 2 2002. Barth, Karl, Kirchliche Dogmatik IV/4: Das christliche Leben; Die Taufe als Begründung des christlichen Lebens, Zürich 1967. Cohen, Shaye, The beginnings of Jewishness, boundaries, varieties, uncertainties, Hellenistic culture and society 31, Berkeley 2000. Jeremias, Joachim, Die Kindertaufe in den ersten vier Jahrhunderten, Göttingen 1958. Kahl, Brigitte, Nicht mehr männlich? Gal 3, 28 und das Streitfeld Maskulinität, in: Claudia Janssen / Luise Schottroff / Beate Wehn (Hg.), Paulus. Umstrittene Traditionen – lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre, Gütersloh 2001, 129-145. Maccoby, Hyam, Ritual and Morality. The Ritual Purity System and its Place in Judaism, Cambridge 1999. Schenke, Ludger, Zur sogenannten »Oikosformel« im Neuen Testament, Kairos 8 (1971), 226-243. Vollmer, Jochen, Ist die Taufe von Unmündigen schriftgemäß?, EvTh 58 (1998), 332-350.

Dorothea Erbele-Küster / Elke Tönges

Tempel 1. Altes Testament Der Jerusalemer Tempel wurde, so jedenfalls nach 1 Kön 5, 15-8, 66, von Salomo errichtet (um 960 v. Chr.). Seine Architektur folgt dem Vorbild des Langraum-Tempels, der in der Levante weit verbreitet war. Das zentrale Tempelgebäude war in eine Vorhalle (3u¯la¯m), eine Haupthalle (debir) und ein Allerheiligstes (qo¯dæsˇ ha-qa¯da¯ˇs¯m) ı aufgeteilt (vgl. 1 Kön 6; zur Architektur vgl. besonders Busink). In vorisraelitischer Zeit befand sich an der Stelle des späteren Salomonischen Tempels möglicherweise ein Vorgänger-Heiligtum (vgl. auch 2 Sam 24, 16-25, wo mit einer vor-salomonischen Kultstätte gerechnet wird, wobei der historische Quellenwert des Textes umstritten ist). In der JHWH-Religion ist der heilige Ort der Ort der Begegnung von Gott und Mensch, wobei Heiligkeit entweder dadurch konstituiert wird, dass die Gottheit dem Ort innewohnt, oder dadurch, dass sie sich an diesem Ort offenbart (vgl. Japhet 59). Die Gottesbegegnung, Gottes Einwohnung und Gottes Selbstoffenbarung werden in verschiedenen biblischen Texten aufgrund von verschiedenartigen Traditionen in je eigener Art und Weise konzeptualisiert; vgl. z. B. Gen 28,1122; Ex 19, 11; Dtn 12, 5; Jos 5,13-15; 1 Kön 8,13 und Ez 43, 7.9, die von sehr diversen Arten der Konstituierung heiliger Räume bzw. Orte zu berichten wissen, wobei der Tempel nur einer dieser Orte ist. Während es allerdings im alten Israel durchaus verschiedene Konzepte von heiligem Ort bzw. heiligem Raum gab, hatte doch der Jerusalemer Tempel die zentrale Rolle im religiösen Symbolsystem der JHWH-Religion. Von Anfang an war der Tempel der wichtigste Bezugspunkt für die religiöse und kulturelle Identitätsbildung Israels. Seine Konzeptualisierung im Rahmen der JHWH-Religion gibt der Vorstellung von göttlicher Einwohnung am heiligen Ort ihren greifbarsten und zugleich komplexesten Ausdruck. Im Herzen des Tempels, d. h. im Allerheiligsten, befanden sich nach der biblischen Erzählung bis zu seiner Zerstörung im Jahre 587 v. Chr., die

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Tempel

Rekonstruktionszeichnung des salomonischen Tempels von G. E. Wright und W. F. Albright

Bundeslade und die kappo¯ræt, der »Gnadenstuhl« (Luther). Mit diesen verband sich die Vorstellung von einer besonderen Präsenz JHWHs im Tempel, die das Allerheiligste in einer solchen Weise durchwirkte, dass nur der Hohepriester es betreten durfte, und dies auch nur einmal im Jahr, zum Hochfest des Versöhnungstages (jom kippur); vgl. Lev 16. Der Tempel wurde als eine Art Spiegelbild der Schöpfung verstanden, wobei man Schöpfung und Errichtung des Tempels als einander analog auffasste. Die den Tempel zierenden Kunstwerke und Kultgeräte sind durchdrungen von entsprechender Symbolik (vgl. Janowski; 3 Kultgeräte). Gemäß der »kosmologischen Symbolik des Tempels, also dem Sachverhalt, dass Kultordnung und Naturordnung einander entsprechen« (Janowski 229), war es von größter Bedeutung, dass der Kultus rite vollzogen und damit die Gottheit zufrieden gestellt wurde, so dass die Aufrechterhaltung der natürlichen Ordnung gewährleistet war. Hierin entspricht die israelitisch-judäische Auffassung des Kultus ganz und gar der des übrigen alten Orients. Der irdische Tempel wurde als mit dem himmlischen Heiligtum in Verbindung stehend verstanden, wobei diese Vorstellungen im Laufe der Jahrhunderte komplexer wurden; »so lokalisierte man nun« gemäß 2 Sam 22 »den Gottesthron ausdrücklich ›im Himmel‹ und erweiterte das Weltbild der vorexilischen Theophanieschilderung

im Sinne einer Kosmologie, die den Himmel nicht mehr allein als weiten Raum, sondern auch als geschaffene, in sich mehrschichtige Struktur auffaßt« (Hartenstein 166). Darüber hinaus kam dem Jerusalemer Tempel auch eine ökonomisch höchst bedeutende Stellung zu. Schon vor der Kultzentralisation unter Joschija war er der bedeutendste unter den Tempeln der JHWH-Religion und in seiner kultischen, politischen und eben auch wirtschaftlichen Funktion unauflöslich mit der judäischen Monarchie verwoben. In der Zeit Joschijas erfuhr der Jerusalemer Tempel dann die Erhebung zum alleinigen, zentralen Heiligtum des judäischen Staates (621 v. Chr.). Dabei diente der Tempel nicht zuletzt als Steuersammelstelle. Der Zehnte (3 Religiöse Abgaben), um den es in Dtn 14, 22-29 geht, ist der »Zehnt vom gesamten Ertrag deiner Saat, der Ernte des Feldes« (Dtn 14, 22). In den V. 25-26 liegt ein Hinweis darauf vor, dass im Tempel eine Einschmelzstelle zur Standardisierung von Silber als Zahlungsmittel existierte (Schaper 2000, 104-106); vgl. auch 1 Kön 7, 15; Ex 32, 4 und den vielleicht wichtigsten Beleg für eine solche Metall-Einschmelzstelle am Tempel, Sach 11, 13. Von zentraler Bedeutung ist jedenfalls, dass sich im ältesten Bestand des Deuteronomiums, also in spätvorexilischer Zeit, ein Hinweis darauf findet, dass kultische Opferleistungen statt in den eigentlich vorgeschriebenen Naturalien ersatzweise auch in Form von kæsæf dargebracht

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werden konnten. Die Grundbedeutung dieses Begriffs ist »Silber«, doch in nachexilischen Texten kann und muss man oft bereits mit »Geld« übersetzen. Auch wenn es sich zur Zeit Joschijas nur um Hacksilber, eine Vorform des Münzgeldes, gehandelt haben sollte, so spricht Dtn 14, 22-29 doch von einer geldlichen oder geldähnlichen Ersatzleistung für den Zehnten. Hier wird offenbar also der Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft greifbar, erweist sich der Jerusalemer Tempel als der Motor des Modernisierungsschubes, der Staat und Gesellschaft Judas in der spätvorexilischen Zeit transformierte. Der Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft steht im Zentrum dieses Umbruchs, und die »Monetarisierung des Kultes«, wie Seaford es im Blick auf Griechenland sagt, war auch in Israel die treibende Kraft (Schaper 2006). Dieser Übergang ist eines der wesentlichsten Elemente jener ökonomischen Umwälzung, die bereits in der spätvorexilischen Zeit begann und in der Unterminierung und schließlichen Zerstörung der Clan-Strukturen der altisraelitischen Gesellschaft sowie in der Zentralisierung von Kultus und Verwaltungsapparat (ebenfalls bereits in der spätvorexilischen Zeit) ihren Ausdruck fand, wobei die Auflösung der Clan-Strukturen im Zuge der Kolonialisierung Judas durch das neubabylonische Reich noch beschleunigt wurde. Von den Truppen des expandierenden neubabylonischen Imperiums im Jahre 587 v. Chr. zerstört, lag der Tempel bei der Rückkehr der ersten Exilanten in Trümmern. Sein Wiederaufbau galt vielen als Schlüssel zum Wiederaufbau Judas und Jerusalems und wurde deshalb kräftig vorangetrieben. So wurde der Tempel nach Ende des Babylonischen Exils wiedererrichtet – nach dem Vorbild des Salomonischen Tempels – und im Jahre 515 v. Chr. geweiht. Der Neubau war von deutlich geringeren Dimensionen als sein Vorgänger und spiegelte insofern die inferiore politische Position Judas am Rande des achämenidischen Herrschaftsbereiches: Die bedeutende geostrategische Bedeutung der Provinz Jehud und ihrer Nachbarn im Perserreich führte nicht zu einer Stärkung der inneren Strukturen und

Der siebenarmige Leuchter des Herodianischen Tempels. Relief vom Titusbogen, Rom, 70 n. Chr.

der relativen politischen Bedeutung der Provinz innerhalb des Imperiums. Gleichwohl stand nun der Tempel insofern in noch stärkerem Maße im Zentrum des judäischen Gemeinwesens, als der Hohepriester zugleich der faktische weltliche Herrscher in Jehud war (Schaper 2002). Er war nur dem achämenidischen Gouverneur verantwortlich, der sich aber in die Tagesgeschäfte der Provinz in der Regel nicht einmischte. Auch in der Perserzeit war der Jerusalemer Tempel eine Institution von zentraler fiskalischer Bedeutung. Steuern und Abgaben wurden dorthin abgeführt. Einige dieser Abgaben gingen an die persischen Oberherren und mussten an zentrale Sammelstellen weitergeleitet werden; andere waren für den Tempel und seine Priester bestimmt und verblieben in Jerusalem (Schaper 1995 und 2000). Insofern diente der Tempel gleichsam als Schnittstelle zwischen der achämenidischen Reichsverwaltung und der internen Selbstverwaltung der Provinz Jehud, die vom Hohepriester geführt wurde. Was die Funktion des Tempels im religiösen Symbolsystem des perserzeitlichen Juda anbelangt, so sind keine wesentlichen Änderungen gegenüber der vorexilischen Zeit feststellbar. So bleibt z. B. die zentrale Funktion des Tempelkul-

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tes als des Garanten der religiösen Stabilität, der natürlichen Ordnung und der materiellen Prosperität unverändert, wie aus Hag 1, 7-11 deutlich hervorgeht. 2. Nachbiblisches Judentum Die bereits unter der Perserherrschaft bestehende weitgehende innere Autonomie Jerusalems auf der Grundlage der Tora als Verfassung und mit dem Jerusalemer Tempel als anerkanntem politischen Zentrum bestand nach der Eroberung Syriens durch Alexander d. Gr. (332 v. Chr.) fort, wenn auch mit je und je unterschiedlicher Intensität. 167 v. Chr. scheiterte der Versuch eines Teils der Jerusalemer Tempelaristokratie, den tributpflichtigen Tempelstaat gewaltsam in eine hellenistische Stadt zu verwandeln, um so die eigene Machtposition zu festigen (vgl. 1 Makk 1 ff.; 2 Makk 6 ff.). Dieser Umsturzversuch einer Minderheit stieß auf den heftigen Widerstand vor allem derer, die durch diese als religiöse und kulturelle Erosion empfundenen gewaltsamen Hellenisierungsbestrebungen die politische Reichweite der Zentralität des Tempels und somit ihre statusbestimmende Lebensgrundlage, Macht und Autorität als 3 Priester oder Tempelbeamte bedroht sahen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stellte der Jerusalemer Tempel den deutlichen Ansatzpunkt für polarisierende Auseinandersetzungen verschiedener konkurrierender religiöser Teilgruppierungen innerhalb der Jerusalemer Oberschicht dar. Den Makkabäerbrüdern gelang es, eine antihellenistische Sammelbewegung zu führen und diese Bestrebungen abzuwehren. Der »Tempelreinigung« des Judas Makkabaios (164 v. Chr.) folgte die Herrschaft der in Jerusalem residierenden Hasmonäerdynastie, die ihre gesellschaftliche Machtposition nach innen vor allem durch die Selbstdarstellung als den väterlichen Gesetzen verpflichteter religiöser Streiter für Tempel und Kult absicherte und so die Umwandlung des Tempels in das bedeutendste Symbol der jüdischen Selbstbehauptung bewirkte. Seine besondere Bedeutung als Symbol der nationalen und religiösen Zugehörigkeit blieb kennzeichnend für die gesamte hasmonäische Ära.

Seit 19 v. Chr. renovierte Herodes d.Gr. den während der römischen Angriffe des Jahres 63 v. Chr. beschädigten Jerusalemer Tempel als Symbol des »weltstädtischen« Charakters der Stadt am Rand des Imperium Romanum und als international beachtetes Wahrzeichen seiner Herrschaft. Die im Stil der hellenistisch-römischen Monumentalbauweise während mehrerer Jahrzehnte (vgl. Joh 2, 20) erneuerte, in Entsprechung des bereits zuvor bestehenden baulichen Strukturprinzips der konzentrischen Heiligkeit erweiterte, erhöhte und mit gewaltigen Umfassungsmauern befestigte Tempelanlage wurde zu dem erfahrbaren religiösen Zentrum des Judentums in Palästina und in der gesamten antiken Welt. Pilger aus vielen Ländern strömten zu den Wallfahrtsfesten (Pessachfest, Wochenfest, Laubhüttenfest) nach Jerusalem, übereigneten dem Tempel kultische Abgaben und Weihegeschenke, und wohnten am Zielort ihrer Pilgerreise den 3 Opfern bei. Neben der Sühnefunktion des Tempelopfers war der Gedanke einer Repräsentation des Kosmos durch den Jerusalemer Tempel als Mikrokosmos bzw. eines unmittelbaren Zusammenhangs von ritualgerechter Opferkult- und Festpraxis und kosmischer Ordnung von hoher Bedeutung. Der Opferkult im Tempel (3 Gottesdienst) sollte das Geschehen in der Welt beeinflussen; war das Tempelopfer in Ordnung, war auch die Welt in Ordnung. Die anstandslose Entrichtung der Schekelsteuer durch Juden aller gesellschaftlicher Schichten in aller Welt weist daraufhin, dass dieses Verständnis des Opfergottesdienstes im Jerusalemer Tempel als allgemeines und verbindendes Kennzeichen antiker jüdischer Frömmigkeit angesehen werden kann. Überall wo größere jüdische Gemeinden lebten, existierten Hebestellen für die Schekelsteuer, an denen Bevollmächtigte die Erträge entgegennahmen und sie nach Jerusalem überführten, wo mit dem Geld öffentliche Opfer dargebracht und Tempelbeamte, Handwerker und Lieferanten bezahlt wurden (Philo spec. I,76-78; Flav. Jos. Ant. 18, 312 f.). Durch ihre Zahlung konnte man die Intensität seiner ideellen Verbindung mit dem Mutterland demonstrieren. Papyrusurkunden

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aus Ägypten (CPJ 168; 201; 218; 421 u. ö.) dokumentieren die Bezahlung der Steuer auch für Frauen, Kinder, Greise und Sklaven, die allesamt nicht der Abgabepflicht unterliegen. Im Gegensatz zu dem hohen religiösen Gewicht des Herodianischen Tempels auch außerhalb des Landes war seine politische und wirtschaftliche Bedeutung innerhalb Judäas spätestens seit der Unterstellung ganz Palästinas unter direkte römische Verwaltung (44 n. Chr.) deutlich gesunken. An der Frage nach der vorrangigen Funktion des Jerusalemer Tempels (unpolitischer, allein religiös bedeutsamer heiliger Ort der Gottesgegenwart oder politisch relevantes Symbol einer neu zu erkämpfenden nationalen Unabhängigkeit) entzündeten sich sowohl innerhalb der jüdischen Aristokratie, die die Kontrolle über den Tempel hatte, als auch zwischen dieser und den unteren Bevölkerungsschichten, die am stärksten unter der Ausbeutung durch die eigene Oberschicht litten und die sich durch die römischen Steuern und Tribute in ihrer Existenz bedroht sahen, zunehmend heftigere Auseinandersetzungen. Die angespannte Situation in Jerusalem spitzte sich rasch zu; die religiös und vor allem sozial motivierten jüdischen Unabhängigkeitsbestrebungen mündeten in den offenen Aufstand gegen Rom (66 n. Chr.). Sie fanden ihr vorläufiges Ende mit der Belagerung und Einnahme Jerusalems und der Zerstörung der Tempelanlagen durch Titus (70 n. Chr.). Große Teile der Stadt waren nach der römischen Eroberung verwüstet, der Hauptteil ihrer Bevölkerung tot, versklavt oder geflohen, das Opfer im Tempel nunmehr unmöglich. Das Jerusalemer Heiligtum, der wichtigste Anknüpfungspunkt für das religiöse Selbstverständnis und für die Lebensgestaltung der jüdischen Mehrheit und sämtlicher jüdischer Sekten, war zerstört. Das Judentum war nun zum Verzicht auf alle diejenigen Formen der Religiosität genötigt, die nur im Jerusalemer Tempel gepflegt werden konnten. Die überlebenden Priester, Leviten und Tempelbeamten waren nach der Tempelzerstörung ohne Amt, ohne kultische Funktion und ohne öffentliche Macht, wenn auch ihr Landbesitz und der relati-

ve Wohlstand ihrer aristokratischen Oberschicht nicht unmittelbar von den Umwälzungen, d. h. von der wirtschaftlichen Notlage betroffen waren. Ein Teil der Priesterschaft versuchte, neben der aufstrebenden jüdischen Laiengelehrsamkeit, verkörpert vor allem durch die pharisäische Bewegung, als konsolidierte Gemeinschaft fortzubestehen. Einige von ihnen betätigten sich fortan als rabbinische Gelehrte. Diesen durch Charisma und Kompetenz ausgewiesenen Angehörigen eines Netzwerks von Toragelehrten gelang es bald, eine statusbestimmende und -sichernde gesellschaftliche Funktion im Bereich der Aktualisierung und Applikation der Toragebote auf die Lebenswirklichkeit der jüdischen Gemeinden zu übernehmen. 3. Neues Testament Die Urgemeinde nahm zunächst weiterhin am Tempelkult teil (Apg 3,1; vgl. Mk 11, 11; 12, 35; 14, 49 par) und unterzog sich einigen Opferritualen im Tempel (Apg 21, 23 f.). Die Interpretation des Allerheiligsten im Tempel als Thronstätte Gottes und Ausgangspunkt allen Heils in die Welt spiegelt sich auch in der christlichen Tradition (Mt 23, 21). Möglicherweise wurde die paulinische »Kollekte« (1 Kor 16, 1-4; 2 Kor 8 f.; Gal 2, 9 f.; Röm 15, 25-28) von den Jerusalemer Judenchristen analog zur Schekelsteuer verstanden. Wesentliche Strukturen des Tempelkultes trugen zur Ausgestaltung des frühchristlichen 3 Gottesdienstes bei. Erst in späterer Zeit überwiegen die christologisch begründeten Bestreitungen der Heilsbedeutung des Jerusalemer Tempels (Apg 7, 47-50; vgl. Mk 11, 15-17 par; 13, 2 par; 14, 58 par Joh 2,19; 4, 20-24) und die Übertragung seiner wesentlichen Funktionen auf die 3 Ekklesia (2 Kor 6, 16; vgl. Eph 2, 20-22; 1 Petr 2, 4-6), insbesondere hinsichtlich der Verlagerung der Heilsbedeutung des Tempelopfers auf den Opfertod Jesu (Eph 5, 2; Hebr 7, 27; 9, 12.26.28; 1 Petr 3,18) und dessen erinnernde Vergegenwärtigung. Ådna, Jostein, Jesu Stellung zum Tempel, WUNT 2. Reihe 119, Tübingen 2000. Bahat, Dan, The Herodian Temple, CHJUd 3 (1999), 38-58.

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Joachim Schaper / Michael Tilly

Tod Die theologischen und anthropologischen Grundlagen dessen, was die Bibel über den Tod zu sagen hat, sind bereits in Gen 2 f., der Erzählung von Schöpfung, Paradies und Vertreibung erkennbar: Die Menschen sind aus Erde geschaffen und werden im Tode unentrinnbar wieder zu Erde. Belebt allein durch den Atem Gottes, der ihnen nicht untersteht, aber geschaffen für ein Leben im Paradies mit dem »Baum des Lebens«, aus dem sie jedoch vertrieben wurden, ist die Perspektive dauerhaften und gelingenden Lebens für sie unaufgebbar, aber immer schon verloren und nicht in ihrer, sondern allein in der Macht Gottes. 1. Gräber Wie sehr man damals nicht nur mit dem Tod, sondern mit den Toten lebte, zeigt sich an der archäologisch gut erschlossenen Grabkultur. Erdbestattungen oder einfache (Stein-)Kistengräber gibt es in bestimmten Zeiten (Richterzeit?) und für besitzlose Kreise (2 Kön 23, 6), die Regel aber sind über lange Zeiten benutzte Felsgräber in Familien- bzw. Sippenbesitz. So kauft Abraham beim Tod Saras eine Höhle (Gen 23), die dann auch für ihn selbst und seine Nachkommen benutzt wird (25, 9 f.; 49, 30 f.; 50, 13). Es kann sich um natürliche Höhlen handeln, meist aber sind es im Fels ausgehauene Kammern oder Kammersysteme mit ganz unterschiedlichen Formen. Ein für Juda in der Königszeit typisches Bankgrab zeigt Abb. 1. Die Toten wurden auf die Bänke gelegt und das Grab nach außen verschlossen. Beim nächsten Begräbnis begegnete man den Toten wieder. Die Reste wurden nach der Verwesung in einer Knochengrube (hebr. bo¯r) gesammelt. So fuhr man in die Grube und wurde buchstäblich mit den Vätern und Müttern vereinigt. Nicht üblich waren Grabsteine, teilweise aber fanden sich in den Gräbern Inschriften (s. u.). Mit dem Hellenismus kamen Grabanlagen mit Stollen auf, in die die Körper hineingeschoben wurden (Schiebegräber, s. Abb. 2; zu Gräbern au-

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den sozialen Status der Familien. Mächtige Jerusalemer Beamten haben sich schon in der Königszeit aufwendige Monolithgräber aushauen lassen (Jes 22,15 ff.).

Abb. 1: Bankgrab aus Tell en-Nasbe

ßerhalb Palästinas s. Toynbee). In der Römerzeit wurden dann die Knochen nicht mehr in eine Grube geworfen, sondern in Ossuarien, verzierten Kalkkästen, gesammelt und bewahrt (Abb. 3). Aber auch sie waren nicht einem Individuum vorbehalten, sondern enthalten Knochen ganz verschiedener Familienangehöriger. Dem Verschluss und damit der Sicherung der Grabanlagen dienten z. T. so genannte Rollsteine, die in Schienen vor die Öffnung gerollt werden konnten. Die Gräber lagen außerhalb der bewohnten Orte, da jede Berührung mit Totem verunreinigt und entsprechende Reinigungsriten erfordert (Num 19; 3 Reinheit / Unreinheit). So entstanden ganze Totenstädte, Nekropolen. Eine Ausnahme waren Königsgräber, die in Jerusalem (z. B. 1 Kön 2, 10) bzw. Samaria (z. B. 1 Kön 16, 28) lagen. Auch sonst spiegeln Größe und Aufwand der Gräber

Abb. 2: Felskammergrab des Schiebestollentyps (Jerusalem, French Hill)

2. Die Toten Schon wegen des Klimas wurden Verstorbene rasch, d. h. am gleichen Tage beigesetzt. Wenn auf Reisen oder wegen anderer Umstände kein eigenes Grab bereitstand, konnten Freunde oder Verwandte einen Platz in ihrem gewähren (1 Kön 13, 30; Mk 15, 46). Die Toten wurden beklagt (3 Trauer; Klage) und in ihren Kleidern bestattet, später in Leichenbinden gewickelt (Joh 11, 44; 19, 40; zum Problem teurer Ausstattung s. bKet 8b). Den Toten wurden Grabbeigaben mitgegeben, meist die üblichen Besitztümer (Schmuck; Haushaltskeramik, Figurinen; nichts Aufwendiges). Daraus allein auf bestimmte Jenseitsvorstellungen (Totenspeisung?) zu schließen, ist problematisch; die Rabbinen kämpfen noch lange gegen diese Bräuche. Das alles ist Pflicht der Familie. Nach römischem Vorbild dürften in jüdischen Diasporagemeinden Begräbnisgesellschaften aufgekommen sein. Solange die frühen christlichen Gemeinden im jüdischen Umkreis lebten, wird man für sie vergleichbare Sitten voraussetzen können. Die Situation der Toten im Grab – im Dunkeln, unter Würmern und Maden, abgeschnitten von allem, was Leben ausmacht – entspricht in wesentlichen Züge der Scheol, dem Totenreich, wie es Texte wie Jes 14, 9 ff. beschreiben. Es ist ähnlich wie der griechische Hades so etwas wie die Summe aller Gräber (Barth), das Land ohne Wiederkehr (3 Kosmosvorstellungen) – noch schlimmer aber war die Drohung, unbestattet zu bleiben (Jer 7, 33; 22, 18 f. u. ö.). Dennoch schrieb man z. T. den Toten Macht zu. Totenbeschwörung und -befragung war eine wie in vielen Religionen verbreitete Sitte, die aber mit dem immer deutlicher formulierten Monotheismus nicht vereinbar war. Die Tora verbietet sie (Dtn 18, 11; Lev 19, 31). Elohim, Gott / Göttlicher heißt der Geist Samuels, den Saul beschwören lässt (1 Sam 28,13). Solche Sitten sind bis in nach-

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Abb. 3: Jüdisches Ossuar

exilische Zeit belegt und haben gerade in Krisenzeiten große Anziehungskraft gehabt (2 Kön 21, 6; Jes 8, 19). Die großen Toten der Volksgeschichte, insbesondere die Väter und Mütter der Genesis, aber wurden durchaus an ihren Gräbern verehrt. Das Rahelgrab (Gen 35, 19 f.) ist bis heute eine Gebetsstätte besonders für Frauen. 3. Die Sphäre des Todes Wie in vielen Gesellschaften werden Tod und Leben nicht streng geschieden, sondern als vielfach ineinander verflochten erlebt (Hasenfratz). Vor allem für die theologischen Aussagen ist das zu beachten. Der Macht des Todes ausgesetzt sehen sich die Menschen bereits dort, wo sie von Krankheit, Anfeindungen und vielfältigen Schlägen traumatisiert werden – also Elementen dessen, was Grab und Scheol ausmacht: »Du hast mich versetzt in die tiefste Grube« (Ps 88, 7. vgl. V. 410). Umgekehrt dankt man bei Errettung »Du hast meine Seele heraufgeführt aus der Scheol« (Ps 30, 4), auch da, wo kein Tod im medizinischen Sinne gemeint ist. Genauso spricht das Neue Testament: Der verlorene Sohn war tot (Lk 15, 32); Paulus kann sich als bereits vom Tode erfasst beschreiben (2 Kor 1, 9 ff.; 4, 12; 11, 23). Bei solchen Aussagen geht es um mehr als einen Vergleich. Es ist ja durchaus realistisch, sich bei potenziell tödlichen Krankheiten an Körper und Seele, sozialen Isolierungen, das Leben beeinträchtigenden Traumatisierungen bereits in der Gewalt des Todes und von Gott als der Kraft des Lebens abgeschnitten zu sehen. Anders aber als die endgültig Begrabenen wenden sich diese Menschen an Gott. Die großen Lebenskrisen werden so als Erfahrung des Todes erlebt (Hi 33, 19-30) und die

Rettung als Gottes todüberwindende Macht erfahren. Derart als Tod erlebt werden nun aber nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Erfahrungen von Gewalt und Unrecht. Ökonomische und politische Katastrophen führen in den Schatten des Todes (Jes 9, 1). In exilischen Klagen sieht sich Israel dem Tod preisgegeben: »Verdorrt sind unsere Gebeine« (Ez 37, 11; vgl. Ps 44, 26). Als bereits tot können dann im Neuen Testament ganze Gemeinden angesehen werden (Offb 3,1 f.). Die Rettungstaten Gottes werden demgemäß als Überwindung des Todes erfahren. Diesem Denken entspringt das eindrucksvollste Bild einer Totenerweckung: die Vision Ezechiels vom Feld voller Totengebeine, die zu neuem Leben erweckt werden (Ez 37). Sie ist von V. 11 ff. her eindeutig auf die geschichtliche Erneuerung des Volkes bezogen und wird mit der Terminologie des Exodus, als Herausführung aus den Gräbern beschrieben. Wenn im Neuen Testament die ganze Welt unter der Herrschaft des Todes gesehen wird, darf die politische Dimension solcher Aussagen im Römischen Reich nicht aus dem Blick geraten. 4. Gott und der Tod Von den Schöpfungserzählungen angefangen wird im Alten Testament in einer Fülle unterschiedlicher Bilder und Vorstellungen davon geredet, dass der Gott Israels Macht über den Tod hat: Gott kann Menschen wie Henoch und Elija in seine himmlische Sphäre entrücken (Gen 5, 24; 2 Kön 2, 11 f.) und Gestorbene durch Propheten wieder erwecken (1 Kön 17, 17 ff.; 2 Kön 4, 32 ff. mit fast identischen Wiederholungen im Neuen Testament). Diese Macht wird in Hymnen besungen (1 Sam 2, 6; Ps 139, 8) und von Propheten vorausgesetzt (Am 9, 2). Die Bilder reichen von der Unvergänglichkeit der Gottesbeziehung (Ps 73) bis zur Übernahme der griechischen Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele (Weish). Schon im 8. bzw. 7. Jh. taucht eine solche Hoffnung in Grabinschriften auf (»Errette JHWH«, Inschrift C in Chirbet Bet Layy, Renz I 249). Wenn sich die oder der Betende von Ps 88 von Gottes Hand ab-

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geschnitten sieht (V. 6), so ist eindeutig, dass dies durch Gott selbst und durch keine andere Macht geschehen ist. Die Fragen im Zentrum des Psalms: »Wirst du an den Toten ein Wunder tun … ?« (V. 11 ff.) sind deshalb nicht rhetorisch gemeint. Es sind wirkliche Fragen mit einem offenen Ausgang, sie fragen nach so etwas wie Auferstehung. Die verbreitete Meinung, die Toten wären im Alten Testament bis auf späte apokalyptische Ausnahmen von Gott getrennt und der Macht Gottes entzogen (zuletzt Johnston), wird offenkundig den Texten nicht gerecht. In den polytheistischen Religionen der Umwelt ist der Tod eine der größten göttlichen Mächte. In Kanaan etwa liegt Mot, der Todesgott, im mythischen Streit mit Baal, dem Gott des Lebens. Dahinter steht die Tatsache, dass der Tod im menschlichen Leben eine letztlich alles verschlingende, nicht überwindbare Macht darstellt. Die Forderung nach Alleinverehrung einer einzigen, der israelitischen Gottheit, wie sie seit der Zeit Elijas wenigstens als Minderheitenforderung wirksam war, hat offenkundig von Anfang an diesem Gott grundsätzlich Macht über den Tod zugeschrieben und von Erfahrungen mit der Macht Gottes über den Todes in diesem Leben berichtet. Besonders eindrucksvoll sind Geschichten, die von der lebendig machenden Macht der mit Gott verbundenen Toten erzählen: Ein Mann wird durch Berührung mit den Gebeinen Elischas wieder lebendig (2 Kön 13, 21), beim Tod Jesu kommen Tote aus ihren Gräbern (Mt 27, 52 f.). So sehr also auch unterschiedliche religionsgeschichtliche Traditionen in der Bibel aufgehoben sind, geht es in der den Kanon prägenden Hauptlinie um den Gott, der Tote erweckt, wie es im jüdischen Hauptgebet der Amida heißt. Die apokalyptische Zusage, dass die gerechten Toten durch neues Leben zu ihrem Recht kommen werden (Jes 26, 19; Dan 12), und dann die Erwartung eines allgemeinen Totengerichts spitzen diese Erwartung in unterschiedlichen politischen Kontexten aktuell zu, bis hin zur grundsätzlichen Überwindung des »letzten Feindes« (Jes 25, 8; 1 Kor 15, 26). Die das Neue Testament

bestimmende Auferstehung Jesu wird allein in diesem Rahmen verständlich und immer wieder ausdrücklich auf die Schrift bezogen (1 Kor 15, 4); die Wahrnehmung des Auferstandenen ist Schriftauslegung (Lk 24, 27.32.44 f.). Die Vorstellung von der Macht des Todes in diesem Leben kann dabei soweit ausgeweitet werden, dass die ganze Welt unter der Herrschaft (der Sünde und) des Todes gesehen wird und Gottes Geist in ihr neues Leben gegen den Tod ermöglicht (z. B. Röm 8). Die johanneische Vorstellung, dass im Glauben bereits der Tod überwunden worden ist (Joh 5, 24 u. ö.), ist eine äußerste Radikalisierung der alten Tradition von der Überwindung der Gewalt des Todes in diesem Leben. Assmann, Jan / Trauzettel, Rolf (Hg.), Tod, Jenseits und Identität. Perspektiven einer kulturwissenschaftlichen Thanatologie, Freiburg / München 2002. Barth, Christoph, Die Errettung vom Tode in den individuellen Klage- und Dankliedern das Alten Testaments, 3 Stuttgart 1997. Bloch-Smith, Elizabeth, Judahite Burial Practices and Beliefs about the Dead, JSOT.SS 123, Sheffield 1992. Crüsemann, Frank, Rhetorische Fragen!? Eine Aufkündigung des Konsenses über Ps 88, 11-13 und seine Bedeutung für das alttestamentliche Reden von Gott und Tod, BibInt XI (2003), 345-360. Hasenfratz, Hans-Peter, Zum sozialen Tod in archaischen Gesellschaften, Saec 34 (1983), 126-137. Janssen, Claudia, »Wir alle werden nicht sterben.« Ein Lied gegen die Todesmächte (1 Kor 15, 51-57), in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel, FS L. Schottroff, Gütersloh 2004, 28-84. Johnston, Philip S., Shades of Sheol. Death and Afterlife in the Old Testament, Leicester u. a. 2002 Renz, Johannes, Die althebräischen Inschriften, Teil 1: Text und Kommentar, Handbuch der althebräischen Epigraphik Bd. I, Darmstadt 1995. Safrai, Shmuel, Death, burial and mourning, in: Shmuel Safrai / M. Stern (Hg.), The Jewish People in the First Century, Vol. II, Assen 1976, 773-787. Toynbee, Jocelyn M. C., Death and Burial in the Roman World, London / Southampton 1971.

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Tora / Nomos Tora ist für die ganze Bibel ein zentraler ethischtheologischer Begriff, der bei der Ausbildung des alttestamentlichen Kanons sowie dann im Judentum überragende Bedeutung gewonnen hat. Die Wiedergabe mit dem griechischen »Nomos« und dann mit »Gesetz« in dominanten deutschen Übersetzungen (Luther; Zürcher) führt zu erheblichen Verzerrungen, weshalb die von Buber / Rosenzweig gewählte Übersetzung mit »Weisung« sachgemäßer ist, um der Breite und der Bedeutung des Begriffs willen aber eine Übernahme als Fachterminus (etwa analog zu Evangelium) auch für das Neue Testament nahezu unvermeidlich erscheint. 1. Altes Testament Grundsätzliches zum Begriff. Das hebräische Wort to¯ra¯h kommt 220mal in der Hebräischen Bibel vor und leitet sich von der Verbalwurzel jrh III hif. »lehren, unterweisen, zeigen« her. Tora gehört von Haus aus nicht in die Rechtssphäre, sondern in den weiten Zusammenhang religiösethischer Unterweisung und Instruktion. Möglicherweise hat der Begriff Tora Entsprechungen in der altorientalischen Umwelt Israels, etwa im akkadischen Nomen têrtu »Weisung, Gebot«. Allerdings ist die zentrale Funktion, die der Begriff Tora für religiöse Orientierung einnimmt, ein Spezifikum Israels. Zu beachten ist zunächst, dass konkrete Inhalte und Umstände des mit Tora implizierten Unterweisungsvorgangs erheblich differieren. Vermutlich wird mit Tora erst ab etwa der hellenistischen Zeit das Gesamte des Pentateuches bezeichnet (vgl. Sir 1, 1; Jub 30, 12, aber schon Neh 8, 2). Die konzeptionelle Verbindung von Mose, Sinai (bzw. Horeb) und göttlicher Mitteilung von Geboten ist eine relativ späte Entwicklung in der Religionsgeschichte Israels. Deshalb sollten auch nur diejenigen Belege von Tora in der Hebräischen Bibel mit dem Pentateuch oder seinen Teilen identifiziert werden, die einen deutlichen Hinweis darauf enthalten. Zunächst ist im jeweiligen Primärkontext zu ermitteln, was mit Tora gemeint ist.

Ursprüngliche Formen von Tora-Erteilung. Die Erteilung von Tora gehört ursprünglich in den Kontext von Divination (Gottesbefragung) und war in folgenden typischen sozialen Situationen beheimatet: a) Kommunikation zwischen Priestern und Laien. In der Schriftprophetie des 8. Jh. v. Chr. spielt die Tora der Priester gegenüber den Laien eine wichtige Rolle. Sie wird in priesterkritischer Absicht thematisiert. In Hos 4, 4-10 wird Priestern vorgeworfen, um des eigenen Profits willen die Erkenntnis Gottes und seine Tora ignoriert und dadurch Verfehlung des Gottesvolkes verursacht zu haben. Ein ähnlicher Vorwurf findet sich in Mi 3, 11, wo Priester kritisiert werden, Lehre gegen Bezahlung zu erteilen. Beide Texte sehen die Verpflichtung der Priester zur Gotteserkenntnis vermittelnden Unterweisung durch das Verfolgen eigener Interessen korrumpiert (vgl. Zef 3, 4; Ez 22, 26; Mal 1, 6-2, 9). Hos 4, 4 ff. bezieht die Lehr-Verpflichtung der Priester auf eine vorgängige Tora Gottes. Was Inhalt dieser vorgegebenen göttlichen Tora ist, wird wohl durch Hos 8,12 deutlich, wo von einer Fülle verschrifteter göttlicher Tora-Erteilungen die Rede ist und der Kontext an Vorschriften zu Altären und Opfern denken lässt. Die bei Hosea erwähnte Priester-Tora hat danach kultische Bestimmungen zum Inhalt. U. a. die singuläre Terminologie in Hos 8, 11-13 lässt es als unwahrscheinlich erscheinen, dass kultische Bestimmungen gemeint sind, die jetzt im Pentateuch stehen. b) Vermittlung prophetischer Botschaft. Eine andere Verwendung von Tora liegt in wohl ebenfalls ins 8. Jh. v. Chr. zu datierenden Texten des Jesajabuches vor. In Jes 8, 16, am Ende eines Großabschnittes des Jesajabuches, der so genannten Denkschrift zum so genannten syrisch-ephraemitischen Krieg, findet sich eine Aufforderung an den Propheten, die spätere Konsultierbarkeit einer als Zeugnis bestimmten Tora durch Verpackung (in ein Tongefäß?, vgl. Jer 32, 14) und Versiegelung vor der Schülerschaft sicherzustellen. Der Kontext, Jes 8, 16-20, legt nahe, dass mit Tora ein Komplex prophetischer Worte, wahrscheinlich Teile jener Denkschrift, gemeint ist.

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Diese jesajanische Tora hat primär nichts mit Rechtstradition oder speziellen kultischen Vorschriften zu tun. Es ist vielmehr eine Komposition mit Worten des Propheten im Kontext jenes regionalen Konflikts, die zwecks Beglaubigung für eine künftige Verwendung festgehalten wird und ihrerseits auf Worte JHWHs zurückgeht (vgl. Jes 1, 10; 5, 24b). Im Bezug auf vorgegebene göttliche Worte berühren sich also Tora-Erteilung durch Priester und durch ProphetInnen. c) Im Lehrgeschehen von WeisheitslehrerInnen. In Spr 1, 8 und 6, 20 finden sich Ermahnungen, auf die Tora von Vater und Mutter zu hören und sie nicht zu verwerfen. »Vater« und »Mutter« fungieren in diesen Texten wohl als Travestien für weisheitliche Lehrer und Lehrerinnen, die offensichtlich die Funktion haben, Vertrautheit und Nähe gegenüber der Schülerschaft zum Ausdruck zu bringen (vgl. Spr 13,14). Inhalt dieser weisheitlichen Tora ist die jeweilige Lehre der Lehrerin bzw. des Lehrers (evtl. der jeweilige Kontext im Sprüchebuch). Auffällig ist, dass die Belege für weisheitliche Tora-Erteilung kaum Bezug zu einer vorgängigen Tora Gottes bzw. einen dezidiert religiösen Kontext erkennen lassen (Spr 1, 8; 3,1; 6, 20.23; 7, 2; 13, 14; 28, 4.7; 31, 26), wobei Ausnahmen allerdings zu beachten sind (Hi 22, 22; Spr 28, 9; 29,18). Möglicherweise ist das Modell weisheitlicher Tora-Erteilung alternativ zum Modell divinatorisch strukturierter Tora-Erteilung durch Priester und Prophet entstanden oder das Modell weisheitlicher Tora-Erteilung ist eine modifizierende Rezeption priesterlicher und / oder prophetischer Tora-Erteilung im weisheitlichen Kontext. d) Im Orakelwesen. In Gen 12, 6; Dtn 11, 30 und Ri 7, 1 finden sich Ortsnamen (»Eiche/n More«, »Hügel More«), die auf das mit Tora verwandte Verb jrh III hif. »lehren, unterweisen, zeigen« zurückzuführen sind und auf eine alte Praxis von Unterweisungsvorgängen im Orakelwesen an exponierten Orten Israels hindeuten (vgl. Gen 12, 6 mit Ri 9, 27). e) Bei der Rechtsfindung am Kultort. In Dtn 17, 8-13 schließlich geht es um Rechtsfälle, die vom Ortsgericht nicht entschieden werden kön-

nen. Diese Fälle sollen vor eine aus levitischen Priestern und »dem Richter« bestehende Instanz am zentralen Kultort gebracht und unter Durchführung einer Gottesbefragung (da¯rasˇ) und öffentlicher Bekanntmachung entschieden werden. Diese Entscheidung gilt als Tora, die unbedingte Gültigkeit hat, insofern ihre Nichtbeachtung unter Strafe gestellt wird (Dtn 17,11 ff.). Tora ist in Dtn 17, 8-13 eine auf einen Einzelfall bezogene Rechtsentscheidung, die von der aus Priestern und einem Richter bestehenden Instanz am zentralen Kultort vermittelt wird. Die Tora des Mose. Mit der Ausbildung der Tora des Mose, die in den Büchern Deuteronomium bis zum 2. Königebuch ihren primären literarischen Ort hat und wohl im 6. Jh. v. Chr. entstand (vgl. Dtn 33, 4; 1 Kön 2, 3; 2 Kön 14, 6; 23, 25), verändert sich die Vorstellung von Tora erheblich. Galt eine Tora bisher situativ und thematisch mehr oder weniger begrenzt, so gewinnt sie in Gestalt der Mose-Tora nun sehr viel grundsätzlichere Bedeutung, was für die weitere Begriffsgeschichte prägend ist. Indem diese Tora auf Mose als zentrale Figur der Gründungsgeschichte Israels zurückgeführt wird und inhaltlich aus ermahnender Erinnerung an diese Gründungsgeschichte (Dtn 1-11.27 ff.) sowie aus einem die verschiedenen Bereiche öffentlichen und privaten Lebens behandelnden Rechtskorpus (Dtn 12-26) besteht, gewinnt sie zentrale Funktion in der Beziehung Israels zu Gott. Textlich umfasst die Mose-Tora die umfängliche Mose-Rede in Dtn 1-30. Die Existenz von Abschlussformeln, die den Wortbestand dieser Tora sichern sollen (Dtn 4, 2; 13, 1), und spezielle Tradierungs- und Veröffentlichungsvorschriften (Dtn 17, 18; 31, 10 f.) zeigen an, dass der Mose-Tora kanonische Bedeutung zukommt. Aus 1 Kön 2, 3; 2 Kön 14, 6; 23, 25 ergibt sich ferner, dass die Mose-Tora die gesamte Geschichte Israels hindurch in Kraft gilt. Möglicherweise knüpft die Konzeption der MoseTora an das Vorbild prophetischer Tora-Erteilung an (vgl. Jes 8, 16), da auch Mose nach der Tradition ein Prophet ist (Hos 12, 14; Dtn 18, 18). Vermutlich Elemente bestehenden Rechts enthaltend (Dtn 12-26) ist die Mose-Tora gleichwohl kein

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»Gesetz«, sondern entsprechend der sie auszeichnenden Mischung aus Geboten, Satzungen und Rechtsentscheidungen einerseits und argumentativ zugespitzten Erzählpassagen zur Gründungsgeschichte Israels andererseits »Weisung«. Inwiefern die Rahmenkonzeption der Mose-Tora bereits für das joschijazeitliche Rechtsbuch (2 Kön 22 f.), das wohl teilweise mit dem Text Dtn 12-26 identisch ist, bestimmend war, ist eine offene Frage. Analog zur priesterlichen und prophetischen Tora bezieht sich jedenfalls auch die Mose-Tora auf vorgängige Rede Gottes, indem sie an zentraler Stelle darstellt, diejenigen Gebote zu lehren, die JHWH nach der für ganz Israel vernehmbaren Kundgabe des Dekalogs am Horeb zunächst Mose allein mitgeteilt hat (Dtn 5, 316,1). Die Tora Gottes / JHWHs. Die Tora menschlicher Institutionen (Priester, Prophet, Mose usw.) impliziert den Anspruch, Sprachrohr für Weisung oder Wort Gottes zu sein (vgl. Mal 2,7). Die je vorausgesetzte Vorstellung von der Tora Gottes (bzw. JHWHs) meint kein Unterweisungsgeschehen unabhängig von der Tora-Erteilung durch menschliche Instanzen. Tora Gottes ist vielmehr die Quelle und Norm menschlicher Tora-Erteilung und verlautet stets durch sie. »Tora Gottes / JHWHs« ist insofern ein Komplementärbegriff zur Tora menschlicher Instanzen, der in der Schriftprophetie von Anfang an in kritischer Absicht verwendet wird, um die Instrumentalisierung oder Verachtung des Gottesbezugs in der Tora durch Priester und Propheten (Mi 3, 11; Jes 1, 10 ff.; 5, 22 ff.; Jer 8, 8 ff.) oder durch Israel (bzw. Juda, Jerusalem) (Hos 8,12; Jer 6,19; 9, 12; 16, 11) zu kritisieren. Konsequenterweise wird in Jer 31, 33 f. das Hoffnungsbild gezeichnet, dass Gottes Tora in einer Zukunft ins Herz der Menschen des Hauses Israels geschrieben sein und vermittelte Unterweisung sich dann erübrigen wird. Die Vorstellung von der Tora Gottes hat auch nach dieser Bewertung menschlicher Unterweisung kritische Funktion. Die Differenz zwischen menschlich-institutioneller Tora-Erteilung und Wort Gottes wird selbst für die Mose-Tora festgehalten, in diesem Fall aber nicht in kritischer

Absicht, sondern um den prinzipiellen Unterschied zwischen menschlicher Tora und darin bezeugtem göttlichen Wort zu betonen. Symbolhaft findet das seinen Ausdruck darin, dass die steinernen, durch Gott selbst mit dem Dekalog beschriebenen Tafeln nach Dtn 10, 5 in die Bundeslade kommen, während die durch Mose verschriftete Mose-Tora nach Dtn 31, 26 neben der Lade deponiert werden soll (also nicht in der Lade). In diesem Detail drückt sich die Einsicht aus, dass die Tora Gottes die sie bezeugende menschliche Tora notwendig transzendiert. Die Tora Gottes wurde als bleibend kritisches Prinzip zur stets vorwärts drängenden Triebkraft in der Geschichte der Entstehung des Kanons, in der nach der Mose-Tora später auch der Pentateuch und der Hexateuch (die Bücher Gen-Jos) als Gestalten der Tora Gottes (Jos 24, 26) ausgemacht wurden, auf die sich beispielsweise die persönliche Frömmigkeit beziehen kann (Ps 1; 19; 119). 2. Nachbiblisches Judentum Diese Grundlage entfaltet das antike Judentum in dem Koordinatensystem »schriftliche Tora / mündliche Tora« einerseits, »Halacha und Haggada« andererseits, in das sich auch die neutestamentlichen Aussagen zum Gesetz einordnen. »Halacha und Haggada«. Schon der Pentateuch ist nicht nur eine Sammlung von Gesetzen, er enthält zu gleichen Teilen erzählende Stoffe. Die Rabbinen tragen diesem Befund Rechnung, indem sie Halacha (praktische Weisungen für die Lebensgestaltung) und Haggada (erzählende / theologische Stoffe) voneinander unterscheiden. Mit den Rabbinen gesprochen klärt die Halacha, wie man im Angesicht des Gottes Israel leben soll, während die Haggada beschreibt, wer der Gott Israels (SifDev 49) und sein menschliches Gegenüber ist. Beides konstituiert die Tora. Sie ist also ein Sinnuniversum, das gleichermaßen dem Handeln und dem Denken Orientierung gibt. »Schriftliche und mündliche Tora«. Die Weisungen des Pentateuch bedürfen der Aktualisierung und Konkretisierung, damit sie im Alltag gelebt werden können. Außerdem wirft die alltägliche

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Lebensgestaltung viele Fragen auf, auf die der Pentateuch keine direkte Antwort gibt, hier ist weitergehende praktische Orientierung nötig (vgl. Müller 1992, 106 ff.; Maier 4-11; 117). Inwieweit diese Aktualisierungen und Weiterentwicklungen selbst zur Tora gehören, und wer die Vollmacht hat, diese verbindlich zu setzen (Maier 99; Kraus 153 ff.), war um die Zeitenwende herum umstritten. Josephus (Flav. Jos. Ant. 8, 297 f.; 408 f.) sieht hier einen Differenzpunkt zwischen den Sadduzäern, die die Verbindlichkeit solcher Stoffe ablehnen, und den Pharisäern, die sie akzeptieren. Die Rabbinen haben später beides für gleichermaßen verbindlich erklärt und auf den Begriff der mündlichen und schriftlichen Tora gebracht. Beide werden auf die Sinaioffenbarung zurückgeführt (mAv 1, 1; jPea 2, 6 (17a); vgl. Safrai 1987a, 58; SifWa 26, 46). Israel und die Tora. Zu den Kontinuitätsmomenten im Judentums in seinen unterschiedlichen Ausprägungen bis heute gehört die Überzeugung, dass die Tora eine lebensspendende Gabe Gottes an Israel ist (vgl. SifWa 18, 5), durch die Gott sich in besonderer Weise mit dem Volk Israel in Beziehung gesetzt hat: »Gelobet seist du Herr, der uns aus allen Völkern erwählt und seine Tora gegeben hat«, heißt es in der Gebetstradition (bBer 11b). Das Volk Israel bewahrt diese Verbindung, indem es sein Leben an der Tora ausrichtet. Dadurch sichert es zugleich seine Identität als Gottes Volk im Gegenüber zu den anderen Völkern. Trotzdem haben jüdische Autoren wie Philo von Alexandrien (Philo opif. 3; Philo Abr. 275 f.; vgl. 4 Makk 5, 25) über das Verhältnis der Heiden bzw. der Weltvernunft zur Tora intensiv nachgedacht. Wenn Juden mit Nichtjuden zusammenleben – wie es im Land Israel und in der Diaspora durchgängig, wenn auch in unterschiedlicher Intensität der Fall war – bestimmt sie auch Nähe und Distanz zu Menschen, die dem Judentum nicht angehören. Wenn ein Mensch aus der Völkerwelt in die unmittelbare Beziehung zum Gott Israel hinein genommen werden möchte, so muss und kann er bzw. sie zum Judentum übertreten. Für die eschatologische Zukunft wird erwartet, dass sich mit

der Zuwendung der gesamten Menschheit zum Gott Israels auch die Bedeutung der Tora für alle zeigt (Jes 2 / Mi 4; Jes 42). Für jüdische Menschen, die die Erfahrung machen, dass durch das Christusgeschehen neuerdings auch Nichtjuden in unmittelbarer Weise mit dem Gott Israels verbunden sind, erwächst aus dieser Erfahrung die Aufgabe, die Rolle der Tora für die Beziehung zwischen Gott und der Menschheit aus Juden und Heiden neu zu bedenken. 3. Neues Testament Fragt man aus sozialgeschichtlicher Perspektive nach der Tora im Neuen Testament, darf man nicht nur solche Texte in den Blick nehmen, in denen das Gesetz Gegenstand der theoretischen Reflexion ist. Genauso wichtig sind Stellen, an denen die Alltagsrelevanz der Tora deutlich wird. Was bedeutete das Leben nach der Tora im Alltag der Menschen, von denen die Evangelien berichten? Was bedeutet sie für das Miteinander von Juden und Nichtjuden in den frühen Gemeinden? Aus dieser Perspektive erschließt sich nicht nur die Alltagsrelevanz der Tora für die Menschen, die im Neuen Testament zur Sprache kommen, sie trägt auch dazu bei, die theoretischen Diskussionen über das Gesetz angemessen zu verstehen. Die haggadische Funktion der Tora. So gut wie alle Schriften des Neuen Testaments greifen direkt oder in Anspielung auf den Text der Tora (und der übrigen Schriften des sich entwickelnden biblischen Kanons) – zumeist in der griechischen Übersetzung – zurück. Wie in allen Kreisen des Judentums entwickelt sich das Denken im Raum der Tora und verantwortet sich vor der Tora. Tora und (heilige) Schrift können in diesem Sinn zu Synonymen werden (vgl. Joh 5, 39-47; 10, 37). So wird die Bedeutung von Jesu Sterben und seiner Auferweckung von »den Schriften« her gedeutet (1 Kor 15, 3 f.). Das Ereignis der Rechtfertigung aus Glauben wird aus der Schrift (der Tora) am Beispiel Abrahams begründet (Röm 4). Jakobus schränkt die (vermeintliche) Alleinbedeutsamkeit des Glaubens ein, indem er seinerseits die Tora begründend

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heranzieht (Jak 2, 21 ff.). Dieses Gefälle von der normativen Geltung der Tora (und den Schriften) hin zur Jesusgeschichte und ihrer Bedeutung ist die Hauptlinie neutestamentlicher Tora- und Schriftrezeption: Was man von Jesus, seiner Beziehung zu Gott und seiner Bedeutung für das Heil der Menschen sagen kann und darf, sagt man im Licht der Tora. Umgekehrt gilt aber natürlich auch: Was Tora und Schriften sagen, versteht man im Licht der eigenen Weltsicht und Erfahrung. Für die neutestamentlichen Autoren ist es das Christusereignis, das den Sinn der Tora und der Schriften enthüllt. Matthäus beschreibt das Verhältnis von Jesus zur Tora und den Propheten so: Er »erfüllt« sie (Mt 5,17 ff.). Das bedeutet zum einen, dass im Blick auf die Jesusgeschichte die biblischen Verheißungen mit Bedeutung »gefüllt« werden (vgl. Vahrenhorst 236 ff.), was sie meinen, zeigt sich im Tun und Geschick Jesu. Im Blick auf die Tora bedeutet das zum anderen, dass Jesus ihre Gebote in ihrem Sinn für die Gegenwart zur Geltung bringt (5, 21 ff.). Die Tora zwischen Juden und Heiden. Den Texten der Apostelgeschichte spürt man die Überraschung noch ab, die es für in dem beschriebenen Koordinatensystem beheimatete Menschen bedeutet haben muss, dass in Folge des Christusereignisses nun plötzlich auch nichtjüdische Menschen durch den heiligen Geist in einer vollgültigen Beziehung zum Gott Israels stehen – ohne dass sie Juden geworden wären (Apg 10, 44 ff.; 11,15 ff.; 15, 8 f.14). Gott setzt sich durch die Glauben schaffende Gabe des Geistes auch zu Menschen in eine unmittelbare Beziehung, die nicht schon im Raum der Tora leben, und verbindet sie mit Christus und seinem Geschick. Diese Erfahrung hat in den frühen Jesusgemeinden drei unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen: 1. Es gibt Stimmen, die zwar anerkennen, dass Nichtjuden von Gott den Geist bekommen haben. Das dispensiert diese aber nicht davon, darauf durch den Schritt in den Raum der Tora hinein zu reagieren, und fortan als Juden in diesem Raum zu leben (Apg 15, 1.5; Gal 6, 12; 5, 2 u. ö.). 2. Dieser Ansicht widerspricht

Paulus im Galaterbrief vehement mit einer grundsätzlichen Stellungnahme zur Rolle der Tora, die nun nicht mehr zwischen ihrer Bedeutung für Juden und Heiden differenziert: Er verweist auf die Erfahrung, dass Menschen nicht durch die Tora und ihre Werke (z. B. die Beschneidung; vgl. Dunn 1990 191 f.; zur Diskussion: Bachmann 69 ff.) in ein heilvolles Verhältnis kommen, sondern durch den Glauben schaffenden Geist Gottes, und folgert daraus, dass sich niemand in einem durch die Tora vermittelten heilvollem Verhältnis zu Gott befindet. Um dies zu belegen, argumentiert Paulus mit der Tora in ihrer aggadischen Funktion: Schon am Beispiel Abrahams kann man sehen, dass es – wie bei den Galatern auch – das glaubende Sich-fest-Machen ist, das Menschen Gott recht macht (Gal 3, 11). Der »Segen Abrahams« kommt (wie man erfahren hat) durch Jesus – also nicht die Tora – zu den Heiden (Gal 3, 14). Die Heilsgüter »Gotteskindschaft« (Gal 3, 26) und »Nachkommenschaft Abrahams« (Gal 3, 29) werden durch Jesus vermittelt und nicht durch die Tora. Der lukanische Petrus lehnt wie Paulus die Forderung der Beschneidung ab (Apg 15, 7-12): Durch die Gabe des Geistes gehören Nichtjuden vollgültig zu Gott. Sie müssen und sollen nicht erst Juden werden, denn dann hätte sich gegenüber der Zeit vor Christus nichts geändert und »Christus wäre vergeblich gestorben« (Gal 2, 21). 3. Um die Gemeinschaft von Christen jüdischer und heidnischer Herkunft zu ermöglichen und dem Selbstverständnis der jüdischen Christen im Land Israel als heilige Größe entgegenzukommen, wird eine dritte Lösung entwickelt, die die nichtjüdischen Christen in Analogie zu den Beisassen (3 Fremde / Flüchtlinge) der Hebräischen Bibel versteht und ihnen entsprechende praktische Regeln auferlegt (Apg 15, 20.29 auf der Grundlage von Lev 17 und 18; Wehnert 240 ff.; Kraus 146 ff.), in großer Nähe zu dem, was im Judentum die noachidischen Gebote heißt mit ihrer Gültigkeit für alle Menschen. Sie müssen also nicht erst Juden werden, um in der Gemeinschaft mit Gott und den jüdischen Christen leben zu können.

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Theologisch sind die Aussagen im Römerbrief von besonderem Gewicht: »Die Tora ist heilig und das Gebot ist heilig, gerecht und gut« (Röm 7, 12), sie ist prinzipiell zu tun (Röm 2,13 vgl. Gal 3, 10) und wird im Gericht Maßstab des Urteils sein (Röm 2, 6). Problematisch ist nicht die Tora, die übrigens auch den Heiden nicht unbekannt ist (Röm 2,14 f.) – sondern die Macht der Sünde, die den Menschen versklavt, von Gott trennt, und sich dazu sogar der Tora bedienen kann (7, 13). Die Tora wird nicht getan, sie kann deshalb auch die Beziehung von Gott und Mensch nicht »reparieren«. Dazu bedurfte es des Christus (8, 3) und der Kraft des Geistes (8, 4). So ist für ihn Christus das Ziel der Tora (Röm 10, 4; vgl. Bergmeier 175 ff.). Die halachische Relevanz der Tora. Auf der Erzählebene der Evangelien umschreibt die Tora uneingeschränkt den Raum des Handelns. Die Protagonisten der Evangelien orientieren sich grundsätzlich an der Tora (z. B. Mk 1, 44; 12, 19 ff.; Joh 2, 6; 2,13; 5, 1; vgl. Bockmuehl 3 ff.). Diskussionen entzünden sich an Fragen der konkreten Toraerfüllung und an Situationen, in denen ein Gebot der Tora außer Kraft gesetzt werden darf. Im Mittelpunkt stehen dabei die im damaligen Judentum umstrittenen Halachot um den Sabbat (Mk 2, 23 ff. par; Joh 5, 9 und 9,14), die Reinheit (Mk 7 par) und die Ehescheidung (Mk 10 par; Mt 5, 31 f.). Fragt man nach dem Verhältnis des irdischen Jesus zur Tora, so gewinnt in der Forschung zunehmend die Auffassung an Bedeutung, dass Jesus sich völlig im Rahmen der Tora bewegt hat (vgl. z. B. Bockmuehl 3 ff.; Hirschberg 123 f.). Das bestätigen Texte wie Mk 10,19 und 12, 29-31. Theißen (59) hält die explizite Berufung auf die Tora sogar für ein Charakteristikum des jesuanischen Liebesgebotes im Vergleich mit anderen jüdischen Varianten. Jesu Stellungnahme zur Reinheit (Mk 7,15) nimmt eher eine Gewichtung zugunsten einer moralischen Reinheit vor, als dass sie ein Toragebot – geschweige denn die Tora – außer Kraft setzt. Jesus teilt die rabbinisch belegte Annahme, dass rein und unrein keine absolut gültigen Größen sind. Nicht das »Dass« der Orientierung an der

Tora, sonders das »Wie« ist Gegenstand der Debatten. Nun sind die Evangelien transparent auf die Gemeinden hin, für bzw. in deren Kontext sie geschrieben sind. Was bedeutet das für die praktische Relevanz der Tora für die Leserinnen und Leser der einzelnen Evangelien? Für das Matthäusevangelium geht ein großer Teil der Forschung davon aus, dass Matthäus seine Gemeinde in das Tun der Tora, deren Intention Jesus vor allem in den Kommentarworten (5, 21 ff.; vgl. Vahrenhorst 217 ff.) aufzeigt, einweist (5, 17 ff.; 23, 2 f.; 28, 20). Die Gemeinde ist der Ort, an dem halachische Entscheidungen fallen (18, 18). Markus schreibt wohl für eine heidenchristliche Gemeinde, die sich zumindest nicht an die Speisegebote gehalten hat (so Mk 7, 19), trotzdem überliefert Markus das biblisch begründete Doppelgebot (Mk 12, 29 ff.; vgl. Breytenbach 37 ff.). Die Geschichte Jesu und die der frühen Gemeinde zeichnet Lukas so, dass der Eindruck einer großen Übereinstimmung mit den Geboten der Tora entsteht (vgl. Jervell 100 f.). »Die ganze Kirche besteht« nach Lukas »aus lauter Eiferern für das Gesetz« (Jervell 101). Für Heidenchristen gelten praktisch nur die so genannten Jakobusklauseln (15, 20.29), was aber nicht bedeuten kann, dass die ethischen Lehren Jesu mit ihrer Tora-Orientierung außer Kraft seien. Im Blick auf das Johannesevangelium ist die Treue der Gemeinde zur Tora trotz der Tatsache, dass Jesus für Johannes der Grund der Tora ist und sie selbstverständlich tut, umstritten (vgl. Mayer-Haas 590). Paulus hat die Tora in ihrer halachischen Relevanz zumindest für Heidenchristen relativiert (dass sie für Judenchristen nach wie vor Maßstab des Handelns ist, schimmert in Texten wie 1 Kor 7, 18 ff. auf). Obwohl er in ethischen Kontexten nicht primär mit der Tora argumentiert, entsprechen seine konkreten Anweisungen aber der Sache nach dem, was die Tora fordert (Röm 13, 9; 1 Kor 5, 11; 6, 9; vgl. Niebuhr 232 ff.). Wie im damaligen Judentum üblich kommt dabei dem Liebesgebot zusammenfassende (aber nicht ausschließliche) Bedeutung zu (Finsterbusch 107). Die späteren Briefe des Neuen Testaments spie-

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Tora / Nomos

geln z. T. Konflikte, die sich an halachischen Fragen entzündet haben. Sie betreffen die Einhaltung des Sabbats und anderer Festtage (Kol 2, 16 f.) sowie Fragen der Reinheit (Kol 2, 21 f.; Tit 1, 15). Die Verfasser der Briefe relativieren die Bedeutung dieser Gebote (Kol 2, 17). Spezifisch christliche Gebote gewinnen an Gewicht. Der Jakobusbrief fordert hingegen explizit dazu auf, das ganze Leben am Nomos zu orientieren (1, 25; 4, 11), der im Liebesgebot seine hermeneutische Mitte hat (»königliches Gesetz«). Nach dem Auseinandergehen der Wege von Judentum und Christentum findet das seine Fortsetzung in Kreisen, die Christus als Gesetzgeber und das Christentum als »nova lex« (Belege bei Klein 142, der von einem heidenchristlichen »Nomismus« spricht) verstehen. Bachmann, Michael, Keil oder Mikroskop? Zur jüngeren Diskussion um den Ausdruck »›Werke‹ des Gesetzes«, in: ders. (Hg.), Lutherische und Neue Paulusperspektive. Beiträge zu einem Schlüsselproblem der gegenwärtigen exegetischen Diskussion, WUNT 182, Tübingen 2005, 69-134. Bergmeier, Roland, Vom Tun der Tora, in: Michael Bachmann (Hg.), Lutherische und Neue Paulusperspektive. Beiträge zu einem Schlüsselproblem der gegenwärtigen exegetischen Diskussion, WUNT 182, Tübingen 2005, 161-181. Bockmuehl, Markus, Jewish Law in Gentile Churches. Halakhah and the Beginning of Christian Public Ethics, Edinburgh 2000. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes (1992), Gütersloh 3 2005. Dunn, James D. G., The New Perspective on Paul, in: ders., Jesus, Paul, and the Law. Studies in Mark and Galatians, London 1990, 183-206. Ders., The Theology of Paul the Apostle, Edinburgh 2003. Finsterbusch, Karin, Die Thora als Lebensweisung für Heidenchristen. Studien zur Bedeutung der Thora für die paulinische Ethik, StUNT 20, Göttingen 1996. Goodman, Martin, Mission and Conversion. Proselytizing in the Religious History of the Roman Empire, Oxford 1994. Hardmeier, Christoph, Zur erinnerungskulturellen Singulärgestalt der deuteronomistischen Tora, in: ders., Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. Unterwegs zu einer performativen Theologie der Bibel, FAT 46, Tübingen 2005, 95-207.

Hirschberg, Peter, Jesus von Nazareth. Eine historische Spurensuche, Darmstadt 2004. Jervell, Jacob, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1998. Klein, Martin, »Ein vollkommenes Werk«. Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefes, BWANT 139, Stuttgart 1995. Kraus, Wolfgang, Die Bedeutung von Dtn 18, 15-18 für das Verständnis Jesu als Prophet, ZNW 90 (1999), 153-176. Labahn, Michael, Jesus und die Autorität der Schrift im Johannesevangelium – Überlegungen zu einem spannungsreichen Verhältnis, in: ders., / Klaus Scholtissek / Angelika Strotmann (Hg.), Israel und seine Heilstraditionen im Johannesevangelium, FS. J. Beutler, Paderborn u. a. 2004, 185-206. Maier, Christl, Jeremia als Lehrer der Tora. Soziale Gebote des Deuteronomiums in Fortschreibungen des Jeremiabuches, FRLANT 196, Göttingen 2002. Maier, Johannes, Studien zur jüdischen Bibel und ihrer Geschichte, Studia Judaica 28, Berlin / New York 2004. Mayer-Haas, Andrea, »Geschenk aus Gottes Schatzkammer«: (bSchab 10b). Jesus und der Sabbat im Spiegel der neutestamentlichen Schriften, NTA.NF 43, Münster 2003. Merklein, Helmut, Jesu Botschaft vom Anbruch der Gottesherrschaft, SBS 111, Stuttgart 1989. Müller, Karlheinz, Beobachtungen zum Verhältnis von Tora und Halacha in frühjüdischen Quellen, in: Ingo Broer (Hg.), Jesus und das jüdische Gesetz, Stuttgart u. a. 1992, 105-134. Niebuhr, Karl Wilhelm, Gesetz und Paränese. Katechismusartige Weisungsreihen in der frühjüdischen Literatur, WUNT 2/28, Tübingen 1987. Safrai, Shmuel, Oral Tora, in: ders. (Hg.), The Literature of the Sages. First Part: Oral Tora, Halakha, Mishna, Tosefta, Talmud, External Tractates, CRI II/3, 1, Assen 1987, 35119. Theißen, Gerd, Das doppelte Liebesgebot in der Jesusüberlieferung, in: Annette Merz (Hg.), Jesus als historische Gestalt, FRLANT 202, Göttingen 2003, 57-72. Vahrenhorst, Martin, »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«. Matthäus im halachischen Diskurs, WMANT 95, Neukirchen-Vluyn 2002. Wehnert, Jürgen, Die Reinheit des »christlichen Gottesvolkes« aus Juden und Heiden. Studien zum historischen theologischen Hintergrund des sogenannten Aposteldekrets, FRLANT 173, Göttingen 1997. Willi, Thomas, Juda – Jehud – Israel. Studien zum Selbstverständnis des Judentums in persischer Zeit, FAT 12, Tübingen 1995, 90-117. Zenger, Erich (Hg.), Die Tora als Kanon für Juden und Christen, Freiburg i. B. 1996.

Andreas Ruwe / Martin Vahrenhorst

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Trauer

Trauer 1. Die verschiedenen Ausdrücke für Trauer in den biblischen Texten beziehen sich sowohl auf eine allgemeine Gestimmtheit von Menschen als auch auf konkrete Verlusterfahrungen durch Tod (Lk 24, 17; Joh 11,19.33; Apg 9, 39). Der Tod eines Menschen löst Trauer aus, die sich vielfältig äußert. Die Trauernden selbst weinen, klagen, heulen oder schreien. Der übliche Klageruf ist im Hebräischen ho¯(j) (1 Kön 13, 29 f. u. ö.), das ein unartikuliertes Heulen wiedergibt. In der Regel wird ein Teil dieser Klage von kundigen Klagefrauen ausgeführt (Jer 9,16; Am 5, 16; Lk 23, 27 f.). In besonderen Fällen kann daneben ein wohlgesetztes Klagelied treten (2 Sam 1, 17; 3, 33). Zur verbalen Expression kommt eine Fülle möglicher ritueller Handlungen hinzu, die generell als symbolische Selbstminderung beschrieben werden können. Am eigenen Körper wird das Fasten, das Schlagen auf die Brust, der Verzicht auf Körperpflege, das Raufen der Haare, das Scheren von Bart und Haupthaar und das Anbringen von Einschnitten vorgenommen. Da beim Scheren und der Selbstverletzung die Gefahr der Verwechslung mit Riten aus der Verehrung nichtisraelitischer Gottheiten gesehen wurde, verbieten Lev 19, 27; Dtn 14, 1 diese Bräuche – schwerlich, wie die vielfachen Belege zeigen, mit unbeschränktem Erfolg. Ebenfalls zur Selbstminderung gehört das Zerreißen der Kleidung, das Anlegen eines besonderen Trauer- oder Sack-Gewandes aus grobem Leinen sowie das Bestreuen des Kopfes mit Staub oder Asche (»in Sack und Asche gehen«). Ob im konkreten Fall immer alle diese Riten oder nur ein Teil von ihnen durchgeführt wurden, bleibt offen. Neben solchen rituellen Trauervollzügen aus konkretem Anlass gibt es eine Trauerstimmung, die sich auf Verlusterfahrungen anderer Art beziehen kann. So trauert Samuel um Saul, den Gott verworfen hat (1 Sam 15, 35; 16, 1), ebenso wie David um seinen Sohn Abschalom, der vor ihm geflohen ist (2 Sam 13, 27). Subjekt solcher Art von Trauer können häufig das Land als Ganzes (Jes 33, 9; Jer 4, 28 u. ö.) oder Äcker und Wie-

sen (Joel 1, 10; Am 1, 2) sein. Trauer über das Schicksal Jerusalems drückt Jesus durch sein Weinen aus (Lk 19, 41). 2. Eine Besonderheit biblischer Texte gegenüber dem modernen Gebrauch ist der Vollzug von Trauerriten angesichts bevorstehender Gefahr. 1 Kön 20, 31-34 schildert, wie nach einer militärischen Niederlage die Unterlegenen in Traueraufzug zum Sieger ziehen, um ihn mild zu stimmen. In Jona 3 wird ein Trauerritual angesichts des vom Propheten angedrohten Untergangs der Stadt wiedergegeben, das diesen Untergang verhindern soll (und dies tatsächlich bewirkt). Es sind offizielle Fastenfeiern angesichts drohender Gefahren, bei denen alle Elemente der Trauer über Verstorbene zur Durchführung kommen (Joel 1-2). Ihr Ziel ist es, durch die vorweggenommene Trauer die Gottheit (oder im einen Fall den militärischen Sieger) dazu zu bewegen, das Unheil nicht eintreffen zu lassen. 3. Obwohl Gott nach biblischem Verständnis zu Äußerungen von Reue und Zorn, Liebe und Hass fähig ist (3 Emotionen) und auch Schmerz empfinden kann (Scharbert), wird nirgends himmlische Trauer erwähnt. Dies kann kaum mit der Heftigkeit der Äußerung beim Trauern zusammenhängen, denn Gott kann durchaus mit einer stöhnenden und schreienden Frau beim Gebären verglichen werden (Jes 42, 14). Eher mag man daran denken, dass die starke Ritualisierung des Trauerns es schwer macht, dies auf Gott anzuwenden, weil bei der Vorstellung des Kleiderzerreißens, Sack-Anlegens oder Haareraufens eine Konkretheit erreicht würde, die auch für verbale Bilder in der Bibel vermieden wird. Während also Gott selbst nicht ausdrücklich als Trauernder angesprochen wird, zeigt er doch seine Nähe zu den Trauernden dadurch, dass er sie tröstet (Jes 61, 2; Mt 5, 4). Bail, Ulrike, Hautritzen als Körperinszenierung der Trauer und des Verlustes im Alten Testament, in: Jürgen Ebach u. a. (Hg.), »Dies ist mein Leib«. Leibliches, Leibeigenes und Leibhaftiges bei Gott und den Menschen, Jabboq 6, Gütersloh 2006, 54-80.

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Traum

Bieberstein, Sabine, Die Welt der Toten und die Hoffnung der Lebenden, in: Luzia Sutter Rehmann u. a. (Hg.), Sich dem Leben in die Arme werfen. Auferstehungserfahrungen, Güterlsoh 2002, 55-71. Jahnow, Hedwig, Das hebräische Leichenlied im Rahmen der Völkerdichtung, BZAW 36, Gießen 1923. Kutsch, Ernst, »Trauerbräuche« und »Selbstminderungsriten« im Alten Testament, in: Kleine Schriften zum Alten Testament, BZAW 168, Berlin / New York 1986, 7895. Olyan, Saul M., Biblical Mourning: Ritual and Social Dimension, Oxford u. a. 2004. Podella, Thomas, Sôm-Fasten. Kollektive Trauer um den ˙ verborgenen Gott im Alten Testament, AOAT 224, Kevelaer / Neukirchen-Vluyn 1989. Scharbert, Josef, Der Schmerz im Alten Testament, BBB 8, Bonn 1955.

Claudia Janssen / Rainer Kessler

Traum Der Traum wird in den biblischen Texten wie in der gesamten altorientalischen und antiken Welt als Zugang zur göttlichen Welt erachtet. Er gehört wie die Vision, die Audition und das Orakel zu den intuitiven Formen des Gottesbescheides. Eine klare Abgrenzung zwischen diesen verschiedenen Formen ist nicht immer gegeben. Den Traum im engeren Sinne bezeichnet im Alten Testament das hebräische Wort halo¯m. Der in ˙ der Septuaginta gebräuchliche Terminus für Traum (enupnion) begegnet im Neuen Testament nur in Apg 2, 17 als Verheißung von Träumen für die Ältesten bei der Geistausgießung. Den anderen biblischen Begriff für Traum (onar) verwendet allein Matthäus (Mt 1, 20 etc.). Ob und wann unabhängig von den genannten Termini im Neuen Testament von Träumen gesprochen werden kann, ist umstritten. Im Neuen Testament wird auf eine Unterscheidung zwischen Träumen, Offenbarungen (apokalypsis, z. B. 1 Kor 14, 26; Gal 1, 12), Visionen (horama, z. B. Mt 17, 9; Apg 7, 31), Ekstasen (ekstasis, Apg 10,10; 11, 5) und Gesichten (horasis, Apg 2, 17; Offb 9, 17) kein besonderer Wert gelegt. Es ist

nicht entscheidend, ob Josef (Mt 2,13.19 f.) und den Magiern (Mt 2, 12) in einem Traum (onar) oder ob Paulus in einem Gesicht zur Nacht (horama, Apg 16, 9) gesagt wird, wohin sie zu gehen haben. Wesentlich ist, dass es sich um Offenbarungen Gottes handelt, denen Folge geleistet wird. Nicht der Modus einer Offenbarung, sondern ihr Inhalt ist von Gewicht. Im Alten Testament stehen dagegen Texte, die Träume ganz selbstverständlich als göttliche Botschaften an die Menschen werten (Hi 7,14; 33, 1518) neben anderen Texten, die den Traum als Medium der göttlichen Offenbarung deutlich von anderen Formen des Gottesbescheides abgegrenzt sehen wollen. Koh 5, 6 und Sir 34,1-8 warnen gar davor, auf Träume statt auf Gottesfurcht, auf Weisheit oder auf die Tora zu vertrauen. Auch im Rahmen der Prophetie erscheint der Traum einerseits als reguläres Offenbarungsmittel (Num 12, 6; Dtn 13, 2.6; 1 Sam 28, 6 und Joel 3,1; 3 Propheten / Prophetinnen) und wird andererseits als solches scharf kritisiert, gegenüber dem Wortempfang abgewertet und diesem nachgeordnet (Jer 23, 25-32; 27, 9; 29, 8; Sach 10, 2). Der Traum gilt dann als eine nicht unmittelbare Form des Gottesbescheides mit der Gefahr, dass es sich bei der Botschaft nicht um ein göttliches Wort, sondern um (erfundene) menschliche Worte handelt. Alt- und neutestamentliche Texte kennen den Traum als Medium der göttlichen Offenbarung an jeden Menschen. An einigen Stellen ist den Träumenden die Botschaft des Traumes dann auch unmittelbar einsichtig: Abimelech in Gen 20, 3-8, Jakob in Gen 28, 12-19 und Gen 31,10-13, Laban in Gen 31, 24, Josef in Gen 37, 5-11, Salomo in 1 Kön 3, 5-15, Sterndeuter in Mt 2,12, Paulus in Apg 16,9 f. (vgl. aber Apg 10,17.19). Das Alte Testament kennt darüber hinaus auch spezielle Traumdeuter und ProphetInnen als privilegierte AdressatInnen von Träumen. Symbolträume bedürfen etwa der Traumdeutung durch kompetente Personen (Ri 7, 13-15). Solche standen etwa den Herrschenden zur Verfügung. Aus dem mesopotamischen und ägyptischen Raum sind umfangreiche Traumdeutungsbücher bekannt,

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Vater

anhand derer die Bedeutung eines Traumes geklärt werden konnte. Als besonders bevollmächtigte Traumdeuter werden im Alten Testament Josef in Gen 40-41 und Daniel in Dan 2.4 gezeichnet. Im Neuen Testament wird die Fähigkeit zu offenbarenden Träumen oder zu deren Deutung anders als etwa die Gabe der Prophetie (1 Kor 12, 10) nicht als 3 Charisma gewertet. Gott offenbart sich unabhängig von Herkunft, Religionszugehörigkeit und Geschlecht. Bei der Fähigkeit zur Traumdeutung handelt es sich damit um kein Privileg oder Herrschaftswissen: Hinsichtlich ihres Traumverständnisses sind der galiläische Handwerker Josef (z. B. Mt 2,13), eine heidnische Frau (Mt 27, 19), die berufsmäßigen Traumdeuter aus dem Osten (Mt 2, 12) und der Apostel Paulus (Apg 16, 9 f.) einander gleichstellt. Im Matthäusevangelium spielen Träume eine zentrale literarisch-theologische Rolle: Die Träume Josefs, des Vaters Jesu, und die daran gebundene Flucht nach Ägypten (Mt 2,13) greifen typologisch die Träume Josefs (Gen 37, 5-10), des Traumdeuters (Gen 40 f.) und Ernährers Ägyptens auf. Mehr noch als in anderen Schriften des Neuen Testamentes motivieren Träume bei Matthäus eine Änderung bisheriger Pläne oder deuten ein Geschehen theologisch (Mt 27, 19). Heininger, Bernhard, Art. Traum / Traumdeutung, RGG4 VIII, 2005, 569 f. Husser, Jean-Marie, Dreams and dream narratives in the biblical world, Sheffield 1999. Lanckau, Jörg, Herr der Träume. Eine Studie zur Funktion des Traumes in der Josefsgeschichte der Hebräischen Bibel, AThANT 85, Zürich 2006. Morgenthaler, Christoph, Art. Traum. IV. Neues Testament, TRE 34, 2002, 40 f. Zgoll, Annette, Traum und Welterleben im antiken Mesopotamien. Traumtheorie und Traumpraxis im 3.-1. Jahrtausend v. Chr. als Horizont einer Kulturgeschichte des Traumes, AOAT 333, Münster 2006.

Maria Häusl / Karl-Heinrich Ostmeyer

Unfruchtbarkeit 3 Fruchtbarkeit / Unfruchtbarkeit Unreinheit 3 Reinheit / Unreinheit

Vater Im Alten Testament hat der Vater die rechtliche Verfügungsgewalt über seine 3 Familie, die jedoch das Recht auf eigenhändige Tötung ausschließt (Spr 19, 18; Dtn 21, 18-21). Er hat die Pflicht, seine Kinder in die rechte Gottesverehrung und ein toragemäßes Handeln einzuführen (Gen 18, 19; Ex 12, 24-27; Dtn 6, 7; Joel 1, 3), was einschließt, dass er selbst ein vorbildliches Leben führt. Die gegenseitige Achtung ist ein wichtiger Aspekt im Verhältnis von Eltern und Kindern (Spr 15, 20; 17, 6; Ex 21, 15.17; 20, 12). Konflikte in diesem Verhältnis schildern Erzählungen über die Erzeltern (Gen 21, 14; 27) und die Königsfamilie (1 Sam 20, 30-33; 2 Sam 13-18). Auch Verfehlungen eines Vaters gegenüber seiner (Schwieger-)tochter werden nicht verschwiegen (Gen 19, 30-38; 38; Ri 11, 35-40). Aufgrund der Darstellung der Volksgeschichte als Familiengeschichte und der Bedeutung der Generationenfolge dient die Besinnung auf die Vorväter und -mütter der Vergegenwärtigung der göttlichen Heilszusagen (Dtn 5, 2-3; 1 Kön 8, 40.57; Jes 51, 2; Jer 11, 3-5). Bei den Propheten wird jedoch auch Kritik an den Vorvätern laut (Jer 7, 25-26; Ez 2, 3; Hos 9, 10; 12, 4; Am 2, 4), die meist in eine Verurteilung der jetzigen Generation mündet. Der Bezug auf die Vorväter und -mütter ist im Neuen Testament ungebrochen (Joh 6, 31; Apg 28,17; Röm 9, 5), wenn auch durchaus der kritische prophetische Impetus aufgenommen wird (Lk 6, 23; Gal 1, 14). Die vorexilisch noch vertretene Schuldverhaftung der Kinder für die Verfehlungen der Väter (2 Sam 21, vgl. Klgl 5,7) wird im Exil problematisiert (Ez 18, 2-4) und zugunsten einer Eigenverantwortlichkeit und einer Beurteilung der je Einzelnen (Jes 65, 6-7; Jer 31, 29-30; 32, 18-19) beantwortet.

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Verein

Gott als Vater. Die Vorstellung von Gott als Vater, die der familiären Frömmigkeit entstammt (Gen 26, 24; Dtn 32, 6.18), findet sich im Alten Testament seltener als oft vermutet. Sie bleibt in vorexilischer Zeit weitgehend auf das Gottesverhältnis des Königs beschränkt (2 Sam 7, 14; Ps 2, 7; 89, 27), weil die vertrauliche familiäre Anrede zu JHWH als Lenker der Geschichte kaum passt. Erst seit der in exilischer Zeit erfolgten Rückbesinnung auf die Familienfrömmigkeit finden sich Belege, die Gott direkt als Vater ansprechen (Jer 3, 4 f.19; 31, 20; Jes 63, 16; 64, 7; Sir 23,1; Weish 14, 3). Wo Texte an Erbarmen und Fürsorge appellieren (Ps 16, 7-11; 25, 6; 40, 12; 103, 4), sind »väterliche« und »mütterliche« Rolle kaum voneinander zu unterscheiden, so auch in Hos 11, 1-4 (vgl. Mt 23, 37). Israel gilt als erstgeborener Sohn (Ex 4, 22; Jes 43, 6; Jer 31, 9), der jedoch auch zu Gehorsam und Ehre gegenüber dem Vater verpflichtet ist (Jer 3, 19; Mal 1, 6). In der Rede von Gott als Schöpfer eines Menschen wird die Vorstellung der Zeugung vermieden zugunsten eines handwerklichen Erschaffens im Mutterleib (Hi 31,15; Ps 139, 13; Jes 44, 24, 49, 5) und der Hebammenrolle (Ps 22, 10; 71, 6). Im gesamten Neuen Testament wird Gott als Vater angesprochen. Er ist Vater Jesu Christi (Mk 14, 36; Joh 1, 14; 5, 36; Röm 5,16) und Vater der einzelnen Gemeindeglieder (Mt 23, 9; 1 Petr 1, 17). Im Gebet darf Gott »Vater« genannt werden (Mt 6, 9). Die Anrede Gottes als Vater drückt aus, dass Schutz und Führung bei Gott gesucht werden, Gott also das Vertrauen, das einem Vater und Hausherrn gegenüber bestehen kann, verdient. Diese Beziehung zu Gott durch Jesus Christus verschafft auch den nichtjüdischen Menschen Zugang zu Gottes Volk (Eph 2, 18) und macht alle Glieder der Gemeinde zu Geschwistern (Röm 8, 29). Väter im Neuen Testament. Das Bild Gottes als Vater stellt die Rolle menschlicher Väter in Frage (vgl. Joh 6, 45; Mt 23, 9). Die Gemeinde ersetzt alle Rollen der Familienmitglieder außer der des Vaters (Mk 10, 30). Hier spiegelt sich der Verlust an Vertrauen in die patriarchale Rolle des Vaters als zuverlässige Führungs-, aber auch Versor-

gungsperson des Haushalts in den ärmeren Bevölkerungsschichten Palästinas. Paulus entwickelt eine Vater-Metaphorik für seine eigene Rolle den von ihm gegründeten Gemeinden gegenüber (1 Kor 4, 15; 1 Thess 2,11), kann aber auch mütterliche Vorstellungen verwenden (Gal 4,19). Reales Vater-Sein gegenüber Kindern wird in den Haustafeln (Kol 3, 21; Eph 6, 4) angesprochen. Ein Vater soll seine Kinder nicht scheu machen, was wohl bedeutet, sie nicht streng und willkürlich zu behandeln. In den Anweisungen für Gemeindeleiter in 1 Tim wird erwartet, dass ein guter Vater gehorsame Kinder hat (3, 4). Allmen, Daniel von, La famille de Dieu. La symbolique familiale dans le paulinisme, OBO 41, Fribourg / Göttingen 1981. Böckler, Annette, Gott als Vater im Alten Testament, Gütersloh 2000. Eyben, Emiel, Fathers and Sons, in: Rawson, Beryl (Hg.), Marriage, Divorce and Children in Ancient Rome, Canberra 1991, 114-143. Seifert, Elke, Tochter und Vater im Alten Testament, Neukirchen-Vluyn 1997.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Verein Als Verein bezeichnet man einen freiwilligen Zusammenschluss von Menschen, die sich zur Erreichung eines bestimmten Zieles zusammenfinden und dieses durch gemeinsames Handeln erreichen wollen. Vereine waren ein wichtiger Bestandteil der antiken Gesellschaft und erlebten in der römischen Kaiserzeit eine regelrechte Blüte. Für viele Mitglieder der christlichen Gemeinden ist daher anzunehmen, dass sie zuvor oder auch zeitgleich in einem oder mehreren Vereinen Mitglieder waren. Griechische Bezeichnungen für einen Verein sind thiasos, koinon, eranos, synodos oder hetairia, lateinische collegium, conventus, corpus, consortium, societas oder sodalitas. Die meisten Vereine gaben sich aber individuelle Namen.

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Verein

Vereine spielten in der Antike eine wichtige Rolle als soziale Netzwerke, in denen sich Angehörige aller Gesellschaftsschichten engagieren konnten. Sie boten, orientiert am Ideal der Freundschaft, für einen kleinen Bereich des Lebens soziale Aufstiegsmöglichkeiten und den Ausgleich von Verlusten durch Heimatlosigkeit, Sklaverei oder Armut. Viele Vereine waren nur Höhergestellten zugänglich und oft verbunden mit größeren finanziellen Aufwendungen. Umgekehrt gab es auch Sklavenvereine: Sie boten den unteren Schichten Möglichkeiten der Gemeinschaft, der sozialen Anerkennung, aber etwa auch der sozialen Vorsorge. Und schließlich sind auch etliche Vereine belegt, in denen Personen verschiedener Gesellschaftsschichten Mitglieder waren. Unterschiedlich war auch der Zugang von Frauen geregelt. Die meisten Mitgliederlisten, die inschriftlich erhalten sind, enthalten ausschließlich männliche Namen. Wenn ab und zu eine Frau genannt wird, dann zumeist, weil es sich um eine für den Vereinskult wichtige Priesterin handelt, oder die Frau eines Amtsträgers. Vereine mit Mitgliedern beider Geschlechter waren zumeist so genannte »Familienvereine«, die aus einer Familie und deren Umfeld bestanden. Reine Frauenvereine waren selten (vor allem Kollegien von Priesterinnen). Nur in einer einzigen Vereinsinschrift (aus dem lydischen Philadelphia, um 100 v. Chr.) wird eine besondere Betonung des freien Zugangs von Männern und Frauen, Freien und Sklaven erwähnt (SIG3=4 III 985), während dies zu den besonderen Eigenheiten der frühchristlichen Gemeinden gehörte. Möglicherweise war dies mit ein Grund für ihre Anziehungskraft. Die Ziele der Vereine waren recht unterschiedlich. So gab es Berufsvereine, in denen sich die Angehörigen eines Handwerks oder Unternehmer mit gleichen Interessen trafen. In ihnen wurden neben geschäftlichen Abmachungen auch die diesen Beruf schützende und fördernde Gottheit verehrt. Auch der Kontakt des Paulus mit Aquila und Priszilla (Apg 18, 2 f.), die alle drei den Beruf des Zeltmachers ausübten, könnte auf

dem Weg eines Vereins zustande gekommen sein. Andere Vereine setzten sich aus Personen gleicher geographischer Herkunft zusammen. Dies trug dazu bei, durch Auswanderung oder Versklavung verlorene Bindungen neu zu gewinnen. In diesen Vereinen spielten die Kulte der Herkunftsgebiete eine wichtige Rolle. Möglicherweise wurden auch die jüdischen Synagogen von der paganen Umgebung als landsmannschaftliche Vereine betrachtet. In vielen Vereinen stand die Verehrung einer oder mehrer Gottheiten im Zentrum des Interesses, wenngleich kultische Betätigung in allen Vereinen eine Rolle spielte. Oft wurden auch die Bezeichnungen nach diesen Gottheiten vergeben. Besonders verbreitet waren die Dyonisiasten (Iobakchen), die in Mysterienspielen den Mythos nachspielten (vgl. SIG3=4 III, 1109). Die Benennung nach der verehrten Gottheit war so häufig, dass möglicherweise auch die Bezeichnung als »Christen« daraus erklärt werden kann (Apg 11, 26; 26, 28; 1 Petr 4,16). Im Vereinsleben standen die Treffen, bei denen Mahlzeiten eingenommen und religiöse Feiern vorgenommen wurden, im Zentrum. Diese wurden finanziert aus den mitgebrachten Gaben, vor allem aber aus der gemeinsamen Kasse (griech. koinon), in die festgesetzte Beträge regelmäßig eingezahlt wurden. In den Vereinsordnungen, die uns in Inschriften oder auf Papyrus überliefert sind, spielen diese Mahlzeiten, ihre Häufigkeit und Finanzierung eine wichtige Rolle, woraus deutlich wird, dass sie der wichtigste Teil des Vereinslebens waren. Es verwundert daher auch nicht, wenn Paulus in 1 Kor 8-10 ausführlich auf dieses Thema zu sprechen kommt, und die Mahlgemeinschaft ein zentrales Thema in der Entwicklung der christlichen Gemeinden war (Gal 2, 11-14; Apg 15, 29). Über das gemeinsame Essen und Trinken hinaus machten es sich Vereine auch öfters zur Aufgabe, für standesgemäße Begräbnisse ihrer Mitglieder zu sorgen. Dies war vor allem für die Ärmeren wichtig, die sonst nach ihrem Tod in einem Massengrab verscharrt worden wären.

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Verfemte Berufe

Vermögendere Vereine hatten sogar eigene Begräbnisstätten, in Rom etwa so genannte Columbarien. Möglich waren zudem Kreditvergaben aus der Vereinskasse, die manchmal auch Hauptzweck des Vereins waren. Wichtig für die finanzielle Ausstattung waren neben den Beiträgen vor allem Patrone und Patroninnen, die Gelder, Grundstücke oder sogar Gebäude stifteten. Auch im frühen Christentum spielten Gaben Einzelner von der Urgemeinde (Barnabas Apg 4, 36 f.) bis zu den Gastgebern und Gastgeberinnen der Hausgemeinden (Röm 16, 3-5.23; 1 Kor 1, 14.16; 16, 15-19) ein wichtige Rolle. Gleiches gilt für die jüdischen Synagogen, die selbstverständlich auch von paganen Stiftern Gaben annahmen. Als Gegenleistung erhielten Patrone und Patroninnen in Vereinen zumeist Ehreninschriften, die zahlreich erhalten sind, u. U. auch die höchsten Ämter im Verein (die sie oft aber nicht ausübten). Auch Feiern zu ihren Geburtstagen o. ä. waren üblich. Der Verein selbst profitierte nicht nur finanziell von seinen Wohltätern und Wohltäterinnen: Je angesehener der Patron bzw. die Patronin war, desto bedeutender und attraktiver für weitere Spender und Spenderinnen war der Verein. Ein wichtiges Kriterium, um einem Verein beizutreten, war, neben der Geselligkeit, die Möglichkeit, Funktionen zu erreichen. Auf diese Weise konnten Menschen, die in der Gesellschaft keine Aufstiegsmöglichkeiten hatten, wenigstens in einem kleinen sozialen Segment Ämter erlangen. Die innere Struktur eines Vereins orientierte sich dabei an der städtischen Verfassung, zugleich wurden aber auch recht fantasievolle Bezeichnungen vergeben. Es gab Leiter, Kassenwarte, Ordner usw. Eine feste Terminologie für Vereinsämter gab es nicht. Die Übernahme einer Funktion in einem Verein bedeutete u. U. gewisse finanzielle Belastungen, weswegen diese entweder nur vermögenden Personen möglich waren oder turnusmäßig weitergegeben wurden. Der Zugang zu Funktionen wurde durch Wahl, Auslosung oder Einsetzung geregelt. In manchen Vereinsinschriften sind Bestimmungen enthalten, die die Autorität der

Funktionsträger stärken sollten, wie sich dies auch im Neuen Testament findet (z. B. 1 Thess 5, 12). Zumeist orientierten sich Vereine wenigstens formal am Ideal der Egalität unter den Mitgliedern bzw. der Polisverfassung: Beschlüsse wurden durch die Vollversammlung gefällt. In der Praxis dürfte dies aber oft nicht eingehalten worden sein, da Patrone / Patroninnen, vermögende und / oder gesellschaftlich hoch stehende Mitglieder mehr Einfluss hatten. In Vereinsordnungen sind nicht nur alle diese Dinge geregelt, sondern auch Strafen wie Geldbußen oder Ausschluss von den Versammlungen vorgesehen. Besonders bei Mählern kam es offenbar auch zu Streitigkeiten über die Sitzordnung und die Zuteilung von Portionen, Missstände, wie sie auch Paulus in Korinth kritisiert (1 Kor 11, 17-34). Die Treffen von Vereinen fanden – je nach der finanziellen Lage – in eigenen Vereinshäusern statt, in Gaststätten oder im eigenen Haus. Im Privathaus versammelten sich vor allem Mitglieder eines Familienvereins. Ebel, Eva, Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden. Die Gemeinde von Korinth im Spiegel griechisch-römischer Vereine, WUNT 2. Reihe 178, Tübingen 2004. Poland, Franz, Geschichte des griechischen Vereinswesens, Leipzig 1909. Schmeller, Thomas, Hierarchie und Egalität. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung paulinischer Gemeinden und griechisch-römischer Vereine, SBS 162, Stuttgart 1995.

Markus Öhler

Verfemte Berufe Gesellschaftlich geächtete Berufe sind in der Überlieferung der Hebräischen Bibel nicht erkennbar, wohl aber werden bestimmte Funktionen und Tätigkeiten angeprangert: Personen, die mantische Funktionen wahrnehmen, Zeichendeuter, Wahrsager und Wahrsagerinnen, Beschwörer oder gar Totenbeschwörerinnen (1 Sam

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Verfemte Berufe

28); Zauberinnen und Zauberer (Jes 57,3) werden in prophetischen (Jer 27,9) und deuteronomistischen Texten (Dtn 18,14) aus religiösen Gründen bekämpft; dabei spielen vor allem Abgrenzungen von kanaanäischen religiösen Praktiken die Hauptrolle. Diese Schärfe der Ablehnung spiegelt jedoch zugleich die Realität: Die Bevölkerung in Juda und Israel hat sich dieser Funktionen von der frühen Königszeit bis in die nachexilische Zeit bedient. In jüngeren erzählenden Texten geschieht die Abgrenzung mitunter auf spöttische Weise: Alle Zeichendeuter, Weisen, Zauberer und Wahrsager können die Träume des babylonischen Königs nicht deuten; im Exodus- / Plagenzyklus verlieren die Zauberer zunehmend an Macht und werden schließlich selbst Opfer der Plagen (Ex 7,11; 8,3; 8,14; 9,11). Auch im Neuen Testament wird Wahrsagerei abgelehnt. Von Paulus wird erzählt, dass er einer Sklavin, die als Wahrsagerin für ihre Besitzer arbeitete, ihren »Geist des Python« austrieb (Apg 16,16). Auch finden sich in Offb 21,8 und 22,15 Polemiken gegen Zauberer (pharmakos). Im Neuen Testament setzen einige Traditionen eine nicht näher definierte Verächtlichkeit der Berufe der Prostitution und der Zolleinnahme voraus. Zur Diskussion über Gründe und Folgen der Abwertung von Berufen siehe die auf das Mittelalter bezogene Diskussion in Danckert 1979. 1. Prostituierte (3 Prostitution) Im antiken Israel, vor allem in der prophetischen und deuteronomistischen Überlieferung ist der Begriff »Hurerei« negativ besetzt und wird in vielfacher Weise als Metapher für ein zerstörtes und zerbrochenes Gottesverhältnis verwendet (Dtn 31,16; Ri 2,17; Hos 4,12.13.18; Ez 16,13; 23,44). Trotzdem gilt eine Prostituierte gesellschaftlich keineswegs als verfemt. In Jos 2 und 3 ist es die Prostituierte Rahab, die die Kundschafter Israels vor Verfolgern durch eine List rettet; sie wird noch im Neuen Testament anerkennend erwähnt (Mt 1,5; Hebr 11,31; Jak 2,25). Auch die Selbstverständlichkeit, mit der sich Juda mit einer Prostituierten einlässt (Gen 38) oder Simson zu einer philistäischen geht (Ri 16,1), lässt

erkennen, dass es keine generelle Verunglimpfung von Prostituierten gab. Warnungen von Weisheitslehrern vor dem Besuch einer Prostituierten haben vor allem die gesellschaftlichen und finanziellen Verwicklungen im Blick, denen sich ein Mann aussetzt, der sich mit einer Prostituierten einlässt (Spr 6,26; 23,27). Diese Warnung kann als gemeinantiker Topos betrachtet werden. Auch im Römischen Reich sind weibliche und männliche Prostituierte (porne, pornos) fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Prostitution war ein legales Gewerbe, moralische Vorbehalte gegenüber der Prostitution finden sich im Paganismus kaum, bis auf die Warnung vor einem Zuviel an Bordellbesuchen. Wer es sich leisten konnte, auch Sklaven, suchte Prostituierte auf. Diese waren meist Sklaven und Sklavinnen oder Freigelassene. Alttestamentliche Heiligkeitsvorstellungen verboten israelitischen Priestern die Ehe mit Prostituierten und Priestertöchtern den Beruf der Prostituierten (Lev 21,7.9.14), da Gottes Priester und ihre Familien heilig sind (Lev 21,9; Flav. Jos. Ant. 3,12,2). Auch römische Priesterinnen sollten nichts mit Prostituierten zu tun haben (Sen. contr. 1,2). Paulus verbietet grundsätzlich allen Christusgläubigen den Umgang mit Prostituierten und begründet dies damit, dass der Leib (soma) der Gläubigen ein Tempel des heiligen Geistes ist, der durch die körperliche Verbindung mit einer Prostituierten entheiligt wird (1 Kor 6,12-20). Paulus richtet seine Polemik allerdings nicht gegen die Berufsgruppe der Prostituierten, sondern gegen solche Gemeindemitglieder, die gemäß antiker Tradition den Gang zur Prostituierten als selbstverständlich betrachten. In der Evangelienüberlieferung werden Prostituierte aufgewertet. In einem Logion vom »Eingehen in die Basileia Gottes« werden in der Jesusüberlieferung die gering geachteten »Zöllner und Prostituierten« den hochgeachteten »Hohepriestern und Ältesten« vorgeordnet (Mt 21,23-31). Auch werden sie als diejenigen charakterisiert, die im Gegensatz zu den angesehenen jüdischen Autoritäten Johannes dem Täufer glaubten (Mt 21,32). Lukas erzählt von Jesus, dass er sich von einer »Sünde-

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Verfolgung

rin« (porne steht nicht im Text!) die Füße hat salben lassen. 2. Zöllner und Zöllnerinnen Der Beruf der Zolleinnahme (telones), der von Männern und Frauen ausgeübt wurde (Belege für Frauen in Ägypten), brachte in neutestamentlicher Zeit Verachtung mit sich. Zöllner werden im Neuen Testament in einem Atemzug mit Sündern (Mk 2,15 f.; Mt 9,10; 11,19; Lk 5,29; 7,34; 15,1), mit Menschen aus den Völkern (Mt 18,17) und mit Prostituierten (Mt 21,31) genannt, oder sie werden selbst als Sünder bezeichnet (Lk 19,7). Das erklärt sich vor dem Hintergrund, dass in Palästina in herodianischer Zeit, solange die Tetrarchien nicht unter römischen Prokuratoren standen, Steuer und Zoll zumeist von jüdischen Kleinpächtern für die herodianischen Könige eingezogen wurden. Die zwei ausführlich erzählten Begegnungen Jesu mit Zöllnern ereignen sich an solchen Grenzorten herodianischer Tetrarchien (Mk 2,15: Kapernaum; Lk 19,1 f.: Jericho). Das bedeutete, dass Zöllner indirekte Steuern (neben dem Grenzzoll auch Marktgebühr und Gewerbesteuer), die von den Behörden verpachtet wurden, eintrieben. Die der Öffentlichkeit kaum bekannten Verordnungen ermöglichten der Berufsgruppe, über die festgesetzte Pachtsumme Forderungen zu stellen. Davon zeugt eine Erzählung über Johannes den Täufer, der von den Zöllnern verlangt, nicht mehr zu fordern als festgesetzt ist (Lk 3,12 f.). Auch die Zachäusgeschichte erzählt von einem Zöllner, der andere übervorteilt hat (Lk 19,1-10). In der Jesusüberlieferung werden Zöllner aufgewertet, indem es von ihnen heißt, dass sie die Taufe des Johannes suchten und damit eine Bereitschaft zur Umkehr signalisierten (Lk 3,12). Von Jesus heißt es, dass er sich Zöllnern zuwendet, indem er mit ihnen isst (Mk 2,16; Mt 9,11; Lk 5,30) und sie in die Nachfolge ruft (Matthäus in Mt 10,3; Levi in Lk 5,27). Er wird als ihr Freund bezeichnet (Mt 11,19; Lk 7,34). Auch wird den Zöllnern in einem Amen-Wort Jesu ein eschatologisches Prä vor den jüdischen Autoritäten eingeräumt, weil sie Johannes dem Täufer glaubten

(Mt 21,32; Lk 3,12 f.; 7,29) und Jesu Nähe suchten (Lk 15,1; 19,3). Im Lukasevangelium werden sie zum Paradigma der Verlorenen, die durch Jesus und ihre Umkehrbereitschaft auf den rechten Weg zurückgeführt werden (Lk 3,12 f.; 7,29; 19,10). Insbesondere der Zöllner Zachäus wird als umkehrbereiter Mensch gezeichnet, der nicht nur gelobt, diejenigen, die er übervorteilt hat, vierfach zu vergelten, sondern auch die Hälfte seines Reichtums den Armen zu geben (Lk 19,8). Im Lukasevangelium werden Zöllner auch positiv Pharisäern gegenübergestellt (Lk 7,29 f.; 15,1 f.). Danckert, Werner, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe, Bern 1979. Herrenbrück, Fritz, Jesus und die Zöllner. Historische und neutestamentlich-exegetische Untersuchungen, WUNT 2/41, Tübingen 1990. Jeremias, Joachim, Jerusalem zur Zeit Jesu, Göttingen 1969, 337-347. Kirchhoff, Renate, Die Sünde gegen den eigenen Leib. Studien zu porne¯ und porneia in 1 Kor 6,12-20 und dem sozio-kulturellen Kontext der paulinischen Abdressaten, StUNT 18, Göttingen 1994. Stumpp, Bettina Eva, Prostitution in der römischen Antike, Antike in der Moderne, Berlin 1998.

Jürgen Kegler / Ute E. Eisen

Verfolgung 1. Allgemeines Im Zusammenhang mit 3 Gewalt gilt Verfolgung heute als systematische Verletzung der Freiheitsrechte von Minderheiten aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Zwangsmaßnahmen – von kleineren Repressalien bis zu brutaler Gewalt – gehen entweder vom Staat aus oder werden von diesem toleriert. Nach außen dienen sie der Wahrung sozialer Ordnung, nach innen verlagern sie kollektive Ängste nach dem »Sündenbockprinzip«. Aus heutiger Sicht ist jeder Akt der Verfolgung eine Menschenrechtsverletzung. Verfolgte ver-

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Verfolgung

fügen allerdings über Strategien des Widerstands (3 Widerstand / Martyrium), durch die sie sich als Handlungssubjekte zu behaupten versuchen. 2. Hebräische Bibel Das Wort »verfolgen« (ra¯daf) bezeichnet zunächst einen Vorgang im militärischen Bereich, der meist auf eine Niederlage folgt und in völliger Vernichtung der Unterlegenen endet (z. B. Jos 7, 4 f.; 1 Sam 17, 51 f.). In diesem Sinn verfolgt werden können auch einzelne Personen (2 Sam 20, 6 f.; 2 Kön 9, 27). Nur im Ausnahmefall endet eine Verfolgung glücklich (Jos 2, 7; 1 Sam 26,18; Ex 14, 8 f.). In übertragenem Gebrauch können Menschen von Katastrophen (Dtn 28, 22), von »Unheil« (Spr 13, 21) oder von »Blut« (Ez 35, 6) verfolgt werden, günstigenfalls auch einmal von Gutem (Ps 23, 6). Selber kann man gefährlichen Dingen nachjagen (Jes 5, 11; Spr 11, 19; 12, 11), aber auch sehr nützlichen (Dtn 16, 20; Jes 51, 1; Hos 6, 3; Ps 34,15; Spr 15, 9). Dieses weite Bedeutungsfeld des Verbs wird in den Psalmen eingeschränkt auf das Gefühl oder die Erfahrung des Verfolgtwerdens der Beter durch ihre »Feinde«: nicht im Krieg, sondern im gesellschaftlichen und persönlichen Umfeld (z. B. Ps 7, 2.6; 31,16; 35, 3; 69, 27; 71, 11; 86, 1 f.; 143, 3). Eher selten wird dabei physische Gewalt im Blick sein, häufiger soziale Ächtung, Rufmord, ungerechtfertigte Anklage usw. Hier nun kommt man nahe an den heute geläufigen Verfolgungsbegriff heran. Vollends trifft dieser auf die von Jeremia beklagte Verfolgung zu, die offenbar bis zur Todesdrohung ging (Jer 15, 15; 17,16; 20, 11). Gerade Jeremia ist das prominenteste Beispiel für Verfolgung eines Propheten auch von Staats wegen (Jer 2, 30; 7, 25 f.; 26, 24; 36, 26; 38, 1-6). Jeremia überlebte (knapp), sein Berufskollege Urija nicht (Jer 26, 22 f.). Hunderte von JHWH-Propheten soll die heidnische Königin Isebel auf dem Gewissen haben (1 Kön 18, 4-13; 19, 1-14). Auch sonst ist das Motiv der Prophetenverfolgung vielfach präsent (Hos 9, 7-9; Neh 9, 26; 2 Chr 24,19-22; an zwischentestamentlichen Schriften sind u. a. Jub 1, 12, das so genannte Martyrium Jesajas und

die Vitae prophetarum zu nennen, vgl. zum Ganzen Steck). Schon das alttestamentliche Israel machte die Erfahrung (und suchte sie zu verarbeiten), dass es als Volk in seiner Gesamtheit verfolgt und in seiner Existenz bedroht wurde (vgl. etwa Ex 1; 5; 14; 17, 8-16; Est 3, 5-15; 8, 3-17). Seit der Religionsverfolgung durch Antiochus IV. Epiphanes im 2. Jh. v. Chr. ist dann der Topos der Judenverfolgung vollends präsent (vgl. 1 Makk; 2 Makk; Dan 12, 1; 4 Esra 13, 16-20; 2 Bar 25; 27). 3. Neues Testament a) Begrifflichkeit. »Verfolgung« (diogmos / dioko) hat sich als unscharfe Bezeichnung unterschiedlicher Gewaltphänomene durchgesetzt (Hare 2061; Stegemann / Stegemann 272-305, bes. 292 f.). Diese reichen von sozialer Ausgrenzung (Lk 6, 22; Joh 9, 22; 12, 42; 16, 2) und verbaler Aggression (Mt 5, 39; Lk 6, 29; Apg 13, 45; 14, 2; 18, 6; Offb 2, 9) über Körperstrafen (2 Kor 11, 24 f.; Mk 13, 9; Apg 5, 40; 16, 22 f.; 22, 24 f.) und Freiheitsentzug (Apg 4, 3; 5, 18; usw.) bis zu Einzelfällen von gewaltsamem Tod (Apg 7, 58-60; 12, 1-3; Offb 2, 13). Die Bekehrung zum christlichen Glauben stellte einen Übergang in eine sozial »deviante« Gruppe dar. Dies implizierte einen Rollenwechsel in eine Außenseiter- und Minderheitenposition und zugleich einen Ausbruch aus geltendem Konformitätsdruck (vgl. Stegemann / Stegemann 214216.289; Dietrich / Mayordomo 43-47). Die externen Konflikte des frühen Christentums lassen sich daher als Prozesse der »Diskriminierung« und »Kriminalisierung« auffassen (Stegemann / Stegemann, 272.278-284). b) Paulus. Nach Gal 1, 13 hat er die christusgläubigen Juden »über die Maßen« verfolgt (vgl. portheo »vernichten« in Gal 1, 13.23; Apg 9, 21), sicherlich auch unter Anwendung physischer Gewalt (Apg 8, 1-3; 9, 1-2). Paulus sieht eine Verbindung zwischen Gesetzeseifer und Verfolgung (Gal 1, 13.23; Phil 3, 6; 1 Kor 15, 9). Dies steht jedoch nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit seiner pharisäischen Zugehörigkeit (vgl. Gamaliels Position in Apg 5, 33-39), sondern ist dem Einfluss der sadduzäischen Hohepriester zu ver-

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danken (Apg 9, 1 f.14.21). Das besondere Augenmerk des Paulus galt den griechischsprachigen Judenchristen, den so genannten »Hellenisten« (Apg 6, 1-11; 8,1), in deren Synagogen er als Diasporajude wahrscheinlich verkehrte (vgl. Hengel 283-289). Seine eigenen Leiden als christlicher Missionar zählt Paulus in »Leidenslisten« auf (1 Kor 4, 9-13; 2 Kor 4, 7-12; 6, 4-10; 11, 23-29; 12, 10; Röm 8, 31-39; vgl. 2 Tim 3, 10-12). Darin erwähnt er u. a. Verachtung, verbale Aggression, Lästerung, Verfolgung (zum Fluchtversuch in Damaskus vgl. 2 Kor 11, 33; Apg 9, 23-25), Körperstrafen, Schläge (synagogale Geißelstrafe in 2 Kor 11, 24), Steinigung, Inhaftierungen (s. a. Phil 1, 7.12-14; Phlm 1.9.13; Kol 4, 18; Eph 3, 1; 4, 1; 2 Tim 1, 8; 2, 8 f.), Unruhen und Schwert. Der Apostel sieht sich und seine Mitarbeiter als »Abschaum der Welt« (1 Kor 4, 13). Viele Anfeindungen deuten auf Konkurrenzkonflikte hin, die durch das Auftreten des Paulus ausgelöst wurden (vgl. zur Bedrohung durch seine Landsleute 1 Thess 2, 16; Gal 4, 29; 5,11; 6, 12). Die theologische Verarbeitung solcher Grenzerfahrungen findet auf drei Ebenen statt: Identifikation mit dem Leiden Jesu (2 Kor 4,10), Umkehrung der Schwachheit in 3 Macht (2 Kor 11, 30; 12, 9 f.) und Deutung des Leids als Bewährungschance (Röm 5, 3 f.; vgl. 2 Kor 4, 16-18). Hinweise auf konkrete Verfolgungserfahrungen innerhalb der paulinischen Gemeinden sind in den Briefen selten (vgl. Röm 12, 14.17-21; Phil 1, 29 f.), am deutlichsten jedoch in 1 Thess (vgl. 3, 1-8). Durch ihr Leid sind die Thessalonicher nicht nur in ein Nachahmungsverhältnis zu Jesus, Paulus und den christusgläubigen Juden in Judäa getreten (1, 6; 2, 14), sie sind auch Vorbild für andere (1, 7). c) Synoptiker und Apostelgeschichte. Die zentrale Gewalterfahrung in der kollektiven Erinnerung des frühen Christentums ist die Hinrichtung Jesu am Kreuz durch den römischen Machtapparat. Jesus erscheint als der »leidende Gerechte« (Einfluss von Ps 22 in Mk 15, 24.29.34; Mt 27, 35.39.43.46; Lk 23, 34; Joh 15, 24; 19, 28; s. a. Apg 3, 14 f.). Das Erleiden von verbaler und physischer Gewalt gehört von Beginn an zur Nachfol-

ge (Lk 6, 22-23 par; 14, 27 par; Mk 4, 17 par; 8, 3438 par; 10, 30; 10, 38-39 par; 13,12 par; Mt 5, 10; 10, 23; Joh 15, 20; 16, 2). Im Markusevangelium spiegeln sich Konflikte während des jüdisch-römischen Krieges (66-73) wider: Dabei kommt es für christusgläubige Juden zur Anklage vor jüdischen Lokalgerichten, zu Körperstrafen in Synagogen und zur Überstellung an römische Gerichtsinstanzen, die mit dem Tod enden können (13, 9-13). Im Matthäusevangelium (vgl. Hare) werden die Verfolgten glücklich gepriesen (5, 1012; vgl. Lk 6, 22 f.26). Grund der »Verfolgung« ist die 3 Gerechtigkeit (5,10; vgl. 1 Petr 3, 14), also der »non-konforme« Lebensvollzug im Sinne der Bergpredigt (5, 20; 5, 44; 6, 1.33). Die aktive Mission ist in besonderer Weise aggressionsfördernd (10,17.23; 22, 6; 23, 34.37). Verfolgung geschieht vornehmlich in Form von sozialer Ausgrenzung und verbalen Ehrverletzungen (5, 10-12; vgl. 27, 44). Obwohl solche Erfahrungen zum Glaubensabfall führen können (13, 21), werden sie positiv als Zeichen »prophetischer Identität« gedeutet (5, 12). Verfolgung wirkt dadurch stabilisierend auf das Gruppenethos. Im Lukasevangelium gilt die Seligpreisung nicht allgemein den Verfolgten, sondern konkret denen, die Hass, Ausgrenzung und verbale Aggression erfahren (6, 22 f.). In einem entsprechenden Weheruf gilt es als Zeichen des Gerichts, wenn die Menschen »gut über euch reden« (6, 26). Im Sinne der Prophetenmordtradition wird den christlichen Missionaren Vertreibung und Tod vorausgesagt (11, 45-52; vgl. 12,11 f.; 21, 12-19). Diese Ankündigungen werden in der Apostelgeschichte erzählte Realität. Dort kommt es bereits in der ersten Hälfte zur Verhaftung der Apostel (4,1-3.5-7.1721; 5,17-42), zur Steinigung des Stephanus (6, 88, 1), zur Vertreibung der griechischsprachigen Judenchristen (8,1-3; 9, 1 f.21), zur Hinrichtung des Jakobus (12,1-2) und zur Verhaftung des Petrus (12, 3-6). Die paulinische Mission trifft fortwährend auf Widerstand: In Damaskus (Apg 9, 23-25; vgl. 9, 29 f.; vgl. aber 2 Kor 11, 32 f.), Pisidien (13, 43-52), Ikonium (14, 1-7), in der römischen Kolonie Philippi (16, 16-26), in Thessalonich (17, 4-9, 13 f.), Korinth (18, 12-17) und

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Verfolgung

Ephesus (19, 23-20, 1). Besonders ausführlich wird der Prozess gegen Paulus dargestellt (Kap. 21-28). d) Weitere neutestamentliche Schriften. Im Johannesevangelium steht vor allem der Synagogenausschluss im Zentrum (9, 22; 12, 42; 16, 2). Die Formulierung (9, 22: »schon damals«) setzt voraus, dass es sich um eine Gegenwartserfahrung handelt. Mit dem so genannten »Ketzersegen« (birkat ha-minı¯m) oder mit der synagogalen Bannpraxis kann dieser Ausschluss nicht in Beziehung stehen. Es geht vielmehr um besondere Fälle der Grenzziehung. Das sich formierende normative Judentum wurde gegen Ende des 1. Jh. zunehmend restriktiver in der Akzeptanz christusgläubiger Juden. Davon war die johanneische Gemeinde generell betroffen (vgl. 5, 16; 15, 20). Die Möglichkeit eines künftigen Martyriums (3 Widerstand / Martyrium) wird ausdrücklich ins Auge gefasst (16, 2). Die Johannesoffenbarung ist häufig vor dem Hintergrund einer umfassenden Verfolgung unter Kaiser Domitian (81-96) gedeutet worden. Angesichts des Fehlens nichtchristlicher Quellen ist dies historisch fragwürdig. Belegt sind eine zehntägige Bedrängnis und Inhaftierungen in Smyrna (2, 9 f.) und das Martyrium des Antipas in Pergamon (2, 13). Der Aufenthalt des Johannes auf der Insel Patmos ist wohl als Verbannungsmaßnahme zu verstehen (1, 9). Domitian beanspruchte für sich den Titel »Herr und Gott« (dominus et deus). Der damit verbundene Kaiserkult war schon lange in den hellenistischen Städten Kleinasiens verbreitet und wurde häufig im Sinne einer Tauschbeziehung von Unterwerfung und Gratifikation freiwillig Rom gegenüber vorangetrieben (vgl. Price; dies entspricht der Darstellung in Offb 13, 3 f.8.11-17; 17, 2.17). Christliche Kultverweigerung war daher in erster Linie eine Gefährdung der Stadtidentität und eine Hinterfragung des darin wirksamen Machtgefüges. Die Johannesoffenbarung setzt eine aktuelle Verfolgung nicht voraus, befürchtet diese aber für die Zukunft (Yarbro Collins). Einen Einblick in die Verarbeitungsstrategien angesichts einer feindlichen nichtjüdischen Umwelt gewährt der 1. Petrusbrief. Die Sprache

bleibt recht allgemein: Leiden (2, 19-21; 3, 14.17 f.; 4,1.13.15.19; 5, 9 f.), Versuchung als »Feuerprobe« (1, 6 f.; 4,12), Kummer (2,19), Schrecken (3, 14), Verleumdung, üble Nachrede (2, 12; 3, 16), Beschimpfung, Schmähung (3, 16; 4, 14). Die Glaubenden sollen sich weder fürchten noch schämen (3, 14; 4, 16), sondern durchhalten (2, 19 f.), widerstehen (5, 8 f.) und Gutes tun (2, 12.14 f.20; 3, 6.13.17; 4, 19). Das Leiden ist Anlass zur Freude (3, 14; 4, 13 f.; vgl. Mt 5,10-12), weil es Gelegenheit bietet, den Glauben positiv unter Beweis zu stellen (1, 6 f.; vgl. 4, 1 f.). Es währt nur kurz (1, 6; 5, 10) und ist abhängig vom göttlichen Willen (3,17; 4, 2.19). Es ist »Teilhabe« am Leiden Christi (4, 13) und damit Nachfolge des Vorbilds Christi (2, 2123; vgl. 3, 17 f.; 4,1). Als Leidende stehen die Glaubenden in einer weltweiten Geschwisterschaft (5, 9). Insgesamt lässt sich dem Schreiben keine lebensbedrohliche Verfolgungssituation entnehmen. Angesichts von massiven Diskriminierungserfahrungen versucht der Autor jedoch, die Gruppenidentität der Gemeinden zu stärken und das Leiden als positives Kennzeichen christlichen Daseins hervorzuheben. e) Nichtchristliche Quellen. Generell überwiegen christliche Zeugnisse (vgl. die Texte in Guyot / Klein 10-191). Darin kommen spezifische Abwehr- und Schutzmechanismen zum Ausdruck, die zur Verarbeitung der sozialen Außenseiterrolle (»Stigmatisierung«) dienen. Einige wenige Quellen eröffnen jedoch einen anderen Einblick: Nach Sueton (ca. 70-130) vertrieb Claudius die Juden aus Rom, »weil sie, von Chrestus aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten« (Suet. Cl. 25, 4; vgl. Apg 18,1 f.). Dahinter sind religiöse Auseinandersetzungen zwischen Juden und Judenchristen zu vermuten, die zum Ausschluss der Hauptverantwortlichen führten. Josephus berichtet von der illegalen Hinrichtung des Herrenbruders Jakobus und anderer Christen im Jahre 62 auf Veranlassung des sadduzäischen Hohepriesters (Flav. Jos. Ant. 20, 199-203). Die Todesurteile gegen Christen und Christinnen in Rom unter Kaiser Nero (64) deutet Tacitus (ca. 55120) als Maßnahme, um den Verdacht der Brandstiftung vom Kaiser selbst abzulenken (Tac. ann.

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XV,44, 2-5; vgl. Suet. Nero 16, 2). Der Provinzstatthalter Plinius richtet zwischen 111 und 113 einen Brief an Kaiser Trajan, um Fragen hinsichtlich der Gerichtsverhandlungen gegen Christen zu klären (Plin. epist. X,96 f. = Guyot / Klein 3843). Die Antwort Trajans ist pragmatisch: Man solle Christen nicht aktiv aufspüren, aber auf Anzeige hin verurteilen. Man solle keiner anonymen Anzeige folgen und Reuigen Gnade gewähren. Die Verfluchung der Abtrünnigen, der ruchlosen Regierung (= Rom), der Nazarener (= Judenchristen) und der Ketzer (minı¯m) im so genannten »Ketzersegen« (birkat ha-minı¯m = 12. Benediktion des jüdischen Achtzehngebets) ist in Wortlaut und Entstehungsgeschichte umstritten. Im gottesdienstlichen Gebet war dies kein geeignetes Instrument für Strafmaßnahmen, sondern am ehesten als Selbstausschluss gedacht (Stegemann / Stegemann 206 f.). Eine Verfolgung von christusgläubigen Juden durch einen jüdischen Lokalherrscher bezeugt Justin der Märtyrer († 165; Iust. apol. I,31) für Bar Kochba, den Anführer des zweiten jüdisch-römischen Krieges (132-135). Von einem geographisch umfassenden Vernichtungsversuch des Christentums im Römischen Reich kann jedoch erst unter Decius (249-251) die Rede sein. Die großen Christenverfolgungen fanden durch das Toleranzedikt des Galerius vom 30. April 311 ihr Ende. Mit der konstantinischen Wende (313) und der unter Theodosius I (347-395) erfolgten Erklärung des Christentums als ausschließliche Staatsreligion beginnt eine andere Verfolgungsgeschichte, nämlich die von christlichen Instanzen gegenüber Andersgläubigen (vgl. Hahn; Noethlichs). Dietrich, Walter / Mayordomo, Moisés, Gewalt und Gewaltüberwindung in der Bibel, Zürich 2005. Frevel, Christian, Art. ra¯dap, ThWAT VII, 1990, 362-372. Guyot, Peter / Klein, Richard (Hg.), Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen Bd. 1, Darmstadt 1993. Hahn, Johannes, Gewalt und religiöser Konflikt. Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.), Berlin 2004. Hare, Douglas R. A., The Theme of Jewish Persecution of Christians in the Gospel according to St Matthew, SNTSMS 6, Cambridge 1967.

Hengel, Martin, Der vorchristliche Paulus, in: ders. / Ulrich Heckel (Hg.), Paulus und das antike Judentum, WUNT 58, Tübingen 1991, 177-293. Noethlichs, Karl Leo, Art. Heidenverfolgung, RAC 13, 1986, Sp. 1149-1190. Price, Simon R. F., Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984. Steck, Odil Hannes, Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, WMANT 23, Neukirchen-Vluyn 1967. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte, Stuttgart u. a. 2 1997. Yarbro Collins, Adela, Crisis and Catharsis. The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984.

Walter Dietrich / Moisés Mayordomo

Verkauf 3 Kauf / Verkauf

Verkehr Der Verkehr in der Antike spielte sich auf Straßen und Wegen sowie auf Flüssen, Kanälen und Meeren ab. Voraussetzung für einen gelingenden Fernverkehr waren brauchbare und gesicherte Verkehrswege (3 Handel) und entsprechende Transportmittel (Tiere, Wagen, Schiffe). Die Notwendigkeit des Verkehrs ergab sich durch die Bewegung von militärischen Kontingenten, den Warenverkehr (3 Handel), den Kurier- und Postdienst sowie den Personenverkehr (3 Reisen). Schutz vor Karawanenbedrohung, Unterhalt und Ausbau von Verkehrswegen (Fernstraßen s. 3 Handel) war Angelegenheit der staatlichen Machthaber in den jeweiligen Einflussbereichen, weshalb in Zeiten staatlicher Schwäche auch der Verkehr zurückging. Die Fernstraßen wurden von Assyrern, Persern, später von den Römern unterhalten und ausgebaut, mit Poststationen und Karawansereien im Abstand von Tagesdistanzen ausgestattet. Der staatliche Kurier und berittene Eilbote, der Unterkunft und Ersatztiere requirieren kann (griech. aggaros – Eilbote, von akkad. egertu), entstammt der von den Persern übernommenen neuassyrischen Praxis. Der Ausbau des Straßennetzes nahm in allen später von

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Verkehr

Wagen mit deportierter jüdischer Familie. Assyrisches Relief über die Zerstörung von Lachisch 701 v. Chr., Ninive

den Römern dominierten Gebieten zu und wurde durch den Bau von Brücken, Abtragen von Hügeln und Aufschütten von Senken verbessert. Diese Bautätigkeit lag im militärischen und ökonomischen Interesse Roms (vgl. bShab 33b). Auch für den Personenverkehr zu Lande war der Ausbau des römischen Straßennetzes von Bedeutung. So reist Paulus entlang der Via Egnatia von Philippi nach Thessalonich (Apg 16,39-17,1) und später – auf seiner dritten Missionsreise – bis nach Korinth; auf der Via Appia kommt er nach Rom (vgl. Apg 28,13-15). Der Landverkehr vollzog sich zumeist im Schritttempo. Tiere dienten zum Transport von Gepäck und Gütern, seltener als Reittiere (Esel, Maultiere und in Wüstengebieten seit dem späten 2. Jt. Kamele). Seit der frühsumerischen Zeit sind einachsige, von Rindern gezogene Wagen (ab dem 17. Jh. v. Chr. auch mit Speichenrädern, vgl. die Abb.) bekannt, die aber im Fernverkehr selten eingesetzt wurden, da die schlechten und engen Straßenverhältnisse den Einsatz solcher Gespanne nur begrenzt zuließen. Lasttiere konnte man – auch mit ihren Treibern (griech. onelatai, lat. muliones) – mieten. Das Alte Testament erwähnt solche von Rindern gezogenen Wagen zum Transport älterer oder vornehmer Menschen über weite Strecken (des greisen Jakobs nach Ägypten, Gen 45,19.21.27, vgl. Abb. 1), zum Transport sakraler Gegenstände in einem besonderen Weihezustand (Lade, 1 Sam 6,7-14; 2 Sam 6,3), als Prestigegeschenk (Num 7,3-8), aber auch bei der Ernte (Am 2,13). Der hölzerne Wagenkasten

konnte mit einer Plane überdacht werden (Num 7,3; Jes 66,2). Im Neuen Testament wird sowohl der leichte hellenistische Reise- und Streitwagen (griech. harma) mit zwei Speichenrädern (Apg 8,28 f.38; Offb 9,9) als auch der gallisch-römische Reisewagen (griech. rede) mit vier Rädern erwähnt (Offb 18,13). Pferde wurden hingegen meist im militärischen Sektor eingesetzt: im Streitwagengespann der Heere und in der Eisenzeit verstärkt als Reittier für königliche Kuriere (2 Kön 9,18; Sach 1,8 ff.; Est 8,10.14). Kriegsreiterei wird im Repertoire apokalyptischer Katastrophenschilderungen vielfältig aufgenommen (Joel 2,4; Sach 10,5; Offb 6,2-8; 9,9.17; 19,11-21). Für die im Landverkehr zurückgelegten täglichen Distanzen lassen sich folgende Werte angeben: Heeresbewegung 15-25 km, Karawanen zu Fuß mit Transporttieren 30-40 km, auf Pferden reitende Postboten und Kuriere 50-60 km. Reisen entlang der Küstenlinie des Mittelmeeres unternahm man natürlich per Schiff (vgl. z. B. Apg 13,4; 14,26; 15,39; 18,18; 20,6.15; 21,2; 27; 28,11), wobei in neutestamentlicher Zeit der Begriff ploion sowohl für das größere Schiff (naus begegnet nur Apg 27,41) als auch für die kleineren Boote, die für die Binnenschifffahrt zum Einsatz kamen (z. B. am See Gennesaret, vgl. etwa Mk 4,36; 5,18.21; 6,32.45-54; 8,10; Joh 6,23-24), verwendet wurde. Überhaupt ist da wie dort nicht zwischen Fahrzeugen für den Waren- oder den Personentransport zu unterscheiden, sondern Zivilschiffe dienten zuallererst dem Lastentransport, während die zusätzliche Mitnahme von Reisenden in der Entscheidung des Kapitäns lag (Jona 1; Apg 27,1 f.6); auf Seen wurden dieselben Boote für den Fischfang oder die Überfahrt von Personen verwendet. Ben-David, Arye, Talmudische Ökonomie. Die Wirtschaft des jüdischen Palästina zur Zeit der Mischna und des Talmud, Bd. 1, Hildesheim / New York 1974. Bollweg, Jutta, Vorderasiatische Wagentypen, OBO 167, Fribourg / Göttingen 1999. Crouwel, Joost H. / Littauer, Mary A., Wheeled Vehicles and Ridden Animals in the Ancient Near East, HO VII/ 1, Leiden 1979. Della Portella, Ivana / Pisani Sartorio, Giuseppina / Ventre,

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Versöhnung

Francesca, Via Appia. Entlang der bedeutendsten Straße der Antike, Stuttgart 2003. Heinz, Werner, Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich, Stuttgart 2003. Höckmann, Olaf, Antike Seefahrt, München 1985. Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 1992. Riesner, Rainer, Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie, WUNT 71, Tübingen 1994, 273-282.

Michael Ernst / Peter Arzt-Grabner / Thomas Naumann

Versöhnung 1. Kultische Versöhnung im Alten Testament Der Begriff »Versöhnung« ist im Alten Testament ein Fachbegriff der Wurzel kfr. Der damit beschriebene Vorgang ist ein kultischer Akt, der primär die Klärung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch betrifft. Obwohl der am Großen Versöhnungstag abgetrennt vom Volk vollzogene kultische Akt in Lev 16 für Leserinnen und Leser der Tora aufgeschrieben ist, ist Handlung und Wirkung der so verstandenen Versöhnung nicht vollständig geklärt. Begrifflich hat kfr in späten Texten des Alten Testaments eine profane Bedeutung von »zudecken«, was sich auch durch vielfältige Verbindungen von kfr mit einer Präposition im Sinne von »über«, »auf« widerspiegelt: Versöhnung ist ein Vorgang, der etwas zudeckt. Semantisch liegen damit gerade keine Bedeutungen im Sinne von »wegschaffen« oder »vernichten« nahe: Es wird etwas seiner Sichtbarkeit und Wirksamkeit enthoben, obwohl es untergründig noch da ist. Die Liturgie des Großen Versöhnungstages, der im Herbst am 10. Tag nach dem Neujahrsfest gefeiert wird, macht demgegenüber auch eine Bedeutung wie »wegschaffen« wahrscheinlich: Ein Bestandteil der Liturgie ist die Übertragung der noch nicht anderweitig gesühnten Schuld des Volkes auf einen Bock durch ein Handaufstem-

men des Hohepriesters. Diese Schuld wird dann durch Vertreiben des Bocks in die Wüste fortgeschafft. Das Aufladen von Schuld auf den Sündenbock ist sprichwörtlich geworden. Am Großen Versöhnungstag gibt es eine ganze Reihe von Riten, die die Schuld zudecken oder fortschaffen. Die Funktionsweise des Ritus wird in Lev 16 nicht völlig klar, insbesondere ist nicht klar, wie die verschiedenen Bestandteile des Ritus nebeneinander oder miteinander wirken. An seinem Anfang bringt der Hohepriester zunächst Sünd- und Brandopfer (3 Opfer) für sich selbst, wohl in Vorbereitung dessen, dass er im Laufe der Liturgie als Einziger und auch nur dieses eine Mal im Jahr das Allerheiligste betreten wird. Es folgen Sünd- und Brandopfer für das Volk. Für das Sündopfer wird dabei einer von zwei Böcken ausgewählt, der andere Bock wird am Schluss des Rituals als Sündenbock fortgejagt. Da das Fortjagen des Sündenbocks als Schluss beschrieben wird, liegt es nahe, dies als den Höhepunkt des Entsündungsrituals zu verstehen. Der Ritus des Sündopfers enthält Abweichungen gegenüber dem normalen Ganzopfer. Am Bedeutsamsten ist dabei die Veränderung bei der Funktion des 3 Blutes, das beim normalen Ganzopfer fortgeschüttet wird. In der Liturgie des Versöhnungstages wird nun ein Teil des Blutes sieben Mal auf eine Thronfigur im Heiligtum gesprengt. »Versöhnung« ist im Sinne dieser Liturgie ein Vorgang, der von wenigen Priestern und von den Nichtpriestern in weiten Teilen völlig getrennt vollzogen wird. Zu den wenigen Dingen, die die Außenstehenden vom Ritus mitbekommen, gehört das Aussprechen des heiligen Gottesnamens, der normalerweise durch andere Gottesbezeichnungen ersetzt und nur am Großen Versöhnungstag vom Hohepriester ausgesprochen wird. Die Anrufung Gottes mit seinem Namen gehört im Alten Testament zum charakteristischen Anfang jedes Klagegebetes und damit auch jedes Psalms, in dem Betende um die Vergebung ihrer Schuld bitten. Da im Normalfall jedoch der Gottesname immer ersetzt wird, hinterlässt jeder Klagepsalm eine Leerstelle, die am Versöhnungstag aufgefüllt wird.

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Versöhnung

Nach den beiden großen Brüchen der Liturgiegeschichte, der Zerstörung des Ersten Tempels 586 v. Chr. und des Zweiten Tempels 70 n. Chr., ist dieses Wissen noch kleiner geworden, als es vorher war. Beide Darstellungen des Ritus, der der priesterlichen Texte in Lev 16 und der der Mischna am Ende des 2. Jh. n. Chr., erfüllen damit auch die Funktion, den drohenden Verlust der Kenntnisse über den Ritus zu verhindern. Der biblische Text Lev 16 hat die zusätzliche Schwierigkeit, dass der Ritus hier nicht vom Tempel in Jerusalem handelt, sondern vom Wüstenheiligtum und so die fiktive Textsituation Israels am Berg Sinai aufnimmt. 2. Zwischenmenschliche Versöhnung im Alten Testament Die im Deutschen mögliche Verwendung des Begriffs der Versöhnung im Sinne einer Aussöhnung von Menschen untereinander wird im Hebräischen nicht mit demselben Fachbegriff ausgedrückt. Diese Versöhnung ist jedoch in gleichem Maße Gegenstand der Bibel. Als Beispiel seien hier nur die in der Genesis erzählten Geschwisterkonflikte herangezogen: Das erste Geschwisterpaar, Kain und Abel, steht hier für den schlechtest möglichen Ausgang, den vollendeten Mord (Gen 4). In zahlreichen weiteren Konflikterzählungen der Genesis sind es vor allem räumliche Trennungen, durch die diese Konflikte entschärft werden. Beim letzten in der Genesis erzählten Geschwisterkonflikt erfahren die Brüder darüber hinaus, dass der von ihnen beinahe getötete Bruder sie als ägyptischer Minister vor dem Hungertod bewahrt (Gen 37-50). Die hier vermittelte Einsicht, dass Gott die Dinge zum Guten gewendet hat (Gen 50, 20), rekapituliert damit nicht nur das Geschick Josefs, sondern auch das seiner Brüder. Doch zeigt nicht nur der Ausgang der Josefgeschichte mit der bleibenden Furcht der Brüder vor Josef, wie schwierig Versöhnung ist. Überblickt man die gesamte Genesis, bleibt die Konfliktlösung durch Trennung der Normalfall. Wie die Bewältigung der Furcht vor Feinden oder von eigener Schuld stattfinden kann, zeigt

exemplarisch auch ein anderer Textbereich der Bibel, die Psalmen. Hier wird vorbildlich dieses Problem in der Innenperspektive dargestellt, und zwar in der Form des 3 Gebetes. Das Verhältnis zu anderen Menschen kommt dabei typischerweise in doppelter Perspektive zum Ausdruck: Im eigentlichen Klagegebet als Verhältnis zum Feind, gegen den der Betende Gott um Hilfe anruft (so z. B. Ps 25, 2), sowie dann im Schlussteil, in dem der Betende typischerweise mit einer Gruppe zusammen Gott lobt (so z. B. Ps 25, 22). In der Gesamtperspektive vieler einzelner Psalmen und dann des Psalters insgesamt wird nun diese Gruppe, die zum Lob Gottes hingeführt wird, universalisiert: Die Klage des Einzelnen, als dessen Gegner noch Ps 149, 7 die Heiden kennt, wird zum Lob Gottes, das die gesamte Schöpfung einschließt (Ps 150, 6). Spätestens hier am Schluss des Psalters wird die Versöhnung als Ziel markiert, die die vorherigen Äußerungen gegen die Feinde als Wege zur Bewältigung solchen Denkens kennzeichnen. Zwischenmenschliche Versöhnung kennt das Neue Testament zwischen grollenden Menschen (Mt 5, 24), zwischen Menschen, die gegeneinander gewalttätig wurden (Apg 7, 26; vgl. Ex 2, 13), und zwischen getrennten Ehepartnern (1 Kor 7, 11). Der Begriff wird im Neuen Testament an fünf Stellen auf das Verhältnis von Gott und Mensch übertragen (Röm 5, 10; 11,15; 2 Kor 5, 1821; Kol 1, 20.22; Eph 2, 16). 3. Versöhnung zwischen Gott und Mensch im Neuen Testament Die Anwendung des Versöhnungsterminus katallageo auf das Verhältnis zwischen Gott und Mensch findet sich schon bei Philo und im 2. Makkabäerbuch (1, 5; 5, 20; 8, 29). Die jüdischen Märtyrer bitten, ihr Tod möge Gottes Zorn über das Volk zum Stillstand bringen (2 Makk 7, 33.38). Dabei ist vom Versöhnen Gottes im Passiv die Rede. Paulus spricht zum ersten Mal von einem Versöhnen Gottes im Aktiv (2 Kor 5, 1819). Hinter seiner sprachlichen Innovation wird die soziale Realität seiner urchristlichen Mission sichtbar. Paulus verwendet für seine missionari-

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Versöhnung

sche Tätigkeit dabei den Begriff des »Gesandtenseins« (presbeuein; 3 Botenwesen / Apostolat). Damit knüpft er an eine vertraute Metaphorik an: Zerstrittene Städte und Völker wurden durch Gesandte zu Friedensschlüssen bewegt, mit denen oft eine Amnestie vorher geschehener Untaten verbunden war. Der allgemein menschliche Begriff »Versöhnung« ist hier im politischen Bereich beheimatet und lässt nicht unbedingt an eine kultische Sühne denken (Breytenbach). Zugleich bringt die aktive Verwendung des Begriffs Versöhnung einen theologischen Gedanken zum Ausdruck: Nicht Menschen versöhnen durch Opfer den erzürnten Gott, sondern Gott versöhnt durch Hingabe seines Sohnes feindselige Menschen. Versöhnung ist mehr als »Sühne«. Der Unterschied liegt nicht primär darin, dass Sühne etwas Kultisches ist, Versöhnung dagegen etwas allgemein Menschliches. Sühne gibt es auch im Recht: Sühne will durch Ersatzleistung eine Strafe überflüssig machen. Deshalb bleibt sie hinter der vollen Strafe zurück. An die Stelle des schuldhaft verwirkten Lebens tritt eine Geldbuße. Zahlung und Annahme der Sühne sind freiwillig. Der Rechtsfrieden wird durch sie nachhaltiger wiederhergestellt als durch Strafe. Versöhnung aber ist mehr: Sie erneuert eine positive personale Beziehung: Aus Feinden werden Freunde, aus Gegnern Verbündete. Dieser »Mehrwert« der Versöhnung macht sich auch im Gedankengang des Paulus bemerkbar: Paulus führt in Röm 3, 25 die Wende vom Unheil zum Heil auf Jesu Tod als »Sühne« zurück. In Röm 3, 21-5, 11 wird ferner deutlich, dass die Versöhnung nicht nur das Verhältnis von Gott und Mensch betrifft, sondern eine soziale Bedeutung für die Beziehungen unter den Menschen hat. Die von Gott gewirkte Gerechtigkeit (3 Gerechtigkeit / Recht) soll allen Völkern gelten (Röm 3, 28 f.). Die Rechtfertigungslehre ist keine Kritik Israels, sondern Öffnung des Heils Israels für alle Völker (K. Stendahl).

4. Die soziale Dimension der Versöhnung im Neuen Testament Bestätigt wird die Existenz einer solchen sozialen Dimension der Versöhnung durch die dritte Versöhnungsaussage bei Paulus in Röm 11,15. Die Versöhnung der Welt meint eine Öffnung des Glaubens für alle Völker. In den Gemeinden fanden sich Menschen aus vielen Völkern zusammen und bildeten überregionale Netzwerke. Damit trat die urchristliche Missionsbewegung in Konkurrenz zu einer gleichzeitigen Entwicklung in der Oberschicht (3 Soziale Schichtungen): Im 1./2. Jh. n. Chr. entstand eine Reichsaristokratie, die ihre Interessen mit dem imperium romanum verband und eine gemeinsame überregionale Kultur von Spanien bis Syrien entwickelte. Der Kaiserkult bildete dabei eine kultische Klammer für alle Bürger. Das Urchristentum war überregional verbreitet wie sonst vor allem die Aristokratie. Sein Herr war nicht der Kaiser, sondern der Kyrios Jesus Christus. Das musste zu einer Konkurrenz zwischen Kaiser und Christus führen, die in der weiteren Geschichte des Versöhnungsgedankens noch deutlicher wird. Die deuteropaulinischen Briefe Kolosser und Epheser greifen nicht nur den Versöhnungsbegriff auf, sie entfalten eine umfassende Versöhnungstheologie. Inhaltlich betont der Kolosserbrief die Versöhnung aller mythischen Mächte, der Epheserbrief darüber hinaus die Versöhnung von Juden und Heiden. Gemeinsam ist beiden Briefen, dass Christus Frieden (3 Friede / Krieg) stiftet. Am Ende steht nicht die Vernichtung der Mächte, sondern ihre Entwaffnung (Kol 2, 15). Ziel ist die Zusammenfassung des Alls unter Christus als Haupt (Eph 1, 10). Der Gerichtsgedanke tritt konsequenterweise stark zurück. Denn die Geschichte und das All bewegen sich auf eine kosmische Versöhnung zu. Christus wird bei der Neubearbeitung des Kolosserbriefs im Epheserbrief in zunehmendem Maße zum Gegenbild des Kaisers (E. Faust): Christus hat das Gesetz aufgehoben, damit er »Frieden mache und die beiden versöhne mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst« (Eph 2,15 f.). Er ist gekommen,

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Vertrag

um in seinem Evangelium Frieden zu verkündigen. Das erinnert an den Advent eines Herrschers. Das »Evangelium«, das Christus bringt, hat Analogien in der Friedenspropaganda der Kaiser. Wenn er die Feindschaft zwischen Juden und Heiden überwinden will, tut er das, was in der Welt die Aufgabe des Kaisers war. Auch die Rede vom »Leib« hat Analogien in der Kaiserideologie (Curtius Rufus 19). Will man diesen Kontrast Christus und Kaiser geschichtlich deuten, so könnte man ihn aus der Situation nach dem jüdischen Krieg erklären. Der Epheserbrief sagt: Was den Kaisern misslang, nämlich die Überwindung der Feindschaft zwischen Juden und Heiden, gelingt Christus in den urchristlichen Gemeinden. In ihnen leben Juden und Heiden (3 Judentum / Christentum) friedlich miteinander und verehren denselben Herrn. Das war aus historischer Sicht eine Illusion: Christen haben die Feindseligkeit zwischen Juden und Nichtjuden gesteigert. Gerade deshalb ist die Erinnerung wichtig: Im Urchristentum gab es auch die Vision, dass in Christus die Feindschaft zwischen Juden und Heiden überwunden ist. Das verpflichtet bis heute. Breytenbach, Cilliers, Versöhnung, WMANT 60, Neukirchen 1989. Eberhart, Christian, Studien zur Bedeutung der Opfer im Alten Testament. Die Signifikanz von Blut- und Verbrennungsriten im kultischen Rahmen, WMANT 94, Neukirchen-Vluyn 2002. Faust, Eberhard, Pax Christi et Pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zum Epheserbrief, NTOA, Freiburg / Göttingen 1993. Janowski, Bernd, Stellvertretung. Alttestamentliche Studien zu einem theologischen Grundbegriff, SBS 165, Stuttgart 1997. Maier, Harry O., A Sly Civility: Colossians and Empire (im Erscheinen begriffen). Millard, Matthias, Die Genesis als Eröffnung der Tora. Kompositions- und auslegungsgeschichtliche Studien zum ersten Buch Mose, WMANT 90, Neukirchen-Vluyn 2001. Millard, Matthias, Die Komposition des Psalters. Ein formgeschichtlicher Ansatz, FAT 9, Tübingen 1994. Stendahl, Krister, Der Jude Paulus und wir Heiden. Anfragen an das abendländische Christentum, München 1978.

Strecker, Christian, Paulus aus einer ›neuen Perspektive‹. Der Paradigmenwechsel in der jüngeren Paulusforschung, KuI 11 (1996), 3-18.

Matthias Millard / Gerd Theißen

Vertrag Ein Vertrag stellt eine rechtliche Einigung zwischen zwei oder mehr Parteien über einen so genannten Rechtserfolg (z. B. Kauf einer Ware) dar. Verträge werden in Gesellschaften mit einer hohen Dichte an wirtschaftlichen Transaktionen zur rechtlichen Absicherung von Geschäften etc. geschlossen. Geschlossene Verträge geben einer Übereinkunft eine rechtliche Verbindlichkeit. Grundlage für einen Vertrag ist die Einigung, die in bestimmter Form niedergelegt werden muss. Durch die Vertragsform können die Vertragspartner bei Nichteinhaltung ihr Recht bei Gericht einklagen. Dies kann für sozial niedrig gestellte Personen eine wichtige Schutzfunktion darstellen; vorausgesetzt ist allerdings ein funktionierendes Rechtssystem. – Verträge der Antike beziehen sich auf Kaufgeschäfte, auf Kreditgeschäfte, auf Arbeits- und Dienstleistungsverhältnisse und auf Eheschließungen. Jer 32, 10-14 enthält eine lebendige Schilderung der vertraglichen Fixierung eines Kaufgeschäfts. Nach der Einigung über eine Grundstückstransaktion wird die (doppelt ausgefertigte) Urkunde von den Beteiligten und von Zeugen unterzeichnet und der Kaufpreis gezahlt. Eine der Urkunden wird versiegelt, um sie später im Falle eines gerichtlichen Streits beiziehen zu können. Die andere erhält der Käufer als Beleg seines Kaufes. Beide Urkunden werden in Tongefäßen aufbewahrt. Jer 32, 44 geht selbstverständlich davon aus, dass Grundstückskäufe auf diese Weise vertraglich fixiert werden. Eine große Zahl von Bullen, die in einem bei der Eroberung Jerusalems 586 v. Chr. zerstörten Haus gefunden wurden, zeigt auf der Rückseite noch die Abdrücke der Schnüre, mit denen die Papyrusurkunden zu-

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Verwandtschaft

sammengebunden waren. – Die aus dem Samaria der zweiten Hälfte des 4. Jh. v. Chr. stammenden so genannten Sklavenverträge stellen keine Abmachungen zwischen Herren und Sklaven dar, sondern zwischen verschiedenen Sklavenbesitzern über den Kauf und Verkauf von Sklaven. – Jüdische Eheverträge aus dem ägyptischen Elephantine (5. Jh. v. Chr.) treffen umfangreiche Regelungen, die der Frau weitgehende Rechte einräumen. Geregelt wird die Rückgabe der Mitgift, die Verteilung des Hausrats, aber auch das Erziehungsrecht über die Kinder. Eheverträge der hellenistischen Zeit regeln die wirtschaftliche Absicherung von Frauen nach einer Scheidung (u. a. Rückzahlung der Mitgift und Zahlung einer Buße bei Ehebruch) und setzen sie so nicht der Willkür der Männer aus. Gleiches gilt für jüdische Eheverträge (Ketubba) seit dem 1. Jh. v. Chr. (Eheverträge aus römisch-hellenistischer Zeit vgl. P.Mur 20, 21, 115, 116). – Neben dem Schutz des schwächeren Partners können Verträge auch eine Form darstellen, ausbeuterische Praktiken rechtlich abzusichern. Die Schuldurkunden in Lk 16, 5-7 (eine übliche Form eines griechischen Vertrages) beinhalten in der Schuldsumme versteckte Zinsen, die nach jüdischem Recht untersagt sind: Geldschulden werden in Naturalien umgesetzt, wodurch Zinsen verschleiert werden können. Die zu erstattende Menge an z. B. Öl enthält die geliehene Geldmenge plus Zinsen. Mit rechtlichen Mitteln kann man sich gegen eine solche Praxis nicht zur Wehr setzen, das Gleichnis fordert subversives Verhalten (Reduzierung der Schuldsumme durch Änderung des Vertragstextes). Wichtiger Teil eines Vertrages konnte das Angeld sein. Hierbei handelte es sich um eine Anzahlung, die den Vertrag gültig macht und den Rechtsanspruch auf die vertraglich vereinbarte Leistung bestätigt (Erhalt der Ware und Zahlung der ganzen Kaufsumme). In 2 Kor 5, 5 wird das Verhältnis zwischen Gott und den Gläubigen mit dieser Vertragskategorie charakterisiert: Mit der Gabe des Geistes bindet Gott sich an die Menschen und sichert ihnen die Erlösung und Befreiung zu.

Cotton, Hannah M., Recht und Wirtschaft. Zur Stellung der jüdischen Frau nach den Papyri aus der judäischen Wüste, ZNT 6 (2000), 23-30. Ilan, Tal, Integrating Jewish Women into Second Temple History, TSAJ 76, Tübingen 1999. Hillmann, Reinhard, Zu den Scheidungsklauseln im Ehevertrag zwsichen 3Ananyah bar 3Azaryah und der Sklavin Tamut, Papyrus Kraeling BMAP 2, in: Erhard Blum u. a. (Hg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte, FS R. Rendtorff zum 65. Geburtstag, Neukirchen-Vluyn 1990, 469-478. Kessler, Rainer, Samaria-Papyri und Sklaverei in Israel, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 196-206. Pauly, Dieter, Gott oder Mammon: Die Wiederherstellung der Ökonomie. Bibelarbeit zu Lukas 16, 1-13, Einwürfe 6, München 1990, 124-167. Pomeroy, Sarah B., Frauenleben im klassischen Altertum, Stuttgart 1985. Schiemann, Gottfried, Art. Vertrag, DNP 12/2, 2002, 97-101.

Carsten Jochum-Bortfeld / Rainer Kessler

Verwaltung 3 Staat / Verwaltung

Verwandtschaft 1. Grundlegendes Verwandtschaft ist im Alten Israel wie in allen Kulturen ein grundlegendes Element aller Gesellschafts- und Herrschaftsformen. Königtum und Tempel sind demgegenüber sekundär. Das Hebräische kennt verschiedene Begriffe für Verwandtschaftsverbände (vgl. Jos 7, 16-18): Die kleinste Einheit ist be¯t 3a¯b »Vaterhaus« oder »Haushalt« (Num 25, 14; Jos 22, 14) als die Gruppe der in einer Hausgemeinschaft lebenden Personen (3 Familie). Der meistgebrauchte Terminus misˇpa¯h¯ah »Clan, Sippe« bezeichnet eine Reihe ˙ von Haushalten, die ihre Abstammung von einem realen oder fiktiven Ahnen herleiten (Ex 6, 14.25; Num 1, 2) und in vorexilischer Zeit eine Dorfgemeinschaft bilden. Schließlich bezeichnen matæ¯h und ˇs¯evæt »Stamm« die Verbindung meh˙ ˙ rerer Clans, die im selben Gebiet siedeln (Gen 49; Ri 5, 13-18). Verwandtschaft wird im Alten Testa-

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Verwandtschaft

ment patrilineal konstituiert, d. h. Genealogien und Erbfolge laufen über die Vatersippe (Gen 5; 10; Num 1; 1 Chr 1-8). Hebräische Begriffe für Verwandte sind 2ammı¯m, die Pluralform von 2am »Volk« (Gen 17,14; Lev 19, 8) und 3a¯h, wörtlich ˙ »Bruder« (Gen 14, 6; 1 Kön 12, 24; Jer 34, 9), das oft als Appell an die Solidarität untereinander gebraucht wird. Für eng Verwandte werden ˇse3e¯r und ba¯s´¯ar, wörtlich »Fleisch«, verwendet (Gen 2, 23-24; 37, 27; Lev 18, 6.12; Ri 9, 1; 2 Sam 5, 1). Der israelitische Haushalt ist patrilokal, d. h. die verheirateten Söhne wohnen am Ort des Vaters, und patriarchal, d. h. vom männlichen Haushaltsvorstand gelenkt und rechtlich vertreten (3 Patriarchat). Die Stämme sind akephal, d. h. ohne Zentralinstanz, und mehr oder weniger lose Gebilde, die sich nur bei Gefahr von außen in Gruppen organisieren und verteidigen (Ri 4,1-10; 5, 14-18; 12, 1-3). Die Organisation einer nach Haushalten und Sippen gegliederten Stammesgemeinschaft setzt egalitäre, finanziell und politisch etwa gleich starke Verwandtschaftsgruppen voraus. Sie wird gefährdet, sobald sich eine Zentralinstanz herausbildet, vgl. die Regierung Sauls (3 Königtum). Im Neuen Testament wird der Begriff syggenes für Verwandtschaft, die einen gemeinsamen Ursprung bezeichnet, verwendet, während oikeioi Menschen sind, die im gleichen Haushalt leben. So ist Elisabet mit Maria verwandt (Lk 1, 36), typisch ist auch die Reihe »Verwandte, Nachbarn, Bekannte« (Lk 2, 44; 14,12). In Röm 9, 3 spricht Paulus von jüdischen Glaubensgeschwistern als syggenes. Zu versorgende Personen im Haushalt sind dagegen oikeioi (1 Tim 5, 8). 2. Geschichtliche Entwicklung In den ersten israelitischen Siedlungen im Bergland dominiert der Haushalt als Wohn- und Wirtschaftseinheit, in der Familienmitglieder aus 3-4 Generationen das gemeinsame Land bewirtschaften. Mehrere solcher Haushalte verwandter Familien bilden eine Dorfgemeinschaft, die in 80 % der Dörfer unter 100 Personen umfasst und als misˇppa¯h¯ah »Sippe« gilt (Meyers in Perdue ˙ 11-13). Dagegen sind die Stämme oder staatliche

Strukturen im früheisenzeitlichen Israel kaum greifbar, da archäologische Spuren einer über die Siedlungen hinausgehenden Organisation wie öffentliche Gebäude, größere Wohnhäuser und Heiligtümer vor dem 8. Jh. sehr selten sind (Blenkinsopp in Perdue 85). In den Texten spielt die Abgrenzung der Nordreichsstämme von Juda (und Benjamin) in der Königszeit (2 Sam 5, 5; 1 Kön 12, 16.19) und nach der Zerstörung Samarias (2 Kön 17,7-23) bis zur Entstehung der samaritanischen Gemeinde (2 Kön 17, 24-41; Neh 3, 34; Mt 19, 5; Joh 4, 9) eine so große Rolle, dass die historisch unterschiedliche Entwicklung von Nordund Südreich vermutlich auf älteren Gegensätzen basiert. Die Vorstellung, dass sich Israel aus den Stämmen der 12 Söhne Jakobs entwickelt hat (Gen 49, 28; vgl. Apg 26, 7), ist eine Rückprojektion aus späterer Zeit, die den Anspruch vertritt, dass das Land von Dan bis Beersheba dem Volk Israels zusteht. In der Königszeit verarmen viele Haushalte aufgrund von Steuern, Fronarbeit und Missernten (1 Sam 8 reflektiert die Rechte des Königs), so dass deren Einfluss zurückgeht. Die führenden Familien der judäischen Landstädte, hebr. 2am ha¯ 3a¯ræs, haben aber ˙ durchaus politische Macht und wirken bei der Wahl des Königs mit (2 Kön 11,19-20; 21, 24; 23, 30). Handwerk und Priestertum sowie Ämter in der königlichen Verwaltung werden innerhalb der Verwandtschaftsverbände weitergegeben (vgl. die Schafaniden 2 Kön 22, 8; Jer 26, 24; 29, 3; 36, 10.11; 40, 7). Wenn die Babylonier um 597 und 586 v. Chr. die Familien des Königs und der Oberschicht deportieren (2 Kön 24,15-16), zerstören sie Staatsorganisation und Wirtschaft. Mit der Rückkehr von Exilierten nach Juda Ende des 6. Jh. v. Chr. und dem zwangsläufigen Streit um ehemalige Wohn- und Besitzrechte gewinnt das Verwandtschaftsmodell neu an Bedeutung. Die in Esr 2 par Neh 7 präsentierten be¯jt 3abo¯t »Väterhäuser« (1 Chr 7, 7) sind fiktiv, sie beinhalten patrilineare Verbände, aber auch Dorfgemeinschaften (Neh 7, 26-33) und Berufsgruppen, die sich auf einen Stammvater zurückführen (Neh 7, 3960). Die im 4. Jh. v. Chr. konstruierte, von Adam bis zu Davids Nachkommen reichende große Ge-

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Verwandtschaft

nealogie von »ganz Israel« in 1 Chr 1-9 vertritt erneut die Fiktion eines blutsverwandten, patrilinearen Zwölfstämmevolkes. Der in Texten der persischen Zeit erwähnte Streit um die Volkszugehörigkeit von Ehepartnern (Esr 10; Neh 13, 23-30) verweist darauf, dass die aus dem Exil Zurückgekehrten mit Hinweis auf das Vermischungsverbot (Dtn 7) und die jüdische Sprache (Neh 13, 23-24) die Scheidung ethnisch fremder Ehefrauen fordern. Demgegenüber wirbt das Buch Rut für die Integration ethnisch fremder Ehefrauen, wenn diese die jüdische Religion annehmen. Tatsächlich leben im nachexilischen Juda wie in ganz Palästina Familien verschiedener Volkszugehörigkeit neben- und miteinander. Die Unterschiede zwischen ihnen sind durch Religion, Schicht, materielle Grundlagen und Teilhabe an politischen Ämtern geprägt. Durch die Hellenisierung des Orients seit dem 3. Jh. v. Chr. werden die dort lebenden Völkerschaften als »Ethnien« wahrgenommen, einer Mischkategorie aus Volkszugehörigkeit und Wohnort. Unter dem oniadischen Hohepriester Jason wird Jerusalem um 175 v. Chr. in eine hellenistische Polis umgewandelt (2 Makk 4, 9), so dass die dort ansässigen Familien das Bürgerrecht von Antiochia erhalten und der politischen Führungsschicht des Seleukidenreiches gleichberechtigt werden. Der damit bedingte Abschied von der Tora als Norm, die auf jüdischer Volkszugehörigkeit und verwandtschaflicher Solidarität basiert, führt faktisch zur Anerkennung der antiken Klassengesellschaft und politisch zum Aufstand der Makkabäer, die von der Landbevölkerung unterstützt werden. Für die Masse der Landbevölkerung in Palästina führen die Kriege der hellenistischen Zeit zur Verelendung, oft zur Versklavung und insgesamt zu einem Verlust des sozialen Netzwerks Familie. Arme können kaum noch innerhalb der Verwandtschaft versorgt werden und sind auf Almosen angewiesen (Sir 7, 10.32 f.; Tob 1, 17; 4, 7 f.; 12, 8; vgl. die »Einlagen« für Witwen und Waisen im Tempel 2 Makk 3,10).

3. Verlassen der Verwandtschaftsbezüge in der Jesusnachfolge Jesus selbst gilt in seiner Heimatstadt Nazaret nichts, weder bei Verwandten noch im Herkunftshaushalt (Mk 6, 4). Die wahre Familie Jesu besteht aus Menschen, die den Willen Gottes tun (Mk 3, 31-35). Menschen, die Jesus nachfolgen, müssen mit Konflikten in ihrer Verwandtschaft rechnen (Lk 21, 16). Neue Bezugsgruppe sind die entstehenden Gemeinden, in einer späteren Phase können auch Verwandte und Freunde in die Bildung von Hausgemeinden einbezogen werden (Apg 10, 24) ebenso wie Haushaltsangehörige (Apg 16, 15.34). Menschen, die sich Jesus Christus zugehörig fühlen, bezeichnen sich als Geschwister (Mt 23, 8; Mk 10, 30; Lk 22, 32; 1 Kor 15, 6), während leibliche Geschwister zu den Personen gehören, die um des Glaubens willen verlassen werden (Mk 10, 29). Angesichts der in ärmeren Bevölkerungsschichten auseinanderbrechenden Verwandtschaftssolidarität entsteht hier eine neue Solidargemeinschaft. Diese neue Gemeinschaft, terminologisch als Hausgemeinschaft gekennzeichnet, schließt auch die Versorgungsfunktion des Haushalts mit ein (2 Kor 8-9; Apg 2, 44-45; 6, 1). Den »Hausgenossen des Glaubens« bzw. »Glaubensgeschwistern« sollen die Mitglieder der Gemeinden in besonderer Weise Gutes tun (Gal 6, 10). Der neue Gruppenbezug kann auch in Bildern einer neuen Bürgerschaft ausgedrückt werden (Eph 2,19). 4. Materielle und soziale Bedeutung Im Alten Israel ist wie im Alten Orient das Leben einer einzelnen Person von der Position innerhalb von Verwandtschaftsbeziehungen in Haushalt, Sippe und Stamm bestimmt. Die genealogische Einbindung »Sohn / Tochter des X, des Sohnes Y« ist Teil des Namens und zeigt die Zugehörigkeit zu einer Familie und Sippe an (Gen 24, 23-24; Tob 5, 13), was vor allem in der Königsfamilie und Oberschicht bedeutsam ist (1 Sam 20, 27; Esr 7, 1-5). Verwandtschaft reicht über den Tod hinaus, da ein Verstorbener in der Regel im Familiengrab bestattet wird und so wirklich »versammelt wird zu seinen Verwandten« (Gen 25, 8;

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Verwandtschaft

35, 39) oder »zu seinen Vätern« (Ri 2, 10). Wahrscheinlich hat es in Israel und Juda bis in exilische Zeit wie in den Nachbarvölkern einen Ahnenkult gegeben, der die lebenden und toten Mitglieder der Sippe verband (3 Familie, 2.c.). Er wurde von der monotheistischen Gottesvorstellung verdrängt. Materielle Grundlage von Haushalt und Sippe ist der Landbesitz (nahala¯h), der ˙ als von Gott zugeteilt und deshalb unveräußerbar gilt (Num 26, 52-56; 1 Kön 21). In nachexilischer Zeit können auch Töchter erben, wenn Söhne fehlen; sie müssen dann aber innerhalb der Sippe verheiratet werden, damit der Landbesitz nicht verloren geht (Num 27,1-7; 36, 1-12; in Hi 42, 15 erben alle Kinder). In der griechischrömischen Antike tritt die Bedeutung der Blutsverwandtschaft zurück gegenüber der Bedeutung des Haushalts, der für die Versorgung seiner Mitglieder aufkommt. Verantwortlich ist der Hausherr, wobei auch Frauen real einem Haushalt vorstehen können (Apg 16, 15; Röm 16, 2). Der 1 Tim gibt Hinweise, dass der Versorgungsanspruch gegenüber der Gemeinde wieder in den Verantwortungsbereich einzelner Haushalte gehen soll (5, 8). So wird die Versorgung der Witwen einzelnen Frauen in deren Haushalt anbefohlen um die Gemeinde zu entlasten (5, 16). Prinzipiell ist die Versorgung von Personen, die keinem Haushalt angehören, ein Problem. Das betrifft vor allem Menschen, die durch den natürlichen oder häufig auch gewaltsamen Tod des Versorgers in Not geraten wie Witwen und Waisen. In diesen Zusammenhang gehört, dass Jesus vor seinem Tod seine Mutter einem Jünger anvertraut (Joh 19, 26-27). 5. Verwandtschaftliche Solidarität Ein wohl altes Element verwandtschaftlicher Verpflichtung ist die Blutrache (3 Rache), die einen Mord mit dem Totschlag des Täters sühnt (Num 35, 19; Ri 8, 18-21; 2 Sam 3, 27). Sie wird jedoch im deuteronomischen Gesetz durch die Einrichtung von Zufluchtsorten gewissen Regeln unterworfen und ist vor dem Ortsgericht verhandelbar (Dtn 19, 1-13, Num 35 3 Asyl). Die fiktive Erzählung 2 Sam 14, 4-11 nennt den König als Appella-

tionsinstanz. Daneben stehen die verwandtschaftlichen Hilfeleistungen. So ist Zinsnahme bei Verleih von Gütern und Geld gegenüber Verwandten verboten (Ex 22, 25; Dtn 23, 20-21), in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wohl aber praktiziert worden (3 Schulden). Schuldknechtschaft von Volksgenossen wird auf sechs Jahre begrenzt (Ex 21, 2; Dtn 15, 12-18), was in nachexilischen Texten mit Hinweis auf verwandtschaftliche Solidarität begründet wird (Lev 25, 35-43; Neh 5, 1-13; Jer 34, 8-22 3 Sklaverei). Die Leviratsoder Schwagerehe (Dtn 25, 5-10) sichert Landbesitz und Namen eines ohne Sohn verstorbenen Mannes durch einen seiner Brüder sowie die Versorgung der Witwe. Das »Löserecht« misˇppat ha˙ ge3ulla¯h (Jer 32, 7) bezieht sich auf den Kauf eines Ackers bei drohender Verschuldung (Jer 32, 7-14 3 Auslösen / Erlösen) oder Rückkauf von zwangsweise veräußertem Landbesitz (3 Jobeljahr). Das nachexilische Buch Rut schildert einen Fall von Landkauf und Heirat, der weit über Leviratsehe und Löserecht hinausgeht und sogar die ausländische Frau, die sich der JHWH-Religion angeschlossen hat (Rut 1, 16-17), einbezieht mit der Botschaft, dass Verwandtschaft das Überleben garantiert (Fechter 321-323). Dieses soziale Ethos der Tora ist vor dem Hintergrund der Entwicklung zur Klassengesellschaft und der Verarmung großer Teile der Bevölkerung seit der mittleren Königszeit als Notmaßnahme und Formulierung des Idealzustandes zu verstehen. Den Aufstieg weniger Reicher, die Volksangehörige sozial und ökonomisch ausbeuten, beklagen bereits Amos (Am 2, 6-8; 4, 1-2; 6, 1-7) und Jesaja (Jes 1, 12-23; 5, 8.23). Mi 7,1-7 beschreibt als Folge dieser sozialen Spaltung die Aufhebung jeglicher nachbarschaftlicher, freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Solidarität. Dass Mi 7,7 im Neuen Testament zitatartig angespielt wird (Mt 10, 35 f.; Lk 12, 53), zeigt, dass die Entsolidarisierung innerhalb der Familie ein in römischer Zeit bekanntes Phänomen war. Ratschläge wie Spr 18, 23; 22, 26 und 27,10, die deuteronomischen Appelle, marginalisierte Personen, darunter 3 Witwe und 3 Waise (Dtn 16, 11; 24, 17-22), nicht zu unterdrücken, sondern zu versorgen sowie die Forderung,

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Almosen zu geben (Sir 7, 10.32 f.; 35, 4; Mt 6, 2 f.), zeigen, dass verwandtschaftliche Solidarität in der sozialen Wirklichkeit oft an ihre Grenzen geriet. Fechter, Friedrich, Die Familie in der Nachexilszeit. Untersuchungen zur Bedeutung der Verwandtschaft in ausgewählten Texten des Alten Testaments, BZAW 264, Berlin 1998. Kessler, Rainer, Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2 2008. Lang, Bernhard, Art. Verwandtschaft, NBL III, 2001, 10261033. Perdue, Leo G. / Blenkinsopp, Joseph / Collins, John J. / Meyers, Carol, Families in Ancient Israel, Louisville 1997.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Viehwirtschaft / Haustiere Über die antike Viehwirtschaft geben neben biblischen und außerbiblischen Texten besonders bildliche Darstellungen und archäologische Knochenfunde Auskunft. Der wirtschaftliche Wert domestizierter Tiere besteht 1) in ihrer Arbeitsleistung (Rind, Esel, Kamel, Maultier, Pferd, Hund), 2) in den regelmäßigen Erträgen Milch, Haare / Wolle, Dung, Eier und Honig (Ziege, Schaf, Kuh, Taube, Huhn, Biene) sowie 3) in ihren einmaligen Produkten: Fleisch, Fell, Knochen, Horn, Sehnen (Ziege, Schaf, Rind, Kamel, Schwein, Taube, Huhn). Die wichtigsten Haustiere waren Schafe und Ziegen, Rinder und Esel. 1. Kleinvieh Der alttestamentliche Begriff »Kleinvieh« ist ein Sammelbegriff für Schafe und Ziegen. Beide sind seit dem Neolithikum domestiziert. Sie bildeten besonders in den für Rinder ungeeigneten Steppengebieten (Ostjordanland, Negev) die ökonomische Basis, da die genügsamen und an Hitze anpassungsfähigen Tiere mit dürren Weiden auskommen – Ziegen sogar mit holzigem und dornigem Gestrüpp – und mehrere Tage – Ziegen bis

zu zwei Wochen – ohne Wasser leben und entsprechend weit von einer Wasserstelle grasen können. Zudem zehren sie im Sommer von dem in der winterlichen Regenzeit angefressenen Fett. Das Problem der Überweidung durch Kleinvieh ist schon in der Antike eine Ursache für landschaftliche Versteppung und Verkrüppelung von Wald. Als Schafe hielt man Fettschwanzschafe, deren Schwanz die Nährstoffreservefunktion eines Kamelhöckers hat und bei Widdern bis zu 10 kg wiegt. Die Ziegenarten Palästinas hatten relativ lange schwarze Haare (s´¯a¯r 2ı / sa2ir »Bock / Ziege«, wörtl. »haarig«). Die in der Regel gemischten Herden (75 % Schafe in 1 Sam 25, 2) lebten ohne Ställe mit einem 3 Hirten im Freien (Hos 4, 16; Mt 9, 36). Sie wurden bei Unwetter und nachts zum Schutz vor wilden Tieren in Höhlen oder runde Pferche mit Mauern oder Zäunen aus dornigem Gestrüpp getrieben (Num 32, 16; 1 Sam 24, 4; Zef 2, 6). Wer nur wenige Tiere hatte, konnte sie im zum Teil überdachten Hof seines Hauses unterbringen (2 Sam 12, 3). Große Herden zeugten von Reichtum (1 Sam 25, 2; Hi 1, 3), doch besaßen die meisten Familien nur ein paar Schafe und Ziegen. Einzelne Tiere und ganze Herden waren Handelsgegenstand (Ez 27, 21; Offb 18, 13), Zahlungsmittel (Gen 38, 17; 47, 17; Spr 27, 26), Geschenk (Gen 21, 27 ff.), Wiedergutmachungsleistung (Gen 12, 16), Beutegut (1 Sam 14, 32) und Tribut (2 Kön 3, 4; 2 Chr 17, 10 f.). In neutestamentlicher Bildsprache wird die von Ältesten geleitete Christengemeinde mit einer von Hirten geschützten, weil von hungrigen Wölfen bedrohten Kleinviehherde verglichen (Apg 20, 28 f.). Ziegen geben mit 50-250 Litern im Jahr fast doppelt soviel Milch wie Schafe. Bei der Schur, die am Winterende mit einem üppigen Fest verbunden war (1 Sam 25; 2 Sam 13, 23 ff.), liefern Schafe jedoch ca. 2 kg gute weiße Wolle, Ziegen dagegen nur knapp ½ kg minderwertige dunkle Haare. Letztere konnten nur zu einem rauen Stoff gewoben werden (Ex 35, 26), aus dem man Zeltplanen, Säcke und Sackgewänder machte, die aus Armut getragen wurden oder als Ausdruck von

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Viehwirtschaft / Haustiere

Trauer oder Buße (Ex 26, 7; Jes 3, 24; Jona 3, 8). Wolle wurde nach der Reinigung zu einem Faden versponnen, der dann zu Stoffen für Kleidung gewebt wurde (Spr 31,13.19; Ez 34, 3). Widderhörner dienten als Blasinstrumente und Ölgefäße (Jos 6, 5; 1 Sam 16, 1). Knochen und Sehnen wurden für Werkzeuge benötigt (Sicheln; Nähgarn). Felle wurden zu Decken, Kleidung (Hebr 11, 37), Leder / Pergament sowie zu Schläuchen für den Transport von Wasser und Wein verarbeitet (Mk 2, 22). Kleinvieh war der wichtigste Fleischlieferant, doch aß man Fleisch sehr selten. Da eine Herde für ihren Fortbestand nur 10 % männliche Tiere benötigt (Gen 32, 15), wurden die meisten männlichen Tiere schon jung geschlachtet und als etwas Besonderes gegessen (Lk 15, 29). Schafe und Ziegen sind auch die wichtigsten Opfertiere bei verschiedensten Opferarten (Lev 3, 7 ff.; Joh 2, 14 f.), vor allem die männlichen Jungtiere wie z. B. der Widder beim Pessachmahl (Ex 12, 5). Das Fett des Schafschwanzes galt als Leckerbissen (1 Sam 9, 24 cj?) und wurde beim Opfer für Gott verbrannt (Ex 29, 22 ff.; Lev 3, 711; 7, 1-6). In biblischer Bildsprache stellt das Raubtieren ohne menschliche Fürsorge (Num 27, 17) wehrlos ausgelieferte Schaf (Mt 10,16 par) – mehr noch das Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird (Jes 53, 7; Jer 11,19; Apg 8, 32) – einen machtlosen, hilflosen oder gar arglosen Menschen bzw. eine ohnmächtige Menschengruppe dar (Jer 50,17; Ps 119, 176; Mt 10, 6; 1 Petr 2, 25), wobei auch das Motiv vom unschuldig Leidenden mitschwingen kann (Röm 8, 36). Der ohne Widerstand erlittene gewaltsame Tod Christi kann mit dem eines Schlachtlamms verglichen und Christus heilstypologisch als wahres Pessachlamm interpretiert werden (Joh 1, 29.36; 1 Kor 5,7; Offb 5, 6). Der behornte Widder kann in apokalyptischer Literatur eine bedrohliche Macht symbolisieren (Dan 8, 3.6; Offb 13, 11). Auch der Vergleich mit einer Ziegenherde kann Schwäche ausdrücken (1 Kön 20, 27). Die verbreitete Darstellung zweier Ziegen, die einen Lebensbaum flankieren, versinnbildlicht aber

Vitalität und Lebenslust; so auch der Vergleich der Haare der Geliebten mit Ziegen (Hld 4,1; 6, 5). Ein Leitbock kann ein Bild für Anführer sein (Jer 50, 8; Sach 10, 3). Negativ konnotiert sind Böcke als Unheil kündende Trümmerbewohner (Jes 13, 21; 34, 14). Polemisch können Götter bzw. Götterbilder sowie die Gottlosen als Böcke bezeichnet werden (Lev 17,7; 2 Chr 11, 15). Nachbiblisch hat der Satan Züge eines Ziegenbocks. Die Tatchristen erscheinen im göttlichen Völkergericht als gerettete Ziegen, die von den zur Schlachtung vorgesehenen Zicklein getrennt werden (Mt 25, 31 ff.). 2. Rind Rinder dienten vor allem als Arbeitstiere. Sie waren kleiner und magerer als heutige europäische Tiere. Darstellungen zeigen oft Buckelrinder, deren Schulterhöcker die Nährstofffunktion eines Kamelhöckers hat. Rinder, die einen relativ großen Futter- und Wasserbedarf haben, wurden fast nur in den fruchtbaren Ebenen gehalten (Am 4,1). Sie weideten wohl uneingezäunt auf abgeernteten und unbestellten Feldern; zur Mast kamen sie in Ställe (Lk 13, 15) und erhielten im Idealfall Getreide (1 Kön 5, 3; Jes 30, 24; Hab 3, 17; 2 Chr 32, 28). Die Darstellung der Ahnväter Israels als Rinderbesitzer (Gen 12, 16; 13, 5; 26, 14; 32, 6.16; 46, 32) passt nicht zu dem ansonsten von ihnen gezeichneten Bild von Kleinviehnomaden in Zelten und lässt sich nur mit dem Willen der (städtischen) Überlieferer erklären, die Väter auch an dem Statussymbol ihrer Lebenswelt partizipieren zu lassen. Die Kastration von Stieren, die sie als Zugtiere besser lenkbar machen soll, ist in Palästina erst in dem späten Verbot Lev 22, 24 belegt. Die Übersetzung »Ochse« ist deswegen vielfach falsch. Dass auch Stiere arbeitsfähig sind, zeigt ihr Einsatz in Palästina bis ins 20. Jh. Gehalten wurden Rinder, deren Mist als Brennmaterial diente (Ez 4,15), vor allem, um Karren, Pflugscharen und Dreschschlitten zu ziehen (Dtn 25, 4; 1 Sam 6, 7; 2 Sam 24, 22; 1 Kön 19, 19-21; Hi 1, 14). Ihr Einsatz beim Pflügen ermöglichte die Bewirtschaftung größerer Flächen, und die Steigerung der Erträge hatte in der Frü-

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hen Bronzezeit zum Aufschwung der Stadtkultur geführt. Als Tragtiere dienten Rinder selten (1 Chr 12, 41). Nur geringe Bedeutung hatten sie für die Milchwirtschaft (ca. 4 Liter pro Tag über 7-10 Monate; Dtn 32, 14; 2 Sam 17, 29), die Fleischproduktion und die Lederherstellung. Ein Kalb wurde nur bei festlichen Gelegenheiten geschlachtet (Gen 18, 7 f.; 1 Sam 28, 24; Mt 22, 4; Lk 15, 23.27.30). Dass am Hof Salomos täglich 30 Rinder verzehrt wurden, ist höfische Propaganda, die den Reichtum des Königs veranschaulichen soll (1 Kön 5, 3). Im Kult galten Rinder als die wertvollsten Opfertiere (Lev 1, 1 ff.; 3, 1 ff.; 4,1 ff.; 9,1 ff.; Apg 14, 13; Hebr 9,12 f.). Das Image des Rindes ist überwiegend positiv. Der Stier verkörpert unbändige Kraft (Hi 39, 9 f.), die eigene oder die von Feinden (Dtn 33, 17; Ps 22, 13). In den goldenen Stierbildern von Bet-El und Dan manifestierte sich Jahwe als machtvoll helfender Exodusgott (1 Kön 12, 28). Eine Kuh verkörperte Schönheit (Jer 46, 20). Das in der Ikonographie verbreitete Motiv der säugenden Kuh verlieh als Segensikone dem Wunsch nach Fruchtbarkeit Ausdruck. Negativ gelten Rinder als störrisch (Hos 4, 16), unerfahren und züchtigungsbedürftig (Jer 31,18), sowie als dumm (Jes 1, 3, dort jedoch klüger als Israel). 3. Esel Esel, die physiologisch an ein heißes Klima besonders gut angepasst sind, dienten als Reit- und Lasttiere (Ri 12, 14; Sach 9, 9 f.; Mk 11,1 ff. parr). Auch einfache Leute (Hi 24, 3) besaßen einen Esel, der vermutlich oft im Haus untergebracht war und sich auch von Disteln und Stroh ernähren ließ. Vornehme hatten beim Reiten – wie ägyptische Bilder zeigen – zwei Knechte, einen der das Tier führte, einen der es hinten antrieb (Gen 22, 3; Num 22, 22). Als Lasttier war der Esel für Handelskarawanen (Gen 42, 26; Jes 30, 6) und Kriegszüge (2 Kön 7, 7) unersetzlich. In der Landwirtschaft wurde er zum Pflügen eingesetzt (Jes 30, 24) – vermutlich auch zusammen mit einem Rind, obwohl Dtn 22, 10 dies eigentlich verbietet. Als Einhufer durfte er nach Lev 11, 3 nicht gegessen und geopfert werden. Tote Esel erhielten die

Aasfresser (Jer 22, 19). In der neutestamentlichen Messianologie reitet Jesus in Erfüllung von Sach 9, 9 f. als Friedenskönig auf einem jungen Esel in Jerusalem ein (Mk 11,7 parr; Joh 12, 14). 4. Kamel Das Kamel, und zwar das einhöckrige Dromedar, wurde im 4. Jt. domestiziert, kam aber in Palästina noch im 2. Jt. nur vereinzelt vor. In Ägypten und im Milieu der Kleinviehnomaden der vorstaatlichen Zeit, in dem die Vätererzählungen spielen, gab es sie kaum (gegen Gen 12, 16). Sie wurden den Vätern wohl zugeschrieben, um ihren Reichtum zu mehren. Erst im 1. Jt. gewannen Kamele als Transport- und Reittiere äußerst beweglicher, zum Teil räuberischer Nomadenstämme an Bedeutung, z. B. der auf der Arabischen Halbinsel lebenden Midianiter (Ri 6, 5; 1 Sam 30, 17; 1 Kön 10, 2). Bauern und Kleinviehnomaden hatten allenfalls einzelne Lastkamele (fehlen in Dtn 5, 14.21). Wichtig waren sie in erster Linie für den Fernhandel (Tagesleistung ca. 50 km). Die fettreiche Milch diente als Nahrung, der Dung als Brennmaterial und raue Kamelhaarkleidung ärmeren Menschen als Kleidung (Mk 1, 6). Das Fleisch wurde in Israel kaum gegessen. In der Bildsprache steht die Größe des Kamels im Vordergrund (Mk 10, 25 parr). 5. Maultier Maultiere dienten gelegentlich als Lastträger und königliche Reittiere (1 Kön 1, 38; 2 Kön 5, 17). Die genügsame, aber starke Kreuzung von Eselhengst und Pferdestute, die Lev 19, 19 verbietet, spielte in der Landwirtschaft jedoch keine Rolle und war nicht verbreitet (Esr 2, 66). 6. Pferd Pferde sind schnell (Jes 30, 16; Hab 1, 8), aber teuer und aufwändig in der Haltung (1 Kön 10, 28 f.). Sie wurden weder in der Landwirtschaft noch im Handel als Transporttiere eingesetzt, sondern dienten militärischen und repräsentativen Zwecken. Königliche Truppen spannten sie – auch in Israel (1 Kön 5, 6; 22, 4) – vor ihre Streitwagen, deren Erfindung Mitte des 2. Jt. die Kriegsfüh-

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Viehwirtschaft / Haustiere

rung revolutioniert hatte. Zu reiten begann man auf Pferden erst im Laufe des 1. Jt. (Jer 6, 23; Hos 14, 4). In persischer Zeit gab es militärische Reiterei und Postpferde (Est 8, 10.14; Jdt 2, 7). Bildlich repräsentieren Pferde Reichtum und militärische Macht (Jes 22, 6 f.), die jedoch kritisch gesehen wurde (Dtn 17,16), da JHWHs Macht entscheidend ist (Ex 15, 19-21; Ps 33, 17; Spr 21, 31). In der Heilszeit reitet der Messias auf einem Esel, während die Pferde verschwinden (Sach 9, 9 f., vgl. Mk 11,7 parr; anders Offb 19,11). In apokalyptischen Gerichtsvisionen symbolisieren berittene Pferde die Grundübel der Menschheit (Sach 6, 18; Offb 6, 1-8). 7. Schwein Das Schwein wurde im Neolithikum domestiziert. In Palästina wurde es in der Mittleren Bronzezeit, aber auch in der Eisenzeit gehalten und gegessen. Dies belegen Knochen, die man in zahlreichen Siedlungen in nennenswerter Zahl gefunden hat und die z. T. Schnittspuren aufweisen (z. B. Lachisch, Samaria, Taanach). Auch Spr 11, 22 setzt die Haltung von Schweinen voraus. Sie war nomadisierenden Gruppen nicht möglich, da die Tiere nur schwer mitzuführen waren und Zelte vermutlich oft eingerissen hätten. In Dörfern und Städten lebten die Tiere wohl einzeln oder in kleinen Gruppen auch auf den Straßen. Schweineherden mit Hirten sind in römischer Zeit belegt (Mk 5, 13 f. parr; Lk 15, 15). Als Allesfresser sorgten Schweine, die zur Mast auch von einer Überproduktion an Getreide profitierten, für die Verwertung von biologischen Abfällen (Olivenkerne, Kleie, Spreu, Maische, Küchenmüll). Vor allem waren sie jedoch als Fleischlieferanten interessant. Das Verbot, Schweinefleisch zu essen (Lev 11, 7; Dtn 14, 8), stammt wohl erst aus (nach)exilischer Zeit. Es hat keine gesundheitlichen Gründe (Trichine), zielt auch nicht auf Abgrenzung von Religionen, in denen Schweine eine kultische Funktion hatten (Hetiter), sondern gründet wohl in der Verbindung von Schweinen mit dämonischen Wesen (vgl. Mk 5, 1 ff. parr), wie sie auch auf Darstellungen belegt ist, jedoch die Frage nach dem Grund die-

ser Dämonisierung aufwirft. Vielleicht stellt das Verbot ein Relikt der im Alten Testament geschätzten nomadischen Kultur dar, in der Schweinezucht nicht üblich war und die sich dadurch vielleicht von städtischer Kultur abgrenzte. In hellenistischer Zeit wird das Verbot ein Identitätsmerkmal des sich rituell definierenden Frühjudentums (2 Makk 6, 18; 7, 1). Die Geringschätzung des Schweins, das entsprechend seiner Lebensweise auch in Bildern oft mit dem (Aas-)Hund begegnet, zeigt das neutestamentliche Wort von den Perlen, die vor die Säue geworfen werden (Mt 7, 6; vgl. Spr 11, 22; 2 Petr 2, 22), sowie die polemische Unterstellung, Schweinefleisch zu essen und Schweineblut zu opfern (Jes 65, 4; 66, 3.17). 8. Hund Der Hund – im Neolithikum domestiziert – diente dem Menschen als Haushund zur Bewachung und Abfallbeseitigung (Mk 7, 28 par), als Jagd- und Hirtenhund (Hi 30, 1), zuweilen auch als Reisebegleiter (Tob 5, 17). Die meisten Hunde streunten jedoch in halbwilden Rudeln um die Ortschaften, gierig nach Abfällen und Aas konnten sie sogar menschliche Leichen fressen (Ex 22, 30; 1 Kön 14, 11; 2 Kön 9, 10; Ps 59, 15 f.; Sir 26, 25; Lk 16, 21). Deswegen ist das Image des Hundes negativ (Jes 56,10) und das Wort »Köter« ein Schimpfwort (Phil 3, 2; 2 Petr 2, 22; Offb 22, 15) oder eine Selbstbezeichnung, die Unterwürfigkeit (2 Sam 9, 8) oder schlechte Behandlung (2 Sam 3, 8) ausdrückt. Auf Bildern sind sie wie Schweine (zusammen genannt Jes 66, 3; Mt 7, 6) mit Dämonen assoziiert. 9. Taube Tauben lieferten Eier und Fleisch. Es gab in Palästina vor allem zwei Taubenarten, die Turteltaube, einen Zugvogel (Jer 8, 7), und die Felsentaube, die man wohl schon früh domestiziert und spätestens seit dem 6. Jh. in Schlägen gehalten hat (Jes 60, 8). Auch wenn wir biblisch nichts über die Haltung erfahren, darf sie vorausgesetzt werden, da Tauben vielfach geopfert wurden, ja das klassische Armeleuteopfer darstellten (Lev

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Volk / Völker

1, 14 ff.; 5,7 ff.; Lk 2, 24; Joh 2, 14). Seit hellenistischer Zeit belegen hunderte von riesigen Schlägen eine gigantische Massenhaltung. Bildlich wurde das Seufzen der Klagenden mit dem Gurren von Tauben verglichen (Jes 59, 11). Aufgrund des als Küssen gedeuteten Schnäbelns war die Taube ein Symbol der Liebesgöttin und der Liebe. Bei der apokalyptischen Erzählung von Jesu Taufe bedeutet sie die göttliche Weisheit für den neu geschaffenen Adam (Mk 1, 10 f. par). 10. Huhn Hühner lieferten ebenfalls Eier und Fleisch, spielten in Palästina aber erst ab der persischen Zeit eine Rolle. Vorher gab es sie schon – wie Darstellungen eines Hahns auf Siegeln zeigen –, jedoch nur vereinzelt. In der Bibel sind sie kaum erwähnt, abgesehen vom Ruf des Hahns, der den Tag ankündigt (Mk 14, 30 par). 11. Biene Bienen produzierten Honig. Abgesehen von Fruchtsirup war er, da es keinen Zucker gab, der einzige Süßstoff und gehörte deswegen zu den Grundnahrungsmitteln (2 Sam 17, 29; Jer 41, 8; Sir 39, 31). Er wurde nicht nur von wilden Bienen gewonnen (1 Sam 14, 26 ff.; Mk 1, 6 par), sondern auch aus Bienenhaltung, wie sie in Ägypten schon lange bekannt war, sonst könnte er nicht Erstlingsgabe sein (Lev 2, 11 f.). In römischer Zeit verwendete man Bienenwachs auf Schreibtafeln und zum Abdichten. Bildlich veranschaulichen gereizte Bienen die Aggressivität von Feinden (Dtn 1, 44; Ps 118, 12). Die Bibel gebietet Achtung gegenüber Tieren. Nach Gen 1, 28 hat Gott die Menschen mit der Herrschaft über die Tiere beauftragt. Sie domestizieren Tiere (Jak 3,7). Der Gerechte sorgt für sein Vieh (Spr 12, 10). Der Sabbat ist auch für Tiere arbeitsfrei (Dtn 5, 14). Dem Rind soll man beim Dreschen das Maul nicht zubinden (Dtn 25, 4). Das Junge von Rind, Schaf und Ziege durfte man dem Muttertier erst nach 7 Tagen zur Schlachtung oder Opferung nehmen und nicht am selben Tag mit ihm schlachten (Lev 22, 27 f.).

In den Zusammenhang gehört vielleicht auch das Verbot, das Böcklein in der Milch seiner Mutter zu kochen (Ex 23, 19), das in der jüdischen Küche bis heute zur strikten Trennung von Milch und Fleisch führt. Borowski, Oded, Every Living Thing. Daily Use of Animals in Ancient Israel, Walnut Creek 1998. Brentjes, Burchard, Die Haustierwerdung im Orient, Wittenberg 1965. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina, 7 Bde., Gütersloh 1928-1942 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1987). Firmage, Edwin, Art. Zoology, ABD VI, 1992, 1109-1167. Janowski, Bernd u. a. (Hg.), Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993. Keel, Othmar / Küchler, Max / Uehlinger, Christoph, Orte und Landschaften der Bibel I, Zürich u. a. 1984. Riede, Peter, Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel, OBO 187, Freiburg / Schweiz / Göttingen 2002. Ryken, Leland u. a. (Hg.), Dictionary of Biblical Imagery, Leicester 1998.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

Volk / Völker Biblisches Weltbewusstsein setzt voraus: Die Menschheit hat einen gemeinsamen Ursprung, gliedert sich aber in konkurrierende und paktierende, genealogisch vernetzte Völker (Gen 1-3; 5). Noachs Familie teilt sich in drei Großgruppen: die semitische, hamitische, japhetitische (Gen 9 f.). Pauschale Wertungen sind in Gen 9, 18-27 zu erkennen: Ham, Ahn westorientalischer Völker, wird wegen »Entehrung des Vaters« verflucht; Sems und Japhets Nachkommen empfangen Segen (V. 25-27). – Eine so globale Sicht der Völkerwelt ist aber wahrscheinlich erst Frucht von Erfahrungen mit orientalischen 3 Großmächten. In der dunklen Frühzeit haben sich israelitische Stämme sippenmäßig, über Eponymen identifiziert (vgl. Gen 49). Volk (vorwiegend 2am) war ein agnatischer Begriff

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Volk / Völker

Gesandtschaft der Areier aus dem Völkerrelief in Persepolis, 5. Jh. v. Chr.

(»stammverwandt«). Innerhalb der patrilinearen Gemeinschaft galten die Regeln verwandtschaftlicher Bindung, Schutz- und Racheverpflichtungen, Kontakttabus (vgl. Ri 19,11 f.) und ehelicher Inkompatibilität (vgl. Gen 26, 34 f.; 28,1 f.; 34, 710). Im dicht besiedelten »fruchtbaren Halbmond« herrschte schon auf dieser Ebene erbitterte Konkurrenz (vgl. die Brunnenrechte in Gen 26). Mit der Staatengründung in Israel / Juda verschob sich die Bedeutung von »Volk« auf die politische Größe »Staat«. Stammesstrukturen sind akephal, segmentär und bis zu einem gewissen Grad egalitär. Monarchien dagegen tendieren zu Zentralismus, Bürokratie, Willkürherrschaft, vgl. die beißende Kritik Ri 9, 8-15. Wie weit sich das »Volk Israel« bzw. in Juda mit der Daviddynastie identifizierte, ist schwer abzuschätzen. Immerhin sprechen verschiedene Überlieferungen, die David über die Jahrhunderte hoch halten und von ihm Rettung und Wiederherstellung des Staatswesens erwarten, für seinen Einfluss auf das Bewusstsein Israels (vgl. 2 Sam 7, 8-16; Ps 89; Jes 11,19; Mi 5, 1-4; Jer 23, 5 f.; Ez 34, 23 f.). In den Chronikbüchern sind David und Salomo zu Begründern der nachexilischen Kultgemeinde transformiert (vgl. auch Autorenzuweisungen in Psalmen und Weisheitsschriften des Alten Testaments). Auf staatlicher Ebene kamen vor allem die palästinisch-syrischen Nachbarvölker in den Blick. Die Völkerorakel des Amos z. B. nennen gegen den Uhrzeigersinn Damaskus, Gaza, Tyrus, Edom, Ammon und Moab. Israel / Juda muss sich mit ihnen auseinandersetzen, einen modus vivendi suchen. Grundhaltung war wohl: Alle bleiben in ihren Grenzen und nähren sich redlich (vgl. Mi 4, 5). Handel und gelegentliche Verschwägerung

können nützlich sein (Gen 23; 34, 10; Num 12,1; 25, 1; Rut 1, 4). Die Texte zeigen jedoch, wie ambivalent »gute« Nachbarschaft ist. Im Kampf um die begrenzten Ressourcen (Wasser; Weidegründe) entwickelten sich »natürlich« vorurteilsvolle Feindschaften (vgl. z. B. Gen 19, 36-38: Moab und Ammon = Inzest-Kinder), z. T. andauernder, tiefer Hass (vgl. Obd; Jes 63, 1-6). Aus Philistäa und Phönizien (Tyrus; Sidon), Midian, Aram, Edom kommen die Hauptkontrahenten Israel / Judas. Israel hat also nach dem Alten Testament inmitten der Völkerwelt und im Gefolge der Nachbarvölker (1 Sam 8, 4 f.) staatliche Gestalt angenommen und unter David und Salomo die angrenzenden Völker beherrscht (vgl. 2 Sam 8, 1-14; 1 Kön 5,1). Später waren die Gesellschaften Israel und / oder Juda Gegnerinnen, aber zeitweise auch Partnerinnen ihrer Nachbarn (vgl. 1 Kön 20; 22; Salmanassar III. erwähnt Ahabs Streitmacht in der Koalition, die 853 v. Chr. bei Qarqar gegen ihn kämpfte) und Spielbälle der 3 Großmächte. Eroberer, welche von Norden (vgl. Jer 1, 13-15; 4,7; 6, 22-26; Ez 38, 15 f.) oder Süden (vgl. 2 Kön 23, 33 f.; Jes 7, 18; Ez 19, 1-4) das Land heimsuchten, stellten eine andere Kategorie von »Volk« dar. Sie werden gerne mit mythischen Bildern bedacht (vgl. Jes 17, 12 f.; Jer 50, 44; Ez 32, 2), als Strafwerkzeuge Gottes beschrieben, aber auch als reiche, mächtige, kunstfertige, weise Menschen bestaunt (Jona 3, 2 f.; Est 1, 1-9; Weisheit aus dem Osten: Hi 1, 1; Spr 30, 1; Magier aus dem Morgenland: Num 22, 5; Mt 2,1). Besser noch für heimliche Herrschaftsträume, wenn man sie dem heimischen Prunk, der eigenen Macht und Weisheit, nachordnen kann (1 Kön 10,1-13; 2 Kön 5). Die Fremdvölkersprüche der Propheten sind Abwehrrituale

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Gesandtschaft der Syrer aus dem Völkerrelief in Persepolis, 5. Jh. v. Chr.

gegen imperiale (und nachbarschaftliche) Bevormundung (vgl. Jes 13 f.; 19; Jer 46; 50 f.; Ez 29-32). Erst in der Zukunft werden die dominanten Völker von JHWH überwältigt; die Endzeiterwartungen nehmen unter dem Einfluss persischer und hellenistischer Theologie immer mehr apokalyptische Züge an (vgl. Sach 2,15; 14; Ez 38 f.; Jes 24-27; Dan 7; Offb 18-20). Nach katastrophalen Erschütterungen und Kämpfen setzt Gott sein Friedensreich durch, oft versinnbildlicht im »Neuen Jerusalem«. An ihm dürfen nach manchen Traditionen auch die bekehrten Fremdvölker teilhaben (vgl. Jes 2,1-4; 19, 19-22; Sach 14, 1618). Am Ende der Geschichte kommt die turbulente Völkerwelt zur Ruhe (vgl. Offb 20-22). Die exilisch-nachexilische Periode, in der sich die geistige Auseinandersetzung mit den Völkern intensiviert, modifizierte noch einmal entscheidend das Volk-Verständnis Altisraels. Das monarchische Gehäuse war verschwunden. Judäerinnen und Judäer mussten fern der Heimat (3 Diaspora) eine neue Identität und Sozialstruktur entwickeln. Sie wurden zum »Volk JHWHs«, des alten Rettergottes, zum »Volk des Bundes« (vgl. Ex 24; Jos 24; Dtn 29-31; Neh 10) mit exklusiver Bindung an seinen Weltgott, zum Volk der Tora, die eine neue Spiritualität vorgab. Verwandtschaftliche und ethnische Verpflichtungen blieben freilich wirksam. (Diese Spannung zwischen Glaubens- und Volksidentität prägt noch heute den Staat Israel.) Die neue Sozialstruktur der Glaubensgemeinschaft musste ohne staatliches Korsett auskommen, war auf Willensentscheidung gegründet und lebte doch als »Volk« unter anderen Völkern. Die Außenwelt insgesamt funktionierte nun kraft der geglaubten Oberhoheit JHWHs über alle Könige und Reiche im Dienste

des heiligen Volkes Israel. Das erwählte Volk war das Zentrum der Geschichte, seine spirituelle Hauptstadt der Mittelpunkt der Welt (3 »Heiden«). Schon im Neuen Testament haben christliche Stimmen den absoluten Geltungsanspruch aufgenommen, z. T. in die Endzeit projiziert. Auch die Gemeinde Jesu wird zum »Volk Gottes« und glaubt, dass das römische Reich, wie alle Mächte dieser Welt, in Seiner Hand liegt (vgl. Lk 2, 1; Apg 26-28; Röm 13,1-7; Offb). Erst der späte, exilisch-nachexilische Erwählungsglaube hat vermutlich zur Ausbildung einer Theorie des »Heiligen Krieges« geführt, nach der das »Land Kanaan« ausschließlich Eigentum des JHWH-Volkes war. Die Urmenschen (vgl. Num 13) waren zu vertreiben oder zu vernichten (vgl. Ex 34, 10-16; Dtn 20; Jos 1-12). Legendäre Fremdstämme: amoritische, kanaanitische, hetitische, perisitische, hewitische, jebusitische (so Ex 34, 11) – haben das »heilige« Land JHWHs durch ihre heterogenen Kulte verunreinigt, also müssen sie eliminiert werden. Das Land »speit sie aus« (vgl. Lev 18,1-5.24-30; 20, 22-26). Priesterliche Heiligkeitstheologie will die konsequente Absonderung Israels von den anderen Völkern und setzt sich gelegentlich gegen weltoffene Tendenzen (vgl. die Bücher Jona; Rut; Jes 19, 23-25; Ps 87) durch. In kritischen Situationen wurden die Ehen mit ausländischen Frauen geschieden (Esr 10; Neh 13, 23-31). »So reinigte ich sie von allem Ausländischen«, sagt Nehemia unter Stoßgebeten (Neh 13, 30). »Mischehen« waren in Altisrael offenbar häufig; selbst Abraham und Mose werden »fremde« Frauen zugeschrieben (vgl. Gen 16; 25, 1-4; Num 12, 1). Die in der Bibel verwendeten Termini für Volk / Völker verraten den gesellschaftlichen

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Volk / Völker

und geistigen Wandlungsprozess. 2am und goj, »Volk, Nation, Staat, Bevölkerung«, sind anfangs gleichwertige Begriffe, der erste betont die verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit, der zweite die politische Strukturierung einer ethnischen oder politischen Einheit. Dann differenzieren sie sich auseinander, 2am wird zum ausschließlichen Kennwort der eigenen Gemeinschaft, denn diese hat viel mehr Affinität zu elementaren Sippenstrukturen als zur politischen Organisation. Goj hingegen mutiert zum Schimpfwort für die 3 Heiden, weil die »anderen« überwiegend politisch organisiert sind und nur in diesem Kontext als Glaubensgegner auftreten. Weitere Ausdrücke können als Synonyma der beiden Grundbezeichnungen auftreten: le3o¯m, »Leute, Menge, Volk«, meist in poetischen Texten (vgl. Jes 43, 4.9; Ps 2, 1; 67, 5; 148, 11), 3 ijjı¯m, »Küsten, Inseln« (und deren Bewohner; vgl. Jes 11,11; 42, 4.10.12; Ez 27, 3.15.35; Ps 72, 10; 97, 1). Auch das häufige Wort 3æræs, »Land« nimmt gern die ˙ an (vgl. Ps 33, 8; 50,1; Bedeutung »Volk, Staat« 66, 4; 148, 13). Wir haben es in der Bibel mit spezifisch religiöser Sprache und Konzeptualisierung zu tun, die zu einer besonderen Glaubensgemeinschaft gehört. Wie ist die Situation im alten Vorderen Orient? Gibt es vergleichbare Begriffsbildungen von »Volk, Staat, Nation«? Die Quellenlage ist sicherlich für die zeitgenössischen antiken Kulturen anders als in Israel: Thematisiert werden politische Fragen generell nur durch die Machthaber. Bürgervoten sind eher nicht erwünscht und höchstens als Petitionen von Stadtbevölkerungen an Militärs und Regierungen denkbar. Die Dynasten fühlen sich für ihr Volk – in Mesopotamien: »die Schwarzköpfigen« – und die unterworfenen Ethnien verantwortlich. Im Verhältnis zu »anderen« Völkern sind dynastische Perspektiven vorherrschend, gelegentliche Eindrücke von Auslandsreisenden (vgl. den SyrienReisebericht des Ägypters Wen-Amon um 1076 v. Chr.) sind Ausnahmen. Die Briefliteratur mag hier und da Privaterfahrungen von Völkerbegegnung bewahren (vgl. auch Jer 29, 4-7; Ps 120, 5-7). Weisheitsliteraturen, Lebenslehren bewegen sich

im persönlichen und Kleingruppenniveau, kaum auf der politischen Bühne. Von daher können wir über die »Volks«-Vorstellungen der Menschen wenig wissen. Die offiziellen Urteile sind paternalistisch. In Graffitti und Gerichtsurkunden erscheint der Normalmensch dem »Volk«, der »Menge« gegenüber höchstens als Bittsteller. Biblische Berichte und Reflexionen über Volk und Völker, Erwählte und Verworfene, Gemeinde und Andersgläubige sind Bekenntnisse, vergleichbar mit Aussagen des altpersischen Avesta. Das Grundproblem scheint damals wie heute zu sein: Wie entwickelt sich sozialpsychologisch ein Gruppenbewusstsein: »Wir sind das Volk!«? Welchen Regeln unterliegt dieser Prozess? Er ist sicher nicht auf Altisrael und die christliche Urgemeinde beschränkt. Gruppendynamische Untersuchungen zeigen: Jeder beliebige Trupp von Menschen kann in Konkurrenz- und Stresssituationen ein Identitäts- und Selbstwertgefühl ausbilden, das auf der Überlegenheit gegenüber anderen Gruppierungen basiert. In dieser Situation befand sich Israel über Jahrhunderte. Abhängigkeit von Großmächten, ständige Herausforderungen durch Nachbarvölker, Konstituierung einer (unpolitischen) Religionsgemeinschaft, Konfrontationen mit dem allmächtigen Staat seit der hellenistischen Epoche (vgl. Ester; Daniel; 1 Petrus; Offenbarung) brachten in den biblischen Gemeinden (Juden und Christen) ein in Anbetracht der tatsächlichen Machtlosigkeit des »Volkes Gottes« extremes, unerklärbares Überlegenheitsgefühl hervor. Das fand seinen höchsten Ausdruck im Glauben an die eigene Erwählung zum einzigartigen Eigentumsvolk JHWHs (Ex 19, 3-6; Dtn 7, 6; vgl. Tit 2, 14; 1 Petr 2, 9 f.), des ausschließlichen, universalen Weltenschöpfers und -regierers und des Vaters Jesu Christi (Röm 9-11). An dem endgültigen Sieg Gottes über alle aufsässigen Völker und Mächte (vgl. Ps 2; Ez 38 f.; Dan 7; Offb) kann kein Zweifel bestehen; die Erwählten (»Heiligen des Höchsten«) nehmen an der Umkehrung der irdischen Machtverhältnisse teil. Sie empfangen Huldigungen ihrer früheren Unterdrücker (vgl. Jes 49, 22 f.: »Sie werden … deiner Füße Staub lecken«; Zef

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3, 9 f.20). Die Frage der Zebedäus-Söhne bzw. ihrer Mutter (nach Beteiligung am jüngsten Tribunal zur Aburteilung der Völker?) ist also nicht ganz unberechtigt (vgl. Mt 20, 20-28). In jedem Fall kann man die Selbsteinschätzung eines »Volkes Gottes« erst dann theologisch würdigen, wenn man den »natürlichen« Hang religiöser Gemeinschaften zur Verabsolutierung der eigenen »Volks«gruppe, bzw. Gemeinde, mit bedacht hat. Ahn, Byung-Mu, Jesus und das Minjung im Markusevangelium, in: Jürgen Moltmann (Hg.), Minjung – Theologie des Volkes Gottes in Südkorea, Neunkirchen-Vluyn 1984, 110-132. Anter, Andreas, Die Macht der Ordnung. Aspekte einer Grundkategorie des Politischen, Tübingen 2004. Baumann, Gerlinde, Liebe und Gewalt. Die Ehe als Metapher für das Verhältnis JHWH – Israel in den Prophetenbüchern, SBS 185, Stuttgart 2000. Beer, Bettina, Ethnologie: Einführung und Überblick, Berlin 5 2003. Crüsemann, Frank, Widerstand gegen das Königtum, WMANT 49, Neukirchen-Vluyn 1978. Grindheim, Sigurd, The Crux of Election. Paul’s Critique of the Jewish Confidence in the Election of Israel, WUNT 2/202, Tübingen 2005. Kraus, Wolfgang, Das Volk Gottes. Zur Grundlegung der Ekklesiologie bei Paulus, WUNT 85, Tübingen 1996. Küster, Volker, Jesus und das Volk im Markusevanglium, Neukirchen-Vluyn 1996. Lévi-Strauss, Claude, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft (Org. franz. 1949), Frankfurt 1981. Meyer, Ernst, Einführung in die antike Staatskunde, Darmstadt 6 1992. Mosser, Alois (Hg.), Gottes auserwählte Völker. Erwählungsvorstellungen und kollektive Selbstfindung in der Geschichte, Pro Oriente 1, Frankfurt 2001. Novak, David, The Election of Israel. The Idea of the Chosen People, Cambridge 1995. Ribeiro, Darcy, Der zivilisatorische Prozess (org. brasil. 1978), Frankfurt 1981. Roth, Martin, Israel und die Völker im Zwölfprophetenbuch, FRLANT 210, Göttingen 2005. Schorn, Ulrike, Ruben und das System der zwölf Stämme Israels. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zur Bedeutung des Erstgeborenen Jakobs, BZAW 248, Berlin 1997.

Erhard S. Gerstenberger / Monika Schuol

Waffen / Befestigung 1. Einleitung Seit den Anfängen der Menschheit wehrten sich Individuen gegen Feinde, anfangs teils durch Handgreiflichkeiten, teils durch einfache Waffen wie Holzstäbe oder Steingerätschaften. Im Laufe der Zeit entwickelten sich Waffen entsprechend des technischen Fortschrittes; dabei war – wie bei der Perfektionierung der Eisenverhüttung – teilweise schon in der Antike die Waffenherstellung Triebfeder der technischen Entwicklung. Anfangs wurden die verwendeten Waffen aus dem Alltag, insbesondere aus der Jagd, entlehnt und waren multifunktional sowohl im Krieg als auch im zivilen Leben verwendbar; später entwickelten sich eigene militärische Ausrüstungen mit einer starken Spezifizierung der Waffensysteme. Diese Entwicklung vollzog sich – abgesehen von kleineren Verschiebungen – im gesamten Mittelmeerraum etwa gleichzeitig. Trotzdem waren die Bewaffnung des Heeres und die Sicherung eines Landes auch immer von regionalen Gegebenheiten abhängig. So zeigt z. B. die Monolithinschrift Salmanassars III. (859-824 v. Chr.), dass man in Israel stärker auf Streitwagenheere, in Damaskus dagegen auch auf Infanterie und in den Wüstenregionen auf Kamelreiter vertraute (TUAT I, 361). Die jeweiligen militärischen Systeme hatten natürlich auch unterschiedliche Akzentuierungen in der Ausrüstung mit Waffen zur Folge. In Israel gab es nur ein relativ kleines stehendes Heer (vgl. die Leibwache des Königs und die Söldner im Dienste des Königs als Kern der Truppe), das vermutlich über eine relativ gute Schulung und Ausrüstung (neben militärischen Fähigkeiten auch Kenntnisse von Lesen und Schreiben) verfügte; leider liegen nur wenige archäologische Befunde vor. Nahezu alle literarischen Zeugnisse aus der Königszeit, die als Schülerübungen bezeichnet werden können, wurden in Festungsbauten gefunden und belegen damit die schulische Ausbildung von Militärbeamten. Möglicherweise dienten die so genannten Pfeilerhäuser, die an zentralen Orten entlang der Han-

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dels- und Militärstraßen errichtet waren, zumindest teilweise der Versorgung von Soldaten, die in den einzelnen Orten in Wohnhäusern wohnten. Die frühere Annahme, es würde sich um Kasernen handeln, kann auf Grund der Ausgrabungsbefunde nicht bestätigt werden. Dem Heer stand zur Zeit Davids und Salomos ein Heerführer vor (1 Kön 1,19 u. ö.). Diese militärische Führungsposition wurde auch nach der Reichsteilung im Nord- (1 Kön 16,16) und Südreich (2 Kön 25,19) übernommen. Das Heer war in Gruppen zu 50 und 100 eingeteilt (1 Sam 8,12; 1 Kön 1,5), die jeweils einem Truppenführer unterstanden. Die Angaben, dass einzelne Heerführer 1000 Krieger befehligten (Ex 18,21; 1 Sam 22,7; 1 Chr 15,25 u. ö.), stammen allesamt aus der nachexilischen Zeit; sie sind Zeichen einer Neustrukturierung des Heeres in jener Zeit. Den Großteil des Heeres stellten im Kriegsfall Bauern, die zum Heerbann einberufen wurden; sie werden in der Regel nur sehr einfach ausgerüstet gewesen sein und sich mit Waffen wie Stöcken und Keulen bewehrt haben. Für diese Bauern bedeutete ein Krieg immer auch ein soziales Problem: Sie mussten ihre Äcker und Herden verlassen und konnten sich so nicht ausreichend der Sicherung der Nahrung für das kommende Jahr widmen. Daher wurden in Dtn 20,5-7 auch Ausnahmen vom Heerbann festgelegt: Wer einen Weinberg angelegt und noch nicht eine erste Lese verrichtet hat, also den Weinberg noch entsprechend pflegen musste, um den Unterhalt der Familie auch im Todesfall sicherzustellen, war ebenso vom Dienst im Heer befreit, wie derjenige, der zwar verlobt, aber noch nicht verheiratet war. Da man sich nur verlobte, wenn man keinen Brautpreis zahlen konnte, sondern diesen durch seine Arbeitskraft erst aufbringen musste, sollte auch so der Fortbestand der Familie und damit des Erbes sichergestellt werden. In eine ähnliche Richtung zielt auch V. 5, wonach der Erbauer eines noch nicht eingeweihten Hauses vom Heerbann befreit werden sollte; als Familienvorstand war seine Arbeitskraft gefragt, ansonsten wäre die Familie im Falle des Todes ohne häusliche Sicherung gewesen.

Von Zeughäusern, in denen Waffen für große Teile der Bevölkerung gelagert wurden, wissen wir nichts, wohl aber von Waffenlagern für das stehende Heer (z. B. 1 Kön 14,28). In einigen ausgewählten Orten (archäologisch nachgewiesen z. B. in Lachisch, Hazor, Tell el-Far3ah Nord) gab es Stadthauptmänner, die für die Verteidigung der einzelnen Ortschaften im Kriegsfall zuständig waren; diese Beamten wohnten in Palästen (3 Palast), deren Bausubstanz sich erheblich von der der normalen Bevölkerung unterschied. Zum unmittelbaren Schutz des Königs dienten zur Zeit Davids die Kreti und Pleti 2 Sam 8,18, die von einem eigenen Befehlshaber geleitet wurden. In späterer Zeit übernahmen diese Aufgaben die Läufer (1 Kön 14,27 f.; 2 Kön 10,25; 11,419); deren namengebende, aber nicht ausschließliche Aufgabe war die Begleitung des königlichen Streitwagens zum Schutze des Königs. Die Versorgung der kämpfenden Bauern, aber auch der hauptamtlich tätigen Obersten wurde freiwillig durch die Familien übernommen (1 Sam 17,17 f.). Ein Teil der 3 Fron(arbeit), die dem Volk auferlegt war, war es, die Kriegsgerätschaften herzustellen und zu warten (1 Sam 8,11 f.). In frühhellenistischer Zeit war Judäa von den Seleukiden besetzt, die das Land mit Militärkolonien sicherten. Im Makkabäeraufstand konnte Judas Makkabäus durch Guerillataktik mit einer nur leicht bewaffneten Truppe der seleukidischen Armee schwer zusetzen. Nach der Erlangung von Autonomie begann der Aufbau einer hasmonäischen Armee, die sich an hellenistischen Vorbildern orientierte und auch schweres Kriegsgerät einsetzte. Dieses Heer war in Gruppen von 1000, 100, 50 und 10 eingeteilt (1 Makk 3,55). Bereits seit Hyrkan I. (134-104 v. Chr.) gehörten Söldnertruppen zur hasmonäischen Armee. Unter Salome Alexandra (76-67 v. Chr.) dürften die Hasmonäer eine stehende Armee von bis zu 30.000 Mann unterhalten haben. Herodes (37-4 v. Chr.) verkleinerte im Zuge der Integration seines Königreichs in das imperium Romanum die Armee, wohl damit ihm nicht der Vorwurf einer allzu eigenständigen Politik ge-

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Abb. 1: Der Herrscher von Megiddo auf seinem Streitwagen mit einem Lederhelm auf dem Kopf. Megiddo, 13. Jh. v. Chr.

macht werden konnte. Mit der Provinzialisierung Judäas wurden die herodianischen Truppen als Auxiliareinheiten in die römische Armee eingegliedert. 2. Die Waffensysteme Als Quellen für die Waffensysteme stehen uns neben Textquellen und Realienfunden auch Bildquellen zur Verfügung, die anfangs vor allem assyrischen Ursprungs sind; hierbei ist jedoch zu beachten, dass die assyrischen Künstler oft ihre mesopotamische Bewaffnung abgebildet haben und nicht ein authentisches Bild eines Kriegsgeschehens vermitteln wollten. In der römischen Kaiserzeit sind insbesondere historische Reliefs Bildquellen für Bewaffnung und Kriegsgerät. Da Metall in der Antike relativ teuer war, werden Schutz- und Angriffswaffen aus Metall in der Regel nur von begüterten Bevölkerungsgruppen getragen worden sein. Erst in römischer Zeit gehörten metallene Panzer und Waffen zur Grundausrüstung des Heeres. a) Schutzwaffen. Zum Schutz des Kopfes gegen Verletzungen trug man in Palästina Helme aus Leder (vgl. die Abb. 1); Helme aus Metall waren dagegen selten und wurden vor allem von Ausländern oder von Herrschern (1 Sam 17,5.38) getragen. Erst in hellenistischer und römischer Zeit gehörten Bronzehelme zur regulären Ausstattung von Soldaten, und bei diesen Helmen spielte der Nackenschutz eine immer größere Rolle (Abb. 2). Zum Schutz des Körpers trugen herausragende Kämpfer ein Lederhemd, auf das Metallschuppen

aufgenäht waren. Je nach Länge wog ein solcher Schuppenpanzer 9,5 kg (Weste), 11 kg (Kurzhemd) oder sogar bis zu 27 kg (Langhemd). Der ursprünglich orientalische Schuppenpanzer wurde dann neben römischen Muskelpanzern und Schienenpanzern auch im römischen Heer verwendet (Abb. 2a). Beinschienen waren in Palästina in der Königszeit ungebräuchlich. Als Teil der Bewaffnung Goliats zeigen sie so seine fremdländische Herkunft an (1 Sam 17,6). Normalerweise scheinen zumindest einige (Berufs-)Soldaten, vielleicht nur assyrischer Herkunft, geschnürte kniehohe Stiefel getragen zu haben (Jes 9,4). Üblicherweise trug man im Kriegsfall aber wohl Sandalen. Schutzschilde wurden in länglicher, rechteckiger oder runder Form verwendet. Die Schilde waren aus Holz und teilweise mit Metall beschlagen, aber auch aus getrockneten Tierhäuten oder Schilfbündeln gefertigt. b) Persönliche Angriffswaffen. Stöcke und z. T. mit durchbohrten Stein- oder Metallköpfen bewehrte Keulen gehören zu den ältesten Waffen der Menschheit. Insbesondere die Keule wurde dann im 4. Jt. v. Chr. auch zum Herrschaftszeichen, das als solches aber nicht mehr als Kriegsgerät benutzt wurde (vgl. als entsprechende Belege noch aus biblischer Zeit Ps 2,9; 23,4). Eine technische Weiterentwicklung der Keule ist die Axt, die nicht nur als Schlagwaffe, sondern auch als Hiebwaffe verwendet werden konnte. Wäh-

Abb. 2: Augusteischer Helm vom Typus Weisenau / Nijmegen

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rend sie im 3. und 2. Jahrtausend – z. T. auch als Zeremonialaxt – weit verbreitet war, ging ihre Verwendung im 1. Jt. als Kriegsgerät offenbar stark zurück. Das in einem Stück gefertigte Krummschwert wurde bereits im 3. Jt. v. Chr. in Mesopotamien erfunden. Es wurde in Ägypten im 2. Jt. als die »klassische« Waffe verwendet, mit der der Pharao die Feinde erschlägt (Abb. 3). Als Stich- und Hiebwaffen wurden im Nahkampf das (Kurz-)Schwert (Länge max. 40 cm) und der Dolch verwendet. Diese Waffen trug man in einer Scheide am Gürtel. Längere Schwerter, die jedoch höchst selten waren, wurden an einem Schulterband befestigt. Die Schwierigkeit bei der Herstellung längerer Schwerter, die nicht nur als Stich- sondern auch als Hiebwaffe eingesetzt werden konnten, war die Elastizität des Metalls: Einfaches, ungehärtetes Metall bricht beim Schlag auf einen stumpfen Gegenstand leicht. Die Lanze, ein längerer (ca. 1,5-1,8 m) Stock mit aufgesetztem Metallblatt, wurde als Stichwaffe bei Fuß-, Reit- und Wagentruppen benutzt. Die in der hellenistischen Phalanx verwendeten Lanzen hatten eine Länge von bis zu 4 m. Der kurze (Wurf-)Speer gehörte in römischer Zeit zur Ausrüstung der Legionäre. Wichtige Angriffswaffen waren ferner Pfeil und Bogen, die eigentlich für die Jagd verwendet wurden. Während sich wohl jeder Jäger einfache Bögen leisten konnte, waren die aufwändigen Kompositbögen, bei denen mehrere Hölzer und Hornstücke miteinander verleimt wurden, um eine große Spannkraft und damit Reichweite zu erreichen, sehr teuer. Mit solchen Bögen war schon im Altertum ein zielgenauer Schuss über rund 100 m möglich. Die Sehne wurde erst kurz vor dem Einsatz des Bogens aufgezogen, um die Spannkraft des Bogens zu erhalten. Der in Gen 9 in den Himmel gesetzte Regen-Bogen stellt einen Kriegsbogen ohne Sehne dar und will damit die unkriegerische Haltung Gottes gegenüber der Menschheit verdeutlichen: Nach der Sintflut will Gott nicht mehr gegen den Menschen kämpfen, sondern diesem eine neue, von Gott gesegnete Lebensmöglichkeit bieten. Als Pfeil verwendete man einen Rohr- oder Holzschaft mit einer auf-

Abb. 2a: Krieger mit Schuppenpanzer

gesetzten Metallspitze. Auch Brandpfeile (Ps 7,14; 120,4; Eph 6,16), bei denen man die Spitze mit in Öl getränktem Stofffäden umwickelte und anzündete, waren im Altertum schon im Einsatz. Hiermit beschoss man vornehmlich die hölzernen Tore der Stadt, aber auch die Häuser im Stadtinneren, die mit Holz gedeckt waren. Die Pfeile wurden in einem Köcher aufbewahrt, der über der Schulter getragen oder aber am Streitwagen befestigt wurde. Eine weitere, aus der Jagd entlehnte Kriegswaffe ist die Steinschleuder. Sie besteht aus einem geflochtenen Band, das in der Mitte zu einer Tasche für die Aufnahme eines Geschosssteines aus-

Abb. 3: Pharao erschlägt Feinde

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Waffen / Befestigung

gearbeitet wurde. Das eine Ende des Bandes wird mittels einer Schlaufe um den Mittelfinger gesteckt, das andere Ende halten Daumen und Zeigefinger derselben Hand. Man schwingt diese Waffe mehrfach um den Kopf und lässt dann das freie Ende los. Mit solchen Schleudern konnten Weiten bis zu 400 m und Abwurfgeschwindigkeiten bis zu 90 km/h erreicht werden. Beim Aufprall des Steins auf der Schädeldecke kann es zu Schädelbrüchen kommen. c) Schweres Kriegsgerät. Als schweres Kriegsgerät können Belagerungsmaschinen (3 Belagerung), Streitwagen, Kriegselefanten und Kriegsschiffe bezeichnet werden. Während die ersten, recht massiv gebauten Wagen im 3. Jt. v. Chr. von Eseln oder Rindern gezogen wurden, stellt der relativ leichte, mit Speichenrädern versehene Streitwagen, der von Pferden gezogen wurde, eine Neuerung des 2. Jt. v. Chr. dar. Derartige Wagen hatten nur noch eine militärische (und eine repräsentative) Funktion. Sie zeigen an, wie sich die Militärtechnologie im Laufe der Zeit allmählich verselbständigt hat und Waffen und Militärgerätschaften nicht mehr identisch mit den Alltagsgerätschaften waren. Streitwagen waren wegen ihrer leichten Bauweise eigentlich nur in der Ebene einsetzbar. Im Bergland wäre bei rasanter Fahrt leicht ein Achsoder Radbruch zu befürchten gewesen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere die Ägypter, bei denen es große Streitwagenheere gab (z. B. in der Ramsesstadt Ex 1,11), in der flachen Deltaregion und im östlich sich anschließenden Sinaigebiet auf Streitwagen vertrauten. Hierfür waren nur Hengste geeignet, die in einem langjährigen Training besonders für ihren militärischen Einsatz ausgebildet werden mussten. In Israel gab es während der Königszeit mindestens zwei Standorte für Streitwagenheere. Einer war in Megiddo in der Jesreelebene, wo ideale Voraussetzungen für einen Kampf mit Hilfe eines Streitwagenheeres bestanden. Die berühmten »Ställe« in Megiddo, deren Zweckbestimmung in der Forschung stark umstritten ist (Pferdestall, Kaserne, Marktplatz, Lagerraum) könnten tatsächlich als Pferdeställe genutzt wor-

Abb. 4: Plan von Megiddo, Stratum IV A

den sein; die vorgelagerten quadratischen Höfe waren dann Trainingsgelände für die Ausbildung der Pferde. (Abb. 4). Das andere Heer könnte in der Küstenebene stationiert gewesen sein. Im Nordreich Israel scheint die Streitwagenpraxis recht ausgeprägt gewesen zu sein. Auch wenn die Zahlenangabe »2000 Wagen« in der Inschrift Salmanassars III. aus dem Jahr 853 (TUAT I, 361 Z. 91 f.), die er von dem Nordreichskönig Ahab erbeutet haben will, weit überhöht sein dürfte, so fällt doch auf, dass kein anderer Koalitionär aus Syrien / Palästina eine derart hohe Zahl an Streitwagen in den Krieg mit einbrachte; dies dürfte ein Hinweis darauf sein, dass zur Zeit Ahabs ein beträchtliches Streitwagenheer, das hinsichtlich seiner Größe in der Levante singulär war, in Israel aufgebaut worden war. Auf den recht leicht gebauten ägyptischen Streitwagen standen jeweils zwei Personen: der Wagenlenker und ein Schütze. Nur der Pharao als idealer Krieger war zumindest in der Theorie in der Lage, gleichzeitig einen Streitwagen zu lenken und mit Pfeil und Bogen mitten ins Ziel zu treffen; diese Szene wird mehrfach auf ägyp-

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Waffen / Befestigung

Abb. 5: Avers der »Poros«-Dekadrachme mit Kampf mit Kriegselefanten

tischen Bildern dargestellt. In assyrischer Zeit waren die Streitwagen massiver gebaut. Nun konnten drei Mann auf einem Wagen untergebracht werden. Der »dritte Mann« trug einen Schild und sollte so die beiden anderen Männer vor feindlichen Angriffen schützen. Zum Schutz des Streitwagens liefen auch noch einige Männer neben dem Wagen her (1 Sam 8,11). Während das Gebiet Israels zumindest im Bereich der Hauptstraße entlang der Küste und durch die Jesreelebene relativ flach ist, konnte man im bergigen Gebiet Judas kaum sinnvoll Streitwagen einsetzen. Wenn auch dort von Streitwagen, auf denen der König einherfuhr, berichtet wird, so handelt es sich dabei wohl eher um ein Herrschaftszeichen als um eine reale militärische Praxis. Spätestens seit der persischen Zeit gibt es keine Belege für Streitwagen mehr und seit hellenistischer Zeit kennen wir nur noch reine Kavallerieeinheiten, vorwiegend wohl mit Bogenschützen. Kriegselefanten waren Bestandteil der persischen Armee und wurden seit Alexander dem Großen in hellenistische Armeen integriert. Sie trugen Bogenschützen und Lanzenkämpfer und machten durch ihre physische Gewalt großen Eindruck auf die Gegner. In den Diadochenkriegen wurden Kriegselefanten (Abb. 5) häufig eingesetzt, so etwa bei Schlachten in der Levante (Gaza, 312 v. Chr., Raphia, 217 v. Chr.) und 165 v. Chr. bei der Schlacht von Beth Zur, Seleukiden gegen Hasmonäer. Kriegsschiffe mit ihren charakteristischen Rammspornen spielten bereits in den Perserkriegen eine entscheidende Rolle, wobei die persische

Flotte zum Teil von phönikischen Städten gestellt wurde. In den hellenistischen Großreichen wurden die klassischen dreireihigen Trieren durch vier- und fünfreihige Tetreren und Penteren ersetzt. Die hellenistischen Staaten bauten gewaltige Flotten auf, die aber bereits im 2. Jh. v. Chr. unter der aufsteigenden Macht Roms zerschlagen wurden. Von einer Flotte und maritimen Ambitionen des Hasmonäerstaats wissen wir trotz seines Ausgreifens auf die Küstenstädte nichts. Erst Herodes scheint im Rahmen des Ausbaus der Küstenstädte (z. B. Caesarea Maritima) eine eigene, wohl kleine, Flotte unterhalten zu haben, mit der er beispielsweise römische Seeaktivitäten am Bosporus unterstützte (Abb. 6). 3. Stadtbefestigungen Städte der Bronze- und Eisenzeit waren in der Regel schon dadurch gut geschützt, dass sie jeweils über Jahrhunderte am selben Ort bestanden; so entstanden allmählich Siedlungshügel mit steilen Flanken, die gegen Feinde gut geschützt waren. Zusätzlich gab es am oberen Rand der Siedlungshügel noch einmal eine Stadtmauer, die die Stadt im Belagerungsfall weiter schützen sollte. Während der Spätbronzezeit, als die Ägypter die Oberherrschaft über Palästina ausübten, war es aber anscheinend verboten, eine solche Stadtmauer zu errichten. Erst mit der Eisenzeit (ab 1200 v. Chr.) kamen entsprechende Befestigungen wieder auf. Teilweise bestand die Stadtmauer aus so genannten Kasematten, d. h. die Mauer war nicht massiv, sondern wies im Inneren einen Raum auf, der als Lager- oder Wohnraum genutzt werden konnte. Eine besondere Schwachstelle war jeweils die Toranlage. Daher war dieser Bereich in der Regel besonders gut geschützt, entweder durch ein vorgelagertes Tor (der Zwischenraum zwischen den beiden Tor-

Abb. 6: Revers einer Bronzemünze Herodes des Großen mit Galeere

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Waffen / Befestigung

anlagen konnte dann nachts von Händlern als sicherer Übernachtungsplatz genutzt werden) oder durch ein mehrkammeriges Torsystem. Das Tor war in alttestamentlicher Zeit gleichzeitig auch der Ort der Rechtsprechung (Jes 29,21; 3 Rechtswesen / Rechtsprechung). In hellenistisch-frührömischer Zeit waren die größeren Siedlungen mit Mauern und runden oder rechteckigen Türmen versehen. Derartige Befestigungsanlagen konkurrierten (zumeist vergeblich) mit der immer professioneller werdenden Belagerungstechnik (3 Belagerung). Unter den Bedingungen der pax Romana verloren die Befestigungsanlagen mehr und mehr ihre fortifikatorische Funktion; gleichwohl legte man weiterhin auf sie und auf aufwändige Toranlagen Wert; Tore, Türme und Stadtmauern bekamen eine repräsentative Qualität und zeichneten eine römische Stadt aus. 4. Symbolische Bedeutung von Waffen Im 2. Jt. v. Chr. werden häufig Götter, insbesondere Baal und Anat, schwer bewaffnet dargestellt und damit als Kriegsgötter verstanden, die im Kriegsfall das Heer führen sollen, damit es militärischen Erfolg hat. Auch JHWH wird schon in den ältesten Überlieferungen des Alten Testaments als Kriegsgott verstanden (vgl. Ex 15,21; 17,16; Num 21,13; Ri 5). Dem Seher Bileam und seiner Eselin tritt ein Bote JHWHs mit gezücktem Schwert entgegen und hindert ihn so am Voranschreiten (Num 22,23.31). JHWH kann aber auch dank seiner Wirkmächtigkeit die gegen ihn oder den ihm vertrauenden Beter gerichteten Waffen vernichten (Ps 46,10; 76,4; Jdt 9,7). Auch mythologische Wesen konnten bewaffnet dargestellt werden, wenn sie Verteidigungsaufgaben hatten – wie die Cheruben in Gen 3,24, wo sie den Zugang zum Garten Eden schützen sollen. Die Waffe in der Hand einer Gottheit konnte jedoch auch im Chaoskampf Verwendung finden, z. B. wenn in Jes 27,1 Jahwe mit einem Schwert den Chaosdrachen tötet. Und JHWH (oder eine andere Gottheit) kann auch das Schwert der Feinde zerbrechen und somit zum Sieg des eigenen Volkes beitragen (Ps 76,4). Wie häufig im

Vorderen Orient ist die symbolische Bedeutung eines Gegenstandes doppeldeutig und erst durch den Kontext verständlich: Das gezückte Schwert kann im Kriegsfall zum Schaden gegen die Menschen gerichtet werden, es kann aber im Chaosdrachenkampf auch zum Schutze der Menschen eingesetzt werden. Die reale Bedeutung der Waffen konnte in späterer Zeit auch einen übertragenen Sinn bekommen. Die geistliche Waffenrüstung, bei der einzelne Waffen symbolisch verstanden werden (z. B. Panzer als Gerechtigkeit, Helm des Heils), kann JHWH selbst anziehen, um als derart ausgestatteter Krieger gegen die Menschheit vorzugehen (Jes 59,17; vgl. Ps 64,8; Hab 3,11 u. ö.). Dahinter steht die schon aus dem 2. Jahrtausend stammende Vorstellung, dass Gottheiten einerseits mit Waffen abgebildet werden, und andererseits mit diesen Waffen zum Wohl, aber auch zum Schaden der Menschen auftreten können. Der Beter von Ps 35,1-3 bittet dementsprechend JHWH, die Waffen zu ergreifen und sich damit symbolisch gegen die Gegner des Beters, die ihn in seinem Glauben, aber auch in seinem Leben bedrohen, vorzugehen. Dabei können auf einer symbolischen Ebene die Feinde des Beters auch als Waffenträger bezeichnet werden, die mit ihren Waffen den Beter bedrohen (Ps 11,2; Jer 9,7; vgl. Spr 25,18). Mit seinen Waffen kann JHWH aber auch den Frommen beschützen (Ps 3,4; 5,13; 7,11). In nachexilischer Zeit wurde zunehmend auch die Gefahr der Waffen erkannt. In dem berühmten Text vom Umschmieden der Waffen (Jes 2,4 / Mi 4,3; vgl. auch Joel 4,10) wird durch den Verzicht auf die Waffen der Friedenswillen der JHWH-treuen Gemeinde betont. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich Israel nicht auf seine Waffenstärke verlassen kann. Die Zukunft kann daher nach Ansicht dieser Kreise nur in einem Antimilitarismus liegen. Im Neuen Testament ändert sich dann die Verwendung der »geistlichen Waffenrüstung«. Während im Alten Testament JHWH die Waffen verwendet, um sie für oder gegen die Menschen einzusetzen, so soll nun der Fromme selbst sym-

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Waise

bolisch sich mit geistlichen, von Gott zur Verfügung gestellten Waffen bewehren, um in seinem Glaubenskampf gegen die Gefahren der Sünde gewappnet zu sein (Röm 13,12; 2 Kor 6,7; 10,4; 1 Thess 5,8; 1 Petr 4,1). Am ausführlichsten ist die Beschreibung in Eph 6,11.13-17. Bar-Kochva, Bezalel, Judas Maccabaeus. The Jewish Struggle against the Seleucids, Cambridge 1989. Bonnet, Hans, Die Waffen der Völker des Alten Orients, Leipzig 1926. Bishop, M. C. / Coulston, J. C. N., Roman Military Equipment from the Punic Wars to the fall of Rome, London 1993. Connolly, Peter, Greece and Rome at War, London 1981. Ducrey, Pierre, Guerre et guerriers dans la Grèce antique, Paris 1985. Herold, Anja, Streitwagentechnologie in der Ramses-Stadt, Die Grabungen des Pelizaeus-Museums Hildesheim in Qantir, Pi-Ramesse, Bd. 2, Mainz 1999. Herzog, Zeev, Das Stadttor in Israel und in den Mittelmeerländern, Mainz 1986. Ders., Archaeology of the City. Urban Planning in Ancient Israel and its social Implications, Jerusalem 1997. Junkelmann, Marcus, Die Legionen des Augustus, Mainz 1986. Mittmann, Siegfried, Art. Waffen, Das Große Bibellexikon Band 3, Wuppertal / Gießen 1989, 1656-1666. Rüterswörden, Udo, Der Bogen in Genesis 9. Militärhistorische und traditionsgeschichtliche Erwägungen zu einem biblischen Symbol, Ugarit-Forschungen 20 (1988), 247263. Shatzman, Israel, The Armies of the Hasmonaeans and Herod. From Hellenistic to Roman Frameworks, Tübingen 1991. Yadin, Yigael, The Art of Warfare in Biblical Lands in the Light of Archaeological Discovery, Jerusalem 1963. Zwickel, Wolfgang, Anmerkungen zu einer Militärgeschichte Palästina, in: Rolf Gundlach / Carola Vogel (Hg.), Militärgeschichte des pharaonischen Ägypten. Altägypten und seine Nachbarkulturen im Spiegel der aktuellen Forschung, Paderborn 2006.

Wolfgang Zwickel / Achim Lichtenberger

Waise Der Tod des Vaters, der minderjährige Söhne oder Töchter zu Waisen macht, auch wenn die Mutter noch lebt (Ex 22, 23; Ps 109, 9), hat gravierende ökonomische und rechtliche Folgen. In der erweiterten 3 Familie können verwaiste Kinder und ihre Mutter mit ernährt werden, sie sind ohne ein erwachsenes männliches Familienmitglied aber nicht geschäftsfähig und müssen sich vor Gericht vertreten lassen. Das Problem der Verarmung der agrarischen Haushalte tritt seit der Königszeit vermehrt auf (vgl. 2 Kön 4, 1), so dass Waisen und Witwen im deuteronomischen Recht neben Tagelöhnern und Fremden zu den marginalisierten Personen gerechnet und dem Schutz der Gemeinschaft unterstellt werden (Dtn 24,17). Das bereits im ältesten Rechtskorpus erwähnte Verbot der Unterdrückung von Waisen und 3 Witwen Ex 22, 21 wird häufig als Rechtsbeugung erläutert (Dtn 24, 17; 27, 19, vgl. noch Hi 31, 21); Waisen haben das Recht zur Nachlese, dürfen also die bei der Ernte zurückbleibenden Ähren, Oliven und Weintrauben ernten (Dtn 24,19-22). Nach Dtn 14, 29 und 26, 12 erhalten Waisen neben Leviten, Witwen und Fremden einen Anteil am Drittjahreszehnten. Die prophetische Kritik, die die Oberschicht Judas der Unterdrückung von Waisen und Witwen bezichtigt (Jes 1, 23; 10, 2; Jer 5, 28) wird in exilischer (Ez 22,7) und nachexilischer Zeit (Mal 3, 5) fortgeführt bzw. zur Forderung umgestaltet, Waisen und Witwen zum Recht zu verhelfen (Jes 1, 17; Jer 22, 3; Sach 7, 9-10; Ps 82,13). Im Jakobusbrief wird diese Forderung zum Bestandteil des richtig verstandenen Gottesdienstes (Jak 1, 27). Demgegenüber nennt das nachexilisch entstandene Hiobbuch Fälle von Pfändung oder Schmälerung des Besitzes der Waisen (Hi 24, 3; vgl. schon Spr 23, 10) und ihrer Verschleppung (Hi 6, 27; 24, 9). Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird auch dadurch deutlich, dass die Waisen dem besonderen Schutz Gottes unterstellt werden bzw. Gott im Alten Testament als Vater (Ps 68, 5) und Helfer der Waisen (Dtn 10, 18; Hos 14, 14; Ps 10, 14) gepriesen wird. Im Neuen

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Wallfahrt

Testament spielt der soziale Status als Waise, abgesehen von einer Stelle im Jakobusbrief, keine Rolle. Die Ankündigung Jesu, er lasse die Jünger nicht als Waisen zurück (Joh 14, 18), setzt die Vorstellung voraus, dass Waisen einer ungewissen Zukunft entgegensehen und überträgt die familiäre Metaphorik auf das Verhältnis Gottes als Vater zur Gemeinde als Kinder. Krapf, Thomas, Traditionsgeschichtliches zum deuteronomischen Fremdling-Waise-Witwe-Gebot, VT 34 (1984), 87-91.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Wallfahrt Wallfahrten gehörten als wichtiges Element zum religiösen Leben des Alten Orients und Altisraels. Alttestamentliche Texte nennen als Wallfahrtsorte Schilo, Bet-El, Gilgal, Beerscheba, Dan, Jerusalem, Sinai (1 Sam 1.2; Am 5, 5; 8, 14; Hos 4, 15; 1 Kön 12, 27; 19). Während 1 Sam 1.2 nur eine jährliche Wallfahrt kennt, verpflichten die Kultkalender (Ex 23, 14; 34, 23; Dtn 16, 16 f.) »alle deine Männer« zu drei Wallfahrten im Jahr und zwar zum Mazzot / Pessachfest, zum Wochenfest und zum Laubhüttenfest (3 Fest; 3 Kalender). Ab der joschijanischen Reform richten sich die Wallfahrten allein nach Jerusalem als dem einzigen legitimen Kultort (Dtn 16, 1-17). Die drei Wallfahrtsfeste strukturieren das Leben der Menschen auch in neutestamentlicher Zeit. Am häufigsten Erwähnung findet das Pessachfest (z. B. Mk 14, 1 par; Joh 12, 12), doch auch das 50 Tage später gefeierte Wochenfest (Pfingsten; z. B. Apg 2, 1; 1 Kor 16, 8) und das Laubhüttenfest (Joh 7, 2) werden genannt. Während die Synoptiker von einer etwa einjährigen Wirksamkeit Jesu berichten, die mit der Kreuzigung an Pessach endet, geht der Evangelist Johannes von einer dreijährigen Wirkungszeit aus, die durch Teilnahmen Jesu an den Wallfahrtsfesten literarisch-theologisch gegliedert wird.

Zur Wallfahrt gehören neben dem gemeinsamen Weg, das Bringen der Gaben, die Teilnahme am kultischen Geschehen, festliche Stimmung und Freude sowie das gemeinsame Mahl (vgl. 1 Sam 1.2 und Ps 120-134 als Sammlung von Wallfahrtsliedern). Nach Ex 23, 17, Ex 34, 23 und Dtn 16, 16 gilt die Verpflichtung zur dreimaligen Wallfahrt im Jahr aber nur für Männer. Frauen werden damit zwar nicht von der Wallfahrt ausgeschlossen, sind jedoch nicht dazu verpflichtet. Die deuteronomische Theologie legt dagegen großen Wert darauf, dass alle an der Freude der Wallfahrtsfeste (3 Fest) partizipieren und verdeutlicht dies durch entsprechende Listen der FestteilnehmerInnen, die mit Söhnen und Töchter, Sklaven und Sklavinnen die gesamte israelitische Familie und mit Leviten, Fremden, Witwen und Waisen die Armen umschreiben (Dtn 12, 12.18; 16, 11.14). Wenn die Ehefrauen unter den FestteilnehmerInnen fehlen, so lässt dies nur den Schluss zu, dass sie als Familienverantwortliche im angesprochenen »Du« mitgemeint sind. Im Neuen Testament fungiert Jerusalem auch für diejenigen als Bezugspunkt, deren Kultfähigkeit und damit deren Teilnahme am Tempelkult nicht als gesichert gelten können. So berichtet Apg 8, 27 von der Reise eines Eunuchen nach Jerusalem und laut Joh 12, 20 kommen als Nichtjuden gekennzeichnete Männer dorthin, um anzubeten (vgl. Apg 2, 11). Der Samaritanerin am Jakobsbrunnen ist wichtig, ob der Tempel in Jerusalem oder der auf dem Garizim der Ort rechter Anbetung ist (Joh 4, 20 f.). Lukas berichtet von regelmäßigen Aufenthalten Marias und Josefs an den Pessachtagen im Jerusalemer Tempel (Lk 2, 41; vgl. 1, 22.24) und auch nach Jesu Kreuzigung bleibt für die ersten ChristInnen die Teilnahme an den Wallfahrtsfesten selbstverständlich; so müht sich Paulus laut Apg 20, 16, pünktlich zu Pfingsten (= Wochenfest) in Jerusalem zu sein. Die Freude an der Wallfahrt und dem gemeinsamen Fest in Jerusalem wird in späten alttestamentlichen Texten ausgeweitet zum Motiv der Völkerwallfahrt zum Zion. Nicht mehr nur Israel bringt seine Gaben an den Wohnort Gottes, son-

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Wasser

dern alle Völker (Jes 2, 1-5; Mi 4, 2-4; Jes 60, 3; 66, 18 f.23; 25, 6 f.; Ps 96, 7-9; 98, 4-6). Theologisch findet eine Öffnung hin zu den Völkern statt, die das Heil aller Menschen intendiert. Als Zeichen des Anbruchs der Heilszeit ist die Wallfahrt der Völker zum Zion auch für das Neue Testament zentral. Wenn das Gottesreich mit Jesus gegenwärtig ist, muss auch die Völkerwallfahrt bereits begonnen haben. Für Matthäus beginnt sie mit dem Kommen der Magier aus dem Osten (Mt 2, 1). Für Paulus steht ihr Abschluss für die Vollendung des Reiches Gottes (Röm 11, 25 f.). In Mk 11,17 bezeichnet Jesus in Aufnahme der messianischen Verheißung aus Jes 56, 7 den Tempel als »Haus des Gebetes für die Völker« (vgl. Lk 13, 29), und in Joh 12, 20 erkennt Jesus am Kommen der Griechen nach Jerusalem, dass seine Stunde gekommen ist. Auch die Vielzahl der Menschen aus allen Völkern, die zu Pfingsten in Jerusalem zu ZeugInnen der Aussendung des Heiligen Geistes wurden, lässt sich in diesem Sinne verstehen (Apg 2,11). Braulik, Georg, Haben in Israel auch Frauen geopfert? Beobachtungen am Deuteronomium, in: Siedfried Kreuzer / Kurth Lüthi (Hg.), Zur Aktualität des Alten Testaments. FS für Georg Sauer, Frankfurt 1991, 19-28. Dyma, Oliver, Die Wallfahrt zum zweiten Tempel. Untersuchungen zur Entwicklung der Wallfahrtsfeste in vorhasmonäischer Zeit, FAT 2. Reihe, Tübingen 2008. Lohfink, Norbert / Zenger, Erich, Der Gott Israels und die Völker. Untersuchungen zum Jesajabuch und zu den Psalmen, SBS 154, Stuttgart 1994. Ostmeyer, Karl-Heinrich, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebetes im Neuen Testament, WUNT 197, Tübingen 2006, 49-52.301 f. Sänger, Dieter, Art. Wallfahrt / Wallfahrtswesen III, TRE 35, 2003, 418-421. Safrai, Shmuel, Die Wallfahrt im Zeitalter des Zweiten Tempels, FJCD 3, Neukirchen-Vluyn 1981.

Wasser Wasser ist die Basis allen Lebens und deswegen ein zentrales Heilssymbol (Joh 4,14; 7, 38). Wenn Mose Wasser aus dem Felsen schlägt, drückt dies konkrete Rettung und – auslegungsgeschichtlich wichtig – im übertragenen Sinne Heil aus (Num 20). Wasser wurde besonders zu folgenden Zwecken benötigt: 1. Haushalt Auch an Hitze gewöhnte Menschen benötigen zum Trinken und Kochen mindestens drei Liter Wasser täglich. Die Bibel fordert, es anderen Menschen nicht zu verweigern (Hi 22, 7), sondern Fremden (1 Kön 17,10 f.) und Feinden zu geben (Spr 25, 21; 2 Kön 6, 22). Badezimmer gab es in vorhellenistischer Zeit nur in Palästen. Vollbäder (2 Sam 11, 2; Dan 13,15 ff.) waren allenfalls einer kleinen Oberschicht vergönnt. Die meisten Menschen wuschen sich nur aus einer Schüssel und meist nur bestimmte Körperteile. Frauen wuschen sich, um Männern zu gefallen (Rut 3, 3; Ez 23, 40; Jdt 10, 3). Dreckige Füße wusch man vor dem Zubettgehen (Hld 5, 3) und Gäste erhielten Wasser zum Füßewaschen (Gen 18, 4). In 1 Sam 25, 41 gilt Füßewaschen als Tätigkeit einer Dienerin gegenüber ihrem Herrn. Dies setzt Joh 13, 4 f.12-15 voraus, wenn Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht, um ihnen ein Beispiel für gegenseitige Achtung zu geben.

Maria Häusl / Karl-Heinrich Ostmeyer

Becken einer Färberei

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Wein

2. Kult Priester und Leviten reinigten sich vor kultischen Handlungen durch Waschungen (Ex 30, 19; Lev 8, 6; 16, 4; Num 8,7; 19, 7). Aus rituellen Gründen musste man seinen Körper sowie Kleidung und andere Gegenstände nach Kontakt mit einem Kranken, mit Sperma, Menstruationsblut, Aas oder Toten waschen (Lev 11, 25-40; 15; Num 31, 20-23; Dtn 23, 11 f.). Symbolisch gilt Händewaschen als Zeichen der Unschuld (Dtn 21, 6; Mt 27, 24). Pharisäer nahmen vor und nach dem Essen rituelle Handwaschungen vor, um den Status priesterlicher Reinheit aufrecht zu erhalten (Mk 7, 3 par; Lk 11, 37 f.). Die reinigende Bedeutung von fließendem Wasser wurde von Johannes dem Täufer (Mk 1, 5 par), aber auch vom pharisäisch beeinflussten Frühjudentum betont. Ritualbäder (Mikwe) mit breiter Treppe kamen auf als fester Bestandteil besserer jüdischer Häuser, dann auch von Synagogen. 3. Landwirtschaft Trinkwasser aus Quellen, Brunnen und Zisternen stand auch dem Vieh zu (Gen 24, 19 f.; Joh 4, 12). Schafe wusch man vor der Schur zuweilen in flachen Becken (Hld 4, 2; 6, 6). Feldbewässerung gab es allenfalls für Gärten (Jes 1, 30; 1 Kor 3, 6) mit Gemüse (Dtn 11, 10), Nüssen (Hld 6, 11) oder Früchten (Jer 29, 5.28; Am 9, 14). 4. Handwerk Viel Wasser und eine entsprechende Lage der Werkstätten benötigte die Herstellung von Textilien, Leder, Keramik und Lehmziegeln. a) Stoffe wurden aus Schafswolle oder Flachs gewebt. Wolle musste man nach dem Scheren gründlich waschen. Flachs für Leinentücher wuchs in feuchtem Boden (Jordanufer; Jos 2, 6; 3, 15) und musste nach der Ernte in Wasser liegen, um die Fasern zu lösen. Zum Färben kamen die gesponnenen Fäden in ein Becken mit Farbflüssigkeit, dann in ein Beizbad zur Farbfixierung, schließlich in ein Spülbad. Nach dem Weben wurden Stoffe mit Wasser durch Walken geschmeidig gemacht. b) Zur Herstellung von Leder für Sandalen,

Gürtel, Pergament etc. (Ez 16, 10) wurden Tierfelle zunächst durch Schaben und mit Wasser gereinigt und enthaart. Die Häute kamen zum Gerben in ein Wasserbad mit Gerbstoffen, u. a. tierischen Exkrementen. Deswegen benötigte der Gerber auch viel Wasser, um sich, seine Kleidung, seine Geräte und das gegerbte Leder zu reinigen. c) Zur Herstellung von Keramik wurde frischer Ton in Stücke gebrochen und in Wasser bis zur gewünschten Konsistenz gestampft (Jes 41, 25; Nah 3, 14; Weish 15, 7), ehe man ihn mit Wasser formen konnte. Zur Herstellung von Lehmziegeln, dem wichtigsten Baumaterial, wurde Lehm (Ton und Sand) mit Häcksel und Wasser gestampft, in Holzformen gedrückt und in der Sonne getrocknet. 5. Wasser- und Badekultur In hellenistischer Zeit kamen Badeeinrichtungen auf, zunächst nur kleine Sitzwannen. In römischer Zeit gab es für die Oberschicht öffentliche und private, vor allem dem Wohlbefinden dienende Badeanlagen mit Caldarium (Warmbad), Frigidarium (Kaltbad) und Tepidarium (Übergangsraum). Sie sind z. B. in Jericho und Jerusalem belegt, als Thermen in Tiberias, Chamat Gader und Kallirrhoë. Zur Demonstration ihres Reichtums wurden in Städten wasserspeiende Brunnenanlagen (Nymphaen) gebaut. Dalman, Gustaf, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. V, Gütersloh 1937 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1987). Koenen, Klaus, Art. Wasserverbrauch, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.bibilex.de), 2005.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

Wein 1. Herkunft und Geschichte Die wilden Vorläufer der Kulturpflanze (Vitis vinifera L. ssp. Vinifera) finden sich im nordöstlichen Mittelmeerraum und im Schwarzmeerraum. Schon vor 9000 Jahren wurden, vermutlich

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Wein

Abb. 1: Gedeckte Tretkelter mit pflanzlichen Haltegriffen, Klärbecken und Gäramphoren mit Entlüftungszapfen. Malerei im Grab des Nacht in Theben, um 1400 v. Chr.

von wilden Stöcken, Trauben gesammelt (Çayönü, Aswad und Jericho). Belege für Weinherstellung finden sich im ausgehenden 4. Jt. v. Chr. in Ägypten (Omari, Abydos, Saqqara) und im Westiran. In Fels gehauene Tretkeltern (Abb. 1) bezeugen in Palästina ab dem 3. Jt. v. Chr. den Weinanbau als ökonomisch bedeutenden Faktor für den Export per Schiff. Ägypten bezieht ab ca. 3000 v. Chr. Wein aus der Südlevante (Handelsstation in En Besor und levantinische Krüge in der Grabkammer von Skorpion I. in Abydos). Aus dem hetitischen Raum sind Bewässerungsrechte für Weingärten bezeugt. Wein war in Griechenland spätestens seit dem 2. Jt. v. Chr. bekannt und gehörte neben Olivenöl (3 Öl / Salbe) und Getreide (3 Nahrung, pflanzliche) zu den Grundnahrungsmitteln der antiken Bevölkerung. Sein Anbau stellte bis in die Spätantike einen besonders ertragreichen Zweig der Landwirtschaft dar, mit dem sich die agrarökonomische Literatur (Xenophon, Cato, Columella, Varro u. a.) eingehend beschäftigte. Die Bedeutung des Weins als Grundnahrungsmittel zeigt sich daran, dass die Preise – wie die für Getreide – ein Politikum darstellten: Augustus lehnte eine Subventionierung noch ab, aber im 3. Jh. n. Chr. wurde Wein in die stadtrömische anona (Preisbegrenzung) miteinbezogen; trotzdem sind verschiedentlich Unruhen wegen Weinmangels überliefert.

2. Herstellung Die Trauben wurden mit nackten Füssen zerstampft (Am 9, 13; Jes 63, 2); dazu hat man oft gesungen (Jes 16, 10; Jer 25, 30). Dies geschah in Felskeltern (bezeugt seit ca. 3000 v. Chr. in Ta3nach, Afek, Tel Michal, Gibeon), also direkt in den gewachsenen Fels gehauenen Pressinstallationen, die auch für die Ölernte (Joel 2, 24) verwendet werden konnten (jæqæb, Jes 5, 2; Hag 2,16; Jer 48, 33) oder in städtischen Keltern aus Stein und Mörtel (gat, Joel 4, 13; Klgl 1, 15; Jes 63, 2; Abb. 1) oder in tragbaren Keltern (pu¯ra¯h, Jes 63, 3; Hag 2, 16). Um den Farbstoff zu gewinnen, ließ man die Maische noch in der Kelter gären. Der Trester wurde in Säcke abgefüllt, die mit Hilfe von Stangen ausgepresst wurden. Weinpressen mit Pressbalken (Abb. 2) sind in der Südlevante in vorhellenistischer Zeit kaum zu finden (evtl. Tel Michal). In römisch-byzantinischer Zeit kommt noch die Drehpresse (Abb. 3) dazu. Der Saft floss in Auffangbecken, die sich in Gibeon in geschützten und kühlen Felsenkellern befanden, wo er vergor (Ps 75, 8; Jer 48, 11), oder man ließ ihn in offenen Amphoren gären. Anschließend wurde er gefiltert (Jes 25, 6) und in Krüge (Afek; 1 Sam 24; 10, 3; Jer 13, 12-14; Jos 9,13; Hi 32, 19) oder Schläuche (Mt 9, 17 par) abgefüllt. Die Nachgärung erfolgte dort, bis auf kleine Sicherheitslöcher im Pfropfen (Abb. 1), unter Luftabschluss.

Abb. 2: Balkenpresse mit Steingewichten und Klärbecken auf einer frühen griechischen Vase (8. Jh. v. Chr.). Auf Hebräisch nannte man die Steingewichte wegen ihrer typischen Form »Runde (Steine) der Weinpresse« (bShab 1,9).

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Abb. 3: Stark stilisierte Drehpresse mit zwei Kelterern. Byzantinisches Bodenmosaik der Georgskirche in Khirbet el-Mukhajjet / Nebo (Jordanien)

Mit Saughebern wurde der Wein beim Ausschank in henkellose Krüge gefüllt und aus diesen den Gästen in Schalen serviert (3 Essen, gemeinsames, Abb. 1). Dabei wurde der Wein zweimal gesiebt und in der Regel mit Wasser vermischt (2 Makk 15, 40), vielleicht auch verschnitten. Es gab Spezialitäten wie Süßwein aus getrockneten Beeren oder Wein, gemischt mit Honig, Bier, Wasser, Öl. Herodot berichtet von Exporten nach Südmesopotamien in Tonkrügen und Dattelpalmholzbehältern. Bereits im 3. Jt. werden Sorten unterschieden (Ägypten). In Assur namentlich bekannte Weinlagen gab es z. B. in Tu3immu, Simmina, Hebron (Ez 27, 18), Damaskus und Karkemisch. Der judäische Wein gehörte zu den grand cru classé Weinen des Alten Orients. Auf assyrischen Reliefs charakterisieren nebst Öl- und Feigenbäumen Weinstöcke die Landschaft Palästinas (ANEP 374; Ri 9, 7-13). Von einer ausgeprägten Weingenießerszene in der judäischen Oberschicht (vgl. Koh 2, 3; 9, 7; 10,19) und dem Einfluss hellenistisch-symposiastischer Weinkultur zeugen eine große Anzahl von Weinkrugstempeln (»Etiketten«) aus dem ganzen mediterranen Raum in der Jerusalemer Davidsstadt (3. Jh. v. Chr.) sowie ein Krugfragment mit Ganymedesdarstellung. In hellenistisch-römischer Zeit wurden Weinbau und -herstellung zur Produktivitätssteigerung wissenschaftlich ergründet (PSI 6, 624) und stark kultiviert (unterschiedliche Formen der

Reberziehung, Schnitt, Lüftung usw.), zur Differenzierung der Geschmacksvielfalt experimentierte man mit neuen Rebsorten, die auch über größere Entfernungen importiert wurden (P. CZ I 50933). Hochwertige Qualitätsweine, die oft in Domänen produziert wurden, waren für den Handel bestimmt und konnten hohe Erträge abwerfen (vgl. Mk 12, 1 ff. par; IK 38 [Peraia] 352); Cato und Columella hielten den Weinbau für den rentabelsten Zweig der Landwirtschaft: Für ein iugerum (ca. 2500 m2 ) Anbaufläche werden Erträge zwischen 3600 und 7800 l genannt (Varro, Plinius), als Mindestertrag gelten drei cullei (1560 l), für die Columella einen Marktpreis von 900 Sesterzen angibt [3, 3,10 f.]). Die wichtigsten Anbaugebiete waren in der Kaiserzeit Spanien, Gallien, Italien, Sizilien, die ägäischen Inseln, die türkische Süd- und Schwarzmeerküste sowie Syrien. Die Bedeutung des Weinhandels zeigt sich u. a. daran, dass es in Rom einen eigenen Weinhafen und einen Weinmarkt gab (ILS 9429; CIL 6146 = CIL VI,37807; VI,9181). Der überregionale Handel mit Spitzenweinen setzt ihre Haltbarkeit voraus, bezeugt sind Reifezeiten bis zu 20 Jahren. Neben diesen gab es eine Vielzahl (Plinius nennt rund 80 Sorten) regionaler Tafelweine für den durchschnittlichen Konsum, die nur über kurze Strecken gehandelt wurden und meist innerhalb eines Jahres getrunken wurden. Nur von geringer Qualität, aber preisgünstig waren die Tresterweine (vinum deuterium), die auch den unteren Schichten den Weingenuss ermöglichten. 3. Weinkonsum Für das kaiserzeitliche Rom hat man geschätzt, dass Männer täglich knapp 1 l Wein tranken, Frauen etwa die Hälfte. In der Regel wurde der Wein mit Wasser gemischt, und zwar durchweg mit einem größeren Wasseranteil; verbreitet war das Verhältnis 1 Teil Wein : 3 Teile Wasser (Athen. X,426b-431a). Der Genuss von ungemischtem Wein (akratos) galt als barbarisch und gesundheitsschädlich, nur für die Libation wurde ungemischter Wein verwendet (Athen. II,38c/d; Plut. mor. 657b/e; 791b/c usw.). Der ge-

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mischte Wein konnte im Sommer (mit im Winter gesammeltem und in Höhlen gelagertem Schnee) gekühlt, im Winter gewärmt werden. Für die Mischung nutzte man (häufig repräsentative) Mischkrüge (krater), für die sich einige kanonische Grundformen durchsetzten (Glocken-, Voluten-, Kolonettenkrater); der Wein wurde aus diesen Mischkrügen mit Schanklöffeln ausgeschenkt. Der Weingenuss – in griechischen Verhältnissen nicht während des Essens, sondern erst danach zum Symposium (3 Essensgewohnheiten) – diente nicht nur der notwendigen Flüssigkeitsaufnahme, sondern war in besonderer Weise Ausdruck von Geselligkeit und Gemeinschaft, wie die zahllosen Beispiele für Trinkkomments und -spiele zeigen. Im Symposium (3 Essen, gemeinsames) hatte diese Art des Weingenusses eine besondere kulturelle Ausformung erlangt. Eine weniger förmliche Gelegenheit zu geselligem Weingenuss boten die vor allem in Städten verbreiteten und mit Triklinien ausgestatteten Weinschänken (griech. kapeleion, lat. caupona). Es entspricht dieser ausgeprägten Weinkultur, dass die griechisch-römische Antike eine weit verzweigte Ratgeberliteratur zum richtigen Umgang mit dem Wein hervorgebracht hat, die sich nicht nur auf die erwartbaren Warnungen vor übermäßigen Genuss beschränkt (z. B. Eubulos fr. 93; P.CG V,244), sondern auch die weiteren sozialen, kulturellen, religiösen und medizinischen Aspekte bedenkt (v. a. Plut. qu. conv.; Athen.). 4. Bedeutung a) Wein galt als besonderer Segen (Jes 65, 8). In diesem einzigartigen Produkt kondensierte sich der Mehrwert bäuerlicher Arbeit in den Hügeln der Südlevante. Galt er den Griechen als Gabe Gottes (Dionysos / Bacchus, als dessen Geburtsort Skythopolis / Bet Schean gilt), so den Judäern als die Noachs, des Urahns aller Menschen. Die Ätiologie warnt zugleich vor den Gefahren der Trunkenheit (Gen 9, 20-27), wie auch die Spruchliteratur (Spr 23, 30 f.; 31, 4), akzeptiert jedoch die enthemmende Wirkung des Weins (Sir 31, 39), weshalb die Weinlese zugleich auch der Braut-

schau dienen konnte (mTaan 4, 8), und setzt wie das ugaritische Aqhat-Epos voraus, dass die Jüngeren sich um die betrunkenen Alten kümmern (KTU 1.17 I 30 f.). Im Umgang mit dem Wein zeigt sich Kultur. Gerade seine psychisch enthemmende Wirkung wird als eine soziale Schranken abbauende, Egalität herstellende, Trauer und Schuldgefühle überwindende Kraft positiv gewürdigt, man sieht aber auch die dabei steigende Gefahr der Gewaltanwendungsbereitschaft (Pagenwettstreit, 3 Esr 3, 17-21). Nur der ungezügelte Weinkonsum gilt als barbarisch (vgl. Hom. Od. 9, 361; Mi 2,11). Ein betrunkener Richter hatte sich seines Amtes zu enthalten (Lehren des Schuruppag 131). Vor der Gefahr, durch Schwelgen in Wein und Öl zu verarmen, mahnt die Weisheit (Spr 21, 17). Aber nicht nur der Reiche, sondern auch der Arme, ja gerade er in seiner Bitternis, soll in den Genuss von Wein kommen (Spr 31, 6), besonders beim 3 Fest (Dtn 14, 26). Das Weintrankopfer bildet in hellenistischer Zeit den Höhepunkt des Jerusalemer Kultes (Sir 50,15), wohl als Reflex hellenistischer Symposiumskultur (3 Essen, gemeinsames). Wein und Brot gelten als Inbegriff von Wohlfahrt (3 Ernährung). Trauben sind der wichtigste Schmuck des Herodianischen Tempels (Flav. Jos. Bell. 5, 210; Münzen Bar Kochbas). Gott geweihte Frauen oder Männer, die Nasiräer, mussten für die Zeit ihres Gelübdes auf alles, was vom Weinstock stammt, verzichten (Num 6, 3 f.; Ri 13,14; Lk 1, 15). Die wohl im südjudäischen Raum beheimateten, einem nomadischen Ideal nachlebenden Rekabiter grenzten sich durch dogmatischen Weinverzicht von ihren sesshaften Nachbarn ab (Jer 35). b) Wein ist auf verschiedene Weise mit eschatologischer Erwartung verbunden: Einerseits ist die Fülle und Qualität ein Zeichen der messianischen Zeit (Joh 2, 1-11; vgl. 2 Bar 29, 3 ff.; 1 Hen 62, 14; 2 Hen 42, 3; bShab 153a; MidrQoh 42a [zu 9, 8]; BerR 82 [52b]), die der gegenwärtigen (häufig ärmlichen) Erfahrung im Sinn des Schlaraffenmotivs entgegengesetzt ist. Die Auszeichnung des Eschaton durch Überfluss (vor allem der Grundnahrungsmittel), für die es auch zahlreiche pagane Analogien gibt, steht auch im Hinter-

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grund des Vorwurfs an Jesus, er sei ein »Fresser und Weinsäufer« (Lk 7, 34 par). Daneben drückt das geläufige Bild des messianischen Mahls (z. B. 1QSa 2,11 ff.) die sympotische Tischgemeinschaft mit dem Messias aus (Mk 14, 25; 1 Kor 11, 25), die durch Gerechtigkeit, also die Gleichheit der Teilnehmenden, ausgezeichnet ist (Röm 14,17). c) In paganen, jüdischen und christlichen Zeugnissen steht Weingenuss häufig für rauschhafte Ekstase (z. B. Plut. QuRom 112,291a; Philo Deus 5; migr. 196; somn. I,254 f. usw.) und dient so als Bild für die pneumatische Ekstase. Wegen der analogen Erfahrung der Ekstase kann die pneumatische Begeisterung auch als »nüchterne Trunkenheit« (Philo ebr. 145 f.) bezeichnet werden. Diese Analogie, die auch in der Pfingstrede des Petrus entfaltet ist (Apg 2, 13-17), hat darin einen sozialgeschichtlichen Anhalt, dass die Erfahrung von enthusiasmierter Begeisterung ihren typischen Platz im Rahmen von sympotischen Festen hatte (vgl. Philo cont. 84 ff.) und auch sonst in sympotischer Metaphorik ausgesagt werden konnte (z. B. Philo prob. 12; Spr 9, 2 ff.; Ps 22, 5; Cyp. ep. 63, 11 usw.). d) Die in der Rezeptions- und Deutungsgeschichte des Neuen Testaments am wichtigsten gewordene religiöse Deutung des Weins ist zugleich die problematischste, nämlich der Abendmahlswein, der häufig direkt auf das Blut Jesu bezogen wird. Diese Deutung scheint mit Blick auf Konsistenz und Farbe zwar nahe zu liegen, begegnet so aber nicht im Neuen Testament, sondern erst in der Folgezeit seit dem 2. Jh. Die neutestamentlichen Einsetzungsberichte deuten genau genommen nicht den Wein, sondern den Becher (eine Metonymie – der »Becher« bezeichnet den darin enthaltenen Wein – ist nicht erkennbar). Dabei sind die einzelnen Deutungen charakteristisch verschieden: (1) Mk 14, 24 deutet den Becher auf das Bundesblut im Sinn von Ex 24, 8. Die Metapher »Bundesblut« bezieht sich auf die gesamte (für jedes Symposium typische!) Handlungssequenz (14, 23: nehmen, danken, austeilen, trinken); der Vergleichspunkt liegt also nicht in der Analogie Blut – Wein, sondern im Akt des Ausgießens / Verteilens (die Formulierung Lk 22, 20 zeigt

eindeutig, dass der Becher ausgegossen wird und nicht das Blut): Die Teilhabe aller an der einen Flüssigkeit schließt sie auf diese Weise zu einer besonderen Bundesgemeinschaft zusammen. (2) Nach Mt 26, 28 ist diese Bundesgemeinschaft, die sich als eucharistische Gemeinschaft realisiert, dadurch besonders qualifiziert, dass sich die Teilnehmenden gegenseitig die Sünden vergeben (vgl. Mt 9, 8; 16, 19; 18, 18): »Zur Vergebung der Sünden« ist nicht eine sühnende Wirkung des Blutes Jesu oder des Weins, den die Mahlteilnehmer trinken, sondern das Kennzeichen der gottesdienstlichen Gemeinschaft. Weder in Mk 14 noch in Mt 26 spielt der Tod Jesu (der jeweils vorausgesetzt ist) für die Bechermetaphorik eine Rolle. (3) Das ist anders in 1 Kor 11, 25: Die Wendung »Dieser Kelch ist der neue Bund durch mein Blut« bezieht sich im Unterschied zu Mk 14, 24; Mt 26, 28 nicht auf Ex 24, 8 (Blut des Bundes), sondern auf Jer 31, 29 ff. (= 38, 29 ff. LXX; Neuer Bund): Gemeint ist damit, dass durch den soteriologisch wirksamen Tod Jesu der Bund gemäß Jer 31 erneuert wird, der durch Intensivierung der Gebote, Befreiung von fremder Schuld und Gleichheit von »groß und klein« qualifiziert ist. Es ist charakteristisch, dass Paulus in diesem Zusammenhang des Neuen Bundes (aus Jer 31) nicht vom Blut (des Bundes, vgl. Ex 24) redet: Die Aspekte, die Paulus hier assoziiert, benennen vielmehr die Qualitäten der idealen, sympotischen Gemeinschaft, die auch 1 Kor 10, 16 angesprochen ist: »Ist der Segensbecher, über dem wir (nach dem Essen) den Segen sprechen, nicht Gemeinschaft (aufgrund) des Blutes Christi?« André, Jacques, Essen und Trinken im alten Rom, Stuttgart 1998. Dalby, Andrew, Essen und Trinken im alten Griechenland. Von Homer bis in die byzantinische Zeit, Stuttgart 1998. Dubach, Manuel, Trunkenheit im Alten Testament, BWANT 184, Stuttgart 2009. Klinghardt, Matthias, »Nehmt und eßt, das ist mein Leib!« Mahl und Mahldeutung im frühen Christentum, in: Perry Schmidt-Leukel (Hg.), Die Religionen und das Essen: Das Heilige im Alltag, München 2000, 37-69. McGovern, Patrick E. u. a. (Hg.), The Origins and Ancient History of Wine, Luxembourg 1994. Rivera Nuñez, D. / Walker, M. J., A Review of Palaeobota-

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Weisheit

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Thomas Staubli / Matthias Klinghardt

Weisheit 1. Allgemeines Das biblische Wort »Weisheit« (hebr. h¯okma¯h; ˙ griech. sophia) steht sowohl für die in Menschen gegenwärtige Qualität der Weisheit wie auch für eine (weibliche) Gestalt »Weisheit«. Als h¯aka¯m ˙ »weise« werden im Alten Testament ganz überwiegend Menschen bezeichnet, die sich im Leben zurechtfinden und ihre jeweiligen Aufgaben bestehen, weil ihnen h¯okma¯h eignet: Klugheit, Ge˙ schick, Gerechtigkeitssinn oder die Fähigkeit, auf die Gebote Gottes zu hören. Die so genannte »traditionelle Weisheit« richtet ihre Hoffnung ganz darauf, dass solche Weisheit Erfolg bringt, während die »kritische Weisheit« auf die Differenzen zwischen weisem Handeln und Wohlergehen hinweist. Zuerst in den Proverbien erscheint die Weisheit als eine weibliche Person, die dafür wirbt, sich klug und einsichtig zu verhalten und Gott zu ehren und zu achten – mit weitreichenden theologischen Folgen bis ins Neue Testament. Zur Weisheitsliteratur im engeren Sinne werden im Alten Testament die Bücher Proverbien, Kohelet und Hiob, die sogenannten Weisheitspsalmen 1; 37; 39; 49; 73; 119 sowie die deuterokanonischen Bücher Sirach und Weisheit gezählt. Darüber hinaus werden weisheitliche Elemente in der Josefsnovelle (Gen 37.39-50) sowie in den Büchern Rut, Jona und Ester gesehen. Kennzeichen für die Weisheitssprüche im Kanonteil der

Ketubim / Schriften ist ihre poetische Sprachform. In hoher sprachlicher Dichte und Gebundenheit werden hier Erkenntnisse und Erfahrungen zu einprägsamen Sprichwörtern verdichtet, die als Volksweisheit weiter überliefert wurden und z. T. noch heute zum Sprachschatz vieler Menschen gehören. Von den lebenspraktischen Anweisungen dieser und weiterer frühjüdischer Schriften lässt sich eine Linie zu den paränetischen Passagen neutestamentlicher Briefe ziehen. Insgesamt schwierig ist die Abgrenzung von Weisheit, Prophetie, Apokalyptik und Eschatologie, die in der Forschung unterschiedlich vorgenommen wird, woraus divergierende Einordnungen der relevanten Texte und ihres jeweiligen sozialgeschichtlichen Hintergrundes folgen. 2. Aspekte des alttestamentlichen Weisheitsbegriffs a) Weisheit als Fähigkeit zu hören. Wahrlich weise hat der junge und unerfahrene König Salomo gehandelt, als er Gott um ein »hörendes Herz« bat (1 Kön 3,9), um sein Volk zu regieren. Denn aus Freude darüber, dass Salomo nicht ein langes Leben, Reichtum oder den Tod der Feinde erbat, schenkte Gott ihm ein »weises und einsichtiges Herz« (V. 12) – und Reichtum und Ehre noch dazu, ebenso ein langes Leben, wenn er die Gesetze und Gebote befolgt (V. 15). Weisheit zeigt sich hier also in dem Wunsch, ein aufnahmefähiges Herz, d. h. einen empfänglichen Sinn und Verstand zu erhalten. b) Die Weisheit der Könige und die Weisheit des Volkes. Wenn Salomo als der Weise schlechthin beschrieben wird, dann ist dies sehr wahrscheinlich das Ergebnis einer literarischen Stilisierung. Diese hat dazu geführt, dass Salomo später auch die Bücher Proverbien und Kohelet zugeschrieben wurden. Insgesamt bezweifelt die historische Forschung zunehmend, ob »die« Weisheit am Königshof ihren Sitz im Leben hat. Auch die Annahme, es habe im Alten Israel regelrechte Weisheitsschulen gegeben, erscheint wegen der dürftigen Quellenlage mittlerweile unsicher. Klar erkennbar hingegen ist die Anwendung

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des Begriffs »Weisheit« auf das Handwerk von Menschen in praktischen Berufen (Jer 10,9; Ez 27,3; Jer 9,16; Koh 10,1.10). In der mündlichen Überlieferung des – weit überwiegend schreibunkundigen – Volkes könnten viele Sprüche entstanden und tradiert worden sein. Koh 12,19 lässt durchblicken, dass Weisheitssprüche wie in »Volkshochschulen« gelehrt wurden. Es ist davon auszugehen, dass Frauen in diese Lern- und Überlieferungsprozesse eingebunden waren. Denn wenn in Spr 1,8 – in einem für die Weisheitssprüche typischen Parallelismus membrorum – die Belehrung durch den Vater der Unterweisung durch die Mutter gegenübergestellt wird, dann muss auch diese Mutter einmal unterwiesen worden sein. Von daher ist es auch plausibel, dass z. B. in Spr 2-6 und Koh 12,12 mit dem hebräischen Wort be¯n, das nach Auskunft der Wörterbücher »Kind« bedeuten kann, nicht nur männliche, sondern auch weibliche Lernende angesprochen werden. c) Weisheit als intellektuelle Fähigkeit. In Gen 41,33.39 wird erzählt, dass der ägyptische Pharao den Hebräer Josef wegen dessen Weisheit zur Verwaltung seines Landes in den sieben Überfluss- und den sieben Mangeljahren eingesetzt hat. Dieses literarische Beispiel deutet schon an, was dann insbesondere die wörtliche Aufnahme von Traditionen der ägyptischen AmenenopeLehre in Spr 22,17-24,11 belegt: Die sogenannte Weisheit im Alten Orient ist ein nationen- und religionenübergreifendes Phänomen. Was der Pharao bei Josef schätzte, als dieser ihm seine Träume deutete und daraus Schlussfolgerungen für die ägyptische Wirtschaftspolitik zog, war zunächst dessen intellektuelles Vermögen: die Klugheit, das Wissen, die Intelligenz und Sachkenntnis – Eigenschaften, die eng mit der Bildung verbunden sind und nicht nur Salomo, sondern allgemein weisen Menschen zugeschrieben werden (Gen 41,33; Ri 5,29; 2 Sam 13,3; 9,18). Zu diesem Aspekt von Weisheit gehören die Beobachtung der Welt, das empirische Forschen (Koh 2,3) und die Naturwissenschaft (1 Kön 5,10.13) ebenso wie die realistische Selbsteinschätzung (Spr 6,6). d) Weisheit als Handlungskompetenz. König Sa-

lomo gälte nicht als außerordentlich weise (1 Kön 5,10), wenn er nicht auch die Fähigkeit zur pragmatischen Umsetzung seines Wissen bewiesen hätte: in der z. T. psychologisch sehr geschickten Rechtsprechung (3,9.11.16-28), im Unterscheiden zwischen Gut und Böse, d. h., in der Ethik (3,9), in der Innen- und Außenpolitik durch strategisches Heiraten (3,1), ausgeklügelte Verwaltungssysteme und kluge Verträge (5,15 ff.), in der Wirtschaftspolitik sowie in der Dichtkunst (5,10.12). Wenn sich Weisheit auch in der Rekrutierung von Männern und Frauen für die Fronarbeit (Kap. 4 f.) erweisen kann, dann zeigt dies, dass der alttestamentliche Weisheitsbegriff nicht notwendig mit Gerechtigkeit für die Leidtragenden verbunden ist und mithin von der Perspektive der Oberschicht geprägt ist. Diese weisheitliche Handlungskompetenz eignet auch Frauen. Ein Beispiel dafür ist die tatkräftige Unternehmerin, die in Spr 31,10 ff. beschrieben wird: Verständig arbeitet sie mit Wolle und Leinen, sorgt für Brot, gibt Mitarbeiterinnen Anweisungen, wenn sie ein Feld kauft, einen Weinberg bewirtschaftet oder mit Kleidung handelt. Technische Fertigkeit, Geschick und Meisterschaft werden vor allem dort mit dem Begriff der Weisheit bezeichnet, wo es um die Kunst der Handwerker (Ex 28,3; 31,3-6; 35,26-31; 1 Kön 7,14; Spr 24,3; Koh 10,10) oder auch um die Schöpfertätigkeit Gottes geht (Spr 3,19 f., 8,22-31). Weisheit, so könnte man diesen Aspekt zusammenfassen, bedeutet Know-how, und in dieser Hinsicht vermitteln viele alttestamentliche Texte etwas Ähnliches wie die moderne Ratgeber-Literatur. e) Weisheit als Fähigkeit zu gerechtem Handeln. In vielen Texten ist der Begriff der Weisheit nun aber doch eng mit dem der Gerechtigkeit verbunden. So ermahnen die Weisen, nicht parteilich zu urteilen und die Schuldigen nicht freizusprechen, sondern für das Recht einzutreten (Spr 24,23 f.). Die unternehmerisch geschickte Frau in Spr 31,10 ff. arbeitet nicht nur für das Einkommen der eigenen Familie, sondern breitet für die Rechtlosen ihre Arme aus und reicht den Bedürftigen die Hände (V. 20).

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Dabei werden die armen Menschen nicht nur als Objekte weisen Handelns betrachtet. Auch wenn davon auszugehen ist, dass sich nur gebildete Reiche für hochrangige Aufgaben qualifizieren können (Koh 10,6), wird im Buch Kohelet doch damit gerechnet, dass die Weisheit ökonomisch benachteiligter Menschen für eine Gesellschaft überlebensnotwendig sein kann (Koh 9,14 ff.). Die Weisen erkennen, dass es für jedes Vorhaben einen richtigen Zeitpunkt gibt (Koh 3,1) – und wissen, dass sie für ihr Handeln vor Gott Rechenschaft ablegen müssen (8,5). Insofern führt Weisheit zu einer Ethik der Verantwortung für das eigene Handeln. f) Weisheit als Weg zum Erfolg. Immer wieder wird für die Weisheit mit dem Argument geworben, sie führe in diesem Leben zum Erfolg: Die Weisen erhalten Anerkennung, während die Dummen Missachtung ernten (Spr 3,35); Weise sammeln Erkenntnis, aber im Mund von Gleichgültigen naht der Untergang (10,14); die Weisen haben Augen im Kopf, aber die Unverständigen tappen im Dunkeln (Koh 2,14); die Weisheit macht die Weisen stärker als zehn Oberhäupter (7,19); und die Worte der Weisen treffen auf Wohlwollen, wogegen sich die Toren um Kopf und Kragen reden (10,12). Selbst die Dummen haben eine Chance, für weise gehalten zu werden – wenn sie schweigen. Denn wer die Lippen verschlossen hält, kann noch als klug gelten (Spr 17,18; vgl. Hi 13,5). Dieser »Tun-Ergehen-Zusammenhang« muss nicht als Vergeltungsdogma oder als Ausdruck eines Vertrauens auf einen gleichsam naturhaften Automatismus gedeutet werden. Vielmehr könnte die Formulierung eines Zusammenhanges zwischen dem Handeln von Menschen und ihrem Ergehen sich der alltäglichen Erfahrung oder auch der Hoffnung verdanken, dass gutes Tun positiv auf die Handelnden zurückwirkt. g) Weisheit und Theologie. Gott zu ehren und zu achten, so heißt es in Spr 1,7, ist der Anfang der Einsicht (vgl. Hi 28,28), und nur Unverständige verachten diese Weisheit. Dies macht deutlich, wie eng Weisheit und die Rede von Gott

und seiner Tora miteinander verbunden sein können: Wer weise ist, achtet sorgsam auf die Gnadentaten Gottes (Ps 107,43); ein weises Herz nimmt die Gebote an (Spr 10,8), durch die die Menschen weiser werden als ihre Feinde (Ps 119,98), und die Unterweisung bzw. Verpflichtung Gottes macht sogar die Einfältigen weise (Ps 19,8). Insofern ist es weise und erfolgversprechend, auf die Unterweisungen und Gebote Gottes zu hören. Weisheit führt zur Wahrnehmung Gottes und umgekehrt. Dadurch erhalten Menschen einen Anteil an jener Weisheit, in der Gott die Erde geschaffen hat (Ps 104,24; Jer 20,24). h) »Krise der Weisheit« oder »kritische Weisheit«. Die Weisheit wäre nicht weise, wenn sie nicht erkennen würde, dass sie oft an Grenzen stößt. Am deutlichsten werden diese Grenzen in den Büchern Kohelet und Hiob. Das Buch Kohelet befasst sich mit dem erkenntnistheoretischen Problem, dass auch die Weisen das Werk Gottes letztlich nicht ergründen können (Koh 8,17). Zwar scheint die Weisheit einen relativen Vorteil zu bringen (2,13; 10,2.10.12), doch auf der anderen Seite wird die Weisheit oft nicht gehört (9,16), werden die Weisen wieder vergessen (2,16), und außerdem bringt die Weisheit angesichts des Todes keinen Gewinn (2,14.16; 9,10 f.). Nicht selten scheint der Tun-Ergehen-Zusammenhang brüchig zu werden, etwa dann, wenn nicht die Weisen das Brot und nicht die Verständigen den Reichtum erhalten (9,11) oder mehr Weisheit nur zu größeren Schmerzen führt (1,18). Auch das Buch Hiob wird im Allgemeinen als ein Beispiel für die Krise des Tat-Folge-Denkens betrachtet. Hier wird anhand einer konkreten Lebensgeschichte die Frage behandelt, ob sich das Leiden Unschuldiger mit Gottes Gerechtigkeit vereinbaren lasse. Der trotz seiner Gerechtigkeit leidende Hiob beharrt darauf, dass man nicht von seinem Unglück auf etwaige Übertretungen zurückschließen dürfe, denn nicht er selbst, sondern allein Gott trage die Schuld an seinem Leiden. Wurden diese beiden Bücher früher als Zei-

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chen für die so genannte »Krise der Weisheit« gelesen, so mehren sich inzwischen die Stimmen, die stattdessen von einer »kritischen Weisheit« sprechen. Damit werden auch die Selbstkritik und die Reflexion der Differenzen zwischen Erkenntnis und Erfahrung als ein integraler Bestandteil von »Weisheit« begriffen. 3. Weisheit als Personifikation Wie eine weibliche Person erscheint die Weisheit in Spr 1-9 (vgl. Hi 28): In Spr 1,20-33 und 8,1-36 hält sie an belebten Plätzen zwei Reden. In der ersten Rede kündigt sie all jenen Unglück an, die ihren Rat in den Wind schlagen und Gott nicht ehren und achten wollen. Mehr werbend versucht sie in der zweiten Rede die Menschen zu überzeugen, sich ihrer Klugheit, Einsicht, Erkenntnis, Belehrung, Umsicht anzuschließen und ihrem Rat zu folgen. Dabei stellt sie sich als das erste Geschöpf vor, das Gott noch vor den Urmeeren geboren hat (8,24), das wie ein geliebtes Kind Gott mit seinem Spielen erfreute (V. 30). Die personifizierte Weisheit lässt sich dabei eher als Potenzierung des weiblichen Aspekts in der Gottesvorstellung deuten denn als depotenzierte Göttin (Fischer 174-178). Eine solche Gestalt tritt darüber hinaus verstärkt in späteren Schriften wie Jesus Sirach, Baruch und Weisheit auf, die nicht in der Hebräischen Bibel enthalten sind, vorwiegend in griechischer Sprache überliefert wurden und Vorstellungen aus anderen Kulturkreisen adaptieren. Diese Schriften sind zwar in der Septuaginta, der Vulgata und den Bibelausgaben der katholischen Tradition enthalten, haben aber keinen Eingang in den protestantischen 3 Kanon gefunden. Für das Verständnis der Weisheit im Neuen Testament sind diese und weitere frühjüdische Schriften von zentraler Bedeutung, da im Neuen Testament verschiedene ihrer weisheitlichen Motive aufgenommen und modifiziert werden. Neben der Aufnahme der menschlichen Weisheit (auch im Sinne von Lebensklugheit und gerechtem Handeln) geht es dabei gerade um die personifizierte Gestalt »Weisheit«, die nun mit Jesus Christus in Verbindung gebracht

wird und ein entscheidendes Moment bei der Entstehung der Christologie bildet. 4. Aspekte weisheitlicher Traditionen im Neuen Testament In der neutestamentlichen Logienüberlieferung finden sich Formen weisheitlicher Belehrung wie Mahnsprüche, Sentenzen, Sprich- und Bildworte sowie Gleichnisse, wobei wie in der älteren Weisheitsliteratur vielfach an alltägliche Sachverhalte und Erfahrungen angeknüpft wird. Jesus begegnet hier als Weisheitslehrer (Ebner), der sich an Menschen aller sozialen Schichten wendet und gerade auch die Einfältigen, Mühseligen und Belasteten einbezieht (vgl. Mt 11,25-30; im Unterschied etwa zur androzentrischen Oberschicht-Perspektive von Sirach). In Anknüpfung an alltägliche Welterfahrung (wie etwa 3 Saat, Wachstum, Ernte, 3 Nahrungszubereitung und 3 gemeinsames Essen) wird das Kommen des Gottesreiches illustriert, wobei weisheitliche und apokalyptische Traditionen nicht gegeneinander stehen, sondern miteinander verbunden sind (Klauck). In der Logienquelle (Q) wird Jesus primär als Gesandter der Weisheit vorgestellt (vgl. Q / Lk 7,31-35; 11,49-51 u. ö.); möglicherweise hat sich schon Jesus selbst als Gesandter der Weisheit begriffen. Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass die Weisheit »in jeder Generation« in prophetischen Menschen wirkt und sogar »in heilige Seelen hineingeht« (vgl. Weish 7,27). Bei der Aufnahme der Q-Logien in den matthäischen Kontext wird die Verbindung der Weisheit mit Jesus verstärkt, so dass es hier auch zu einer Identifizierung beider kommt (von Lips 267-290). Dabei spricht Jesus hier nicht nur freundlich und einladend, sondern auch mahnend und drohend, letzteres auch in Verbindung mit weiblicher Metaphorik (vgl. Q / Lk 13,34 f.). Auch die drohenden Texte sollten auf dem Hintergrund innerjüdischer Auseinandersetzungen verstanden werden und nicht losgelöst von ihrem Kontext als prinzipiell antijudaistische Aussagen (Schüssler 210-243). Auch außerhalb der synoptischen Evangelien werden Christus und »Weisheit« in Beziehung

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gesetzt. Paulus bezeichnet Christus explizit als Sophia (vgl. 1 Kor 1,24.30), wobei er sich jedoch in 1 Kor 1-4 von einer anderen Form der Weisheitstheologie absetzt, die anscheinend zu Spaltungen innerhalb der korinthischen Gemeinde geführt hat. Welche Form der weisheitlichen Theologie in Korinth vertreten wurde, ist in der Forschung umstritten. Paulus polemisiert gegen eine unzureichende Berücksichtigung des Kreuzigungsgeschehens, wobei er die scheinbare »Torheit« der Verkündigung der (falschen) weltlichen Weisheit als entscheidendes Paradox gegenüberstellt. Die Auseinandersetzung in 1 Kor 1-4 dokumentiert die Vielfalt weisheitstheologischer Rezeptionen, die Paulus nicht prinzipiell ablehnt, wie seine eigene Anbindung an weisheitliche Vorstellungen etwa im Hinblick auf Präexistenz und Schöpfungsmittlerschaft Jesu Christi zeigt. Auch in hymnisch geprägten Überlieferungen des Neuen Testaments wird zur Deutung der Gestalt Jesu Christi auf weisheitliche Theologie zurückgegriffen (vgl. Spr 8,22-30; Sir 24,9; Weish 9,9 z. B. mit Phil 2,6-11; Kol 1,15-20; Hebr 1,1-4; Joh 1,1-18 u. a.; Vollenweider): Betont werden auch hier besonders Präexistenz und Schöpfungsbeteiligung. Im Johannesevangelium wird darüber hinaus die aus den frühjüdischen Weisheitsschriften bekannte Metaphorik auf Jesus übertragen, u. a. im Hinblick auf das Licht (Weish 7,29 f.; Joh 1,4 f.; 8,12); den Weg (Spr 8,35; Joh 14,6); den Weinstock (Sir 24,17; Joh 15,1.5); die Einladung zum gemeinsamen Essen (Spr 9,5; Sir 24,19-21; Joh 6) und die Identität von Nahrungsspendenden und Nahrung (Sir 24,21; Joh 6,35; Petersen). Der Weg Jesu in Präexistenz, Sendung, Herabkunft, Ablehnung durch die Menschen und Rückkehr zum Ausgangsort ist durch Sophia vorgezeichnet (Sir 24,4-12; vgl. auch 1 Hen 42,1 f.: »Die Weisheit fand keinen Platz, wo sie wohnen konnte, da hatte sie eine Wohnung in den Himmeln. Die Weisheit ging aus, um unter den Menschenkindern zu wohnen, und sie fand keine Wohnung; die Weisheit kehrte an ihren Ort zurück und nahm ihren Sitz unter den Engeln«). Auffällig ist, dass bei der Übertragung weisheit-

licher Motive auf Jesus das Wort Sophia nicht verwendet wird; in Joh 1 ist von Logos die Rede (vgl. dazu Scott), eine Verbindung beider ist schon zuvor bei Philo von Alexandrien belegt. Auch in koptisch-gnostischen Schriften werden frühjüdische Weisheitstraditionen aufgenommen und weiterentwickelt, einige Schriften nennen Sophia sogar im Titel (Sophia Jesu Christi; Pistis Sophia). Im Gegensatz zur älteren Forschung wird heute nicht mehr davon ausgegangen, dass gnostisches Gedankengut schon auf die neutestamentlichen Texte eingewirkt hat. In diesen Schriften werden die mythologischen Spekulationen ausgebaut; auch in ihnen kann jedoch Jesus mit Sophia und ihr verwandten weiblichen Offenbarergestalten identifiziert werden (vgl. z. B. den Pronoia-Monolog im Apokryphon des Johannes), was darauf verweist, dass geschlechterdifferentes Reden vom Göttlichen in antiken Texten anders konnotiert ist als in der Neuzeit. Baumann, Gerlinde, Die Weisheitsgestalt in Proverbien 1-9. Traditionsgeschichtliche und theologische Studien, FAT 16, Tübingen 1996. Ebach, Jürgen, Streiten mit Gott. Hiob, 2 Bde., NeukirchenVluyn 1994/1996. Ders., Beobachtungen und Überlegungen zum metaphysischen und metaphysikkritischen Potenzial alttestamentlicher ›Weisheit‹, in: Paulus Engelhardt / Claudius Strube (Hg.), Metaphysisches Fragen. Colloquium über die Grundform des Philosophierens, Köln u. a. 2008. Ebner, Martin, Jesus – ein Weisheitslehrer? Synoptische Weisheitslogien im Traditionsprozeß, HBS 15, Freiburg u. a. 1998. Fischer, Irmtraud, Gotteslehrerinnen. Weise Frauen und Frau Weisheit im Alten Testament, Stuttgart 2006. Klauck, Hans-Josef, »Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit« (1 Kor 1,24). Jüdische Weisheitsüberlieferungen im Neuen Testament, in: ders., Alte Welt und neuer Glaube, NTOA 29, Freiburg (Schweiz) u. a. 1994, 251-275. Maier, Christl, Die »fremde Frau« in Proverbien 1-9. Eine exegetische und sozialgeschichtliche Studie, OBO 144, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1995. Petersen, Silke, Brot, Licht und Weinstock. Intertextuelle Analysen johanneischer Ich-bin-Worte, NT.S 127, Leiden u. a. 2008. Preuß, Horst Dietrich, Einführung in die alttestamentliche Weisheitsliteratur, Stuttgart 1987. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Jesus – Miriams Kind, Sophi-

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Weltbild

as Prophet. Kritische Anfragen feministischer Christologie, Gütersloh 1997. Schwienhorst-Schönberger, Ludger, Kohelet. Übersetzt und ausgelegt, HThKAT, Freiburg 2004. Scott, Martin, Sophia and the Johannine Jesus, JSNT.S 71, Sheffield 1992. van Oorschot, Jürgen, Weisheit in Israel und im frühen Judentum, VF 48,1 (2003), 59-89. von Lips, Hermann, Weisheitliche Traditionen im Neuen Testament, WMANT 64, Neukirchen-Vluyn 1990. von Rad, Gerhard, Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn 2 1982. Vollenweider, Samuel, Christus als Weisheit. Gedanken zu einer bedeutsamen Weichenstellung in der frühchristlichen Theologiegeschichte, EvTh 53 (1993), 290-310.

Detlef Dieckmann / Silke Petersen

Weltbild 1. Zur Thematik und Funktion von Weltbildern Als Weltbild von Menschen, Kulturen und Religionen lässt sich das Ensemble der jeweiligen Deutung(en) der Lebenswelt bezeichnen, die 3 Kosmosvorstellungen, Orientierung in 3 Raum und Zeit (3 Zeitvorstellungen), aber auch politische, gesellschaftliche, soziale, religiöse, philosophische und psychologische Orientierungsmuster umfassen. Sie bilden eine mental map, eine geistige Landkarte, ein inneres Orientierungskonzept, in das auch die je eigene Position und Rolle eingezeichnet ist. Ein Hauptaspekt des altorientalischen und antiken und in diesen Kontexten auch des biblischen Weltbildes bzw. der in Teilen auch differierenden biblischen Weltbilder ist die Unterscheidung zwischen der Leben ermöglichenden Welt und dem Leben bedrohenden oder vernichtenden Chaos. Die biblische Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1-2,3) erzählt nicht von der Erschaffung der Welt aus dem Nichts (der Gedanke einer creatio ex nihilo taucht in der Bibel erst in 2 Makk 7,28 auf), sondern von der Umgestaltung eines Leben verhindernden Zustandes vor der Schöpfung in eine geordnete, vor allem für Menschen lebensförderliche Welt.

Die Schöpfung besteht in der Herstellung einer solchen Ordnung; zentral in Gen 1 sind die Begriffe »erschaffen«, »machen«, »trennen«, »(be)nennen«. In ähnlicher Weise gestaltet Gott nach Ps 104 das einst bedrohliche Urwasser in lebensdienliche Bäche und Kanäle um (V. 10 ff.). Die Schöpfung erfolgt in Weisheit (Ps 104,24; Spr 8); aber sie bleibt auch rätselhaft und fügt sich nicht den Interessen allein des Menschen (Hi 38-41). Die Hauptfrage des orientalischen Altertums war nicht die neuzeitlich philosophische (etwa mit Leibniz), warum überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts ist, sondern, ob stabil ist, was ist. Warum z. B. fällt der Himmel nicht auf die Erde? Täte er es, würde das Leben auf der Erde erdrückt. Gegen die mit einer solchen Frage verbundene Angst werden z. B. im alten Ägypten gleich mehrere, nicht als widersprüchlich, sondern als komplementär aufgefasste Erklärungen aufgeboten: Der Himmel hat die Gestalt einer mächtigen Kuh, an deren Körper die Gestirne angebracht sind – der Himmel ist die Göttin Nut, welche sich akrobatisch über den Erdgott Geb beugt und dabei vom Luftgott Schu gestützt und getragen wird – der Himmel ruht auf mächtigen Säulen in den Weltecken auf. Auch andere Grundfragen und -erfahrungen machen Angst: Wenn die Sonne abends im Westen unter- und morgens im Osten aufgeht, dann muss sie offenkundig jede Nacht die Erde unterqueren. Kann man sicher sein, dass ihr dabei nichts Schlimmes zustößt? Wird sie auch morgen wieder aufgehen? Die Angstbewältigungsstrategie besteht darin, die diffuse Angst zunächst in konkrete Furcht zu verwandeln. Mythen erzählen vom in der Tat gefahrvollen Weg der Sonne durch die Unterwelt, bei der sie von Ungeheuern, vor allem der gefährlichen Apophisschlange bedroht wird. Setzen Mythen die Furcht ins Recht, so weisen Rituale und Gebete Handlungen an, mit denen Menschen die nächtliche Sonnenreise begleiten können, ein Weg der Furchtbewältigung durch die Möglichkeit der Teilhabe und Teilnahme am kosmischen Geschehen (3 Astrologie / Astronomie). Mythen und Rituale werden von Priestern vermittelt und verwaltet. Das Weltbild sichert so

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auch deren Funktion und dient der Stabilisierung sozialer Systeme. (Zugespitzt gesagt: Wer Priester umbringt, riskiert, dass morgen die Sonne nicht aufgeht!) Auf andere Weise zeigt sich die soziale und Hierarchien bildende, legitimierende und stabilisierende Funktion von Weltbildern in den Mythen über die Welterschaffung. In dem nach seinen Anfangsworten Enuma elisch (»als oben«) benannten babylonischen Weltschöpfungslied ist es der Gott Marduk, der den Chaosdrachen, die Göttin des Salzwassers Tiamat besiegt, indem er die Winde in sie fahren und sie zerreißen lässt und sodann aus ihren beiden Hälften Himmel und Erde bildet. Das eigentliche Ziel des Textes ist aber nicht die Präsentation von Vorstellungen und Traditionen der Welterschaffung, sondern die Legitimation Marduks als von allen Göttern (auch den älteren und eigentlich würdigeren) anerkannter höchster und mächtigster Gott. Das Enuma elisch begleitet und stützt den gleichzeitigen Aufstieg der Stadt Babylon, deren Stadtgott Marduk ist, im 2. Jt. v. Chr. von einem recht unbedeutenden Ort zum mesopotamischen Machtzentrum. Als die Assyrer Babylon eroberten, übernahmen sie das bereits im orientalischen Altertum klassisch gewordene Lehrgedicht und ersetzten in einer Art »Generalbefehl« den Namen Marduks durch den ihres Gottes Assur. Auf wieder andere Weise spiegeln sich Machtfragen in der Weise der Erzählungen von der Entstehung der Menschen. Stimmen die mesopotamischen Traditionen der Menschenschöpfung in allen Zeiten in der Erklärung des Grundes und Ziels überein (die Götter erschufen die Menschen, damit die ihnen die Arbeit abnehmen, die sie zuvor selbst tun mussten, (dazu und zur alttestamentlichen Anknüpfung wie Korrektur 3 Raum), so differieren die Traditionen in der Frage, wo, von wem und wie die Menschen erschaffen wurden (Pettinato). Alte Traditionen lassen die ersten Menschen wie Gras aus der (Mutter) Erde aufsprießen oder von den Muttergottheiten geboren werden. Erst in einer Transformation dieser Traditionen kommt die Rolle von Männern ins Spiel: Nicht die Erde bringt

die Menschengewächse hervor, sondern die (von der »Spitzhacke« gisal, welche beziehungsreich dem entsprechenden˙ Text die Überschrift gibt!) bearbeitete Erde. Oder: die Muttergottheiten bringen die ersten Menschen hervor, aber sie tun es nach einem Prototyp, einem Modell, welches der männliche Weisheitsgott Enki ersonnen hat (eine frühe Form der in der griechischen Mythologie mit Zeus verbundenen »Kopfgeburt«). Auch in Gen 1 ist die Erde kreativ – sie bringt die Pflanzen (V. 11 f.) und die Landtiere (V. 24 f.) hervor, aber sie tut es genau so, wie Gott es angewiesen hatte. 2. Das dreistufige Weltbild der Bibel und seine offenen Grenzen Die Weltbilder des orientalischen Altertums sind von Gegensätzen (3 Licht und Finsternis, Leben und 3 Tod, 3 Reinheit und Unreinheit, Kulturland und Wildnis (3 Raum; 3 Wüste) bestimmt und im Grundsatz – bei vielen Differenzierungen im Einzelnen – durch eine Dreistufigkeit gekennzeichnet, nämlich die Bereiche von Himmel, Erde und Unterwelt bzw. Meer. Diese Räume sind jedoch nicht völlig gegeneinander abgeschottet (gegen die zuweilen als biblisch kolportierte Vorstellung, der Himmel umfasse wie eine Art »Käseglocke« die Erde), vielmehr gibt es offene und damit auch bedrohliche Grenzbereiche und -überschreitungen. So ist nicht erst, wer physisch tot ist, in der Sphäre des Todes und der Unterwelt, sondern auch, wer krank, verlassen, angefeindet ist (3 Tod). Der Bereich des Himmels kann in die irdische Sphäre hineinreichen, so wenn Jesaja Gott im Tempel in Jerusalem thronen sieht und Gottes Gewandsaum den ganzen Tempel ausfüllt (Jes 6,1-5). Hier begegnet ein alttestamentliches Weltbild, in dem der Tempel das Zentrum (und Jerusalem den »Nabel«) der Welt bildet. Legen manche Texte der Hebräischen Bibel nahe, dass Gottes Macht nicht in die Unterwelt reicht, so sprechen andere davon, dass Gott auch dort Macht hat (3 Tod). Dabei können solche Aussagen durchaus ambivalent klingen (man vergleiche Am 9,1-4 und Ps 139,7-12): Es gibt keinen Ort, an dem ein Mensch aus Gottes Behü-

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tung fiele – es gibt keinen Ort, an dem ein Mensch Gottes Zugriff entginge! Die immer wieder in verschiedenen Modellen versuchte Rekonstruktion des biblischen Weltbildes in Schaubildern hat einen doppelten Mangel. Denn weder gibt es das biblische Weltbild, vielmehr zeigt es sich in verschiedenen historischen, religions- und sozialgeschichtlich unterschiedenen Formen, noch gibt es altorientalische Bildzeugnisse, welche solchen Rekonstruktionen entsprechen (dazu etwa die Abbildungen bei Hartenstein 78-85). So wie auch heute Kategorien wie »oben« und »unten« als Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen (man fühlt sich »high« oder »down«) nicht in real-topographischen Kategorien anzugeben wären, so wäre vermutlich auch kein Kanaanäer davon überzeugt, dass er, bestiege er den Zaphon-Berg (den heutigen Dschebel el Aqra nördlich von Ugarit), der wie der griechische Olymp als Sitz der Götter galt, dort real den Göttern begegnete, und kaum ein alter Grieche wäre davon überzeugt, dass man, grübe man ein tiefes Loch in der Erde, »in Wirklichkeit« im Hades ankäme. Das mit Weltbildern verbundene Symbolsystem interpretiert Wirklichkeitserfahrungen, ohne sie veristisch zu identifizieren. Vollends fehl gehen indes scheinbar aufgeklärte Erklärungen, wie die, der Prophet Ezechiel habe bei seiner Begegnung mit dem im Exil erscheinenden Thron Gottes (Ez 1-3; 10) »in Wirklichkeit« ein Raumschiff oder eine eigentümliche Wolkenformation gesehen. 3. »Aufgefahren in den Himmel« Im Neuen Testament begegnen die Weltbilder des Alten Orients, des Alten Testaments und der frühjüdischen Konzeptionen sowie Elemente griechischer und hellenistischer Kosmologie. Dabei tritt die Frage nach der Weltentstehung, die an keiner Stelle des Neuen Testaments explizit verhandelt wird, deutlich zurück hinter die Frage nach der Zukunft von Zeit und Welt (3 Apokalyptik / Eschatologie). Stärker als in der Hebräischen Bibel ist die Welt von Engeln und von dämonischen Mächten (die Krankheit und Besessenheit bewirken) erfüllt und der Gegen-

satz zwischen den Mächten von 3 Licht und Finsternis wird prägend. In 2 Kor 12,1-5 berichtet Paulus – in einer Schwebelage zwischen physischer und psychischer Erfahrung (»ob es leibhaftig oder durch Verlassen des Körpers geschah, weiß ich nicht«, V. 2) – von einer Reise bis in den dritten Himmel und ins Paradies. Der Himmel wird zum endgültigen Ort der geretteten Gerechten. Dabei wird die in späten Texten des Alten Testaments anklingende Erwartung einer Auferstehung von Toten (Dan 12,2) zur grundlegenden Hoffnung. Sie setzt nicht darauf, dass das Leben irgendwie weiter gehen und dass es ewig so weiter gehen solle, sondern lebt aus der Erwartung der, wenn nicht jetzt, so doch einst realisierten 3 Gerechtigkeit. Denn die Erwartung, dass das Ergehen eines Menschen seinem Tun entsprechen möge, soll nicht durch das Faktum des Todes eliminiert werden, sondern die Auferstehung zum Gericht soll Gerechtigkeit bringen. Cornelius, Izak, The Visual Representation of the World in the Ancient Near East and the Hebrew Bible, JNWSL 20 (1994), 193-218. Gese, Hartmut, Die Frage des Weltbildes, in: ders., Zur biblischen Theologie, Tübingen 3 1989, 202-222. Hartenstein, Friedhelm, Die Welt als Bild und als Erzählung. Zur Intermedialität altorientalischer und biblischer Weltkonzeptionen, in: Sylke Lubs u. a. (Hg.), Behutsames Lesen, FS für Chr. Hardmeier, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 28, Leipzig 2007, 63-88. Janowski, Bernd / Ego, Beate (Hg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte, FAT 32, Tübingen 2001. Keel, Othmar / Schroer, Silvia, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen / Freiburg (Schweiz) 2002. Lang, Bernhard, Himmel und Hölle. Jenseitsglaube von der Antike bis heute, München 2003. Pettinato, Giovanni, Das altorientalische Menschenbild und die sumerischen und akkadischen Schöpfungsmythen, Heidelberg 1971. Stolz, Fritz, Weltbilder der Religionen. Kultur und Natur, Diesseits und Jenseits, Kontrollierbares und Unkontrollierbares, Zürich 2001. Topitsch, Ernst, Art. Weltbild, HrwG V, 2001, 355-366. Weiss, Hans-Friedrich, Untersuchungen zur Kosmologie des hellenistischen und palästinischen Judentums, TU 97, Berlin 1966.

Jürgen Ebach

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Widerstand / Martyrium

Widerstand / Martyrium 1. Allgemeines »Martyrium« bezeichnet die Bevorzugung von Leid und 3 Tod gegenüber dem äußeren Zwang, eigene religiöse Kernüberzeugungen öffentlich zu verneinen. Das Martyrium gilt als »ehrenhafter Tod« (Droge / Tabor) und ist die äußerste Form des Widerstands. Die griechische Wortfamilie martyreo hat ihren ursprünglichen Ort im Rechtsleben (martys = Beweiszeuge; vgl. Mk 14, 63; Apg 6,13; 7, 58). Das Verb konnte dann auch für die Bekundung persönlicher Überzeugungen gebraucht werden (vgl. Lk 24, 48; Apg 1, 8.22; 2, 32 usw.). Eine besondere Nähe zwischen Zeugnis und Tod belegt die Johannesapokalypse (2, 13; 11, 3; 17, 6), doch bleibt die Wortbedeutung im Bereich verbaler Kommunikation (Brox 43109). Erst ab dem 2. Jh. setzt sich im Kontext der 3 Verfolgung im kleinasiatischen Raum der technische Gebrauch des Begriffs »Märtyrer« als Blutzeuge durch (ca. 160-170: Martyrium Polykarps aus Smyrna). Wesentlich unschärfer ist der Begriff des »Widerstands«, für den es in der Bibel keine entsprechende Terminologie gibt. Der Sache nach umfasst dieser von Gehorsamsverweigerung (passiver Widerstand) bis zu gewaltsamer Rebellion (aktiver Widerstand) ganz unterschiedliche Formen der Reaktion auf unrechtmäßige Ansprüche der Staatsgewalt. Widerständigem Verhalten liegt die Überzeugung zugrunde, dass es eine dem Staat übergeordnete moralische oder göttliche Ordnung gibt. Häufig greifen untergeordnete Gruppen auf subtile Widerstandsstrategien zurück, um ihre Autonomie und Würde zu erhalten. Zu diesen so genannten »hidden transcripts« (Scott) zählen anonyme Äußerungen, Euphemismen, öffentliche Unzufriedenheitsbekundungen, Volkserzählungen (auch Witze), symbolische Umkehrungen und Feste. Die überall wirksamen Verschleierungstaktiken machen es zum Teil schwer, den Aspekt des Widerstands in Texten präzise hervorzuheben.

2. Hebräische Bibel Geschichte und Sozialgeschichte Altisraels boten genügend Anlass, sich gegen schwer oder gar nicht erträgliche Verhältnisse zur Wehr zu setzen. Es wurden verschiedene Formen des Widerstands erprobt und reflektiert. a) Gegen äußere Bedrückung wurde immer wieder zum Mittel des gewaltsamen Widerstands gegriffen. Die ersten Exempel liegen in noch vorgeschichtlicher Zeit: Nach dem Auszug aus Ägypten, den JHWH allein bewerkstelligt hatte (freilich unter Einsatz von 3 Gewalt: Ex 11 f.; 14), musste sich Israel in der Wüste amalekitischer Banditen erwehren (Ex 17, 8-16). Nach der Ansiedlung im Gelobten Land drangen von allen Seiten Feinde auf es ein, die aus dem Feld zu schlagen waren: Moab (Ri 3,12-30), Kanaan (Ri 4 f.; zum möglichen historischen Hintergrund vgl. Gottwald), Midian (Ri 6 f.), Ammon (Ri 10 f.; 1 Sam 11), die Philister (Ri 13-16; 1 Sam 4; 13 f.; 17; 31; 2 Sam 1; 5, 17-25; dieser Feind scheint mitursächlich für die Staatsbildung gewesen zu sein). Später hatte Nordisrael vor allem mit den Aramäern zu ringen (1 Kön 20; 22; 2 Kön 6 f.; 16, 5-9; Am 1, 3). Darüber, ob und wie man sich gegen die Großreiche des Orients – Assur, Babylon, auch Perser und Diadochen – zur Wehr setzen sollte, schieden sich die Geister: Die einen plädierten für gewaltsamen, die anderen für allenfalls gewaltfreien Widerstand oder für Unterwerfung (vgl. Jes 30, 1-3.15-17; 31, 1-3; 36-38; Jer 2729; 38; Ez 17; Mi 5, 5 f.; Nah 2 f.; Sach 4, 6; Est 9; Dan 2; 7; 11, 21-35; 1 Makk 1-7). b) Auch die Zustände im Innern provozierten häufig Widerstand, der wiederum oft gewaltsame, zunehmend aber auch gewaltfreie Formen annahm. Schon gegen David revoltierten zweimal die Nordstämme, weil sie sich in der Vereinigten Monarchie offensichtlich zu kurz gekommen fühlten (2 Sam 15-20); dies wiederholte sich unter Salomo (1 Kön 11, 26-28.40), und nach dessen Tod führte ein Aufruhr gegen die schweren Fronlasten zur Gründung eines eigenen Staates Nordisrael (1 Kön 12, 1-20). Vermutlich waren viele der zahlreichen Königsstürze in diesem Reich die Folge übermäßiger oder ungleichmäßi-

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ger Belastungen einzelner Bevölkerungsgruppen und daraus resultierender Spannungen (z. B. 1 Kön 16; 2 Kön 9 f.). In der prophetischen Sozialkritik wird eine ab dem 8. Jh. zunehmend ungleiche Verteilung von Besitz und Einfluss in Israel wie in Juda sichtbar; doch so scharf die Propheten kritisieren, zu gewaltsamem Aufruhr rufen sie nicht auf (z. B. Jes 5, 8-10; 10,1-3; Am 2, 6-8; 4, 1-3; 5, 21-24; 6, 1-8; Mi 2, 1-10; 3, 1-4). Mit dem bloßen Wort treten Propheten Königen entgegen, die ihre Macht missbrauchen (2 Sam 12, 115; 1 Kön 13, 1-5; 21, 1-24; 2 Kön 21, 10-16; Jer 22,1319). Nach und nach (kaum schon von Anfang an, so Crüsemann) bildet sich eine prinzipiell kritische Haltung gegenüber dem Königtum heraus (Ri 9, 7-15; 1 Sam 8, 11-17; 10, 27; Hos 8, 4; 10, 9; 13, 9-11); in nachstaatlicher Zeit verdichtet sie sich zur grundsätzlichen Ablehnung der Monarchie (Dtn 17, 14-20; Ri 8, 22 f.; 1 Sam 8, 6-8; 10,18 f.; 12; Jes 55, 1-3). c) Das Martyrium kann die Konsequenz eines Widerstands sein, der auf 3 Gewalt verzichtet. Große biblische Gestalten wie Jeremia und Daniel tragen ebenso wie namenlose Psalmisten die Züge von Märtyrern (Jer 15, 10.15; 18, 18 f.; 20, 10; Ps 22, 7-9.13-19; 56,1-7; Dan 6); erst recht gilt dies von den Verfolgten der Makkabäerzeit (2 Makk 6 f.). Inbegriff des leidenden Gerechten ist der »Gottesknecht« des Deuterojesajabuchs: Ein ohne Grund Geschundener und allseits Verachteter macht – Ausdruck gewaltfreien Widerstands – sein »Antlitz (hart) wie Kiesel« und erduldet das Leiden »wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird«; am Ende wird er von Gott ins Recht gesetzt (Jes 50, 4-9; 52, 13-53, 12). Diese geheimnisvolle Gestalt – ursprünglich vielleicht ein Individuum, jetzt Verkörperung Israels – ist Sinnbild eines neuen, freilich nicht leicht zu gehenden Weges zum Frieden (Otto). d) Schließlich weiß das Alte Testament von Widerstand gegen Gott. Auf der einen Seite ist dies ein sündhaftes Verhalten (z. B. Ex 32, 9; Dtn 1, 26; Jes 1, 3 f.; 30, 1.9; 48, 4; Jer 7, 26; Ez 2, 5; 5, 7; 12, 2; Ps 78, 8; Neh 9, 26 u. ö.). Auf der anderen Seite gibt es Erfahrungen (und Handlungen Gottes!), die dazu treiben. Jona verweigert Gott sei-

nen Applaus, als dieser sich »barmherzig und gnädig« zeigt auch gegen das Böse (Jona 4). Jeremia setzt sich gegen einen aufdringlichen und unzuverlässigen Gott zur Wehr (Jer 12, 1; 20, 7 f.). Hiob, der aufgrund einer Wette im Himmel alles verloren hat bis auf sein Leben, begehrt auf gegen Gottes Willkür und weigert sich, irgendeine eigene Schuld einzugestehen, die sein Leiden rechtfertigen könnte (Hi 6, 24; 9,12.22 f.29; 13, 3.18.22 f.; 16, 12-14; 23,1-7; 27, 4 f. u. ö.). Zwar muss er sich am Ende dem überlegenen Wissen und Handeln Gottes beugen, doch räumt dieser im Gegenzug ein, sein »Knecht« Hiob habe »aufrecht« von ihm geredet (42,7). 3. Frühjudentum Die Entweihung des Tempels durch den syrischen Herrscher Antiochus IV. Epiphanes (ca. 215-164 v. Chr.) und weitere Maßnahmen zur Zwangshellenisierung provozierten ab 167 den bewaffneten Widerstand der so genannten Makkabäer (1 Makk; 2 Makk; vgl. van Henten). Das Halten der Tora steht über dem Schutz des eigenen Lebens (1 Makk 2,19-22; 2 Makk 7, 2). Die Lebenshingabe im Kampf wird als Akt zur Rettung des Volkes (1 Makk 6, 43-46: Tod Eleasars; 2 Makk 14, 37-46: Tod Razis), als Zeichen höchster Tugend (2 Makk 6, 31; 4 Makk) oder sogar als Sühneleistung für das Volk gedeutet (4 Makk 17, 21 f.; 18, 3 f.). Die Märtyrer werden auferstehen und himmlischen Lohn empfangen (2 Makk 7; 12, 4345; 14, 45 f.). Eine besondere Rolle spielt die Erzählung vom Tod einer Mutter und ihrer sieben Söhne (2 Makk 7,1-42; 4 Makk 8-14). Weitere Beispiele für Widerstand und Selbsthingabe im Kampf finden sich im Geschichtswerk des Josephus (Flav. Jos. Bell. 3, 329-391: »Todespakt« in Jotapata; 7, 323-388: Kollektivsuizid von 960 Menschen in der belagerten Festung Masada). Für den Aufstand gegen Rom (66-70 n. Chr.) versucht Josephus eine kleine extremistische Gruppe, die so genannten »Zeloten«, verantwortlich zu machen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass unterschiedliche Gruppierungen daran beteiligt waren (vgl. Horsley / Hanson).

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Widerstand / Martyrium

4. Neues Testament Als Anhänger eines von Rom hingerichteten jüdischen Aufständischen standen Christusgläubige einerseits in Verdacht, einer aufrührerischen Gruppierung anzugehören (Mt 26, 55; Joh 18, 40; Mk 15, 27; Apg 5, 35-39; 21, 30-38). Andererseits genossen sie das Vorrecht, so lange als »erlaubte Religion« (religio licita) zu gelten, so lange sie für Rom nicht als eigenständige Gruppierung außerhalb des Judentums erkennbar wurden (vgl. Apg 18, 14 f.). Das Verhältnis zu Rom war komplex (vgl. Mk 12,17 par; Apg 4, 19; 5, 29; Röm 13, 1-7; Offb 13; vgl. Dietrich / Mayordomo 166-174). Im Zusammenhang mit dem Nächstenliebegebot (Röm 12,14-21) fordert Paulus dazu auf, die Loyalität gegenüber dem übergeordneten Machtapparat durch das Entrichten der geforderten Steuern zu bekunden. Die Regierungsgewalt wird vordergründig ungebrochen Gott zugeordnet (13, 4: Magistrate = »Diener Gottes«). Solche Unterordnungsstrategien waren sozial konforme »gute Taten«, um positiv auf den Glauben aufmerksam zu machen (1 Petr 2, 13-17; Tit 3, 1-3; 1 Tim 2,1-3). Die Bildsprache der Johannesapokalypse stellt einen verdeckten Widerstand (»hidden transcripts«) gegen den Zugriff des römischen Machtapparates auf die Überzeugungen der Christusgläubigen in Kleinasien dar (bes. Kap. 13). Durch den Anspruch auf Anbetung des Kaisers überschreitet der Staat eine Grenze, die aus dem ordnenden »Diener Gottes« von Röm 13 ein »satanisches Monstrum« macht. Obwohl im Neuen Testament eine explizite Märtyrer-Ideologie fehlt, ist die widerständige Kraft des christlichen Bekenntnisses gegenüber der dominierenden Kultur offensichtlich (3 Verfolgung). Das herausragende Modell für freiwillige Selbsthingabe bildet der Tod Jesu (Mk 8, 3133; 9, 30-32; 10, 33 f.45; 14, 36; Mt 16, 21-23; 26, 53 f.; Lk 9, 51; Joh 10,18; 12, 27; 14, 30; 18, 4-8). Diese Haltung soll auch das Leben seiner Nachfolger prägen (Mk 8, 34 f. par; Joh 15,18-20). Auch Paulus scheut den Tod nicht (Phil 1, 19-26; vgl. Droge / Tabor 119-126). »Märtyrerbewusstsein« ist auch in der Johannesoffenbarung zu finden (5, 9-11; 11, 4-13; 16, 6; 17, 6; 20, 4-6). Der Märtyrer Antipas

aus Pergamon ist »treuer Zeuge (martys)« Jesu (2, 13; vgl. 1, 5; 3, 14 in Bezug auf Jesus). Die wenigen neutestamentlichen Darstellungen von Todesfällen sind vergleichsweise zurückhaltend (Mk 6,14-19 par: Johannes der Täufer; Apg 7: Stephanus; Apg 12,1-2: Jakobus). Die Apostelgeschichte belegt in vielen Fällen, dass Paulus auf tödliche Bedrohungen nicht mit heldenhafter Selbsthingabe, sondern mit Entzug durch Flucht reagierte (10, 23-25; 14, 5.19; 17, 6-10; 21, 30 f.; 22, 22 f.; 23, 21). Das Neue Testament bezeugt keine Todessehnsucht, wie sie der Märtyrer Ignatius äußert: »Lasst mich der wilden Tiere Fraß sein, durch die es möglich ist, zu Gott zu gelangen« (IgnRom 5, 1 f.). Die Weichen sind jedoch von Beginn an in diese Richtung gestellt. 5. Gender-Aspekte Da Frauen in der griechisch-römischen Antike generell als triebhaft und schwach angesehen wurden, galten Widerstand und Martyrium als Ausdrucksformen typisch männlicher Charaktereigenschaften (vgl. Stahlmann), etwa Selbstbeherrschung und Mut (vgl. 2 Makk 6, 30 f.; 10, 28; 15, 17; 4 Makk 1, 2.8.10 usw.). Der Anteil an widerständigen Frauen in der jüdisch-christlichen Tradition ist demgegenüber auffällig groß (vgl. Daube). Dass gerade die wichtigste jüdische Märtyrerlegende um eine alte Frau und ihre sieben Söhne kreist, stellt die gängige Werteordnung auf dem Kopf (vgl. zu 4 Makk Moore / Anderson). Auch im frühen Christentum sind Frauen nicht von der Pflicht enthoben, ihren Glauben gegen Widerstand zu bekunden (vgl. die Märtyrerinnen Perpetua und Felicitas † 203). Eine wirkliche Aufhebung von Gender-Stereotypen hat leider jedoch kaum stattgefunden, vielmehr wurden heldenhafte Frauen häufig kurzerhand »vermännlicht« (Bakker).

Bakker, Henk, Potamiaena. Some Observations about Martyrdom and Gender in Ancient Alexandria, in: Anthony Hilhorst / George H. van Kooten (Hg.), The Wisdom of Egypt. FS für G. P. Luttikhuizen, AGAJU 59, Leiden 2005, 331-350. Brox, Norbert, Zeuge und Märtyrer. Untersuchungen zur

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Wildpflanzen

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Walter Dietrich / Moisés Mayordomo

Wildpflanzen 1. Rahmenbedingungen Eine Grenzziehung zwischen 3 Kulturpflanzen und Wildpflanzen ist im Quartär (280.000 v. Chr. bis zur Gegenwart) fließend. Zu unterscheiden sind Bäume und Gehölze einerseits von Kräutern und Gräsern andererseits. Leichte Schwankungen bei der Niederschlagsmenge und der Temperatur – parallel zu den Eiszeiten im Alpenraum – führten zu einem Rhythmus von Vorstößen der Flora, der Fauna und des Menschen nach Süden in den Negev und die Sinaihalbinsel und zu entsprechenden Rückzügen nach Norden. Folgenreich war auch, dass der Spiegel des Mittel-

meeres in dieser Epoche beträchtlich schwankt. Die Konsequenzen für Grundwasser und lokales Klima, vor allem in den ans Meer angrenzenden Regionen, betrafen den gesamten Mittelmeerraum. Methodisch können solche Phänomene und die Folgen für den Pflanzenwuchs durch die jungen Wissenschaften der Paläobotanik, der Blütenpollenanalyse und der Archäologie (z. B. Funde von Getreidekörnern) erforscht werden. Für die erdgeschichtlich jüngste Zeit ab 6000 v. Chr. ist mit Verhältnissen zu rechnen, die ungefähr den heutigen entsprechen. Festzuhalten ist zudem, dass manche Wildpflanzen auch ohne Züchtung und besondere Auswahl vom Menschen genutzt werden konnten und können, so z. B. Bäume als Lieferanten von Bauoder Brennholz. Nicht zu unterschätzen ist ihre Bedeutung für die Weidewirtschaft (Blätter als Futter). Schafe, Ziegen, auch Kühe leben wesentlich von Wildpflanzen aller Art (Gräser, Kräuter, Laub). In den Regionen der beregneten Gebirgsabhänge, in Galiläa und auch östlich des Jordan gab es noch in historischer Zeit erheblichen Waldbestand. Kleinviehwirtschaft, Holzkohleherstellung, Verhüttung und zuletzt noch der Eisenbahnbau (Schwellen) haben die Wälder schrumpfen lassen. Nur noch macchiaartige niedrige Buschwaldinseln und einzelne Bäume und Baumgruppen zeugen vom einstigen Waldreichtum. Folgen sind riesige Erosionen und eine Störung der Wasserwirtschaft. Aufforstungen, wie sie Israel betreibt und in etwas kleinerem Umfang auch Jordanien, sind darum lebenswichtig. Dass dabei auch Bäume gepflanzt werden, die nicht einheimisch sind (z. B. Eukalyptus), ist ein Charakteristikum dieser neuzeitlichen Vorgänge. 2. In der Bibel vorkommende Wildpflanzen und ihre Symbolik In der Folge sollen die wichtigsten der in der Bibel vorkommenden Wildpflanzen von der Wüstenvegetation über die Steppe bis ins Kulturland kurz vorgestellt werden. Abgesehen von Dornsträuchern und Kleinvegetation begegnet in den großen Wadis (Trockentälern) der Wüstenregi-

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Wildpflanzen

on (meist Kalksteinwüsten) mit Sickerwasser aus der Regenzeit in »Halb-« oder Grundwasseroasen vor allem die Akazie (Höhe 5-8 m), die zur Familie der Mimosen gehört. Sie ist für die Wüstenbewohner als Holzlieferant wichtig. Auch wenn das Wüstenheiligtum und dessen hölzerne Gerätschaften eine Fiktion aus der nachexilischen Zeit darstellen, ist dem Wüstenmilieu doch soweit Rechnung getragen, als all diese Geräte aus Akazienholz gefertigt sind (Ex 25, 5-38, 6; Dtn 10, 3). Meist wird die Acacia raddiana dafür in Anspruch genommen, wegen ihrer Wuchsform, gelegentlich auch die Acacia albida, hebr. ˇsit¯ah. Ein ˙ Gewächs der Halboasen ist auch die Tamariske (3e¯ˇsæl). Sie hat gewisse Ähnlichkeit mit der Zeder, ein reich verzweigter, immergrüner Baum, der bis zu 10 m hoch wird. In ihrem ursprünglichen wüstenhaften Milieu begegnet sie in den Mannaperikopen Ex 16, 13 ff. und Num 11. Dabei ist die »Produzentin« des Manna nicht die Tamariske selbst (Tamarix nilotica), sondern eine Art Schildlaus, die den Baum als Zwischenwirt benützt und das »Manna« ausscheidet. Die Tamariske wird auch gerne als schattenspendender Baum in den Dörfern gepflanzt (vgl. Saul auf der Höhe von Gibea 1 Sam 22, 6). Tamarisken sind als »Heilige Bäume« an Kultorten zu finden, z. B. bei Abraham Gen 21, 33. Saul wurde unter einer Tamariske beigesetzt (1 Sam 31,13). Falls tatsächlich näher bestimmbar, dürfte es sich um Tamarix aphylla (hebr. ro¯tæm, Retama raetam oder R. sarcocarpa) handeln. Ein drittes Gehölz aus diesem Milieu ist der Ginster (als Strauch oder Baum). Darunter setzte sich Elija auf seiner Flucht in den Negev (1 Kön 19, 4). Das Holz war bekannt für eine qualitätvolle Holzkohle (Ps 120, 4 und Hi 30, 4). Als Steppenpflanze ist neben verschiedenen Gräsern vor allem Wermut (Artemisia herba-alba; hebr. la2ana¯h) zu nennen. Biblisch steht Wermut für Bitteres, für Fluch und Strafe (Am 5, 7; 6,12; Jer 9,14; 23,15). Die Pflanze findet Verwendung als Tierfutter; aus den getrockneten Blättern wird ein Heiltrank zubereitet. Wermutsteppen sind heute weitgehend dem Ackerbau zum Opfer gefallen. Die entwaldeten und nicht kulti-

vierten Böden des Kulturlandes werden von Gräsern, Kräutern und vor allem von Dornen und Disteln (es gibt über 70 Arten von »Pflanzen mit spitzen Schutzeinrichtungen« [Zohary 153 ff.], die unter dem Sammelnamen »Disteln und Dornen« rangieren) bewachsen, deutliche Zeugen früheren Kultur- und Ackerlandes. In Jes 5, 6 wird angedroht, dass ein nicht versorgter Weinberg zu ba¯ta¯h (Verwüstung) werde, also zur Pflanzengemeinschaft »mutiere«, deren Mittelpunkt das dornige Becherkraut ist (expliziert durch ˇs¯amı¯r welasˇajit, Dornen und Disteln, vgl. auch Jes 7, 23; 27, 4; Spr 24, 30-34). Wohl noch unter die Wildpflanzen zu rechnen ist die Maulbeerfeige (Höhe 10-15 m, mit mächtiger Krone; vgl. Lk 19, 3 f.). Sie wird zwar im Kulturland genutzt, aber aus der Antike existieren keine Hinweise auf Züchtung oder Selektion. Es handelt sich dabei (Sykomore, ˇsikma¯h) um einen Baum der Niederungen (Küstenebene, Jordantal), der als Bauholz (Jes 9, 9) Verwendung fand. Die feigenähnlichen Früchte in traubenähnlichen Büscheln am Stamm (Kaulifloren) sind nicht sehr süß (»Feige der Armen«) und wenn sie nicht rechtzeitig »geritzt« werden (Belege aus Ägypten für ein spezielles Ritzmesser: vgl. Am 7, 14), können sie nicht richtig reifen und werden leicht wurmstichig. Nur noch in geringen Restbeständen vorhanden oder überhaupt ausgerottet sind einige Bäume der ehemaligen Wälder, allen voran die Kiefer (Aleppokiefer; Pinus halepensis Mill.) mit einer Höhe von 6-15 m, die als Bau- und Brennholz Verwendung fand. Zwei Unterarten von Zypressen kommen als Restbestände vor, meist mit dem hebräischen te3aˇs¯ur gleichgesetzt (unsicher). Zypressen werden zweimal als Teil des Libanonwaldes erwähnt (Jes 60, 13; Ez 31, 3). Nach Ez 27, 6 (korr.) wird ihr Holz für den Schiffbau gebraucht. In Obergaliläa und Edom wachsen zwei Wacholderarten, die als Brennholz Verwendung fanden. Bei einer Identifikation mit hebr. beru¯ˇs wäre mit Wacholder ein beliebtes Bauholz bezeichnet, sonst eher mit 2ar2¯ar (Jer 17, 6) identifiziert. Häufiger als die Reste von Nadelbäumen finden sich Laubbäume. Darunter spielen zwei Eichenarten eine größere Rolle: die immergrüne

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Kalliprinos-Eiche und die mit ihr nah verwandte Kermeseiche, der Wirtsbaum für die Kermesschildlaus, die zur Gewinnung des Farbstoffs Karmesin dient. Relativ häufig begegnet als Strauch oder Baum die Pistazie oder Terebinthe (Terpentinbaum). Die roten Beeren (ba¯tenı¯m, Gen 43, 11) ˙ der atlantischen Pistazie werden gegessen oder zu Speise- und Brennöl verarbeitet. Die häufigste Pistazienart ist der Mastixbaum, in Palästina meist nur als Strauch vorkommend. Eiche und Terebinthe sind die traditionell »großen« Bäume, die Eiche wird meist hebräisch als 3alo¯n bezeichnet, die Terebinthe als 3ela¯h, abgeleitet von 3u¯l, »vorne, stark« wie auch die Gottesbezeichnung 3¯el oder 3ælah. Der Baum gilt als Symbol für Kraft (Am 2, 9), Ruhm u. ä.; er ist Gegenstand von Verehrung und Ort religiöser Bräuche (Hos 4, 13); natürlich auch begehrtes Baumaterial. Debora wurde unter einer Eiche beigesetzt (Gen 35, 8). »Heilige« Bäume oder Orakelbäume begegnen mehrfach (z. B. bei Schechem Gen 12, 6; Dtn 11, 30; Ri 6,11; bei Mamre Gen 13,18; 18, 1 ff.; David schlug Goliat im »Terebintental«, 1 Sam 17, 2). In der Polemik sind sie in späterer Zeit erwähnt, so Hos 4,12-14; Jer 2, 20, noch Jes 57, 5. Heute finden sich öfter solche Bäume bei muslimischen Heiligengräbern (Welis). Sprichwörtlich ist die Zeder (hebr. 3æræz) als »die Herrlichkeit des Libanon« (Jes 35, 2). Der Baum wächst in Höhenlagen von 1500-1900 m; er erreicht bis zu 30 m Höhe und wird sehr alt. Die Südgrenze seiner Verbreitung endet nicht weit von der Nordgrenze Israels. Begehrt ist das Holz wegen seiner Qualität, seiner Widerstandsfähigkeit und seinem Duft. Was der Löwe in der Tierwelt darstellt, war die Zeder unter den Bäumen (vgl. 2 Chr 2, 3.8). Der Baum wird über siebzigmal in der Bibel erwähnt, bisweilen ist das Wort aber auf einen einheimischen Nadelbaum bezogen (z. B. die Aleppokiefer). Zum Maquis gehört der Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua L.) mit seinen nährstoffreichen bohnenartigen Früchten, in Lk 15, 16 belegt. In biblischer Zeit wurden Küchenkräuter in der Natur gesammelt und nur vereinzelt im Hausgarten angepflanzt. Es gibt mehr als 200 Arten genießbarer Gräser und Kräuter (u. a. der sy-

rische Ysop, Kapernbusch, Malve, Zwergzichorie, Reichardia, Feldrauke) für die Weidehaltung wie für den menschlichen Bedarf (vgl. Ps 104, 14). Auch die sog. Bitterkräuter (Ex 12, 8) gehören dazu. Aus den vielen Blumen in den regenreicheren Gebieten sind neben Thymian, Meerzwiebeln und Anemonen vor allem die Seerose oder Lotos zu nennen. Lotos gedieh in der Antike in den Teichen der Küstenebene, der Jesreelebene und im sumpfigen oberen Jordantal. Seit Mitte des 2. Jt. v. Chr. ist der Lotos nicht allein in Ägypten, sondern auch im phönizischen Gebiet eine wichtige Symbolpflanze. Die meist mit ˇs¯uˇsan wiedergegebene hebräische Bezeichnung wird (fälschlich) mit »Lilie« übersetzt. Die »Lilien des Feldes« (Mt 6, 28-30 par) sind keine echten Lilien, sondern »schöne wilde Blumen«, vielleicht Anemonen bzw. Kronenwindröschen (aus der Familie der Ranunculaceae, die ca. 35 Gattungen und an die 2000 Arten umfasst), vielleicht aber auch der Klatschmohn (Jes 40, 6.8; 1 Petr 1, 24 f.). Nach 1 Kön 7, 26 war der Rand des ehernen Meeres wie ein Lotoskelch gestaltet. Nach 1 Kön 7, 19 und 22 wird im Tempel von Kapitellen in Lotosgestalt berichtet. Als Symbol der Urkraft prägte Lotos das ägyptische und besonders das phönizische Kunsthandwerk (Sonnenkind in Lotosblüte aus Samaria!). Im Hohenlied ist Lotos (sˇ¯uˇsan) mehrfach als Bild für die Geliebte verwendet. Senf (Sinapis alba und verwandt Brassica nigra) wird nicht angebaut – jedoch Mk 4, 30 ff. –, sondern kommt wild vor, die Blätter werden in Palästina als Salat gegessen, die winzigen Körner werden zum Einlegen verschiedener Gemüse verwendet oder zur Herstellung von Senfsamenöl und als Heilmittel genutzt. Das reichhaltige Angebot der Wildpflanzen lieferte die Basis für Gewürze, Heilmittel, Farbstoffe, Räucherwerk. Borowski, Oded, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake / Indiana 1987. Dalman, Gustaf, AuS, Bd. 1-8, Gütersloh 1928-2001. Horowitz, Aharon, The Quaternary of Israel, New York u. a. 1979. Helps for Translators, Fauna and Flora in the Bible, UBS, London etc. 2 1980. Keel, Othmar / Küchler, Max / Uehlinger, Christoph, Orte

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Wildtiere

und Landschaften der Bibel 1, Geographisch-geschichtliche Landeskunde, Zürich / Göttingen 1984. Zohary, Michael, Pflanzen der Bibel, Stuttgart 2 1986 (engl. 1982).

Ulrich Schoenborn / Peter Welten

Wildtiere Im antiken Palästina lebten viele Wildtiere, die dort heute ausgestorben sind. Den damaligen Artenreichtum genau zu beschreiben, fällt jedoch schwer, da wir die Bedeutung hebräischer Tierbezeichnungen oft nicht kennen. Die Bibel unterteilt die Tierwelt in vier Gruppen: Landtiere, die als Haustiere oder Feldtiere bezeichnet werden, Vögel des Himmels, Fische des Meeres und Kriechtiere (vgl. Gen 1, 25; Hos 4, 3; 1 Kor 15, 39). Die Unterscheidung von Haustieren (3 Viehwirtschaft / Haustiere) und undomestizierten Wildtieren geht von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den Menschen aus. Nach diesem Kriterium lassen sich Wildtiere (außer Fische; 3 Fischerei) in drei Gruppen unterteilen: 1. gefährliche bzw. schädliche, 2. essbare und 3. wirtschaftlich irrelevante. 1. Gefährliche bzw. schädliche Wildtiere Die Menschen der Antike lebten in ständiger Angst vor Raubtieren, die Felder verwüsten, Viehbestände dezimieren und Menschen töten konnten (Lev 26, 22; 1 Sam 17, 34-36; 2 Kön 2, 24; Jer 5, 6; Ez 19, 6). Das gefürchtetste Tier war der Löwe. Er symbolisiert – z. B. auf Siegelbildern – Macht, Stärke, Überlegenheit und Aggressivität. Einerseits werden Helden und Gerechte, im Neuen Testament auch der Messias, als Löwen gepriesen (2 Sam 1, 23; Spr 28,1; Offb 5, 5), andererseits werden die soziale Oberschicht (Zef 3, 3; Sir 13, 23), individuelle und staatliche Feinde, im Neuen Testament auch der Teufel (1 Petr 5,8; vgl. Ps 17, 12; Jes 5, 29) mit reißenden Löwen verglichen, um die Brutalität von Unrecht oder kommendem Unheil auszudrücken. Als richtender Gott kann auch

JHWH andere Völker oder Israel wie ein Löwe zerfleischen (Hos 5, 14; 13, 7; Jer 49, 19). Dessen markdurchdringendes Brüllen, für das das Hebräische ein eigenes Wort hat (sˇ¯a 3ag), kann auf einen um Hilfe schreienden Beter (Ps 22, 2), aber auch auf Gott (Am 1, 2) übertragen werden. Bei diesem Brüllen weiß jeder: Das Ende ist gekommen (Am 8, 2). Doch der Löwe kann auch – man denke an Wächterlöwen an Eingängen von Palästen – Schutz zum Ausdruck bringen, und so gleicht JHWH als liebender Gott einem Löwen, der seine Beute schützt (Jes 31, 4; Hos 11,10). Der heute noch bei En-Gedi lebende Leopard mit seinen markanten Flecken (Jer 13, 23) reißt vor allem kleinere Wildtiere und ist für Schnelligkeit bekannt (Hab 1, 8). Bären lebten im früher bewaldeten Bergland und galten als äußerst aggressiv (2 Kön 2, 24), besonders Bärinnen, denen man die Jungen geraubt hatte (2 Sam 7, 8; Hos 13, 8). Spr 28, 15 vergleicht einen Regenten mit einem gierigen Bären. Wölfe haben regelmäßig Ziegen und Schafe gerissen (Joh 10,12) und wurden als besonders gierig betrachtet. In Vergleichen können all diese Raubtiere dasselbe ausdrücken wie Löwen: positive Stärke, vor allem aber die Brutalität von Feinden (Hab 1, 8) und in sozialkritischem Kontext die von korrupten Herrschern (Ez 22, 27; Zef 3, 3). In synonymen Reihungen können sie als Unheilsbringer (Jer 5, 6; Am 5, 19) und Verkörperungen widergöttlicher staatlicher Macht (Offb 13, 2) zusammenstehen, aber auch JHWH kann als richtender Gott mit ihnen verglichen werden (Hos 13, 7 f.). Der Geier gehört vom Image her zu den Raubtieren. Næsˇær wird meist mit »Adler« übersetzt, meint jedoch einen Aasfresser (Hi 39, 29 f.) mit Glatze (Mi 1, 16), also den Geier, der wie in Ägypten hohes Ansehen genoss. Erst seit hellenistischer Zeit hat er ein negatives, der Adler dagegen ein positives Image (Offb 8, 13). Deswegen übersetzt man meist wie schon die Septuaginta mit »Adler«. Markant sind die Größe, Schnelligkeit und Aggressivität des Geiers (Ez 17, 3.7). Deswegen werden Helden und Feinde als Furcht einflößende Geier gerühmt (2 Sam 1, 23; Jer 48, 40; Hi 9, 26; Klgl 4, 19; Offb 8, 13). Mit dem Geier wurde Jugend und die Fähigkeit zur Regeneration asso-

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ziiert (Ps 103, 5; Jes 40, 31). Auch Gott kann mit einem Geier verglichen werden, jedoch stellen seine Flügel dann ein Bild des Schutzes und der Fürsorge dar (Ex 19, 4; Dtn 32, 11). Die Schlange ist nach Gen 3, 14 erst durch Gottes Fluch zum Kriechtier geworden. In Palästina waren viele, teils giftige Schlangenarten gefürchtet (Ps 140, 4; Jer 8,17). Auffällig ist ihre Art, sich zu bewegen, ihre Taubheit sowie ihr Züngeln und Zischen (Jer 46, 22; Ps 58, 5). Das weite Spektrum der Schlangensymbolik lässt sich auf vier Aspekte konzentrieren: 1. Ihr Gift lässt die Schlange als überlegen und unbesiegbar erscheinen. So kann sie wie der Löwe als Gerichtswerkzeug auftreten (Num 21, 4-9; Apg 28, 3 f.), aber auch eine positive Schutzfunktion haben (z. B. auf judäischen Siegeln; vgl. Jes 14, 29; 30, 6). 2. Ihre Erdverbundenheit lässt sie Tod und Böses repräsentieren (Mt 3, 7 par; 2 Kor 11, 3), im Neuen Testament sogar den Teufel (Offb 12, 9; 20, 2). 3. Aufgrund ihrer phallischen Form kann sie für (sexuelle) Lebenskraft, Vitalität, Heilungskraft und Fruchtbarkeit stehen. 4. Die als Regeneration gedeutete Häutung macht sie zum Symbol für neues Leben und Unsterblichkeit (Num 21, 8 f.; Joh 3, 14). Da sie um das Geheimnis des ewigen Lebens weiß, gilt sie als das klügste Tier (Gen 3,1.4; Mt 10,16). Die in Palästina verbreiteten Skorpione richten zum Angriff ihren langen Schwanzstachel auf, dessen giftiger Stich sehr schmerzhaft, für Kinder zuweilen tödlich ist (Dtn 8, 15; Offb 9, 5). Gott kann auch durch sie Unheil bringen (Sir 39, 30). Sogar ein Folterinstrument ist nach ihnen benannt (1 Kön 12, 11). Wohl wegen ihres schnell aufgerichteten Schwanzes erscheinen sie auf Siegeln – zuweilen neben Koitus-Darstellungen – als Sexualsymbol, das wohl männliche Potenz evozieren soll. Auch Heuschrecken, die mit ihrer Gefräßigkeit ganze Landstriche entlauben, gehören zu Gottes Gerichtswerkzeugen. Wie Reiterheere überfallen sie das Land (Ex 10, 12 ff.; Am 4, 9; 7, 1 f.; Joel 2, 3 ff.; Offb 9, 3 ff.). Umgekehrt ist ein plünderndes Heer Heuschrecken vergleichbar (Ri 6, 5; Jes 33, 4; Jer 51, 27). Sie sind das einzige reine, essbare Insekt (Lev 11, 21 f.; Mk 1, 6).

Zu den gefährlichen bzw. schädlichen Tieren im weiteren Sinne gehören die Boten des Todes. Füchse leben als Einzelgänger und bewohnen selbstgegrabene Höhlen (Mt 8, 20). Da sie Trauben fressen, plündern sie auch Weinberge (Hld 2, 15, dort Fuchs Metapher für Liebhaber). Der sich gegenüber der Großmacht Rom an der Macht haltende Herodes Antipas gilt für Jesus als Fuchs (Lk 13, 32). Schakale – in der Bibel von Füchsen nicht klar unterschieden – bilden kleine Rudel und hausen in Schlupfwinkeln und Ruinen (Ez 13, 4; Klgl 5, 18). Die nachtaktiven Aasfresser verkörpern in Unheilsschilderungen die Welt der Wüste und des Todes, ja gelten als Exponenten dämonischer Mächte und Repräsentanten einer lebensfeindlichen Gegenwelt (Jes 13, 22; Jer 9, 10; Hi 30, 29). Ein vergleichbares Image haben einige Vogelarten. Der über 2 Meter große Strauß ist schneller als Pferde, galt aber als dumm und lieblos (Hi 39,13-18). Wie Strauße haben die Frauen Judas ihren Nachwuchs im Stich gelassen (Klgl 4, 3). Der Strauß lebt in der Steppe – der Sphäre des Todes – und erscheint deswegen in Unheilsschilderungen neben dem Schakal und den ähnlich negativ konnotierten Vögeln Rabe, Eule, Dohle und Kauz als Verkörperung der Chaoswelt (Jes 13, 21 f.; 34,11-13; Zef 2,14; Hi 30, 29; Offb 18, 2). Das Krokodil, der »König der Tiere« (Hi 41, 26), war in Palästina selten, aber typisch für Ägypten und deswegen Bild für den Pharaoh (Ez 29, 3). Als mythische Verkörperung der menschenfeindlichen Gegenwelt wird es wie das Nilpferd (Behemot; Hi 40, 15-24) ausführlich gewürdigt (Leviatan; Hi 40, 25-41, 26). 2. Essbare Wildtiere Als essbar gelten im Alten Testament Tiere mit gespaltenen Hufen, die Wiederkäuer sind: Hirsch und Gazelle sowie – aber die Übersetzungen sind unsicher – Reh, Wildziege, Gämse, Wildschaf und Antilope. Mit einem imposanten Hirsch vergleichen sich Menschen wegen seiner Sprungkraft (Jes 35, 6; Hab 3, 19; Hld 2, 9). Gazellen waren ein wichtiges Jagdwild. In der Liebesdichtung springt der Geliebte herbei wie eine Ga-

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Wildtiere

zelle, und die Brüste der Geliebten hüpfen beim Gehen wie Gazellenzwillinge (Hld 2, 17; 4, 5). Essen durfte man auch alle reinen Vögel, z. B. Steinhühner, Tauben (3 Haustiere) und Wachteln (Ex 16, 13; 1 Sam 26, 20), nicht jedoch Geier, Rabe und Strauß (Lev 11,13-19; Dtn 14,12-20). Wachteln sind kleine Zugvögel, die in Herbst und Frühjahr in dichten Schwärmen Palästina passieren. Vom langen Flug erschöpft sind sie leicht zu fangen (Num 11, 31 f.). 3. Wirtschaftlich irrelevante Wildtiere Steinböcke mit lang geschwungenen Hörnern kann man heutzutage bei En-Gedi am Toten Meer beobachten. Das anmutige Weibchen ist Metapher für die gepriesene Ehefrau (Spr 5, 19). Der Wildesel, ein gut 1 Meter hohes, flinkes, allein lebendes Steppentier (Jer 2, 24; Hos 8, 9; Hi 39, 5-8), galt als leichte Beute der Löwen (Sir 13, 23), als armseliges Wesen, mit dem Unterdrückte und Ausgestoßene verglichen werden (Hi 11,12; 24, 5). Gen 16, 12 bezeichnet Ismael als Wildesel und damit als freiheitsliebend (Hi 39, 5 f.), aber auch als asozial. Spr 30, 24-28 beschreibt vier Tiere als klein, aber klug: die Ameise – ein Vorbild an Fleiß und Beleg dafür, dass Gesellschaft auch ohne Herrschaftsstrukturen funktionieren kann –, den Klippdachs, die Heuschrecke (s. o.) und die Eidechse. Der Klippdachs, der in Kolonien zwischen Felsen lebt – noch heute bei En Gedi –, erinnert äußerlich an ein Murmeltier (Ps 104, 18) und wird wegen seines zweigeteilten Magens zu den Wiederkäuern gezählt (so richtig Lev 11, 5). 4. Jagd Die 3 Jagd zur Nahrungsbeschaffung verlor mit dem Beginn von Ackerbau und Viehzucht an Bedeutung. Im antiken Israel diente sie vor allem dem Schutz und dem Kampf ums Überleben (Ex 23, 29) sowie der Bereicherung der meist eintönigen Kost. Nach 1 Kön 5, 3 aß man am Hof Salomos auch Wild. Erlegte Tiere mussten ausbluten (Lev 17,13; Dtn 12,15 f.22-25), ihr Fleisch wurde gegessen, das Fell zu Decken oder Kleidung verarbeitet. Gejagt wurde mit Pfeil und Bogen (Gen 27, 3; Jes 7, 24), auf Vögel auch mit dem Wurf-

holz, einer Art Bumerang. Bei Hetzjagden trieb man – zuweilen mit Hunden – kleinere und größere Tiere, z. B. Hirsche, in zaunartig aufgebaute Stellnetze (Jes 51, 20). Kleinere Tiere, vor allem Vögel, hat man auch mit kleinen, mechanisch zuschlagenden Klappnetzen (Am 3, 5) und großen, von Hand ruckartig zuzuziehenden Zugnetzen (Ps 10, 9; Spr 1, 17) gejagt. Mit ausgelegten Schlingfallen wurden vorüberziehende Tiere gefangen (Ps 18, 5 f.). In getarnte Gruben mit Köder sollten Löwen und anderes Großwild fallen (Ez 19, 8; Jer 48, 44), um sie dann mit Steinen zu töten (Klgl 3, 53). In Ägypten und Mesopotamien sind Könige auch mit Streitwagen auf Großwildjagd gegangen. Herodes I. saß bei der Jagd zu Pferd (Flav. Jos. Ant. XVI,10, 3). In Vergleichen ist die Jagd ein Bild für Verfolgung. Könige und Sünder erscheinen als gejagte Tiere (Ez 12, 13; Hi 18, 8-11; Ps 140, 12). Als Vogelfänger, Fischer und Jäger sind Gott oder von ihm geschickte Feinde hinter ihnen her (Jer 16, 16; Hos 7, 12). Die Sympathie kann aber auch den Opfern gelten. Frevler oder falsche Prophetinnen jagen sie wie Vogelsteller (Jer 5, 26; Ez 13, 18.20). Beter fühlen sich wie Tiere von Feinden oder Gott mit Fallen und Netzen gejagt (Ps 35,7 f.; 57, 7; Hi 19, 6; Klgl 3, 52 f.) und bitten, dass ihre Feinde wie Tiere gejagt werden (Ps 9,16; 10, 9). 5. Der Sieg über das Böse Der Sieg über wilde Tiere zeigt Schnelligkeit, Mut und Kampfeskraft und bildet deswegen in Heldenerzählungen ein festes Motiv, das Helden für größere Aufgaben qualifiziert. So beginnen Simson und David ihre Karriere mit souveränen Siegen über Löwen (Ri 14, 5 f.; 1 Sam 17, 34 f.). In Ägypten und Mesopotamien war die Darstellung des Königs auf der Jagd ein Topos der Königsideologie. Besonders assyrische Könige haben Jagd auf wilde Tiere, z. B. Löwen, gemacht, die auch in Tierparks vor dem schussbereiten König aus Kisten laufen gelassen wurden. Auf Bildern erlegen Könige sie mit Pfeil und Bogen, oder – vor lässiger Überlegenheit strotzend – nur mit einem Dolch. Die Tiere symbolisieren hier die Mächte des Bösen, die die Ordnung der

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Welt bedrohen. Der König erscheint als der mächtige Held, als »Herr der Tiere«, der diese Mächte, das Chaos, besiegt und dadurch die Ordnung bewahrt und heilvolles Leben ermöglicht. Genau diese Aufgabe erfüllt der König auch im Krieg, und die propagandistischen Darstellungen parallelisieren den Sieg über Tiere und Feinde. Sofern dem Vollzug sowie der Darstellung der Jagd eine magische Kraft innewohnt, bewirken sie, was in ihnen symbolisch geschieht, und tragen damit zum Kampf gegen das Böse bei. In Israel war die Jagd kein Topos der Königsideologie, nicht einmal ein Ideal. Heilsschilderungen preisen nie die Leichtigkeit der Jagd, sondern das friedliche Zusammenleben mit wilden Tieren (Jes 11, 6-8; 65, 25), die in Gottes Bund einbezogen sind (Gen 9, 9 f.; Hos 2, 20). Janowski, Bernd u. a. (Hg.), Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993. Keel, Othmar, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament, Neukirchen-Vluyn 4 1984. Ders. / Küchler, Max / Uehlinger, Christoph, Orte und Landschaften der Bibel I, Zürich u. a. 1984. Koenen, Klaus, »Süßes geht vom Starken aus« (Ri 14, 14). Vergleiche zwischen Gott und Tier im Alten Testament, EvTh 55 (1995), 174-197. Ders., Art. Jagd, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www. wibilex.de), 2005. Riede, Peter, Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel, OBO 187, Freiburg (CH) / Göttingen 2002.

Klaus Koenen / Ulrich Mell

Wirtschaftsrecht 1. Allgemeines Seit Bestehen der Menschheit wird gewirtschaftet, ohne dass es dafür kodifizierte Regeln gibt. Das schließt gesellschaftliche Übereinkünfte in Bezug auf Schutz des Eigentums, Fairness beim Austausch und Ächtung von Betrug nicht aus. Zur Formulierung und schriftlichen Kodifizie-

rung von Recht kommt es aber erst zu dem Zeitpunkt, als krisenhafte Entwicklungen dies nötig machen. In Mesopotamien ist das seit dem 3., v. a. aber dem 2. Jt. der Fall. In Israel, das von der Zeit seiner Formierung bis zur Königszeit ohne kodifiziertes Recht auskommt, setzt die Entwicklung und Verschriftlichung von Wirtschaftsgesetzen erst mit der sozialen Krise des 8. Jh. v. Chr. (3 Gesellschaftsformen) ein. Dabei ist zu beobachten, dass diejenigen, die in Juda Recht kodifizieren, die mesopotamischen Rechtstraditionen kennen (wie sie etwa im Codex Hammurabi zu fassen sind) und auf ihre Verhältnisse anwenden. Die verschiedenen Ausprägungen des Wirtschaftsrechts stehen immer in der Spannung zwischen Stabilisierung gesellschaftlicher Strukturen, Sicherung der Interessen der Mächtigen und Gewährung von Schutz für die Schwachen. In der Literatur werden die Gesetze zum Schutz der Schwachen oft als »Sozialgesetze« ausgesondert. Doch bilden in den Rechtskorpora Wirtschaftsund Sozialgesetze immer eine untrennbare Einheit, die, da auch die Sozialgesetze ins Wirtschaftsleben eingreifen, durchaus unter den Begriff des »Wirtschaftsrechts« subsumiert werden kann. 2. Das Wirtschaftsrecht Israels bis zur Perserzeit Die mit dem 8. Jh. greifbar werdende soziale Krise hat ihre Wurzel in den wirtschaftlichen Verhältnissen. Vor allem die Praxis der Kreditvergabe und die damit verbundene Pfändung sowie das Zinsnehmen führen zur Verarmung von Teilen der Bauernschaft, der die Akkumulation von Reichtum in Form von Landbesitz auf der anderen Seite entspricht. Diese Krise ruft nicht nur die prophetische Sozialkritik auf den Plan, sondern auch die Aktivitäten von Rechtsgelehrten, die ein Wirtschaftsrecht formulieren, das der krisenhaften Entwicklung gegensteuern soll. Die früheste Rechtssammlung stellt das so genannte Bundesbuch (Ex 20-23) dar, das wohl ins späte 8. oder frühe 7. Jh. zu datieren ist. Es enthält zum einen Regelungen für den Wirtschaftsverkehr unter Freien. Dazu gehört vor allem das so genannte Depositenrecht, das Haftungsfragen für

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Wirtschaftsrecht

den Fall des Verleihens oder Entleihens von Gütern regelt (22, 6-14). Wirtschaftliche Eingriffe impliziert auch das so genannte Privilegrecht, das den siebten Tag der Woche und das siebte Jahr als Brachjahr der Gottheit vorbehält (23, 1012). Dazu kommen zum anderen Bestimmungen zum Schutz der wirtschaftlich Schwachen. Diese regeln die Freilassung von Schuldsklaven im siebten Dienstjahr (21, 2-6), den Schutz der körperlichen Integrität Versklavter (21, 20 f.26 f.), sie verbieten die Unterdrückung wirtschaftlich Schwacher, worunter besonders die Zinsforderung und die Pfandnahme gerechnet werden (22, 20-26). Trotz dieser Schutzgesetze zugunsten der Schwachen nimmt das Bundesbuch primär den Standpunkt der Herren ein. Dies zeigt sich besonders an der Begründung der Bestimmung über die Straffreiheit eines Herren, der seinen Sklaven so geschlagen hat, dass er nach einigen Tagen stirbt; sie lautet: »Denn es ist sein Geld« (21, 21; 3 Eigentum). Das Deuteronomium, das als Revision des Bundesbuches am Ende des 7. Jh. verstanden werden kann, weitet das Wirtschaftsrecht aus. Nach den religiösen Gesetzen zu Anfang der Rechtssammlung (Dtn 12, 1-14, 21) folgen drei grundsätzliche Wirtschafts- und Sozialgesetze. Dtn 14, 22-29 sieht vor, dass der Zehnte in zwei Jahren von der Hausgemeinschaft am Zentralheiligtum verzehrt wird, wobei ausdrücklich Fremde, Waisen und Witwen einbezogen werden sollen. Im dritten Jahr soll dann der Zehnte als eine Art Armensteuer den Bedürftigen am Ort zur Verfügung gestellt werden. 15, 1-11 legt einen Schuldenerlass in jedem siebten Jahr fest und schärft ausdrücklich ein, dass die Besitzenden auch kurz vor dem Erlassjahr noch Kredite geben sollen, wenn die Erwartung, diese zurückzuerhalten, gering ist. 15, 12-18 greift die Regelung zur Sklavenfreilassung aus Ex 21, 2-6 auf, bezieht sie ausdrücklich auch auf Sklavinnen und verlangt, dass den Entlassenen von ihren Herren ein Startkapital mit auf den Weg gegeben wird. Während das Depositenrecht im Deuteronomium ganz fehlt, werden die Gesetze zum Schutz der Schwachen aus dem Bundesbuch aufgegriffen und erweitert. So

wird die Pfandnahme weiter eingeschränkt (Dtn 24, 6.10-13), die Lohnauszahlung an Tagelöhner – diese fehlen als soziale Gruppe im Bundesbuch noch ganz – am selben Tag gefordert (24, 14 f.) und das Zinsverbot präzisiert (23, 20 f.). Insgesamt rückt das Deuteronomium von den eindeutig die Sklavenhalter schützenden Gesetzen des Bundesbuches ab. Stattdessen nimmt es die Besitzenden durch eine theologische Denkfigur in die Pflicht, wonach der Segen Gottes erst das Wirtschaften ermöglicht, dieses aber nur weiteren Segen bringen kann, wenn soziale Gerechtigkeit herrscht. Eine wichtige Stützung dieses Gedankens wird durch die Erinnerung an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei erstrebt. Das dritte große Gesetzeskorpus, das Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26), entsteht erst in der Zeit der Exilierung. Seine wichtigste Neuerung ist das Gesetz zum Sabbat- und Jobeljahr in Lev 25. Es geht davon aus, dass ländlicher Grundbesitz nicht auf Dauer verkauft werden darf, sondern spätestens im 3 Jobeljahr, dem 50. Jahr nach sieben Zyklen von Sabbatjahren, an die ursprünglichen Besitzer zurückfallen soll. Für die Zeit bis dahin wird die Möglichkeit des Rückkaufs eingeräumt, wobei der Preis mit zunehmender Annäherung an das nächste Jobeljahr sinkt, weil der Käufer das Land ja immer länger nutzen konnte. Nur in Städten bleibt das Rückkaufsrecht auf ein Jahr beschränkt (V. 29 f.). Analog verfährt das Gesetz beim Selbstverkauf Überschuldeter. Sie sollen im 50. Jahr freikommen und bis dahin nicht wie Sklaven behandelt werden. Geraten sie in die Abhängigkeit von Nichtisraeliten, besteht auch für sie das Recht auf Auslösung. Zwar fordert dieses Gesetz, Schuldsklaven nicht wie Sklaven zu behandeln (V. 39 f.). Durch die Verlängerung der Freilassung vom 7. Dienstjahr ins unabhängig vom Beginn der Versklavung berechnete 50. Jahr ermöglicht es aber, dass Versklavte faktisch lebenslang in Abhängigkeit verbleiben, wenn sie kurz nach einem Jobeljahr in diese geraten sind. Das Gesetz über den Rückfall von Grundstücken ist ähnlich ambivalent. Indem Land nicht für immer verkauft werden darf (V. 23), beugt es der Akkumulation von Grund-

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besitz vor. In der Zeit nach dem Exil kann es aber auch als Begründung dafür benutzt werden, dass die Rückkehrer aus dem Exil, die Nachfahren der früheren Angehörigen der Oberschicht, das inzwischen an die Bauern verteilte Land wieder zurückfordern. 3. Wirtschaftsrecht und soziale Wirklichkeit Wie in jeder Gesellschaft spiegelt deren Recht nicht einfach die soziale und wirtschaftliche Wirklichkeit wider. Dinge, die im Recht verboten werden, geschehen offenbar, Dinge die gefordert werden, finden nicht statt. Dennoch hat das Recht das Ziel, die realen Verhältnisse seinen Normen anzugleichen. Dass dieses Ziel im alten Israel nicht immer erreicht wird, lässt sich vielfach zeigen. So lässt sich die Tatsache, dass das Zinsverbot nicht nur in allen drei Gesetzeskorpora wiederholt wird (Ex 22, 24; Lev 25, 35-38; Dtn 23, 20 f.), sondern auch in weisheitlichen (Spr 28, 8), kultischen (Ps 15, 5) und prophetischen Texten (Ez 18, 8.13.17; 22, 12; Hab 2, 6 f.) vorkommt, als Hinweis darauf verstehen, dass das Zinsnehmen umfassend praktiziert wird. Ein jüdischer Vertrag aus Elephantine (5. Jh. v. Chr.) belegt denn auch diese Praxis. Vor allem die prophetische Sozialkritik wird nur verständlich, wenn die Bemühungen der Gesetzgeber nicht umfassend erfolgreich sind. Das schließt nicht aus, dass Teile der jüdischen Bevölkerung sich an die Tora halten. Aber es gibt eben auch diejenigen, die nur ihren Vorteil suchen. Der Gegensatz zwischen den »Gerechten« (saddiqı¯m) und den »Gewalt˙ Prophetentexten, Psalmen tätern« (resˇ¯a¯m) 2ı in und Hiob dürfte sich in bestimmten Fällen auf den Gegensatz zwischen den gesetzestreuen und die Gesetze nicht beachtenden Teilen der Oberschicht beziehen. Neben den Elephantine-Papyri des 5. Jh. zeigen auch die Samaria-Papyri des 4. Jh., wie Tora-Bestimmungen nicht eingehalten werden, denn in ihnen werden Schuldsklaven wie Dauersklaven »für immer« verkauft, was nach Ex 21, 2-6, Dtn 15,12-18 und Lev 25, 39-46 verboten ist (Kessler 2009, 196-206). Das heißt freilich nicht, dass das Wirtschaftsrecht überhaupt nicht beachtet worden wäre. So

ist aus persischer, hellenistischer und römischer Zeit sicher belegt, dass der Sabbat als Tag der Arbeitsruhe und das siebte Jahr als Brach- und Erlassjahr gehalten wurden. Unter der Auswahl von Bestimmungen der Tora, die sich eine Jerusalemer Versammlung gemäß Neh 10 in einer Selbstverpflichtung auferlegt, stehen an prominenter Stelle die Einhaltung des wöchentlichen Sabbats und Brache und Schuldenerlass in jedem siebten Jahr (V. 32). Der im 1. Jh. n. Chr. eingeführte Prosbol (siehe unten) zur Umgehung des Erlassjahrs belegt gerade dessen Existenz. 4. Die hellenistische und römische Epoche Eine formale Definition für Wirtschaftsrecht lässt sich in hellenistischer Zeit nicht finden. Recht wird innerhalb von philosophischen Ansätzen in Beziehung zur Gerechtigkeit gesehen. Wenn Recht das Miteinander von Menschen so regelt, dass die Bürger in einer Polis ein freies Leben führen können, kann dieses Recht als gerecht und von Natur recht angesehen werden (Arist. e.N. 1134a-b). Wirtschaftsrecht hatte die Funktion, die wirtschaftlichen Grundlagen der Freiheit des männlichen Bürgers abzusichern. Es diente dem Schutz der Eigentumsordnung und dem Interesse der Besitzenden. Im Römischen Reich trat der Kaiser als rechtsschöpfende Instanz auf. Er erließ rechtliche Regelungen, die wirtschaftliche Prozesse betrafen. Die steigende Beteiligung von Frauen an wirtschaftlichen Prozessen zog rechtliche Veränderungen nach sich. Für viele Rechtsgeschäfte brauchen Frauen in hellenistischer Zeit zwar weiterhin einen Vormund (Abschluss von Kaufverträgen etc.), aber das römische Recht sieht mit Beginn des Prinzipats Frauen in eigener Sache als rechtsfähig an. Für andere stellvertretend tätig zu werden (Übernahme von Bürgschaften – so Dig. 16, 1 und Cod. Iust. 4, 29 –, Erhebung von Klagen – Dig. 48,48, 2,2), ist ihnen jedoch untersagt, ebenso die Abwicklung von Bank- und Wechselgeschäften, da diese als stellvertretendes Handeln gesehen wurden (Dig. 2, 13, 12; Thomas 157 ff.). Ein Bereich des Wirtschaftsrechts sind rechtliche Regelungen von Krediten. Das Institut der

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Wirtschaftsrecht

Schuldsklaverei wurde im Interesse der Oberschicht (den Kreditgebern) durch die Schuldhaft ergänzt. Im Zuge der Ausweitung der Sklavenwirtschaft bestand immer weniger Interesse daran, sich auf Dauer die Arbeitskraft eines Schuldners zu sichern. Der Schuldner (oder seine Familie) sollte durch die Schuldhaft (u. a. durch Folterung des Gefangenen) gezwungen werden, den Kredit (durch Verkauf von Immobilien, von Familienangehörigen – zumeist Kinder – in die Sklaverei) in Form von Geld oder Land zurückzuzahlen (vgl. Mt 18, 30.34). Die Schuldhaft diente dazu, eine Vergrößerung des Eigentums rechtlich abzusichern. Die Regelung des Erlassjahres führte in Israel u. a. dazu, dass direkt vor dem Erlassjahr kaum noch Kredite gewährt wurden, was den Ärmeren, die auf Darlehen angewiesen waren, schadete. Die Änderung des Schuldrechts durch Hillel d. Ä. wollte die Kreditvergabe erhöhen: Schuldscheine wurden einem Gericht übergeben. Der Schuldner verzichtete damit auf die Entschuldung im Sabbatjahr (mShevi 10, 2-4). Entgegen der Intention wurde dadurch den Verarmten die Möglichkeit auf Entschuldung im Erlassjahr genommen. Der Prosbol wurde zum Instrument der Sicherung der Kredite im Sinne der Kreditgeber. In jüdischen Kaufverträgen finden sich Regelungen, die dazu dienten, Besitzansprüche der Verwandtschaftsgruppe an einem Stück Land außer Kraft zu setzen. Land musste, damit es frei veräußerlich war, als Eigentum einer Person (und nicht der Sippe!) angesehen werden (Kippenberg 145 f.). Erst so konnte das Land auf Dauer in Besitz des Käufers übergehen. Er musste sich nicht mit Besitzansprüchen seitens der Verwandtschaftsgruppe auseinandersetzen. Vorstellungen vom gemeinschaftlichen Landbesitz wurden durch rechtliche Regelungen, die auf Vergrößerung von Privatbesitz zielten, verdrängt. Auch kaiserliche Edikte, vom Kaiser angeordnete rechtlich verbindliche Einzelfallregelungen, stellten eine Absicherung der Interessen der Besitzenden dar. Domitian erließ ein Edikt, das in Italien das Anlegen von neuen Weinbergen un-

tersagte und die Vernichtung von mindestens der Hälfte des Bestandes in den Provinzen verordnete. Das Edikt reagierte auf eine Überproduktion von Wein bei gleichzeitigem Mangel an Getreide. Es stellte allerdings eine protektionistische Maßnahme zum Schutz der Produzenten in Italien, zumeist Angehörige der römischen Oberschicht, gegenüber den Provinzen, dar. Das Edikt wurde auf Betreiben kleinasiatischer Weinproduzenten allerdings zurückgenommen. Offb 6, 6 nimmt darauf wahrscheinlich Bezug: Johannes beklagt, dass das Grundnahrungsmittel Weizen sich verteuert, während der Kaiser zugunsten italischer Weinproduzenten eingreift. Neutestamentliche Texte stehen hier in Opposition zum Besitzrecht sichernden Wirtschaftsrecht. Grundlage dafür bildet die bestehende Bindung an die Tora. Mt 25, 36 spricht von der Zuwendung zu denen, die gefangen sind und denen das letzte Hemd genommen wurde, Opfern des antiken Schuldrechts (Mt 5, 40: Pfändung der Kleidung; 5, 25: Schuldhaft). Auf der Basis der Tora (Mt 5, 17; 22, 37 ff.) wird im Matthäusevangelium ein Handeln gefordert, das sich gerade den Opfern des römisch-hellenistischen Rechts zuwendet. Mt 6, 12 spricht u. a. von einer Aufhebung von Schuldverhältnissen durch den Kreditgeber. Das Gebot der Nächstenliebe (Mk 12, 28 ff.), die Zusammenfassung der Tora, findet eine wichtige Konkretion in der Parteinahme für die, die im antiken Wirtschaftssystem zu kurz kommen. Das Lukasevangelium fordert, die zum Prosbol führende Situation reflektierend, Bedürftigen auch angesichts des nahenden Erlassjahres Kredite zu gewähren, selbst wenn nichts zurückzuerwarten ist. Es steht damit in der Tradition der Tora (Dtn 15, 10 f.) und fordert deren strenge Befolgung. Gleichzeitig wird ebenfalls im Gefolge der Tora ein Verbot der Zinsnahme ausgesprochen (Lk 6, 30-38). In Lk 16, 1 ff. geht es um eine subversive Praxis im Rahmen des antiken Wirtschaftsrechts: Ein Verwalter, der Schuldurkunden zugunsten der Schuldner fälscht, wird in einem Gleichnis von Jesus als beispielhaft dargestellt. Die Nachfolge-

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gemeinschaft soll sich den Folgen des antiken Schuldrechts entgegenstellen. Römisch-hellenistische Rechtstraditionen haben dabei keine bindende Wirkung. Allein das parteiische Recht der Tora weist dem Handeln die Richtung. 5. Metaphorische Verwendung wirtschaftsrechtlicher Vorstellungen Schon der Exodus aus Ägypten als Urdatum der Geschichte Israels wird in wirtschaftsrechtlicher Metaphorik gedeutet. Geht es in der Erzählung von der ägyptischen Bedrückung um einen realen Kampf um Arbeitsbedingungen (Ex 1, 11-14; 5), so wird das Gesamtgeschehen später als »Befreiung« bzw. »Auslösung« aus der Sklaverei in wirtschaftsrechtlicher Terminologie erinnert. Besonders im Deuteronomium wird diese Erinnerung, wie oben gezeigt, wiederum dazu verwendet, Gesetze zugunsten der Schwachen einzuschärfen. Auch der Gedanke des Sabbats, der zunächst dem Schutz der Arbeitskraft dient (Ex 23,12; Dtn 5,14), kann in der Vorstellung einer endzeitlichen Sabbatruhe metaphorisch aufgegriffen werden (Hebr 4). Da im Aramäischen und im Griechischen sprachlich nicht zwischen »Schuld« und »Schulden« unterschieden wird, können Schuldenerlass und Vergebung durch Gott miteinander verbunden werden (Mt 6, 12). So wird auch im Neuen Testament Gottes bzw. Christi Handeln am Menschen in wirtschaftsrechtlichen Termini zur Sprache gebracht: Gott vergibt die Schuld der Menschen, wie Menschen versklavende Schuldverhältnisse aufheben. Christus handelt wie ein solidarischer Löser, der einen Verwandten aus der Schuldsklaverei befreit. Die Deutung des Todes Christi in Mk 10, 42 ff. lebt von der Loskaufvorstellung der Tora und gibt dem Verstehen des Handelns Christi die Richtung vor: Es geht dabei nicht allein um individuelle Befreiung von Schuld. Christus befreit die Menschen aus versklavenden Strukturen der politischen Mächte. Crüsemann, Frank, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992. Crüsemann, Marlene / Schottroff, Willy (Hg.), Schuld und

Schulden. Biblische Traditionen in gegenwärtigen Konflikten, KT 121, München 1992. Kessler, Rainer, Das Wirtschaftsrecht der Tora, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 11-30. Ders., Samaria-Papyri und Sklaverei in Israel, in: ebd., 196206. Kippenberg, Hans G., Religion und Klassenbildung im antiken Judäa, StUNT1 14, Göttingen 2 1982. Thomas, Yan, Die Teilung der Geschlechter im römischen Recht, in: Pauline Schmitt Pantel (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 1: Antike, Frankfurt 1993, 105-176. Pauly, Dieter, Gott oder Mammon. Die Wiederherstellung der Ökonomie, Einwürfe 6 (1990), 124-156.

Carsten Jochum-Bortfeld / Rainer Kessler

Wirtschaftssystem 1. Vorbemerkung In der Antike kann die Versorgung von Menschen mit bestimmten Gütern bzw. Dienstleistungen zur Bedürfnisbefriedigung als zentrales Ziel wirtschaftlichen Handelns verstanden werden. Der Antrieb ist in der Regel die Behebung eines Mangels an einem bestimmten Gut. Basis des Wirtschaftssystems ist die Subsistenzwirtschaft: Möglichst alle zum Leben notwendigen Dinge werden von der Wirtschaftseinheit selbst produziert. Das von den wirtschaftlich Mächtigen und politisch Herrschenden abgeschöpfte Mehrprodukt wird nicht wirtschaftlich reinvestiert. Es wird vielmehr luxuriös zur Schau gestellt (3 Reichtum / Luxus), zur Schaffung von Abhängigkeiten umverteilt und zur Steigerung des eigenen Prestiges an Tempel oder für öffentliche Einrichtungen gestiftet. 2. Die Entwicklung in Israel bis zum Hellenismus Die Siedler der vorstaatlichen Epoche in der Zeit von etwa 1200-1000 v. Chr., aus denen sich die Größe Israel bildet, betreiben Subsistenzwirtschaft. Da auf den hauptsächlich besiedelten Berghängen aber nicht ausreichend Getreide an-

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Wirtschaftssystem

gebaut werden kann, sind sie auf den Austausch mit den kanaanäischen und philistäischen Bewohnern der Ebenen und des flachen Hügellandes angewiesen. Von diesen beziehen sie auch die zu der Zeit sehr wertvollen Geräte aus Eisen (1 Sam 13, 19-21). Mit der Entstehung eines zunächst noch wenig entwickelten Königtums ab ca. 1000 ändert sich daran nicht viel. Auch die königliche Wirtschaft ist als Haushalt organisiert; der Vorsteher der Palastwirtschaft heißt »der über das Haus Gesetzte« (3aˇsær 2al ha-be¯t). Allenfalls im Fernhandel dürften die Könige eine eigene wirtschaftliche Aktivität entfalten; allerdings lassen die Darstellungen des Königs Salomo wegen ihrer starken Idealisierung kaum erkennen, welchen Umfang der Fernhandel wirklich einnimmt (vgl. 1 Kön 9, 27 f.; 10, 14-29). Die Abschöpfung des Mehrprodukts erfolgt über Arbeitsleistungen (Fron) und Abgaben. Ab dem 8. Jh. beginnt sich das Wirtschaftssystem zu verändern. Die immer schon bestehende Möglichkeit der Verschuldung wächst sich für breitere Kreise der Bauernschaft zu einer dauerhaften Überschuldung aus. Die Folge ist Besitzkonzentration auf der einen (Jes 5, 8-10; Mi 2, 13) und Verlust der wirtschaftlichen Selbständigkeit auf der anderen Seite. Arme, aber noch freie Bauernfamilien müssen zur Abtragung der Schulden hohe Anteile ihres erwirtschafteten Produkts an ihre Gläubiger abliefern. Andere müssen direkt als Schuldsklavinnen und -sklaven für sie arbeiten. Wieder andere müssen versuchen, als Tagelöhner täglich ihr Brot zu verdienen (Dtn 24,14 f.). Durch die joschijanische Reform mit der Konzentration des Kultes in Jerusalem nimmt der Binnenhandel zu, da wegen der Entfernung nach Jerusalem Waren vor Ort verkauft und mit dem Geld in Jerusalem das für die Opferfeste Notwendige eingekauft werden kann (Dtn 14, 24-26). Auch erwähnt das Deuteronomium ausdrücklich neben den Zinsen auf Naturalien (v. a. Saatgut) solche auf Geld (Dtn 23, 20). Allerdings ist Geld immer noch ungemünzt und muss bei jeder Transaktion gewogen werden (Dtn 25, 13; Jer 32, 9). Wie sehr das wirtschaftliche Denken an konkreten Gebrauchs-

werten und nicht am abstrakten Tauschwert orientiert ist, zeigt eine auffällige sprachliche Konvention: In den üblichen Abfolgen »Kleinvieh und Großvieh« bzw. »Silber und Gold« steht jeweils das am Anfang, was in der Praxis den höheren Gebrauchswert hat, auch wenn es im einzelnen weniger wertvoll (im Sinne des Tauschwerts) ist (Kessler 2009, 46-56). Zur theoretischen Erfassung des Wirtschaftssystems, wie es sich seit dem 8. Jh. ausbildet, sind verschiedene Vorschläge gemacht worden. Neben dem eher uneigentlich zu verstehenden Terminus »Frühkapitalismus« werden dabei jeweils bestimmte Phänomene in den Mittelpunkt der Begriffsbildung gestellt. Der Ausdruck »Rentenkapitalismus« stellt die Grundrente, die die Landbesitzer von den Abhängigen erheben, in den Mittelpunkt. Mit dem Begriff »Tributarismus« wird stärker der politische, auf Gewalt basierende Charakter der Abgaben als Tribute unterstrichen. Mit dem auf Marx zurückgehenden Begriff der »antiken Klassengesellschaft« wird vor allem versucht, parallele Entwicklungen in Israel / Palästina, dem Iran, Griechenland und Italien zu erfassen (zur Terminologie vgl. Kessler 2009, 57-71). Wichtig ist dafür, dass anders als in den ägyptischen und mesopotamischen Gesellschaften, wo Tempel bzw. Palast die Wirtschaft lenken, das Privateigentum kleiner Bauern und deren persönliche Verschuldung mit all ihren Folgen die Grundkonstellation bilden (vgl. dazu Heinsohn / Steiger und die Auseinandersetzung mit ihnen in Kessler / Loos [Hg.]). Erst in persischer Zeit kommen Münzen auf. Doch haben diese zunächst ausschließlich einen hohen Nennwert und dienen hauptsächlich der Bemessung der Steuereinnahmen der persischen Krone. Erst ab der zweiten Hälfte der Perserzeit, etwa ab 450 v. Chr., nimmt der Umlauf an Münzen mit kleinerem Nennwert zu. Diese stammen zum Teil aus dem griechischen Raum, werden aber auch vor Ort geprägt, z. B. die Yehud-Münzen in Jerusalem. Sie haben eine große praktische Bedeutung, weil mit ihnen auch kleine Transaktionen abgewickelt werden können. Geld als abstrakter Wert, unabhängig vom Gebrauchs-

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wert einer Sache, spielt für das wirtschaftliche Denken eine immer größere Rolle. So kann zu Beginn der hellenistischen Epoche der Jerusalemer Weisheitslehrer Kohelet eine Sentenz über die prinzipielle Maßlosigkeit des Geldbesitzes formulieren, die in der älteren Weisheit keine Parallele hat: »Wer Geld liebt, wird nie satt an Geld« (Koh 5, 9). Wenn man von einer »Marktwirtschaft in der Antike« sprechen will (Binswanger), dann muss man zugleich festhalten, dass »Markthandel, schwankende Preise, Gewinn- und Verlustrechnungen, kommerzielle Geschäftsmethoden, kommerzielle Klassen und all die anderen Begleiterscheinungen einer marktwirtschaftlich organisierten Ökonomie« (Polanyi) erst im Übergang zum Hellenismus dominant werden. Die Art, wie Reichtum in biblischen Texten beschrieben wird, zeigt den Übergang von einer an Gebrauchswerten zu einer am abstrakten, in Geld messbaren Wert orientierten Wirtschaft. So heißt es in der Schilderung von Salomos sagenhaftem Reichtum, er habe jährlich zentnerweise Gold eingenommen. Dieses wird nun aber nicht etwa wirtschaftlich eingesetzt, sondern in Luxusgüter umgewandelt und öffentlich zur Schau gestellt. Prunkschilde, der Thron, Trinkgefäße – einfach alles ist aus Gold (1 Kön 10,14-21). Ganz anders verfährt ein Bericht im Esra-Buch, der frühestens aus spätpersischer Zeit stammt. Auch er spricht von kostbaren Gegenständen aus Gold und Silber, wie der Bericht über Salomo. Aber er gibt deren Wert in Geld an: »… silberne Geräte im Wert von 100 Kikkar … und 20 Goldschälchen im Wert von 1000 Dareiken« (Esr 8, 26 f.). Das Geld ist zum Maßstab der Dinge geworden. 3. Die hellenistisch-römische Wirtschaft Das Wirtschaftssystem des östlichen Mittelmeers und des vorderen Orients erfährt mit der Errichtung der hellenistischen Reiche im Zuge der Eroberungen durch Alexander eine massive Umgestaltung. Der jeweilige König und sein Verwaltungsstab prägen die wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig (Königs- oder Staatswirtschaft). Der Aufbau des Herrschaftsapparates des jeweiligen Reiches (Verwaltung und Armee), die Neu-

gründungen von Städten und die erheblichen Kriegsfolgekosten bedeuten einen großen Bedarf an finanziellen Mitteln. Zentrale Einnahmequelle für die Könige sind Steuern und Pachterträge (Verpachtung von Königsland), wodurch die Subsistenzwirtschaft nachhaltig beeinflusst wird: Es muss nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für die Bezahlung der Pacht und der Steuern produziert werden. Die Position von Rostovtzeff, dass die griechische Eroberung des Ostens zur Herausbildung eines internationalen Wirtschaftsraumes und zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung geführt hat, verweist auf zentrale Momente der antiken Wirtschaft. Lokale Besonderheiten in den jeweiligen Herrschaftsgebieten müssen jedoch berücksichtigt werden: Indigene Wirtschaftsformen werden nicht einfach beseitigt, sondern bleiben neben sich neu entwickelnden Strukturen bestehen (vgl. von Reden 179 ff.). Pacht und Steuern sind in der hellenistischen Zeit im steigenden Umfang in Form von Geld zu entrichten. Münzgeld ist zum einen wertbeständiger als verderbliche Naturalien (Geld als Wertaufbewahrungsmittel), gleichzeitig können mit dem eingenommenen Geld Kosten für die Verwaltung (z. B. Besoldung von Beamten und Soldaten, Unterhalt von repräsentativen Gebäuden) bestritten werden, ohne dass Naturalien erst in Geld umgewandelt werden müssen. Münzgeld erleichtert den Erhalt eines funktionierenden Herrschaftssystems. Münzen dienen deshalb auch zur Repräsentation von Herrschaft: Auf ihnen werden Bilder und Symbole der Regierenden dargestellt. Das Römische Reich löst ab dem 2. Jh. v. Chr. die Vorherrschaft der hellenistischen Reiche ab. Die hellenistische Staatswirtschaft wird dabei im Rahmen des Provinzialsystems intensiviert: Aus den Provinzen und Klientelreichen fließen Steuern und Tribute nach Rom. Einzelne Provinzen sind verpflichtet, die Hauptstadt des Reiches kostenlos mit Getreide zu versorgen (insbesondere Ägypten). Die unterworfenen Völker müssen das produzieren, was das Zentrum des Reiches mit seiner herrschenden Schicht bedarf. Das rö-

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mische Wirtschaftssystem zeichnet sich insbesondere durch den großen Einsatz von Sklavinnen und Sklaven als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, in Bergwerken und im Manufakturbereich aus. Gerade durch ihre schwere Arbeit in den Minen wird der Bedarf Roms an Silber gedeckt. 4. Akteure im hellenistisch-römischen Wirtschaftssystem Innerhalb dieses Wirtschaftssystems treten verschiedene wirtschaftliche Akteure auf. Die Ptolemäer z. B. agieren selbst als Produzenten. In ihrer Hand befinden sich zahlreiche Monopole (z. B. für Öl), die Attaliden in Kleinasien besitzen riesige Viehherden. Durch Steuerbegünstigungen nehmen Könige Einfluss auf Anbau und Produktion von bestimmten Produkten (z. B. Weinanbau in Ägypten). In der Unterstützung technischer Neuerungen (Bewässerungsprojekte in Ägypten und Babylon; Fruchtwechsel) und dem Ausbau der Infrastruktur (Ausbau von Handelsrouten und Seehäfen, z. B. der Bau Caesareas durch Herodes) lassen sich weitere Ansätze einer staatlichen Wirtschaftsförderung erkennen. Auch die Ansiedlung zahlreicher griechischer Kolonisten (z. T. ehemalige Soldaten) durch die Herrscher führt zu einer Veränderung wirtschaftlicher Strukturen. Die Oberschicht in den hellenistischen Städten stellt eine weitere Gruppe wirtschaftlicher Akteure dar. Die griechischen Eroberungen ziehen die Gründung und den Ausbau zahlreicher Städte nach sich. Die Angehörigen der Oberschicht können durch königliche Landschenkungen selbst Land verpachten. Gleichzeitig fragen auch sie Güter und Dienstleistungen nach (Konsumentenstadt). Eine Stadt wird von den Bauern im Umkreis versorgt, in der Stadt siedeln sich (wie im Entstehungsprozess der Polis im griechischen Mutterland) Handwerker und andere Dienstleister an. Die städtische Oberschicht wird durch Investitionen in die Landwirtschaft und in Handelsprojekte selbst wirtschaftlich tätig. Teilweise agieren ihre Angehörigen auch als Steuerpächter für ihren jeweiligen Herrscher. Die größte Gruppe der Akteure stellen die Menschen (Männer und Frauen) aus der Unter-

schicht dar. Sie arbeiten in der Mehrheit auf ihrem gepachteten Land oder gar als Tagelöhner, dazu kommt die Arbeit im Handwerk und in anderen Dienstleistungen. Sie sind gezwungen, mit ihrer Arbeit die Oberschicht und den Staatsapparat zu finanzieren. Sie können im Rahmen des Systems nicht frei agieren, sie sind an ihre Erwerbsmöglichkeiten gebunden, da sie nur so ihr Überleben sichern können. Dabei werden Notlagen der Unterschicht ausgenutzt: Viele Berufe werden ausgeübt, um der materiellen Not zu entkommen (z. B. Prostitution, niedrige Angestellte in Zollgesellschaften). Für das Wirtschaftssystem ist die Motivation der einzelnen Gruppen von Bedeutung. Während die Unterschicht ihr Überleben sichern muss, geht es der herrschenden Schicht um den Ausbau von Herrschaft. Hellenistische Könige müssen, da sie sich nicht auf eine alte Tradition berufen können, ihre Regierungsfähigkeit immer wieder unter Beweis stellen, z. B. durch die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung. Die Einfuhr und der Konsum von teuren Luxusgütern aus weit entfernten Ländern soll die Größe ihrer Herrschaft demonstrieren. Auch für die städtische Oberschicht ist es wichtig, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Sie können die Früchte ihres Erfolgs für die öffentlichen Belange einsetzen: Öffentliche Ausgaben (Bauten, Feste usw.) werden in den Städten zum großen Teil von der Oberschicht selbst finanziert (Euergetismus), wodurch das gesellschaftliche Ansehen des Spenders steigt. In wirtschaftlichen Dingen erfolgreich zu sein, sichert nicht nur die eigene materielle Basis, sondern erlaubt es auch, die politischen und gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten zu vergrößern: Erfolgreichen Menschen werden die Fähigkeiten, ein Gemeinwesen zu leiten, zugetraut. Zurschaustellung von Luxus dient der Präsentation des eigenen Erfolges. 5. Das Neue Testament Das Neue Testament nimmt das antike Wirtschaftssystem aus der Sicht der Unterschicht wahr. Menschen werden häufig als Opfer wirtschaftlicher Mechanismen gesehen, die in pro-

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phetischer Tradition aufgedeckt und angeklagt werden. Dabei spielen die Erfahrungen von Frauen eine wichtige Rolle. Gleichnisse erzählen davon, wie Reiche ihre wirtschaftlich überlegene Position ausnutzen und Menschen aus der Unterschicht alles tun müssen, um ihr Überleben zu sichern: Der Weinbergbesitzer in Mt 20, 1 ff. kann auf eine große Zahl von Arbeitskräften zurückgreifen, so dass er die Lohnbedingungen diktieren kann. Der Verwalter in Lk 16, 1 ff. muss wegen beruflichen Misserfolgs mit harter Bestrafung durch seinen Herrn rechnen. Lk 15, 8-10 zeigt eine Frau, die das zum Überleben notwendige Geldstück sucht – eine Erzählung vom alltäglichen Überlebenskampf. Die Perspektive von Frauen auf das Wirtschaftssystem kommt auch in Lk 1, 46 ff. zur Sprache. Sie erleben sich als Opfer: Die antike Wirtschaft vergrößert den Reichtum der Mächtigen, während viele hungern. Einige wenige treiben viele andere z. B. durch Verschuldung in die Abhängigkeit (3 Sklaverei). Die Sklavenarbeit wird auch in den Gleichnissen thematisiert: Um ihre Situation als Sklave zu verbessern, versuchen sie, auf wirtschaftlichem Gebiet erfolgreich zu sein. Der Herr profitiert von der Notlage der Sklaven (Mt 25, 14 ff.; Lk 19,11 ff.). Lk 19 und Mt 25 zeigen, was mit denen geschieht, die sich den wirtschaftlichen Prozessen verweigern. Der Sklave, der das Geld nicht zur Bank bringt, wird ins Gefängnis geworfen. Die Offenbarung des Johannes deckt in Offb 17-18 die wirtschaftliche Ausbeutung der Provinzen des Römischen Reiches durch das Zentrum auf: Riesige Warenströme werden nach Rom geschafft, damit die Stadt im Luxus schwelgen kann. Dazu gehören auch Menschen, die als Ware behandelt werden. Diese Ausbeutung der Provinzen ist für Johannes Hurerei (vgl. Jes 23,17 f.): Wirtschaftlicher Gewinn ist auf widergöttliche Weise erworben – auf Kosten von Menschen. Die Gerichtsvision zeigt, dass neben den Spitzen der Gesellschaft auch Menschen aus der Unterschicht wie die Schiffsleute in die Prozesse verwoben sind. Neutestamentliche Texte reflektieren darüber, wie Menschen im Wirtschaftssystem mitschuldig werden (vgl. Mt 18, 21 ff.).

Dem System von Macht und Ausbeutung wird innerhalb der Jesusbewegung und in den Gemeinden der Städte des Römischen Reiches reziprokes solidarisches Handeln entgegengesetzt. Nächsten- bzw. Feindesliebe und Barmherzigkeit bezeichnen hier Formen wirtschaftlichen Handelns. Sie dienen der Behebung eines Mangels, zumeist einer massiven wirtschaftlichen Notlage. Motivation ist nicht die Steigerung von Ansehen, Macht und Besitz, sondern es geht um das Wohlergehen eines anderen Menschen. Das Handeln ist auf prinzipielle Gegenseitigkeit angelegt. Jeder / jede kann Täter und Empfänger einer solidarischen Handlung werden. Eine Gegenleistung, wozu absolut Arme kaum in der Lage waren, wird jedoch nicht generell erwartet. Bezeichnend ist, dass Frauen in einem solchen Wirtschaftssystem eine tragende Rolle innehatten. Sie setzen ihr Eigentum und ihre Arbeitskraft zum Wohl aller in der Gemeinde ein (Röm 16, 3: Priska; Apg 9, 36: Tabita; Lk 8, 3 spricht sogar von vielen Frauen). Sie dürften die Gemeinden als einen Raum erlebt haben, wo ihr Handeln – im Gegensatz zum öffentlichen Raum der antiken Gesellschaft – wertgeschätzt wurde. Binswanger, Hans Christoph, Die Marktwirtschaft in der Antike. Zu den ökonomischen Lehren der griechischen Philosophen, in: Kuno Füssel / Franz Seghers (Hg.), »… so lernen die Völker des Erdkreises Gerechtigkeit«. Ein Arbeitsbuch zu Bibel und Ökonomie, Luzern / Salzburg 1995, 23-35. Heinsohn, Gunnar / Steiger, Otto, Eigentum, Zins und Geld. Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft, Hamburg 1996. Kessler, Rainer, Silber und Gold, Gold und Silber. Zur Wertschätzung der Edelmetalle im Alten Israel, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels, SBAB 46, Stuttgart 2009, 46-56. Ders., Frühkapitalismus, Rentenkapitalismus, Tributarismus, antike Klassengesellschaft. Theorien zur Gesellschaft des alten Israel, in: ebd. 57-71. Ders. / Loos, Eva (Hg.), Eigentum: Freiheit und Fluch. Ökonomische und biblische Einwürfe, KT 175, Gütersloh 2000. Kloft, Hans, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung, Darmstadt 1992. Leutzsch, Martin, Zeit und Geld im Neuen Testament, Jabboq 1, Gütersloh 2001, 44-104.

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Witwe

Polanyi, Karl, Der marktlose Handel zur Zeit Hammurabis, in: ders., Ökonomie und Gesellschaft, stw 295, Frankfurt am Main 1979, 300-316. Reden, Sitta von, Wirtschaftliches Wachstum und institutioneller Wandel, in: Gregor Weber (Hg.), Kulturgeschichte des Hellenismus, Stuttgart 2007, 177-223. Rostovtzeff, Michael, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, Bd. 1-3, Darmstadt 1998. Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. Stegemann, Ekkehard W. / Stegemann, Wolfgang, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 2 1997. Stegemann, Wolfgang, Christliche Solidarität im Kontext antiker Wirtschaft, in: Rainer Kessler / Eva Loos (Hg.), Eigentum: Freiheit und Fluch. Ökonomische und biblische Einwürfe, Gütersloh 2000, 89-106. Wengst, Klaus, Babylon the Great and the New Jerusalem, in: Yair Hoffman u. a. (Hg.), Politics and Theopolitics in the Bible and Postbiblical Literature, JSOT.S 171, Sheffield 1994,189-202.

Carsten Jochum-Bortfeld / Rainer Kessler

Witwe Der Tod des Ehemannes, der eine Frau zur Witwe macht, hat im Altertum je nach Epoche sowie Schichtzugehörigkeit und Alter der Frau unterschiedliche ökonomische und rechtliche Folgen. Im vorexilischen Israel mit seiner agrarischen Subsistenzwirtschaft ist eine Witwe in der Familie ökonomisch und rechtlich abgesichert, wenn sie bereits Söhne hat, da ihr ältester Sohn dem verstorbenen Vater als Haushaltsvorstand nachfolgt. Ist sie noch gebärfähig, hat jedoch noch keinen Sohn, so soll sie die Levirats- oder Schwagerehe eingehen, d. h. mit einem Bruder ihres Mannes, der im selben Haushalt lebt, einen Sohn zeugen, der als Erbsohn des Verstorbenen gilt (Dtn 25, 5-10). Willigt der Betreffende nicht ein, kann die Witwe ihn öffentlich bloßstellen (3 Rechtswesen / Rechtsprechung). Die Torarege-

lung schildert den Idealfall, Erzählungen wie die über Tamar (Gen 38) und Rut zeigen aber, dass die Realität für die junge Witwe oft ungünstiger ist. Ohne Sohn und Leviratsehe muss sie in ihr Vaterhaus (Gen 38, 11; Rut 1, 8.11 nennt das Haus der Mutter) zurückkehren, um zu überleben. Durch die Existenznot der agrarischen Haushalte (3 Familie) seit der Königszeit werden solche Auffangregelungen immer weniger realisierbar (1 Kön 4, 1). Eine Witwe, die nicht durch einen männlichen Verwandten rechtlich vertreten und versorgt wird, ist der Armut (1 Kön 17, 9-16) und Ausbeutung durch andere ausgesetzt (2 Kön 4,1; Hi 24, 1-12) und hat einen geringen gesellschaftlichen Status. Deshalb werden Witwen und Waisen im deuteronomischen Recht neben Tagelöhnern und Fremden dem Schutz der Gemeinschaft anvertraut (Dtn 24, 17): Das Recht der Witwe, die nicht als Zeugin vor Gericht auftreten kann (3 Rechtswesen / Rechtsprechung), darf nicht gebeugt werden (Dtn 27,19); sie fällt unter das Armenrecht, d. h. ihr Mantel darf nicht gepfändet werden (Dtn 24, 17) und sie hat das Recht der Nachlese, darf also die bei der Ernte zurückbleibenden Ähren, Oliven und Weintrauben ernten (Dtn 24, 19-22). Nach Dtn 14, 29 und 26, 12 erhalten Witwen neben Leviten, Waisen und Fremden einen Anteil am Drittjahreszehnten (vgl. Tob 1, 8). 2 Makk 8, 28 erwähnt eine einmalige Unterstützung aus der Kriegsbeute. Eine Witwe zu ernähren gilt auch in nachexilischer Zeit noch als Pflicht eines gottesfürchtigen Haushaltsvorstands (Hi 29, 13; 31,16). Das Alte Testament kennt auch reiche Witwen (Ri 17, 3; 2 Kön 8, 1-6; Jdt 8, 4.7), die begehrte Heiratskandidatinnen sind (1 Sam 25, 40). In der Königsfamilie hat die Witwe des Königs beträchtlichen politischen Einfluss als Mutter des Königs (3 Mutter 3.). Im Neuen Testament steht die Witwe einerseits in der Tradition des Alten Testaments für Armut und Hilfsbedürftigkeit (Mk 12, 38-40 par), mit den Waisen gehört sie zur Gruppe der Bedrängten (Jak 1, 27), die um ihr Recht kämpfen (Lk 18, 6). Die Erzählung von der Auferweckung des Jünglings in Nain betont die Notlage und Einsamkeit der Frau (Lk 7,12; vgl. 1 Kön 17,17-

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Wüste

24). Die Witwe, die trotz ihrer Armut ihren ganzen Lebensunterhalt spendet, wird zum Vorbild für die Jünger (Mk 12, 41-44). Das Wort für Lebensunterhalt (bios) kann auch nur »Leben« bedeuten. Die Witwe widmet Gott ihr ganzes Leben. Ähnlich lebt die Prophetin Hanna als Witwe im Tempelbereich und dient Gott mit beständigem Gebet (Lk 2, 36-38). Der Begriff Witwe (chera) ist im Griechischen nicht nur für Frauen belegt, deren Mann verstorben ist, sondern kann allein lebende Frauen in verschiedenen Lebensformen bezeichnen. Witwe zu sein ist also nicht Schicksal, sondern eine Lebensform, für deren Beibehaltung eine Frau sich entscheiden kann. Paulus bewertet eine Entscheidung gegen die Ehe positiv, allerdings unter dem Vorbehalt der Enthaltsamkeit (1 Kor 7, 8-9). Witwen mussten in der griechisch-römischen Antike keineswegs mittellos sein. Nach Beendigung der Ehe verfügte eine Frau über eigenes Vermögen, dessen Umfang im Ehevertrag festgelegt wurde (3 Ehe). In Apg 6, 1 ist von einem Konflikt die Rede, der sich um die Witwen der Hellenisten entzündet. Witwen werden hier zu einer Gruppe innerhalb der Gemeinde. Auch die Witwen um Tabita treten als feste Gruppe auf, die gemeinsame Produktion von Kleidung wird angedeutet (Apg 9, 39-41). Von der Unterstützung, die eine Witwe anderen gewähren soll, spricht 1 Tim 5, 16. Gegen Ende des 1. Jh. scheinen Witwen eine feste Größe in der Gemeinde zu sein (1 Tim 5, 9). Der 1. Timotheusbrief lässt den Wunsch erkennen, die Gruppe der Witwen zu begrenzen: »Wirkliche« Witwen sollen wie Hanna im Gebet verharren, über 60 Jahre alt sein, Kinder aufgezogen haben, einen guten Leumund besitzen und die Gemeinde unterstützt haben (1 Tim 5, 5.9-10). Jüngere Witwen sollen heiraten (1 Tim 5, 14; vgl. 1 Tim 2,12-15). Vermutlich scheint hier eine frühchristliche Lehr- und Frömmigkeitspraxis von Frauen im Rahmen eines Witwenamtes durch, die nicht in die Strukturen des Haushalts (3 Familie) eingebunden ist und deshalb vom Verfasser der Pastoralbriefe abgelehnt wird (Wagener 239 u. ö.).

Standhartinger, Angela, »Wie die verehrteste Judith und die besonnenste Hanna.« Traditionsgeschichtliche Beobachtungen zur Herkunft der Witwengruppen im entstehenden Christentum, in: Frank Crüsemann u. a. (Hg.) Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel. FS Luise Schottroff, Gütersloh 2004, 103-126. Wagener, Ulrike, Die Ordnung des »Hauses Gottes«. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT II/65, Tübingen 1994.

Christl Maier / Karin Lehmeier

Wüste Der fruchtbare Küstenstreifen des Israellandes ist im Osten und Süden von weiten Kalksteinwüsten und Gras- und Strauchsteppen umgeben. (Die Wüste Negev umfasst ca 60 % der Fläche des heutigen Israel.) Wüsten bilden den größten Teil der Gebiete des Alten Orients; die fruchtbaren Küstenebenen und die Stromtäler von Nil, Eufrat und Tigris oder Jordan nehmen sich demgegenüber schmal aus. Man spricht von Wüste bei einer jährlichen Regenmenge von weniger als 200 mm, von Steppe bei ca 300-400 mm. Auch die Wüste ist nicht ohne Vegetation, und die Steppe bietet vor allem im Winter den Kleintierherden der Halbnomaden ausreichende Nahrung. Als solche Halbnomaden kommen Israels Erzeltern in den Blick. Sie durchziehen das Land, das sie nicht besitzen (Gen 12,1-9; 37,1). Ein Blick vom Ölberg in Jerusalem nach Osten demonstriert augenfällig die wuchtige Präsenz der Wüste. Der schroffe Gegensatz zwischen Kulturland und Wüste prägt Topographie und Wirtschaftsgeographie des Landes, aber auch Israels Erinnerung an Herkunft und Frühzeit. Bemidbar (»in der Wüste« – der, im Anklang an das kennzeichnende Wort in Num 1,1, hebräische Name des 4. Mosebuches) spielt der größte Teil der Geschichten der 3 Tora; hier liegt – utopischer Ort und exzentrische Mitte der Tora (3 Raum) – der Gottesberg Sinai. In der Wüste erfährt Mose Gott und Gottes Namen (Ex 3), hier entdeckt Israel

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Zeitvorstellungen

den 3 Sabbat (Ex 16). Durch die Wüste führt der beschwerliche Exodus-Weg in die Freiheit und ins verheißene Land (Ex 16-Dtn 34). Das »Zelt der Begegnung« (Luther: »Stiftshütte«: Ex 25-31; 35-40), das in der Wüstenzeit verortete Vorbild des 3 Tempels, ist ein transportables Heiligtum wandernder Gruppen und Realsymbolik der mitziehenden Gottheit. Durch die Wüste wird ein neuer Weg vom Exil ins Israelland verheißen (Jes 40,1-11), in prophetischer Vision sind Wüste und Steppe in blühendes Land verwandelt (Jes 35). Die Erfahrungen der Wüste sind im Alten und Neuen Testament von grundlegender Dialektik bestimmt. Sie ist einerseits Ort des Beginns (Dtn 32,8-12), Raum und Zeit unverstellter Gottesbegegnung (Am 5,25), der ersten Liebe Gottes (Jer 2,2) und dann auch des Neubeginnens (Hos 2,16; 13,5). In dieser Linie stehen auch Auftreten und Umkehrruf Johannes des Täufers in der Wüste (Mt 3 par; 3,3 zitiert Jes 40,3). Die Wüste ist andererseits der Lebensraum von Schakalen und anderen Wildtieren sowie dämonischer Mächte (Lev 16,10) und so auch Ort der Herausforderung durch die Macht des Bösen (Mt 4,1 par), aber auch Ort des Rückzugs (Mt 14,13; Gal 1,17) und der Bewahrung (Hagar: Gen 16; 21, Elija: 1 Kön 19). Im Widerstand gegen hellenistische Macht wird die Wüste zum realen Zufluchtsort (1 Makk 2,29) und zum Raum religiöser Bewegungen (Essener). Die doppelte Semantik zeigt sich auch in der Offenbarung: Die Wüste ist Zufluchtsort der Sternenkönigin (12,6.14), aber auch der Ort der bösen Frau »Babylon« (17,3). Das griechische Wort eremos bezeichnet nicht nur die reale Wüste, sondern auch den Zustand der Verlassenheit (Gal 4,27 im Zitat von Jes 54,1 im Blick auf eine verlassene Frau). Die Wüste als Erfahrungsraum leuchtet besonders in der vielfältigen Bedeutung des hebräischen Wortes tohu¯ auf. Es bezeichnet die reale Wüste, in der sich Karawanen verirren können (Hi 6,18), verödete Städte (Jes 24,10; 45,18), aber auch den Zustand der Welt vor der Schöpfung (tohu¯ wa¯bohu¯ – »wüst und leer«, Gen 1,2; vgl. Jer 4,23). Gott hat die Welt auf tohu¯ fest gegründet (Hi 26,7), in der Wüste (tohu¯) findet Israels Gott

sein Volk (Dtn 32,10). Tohu¯ ist aber auch das Nichtige, Trügerische (Jes 45,19) und kennzeichnet vor allem die Götzen und die sie verehren (1 Sam 12,21; Jes 40,17; 41,29). Den Produkten der eigenen Arbeit zu dienen, zu verehren, was man selbst gemacht hat, ist in der Bibel Grundmerkmal des Götzendienstes. Jes 44,9 kennzeichnet solches Tun als tohu¯, die Fortsetzung schildert, wie sich jemand ein Götterbild verfertigt, um dann vor dem von ihm selbst gemachten Gott niederzufallen – eine Grundstelle des Zusammenhangs von Theologie und politischer Ökonomie (Fromm, bes. 36-42). Dozeman, Thomas B., Hosea and the Wilderness Wandering Tradition, in: Steven L. McKenzie / Thomas Römer (Hg.), Rethinking the Foundations. FS für J. van Seters, BZAW 294, Berlin / New York 2000, 55-70. Ders., The Wilderness and Salvation History in the Hagar Story, JBL 117 (1998), 23-43. Fromm, Erich, Ihr werdet sein wie Gott, Reinbek 1980. Zwickel, Wolfgang, Einführung in die biblische Landesund Altertumskunde, Darmstadt 2002.

Jürgen Ebach

Zeitvorstellungen Die wichtigsten elementaren Zeitstrukturen werden gleich am Anfang der Bibel genannt. Wenn das Licht als erstes Schöpfungswerk vom Dunkel getrennt wird, so nicht im Sinne eines Nebeneinanders, sondern des Wechsels von Tag und Nacht (Gen 1, 3-5). Die Gestirne, vor allem Sonne und Mond, übernehmen sodann diese Scheidung und zeigen mit Tagen und Jahren auch die Festzeiten an (1, 14-18). Der wöchentliche Ruhetag wird nicht wie die übrige Zeit geschaffen, auch nicht von den Gestirnen angezeigt, sondern allein durch die Ruhe Gottes herausgehoben (2, 2 f.). Von dieser ersten Woche an schließlich wird alle folgende Zeit ausdrücklich benannt und abgezählt (5, 3 ff.; 7, 6 usw.). Alle Lesenden finden sich auf diesem Zeitstrahl wieder und so-

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Zeitvorstellungen

mit in einer eindeutigen, zeitlichen Zuordnung zum Anfang. Die biblischen Zeitvorstellungen sind uns einerseits im Blick auf jede messbare Objektivierung (1) wie auf gedankliche und sprachliche Konzepte (2) sehr fremd, andererseits bilden sie die Basis für jede an der Bibel orientierte Theologie (3). 1. Zeitmessung und Chronologie Das biblische Zeitgefühl ist uns schon deshalb fremd, weil es Uhren in unserem Sinne nicht gibt. Der Tag wird durch Sonnaufgang und -untergang bestimmt und zumeist nur durch den Mittag unterteilt. Mit dem Sonnenuntergang beginnt (so die Regel) eine neue Nacht-Tag-Einheit. Die Nacht gliedert sich in alttestamentlicher Zeit in drei (Ri 7, 19 u. a.), in neutestamentlicher Zeit wohl von Rom beeinflusst in vier Nachwachen (Mk 6, 48 u. a.). Eine Einteilung des Tages in 12 »Stunden« ist erst im Neuen Testament belegt (Joh 11, 9, besonders Mt 20, 1 ff.) und wohl von Ägypten übernommen. Das aramäische Wort, das üblicherweise mit »Stunde« wiedergegeben wird (sˇ¯a2¯ah), kommt zuerst bei Daniel vor (4,16) und bedeutet wie andere Zeitwörter (s. u.) und wie das griechische ora / Stunde einen inhaltlich gefüllten Zeitraum: »Die Stunde des Todes«. Die 12 Stunden des Tages hängen in ihrer Länge von der des Tageslichts ab, schwanken also im Jahreslauf erheblich. Sonnenuhren werden in der Bibel nicht erwähnt. In Jes 38, 8 / 2 Kön 20, 9 wird der Gang des Schattens auf einer Treppe beobachtet, eine eigentliche Sonnenuhr wird daraus erst in der aramäischen und lateinischen Übersetzung (noch nicht in der griechischen) und von da in vielen deutschen. Sonnenuhren gibt es zwar bereits in alttestamentlicher Zeit und in der nachexilischen Zeit vermehrt, sie haben aber im Alltag kaum eine Rolle gespielt; zumal sie kaum genauer waren als eine eingeübte Beobachtung des Sonnenlaufs und eher auf Kalenderfragen wie das Äquinoktium angelegt waren. Größere Zeiträume werden vor allem durch den Mond und seine Phasen bestimmt. Im Zusammenspiel mit dem Sonnenjahr ergeben sich dadurch die wichtigsten öffentlichen 3 Feste und

der 3 Kalender. Dazu kommen die durch den 3 Sabbat konstituierte Woche und das 3 Sabbatjahr und nicht zuletzt die verschiedenen Phasen des menschlichen 3 Lebenszyklus. Dabei sind die 70/80 Jahre aus Ps 90, 10 nicht eine Obergrenze, die nach Gen 6, 3 bei 120 Jahren liegt, sondern offenbar so etwas wie ein Normalmaß, sieht man von hoher Kindersterblichkeit, Gewalt, Krankheiten etc. ab, die das sehr viel niedrigere Durchschnittsalter bestimmen. Jede Chronologie hängt an der eindeutigen Identifikation der Jahre. Dafür gibt es immer neue Versuche, herausragende Ereignisse als Ausgangspunkt zu nehmen (»zwei Jahre vor dem Erdbeben« Am 1, 1), die Gründung von Städten (Num 13, 22) oder die erste Wegführung bei Ezechiel (8, 1; 20, 1 usw.). Vor allem aber werden wie in der gesamten Umwelt die Regierungsdaten von Königen dazu herangezogen, bes. durch die offiziellen Annalenschreiber am Hof. Mit den ersten Königen setzt für Israel und Juda ein System der Königsdaten ein, das immer auch die Paralleldaten des anderen Staates festhält, z. B. 1 Kön 15, 1.9.25 usw. Trotz mancher Unsicherheiten und Schwierigkeiten (Unklarheit, wann Frühjahrs- und wann Herbstbeginn, wann Vorund wann Nachdatierung vorausgesetzt ist, d. h. wie das erste angebrochene Jahr eines neuen Königs gerechnet wird; wie mit Doppelherrschaften etwa bei Krankheit umgegangen wird, vgl. 2 Kön 15, 5) erweisen sie sich im Verbund mit den Korrespondenzen zu den Großreichsdaten bis heute als tragfähig für wissenschaftliche Datierungen. Neben den eigenen Königen sind es die der Großreiche, mit denen man zu tun bekam (z. B. 2 Kön 25, 1). Ab der persischen Zeit werden die Daten der persischen Herrschaft übernommen: »Im 2. Jahr des Königs Darius im 6. Monat am 1. Tag des Monats« (Hag 1, 1). Ähnliches ist auch in Inschriften und Papyri belegt und noch im Neuen Testament zu beobachten: »Im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberias«, Lk 3, 1 für das Auftreten Johannes des Täufers. Wie sehr derartige Systeme von der politischen und theologischen Einschätzung der jeweiligen Herrschaft abhängen, zeigt sehr schön die Bewertung der in Judäa

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Zeitvorstellungen

lange Zeit übernommenen hellenistischen Datierungen (»das 137. Jahr der griechischen Herrschaft« in 1 Makk 1, 10 ist bezogen auf die Herrschaft der Seleukiden ab 312 v. Chr.) in 1 Makk 13, 41 f.: »Im Jahr 170 [der griechischen Herrschaft] wurde das Joch der Völker von Israel genommen. Das Volk begann in Urkunden und Verträgen zu schreiben: ›Im 1. Jahr Simeons des großen Hohepriesters‹«. Derartig neue Systeme finden sich wieder in Zusammenhängen der jüdischen Aufstände auf Verträgen, Münzen usw. Eine solche eigene Chronologie gibt es im Urchristentum nicht, was eine gesicherte wissenschaftliche Chronologie erschwert. Das Neue Testament bezieht die Ereignisse um Christus einerseits auf unterschiedliche Herrscher (meist ohne genaue Jahresangaben), andererseits auf die alttestamentliche Erzählung mit ihren Daten. So beginnt Matthäus mit einer Einordnung Jesu in die Genealogie ab Abraham (Mt 1, 1-17), mit dreimal 14 Generationen seitdem. Lukas dagegen führt von Jesus ausgehend dessen Genealogie rückwärts bis auf Adam zurück (Lk 3, 23-38). Nun sind im genealogischen Denken sicher die verwandtschaftlichen Zusammenhänge wichtiger als zahlenmäßige Daten, zumal mit Namen wie Adam, Abraham, Tamar, David, Ruth etc. eine theologische Matrix gegeben ist, in die Jesus eingeordnet wird. Der Bezug auf die Schrift ist aber zugleich einer auf ein genaues Datensystem, das mit dem ersten Schöpfungstag beginnt. Die Daten der urzeitlichen Gestalten (Gen 5; 11), das Alter der Erzeltern, großräumige Zeitangaben (Gen 15,14; Ex 12, 40; 1 Kön 6,1), dazu die Daten der Richter und Könige ergeben ein in sich stimmiges Zahlenwerk von mehreren Jahrtausenden, woran die Daten der nachexilischen Zeit bis in die Makkabäerbücher anschließen. Auf dieses Zahlenwerk wird zwar als Ganzes in biblischer Zeit noch nicht zu Datierungszwecken Bezug genommen, es bildet aber die Grundlage der traditionellen jüdischen Chronologie, wie sie auf der Grundlage der Berechnungen der Schrift »seder olam rabba« seit dem Mittelalter bis heute gebräuchlich ist. Bis zur Infragestellung durch die neuzeitliche Wissenschaft ist dadurch auch das

christliche Geschichtsbild bestimmt worden; Luther etwa hat eine eigene Berechnung angestellt und sich mit Melanchthon um sieben Jahre gestritten. 2. Zeit und Sprache Von Sprachen wie der griechischen und lateinischen sowie den modernen europäischen »ausgehend, werden flektierte Verbalformen linguistisch nahezu selbstverständlich auf Zeit bezogen«, man denke nur an den Terminus »Tempus / Tempora« (Ehlich 321). Entgegen einer partiell immer noch benutzten älteren Grammatiksprache (Perfekt, Imperfekt) ist das jedoch im Althebräischen eindeutig nicht der Fall. Die Verankerung von Zeit im sprachlichen »Ich-hierjetzt-System« (linguistisch: im »Zeigfeld«) geschieht deshalb nicht durch die Verbformen, sondern durch explizite Bezeichnungen wie zæ¯ / jetzt; nun; 2atta¯h / jetzt; hajjo¯m / heute, 3ætmo¯l / gestern; ma¯h¯ar / morgen usw. Viele Texte, in de˙ nen solche Ausdrücke fehlen, bleiben deshalb in ihren Zeitbezügen unklar bzw. umstritten. So kann in Jes 9, 1-6 nur hypothetisch geklärt werden, welche Aussagen sich auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft beziehen. Es gibt große Textgruppen, besonders in der Prophetie, wo die üblichen Festlegungen in den Übersetzungen nur jeweils eine von mehreren Möglichkeiten sind. Wie das Verbalsystem entsprechen auch die zentralen Zeitbegriffe nicht unseren, die durch Naturwissenschaft (Newton; Kant) und traditionelle Theologie sehr anders ausgerichtet sind. Das betrifft zuerst das Wort, das in Übersetzungen üblicherweise mit »Zeit« wiedergegeben wird: 2 ¯et. Es bezeichnet nicht die sich gleichmäßig hinziehende Zeit oder einen Ausschnitt daraus, sondern eine Zeitspanne, genauer die Zeit, die eine spezifische inhaltliche Füllung hat, die für etwas da ist. Das wird besonders deutlich in Koh 3: »Für alles gibt es eine Zeit … Zeit zu gebären und Zeit zu sterben, Zeit zu pflanzen und Zeit auszureißen … Zeit für den Krieg und Zeit für den Frieden«. Mit 2 ¯et hängt 2atta¯h / jetzt zusammen, das vom Sprechenden aus das gleichzeitig Geschehende benennt. Diesem Gebrauch von 2 ¯et folgen

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in den Grundzügen weitgehend das ab Daniel belegte aramäische Wort ˇsa2a / Stunde, wie im Neuen Testament das griechische ora / Stunde, aber auch das wichtigste griechische Wort für Zeit kairos: Immer geht es um einen Zeitpunkt, der mit bestimmten Ereignissen gefüllt ist. Ob das bei Kohelet parallel zu 2 ¯et gebrauchte zema¯n eher ein Abstraktum Zeit meint (so Koch), ist durchaus fraglich. Selbst das griechische Wort chronos, das in der griechischen Philosophie als quantifizierbare Größe erscheint, bezeichnet zwar einen Zeitabschnitt (längere Zeit Apg 18, 20; die ganze Zeit Apg 20, 18), vor allem im Plural (die »Zeiten der Unwissenheit« Apg 17, 30), zielt aber auch, wie schon in der Septuaginta, wo es verschiedene hebräische Zeitworte wie »Tag« wieder gibt, auf den Augenblick (Lk 4, 5) und die inhaltlich gefüllte Zeit (Gal 4, 4). Im Gegensatz zu 2 ¯et steht das Wort 2¯ola¯m, das traditionellerweise mit »ewig / Ewigkeit« übersetzt wird. Aber dieser Gegensatz ist nicht der von Zeit zu Zeitlosigkeit oder zu Überzeitlichkeit. 2o¯la¯m ist die sehr lange, die fernste Zeit, die in der Vergangenheit wie in der Zukunft liegen kann, bis hin zur Bedeutung »für immer«. Ein 2æbæd 2¯ola¯m ist ein Sklave auf Dauer, der rechtlich gesehen nie wieder frei wird (Dtn 15, 17). Das griechische aion / aionos steht dem wie schon in der Wiedergabe der Septuaginta im Allgemeinen recht nahe. 2¯ola¯m kann dann die von menschlicher Zeit völlig unterschiedene Zeit Gottes bezeichnen (Ps 90, 2.4). Das ist die Basis für das deutsche »ewig«, v. a. in dessen Alltagsgebrauch. Wie wenig aber von einem Ende oder der Aufhebung von Zeit geredet werden kann, zeigt gerade für die neutestamentliche Epoche die jüdische wie neutestamentliche Redeweise von diesem und dem kommenden 2¯ola¯m / aion: Dabei wird das Gegenüber von dieser zur kommenden »Welt« mit Zeitbegriffen benannt, so dass die Rede von einem »Ende der Zeit« o. ä. nicht biblischer Sprache und Denken entspricht. 3. Gott und Zeit – theologische Zeitansagen Der bekannte Satz aus Ps 31, 16 »meine Zeit in deinen Händen« spricht im Plural: Meine 2itto¯t, die

einzelnen gefüllten Zeitmomente meines Lebens, stehen in Gottes Hand. Biblisch gilt das immer, wird aber im Detail sehr unterschiedlich vorgestellt, in verschiedenartigen theologischen Zeitkonzepten realisiert. a) Grundlegend und spezifisch biblisch ist der einlinige Zeitstrahl, die Vorstellung einer von einem Anfang in eine offene Zukunft fortschreitenden Zeit. Das betrifft die gesamte Schöpfung wie die Existenz jedes einzelnen Menschen. Unabhängig von den Details der Berechenbarkeit dieses Abstands ist die wichtigste Folge dieses Konzepts, die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit jeden Moments der Geschichte wie jedes einzelnen Menschen. Jede Art von Kreislauf, Wiederholung, Reinkarnation ist ausgeschlossen. Doch gibt es wie zu anderen Grundaspekten auch hier den Widerspruch Kohelets: Auf der Basis der Wiederholung von Naturvorgängen (1, 4-7) heißt es: »Das was geschah, ist das, was geschehen wird … Es gibt gar nichts Neues unter der Sonne« (2, 9). b) Als notwendige Folge ergibt sich für Kohelet, dass es »kein Gedenken an die Früheren gibt und an das, was vor uns war« (Koh 2,10 f.). Hier ist der Widerspruch zum Kern des biblischen Zeitverständnisses noch deutlicher, ja zu dem, was die Bibel selbst im Kern konstituiert und hervorgebracht hat: Das Gedenken an das einmalige, Befreiung und Gerechtigkeit schaffende Handeln Gottes mitten in der Geschichte mit Exodus und Sinai als Zentrum. Werden in der altorientalischen Umwelt in Kult und Fest die grundlegenden mythischen Ereignisse bes. der Schöpfung wiederholt, so sind es in Israel die mitten in der Zeit geschehenen Taten Gottes. Der für die jüdische Religion der Erinnerung grundlegende emphatische Befehl »za¯kor / gedenke« (Dtn 5, 15; 9,7 usw.) zielt auf das Eintreten jeder neuen Generation in den alten 3 Bund und seine Grundlagen (Dtn 5, 3). Die Formel des jüdischen Pessachfestes steht exemplarisch für diese Gegenwart des Vergangenen: »In jeder Generation soll sich jeder Mensch so ansehen, als sei er selbst aus Ägypten ausgezogen«. Dieser zukunftsbestimmende Bezug der Gegenwart auf

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eine bestimmte Vergangenheit bildet das Grundmuster aller jüdischen wie christlichen Gottesdienste. Zwar nehmen in dieser »Wiederholung« die einmaligen Ereignisse durchaus den Mythen und ihren Funktionen vergleichbare Züge an, und der gleiche Begriff qædæm wird für die mythische Urzeit wie für die grundlegenden Geschichtsereignisse gebraucht (Koch), dennoch geht eine Auflösung dieser Spannung zwischen der fixierten historischen Zeit, die immer ferner rückt, und der existenz- und zukunftbegründenden aktualisierenden Wiederholung in verschiedene literarische Schichten und theologische Schulen am Entscheidenden vorbei: Sie bilden gemeinsam den Kanon und machen gemeinsam den spezifisch biblischen Zeitbezug aus. c) Ist so schon der theologische Bezug zur Vergangenheit nie durch den linearen Zeitablauf allein bestimmt (allerdings auch nicht ohne diesen), so gilt das erst recht für den Bezug zur Zukunft. Von besonderem Gewicht sind hier die eschatologischen und apokalyptischen Zukunftsbilder (zu Terminologie und Sache s. Ebach), die das grundlegende Handeln Gottes in der Zukunft erwarten: »Denkt nicht an das Frühere …, siehe ich mache Neues« (Jes 43, 18 f.). Die Bilder von Gericht wie bes. von Heil zielen ja auf die Gegenwart, und diese wird durch den wirksamen Trost nachhaltig verändert. Besonders deutlich ist das bei einem der ersten umfassenderen Textbereiche mit eschatologischer Ausrichtung zu beobachten, in Jes 40-55. Schon die Grundlegung mit Trostzuspruch und Sündenvergebung (Jes 40, 1 f.) zielt auf die Gegenwart, und das gilt für alle Bilder des Neuen (neuer Exodus, neue Schöpfung, verwandeltes Jerusalem, Einbeziehung der Völker). Immer wieder wird auf die Nähe der kommenden Gerechtigkeit (46, 1) und die Anzeichen in der Gegenwart verwiesen (»seht ihr es nicht?«) und wird hymnisch dazu aufgefordert (44, 23; 49, 13), das Kommende bereits in der Gegenwart zu besingen. Dabei ist aber unübersehbar, dass in einer Reihe von Texten mit Jes 53 an der Spitze heftige Enttäuschungen und Desillusionierungen verarbeitet werden, erst recht gilt das für

die Weiterführung und Verarbeitung in Jes 5666. Das Danielbuch, die erste klassische Apokalypse, entwirft ein Gesamtbild der Weltzeit. Im Anschluss an die klassisch-biblische Erzählung von Schöpfung bis Exil kennt sie für die Folgezeit eine Folge von vier Weltreichen, die besonders in Dan 7 als aus dem Chaos entspringende, gewaltsame, widergöttliche Gebilde erscheinen. Deren letztes und schlimmstes schließlich wird entmachtet, so dass an seine Stelle das »ewige« Reich Gottes tritt, symbolisiert durch die vom Himmel kommende Gestalt eines Menschenähnlichen (Dan 7, 13). Die Wirksamkeit dieser Bilder bestimmt das abendländische Geschichtsdenken, denn alle kommenden Reiche vom Römischen bis zum »Heiligen Römischen Reich deutscher Nation« müssen sich in diesem letzten unterbringen. Die zeitgenössische Absicht und Wirkung aber ist vor allem in den Bildern von Todesüberwindung und Auferstehung (Dan 12) als Hintergrund der ersten jüdischen Märtyrer zu erkennen, ein Buch des Widerstandes. Die mehrfachen Berechnungen am Ende in Dan 12,11.12 zeigen, dass es hier zum ersten – und biblisch gesehen auch zum letzten – Mal Versuche gab, das kommende Ende dieses und den Beginn des kommenden 2¯ola¯m zu berechnen. In der Verkündigung Jesu ist die Nähe des Gottesreichs das alles verbindende Zentrum und damit die Erfülltheit des kairos (Mk 1, 15). Im Urchristentum wird dann Jesus selbst durch seine Auferstehung als die Vorausnahme des kommenden Heils in Person angesehen. Indem schon der Irdische als der kommende Messias, Menschensohn, Gottesknecht etc. bezeichnet und geglaubt wird, steht die Gegenwart des Kommenden auf neue Weise explizit im Zentrum. Solange aus diesen Aussagen nicht ideologische und dogmatische, von Erfahrungen abgeschottete Konzepte werden, bleibt es aber naturgemäß bei einem Ineinander von Erwartung und Gegenwart, so dass Vorstellungen wie die von Naherwartung und Parusieverzögerung sich als inadäquate Konzepte erweisen (Schottroff 1994; Erlemann 1995; Janssen). Besonders prägend ist dafür ein Bild, das

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bereits in den ältesten apokalyptischen Texten auftaucht (Jes 26, 17 f.) und das wie kein anderes das Ineinander von Gegenwart samt ihren sich steigernden Schrecken mit schon erfahrbarer, wirksamer und sich steigender Freude festhält: Es ist das Bild einer Geburt, bei der alle Gefahren und alle Schmerzen Teil der Wehen sind, die das Neue hervorbringen und also selbst Teil der Entstehung von Neuem. Eine gewichtige Ausprägung dieses Ineinanders von Schon und Nochnicht ist etwa bei Paulus neben dem Geburtsbild (Röm 8, 20 ff.) die Vorstellung einer nicht bloß kurzen, sondern »zusammengedrängten Zeit« in 1 Kor 9, 29. »Die einzelnen Zeiten und Zeitpunkte können nicht mehr unterschieden werden, das bisherige Zeitsystem ist aus den Fugen geraten« (M. Crüsemann 130 f.). »Haben als hätte man nicht« ist dann keine ethische Lehre, wofür nach wie vor die Tora gilt, sondern »ein Imperativ der Zeit, in der die Welt von Grund auf umgestaltet wird« (131). In anderer Weise kann im Johannesevangelium (besonders 5, 24 f.) die Gegenwart so beschrieben werden, dass die Glaubenden bereits aus dem Tod ins Leben geschritten sind, und Tod und Gericht keine Macht mehr haben. Aber auch hier stehen diese Sätze – und doch wohl notwendigerweise – neben solchen, die von einem kommenden zukünftigen Geschehen reden (5, 28 f.). Sozialgeschichtlich zielen eschatologische Zeitund Zukunftsaussagen der synoptischen Evangelien und bei Paulus als »Ausdruck einer absolut ernstgenommenen Gegenwart« (Schottroff 1990, 87), als Lebensäußerung leidender Menschen auf Verhaltensweisen in einem eschatologischen Alltag, der sich nicht an einem linearen Zeit- und Fortschrittsdenken orientiert. Die Texte offenbaren ein komplexes Zeit-, Raum- und Beziehungsgeschehen (Janssen 298), welches in der Sprache des Geheimnisses der Gemeinde als Leib Christi und den einzelnen Menschen unter den Bedingungen ihrer hinfälligen Körperlichkeit das Mitwirken an der neuen Schöpfung, der Leibhaftigkeit von Auferstehung ermöglicht, »die Körper-Glieder im Dienst Gottes zu ›Werkzeugen der Gerechtigkeit‹ werden lässt« (305).

Dies ereignet sich jetzt! (nyni; Röm 6, 22) im Raum einer befreiten Gegenwart. Barr, James, Biblical Words for Time, London 2 1969. Beckwith, Roger T., Calendar and Chronology, Jewish and Christian. Biblical, Intertestamental and Patristic Studies, Boston u. a. 2001. Brin, Gershon, The Concept of Time in the Bible and the Dead Sea Scrolls, StTDJ 39, Leiden 2001. Crüsemann, Marlene, Die Zeit ist »zusammengedrängt«. 1 Kor 7, 29-31, JK 9 (1994), 494-496 = Claudia Janssen / Beate Wehn (Hg.), Wie Freiheit entsteht. Sozialgeschichtliche Bibelauslegungen, Gütersloh 1999, 128132. Ebach, Jürgen, Art. Eschatologie / Apokalypse, NHThG 1, 2005, 260-272. Ehlich, Konrad, Mancherlei Zeit, in: Claus Altmayer u. a. (Hg.), Deutsch als Fremdsprache in Wissenschaft und Unterricht, FS L. Götze, Frankfurt/M. u. a. 2004, 319-341. Erlemann, Kurt, Endzeiterwartungen im frühen Christentum, utb 1937, Tübingen u. a. 1996. Ders., Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament. Ein Beitrag zur Frage religiöser Zeiterfahrung, TANZ 17, Tübingen / Basel 1995. Finegan, Jack, The Handbook of Biblical Chronology, Peabody 1964. Gretler, Trix, Zeit und Stunde. Theologische Zeitkonzepte zwischen Erfahrung und Ideologie in den Büchern Kohelet und Daniel, Zürich 2004. Janssen, Claudia, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1 Kor 15, Gütersloh 2005, 279-323 (zum Zeitverständnis bei Paulus). Jenni, Ernst, Das Wot olam im AT, ZAW 64 (1952), 197-248; 65 (1953), 1-35. Knauf, Ernst Axel / Mell, Ulrich / Gleßmer, Uwe, Art. Zeitrechnung. II AT; III NZ; IV Judentum, TRE XXXVI, 2004, 589-606. Koch, Klaus, Qädäm. Heilsgeschichte als mythische Urzeit im Alten (und Neuen) Testament, in: ders., Spuren des hebräischen Denkens, Ges. Aufsätze I, NeukirchenVluyn 1991, 248-280. Leutzsch, Martin, Zeit und Geld im Neuen Testament, in: »Leget Anmut in das Geben«. Zum Verhältnis von Ökonomie und Theologie, Jabboq I, hg. v. Jürgen Ebach u. a., Gütersloh 2001, 44-104. Schottroff, Luise, Die Gegenwart in der Apokalyptik der synoptischen Evangelien (1983), in: dies., Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments, ThB 82, München 1990, 73-95. Dies., Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994, 228-256 (zur Eschatologie).

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Zelt

Wilch, John R., Time and Event. An exegetical study of the use of 2th in the OT, Leiden 1969.

Frank Crüsemann / Marlene Crüsemann

Zelt a) Mit Zelt (hebr. 3o¯hæl) wird im Alten Testament im Gegensatz zum ortsfest gebauten Haus die bewegliche Wohnstätte der Beduinen oder die zeitweise Behausung von Sesshaften, z. B. während eines Kriegszuges (2 Kön 7, 7 ff.; Jer 37, 10), nach Katastrophen (Jer 30, 18) oder zur Ernte beschrieben. Während der gesamten alttestamentlichen Zeit gab es neben den sesshaften Bauern in Stadt und Land stets auch Nomaden und damit die typischen Zeltbewohner. Zelte konnten – ähnlich der im Arabischen qubba genannten Bauform – einen runden Grundriss und eine Kuppelform besitzen. Daher wird der käseglockenartig über die Erde gestülpte Himmel mit ihnen verglichen (Ps 19, 5; 104, 2; Jes 40, 22). Ein zentraler Baumstamm, der von schrägen Stangen unterstützt wurde, hielt die gesamte Konstruktion. Assyrische Reliefs bilden qubba-Zelte sowohl als Militärzelte (Eroberung der Stadt Lachisch unter Sanherib aus seinem Palast in Ninive; s. Abb.) als auch als nomadische Behausungen ab (vgl. das brennende Zelt ara-

Der assyrische König Sanherib vor seinem Prunkzelt im Zeltlager vor Lachisch. Palastrelief aus Ninive, 701 v. Chr.

Assyrisches Kriegszelt. Relief aus Kujundschik, Zeit Assurbanipals (668-633)

bischer Beduinen, Barnett 114). Nach archäologischen Zeugnissen aus Steppen- oder Wüstengegenden scheinen die Beduinenzelte einen rechteckigen Grundriss besessen zu haben und von mehreren Holzstangen getragen worden zu sein. Die Zelthaut könnte aus langen schmalen Stoffbahnen zusammengenäht worden sein und nach Hld 1, 5 braun ausgesehen haben. Vermutlich waren diese aus gesponnenem oder gewobenem Ziegenhaar (Ex 26, 7) gefertigt. Zelte wurden mit Stricken an Pflöcken befestigt, um sie gegen Wind zu schützen (Jes 54, 2; Jer 10, 20). Ihr markantester Bereich, der Eingang (Gen 18,1-15; Ri 4, 20), war meistens nach der windarmen Seite ausgerichtet. In manchen Zelten gab es sogar einen Teppich (Ri 4, 18 f.). Israel leitete seine eigenen Wurzeln von den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob ab, die seinerzeit in Zelten gewohnt hatten (Gen 12, 8; 24, 67; 31, 33 u. ö.; Hebr 11, 9). Aus diesem Grund verbanden die Rekabiter ihre strenge JHWH-Verehrung mit dem nomadischen Ideal (Jer 35, 7). Die hebräische Sprache bewahrte in diesem Sinn die Redewendung »zu deinen Zelten« im Sinne von »nach Hause gehen« (Dtn 5, 30; Ri 7, 8; 2 Sam 20, 1; 1 Kön 12, 16 u. ö.). Im kultischen Sprachbereich konnte sich der Begriff Zelt aber auch auf den JHWH-Tempel beziehen (Ps 15, 1; 27, 5 f.), was an die Tradition des Bundeszeltes (Ex 25 ff.; 35 ff.) während der Wüstenzeit (2 Sam 7, 6) anknüpfte.

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b) Die Menschen der neutestamentlichen Welt lebten in festen Häusern. Zelte wurden bei Militärmärschen verwendet oder für »Zeltlager« bei beliebten Festspielen. Von »Zelten« ist im Neuen Testament kaum die Rede. Die griechischen Wörter skene und skenos bezeichnen ein »Zelt«, aber auch eine »Hütte« oder »Behausung«, damit anderes als feste, dauerhafte 3 Häuser. Im Neuen Testament begegnet skene vor allem in Aufnahme des LXX-Sprachgebrauchs. Die Stiftshütte und Laubhütte z. B. werden in der Septuaginta als skene bezeichnet (s. Apg 7, 44; Hebr 8, 5 u. ö.; Offb 15, 5; vgl. auch Apg 13, 10; 7, 33 von einem heidnischen Opferzelt). Im Hebräerbrief wird aus dem kultischen Zelt typologisch auf die wahre Kultstätte im Himmel zurückgeschlossen (8, 2.5 u. ö.). Die Idee des Petrus, kultische Zelte / Hütten für Mose, Elija und den verklärten Jesus (Mk 9, 5 par) aufzubauen, war vielleicht der Wunsch nach gebührender 3 Gastfreundschaft. Oder er nahm wie Lk 16, 9 auf die ewigen Zelte Bezug, in denen die Gerechten im Himmel wohnen werden (1 Hen 39, 7 u. ö.). Paulus, Aquila und Priska waren nach Apg 18, 3 »Zeltmacher« (skenopoioi). Sie nähten vermutlich Leinen zu Zelten, wie sie als Sonnenschutz oder Bedachung von Verkaufsständen nötig waren. Während dieser Tätigkeit konnte man auf öffentlichen Plätzen über das Evangelium reden. Metaphorisch spielt das griechische Wort auf die Unbeständigkeit des Zeltes im Gegensatz zum festen Haus an. Deshalb spricht Paulus in 2 Kor 5,1.4 von seinem irdischen Leib als skenos im Gegensatz zum ewigen, himmlischen Bau von Gott. Barnett, Richard D., Assyrian Palace Reliefs, London 1970. Lampe, Peter, Paulus – Zeltmacher, BZ 31 (1987), 256-261.

Christine Gerber / Dieter Vieweger

Zeuge / Zeugin 1. Materielle Sachverhalte Zeugen stehen im Alten Testament dafür, den Wahrheitsgehalt, die Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit einer Aussage zu sichern. Diese Funktion können Menschen oder Gott, u. U. auch Dinge und Tiere erfüllen. Augen- und Ohrenzeugen sind nötig, um zu bestätigen, dass und wie etwas geschehen ist (Lev 5, 1). Sie stärken damit eine Position in einer (gerichtlichen) Auseinandersetzung (Num 35, 30; Jes 43, 9-13) (3 Rechtswesen). Sie können bestätigen, dass ein bestimmtes Versprechen geleistet worden ist, so dass sie die Versprechenden daran erinnern können oder verhindern, dass das Versprechen vertuscht oder vergessen wird (Gen 31, 51 f.; Jos 24, 22). Zeugen können 3 Kauf, Verkauf oder sonstige rechtliche Einigungen bestätigen, so dass diese hinterher nicht geleugnet oder angefochten werden können (Rut 4, 9-11). Da die Zeugenfunktion eine so große Rolle spielt, ist der falsche Zeuge der Inbegriff eines schlechten und gefährlichen Menschen (Ps 27, 12; 35, 11; Spr 14, 5.25; 25, 18; Mt 26, 60; 1 Kor 15, 15). Zeugen können durch Eid verpflichtet werden, die Wahrheit auszusagen, statt zu schweigen (Lev 5, 1). Dtn 19,16-19 besagt, dass im Fall eines falschen Zeugen die Zuständigen, Richter oder Priester, entscheiden sollen und den falschen Zeugen mit dem bestrafen, womit er seine Gegenpartei belasten wollte. Zeuginnen werden im Alten Testament nicht ausdrücklich genannt, jedoch ist an allen Stellen, an denen allgemeine Bestimmungen formuliert oder Personengruppen angesprochen werden, damit zu rechnen, dass Frauen und Männer als Zeugen genannt werden können. Es ist nahe liegend, dass Frauen wie im ganzen Alten Orient auch in Israel vor Gericht als Zeuginnen aussagen konnten und mussten (Wells 31). Im nachbiblischen Judentum gibt es die Praxis, Frauen nur unter bestimmten Voraussetzungen als Zeuginnen zu befragen (Ilan 163-166).

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Zeuge / Zeugin

2. Soziale (ökonomische und politische) und institutionelle Zusammenhänge Zeugen werden in rechtlichen Zusammenhängen genannt: Für ein Todesurteil (3 Strafe) sind wenigstens zwei Zeugen nötig (Num 35, 30; Dtn 17, 6 sollen die Zeugen anfangen, das Urteil auszuführen); falsche Zeugenaussagen sind ausdrücklich verboten (Ex 20, 16; Dtn 5, 20). Die Gefahr falscher Zeugen in einem Prozess wird in 1 Kön 21, 10.13 gezeigt (vgl. Susannaerzählung); wer Zeuge in einem Streitfall war, in dem die Wahrheit gefunden werden muss, ist verpflichtet auszusagen (Lev 5, 1; hier wird der Fluch [3 Segen / Fluch] als Mittel zur Wahrheitsfindung genannt). In außergerichtlichen Zusammenhängen werden Zeugen bei einem Kaufvertrag (3 Kauf / Verkauf; 3 Vertrag) genannt (Jer 32, 10); bei der Einigung Boas’ mit Noomi sind die Ältesten und das ganze Volk Zeugen (Rut 4, 9-11); bei der »Entlastung« Samuels am Ende seiner Tätigkeit nennt Samuel JHWH und den Gesalbten als Zeugen (1 Sam 12, 5); Einigungen über Grenzen, Brunnen oder Besitzansprüche können auch durch Sachen (Gen 31, 44.48 ein Bund durch einen Steinhaufen; Jos 22, 26 f. ein Altar) oder Tiere (Gen 21, 30) bezeugt werden. Im Neuen Testament wird auf Zeugenschaft im rechtlichen Verfahren nur in der Passionsgeschichte (Verhandlung vor dem Synhedrium Mt 26, 59-66; Mk 14, 55-64; Lk 22, 71) und in der Passion des Stephanus (Apg 6, 13; 7, 58) Bezug genommen. Das Zeugengebot der Tora wird außergerichtlich auf rechtliche Regelungen in der Gemeinde angewandt (Mt 18,16; 1 Tim 5, 19). Das einer rechtlichen Zeugenschaft ähnliche gute Leumundszeugnis wird vor allem in der Apostelgeschichte häufig erwähnt (Apg 6, 3; 10, 22). 3. Symbolische und theologische Bedeutung Gott wird als Zeuge angerufen in Fällen, in denen kein menschlicher Zeuge anwesend ist (Gen 31, 50; Phil 1, 8), im Zusammenhang mit einem 3 Eid (Gen 31, 50-54; Jer 42, 5); gegen Verbrecher (Mal 3, 5) und von Hiob in seinem Rechtsstreit gegen Gott selber (Hi 16, 19). Die Beziehung Gottes zu seinem Volk Israel und zu den Völkern wird an mehreren Stellen in der Form eines

Rechtstreits dargestellt. Gott benennt Zeugen gegen Israel (Dtn 31,19-21 ein Lied; Dtn 31, 26 das Buch der Tora), tritt selbst als Zeuge gegen das Volk auf im Gericht, bei dem Gott selbst der Richter ist. Gott und Mose rufen Himmel und Erde (3 Weltbild) an als Zeugen gegen das Volk (Dtn 4, 26; 30, 19; 31, 28). Gott ruft das Volk als seine Zeugen auf gegen die Völker (Jes 43, 9-12); das Volk ist Gottes Zeuge dafür, dass es nur diesen einen Gott gibt (Jes 44, 8 f.). Die Wortgruppe martyr- wird im Neuen Testament im übertragenen Sinne vielfältig auf das Verkündigungsgeschehen angewendet. Die Anspielung auf rechtliche Vorgänge ist dabei immer deutlich (Beutler), doch auch die reflektierte Differenz. Zeugnis von der Auferstehung abzulegen (so vor allem die Apostelgeschichte) ist eine Aufgabe, die die gesamte Existenz, die Worte und die Taten umfasst und mit der alle Glaubenden beauftragt werden (z. B. Apg 1, 6; 23, 11). Vergleichbar ist die Vorstellung des Johannesevangeliums vom Zeugnis des Täufers und der Nachfolgegemeinschaft, darunter auch das Zeugnis einer Frau (Joh 4, 39). Das Zeugengebot der Tora wird in Joh 8, 17 auf das Zeugnis Jesu und des Vaters für die Offenbarung Jesu ausgelegt (andere Auslegungen des Zeugengebots: 2 Kor 13,1; Hebr 10, 28). Das Zeugnis der Glaubenden ist auch ihr Auftrag, wenn sie verfolgt und vor Gericht gestellt werden (Mk 13, 9 par). In der Offenbarung (1, 2.9; 6, 9) wird dann mit dem Zeugnis auch die Bereitschaft, Verfolgung durchzustehen, verbunden. Die altkirchliche Vorstellung von der Blutzeugenschaft, dem Martyrium, findet sich erst nachbiblisch (Martyrium des Polykarp). Beutler, Johannes, Art. Zeuge, NBL III, 1208 f. Ilan, Tal, Jewish Women in Greco-Roman Palestine, Tübingen 1995. Schenker, Adrian, Zeuge, Bürge, Garant des Rechts. Die drei Funktionen des »Zeugen« im Alten Testament, in: BZ 34 (1990), 86-90. Simian-Yofre, Horacio, Art. 3wd I.-IV., ThWAT V, 1107-1128. Wells, Bruce, The Law of Testimony in the Pentateuchal Codes, BZAR 4, Wiesbaden 2004.

Uta Schmidt / Claudia Janssen / Luise Schottroff

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Die Autorinnen und Autoren

Die Autorinnen und Autoren

Arzt-Grabner, Peter, Dr. theol., ist Professor für Papyrologie am Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte der Universität Salzburg. Avemarie, Friedrich, geb. 1960, Dr. theol., ist Professor für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Baumann, Gerlinde, geb. 1962, Dr. theol., ist Privatdozentin für Altes Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Bender, Claudia, geb. 1972, Dr. theol., Studium der Chemie und Theologie, bis 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Altes Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg, lebt in der Benediktinerinnenabtei St. Scholastika, Dinklage Bieberstein, Klaus, geb. 1955, Dr. theol., ist Professor für Alttestamentliche Wissenschaften an der Fakultät Katholische Theologie der OttoFriedrich-Universität Bamberg. Bieberstein, Sabine, geb. 1962, Dr. theol., ist Professorin für Neues Testament und Biblische Didaktik an der Fakultät für Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit (FHSt) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Bormann, Lukas, geb. 1962, Dr. theol., ist Professor für Biblische Theologie an der Universität Bayreuth. Butting, Klara, geb. 1959, Dr. theol., ist Studienleiterin von Erev-Rav, Privatdozentin für Altes Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und arbeitet als freiberufliche Theologin und Autorin.

Crüsemann, Frank, geb. 1938, Dr. theol., ist Professor em. für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel. Crüsemann, Marlene, geb. 1953, Dr. phil., ist freiberufliche Theologin mit Arbeiten zur feministischen und sozialgeschichtlichen Bibelauslegung. Dieckmann, Detlef, geb. 1970, Dr. theol., ist Wissenschaftlicher Assistent für Hebräische Bibel am Institut für Evangelische Theologie der Freien Universität Berlin. Dietrich, Walter, geb. 1944, D. Dr. theol., ist Professor em. für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Ebach, Jürgen, geb. 1945, Dr. theol., ist Professor für Exegese und Theologie des Alten Testaments und Biblische Hermeneutik an der EvangelischTheologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Eisen, Ute E., geb. 1961, Dr. theol., ist Professorin für Bibelwissenschaften Altes Testament und Neues Testament am Institut für Evangelische Theologie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Erbele-Küster, Dorothea, geb. 1969, Dr. theol., ist Professorin für Altes Testament in Brüssel (B) und Dozentin für Altes Testament in Kampen (NL). Ernst, Michael, geb. 1947, Dr. theol., ist Professor für Neues Testament am Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte der Universität Salzburg. Erzberger, Johanna, geb. 1976, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Biblische

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Die Autorinnen und Autoren

Theologie am Institut für Katholische Theologie der Universität Kassel. Fechter, Friedrich, geb. 1958, Dr. theol., ist Pfarrer und apl. Professor für Altes Testament am Fachbereich Theologie der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg. Gerber, Christine, geb. 1963, Dr. theol., ist Professorin für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg. Gerstenberger, Erhard S., geb. 1932, Dr. theol., ist Professor em. für Altes Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Gruber, Sr. Margareta, OSF, Dr. theol., ist Professorin für Neutestamentliche Exegese und Biblische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar bei Koblenz. Häusl, Maria, geb. 1964, Dr. theol., ist Professorin für Biblische Theologie (kath.) an der Technischen Universität Dresden. Hübner, Ulrich, geb. 1952, Dr. theol., ist Direktor des Instituts für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

versität Hildesheim und geschäftsführender Leiter des Fernstudiums Evangelische Theologie in Niedersachsen. Jost, Renate, geb. 1955, Dr. theol., ist Professorin für Theologische Frauenforschung / Feministische Theologie an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Kampling, Rainer, geb. 1953, Dr. theol., ist Professor für Biblische Theologie / Neues Testament am Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität Berlin. Kegler, Jürgen, geb. 1944, Dr. theol., ist Ausbildungsreferent der Evangelischen Kirche in Baden und Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Kessler, Rainer, geb. 1944, Dr. theol., ist Professor für Altes Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Klinghardt, Matthias, geb. 1957, Dr. theol., ist Professor für Biblische Theologie am Institut für Evangelische Theologie der Technischen Universität Dresden. Koenen, Klaus, geb. 1956, Dr. theol, ist Professor für Altes Testament am Institut für Evangelische Theologie der Universität zu Köln.

Hungar, Kristian, geb. 1934, Dr. rer. pol., ist Professor em. für Soziologie und Ethik an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Kreuzer, Siegfried, geb. 1949, Dr. theol., ist Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Kirchlichen Hochschule und der Bergischen Universität Wuppertal.

Janssen, Claudia, geb. 1966, Dr. theol., ist Privatdozentin für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg und Studienleiterin am Frauenstudienund -bildungszentrum in der EKD in Hofgeismar.

Lehmeier, Karin, geb. 1966, Dr. theol., ist Lehrerin für Evangelische Religion und Fachreferentin für Ökumene im Evangelischen Dekanat Büdingen.

Jochum-Bortfeld, Carsten, geb. 1968, Dr. theol., ist Privatdozent für Neues Testament an der Uni-

Lichtenberger, Achim, geb. 1970, Dr. phil., M.A., ist Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Klassische Archäologie und Frühchristliche Ar-

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Die Autorinnen und Autoren

chäologie / Archäologisches Museum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Fachbereich Evangelische Theologie der PhilippsUniversität Marburg.

Maier, Christl M., geb. 1962, Dr. theol., ist Professorin für Altes Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg.

Omerzu, Heike, geb. 1970, Dr. theol., ist Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Kopenhagen.

Mayordomo, Moisés, geb. 1966, Dr. theol., ist Dozent für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Mell, Ulrich, geb. 1956, Dr. theol., ist Ordinarius für Evangelische Theologie und ihre Didaktik an der Universität Hohenheim. Michel, Andreas, geb. 1963, Dr. theol., ist Professor für Biblische Theologie am Institut für Katholische Theologie der Universität zu Köln. Millard, Matthias, geb. 1964, Dr. theol., ist apl. Professor für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel und Studienreferendar für Geschichte und Evangelische Religion. Müllner, Ilse, geb. 1966, Dr. theol., ist Professorin für Katholische Theologie / Biblische Theologie an der Universität Kassel. Naumann, Thomas, geb. 1958, Dr. theol., ist Professor für Biblische Exegese und Biblische Theologie (Altes Testament) am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Siegen. Öhler, Markus, geb. 1967, Dr. theol., ist a. o. Professor für Neutestamentliche Wissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Oeming, Manfred, geb. 1955, Dr. theol., ist Ordinarius für Alttestamentliche Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Oertelt, Friederike, geb. 1979, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Neuen Testament am

Ostmeyer, Karl-Heinrich, geb. 1967, Dr. theol., ist Privatdozent für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg und Pfarrer in Fulda-Bronnzell. Petersen, Silke, geb. 1965, Dr. theol. ist Privatdozentin für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg. Rüterswörden, Udo, geb. 1953, Dr. theol., ist Professor für Altes Testament an der EvangelischTheologischen Fakultät der Universität Bonn. Ruwe, Andreas, geb. 1958, Dr. theol., ist Lehrkraft für besondere Aufgaben (Hebräisch, Bibelkunde, Jüdische Studien) an der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Sals, Ulrike, geb. 1971, Dr. theol., ist Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Altes Testament und Biblische Umwelt an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Schäfer-Lichtenberger, Christa, geb. 1948, Dr. theol., Dipl. Psych., ist Ordinaria für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel. Schaper, Joachim, geb. 1965, Ph. D. (Cantab), ist Professor für Hebräisch, Altes Testament und Frühes Judentum an der School of Divinity der Universität Aberdeen. Schmidt, Uta, geb. 1968, Dr. theol., ist Wissenschaftliche Angestellte am Institut für Evangelische Theologie der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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Die Autorinnen und Autoren

Schoenborn, Ulrich, geb. 1942, Dr. theol., ist apl. Honorarprofessor em. für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg.

Taschner, Johannes, geb. 1964, Dr. theol., ist Privatdozent für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel und Pfarrer am Comenius-Gymnasium in Düsseldorf.

Schorch, Stefan, geb. 1966, Dr. theol., ist Dozent für Hebräisch und Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel.

Theißen, Gerd, geb. 1943, Dr. theol., ist Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Schottroff, Luise, geb. 1934, Dr. theol., war Professorin für Neues Testament in Mainz, Kassel und an der Pacific School of Religion in Berkeley/USA.

Tilly, Michael, geb. 1963, Dr. theol., apl. Prof., vertritt die Professur für Neues Testament und Biblische Didaktik an der Universität KoblenzLandau und ist Hochschuldozent für Judaistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Schroer, Silvia, geb. 1958, Dr. theol., ist Professorin für Altes Testament und Biblische Umwelt an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Schuol, Monika, geb. 1964, Dr. phil., z. Zt. Lehrstuhlvertretung für Alte Geschichte am Historischen Seminar der Johann-Wolfgang-GoetheUniversität Frankfurt/M. Standhartinger, Angela, geb. 1964, Dr. theol., ist Professorin für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Starnitzke, Dierk, geb. 1961, Pfarrer, Dr. theol., ist apl. Professor an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel und Vorstandssprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen. Staubli, Thomas, geb. 1962, Dr. theol., ist Leiter des BIBEL + ORIENT Museums und Dozent für Altes Testament an der Universität Fribourg. Strecker, Christian, geb. 1960, Dr. theol., ist Privatdozent für Neues Testament an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Sutter Rehmann, Luzia, geb. 1960, Dr. theol., ist Privatdozentin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Basel, freischaffende Autorin und Forscherin.

Tönges, Elke, geb. 1967, Dr. theol., ist Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neues Testament und Judentumskunde der Ruhr-Universität Bochum. Vahrenhorst, Martin, geb. 1967, Dr. theol., ist Wissenschaftlicher Assistent am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem. Vieweger, Dieter, geb. 1958, Dr. theol., Dr. phil., ist Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel, Direktor des Biblisch-Archäologischen Instituts an der Bergischen Universität Wuppertal und leitender Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, zugleich Forschungsstelle des Deutschen Archäologischen Instituts. Wagener, Ulrike, geb. 1960, Dr. theol., ist Professorin für Berufsethik an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen. Welten, Peter, geb. 1936, Dr. theol., ist Professor em. für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Zangenberg, Jürgen, geb. 1964, Dr. theol., ist Professor für Neues Testament und Frühchrist-

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Die Autorinnen und Autoren

liche Literatur am Institut für Religionswissenschaften und Professor für Archäologie an der Fakultät für Archäologie der Universität Leiden. Zimmermann, Ruben, geb. 1968, Dr. theol., ist Professor für Neues Testament an der Evan-

gelisch-Theologischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Zwickel, Wolfgang, geb. 1957, Dr. theol., ist Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Abkürzungen

Abkürzungen

Außerkanonische Schriften und Apostolische Väter ActThecl ActThom ApkMos Arist AssMos 2 Bar Barn 1 Clem Did Didasc Diog 3 Esr 4 Esr EvPetr EvPhil EvThom 1 Hen 2 Hen Herm Herm mand Herm vis Herm sim IgnEph IgnMagn IgnPhld IgnPol IgnRom IgnSmyr IgnTrall JosAs Jub 4 Makk MartJust MartPol PassPerpet Polyk PsSal Sib

Theklaakten Thomasakten Apokalypse des Mose Aristeasbrief Assumptio Mosis 2. (syrischer) Baruch Barnabasbrief 1. Clemensbrief Didache Syrische Didaskalia Diognetbrief 3. Esra 4. Esra Petrusevangelium Philippusevangelium Thomasevangelium 1. (äthiopischer) Henoch 2. (slawischer) Henoch Hirt des Hermas Hermas, mandata Hermas, visiones Hermas, similitudines Brief des Ignatius an die Epheser Brief des Ignatius an die Magnesier Brief des Ignatius an die Philadelphier Brief des Ignatius an Polykarp Brief des Ignatius an die Römer Brief des Ignatius an die Smyrnäer Brief des Ignatius an die Trallianer Joseph und Aseneth Jubiläen 4. Makkabäer Martyrium des Justin Martyrium des Polykarp Passio Perpetuae Polykarp von Smyrna, Brief an die Philipper Psalmen Salomos Sibyllinen

TestHiob TestXII VitAd

Testament Hiobs Testamente der zwölf Patriarchen Leben Adams und Evas

Qumran CD Damaskusschrift 1Q Höhle 1 in Qumran 1QGenAp Genesisapokryphon 1QH Hodajot a Jesajahandschrift aus Höhle 1 1QJes 11QMelch (11Q13) Pesher Melchisedek 1QpHab Pesher Habakuk 1QS Gemeinderegel 1QSa Gemeinschaftsregel 3Q15 (Kupferrolle) 4Q174 (Midrasch zur Eschatologie) 4Q464 (Leben der Patriarchen) 4Q513 (Vorschriften) 4Q550 (Geschichten vom persischen Hof) 4QMMT miqsat ma3ase hattorah (»ein Stückchen vom Tun des Gesetzes«) 4QOrNab Gebet des Nabonid 4QShir Lieder des maskil 11Q19 Tempelrolle

Papyri P. Amherst P. CZ P. Mur P. Oxy.

Papyrus Amherst Zenon Papyri, Kairo Papyrus Murabaat Oxyrhynchus Papyri

Mishna-, Tosefta-, Talmudtraktate b j m t

Babylonischer Talmud (Talmud Babli) Jerusalemer Talmud (Talmud Jerushalmi) Mischna Tosefta

AS Av BB Ber BM

Avoda Sara Avot Bava Batra Berakhot Bava Mezi3a

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Abkürzungen

Chul Ed Er Git Jev Joma Ker Ket Maas Mak Meg Miq MQ Ned Nid Oh Pea Pes RHSh Qid San Shab Sheq Shevi Sota Suk Taan Ter

Chullin Edujjot Eruvin Gittin Jevamot Joma Keritot Ketubbot Ma3asrot Makkot Megilla Miqwa3ot Mo3ed Qatan Nedarim Nidda Ohalot Pe3a Pesachim Rosh ha-Shana Qiddushin Sanhedrin Shabbat Shekalim Shevi3it Sota Sukka Ta3anit Terumot

Midrashim, Targumim, Sammelwerke BerR DevR MekhShem MekhJ QohR SifBem SifDev SifWa SifQid TPsJ WaR

Bereshit Rabba Devarim Rabba Mekhilta Shemot Mekhilta des Rabbi Jishma3el Midrasch Qohelet Rabba Sifre Bemidbar Sifre Devarim Sifre Wajjikra Sifre Qiddushin Targum Pseudo-Jonatan Wajjikra Rabba

Antike Schriftsteller Ail. nat. Aisch.

Ailianos, de natura animalium Aischylos, oresteia

Apicius

Marcus Gavius Apicius, de re coquinaria Ar. Ach Aristophanes, Acharnes Ar. equit. Aristophanes, hippeis Arat. phain. Aratos, phainomena Arist. e.N. Artistoteles, ethica Nicomachea Arist. pol. Aristoteles, politica Aristides apol. Aelius Aristides, apologia Ath. ep. fest. Athanasius, epistulae festivales Athen. Athenaios, deipnosophistai Aug. ep. Aurelius Augustinus, epistulae Aug. r.g. Aurelius Augustinus, res gestae Cato agr. Marcus Porcius Cato d. Ä., de agri cultura Catullus Gaius Valerius Catullus, Carmen 68 Celsus frag. Aulus Cornelius Celsus, fragmenta Cic. Att. Marcus Tullius Cicero, epistulae ad Atticum Cic. Cato Marcus Tullius Cicero, Cato maior de senectute Cic. fam. Marcus Tullius Cicero, epistulae ad familiares Cic. off. Marcus Tullius Cicero, de officiis Cic. phil. Marcus Tullius Cicero, in M. Antonium orations Philippicae Cic. rep. Marcus Tullius Cicero, de re publica Cic. Verr. Marcus Tullius Cicero, in Verrem actio secunda CICiv inst. Corpus Iuris Civilis, institutiones Clem. Al. paid. Clemens von Alexandria, paidagogos Clem. Al. strom. Clemens von Alexandria, stromateis Colum. Lucius Iunius Moderatus Columella, de re rustica Commod. inst Commodian, instructiones Curtius Rufus Quintus Curtius Rufus, historiae Alexandri magni Cyp. ep. Cyprian, epistulae Cyrill CatMyst Cyrill von Jerusalem, Mystagogische Katechesen Dig. Corpus Iuris Civilis, Digesta Diod. Sic. Diodorus Siculus, bibliotheca historica

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Abkürzungen

Diog. Laert. Dion Chrys. Dion. Hal. ant. Epict. diss. Eurip. Hel. Eurip. Orest. Eus. h.e. Eus. v.C. Flav. Jos. Ant. Flav. Jos. Apion. Flav. Jos. Bell. Flav. Jos. Vit. Gai. inst. Gell. Hdt. Hes. erg. Hom. Il. Hom. Od. Hor. ars. Hor. sat. Iren. haer. Iust. apol. Iust. dial. Iuv. Luc. dial. mort. Luc. nav. Luc. per. Luc. sat. Luc. symp. Mart. Opp. Hal. Or. hom. in Lev Ov. fast. Ov. met. Petron. Philo Abr. Philo agr.

Diogenes Laertius, de vitis et dogmatibus clarorum philosophorum Dion Chrysostomos, Reden Dionysios von Harlikanasson, antiquitates Romanae Epiktet, dissertationes Euripides, Helena Euripides, Orestes Eusebius, historia ecclesiastica Eusebius, vita Constantini Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae Flavius Josephus, contra Apionem Flavius Josephus, Bellum Judaicum Flavius Josephus, Vita Gaius, institutions Aulus Gellius, noctes Atticae Herodot, historiae Hesiod, erga kai hemerai (Werke und Tage) Homer, Ilias Homer, Odyssee Horaz, ars poetica Horaz, satirae Irenaeus, adversus haereses Iustinus Martyr, apologiae Iustinus Martyr, dialogus com Tryphone Judaeo Iuvenal, saturae Lukian von Samosata, dialogi morturorum Lukian von Samosata, navigium Lukian von Samosata, peregrinus Lukian von Samosata, saturnalia Lukian von Samosata, symposion Marcus Valerius Martialis, epigrammata Oppianos, Halientika Origenes, homilia in Levitico Ovid, fasti Ovid, metamorphosis Titus Petronius, satyrikon Philo von Alexandrien, de Abrahamo Philo von Alexandrien, de agricultura

Philo cont.

Philo von Alexandrien, de vita contemplativa Philo Deus Philo von Alexandrien, quod Deus immutabilis sit Philo ebr. Philo von Alexandrien, de ebrietate Philo Flacc. Philo von Alexandrien, in Flaccum Philo Jos. Philo von Alexandrien, de Josepho Philo LA Philo von Alexandrien, Legum allegoriae Philo legat. Philo von Alexandrien, legatio ad Gaium Philo migr. Philo von Alexandrien, de migratione Abrahami Philo Mos. Philo von Alexandrien, de vita Mosis Philo opif. Philo von Alexandrien, de opificio mundi Philo post. Philo von Alexandrien, de posteritate Caini Philo praem. Philo von Alexandrien, de praemiis et poenis Philo prob. Philo von Alexandrien, quod omnis probus liber sit Philo sacr. Philo von Alexandrien, de sacrificiis Abelis et Caini Philo somn. Philo von Alexandrien, de somniis Philo spec. Philo von Alexandrien, de specialibus legibus Philo virt. Philo von Alexandrien, de virtutibus Philo Byblius Philo Byblius, Phoinikike historia Plato leg. Plato, leges Plato Phaid. Plato, Phaidon Plato rep. Plato, de re publica Plato soph. Plato, sophista Plato symp. Plato, symposium Plin. epist. Gaius Plinius Caecilius Secundus, epistulae Plin. nat. Gaius Plinius Secundus Maior, naturalis historia Plin. ad Trai. Gaius Plinius Caecilius Secundus, ad Traianum Plut. Marcus Cato Plutarch, vitae parallelae [Marcus Cato] Plut. mor. Plutarch, moralia

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Abkürzungen

Plut. qu. conv. Plutarch, quaestionum convivalium libri IX Plut. Perikles Plutarch, Perikles Plut. QuRom Plutarch, Quaestiones Romanae Sen. clem. Lucius Annaeus Seneca (Seneca d. J.), de clementia Sen. contr. Lucius Annaeus Seneca (Seneca d. Ä.), controversiae Sen. ep. Lucius Annaeus Seneca (Seneca d. J.), epistulae moralae ad Lucilium Sophoc. Ai. Sophokles, Aias Sophoc. Oed. R. Sophokles, Oedipus Rex Soranus Soranus von Ephesus, peri gynaikeion Strab. geogr. Iulius Caesar Strabo, geographica Suet. Aug. Gaius Suetonius Tranquillus, Divus Augustus Suet. Cl. Gaius Suetonius Tranquillus, Divus Claudius Suet. Nero Gaius Suetonius Tranquillus, Divus Nero Suet. Tib. Gaius Suetonius Tranquillus, Divus Tiberius Tac. ann. Publius Cornelius Tacitus, annales Tac. hist. Publius Cornelius Tacitus, historiae Terentius Andr. Terenz, Andria Terentius Eun. Terenz, Eunuchus Tert. apol. Tertullian, apologeticum Tert. nat. Tertullian, ad nationes Var. rust. Marcus Terentius Varro, rerum rusticarum de agri cultura Var. vita pop. Rom. Marcus Terentius Varro, de vita populi Romani Veg. mil. Publius Flavius Vegetius Renatus, epitoma rei militaris Verg. Aen. Vergil, Aeneis Verg. georg. Vergil, georgica Vitr. Vitruv, de architectura Xen. mem. Xenophon, memorablia Xen. oic. Xenophon, oikonomikos Xen. symp. Xenophon, symposium

Lexika, Quellenwerke, Serien und Zeitschriften AASF.B

Annales Academiae Scientiarum Fennicae, Serie B, Helsinki ÄAT Ägypten und Altes Testament, Wiesbaden ÄF Ägyptologische Forschungen, Glückstadt ABD The Anchor Bible Dictionary, New York u. a. ABR Australian Biblical Review AGJU Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums, Leiden AKG Arbeiten zur Kirchengeschichte, Berlin u. a. AKMLW Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft, Bonn AnBib Analecta Biblica, Rom AncB Anchor Bible, Garden City NY ANEP Ancient Near East in Pictures Relating to the Old Testament, Princeton ANRW Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Berlin ANTZ Arbeiten zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Berlin AOAT Alter Orient und Altes Testament, Kevelaer ATD Das Alte Testament Deutsch, Göttingen AThANT Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments, Zürich u. a. ATSAT Arbeiten zu Text und Sprache im Alten Testament, St. Ottilien AuS Gustaf Dalmann, Arbeit und Sitte in Palästina, 7 Bde., Gütersloh 1928-1942 (Nachdr. Hildesheim u. a. 1987) BA Biblical Archaeologist, New Haven BAR British Archaeological Reports, Oxford BArR Biblical Archaeology Review, Washington DC BASOR Bulletin of the American Schools of Oriental Research, Jerusalem u. a. BB Biblische Beiträge, Fribourg BBB Bonner Biblische Beiträge, Bonn u. a. BE Biblische Enzyklopädie, Stuttgart u. a. BEFAR Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome, Paris

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Abkürzungen

BEThL

Bibliotheca ephemeridum theologicarum Lovanensium, Leuven u. a. BFChTh Beiträge zur Förderung christlicher Theologie, Gütersloh BGB Bürgerliches Gesetzbuch BHH Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen BHTh Beiträge zur historischen Theologie, Tübingen BibInt Biblical Interpretation, Leiden BiKi Bibel und Kirche, Stuttgart Bill. H. L. Strack / P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, München BIS Biblical Interpretation Series, Leiden BJS Brown Judaic Studies, Missoula u. a. BK Biblischer Kommentar Altes Testament, Neukirchen-Vluyn BN Biblische Notizen, Bamberg BRL Biblisches Reallexikon, Tübingen BT.B Bibliothèque de théologie – Théologie biblique, Tournai BTAVO Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients, Wiesbaden BThSt Biblisch-theologische Studien, Neukirchen-Vluyn BWANT Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, Stuttgart u. a. BWAT Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament, Leipzig BZ NF Biblische Zeitschrift – Neue Folge, Paderborn u. a. BZAR Beihefte zur Zeitschrift für altorientalische und biblische Rechtsgeschichte, Wiesbaden BZAW Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft, Berlin u. a. BZNW Beihefte zur Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft, Berlin u. a. BZRGG Beihefte der Zeitschrift für Religionsund Geistesgeschichte, Köln u. a. CBQ Catholic Biblical Quarterly, Washington DC Cev Les Cahiers évangile, Paris CHJud Cambridge History of Judaism, Cambridge

CIG CIJ

Corpus Inscriptionum Graecorum, Berlin Corpus Inscriptionum Judaicarum, Vatikanstadt CIL Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin CJZC Corpus jüdischer Zeugnisse aus der Cyrenaika, Wiesbaden Conc (D) Concilium, Einsiedeln u. a. CPJ Corpus papyrorum Judaicarum, Cambridge, MA CunM Cuneiform monographs, Groningen DBS Dictionnaire de la bible, Paris DISO Dictionnaire des inscriptions Sémitiques de l’ouest, Leiden DJD Discoveries in the Judean Desert, Oxford DNP Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Stuttgart EHS Europäische Hochschulschriften, Frankfurt u. a. EJ Encyclopedia Judaica, Jerusalem EKK Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament, NeukirchenVluyn EvTh Evangelische Theologie, Gütersloh ExT The Expository Times, New York FAT Forschungen zum Alten Testament, Tübingen FDV Franz-Delitzsch-Vorlesungen, Münster FJCD Forschungen zum jüdisch-christlichen Dialog, Neukirchen-Vluyn FKDG Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Göttingen FRLANT Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Göttingen FTS Frankfurter Theologische Studien, Frankfurt fzb Forschungen zur Bibel, Würzburg FZPhTh Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, Freiburg (Schweiz) GAT Grundrisse zum Alten Testament, Göttingen GGB Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart GGJ Grundriß der Gesamtwissenschaft des Judentums, Leipzig

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Abkürzungen

GNT

Grundrisse zum Neuen Testament, Göttingen GTB Gütersloher Taschenbücher, Gütersloh HABES Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien, Stuttgart HAE Handbuch der althebräischen Epigraphik, Darmstadt HBS Herders biblische Studien, Freiburg HdO Handbuch der Orientalistik, Leiden HGANT Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt HKAW Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, München u. a. HO Handbuch der Orientalistik, Leiden u. a. HrwG Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Stuttgart u. a. HST Handbuch Systematischer Theologie, Gütersloh HThKAT Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg HThR Harvard Theological Review, Cambridge MA HWP Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel u. a. HZ Historische Zeitschrift, München u. a. IEJ Israel Exploration Journal, Jerusalem IG Inscriptiones Graecae, Berlin IK Inschriften griechischer Städte in Kleinasien, Bonn IKaZ Internationale katholische Zeitschrift, Frankfurt ILS Inscriptiones Latinae Selectae, Berlin IPIAO Silvia Schroer / Othmar Keel, Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern, Fribourg 2005 JANES Journal of the Ancient Near Eastern Society, New York JbAC Jahrbuch für Antike und Christentum, Münster JBL Journal of Biblical Literature, Philadelphia JBTh Jahrbuch für Biblische Theologie, Neukirchen-Vluyn

JESHO

Journal for the Economic and Social History of the Orient, Leiden JJS Journal of Jewish Studies, London JNES Journal of Near Eastern Studies, Chicago JNWSL Journal of Northwest Semitic Languages, Leiden JRA Journal of Religion in Africa, Leiden JSJ Journal of the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic and Roman Period, Leiden JSNT Journal for the Study of the New Testament, Sheffield JSNT.S Journal for the Study of the New Testament Supplement Series, Sheffield JSOT Journal for the Study of the Old Testament, Sheffield JSOT.S Journal for the Study of the Old Testament Supplement Series, Sheffield JSP.S Journal for the Study of the Pseudepigrapha, Supplement Series, Sheffield JusEcc Jus ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchentum, München KAANT Kleine Arbeiten zum Alten und Neuen Testament, Waltrop KAI Kanaanäische und aramäische Inschriften, Wiesbaden KT Kaiser Taschenbücher KTU Die keilalphabetischen Texte aus Ugarit, Kevelaer u. a. KuD Kerygma und Dogma, Göttingen KuI Kirche und Israel, Neukirchen-Vluyn KUSATU Kleine Untersuchungen zur Sprache des Alten Testaments und seiner Umwelt, Waltrop LÄ Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden LHBOTS The Library of Hebrew Bible / Old Testament Studies, London LThK Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg LWQF Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, Münster MBAH Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte, Münster MGWJ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Frankfurt

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Abkürzungen

MThJ

Marburger theologisches Jahrbuch, Marburg MThS Münchener Theologische Studien, München MThSt Marburger Theologische Studien, Marburg MThZ Münchener theologische Zeitschrift, München u. a. MWG Max Weber Gesamtausgabe, Tübingen MWS Max Weber Studienausgabe, Tübingen NBL Neues Bibel-Lexikon, Zürich NEA Near Eastern Archaeology, Atlanta, GA NEB Neue Echter Bibel, Würzburg NHMS Nag Hammadi and Manichaean Studies, Leiden NHThG Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe, München NSK.AT Neuer Stuttgarter Kommentar. Altes Testament, Stuttgart NT Novum Testamentum, Leiden NT.S Novum Testamentum – Supplementa NTA NF Neutestamentliche Abhandlungen – Neue Folge, Münster NTAK Neues Testament und antike Kultur, Neukirchen-Vluyn NTDH Neukirchener theologische Dissertationen und Habilitationen, NeukirchenVluyn NTOA Novum testamentum et orbis antiquus, Fribourg u. a. OBO Orbis Biblicus et Orientalis, Fribourg ÖBS Österreichische biblische Studien, Klosterneuburg ÖR Ökumenische Rundschau, Stuttgart ÖTK Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament, Gütersloh OTM Oxford Theological Monographs, Oxford PBSR Papers of the British School at Rome, London PEQ Palestine Exploration Quarterly, London QD Quastiones disputatae, Freiburg u. a. RAC Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart RGG 4 Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen

RIDA

Revue Internationale des Droits de l’Antiquité, Brüssel RLA Reallexikon der Assyriologie, Berlin u. a. RVV Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, Berlin u. a. Saec Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte, München u. a. StANT Studien zum Alten und Neuen Testament, München SBAB Stuttgarter biblische Aufsatzbände, Stuttgart SBB Stuttgarter biblische Beiträge, Stuttgart SBEC Studies in the Bible and Early Christianity, Lewiston u. a. SBibSt Sources for Biblical Study, Chico SBL Society of Biblical Literature, Missoula, MT SBL.DS Society of Biblical Literature – Dissertation series, Missoula, MT SBL.SBS Society of Biblical Literature – Sources for Biblical Studies SBL.SPS Society of Biblical Literature – Seminar Papers Series SBS Stuttgarter Bibelstudien, Stuttgart SDPI Schriften des deutschen Palästina-Instituts, Gütersloh SHCANE Studies in the History and Culture of the Ancient Near East, Leiden u. a. SHR Studies in the History of Religion, Leiden u. a. SIG Sylloge inscriptionum Graecarum, Leipzig SJK Schriften zur Judentumskunde, Zürich SJLA Studies in Judaism in Late Antiquity, Leiden SSN Studia Semitica Neerlandica, Assen u. a. StTDJ Studies on the Texts of the Desert of Judah, Leiden StUNT Studien zur Umwelt des Neuen Testaments, Göttingen stw suhrkamp taschenbuch wissenschaft TA Tel Aviv TANZ Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, Tübingen TC Traditio Christiana. Texte und Kommentare zur patristischen Theologie, Zürich

691

SWB (08021) / p. 704 / 6.9.2022

692

Abkürzungen

TEH ThB ThBeitr ThKNT

Theologische Existenz heute, München Theologische Bücherei Theologische Beiträge, Wuppertal Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Stuttgart ThPQ Theologisch-praktische Quartalsschrift, Regensburg ThW Theologische Wissenschaft, Stuttgart u. a. ThWAT Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u. a. ThWNT Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart ThZ Theologische Zeitschrift, Basel TRE Theologische Realenzyklopädie, Berlin TSAJ Texts and Studies in Ancient Judaism, Tübingen TThSt Trierer Theologische Studien, Trier TU Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, Berlin u. a. TUAT Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Gütersloh TUAT.NF Texte aus der Umwelt des Alten Testaments – Neue Folge, Gütersloh UF Ugarit-Forschungen, Neukirchen-Vluyn u. a. VDWI Veröffentlichungen des Diakoniewissenschaftlichen Instituts an der Universität Heidelberg, Heidelberg VF Verkündigung und Forschung, Gütersloh VT Vetus Testamentum, Leiden VT.S Vetus Testamentum – Supplementa, Leiden

VWGTh Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, Gütersloh WdF Wege der Forschung, Darmstadt WMANT Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn WO Die Welt des Orients. Wissenschaftliche Beiträge zur Kunde des Morgenlandes, Göttingen u. a. WUB Welt und Umwelt der Bibel. Archäologie, Kunst, Geschichte, Stuttgart WuD Wort und Dienst. Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel, Bielefeld WUNT Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Tübingen WzM Wege zum Menschen, Göttingen ZAR Zeitschrift für altorientalische und biblische Rechtsgeschichte, Wiesbaden ZAW Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Berlin ZDPV Zeitschrift des deutschen Palästinavereins, Wiesbaden u. a. ZNT Zeitschrift für Neues Testament, Tübingen u. a. ZNW Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, Berlin u. a. ZPrTh Zeitschrift für Praktische Theologie, Tübingen ZRGG Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, Köln u. a. ZThK Zeitschrift für Theologie und Kirche, Tübingen

SWB (08021) / p. 705 / 6.9.2022

Stellenregister

Stellenregister 1. Biblische Bücher mit alttestamentlichen Apokryphen Genesis 1-4 1-3 1,1-2,3 1

1,2 1,3-5 1,3 1,5.8.10 1,5 1,11 f. 1,14 ff. 1,14-19 1,14-18 1,20.21.24.30 1,20 1,21 1,22 1,24 f. 1,25 1,26 ff. 1,26-28 1,26 f. 1,27 1,28-31 1,28

1,29-31 1,29 f. 1,29 2 f. 2 2,2 f. 2,4-7 2,4b-3,24 2,5.15 2,5 2,6 f. 2,7.19 2,7 2,8 2,9 2,10-14 2,10.15 2,11 f. 2,15

153 368, 424, 622 646 157, 163, 260, 314, 354, 360, 422, 441, 503, 515, 547, 646 f. 257, 669 669 354 417 354 647 490 27 669 340 342 422 516 647 655 348, 377 271 152, 369, 377 57, 311, 519 125 55, 178, 211, 274, 293, 374, 423, 456, 622 59 115, 422 541 163, 341, 400, 586 58, 324, 441 490, 669 369 570 456 16 117 340 4, 62, 342 181 342 457 181 385 16, 44

2,16 f. 2,18-25 2,18 2,19 f. 2,20-24 2,23 f. 2,23 2,24 2,28 3 3,1.4 3,1 3,2 f. 3,6 3,7 3,8 3,14 3,16.17 ff. 3,16 3,17-19 3,17 f. 3,17 3,19 3,20 3,21-24 3,21 3,23 f. 3,23 3,24 4 4,1-16 4,1-15 4,1 4,2.20 4,2 4,3-16 4,3 f. 4,4 4,7 4,8 4,13 4,15 4,17 4,19 4,20 4,21 4,22 4,23 f. 4,23

213 519 372 417 309 615 153, 417 453, 519 96 348, 402, 422 656 422 520 413 323, 519 180 517, 656 341 189, 457 44, 248, 331 16 178, 517 116 400, 417 213 422 181 16, 456 64, 632 348, 611 329, 558 211 153, 400 456 16, 44, 265 374 334 408 370, 570 134 212, 567, 570 213 558 92 265 396 243 f., 384 f. 398 396

4,26 5,1-37,2 5 5,1 f. 5,1 5,3 ff. 5,3 5,24 6-9 6-8 6,2.4 6,3 6,5 6,6 6,9 f. 6,9 6,11 6,12 6,14-16 6,14 6,15 f. 7,3 7,6 7,20 8,1-10,18 8,11 8,18.19 8,20-22 8,21-9,7 8,21 8,22 9 f. 9 9,1-7 9,2 f. 9,3-6 9,3 9,4 ff. 9,4 9,5 f. 9,6 9,9 ff. 9,9 f. 9,18-27 9,20-27 9,20 9,22-25 9,25-27

163 f. 271 9, 615, 622, 671 377 373, 404 669 369 588 309 211 64 670 348 108 373 198 171 307 498 486 364 178 669 364 441 323 260 212 348 570 333 622 78, 202, 424, 629 211, 348 424 541 274, 340 424 112, 125, 375, 379, 424, 474 60, 340 f., 377 57 340 658 622 639 44, 322 519 622

693

SWB (08021) / p. 706 / 6.9.2022

694

Stellenregister

9,26 10 10,8 f. 10,20 ff. 11 11,1-9 11,3 11,4 11,8 11,10-26 11,29 11,30 12-28 12 12,1 ff. 12,1-9 12,1-3 12,1 12,2 f. 12,2 12,5.16 12,5 12,6 12,8 12,10-20 12,10 12,11 12,12 12,13 12,15 12,16 13,2 13,4 13,5 13,7 13,10 13,14-16 13,18 14,6 14,10 14,17-20 14,18 14,22 15,1 15,2 ff. 15,5 f. 15,6 15,9 f.17 f. 15,14 15,17 f. 15,18 f.

Genesis

163 163 f., 377, 615 274 373 164, 456, 547, 549, 671 86, 213, 234 f., 361, 548, 558 f. 486 418 547 9 94 180, 315 159 456 164 668 390, 515 260 260, 515 55, 255, 293 159 325 591, 654 164, 675 341 28, 159, 268, 330 503 520 341 249 618-620 467 164 619 266 181 326 654 615 486 164 116, 199 164 357 f. 114 255 198 77 671 77 270

15,18 15,19-21 15,19 f. 16 16,1 16,2-4 16,3 f. 16,5 f. 16,5 16,7 16,11 f. 16,12 16,14 16,21 17 17,7.13 17,10-14 17,12 17,14 17,15 17,16 17,17 17,19 17,25 f. 17,25 17,27 18 f. 18 18,1 ff. 18,1-15 18,2 f. 18,4 18,5-8 18,6 18,7 f. 18,8 18,10 ff. 18,12 18,13 18,16-33 18,19 19 19,1-3 19,2 19,3 19,6-8 19,19 19,24 19,30-38 19,36-38 20 20,2

326 53 325 624, 669 188 524 97 460 199 63, 73 f. 401 657 73, 409 365 47, 78, 202, 293, 482 78 48 47, 133 48, 615 417 255 96, 267 401 47 344 292 161, 476 139 f. 117, 654 181, 675 169 312, 635 117 366, 410 620 408 117 267 9 182 599 181 f., 211 169 159, 312 117 158 199 486 599 623 95, 162 520

20,3-8 20,3 20,6 20,9 20,11 20,12 21 21,6 21,8 21,10 21,14-19 21,14 21,19 21,23 21,25 ff. 21,25.30 21,27 ff. 21,27.32 21,27 21,30 21,31 21,33 22 22,1 22,2.10-14 22,2 22,3 22,12 22,16 22,17 f. 23 23,1 23,3-20 23,15 f. 23,16 23,26 24 24,3 f. 24,3 24,7 24,9 24,11 ff. 24,12 24,14-17 24,15-17 24,15.24.47 f.67 24,19 f. 24,22 24,23 f. 24,25 24,32 24,35

598 151 570 218 162, 228 133 669 267 138, 151, 188 114 410 116, 599 73 f. 221 73 266 618 77 265 677 101 653 62, 211 f., 294, 346, 431 360 188 108, 260, 356 211, 476, 620 228 101 260 292, 586, 623 135 232 367 192 367 74, 181, 476, 502 94 101 101 310 73 221 409 415 94 636 367 616 333 312 191, 193, 384, 467

SWB (08021) / p. 707 / 6.9.2022

Genesis

24,36 24,49 24,54 24,67 25,1-4 25,1 25,8 25,9 f. 25,9 25,21 25,22 25,29-34 25,29 f. 25,31-34 25,34 26 26,1 26,3 26,4 26,7 26,8 26,12-14 26,14 26,15 ff. 26,15-33 26,24 26,26 26,28 26,30 26,34 f. 27 27,1 ff. 27,2-5 27,3 27,17 27,34 f. 28 28,1 f. 28,2.5 28,11-22 28,11 28,12-19 28,13 f. 28,18 28,20-22 28,22 29 f. 29 29,1-10 29,2 f. 29,9 29,14 29,15

Stellenregister

9 199, 221 117 675 624 92 616 232, 586 135 96, 180, 188, 315 135, 187, 568 114, 412 324, 332 100 116 623 28, 268 159 293 520 108, 356 467 619 73 266 600 168 77 117 623 114, 401, 515, 599 9 274 657 116 134 259 623 94 581 458 598 326 495 196 56, 561 94 73 f., 538 266 73 265, 423 309 357

29,17 29,21 29,22 29,26 29,27 29,30 29,31 30 30,1 30,3-5.9 f. 30,4.9 30,13 30,14 30,18 30,20 30,22 30,23 30,26 30,28 ff. 30,32-43 30,36 30,43 31 31,7.41 31,10-13 31,13 31,19.34 f. 31,19 31,23 31,24 31,28 31,29 31,30 31,33 31,35 31,38-41 31,39 31,44.48 31,50-54 31,50 31,51 f. 31,53 31,53.42 32,4 ff. 32,5 32,6.16 32,11 32,15 32,23-33 32,29 32-35 32 f. 33,11

503 66 138 218 16, 19 133 180, 315 134 96, 568 524 179 219 179 357 f. 293 180 97 16 265 265 365 191, 467 140, 460 357 598 495 135 481 365 598 265 210 224 675 421 265 265 677 677 677 676 199 135 63 63 619 221 619 260 417 159 476 260

33,19 34 34,2 34,3 34,7-10 34,7 34,10 34,12 34,29 34,31 35,2 35,8 35,16-18 35,17 35,19 f. 35,39 36,2.12.14 37-50 37.39-50 37 f. 37 37,1 37,5-11 37,5-10 37,7 37,9-12 37,12-17 37,12.17 37,13 37,22 37,24 37,25 37,27 37,36 38 38,2 38,8-10 38,8-11 38,11 38,12 f. 38,14 f. 38,15 38,17 f. 38,17 38,18.25 38,20 38,21 f. 38,24-26 38,24 38,26 38,27-30

367 48, 211, 460, 520, 558 133, 211 108 623 218 623 92 519 451 472 654 400 187, 315, 482 588 617 417 214, 268, 611 641 360 159, 211 668 598 599 338 108 265 487 293 190 74 316, 475 f. 615 128 134, 401, 451, 453, 599, 603, 667 380 179 31 667 140 451 520 451 451, 618 522 168 482 218, 460 566 198 f. 187

695

SWB (08021) / p. 708 / 6.9.2022

696

Stellenregister

38,29 39,1 39,4 39,20-23 39,23 40 f. 40,1 40,3.4.15 40,16-18 40,19.22 40,20 41,10.14 41,33-36 41,33.39 41,33 41,35 41,42 41,44 f. 41,54 f. 42,18 42,19 42,25.27 42,26 42,35 43,9.32 43,9 43,11 43,14.30 43,14 43,16.19 43,24 43,30 43,33 44,1.4 44,2.12.16 f. 44,32 45,1 f. 45,13 45,18 45,19 ff. 45,19.21.27 46 46,27 46,32 46,34 47,4 47,6 47,13 ff. 47,13-26 47,17 47,18 f. 47,23 f. 47,25

Exodus

187 128 221 190 190 360, 599 410 190 416 566 138 190 331 642 642 416 502, 522 417 116 162 190 414 620 192 570 80 238, 324, 413, 654 108 221 549 312 110 123 549 415 80 110 97 408 476 609 456 164 619 265 159 265 116 416 618 21 434 221

47,29 48,10 48,14 48,15 49 49,6 49,11 49,20 49,24 49,25 49,28 49,30 f. 50,2 f.26 50,2.26 50,2 50,10 50,13 50,15-21 50,17 50,20

221 8 516 266 560, 614, 622 221 322 117, 239 266 400 615 586 427 312 316 488 135, 586 213 110, 570 611

Exodus 1-15 1-5 1 1,5 1,7 1,11-15 1,11-14 1,11 1,14 1,15-21 1,15 f. 1,17.21 1,21 2,1 2,3 2,9 2,13 2,15 ff. 2,15 2,15b-21 2,16-19 2,16 2,22 3 3,1 3,8.17 3,8 3,13 ff. 3,16 3,17 3,18

456 20 162, 361, 605 164 55 211 662 177, 630 16 187 187 162 162 254 486 357 f. 611 74 28 266 265 f. 73, 265, 409 159 163, 231, 668 265 407 53 418 9 325 10, 365

4,11 4,14 4,21 4,22 4,24-26 5 5,12 5,21 6,4 6,9 6,14.25 7-14 7,11 7,19-25 7,20 7,21 8,3 8,10 8,14 9,1 9,11 10,12 ff. 10,12 11 f. 11,2 12 12,1-14 12,3-11 12,3 f. 12,5 12,7 12,8 f. 12,8 12,11 12,12-14 12,15 12,19.48 f. 12,24-27 12,24.43 12,26-28 12,29 f. 12,34 12,40 12,44 12,45 12,49 13,1 f. 13,2.13 13,3.7 13,5 13,8.14 13,10 13,11-13

40 108 360 600 48, 60 21, 361, 605, 662 333 199 159 16 614 231 517, 603 61 360 409 603 366 603 16 603 656 349 649 403 60, 140 259 334 138 619 249 138 406, 654 156 138 72 159 599 209 349 485 296, 415 671 292, 526 358 377 1 188, 344 72 407 133 209 1

SWB (08021) / p. 709 / 6.9.2022

Exodus

13,12.15 13,13 13,14-18 14-19 14 f. 14 14,8 f. 14,14 14,21 14,31 15 15,3 15,9 15,16 15,19-21 15,20 f. 15,20 15,21 15,23 15,26 16,1-17,7 16 16,4 16,12 f. 16,13 ff. 16,13-36 16,13 16,18 16,23 16,31 16,36 16-Dtn 34 17,1 17,5 f. 17,8-16 17,16 18 18,10 f. 18,16 18,20 18,21-23 18,21.25 18,21 19-Num 10 19-24 19,1 19,3-6 19,4 19,5 f. 19,11 19,14 f. 20-23 20

Stellenregister

2 31 349 89 421, 456 212, 605, 649 605 173 421 261 546 173, 388 f. 340 293 621 438 396, 398 173, 632 409 317 182 237, 268, 490, 669 72 274, 406 653 366 657 26 259 332 366 669 409 360 212, 605, 649 632 163, 174, 552 227 199 573 576 552 216, 627 349 458 140 625 402, 656 78, 255, 256, 257 581 112 51, 377, 658 430

20,1-17 20,2 ff. 20,2 20,4-6 20,4 20,7 20,8-11 20,8 20,10 20,11 20,12-17 20,12 20,13 20,16-18 20,16 20,17 20,22-23,33 20,22-23,19 20,22-26 20,22 20,23 20,24-26 20,24 20,26 21 f. 21 21,1-22,19 21,1-11 21,1-6.7-11 21,1 ff. 21,1.31 21,1 21,2-22,16 21,2-11 21,2-6 21,2.5.26 f. 21,2 21,3 21,4 ff. 21,8 21,9 21,12 21,13 f. 21,14.18.35 21,15.17 21,15 21,16 21,17 21,18-26 21,18 f.

460 125 29 f., 155 f., 173, 456 57 199, 314 419 490 139, 256, 259 21, 159, 213, 491, 526 259 213 9, 134, 151, 347, 401, 599 4, 213 403 677 236 196, 459 1, 460 428 259 224 7 418, 428 519 232 30 377 132 21 493 209 23 209 525, 538 24, 160, 278, 659 f. 155 19, 378, 617 151 30 158 378, 538 566 28, 378 403 9, 347, 599 566 566 97, 566 403 214, 316

21,20 f.26 f. 21,21 21,22-25 21,22-24 21,22.26.30-37 21,22.26 f. 21,22 f. 21,23-25 21,24 f. 21,26 f. 21,32 22,1 f. 22,2-5 22,4 22,5 22,6-14 22,6-13 22,6-10 22,7-10 22,9-12 22,9 22,12 22,14 22,15 f. 22,15 22,16 22,17 22,19 22,20-23,19 22,20-26 22,20 f. 22,20 22,21 f. 22,21 22,23 22,24 22,25 f. 22,25 22,26 22,28 f. 22,28 22,29 22,30 23,1-8 23,3.6-12 23,3 23,5 23,6 23,8 23,9 23,10-19

659 102, 659 5 213 565 539 5 565 31 292 367 21 565 329 333 659 403 462 101 265 265 265 358 133 214, 285, 539 92 517 36, 567 377 23, 219, 659 24, 160 155, 159 461 214, 633 633 22, 24, 510, 538, 660 296 24, 510, 617 23 188, 344 1, 430 1 59, 259, 474, 621 460 23 22 375, 538 22 50 155, 159, 181, 214, 377, 456 287

697

SWB (08021) / p. 710 / 6.9.2022

698

Stellenregister

23,10-12 23,10 f. 23,10 23,11 23,12 23,14-17 23,14 23,15-17 23,16 23,17 23,19 23,19b 23,21 23,23 23,25 f. 23,29 23,31 24 24,3-8 24,4 24,7 f. 24,8 24,9-11 24,11 24,16 f. 24,19 25 ff. 25-31 25-27 25 25,3 25,5-38,6 25,8 25,23 26,7 26,33 f. 27,20 27,21 28 28,3 28,4 28,9-12.17-22 28,11 28,12.29 28,33 f. 28,33 28,35 28,36 28,40-43 28,40 28,42

Levitikus

659 24, 160, 334, 493, 538 487 6, 22, 139, 335 21, 159, 379, 491, 493, 539, 662 334, 482 634 135 2, 333 140, 634 1, 475, 622 379 63, 418 53 317 657 270, 326 231, 624, 640 60 f., 428 560 77 640 11 117 99 407, 544 675 669 364 355, 471 384 653 458 415 619, 675 259 353 209 299, 471 642 296 523 44, 521 418 323 56 399 505 259 296 296, 519

28,43 29,2.23 29,7 29,9.28 29,20 f.36 f. 29,22 ff. 29,23 29,37.44 29,37 29,38-46 29,38-43 29,40 29,43.45 f. 29,44 30 30,11-16 30,13 30,15 30,18-21 30,18 f. 30,19 30,22-38 30,22 30,25 30,26-28 30,33 30,35 31,3-6 31,3 31,12-17 31,12.14 31,13-17 31,14 f. 31,15 31,16 32-34 32 f. 32 32,2 ff. 32,2 f. 32,4 32,6 32,9-14 32,9 32,10.13 32,16 32,17-19 32,20 32,23 32,27 33,3 33,11 34

209 70 f. 427, 495 209 60 619 412 256 259 430 480 323, 366, 412 430 256, 258 471 562 367 22 471, 577 313 636 312 495 426 495 426 486 642 244 112, 480, 482, 490 492 256 256, 566 21 78 79, 164, 509 166 157, 164, 385 166 502 385, 582 118 213 650 55 192 398 166 507 168 407 168 2, 231

34,6b-7 396 34,7 211, 347 34,10-16 624 34,10 228 34,11-26 1 34,11 624 34,12.14-16.18.21-24.26* 1 34,14.17 57 34,15 f. 224 34,17 224 34,18-26 334 34,18-23 287 34,19 f. 2 34,19 2, 344 34,20 31 34,21 21, 491 34,22 2, 333 34,23 140, 634 34,26 125, 407, 475, 544 34,28 118, 410 34,29 f.35 99 35 ff. 675 35-40 669 35-39 45 35,1-3 112 35,2 21, 566 35,22 502 35,24 384 35,26-31 642 35,26 16, 618 35,31 244 36,4 16 37,17.21 335 37,29 426 38,8 482 38,25 f. 367 38,26 367 39 471 39,6 521 39,25 f. 335 40,10 259 40,15 427 40,34 f. 99 Levitikus 1 ff. 1-7 1 1,1 ff. 1,5.11 1,5 1,14 ff. 2

542 481 211 620 472 406 622 323, 430

SWB (08021) / p. 711 / 6.9.2022

Levitikus

2,3.10 2,4 f. 2,4 2,6 2,7 2,11 f. 2,12 2,13 2,14.16 2,14 3-5 3,1 ff. 3,7 ff. 3,7-11 4 f. 4 4,1 ff. 4,3.5 4,6.17 4,6 4,15 5,1 5,4-6 5,7 ff. 5,11-13 5,11 5,14 5,15 5,20-24 5,22.24 5,23 6,3 6,10.18.22 6,11 6,13 6,15 6,18 f. 7,1-6 7,1.6 7,8.33-36 7,9 7,11-15 7,12 7,24 7,26 f. 8 f. 8,6 9 9,1 ff. 9,22 10,6 10,9 11-15

Stellenregister

259 412 70, 412 116, 412 70, 411 f. 622 409 409, 486 411 411 211 620 619 619 571 380 620 495 577 60 9 101, 676 f. 100 622 472 366 412 292, 367 565 100 215 296 259 150 366 380 571 619 259 562 70 259 412 474 59 60 577, 636 99 620 516 312 112 310, 471-473

11 11,2-8 11,3 11,4 11,5 11,7 11,9-12 11,9 11,13-19 11,20.23 11,21 f. 11,22 11,25-40 11,26 f.29 f.41 f. 11,32 11,44 f. 11,44 12-15 12 12,1-8 12,1-5 12,1 12,2-8 12,2 12,3 13 f. 13 13,1 ff. 13,29 f. 13,45 13,47 f. 14 14,2 ff. 14,4-6.51-53 14,7 14,8 14,9 14,10-24 14,10.21 14,17 f.28 f. 14,21 15 15,2-7 15,5 15,6 f. 15,6 15,16-18 15,19-33 15,24 15,33

112, 274, 424, 474, 480, 482, 541 542 620 424 657 621 146 274 406, 543, 657 543 544, 656 274 636 542 577 369 259, 474 f. 317 47 f., 472 188 152 133 61 315, 344 47 f., 187 299, 316 471 41 8 312 324 92, 473, 577 319 472 543 312 8 365 366 426 22 316, 472-474, 577, 636 310 473 313 473 344 60 112, 474 315

16 16,3 f. 16,4 16,10 16,14-20 16,14 f. 16,29.31 16,29 17-26 17 17,7 17,8 f. 17,10-14 17,10-13 17,11.14 17,11 f. 17,11 17,13 17,14 17,15 f. 18 18,1-5.24-30 18,4.26 18,5 18,6-16a 18,6.12 18,7-16 18,8 18,16 18,17 f. 18,18 18,19 18,21 18,22 18,26 19 19,2.26 19,2 19,4 19,8 19,9 f. 19,11-18 19,12-18+19 19,12 19,13-18 19,13 f.15 f. 19,13 19,14 19,16 f. 19,17 f. 19,17

61, 174, 259, 430, 481, 582, 610 f. 258 636 669 60 472 112 159 209, 459, 526, 659 541, 594 619 159 59 159 342 474 225, 375 657 59 160, 313 95, 133, 374, 474, 594 624 209 593 519 615 95 464 95 95 201 112, 474 419 520 159 256, 258, 403 256 112, 257 f. 57, 224 615 334, 338, 488 404 126 419 403 404 358 40 404 404, 454 312

699

SWB (08021) / p. 712 / 6.9.2022

700

Stellenregister

19,18.34 19,18 19,19 19,20 19,24 f. 19,27 19,28 19,29 19,31 19,32 19,33 f. 19,33 19,34 19,35 f. 19,36 19,36 LXX 19,37 20 20,2 20,3 20,7 20,9 20,10 20,11 f. 20,11 20,13 20,14 20,17-21 20,18 20,22-26 20,22 20,24 20,25 f. 20,27 21 21,5.10 21,7-9 21,7.9.14 21,7 21,8 21,9 21,13 f. 21,17-23 21,20 22,4 22,13 22,18-23 22,19 ff. 22,24 22,26 ff. 22,27 f. 22,32 f.

Numeri

110 109, 127, 236, 356 f., 403 f. 209, 487, 620 155 334 597 135 451, 518 587 8, 347, 480 158, 219, 403 24, 160 109, 356, 456 240 29, 240, 456 365 209 97, 431, 474 159 419 256 97, 566 133, 566 566 464 520 566 201, 567 112, 315, 474 624 209 407 257 566 258 312 451 603 92 258 566, 603 285 40 179 315 92, 114 196 221 265, 619 379 622 155

22,32 23 23,3 23,5 23,9 f. 23,14.21.31 23,14 23,22 23,40 23,42 24,10-16 24,14 24,15 24,16 24,17.21 24,20 25 25,1-7 25,2 ff. 25,3-7 25,5 25,6 25,8 ff. 25,8-55 25,10-22 25,10 25,15 ff. 25,18 25,23 f. 25,23 25,25-28 25,25 25,29-31 25,29 f. 25,29 25,35-43 25,35-38 25,39-46 25,39-43 25,39 f. 25,39 25,40.50 25,40 25,42 25,43.46 25,44-46 25,47-54 25 f. 26 26,1

256 112, 140, 259, 287, 334 482 287 2 209 411 334, 338 324 140 566 566 379 159, 377, 419 566 31 6, 24, 31, 278, 328, 494, 526, 539, 659 139 487 494 494 334 487, 494 562 328 155, 278 539 209 182 102, 278, 328, 334, 659 328 31, 278 90 325, 659 325 617 24, 660 660 526 659 16, 21 358 16 29 20 158, 526 526 155 315 224

26,5 26,9.22 26,19 f. 26,22 26,26 26,29 26,33-39 26,34.43 26,46 26,52 27,1-8 27,2-7 27,5 27,16 27,19-21 27,29 27,32 f. 29

116 f., 333 55 334 655 116, 410 310 86 494 593 333 8, 196, 344 188 367 292, 366 325 36 562 201

Numeri 1 1,1 1,2 3,11-13 3,44-51 3,47 4,3.23 4,16 4,33.35.39.43 4,47 5 5,2 5,11-31 5,12-31 5,12-15 5,18.22 5,24-26 6 6,1-21 6,3 f. 6,3 6,22-27 6,24-26 7,3-8 7,3 7,13 8 8,6 f. 8,7 8,16 8,21 8,24 9,14

615 668 614 431 31 367 345 426 16 16 517 315 152, 516 507 101 516 516 112, 258 196, 519 639 414 517 308, 317, 354, 506 609 609 415 355 471 577, 636 2 571 16 159

SWB (08021) / p. 713 / 6.9.2022

Deuteronomium

10-34 10,9 11 11,4-21 11,4.13 11,5 f. 11,5 11,7 11,12 11,15 11,16 11,31-34 11,31 f. 11,31 11,32 12 12,1 12,6 12,8 13 13,20 13,22 13,23 13,27 13,29 14,8 14,9 14,18 14,39-45 15,14-16.26.29.30 15,15 f. 15,21 15,22-29 15,27-31 15,30 15,32-36 15,40 16,13 f. 16,14 17,16-26 18 18,4 18,7 18,8-32 18,8-19 18,8.11.19 18,8 18,13 18,15 f. 18,16 18,17 18,20 ff. 18,20

Stellenregister

89 398 10, 653 405 541 324 180, 324, 332 332 189 568 576 406 274, 657 365 366, 414 438 623 f. 598 56 624 2, 333 670 178, 412 407 232 407 116 396 212 159 390 471 571 566 377, 571 490, 566 256 407 566 323 2, 562 16 472 334 2 209 2 2 31 367 31 562 104

18,21-24 18,21 18,25-32 18,30-32 18,31 19 19,4 19,7 19,10 19,11-22 19,19 20 20,1-13 20,14 20,17 21,1-3 21,2 21,4-9 21,7 21,8 f. 21,13 21,17 f. 21,22 21,25 21,27 22-24 22 f. 22,5 22,7 22,17 22,22-35 22,22-31 22,22 22,23.31 22,24 24,17 24,24 25,1 25,11 ff. 25,14 26,52-56 27,1-11 27,1-8 27,1-7 27,9-11 27,17 28 f. 28 28,5 28,9 f. 29 30 30,3-16

2, 538 3 2 358 357 472, 577, 587 60 636 160, 209 344 571 635 261 63 73, 238 196 196 656 185 656 632 73, 398 238 90 398 474 515 623 358 97 375 211 620 632 330 195 498 623 224 614 617 114, 480 328, 334 617 114 266, 619 140, 287 140 323 490 259 196 100

30,3 30,10 30,14 30,17 31,6 31,20-23 31,22 32,16 32,34-38 32,39-42 34 35 35,1-15 35,1-8 35,6 35,12.24.25 35,15 35,16-34 35,19-29 35,19 35,24 35,30 36,1-12 36,2.7 36,5-9

100, 196 92, 196 196 209 398 636 384 266, 618 37 511 326 28, 617 31 325, 334 28 29 160 31 454 617 209 566, 676 f. 114, 537, 617 325 328

Deuteronomium 1-30 1,5 1,7 1,15 1,16 1,26 1,44 1-11.27 ff. 2,31-3,8 3,4 f. 4 4,2 4,8 4,9 f. 4,10 4,12-20 4,15-19 4,16 4,19 4,20 4,26 4,40 4,41-43 5,2 f. 5,3 5,6-21

591 348 270, 325 f. 552 160 650 622 591 158 90 27, 165 289, 591 198 294 105, 228, 348 f. 57 224 224 164 104, 327, 385 677 9 28 599 672 460

701

SWB (08021) / p. 714 / 6.9.2022

702

Stellenregister

5,6.15 5,6 5,7 ff. 5,8-10 5,11 5,12-15 5,12 5,14.21 5,14 5,15 5,16.31 5,16 5,20 5,21 5,22 5,26 5,30 5,31-6,1 6,1 ff. 6,2 6,3 6,4 f. 6,4 6,5 6,6.20 6,7.20-25 6,7 6,8 f. 6,10 ff. 6,10.18.23 6,13 6,17 f. 6,20 7 7,1 ff. 7,1-6 7,3 f. 7,4 7,5 7,6-9 7,6 7,12 7,13 7,15 7,25 8,3 8,7 8,8 8,9 8,13

Deuteronomium

29 155, 334 378 57 419 139, 490 259 620 21, 159, 375, 526, 622, 662 672 326 9, 134, 294, 347, 401 f. 677 236 507 342 675 592 370 9 178, 407 236, 255 164, 273 110, 342, 356 f., 371, 404 349 294 249, 393, 506, 599 507 182, 457 326 16, 418 326 133 211, 616 36 158 158 255 255 255 625 323 326, 356, 515 315 384 72, 342 73 323, 332, 412, 486 385 193

8,15 8,17 f. 8,17 9,4 f. 9,7 9,10 9,12 9,26 10,3 10,5 10,8 10,9 10,12 10,16 10,18 f. 10,18 10,19 11,9 11,10 f. 11,10 11,13-17 11,13 f. 11,14 f. 11,16 f. 11,17 11,24 f. 11,30 12-26 12 12,1-14,21 12,1 12,2-7 12,5 12,6.11.17.26 12,12.18 12,13-19 12,15 f.22-25 12,15.22 12,15 12,16.23-25 12,20-25 12,21 12,23 f. 12,23 12,27 12,31 13 13,1 13,2-19 13,2.6 13,5 13,7 13,10 f.

656 467 467 255 672 105 224 104 653 592 16, 418 104 371 49 160 117, 207, 633 159 407 180, 330 180, 636 330 326 334 334 178 270 325, 591, 654 36, 209, 459, 591 f. 88 659 209 28 418, 581 196 526, 634 59 657 274 139, 405 59 541 418 379 342 59 294 211, 378 289, 591 566 598 162 167 f., 403 566

13,13-16 13,18 14 14,1-21 14,1 f. 14,1 14,2 f. 14,2 14,3-21 14,4 f. 14,5 14,8 14,9 14,11 14,12-20 14,21 14,22-29 14,22-29* 14,22-28 14,22-27 14,22 14,23 14,24-26 14,26 14,28 f. 14,29 15 15,1 ff. 15,1-18 15,1-11 15,1-3 15,2-6.12 15,2.12 15,2 f. 15,2 15,3 15,4-6 15,4 15,7 f. 15,7 15,10 f. 15,11 15,12-18 15,12-17 15,12-15 15,12 f. 15,12 15,15 15,17 15,18

567 221 541, 562 274 135 597 259 256, 258, 474 112, 474 542 406 621 274 274 657 59, 158, 407, 474 f., 544 2, 193, 536, 550, 552, 582 f., 659 2 562 2, 538 2, 582 2 556, 663 639 2, 24, 160, 538 160, 633, 667 125, 349, 494 155, 493 552, 562 6, 536, 659 24, 160 403 403 510 403, 538 158 536 538 51 326, 538 661 23, 535 31, 278, 536, 617, 659 f. 526 160 155 24 526 672 357 f.

SWB (08021) / p. 715 / 6.9.2022

Deuteronomium

15,19-23 16 16,1-17 16,1-6 16,3 16,7 16,9 16,11.14 16,11 16,12 16,13 16,14 16,16 f. 16,16 16,18-17,13 16,18-20 16,18 16,19 16,20 17 17,6 17,8-13 17,11 ff. 17,14 ff. 17,14-20 17,14 17,15 17,16 17,18-20 17,18 18,1-9 18,9-14 18,10 f. 18,10 18,11 18,14 18,15-22 18,18 ff. 18,18 18,19-22 18,21 19,1 ff. 19,1-13 19,1-7 19,4.5.11 19,8-10 19,11-13 19,12 f. 19,12 19,14 19,15-21 19,15 19,16-19

Stellenregister

550, 552 287, 349 334, 634 140 71 138 333, 488 151, 160, 634 159, 536, 617 140 488 159 634 135, 151, 476, 634 200 461 200, 552 50 605 304 677 461, 550, 576, 591 591 531 361, 536, 552, 650 304 158 155, 621 378 448, 591 334 447, 482 517 294 587 603 447 418 591 566 448 378 28, 31, 617 28 403 28 454, 567 29 9 f. 403 200, 550 378, 566 676

20 20,5-9 20,5-7 20,5 20,9 20,16-18 20,19 ff. 20,19 f. 20,19 21,1-9 21,2 ff.19 f. 21,3 21,6 21,10-14 21,13-19 21,14 21,15-17 21,17 21,18-21 21,19 21,22 f. 22,1-12 22,5.11 22,5 22,6 f. 22,6 22,8 22,9 f. 22,9 22,10 22,11 22,13-21 22,13-18 22,15 ff. 22,15 22,16 22,17 22,19.29 22,22 22,23-27 22,24.26 22,24 22,27 22,28 f. 22,28 23,2-9 23,2 23,6 23,8 23,10-15 23,11 f. 23,15 f.

174, 270, 624 378 627 552, 627 552 158, 270 125 213, 379 423, 489 60, 158 10 9 313, 636 158, 292, 520, 526 539 92 109, 334, 357 327 9, 133, 347, 460, 599 135, 200 60 126 480 153 274 125, 213, 379, 407 480 480 487 336, 620 324 133, 294, 459 f. 93, 565 10 200 152 296 92 95, 133 66, 461, 520 403 66, 95 461 93, 133 285 40, 105 40 f., 129, 179 488 159, 456 174 636 155

23,16 f. 23,18 f. 23,20 f. 23,20 23,21 23,22-26 23,22-24 23,25 f. 23,26 24,1-4 24,1 24,3 24,6.10-13.17 24,6.10-13 24,6 24,7 24,8 24,10 f. 24,10 24,12 f. 24,12 24,13 24,14 f. 24,15 24,16 24,17-22 24,17 24,18-22 24,19-22 24,19-21 24,19 24,20 24,22 25,1-3 25,1 25,2.11 f. 25,4 25,5-10 25,5-9 25,5 25,6 25,7 ff. 25,11 f. 25,13-16 25,13 25,15 26,1-15

28, 378, 526 451, 482 24, 379, 536, 617, 659 f. 663 158 379 196 24, 51, 403 333 92 f. 152 341 24 160, 536, 659 510 566 316 510 403 298, 510 22 198, 296 24, 160, 358, 379, 534, 659, 663 19 125, 271, 378 219, 617 24, 160, 297, 510, 633, 667 155 24, 51, 160, 335, 633, 667 160 338 489 29 200, 565 198, 462 378 213, 333, 338, 357, 619, 622 95, 114, 460, 617, 667 538 95 418 10 566 240 367, 663 366 550, 552

703

SWB (08021) / p. 716 / 6.9.2022

704

Stellenregister

26,1-11 26,5-22 26,5-10 26,9-11 26,9.15 26,12 ff. 26,12 26,14 26,26 27,2 f. 27,3 27,8 27,15-26 27,15 27,16 27,18 27,19 27,25 28 28,1-6.15-19.22 28,1-14 28,3-13 28,4.18 28,4 28,5 28,8 28,11 28,12 28,15-51 28,21-27 28,22 28,27.60 28,27 28,36 f.63-68 28,38 28,38-40 28,40 28,43 f. 28,48 28,49 28,53-57 28,56 f. 28,69 29-31 29 29,2 29,10 29,11-20 29,20 30 30,6 30,9-14 30,10

Josua

2, 431, 456 182 431 537 407 562 160, 335, 633, 667 135 414 505 407, 507 348 517, 567 45, 57 97, 134 40 160, 633, 667 50, 60 211, 315, 517, 525 178 334 515 180, 544 516 516 117, 333 179 510 334 315 488, 605 315 316 86 488 490 312 160 268 548 310 187 77 624 315 486 159, 409 101 507 349 49 209 289

30,11-14 30,19 30,20 31,1.24 31,7 31,9-13 31,9-11 31,9 31,10 f. 31,11 f. 31,12 f. 31,12 31,16 31,19-22.30 31,19-21 31,20 31,26 31,28 31,30 32 32,6.18 32,6 f. 32,6 32,6b 32,8 ff. 32,8-12 32,8 f. 32,8 32,10 32,11 32,13 32,14 32,15 32,18 32,24 32,25 32,32 32,35 32,39 32,45 f. 32,46 32,47 33 33,2 33,4 33,9 33,17 33,24 33,25 33,28 33,29 34,3 34,10-12

349 341, 677 342 350 101 349, 393 506 448 591 379 294 159 603 396 677 407 592, 677 9, 677 105 396 600 439 501 136 164 669 327, 360 164 669 402, 656 409 322, 408, 620 501 311 268 345 501 111, 568 189, 317 350 396 342 560 559 591 539 620 239 384 332 220 412 448

Josua 1-12 1,11 2 f. 2 2,2-22 2,6 2,7 2,8-13 2,12-14 2,12.14 2,14 2,15-18 2,17.20 3,10 3,15 4,9.20 4,13.19 5,2-9 5,6 5,10 f. 5,13-15 6 6,5 6,17-25 6,17 f. 6,23-26 6,24 7 f. 7 7,1-11 7,4 f. 7,9 7,14-18 7,16-18 7,21 8,29 8,31 9 9,1 9,13 9,15 9,19 f. 9,21.23.27 9,22 f. 10-12 10,1 10,13 10,26 f. 10,40 11,3 11,6.9 12,8

270, 558, 624 416 603 159, 438, 460 451 453, 636 193, 605 227 100 221 221 251 101 342 577, 636 560 457 47 407 140 581 325, 398 619 451 36 159 193 36 36 464 605 418 560 614 385 60 7 53, 159, 227, 325 232 637 77 100 409 516 158, 211 199 396 60 36 232 211 232

SWB (08021) / p. 717 / 6.9.2022

Richter

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13 ff. 13-19 13,2-5 13,23 15,14-19 15,34 15,45 16,8 17,1 17,14-18 17,15-18 17,17 20 20,4 f. 20,4 20,9 21 22,14 22,19 22,26 f. 23,12 24 24,13 24,20 24,22 24,26 24,32

114 325 326 90 511 413 90 413 511 6 330 254 31 29 200 160 28, 325 614 326 677 158 624 17 255 676 592 367

Richter 1 1,6 f. 1,16 1,17 1,19-3,6 2,10 2,14 f. 2,15 2,17 3,1-6 3,5 f. 3,5 3,12-30 3,13 3,16 3,20-25 3,27 4-16 4-11 4 f. 4,1-10 4,3 4,4 4,5

36, 53, 558 148, 566 412 36 159 349, 617 211 212 603 53 36 232 649 412 364 251 398 211 212 438, 448, 649 615 210 460 460

4,7 4,17-22 4,17-21 4,17 4,18 f. 4,20 4,21 5 5* 5,1.9.23.24 5,3 5,4 5,5 5,7 5,11 5,13-22.24-30 5,13-18 5,14-18 5,16 5,17 5,20 f. 5,20 5,21 5,23 5,24 5,25 5,26.31 5,29 5,30 6 f. 6,2-4 6,5 6,11 ff. 6,11 6,13 6,19 6,33 7,1 7,5 ff. 7,8 7,13-15 7,19 7,21 f. 7,22 8 f. 8,2 8,5 8,7 8,14.16 8,18-21 8,22 f. 8,22

143 159, 182, 438 117 53 675 675 569 15, 386, 448, 546, 560, 632 396, 398 448 398 559 173 460 156, 198 325 614 615 265, 397 497 421 173 173 173 53 408 569 642 148, 172, 519 649 330 620, 656 63 131, 338, 654 210 415 143 591 410 675 598 670 360 143 34 335 70 338 10 617 207, 304, 650 131

8,24 f. 8,25 8,26 9 9,1 9,4 9,5.12 9,7-15 9,7-13 9,8-15 9,8 f. 9,8 9,15 9,27 9,28 ff. 9,45 9,50-54 10 f. 10,3-5 11 11,1 11,5 11,24 11,29-40 11,30-40 11,30 f. 11,34 11,35-40 11,37-40 12 12,1-3 12,14 13-16 13 13,2-8 13,2 13,4 f. 13,4 13,5 13,7.14 13,14 14,1-4 14,5 f. 14,8 f. 14,8 14,18 14,19 15,4 f. 15,5 15,19 16 16,1 16,13

502, 561 296 486 361, 558 271, 615 193, 249 116 178, 323, 361, 650 638 304, 335, 623 332 412 306 591 551 486 569 649 511 34, 142, 346, 360 451 10 360 196, 341 211 100, 196 139, 398 599 399 211 615 620 519, 649 63 401 315 344 112 112, 196 331 639 95 657 409 335 409 297 211 322 409 212 451, 603 244

705

SWB (08021) / p. 718 / 6.9.2022

706

Stellenregister

1. Samuel

16,21 16,25 16,28 ff. 16,31 17 f. 17,1-6 17,1-5 17,2 17,3 17,4 17,7 f. 18 18,22 18,28 19 19,11 f. 19,12 19,16 19,19 19,20 19,21 19,24 20 f. 20 20,1 20,13 20,16 21 21,16 21,20 f. 21,21 21,23

566 190, 267 569 569 460 224 135 101 667 45 159 481 131 37 182, 211, 360, 520 623 476 159 116, 333 171 117, 159, 312 211 211 182 326 500 570 519 9 322 142, 397 37

1. Samuel 1 f. 1 1,2 1,3-9 1,3 1,6-11 1,6 1,9.13 f. 1,9 1,10 1,11 1,17-27 1,18 1,21 f. 1,21 1,22-25 1,24 1,26 2

401, 634 108, 112 96, 482 135 139, 476 293 179 140 117 341 100, 196 399 221 580 135 293 399 184 15, 470

2,1-10 2,1 2,4 f.8 2,5 2,6 f. 2,6 2,7 2,8 2,9-18 2,10 2,13 2,22 2,25 2,36 3,2 3,3 3,13 3,14 3,20 3,33 f. 4 4,15 4,19-21 4,20 5 f. 5 5,6.9.12 6,1-12 6,7 6,7-14 6,15 7,1 7,10 f. 8 8,1 ff. 8,3 8,4 f. 8,5 8,6-8 8,7 8,11-17 8,11 f. 8,11 8,12 8,13 8,14-17 8,15-17 8,15.17 8,15 8,20 9 9,1 ff. 9,2

25, 189, 380 108 361 315 360 317, 588 467 51 259 380 406 482 462, 570 116 9 355 271 429 326 399 211 f., 649 9 315 187, 482 360 162 315 375 619 609 139 258 360 19, 305, 615 172 216 623 304 650 207 177, 361, 511, 650 331, 336, 627 631 627 312, 426 331 325, 538, 550 561 193, 328 304 476 476 502

9,6 9,7-10 9,7 9,8 9,11 9,16 9,24 10,1 10,2 10,3 10,5 f.10-13 10,5 10,6 10,18-21 10,18 f. 10,19 10,27 11 f. 11 11,2 11,6 11,7 11,12 f. 12 12,3 12,5 12,21 13 f. 13,19-21 13,19 13,20 f. 13,20 13,21 14,1.6 14,14 14,24-44 14,24-28.38-45 14,24 14,26 ff. 14,26-30 14,32 14,45 15 15,1.17 15,3 15,4 15,27 15,35 16,1-13 16,1 16,11 16,12 16,13

97 447 116 367 73, 415 427 619 327, 415, 427, 495 116 476, 637 447 399 271 560 650 207 561, 650 387 212, 649 98, 148 271 487 213 650 380 677 669 211, 649 384, 663 45 337 336 367 551 365 571 100 196 622 409 618 155 36, 211 427 211 53 296 597 345 495, 597, 619 266, 293 503 495

SWB (08021) / p. 719 / 6.9.2022

2. Samuel

16,14-23 16,14-17 16,14 16,18 f.23 16,18 16,20 16,22 16-2 Sam 8 17 17,2 17,5.38 17,5 ff. 17,6 17,17 f. 17,17 17,18 17,25 17,26 17,34-36 17,34 ff. 17,34 f. 17,34 17,40 17,44 17,45 17,51 f. 18-20 18,3 18,4 18,6 f. 18,7 f. 18,10 18,16 18,17 f. 18,20 19,9 19,11-17 19,13 19,20-24 19,20 19,22 20,3.29 20,3 20,5 f. 20,5 20,6 20,13 20,17.42 20,21 f.35 ff. 20,27 20,30-33 20,30 21

Stellenregister

399 129 271 265 502 116 221 360 211 f., 649 654 628 172 628 171, 627 411 117, 408 155, 325 342 274, 655 423 657 266 266 310 173 605 168 77 296 151 398 271, 399 356 135 108, 356 271, 399 135 481 447 105 73 221 100 135 139 138 316 101 551 616 599 500 481

21,5-7 21,5 21,7 21,8 21,10 21,11 22 ff. 22 22,1 f. 22,2 22,3 22,6 22,7 22,17 22,23 23,18 23,29 24-26 24 24,4 24,5 24,7.11 24,12 24,13 24,15 25 25,2-12 25,2 25,10 25,18 f. 25,18 25,22 25,22.34 25,25 25,26 25,40 25,41 26,11 f.16 26,18.20 26,18 26,19 26,20 27,5 27,9 28 28,5-25 28,6 28,8 28,13 28,24 29,5

112 112 71 158 296 398 34 34 172 35, 102, 511 510 653 627 551 110 77 408 213 637 266, 618 296 380 570 454 500 34 f., 140, 212, 618 266 265, 618 510, 525 117 116, 331, 366, 411 f., 415 f. 500 150 417, 500 f. 100 667 313, 635 415 274 605 326, 360 657 221 297 135, 138, 476, 482, 603 129 598 476 587 620 398

30,4 30,12 30,16 30,17 31 31,3 f. 31,11-13 31,13

110 331, 416 117 620 211, 649 569 569 112, 653

2. Samuel 1 1,5 ff. 1,11 1,12 1,13 1,17-27 1,17 1,18 1,19-27 1,20 1,23 1,24 1,26 2 f. 2,4 2,13 3,8 3,10 3,27 3,29 3,33 3,35 4,3 4,4 4,10 4,20 5,1 5,3 5,5 5,6-10 5,6-8 5,6.8 5,7 5,11 5,17-25 5,21 5,23.24 6 6,3 6,5 6,6 6,16.20 6,19

211, 649 569 295 112 159 183, 399 398, 597 396 168 151 655 135, 151, 502 356, 520 211 f. 495 74 167, 500, 621 326 617 116, 315 597 100, 116 159 40 358 400 615 9, 77, 495 615 325 40 40 559 44, 244 649 224 324 137, 139, 397 609 397 338 519 116, 412

707

SWB (08021) / p. 720 / 6.9.2022

708

Stellenregister

6,20 ff. 6,21 f. 6,23 7 7,5.8 7,6 7,8-16 7,8 7,12-14 7,14 7,16 8 8,1-14 8,4 8,11 8,15 8,16-18 8,16 8,17 8,18 9 9,1-13 9,2 9,7 ff. 9,7 9,8 9,13 9,18 10 11 f. 11 11,1-27 11,1.11 11,1 11,2 11,3.6.17.21.24 11,7 11,8 11,15 12 12,1-15 12,1-4 12,3 12,4 12,7-10 12,7 f. 12,9-12.14 12,9 f. 12,13 12,15-23 12,15 12,16-25 12,16

1. Könige

397 361 179, 374 380 261 675 623 655 560 600 262 211, 360 623 211 193 304, 510 45 551 551 627 328 40 551 116 110 500, 621 40 642 211 173 108, 361 158 551 171 313, 635 232 135, 171 312 67 211 374, 650 335 618 405 212 467 567 134, 232 361 110 316 112 184

12,17 12,20 12,28 13-19 13-18 13 13,1.4 13,3 13,6.8 13,12.14 13,12 13,13 13,18 f. 13,20 13,22 13,23 ff. 13,23 f. 13,23 13,27 14,2 14,4-11 14,4-8 14,16 14,26 15-20 15 15,1-6 15,4 15,7 ff. 15,14 ff. 15,17-22 15,18-22 15,32 15,37 16,1-4 16,1 f. 16,1 16,4 16,5-14 16,5-13 16,9 16,16 17,3 17,18 17,23 17,28 17,29 18 18,18 18,21 19,1-5 19,6-8

116 312, 426, 495 418 212 599 95, 108, 211, 360, 374, 520, 568 356 168, 642 70 211 218 97 296 179 134 618 266 140 597 312 f., 426 200, 617 213 326 367 649 134 461 198 196 551 159 158 296 168 40 116, 331 333, 412, 415 511 516 213 500 168 66 73 114, 569 324, 332, 411 f., 415 268, 408, 620, 622 211 114, 135 159 251 134

19,18 19,36 20,1 20,6 f. 20,16-22 20,23-26 20,24 20,25 21 21,1-6 21,1 21,4 21,7 21,10-12 21,10 22 22,51 23,1 23,3 f. 23,11 f. 23,11 23,15 23,39 24 24,10-17 24,16-24 24,16-25 24,16 24,17 24,22

551 117, 396, 399 675 551, 605 460 45 177, 551 551 599 567 331 384 40 134 185, 401 582 380 380, 418 355 324, 332 412 73, 409 232 360, 565 315 333 488, 581 338 266 619

1. Könige 1 f. 1 1,1-4 1,4 1,5 1,9-13.18 f. 1,11 1,19 1,29 1,33.38 1,38 1,39 1,40 2,2 2,3 2,10 2,19 2,28-34 2,42-46 2,42 f. 3,1

361, 401 435, 438 345 9 627 139 232 627 155 551 620 495 397 421 591 587 123, 402 28 100 101 133, 135, 159, 642

SWB (08021) / p. 721 / 6.9.2022

1. Könige

3,5-15 3,9-12 3,9.11.16-28 3,9 3,12 3,13 3,15 3,16-28 3,16 3,19 3,26 4 f. 4,1-20 4,1-6 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7-20 4,7-19 4,11.15 5-9 5-7.9 5 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,9 5,10.12 5,10.13 5,10 5,13 5,15-8,66 5,15 ff. 5,20 5,23 5,25 5,26 5,27-31 5,27 f. 5,28 5,29 5,32 6 6,1 ff. 6,1 6,2 f.

Stellenregister

598 459 642 641 f. 641 467 641 213, 461 451 400 108 642 552 45 667 550 551 551 168, 549 177, 549, 551 193 325, 511 550 245 486 177 270, 623 366 274, 406, 619 f., 657 326 304, 322, 333 620 108 642 642 231, 642 422 581 642 358 498 238, 323, 331, 366 77 211 243 551 20, 44 244 581 249 671 365

6,14-36 6,18.29.32.35 6,21 f.28 6,23-29 6,23-28 6,29.32.35 6,37 7-12 7 7,1 7,8b 7,13-51 7,13-50 7,13 f. 7,14 7,15-22 7,15 7,17.42 7,19 7,22 7,23-26 7,23 7,26 7,27-39 7,40-51 7,42 7,46 7,49 7,51 8 8,1-9 8,11 8,13 8,31 f. 8,33.47 8,35 f. 8,40.57 8,41-43 8,41 8,44.48 8,46 8,50 8,51 9 f. 9 9,4 f. 9,15 ff. 9,15-23 9,16 9,19 9,20-22 9,20 f. 9,23

45 335 385 56 321 324 37 20 18 f., 435 37 159 321 385 244 37, 45, 244, 642 321 582 323 654 654 321 365 654 321 321 321 365, 385 355 193 137, 254 321 99 396, 581 462, 567 221 178 599 227 158 184 570 221 385 87 20 370 20, 177 552 231 333 20 36, 243 20

9,26-28 9,26 f. 9,27 f. 9,27 10 10,1-13 10,2.10 10,2 10,4 f. 10,5 10,9 10,10 f.22 10,11.21 f.26-29 10,11.22 10,12 10,14-29 10,14-21 10,15 10,22.28 f. 10,22 10,23 10,26 ff. 10,27 10,28 f. 10,29 11 11,1-8 11,26-28.40 11,26 11,40 12 12,1-20 12,4 12,6 ff. 12,11 12,12-15 12,16.19 12,16 12,18 12,19 12,24 12,27 12,28 12,32 f. 13 13,1-6 13,1-5 13,16 f. 13,29 f. 13,30 14 14,1 ff. 14,1-18

238 f., 497 158 663 497 426 476, 623 385 476, 620 117 299 304 239 239 497 399 663 664 158 467 238, 498 467 193 412 231, 620 292 224 159 649 211 28, 231 9, 21, 361, 561 649 21 345 656 211 615 21, 177, 675 551 f. 254 615 634 155, 385, 620 288 118 317 650 116 597 109, 587 135 316 360

709

SWB (08021) / p. 722 / 6.9.2022

710

Stellenregister

14,10 14,11 14,23 14,25 f. 14,25 14,26 14,27 f. 14,28 15,1.9.25 15,12 15,13 15,15 15,17.22 15,19 15,23 15,24 16 16,11 16,16 16,18 ff. 16,28 17 f. 17,7-24 17,8-17 17,8-16 17,9-16 17,10 f. 17,12.14 17,12 17,17 ff. 17,17-24 17,18 17,19 17-2 Kön 2 18 18,3 18,4-13 18,4.13 18,17 ff. 18,21-46 18,21-40 18,26 ff. 18,27 18,32 18,40 18,41 19 19,1-14 19,2 19,4 f. 19,4 19,5 ff. 19,6-8

2. Könige

150 621 56 193 231 496 627 627 670 482 402 193 144 77 9, 316 427 650 167, 403 627 569 587 55, 268 341 117 159, 181, 323 667 635 415 410 588 317, 360, 668 449 251 152 165 162 605 116 449 178 360 397 267 366 211 117 634, 669 605 100 117 342, 568, 653 63 118

19,6 19,16 19,19-21 19,19 20 20,12 20,14-20 20,18 20,23 20,27 20,29 f. 20,31-34 20,34 20,35 20,42 21 21,1-24 21,1-16 21,1-3 21,2 21,3 21,4 f. 21,8.11 21,8 21,9 f. 21,9.12 21,10-14 21,10.13 21,19 21,20 21,21-29 22 22,4 22,11 22,17 22,19 ff. 22,26 22,27 22,48-50 22,48 f. 22,49 29,34

70, 415 495 283, 619 487 211, 361, 623, 649 551 387 171 360 619 148 597 77, 363 403 36 131, 361, 617 650 328, 566 334 180 102, 114 116 f. 155 10, 302, 505, 522 67 269 566 677 328 501 374 211, 623, 649 620 36 266, 423 63 551 116 239 238 238, 498 239

2. Könige 1 1,2 ff. 1,2 2 2,11 f. 2,18 2,19 ff. 2,19 2,20 f.

135 316 251 350 588 42 73 409 486

2,20 2,23 2,24 3 f. 3,4 3,6 3,15 3,25 4 4,1-7 4,1 4,2 4,8 ff. 4,9 4,10 f. 4,18-37 4,19 f.31-35 4,20 4,23 4,30 4,32 ff. 4,38-40 4,39 4,42 5 5,2-7 5,5 ff. 5,6 5,7 5,14 5,15.17 5,17 5,21 5,23 6 f. 6 6,5-7 6,8 ff. 6,8-23 6,14-23 6,22 f. 6,22 6,25.29 6,25 6,26-31 7,1.16.18 7,1.16 7,1.17-20 7,7 ff. 7,7 7,17.20 8

415 501 418, 655 211 486, 618 328 399 73 317 102, 328, 510 132, 524 f., 633, 667 415 181 258 251 341, 360 315 400 139, 490 100 588 180 412 411 317, 360, 476, 623 476 317 67 315 577 227 360, 620 476 192 211, 649 361 360 173 360 213 117 116, 635 268 366 461 366 292 239 675 620 211 460

SWB (08021) / p. 723 / 6.9.2022

Jesaja

8,1-6 8,1 8,4-6 8,8 ff. 8,12 9 f. 9,1 9,3.6 9,6 9,10 9,11 9,18 9,27 9,30-37 9,30-35 9,30 10,1 10,5 10,6 f. 10,17-27 10,25 11 11,4-19 11,12 11,14 11,17 11,19 f. 12 f. 12,5-15 12,10 12,11 12,12 f. 12,18 12,19 13,7 13,21 14,6 14,10 14,14 14,22 14,25 15,5 15,20 15,35 16-19 16,3 16,5-9 16,7 ff. 16,8 16,10 17,4 17,6

Stellenregister

213, 328, 461, 511, 667 159 200 316 293 211, 650 415 427 495 621 447 609 605 97 402 312 135, 294 551 135 211 627 402 627 495 321 77 615 193 193 259, 551 45, 506 193 42 193 338 589 591 500 193 177 448 551, 670 193 177 233 294, 431 649 193 193 37 190 86

17,7-23 17,8.11.15.33 17,12 17,16 17,24-41 17,24 18 f. 18,14 ff. 18,14 18,17 ff. 18,17-37 18,17 18,18.37 18,19 18,26 18,27 18,31 18,32 19 f. 19,3 19,4 19,11 19,13 19,35 20,1-11 20,1 20,7 20,9 20,18 20,20 20,1 ff. 21,1-18 21,2 f. 21,3-6 21,3 21,6 21,10-16 21,13 21,16 21,18.26 21,24 22 f. 22 22,3-7 22,5-9 22,8 22,11 23 ff. 23 23,1-3 23,4 ff. 23,6 23,7

615 255 224 224 86, 615 326 211 193 193, 367, 570 63 551 244 551 63, 87 505, 548 500 73 116 448 187, 401 342 36 187 360, 548 360 114 316 f., 323 670 128 19 316 165 36 27 224 431, 588 650 415 62, 211 180, 332 615 349, 592 348, 438, 448, 506 193 193 615 192 531 165, 482, 531 321 27 224, 586 451, 482

23,8 23,21-23 23,24 23,25 23,29 23,30 23,33 f. 23,33 24 f. 24,4 24,13 24,14-16 24,14.16 24,14 24,15 f. 24,17 24,38-41 25,1 25,3 25,5-7 25,6-29 25,7 25,7.11 25,11 f. 25,12 25,13-17 25,19 25,29

476, 551 140 224 510, 591 143, 456 495, 615 623 190 211 62 193 86 243 45, 191 615 417 415 670 268 135 190 148 86 243 23, 534 193 627 116

Jesaja 1,3 f. 1,3 1,4-7 1,5-9 1,5 f. 1,5 1,6 1,7 1,8 1,10 ff. 1,10 1,12-23 1,13 1,15-17.21-23 1,15 1,16 f. 1,17.21-23 1,17 1,18 1,20 1,21 ff. 1,23 1,25

650 620 178 211 315 315 313, 316, 426, 495 158 180, 322, 324, 332 592 501, 591 617 490 23 62 472 23 348, 633 486 412 50 50, 461, 633 500

711

SWB (08021) / p. 724 / 6.9.2022

712

Stellenregister

1,30 2 2,1-5 2,1-4 2,2-5 2,2-4 2,3 2,4 2,8.18.20 2,16 3,1-3.13 f.25 f. 3,1-3 3,1 3,2 3,2 LXX 3,5 3,7 3,12.14 3,14 3,16 ff. 3,16-24 3,18 f. 3,23 3,24 4,1 4,4 4,6 5 5,1-8 5,1-7.23 5,1-7 5,1 5,2 5,5 5,6 5,8 ff. 5,8-24 5,8-10 5,8.18 5,8.23 5,8 f. 5,8 5,9 f. 5,10 5,11 f.22 5,11 f. 5,11 5,12 5,12b-17.24

Jesaja

636 173 f., 350, 593 635 624 227, 390, 549 159, 255, 270, 374, 559 348 15, 214, 337, 339, 361, 632 224 238, 498 468 512 116, 414 10 37 403 316 512 10, 303, 468 312 468, 512 56 240 619 55 313 333 322 335 23 322, 512, 518 168 322, 330, 333, 637 330 653 109 512 211, 328, 552, 650, 663 23 617 512 102, 132, 334, 468, 534 490 336, 365 f. 467 512 605 398 468

5,20 f. 5,22 ff. 5,23 5,24 5,24b 5,25-30 5,26-30 5,29 6 6,1-5 6,2 ff. 6,3 6,8 ff. 6,9 f. 6,11 7,3 7,7 7,9 7,10-25 7,14-16 7,14 7,15.22 7,15 f. 7,18 7,20 7,23 7,24 7,25 8,4 8,11 8,16-20 8,16 8,19 9 9,1-6 9,1 9,2 9,3 9,4 9,5 9,6 f. 9,7 9,9 9,17-20 10,1-4 10,1-3 10,1 f. 10,1 10,2 10,3 10,5 ff. 10,5-15 10,6

468 592 50, 467 468 591 212 211, 360 655 56, 256, 458 647 64 99, 256 63 360 179 244 63 173, 270 233 401 186, 286 408 345 623 173, 233 653 657 333 344 63 590 590 f. 588 174, 488 381, 671 355, 588 334 397 233, 387, 628 418 214 171, 360 653 567 512 650 23, 468 109 215, 219, 633 468 173 212, 361 211

10,7 10,34-11,9 11 11,1 ff. 11,1-9 11,1-5 11,1 11,2-5 11,4 f. 11,4 11,6-9 11,6-8 11,6 f. 11,7 11,11 13 f. 13,8 13,16 13,18 13,21 f. 13,21 13,22 14 14,1-27 14,2 14,4 14,8 14,9 ff. 14,22 14,24 14,29 16,4 16,9 16,10 16,14 17,5 f. 17,6 17,10 f. 17,12 f. 18,1 f. 18,2 18,5 19 19,2 19,8 19,9 19,10 19,19-22 19,23-25 19,25 20,2-4 21,1-10 21,3

148 457 174 82 381, 623 23 381 459 23, 214 199, 381 214 423, 658 115 274, 333 87, 293, 625 234, 559, 624 187, 401, 424 293 221 656 619 656 236, 267, 423 361 210 398 44 587 418 101 656 159 397 322, 331, 637 98 338 333, 489 181 623 158 498 339 624 403 146 331 358 624 233, 624 164 f. 86 559 187, 570

SWB (08021) / p. 725 / 6.9.2022

Jesaja

21,10 22,6 f. 22,12-14 22,15 ff. 22,15-25 22,15-19 22,15 f. 22,21 23,1.6.10.14 23,3.18 23,8 23,15-18 23,17 f. 24-27 24,2 24,10 24,13 24,23 25,6-8 25,6-9 25,6 25,6 f. 25,8 25,10 26,1 26,9 ff. 26,9 26,12 26,17 f. 26,17 26,19 27,1 27,4 27,12 28 28,1 28,7 28,10.13 28,11-13 28,12.16 28,23-29 28,24 f. 28,24 28,25.27 28,25 f. 28,25 28,26 28,27 f. 28,27 29,9 29,11 f. 29,11 29,18

Stellenregister

338 621 269 587 97 361 551 296 498 215 239 451 666 15, 624 510 669 333, 489 11 182 390 269, 637 635 589 332, 338 398 348 340 174 401, 674 187 189, 589 422, 632 653 338 211 501 338 504 548 213 329 336 333, 336 324, 332 329, 348 322 488 338 488 331 506 522 40

29,21 30,1-7 30,1-5 30,1-3.15-17 30,1-3 30,1.9 30,2 30,6 30,7 30,8 30,12 f. 30,14 30,15 30,16 30,20 30,24 30,29 30,33 30,39 31,1-3 31,4 32 32,1 32,9-13 32,15-18 32,17 33,4 33,9 33,15 33,19 33,21 33,23 34,8 34,9 34,11-13 34,14 35 35,2 35,4 f. 35,4 35,5 f. 35,5 35,6 36-38 36,2 36,12 36,16 37,3 37,6 37,22 38,1 ff. 38,8

200, 632 231 270 649 361 650 476 620, 656 456 505 315 73 213 620 116 324, 333, 336, 339, 486 f., 619 f. 398 486 398 173, 231, 361, 649 655 350 200, 550 135 381 174 656 597 216, 240 548 498 40 455 486 656 619 669 654 111 455 25, 40 40 40, 656 649 244 500 117 187 448 398 316 670

38,12 38,14 38,21 39,7 40 ff. 40-55 40 40,1-11 40,1 f. 40,3 40,6 f. 40,6.8 40,10 f. 40,10 40,12-31 40,17 40,19 f. 40,19 40,22 40,31 41,2 41,7.21-29 41,14 41,15 41,16 41,18 41,25 41,29 42 42,1.6 f. 42,3 42,4.10.12 42,6 42,14 42,16.18 ff. 42,18 42,21 43,1 f. 43,1 43,3.14 43,4.9 43,6 43,9-13 43,9-12 43,10 43,14 43,16 ff. 43,16-21 43,18 f. 44 44,6-20 44,6

266, 342 80 315 f. 128 31 89, 449, 673 449 669 673 669 370 654 423 358 255 669 45 45 675 656 200 255 31 338, 488 339 74 636 669 593 390 353 625 355 187, 190, 311, 402, 597 40 501 198 31 104, 155, 418 207 625 600 676 677 255 398 29 156 673 57 224 31, 255

713

SWB (08021) / p. 726 / 6.9.2022

714

Stellenregister

44,8 f. 44,9 ff. 44,9 44,11-20 44,12-19 44,12 44,13-17 44,17 44,21-45,7 44,23 44,24 44,26 44,28 45,1-4 45,1 45,7 45,12 45,17 45,18 45,19 46,1 46,3 f. 46,6 46,12 f. 47 47,1-3 47,6 48,1 48,2 48,4 48,8 48,10 48,12 f. 48,17 48,20 49,1-6 49,3 49,4 49,5 49,6 49,10 49,13 49,15 49,16 49,20-22 49,20 49,22 f. 49,26 50,4-9 50,4-6 50,10 51,1 51,2

Jesaja

677 164 669 244 267 45 44 16 234 673 31, 180, 314, 600 63 266, 423 360 381 354, 360 368 32 669 669 673 136, 402 192 156 559 567 211 101 259 650 501 385 255 31 155 391 261 17 31, 600 255, 261, 355, 390 221, 269 673 136, 221, 402 66 401 96 159, 625 31 213, 650 350 261 605 599

51,3 51,4-7 51,4 f. 51,4 51,5 51,9-11 51,9 f. 51,9 51,12 51,20 52,1 52,2 52,11 f. 52,13-53,12 53 53,1-7 53,2 53,3-5.10 53,4 53,7 54 54,1-8 54,1 54,2 54,5 54,8 f. 54,10 55,1-5 55,1-3 55,3-5 55,3 f. 55,3 55,11 55,12 f. 56-66 56 56,3 ff. 56,3-5 56,3.6 f. 56,3 f. 56,5 56,6-8 56,7 56,8 56,9 56,10 56,11 57,3 57,5 57,9 57,13 57,15

398 198 390 354 f. 199, 454 32 456 211, 422 370 657 259 191 156 261, 316, 650 174, 455, 673 213 503 316 319 619 129, 174 98 96, 179, 315, 401, 669 675 31 178 221 381 72, 650 78 306 221 360 156 449, 673 129 377 40, 179 227 128 f. 418 390 221, 635 125 266, 500 500 f., 621 266 603 654 312 256 458

57,20 58 58,3-7 58,6-10 58,6 f.9 f. 58,6 f. 58,6 LXX 58,7 58,8 58,13 f. 59,10 59,11 59,17 60-62 60 60,1-5 60,1-3 60,3 60,8 60,9 60,10 60,13 60,17 61 61,1-3 61,1 f. 61,1 f. LXX 61,1 61,2 61,3 61,5 61,10 61,11 62,1 f. 62,2 62,4 62,5 62,8 f. 62,8 62,11 63,1-6 63,1-3 63,2 63,3 63,4 63,7-64,11 63,10 63,11 63,16 63,18 64,7

500 355 112 355 24, 51, 468 534 279 51, 116, 181 99 240, 491 40 622 455, 632 89 381, 559 390 99, 354 355, 635 621 238 f., 498 159 653 174 470 24 25, 279, 309, 494, 529 279 25, 155 f., 191, 427, 495 279, 455, 597 426 159 66 180, 332 99 200 179 66 117 101 358 623 62, 212 637 637 108, 455 183 257 266 136, 600 338 245, 600

SWB (08021) / p. 727 / 6.9.2022

Jeremia

Stellenregister

65 f. 65,3 f. 65,3 65,4 65,6 f. 65,8 65,13.21 f. 65,17 ff. 65,20 65,25 66,2 66,3.17 66,3 66,7 66,13 66,17 66,18 f.23 66,18 66,19-21 66,20 66,23

174 135 181 621 599 639 326 458 9, 400 115, 423, 658 609 621 621 187, 189, 424 136 181 635 549 390 570 490 f.

Jeremia 1,4 f. 1,5 1,11 1,13-15 2 f. 2,2 f. 2,2 2,5 2,6 2,7 2,8 2,10-13 2,13 2,20 2,21 2,23 2,24 2,30 2,32 2,33 2,34 3,1-5.6-10 3,2 3,3 3,4 f.19 3,11 3,17 3,19 4,3 4,4

344 4, 180, 272, 391 323 623 136, 224 67 669 63 456 326 266 270 74 654 322, 335 472 657 605 66 348 62 95 501 178 600 198 390 600 63, 333 49

4,7 4,9 4,11 f. 4,11 4,23 4,28 4,31 5,1-9 5,1-5 5,2 5,6 5,8 5,10-17 5,12 5,15 5,19 5,23 f. 5,24 5,26-29 5,26-28 5,26 5,28 6,1-15 6,3 6,8 6,9 6,11 6,13 6,19 6,21 6,22-26 6,23 6,24 6,29 7,6 7,9 7,17 f. 7,18 7,25 f. 7,26 7,30 7,31 7,33 7,34 8,7-9 8,7 8,8 ff. 8,8 8,10 8,17 8,18 8,22 9,1 ff.

224, 623 550 339 333 669 597 187, 189 211 570 100 655 500 212 268 548 158 178 488 132 468, 512 236, 657 633 211 266 179 335 344 215 f. 592 403 623 621 401 385 62, 160 100 224 27, 70, 151, 481 599, 605 650 224 294 587 66 393 621 592 506 f. 215 f. 656 315 316 403

9,2 9,3 f. 9,7 9,9 9,10 9,12 9,14 9,16-21 9,16-18 9,16 f. 9,16 9,18-20 9,19 9,21 9,24 f. 10,5 10,9 10,10 10,11 10,14 10,16 10,20 10,21 11,1-5 11,3-5 11,4 11,5 11,18-23 11,19 11,20 11,21-23 12,1 12,7-12 12,7 12,10 13 13,1 13,12-14 13,12 13,18 13,21 13,23 14,1.12 14,1 14,3 14,12 14,14 15,7 15,10.15 15,10 15,15 15,16

388 168 388, 632 265 656 592 653 482 399 151 110, 597, 642 185 135 338 48 332 f. 238, 243, 385, 486, 498, 642 342 546 410 314 675 266 178 599 385 407 211 619 371, 454 567 650 212 210 326 136 331 637 415 402 187 655 112 330 73 268 418, 447 333, 339 650 568 605 72

715

SWB (08021) / p. 728 / 6.9.2022

716

Stellenregister

16,5 16,9 16,11 16,16 16,19-21 17,1 17,6 17,8 17,10 17,16 17,19 ff. 17,19-27 17,25 18,1-6 18,2 18,6 18,18 f. 18,19-23 19,1 19,5 19,13 20,2 f. 20,6.15 20,7 f. 20,7 20,10 20,11 20,14-18 20,14 f. 20,18 20,24 22,3 22,13-19 22,13 f. 22,13 22,15 f. 22,18 f. 22,18 22,19 22,23 22,24 23,1-4 23,5-8 23,5 f. 23,14 23,15 23,16 23,25-32 23,27 23,29 24,1 25,10

Jeremia

117, 138, 141 66 592 148, 657 390 505 653 330 371 605 292, 491 240 550 369 240 245 650 360 244 294 472, 481 566 407 650 360 650 605 187, 568 517 17 643 199, 633 177, 211, 216, 304, 361, 650 361 109, 198, 357 510 138, 587 109 620 187 523 266 381 23, 623 501 653 399 598 403 360 243, 416 66, 398

25,11 f. 25,17.28 25,18 25,30 25,34-36 26,18 26,21 f. 26,21 26,22 f. 26,24 27-29 27 f. 27,1-8 27,3 27,4-11 27,9 27,20 28 29,1-14 29,1-7 29,1 29,2 29,3 29,4-23 29,4-10 29,4-7 29,5.28 29,8 29,9 29,23 29,26 30,5-7 30,11 30,15 30,18 31 31,4 31,9 31,15 31,16 31,18 31,20 31,24 31,29 ff. 31,29 f. 31,31-34 31,31 f. 31,33 f. 31,33 32,7-14 32,7 32,9 f.

491 415 515 637 266 487 476 550 605 605, 615 649 56 213 158 360 447, 517, 598, 603 155 448 360 89 10 243, 402 476, 615 68 213 625 636 447, 598 418 403 447 401 565 316 675 79, 89, 350, 433, 640 398 600 110, 135, 401 358 620 136, 600 265 640 347, 412, 599 49, 78 61 592 108, 214 617 617 192

32,9 32,10-14 32,10 f. 32,10 32,12-45,2 32,12 ff. 32,14 32,17.27 32,18 f. 32,22 32,35 32,44 33 33,11 33,14-18 33,14 f. 34 34,8-22 34,8-16 34,8-11 34,8.15.17 34,8 f. 34,9 34,14-17 34,18 f. 35 35,5 f. 35,5 35,7 36 36,2 36,10.11 36,10 36,18 36,21 36,23 36,26 37,3 37,10 37,13-16 37,15 f. 37,15 37,16 37,21 38 f. 38 38,1-6 38,6 ff. 38,6 f. 38,7-13 38,29 ff. LXX

292, 663 613 292, 522 505, 522, 677 169 551 590 360 599 407 294, 431 613 89 66 381 23 494, 524 24, 303, 617 512 524 155 77 615 403 77 112, 117, 425, 558, 639 545 415 675 348 505 615 506 505 393, 550 505 605 185 675 565 148 190 74, 566 45, 116, 240, 244, 363, 410 211 649 605 566 74 159 640

SWB (08021) / p. 729 / 6.9.2022

Ezechiel

39,4 39,8 39,10 40,7 40,10.12 40,10 41,1-3 41,8 41,9 42,5 42,14 42,18-22 43,1-7 44 44,1-19 44,14.28 44,15-25 44,17 44,25 44,26 46 46,11 46,20 46,22 48,11 f. 48,11 48,33 48,36 48,40 48,44 49,7 49,9 49,12 49,13 49,19 49,32 50 f. 50,6 50,8 50,16 50,17 50,44 51,2 51,8 51,14 51,27 51,50 52,7 52,14 f.28-30 52,16 52,33

Stellenregister

181 249 23, 326, 534 615 331, 333 326 135 416, 622 74 677 116 87 87 138, 151 448 158 224, 481 27 196 101 624 316 620 656 415 637 637 398 655 657 244 331 415 515 655 265 235 f., 361, 559, 624 266 619 488 266, 619 623 339 316 101 656 158 181 86 23 116

Ezechiel 1-3 1 2,3 2,5 2,6 2,8-3.3 2,10 3,5 3,15 3,17 3,26 4,1 4,9 4,11-17 4,11 4,12 4,13 f. 4,14 4,15 4,16 4,17 5,7 5,11 5,16 6,4 ff. 6,8 f. 7,12 f. 8-11 8,1 8,3-5 8,3.5 8,14 f. 8,14 9,2.3.11 9,6 10 11,3 11,9 11,15 11,16 12,2 12,8-15 12,13 13 f. 13,3 13,4 13,17-23 13,18.20 14,1 14,6-10 14,13

99, 458, 648 56 599 650 500 507 75 548 86 355 40 37 116, 322, 324, 332, 412 410 365 70, 500 424 474 619 414 70 650 101 70, 414 224 158 328 99 10, 670 476 224 399 138 505 344 458, 648 415 158 326 573 650 86 657 235 501 656 97 657 10 335 414

15,2-6 15,6 15,8 16

16,4-6 16,4.9 16,4 16,6 16,8 16,9 16,10 16,11 f. 16,13 16,14 16,21 16,25 16,36 16,40 f. 16,40 16,52 17 17,3.7 17,8 17,18 f. 17,29-32 18 18,2-4 18,2 18,7-9.16 18,7.16 18,7 18,8.13.17 18,10-13 18,16 18,18-20 19,1-4 19,3.6 19,6 19,8 20 20,1.3 20,1 20,3 20,9.14 20,25 20,26 20,31 20,37 20,39 21,26 21,30.34

322 335 178 67, 95, 136, 151, 224, 299, 311, 452, 519 519 313 187, 486 61 77, 101, 519 312, 426 636 502 193, 603 502 294 519 62 149 95 198 213, 649 655 333 77 231 125, 271 599 347, 412, 448 468 24, 51, 116, 534 55 512, 660 512 298 570 623 348 655 657 472 10 350, 670 178 418 126 2 294 266 419 481 570

717

SWB (08021) / p. 730 / 6.9.2022

718

Stellenregister

21,36 22,5 f. 22,6 f.12.25-29 22,6 f.12.25 22,7.29 22,7 22,12 22,18.20.22 22,18.20 22,19 22,25-27 22,25 22,26 22,27 23 23,20 23,30 23,32 23,40 f. 23,40 23,44 24 24,3 24,17.22 24,27 25 26,1 26,5.14 26,17 27-30 27 f. 27 27,3.15.35 27,3 27,6.17 27,6 27,8 f.27.29 27,11-16 27,12.25 27,12 27,13 27,14 27,17.19.22 27,17 27,18 27,21 27,22 28,1-19 28,4 28,12 ff. 28,17 29-32

Hosea

308 304 512 23 160 633 660 385 384 500 468 55 590 215 f., 655 67, 95, 136, 151, 224, 299, 452, 472 500 472 415 502 312, 635 603 211 415 71 40 270 139 146 399 270 236 498 625 642 238 486, 498, 653 497 239 498 238 f., 384 f. 385 257 426 240, 323 333, 486, 638 618 385 233 193, 467 502 139 624

29,3 29,6 29,18 f. 29,18 31,1 31,2b-9 31,3 32,1 32,2 32,3 32,32 33,8 33,21-27 33,22 33,24 34 34,2-10 34,3 34,4 34,8 34,14 34,23 f. 35,5 36 f. 35,6 36,10 f. 36,25 f. 36,25 36,26 f. 36,27 36,35 37 37,5.7.10.14 37,8-10 37,10 37,11 ff. 37,11 37,12 f. 37,13 37,21-25 37,24 38 f. 38,15 f. 38,20 38,22 40-48 40,3 40,5 40,39 40,47.49 41 41,2.4 41,15b-26

656 500 358 16, 357 139 181 653 139 623 146 503 501 326 40 326 361, 423, 426 266 619 265 266 266 266, 381, 623 571 89 605 55 472 472 49 257 181 369, 588 398 342 4 588 588 156 292 381 266 360, 624 f. 623 330 486 430, 436, 444, 457 331 364 571 365 324 365 321

42,13 43 43,1-5 43,7.9 43,13-17 43,13 43,24 44,6-9 44,7-9 44,10.12 44,17 f. 44,18 44,25-27 45,8 f. 45,10-12 45,10 45,11 ff. 45,11.13 f. 45,11.14 45,12 45,14 46,3 46,14 46,16-18 47 47,10 47,11 47,22 f. Hosea 1-3 1,2 1,4 2 2,1 2,4 2,5 2,7 2,8 2,10 2,13 2,14 2,15 2,16 2,19 f. 2,19 2,20 2,21 3 3,2 3,4 4,1-3.6

259, 571 7 99 581 321 364 486 49 49 571 324 296, 519 471 325 240 240 365 366 366 367 366 139 366 552 74, 326 146 409, 486 159

95, 151, 224, 357, 452 f. 224 62, 254, 304 136 342 451 95 324 323 193 490 358 502 669 67 418 174, 423, 658 198 439 366 550 350

SWB (08021) / p. 731 / 6.9.2022

Joel

4,2 4,3 4,4 ff. 4,4-10 4,8 4,12-14 4,12.13.18 4,12 4,13 4,14 4,15 4,16 4,17 5 5,1 f. 5,10 5,13 f. 5,13 5,14 6,3 6,5 6,6 7,1 7,3-7 7,3 7,4 7,9 7,11 7,12 8,1 8,4 8,7 8,9 8,11-13 8,12 9,1 9,3 9,4 9,7-9 9,7 9,10 9,13 9,14 9,15 10,1 10,3 f. 10,9 10,11 f. 10,11 10,12-15 11 11,1-9 11,1-4

Stellenregister

211 655 590 590 570 654 603 224 654 451, 482, 501 634 618, 620 224 512 468 23, 468 361 315, 317 655 605 354 431 570 304 550 70 158 231 657 326 304, 361, 650 158 657 590 590, 592 224 326 71 605 447 323, 599 401 96 304, 326 322, 335 468 650 333 333, 335 f. 512 111 211, 213 402, 600

11,1-3 11,1.4 11,8 11,9 11,10 12,2 12,4 12,8 f. 12,8 12,14 13,2 13,3 13,5 13,7 f. 13,7 13,8 13,9-11 13,10 ff. 13,10 13,13 13,14 14,4 14,8 14,9 14,14

350 111 111 111, 311 655 231, 323 599 468 239 f., 512 591 385 339 669 655 655 655 650 304 550 187, 401 30 621 333, 335 224 633

Joel 1 f. 1 1,1-20 1,3 1,4 1,10 1,14 1,18 2 2,1 2,3 ff. 2,3 2,4 2,16 2,24 2,25 3,1-5 3,1 3,3-4 4 4,9-16 4,10 4,13 4,17 4,18

55, 597 488 268 599 330 597 112, 269 265 268, 488 398 656 181 609 66 637 330 10 598 61 270 360 632 338, 488, 637 259 74

Amos 1 f. 1 1,1 1,2 1,3.6.9 1,3 1,6-2,3 1,6.9 1,13 2,4 2,6-8

2,6b.8 2,6 f. 2,6 2,7 2,8 2,9 2,13-16 2,13 2,14 3,2 3,5 3,6 3,10 3,11 f. 3,12-15 3,12 3,15 4,1 f. 4,1-3 4,1 4,2 4,4 4,6 ff. 4,6-11 4,7.9 4,9 4,10 5,1 5,5 5,7-13 5,7.10-12.14 f. 5,7.10.12 5,7 5,10-12 5,11 5,11a 5,12 5,14 f.

173, 360 211 265, 670 597, 655 63 338, 649 270 292 172, 211 599 125, 211, 328, 334, 467, 512, 524, 617, 650 23 459 30, 193, 199, 525, 537, 570 23, 419, 451 23, 50, 298, 510 654 468, 512 333, 338, 488, 609 108 125 657 211 23 468 512 266, 423 423 617 97, 650 23, 467, 500, 619 101, 146, 468 2, 325, 561 511 55 488 180, 656 315 399 634 461 200 23 653 211, 459, 467, 512 490 434 22, 50, 199, 570 512

719

SWB (08021) / p. 732 / 6.9.2022

720

Stellenregister

5,16 5,19 5,21-24 5,23 5,25 6,1-8 6,1-7 6,1-6 6,1 6,4-6 6,4 6,5 6,6 6,7 f. 6,7 6,12 7,1 f. 7,1 7,7 7,10-17 7,14 f. 7,14

Obadja

7,15 7,17 8,1 f. 8,1 8,2 8,4-8 8,4-6 8,4 f. 8,4 8,5.6 8,5 8,6 8,6a 8,7-10 8,7 8,10 8,11 8,14 9,1-4 9,2 9,7 9,9 9,12 9,13 9,14

110, 597 655 650 398 429, 669 650 617 132 109, 467 467, 512 265, 405, 423 398 312, 426 468 117, 512 653 488, 656 330 384 551 63 44, 265, 333, 412, 653 265 364, 472 331 416 655 139 23, 240, 459, 468 512 23 30 139, 240, 292, 490 193, 374 23 512 468 114, 398 72 168, 634 211, 647 588 125, 360 333, 339 418 637 636

Obadja 5 7 8

331 116 244

Jona 1 1,3 1,5 f. 1,16 2 3 f. 3 3,2 f. 3,3 3,5 3,7 3,8 4 4,1-8 4,2 4,3.8 Micha 1,5 1,16 2,1 ff. 2,1-10 2,1-5 2,1-3 2,1 f. 2,1 f.8 f. 2,1 f.9 2,1 f. 2,1 2,2 2,3-5 2,5 2,8 f. 2,9 2,10 2,11 3,1-11 3,1-4 3,1-4.9-11 3,1-3.9-11 3,1-3 3,3 3,5-7 3,5 3,9-12 3,9-11 3,10 3,11 3,12 4

609 238, 358, 497 f. 497 100 139 233 269 623 365 112, 295 410 619 212 f., 650 568 238, 498 340

570 655 125 650 328 663 23 512 236 102, 459, 468, 534, 537 109, 210 326 468 325 23, 467 534 512 639 459 461, 512, 650 537 512 211 309 447 171 567 23 62, 177, 304 216, 357 f., 468, 590, 592 468, 487 165, 173 f., 593

4,1-5 4,1-4 4,1-3 4,1 4,2-4 4,3

4,5 4,9 f. 4,9 4,10 4,13 4,16 5,1-5 5,1-4 5,1 5,4 5,5 f. 5,9 f. 6,4 6,5 6,8 6,10-12 6,10 f. 6,11-15 6,11 6,15 7,1-7 7,1-6 7,3 7,6 7,7 7,8 7,20

270, 374 227, 390 159, 559 15 635 214, 337, 339, 361, 632 219, 305, 322 f., 559 165, 623 401, 424 187, 189 187 335, 338 165 266, 381 623 381 266 649 174 29, 155 198 125, 357 23, 468, 512 240 468 23 312 617 151 23, 461 402 617 355 221

Nahum 1-3 1 2 f. 2,4 2,11 2,12-14 3 3,1-4 3,1 3,4-7 3,12 3,14 3,18

233 211 211, 360 f., 649 384 187 275 270 149 62 567 2 636 266

4,4

SWB (08021) / p. 733 / 6.9.2022

Habakuk

Stellenregister

Habakuk 1,2-4 1,2 f. 1,3 1,8 1,15-17 2,2 2,5-19 2,6 f. 2,6 2,9 2,12 3,3 3,11 3,12 3,13 3,17 3,19

461 462 17 620, 655 146 348, 505 270 660 23 215 304 99, 559 632 338 380 266, 619 656

139, 670 192 584 63 390 534 178 637 488 135, 523

1,8 ff. 1,16 2,15 3,8 4 4,6 4,10 5,3 5,6 ff. 6,1-8 6,12 f. 7 7,9 f. 7,10 8,3-8 8,4 f. 8,4 8,10 8,12 8,16 8,19 8,20-23 8,23 9,7.11 9,9 f. 9,9 9,10 9,11-15 9-11.12-14 9,11 10,1 10,2 10,3 10,5 11,4-17 11,4-14 11,7.10.14 11,7 11,12 11,13 11,15 13,1 13,2 13,7 14 14,2 14,11 14,16-19 14,16-18 14,21

609 364 624 403 355 173, 213, 649 384 326 366 621 381 112 633 23, 160 559 219, 346 9-10, 345 358 237 200 356 390 350 239 f. 381, 620 f. 306 171, 381 360 15 190, 566 178 224, 481, 598 619 609 266 265 266 265 358 3, 192 f., 562, 582 265 472, 577 418 266 624 86 36 390 624 239 f., 431

Zefanja 1,2-2,3 1,10 1,11 1,16 1,18 2 2,3 2,6 2,9 2,11 2,14 3,3 f. 3,3 3,4 3,8-10 3,9 f.20 3,9 3,12 f.

500 146, 407 239, 556 398 468 360 361 618 486 214 656 200, 512 23, 461, 500, 655 590 390 626 214 361

Haggai 1,1 1,6 1,7-11 1,13 2,6-9 2,6 2,9-11 2,16 2,17 2,23 Sacharja 1-8

444

Mealeachi 1,1

63, 474

1,6-2,9 1,6 1,7.12 2,3 2,5 2,7 2,10-16 2,14-16 2,14 3,1 3,5 3,8-10 3,16 3,20 3,22-24 3,23 3,24 Psalmen 1 1,1 1,3 1,4 f. 2 2,1 2,4 2,6 2,7 2,9 3,4 3,8 4,3 4,7 5,1 5,2-4 5,13 6 6,6 7 7,2.6 7,2 7,6 7,10 7,11 7,14 8 8,1 8,4 8,6 8,7 f. 9,16

590 97, 600 8 500 341 63, 592 53 93 77 63 23, 160, 358, 633, 677 562 507 355 261 140 36

592, 641 220 178 212 207, 212, 304, 360, 380, 625 625 267 256 136, 600 381, 628 632 211 f. 97 354 399 354 632 360 369 461 605 388 340 371 632 629 360 372 375 99, 369 374 657

721

SWB (08021) / p. 734 / 6.9.2022

722

Stellenregister

9,19 f. 10 10,9 10,14 10,18 11,2 11,4 11,6 12 12,6 14,3 14,4 14,5 15,1 15,3 15,5 16,7-11 16,11 17 17,12 17,15 18 18,2 18,3 18,5 f. 18,8-19 18,15 18,28 18,30 18,33-43 18,47 19 19,5 19,8 19,8-11 19,10 20 21 21,4 21,6 22 22,1 22,2 22,4 22,5 22,7-9.13-19 22,7 22,10 22,10-12 22,13 22,14-22 22,16

Psalmen

23 23 657 633 199 632 436 486 211 23 570 116 212 426, 675 500 512, 660 402, 600 72, 369 184, 308, 461 655 71 380, 388 f. 221 389 369, 657 388 388 189 360 388 516 99, 592 675 643 126 209 380 212, 360 502 97, 99 139, 183, 211, 360, 548, 606 396 655 256, 458 640 650 97, 500 180, 400, 600 189 620 308 369

22,24.26 22,27 23 23,1 23,4 23,5 f. 23,5 23,6 24 24,1 24,3 25,2 25,6 25,14 25,16 25,22 26 26,2 26,6 26,9 27,1-6 27,1 27,5 f. 27,12 28 28,9 29,2 30,4 30,5 31,6 31,9 31,10 31,11 31,16 31,20 32,1 f. 33,5 33,8 33,12 33,16 f. 33,17 33,18 33,21 34 34,9 34,13 34,14 34,15 35 35,1-3 35,3 35,7 f. 35,10

228 341 266, 426 266 423, 628 29 71, 415, 495 605 98 328 256 611 402, 600 168, 228 221 611 461 308, 371 60, 313 340 29 354 426, 675 676 380 266 502 74, 588 418 369 360 221 340 605, 672 228 220 357 625 97, 220 361 621 228 257 174 220 342 500 605 461 632 605 657 23

35,11 35,22 f. 36,9 36,10 37 37,11 37,13 37,25 37,30-32 38 38,2-11 38,4.19 38,7 38,12 38,14 39 39,12 39,13 40 40,7-10 40,9-11 40,12 40,18 41 41,2 41,5 41,6 41,10 42 42,3 42,9 43 44,14 44,24 f. 44,26 45 45,3 45,7 f. 45,9 45,10 46 46,5 46,10 47 47,2 48 48,2 f. 48,2 48,8 49 49,6 f.17 49,7 50,1

676 360 71 74, 342, 354, 368 461, 641 325, 361 267 116 198 316, 360 308 316 570 167, 403 40 641 503 160 360 433 198 402, 600 23 316 24, 51, 220 316 418 116, 169 342 342 342 461 98 360 588 304 503 199 398, 427 123 173 f., 389, 559 558 f. 632 140 109 174, 559 558 559 498 641 467 467 625

SWB (08021) / p. 735 / 6.9.2022

Psalmen

50,23 51 51,6 51,12 51,13 52,7 52,9 53,3 53,5 55 55,14 55,24 56,1-7 56,2 56,13 f. 57 57,2 57,7 58 58,5 58,9 58,11 f. 59 59,4 59,5 59,7 59,8 59,9 59,10.17 f. 59,15 f. 59,17 60,7 61 62,11 63 63,2-10 63,3-6 63,5 64,2 64,8 65,2-5 65,5 65,9-13 65,10-14 65,10 65,11 65,12 65,14 66,4 66,16 67,5 68,5 68,6 f.

Stellenregister

433 472 570 472 257 211 467 570 116 184 169 74 650 221 196 29, 360 221, 402 657 211, 454, 461, 517 656 188 454 388 388 388 388 388 267 389 621 354 168 29 215, 467 342 308 71 369 369 632 225 71, 220 335 334 467 336 333 397 625 228 625 633 23

68,10 68,25-28 68,26 69 69,16 69,23-29 69,27 69,29 69,34 70,6 71 71,6 71,9 71,11 72 72,1-4 72,8-11 72,10 72,15 73 73,7 73,13 73,18 f. 73,21 73,22 73,24 74 74,2 74,8 74,13 f. 74,13 74,18 75,8 75,9 76,4 76,7 77,1 78 78,8 78,24 LXX 78,48 78,52 78,54 78,66 80 80,2 80,6 80,9 80,14 82 82,5 82,8

326 482 137, 397 f. 454 74 517 605 140, 342, 507 23 23 9 180, 600 345 605 27, 174, 207, 304 f. 23 270 625 385 588, 641 56 60, 313 212 308 421 272, 340 211 293 573 543 211 418 637 415 632 211 266 350, 396 650 72 265 266 293 98 211, 360 266, 423 71 322 322 23, 164, 166, 314, 461 314 199, 454

82,13 83 83,11 83,17 84 84,3 84,5 f. 84,7 84,12 85 85,7 85,10 85,11 86,1 f. 86,1 86,3 86,15 87 87,4 88 88,4-10 88,4-6 88,4.16 88,4 88,6 88,7 88,11 ff. 88,11-14 88,19 89 89,4.36.50 89,12 89,15 89,16 89,27 89,39-46 90,1-12 90,2.4 90,10 90,11 90,14 91,15 92 92,13-15 94 94,3-6 94,6 94,10.12 94,12 95,7 96,5 96,7-9 96,9

633 212, 360, 517 329 97 380 342 220 324 27 174, 305 341 228 198 605 23 221 396 89, 624 456 360, 588 588 339 374 340 589 588 589 340 167, 403 211, 380, 623 101 328 199 220 600 212 211 672 9, 340, 670 210 354 97 491 178 211 23 160 348 220 266 224, 501 635 502

723

SWB (08021) / p. 736 / 6.9.2022

724

Stellenregister

96,13 97,1 98,4-6 98,9 99 99,3 102,27 103,4 103,5 103,8 103,13 103,15 f. 103,19 104 104,2 104,7 104,10 ff. 104,10-18 104,10 104,13-16 104,14 104,18 104,23 104,24 104,26 104,27 105 105,16 105,22 105,42 106 106,3 106,38 106,47 107,27 107,37 f. 107,43 109 109,9 109,10 109,11 109,17 f. 109,18 109,22 110 110,1 112,1 112,3 112,4 112,5 112,9 113,7

Sprichwörter

199, 454 625 635 199, 454 256 228, 418 299 402, 600 656 396 221 341, 370 314 231, 314, 375, 424, 646 354, 675 211, 360 646 334 368 335 654 657 16 643, 646 422 118 350, 396 70, 414 11 259 157, 350, 396 220 62 257 397 335 643 454, 461, 517 633 51 236 517 516 23 207 123 228 467 355 510 24, 51, 199 51

113,9 114 116,3 116,5 116,13 116,17-19 118,12 118,22 118,27 119 119,19 119,36 119,54 119,63 119,72 119,98 119,122 119,142 119,176 120-134 120,4 120,5-7 120,7 121 121,1 121,3 121,5 121,6 121,7 121,8 122,8 126,1.4 126,5 f. 126,5 126,6 127,2 127,3 127,5 128,3-6 128,3 131,2 132 132,2-5 132,11 132,15 133 133,2 133,3 135 136,25 137 137,9

315 456 369 221 415 196 622 39 354 198, 209, 592, 641 160 216 396 228 193 643 80 198 619 634 629, 653 625 171 308 308 308 308, 311 353 308 476 167 191 333 334 333 71 293, 358 219 179 323, 332 400 380 196 101 116 118, 219 426 341 164 116 89, 211, 398, 454, 517, 559 293

139,7-12 139,8 139,13-16 139,13 ff. 139,13 139,16 f. 139,17 140,4 140,12 143,3 143,8 144,12-14 144,12 f. 144,13 145,1.2.10.21 145,14-20 145,15 f. 146 146,3 146,5 146,7 146,8 146,9 147,4 148,1-4 148,6 148,7.10 148,8.9 148,11 148,13 149,2 149,7 150 150,1 150,6 Sprichwörter 1-9 1,7 1,8 1,13 1,14 1,17 1,19 1,20-33 2-6 2,4 2,9 2,17 3,1 3,3 3,9

647 588 189 421 4, 180, 272, 600 344 369 656 500, 657 605 354 335 179 414 516 455 118 361 270 220 116 40 160 417 32 32 32 32 550, 625 625 32 611 399 32 32, 611

294, 644 125, 643 293, 348, 401, 591, 642 215 f. 192 657 215 644 642 193 345 77 591 393, 506 2

SWB (08021) / p. 737 / 6.9.2022

Sprichwörter

3,11 3,12 3,13-18 3,13 f. 3,14 3,16 3,17 3,18 3,19 f. 3,29 3,32 3,32b 3,35 4,4 4,5 f. 4,10 4,19 5,6 5,14 5,19 6,1 ff. 6,1 6,2 f. 6,5 6,6 ff. 6,6-11 6,6 6,11 6,12-14 6,20.23 6,20 6,23 6,26 6,33 7,2 7,10 8 8,1-36 8,10.19 8,15 f. 8,18 f. 8,18.21 8,19 8,22-31 8,22-30 8,24 8,30 f. 8,30 8,35 9,1-5 9,1-5 LXX 9,1 9,2 ff.

Stellenregister

294 293 240 220 193, 215 341, 467 341 342 642 403 168 168 643 348 356 340 293 345 105 657 80 403 80 236 125 536 642 22 f. 516 591 293, 401, 591 354 451, 603 97 591 451 314, 646 644 193 459 240 467 215 642 645 644 397 644 645 117 72 37 640

9,5 9,10 9,11 10,3-9 10,4 10,5 10,8 10,14 10,15 10,16 10,20 10,22 10,27 11,1 11,4 11,15 11,16 11,18 11,19 11,22 11,26 11,28 11,30 12,4 12,8 12,10 12,11 12,16 12,24 12,28 13-15 13,3 13,11 13,14 13,18 13,21 14,1 14,5.25 14,19 14,20 14,23 14,26 14,27 14,31 14,35 15,6 15,9 15,13.26 15,16 15,17 15,20 15,27 16,4

645 125 340 134 467 331 108, 643 643 22 215, 357 193 467 125 240 467 80 99, 467 357 605 267, 621 240, 517 467 178 134 570 213, 622 605 455 331 350 500 547 467 591 22 f. 605 37 676 200 23, 169 216 125 74 23 f., 51, 468, 536 110 215 605 125 361 115, 405 599 215 f. 360

16,6 16,8 16,11 16,14 16,15 16,16 16,22 16,31 16,33 17,1 17,3 17,6 17,8 17,9 17,17 17,18 17,20 17,22 17,23 18 18,5 18,11 f. 18,14 18,16 18,17 18,21 18,23 18,24 19,4.6.7 19,4.7 19,5 19,7 19,11 19,12 19,14 19,17 19,18 19,24 19,26 20,2 20,3 20,4 20,7 20,8 20,9 20,10.23 20,16 20,20 20,21 20,22 20,25 21,5 21,17

125 467 240 110 221 193, 240 74 9 462 467 385 599 50 169, 455 169, 403 80, 643 547 315 50, 199 215 459 361 315 216 459 547 23, 617 169 169 23 565 167 455 110, 221 114 24, 51, 468, 510 599 415 134 110 99 333, 336, 488 134 459 472, 570 240 80, 510 517 114 454 f. 196 216 639

725

SWB (08021) / p. 738 / 6.9.2022

726

Stellenregister

21,23 21,31 22,1 22,1b 22,2 22,4 22,7 22,11 22,15 22,17-24,11 22,17-23,11 22,22 f. 22,26 f. 22,26 23,5 23,10 23,13 f. 23,17 23,20 23,22 23,23 23,27 23,30 f. 24,3 24,13 24,17 f. 24,21 24,23 f. 24,24 24,29 24,30-34 24,31 24,34 25,17 25,18 25,20 25,21 f. 25,21 25,25 26,2 26,7 26,12 26,15 26,17 26,20 26,21 26,23 27,5 f. 27,9.10 27,9 27,10 27,13 27,14

Hiob

547 621 193, 221 240 23, 467 358, 369 467 472 565 642 231 23, 567 510 617 467 633 293, 565 117 405 9 293 451, 603 639 37, 642 409 455 361 642 462, 517 455 653 330 22 f. 403 632, 676 399 455 454, 635 416, 547 517 40 350 415 267 125 385 486 169 168 169, 426 169, 617 80 517

27,17.20 27,21 27,24 27,26 27,27 28,1 28,3.15 28,4.7 28,7 28,8.16 28,8 28,9 28,15 f. 28,15 28,19 28,20 28,22 28,27 29,3 29,13 29,15 29,18 29,19.21 29,22 29,24 29,26 30,1 30,8 30,12 30,14-31 30,17 30,24-28 30,33 31 31,4 31,6 31,7 31,8 31,9 31,10 ff. 31,10-31 31,10 31,11 31,13.19 31,13 31,14 31,15 31,18 31,19-24 31,19 31,20 31,22

125 385 414 618 408 655 23 591 134, 294 240 538, 660 591 211, 361 655 22 f., 329 467 467 517 451 23, 467 294 591 134 111 101 361 623 22 500 422 9, 293 657 408 19, 239 f., 299 639 639 22 40 199 642 44, 132, 135, 151, 240 240 215 619 19, 324 498 19 215 f. 244 19 23, 642 19

31,24 31,26

239 f., 362 591

Hiob 1 ff. 1,1 1,3 1,4 1,6-11 ff. 1,6 ff. 1,9 f. 1,14 1,21 2,3 2,4 2,7 2,11-13 3 3,1 3,3-12 3,7 3,12 3,16 3,20 4,7 4,10 f. 4,17 6,6 6,18 6,24 6,27 7,2 7,14 8,15 9,10.12 9,12.22 f.29 9,21 9,22-24 9,26 10,1 ff. 10,10 10,18 f. 11,12 12,10 13,3.18.22 f. 13,4 13,5 13,28 14,1 14,4 14,13 f. 14,17 15,14

64 162, 623 191, 341, 618 142 369 64 467 265, 336, 619 189, 344 360 240, 292 315 f. 169 568 517 187 138 400 188 342 316 422 570 409, 486 669 650 633 358, 525 598 250 360 650 340 462 498, 655 369 408, 421 4 657 342 650 316 643 299 187, 370 570 369 522 187

SWB (08021) / p. 739 / 6.9.2022

Hoheslied

15,16 15,20-29 16,8-17 16,12-14 16,19 16,21 17,3 18,8-11 18,15 19,6-12 19,6 19,9 19,10 19,13-19 19,21 19,25 20,17 20,18 21,12 21,25 22,6-9 22,6 22,7 22,22 22,25 23,1-7 24 24,1-12 24,2-17 24,2 24,3 24,4-12 24,5 24,9 24,13-17 24,21 25,4 25,6 26,7 26,12 27,2 27,4 f. 27,13-23 27,18 28 28,1-11 28,4 28,15 28,17 28,28 29,4 29,6 29,7 ff.

Stellenregister

410 467 308 650 677 168 80 657 486 462 146, 657 97, 99 211 97 221 30 408 17 398 341 468 23, 510 635 591 193 650 55, 534 667 459 266 510, 620, 633 23, 51 657 633 353 315 187 500 669 211 342 650 467 250 19, 314, 441, 644 385 19, 385 193 486 643 168 408 9

29,12 f. 29,13 29,15 29,16 f. 30,1-8 30,1 30,4 30,29 31 31,6 31,11 31,15 31,16-20 31,16 31,21 31,32 32,2 32,19 33,15-18 33,19-30 33,22 33,27 33,28.30 34,7 34,14 f. 34,19 34,28 36,14 36,26 38 ff. 38-41 38-41* 38-40 38,8 38,12-15 38,14 39,3 39,5-8 39,5 f. 39,6 39,9 f. 39,13-18 39,29 f. 40 f. 40,15-24 40,25-41,26 40,25 ff. 40,25.31 40,25 40,30 40,31 41 41,26

468 667 40 468 211, 360 266, 621 653 656 462 240 570 600 24, 51 23, 667 633 181 198 637 598 588 339 570 341 410 369 23, 467 23, 51 340 360 314, 424 375, 646 462 368 344 354 521 424 657 657 250 620 656 655 213, 360, 422 656 656 308 146 407 146, 239 407 503 656

42,7 42,10 42,11 42,12 42,15 42,16

650 341 139, 367, 502 191 328, 617 347

Hoheslied 1,3.12-14 1,5 1,9.15 1,9 1,10 f. 1,10 1,13.14.15 1,16 2,2.10.13 2,3 2,9 2,15 2,17 4,1-5 4,1 4,2 4,3 4,5 4,6.10.14 4,8-12 4,10 4,12-5,1 4,13 4,16-5,1 5,1 5,3 5,6 5,11-16 5,13 6,2 6,3 6,5 6,6 6,7 6,9 6,11 7,2-8 7,2 7,3 7,7-9 7,8 f. 7,11 7,14 8,1 8,2

312 675 168 403 502 503 168 503 168 168, 413 656 274, 322, 656 657 308 619 636 323 400, 657 312 66 503 457 180 117 66 312, 635 403 308 312 332 457 619 636 323 273 322, 332, 636 308 503 415 324 400 457 179 400 331

727

SWB (08021) / p. 740 / 6.9.2022

728

Stellenregister

Rut

8,5 8,6 8,10 8,11 8,12

413 523 400 331 322

Rut 1,1 1,4 1,8.11 1,12 1,16 f. 1,17 1,20 f. 1,22 2,3-9 2,8.23 2,10.13 2,12 2,14 2,17 2,20 2,23 3,3 3,3.7 3,4.7.8.14 3,9 ff. 4,1-12 4,1-4 4,3 4,5 4,6 4,9-11 4,10 4,11 4,13-17 4,13 4,14 f. 4,15

159 623 667 9 617 100 293 322 135 488 221 357 f. 116 f., 123, 411, 577 338 155 332 f. 312, 426, 495, 635 117 310 155 218, 459 f. 135 114, 328 114, 418 31 676 f. 114 200 187 96 151 341

Klagelieder 1 f. 1,2 1,13 1,15 1,20 2.4 2,6 2,14.20 2,20-22 3 f. 3,52 f. 3,53

211 169 179 637 293, 401 183 180 448 185 211 657 657

4,3 4,9 f. 4,15 4,19 4,20 5 5,2 5,7 5,11 5,17 5,18 11 Kohelet 1,2 1,3 1,4-7 1,18 2,1-11 2,3 2,4.5 2,6 2,7 2,8 2,9 2,10 f. 2,12 ff. 2,13 2,14.16 2,14 2,16 3 3,1 3,8 3,11 3,12 3,16 3,19-21 4,1 ff. 4,1-3 4,1 4,2 f. 4,7-12 4,8 4,13 4,14 5,4 5,5 5,6 5,7 f. 5,7 5,9

656 148 500 655 380 360 326, 534 599 148, 211 315 656 177

314 216 672 643 370 180, 638, 642 181 74 525 193 672 672 216 643 643 643 643 671 643 171 360, 503 369 360 374 216 569 360 4 152 467 467 361 196 63 598 327 360 193, 236, 356 f., 467, 664

5,10 f. 5,17 5,18 6,1 f. 6,2 6,3-5 6,3 7,7 7,11 7,12 7,19 7,20 7,25-28 8,5 8,15 8,17 9,5 9,7 9,8 9,9 9,10 f. 9,11 9,12 9,13-16 9,14 ff. 9,16 10,1.10 10,2.10.12 10,6 10,10 10,12 10,19 11,1 f. 11,4.6 11,9-12,7 12,1-8 12,4 12,5 12,11 12,12 12,13 f. 12,13 12,19

216 441, 503 467 327 467 4 188 240 216 193, 240, 467 643 570 152 308, 643 117 643 358 638 495 152, 341 643 467, 643 146 23 643 643 642 643 643 642 643 193, 467, 638 240 333 9 345 396 250 266 642 125 162 642

Ester 1 f. 1,1-9 1,5 1,6 1,7 1,9 1,10 ff. 1,10

503 141, 623 180 299 333 123 128 12

SWB (08021) / p. 741 / 6.9.2022

Daniel

1,19 2,2 2,3.14.15 2,3 2,23 2,23 LXX 3,5-15 3,10 3,12 f. 3,12 4,14 5,14 6,3.5 7 7,6 7,7 f. 7,8 8,3-17 8,8 8,10.14 8,10 8,17 9 9,20 ff. 10,1 Daniel 1,5 1,8 1,11-16 2.4 2 2,4b-7,28 2,7-12 2,21 2,31-45 3 3,5-15 3,31-33 4,16 5 5,7.16.29 5,25 6 6,9.13.16 6,11 6,26-28 7

7,7.23-27 7,10

Stellenregister

234 12 128 135 566 506 605 522 67 502, 522 458 566 12 118 501 180 210 605 522 609, 621 67 139 649 139 177

333 474 332 599 211, 255, 360 f., 421, 649 546 15 304 235 148, 385 398 67 670 141 486 367 650 234 184 67 211, 255, 304, 361, 421, 492, 624 f., 649, 673 234 76

7,13 8,3.6 8,5-8.21 f. 9 9,5 9,16 9,27 10,3 11,3 11,12 11,21-35 11,30 11,31 11,39 12 12,1 12,2 12,11.12 12,11 13 13,15 ff. 13,17

262, 673 619 234 491, 507 456 198 f. 27, 543 312 234 501 649 498 543 327 370, 589, 673 76, 605 340, 648 673 543 180 635 426

Esra 1 2 2,1 f.70 2,58.65 2,59 2,64 2,66 2,69 3-6 3,7 3,11 3,14 4-7 4,8-6,18 4,13 4,13.20 4,14 4,20 5,5.9 5,12 6,1 6,7 f.14 6,8 6,9 7,1-5 7,6 7,10 7,12-26 7,22

234 131, 399, 615 326 524 86 524 620 192 f., 296, 367 234 193, 238, 240, 323 396 241 67 546, 548 3 3, 553 409 3 10 165 506 10 3 486 616 506, 553 348 546, 548 366, 486

7,24 7,25 8,21 8,22 8,26 f. 8,27 8,33 f. 9 f. 9,1 f. 9,1 9,2 9,15 10 10,1 10,8.14 10,10 10,14 Nehemia 1,3 1,4 1,11 2,8 2,9 2,16 2,17 2,19 f. 3 f. 3 3,3 3,8 3,12 3,15 f. 3,31 f. 3,31 3,34 4,8 5 5,1-13 5,1-7 5,1-5 5,1 5,2-5 5,2-4 5,2 f. 5,2 5,4 5,5 5,6-13 5,7 5,8 5,9-13

3, 553 200 476 476 664 192 193 53 159 325 553 198 211, 616, 624 135 10 95 200

98 165 108 181 476 155, 553 98 159 37 f. 177 146, 407 312, 426 38 181 244, 385 244 501, 615 155 24, 132, 494, 512, 524 102, 534, 553, 617 23 21, 512 135 562 510 328 374 3, 562 210 326 510 468 468

729

SWB (08021) / p. 742 / 6.9.2022

730

Stellenregister

5,14-16 5,15 5,16 5,18 6 7 7,2 7,4 f. 7,4 7,6 7,26-33 7,39-60 7,66 7,70-72 7,70 f. 7,70 8 8,1-12 8,1-8 8,1 8,2 8,10.12 8,15 8,17 9,1 9,16-30 9,26 9,32-37 9,33 9,37 10 10,1 10,32 10,33-40 10,33 10,35 10,36 ff. 10,36-40 10,38 f. 10,38.40 10,39 11,1 f. 12 12,12-20 12,27.35 f. 12,39 13,4 f.8 f. 13,9 13,12 13,13 13,14-21 13,15 ff. 13,15-22

1. Chronik

326 193 326 406 132 131, 399, 615 162 326 86 326 131, 615 615 524 192 367 193 393, 445, 482 88 573 289 135, 151, 590 117 324 191 112 86 605, 650 234 f. 198 3 624, 660 522 240, 494, 660 562 16 225 562 3 538 331 3 54, 86, 326 399 225 398 146, 363 3 3 193, 331, 562 553 240 491 139, 239

13,16 13,23-31 13,23-30 13,23-27 13,23 f. 13,24-27 13,24 f. 13,30

146, 363, 407, 486 624 616 159 616 548 239 624

1. Chronik 1-9 1-8 2,7 3,17-19 4,14.21.23 4,21.23 6,42.52 7,7 7,24 9,26 9,30 12,40 12,41 14,1 15,25 17,14 18,10 21,17 22,5 22,14.16 22,15 f. 23,4 23,28.32 24 f. 24,7 ff. 25,1 f. 25,6 26,29 27,25-31 27,25 27,26-28 27,28 27,29 28,5 28,11 f.18 ff. 28,15 29,12 29,15 29,28

271, 616 615 36 135 244 131 28 131, 615 37 3 312, 426 412 620 44 627 305 384 266 416 384 244 200 16 483 225 399 16 200 325 90 334 332 265 305 37 355 467 160 467

2. Chronik 1,2 2,3.8

200 654

2,6 2,9 2,9.14 2,15 3,3 4,1 f. 4,17 6,24.37 6,34.38 8,18 9,21 11,5-12 11,11 11,15 12,2.9 12,9 13 13,5 14 15,7 16,12 16,14 17,10 f. 17,13 19 19,4-11 19,5 f. 19,7 19,8 LXX 20 20,6-17 20,7 20,26.28 20,36 f. 23,18 24,19-22 25,6 26,10 26,19 f. 27,5 28,15 28,16 30,1 f. 31,4 ff. 31,5 31,11 ff. 32,2-4 32,28 33,14 33,15 34,12 35,6 35,25

486 366 331 498 364 365 385 221 184 497 497 f. 144 416 619 231 193 174 409 174 358 316 427 618 416 200 460 200 462 437 174, 398 269 168 398 498 507 605 358 74 212 366 298, 312, 412 266 140 562 331, 409 3 73 619 146 224 398 393 399

SWB (08021) / p. 743 / 6.9.2022

Tobit

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36,15 36,21 36,23

63 139, 494 165

Tobit 1,8 1,13 1,17 2,11-14 3,7 4,7 f. 4,7.17 4,16 5,4.15.17 5,13 5,17 6,5 6,6 f.9 f.20 6,7 7,19 8,2 ff. 8,19 f. 8,21 11,4-16 12,8 13 f.

667 476 616 132 417 616 51 181 476 616 476, 621 407 146 146, 486 92 146 138 114 146 616 559

Judit 1,14 2,7 3,8 4,1 f.7.9 7-16 8,3-7 8,4.7 8,7 8,22 9,1 9,2 9,7 10,3 12 12,7 12,10-13,10 16,5 16,24

98 621 139 151 500 f. 114 667 327 98 184 97 632 635 178 577 117 569 114

Weisheit 2,10 3,1-4 3,9 3,13 f. 3,13

9 340 222 188 286

4,15 5,10 7,4 7,26 7,27 7,29 f. 8,2 8,10 8,20 f. 8,21 9,9 11-15 11,26 12,5 14,1-7 14,3 14,25 f. 15,7

222 497 187 58 644 645 503 99 222 222 645 57 342 62 497 f. 600 222 63

Jesus Sirach 1,1 1,13 3,1-16 3,14-16 3,17 3,18 4,1-10 5,1-3 5,13 6,2 f. 6,5-17 6,7.10 6,13b 6,14 6,15 6,16 6,18 6,34 7,10.32 f. 7,15 7,18-36 7,20 7,22 f. 7,23 7,33 7,36 8,13 9,3 9,14[10] 10,17 11,3 11,14 11,18

590 222 134 9 468 222 24, 51, 132, 468 134 99 178 169 169 169 169 169 169 222 9 132, 616, 618 248 132 80, 169 524 f. 525 82, 222 23 80 146 169 123 409 23, 467 414

11,29-34 12,1 12,7 f.[8 f.] 13,18 13,23 14,18 15,3 17,5 17,22 17,31 19,8-17 19,15 20,16 21,20 22,3-5 22,3 22,4 f. 22,6 22,23-32[19-26] 23,1 23,9-11 23,12-15 23,16-27 24,4-12 24,9 24,11 ff. 24,17 24,19-21 24,20-22 24,21 25,12 25,22 25,24 26,1-16 26,7 26,19 26,25 26,29-27,2 27,17-24[16-21] 28,11 29,14 29,15 29,15 f. 29,20 30,1 30,14 31(34),30 31,3 31,26 31,27 31,39 32,5 32,5 f.

182 222 169 327 655, 657 62 72 371 222 62 169 169 222 268 134 294 134 399 169 600 100 500 97 645 645 180 645 645 117 72, 645 169 132 402, 519 134 500 134 500, 621 240 169 169 80 80 80 80 294 467 577 17 384 341 639 396 398

731

SWB (08021) / p. 744 / 6.9.2022

732

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Baruch

32,9 32,13 33,20 f. 33,25-32 33,30-32 34,1-8 34,9.11 34,21 f. 35,1 f. 35,4 35,14-18 37,1-7[1-6] 37,1 38,7 38,24-39,11 38,25-38 38,26 38,27 38,28 39,26 39,30 39,31 40,1 40,23 40,28 ff. 42,4 42,5 42,9-14 43,4 44,20 44-50 50,3 50,15 51,24

9 345 114 524 525 598 476 327 132 618 463 169 169 426 506 244 336 45 37 409, 486 656 622 189 168 51 240 216 134 385 49 78 37 639 117

Baruch 6

57

Stücke zu Daniel 3,11 168 (Susanna) 1. Makkabäer 1 ff. 1-7 1,1-8 1,9 1,10 1,11 1,17-28 1,21-42 1,26 1,32.38 1,38

584 649 234 234 671 77 234 193 554 87 327

1,41-64 1,43.45 1,44-51 1,48 ff. 1,48.63 f. 1,54-57 1,54.59 1,54 1,59 1,60 2 ff. 2,19-22 2,27 2,29 f. 2,29 2,32-38 2,34.38 2,39 ff. 2,40 f. 2,42 2,43 3,9 3,38-41 3,55 4 4,13 f. 4,36-59 4,59 5,13 6,20.51 f. 6,24 f. 6,33 6,43 ff. 6,43-46 6,49.53 6,53 7,12 ff. 7,12-14 7,13 f. 7,24b 8,3 8,12 f. 8,17 ff. 8,22 8,26.28 9,24 9,37 9,39 10,12 f. 10,31.43 10,39 10,43 10,54

234 112 472 48 112 506 543 27, 501 355 48 234 650 532 327 669 142, 491 112 491 483 477 87 87 132 627 321 398 472 139, 355 132 43 327 398 569 650 494 487 532 506 477 327 385 235 476 505 497 331 138 398 327 29 562 132 135

10,89 11,9 11,20 12,1 12,6 13,25-30 13,29 13,36-41 13,43 14,5 14,10

327 77, 135 43 476 576 499 497 563 43 497 416

2. Makkabäer 1,1-10 1,5 1,10 1,10-2,18 2,13-15 2,30 3 3,3 3,9 ff. 3,10 3,11.15.22 4,7-10.23-29 4,7-10.23 f. 4,9 4,10 f. 4,12-15 4,40 5,5-10 5,14.24 5,15-23 5,20 6 ff. 6 f. 6 6,1-9 6,6.11 6,18 6,30 f. 6,31 7 7,1-42 7,1 7,2 7,27 7,28 7,33.38 7,37 f. 8 ff. 8,10 f. 8,28

67 611 576 67 506 37 496 234 496 616 132, 193 132 234 557, 616 255 234 345 132 87 234 611 584 650 258 234 112 506, 543, 621 651 650 148, 258, 340, 650 650 621 650 293 646 611 61 234 132 667

SWB (08021) / p. 745 / 6.9.2022

Gebet Manasses

8,29 10,28 11,27 12,3.6.9 12,14 12,43-45 14,6 14,37-46 14,45 f. 15,17 15,37-39 15,40

Stellenregister

611 651 576 497 414 650 477 650 650 651 507 638

Gebet Manasses 8 572 Matthäus 1 f. 1 1,1-17 1,1.21 1,1 1,2 1,3.5 1,5 1,6 1,18-23 1,18 1,19 1,20 1,21 1,23 2 2,1-12 2,1-11 2,1 2,5 f.15 2,12 2,13-15 2,13.19 f. 2,13 2,16-18 2,16 2,18 2,23 3 3,1 3,3 3,6 3,7-10 3,7 3,8 f. 3,8

131 520 271, 419, 671 264 76 417 453 603 560 401 286 520 66, 598 133, 187 450 28 189 264 623, 635 450 598 f. 161 598 599 303 211 109 f. 417 669 578 669 457 571 161, 501, 656 304 571

3,10-12 3,11 3,12 3,15 4,1-11 4,1 f. 4,1 4,4 4,5 4,8-11 4,13 4,22 4,23 5,1 5,2-12 5,3-12 5,3 5,4 5,5 5,6 5,9 5,10-12 5,10 5,11 5,12 5,13 5,14 ff. 5,15 5,17 ff. 5,17-20 5,17-19.23 5,17 5,20 5,21 ff. 5,21-48 5,21-26 5,21 f.27 f. 5,21 f. 5,22 5,23 f. 5,23 5,24 5,25 f. 5,25 5,26 5,27 f. 5,31 f. 5,32 5,33-37 5,38-48 5,38-41 5,38 f. 5,38

213 579 488 f. 200 361 112 361, 669 72 259 237 91 154 351 352 374 109, 219 25, 32, 361 597 104, 325, 457 200 136, 171, 213, 345 606 f. 606 98, 207 358, 606 409 355 367 127, 376, 594 f. 200 277 305, 350, 450, 661 200, 606 594 f. 350, 464 214 175 81 213, 500, 576 8 431 611 190, 513 f., 566 661 194, 214 94 595 94 100, 113, 197 110, 213 175 213, 565 213

5,39 ff. 5,39-42 5,39 5,40 5,41 5,42 5,43-48 5,43-47 5,43 5,44 5,45.48 5,45 5,47 5,48 6,1-4 6,1 f.5.16 6,1.33 6,1 6,2 f. 6,5-15 6,5-8 6,5 6,6 6,8 6,9-13 6,9 6,10 6,11 6,12.14 f. 6,12 6,13 6,14 f. 6,16-18 6,17 f. 6,17 6,19 6,24-34 6,24 6,25 ff. 6,25-34 6,25 6,26-29 6,27 6,28-30 6,30 6,33 7,2 7,3-5 7,6 7,12 7,15

128, 533 213 110, 455, 605 661 177, 365, 455 514 454 213 404 357, 455, 606 213 126, 301, 404, 455, 572 167 126, 371 113, 484, 536 358 606 51, 200 618 484 113 184 f., 573 184 f. 185 439 185, 257, 419, 600 458 70 214 214, 494, 514, 529, 536, 661 f. 361 214, 373 112 f. 313 426, 495 470, 497 277 207, 236, 357, 470 313 18 108 352 364 654 70 200 466 268 621 350, 450 211, 501

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SWB (08021) / p. 746 / 6.9.2022

734

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7,19 7,21 7,24 ff. 7,24-27 7,28 8,2 8,5-13 8,5-12 8,5 8,10 8,11 f. 8,11 8,12 8,17 8,20 8,21 f. 8,28 9,7 9,8 9,10 9,11 9,13 9,14 f. 9,16 9,17 9,23 9,35 9,36 9,37 f. 10,1 10,2 10,3 10,5-15 10,5 10,6 10,7 f. 10,8 f. 10,9-11 10,9 10,10 10,11-15 10,11 10,13 10,16 10,16b 10,17.23 10,17 10,22 10,23 10,24 10,25 10,29

Matthäus

213 126 f., 450 301 39 350 184 212 547 387 255 325 32, 141, 182, 269, 572 109 319 656 175, 211, 276, 539 211 126 640 604 604 351, 431 113 345 637 397 91, 351 f., 573 618 17, 489 361 65 604 540 255 619 319 276 539 385 f. 17-19, 45 182 161 171 619, 656 213 606 575 110 606 351 361 193, 292

10,34-36 10,34 f. 10,34 10,35 f. 10,35 10,37 f. 10,37 10,39 10,40-42 10,40 11,1 11,2.5 11,2 11,3 11,5 11,8 11,9 11,17 11,19 11,21 11,25-30 11,25 11,27 11,28-30 11,28 12,1-8 12,5 12,7 12,9-13 12,9 12,11 12,19 12,23 12,24 12,28 12,36 12,46-50 12,50 13,1-32 13,1 f. 13,3 ff. 13,4 13,21 13,22 f. 13,24-30 13,24 13,25 ff. 13,27-30 13,29 f. 13,30.39 13,30 13,33 ff.

211 171, 175 171, 388 617 402 284 283 342 161 64, 182 350 264 283 319 25, 309, 474, 535 469 450 399 113, 141, 170, 272, 434, 501, 604 91 644 361 361 32, 362 117, 182, 351 22 507 431 22 352, 575 483 272 264 361 32, 361 126 154 539 19, 46 352 488 327 606 178 21, 535 333 488 333 331 489 333, 488 305

13,33 13,35 13,38.44 13,40-42.50 13,42.50 13,44 13,45 13,46 13,47-50 13,47 13,52 13,53 13,54 13,55 14,3 f. 14,7 14,13 14,15 14,17 ff. 14,19 15,1-20 15,2 15,21 ff. 15,21-28 15,22 15,24 15,28 16,13 16,16-18 16,16 16,17 16,18 f. 16,18 16,19 16,21-23 16,27 17,1-8 17,9 17,12 f. 17,15 17,22-27 17,24-27 17,24 17,26 17,27 18,1 ff. 18,3 18,4 18,5.20 18,8 f. 18,15-18 18,15-17 18,15

19, 70, 72, 306, 367 39 7 213 70 292, 497 241, 476, 503 217, 292 19 146 352, 508 350 352, 575 19, 45 571 101 669 292 407 516 474 478 319 547 264 255, 391 255 91 418 264 62 579 105 640 651 213 355 598 261 353 564 4, 361 4, 194, 385 156 194 107 345 362 419 213 212 465 218

SWB (08021) / p. 747 / 6.9.2022

Matthäus

18,16 18,17 18,18 18,20 18,21 ff. 18,21-35 18,21 f. 18,23-35 18,23-34 18,24-30 18,24-27 18,24 f. 18,24 18,25-35 18,25 18,26 f. 18,28 18,30.34 18,30 18,32 18,34 f. 18,34 18,35 19,4 19,5 19,10-12 19,12 19,18 19,19 19,27-29 19,28 19,29 19,30 20,1 ff. 20,1-20 20,1-16

20,1 f.8 20,1.7 20,2 20,3 20,7 20,16 20,20-28 20,25 20,26 20,29 20,30 f. 21,5

Stellenregister

677 105, 107, 434, 604 126, 595, 640 373 666 214 373 19, 21, 513 f., 528, 536 200 20 328 21 194 214 528 214 193 661 190 214 213 24, 528 214 507 615 113 129, 188, 197 465 356 154 32, 263, 277, 284, 361, 391, 561 284 362 305, 322, 363, 666, 670 20, 358 19, 32, 46, 75, 195, 200, 245, 370, 490, 535 17 331 193, 385 331, 363 434 25, 305, 362 626 172 362 476 264 264, 362

21,8 21,9 21,11.46 21,12 21,16 21,18 21,23-31 21,23 21,28-32 21,31 f. 21,31 21,32 21,33 ff. 21,33-46 21,33-41 21,33-39 21,33 21,41 22,1-14 22,1-10 22,4 22,5 22,6 f.12 f. 22,6 22,7 22,11 22,13-17 22,13 22,15-21 22,16 22,33 22,34-40 22,36-40 22,37 ff. 23 23,2 f. 23,2 23,3-33 23,7 f. 23,8-10 23,8 23,9 23,11 f. 23,13.15.27 23,14 23,15 23,16-22 23,18-20 23,21 23,23-27 23,23 23,27 23,33

476 264 450 4, 46 507 269 603 453 18 f., 46 452 f. 434, 604 200, 519, 603 f. 322 359 20 200 245 60, 213 149, 370 142 620 6, 327 213 606 60 296 385 149 235 283 350 236, 357 110, 357 661 282, 575 595 351, 508 508 351 351 616 154, 439, 600 362 501 466 227, 390, 499 100 8, 431 585 268 4, 324, 562 503 351

23,34.37 23,34 23,35-38 23,35 23,37 24,3 24,16 24,31 24,32 24,45-51 24,49-51 24,51 25 25,1-13 25,3 ff. 25,3.4 25,9 f. 25,14 ff. 25,14-30 25,14-28 25,14-27 25,14 25,19 25,24 25,27 25,30 25,31 ff. 25,31-46 25,34 25,35 ff. 25,35.40 25,35 f. 25,35 25,36 25,38 25,40 25,41 26 26,1 f. 26,1 26,6-13 26,7 26,10 26,11 26,14.47 26,15 26,18 26,25.49 26,28 26,31 26,39

606 508 60 60 402, 600 352 161 398 352 19, 536 213 528 666 141 353 323 292 666 19, 21, 217, 334, 513, 528 194 514 476 217 211, 489 217 24, 213 619 25, 161, 358, 450, 465, 514, 568 105 535 182 161 161 191, 298, 319, 661 519 182, 319, 405 213, 517 640 350 350 495 427 503 535 284 385 351 351 572, 640 255 184

735

SWB (08021) / p. 748 / 6.9.2022

736

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26,47-27,66 26,51-53 26,53 f. 26,53 26,55 26,56 26,57 26,58 26,59-66 26,60 26,63 f. 26,64 26,67 26,72.74 26,73 27 27,2 27,3-10 27,3.5 f.9 27,4 27,7 27,19 27,24 f. 27,24 27,25 27,27-37 27,28 27,35.39.43.46 27,41 27,44 27,46 f. 27,46 27,52 f. 27,53 27,59 27,66 28 28,1-16 28,1 28,9 f. 28,12-15 28,12 28,18-20 28,19

Markus

28,20

235 213 651 389 211, 651 161 508 435 677 676 264 262, 450 149 101 548 547 463 569 385 60 292 599 60 636 282 387 296 606 508 98, 606 548 81 589 259 471 522 313 370 417 394 50 212 391 284, 391, 419, 476, 578 f. 351, 595

Markus 1,4 1,5-9 1,5 1,6 1,7

532, 578 457 636 620, 622, 656 578

1,9-11 1,9 1,10 f. 1,10 1,11 1,13 1,14 f. 1,14 1,15 1,16-20 1,16 1,17 1,19 f. 1,20 1,21 ff. 1,21-28 1,21.23 1,21 1,22 1,23-25 1,24 1,27 1,29 ff. 1,29.33 1,29 1,30 1,39 1,44 2,1 ff. 2,1-12 2,1-11 2 2,4 2,5 2,6 2,13 ff. 2,13-17.18-22 2,13-17 2,14 f. 2,14 2,15-17 2,15 f. 2,15 2,16 2,17 2,18-22 2,18 2,19 2,22 2,23 ff. 2,23-28 2,25 f. 2,25

578 417 622 578 207, 578 215 305, 318, 533 342 174, 673 45, 147 f., 283, 499 19, 45, 276 148 539 245, 276, 331 41, 318 361 573 575 508 130 257, 318, 417 130 318 39 182, 540 308 226 431, 446, 595 41 252, 308 f., 361 262, 318 492 39 319, 572 554 305 120 474, 564 182 19 226, 572 604 434, 452, 604 142, 182, 508, 604 276 545 283 141 331, 619 492, 595 22 492 71, 264, 507

2,27 f. 2,27 3,1-6 3,1-5 3,9 3,13-19 3,14 3,15 3,16 ff. 3,16 3,17 3,18 3,20 f.31-35 3,20 3,22 3,27 3,31-34 3,31-35 3,31 3,35 4 4,1-9.26-32 4,3-8 4,3 ff. 4,3 4,4 4,7.8 4,8.20 4,10-12 4,13-20 4,17 4,19 4,20 4,21 4,23 4,25 4,26 ff. 4,26-29 4,26 4,29 4,30 ff. 4,31 4,32 4,35 ff. 4,35-41 4,36 4,40 5 5,1 ff. 5,1-20 5,1-16 5,1 5,2-5

483 22 308, 319 22, 483 499 284 391, 561 130, 361 419 418 417 f. 417 211 69 130, 272, 508 361 136 373, 438, 616 401 126, 294, 539 6, 352 19, 46 335 487 333 336 178 115 282 509 606 18, 237, 470 178 367 351 471 305 333 487 338, 488 f. 324, 654 488 306 301 148, 421, 499 609 284 543 41, 305, 318, 621 130, 308 215, 361 391 130

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Markus

5,2.18 5,9 5,13 f. 5,18.21 5,19a 5,19b 5,19 f. 5,21-24.35-43 5,22-43 5,25 ff. 5,25-34 5,26 5,29.34 5,31 5,34 5,35-43 5,35 6,1-5 6,2 ff. 6,2 6,3 6,4 6,5 6,7-13 6,7-13.30 6,7-12.30 6,7.12 6,7.30 6,7 6,12 6,13 6,14 ff. 6,14-19 6,15 6,17 f. 6,19 6,20 6,21-29 6,22 6,23 6,29 6,30 ff. 6,30 6,32.45-54 6,34 6,35-44 6,36 f. 6,37.52 6,37 6,38.41.43 6,41-44 6,41 6,42-52

Stellenregister

148 172, 318, 418 265, 621 609 318 318 319 345 346 319 308, 421, 474 107, 311 311 284 174 309 109 443 575 226, 352 19, 39, 45, 272 401, 616 319 284 351 351 130 65 361, 476 351 318, 323, 427, 495 303 651 450 571 435 256 469 397 101 283 305 351 609 266 72, 226 292 284 195 147 219 119, 124, 516 148

6,42 6,43 6,45-52 6,47 6,48 6,56 7 7,1 ff. 7,1-30 7,1-23 7,1 7,3.5 7,3 7,4 7,6-13 7,9-13 7,10-14 7,10-13 7,14 ff. 7,15 7,16 f. 7,19 7,24 ff. 7,24-30 7,24.31 7,26 7,27 f. 7,28 7,31 ff. 8,1-9 8,3 8,6 8,8 8,10 8,11-13 8,14 8,15 8,16-21 8,22 ff. 8,22-26 8,27 8,31-33 8,31 8,31 8,34-38 8,34 f. 8,34 8,35 ff. 8,35 8,36 9,2 ff. 9,5 9,6

72 416, 561 499 147 147, 670 91, 319 595 545 72 73, 120, 474, 483 508 478 636 367 545 197, 431 347 276 545 595 284 545, 595 319 73, 309, 547 391 255 535 72, 621 41, 318 72 f. 416 119, 124 72 609 120 148 72 284 41, 318 308 91, 391, 450 651 107, 311, 576 508 606 283, 651 272 108 342 218 261 351, 676 284

9,11 f. 9,11 9,12 9,14 ff. 9,14-29 9,14-28 9,17 f. 9,24 9,25 ff. 9,29 9,30-32 9,31 9,33-37 9,35 9,36 f. 9,37 9,38 f. 9,43 9,50 10 10,1-12 10,1-9 10,6 10,11 10,13-16 10,13-15 10,14.23 10,15 10,16 10,17-27 10,17-22 10,17-21 10,17 10,19 10,21 10,22.29 10,22 10,23-31 10,25 10,27 10,28-31 10,28-30 10,28 f. 10,28 10,29-31 10,29 f. 10,29 10,30 10,31.43 10,31 10,33 10,33 f.45

261 508 311 318 309, 345 421 130 319 318 130 651 277 175, 535 351, 362 293, 345 540 213 213 171 104, 595 94, 519 94 368 373 345, 535 293 305 294 516 469 f. 283 25 115, 370 127, 595 161, 356, 470, 564 327 469 207 268, 470, 620 361 533 276 134, 179 305 104 283 f. 131, 276, 334, 616 136, 294, 342, 402, 600, 606, 616 98 362 508, 558 651

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738

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10,34 10,38 f. 10,42 ff. 10,42-45 10,42 10,43-45 10,45 10,46-52 10,47 f. 11,1 ff. 11,1-10.15-19 11,1 11,7 11,9 11,10 11,11 11,12-14 11,12 11,14.20 f. 11,14 11,15-19 11,15-17 11,15 11,17 11,18 11,19 11,25 11,32 12 12,1 ff. 12,1-12 12,1-9 12,1 12,2-5 12,2 12,6 12,7-9 12,7 12,10.26 12,10 12,12-17 12,13-17 12,15 12,17 12,18-27 12,19 ff. 12,26 12,28 ff. 12,28-34

Lukas

311 62, 581, 606 662 206, 270, 305, 362, 533, 553 172, 469 12 61, 207, 277, 311, 572 308 32, 264 306, 620 174 351 620 f. 419 264 585 57 269 517 516 431 226, 483, 585 4, 39 635 446 215 184, 214 450 564 104, 322, 638 359, 528 20, 217, 327, 434, 513 39, 180, 252, 333, 434 434 434 356 213 115 507 39 213 57, 174, 194, 564 193 270, 553, 651 370, 478 f. 595 76 533, 661 431, 508

12,29 ff. 12,29-31 12,35 ff. 12,35-37 12,35 12,38-40 12,41-44 12,42 f. 12,42 13,2 13,7 f. 13,7 13,8 13,9-13 13,9 13,12 13,16 13,17 13,22 13,28 13,28 ff. 13,33-37 14 14,1 14,3 ff. 14,3-9 14,3 14,5 14,8 14,14 14,15 14,17-25 14,20 14,22 f. 14,22-25 14,22-24 14,22 14,23 14,24 14,25 14,27 14,30 f.66-72 14,30 14,33 14,36 14,42 14,43 14,49 14,53 14,55-64 14,55

127, 595 595 264 560 585 667 668 535 194 585 212 171, 175 189 606 202, 463, 554, 566, 576, 605, 677 211, 346, 606 331 520 262 352 422 21 640 446, 508, 634 313 495 215, 427, 495 195, 427 495 476, 485, 540 39 220 415 119 62, 156, 432, 578 485 72, 124, 516 640 61, 79, 640 640 266 284 622 311 361, 415, 549, 600, 651 508 284 585 508 677 576

14,58 14,62 14,63 14,64 14,71 15 15,1-15 15,1 15,6 15,15 15,16 15,19 15,20 15,21 15,24.29.34 15,24 15,26 15,27 15,29-32 15,29 15,31 15,32 15,34 f. 15,34 15,39.44 f. 15,39 15,40 f. 15,41 15,43 15,46 16,1-8 16,1 f. 16,1 16,5 16,7 f. 16,8 ff. 16,9-11 16,15 f. 16,17 f. 16,25

431, 585 361 649 567 101 547 463 508, 576 142 566 46, 212 149 519 6, 177 606 297 255, 567 211, 651 268 39 508 98 548 81 46, 212 306 168, 284, 533 311 469, 554 292, 587 284, 311 135, 141 292, 427 311 284 313 394 391 361 342

Lukas 1 f. 1 1,1 1,5.8 f. 1,5 1,7 1,8 1,10 1,11-17 1,11 1,15

10 66, 168, 186 86 446 560 179 f. 225 184 401 8 113, 639

SWB (08021) / p. 751 / 6.9.2022

Lukas

1,22.24 1,24 1,25.48 1,25 1,27 f. 1,27 1,30 1,31 f.46-55 1,35 1,36 1,37 1,38.48 1,39 1,41-48 1,41.44 1,41 1,42 1,46 ff. 1,46-55 1,46-54 1,47 1,48-53 1,48 1,49 1,51 1,51-53 1,52 1,53 1,57 f. 1,58 1,59 f. 1,59 1,63 1,64 1,68-78 1,68.71 1,68 1,70 1,72 f. 1,76 1,78 1,79 2 2,1 ff. 2,1-3 2,1 2,2 2,7 2,8-20 2,8 2,11 2,14 2,21-23

Stellenregister

634 401 98 96 f. 150 66, 286, 417 222 263 257 168, 615 361 528 476 220 344 187 516 f. 666 25, 156, 185, 189 470 109 362 109, 286 257, 361 469 469 553 104 168 167, 179 417 47 187, 505 516 156 110 156 258 78 450 108 171 15, 131, 456, 563 306 235 624 463, 555 187, 401 266 266 208, 401 171 344

2,21 2,22-40 2,22-24 2,22 f. 2,22 2,24 2,28-32 2,28 2,36-38 2,36 2,37 f. 2,38 2,40-52 2,40.52 2,41-52 2,41-51 2,41 2,44 2,46-49 2,52 3,1 3,7-18 3,7-9 3,7 3,8 3,9 3,11 3,12 f. 3,12 3,13 3,14 3,17 3,19 f. 3,23-38 3,31 4,1-13 4,4 4,5 4,14-22 4,14 4,16-20 4,17-20 4,18 f. 4,18 4,31 ff. 4,31-36 4,34 4,39 5,5 5,12-16 5,19 5,27

47, 344 344 188 188 476 622 263, 517 516 449, 668 150 185 156 346 222 294 352 476, 634 365, 615 226 345 46, 670 484 571 501 571 333 298, 535 604 604 50 212 333, 339, 488 571 671 560 361 118 672 352 361 279, 394 76 156, 494 25, 156, 191, 309, 427, 496, 529 492 361 257 130, 319 147 308 39 604

5,29 5,30 6,1-5 6,6-10 6,6 6,13 6,15 6,20-26 6,20 6,21.25 6,21 6,22 f.26 6,22 f. 6,22 6,23 6,24 f. 6,24 6,25 6,26 6,27-36 6,27.35 6,27 f. 6,29 6,30-38 6,30.34 6,32-34 6,34.35 6,36 6,43-45 6,43 7,1-10 7,3 7,5 7,11-17 7,12 7,13 7,22 7,29 f. 7,29 7,31-35 7,32 7,33 7,34 7,36 ff. 7,36-50 7,37 7,38 7,41-43 7,41 f. 7,41 7,42 f.47 f.

604 604 22 22 352 65 417 109, 362 25 269 109, 267 606 606 98, 110, 605 599 104 564 109, 267, 469 f. 503, 606 110, 213 455 455 605 661 494 222 514 126, 455, 572 371 329 345, 547 554, 575 573 309, 345 667 109 319 604 604 644 397, 399 113 141 f., 272, 501, 604, 640 540 311, 453, 495, 519, 572 215 427 214 514 193 214

739

SWB (08021) / p. 752 / 6.9.2022

740

Stellenregister

7,46 7,47-50 7,47-49 8,1-4 8,1-3 8,1 8,2 f. 8,2 8,3 8,4-8 8,5 8,12 8,21 8,24 8,27 f. 8,27 8,29 8,30 9,13 9,24 9,30 f. 9,33 9,45 9,48 9,49 9,51 9,54 9,62 10,1-12 10,2.7 10,2 10,5 10,7 10,9 10,13-20 10,16 10,17-20 10,18 10,25 ff. 10,25-37 10,27 10,29 10,30-35 10,30 10,31 10,32 10,34 10,35 10,36 10,38 ff. 10,38-42 10,38-40

Lukas

323 453 572 427 13, 284, 311 91 419 417 104, 276, 533 19, 46 488 361 539 351 150 519 190 172 292 342 150 351 107 362 351 651 213 336, 488 284 331 17 136 17, 45, 182, 357 319 263 64 361 32, 215, 314 404 474 404 404 446 211, 297, 373, 474, 476 47 47 323, 495 46, 195 373, 404 533 182 215

10,40 11,2 11,3 11,4 11,5-8 11,9-13 11,12 11,20-22 11,20 11,21 11,31 f. 11,33 11,37 f. 11,38 f. 11,41 11,42 11,45-52 11,49 ff. 11,49-51 11,49 11,51 12,4 12,6 12,11 f. 12,11 12,13-21 12,13 12,15 12,16 ff. 12,16-21 12,16-20 12,18 f. 12,18 12,20 12,22 f. 12,24-27 12,24-26 12,25 12,28 12,33 f. 12,35-38.41-48 12,35 12,37 12,41-48 12,45 12,47 f. 12,50 12,53 12,54 f. 12,59 13,2 13,3.4 13,6 ff.

11 257 70 494, 514 169 185 332, 407 361 113, 126, 130, 215 171, 388 150 367 636 474 474 4, 323, 356, 545 606 60 644 289 8 170 292 606 575 104 115 171, 237 564 327, 469 334 f., 370 414 333 497 298 284 375 364 70 497 21 156 11-12 536 528 213 581 617 301 194 107 514 323

13,8 13,11 13,14 13,15 13,18-21 13,18 f. 13,20 f. 13,21 13,22 13,28 f. 13,29 13,30 13,32 13,34 f. 13,34 14,5 14,7-11.16-24 14,11 14,12-24 14,12 14,15 14,18 14,21 14,23 14,26 14,27 14,28-30 14,28-32 14,28 14,31 14,32 14,35 15,1 f. 15,1 15,3-7 15,4-6 15,7.10.32 15,8-10 15,9 15,11 ff. 15,11-32

15,12 15,15 f. 15,15 15,16 15,17.19 15,19 15,20.29 15,22.26 15,22 f.

329, 487 318 575 619 284 19, 46 70, 72 367 91 141 572, 635 362 501, 656 644 332, 375, 402 73 142 362 170 167, 170, 615 572 292 215 52 134, 154, 276, 284, 294, 539 606 39 272 252 171 64, 171, 388 329 604 434, 604 46 335 572 194, 370, 666 167 f. 331 25, 32, 200, 214, 327, 335, 370, 439, 535, 572 115 265 6, 19, 265, 621 324, 332, 412, 654 331 245 595 21 142

SWB (08021) / p. 753 / 6.9.2022

Johannes

15,22 15,23.27.30 15,23 15,24.32 15,25 15,29 15,32 16,1 ff. 16,1-9 16,1-8 16,3 16,5-7 16,6 ff. 16,6 16,7 16,8 16,9 16,13 16,16 16,18 16,19 ff. 16,19-31 16,19 16,21 16,22 f. 16,23 16,26 16,29-31 16,29.31 16,31 17,3 f. 17,7-10 17,7 17,8 17,9 17,11 ff. 17,11-19 17,14 17,29 f. 17,33 17,34 f. 18,1-8 18,2-5 18,2.6 18,2 18,6 18,7 f. 18,9-14 18,10 18,11 f. 18,11 18,13

Stellenregister

296, 502, 522 620 139 343 397 f. 619 588 331, 661, 666 19, 21, 200, 514 535 f. 97 614 494 323, 367 367 356 676 207 211 150 535 25, 52, 104, 269, 469 299, 469 621 370 213 470 470 450 25 214 21, 156, 535 331 11 222 41, 319 308, 474 319, 431, 446 213 342 284 200, 207, 463, 554 268 201 50 667 455 186, 572 483 185 211 185 f.

18,14 18,18 18,29 19 19,1-10 19,1 f. 19,2 ff. 19,2 19,3 f. 19,3 19,5 19,6 19,7 19,8 19,10 19,11 ff. 19,11-27 19,12.14 19,13-25 19,14 19,21 f. 19,23 19,27 19,41 19,42 19,43 20,9-19 20,9-16 20,13 20,14-16 20,34-36 21 21,2 21,5 21,7-11.25-28 21,12-19 21,12 21,16 21,20-28 21,20 21,22 21,28 22,2 22,3 22,19 22,20 22,24-30 22,24-27 22,25 22,27 22,29 f. 22,30 22,31

186, 362 4 284 666 434, 572, 604 604 182 434, 469 653 604 540 572 604 564, 572, 604 604 666 19, 21, 513 476 194 64 327 497, 513 213 109, 597 4 43 359 20 222 213 154 424 194 503 421 606 202 167, 202, 211, 616 156 43 455 156 508 284 141 61, 79, 640 122 362 222, 306 11 122, 572 263, 284 72, 333

22,32 22,36 22,41 22,66 22,71 23 23,6-12 23,11.36 23,11 23,27 f. 23,29 23,34 23,41 23,47 23,56 24 24,4 24,13 f. 24,16 24,17 24,19 24,21 24,22-29 24,27.32.44 f. 24,27 24,30 24,42 24,47 24,48 24,50 24,52 24,53 26,13.15

616 292 184, 365 508, 576 677 547 387 212 303 597 179, 401 214, 606 565 150 426 f. 313 150 394 222 597 450 156 391 589 450 516 407 419, 558 649 516 184 184 222

Johannes 1 1,1-18 1,4 f. 1,4 1,5 1,9.14 1,10 ff. 1,11 1,12 1,14.16 f. 1,14 1,18 1,19 1,29.36 1,29 1,35.37 2,1-12 2,1-11

547, 645 355, 369, 645 645 341, 355 355 355 257 427 345, 373 223 600 190 47, 446 431, 619 141, 156, 529, 572 283 122 639

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SWB (08021) / p. 754 / 6.9.2022

742

Stellenregister

2,1-10 2,6 2,13 2,14 f. 2,14 2,16 2,19-22 2,19 2,20 2,21 3,1 ff. 3,3-6 3,3 3,5 3,14 3,17 3,18 3,19 3,22.25 f. 3,22.26 3,25 3,26 3,29 3,36 4,1-42 4,1 f. 4,7 4,8 4,9 4,12 4,14 4,20-24 4,20 f. 4,22 4,35 4,36 f. 4,38 4,39 4,46-53 5,1 5,2 ff. 5,2 5,9 5,16 5,20.27 5,24 f. 5,24 5,25 5,28 f. 5,36 5,39-47 5,43 6

Johannes

141 367, 595 595 4, 619 622 254 370 585 584 8 469 580 189 580 656 64 189 568 578 571 571 351 170 171, 357 519 571, 578 73 292 272, 615 636 74, 635 585 634 427 333 489 17 394, 677 547 476, 595 41 74 595 607 361 674 589 341 674 64, 600 593 419 645

6,1 ff. 6,2 6,5 6,7 6,9 6,15-21 6,23 f. 6,25 6,30 ff. 6,31 6,33 6,35 6,45 6,47 6,51 ff. 6,53-56 6,57 6,59 6,63 6,69 6,71 7,2.8.10 7,2 7,15 7,22 f. 7,24 7,32 7,35 7,37 7,38 7,42 7,50 7,53 8,1-11 8,11 8,12 8,17 8,24 8,32.33 8,33-36 8,34 8,44 8,46 8,57 9,2 9,3 9,7 9,14 9,22 9,24-27 9,28 9,41 10

301 319 292 195 322 499 609 351 72 599 341 269, 645 126, 600 370 72 62 64 226, 352 4 257 284 476 634 394 48 465 446 89, 255 370 289, 635 508 469 66 214, 567 465 355, 645 677 572 157 536 157, 572 282 572 345 318 318 74 595 201, 280, 605, 607 268 283, 501 572 426

10,1 ff. 10,1-18 10,3 f.27 10,3 10,10 10,11 10,12 f. 10,12 10,14 10,18 10,22 10,25 10,37 11 11,5 11,9 f. 11,9 11,11-16.39 f. 11,14-44 11,16 11,19.33 11,19 11,24 11,25 11,41 11,44 11,47 11,48 11,51 12,1 ff. 12,1-8 12,3 12,4 12,5 12,12 12,13 12,14 12,20 12,25 12,27 f. 12,27 12,31 12,42 13 13,1-17 13,1-11 13,3-10 13,4-17 13,4 f.12-15 13,4 f. 13,10 f. 13,15

266 266 265 418 369 266 265 331, 434, 655 266 361, 569, 651 476 419 593 169 356 345 670 285 369 417, 569 597 168 370 341 516 587 576 567 262 182 169, 311, 427 368 284 195, 427 476, 634 323 620 342, 634 f. 342 504 651 314, 361, 568 201, 280, 575, 605, 607 313 362 427 285 122 635 296 472 126

SWB (08021) / p. 755 / 6.9.2022

Apostelgeschichte

13,16 13,20 13,23.34 13,23 13,35 14,2 14,6 14,18 14,27 14,30 15,1 ff. 15,1.5 15,6 15,9-17 15,10 15,12-17 15,12 15,13 ff. 15,13 15,15 15,18-20 15,20 15,22.24 15,24 16,1-4 16,1.4 16,2 16,8 f. 16,9 16,11 16,13 16,21 16,23-26 16,33 17,1-5 17,2 f. 17,2 17,3 17,6 17,23 18 18,1 18,3 18,4-8 18,20 18,26 18,28-19,16 18,28 18,31 18,36 f. 18,40 19,2

64 182 356 170, 285, 519 356 254 369, 645 634 175 314, 361, 651 322 645 213 373 357 170 126 170 569 170, 529 651 606 f. 572 606 285 149 201, 280, 575, 605607 572 572 314 289 187, 189, 424 419 175, 314 504 341 361 34 419 371 508 180 212 651 226, 573 168 547 431 464, 567 305 211, 651 212

Stellenregister

19,12 19,15 19,20 19,23 19,26 f. 19,26.35 19,28.37 19,28 19,31-33 19,34 19,36 19,38-40 19,39 19,40 20 f. 20,1-18 20,2 20,15 20,16 20,21 f. 20,22 20,23 20,24 20,30 20,31 21,1-14 21,3 21,9 21,20-24

168 207 548 296 617 285 508 606 309 61 141 470 368, 469 427, 587 313 311, 394 170 181 351 391 369 214, 573 417 76 319 148 147 407 285

Apostelgeschichte 1,6 677 1,8.22 649 1,8 257, 361, 391, 558 1,12-14 557 1,12 365 1,13 f. 226 1,13 417 1,14 226 1,16 264 1,21 f. 65 1,25 f. 206 2 89, 140 f., 549 2,1 634 2,2-4,15 f. 257 2,9-11 87 2,11 227, 634 f. 2,13-17 640 2,17.18 450 2,17 598 2,22 361 2,24 f. 536 2,24 110, 189

2,25 2,32 2,34 f. 2,34 2,38.41 2,38 2,39 2,42-47 2,42-45 2,42 2,44 f. 2,44 2,46 f. 2,46 2,64 3,1-10 3,1 3,6 3,8 3,11 3,14 f. 3,14 3,18 3,21 3,22 4,1-3.5-7.17-21 4,1 f. 4,1 4,3 4,6 4,7 4,13 4,15 4,19 4,23-31 4,25 4,27.30 4,27 4,32-5,11 4,32-35 4,32 4,33 4,34.37 4,35-5,11 4,36 f. 4,36 5,1-11 5,1 5,11 5,12 ff. 5,17-42 5,18 5,21

264 649 207 264 226 419, 572, 579 f. 263 464 26, 52 122 104, 206, 616 104 106 136, 226, 483 124 52 184, 226, 585 386, 419 219 352 606 256 f. 97 258 450 606 352 212, 446 282, 605 446 419 394 576 651 226 264 257 427, 496, 558 464 540 464 361 292 26 602 47, 446, 560 374, 567 292 106 352 606 282, 605 226

743

SWB (08021) / p. 756 / 6.9.2022

744

Stellenregister

5,24 5,26 5,27.34.41 5,29 5,33-39 5,35-39 5,40 5,42 6 f. 6,1-11 6,1-7 6,1-6 6,1 f. 6,1 6,2 6,3 6,5 6,6-7,60 6,7 6,8-8,1 6,9 6,12.15 6,13 7 7,5 7,8 7,26 7,29 7,31 7,33 7,36 7,38 7,41 7,43 7,44 7,46 7,47-50 7,51 7,57 7,58-60 7,58 7,58 f. 8 8,1-3 8,1.3 8,1.4 8,1 8,3 8,4-25 8,9-13 8,12 8,14-17 8,16

Apostelgeschichte

212, 446 171, 211 576 651 605 211, 651 566, 605 226 374 606 121 13, 548, 557 284 616, 668 540, 561 677 227, 419 464 446 606 352, 574 576 649, 677 651 364 47, 437 171, 611 161 598 676 456 105 57 57 676 222 585 49 282 605 649, 677 567 129 605 f. 106 89 391, 606 149 391 361 419 84, 579 419, 578

8,20 8,26 ff. 8,26-40 8,27 f. 8,27 8,28 f.38 8,28 8,30-37 8,30-34 8,32 8,37 9,1.10.26.36.38 9,1 f.14.21 9,1 f.21 9,1 f. 9,16 9,20 9,21 9,23-25 9,29 f. 9,31 9,36 f. 9,36 9,39-41 9,39 9,43 10 10,1-11,18 10,1 ff. 10,1 f.7 10,1 10,2 10,2.22 10,3 10,6.32 10,6 10,7 10,9-16 10,10 10,11-16 10,17.19 10,22 10,23-25 10,24 10,28 10,33 10,34 f. 10,35 10,36-43 10,36 10,38 10,43 10,44 ff.

517 41, 129 391, 529 476 634 609 476 579 507 619 371 284 606 606 605 107 392, 573 605 606 606 106, 171 521 283 668 19, 46, 298, 597 46, 182 474, 579 391 129 212 387 162 228 48 46 244 388 424 598 545 598 677 651 167, 616 472, 474 226 545 228 579 171 427, 496 419 594

10,45 10,47 10,48 11,5-11 11,5 11,14 11,15 ff. 11,16 11,19 11,19-26 11,20 11,22.26 11,22 11,25.30 11,26 11,27 f. 11,30 12,1-3 12,1 f. 12,1.5 12,2 12,3-6 12,4.6 12,4 12,5 12,6 ff. 12,12-17 12,12 12,13 f. 12,17 12,20 12,21-23 12,25 13 f. 13,1 13,4 13,5.14 13,5 13,7.9 13,7 13,10 13,13-15 13,13 13,14 ff. 13,14.42.44 13,14.42 13,15 13,16.26 13,27 13,43-52 13,43 13,45 13,50

48 579 182, 419, 578 545 598 580 594 579 89 557 255, 391 106 558 417 282, 284, 601 450 11 605 190, 606, 651 106 202, 282 606 212 282 106 191 527 226, 253 39 65 331 299 417 87, 476 107, 450 609 226, 392, 575 12 417 555 676 393 499 492 88 352 507, 575 228 507 606 227 f., 573 605 228 f.

SWB (08021) / p. 757 / 6.9.2022

Apostelgeschichte

14,1-7 14,1 14,2 14,4.14 14,5.19 14,11-18 14,13 14,15-17 14,17 14,23 14,25 14,26 14,27 15 15,1-27,7 15,1 ff. 15,1-33 15,1-29 15,1-19 15,1.5 15,2 ff. 15,3 f.22.41 15,4 ff. 15,5-11 15,5 15,7-12 15,8 f.14 15,8 15,19 15,20.28 f. 15,20.29 15,20 15,21 15,22 15,23.25 15,23 15,29 15,30 f. 15,32 15,37 ff. 15,39 16,1 16,3 16,4 16,5 16,6 16,9 f. 16,9 16,13 f. 16,14 f.31-34 16,14 f.40 16,14 f.

606 88, 226, 255, 352, 392, 575 605 65 651 165 47, 620 255 301 10 f., 13, 107, 346 255 609 106 48, 558 87 48 465 391 255 594 11 106 65 344 49 594 594 257 465 475 57, 59, 112, 545, 594 424, 541 507, 573 107 255 10 545, 601 226 450 476 609 64 47 11, 65 106 91 599 598 229 206 20, 253 104, 182, 248

Stellenregister

16,14.40 16,14

241 46, 162, 228 f., 325, 419, 465, 470 16,15.33 580 16,15.34 616 16,15 133, 161, 169, 617 16,16-26 606 16,16 603 16,18 419 16,19 f. 598 16,19 363 16,20-23.35-39 212 16,20-22.35-38 554 16,20.22.35.36.38 47 16,21-23 566 16,22-24 202 16,22 f. 605 16,23 ff. 190 f. 16,23.27.36 554 16,23 149 16,24-40 566 16,25-34 392 16,32 226 16,37 f. 463 16,39-17,1 609 17,1-9 80 17,1.10.17 352 17,1 f. 226, 575 17,2 88 17,4-9,13 f. 606 17,4.12 229, 469 17,4.17 228 17,5-9 133, 161 17,6-10 651 17,6.8 554 17,16-34 392, 442 17,16 57, 166 17,17 f. 363 17,17 88 17,22 ff. 352 17,22-34 150 17,22-31 166, 255 17,24 ff. 166 17,28 166, 442 17,29 57 17,30 f. 166 17,30 672 17,31 465 17,32 ff. 166 18,1-3 161, 392 18,1 f. 607 18,2 f. 248, 557, 601 18,2 133, 285

18,3 18,4.26 18,6 18,7 f. 18,7 18,8 18,12-17 18,14-16 18,14 f. 18,18 18,18b 18,20 18,22 18,23 18,25 19,1-6 19,4-6 19,5 19,6 19,8 19,9 f. 19,13-17 19,19 19,22 19,23-20,1 19,23 ff. 19,23-40 19,24 19,31.35 19,32.39 f. 19,35 19,37 19,38 19,40 20,3.5 f.13 20,6.15 20,7 ff. 20,7 f. 20,7 20,9 20,10 20,16 20,17 20,18 20,20 20,28 f. 20,28 20,33 f. 20,34 20,35 20,37 21-28 21,1-3

19, 39, 45, 325, 676 88 60, 605 392 228 206, 580 555, 606 464 651 100, 112 f., 609 197 672 106 91 578 579 578 578 84, 450 88 392 268 195 12 607 462, 496 57 20, 46, 247, 385 554 105 508 29, 462 462 463 499 609 124 392 88, 141, 226, 492 39 108 137, 634 11, 107 672 352 266, 618 46, 61, 106 f. 18 470 18 109 212, 607 499

745

SWB (08021) / p. 758 / 6.9.2022

746

Stellenregister

21,2 21,4.16 21,8.15-17 21,9.10 f. 21,13 21,17-26 21,18 21,21 21,23 f. 21,23 21,25 21,26 21,27-30 21,30-38 21,30 f. 21,31-40 21,35 21,37-22,2 22,2 22,3 22,5 22,16 22,17 22,19 22,22 f. 22,24 f. 22,24 22,25-29 22,25 22,30-26,32 22,30 23 f. 23,1 ff. 23,2 f. 23,6-8 23,8 23,9 23,10 23,11 23,14.21 23,21 23,22 23,23 24,1 24,16 24,18 24,20 24,25 24,26 25 f. 25,11.25 25,16 26-28

Römer

609 182 161 450 109, 569 558 11 48 113, 197, 585 100, 197 57, 59, 475, 545 431 142 211, 651 651 388 211 548 548 478 565 419, 580 184 566 651 605 47, 149 463 46 235 190, 576 555 576 566 478 478 f. 508 388 677 196 651 47 46 46 112 431, 483 576 112, 465 50, 191 555 565 463 624

26,5 ff. 26,5 26,7 26,10 f. 26,11 26,28 26,32 27 f. 27 27,1 f.6 27,1 27,3 27,6 27,9 27,11 27,13 ff. 27,27.30 27,27 27,28 27,41 28,3 f. 28,4 28,8 f. 28,11-15 28,11 28,13-15 28,14 28,16 28,16.30 28,17 28,30 f. 28,30

478 478 615 149 565 282, 601 304 476 499, 609 609 465 169 499 140 46 301 46 499 364 609 656 455 318 499 499, 609 609 182 388 190 f. 599 392 434

Römer 1,1 1,2 1,3 f. 1,3 1,4 1,5 f. 1,5 1,7 1,8 1,9 f. 1,11 1,13-15 1,13 1,16-32 1,16 f. 1,16 1,18-32 1,18-26 1,18-25

65, 527 f., 536 450, 508 33 264, 384 361 392 222, 419 222, 256, 258 395 186 83 f., 222 392 373 520 361 255 255, 572 153 166

1,19-23 1,20 1,23 1,24-32 1,24-26 1,26 f. 1,26 1,27 1,29 1,30 2,1 ff. 2,1-11 2,2 2,6 ff. 2,6 2,12 ff. 2,13 2,14 f. 2,14 2,15 2,19 f. 2,22 2,25 ff. 2,25 2,28 2,29 3,2 3,6 3,9-20 3,9 f. 3,9 3,17 3,21-5,11 3,21-25 3,21-31 3,22 3,23 3,24-26 3,24 f. 3,24 3,25-30 3,25-26* 3,25 f. 3,25 3,28 f. 3,29 3,30 3,31 4 4,5 4,7 4,10

57 361 57, 224 455 568 97 219, 420 357 470 346 358 358 466 568 595 127 595 595 420 108 390 29, 57 49 49 49 49, 395 282 465 432 517 174 171 612 61 202 202 223 572 341, 517 223 255 352 370 33, 61, 263, 431 f. 580, 612 612 33, 255 48 352, 376 593 202, 223 214 48

SWB (08021) / p. 759 / 6.9.2022

Römer

4,12.16 4,16 4,25 5-8 5,1.11 5,1 5,2 5,3 f. 5,5 5,6 5,8 5,9 5,10 5,12-8,39 5,12-21 5,12-14 5,12.14-21 5,12 5,15-21 5,15-20 5,15-19 5,15 f. 5,15 5,16 5,17.21 5,17 5,18 f. 5,18 5,21 6,1-11 6,1-3 6,1 f. 6,2 ff. 6,2 6,3-11 6,3 f. 6,3 6,4 6,6 6,7.11 6,10 6,11 6,12-14 6,15-23 6,17 6,18-23 6,19 6,21 6,22 f. 6,22 6,23 7

Stellenregister

49 223 61, 431, 572 33 174 171 99 606 357 223 357 61 174, 611 361 485 403 341 572 223 572 58 83 82 600 341 361 61 341 223, 572 273, 343, 485 443 580 580 372 341 61, 141 419, 578 99, 341, 581 307, 528 341 341 263, 341 528 536 108 157 33, 527 f. 341 220 674 83, 222 f., 263, 341, 528 157, 273

7,3 7,6 7,7 7,10 f. 7,12 7,13 7,15-25 7,19 f. 7,24 7,25-8,2 7,25 8 8,2 8,3.32 8,3 f. 8,3 8,4 8,6-8 8,7 8,9-13 8,13 8,14-17 8,15 8,17 8,18 ff. 8,18-27 8,20 ff. 8,21 8,22 f. 8,22 8,23 8,24 f. 8,25 8,26 f. 8,27 8,29 8,30 8,31 ff. 8,31-39 8,32 8,33 f. 8,35 8,36 8,38 f. 8,39 9-11 9,2 9,3 9,4 f. 9,4 9,5 9,6 ff. 9,24.27

156 395 236 341 256, 259, 595 595 371 307 109, 307 273 528 257, 424, 589 341 431 341 433, 595 595 341 171 341 307 294, 536 549 105, 115 504 424 674 157, 424 424 109 f., 572 529, 580 424 424 313 258 58, 61, 600 99 33 606 61 175 269 619 220, 361 357 255, 625 108 518, 615 83 78, 99 599 33 395

9,29 10,4 10,5-14 10,9 f. 10,17 10,19-21 11,1 11,2 11,3 11,11 f. 11,13 f. 11,13 11,15 11,17-24 11,17.24 11,25 ff. 11,25 f. 11,25-26a 11,26 11,27 11,28 12,1 ff. 12,1 f. 12,1 12,3.6 12,4-8 12,5 12,6-8 12,6 12,6a 12,8 12,12 12,13 12,14-21 12,14.17-21 12,14 12,16 12,17.21 12,17 12,18 12,19 12,20 12,21 12,24 13 13,1-7

13,1 13,3 f. 13,4

361, 450 595 395 517 395 395 560 508 8, 392 572 392 12 611 f. 323, 329 489 33 635 14 78, 83 78 356 106 432 127, 433 222 310 310 83 222 83 268 186 161, 169, 182 171, 651 606 516 f. 362 455 127, 213 171 111, 171, 213, 454 f., 568 455 213 517 270, 305, 356, 564, 651 175, 202, 207, 210, 213, 235, 465, 563, 624, 651 304, 553 202 455, 651

747

SWB (08021) / p. 760 / 6.9.2022

748

Stellenregister

13,6 13,7 13,8 ff. 13,8-10 13,8 13,9 13,11 13,12 13,14 14 14,1 ff. 14,5 f. 14,5.10 14,6 14,8 14,9 14,12 14,13-23 14,14 14,17 14,19 14,20 14,22 15 15,2 15,3 15,4 15,5 15,8 15,15 f. 15,15 15,16 15,18-21 15,18 f. 15,20 15,25-32 15,25-28 15,25 f.31 15,25.31 15,26 f. 15,26 15,27 15,29 15,30 15,33 16,1-16 16,1-15 16,1-3 16,1 f. 16,1 16,2 16,3-16 16,3-5.10 f.

1. Korinther

213 514 127 202, 404, 572 356 110, 127, 236, 595 113 175, 356, 388, 633 455 310 33, 127 492 465 518 569 341 126 545 545 33 545 475, 492 545 202 404 98 352 404 255, 391 392, 432 222 127 361 392 39, 392 558 540, 585 258 12, 258 514 26, 223 223 470, 517 185 389 273, 484 419 68 12, 154, 161, 182 106 133, 540, 617 527 206

16,3-5.23 16,3-5 16,3.5 16,3.12.15 16,3 f. 16,3 16,4 f.23 16,4 16,5.12 16,5.14 f. 16,6.12 16,7 16,10b 16,11b 16,12 16,16 16,20 16,22 16,23

1. Korinther 1-4 1 1,1 1,2 1,3 1,5 1,7 1,9 1,11 1,12 1,13.15 1,14-16 1,14.16 1,15 f. 1,16 1,18-2,10a 1,18 ff. 1,18-25 1,18 1,24.30 1,24 1,26-31 1,26-29 1,26-28 1,26 1,30 2,1-5 2,2 2,3-5

602 161 253 106 285 133, 666 106 170, 255 356 527 17 64, 154, 285, 372, 419 527 527 169, 285 106, 258 222, 361, 389 507 46, 120, 133, 161, 169, 182, 253, 392

268, 645 492 65, 106 184 222 470 83, 222 206 63 580 578 572 602 226 580 309 33 362 361 645 255 25, 310, 362, 470, 504, 536 98 25 453, 469 257 362 362 361

2,6-16 2,6-8 2,6 f. 2,8 2,9 2,12 2,14 3 f. 3,1-3 3,5 3,6-10 3,6 3,7 3,8 3,9-17 3,9 f. 3,9 3,10 3,12 3,13 3,14 3,16 f. 3,16 3,17 3,22 f. 4,1 f. 4,6-13 4,8-16 4,9-13 4,9-12 4,9 4,10 4,11-13 4,11 4,12 f. 4,12 4,13 4,14 f. 4,14 4,15 4,16 4,17 4,19 f. 5-7 5 f. 5 5,1 ff. 5,1-11 5,1 5,4 f. 5,4 5,5 5,6

362 361 361 136 289 361 420 294 293, 345 12 181 636 352 17, 357 39, 352 254 7, 39 39, 392 39, 386 126 358 480 8, 39, 127, 405 258, 369 61 254 269, 536 309 606 46 64 f. 501 98 269 17 17-19, 248, 501 501, 606 136 345 294, 352, 600 127 63, 106 361 127, 153 107 212, 374 37 464 255 68, 517 201, 289 465, 567 72

SWB (08021) / p. 761 / 6.9.2022

1. Korinther

5,7 f. 5,7 5,8 5,9-11 5,9 f. 5,10 f. 5,10 5,11 6,1-11 6,1-10 6,1-8 6,1-7 6,2.3 6,3 f. 6,3 6,4 6,6 6,7 6,9 f. 6,9 6,10 6,11 6,12-20 6,12 6,12-20 6,14 6,15-20 6,16 6,17 6,18 6,19 6,20 7 7,1-5 7,1 7,4.34 7,4 7,5.9 7,5 f. 7,5 7,7-9.26.37 f. 7,7 f. 7,7 7,8.25-40 7,8 f. 7,8 f.26 f.37 f. 7,8 7,9 7,11

Stellenregister

480, 485 72, 141, 156, 370, 431, 619 72 290 60 57 96, 207, 224 595 540 201 465 175 465 201 361 107 201 128, 201, 237 115, 224, 501 57, 595 96, 211 259, 419, 578, 580 96, 452 f. 371, 452 603 361 309 453 453 373 39, 369, 372, 433, 453 157, 183, 292, 309, 370 101, 254, 273, 286, 373 453 68, 96 521 373 484 113 96, 197 188 134 83, 113, 127, 222 113 113, 668 113 96 96, 112 611

7,14 7,17-24 7,17 7,18 ff. 7,18 7,19 7,20-22.32-38 7,20-23 7,21.22 7,21 7,22 f. 7,22 7,23 7,25-40 7,26.29 7,26 7,28.36 7,29-35 7,29-32a 7,29-31 7,31 7,34 7,35 7,39 8-10 8 8,1-13 8,1-6 8,1.10 8,4 8,7-13 8,7-12 8,8 8,9-13 8,9 8,10 8,13 9 9,1-5 9,1 f. 9,1 9,3-14 9,5 f. 9,5 9,6-15 9,6-14 9,6-10 9,6 9,7 9,9 9,10 f. 9,11

179, 294, 472, 474 f., 580 49 106 595 48 49, 376 438 536 529 157 104 157, 372 157, 292 197 113 179 113 96 18 369, 401, 442 314 286 96 156 57, 601 127, 310, 545 60, 224 156 39 166, 224 545 371 545 176 156 156 405, 545 65, 127, 156 285 65 65 65 64 134, 285 46 17, 45, 540 248 17 357 488 333 489

9,13 9,14 9,15 9,17 9,19-22 9,24 9,25 9,29 10 10,1-13 10,10 10,11 10,13-16 10,14 ff. 10,14-32 10,14-22 10,16 f. 10,16 10,16a 10,19 10,21 10,23-11,1 10,23-31 10,24 10,25 10,29 10,31 10,32 11 11,1 11,2 ff. 11,2-16 11,3 11,4-16 11,4-6 11,4 f. 11,5 11,7 11,14 11,15 11,16 11,17 ff. 11,17-34 11,18 11,20-34 11,20-22 11,20 11,21 11,22.34 11,22 11,23-29 11,23-26

8, 446 182 17, 569 254, 528 218 365 112 674 580 509 361 113 288 545 60 62, 224 72, 206, 310 119, 141, 320, 640 516 224 8 224 310 127 292 156 99 106 153 127 120 154, 176 419 484 97 484 226 58 219 421 107, 218 470 26, 206, 464, 469, 540, 602 107 481 142 141, 226 464 122 26, 106 f. 62 485

749

SWB (08021) / p. 762 / 6.9.2022

750

Stellenregister

11,23-25 11,24 f. 11,25 11,26 11,30 11,32 11,33 f. 12 12,2 12,3b 12,4 12,5 12,7 12,9.28.30 12,10 12,11 12,12 ff. 12,12-31 12,12-27 12,13 12,14-27 12,22-24 12,26 12,27 12,28-31 12,28-30 12,28 f. 12,28 12,31 13 13,1-13 13,9.12 13,11 14 14,1-33a.36-40 14,7 f. 14,12-35 14,14 14,15.26 14,16 14,20 14,22-26 14,23 14,24 14,25 14,26 14,30 14,33 14,33b-35 14,34.35 14,34 15

2. Korinther

226, 431 119 61, 79, 141, 640 62, 122 319, 465 466 121 83, 373, 484 57 517 83 206 83, 320 82 f. 599 83 106 310 206 156, 206, 226, 273, 310, 580 84 98 107, 373 310 222 106 64, 450 105 222 310, 450 356 450 293, 345 f., 389 289, 484 106 397 106 178 398 516 f. 346 226 124, 253 219 184 106, 598 450 122 226 218 219 370

15,3-5 15,3 f. 15,4 15,5 15,6 15,7-9 15,7 15,8 f. 15,8 15,9 f. 15,9 15,10 15,15-28 15,15 15,20 15,22 15,24-27 15,24 15,25-28 15,25 f. 15,26 15,29 15,32 15,35 ff. 15,39-44 15,39 15,40.44 15,40 f. 15,42-49 15,42-44 15,43 15,44 15,45-49 15,45 15,49 15,50 15,51-54 15,52 15,55-57 15,56 15,58 16,1-4 16,1.19 16,1 f. 16,1 16,2 16,8 16,10.15 16,10 16,11 16,15-19 16,15 f. 16,15

262, 264, 508, 572 593 141, 589 284 65, 616 285 64 65 188 64 106, 149, 282, 605 17, 273 14 676 341 403 361 361 33, 465 421 589 580 202 7 489 655 113 99 309, 370 220 361 313 58 108 58 113 343 398 572 528 17 68, 558, 585 106 492 258 141, 226 634 206 63 171 602 253 12, 206

16,16 16,19 16,20 16,21-24 16,22 16,23

17 253, 392 258 507 37, 507, 517 f., 549 222

2. Korinther 1,1 1,2 1,9 ff. 1,11 1,13 1,20 1,21 1,22 2,6 f. 2,7.10 2,17 3 3,2 3,3-9 3,3-5 3,6 3,7-18 3,8-18 3,10 3,14 f. 3,14 3,18-4,18 3,18 4,1 4,4 4,6 4,7-18 4,7-12 4,7 4,10 f. 4,10 4,12 4,16-18 4,16 5,1.4 5,5 5,8 5,10 5,14 f.21 5,14.21 5,17 f. 5,17 5,18-21 5,18 f. 5,18

65 106, 222 588 83, 222 68 99, 450 427, 496 293, 523, 580 214 214 241 79 68 12 68 395 509 99 222 507 226 58 58 12 58, 314, 361 99 504 343, 606 309, 343, 361 309 362, 606 588 606 371 676 293, 580, 614 569 126, 358 61 341 341 273, 341, 345, 369 611 611 12

SWB (08021) / p. 763 / 6.9.2022

Galater

5,19 5,20 5,21 6,3 f. 6,4-10 6,5 6,6 6,7 6,9 f. 6,13 6,16 6,18 7,1 7,2 7,5 7,6 f. 7,6 7,10 8 f. 8 8,1.4.6 f.19 8,1 8,2 8,4.19 f. 8,9 8,13-15 8,16 f.23 8,18 f. 8,19.23 8,23 f. 8,23 8,24 9,1.12 f. 9,5 9,6 9,8.14 9,9 f. 10,3 f. 10,4 10,5 10,10 f. 10,10 10,14 f. 10,15 f. 11,2 f. 11,2 11,3-5 11,3 11,8.23 11,8 11,11-12,11 11,11

Stellenregister

61, 572 64, 370 202, 341, 572 12 309, 606 17, 190 214 175, 214, 388, 633 343 357 585 361 258 237 171 63 362 314 68, 310, 558, 585, 616 52 223 106, 223 223 12 223 26 63 107 223 107 64 356 12 237 489 223 51 175, 388 388, 633 191 68 320 17 392 188 67 268 402, 656 12 29, 106 501 356

11,12-31 11,12 f.20 11,13 11,16-33 11,22-12,13 11,23-33 11,23-29 11,23 f. 11,23.27 11,23 11,24 f. 11,24 11,25 f. 11,26 11,27 11,30 11,32 f. 11,33 12,1-18 12,1-5 12,2 12,4-11.28-31 12,7 12,7-10 12,9 f. 12,9a 12,9b 12,10 12,11 f. 12,11.14 12,12 12,13 12,18 13,1 13,3 13,4 13,11 13,12 13,13

536 182 17, 65 65 268 309 606 388 17 463, 588 202, 605 201, 463, 566, 606 499 211 269 606 606 606 273 648 648 222 309, 320 309 343, 362, 372, 606 320 320 606 361 514 65, 361 106, 214 63 677 372 362 171, 357 258 206, 222

Galater 1,1 1,2.22 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6-9 1,8 f. 1,8 1,10 1,12 1,13.23

65 106 91 222 61 99 268 518 450 536 598 149, 282, 605

1,13 1,14 1,15 f. 1,15 1,16 1,17 1,18 2 2,1-10 2,3-5.12 2,4 2,6 ff. 2,7-9 2,8 2,9 f. 2,9 2,10 2,11-14 2,16 2,19 2,20 2,21 3,1 3,5 3,8 f.14 3,8 f. 3,8 3,9 3,10 3,11 3,13 3,14 3,15 3,26 3,27 f. 3,27 3,28 f. 3,28

3,29 4 4,1-11 4,1 f. 4,1.7 4,4-7 4,4 4,5 4,6 4,7

106, 605 478, 599 263, 392 273, 528 222 669 182 255, 558 391 344 157 48 392 65 585 222 26, 223, 558 475, 545, 601 157 341 61, 273, 372 594 362 361 517 515 508 516 595 594 362, 517 517, 594 78 136, 294, 594 310, 343, 580 141, 309, 341, 372, 578 373 33, 49, 107, 153, 156 f., 175, 185, 206, 255, 273, 309 f., 438, 484, 529, 536, 540, 580 115, 594 157 27 293 115 361 187, 672 157 549 61

751

SWB (08021) / p. 764 / 6.9.2022

752

Stellenregister

Epheser

4,8 f. 4,8 4,9-11 4,10 4,11 4,12-20 4,12 4,13-20 4,13 f. 4,13 4,15 4,19 4,20 4,21-31 4,25 f. 4,26 f. 4,26 4,27 4,29 5,1-11 5,1.13 5,1 5,2 5,3 5,6 5,9 5,11 5,12 5,14 5,16 f. 5,19 ff. 5,19-21 5,22 5,23 5,25.14 6,1 6,2 6,7-10 6,8 6,10 6,11-18 6,11 6,12 6,13 6,15 6,16 6,18

57 166, 224 475 492 17 352 127 309 392 320 320 190, 401, 600 68 509 559 179 361, 402 189, 669 606 371 157 371 594 49, 157, 475 344 72 362, 606 268, 501 110, 202, 572 307 126, 224 5, 57, 501 214 112 157 572 202 358 489 127, 405, 616 507 320 594, 606 49, 362 49 288 222

Epheser 1,3a 1,3b 1,4 1,7

516 516 258, 369 61

1,10 1,13 1,14 1,15 1,19 1,21 f. 1,21 1,22 f. 2,2 f. 2,2 2,3.14-17 2,11-22 2,11-13 2,11 2,12-19 2,13 2,14 2,15 f. 2,16 2,18 2,19-22 2,19 2,20-22 2,20 2,21 3,1 3,4 3,5 3,7 3,10 3,20 f. 3,21 4,1 4,2 4,3 4,8 4,11 4,15 4,16 4,25 4,28 4,31-5,2 4,32 5,1 5,2.25 5,2 5,3 5,4 5,5 5,8 f. 5,11 5,14 5,19

612 523 293 258 361 361 362 106 362 314, 361 175 255, 310 49 48 161 61 171 309, 612 611 600 254 616 585 64 f., 450 254 191, 255, 606 507 64, 258, 450 12 105 f., 361 361 106 191, 606 362 171 191 64, 266, 450 373 404 404 18 214 214, 373 126 61 370, 431, 433, 585 474 500 57, 237, 470 356 178 289 226, 396

5,21-6,9 5,21-33 5,21-24 5,21 5,22-6,9 5,22 ff. 5,23-32 5,23 5,25 ff. 5,27 5,28 6 6,1-4 6,1-3 6,1 6,2 6,3 f. 6,4 6,5-9 6,5-8 6,6 6,9 6,10 ff. 6,10-17 6,11.13-17 6,16 6,18 6,21

131, 134, 207, 272, 439 310, 373 484 373 154 126 105 f. 373 313 258 514 388 179, 402 294 347 402 347 294, 347, 600 529 536 126, 529 536 388 175, 361, 388 633 629 258 12

Philipper 1,1 1,2 1,7.12-14 1,7.13 f.17 1,7 f. 1,8 1,9 1,11 1,12-14 1,13 1,19-26 1,21 1,23 1,29 f. 2,1-5 2,1 2,2 ff. 2,5 ff. 2,5-11 2,6-11 2,6 2,8

12, 46, 107, 536 222 606 202 273 108, 677 107 99 392 190 651 218, 569 569 606 362 108, 206 127 126 98 33, 208, 645 528 362

SWB (08021) / p. 765 / 6.9.2022

Kolosser

Stellenregister

2,9 f. 2,17 2,19-30 2,19 2,25 3,2 3,3 3,5 3,6 3,7-11 3,7 f. 3,8 3,9 3,10 3,12-14 3,17 3,20 f. 3,20 3,21 4,2 f. 4,2 4,3 4,8 4,9 4,10 ff. 4,11-13 4,13 4,15 4,18 4,22 4,23

419 432 182 63 64, 419 17, 501, 621 49 47, 560 106, 282, 605 343 218 501 202 361 371 127 58 208, 458 109, 309 419 154 76, 140 214 389 191 269 361 106 419, 432 206 222

Kolosser 1,1 1,7 1,11 1,12 1,15-20 1,15 1,16 f. 1,16 1,18.24 1,20-24 1,20.22 1,22 1,23.25 1,28 2,7 2,10-13 2,11-15 2,11 f. 2,14 2,15

65 12, 353 361 258 645 58 369 362 106 175 611 258 12 353 353 362 485 49, 580 536 361, 612

2,16 f. 2,17 2,21 f. 2,23 3,5

3,18 ff. 3,18-22 3,18 3,19.21 3,20 f. 3,20 3,21 3,22-4,1 4,1 4,5 4,6 4,10 4,11 4,12 4,13 4,14 4,15 f. 4,15 4,16 4,18

596 596 596 113 18, 57, 224, 237, 470 171 500 49, 206, 536 214 108, 214 214 226, 396, 484 97, 131, 134, 176, 254, 439 126 134 154 134 179, 402 346 f. 294, 347, 600 529 134, 536 293 268 182 48 126 17 46 106 106, 133, 253 226, 290, 394, 484 606

1. Thessalonicher 1,1 1,3 1,4 1,5 f. 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,1 f. 2,7-11 2,7 2,9 f. 2,9 2,11 2,14-16

106, 222 17 373 257 361 127, 606 606 395 57, 166 202 352 64, 294 248 17, 19, 392 600 282

3,6 3,9 3,11 3,12 f. 3,12 3,13 3,16 3,18-4,1

2,14 2,16 2,18 3,1-8 3,2 3,3 3,5 3,6 3,10 4 4,3-8 4,3-6 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 4,11 4,13-18 4,15-5,11 4,15-17 4,16 5,3 ff. 5,3 5,8 5,12 5,13 5,14 5,15 5,17 5,23 5,25 5,26 5,27 5,28

106, 202, 606 606 361 606 63 258 17 63 186 370 404 257 126 f. 373 257 455 475 127 126 17 f., 248 14 68 343 398 175 172, 187 388, 633 602 373 127 213, 455 184, 186, 480 389 185 258 226, 394, 484 222

2. Thessalonicher 1,1.4 1,8 3,3 3,6-15 3,6-12 3,7-12 3,7.9 3,8 3,12

106 213 361 212 46, 540 248 127 17 69

1. Timotheus 1 f. 1,2 1,5

218 222 f. 472

753

SWB (08021) / p. 766 / 6.9.2022

754

Stellenregister

1,8 1,9 f. 1,12 1,17 1,18 1,20 2,1-3 2,1 f. 2,1 2,5 f. 2,6 2,7 2,8-3,15 2,8 2,9-15 2,9 f. 2,9 2,11 f. 2,12-15 2,12 2,14 2,15 3,1-13 3,1-5 3,2 3,2-5 3,3 3,4.12 3,4 3,5 3,8-13 3,8.12 3,9 3,11-14 3,11 3,13 3,14 f. 3,15 f. 4,3 4,4 4,6 4,7 4,8 4,12 4,13 4,14 f. 4,14 4,16 4,17 5,1-6,2 5,1 f. 5,3-16 5,3-9

2. Timotheus

219 500 f. 12 361 175 212, 517 651 235 226 61 61 65, 353 272 184, 516 55, 226 313 299, 502 13 668 179, 219 520 179, 188, 402 46, 484 254 46, 214 131 214 134 294, 600 107 12 f. 107 472 134 13 13 254 106 112 113 12 f. 12, 345 113 127 394 84 11, 82, 84, 358 226 12 131 10, 347 484 346

5,4.16 5,4 5,5.9 f. 5,8-10 5,8 5,9 f. 5,9.14 5,9 5,10 5,11-16 5,11-13 5,11 f. 5,11 5,13 5,14 5,16 5,17.19 5,17 5,18 5,19 5,23 6,1 f. 6,6.8 f. 6,10 6,11 6,15

540 347 668 13 615, 617 113 10 668 161 113 179 197 134, 521 394 179, 188, 402, 501, 668 106, 617, 668 346 11, 17 357 11, 677 113, 317 134, 529, 536 18 237 161, 214 361

2. Timotheus 1,2.16.18 1,2 1,5 1,6 1,8 1,11 1,13 1,18 2,2.15 2,4 2,8 f. 2,11 2,12 2,14 2,22 3,1-9 3,1 3,2 3,3 3,10-12 3,14-16 3,15 4,11 4,13

223 222 84 82, 84 191, 606 65 127, 472 12 394 175 606 569 361 127 161, 472 500 f. 211 346 211 606 394, 507 294 12 75, 296

4,14 4,20

213, 517 317

Titus 1,5 1,6-9 1,7 1,8 1,10-16 1,10 1,11 1,12 1,15 2,2-4 2,7 2,9 f. 2,14 3,1-3 3,5

11, 107 346 46, 254 112, 214 501 48 218 272, 421 472, 545, 596 10 127 529, 536 61, 625 651 223, 580

Philemon 1 f. 1.9.13 1.9 1.10.13 2 3 9 13 16 19 22 25

253 606 191 202 106 222 345 12 529 507 182 222

Hebräer 1,1-4 1,2 1,3 1,4 1,9 1,13 2,11 2,12 2,14 f. 2,16 2,17 3,1 4 4,13 4,15 5,1-10 5,14 6,2

645 115 258, 361 419 427, 496 207 258 105 62 79 446 64, 258 662 126 572 446 107 84, 472, 475, 579

SWB (08021) / p. 767 / 6.9.2022

Jakobus

6,7 6,12 6,13 6,14 6,19 7,1-28 7,7 7,13 7,14 7,22 7,27 8,1-10,19 8,2.5 8,5 8,6 8,9 ff. 8,9 8,10 9 f. 9,1-10,18 9,12.26.28 9,12 f. 9,13 f. 9,13 9,14 9,15 9,22 9,25 f.28 10,1-18 10,2 f. 10,4-10 10,5 10,10.14.29 10,11-14 10,14 10,16 f. 10,16 10,19-25 10,22 10,27 10,28 10,29 f. 10,29 10,36 11,9.13 11,9 11,14-16 11,31 11,32-34 11,34 11,37 12,2

Stellenregister

516 115, 127 101 516 499 446 517 8 560 80 432, 585 58 676 676 80 79 456 108 370 34 585 620 472 258 569 61 475 432 446 475 433 368 258 572 257 79 108 480 258, 472, 475, 579 f. 213 677 568 61, 565 126 208 675 208 171, 453, 603 212 171 619 362

12,10 12,14 12,22 12,23 12,24 13,2 13,3 13,7.17 13,9 13,10 13,12 13,15 13,20 13,21 13,24 Jakobus 1,1 1,4.12 1,6.8 1,15 1,25 1,27 2,1-13 2,1-4 2,1 ff. 2,2 2,3 2,3 f. 2,6 2,7 2,8 ff. 2,8 2,12-26 2,15 f. 2,21 ff. 2,23 2,25 3 3,4 3,7 3,8 3,14.16 3,17 f. 3,17 4,1-5,6 4,1 f.11 4,4 4,5 4,9 4,11 4,13-17

256 257 558 f. 106 61 161, 169, 182, 476 191 127, 447 475 8 258 432 266, 389, 426 126 258

4,13 f. 4,14 4,15 5,1-6 5,1 5,3 5,4 5,6 5,7 5,10.13 5,12 5,14-16 5,14 ff. 5,14 f. 5,14 5,20

499 370 10 490 109 386 248, 357, 361 374 332, 487 370 100 427 320 370, 495 11, 346, 419 370

89 371 371 370 596 540, 633, 667 211 121, 124, 374 104 298 f., 469, 502, 575 470 104 299, 502 419 127 127, 373 371 373, 535 594 168, 508 453, 603 422 499 622 370, 374 374 175, 373 214 211 374 175 289 267 127, 596 217, 241

1. Petrus 1,1.17 1,1 1,2 1,6 f. 1,6 1,13 ff. 1,16 1,17 1,18.19 1,19 1,22 1,23 1,24 f. 1,24 2,4-6 2,5.9 2,5 2,9 f. 2,9 2,11 2,12-17 2,12.14 f.20 2,12 2,13-17 2,14 2,15 2,18-3,7 2,18-25 2,18 2,19-21 2,19 f. 2,19 2,21-23 2,21 2,23

208 64, 86, 89 61 607 607 258 258, 369 600 157 572 207, 472 489 654 370 39, 585 447 254, 432 625 306 112 210 607 207 f., 213, 607 213, 235, 651 305, 455 126 131, 134, 439 529 134 607 607 128, 607 607 126 455

755

SWB (08021) / p. 768 / 6.9.2022

756

Stellenregister

2. Petrus

2,25 3,1.6 3,1 3,3 3,6.13.17 3,7 3,8 3,9 3,14.17 f. 3,14 3,16 3,17 f. 3,17 3,18 3,20 f. 3,21 3,22 4,1 f. 4,1.13.15.19 4,1 4,2.19 4,3 4,9 4,10 f. 4,10 4,11 4,12 4,13 f. 4,13 4,14 4,16 4,19 5,1 5,2 5,3 5,5 5,8 f. 5,8 5,9 f. 5,9 5,10 5,11 5,13 5,14

266, 426, 619 134 218 299, 314, 502 607 134 214 213, 455, 500 607 171, 606 f. 97, 207, 607 607 607 585 580 579 361 607 607 607, 633 607 57, 214, 224 161, 182 84 82, 84, 254 361 607 607 607 607 282, 601, 607 607 11, 346 266 266 10, 346, 362 607 655 607 607 607 361 235, 559 258, 356

2. Petrus 1,1 1,4 1,6 1,7 1,18 2 2,1

64 420 112 214 259 212 292

2,9 f. 2,10-22 2,14 2,21 2,22 3,2 3,7 3,15 ff. 3,15 f. 3,16

517 501 517 259 621 258 213 352 290 507

1. Johannes 1,2 1,7-9 2,12 2,13 2,17 2,18-22 2,20.27 3,1.10 3,5 3,18 4,4 ff. 4,8.16 4,10 ff. 4,16-21 5,11 f.20

341 61 419 361 126 361 427, 496 357 572 356 314 357 126 357 341

2. Johannes 1 3 7 12

346 222 361 394

3. Johannes 1 6 9 f. 14

346 106 107 394

Judas 7 9 14 15 25

213 517 289 211 361

Offenbarung 1 1,1-6 1,1 1,2.9 1,3

58 68 528 677 394, 450

1,4.11.20 1,5 1,6 1,8 1,9 1,10 1,12-20 1,16 2,1-29 2,2 2,9 f. 2,9 2,13 2,14-16 2,14.20 2,20 2,23 2,26 3,1-22 3,1 f. 3,5 3,7 3,9 3,14 3,18 3,21 4 f. 4,2 4,4.10 4,4 4,8 5 5,1 5,5-14 5,5 5,6.9 5,6 5,9-11 5,9 f. 5,9 5,10 5,12 5,13 6-13 6-8 6 6,1-8 6,2-8 6,3 f. 6,4 6,5 f.

106 61, 306, 472, 651 306, 447 68, 361 607 141 58 28 106 65 607 282, 573, 575, 605 436, 605, 607, 649, 651 60 57 417 213 361 106 588 76, 140 257 282, 573, 575 651 292, 426 361 58 436 11 10, 346 361 306, 523 76, 522 11 58, 560, 655 58 619 651 104 61, 292 447 306 361 212 424 523 621 609 304 171 71

SWB (08021) / p. 769 / 6.9.2022

Offenbarung

6,6 6,9-11 6,9 6,10 6,11 6,12 6,15 7 7,1-17 7,4-8 7,9-17 7,11.13 7,14 7,15 7,16 7,17 8,3.5 8,6-10 8,7 f. 8,13 9,1 f. 9,3 ff. 9,5 9,6 9,7.9 9,9.17 9,9 9,13 9,17 9,20 9,21 11,2 11,3 11,4-13 11,4 11,5 11,6 11,15 11,16 11,17 12 f. 12 12,2-7 12,2.5 12,2 12,3-17 12,5 12,6.14 12,6 12,9 12,17

Stellenregister

195, 304 f., 367, 469, 661 58 8, 677 62, 213, 361, 455, 568 62 61 156 523 58 561 256 11 8, 61, 472 436 269 266 8 398 61 655 74 656 656 569 171 609 609 8 598 57 5 259 649 651 355 213 61 306 11 361 34, 166, 314, 422 58 401 424 187, 189 361 150 669 161 422, 656 304

13 13,1-3 13,1 13,2 13,3 f.8.11-17 13,5 13,7 13,8 13,11-17 13,11 f. 13,11 13,14 f. 14,1 14,3 f. 14,3 14,8 14,10 f.18.20 14,10 14,11 14,13 14,14 ff. 14,14-16 14,15 f. 14,18 15,1-8 15,2 15,3 16,5 f.9-11 15,5 16,6 16,7.14 16,7 16,10 f. 16,10 16,14.16 16,16 16,21 17-19 17 f. 17 17,1-18 17,2.17 17,2 17,3 17,4 f.9.18 17,4 17,6 17,8 17,14 17,15-18 17,16 18-20 18

202, 235, 651 270 304 304, 655 607 304 304 76 58 235 619 57 558 292 11, 396 559 213 171 58 569 488 338 489 8 58 58 361 213 676 62, 651 361 8 109 304 212 143, 456 368 453 58, 236, 559, 666 202, 234, 452 270 607 303 669 235 474, 502 649, 651 76, 140 212, 304 436 453 624 465, 469, 499

18,2 18,3.11-15.23 18,3.11.15.23 18,4 18,6 18,7 f.20 18,7 18,8 18,11-13 18,12.16 18,12 18,13 18,14 18,17 18,20 18,22 18,23 18,24 19,1-10 19,2 19,4 19,6.15 19,7 19,9 19,11-21 19,11-16 19,11-15 19,11 19,16 ff. 19,20 20-23 20-22 20,2 20,4-6 20,6 20,8 20,9 f.14 f. 20,9 20,12.15 20,12 21 f. 21,1-22,5 21,1-8 21,1 21,2 21,3b-4 21,4 21,6 21,8 21,9 21,14

235, 474, 656 241 476 60 213 213 149 268 304, 386, 486 469 299 104, 426, 527, 529, 609, 618 469 46 64, 450 396, 398 5 306 58 62, 213, 452, 455, 568 11 361 66 269 213, 609 58 212 621 306 58 60 624 361, 656 651 361, 447 212 213 43 140 76 58, 398, 424 559 458 175, 458 259 215 109, 370 74 5, 57, 213, 603 66 65

757

SWB (08021) / p. 770 / 6.9.2022

758

Stellenregister

21,15-21 21,18 21,22 21,24 f. 21,27

561 386 361 256 76

22,1 f. 22,7.10.18.19 22,12 22,14 22,15

74 450 213 62, 472 5, 57, 603, 621

22,16 22,17 22,18 f.

106 424 76, 508

EvThom 31 55 61 65 96

443 284 284 217 72

1 Hen 1-36 24-27 39,7 42,1 f. 47,3 62,14 72-82 90,20 90,28-38 104,7

15 559 676 645 76 639 27 76 559 76

2 Hen 42,3

639

2. Außerkanonische Schriften und Apostolische Väter ActThecl 23 39

96 579

ActThom 59

121

ApkMos 7-11

403

Arist 3 f. 12 ff. 13 15,143-147 35-38.44 f. 107 f.112-116 114 310

87 87 87 544 88 331 242 11

AssMos 2,5 5,1

470 470

2 Bar 21,13 24,1 25 27 29 29,3 ff. 29,3-8 32,4 59,4

458 76 605 605 141 639 122 559 559

Barn 11,1.11 19,5

580 5

1 Clem 5,7 21,4-9 38,2 42,4 61,1

353 529 113 13 235

Did 1,3 2,2 4,11 7,1-4 7,1 8,1 8,2 f. 9 f. 9,4 10,3-6 10,6 11-13 11.12 11 11,3-6 12,1-13,3 15,1 f.

113 5 529 579 579 f. 113, 288, 484, 545 483 484 72 46, 540 549 392 161 65 17, 65 182 13

Didasc 8,31 f. 18 26

8 157 281

Herm mand 10.3,1-4

Diogn 1,1

282

Herm sim 9,16 9,26,2

523 13

3 Esr 3,17-21

639 Herm vis 4

188

IgnEph 5 11,2

8 282

IgnMagn 4 6,1 7 7,1 f. 10,3

282 13 8 122 282

IgnPhld 4 6,1

8 282

4 Esr 1,6 f. 3,1 4,26 7,26 7,50 13,16-20 13,35 f. 14,44-46 60,20

403 559 458 559 458 605 559 289 76

EvPetr 12,50

284

EvPhil 15

72

268

SWB (08021) / p. 771 / 6.9.2022

Stellenregister

10,1 10,2 11,1 IgnPol 5,2 5,3 IgnRom 4,1 5,1 f.

13 13 13

13 13 72 651

IgnSmyr 10,1

13

IgnTrall 2,3 3,1

13 13

JosAs 12,13 21,21 22,13

539 148 39

Jub 1,9 1,12 2,5.8 6,7.12-14.18 f.

472 605 403 59

6,36 7,28-33 10,10 ff. 11,2 11,4 f. 11,4.16 11,11 11,23 f. 11,23 12 12,1-21 16,4-6 20-25 20,3-5 23,11 30,12

288 59 130 529 255 472 336 336 336 505 255 472 403 472 345 590

18,3 f.

650

MartJust 4

282

MartPol 10,1

282

PassPerpet 3,2

282

PsSal 9,2 11 17.18 17 17,26 18

87 559 465 382, 559 465, 568 382

Polyk 7,2

113

4 Makk 1,2.8.10 4,7 5,25 6,20.29 6,27-29 7,6 8-14 17,20 ff. 17,21 f.

651 132 593 62 61 474 650 432 61, 650

Sib 3,271

87

TestXII Gad 5,1

470

TestHiob 11,1 f. 11,1

12 121

VitAd 3

403

9,4 f. 11,4-8 11,13

327 142 49

4Q174 3,4

228

4Q464

505

1QS 1,6-8 1,18-2,18 3,4-6 3,6-12 3,8 f. 6 6,13-23 7,13 9,11

4Q513 13,4

479

506 140 473 571 577 121 479 479 383

4Q550

67

4QMMT

67, 571

4QMMTb 40

105

4QOrNab

130

4QShir

141

11Q13 11Q19 40,6

279 228

11QMelch

279

3. Qumran CD 4,15 ff. 6,17 9,1 11,13 f. 11,22 12,15-17 16,1-6 19,10

470 473 37 483 184 479 49 383

1Q161

383

1QGenAp

130

1QH 4,34-38 5,7 f.

202 148

1QJesa

505

1QpHab 8,11 f.

327

1QSa 2,11 ff. 2,11 f.

640 141

3Q15 1,6 f. 2,4.11

385 385

759

SWB (08021) / p. 772 / 6.9.2022

760

Stellenregister

4. Rabbinisches Schrifttum mAv 5,21

344

bBB 12a 12b

449 449

bBer 2b 11b 55a 55b 60b

577 593 473 449 518

bBM 59b

449

bChul 4b 59a

48 542

bEr 23b

365

BerR 5,1 14,9 68 82 [52b]

404 518 458 639

bMQ 15a 16a

jSheq 5,2,48d

483

37 37

jSota 5,3

365

bNed 9a

197

mAS 2,6

147

bPes 3a 107a 118a

474 412 248

mAv 1,1 1,10 5,19 5,24

449, 593 248 170 352

bQid 22a

51 mEd 5,2

578

Meg 2,2

75

bSan 41a 57b-58a

576 464

MekhJ de Kaspa 20 bShab 1,9 21b 33b 132a 153a 156

637 355 609 48 639 27

bSota 20a

248

btKet 1,7

286

DevR 7,3

354

jGit 9,9

92

521 521 521

bJev 46 47a 47a-b 47b 65a 72a.b 98a-b

227 577 227 228 5 48 464

bJoma 85b

492

jJev 1,2 2d 13,1,13c

bKer 9a

227

jMeg 1,71d

75

bKet 8b 10a 39b 65b 82b 102b

jNed 3,9 12b

48

587 521 93 93 93 93

BM 1,5

527

jPea 1a 2,6 (17a) jSan 10,29c 18a 43 f.

474 593

147 576 576

MekhJ Jitro 9

259

MekhShem 31,13

141

mGit 9,3 9,8

93 92

mJev 2,29

580

mJoma 3,2 ff. 3,3 8,6

577 483 491

mKet 1,2 4,1 4,9 7,1-7 7,6 13,10

286 286 93 93 93 94

mMaas 1,1

562

mMiq 8,1.5

473

mNed 3,11 10

48 66

mNid 4,3

473

259

SWB (08021) / p. 773 / 6.9.2022

Stellenregister

5,7 10,8

286 473

mOh 7,6

5

mPes 8,8

578

mSan I,6 11,3 mShab 10,2-4 18,3

576 554

494 48

mShevi 10,2-4

661

mSota 1,3 9,15

554 96, 475

mSuk 4,9 5,3 f.

142 142

mTaan IV,2 4,8 mJev 6,6 14,1

TPsJ zu Ex 18,20 573

96 93

QohR 42a

639

RHSh 1,2

140

SifBem 108

227

184, 483 639

SifDev 49 52 140

592 142 142

SifLev 16,30

141

SifQid 11,22

544

SifWa 18,5 26,46

593 593

tJev 8,4

5

tKidd 41a

66

tShab 15,8 15/16,9

48 47

tShevi 39a

80

tSuk 4,1 4,5 4,6

142 142 574

tTer 10,18

48

WaR 13,3 21,4 30

141 141 139

761

SWB (08021) / p. 774 / 6.9.2022

762

Sachregister

Sachregister Das Sachregister ist bewusst knapp gehalten und bringt darum nur thematische Begriffe, keine Namen, Orte und Schriften. Begriffe, zu denen es eigene Artikel gibt, sind durch Fettdruck hervorgehoben. Abendmahl 26, 485 Abgaben, religiöse 1-4 Ablösung 196 Absonderung 257 Abtreibung 4 f., 179 Ackerbau 5-7 Ackerland 487 Adler 655 Adoption 133 Affekte 107, 442 Ahnen 94, 135, 617 Alimentation 541 Allegorie 442 Alleinverehrung 378 Allmacht 360 Alltag 137, 480 Almosen 52, 113, 484, 536, 538 Alphabet 348, 546 Altar 7 f., 28 Alter 8-10, 51, 196, 307, 670 – Altersversorgung 347 Älteste 10 f., 29, 200 – Ältestengericht 460 – Ältestenrat 88 Amnestie 142 Amt 11-14, 84, 439, 527, 668 Amulett 522 anathema / Bann 35-37 Androzentrismus 344 Angeld 292 Angst 108, 646 Anthropomorphismus 111 Antichrist 361 Antimilitarismus 632 Antithesen 350 Antlitz 354 Anwalt 46 Apokalyptik 14-16, 58, 176, 458, 673 Apophthegma 443 Apostolat 46, 63-66, 283, 285, – Aposteldekret 475 – Apostelkonzil 255 Arbeit 16-22, 112, 456, 467, 538, 647 – Arbeit von Frauen 306, 410 – Arbeitslohn 358 – Arbeitslosigkeit 51, 379

– Arbeitsruhe 21, 142, 490 f., 660 – Arbeitsteilung 44, 135, 191, 238, 243-245, 405, 437, 456 Areopagrede 166 Armut 22-26, 51, 199, 213, 277, 341, 443, 510, 535, 541, 633 f., 667 – Armenfürsorge 540 – Armutsprostitution 98 – Armensteuer 379 Artenschutz 379 Artillerie 43 Arzt 46, 316 Aschera 224 Askese 188, 373 Astralkulte 27 Astrologie / Astronomie 26-28, 354, 422, 646 Asyl 28 f., 31 Atome 441 Außenstände 493 Auferstehung 14, 309, 340, 370, 478, 589, 648, 650 Auferweckung 98, 361, 421 Aufhängen 566 Aufstiegsmöglichkeiten 172 Augen 308, 503 Ausbeutung 374 Auserwähltheit 255 Ausgrenzen 35 Ausländer / Ausländerin 158, 617 Auslösen 29-34, 100 Ausschluss aus der Gemeinschaft 37 Aussondern 35 Ausweisungen 88 Avantgarde 355 Axt 628 Baal 334 Bandenbildung 34 f. Bank 496 f. Bann 35-37, 211 Barmherzigkeit 108, 666 Bart 310 Bauern 627 Baum des Lebens 324 Bauwesen 37-39

Beamte 200, 348 Befestigung 626-633 Befreiung 29, 235, 277, 494, 526, 529, 533, 662 Begierde 236 f. Begräbnisgesellschaften 587 Behemot 656 Behinderung 40 f. Beinschienen 628 Beisassen 594 Bekehrung 605 Bekenntnis 651 Belagerung 41-44, 388, 630, 632 Benefizialwesen 222 Bergbau 385 Bergpredigt 350 Beruf (s. a. Verfemte Berufe) 44-47 – Berufsgericht 460 – Berufsheer 172, 386 – Berufsvereine 20 – Berufswahl, freie 379 Berufung 529 Beschämung 97 Beschneidung 47-49, 227, 391, 482, 501 Besessenheit 648 Besitz 25, 522, 572 Bestattung 539 Bestechung 50, 461, 537 Betrug 468 Bettler / Bettlerin 51 f. Bevölkerungsverhältnisse / -politik 52-55 Bewässerung 6, 300, 456 Beziehung 185, 271, 307, 339, 594 Biene 622 Bier 411 Bild 56-59, 163 – Bild Gottes 423 – Bilderverbot 57, 166 Bildung 642 Bischof / Bischöfin 46 Blasphemie 567 Blut 59-63, 424, 472, 610 – Blutflüssige Frau 474 – Blutgenuss 424 – Blutzeugenschaft 677

SWB (08021) / p. 775 / 6.9.2022

Sachregister

Bodenschätze 384, 485 Bogen 629 Botenwesen 63-66 boundary markers 477 Brache 493 Braut / Bräutigam 66 f. – Brautpreis 538 Brief 67 f., 222, 290, 507 Bronze 18, 384, 486 Brot 69-73, 115 Brunnen 73 f. Brust 310, 400 Buch 75 f., 505 Buchstabe 394, 504 Bürger 377 Bürgschaft / Bürge 79-81, 510 Bund 76-79, 159, 202, 340, 517 Bundeslade 582 Chanukka 355 Chaos 275, 360,632, 646 Charisma 81-85, 113, 222 Cheruben 632 Chrie 443 Christentum 279-283, 284 – Christologie, christologisch 34, 130, 186, 263 f., 394, 495, 644 – Christusereignis 594 Chronologie 670 Codex Hammurabi 92, 209, 232, 240, 316, 403, 459, 510, 526, 658 creatio ex nihilo 646 Damaskuserlebnis 392 Dämonen 172, 174, 224, 316, 669 Darlehen 509 Datierung 670 Demut 33, 175, 362 Denken 592 Denkschrift 590 Deportationen 54, 85 f., 87 Deuteronomistische Schule 36 Devianz 477 Diadochen 234 Diakonie 11-14, 121 Dialekt 505 Diaspora 86-90, 574 Diatribe 443 Dienst 175, 305, 551 – Dienstanweisung (mandatum) 463 – Dienstgrad 46 Differenzierung 403

Diskriminierung 293, 607 Distinktionszeichen 477 Dolch 629 Domäne 334 dominium terrae 423 Doppelgebot 127 Dorf 90 f., 245, 530 Dreschen 338 »drittes Geschlecht« 282 Dualismus 113, 175 Düfte 312 Dunkelheit 353 Dynastie 302 Edikt 463 Egalität 536, 602 Ehe 66, 91-96, 133, 153, 286, 437, 479, 614, 624 – Ehebruch 97, 520 – Ehefrau 284 – Ehefreiheit 94, 254, 286 – Ehegesetzgebung 54 – Ehekonflikte 100 – Ehescheidung 595 – Ehevertrag 92, 201 – Mischehen 53, 95, 401, 624 Ehre 8, 97-100, 213, 309 Eid 100 f. Eigentum 101-105, 457, 524, 625 Eisen 384, 485 Ekklesia 105-107, 253 Ekstase 640 Elefanten 423 (El-)Eljon 164 Elite 24, 174, 355 Elternehrung 539 Emotionen 107-112, 295, 307 Endzeit 15, 141, 174 Engel 63, 648 Enthaltsamkeit 112-114 Entlohnung 379 Entpolitisierung 442 Entprivilegierung 175 Enrechtete 378 Entschädigung 539, 565 Enuma Elisch 62, 157, 311, 647 Epispasmos 47 Erbarmen 108 Erbe 114 f. – Erbrecht 537 – Erbschaftssteuer 387 Erdbeben 421 Erde 313, 646

Erfahrung 197, 643 Erfolg 641, 643 Erinnerung 591 Erlassjahr 214, 278, 526 Erlösen 29-34, 104, 207 Ernährung 115 f., 274 Ernte 138, 337, 487-490, 493 Erotik 518 Ersatzleistung 539 Erstgeburt 31 Erwählung 624 Erzelternerzählungen 401, 437 Erziehung 294 Eschatologie 14-16, 491, 673 Esel 620 Essen, gemeinsames 107, 116-123, 215, 226, 424, 469, 475 Essener 473, 479-480 Essensgewohnheiten 123-125 Ethik und Recht 28, 125-128, 571 Ethnische Grenze 48 Euergetismus 222 Eunuch 128 f. Exil 31, 349 Existenzminimum 358 Exkommunikation 36 Exodus 173, 649, 662 Exorzismus 129-131, 174, 308 Expansion 270 Familie 51, 91, 97, 114, 131-136, 175, 203, 211, 249, 348, 379, 401, 437, 539, 599, 615, 634 – Familienkonflikte 276 – Familienkritik 539 – Familienrecht 460 – Familienreligion 135 Fasten 112, 137, 484 Feindschaft 455, 605 – Feindesliebe 110, 175, 213, 455 Fernhandel 244, 663 Fest 33, 137-143, 159, 281 Festung 143-145 Figurinen 224 Finanzverwaltung 149, 528 Finsternis 353 Fischerei 103, 145-148, 407, 424, 543 Fleischkonsum 137, 176, 405 Fluch 315, 462, 515-518 Flüchtlinge 28, 158-162 Folter 148 f., 202, 527

763

SWB (08021) / p. 776 / 6.9.2022

764

Sachregister

Frau 17, 58, 134, 149-154, 176, 229, 253, 311, 377, 392, 539, 642, 651 – als archisynagogos 575 – als Familienoberhaupt 460 – fremde Frau 224 – Frauenlohn 359 Freiheit 28, 155-158, 176, 526 – Freiheitsrechte 376 Freilassung 21, 160, 217, 524 f. Fremde 95, 158-162 181, 374, 616 – Fremdenrecht 377 Fremdling 390, 456 Freude 108, 341 Freundschaft 166-170, 372, 403, 442, 601 Friede 170-176, 260, 389, 612 – Friedensreich 214, 624 – Friedenssehnsucht 174 Fron 19 f., 38, 177 f., 525, 642 Fruchtbarkeit 178-180, 321, 372, 515 Frumentation 541 Fußwaschung 312 Fürbitte 185 Furcht 108, 110 Gartenbau 180 f. Gastfreundschaft 117, 133, 161, 171, 181 f., 476, 540 – Gastmahl 117, 123 – Gastrecht 158 Gebet 106, 182-186, 611 gebira¯h / Gebieterin 402 Gebot 209, 289, 342, 354, 643 Geburt 4, 151, 179, 186-190, 400, 424, 674 – Geburtenkontrolle 52 Gedenken 672 Gefahr 597 Gefängnis 190 f., 202 Gefolgsleute 477 Gefühl 107 Gegengesellschaft 174 Gegengewalt 211 Gegenwart 673 Gegenwart Gottes 173 Geißelung 201, 566 Geier 655 Geist / Geistkraft 27, 222, 257, 313, 342, 523 geistliche Waffenrüstung 632 Gekreuzigter 309 Gelände 455 Gelassenheit 441

Geld / Geldwirtschaft 191-196, 236, 384, 470, 562, 583, 663 Geliebte / Geliebter 403 Gelübde 196 f. Gemeinde 29, 134, 179, 201, 253, 527, 540, 595, 600, 668 – Gemeindeausschluss 465 – Gemeindeversammlung 201, 464 Genealogie 271, 393, 445, 671 Generationen 346 Gerechtigkeit 51, 99, 197-203, 214, 232, 235, 260, 305, 340, 377, 454, 465, 467, 606, 612, 642, 648 Gericht (s. a. Rechtswesen) 200, 468 – Gerichtsprophetie 173, 449 Gerusia 88 Geschäftsbeziehung 403 Geschichte 456 Geschichtsbild 671 Geschlecht 196, 503 – Geschlechterdifferenz 548 – Geschlechtergerechtigkeit 15 – Geschlechterrolle 150, 520 – Geschlechtertrennung 135 – Geschlechterverhältnis 311 – Geschlechtsorgane 310 – geschlechtsspezifische Arbeitsteilung 18 – Geschlechtsunabhängigkeit 185, 517 – Geschlechtsverkehr 66, 97 Geschwister 58, 438, 600, 611, 615 Gesellschaftsformen 97, 109, 203208, 86 Gesetz 33, 199, 208-210, 234, 289 Gestirne 26 – Gestirnsgottheit 27 – Gestirnskult 164 Getreide 178, 322, 363, 488 – Getreidepreis 71 Gewalt 210-215, 172, 359, 468, 500, 547, 604, 649 – gewaltfreier Widerstand 110 – Gewaltherrschaft 270 – Gewaltmonopol JHWHs 174 – Gewaltprävention 213 – Gewaltverzicht 213, 389 Gewerkschaft 379 Gewichte 364-368 Gewinn 215-218 Gewissen 376 Gewohnheitsrecht 218 f., 525

Gilgamesch-Epos 10, 342, 423, 451 Glas 247 Glaube 173, 202, 319, 395, 572, 594 Gläubiger 510 Gleichheit 122, 176 Gleichnisse 200, 213, 352, 370, 489, 528 Glossolalie 83 Glück 219 f., 341 Gnade 220-223 Gnosis 165 Gold 384 Gott 165, 170, 224, 378, 388 f. – Gottebenbildlichkeit 57, 99, 152, 348, 369, 376, 493 – Gottesbefragung 590 – Gottesberg 458, 668 – Gottesbescheid 598 – Gottesbeziehung 220, 369 – Gottesgeist 173 – Gottesgerechtigkeit 15 – Gottesherrschaft, nahe G. 174 – Gotteskindschaft 136 – Gottesknecht 261, 524, 650 – Gotteslästerung 378 – Gottesrecht 378 – Gottesschrecken 173 Götterstatue 56 Gottesdienst 225-227 Gottesfürchtige 162, 227-230, 391 Gottheiten 56, 179 Göttin 179, 400 »Götze« / »Götzendienst« 57, 166, 224 f., 237, 470, 472 Grab 586 – Grabinschriften 89, 229 Gräuel 172 Grausamkeit 148 Großfamilie 537 Großgrundbesitz 51, 327, 434, 511 Großmächte 230-236, 269, 387, 623 Gründungsgeschichte 591 Gruppe 34, 176, 184 f., 205 f., 606 f., 616, 625 Gruß 171 Guerrilla-Krieg 387 Gunst 220 Gütergemeinschaft 26, 479, 536, 540 Haare 153 Habgier 193, 216, 236 f., 470 Hacke 336

SWB (08021) / p. 777 / 6.9.2022

Sachregister

Hafen 143 Haggada 592 Halacha 464, 576, 592 Halbnomaden 668 Handarbeit 17 Handel 146, 237-243, 467 Handeln 109, 592, 642 Handwerk 19, 37, 44 f., 243-249, 251, 538, 540, 641 f. – Handwerksverein 46 Hass 108 Haus 249-255, 460, 527, 539 – Hausgemeinde 83, 106, 558 – Hausgottheiten 253 – Haushalt 131 f., 249, 437, 527, 614 – Haustafel 131, 154, 439 – Hauswirtschaft 44 Haustiere 618-622 Haut 422 Hebamme 179, 482 Hebraismus 547 Heerbann 627 Heerführer 144, 387, 627 »Heiden« 89, 255 f., 613, 625 Heil 141, 171, 341 Heiligkeit 256-260, 475, 541, 581 – Heiliger Geist 594 – Heiliger Krieg 624 – Heiligkeitsgesetz 526 – Heiligung 490 Heilsgestalten 260-265 Heilung 308, 315-320, 495 Heimat 457 Heimsuchung 455 Heirat 66, 94, 133, 159 Heldenkult 173 Hellenismus 391, 477, 546 Helme 628 Herodianer 387 Herr der Geschichte 390 Herr der Tiere 658 Herrschaft 81, 210, 436, 528 – Herrschaft Gottes 173 – Herrschaftssymbole 57 Herz 78, 308, 472, 506, 592, 641 Hetäre 119 Heulen 597 Heuschrecke 656 Hierarchie 517 Hieroglyphen 546 Himmel 313, 458, 646 Himmelskönigin 27, 224 Himmlische Heere 389

Hirte / Hirtin 265 f., 423, 426 Hochzeit 141, 502 Hoffnung 267 Hohepriester 205 Hölle 213 Holzverarbeitung 18 Homosexualität 153, 520 Honig 409 Humor 267 f., 500 Hund 621 Hunger / Hungersnot 159, 268 f., 469 Hurerei 224 Hygiene 313, 471, 473 Ideenwelt 441 Identität 14, 57, 271, 280, 349, 547 Imperialismus 269 f. Individualität 237, 270-274, 356 Industriegesellschaft 379 Instrumente 397 intellektuelle Fähigkeit 642 Interpretationsgemeinschaft 371 Intoleranz 389 Inzest 95, 133 Ironie 267 f. Isolation 184, 588 Jagd 274 f., 406, 423, 657 Jahr 138, 287 – als Rechnungs- und Bewertungseinheit 66, 194, 300 f., 332, 340, 358, 499, 554, 618, 670 – drittes Jahr 2, 24, 160, 538 – einmal im Jahr 34, 259, 582, 610 – Festjahr 137, 287, 349 f., 482, 634 – landwirtschaftliches Jahr 115, 287, 323, 332, 336, 412 – nächstes, kommendes Jahr 140, 155, 627 – siebtes Jahr (Sabbatjahr) 6, 24, 30, 160, 493-495, 513, 538, 659 – 50. Jahr (Jobeljahr) 24, 31, 278 f., 328, 487, 513, 538, 659 Jerusalemer Konvent 391 Jesusbewegung 275-278, 283 Jobeljahr 3 Jahr Judentum 88, 279-283, 477 – Judenchristentum 280 – Judenfeindschaft 280 – Judenverfolgung 605 Jünger / Jüngerin 283-285 Jungfrau 285-287

Kaiser 314, 463, 612 – Kaiserbilder 57 – Kaiserkult 607 Kalender 88, 287 f., 332 – Kalenderkonflikt 288 Kamel 424, 620 Kanon 288-292, 348, 644 Kapitalgerichtsbarkeit 567 Kasematten 631 Katakombe 547 Katastrophen 421, 588 Kauf 292 f. Kehle 108, 308, 340 Keilschrift 546 Kelter 333, 637 Ketzersegen 607 f. Keule 628 Kinder 18, 92, 293 f., 351, 359, 400, 437, 599 – Kinder Gottes 207 – Kinderarbeit 248 – Kindersterblichkeit 9, 293, 401 – Kindheit 344 Kirche (s. a. Ekklesia) 255 – Kirchenasyl 29 – Kirchenzucht 37 Klage 108, 182-186 – Klagefrauen 399, 482 – Klagelied 597 Klassen 98, 204, 232, 403 Kleidung 153, 295-300, 469 Kleinvieh 265, 618 Klient 132 Klientelkönige 205, 235, 303, 554, 563 Klima 300 f. Kohorte 387 Koine 546 Kollegialität 403 Kollekte 26, 223, 540 Kolonialismus 389 Kommunikation 56, 67, 267, 308, 392, 500, 504 Kompositbogen 629 Konflikt 94, 134, 181, 201, 268, 438, 460, 599, 606, 616 Königtum 301-306, 361, 502, 650 – König / Königin 200, 266, 313, 317, 378, 459, 495, 503 – Königsideologie 181, 245, 274 – Königsmutter 302 Konversion 227 f.

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Sachregister

Körper 4, 108, 307-312, 313, 527 – Körperpflege 312 f., 495 – Körpersymbolik 371 Korruption 23, 50, 467, 590 Kosmetik 313 Kosmosvorstellungen 313 f., 646 Krankheit 40, 51, 315-320, 500, 588, 648 Kredite 217, 236, 509, 658 Kreti und Pleti 172, 627 Kreuzigung 98, 149, 309, 362, 463, 517, 528, 606 Krieg 158 f., 170-176, 524 – Kriege JHWHs 173 – Kriegsdienstverweigerung 378 – Kriegselefanten 630 f. – Kriegsgefangene 36, 243, 524 – Kriegsgott 632 – Kriegsrecht 174 – Kriegsschiffe 630 Krummschwert 629 Kultgeräte 320-322 Kultgesetze 460 Kultort 591, 634 Kulturpflanzen 322-325 Kunst 56 Kuss 258 Lachen 267 Lade 173 Laien 483, 590 Lamm 266, 619 Lampe 353 Landbesitz 31, 131, 178, 325-328, 457, 537 – Landnahme 36, 325 – Landverheißung 231, 326 – Landverteilung 457 Landwirtschaft 16, 19 f., 44, 245, 251, 329-335 Landwirtschaftliche Geräte 335339 Lanze 629 Lärm 398 Lasterkatalog 224 Latifundien 512 Laubhüttenfest 349 Leben 4, 108, 339-343, 377, 394, 400 – ewiges Leben 14 – Lebensbaum 342 – Lebenserwartung 188 – Lebensformen 91, 668 – Lebenszyklus 344-347

Legat 463 Legion 172 Lehren 348-353 – Lehrer 351, 591 Leib 603 – Leib Christi 175 Leibeigene / Leibeigener 28 Leibwache 626 Leid / Leiden 107, 176, 424, 606, 649 – Leidender Gerechter 606 – Leidensbereitschaft 283 Leidenschaften 113 Leiharbeit 359 Leitung 527 Lernen 348-353, 642 Lesen 392, 504 Leviatan 422, 656 Leviratsehe 31, 538 Leviten 443-447 Libation 119, 638 Licht 27, 341, 353-356 – Licht der Völker 355 Liebe 33, 108, 310, 356 f., 439, 519 – Liebesgebot 572 – Liebespatriarchalismus 25 Lied 393, 396 Listenweisheit 421 Literalität 546 Logienüberlieferung 644 Logos 440, 645 Lohn 357-359 – Lohnverweigerung 357 Lohnarbeit 16-22, 243 Lösegeld 572 Löser 28 Löwe 422, 655 Luxus 147, 237, 244, 442, 466-471 Ma’at 197 Macht 359-362, 523 – Machtzentrum 230 Mächte 33 Magd 524 Magie 28, 146 Mahl 561, 601 – Mahlfeier 540 – Mahlgemeinschaft 572 Makkabäeraufstand 546, 627 Mann 58, 125, 149-154, 212, 307, 377, 311 – männliche Gewalt 175 Mantik 602 Manufaktur 244

Maranatha 549 Marduk 647 Marginalisierung 199, 572 Markt 239, 362 f., 467 Martyrium 72, 258, 282, 479, 607, 649-652, 673 Maße 364-368 Medizin 146, 315 Meer 458 Mehl 69 Meineid 462 Meister 351 Melodien 396 Menora 355 Mensch / Menschsein 150, 153, 271, 340, 368-376, 421, 519, 622, 647 Menschenrechte 376-380 Menschensohn 262, 421 Menstruation 315, 473 Mescha-Inschrift 36, 73, 168, 302 Messianismus 174, 255, 277, 306, 355, 380-384, 495 Metalle / Metallverarbeitung 384-386 Mietshäuser 253 Migration 537 Mikwe 473 Milch 407 Militär 245, 386-389 – Militärkasse 387 – Militärkolonien 87, 145 – Militärsprache 388 Mischehen 3 Ehe Minister 524 Misogynie 152, 402 Mission 87, 389-392, 575 – Missionsbefehl 284, 391 Mitgift 92, 539 Mitleid 108 Mittelassyrisches Rechtsbuch 403 Monat 287 Mond 27, 353 – Mondfinsternis 27 Monetarisierung 245 Monotheismus 163, 176, 180, 224 Mord 378 Multikulturalität 164 Mündlichkeit 392-395, 504 Münzen 57, 384, 663 Musik 396-400 Musterurteile 209 Mutter 5, 152, 179, 221, 400-403, 600 – Muttergottheit 647

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Sachregister

– Mutterleib 4, 421, 501 – Mutterschoß 308, 400 Mysterienkulte 165 Mythen 313, 456, 646 Nachbarn 403, 538 Nachbarvölker 623 Nachfolge 126, 175, 283 f. Nächste / Nächster 403-405 – Nächstenliebe 175, 651 Nacht 354 Nacktheit 519 Nahrung – nichtpflanzliche 405-410, 694 – pflanzliche 410-413 Nahrungszubereitung 252, 413416, 644 Namen 114, 273, 416-420, 522, 578 Nasiräer 639 Naturalien 358 Naturerfahrung 219, 420-425, 442 – Naturwissenschaft 422, 642 – Naturwunder 421 – Naturzerstörung 379 Neumond 139 Neuschöpfung 174 f., 314 Nieren 308 Noachidische Gebote 424 Nomadentum 9, 425 f., 675 Nomos 590-596 Not 184, 196 Obergemach 251 Oberschicht 32, 276, 298, 478, 534, 537, 612, 660, 665 Offenbarung 598 öffentlich / privat 56, 134, 253 Offiziere 387 Ohren 308 Oikonomia 132, 237 Oikos 131, 206, 254, 438 Öl 312, 316, 323, 412, 426-428, 495 – Öllampe 355 Opfer 1, 8, 139, 159, 196, 228, 294, 405, 428-433, 519, 610 – Opferdienst 446 – Opferfleisch 224 – Opfermahlzeiten 224 Ordnung 27, 197, 313, 354, 424, 570, 604, 646 Ort Gottes 458 Ortsgerichtsbarkeit 460 Ossuarium 547

Ostertermin 288 Ostraka 546 Pacht 23, 217, 269, 334, 434 f., 513, 664 Palast 41, 145, 435 f. Panzer 632 Papyrus 75, 505 – Oxyrhynchus Papyri 248, 359, 463 – Papyrus Amherst 67 – Papyrus Murabaat 614 – Samaria-Papyri 292 – Xenon Papyri 434, 638 Paradies 180, 457 Paradox 645 Partei, Parteien 477 Partnerschaft 372 Parusie Christi 559 Pater familias 9, 114, 131, 181, 252, 438 Patriarchat 131, 138, 254, 267, 436440, 520, 615 Patronat 120, 132 f., 540 Pax Romana 172, 175 f., 528 Pergament 75 Person 463 Personifikation 644 Pessach 349, 485 Pfand 297, 434, 510 – Pfandnahmebeschränkung 379 Pfeil 629 Pfeilerhäuser 626 Pferd 620, 630 Pflug 6, 335, 487 Pharao 231 Pharisäer / Pharisäerinnen 37, 283, 446, 473, 477 f., 532, 636 Philosophische Strömungen 67, 166, 440-443, 477 Platonismus 441 Pogrom 88 Polis 118, 327, 440 Post 67 Präexistenz 645 Präfekt 387, 463 Priester 45, 47, 112, 257, 261, 257, 316, 443-447, 471, 478, 603 – priesterliche Orakel 173 – priesterliche Rechtsprechung 461 Privateigentum 103 Projektion 166

Prokonsul 463 Propheten / Prophetinnen 58, 173, 213, 231, 261, 348, 355, 360, 391, 393, 447-450, 467, 570, 605, 650 Prosbol 513, 661 Proselyt / Proselytin 162, 227-230, 391 Prostitution 51, 388, 450-454, 603 Protest 267 Provinzen 304, 554 Prozess Jesu 387 Prozessionen 398 Purpurhändlerin 46 Qumran 37, 49, 105, 140, 184, 205, 279, 288, 382, 393, 468, 479, 506, 532, 558 Rabbinen 37, 88, 92, 137, 248, 281, 289, 351, 446, 449, 478, 585 Rache 28, 30 f., 60, 110 f., 183, 213, 454 f., 517, 568, 617 Rahab (Chaosdrache) 422, 456 Rampen 41 Randgruppen 263, 276, 572 Rassismus 529 Rationalität 108, 126, 368 Raum 27, 257, 455-459, 581, 646, 668-670 Recht 159, 197-203, 213 f., 353, 524, 527, 571, 642 – positives Recht 378 – »Recht und Gerechtigkeit« 24, 214, 378, 510 – Rechtfertigung 33, 202, 223, 517, 593, 612 – Rechtsbeugung 160, 200, 461, 524 – Rechtsbuch 50, 403, 592 – Rechtsfindung 200, 591 – Rechtsprechung 9, 125, 135, 172, 175, 200, 459-466, 467, 566, 632, 642 – Rechtsschutz 161 – Rechtsverzicht 127, 175, 201, 404, 565 – Rechtswesen 459-466 Rede Gottes 592 Regen 5, 74, 178, 268, 300, 322, 330, 421, 487, 653, 668 Reich Gottes 32, 104, 112, 130, 174, 263, 305, 458, 528, 564, 572, 644, 673

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Sachregister

Reichtum 23, 104, 216, 241, 297, 466-471, 657, 664 Reinheit 147, 274, 319, 424, 471-475, 518, 542 – Reinheitsbestimmungen 159, 478 – Reinigungseid 101 Reisen 181, 475-477 Relationalität 377 Religion 133, 162, 313, 500 – religio licita 88, 651 – Religionen, fremde 162-167 – Religionskritik 166 – religiöse Bewegungen 477-480 – religiöse Praxis 480-485 – religiöser Zwang 86 Reproduktionsfähigkeit 95, 97 Respekt 492 Rhythmus 354 Richter 200, 455, 465 Rigorismus 478 Rind 619 Ritual 109, 183, 313, 596, 646 Rohstoffe 485 f. Romantisierung 423 Römisches Bürgerrecht 540 Ruhe Gottes 490 Ruhetagsgebot 379 Saat 487-490, 644 Sabbat 21, 159, 259, 281, 478, 490493, 595, 669 Sabbatjahr 3 Jahr Sachzuwendungen 358 Sadduzäer 478 f. Sage 393 Salbe 312, 426-428 Salbung 380, 495 f. Salz 409, 486 Samariter 474 Sandalen 628 Sänger / Sängerin 399 Satan 174 f., 314, 316, 361 Satire 267 Sauerteig 70 Schächtung 424 Schadensausgleich 565 Schalom 171, 237 Scham 519 Schande 97-100, 309 Schatz, Schätze 470, 496 f. Schaubrot 71 Scheidung 66, 91, 624

Scheol 339 Schifffahrt 147, 497-500 – Schiffbruch 499 Schimpfwörter 500 f. Schlachtung 139 Schlange 422, 656 Schlichtung 191, 459 Schmuck 313, 501-503 Schnitzbild 224 Schoah 280 Schönheit 503 f. Schöpfung 314, 321, 342, 352, 354, 369, 390, 422, 424, 456, 582, 642, 646 – Schöpfungserzählung 16 – Schöpfungsmittlerschaft 645 – Schöpfungsvorstellungen 32 Schriftkultur 67, 504-509 – Schreiber / Schreiberin 392, 504, 506 – Schrift 289, 394, 504, 507 – Schriftgelehrte 506, 508 – Schriftrolle 505 Schuld 214, 567, 570 Schulden 23, 79, 132, 204, 509-515, 535, 561 – Schuldenerlass 102, 158, 379, 529, 659 – Schuldhaft 661 – Schuldknechtschaft 524 – Schuldsklaverei (3 Sklaverei) 21, 30, 378, 538, 661 – Schuldurkunde 614 Schule 348, 379, 504, 591 Schuppenpanzer 628 Schutzrechte 376 Schutzregeln 209 Schwangerschaft 5, 400 Schweigen 643 Schwein 542, 621 Schwert 388, 629 Schwur 100 Seele 108, 307, 313, 340 Segen 178, 293, 341, 354, 379, 467, 515-518, 639, 659 Selbstequipierung 171 Selbstjustiz 454 Selbstkritik 644 Selbstminderung 597 Selbstverfluchung 517 Selbstverpflichtung 77, 196 Selbstverwaltung 552 Septuaginta 281, 289, 547, 644

Sexualität / sexuelle Beziehung 96, 117, 133, 153, 159, 175, 309, 373, 400, 420, 437, 472, 500, 518-521 – sexuelle Gewalt 519, 527 – sexueller Missbrauch 33 Sichel 337, 488 Siegel 505, 521-523, 550 Silber 19, 384 Sippe 51, 131, 218, 271, 307, 379, 454, 537, 614 – Sippenrecht 460 Skepsis 440 f. Sklaverei 18, 20, 24, 28, 102, 115, 128, 131, 153, 158, 245, 261, 269, 278, 286, 293, 378 f., 437, 467, 510, 524-530, 538, 541, 580, 665 Skorpion 656 Sohn 114, 150, 271, 294, 526, 616, 667 Soldatenstiefel 388 Söldner 172, 387, 626 Solidarität 538, 617 – innergemeindliche Solidarität 404 Sonne 26, 353, 646 – Sonnenfinsternis 422 – Sonnenuhr 670 Sonntag 491 Sophia 645 Soziale Bewegungen 530-533 – soziale Gerechtigkeit 175 – soziale Gleichheit 142 Soziale Schichtungen 113, 175, 533537 Soziale Sicherung 24, 510, 537-541, 658 Sozialkritik 23, 193, 240, 328, 512, 570, 650 Soziomorphismus 111 Speer 629 Speisegesetze 424, 474, 541-545 Speiseopfer 411 Spezialisierung 44 Spiel 644 Sponsoren 229 Spontaneität 518 Sprache / Sprachen 505, 546-549 Sprichwort 393, 641 Staat 172, 386, 511, 549-556, 623 – Staatengründung 623 – Staatsgewalt 210 – Staatsgottheit 269 – Staatsreligion 224 – Staatsverträge 77

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Sachregister

Stadt 41, 230, 245, 556-560 – Stadtkönigtum 302 – Stadtmauer 41 f., 145, 631 – Stadtobere 554 – Stadttor 200 Stamm 302, 537, 560 f., 614 Statthalter 463, 554 Statusunabhängigkeit 185, 517 Stehendes Heer 626 Steinbrüche 18 Steinigung 464, 566 Steinschleuder 629 Stellvertretung 185 Sterben 109 Steuern 3, 37, 193, 213, 444, 512, 561564, 604, 664 – Armensteuer 379 – Kopfsteuer 387 Stiefel 628 Stierbild 164 Stillen 400 Straßen 608 Strafe 198, 316, 318, 378, 565-568 – Körperstrafe 378, 388 – Strafe Gottes 548, 568 – Strafrecht 377 Streitgespräche 352 Streitwagen 143, 620, 630 Stromtäler 668 Stunde 670 Subsistenzwirtschaft 23, 379, 511, 662 Substitutionsmodell 280 Sühne 174, 570, 571 f., 612, 650 Suizid 442, 568 f. Sünde 33, 172, 174, 307, 318, 472, 528, 570-573, 595 – Sündenbock 610 – Sündenfall 570 – Sündenvergebung 223 Symbolhandlung 174 Symbolsystem 648 Sympathisanten 228 Symposium 119, 123, 639 Synagoge 29, 88, 200, 281, 352, 573576 – Synagogenausschluss 280 Synhedrium 10, 205, 351, 576 f. Synkretismus 531 Tabu 267 Tafeln 164 Tag 354

Tagelöhner / Tagelöhnerinnen 19, 21, 22, 358, 534 Tanz 137, 397 Taube 621 Tauchbad 227, 483 Taufe 107, 310, 343, 438, 484, 523, 577-581 Tauschwirtschaft 244 Technischer Fortschritt 626 Teilhaberechte 376 Tempel 74, 88, 192, 259, 321, 435, 461, 479, 559, 581-586, 647, 669, 675 – Tempelreinigung 174 – Tempelsteuer 31, 562, 564 – Tempelwirtschaft 244 Tenne 338, 488 Teraphim 224 Terrassierung 6, 325, 330, 336 Testament 76, 115 Teufel 314 Textilverarbeitung 299 Theater 89 Therapie 399 Thron Gottes 648 Tiere 213 f., 271, 274, 340, 374, 422, 500 – Tierfriede 174 Tischdienst 11 Tischgemeinschaft 352, 473 Tochter 114, 150, 271, 438, 526, 616 – Töchterrecht 378 Tod 5, 33, 114, 118, 272, 339, 361, 401, 441, 572, 586-589, 605, 633, 647, 649 – Tod Christi 581 – Todesmärsche 86 – Todessehnsucht 651 – Todesstrafe 565 Toleranzedikt 608 Tor 631 – Torgerichtsbarkeit 460 Tora 27, 159, 200, 214, 289, 348, 351, 354, 420, 478, 547, 590-596, 643, 650, 668 – Toraauslegung 449, 478 – Toragelehrte 585 – Toraschrein 88 Torheit 645 Töten 378, 423, 454 Totenbefragung 587 Totenbeschwörung 587, 602 Totenerweckung 588

Totengericht 589 Totenklage 183 Totenreich 339 Totenverehrung 588 Transhumanz 138 Transzendenz 592 Trauer 112, 315, 597 f. Traum 457, 598 f., 642 Traumatisierung 588 Treue Gottes 79 Tribut 172, 367 Trost 597 Truppen 171 Tugend 214, 442 Tun-Ergehen-Zusammenhang 198, 350, 454, 567, 570, 643, 648 Tunnelbau 19 Überfluss 223 Übergangsriten 344 Überlegenheitshaltung 165 Überschuldung 23, 102, 510, 663 Übersetzung 289, 505, 547 Umkehr 457, 571 Umsiedlung 85 Unerschütterlichkeit 441 Unfruchtbarkeit 96, 178-180, 315 Unheilsfaktoren 32 Unrechtsstrukturen 463 Unreinheit 274, 319, 424, 471-475, 500, 518, 542 Unterbrechung 137 Unterdrückung 172, 286, 437, 467, 633 Untergangsklage 183 Unterhalt 17 Unternehmerin 642 Unterricht 393, 506 Unterschicht 33, 103, 174, 535, 665 Unterschied 592 Unterweisung 590 Unterwelt 313, 646 Unverständnis 284 Urbekenntnis Israels 173 Urkundenwesen 201 Urteil 465 Utopie 456 Vasall 524 Vater 154, 294, 436, 599f. Vaterunser 514 Verantwortung 126, 643 Verbrennen 566

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Sachregister

Verein 118, 248, 600-602 Verfassungen 209, 377 Verfehlung 316, 570 Verfemte Berufe 602-604 Verfolgung 149, 175, 211, 274, 361, 604-608, 649, 677 Verführung 236 Vergebung 214, 494, 571, 662 Vergeltung 111, 643 Vergewaltigung 66, 97, 520, 568 Verhütung 5, 179 Verkehr 608-610 Verkündigungstätigkeit 17 f. Verlusterfahrungen 597 Verkauf 292 f. Vernichtungsweihe 36 Vernunft 376, 440 Verpachtung 359 Verpflichtung 77 Verschleppung 85 Verschuldung 467, 509 Versöhnung 171,175 f., 214, 610-613 Versorgung 46, 540 Vertrag 78, 464, 613 f. Vertrauen 173, 319 Verwaltung 45 f., 549-556, 561 Verwandtschaft 91, 131, 159, 203, 309, 377, 402, 511, 526, 614-618, 667 Viehwirtschaft 618-622 Vögel 406, 543 Volk / Völker 309, 622-626 – Volk Gottes 255, 625 –Völkergemeinschaft 379 – Völkerorakel 623 – Völkertafel 163 – Völkerwallfahrt 270, 390, 634 – Volkszählung 563 Volksfrömmigkeit 224 Volksweisheit 641 Vorbild 126 Vormund 660 Vorratshaltung 215, 329, 331, 414 Waffen 172, 626-633

Wahrheit 549 Wahrsager / Wahrsagerin 602 Waise 468, 633 f. Wallfahrt 476, 634 f. Wandercharismatikertum 283 Wandermissionare 391 Wanderprediger 443 Wanderradikalismus 283 Waschungen 312, 577 Wasser 73, 409, 635 f. Wechselseitigkeit 515 Weg 421 Wehen 401, 424 Wein 322, 341, 411, 513, 636-641 Weinen 108 f. Weisheit 9, 37, 99, 222, 231, 244, 314, 350, 467, 503, 641-646 – Weisheitslehrer 644 – Weisheitsliteratur 641 – Weisheitsschulen 641 Weltall 314 Weltanschauungsfreiheit 378 Weltbild 646-648 Weltflucht 15 Weltherrschaft 234 Weltveränderung 15 Weltvernunft 442, 593 Weltzeit 314 Werkvertrag 359 Werkzeug 505 Widerstand 35, 86, 213, 267, 526, 532, 548, 605, 649-652, 673 Wiedergutmachung 214 Wildpflanzen 652-655 Wildtiere 655-658 Wirt 46 Wirtschaftsrecht 658-662 Wirtschaftssystem 527, 642, 662667 Witwe 10, 92, 467, 521, 540, 616, 633, 667 f. – Witwenspeisung 540 Woche 490 Wöchnerin 48 Wohlgefallen 221

Wohltat 222 Wohltätigkeitswesen 24 Wort 360, 507 Wortgottesdienst 88 Wunder 40 Würde 376 Wüste 457, 668 f. Zauberei 447, 517, 603 Zaun um die Tora 350 Zedern 423 Zehnter 2, 24, 160, 325, 334, 409, 538, 545, 550, 561 f., 582 f., 659, 667 Zeichendeuter 602 Zeitvorstellungen 27, 354, 458, 643, 646, 669-675 – Zeitmessung 670 Zelt 426, 675 f. Zeltmacher 19, 45 Zerstreuung 86 Zetergeschrei 461 Zeuge / Zeugin 311, 676 f. Zeus 27 Zinsen 102, 132, 292, 510, 614, 657, 663 – Zinsfuß 217, 512 – Zinsverbot 24, 158, 216, 379, 493, 513, 536, 538, 617, 659 Zionismus 89 Zisterne 74 Zoll 242, 434, 554, 563, 603 f. Zorn 110, 221, 455 Zukunft 14, 673 Zunft 19, 45 Zwangsbeschneidung 390 Zwangshellenisierung 650 Zwangsjudaisierung 48 Zwangsumsiedlung 85 Zweckrationaliät 422 Zweizeugenregelung 378 Zwölf 105, 263, 283 f., 560, 548 Zwölferkreis 174, 391

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S. 6: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 88, Abb. 129, © Stiftung BIBEL+ ORIENT, Freiburg / CH S. 7: Wolfgang Zwickel, Räucherkult und Räuchergeräte, OBO 97, Freiburg (CH) / Göttingen 1990, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 27: Othmar Keel / Christoph Uehlinger, Götter, Göttinnen, Göttersymbole, QD 134, Freiburg / Basel / Wien 1992, S. 333, Abb. 288a, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 41: W. Zwickel S. 42: David Ussishkin, The conquest of Lachish by Sennacherib, Tel Aviv 1982, S. 100 S. 43: Othmar Keel / Max Küchler, Orte und Landschaften der Bibel 2: Der Süden, Zürich u. a. / Göttingen 1982, S. 397, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 69 (oben): Zeichnung: Barbara Connell, Atelier WiZ, Volketswil, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 69 (unten): Zeichnung: Barbara Connell, Atelier WiZ, Volketswil, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 70: Zeichnung: Barbara Connell, Atelier WiZ, Volketswil, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 71: Zeichnung: Barbara Connell, Atelier WiZ, Volketswil, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 74: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 61, Abb. 78, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 75: James C. VanderKam, Einführung in die Qumranforschung, Göttingen 1998 S. 76: Horst Blank, Das Buch in der Antike, München 1992, S. 89 S. 90: Volkmar Fritz, Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr., BE 2, Stuttgart 1996, S. 85 S. 117: Nach: Sabatino Moscati, Die Phöniker, Zürich 1966, Abb. 22 S. 118: Nach: Othmar Keel, Das Hohelied, Zürich 1986, Abb. 117, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 123: Nach: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, Abb. 276, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 124: Nach: A. H. Layard S. 137: Othmar Keel / Christoph Uehlinger, Götter, Göttinnen, Göttersymbole, QD 134, Freiburg / Basel / Wien 1992, Abb. 65 S. 144 (oben): W. Zwickel S. 144 (unten): W. Zwickel / R. Kratz S. 145: E. Netzer, Architecture in Palestine Prior and During the Days of Herod the Great, in: Akten des XIII. Internationalen Kongresses für klassische Archäologie Berlin 1988 (Mainz), S. 37-50 S. 146: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 64, Abb. 85, © Stiftung BIBEL+ ORIENT, Freiburg / CH S. 147: Denis R. Janz u. a. (Hg.), Die ersten Christen, Sozialgeschichte des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 31, Abb. 0.4, Foto: akg-images / Erich Lessing

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S. 183: Adolf Deißmann, Licht vom Osten, Tübingen 4 1923, S. 351 ff. S. 187: Zeichnung: U. Zurkinden-Kolberg nach: Aphrodites Schwestern und christliches Zypern. 9000 Jahre Kultur Zyperns, Bremen 1987, S. 85 oben, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 188 (oben): Zeichnung: U. Zurkinden-Kolberg; BIBEL+ORIENT MUSEUM VFig. 2001.8, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 188 (unten): Othmar Keel / Silvia Schroer, Eva – Mutter alles Lebendigen. Frauen- und Göttinnenidole aus dem Alten Orient, Freiburg CH 2 2006, S. 106 f., Nr. 59, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 189: Nach: Ch. Herrmann, Ägyptische Amulette aus Palästina / Israel, OBO 138, Freiburg CH / Göttingen 1994, Nr. 336, 323, 330, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 192: Kurt Galling (Hg.), Biblisches Reallexikon, Tübingen 2 1977, S. 88 S. 194: Kurt Galling (Hg.), Biblisches Reallexikon, Tübingen 2 1977, S. 233 S. 230: André Parrot, Sumer, München 2 1962, S. 177 S. 232: Die Hethiter und ihr Reich, Ausstellungskatalog Bonn 2002, S. 116 S. 233 (oben): Heidemarie Koch, Es kündet Dareios der König …, Kulturgeschichte der antiken Welt 55, Mainz / Rhein 2 1996, S. 100 S. 233 (unten): G. R. Meyer, Was uralte Denkmäler erzählen, Berlin 5 1970, S. 32 S. 246: Denis R. Janz u. a. (Hg.), Die ersten Christen, Sozialgeschichte des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 169, Abb. 6.4, Vatikanische Museen, Vatikan, Foto: Alinari S. 247: Denis R. Janz u. a. (Hg.); Die ersten Christen, Sozialgeschichte des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 288, Abb. 11.3, Foto: akg-images / Erich Lessing S. 251: Volkmar Fritz, Die Stadt im alten Israel, München 1990, Folie, Abb. 25 S. 269: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 66, Abb.88, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 274 (unten): Bo Reicke / Leonhard Rost (Hg.), Biblisch-historisches Handwörterbuch, Bd. 2, Göttingen 1962, S. 793 f. S. 274 (oben): Othmar Keel, Jahwes Entgegnung an Ijob, FRLANT 121, Göttingen 1972, S. 135, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 275: Othmar Keel, Jahwes Entgegnung an Ijob, FRLANT 121, Göttingen 1972, S. 77, Abb. 9 (linke Hälfte), © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 297: Denis R. Janz u. a. (Hg.), Die ersten Christen, Sozialgeschichte des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 235, Abb. 9.5, Foto: akg-images / Erich Lessing S. 298: Gisela Völger / Karin v. Welck / Katharina Hackstein (Hg.), Pracht und Geheimnis. Kleidung und Schmuck aus Palästina und Jordanien, Katalog zu einer Ausstellung der Sammlung Widad Kawar, Ethnologica Neue Folge Bd. 13, Köln 1991, S. 138, Abb. 138 S. 321: Denis R. Janz u. a. (Hg.), Die ersten Christen, Sozialgeschichte des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 221, Abb. 8.3, Foto: akg-images / Erich Lessing S. 329: Oded Borowski, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987, S. 16, Abb. 1 S. 330: Yehuda Karmon, Israel. Eine geographische Landeskunde, Wissenschaftliche Länderkunden 22, Darmstadt 2 1994, S. 28 S. 332 (oben): Nach: Joachim Habbe, Palästina zur Zeit Jesu. Die Landwirtschaft in Galiläa als Hintergrund der synoptischen Evangelien, NTDH 6, Neukirchen-Vluyn 1996, S. 77, Karte 8 S. 332 (unten): Oded Borowski, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987, S. 53, Abb. 5 S. 365: Bo Reicke / Leonhard Rost (Hg.), Biblisch-historisches Handwörterbuch, Bd. 2, Göttingen 1962, S. 1163

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S. 367: Kurt Galling (Hg.), Biblisches Reallexikon, Tübingen 2 1977, S. 94, Abb. 28 S. 387: David Ussishkin, The conquest of Lachish by Sennacherib, Tel Aviv 1982, S. 78, Abb. 66 S. 397: Privatsammlung Freiburg / CH © Stiftung BIBEL+ORIENT, Foto: Primula Bosshard S. 399: Silvia Schroer, Häusliche und außerhäusliche religiöse Kompetenzen israelitischer Frauen – am Beispiel von Totenklage und Totenbefragung, in: lectio difficilior 1/2002, http://www.lection. unibe.ch/02_1/schroer.htm, Abb. 1, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 401: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 182, Abb. 277a, © Stiftung BIBEL+ ORIENT, Freiburg / CH S. 406: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, Abb. 438a, © Stiftung BIBEL+ ORIENT, Freiburg / CH S. 407: Silvia Schroer / Othmar Keel, Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient, Bd. 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Fribourg 2005, Abb. 69, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 408: Nach: Iraq 55 (1993), 136 f. S. 413: Zeichnung: U. Zurkinden-Kolberg, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 414 (oben l.): Nach: Henry Layard, The Monuments of Niniveh, London 1853, Tafel 30 (Ausschnitt) S. 414 (oben r.): Nach: Erich Ebeling / Bruno Meissner (Hg.), Reallexikon der Assyriologie, Bd. 6, Berlin 1980-83, S. 286, Abb. 2 S. 414 (unten): Nach: Henry Layard, The Monuments of Niniveh, London 1853, Tafel 10 S. 415: Vom Autor ergänzt nach: Othmar Keel, Heiliges Land 4, 1976, Abb. 4, © Stiftung BIBEL+ ORIENT, Freiburg / CH S. 428: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 307, Abb. 439a, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 429: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 307, Abb. 440, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 436: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 241, Abb. 355 S. 487: Denis R. Janz u. a. (Hg.), Die ersten Christen, Sozialgeschichtliche des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 75, Abb. 2.4, Foto: akg-images / Erich Lessing S. 489: Photo Scala, Florenz S. 498: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 64, Abb. 84, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 504: Silvia Schroer / Othmar Keel, Die Ikonographie Palästinas / Israels und der Alte Orient, Bd. 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Fribourg 2005, Abb. 150, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 505: Johannes Renz, Texte und Tafeln: HAE III, Darmstadt 1995, Tafel XXXVIII S. 522 (oben): Othmar Keel, Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina / Israel. Von den Anfängen bis zur Perserzeit, Einleitung, OBO.A 10, Freiburg (CH) / Göttingen 1985, S. 28, Abb. 10, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 522 (unten): Othmar Keel, Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina / Israel. Von den Anfängen bis zur Perserzeit, Einleitung, OBO.A 10, Freiburg (CH) / Göttingen 1985, S. 108, Abb. 190-193

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S. 523 (oben): Friedhelm Hartenstein, Altorientalische Ikonographie und Exegese des Alten Testaments, in: Siegfried Kreuzer / Dieter Vieweger, Proseminar I: Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2 1999, S. 175, Abb. 9a und 9b S. 523 (unten l.): Christoph Uehlinger, Northwestsemitic Inscribed Seals, Iconography and Syro-Palestinian Religions of Iron Age II: Some Afterthoughts and Conclusions, in: Benjamin Sass / Christoph Uehlinger (Hg.), Studies in the Iconography of Northwest Semitic Inscribed Seals, OBO 125, Fribourg / Göttingen 1992, S. 264, Abb. 4, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 523 (unten r.): Othmar Keel, Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina / Israel. Von den Anfängen bis zur Perserzeit, Einleitung, OBO.A 10, Freiburg (CH) / Göttingen 1985, S. 117, Abb. 224 S. 525: Denis R. Janz u. a. (Hg.), Die ersten Christen, Sozialgeschichte des Christentums, Bd. 1, Gütersloh 2007, S. 255, Abb. 10.2, Foto: Scala, Florenz S. 542: Nach: IEJ 45 (1995), 157 S. 543 (links): Nach: Othmar Keel / Christoph Uehlinger, Götter, Göttinnen, Göttersymbole, QD 134, Freiburg / Basel / Wien 1992, Abb. 220 S. 543 (rechts): Othmar Keel / Silvia Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Göttingen / Fribourg 2002, Abb. 40 S. 557: Volkmar Fritz, Die Stadt im alten Israel, München 1990, S. 90 S. 574: Yigael Yadin, Masada, London 1966, S. 185 S. 582: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 136, Abb. 213 S. 583: Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, S. 146, Abb. 228, © Stiftung BIBEL+ ORIENT, Freiburg / CH S. 587 (oben): Nach: Helga Weippert, Palästina in vorhellenistischer Zeit, München 1988, S. 487, Abb. 4.35 S. 587 (unten): Nach: Hans-Peter Kuhnen, Palästina in griechisch-römischer Zeit, Handbuch der Archäologie. Vorderasien II, Bd. 2, München 1990, S. 76, Abb. 2.21 S. 588: Nach: Kurt Galling (Hg.), Biblisches Reallexikon, Tübingen 2 1977, S. 274, Abb 71.7.9 S. 609: Kurt Galling (Hg.), Biblisches Reallexikon, Tübingen 2 1977, S. 356, Abb.89 S. 623: Heidemarie Koch, Es kündet Dareios der König …, Kulturgeschichte der antiken Welt 55, Mainz / Rhein 2 1996, S. 103 S. 624: Heidemarie Koch, Es kündet Dareios der König …, Kulturgeschichte der antiken Welt 55, Mainz / Rhein 2 1996, S. 107 S. 628 (oben): Wolfgang Zwickel, Die Welt des Alten und Neuen Testaments, Stuttgart 1997, Abb. 13 (Ausschnitt) S. 628 (unten): Nach: M. Junkelmann, Römische Helme, Bd. VIII, Sammlung Axel Guttmann, Mainz 2001, S. 125, Abb. 58 S. 629 (oben): Wolfgang Zwickel, Die Welt des Alten und Neuen Testaments, Stuttgart 1997, Abb. 101 S. 629 (unten): Othmar Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Zürich / Neukirchen 1972, Göttingen 5 1996, Abb. 399, © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / CH S. 630: Zeew Herzog, Archaeology of the City. Urban Planning in Ancient Israel and Its Social Implications, Jerusalem 1997, Abb. 5.21 S. 631 (oben): Nach: F. L. Holt, Alexander the Great and the Mystery of the Elephant Medallions, Berkeley / Los Angeles / London 2003, Tafel 2 S. 631 (unten): Ja’akov Meshorer, Ancient Jewish Coinage II, Dix Hills 1982, Tafel 3.22 (Rückseite)

SWB (08021) / p. 787 / 6.9.2022

Bildnachweise

S. 637 (oben): Nach: Othmar Keel / Max Küchler, Orte und Landschaften der Bibel 1: Geographischgeschichtliche Landeskunde, Zürich / Göttingen u. a. 1984, Abb. 23 S. 637 (unten): Nach: Robert James Forbes, Studies in Ancient Technology III, Leiden 1955, S. 110, Abb. 28 S. 638: Nach: IEJ 33 (1986), 216, Abb. 8 S. 675 (unten): Dieter Vieweger, Archäologie der biblischen Welt, UTB 2394, Göttingen 2 2006, S. 327, Abb. 251 S. 675 (oben): Bo Reicke / Leonhard Rost (Hg.), Biblisch-historisches Handwörterbuch, Bd. 3, Göttingen 1966, S. 2231 f. Trotz intensiver Bemühungen war es dem Verlag leider nicht in allen Fällen möglich, den jeweiligen Rechtsinhaber ausfindig zu machen. Für Hinweise sind wir dankbar. Rechtsansprüche bleiben gewahrt.

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