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German Pages 572 Year 1958
School of Theology at Claremont
III II 1001 1411249
GY SCHOOL OF THEOLO AT CLAREMONT
"WEST FOOTHILL AT COLLEGE AVENUE CLAREMONT, CALIFORNIA —
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Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften. Erster Band
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DIETRICH
BONHOEFFER
GESAMMELTE
SCHRIFTEN
Herausgegeben von Eberhard Bethge
Erster Band
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KAISER
VERLAG 129853
MÜNCHEN
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DIETRICH
BONHOEFFER
OKUMENE Briefe - Aufsätze 1928
- Dokumente
bis 1942
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KAISER
VERLAG 197508
MÜNCHEN
Mit elf Bildtafeln ©
1958 Chr. Kaiser Verlag München.
—
Alle Rechte, auch die des auszugs-
weisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung vorbehalten. —
Printed in Germany. —
Umschlag- und Einbandentwurf
von
Rudolf Nieß. Satz und Druck: Buchdruckerei Albert Sighart, Fürstenfeldbruck.
VORWORT
Mit diesem Band beginnt das Unternehmen, Bonhoeffers zerstreute Äußerungen gesammelt vorzulegen. Damit wird der Wunsch erfüllt, die an viele Stellen verteilten und heute unzugänglich gewordenen Aufsätze, Stellungnahmen oder Re-
zensionen geschlossen greifbar zu machen. Darüber hinaus gibt es Arbeiten, die Bonhoeffer schon unter dem Veröffentlichungsverbot geschrieben hat, in der Hoffnung, daß sie eines Tages ihren Drucker finden. So z.B. in diesem Band den Aufsatz „Protestantismus ohne Reformation“, den er fertig
in seiner Schublade verwahrte. Aber dieses Unternehmen geht noch weiter. Es bringt Veröffentlichungen, die Bonhoeffer so
nie selbst geplant hat. Dokumente werden wieder abgedruckt, die er selber in seiner Entwicklung für überholt oder unreif angesehen hätte. Ungeschützte und private Äußerungen eines
Mannes werden preisgegeben, der selber der publicity abhold gewesen ist. Man blickt unversehens jemand über die Schul-
ter, der das nicht liebt. Man benutzt die ungesicherten Sätze von einem, der willens und fähig war, seinen Beitrag unter dem Schutz des gestalteten Werkes zu leisten. Der objektivierte Teil seines Werkes wird mit dem subjektiven ver-
mischt. Das macht den Reiz des Unternehmens aus. Es fragt sich aber, ob in diesem Fall nicht auch sachliche Notwendigkeiten die Zusammenstellung erfordern. Drei Aspekte rechtfertigen die Sammlung: Rang und Wesentlichkeit der Äußerungen Bonhoeffers in allen Stadien, die lebhafte Weite und das An-
ziehende der Persönlichkeit und schließlich die Verflechtung in unsere Geschichte. Das Gesetz der Zurückhaltung wird in gewissem Grade noch
zu gelten haben. Aber Bonhoeffer gehört zu den Menschen, von denen man mehr als ihr gestaltetes Werk besitzen darf.
8
Vorwort
Wort und Tun haben eine Mächtigkeit erlangt, daß die Erkenntnis der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung diese Mächtigkeit verstärkt und sichert. Alles ruft danach, die Stufen sichtbar zu machen. Ja, die heutige Inanspruchnahme
von Bonhoeffers letzten Formeln durch allerlei heterogene Gruppen erzwingt die Klarlegung der gesamten Persönlichkeit, die Dokumentation der Quellen, aus denen ihre neuen Vokabeln gespeist sind. Der Bonhoeffer, der bequem zu werden beginnt, muß durch den echten korrigiert werden, welcher zu allen Zeiten unbequem gewesen ist. Schließlich muß aus den dokumentarischen Belegen das Stück unserer jüngsten Geschichte und Kirchengeschichte vor den Wunschbildern,
Heroisierungen, Rückprojizierungen geschützt werden. Natürlich handelt es sich hier nur um einen Teilbeitrag. Aber
die Sicht aus der Perspektive eines der großen Beteiligten hat den Vorzug der Farbigkeit. Am Ende erscheinen seine Stellungnahmen und Fragen nicht einmal überholt, sondern holen uns genau dorthin zurück, wo wir unsere Antworten verweigern in allerhand ausgefahrenen Repristinationen. Für die Sammlung legte sich eine Gruppierung nach folgenden Sachgebieten nahe: Okumene, Kirchenkampf und Finkenwalde, Theologie und Gemeinde, Auslegungen und Predig-
ten. So werden die Bände geordnet sein. Innerhalb der Bände selbst wird möglichst die zeitliche Reihenfolge eingehalten werden. Das Bedürfnis nach der breiten zeitlichen Synopsis
der Entwicklung wird bei dieser Methode freilich nicht befriedigt. Sie wird erst möglich, wenn das Ganze vorliegt. Das wird empfindlich spürbar sein gerade in diesem ersten Band. Okumene und Kirchenkampf sollten aus mehr als
einem Grund in einem Band vereinigt werden. Die Stellungnahmen in ökumenischen Fragen können zumeist nur aus den alles überschattenden Kirchenkampfentscheidungen zureichend verstanden werden. Aber der Umfang, der mit den zugefügten englischen Übersetzungen erreicht wurde, erzwang
Vorwort
2)
das Auseinandernehmen in zwei Bände. Und so muß hier auf das Erscheinen dieses zweiten Bandes vertröstet werden. In sich zeigt dieser Band Stücke verschiedensten Charakters.
Aufsätze neben Sitzungsprotokollen, Berichte neben Briefwechseln. Und nicht nur Äußerungen aus der Feder Bonhoeffers, sondern auch solche seiner Kontrahenten oder Adressaten. Manchmal gibt es gar nur die Briefe der anderen, weil Bonhoeffers eigene verloren gingen, aber seine Reaktion aus dem Spiegel der Antwort festgehalten werden sollte. Die Schriftart mag das Unterscheiden erleichtern. Kursiv wurde für Briefe gewählt, der größere Schriftgrad für die von Bonhoeffer, der kleinere für die seiner Korrespondenten. Antiqua für alle sonstigen Dokumente, der größere Grad für die aus Bonhoeffers Feder, der kleinere für die anderer Verfasser. Ein Anhang bringt deutsche Übersetzungen des englischen Originals oder auch die englische Fassung eines Dokumentes, das in beiden Sprachen offiziell vorgelegen hat, wobei wiederum Briefe und Dokumente durch Kursiv und Antiqua unterschieden wurden. Bemerkungen im Textteil in [ ] sind Zusätze des Herausgebers. Im Inhaltsverzeichnis bezeichnet Kursiv den Schwerpunkt im jeweiligen Kapitel. Die Auswahl und Themenordnung tragen notwendigerweise die Subjektivität dessen, der den Stoff gesammelt hat. Dazu
kommt, daß Bonhoeffer zu Zeiten viel aufgehoben und zu Zeiten viel vernichtet hat. Die gerechte Belegung der Schwerpunkte trifft in Deutschland selbst, aber auch im Ausland auf unüberwindliche Schwierigkeiten. So wird der größte Teil der am meisten interessierenden Korrespondenz mit Genf von 1933 bis 1940 als verloren gelten müssen. Als man 1940 die deutsche Invasion in die Schweiz befürchtete, hat Dr. Schönfeld aus den Akten des ökumenischen Weltrates, bzw. seiner
verschiedenen Vorgängerorganisationen, alles sehr gründlich entfernt und vernichtet, was Leute in Deutschland belasten konnte. Und da Bonhoeffer zu denen gehörte, die öfter bei
10
Vorwort
Auslandsaufenthalten sehr offen nach Genf geschrieben haben, zählten seine Briefe zu den besonders sorgfältig eliminierten.
:
Die nun zustandegekommene Auswahl versucht eine gewisse Vollständigkeit des jetzt vorliegenden Materials zu erreichen. (Es gibt Nachschriften von Bonhoeffers gelegentlichen Diskussionseröffnungen, die eventuell später in einer Sammlung mit anderen Nachschriften von Vorlesungen Aufnahme finden
können.) Die Stücke sind so gewählt, daß in einer Art biographischer Folge die Entwicklung dokumentarisch verfolgt
werden kann. Das bedeutet, daß u.a. Stücke in gewiß nicht vollkommenem englischem Stil unverändert eingeschlossen sind, daß auch jugendliche oder ungerechte Urteile stehen blieben. Nicht hereingenommen wurden Äußerungen über ökumenische Verbindungen, die unter der drohenden Verhaf-
tung 1942 und 1943 absichtlich verfaßt wurden, damit sie die Gestapo bei der Haussuchung finden sollte, oder die in der Verhörszeit zur Abdeckung für den Untersuchungsrichter als aide memoire angefertigt wurden. Sie können nicht kommen-
tarlos veröffentlicht werden und müssen einer biographischen Zusammenfassung vorbehalten werden. An manchen Stellen mußte dem Wunsch widerstanden werden, etwa einzelne Begebenheiten genauer dokumentarisch aufzuklären — über Bonhoeffers unmittelbare Beteiligung hinaus; wie z.B. bei
den darstellenswerten Vorgängen in, vor und nach Fanö. Beim Abschluß des Bandes bleibt das quälende Gefühl zurück,
daß diese und jene Quelle sich erst nach dem Erscheinen auftun wird, die wichtige Ergänzungen bringt. Das ist nicht zu ändern. Die Sammler werden sich freuen, wenn sie weitere Zeugnisse nachgewiesen bekommen. Dieser Band ist nicht denkbar ohne die Sucharbeit von Jörgen Glenthoj. Er fand u. a. die Ammundsenbriefe, den FanöEntwurf, er spürte dem vollständigen Hodgson-Briefwechsel
nach und er suchte nach den Gutachten von 1941 in Genf.
Vorwort
11
Man wird diesen Band besser verstehen, wenn man seine Pionierarbeit „Dietrich Bonhoeffer und die Okumene“ (Mündige Welt II, Chr. Kaiser Verlag, 1956, S. 116 ff.) daneben
liest. Wilhelm Niemöller ging freundlicherweise seine Archivbestände wieder und wieder durch, um weiterführende Notizen zu suchen. Vor allem gehört der Dank Dr.G.K.A.Bell, Bischof von Chichester. Er erlaubte, Briefe Bonhoeffers an ihn abzudrucken. Er bestreitet den wichtigen Abschluß des Bandes, indem er die Erlaubnis zum Abdruck der Eden-Briefe erwirkte und uns das Recht der Veröffentlichung gab. Er steu-
erte seine beiden Darstellungen über 1942 bei, so daß hier nun die bisher umfassendste Dokumentation des Stockholmer Ereignisses in einem deutschen Band vorgelegt werden kann. Einige — gemessen an der tatsächlichen konspirativen Tätig-
keit Bonhoeffers freilich wenige — Dokumente über Bonhoeffers Tätigkeit während des Krieges werden sinngemäß am Ende des Kirchenkampfbandes folgen. Dank gebührt schließlich allen denen, die erlaubten, daß der ihnen gehörende Anteil an Bonhoeffers Korrespondenz veröffentlicht werde: E. Sutz, dessen Briefe den Band als erregende Ouvertüre einleiten, gleichsam eine kleine Biographie; H. Röfßler, dessen Korrespondenz die theologischen An-
fänge miterhellt; Z. Hodgson, der großzügig die Veröffentlichung seiner Kontroverse freigab; H.L. Henriod und dem Genfer Archiv, für das W. A. Visser ”t Hooft die Freiheit
zum Suchen und endlich die. Abdruckerlaubnisse gegeben hat; der William Adams Brown Ecumenical Library im Union Theological Seminary, New York, die die Korrespondenz
1939 und ihre Veröffentlichungserlaubnis beitrug. Besonderer Dank gebührt Mrs. I. Duncan, die den Hauptanteil an der Übersetzungsarbeit übernommen hat (siehe Nachweise). Und schließlich hat der Verleger eine das übliche Maß weit übersteigende Geduld und Mitarbeit bei der Kompilation und Arrangierung aufbringen müssen.
12
Vorwort
Für mich liegt das Zentrum des Bandes in dem Tagebuch der Amerikareise 1939. Das ist ein persönliches Zeugnis, welches einen nicht losläßt. Aber es ist weit mehr. In der Nichtausnutzung seiner einzigartigen ökumenischen Möglichkeiten erreichte Bonhoeffer erst die Höhe seiner ökumenischen Wirksamkeit. Hier sucht er mit Vernunft, mit biblischen und geistlichen Gründen nach einem Weg hinaus, er sucht nach dem
deus ex machina. Und hier wendet er sich zurück nach Deutschland, in die Enge und das Ende seiner Möglichkeiten — und durchschreitet damit das Tor, das ihn ins Neuland
führte, welches uns in den letzten Briefen begegnet. An dieser Stelle wird er zu dem großen Anreger in aller Welt und für uns der Botschafter, der etwas für den deutschen Namen
bedeutet. London, Juli 1957
Eberhard Bethge
INHALT
VORNORTe I. BRIEFE
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I. AMERIKA-STIPENDIAT.
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1930—1931
Brietwechsel mir Helmut Roßlere.-
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Ansprachesin, NewY’ork).
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Briefe an Superintendent Diestel und an die Großmutter Bericht über den Studienaufenthalt Semimaryı New.1.0rk,
66 .
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im Union Theological
1950/31.
Daszsocial, gospelu Entwurf.
51
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IN. JUGENDSEKRETÄR DES WELTBUNDES.
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1931—1933
Tagung des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen in Cambridge. Berihtt. . . .
113
Minutes of the Meeting of the Youth Commission in Lona ee e ET EL ac, Englisch-französische Epsoms Berichts
Jugendkonferenz a cu a
des Weltbundes in an ea
Theologische Konferenz der Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit in Berlin. Vorbericht und Hauptberiht .
121
Exaudi-Predigt über 2. Chronika 20, 12 in Berlin.
.
133
.
159
.
Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit. Vortrag inNGersohorske Kupele 2 zn ann Acht Thesen zum Vortrag in Cernohorske Kupee. Ansprane in Glandee
Wenn
2
162 171
Kirche, Jugend, Friede. Zeitungsartikel zu tagungen des, Weltbundess vr.
den JugendBen
175
Diskussionsbeiträge
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Konfessionsproblem
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3140
Jugendkonferenzen des Weltbundes auf der Westerburg, in Cernohorske Kupele und in Gland. Berihtt . . .
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.
.
.
.
179
IV. KONFERENZ
In Fanö. 1934 .
182
A message regarding the German Evangelical Church from the Bishop of Chichester, Ascensiontide 1934 . . .
Briefwechsel mit G.K. A. Bell, Bischof von Chichester
19
Korrespondenz zur Konferenzvorbereitung. Briefwechsel mit H. Schönfeld, G. K. A. Bell, H. L. Henriod, V. Ammundsen und’K Koch et Zwei Entschließungen der ökumenischen Jugendkonferenz Die Kirche und die Welt der Nationen. Entwurf Kirche: und V.olkerwele, Rede.
Er.
.
.
. .
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Protokoll der Sitzung des Reichsbruderrates
.
.
KIRCHE UND ÖKUMENE.
212 28
.
220
Briefe an G.K. A. Bell, Bischof von Chichester, und Bischof V:;Ammundsen.” .. 2 Ser, Salut: Was Sr
V. BEKENNENDE
209
22
1935—1937
Brief an Präses D. K. Koch mit Vorschlag zum Aufbau eines ökumenischen Amtes der Bekennenden Kirhe .
224
Niederschrift der ersten Sitzung des Okumenischen Beirates der Vorläufigen Kirchenleitung . . 7.0 22m.
7227
Korrespondenz mit Faith and EAklodssonkundK koche m
Order. Briefwechsel Ber
Die Bekennende Kirche und die Ökumene.
Aufsatz
Brieffan»Bischot. V. Ammundsen
mit 239 .
.
Niederschrift der Sitzung des Okumenischen Beirates bei der Vorläufigen Kirchenleitung in Berlin. . . . Briefwechsel mit Martin Nimöllr
240
262
.
.
»
2
264
......266
Memorandum zu einem Austausch von Kandidaten und Studenten der Theologie zwischen der Bekennenden Kirche und ausländishen Kirhen . 2. 0.0.....268 Minutes of the Meeting of the Youth Commission in London. „urn. Bi I Er BEE Korrespondenz um die Oxford-Jugenddelegation. wechsel mit.H.L. Ilenriodee a a
27
Brief273
Krieg und Frieden. Aus dem deutschen Beitrag für Oxford
276
VI. AMERIKA
1939
England Briefe an G.K. A. Bell, Bischof von Chichester
279
Briefwechsel mit L. Hodgson
282
.
Die Reise Vorbereitender Tagebuch
Briefwechsel
287
der Amerikareise
i
6
291
Briefe an H.S.Leiper, Reinhold Niebuhr und G.K. A. Bell
316
Protestantismus ohne Reformation. Aufsatz
323
VD. KoNTAKTE IM Krıec.
1941—1942
Genf 1941 Gedanken zu W. Paton “Ihe Church and the new order”
355
The Church and the new order in Europe. Gutachten
362
Stockholm 1942 Memorandum of Conversation. Von G.K. A. Bell.
372.
Statement by a German Pastor. Von H. Schönfeld
378
Brief an G.K. A. Bell
382
Briefwechsel G.K. A. Bell / Außenminister A. Eden
383
Brief an G.K. A. Bell
389
Darstellungen von G.K. A. Bell 1945 und 1957 The background of the Hitler plot. Aufsatz The Church and the Resistance Movement. ANHANG
.
390
Vortrag
399
Übersetzungen und englische Fassungen
Ansprache in New
York. Übersetzung
417
Protokoll der Sitzung der Jugendkommission Übersetzung Briefwechsel
in London. 426
mit G.K. A. Bell.en
Botschaft zu Himmelfahrt ster. Übersetzung .
1934 vom
Bischof von
426 Chiche-
434
Briefwechsel zur Konferenzvorbereitung Fanö. Übersetzuna B a gen
86 444
The Church and the World of Nations. Englische Fassung The Church and the Peoples of the World. Englische Fas-
447
£
En
450
. Korrespondenz mit Faith and Order. Übersetzungen . Protokoll der Sitzung der Jugendkommission in London. e aee e Sl A. Überserzung.
Briefwechsel.
Übersetzungen
6
ie
Übersetzungen
mit L. Hodgson.
Vorbereitender
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Briefefan GIK A Bellisüübersetzungen Briefwechsel
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Über-
die Oxford-Jugenddelegation.
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Korrespondenz
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469
.
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.
Briefe an H. S. Leiper, R. Niebuhr und G.K. A. Bell. Übersetzungen EEE OR Te Rn ME
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1942. Übersetzungen
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Die BILDER D. Bonhoeffer
im Jahre 1930
(vor S. 17) —
Mit Erwin
im Jahre 1930 (nach S. 32) —
Im Union
New
Tagung des Weltbundes
York 1930 (vor S. 33) —
1932 (nach S. 176) — 1932 (vor S. 177) — S. 192) —
Jugendkonferenz 1934
in Genf
des Weltbundes in Gland
Sitzung des Weltbundes
Mit Jean Lasserre
Sutz
Theological Seminary
in Sofia 1933 (nach
und Erwin
Sutz
1936
(vor
S.193) — Präses Koch, Gen.-Sup. Zöllner, Bischof von Chichester, Gen.-Sup.
Dibelius
in Chamby
1936
(nach S. 320) —
Überfahrt nach Amerika 1939 (vor S. 321) — H. Traub 1939 (nach S. 336) —
Auf der
Mit E. Bethge und
Kurierausweis (vor S. 337)
1930 Union
Theological Seminary New (Immatrikulationsbild)
York
I. BRIEFE
AN ERWIN
SUTZ
Philadelphia, 1. Dezember 1930
Lieber Herr Sutz!! Schade, daß Sie nicht hier waren. Heute morgen um die Stunde, als ich Sie erwartete, kam Ihr Brief. Wir hätten uns gefreut, Sie hier zu haben. Die Tage sind ruhig, freundlich und ausgefüllt. — Heute abend gehe ich noch nach Washing- . ton, um das Federal Council von Anfang an mitzumachen. Donnerstag will ich noch etwas vom Home Mission Council mitnehmen, dann gehe ich hierher zurück, höre am Freitag Toscanini und komme wohl Samstag abend nach New York.
Stellt Coffin? nach mir Fragen, so entschuldigen Sie mich bitte. Würden Sie bitte meine Post nach hierher umadressieren. Können Sie inzwischen schon etwas wegen Cubaß in
Erfahrung bringen? Billy Klein weiß über Southern clergy ticket Bescheid, und vielleicht hören Sie noch über genauere Preise. Ich weiß ja freilich nicht, ob Sie diesen Plan noch aufrechterhalten wollen, hoffe es allerdings. Ich freue mich, Sie
bald wiederzusehen.
Bonn, 15. Juli 1931 Hier sitze ich im Park vor der Universität. Heute früh um sie-
ben las Barth. Ich sprach ihn kurz. Heute abend ist in seinem Hause ein Diskussionsabend mit Leuten von Maria Laach. 1. Bonhoeffer befreundete sich mit E. Sutz und Jean Lasserre, dem Verfasser von „Der Krieg und das Evangelium“ (Chr. Kaiser Verlag), auf dem Union Theological Seminary in New York. Zu dem Freundeskreis gehörte auch Paul Lehmann, jetzt Professor für Ethik in Harvard. 2, Principal im Union Seminary. 3. Reise an Weihnachten zu Bekannten und zur deutschen Gemeinde.
18
Briefe
an
Erwin
Da freue ich mich sehr darauf.
Vorbereitung Im übrigen immer? Die völlig allein
Sutz
Trotz
Ihrer eingehenden
hat mich im Kolleg doch manches überrascht. sieht er erschreckend schlecht aus. Tut er das Enzyklopädie liest er ja leider nicht! Ich bin hier und schlage den übrigen Tag ziemlich
nichtsnutzig tot. Schade, daß Sie nicht auch da sind. Immerhin gut, daß Sie in New York waren. Ich danke Ihnen für Ihre Karte. Ich käme Sie gerne besuchen, aber am 15. August
werde ich drei Wochen nach England geschickt zur Cambridge Tagung. Was sollen wir nach Amerika über Freundschaftsarbeit der Kirchen sagen? Immerhin vielleicht nicht solchen Unsinn, wie Hirsch kürzlich in Th. Bl. Lassen Sie mal von sich hören...
Bonn, 24. Juli 1931 Der Vorläufer eines Briefes, den ich in den nächsten zwei Stunden an Sie abzufassen gedenke. Dieser geht gemeinsam mit Ihrem treuen Hans Fischer, mit dem ich eben
nach Barth Kolleg einen theolog. Morgenspaziergang am Rhein entlang gemacht habe, den wir, glaube ich, beide sehr genossen haben.
Soeben letzten
Bonn, 24. Juli 1931 ist Hans Fischer fortgegangen, ich habe noch die zwei Seiten der Ethik II von Barth aus einem
Kollegheft nachgelesen und nun will ich also schreiben. Der von Ihnen angekündigte Brief über Ihre Reise hat mich bisher nicht erreicht. Als ich — von einer Tour nach
Maria Laach zurückgekommen
—
Ihren andern Brief zu
ie Theologische Blätter, Jhg. 10 Nr. 6 S. 177/78 (Votum und Hirsch gegen Teilnahme an ökumenischen Treffen).
von
Althaus
Briefe
an
Erwin
Sutz
19
Hause vorfand, habe ich mich so gefreut, daß ich Ihnen am
liebsten gleich geantwortet hätte, aber ich wollte auf den vorausgegangenen warten. Nun ist er bisher nicht da und ich schreibe dennoch. Daß ich Sie oft hergewünscht habe, werden Sie sich ja selbst denken können, manchmal sogar besonders, nämlich um in dem Kreis der eingeweihten Adep-
ten bei manchen Gelegenheiten auch mal lustig zu lachen. Ich wage das hier gar nicht so recht, nur so etwas schüchtern (das klingt unwahrscheinlich, nicht wahr?), aber ich habe mit meiner theologischen Bastard-Herkunft ja auch wenig Anlaß, wie ich hier wieder recht deutlich merke. Man hat hier scharfe Witterung für Vollblüter. Da geht kein Neger durch „for white“, man inquiriert auch seine Fin-
gernägel und Fußsohlen.
Mir hat man
bisher noch die
Gastfreundschaft als dem unbekannten Fremden erwiesen. — Nun freilich ist alles sehr oder völlig anders, wenn es
an Karl Barth selbst geht. Man atmet ordentlich auf, man fürchtet nicht mehr, in der dünnen Luft den Erstickungstod
zu sterben. Ich habe, glaube ich, selten eine unterlassene Sache in meiner theologischen Vergangenheit so bereut, wie
daß ich nicht früher hingegangen bin. Nun sind es nur drei Wochen, die ich hier sein kann, Vorlesungen, ... Seminar, Societät, offener Abend und nun gestern ein paar Stunden zum Mittagessen bei Barth. Da hört und sieht man schon was. Es hat ja nun keinen Sinn, daß ich Ihnen von dem schreibe, was Sie selbst viel besser gesehen haben. Aber es ist doch wichtig und in schönster Weise überraschend zu sehen, daß Barth noch jenseits seiner Bücher steht. Es ist da eine Offenheit, Bereitschaft für den Einwand, der auch
auf die Sache zielen soll, und dabei eine derartige Konzentration und ein ungestümes Drängen auf die Sache, der zuliebe man stolz oder bescheiden, rechthaberisch oder völ-
lig unsicher reden kann, wie es sicher nicht der eigenen Theologie in erster Linie zu dienen bestimmt ist. Es wird
20
Briefe
an Erwin
Sutz
mir immer verständlicher, warum Barth literarisch so ungeheuer schwer faßbar ist. Mehr noch als von seinem Schrei-
ben und Vortragen bin ich von seiner Diskussion beeindruckt. Da ist er wirklich ganz da. Ich habe so etwas vorher nie gesehen noch für möglich gehalten.
Mein Besuch gestern bei ihm, vor dem ich mich wirklich etwas gescheut hatte, zumal ich wußte, wie beschäftigt er gegenwärtig ist, war, wie Sie mir von derartigen Gelegenheiten erzählt hatten... Wir kamen sehr bald auf das ethische Problem und haben lang diskutiert. Er wollte mir nicht zugeben, wovon ich erwartete, er müßte. Es gäbe [sagte Barth] doch außer dem einen großen Licht in der Nacht auch noch viele kleine Lichterchen, sog. „relative ethische Kriterien“, deren Sinn
und Recht und Wesen er mir aber doch nicht verständlich machen konnte; es blieb bei seinem Hinweis anf die Bibel. Zuletzt meinte er, ich mache aus der Gnade ein Prinzip, und schlage damit alles andere tot. Ich bestreite ihm natürlich das erste und möchte doch wissen, warum das andere allesnic ht totigeschlagen werden soll. Wären Sie dabei
gewesen, so hätten wir eine dritte Front gehabt und es wäre vielleicht manches noch deutlicher geworden. Doch war ich froh, einmal Barths Stellungnahme ausführlich hören zu können. Wir sprachen dann noch von vielerlei, er
redete mir zu, die kleine Arbeit über die Abgrenzung vom Katholizismus in der gegenwärtigen Theologie zu machen, von der ich Ihnen ja wohl schon sprach. Im Lauf der Unter-
haltung fielen manche eigentliche bon mots, die aber zu wiederholen blöd wäre. Schließlich ging ich nach schwerem Entschluß nach Haus. Da ist wirklich einer, von dem man was holen könnte, und da sitzt man in dem ärmlichen Berlin und bläst Trübsal, weil da niemand ist, bei dem man Theologie lernen kann und noch außerdem so manches Nützliche. Aber, es stimmt
Briefe
schon, es kommt
an
Erwin
Sutz
21
ja schließlich nicht darauf an, und man
soll auch nicht unbescheiden werden. Heute bin ich noch bei einem Kreis der nächsten Schüler Barths zum Abend eingeladen und darnach ist noch Socie-
tät. Am nächsten Dienstag ist dann Schluß. Ich werde ungern nach Hause fahren... Im Laufe des Tages, es ist jetzt nämlich schon nachmittag, ist nun doch endlich Ihr Brief gekommen, der zu Haus versehentlich liegen geblieben war. Daß Sie trotz Ihres Heuschnupfens noch den Entschluß fassen konnten heimzufliegen, bewundere ich. War’s wenigstens schön? Und daß Sie nun nicht gleich wieder losreisen wollen, wo Sie zudem Ihrer Mutter beistehen müssen und mit Brunner und flüs auf der Wiese Sonnenbäder nehmen können, und wo doch jede Reise mit einem konkreten Ziel meist anders ausfällt als man vorher denkt, finde ich sehr begreiflich und richtig. Ich wäre ja gern noch nach Zürich gekommen, oder gar in Ihre Berge, doch die Notverordnung über Auslandreisen macht mir das nicht nur finanziell unmöglich, sondern macht einen auch sonst etwas zurückhaltend mit derartigen Unternehmungen. Kommen Sie nach Berlin, bei Ihnen gibt’s noch keine Notverordnungen. Daß ich nach Cambridge soll, habe ich wohl schon geschrieben. Wenn es bloß an mir vorübergehen möchte, dort über Dinge zu reden, von denen ich noch nichts weiß. — Übrigens treibe ich gegenwärtig eif-
rig Nationalökonomie — Sie sind wohl nicht ganz unschuldig daran — und lese einige wirklich interessante und einfache Bücher darüber. Von der Kirche habe ich noch zwei Monate Urlaub bekommen, am 1. Okt. werde ich Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule sein. — Nun Schluß, ich muß zu den Studenten. Leben Sie wohl. Ich habe vieles an Ihnen besser verstanden,
seit ich Barth kenne. Freuen Sie sich an Ihren Bergen und an der Einsamkeit, die mir nicht vergönnt ist...
22
Briefe
an
Erwin
Sutz
Jetzt beim Wiederdurchlesen des Briefes bin ich im Zweifel, ob ich von den Barth-Schülern nicht vielleicht doch ein nicht ganz gerechtes Bild gegeben habe. Es sind doch jedenfalls Leute, die sich wirklich interessieren und was verstehen, und sich bemühen, den Stolz ihres Wissens zu verbergen.
Ich habe mit ihnen mehrere nette Stunden zugebracht. Gestern beim letzten offenen Abend spielten sie ein Stück, das Barth mit 15 Jahren geschrieben hatte, im Stile Schillers. —
Berlin, 8. Oktober 1931 Da Sie ja für das Durchrationalisieren sind, kriegen Sie einen Brief mit der Schreibmaschine, was Ihnen ja auch aus anderen Gründen sympathisch sein wird. Das Mitleid hat mich bewogen, eine Schreibmaschine zu kaufen, und
ich habe stark das Gefühl, damit wirklich in das technische Zeitalter eingetreten zu sein, wenn auch noch etwas unvollkommen. Ich habe Ihnen zunächst für zwei sehr freundliche Briefe zu danken, für die ich mich mit meinem Buch! doch etwas zu leicht revanchiert habe. Ebenso für die Bilder, die mich wirklich sehr gefreut haben. Das letzte Bild hat hier natürlich großes Aufsehen erregt. Seit ich gestern Gogarten gehört habe,... fehlt mir nur noch Thurneysen aus der Reihe der Olympischen.
Gogarten hielt einen Vortrag über Ethik, der ein paar gute Formulierungen brachte, aber von den Leuten hier — es waren Pädagogen — mit Ärger und Verachtung aufgenommen wurde; er hatte mit einer Pause von 10 Minuten drei Stunden geredet! Es war für mich wieder überraschend zu sehen, wie groß ... . der Unterschied von Barth ist. Ich würde mich durchaus nicht besonders nach Breslau hin1. Akt und Sein. Neudruck
1956.
Briefe
an
Erwin
Sutz
23
gezogen fühlen, während ich nach Bonn jede Minute wieder gehen würde. Es war damals wirklich eine ungewöhnliche Zeit. Ich habe mich sehr gefreut, aus Ihrem Brief zu sehen, wie gern Sie in Pratteln! sind. Wenn ich einmal in meinem Leben hätte mit einem älteren Mann zusammentreffen können zu gemeinsamer Arbeit, der mir wirklich Lehrer geworden wäre — ich weiß nicht, warum mir das nie gegeben wurde. Ob ich es nicht ausgehalten hätte? Jedenfalls haben Sie es gut, es muß eine unglaubliche Sicherheit geben. Nun sitze ich hier, bereite mich auf mein Kolleg vor, ebenso für die Studentenpfarrstelle, und wäre manchmal froh, ich könnte auf einige Zeit irgendwohin aufs Land, um all dem aus dem Wege zu gehen, was man von mir will und erwartet. Es ist ja nicht, daß ich Angst hätte zu enttäuschen — jedenfalls hoffentlich nicht primär — aber daß ich schlechterdings manchmal nicht sehen kann, wie ich die Dinge recht machen soll. Und der billige Trost, man macht es eben wie man kann, und es gäbe welche, die es noch schlechter machen würden, reicht leider nicht immer aus. Es ist sicher nicht richtig, wenn man so früh in solche Sachen hineinkommt — und noch dazu aufgrund welcher Qualifikationen? Ab und zu möchte man etwas grimmig lachen über all das. Diese Dinge kommen einem gegenwärtig besonders zu Bewußtsein bei der beispiellosen Lage unseres öffentlichen Lebens in Deutschland. Es sieht wirklich unerhört ernst aus. Es gibt wohl wirklich niemanden in Deutschland, der die
Dinge auch nur einigermaßen
übersähe. Aber man
steht
allgemein unter dem sehr bestimmten Eindruck, vor ganz großen Wendungen in der Weltgeschichte zu stehen. Ob es zum
Bolschewismus 1. Bei Lukas
oder zu einer großzügigen
Christ, Pfarrer in Pratteln.
Verständigung
24
Briefe
an Erwin
Sutz
führt, wer weiß? Wer weiß es schließlich, was besser ist?
Aber der kommende Winter wird wohl niemanden in Deutschland unberührt lassen. 7 Millionen arbeitslos, d. h. 15 oder
20 Millionen Leute‘ hungrig, ich weiß nicht, wie Deutschland und wie der Einzelne das überstehen soll. Kluge Leute vom
Wirtschaftsfach haben mir gesagt, die Sache sehe so aus, als ob wir in rasendem Tempo einem Ziel zugetrieben würden, das niemand kenne und aufhalten könne. Ob aber unsere Kirche noch eine Katastrophe übersteht, ob es nicht dann endgültig vorüber ist, wenn wir nicht sofort ganz anders werden? ganz anders reden, leben. Aber wie? Am näch-
sten Mittwoch ist eine Zusammenkunft aller Berliner Pfarrer zur Erörterung der Winterprobleme; mal das für Probleme sind! Ich fürchte Schlimmes Versammlung. Und doch weiß es keiner besser Und das in solchen Zeiten! Wozu hat man denn
sehen, was von dieser zu machen. seine ganze
Theologie? — In ein paar Wochen geht die Arbeit los, die omina sind seltsam. —
immer sehr, wenn
—
Leben Sie wohl; ich freue mich
ich einen Brief von Ihnen bekomme.
Schreiben Sie bald...
Berlin, 25. Dezember 1931 ... Die eine Semesterhälfte ist glücklich vorbei; jedenfalls bin
ich glücklich darüber. Man hat dauernd was zu tun und immer kommt es einem überflüssig vor. Nur das Seminar ist recht erfreulich, ich glaube, daß ich wirklich eine Elite von interessierten und teils erstaunlich beschlagenen und
klugen Leuten habe. Meine theologische Abkunft wird hier allmählich suspekt, und man hat wohl etwas das Gefühl, daß man sich eine Schlange am Busen großgezogen habe. Von den Professoren sehe ich fast nie einen, nicht zu meinem untröstlichen Bedauern. Seit ich von Bonn zurückkam, kommt
mir die Sache hier noch viel ärmlicher vor. Neulich hatte
Briefe
an
Erwin
Sutz
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ich zwei Tage hintereinander einmal die Privatdozenten, ein andermal meine Studenten hier im Haus und muß schon sagen, daß die Studenten erheblich mehr für Theologie interessiert waren als die Dozenten. Zum Glück habe ich ja noch die praktische Tätigkeit, d.h. zur Zeit nicht so sehr die T. H., obwohl die natürlich auch;
aber was mich gegenwärtig viel mehr beschäftigt, ist die Konfirmandenstunde, die ich 50 Jungens im Norden von Berlin gebe. Das ist so ungefähr die tollste Gegend von Berlin mit den schwierigsten sozialen und politischen Verhaltnissen. Anfangs benahmen sich die Jungen wie verrückt, sodaß ich zum ersten Mal wirkliche Disziplinschwierigkeiten hatte. Aber auch hier half eines, nämlich daß ich den Jun-
gen ganz einfach biblischen Stoff erzählte in aller Massivität, und besonders eschatologische Stellen. Wobei übrigens
auch die Neger herhalten mußten. Nun ist absolute Ruhe, die Jungen sorgen selbst dafür, so daß ich das Schicksal meines Vorgängers, den sie ziemlich buchstäblich zu Tode ge-
ärgert haben, nicht mehr zu fürchten brauche. Neulich war ich auf zwei Tage mit einigen von ihnen draußen, morgen
kommt eine andere Gruppe dran. Dies Zusammensein hat uns viel Freude gemacht. Da ich die Jungen bis zur Kon-
firmation behalte, muß ich alle 50 Eltern besuchen und werde zu diesem Zweck auf zwei Monate dort in die Gegend ziehen. Ich frene mich auf diese Zeit sehr. Das ist
wirkliche Arbeit. Die häuslichen Verhältnisse sind meist unbeschreiblich, Armut, Unordnung, Unmoral. Und doch sind
die Kinder noch offen, ich bin oft sprachlos, wie es möglich ist, daß ein Junge unter derartigen Verhältnissen nicht völlig verkommt; und man fragt sich dabei natürlich immer selbst,
wie man auf solche Umgebung reagieren würde. Es muß eine große — doch wohl auch moralische — Widerstandskraft in diesen Leuten sein. — Eine große Freude ist mir das Buch von Barth über Anselm, das Sie in Mußestunden auch le-
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Briefe
an
Erwin
Sutz
sen müssen. Er zeigt den zahllosen Wissenschaftskrüppeln
einmal gründlich, daß er wesentlich genauer weiß, wie man interpretiert und doch souverän bleibt. Sachlich ist natürlich nichts weniger fraglos geworden. Dibelius hat uns neulich in einem Vortrag davon unterrichtet, daß die Kirche 2500 Theologiestudenten zuviel habe, daß daher (!) an den Theologen besondere Ansprüche gestellt werden müssen, zu welchen als erster Punkt, der zu unterschreiben wäre, die Bereitschaft zum Martyrium ge-
höre (in einem Kampf, in dem sich religiöse und politische Ideale verknüpfen würden!), wobei freilich die Sache so liege, daß den Jüngeren dieser Gedanke schwer werde, den
Alten aber längst (!) lieb und vertraut (!) geworden sei. Das Auditorium trampelte wie irrsinnig. Es lebe die „violette Kirche“. Damit Schluß für heute. Haben Sie vielen Dank für Ihren Brief und schreiben Sie bald wieder! Noch einmal, viel gute Wünsche fürs kommende Jahr!
Berlin, 26. Februar 1932 Das Semester ist vorüber. Die Vorlesung ist fertig, sie war auch langweilig genug — mir jedenfalls. Das Seminar war
allerdings wirklich nett und interessant. Ich hatte ein paar ganz angeregte Kerle von Barth und Gogarten drin... — Seit Wochen habe ich ein schlechtes Gewissen, daß ich Ihnen
nicht gleich auf Ihren Brief geantwortet habe. Er hatte mich damals so besonders gefreut. Es war die erste ernsthafte Antwort auf mein Buch, für die ich Ihnen so sehr dankbar bin — wenn Sie auch noch vielzuviel Gutes an dem
Ding lassen. Mir ist dies Produkt inzwischen ziemlich unsympathisch geworden. Ich werde Sie aber nächstens mit etwas ganz anderem belästigen und nun dazu Ihr Gutachten erbitten. Es ist ein ganz kurzer Katechismusentwurf, den ich im ver-
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an
Erwin
Sutz
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gangenen Sommer mit einem Freund! gemacht habe und der jetzt herauskommt. Ich schicke ihn in den nächsten Tagen. — Neulich hatte ich in all meiner sich ziemlich häufenden Arbeit einen sehr netten Abend mit Hans Fischer, der darum besonders schön war, weil Fischer am Schluß Ihre Predigt über „Legion“ vorlas; wenn Sie doch nur einsehen wollten, daß Sie nun allmählich loslegen sollten zu schreiben, dann kann ich sehr schnell einpacken und würde es mit Freuden tun. Die Predigt hat mich unglaublich gefreut und beschämt zugleich. Aber nun bitte, schicken Sie mir auch mal eine! Warum tun Sie denn das eigentlich nicht? Morgen ist Konfirmandenprüfung. In 14 Tagen Konfirmation. Die zweite Hälfte des Semesters habe ich fast ganz für die Konfirmanden drangegeben. Seit Neujahr wohne ich hier im Norden, um die Jungen jeden Abend hier haben zu können, natürlich abwechselnd. Wir essen dann zusammen
Abendbrot, nachher spielen wir etwas —
ich habe ihnen
Schach beigebracht, was jetzt mit größter Begeisterung gespielt wird. Jeder darf grundsätzlich auch unangemeldet kommen. Und sie kommen alle gern. Soweit geht die Verhetzung also nicht. Am Schluß jedes Abends lese ich dann etwas aus der
Bibel und wir haben im Anschluß daran eine kleine Katechese, bei der es oft sehr ernst zugeht. Der Unterricht selbst war so, daß ich mich kaum trennen kann. Natürlich waren die Jungens noch immer wieder mal dumm und nicht bei der Sache,
aber das hat mich manchmal direkt gefreut. Denn es ist auf der andern Seite wirklich möglich gewesen, zu ihnen von der Sache zu reden, und sie haben zugehört mit oft ziemlich offenen Mäulern. Es ist ihnen einfach nen, daß es etwas ande-
res als Katechismuslernen gibt. Ich habe den gesamten Unter1. „Glaubst Du, so hast Du“. Versuch eines luth. Katechismus, von Dietrich Bonhoeffer u. Franz Hildebrandt. Monatsscrift f. Pastoraltheologie 28. Jhg. Heft 5/6 S. 167—172.
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Briefe
an Erwin
Sutz
richt auf den Gemeindegedanken aufgebaut und die Jungen, die täglich von politischen Parteiorganisationen hören, merken
hier sehr genau,
worum
es sich handelt.
Aber
sie
sehen eben auch unglaublich klar die Grenzen, so daß immer wieder, wenn wir vom heiligen Geist in der Gemeinde redeten, der Einwand kam: aber das ist doch alles in Wirklichkeit ganz anders, ja die Gemeinde steht doch in all dem
- weit hinter jedem politischen Jugendverein oder Sportklub zurück. Im Klub, ja da fühlen wir uns zu Hause, aber in der Kirche? — Und es hat sich dann immer wieder der
Weg gefunden vom Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen zur Vergebung der Sünden, und ich glaube, sie haben nun davon doch etwas erfaßt. Es hat sich garnichts Plötz-
liches ereignet, bis vielleicht darauf, daß meist die volle Aufmerksamkeit da war, daß die Jungens selbst dafür sorgten. Aber ganz vielleicht ist ja doch der Grund gelegt für etwas langsam Werdendes. Vielleicht!
Ich habe mit einigen Jungen auch einzeln sehr ernsthafte Gespräche gehabt. Etwas, das ich fast ungern gestehe, aber was doch wahr ist, ich habe mich auf die Stunden nie im einzelnen vorbereitet. Natürlich war mir der Stoff gegenwärtig, aber dann bin ich einfach hingegangen, habe vorher ein paar Minnten mit den Jungen geredet und habe dann angefangen und ich habe mich nun nicht gescheut, sehr oft einfach die Kinder anzupredigen, und ich glaube, alles andere ist letzten Endes pädagogischer Doktrinarismus. Man muß nur durch Unterhaltung von vorher gerade soweit kommen, daß sie die Predigt verstehen. Dann aber muß
man ganz rücksichtslos anfangen, selbst zu reden, und nun fand ich freilich bei mir selbst — ich weiß selbst nicht, warum ich es tat —, daß hier der rein biblische Stoff und das Hinausweisen auf die große Hoffnung, die wir haben, bei solchen Predigten immer zusammen auftraten, und daß
gerade dann die Aufmerksamkeit der Jungen am sichersten
Briefe an Erwin Sutz
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war, sogar wenn eine solche Predigt mehr als eine halbe Stunde dauerte. Dem stehen nun allerdings die schlimmsten Erfahrungen auf meinen Hausbesuchen gegenüber. Ich stehe
manchmal oder sogar meist da und denke, um einen solchen
Besuch
Chemie
zu
machen,
studieren können.
hätte ich wahrhaftig
ebensogut
Es schien mir manchmal,
als
scheiterte all unsere Arbeit an der Seelsorge. Was sind das oft für qualvolle Stunden oder Minuten, wenn da der andere oder ich versuchen, ein seelsorgerliches Gespräch zu-
stande zu bringen, und wie stockend und lahm geht es dann vorwärts. Und nun im Hintergrund immer noch die unheimlichen häuslichen Verhältnisse, zu denen schlechterdings nichts gesagt werden kann. Manche erzählen einem auch noch ganz ungeniert und ahnungslos von ihrem sehr zweifelhaften Lebenswandel, und man hat das Gefühl, daß, wenn man hier etwas sagen würde, sie einen einfach gar
nicht begriffen. Kurz, das ist ein sehr trübes Kapitel, und ich will mich manchmal damit trösten, daß ich denke, diese
ganze Art Seelsorge sei eben auch etwas, das es früher gar nicht gegeben habe und ganz unchristlich. Vielleicht ist es aber auch wirklich das Ende unserer Christlichkeit, daß
wir hier versagen. Wir haben wieder predigen gelernt, wenigstens ein ganz klein wenig, aber Seelsorge? — Nun Schluß! Ich will ins Bett, morgen soll ich prüfen und brauche einen klaren Kopf. Bitte lassen Sie wieder hören und schicken Sie mir mal eine Predigt! Und vielen Dank nochmal für Ihren Brief und die Geburtstagskarte.
Sehen Sie Barth mal? Dann
grüßen Sie ihn bitte sehr.
Brunner kenne ich ja leider nicht.
Leben Sie wohl!
30
Briefe
an Erwin
Sutz
Berlin, 17. Mai 1932
So lange ist es glaube ich noch nie gewesen, daß ich Sie habe auf eine Antwort warten lassen. Es war noch im letzten Semester, daß ich das letzte Mal von Ihnen gehört habe und nicht mehr zur Antwort kam. Zwar habe ich noch vor einigen Wochen von dem Züricher Herrn Pestalozzi über Sie
und Ihre Tätigkeit als Vikar in Zürich gehört. Der war mit Barth hierhergereist, um ihn bier in der Löwengrube zu trösten. Das war denn auch sehr nötig. Die Begegnung Barths mit den hiesigen Kirchenfürsten war in jeder Weise
typisch und wie erwartet deprimierend. Es lebt in diesen Leuten noch immer so ein inquisitorischer Geist, der sich
mit den Symptomen begnügt, ohne den Sachen an die Wurzel zu gehen — nur so wenig schneidig und so ekelhaft muffig. Es war ein schönes Bild — Fakultät und Generalsuper-
intendenten waren am Vortag bei Richter eingeladen — als Barth wie ein Angeklagter, auf einem kleinen Stühlchen sitzend, gegenüber den großen Kirchenmännern Rede stehen sollte, und als dann auf die Bitte, man möchte doch mit
den Fragen einsetzen, nichts erfolgte als ein langes peinliches Schweigen, weil keiner sich gern zuerst blamieren wollte, und dann, als das Schweigen ominös zu werden begann, Herr Knak mit der Frage begann, worin nach
Barths Ansicht der Unterschied zwischem schweizerischem und preußischem Nationalgefühl bestände. Damit war das Niveau der Fragen endgültig festgelegt. Es waren qualvolle Stunden, aus denen Barth einigermaßen erschüttert, die hiesigen Kirchenmänner aber sehr befriedigt darüber, was für ein reizender Mensch doch Barth sei, nach Haus
gingen. Aber wie gesagt, für mich waren
diese Stunden
noch dadurch erfreulich, daß ich Herrn Pestalozzi kennen
lernte, den ich zunächst gar nicht unterzubringen wußte, der mir aber dann eben auch von Ihnen erzählt hat. Die Aufnahme von Barths Vortrag war so, daß ich an seiner Stelle
Briefe
an
Erwin
Sutz
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tatsächlich mit Berlin die Beziehungen abbrechen würde. Der sich daran anschließende Abend im engeren Kreise stand zu stark unter diesem Eindruck, als daß er hätte erfreulich oder ergiebig sein können. Inzwischen war ich mal wieder in England! auf einer sehr überflüssigen Tagung, dann fing das Semester an. Ich lese mit viel Mühe über das Wesen der Kirche und habe ein Seminar über: „Gibt es eine christliche Ethik?“ Dazu ist ja nun jetzt das von Ihnen schon länger angekündigte Buch von Brunner da?, auf das ich mich sofort gestürzt habe. Ich bin noch ziemlich im Anfang, aber ich kann den Eindruck nicht ganz loswerden, als sei auch hier wieder wie schon im „Mittler“ etwas zu schnell gearbeitet worden. Be-
sonders eben im grundsätzlichen Teil. Ich hätte Lust, eine Diskussion daran anzuknüpfen, denn tatsächlich ist das Buch
ja wunderbar klar geschrieben und man kann leicht einhaken. Aber erst muß ich fertig gelesen haben und ich hoffe, noch, daß sich meine Sorge nicht bestätigt. Also nehmen Sie das bitte nicht übel. Mir spitzt sich das Problem immer schärfer und immer unerträglicher zu. Neulich habe ich über 2. Chron. 20, 12 gepredigt. Da habe ich meine ganze Verzweiflung mal abgeladen. Aber weiter bin ich deswegen
auch nicht gekommen. Also Barth selbst steht — das ist mir jetzt klar —
nicht zu mir in diesem Punkt, aber er hat
mich doch auch neulich wieder darauf angeredet, ob ich noch immer so denke, und deutlich genug gesagt, daß ihm
dieser Punkt eben auch immer
noch unheimlich
sei. Es
scheint mir gegenwärtig fast so, als ob man den Sakramentsbegriff hineinziehen müsse, wenn man über die Grade der Sicherheit der Verkündigung des Heils und des Gesetzes
nachdenkt. Auch die ganze Frage der Auslegung der pote1. 4. April 1932 Tagung des Jugendsekretariats des Weltbundes in London; 5.—8. April englisch-französisches Regionaltreffen in Epsom. 2. Das Gebot und die Ordnungen, März 1932.
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Briefe an Erwin Sut2
stas clavium gehört hier hinein. Aber ich will Sie mit diesem
unvergorenen
—
wann
wird es endlich einmal ver-
goren sein? — Zeug nicht aufhalten. Vor einem Jahr mit:Lasserre in Mexico! Ich kann das kaum denken, ohne daß es mich wie irrsinnig wieder herauszieht, diesmal nach dem Osten. Ich weiß noch nicht wann. Aber sehr lange darf es nicht mehr dauern. Es muß noch andere Menschen auf der Erde geben, solche, die mehr wissen und können als wir. Und es ist einfach banausenhaft, dann nicht
auch dorthin lernen zu gehen. Die Nazis sind diese Menschen jedenfalls nicht, und unsere Kommunisten, so wie ich
sie im vergangenen Winter etwas kennen gelernt habe, auch nicht. Die Deutschen sind durchgehend rettungslos in einer bestimmten Richtung festgelegt, in der man zwar mehr sieht und weiß als der Amerikaner, aber das ist eben noch nicht
viel. Die Lage hier sieht wirklich verzweifelt aus. Man lebt von einem Tag zum andern, weiter sieht einfach keiner. Es kann schon übermorgen alles drunter und drüber gehen, und nicht etwa, weil sich irgend etwas Großes, Neues ankündigte, sondern allein, weil etwas Morsches kaputt geht. Eines ist hier in Berlin immer wieder besonders schlimm, daß es zwar eine Menge angeregte Leute hier gibt, aber fast keinen, mit dem man mal theologisch ein vernünftiges Wort
reden kann. Da war unsere gemeinsame Zeit im Union Seminary anders. Wann wird man Sie denn überhaupt mal wieder zu sehen bekommen? Ich bin vom 19.—31. August! am Genfer See auf verschiedenen Tagungen. Könnten wir nicht nachher etwas zusammen unternehmen? Machen Sie doch mal einen Vorschlag. Wir müssen uns nächstens mal wieder sehen. Das ist sonst nichts. Wann machen Sie denn Ferien? Ich habe mir außerhalb Berlins ein 9 Morgen großes Stück 1. Life and Work- und Weltbund-Jugend-Tagung in Gland.
Mit
Erwin
Sutz
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Briefe
an
Erwin
Sutz
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Land gepachtet und stelle mir ein kleines Holzhaus darauf. Da will ich mein Wochenende mit Konfirmanden und Studenten verbringen. Wollen Sie mich nicht mal dort besuchen kommen? Sie hatten doch einmal den Plan, nach Berlin zu fahren. Tun Sie es doch! Es ist ja nur ein Katzensprung von Bonn. Es wäre wirklich schön.
Schluß für heute. Bitte vergelten Sie nicht Böses mit Bösem und lassen Sie mich nicht auch so lange warten! Erzählen Sie bald mal von Ihrer Arbeit! Was meinen Sie denn zu Brunner?
Berlin, Anfang August 1932 Vielen Dank für Ihren Brief. Er kam einem von mir un-
mittelbar zuvor, den ich Ihnen gerade im Begriff war zu schreiben. Ich komme eben von einer sehr mäßigen Konferenz in der Tschechei! zurück, die mich wieder einmal an dem Wert dieser ganzen ökumenischen Arbeit hat irre wer-
den lassen. Ganz so stupide, wie sie allerdings Kümmel beschrieben zu haben scheint, ist sie doch der Tschechei einen Vortrag gehalten Begründung dieser Arbeit und habe theologisches Gewissen zu beruhigen,
nicht ..... Ich habe in über die theologische damit versucht, mein aber es sind doch da
noch sehr viel Fragezeichen anzubringen. Im Grunde hängt das alles am Problem
der Ethik, d. h. eigentlich an der
Frage nach der Möglichkeit der Verkündigung des konkreten Gebotes durch die Kirche. Und es scheint mir eine wirkliche Lücke in der Brunnerschen Ethik zu sein, daß er diese Frage nicht eigentlich in den Mittelpunkt rückt, ja sie eigentlich nur vorübergehend stellt und beantwortet. Natürlich ist sie im ganzen dauernd mit im Spiel und implizite beantwortet, aber es scheint mir, daß hier für theologisches Denken ein1. 20.—30. Juli Jugendfriedenskonferenz in Cernohorske Kupele.
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Briefe
an Erwin
Sutz
fach die erste Frage und der Ausgangspunkt alles weiteren liegt. So kommt es auch, daß man es gar nicht voll empfindet, daß das, was Brunner nun wirklich sagt, für die Kirche
unendlich wenig, ja eine wirkliche Bedrohung ihrer Substanz ist. Es bleibt nach dem ganzen Buch doch noch immer dunkel, was es für die Kirche bedeutet, daß sie ein konkretes Gebot geben bzw. nicht geben kann. Es hat mich an Ihren Predigten betroffen, daß es Ihnen fast genan so zu gehen scheint wie es mir geht. Ich komme schlechterdings nicht über diese Art Predigt hinaus, in der man versucht, alles zu sagen, und am Ende immer den grauenhaften Druck hat, ganz an der Sache vorübergeredet zu haben. Es ist das Problem der Konkretion in der Verkündigung, das mich gegenwärtig so umtreibt. Es ist einfach nicht genug und darum falsch zu sagen, das Prinzip der Konkretion könne nur der heilige Geist selbst sein, so wie es in meinem Seminar einige Studenten immer wieder verfochten haben. — Die Konkretion der Gnadenverkündigung ist doch das Sakrament. Was ist aber das Sakrament des Ethischen, des Gebotes? Darüber müssen wir sprechen,
wenn wir uns sehen. Hierzu nun folgende Pläne: Ich werde am
18. August in
Genf sein. Wir haben dort die Sitzung des Management Commitee des Weltbundes. Anschließend findet in Gland eine internationale Jugendkonferenz statt, die nur teilweise unter meiner Leitung steht. Jedenfalls fühle ich mich schon heute für den Verlauf nicht verantwortlich. Dazu haben die
Engländer schon allzuviel mithineingespukt. Ich kann Sie eigentlich mit gutem Gewissen kaum auffordern, sich die Sache mal anzusehen — obwohl es vielleicht trotz allem ganz interessant wird. Sehr nett wäre es dagegen, wenn Lasserre käme, bitte seien Sie doch so gut und schreiben Sie ihm — ich habe nämlich einfach seine Adresse verloren
und habe darum so endlos lange nicht geschrieben —
ob
Briefe
an
Erwin
Sutz
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er nicht irgendwie mit uns zusammenstoßen könnte. Die Tagung wird bis zum 30. dauern. Dann bin ich frei. Nun müßten Sie Vorschläge machen. Ich bin hier durch Freunde von Barth und Pestalozzi aufgefordert worden, doch Anfang September auf ein paar Tage aufs Bergli zu kommen. Wie scheint Ihnen das? Mir kommt es offengestanden etwas zudringlich vor, da ich all die Leute doch eigentlich fast
gar nicht kenne. Aber andrerseits würde ich es natürlich gerne machen. Könnten Sie vielleicht bei dieser Gelegenheit auch mitkommen und ist Brunner oben? Halten Sie es überhaupt für mich für angängig hinzugehen? Oder stört man die Leute nur in ihrer Ferienruhe? Ich möchte etwa am 9. September wieder in Berlin sein. Ich habe noch maßlos viel vor in den Ferien, für das Wintersemester und einiges andere. Was macht Ihre Arbeit? Können Sie Ihrer Gemeinde wirklich solche Predigten zutrauen und kriegen Sie nicht manch-
mal auch Angst, daß Sie die Leute zur intellektuellen Raserei oder Begeisterung führen? Verzeihen Sie, das ist eigentlich mehr gegen mich selbst gesagt als gegen Sie. Ich möchte Sie gern predigen hören. Ich würde dann auch besser wissen, was mit meinen Predigten los ist. Haben Sie nochmals vielen Dank, daß Sie sie mir geschickt haben und halten Sie meine Fragen nicht für Besserwisserei. Leben Sie wohl. Schreiben Sie mir bitte Ihre Pläne bald. Auch wann man Brunner zu sehen kriegen kann und ob er überhaupt will. Ich bin noch 12 Tage bier.
Berlin, 27. Oktober 1932 ...Es waren damals im September Tage, für die ich Ihnen immer dankbar bleiben werde. Der Aufenthalt bei Ihnen war für mich nicht nur das Asyl für einen theologisch Ob-
dachlosen, nach dem ich mich schon lange gesehnt hatte
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Briefe
an Erwin
Sutz
und an das ich in der kalten Einsamkeit hier oben nur mit Wehmut zurückdenken kann, — es war vielmehr alles so voll von Neuigkeit und Erinnerung, daß ich von dieser Zeit noch heute sehr erfüllt bin. Sie haben viel Opfer an Zeit
und anderem bringen müssen, und ich bin mit Ihnen auch Ihren Eltern und Ihrer Pate, die uns so rührend versorgt hat, sehr dankbar. Es war für mich besonders schön, daß ich bei Ihnen zu Haus sein durfte, und daß ich in den Tagen, die ich da war, doch den Hintergrund Ihrer eigenen
Existenz etwas zu Gesicht bekam. Er ist in vielem sehr anders als der meine — aber das haben wir ja wohl schon vorher voneinander gewußt — und doch hat sich mir nie das Gefühl der Fremdheit eingestellt. Es muß da irgendetwas nicht leicht Beschreibliches sein, das das verursacht, wie ja auch das Zusammentreffen und Zusammenkönnen vor zwei Jahren, wie Sie und ich, auf eine nicht ganz leicht faßbare Ursache zurückzuführen wäre. Aber ich hatte in diesen Tagen stark das Bewußtsein, daß das keine Illusion ist, und das hat mich besonders gefreut. Wenn ich Ihnen nun mal hier meinen Hintergrund zeigen könnte! Das würde wahrscheinlich noch einen Schritt weiter zum gegenseitigen Verständnis führen. Ich hoffe, wir verlieren uns nun, nachdem wir diese gemeinsame Zeit hat-
ten, nicht mehr aus dem Auge. (Ich denke manchmal mit Schrecken, daß wir uns vielleicht darin finden, daß wir beide Existenzen irgendwie am Rande unserer Kirche —
beide an sehr verschiedener Stelle — sind.) Ich bin begierig auf Ihre Wege, sie sind viel unübersehbarer als meine. Und das ist das Schlimme
bei mir und das Schöne bei Ihnen.
Aber bitte, sorgen auch Sie dafür, daß wir ein Auge anfeinander behalten. — Wenn ich anfangen wollte, Ihnen von mir zu erzählen, so würde ich die Nacht durchschreiben. Ein andermal — wenn ich mehr frische Kraft habe. —
Schreiben Sie bald mal! Ich freue mich sehr darauf. Sagen
Briefe
an
Erwin
Sutz
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Sie bitte Brunner, wie dankbar ich ihm für den Nachmittag bin. Berlin, 14. Februar 1933 ... Seit ich das letzte Mal schrieb, hat sich hier ja vieles verändert und wir stehen wohl noch mitten in den Umwandlungen drin. Wo es hinaus will, ist noch nicht recht zu übersehen. Am unmittelbarsten sind wir ja in Kirche und Universität betroffen. Daß Karl Barths Stellung nicht mehr
sicher ist, werden Sie wissen. Ich werde meinerseits alles tun, um hier einen verhängnisvollen und nicht wieder gut zu machenden Fehlgriff zu verhüten, und ich bin schon dabei. Eine große Neuorganisation der Kirchen steht bevor, die wie’s jetzt aussieht, nicht zum Schaden sein wird. Die Deutschchristen werden sich hoffentlich bei dieser Gelegenheit von selber von den beiden konfessionellen Kirchen zurückziehen — so furchtbar das andrerseits ist — und so werden wir hominum confusione et dei providentia noch einmal die Kirche hinüberretten. Auch die Judenfrage macht der Kirche sehr zu schaffen und ‚hier haben die verständigsten Leute ihren Kopf und ihre
Bibel gänzlich verloren. So ist man persönlich nach verschiedensten
Seiten
in Anspruch
genommen
und
kommt
kaum zur stillen Ferienarbeit. Wie beneide ich Sie manchmal oder besser, wie gönne ich es Ihnen, daß Sie so in der
Ruhe und Stille der Arbeit nachgehen können, anf die es in der Kirche doch allein ankommt. Ich sehne mich manchmal furchtbar nach einem stillen Pfarramt. Daß Sie gut predigen können, habe ich immer gewußt, ohne Sie je gehört zu haben, und Lehmanns haben es bestätigt. Es ist eine ungeheure Verantwortung, das von sich zu wis-
sen. Bleiben Sie wohl in Fluntern oder gehen Sie ein paar Jahre in die Wüste? Vor meinem Überfall bleiben Sie freilich weder hier noch dort verschont. Anfang Juni muß ich nach
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Briefe
an
Erwin
Sutz
Basel. Darf ich Sie da nicht auf ein paar Stunden irgendwo sehen? Das wäre sehr schön und sehr tröstlich. Man sitzt hier bei aller Menschenfülle grauenhaft allein. Ich wünsche Ihnen gute Zeit! Bitte bleiben Sie unserer Freundschaft herzlichst versichert. Daß ich heute nicht mehr über die hiesigen Verhältnisse schreibe, liegt daran, daß, wie Sie wis-
sen, das Briefgeheimnis zur Zeit nicht gilt. Leben Sie wohl!
Berlin, 17. Juli 1933 Nun ist das Semester fast herum und Sie sind ohne Ant-
wort
auf Ihre freundlichen
Briefe geblieben.
Verzeihen
Sie das bitte, aber ich glaube, Sie wissen selbst, warum das so kommen mußte. Die kirchenpolitischen Ereignisse haben mich voll in Anspruch genommen. Nun stehen wir unmittelbar vor der Entscheidung!, wie ich glaube einer Entscheidung von eminenter kirchenpolitischer Bedeutung. Ich zweifle kaum daran, daß die Deutschen Christen den Sieg davon tragen und daß im Zusammenhang damit sich sehr schnell die Konturen der neuen Kirche, von der es nun fraglich sein wird, ob wir sie als Kirche tragen können, abheben werden. Ich fürchte allerdings, daß es ein allmähliges, aber stetiges Abbröckeln gibt, da man die Kraft zu einer geschlossenen Handlung nicht mehr hat. Dann
geht es zurück in die Konventikel. Übrigens habe auch ich damals? über das goldene Kalb gepredigt, über die Aaronskirche und die Moseskirche, das wird heute unheimlich aktuell. Am Wahlsonntag werde ich über Matthäus 16, 18 predigen. Vor einigen Tagen war Barth kurz in Berlin, da hat er mir sehr erfreut über Ihren Besuch in Bonn erzählt. Meine 1. Kirchenwahl
vom
23. Juli 1933.
2. Exaudi
28. Mai
1933.
Briefe
an
Erwin
Sutz
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persönliche Zukunft wird in der nächsten Zeit vielleicht eine entscheidende Wendung bringen. Man hat mir vorgeschlagen, als deutscher Pfarrer mit Sonderauftrag für öku-
menische Arbeit nach London zu gehen. Ich überlege mir das sehr, und ich glaube nämlich, daß gerade bei all den Möglichkeiten, die man hier für die Kirche in Erwägung ziehen muß, eine enge Fühlungnahme mit den englischen Kirchen gegebenenfalls von ganz großer Wichtigkeit sein kann. Was meinen Sie dazu? Oder haben Sie gerade in der Schweiz eine nette Professur für mich offen, die Sie zu besetzen haben? Vielleicht komme ich Ende August nach Genf, sicher ist es noch nicht. — Ich bin sehr in Eile und schreibe darum so kurz.
London, 28. April 1934 ... In den letzten Monaten habe ich oft Sehnsucht nach Ihrer stillen Bergpfarrei gehabt — obwohl ich ja seit einigen Mo-
naten auch scheinbar so einigermaßen vom Schuß bin, ist das doch nur scheinbar. Denn all die kirchlichen Dinge in Deutschland wirken doch hier herüber und haben ihre ökumenischen Auswirkungen und das hält einen ziemlich in Schach. Abgesehen. davon muß ich hin und wieder nach Deutschland, einmal wegen des Notbundes, ein anderes Mal vom Kirchenregiment im Flugzeug vorgeladen, um irgend einen Revers vorgelegt zu kriegen, sich von nun an jeg-
licher ökumenischer Betätigung zu enthalten und denselben dann allerdings nicht zu unterschreiben. Diese Dinge sind widerwärtig. Ich soll hier um jeden Preis entfernt werden, und schon aus diesem Grund allein bin ich bockig. Aber das ist ja alles höchst gleichgültig und interessiert Sie wenig. Was in Deutschland in der Kirche los ist, wissen Sie ja wohl ebensogut wie ich. Der National-Sozialismus hat das Ende
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der Kirche in Deutschland mit sich gebracht und konsequent durchgeführt. Man kann ihm dafür dankbar sein, so wie die Juden Sanherib dankbar sein mußten. Daß wir vor dieser klaren Tatsache stehen, scheint mir kein Zweifel mehr zu
sein. Phantasten und Naive wie Niemöller glauben immer noch die wahren Nationalsozialisten zu sein — und es ist vielleicht eine gütige Vorsehung, die sie in dieser Täuschung
bewahrt, und es liegt vielleicht auch im Interesse des Kirchenkampfes — wenn einen dieser Kirchenkampf überhaupt noch interessiert. Es geht ja schon längst nicht mehr um das, um das es dort zu gehen scheint, die Fronten liegen ja ganz wo anders.
Und obwohl ich mit vollen Kräften in der kirchlichen Opposition mitarbeite, ist es mir doch ganz klar, daß diese Opposition nur ein ganz vorläufiges Durchgangsstadium zu einer ganz anderen Opposition ist, und daß die Männer
dieses ersten Vorgeplänkels zum geringsten Teil die Männer jenes zweiten Kampfes sind. Und ich glaube, die ganze Christenheit muß mit uns darum beten, daß das „Widerstehen bis aufs Blut‘‘ kommt, und daß Menschen gefunden werden, die es erleiden. Einfach erleiden — darum wird es dann gehen — nicht Fechten, Hauen, Stechen — das mag
für das Vorgefecht noch erlaubt und möglich sein, der eigentliche Kampf, zu dem es vielleicht später kommt, muß einfach ein glaubendes Erleiden sein und dann, dann vielleicht wird sich Gott wieder zu seiner Kirche mit seinem Wort be-
kennen, aber bis dahin muß viel geglaubt, viel gebetet, viel gelitten werden. Wissen Sie, ich glaube — vielleicht wundern Sie sich darüber — daß die ganze Sache an der Bergpredigt zur Entscheidung kommt. Ich glaube, daß die Theologie Barths — aber gewiß auch die Ethik Brunners
—
nur noch einmal verzögert haben
— und gewiß auch ermöglicht haben, daß das erkannt wird. Ich möchte jetzt — nach drei Jahren — nochmals
Briefe
an
Erwin
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mit Ihnen über all diese Fragen reden — vieles ganz anders geworden und vielleicht damals einfach nicht gehört, vielleicht auch tiert und bin selbst mitschuld, daß Sie nicht
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es ist vieles, habe ich Sie wegargumenschon längst
mir vorangegangen sind und mir hier den Weg gezeigt ha-
ben. Noch sehe ich ganz unklar und in Umrissen, was geschieht und was geschehen soll — aber es ist nicht zuletzt Ihr dauerndes unentwegtes Fragen gewesen, das mich hier weitergetrieben hat. Ich habe ein paar Leute gefunden, die an dieser Stelle mit mir weiterfragen. Schreiben Sie doch
einfach mal, wie Sie über die Bergpredigt predigen. Ich versuche es gerade — unendlich schlicht und einfach, aber es geht immer um das Halten des Gebotes und gegen das Ausweichen. Nachfolge Christi — was das ist, möchte ich wissen — es ist nicht erschöpft, in unserem Begriff des Glaubens. Ich sitze an einer Arbeit, die ich Exerzitien nennen möchte — nur als Vorstufe. Bitte helfen Sie hier mit. Wie lange ich Pfarrer und in dieser Kirche bleibe, weiß ich
nicht. Vielleicht nicht mehr lange. Ich möchte im Winter nach Indien. Kommen Sie nicht einmal her? Nun Schluß — viel-
leicht scheint Ihnen das alles wirklich verrückt. Schreiben Sie nur wieder. Ich schreibe dann auch mehr.
London, 11. September 1934 Vielen Dank für Ihre Karten. Ich habe sie beide bekommen. Sehr schade, daß wir uns in Berlin nicht trafen. Denken Sie, nach der Fanökonferenz, auf der ich Jean (Lasserre) traf, war ich noch drei Tage bei ihm in Bruay.
Wir haben diese Tage
sehr genossen. Es war so viel wieder
einmal miteinander zu denken und zu erinnern. Ich bewundere die Arbeit, die Jean tut, außerordentlich. Dieser
nordfranzösische Protestantismus hat eigentlich fast etwas von sektiererischem Fanatismus. Es war das erste Mal, daß
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Briefe
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ich wirklich eine völlige Proletariergemeinde gesehen habe. Das umgebende Gebiet der Kriegsschauplätze und -friedhöfe und die furchtbare Armut dieser Bergwerkstädte sind ein dunkler Hintergrund für die Predigt des Evangeliums.
Ich bin wieder zurück in unserer mich eines land nach
Gemeinde
und quäle
damit ab, einen Entschluß zu fassen, ob ich als Leiter neu zu errichtenden Predigerseminars nach Deutschzurückgehen soll, ob ich hierbleiben soll oder ob ich Indien gehe. An die Universität glaube ich nicht
mehr, habe ja eigentlich nie daran geglaubt —
zu Ihrem
Ärger. Die gesamte Ausbildung des Theologennachwuchses
gehört heute in kirchlich-klösterliche Schulen, in denen die reine Lehre, die Bergpredigt und der Kultus ernstgenommen werden — was gerade alles drei auf der Universität nicht der Fall ist und unter gegenwärtigen Umständen unmöglich ist. Es muß auch endlich mit der theolog. begründeten Zurückhaltung gegenüber dem Tun des Staates gebrochen werden — es ist ja doch alles nur Angst. „Tu den Mund auf für die Stummen“ Spr. 31,8 — wer weiß denn das heute noch in der Kirche, daß dies die mindeste Forderung
der Bibel in solchen Zeiten ist? Und dann die Wehr- und Kriegsfrage etc. etc.
-——Ein Gespräch Hitler — Barth halte ich nunmehr für völlig aussichtslos und sogar gar nicht mehr erlaubt. Hitler hat sich als der ganz klar gezeigt, der er ist, und die Kirche muß wissen, mit wem sie zu rechnen hat. Jesaja ist auch nicht zu Sanherib gegangen. Wir haben oft genug versucht — zu oft — vor Hitler vernehmlich zu machen, worum es
geht. Mag sein, wir haben es noch nie richtig gemacht, dann wird es Barth auch nicht richtig machen. Hitler soll und darf nicht hören, er ist verstockt
als solcher zum
Hören
zwingen
—
und soll uns gerade
so herum
liegt die
Sache. Die Oxfordbewegung war naiv genug, den Versuch zu machen, Hitler zu bekehren — eine lächerliche Verken-
Briefe
an
nung dessen, was vorgeht —
Erwin
Sutz
43
wir sollen bekehrt werden,
„nicht Hitler. Ich möchte gern mal ein Vierteljahr Ruhe haben zum Schreiben — aber es soll wohl noch nicht sein. — Was treiben Sie? Was ist dieser Brandt! für ein Mann? Ich verstehe nicht, wie sich ein Mann in Hitlers Umgebung aufhalten kann, der nicht entweder Nathan oder aber mitschuldig ist am 30. Juni?, am 25. Juli?, an der Lüge des 19. August‘ — mitschuldig am nächsten Krieg! Verzeihen Sie, aber mir scheinen diese Dinge wahrlich so ernst zu sein. Ich mag jetzt in diesen Dingen gar kein Spielen mehr.
Schreiben Sie doch mal drüber! Ich würde Sie gern mal sprechen, ob Sie die Dinge sehr anders sehen. Und auch sonst, über Theologie und Gemeinde und Bergpredigt. Bleibt Barth nun in der Schweiz? Lassen Sie wieder hören. Verzeihen Sie diesen wilden Brief.
Stockholm, 10. März 1936 Ganz in Eile Dank für Ihre Briefe. Ich komme vielleicht Ende März mit dem Auto in die Schweiz. Können Sie mir dort 100 Fr. geben, die ich irgendwie in Deutschland in Büchern oder anders Ihnen wiedererstatten kann? Ich käme wohl Anfang April bei Ihnen vorbei, wenn es paßte. Wenn es so geht, bitte schreiben Sie doch sofort an mich: „Es
geht“ — ohne viel weitere. Angaben, besonders nicht über
1. Leibarzt Hitlers, den Sutz bei einer Alpenwanderung kennenlernte; am 2. Juni 1948 in Landsberg exekutiert. 2. Röhm-Affäre. 3. Dollfuß ermordet. 4. Volksabstimmung für Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten nach Hindenburgs Tod (2. August 1934) und des Reichskanzlers im „Führer“ (89,9 Prozent Ja-Stimmen).
44
Briefe
an
Erwin
Sutz
die Franken. Ich muß nach Neuchätel zu einer ökumenischen Sache mit einem Freund zusammen. Verzeihen Sie die Eile. Mein Zug geht jetzt. Hoffentlich bald auf Wiedersehen!
9. August 1936 Nun wird es doch etwas! Ich muß am 20. in Chamby sein und möchte Sie vorher oder nachher bestimmt besuchen. Vielen Dank für Ihre Andachten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ein Wort schrieben, ob Sie da sind. Ich bin sehr in Eile und freue mich auf ein Treffen.
Chamby sur Montreux Conference Internationale, 21. August 1936 Vielen Dank für das Telegramm! Ich komme gegen 1. Sept. bei Ihnen vorbei. Kann ich von Ihnen — ich schrieb es schon mal — 100 Fr. kriegen, die ich Ihnen von Deutschland durch Bücher oder etwas, was Sie brauchen, zurückschicke? Darf ich Sie wohl um sofortigen Bescheid hierher bitten, da ich alle Pläne darnach einrichten muß. Ich bin
sehr in Eile.
Finkenwalde, 24. Oktober 1936 Jetzt sind Sie mir mit Ihrem lieben Brief doch wieder weit zuvorgekommen! Haben Sie vielen herzlichen Dank! Der Tag bei Ihnen ist mir in schönster Erinnerung, und ich bin froh, daß ich alles andere habe schießen lassen und zu
Ihnen gefahren bin. Es war ein besonders schönes Zusammensein. Wir waren doch eigentlich sofort wieder mitten in der Sache drin, als wäre es garnicht so sehr lange gewesen,
daß wir uns nicht gesehen hatten. Nun hoffe ich ja als
Briefe an Erwin Sutz
nächstes
auf einen
längeren
Besuch
von
45
Ihnen
hier bei
uns. Es wäre wirklich schön. Und am besten wohl während des Semesters. Es ist übrigens gar nicht sicher, ob wir wohl allzulange hier bleiben können, da man uns anscheinend das Haus über dem Kopf weg verkaufen will, und wir dann irgendwoanders hinmüssen!. Selbst kaufen kann die B.K.
natürlich nicht, und wo wir dann hinkommen, ist ganz ungewiß. Also, tun Sie es bald. Es wäre uns wirklich eine sehr große Freude! — Inzwischen werden die Vilmars angekommen sein, die Ihnen hoffentlich Freude machen. Anderes
folgt. Nochmals vielen Dank. Als ich im Eiltempo hier zurückkam, fand ich einen Bruder sehr schwer krank vor, so war ich eine Zeit lang Krankenpfleger. Das hat meiner Arbeit weniger gut getan als meiner Seele. Als ich ihn wieder auf den Beinen hatte, kamen so allerlei andere Dinge, eines nach dem andern, das mich von der Arbeit abhielt. Ich mußte ein paar kleinere Arbeiten machen, habe unter anderm unter genauem Studium des Katechismus von L. Christ, bei dem ich noch einige Lehrirrtümer glaube festgestellt zu haben, die ich ihm viel-
leicht gelegentlich mal für eine dritte Auflage mitteilen werde, selbst einen Konfirmandenunterrichtsplan für unsere Seminarbrüder ausgearbeitet, den ich den Brüdern auf einer Freizeit, die die ganze vergangene Woche dauerte, vorlegte.
Jetzt hat das neue Semester wieder begonnen, und die ersten Wochen sind ausgefüllt mit allerlei Neuem, außerdem mit dem ziemlich lebhaften .Außendienst, den das Seminar
allmählich bestreitet. Sie haben ja in Eberhard Bethge einen der Brüder kennen
gelernt, die auf längere Zeit frei sind für die Arbeit des Seminars. Außer ihm sind es noch fünf. Jeder hat seine be1. Dem Bruderrat der Altpreußischen Union war das Haus in Finkenwalde zu teuer geworden. Durch Spenden wurde es aber doch bis zur Auflösung durch Himmler-Erlaß gehalten (Herbst 1937).
46
Briefe
an
Erwin
Sutz
stimmte Aufgabe teilweise im Hause, teilweise außerhalb. Besonders in Anspruch genommen sind wir in der nächsten Zeit in der Volksmission, die wir gemeinsam tun. D. h. es gehen mindestens vier Brüder immer zusammen, sprechen jeden Abend je 10 Minuten, und besuchen im Laufe des Tages das ganze Dorf, halten Andachten in den Häusern
und Kinderstunden. Es geht uns dabei hauptsächlich darum, daß in den Häusern wieder die Bibel gelesen und gebetet wird. Aber es ist unendlich schwer, dort, wo es einmal nicht „Brauch“ ist, damit einzubrechen. Es fehlt auch weithin an Material, das man den Leuten geben könnte. Es ist alles zu schwer. Besonders auch für Jugendliche fehlt es. Es gibt zwar ganz brauchbare Zeitschriften, aber An-
leitungen für die tägliche Andacht fehlen ganz. Haben Sie etwas derartiges?
Übrigens hatte ich auch einen Briefwechsel mit K. Barth auf meinen nicht gemachten Besuch hin. Ich schrieb ihm erst, und er antwortete mir sehr nett zweimal. ihm etwas von Finkenwalde erzählt und er hat auch etwas dafür interessiert, aber er wittert wieder die ganze Reihe von Ragaz bis Buchman
Ich hatte sich wohl nun schon bzw. eine
Verlängerung derselben. Ich will ihm wieder antworten. Er schrieb sehr freundlich und anteilnehmend. "Da bin ich gerade bei der Gruppenbewegung.
Also die
Sache wird nun anscheinend auch hier lebendiger. Der Büchermarkt zeigt ganze Berge von Gruppenliteratur. Die Sache bekommt nun hier aber ein äußerst bedenkliches Gesicht. Sofort stürzen sich alle Leute der kirchlichen Mitte einschließlich Kirchenausschüsse voll Interesse auf dieses
unpolitische, lebendige Phänomen und liebäugeln damit. Merkt die Gruppe hier nicht, was ihr droht, d. h. hat sie nicht wenigstens genug Instinkt, um hier zu erkennen, daß sie nur als Instrument einer dunklen Macht dient, dann
scheint mir ihre Stunde hier geschlagen zu haben. Ich glaube,
Briefe
an
Erwin
Sutz
47
die Gruppe kann, menschlich geredet, heute alles haben, was sie hier will, sie kann vielleicht in die entscheidensten Kreise eindringen, aber der Preis muß sein, daß sie die B. K. aufgibt. Es ist geradezu unheimlich, diese Perspektive. Man hungert nach einer „christlichen“ Bewegung, für die Ausschüsse ist das geradezu die Existenzfrage. Wir könnten uns von der B. K. her selbst dazu hergeben und es wäre alles in unseren Händen, der Preis, den wir zahlen, ist nur, daß wir keine Kirche mehr sind, d. h. daß wir
keine polis mehr sind, d. h. daß wir das Evangelium der polis nicht mehr predigen können. Wir wären bei aller Öffentlichkeit, die wir dann genießen würden, eine Winkelkirche geworden. Leider sehe ich nach mancherlei Erfahrungen in bezug auf den „Instinkt“ der Gruppe ziemlich schwarz. Dann allerdings, wenn auch dieser Gegner noch dazu kommt, kommt unsere Situation dem Irrsinn nahe — für die Augen der Welt. Übrigens bin ich jetzt wegen meines Aufsatzes!, den ich Ihnen damals gab, der geschmähteste Mann unserer Richtung. Neulich hat sogar irgend ein „luth.““ Verein bean-
tragt, ich müsse aus dem Lehramt der B. K. entfernt werden. Die Rheinländer stehen mir gut zur Seite. Auch noch einige andere. Es wird noch dahin kommen, daß das Tier, vor dem sich die Götzenanbeter neigen, eine verzerrte Lu-
therphysiognomie trägt. „Sie schmücken der Propheten Gräber... .“2 — Ich hoffe nun im Laufe des Semesters mein Buch? fertig zu bringen, und hätte dann schon wieder größte Lust, an eine Hermeneutik zu gehen. Hier scheint
mir eine ganz große Lücke zu liegen. Aber erst mal das eine. Ich hoffe nun, daß unser Briefwechsel nicht wieder so lange
abreißt wie bisher und werde
gerne mein Bestes dazu
1. Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft, Evangelische Theologie 1936, S. 214—233,
2. Mat!23, 29.
3. Nachfolge.
48
Briefe
an
Erwin
Sutz
tun. Leben Sie recht wohl! Alle guten Wünsche für die Arbeit. Und bitte kommen Sie bald mal. Ich freue mich sehr darauf. Finkenwalde, 8. Juni 1937 Wir freuen uns herzlich auf Ihren Besuch. Ab 17. Juni sind
wir wieder in Finkenwalde! Bitte bestimmt kommen! Finkenwalde, 18. September 1937 Es ist lange her, wieder einmal, — aber daß man trotz so langer Unterbrechungen
doch immer
wieder brieflich zu-
einander zurückkehrt, ist wohl ein gutes Zeichen. Es sind zwei Gründe, warum ich Ihnen heute schreibe, erstens weil ich ja nicht weiß, wie oft ich noch schreiben kann und weil ich Ihnen dafür danken möchte, daß Sie mir immer wieder
Ihre guten Andachten geschickt haben, auch für Ihren Besuch in Berlin und Finkenwalde, wo ich Sie leider beidemal verfehlte. Zweitens schreibe ich, weil zu meiner ganz großen Beruhigung meine Schwester mit Mann und Kindern
für ein paar Wochen in Zürich sind (Kurhaus Zürichberg, Prof. Leibholz) und weil Sie vielleicht mal von ihnen hören werden. Seien Sie dann bitte gut zu ihnen! Wenn
Sie sie
ohne große Schwierigkeiten mal besuchen könnten, wäre das besonders schön. Ich habe z.Zt. Ferien und versuche, etwas
zu schreiben.
Aber es geht langsam, man hat zuviel anderes im Kopf. Ich sehne mich sehr nach ein paar ruhigen Monaten zu wissenschaftlicher Arbeit. Ich möchte gern allerlei loswerden,
komme aber während der Arbeit nicht recht dazu. Schade, daß Sie mich nicht auf ein Jahr zur Vertretung für Brunner
nach Zürich geholt haben! Das wäre gar nicht übel gewesen. Im hintersten Hinterpommern verliert man ziemlich den Kontakt mit der Welt. Es ist auch einfach soviel zu tun,
Briefe
an
Erwin
Sutz
49
daß zu einer ruhigen Korrespondenz keine Zeit bleibt. Das bißchen übrige Zeit braucht man zu eigener Arbeit. Aber die Arbeit macht weiter Freude, nimmt freilich auch immer
zu. Seltsam ist nur die Existenz, in der es keine Sorgen geben
kann, weil jeder Tag ein Geschenk ist. Vergißt man das, dann wird man manchmal etwas widerspenstig, und würde
sich lieber ein etwas seßhafteres Dasein aussuchen mit all den „Rechten“, die man sonst in diesem „Stand“ und Alter
hat. Das würde aber Preisgabe der Arbeit bedeuten und das geht eben im Augenblick nicht. Daß unser Freund Jean Lasserre sich vor einigen Wochen verheiratet hat, werden Sie wissen! Ich sähe ihn gern wieder, will ihm auch
in den nächsten Tagen noch schreiben. Wie schön wäre es, wir könnten gerade jetzt wieder einmal zu dritt zusammen
sein! Es gäbe soviel zu bedenken und zu besprechen. Lassen Sie sich diese kurzen Zeilen gefallen und gedenken Sie unserer Sache und meiner, wie ich auch Ihrer gern und oft gedenke.
Charis hymin kai eirene!
New York, Juli 1939 Sie werden nicht wenig überrascht sein, von mir eine Karte von hier zu bekommen. Ich war einen Monat auf Einladung bier im Union. Es war schön und lehrreich, aber es zieht mich unwiderstehlich zurück zur Bekennenden Kirche. Ich reise morgen wieder ab. Oft habe ich an Sie ge-
dacht und von Ihnen gesprochen. Coffin, Bewer u.a. lassen grüßen.
50
Briefe
an
Erwin
Sutz
Zürich, 21. September 1941 Ich habe ja in den vergangenen Jahren manchen Brief zur Hochzeit eines unserer Brüder geschrieben und manche
Traupredigt gehalten. Dann lag das Hauptmerkmal dieses Ereignisses eigentlich immer in der Tatsache, daß es einer wagt, angesichts dieser „letzten“ Zeiten (ich meine es gar nicht so ganz apokalyptisch) einen Schritt solcher Bejahung der Erde und ihrer Zukunft zu tun. Es war mir dann immer ganz deutlich, daß man diesen Schritt als Christ
wirklich
nur
in einem
ganz
starken
Glauben
und auf
Gnade hin tun kann. Denn nun will man ja mitten in dem Abbruch der Dinge — aufbauen, mitten in dem Leben von Stunde zu Stunde und Tag zu Tag — eine Zukunft, mitten in dem Ausgetriebenwerden von der Erde — ein Stück
Raum,
mitten
in dem allgemeinen
Elend
—
ein Stück
Glück. Und es ist das Überwältigende, daß Gott zu diesem seltsamen Begehren Ja sagt, daß hier Gott in unseren
Willen einwilligt, während es doch sonst umgekehrt sein sollte. So wird die Ehe etwas ganz Neues, Gewaltiges, Herrliches — für uns, die wir in Deutschland Christen
sein wollen. Und nun frage ich mich, ob das nun bei Ihnen hier etwas ganz anderes ist, etwas Ruhigeres, Stilleres, wie
es auch bei uns einmal
war?
Doch
kann ich es kaum
glauben. Wie schwer ist es doch, einander zu verstehen! Aber lassen wir das nun. Ich freue mich von Herzen mit Ihnen, ich wünsche Ihnen das Stück Zukunft, Raum, Glück, das Gott uns noch in einer Zeit gibt, in der die Christen einsam werden. Ich wünsche Ihnen die große Dankbarkeit, die alles, was Gott gibt, uns erst recht zu eigen macht, indem sie es ihm wiedergibt. Es war eine große Freude, bei Ihnen und Ihren Schwiegereltern zu sein. Leben Sie wohl, grüßen Sie Ihre Braut und seien Sie von Herzen Gott befohlen! Ihr getrener Dietrich Bonhoeffer
51
II. AMERIKA-STIPENDIAT 1930 —1931
Barcelona, den 7. August 1928 Lieber Rößler! Nun also — herzlichen Dank für Ihren Brief, mit dem Sie mir eine wirkliche Freude gemacht und Beruhigung geschaffen haben. Ich fürchtete allerdings weniger für unsere Verbundenheit, als daß tatsächlich bei Ihnen irgendetwas vorgefallen sei — nun ist das gottlob anders und hat sich alles erklärt. — Ein halbes Jahr — und solange ist es, seit wir uns zuletzt sahen! — ist eine lange Zeit, um in einem Brief auch nur einigermaßen Wichtiges mitzuteilen. Aus meinem ersten Brief wissen Sie etwa über mein Arbeitsgebiet Bescheid; es ist eine durchaus eigenartige Erfahrung, wenn man Arbeit und Leben tatsächlich zusammenfließen sieht, — eine Synthese, die wir wohl alle in der Studentenzeit suchten, aber doch kaum fanden; — wenn man wirklich ein Leben lebt, und nicht zwei oder besser: ein halbes;
es gibt der Arbeit Würde und dem Arbeiter Sachlichkeit, Erkenntnis der Grenzen seiner selbst, wie sie eben nur am
konkreten Leben gewonnen wird. Ich lerne von Tag zu Tag nene Menschen kennen, mindestens ihre Schicksale, manchmal schaut man auch durch ihre
Schilderungen hindurch auf die Person — und dabei ist eines immer von nenem eindrucksvoll: man begegnet hier den Menschen wie sie sind, fern von der Maskerade der „christlichen Welt“; Leute mit Leidenschaften, Verbrechertypen, kleine Leute mit kleinen Zielen, kleinen Trieben und kleinen Verbrechen, — alles in allem Leute, die sich heimatlos fühlen in beiderlei Sinn, die auftauen, wenn man freundlich mit ihnen redet, — wirkliche Menschen; ich kann nur
52
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
sagen, daß ich den Eindruck habe, daß gerade diese viel eher unter der Gnade als unter Zorn, daß aber gerade die christliche Welt viel eher unter dem Zorn als unter der Gnade steht. „Ich werde gesucht von denen, die nicht nach mir fragten .... und zu denen, die meinen Namen nicht anrufen, spreche ich: Hier bin ich.“ (Jes. 65, 1.) — Ich habe jetzt im Sommer, wo ich allein bin anf ein Vierteljahr, alle 14 Tage Predigt. Und es geht mir wie Ihnen. Ich weiß nicht, was man mit der kostbaren halben Stunde, die man hat, an-
fängt; ich predige so verschieden, wie ich es selbst nicht bei mir für möglich gehalten hätte. Die Texte werden Ihnen etwa ein Bild geben: Röm. 11, 6; 1. Kor. 15, 14—17; Matth. 28, 20; 1. Thess. 5, 17; Luk. 12, 49; Matth. 7, 1; Ps. 62, 2; 1. Kor. 12, 26 f.; Matth. 5, 8; und ich bin dankbar, daß ich Erfolg sehen darf; es ist ein Gemisch von persönlicher Freude, sagen wir Selbstgefühl, und sachlicher Dankbarkeit, — aber das ist ja das Gericht aller Religion, dieses Gemisch von Persönlichem und Sachlichem, das man vielleicht veredeln, aber nicht grundsätzlich beseitigen kann, und darunter leidet man als Theologe doppelt — aber wiederum, wer sollte sich nicht freuen über eine volle Kirche, oder darüber, daß Leute kommen, die jahrelang nicht kamen, und
auf der anderen Seite: wer analysiert diese Freude, ob sie keimfrei ist von Schmutz?
Ich habe lange gedacht, es gäbe für die Predigt ein Zentrum, das, wenn es getroffen wird, jeden Menschen bewegt bzw. vor die Entscheidung stellt. Ich glaube das nicht mehr. Erstens kann die Predigt nie das Zentrum fassen, sondern kann nur selbst von ihm, von Christus, gefaßt werden. Sodann wird Christus Fleisch ebenso im Worte des Pietisten, wie des Kirchlichen, wie des Religiösen Sozialisten, und diese empirischen Gebundenheiten bedeuten nicht relative,
sondern in der Tat absolute Schwierigkeiten für die Pre-
digt; die Menschen sind eben nicht im Tiefsten doch noch
Briefwechsel
Eines, durch merkt, denen
mit
Helmut
Rößler
53
sondern sie sind Einzelne, total Verschiedene nur das Wort in der Kirche „Geeinigte“. Ich habe gedaß die Predigten die wirkungskräftigsten waren, in ich verlockend, wie Kindern ein Märchen vom frem-
den Land, vom Evangelium erzählt habe. Die prinzipielle Schwierigkeit bleibt: man soll Milch geben, und weiß doch nicht, was das heißt, und ob man nicht aus Versehen Zuckerwasser gibt. Wenn mir einer eine Exegese von 1.Kor. 3,2 gäbe, wäre viel geholfen; auch für das „Problem des Kindes in der Theologie“ — (über das ich zu arbeiten gedenke im
Zusammenhang mit dem Problem des Bewußtseins) — und damit für den Kindergottesdienst. Am Sonntag will ich nun über Matth. 5,8 sprechen, ich bin noch nie an eine Predigt mit solchem Herzklopfen herangegangen. Aber ich freue mich auf Sonntag. — Was soll ich Ihnen noch viel berichten? Daß ich eine wunderschöne Reise durch Spanien mit meinem Bruder Klaus gemacht habe, wissen Sie, vielleicht erzähle ich Ihnen mal ausführlich. Im Laufe des Septembers kommen meine Eltern mich besuchen, darauf freue ich mich sehr. Über den Spanier als Menschen ein andermal. Ich schließe für heute; dieser Brief sollte nur
ein kleines Zeichen meiner großen Freude sein, daß bei Ihnen alles zum
Besten steht, und die entstandene Lücke
schließen. Ich freue mich auf jede weitere Nachricht von Ihnen und bin mit herzlichen Grüßen Ihr getreuer Dietrich Bonhoeffer
P.S. Über Kehnscherpers Entschluß bin ich nicht wenig erstaunt.
Wie
kommt
der Mann
Deutschland fortzugehen?
dazu,
auf so lange aus
54
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
23. Februar 1930 Lieber Rößler!
... Ich stehe eben an der Einreichung der Habilitationsschrift, will im Sommer 2. Examen
machen
und im Sep-
tember nach Nordamerika. Es ist viel vorzubereiten bis alles soweit ist. Bald werde ich auch meine lona noch auf 14 Tage besuchen gehen, hänge, wie ich überhaupt merke, daß lange bei der Wissenschaft halten wird.
Gemeinde in Barcean der ich doch sehr es mich nicht sehr Aber ich halte frei-
lich eine möglichst gründliche wissenschaftliche Vorbildung für überaus wichtig. — Das Buch von Fendt scheint mir doch sehr wertvoll, ebenso fesselt mich sehr G. Dehns Markusauslegung. Von R. Seeberg hörte ich neulich eine Predigt, die beschämend war. Ein flaches religiöses Geplander 45 Minuten, es war qualvoll. Fendt und Dehn sind fast die
einzigen, die ich wirklich hören kann. Ich höre wirklich bei den meisten restlos — Nichts...
24. Juni 1930 Lieber Rößler! ... Ich muß meine Examenskatechese im Kindergottesdienst halten, 8 Tage drauf ist 2. Examen, wieder 8 Tage
später Probevorlesung und dann eine Woche später Antrittsvorlesung. So habe ich alle Hände voll zu tun...
New York, den 11. Dezember 1930 Lieber Rößler! ..... Die letzten Anugusttage, in denen ich Sie besuchen
wollte, sind nun längst vorbei, die Hochzeit meines Bruders Klaus mit Emmi Delbrück machte mich zu Haus unabkömmlich. Dann kam am 5. 9. meine Abreise und seitdem ein dauernd anhaltender Ansturm neuer Eindrücke, die mir
Briefwechsel
mit
Helmut
Rößler
55
auch heute nur erlauben, diesen kurzen Gruß zu schreiben, da ich unmittelbar vor der Abreise nach Cuba stehe, wo ich Weihnachten predigen werde. —
Es ist mir selten so schwer geworden, Weihnachten richtig aufzunehmen ..... meine Hoffnung, hier Hebr. 12,1 erfüllt zu finden, ist bitter enttäuscht worden. Dabei kommt
einem die Theologie in Deutschland so unendlich lokal vor, man versteht Luther...
das
hier
einfach
nicht;
man
lächelt
über
Beveringen, den 22. Februar 1931 Ost-Prignitz Lieber Freund! Ihre „Gewissenseniladung“ in Form eines Weihnachtsgrußes erreichte mich gerade zu Weihnachten und machte mir und meiner Frau große Freude. Eigentlich bleibt die Spärlichkeit unserer Korrespondenz zu verwundern, wenn man sie an der Intensität des Hineinbezogenseins des andern in den geistigen Besitz messen wollte. Ich jedenfalls denke oft — ganz ungewollt stark an Sie, und manchmal schwebt als wehmütig lächelnde Erinnerung Friedrichsbrunn mit seinen paar köstlichen Frühlingstagen 1927 vor
meinen Augen. Mit dazu beigetragen hat auch sicher Ihre „Sanctorum Communio“, die ich bisher halb gelesen habe mit starker Anteilnahme und Freude an der Leistung, wenn mir auch das
Nicht-Endgültige der Gedanken manchmal handgreiflich zu sein scheint. Näheres
hören Sie, wenn
ich es ganz hinter mir habe.
Wenn auch das opus schon längst „hinter“ Ihnen liegen wird — ich lese es doch gern um der persönlichen Zwiesprache willen.
Sie sehen jetzt Deutschland aus der Vogelschaun der neuen Welt und werden manches anders beurteilen, wenn Sie zurückkommen. Was Sie von der theologischen Fratzenhaftigkeit der amerikani-
schen Kirche schreiben, hat mich auch sehr bewegt. Sie werden daraus ersehen, welch furchtbare Illusion der „Weltprotestantismus“ als „oekumenische Idee“ sein kann. Aber ist es mit unserer Kirche viel anders als mit jener? Unsere Theologie ist in den
56
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
letzten 20 Jahren zweifellos besser, d.h. der Sache (edayye&Aıov) gemäßer geworden. Es kommt alles darauf an, daß sie sich in der Praxis der Verkündigung auswirke, aber davon ist vorläufig wenig zu spüren. Nach allen Erfahrungen, die ich bisher hier machte, sieht es um die „Substanz“
der Kirche auch bei uns er-
schrecklich aus, im schlimmsten Fall wird zugunsten der Trägheit des alten Adam fortgewurstelt und der Bruch der Zeiten über-
haupt nicht beachtet. Oder im günstigsten schließt man
sich der
jeweils aktuellen Zeitbewegung an (was augenblicklich auf dem Lande der Nationalsozialismus ist) und stellt das Evangelium in den Dienst irgendeiner sehr achtbaren menschlichen Angelegenheit, seiner Radikalität und Ausschließlichkeit damit Abbruch tnend. Ich selbst fühle mich, grade weil mein Herz so heiß an dem
gewaltigen Kampf nationaler Selbstbehauptung und Zukunftswillens, der, besonders auf dem flachen Lande, gewaltig an Boden gewonnen hat (man kann die Vorgänge mit der Zeit von 1806 bis
1812 vergleichen, nur daß, was damals mit dem preußischen Staate heimlich gesät wurde und wuchs, heute um ihn gerungen werden muß!), beteiligt ist, oft in schwerster Anfechtung, das Evangelium nicht zu verraten an die „heiligsten Güter der Nation“, zumal da so der Weg des Kreuzes, den heute die Kirche und
müssen (wann mußten sie damit auch die ministri verbi gehen es nicht!) durch äußeren Erfolg sehr erleichtert werden kann. Andererseits ist es eine Tat der nachgehenden Liebe, zu der wir berufen sind, anzuknüpfen an die Fragen und Nöte unseres heu-
tigen Landmenschen. Und diese sind, soweit sie nicht nacktem Egoismus entspringen, jetzt ausschließlich vaterländisch eingestellt. Die jahrelange stille Arbeit des Stahlhelm, die neuerliche laute und geschickte Agitation der Nationalsozialisten haben eine Bewegung in die jüngere Landbevölkerung hineingebracht — ich urteile dar-
über vom Standort der Prignitz aus, lächeln Sie nicht darüber —, die man früher nicht für möglich gehalten hätte. Freiheitskampf, Erneuerung des preußischen Staatsgedankens (mit monarchischer Spitze!), Rassereinheit, Kampf dem Juden und dem Young-Plan, Tod dem Marxismus, das „dritte Reich“ der deutschen Freiheit
und Gerechtigkeit (ein eschatologisch-chiliastisches Restgut!) — das. sind die bewegenden Ideen:der heutigen deutschen Landbevöl-
Briefwechsel
mit
Helmut
Rößler
57
kerung, die sich in einem. Zustand hoher Erregung befindet. Und dahinein die Predigt vom Kreuz. Es ist wahrhaftig — besonders mir nach meiner ganzen Tradition und „Erbmasse“ — siehe Konstantin Rößler! — nicht leicht, unter solchen Umständen theologia erucis nicht zu verraten und das Reich Gottes höher zu achten als das gequälte Vaterland. Sie sind ja Ihrem ganzen Wesen nach „unpolitisch“ veranlagt und haben, weil Sie nicht mitten in der Aktualität wirtschaftlichen Existenzkampfes und politischer Siedehitze stehen, es leichter von hoher Warte aus T6 Adrog xal ufnog »al Önyog xai Bddog XKoLorod zu durchforschen. Das soll nicht bedeuten, daß ich Ihre Anfechtungen verkenne. Sie sind vielleicht umfassender, aber vielleicht nicht so konkretisiert wie bei uns „Frontkämpfern in der Drecklinie“.
Die größte Tragik der Kirche und unseres Volkes sehe ich im Augenblick &v naıo@ darin, daß in der gewaltigen völkischen Bewegung ein gereinigtes glühendes Nationalgefühl verbunden. ist mit einem neuen Heidentum, dessen Entlarvung und Bekämpfung nicht nur aus gefühlsmäßigen Gründen schwerer ist als bei der
Religion des Freidenkertums, weil es in christlicbem Gewande einhergeht. Grundlage dieser neuheidnischen Religion ist die Behauptung
der
erwiesenen
Einheit
von
Religion
und
Rasse,
näherhin der arischen (nordischen) Rasse. Geistige Väter dieses Antimarxismus sind Lagarde, H.St.Chamberlain, Günther (der Rassenforscher), Albrecht Wirth („Aufgang der Menschheit“!), der
Dichter Wilhelm Schäfer u.a. Alle kritischen Grundgedanken dieser Religion gegenüber dem Christentum sind aus dem geistigen Arsenal rassischer Ressentiments von z.T. höchst fragwürdiger Wissenschaftlichkeit entnommen. Die Bejahung der Kirche geschieht
lediglich unter der Voraussetzung ihres Dienstes an Volkstum und Rasse. Die konfessionellen Gegensätze werden weithin zugunsten eines völkischen Synkretismus, genannt „alle Gottesgläubigen, die
guten Willens sind“, verneint. Die konstitutiven Elemente dieses neuen religiösen Synkretismus (stets eines Zeichens absteigender Linie!) sind humanitaristischer Idealismus (der rassereine d.h. nationale Mensch ist gut) rationalismus vulgaris (der „Gottesglanbe“ im Lichte der Vaterlandsliebe ist die Religion aller anständigen Menschen) und geschichtsloser Mystizismus (die Einigung zwischen
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Gottheit
Amerika-Stipendiat.
und
Menschheit
bzw.
1930—1931
Volkstum
ist direkt,
aktivi-
stisch willensmäßig zu erstreben und zu erreichen). Auch das Chiliastische und der Antichristgedanke fehlt dieser vaterländischen Religion nicht. Jenes liegt im Gedanken des „Dritten Reiches“, dieses in dem Haß gegen den „Juden“ bzw. das „Kapital“ als der
Wurzel alles Übels. Nur ist alles völlig säkularisiert. Es war mir erschütternd, gestern in einem ausgezeichneten Vortrag einer Indienkennerin zu hören, daß derselbe Vorgang eines nationalistisch begründeten Synkretismus gegenwärtig die schwerste Versuchung
der christlichen Mission in Indien wäre. Es ist überall dasselbe. Die Erde ist kleiner geworden. Die Völker rücken einander näher. Dieselben Ideenmächte und Geistesbewegungen ziehen alle Völker in ihren Bann. Und das Tragische unserer Epoche ist der Zusammenstoß zweier innerlichst verwandter Fronten: des konsequenten Säkularismus der bewußten Diesseitigkeit und der religiös gefärbte Säkularismus, dem nur noch das pragmatische Verständnis der Religion erreichbar ist. Und dahineingestellt ist die Kirche Chri-
sti, von jener Front bewußt mit aller Religion (aber als ihr gefährlichstes Ferment!) bekämpft, von dieser Seite heiß umwor-
ben, in den Kampf einzutreten. Und doch kann sie sich auf keine Seite ganz stellen. Denn sie verkennt weder die Konsequenz der radikalen Diesseitigkeit und die Inkonsequenz des säkularisierten Synkretismus, noch die ungeheure Versuchung, in die sie
der Antichrist gebracht hat durch die Aufstellung dieser scheinbaren Weltgegensätze, die aber in Wahrheit letztlich keine mehr sind. Mich will manchmal dünken, daß die Extensität und Intensität der Verlorenheit der Kirche inmitten einer hoffnungslosen Welt noch nie im Laufe der Geschichte so groß gewesen sei. „Kommt, Kinder, laßt uns gehen, der Abend kommt herbei“ —
ich glaube doch
an eine Steigerung
des Antichristgedankens
(gegen Althaus’ Eschatologie der Senkrechten!) und daß wir auch im Sinne von Rö 13, 11—12 am Vorabend eines letzten Abschnittes der Weltgeschichte stehen. Jedenfalls rücken mir alle Gebiete des Menschenlebens einschließlich der ganz „profa-
nen“ und eigengesetzlichen immer stärker unter den Blick des Eschatologischen. Und dazu haben die Erfahrungen der eineinhalb Jahre märkischen Landlebens beigetragen.
Briefwechsel
mit
Helmut
Rößler
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Ich hatte heute Nacht in einem seltsamen Traum die Anfechtung der absoluten Verlorenheit und Abgründigkeit meiner Existenz in einer Welt, die von niemand gehalten wird. Und da wurde mir klar, daß Glaube keine Sicherung gegen jene Erschütterung ist, sondern
„nur“ das Aufpflanzen einer großen Hoffnung inmitten
der Hoffnungslosigkeit heutiger Menschheit. Darum ist Fendt in seinem neuesten Vortrag „Christus in der Verkündigung“ der Meinung, es sei die Zeit gekommen, Christus als die große Hoffnung einer aufgeschreckten, verstörten Menschheit zu verkündigen. „Nicht, was mit den ‚Andern‘ ist, nicht was mit uns wäre, wenn wir ‚Andersheit‘ annähmen, sondern was wirk-
lich ist durch Gott in Christus, das gilt. Deshalb sind die ‚Andern‘ nicht mir nichts dir nichts verloren, weil wir gerettet sind. Aber das ist das Große an Christus: Es gibt Sicherheit der Rettung.
Oder anders ausgedrückt: Christus verkündigen, weil diese alte Menschheit alle Hoffnungen
und Erwartungen
aufgebraucht hat,
in Christus aber eine Hoffnung liebt und bleibt... Die Verkündigung muß herum! Die Wendung ist fällig und absolut notwendig. Jenes beliebte Schema... geht nicht mehr als das Schema: zuerst
muß der Mensch in Schrecken und Erschütterung ob seiner Sünden geraten, dann wird ihm Christus verkündigt als der Heiland, und
so kommt (nach der Buße) der Glaube. Nein, das nene Schema muß lauten: dieser hoffnungslosen, leidenden Menschheit wird die große Hoffnung Jesus Christus verkündigt!“ Freilich darf nie
vergessen werden, daß dieser Christus der Hoffnung eben der Gekreuzigte ist. Aber mit der Hölle zu drohen brauchen wir der Menschheit heute nicht mehr, weil schon die Wirklichkeit heute ganze Hölle ist. (Dostojewski sagt: „Hölle ist — wenn man nicht mehr lieben kann!“). Darum.muß heute Christus als die absolute Erleichterung alles Glaubens, als die große oeoaxdeia gebracht und
verkündigt werden.
Alles andere ist Grausamkeit
oder Volks-
betrug.
Gilt das alles nur für das ernüchterte, bis in die Wurzeln seines Daseins hinein enttäuschte Deutschland? Oder ist der berühmte Fortschrittstaumel der Amerikaner nicht auch nur eine „bewußt-
seinsmäßige“ Überkleidung einer wesensmäßigen Verzweiflung? H.W.Schmidt und neuerdings Althaus in seinem feinen
60
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Heftchen „Der Geist der lutherischen Ethik in der Augustana“ kämpfen gegen die hamartiozentrische Theologie und lehren mit Nachdruck, daß Gottes Gottheit sein abgründiger Liebeswille das
erste
sei, das trotz der Sünde sich durchsetze. Das Evangelium
ist „älter“ als das Gesetz, dieses ist nur nebeneingekommen. Ist es
nicht an der Zeit, Barths Bußruf so abzulösen? Können wir noch Propheten sein, die Verstockung zu wirken haben durch den Bußruft Müssen wir nicht den lorenen bringen?
Realismus
der Liebe über den Ver-
Ihr Helmut Rößler
Berlin-Grunewald, den 18. Oktober 1931 Wangenbheimstr. 14 Lieber Rößler!
Daß ich heute das tue, was ich seit dem letzten Dezembertag, an dem ich Ihren Brief bekam, der mich wie wenig andere überhaupt gefesselt und beschäftigt hat, tun wollte, will mir kaum in den Sinn. Als Sie mir damals geschrieben hatten, da hat mich das, was Sie über Ihre Arbeit gesagt
haben, lange Zeit nicht losgelassen. Ich wollte gern lang und
ausführlich
antworten,
dann
kam
Weihnachten,
es
wurde immer später und schließlich fand ich den Entschluß gar nicht mehr. Ich habe seinerzeit etwas getan, was ich Ihnen auch noch gestehen muß. Ich habe nämlich Ihren Brief in einem Kreise von amerikanischen Freunden vorgelesen, um denen einen unmittelbaren Eindruck von der Arbeit und der Auffassung eines jungen deutschen Pfarrers zu geben — wenn es Ihnen nicht recht ist, entschuldigen Sie es —; jeden-
falls schien es mir eine so sehr willkommene Möglichkeit, in jene fratzenhaft europäisierte Welt einmal ganz andere Töne hineinklingen zu lassen, und das wurde auch sehr stark empfunden. Mein Aufenthalt in Amerika und jetzt zuletzt noch in England hat mir eines deutlich werden lassen: die
Briefwechsel
mit
Helmut
Rößler
61
absolute Notwendigkeit der Zusammenarbeit und zugleich die unerklärliche Zerrissenheit, die solches Zusammengehen einfach unmöglich zu machen scheint. Von dort drüben ge-
sehen kommt einem unsere Lage und Theologie so lokal vor, und es will einem nicht in den Sinn, daß in der ganzen Welt gerade Deutschland und dort gerade wieder ein paar Männer begriffen haben sollen, was Evangelium ist. Und
doch sehe ich nirgendwo sonst eine Botschaft. Das Riesenwerk amerikanischer Mission ist innerlich ausgehöhlt, die Mutterkirche ist ja selbst am Sterben. Und doch ist es sicher, daß unser heutiges Verständnis des Evangeliums drüben einfach nicht gehört werden kann. Es ist eine beispiellose Zerklüftung. Ein großes Land möchte ich noch sehen, ob vielleicht von dort die große Lösung kommt — Indien; denn sonst scheint es aus zu sein, scheint das große Sterben des Christentums da zu sein. Ob unsere Zeit vorüber ist und das
Evangelium einem anderen Volk gegeben ist, vielleicht gepredigt mit ganz anderen Worten und Taten? Wie denken Sie sich die Unvergänglichkeit des Christentums angesichts der Weltlage und unserer eigenen Lebensart? Es wird immer
unbegreiflicher, daß um des einen Gerechten willen „die Stadt verschont werden soll“. Ich bin jetzt Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule, wie soll man diesen Menschen solche Dinge predigen? Wer glaubt denn das noch? Die Unsichtbarkeit macht uns kaputt. Wenn wir’s nicht in unserem persönlichen Leben sehen können, daß Christus da war, dann wollen wir’s wenigstens in Indien sehen, aber dies wahnwitzige danernde Zurückgeworfenwerden auf den
unsichtbaren Gott selbst — das kann doch kein Mensch mehr aushalten. Ich hoffte sehr, Sie mal zu sehen und zu sprechen. Man meint eigentlich, es müsse jeden Augenblick etwas ganz Großes geschehen und doch heißt es einfach warten. Ob
der Winter die große Wendung der Dinge bringt? Ich hoffe und fürchte doch — nicht. Leben Sie wohl, grüßen Sie Ihre
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Frau sehr herzlich und Ihren kleinen Jungen, den ich noch
nicht kenne. Er muß Sie viele Dinge anders sehen machen. Die Perspektive in die Zukunft muß eine ganz andere sein. Lassen Sie von sich hören! In herzlicher Freundschaft Ihr getreuer Dietrich Bonhoeffer
Berlin-Grunewald, 25. Dezember 1932 Wangenheimstr. 14 Lieber Rößler!
Das ist wirklich eine ganz große Freude für mich gewesen, Ihren guten Brief zu lesen und all die langen Jahre des Auseinanderseins sind wie im Nu versunken und wir stehen wieder einander gegenüber oder nebeneinander wie ın den Studentenjahren und so manchmal auf dem Tennisplatz. Es ist wirklich merkwürdig, wie ein paar Worte mit Gewalt Jahre überwinden. Ja, Sie mögen recht haben, daß unsre Wege so verschieden laufen mußten, wenn Sie an unsere unterschiedlichen geistigen Konstitutionen denken und es ist immer gut, weil demütigend, seine durch mancherlei mühselige Wege gewonnene
Haltung so konstitutionell betrachtet zu sehen und das ist sicher auch richtig. Aber Sie selbst treten ja nun — und dafür bin ich Ihnen so dankbar — in eine allein sachlichgebundene Auseinandersetzung ein und da ich der Meinung bin, daß Sie tatsächlich den entscheidenden Ansatzpunkt aufgegriffen haben, möchte ich doch noch ein paar Gedanken dem Gesagten hinzufügen. Es ist gegenwärtig das Problem, das mich umtreibt und ich würde leidenschaftlich gern den
ganzen Fragenkomplex einmal ganz gründlich mit Ihnen durchdiskutieren. Es ist mir von jeher mit unseren Diskussionen so gegangen, daß ich das Gefühl hatte, daß wir immer sofort auf einen von uns beiden als brennend empfundenen
Briefwechsel
mit
Helmut
Rößler
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Punkt gekommen sind und daß darum die Aussprachen besonders fruchtbar wurden.
Zunächst: über eines besteht, glaube ich, Übereinstimmung, nämlich, daß unsere Kirche heute das konkrete Gebot nicht sagen kann. Fraglich ist nur, ob dies in ihrem Wesen —
also sagen wir in ihrer Begrenztheit durch die Eschata — liegt, oder ob das Abfall und Verlust der Substanz ist. Ebenfalls zugegeben, daß die Frage letztlich die nach dem Lehramt und nach der Autorität ist. Aber — ist das nicht gerade das (von allen anderen Autoritäten unterschiedene) Charakteristikum der Autorität der Kirche, daß sie nicht erst Autorität haben und aus dieser Autorität heraus handeln soll, sondern daß sie allein durch dieses „willkürliche“ Sagen des Gebotes, sofern es als Gottes Gebot gehört wird, Autorität hat und mit jedem ihrer Worte ihre ganze Autorität aufs Spiel setzt. Die Autorität des Staates ruht nicht in den kon-
kreten Entscheidungen, die Autorität der Kirche aber ruht allein in diesen. Aber aus Furcht, die Autorität zu verspielen, aus Furcht vor dem Chaos darf doch die Entscheidung
nicht zurückgehalten werden (vgl. Luther gegen Erasmus über die demoralisierenden Folgen der Prädestinationslehre!) — ganz abgesehen davon, daß :dort, wo die Autorität der Kirche durch eine furchtbare, katastrophale Fehlentscheidung (worüber übrigens erst der letzte Tag richten wird) wirklich
verspielt ist — aber wirklich im Glauben an die Sündenvergebung verspielt ist —, eine ganz andere Autorität, nämlich die der Barmherzigkeit Gottes, sichtbar werden kann. Drittens aber weiß ich mich darin mit Ihnen einig, daß ich die Kirche nicht auf die Ebene des Prophetentums stelle (ich habe soeben einen deutlichen Artikel hierüber gegen Heim’s Buch veröffentlicht in „Christentum und Wissenschaft‘!; Heim 1. 8. Jhg. 12. Heft S. 441—454; der abgedruckt.
wird in einem der nächsten Bände wie-
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
sagt hier gänzlich absurde Dinge, die geradezu unmöglich sind). Kirche ist mehr als Prophetentum (nicht weniger!), denn sie ist der Christus praesens, freilich im Fleisch, in der
Gestalt einer menschlichen Organisation; aber doch Christus praesens. Und dieser Christus gebietet, auch in seiner Verhüllung in der Kirche, und sofern er Christus ist, gebietet er ganz konkret. Sie sagen, das Gesetz ist da, die Kirche könne keine novos decalogos schaffen — ich bin ganz Ihrer An-
sicht, aber was heißt Verkündigung des Gesetzes in der Kirche? Was heißt: „Liebe deinen Nächsten“ in der Kirche (nicht in der Synagogel)? Ist es ein Schaffen neuer decaloga, das Gesetz konkret zu sagen? Tun Sie es nicht in Ihrer Weise
jeden Sonntag auch? Gesetz in der Kirche heißt konkretes Gebot, heißt begründete Gemeinschaft mit Gott durch das konkrete Wort an mich und gerade nicht Fernsein Gottes von mir durch das Prinzip (das ist es in der Synagoge!). Und nun hätte ich in dem Aufsatz gewiß folgendes aus-
sprechen sollen: ebenso wie der einzelne das konkrete Gebot hören soll (wie der Pfarrer es ihm in der Seelsorge sagen soll, wagen muß zu sagen), so ist auch eine Gemeinde, ein
Volk, Subjekt des Hörens des Gebotes. Das Volk fragte 1914 die Kirche: was sagst du über den Krieg? und das Volk vernimmt das Gebot. Wir dürfen hier gerade nicht individualistisch denken. Noch zwei Fragen: Meinen Sie wirklich, daß es kein Anliegen der Kirche sei, über die Mittel des Kampfes zu reden?
Ist nicht gerade die „bessere“ (daher komparativ!) Gerechtigkeit ganz wesentlich!
die Verhüllung
des „Guten?
Und zur Frage der Begründbarkeit der Gebote: das
—
Gebot
ist unbegründbar; begründbar, besser aufweisbar ist nur sein Inhalt, der selbst nie zum Hören des Gebotes führen kann, 1. Bonhoeffers Text lautete hier zunächst: „sehr wesentlich für die...“; dann änderte er ab in „ganz wesentlich die... .“
Briefwechsel
mıt
Helmut
Rößler
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und anders will ich auch das Gebot des Friedens nicht begründen. So, nun habe ich Ihnen meine Dankbarkeit für Ihren Brief in Gestalt von vielen Rückfragen auszudrücken versucht. Ich wäre froh, sehr froh sogar, Sie würden Zeit zur Antwort finden. Denn wenn irgendwo, so brennt es hier. Und nur von hier, scheint mir, kommt man an Barth heran. Ich habe in diesem Jahr selbst mehrfach mit ihm diese Dinge besprochen. Das war sehr fruchtbar. — Doch noch eins: Sie werden doch hoffentlich meinen vor langer Zeit gefallenen Ausdruck des „Desinteressement“! nicht falsch verstehen (ich kann mich dessen übrigens gar nicht mehr erinnern); er erscheint mir heute eigentlich frivol. Bezeichnen sollte er wohl nur die Begrenzung, in der ich diese Probleme sehe durch die Tatsache der Kirche. Verzeihen Sie die Schrift, ich kämpfe mit zwei Füllhaltern, die beide nach links geschrieben sind! Nun wünsche ich Ihnen für diese arbeitsreichen Wochen viel Freude und Kraft. Bitte grüßen Sie Ihre Fran herzlich.
Ihnen allen ein gutes neues Jahr wünscht in alter Freundschaft Ihr getrener Dietrich Bonhoeffer
1. an
der Politik.
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Ansprache! Herbst 1930 in New York
„God is love; and he that dwelleth in love dwelleth
in God, and God in him“ (1. John 4:16b). It is indeed a strange feeling for me just coming over here from Germany to stand now in an American pulpit and
before an American Christian congregation. In this hour the world-wide extent of our faith and hope occurs anew to my mind. I am overwhelmed in considering the idea of
God, the Father, who dwells beyond the stars and looks down upon his children in the whole world — in America and Germany, in India and in Africa. There is not any
difference before God, as Paul says: “there is neither Jew nor Greek, there is neither bond nor free, there is neither
male nor female, for ye are all one in Christ Jesus.“ God has erected a strange, marvellous and wonderful sign in the world, where we all could find Him — I mean the Cross of
Jesus Christ, the cross of the suffering love of God. Under the cross of Christ we know that we all belong to one another, that we all are brethren and sisters in the same need and in the same hopes, that we are bound together by
the same destiny, namely, being human beings with all our suffering and all our joys, with sorrows and with desires, with disappointments and fulfilments — and most important, human beings with our sin and guilt, with our faith and hope. Before the cross of Christ and His inconceivable suffering all our external differences disappear, we are no more rich or poor, wise or simple, good or bad; we are no 1. Übersetzung siehe Seite 417.
22. Gal93,723
Ansprache
in New
York
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more Americans or Germans, we are one large congregation of brethren; we recognize that nobody is good before God, as Paul says: ”for all have sinned and come short of the glory of God, being justified freely by his grace.“ Rö.3, 23.
Let us look at the love of Christ, who without guilt bore the cross —
why? Because he had loved his people more
than himself. And then let us consider our own feebleness and our own want of courage, our anxiety when sorrow and grief threaten, our selfish desire to live a comfortable
and careless life. In profound and serious abashment we Christian people must confess that we are not worthy of
such great love of God. If you ask me: What is Christendom? — I answer: Christendom is the great congregation of people who humble themselves before God and who put all their hope and faith in the love and the help of God. Christendom ist the community in which men stand for each other, as a brother stands for his brother. Christendom is one great people composed of persons of every country in concord in their faith and their love because there is One God, One Lord, One Spirit, One Hope. That is the marvellous mystery of the people of God. Above all differences of race, nationality and custom there is an invisible community of the children of God. There each one prays for the others, be he American or German or African; here each one loves the
others without reservation. Let us in this hour gratefully consider that we all belong to this church, that God has called us to be his children and made us brethren, that there cannot be
any hate and enmity, but only the best will to understand each other. Otherwise we would not be worthy to bear the name of Christ, we would offend the glory of God, who is a
God of love and not of hate. Now I stand before you not only as a Christian, but also as a German, who rejoices with his people and who suffers when he sees his people suffering, who confesses gratefully
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
that he received from his people all that he has and is. So I bring you this morning a double message: the message of Germany and the message of Christianity in Germany. I hope you will hear this message with a Christian heart, with the readiness of a Christian soul to understand and to love, wherever and whomever it might be.
The 11th of November, 1918, brought to Germany the end of a frightful and unparalleled time, a time which we pray, if God wills, will never return. For four years German men
and lads stood for their home with an unheard of tenacity and intrepidity, with the imperturbable consciousness of their duty, with an inexorable self-discipline and with a glowing love for their fatherland, and with a belief in its future. For weeks and months these people suffered privations of every kind; they persevered in hunger and thirst, in pain and affliction, in craving after the home, after
mothers and wives and brothers and children. In the country the stream of tears of old and young people did not cease. Every day the message came to more than 1000 families that the husband, the father, the brother had died
in a foreign country.
Hardly any family was
spared!.
Death stood at the door of almost every house and called for entrance. Once the message came about the death of many thousand seventeen and eighteen year old boys killed
in a few hours. Germany was made a house of mourning. The breakdown could not be delayed longer. Famine and enervation were too powerful and destructive. 1. In einer zweiten Fassung der Ansprache — offenbar bestimmt für amerikanische Studenten —, die vor allem den predigtmäßigen Anfang wegläßt, finden sich folgende Zusätze: „...I tell you from my personal experience, two brothers of mine stood at the front. The older one, 18 years old, was wounded, the younger one, 17 years old, was killed. 3 first cousins of mine were also killed, boys of 18 to 20 years
old. Although I was then a small boy I never can forget those most
gloomy days of the war.“
Ansprache
in New
York
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I think you will release me from talking about our feeling in Germany in those days. The recollection of this time is gloomy and sad. Very seldom will you hear today in Germany anybody talking about these days. We will not reopen an old and painful wound. But however we felt, the
war and its dreadful killing and dying was finished. Our minds were still too confused and bewildered; we could not
yet conceive and quietly consider the meaning of all the events of the last years and months. But gradually we saw tnore and more clearly; and Christian people in Germany, who took the course and the end of the war serious-ly, could not help seeing here a judgment of God upon this fallen world and especially upon our people. Before the war we lived too far from God; we believed too much in our own power, in our almightiness und righteousness. We attempted to be a strong and good people, but we were too proud of our endeavours, we felt too much satisfaction with our scientific, economic and social progress, and we identified this progress with the coming of the
Kingdom of God. We felt too happy and complacent in this world; our souls were too much at home in this world. Then the great disillusionment came. We saw the impotence and
the weakness of humanity, we were suddenly awakened from our dream, we recognized our guiltiness before God
and we humbled ourselves under the mighty hand of God. When I was just speaking here of “guiltiness”, I added on purpose: “guiltiness before God.” Let me tell you frankly that no German and no stranger who knows well the
history of the origin of the war believes that Germany bears the sole guilt of the war
—
a sentence
which we
were
compelled to sign in the Treaty of Versailles!. I personally 1. Auf einem angehängten Zettel hat sich Bonhoeffer den Wortlaut des Art. 231 des Versailler Vertrages aufgezeichnet: „The Allied and Associated Governments affirm and Germany accepts the responsibility
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
do not believe, on the other hand, that Germany was the
only guiltless country, but as a Christian I see the main guilt of Germany in quite a different light. I see it in Germany’s complacence, in her belief in her almightiness, in the lack of humility and faith in God and fear of God. It seems to me that this is the meaning of the war for Germany: we
had to recognize the limits of man and that means we discovered anew God in his glory and almightiness, in his wrath and his grace.
The same 11th of November, 1918, which brought to us the end of the war, was the beginning of a new epoch of suffering and grief. The first years after the war showed to us the corruption in our public life. The general poverty caused by the hunger blockade had dreadful consequences.
Germany was starved out. In the street you could see the undernourished people, the pale and sick children. The number of suicides increased in a terrifying way!. of Germany and her allies for causing all the loss and the damage to which the Allied and Associated Governments and their nations have been subjected as a consequence of the war imposed upon them by the aggression of Germany and her allies.“ Dazu Zitate der Greuelpropaganda gegen Deutschland im Krieg und amerikanischer und französischer Stimmen gegen Alleinschuld Deutschlands. 1. In der zweiten Fassung hier: „... The consequences of the blockade were frigthful. I myself was in these years a schoolboy and I can assure you that not only I had in those days to learn what hunger means. I should wish that you would have to eat this food for only one day that we had for 3 or 4 years and I think you would get a glimpse of the privations which Germany had to endure. Put yourself in the situation of the German mothers whose husbands were standing or were killed in the war and who had to provide for growing hungry children. Countless tears were shed in these last years of the war and the first years of peace by the desperated mothers and hungry children. As a matter of fact instead of good meal there were many percent saw-dust in our bread and the fixed portion for every day was 5 0r 6 slices of that kind of bread. You could not get any butter at all. Instead of sugar we had sacharin tablets. The substitute for meat, fish, vegetables, even for coffee, jam and toast — were turnips for breakfest, lunch and supper. Germany really was starved out. Thousands and thousands of old and
Ansprache in New York
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Everyone who is familiar with the conditions in Germany today, 12 years after the war, knows that in spite of some changes in their external aspect, social conditions are almost as unhappy as 10 or 12 years ago. The debts of the war press us not only with regard to our financial standard, but
likewise in regard to our whole behaviour, we see the hopelessness of our work. It is impossible for us to provide social and economic conditions for our children of the future in which we can trust for security. The Germans are a suffering people today, but they will not despair. They will work for building up a new and better home, they will work for peace in their country, they will work for peace in the world. When I came over here, I was astonished on being asked again and again, what German people think
about a future war. I tell you the truth: German people do not speak at all about that; they don’t even think of it. You almost never hear in Germany
talk about war and
young people, of little diildren died simply because there was not enough to eat. Fatal epidemics ran through the country. The ‚Grippe‘ of 1918 demanded more than hundredthousand victims. People were physically 100 enervated and could not resist. When the wintertime came we had not enough coal for heating our rooms. We had no cloth for our clothes, it is not ezaggerated that many people had to buy in these days suits made more of paper than of real cloth. In the street you could see the undernourished and poorly dressed people, the pale and sick children. The number of suicides increased in a terrifying way. I remember very well I had on the way to my school to pass by a bridge and in the winters from 1917—1919 almost every morning when I came to this bridge I saw a group of people standing on the river and everybody, who passed by, knew what had happened. These impressions were hard for young boys. I will stop picturing these frightful months and years. But before I go on, I will not forget to tell you that the Quaker congregations of the States were the first who after the war in an admirable work supported the German children. Many thousand children were saved from starvation. Germany remembers in deep thankfulness this work of love of the Quaker society... ...there was one wound which was much more painful than all these privations and needs, that was the art. 231 of the treaty of Versailles.
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Amerika-Stipendiat.
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much less about a future war. We know what a war means for a people.
I have been accustomed once in every year since my boyhood to wander on foot through our country, and so I happen to know many classes of German people very well. Many evenings I have sat with the families of peasants
around the big stove talking about past and future, about the next generation and their chances. But always when the
talk happened to touch the war, I observed how deep the wound was which the past war had caused to everyone. The German
people need and want above all peace!. As
a Christian minister I think that just here is one of the greatest tasks for our church: to strengthen the work of peace in every country and in the whole world. It must
never more happen that a Christian people fights against I will tell you frankly, that this is the wound which still is open and bleeds in Germany. I will try to explain to you briefly what our attitude towards this question was and is. When the war broke out the German people did not consider very much the question of guilt. We thought it to be our duty to stand for our country and we believed of course in our essential guiltlessness. You cannot expect in such a moment of exitement an objective and detadıed valuation of the present conditions. The war has its own psychology. The German soldiers stood in the war in the confident faith in the righteousness of their country. But already during the war you could hear in Germany some sceptical voices: who can tell who is wrong and who is right? We all fight for our country and believe in it, Germans no less than French. Now 12 years after the war the whole question has been thoroughly searched historically. I personally see many faults in our policy before the war, I am not going to defend my country in every point. But a study of the diplomatic documents of Belgium of the years before the war for instance shows irrefutably that other countries had committed the same or greater faults than Germany. I mean especially Russia and France. In 1914 everybody in Europe expected more a war caused by Russia and France than by Germany. It can be proved historically that the art. 231 of the treaty of Versailles is an injustice against our country and we have a right to protest. That fact is recognised by the largest parts of educated people in Europe and in America.“ 1. In der zweiten Fassung hier: „... They want to work peacefully in their fields, they fear any disturbance, But it is not different among
Ansprache
in New
York
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a Christian people, brother against brother, since both have one Father. Our churches have already begun this international work. But more important than that is, it seems to me, thatevery Christian man and woman, boy andgirl take
serious-ly the great idea of the unity of Christianity, above all personal and national desires, of the one Christian people in the whole world, of the brotherhood of mankind, of the charity, about which Paul says: ”Charity suffers long and is kind; charity envieth not; charity vaunteth not itself, is not puffed up; beareth all things, believeth all things, hopeth all
things, endureth all things. Charity never faileth.“ (1. Kor. 13, 4—8). Let us consider that the judgment comes for every man and woman, boy and girl, in America and Germany, in Russia and in India; and God will judge us according
to our faith and love. How can the man who hates his brother expect grace from God? That is my message as a German and as a Christian to you: let us love one another,
other classes in Germany. In the working-class for instance started the German peace-movement and the interest for an international trade makes those people naturally pacifistic. It was in Germany that the thought arose that the worker in France and in Germany are closer to one another than the various classes within each country separately belong to one another. You will find large worker organisations with a particularly pacifistic programme; especially also the christian organisations of workers work in this very direction. The bourgeois in Germany had to bear the hardest burden after the war, but nevertheless I can assure you that by far the most of them would abominate a warthan anything else. You might be interested in hearing something about more the attitude of the youth towards war and peace. The youth-movement which started immediately after the war was in its tendencies entirely pacifistic. In a deep religious feeling we recognised every people as brothers, as children of God. We wanted to forget all hard and bitter feeling after the war. We had anew discovered a genuine and true love
for our homecountry and that helped us to get a great and deep love for other people, for whole mankind. You see there are many various motives working for peace, but whatever motive it might be there is one great aim and one great work; the peace movement in Germany
is an enormous
power.“
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let us build in faith and love one holy Christianity, one brotherhood,
with God the Father, and Christ the Lord,
and the Holy Spirit as the sanctifying power. Nobody is too little or too poot for this work; we need every will and force. I address now especially you, boys and girls of the United States, future bearers and leaders of the culture of your
country. You have brothers and sisters in our people and in every people; do not forget that. Come what may, let
us never more forget that one Christian people is the people of God, that if we are in accord, no nationalism, no hate of
races or classes can execute its designs, and then the world will have its peace for ever and ever!. Let us remember the prayer of Christ spoken shortly before his end: “I pray for them which shall believe on me: that they all may be one; as thou, Father, art in me, and I in thee, that they
also may be one in us.” (Joh. 17, 20 f.) And the peace of God, which passeth all understanding, shall keep your hearts and minds through Christ Jesus. Amen.? 1. Schluß der zweiten Fassung: „... This is my message for you: hear the voice of your German brothers and sisters, take their stretched out hand. We know it is not enough only to talk and to feel the necessity of peace, we must work seriously. There is so much meanness, selfishness, slander, hatred, prejudice among the nations. But we must overcome it. Today as never before nations of Europe — except Germany — are preparing for war. This makes our work very urgent. We must no longer waste time. Let us work together for an everlasting peace.“ 2. Im Entwurf findet sich noch folgender Anhang: „At this time there comes to my mind an evening, which I spent not a long time ago with a group of young people from our German youthmovement. It was a glorious summer night. We were outdoors far away from the noise and bustle of the city on the top of a mountain, above us the sky with its millions of stars, the quietness of the evening, below us the lights of the villages, the misty fields and the black woods, no one of us spoke a word. We heard nothing but the peacefull rustling of the brooks and the trees. On that evening a great and deep love came anew in our hearts, a love for our home and for the starry sky.
Briefe
an
Superintendent
Havana-Vedado,
Diestel
den 19. Dezember
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1930
Hochverehrter Herr Superintendent! [Diestel]!
Nun kommt dieser Brief, der eigentlich ein Weihnachtsgruß werden sollte, doch nicht mehr zur Zeit, höchstens noch, wenn’s gut geht, reicht es zum Neuen Jahr, zu dem ich Ihnen und den Ihren mein herzlichstes Gedenken mit den besten Wünschen sagen möchte. Ich habe in den vergangenen Wochen öfter an die Winterabende, an denen ich bei
Ihnen als Nikolaus einkehrte, gerne zurückgedacht. Nun ist wohl keins mehr unter den Kindern, bis auf das Kleinste,
das so mit voller Überzeugung dem Niklas die Weihnachtsgedichte aufsagt, wie in den vorigen Jahren die kleine Renate. — Ich werde Weihnachten hier mit einem Gottesdienst in der
deutschen Kolonie feiern. Es ist nach den eisig kalten letzten Wochen
in New
York hier phantastisch warm,
heute
The boys had carried branches of trees and lit a big fire on the top of the mountain and while we were staring into the blazing fire in silence, a boy began .to speak about his !ove for his country and for the starry sky, which at that very time was shining upon people of all nations, upon all mankind, and he said: how wonderful it would be if people of all nations lived in peace and quiet as the stars in the heaven above, if only nations could live together like brothers as they do in their own country. When he finished all the boys and girls raised their hands as a sign that they were willing to work for this peace everyone in his place, for the peace in the country and the world. Than we sat down and while the fire was burning out we sang our most beautiful folks songs about the love of our country and the peace of all mankind. With the deep understanding of our great task before us we went home. More than a year has passed since that time and I wish to bring this message from my German students to the students of this great country.“
1. Später Generalsuperintendent in Berlin-Lichterfelde. Bonhoeffer war ihm als Vikar und Hilfsprediger zugeteilt.
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Amerika-Stipendiat.
280 Celsius
im Schatten,
1930—1931
die Gärten
voller Blumen,
die
Bäume grün wie im Sommer. Die deutsche Schule, in der ich für die letzten Schultage den Religionsunterricht übernommen habe, macht einen ausgezeichneten Eindruck und die Kinder machen mir viel Freude. —
Nun aber über New York. Schon im Oktober hatte ich einen Bericht an Sie darüber angefangen, aber in der Fülle der Ereignisse blieb er liegen und es ist vielleicht auch besser, denn ich übersehe die Verhältnisse doch jetzt etwas weiter als damals. Zunächst, das Leben im Seminar ist sehr anregend und lehrreich, soweit der persönliche Verkehr in Betracht kommt, der auch mit den Professoren sehr freundschaftlich ist. Auch der Professor muß eben ein good fellow sein. Man muß sich fast hüten, daß das viele gegenseitige Sich-Besuchen und Schwatzen nicht zuviel von der Zeit nimmt. Denn — sachlich kommt so gut wie nie etwas aus diesen Gesprächen heraus. Und damit komme ich auf den
tristen Punkt der Sache. Eine Theologie gibt es hier nicht. Ich habe im wesentlichen dogmatische und religionsphilosophische Seminare und Kollegs, aber der Eindruck bleibt vernichtend. Es wird das Blaue vom Himmel heruntergeschwatzt ohne die geringste sachliche Begründung und ohne daß
irgendwelche Kriterien sichtbar werden. Die Studenten — durchschnittlich 25—30 Jahre alt — sind restlos ahnungslos, worum es eigentlich in der Dogmatik geht. Sie kennen nicht die einfachsten Fragestellungen. Man berauscht sich an liberalen und humanistischen Redensarten, belächelt die Fundamentalisten und ist ihnen im Grund nicht einmal gewachsen. Man interessiert sich für Barth und macht ab und zu auch ein wenig „in Pessimismus“. Das ist dann ganz schlimm. Im Gegensatz zu unserem Liberalismus, der doch ganz zweifellos eine durchaus kräftige Erscheinung in seinen guten Vertretern war, ist hier drüben das alles so schauerlich
sentimentalisiert und dabei mit einer geradezu naiven Recht-
Briefe
an
Superintendent
Diestel
DE
haberei. Es geht mir oft innerlich durch und durch, wenn man hier im Kolleg Christus erledigt und unverfroren lacht, wenn ein Zitat von Luther über Sündenbewußtsein gegeben wird. Die James’sche Weisheit vom endlichen Gott steckt tief in den meisten Theologen und Pastorenköpfen drin. Sie finden das tiefsinnig und modern und spüren gar nicht den
frechen Leichtsinn in all diesem Gerede. Trotz allem empfinde ich es dankbar, noch einmal ganz in diese Grundfragen hineingeführt worden zu sein. Tatsächlich weiß man hier wieder, was wichtige Fragen sind und was man unserer
Theologie zu verdanken hat. Nicht wesentlich verschieden sind die Zustände in der Kirche. Die Predigt ist herabgewürdigt zu kirchlichen Randbemerkungen zu Zeitereignissen. Ich habe, solange ich hier bin, eine Predigt gehört, in der
man so etwas wie eine Verkündigung hören konnte, und die war von einem Neger gehalten (wie ich überhaupt in den Negern mehr und mehr eine große religiöse Kraft und Ur-
sprünglichkeit entdecke). Eine große Frage ist es, die mich angesichts dieser Tatsachen immer beschäftigt, ob man hier eigentlich noch von Christlichkeit reden kann und wo dann das Kriterium liegt. Es hat doch keinen Sinn, dort, wo das Wort wirklich nicht mehr gepredigt wird, noch Früchte zu
erwarten. Wo aber wäre dann überhaupt noch Christlichkeit? Es kann doch nicht letzten Endes auf die Theologie ankommen? Es ist nur gut, daß auch hier wieder Weihnachten
kommt. Den 26. Dezember Nun blieb auch dieser Brief liegen, ich schicke ihn aber dennoch weiter, zumal ich heute durch Ihren so gütigen Gruß ordentlich beschämt worden bin. Verzeihen Sie, hochwerehrter Herr Superintendent, meine Nachlässigkeit. Es war
in den letzten Tagen hier soviel Neues zu sehen und zu tun,
78
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
daß ich einfach keine ruhige Stunde fand. Inzwischen liegt unser Weihnachtsgottesdienst hinter uns und am 31. wollen wir noch Silvester feiern. Ich habe wieder soviel Freude an
der Predigt. Die Leute hier haben und hören wenig, so ist es eine besondere Aufgabe. — Ich wollte Ihnen damals noch vom Federal Council erzählen. Ich lernte dort all die führenden Leute von hier persönlich kennen. Man hat von allem geredet, nur nicht von Theologie. Nur selten mal tauchte eine Stimme auf, die
etwas zur eigentlichen Sache sagen wollte, über die ging man dann aber schnell zur Tagesordnung über. Als ob die Grundfragen alle schon selbstverständlich beantwortet wären,
so redet man. Und davon kann doch gar keine Rede sein. — Ich arbeite regelmäßig in einem Negro boys club, das macht mir viel Freude. Neulich bekam in einer anderen Sonntagsschule vor meinen Augen ein Mädchen zur Belohnung für guten Besuch ein Schmink- und Puderkästchen! Und dabei
soll man glauben, man sitzt in einer christlichen Kirche. — Aber genug davon. Ich bin sehr froh, hier zu sein und das alles zu sehen, man wird die Entwicklung in Deutschland
mit klarerem Blick verfolgen können. Es zieht mich immer mehr ins Pfarramt. — Die Zeit geht schnell herum, in 4 Monaten ist es schon vor-
über. Über meinen Rückweg bin ich noch nicht im klaren. — Haben Sie, Herr Superintendent, durch D. Dibelius oder D. Händler noch irgendetwas über die Studentenpfarrstelle
an der T.H. in Charlottenburg gehört, von der D. Dibelius mit mir seinerzeit sprach? —
(Übrigens ist das Stipendium (1200 Dollar) sehr reichlich, man kann leicht 250 Dollar zurücklegen, abgesehen von Reisen. Dies für den Nachfolger.) — Nun aber endgültig genug. Ich habe Ihnen lang genug Zeit genommen.
Ich bitte sehr, mich Ihrer hochverehrten Frau
Gemahlin empfehlen zu wollen. Mit den verehrungsvollsten
An die Großmutter
79
Grüßen bin ich in aufrichtiger Dankbarkeit stets, Ihr, hochverehrter Herr Superintendent, ergebenster Dietrich Bonhoeffer
An die Großmutter! New York, den 12. April 1931
...In den letzten Wochen hatte ich mit meiner Arbeit? noch ziemlich zu tun, die hoffentlich inzwischen bei Euch angekommen ist. In den drei Wochen, die mir nun hier noch bleiben, muß ich natürlich die Zeit auch sehr ausnützen. Ich will noch viel lesen, wovon ich sicher bin, daß ich zu Haus nie mehr dazu komme; ich bin bei weitem nicht mit allem
fertig geworden, was ich mir vorgenommen haite ... Ich bin über Ostern in New York geblieben. Karfreitag ist hier überhaupt kein Feiertag, es wird allgemein gearbeitet. Dafür ist Ostern der Tag, an dem jeder zur Kirche geht, der es überhaupt einmal tut. Man ist sich hier weitgehend darüber einig, daß Ostern mehr als der Beginn der Frühjahrssaison begangen wird. Man zeigt in der Kirche seine neuen
Frühlingskleider. Lang vorher schon muß man Einlaßkarten für die größeren Kirchen besorgen. Da ich das nicht gewußt hatte, blieb mir nichts übrig, als zu einem hier sehr berühmten Rabbi, der jeden Sonntag vormittag in der größten Konzerthalle vor gefülltem Saale predigt, zu gehen, der eine ungeheuer wirkungsvolle Predigt über die Korruptionszustände in New York hielt und die Juden, die ein Drittel der Stadt ausmachen, aufforderte, aus dieser Stadt die City
of God zu bauen, zu der dann der Messias wahrhaftig kommen
könne.
Am
Nachmittag
fuhr ich dann
mit
einem
1. Julie Bonhoeffer geb. Tafel, geb. 21. August 1842, Frau des Oberlandesgerichtspräsidenten Friedrich von Bonhoeffer. 2. Akt und Sein.
80
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
hiesigen Freund zusammen heraus an den Ozean, wo Schiffe aus Europa vorüberfahren. Am Ostermontag war ich mit einer
Gruppe
Negerjungens
auf einem
Ausflug.
Manche
von ihnen sind schon in hohen Klassen im Gymnasium teils mit erstaunlich jungen Jahren —
so einer mit 15, ein an-
derer, der mit 16 Jahren sein „Abitur“ (eigentlich gibt es das hier nicht) macht —, andere wieder, die geistig sehr schwerfallig sind und es kaum in der Grundschule ein paar Klas-
sen weit gebracht haben. Das Merkwürdige ist nun, daß sich alle absolut zusammengehörig vorkommen, soweit sie gleichaltrig sind. Das hat natürlich ungeheuer viel Gutes, andererseits aber zeigt es doch die Situation sehr deutlich, daß
nämlich der intelligente junge Neger seinen Umgang schlechterdings nicht unter intelligenten jungen Weißen finden kann, sondern einfach auf seine gleichaltrigen Rassegenossen ange-
wiesen ist. Das muß natürlich den Aufstieg sehr verlangsamen; aber wahrscheinlich intensiviert es auch die Kraft. Ich habe gerade wieder einen ganz hervorragenden Roman eines ganz jungen Negers fertig gelesen. Im Unterschied von der sonst entweder zynischen oder aber sentimentalen amerikanischen Literatur finde ich hier eine sehr produktive Kraft und Wärme, die in einem immer den Wunsch wach werden läßt, den Mann selbst kennen zu lernen. — Freitag und Sonnabend war hier eine Konferenz der führen-
den systematischen Theologen Amerikas, zu der mich der hiesige Professor Baillie!, der präsidierte, eingeladen hatte. Die Diskussionen waren aber dermaßen unbefriedigend, wirklich fast wie Diskussionen von Studenten in den ersten Semestern, daß ich noch ganz niedergeschlagen bin. Es
herrscht so eine maßlose Verwirrung und Unklarheit. — Das sind so die letzten Ereignisse hier. — Am 2. Mai werde 1. Später in Edinburg; seit Evanston einer der Präsidenten des Weltrates der Kirchen.
An
Superintendent
Diestel
81
ich nun vermutlich abfahren . . . Meine genaue Reiseroute ist noch nicht festgelegt. Jedenfalls aber ist Mexiko Ziel. Seit gestern ist’s hier herrlicher Frühling. Die Krokusse sind heraus und man sehnt sich aus der Stadt heraus ...
New York, den 25. April 1931
Hochverehrter Herr Superintendent! [Diestel] Nun geht das Semester dem Ende entgegen und ich kann nicht leugnen, daß ich mich nach dem langen Winter in New York, der so ungeheuer ausgefüllt war mit neuen Eindrücken,
fast danach sehne, nun wieder herauszukom-
men. Wenn man New York wirklich ganz auskosten will, so kann einen das fast zugrunde richten. So häufig man auch sagen hört, New York ist nicht Amerika, so ist das doch wohl nur insofern wahr, als New York so ungefähr das Zentrum sämtlicher Probleme Amerikas und noch sehr vieler anderer ist. Da es der Sitz fast aller Zentralstellen der gro-
Ben Organisationen ist, für die ich mich interessierte, aller sogenannter character building agencies, so bekommt man
hier doch so ungefähr alles Material, was man überhaupt haben kann. Ich bin in den letzten Monaten mit einem hiesigen Professor, der ungeheuer viel Leute kennt, bei einem großen Teil dieser agencies herumgegangen und habe dabei sehr viel gelernt. Mit dem Federal Council habe ich meine Beziehungen auch noch aufrechterhalten und viele interessante Dinge gehört. Das vor ein paar Wochen herausgegebene Heft über die Stellung der protestantischen Kirche zur Geburtenkontrolle hat sehr vielStaub aufgewirbelt. — Das Studium hier im Seminar war bis auf regelmäßige Konferenzen über amerikanische Philosophie, die ich mit einem sehr tüchtigen Professor verbracht habe, nicht sehr ergiebig.
82
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Ein wirkliches Eingehen auf die gegenwärtige Lage findet man eigentlich nur bei den social gospel-Leuten, und die sind dabei so vollständig untheologisch. Das Interesse für Karl
Barth ist hier sehr lebhaft, obwohl man völlig verständnislos bleibt; wiedermal eine Sekte mehr! Das ist so die Auffassung! — Ich freue mich nach all dem wirklich wieder auf Deutschland. Bevor ich im Juli heimkomme, will ich noch nach Mexiko und ein paar Tage nach England. Nun hatte ich noch eine Frage: ich würde im August und, wenn möglich, noch September und Oktober gern Einiges über Amerika für mich zusammenfassen und ergänzen, wozu ich hier nicht kam, und würde gern eine Arbeit, die mir sehr am Herzen liegt, schreiben (nicht im Zusammenhang mit Amerika), und würde schließlich gerne Zeit haben, mein Kolleg für den Winter vorzubereiten, weil doch dann vermutlich mit der
doppelten Tätigkeit sehr viel zusammenkommt. Nun läuft mein Urlaub aber am 1. August ab. Wäre es möglich, mit dieser Begründung eine ein- bis dreimonatige Verlängerung des Urlaubs zu erbitten? Ich selbst fürchte, daß, wenn ich
gleich am 1. August in die volle kirchliche Arbeit gehe, all die anderen Pläne liegen bleiben und das Jahr hier drüben somit nicht ganz ausgewertet wäre. Ich habe über diese Pläne auch nach Haus geschrieben und gebeten, mein Vater möchte doch einmal bei Ihnen, hochverehrter Herr Superintendent, anläuten und Ihre Ansicht erfragen. Könnte eventuell mein Vater, da ich inzwischen auf meiner Reise nach Mexiko sein werde, ans Konsistoriunm schreiben oder mit einem der Herren telephonieren? Oder hat das Zeit bis Anfang Juli, wenn ich selbst wieder in Berlin bin? Herr Generalsuperintendent Dibelius schrieb mir, ich möchte mich, wenn ich zurückkäme, bei Herrn Generalsuperintendent Karow vorstellen. Ich würde gern, bevor ich das tue, mit Ihnen, hochverehrter Herr Superintendent, noch einmal die ganze
An
Superintendent
Diestel
83
Sache durchsprechen dürfen. Werden Sie im Juli in Berlin sein?
Darf ich um Empfehlungen an Ihre hochverehrte Frau Gemahlin bitten. Mit verehrungsvollen Grüßen bin ich Ihr, hochverehrter Herr Superintendent, dankbar ergebenster Dietrich Bonhoeffer
84
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Bericht über den Studienaufenthalt im Union
Theological Seminary zu New York 1930/31" Als Stipendiat am Union Theological Seminary in New York in die kirchlichen und theologischen Verhältnisse der Vereinigten Staaten eingeführt zu werden, hat alle Vorteile und Nachteile,
die dem
Ausländer
daraus
erwachsen,
daß er
ein fremdes Land von dem Orte der schärfsten Kritik aus sehen lernt. Die Kritik, als deren Hort das Union Theolo-
gical Seminary berüchtigt wie verehrt ist, erstreckt sich ebensosehr auf politische, soziale, ökonomische Zustände als auf den theologischen und kirchlichen Konservativismus. Sie ist teils radikal und leidenschaftlich offen, teils ein langsamer aber stetiger Zersetzungsprozeß, den das Durchsickern
pragmatischer Philosophie auf die christliche Theologie herbeiführt. Das Seminar ist ein Ort der freien Aussprache jedes mit jedem, die durch die dem Amerikaner eignende Civilcourage und durch das Fehlen jeder hemmenden Amt-
lichkeit im persönlichen Umgang ermöglicht wird. Auf solcher Basis läßt sich ein Jahr fruchtbaren Studierens aufbauen. Es ist mir persönlich vergönnt gewesen, hierbei ganz meinen eignen Interessen nachgehen zu können, d.h. nicht durch Abfassung einer Arbeit zur Erlangung eines
akademischen Grades zeitlich gebunden zu sein. Aus der Überfülle der Eindrücke, die ein jeder Tag neu brachte, kann
ich hier nur einige wenige mir wesentlich scheinende herausgreifen.
1. Für das Kirchenbundesamt
in Berlin verfaßt.
Studienaufenthalt
in New
York
85
Die Studenten
Der Erziehungs- und Ausbildungsgang des amerikanischen Studenten ist in mehrfacher Hinsicht von dem unsern wesentlich unterschieden. Der Amerikaner wird von jung auf
— oft schon vom Eintritt in die Highschool an (mit 13 bis 14 Jahren), fast allgemein aber im College —
an Gemein-
schaftsleben gewöhnt. Das Leben im dormitory zu kennen, ist wichtig für das Verständnis des amerikanischen Studenten. Das tägliche Zusammenleben erzeugt einen starken Geist der Kameradschaft, der gegenseitigen Hilfsbereitschaft. Das tausendfache ‘halloh’, das im Laufe des Tages durch die Gänge des dormitory klingt, und das man selbst beim eiligen Aneinandervorbeilaufen nicht unterläßt, ist nicht so
nichtssagend wie man glauben möchte. Keiner steht im dormitory allein. Die Rückhaltlosigkeit des Zusammenlebens läßt den einen zum
andern offen werden; beim Konflikt
zwischen der Entschlossenheit zur Wahrheit in allen ihren Konsequenzen und dem Willen zur Gemeinschaft siegt der
letzte. Das ist charakteristisch für das gesamte amerikanische Denken, wie ich es besonders in Theologie und Kirche be-
obachtet habe; man sieht nicht den radikalen Anspruch der Wahrheit auf die Lebensgestaltung. Gemeinschaft ist darum auch weniger begründet auf Wahrheit als auf den Geist der fairness. Über einen dormitory-Genossen sagt man nichts Ungünstiges, solange er noch ein good fellow ist. Dieser charakterlich außerordentlich erziehliche Geist, von dem je-
der, der ihn gespürt hat, viel zu sagen weiß, hat nun aber zur Folge eine gewisse Nivellierung in geistigen Ansprüchen und Leistungen. Es fehlt nicht nur die Ruhe, sondern auch der eigentümliche Antrieb zur individuellen Gedankenbildung, der in deutschen Universitäten durch das abgeschlossenere Leben der Einzelnen mitverursacht ist. So gibt es wenig geistige Konkurrenz und wenig geistigen
86
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Ehrgeiz. Das gibt dem Seminar-, Vorlesungs- und Diskus-
sionsbetrieb einen sehr harmlosen Charakter. Es lähmt jede radikale, sachliche Kritik. Es ist mehr ein freundschaftlicher Meinungsaustausch als ein Arbeiten an der Erkenntnis. Im dogmatischen Seminar fühlt sich der durchschnittliche ame-
rikanische Theologiestudent nicht in seinem Element. Für diese Sachlage sind natürlich noch viele andre Um-
stände bestimmend. Die Vorbildung zum Seminary in Highschool und College lehrt den Studenten zwar sehr vielerlei, aber eines nicht, nämlich selbständig arbeiten. Die textbook-Methode und die völlige wissenschaftliche Bevormundung durch den Professor hat verheerende Folgen. Der Theologe wird erst im Seminary mit Theologie im engeren Sinne bekannt und auch hier in einer Weise, daß es z.B.
im Union Theological Seminary möglich ist, ohne je Dogmatik gehört zu haben ins Pfarramt zu gehen. Man predigt vom ersten Semester an. So ist die wissenschaftliche Vorbereitung aufs Amt außerordentlich dürftig. Einen gewaltigen Vorzug hat der amerikanische Theologiestudent vor dem deutschen: er weiß viel mehr von den Dingen des
täglichen Lebens. In den Ferien geht er praktisch arbeiten und lernt Leute und Verhältnisse kennen. Das gibt seinem wissenschaftlichen Denken eine gewisse praktische Abzielung, die unseren Seminaren fremd ist, und die aber darum nicht als unbedingt erfreulich bezeichnet werden kann, weil der
Begriff Praxis doch sehr verschiedene Auslegungen verträgt. So sieht eine vorwiegende Gruppe im Union Theological Seminary hier ausschließlich die sozialen Nöte.
Weil der amerikanische Student die Wahrheitsfrage wesentlich im Licht der praktischen Gemeinschaft sieht, wird seine Predigt zur erbaulichen Beispielerzählung, zur bereitwilligen Kundgabe eigener religiöser Erfahrungen, denen natürlich irgendein sachlich bindender Charakter nicht zuge-
sprochen wird. Die semesterliche conference of the student
Studienaufenthalt
body —
eine Art Freizeit —
in New
York
87
bringt diesen Gemeinschafts-
geist, der letztlich doch auf grundsätzlichem Individualismus
ruht, immer
sehr klar zum
Ausdruck.
Dienen
dem
deutschen Studenten die ersten Predigten dazu, um seine Dogmatik
so schnell wie möglich weiterzugeben,
so dem
Amerikaner, um seine gesamte bisherige religious experience vor der Gemeinde auszubreiten.
Der theologische Geist des Union Theological Seminary
Die Professorenschaft des Union Theological Seminary repräsentiert, was der aufgeklärte Amerikaner von Theologie und Kirche verlangt, von der radikalsten Sozialisierung — Prof. Ward und Niebuhr — und philosophischer und orga-
nisatorischer Säkularisierung — Prof. Lyman, Prof. Elliot — des Christentums bis zu einer liberalen an Ritschl orientierten Theologie — Prof. Baillie. Die Studenten zerfallen dementsprechend in 3 bzw. 4 Gruppen. Zweifellos die lebendigsten,
vielleicht
nicht
die tiefsten,
unter
ihnen
gehören zur ersten Gruppe. Hier hat man aller zünftigen Theologie den Rücken gewandt, man studiert viel ökonomische und politische Probleme, vielfach in aktiver Mitarbeit an entsprechenden Organisationen, man unternimmt einen der zahllosen ‚surveys‘, die man von fortschrittlicher Seite gegenwärtig in Amerika anstellt und dies alles in sogenannter “ethical interpretation’. Hier fühlt man die Erneuerung des Evangeliums für unsere Tage und erweckt daran
ein starkes Selbstgefühl, in dem man über etwaige „theologische“ Einwände ziemlich rasch hinweggehen zu dürfen glaubt. Auf Anregung dieser Gruppe hin hat die Studentenschaft des Union Theolocigal Seminary über den Winter
fortlaufend je 30 Arbeitslosen — darunter drei Deutschen — Unterkunft und Verpflegung gewährt und sie so gut wie
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
möglich beraten. Dabei sind große persönliche Opfer an Zeit und Geldmitteln gebracht worden. Es darf aber nicht
ungesagt bleiben, daß die theologische Bildung dieser Gruppe gleich Null
ist und
die Selbstsicherheit,
aus
der heraus
über jede spezifisch theologische Fragestellung leicht gelächelt wird, ungerechtfertigt und naiv ist. Eine andere Gruppe, zu der außer den zahlreichen Missionaren ein ruhigerer Typ von Studenten gehört, sucht eine Theologie für die Gemeinde. Hier hat kaum einer einen festen Standpunkt, man schwankt zwischen Liberalismus und “Buchmanism’ (Oxford-Perfektionismus). Eine Theologie, wie sie von Prof. Baillie vertreten wird, die zwischen Ritschl, Herrmann und der schottischen Tradition steht, fin-
det Gehör. Die gesamte Kritik kommt aus einem gewissen aufklärerischen Rationalismus heraus, dem man glaubt, die
Wahrhaftigkeit schuldig zu sein. Das Faktum einer innertheologischen Kritik ist völlig unbekannt und unverstanden. Die dogmatische Prinzipienlehre ist heillos in Verwirrung. In diesem Kreis interessiert man sich zwar für Karl Barth, aber die Voraussetzungen sind dermaßen unzulänglich, daß ein Verständnis der Sache fast ausgeschlossen ist.
Die dritte Gruppe, mit der ich in sehr nahe Berührung kam, ist für Religionsphilosophie interessiert und studiert besonders bei Prof. Lyman. In ihm hat man einen genuinen Vertreter rein amerikanischer Philosophie. Ich habe persönlich mit ihm in regelmäßigen Konferenzen Probleme der amerikanischen Philosophie und ihre Beziehung zur Theologie anhand neuerer Literatur besprochen und habe daraus sehr viel gelernt. In seinen Kursen findet der Student
Gelegenheit zur Aussprache gröbster Ketzerei und intellektueller Schwierigkeiten. Der ‘philosophical approach’ zieht den Studenten als ‘scientific’ sehr an. Die Unbekümmertheit, mit der die Studenten hier über Gott und Welt reden,
ist für uns doch zum mindesten sehr überraschend.
Studienaufenthalt
in New
York
89
Eine große Rolle spielen die Fächer der praktischen Theologie. Hier kommt nun auch zum Vorschein, was am Ende des dreijährigen Studiums im Seminar wirklich gelernt ist, und ebenso, was das Union Theological Seminary im Dienst
der Gemeinde zu sagen hat. Die Frage nach der Botschaft der Kirche wird kaum gestellt — eine Ausnahme ist Prof. Fosdick, einer der einflußreichsten Prediger Amerikas (der am Portal seiner Kirche ein Einstein-Bild anbringen ließ!), der diese Frage in extrem humanistischem Sinne beantwortet; und wohl aus dem unbestimmten Gefühl heraus, daß man hier etwas voraussetzt, was man doch nicht voraussetzen dürfte, versucht man diesen Ausfall zu kompensieren durch stärkste Betonung der Organisationsfragen. Der Blickpunkt, von dem aus man auf enlargement of member-
ship und auf religious education dringt, ist wesentlich gefangen im Organisatorischen. Das fast ängstliche Propagie-
ren moderner Methoden verrät auch hier das Dahinschwinden des Gehalts, von dem diese Fragen als sekundäre deutlich abgehoben sein sollten. Die unwürdige Subalternität,
mit der amerikanische Pfarrer nicht selten organisieren und missionieren,
läßt die Souveränität
eines Menschen,
der
weiß, um welchen Gehalt es sich hier handelt, völlig vermissen. Von der Harmlosigkeit, mit der Leute, die unmittelbar vorm, teils schon im Pfarramt stehen, in dem praktisch-
theologischen Seminar fragen — so etwa, ob man eigentlich von Christus predigen müsse —, kann man sich hier schwerlich eine Vorstellung machen. Schließlich wird man
mit einigem Idealismus und einiger Schlauheit auch mit dieser Sache schon fertig werden — das ist so etwa die Stimmung. Der theologische Geist des Union Theological Seminary be-
schleunigt den Säkularisierungsprozeß des Christentums in Amerika. Seine Kritik gilt im wesentlichen den Fundamentalisten und bis zu einem gewissen Grade auch den radika-
9%
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
len Humanisten in Chicago; sie ist gesund und notwendig. Aber die Basis, auf der man nach dem Einreißen wieder aufbauen könnte, ist nicht tragfähig. Sie wird vom Einsturz mit durchschlagen. Ein Seminar, in dem es vorkommt,
daß in einer öffentlichenVorlesung beim Zitat einer Lutherstelle aus de servo arbitrio über Sünde und Vergebung ein großer Teil der Studenten offen herauslacht, weil ihnen das komisch erscheint, hat offenbar bei allen Vorzügen vergessen, wofür christliche Theologie ihrem Wesen nach steht.
Pragmatismus Bald nachdem ich die ersten Kollegs in Religionsphilosophie und systematischer Theologie im Seminar gehört hatte, spürte ich, daß hinter diesem Denken, wie es mir fremd, so
Studenten und Professoren aber offenbar selbstverständlich war, gewisse Voraussetzungen liegen müssen, die aufzufinden seien, bevor man diesen fremden Stil des Denkens eigentlich begreifen könnte. Die theologische Literatur der liberalen und humanistischen Richtung wies dieselben eigen-
artigen Denkformen auf, über die ich mir nicht Rechenschaft geben konnte. Man beobachtet ein rasches Vorüberziehen an schwierigen
Problemen
und ein langes Verweilen
bei
Dingen, die entweder selbstverständlich oder aber so ohne weitere Vorarbeiten gar nicht zu bewältigen sind. Die Tatsache, daß die Sprach- und Denkformen
unserer deutschen
Theologie wesentlich bestimmt sind durch philosophische Vorbegriffe, überzeugte mich von der Notwendigkeit, amerikanische Philosophie zu studieren als Vorbedingung für eine gerechte Beurteilung der Theologie. Prof. Lyman kam die-
sem Wunsche auf das bereitwilligste entgegen und ich konnte alle 14 Tage nachmittags mit ihm die betreffende philosophische Literatur durchsprechen, die ich vorher studiert
Studienaufenthalt
in New
York
91
hatte. Wir begannen mit dem Pragmatismus. Ich las fast das gesamte philosophische Werk von William James, das
mich ungemein
fesselte, von
Dewey,
Perry, Russel und
schließlich noch J. B. Watson und die behavioristische Diskussionsliteratur. Das Studium von Whitehead, Knudson, Santayana war für mich bisweilen nicht so aufschlußreich als diese radikal empirischen Denker. In ihnen und insbesondere in James fand sich denn auch der Schlüssel zum
Verständnis der modernen theologischen Sprache und der Denkformen des liberalen aufgeklärten Amerikaners. Die Destruktion der Philosophie als Frage nach der Wahrheit zur positiven Einzelwissenschaft mit praktischer Abzielung
— wie sie am radikalsten bei Dewey vollzogen wird — verändert den Wissenschaftsbegriff in seinem Kern und die
Wahrheit als absolute Norm alles Denkens erfährt ihre Begrenzung durch das, was sich “in the long run as useful’ erweist. Denken ist wesentlich teleologisch, intentional auf das Leben. Das würden wir nicht bestreiten, nur die Aufweisbarkeit dieser Intentionalität würden wir in Frage stellen. Fragen, wie die kantische Erkenntnisfrage, sind ‘nonsense’, sie sind keine Probleme, weil sie das Leben nicht weiterführen. Wahrheit „gilt“ nicht, sondern ‘works’ und das ist
ihr Kriterium. Denken und Leben vollziehen sich hier sichtlich in großer Nähe zueinander. Für die Theologie hat das
verschiedenartige Konsequenzen. Sie ist nicht mehr in der Gefahr, von Gott unbeteiligt zu reden. Auch Gott ist nicht geltende, sondern „wirkende“ Wahrheit, d.h. er ist im Prozeß des menschlichen Lebens tätig oder er „ist“ gar nicht.
Diese fast an Luthers Transzendentalismus erinnernde Wendung unterscheidet sich doch dadurch wesentlich von ihm, daß der wirkende Gott erstens an der ‘usefulness’ seines Wirkens am Menschen bestätigt werden muß, um wahr zu sein, zweitens aber, daß er soweit in sein Wirken eingeht, daß er in ihm selbst erst wächst. James’ These vom ‘grow-
92
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
ing God’ ist im Union Theological Seminary und dem gesamten aufgeklärten Amerikanertum außerordentlich lebhaft begrüßt und nachgesprochen worden. Sie verbindet Religion und Fortschrittsglaube in virtuoser Weise, so daß
eines durch das andere seine Stütze und Rechtfertigung erhält. Es kann nicht verborgen bleiben, daß Religion hier im Keim schon ist, was sie bei Dewey ausschließlich wird, näm-
lich ‘social ethics’. Der Reichtum
der James’schen Beob-
achtungen auf religiösem Gebiet ist später durch sein eigenes Thema verengt worden. Während James der realen
Präsenz Gottes außerhalb des Menschen immer noch Raum lassen will, ist besonders in Chicago der Pragmatismus von James und der Instrumentalismus Dewey’s zum radikalen immanenten ethischen Humanismus weitergeführt worden.
Bei dieser Sachlage wird es dem Deutschen begreiflich, warum der moderne Amerikaner schlechthin verständnislos bleibt für paulinisches
und
lutherisches
Christentum.
Er
ist ja nicht nur reinster Pelagianer, sondern zudem noch Anhänger des Protagoras. Einer der führenden Professoren im Union Theological Seminary hat es mir gegenüber in einer Diskussion vor zahlreichen Studenten unter deren Beifall zugegeben, daß ihm die justification by faith nicht wichtig, sondern gleichgültig sei. Und die Studenten selbst haben mich
immer wieder überrascht gefragt, wie ich mich eigentlich noch auf Paulus berufen könne. Das passe doch nicht mehr. Der pragmatische Wahrheitsbegriff hat mir zum Verständnis nicht nur der theologischen Lage, sondern auch des Lebensstiles weiter Kreise in Amerika verholfen. Daß Wahrheit nicht mehr die innere Kraft besitzt, Gemeinschaft
zu zerreißen und grade dadurch aufzubauen und fruchtbar zu machen, d.h. durch scheinbare Lebensferne wirklich
lebensnah zu sein, ist mir eine soziale Folge des Pragmatismus. Man traut den „Tatsachen“ und ihrer „eigenen Ent-
wicklung“ und sieht die Wahrheit nur immanent, nicht in
Studienaufenthalt
in New
York
93
ihrem transzendenten Anspruch. Daß sich hier im Grunde eine rein individualistische Lebensauffassung
verbirgt, die
jedem Einzelnen sein Glück gönnen will und darüber hinaus nicht viel kennt, ist deutlich. Daß sie gerade in Amerika so mächtigen Halt gewinnen konnte, ist in der politischen und geistigen Geschichte Amerikas begründet, wie sie kürz-
lich von Th. Hall in The religious background of American ceivilization in ganz neuer Wertung dargestellt ist. Seiner These, daß der amerikanische Protestantismus älter sei als
der reformatorische und daher seinen definitiv kirchenlosen individualistischen Charakter trage, fügt sich das Faktum des überwältigenden Einflusses des Pragmatismus sehr gut ein. Der Pragmatismus und Instrumentalismus als Lebensphilosophie haben zweifellos Kräfte freigemacht für eine
Umgestaltung der bisherigen Lebenform in Erziehung, Politik, Sozialarbeit im Sinn der großen Idee des sozialen Fortschrittes und er ist auf fruchtbaren Boden gefallen.
Kirche und Predigt Außer in der täglichen Morgenandacht in der chapel habe ich jeden Sonntag, oft zweimal, Gelegenheit gehabt, Predigten zu hören, und zwar in den verschiedensten Denominationen und selbständigen Kirchenbildungen. Die New
York Times am Montag morgen bietet mit ihren kurzen Referaten über die hervorragenden Predigten des Vortages eine sehr wertvolle Ergänzung zum Studium der zeitgenössischen Predigt. Schon aus den Angaben der Themata — und jede bessere Predigt hat ihr Thema, das schon zum voraus an den Kirchenbrettern mitgeteilt ist — wird überraschend deutlich, wo die gegenwärtige Predigt ihre eigentliche Aufgabe sieht und wie unterschiedslos die Denominationen alle in derselben Richtung drängen. Ich zitiere will-
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Amerika-Stipendiat.
kürlich aus der Times vom found
void compared
1930—1931
13. Oktober
1930: ‘Science
to faith’, “Virtues
stressed’, ‘New
freedom’, ‘Holmes denounces Curry and Walker’, ‘Stockdale scores wet candidacies’, ‘Call praises theaters’, ‘H. urges spirituel values’, “. .. puts needs above creeds’. Vom 27. Oktober: ‘..... wants liquor sold only in churches’,
‘Prohibition betrayed’, ‘. . . asks church to act in social problems’,
‘Dr.
Fodsick
holds
creeds
hide
Jesus’,
‘Dr.
Coffin decries naturalism’. Diese Predigten wurden in den verschiedensten Denominationen gehalten. Man will in Amerika zur Gegenwart predigen und man identifiziert Gegenwartspredigt mit politisch-sozialer und mit apologetischer Predigt. Die äußeren Gefahren solcher Predigtweise sind ge-
ringer als bei uns wegen der Nivellierung der politischen öffentlichen Meinung in Amerika. Das läßt den Schein länger bestehen, als handle es sich in dieser Einheitlichkeit der Predigt um die Einheit des Geistes Christi. Es ist auch zunächst erstaunlich, daß man derartige Predigten fast gleich-
mäßig zu hören bekommt in einer Community Church — die keine „christliche“ Kirche ist —, wie in einer Synagoge
— z. B. bei dem hervorragenden Prediger Rabbi Wise — wie in einer Methodist oder Baptist Church. (In der Episcopal und Presbyterian Church, den Kirchen der höheren Stände,
hört man mehr Apologetik als politische Diskussion). Das alles wird aber vom aufgeklärten Amerikaner gar nicht skeptisch beobachtet, sondern
als ein Fortschritt begrüßt. Die
fundamentalistische Predigt, die im Süden der Staaten einen breiteren Raum einnimmt, hat in New York nur einen hervorragenden baptistischen Vertreter, der vor Gläubigen und
Neugierigen die Auferstehung des Fleisches und die Jungfrauengeburt predigt. Man kann in New York fast über alles predigen hören, nur über eines nicht oder doch so selten, daß es mir jedenfalls nicht gelungen ist, es zu hören, nämlich über das Evangelium Jesu Christi, vom Kreuz,
Studienaufentbalt
in New
York
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von Sünde und Vergebung, von Tod und Leben. Im homiletischen Seminar bei Dr. Fosdick sollten bei der Verteilung
der Predigtaufgaben zum Schluß auch einige „traditionelle Themata“
versucht
werden,
darunter
eine Predigt
über
Sündenvergebung und über das Kreuz! Das ist durchaus charakteristisch für die meisten Kirchen, die ich gesehen habe. Was aber steht an der Stelle der christlichen Bot-
schaft? Ein fortschrittsgläubiger ethischer und sozialer Idealismus, der — man weiß nicht ganz woher — sich das Recht nimmt, sich „christlich“ zu nennen. Und an der Stelle
der Kirche als der Gemeinde der Gläubigen Christi steht die Kirche als Gesellschaftskorporation. Wer ein Wochenprogramm einer der großen New Yorker Kirchen gesehen hat, mit ihren täglichen, ja fast stündlichen Ereignissen, Tees, Vorträgen, Konzerten, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Sport-, Spiel-, Kegel-, Tanzgelegenheiten für jedes Alter, wer gehört hat, wie man einem Neuzugezogenen zuredet, der
Kirche beizutreten, da man doch dort ganz anders in die Gesellschaft hereinkomme, wer die peinliche Nervosität ken-
nengelernt hat, mit der der Pfarrer für membership wirbt, der
kann
den
Charakter
einer
solchen
Kirche
einiger-
maßen einschätzen. Es geht in diesen Dingen natürlich verschieden takt- und geschmackvoll und verschieden ernsthaft zu, es gibt wesentlich „wohltätige“ Kirchen und solche, die
wesentlich im Gesellschaftlichen aufgehen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß man hier wie dort
vergessen hat, worum es sich eigentlich handelt. Nicht wesentlich anders sind die Zustände in den Sonntagsschulen. In den fortschrittlichen werden die neuen Methoden der religious education entschlossen angewandt, in der Mehrzahl der anderen ist schon die äußere Ordnung der Liturgie und des Unterrichtes derartig mangelhaft und langweilig, daß die Lahmheit des inneren Lebens durch ein Vielerlei kleiner Attraktionen ersetzt werden muß. Wenn
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Amerika-Stipendiat.
1930—1931
ich mit ansah, wie ein 12jähriges Mädchen in einer Methodist Sunday School als Auszeichnung für regelmäßigen Besuch eine Schmink- und Puderbüchse geschenkt bekam und der Pastor auf diese Anpassung an die Gegenwart stolz war, so ist das ein übles Symptom radikaler Ungesundheit. Um das Gefühl innerer Hohlheit, das sich dann hin und wie-
der einstellt, auszugleichen
(teils auch um
die Kirchen-
kassen wieder aufzufüllen), bestellt sich eine Gemeinde, wenn möglich jedes Jahr einmal, einen Evangelisten zum ‘revival’. Die Primitivität der Mittel, mit denen diese Leute dann
mit den Emotionen der Gemeinde spielen können, weil jedes gesunde
Kriterium
fehlt, ist beschämend.
Dieselben
psy-
chologischen Effekte tragen den schwärmerischen — eschatologischen — radikalen Sekten ihre Zuhörerschaft ein. Dem deutschen
woraus
Beobachter
wird
die Frage immer
dringlicher,
diese sonderbare Gestalt kirchlichen Wesens
Unwesens erwachsen konnte. Wenn wir versuchen, hierauf
einzugehen,
muß
und
auf eine
kirchliche Gruppe hingewiesen werden, auf die das meiste hier Gesagte nur zum kleinen Teil zutrifft; ziemlich unbe-
rührt, ja gemieden von der weißen Kirche steht die Kirche der Verstoßenen Amerikas: die Negerkirche. Während meines gesamten
Aufenthaltes
in Amerika
habe ich einen
großen Teil meiner Zeit darauf verwandt, das Negerproblem von
allen Seiten aus kennen
zu lernen und von
diesem
etwas verborgenen Winkel aus auch das weiße Amerika zu beobachten. Durch meine Freundschaft mit einem Negerstudenten des Seminars! wurde ich nicht nur bei den Führern der jungen Negerbewegung im Howard college in Washington, sondern auch in Harlem, in dem Negerviertel
New Yorks, eingeführt. Mehr als sechs Monate bin ich fast jeden Sonntag mittags um 1/23 in einer der großen Negro 1. Frank
Fisher
Studienaufenthalt
in New
York
97
Baptist Churches in Harlem gewesen und habe mit meinem Freund zusammen und oft in seiner Vertretung eine Gruppe junger Neger in der Sonntagsschule gehabt; bei den Neger-
frauen habe ich Bibelstunden gehalten und habe einmal wöchentlich in einer weekday Church School geholfen. So bin ich nicht nur mit mehreren jungen Negern gut bekannt geworden, sondern bin auch mehrfach in den Häusern gewesen. Dieser persönliche Umgang mit den Negern war für mich eines der entscheidendsten und erfreulichsten Ereignisse in meinem amerikanischen Aufenthalt. Auf meinen Reisen in den Südstaaten habe ich meine Eindrücke vervollständigt. Ich kann hier nur kurz von den kirchlichen Eigen-
arten berichten. Zunächst, ich habe in den Negerkirchen das Evangelium predigen hören. Es ist in einer Negerkirche nicht schwer zu beobachten, wo das Interesse der Gemeinde wach wird und wo nicht, da die ungeheure Empfindungs-
intensität der Neger in Ausrufen,
Zwischenrufen
immer
wieder zum Ausbruch kommt. Es ist aber deutlich, daß immer dort, wo wirklich vom Evangelium die Rede war, die
Teilnahme aufs Höchste stieg. Man konnte hier wirklich noch von
Sünde und Gnade und von
der Liebe zu Gott
und der letzten Hoffnung christlich reden und hören, wenn auch in anderen Formen als wir es gewohnt sind. Im Gegensatz zur oft vortragsmäßigen Art der „weißen“ Predigt, wird der “black Christ’ mit hinreißender Leidenschaftlichkeit und Anschauungskraft gepredigt. Wer die negro spirituals gehört und verstanden hat, weiß von der seltsamen Mischung von gehaltener Schwermut und ausbrechendem Jubel in der Seele des Negers. Die Negerkirchen sind Pro-
letarierkirchen, vielleicht die einzigen in ganz Amerika. Aber freilich regt sich unter den Jungen, die sehen, wie die christliche Predigt ihre Väter unter ihrem unvergleichlich harten Schicksal hat so geduldig werden lassen, der Widerspruch gegen solche Religion, d.h. gegen das Christentum,
98
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
und wenn dieser Widerspruch einmal mächtig übergreift, dann wird das weiße Amerika sich schuldig dafür wissen müssen, daß diese schwarzen Massen gottlos geworden sind. Wir stehen hier an einer gewaltigen Wende.
Ein Wort noch über die deutschen Kirchen. Es gibt keine rein deutsche Kirche mehr in New
weiß, auch nicht in Amerika. und der Congregational
York
und, soviel ich
In der Lutheran
Church
Synod wird noch deutsch gepre-
digt. Meine Erfahrungen in New York wie auch in Florida und im westlichen Süden mit dieser Predigt waren ziemlich
trübe. Die Pastoren haben gewöhnlich keine gute Vorbildung; soweit sie vom Concordia Seminary (das ich in St. Louis besichtigt habe), d.h. aus der Missouri Synod kom-
men, sind sie in ihrer exklusiven Orthodoxie unerträglich und trotz größter finanzieller Opfer zweifellos auf dem Wege zum Zusammenbruc. Sonst habe ich vielfach beobachtet, daß zum deutschen Gottesdienst nur einige wenige
alte Leute kommen, Junge fast gar nicht. Das liegt einerseits an sprachlichen Gründen, zum andern aber daran, daß
man mit einer vorgelesenen Predigt etwa von Ahlfeldt nicht den Anspruch erheben kann, auf einen jungen Amerikaner Eindruck zu machen. Von einem besonderen Verständnis des reformatorischen Besitzes in den deutschen Kirchen habe ich nichts verspürt. Im vorigen Jahr erschien das schon oben genannte
Buch
von Th. Hall: The religious background . . . Die dort entwickelte These, daß der amerikanische Protestantismus sich
wesentlich unberührt vom reformatorischen Protestantismus ausgebildet habe als eine Fortsetzung der Wycliffe’schen Gedanken und des radikalen Dissentertums, ist, obwohl ich
ihr historisches Recht nicht nachprüfen kann, für mich sehr aufschlußreich geworden zum Verständnis des amerikanischen Kirchentums. Der Mangel eines Bekenntnisses — die Denominationen unterscheiden sich nicht im Bekenntnis, son-
Studienaufenthalt
in New
York
99
dern im Ritus oder überhaupt nur in der sozialen Stellung —, eines Dogmas und einer Dogmatik ist begründet
im allgemeinen religiösen Individualismus, wie er sich am reinsten bei den Quäkern und Kongregationalisten erhalten hat, und wie er dem Individualismus der Pioniertage, der bis heute fortwirkt, entsprach. Bei den Quäkern gibt es
folgerichtig auch keine eigentliche Predigt, keinen Pfarrer, keine „Kirche“.
Der
Geist wirkt
unmittelbar
im Fühlen
und Handeln. Freilich haben auch die Quäkerversammlungen
ihren
ursprünglichen
Enthusiasmus
verloren
und
es
herrscht eine weiche, fast lyrische Stimmung in dem, was da vorgebracht wird. Hier ist die Grundform
amerikani-
schen Kirchentums erhalten und unter ihrem Zeichen stehen auch heute die großen Kirchen der amerikanischen Staaten. Die Kirchen englischer und deutscher Herkunft sind davon noch am weitesten entfernt, obwohl durchaus
auch schon in diesem Banne. Weil zutiefst der Geist Gottes nicht ans Wort gebunden gedacht ist, bleibt unverstanden, was Predigt, Bekenntnis, Dogma, Kirche, Gemeinschaft ist.
Daher die Zügellosigkeit, mit der auf amerikanischen Kanzeln christliches Dogma angegriffen wird — am Karfreitag hörte ich einen von New Yorks großen Predigern in einer Episcopal Church (!) sagen: „ich leugne die Versöhnung am Kreuz, ich will keinen solchen Christus“, (man beachte das „ich“!) — und mit der man drauflos handelt; Kirche ist nun wirklich nicht mehr die Stelle, an der die Gemeinde Gottes Wort hört und predigt, sondern sie erhält sekundäre Bedeutung als Gesellschaftskörper für diesen oder jenen Zweck. Es ist darum auch nicht wichtig, Dogmatik
zu studieren, das versteht sich doch beim persönlich ernsten Christen als von selbst und man verschärft nur unnötig die Gegensätze. Wer irgendwie sagen will, daß er sich irgendwie zu Christus bekennt, der ist ein Christ und kann Mitglied der kirchlichen Gesellschaft werden.
100
Amerika-Stipendiat.
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Die übliche Bezeichnung der amerikanischen Kirche als Freiwilligkeitskirche trifft formell durchaus nicht allgemein zu. Man wird in die Mehrzahl der amerikanischen Kirchen
als Kind hineingetauft. Aber entscheidend ist das andre, daß der ursprüngliche Freiwilligkeitscharakter der Kirche sich entstellt erhalten hat in der hier besonders naheliegenden großen Verwechslung der Kirche mit einem religiösen
Verein. An Stelle des Priestertums der Gläubigen steht das Recht des Vereinsmitgliedes und an Stelle des rite vocatus steht der Pfarrer als Vereinsvorsitzender, der von dem
Willen der Mitglieder doch wesentlich abhängig ist. Die Auswüchse
und Karikaturen
eines mißverstandenen
Frei-
willigkeitskirchentums kann man in Amerika in Reinkultur studieren. Diese ganze Denkweise wird radikal bekämpft vom Fundamentalismus und seinem Hauptführer Prof. Macken in Philadelphia. Unzweifelhaft ist hier reformatorische Erkenntnis aufbewahrt, aber durch krasseste Orthodoxie entstellt,
insbesondere in der Southern Baptist Church. Hier offenbart sich eine andere Seite amerikanischen Wesens: eine unerbittliche Härte des Festhaltens am Besitz, sei er von dieser
oder von jener Welt. Im Vertrauen auf Gott habe ich das erworben, Gott hat es mir gelingen lassen, wer diesen Besitz antastet, tastet Gott selbst an. Daß auf solcher Basis
kein Verständnis für die Lebendigkeit der Kirche erwachsen kann, leuchtet ein. Denn
auch
dieses Denken
ist ja
grundsätzlich individualistisch. Ist aber in religiöser Hinsicht diese Position entschieden im Prozeß der Auflösung begriffen, so ist sie noch fast ungebrochen stark im sozialen
und ethischen Denken auch des aufgeklärten Amerikaners.
Studienaufenthalt
in New
York
101
Soziale Arbeit
Die Durchbrechung des traditionellen amerikanischen Ethos an dieser Stelle kann gerade heute und gerade in New York besonders gut beobachtet werden. Es ist im vergangenen
Winter mit seiner furchtbaren Arbeitslosigkeit in New York vielen
Amerikanern
zum
ersten
Male
aufgegangen,
daß
die Voraussetzung ihres sozialen Denkens veraltet ist. Der Mensch hat tatsächlich nicht mehr den Posten in der Welt, den er durch seine eigene Arbeitsleistung und Tüchtigkeit verdient. Damit aber wird der Grundsatz der freien Wohl-
tätigkeit als Mittel sozialer Abhilfe unsittlich. Er beruht auf falscher Bewertung anderen Lebens. Solche Gedanken sind tragend im sogenannten social gospel, das zwar dem
Namen nach überwunden, der Sache nach aber noch kräftig vorhanden ist. Es soll das Existenzrecht des anderen respektiert werden. “The prayer for the social gospel’ von W. Rauschenbusch sind eins der leidenschaftlichsten und schönsten Zeugnisse dieses Denkens. Im Zusammenhang mit einem Kurs von Mr. Webber, ehemaligem Pfarrer an der Church of all nations, und hierdurch bekannt mit fast allen sozialen Einrichtungen in New York, habe ich fast jede Woche
eine Visitation solcher character building agencies gemacht: Settlements, YMCA, home missions, cooperative houses, playgrounds, childrencourts, night schools, socialist schools,
asyls, youth organisations; Association for advance of coloured people. Hier habe ichEinblick bekommen in den Ver-
such, auf dem Wege der freien Wohlfahrtspflege soziale Hilfsarbeit zu tun. Der Staat steht zur alten Theorie. Es ist ein ge-
waltiger Eindruck, zu sehen, wieviel hier mit persönlichen Opfern getan und erreicht wird, mit wieviel Hingabe, Energie und Verantwortungsbewußtsein hier gearbeitet wird. Man arbeitet gewiß unter leichteren Bedingungen als in Europa, es gibt noch wenig klassenbewußtes Proletariat in Amerika.
102
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Aber je stärker dies wird, desto dringender wird der Ruf nach
staatlichem Eingreifen. In einer Vorlesung von Dr. Niebuhr wurde die moderne amerikanische Literatur auf das soziale und christliche Problem hin untersucht und diskutiert. Das war sehr lehrreich.
Aus eigener Anschauung habe ich in Harlem viel gelernt. Der Eindruck, den ich von den heutigen Vertretern des social gospel empfangen habe, wird für mich auf lange Zeit hinaus bestimmend sein. Ein Buch wie das von H. Ward “which way religion?’ ist in seiner Nüchternheit und seinem Ernst unwiderleglich; und doch muß der ganze Protest immer wieder laut werden, wenn das als das Christentum verkündigt wird unter Verkürzung aller entscheidenden christlichen Gedanken. In mehrfachen Diskussionen und Vor-
trägen habe ich dann dort versucht zu zeigen, daß reformatorisches Christentum alle diese Dinge durchaus nicht aus- sondern einschließt, aber daß die Bewertung unter-
schiedlich sei. Doch man hat das grundsätzlich nicht glauben wollen. Persönliches
Der Tag war gewöhnlich halb dem Studium, halb der Anschauung gewidmet. Ich stunden. Häufig mußte lich predigen (Methodist tagsschulen und Schulen nahm, später wegen zu
hörte wöchentlich etwa 12 Kollegich Vorträge halten, auch gelegentand Baptist Church) und in Sonnsprechen, was ich anfangs gern anvieler anderer Dinge weniger ge-
tan habe. Die Studenten des Seminars pflegten zu bitten, mit ihnen in ihre Sonntagsschule zu kommen und dort zu sprechen. Häufig mußte ich über Krieg und Frieden reden und habe dabei stets verständnisvolle Hörer gefunden. Weihnachten war
ich nach Habana
auf Cuba
eingeladen,
um
dort zweimal zu predigen in der kleinen deutschen Ge-
Studienaufenthalt
in New
York
103
meinde, die von der deutschen Schuldirektorin zusammengehalten wird, aber ohne Pfarrer ist. Beide Gottesdienste waren stark besucht und wurden sehr dankbar begrüßt. In Florida hatte ich mich einigen deutschen Gemeinden zur Predigt zur Verfügung gestellt; es wurde mir aber von den Pastoren bedeutet, das sei nicht nötig, es sei doch ebenso gut, wenn man Ahlfeldt vorläse. So kam ich nicht dazu.
Im November wohnte ich der Tagung des Federal Council of Churches in Washington bei, wo unter anderem über die
Kriegsschuldfrage verhandelt wurde; ich wurde vom Präsidenten der Versammlung vorgestellt und habe viele inter-
essante Beziehungen anknüpfen können. Auf einer großen Autofahrt nach Schluß des Studienjahres durch den Mittelwesten und Süden bis nach Mexico City habe ich mehrere theologische Seminare und deutsche Gemeinden aufgesucht, kam aber nicht zum Predigen.
Wenn man zurückschauend die Fülle der Eindrücke überblickt, so wäre es töricht, nun die Einzelheiten, die man „für unsere Verhältnisse‘ gelernt hat, als das Entscheidende zu werten. Tatsächlich bin ich der Ansicht, daß man drüben außerordentlich wenig „für unsere Verhältnisse“ lernen kann, wenn man dabei an direkte Übertragung denkt. Aber es scheint mir, daß man auch dort, wo man im wesentlichen die Bedrohung, die Amerika für uns bedeutet, sieht, ruhige Einsichten „für unsere Verhältnisse“ gewinnt. Es ist eben
nicht mehr und nicht weniger, als daß man angefangen hat, einen anderen Erdteil kennenzulernen.
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Amerika-Stipendiat.
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Das social gospel 1. Das ‘social gospel’ in Amerika Weil die Vertreter des „social gospel‘ am stärksten an der
internationalen christlichen Arbeit interessiert und beteiligt sind, herrscht in Europa die Auffassung, das sei das amerikanische Christentum. Das ist falsch. Zahlenmäßig sind die
dem social gospel ablehnend gegenüberstehenden Kreise in Amerika stärker. Aber die lebendigen kirchlichen Kräfte bekennen sich meist zu ihm; jedenfalls in seiner gemäßig-
ten Form. Seine kirchlichen Gegner sind meist die Fundamentalisten (finanzieller Rückhalt stark bei kapitalistischen — das social gospel ablehnenden — Kreisen, doch wesentlich theologische Gründe, s.u.) und die Vertreter des individualistischen revival- (Erweckungs-)Christentum. Der geistige Einfluß des social gospel auf intellektuelle ameri-
kanische Kreise ist stärker als irgendein anderer kirchlicher Einfluß. Im Norden mehr als im Süden. Das Federal Council, Vereinigung von 33 Denominationen, Sinne des social gospel.
wirkt stark im
2. Die geistige Umwelt des social gospel
Staat und Kirche in Amerika grundsätzlich getrennt. Keine finanzielle Unterstützung, (aber Steuervergünstigung etc., sodaß radikale Vertreter des social gospel in der faktischen
Abhängigkeit der Kirche vom
Staat eins der Hauptübel
sehen) kein Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen;
aber Kongreßsitzung mit Gebet eröffnet, in den Schulen
Das social gospel
105
vielfach regelmäßige Andachten. Weil die Kirche ganz auf die Aktivität der Gemeinde gestellt ist, darum starkes all-
gemeines Interesse an der Kirche, darum enge Durchdringung der öffentlichen mit den kirchlichen Interessen, mit allen Konsequenzen der Herrschaft der Kirchenbank (pew) über die Kanzel (pulpit). Neben der Trennung von Kirche
und Staat steht engste Verbindung von Kirche und Gesellschaft. Daher von jeher in der amerikanischen Geschichte starke Anteilnahme
der Kirche an der Bildung der öffent-
lichen Meinung. (Revolution, Bürgerkrieg, Abschaffung der Sklaverei, das Prohibitionsgesetz wesentlich durch Einfluß der Methodisten durchgesetzt!) Der Kontakt der Kirche mit der Arbeiterwelt ist darum nie soweit verloren gegangen wie in Deutschland. Amerikanische Arbeiter nicht kirchen-
feindlich (erst in jüngster Zeit besonders der junge Neger, weil Kirche eines der schwersten Hindernisse für die Lösung der Rassenfrage). Dennoch am Anfang des 19. Jahrhunderts die soziale und wirtschaftliche Umwälzung so tiefgreifend, daß die Kirche den Anschluß zu verlieren drohte. Die Herrschaft der Maschine fordert ein neues Durchdenken der christlichen Soziallehren.
Für das auf die persönliche
Leistung des Einzelnen eingestellte individualistische amerikanische Denken bedeutet die Maschine, das „unpersönliche“ ökonomische System, ein besonderes Problem. Der kapita-
listische Konservativismus Korrektur.
der Pionierjahre bedurfte
der
3. Die Geschichte des social gospel Seine allgemeine Tendenz nicht originell amerikanisch. (Kingsley, Stöcker, Enzyklika 1891). Zusammenfließen mehrerer Quellen: Methodismus (Herbeizwingen des Reiches Gottes auf Erden durch den Menschen), Unitarismus; Darwin und Spencer (Evolutionstheorie, eudämonistische Gesellschafts-
106
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
ethik, beides leicht vereinbar, Entwicklung der Menschheit zum höchsten Glück, zum Reich Gottes auf Erden); Pragmatismus (die Wahrheit liegt in der Wirkung, im Erfolg,
truth works); jeder Mensch entwicklungsfähig zum Besten (Milieutheorie);
wie weit Calvinismus
mitbestimmend,
ist
fraglich. Jedenfalls ein durch Aufklärung und Evolutionstheorie säkularisierter Calvin. (Herleitung sowohl des Kapitalismus [Max Weber] wie des social gospel aus dem Calvinismus stimmt zweifellos). Erster großer Lehrer des social gospel ist Walter Rauschenbusch (Deutschamerikaner, lange
Pfarrer an der Eastside von New York. Dann Professor der Kirchengeschichte in Rochester). “Christianity and the social crisis” 1907 erstes, grundlegendes Werk
des social gospel,
macht überwältigenden Eindruck (weitere Literatur s.u.). Besonderen Einfluß bei den Methodisten. 1908 Federal Council veröffentlicht ‘social creed of the churches’ soziale Glaubensbekenntnis). Rauschenbusch vertritt mäßigtes social gospel, erkennt einerseits die sich auf Individuum beziehenden Stellen des Neuen Testamentes
(das gedas an,
legt den Nachdruck auf die religiöse, nicht auf die soziale Seite (Sherwood Eddy). Demgegenüber spätere in der sozialen Verkündigung Jesu das ganze Christentum sehen (EIIwood, H. F. Ward), ja sogar das spezifische religiöse Element ausschalten und zum reinen evolutionistischen Humanismus gelangen (Ames und die Chicago-Schule). Aus dem — trotz realistischer und offener Schilderung und Kritik der Zustände — zugrunde liegenden Optimismus Rauschenbuschs und seiner Freunde wird bei den Jüngeren
ein immer skeptischerer Pessimismus
(R. Niebuhr, Kirby
Page). Der Einfluß des kontinentalen religiösen Sozialismus
(Ragaz, Tillich) zerstört allmählich den Evolutionsgedanken und den Glauben an die ursprüngliche Güte des Menschen. Doch widersetzt sich hier der amerikanische Geist zäh. Das social gospel in seiner ursprünglichen
Gestalt
ist gegen-
Das social gospel
107
wärtig in Amerika überlebt. Aber seine entscheidenden Motive und Direktiven wirken im weitesten Umfang im kirchlichen Leben nach.
4. Der Begriff des social gospel
Der Begriff ist schillernd. Für Rauschenbusch
ist es die
Rückkehr zum ursprünglichen Evangelium, zur Religion Jesu, seiner Botschaft vom Reiche Gottes und der Bruderschaft der Menschen und ihre Anwendung auf die gegen-
wärtige soziale Krisis. Für Ames die radikale Verschmelzung religiöser und sozialer humanitärer Gedanken. Die Begründung des social gospel erfolgt teils wesentlich aus einer konstruktiven Soziologie (Ward entwickelt aus der Soziologie die Lehre von wechselseitiger Hilfe, mutual aid, als ethisches Prinzip der Gesellschaft und sieht hierin zugleich die zentrale Idee der Propheten und Jesu), teils im
engen Zusammenhang mit der Theologie, z. B. Einsicht in die ethische und religiöse Spannung im Neuen Testament (R. Niebuhr). Das social gospel ist „Anwendung. christlicher Prinzipien auf die Gesellschaft und Anwendung so-
zialer Prinzipien auf das Christentum“ (Visser’t Hooft). In dieser Allgemeinheit hat das social gospel weiteste Verbrei-
tung, in seinem radikalsten Sinne nur sehr begrenzte.
5. Lehre des social gospel 1. Das social gospel ist social gospel. Das Evangelium be-
zieht sich ganz Situation, d. h. Lord of all or Es gibt keine
auf den Menschen in seiner gegenwärtigen in der sozialen Krisis. (“Christ must be the he is not Lord at all”, Sherwood Eddy). ethische Neutralität des sozialen Lebens.
108
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
Mammon oder Christus. Verschieden wird die Ausschließlichkeit des social gospel akzentuiert. 2. Die heutige Gesellschaftsordnung ist materialistisch, atomistisch, individualistisch, kapitalistisch. Ihr größtes Ver-
brechen ist die Verletzung des Wertes der menschlichen Persönlichkeit des Unterdrückten. Hier muß die Kirche eintreten. 3. Kirche muß zurück hinter die dogmatische Theologie, die den wirklichen Christus verbirgt, zur Religion Jesu, die wesentlich ethisch und sozial bestimmt war. Nicht Lehre von Christus, sondern Christi Lehre. Sie ist der Höhepunkt der biblischen Verkündigung, die vorher in der Ethik des Prophetentums gipfelte. 4. Das Christentum ist ethische Religion (bzw. überhaupt nur Ethik); der Dekalog und seine Interpretation in der Bergpredigt stehen im Mittelpunkt. 5. Jesus ist die Offenbarung Gottes, sofern er in seinem Leben seine Lehre verwirklicht hat. Sein Kreuz ist das Symbol für seine völlige Hingabe an das Ideal der Näch-
sten-Liebe, seine Auferstehung das Symbol für die zeitlose Gültigkeit dieses Wertes.
6. Der Zentralbegriff der Verkündigung Jesu ist das Reich Gottes, als der Ausdruck
für Gottes
Willen
auf Erden.
Auf dies letztere fällt alles Gewicht. Das Reich Gottes bedeutet Vaterschaft Gottes und Bruderschaft der Menschen. Seine Verwirklichung geschieht durch die Arbeit der Christenheit in der Geschichte in allmählichem Fortschreiten. (Teilweise wird gelehrt, daß im Wachsen des Reiches Gottes
Gott selbst wächst und sich entfaltet.) Gott ist der Welt immanent,
nicht transzendent.
7. Die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden bringt eine Entwicklung vom Imperialismus zum Internationalismus, von Monarchie zu Demokratie (Rauschenbusch: „Das Schlimmste, was geschehen könnte, wäre, daß Gott ein
Das social gospel
Autokrat bliebe, während
109
die Welt zur Demokratie fort-
schreitet“), von Individualismus zu Kollektivismus. Das ist die Eschatologie. Der Dualismus von zwei Welten wird umgebildet zum Monismus einer evolutionistischen Geschichts-
theorie. Die Lehre vom ewigen Leben und von der Unsterblichkeit erfahren hier keine Behandlung. 8. Der trotz radikaler Kritik an der gegenwärtigen Lage zugrunde liegende Optimismus bezüglich der Gewinnung der Welt für Christus, des Neubaus
der Gesellschaftsord-
nung, der Herstellung des Reiches Gottes auf Erden löst einen gewaltigen Aktivismus aus, der jedes Bedenken verwirft, jede Neutralität für unchristlich erklärt. Der Mensch
ist, wenn nicht ursprünglich gut, so doch neutral (fundamentally sound, Rauschenbusch), d. h. entwicklungsfähig, seine Sünde ist sein Widerstreben gegen das social gospel und kann überwunden werden durch ethisches Leben. Dem entspricht der Geschichtsbegriff. 9. Das social gospel ist Evangelium der Tat, weltzugewandt,
praktisch. ‘Not dogma, but life; not theology but religion’. Unter Theologie ist hier meist die fundamentalistisch-ortho-
doxe verstanden. Sie wird abgelehnt aus folgenden Gründen: Transzendenz Gottes, Christuslehre, Sündenlehre, dua-
listische Eschatologie, Neutralität gegenüber den Ordnungen der Welt. 10. Der
Neubau
der Gesellschaftsordnung
wird
konkret
gedacht in der Nachbildung der Gestalt der Familie. In der Familie
fehlen
Profitmotiv,
Konkurrenz,
an ihrer Stelle
steht das Prinzip der mutual aid. Auf dieser Basis soll die neue Gesellschaftsordnung der brotherhood of mankind aufgebaut werden.
110
Amerika-Stipendiat.
1930—1931
6. Würdigung und Kritik
1. Der unerbittliche Ernst, mit dem hier die praktische soziale Notlage gezeigt und die Christenheit in ihren Dienst
gerufen wird, ist der entscheidende Beitrag des amerikanischen Christentums zum Verständnis der christlichen Botschaft in der ganzen Welt. Die persönliche und sachliche Leidenschaft der vom social gospel Erfaßten stellt jeden, der damit in Berührung kommt, vor die Entscheidung. 2. Das social gospel greift bewußt nach der Laienwelt unter Zurückstellung aller ekklesiastischen Rücksichten. 3. Das Ernstnehmen des Reiches Gottes als eines Reiches auf Erden ist gut biblisch und ist gegenüber einer hinterweltlerischen Auffassung vom Reich im Recht.
4. Dennoch kommt die biblische Botschaft nicht zu ihrem Recht.
a) Das eschatologische Verständnis des Reiches, das allein Gott bringen kann und im Gegensatz zur Welt bringt, ist weggefallen. b) Daraus folgt eine grundverschiedene Auffassung von der Geschichte. Das Neue Testament kennt den Evolutionsgedanken nicht. Das Ende der Geschichte ist nicht die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden, sondern die tief-
ste Kluft zwischen Christenheit und Welt. c) Sünde ist nicht eine leidige Nebenerscheinung
des
menschlichen Daseins, sondern sie verkehrt den Menschen im Innersten. d) Christus ist der Mittler, der den Menschen mit Gott
versöhnt und seine Sünde vergibt. Kreuz und Auferstehung als Taten Gottes sind darum die Mitte der Geschichte. e) Gott ist nicht das immanente fortschrittliche ethische Prinzip der Geschichte, sondern der Herr, der den Menschen und seine Werke richtet, er ist der Souverän schlechthin
(Reich Gottes nicht Demokratie!).
Das social gospel
111
5. Der Optimismus, die Fortschrittsideologie nimmt das Gebot Gottes nicht ernst (Luk. 17, 10). Es ist neuzeitliches Schwärmertum.
Es verkennt
die Grenzen
des Menschen,
es
mißachtet die fundamentale Unterscheidung von Reich der Welt und Reich Gottes. 6. Das Ideal des internationalen, demokratischen, kollekti-
vistischen Zusammenlebens auf der Basis des Wertes der Persönlichkeit (man beachte den inneren Widerspruch!) ist nicht identisch mit dem Reich Gottes, es ist Aufklärungs-
ideologie, die freilich neben anderen Ideologien durchaus ihr Recht hat. Der Versuch, die Gesellschaftsordnung nach
der Familienordnung
zu gestalten, ruht auf mangelnder
Einsicht in den Unterschied von Gemeinschaft, Gesellschaft, Staat.
7. Die Verachtung der Theologie ist eine Unmöglichkeit. Rauschenbuschs eigne ‘theology for the social gospel’ zeigt freilich wie alle späteren als charakteristisch für die Lehre des social gospel einen mangelnden Gehorsam gegen die Schrift. 7. Aus der Literatur Walter Rauschenbusch: Christianity and the social crisis, 1907. Prayers of the social awakening, 1910. (deutsch: Für Gott und das Volk, 1918). Christianizing the social order, 1912. Theology for the social gospel, 1917 (deutsch: Die religiösen Grundlagen der sozialen Botschaft, Clara Ragaz, 1922).
R.H. Tawney:
The Acquisitive society.
H.F. Ward: The new social order, 1923. Our economic lity, 1929. Which way religion? 1931.
Sherwood
mora-
Eddy: Facing the crisis.
Kirby Page: The World tomorrow (Zeitschrift des social gospel, herausgegeben mit R. Niebuhr).
Reinhold Niebuhr: Does civilisation need religion? 1928. Leaflets from a notebook of a tamed cynic, 1926.
Shailer Mathews: The Church and the changing order.
112
Amerika-Stipendiat.
H.E.Fosdick:
Christianity
the Churches,
herausgegeben
1930—1931
and Progress. The social creed of von
H.F. Ward.
W. A. Visser ’t Hoöft: The background of the social gospel in America, 1928.
Arthur
Titius:
Der
angelsächsische
Christliche Welt, Juli 1926. Karl Müller: Der biblische
Aktivismus
und
Reich-Gottes-Gedanke
Luther,
im
Lichte
das
Reich
des Weltkrieges. Erich Stange: Das Ergebnis der Aussprache über Gottes in Stockholm, 1926. Heinrich Frick: Das Reich Gottes in amerikanischer scher Theologie der Gegenwart.
Me Cown: The genesis of the social gospel, 1929. Hertzler: History of utopian thought, 1923. Troeltsch: Soziallehren der christlichen Kirchen.
und deut-
113
II. JUGENDSEKRETAR
DES
WELTBUNDES
1931 — 1933
Tagung des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen in Cambridge 1.—5. Sept. 1931 [Bericht für „Theologische Blätter“]
Wer der Weltbundarbeit uninteressiert oder mit Ressentiment gegenübersteht, sollte Gelegenheit nehmen, seinem Urteil von den Ergebnissen der Cambridger Tagung entweder von neuem seine Bestätigung geben zu lassen oder aber es zu revidieren.
Die bevorstehende
Abrüstungskonferenz
in Genf und die mit ihren Problemen in nicht unerheblichem Zusammenhang stehende Weltkrise hatte den versammelten Vertretern der Kirchen das Thema der Tagung diktiert. Es handelte sich für die Kirchen in der Abrüstungsfrage, unter deren Zeichen die Konferenz stand, nicht pri-
mär um eine politische Auseinandersetzung der besonders von ihr betroffenen Nationen, sondern um die Frage, ob die gegenwärtig aufrüstenden Völker gewillt sein werden, zu ihrem gegebenen Wort (im Art. 8 der Völkerbundsatzung und in der Präambel des V. Teils des Versailler Vertrages) zu stehen, oder ob mit dem gebrochenen Wort gleich der
erste Versuch einer sittlichen Ordnung der internationalen Beziehungen der Völker hoffnungslos zusammenbrechen soll. Dicht vor dem Abgrund eines abermaligen völligen sittlichen Chaos des Völkerlebens fassen die Kirchen festen
Fuß und rufen auf zur Wahrhaftigkeit und Treue, das gegebene Versprechen zu achten und einzulösen. Es steht die Ehre der aufrüstenden Völker und die gerechte Sache
114
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
auf dem Spiel. Das wurde auf der Konferenz mit unüber-
bietbarer Deutlichkeit von Engländern und Amerikanern ausgesprochen. Auch das französische Referat zur Abrüstungsfrage brachte die Zustimmung zu diesen Gedanken und war weiterhin charakterisiert durch eine Erweiterung des Begriffs der securit€ zu einem internationalen Grund-
begriff gegenüber seiner bisherigen engeren Fassung. Das schloß eine klare Anerkennung des Rechts der deutschen Position ein und bedeutet, daß man versucht hat, sich mit innerer Aufrichtigkeit auf der Ebene unbedingter Gleichberechtigung im Dienste der gemeinsamen Sache zu begegnen. So konnte die Konferenz einmütig die Botschaft an
die Kirchen der Welt ergehen lassen, daß nach ihrer Überzeugung der Krieg als Mittel zur Schlichtung internationaler Streitigkeiten dem Geiste („mind and method“!) Christi und seiner Kirche widerspreche, und daß sie 1. eine wesentliche Verminderung der Rüstung in jeder Form bis auf den niedrigsten Stand, 2. ein billiges und gerechtes Verhältnis der bewaffneten Völker, 3. Sicherheit für alle Völ-
ker gegen einen etwaigen Angriff fordere. Diese Botschaft mögen die Kirchen öffentlich vertreten und den Landesregierungen ihre volle Unterstützung in dieser Richtung
zur Verfügung stellen. Man wird der Kritik von verschiedensten Seiten her nicht entgehen können, es sei hier zu viel oder es sei zu wenig
gesagt worden oder aber, man habe wieder einmal nur etwas gesagt. Wir wollen diese Kritik auch nicht abschwächen,
nur einiges erklären. Das Zuviel liegt besonders in den theologischen Formulierungen,
die wesentlich durch die angel-
sächsische Theologie bestimmt sind und die die Problematik etwa des Kriegsproblemes nur in der Realisierung eines bereits feststehenden
Ideals, d.h. als Aktionsproblematik,
nicht aber als Wesensproblematik begreifen. Das gibt so oft den internationalen kirchlichen Resolutionen den pleropho-
Tagung
des Weltbundes
in Cambridge
115
rischen und doch für unser Ohr leicht inhaltsleeren Klang. Das Zuwenig liegt gewiß in dem, was gesagt worden ist. Wenn am Schluß der Hauptsitzung ein Inder mit gewaltigen Worten die Versammlung aufrief, mehr und Endgültigeres zu sagen, darüber nämlich, wie die Kirche sich nun wirklich stellen wolle, wenn es noch einmal zu einer Katastrophe käme, so drückte sich hier doch auch die berechtigte
und wiederum enttäuschte Hoffnung aus, daß doch die Kirchen nun endlich, endlich einmal ganz konkret reden sollten; die „christlichen Prinzipien‘ —
die angewandte Kunst
— werden gerade auf solchen Konferenzen der echten Christlichkeit am gefährlichsten und müssen doch ausgesprochen werden, solange man eben einfach noch nicht mehr weiß, wobei es dann freilich gut wäre, das offen einzugestehen. Daß die Kirchen wieder einmal eine Resolution gefaßt haben, wird man bei uns in weiten Kreisen einfach
übergehen. So lange die Kirchen nichts anderes zu tun wissen ..... Daß man in England und Amerika noch resolutionsgläubiger ist als bei uns, fällt demgegenüber auch nicht wesentlich ins Gewicht. Und doch geht es auch hier nicht an, mehr erzwingen zu wollen, als uns bisher ge-
geben ist, und es ist von entscheidender Wichtigkeit für den Sinn und den Fortschritt der Weltbundsarbeit, daß die
Kirchen der Länder der vom Weltbund kommenden Botschaft die vollste Resonanz geben und ihr in den Gemein-
den wie in breitester Öffentlichkeit Gehör verschaffen. So haben in England am Tag nach Konferenzschluß der Präsident der englischen Gruppe, der Lord Bischof von Ripon, Bischof D. Ammundsen-Hadersleben, Prof. D. Dr. M. Dibe-
lius-Heidelberg und andere in verschiedenen großen Kirchen im Gottesdienst über die Botschaft des Weltbundes gesprochen. Am Abend fand ein auch durch Radio verbreiteter dreisprachiger Gottesdienst statt, an dem Reichsgerichtspräsident a.D. D. Dr. Simons die Botschaft überbrachte
116
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
und der Bischof von Ripon in der Predigt die Gemeinde zur christlichen Friedensarbeit aufrief. Beachtlich ist, daß die dem Weltbund angegliederte internationale Jugendkonferenz sich nicht hat entschließen können, eine Resolution herauszuschicken; man hatte zu stark das Gefühl dafür, erst einmal neue Verhältnisse neu sehen
lernen zu müssen und nicht gleich mit großen Sprüchen hineinzufahren.
Die große
Dinge zu berücksichtigen,
Konferenz
hatte
und wir müssen
hier andere
ihr dankbar
sein, daß sie eine solche Resolution herausgebracht hat, die
ohne Zweifel einen starken Schritt vorwärts über alles frühere hinaus bedeutet. Nirgends ist die Kritik gegen das gesamte Unternehmen von den verschiedensten Gesichtspunkten her lauter geworden als im Kreise der Jugendkonferenz. Es ist übrigens hier wieder
die geistige Gruppierung
der
Kontinentalen und besonders der deutsch-französischen (auch der dänischen) Gruppe auf der einen Seite und der englisch-amerikanischen auf der andern Seite deutlich hervorgetreten. Die jungen Franzosen sahen viele und wesentliche Dinge sehr ähnlich wie wir, gerade auch theologisch. Es
wurde in diesem jungen Kreise auch mit großer Aufrichtigkeit der ungeheuren Hemmungen, die einer restlosen Offenheit unserer Beziehungen im Wege stehen, gedacht. Aber nicht nur hier, sondern wesentlich in dem Fehlen der großen grundlegenden theologischen Verständigung über un-
sere Arbeit, (wofür die bisher fast allgemein akzeptierte angelsächsische Grundlegung eben nicht genügt), sahen wir ein gemeinsames Bedürfnis und gemeinsame Verpflichtung. Um die als dringende Notwendigkeit empfundene ökumenische Arbeit unter der Jugend fortzuführen, sind drei in-
ternationale Jugendsekretariate begründet worden, für die England, Frankreich und Deutschland je einen Sekretär! 1. F.W.T. Craske (jetzt Bischof von Gibraltar), Pastor P. C. Toureille und Dietrich Bonhoeffer.
Tagung des Weltbundes in Cambridge
117
stellen. In aller Kritik aber blieb es deutlich, daß die Welt-
bundarbeit langsam aber sicher fortschreitet und ein Werk tut, dessen Dringlichkeit heute jedem auf der Seele brennen muß und von dem wir bisher nicht wissen, wie wir es
besser und schneller betreiben könnten. Die jüngst auf der 20. internationalen Tagung des Y.M.C.A. (C.V.J.M.) in Cleveland, U.S.A., gefaßte Resolution gegen die Alleinschuld Deutschlands am Krieg ist, besonders wenn man sie mit der gleichartigen Botschaft des Federal Coun-
cil of the Churches of Christ in Amerika im Nov. 1930 zusammenhält, trotz ihrer außerordentlich vorsichtigen For-
mulierung charakteristisch für einen starken Wandel, der sich im Denken des Amerikaners gegenwärtig vollzieht, zu dem allerdings nicht die Kirchen den Anstoß gegeben haben.
Sie ist ferner gewiß von sehr großer Bedeutung für die gesamte internationale Y.M.C.A.-Arbeit und wird Erleichterung schaffen für die Erziehung zum christlichen Denken mit geweitetem menschlichem Horizont. Und doch wird sie sich schwerlich dem Vorwurf entziehen, den die Botschaft
des Federal Council seinerzeit gerade bei ernsten Amerikanern gefunden hat: wieder einmal zehn Jahre zu spät! Wann wird die Zeit kommen, da die Christenheit das rechte
Wort zur rechten Stunde spricht?
118
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Minutes of the Meeting of the Youth Commission! World Alliance in London, Monday April 4th 1932
Present: The Bishop of Ripon? (Chairman), M. Henriod, Herr Bonhoeffer, Pasteur Toureille, Rev. F. W.T. Craske. The Rev. H. W. Fox, the Rev. R.E. Burlingham, and Mr. Steele were invited to be present for part of the time.
The Report of the meeting of the Youth Commission at Cambridge in September 1931 was read .... Three Youth Secretaries
had been appointed: Privatdozent Dietrich Bonhoeffer, Pasteur P.C. Toureille The Rev. F. W. Craske ... .3
. .. Herr Bonhoeffer said that the results of the Cambridge Conference were few in Germany, owing to opposition to the work of the World Alliance on the part of Nationalist Theological Professors. The YMCA would not be sending any delegates to in-
ternational conferences this year. A Central Organisation for Youth of all religions had been formed, which cooperated in finding delegates for conferences. Dr. Stählin was President, and
Herr Bonhoeffer Secretary. They were producing a list of names of young people who were willing to come to international con-
ferences...
1. Übersetzung siehe Seite 426. 2. Edward
Arthur
Burroughs,
seit 1926
Bischof
von
Ripon,
gestorben
1934,
3. Bonhoeffers Arbeitsgebiet sollte umfassen: Deutschland. Nord- und Zentral-Europa einschließlich Ungarn und Österreich; Toureille’s: Frankreich, Latein-Europa, Balkan, Polen und Tschechoslowakei; Craske’s: Britisches Empire, USA und Ferner Osten.
Jugendkonferenz
in Epsom
119,
Englisch-französische Jugendkonferenz des Weltbundes in Epsom 4.—8. April 1932 [Bericht für „Die Eiche“]
Am 4. April tagte in London das internationale Jugendsekretariat des Weltbundes unter Vorsitz des Bischofs von Ripon. Die drei Jugendsekretäre gaben Bericht über ihre Arbeit, wobei besonders bemerkenswert war, daß der fran-
zösische Vertreter sich über die Aussichten der Weltbundarbeit unter der französischen Jugend am hoffnungsvollsten aussprach. Nirgends scheinen die Anknüpfungspunkte so
schwer zu finden zu sein wie gegenwärtig in Deutschland. Vom 5.—8. April hat die von dem französischen und englischen Jugendsekretär vorbereitete
Regional- Jugendkonfe-
renz in Epsom stattgefunden. Der Unterzeichnete war als der deutsche internationale Jugendsekretär eingeladen und aufs freundschaftlichste aufgenommen. Die drei Hauptthemata waren: Is Christianity practicable in state life, in social life, in industrial life. Es wurde in den Gruppen
lebhaft
diskutiert, wenn es sich auch anfangs meist nur um gegenseitige Information handelte. Sobald es darüber hinausging,
zeigte es sich, daß man bereits am Eingang zur Hauptfrage stecken werden tauchte einmal
blieb, weil man sich nämlich nicht klar darüber konnte, was „Christianity‘“ nun eigentlich sei. Es sehr bald der Wunsch auf, doch erst hierüber sich zu verständigen. Und es zeigte sich, daß von engli-
scher Seite her die unmittelbare Beziehung des Christentums zu den praktischen Fragen immer stärker zum Ausdruck gebracht wurde als von den jungen Franzosen. Dennoch war man sich über eine grundsätzliche bejahende Antwort
120
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
auf die Themafrage einig. Unterschiedlich war wesentlich die Akzentgebung. Doch machte man als Deutscher die Beobachtung, daß auf diesem französisch-englischen RegionalTreffen die theologische Haltung der jungen Franzosen den Engländern nicht so fern und uns Deutschen nicht so nah war, wie wir noch in Cambridge! gespürt zu haben glaubten. Gefährlich ist immer — und das zeigte sich auch diesmal wieder ganz stark — der Versuch, in sogenannten group findings, die meist gar nicht existieren, sondern erzwungen werden müssen, zu gewissen „Resultaten“ zu kommen. Das ist besonders bei nur 2—3stündiger Besprechung von derartig umfassenden Problemen geradezu als unerlaubt zu bezeichnen. Und damit ist die zweite Gefahr, die auch auf dieser Konferenz sehr sichtbar geworden ist, berührt. Es ist mehr als fragwürdig, ob man an derartige umfassende Probleme anders als nach intensivster gemeinsamer Vor-
bereitung (durch Korrespondenz oder Leitsätze, gemeinsame gelesene Literatur) herangehen soll. Meist ist man, ehe der Punkt gefunden ist, der einen eigentlich interessiert, mit der Zeit am Ende. Und die Gespräche sind der Gefahr des
Zerflatterns sehr ausgesetzt. Diesem Mißstand muß gerade auf Jugendkonferenzen aufs entschlossenste entgegengetreten werden. Man darf sich nicht daran gewöhnen, im schö-
nen Gefühl internationaler Freundschaft Zeit zu verlieren für ernste Arbeit. Nur durch solche — dies ist jedenfalls die Meinung der deutschen Jugenddelegation in Cambridge
gewesen — rechtfertigt sich der Aufwand einer internationalen Konferenz. Es bedarf nicht der Erwähnung, daß die englischen Gastgeber es wie immer verstanden haben, dem ganzen Kreis das Bewußtsein freundschaftlichsteer Zusammengehörigkeit zu geben. 1. September
1931.
Konferenz
der Mittelstelle
in Berlin
121
Theologische Konferenz der Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit am 29.—30. April 1932 in Berlin [Berichte für „Die Eiche“] Vorbericht
Zum 29.und 30. April hatte die Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit
mit freundlichster
Unterstützung
durch
das
Kirchenbundesamt zu einer theologischen Konferenz eingeladen. Wer in der Jugendarbeit ökumenischen Gedanken Gehör verschaffen will, erfährt es heute wohl am deutlichsten,
daß uns die rechte theologische Basis für diese Arbeit fehlt. So ist es verständlich, daß gerade die Arbeit der Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit sich mit einer theologischen Konferenz einführt. Man faßte die beiden Grundfragen öku-
menischer Arbeit unmittelbar ins Auge. Generalsuperintendent D. Zoellner sprach über „die Kirche und die Kirchen“, Professor Stählin über „die Kirche und die Völker“. Die sich
anschließende Auseinandersetzung führte in die letzten Voraussetzungen des ökumenischen Denkens hinein und blieb freilich auch darinnen stecken. Es konnte keinem entgehen,
daß wir hier gerade bei den entscheidendsten Fragen in einer tiefen Ratlosigkeit stehen. Es war ein ursprünglicher Wunsch aller, die angebrochene Diskussion im Herbst fort-
zusetzen. Ein ausführlicher Bericht über Referate und Diskussion folgt später. Hauptbericht Unter dem Vorsitz von D. Stählin fand am 29. April, nachmittags um 4 Uhr, die erste Sitzung der theologischen Kon-
122
Jugendsekretär
des Weltbundes
2931—1933
ferenz der Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit statt. Das Referat von Generalsuperintendent D. Zoellner ist in seinen Thesen auf S. 328 f. dieses Heftest abgedruckt. Nach einigen einleitenden Erwägungen über die Schwierigkeit, das Wort „Kirche“ heute wieder lebendig zu machen, und die Unentbehrlichkeit dieses Wortes, faßt D. Stählin die grundsätzlichen Gedanken des Referats in fünf Fragen zusammen, die er D. Zoellner vorlegt:
1. Sollen wir ernsthaft von „Kirche“ sprechen oder sollen wir die religiöse Entleerung des Begriffs „Kirche“ fördern, indem wir diesen Ausdruck nur auf die organisatorischen Gebilde
im Unterschied
von
der eigentlichen
christlichen
communio (Gemeinde oder Reich Gottes) anwenden? Okumenische Arbeit ist sinnvoll und möglich nur, wenn wir die „Kirchen“ als Erscheinungsform der „Kirche“ ernst nehmen.
2. Ist das Entstehen der Kirche als paulinischer oder nachpaulinisher Sündenfall des Christentums zu beurteilen oder liegt schon in der von
Jesus gesammelten
Jünger-
gemeinde der Ansatz zu dem, was Kirche ist; dürfen darum auch oder müssen einige der Gleichnisse vom Reich Gottes zugleich als Beschreibung der Kirche aufgefaßt werden? Okumenische Arbeit ist nur möglich, wenn sich auch aus dem Evangelium selbst rechtfertigen läßt, daß der Ruf Jesu zur Nachfolge zugleich eine Berufung in die Kirche bedeutet.
3. Darf die Kirche soziologisch als Zusammenschluß oder Gemeinschaftserleben christlicher Individuen verstanden werden, oder liegt hier eine ursprüngliche Setzung vor, die allen konkreten Erscheinungsformen der Kirche (zwar nicht immer zeitlich, aber) wesentlich vorgeordnet ist? Wenn die Kirche als Zusammenschluß verstanden werden darf, dann 1. Zu finden in „Die Eiche“ 1932 Nr. 4,
Konferenz
der Mittelstelle
in Berlin
123
bleibt es unseren Entscheidungen und unseren ZweckmäBigkeitsüberlegungen überlassen, ob wir im einzelnen Fall einen solchen Zusammenschluß betreiben wollen oder nicht; ist die Kirche, die eine Kirche, aber wesensmäßig vorgeord-
net, dann ist die ökumenische Arbeit unabweisbare Pflicht jeder christlichen Kirche. 4. Ist die Kirche ein Ort, wo von Christus „gepredigt“ wird, ohne daß doch an diesem Ort sich eigentlich etwas
ereignet, oder ist mit diesem kirchlichen Zeugnis gemeint, daß in diesem Zeugnis Christus selbst gegenwärtig und mächtig wird (Kirche als Leib Christi, als fortdauernde Inkarnation)? Predigtstätten können zusammenhanglos nebeneinanderstehen; aus dem Begriff des Leibes Christi erwächst
Sinn und Verpflichtung der ökumenischen Arbeit. 5. Bedeutet der eschatologische Charakter der Kirche, daß ihr nur eine Verheißung anvertraut ist, so daß alle Kirche auf Erden nur im Noc-nicht stünde, oder bedeutet die „Vorläufigkeit““ alles irdischen Kirchenwesens zugleich und vor allem einen wirklichen Anfang, ein reales Geschehen auf ein Ziel hin (ein Wachstum vom Haupt aus)? Nur von diesem Glauben aus, daß es sich in der Kirche um ein wirkliches Sein, Leben und Wirken Christi in der Welt handelt,
gibt es ökumenische Arbeit. D. Zoellner beantwortet
die Fragen in demselben
Sinne,
wie es D. Stählin bereits in den Schlußsätzen seiner fünf Fragen tut. Dann spitzt sich die Diskussion immer mehr auf die Schlußgedanken des Zoellnerschen Referats über das Verhältnis von Einzelkirche und Una Sancta zu. Pfarrer Peter!: Daß die Gemeinden (die Kirchen) sich formal und nach der natürlichen Art ihrer Glieder besondern und begrenzen, ist nicht sowohl die Folge eines zweiten Sündenfalls, als vielmehr ein Ausdruck des Gehorsams 1. Später Deutsch-Christlicher Bischof in Magdeburg.
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
gegen Gott, der für den Zwischenzustand bis zur Wieder-
kunft auch für seine Gemeinden die Bejahung und Wahrung seiner vielgestaltigen Schöpfungsordnungen fordert. Eine Kluft zwischen der Una Sancta und den Einzelkirchen wird immer da empfunden werden, wo man Glauben, Hoffnung, Liebe organisieren zu müssen meint. Von Fehlver-
suchen nach dieser Richtung hin ist die Kirchengeschichte voll. Wir müssen uns hüten vor der Anschauung, als wäre irgendeine kirchlich-organisatorische Strebung dann der wah-
ren Kirche am nächsten, wenn sie universal im geographischen Sinne sei. Ein Werturteil zu fällen darüber, ob die unter den irdischen Bedingungen in Einzelkirchen aufgeteilte Gemeinde bis zur Wiederkunft Christi „Gestalt und Schöne“ habe oder nicht, weil ihr offenbar das menschlich
so beliebte Harmonische mangelt, steht uns kaum zu, auch muß es uns fernbleiben, die organisatorische Zerteilung der Gemeinden, namentlich, wo diese durch das Volkhafte bedingt ist, ohne weiteres als eine Folge des Verflochtenseins
in die Sündhaftigkeit anzusehen. Für eine Erklärung des Tatbestandes reichen die Begriffe Schicksal und Schuld nicht aus. Es ist gleichzeitig von göttlichen Notwendigkeiten in dieser Welt zu reden. Professor D. Adolf Deißmann betont, aus seiner Mitarbeit innerhalb der ökumenischen Bewegung vieles für
das Kirchenproblem gelernt zu haben, insbesondere durch die persönliche Fühlungnahme mit den Kirchen des Auslandes im Osten und Westen. Ihm erschiene es von hier aus als eine Hauptaufgabe unserer deutschen kirchlichen Besinnung, uns innerhalb unserer Korporationskirchen zur Korpuskirche zurückzufinden. Die christliche Kirche war in ihrer uns hauptsächlich durch Paulus bekannten Urzeit vor allem Korpuskirche; durch sehr lose Korporationsformen zusammengehalten, hatte sie das Selbstbewußtsein, das Soma Christi zu sein. Dieses
Konferenz
der Mittelstelle
in Berlin
125
Kirchenbewußtsein, nur als Kollektivniederschlag der apo-
stolischen Christusmystik begreifbar, ist der alten Kirche niemals
verloren gegangen.
Auch als mit der Entstehung
der altkatholischen Kirche das Korporationsbewußtsein mit reichster Entfaltung auch der Formen rechtlicher Organisation sich verstärkte, blieb das mystische Korpusbewußtsein das Kraftzentrum der Kirche — so sehr, daß für das katholische Kirchenbewußtsein alles, was wir „Kirchenrecht“ nennen und weltlich einschätzen, vom Korpusgedanken her geheiligtes „kanonisches“ Recht geworden ist. Das gilt auch nach der Kirchenspaltung gleichmäßig von der morgenländischen wie von der abendländischen katholischen Kirche bis heute und gibt auch dem Kult dieser Kirchen, der letztlich immer Selbstmanifestation des lebendigen Christus sein will, seine Seele und seine Wucht; von hieraus allein ist die Eigenart der Messe und überhaupt der Sakramente zu
verstehen. In den Reformationskirchen ist das Korpusbewußtsein durchaus nicht aufgegeben;
das Bekenntnis zur Una Sancta ist
ja als etwas Selbstverständliches von ihnen rezipiert. Aber das Korpusbewußtsein der protestantischen Kirchen ist durch ihre territoriale Atomisierung öfter hinter das Korporations-
bewußtsein zurückgedrängt und im Zusammenhang damit das kanonische
Recht stark säkularisiert
worden.
Unsere
protestantische Aufgabe innerhalb der ökumenischen Bewegung ist die, daß wir, wenn auch als „Mitglieder“ säkular organisierter Korporationskirchen, in uns und anderen das Bewußtsein wecken, „Glieder“ am Korpus Christi zu sein.
Es gilt also unter echt protestantischer Konzentrierung auf das Neue Testament, den urchristlichen Korpus- und Glied-
gedanken in seiner Eigenart zu erfassen und in seiner Kontinuität
zu pflegen.
Die Korporationskirchen
können
als
Mitgliederkirchen bestehen bleiben, wenn sie die Seele der Korpuskirche besitzen, wenn also die statistische Tatsache
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
der Mitgliederschaft der einzelnen verlebendigt wird durch das dynamische Bewußtsein der Gliedschaft. Dieser Drang zur Korpuskirche muß das Ethos unserer Mitarbeit insbesondere an der Lausanner Bewegung sein.
Die Korpuskirche in dem angedeuteten Sinne ist nicht identisch mit einer nebulosen ecclesia invisibilis, sondern ist innerhalb dieses Aeons als Christuskirche wirkende und wirksame, sichtbare und spürbare Kirche. Privatdozent Bonhoeffer erhebt zu den Thesen über das
Verhältnis der Una Sancta zu den Einzelkirchen den Einwand, ob hier nicht die Wahrheitsfrage unrechtmäßig verkürzt
werde.
Der Begriff der Häresie
sei der
ökumenischen Bewegung verloren gegangen. D. Zoellner gehe von der Voraussetzung einer den Kirchen einheitlich gegebenen Grundwahrheit aus, die nur in verschiedenen Ausdrucksformen von allen Kirchen dargestellt werde. Man
dürfe aber gerade hier nicht durch Psychologisieren und Historisieren die Schärfen verwischen. Das eigentlich beun-
ruhigende Problem der ökumenischen Arbeit — jedenfalls so wie es von der jungen Generation empfunden werde —
sei nicht das Verhältnis von Organismus und Organisation, sondern das von Wahrheit und Unwahrheit in der Verkündigung der verschiedenen Kirchen. Die dogmatischen Differenzen zwischen verschiedenen an der ökumeniscnen Arbeit beteiligten protestantischen Kirchen seien erheblicher als die
des ursprünglichen Protestantismus zum Katholizismus. Woher aber leitet man das Recht kirchlicher Gemeinschaft ab, wo es um zwei fundamental verschiedene „Wahrheitsideen“ gehe, von denen doch nur eine wahr sein könne, die andere aber häretisch sei. Pastor Lilje unterstützt diese Ge-
danken
unter
Hinweis
auf Luther.
D. Zoellner
unter-
streicht nun seinen Gedanken, daß die meisten Widersprüche nur solche der verschiedenen Sprache seien, wie etwa die
Rechtfertigungslehre des Paulus und des Jakobus dasselbe
Konferenz der Mittelstelle in Berlin
127.
nur in verschiedener Sprache sage. D. Stählin wendet sich gegen diese Auffassung D. Zoellners und meint, es müsse der selbstverständlichen Gewöhnung an das Dasein verschiedener christlicher Kirchen (wozu wir Deutschen auch noch durch die territoriale Zerspaltenheit der Kirche verführt sind) gewehrt werden;
dann werde
das Sehen hin-
über und herüber und nötigenfalls das Streitgespräch, das heißt der Kampf um das rechte Verständnis der einen Wahrheit, zu einer pflichtmäßigen Form des Bekenntnisses
zur Einheit der Kirche. Wir haben die Scheu vor dem Begriff „katholisch“ verloren. Es ist unberechtigt, das Wort „allgemeine“ im Apostolikum willkürlich zu beseitigen. Nur
als Glied der einen allgemeinen, christlichen Kirche hat das Dasein einer einzelnen christlichen Kirche Sinn und Recht. In dem uns aufgetragenen Streitgespräch haben wir wohl den besonderen Auftrag der von der deutschen Reformation her bestimmten Kirchen (Luthertum) unverfälscht geltend zu machen. Aber mit gleichem Ernst haben wir zu fragen, ob nicht die polemischen Notwendigkeiten der Reformationszeit
den deutschen Protestantismus in einer gefährlichen Weise isoliert haben und ob wir nicht heute in unserer Kirche Fehlentwicklungen (Häresien der Kirchenverfassung) zu überwinden, anderseits Erkenntnisse und Kräfte wieder zu
gewinnen haben, die unseren Kirchen weithin verloren gegangen sind, z. B. Bedeutung einer sich nicht an das Bewußtsein wendenden sakramentalen Wirklichkeit, Bedeutung priesterlicher Stellvertretung und Dienst der Heiligen für das Sein der Kirche, Stufenordnung des geistlichen Lebens
und daraus erwachsende echte geistliche Führung. D. Stählin meint, Bonhoeffers Argument sei bewußtseinsanthropologisch, es komme auf das hinter dem Bewußtwerdenden Liegende
an.
Demgegenüber
meint
hoeffer,
man
müsse
nehmen,
man
dürfe sich nicht darauf
Privatdozent
eine Wahrheitsaussage
Bon-
beim Wort
zurückziehen,
daß
128
man
Jugendsekretär
im unbewußten
des Weltbundes.
1931—1933
Hintergrund dasselbe „meine“, ohne
es gleichzeitig zu klarem rechtem Ausdruck im Wort zu bringen. Um 3/49 wird die Sitzung geschlossen.
Am 30. April um 10 Uhr fand die zweite Sitzung unter Vorsitz von Herrn Superintendent Diestel statt. Das Referat über „Die Einheit der Christlichen Kirche und die Völker“
wurde von Professor D. W. Stählin (Münster) Die
Leitsätze
sind
auf
S. 332f.
dieses
gegeben.
Heftes!
abge-
druckt. In der Diskussion wendet sich Lic. Bonhoeffer gegen den dem ganzen Stählinschen Entwurf zu Grunde liegenden Begriff der Schöpfungsordnung und seine Anwendung auf das vorliegende Problem. Es sei nicht möglich, gewisse Ge-
gebenheiten der Welt als Schöpfungsordnungen vor anderen herauszuheben und hierauf ein christlich-sittliches Handeln zu begründen. Vielmehr sei dies allein möglich, wenn von der Offenbarung in Christus her gedacht werde, was hier nicht der Fall sei. Stählins Unterscheidung zwischen Ge- und Verschiedenheit der Völker, von denen nur die
zweite der Schöpfungsordnung angehöre, sei nicht durchzuführen. Wohin gehöre etwa die Sprache, die als Verschieden-
heit die Geschiedenheit begründe (vgl. Gen. 11)? Gerade von dieser Voraussetzung aus aber, d. h. von der Schöpfungsordnung her, werde die Kampfesaufgabe der Völker gerechtfertigt (These 3 und 5). In dem Entwurf selbst aber liegen diese Schwierigkeiten schon angedeutet. In These 2
sei statt von schöpfungsmäßiger von schicksalhafter Verschiedenheit, „Gegebenheiten“ die Rede. Der Begriff des Schicksals aber setze, wenn er überhaupt in der Theologie einen Platz habe, den Sündenfall voraus. Schicksalhafte und
schöpfungsmäßige Gegebenheiten seien darum etwas ganz 1. Zu finden in „Die Eiche“ 1932 Nr. 4.
Konferenz
Verschiedenes.
der Mittelstelle
in Berlin
129
Eine entsprechende Schwierigkeit liege aber
auch in These 6, 4. Wenn
die Kampfesaufgabe aus dem
Gehorsam gegen die gewisse Schöpfungsordnung Gottes entspringt, warum solle man dann nicht seinen Kampf als einen
Kampf für die Sache Gottes ausgeben? Daran könne man nur dort zweifeln, wo die Gewißheit des Wissens um die Schöpfungsordnung erschüttert ist. Bonhoeffer meint daher,
man
müsse den Begriff der Schöpfungsordnung
aus der
Diskussion dieser Themata ausschließen. Er sei eine gefährliche und trügerische Basis. Vielmehr solle man an Stelle von Schöpfungsordnung den Begriff von „Erhaltungsord-
nung‘ Gottes einführen. Der Unterschied sei der, daß vom Begriff der Schöfungsordnung her gewisse Ordnungen, Gegebenheiten als an sich wertige, urständliche, als solche „sehr
gute“ angesehen werden, während mit dem Begriff der Erhaltungsordnung gemeint sei, daß jede Gegebenheit nur von Gott in Gnade und Zorn erhaltene Gegebenheit sei im Ausblick auf die Offenbarung in Christus. Jede Ordnung
unter der Erhaltung Gottes sei ausgerichtet auf Christus und nur seinetwegen erhalten. Eine Ordnung ist nur solange als Erhaltungsordnung Gottes anzusehen, als sie noch offen ist für die Verkündigung des Evangeliums. Wo eine Ordnung, und sei sie die ursprünglichst scheinende, Ehe, Volk usw. dieser Verkündigung grundsätzlich verschlossen
ist, muß sie preisgegeben werden. Statt von der Schöpfungsordnung her müsse
allein aus der in Christus
gegebenen
Offenbarung Gottes die Lösung des allgemein ethischen, hier des ökumenischen Problems gesucht werden. Schließlich beweise These 10 mit ihrem eschatologischen Ausblick, daß gerade hier die Schöpfung als die „sehr gute“, die keiner Verbesserung bedarf, nicht ganz ernst genommen ist. Schöpfung ist als solche, die einer Erlösung bedarf, immer gefallene Schöpfung. Als Schöpfung aber sei sie sehr gut und bedürfe keiner Erlösung.
130
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Hieran schließt sich eine ausführliche grundsätzliche Aussprache über die Verwendbarkeit des Begriffes der Schöpfungsordnung. Pfarrer Peter meint, Schöpfungsordnung sei gar nicht ein Gegenstand des Erkennens, sondern einfach des Gegebenseins. Man müsse unter allen Umständen am
Begriff der Schöpfungsordnung festhalten. Pastor Lilje bestreitet die Möglichkeit der Identifizierung von Schöpfungsordnungen mit konkreten Gegebenheiten. D. Knak sagt, daß es aus den Erfahrungen der Mission in Afrika hervorgehe, daß man z. B. das Volk nicht als Schöpfungsordnung bezeichnen könne, es sei ein Produkt der Geschichte. D.
Stählin wendet sich gegen den Gedanken, Schöpfungsordnung werde nur von Christus her erkannt. Es gäbe auch außerchristlichen Schöpfungsglauben. Durch Christus sei Schöpfungsglaube eschatologisch bestimmt. Es sei eine
Verschiedenheit der Setzung Gottes. Wenn mit dem Begriff der Erhaltungsordnung die Möglichkeit gegeben sein soll, eine bestehende Ordnung um Christi willen preiszugeben, so sei zu bestreiten, daß wir die Möglichkeit haben, zu
entscheiden, wann dieser Augenblick gekommen sei. Vielmehr führe diese Betrachtungsweise sehr leicht in gewisse weichlich-pazifistische Ideen hinein, die unchristlich seien. Pfarrer Peter sagt zu These 6: Ob der Satz „Wir ver-
leugnen die Einheit der Kirche, wenn wir den Glauben als treibende Kraft in den Dienst völkischer Selbsterhaltung stellen“, in dieser Form aufrecht zu erhalten ist, erscheint zweifelhaft, wenn anders nicht die politische Gestal-
tung und der Verantwortungsbereich
für die natürlichen
Grundlagen des Daseins aus dem Glaubensleben überhaupt ausgeschaltet werden sollen. Was dem Bereich der Kirche entzogen ist, braucht darum noch nicht dem Bereich des
Glaubens entzogen zu sein. Der Bereich des Glaubens reicht zum mindesten über die empirische Gestalt der Gemeinde hinaus. Darum
kann mancherlei, was
die Gemeinde
nicht
Konferenz
der Mittelstelle
in Berlin
131
als ihres Amtes erkennt, doch das Amt einer von Gott in
Christo berufenen Persönlichkeit sein. Auch hier erscheint es wieder fraglich, ob man von nationalbestimmter Kirche reden darf, ob nicht die nationale Bestimmtheit eine Sache sei, die den Einzelnen trifft, weil Gott ihn seit seiner Taufe
doppelt geordnet hat, eben in die Schöpfungsordnung und in die Erlösungsordnung. Zu These 7, 3: Es ist die Frage aufzuwerfen, ob wir den „Protest gegen die sündhafte Zerspaltenheit der Welt“ nicht
mehr lebendig erhalten, sofern wir auch nach einem großen Kriegserlebnis und seinen Folgen durch Aufrechterhaltung einer wehrbereiten Mannschaft und eines Heeres erneut auf den Krieg hindenken oder zum mindesten mit seiner Möglichkeit rechnen. Wirkt dieser Protest den Zweifel an der Berechtigung des Wehrgeistes, so muß uns klar sein, daß
wir zu einem vom
Evangelium her bestimmten Verant-
wortungsbewußtsein gegenüber der Kriegsdienstverweigerung
nicht kommen können. Zum mindesten nicht zu einem solchen Verantwortungsbewußtsein, das einen mit der Staatsund Volksbehauptung beauftragten Staatsmann in der Stunde der Gefahr für das Ganze klare Entschlüsse fassen läßt. Privatdozent Bonhoeffer hält es gegenüber den von Stählin
geäußerten
Bedenken
für
ein
verantwortliches
Denken für geradezu unerläßlich, diese Entscheidung zu wagen, wenn der Augenblick gekommen sei, daß eine nur noch unter der Erhaltung stehende Ordnung zerbrochen werden müsse, weil sie nicht mehr offen sei für die Offen-
barung in Christus. Und dieses sich Entscheiden sei gerade jeder Weichheit fern. D. Heckel meint, die Gegensätze zwischen Stählin und Bonhoeffer seien typisch für die gegenwärtige theologische Situation; aber sie komme ebenso klar zum Ausdruck in der Problematik des Auslandsdeutschtums. Die Sitzung mußte um ®/a2 Uhr abgebrochen werden, nach-
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
dem noch vorher der Wunsch auf Fortführung der Diskussion auf einer Tagung im Herbst von allen Seiten ausgesprochen worden war.
Exaudi-Predigt
in
Berlin
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Exaudi-Predigt 8.Mai 1932, Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche, Berlin
2. Chron 20, 12. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir. In den unbeugsamen Geboten Gottes ruht die Welt. Das ist die Treue Gottes zur Welt, daß er seinem Gebot Bestand gibt. Das ist der Zorn Gottes, daß er uns sein Gebot verbirgt. Das ist die Gnade Gottes, daß er uns sein Gebot wissen läßt. Das ist die Verheißung Gottes und unsere Hoffnung, daß wir
einst sein Gebot halten werden. Herr, verbirg dein Gebot nicht vor uns. Lehre uns dein Gebot halten. Exaudi — erhöre uns, Herr, und tu dich uns kund. Es war ein Mann der Tat, ein israelitischer König, der von Feinden bedroht in den Krieg ziehen sollte, also ein streit-
barer Mann, der unser Wort gesprochen hat. Er hatte sein Volk um sich versammelt zum Rat, was zu tun sei. Man braucht Pläne, Programme, Entschlossenheit. Und er spricht zum Volk — und nun geschieht das überaus Seltsame und
doch so ganz Biblische: seine Pläne und Programme zerrinnen, sie werden ihm zu Gebeten, seine Entschlossenheit zu
tiefster Verzagtheit und Demut und er schließt seine Rede — seine Programmrede für den Krieg — mit den Worten: „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir.“ Wahrhaftig, eine herrliche Programmrede, nicht wahr! Wir würden nicht hingerissen sein, wenn in einer ent-
scheidenden Stunde unseres Volkes sich ein führender Mann hinstellte und dies zu sagen wagte: wir wissen nicht, was wir
tun sollen. Mit Schimpf und Schande würden wir ihn davon jagen unter Hohn und Spott. Das soll eine Programmrede
134
Jugendsekretär
des Weltbundes.
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sein! Da sind wir anderes, besseres gewohnt, da wissen wir
besser Bescheid, wie man bei solcher Gelegenheit redet. Da zerrinnen die Programme und Pläne nicht zu Gebeten, son-
dern da werden sie über den Flammen der Begeisterung zu leuchtenden Wahrzeichen und Bannern der eigenen guten und gerechten Sache, da wird Entschlossenheit nicht zu verzagter Demut, sondern zum unwiderstehlichen Bekenntnis zur eigenen Kraft und zum eigenen Mut. Ja, da werden umgekehrt die Gebete noch zu Programmen, die Bitten zu Befehlen, da
muß am Ende des Programms auch noch der Name Gottes genannt werden, da wird auch Er noch in den Dienst des Programms, des klugen Plans, der eigenen Entschlossenheit gestellt, und dann, ja dann ist die christliche Programmrede
fertig, wie wir sie gern hören und 1000mal schon besser und schlechter gehört haben. Wie jämmerlich, wie ärmlich, wie schmählich und feig, wie wenig verantwortungsfreudig, ja wie vaterlandslos muß dem-
gegenüber der erscheinen, dessen ganzes Programm in der Erkenntnis besteht: wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir. Wie unschön und unerbaulich dieser Mann der Bibel und wie sympathisch, herrlich und
erhebend unsere christlichen Programmredner. Und wenn wir nun geradewegs so fortfahren würden, so würden wir drauf und dran sein, unsern Text nur ein klein wenig zu verändern,
um dann über den Text zu predigen: wir wissen, was wir tun sollen, aber unsere Augen sehen auch noch nach dir. Und das würde allerdings einen Fortschritt bedeuten über diesen biblischen Text hinaus, so wie unsere christlichen Programmredner
wirklich einen Fortschritt bedeuten würden über den Mann der Bibel. Es fragt sich nur, wie teuer dieser Fortschritt erkauft ist. Denn der Preis der Wahrheit ist zu teuer, zu hoch für irgendeinen Fortschritt. Und eben diesen Preis der Wahrheit müssen wir zu zahlen bereit sein, wenn wir von der Erkenntnis
Exaudi-Predigt
in
Berlin
135
des Mannes der Bibel zu der unseres christlichen Programmredners fortschreiten wollen. Weil es wahr ist, wie der Mann der Bibel redet, und weil es unwahr ist, wie der andere redet, darum dürfen wir diesen Fortschritt nicht mitmachen; er ist ein Schritt fort von der Wahrheit. Also es ist wahr, d.h. es entspricht unserer Lage als Menschen in der Welt Gott gegenüber, daß wir sagen müssen: wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir. Wir könnten das heute besser wissen denn je; obwohl wir’s immer wissen sollten. Die große Zerrissenheit unserer Ideale, unserer mensch-
lichen Ordnungen und Gefüge stellt uns täglich neu vor die Frage: was sollen wir tun? Wir müssen täglich entscheiden zwischen diesem und jenem Ideal, sei es politischer oder sei es
erzieherischer Natur, sei es in Fragen der persönlichen Lebensführung. Die programmatischen Behauptungen sämtlicher Ideale sind im tiefsten Grund erschüttert. Soll die Erziehung unserer Kinder individualistisch oder kollektivistisch geartet sein? Ist der Nationalstaat oder sind die überstaatlichen Einheiten erstrebenswerter? Soll die Form der Ehe bleiben wie
sie war oder bedarf sie der Neugestaltung? D.h. wie soll ich erziehen, wie soll ich mich als Staatsbürger verhalten, wie
soll ich meine Ehe gestalten? All diese Fragen sind durch die scharfe weltanschauliche Zerspaltung für uns offene Fragen geworden. Weil wir uns aber alle irgendwie entscheiden müs-
sen, so sind wir dauernd durch die Frage beunruhigt: was sollen wir denn tun? Wir wissen nicht, was wir tun sollen.
Aber auch hier ist unser christlicher Programmredner rasch zur Stelle und ist klüger als wir. Er will uns auf unserem
eigenen Felde schlagen. Er sagt: seht doch in die Bibel und lest nach; da steht doch ganz deutlich: du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Das Gebot der Nächstenliebe kennen wir doch (und um der Nächstenliebe willen tun wir all dies). Aber nun muß auch hierauf die sehr nüchterne Frage gestellt werden. Das Gebot der Nächstenliebe kenne ich wohl,
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931— 1933
aber wissen wir wirklich, was es besagt? Was heißt denn, den „Nächsten lieben“? Was heißt denn das für den Politiker,
der über Krieg und Frieden entscheiden soll, was heißt das in der Erziehung, in der Ehe, für den wirtschaftlichen Unter-
nehmer: was soll er denn tun und wie zeigt er denn die Liebe zum Nächsten? Indem er sein Unternehmen vergrößert, seinen Leuten Arbeit gibt und sie 100 andern nimmt, indem er
100 reichlich zahlt und 500 knapp? Was aber heißt es für uns: heißt es, daß wir die Kinder wachsen lassen, heißt es,
daß wir sie hier und dort mit Gewalt in vorgeschriebene Bahnen zwingen? Und warum soll es gerade dies und kann es
nicht gerade ebenso gut genau das Gegenteil heißen? Ja, das Wort: Liebe deinen Nächsten hat keinen klaren eindeutigen
Sinn, sagt uns nicht eindeutig: Dies sollst du tun. Nein, gerade im Gegenteil, indem wir uns unter dieses Gebot stellen, erkennen wir um so tiefer die Verborgenheit des göttlichen Gebotes vor uns, geraten wir desto tiefer in unsere Ratlosig-
keit, in unser Nichtwissen hinein. Und es ergreift uns die furchtbare Angst der Entscheidung,
von der wir wissen, daß sie unter Gottes Augen vollzogen werden muß, und in der wir nicht wissen, was wir tun sollen.
Wir erkennen mit Beben, daß Gott uns sein Gebot verborgen hat, und wir wissen in all unserm Nichtwissen, daß das Got-
tes Zorn ist, der über uns gekommen. Wir kennen Gottes Ge bot nicht mehr, wir sind im Dunkel. Wir wissen nicht, was
wir tun sollen. Und wir wollen nun einmal einen Augenblick wirklich hierbei stehen bleiben; es ist uns, als wenn in einer
schönen Landschaft mit herrlichem Ausblick auf einmal ein kalter Nebel gekommen wäre, der uns völlig einhüllt, daß wir keinen Schritt mehr sehen können und der uns frieren macht; es ist uns, als wenn uns auf einmal die Sonne verfinstert
würde und wir in Nacht und Kälte allein dastehen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen — wir sind ratlos, und wenn wiı
nun um so verzweifelter dies oder jenes tun, so zeigt das un-
Exaudi-Predigt
in
Berlin
137
sere Ratlosigkeit nur um so offensichtlicher. Gott hat uns sein
Gebot verborgen — denn wir haben sein Gebot, aus dem die Welt und wir leben sollten, verletzt, übertreten, verlästert
und nun tritt es uns entgegen in tausendfachem Menschengesetz und ist doch nicht Gottes Gebot.
Und nun wollen wir zurück und der Weg ist uns verlegt und wir wollen vorwärts und der Weg ist uns ebenso verlegt. Und so leben wir von Augenblick zu Augenblick unter dem Fluche unserer Tat und dem Zorn des heiligen Gottes. Und so vernehmen wir aufs neue als Christen die Botschaft,
daß Gott die Welt zum zweitenmal geschaffen hat. Freilich, die Werke dieser zweiten Schöpfung sehen anders aus als die der ersten — sie heißen Kreuz Christi und Auferstehung. Im
Kreuze Christi ist die gefallene Welt zu ihrem Ende gebracht und gerichtet, mit ihrem Wissen und ihrem Tun. Der Mensch, jeder Mensch stirbt mit Christus diesen Tod am Kreuz, ob er’s weiß oder nicht, über ihn geht das Urteil des Gerichtes, das alles Tun und Wissen des Menschen richtet. Der ganze Mensch, mit allem, was er Göttliches zu wissen oder zu tun meint, muß mit dem christlichen Programm unter Gottes Urteil sterben. Aber Christus ist auferstanden und mit ihm die neue Menschheit. Gott hat selbst getan, was kein Mensch tun konnte, er hat den Menschen durch den Tod zum Leben gebracht, er hat sein Gebot, das zum Leben führen sollte, aufs neue kundgetan und selbst erfüllt. Er spricht: Ich tue es, ich
ganz allein und kein anderer. Glaubt an dies Evangelium. Das ist sein neues Gebot, daß wir auf ihn sehen sollen, wie er im
Tode das Leben, im Kreuz die Auferstehung schafft. Wir sind ins Leben gebracht, wir sind in Gnade, wir sind geheiligt und gereinigt, wir sind gewiß, wir sind mit Christus auferstanden, aber wir wissen das doch immer nur, wenn wir aufs Kreuz sehen, d.h. wenn wir wissen, daß wir tot und unterm Zorn,
daß wir unheilig und unrein sind, daß wir nicht wissen, was wir tun sollen. Wir sehen in dieser Welt nur das Kreuz,
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
wir sehen uns auch nur als solche, die unter dem Kreuz verurteilt stehen, als solche, die nicht wissen, was sie tun sollen.
Aber wir glauben im Kreuz an das Leben, in der Sünde an Gott, in der Verborgenheit an das Offenbare, in dem verborgenen Gebot an das offenbare Gebot. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, aber unsere Augen sehen nach dir, nach dem Herrn, nach dem auferstandenen Herrn. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, — denn wir stehen verdammt unter dem Kreuz und unsere Wege sind am Ende; aber wir sehen nach dir, der du in Gericht und Gnade, in Kreuz und Auferstehung
Gott bleibst und deinem Gebot Bestand gibst und ob die Welt darüber zerbräche. Wir sehen nach dir, nicht als solche, die nun schließlich doch wüßten, was sie tun sollen, sondern als solche, die gar nicht wissen, was sie tun sollen, aber die wissen, daß du Sünden vergibst und gnädig bist, als solche, die keinen festen Stand mehr unter den Füßen haben, die aber gefaßt und gehalten sind über dem Abgrund der Bodenlosigkeit, von oben, von dir. Die wissen, daß deine Wege und dein Gebot in dieser Welt verborgen sind unter dem Kreuz, daß sie aber offenbar werden sollen in deinem Reich. Und nun gehen wir heim in unsere Arbeit, Arbeiter, Beamte, Kaufleute, Studenten, Pfarrer, in unsere Arbeit, in der wir nicht wissen, was wir tun sollen. Aber wir wissen nun, daß unsere Arbeit unter dem Kreuz, unter dem Gericht Christi geschieht, daß der Boden, auf dem wir stehen, unsicher geworden ist, daß wir auf diesem Boden nicht stehenbleiben
können ohne zu versinken. Und darum gilt es vorwärts zu gehen und gerade nur wissend, daß wir nicht wissen, was wir tun sollen, nicht dieHände in den Schoß zu legen, auszuruhen,
daß Gott das Seine tut, sondern es geht uns wie dem, der über ein Meer von schwimmenden Eisschollen laufen will. Nirgends darf er ruhen, nicht zu lange Fuß fassen, sonst versinkt er im Bodenlosen, im Abgrund, kaum hat er einen Sprung getan, so muß er bedacht sein auf den nächsten und so fort und so
Exaudi-Predigt
in Berlin
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fort, unter ihm der Abgrund, — und vor ihm —, das weiß er — das Land. Noch sieht er es nicht. Aber er weiß, es ist da. Unsere Augen sehen nach dir; nach dem Boden der Heimat, nach dem Land deiner unbeugsamen Gebote, nach dem Reich der neuen offenbaren Schöpfung, nach deiner Klarheit. Laß uns nicht versinken auf den Schollen, auf denen wir treiben; laß es nicht ewig neblig und kalt um uns sein. Zeig uns in aller Dunkelheit des Kreuzes das Licht deiner Auferstehung,
deiner Verheißung, daß dein Gebot unbeugsam ist. Laß uns dein verborgenes Gebot lieben, und gib uns die Hoffnung, daß wir es dermaleinst halten sollen. Wir Kinder der Welt, Männer und Frauen der Arbeit, des Tuns, wir treten vor dich, Gott, und beten: wir wissen nicht, was wir tun sollen, aber unsere Augen sehen nach dir. Ver-
birg dein Gebot nicht ewig vor uns. Wir wissen, deine Treue ist groß. Exaudi — erhöre uns, Herr.
140
des Weltbundes.
Jugendsekretär
1931—1933
Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit! Es gibt noch keine Theologie der ökumenischen Bewegung.
So oft die Kirche Christi in ihrer Geschichte zu einem neuen Verständnis ihres Wesens kam, hat sie eine neue, diesem ihrem Selbstverständnis angemessene Theologie hervorgebracht. Eine Wendung des kirchlichen Selbstverständnisses
erweist sich als echt dadurch, daß sie eine Theologie hervorbringt. Denn Theologie ist die Selbstverständigung der Kirche über ihr eigenes Wesen auf Grund ihres Verständ-
nisses
der Offenbarung
Selbstverständigung
Gottes
in Christus,
setzt notwendig
immer
und
diese
dort ein, wo
eine neue Wendung im kirchlichen Selbstverständnis vorliegt. Entspringt die ökumenische Bewegung einem neuen Selbstverständnis der Kirche Christi, so muß und wird sie
eine Theologie hervorbringen. Gelingt ihr das nicht, so wird das ein Beweis dafür sein, daß sie nichts ist als eine neue
zeitgemäße kirchliche Zweckorganisation. Von einer solchen verlangt man keine Theologie, sondern nur ein ganz bestimmtes konkretes Handeln in einer konkreten Aufgabe.
Es gibt auch keine Theologie der Mitternachtsmission. Es ist aber sehr wichtig zu sehen, daß je nachdem die ökumenische Bewegung etwas völlig Verschiedenes ist. Es wäre falsch, wollte man sagen, es sei die Arbeit von
Lausanne, die Theologie der ökumenischen Bewegung hervorzubringen. Vielmehr ist auch hier zu fragen: auf Grund wovon geschieht denn die theologische Zusammenarbeit in Lausanne,
ist sie selbst ein Ausdruck
eines neuen
1. Vortrag, gehalten auf der Jugendfriedenskonferenz Kupele,
Tschechoslowakei,
am
26.
Juli 1932.
kirch-
in Cernohorske
Begründung
der Weltbundarbeit
141
lichen Selbstverständnisses oder ist sie letztlich Zweckorganisation zur besseren gegenseitigen Verständigung differie-
render theologischer Terminologien? Und je nach der Beant-
wortung
dieser Frage
wird
man
auch
wissen,
was
man
von Lausanne erwarten darf und was nicht. Unzweifelhaft ist die ökumenische Arbeit aufs engste mit der Praxis verknüpft. Das hat zur Folge gehabt, daß eine große Gruppe alter Praktiker bis heute mit einer gewissen Geringschätzung auf die Arbeit der Theologie blickt. „Gott lob, daß
wir hier keine Theologie treiben müssen, daß wir hier endlich einmal frei sind von der lähmenden Problematik für — so sagt man dann. Aber eben die christliche Tat“ Haltung ist verderblich gewesen und fordert unseren sten Protest heraus; denn sie hat zur empfindlichsten gehabt, daß die ökumenische Arbeit politisch bedingten
diese vollFolge Kon-
junkturschwankungen ausgesetzt wurde. Weil es keine Theologie der ökumenischen Bewegung gibt, darum ist der ökumenische Gedanke z. B. gegenwärtig in Deutschland durch die politische Welle des Nationalismus in der Jugend kraft-
los und bedeutungslos geworden. Und es steht in anderen Ländern nicht anders. Es fehlt theologische Verankerung, gegen die die Wellen von rechts und links vergebens an-
stürmen. Nun ist die Hilflosigkeit groß, und die Verwirrung der Begriffe ist grenzenlos. Der in der ökumenischen Arbeit Stehende muß sich vaterlandslos und unwahrhaftig schelten lassen, und jeder Versuch einer Entgegnung wird leicht überschrien. Und warum das alles? Allein darum,
weil man versäumt hat, rechtzeitig klare theologische Linien herauszuarbeiten,
in denen sich die ökumenische Ar-
beit bewegen soll. Kein Wort über das, was die Kirche in der ökumenischen Arbeit praktisch geleistet hat! Wir haben hier allen Anlaß zur Dankbarkeit und zum Respekt. Aber was ist es denn, was auf den internationalen Jugendkonfe-
renzen der letzten Zeit immer wieder mit elementarer Kraft
142
zum
Jugendsekretär
Durchbruch
kam?
des Weltbundes.
Was
1931—1933
diesen Konferenzen
einen so
wenig „praktischen“ Charakter gab, was sich gegen die hergebrachte Form von Resolutionsbeschlüssen auflehnte? Es ist die Erkenntnis der tiefen Ratlosigkeit gerade in den Fragen, die unser Zusammensein begründen sollen. Was ist das Christentum, von dem wir da immer reden hören? Ist
es im wesentlichen der Inhalt der Bergpredigt oder ist es die Botschaft von der Versöhnung in Kreuz und Auferstehung unseres
Herrn?
Was
für eine Bedeutung
hat die
Bergpredigt für unser Handeln? und was für eine Bedeutung die Botschaft vom Kreuz? Wie verhalten sich die Gestalten unseres neuzeitlichen Lebens zu der christlichen Verkündigung? Was hat der Staat, was hat die Wirtschaft, was hat unser soziales Leben mit dem Christentum zu tun? Es ist unleugbar, daß wir hier alle noch unser Nichtwissen bekennen müssen; aber es ist ebenso unleugbar, daß wir dies unser Nichtwissen als unsere Schuld erkennen sollen. Wir sollten hier wirklich mehr wissen. Wir haben versäumt, hier klar und entschieden zu denken und Stellung zu nehmen. Und nun merken wir erst mitten auf dem See, daß das Eis, auf dem wir stehen, brüchig ist.
Das, was darauf für uns folgt, aber ist dies: es soll um keinen Preis dieser hier klar erkannte Sachverhalt aufs neue verschleiert werden. Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, vor der Welt und sich selbst so zu tun, als wüßte man die Wahrheit, während man sie im Grunde nicht weiß. Dafür ist diese Wahrheit zu ernst, und es wäre ein Verrat an der Wahrheit, wenn die Kirche sich hinter
Resolutionen und frommen sog. christlichen Prinzipien versteckt, sehen wissen nichts
wo sie aufgerufen ist, der Wahrheit ins Gesicht zu und zu allererst einmal ihre Schuld und ihr Nichteinzugestehen. Es können solche Resolutionen ja auch Ganzes und nichts Eindeutiges sein, wenn nicht der
ganze Ernst der ganzen christlichen Wahrheit, wie die Kirche
Begründung der Weltbundarbeit
143
sie weiß oder bekennt, nicht zu wissen, dahinter steht. Qualifiziertes Schweigen könnte der Kirche heute vielleicht
angemessener sein als ein Reden, das möglicherweise sehr unqualifiziert ist. Das bedeutet Protest gegen jedes Kirchentum, das nicht der Frage nach der Wahrheit vor allem die Ehre gibt. Das Nächste aber ist die Forderung, daß nun mit ganzem Ernst diese Frage neu gestellt wird. Das
Anliegen der an der ökumenischen Arbeit inneren Anteil nehmenden Jugend — heißt: wie sieht unsere ökumenische bzw. die Weltbundarbeit im Spiegel der Wahrheit des Evan-
geliums aus? Und wir meinen, diesen Fragen nicht anders näher kommen zu können als durch ganz ernstes, den Fol-
gen und dem Erfolg gegenüber ganz rücksichtsloses, streng theologisches Neuerarbeiten der biblischen und reformatorischen Grundlagen unseres ökumenischen Kirchenverständnisses. Wir fordern eine verantwortliche Theologie der öku-
menischen Bewegung um der Wahrhaftigkeit und um der Gewißheit unserer Sache willen. Das, was nun folgt, will verstanden sein als ein Versuch,
einige der grundlegenden theologischen Fragen, die unsere Weltbundarbeit insbesondere betreffen, zunächst einmal klar umrissen zu Gesicht zu bringen und an ihren theologischen
Ort zu weisen. Es handelt sich unbedingt um Fragen, die von innen her gestellt werden, nicht von außen, von dem uninteressierten Platz des Zuschauers. Aber denen, die dennoch diese Fragen für Fragen „von außen“ halten, sei
gesagt, daß eben diese Fragen heute von innen her gestellt sind. Unserer Weltbundarbeit liegt — bewußt oder unbewußt — eine ganz bestimmte Auffassung von der Kirche zugrunde. Die Kirche als die eine Gemeinde des Herrn Jesus Christus, der Herr der Welt ist, hat den Auftrag, sein Wort der
ganzen Welt zu sagen. Das Revier der einen Kirche Christi ist die ganze Welt. Jeder Einzelkirche sind örtliche Grenzen
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
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ihrer Verkündigung gezogen, der einen Kirche sind keine Grenzen gezogen. Und diesem ihrem Anspruch auf die
ganze Welt, besser diesem Anspruch ihres Herrn auf die ganze Welt Ausdrück zu geben, haben sich die Weltbundkirchen zusammengeschlossen. Sie verstehen es als die Aufgabe der Kirche, den Anspruch Jesu Christi auf die ganze
Welt vernehmlich zu machen. Hier ist eingeschlossen die Abwehr des Gedankens, daß es gottgewollte Eigengesetzlichkeiten des Lebens gebe, die der Herrschaft Jesu Christi entzogen wären, die dieses Wort nicht zu hören bedürften. Nicht ein heiliger, sakraler Bezirk der Welt gehört Christus, sondern die ganze Welt.
Nun muß als erstes gefragt werden: in welcher Vollmacht spricht die Kirche, wenn sie diesen Anspruch Christi auf die Welt verkündigt? In der Vollmacht, in der allein die Kirche zu reden vermag, in der Vollmacht des in ihr gegenwärtigen
lebendigen Christus. Die Kirche ist die Gegenwart Christi auf Erden, die Kirche ist der Christus praesens. Darum allein
hat ihr Wort Vollmacht. Das Wort der Kirche ist das Wort des gegenwärtigen Christus, es ist Evangelium und Gebot. Es ist nicht eines allein, und es kann als das eine nur verstanden werden, wenn es zugleich als das andere verstanden wird. Es wäre der Rückfall der Kirche in die Synagoge,
wenn ihre Verkündigung allein Gebot wäre, es wäre der Abfall der Kirche ins Schwärmertum, wollte sie das Gebot
Gottes verleugnen um des Evangeliums willen. Als das Wort aus der Vollmacht des Christus praesens muß das Wort der Kirche heute und hier gültiges, bindendes Wort sein. Mit Vollmacht kann zu mir nur gesprochen werden, wenn ein Wort aus der tiefsten Kenntnis meiner Menschlichkeit mich in meiner ganzen Wirklichkeit
jetzt und hier betrifft. Jedes andere Wort ist Ohnmacht. Das Wort der Kirche an die Welt muß darum aus der tiefsten Kenntnis der Welt dieselbe in ihrer ganzen gegen-
Begründung
der Weltbundarbei:
145
wärtigen Wirklichkeit betreffen, wenn es vollmächtig sein will. Die Kirche muß hier und jetzt aus der Kenntnis der Sache heraus in konkretester Weise das Wort Gottes, das Wort der Vollmacht, sagen können, oder sie sagt etwas anderes, Menschliches, ein Wort der Ohnmacht. Die Kirche darf also
keine Prinzipien verkündigen, die immer wahr sind, sondern nur Gebote, die heute wahr sind. Denn, was „immer“ wahr ist, ist gerade „heute“ nicht wahr. Gott ist uns „immer“ gerade „heute“ Gott. Wie kann das Evangelium und wie kann das Gebot von der Kirche in Vollmacht, d. h. aber in vollster Konkretion,
verkündigt werden? Hier liegt ein Problem von außerordentlicher Schwierigkeit und Tragweite. Kann die Kirche mit derselben Sicherheit das Gebot Gottes verkündigen, wie
sie das Evangelium verkündigt? Kann die Kirche mit derselben Sicherheit sagen: Wir brauchen eine sozialistische Wirtschaftsordnung, oder: Geht nicht in den Krieg, wie sie
sagen kann: Dir sind deine Sünden vergeben? Offenbar wird Evangelium wie Gebot nur in Vollmacht verkündigt,
wo es ganz konkret gesprochen wird. Sonst bleibt es im allgemein Bekannten, im Menschlichen, im Ohnmächtigen, in der Lüge. Worin liegt das Prinzip der Konkretion beim Evangelium und wo liegt es beim Gebot? Hieran muß sich das Problem entscheiden lassen. Das Evangelium wird konkret bei dem Hörenden, das Gebot wird konkret durch den Verkündigenden. Der Satz: „Dir sind deine
Sünden vergeben“ ist als in der Verkündigung, in der Predigt oder beim Abendmahl zur Gemeinde gesprochener Satz so geartet, daß er dem Hörenden in vollster Konkretion begegnet. Demgegenüber bedarf das Gebot bereits der inhaltlichen Konkretion durch den Verkündigenden; das Gebot: Du sollst den Nächsten lieben, ist als solches so allgemein, daß es der stärksten Konkretion bedarf, um
daraus zu hören, was
das heute und hier für
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
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mich bedeutet. Und nur als solches konkretes Wort zu mir, ist es Gottes Wort. Der Verkündigende muß also darauf bedacht sein, die jeweilige Sachlage so mit in die Gestaltung des Gebotes einzubeziehen, daß das Gebot in die wirk-
liche Situation selbst hineintrifft. Die Kirche muß im Entscheidungsfall eines Krieges etwa nicht nur sagen können: es sollte eigentlich kein Krieg sein; aber es gibt auch notwendige Kriege, und nun jedem Einzelnen die Anwendung
dieses Prinzips überlassen, sondern sie sollte konkret sagen können: geh in diesen Krieg oder geh nicht in diesen Krieg. Oder in der sozialen Frage; es sollte nicht das letzte Wort der Kirche sein zu sagen: es ist Unrecht, daß der eine
Überfluß hat, wenn der andere hungert: aber das Eigentum ist gottgewollt und darf nicht angetastet werden, und nun die Anwendung wiederum den Einzelnen überlassen. Sondern, wenn die Kirche wirklich ein Gebot Gottes hat, so
muß sie es in konkretester Form aus der vollsten Kenntnis der Sache
heraus
verkündigen
und
zum
Gehorsam
auf-
rufen. Ein Gebot muß konkret sein oder es ist kein Gebot. Gottes Gebot fordert etwas ganz Bestimmtes jetzt von uns. Und die Kirche soll dies der Gemeinde verkündigen.
Nun entsteht aber hier eine ungeheure Schwierigkeit. Wenn die Kirche, bevor sie gebieten kann, die Sachlage bis ins Einzelne kennen muß, wenn also die Gültigkeit ihres Ge-
botes abhängig ist von ihrer detaillierten Sachkenntnis — etwa über den Krieg, Abrüstung, Minoritäten, soziale Frage — so läuft die Kirche immer Gefahr, bei ihrem Ge-
bot nun doch diesen oder jenen sachlichen Gesichtspunkt übersehen oder auch nur unterschätzt zu haben, und damit
wird dann die Kirche in ihrem Gebot gerade wieder völlig unsicher gemacht. Also die Sachzugewandtheit der gebieten-
den Kirche ist einerseits Vorbedingung für ein wirkliches Gebot und macht anderseits jedes ihrer Gebote immer wieder unsicher, weil abhängig von der vollen Kenntnis der
Begründung
der Weltbundarbeit
147
Wirklichkeit. Es gibt nun grundsätzlich zu diesem unlöslichen Dilemma eine doppelte Stellungnahme: Einmal das Ausweichen und Sichzurückziehen auf die Etappe der Prinzipien. Das ist der Weg, den die Kirchen fast immer gegangen sind. Oder aber: die Schwierigkeit wird klar ins Auge gefaßt, und es wird nun allen Gefahren zum Trotz etwas gewagt, nämlich entweder ein bewußtes und qualifiziertes Schweigen des Nichtwissens oder aber es wird das Gebot gewagt, in aller denkbaren Konkretion, Aus-
schließlichkeit, Radikalität. Die Kirche wagt also etwa zu sagen: geht nicht in diesen Krieg; seid heute Sozialisten, dieses Gebot als Gottes Gebot aus der klaren Erkenntnis, daß es sein kann, daß sie damit Gottes Namen lästert, daß
sie irrt und sündigt, aber sie darf es sprechen im Glauben an das Wort von der Sündenvergebung, das auch ihr gilt.
So aber ist die Verkündigung des Gebotes begründet in der Verkündigung der Sündenvergebung. Die Kirche kann nicht gebieten, ohne selbst im Glauben an die Sündenvergebung zu stehen und ohne alle, denen sie gebietet, auf diese ihre Verkündigung der Sündenvergebung hinzuweisen. Die Verkündigung des Gebotes erfährt die Sicherung
seiner Gültigkeit durch die Verkündigung der Sündenvergebung.
Bedarf
nun
auch
diese Verkündigung
der Sün-
denvergebung noch einer Sicherung ihrer Gültigkeit? Die Sicherung der Gültigkeit der Verkündigung
der Sündenver-
gebung ist das Sakrament. Hier ist der allgemeine Satz: „Dir sind deine Sünden
vergeben“
gebunden
an Wasser,
Wein und Brot, hier kommt er zu der ihm eigentümlichen Konkretion, die als konkretes Hier und Jetzt des Wortes. Gottes allein von dem glaubend Hörenden verstanden wird.
Was für die Verkündigung des Evangeliums das Sakrament ist, das ist für die Verkündigung des Gebotes die Kenntnis der konkreten Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist das Sakrament des Gebotes. Wie die Sakramente der Taufe
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und des Abendmahls die einzigen Gestalten der ersten Schöpfungswirklichkeit in diesem Aon sind und wie sie um dieser ihrer schöpfungsmäßigen Ursprünglichkeit willen Sakramente sind, so ist das „ethische Sakrament“ der Wirklichkeit nur insofern als Sakrament zu bezeichnen, als
diese Wirklichkeit selbst ganz begründet ist in ihrer Beziehung auf die Schöpfungswirklichkeit. Wie also die gefallene
Welt und die gefallene Wirklichkeit allein durch ihre Beziehung auf die geschaffene Welt und die geschaffene Wirklichkeit Bestand hat, so beruht das Gebot in der Sünden-
vergebung. Die Kirche verkündigt in Vollmacht das Evangelium und das Gebot. Soweit nun die Aufgabe, die der Weltbund sich gesetzt hat, in Betracht kommt,
Frage nach der Ausrichtung
geht es uns hier um
eines bestimmten
die
göttlichen
Gebotes an die Welt. Wir sahen, daß dies Gebot nur ausgerichtet werden kann auf Grund des Glaubens an die
Sündenvergebung.
Aber es muß
ausgerichtet werden, so
lange die Welt nicht Kirche ist. Woher weiß die Kirche, was Gottes Gebot für die Stunde ist? Denn offenbar ist das keine Selbstverständlichkeit. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen“, 2. Chron. 20, 12. „Verbirg
Dein Gebot nicht vor des Gebotes Gottes ist vernimmt die Kirche wort könnte sein:
mir“, Ps. 119, 19. Die ein Akt der Offenbarung diese Offenbarung? Die das biblische Gesetz,
predigt ist die absolute Norm
für unser
haben
ernst
einfach
die Bergpredigt
Erkenntnis Gottes. Wo erste Antdie Berg-
Handeln.
zu nehmen
Wir
und zu
realisieren. Das ist unser Gehorsam gegen das göttliche Gebot. Demgegenüber ist zu sagen: Auch die Bergpredigt darf
uns nicht zum gesetzlichen Buchstaben werden. Sie ist in ihren Geboten die Veranschaulichung dessen, was Gottes Gebot sein kann, aber nicht, was es gerade heute und gerade für uns ist. Das kann niemand hören als wir selbst, und
Begründung
der Weltbundarbeit
149
das muß uns Gott heute sagen. Das Gebot ist nicht ein für allemal da, sondern es wird immer neu gegeben. So allein sind wir frei vom Gesetz, das sich zwischen uns und Gott stellt, und hören allein auf Gott. Die zweite Antwort will das Gebot Gottes in der Schöpfungsordnung finden. Weil schöpfungsmäßig gewisse Ordnungen gegeben seien, darum soll man sich dagegen auch nicht auflehnen, sondern diese demütig hinnehmen. So kann man dann argumentieren: weil die Völker nun
einmal verschieden geschaffen seien, so sei ein jeder verpflichtet,
seine
Eigenart
zu
erhalten
und
zu
entfalten.
Das sei Gehorsam gegen den Schöpfer. Und wenn dieser Gehorsam einen in Kampf und Krieg führt, so sei eben auch
dieses als schöpfungsmäßig geordnet aufzufassen. Auch hier also ist das Gebot Gottes als etwas gedacht, das ein für allemal da ist, in bestimmten Ordnungen jederzeit gegeben,
auffindbar. In diesem Argument liegt nun eine besondere Gefahr; und weil es dasjenige ist, mit dem gegenwärtig am meisten gearbeitet wird, muß ihm besondere Aufmerksam-
keit gewidmet werden. Die Gefahr dieses Arguments liegt darin, daß sich von hier aus grundsätzlich alles rechtfertigen läßt. Man braucht ein Daseiendes nur als Gottgewolltes, Gottgeschaffenes auszugeben, und jedes Daseiende ist für Ewigkeit gerechtfertigt, die Zerrissenheit der Menschheit in Völker, nationaler Kampf, der Krieg, die Klassengegensätze,
die Ausbeutung der Schwachen durch die Starken, die wirtschaftliche Konkurrenz auf Tod und Leben. Nichts einfacher als dies alles — weil daseiend — auch als gottgewollt auszugeben und zu sanktionieren. Der Fehler aber liegt darin, daß in der Lösung dieser scheinbar so einfachen Gleichung die große Unbekannte übersehen ist, die diese Lösung unmöglich macht. Daß die Welt gefallen ist und daß nunmehr die Sünde herrscht und daß Schöpfung und Sünde so ineinander verflochten sind, daß kein menschliches Auge sie
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mehr voneinander lösen kann, daß jede menschliche Ordnung Ordnung der gefallenen Welt ist und nicht der Schöp-
fung, das ist in seinem Ernst nicht gesehen. Es gibt keine Möglichkeiten meht, irgendwelche Gegebenheiten als solche als Schöpfungsordnungen anzusprechen und in ihnen unmittelbar den Willen Gottes zu vernehmen. Die soge-
nannten Schöpfungsordnungen an sich sind nicht mehr Offenbarungen des göttlichen Gebotes, sie sind verhüllt und unsichtbar. Damit ist der Begriff der Schöpfungsordnung
als begründend für das Wissen um das Gebot Gottes abgetan. Also weder das biblische Gesetz als solches noch die sogenannte Schöpfungsordnung als solche sind für uns das göttliche Gebot, das wir heute annehmen. Das Gebot kann nirgends anders herkommen, als wo die Verheißung und Erfüllung herkommt, von Christus. Von Christus allein her müssen wir wissen, was wir tun sollen. Nun aber nicht von ihm als dem predigenden Propheten der Bergpredigt, sondern von ihm als dem, der uns das Leben und die Vergebung gibt, als dem, der an unserer Stelle das Gebot Gottes erfüllt hat, als dem, der die neue Welt bringt und verheißt. Nur dort, wo das Gesetz erfüllt ist, wo die neue
Welt der Ordnung Gottes da ist, können wir das Gebot vernehmen. Damit sind wir ganz auf Christus ausgerichtet. Damit verstehen wir aber auch die ganze Weltordnung der gefallenen Schöpfung allein als auf Christus, auf die neue Schöp-
fung ausgerichtet. Das bisher für unseren Blick Dunkle und Verborgene rückt unter ein neues Licht. Nicht so, daß wir nun von Jesus Christus her auf einmal wüßten, welche Gegebenheiten wir als Schöpfungsordnung anzusehen hätten und welche nicht, sondern so, daß wir wissen, daß alle
Ordnungen der Welt nur dadurch Bestand haben, daß sie auf Christus ausgerichtet sind; sie alle stehen allein unter der Erhaltung Gottes, solange sie noch offen sind für Christus, sie sind Erhaltungsordnungen, nicht Schöpfungs-
Begründung
der Weltbundarbeit
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ordnungen. Sie bekommen ihren Wert ganz von außen her, von Christus her, von der neuen Schöpfung her. Ihr Wert ruht nicht in ihnen selbst; d. h. aber sie sind nicht als Schöpfungsordnungen anzusprechen, die als solche „sehr gut“ sind, sondern sie sind Erhaltungsordnungen Gottes, die nur solange Bestand haben, als sie offen bleiben für die
Offenbarung in Christus. Die Erhaltung ist das Tun Gottes mit der gefallenen Welt, durch das er die Möglichkeit der Neuschöpfung gewährleistet. Die Erhaltungsordnungen sind
Formen der Zweckgestaltung gegen die Sünde in der Richtung auf das Evangelium. Jede Ordnung — und sei es die älteste und heiligste — kann zerbrochen werden und muß es, wenn sie sich in sich selbst verschließt,
verhärtet und die Verkündigung der Offenbarung nicht mehr zuläßt. Von hier aus hat die Kirche Christi über die Ordnungen
der Welt zu urteilen. Und von hier aus muß
sie das Gebot Gottes hören. Sie hat in dem geschichtlichen Wandel der Ordnungen der Welt nur dies im Auge zu behalten, welche Ordnungen dies radikale Verfallen der Welt
an Tod und Sünde am ehesten aufzuhalten und dem Evangelium den Weg offen zu halten vermögen. Allein von Christus her, nicht aus irgendeinem festgelegten Gesetz, noch aus irgendeiner ewigen Ordnung, hört die Kirche das Gebot, und sie vernimmt es in den Ordnungen der Erhal-
tung. Das Gebot von
Christus her ist darum auch das
schlechthin kritische und radikale Gebot, das durch nichts anderes — keine sogenannte „Schöpfungsordnung“ begrenzt wird. Es kann die radikalste Zerstörung fordern gerade um
der Einen Aufbauenden willen. Das Wagen und Entscheiden der Kirche für oder gegen eine Ordnung der Erhaltung
wäre eine Unmöglichkeit, wenn es nicht geschähe im Glauben an den Gott, der in Christus
auch der Kirche ihre
Sünden vergibt. Aber in diesem Glauben muß gewagt und entschieden werden.
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Jugendsekretär
Die im Weltbund
des Weltbundes.
1931—1933
zusammengeschlossenen
Kirchen meinen
eine ganz bestimmte Ordnung als uns von Gott heute geboten zu erkennen. Die Ordnung des internationalen Friedens ist heute ‘Gottes Gebot für uns. Damit ist also eine ganz konkrete Erkenntnis des Willens Gottes für unsere Zeit ausgesprochen. Die Erkenntnis soll nun von dem bisher Gesagten aus analysiert und interpretiert werden. Was kann die Kirche über den internationalen Frieden als Gottes Gebot sagen? so lautet die Frage. Zunächst: Sie setzt sich wie jeder, der Gottes Gebot sagt, dem Verdacht aus, schwärmerisch zu sein und Träume zu verkündigen, d.h. aus dem Fleisch zu reden und nicht aus dem Geist.
Sie kann auch durch gar nichts ihr Wort als Gottes Gebot „qualifizieren“, als durch fortgesetzten, monotonen, nüchternen Hinweis auf dies Gebot. Sie wird vergeblich versuchen, das Ärgernis des pazifistischen Humanitarismus zu widerlegen, wo nicht das Gebot des Friedens selbst schon als Gottes Gebot vernommen ist. Die Kirche muß das wissen und auf jeden Versuch einer Rechtfertigung des Gebotes Gottes Verzicht leisten. Sie richtet es aus, sonst nichts.
Unter dem übermächtigen Einfluß des angelsächsischen theologischen Denkens im Weltbund hat man bisher den hier gemeinten Frieden als Wirklichkeit des Evangeliums, sagen
wir ruhig, als ein Stück Reich Gottes auf Erden verstanden. Von hier aus wird das Ideal des Friedens absolutiert, d. h. nun nicht mehr nur als Zweckgestaltung und Erhaltungs-
ordnung verstanden, sondern als endgültige, in sich wertige Ordnung der Vollendung, als ein Hereinbrechen einer jen-
seitigen Ordnung in die gefallene Welt. Außerer Frieden ist ein als solcher „sehr guter“ Zustand. Er ist somit Schöpfungs- und Reichs-Gottes-Ordnung, und als solcher bedin-
gungslos zu erhalten. Diese Auffassung aber muß als schwärmerisch und darum unevangelisch abgelehnt werden. Der internationale Frieden ist nicht eine Wirklichkeit des
Begründung
der Weltbundarbeit
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Evangeliums, nicht ein Stück des Reiches Gottes, sondern ein Gebot des zornigen Gottes, eine Ordnung der Erhaltung
der Welt auf Christus hin. Der internationale Friede ist darum auch kein absoluter Idealzustand, sondern eine Ordnung, die auf etwas anderes hin ausgerichtet ist und nicht in sich selbst wertig ist. Die Aufrichtung einer derartigen Erhaltungsordnung kann freilich absolute Dringlichkeit bekommen, aber doch nie um ihrer selbst willen, sondern um des willen, auf das sie hinzielt, nämlich um des Hörens
der Offenbarung willen. Der gebrochene Charakter der Friedensordnung kommt darin zum Ausdruck, daß der von Gott
gebotene Friede zwei Grenzen hat: erstens die Wahrheit, zweitens das Recht. Gemeinschaft des Friedens kann nur bestehen,
wenn
recht ruht.
sie nicht
Dort,
wo
auf Lüge
und
eine Gemeinschaft
nicht
auf
Un-
des Friedens
Wahrheit und Recht gefährdet oder erstickt, muß die Friedensgemeinschaft zerbrochen und der Kampf angesagt werden. Wird der Kampf dann von beiden Seiten wirklich um die Wahrheit und das Recht geführt, so ist die Friedensgemeinschaft, wenn auch äußerlich zerbrochen, so doch in dem Kampf um dieselbe Sache um so tiefer und stärker verwirklicht. Sollte es nun aber klar werden, daß einer der
Kämpfenden nur um seiner selbstischen Ziele willen kämpft, sollte also auch diese Form der Friedensgemeinschaft zerbrochen werden, so enthüllt sich hier die Wirklichkeit, die der letzte und einzig tragende Grund aller Gemeinschaft des Friedens ist, die Vergebung der Sünde. Weil einer dem
anderen seine Sünde vergeben will, darum allein gibt es für den Christen Friedensgemeinschaft. Die Vergebung der Sünde bleibt auch dort noch der einzige Grund alles Friedens, wo die Ordnung des äußeren Friedens in Wahrheit
und Recht gewahrt bleibt. Sie ist darum auch der letzte Grund, auf dem alle ökumenische Arbeit ruht, und gerade dort, wo die Zerrissenheit hoffnungslos erscheint.
154
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Für das angelsächsische Denken bleiben Wahrheit und Recht
stets dem Ideal des Friedens untergeordnet. Ja, der vorhandene Friede ist geradezu schon der Beweis dafür, daß
Wahrheit und Recht gewahrt sind; eben weil Friedensordnung eine Wirklichkeit des Evangeliums, des Reiches Gottes ist, darum kann Wahrheit und Recht ihr nie zuwider sein. Es ist aber deutlich geworden, daß eben diese Auffassung illusionär ist. Nicht die äußere Ordnung des Friedens, auch nicht der Friede im Kampf um dieselbe Sache, sondern allein der Friede Gottes, den die Sündenvergebung schafft,
ist die Wirklichkeit des Evangeliums, in der Wahrheit und Recht mit aufgehoben sind. Nicht ein statischer Friedensbegriff (Angelsachsentum), ebensowenig aber auch ein sta-
tischer Wahrheitsbegriff (Hirsch-Althaus’sche Erklärung!), begreifen den evangelischen Friedensgedanken in seiner bewegten Beziehung zum Wahrheits- und Gerechtigkeitsbegriff. Ist die Ordnung des äußeren Friedens nicht zeitlos gültig, sondern jeweils durchbrechbar, eben weil die völlige Vergewaltigung von Wahrheit und Recht das Hören der Offen-
barung in Christus unmöglich zu machen drohen würde, so ist damit der Kampf grundsätzlich als Möglichkeit des
Handelns im Blick auf Christus verständlich gemacht. Kampf ist nicht Schöpfungsordnung,
aber er kann Erhaltungsord-
nung sein auf die Zukunft Christi, auf die neue Schöpfung hin. Kampf kann gegebenenfalls die Offenheit für die Offenbarung in Christus besser gewährleisten als äußerer Friede,
indem er die verhärtete, in sich selbst geschlossene Ordnung zerbricht. Es ist nun
aber ein heute sehr weitverbreiteter,
äußerst
gefährlicher Irrtum, zu meinen, in der Rechtfertigung des Kampfes sei bereits die Rechtfertigung des Krieges, sei das grundsätzliche
Ja zum
Kriege enthalten.
Ebenso-
wenig wie aus der Notwendigkeit des Rechtsverfahrens in
Begründung
der Weltbundarbeit
155
der menschlichen Gesellschaft das Recht auf Folterqualen ableitbar ist, ist aus dem Recht auf Kampf das Recht auf
Krieg abzuleiten. Wer sich einmal ernsthaft in die Geschichte des Begriffs des Krieges von Luther, über Fichte und Bismarck bis in die Gegenwart vertieft hat, der weiß, daß das Wort wohl geblieben ist, daß aber die Sache etwas schlechterdings unvergleichbar anderes geworden ist. Unser heutiger Krieg fällt darum nicht mehr unter den Begriff Kampf, weil er die sichere Selbstvernichtung beider Kämp-
fenden ist. Er ist darum auch heute schlechterdings nicht mehr als Ordnung der Erhaltung auf die Offenbarung hin zu bezeichnen, eben weil er schlechthin vernichtend ist. Die
Kraft der Vernichtung erstreckt sich ebenso auf den inneren wie auf den äußeren Menschen. Der heutige Krieg vernichtet Seele und Leib. Weil wir aber den Krieg keinesfalls als Erhaltungsordnung Gottes und somit als Gebot Gottes verstehen können, und weil der Krieg anderseits der Idealisierung und Vergötzung bedarf, um leben zu können, darum muß der heutige Krieg, also der nächste Krieg, der Achtung durch die Kirche verfallen. Kein Wort des Aburteilens über vergangene Taten auch im letzten Krieg — das steht uns nicht zu, „du sollst nicht richten“ —, aber alle Kraft des Widerstandes, der Absage, der Achtung gegen den nächsten Krieg. Nicht aus der schwärmerischen Aufrichtung eines Gebotes — also etwa des fünften — über andere, sondern aus dem Gehorsam gegen das uns heute treffende Gebot Gottes, daß Krieg nicht mehr sein soll, weil er den Blick auf die Offenbarung raubt. Wir sollen uns
hier auch nicht vor dem Wort Pazifismus scheuen. So wiß wir das letzte pacem facere Gott anheimgeben, so wiß sollen auch wir pacem facere zur Überwindung Krieges. Daß damit der Kampf als solcher nicht aus Welt geschafft ist, ist gewiß. Aber es geht eben hier ein ganz bestimmtes, heute unter dem Verbot Gottes
gegedes der um ste-
156
Jugendsekretär
hendes
Mittel
des Weltbundes.
des Kampfes.
Und
1931— 1933
so verstanden,
könnte
der Protest des Weltbundes ein wirkliches Hören auf Gottes gegenwärtiges Gebot sein.
Der Wille Gottes richtet sich nicht nur auf die Neuschaffung des Menschen,
sondern
auch
auf die Neuschaffung
der Zustände. Es ist nicht richtig, daß nur der Wille gut sein könne. Auch Zustände können gut sein, die Schöpfung Gottes war als solche „sehr gut“. Auch in der gefallenen Welt können Zustände gut sein, aber nie durch sich selbst,
sondern immer nur im Blick auf das Tun Gottes selbst, auf die Neuschaffung. Wir können die Schöpfung nicht restituieren, aber wir sollen unter Gottes Gebot solche Zustände
schaffen — und darauf liegt die ganze Schwere des göttlichen Gebotes
—
die in bezug auf das, was
der heute
gebietende Gott einst selbst tun wird, in bezug auf die Neuschöpfung durch Christus, gut sind. Nur „in bezug auf“ etwas anderes sind Zustände gut. Aber als solche sind
sie gut. Und als solcher ist der Friede, der den Krieg überwindet, „gut“. Der Weltbund meint nun, diesen Frieden dadurch sichern zu können, daß er für „Verständigung“ arbeiter. Wir
fragen: Wie ist solche Verständigung christlich denkbar und erreichbar? Die ursprüngliche und auch heute unzweifelhaft noch leitende angelsächsische Ansicht des Welt-
bundes ist: Verständigung durch persönliches Kennenlernen. So gewiß dieser erste Schritt unentbehrlich ist, so ist er bei
weitem nicht der einzige und wichtigste. Dem Sozialismus ist es gelungen, sich auf eine internationale
Basis zu stellen,
nicht weil der deutsche Arbeiter den englischen und französischen kannte, sondern weil sie ein großes gemeinsames Ideal haben. Dem entspricht es, daß auch die Christen erst übernational denken lernen werden, wenn sie eine große,
gemeinsame Verkündigung haben. Mehr als alles andere brauchen wir gegenwärtig in der ökumenischen Bewegung
Begründung
der Weltbundarbeıt
157
die eine große zusammenführende Verkündigung. Wir wollen uns
nicht
täuschen:
Wir
haben
diese Verkündigung
noch nicht. Die Sprache der ökumenischen Bewegung ist — trotz allem — schwach. Diese Verkündigung aber wird es geben nur zusammen mit einer Theologie. Und so sind wir
hier zum Schluß auf unser erstes Anliegen zurückgeführt. Verständigung gibt es im großen und echten Sinne nur durch gegenwartsvolle Verkündigung und Theologie. Die Gefahr ist so unendlich groß, daß wir auf den internationalen Tagungen gut Freund miteinander werden, good fellowship finden — und sonst nichts. Aber: „solches tun die
Heiden und die Zöllner auch.“ Uns geht es um etwas anderes, um eine neue Erkenntnis und einen neuen Willen. Und wo nicht jede Tagung mit vollstem Ernst unter dieses Ziel gerückt ist, ist sie verlorene und verschwatzte Zeit. Und jeder, der mit diesem Ziel internationale Tagungen besucht hat, weiß, daß es hier harte Arbeit und harten Kampf ko-
stet. Aber dazu sind eben solche Tagungen da. Nun zum Schluß zwei kurze Fragen: zu wem
redet die
Kirche? und wer ist diese Kirche, die so redet?
Die Kirche, die im Weltbund zusammenkommt, spricht zur Christenheit, daß sie ihr Wort als Gottes Gebot höre, wie es aus der Sündenvergebung herkommt. Sie spricht aber auch zur Welt, daß sie die Zustände ändere. Die Welt kann die wahre Stimme der Kirche nicht hören, auch der Staat nicht, die Stimme der Kirche kann ihm nicht Autorität sein,
aber er findet in ihr eine kritische Grenze seiner Möglichkeiten und wird die Kirche so als Kritik seines Tuns beachten müssen. Wer ist diese Kirche? Die Kirche des Evangeliums, die Kirche, die das Evangelium der Wahrheit gemäß verkün-
digt. Und hier bricht nun noch zuletzt eine furchbare Not auf. Es ist die Frage nach der Wahrheit,
die alles bisher
Gesagte zu vernichten droht. Die Kirchen, die im Weltbund
158
Jugendsekretär
zusammengeschlossen
des Weltbundes.
sind,
1931—1933
haben nicht eine gemeinsame
Wahrheitserkenntnis, sondern sie sind gerade hier aufs Tiefste zerrissen. Wenn sie Christus oder Evangelium sagen, so meinen sie je etwas Verschiedenes. Das ist gegenwärtig
unser drückendstes Problem in der ökumenischen Arbeit. Nur als die Kirche, die die Wahrheit des Evangeliums verkündigt, können wir sprechen. Aber die Wahrheit ist zer-
rissen. Und das muß unser Wort kraftlos, ja lügenhaft machen. Aber fast furchtbarer noch als diese Tatsache ist der Umstand,
daß wir uns leichten Herzens
darüber hinweg-
setzen. Mit der Wahrheit darf man nicht spielen, sonst vernichtet sie uns. Wir spielen hart am Abgrund. Wenn uns nur hier die Augen aufgingen. Aber freilich, damit wird die Tatsache der Zerrissenheit der einen wahren Kirche, die allein befugt wäre zu sprechen, nicht behoben. Und ich will nun auch nicht mit einer emphatischen Behauptung schließen, die diese Schwierigkeit aus der Welt zu schaffen
meinte. Ich weiß hier keine Lösung. Nur hinweisen möchte ich auf eines, nämlich:
daß dort, wo
die Kirche um
die
Schuld ihrer zerrissenen Wahrheitserkenntnis weiß und wo sie doch meint, unter dem Gebot Gottes sprechen zu müssen, für den Demütigen die Vergebung der Sünden aufgerichtet und verheißen ist. Freilich dieser Hinweis kann keine menschliche Lösung unserer Not sein, sondern al-
lein der Ausdruck für das Warten der ganzen Kirche auf die Erlösung. Daß die Kirche in ihrer Not demütig bleibe und von der Vergebung allein lebe, das ist die letzte Auskunft, die hier gegeben werden kann.
Acht
Thesen
159
Acht Thesen zum Vortrag in Cernohorske Kupele
26. Juli 1932 1. Es gibt keine Theologie der ökumenischen Bewegung. Ist die ökumenische Bewegung eine neue Gestalt des Selbstverständnisses der Kirche, so muß sie eine Theologie hervorbringen. Tut sie das nicht, so erweist sie sich als reine Zweckorganisation. Der ökumenische Gedanke wird von politischen
Konjunkturschwankungen (Nationalismus — Internationalismus) abhängig, wenn er nicht von einer eigenen Theologie unterbaut ist. Das ist heute in vielen Ländern besonders emp-
findlich spürbar. Die Geringschätzung der Theologie durch die „Praktiker“ muß ein Ende haben. Es ist das stärkste Anliegen
der letzten internationalen Jugendkonferenzen des Weltbundes gewesen, die theologischen Grundfragen neu zu stellen und mit rücksichtsloser Offenheit einzugestehen, daß wir in den entscheidenden Fragen ratlos sind. Diese Tatsache darf durch „‚Resolutionen“ nicht verschleiert werden. Im Folgenden sollen einige theologische Grundfragen der Weltbund-
arbeit ins Auge gefaßt werden. 2. Der Kirche Jesu Christi, der der Herr über die ganze Welt
ist, ist der Auftrag gegeben, das Wort Christi der ganzen Welt zu sagen. Das Revier der Kirche Christi ist die ganze Welt. 3. In welcher Vollmacht spricht die Kirche? Weil die Kirche der Christus praesens ist, darum verkündigt sie in Christi
Vollmacht das Evangelium und das Gebot. Weil es aber der Christus praesens ist, darum muß Evangelium und Gebot heute in die konkrete gegenwärtige Lage hineintreffen. Andern-
falls ist es nicht das Wort des Christus praesens. Sie kann dies, sofern die Verkündigung des Evangeliums konkret wird im
160
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Sakrament, das nur vom Glaubenden empfangen wird, und indem die Verkündigung des Gebotes konkret wird durch die tiefste Kenntnis der Wirklichkeit durch den Verkündigenden. Die Kirche soll nicht Prinzipien aufstellen, sondern konkret gebieten. Aber jedes ihrer Gebote ist begründet allein im Glauben der Kirche an die Sündenvergebung.
4. Woher kennt die Kirche das Gebot Gottes für diese Stunde? Weder das biblische Gesetz noch irgendwelche festgelegten Schöpfungsordnungen sind Quelle solchen Wissens, beides wäre Gesetzlichkeit. Allein von Christus her, von dem das Evangelium kommt, kennen wir auch das Gebot. Von Christus her
müssen wir die ganze Welt als gefallene Welt erkennen, wir kennen ihre ursprünglichen Ordnungen nicht mehr. Es gibt
nur noch Ordnungen der Erhaltung auf Christus hin, und je nachdem wir eine Ordnung als für Christus nicht mehr offen beurteilen müssen, muß diese Ordnung zerbrochen werden. Es gibt keine in sich heiligen Ordnungen. Allein durch die Offenheit für Christus und für die neue Schöpfung ist eine Ordnung gut. Die Entscheidung der Kirche für oder gegen eine
solche Ordnung muß im Glauben gewagt werden. Sie ist durch nichts anderes gesichert.
5. Die im Weltbund zusammengeschlossenen Kirchen meinen eine ganz bestimmte Ordnung als uns von Gott heute gebo-
tene zu erkennen: die Ordnung des internationalen Friedens. Was kann die Kirche über den Frieden verkündigen? Friede wird von angelsächsischem theologischem Denken verstanden als eine Wirklichkeit des Evangeliums, als ein Stück Reich Gottes auf Erden. So wird der Friede zum absoluten Ideal. Diese Auffassung ist abzulehnen; auch der Friede ist nur eine Ordnung der Erhaltung, die zerstört werden kann. Der Friede hat seine Grenze an der Wahrheit und am Recht. Dort wo Wahrheit und Recht vergewaltigt sind, kann kein Friede bestehen. Mit dem Bruch des äußeren Friedens ist die Friedensgemeinschaft, die auf dem gemeinsamen Kampf um Wahrheit
Acht Thesen
161
und schließlich für den Christen allein in der Sündenvergebung ruht, nicht zerstört. Es gibt in der gefallenen Welt ein Recht auf Kampf. Das bedeutet aber kein Recht auf Krieg. Ebensowenig, wie man aus der Notwendigkeit des Rechtsverfahrens die Folterqual rechtfertigen kann, kann man aus
der Notwendigkeit des Kampfes das Recht auf Krieg ableiten Der Krieg ist als Mittel des Kampfes ein uns heute von Gott verbotenes Tun, weil er die äußere und innere Vernichtung der Menschen bedeutet und so den Blick auf Christus raubt. 6. Der Weltbund wirkt für den Frieden, indem er für „Verständigung“ arbeitet. Verständigung im christlichen Sinne aber
heißt nicht nur sich kennen und schätzen lernen und gut Freund miteinander werden. Wie es dem Sozialismus gelingt, sich durch eine Botschaft auf internationale Basis zu stellen, so kann auch die Kirche allein durch eine gegenwartsvolle
christliche Verkündigung und Theologie die übernationale Basis für Verständigung in umfassender Weise legen. 7.Zu wem reden die Weltbund-Kirchen? Zur Christenheit, daß sie das Gebot Gottes höre. Zur Welt, zum Staat, daß er die Zustände ändere und auf das kritische Wort der Kirche aufmerksam werde. 8. Wer ist die Kirche, die so reden kann? Nur die Kirche, die die reine Wahrheit des Evangeliums verkündigt. Diese Wahrheit aber ist zerrissen. Die Weltbundkirchen haben nicht eine
Wahrheit. Das ist die tiefste Not der ökumenischen Lage. Diese Not darf nie verschleiert werden. Aber dort, wo die Kirche ihre Schuld an der Wahrheit erkennt und wo doch Gottes Gebot die Kirche zum Reden ruft, dort wird die Kir-
che es wagen müssen zu reden, allein im Glauben an die Vergebung ihrer Sünde.
162
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Ansprache in Gland! 29. August 1932
Liebe Freunde! „Die Kirche ist tot“, so sagte mir vor kurzem ein ernster deutscher Mann; „was könnt ihr anderes tun, als daß ihr mit all eurer Geschäftigkeit, mit all eurem Ernst und eurem
Pathos der Kirche ein ehrenhaftes Leichenbegängnis bereitet?‘ — Der Tote spricht nicht, wehrt sich nicht — ein Kranz von blühenden Blumen, der die Verwesung zudeckt und verhüllt, das ist alles. — Ist all unser christliches
kirchliches Tun daheim und auch hier, gerade sofern es ernst getan wird, sofern es blüht, etwas anderes als das Winden von blühenden Totenkränzen, als das Intonieren einer festlich-feierlichen Totenmusik; sind all unsere Kon-
ferenzen nicht vielleicht im tiefen Angst geboren, daß aus der Verzweiflung nun mehr gut zu machen ist?
Grund doch aus einer abgrundes eigentlich schon zu spät sei, noch gut zu machen, was nicht Durchlebt nicht jeder von uns,
der mit Ernst auf dieser Konferenz war, Stunden, in denen es ihn einfach überfällt und nicht mehr losläßt — nämlich, daß es zu spät sei, daß es aus sei mit der Kirche Christi und daß all unser Tun hier uns nur den Abschied leichter
machen soll, uns über diese Wirklichkeit hinwegtäuschen soll und uns so allmählich in eine andere Form
seins hinüberführen
des Da-
soll? Ich frage euch auf Ehre und
Gewissen, Freunde, wer von euch kennte nicht jene Angst, es könnte das alles, was wir hier als kirchliches Tun unter1. Internationale Jugendkonferenz von Life and Work und Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen in Gland (Genfer See) vom 25.—31. August
1932.
Ansprache
in Gland
163
nehmen, zu spät, gegenstandslos, ja Spielerei sein? Und wenn hier einer emphatisch beteuern wollte, er habe das nie gemeint, er habe nie an der Kirche gezweifelt, so möge
er sich fragen, ob er je wirklich an die Kirche geglaubt hat.
Der Glaube an die lebendige Kirche Christi bricht nur dort durch, wo man mit klarsten Augen das Sterben der Kirche in der Welt, den Prozeß des immer neuen Zusammenbrechens sieht, wo man darum weiß, daß die Welt, wenn sie ehrlich ist, nicht anders sagen kann als: „Die Kirche ist tot“, daß die Welt unser Tun hier nicht anders an-
sehen kann, denn als die Bereitung des Leichenbegängnisses — und wo man nun dem allen zum Trotz, zuwider, entgegen, feindlich hört, wie das Neue Testament dem Ster-
benden das Leben verkündigt und im Kreuz Christi das Sterben und das Leben zusammenstoßen und wie das Leben den Tod verschlingt — allein wo man das sieht, glaubt man an die Kirche unter dem Kreuz. Nur mit klaren Augen gegen die Wirklichkeit ohne jede Illusion über unsere Moral oder unsere Kultur kann man glauben. Sonst wird unser Glaube zur Illusion. Der Glaubende kann kein Pessimist sein und kann kein Optimist sein. Beides ist Illusion. Der Glaubende sieht die Wirklichkeit nicht in einem bestimmten Licht, sondern er sieht sie, wie sie ist und
glaubt gegen alles und über alles, was
er sieht, allein
an Gott und seine Macht. Er glaubt nicht an die Welt,
auch nicht an die entwicklungsfähige und verbesserungsfähige Welt, er glaubt nicht an seine weltverbessernde Kraft und seinen guten Willen, er glaubt nicht an den Menschen, auch nicht an das Gute im Menschen, das doch schließlich siegen müsse, er glaubt auch nicht an die Kirche
in ihrer Menschenkraft, sondern der Glaubende glaubt allein an Gott, der das Unmögliche schafft und tut, der aus dem Tod das Leben schafft, der die sterbende Kirche zum
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Leben gerufen hat gegen und trotz uns und durch uns, aber er allein tut’s.
Die glaubenslose Welt spricht: Die Kirche ist tot, laßt uns ihr Leichenbegängnis feiern mit Reden und Konferenzen und Resolutionen, die ihr alle Ehre antun.
Die glaubenslose Welt voller frommer Illusion spricht: Die Kirche ist nicht tot, sie ist nur schwach, und wir werden ihr mit all unserer Kraft dienen und ihr wieder aufhel-
fen. Der gute Wille allein tut es, laßt uns
eine neue
Moral machen.
Der Glaubende spricht: Die Kirche lebt mitten im Sterben, allein weil Gott sie aus dem Tode zum Leben ruft, weil er gegen uns und durch uns das Unmögliche tut, — so wollen wir alle sprechen. Was hat das mit unserer Konferenz zu tun? Wir sind hier nicht als Individuen, die an diesem oder jenem Problem interessiert wären, wir sind nicht hier als Interessenvertreter, wir sind auch nicht als Weltverbesserer,
sondern
wir
sind hier als solche, die durch all ihr tägliches Tun hindurch eine Stimme vernommen haben, als solche, die diese Stimme trotz allem Lärm und Geschrei immer wieder hö-
ren, die aus dem Schlaf geweckt worden sind und die nun, halb noch schlaftrunken, halb wachend, ahnen, wissen, daß
etwas Großes in Bewegung ist. Wir sind vielleicht sogar hier als die Knechte, von denen der Herr Jesus Christus sagt, daß sie wachend in die Nacht hineinschauen und warten, bis der Herr kommt. Es ist wirklich Nacht, was sie sehen, aber sie warten wirklich, weil sie wissen, der Herr
kommt gewiß. Keiner weiß, wie lange diese Knechte wachen müssen ... . sie wachen vielleicht heute noch, vielleicht hier unter uns. Wir sind nicht eine Zweckorganisation des kirchlichen Handelns, sondern wir sind eine bestimmte Gestalt der Kirche selbst. Wir sind die Gemeinschaft derer, die
durch die Zeichen der Zeit aufgeschreckt sind, die mitten in
Ansprache
in Gland
165
den Schrecken der Nacht einen durchdringenden Ruf gehört haben, von dem sie wissen: es ist der Herr, aber kommt er zur Hilfe, oder kommt er zum Gericht? Der Weltbund ist die erschreckte, hellhörig gewordene, geängstigte Kirche Christi, der die Wehen der Welt Angst machen und die
ihren Herrn herbeiruft. Es geht uns ja doch in allem, was wir sagen und was wir tun, um nichts als um Christus und seine Ehre unter
den Menschen. Daß man doch ja nicht meine, es ginge uns um unsere eigene Sache, um eine bestimmte Weltanschauung, eine bestimmte Theologie, oder auch nur um die Ehre der Kirche. Es geht um Christus und nichts anderes. Laßt Christus Christus sein. Wir kommen zusammen, um Christus zu hören. Haben
wir ihn gehört? Ich kann hier nur fragen, die Antwort muß sich jeder selbst geben. Aber sagen will ich doch noch dies: Ist es nicht gerade der Sinn auch dieser Tagungen, daß dort, wo uns einer gegenübertritt, der uns so ganz fremd und unbegreiflich erscheint in seinem Anliegen und der doch unser Gehör beansprucht, daß wir in der Stimme
des Bruders
Christi Stimme
selbst vernehmen
und nun
dieser Stimme uns nicht entziehen, sondern sie ganz ernst
nehmen, hören und den anderen gerade in seiner Fremdartigkeit
lieben?
Daß
der Bruder
dem
Bruder
in aller
Offenheit und Wahrhaftigkeit und Bedürftigkeit begegnet und von anderen Gehör beansprucht, das ist es, wie uns Christus allein auf solcher Tagung begegnet. Nicht als die Gemeinschaft derer, die wissen, sondern derer, die alle nach
dem Worte ihres Herrn ausschauen und überall spähen, ob sie es nicht hören möchten, nicht als die Wissenden, sondern als Suchende, die Hungernden, die Wartenden, die Bedürf-
tigen, die Hoffenden sind wir hier und sind wir verbunden. Christus begegnet uns im Bruder, dem Deutschen im Engländer, dem Franzosen im Deutschen.
166
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Und sollten nun einige von uns ehrlich sagen müssen: wir haben nichts gehört, und sollten andere vielleicht ebenso ehrlich glauben sagen zu müssen: wir haben unendlich viel
gehört —
so laßt mich den beiden gegenüber eine große
Sorge aussprechen, die sich mir die ganze Konferenz über mit wachsender Schwere aufgedrängt hat: ist es nicht in allem, was wir hier miteinander geredet haben, immer wie-
der erschreckend deutlich geworden, daß wir der Bibel nicht mehr gehorsam sind? Wir haben unsere eigenen Gedanken lieber als die Gedanken der Bibel. Wir lesen die Bibel nicht mehr ernst, wir lesen sie nicht mehr gegen uns, sondern
nur noch für uns. Wenn unsere ganze Tagung hier einen großen Sinn gehabt haben soll, so wäre es vielleicht der,
uns zu zeigen, daß wir ganz anders die Bibel lesen müssen, bis wir uns wieder treffen. Der Weltbund ist die Gemeinschaft der auf den Herrn hören Wollenden, wie sie in der Welt, in der Nacht angstvoll zu ihrem Herrn schreit und wie sie der Welt nicht entfliehen, sondern in ihr den Ruf Christi in Glauben und Gehorsam vernehmen will und sich durch diesen Ruf der Welt verantwortlich weiß. Er ist nicht das des Nachsinnens
über Gottes Wort überdrüssig gewordene Aktionsorgan der Kirchen, sondern er ist die um die Sündhaftigkeit der Welt und der Christenheit wissende Kirche, die alles Gute von Gott erwartet, und diesem Gott gehorsam sein will in
der Welt. Warum hat die Gemeinschaft der Brüder, wie sie im Welt-
bund in Erscheinung tritt, in der Kirche Christi Angst? Weil sie um das Gebot des Friedens weiß und doch mit dem klaren Blick, der der Kirche gegeben ist, die Wirklichkeit beherrscht sieht vom Haß, von der Feindschaft, von der Gewalt. Es ist, als ob alle Mächte der Welt sich zusammen verschworen hätten gegen den Frieden; das Geld, die Wirtschaft, der Trieb zur Macht, ja selbst die Liebe
Ansprache
in Gland
167
zum Vaterland sind in den Dienst des Hasses hineingerissen. Haß der Völker, Haß der Volksgenossen gegen eigene Volksgenossen. Schon flammt es hier und dort furchtbar auf — was sind die Ereignisse im Fernen Osten oder in Südamerika anderes als der Beweis dafür, daß alle mensch-
lichen Bindungen zerreißen wie nichts, daß es keine Scheu vor irgend etwas gibt, wo die Leidenschaft des Hasses genährt wird und ausbricht. Grauenvoller als je zuvor spitzen sich die Dinge zu — Millionen Hungernder, Menschen mit schlecht vertrösteten und nie erfüllten Wünschen, verzweifelte Menschen, die nichts zu verlieren haben als ihr Leben und die mit ihrem Leben nichts verlieren — gedemütigte und entehrte Völker, die ihre Schande nicht verwinden können, — politische Extreme gegen politische Extreme, Fanatisierte gegen Fanatisierte, Götzen gegen Götzen und dahinter eine Welt, die in Waffen starrt, wie nie zuvor, eine Welt, die fieberhaft rüstet, um durch Rüstung den Frieden zu gewährleisten, eine Welt, deren Götze das Wort „Sicherheit“, »securite«, geworden ist, — eine opferlose Welt, voll Mißtrauen und Argwohn, weil ihr noch die vergangenen Schrecken in den Gliedern stecken — eine Menschheit, die vor sich selbst zittert, eine Menschheit, die ihrer selbst
nicht sicher ist und jederzeit bereit, sich selbst Gewalt anzutun — wie darf sich hier einer die Augen verschließen vor der Tatsache, daß die Dämonen selbst die Herrschaft der Welt angetreten haben, daß es die Gewalten der Finsternis sind,
die sich hier schauerlich verschwören und jeden Augenblick losbrechen können — wie darf einer meinen, hier mit ein bißchen Erziehung zu internationalem Verstehen, mit ein
bißchen gutem Willen (good will) diese Dämonen
auszu-
treiben, diese Gewalten zu bannen? Wie wäre es nicht ein-
fach eine gotteslästerliche Leichtfertigkeit, zu meinen, mit dem Ruf: nie wieder Krieg und mit einer neuen Organisation — und sei es eine christliche Organisation — den
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
Teufel zu beschwören? Was ist aller sogenannter internationaler Versöhnungsversuch, aller Versuch des sich Verstehens, alle sogenannte internationale Freundschaft
nötig sie an sich ist —
angesichts
—
so
dieser Wirklichkeit?
Nichts, gar nichts sind solche Organisationen, wie ein Karten-
haus im Wirbel dahingeblasen ... . nichts, gar nichts ist unser gutgemeinter Wille, unser Reden über Frieden und good will, wenn nicht der Herr selbst kommt und die Dä-
monen austreibt. Christus muß gegenwärtig werden unter uns in der Predigt und im Sakrament, wie er als der Gekreuzigte Frie-
den gemacht hat mit Gott und mit den Menschen. Der gekreuzigte Christus ist unser Friede. Er allein beschwört die
Götzen und die Dämonen. Vor dem Kreuz allein zittert die Welt, nicht vor uns. Und nun stellt das Kreuz geratene Welt. Christus ist in einer weltfernen Region tiefste Tiefe der Welt, sein
hinein in die aus den Fugen nicht fern von der Welt, nicht unseres Daseins, er ging in die Kreuz ist mitten in der Welt.
Und dieses Kreuz Christi ruft nun über die Welt des Hasses den Zorn und das Gericht und verkündigt den Frieden. Es soll heute kein Krieg mehr sein — das Kreuz will es nicht. Man muß unterscheiden: Es geht in der von
Gott gefallenen Welt nicht ohne Kampf ab, aber es soll kein Krieg sein. Der Krieg in der heutigen Gestalt vernichtet die Schöpfung Gottes und verdunkelt den Blick auf die Offenbarung. So wenig man aus der Notwendigkeit
des Rechtes die Folterqualen als Mittel des Rechtes begründen kann, so wenig kann man aus der Notwendigkeit des Kampfes den Krieg als Mittel des Kampfes begründen. Die
Kirche versagt den Gehorsam, wenn sie den Krieg sanktionieren soll. Die Kirche Christi steht gegen den Krieg für den Frieden unter den Menschen, zwischen Völkern, Klas-
sen und Rassen.
Ansprache
in Gland
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Aber die Kirche weiß auch, daß es keinen Frieden gibt, es
sei denn, daß Gerechtigkeit und Wahrheit gewahrt sind. Ein Friede, der Gerechtigkeit und Wahrheit verletzt, ist kein Friede und die Kirche Christi muß gegen solchen Frieden
protestieren. Es kann einen Frieden geben, der schlimmer ist als Kampf. Aber es muß ein Kampf aus der Liebe zum anderen sein, ein Kampf aus dem Geist heraus, nicht aus dem Fleisch.
Mit der Verkündigung des Friedens aber gibt die Kirche die Botschaft von der neuen Menschheit, der heiligen Bruderschaft in Christus. Diese Bruderschaft ist begründet auf
dem Frieden, den Christus am Kreuz der Welt gebracht hat. — Die Gemeinschaft der von Gott Erwählten, der Demütigen unter dem Kreuz, der Wartenden, der Glaubenden, der Gehorsamen und die Gemeinschaft derer, denen Gott gnädig sein will, das ist die neue Bruderschaft. Frei-
lich etwas ganz anderes als internationale Freundschaft auf der Basis der alten Welt...
des Herrn...
Nicht
. Brüder im Hören des Wortes
die so übereifrig
Vortrefflichen,
sondern die Zöllner und Dirnen werden eher ins Himmelreich eingehen denn ihr — die Gemeinschaft derer, die
Buße
tun und ihre Schuld nicht leugnen,
daß sie das
Gebot Gottes nicht hören, wie sie sollten, weil das Himmelreich nahe ist. Keine sichtbare Stadt Gottes wird in dieser Welt aufgerichtet, auch nicht, wenn es überall internationales Verstehen gäbe; alles, was die Kirche hier tut, ist vorläufig, ist allein dazu bestimmt, die zusammenbrechenden Ordnungen der Welt zusammenzuhalten, vor dem Absturz ins Chaos zu bewahren. Dies Tun der Kirche ist unerläßlich, aber die neue Ordnung, Gesellschaft, die Gemeinschaft, ist nicht die Ordnung des Reiches. Alle Ordnungen und alle
Gemeinschaften der Welt werden vergehen müssen, wenn Gott seine Welt neuschaffen wird und der Herr Christus wiederkommt, die alte Welt richtet und die neue aufrichtet.
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
In dieser Welt gibt es Frieden nur im Kampf um Wahrheit und Recht, dort aber wird es den ewigen Frieden der Liebe Gottes geben. Das ist die neue Erde und der neue Himmel, den Gott selbst schaffen wird. Und weil wir glauben, daß wir einst dort in diesem Reich zusammen sein sollen, sollen wir uns hier in all unserer Verschiedenheit lieb haben.
Es war eine weltgeschichtliche Wendung, als Paulus eines Nachts von der Vision überfallen wurde, in der er den mazedonischen Mann, den Europäer, sah, der ihn bat: komm
herüber und hilf uns. Und Paulus war bereit und ging. Zum zweiten Male ergeht der Ruf an uns, an die Kirche. Europa ruft zum zweiten Male: komm und hilf uns. Europa, die Welt, will zum zweitenmal von Christus erobert
werden. Sind wir bereit?
Jugendkonferenz
auf der Westerburg
171
Jugendkonferenzen des Weltbundes! Anfang Juli hat entsprechend der englisch-französischen Regionalkonferenz, über die in der vorigen Nummer berichtet wurde,
die deutsch- französische
Regionalkonferenz
auf
der Westerburg in allerkleinstem Umfang stattgefunden. Es ist wohl gerade auf die bewußte Beschränkung der Zahl der Teilnehmer zurückzuführen, daß diese Konferenz viel-
leicht als die gelungenste des vergangenen Jahres bezeichnet werden muß. Das Thema: „Die Einheit des deutsch-französi-
schen Protestantismus zwischen Katholizismus und Bolschewismus“ erwies sich als glücklich, weil es allgemein theologische Besinnung und konkrete Einzelfragen miteinander ver-
band. ’Thesen und Referate waren lange vorbereitet und teilweise ausgetauscht. An den Abenden wurden die Fragen des deutschen und französischen Nationalismus diskutiert. Das intensive Aufeinandereingestelltsein des kleinen Kreises war
eine unvergleichliche Gelegenheit zur gegenseitigen Information. Aber darüber hinaus hat die Diskussion, besonders die
über das katholische Problem, wirkliche Ergebnisse zutage gefördert. Es zeigte sich, daß die Bedrohung des französischen und des deutschen Protestantismus durch den Katholizismus an je ganz verschiedenen Punkten gesehen wird und daß darum auch die Beurteilung des Katholizismus und die Auseinandersetzung
mit ihm
je ganz
verschieden
geartet
sein müsse. Hieraus ergab sich dann für alle Beteiligten ein wirklich neues Verständnis der Struktur des französischen bzw. deutschen Protestantismus und ein neues Erfassen
von
Möglichkeiten
der Zusammenarbeit.
1. 12.—14. Juli 1932. Bericht für „Die Eiche“.
Ebenso
172
Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
lehrreich war die Abgrenzung zwischen französischem und deutschem Nationalismus und die Erkenntnis, daß jeweils die Auseinandersetzung mit ihm sehr verschieden verlaufen
muß. Das Problem ‘des Nationalsozialismus stand auch hier naturgemäß sehr im Mittelpunkt des Interesses. Seiner strik-
ten und verständnislosen Verurteilung auf diesen Konferenzen müssen wir Deutsche immer wieder nachdrücklichst mit dem Hinweis begegnen, daß die Politik des Auslandes sich selbst das größte Maß der Verantwortung für den
Nationalsozialismus in seiner gegenwärtigen Gestalt zuzumessen habe und daß es darum nicht angehe, hier unverant-
wortlich abzuurteilen, sondern vielmehr dies Anliegen selbstverantwortlich ernst zu nehmen.
Für das nächste Jahr ist
die Fortsetzung dieser Arbeit geplant. Als eines der Hauptthemata ist die Frage der Revision der Verträge in Aussicht
genommen. Inzwischen wird durch Korrespondenz die uns sehr hoffnungsvoll erscheinende Arbeit in kleinem Kreise aufrechterhalten. Vom
20.—30.
slowakischen
Juli hatte
Kirche
zum
der
Zentralrat
erstenmal
zu
der
tschecho-
einer
Jugend-
friedenskonferenz in Cernohorske Kupele eingeladen. Die Weltbundkreise waren besonders herangezogen.Vertreter und Redner aus England, Frankreich, Amerika, Deutschland und
den südosteuropäischen Ländern waren zugegen. Dies Unternehmen muß mit außerordentlicher Dankbarkeit begrüßt werden. Das Ganze war nicht straff als Konferenz organisiert, sondern mehr als eine internationale Freizeit. Dem entsprach es einmal, daß wir des Tschechischen Unkundigen ge-
wisse Sprachschwierigkeiten hatten, ferner daß die Themata sehr weit gespannt waren und daß die Diskussion nicht eigentlich einheitliche Linien aufwies. Daß damit gewisse Gefahren verbunden sind, weiß jeder. Es wäre vielleicht im Dienst der Sache, Konferenz und Freizeit strenger zu schei-
den. Die große Gastfreundschaft der tschechischen Freunde
Jugendkonferenz
in Gland
173
haben wir aufs dankbarste empfunden, und wir hoffen lebhaft, daß die Zusammenarbeit weiter gefördert werde. Die der vorjährigen Cambridger Jugendkonferenz des Weltbundes entsprechende internationale Jugendtagung hat vom 24.—30. August in Gland diesmal gemeinsam mit der Jugendkommission von Stockholm stattgefunden; ca. 60 Teilnehmer aus Europa, Amerika und dem fernen Osten. Die größeren Vorträge wurden gehalten vom Bischof von Ripon, Mr. Tait, B. J. T.,! Baron von Haan, B. J. T., Pastor Lauga,
Paris, C.F.Andrews, dem Freund Gandhis, der zu unserer besonderen Freude an der ganzen Konferenz teilnahm, Prof. Andre Philip, Prof. Piccard, Assessor Meyer, Lic. Bonhoeffer. Der erste Tag war dem Generalthema ‚Der Ruf der Christenheit in der gegenwärtigen Krisis‘“ gewidmet. Hier sollte mit einer Besinnung auf den christlichen Sinn der Grund unserer Arbeit für alle folgenden Tage gelegt werden. Es zeigte sich aber, wie zu erwarten, daß das offenbar nicht Sache eines
Tages sein könne; vielmehr stand die ganze Konferenz wesentlich unter dieser Frage. Bei jeder Einzelfrage (etwa Ar-
beitslosigkeit, Sinn der Arbeit, Mensch und Maschine) brach die ganze Zerrissenheit unserer Grundeinstellung immer aufs neue auf. Es wurde deutlich, daß die alte theologische Schulfrage des Reichsgottesbegriffes in der kontinentalen und der
angelsächsischen Theologie hier einen außerordentlich aktuellen Charakter hat. Die Stellung zu den Fragen der folgenden Tage: „Die wirtschaftliche Krisis“ und „Die inter-
nationale Krisis“, über die außer den Vortragenden etwa 10 Berichterstatter verschiedener Nationen kurz sprachen, wurde zuletzt doch auch aus jenen Grundeinstellungen heraus gewonnen. Es trat diesmal zu der Erkenntis der ungeheuren Schwierigkeiten der Auseinandersetzung die andere
sehr mächtig hinzu, nämlich daß auf allen Seiten ein viel 1. Bureau International Travail in Genf.
174
Jugendsekretär
des Weltbundes.
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stärkerer Gehorsam gegen das biblische Denken gefordert werden müsse. Aber angesichts von all dem hat es sich auch diesmal vielen in überzeugender Erfahrung bewährt, daß die Kirche allein der Boden sein kann, auf dem das
sonst so fragwürdige internationale Gespräch offen und sachlich geführt werden kann. Es ist wiederum für viele etwas ganz Überwältigendes gewesen, den Anderen in seiner An-
dersartigkeit zu hören, zu sehen und einfach einmal so zu lassen, wie er ist, und von hier aus dann erst sich selbst
wieder zu entdecken. Es ist unzweifelhaft ein großer Ernst hinter der ganzen Arbeit gewesen, und es geht ein starkes
Drängen dahin, ja nicht aus diesen Konferenzen wieder ein Handwerk zu machen. Man will noch ganz anders in die Tiefe als bisher, freilich noch weiß man nicht, wie und wo. Darum ist auch diesmal wieder der Vorschlag einer Resolution oder einer offiziellen Botschaft, der von den Angelsachsen eingebracht wurde, leidenschaftlich abgelehnt worden. Es erschien geradezu symbolisch für etwas, was man
keinesfalls will. Diese ganz junge Arbeit darf nicht gleich zu Beginn so ungebührlich belastet werden. Man muß war-
ten können. Warten-lernen — das ist wohl die entscheidendste Erkenntnis gerade für diese großen internationalen Jugendtreffen, die ja eigentlich viel schwieriger zu dirigieren und darum vielleicht auch gegenwärtig noch der Sache weniger dienlich sind als die Regionalkonferenzen. Wartenlernen, das haben wir in Gland
in verschiedenster
Form
unseren allzu aktionsfreudigen Freunden zugerufen, Warten-lernen — das ruft die ganze Jugendarbeit des Weltbundes der Generation der Älteren zu, die vielleicht etwas besorgt und ungeduldig auf dies Treiben der Jungen blickt.
Warten-lernen!
Kirche,
Jugend,
Friede
175
Kirche, Jugend, Friede Zu den Jugendtagungen des Weltbundes! Von dem der politischen Konjunktur gegenüber „neutralen“ Ort katexochen, nämlich von einer rechtverstandenen christlichen Kirche her bemüht sich eine bisher noch kleine, aber ihr Ziel sehr unverwandt ins Auge fassende Gruppe junger Menschen aller Stände und Berufe darum, die politische
Wirklichkeit der gegenwärtigen internationalen Lage vor allem klar zu Gesicht zu bekommen, sodann zu beurteilen und
in der ihr sachlich angemessenen Weise zu bestimmen. Der am 2. August 1914 in Konstanz gegründete Weltbund für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen hat auf sei-
ner internationalen Tagung in Cambridge
1931 eine Ju-
gendgruppe geschaffen, die sogleich auf ihre eignen Füße gesprungen ist und an selbständige Arbeit gegangen ist. Im Laufe eines Jahres haben vier internationale Treffen kirchlicher Jugend stattgefunden: im September 1931 in
Cambridge eines mit etwa 60 Delegierten aus vielen europäischen Ländern und aus Amerika; März und Juli 1932 je ein kleines englisch-französisches und deutsch-französisches Regionaltreffen und nun vom 24.—30. August wiederum ein großes internationales Treffen in Gland mit Jugendlichen aus fast allen europäischen Ländern, auch aus der orthodoxen Kirche, aus Amerika und aus dem Fernen
Osten. Für die Vorträge über Spezialfragen waren rende Wissenschaftler
und
Praktiker
der Wirtschaft,
Politik aus verschiedenen Ländern gewonnen. 1. Am 29. Oktober 1932 in Berlin für die nächste
fühder
C. F. An-
an die Redaktion der Täglichen Sonntagsnummer geschickt.
Rundschau
176
Jugendsekretär
des Weltbundes.
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drews, der Freund Gandhis nahm an der ganzen Tagung mit starkem Interesse teil. Die römisch-katholische Kirche hält sich der Arbeit fern. Das Grundthema all dieser Tagungen ist die Frage nach der Stellung und dem Beitrag
der christlichen Kirchen zum internationalen Frieden. Die denkbar größte Mannigfaltigkeit
der hier zur Aussprache
gelangten Ansichten ist zusammengehalten durch eine Grundvoraussetzung, die alle Teilnehmer verbindet, nämlich: daß
allein auf dem Boden Thema
der christlichen Kirche zu diesem
sachlich, d. h. neutral, und verantwortlich gespro-
chen werden
könne. Allein auf dem Boden
der Kirche
kann rückhaltlos offen geredet werden. Es handelt sich also in dieser Arbeit — die wir auch „ökumenische Arbeit der
Kirchen“ nennen — keinesfalls um eine parteipolitisch zu beurteilende Sache, sondern um ein Anliegen der hellhörig gewordenen, aufgeschreckten jungen Christenheit. Sie sieht, wie jedesmal der Boden des internationalen Gespräches aufs neue zerbricht und erkennt nun, daß allein die rechtver-
standene Kirche Christi der unerschütterlihe Boden für dieses höchst schwierige und immer fragwürdiger werdende Gespräch sein kann. Und es ist nun denen, die auf diesen
Tagungen mitgearbeitet haben, eine überzeugende Erfahrung geworden, daß diese grundlegende Erkenntnis richtig war.In den deutschen wie in den anderen Delegationen haben wir Menschen gehabt, die ganz verschiedenen poli-
tischen Gruppen nicht.
nahestehen, und das Gespräch zerbrach
Es mußte die Aufgabe der Tagungen des ersten Jahres sein, die allgemeinen Grundlagen unserer Zusammenarbeit neu
zu entdecken. Die Themata mußten darum sehr weit gespannt werden: wie „Gibt es christliche Grundsätze für das Staats-, Wirtschafts-, das soziale Leben und sind sie zu verwirklichen?“ „Ruf und Verantwortung der Christenheit in der gegenwärtigen Krisis.“ „Die Einheit des deutsch-
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Jugendkonferenz des Weltbundes für Internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen und des Weltrates für Life and Work in Gland (Genfer See) vom
Sitzend 2. Reihe: (Genf), Burroughs
24.—31. August
1932
Steele (Genf), Bonhoeffer (Deutschland), Henriod (England), Toureille (Frankreich), Craske (England)
Kirche,
Jugend,
Friede
177
französischen Protestantismus und das Problem des Katholizismus und Bolschewismus.“ Dann auch enger: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem.“ „Die Arbeitslosigkeit.“ Das
Vorwiegen der ganz allgemeinen Fragen bedeutete aber keine Flucht in die Prinzipien aus der Angst vor den konkreten Fragen, sondern es entsprach der Erkenntnis von der Haltlosigkeit alles Redens über Einzelheiten wo nicht
vorher die allein mögliche Richtung alles verantwortlichen Fragens und Redens klargeworden ist. Es war wirklich ein ernstes erstes Sichbemühen junger Menschen aus aller Welt um die Erkenntnis des christlichen Sinnes der internationalen Arbeit für den Frieden. Wenn
auf diesen Tagungen
viel gewonnen ist, so ist es einmal die Einsicht in die ungeheure Schwierigkeit und Dringlichkeit eines derartigen Versuches der christlichen Kirchen, sodann ein immer entschlosseneres Ernstnehmen des fremden Standpunktes und
eine schärfere Abgrenzung des eigenen und zugleich ein vielleicht um einiges klarerer, ungetrübterer, illusionsloserer Blick in die wirkliche gegenwärtige, internationale Lage. Es
war einem aktions- und resolutionsfreudigen Angelsachsentum gegenüber oft nicht leicht, sich zunächst ganz nüchtern
mit diesen Dingen zu bescheiden. Es ist aber jedesmal einstimmig oder doch mit überwältigender Mehrheit dafür votiert worden, diese in den ersten Anfängen stehende Arbeit nicht sogleich wieder mit großen Resolutionen zu belasten, sondern in voller sachlicher Bescheidenheit die Vorläufigkeit der bisherigen Arbeit ben gerade in der »clairvoyance« sofort will” zu verschleiern,
anzuerkennen. Und die Deutschen haAbwehr gegen die Versuchung, die wieder mit einer “organisation of goodin den Kontinentalen und besonders in
den Franzosen ihre ihnen sachlich am nächsten stehenden Freunde gefunden. In besonderer Weise rückt einem in diesen Begegnungen die ungeheure Kluft zwischen dem kontinentalen und dem angelsächsischen Denken, die unsere
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
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heutige welt- und lebensanschauliche Problematik weithin bestimmt, nahe vor Augen. Es ist nun
aber gerade diese
resolutionsfeindliche Haltung, die der angefangenen Arbeit den Weg in weitere Kreise erschwert. Aber vielleicht sind heut doch schon manche
soweit, daß
sie gerade zu einer in dieser Richtung ungläubigen Arbeit mehr Vertrauen fassen können, als zu der pleophorischen Sprache der Resolution. Daß diese Arbeit christlich getan sein will mit allem Ernst und allen Konsequenzen, die das Wort umschließt, daß alle, die hier zusammentreffen, um das volle Gewicht des biblischen Gebotes des Friedens wissen, das macht die Arbeit sicher, verantwortlich,
dringlich, schwierig, bescheiden und langsam zugleich. Für das nächste Jahr ist für die deutsch-französische Regionalkonferenz, um die sich bereits ein kleiner besonderer
Studienkreis gebildet hat, neben einem grundsätzlichen Thema als zweites das der Revision der Verträge angesetzt. Es ist bereits in diesem Jahre im Weltbund mit aller wünschenswerten Klarheit hierüber gesprochen worden. Daß wir uns auf dem Boden der Kirche begegnen, macht eine letzte Offenheit möglich, wie sie sonst auf keiner internationalen
Konferenz auch nur denkbar ist. Das mögen sich doch alle diejenigen vergegenwärtigen,
die aus angeblich politischen
Erwägungen, die ja wesenhaft hier gar nicht in Betracht kommen können, diese Arbeit der Kirche ablehnen zu müs-
sen glauben. Es hängt gerade alles davon ab, diese Arbeit der Kirche parteipolitisch
zu neutralisieren.
Und
nur
so
verstanden wird sie eines Tages sehr ernst genommen werden müssen.
Zum
Konfessionsproblem
179
Zwei Diskussionsbeiträge zum Konfessionsproblem! Bonhoeffer:
Zum Begriff der Konfession vom Wahrheits-
begriff aus. Zwischen dem Begriff der Wahrheit und dem der Konfession liegt für protestantisches Denken der Begriff des Wortes. Wahrheit ist als Wahrheit des Wortes zu verstehen,
und zwar geht es um das klare, einhellige, begreifliche, gesprochene Wort. Dieses Wort ist in der Kirche in zweierlei Gestalt bei uns, als das Wort Gottes selbst, das geschieht ubi et quando visum est deo, und als das Wort der bekennenden
und sprechenden Gemeinde, in welcher das Evangelium recht gelehrt wird — pure docetur. Beide liegen unzertrennlich und ungeschieden ineinander. Sofern Wahrheit im Wort geschieht,
ist sie Wort Gottes und Wort des Menschen zugleich. Wort des Menschen in der Kirche aber ist immer irgendwie wesenhaft Lehre, und zwar mit der Intention auf „reine“ Lehre. Von hier aus wird der Begriff der Lehre konstitutiv für den Begriff der Konfession. Die „rechte“ Lehre hat einen theologischen Vorrang vor allen Fragen nach der rechten Verfassung. Daraus ergibt sich eine entschiedene Abwehr jedes konfessionellen Relativismus einerseits und eines Absolutismus, wie er in der katholischen Kirche gilt, andererseits. Die Konfession trägt im protestantischen Verständnis — paradox gesagt — relativ-absoluten Charakter in einem. Von hier aus scheint sich mir das ökumenische Gespräch so charakterisieren 1. Herkunft bisher nicht eindeutig auszumachen. Aus einem Protokoll, entweder: der zweiten theologischen Konferenz der Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit am 9. und 10. Dezember 1932 im Berliner Kirchenbundesamt, welche von Bonhoeffer organisiert war (Thema: Der
theologische Ort des Volkes und der Sinn der Konfession im Zusammenhang der ökumenischen Bewegung); oder: der Konferenz März 1933 unter Vorsitz von Zöllner.
in Dassel im
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Jugendsekretär
des Weltbundes.
1931—1933
zu lassen, daß darin jeder sich mit seinem in Menschenwort,
in Lehre, gefaßten Gotteswort dem anderen exponiert, sich als Mensch mit Menschenworten und Menschenbegreifen demütig vom anderen befragen läßt, sich dessen Kritik sagen läßt, sich in dieser Kritik auf das beiderseitige Angewiesensein auf Gottes lebendige Gnade hinweisen läßt. Das konfessionelle Wort jedes einzelnen bleibt so absolut und relativ zugleich. In dem konfessionellen Bekennen und dem in mensch-
licher Bescheidung sich damit dem andern Exponieren vollzieht sich das ökumenische Gespräch. Daß der konfessionelle
Ernst ganz gewahrt ist, muß sich daran erweisen, daß auch in der ökumenischen Arbeit der Begriff der Häresie wieder in
Kraft tritt. Der Verlust dieses Begriffes bedeutet schwere Einbuße an konfessioneller Substanz. Bonhoeffer: Was Schmidt-Kiel sagte, halte ich nicht nur theologisch für richtig, sondern auch der konkreten Erfahrung entsprechend. Der theologische Gegensatz geht wirklich so in
die letzte Tiefe. Diese Erkenntnis ist auf den ökumenischen Jugendtreffen der letzten Jahre immer wieder das letzte ehrlich erreichbare Resultat gewesen. Wie ist für uns dieser
Gegensatz zu verstehen und zu überwinden? Allein von dem urreformatorischen Gedanken, daß die Kirche des Evangeliums eine Kirche ist, die immer in der Buße steht. Die eigen-
tümlich lutherische Botschaft ist diese Erkenntnis der Kirche in der Buße. Diese Botschaft ist einerseits absolut wichtig, andererseits muß gerade die Kirche, der diese Botschaft aufgetragen ist, immer wieder in die Buße hinein, d.h. sie muß
demütig auf den anderen hören. Absolutheit des Anspruchs und Demut zugleich ist im lutherischen Verständnis der Kirche in der Buße eingeschlossen. Der Begriff der Una sancta ist nur in dieser paradoxen Gestalt denkbar. Falsch dagegen ist es und historisch aus der Romantik, aber nicht aus der Re-
formation herstammend, den Begriff der Kirche organologisch zu denken, d.h. die Konfessionen als Teile eines Ganzen zu
Zum
Konfessionsproblem
181
verstehen, als verschiedene Äste an einem Baum. Falsch ist dies darum, weil dieses Reden vom Verhältnis des Teiles zum
Ganzen voraussetzt, daß wir über dieses Ganze irgendetwas aussagen könnten. Aber eben dies können wir ja nicht, wir wissen von der Kirche nicht anders denn als begründet durch das rufende Wort Gottes zur Buße und zum Evangelium, wir wissen von der Kirche nur in der Gestalt unserer Kon-
fession. Der Begriff der Teilwahrheit vernichtet den Begriff der Wahrheit vollständig. Jeder organologische Kirchenbegriff zersetzt den echten Anspruch der Konfession. Er ist nicht nur unreformatorisch, sondern comparationis im paulinischen danke des Dienstes des einen am vom Teil zum Ganzen. Es ist
auch unbiblisch. Das tertium Bild des Leibes ist der Geanderen, nicht das Verhältnis lutherisches Anliegen, den in
der ökumenischen Bewegung umgehenden romantischen Kirchenbegriff zu kritisieren und damit einem echten Verständnis der Konfession und der Una sancta den Weg frei zu machen.
182
IV. KONFERENZIN
FAND
1934
London, December 27th, 1933 My Lord Bishop, [Chichester]! Thank you very much for your most kind Christmas greetings. It means very much for me indeed to know that you are
sharing all the time the sorrows and the troubles which the last year has brought to our church in Germany. So we do not
stand alone and whatever may occur to one member of the Church universal, we know that all the members suffer with it. This is a great comfort for all of us; and if God will turn back to our church sometime now or later, then we may be certain, that, if one member be honoured, all the members shall rejoice with it. Things in Germany are going on more slowly than we expected. Müller’s position is, of course very much endangered.
But he seems to try to find closer contact with the state to be sure of its protection in case of danger. Only from this point of view I can understand his last agreement with the Hitler Youth. But it seems as if the State is nevertheless very much reserved and does not want to interfere once more. I do not think personally that Müller can keep his position and it will certainly be a great success if he falls. But we must
not think that the fight is settled then. On the contrary, it will without any doubt start anew and probably sharper than before with the only advantage that the fronts have been
cleared. The trend towards nordic heathenism is growing tremendously, particularly among very influential circles; 1. Übersetzungen siehe Seite 426—434.
Reichsbischof
Müller
183
and I am afraid, the opposition is not united in their aims. In Berlin they are going to form an Emergency Synod under the leadership of Jacobi next Friday. This is meant to be a legal representation of the oppositional congregations against the
illegal synods oflast August and September. Jacobi is probably the wisest of the oppositional leaders in the moment and I put much trust into what he is doing. There is a great danger that people who have had a very indefinite attitude toward the German Christians last summer, jeopardize now the success of the opposition by mingling in and seeking their own
personal advantage. The letter of Müller! is as expected very weak and anxious, it really does not mean anything at all. It does not come out of a sound theological but much more of political argument-
ation — though one always has to realise that his position now is so difficult as never before. If you allow me I shall be only too glad to come once more to Chichester. I am still having continnous information by telephone and airmail from Berlin. Please, give my most respectful regards to Mrs. Bell, I remain, in sincere gratitude, My Lord, Yours truly Dietrich Bonhoeffer
1. Im Namen des Universal Christian Council for Life and Work schrieb der Bischof an den Reichsbischof Ludwig Müller am 23. Oktober 1933 und kritisierte die Annahme des Arierparagraphen und die Anwendung von Gewaltmitteln gegen die Minderheit in der deutschen Kirche. Müller antwortete am 8. 12. 33 kurz. Chichester erneuerte und erweiterte seine Beschwerden am 18. 1. 1934 (siehe Life and Work „Minutes of the Meeting of the Executive Committee Novi Sad... 1933“ pg 39—42 und „Minutes... . Fanö 1934“ pg 63 £.).
184
Konferenz
in Fanö.
1934
London, March 14th, 1934
My Lord Bishop, May I just let you know, that I was called last week again to Berlin — this time by the Church Government. The subject was the ecumenic situation. 1 also saw Niemöller, Jacobi, and some friends from the Rhineland. The free Synod in Berlin was a real progress and success. We hope to getready for a Free
National Synod until 18th of April in Barmen!. One of the most important things is that the Christian Churches of the
other countries do not lose their interest in the conflict by the length of time. I know that my friends are lookingto youand your further actions with great hope. There isreally amoment now as perhaps never before in Germany in which our faith into the ecumenic task of the Churches can be shakened and destroyed completely or strengthened and renewed in a surprisingly new way. And it is yon, my Lord Bishop, on whom it depends whether this moment shall be used. The question at
stake in the German Church is no longer an internal issue but is the question of existence of Christianity in Europa;therefore a definite attitude of the ecumenic Movement has nothing to do with “intervention” — but it is just a demonstration to the whole world that Church and Christianity as such are at stake. Even if the information of the newspaper is becoming of less interest, the real situation is as tense, as acute, as responsible as ever before. I shall only wish yon would see one of the meetings of the Emergency League now — it is always inspite of all gravity of the present moments a real uplift to one’s own faith and courage. — Please, do not be silent now!
I beg to ask you once more to consider the possibility of an ecumenic delegation and ultimatum.Itisnot on behalf of any national or denominational interest that this ultimatum should 1. Tatsächlich war die „Erste Bekenntnis-Synode Gemarke“ erst vom 29.—31. 5. 1934.
der DEK
in Barmen-
Ökumenische
Delegation
185
be brought forward but it is in the name of Christianity in Europe. Time passes by very quickly, and it might soon be
too late. The 1st of May the“ Peace in the Church” shall be declared by Müller. Six weeks only. I remain, my Lord Bishop, Yours very gratefully and re-
spectfully, Dietrich Bonhoeffer
Dr. D. Bonhoeffer Forest Hill, London
Genf, le 16 mars 1934
M» dear Bonhoeffer,
Thank you for your letter of March 14th. r you say, the situation is becoming more critical and some action should be taken up without any delay by the Oecumenic movement. I have discussed your letter fully with Dr. Schoenfeld and we have
consulted also one or two other leaders and Christian workers here. I have written a few days ago already to the Bishop of Chichester, urging him to follow up his correspondence with Bishop Heckel by a strong letter. I am writing him today asking for a small conference of leading theologians, most of whom would be in Paris a the beginning of April for our Study conference on Church and State — a conference which would be separate from
that Study week, and to which the Reichsbischof would be asked to send delegates, so that straight forward questions can be put to them and strong statements made, which will make it possible for an outspoken disapproval of the attitude adopted by the Church and probable action by the Churches belonging to the Oecumenic
movement.
This
would
follow
up
naturally
steps
taken before and might lead to a delegation to Berlin. If the Bishop of Chichester prefers to have a delegation go to Berlin — which I doubt very much, as most of the members of our Administrative Committee were not in sympathy with this method —
I would fall in with him of course.
186
Konferenz
in Fanö.
1934
At the same time we are preparing as fast as we can documentation on the attitude of other Churches toward the present German situation, which can be used in the press and thus become known in Germany. It is not in my competence to prepare for a delegation or to send an ultimatum without the consent of my committee and as
you know, the Bishop of Chichester was asked to take up responsibility in the direction of relationships with Germany and I am keeping in close touch with him. Those who stand for the Gospel in Germany should not get desperate. There are declarations and messages which are coming ont from various countries by pastors and others, which will
indicate how much deep feeling there is outside Germany with regard to the situation of the government of the German Church. I can only repeat that stronger action might have been taken earlier if our best trusted friends in Germany had not urged us again and again even these last few days, not to break relationships with the German Church, as it is our only means of inflnencing the situation by getting at the present government again and again with strong criticisms.
If you have to return to Germany, please let me know before you leave London your address, and whether one can write to you and comparatively freely. Through our press service and through every means we have at
our disposal, we are doing our utmost to pass on the truth as we receive it with regard to the German situation. I shall be away from Geneva in Austria, Hungary and Czechoslovakia up till Easter time. I trust that you keep in close touch
with the Bishop of Chichester. As you say the issue is plainly Christian and it touches the future of Christianism in Europe. You can count on my full sympathy and we know how terrific the situation must be for those who suffer bodily, mentally as well as in their soul. May God give us His clear lead so that we
act at every point according to His will and for His cause. Yours ever,
H.L.
Henriod
Um
einen
ökum.
Hirtenbrief
187
London, 15th April 1934 My Lord Bishop, [Chichester] It is on the urgent request of one of my German friends, whose name I would rather mention to you personally, that I am
writing to you again. I have received yesterday this letter which has upset me very much indeed and I think it is necessary that yon know how our friends in German are feeling about the present situation and about the task ofthe ecumenic
movement now. The letter is really an outcry about the last events in the German Church and a last appeal for an “unmisunderstandable” word of the ecumenic movement. This man who speaks forafew thousand other states quite frankly: “in the present moment there depends everything, absolutely
everything, on the attitude of the Bishop of Chichester.” If such feeling arises in Germany, it means that the moment has
definitely come for the ecumenic movement either to take a definite attitunde — perhaps in the way of an ultimatum or in expressing publicly the sympathy with the oppositional pastors — or to lose all confidence among the best elements of the German pastors — an outlook which terrifies me more than anything else. It is for this very reason that I am repeating to you this statement of my friend. Of course, Pastors in Germany do not realise all the implications which are connected with such a step taken by the ecumenic movement, but they certainly have a very fine feeling for the right spiritual moment for theChurches abroad to speaktheir word. Please, do not think our friends in Germany are losing all hope, it is only
humanly spoken when they look to the ecumenic movement as their “last hope” and it is on the other hand for the ecumenic movement the moment to give test of its reality and vitality.
As to the facts there is firstly the appointment of Dr. Jäger’, 1. Ministerialdirektor A. Jäger war seit 12. 4. 34 Mitglied des „Geistlichen Ministeriums“ und unterzeichnete von nun an alle Verordnungen
und Gesetze zusammen mit dem Reichsbischof.
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Konferenz
in Fanö.
1934
which is considered to be an ostentatious affront to the oppo-
sition and which means in fact that all power of the church government has been handed over to political and party authorities. It was much surprising to me that the Times gave a rather positive report about this appointment. Jaeger is in fact the man with the famous statement about Jesus being only the exponent of nordic race etc. ... He was the man
who caused the retirement of Bodelschwingh and who was considered to be the most ruthless man in the whole Church government. Furthermore he is — and remains — the head of the Church Department in the Prussian Ministry of Education and a leading member of the Party. So this appoint-
ment must be taken as a significant step towards the complete assimilation of the Church to the state and party. Even if Jaeger should try to make himself sympathetic to the Churches abroad by using mild words now, one must not be deceived by this tactic.
The situation in Westphalia seems even to be much more tense than we know. I could tell you some details personally.
On the other hand it is still the great danger that the attempt of the Church Government to win the sympathy of the leading men of the Churches abroad will succeed as we know of
one such case — because many of them do not have enough knowledge to see what is going on behind the scenes. It is therefore that the mentioned letter proposes very strongly if yon could not send a letter to all other churches connected with the ecumenic movement warning them to take any personal step towards a recognition of the German Church
Government and giving them the real christian outlook of the situation which they want.The Reichsbishop himself is re-
ported to have said, if we get the Churches abroad on our side, we have won. Excuse this long letter, but everything looks so frightfully dark. It is always a great comfort to me
Dr. Jägers
Bestellung
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that I may tell you frankly and personally our feelings. I hope to have the chance to hear from you soon.
With deep gratitude, I remain Yours very respectfully, Dietrich Bonhoeffer The Palace, Chichester
2nd May 1934
My dear Bonhoeffer, I send you a draft letter to members of the Oecumenical Council. I should be most grateful if you would tell me how it strikes you. I think myself it is too long. I hope it is properly balanced. Any points which you think might be better expressed, or omitted or added, will be most thankfully received. I should naturally be grateful for the earliest possible reply. You will note a guarded reference to the Ulm Declaration! at the end of the second paragraph. Yours ever George Cicestr
London, May 3rd, 1934 My Lord Bishop,
Thank you very much for your most interesting letter. I think it will be a very helpful and important document in the present situation. May I just add a few words with regard to details: You speak “of the loyalty (of the pastors)
to what they believe to be Christian truth”. Could you not say perhaps: “to what is the Christian truth” — or “to what we believe with them to be the Christian truth”? It sounds as ifyou want to take distance from their belief. I think even the Reichsbishop would be right in taking disciplinary mea1. „Kundgebung (Ulmer
Erklärung)
der am
evangelischen 22. 4. 1934.
Bekenntnisfront
in Deutschland“
190
Konferenz
in Fanö.
1934
sures against ministers, if they stand for something else but
the truth of the gospel (even if they believe it to be the truth)
— the real issue is that they are under coercion on account of their loyalty to what is the true gospel — namely their op-
position against the racial and political element as constituent for the Church of Christ. Is not perhaps the word “one-sided” (page 2) missleading?
It could seem as if one possibly could sympathize with both sides at the same time and as if the difference between both sides were not ultimate, so that one just has to decide for either side. I am afraid, Heckel will make use of this “onesided” in a way yon do not want it to be used. — P.3 “the introduction of racial distinctions” and political
principles — could that be added? It is always the same error — the swastica in the Church seal!! Many sources of revelation besides and except Christ. Other constitutive norms for the Church than Christ himself.
Finally, I think the stimulating effect of your letter would be still a bit stronger if you would hint at the absolute necessity of unanimousness with regard to some crucial principles, and that any further cooperation would be useless and unchristian, if such unity would prove unreal. If there would be no word of that sort, Müller and his men will not be afraid of any definite action from your side in the
near future anymore. The policy of the more intelligent people in the Church Government has always been: “discuss the problems as much as yon want, but let us act” — the thing they are afraid of is not discussion but action. If they could gather from this letter that the ecumenic movement would leave them alone for a certain while, they would consider it a success for themselves. So I think it necessary not t Bonhoeffer hatte wenige Tage zuvor dem Bischof ein neues chensiegel aus Berlin mit einem Hakenkreuz darin geschickt.
Kir-
Um
den Hirtenbrief
191
to give them the possibility of such an illusion (of which they would make any political use they can!). Excuse my frank comments to your letter. You know that I ammost thankful to you for giving me the chance of expressing my opinion to you so frankly. I remain with great gratitude, Yours very respectfully, Dietrich Bonhoeffer
192
Konferenz
in Fanö.
1934
A Message Regarding the German Evangelical Church To the Representatives of the Churches on the Universal Christian Council for Life and Work
from the Bishop of Chichester‘. I have been urged from many quarters to issue some statement to my fellow members of the Universal Christian Council for
Life and Work upon the present position in the German Evangelical Church, especially as it affects other Churches
represented
on the Universal Christian Council for Life and Work. The situation is, beyond doubt, full of anxiety. To estimate it aright we have to remember the fact that a revolution has taken place in the German State, and that as a necessary result the German Evangelical Church was bound to be faced with new
tasks and many new problems requiring time for their full solution. It is none the less true that the present position is being watched by members of the Christian Churches abroad not only with great interest, but with a deepening concern. The chief
cause of anxiety is the assumption by the Reichbishop in the name of the principle of leadership of autocratic powers unqualified by constitutional or traditional restraints which are without precedent in the history of the Church. The exercise of these autocratic powers by the Church Government
appears in-
compatible with the Christian principle of seeking in brotherly fellowship to receive the guidance of the Holy Spirit. It has had disastrous results on the internal unity of the Church;
and the
disciplinary measures which have been taken by the Church government against Ministers of the Gospel on account of their loyalty to the fundamental principles of Christian truth, have made a painful impression on Christian opinion abroad, already 1. Übersetzung siehe Seite 434.
UMNIONIMII sfeuoneu
SO9AWON-AUNJOXT LPITgFOITPSU1) 1O81Ur9 A9uspeJo3 (Ps?SPP sopungzjoy nz -T3u] Mogzessyeipspunsig IP uUSWPATS] WOA "ST '07— Jqwaıdag EE6]ur eos uo syum gpru :szgpaı “Juueyaqun Ape] uosunpiqg ‘(purjsug) “Üuuespoqun puowumig ‘(UOPUOT) n9s>afeytW “(usıueuny) 19ys1J “(WIOLIIISQ) auueyaqun u9139purg “(uspamıpg) 19d197 — arur weIzınasasjneus3oquajjg — ‘(VSN) “auueyaqun Juueyaqun — 1se} zueZ 1:Pap19A ‘— ap 1907 ‘(uredun) sorestaryy ‘(purjuswpar1g) -aqun ‘uuey zyowpsıgqzıgueydarg ‘(eyog) usspununuy ‘(spewourgg) porsusrg ‘(FUY) Joranog *(zIOmipg) Aed “(uorper]) ssıWm spreM ‘(Fua9) uosurmyıy MON) “(JIOA Auuryaqun awepey [onb>Z>[ ‘stıeg) [onbazyf “(tproıyuerg) 1511soq] ‘(uarıeäjng) “yuueyaqunoppoıno]L “(tproryuerg) Juuryoqun 197790yuog (purpwpsinag)
Sunzurg sOP
Mit Erwin Sutz in Wiesendangen Sommer
1936
(Schweiz)
Botschaft zu Himmelfahrt disturbed by the introduction
versal
fellowship
193
of racial distinctions in the uni-
of the Christian
Church.
No
wonder
that
voices should be raised in Germany itself making a solemn pronouncement before the whole Christian world on the dangers to
which the spiritual life of the Evangelical Church is exposed. There are indeed other problems which the German Evangelical Church is facing, which are the common concern of the whole of
Christendom.
These
are such fundamental
questions
as those
respecting the nature of the Church, its witness, its freedom and its relation to the secular power. At the end of August the Universal Council will be meeting in Denmark. The Agenda of the Council will inevitably include a consideration of the religious issues raised by the present situation in the German Evangelical Church. It will also have to consider the wider questions which
affect the life of all the Churches in Christendom. A Committee met last month in Paris to prepare for its work, and its report will shortly be published entitled, ”The Church, the State, and the
World Order“. I hope that this meeting will assist the Churches in their friendship with each other, and in their task of reaching a common mind on the implications of their faith in relation to the dominant tendencies in modern thought and society, and
in particular to the growing demands of the modern State. The times are critical. Something beyond conferences and consultations is required. We need as never before to turn our
thoughts and spirits to God. More earnest efforts must be made in our theological study. Above all more humble and fervent prayer must be offered to our Father in Heaven. May He, Who alone can
lighten our
darkness,
give us grace! May
He, Who
knows our weakness and our blindness, through a new outpouring of the Spirit enable the whole Church to bear its witness to its Lord with courage and faith! (Signed) George Cicestr
Ascensiontide 1934
[10. Mai 1934]
194
Konferenz
in Fanö.
1934
London, May 15th, 1934
My Lord Bishop, [Chichester]! Your letter has made a very great impression on me and on all my friends here who have read it. In its conciseness it strikes at the chief points and leaves no escape for misinter-
pretation. I am absolutely sure that this letter of yours will have the greatest effect in Germany and will indebt the opposition very much to you. And what I think is most im-
portant, this letter will help the opposition to see that this whole conflict is not only within the Church, but strikes at the very roots of National-Socialism. The issue is the freedom of the Church rather then any particular confessional problem. I am very anxious to learn what the effect on the Church Government will be. Once more I wish to thank you for your letter which is a living document of ecumenic and mutual responsibility. I hope, it will help others to speak out as clearly as you did. I remain, my Lord Bishop, Yours very respectfully, Dietrich Bonhoffer
1. Übersetzung siehe Seite 436.
Schönfeld
über Fanö-Themen
195
Herrn Privatdozent Lic. D. Bonhoeffer 23 Manor Mount, London S.E.23
Genf, den 14. Juni 1934 FA
Lieber Herr Bonhoeffer, Für die Vorbereitung zu
der gemeinsamen
287 34
Arbeitstagung
des
Oekumenischen Rates und des Weltbundes wird es Ihnen wichtig sein, einen vollen Satz der Thesen und Referate zur Hand zu haben, die der oekumenischen Studienkonferenz von Paris vorlagen, und die ich Ihnen zu Ihrer persönlichen Information zugehen lasse. Die Veröffentlichung dieser Thesen und Referate mit einem Diskussionsbericht ist für Anfang Juli vorgesehen in einem Studien-
buch unter dem Titel „Die Kirche und das Staatsproblem der Gegenwart“.
Im Anschluß an die letzten Sitzungen in Paris mit Vertretern unseres Verwaltungskomittees und des Weltbundes wurde die Forschungsabteilung beauftragt, einige Leitfragen für die Aussprache der gemeinsamen Arbeitstagung in Dänemark aufzustel-
len. Wir haben für die Aussprache am ersten Tage über Kirche und Staat folgende Fragen vorgeschlagen:
1. Wie
versteht
die Kirche
Christi
Wesen
und Aufgabe
des
Staates? 2. Wie versteht die Kirche Christi ihr Verhältnis zum Staate, und zwar in seiner Freiheit wie Gebundenheit?
3. Gibt es und in welchem Sinne kann es einen Totalitätsanspruch auf der Seite des Staates wie der Kirche geben? Die Diskussion wird darauf gerichtet sein, die entscheidende Bedeutung dieser Fragen und der Arbeit daran deutlich zu machen
und darauf eingehen, in welcher Weise man in den nächsten zwei bis drei Jahren konkret die hier gestellten Aufgaben anpacken könnte. Für das Thema des zweiten Tages „Kirche und Völkerwelt“ haben wir als Leitfragen von grundsätzlicher Bedeutung die folgenden beiden Fragen genannt:
196
Konferenz
in Fanö.
1934
1. Von welchen Grundlagen her und mit welchem Recht hat die Kirche die Verantwortung, zu den internationalen Problemen zu sprechen? Das Verhältnis von Oekumenizität und Internationali-
tät und sein rechtes Verständnis? 2. Welches sind die Mittel und die Grenzen der Mitarbeit der Kirche an der Lösung internationaler Probleme? Wir sind uns darüber klar, daß die Diskussion dabei auf die konkreten großen völkerrechtlichen Probleme und Aufgaben eingehen soll. Sie finden vor allem in den Thesen von Lic. W. Menn eine Reihe von grundsätzlichen Gedanken darüber, die auch inzwischen noch für die Veröffentlichung ausgebaut und ergänzt wurden. Falls Sie gerade zu den Fragen des zweiten Tages Vorschläge und Anregungen zu machen hätten, so wäre ich Ihnen für eine baldige Mitteilung dankbar, Sie hörten vielleicht schon, daß für den 24. August nachmittags in Fanö eine gemeinsame Ar-
beitssitzung der Sprecher mit Vertretern der Forschungskommission der Forschungsabteilung vorgesehen ist, um den Verlauf der Diskussion in seinen großen Linien festzulegen. Ich hoffe, daß Sie dann auch daran teilnehmen können, bin Ihnen aber dankbar, wenn wir schon bald Ihre Anregungen dazu erhielten.
Mit herzlichen Grüßen
.
Ihr Hans Schönfeld
London, Juni 28th, 1934
My Lord Bishop, [Chichester]! The statement of Bishop Müller at Holle (Hannover) in which he has threatened a procedure for High Treason for all those ministers who give any information in church matters abroad has caused much anxiety to Dr. Winterhager and to myself. Bishop Müller’s statement continues that “there is
no emergency for faith” in present-day Germany.
We consider this latter maintenance a vehement rejection and a very unsatisfactory reply to your Ascension Day Message
in which it was truly and clearly stated to what an extent 1. Übersetzungen siehe Seite 436—444.
Mällers
Drohung
mıt
Hochverratsverfahren
197
the Christian faith was really endangerd on account of the “German Christian” Church Government. We therefore believe it to be very essential that now the Universal Christian Council again expresses its jugdment. This ecumenic judgment and protest would not lose its substantial object if and when Bishop Müller had himself resigned at the
time of its publication. We feel sure that the leaders of the church opposition and the great majority of steadfast Protestants in our country are more and more embarrassed by the first of the recent statements, i.e. the High Treason Threat.
They will all consider the ecumenic witness and protest to be most helpful for all those who are otherwise left quite unprotected from threatening insult and great danger.
The ecumenic witness will now be particularly helpful, if a statement of yours is to declare openly that any dispute and
any information upon Church matters is in the field of religious discussion only and has nothing to do whatever with state politics. And all the more important would be your
statement now, since through British press and broadcast the attention of many churches all over the world has more than ever been drawn to the frightening measures and threats of Bishop Müller. World Protestantism will surely expect very soon an open reply to those provocative attacks against the
Ascension Day message which was sent to all the Churches of Christ.
With many thanks and kindest regards from Dr.Winterhager, I am sincerely Yours Dietrich Bonhoeffer To Dr. D. Benhoeffer Genf, 7th July, 1934
Dear Bonhoeffer, Your letter to Schönfeld arrived this morning. Schönfeld is away on his holiday until the end of the month. T'herefore according
198
Konferenz in Fanö. 1934
to your instructions I have opened your letter to him and this is my answer. I fully appreciate and sympathise with the most delicate and painful situation in which German representatives will be at the meeting at Fanö because of their delicate relationships with their State authorities, because of the presence of an official Church Delegation, because of the probable exposure of the inner German difficulties before an international gathering.
For the Management Committee of the World Alliance, that is to say for the sessions of the Commissions on August 22nd, for
the meeting of the Executive Committee
on the 23rd, for the
meeting of the Management Committee dealing with its business on August 24th only those appointed by the German Branch of the World Alliance, and men like Siegmund-Schultze, Pastor Maass (if he comes) and yourself as members of a World Alliance Commission appointed on former meetings, with the right to sit with the Management Committee, will be present. No other persons will be invited from Germany. For the Council of Life and Work, the official delegation named by Bishop Heckel, will be composed of Bishop Heckel himself, Dr. Wahl, Dr. Krummacher, Privatdozent Wendland, Prof. Hanns
Koch, plus other standing members of the German representation on Life and Work: Prof. Deissmann, Dr. Simons, plus any substitutes, as have been appointed by the Continental Section in
the past and who remain entitled to come. Vicepräsident Burghart (not coming?),
intendent
Dozent
Zoellner (?),
Theophil
Mann
(?), Generalsuper-
Prof. Siegmund-Schultze
(announced),
Prof. Titins (announced) in addition leaders and members of permanent commissions of Life and Work such as Pastor Menn, Prof. Dibelius, Dr. Stange, as members of the Administrative Committee (I have no indication whether he is coming or not) and yourself as member of the Youth Comission, Dr. Iserland who will represent the International Missionary Council and of course Schönfeld.
I quite agree with you that time will come when „durch diese Entwicklung wird es nun zwangsläufig dahinkommen, daß die Oekumene vor die unzweidentige Frage gestellt wird, zu welcher
Henriod
über
das
Einladungs-Dilemma
199
der beiden Kirchen in Deutschland sie sich bekennen wird. Es ist wichtig, daß man sich rechtzeitig über den Ernst dieser Alternative Klarheit verschafft.“ But, to be able to make the choice you contemplate, the Universal Christian Council must be notified
that there are two Churches and not one. Up till now no such indication has reached us. No request for recognition by any new organisation of Churches or Church. Furthermore, up till now the very leaders of the opposition like Dr. Koch, Niemöller and others have urged us not to sever our relationships with the official Church Government so as to maintain a right of pressure over them. If the Barmen Synod and present or future developments lead to the constitution of the Church distinct from the present recognised official Church that yon yourself have recognised when you announced your decision to accept the invitation of the German Congregation in London, and if and when this new Church asks for recognition by Life and Work, then, and only then, will the question of choice become possible for the Oecumenic Movement. This is atleast my own understanding ofthe situation which Schönfeld shares entirely according to our frequent conversations on the subject. This is still, I think, the point of view of the Bishop of Chichester, according to my knowledge; to ascertain this last point, I am sending him a copy of this letter to yon. If the present Church Government remains in power in Germany and is represented at the Fanö meeting, as they clearly indicate, and if after the debate on Church and State and the special session contemplated on the afternoon of August 25th when the answer to the letter of the Bishop of Chichester of May 10th is discussed, the official representatives of the Church express their desire to continue to be part of the Life and Work Movement and the meeting concurs to this decision as stated earlier in this letter, there will be no other alternative, no choice that we can make unless a move is made from Germany itself. You will have noticed I am aware, that there are a good many
“fs” in my letter, and things may turn in a different way. But I was anxious that yon would fully understand where the responsibility
rests
with
regard
to the future
Life and Work and the German Church.
relationships
between
200
Konferenz
in Fanö.
1934
Concerning the World Alliance as long as the World Alliance in Germany in its present shape remains in existence, and as long as its leaders refuse to be incorporated into an official organ of the German Official Church, the World Alliance will not change its
relationships and Fellowship. But in case Bishop Heckel or others declare disbanded the World Alliance and no protest or indication
comes to us from the leaders of the German branch that they refuse to be suppressed, or even accept such a possible ”Gleichschaltung“, then it would become very difficult for the World Alliance to take another attitude than the legal constitution
of the World
Alliance is concerned, It goes without saying that my hope and prayers are that the situation in Germany will evolve in such a way that either an offcial or nonofficial Church or an organisation in Germany will become free again to live and to act according to the principles of the gospel only, and you can be certain that fellow Christians and fellow Christian organisations in other countries share to their utmost with Germany to remain true to the Gospel of
Jesus Christ in the programme in: the attitude of their leaders wherever
they are.
Yours very sincerely,
H. L. Henriod
London, July 12th, 1934 My dear Henriod,
Thank you very much for your letter. I appreciate your readiness to understand our point of view and your sympathy with our difficulties. Thanks for your friendly words! — Now
your main point is, that the Confessional Church in Germany should notify the Universal Council of its very existence. As I see it, that has been done long ago in Ulm as well as in Barmen where the Confessional Synod made the official claim before the whole Christian world to be the true Evan-
gelical Church in Germany. If this claim is at all taken seriously, then it includes the hope of recognition by the other churches. If Iam right,theChurches represented on the Univer-
Bonhoeffer
zum
Einladungs-Dilemma
201
sal Christian Council have been invited to send their representatives and have not done so by their own initiative. I have discussed this point with the Bishop of Chichester recently and I learn, he has written to you already about it. You say: “if the Barmen Synod... lead to the constitution of the Church distinct from the present recognised official
Church ... then, and only then will the question of choice become possible for the ecumenic movement”. I think, yon are misinterpreting the legal construction of the Confessional Church in this point. There is not the claim or even the wish to be a free Church besides the Reichskirche, but there is the claim to be the only theologically and legally legitimate Evangelical Church in Germany, and accordingly you cannot expect this Church to set up a new constitution, since
it is based on the very constitution which the Reichskirche has neglected. It follows that, according to my opinion, a move should be made by the Universal Council in the form of an official invitation to the Confessional Synod to participate in the ecumenic work of the Churches. You will realise, that it is exceedingly delicate for the Confessional Church to make this move after having already once declared before the whole of Christianity, what their claim is. So, I feel strongl'y, that legally and theologically the responsibility for the future relationship between the German Church and the ecumenic Movement rests with the Ecumenic Movement itself and its actions. With regard to the World Alliance I may say, after having attended an important meeting of it two weeks ago, that it
is out of question that the Reichskirche should be allowed to take over their business. There is a very strong feeling
against D. Heckel, so that even the possibility of staying away from Fanö in case D. Heckel should be there is being seriously considered. Finally, you will allow me to correct your statement con-
202
Konferenz
in Fanö.
1934
cerning my recognition of the Reichskirche in my personal
position. I am in no relation whatever with the Reichskirche. I am elected merely by my congregation and this election
has neither been confirmed by the Reichskirche as it should have been, nor would I accept such a confirmation at all. When I went over to London, there was no Confessional
Church, which had made the claim it is making now — this having been one of the reasons why I left Germany. Excuse
this lengthy explanation, but I should not like to be misunderstood by my friends. — The decree of Frick! is indeed of the greatest importance. I feel it is once more a great moment for the Ecumene to speak. This decree may mean the definite suppression of
Christianity as a place where public christian opinion can be formed. — I am glad yon have found so quickly a substitute for me for Fanö and I am sending you the documents under separate cover. You will understand my decision not to go
to Fanö better. I frankly admit that I cannot agree with the invitation of D. Heckel without inviting the opposition. — I have talked all these problems over with D. Koch and Niemöller on my trip to Berlin, and we all agreed. I hope to hear from you again, Yours Dietrich Bonhoeffer
1. Erlaß des Reichsministers des Inneren vom 9. 7. 1934: Zum Schutz der Volksgemeinschaft Verbot aller den „Kirchenstreit“ betreffenden Auseinandersetzungen in öffentlichen Versammlungen, Presse, Flugblättern und Flugschriften, ausgenommen die amtlichen Kundgebungen des Reichsbischofs.
Chichester
sucht
Ammundsens
Private
Rat
203
The Palace, Chichester
7th July, 1934
My dear Bishop, It has been suggested to me that I should invite representatives of the Confessional Synod of the German Evangelical Church which met at Barmen to send representatives to the Denmark Meeting of Life and Work. The point made is that the Confessional Synod is in fact a Church, whether or not one admits its claim to be the legal Evangelical Church of Germany — a claim that is very strongly supported on legal and constitutional grounds by learned German lawyers. I am given to understand
(by Bonhoeffer, with whom I have discussed the matter) that if an invitation were to be presented to Praeses Koch it would be
welcome, and that representatives would undoubtedly be sent. I admit that I should like to send an invitation. In ordinary circumstances it rests with the Churches in the countries concerned to agree amongst themselves as to their respective quotes in their national delegation. But clearly one cannot expect Bishop Heckel to negotiate with Praeses Koch as to the proportion in this case. I do not at all know whether Bishop Heckel is in fact
coming,
or how far the German
Evangelical Church
will be
represented. I think one wants to do anything within reason to
give encouragement to the Confessional Synod. I am writing to Schönfeld in the same way as I am writing to you. I should be möst grateful if yon would give me the help of your very wise advice, and if you could let me have an answer during this coming week it would be particularly welcome.
The present situation in Germany to the whole Yours ever,
generally adds an urgency
question.
To the Right Rev.
Bishop Ammundsen
p. p. George Cicestr
204
Konferenz
ın Fanö.
1934
The Palace, Chichester
18th July, 1934
Right Reverend and Dear Sır, The Universal Christian Council for Life and Work is holding its Meeting at Fanö, in Denmark, from August 23 to August 30. It is expected that the Meeting will be one of grave importance.
On the Saturday the Council will engage in a discussion on the recent Message which I sent as President to the representatives of the Churches on the Universal Christian Council at Ascensiontide. On the Monday and the Tuesday the theme for discussion will be “The Church and the modern conception of the State” and also “The Church and the World Order.”
I write as President, after consultation with Bishop Ammundsen and some others, to invite you to attend tbe Meeting of the Council and to bring a colleague with you: or if you are for any reason unable to attend yourself, to send two representatives. If it happened to be convenient for Dr. von Bodelschwingh to be one of such representatives his presence would be very valuable. I invite you and your colleague or representatives as guests and as authoritative spokesmen in a very difficult situation, from whose information and advice the Universal Christian Council would be certain to derive much benefit. I am well aware that you may yourself perceive difficulties which you will no doubt carefully consider as this invitation reaches you. The Universal Council will be obliged to hold a discussion, and in all probability to express an opinion, on the German Church situation. It will be very difficult for the Council to
deal with the questions raised without the
assistance of spokes-
men representing different positions and points of view. I also appreciate the fact however that attendance may have its embarrassment for those who take a different view from that of
the Church government. I would only say that if you are able to come — or send representatives — you and your colleague would be most welcome.
With much respect and sympathy, I am, Yours very faithfully signed George To the Rt. Revd. Praeses Koch
Cicestr, President
Entscheidung
nach
Fanö
zu gehen
205
8. August 1934 Hochverehrter und lieber Herr Bischof! [Ammundsen]! Verzeihen Sie, daß ich erst heute auf Ihren gütigen Brief antworte. Aber ich wolle es erst tun, wenn meine Entscheidung feststand. Es ist mir in der Tat durch Ihren Brief und dann durch eine Unterredung mit Siegmund-Schultze ganz klar geworden, daß ich nach Fanö gehen muß und alle persönlichen Bedenken zurückzustellen sind. Da nun auch die
Einladung an Praeses D. Koch ausgegangen ist, und damit mehr oder weniger offiziell erklärt worden ist, daß man uns hören will, ist die Lage ja ganz klar. Vielen herzlichen Dank nochmals für Ihre Worte und bitte schreiben Sie mir immer, wenn Sie das Gefühl haben, ich mache etwas verkehrt. Diese ökumenischen Dinge sind für uns Deutsche etwas, was man nur mit viel Aufmerksamkeit, Erfahrung und Hilfe lernt — und dafür danke ich Ihnen. Nun noch ein Wort zur Konferenz selbst. Ganz offen und
persönlich: ich habe beim Gedanken an Fanö mehr Angst vor manchen unsrer eignen Leute als vor den Deutschen Christen. Man wird vielfach unsrerseits entsetzlich vorsichtig sein, um ja nicht unpatriotisch zu erscheinen; nicht so sehr aus Angst, als aus einem falsch verstandenen Ehrgefühl heraus. Viele, auch solche, die schon länger in der ökumenischen Arbeit stehen, können bis heute nicht begreifen und nicht glauben, daß
wir hier wirklich allein als Christen zusammen sind. Sie sind furchtbar mißtranisch, und darum nicht restlos offen. Wenn es Ihnen, hochverehrter Herr Bischof, gelänge, dieses
Eis zu lösen, diese Menschen vertrauensvoll und ganz offen zu machen! Es muß, gerade auchinunsrer Stellung zum Staat, hier ganz ehrlich geredet werden, um
Jesu Christi willen und der ökumenischen Sache willen. Es 1. Bischof von Hadersleben, Dänemark; komitees, 1935 des ganzen Weltbundes.
1932
Präsident
des Exekutiv-
206
Konferenz
muß klar werden —
in Fanö.
1934
so furchtbar es ist —, daß die Ent-
scheidung vor der Tür steht: Nationalsozialist o der Christ; daß wir einen Schritt weitergehen müssen, als wir vor einem
Jahr waren (ich weiß, Sie haben es damals schon gesagt!). Es kann furchtbar schwer und hart für uns alle werden, aber wir müssen hinein u. hindurch, ohne Diplomatie mit offener
christlicher Rede. Und wir werden im Gebet miteinander den Weg dazu finden. Das wollte ich gern noch sagen. Ich bin der Meinung, es sollte eine Resolution gefaßt werden — alles Ausweichen nützt nichts. Und wenn der Weltbund in Deutschland dann aufgelöst wird — nun gut, dann haben wir das Zeugnis abgelegt, das wir schuldig waren. Besser als unwahrhaftig weitervegetieren. Es ist jetzt nur mit der ganzen Wahrheit und Wahrhaftigkeit geholfen. Ich weiß, manche meiner deutschen Freunde denken anders. Aber ich bitte Sie inständigst um Verständnis für diesen Gedanken. — Wie schön, daß ich Sie bald wiedersehen kann. Ich freue mich wirklich darauf. Nach der Konferenz wird eine kleine Grup-
pe deutscher Studenten (etwa 10) noch eine Freizeit mit mir in Dänemark abhalten. — Sehr gern ginge ich noch herüber nach Kopenhagen, wo ich dann auch Ihr Fräulein Tochter wiedersehen könnte, was mir eine große Freude wäre. Ich habe in Kopenhagen an der Deutschen Botschaft! einen sehr guten Freund. Aber ob ich vor oder nach der Konferenz dorthin komme, weiß ich noch nicht. — Ich höre, Sie sind in diesen Tagen in Deutschland. Es ist so gut zu wissen, daß da immer noch Menschen sind, die uns mit allem beistehen wollen, auch mit dem Gebet.
In Dankbarkeit und Verehrung bin ich Ihr treu ergebener Dietrich Bonhoeffer 1. Hans Bernd von Haeften, gust 1944 hingerichtet.
Mitkonfirmand
Bonhoeffers;
am
15. Au-
Ruf nach einer Resolution
207
Genf, den 13. August 1934 Sehr verehrter Herr D. Bonhoeffer, In diesen Tagen sah ich Ihre Thesen für die Aussprache in Däne-
mark und darf Sie bitten, daß Sie sich für die Aussprache doch noch darauf einrichten, das Thema: Kirche und Völkerwelt, oder: Internationalität und Oekumenizität noch umfassender auch in Ihren einleitenden Worten anzupacken, als Sie es in Ihren Thesen
getan haben.! Besonders werden Ihnen dafür die Thesen von Lic. W. Menn Anregungen bieten, die bereits im Anschluß an die Ergebnisse der oekumenischen Studienkonferenz von Paris weiter bearbeitet wurden. Das Studienbuch „Die Kirche und das Staats-
problem in der Gegenwart“ selbst wird mir leider erst in Fanö zu Beginn der Tagung vorliegen. Jedoch dürfen wir wohl damit rechnen, daß Sie auch an der Sitzung der Sprecher am 24. August
nachmittags 4 Uhr teilnehmen, in der der Verlauf der Diskussion noch einmal sorgfältig durchgesprochen wird. Eine Reihe der anderen wesentlichen Thesen der Studienkonferenz hatten Sie ja wohl bereits erhalten.
Mit den besten Grüßen Ihr sehr ergebener
von
Paris
Hans Schönfeld
18. August 1934 Hochverehrter, lieber Herr Bischof! [Ammundsen] Mein Freund, Pastor Hildebrandt, hat mir von Ihrem Treffen in Hamburg erzählt. — Ich finde es sehr schade, daß unsere Leute nicht kommen. Nun scheint es mir aber im Hinblick auf die Erlebnisse gerade der allerletzten Zeit einfach unerläßlich, daß nicht nur Life and Work, sondern auch der Weltbund eine Resolution, bzw. dieselbe Resolution heraus-
1. Hans Schönfeld an Ehrenström. 10. August 1934. ... Ich muß sagen, daß ich ziemlich entsetzt darüber bin, auch über das, was Herr Bonhoeffer hier vorlegt mit seiner engen Begrenzung auf das Kriegsproblem...
208
Konferenz
in Fanö.
1934
gehen lassen. Ich weiß, daß eine starke Strömung dagegen ist. Ich werde aber alles dazu tun dagegen anzugehen. Wir dürfen jetzt nicht schweigen. Und ich möchte mit diesem Brief nur Sie, hochverehrter, lieber Herr Bischof, bitten, mir zu sagen, welchen Weg ich dazu
einschlagen muß und was viel wichtiger ist, mir in dieser Sache zu helfen! Ich hoffe so sehr auf Ihre Hilfe! — Meinen letzten Brief haben Sie hoffentlich bekommen! —
In großer Freude Sie wiederzusehen bin ich in aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit stets Ihr Dietrich Bonhoeffer
Kriegsdienstverweigerung
209
Zwei Entschließungen der ökumenischen
Jugendkonferenz!
Die Teilnehmer an der fünften ökumenischen Jugendkonferenz, versammelt in Fans vom 22.—30. August 1934, haben sich im besonderen mit dem Problem des Staates vom christlichen Gesichtspunkt aus beschäftigt und sind zu folgendem Ergebnis gekommen:
Sie erkennen an, daß die Ansprüche des an das Wort Gottes gebundenen Gewissens vorgeordnet sind.
denen
des Staates, wie immer er auch sei, (einstimmig angenommen)
Sie meinen, daß die Angriffe auf diesen Anspruch in verschiedenen Ländern mit Recht eine wachsende Verurteilung durch die öffentliche Meinung herausfordern. (26 dafür, 17 dagegen, 2 Enthaltungen) Sie bemerken
aber dazu, daß auch Staaten, die in ihrer Gesetz-
gebung Gewissensfreiheit anerkennen, diese dadurch verletzen, daß sie, auf verschiedene Weise, die Kriegsdienstverweigerer streng bestrafen. Sie freuen sich, daß eine wachsende Zahl von Staaten den Kriegs-
dienstverweigerern erlauben, den Militärdienst durch einen bürgerlichen Dienst zu ersetzen. (Dänemark, Finnland, Norwegen, Niederlande, Schweden). (30 dafür, 1 dagegen, 14 Enthaltungen) Sie bitten die anderen Staaten, dieses Beispiel nachzuahmen, und möchten, angesichts der Tatsache, daß Kriegsdienstverweigerung 1. Anmerkung im Protokoll von Fanö: Dienstag, 28. August. „Auf Einladung der betreffenden Vorsitzenden wohnten Vertreter der ökumenischen Jugendkonferenz der .Nachmittagssitzung bei und trugen die Entschließungen vor, die sie in der Frage der Kriegsdienstverwei-
gerung und des universalen Charakters der Kirche gefaßt hatten.“
210
Konferenz
in Fanö.
1934
eine universale Erscheinung ist, jene Staaten, die in der Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung eine einseitige Schwächung
ihrer Armee fürchten, bitten zu erwägen, daß die Einführung des bürgerlichen
Dienstes
Gegenstand
einer
internationalen
Verein-
barung werden könnte. Sie bitten den Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen und den ökumenischen Rat für praktisches Christentum, selbst direkt und durch die Vermittlung aller Kirchen, die ihnen angeschlossen sind, dringende Vorstellungen bei den Regierungen zu machen, daß die jungen Leute, die die Lehren dieser Kirchen, wie sie sie verstehen, bis in ihre letzten Folgerungen ernst nehmen,
nicht als Übeltäter verfolgt werden. Sie fordert von den christlichen Kirchen, daß sie diejenigen ihrer Mitglieder, die, im Glauben an das Evangelium, sich weigern, Waffen zu tragen, nicht verachte, sondern sie als ihre rechten Kinder betrachte und sie in ihrer Bemühung, zu gehorchen, mit
mütterlicher Liebe begleite.
(30 dafür, 1 dagegen, 14 Enthaltungen)
(Gesamtzahl: 24 dafür, 12 dagegen, 7 Enthaltungen)
I.
In den letzten Jahren haben wir eine Stärkung der staatlichen Souveränität erlebt und das wachsende Streben des Staates, der einzige Mittelpunkt des geistigen und religiösen Lebens zu werden. Darauf haben die meisten Kirchen bisher nur mit akademischen
Protesten geantwortet oder sich ihrer Verantwortung entzogen. Auf Grund der biblischen Offenbarung behaupten wir dem gegenüber den universalen Charakter der Kirche. a) Die wesentliche Aufgabe der Kirche ist, das Wort Gottes zu verkündigen. Deshalb kann die Kirche niemals eine Funktion —
und sei es auch die höchste — des Volkes sein. Die Kirche hat ihren Auftrag innerhalb des Volkes, aber nicht „vom Volke her“. In bezug auf die rein nationalen Ziele ist sie in ihrer Verkündigung — und darum notwendig in ihrer Existenz — unabhängig. Im besonderen darf die Kirche in keinem Fall einem Kriege ihren
geistlichen Beistand leihen. Gegenüber den wachsenden Ansprüchen
Universalität
der Kirche
201
des Staates muß die Kirche ihre passive Haltung aufgeben und den Willen Gottes verkündigen, komme was da wolle. Dementsprechend fordern wir die Kirchen auf, jede Kirche, welche ihren universalen Charakter verleugnet, nicht als christlich anzuerkennen. b) Die Kirche, die nicht in den politischen Kampf eintreten darf, muß dennoch ihre Glieder verpflichten zum Studium der sozialen Fragen mit dem Zweck einer Aktion. Diese selbst, die nur den Einzelnen verpflichtet, erstrebt gleichzeitig den Aufbau eines Staates, der ein christliches Leben zuläßt. c) Gegenüber den konkreten Problemen, die das einzelne Leben stellt, ist der Christ verpflichtet, eine Wahl zu treffen im Lichte
des Grundsatzes: Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen. (Gesamtzahl: dafür 34, gegen 0, Enthaltungen 7)1
1. Beide Entschließungen wurden von Bonhoeffer mitformuliert und unter seinem Vorsitz beschlossen.
Konferenz
282
in Fanö
1934
Die Kirche und die Welt der Nationen!
Vorläufiger Entwurf zur theologischen Grundlegung der Weltbundarbeit?
1. Das Schicksal des Weltbundes entscheidet sich daran, ob
er sich als Kirche oder als Zweckverband versteht. Kirche ist der Weltbund, sofern er im gehorsamen und gemeinsamen Hören und Verkündigen des Wortes Gottes seinen Grund hat. Zweckverband
ist er, wenn
er in der Verwirklichung von
Zwecken und Zuständen irgendwelcher Art sein Wesen hat. Nur als Kirche kann der Weltbund vollmächtig das Wort
Christi den Kirchen und Völkern sagen. Als Zweckverband steht er neben zahllosen andern gleichartigen Verbänden ohne Vollmacht. 2. Weltbundarbeit heißt Arbeit der Kirchen für den Frieden unter den Völkern. Sie erstrebt das Ende und die Überwin-
dung des Krieges. 3. Der Feind der Friedensarbeit ist der Krieg. Der Krieg
muß verstanden werden a) als bewußte Tat des menschlichen Willens, für die dieser in vollem Umfang verantwort-
lich ist, b) als Werk der gottfeindlichen dämonischen Mächte dieser Welt, analog Krankheit, Katastrophen, etc., c) als die
Enthüllung einer Welt, die dem Gesetz des Todes verfallen ist. 1. Englische Fassung Seite 444. Entwurf wahrscheinlich für die Vorbesprechung der Redner am 24.8. in Fanö. 2. Mit Pastor Bouvier, Prof. Zankoff und Archdeacon Marten zusammen hielt Bonhoeffer den Einleitungsvortrag zu diesem Thema am 28. August 1934 auf der gemeinsamen Sitzung des Weltbundes und Life and Work (Vorsitz: Lord Dickinson).
Die Kirche und die Welt der Nationen
213
4. Die Rechtfertigung des Krieges nimmt dementsprechend die dreifache Form an: a) Der Krieg dient nach dem bewußten Willen der Krieg-
führenden der Erhaltung des Staates und dem kommenden Frieden, das ist sein sittlich zu verantwortendes Recht. b) Der Krieg ist ein unaufhaltsames Geschehen, über das kein
Mensch Macht hat (sog. Realismus, besser Naturalismus). c) Der
Krieg
ist Hinweis
auf eine heroische
Welt
des
Opfers. 5. Der säkulare Pazifismus antwortet:
a) Die friedliche Wohlfahrt der Menschheit wird mit dem Mittel des Krieges nicht herbeigeführt. Der Krieg ist sittlich aus diesem Grunde nicht zu verantworten. b) Es muß eine rationale Organisation geschaffen werden, die die Mächte, die zum Krieg führen, eindämmt.
c) Der Krieg muß beseitigt werden, um die Welt als gute Welt zu enthüllen. 6. Beide letztgenannten Argumente sind gleichwertig und gleich unchristlich. Sie argumentieren nicht von Christus, son-
dern von einem erwünschten oder unerwünschten Weltbild aus. 7. Die christliche Kirche antwortet:
a) Der menschliche Wille muß konfrontiert werden mit dem Gebot: „Du sollst nicht töten“. Gott dispensiert nicht von
der Erfüllung seines Gebotes. Der Mensch wird durch Übertretung vor Gott schuldig. Der Gott der Bergpredigt richtet ihn. Auf den Einwand: Der Staat muß erhalten werden — antwortet die Kirche: Aberdu sollst nicht töten. Auf den Einwand: Der Krieg schafft Frieden, antwortet die Kirche: Aber
214
Konferenz
in Fanö.
1934
du sollst nicht töten. Auf den Einwand: Der Krieg schafft Frieden, antwortet die Kirche: Das ist nicht wahr, sondern der Krieg schafft Vernichtung. Auf den Einwand: Das Volk muß sich schützen, antwortet die Kirche: Hast du es schon
einmal im Glauben gewagt, Gott deinen Schutz anheimzustellen im Gehorsam gegen sein Gebot? Auf den Einwand: Die
Liebe zum Nächsten zwingt mich dazu, antwortet die Kirche: Wer Gott liebt, hält seine Gebote. Auf die Frage: Was soll ich denn tun?, antwortet die Kirche: Hab’ Glauben an Gott und sei gehorsam. Dem säkularen Pazifismus aber antwortet die Kirche: Maßstab unseres Handelns ist nicht die menschliche Wohlfahrt, sondern Gehorsam gegen Gottes Ge-
bot. Selbst wenn Krieg Wohlfahrt bedeutete, bliebe Gottes Gebot unerschüttert. b) Die Mächte der Dämonen werden nicht durch Organisationen gebrochen, sondern durch Gebet und Fasten — Markus 9, 29. Alles andere unterschätzt diese Mächte, versteht sie grundsätzlich naturalistisch materialistisch. Die Geister
der Hölle werden nur durch Christus selbst gebannt. Darum weder Fatalismus noch Organisation, sondern Gebet! Daß der Mensch sich für den Frieden verantwortlich und doch den dämonischen Mächten unterworfen sieht, führt ihn zu der Erkenntnis, daß die Hilfe und die Lösung nur von Gott selbst gebracht werden kann. Gebet ist stärker als Organisation. Organisation verdeckt leicht die Schwere des Unheils und des Kampfes (Nicht mit Fleisch und Blut — sondern mit
Gewalten und Fürsten. Ephes. 6, 12). c) Daß der Krieg Hinweis ist auf die dem Tode verfallene Welt, zeigt, daß auch die Beseitigung des Krieges nur die Be-
seitigung eines schauderhaften Symptoms, aber nicht die Beseitigung der Ursache des Übels wäre. Nicht der Pazifismus ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, 1. Joh. 5, 4, sondern der Glaube, der alles von Gott erwartet und auf die
Wiederkunft Christi und sein Reich hofft. Erst dann wird die
Die Kirche und die Welt der Nationen
215
Ursache des Übels, nämlich der Teufel und die Dämonen, vernichtet werden?.
3. Im Fanö-Protokoll
heißt es (übersetzt):
„Folgende Fragen wurden der Sitzung für die allgemeine Diskussion unterbreitet: 1. Von welcher Grundlage aus und mit welchem Recht hat die Kirche eine besondere Verantwortung, zu internationalen Problemen zu sprechen? Was besagt die gegenseitige Beziehung zwischen Okumenizität und Internationalismus für die Aufgabe der Kirche? 2. Welches sind die Mittel und die Grenzen der Kooperation der Kirchen auf dem internationalen Gebiet? Die Diskussion ging um die Haltung der Kirchen zu konkreten internationalen Konflikten, besonders zum Kriegsproblem; dies wurde jedoch nur als eines der Probleme in dem gesamten Kampf um eine internationale Ordnung gesehen. Es wurde anerkannt, daß die Kirchen einen einzigartigen Beitrag leisten können, um eine genuine Kooperation zwischen Staaten und Nationen zu erreichen,
216
Konferenz
in Fanö.
1934
Kirche und Völkerwelt! [28. August 1934]
„Ach daß ich hören sollte, was der Herr redet, daß er Frie-
den zusagte seinem Volk und seinen Heiligen“ (Ps. 85, 9). Zwischen den Klippen des Nationalismus und des Internationalismus ruft die ökumen. Christenheit nach ihrem Herrn und nach seiner Weisung. Nationalismus und Internationalismus sind Fragen der politischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten. Aber die Okumene fragt nicht nach diesen, sondern nach den Geboten Gottes und ruft diese Gebote Gottes
ohne Rücksicht mitten hinein in die Welt. Als Glied der Okumene hat der Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen Gottes Ruf zum Frieden vernommen und richtet diesen Befehl an die Völkerwelt aus. Unsere theo-
logische Aufgabe besteht darum hier allein darin, dieses Gebot als bindendes Gebot zu vernehmen und nicht als offene Frage zu diskutieren. „Friede auf Erden“, das ist kein Pro-
blem, sondern ein mit der Erscheinung Christi selbst gegebenes Gebot. Zum Gebot gibt es ein doppeltes Verhalten: den unbedingten, blinden Gehorsam der Tat oder die scheinheilige Frage der Schlange: sollte Gott gesagt haben? Diese Frage ist der Todfeind des Gehorsams, ist darum der Todfeind jeden echten Friedens. Sollte Gott nicht die menschliche Natur besser gekannt haben und wissen, daß Kriege in dieser Welt
kommen müssen wie Naturgesetze? Sollte Gott nicht gemeint haben, wir sollten wohl von Frieden reden, aber so wörtlich sei das nicht in die Tat umzusetzen? Sollte Gott nicht doch 1. Englische Fassung Seite 447.
Kirche und Völkerwelt
217
gesagt haben, wir sollten wohl für den Frieden arbeiten, aber zur Sicherung sollten wir doch Tanks und Giftgase bereitstellen? Und dann das scheinbar Ernsteste: Sollte Gott gesagt haben, Du sollst dein Volk nicht schützen? Sollte Gott gesagt haben, Du sollst Deinen Nächsten dem Feind preisgeben?
Nein, das alles hat Gott nicht gesagt, sondern gesagt hat er, daß Friede sein soll unter den Menschen, daß wir ihm vor
allen weiteren Fragen gehorchen sollen, das hat er gemeint. Wer Gottes Gebot in Frage zieht, bevor er gehorcht, der hat ihn schon verleugnet. Friede soll sein, weil Christus in der Welt ist, d. h. Friede soll sein, weil es eine Kirche Christi gibt, um deretwillen allein
die ganze Welt noch lebt. Und diese Kirche Christi lebt zugleich in allen Völkern und doch jenseits aller Grenzen völkischer, politischer, sozialer, rassischer Art, und die Brüder dieser Kirche sind durch das Gebot des einen Herrn Christus, auf das sie hören, unzertrennlicher verbunden als alle Bande der Geschichte, des Blutes, der Klassen und der Sprachen
Menschen binden können. Alle diese Bindungen innerweltlicher Art sind wohl gültige, nicht gleichgültige, aber vor
Christus auch nicht endgültige Bindungen. Darum ist den Gliedern der Ökumene, sofern sie an Christus bleiben, sein
Wort und Gebot des Friedens heiliger, unverbrüchlicher als die heiligsten Worte und Werke der natürlichen Welt es zu sein vermögen; denn sie wissen: Wer nicht Vater und Mutter hassen kann um seinetwillen, der ist sein nicht wert, der lügt, wenn er sich Christ nennt. Diese Brüder durch Christus gehorchen seinem Wort und zweifeln und fragen nicht, sondern halten sein Gebot des Friedens und schämen sich nicht, der Welt zum Trotz sogar vom ewigen Frieden zu reden. Sie können nicht die Waffen gegeneinander richten, weil sie wissen, daß sie damit die Waffen auf Christus selbst richteten. Es gibt für sie in aller Angst und Bedrängnis des Gewissens
218
Konferenz
keine Ausflucht soll.
vor
in Fanö.
dem Gebot
1934
Christi, das Friede sein
Wie wird Friede? Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern? d.h. durch die Großbanken, durch das Geld? Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung
zum Zweck der Sicherstellung des Friedens? Nein, durch dieses alles aus dem einen Grunde nicht, weil hier überall
Friede und Sicherheit verwechselt wird. Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muß gewagt werden, ist das eine große Wagnis, und läßt
sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheiten fordern heißt Mißtrauen haben, und
dieses Mißtrauen gebiert wiederum Krieg. Sicherheiten suchen heißt sich selber schützen wollen. Friede heißt sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherung wollen,
sondern in Glaube und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen. Kämpfe werden nicht mit
Waffen gewonnen, sondern mit Gott. Sie werden auch dort noch gewonnen, wo der Weg ans Kreuz führt. Wer von uns darf denn sagen, daß er wüßte, was es für die Welt bedeuten könnte, wenn ein Volk — statt mit der Waffe in der Hand
— betend und wehrlos und darum gerade bewaffnet mit der allein guten Wehr und Waffe den Angreifer empfinge? (Gideon: ... des Volkes ist zuviel, das mit dir ist... Gott voll-
zieht hier selbst die Abrüstung!) Noch einmal darum: Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden, daß die Welt es hört, zu hören gezwungen ist?, daß alle Völker darüber froh werden müssen? Der einzelne Christ kann das nicht — er kann wohl, wo alle schweigen, die Stimme erheben und Zeugnis ablegen, aber die Mächte der Welt können wortlos über ihn hinwegschreiten. Die einzelne Kirche kann auch wohl zeugen und leiden — ach, wenn sie
Kirche und Völkerwelt
219
es nur täte —, aber auch sie wird erdrückt von der Gewalt des Hasses. Nur das eine große ökumenische Konzil der
Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, daß die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muß und daß die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand
nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt.
Warum fürchten wir das Wutgeheul der Weltmächte? Warum rauben wir ihnen nicht die Macht und geben sie Christus zurück? Wir können es heute noch tun. Das ökumenische Konzil ist versammelt, es kann diesen radikalen Ruf zum
Frieden an die Christusgläubigen ausgehen lassen. Die Völker warten darauf im Osten und Westen. Müssen wir uns von den Heiden im Osten beschämen lassen? Sollten wir die
einzelnen, die ihr Leben an diese Botschaft wagen, allein lassen? Die Stunde eilt — die Welt starrt in Waffen und furcht-
bar schaut das Mißtrauen aus allen Augen, die Kriegsfanfare kann morgen geblasen werden — worauf warten wir noch?
Wollen wir selbst mitschuldig werden, wie nie zuvor? „Was hülf’ mir Kron’ und Land und Gold und Ehre?
die könnten mich nicht freun! ’s ist leider Krieg — und ich begehre nicht schuld daran zu sein!“ (M. Claudius) Wir wollen reden zu dieser Welt, kein halbes, sondern ein ganzes Wort, ein mutiges Wort, ein christliches Wort. Wir
wollen beten, daß uns dieses Wort gegeben werde — heute noch — wer weiß, ob wir uns im nächsten Jahr noch wiederfinden?
Konferenz
220
in Fanö.
1934
Protokoll der Sitzung des Reichsbruderrats! am
3. September
1934 in Würzburg,
Bahnhofshotel
Excelsior
4. Fanö
P. Bonhoeffer, der inzwischen erschienen ist, berichtet über die Tagung des Okumenischen Rates in Fanö vom 24.—30. 8. 34. 5 Schwierigkeiten: 1) Es war nicht klar, aus welchen treter nicht gekommen seien.
Gründen
die Bekenntnisver-
2) Lutherische Konfessionalisten nicht sehr bedeutungsvoll, und bedeuten keine Zersplitterung der Bekenntnisfront. 3) Ist die Bekenntnissynode legale Kirche? 4) Warum bleibt die Bekennende Kirche in der DEK? 5) Verkehr mit der Ökumene. Schritt bei Hitler um Freigabe? unterblieb.
Chichester würde gern am 23. IX. nach Deutschland kommen, wenn er darum gebeten wird. 1. Unter
dramatischen
Begleitumständen
hatte
die Konferenz
in Fanö
am 30. 8. 1934 „Entschließungen zur kirchlichen Lage in Deutschland“ gefaßt, in denen es unter III heißt: „Der Okumenische Rat billigt die Schritte, die sein Präsident Lord Bischof von Chichester in seinem Namen unternommen hat.“ Die deutsche Reichskirchen-Delegation protestierte mit einer Gegenerklärung. Außerdem wurden an diesem Tag Dr. Bonhoeffer und Präses Koch als „consultative and coopted members“ in den Rat ge-
wählt. Bischof Heckel gab eine Erklärung gegen die Wahl Kochs ab, weil sie den Streit in der deutschen Kirche statt zu glätten weiter intensiviere. Siehe die offiziellen Texte in den gedruckten „Minutes of the meeting of the Council Fanö August 24th — 30th, 1934*, pg 50 bis 54, 60 und pg 71—75 (auch Junge Kirche, 2. Jhg. 1934, S. 700 £.). 2. Sinn dieser Protokollnotiz nicht deutlih. Nach Wilhelm Niemöller
gemeint: Anerkennung
der Leitung der Bekennenden
Kirche.
Bericht
im Reichsbruderrat
Bonhoeffer empfiehlt Antwort der Bekenntnissynode schaft des Okumenischen Rats. Mitteilung evtl. offener Brief an Bischof Heckel.
221
auf Bot-
Bonhoeffer war als Jugendsekretär des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirche, also in beamteter Stellung, in Fanö.
Bonhoeffer regt an, einen Mann mit der Bearbeitung der Angelegenheiten der Okumene bei der Bekenntnissynode zu beauftragen. Ein Bericht über Fanö soll von Oeynhausen herausgegeben werden. Beschluß: George Bell soll bedankt und eingeladen werden. Bonhoeffer: Heckel ist bis heute nicht in den Okumenischen Rat kooptiert. Die Deutschen haben 5 Sitze.
Bonhoeffer hält eine Einladung an die Okumene zur Einführungt durch
Reichskirchenregierung
für
unwahrscheinlich.
Sollte
sie
doch erfolgen, so würde gegebenenfalls eine Absage erfolgen; nur die Stellung von Popp und Glondys ist zweifelhaft.
1. Einführung des Reichsbischofs Ludwig 23. September 1934.
Müller im Berliner
Dom
am
222
Konferenz
in Fanö.
1934
Bruay on Artois (P. de Calais) (Conference oecumenique de la jeunesse)
7th September 1934 My Lord Bishop,!
First of all, I want to thank you very much for the great help you have rendered to the cause of our Church at the Fanö Conference. The resolution in its final form has be-
come a true expression of a brotherly spirit, of justice and truthfulness. And therefore the contents of the resolution will and must strike every one who reads it without prejndice. Immediately after the Conference I went to Germany and met Präses Koch with the assembly of the whole Confessional Council. I delivered there a detailed report on the Fanö Conference and I felt strongly that the resolution of Fanö had been met with the greatest appreciation. More-
over the Synod Council asked me to express to you in particular their deep gratidude. Präses Koch and the Council asked me to express to yon at the same time their great desire to have the opportunity of meeting you when you are coming back from Sweden. If any time were convenient to yon, Prä-
ses Koch would like to meet you at Hamburg. Other representatives of the Synod will come with him. Perhaps you would be so very kind as to send a short noteto Oeynhausen. With deep thanks, I am, Lord Bishop, Yours sincerely, Dietrich Bonhoeffer To the
Right Rev. the Lord Bishop of Chichester 1. Übersetzung siehe Seite 449.
Dank
an Chichester
und
Ammundsen
223
Conference Oecumenique de Jeunesse Bruay on Artois, 8. September 1934 Hochverehrter Herr Bischof! [Ammundsen] Wir danken Ihnen alle recht herzlich für die freundlichen Grüße, die Sie uns sandten. Und besonders danken wir Ihnen noch einmal für die Zuversicht, für die Hilfe und für das große Vermächtnis, das Sie uns von der Fanö-Konferenz aus mitgegeben haben für unsere ökumenische Arbeit in der Zukunft.
In steter Dankbarkeit und Verehrung Ihre Für die Delegation Deutschland (sign.) Dietrich Bonhoeffer
Unterschrift
England (sign.) T. H. H. Kilborn
Unterschrift
Frankreich
(sign.) Jean Lasserre
Unterschrift
Zur Bewertung der Fanö-Konferenz siehe auch “A History of the Ecumenical Movement 1517—1948” edited by Ruth Rose and St. Ch. Neil, S,P.C.K. London 1954, Seite 583 und 584.
224
V. Bekennende Kirche und Ökumene 1935—1937
Predigerseminar Zingst, den 4. Juni 1935 Herrn Präses D. Koch, Bad Oeynhausen, Westf. Hochverehrter Herr Präses!
Darf ich Ihnen beiliegend einen kurzen Entwurf zum Aufbau der ökumenischen Arbeit der Bekenntniskirche übersenden? Ich erlaube mir das im Zusammenhang mit unserem letzten Gespräch in Hannover. Es scheint mir immer mehr davon abzuhängen, daß diese Arbeit richtig angefaßt wird. — Zugleich darf ich wohl eine Abrechnung über meine Ausgaben beifügen. In aufrichtiger Verehrung Ihr gehorsamster Bonhoeffer Hoffentlich hat Bruder Niemöller, dem ich am 21. Mai Be-
richt über meine Besprechungen mit Chich. gab, diesen vermittelt. Er war gerade auf dem Weg zu Ihnen.
Anlage: Vorschlag eines ökumenischen Amtes Kirche Zentrale Berlin:
zum
Aufbau
der Bekennenden
1) Regelmäßiger Geschäftsbetrieb geleitet durch zwei Theologen im Nebenamt.
2) Ein Reisesekretär mit kirchlichem Auftrag zur fortlaufenden gegenseitigen Information. Sehr wichtig!
Briefan
Präses D. Koch
225
3) Korrespondierende Mitglieder Sachverständige für fremde Kirchen (England, Skandinavien, U.S.A. —
Holland —
Deutscher Südosten! —
griech. Orthodoxie) Sachverständige aus der ökumenischen Arbeit — Stockholm — Weltbund — Lausanne — Weltluthertum — Mission.
Sachverständige aus der ökumenischen Jugendarbeit: C.V.J.M. —
C.S.V.— Weltbund —
Weibl. Jugend.
4) Theolog. ökum. Arbeitskreis zur Vorbereitung der ökum. Konferenzen. 5) Regelmäßige Einladung ökumenischer Delegationen zu besonderen Konferenzen und Synoden der Bek. K. 6) Ausbau des Studenten- und Kandidatenaustausches mit England und Schweden, — Heranziehung unserer Predi-
gerseminare zu diesem Zweck — ökum. Seminar in Genf zu beschicken! 7) Versuch der Zusammenfassung der bestehenden ökum. Verbände, die vielfach völlig inaktiv geworden sind, durch die Bek. K. — (Stockholm. Weltbund. Lausanne.) 8) Beschickung der ökum. Konferenzen durch die Bek.K. 9) ökum. Jahreskonferenz der Sachverständigen betreffs der Richtlinien. Die auslandsdeutschen Gemeinden 1) Ihre Versorgung ist von der ökum. Arbeit zu trennen.
2) Ein Rundschreiben ist an sämtliche auslandsdeutschen Gemeinden zu richten mit der Aufforderung, sich der Vorläufigen Leitung zu unterstellen bzw. sich der Bek. K. anzuschließen. Die erste dahin gehende Aufforderung durch die V.K.L.! ist in auslandsdeutschen Kreisen nicht in diesem Sinne verstanden worden. 1. Vorläufige
Kirchenleitung;
Exekutivorgan
der Bekennenden
Kirche.
226
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935—1937
3) Damit verbunden müßte ein Aufklärungsdienst geleistet werden bes. in den Balkanländern, aber auch in England; sehr zu uns neigen bereits Südwest-Afrika. In Brasilien sind außerordentlich schwierige Verhältnisse ent-
standen durch mangelnde Information. 4) Diese Arbeit ist auch darum so dringlich, weil sie bisher fälschlich als die einzige intakte Arbeit, die der Reichskirche geblieben ist, angesehen wird. Persönliches
Zu solchen regelmäßigen Mitarbeitern für ökum. Arbeit sollten Asmussen, Riethmüller, Lilje, Ernst Wolf, Sasse gehören.
Menn ist m. W. nicht zur Bek. K. gehörig (?). Priv. Doz. Wendland hat in Fanö zur Heckelgruppe gehört. Für die engere Mitarbeit erwünscht erscheinen mir:
Legationssekretär H.v. Haeften-Dahlem, sehr für diese Sache interessiert und bereit, viel Zeit dafür herzugeben, ganz bei uns. Prof. Delekat, Lic. Hildebrandt.
Selbstverständlich stehe ich auch ganz zur Verfügung. Ausgaben in der ökumenischen Arbeit Übersetzung eines größeren schweizerischen Gutachtens zur deutschen Kirchenfrage auf dringende Bitte des Lord Bischofs von Chichester, die ich aus Zeitgründen nicht allein anfertigen konnte, sondern Hilfe in Anspruch nehmen mußte. Februar 1935: 80,— RM; Flugzeugreise nach London 18. Mai 1935: 265,— RM.
Erste Sitzung
des Ökumenischen
Beirates
der VKL_
227
Niederschrift der ersten Sitzung des Ökumenischen Beirates der VKL am Donnerstag,
dem
27. Juni
1935, nachmittags St. Michael-Berlin
vier Uhr
im Hospiz
Anwesend: Präses D.Koch als Vorsitzender, Pastor Asmussen, Pastor lic. Bonhoeffer, Pastor Dr. Lilje, Pastor Menn, Pastor Riethmüller, Vikar Kramm Eingeladen und verhindert: Rechtsanwalt Dr. Fiedler, D. Stange.
1. Präses D. Koch eröffnet die Sitzung mit Gebet und begrüßt die Anwesenden. 2. Ein von Dr. Schönfeld-Genf übermitteltes Wort mit der Überschrift „Ein ungesprochenes Grußwort“ wird den Anwesenden übergeben (durch Dr. Lilje). Den beiden nicht anwesenden Herren wird es zugesandt werden. Besprechung des Wortes: Es handelt sich um die Frage der Einstellung des Oekumenischen Forschungsinstitutes in Genf zur Bekennenden Kirche. Während von einigen eine klare Entscheidung
für die Bekennende Kirche vermißt und über paritätische Behandlung mit den DC geklagt wird, wird andererseits auf die bekenntnismäßige und kirchliche Arbeit und die starken Bindungen des Institutes hingewiesen. Die Anschauungen sind verschieden. 3. Durch Dr.Lilje ist eine Einladung an die B.K. ergangen, Teilnehmer zu dem oekumenischen Seminar nach Genf zu entsenden. Dr.Lilje gibt das Programm bekannt. Die Annahme der Einladung stößt auf zwei Schwierigkeiten: 1. finanzielle Opfer, die von der VKL gebracht werden müßten, 2. grundsätzliche Erwägungen. Wie würden sich die Seminarbesucher der B.K. zu den im Seminar anwesenden Abgesandten der Reichskirche zu stellen haben? Sollte es sich, was nicht anzunehmen ist, um DC handeln, so müßten sich die bekennt-
niskirchlichen Theologen dazu äußern, was in mehrerer Hin-
Bekennende
228
Kirche
und Ökumene.
1935—1937
sicht unangenehme Wirkungen haben könnte. Sollte das reichskirchliche Außenamt keine DC entsenden, so wäre eine in Genf vorgetäuschte Einheit zwischen DC- und B.K.-Theologen noch gefährlicher. Andererseits ist Zurückhaltung für die B.K.Theologen in Debatten nicht möglich, da wir den Brüdern draußen die ganze Wahrheit schuldig sind und sonst lieber
nicht kommen sollen. Um staatspolitische Schwierigkeiten zu vermeiden, wird vorgeschlagen, vorher Fühlung zu nehmen.
mit dem
Ergebnis: Präses D.Koch wird der VKL
Montag
vortragen
und gegebenenfalls
Auswärtigen
Amt
die Schwierigkeiten am
eine Fühlungnahme
mit
dem Auswärtigen Amt aufnehmen. 4. Es wird darüber gesprochen, wie sich die oekumenische Arbeit der Bekennenden Kirche in nächster Zeit zu gestalten habe. Das Ziel dieser Arbeit ist durch die Vorbereitungen für die Oekume-
nische Konferenz 1937 bestimmt. Dabei muß bestimmt werden, wie die einzelnen Studienkreise regional sachlich die Verteilung der einzelnen Studienkreise zu geschehen hat. Pfarrer die bevorstehenden Konferenzen dieses
zu gliedern sind und wie Arbeitsthemen auf solche Lic. Menn berichtet über Jahres und des nächsten
Frühjahres und macht Vorschläge darüber, welche Beiträge von der Bekennenden Kirche dazu geliefert werden könnten und welche Studienkreise sich zur Behandlung der einzelnen Themen besonders eignen würden.
Ergebnis: Pfarrer Menn wird beauftragt, bis zur nächsten Sitzung des Oekumenischen zulegen.
Beirates einen detaillierten Arbeitsplan vor-
5. Auf Anregung von Dr.Lilje wird die Frage besprochen, wie sich die Bekennende Kirche dazu zu stellen hätte, wenn sie eingeladen würde, sich an einer ökumenischen Tagung zu beteiligen,
zu der auch Bischof Heckel bzw. das Reichskirchliche Außenamt eine Einladung erhalten hätte. Es wird die Frage gestreift, ob die Bekennende Kirche nicht das Recht hätte, auch von der Oekumene
die Anerkennung zu fordern, daß die VKL allein rechtmäßig die DEK vertritt. Andererseits hegt man Zweifel daran, ob die Oekumene dazu reif sei, oder ob sie nicht die beiden evangelischen Kir-
chenregierungen
in Deutschland
paritätisch
zu behandeln
ver-
Erste Sitzung
des Ökumenischen
Beirates
der VKL
229
suchen würde, wozu eine wörtliche Auslegung der Verfassung des Oekumenischen Rates verpflichten würde, wenn man nicht den Mut habe, von seiten der Oekumene die Reichskirche nicht mehr als Kirche anzuerkennen. Auch meint man, daß die Bekennende
Kirche nach ihrer Grundeinstellung außerstande sei, sich paritätisch mit dem reichskirchlichen Außenamt behandeln zu lassen. Ergebnis: Die Stimmung neigt dahin, daß man eine Einladung zu einer oekumenischen Tagung nicht annehmen könne, wenn Bischof
Heckel auf dieser vertreten sein würde. 6. Präses D. Koch schließt die Sitzung mit Gebet.
gez. Koch
230
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935—1937
Korrespondenz mit Faith and Order! Briefwechsel mit Hodgson und Koch Brief von Canon L.Hodgson, Generalsekretär der Weltkonferenz Faith and Order, Fortsetzungsausschuß, Cheyney Court, Winchester, England, vom 17. Juni 1935 mit der Einladung an Bonhoeffer, als Visitor an der 1935-Sitzung des Fortsetzungsausschusses
teil-
zunehmen.
7th of July 1935 /An Hodgson] ... I thank you very much for your kind invitation to come
to Denmark in August. I should very much like to attend the meeting. But there is first of all the question if representatives of the Reichskirchenregierung will be present, which would make it impossible for me to come...
9:h July, 1935. Dear Pastor Bonhoeffer, Many thanks for your reply to my letter. Please do not let Dr.
Winterhager trouble himself with the translation. When I did not hear from you I assumed that my letter must somehow have gone astray, and have found a translator over here, who has already done the work.
If you come to Hindsgavl, we should certainly be willing to pay your expenses, since we are extremely anxious to have the advice
of all branches of the Christian Church before finally deciding on
our programme for 1937, and we are able to make a few such grants in order to secure the presence of men whose advice we
need and could not otherwise obtain. 1. Übersetzungen siehe Seite 450458,
Korrespondenz
mit Faith and Order
231
I heard from Dr. Krummacher a little while ago that he and Bishop Heckel expect to attend the meeting. I think yon will understand our position when I say that we cannot, as a Movement, exclude the representatives of any Church which “accepts our Lord Jesus Christ as God and Saviour“. Right from the start there has been a general invitation to all such churches, and we cannot arrogate to ourselves the right to discriminate between them. We are extremely anxious, as I said above, to be guided in our deliberations by all possible sections of Christian thought, and are especially anxious that Germany should not be represented
exclusively by the Reichskirche. We have made it clear to the representatives of the Reichskirche that we cannot regard them as representing German evangelical Christianity as a whole, and
it is largely in order to prevent any semblance of that that I have been moved to send you the special invitation, which I still hope you may find it possible to accept. With many thanks for your expression of interest in our work, Yours sincerely,
Leonard Hodgson
Evangelisches Predigerseminar, Finkenwalde bei Stettin, Waldstr. 5, Juli 18th 1935 Reverend and Dear Sir, [Hodgson]
I beg to express my thanks for your letter and for the kind invitation to Hindsgavl which you have again sent to me. I am well aware of the great distinction and responsibility implied therein. Can there be anything finer and more promising to a Christian pastor and teacher than to co-operate in the preparation for a great oecumenical Synod which views the final task of hearing the Word of our Lord Jesus Christ together; of being obedient in the faith of the wonder-working power of the Holy Spirit; and of praying, even in this world, for a visible unification of disrupted Christen-
dom. — Should not the responsibility and the belief in the
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prophecy of “unum omnes” forbid us to cherish pharisaical pretensions and to pronounce impulsive judgments on any church, nay, on any brother in Christ? Should not the mes-
sage of Jesus Christ lead everyone of us, first of all, to repentance and thus command him to listen to the words of every brother in Christ and perhaps submit his own opinion to the correction of his brother? For it cannot be considered
to be of ultimate importance that any man or any church should maintain their views and doctrines by persisting in
their “right” attitude. The only thing which really matters is our Lord Jesus Christ, that He may prevail and His title remain unviolated in spite of all our human wisdom. I am writing all this as a member of the Confessional Church in Germany. At the same time I must state that, with re-
gard to the German Reich Church, the position of my Church is fundamentally different from its attitude towards all other Churches of the world, as the Confessional Evangelical Church in Germany disclaims and wholly contradicts
the Reich Church to accept our Lord Jesus Christ as God and Saviour. There may be single representatives of the Reich Church (and possibly Bishop Heckel among those) who propound a theology which is to be called a Christian theo-
logy and seems to be more biblical and falling in with the teachings of the Confessional Church than the doctrines of several other churches. But the teaching as well as the action
of the responsible leaders of the Reich Church have clearly proved that this church does no longer serve Christ but that it serves the Antichrist. Obedience to the only heavenly Lord Jesus Christ continues to be co-ordinated, nay, subordina-
ted to obedience towards worldly masters and powers. The Reich Church thereby continues to betray the only Lord Jesus Christ, for no man can serve two masters; he will hold
to the one and despise the other. The Confessional Church has therefore (at the Dahlem Synod, last autumn) declared
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that the Reich Church government has dissociated itself from the Church of Christ. This solemn declaration has been given in full power and in obedience to the Word of Jesus Christ; it states clearly that the Reich Church government can no longer claim to compose the Church of Christ in Germany nor any part of it.
No member of the Confessional Church (and much less one of her ministers) can thus recognize in the Reich Church a church which pays homage to our Lord Jesus Christ as God and Saviour; he must rather beseech God that He may confound the Reich Church government as an instrument of the Antichrist. — Being a minister of the Confessional Church I cannot attend an oecumenical conference unless it either excludes the Reich Church or ventures openly to charge both the Reich Church and the Confessional Church with responsibility. This, however, means actually to interfere in their conflict and effectively to pronounce a judgment based upon
allegiance to the Word of God and duly established in the name of God’s whole Communion. The fight which we are bound to fight is not for subtle reasonings nor opinions of particular groups which might become reconciled through a certain amount of good-will. Nay, the fight is being fought for “dividing asunder the spirits”, for drawing the line between Life and Death, between obedience and disobedience to our very Lord Jesus Christ. Our disruption from the Reich Church would be spurious and godless indeed if ours were not the same strong faith which Martin Luther’s once was: that we have to fight
for the sake of the true Church of Christ against the false Church of Antichrist. Fighting in this faith we derive no
small power from considering the fact that we are fighting for Christianity not only with regard to the Church in Germany but in the whole world. For everywhere on the earth are to be found those pagan and anti-Christian powers which
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have appeared openly in our field. All churches may be attacked by the very same power one day or another. The weapons of the Gospel which have been sharpened anew
through our fighting and suffering are to all Christendom the only safeguard. So the decision having been found in Ger-
many is a call of ultimate warning to all the churches — all over the world.
If now the oecumenical movement, and in particular the Faith and Order Movement were complying with that deci-
sive question and taking the challenge seriously in obedience towards Jesus Christ and His Word, an inward regeneration
and a new unification might well be bestowed upon all Christendom
—
however
great
the difficulties
are
and
however painful the way of obedience appears to be. On the other hand, if the oecumenical movement were to leave
this question out of sight, it might bring in its own verdict and lose the power of speaking and acting in the name of Jesus Christ.
I should like to ask you to consider these lines not to be an impracticable entanglement of the proper work in the oecu-
menical field but a contribution to this work equally applicable as fundamental in its bearing. Thanking you once more for your great kindness I remain,
dear Sir, yours very sincerely Dietrich Bonhoeffer
Finkenwalde bei Stettin, den 24. Juli 1935
Waldstr. 5 Herrn Präses D. Koch. Bad Oeynhausen. Hochverehrter Herr Präses!
Die beiliegende Einladung zur vorbereitenden Sitzung von Lausanne erhielt ich vor ein paar Tagen und habe sie mit dem
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ebenfalls beigefügten Schreiben beantwortet. Ich meine, daß ich Ihnen davon Mitteilung machen muß, weil es sich ja um eine grundsätzliche Sache handelt. — Dieselbe Schwierigkeit
besteht ja noch für den Besuch der Sitzung des ökumenischen Rates, dessen beratendes Mitglied ich seit einem Jahr bin. Darf ich wohl fragen, ob Sie, hochverehrter Herr Präses, selbst hingehen werden oder meinen, daß eben keiner von uns gehen sollte, wie ich es ja auch noch für die richtigste Lösung halten würde? Ich möchte nur vermeiden, meine Aussage anders zu begründen als Sie das planen.
In aufrichtiger Verehrung bin ich Ihr gehorsamster Bonhoeffer
26th July, 1935. Dear Pastor Bonhoeffer,
Thank you very much indeed for writing to me so fully and frankly. I very much appreciate the trouble you have taken to explain so carefully the situation as you see it and to give me so
illuminating an insight into the very distressful conflict in which you are engaged. Such letters make one realize the more our common loyalty to our one Lord and Master which transcends all national boundaries and leads us to more earnest prayer for God’s blessing on those of our fellow Christians in other lands who are
striving for His truth. I should like on my part to repay your courtesy by explaining in rather more detail how the matter appears from the point of view of our Movement. For 300 years or so the divided Christian
bodies have drifted
further and further apart from one another. In the early years of the present century God’s call came to certain Christian leaders in different churches bidding them seek to draw together the divided Christian bodies. This led to different methods of approach to the work. One obvions method was to see how far different
Christian bodies could join together in seeking to christianize the conduct of human life without compromising the principles for
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which each church stood. Those who received the call to follow this method promoted the Stockholm Conference of 1925 which issued in the Universal Christian Council for Life and Work.
But it was realised that such fellowship between churches in united activity could not result in a full healing of the breaches in divided Christendom unless the co-operating churches should also discuss among themselves the principles for which each stood with a view to discovering whether these were indeed such as to
require them to remain disunited in faith and order. Hence came the Lausanne Movement. If I may put the matter pictorially, in the first case the churches were, so to speak, forming a circle standing shoulder to shoulder facing outwards towards the world;
in the latter
case
they were
forming
a circle facing
inwards seeking to know and understand one another better. It is because both tasks are necessary and because it is important that both should be carried on simultanously and neither lost sight of that it is best to have two independent movements in friendly relations with one another. Those of us who are charged
with the responsibility of conducting the business of the Faith and Order Movement realise that the whole raisond’Etre of the Movement is to provide opportunities for the different churches to meet and learn to understand one another better. It has been clear from the outset that we must not attempt in any way to act
onbehalfof the churches, either by way of forming schemes of reunion or of making pronouncements to the world in the name of the churches. We must not so to speak turn round and cease to face inwards. The reason of this is as follows. Our work being to draw the churches into conversations with one another
and out of their isolation, it is necessary for us to guarantee to every church, when we invite it to send representatives, that it
will not find itself in any way compromised by action taken by the conference at which it is represented. If this were to happen churches would withdraw from the Movement and relapse into the isolation from which we exist to draw them. It may be the duty of the Life and Work Movement to run the risk of this —
of that I cannot express any opinion. But for Faith and Order to do so would be to be false to its own vocation.
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The one and only qualification that need to be made is this. From the start the Movement has confined itself to those churches which “accept our Lord Jesus Christ as God and Saviour“. But the Movement has never taken upon itself to decide which churches conform to this definition and which do not. The invitation
to participate in the work of the Movement is issued to “all Christian bodies throughout the world which accept our Lord Jesus Christ as God and Saviour“, and it is then left to the chur-
ches themselves to decide whether or not they can honestly accept it. I can illustrate this from a particular example with which we are concerned at the present time. The question has been raised whether the Czechoslovakian National Church is a Trini-
tarian church which can rigthly participate in our work or a Unitarian church which must remain outside. What the decision on this question will be I cannot say; it is at present sub judice.
But it will have to be decided by the Czechoslovakian Church itself; we shall not take it upon our shoulders to exclude it if it
holds that honestly it can come in. If I understand your letter correctly the present situation in Germany is that the Confessional Church denies the right of the Reichskirche to be regarded as a Church which accepts our Lord Jesus Christ as God and Saviour. But I understand that this
would be denied by the members of the Reichskirche itself! I gather this for example from a little pamphlet by Dr. Wobbermin! which he has just sent me.
Whatever may be the truth about this I do not see that it can ever be the duty of the Faith and Order Movement to decide the
question. Let us consider for a moment what it would mean if we were to undertake such a responsibility. Quite clearly we could not pronounce any such judgment without a full hearing of both
sides. It would mean
that we should have to hold prolonged
meetings of the Continuation Committee which should consider the evidence produced by the Confessional Church and the Reichs-
kirche. This would be to divert the Continuation Committee from the work which it exists to perform — and we have to remember
1. Prof. Wobbermin war Deutscher Christ und lehrte zuletzt in Berlin.
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that the members of our Movement are drawn from churches all over the world and not from Europe only. Churches in North and South America, in South Africa, Australia, New Zealand, Japan, China etc. send their representatives for the purpose of
explaining what they stand for and learning what others stand for. Having invited them to come together for this purpose with a definite guarantee that they will not be asked to sit in judgment upon one another, how can we now ask them to spend their time in taking any such action? If we once begin doing this kind of thing, would there be any end to it? Suppose for example one of the churches in America
accused another church there of being so infected by Humanismus as no longer to possess any effective faith in Jesus Christ as God and Saviour, should we then have to ask all the
churches of Europe and the rest of the world to take up the task of arbitrating between them? The more I think of it the more I feel certain that such action must be taken either by churches themselves or possibly by some oecumenical movement which is not charged with the particular task that we have to perform. And might I as a result of all this suggest that possibly you have not quite clearly realised what participation in our Movement involves. I gather from your letter that you feel that to take part in our Movement together with representatives of the Reichskirche would mean that by co-operating with them in a common work you would be disloyal to your membership of the Confessional Church. But does not this depend on the nature of
the work which the Movement is doing? We are not (like the Stockholm Movement) seeking to engage in a common wherein we stand shoulder to shoulder as brothers;
seeking to meet and to explain ourselves to one when representatives of different churches meet at Order Continuation Committee meeting or World they do so without any prejudice to the convictions
activity we are
another and a Faith and Conference, of the chur-
ches to which they belong. If for example at any of our gatherings
a representative of the Reichskirche were to explain the sense in which his church accepts our Lord Jesus Christ as God and Saviour, it would be quite in order for a representative of the
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Confessional Church to point out that from the point of view for which he stands such acceptance could not be regarded as being satisfactory. It would not necessarily follow that either church would as a result be excluded from the Movement; it
would have been made clear that progress towards unity between the two of them was improbable in the near future.
It is one of our fundamental principles that we are not to seek unity by compromising or glossing over the differences which divide us; we are not a conference of Christian Bodies whose
differences “might become reconciled through a certain amount of goodwill“. No; we realise that the differences between us are much more deeply seated than that, and are often genunine differences of conviction, and that the only way towards mutual understanding is for each quite honestly to “speak the truth in
love“, even though it be unacceptable to others who are present. Forgive me for having inflicted so long an epistle upon yon. I do
think it is most important that we should understand one another as clearly as possible. As I said before I am most grateful to you for having written to me as you did, and I hope you will accept
what I have written as being written in the same spirit in which you wrote yourself. Yours very sincerely,
Leonhard Hodgson!
1. Siehe auch Brief vom 30. 3. 1939, Seite 283.
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Die Bekennende Kirche und die Ökumene [August 1935]
Vorbemerkung: Der Kampf der Bekennenden Kirche ist von
Anfang an unter stärkster Anteilnahme der christlichen Kirchen außerhalb Deutschlands geführt worden. Das ist von politischer wie von kirchlicher Seite vielfach argwöhnisch be-
merkt und beurteilt worden. Daß für den Politiker dies eine befremdliche Überraschung war, die zu falschen Deutungen Anlaß geben konnte, ist begreiflich; denn noch nie war die evangelische Ökumene anläßlich eines Kirchenstreites so sichtbar in die Erscheinung getreten wie in den vergangenen zwei
Jahren, noch nie ist die Stellungnahme der ökumenischen Christenheit in einer Glaubensfrage so eindeutig und einmütig gewesen wie hier. Der deutsche Kirchenkampf ist nach den Anfängen der ökumenischen Bewegung die zweite große Etappe ihrer Geschichte und wird in entscheidender Weise mitbestimmend sein für ihre Zukunft. Weniger be-
greiflich war es hingegen, daß man in unsrer Kirche so weithin unvorbereitet und einsichtslos diesem Geschehen gegenüberstand, daß man sich der Stimmen unsrer ausländischen Brüder fast schämte und sie als peinlich empfand, anstatt sich ihres Zeugnisses und der Gemeinschaft mit ihnen zu freuen. Die Verängstigung und Verwirrung, die durch die Achtung des politischen Begriffs des Internationalismus in kirchlichen Kreisen hervorgerufen war, hatte
sie blind gemacht für etwas ganz Neues, was sich Bahn zu brechen begann, nämlich für die evangelische Okumene. Es ist ein Beweis für die unerhörte Unselbständigkeit unseres kirchlichen Denkens, daß hier politische und kirchliche Sphäre nicht voneinander unterschieden wurde. Die im
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und die Ökumene
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Neuen Testament und in den Bekenntnisschriften aufs kräftigste bezeugte Tatsache, daß die Kirche Christi nicht an den nationalen und rassischen Grenzen haltmacht, sondern über sie hinausgreift, ist unter dem Ansturm des jungen Nationalismus gar zu leicht vergessen und verleugnet worden. Und dort, wo man theoretisch an dieser Stelle zwar nicht zu widersprechen vermochte, hat man doch nicht auf-
gehört, nachdrücklich zu erklären, daß selbstverständlich ein Gespräch über sogenannte innerdeutsche kirchliche Angelegenheiten mit ausländischen Christen nicht in Betracht komme,
und daß erst recht ein Urteil oder gar eine offene Stellungnahme zu diesen Dingen von außen her unmöglich und verwerflich sei. Man hat von verschiedensten Seiten versucht, die ökumenischen Organisationen davon zu überzeugen, daß mit solchem
Vorgehen
nur
Schaden
angerichtet
werde. Die ökumenischen Beziehungen wurden weitgehend vom Gesichtspunkt kirchenpolitischer Taktik her bewertet. Man hat sich damit gegen den Ernst der Okumenizität der
evangelischen Kirche versündigt. Es ist nur ein Ausdruck der echten Kraft des ökumenischen Gedankens, wenn aller
Scheu, aller inneren Abwehr, ja allen lauteren und unlauteren
Versuchen,
die Ökumene
zu
desinteressieren,
zum
Trotz die Okumene an Kampf und Leiden des Deutschen Protestantismus teilgenommen hat, wenn sie immer wieder ihre Stimme erhob, wenn der Bischof von Chichester als
Präsident
des Okumenischen
Rates seine Briefe an den
Reichsbischof schrieb, in denen er diesen beschwor, seines Wächteramtes über die evangelische Christenheit in Deutsch-
land eingedenk zu bleiben, wenn er dann in seiner Himmelfahrtsbotschaft von 1934 alle christlichen Kirchen auf den Ernst der kirchlichen Lage in Deutschland hinwies und sie zur Ratssitzung einlud, und wenn schließlich in der denkwürdigen Augustkonferenz 1934 in Fanö der Okumenische Rat seine klare und brüderliche Resolution zum deut-
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und Ökumene.
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schen Kirchenstreit faßte und gleichzeitig den Präses der Bekenntnissynode,
D.
Koch,
in den
Ökumenischen
Rat
wählte. Es war in jenen Tagen, daß manchem führenden Kirchenmann die Realität der Okumene zum erstenmal zu Gesicht kam. Die Sprecher der Okumene sind bei alledem von zwei Erkenntnissen
ausgegangen:
1. es geht im Kampf
der Be-
kennenden Kirche um die Verkündigung des Evangeliums überhaupt, 2. der Kampf wird von der Bekennenden Kirche stellvertretend für die gesamte Christenheit, insbesondere für die abendländische, ausgetragen und erlitten. Diese Erkenntnis bestimmte notwendig eine doppelte Hal-
tung. Erstens: die selbstverständliche und durch keinerlei Einrede zu verhindernde innere und äußere Anteilnahme an diesem Kampf als einer gemeinsamen Sache. Es ist in unzähligen ausländischen Kirchen für die Pfarrer der Bekennenden Kirche gebetet worden, zahlreiche Pfarrkonvente haben Botschaften an die Bekennende Kirche geschickt, um diese ihrer inneren Anteilnahme zu versichern, in theolo-
gischen Seminaren haben junge Studenten täglich in ihren Gebeten
der Bekennenden
Kirche und ihres Kampfes
ge-
dacht. Zweitens: es kann solche Anteilnahme allein bestehen in der streng kirchlichen Haltung brüderlicher Hilfe und gemeinsamer Ausrichtung auf das Evangelium und das Recht seiner ungehinderten und unerschrockenen Verkündigung in aller Welt.
Weil kirchliche Verantwortung und nicht irgendeine Willkür dieses Eintreten
bestimmte,
darum
mußten
einerseits
alle Unternehmungen, durch Verwirrung und Trübung der Lage hier ein kirchenpolitisches Geschäft zu machen, von vornherein scheitern. Andererseits aber konnten aus demselben Grund die Sprecher der Okumene die zuchtvolle und
geistliche Begrenzung ihrer Aufgabe innehalten und ihren Weg unbeirrbar weitergehen.
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
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Okumene und Bekennende Kirche sind einander begegnet. Die Okumene hat bei dem Entstehen der Bekennenden Kirche fürbittend und sich ihr verpflichtend Pate gestanden. Das ist eine Tatsache, wenn auch eine äußerst merkwürdige und manchen sehr anstößige. Außerst merkwürdig, weil gerade in Kreisen der Bekennenden Kirche von Haus
aus das geringste Verständnis für die ökumenische Arbeit, und weil gerade in den Kreisen der Okumene
von Haus
aus das geringste Interesse für die theologische Fragestellung der Bekennenden Kirche zu erwarten gewesen wäre. Anstößig, weil es dem deutschen Nationalisten ärgerlich ist, hier einmal die Situation seiner Kirche von außen her sehen und sehen lassen zu müssen,
weil keiner gern seine
Wunden einem Fremden zeigt. Aber es ist nicht nur eine merkwürdige und anstößige, sondern erst recht eine ungeheuer verheißungsvolle Tatsache, weil in dieser Begegnung Okumene und Bekennende Kirche sich gegenseitig die Exi-
stenzfrage stellen. Es muß sich die Okumene vor der Bekennenden Kirche und die Bekennende Kirche vor der Okumene rechtfertigen, und es wird sowohl die Okumene durch die Bekennende Kirche wie die Bekennende Kirche durch die Okumene in eine ernste innere Bewegung und Krisis gebracht. Diese gegenseitige Frage ist nun zu entfalten.
I.
Die Bekennende Kirche bedeutet für die Okumene insofern eine echte Frage, als sie diese in ihrer Ganzheit vor die Frage der Konfession stellt. Die Bekennende Kirche ist die Kirche, die in ihrer Ganzheit ausschließlich durch das Be-
kenntnis bestimmte Kirche sein will. Es ist grundsätzlich nicht möglich, an irgend einem Punkt mit dieser Kirche ins Gespräch zu kommen, ohne sofort die Bekenntnisfrage zu
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stellen. Weil die Bekennende Kirche im Kirchenkampf gelernt hat, daß von der Verkündigung des Evangeliums bis zu den Kirchensteuern das Bekenntnis und dieses allein die Kirche bestimmen muß, weil es in ihr keinen bekenntnis-
freien, neutralen Raum gibt, stellt sie jeden Gesprächspartner sofort vor die Bekenntnisfrage. Es gibt keinen anderen Zugang zur Bekennenden
Kirche als die Bekenntnisfrage.
Es gibt keine Möglichkeit eines taktisch gemeinsamen Handelns jenseits der Bekenntnisfrage. Damit schließt sich die
Bekennende Kirche gegen jeden politischen, sozialen, humanitären Einbruch hermetisch ab. Das Bekenntnis erfüllt ihren ganzen Raum. Zu diesem Bekenntnis, wie es in den Barmer und Dahle-
mer Synodalbeschlüssen bindend ausgelegt ist, gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Also auch hier ist eine Neutrali-
tät unmöglich,
auch
hier
bleibt
eine
Zustimmung
an
diesem oder jenem Punkt jenseits der Bekenntnisfrage aus-
geschlossen. Vielmehr muß die Bekennende Kirche darauf bestehen, daß sie in jeder verantwortlichen kirchlichen Auseinandersetzung soweit ernst genommen wird, daß dieser ihr Anspruch erkannt und ihr zuerkannt wird. Sie muß ferner darauf bestehen, daß sich in jedem Gespräch mit ihr
die kirchliche Solidarität darin bekundet, daß der Gesprächspartner nicht zugleich mit ihr und mit den von ihr verworfenen Kirchen der Irrlehre das Gespräch aufnimmt, ja daß auch für den ökumenischen
Gesprächspartner
dort
das Gespräch endgültig abgebrochen ist, wo sie es in kirchlicher Verantwortung für abgebrochen erklärt. Das ist ein unerhörter Anspruch. Aber nur so kann die Bekennende Kirche in das ökumenische Gespräch eintreten. Und das muß man wissen, um sie zu verstehen und um ihre Sprache recht zu interpretieren. Ließe die Bekennende
Kirche von diesem Anspruch, so wäre der Kirchenkampf in Deutschland schon gegen sie entschieden und damit auch
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und die Ökumene
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der Kampf um das Christentum. Hat nun die Okumene das Gespräch mit der Bekennenden Kirche aufgenommen, so hat sie bewußt oder unbewußt diesen Anspruch gehört, und die Bekennende Kirche darf dankbar von dieser Voraussetzung ausgehen. Gleichzeitig aber hat sich die Okumene dadurch in eine schwere innere Krise hineintreiben lassen; denn der charakteristische Anspruch der Bekennen-
den Kirche bleibt gerade auch auf dem Boden der Okumene bestehen. Die Fragen der Bekennenden Kirche, die die Okumene sich anzuhören bereit erklärt hat, stehen offen
da und sind nun nicht mehr rückgängig zu machen. 1.
Ist die Okumene in ihrer sichtbaren Vertretung Kirche? Oder umgekehrt: Hat die reale neutestamentlich bezeugte Okumenizität
der Kirche
in den
ökumenischen
Organi-
sationen sichtbaren und angemessenen Ausdruck gefunden? Diese Frage wird heute überall von der jüngeren theologischen Generation, die sich an der ökumenischen Arbeit be-
teiligt, mit großen Nachdruck gestellt. Und das Gewicht dieser Frage ist sofort deutlich. Es ist die Frage nach der Autorität, in der die Okumene spricht und handelt. In welcher Vollmacht tust du das?, so wird gefragt. Diese Vollmachtsfrage ist entscheidend, und es geht ohne tiefsten inneren Schaden der Arbeit nicht an, daß sie unbeantwortet bleibt. Erhebt die Okumene den Anspruch, Kirche Christi zu sein, so ist sie ebenso unvergänglich wie die Kirche
Christi überhaupt; dann hat ihre Arbeit letzten Ernst und letzte Autorität, dann erfüllt sich in ihr entweder in den
Anfängen die alte Hoffnung der evangelischen Christenheit auf die eine wahre Kirche Christi unter allen Völkern der Erde, oder aber es erfüllt sich in ihr der titanische und antichristliche Versuch des Menschen, das sichtbar zu ma-
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chen, was Gott unseren Augen verbergen will. Dann ist die Einheit dieser ökumenischen Kirche entweder der Gehorsam gegen die Verheißung Jesu Christi, daß eine Herde und ein Hirt sein solle, oder aber sie ist das auf der Lüge des
Teufels in Engelsgestalt erbaute Reich des falschen Friedens und der falschen
Einheit.
In dieser Alternative,
in
der jede Kirche steht, steht dann auch die Okumene. Es ist wahrhaftig begreiflich, wenn man sich der Beantwortung dieser Frage lange zu entziehen versuchte, es ist auch wahrhaftig frömmer, dort, wo man in diesen Dingen nichts weiß, dieses Nichtwissen zu bekennen, als ein falsches
Wort zu sagen. Aber nun ist durch die Bekennende Kirche diese Frage neu gestellt und sie nicht mehr in der docta ben. Nun bedroht sie jedes mene, und darin besteht der Kirche an der Okumene.
verlangt Klarheit. Nun kann ignorantia offen gelassen bleiWort und jede Tat der Okuerste Dienst der Bekennenden
Es gibt offenbar durchaus die Möglichkeit, die Okumene in ihrer gegenwärtigen sichtbaren Gestalt nicht als Kirche zu
verstehen; sie könnte ja eine Vereinigung christlicher Menschen sein, von denen jeder in seiner eigenen Kirche wur-
zelt, und die nun entweder zu gemeinsamem taktisch-praktischem Handeln oder aber zu unverbindlichem theologischem Gespräch mit anderen christlichen Menschen zusam-
menkommen, wobei sie die Frage nach dem Ergebnis und der theologischen Möglichkeit solchen praktischen Handelns
und solchen Gesprächs gänzlich dem Vollzug desselben anvertrauen und offen lassen. Es soll werden, und es bleibt bei Gott, was Nur bekenntnisneutralen Charakter nur informatorischen, diskutierenden
eben einmal begonnen er daraus machen will. dürfte dieses Handeln, Charakter dürfte die-
ses Gespräch haben, nie aber ein Urteil oder gar eine Entscheidung über diese oder jene Lehre oder gar Kirche einschließen.
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
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Der innere Fortschritt der ökumenischen Arbeit der letzten Jahre liegt darin, daß eine Durchbrechung der rein taktisch-
praktischen Front von der theologischen Fragestellung her erfolgt ist, wofür der Genfer Forschungsabteilung und einem Manne wie Dr. Oldham besonderer Dank gebührt. Die öku-
menische Arbeit steht damit jetzt weitgehend im Zeichen des theologischen Gespräches. Das ist ein nicht zu unterschätzender Ertrag der Arbeit der letzten Jahre. Aber man täusche sich doch nicht darüber, daß auch die Konstruktion
des des von die
ökumenischen „theologischen ganz spezifisch sich keineswegs
Gedankens, wie sie durch den Begriff Gespräches“ charakterisiert ist, erstens theologischen Voraussetzungen ausgeht, allgemeiner Geltung erfreuen, zweitens
aber der gegenwärtigen Krisis der Okumene noch nicht ge-
recht zu werden vermag. Erstens:
das theologische
Gespräch
soll zwischen
‚‚christ-
lichen Persönlichkeiten“ geführt werden — so heißt es. Wofür wird denn das Kriterium dafür gewonnen, was eine christliche Persönlichkeit ist, oder gar dafür, was eine un-
christliche Persönlichkeit ist? Ist nicht hier das Urteil und Gericht, das man bei der kirchlichen Lehrentscheidung zu vermeiden suchte, an einer viel gefährlicheren Stelle ausgesprochen, nämlich in dem Urteil über einzelne Menschen und ihre Christlichkeit? Und ist nicht gerade hier das Urteil ein biblisch verbotenes, während es bei der Entscheidung über Lehre und Irrlehre der Kirche ein biblisch gebotenes ist? Ist nicht hier aus allzu großer Vorsicht große Unvorsichtigkeit geworden? Zeigt sich hier nicht das unvermeidliche Gesetz, unter dem die ökumenische Arbeit steht, näm-
lich die Geister zu prüfen und zu scheiden, und wird es nicht demütiger sein, diese Scheidung an der Lehre der Kirche vorzunehmen, als richtend in die verborgenen und zweideutigen Tiefen des Persönlichen hinabzusteigen? Es gibt überhaupt kein ernsthaftes Gespräch ohne die gegen-
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seitige Klarheit darüber, in welcher Eigenschaft und Autorität zueinander geredet wird. Will man
nun, wie es von
verantwortlichster ökumenischer Seite geschieht, die Unverbindlichkeit dieses ‚Gesprächs noch stärker betonen, indem nun nicht einmal mehr die christliche Persönlichkeit, son-
dern allein das gegenseitige Interesse und die Fähigkeit, etwas zur Debatte beizutragen, als begründend angesehen werden, so ist damit dem Nichtchristen in Fragen der Kirche
Christi grundsätzlich dasselbe Recht eingeräumt wie dem Christen, und es bleibt dann fraglich, inwiefern hier über-
haupt noch der Name der Okumene mit Recht gebraucht wird, wieweit es sich noch um eine kirchlich relevante Sache handelt.
Zweitens: Es besteht die ganz große Gefahr, die bereits — wie jeder Sachkundige weiß —
akut geworden ist, daß ge-
rade das an sich notwendige theologische Gespräch dazu benutzt wird, um die wahre Lage zu verschleiern. Das theologische Gespräch wird dann zu einer üblen Spielerei, indem es verdeckt, daß es in Wahrheit nicht um unverbindliches Theologisieren, sondern um verantwortliche, legitime kirchliche Entscheidungen geht. Durch die Frage der Bekennenden Kirche sind wir über die an sich notwendige Etappe
des theologischen Gesprächs bereits hinaus. Die Bekennende Kirche weiß um die gefährliche Zweideutigkeit jedes theologischen Gespräches und drängt auf die eindeutige kirch-
liche Entscheidung. Das ist die wahre Situation. Die Frage nach der Autorität der Okumene treibt alle derartigen Konstruktionen in die äußerste Konsequenz und zersetzt sie von innen her. Entweder es wird die Notwendigkeit einer Scheidung der Geister als Voraussetzung der ökumenischen Arbeit anerkannt, dann wird über den Cha-
rakter dieser Scheidung zu reden sein und es wird mit ihr praktisch Ernst gemacht werden müssen; oder solche Scheidung wird als falsche und unerlaubte Voraussetzung ab-
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
gelehnt, dann ist der Begriff der Okumene
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im Sinne des
Neuen Testaments und der reformatorischen Bekenntnisse von vornherein aufgelöst. Die Gruppe, gegen die sich dieser Teil der Auseinandersetzung richtet, hat ihre Vertreter in einem großen Teil deutscher, englischer und amerikanischer Theologen der Okumene und findet weithin in ökumenisch arbeitenden Kreisen Zustimmung. Das stärkste Argument dieser Gruppe liegt in der Voraussage, daß die ökumenische Arbeit in demselben Augenblick auseinanderbrechen würde, wo die Frage nach ihrem kirch-
lichen Charakter ernsthaft gestellt würde, d. h. wo irgendwelche richterlichen Funktionen bzw. Lehrentscheidungen in Anspruch genommen werden müßten. Damit ist ausgesprochen, daß die ökumenische Arbeit bisher bewußt unter Absehung von der Bekenntnisfrage getrieben worden ist, zugleich aber, daß sie nur so weiter getrieben werden könne.
So richtig die erste Feststellung ist, so unerlaubt und vorwitzig ist die zweite. Die letzten Jahre haben besonders seit
August 1931, und zwar großenteils durch das Verdienst der Genfer Forschungsabteilung, auf sämtlichen ökumenischen Konferenzen gerade die grundsätzlichen theologischen Fragen immer wieder aufbrechen lassen, und es ist deut-
lich, daß die innere Entwicklung der ökumenischen Arbeit selbst auf diese Klärung hindrängt; Wort und Tat der Okumene sind unterhöhlt. Durch den Eintritt der Bekennenden Kirche aber kann nun diese Entwicklung nicht mehr
aufgehalten werden. Es hilft nichts, andere Rettungsversuche zu machen. Es gibt für die ökumenische Arbeit nur
noch eine Rettung, nämlich, daß sie mutig diese Frage aufnimmt
wie
sie ihr gestellt ist, und
im Gehorsam
alles
Weitere dem Herrn der Kirche anheim gibt. Wer will denn wissen, ob nicht gerade an dieser friedenstörenden Aufgabe
die Okumene erstarkt und vollmächtiger aus diesem Kampfe herauskommt? — Und selbst wenn es durch einen schweren
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Bekennende
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und Ökumene.
1935 —1937
Bruch hindurchgehen muß, ist nicht das Gebot und die Verheißung Gottes stark genug, um die Kirche hindurchzuführen, und ist nicht dieses Gebot gewisser als falsche Ruhe und illusorische Einheit, die doch einmal zusammen-
brechen muß? An dem Gebot Gottes haben die Geschichtsspekulationen ein Ende.
Und die Okumene hat sich nicht entzogen. Sie hat auf der Konferenz in Fanö, obwohl mit Zögern und inneren Hem-
mungen, ein wahrhaft kirchliches Wort und d. h. eben auch ein richterliches Wort gesprochen, indem sie an ganz bestimmten Punkten Lehre und Tat des deutsch-christlichen Regiments verurteilte und sich zu der Bekennenden Kirche stellte [s.a. S. 220 Anm. 1]. Einfach aus der Notwendigkeit
der Sachlage ist dieses Wort entsprungen in verantwortlichem Gehorsam gegen Gottes Gebot. Mit der Konferenz in Fanö ist die Ökumene in eine neue Epoche eingetreten. Es ist ihr an
einer ganz bestimmten Stelle ihr kirchlicher Auftrag zu Gesicht gekommen, und das ist ihre bleibende Bedeutung. Also die Frage ist aufgerichtet und wartet der Beantwortung, nicht heute oder morgen, aber sie wartet: ist die
Okumene Kirche oder ist sie es nicht? 2.
Wie kann die Okumene Kirche sein und ihren Anspruch darauf begründen? Das ist die nächste Frage der Bekennenden Kirche an die Okumene. Kirche gibt es nur als bekennende Kirche, d. h. als Kirche, die sich zu ihrem Herrn
und gegen seine Feinde bekennt. Bekenntnislose oder bekenntnisfreie Kirche ist nicht Kirche, sondern Schwärmerei
und macht sich zum Herrn über Bibel und Wort Gottes. Bekenntnis ist die mit eigenen Worten ausgesprochene formulierte Antwort der Kirche auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift. Zur wahren Einheit der Kirche aber gehört
Die Bekennende
Kirche
die Einheit im Bekenntnis.
und die Ökumene
251
Wie kann von hier aus die
Okumene Kirche sein? Es scheint, als ob allein die Bekenntniseinheit,
etwa
des
Weltluthertums diese Möglichkeit eröffnet. Wie muß aber von hier etwa die Stellung zur Church of England oder gar zu der Orthodoxie des Ostens beurteilt werden? Wie können Kirchen, die auf so verschiedenen Bekenntnisgrundlagen stehen, eine Kirche sein, ein gemeinsames, vollmäctiges Wort sagen?
Die in ökumenischen Kreisen fast allein gültige Hilfskonstruktion zu diesem Problem ist folgende: Es gibt nach der Schrift eine heilige, ökumenische Kirche;
die bestehenden Kirchen sind jede für sich eine besondere Form und Gestalt derselben. Wie aus Wurzel und Stamm des Baumes die Zweige hervorgehen, und wie erst diese den ganzen Baum ausmachen, wie erst der Leib mit allen seinen Gliedern ein ganzer Leib ist, so ist erst die Gemeinschaft
aller Kirchen der Welt die eine wahre ökumenische Kirche. Der Sinn der ökumenischen Arbeit ist dann die Darstellung des Reichtums und der Harmonie der Christenheit. Keiner hat Anspruch auf Alleingeltung, jeder bringt seine beson-
dere Gabe und tut seinen besonderen Dienst an der Ganzheit, erst in der Einheit liegt die Wahrheit.
Es ist überraschend, welche Anziehungskraft von diesem Gedanken,
der aus den verschiedensten
geistigen Quellen
gespeist ist, in der ganzen christlichen Welt ausgegangen ist. Er ist sozusagen das Dogma der ökumenischen Bewegung, und es ist schwer ihm entgegenzutreten. Und doch muß die Bekennende Kirche gerade diese Konstruktion zerstören; denn sie dient dazu, den Ernst des öku-
menischen schleiern.
Problems
und der Kirche überhaupt zu ver-
So wahr und so biblisch der Satz sein mag, daß nur in der Einheit Wahrheit sei, so wahr und biblisch ist auch der
252
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935—1937
andere Satz, daß nur in der Wahrheit Einheit möglich sei.
Wo allein, abgesehen, jenseits von dem Wahrheitsanspruch einer Kirche die Einheit mit einer anderen Kirche gesucht wird, dort wird die Wahrheit verleugnet, dort hat sich die Kirche selbst aufgegeben. Wahrheit hat in sich selbst scheidende Kraft oder sie ist aufgelöst. Wo aber Wahrheit gegen Wahrheit steht, dort ist nicht mehr Harmonie und Organismus, dort kann man sich auch nicht mehr hinter der
allgemeinen Unzulänglichkeit der menschlichen Erkenntnis verschanzen, sondern
dort steht man
an der Grenze
des
Anathema. Die romantisch-ästhetisch-liberale Idee der Okumene nimmt die Wahrheitsfrage nicht ernst, bietet also keine Möglichkeit, die Okumene als Kirche verständlich zu machen. Mit der Wahrheitsfrage aber ist nichts anderes ausgespro-
chen als die Frage nach dem Bekenntnis im positiven und abgrenzenden Sinne, nach dem confitemur und dem damnamus. Es wäre klug, wenn die christlichen Kirchen des Abendlandes diese Erfahrung der Bekennenden Kirche nicht übersehen wollten, daß eine Kirche ohne Bekenntnis eine wehrlose und verlorene Kirche ist, und daß eine Kirche im
Bekenntnis die einzige Waffe hat, die nicht zerbricht. Damit wird die Okumene in eine letzte Krisis getrieben, an der sie zu zerbrechen droht; denn wie soll dort, wo von
allen Seiten her letzte Wahrheitsansprüche angemeldet werden, die Einheit möglich sein? Es ist begreiflich, daß man nach den bisherigen, schon oft nicht gerade einfachen Konferenzen diesen Schritt nun bestimmt nicht tun will, sich
in solche hoffnungslose Situation nicht hineintreiben lassen will. Das kaum begonnene Gespräch würde, so sagt man,
allzu schnell abgebrochen sein. Dazu ist zu allererst nachdrücklichst zu sagen, daß es aller-
dings eine Situation gibt, in der ein Gespräch zwischen Kirchen als abgebrochen zu betrachten ist. Um diese Situation
Die BikennendeiRüräbe
und die Ökumene
253
weiß die Bekennende Kirche im Augenblick vielleicht besser als irgendeine Kirche der Welt. Das Gespräch zwischen der deutsch-christlichen Kirche und der Bekennenden Kirche ist endgültig abgebrochen. Das ist eine Tatsache, die nicht wegzuleugnen ist. Das ist auch kein Gericht über christliche oder unchristliche Persönlichkeiten, sondern es ist ein Urteil über den Geist einer Kirche, der als widerchristlicher Geist erkannt und verurteilt ist. Es ist eine selbstverständliche Folge, daß ein solches abgebrochenes Gespräch nicht auf einem anderen Boden, etwa dem einer ökumenischen Konferenz, wieder aufgenommen werden kann. Daß Vertre-
ter der Bekennenden Kirche und der Deutschen Christen nicht Gesprächspartner bei einer ökumenischen Konferenz sein können, muß die Okumene verstehen und hat sie in Fanö
verstanden. Es war einer der großen Augenblicke der Konferenz, als Bischof Ammundsen im unmittelbaren Anschluß an die Plädoyers des deutsch-christlichen Systems für die
abwesenden
Vertreter der Bekennenden
Kirche seine bi-
schöfliche Stimme erhob. Es handelt sich hier ja nicht um Persönlichkeiten, sondern um Kirchen, es geht um Chri-
stus und Antichrist, da gibt es keinen neutralen Boden. Die Okumene würde sich an ihrer eigenen Aufgabe wie an der Bekennenden Kirche versündigen, wenn sie sich dieser klaren Entscheidung entziehen wollte. Es ist nun aber purer Doktrinarismus, der hieraus folgern
wollte, es sei von solcher Haltung aus ebenso unmöglich, etwa mit Vertretern des Anglikanismus oder einer semipe-
lagianischen freikirchlichen Theologie zusammenzusitzen. Solche Rede weiß nichts von dem Sinn des lebendigen Bekenntnisses, sondern hält das Bekenntnis für ein totes System, das man jeweilig schematisch als Maßstab der anderen Kirchen anlegt. Die Bekennende Kirche bekennt nicht in abstracto, sie bekennt nicht gegen die Anglikaner oder
Freikirchler, sie bekennt im Augenblick nicht einmal gegen
254
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
Rom, geschweige denn bekennt der Lutheraner heute gegen den Reformierten, sondern sie bekennt in concretissimo gegen die deutsch-christliche Kirche und gegen die neue heidnische Kreaturvergötzung; der Antichrist sitzt für die Bekennende Kirche nicht in Rom oder gar in Genf, sondern er sitzt in der Reichskirchenregierung in Berlin. Gegen ihn wird bekannt, und zwar darum, weil von hier aus und nicht von Rom, von Genf oder von London aus die christliche Kirche Deutschlands auf den Tod bedroht ist, weil
hier der Vernichtungswille am Werk ist. Die Gesänge des Psalters
gegen
die Gottlosen
und
die Gebete,
daß
Gott
selbst den Krieg gegen seine Feinde führen möge, werden hier lebendig. Unsere Waffe bleibt allein das lebendige Bekenntnis. Lebendiges Bekenntnis heißt nicht dogmatische These gegen These stellen, sondern es heißt Bekenntnis, bei dem es ganz
wirklih um Tod und Leben geht. Selbstverständlich formuliertes, klares, theologisch begründetes, wahres Bekenntnis. Aber die Theologie ist hier nicht selbst der kämpfende
Teil, sondern steht ganz im Dienst der lebendig bekennenden und kämpfenden Kirche. Es ist deutlich, daß sich trotz aller theologischen Analogien
die ökumenische Situation hiervon grundsätzlich unterscheidet. Die Bekennende Kirche tritt den bekenntnisfremden Kirchen nicht gegenüber als ihren Todfeinden, die ihr nach dem Leben stehen, sondern sie trägt in ihrer Begegnung mit an der Schuld der Zerrissenheit der Christenheit, stellt
sich in diese Schuld mit hinein und erkennt in aller falschen Theologie, die ihr begegnen mag, hier zuerst eigne Schuld, mangelnde Kraft ihrer eigenen Verkündigung. Sie anerkennt Gottes unbegreifliche Wege mit seiner Kirche, sie erschrickt vor dem Ernst einer Kirchenspaltung und vor der
Last, die sie den nachfolgenden Geschlechtern auferlegt, sie hört hier den Ruf und die Mahnung zur Verantwortung
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
255
und zur Buße. Sie wird angesichts dieses Bildes die ganze Not der eigenen Entscheidung neu erfahren, und ihr Bekenntnis wird an diesem Ort als erstes ein Sündenbekenntnis sein. II. Damit wendet sich das Blatt, und die Bekennende Kirche
steht nicht mehr und nicht einmal zuerst als die fragende und fordernde da, sondern als die von der Ökumene gefragte, in Frage gestellte Kirche, und das Überraschende ist
nun dies, daß von der gehörten Frage der Bekennenden Kirche her die Okumene eben dieselbe Frage der Bekennenden Kirche zurückgibt. Die gegen die Okumene gewandte Waffe ist nun gegen die Bekennende Kirche gerichtet. Wie kann
das Bekenntnis:
Christus
allein, Gnade
allein, die
Schrift allein, wie kann das Bekenntnis der Rechtfertigung aus dem Glauben allein überhaupt anders wahr werden, als indem das Bekenntnis der Bekennenden Kirche zuerst ein Bekenntnis der Sünde ist, ein Bekenntnis, daß diese ganze Kirche mitsamt ihrer Theologie und ihrem Kultus
und ihrer Ordnung allein von der Gnade Gottes und Jesus Christus lebt und der Rechtfertigung bedarf? Das Bekenntnis der Bekennenden Kirche wird ernst nur in actu, d. h. hier im Bekenntnis der Sünde, in der Buße. Weiß die Bekennende Kirche darum, daß das Bekenntnis der Väter und das Bekenntnis gegen die Feinde Jesu Christi nur dort
glaubwürdig und vollmächtig wird, wo das Bekenntnis gegen sich selbst vorangegangen ist, wo das damnamus zuerst gegen die eigene Front gerichtet ist? Wird die Be-
kennende Kirche von dieser Voraussetzung aus in die ökumenische Gemeinschaft eintreten? Diese Fragen stellt die Okumene der Bekennenden Kirche erstens durch ihre Existenz. Einfach die Tatsache, daß sich
256
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935—1937
die christlichen Kirchen aller Welt — außer der römischen — zusammengefunden haben, um miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Entschlüsse zu fassen, steht da, ob die Bekennende Kirche ja oder nein dazu sagt. Es ist eine Tatsache, daß eine zerrissene Christenheit zusam-
mentritt im einmütigen Bekenntnis ihrer Not und im einmütigen Gebet um die verheißene Einheit der Kirche Jesu
Christi, ja daß da gemeinsame Gottesdienste begangen, Predigten gemeinsam gehört, sogar Abendmahlsfeiern gehalten werden, und daß da immer noch oder wieder eine Möglichkeit der ökumenischen Christenheit ist, und daß alles unter der Anrufung des Namens Jesu Christi und mit dem Gebet
um Beistand des Heiligen Geistes ist. Ist es angesichts dieser Tatsache wirklich das zuerst und allein Gebotene, dem
ein pathetisches „Unmöglich‘“ entgegenzusetzen, gibt es da wirklich ein Recht, von vornherein das Anathema über alles
solches
Tun
christlichen
aufzurufen? Kirchen
Ist nicht dieses
mindestens
eine Sache,
Zeugnis
aller
die zunächst
einen Augenblick Anhalten und Aufmerksamkeit gebietet? Daß die reale Existenz der Okumene in sich kein Beweis für ihre Wahrheit und christliche Legitimität bedeutet, muß ja offen und klar bekannt werden. Aber wenn sie nicht Beweis sein kann, kann sie nicht jedenfalls Hinweis
sein
auf die Verheißung, die Gott auf dieses Tun legen will? Gibt es überhaupt noch ein aufrichtiges Gebet um die Einheit der Kirche, wo man sich von vornherein aus dieser Gemeinschaft ausschließt? Sollte hier nicht gerade die Kirche, der es ernst ist um die Wahrheit, eben um dieser
Wahrheit willen zu allererst zum Hören aufgerufen sein? Sollte hier nicht gerade eine Kirche in dem eingeengten Deutschland, die ihren Blick so schwer über ihre Grenzen hinausrichtet, aufmerksam werden müssen? Sollte hier nicht gerade eine Kirche, die im Kampf um ihre Existenz steht,
dankbar und hellhörig werden für die Gebete und die Ge-
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
257
meinschaft der ganzen Christenheit? Es bleibt dabei, ein Beweis ist dies alles nie und nimmer, aber ein Hinweis auf
Gottes Verheißung und als solcher ernst zu nehmen und zu prüfen. Zu prüfen freilich niemals anders als durch die Bekenntnisfrage, durch den Schriftbeweis. Es wäre nicht gut, wollte die Bekennende Kirche so tun, als hätte sie die Okumene erst ins Leben zu rufen, sondern es wird ihrer Demut geziemen, anzuerkennen, daß hier etwas ist, ohne sie, unabhängig von ihrem Ja oder Nein, dem sie begegnet ist auf ihrem Wege, von dem sie sich gefragt und aufgerufen weiß; in der Buße wird die Bekennende Kirche der Okumene begegnen müssen. Es wäre wahrhaftig eine schlechte Theologie, die es der Bekennenden Kirche verböte, diese Dinge sehr ernst zu nehmen. Aber damit ist das letzte noch nicht gesagt. Es muß in der Begründung der Bekennenden Kirche als Kirche selbst der Ort gefunden werden, von dem aus die ökumenische Arbeit
letzte Verpflichtung wird. Es muß nicht nur eine tatsächliche, sondern eine theologische Notwendigkeit vorliegen. Zweitens: Es ist begreiflich, wenn die Okumene mit großem
Nachdruck gerade auf dieser Frage nach der innersten Notwendigkeit besteht. Denn hiervon hängt es ab, ob der Wille der Bekennenden Kirche zur Okumene ein zufälliger, möglicherweise nur utilitaristischer, oder ein notwendiger, dar-
um bleibender ist. So spitzt sich die Frage, die die Okumene an die Bekennende Kirche zurückgibt, scharf zu: Sollte die Bekennende Kirche in ihrem Bekenntnisanspruch sich so isolieren, daß ihr Bekenntnis keinen Raum mehr für den ökumenischen Gedanken offen läßt, so würde sich allen Ernstes die Frage erheben, ob in der Bekennenden
Kirche selbst noch Kirche Christi sei. Wo der Bekenntnisanspruch sich so absolut setzt, daß er das Gespräch mit jeder bekenntnisfremden Kirche a priori für abgebrochen erklärt, wenn er in blindem Eifer in allen anderen Kirchen
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Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
nur noch das Missionsfeld zu sehen vermag, wenn die Bereitschaft zum Hören schon als Verrat am Evangelium gebrandmarkt wird, wenn die Orthodoxie in unbegrenzter
Selbstherrlichkeit ganz bei sich selbst bleibt, und wenn schließlich in dem dauernden Protestieren der Ökumene gegen Ungerechtigkeit und Gewalt nur westlicher Fortschrittsglaube wiedererkannt wird — dann ist der Augenblick da, wo ernsthaft gefragt werden muß, ob nicht an die Stelle Jesu Christi über seine Kirche die Menschenherrschaft, an die Stelle der Gnade Gottes die Menschensatzung, an die
Stelle des Christus der Antichristus getreten ist. Wenn nun aber — und so schließt sich der Kreis der Fragen — dann gerade von einer solchen Kirche an die Ökumene die Frage nach deren Kirchlichkeit gerichtet wird, so kann die Okumene darin mit Recht nur den wahnwitzigen Herrschaftsanspruch einer sich vergötzenden Kirche erkennen, und sie wird sich verwahren müssen, dieser Stimme Gehör zu leihen. Die Frage nach der Kirche ist der Bekennenden Kirche zu-
rückgegeben. Die Bekennende Kirche muß sagen, wo die Grenzen ihres Bekenntnisanspruches liegen. Die Bekennende Kirche gibt ihre Antwort zuerst dadurch, daß sie sich faktisch in die ökumenische Arbeit hineinstellt,
in Gebet und Kultus, in theologischer und praktischer Arbeit an ihr teilnimmt. Sie tut das, weil sie dazu gerufen
ist und weil sie diesen Ruf ernst nimmt. Sie stellt es Gott anheim, was er aus der Begegnung schaffen will, und wartet, indem sie arbeitet. Die Bekennende Kirche nimmt den Ruf der Okumene ernst,
weil sie sich ihren Gliedern durch das Sakrament der heiligen Taufe verbunden weiß. Sie weiß, daß die Zahl der Getauften noch nicht die Kirche ist. Sie weiß, daß trotz der einen Taufe die Kirchen zerrissen sind, und sie vergißt
ihren eigenen Ursprung nicht. Aber sie erkennt in der Taufe die Gnade und die Verheißung der einen Kirche, die
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
259
allein der Heilige Geist durch sein Wort sammelt. Wenn die reformatorischen Kirchen die Taufe z. B. der römischen Kirche anerkannten,
so nicht um
den Ernst der Kirchen-
spaltung abzuschwächen — wird er doch dadurch nur verschärft, daß trotz der einen Taufe die Kirchen sich in den Bann tun müssen —, sondern vielmehr, um damit den Anspruch zu erheben, nichts anderes sein zu wollen, als die
gereinigte katholische Kirche selbst, das Erbe der Kirche Roms, und um ihren Anspruch auf Katholizität selbst anzutreten. Es ist aber damit zugleich die Gnade Gottes über
die Lehre der Kirche geordnet, wiederum nicht so, daß die Kirchenspaltung dadurch unernst und durch uns revozierbar würde, sondern daß sie dadurch nur um so furchtbarer empfunden wird. Wenn die reformatorischen Kirchen der Okumene auf Grund ihres Getauftseins zusammenkommen, so nehmen sie damit bewußt das Erbe der ursprünglichen
katholischen Kirche in Anspruch, und es entsteht nun erst die Frage nach dem Recht und nach der Legitimität dieses Anspruches, d. h. nach der schriftgemäßen Reinheit dieser
Kirchen. Die Bekennende Kirche ist die Kirche, die nicht aus ihrer Reinheit, sondern in ihrer Unreinheit lebt — die Kirche der Sünder, die Kirche der Buße und der Gnade, die Kirche, die allein durch Christus, allein durch die Gnade, allein durch den Glauben leben kann. Als solche Kirche, die täglich in der Buße steht, ist sie Kirche, die ihre Schuld an der
Zerrissenheit der Christenheit bekennt und die jeden Augenblick ganz auf das Geschenk der Gnade Gottes angewiesen bleibt. Sie existiert darum nur als hörende Kirche: sie ist frei für das Hören auf den anderen, der sie zur Busse ruft.
So liegt in ihrer Erkenntnis des Evangeliums als der alleinigen Gnade Gottes durch Jesus Christus, den Bruder und
Herrn, die Notwendigkeit und die Möglichkeit des Hörens und der ökumenischen Begegnung. Weil diese Kirche nicht
260
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
aus sich selbst, sondern von außen her ihr Leben empfängt, darum existiert sie immer schon in jedem Wort, das sie sagt,
von der Okumene her. Das ist ihre innerste Nötigung zur ökumenischen Arbeit. Die Bekennende Kirche nimmt die ihr von Gott durch die Heilige Schrift im Bekenntnis der Väter und heute wieder
neu geschenkte Erkenntnis des Evangeliums endgültig ernst. Sie hat erfahren, daß diese Wahrheit allein im Kampf auf Leben und Tod ihre Waffe ist. Sie kann nicht um ein kleinstes von dieser Wahrheit ablassen; aber sie weiß sich
gerade mit dieser Wahrheit nicht zum Herrschen, sondern zum Dienen und zum Hören berufen und wird diesen ihren unverkürzten Dienst in der Okumene ausrichten. Die Bekennende Kirche nimmt an der ökumenischen Arbeit
als Kirche teil. Ihr Wort will als kirchliches Wort gehört sein, eben weil sie nicht eigenes Wort, sondern bindendes Wort Gottes bezeugen will. Sie will als Kirche zu Kirchen
reden. Damit zwingt sie durch ihr Wort in die Entscheidung. Die Bekennende Kirche wird der Okumene
das Recht zu
brüderlicher Hilfe, brüderlicher Warnung und brüderlichem Einspruch jederzeit zuerkennen und wird damit bezeugen, daß die Einheit der Christenheit und die Liebe zu Jesus Christus alle Grenzen durchbricht. Sie wird sich der Stimme
ihrer Brüder nie schämen, sondern ihr dankbar Gehör leihen und zu verschaffen suchen. — Die Frage ist gestellt. Davon daß sie aufgenommen
wird,
hängt die Zukunft der Okumene und der Bekennenden Kirche ab. Das darf nicht abgeschwächt werden. In welche Krisen die Okumene und die Bekennende Kirche dadurch geführt werden, weiß niemand. Was bleibt als positives „Programm“?
Nichts,
als daß diese gestellte Frage nicht
liegen bleibt. Weil sie echte kirchliche Kraft in sich trägt, vertrauen wir uns ihr an.
Die Bekennende
Kirche
und die Ökumene
261
Ob sich die Hoffnung auf das Okumenische Konzil der evangelischen Christenheit erfüllen wird, ob ein solches Konzil nicht nur in Vollmacht die Wahrheit und die Einheit der Kirche Christi bezeugen wird, sondern ob es Zeugnis wird ablegen können gegen die Feinde des Christentums in aller Welt, ob es ein richtendes Wort sprechen wird über Krieg, Rassenhaß und soziale Ausbeutung, ob durch solche
wahre ökumenische Einheit aller evangelischen Christen in allen Völkern einmal der Krieg selbst unmöglich wird, ob das Zeugnis eines solchen Konzils Ohren finden wird, die hören, —
das steht bei unserem Gehorsam
gegen die uns
gestellte Frage und dabei, wie Gott unseren Gehorsam gebrauchen will. Nicht ein Ideal ist aufgerichtet, sondern ein Gebot und eine Verheißung — nicht eigenmächtiges Ver-
wirklichen eigener Ziele ist gefordert, sondern Gehorsam. Die Frage ist gestellt.
262
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
An Bischof Ammundsen 18. November 1935 Hochverehrter, lieber Herr Bischof! Es hat mir so leid getan, daß ich Sie im Sommer dieses Jah-
res nicht gesehen habe, ich würde mich zu gerne einmal wieder mit Ihnen über die Dinge in unserer Kirche aussprechen. Ich fühle mich in Deutschland wieder sehr wohl und kann es mir kaum vorstellen, nicht hier dabei zu sein. Heute komme
ich mit einem besonderen Vorschlag zu Ihnen. Da ich einerseits sehr unter dem Eindruck stehe, daß sich die Lage in unserer Kirche mehr und mehr zuspitzt, und ich anderseits zu beobachten meine, daß nur sehr wenige im Inund Ausland die rechte Sicht haben, möchte ich Ihnen die Arbeit eines unserer jungen Pastoren der Bekennenden Kirche empfehlen. Herr W.K.! versieht seit einigen Monaten verschiedene kirchliche und außerkirchliche Instanzen des Auslandes mit knappen Informationen aus erster Hand und
erläuternden Artikeln. Während seiner Studien im Ausland konnte er außerordentlich reiche Beziehungen zu Kirchenmännern des Auslandes anknüpfen. Als langjähriger Schüler Karl Barths erhielt er von diesem für seine gegenwärtige Arbeit verschiedene sehr gute Empfehlungen. Seine kirchlichen Verbindungen ermöglichten ihm bereits die Zusammenarbeit mit verschiedenen Pressebüros, z. B. dem „Schweizer Evangelischen Pressedienst“ in Zürich, wo seine Informationen ver-
vielfältigt und von dort an verschiedene Kirchenblätter und Tageszeitungen versandt wurden.
Außerdem scheint es mir von besonderer Wichtigkeit, daß die übliche Zeitungsberichterstattung von jemandem ergänzt 1. Pastor Werner Koch.
Brief an Bischof
Ammundsen
263
und unter Umständen berichtigt wird, der von Anfang an am Kirchenkampf aktiv beteiligt war und ein wohlbegründetes theologisches und christliches Urteil besitzt. So hat Herr W. K. auch schon mit großem Erfolg verschiedene große Tageszeitungen in Mitteleuropa und England bedient, z.B. „Neue Zürcher Zeitung“, „Basler Nachrichten“, „Gazette de Lausanne“, „Pester Lloyd“, „Allgemeen Handelsblad“, „Manchester Guardian“ usw. Er glaubt auch, daß schon einmal ein Artikel von ihm in der „Berlingske Tidende“ abgedruckt worden ist. Einliegend finden Sie die beiden letzten Arbeiten von Herrn K., die Ihnen zur beliebigen Verwendung zur Verfügung stehen, evtl. für ein kirchliches Pressebüro und für eine größere Tageszeitung. Daß es sich nicht empfiehlt, Herrn K.s Namen unnötig bekannt zu geben, wissen Sie. Darf ich Sie nun bitten, mich Ihrer Frau Gemahlin und Ihrem Fräulein Tochter mit herzlichsten Grüßen zu empfehlen. Ich hoffe sehr auf ein baldiges Wiedersehn.
In aufrichtiger Ergebenheit bin ich Ihr D. Bonhoeffer
264
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
Niederschrift der Sitzung des ökumenischen Beirates bei der VKL am 20. Mai 1936 in Berlin
Anwesend vom ökumenischen Beirat: Präses D. Koch, Sup. Diestel, lic. Bonhoeffer, Pf. Asmussen, Dr. von Thadden Anwesend von der VKL.: Pf. Müller, Pf. Dr. Böhm, Dr. Weissler
Ferner eingeladen und entschuldigt: Pf. Dr. Lilje, lic. Menn, Pf. Riethmüller, D. Stange, Pf. Maass.
Präses D. Koch eröffnet um 10 Uhr die Sitzung. 1. Die Frage der Vertretung der Bekennenden Kirche bei der bevorstehenden Konferenz von Oxford wird ausführlich besprochen. Die Frage ist die, ob die BK sich an einer Delegation beteiligen kann, die auch von anderer Seite, etwa von Heckel,
beschickt wird, oder ob sie den Anspruch erheben muß, die alleinige Vertretung der DEK zu sein. Bonhoeffer macht darauf aufmerksam, daß es nicht länger angängig sei, die führen-
den Persönlichkeiten der BK nur als Privatpersonen von der Oekumene
behandeln
zu
lassen.
Man
müßte
die Oekumene
vor die Frage stellen, ob sie die BK als allein rechtmäßige Kirche anerkennen wolle. Damit wird auch der Oekumene der beste Dienst geleistet, indem sie vor der Gefahr bewahrt werde, unverbindlich zu theologisieren. Dem wird entgegen-
gehalten, daß ein solches Verfahren praktisch aussichtslos sei, da bei der jetzigen Organisation des Ökumenischen Rates über die Frage der Anerkennung Jahre vergehen würden. Es besteht aber Einmütigkeit darüber, daß man der Oekumene die Frage nicht ersparen kann. 2. Die Frage, ob man in Oxford mit den bisher vorbereiteten Beiträgen erscheinen soll, oder nicht auch einen Gesamt-Beitrag als offizielle Stellungnahme der BK vorbereiten müßte, wird erörtert. Dabei wird die Notwendigkeit berührt, zunächst einmal festzustellen, welche Vorbereitungsarbeiten in Deutschland
Ökumenischer
von
anderer
Beirat
am
20.Mai
Seite geleistet werden.
1936
Präses
in Berlin
D. Koch
265
erbietet
sich, dies möglichst bald in einem Gespräch mit D. Zoellner aufzuklären. Die Frage des Gesamt-Beitrags der BK soll in einer Besprechung des Auslandsreferenten der VL mit dem heute nicht anwesenden Dr.Lilje näher geprüft werden. 3. Die Frage der Errichtung eines eigenen Außenamtes wird angeschnitten. Sie soll zunächst von der VL näher vorbereitet
und dann in der nächsten Sitzung noch einmal erörtert werden.
Präses D. Koch schließt die Sitzung um 12.30 Uhr mit Gebet.
266
Bekennende Kirche und Ökumene.
1935—1937
FinkenwaldelStettin, am 12. August 1936
Lieber Bruder Niemöller! Erlauben Sie, daß ich Ihnen zu dem Plan, in der nächsten Woche mit zur Konferenz! zu fahren, aber nicht offiziell —
wovon mir eben Bruder Müller erzählt —, einige Bedenken sage. Erstens wird man sich nicht zu erklären wissen, warum Sie
noch neben den offiziellen Vertretern da sind. Ich höre schon fast all die Kombinationen, die man in den uns befreundeten
Kreisen dort anstellen wird. Möglicherweise ‚Sie gegen Koch‘? — oder ähnliches. Ich glaube, man wird schlechterdings nicht begreifen. Zweitens — und das scheint mir die Hauptsache: Ich glaube, man muß allen Anschein vermeiden, als liefe man unsern Freunden von drüben irgendwie nach. Das Gegenteil ist immer noch besser. Man darf denen nicht den Eindruck zu stark machen, als brauchte man sie unbedingt. Es geht damit auch etwas von dem Nimbus verloren, und das
ist gar nicht so unwichtig! Im Grunde sind sie ja alle so interessiert an unserer Sache, daß sie auch zu uns kommen, wenn
wir das wollten. Man sieht Sie doch dort als offiziellen Mann kat’exochen an. Darum müssen Sie entweder offiziell oder gar nicht dasein. Schließlich ist das Ganze eine interne Ausschußsitzung und man darf ihr auch kein zu starkes Gewicht geben. Etwas ganz anderes ist das übers Jahr:. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen das schreibe. Aber nach meiner
Kenntnis derartiger Zusammenkünfte erscheint es mir als besser, Sie bleiben in der Reserve. Und ich glaube, ich kenne
die Leute und ihre Stellung zu uns ziemlich gut. Dasselbe 1. Chamby.
2. Oxford.
Briefwechsel
mit Martin
Niemöller
267
gilt auch für Bruder Asmussen. Sie haben wohl die Freundlichkeit, ihn diesen Brief lesen zu lassen. Mit brüderlichen Grüßen Ihr Bonhoeffer
Dahlem,
den 17. August
1936
Cecilienallee 61 Lieber Bruder Bonhoeffer!
Für Ihre Zeilen vom 12. August danke ich Ihnen herzlich; ich habe mir schon tagelang die Dinge hin und her durch den Kopf gehen lassen und bin nun mit A. entschlossen, hierzubleiben. Mit herzlichen Brudergrüßen, Ihr Martin Niemöller
268
Bekennende
Memorandum
Kirche
zu einem
und Ökumene.
Austausch
1935 —1937
von
Kandidaten
und Studenten der Theologie zwischen der Bekennenden Kirche und ausländischen Kirchen!
Die Begegnung der Bekennenden Kirche mit den Kirchen der Welt wird, desto chen,
ist nicht zufällig. Je mehr eine Kirche dahin geführt sich auf ihrer eigenen Grundlage neu zu finden, mit offenerem Blick sucht sie die Gemeinschaft aller Kirmit denen sie sich im Glauben, in der Liebe und in der
Hoffnung eins wissen darf. Je tiefer eine Kirche ihr eigenes Wesen erfaßt, desto echter wird ihr Wille zur Ökumene sein. Die Bekennende Kirche sucht in der Okumene Glaubensbrüder, mit denen sie gemeinsam glaubt, betet, streitet, lei-
det. Die Christenheit wird durch den gegenwärtigen Ansturm der Weltmächte und der neuen Religionen wie niemals bisher von Gott in eine gemeinsame Verantwortung gedrängt.
Es sind dieselben Mächte und dieselben Fragen, die weithin die Kirchen beunruhigen. In diesem Kampf, der den Kir-
chen angekündigt ist und in dem sie teilweise schon stehen, müssen die Kirchen um des christlichen Glaubens willen mehr auf einander hören und von einander lernen als bisher. Aus dieser Erkenntnis ist in der Bekennenden Kirche der Wunsch
nach einem geregelten Austausch von jungen Theologen anderer Kirchen mit solchen der Bekennenden Kirche entsprungen. Es können hierfür folgende Vorschläge gemacht werden: 1. Austausch von Kandidaten der Theologie und jungen or-
dinierten Geistlichen 1. Verfaßt im Winter 1936/37 in Finkenwalde; erhalten in einem Durhschlag bei Pf. Dr. Julius Rieger in London.
Austausch
von
Krisen
und Studenten
269
Hierfür kommen in der Bekennenden Kirche in erster Linie die 5 Predigerseminare! in Betracht. Die Bekennende Kirche lädt junge Theologen anderer Kirchen (für England: möglichst nach Beendigung des theologischen Kursus, für Skandinavien: möglichst nach dem praktischen Kurs; die deutschen Kandidaten haben nicht nur ihr theologisches Studium, son-
dern auch 11/2 Jahre Praxis hinter sich) zur Teilnahme an einem Seminar-Kursus ein. Das würde die volle Beteiligung
an der vita communis der Seminarbruderschaft einschließen. Die Lebensführung ist äußerst anspruchslos. Der Tag verläuft
in fester gottesdienstlicher Ordnung. Unterrichtsfächer: NT, AT, Homiletik,
Katechetik,
Seelsorge, Dogmatik,
Singen.
Jeden Tag ca. 3 Stunden. Die Vorlesungen und Übungen werden von dem Direktor und Inspektor des Seminars, wie auch gelegentlich von auswärtigen Theologen gehalten. Der größte Gewinn der Seminarzeit liegt in dem engen Zusam-
menleben einer Bruderschaft von Theologen, die in der letzten gemeinsamen Vorbereitung auf die Ordination stehen. Es ist eine stille, und doch sehr bewegte Zeit. Der ausländi-
sche Studierende würde Leben und Wesen der Bekennenden Kirche
hier ganz
2 Semester, vom
persönlich kennenlernen. 15. 4. —
1. 9. und vom
Das
Jahr hat
15. 10. —
15.3.
Während der Seminarzeit finden gelegentlich volksmissionarische Predigtreisen statt, auf denen der ausländische Bruder Gelegenheit hat, kirchliche Verhältnisse und kirchliche Arbeit in der Praxis kennenzulernen. Wir schlagen hierfür zunächst
das Predigerseminar Finkenwalde vor, in dem ökumenische Interessen besonders gepflegt werden. Es ist zu wünschen, daß der ausländische Gast gewisse deutsche Sprachkenntnisse
mitbringt, damit er von der kurzen Zeit besser Gebrauch machen kann. Auf der anderen Seite würden wir bitten, junge deutsche 1. Blöstau, Naumburg/Queis, Elberfeld, Bielefeld, Finkenwalde.
270
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
Kandidaten in ein theologisches Seminar oder in einer der den Ordensgemeinschaften angeschlossenen theologischen Schulen (etwa Mirfield, Kelham) einzuladen. Doch soll damit unsere Einladung nicht von der Gegeneinladung abhängig gemacht werden. 2. Austausch von Studenten
Hierfür kommen die beiden theologischen Hochschulen der Bekennenden Kirche in Berlin und Elberfeld in Betracht. Es lehren hier Pfarrer und Dozenten der Bekennenden Kirche folgende Fächer: NT, AT, KG., DG., Dogmatik, Ethik, Prakt.
Theologie. Es besteht hier die Möglichkeit, entweder in einem Konvikt für Studierende der Bekennenden Kirche oder aber
privat untergebracht zu werden. Sowohl Berlin wie Elberfeld bieten dem ausländischen Studenten die Möglichkeit, kirchliches Leben in umfassender Weise kennenzulernen. Wir würden bitten, deutsche Theologie-Studenten in eins der erwähnten Institute einzuladen.
Es liegt uns viel daran, einen solchen Austausch so bald wie möglich ins Leben zu rufen und wir laden hiermit schon für das kommende Semester vom 15. 4. — 1. 9. einen ausländi-
schen Theologen in das Predigerseminar Finkenwalde ein.
Jugenddelegation
nach
Oxford
27.1
Minutes of the Meeting of the Youth Commission! (World Alliance for International Friendship through the Churches, Universal Christian Council for Life and Work) February 19th, 1937, in London.
Members present: Archdeacon Hunter (in the chair), Messrs. Bonhoeffer, Craske, Espy, Guillon, Henriod, Toureille, Zernoff. By invitation: Messrs. Burlingham, Fenn, Oldham, Schönfeld, Miss Sichtig. Apologies for absence were received from Signorina Rossi, Cap-
tain Bach, Past. Udo
Smidt, Rev. Sparring-Petersen
and Dr.
Stange. . II. ... With regard to the participation of youth at Oxford Mr. Espy referred to the principle underlying the selection of the 100 youth visitors, ten of whom are to be co-opted by the Youth Commission, 50 per Zent of the remainder to be chosen
from the Youth work of the actual Churches, and 50 per Zent from the three international Christian Youth Movements of the YMCA, the YWCA, and the WSCF. The selection on this basis has required considerable organisational clarification in many countries, but it has met with general approval and the selections under the respective categories are going forward satisfactorily... Dr. Bonhoeffer expressed his regret that it has not been possible for him to do as much as he would have liked to, due to the conditions obtaining in Germany. He stated that he did not feel
in a position to work on the same platform with other youth groups than those of the Confessional Church. Within his own circle, however, as Director of the Seminar of the Confessional Church he has been able to talk with the students about oecumenical problems, to give them lectures on the subject, and to discuss these questions regularly in private conversations. Talks
are possible only in very small groups, but they are composed of people on whom one is able to rely and they feel the need of increased Oecumenical understanding. 1. Übersetzung siehe Seite 459.
272
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
Dr. Bonhoeffer stated that he had been in touch with Past. Udo Smidt to see whether he could take over the work of his field. He has not finally decided but has expressed his willingness at
any rate to help through his own organisation, the Bibel Kreis, toward the preparations for the Oxford Conference.
As to the field of work Past. Bonhoeffer expressed the opinion that it seems almost impossible to combine under one secretary the work in Germany with that of other countries. Therefore the question of appointing another secretary for the regions outside Germany (Scandinavia, Austria, Hungary, Holland), should be seriously taken into consideration. Dr. Bonhoeffer expressed his especial thanks to Dr. Winterhager for his active assistance in the work in Germany... VI. ... The Commission gave special attention to the situation
in Germany,
where
Dr.
Bonhoeffer
declared
the differences
between the Churches to be so great that he would be unwilling to secure a German youth delegation in which the Reichskirche
would be represented. The Commission maintained that this was contrary to the policy of the Churches in Germany for official delegates, the decision having been reached at Chamby between the Reichskirche, the Lutherischer Rat and the Bekennende Kirche that each would contribute seven delegates toward a single German delegation of twenty-one persons. The Commission proposed
that for the German Youth delegation of three persons representing the youth work of the actual churches, one be chosen from each of these groups. Upon Dr. Bonhoeffer’s unwillingness to make the nomination for Germany on this basis, the Commission
asked if he would obtain the nomination of one each from the Lutherischer Rat and the Bekennende Kirche, leaving the Youth Commission, through its Chairman, Secretary and M. Henriod, to
negotiate direct for the third member. Dr. Bonhoeffer agreed to take the proposal under consultation with his colleagues in Germany, and to report his decision at an early date. The Commission authorized the Chairman, Secretary and M. Henriod to act
as they find best, in the light of developments in Germany, after receiving Dr. Bonhoeffer’s reply. Bus
R.H. Edwin Espy, Secretary.
Kritik an der Sitzung
273
London, 24. Februar 1937
Lieber Herr Henriod! In der nicht sehr erfreulichen Sitzung am Freitag, dem 19. Februar, leiteten Sie Ihre gesamte Argumentation für die Beschickung der Jugendkonferenz her von Ihren Ausführungen über die Vereinbarung, die in Chamby getroffen wurde.
Sie stellten als endgültig fest, daß nach dieser Vereinbarung entweder alle 3 Gruppen der Deutschen Delegation anwesend sein müßten oder gar keine. Ich mußte diese Auslegung
der Vereinbarung schon damals bezweifeln.
Sie bestanden
darauf. Es ist mir nun vor allem weiteren wichtig, Sie wissen zu lassen, daß nach meinen heutigen Informationen durch
den Bischof von Chichester, der ja s. Zt. die Verhandlungen geführt hat, Ihre Auslegung nicht zutreffend ist. Vielmehr war dies die Meinung, daß eine deutsche Delegation, bestehend aus 21 Delegierten, kommen sollte, wobei als Maß-
stab für die hierzu nötigen innerdeutschen Vereinbarungen das Verhältnis 7:7:7 angesetzt war. Es war nicht davon die Rede, daß bei Ausfall einer deutschen Gruppe das Kommen einer anderen ausgeschlossen sei. Die Verständigung
über die Zusammensetzung wird von dem Bischof von Chichester als eine rein innerdeutsche Angelegenheit angesehen. Ich bedauere, daß mithin unsere ganze Debatte von einer unrichtigen Voraussetzung ausgegangen ist und muß meine
Stellung zu der Jugendkonferenz entsprechend neu durchdenken. Mit den besten Grüßen Ihr gez.: Dietrich Bonhoeffer (Abgesandt in seinem Auftrage, da Herr Pastor Bonhoeffer abreisen mußte.
gez.: Wolfgang Büsing, Vikar.)
274
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
Herrn Lic. D. Bonhoeffer Waldstraße 5, Finkenwalde bei Stettin March 10th, 1937 My dear Bonhoeffer,!
I was much surprised by your letter of Feb. 24th, the more so as your report of the interpretation of the situation with regard to
the German participation at the Oxford Conference by the Bishop of Chichester: „Vielmehr war dies die Meinung, daß eine deutsche Delegation, bestehend aus 21 Delegierten, kommen sollte,
wobei als Maßstab für die hierzu nötigen innerdeutschen
Ver-
einbarungen das Verhältnis 7:7:7 angesetzt war“ is exactly what I have repeatedly stressed at the meeting of the Youth Commission, according to the principle of the threefold representation
and the choice on this basis to be made in Germany itself. The Council was and is anxious that not one party but the three main parties within the German Evangelical Church be represented at Oxford.
The representation of the younger generation at the Oxford Conference cannot be regarded as an independent Youth Conference, but should preserve a similar representation from young people from the Churches which have agreed to send official delegates to Oxford. This applies particularly to the 50 persons that the Youth Commission has been asked to nominate; the choice of
the other 50 having been entrusted to the International Christian youth organisations, YMCA, YWCA and WSCF. In view of the new situation created by the election of a synod?
it becomes necessary to postpone any final decision. This applies also to all the other delegates from Germany and we shall take up the question of the Youth with the Church authorities prevent you from consulting suggestions yon may have as sion meeting...
representatives direct from Geneva after the election. This should not with Dr. Lilje and sending in any agreed upon at the Youth Commis-
Yours sincerely, 1. Übersetzung siehe Seite 461. 2. Erlaß Hitlers zur Wahl einer Wahl wurde nie durchgeführt.
gez. H. L. Henriod Generalsynode
vom
15. 2. 37. Die
Henriod
antwortet
275
April 17th, 1937
My dear Bonhoeffer, Thank you for your letter of March 24th... A discussion on the matter by letter is unsatisfactory and cannot prove fruitful. There never was and there is no question of a delegate from
Heckel for the youth part of the Conference. The youth representation at the Conference cannot be regarded as an independent Conference. It must be related to the Churches which have accepted to take responsibility for it, and to such personalities as
can best further the work for 19391, We can only look at the whole preparation in terms of a great effort with a definite object and in terms of people who can best serve the task which we feel entrusted to us by God. The Church situation is no more what it was when we discussed the matter in London at the
Youth Commission. We do not want to put you into difficulties nor to have you do anything against your conscience. Therefore, in agreement with Espy, as administrative secretary of the
Youth Commission I am asking you finally to nominate the one most qualified young person who can best serve the Conference and later the home constituency. The other two will be taken from among the list of young people whose names we have recei-
ved and who are engaged already in the preparations for Oxford. Please let Espy have your nomination by the end of April. It is necessary for the preparation of delegates that they should
know as long in advance as possible that they will be able to participate, and we cannot keep indefinitely places open at Oxford for hospitality etc.
For any further exchange of correspondence concerning the Youth Section of the Conference please deal with Espy.
Yours sincerely signed: H.L. Henriod
1. Jugend-Weltkonferenz in Amsterdam.
276
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
Krieg und Frieden [Letzter Abschnitt des Berichtes des Ökumenischen Ausschusses der Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche! zum Thema der Weltkirchenkonferenz
Oxford 1937, fertiggestellt am 15. April 1937]
1. Das Evangelium ist die Botschaft des Friedens. „Christus ist unser Friede“. Ist dieser Friede auch ein verborgenes Gut als Friede mit Gott, so will er doch hervorbrechen und in Erscheinung treten in den Gemeinschaftsordnungen der Men-
schen, so gewiß der Herrschaftsanspruch Christi sich auf die ganze Welt erstreckt. 2. Diese Botschaft hat die Kirche Christi aller Welt zu bezeugen, sowohl der Gemeinde des Herren als auch der Völ-
kerwelt. Diesen im Evangelium enthaltenen weltumspannenden Auftrag darf sie sich von niemandem nehmen lassen. „Ihr seid das Salz der Erde“.
3. Um dieses Auftrages willen bezeugt die Kirche der Christenheit, daß sie sich in allen Spannungen und Trennungen leiten und tragen lassen muß von dem Glauben an den einen Herrn der Kirche und von dem Gebot: „Ist es möglich, soviel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden.“ 4. Die Völker hat die Kirche zurückzurufen von der An-
betung falscher Götter zu dem Gehorsam gegen den einigen Gott, den Vater Jesu Christi. Sie hat ihnen das Kreuz zu 1. D. Bonhoeffer war Mitarbeiter dieses Ausschusses. Propst Dr. Hans Böhm, der Vorsitzende, meint, daß der Entwurf zu diesem Abschnitt aus der Feder Bonhoeffers stamme. Es ist aber bisher noch nicht gelungen, exakt Verfasserschaft und den Anteil der sonstigen Mitarbeiter am Bericht nachzuweisen.
Krieg und Frieden
277
bezeugen als einzige Rettung aus aller Ohnmacht, Angst und Sünde und als die Stätte, von der immer neue Wege des
Friedens ausgehen. 5. Heute muß die Kirche diesen Auftrag besonders in dem Gedanken erfüllen, daß das nationale Bewußtsein sich auch in den „christlichen“ Völkern weithin zu einer neuen Natio-
nalreligion und zum Staatskultus steigert. Andererseits drohen außer wirtschaftlichen Fragen politische, rassische, klas-
senkämpferische Ideologien aller Art, die Völkerwelt weiterhin zu zerreißen. 6. Die Kirche hat es bewiesen, daß sie auf Grund ihrer Wer-
tung von Volk und Staat wohl weiß, was sie diesem an Dienst und Opfern schuldet. Aber um der Liebe und Barmherzigkeit willen ist sie gehalten, darauf hinzuweisen, daß
ein neuer Weltkrieg nicht nur über die schwergeprüften Völker nie dagewesenes Leid und Elend bringen würde, sondern auch durch die Vernichtung des Lebens und durch die Zerstörung des Gehorsams gegen alle Gebote Gottes die sittlichen
Grundlagen des Völkerlebens beseitigen muß. 7. Die Kirche begrüßt es, wenn Staatsmänner mit Ernst den Versuch machen, bei widerstreitenden Lebensnotwendigkeiten
der Völker auf friedliche Weise den Ausgleich zu suchen und auch im Völkerleben Wege zu finden, wie eines das andere
in seinen elementaren Nöten nicht ohne Hilfe lasse und dadurch der Erhaltung des Friedens diene. 8. So ruft die Kirche die Christenheit und die Völker zum Frieden und verschweigt dabei gerade um des wahren Friedens willen und um der Reinheit des Kampfes für ihn nicht, daß ein äußerer Friede noch nicht die Erfüllung der Gebote
Gottes bedeuten muß und daß wir auch im Ringen um den Frieden von der Versuchung eigengesetzlichen und gottentzogenen Weltdenkens und Welthandelns und von der Dämonie der Zeit bedroht sein können. Die Kirche weiß, daß die
Erfüllung der Botschaft „Friede auf Erden‘ immer Gegen-
278
Bekennende
Kirche
und Ökumene.
1935 —1937
stand der christlichen Hoffnung sein wird bis auf die Erscheinung Jesu Christi. 9. Ein Krieg bedeutet für die Kirche immer eine schwere Anfechtung und zugleich den Ruf zur Bewährung des Glaubens und Gehorsams gegen ihren Herrn. Gerade darum darf auch in solchem Schicksal die ökumenische Verbundenheit der Kirche Christi nicht zerbrechen, sondern muß sich bezeugen in der Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Für-
bitte. Die Bande des Heiligen Geistes sind stärker als die Bande der geschaffenen Welt.
279
VI. AMERIKA
1939
England 23 Manor Mount, London S.E. 23, 13th March 1939
My dear Lord Bishop, [Chichester]! May I just let you know that I have arrived in London last night. I am so happy to be here once again for a short time and I am looking forward very much to seeing yon soon. A friend of mine, Pastor Bethge, has come with me and wishes to bring you a special message from the Provisional Ad-
ministration.
There are so many
things which I should
like to discuss with yon, that I should be very grateful, if you could let me know when and where I could see you. I have found the Leibholz’s? well and full of gratitude for all
your goodness and help. It makes me so happy to know that. — I am afraid the political situation is just now be-
coming more tense and precarious. In deep gratitude for all you are doing for us,
Yours very sincerely
Dietrich Bonhoeffer
c.0. Dr. Cruesemann
Westbrook, Westwood Park, London S. E. 23
25th of March 1939 My» dear Lord Bishop,
Dr. Rieger just tells me that Visser’t Hooft will come to London next week and stay with you at Chichester. I also under1. Übersetzungen siehe Seite 463—465. 2. Schwester Dietrich Bonhoeffers, seit 1938 als refugee in England.
280
Amerika
1939
stand that the next week-end does not suit yon well for our visit to Chichester. May I now ask a great favour from you?
Would you kindly tellVisser’t Hooft that Iamvery anxious to see him during his stay in London? Any time except Wednes-
day when I have to be at Oxford! would suit me well. Would you also be so kind as to let me know any time when I could see you once more before I go back to Germany? In order not to take too much of your time when we meet, I should like to put before you the two questions which I am very anxious to discuss with you before my return to Ger-
many. The first question concerns the Confessional Church, the second one is very personal. Please excuse my troubling you again and again and my placing one burden after another on your shoulders. With regard to the position of the Confessional Church we feel strongly in Germany that — mainly owing to travelling difficulties — the relationship of our Church to the Churches abroad is not as it ought to be. The responsibility which is placed upon us makes it more and more necessary to have a permanent exchange of opinion and the advice of other
Churches. We are fully aware of and gratefully appreciate what is continnously being done for us from individuals to individuals. But I think, we must try to go a step further and to come to some sort of regular co-operation with and to a better representation of the Confessional Church at the oecumenic movements. If we are not goingto make adecisive step forward in this direction I am afraid we shall very soon
be cut off entirely from our brethren abroad, and that would at any rate mean a tremendous loss to us. What I therefore
think we should try to get, is a man who could devote all his time to establishing the necessary contacts, to co-operating in the oecumenic meetings and conferences, learning and contri1. Gespräch mit L. Hodgson.
Briefe an G.K.
A. Bell, Bischof von
Chichester
281
buting. I think we failed in earlier years to give our full assistance in advice and fellowship to the Russian Christians; now a similar situation is clearly developing in Germany. Do you not think, my Lord Bishop, it is urgently necessary to avoid a similar failure? Frankly and with all due respect, the German representatives in Geneva simply cannot represent the cause of the Confessional Church. So there is a real
vacancy which must be filled up sooner or later. This is the first question which I should like to raise and to discuss with you before I go home again to see the men of the Brethren
Council. I have also an idea in my mind for the eventual financial diffculties. The second point is of entirely personal character and I am not certain if I may bother you with it. Please, do take it quite apart from the first point. I am thinking of leaving Germany sometime. The main reason is the compulsory mili-
tary service to which the men of my age (1906) will be called up this year. It seems to me conscientiously impossible to join in a war under the present circumstances. On the other hand, the Confessional Church as such has not taken any definite attitude in this respect and probably cannot take it as things are. So I should cause a tremendous damage to my brethren if I would make a stand on this point which would
be regarded by the regime as typical of the hostility of our Church towards the state. Perhaps the worst thing of all is the military oath which I should have to swear. So I am rather puzzled in this situation, and perhaps even more because I feel, it is really only on Christian grounds that I find it difficult to do military service under the present conditions, and yet there are only very few friends who would approve of my attitude. In spite of much reading and think-
ing concerning this matter I have not yet made up my mind what I would do under different circumstances. But actu-
ally as things are Ishould have to do violence to my Christian
282
Amerika
1939
conviction, if I would take up arms “here and now”. I have
been thinking of going to the Mission Field, not as an escape out of the situation, but because I wish to serve somewhere
where service is really wanted. But here also the German foreign exchange situation makes it impossible to send workers abroad. With respect to British Missionary Societies I have no idea of the possibilities there. On the other hand, I still have the great desire to serve the Confessional Church
as long as I possibly could. My Lord Bishop, I am very sorry to add trouble to your trouble. But I thought, I might speak freely to yon and might ask your advice. You know the Confessional Church and you know me a bit. So I thought you could help me best. It was with regard to this matter that I wanted to see Visser ’t Hooft too.
Please excuse this long letter. I hope to see you soon. Leibholz asks me to thank you for your letter to Dr. Lindsay. In sincere gratitude I am, my Lord Bishop,
Yours sincerely
Dietrich Bonhoeffer
Westbrook, Westwood Park, London, S. E. 231. Dear Dr. Hodgson?,
I thank yon very much indeed for your kind letter and your invitation. On Wednesday the 29th of March I shall come to Oxford and it would be indeed a great privilege to me if I could see you there. I have been looking forward to an occasion of seeing you ever since we had a short correspondence on the conference in Denmark two years ago®,
and I am very happy that I shall have the opportunity of 1. Mitte März 1939. 2. Übersetzungen siehe Seite 466—469.
3. Wahrscheinlich Schreibfehler, soll offenbar heißen: four years ago.
Briefwechsel
mit Hodgson
283
a discussion with you in a few days. The question which I should most of all like to discuss with yon is concerning the
regular and close contact between the Confessional Church and the „Faith and Order“ movement. The more we are becoming cut off from our foreign friends the more we feel
it to be necessary to find a way of a permanent representation in the oecumenical movement and particularly in the department concerning „Faith and Order“.
We need the
theological help of other churches in order to be able to bear the burden of responsibilities which God has laid upon us, and we wish to give yon a witness of the Christian insights, which God has given us anew during the last years. I feel
strongly that something has to be done quickly practically and effectively in order to establish new relations between you and us. Would it, for instance, not be possible to have a
permanent German secretary of the Confessional Church in Geneva or in London, and if not permanent then perhaps
for one year or two? Those are the questions which I should like to discuss with you from the theological and practical point of view. The main difficulty might be the financial side of the matter. But I feel, there must be something
wrong, if a thing which is spiritually necessary should become impossible for financial reasons. Please excuse this long
letter. I thought it to be better to let you know our questions and hopes before we meet. With many thanks and best rea
ards I am
-
yours very
%
sincerel
e
Dietrich Bonhoeffer
30th March 1939 Dear Pastor Bonhoeffer, I was very glad indeed to have the pleasure of seeing yon, and I now feel that I appreciate your situation in a manner which would have been impossible without our conversation. I had better try to put down in writing what I said yesterday.
284
Amerika
1939
You had written to say that you wanted to discuss the possibility of maintaining contact between the Confessional Church in Germany and the Faith and Order Movement.
I. I began by pointing out the impossibility of our establishing official relations
with
the German
Evangelical
Church
at the
present moment, the reasons being as follows: 1. By our constitution the Churches appoint the World Conference, and the Conference then appoints its Continuation
Com-
mittee, which maintains its existence by co-option until the next Conference, when it ceases to exist. There is therefore no direct representation of churches on the Continuation Committee; the
Committee derives its authority mediately through the Conference.
from the churches
2. The German Evangelical Church found itself unable to be represented at the Edinburgh Conferencel, and therefore, when
that Conference appointed its Continuation Committee, it could not appoint from among its members any representatives of that Church. So what it did was to instruct the Committee to co-opt
eight representatives of that Church when such action should become possible. 3. It is the custom of the Continuation Committee
membership
those persons
whom
churches
to co-opt to
themselves
wish
to
have as their representatives. For this purpose it is neccessary to
be able to have communication in each case with a central body having full confidence of the whole church, and able to nominate
representatives in its name. We are advised that at the present time there is no such Church, and that we must not attempt to
treat the different groups within that Church independently as if they were separate churches. Hence for the time being the flling of these places has to be left in abeyance.
II. I then told yon that last summer I was approached by Dr. Wahl asking whether Dr. Krummacher, and Dr. Gerstenmaier? might attend the 1938 meeting of the Continuation Committee. I replied in a letter explaining the position exactly as I have just set it forth in the preceding paragraph of this letter. I then added 1.199373
2. Beide aus dem Außenamt
der Reichskirche unter Bischof Heckel.
Briefwechsel
mit Hodgson
285
that, if they wished to come as visitors, we should be very glad
to welcome them, and that they would be given a full part in all proceedings, except that they would not be able to vote on questions which the Continuation Committee alone was competent to decide, and might possibly be unable to be present at any particular session, should the Committee wish to confine it strictly to its own members. I wrote individually to Dr. Krummacher
and Dr. Gerstenmaier explaining the situation. They both came, were welcomed by the Committee, and took a full part in its proceedings, except that they had no responsibility for any of its
decisions. II. It is quite clear that the Committee would give an equal welcome on the same conditions to any representatives of the Confessional Church who should be commended to us in a similar way. I understand that for this purpose Dr. Boehm would correspond to Dr. Wahl. If therefore the names of two representatives could be communicated to me by Dr. Boehm, and those two representatives come to St. George’s School, Clarens, on Mon-
day, August 2lst this year, they will be welcomed as visitors and given a full share in our proceedings.
IV. I also asked whether it might not be possible for one or two younger men to come as members of our Youth Group, and I suggested your consulting with the Rev. Oliver Tomkins on this subject. We welcome as visitors to our meetings any persons who are nominated to us by Oliver Tomkins, and therefore we should
welcome any of your representatives whom he included in his list. V. We then discussed the question of finance, and you put before me the difficulty your countrymen have in obtaining foreign
currency. I said that if one or two visitors representing the Confessional Church, and one or two members of the Youth Group, could get as far as Montreux station, we would be responsible for their hospitality during the period of the meeting. VI. I then pointed out that in the next few years I expect the main work of the Movement to be done by the Commissions, and expressed the hope that we should be able to have the collaboration of members of the Confessional Church in that work.
Amerika
286
1939
I think this covers the ground of our discussion yesterday, and I hope that it gives a satisfactory answer to the questions you raised. Yours sincerely, Leonard Hodgson copies to: Archbishop of York, „ Tatlow r Dr. Böhm 13. 5.39
5 5
Bishop of Chichester 23.5. 39 Schönfeld 25. 6. 391
13th April 1939 My dear Lord Bishop, [Chichester]? Before returning to Germany I just wish to thank you once
again for the great help you gave me in our talk at Chichester. I do not know what will be the outcome of it all, but it means much to me to realize that you see the great
conscientious difficulties with which we are faced. I will let yon know as soon as I see the situation clearly. Thank you for all sympathy for our cause.
In sincere gratitude I remain, my Lord Bishop, Yours ever Dietrich Bonhoeffer
1. Erzbischof William Temple; Canon Tissington Tatlow, GeneralSekretär des SCM; Böhm, ökum. Beauftragter der VKL; Schönfeld, Genf. 2. Übersetzung siehe Seite 469.
Vorbereitender
Briefwechsel
287
Die Reise Vorbereitender Briefwechsel To Rev. Henry Smith Leiper!, New York City Edinburgh, May 1 19392 Dear Henry: Sometime ago I wrote Roland Elliot and asked him to transmit the letter to you. It concerned Dr. Dietrich Bonhoeffer whom yon
know. My letter to Elliot wandered about and finally reached him over here in England. The proposition I wrote him about was this: Bonhoeffer is due for military service in July and will refuse to serve. The Bruderrat of the Confessional Church would like to have him evade the issue and at the same time tell Ameri-
can Christians about their situation. To get him out they need rather formal and formidable invitations from America.
I sug-
gested in this letter that the Student Movement might use him in their June conferences and that afterwards you might get him some engagements at church conferences and church camps during the summer. In the fall I would secure university engagements for him.
He speaks English so well and embodies the spirit of the struggle over there so well in his person that I believe his coming would be valuable for our sake as well as for his. I have also written
to Dr. Coffin asking him to send a formidable invitation for a lecture at Union Seminary.
Much time has been lost because of the loss of my letter. Perhaps by this time the student people have got in touch with yon. Today I received word from Bonhoeffer saying that time was short. If he is to make necessary arrangements he ought to have a cable as well as a confirming letter. If yon think well of the
idea of inviting him would you send him a cable if this has not 1. Übersetzungen siehe Seite 469—473. 2. Niebuhr hielt zu dieser Zeit die Gifford Lectures in Edinburg.
288
Amerika
1939
been done. I shall provide a room for him at the seminary and I think nominal fees will take care of the rest. Yours cordially, R. Niebuhr
To Dr. Dietrich Bonhoeffer, Berlin May 11, 1939 My dear Dr. Bonhoeffer, It is my pleasure to transmit to you herewith a formal invitation
for yon to come at once to America to undertake an important piece of service for the churches in the New York area under the general auspices of the Central Bureau of Interchurch Aid and Union Theological Seminary.
The nature of your duties would be a combination of pastoral service, preaching and lecturing in the theological summer school at Columbia and Union Seminary, the Seminary in the usual term.
to begin with, and later in
The term of service is not now fixed although we hope that it can be a permanent thing, and expect that it will occupy you for at
least the next two or three years. The Committee has thought it best not to enter into matters such as salary and other details, but can assure yon that we are pre-
pared io meet your reasonable request with respect to salary basis and other terms of service.
We should like to have you come, if possible, to begin service by the middle of June, which will mean your reaching this country at the earliest possible date for consultation and general preparation. Dr. Samuel McCrea Cavert and Dean Henry P. Van Dusen are
associated with me in this request and share with me the very great personal hope that you will find it possible to accept and to come in the very near future, as indicated above.
Yours faithfully, Henry Smith Leiper copies to Dr. Van Dusen and Dr. Cavert
Vorbereitender
Briefwechsel
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To Lic. Dietrich Bonhoeffer, Berlin May 27, 1939 Dear Dietrich;
The word that you have been invited to lecture in the summer session of Union
Theological Seminary, New
York, encourages
me to make this urgent request of yon. Will you not be good enough to consent and make all possible arrangements accordingly
to lecture in the department of Religion here at the college during the forthcoming academic year, 1939—1940? It has long been a concern of mine that your approach to the problems of philosophy and theology should be heard by my students here and by others. Accordingly, I am venturing to plan on your coming and to make arrangements for similar lectures on other campuses of my acquaintance. I am sure you will be eagerly received.
More precise details can be agreed upon while you are in residence at Union Seminary. Meanwhile, I shall look forward to your arrival there. Ever sincerely yours,
Elmhurst College
sign. Paul Paul L. Lehmann, Th.D.
Elmhurst, Illinois
Professor of Religion
Department of Religion
To Dr. Samuel McCrea Cavert 297 Fourth Avenue, New York City May 31, 1939 Dear Sam,
I want to give you the following report concerning the arrangements which have been made under considerable pressure in connection with the Rev.Dietrich Bonhoeffer of Berlinwho will arrive here on June 12.
Just after the meeting of the American Christian Committee where the presentation was made of the need for a pastor to work with refugees and help to find appropriate church homes for them, I had word from Reinhold Niebuhr in Edinburgh that Dietrich Bonhoeffer was slated to go to a concentration camp unless we could get him out of Germany. Niebuhr stated that he had agreed to let him
290
Amerika
1939
have residence at his apartment temporarily and would undertake to arrange some lectures for him at Union Seminary and elsewhere. Knowing Bonhoeffer very well, I was struck with the peculiar fitness of the man for just the thing we had been discussing and
immediately called.up Dr. Paul Tillich who had been appointed with me as a committee
to find a man.
Tillich was even more
enthusiastic about Bonhoeffer than I and stated his conviction that he was exactly the right person for this delicate and difficult task. Bonhoeffer was an exchange at Union Theological Seminary, then pastor of an Evangelical German Church in London, and latterly the director of one of the “peripatetic“ theological schools of the confessional wing of the Evangelical Church in Germany. His knowledge of English is excellent and he understands the situation in American churches from first-hand contact. His skill and apti-
tude in pastoral work are exceptional. May I ask you to consult with the various church bodies in New York City, which as I recall had indicated an interest in seeing that some such service was provided for the German refugees. It is my hope that we can supplement the amount made available
by the Refugee Committee — & 1000 — so as to underwrite a budget of about £ 3000, for this undertaking. Please let met know if I can supply further data. Yours faithfully,
Henry Smith Leiper Executive
Secretary
Tagebuch der Amerikareise
291
Aus dem Tagebuch der Amerika-Reise 4. Juni 1939
Lieber Eberhard! [Bethge] Nun fliegen wir über dem Kanal bei wunderbarer Abendröte. Es ist 10 Uhr und noch sehr hell. Es geht mir gut. Ihr werdet nun müde ins Bett gehen. Ich danke Dir für alles. Es war sehr schön, daß Du da warst. Grüße Fritz!! und danke ihm auch. Die Gedanken sind zwischen Euch und der Zukunft. Machs gut. Grüß die Brüder alle. Sie halten jetzt
Abendandacht! Gott mit Euch allen! Ob Ihr die Karte morgen früh habt? Dein getreuer Dietrich
London, 6. Juni 1939
Lieber Eberhard! Vielen Dank für den ersten kurzen Gruß. Schön, daß Ihr den Abschied noch mit einem Kino gefeiert habt. Heute in der Stadt habe ich oft an unsre gemeinsamen Tage hier gedacht, Nationalgalerie, Porträt, etc. Die Losungen dieser Tage machen mir große Freude und ich bin froh, sie von Dir zu haben. Schade, daß ich sie Dir nicht kaufen konnte. Wegen
der Einladung im Herbst habe ich das Nötige eingeleitet. Aber Du mußt mir doch noch schreiben, ob Du lieber Sabine und mich auf kurze Zeit oder Sabine auf lange Zeit besuchen willst. Grüße alle! Immer Dein getreuer Dietrich
1. Fritz Onnasch, Pastor und Leiter (Predigerseminar) in Köslin/Pommern.
des einen
Teiles
Sammelvikariat
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Amerika
1939
7. Juni 1939
Lieber Eberhard! Vielen Dank für Deinen letzten Brief, der mich gerade so, wie er war, sehr gefreut hat! Heute im Laufe des Tages oder morgen schreibe ich Dir einen Brief. Mit dieser Karte will
ich Euch allen nur den letzten trenen Gruß senden, bevor wir auf den Atlantik kommen und keine Post mehr geht. Wir sind grade von Southampton abgefahren und landen in ein paar Stunden in Cherbourg. Die Kabine ist sehr geräumig und auch sonst ist wunderbar viel Platz auf dem Schiff. Das
Wetter ist herrlich und die See ganz still. So konnten wir eben ohne Gefahr Mittagessen. Nun liegen 5 stille Tage vor mir, in denen ich sehr an Dich und Euch alle denken werde. Bis jetzt wundere ich mich noch, daß alles so gekommen ist. Ich freue mich schon darauf, wenn Du mich besuchen kommst! Ich sah Onkel Georg, Julius! und habe für Herbst alles eingeleitet. Ich hoffe, es klappt. Sabine grüßt sehr und denkt sehr gern an unseren gemeinsamen Besuch. Ich wünsche Euch eine frohe
und gesegnete Arbeit. Gott behüte Dich und Euch alle und schenke Euch Freude! In brüderlicher Treue grüßt Dich und Euch alle Dein Dietrich
8. Juni 1939
Sach.7,9 Richtet recht, und ein jeglicher beweise an seinem Bruder Güte und Barmherzigkeit. Mat. 5,7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden
Barmherzigkeit erlangen. Gestern abend, kurz nachdem ich geschrieben hatte, wurde
ich mit einem jungen amerikanischen Theologen bekannt, 1. Bischof von Chichester und Pastor Dr. Julius Rieger, London.
Tagebuch
der Amerikareise
293
einem ehemaligen Union-Mann. Das war wie eine Erhörung. Wir sprachen von Christus in Deutschland und in Amerika
und in Schweden, woher er gerade kam. Die Aufgabe in Amerika! „Richtet recht und...“ Das erbitte ich zuerst von Euch, mei-
nen Brüdern zu Haus. Ich will in Euren Gedanken nicht geschont sein. Aber was heißt recht richten vor dem barmherzigen Gott, vor
dem Kreuz
Jesu Christi anderes
als
barmherzig sein? Keine blinde Barmherzigkeit; denn sie wäre nicht barmherzig, aber eine sehende, vergebende, brüderliche
Barmherzigkeit als das gerechte Gericht über uns. „Richtet recht und...“ Das ist eine nötige Warnung und Weisung für die Aufgabe in Amerika. Es verbietet jeden Übermut und macht die Aufgabe groß. In den Andern Brüder sehen, die ebenso unter der Barmherzigkeit Jesu Christi und gar nicht mehr aus der eigenen und besonderen Erkenntnis oder Erfahrung leben und sprechen, dann werden wir nicht pfäffisch, sondern barmherzig sein. Wenn nur Gott uns barmherzig bleibt!
9. Juni 1939 Jes. 41,9 Du sollst mein Knecht sein; denn ich erwähle dich und verwerfe dich nicht. Joh. 12, 26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Gott erwählt sich den Sünder zum Knecht, damit seine Gnade ganz deutlich werde. Der Sünder soll Sein Werk tun
und Seine Gnade ausbreiten. Wem Gott vergeben hat, dem gibt er einen Dienst zu tun. Aber dieser Dienst kann in nichts Anderem bestehen als im Nachfolgen. Große Programme führen uns immer nur dorthin, wo wir selbst sind; wir aber
sollten uns nur dort finden lassen, wo Er ist. Wir können ja
294
Amerika
1939
nirgends anders mehr sein, als wo Er ist. Ob Ihr drüben oder ich in Amerika arbeite, wir sind beide nur, wo Er ist. Er nimmt uns mit. Oder bin ich doch dem Ort ausgewichen, an dem Er ist? an dem Er für mich ist? Nein, Gott sagt: Du bist mein Knect.
10. Juni 1939 Psalm 28,7 Der Herr ist meine Stärke und mein Schild;
auf ihn hofft mein Herz, und mir ist geholfen. Und mein Herz ist fröhlich, und ich will ihm danken mit
meinem Lied. Eph. 4,30 Betrübet nicht den heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung. Worin kann „das Herz fröhlich sein“ außer in der täglichen Gewißheit, daß Gott unser lieber Vater und Jesus Chri-
stus unser Erretter ist! Womit können wir den Heiligen Geist mehr betrüben, als daß wir traurigen Gedanken nachhängen und uns nicht ganz zuversichtlich seiner Leitung, seiner Sprache, seinem Trost anvertrauen? bis der Tag der Erlösung da ist, endlich da ist!
11. Juni 1939
Ps. 44, 22 Er kennt ja unsers Herzens Grund. 1. Kor. 13, 12 Jetzt erkenne ichs stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.
Heute ist Sonntag. Kein Gottesdienst. Die Stunden haben sich auch schon so verschoben, daß ich an Eurem
Gottes-
dienst nicht zugleich teilnehmen kann. Aber ich bin ganz bei Euch, heute mehr denn je. Wenn nur die Zweifel am eigenen Weg überwunden wären. Das eigene Suchen nach des Her-
Tagebuch
der Amerikareise
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zens Grund, der doch unergründlich ist — „Er kennt ja unseres Herzens Grund“. — Wenn das Durcheinander der An-
klagen und Entschuldigungen, der Wünsche und Ängste alles in uns undurchsichtig macht, dann sieht Er in aller Klarheit bis auf den Grund. Dort aber findet Er einen Namen, den Er selbst eingeschrieben hat: Jesus Christus. Und so in aller Klarheit werden wir einmal in den Grund des göttlichen Herzens sehen und dort wird dann ein Name zu lesen sein, nein, zu sehen sein: Jesus Christus. — So wollen wir Sonntag feiern. Einst werden wir erkennen und schauen, was wir heute glauben, einst werden wir in Ewigkeit gemeinsam Gottesdienst halten. Der Anfang, das Ende, o Herr, sie sind dein, Die Spanne dazwischen, das Leben, war mein. Und irrt ich im Dunkeln und fand mich nicht aus, Bei dir, Herr, ist Klarheit und Licht ist dein Haus. Noch dann Dann Und
eine kleine Zeit, dann ist es gewonnen, ist der ganze Streit in nichts zerronnen. will ich laben mich an Lebensbächen ewig, ewiglich mit Jesus sprechen. [Fritz Reuters (1. Vers) und Kierkegaards Grabinschriften]
Heute nachmittag sprach mich eine ehemalige Schülerin aus dem Harnackseminar an, Frl. Dr. Ferber. Sie versieht einen Auskunftsdienst auf der Bremen. Wir hatten ein gutes Ge-
spräch.
12. Juni 1939 5. Mos. 6,6 Die Worte, die ich dir gebiete, sollst du zu Herzen nehmen...
Apg. 15,40 Paulus zog hin, der Gnade Gottes befohlen von den Brüdern. „Paulus zog hin, der Gnade Gottes befohlen von den Brü-
dern.“ Ankunft in New York. In diesen ersten Stunden zu
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Amerika
1939
wissen, daß Brüder uns der Gnade Gottes befohlen haben,
war entscheidend. Rev. Macy vom Federal Council of the Churches begrüßte mich am Pier. Erste Nacht im Parkside Hotel. Abends holte mich Dr. Sch. ab. Die ganze Problematik der deutschen Emigration wurde deutlich. ...
13. Juni 1939
Frühstück mit Leiper, der mich aufs herzlichste begrüßt und mich abholt. Erste Besprechungen über die Zukunft. Ich mache zum klaren Ausgangspunkt für alles, daß ich zurück will in spätestens einem Jahr. Überraschung. Aber mir ist es ganz deutlich, daß ich zurück muß. — Gang ins Büro. Ein ganzer Straßenblock umfaßt kirchliche Dienststellen aller Art.
Nach ein paar vorbereitenden Gesprächen und telephonischen Verabredungen nach Union Theological Seminary und die Prophecy Chamber, mit schönem Ausblick auf das Quadrangle. Ich hatte viel vergessen; aber alles kehrte schnell zurück bis zum Hausgeruch. — Lunch mit Van Dusen. Früher
hatte ich Streit mit ihm. ... Hier geht mir zum ersten Mal anschaulich die große Veränderung der amerikanischen Theologie in den letzten acht Jahren auf. Wofür wir im Jahre 1930 eintraten und scheinbar völlig hoffnungslos, das hat sich im Laufe der Jahre durchgesetzt. Wie es dahin kam, ist
mir noch nicht klar. Vielleicht auch nur Kulturkrise? Man spricht viel von der Verlorenheit, der „Sünde“ des Menschen,
der optimistische Evolutionismus ist vorüber. Aber wird nicht vielleicht nur an die Stelle eines optimistischen Menschenbildes ein pessimistisches gesetzt? Was weiß man vom Evangelium, von Jesus Christus selbst zu sagen? Das ist die
Frage. Um vier Uhr Treffen mit Präs. Coffin auf Grand Central. Ich fahre für ein paar Tage mit ihm in sein Land-
haus. Auf der Bahn 21/2 Stunden Gespräch über die amerika-
Tagebuch der Amerikareise
297
nische Lage. Seltsam, wie kritisch Coffin über seine eigenen Kollegen spricht. Ich glaube, das können wir zu Haus nicht mehr. Dafür verbindet uns zu viel, bei aller Meinungsver-
schiedenheit. Fortsetzung des Gespräches mit Van Dusen. Coffin ist ein klarer praktischer Mann. Er sieht die Notwendigkeit der Evangeliumspredigt.
Er sagt: „N... pre-
digt eine halbe Stunde über ‚failure of man“ und die letzten zwei Minuten über ‚grace of God‘.“‘ Wenn das allgemein zutrifft, so steht man jetzt hier, wo wir vor fünfzehn Jahren standen. — Interessant die Berichte über re-union von Episcopal und Presbyterian, gegenseitige Anerkennung als Chur-
ches of Christ, der Ordination. (Apostolische Sukzession von den Episcopals bei den Presbyterianern als durch die Presbyterien gebührend anerkannt. Etwas fragwürdig, es bleibt ein institutionelles Verständnis der Sukzession!)
Das Landhaus in Lakeville/Con. liegt in den Bergen, es ist kühl und üppige Vegetation. Abends Tausende von fire-flies im Garten, fliegende Leuchtkäfer. Ich hatte sie niemals gesehen. Ganz phantastischer Anblick. Sehr herzliche und ‚„informal“ Aufnahme. — Bei allem fehlt nur Deutschland, die Brüder. Die ersten einsamen Stunden sind schwer. Ich begreife nicht, warum ich hier bin, ob es sinnvoll war, ob das Ergebnis sich lohnen wird. Abends das Letzte: die Losungen und der
Gedanke an die heimatliche Arbeit. Es sind nun fast zwei Wochen, ohne daß ich etwas von drüben weiß. Das ist kaum zu ertragen. „Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf
die Hilfe des Herrn hoffen.“ (Klag. 3, 26.) 1
14. Juni 1939 Frühstück auf der Veranda um acht Uhr. Es hat nachts gegossen. Alles ist frisch und kühl. Danach Andacht. Das kurze 1. Losung dieses Tages.
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Amerika
1939
Gebet — die ganze Familie kniet nieder — in dem wir an die deutschen Brüder dachten, hat mich fast überwältigt. — Dann Lesen, Schreiben, Ausfahrt um Einladungen für den Abend auszutragen. Abends etwa 25 Leute, Pfarrer, Lehrer
mit Frauen und Freunden. Sehr freundliche Begegnungen ohne besonderen Ertrag.
15. Juni 1939 Seit gestern abend kommen meine Gedanken von Deutsch-
land nicht los. Ich hätte nicht für möglich gehalten, daß man in meinem Alter nach so vielen Jahren im Ausland so qualvolles Heimweh kriegen kann. Fast unerträglich wurde mir
ein an sich wunderschöner Autoausflug am Morgen zu einer befreundeten Dame auf dem Land, d.h. im Gebirge. Man saß eine Stunde und schwatzte, gar nicht einmal das Dümm-
ste, aber über Dinge, die mir so vollständig gleichgültig waren, ob in New York gute Musikausbildung möglich ist, über Kindererziehung etc. etc., und ich dachte, wie nützlich könnte ich diese Stunden in Deutschland verwenden. Am liebsten
hätte ich das nächste Schiff genommen. Diese Untätigkeit, bezw. Tätigkeit an gleichgültiger Stelle ist uns wohl einfach nicht mehr erträglich im Gedanken
an die Brüder und die
kostbare Zeit. Die ganze Wucht der Selbstvorwürfe wegen einer Fehlentscheidung kommt wieder auf und erdrückt einen fast. Ich war sehr verzweifelt. Nachmittags versuchte ich, et-
was zu arbeiten. Da wurde ich zu einer zweiten Ausfahrt in die Berge von Massachusetts eingeladen. Es kam mir sehr ungelegen. Ich hatte noch nicht mal Ruhe zum Bibellesen und Gebet gefunden. Die Fahrt war schön. Wir kamen durch ein ganzes Stück Lorbeerwald. Der Ausblick von oben ähnelte
der Harzlandschaft etwas. Aber den ganzen Tag wich der Druck nicht von mir. Abends Kino: Zuarez mit P. Muni.
Ein guter Film. Die Gedanken waren einige Zeit festgehalten.
Tagebuch
der Amerikareise
299
— Übrigens noch Brief an Leiper!: ich muß spätestens in einem Jahr zurück. — Wie froh war ich, als ich abends die Losungen noch einmal aufschlug und las: „Mein Herz freut
sich, daß du so gern hilfst.“ (Ps. 13, 6)
16. Juni 1939 Heute vor vierzehn Tagen erst aus Berlin und schon wieder
so voll Sehnsucht nach der Arbeit. Rückfahrt nach New York. Endlich Abend. Das brauchte ich dringend. Man ist weniger einsam, wenn man allein ist. Nachmittag bis Abend Weltausstellung ... Die Russen sind zu protzig, außerdem völlig bourgeois. Das Meiste sonst zu merkantil. Im ganzen kein besonderer Eindruck. Im „Temple of religion“ predigen Chri-
sten und Juden abwechselnd. Der ganze Bau ist schauderhaft, Kinosaal. Im übrigen: Wie viel sauberer ist New York als London. Es wird weder in der Bahn, noch auf der Straße ge-
raucht. Auch technisch fortschrittlicher oder anspruchsvoller. (Ventilation in jeder U-Bahn.) Aber auch wie viel internationaler ist New York als London. Von den Leuten, die ich heute
ansprach, sprachen mindestens die Hälfte ein ganz schauderhaft gebrochenes Englisch. Für denguten Amerikaner muß diese dauernde Verhunzung der Sprache ein Greuel sein! — Ich warte auf Post! Es ist kaum auszuhalten. Ich werde wohl nicht lange bleiben. Gottes Wort
sagt heute: „Siehe, ich
komme bald —“ (Offbg. 3,11). Es ist keine Zeit zu verlieren, und hier verliere ich Tage, vielleicht Wochen. Jeden-
falls sieht es im Augenblick so aus. Dann sage ich mir wieder: es ist Feigheit und Schwäche, jetzt hier wegzulaufen. Aber
werde ich hier jemals wirklich sinnvolle Arbeit tun können? —
Beunruhigende politische Nachrichten aus Japan. Wenn
es jetzt unruhig wird, fahre ich bestimmt nach Deutschland. 1. Siehe Seite 316 ff.
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Ich kann nicht allein draußen sein. Das ist mir ganz klar. Ich lebe ja doch drüben. Den ganzen Tag in der Bibliothek. „Christian Century“ durchgesehen. Instruktive Aufsätze: „How my mind has changed in the last decade.“ Theologieprofessoren über den Wandel der amerikanischen Theologie seit 1929. Die entscheidende Wendung zum Wort scheint noch nicht vollzogen, sondern eher vom Fortschrittsglauben zum Nihilismus, vom Ethizismus zur Philosophie der „Gegenwart“, der „konkre-
ten Situation“. .. Bericht über das letzte lynching eines Negers. Zwei weiße Personen gehen ins Haus und beten mit den Negern „that the day may come when such things will not happen in America.‘ Das ist eine gute Lösung solcher Vor-
kommnisse. — Ferner Bericht über die Areligiosität der College-Studenten, „desinterested.“ Das muß so kommen, wenn man nicht endlich versteht, daß „Religion“ wirklich über-
flüssig ist. 18. Juni 1939 — Sonntag
Gottesdienst in Riverside Church. Einfach unerträglich. Text: ein Wort von James (!) über „accepting an horizon“, wie man einen Horizont gewinnt, nämlich Gott als der not-
wendige Horizont der Menschen. Die ganze Sache eine dezente, üppige, selbstzufriedene Religionsfeier. Mit solcher Religionsvergötzung lebt das Fleisch
auf, das gewöhnt ist, mit den Worten Gottes in Zucht gehalten zu werden. Solche Predigt macht libertinistisch, egoistisch,
gleichgültig.
Wissen
denn
die Leute
wirklich
nicht, daß man gut und besser ohne „Religion“ auskommt, — wenn nur Gott selbst und sein Wort nicht wäre? Vielleicht sind die Angelsachsen wirklich religiöser als wir, christlicher sind sie wohl nicht, wenn
sie sich noch solche
Predigten gefallen lassen. Es ist mir unzweifelhaft, daß in diesen religiösen hand-out der Sturm einmal kräftig hin-
Tagebuch
der Amerikareise
301
einblasen wird, wenn Gott selbst überhaupt noch auf dem Plan ist. Menschlich ist die Sache nicht einmal unsympathisch,
aber
da ist mir
die bäuerischste
Predigt
von
Br. Schutz lieber. Die Aufgaben für-einen echten Theologen hier drüben sind unermeßlich. Aber diesen Schutt kann nur ein Amerikaner selbst wegräumen. Bis jetzt scheint keiner da zu sein. Wie gut sind die Losungen heute: Ps. 119, 105; Mat. 13, 81. Nachmittag gearbeitet. Den ganzen Tag mit keinem Men-
schen gesprochen. Ich muß jetzt erst wieder lernen, wie gut es mir bisher gegangen ist, immer in der Gemeinschaft der Brüder zu sein. Und Niemöller ist seit zwei Jahren allein. Unausdenkbar. Was für ein Glaube, was für eine Zucht und
was für ein spürbares Handeln Gottes! — Nun ist der Tag doch noch gut zu Ende gegangen. Ich war nochmal in der Kirche. Solange es einsame Christen gibt, so lange wird es auch noch Gottesdienste geben. Es ist doch eine große Hilfe, nach ein paar völlig einsamen Tagen in die Kirche zu
gehen und dort mitzubeten, mitzusingen, mitzuhören. Die Predigt war erstaunlich (Broadway Presbyterian Church, Dr. McComb)
über „our likeness with Christ.“ Eine ganz
biblische Predigt — besonders gut die Abschnitte: „we are blameless like Christ“, „we are tempted like Christ!“ Hier wird später einmal ein Widerstandszentrum sein, wenn Riverside Church längst zum Götzentempel geworden ist. Ich
war über diese Predigt sehr froh. Warum merkt nur ein Mann, der so predigt, gar nicht, eine wie schauderhafte Musik er spielen läßt? Ich werde ihn danach fragen. Mit dieser Predigt tut sich mir ein bisher ganz unbekanntes Amerika auf. — Fast wäre ich übrigens in diesen Tagen undankbar geworden für alle Bewahrung, die Gott mir hat zuteil werden lassen. Über der Absicht und dem innersten Bedürfnis, 1. „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“ und „Etliches fiel auf ein gutes Land“.
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Amerika
1939
unablässig an die Brüder drüben und ihre Arbeit zu denken, wäre ich der Aufgabe hier fast entflohen. Es wäre mir fast wie eine Untreue erschienen, wenn ich nicht mit all meinen
Gedanken drüben bin. Ich muß da noch den rechten Ausgleich finden. Paulus schreibt doch auch, daß er seiner Gemeinde „ohne Unterlaß“ im Gebet gedenkt und hat sich zu-
gleich der jeweiligen Aufgabe ganz hingegeben. Das muß noch gelernt werden. Es wird wohl nur durch das Beten gehen. Gott, schenke mir in der nächsten Woche Klarheit
über meine Zukunft und erhalte mich in der Gemeinschaft des Gebetes der Brüder.
Ohne Nachricht aus Deutschland den ganzen Tag, von Post zu Post, vergebliches Warten. Dabei hilft es nichts, zornig zu werden und entsprechende Briefe zu schreiben. Bis der Brief
ankommt, ist längst die erwartete Nachricht da. Ich will wissen, was die Arbeit drüben macht, ob alles gut geht oder ob man mich braucht. Ich will für die morgige entscheidende
Unterredung einen Wink von drüben haben. Vielleicht gut, daß er nicht gekommen ist. — Die Nachrichten über China
sind beunruhigend. Wird man noch rechtzeitig nach Haus können, wenn es einmal ernst wird? — Den ganzen Tag in
der Bibliothek.
Englische Vorlesungen
geschrieben!.
Die
Sprache macht mir viel Not. Man sagt, ich spreche gut englisch, und ich finde es so völlig unzulänglich. Wie viel Jahre, Jahrzehnte hat man gebraucht, um deutsch zu lernen, und man kann es bis jetzt noch nicht. Ich werde nie englisch lernen. Schon das ist ein Grund, bald wieder nach Hause zu 1. Auf einem Tagebuchzettel folgende Notizen: Kirche als religiöse Provinz (philosophisch-kulturell)
als Mittel zum
Zweck
(Volkserziehung,
Moralleben,
für Befriedigung
der religiösen Bedürfnisse, zur Harmonie der Existenz, like science, art) Church submerged, into the world Religion, Kirche, Privatsache, Privatvergnügen. Church as an invention for forgiveness of sins, waste of the word and the sacraments.
Outstanding problems of present continental theology:
Tagebuch der Amerikareise
303
gehen. Ohne Sprache ist man verloren, hoffnungslos einsam. Abends nach Times Square, eine Ausflucht. News Reel hier eine Stunde. Früh ins Bett. Was ist das für ein Tag. Aber: „Der Name des Herrn Jesu ward hochgelobt.“ (Apg. 19, 17) Es stört mich, daß wir nicht die gleiche Zeit mit Deutschland haben. Es erschwert und hindert das gemeinsame Gebet. Es ist jeden Abend dasselbe. Aber: „Wir danken dir, Gott,
... daß dein Name so nahe ist“ (Ps. 75, 2).
Morgens
Brief von
den Eltern
aus
20. Juni 1939 Süddeutschland. Aus
Stettin nichts. Besuch bei Leiper. Damit ist wohl die Entscheidung gefallen. Ich habe abgelehnt. Man war sichtlich enttäuscht und wohl etwas verstimmt. Für mich bedeutet es wohl mehr, als ich im Augenblick zu übersehen vermag. Gott allein weiß es. Es ist merkwürdig, ich bin mir bei allen meinen Entscheidungen über die Motive nie völlig klar. Ist das ein Zeichen von Unklarheit, innerer Unehrlichkeit oder ist es ein Zeichen dessen, daß wir über unser Erkennen hinaus-
geführt werden, oder ist es beides? Tes, 48: 19; "1. Perr 1,17?
Die Losung spricht heute furchtbar hart von Gottes unbestechlichem Gericht. Er sieht gewiß, wie viel Persönliches, wie viel Angst in der heutigen Entscheidung steckt, so mutig wie Doctrine and heresy . Confession and damnation The Church Ä . The powers ordained by Go . Christian life, the meaning of suffering . Church and Synod . Christ and Antichrist . Christlike life nouruvpvme 1. Losungen: „Ich bin der Herr, der von Gerechtigkeit redet und verkündigt, was da recht ist.“ „Sintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach- eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, so lange ihr hier wallet mit Furcht.“
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Amerika
1939
sie aussehen mag. Die Gründe, die man für eine Handlung vor anderen und vor sich selbst ausgibt, sind gewiß nicht ausreichend. Man kann eben alles begründen. Zuletzt handelt man doch aus einer Ebene heraus, die uns verborgen bleibt. Darum kann man nur bitten, daß Gott uns richten und uns vergeben wolle. — Besuch bei Dr. Bewer; sehr freundliche Aufnahme. —
Nachmittags David Roberts. Langes theologisches Gespräch. Kritik der Fundamentalisten, hält sie im Ernstfall nicht für
zuverlässiger als die Riverside Church-Leute. Fosdick, der Antichrist in den Augen der Broadway Presbyterian. Amerika 40 Jahre hinter Deutschland. 20 Jahre nach Schottland. Es scheint doch, als sei Deutschland noch das Land der geistigen Entdeckungen. — Abends mit Van Dusen. —
Briefe geschrieben. Halb zehn auf eine Stunde bei Bewer. Wie gut, wieder mal deutsch zu sprechen. Am Ende des Tages kann ich nur bitten, daß Gott ein gnadenvolles Gericht üben möge über diesen Tag und alle Entscheidungen. Es ist nun in seiner Hand.
21. Juni 1939 Morgens in Ruhe gearbeitet. Sehr heiß. Nachmittags Metropolitan Museum, EI Greco (Landschaft über Toledo ganz in Grün), Memling (Christuskopf) gefielen mir besonders. Abends sehr freundlich und ausgiebig von Bewers eingeladen. Es fällt mir auf, wie viel freier man heute mit diesen Leuten
umgeht als damals. Es war so gut, wieder deutsch zu sprechen und zu denken. Ich habe den Widerstand der englischen Sprache gegen meine Gedanken nie so stark empfunden wie hier in New York. Ich fühle mich im Gewand dieser Sprache immer unbefriedigt über mich selbst. Das Urteil von Bewer über Amerika war mir doch wichtig, auch seine Kriegserfahrungen. Sie können sich dem Haß vorbehaltlos, vielleicht unreif, hingeben. — Zu meiner Entscheidung kommen natür-
Tagebuch
der Amerikareise
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lich immer noch Gedanken. Man hätte ja auch ganz anders begründen können: man ist einmal hier (vielleicht war gerade das Mißverständnis eine Führung?); es wird einem gesagt, es sei wie eine Gebetserhörung gewesen, als ich angemeldet worden sei; man möchte gerade mich haben; man versteht mich nicht, daß ich ablehne; es wirft alle Zukunftspläne um; ich habe keine Nachricht von zu Haus, ob vielleicht alles ohne
mich ebenso gut geht etc. Oder man könnte fragen: habe ich einfach aus Verlangen nach Deutschland und der Arbeit dort heraus gehandelt? Und ist das mir fast unbegreifliche und bisher fast ganz fremd gebliebene Heimweh ein begleitendes Zeichen von oben, das mir die Ablehnung leichter machen soll? Oder: ist es nicht unverantwortlich im Blick auf so viele andere Menschen, einfach nein zu sagen zu seiner eigenen Zukunft und der vieler anderer? Werde ich es bereuen? Ich darf es nicht, das ist sicher. Trotz allem steht für mich an erster Stelle das Versprechen, dann die Freude der Arbeit zu Haus und schließlich der andere, den ich verdrängen würde. Wieder spricht die Losung so hart: „Er wird das Silber prüfen und reinigen“ (Mal. 3, 3). Es ist auch nötig. Ich kenne mich nicht mehr aus. Aber Er kennt sich aus; und
am Ende wird alles Handeln und Tun klar und rein sein.
22. Juni 1939
Ohne Nachricht von drüben. Einladung zu Boerickes!. Ich fahre nächste Woche. Vormittag gearbeitet, geschrieben. Für Sabine? tut mir mein Entschluß am meisten leid. Nachmittag gelesen. Niebuhr: interpretation of Christian ethics. Die Fragestellung noch ganz zwischen orthodoxer und liberaler Kritik, aber kein wirklich grundsätzlich neuer Ansatz, „Mythus“ statt Wort Gottes. Abends im News Reel Theatre, 1. Verwandte
in Philadelphia.
2. Schwester in London.
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Amerika
1939
nichts Besonderes. Die Abendblätter bringen sehr aufgeregte Nachrichten über Japan. Bewer beruhigt mich. Es ist doch für einen Deutschen hier drüben nicht auszuhalten; man wird
einfach zerrissen. Während einer Katastrophe hier zu sein, ist einfach undenkbar, wenn es nicht so gefügt wird. Aber selbst daran schuld zu sein, sich selbst Vorwürfe machen zu müssen, unnötig herausgegangen zu sein, ist gewiß vernichtend.
Wir können uns von unserem Schicksal doch nicht trennen; hier draußen erst recht nicht; hier liegt es einem allein auf den Schultern, und man hat keine Stimme und kein Recht im
fremden Land. Außerdem wird auch hier der Sturm bald losbrechen. Es brodelt erheblich unter der Oberfläche. Weh dann denen, die hier heimatlos sind! Es ist so seltsam, wie stark mich in diesen Tagen gerade diese Gedanken bewegen und
wie alles Denken an die Una Sancta sich nur schwer Bahn bricht. Es ist doch schon ungeheuer viel verschüttet. — Ich schreibe seit gestern abends im Bett. Das ist ein ganz guter Abschluß. Nun fehlen nur noch die Losungen und die Für-
bitte. Keine Nachricht aus Deutschland. Vormittag Besprechung mit Bewer, Van Dusen über Zukunft. Ich will im August zurückfahren. Man redet mir zu, länger zu bleiben. Aber wenn
nichts anderes
dazwischen
kommt,
bleibe ich
beim 12. August. Ich werde dann noch bei Sabine bleiben. Mittag bei David Roberts und Frau, sehr nett. Wir sprachen
über Negerfrage. Es scheint sich nichts geändert zu haben, höchstens die anti-lyncing bill. Er hält die revolutionäre
Gefahr im Süden für groß. Ich wußte bisher noch nicht, daß man
die Neger daran hindert, das ihnen zustehende
Wahlrecht auszuüben. In der großen Einigung der Methodisten (Mai 1939) sind die Negerkirchen nicht eingeschlossen.
Neue Literatur konnte er nicht nennen. Starkes Anwachsen des Antisemitismus. Gebirgsort: „1000 feet —
too high for
Jews“ — Anzeige: „Gentiles preferred.“ — Nachmittag Colvin besucht. Nach Haus. Gelesen. Am Hud-
Tagebuch der Amerikareise
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son gesessen und an Siegurdshof! gedacht. Warum höre ich nichts? — Niebuhr zu Ende gelesen. Die Darstellung der Unanwendbarkeit der sogenannten christlichen Prinzipien auf das Leben, Politik etc. ist noch das Beste. Kritik des Libera-
lismus. Positiv wenig Originelles... (Gegenüberstellung des absoluten Ideals und des relativ-pragmatischen Guten. Bei-
des nötig.) Es ist kein Denken von der Bibel her... Sein Aufsatz über „as decliners yet true“ ist reiner Modernis-
mus. — Unten wird gerade eine Tagung zur Gesangbuchrevision abgeschlossen. Sie spielen Choräle mit schrecklichem Nachklappen und Pedal. Da ist das Klavichord besser. — Losungen
und Fürbitte. 24. Juni 1939 Endlich Post. Das ist eine große Befreiung. Aber es ist mir auch wieder ganz klar, daß ich in die Arbeit zurück muß. Heute habe ich ziemlich viel geschafft. W. A. Brown: State
and Church, etc. Vormittags hielt mich Rodewell zu lange auf. Ich überlege jetzt oft, ob es wahr ist, daß Amerika das Land ohne Reformation ist. Wenn Reformation die von Gott gewirkte Erkenntnis des Scheiterns aller Wege zum Aufbau eines Reiches Gottes auf Erden ist, dann trifft es wohl zu.
Aber gilt das nicht auch für England? In Amerika ist die Stimme des Luthertums ja auch da, aber eben eine unter anderen; sie hat nie vermocht, die anderen Denominationen wirklich zu stellen. Es kommt scheint’s überhaupt kaum zur
„Begegnung“ in diesem großen Land, in dem einer dem anderen immer ausweichen kann. Wo es aber zu keinen Begegnungen kommt, wo nur die liberty das Vereinende ist, dort weiß man natürlich auch nichts von der Gemeinschaft, die
durch die Begegnung geschaffen wird. Das ganze Zusammen1. Eine der zwei Unterkünfte des als Sammelvikariat getarnten Predigerseminars in Hinterpommern.
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Amerika
1939
leben wird dadurch anders. Gemeinschaft in unserem Sinne, weder kulturell noch kirchlich, kann hier nicht wachsen. Ist das
wahr? — Abends Karten geschrieben. Felix Gilbert! angerufen. — Die Zeitungen sind heute wieder gräßlich. Losungen: „Wer glaubt, der flieht nicht“ (Jes. 28, 16). Ich denke an die Arbeit zu Haus. Morgen ist Sonntag. Ob ich morgen eine Predigt höre?
25. Juni 1939 — Sonntag
Gottesdienst in der Luther-Kirche. Kirche am Central Park, Dr. Scherer. Predigt Luk. 15, über die Überwindung der Furcht. Sehr gezwungene Textanknüpfung. Sonst lebendig und originell, aber zu viel Analyse und sehr wenig Evangelium. Es traf mich, als er vom Leben des Christen sagte, daß
es der täglichen Freude dessen gliche, der auf dem Weg nach Hause ist. — Wieder keine eigentliche Textauslegung. Es ist sehr armselig. — Mittags bei Bewers. Gespräch über hiesige Zeitungen, nachher über das eigenartige Schweigen der ame-
rikanischen Öffentlichkeit über das Leiden der Christen in Rußland, über die Bibelfremdheit, über schlechte Sonntags-
schulen. —
Nachmittags und abends bei Gilbert. Verehrt
Roosevelt sehr. Hat mir viel erklärt. Erfreuliche Begegnung
seit Schuljahren. —
Heute ist der Augustanatag?. Dabei
denke ich der Brüder zu Haus. Röm. 1, 16.
26.Juni 1939 Brief von den Eltern aus der Schweiz. Tagsüber Arbeit in der Bibliothek. W. A. Brown zu Ende. Ausbildungs- und Ordinationspraxis der Denominationen.
Es ist sehr schwer, ein
einheitliches Bild zu gewinnen. Tillichs Formulierung theo1. Professor für Geschichte. 2. Übergabe des Augsburger Bekenntnisses 1530.
Tagebuch
kratisch-demokratisch
der Amerikareise
gegen
309
autokratisch-sakramental
ist
doch zu formell, zu soziologisch. Theoretisch hängt es schon irgendwie mit dem Fehlen der Reformation zusammen. Das Wort Gottes hat diesesVolk niemals ganz zerschlagen und ganz
befreit. Darum auch die Vorliebe für katholisierende Humanitätsbegriffe. (J. Maritain: True Humanism.) — Heute las ich zufällig aus 2. Tim. 4 „komme noch vor dem Winter“ — die Bitte des Paulus an Timotheus. Timotheus soll das Leiden des Apostels teilen und sich nicht schämen. „Komme noch vor dem Winter‘ — es könnte sonst zu spät sein. Das geht
mir den ganzen Tag nach. Es geht uns wohl so wie den Soldaten, die vom Feld in den Urlaub kommen und trotz allem,
was sie erwarteten, wieder ins Feld zurückdrängen. Wir kommen nicht mehr davon los. Nicht als wären wir nötig, als würden wir gebraucht (von Gott!?), sondern einfach weil dort unser Leben ist und weil wir unser Leben zurücklassen, vernichten, wenn wir nicht wieder dabei sind. Es ist gar nichts Frommes, sondern etwas fast Vitales. Aber Gott handelt nicht nur durch fromme, sondern auch durch solche vitalen Regungen. „Komm noch vor dem Winter“ — Es ist nicht
Mißbrauch der Schrift, wenn ich das mir gesagt sein lasse. Wenn mir Gott Gnade dazu gibt.
27. Juni 1939 Brief von den Eltern. Große Freude, ganz überraschend. Mittags und nachmittags Arbeit in der Bibliothek. Tillich,
Niebuhr. Abends Besuch von Professor Richardson, langes Gespräch. Er ist Engländer. Es kommt mir vor, als stünde man ihm näher als den Amerikanern. Ob die Amerikaner uns darum so gar nicht verstehen, weil sie sich aus solchen zusammensetzen, die aus Europa weggingen, um ihrem Glau-
ben für sich frei leben zu können? d.h. weil sie der letzten Entscheidung in Glaubensfragen nicht standgehalten haben? Sie würden, glaube ich, den Flüchtling besser verstehen, als
310
Amerika
1939
den, der bleibt. Von hier aus wird die amerikanische Toleranz oder richtiger: Gleichgültigkeit in dogmatischen Fragen ver-
ständlich. Die Begegnung im Kampf ist ausgeschlossen, darum aber auch die echte leidenschaftliche Sehnsucht nach der Einheit im Glauben. 28. Juni 1939 Vormittags Y.M.C.A. Headquarters, Besichtigung. Die Kapelle ist der schönste Raum in dem ganzen Gebäude. U. a. liegt das römische Meßbuch in der Kapelle. Sonst das gewohnte Bild. Nachmittags Arbeit in der Bibliothek. Abends Essen mit Professor Richardson. Danach noch lange gelesen. „Kingdom of God in America“ — Richard Niebuhr. Die
Zeitungsnachrichten werden immer beunruhigender. Sie ziehen die Gedanken ab. Ich kann mir nicht denken, daß es Got-
tes Wille ist, daß ich ohne besondere Aufgabe im Kriegsfall hier bleiben soll. Ich muß am erstmöglichen Termin reisen.
29. Juni 1939 Telegramm von Karl Friedricht. Unterkunft gesucht. Arbeit bis Mittag. Nachmittag vergebliche Verabredung. Abends gutes, brüderliches Gespräch mit Roberts, der morgen in die
Ferien geht. Ich schenkte ihm zwei meiner Bücher. Er versprach, mir Bücher zu schicken, wenn ich ihm schreibe. Die Nachrichten sind heute so, daß ich ziemlich entschlossen bin, mit Karl Friedrich zurückzufahren. Morgen werden wir es
besprechen. — Roberts sprach sehr kritisch über die Kirche in Amerika. Die Not kommt von innen. Die völlige Gleich-
gültigkeit gegen die Botschaft zersetzt die Kirche immer mehr. „Keep away from politics“ — sagt, daß die Kirche sich auf ihre „religiöse Aufgabe‘ beschränken soll, für die 1. Ältester Bruder, Prof. Karl 15. Mai 1957 in Göttingen.
Friedrich
Bonhoeffer,
verstorben
am
Tagebuch
der Amerikareise
311
sich keiner interessiert. Es ist mir immer schwer verständlich,
wie sich der Grundsatz einer Trennung von Kirche und Staat mit der Praxis der sozialen, ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Wirksamkeit der Kirche verträgt. Trennung
von Kirche und Staat hat jedenfalls offenbar nicht zur Folge, daß die Kirche ihrer eigenen Aufgabe zugewandt bleibt, ist
keine Sicherung gegen Säkularisierung. Nirgends ist die Kirche mehr säkularisiert, als wo sie wie hier grundsätzlich ge-
trennt ist. Gerade die Irennung kann ein Gegenüber schaffen, das die Kirche viel stärker in die politisch-säkularen Dinge
hineintreibt. Das ist wohl wichtig für unsere eigenen Entscheidungen drüben.
30. Juni 1939 Brief von Fritz!. Besinnlich und brüderlich wie immer. Leider sonst nichts. Um 11 Uhr meldet sich Karl Friedrich, der von Chicago kommt. Es gibt viel zu besprechen. Er hat dort
eine ausgezeichnete Professur angeboten bekommen; es bedeutet eine Entscheidung für immer. Dann meine Fragen. Da ich sonst bei der gegenwärtigen Lage sowieso nach spätestens vier Wochen gefahren wäre, entschließe ich mich unter den
gegebenen Umständen am 8. mit Karl Friedrich zu fahren. Ich will für den Kriegsfall nicht hier sein, und es ist objektiv hier nichts über die Lage zu erfahren. Das war eine große
Entscheidung. Morgens noch Brief von Paul?, der so optimistisch über mein Hierbleiben war. Nachmittags und abends Weltausstellung, die technischen Dinge. Abends zum ersten-
mal nicht geschrieben.
1. Pastor Fritz Onnasch, Köslin. 2. Prof. Paul Lehmann, jetzt Harvard,
312
Amerika
1939
1. Juli 1939
Vormittags umgezogen. Mittags Karl Friedrich. Nachmittags etwas geschrieben. Dann mit K. F. in die Stadt, Geschenke besorgt, Music Hall, Kino, das größte. Schauderhaft. Aufdringlich, protzig, schwelgerisch in Farben, Musik und
Fleisch. Solche Phantasie kann man nur in einer solchen Großstadtatmosphäre aufbringen. K. Fr. ist anderer Meinung. Abends rechtzeitig nach Hause. Mich hat den ganzen Tag die Lage Deutschlands und der Kirche nicht losgelassen. Die Losungen sind wieder so gut! Hiob 41, 3 „Gott spricht:
Wer hat mir etwas zuvor getan, daß ich’s ihm vergelte? Es ist mein, was unter allen Himmeln ist.“ Röm. 1,36: „... von
ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“ Die Erde, die Völker, Deutschland und vor allem die Kirche kann nicht aus seiner Hand fallen. Es fällt mir ungeheuer schwer, angesichts der heutigen Lage das „Dein Wille geschehe“ zu denken und zu beten. Aber es muß
sein. Morgen ist Sonntag. Gott lasse sein Wort Gehör finden in aller Welt. 2. Juli 1939 — Sonntag Kirche, Park Avenue. Rev. Gorkmann (Radioprediger!) über „today is ours“, ohne Text, ohne Anklang an christliche Ver-
kündigung. Eine Enttäuschung mehr. Gut ist immer wieder die Kollekte unter Gebet und Gesang. Mittag mit Karl Friedrich, nachmittags Arbeit, d. h. etwas über Amerika geschrieben, versucht zu schreiben. Den Tag über im Seminar mit Karl Friedrich; dessen Pläne ausführlich besprochen. — Die Amerikaner reden in ihren Predigten so viel von Freiheit. Freiheit als Besitz ist für eine Kirche eine zweifelhafte Sache, Frei-
heit muß erworben werden unter dem Zwang eines Muß. Freiheit der Kirche kommt aus dem Muß des Wortes Gottes. Sonst wird sie zur Willkür und endet in vielen neuen Bindungen. Ob die Kirche in Amerika wirklich „frei“ ist, ist mir
Tagebuch
der Amerikareise
313
sehr fraglich. Es sind einsame Sonntage hier drüben. Nur das Wort schafft die rechte Gemeinde. Es verlangt mich nach einer gemeinsamen guten Andacht in der eigenen Sprache. — Die Nachrichten sind nicht gut. Werden wir zur Zeit kom-
men? Losung: Jes. 35, 10!!! Fürbitte.
3. Juli 1939 Vorträge von Coffin, Richard Niebuhr, Harris. Es bestärkte mich alles in der Beobachtung, daß man theologisch hier steht,
wo wir vor fünfzehn Jahren standen. Nachmittags Arbeit zu Haus. Abends langes Nachtgespräch mit einem Studenten, Gill. Ein ausgefüllter Tag. Ich habe die ersten zusammenfassenden Gedanken für einen Aufsatz zu Papier gebracht. Aber ich müßte in einem Zug weiterschreiben können. Die
Morgenandacht von Coffin war sehr armselig. Ich muß mich in acht nehmen, daß ich im Bibellesen und Gebet nicht nach-
lässig werde. — Brief von Paul Lehmann.
4. Juli 1939 Morgens Coffin; dann Besuch bei Richard Niebuhr. Mittags
mit Karl Friedrich Empire State Building. Kino. Abends eingeladen bei Niebuhrs.
Sehr langes gutes Gespräch. Die
amerikanische Trennung von Kirche und Staat hat den Sinn der „limitation of power“ in Bezug auf die Regierung, nicht die reformatorische Ämterlehre. Ich vermutete das. Niebuhr meint, daß Roger Williams Gott für nur in der spirituellen Sphäre wirksam hielt und von hier aus seine vollkommene
Gleichgültigkeit gegen den Staat zu erklären ist. Trennung von Kirche und Staat ist in Amerika kein eindeutiges Phänomen. — Losungen, Fürbitte. 1. „Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und gen Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen,: und Schmerz und Seufzen wird ent-
fliehen.“
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Amerika
1939
5. Juli 1939 Je näher die Abreise rückt, desto voller werden die Tage. Morgens Andacht Professor Smart. Van Dusen über Descartes... Arbeit in der Bibliothek. Horton, Keller. Nach-
mittags Fortsetzung. Mittags Gespräch mit zwei Studenten aus den Südstaaten über Negerprobleme. Abends reception im sozial room. Es wäre gut, noch vier Wochen zu bleiben. Aber der Einsatz ist zu hoch. — Brief von Eberhard,
große Freude. Guter Gedanke über Joh. 2. Noch keine Antwort auf meine Entscheidung. — Die Losung! ruft zur Dankbarkeit auf.
6. Juli 1939 Ich schreibe auf dem Schiff. Die letzten beiden Tage waren ausgefüllt, daß ich nicht zum Schreiben kam. — Morgens down town zur Erledigung der Reisevorbereitungen. Auf dem Rückweg Stock exchange. Besorgungen. Um halb drei treffe ich Paul Lehmann in meinem Zimmer, der von Columbus/ Ohio angereist kommt, um mich noch zu sehen. Große Freude.
Von nun an die ganze restliche Zeit mit ihm zusammen. Kolleg vorbereitet.
7. Juli 1939 Letzter Tag. Paul versucht mich noch festzuhalten. Es geht nicht mehr. Van Dusen Kolleg. Packen. Bevor Mittag mit Hans Wedell. Theologische Gespräche mit Paul. Verabschiedung im Seminar. Abendessen mit Van Dusen. Fahrt aufs Schiff mit Paul. Halb zwölf Abschied, halb eins Abfahrt. 1. 1.Mose 32, 11 „Jakob sprach: Ich hatte nicht mehr als diesen Stab, da ich über diesen Jordan ging, und nun bin ich zwei Heere geworden.“ Eph. 3, 20. 21 „Dem aber, der überschwenglich tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen nach der Kraft, die da in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde, die in Christo Jesu ist, zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“
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der Amerikareise
315
Manhattan bei Nacht, der Mond steht über den skyscrapers. Es ist sehr heiß. Die Reise ist zu Ende. Ich bin froh, daß ich drüben war, und froh, daß ich wieder auf dem Heimweg bin. Ich habe vielleicht mehr gelernt in diesem Monat als in
dem ganzen Jahr vor neun Jahren; mindestens habe ich für alle künftigen persönlichen Entscheidungen Wichtiges eingesehen. Wahrscheinlich wird sich diese Reise sehr bei mir auswirken.
8. Juli 1939 Auf dem Schiff. Es ist ruhig und heiß. Die Schiffsreise hat den Reiz der Neuheit verloren. Viel gelesen, Amerikabuch (das doch sehr schlecht ist; der Stil ist so schlecht, daß vieles
unklar wird.) — Practical Religion, gute Aufsätze.
9. Juli 1939 — Sonntag Englischer Gottesdienst, der gut besucht ist, aber wohl ebenso als Abwechslung des monotonen Bordlebens wie Kino, u.a. Text: „Das Meer wird nicht mehr sein“ (Offb. 21,1). Predigt
sentimental und phrasenhaft. — Unterhaltung mit Karl Friedrich über Theologisches. Viel gelesen. Die Tage sind durch die Verkürzung von einer Stunde spürbar kürzer. — Seit ich auf dem Schiff bin, hat die innere Entzweiung über die Zukunft aufgehört. Ich kann ohne Vorwürfe an die abgekürzte Zeit in Amerika denken. — Losung: „Ich danke dir,
daß du mich gedemütigt hast und lehrst mich deine Rechte“ (Psalm 119, 71). Aus meinem liebsten Psalm eins der mir liebsten Worte.
316
Amerika
1939
Dietrich Bonhoeffer “Coombe-Pine“, Lakeville
15.6.1939!
Dear Dr. Leiper,
I wish to thank you very much indeed for the reception you gave me on my arrival in New York. I felt quite at home when Mr. Macy gave me your kind letter and when I met you the next morning. It is a great thing to have good friends and fellow-Christians abroad. These beautiful days at Dr. Coffin’s country home are giving me some time to think about my future and I am sure yon
will understand that I should like to put the situation before youasI
see it, and ask your advice. Before I left Germany I
had long talks with my brethren from the Brethren Council and pledged myself to return to Germany after about ayear’s
time to take up the training work in the Confessing Church again, unless some unforeseen development would change the whole situation. At first they were very reluctant to let me go at all, since they are in need of teachers. It was only when I expressed my hopes that I could be of some use to them by establishing contacts with American theologians and churchmen through lectures or meetings, that they gave me
leave. So from the point of view of the Conf. Church my trip to America was meant to be an oecumenic link between our isolated church in Germany and our friends over here.
We all felt that to be very essential from many points of view. My personal question and difficulty with regard to military service etc. came in only as a second consideration. Of course, my colleagues were glad, that I would be able to postpone my decision for at least one year. Now, I am sure, all that could not be made quite clear in correspondence before I left Germany. But before we are going to 1. Übersetzungen siehe Seite 473—479.
Fragenan
Leiper
317
work out my programme for the next time, however long it might be, I feel strongly, that everything ought to be quite clear between us. I deeply appreciate, and so did my friends, your readiness to invite me to come to this country
and Iam most happy indeed to be here again and to meet old friends. There are, however, a few questions which we have to clear up before I start my work over here and I wish, you would help me to do the right thing. The post which yon are kindly intending to confer upon me attracts me from every point of view. I feel strongly the necessity of that spiritual help for our refugees. When I was pastor in London I spent most of my time with these people and I felt it was a great privilege to do so. At the same time that post would offer me an unusual opportunity for getting acquainted with the life of the church in this country, which has been one of my greatest hopes for my stay over here. The only thing that
makes me hesitate at the present moment of decision is the question of loyalty to my people at home. All of us, of course, were well aware of the fact that it means running
a risk for a confessional pastor to go to America with the intention to go back to Germany, and we all agreed that I should take that risk and pay the price for it, if necessary, if it is of a true value to the Church of Christ there and here.
But, of course, I must not for the sake of loyalty to the Confessing Church accept a post which on principle would make my return to Germany impossible. Now, my question is whe-
ther that would not be the case with any post that is officially concerned with refugee work? As a matter of fact, I am afraid, it would be so. Now, if that is true, what can we
do about it? Is there a possibility of giving that post a somewhat larger scope? I have no particular idea, but if, for instance, it were possible to interpret that post as a sort of invitation, as a “guest post” from the Federation of Churches so as to enable me to get acquainted with the Church acti-
318
:
Amerika
1939
vitiesinNewYork and to co-operate in some respect, (whereby, of course, some of that pastoral work of which you have been thinking might be conferred upon me on the respective occasions,) I think, that would change the matter a good deal. But, of course, I have no idea under what heading such a thing could be done. This is the first point, which I
should very much like to have your advice on. Secondly, when R. Niebuhr wrote to me first in February
he was hoping to provide a few lectureships for me all over the country,so as to give me an opportunity of seeing a good
deal of the theological schools and of getting in contact with the professors of Theology. That, of course, would be
very much in the line of my work in Germany and I should be greatly interested to do that sort of work. Now, do you suppose, that the post in NewYork would leave the necessary time to do some investigation and some visiting of that sort? Finally, let me add a very personal remark. My best friend in Germany,a young confessional pastor, who has been working with me for many years, will be in the same conflict with regard to military service etc. at the latest by next spring. possibly in the fall of this year. I feel it would be an utmost disloyalty to leave him alone in Germany when the conflict comes up for him. I should either have to go back to stand by him and to act with him or to get him out and to share my living with him, whatever it be, though I do not know if he would be willing to leave Germany. That is a last personal, but not only personal reason, why I feel bound to keep my way back open. I am sure, you will appreciate that this is a duty of „Bruderschaft“ which in these times one simply has to fulfill.
Now I have put my case before you. I know, I am causing you a lot of trouble with all that. But you know us Germans and that we are sometimes a little complicated, and more
Fragen an Leiper
39
than that, you know the Confessional Church and its needs. I need not assure yon again how grateful I am for all that
you have been doing for our cause and for me personally. It is just therefore that I feel yon must know my whole case before you go on with me. If you should think it impossible to find the right post for me, after you have heard all that, please feel entirely free to tell me and then we should try to
make the best of the next few months and I should return to Germany, certainly very grateful for all the friendship I
have experienced over here again, in the later part of the fall. My friends at home would only be too glad, if I came back alittle earlier than they expected. But if you would see a way through all these difficulties, then I shall stay here with great pleasure, interest and gratefulness. I am going to Eaglesmere for Saturday. I am looking forward to seeing you next week. The „prophet chamber“ at Union is lovely and I am enjoying Union a lot. With many thanks for everything, I remain yours ever Dietrich Bonhoeffer
19.6. 39
Dear Dr. Leiper,
I have just received a letter from Dr. Freudenberg asking me urgently not to take over the refugee-post if I wish to
go back to Germany. He also calls my attention to the fact that there are many of our confessional pastors who will never be able to return to Germany and from whom, therefore, I should not take away the chance of this post. I hope
you will be able to spare an hour of your time to-morrow for me. We must get clear about it. With many thanks and best regards, Yours ever Dietrich Bonhoeffer I hope you have got my last letter.
320
Amerika
1939
Bonhoeffer an Reinhold Niebuhr!
Anfang Juli 1939
„. .. Sitting here in Dr. Coffin’s garden I have had the time to think and to pray about my situation and that of my nation and to have God’s will for me clarified. I have come to the conclusion that I have made a mistake in coming to America. I must live through this difficult period of our national history with the Christian people of Germany. I
will have no right to participate in the reconstruction of Christian life in Germany
after the war if I do not share
the trials of this time with my people. My brothers in the Confessional Synod wanted me to go. They may have been right in urging me to do so; but I was wrong in going. Such
a decision each man must make for himself. Christians in Germany will face the terrible alternative of either willing the defeat of their nation in order that Christian civilization
may survive, or willing the victory of their nation and thereby destroying our civilization. I know which of these alternatives I must choose; but I cannot make that choice in security...“
London, S.E.23, 22nd July 1939
My dear Lord Bishop, [Chichester] When you were in London on Thursday I asked Hildebrandt to tell you that I had already come back from U.S.A. and that I am on my way to Germany. Unfortunately, he forgot to tell you. Now I can only write a few words of explanation and to say „good bye“ to yon. I shall leave on Tuesday morning. 1. Originalbrief bisher nicht gefunden. Dieses Stück von Niebuhr zitiert in „Ihe Death of a Martyr“, Christianity and Crisis; Nr. 11 vom 25.
Juni
1945,
S. 6.
Auf der Konferenz des Christlichen Weltrates für Life and Work vom 21.—25. August 1936 in Chamby sur Montreux Von
links nach
Zöllner,
G.
K.
rechts: A.
Bell,
Präses
D. Koch,
Bischof
von
Generalsuperintendent
Chichester,
intendent ©. Dibelius
Generalsuper-
Auf der Überfahrt nach Amerika
1939
An G.K.A.Bell,
Bischof
von
Chichester
321
On my arrival in New York Dr. Leiper very kindly offered me the post of a refugee pastor (I mean a pastor for the refugees) in New York. This post was to be connected with lectures in various places. Of course, I was rather surprised about this offer and told Dr. Leiper, that I had promised to the Confessional Church to come back at the latest after a year unless the political circumstances would make that impossible. So it was just a question of loyalty whether I could accept a post which by itself would make my return doubtful or even impossible. I discussed the problem with my friends very thoroughly and decided to decline the offer for three reasons: I was bound by my promise to go back next year; there were many Non-Aryan brethren who are much
more entitled to such a post; I had got my leave of absence for another purpose. It was a difficult decision, but I am still convinced, I was
not allowed to decide otherwise. That meant my early return to Germany. Kindly enough, I was invited by Dr. Coffin and Van Dusen to stay at Union Seminary as longs as I wanted. But when news about Danzig! reached me I felt compel-
led to go back as soon as possible and to make my decision in Germany. I do not regret my trip to U.S.A., though, of course, it had been undertaken under different presuppositions. I have seen and learned much in the few weeks over there and I am looking forward to my work in Germany again. What sort of personal decisions will be asked from
me I do not know. But nobody knows that now. My passport expires next spring; it is therefore uncertain when I shall be in this country again. Let me thank yon to-
day for all help and friendship and real understanding in the past and in the future. We shall never forget yon during 1.. 16. Juni: Dr. Goebbels in Danzig. 1. Juli: Erklärung Frankreichs und Großbritanniens, keine einseitige Änderung des status quo zu dulden.
322
Amerika
1939
the coming events. I thank yon for what you have done for my brother-in-law and his family. It has meant everything to them. Will you allow me to leave them in this country with the confidence that they may approach you whenever they need advice and help? Of course, their future is un-
settled, too, and it will require much patience and much energy before they can start afresh. Nevertheless I am confi-
dent that they finally will not suffer more than they can bear.
May I ask you to convey my best regards to Mrs. Bell? ] remain, my Lord Bishop, in sincere gratitude
Yours ever Dietrich Bonhoeffer
Protestantismus
Protestantismus
ohne
Reformation
323
ohne Reformation!
Zwei Hindernisse stellen sich der rechten Beurteilung einer fremden Kirche und darum der echten Begegnung mit ihr immer wieder in den Weg: Erstens: Der Beobachter ist geneigt, die Fremdheit einer anderen Kirche der Eigentümlichkeit ihrer geographischen, nationalen oder sozialen Lage zuzuschreiben, sie also ge-
schichtlich, politisch oder soziologisch verständlich machen zu wollen. Die großen Erweckungs- und Heiligungsbewegungen, das Puritanertum sind dann „typisch angelsächsisch“, das „soziale Evangelium“ (social gospel) „typisch
amerikanisch“, und umgekehrt ist dann die Reformation „typisch kontinental,
bzw. deutsch“.
Eine solche Betrach-
tung ist ebenso üblich, wie sie letztlich langweilig und falsch ist. Üblich ist sie geworden, seit man sich mehr für die geschichtlichen Ausprägungen des Christentums als für seine Wahrheit interessiert; langweilig ist sie, weil sie zu einer toten und bequemen Schematisierung führt. Falsch ist sie, weil sie den gegenseitig verpflichtenden Charakter der Kirchen in ihrer Verkündigung und Lehre von vornherein
auflöst; denn was geht den Christen in Deutschland schließlich etwas typisch Amerikanisches an und was hat der Christ in Amerika mit einer typisch kontinentalen Reformation zu schaffen? Es kann einer höchstens eine gewisse ästhetische
Freude an der Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen des Christentums haben; er kann auch noch in der anderen Kirche eine willkommene Ergänzung des eigenen Wesens er-
kennen;
aber zu einer ernsthaften Begegnung,
zu einer
1. Bericht über Reise nah USA Juni—Juli 1939, verfaßt August 1939.
324
Amerika
1939
verpflichtenden Auseinandersetzung
kommt
es so niemals.
Solange wir uns für amerikanische Eigentümlichkeiten interessieren, bewegen wir uns im Gebiet der unverbindlichen
Beobachtungen. Eine andere Frage ist es, was Gott an und mit seiner Kirche an und in Amerika tut, wie er sich ihr zu erkennen gibt, und ob und wie wir ihn in jener Kirche
wiedererkennen. Damit ist die Frage nach Gottes Wort, nach Gottes Willen und Handeln zwischen uns gestellt. Es geht um dasselbe Wort, um
dasselbe Gebot, dieselbe Ver-
heißung, dasselbe Amt, dieselbe Gemeinde Jesu Christi in Amerika und bei uns. Und nur diese Frage wird dem Sach-
verhalt gerecht. Die Reformation ist eben in der Tat als typisch deutsches Geschehen nicht zu verstehen; die Rechnung
geht nicht auf. Ganz entsprechend ist es mit den Gestalten und Geschehnissen fremder Kirchen. Sie lassen sich sachlich einfach nicht aus den Eigentümlichkeiten der Völker erklären. Es bleibt ein Rest, um den es geht. Zweitens: Der Beobachter einer fremden Kirche begnügt sich leicht mit dem gegenwärtigen Bild der kirchlichen Lage.
Er vergißt, daß es nötig ist, die Geschichte auch der fremden Kirche ernst zu nehmen. Gott spricht zu seiner Kirche zu verschiedenen Zeiten verschieden. Er hat zur Kirche in Deutschland in der Reformation anders, d. h. dringlicher,
vernehmlicher, öffentlicher gesprochen als zu irgendeiner späteren Zeit. Wie man die deutsche Kirche nicht ohne die Reformation verstehen kann, so bleibt das amerikanische Christentum dem verschlossen, der nicht etwas von den Anfängen der Kongregationalisten in Neuengland, der Bapti-
sten in Rhodes Island, von der Erweckungsbewegung durch Jonathan Edwards weiß. Amerikanisches Christentum ist eben auch und gerade das, was damals geschah und was dem heutigen amerikanischen Christentum ebenso unähn-
lich sieht, wie die Kirche der Jahrhundertwende bei uns der Reformationskirche ähnlich sah.
Protestantismus
ohne
Reformation
325
Was tut Gott an und mit seiner Kirche in Amerika, was tut er durch sie an uns und durch uns an ihr? Die folgenden Beobachtungen wollen zur Beantwortung dieser Frage beitragen. %E Die Einheit der Kirche und die Denominationen
Es ist den Amerikanern weniger als irgendeinem Volk der Erde gegeben, die sichtbare Einheit der Kirche Gottes auf
Erden zu verwirklichen. Es ist den Amerikanern mehr als irgendeinem Volk der Erde gegeben, die Vielfalt christlicher Erkenntnisse und Gemeinschaften vor Augen zu haben. Über 200 verschiedene christliche Denominationen (Kirchen-
gemeinschaften) weist die Statistik auf, davon etwa 50 mit über 50 000 Mitgliedern. In einer einzigen Straße in Minneapolis sollen vier lutherische Kirchen verschiedener Obser-
vanz stehen. Die amerikanische Christenheit hat keine zentrale Organisation, kein gemeinsames Bekenntnis, keinen gemeinsamen Kultus, keine gemeinsame Kirchengeschichte,
keine gemeinsamen ethischen, sozialen oder politischen Grundsätze. Norden und Süden (Sklavenfrage), aber auch die Bewegung von Osten nach Westen (die „Grenze-Frontier‘“) bedeuten Veränderungen und Scheidungen der Denominationen. Dazu kommt die Rassentrennung (Colour-Line) zwi-
schen Negern und Weißen, die sich in den Kirchen wiederholt; schließlich haben auch soziale Unterschiede bestimmend auf die Gestalt der Denominationen eingewirkt. Das „Federal-Council of Churches of Christ in Amerika“, ein Zusammenschluß zu gemeinsamem Handeln in der Öffentlichkeit, an dem 29 Denominationen beteiligt sind, ist nicht die Vertretung der Kirche Jesu Christi in Amerika, sondern eine Vertretung von Kirchen. Selbst der Begriff „Kirche“ wird vielfach beargwöhnt. Der
326
Amerika
1939
charakteristische Begriff ist die Denomination. An der Kirche hängt vielen amerikanischen Christen zuviel an Klerikalismus, Autokratie, konfessionellem Dünkel, Intoleranz und Ketzerverfolgung, zuviel Schielen nach weltlicher Macht
und politischer Gunst. Episkopale, Lutheraner und Presbyterianer sind zwar bewußt Kirchen, wenn auch in den Augen der andern nur Denominationen unter anderen. Die übrigen Gemeinschaften haben eher ein denominationelles als ein kirchliches Selbstverständnis. Der Begriff der Denomination ist nicht ganz klar. Er ist kein theologischer Begriff. Eher sagt er etwas aus über geschichtliche, politische und soziale Verhältnisse. Die Denomination ist ein freier Zusammenschluß von Christen auf Grund bestimmter gemeinsamer christlicher, aber auch ge-
schichtlicher, politischer und sozialer Erfahrungen. Er läßt von vornherein die Möglichkeit anderer solcher Zusammenschlüsse zu. Es liegt eine gewisse Selbstbescheidung in dem denominationellen Selbstverständnis, das den Namen der Kirche Jesu Christi nicht für sich in Anspruch zu nehmen
wagt, weil es ihm zu groß, zu gefährlich ist. Die Kirche ist jenseits der Denominationen. Hier muß sich der Begriff der unsichtbaren Kirche nahe legen. Die Denominationen sind die sichtbaren Gliedschaften der unsichtbaren Kirche. Kirchengeschichtlich werden tiefere Quellen des denominationellen Selbstverständnisses aufzuweisen sein. Einmal ist es die Botschaft von der alleinigen Herrschaft Gottes auf Erden, welche die Anfänge der presbyterianisch-kongregationalistischen Denominationsbildungen in England bestimmt hat. Vor der souveränen Gottesherrschaft müssen sich alle menschlichen Ansprüche beugen. So ist die Denomination in Amerika der negative Abdruck der angebrochenen Herrschaft Gottes. Zweitens wird man den Toleranzbegriff des kongregationalistisch-baptistischen Schwärmertums, wie er besonders von Roger Williams in Maryland geprägt worden
Protestantismus
ohne Reformation
327
ist, verantwortlich machen müssen. Hier wird Herrschaft Gottes gleichbedeutend mit der Freiheit des Einzelnen, al-
lein der inneren Stimme, dem inneren Licht zu folgen. So wird der Weg zur bekenntnislosen
Denominationsbildung
freigegeben. Drittens schließt das denominationelle Selbstverständnis ein bestimmtes Verhältnis zum Staat ein. Die amerikanische Denomination ist nicht Staatskirche, aber sie
ist auch nicht mit der englischen Freikirche, die im bewußten
Gegenüber
zur Staatskirche steht, zu vergleichen.
Die amerikanische Denomination
ist staatsfrei und weiß
sich trotz aller inneren Begrenzungen dem Staat gegenüber als ein Stück der freien Kirche Gottes auf Erden. Nirgends
kommt das denominationelle Selbstverständnis dem kirchlichen Selbstverständnis so nahe wie im Verhältnis zum Staat.
Die Denomination ist nicht in erster Linie durch das Bekenntnis bestimmt. Die meisten Denominationen kennen keine feste Bekenntnisbildung. Die lutherischen und episkopalen Kirchen fordern zwar in ihren Ordinationsformularen die Bindung an ihre Bekenntnisse. Die Presbyterianer begnügen sich schon — seltsam genug — mit der Bindung an die Schrift; und die Ordinationsformel der Kongregatio-
nalisten ist völlig frei, sie fordert allein ein Bekenntnis der persönlichen Bindung an den Herrn Christus in persönlicher Erfahrung (experience), in der Berufungsgewißheit (Call to the ministry) und im Glauben (belief). Aber selbst dort, wo
Bekenntnisverpflichtungen bestehen, werden sie im gewissen Sinne dadurch wieder eingeschränkt, daß zwischen den meisten Denominationen Amerikas gegenseitige Anerkennung
der Sakramentsverwaltung, des Amtes und der Ordination besteht, so bei den Presbyterianern, Methodisten, Kongregationalisten, Reformierten, Vereinigten Lutheranern, Nörd-
lichen Baptisten, Evangelischen. Nur die Episkopalen, die Missouri-Lutheraner und die Südlichen Baptisten haben sich
328
Amerika
1939
dem bis heute widersetzt. Die Lehrdifferenzen innerhalb der Denominationen (z. B. Baptisten, Presbyterianer) sind häufig bedeutend stärker als diejenigen zwischen verschiedenen Denominationen. Denominationen sind keine Bekenntniskirchen; und dort, wo die einzelne Denomination diesen
Anspruch erhebt, wird er doch von den anderen wieder denominationell begrenzt. Das Verhältnis der Denominationen zueinander ist heute weniger denn je ein Kampf um
die Wahrheit der Verkündigung und Lehre. Aus dieser Lage der Dinge könnte man schließen, daß in der amerikanischen Christenheit besonders günstige Vorbedingungen für ein rechtes Verständnis der Einheit der Kirchen Jesu Christi vorhanden sein müsse. Wo nicht der
Kampf um die Wahrheit die Kirchen scheidet, dort sollte die Einheit der Kirche schon gewonnen sein. Das tatsächliche Bild ist nun genau umgekehrt. Eben hier, wo nicht die Wahrheitsfrage zum Kriterium der Kirchengemeinschaft und der Kirchenspaltungen wird, ist die Zersplitterung größer als irgend sonst. Also gerade dort, wo nicht der Kampf um das rechte Bekenntnis alles bestimmt, ist die Einheit der Kirche ferner als dort, wo allein das Bekenntnis die
Kirchen eint und scheidet. Woran liegt das? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir auf einen tieferen Unterschied aufmerksam werden. Die Kirchen der Reformation gehen aus von der Einheit der Kirche Christi. Es kann nur eine Kirche auf Erden geben. Und diese eine Kirche ist allein die wahre, von Jesus Christus gestiftete Kirche. Kirchenspaltung bedeutet Kirchenabfall, Untreue gegen die wahre Kirche Christi. Die in der Reformation erfolgte Kirchenspaltung kann nur als
ein Kampf um die rechte Einheit der Kirche verstanden werden. Darum verstehen sich die Reformationskirchen selbst als die Eine Kirche auf Erden, nicht aber als Absplitterungen einzelner, von ihrem persönlichen Gewissen getriebener
Protestantismus
ohne
Reformation
329
Christen von der einen Kirche, auch nicht als individuelle Ausprägungen der einen Kirche. Es ging in der Reformation um die eine allgemeine heilige Kirche Jesu Christi
auf Erden. Die Denominationen Amerikas sehen sich von Anfang an vor
eine unübersehbare
Mannigfaltigkeit
christlicher
Ge-
meinschaften gestellt. Keine von ihnen kann es wagen, den Anspruch der Einen Kirche für sich zu erheben. Es gehört zur christlichen Demut, daß dieser Anspruch angesichts die-
ses erstaunlichen Bildes der Zersplitterung nicht erhoben wird. Die Christenheit Amerikas hat die Folgen der kirchlichen Spaltung, aber nicht den Akt der Spaltung selbst erlebt. Sie stehen darum nicht mehr selbst in dem Kampf um
die eine Kirche,
sondern
sie stehen verwundert
vor
den Ergebnissen dieses Kampfes und können nur in äußerster Selbstbescheidung das Gegebene hinnehmen und die Wunden heilen. Die Einheit der Kirche Jesu Christi ist der
Christenheit Amerikas weniger etwas ursprünglich von Gott Gegebenes, Seiendes, als etwas Gefordertes, Sein-sollendes. Sie ist weniger Ursprung als Ziel. Die Einheit der Kirche
gehört daher hier in den Bereich der Heiligung. Man darf darauf hinweisen — aber man kann sich mit diesem Hinweis allerdings nicht begnügen —, daß im angel-
sächsischen Denken seit Occam der Nominalismus verwurzelt ist, für den das Einzelne vor dem Ganzen da ist, wobei das Einzelne und empirisch Gegebene das Wirkliche ist, die Ganzheit aber nur ein Begriff, ein Nomen. Das Einzelne
steht am Anfang, die Einheit am Ende. Umgekehrt ist die deutsch-kontinentale philosophische Tradition durch den Realismus und Idealismus bestimmt, für den das Ganze das
ursprünglich Wirkliche und das Einzelne nur das abgeleitete Abgefallene ist. Aber diese Denkformeln können schon darum nicht als hinreichende Erklärungen für das verschiedene Denken über die Einheit der Kirche angesehen werden, weil
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Amerika
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es sich ja in ihnen selbst schon wieder um philosophischmethodische Forderungen aus theologischen Erkenntnissen handelt. Nominalistische und realistische Philosophie sind ohne den Hintergrund der Theologie nicht zu verstehen, können also keine grundsätzliche Interpretation der theologischen Frage vermitteln. Es ist allein die in der Heiligen Schrift geoffenbarte Wahrheit selbst, die zwischen
den vorhandenen
Unterschieden
entscheiden muß und kann. Auf Grund der Heiligen Schrift müssen sich die Kirchen voneinander befragen lassen. Die Kirche in Deutschland wird von den Denominationen in Amerika vor die Frage der Vielheit der Kirchen gestellt: was bedeutet die Tatsache der kirchlichen Zersplitterung? Ist nur eine Bekenntniskirche wahre Kirche, und können die amerikanischen Denominationen, schon weil sie größtenteils keine Bekenntniskirchen sind, nicht Kirche sein? Ist nur die Kirche eines bestimmten Bekenntnisses Kirche, der gegenüber andere Bekenntniskirchen falsche Kirchen sind?
Ist einer einzelnen Kirche auf Erden der Maßstab gegeben, an dem sie alle anderen Kirchen messen kann und muß zur Rechtfertigung oder zur Verdammnis? Bedeutet Vielheit von Kirchen
nur
Abfall,
gibt es hier nur
den unerbittlichen
Gegensatz von wahr und falsch? Ist die Einheit der Kirche nur durch das Bekenntnis gegeben oder wieweit begründet
faktisches gemeinsames Handeln auch Kirchengemeinschaft? Umgekehrt stellt die Kirche Jesu Christi in Deutschland die amerikanischen Denominationen vor die Frage nach der Einheit der Kirche auf Erden: darf man sich mit der Viel-
heit der Kirchen einfach abfinden als einer gegebenen und darum gottgewollten Tatsache? Kann es aber eine Einheit der Kirche anders geben als in der Einheit des Glaubens
und des Bekenntnisses zu dem Einen Herrn? Ist nicht alle Einheit im Handeln, in der Organisation nur eine Selbst-
täuschung, mit der die wirkliche Zerrissenheit im Glauben
Protestantismus
ohne Reformation
331
verdeckt wird? Ist nicht die Gleichgültigkeit oder Resignation gegenüber der Wahrheitsfrage eine Schuld, die zur Folge hat, daß die Kirche nun doch an organisatorischen, kultischen, politischen Gegensätzen zerfällt? Woran liegt es, daß gerade dort, wo die Bekenntnisfrage relativiert wird,
die Zersplitterung am größten ist? Ist nicht die Einheit der Kirche eben doch zu allererst Ursprung und erst dann Ziel? Man ruft uns von drüben zu: Ihr überschätzt das Denken, die Theologie, das Dogma; es ist nur eine von vielen
Äußerungen der Kirche und nicht einmal die wichtigste. Wir antworten: es geht nicht um das Denken, sondern um die Wahrheit des Wortes Gottes, auf das wir leben und ster-
ben wollen. Es geht um das Heil. Die Einheit der Kirche liegt gewiß nicht im menschlichen Denken, aber sie liegt auch nicht im menschlichen „Leben und Werk“ (Life and
Work!), sondern allein im Leben und Werk Jesu Christi, an dem wir glaubend teilbekommen. Einheit im Denken ist der Einheit im Werk nicht überlegen, aber Einheit im Glauben, der Bekenntnis
ist, bricht durch beides hindurch und
schafft erst die Voraussetzung gemeinsamen Denkens und Handelns. Dieses Gespräch kann hier nicht geführt werden. Es kann aber soviel gesagt werden:
Erstens: Die Einheit der Kirche ist sowohl Ursprung wie Ziel, sowohl Erfüllung wie Verheißung, sie gehört in den Glauben wie in die Heiligung. Wo die Einheit der Kirche als Ursprung
vergessen wird, da treten menschliche
gungsorganisationen
an
die Stelle der Einheit
Eini-
in Jesus
Christus, da tritt der Zeitgeist, der auf Vereinheitlichung
gerichtet ist, an die Stelle des Heiligen Geistes, der nur in der Wahrheit eint, da verdrängt menschliches „Leben und Werk“ das Leben und Werk Jesu Christi. Umgekehrt, wo
die Einheit der Kirche als Ziel vergessen wird, dort erstarren die lebendigen Gegensätze, dort wird das Wirken
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Amerika
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des Heiligen Geistes, der die Verheißung der Einheit der Kirche wahr machen will, nicht mehr ernst genommen, und
es tritt an die Stelle der göttlichen Einheit der Kirche ein separatistischer pharisäischer Anspruch. Wo aber Einheit als Ursprung und Ziel in gleicher Weise ins Auge gefaßt wird, dort wächst auf dem Grunde des Lebens und Werkes Jesu Christi, in dem alle Einheit der Kirche erfüllt ist, das Leben
und Werk der Christenheit, das die Einheit der zersplitterten Kirche sucht und findet.
Zweitens: Der Anspruch, Kirche Jesu Christi zu sein, hat nichts mit pharisäischem Dünkel zu tun; er ist vielmehr eine Erkenntnis, die demütigt, weil sie in die Buße treibt.
Kirche ist die Kirche der Sünder und nicht die der Gerechten. Es kann in dem Verzicht auf den kirchlichen Anspruch mehr Selbstgerechtigkeit liegen als in dem Anspruch selbst. Es kann darin die falsche Demut verborgen sein, die etwas Besseres und Frömmeres will als die Kirche, die Gott aus
den Sündern erwählt hat. Das denominationelle Selbstverständnis schützt nicht vor geistlichem Hochmut. Umgekehrt muß sich das kirchliche Selbstverständnis immer wieder zur
Buße und Demut
rufen lassen. Es bleibt immerhin
eine
Tatsache, daß nicht der Begriff der Denomination, sondern der der Kirche neutestamentliche Legitimität besitzt. Drittens: Die Einheit der Kirche als Verheißung, als Zukunft, als Frucht der Heiligung ist ein Werk des Heiligen Geistes. Weder durch theologische Diskussion noch durch
gemeinsames Handeln wird diese Einheit erzwungen. Wir wissen aber, daß Gott sowohl auf dem Wege gemeinsamen Erkennens, wie auf dem Wege gemeinsamen Handelns die Kirchen zueinander finden läßt, und daß oft erst durch gemeinsames Handeln gemeinsames Erkennen geschenkt wird, wie durch gemeinsames Erkennen gemeinsames Handeln. Es
gibt keine Methoden, zur Einheit der Kirche zu gelangen, sondern nur den ganzen Gehorsam gegen den Heiligen
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333
Geist, der uns zu gemeinsamem Erkennen, Bekennen, Tun
und Leiden führt. Viertens:
Die besondere
Schwierigkeit
der Verständigung
zwischen den Kirchen der Reformation und den amerikanischen Denominationen besteht darin, daß sie sich nicht ohne
weiteres auf der Ebene der Bekenntnisfrage begegnen können, eben weil das Bekenntnis nicht das konstitutive Mo-
ment der Denomination ist, während umgekehrt das ökumenisch allein relevante Moment der Reformationskirchen ihr Bekenntnis ist. Der Kultus, die Liturgie, das Gemeindelieben, die Verfassung stehen dort an derselben Stelle, an
der für uns das Bekenntnis steht. Aus eben diesem Grunde aber ist diese Begegnung so fruchtbar, weil durch sie die ganze kirchliche, bzw. die ganze denominationelle Existenz in Frage gestellt wird. Wer die amerikanischen Denominationen zuerst und allein auf ihr Bekenntnis hin befragt, fragt
ebenso unwesentlich wie derjenige, der die Reformationskirchen zuerst und allein nach ihrer Verfassung, nach ihrem Verhältnis zum Staat fragt. Aus den wesentlichen Fragen
nach dem anderen aber folgt eine ungeahnte Bereicherung für die eigene Kirche. Es erschließt sich dem einen die ganze Fülle gottesdienstlicher, liturgischer Gestalt, aktiven Ge-
meindelebens, reicher Erfahrungen der Bedeutung der kirchlichen Verfassung; es erschließt sich dem anderen die Dringlichkeit der Wahrheitsfrage, der Reichtum christlicher Erkenntnis im Bekenntnis der Kirche und — was die Hauptsache ist — es werden durch diese Begegnung beide in die Demut getrieben, die nicht von der eigenen Gestalt, sondern
von Gottes Gnade allein das Heil erwartet. Es ist für die amerikanischen Denominationen eine schwere Aufgabe, den Kampf um eine Bekenntniskirche recht zu verstehen; und
es ist für die Kirchen der Reformation nicht weniger schwer, den Weg einer amerikanischen Denomination zu begreifen. Aber gerade weil hier die gemeinsame Ebene für eine Be-
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Amerika
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gegnung zu fehlen scheint, wird der Blick frei für die einzige Ebene, auf der Christen einander begegnen können, für die Heilige Schrift. IHl,
Zuflucht der Christen Die Geschichte der Kirche Jesu Christi in Amerika hat ihre
Besonderheit vor der Geschichte aller anderen Kirchen auf Erden darin, daß Amerika von Anfang an die Zufluchts-
stätte der verfolgten Christen des europäischen Kontinents gewesen ist. Amerika ist seit dem 17. Jahrhundert das Asyl für die Opfer religiöser Intoleranz, für die, die nun in Freiheit ihrem Gottesdienst leben wollten. Zugleich ist Amerika
bewußt
„protestantisches“
Land.
Von
jeher hat
der Gedanke einer besonderen Vorsehung, die die Entdekkung Amerikas bis zur Entstehung des Protestantismus aufbewahrt hat, die Amerikaner gefesselt. So ist Amerika das einzige Land, in dem der Begriff des „Protestantismus“ kirchengeschichtliche Bedeutung und Wirklichkeit gewonnen hat; denn nicht das Land der lutherischen oder reformierten Kirche, sondern eben des „Protestantismus“ in seiner ganzen denominationellen Breite will Amerika sein. Man
wird sagen dürfen, daß die Lutheraner Amerikas vielleicht am allerwenigsten dem Protestantismus Amerikas entsprechen. Amerika als die Zufluchtsstätte verfolgter „Protestan-
ten“, das ist die kirchengeschichtliche Eigenart und das noch heute lebendige kirchengeschichtliche Selbstverständnis der amerikanischen Christenheit. Am Anfang eines großen Teils der amerikanischen Denominationen steht die freiwillige oder erzwungene Flucht und ihre ganze christliche Problematik. Ausharren und Fliehen in Zeiten der Verfolgung sind seit den Tagen der Apostel durch die ganze Kirchengeschichte hindurch zwei
Protestantismus
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christliche Möglichkeiten gewesen. Ausharren bis zum letzten Widerstand
kann
geboten,
Fliehen
erlaubt, vielleicht
auch geboten sein. Die Flucht des Christen in der Verfolgung bedeutet an sich noch nicht Abfall und Schande; denn Gott ruft nicht jeden in das Martyrium. Nicht fliehen, sondern verleugnen ist Sünde, wobei zu sagen ist, daß es eine Lage geben kann, in der die Flucht der Verleugnung gleichkommt, wie umgekehrt die Flucht selbst ein Stück des
Martyriums sein kann. Die protestantischen Flüchtlinge, die in das unbekannte Amerika fuhren, kamen nicht in ein Paradies, sondern in härteste Arbeit. Sie nahmen den Kampf der Kolonisation auf sich, um ihrem Glauben in Freiheit kampflos leben zu können. Von hier aus fällt ein Licht
auf das Schicksal des christlichen Flüchtlings. Er hat das Recht für sich in Anspruch genommen, dem letzten Leiden zu entgehen, um in Stille und Frieden Gott dienen zu können. An der Stätte der Zuflucht aber hat die Fortsetzung
des Kampfes nun kein Recht mehr. Hier finden sich Protestanten
aller Bekenntnisse
zusammen,
die den Verzicht
auf den letzten Kampf um das Bekenntnis schon geleistet haben. Im Asyl hat der Streit keinen Raum mehr. Konfessionelle Schärfe und Intoleranz muß für den aufhören, der sich selbst der Intoleranz entzogen hat. Der christliche
Flüchtling hat mit seinem Recht auf Flucht das Recht auf Kampf verwirkt. So jedenfalls versteht es der amerikani-
sche Christ. Gewiß ist es auch in Amerika kirchlich nicht immer kampflos zugegangen, es ist auch dort noch zu schweren Verfolgungen gekommen, besonders in der An-
fangszeit. Aber der tiefe Abscheu, auf den zuletzt doch immer wieder jede konfessionelle Diskriminierung in der amerikanischen Christenheit gestoßen ist, wird sich ganz we-
sentlich aus dem christlichen Flüchtlingsrecht, aus dem Asylcharakter Amerikas erklären. Für die erste Flüchtlingsgeneration ist der Weg nach Ame-
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Amerika
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rika eine Entscheidung des Glaubens für das ganze Leben gewesen. Für sie ist der Verzicht auf den konfessionellen Kampf darum eine erkämpfte christliche Möglichkeit. Eine
Gefahr entsteht aber hier für die kommenden Generationen, die in diese kampflose Situation hineingeboren werden, ohne daß für sie die Lebensentscheidung dahinter steht. Sie müssen früher oder später ihre Lage mißverstehen. Was für die Väter ein mit dem Lebenseinsatz errungenes Recht ihres christlichen Glaubens war, wird den Söhnen zu einer allgemeinen christlichen Regel. Der Kampf um das Bekenntnis, um dessentwillen die Väter flohen, ist für die Söhne zu einem an sich unchristlichen Ding geworden. Die Kampflosigkeit wird für sie christlicher Normal- und Idealzustand. Es ist kein errungener, sondern ererbter Friede, in dem die Nachkommen der Flüchtlinge aufwachsen.
So wird der Begriff der Toleranz für die amerikanische Christenheit zum Grundbegriff alles Christlichen. Jede In-
toleranz ist an sich unchristlich. Nicht für einen konfessionellen Kampf als solchen, sondern für die Opfer eines solchen Kampfes
bringt man
darum
Verständnis
und Teil-
nahme auf. Das muß für die Opfer selbst, denen es nicht zuerst um ihr persönliches Schicksal, sondern um die Wahrheit ihrer Sache geht, unbefriedigend bleiben. Der Verzicht auf das letzte Austragen der Wahrheitsfrage bleibt für den
christlichen Flüchtling sein Leben lang die härteste Aufgabe. Christlich überzeugend kann für ihn in Amerika nur der tiefe Ernst und die unbegrenzte Weite der Teilnahme und des Asylrechtes in dem Land seiner Zuflucht werden.
Sein Verlangen nach Entscheidung für die Wahrheit gegen ihre Verfälschung bleibt unerfüllt und muß es bleiben. Es ist zuletzt die Treue gegen die eigene Kirchengeschichte, die
in dieser eigenartigen Relativierung der Wahrheitsfrage im Denken und Handeln der amerikanischen Christenheit zum Ausdruck kommt.
Mit E. Bethge und H. Traub nach der Rückkehr aus Amerika August
1939
Auswärtiges Amt
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Dieser Kurierausweis und das .Kuriergepäck sind bei der deutschen Auslandsvertretung des Zielortes abzugeben, von der der Kurlerausweis an die Kurierabferiigung des Auswürtigen Amts zurückzusenden Ist,
Kurierausweis
Dietrich
Bonhoeffers
Protestantismus
ohne
Reformation
337
III.
Die Freiheit
Amerika nennt sich das Land der Freiheit. Es versteht heute darunter das Recht des Individuums auf unabhängiges Denken, Reden und Handeln.
In diesem Rahmen
ist
die religiöse Freiheit für den Amerikaner ein selbstverständlicher Besitz. Die Predigt der Kirche, ihre Organisation, das Leben der Gemeinden kann sich in voller Unabhängigkeit und Ungestörtheit entfalten. Auf den Kanzeln ist das Lob dieser Freiheit allerorts zu hören, verbunden
mit der schärfsten Verurteilung jeder irgendwo geschehenden Beschränkung solcher Freiheit. Freiheit bedeutet also hier die Möglichkeit, und zwar die der Kirche von der Welt
gebotene Möglichkeit der unbehinderten Wirksamkeit. Wird aber die Freiheit der Kirche wesentlich als diese Mög-
lichkeit verstanden, dann ist ihr Begriff noch unerkannt. Freiheit der Kirche ist nicht dort, wo sie Möglichkeiten hat, sondern allein dort, wo das Evangelium sich wirklich und in eigener Kraft Raum auf Erden schafft, auch
und gerade wenn ihr keine solchen Möglichkeiten angeboten sind. Die wesentliche Freiheit der Kirche ist nicht eine Gabe der Welt an die Kirche, sondern sie ist die Freiheit des Wortes Gottes selbst, sich Gehör zu verschaffen. Freiheit der
Kirche ist nicht die unbegrenzte Fülle der Möglichkeiten, sondern sie ist nur dort, wo ein „Muß“, eine Notwendigkeit
gegebenenfalls gegen alle Möglichkeiten sie erzwingt. Das Lob der Freiheit als der der Kirche von der Welt gebotenen Möglichkeit der Existenz kann gerade aus einer mit dieser
Welt eingegangenen Bindung herkommen, in der die echte Freiheit des Wortes Gottes preisgegeben ist. So kann es kommen,
daß eine Kirche, die sich ihrer Freiheit als einer
von der Welt angebotenen Möglichkeit rühmt, der Welt in besonderer Weise verfällt, daß also gerade eine freie Kirche
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Amerika
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in diesem Sinne schneller säkularisiert als eine Kirche, die die Freiheit als Möglichkeit nicht besitzt. Das amerikanische Lob der Freiheit ist eher ein Lob, das der Welt, dem Staat,
der Gesellschaft gezollt wird, als eine Aussage über die Kirche. Solche Freiheit mag ein Zeichen dafür sein, daß die
Welt in Wahrheit Gott gehört. Ob sie ihm aber in Wirklichkeit gehört, das eben hängt nicht von jener Freiheit als Möglichkeit, sondern von der Freiheit als Wirklichkeit, als Nötigung, als faktisches Geschehen ab. Freiheit als institu-
tioneller Besitz ist kein wesentliches Prädikat der Kirche. Sie kann eine der Kirche durch Gottes Vorsehung zugeteilte gnädige Gabe sein; sie kann aber auch die große Versu-
chung sein, der die Kirche erliegt, indem sie ihre wesentliche Freiheit der institutionellen Freiheit opfert. Ob die Kirchen Amerikas wesentlich frei sind, das kann nur die faktische
Verkündigung des Wortes Gottes entscheiden. Nur wo dieses Wort in Gericht, Gebot und Begnadigung des Sünders
und Befreiung von allen Menschensatzungen mitten in der geschichtlichen Wirklichkeit konkret gepredigt werden kann, ist Freiheit der Kirche. Wo aber der Dank für die institutionelle Freiheit durch ein Opfer der Freiheit der Verkündigung abgestattet werden muß, dort ist die Kirche in Ketten, auch wenn sie sich frei glaubt.
PV%
Kirche und Staat Nirgends ist der Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat von so allgemeiner, fast dogmatischer Bedeutung geworden wie in der amerikanischen Christenheit; und wohl nirgends ist andererseits die Beteiligung der Kirchen an den politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Vorgängen des öffentlichen Lebens so lebendig und bestim-
Protestantismus
ohne
Reformation
339
mend wie in dem Lande, in dem es keine Staatskirche gibt. Das scheint ein Widerspruch zu sein, dessen einzige Erklärung in der Eigenart der amerikanischen Kirche und Staat zu finden ist.
Trennung
von
Nicht immer waren in Amerika Kirche und Staat getrennt. Im 17. Jahrhundert waren in Neuengland die Kongregatio-
nalisten, in Virginia die Anglikaner, in Maryland die Katholiken Staatskirche. Doch handelt es sich dabei eher um kirchlich kontrollierte Staatswesen als um staatlich kontrollierte Kirchen. Erst mit der Begründung der Bundes-
regierung nach der amerikanischen Revolution hören allmählich die staatskirchlichen Privilegien auf; denn die Union ist grundsätzlich religionslos. Die Religionsfragen werden den einzelnen
Staaten
überlassen.
In eben diesen Jahren
beginnen die ersten großen überstaatlichen Zusammenschlüsse der Denominationen. 1784 bilden die Methodisten die Episcopal-Methodist Church. 1788 die Presbyterianer die General Assembly, 1789 schließen sich die Anglikaner, freilich bis heute ohne die Wahl eines Erzbischofs, zusammen. Der politischen Unionsbewegung entsprechen diese kirchlichen Unionen. Mit dem 19. Jahrhundert ist die völlige Trennung
von Kirche und Staat vollzogen und allgemein anerkannt. Nicht nur die Union, sondern auch die Staaten sind reli-
gionslos. Es gibt keine öffentliche Religionsstatistik, es gibt in den staatlichen
Schulen
keinen
Religionsunterricht,
es
gibt bei der Besetzung der Staatsstellen keine Befragung nach dem Bekenntnis. Dies. alles geschieht ursprünglich im Einvernehmen mit den Denominationen; denn es wird so das konkurrierende Proselytenmachen an den staatlichen Institutionen, insbesondere an den Schulen, ferngehalten. Außer-
dem beherrschte der denominationelle Einfluß noch so vollständig das Leben der Christen, daß man auf staatliche Hilfe verzichten konnte. Vor allem aber kam in der Religionslosigkeit des Staates ein Tatbestand zum Ausdruck,
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Amerika
1939
der für die amerikanische Christenheit von fundamentaler Bedeutung war, daß nämlich der Staat seine Grenzen hat an
den Kirchen. Die Religionslosigkeit des Staates war von hier aus gesehen nicht ein Triumph säkularer Gewalten über das Christentum, sondern genau umgekehrt der Sieg der
Kirche über jeden grenzenlosen Anspruch des Staates.
Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der ursprünglichen Bedeutung der amerikanischen Trennung von Kirche und Staat, wie auch der amerikanischen Verfassung. Obwohl fast gleichzeitig und nicht ohne politischen Zusammenhang
unterscheidet sich die amerikanische Revolution von der französischen aufs tiefste. Nicht die Humanität oder die Menschenwürde, sondern das Reich Gottes und die Begrenzung aller irdischen Gewalt begründet die amerikanische Demokratie. Es ist bezeichnend, wenn bedeutende Hi-
storiker Amerikas sagen können, die Bundesverfassung sei von Männern geschrieben worden, die um die Erbsünde wußten. Die menschlichen Gewalthaber, aber auch das Volk
selbst werden um der Bosheit des menschlichen Herzens und um der alleinigen Souveränität Gottes willen in ihre Schranken gewiesen. Mit diesem dem Puritanismus entstammenden Gedanken verbindet sich dann freilich der andere, vom Spiritualismus herkommende, daß das Reich Gottes auf Erden nicht vom Staat, sondern allein von der Gemeinde
Jesu Christi gebaut werden könne. Damit empfängt die Kirche einen klaren Vorrang vor dem Staat. Die Kirche proklamiert die Prinzipien der gesellschaftlichen und politischen Ordnung, der Staat leiht nur die technischen Mittel, sie zu
verwirklichen. Diese ursprünglich und wesentlich verschiedenen Begründungen der Demokratie durch den Puritanismus und den Spiritualismus gehen bald fast unmerklich ineinander über; und es ist der letztere, der für das allge-
meine Denken der amerikanischen Christenheit bestimmender wird als der erste. Christians nowadays think in
Protestantismus
ohne
Reformation
341
terms of christian principles (Der Bereich der Kirche) and of technical policies whereby they can be put into practice
(der Bereich des Staates) (W. A. Brown)!. Der fundamentale Unterschied dieses Verhältnisses von Staat und Kirche zu den reformatorischen liegt auf der Hand. Die amerikanische Trennung von Kirche und Staat beruht nicht auf der Lehre von den zwei Ämtern oder den zwei Reichen,
die von
Gott geordnet bis ans Ende
der Welt
bleiben werden, jeder in seinem eigenen von dem anderen grundsätzlich unterschiedenen Dienst. Die Würde des Staates, die in der reformatorischen Lehre so stark wie nirgends sonst herausgearbeitet wird, verblaßt für das amerikanische Denken. Das Gegenüber von Staat und Kirche wird zu einem Subordinationsverhältnis, wobei der Staat nur die Exekutive
der Kirche wird. Staat ist wesentlich technische Organisation und Verwaltungsapparat. Aber die Würde des göttlichen Schwertamtes „den Bösen zur Rache, den Guten zum Lohne“ scheint verloren. Es ist die schwärmerische Lehre vom Staat,
dessen Bestimmung es ist, schon auf dieser Erde in die Kirche aufzugehen, die das amerikanische Denken regiert, die aber zugleich der amerikanischen Demokratie eine feste christ-
liche Begründung liefert. Man wird sich Gedanken darüber machen müssen, warum es auf dem europäischen Kontinent niemals gelungen ist, eine Demokratie christlich zu fundamentieren, daß vielmehr Demokratie und Christentum auf unserem Kontinent immer in irgendeinem Gegensatz zuein-
ander gesehen werden, während in Amerika die Demokratie als die schlechthin christliche Staatsform verherrlicht werden kann. Man wird zur Beantwortung dieser Frage daran erinnern müssen, daß es die Verfolgung und Austreibung der Spiritualisten gewesen ist, durch die der europäische 1. Die Christen denken heute im Schema christlicher Grundsätze und technischer Methoden, wodurch dieselben verwirklicht werden können.
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Kontinent diese Möglichkeit für sich ausgeschieden hat. Das Land aber, das den Schwärmern Gastrecht gewährte, ist bis
in das politische Denken hinein von ihnen fruchtbar bestimmt worden. Es liegt an der Eigenart des Verhältnisses von Kirche und Staat in Amerika, daß trotz der grundsätzlichen Trennung beider Institutionen der Konfliktstoff nicht aus dem Wege geräumt ist. Die Kirche beansprucht für sich das Recht, in
sämtlichen Dingen des öffentlichen Lebens das Wort zu ergreifen und zu handeln, da ja nur so das Reich Gottes ge-
baut werden kann. Dabei wird die Unterschiedenheit der Ämter grundsätzlich nicht anerkannt. Das staatliche wie das gesamte Öffentliche Leben gehören unterschiedslos unter das Urteil der Kirche; und es kann keine bedeutungsvolle Ent-
scheidung in der Öffentlichkeit geben, in der nicht die Kirche ihre Stimme zu erheben und Parolen auszugeben hätte. So sind von den amerikanischen Kanzeln meistens thematische Auseinandersetzungen mit bestimmten öffentlichen Ereignissen oder Zuständen zu hören. Ein Blick in den Kirchenzettel
New Yorks genügt, um sich davon zu überzeugen. Es wäre aber ein Fehlurteil, wollte man diesen Predigttypus nur als Säkularisationserscheinung werten. Zwar ist er das auch,
aber dahinter steht der alte spiritualistische Anspruch, in Öffentlichkeit und Sichtbarkeit das Reich Gottes zu bauen.
Die europäisch-kontinentale kirchliche Säkularisierung entsprang aus der — mißdeuteten — reformatorischen Unterscheidung der zwei Reiche; die amerikanische Säkularisierung entspringt gerade aus der mangelnden Unterscheidung der Reiche und Ämter
des Staates
und
der Kirche,
aus
dem schwärmerischen Anspruch der Kirche auf universale Weltgestaltung. Das ist ein bedeutsamer Unterschied. Während für die reformatorischen Kirchen die Lehre von den zwei Reichen einer neuen Prüfung und Korrektur bedarf, müssen die amerikanischen Denominationen heute die Not-
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wendigkeit dieser Unterscheidung lernen, wenn sie von der völligen Säkularisierung gerettet werden sollen. Die Lehre, die wir aus der Kenntnis
des amerikanischen
Kirchentums gewinnen können, ist diese: eine staatsfreie Kirche ist vor der Säkularisierung nicht geschützter als eine Staatskirche. Die Welt droht ebenso von der Bindung wie von der Freiheit her in die Kirche einzubrechen. Es gibt keine Gestalt der Kirche, die als solche grundsätzlich vor
der Säkularisierung bewahrt. Folgende Aufzählung von Entscheidungen im Gebiete des öffentlichen und politischen Lebens, die ein Rechenschaftsbericht des General Council der Presbyterianer ausweist, ist bezeichnend für die Lage der Dinge in Amerika; und es ist
zugleich zu beachten, daß es sich hier nicht um eine spiritualistische Denomination, sondern um die in ihrer Lehre von Staat und Kirche reformierten Presbyterianer handelt: Ausgangspunkt des Berichtes ist die Bestreitung des staat-
lichen Rechtes, die religiöse Freiheit zu beschränken. Der Vertrag der Regierung mit Uruguay in dieser Angelegenheit
wird gutgeheißen. Es wurden ferner Schritte getan für die Kolonisierung amerikanischer Neger in Afrika, ein neues Ehe- und Scheidungsgesetz wird gefordert, ebenso Impfgesetze und Frauenwahlrecht. Es wird Stellung genommen
gegen Glücksspiele, Lotterien und Pferderennen, gegen die Lynchjustiz. Die Regierung wird gebeten, Liberia als unab-
hängige Republik anzuerkennen; bessere Rassenbeziehungen, Alterspensionen und Arbeitslosenunterstützung. Vereinfachung des Gerichtsverfahrens in Zivilsachen wird gefordert. Weitere allgemein in Kirchenkonferenzen verhandelte
Punkte sind der Weltgerichtshof, Abrüstung, Naturalisationsgesetze etc. Dem entspricht eine kongregationalistische Äußerung: „we have stood resolutely for the separation
of state and church but with equal insistence have we stood for the continuous impact of the church upon the state“
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(zit. bei W. A. Brown)!. Brown faßt die Stellung der amerikanischen Denominationen zum Staat in drei Punkten zusammen: 1. alle erklären die Trennung von Staat und Kirche als Voraussetzung; 2. alle erkennen die Obrigkeit als von Gott gesetzt an; 3. alle nehmen für sich das selbstverständliche Recht in Anspruch, in sozialen, politischen, ökonomischen Fragen mitzusprechen, sofern darin allgemeine
ehtische Fragen mitenthalten sind. Zwei Fragen von besonderer Bedeutung bilden z. Z. starken Konfliktsstoff zwischen Staat und Kirche in Amerika. Erstens die Schulfrage, zweitens die Friedensfrage. Die Schulfrage: Die religionslose staatliche Schule bereitet den Denominationen heute ernste Sorge. Was einst von der Kirche gebilligte Begrenzung der staatlichen Gewalt (limitation of power) war, beginnt nun zu einem Instrument gegen
die Denominationen zu werden. Je mehr sich die erzieherischen Aufgaben der Schule heute erweitern, desto mehr sehen sich die Denominationen vor die Notwendigkeit gestellt, ihr Wort dazu zu sagen. Es ist heute möglich, daß
auf einer staatlichen Schule bewußt gegen die Kirche gesprochen wird, während es unmöglich ist, dort im Namen der Kirche zu sprechen. So geht jetzt wieder eine starke Strömung gegen die Religionslosigkeit der Schulen durch die amerikanische Christenheit. Es sind bezeichnenderweise allein die Lutheraner unter den Protestanten, die von An-
fang an gegen die religionslose Schule gestanden und eigene konfessionelle Schulen unterhalten haben. Das ist um so bemerkenswerter, als gerade die amerikanischen Lutheraner
es sind, die sich niemals die spiritualistische Auffassung des Verhältnisses von Staat und Kirche zu eigen gemacht und sich wie keine andere der großen Denominationen von jedem 1. Wir haben uns stärkstens eingesetzt für die Trennung von Staat und Kirche, aber mit gleicher Kraft bestanden wir auf der ständigen Einflußnahme der Kirche auf den Staat.
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Eingriff in staatliches Gebiet enthalten haben. Sie allein sind es, welche die Schule der Kirche vorbehalten haben und noch heute ihre eignen Schulen, wenn auch mit doppelten Schulgeldern, unterhalten. Die Friedensfrage betrifft in Amerika besonders das Pro-
blem des Waffendienstes der Christen und Geistlichen verschiedener Denominationen. Unter drei Bedingungen kann heute in den Vereinigten Staaten Befreiung vom Waffendienst eintreten: erstens bei Mitgliedschaft in einer Kirche, die den Kriegsdienst aus Gründen der christlichen Überzeugung ablehnt (Quäker u. a.); zweitens bei Mitgliedschaft in einer Kirche, die dem „conscientious objector‘‘ (Kriegs-
dienstverweigerer aus Gewissensgründen) gleiches Recht einräumt (d. h. Protestant Episcopal seit 1936, Methodist Episcopal seit 1932, Northern Baptist seit 1934, Unitarier seit
1936); drittens bei Berufung auf die persönliche Gewissensüberzeugung. Die Entscheidung hängt im Einzelfall davon
ab, ob das persönliche Verhör klar ergibt, daß wirklich allein religiöse oder gewissensmäßige Motive für die Verweigerung bestimmend sind. Der Kampf um diese Frage ist in den letzten 10 Jahren besonders heftig geführt worden. Eine Frage geringerer Bedeutung bezieht sich auf das Aufstellen der amerikanischen Flagge in den Kirchen, das besonders während der Kriegsjahre üblich wurde und uns heute weithin begegnet. Rundfragen haben ergeben, daß es der Wunsch der Laien mehr als der der Pastoren ist, daß
dieser Brauch beibehalten wird. Immerhin überrascht er in dem Lande der Trennung von Kirche und Staat. Die stärkste Einwirkung der Kirche auf den Staat vollzieht sich nun in Amerika nicht durch die Gemeinde und die Kanzel, sondern durch die bedeutende Macht der freien christlichen, nicht denominationell gebundenen Vereine. Das
Bild der amerikanischen Christenheit wird nicht erfaßt ohne dieses entscheidende Bindeglied zwischen Gemeinde und öf-
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fentlichem Leben. Es handelt sich dabei um private Vereinigungen, die von einzelnen Christen ins Leben gerufen sind mit irgendeiner bestimmten Zielsetzung innerhalb der Arbeit für das Reich Gottes in Amerika. Große finanzielle Opfer werden für diese Einrichtungen gebracht, mit denen die entsprechenden europäischen Vereinigungen in ihrem Ausmaß und ihrem Einfluß gar nicht verglichen werden können. Da sind Vereine für Evangelisation, für soziale Zwecke, der Y.M.C.A. (Christl. Verein junger Männer) und der Y.W.C.A. (Christl. Verein junger Mädchen), Vereine für Mäßigkeit und Abstinenz, für Sonntagsheiligung, für Gefängnisreform,
für den Kampf gegen das Laster, für Arbeitslosenhilfe, für Verbesserung der Rassenbeziehungen,
insbesondere für die
Förderung der Lebensbedingungen der Neger, ferner eine überwältigende Anzahl von Friedensbewegungen u. a. mehr. Es ist im wesentlichen der zähen Arbeit der hauptsächlich von Methodisten getragenen Women’s Christian Temperance Union und der Anti-Saloon League, die von allen Denominationen außer den Lutheranern und Episkopalen unter-
stützt wird, gelungen, die Prohibitionsgesetzgebung im 18. Amendment durchzusetzen. In diesem Zusammenhang hat die Christenheit Amerikas jedoch eine eigenartige und vielleicht höchst folgenschwere Erfahrung gemacht. Sie hat er-
kennen müssen, daß die Übertragung christlicher Prinzipien auf das staatliche Leben zu einem katastrophalen Zusam-
menbruch geführt hat. Das Prohibitionsgesetz ist es gewesen, das dem Verbrechertum in den großen Städten einen nie dagewesenen Auftrieb gegeben hat. Ein „christliches“ Gesetz hat dem Staat zum Verderben gereicht und mußte — mit dem Einverständnis der Kirchen — zurückgenommen werden. Die Tatsache hat den amerikanischen Christen zu denken gegeben, wie sie auch uns zu denken geben muß.
Protestantismus
ohne
Reformation
347
V.
Die Negerkirche Die Rassenfrage ist für die amerikanische Christenheit seit
den Anfängen ein echtes Problem. Heute ist etwa jeder zehnte Amerikaner ein Neger. Die Abwendung der jungen
aufstrebenden Negergeneration von dem Glauben der Alteren, der ihr in seiner stark eschatologischen Ausrichtung als ein Hindernis für den Fortschritt ihrer Rasse und ihrer Rechte erscheint, ist eins der bedrohlichen Zeichen einer Schuld der Kirche in vergangenen Jahrhunderten und ein schweres Zukunftsproblem. Wenn es dahin gekommen ist, daß der „schwarze Christus“ (black Christ) heute von einem jungen Negerdichter gegen den „weißen Christus“ ins Feld geführt werden muß, dann zeigt das eine tiefe Zerstörung in der Kirche Jesu Christi an. Es darf nicht übersehen werden, daß viele weiße Christen durch einflußreiche Organisa-
tionen ihr möglichstes für ein besseres Verhältnis der Rassen zueinander tun und daß einsichtige Neger die großen Schwie-
rigkeiten anerkennen. Dennoch ist das Bild einer rassisch zerrissenen Kirche heute noch allgemein in den Vereinigten Staaten. Schwarze und Weiße treten getrennt unter das Wort und
zum Sakrament. Sie haben keinen gemeinsamen Gottesdienst. Geschichtlich liegt dem folgende Entwicklung zugrunde: Bei der Ankunft der ersten größeren Transporte von Negern in Amerika, die man sich als Sklaven aus Afrika geraubt hatte, bestand unter den weißen Sklavenhaltern eine
allgemeine Ablehnung des Gedankens einer Christianisierung der Neger. Man begründete die Sklaverei mit dem Heiden-
tum der Neger. Die Taufe aber würde die Zulässigkeit der Sklaverei in Frage stellen und den Negern unerwünschte Vorteile und Rechte bringen. Erst auf einen fatalen Beruhigungsbrief des Bischofs von London hin, in dem dieser den weißen Herren versichert, daß sich durch die Taufe nicht
348
Amerika
1939
das Geringste in den äußeren Bedingungen der Neger zu ändern brauche, daß die Taufe eine Befreiung von Sünde und
böser Lust,
aber durchaus
nicht von
der Sklaverei
und irgendwelchen äußeren Fesseln bedeute, fanden sich die Sklavenhalter
bereit, dem Evangelium
unter
den Negern
Eingang zu gewähren. Schließlich war ja auch damit wieder der Vorteil verbunden, die Sklaven besser unter Aufsicht zu haben, als wenn man sie weiterhin ihren eigenen heid-
nischen Kulten überließ. So kam es, daß die Neger Christen wurden und zu den Gottesdiensten der Weißen auf der Galerie und zu Abendmahlsfeiern als letzte Gäste zugelas-
sen wurden. Irgend eine weitere Beteiligung am Gemeindeleben war ausgeschlossen; die Amter der Gemeinde und die Ordination blieb den Weißen vorbehalten. Unter diesen Umständen wurde der gemeinsame Gottesdienst für die Neger immer mehr zu einer Farce; und nach dem völligen Fehlschlagen aller Versuche, in der Gemeinde Jesu Christi als gleichwertige Glieder anerkannt zu werden, setzte von den Negern aus ein Bestreben ein, sich in eigenen Negergemeinden zu organisieren. Es war ein erzwungen freiwilliger Ent-
schluß, der die schenfällen hat die Aufhebung ganisation der
Neger hierzu führte. Eine Anzahl von Zwibesonders in der Zeit des Bürgerkrieges, der der Sklaverei brachte, die selbständige OrNegerkirchen entstehen lassen. Seitdem sind
die großen Denominationen gespalten, ein bezeichnendes Bei-
spiel für eine Denominationsbildung in den Vereinigten Staaten. Der stärkste Beitrag der Neger für die amerikanische Christenheit liegt in den geistlichen Negerliedern („Negro spirituals“), in denen Not und Befreiung des Volkes Israel („Go down, Moses...“), Elend und Trost des menschlichen Herzens („Nobody knows the trouble I have seen“), die Liebe zum Erlöser und Sehnsucht nach dem Himmelreich („Swing low, sweet chariot...“) zum ergreifenden Ausdruck
kommen. Jeder weiße Amerikaner kennt, singt und liebt
Protestantismas
ohne
Reformation
349
diese Lieder. Es ist schwer begreiflich, daß große Negersänger vor überfüllten Konzertsälen der Weißen diese Lieder singen und beispiellosen Beifall finden können, und daß gleichzeitig denselben Männern und Frauen durch soziale Diskri-
minierung der Zugang zu der Gemeinschaft
der Weißen
verschlossen bleibt. Man wird außerdem sagen dürfen, daß nirgends die Erweckungspredigt noch so lebendig und verbreitet ist wie bei den Negern, daß hier wirklich das Evangelium von Jesus Christus, dem Heiland der Sünder, ge-
predigt und mit großer Empfänglichkeit und spürbarer Bewegung aufgenommen wird. Das Negerproblem ist eine der entscheidenden Zukunftsaufgaben der weißen Kirchent.
YI,
Die Theologie Es wird nach dem Gesagten nicht mehr verwunderlich sein,
daß von der Theologie hier an letzter Stelle gesprochen wird. Es soll damit nicht gesagt sein, daß die amerikanische
Theologie an sich unbedeutend sei. Es gibt aber dem Tatbestand Ausdruck, daß die Denominationen Amerikas nicht
in erster Linie aus ihrer Theologie, sondern aus ihrem Gottesdienst, ihrer praktischen Gemeindearbeit und ihrer öffentlichen Wirksamkeit zu verstehen sind. Das gilt in ähnlicher Weise von fast allen angelsächsischen Kirchen und bedeutet für uns eine große Schwierigkeit. Keiner wird diesen Kirchen gerecht, solange er sie nach ihrer Theologie beurteilt. Die gottesdienstliche, amtliche und gemeindliche Ordnung
und Tradition hat hier ein solches Schwergewicht, daß auch 1. Es ist auch in Amerika wenig bekannt, daß es die Lutheraner in Fort Christiana waren, die im Jahre 1638 als die ersten in Amerika in ihrer Kolonie Sklaverei verboten und 1642 die religiöse Toleranz für Afrika erklärten!
350
Amerika
1939
eine schlechte Theologie nicht allzu viel Schaden tun kann. Es ist aber nicht nur der — geistesgeschichtlich gesehen — konservative Hintergrund, der diesen eigentümlichen Sachverhalt erklärt, sondern es offenbart sich an dieser Stelle
ein fast unabsehbar tiefer Gegensatz zwischen den Kirchen der Reformation und dem „Protestantismus‘ ohne Reforma-
tion. Davon wollen wir am Schluß sprechen. Die Zeitschrift „Christian Century“ hat mit Beginn dieses Jahres eine Folge von Aufsätzen erscheinen lassen über das Thema: „How my mind has changed in the last decade“. Kirchenmänner und Lehrer der Theologie sind aufgefordert, in Kürze einen autobiographischen, theologischen Rechenschaftsbericht über ihre Entwicklung in den letzten zehn Jahren vor der christlichen Öffentlichkeit
abzugeben.
Ge-
meinsam ist allen diesen Aufsätzen — mit Ausnahme der fundamentalistischen, die bewußt erklären, daß sich für ihr Denken nichts Wesentliches habe ändern können, da es dieselbe Lehre sei, die sie damals und heute vertreten — das Zugeständnis einer entscheidenden Wendung im theologischen Denken der letzten 10 Jahre. Gemeinsam ist auch die Rich-
tung, in der diese Veränderung gesehen wird: es ist eine Rückkehr vom Säkularismus in seinen verschiedenen Gestalten
als
Modernismus,
Humanitarismus,
Naturalismus
zu den großen Tatsachen der Offenbarung. Wo noch vor 10 Jahren das Interesse vorwiegend
dem „social gospel“
galt, ist heute ein ausgesprochen dogmatisches Interesse aufgewacht, so besonders spürbar etwa an der bedeutendsten theologischen Ausbildungsstätte des Landes, dem Union Theological Seminary in New York. Die deutsche Theologie, soweit sie ins Englische übersetzt ist — also hauptsächlich die Werke Barths, Brunners, Heims und ziemlich unterschiedslos daneben Tillihs —, haben starke Eindrücke
hinterlassen. Kierkegaard beginnt durch neue Übersetzungen in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Daneben steht
Protestantismus
ohne
Reformation
351
mit fast noch stärkerer Wirkung die neue englische Theologie mit ihrem betonten Eintreten für die Notwendigkeit einer natürlichen Theologie. Gemeinsam ist die Begründung, die
für diese Veränderung angegegeben wird, nämlich der Zusammenbruch
der alten Gesellschaftsordnung
in Amerika
und anderen Ländern und die daraus entstehende Kritik an dem liberalen, optimistischen Fortschrittsglauben, der die Theologie bisher beherrscht hat. Gemeinsam wird unter diesem Eindruck stärker als bisher von der Sünde und dem Gericht Gottes gesprochen, das in der gegenwärtigen Welt-
krise deutlich werde. Gemeinsam ist aber schließlich auch die bewußte Ablehnung der Kritik Barths an der natürlichen Theologie. — Innerhalb dieser Grenzen finden sich nun alle Schattierungen des theologischen Denkens, wie sie die Verbindung einer neugesuchten christlichen Offenbarungstheologie mit der Tradition des amerikanischen Denkens hervorbringen kann. Besonders lesenswert sind die Aufsätze von folgenden Autoren: W. L. Sperry (Prof. der prakt. Theologie in Harvard), dessen Ausführungen sich in folgenden Worten
zusammenfassen lassen: American life has been until most recently, optimistic, once-born... our once-born America is changing before our eyes; H. N. Wiemann (Prof. für
Relg. Philosophie in Chicago), Vertreter eines „theistischen Naturalismus“, dessen Definition der Sünde eine eigenartige Mischung reformatorischer Erkenntnis und von James und Whitehead bestimmter naturalistischer Anthropologie ist: „therefore, he, who makes ideas supreme over his life, no
matter how lofty and no matter how perfectly he may live up to them, is sinking‘2; ebenso bemerkenswert folgender 1. Amerikanisches Leben war bis vor kurzem optimistisch, ursprünglich... unser ursprüngliches Amerika wandelt sich vor unseren Augen. 2. Deshalb sinkt derjenige ab, der sich hohe Gedanken über sein Leben macht, ganz abgesehen davon, wie erhaben und vollkommen er danach lebt.
352
Amerika
1939
Satz über die Gnade: „the grace of God is the good which
God puts into each concrete situation over and above all that man can do or plan or imagine“1; demgegenüber ein völliges Absinken in den Ausführungen über den living Christ (lebendigen Christus) als „working of a process of history which used that human personality‘“ (of Jesus)?, oder als „the growth of a community“ (das Wachsen einer Gemeinschaft), die durch alle natürlichen Gemeinschaften hindurchbricht; ebenso
schwach
die Definition
der Kirche
als „a
new way of living“ (eine neue Art zu leben). Andererseits wieder beachtlich eine Aussage über die otherness of God (Andersartigkeit Gottes): „God alone is concrete in his working...
man
must work abstractly‘“®; und von hier aus
eine besondere Würdigung des Apostels Paulus. Das Versagen an der Christologie ist bezeichnend für die gesamte gegenwärtige amerikanische Theologie (abgesehen vom Fundamentalismus). Reinhold Niebuhr (Prof. am Union Theological Seminary), einer der bedeutendsten und schöpferischsten heutigen Theologen in Amerika, dessen Hauptwerke man kennen muß, um die theologische Lage zu übersehen („Moral man and immoral society“, „Interpretation of Christian Ethics“, „Beyond tragedy“), der schärfste Kritiker des
heutigen amerikanischen Protestantismus und der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung, macht seit Jahren durch seine starke Betonung des Kreuzes als Mitte und Ende der Geschichte, verbunden mit einer stark aktiv politischen Theologie, einen tiefen Eindruck. Er sieht den rechten Weg zwischen der Neuorthodoxie, für die Jesus Christus zum Grund 1. Die göttliche Gnade ist das Gute, das Gott in jede konkrete Situation gibt oder da entstehen läßt über das hinaus, was Menschen tun oder planen oder ersinnen können. 2. Als Wirksamkeit eines historischen Prozesses, der die menschliche Natur von Jesus benutzte. 3 a allein ist konkret in seinem Werk... der Mensch muß abstrakt
wirken,
Protestantismus
ohne
Reformation
353
der Verzweiflung für den Menschen wird, und einem echten Liberalismus, für den Christus der Herr, die Norm, das Ideal und die Offenbarung unseres wesentlichen Seins ist. Beides ist gleich notwendig. Es fehlt aber auch hier noch
eine Lehre von der Person und dem Versöhnungswerk Jesu Christi. W. M. Horton (Prof. am Oberlin College) will Augustin, Calvin, Barth, Wiemann und das „social gospel“
miteinander verbinden. E. S. Ames (ehem. Prof. und Pastor in Chicago) weigert sich als einziger Liberaler, irgendeine
Veränderung seines Denkens durch die letzte Entwicklung anzuerkennen und überschreibt seinen Aufsatz trotzig: „Confirmed Liberalism“. Die neue Theologie sei und bleibe ein Atavismus, weil sie unwissenschaftlich sei. „God is life as you love it“ (!). „Worship as praise and adulation does not
fit with my ideas of either God or man. It tends to separate them to exalt one too much and to debase the other too much“, Es ist kaum begreiflich, wie man mit dieser Lehre seit Jahrzehnten Pastor einer Gemeinde sein kann! Anderer-
seits ist hier nur mit freimütiger Offenheit ausgesprochen, was andere in vergangenen Jahren und heute dachten und denken. Mit wenigen Ausnahmen bildet die heutige amerikanische Theologie ein ziemlich einheitliches Bild, jedenfalls für einen Beobachter, der aus einer Reformationskirche kommt. Und
damit kommen wir zum letzten. Gott hat der amerikanischen Christenheit keine Reformation geschenkt. Er hat ihr starke Erweckungsprediger, Kirchenmänner und Theologen gegeben, aber keine Reformation der Kirche Jesu Christi aus Gottes Wort. Was an Refor-
mationskirchen nach Amerika gekommen ist, steht entweder 1. Gott ist Leben, wie du es liebst. Gottesdienst als Lob und Anbetung paßt nicht zu meiner Vorstellung von Gott und Mensch. Darin liegt zu stark das Bestreben, beide voneinander zu trennen, den einen zu sehr zu erheben und den anderen zu sehr herabzusetzen.
354
Amerika
1939
in bewußter Abgeschlossenheit und Ferne von dem allgemeinen kirchlichen Leben oder es ist dem Protestantismus ohne Reformation zum Opfer gefallen. Es gibt Amerikaner, die mit Bewußtsein und Stolz aussprechen, daß sie auf vor-
und nebenreformätorischen Gründen aufbauen und darin ihr eigentliches Wesen sehen. Zwar kann nicht geleugnet werden, daß die Gefahren,
die damit der amerikanischen
Christenheit heute drohen, von einigen führenden Theologen klar gesehen werden. Reinhold und Richard Niebuhr, Pauck,
Miller und manche andere unter den Jüngeren sprechen weithin reformatorisch. Aber das sind Ausnahmen. Die amerikanische Theologie und Kirche als ganze haben niemals zu verstehen vermocht, was „Kritik“ durch Gottes Wort be-
deutet in ihrem ganzen Umfang. Daß Gottes „Kritik“ auch die Religion, auch die Christlichkeit der Kirchen, auch die
Heiligung des Christen trifft, daß Gott seine Kirche jenseits von Religion und Ethik begründet hat, das bleibt zuletzt unverstanden.
Ein Zeichen
dafür ist das allgemeine Fest-
halten an der natürlichen Theologie. Christentum ist in der amerikanischen Theologie noch wesentlich Religion und Ethik. Darum
aber muß Person und Werk
Jesu Christi für die
Theologie in den Hintergrund treten und schließlich unverstanden bleiben, weil hier nicht der einzige Grund des radikalen Gerichts und der radikalen Begnadigung erkannt wird. Die entscheidende Aufgabe ist heute das Gespräch zwischen dem Protestantismus ohne Reformation und den Kirchen der Reformation.
355
VI. KONTAKTE
IM
KRIEG
Genf 1941
Vorbemerkung W. A. Visser ’t Hooft schreibt in „Das Zeugnis eines Boten“ (Genf 1945), Seite 7: „... Es war im September 1941. Die deutsche Armee machte unglaubliche Fortschritte in Rußland, und es war nicht einzusehen, warum sie nicht quer durch Asien marscieren sollte. Da trat er in mein Zimmer!. Wir haben in diesen Tagen zusammen an einem Memorandum für unsere Freunde in der Englischen Kirche gearbeitet. Als Grundlage nahmen wir das Buch von William Paton: ‚The Church and the new order‘. Unser Ziel war,
zu
sehen,
ob wir zusammen
—
ein Holländer
und
ein Deut-
scher — ein Wort zur Klärung der Friedensziele sagen könnten. Und das ist auch gelungen. Ih... bringe hier [d. h. in den folgenden Seiten des ‚Zeugnis eines Boten‘] also eine Zusammenfassung der Gedanken, die er mir schriftlich gab... .* „Ihe Church and the new order“? by William Paton D. D., Secretary of the International Missionary Council and Editor of the International Review of Missions. SCM-Press, London. First published Juli 1941. Aus dem Vorwort: „...I must record my great indebtedness to several people in particular, though where little is original it is not possible to pay all one’s debts. The Archbishop of York®, Dr. J. H. Oldham, Professor Arnold Toynbee, Sir Alfred Zimmern and Mr. A. D. K. Owen have read manuscript in whole or part, and to their advice and encouragement I owe a great deal. ... To two people who have seen none of the manuscript I wish nevertheless to pay my thanks, Dr. W. A. Visser ’”t Hooft of Geneva, my colleague in the secretariat of the World Council of Churches, and Dr. Henry P. Van Dusen of New York. We three learnt much from one another during these months of strain... W.P.“ Inhaltsverzeichnis: Prefac. Chapter I. Why peace aims? II. The chaos behind the war. III. Guiding principles. IV. The Ideal and the next steps. V. Britain, America and the future. VI. Some special problems: Colonies, India, the Jews, religious freedom. VII. The Church: Human
worth and freedom. VIII. The Church: IX. The Church: Forgiveness and power.
Law
1. Nachdem
bis 24. März
Bonhoeffer
vom
24. Februar
and
understanding. 1941
schon
einmal in der Schweiz war, konnte er zum zweitenmal vom 29. August bis 25. September 1941 dort sein. 2. Übersetzung siehe Seite 479. 3. William Temple.
356
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
Gedanken! zu William Paton: The Church and the New Order
Anfang September 1941, Genf.
1. Jede ernste Besinnung des Christen auf die Zukunft steht unter folgenden Vorbehalten:
a) die conditio nehmen dessen, b) „Jeder Tag der Glaube an
Jacobea (Jakobus 4, 15), d.h. das Ernstdaß die Zukunft ganz in Gottes Hand ist. hat seine eigene Plage“ (Matth. 6, 34), d.h. Christus will täglich neu gewonnen und im
Leben bewährt werden.
c) Die Besinnung auf die Zukunft darf nicht zur Flucht in die Phantasie werden, sondern muß am Nächsten sein.
ein konkreter Dienst
Diese drei Vorbehalte stehen spürbar hinter Paton’s Buch und so dürfen wir es als ernstes und verantwortliches christliches Zeugnis begrüßen. Es ist kein Zufall, daß ein solches Buch heute nicht aus Deutschland kommt. Die abso-
lute Ungesichertheit des menschlichen Existierens führt dort auch bei den Christen fast überall zum völligen Verzicht auf jeden Gedanken an die Zukunft, was wiederum eine stark apokalyptische Haltung zur Folge hat. Unter dem
Eindruck der Nähe des Jüngsten Tages geht der Blick für die geschichtliche Zukunft leicht verloren. Wiederum könnte
der deutsche Leser des Paton’schen Buches das völlige Fehlen einer eschatologischen Ausrichtung vermissen. 1. Seite 1 und 4 des Originalmanuskripts befinden sich bei Visser ’t Hooft. Seite 3 und 4 noch nicht wieder aufgefunden. Text soweit möglich ergänzt aus „Zeugnis eines Boten“, Seite 8—10. Vor allem Punkt 5 und 6 sehr unvollständig.
Gedanken
zu Patons
Buch
357
2. Why peace aims? Zu den von Paton aufgezählten, überzeugenden Argumenten kommt die innenpolitische Situation Deutschlands als wichtiges Argument hinzu. Es mag sein, daß bei der amtlichen Formulierung der Friedensziele die Berücksichtigung
der innenpolitischen Situation Deutschlands nicht möglich ist; dennoch muß man darüber klar sein, daß die in letzter Zeit von der englischen Radiopropaganda besonders stark betonte Forderung der einseitigen Entwaffnung Deutschlands sich auf die innenpolitische Situation ungünstig aus-
wirkt. Da kräftemäßig ausschließlich das Militär zur Beseitigung des gegenwärtigen
Regimes fähig ist (jeder Ar-
beiteraufstand würde von der SS blutig niedergeschlagen werden), so muß man dies bei der Bekanntgabe der Friedensziele nach Deutschland berücksichtigen. Das wenige, das
bisher von der großen kirchlichen Diskussion über den new order nach Deutschland gedrungen ist, hat in wichtigen Kreisen der politischen Opposition einen sehr günstigen und starken Eindruck gemacht. Warum schweigt die englische
Radiopropaganda in ihren deutschen Sendungen darüber? 3. Das Chaos der ethischen Begriffe in Deutschland ist nicht so sehr durch die offen erklärte Feindschaft gegen die
christliche Ethik entstanden — diese ist vielmehr klärend und insofern zu begrüßen —; der tiefste Grund der ethischen Verwirrung liegt vielmehr in der Tatsache, daß die höchste Ungerechtigkeit, wie sie im nationalsozialistischen Regime verkörpert ist, sich in das Gewand relativer
historischer und sozialer Gerechtigkeit kleiden konnte. Der Wagen von Compiegne ist geradezu das Smbol dafür, wie sich das Böse von einer Scheingerechtigkeit nährt. Für den, der die Dämonie des Bösen, das in der Gestalt des Gerech-
ten erscheint, nicht durchschaut, liegt hier die Giftquelle aller ethischen Zersetzung. Daß es Hitler möglich wurde, sich zum Vollstrecker einer relativen historischen Gerechtig-
358
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
keit zu machen, liegt nicht zum Geringsten in der Bereitwilligkeit Englands, Hitler seit 1933 alle diejenigen Kon-
zessionen zu machen, die es der Weimarer Republik verweigert hatte. Damit stand England — gewiß bestärkt durch die Loyalität weiter kirchlicher Kreise Deutschlands gegen-
über Hitler — auf der Seite Hitlers gegen seine innerpolitische Opposition. Hitler empfing so von außen wie von innen die moralische Unterstützung für seinen Anspruch,
der gottgesandte Vollstrecker historischer Gerechtigkeit zu sein, und es konnte nur noch eine kleine Schar sein, die gerade hier den Satan in der Gestalt des Engels des Lichtes erkannte. 4. ... Die Begründung einer neuen Ordnung der Welt kann in dem in Jesus Christus offenbarten Willen Gottes gesucht werden. Weil die Welt nur „in Christus“ und „auf
Christus hin“ (Kol.1) ihren Bestand hat, darum ist jede Betrachtung des Menschen „an sich“ oder der Welt und ihrer Ordnung „an sich“ eine Abstraktion. Alles steht nach
Gottes Willen in Bezug auf Christus, ob es darum weiß oder nicht. Gott hat in den 10 Geboten die Grenzen offenbart, die nicht überschritten werden dürfen, wenn Christus
in der Welt Herr sein soll. Der Dekalog ist negativ gefaßt. Die positiven Gestalten werden durch die lebendige Geschichte hervorgebracht und erfahren ihre Begrenzung und Kritik durch den Dekalog. Eine weltliche Ordnung, die sich innerhalb des Dekalogs hält, wird offen sein für Christus, d. h. für die Verkündigung der Kirche und für das Leben nach seinem Wort. Eine solche Ordnung ist zwar nicht „christlich“, aber sie ist rechte irdische Ordnung nach Gottes Willen. Um die Aufrichtung einer solchen Ordnung geht es. Diese Ordnung war bis vor kurzem bedroht durch eine liberale Anarchie auf allen Lebensgebieten. Sie ist heute bedroht
durch die Staats-Omnipotenz (sie könnte demnächst bedroht sein durch eine Wirtschaftsomnipotenz). Diese Staatsomni-
Gedanken
zu Patons
Buch
359
potenz muß gebrochen werden im Namen einer rechten Ordnung, die sich dem Gebot Gottes unterwirft. Die angelsächsische Welt faßt heute ihren Kampf gegen die Staatsomnipotenz unter dem Begriff der Freiheit zusammen. Sie versteht darunter die Wahrung der von Gott gegebenen Menschenrechte gegenüber jeder Vergewaltigung. Der Deutsche empfindet die Staatsomnipotenz stärker als die will-
kürliche Auflösung aller echten Bindungen (Familie, Freundschaft, Heimat, Volk, Obrigkeit, Menschheit, Wissenschaft, Arbeit etc.) und kämpft gegen die Staatsomnipotenz für
die Aufrichtung echter Bindungen. Der Sache nach geht es auf beiden Seiten um dasselbe, nämlich um die Wiederherstellung einer echten weltlichen Ordnung unter Gottes
Gebot. Die verschiedenen Ausdrucksformen haben verschiedene historische und geistesgeschichtliche Hintergründe. Der Begriff der Freiheit ist auch in der deutschen Geistesgeschichte ein hohes Gut (Idealismus). Aber er bedarf der näheren inhaltlichen Bestimmung.
Das
Freisein von
etwas
erfährt
seine Erfüllung erst in dem Freisein für etwas. Freisein allein um des Freiseins willen aber führt zur Anarchie.
Freiheit bedeutet biblisch: Freisein für den Dienst an Gott und am Nächsten, Freisein für den Gehorsam gegen die Gebote Gottes. Das setzt voraus: Freisein von jedem inneren und äußeren Zwang, der uns an diesem Dienst hindert.
Freiheit bedeutet also nicht Auflösung aller Autorität, sondern es bedeutet: leben innerhalb der durch Gottes Wort geordneten und begrenzten Autoritäten und Bindungen. Die Frage der individuellen Freiheiten, wie Redefreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit etc. ist erst in diesem
übergeordneten Zusammenhang zu beantworten. Es kommt darauf an, wieweit diese Freiheiten notwendig und geeignet sind, die Freiheit des Lebens nach den Geboten Gottes zu
fördern und sicherzustellen. Freiheit ist eben nicht in erster Linie ein individuelles Recht, sondern eine Verantwortung,
360
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
Freiheit ist nicht in erster Linie ausgerichtet am Individuum,
sondern am Nächsten... 5,... Die konkreten politischen Folgen dieser Überlegungen sind nun deutlich. Es kommt darauf an, ob in Deutschland
eine staatliche Ordnung verwirklicht wird, die sich den Geboten Gottes verantwortlich weiß. Das wird sichtbar werden an der restlosen Beseitigung des NS-Systems einschließlich und speziell der Gestapo, an der Wiederherstellung der Hoheit des gleichen Rechtes für alle, an einer Presse, die
der Wahrheit dient, an der Wiederherstellung der Freiheit der Kirche, das Wort Gottes in Gebet und Evangelium aller Welt zu predigen. Die ganze Frage ist, ob man in England und Amerika bereit sein wird, mit einer Regierung zu verhandeln, die auf dieser Grundlage steht, auch, wenn sie zunächst nicht im angelsächsischen Sinn des Wortes demokra-
tisch aussieht. Eine solche Regierung könnte sich plötzlich bilden. Es käme viel darauf an, ob sie dann mit der soforti-
gen Unterstützung der Alliierten rechnen könnte... 6. ... widerspricht solange den wirklichen Kräfteverhältnissen, als die Sowjetunion unbesiegt ist. Nicht der Pangermanismus, sondern der Panslavismus ist die kommende Gefahr. Da ein neues Deutschland ganz von selbst — schon aus wirtschaftlichen Gründen — den Wunsch haben wird,
abzurüsten, ist es nicht geschickt — besonders im jetzigen Zeitpunkt — dieses immer wieder als Hauptforderung her-
auszustellen.
Begleitbrief zum Dokument
für Paton
361
September 12, 19411
Dear Hugh, Many thanks for sending Bill Paton’s book. It is being eagerly read by all who are in touch with us, not least by those whom it concerns in a very special manner. I enclose a Continental reaction. Will you pass this document on to Bill with the following message: These comments on your book have been written by me in close collaboration with a friend who came to us and who is a good friend of George Bell®. I hope you will circulate them to all who are interested and also send a copy to Pit Van Dusen. You must accept my word for it that all that we say about the next steps and the urgency of the situation is not based upon wishful thinking on our part, but on actual developments in discussion with responsible persons in the country concerned. This is also why I hope that some of these considerations will be brought before responsible people in Britain, I must ask you not to publish the document as it is, but there is no reason why its substance cannot be used in the Christian News Letter. In that case, however, no
elue should be given as to the authorship. We should, of course, appreciate some answer to this statement, and, if possible, in the near future.
Very good greetings, Yours ever Visser ’t Hooft Enclosuret
1. Übersetzung siehe Seite 480, 2. Hugh Martin, damals Direktor der SCM-Press, 3, Bischof von Chichester. 4, Dokument Seite 362—371.
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Kontakte
im Krieg.
1941—1942
Not to be published!
The Church and the new order in Europe The following reflections about the problem of the post-war order in Europe represent the thinking of two Continental Christians from two nations which are on opposite sides in this war. They have read William Paton’s “The Church and the New Order” with deep interest and desire to ex-
press their admiration and gratitude for this witness rendered in a truly ecumenical spirit. They have also studied the recent issues of the Christian News Letter which deal with post-war problems. 1. Some basic Considerations
The insecurity of life and the tremendous upheavals have made Continental Christians acutely conscious of the fact
that the future is in God’s hands and that no human planning, however intelligent and however well intentioned, can make men masters of their own fate. There is, therefore, in
Continental Churches today a strongly apocalyptic trend. Thistrend may lead to an attitude of pure other-worldliness, but it may also have the more salutary effect of making us realize that the Kingdom of God has its own history which does not depend upon political events, and that the life of the Church has its own God-given laws which are different from those which govern the life of the world. We are, therefore, glad that Paton emphasises so strongly that the life of the Church does not depend upon victory in the war. 1. Übersetzung siehe Seite 480.
The Church
and
the new
order
363
But this does not mean that Continental Christians are indifferent as to the problem of the post-war order. Many who had previously considered that the Church had nothing to do with such secular problems have come to see in these last years that the Church is truly the salt of the earth and that the discarding of God’s commandments means death for nations as well as individuals. There is very especially a new recognition of the implica-
tions of the New Testament faith: that Christ is the King to Whom all powers are subjected. Because the world is created “unto Him” (Col. 1,16), we dare not consider it as
a domain which lives by itself quite apart from God’s plan. The commandments of God indicate the limits which dare not be transgressed, if Christ is to be Lord. And the Church is
to remind the world of these limits. For a long time it has not exercised this ministry, but more recently it has again begun to do so, as in different countries it has taken a
strong stand against the violation of God’s commandments in political life. Now the task of the Church in relation to the “new order” is to be seen in the light of this ministry. The Church can-
not and should not elaborate detailed plans of post-war reconstruction, but it should remind the nations of the abid-
ing commandments and realities which must be taken seriously if the new order is to be a true order, and if we are
to avoid another judgement of God such as this present war. We are deeply grateful that there has grown up a community of Christians of different nations which can undertake
this task as a common task. We have good reason to hope that that community will come out of this war as an even more united body than it was before the war. Those who
are conscious of their membership in this fellowship are as yet a small group, but they are nevertheless not unimpor-
364
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
tant, because they are practically the only international community which remains united in spite of war and conflict.
2. Why Peace Aims? We agree with Paton as to the urgency of a clear statement of peace aims. But, as far as the Continent is con-
cerned, we would say that this is especially necessary in view of the situation in Germany. 'The occupied countries have become sufficiently aware of the true character of the National-Socialist regime and are acutely conscious of the fact that their future depends on a British victory. There is, therefore, remarkably little criticism of the British Blockade in these countries. But the situation in Germany is
entirely different. In that country the attitude of the considerable groups who are against the r&gime, but are at the same time good patriots, depends on the answer which is given to the question: how will Germany be treated if it loses the war? A positive statement of peace aims may have a very strong influence in strengthening the hands of this group. It is clear that recent events have created a psycho-
logical situation in which they have an opportunity such as they have not had since 1933. There is, therefore, reason
to give very great prominence to this aspect of the whole question.
Now it is clear that the very strong emphasis on the military disarmament of Germany in recent statements (and in
the radio) has an unfavourable effect on this development. The only group which can take action against the r&gime is the army (revolutionary action from other quarters would be suppressed by the SS). Now the opposition groups in the
army are not likely to act unless they have reason to believe that there is a prospect of a more or less tolerable
The Church
and the new
order
365
peace. In these circumstances statements about the future
(and very especially the propaganda by radio) should at least give the opposition in Germany some basis of action.
We understand that the disarmament of Germany will have to be demanded. But it should certainly not be mentioned as the main peace aim, as is being done too often. It should rather be mentioned as part of a much wider programme,
which would include the giving of a certain amount of political and economic security to a disarmed Germany, and the acceptance by all nations of a certain supra-national control of their armaments. In any case, far wider use
should be made in all propaganda (especially in broadcasts to Germany) of all that is being thought out in the realm
of economic reconstruction and social change. Such documents as the Malvern! report have made a deep impression in opposition circles in Germany. Why does the B.B.C. say so little about these things?
3. The Chaos behind the War
There is an important point which Paton has not mentioned in his description of the chaos behind the war. The deep-
est reason for the moral confusion in Germany and to some extent in Europe as a whole is not merely the opposition against Christian ethical convictions (for this by itself
might have created clear fronts rather than “chaos”), but rather the ability of National-Socialism to present its injustice as true justice. The railway wagon of Compiegne is as it were the symbol of this masking of injustice. There
was just enough relative justice in some
of Germany’s
1. Konferenz über Christianity and social order in Malvern, Januar 1941, einberufen von William Temple, damals noch Erzbischof von York.
366
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
claims to make it possible for Hitler to present himself as a prophet who came to re-establish justice. This is the main source of the present moral confusion. And it should not be forgotten that by making concessions to Hitler which
had been refused to his predecessors, the statesmen of other nations became the supporters of Hitler against the oppo-
sition groups in Germany. In this way it is explicable that it has become increasingly difficult for the German nation to understand the true character of the regime, and that relatively few have remained unshaken in their conviction
that it represented Satan masquerading Light.
as an Angel of
4. Guiding Principles We consider it very important that Paton seeks the basis of the new order not in any particular form of government, but in certain fundamental principles concerning the
life of the state and of society. For it must be said with great emphasis that in a number of European countries an
immediate return to full fledged democracy and parliamentarism would create even greater disorder than that which obtained before the era of authoritarianism. In those countries (Germany,
France, Italy) where all centres of poli-
tical creativeness and order have been discredited or destroyed there will for a considerable time to come be a need
of strong centralized authority. Democracy can only grow in a soil which has been prepared by a long spiritual tradi-
tion. Such a tradition still exists in the smaller nations (Scandinavia, Holland, Switzerland), but not in most other nations of Europe.
But this does not mean that we must continue to accept forms of state-absolutism. The minimum which must be required of every state, and which must be guaranteed in-
The Church
and
the new
order
367
ternationally (we now know that political regimes are not merely the affair of the nation concerned!) is that the state shall be limited by law, that is to say that it shall recognize certain binding obligations to its citizens and to other states.
The Anglo-Saxon world summarizes the struggle against the omnipotence of the State in the word “freedom”. And Paton gives us a charter of human “rights and liberties” which
are to provide the norm of action by the state. But these expressions must, as Paton indicates, “be translated into terms which relate them more closely to the life of other peoples”. For freedom is too negative a word to be used in a situation where all order has been destroyed. And liber-
ties are not enough when men seek first of all for some minimum
security. These words remind too much of the
old liberalism which because of its failures is itself largely responsible for the development toward state-absolutism. This is partly a quarrel of words, of the realities which lie
behind
such expressions
as “civilian religious liberties”,
“freedom of speech” or “equality of all before the law” must certainly be safeguarded in the new order. But it is
also much more than a matter of words. For the whole orientation of the post-war states will depend on this ideological question. Now we believe that the conception of
order limited by law and responsibility, an order which is not an aim in itself, but which recognizes commandments which transcend the state, has more spiritual substance and solidity than the emphasis on the rights of individual men. Thus it is certainly true — as Paton indicates — that in a country like Germany it will be impossible to introduce all the various forms of democratic liberties. But it will be possible in that, as in other countries, to do away with all forms of National-Socialist
terrorism, to make law once
more the impartial arbiter, not only between citizens, but also between citizens and the state, and to give full free-
368
Kontakte
im Krieg.
1941— 1942
dom to the Church. If then safeguards are formulated concerning the rögimes of countries which have been toralitarian (will Russia be included among these?), they should be couched not so much in terms of individual rights, but in terms of norms which the state must recognize in all its actions.
b
5. The Ideal and the next Steps We agree whole-heartediy with the conception of international order which is given in Paton’s chapter on “The ideal and the next steps”. We are especially glad that he makes it clear that this order cannot be a mere restoration of the pre-war political and economic system. For it has become very clear on the Continent (and is understood by many who did not understand this a few years ago) that there must come drastic changes in these two domains. In the political domain there must be effective limitation of national sovereignty. In the economic domain there must be limitation of economic individualism, in other words, plan-
ning for economic security of the masses. But, as Paton says, “the ultimate settlement is bound to be influenced profoundly by the nature of the temporary measures which are taken in the interim period, and upon
the proper shaping of those measures the future may depend”. Now we do not believe that Paton’s book throws yet sufficient light on this problem. And we do not believe that the solution of this problem which is presented in the Christian News Letter of August 20 (Dr. Oldham’s summary of a P.E.P.! report, which he considers to be “entirely right” in its approach to the problem) is adequate. 1. Political and Economic Planning, eine säkulare freie Vereinigung wit der Zeit der Depression anfangs der 3Qiger Jahre, London, SW. 1.
The Church
and
the new
order
369
We do not deny that Great Britain has the right to demand safeguards against a return of National-Socialism
in one
form or another, and that it may therefore have to take far-reaching military measures
against Germany.
But we
feel that for the sake of the future these unavoidable measures must be counterbalanced by a positive policy. Now it is recognized in England and America that this time there
must not be a repetition of the economic clauses of the Versailles treaty, and that is indeed an important insight. But that is not enough. There remains the question as to how Germany may find its way back to a system of government which is acceptable to the Germans and also be an orderly member of the family of nations. Now this question is not answered by the total occupation of Ger-
many (though such occupation may prove necessary). On the contrary. The total disarmament and the occupation of Germany will make it exceptionally difficult, if not impossible, to create a new German government. Would a government which accepted such conditions not be regarded as a
mere Quisling-affair? Would not those groups which are definitely anti-Nazi feel that even Hitler was better than this complete collapse of German integrity? Would this not lead to an even wilder form of German nationalism? The question must then be faced whether it is possible to offer such terms of peace to Germany that a new government composed of non-Nazi German leaders who are ready
for international collaboration may not be .discredited from the outside in the eyes of their own people. Or to put it the other way round: the question must be faced whether a German
government
which makes a complete break with
Hitler and all he stands for, can hope to get such terms of peace that it has some chance to survive. If such a government were formed, if it made a genuine peace offer (evacuation of all occupied territories, ousting of all Nazi
370
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
leaders, willingness to disarm), and if then this offer were rejected, there would be danger that Germans of all sections and groups would be thrown into the nationalist opposition, and that for a very long time to come no German government worthy of that name could be formed.
It is clear that the answering of this question is a matter of urgency, since the attitude of opposition groups in Germany
depends upon the answer given. Realism demands that the world should be safeguarded against a return of NationalSocialism, but realiim demands also that we should safe-
guard the world against a repetition of the psychological process which has taken place in Germany between 1918 and 1933. We believe that it is possible to find men in Germany who have shown by their attitude during these
last years that they are not infected with National-Socialist ideas, and who can be counted upon as loyal collaborators in a European community of nations. And we believe that they should be given a chance for the sake not only of
Germany, but of Europe as a whole.
6. The Russian Problem
It is understandable that in the present situation the problem of the relation of Russia to the future international order is not being treated as thoroughly as the problem of Germany. There is so much uncertainty as to the forces which are at work in Russia today and as to the effect which the war will have upon them, that it is almost impossible
to visualize just what its place will be. But as Christians we dare not let ourselves be carried away by momentary
reactions. Even though we may consider the British-Russian alliance a justifiable and unavoidable political decision, we must not minimize the danger which Russia still represents
The Church
and
the new
order
371
for all that we hold dear. Unless the war calls forth very
fundamental changes in the structure of the Russian state, Bolshevism may well become a tremendous menace to all
countries which have been betting on the wrong horse and which will find their Fascist systems discredited by a Ger-
man defeat. This is then another very strong confirmation of the necessity for authoritarian, though non-Fascist, r&gimes in the post-war era, and also of the necessity of
strengthening the hands of those non-Nazi elements in Germany which would be able to form a new government in that country. There is, furthermore, the very difficult question as to whether the Baltic States, the Bukovina,
Karelia, Bessarabia shall go back to a Russia which recognizes civil and religious liberties just as little as do the Nazis.
372
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
Stockholm 1942 Secreti
Memorandum
of Conversation?
I.
Two German Pastors® came from Berlin to see the Bishop of Chichester in Stockholm at the end of May, 1942. They arrived independently, one of them only staying 48 hours®. The Bishop
saw them both individually and together on four separate days. They are men very well known to the Bishop, and have collaborated with him for many years in connection with the oecumenical movement,
the World Council of Churches, and in different
stages of the German Church struggle. One lives in Switzerland, but pays constant visits to Germany. The other lives in Berlin, and is one of the leaders of the Confessional Church; he has been
forbidden by the Gestapo to preach or speak. Their purpose was: A. Togive information as to the strong, organised opposition movement inside Germany, which is making plans for the destruction
of the whole Hitler r&gime (including Himmler, Göring, Goebbels, and the central leaders of the Gestapo, the S.S. and the S. A.), and for the setting up of a new Government in Germany of 1. Representatives of certain strong anti-Nazi forces in the Army and central State Administration. 2. Former Trade Union leaders.
3. Representatives of the Protestant pledged to the following policy:
and
Catholic
Churches,
1. Übersetzung siehe Seite 488. 2. Verfaßt vom Bischof von Chichester und dem britischen Außenminister am 30. Juni 1942 überreicht. Siehe Seite 410. 3. Dr. Schönfeld und Pastor Bonhoeffer. 4. D. Bonhoeffer.
Bell’s
Memorandum
of Conversation
1942
a) Renunciation of aggression. b) Immediate repeal of Nuremburg Laws, and co-operation international settlement of Jewish problem.
373
in
c) Withdrawal by stages of the German forces from occupied and invaded countries. d) Withdrawal of support to Japan, and assistance of Allies in order to end the war in the Far East.
e) Co-operation with the Allies in the rebuilding of areas destroyed or damaged by the war.
B. To ask whether the Allies, on the assumption that the whole Hitler regime had been destroyed, would be willing to negotiate with such an new German Government for a peace settlement, which would provide for: 1. The setting up of a system of law and social justice inside Germany, combined with a large degree of devolution in the
different main provinces. 2. The establishment of economic interdependence between the different nations of Europe, both as just in itself, and as the
strongest possible guarantee against militarism. 3. The establishment of a representative Federation of Free Nations or States, including a Free Polish and a Free Czech Nation.
4. The establishment of a European Army for the control of Europe, of which the German Army could form a part, under central authority.
II. Character of the Opposition
The opposition has been developing for some time, and had some existence before the war. The war gives it its chance, which it is now waiting to seize. The opposition crystallised in the Autumn
of 1941, and might have seized an opportunity in December, 1941, with the refusal of many officers to go on fighting in Russia. But
no lead was given. Hitler’s last speech, openly claiming to be above all laws, showed the German people more and more clearly
374
im Krieg.
Kontakte
1941—1942
the complete anarchy of the regime. The opposition has full con-
fidence in the strength of the German Army, and is ready to go
on with the war to the bitter end if the Allies were to refuse to
treat with a new Government controlling a non-Hitlerite Germany, after the overthrow of the whole Hitler regime; but it
believes that to continue the war on the present scale in such circumstances would be to condemn destruction, especially in the occupied countries. It also believes that a fight to the finish would Europe. Hence its desire first to destroy Hitler
or on a greater millions more to
be suicidal for and his regime,
and then to reach a peace settlement in which all the nations of
Europe shall be economically interdependent, shall be protected
against aggression by the possession of an adequate European military force, and shall be in some way federated. The opposition, while having some hesitations with regard to Soviet Russia, has the hope (as a result of impressions made by some of the high
Russian officers on some of the German officers) of the possibility of reaching an understanding. III. Organisation of the Opposition The opposition is based on members of the State Administration, the State police, former Trade Union chiefs, and high officers in
the Army. It has an organisation in every Ministry, military officers in all the big towns, Generals in command or holding high office in key places very near the Generals. It has key men armed in the broadcasting centres, in the big factories, and in the main
centres of war and gas supply services. It is impossible to tell the numbers of the opposition. The point is that key positions everywhere are held by members of the opposition, and that key positions in Germany itself are of chief importance. The following names were given as those of men who were deeply involved in the opposition movement: GeneraloberstBek
.
.
.
.
.
Chief of General Staff before the Czecho-Slovak crisis in 1938.
Aged 60.
Bell’s
Memorandum
of Conversation
Generaloberst von Hammerstein
Chief Beck.
Goerdleer
Leushner Kaiser
.
. .
of General
1942
375
Staff before
.
.
.
.
2...
Ex-Price Commissar, former Lord Mayor of Leipzig. Civil Front Leader.
.
.
-
2.2...
Former President of the United Trade Unions.
.
.
2.2.2.2.
Catholic Trade Union leader.
All the above are said to be strong Christian characters, and the most important of all are Beck and Goerdeler. Certain other persons of a less clear Christian character would be available, such as Schacht. Most of the Field Marshals are reliable, especially von Kluge, von Bock, Küchler and possibly Witzleben. Whether a member of the opposition or not, was not stated,
but the question was asked whether England would favour a monarchy in Germany, in which case Prince Louis Ferdinand was possible. He had been fetched from the United States by Hitler after the heroic death of the Crown Prince's eldest son. He had been
working in a Ford factory as a workman, and now lives on a farm in East Prussia. He is a Christian, has outspoken social interests, and is known to one of the two German Pastors!. The leaders of the Protestant and Catholic Churches are also closely in touch with the whole opposition movement, particularly Bishop Wurm of Württemberg (Protestant) and Bishop von Preysing of
Berlin, acting as the spokesman of the Catholic Bishops. (At the same time it should be said that included in the opposition are many who are not only filled with deep penitence for the crimes committed in Germany’s name, but even say “Christians do not wish
to escape repentance, or chaos, if it is God’s will to bring it upon me”. ”
IV. Action of the Opposition
The opposition is aware of impending revolt inside the Nazi party, of Himmler and his followers against Hitler; but while a suc1. D. Bonhoeffer.
376
Kontakte
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1941—1942
cessful coup by Himmler might be of service to the opposition, the complete elimination of Hitler and Himmler
and the whole
regime is indispensable. The plan of the opposition is the achievement of a purge as nearly simultaneous as possible on the Home
front and in the occupied countries, after which a new Government would be set up. In the securing of a new Government, the opposition realises the need of an effective police control through-
out Germany and the occupied and invaded territories; and it appeared that the help of the Allied Armies as assistants in the
maintenance of order would be both necessary and welcome, all the more if it were possible to associate with the Allied Armies the Army of a neutral power in the maintenance of order.
V. Enquiries by the Opposition of the Allied Governments The above being the policy and plan of the opposition, the question arises as to what encouragement can be given to its leaders with a view to setting the whole process in motion and the facing of all the dangers involved. As examples of encouragement, such enquiries as the following are made: 1. Would the Allied Governments be willing to treat with a new
bona fide German Government, set up on the lines described in A of Section I above, for a peace of the character described in B of Section I above? (The answer to this might be privately given to a represen-
tative of the opposition through a neutral country). 2. Could the Allies announce now publicly to the world in the clearest terms
that once Hitler
and the whole
r&gime were
overthrown, they would be prepared to negotiate with a new German Government which renounced aggression and was pledged to a policy of the character described in A of Section I above, with a view to a peace settlement of the character
described in B of Section I above?
Bell’s
Memorandum
of Conversation
1942
377
VI. Means of Communication
Arrangements have been made by which any reaction in important British quarters which the Bishop of Chichester might be able
to obtain could be communicated through a neutral channel. The British Minister in Stockholm was fully informed at the time of the tenor of the conversations. On his advice the Bishop warned the two German pastors not only that the American and Russian and the other Allied Governments would necessarily be concerned,
but that the Foreign Office might take the view that the situation was too uncertain to justify any expression of opinion on its part. On the other hand, if it were thought desirable to obtain further
elucidation, a confidential meeting could be arranged at Stockholm between
a German
representative and a representative of
the Foreign Office or other suitable person.
378
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
Statement! by a German Pastor at Stockholm 31st May, 1942? 1; The many opposition circles in Germany who had beforehand no
real contact with each other have crystallised during the last winter into active opposition groups working now closely together as centres of a strong opposition movement to the whole Nazi regime on the European Continent.
There are three main groups of action preparing definitely to overthrow the Nazi regime and to bring about a complete change of power.
1. Essential parts of the leadership in the Army and in the central State administration. (In the Army they include key men in the Highest Command [O.K.W.] for the front troops, Navy and Air forces, as well as in the Central Command of the Home Military forces; also in the State administration the liaison men to the State Police forces largely in opposition to the Gestapo). 2. The leaders of the former Trade Unions and other active liai-
son men to large parts of the workers. (Through a network of key men systematically developed du-
ring the last six months they control now key positions in the main industrial centres as well as in the big cities like Berlin, Hamburg, Cologne and throughout the whole country). 3. The leaders of the Evangelical Churches (under Bishop Wurm)
and of the Roman Catholic Church (the Fulda Bishop Conference) 1. Von H. Schönfeld verfaßt reicht. Siehe Seite 408.
2. Übersetzung siehe Seite 494.
und
dem
Bischof
von
Chichester
über-
Statement
von
Schönfeld
37.9
acting together as the great corporations and as centres of resi-
stence and reconstruction. By their close co-operation these three key groups of action have formed the strong opposition movement which, in the given situation, would have sufficient power to overthrow the present r&gime because of their control over large masses now having arms in their hands, and, as regards the workers, at their disposal.
II.
The leaders of these key groups are now prepared to take the next chance for the elimination of Hitler, Himmler, Göring, Goebbels, Ley and Co., together with whom the central leaders of the Gestapo, the S.S. and the S.A. would be destroyed at the same time, especially also in the occupied countries.
This change of power would not lead to the establishment of a military clique controlling the whole situation but to the coming into power of a government composed by strong representatives of the three key groups who are able and definitely prepared to bring about a complete change of the present system of lawlessness
and social injustice. Their programme is determined by the following main aims: 1. A German nation governed by law and social justice with a large degree of responsible self-administration through the different main provinces. 2. Reconstruction of the economic order according to truly socialistic lines; instead of self-sufficient autarchy a close co-operation between free nations, their economic interdependence becoming the strongest possible guarantee against self-reactionary European
militarism. 3. A European Federation of free States or Nations including Great Britain which would co-operate in a close way with other federations of nations. This Federation of Free European Nations to which would belong a Free Polish and a Free Czech Nation should have a common
380
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
executive, under the authority of which a European Army should be created for the permanent ordering of European security.
The foundations and principles of national and social life within this Federation of Free European Nations should be orientated or
re-orientated faith and life.
towards
the fundamental
principles of Christian
> II.
The internal circumstances are becoming now peculiarly favourable to a coup d’etat by the Army and the other combined forces of the Opposition. It would help and quicken this process toward the change of power along the lines mentioned above (see II) if the Allies would make it clear whether they are pre-
pared for a European peace settlement along the lines indicated. If otherwise the Allies insist on a fight to the finish the German
opposition with the German Army is ready to go on with the war to the bitter end in spite of its wish to end the Nazi regime. In the case of agreement for a European peace settlement as indicated, the Opposition Government would, after a coup d’£tat,
withdraw gradually all its forces from the occupied and invaded countries.
It would announce at once that it would restitute the Jewish part of the population at once to a decent status, give back the stolen
property, and co-operate with all other nations for a comprehensive solution of the Jewish problem.
It would be prepared to take its full share in the common efforts for the rebuilding of the areas destroyed or damaged by the war.
It would declare itself at once disinterested in any further co-operation with the Japanese
Government
and its war
aims, being
prepared, on the contrary to place at disposal its forces and war material for finishing the war in the Far East. It would be prepared to co-operate for a real solution of the Colonial problem along the lines of a true mandate system in which all member nations of the European Federation should participate together with the other nations or federations of nations con-
cerned.
Statement
von
Schönfeld
381
It is to be expected that representatives of the S.S. will offer the elimination of Hitler in order to secure for themselves power and a negotiated peace.
It would be a real support for the start of the whole process towards the change of power as indicated if they would be encouraged in any way to go on. It would help the opposition leaders to mobilize and to lead all
the other forces of the Army and the nation against Himmler and the S.S. leaders against whom the bitterness and hatred is greater
than against anyone else.
In regard to the Russian Problem 1. The opposition groups have no aims to conquer or to get for
Germany parts of Russia as a colonial area. 2. They hope it may be in the future possible to co-operate ın a really peaceful way with Russia, especially in the economic and cultural field.
3. But they are not convinced that the totalitarian methods of revolutionary brutal warfare would be changed without very effective guarantees, even when the totalitarian regime in Central Europe would have been abolished.
4. They would regard the building up of an Orthodox Russian Church by the renewal of Christian faith in Russia as a real common basis which could further more than anything else the co-operation between Russia and the European Federation.
382
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
June Ist, 1942!
My Lord Bishop, [Chichester] Let me express my deep and sincere gratitude for the hours
you have spent with me. It still seems to me like a dream to have seen yon, to have spoken to yon, to have heard your voice. I think these days will remain in my memory
as some of the greatest of my life. This spirit of fellowship and of Christian brotherliness will carry me through the darkest hour, and even if things go worse than we hope and expect, the light of these few days will never extinguish in my heart. These impressions of these days were so overwhelming that I cannot express them in words. I feel ashamed when I think of all your goodness and at the same time I feel full of hope for the future. God be with you on your way home, in your work and
always. I shall think of you on Wednesday. Please pray for us. We need it. Yours most gratefully,
1. Geschrieben in Stockholm. Übersetzung siehe Seite 497.
Dietrich
Chichester
und Eden 1942
383
Briefwechsel Chichesters mit Eden!
The Bishop’s Lodging, 22 The Droveway, Hove 18th June, 1942 Dear Mr. Eden, I have just got back from Sweden with what seems to me very important confidential information about proposals from a big opposition movement in Germany. Two German Pastors, both of them well known to me for 12 years or more (one of them an intimate friend) came expressly from Berlin to see me at Stock-
holm. The movement is backed by leaders of both the Protestant and Catholic Churches. They gave me pretty full particulars, and names of leading persons in the civil administration, in the labour movement and in the Army, who are involved. The credentials of
these pastors are such that I am convinced of their integrity and the risks they have run. I ought to say that I was staying at the British Legation, and told Mr. Mallet all about it. He thought the matter important enough to justify me in asking if I might see you and tell you personally
what the pastors had told me. The information is a sequel to the memorandum
you have already seen, brought from Geneva
by
Visser ’t Hooft of the World Council of Churches, and having to do with von Trott. I have also today reported to Mr. Warner on my visit to Sweden and given him some information as to the visit of the pastors. It is his suggestion that I am writing direct to yon, and I should be very grateful if you could receive me. I will bring my papers with
me. I could come any time on Saturday, or from 3 p. m. onwards on Monday. From
Tuesday to Friday I have some engagements
which I cannot break in my diocese. I do not know whether you 1. Übersetzungen siehe Seite 498—502.
Kontakte
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will be at West Dean this week end. If so, and it snited yon, I
could easily come over after tea on the Sunday. Yours very sincerely, (signed) George Cicestr
Foreign Office, S.W.1
Personal and Private 17th July, 1942
Dear Lord Bishop, When you came to see me on June 30th, you were good enough to leave with me a memorandum of your conversations with two
German pastors whom you met in Stockholm at the end of May, together with the record of a statement by one of the pastors.
These interesting documents have now been given the most careful examination,
and, without casting any reflection on the bona
fides of your informants, I am satisfied that it would not be in the national interest for any reply whatever to be sent to them. I realise that this decision may cause you some disappointment, but in view of the delicacy of the issues involved I feel that I
must ask you to accept it, and I am sure that yon will understand. Yours sincerely,
(signed) Anthony Eden The Right Reverend
The Lord Bishop of Chichester
25th July, 1942 Dear Mr. Eden,
Many thanks for your letter of the 17th July. I am very glad that after most careful examination of the documents which I left with yon, you feel that no reflection can be cast on the bona fides of the two German pastors. I must of course bow to your decision that it is not in the national interest to make any reply to them personally. But I do greatly hope that it may be possible for you in the near future to make it plain in an emphatic and public way
Chichester
und Eden 1942
385
that the British Government (and the Allies) have no desire to enslave a Germany which has rid itself of Hitler and Himmler and their accomplices. I found much evidence on many sides in Sweden, in addition to my information from the two Pastors, of the existence of a sharp distinction between the Nazis as such and a very large body of other Germans. It is the drawing of this distinction (with its consequences) by the Government in the most
emphatic way which is so anxiously awaited by the opposition. I have read your Nottingham speech with great attention and with much sympathy. I appreciate all you say about our resolution to continue to fight against the Dictator powers until they are all finally disarmed and rendered powerless to do further injury
to mankind. I appreciate to the full your words about the recent atrocities, and your statement that these atrocities represent the policy of the German Government, and your declaration of a resolve to exact full and stern retribution. All these words are clearly intended to show the consequence of the determined
British and Allied policy to have no truck with the Nazis. But if you could at some convenient opportunity make it plain that the infliction of stern retribution is not intended for those in Germany who are against the German Government, who repudiate the Nazi system and are filled with shame by the Nazi crimes, it would, I am sure, have a powerful and encouraging effect on the spririt of the opposition. I cannot get out of my mind the words which the Norwegian Minister used in a private conversation with me
in Stockholm about the reality of the German opposition. T'he opposition, he said, hates Hitler but sees no hope held out by the Allies of any better treatment for the Anti-Nazis
than for the
Nazis. “It is either this (i. e. Hitler) or slavery. We hate this, but we prefer it to slavery.” And I see that Goebbels has just been intensifying his propaganda in the German home front to the effect that the Allies are determined to destroy Germany. I do not believe that Lord Vansittart’s policy is the policy of the British
Government. But so long as the British Government fails to repudiate it, or make it clear that those who are opposed to Hitler and Himmler will receive better treatment at our hands than Hitler and Himmler and their accomplices, it is not unnatural that the
386
Kontakte
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opposition in Germany should believe that the Vansittart policy holds the field.
Mr. Churchill said in his first speech as Prime Minister in the House of Commons on May 13th, 1940 that our policy was “to wage war against a monstrous tyranny never surpassed in the dark
and lamentable catalogue of human crime”, and that our aim was “victory at all costs”. If there are men in Germany also ready to wage war against the monstrous tyranny of the Nazis from within, is it right to discourage or ignore them? Can we afford to reject their aid in achieving our end? If we by our silence allow them to believe that there is no hope for any Germany, whether
Hitlerite or anti-Hitlerite, that is what in effect we are doing. I am
Yours very truly,
(signed) George Cicestr
Foreign Office,
Ss.W.1 Confidential 4th August, 1942 My dear Lord Bishop, Thank you very much for your letter of July 25th about the German problem. I am very conscious of the importance of what yon say about not discouraging any elements of opposition in Germany to the Nazi regime. You will remember that in my speech at Edinburgh on May 8th I devoted quite a long passage to Germany and concluded by saying that if any section of the German people
really wished to see a return to a German state based on respect for law and the rights of the individual, they must understand
that no one would believe them until they had taken active steps to rid themselves of their present regime.
For the present I do not think that it would be adwisable for me to go any further in a public statement. I realise the dangers and difficulties to which the opposition in Germany is exposed, but they have so far given little evidence of their existence and until
they show that they are willing to follow the example of the
Chichester
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oppressed peoples of Europe in running risks and taking active steps to oppose and overthrow the Nazi rule of terror I do not see
how we can usefully expand the statements which have already been made by members of the Government about Germany. I think these statements have made it quite clear that we do not
intend to deny to Germany a place in the future Europe, but that the longer the German people tolerate the Nazi regime the greater becomes their responsibility for the crimes which that regime is committing in their name. Yours sincerely, (signed) Anthony Eden The Right Reverend
The Lord Bishop of Chichester
Private as from: The Bishop’s Lodging 22 The Droveway Hove, Sussex 17th August, 1942 Dear Mr. Eden, Very many thanks for your letter of August 4th about the German problem, which has been forwarded to me in Scotland. I much appreciate what you say about your consciousness of the importance of not discouraging any elements of opposition in Germany to the Nazi regime, and your reference to the very important speech which you made in Edinburgh on May 8. I also see the force of your point that the opposition in Germany should be ready to take similar risks to those taken by the oppressed peoples in Europe. The German opposition would probably reply that there is a difference, in view of the fact that the oppressed peoples have been promised deliverance by the Allies, and that
Germany has not exactly been promised that. At the same time I fully see the point has got to be rubbed home that the opposition Germans
themselves must
do their part in opposing and over-
throwing the Nazi rule. Certainly the pastors and their friends in Germany are fully alive to the grave character of the responsibility borne by the German
388
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
people for the crimes committed by the Nazis in their name. The hopes of a return to a German State based on respect for law and the rights of the individual, after the overthrow of the Nazis, and of a place for a reformed Germany in the future Europe, ought to
be powerful factors in making the opposition declare itself more and more plainly. Yours sincerely,
»
(signed) George Cicestr
An den Bischof aus der Schweiz
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August 28th, 19421
My Lord Bishop, [Chichester] I have just received a letter from my sister in which she
tells me that she has met you after your long journey. I am
so glad to know
that you have returned safely and
that you have already seen my people. Since I wrote yon last not much has changed here. Things are going as I expected them to go. But the lenght of time is, of course, sometimes a little enervating. Still I am hopeful that the
day might not be too far when the bad dream will be over and we shall meet again. The task before us will then be greater than ever before. But I hope we shall be pre-
pared for it. I should be glad to hear from yon soon. Wednesday has for many of my friends become the special day for oecumenical intercession. Martin? and the other friends send you all their love and thanks. Would you be good enough to give my love to my sister’s family? In sincere gratefulness I am yours ever Dietrich
1. Geschrieben bei Ankunft in der Schweiz. 2. Niemöller und die übrigen Inhaftierten.
Übersetzung siehe Seite 503.
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Kontakte
im Krieg.
1941—1942
Chichesters Darstellungen 1945 und 1957 The background of the Hitler plot! It is the purpose of this article to report from personal knowledge
an early stage in the plot of July 20th, 1944 to destroy Hitler. I place the facts on record now, at the end of the war, in the interests of justice, and in order to call attention to the existence and composition of a strong anti-Nazi movement which lay behind
the conspiracy. I went on a visit to Sweden in May 1942, at the request of the Ministry of Information, to renew contacts between Swedish and British churchmen. I had no sort of reason to expect that I should meet any Germans. My surprise was great when, on May 26th, at the end of a conference in Stockholm, a Swedish friend told me
that Dr. Hans Schönfeld had arrived from Berlin and wished to see me. Dr. Schönfeld had been well known to me for many years,
first as an officer of the Universal Christian Council for Life and Work, of which I had been President, then as Director of the
Research Department of the World Council of Churches in Geneva. As a German pastor working for the World Council out of Germany, he was required to be in touch with the office of the Ger-
man Evangelical Church in Berlin which dealt with foreign affairs. The head of this office was Bishop Heckel, who had Dr. Gerstenmaier as one of his assistants. And here it is right to give a cau-
tion. Within the German Evangelical Church there was a sharp division between those who strongly resisted the Hitler r&gime and formed the Confessional Church, and those who supported or tolerated the regime. Bishop Heckel was amongst the latter, and was a nominee of the notorious Reichsbishop Ludwig Müller. This fact in itself made Dr. Schönfeld’s position a difficult one, in spite 1. Verfaßt vom Bischof von Chichester, in „The Contemporary Review“ Oktober 1945; Übersetzung siehe Seite 503.
The
background
of the Hitler
plot,
1945
391
of his own personal courage and sympathy with the Confessional Church.
I saw Dr. Schönfeld in company with one or two Swedish friends. He was in a state of considerable strain. After giving me details of the work being done by the World Council of Churches for Prisoners of war, he got on to his real subject. He came, he said, to inform me of a strong opposition in Germany against Hitler,
which had been developing for some time, and had some existence before the war. The war gave it its chance, which it was now waiting to seize. He told me that the opposition was made up of three principal elements: (i) Members or former members of the State administration. (ii) Large numbers of former trade unionists,
who included the leaders of the former trade unions and other active liason men among large parts of the workers. As he put it in a memorandum which at my request he gave me later, “through a network of key men systematically developed during the last six months”, they controlled “key positions in the main industrial centres, as well as the big cities like Berlin, Hamburg, Cologne, and throughout the whole country”. (iii) High officers in the Army and State police. The officers in the Army included “key men in
the Highest Command (O.K.W.) for the front troops, Navy and Air Force, as well as in the Central Command of the home military forces”. He said that the leaders of the Protestant and Ca-
tholic Churches were also closely in touch with the whole opposition movement; and he told me of the determined fight which the Confessional and Catholic Churches alike had put up in defence of human rights; and of the emphatic protests made against the Nazi government’s attack on liberty and law by Bishop Wurm
of Württemberg, for the Confessional Church, and Bishop von Preysing, the Roman Catholic Bishop of Berlin. These three main groups had sufficient power to overthrow the Nazi regime, if opportunity arose. Extensive preparations had
been made. A chance to destroy Hitler had seemed probable in December 1941, with the refusal of many officers to go on fighting in Russia. But no lead was given at that time. The general development of last winter had, however, opened men’s eyes. Hitler’s last speech in the Reichstag, April 26th, 1942, claiming to be above
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all laws, had shown the German people more clearly than ever the complete anarchy of the regime.
The purpose of the opposition, he said, was the destruction of the whole Hitler regime, including Himmler, Göring, Goebbels and the central leaders of the Gestapo, S.S., and S.A., and in its place to establish a government composed of strong representatives of the main groups mentioned above, with the following programme (quoted from Dr. Schönfeld’s memorandum): “1. A German nation governed by law and social justice with a large degree of responsible self-administration throughout
the different main provinces. 2. Reconstruction of the economic order according to truly socialistic lines, instead of self-sufficient autarchy; and a close co-operation between free nations, their economic interdependence becoming the strongest possible guarantee against self-reactionary European militarism. 3. A European federation of free states or nations, including
Great Britain, which would co-operate in a close way with other federations of nations. “This federation of free European nations, to which would
belong a free Polish and a free Czech nation, should have a common executive, under the authority of which a European Army would be created for the permanent ordering of European security.
“The foundation principles of national and social life within this federation of free European nations should be orientated or re-orientated towards the fundamental principles of Christian faith and life.” A government guided by these principles, he added, would repeal the Nuremberg laws and restore their stolen property to the Jews.
It would break with Japan. It would also be prepared “to take its full share in the common efforts for the rebuilding of the areas destroyed or damaged by the war”; for many Germans were convinced that they must sacrifice much to atone for the damage done in the occupied territories. But—here lay the root of the matter—before anything else could
The background
of the Hitler
plot, 1945
393
be done, Hitler must be eliminated; and the Army was the only force which could bring this about. There might be two stages in the elimination: (1) a revolt inside the Nazi Party, in which Himmler and the S.S. could be encouraged to destroy Hitler;
(2) the mobilisation by the opposition of all the other forces in the Army and the nation against Himmler and the S.S. leaders, who were more bitterly hated than anyone else.
What Dr. Schönfeld wished to learn, on behalf of the opposition movement, was whether the British Government would encourage such a rising against Hitler, and whether, in the event of its success, they would be willing to negotiate with a new German—
anti-Nazi—government.
To attempt the destruction of Hitler,
Himmler and the whole r&gime involved immense danger; it was therefore extremely important to know whether the Allies” atti-
tude to aGermany purged of Hitler would be different from their attitude to a Germany under Hitler. The alternative seemed further destruction and chaos and increasing nihilism as the war went on. I saw Dr. Schönfeld again on May 29th. Once more he emphasised the reality of the Churches’ opposition to Hitler, and gave illu-
strations of the successful resistance of the Confessional Church to Nazi attacks, e.g. the defeat of Bormann’s attempts in 1941 to dissolve the Church into associations, and the success of Bishop Wurm and others in resisting euthanasia in Protestant institutions. Indeed, most of Dr. Schönfeld’s conversation on this occasion was
devoted to stating what the Churches had done, indicating the necessity of a Christian basis of government, and the significance inrelation to Germany of the Church opposition in Holland and Norway. On May 31st, Whit-Sunday', I went to Sigtuna, a little town with a famous educational settlement, many miles from Stockholm. There an extraordinary thing happened. A second German pastor arrived, fresh from Berlin, in order to see me. He was Pastor
Dietrich Bonhoeffer. To enable him to come he had been given a diplomatic
message
as a courier. Neither
Dr. Schönfeld
nor
Pastor Bonhoeffer, to the best of my belief, knew that the other was coming, or had come, though each had a similar errand. To me Bonhoeffer’s coming was deeply significant. I have referred to 1. Tatsächlih
war
es der Trinitatis-Sonntag
(31. 5. 1942).
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Kontakte im Krieg. 1941—1942
the difficulty of Schönfeld’s position, because of his association with Bishop Heckel, while, from another point of view, those who
had seen him during the war were not sure how far his description of what the Churches had done or might do was coloured by his
wishes. But about Bonhoeffer there could be no two opinions. I had known him intimately all the nine years since 1933. He was an uncompromising ‘anti-Nazi, one of the mainsprings of the Church opposition, entirely trusted by the Confessional Church leaders and deeply disliked by Bishop Heckel and all tolerators or supporters of the Nazi regime. An underground Confessional Church seminary of solved by the Nazis. from preaching and present date he had
which he was principal had been twice disFrom the end of 1940 he had been prohibited speaking by the Gestapo. From 1941 to the been working for the Brethren’s Council in
the Confessional Church by day, and had been engaged in political activity by night. When he came, and, quite independently, confirmed what Schönfeld had told me (for I saw him alone a long while, before Schönfeld arrived, later on, at Sigtuna), it was
quite impossible to have any doubt of the reality of the plan. While Bonhoeffer and I were alone, I asked him very privately if he could tell me the names of the chief conspirators. He gave
them at once. The important people in the plot were, he said, Colonel-General Beck, Chief of the General Staff before the Austrian crisis in 1938; he was trusted in the Army, a Christian, conservative, and in touch with trade unionist leaders; Colonel-
General von Hammerstein, Supreme Commander of the Army when Hitler came to power, older, a convinced Christian; Karl Goerdeler, a former Lord Mayor of Leipzig, and an ex-Reich Commissioner for Price Control, highly esteemed by Civil Service people and the leader on the civil front; Wilhelm Leuschner, President of the united trade unions before they were dissolved; and Jakob Kaiser, a Catholic trade union leader. Beck and Goerdeler were
the principals. If a movement under their leadership were to come up, it could, in Bonhoeffer’s judgment, be relied upon as trustworthy. There was an organisation representing the opposition in
every Ministry and officers in all the big towns; and there were Generals, or officers quite near the Generals, in all the commands
The
background
of the
Hitler
plot,
1945
395
of the Home Front. He mentioned von Kluge and von Witzleben. I could see that as he told me these facts he was full of sorrow that things had come to such a pass in Germany, and that action
like this was necessary. He said that sometimes he felt, “Oh, we have to be punished“. Later on in the afternoon, Schönfeld joined us. He added a few details to what he had already said, but all to the same end. The coup should be carried through in two or three days. Not only the Ministries, but the public services, including the gas supply and the radio, contained key men on the opposition
side, and there were close links with the State police. If the leaders of the Allies felt themselves responsible for the fate of millions in the occupied countries, he hoped that they would consider means
of preventing great crimes
against those peoples. In the
course of our talk I explained to Schönfeld and Bonhoeffer that I felt bound to inform the British Minister in Stockholm, Mr. Victor
Mallet, of what they had told me. Indeed, I had already told him of the earlier talk; and I warned them, by his advice, that they
must not be very hopeful of a favourable reception from the Government— and that the Americans and the Russians would both have to be brought in. This they understood. But I said that I would do my very best to put everything they had told me clearly
before the British Government. We had further talks on various aspects of the situation. As to Russia, Schönfeld said that, as the
German Army then held 1,000 miles of Russian territory, it was hoped that Stalin could be satisfied on the boundary question, and
that German high officers had been impressed by the Soviet Elite and believed in the possibility of an understanding. After Schönfeld had spoken on this and other matters, Bonhoeffer intervened. He was obviously distressed in his mind as to the lengths to which he had been driven by force of circumstances in
the plot for the elimination of Hitler. The Christian conscience, he said, was not quite at ease with Schönfeld’s ideas. “There must be punishment by God. We should not be worthy of such a solution.
We do not want to escape repentance. Our action must be understood as an act of repentance”. I emphasised the need of declaring Germany’s repentance, and this was accepted. I also spoke of the
Kontakte im Krieg. 1941—1942
396
importance of the Allied Armies occupying Berlin. Schönfeld aggreed that such occupation would be a great help for the purpose of exercising control. To sum up, the questions to which the opposition wished to know the answers were: 1. Would
the Allied Governments,
once
the whole
Hitler
regime were overthrown, be willing to treat with a bona fide German Government, for such a peace settlement as that described above, including the withdrawal of all Ger-
man forces from occupied countries, and reparation for damage, and to say so privately to an authorised representative of the opposition? Or— 2. Could the Allies make a public announcement, in the clearest terms, to a similar effect?
Before our talk ended, I discussed ways and means of letting Schönfeld and Bonhoeffer know the attitude of the British Government to these questions; one of the suggestions being that Adam
von
Trott zu Solz might be an intermediary,
if further
inquiry were desired. The next day I had a brief final conversation with Bonhoeffer before he returned to Berlin.
On reaching London I saw Mr. Eden on June 30th, and gave him verbally a full account of the conversations. I also placed a detailed written memorandum in his hands (including Schönfeld’s statement) setting out the chief points, together with the names of
the leaders in the plot. He listened attentively. He told me that some of the names given by Bonhoeffer were known at the Foreign Office. Other communications, or peace feelers, had also reached him from other neutral countries. But he said he must be
scrupulously careful not to enter into even an appearance of negotiations apart from the Russians and the Americans. He promised, however, to consider the memorandum and to write later. He wrote on July 17th informing me that after consideration it had been decided that no action could be taken.
I would add word of comment in conclusion. In due course the pastors learned through Geneva that the British Government was not prepared to take any action. I have heard since of the grave
The background
of the Hitler
plot, 1945
397
disappointment with which this news was received. But it is not my
purpose in this article to make any comment on the Government’s decision. My sole object is to call attention to two facts: First, the common
view, that the plot of July 20th, 1944, was a
conspiracy of the militarists, or (as Mr. Churchill put it in the House of Commons on August 2nd, 1944) simply a case of “the highest personalities inthe German Reich murdering one another”, cannot be maintained. The case is more complex. The two approaches by the two pastors coming independently to me throw
light on what may be called the two strands in the opposition. The first strand was composed of very different kinds of people, with different motives, linked by a common
resolve to eliminate
Hitler. An article by Dr. E. Gerstenmaier in the Neue Zürcher Zeitung of June 23rd, 1945, with its reference to Schönfeld as his link with other countries, describes the former’s association with this strand. The second strand is composed of those who were
quite uncompromising in their repudiation of all that Hitler and the Nazis generally stood for, and opposed the regime from a definite Christian or liberal or democratic angle. They can rightly be called the upholders of the European tradition in Germany. In the highly complicated German situation both these strands were
closely related. To each strand of the opposition the Army was indispensable
for success.
For there was
no force available
to
destroy the regime except the Army. Secondly, the equally common view that the plot was the work of men who were already realising in 1942 that they were losing the
war is not consistent with the established facts. I have shown that the Hitler plot was prepared at the latest in the winter of 1941-42, when the Germans held 1,000 miles of Russian territory, and
when nearly all Europe was occupied. Actually, the foundations of the plot were laid in 1940. For example, Bonhoeffer started his political activities with his friends (especially Dr. v. Dohnanyi) at the outbreak of war. We know of the despair which seized all those who were engaged in subversive activities in July and
August 1940. We know of a meeting held at that time where it was proposed that further action should be postponed, so as to avoid giving Hitler the character of a martyr if he should be
398
Kontakte
im Krieg.
1941—1942
killed. Bonhoeffer’s rejoinder was decisive: “If we claim to be Christians, there is no room for expediency. Hitler is the AntiChrist. Therefore we must go on with our work and eliminate him whether he be successful or not.” It is clear that there was a strong anti-Nazi opposition, however variously composed. And the formation later of a Free German Committee in Moscow shows the Soviet Government’s awareness
of its existence. Whether the plot would have succeeded if the Allies had encouraged it in 1942, it is impossible to tell. If it had been successful it would certainly have shortened the war and reduced the volume of suffering. But it is worth noting that those whose names were given as leaders in 1942, Beck, Goerdeler and others, were the leaders in 1944. It may also be recalled that this
was not the first time that Beck and Goerdeler had made their opposition to Hitler known to the British Government. Goerdeler came over to London in the summer of 1938, and again in 1939, informed the Foreign Office of Hitler’s determination to go to
war, and warned it that the only way to prevent war was by a very strong line against Hitler, and by being well prepared. As it was, Beck, Goerdeler, Leuschner, Witzleben and Adam von Trott all paid the penalty with their lives on the failure of the plot. It is estimated (in the Annual Register for 1944) that altogether 20,000 persons, including women, were executed. One of the latest
victims was Dietrich Bonhoeffer. Although in prison on July 20th, 1944, he was murdered in the concentration camp at Flossenbürg by the S.S. on April 9th this year, after two years’ martyrdom in prison. In the same month his brother, Klaus, and his brother-inlaw, Dr. R. Schleicher, were murdered in Berlin; and his brotherin-Jaw, Dr. H. von Dohnanyi, was murdered in Sachsenhausen;
all for their share in the plot. They are all gone. But their witness remains. It is on the survivors of that opposition, of which that witness is evidence, in all parts of Germany, and on all others, both inside and outside the Church, who are inspired by liberal and humanitarian ideals and by a true love of their country, together with like-minded men in
other countries, that the spiritual rebirth of Germany and the recovery of Europe depends. Georee ce
The Church
and the Resistance
Movement,
1957
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The Church and the Resistance Movement! I am to speak tonight about an episode during the second World War in which two German Pastors and I were deeply involved.
I believe it to be of more than ordinary importance. Not only does it show what two brave Pastors were prepared to do, at the risk of their lives, in resistance to Hitler, because they were
Christians. It also shows that in their view the Christian Church has such a special witness to give that churchmen of one nation
have a right to look for help from churchmen of another nation, even though their respective nations are at war.
Ihave accordingly
given my lecture the general title of The Church and the Resistance Movement. The episode took place in Stockholm almost exactly fifteen years ago. My first visit to Stockholm was in 1925, as a delegate of the Church of England to the Universal Christian Conference on Life and Work. And it is to the Stockholm Conference, and to the various meetings of the Universal Christian Council, and my resulting visits to Germany up to the outbreak of war, that I owe
my personal relationships with so many German Church leaders. Above all it was through the fellowship of the Council that I gained my first appreciation of the gravity of the crisis with which Germany
was
faced from 1933 onwards;
and that I became
a
whole hearted and public supporter of the Confessional Church. One of the essential marks of this Council was that it sought to find in the common discipleship to Christ a bond of unity transcending all differences of confession, nation and race. Therefore, when the second World War broke out, Iand other churchmen of different countries who had worked together in this ecumenical fellowship, had a very strong consciousness of the Christian bond. More than this, many German churchmen were well aware of the
sympathy felt for the Confessional Church in countries at war 1. Vortrag Chichesters am 15. Mai 1957 in Göttingen. Übersetzung siehe Seite 513.
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Kontakte im Krieg. 1941—1942
with Germany, in the firm stand it continued to make for freedom to preach the Gospel. In the expression of this Christian fellowship Dr. Hans Schönfeld and Pastor Dietrich Bonhoeffer played remarkable roles. I first knew Hans Schönfeld in 1929, as Secretary for Research of the International Christian Social Institute at Geneva. From the early
days of the Nazi regime he had endeavoured to combat the influence of Nazism, and to develop good relations between the German Evangelical Church and Church leaders abroad. He lived
with his family in Geneva throughout the war, but continued to make journeys to Germany, well knowing the risks he ran.
I first met Dietrich Bonhoeffer in 1933, as German pastor in London, a post he held till 1935. We quickly became intimate friends. He kept me in close touch with the development of the Church struggle, both in London and after his return to Germany, And when he visited England in the spring of 1939 he came to see me in Chichester about two questions in particular. The first as by what means the Confessional Church could be kept in touch with the Churches abroad — for ‘I am afraid’, he wrote, ‘we shall very
soon be cut off entirely from our brethren abroad, and that would at any rate mean a tremendous loss to us’. The second was a question personal to himself. ‘I am thinking of leaving Germany
sometime. The main reason is the compulsory military service to which men of my age (1906) will be called up this year. It seems to me conscientiously impossible to join in a war under present
circumstances. On the other hand the Confessional Church as such has not taken any definite attitude in this respect and probably cannot
damage
take it as things are. So I should
cause
a tremendous
to my brethren if I were to make a stand on this point
which would be regarded by the r&gime as typical of the hostility
of our Church towards the State... Perhaps the worst thing of all is the military oath which I should have to swear.’ We had a prolonged conversation about the whole situation; and I urged him to discuss his tragic dilemma with his own trusted
leaders in the Confessional Church. He went to U.S.A. shortly after. The last contact I had with him before the outbreak of war was in a letter written as he was passing through London at
The
Church
and
the Resistance
Movement,
1957
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the end of July 1939, on his return from U.S.A. He had been invited to stay at Union Seminary, New York, as long as he wanted. But (he wrote) ‘when news about Danzig reached me, I
felt compelled to go back as soon as possible, and to make my decision in Germany’ ... “It is uncertain’, he added ‘when I shall be in this country again.’ The next time I saw Dietrich Bonhoeffer was on May 31, 1942 in Sweden, in the very middle of the war.
My own visit to Sweden came about in this way. Early in 1942 air communications were restored between Britain and Sweden under
Government auspices, in a limited way. The British Ministry of Information was anxious to use the opportunity to resume contacts between different departments of British and Swedish culture. Sir Kenneth Clark, the Director of the National Gallery, and T.S. Eliot, the poet, were among those who were thus enabled to re-establish connexions with art and literature. It was thought desir-
able to send someone who could renew personal relationships with members of the Churches. And as I had many friends in the Church of Sweden, I was invited to undertake this task.
I arrived a little before 3 a.m. on May 13, at the airport of Stockholm, in an aeroplane with a Norwegian pilot and 2 crew, and no other passengers. During the first fortnight I travelled to different parts of Sweden, and met many old friends, and saw many new faces. In the course of my travels I learned far more about what was happening in the world than there was any possibility of learning in Britain. But the first 14 days, enthralling as they were,
did nothing to prepare me for my dramatic encounter with a German Pastor, on May 26, in Stockholm.
I was staying at the time with Mr. Victor Mallet, the British Minister, at the Britain Legation. That night Nils Ehrenström, a young Swedish pastor, Dr. Hans Schönfeld’s assistant in the Research Department at Geneva, took me to the Student Movement
House where he introduced me to the Secretary, Mr. Werner. There, to my amazement,
I found Dr. Schönfeld himself, fresh
from Geneva via Germany. He had come expressly to meet me, the news of my visit having been published in the press. He was clearly suffering under great strain. After warm words of wel-
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come, he spoke first of what he and his colleagues at Geneva were doing. He gave me copies of sermons composed by German Army
chaplains for English prisoners of war in Germany, circulated by the office of the German Evangelical Church, of which Dr. Eugen Gerstenmaier was head. He spoke of the work of the Y.M.C.A. and of the Student Movement. And then, after a while, he reached
what was most clearly the object of his visit. He told me about a very important movement inside Germany, in which the Evangeli-
cal and the Roman Catholic Churches were playing a leading part. There was, he said, a block of Christians belonging to both con-
fessions who were speaking strongly of three human rights — the right of freedom, the right of the rule of law, and the right to live
a Christian life. The movement
included trade unionists and
working men. These working men challenged him and Dr. Gerstenmaier about the Christian attitude, and asked ‘How will your
Churches face a National Socialism’? And he went on to describe a gradual development of Christian groups in military circles, and the civil service, as well as among the trade unionists. There was,
he said, a growing movement of opposition to Hitler, and men were on the look out for a chance to attack him. He spoke of the
recent refusal of a number of officers to continue serving in Russia, and how the developments of the previous winter had opened men’s eyes — but no lead had been given. And he spoke of a plan for a federation of European nations with a European army under the authority of an executive which might have its headquarters in one of the smaller countries. He added that many Germans
were convinced that they must make great sacrifices of their own personal incomes to atone for the damage Germany had done in the occupied territories.
The likelihood of a British victory was not very great, he said, but on the other hand the Opposition was aware of impending revolt inside the Nazi Party, of Himmler and his followers against Hitler. The first stage would be the overthrow of Hitler by Himmler and the SS, when the Army would take control of Ger-
many. But — here was Schönfeld’s question — would Britain and the United States be willing to make terms with a Germany freed from Hitler? There was no confidence at present that Britain
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Church
and
the
Resistance
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would act differently from the way in which it had acted at Ver-
sailles. Although a successful coup by Himmler might be of service to the opposition, its members were under no illusion as to the essential preliminary being the elimination of Hitler and Himmler and the Gestapo, and the SS. They also realised that another essential preliminary was the withdrawal of German troops from all occupied territory, with a view to its being taken over by a
European authority. But —
(they asked) —
would the British
encourage the leaders of such a revolution to hope for negotiations if the arch-gangsters were removed? The alternative, as he and his friends saw it, was further chaos — with Bolshevism increasing. I reported the essence of the conversation to the British Minister
when I got back to the Legation. He was interested, and told me to go on listening, but not to encourage my visitor; he thought
that what Schönfeld said might possibly be a ‘peace-feeler’. Three days later, on the afternoon of May 29, I saw Schönfeld a second time. Ehrenström and Werner were again present. There
was more discussion about the resistance movement. Schönfeld emphasised the reality of the Church opposition, and quoted General Superintendent Blau in Posen and Bishop Wurm as particularly striking examples of the leadership, and also Hanns Lilje. All those opposed to Hitler, he said, were agreed about the neces-
sity of a Christian basis of life and of government, and very many were looking to the Church leaders for help and encouragement. He spoke also of the significance of the Churches’ opposition in Norway and Holland. Our conversation on this occasion lasted about an hour. I asked Schönfeld to put what he had told me in writing, and he promised to do sol. That evening I went to Upsala to stay with Archbishop Eidem.
I told him of our talks. He had no doubt of Schönfeld’s sincerity, or of the great strain from which he was suffering. But when we walked together next morning, May 30, he said that he thought
Schönfeld was too wishful in his thinking, and found a relief in pouring out to sympathetic ears. 1. Siehe Seite 378 und Seite 494,
404
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But the next day, Sunday, May 31, was crucial. I went that morning to Sigtuna, where I was met by Mr. Harry Johansson, Director of the Nordic Ecumenical Institute. I lunched with Dr. Manfred Björquist, head of the Sigtuna Foundation, and his wife. Then, to my astonishment, after tea, arrived a second German
pastor, Dietrich Bonhoeffer. He had known nothing of Schönfeld’s visit (nor Schönfeld of his). He came with a courier’s pass made out by the Foreign Office in Berlin, through the help of General Oster, who had planned the whole journey with Bonhoeffer’s brother-in-law, Hans von Dohnanyi, and Bonhoeffer himself. We told him of the conversations with Schönfeld, who was not
present when Bonhoeffer appeared. I then suggested that Bonhoeffer and I might talk together in private, and he and I left the rest and withdrew into another room. He gave me messages for his sister in England. He said that his
seminary had been dissolved for the second time, in 1940. The Gestapo had forbidden him to speak or preach or publish. Nevertheless he had been working hard by day at his book on Ethics, and in preparing Memoranda for the Brethen’s Council, and by night had been engaged in political activity. There had been some danger of his being called up for military service, but he
had approached a high officer in the War Office, a friend of the Confessional Church, who had told him ‘I will try and keep you out of it”.
Turning then to my conversations with Schönfeld, I emphasised the suspicion with which my report would be met by the British Government when Igot home. And I said that, while I understood the immense danger in which he stood, it would undoubtedly be a great help if he were willing to give me any names of leaders in the movement. He agreed readily — although I could see that there was a heavy load on his mind about the whole affair. He named Col. General Beck, Col. General von Hammerstein, former
chiefs of the General Staff, Herr Goerdeler, former Lord Mayor of Leipzig, Wilhelm Leuschner, former President of the United Trade Unions, Jacob Kaiser, Catholic Trade Union leader. He also mentioned Schacht, as an ambiguous supporter, a ‘seismograph
of contemporary events’. He emphasised the importance of Beck
The
Church
and Goerdeler.
and
the Resistance
Movement,
1957
405
A rising led by them should be taken very
seriously. He also said that most of the Field Marshals and Gene-
rals (or those next to them) in the Commands of the Home Front, were reliable — von Kluge, von Bock, Küchler, and though not so likely to come into prominence, von Witzleben. Our private talk then ended. Schönfeld arrived, and he, Björquist,
Johansson, Ehrenström, Bonhoeffer and I joined in general conversation. It was impossible, Schönfeld said, to tell the numbers
of those in the opposition. The point was that key positions were held by members of the opposition on the Radio, in the big factories, in the water and gas supply stations. There were also close links with the State police. The opposition had been in existence
for some time; it was the war which gave it its opportunity, and it had crystallised in the autum of 1941. If the Allied leaders felt a
sense of responsibility for the fate of millions in the occupied countries, they would consider very earnestly the means of preventing great crimes against those peoples. And as to Russia, Schönfeld reminded me that the German Army held 1000 miles of Russian territory. Stalin could, he considered, be satisfied on the boundary question if the Allies would give a guarantee to the Soviet Government. High German officers, he said, had been impressed
with the Soviet &lite, and believed in the possibility of an understanding. Here Bonhoeffer broke in. His Christian conscience, he said, was
not quite at ease with Schönfeld’s ideas. There must be punishment by God. We should not be worthy of such a solution. Our action must be such as the world will understand as an act of repentance. ‘Christians do not wish to escape repentance, or chaos, if it is
God’s will to bring it upon us. We must take this judgment as Christians’. When Bonhoeffer spoke of the importance of the Germans
declaring their repentance,
I expressed very strong agree-
ment with him. I also spoke of the importance of the Allied armies occupying Berlin. Schönfeld
agreed to this, but with the
proviso that they occupied Berlin not as conquerors but to assist the Germany Army against reactionary or hostile forces. The question was asked whether the British would favour the return of a Monarchy in Germany. A possible monarch was Prince Louis
406
Kontakte im Krieg.
1941— 1942
Ferdinand, who had been brought over from U.S.A. by Hitler after the death of the Crown Prince’s eldest son, and was now
living on a farm in East Prussia. He was known to Bonhoeffer, and was a Christian, with outspoken social interests. All this was communicated to me, with a view to my passing it on to the British Government. The resistance movement’s aim, I was again told, was the elimination of Hitler, and the setting up of a new bona fide German Government which renounced aggres-
sion and was based on principles utterly opposed to National Socialism. This new German Government would wish to treat with the Allied Governments for a just peace. But it was urged that it was of little use to incur all the dangers to which the Resistance movement was exposed in fulfilling its aim, if the Allied Governments were going to treat a Germany purged of Hitler and
his colleagues in exactly a Hitlerite Germany. I and, if possible, to let the gested that should there
the same way as they proposed to treat was therefore asked to make enquiries, two Pastors know the result. It was sugbe any wish on the part of the British
Government for preliminary private discussion, Adam von Trott,
a friend of Sir Stafford Cripps’s son, would be a very suitable person. I again emphasised the reserve with which my report would be met, and the probability of the Foreign Office taking the view that the whole situation was too uncertain to justify any action on its part. But it was agreed between Bonhoeffer, Schönfeld, Johansson and myself that, if at all possible, the following
method of communication should be adopted: 1. If the Foreign Office made no response to my report, I should send a cable to Harry Johansson, Sigtuna, saying simply Circumstances
too uncertain
2. If the Foreign Office were sympathetic, but unwilling to commit itself, the message should be Friendly reception 3. If the Foreign Office were willing to authorise some person
from the British Legation or the Foreign Office, or a British
The
Church
churchman
and
the
from London,
Resistance
Movement,
to discuss possibilities,
1957
407
the message
should be Paton can come
(The use of the name Paton, a well-known British Church-
man, did not mean either that this particular person or that a churchman would be chosen, but was simply for convenience.)
It was further agreed that if the Foreign Office proved willing to authorise some person unspecified to discuss possibilities, the following replies, according to circumstances, should be sent either by Johansson from Sigtuna or by Visser ’t Hooft from Geneva,
naming the kind of representative preferred, and the date before or on which the meeting would take place: (a) If the representative of the Resistance movement
wished the
person authorised to be a diplomat, a cable would be sent to me at Chichester as follows: Please send manuscript before July 20. (b) If a churchman were preferred to a diplomat at this stage, the cable would say: Please send manuscript before July 20. Emphasise religious aspect.
(c) If for some reason it was not possible for the representative of the Resistance movement to send anyone to Stockholm, but only to authorise a Swedish third party, who would in fact be Ehrenström, to make further enquiries in London, the cable would say: Please arrange to see Strong July 20.
I should explain that the month to be named in the cable was, for security reasons, to be a month later than the month actually intended — so that July 20 meant in fact June 20. But it is certainly curious that the date actually agreed on in our con-
versations as the code date was July 20 — though in a fair copy made later, in order to give more time it was changed to July 30. In any case the exact date on which any meeting in Stockholm or
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Kontakte
im Krieg.
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London could take place depended on circumstances, which could only be made clear after I had reported to the Foreign Office. Next day, June 1, I returned to Stockholm, staying at the British Legation. In the afternoon I saw Johansson, who told me that Björquist refused to, allow Sigtuna to be used for purposes of communication between Chichester and the Resistance movement, as inconsistent with Sweden’s political neutrality. This meant that messages would have to be sent through Geneva. I saw Bonhoeffer again the same day, for the last time. He gave me messages for his brother-in-law, Dr. Leibholz, and asked me
to tell him that Hans (meaning von Dohnanyi) was active in the good cause. I was also given, I think by Schönfeld, a short written message of greetings from Helmuth von Moltke, simply signed James, for his friend in England, Lionel Curtis of All Souls College, Oxford. In the evening I dined quietly with the British Minister and Mrs. Mallet and had a long talk about the Sigtuna conversations.
The day closed with the receipt of two personal letters, one from Schönfeld enclosing the full text of the Statement which I had asked him to prepare, and one from Bonhoeffer. Both pastors spoke of what our meetings had meant, whatever the outcome. “I cannot express what this fellowship you have shown to us means for us and
my
fellow
Christians
who
were
with us in their
thoughts and prayers’, wrote Schönfeld. And Bonhoeffer: “It still sems to me like a dream to have seen you, to have spoken to you, to have heard your voice. I think these days will remain in my memory as some of the greatest of my life. The spirit of fellowship and of Christian brotherliness will carry me through the darkest hours, and even if things go worse than we hope and
expect, the light of these few days will never extinguish in my heart. The impressions of these days were so overwhelming that I cannot express them in words. My visit to Sweden ended officially on June 2, but owing to the flying conditions being unfavourable no plane was able to leave until June 9. I arrived in Scotland on June 10, and reached
home on June 11.
The
Church
and
the Resistance
Movement,
1957
409
On June 18 I went to see the head of the Department concerned at the Foreign Office, Mr. Warner, and at his suggestion wrote the same day to Mr. Eden!. Mr. Eden gave me an appointment for June 30. I gave him a full account of my experiences and conversations. I emphasised my long-standing personal relations with the two pastors, and my association with them, and with Bonhoeffer in particular, before the war, in strong opposition to Hitler and all he stood for. I
described the character of the opposition, and the questions put, and gave Mr. Eden all the names which Bonhoeffer had given me. Mr. Eden (my diary notes) was much interested. He appreciated
the fact that I had warned the pastors that the British Government was likely to be very reserved in its attitude, as opinion in
Britain tended to blame all Germans for tolerating the Nazis for so long. Mr. Eden himself seemed more inclined to think it possible that in some curious way the pastors, without their knowledge, were
being used to put out peacefeelers. He said that peacefeelers had been put out in Turkey and Madrid. He must be scrupulously
careful not to enter into even the appearance of negotiations with the enemy, and be able to say truthfully that this was so, both to Russia and to America. After emphasising what I believed to be the conviction and
reality of the opposition, I handed Mr. Eden the Statement which Schönfeld had prepared for me2. The questions put by the Opposition (included in an eight-page
memorandum® of my conversations also given by me to Mr. Eden) may be summarised as follows: 1. If Hitler and his colleagues and the regime were to be eliminated and overthrown by the Opposition as above described, would the Allied Governments be willing to treat with a new bona fide German Government for a European peace settlement along the lines indicated? 2. While the answer to the first question might be given privately, 1. Siehe Brief vom 18. Juni 1942, Seite 383 und 384 und Seite 498. 2. Siehe Seite 378 und Seite 494. 3, Siehe Seite 372 und Seite 488.
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Kontakte
im Krieg.
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could the Allies announce now publicly, in the clearest terms, that
if Hitler and the whole regime were overthrown, they would be prepared to negotiate with a new German Government which renounced aggression, for a European peace settlement, along the lines indicated? I told Mr. Eden that the pastors would be waiting for some sort of reply from me. He promised to consider the whole matter, and write later.
On July 13 I saw Sir Stafford Cripps. He spoke enthusiastically of Adam von Trott: and he told me of his own talk in May with
Dr. Visser ’t Hooft, who had given him a memorandum prepared by von Trott and mentioned in my letter to Mr. Eden.
(I heard after the war that Sir Stafford Cripps had shown this memorandum to Mr. Churchill). Sir Stafford told me that he had informed Visser ’t Hooft that he might encourage von Trott, on the basis, however, of Germany being defeated. When I showed
Cripps Schönfeld’s statement (which had points of agreement with von Trott’s memorandum, but took a more hopeful attitude about co-operation with Russia), it greatly impressed him. He described it as “far-reaching’, and promised to talk it over with Mr. Eden. He agreed that encouragement in any case could do no harm, and at best might do much good. Four days later, however, Mr. Eden sent me the letter, which
was completely negative. I replied on July 25, at some length, expressing my disappointment?.
Mr. Eden wrote again on August 43. I replied on August 17, 19424,
On July 30 I saw the American Ambassador in London, Mr. J.C:
Winant, giving him the same account and leaving the same Me-
morandum and Statement with him. I told him that I had seen 1. 2. 3. 4.
Siehe Siehe Siehe Siehe
Brief Brief Brief Brief
vom 17. Juli 1942 Seite 384 und Seite 499, vom 25. Juli 1942 Seite 384 und Seite 499. vom 4. August 1942 Seite 386 und Seite 501. vom 17. August 1942 Seite 387 und Seite 502,
The
Church
and
the
Resistance
Movement,
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Mr. Eden. I again emphasised the reality and significance of the Opposition in Germany. He received me in a friendly spirit, and listened to what I told him. He also promised to inform the State
Department at Washington. But that was all, and I heard no more. In view of the unwillingness to respond, of which I had indeed warned the two pastors, I could do nothing further by way of
communicating with them. The only thing I could do was to send a cable to Visser ’t Hooft at Geneva, which I did, in these terms, on July 23: ‘Interest undoubted, but deeply regret no reply possible. Bell.
The silence of the British Government was a bitter blow to those for whom the pastors stood. By this I mean the main leadership of the Resistance movement. Schönfeld, through Eugen Gerstenmaier, was in special touch with the Kreisau circle, including Helmuth von Moltke and Adam von Trott, while Dietrich Bonhoeffer, through his brother Klaus and his brothers-in-law Hans von Dohnanyi and Rüdiger Schleicher, had links with General Oster
and Colonel General Beck. From Bonhoeffer himself I had a letter dated August 281. He had heard from his sister, Mrs. Leibholz, of
my return home, and hoped that I would write to him. But nothing further passed. Without divulging anything of my conversations in Sweden, I raised the general question myself in the House of Lords on March 10, 1943, bringing evidence of the reality of an opposition in Germany, and pointing out the necessity of encouragement and
assistance if it was to take effective action?. But the main burden of the reply given to any later enquiries about Allied support for
the Resistance movement in Germany was that the cleansing of Germany was a German duty, to be performed for its own sake, and that no promises in advance could be expected from the Allies. 1. Seite 389 und Seite 503. 2. Siehe “The Church and Humanity 1939—1946” by G.K. A. Bell, Longmans & Green Co, London, S. 95—109; vor allem der Schluß!
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Kontakte
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Then, on July 20, 1944, as all the world knows, the Plot took
effect, and failed. The men named to me just over two years before by Bonhoeffer were among the chief conspirators who, in Hitler’s words, were “exterminated mercilessly”. Bonhoeffer had been already arrested by the Gestapo on April 5, 1943, and was in prison when the attempt was made. On April 9, 1945, together with Admiral Canaris and General Oster, he was executed in the concentration camp at Flossenbürg, aged 39. When he was taken
off to the scaffold on April 8, he sent me a message through Captain Payne Best, a British fellow prisoner: “Tell him” (he said) “that for me this is the end but also
the beginning — with him I believe in the principle of our Universal Christian brotherhood which rises above all national interests, and that our victory is certain — tell him too that I have meeting.”
never
forgotten
his words
at our last
In the same month other members of the Bonhoeffer family met a similar fate. Dietrich’s brother, Klaus, and his two brothers-in-
law, Hans von Dohnanyi and Rüdiger Schleicher, were all murdered.
Hans Schönfeld’s were very deep. dangers to which many to Geneva
sufferings were of a different kind, but they He endured great strain, and faced the many he was exposed during his journeys from Gerwith high courage. His health after the war
deteriorated greatly, and he fell a victim to a prolonged nervous
illness. He died in Frankfurt/Main on September 1, 1954 at the age of 54.
I know that it is said by some leading British historians and others that the Plot of July 20 was doomed to failure, that the Resistance was vacillating, rash and disunited, and that the German Generals
would never have brought themselves to take decisive action. I
know too that in the summer of 1942 the position of the Allies
was
critical from
the military point of view,
and
that those
charged with the direction of the war were absorbed in dealing with military problems. Nevertheless my own strong conviction
is that the negative attitude of the Allies was wrong; that the
The
Church
and
the Resistance
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sound and statesmanlike policy would have been to offer a positive response to the approaches made at such terrible risk; and that the failure to do so was tragic. But the principal point which I want to urge is this. The driving force behind the Resistance movement was a moral force. I do not dispute that there were different elements in it, not all on the same level of moral and religious inspiration. But its leaders were men of high ideals, to
whom Hitler and all his works were an abomination. Its finest spirits stood for a Germany purged of totalitarianism and the lust
for aggression. It was of the very essence of the Resistance movement that it should aim at the building up of the national, economic and social life, both of Germany and Europe, on the fundamental principles of the Christian faith and life. It is no wonder, surely, that members of the Christian Church in Germany, both
Protestants and Catholics, should be prominent in it. Nor should it be surprising that churchmen outside Germany who knew something of the conflict within that country should give it public support, even in time of war. I count it personally a high honour to have been with these two German pastors who came to Sweden in 1942 in the cause of truth, justice and freedom. In the words of Dietrich Bonhoeffer, “I believe in the principle of our Universal Christian brotherhood which rises above all national interests”: Finally I make bold to claim that, at this juncture in human history, the future of Europe and of the whole world of nations depends on whether or not statesmen and leaders in the different walks of life show the same brave and disinterested loyalty to truth, justice and freedom, in national and international affairs,
that the finest spirits of the Resistance Movement showed during the second World War.
in Germany
ANHANG
Übersetzungen und englische Fassungen
417
Zu Kapitel II
Ansprache in New York 1930
Zu S. 66-
Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1. Joh. 4, 16b). Es ist ein seltsames
Gefühl
für mich, nachdem
ich gerade von
Deutschland herübergekommen bin, nun auf einer amerikanischen Kanzel Erneut unseres wältigt
und vor einer amerikanischen Christengemeinde zu stehen. kommt mir zu dieser Stunde die weltweite Ausdehnung Glaubens und unserer Hoffnung in den Sinn. Ich bin überim Gedanken an Gott, den Vater, der über den Sternen
wohnt und auf seine Kinder in der ganzen Welt herniederschaut, in Amerika und Deutschland, in Indien und in Afrika. Vor Gott gibt es keinen Unterschied, wie Paulus sagt: Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu. Gott hat ein seltsames, erstaunliches und wunderbares Zeichen in der Welt errichtet, wo wir Ihn alle finden können — ich meine das Kreuz Jesu Christi, das Kreuz der leidenden Liebe Gottes. Unter dem Kreuze Christi wissen wir, daß wir alle zueinander gehören, daß wir alle Brüder und Schwestern mit den gleichen Nöten und Hoffnungen sind, daß wir durch dasselbe Schicksal aneinander gekettet sind, nämlich ein Mensch zu sein mit allen seinen Leiden und Freuden, mit Sorgen und Wünschen, mit Enttäuschungen und Erfüllungen — und, was am wichtigsten ist, ein Mensch zu sein mit seiner Sünde und Schuld, mit seinem Glauben und seiner Hoffnung. Vor dem Kreuze Christi und seinem unfaßbaren Leiden verschwinden alle unsere äußeren Unterschiede, wir sind nicht länger reich oder arm, weise oder einfältig, gut oder schlecht; wir sind nicht länger Amerikaner oder Deutsche, wir sind eine große Gemeinde von Brüdern; wir erkennen, daß vor Gott niemand gut ist, wie Paulus sagt: sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten; und werden ohne Ver-
dienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist. Laßt uns auf die Liebe Christi schauen, der unschuldig das Kreuz
trug — und warum? Weil er sein Volk mehr geliebt hat als sich
418
Anhang
selbst. Und dann laßt uns unsere eigene Schwäche und unsere eigene Mutlosigkeit anschauen, unsere Furcht, wenn Kummer und Sorgen uns bedrohen, unser selbstsüchtiges Verlangen, ein behagliches und sorgloses Leben zu führen. In einer tiefen und ernsthaften Beschämung müssen wir Christen bekennen, daß wir sol-
cher großen Liebe Gottes unwürdig sind. Wenn man mich fragt: „Was ist Christentum?“ — antworte ich: Christentum ist die große Gemeinde von Menschen, die sich vor Gott demütigen und
alle ihre Hoffnung und ihren Glauben auf die Liebe und Hilfe Gottes setzen. Christentum ist die Gemeinschaft, in der ein jeder für den anderen einsteht, wie ein Bruder für seinen Bruder einsteht. Christentum bedeutet ein großes Volk, das aus den Menschen aller Länder zusammengesetzt ist, in Übereinstimmung ihres Glaubens und ihrer Liebe, weil es einen Gott gibt, einen Herrn, einen Geist, eine Hoffnung. Das ist das wunderbare Geheimnis der Menschen Gottes. Über allen Unterschieden von Rasse, Nationalität und Sitte gibt es eine unsichtbare Gemeinschaft der Kinder Gottes. Hier betet einer für den anderen, ob er Amerikaner oder Deutscher oder Afrikaner sei; hier liebt einer den anderen ohne Einschränkung. Laßt uns in dieser Stunde dankbar daran denken, daß wir alle zu dieser Kirche gehören, daß Gott uns berufen hat, seine Kinder zu sein und uns zu Brüdern gemacht hat, daß es keinen Haß und keine Feindschaft geben kann, sondern nur den guten Willen, einander zu verstehen. Sonst wären wir nicht würdig, den Namen Christi zu führen, sonst würden wir den Ruhm Gottes verletzen, der ein Gott der Liebe und nicht des Hasses
ist. Nun stehe ich aber nicht nur als ein Christ vor Euch, sondern auch als ein Deutscher, der mit seinem Volke glücklich ist und der leidet, wenn er sein Volk leiden sieht; und der dankbar bekennt, daß er alles, was er hat und ist, von seinem Volke empfangen hat. So
bringe ich Euch heute morgen eine doppelte Botschaft: eine Botschaft über Deutschland und eine Botschaft über das Christentum in Deutschland. Ich hoffe, Ihr werdet diese Botschaft mit einem
christlichen Herzen hören, mit der Bereitwilligkeit zu verstehen und zu lieben, wo und wer auch immer es sei.
Der 11. November 1918 brachte für Deutschland das Ende einer furchtbaren
und unvergleichlichen
Zeit, einer Zeit, die sich mit
Gottes Willen nie wiederholen möge. Vier Jahre lang kämpften deutsche Männer
Zähigkeit
und
und Jungen
Furchtlosigkeit,
für ihre Heimat,
mit
mit unerhörter
unerschütterlichem
Pflicht-
Zu Kapitel
II
419
bewußtsein, mit unerbittlicher Selbstzucht, mit glühender Vater-
landsliebe und dem Glauben an seine Zukunft. Wochen und Monate hindurch erduldeten diese Menschen Nöte aller Art, sie blieben standhaft in Hunger und Durst, in Schmerz und Trübsal, in ihrer Sehnsucht nach der Heimat, nach Müttern und Frauen und
Brüdern und Kindern. Der Tränenstrom von alten und jungen Menschen versiegte nicht im Land. Jeden Tag erreichte mehr als 1000 Familien die Nachricht, daß der Mann, der Vater, der Bruder in einem fremden Land gestorben war. Kaum eine Familie blieb verschont 1. Der Tod stand vor der Tür fast eines jeden Hauses und forderte Einlaß. Einmal traf die Nachricht vom Tode vieler tausend Jungen im Alter von siebzehn und achtzehn Jahren
ein, die während weniger Stunden getötet worden waren. Deutschland wurde zu einem Trauerhaus. Der Zusammenbruch konnte nicht länger hinausgezögert werden. Hunger und Entkräftung waren zu mächtig und verderblich. Ich denke, Ihr werdet mich davon entbinden, über unsere Gefühle in Deutschland während jener Tage zu sprechen. Die Erinnerung
an jene Zeit ist düster und traurig. Sehr selten werdet Ihr heute in Deutschland jemanden über diese Tage sprechen hören. Wir wollen eine alte und schmerzliche Wunde nicht wieder öffnen. Aber was wir auch immer empfanden, der Krieg mit seinem schrecklichen Morden und Sterben war vorüber. Unsere Gemüter waren noch zu bestürzt und verwirrt; wir konnten die Bedeutung der Ereignisse der letzten Jahre und Monate noch nicht verstehen
und ruhig durchdenken. Aber allmählich sahen wir die Dinge klarer; und die Christen in Deutschland, die den Verlauf und das
Ende des Krieges ernst nahmen, mußten hier einen Urteilsspruch Gottes über diese gefallene Welt und besonders über unser Volk
sehen. Vor dem Krieg lebten wir zu weit von Gott entfernt; wir glaubten zu sehr an unsere eigene Macht, an unsere Allmacht und 1. In einer zweiten Fassung der Ansprache — offenbar bestimmt für amerikanische Studenten, die vor allem den predigtmäßigen Anfang wegläßt — finden sich die folgenden Zusätze: a... Ich kann es Ihnen auch aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Zwei meiner Brüder standen an der Front. Der Ältere, achtzehn Jahre alt, wurde verwundet, der Jüngere, siebzehn Jahre alt, getötet. Drei meiner Vettern fielen, Jungen zwischen achtzehn und zwanzig Jahren. Obwohl ich damals ein kleiner Junge war, kann ich jene düsteren Kriegsjahre nie vergessen.“
420
Anhang
Rechtschaffenheit. Wir bemühten uns, ein starkes und gutes Volk zu sein, aber wir waren
zu stolz auf unsere
Bemühungen,
wir
fühlten zu viel Befriedigung über unsere wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte, und wir identifizierten diesen Fortschritt mit dem Kommen des Reiches Gottes. Wir fühlten uns zu glücklich und selbstzufrieden in dieser Welt, unsere Seelen
waren in dieser Welt zu sehr daheim. Dann kam die große Ernüchterung. Wir sahen die Ohnmacht und Schwäche der Menschheit, wir waren plötzlich von unserem Traum erwacht, wir erkannten unsere Schuld vor Gott und demütigten uns unter die mächtige Hand Gottes. Wenn ich jetzt hier von „Schuld“ spreche,
fügte ich absichtlich Schuld „vor Gott“ hinzu.
Laßt mich ganz
offen sagen, daß kein Deutscher und kein Ausländer, der die historischen Ursachen des Krieges kennt, daran glaubt, daß Deutschland die alleinige Kriegsschuld trägt — ein Satz, den wir ge-
zwungen waren, im Versailler Vertrag zu unterzeichnen!. Andererseits glaube ich persönlich nicht, daß Deutschland
das einzige
schuldlose Land war, aber als Christ sehe ich die Hauptschuld Deutschlands in einem ganz anderen Licht. Ich sehe sie in Deutschlands Selbstzufriedenheit, in seinem Glauben an seine Allmacht, in dem Mangel an Demut und Glauben an Gott und Furcht vor Gott. Es scheint mir, als ob das die Bedeutung des Krieges für Deutschland war: wir mußten die Grenzen des Menschen erkennen, und das bedeutet, daß wir Gott erneut in seinem Glanz und in seiner Allmacht entdeckten, in seinem Zorn und in seiner Gnade. Jener 11. November 1918, der uns das Kriegsende brachte, war der Beginn einer neuen Periode des Leidens und Unglücks. Die ersten Jahre nach dem Krieg zeigten uns die Verderbtheit unseres
öffentlichen Lebens. Die allgemeine Armut, die durch die Hunger1. Auf einem angehängten Zettel hat sich Bonhoeffer den Wortlaut des Artikel 231 des Versailler Vertrages aufgeschrieben: „Die Verbündeten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber aller Verluste und aller Schäden verantwortlich sind, welche die ver-
bündeten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.“ Dazu Zitate der Greuelpropaganda gegen Deutschland im Krieg und we und französischer Stimmen gegen die Alleinschuld Deutsch-
ands.
Zu Kapitel
II
421
blockade hervorgerufen wurde, hatte fürchterliche Folgen. Auf
den Straßen konnte man die unterernährten Leute sehen, die blassen und kränklichen Kinder. Die Zahl der Selbstmorde nahm in furchtbarer Weise zu. Deutschland war am Verhungern!. Jeder, der die Verhältnisse im heutigen Deutschland, zwölf Jahre nach Kriegsende, kennt, weiß, daß trotz einiger Veränderungen in ihrem äußeren Aussehen fast ebenso unglückliche soziale Verhältnisse herrschen wie vor zehn oder zwölf Jahren. Die Kriegs-
schulden drücken uns nicht nur im Hinblick auf unsere finanzielle
1. In der zweiten Fassung hier: „...Die Folgen der Blockade waren fürchterlich. Ich selbst war in jenen Jahren ein Schuljunge, und ich kann Ihnen versichern, daß nicht nur ich selbst in jenen Jahren lernen mußte, was Hunger heißt. Ich wünschte, Sie müßten jene Nahrung, die wir drei oder vier Jahre lang bekamen, nur einen Tag lang essen, und ich glaube, Sie würden einen kleinen Eindruck von den Entbehrungen bekommen, die Deutschland zu erdulden hatte. Versetzen Sie sich in die Lage einer deutschen Mutter, deren Mann im Krieg stand oder getötet worden war und die für heranwachsende, hungrige Kinder zu sorgen hatte. Unzählige Tränen von verzweifelten Müttern und hungrigen Kindern wurden in jenen letzten Kriegsjahren und den ersten Friedensjahren vergossen. Übrigens waren in unserem Brot viele Prozente Sägemehl an Stelle von echtem Mehl, und die festgesetzte Ration pro Tag bestand aus fünf oder sechs Schnitten dieser Art von Brot. Man konnte überhaupt keine Butter bekommen. An Stelle von Zucker hatten wir Sacharintabletten. Der Ersatz für Fleisch, Fisch, Gemüse, ja sogar für Kaffee, Marmelade und Toast waren Rüben — zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. Deutschland war wirklich am Verhungern. Tausende von alten und jungen Menschen und kleinen Kindern starben einfach, weil es nicht genug zu essen gab. Tödliche Seuchen überschwemmten das Land. Die Grippe von 1918 forderte mehr als hunderttausend Opfer. Die Menschen waren
physisch zu geschwächt und hatten keine Widerstandskraft. Als der Winter kam, hatten wir nicht genug Kohle, um unsere Räume zu heizen. Wir hatten keinen Stoff für unsere Kleidung, und es ist nicht übertrieben, daß viele Leute in jenen Tagen ‚Anzüge kaufen mußten, die mehr aus Papier als aus wirklichem Tuch bestanden. Auf den Straßen konnte man die unterernährten und ärmlich gekleideten Leute sehen, die blassen und kränklichen Kinder. Die Zahl der Selbstmorde nahm in erschreckender Weise zu. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich auf meinem Schul-
weg an einer Brücke vorbeigehen mußte, und während des Winters von 1917 bis 1919 sah ich fast jeden Morgen, wenn ich an diese Brücke kam, eine Gruppe von Leuten am Fluß stehen, und jeder, der vorbeikam, wußte, was geschehen war. Diese Eindrücke lasteten schwer auf kleinen Jungen. ; Ich will nun aufhören, diese fürchterlichen Monate und Jahre zu schil-
422
Anhang
Lage, sondern auch im Hinblick auf unser ganzes Verhalten. Wir sehen die Hoffnungslosigkeit unserer Arbeit. Es ist uns unmöglich, in der Zukunft für unsere Kinder soziale und wirtschaftliche Be-
dingungen zu schaffen, auf deren Sicherheit wir vertrauen können. Die Deutschen sind heute ein leidendes Volk, aber sie werden nicht verzweifeln. Sie werden für den Aufbau einer neuen und besseren Heimat arbeiten, sie werden für den Frieden ihres Landes wirken, sie werden für den Frieden der Welt wirken. Als ich hier herüberkam, war ich erstaunt, daß man mich immer wieder fragte,
was Deutsche über einen zukünftigen Krieg denken. Um Euch die dern. Aber ehe ich fortfahre, will ich doch nicht vergessen zu erwähnen, daß die Quäkergemeinden in den Vereinigten Staaten die ersten waren, die nach dem Krieg durch ihr bewundernswertes Werk die deutschen Kinder unterstützten. Viele Tausende von Kindern wurden vor dem Verhungern bewahrt. Deutschland gedenkt dieses Liebeswerks der Quäkergesellschaft mit tiefer Dankbarkeit... ...es gab eine Wunde, die viel schmerzlicher war als alle diese Entbehrungen und Nöte, und das war der Artikel 231 des Versailler Vertrages. Ich will Ihnen offen bekennen, daß das eine in Deutschland noch immer offene und blutende Wunde ist. Ich will versuchen, Ihnen kurz zu erklären, was unsere Haltung gegenüber dieser Frage war und ist. Als der Krieg ausbrah, dachte das deutsche Volk nicht viel über die Schuldfrage nach. Wir glaubten, es sei unsere Pflicht, für unser Land einzustehen und wir glaubten natürlich an unsere Schuldlosigkeit. Sie können in einem solchen Augenblick der Erregung keine objektive und abgelöste Bewertung der gegenwärtigen Lage erwarten. Der Krieg hat seine eigene Psychologie. Die deutschen Soldaten standen mit dem zuversichtlichen Glauben an die Rechtlichkeit ihres Vaterlandes im Krieg. Aber schon während des Krieges konnte man in Deutschland einige skeptische Stimmen hören: Wer kann sagen, wer Recht hat und wer Unrecht? Wir kämpfen alle für unser Vaterland und glauben daran, die Deutschen nicht weniger als die Franzosen. Jetzt, zwölf Jahre nach dem Krieg, ist die ganze Frage historisch gründlich durchforscht worden. Ich sehe persönlich viele Fehler in unserer Politik vor dem Krieg, ich werde mein Land nicht in jedem Punkt verteidigen. Aber das Studium diplomatischer
Schriftstücke aus Belgien in den Jahren vor dem Krieg zeigt zum Beispiel unwiderleglich, daß andere Länder dieselben oder größere Fehler Deutschland gemacht haben. Ich meine ganz besonders Rußland Frankreich. 1914 erwartete jedermann in Europa eher einen Krieg, von Rußland oder Frankreich hervorgerufen werden würde als Deutschland. Es kann historisch bewiesen werden, daß der Artikel des Versailler Vertrages eine Ungerectigkeit gegen unser Land ist, wir haben ein Recht, dagegen zu protestieren. Die Tatsache wird
dem größten Teil der Gelehrten in Europa und Amerika bestätigt.“
als und der von 231 und von
Zu Kapitel
Wahrheit
zu sagen, Deutsche
II
423
sprechen überhaupt nicht darüber,
sie denken nicht einmal daran. Fast nie würdet Ihr in Deutschland Gespräche über den Krieg hören, und noch viel weniger über einen zukünftigen Krieg. Wir wissen, was ein Krieg für die Men-
schen bedeutet. Seit meiner Knabenzeit war ich daran gewöhnt, einmal jährlich zu
Fuß durch unser Land zu wandern, und so kenne ich viele Gruppen von Deutschen ziemlich gut. Viele Abende habe ich mit Bauernfamilien um den großen Ofen gesessen und über Vergangenheit und Zukunft, über die nächste Generation und ihre Aussichten gesprochen. Aber immer, wenn das Gespräch zufällig den Krieg berührte, beobachtete ich, wie tief die Wunde war, die der letzte Krieg einem jeden zugefügt hatte. Die Deutschen brauchen und wollen vor allen Dingen Frieden 1. Als ein christlicher Geist-
licher glaube ich, daß hier eine der größten Aufgaben für unsere Kirche liegt: die Friedensarbeit in allen Ländern und in der ganzen Welt zu stärken. Es darf niemals wieder geschehen, daß ein
christliches Volk ein anderes bekämpft und der Bruder den Bruder, 1. In der zweiten Fassung hier: „...Sie wollen friedlich auf ihren Fel-
dern arbeiten, sie fürchten jede Störung. Und das ist in anderen Klassen Deutschlands auch nicht anders. In der Arbeiterklasse begann zum Beispiel die deutsche Friedensbewegung und das Interesse am internationalen Handel macht diese Leute ganz von selbst zu Pazifisten. In Deutschland tauchte zuerst der Gedanke auf, daß die Arbeiter in Frankreich und Deutschland einander näher stünden als die verschiedenen Klassen in jedem Land für sich. Sie können bedeutende Arbeiterorganisationen mit pazifistischem Programm finden; besonders auch die christlichen Arbeiterorganisationen arbeiten gerade in dieser Richtung. Der Bürger in Deutschland hatte nach dem Krieg die schwersten Lasten zu tragen, aber dennoch kann ich Ihnen versichern, daß die allermeisten von ihnen den Krieg mehr als alles andere verabscheuen. Vielleicht interessiert es Sie, etwas über die Haltung der Jugend Krieg und Frieden gegenüber zu erfahren. Die Jugendbewegung, die unmittelbar nach dem Krieg begann, hatte völlig pazifistische Tendenzen. Mit einem religiösen Gefühl sahen wir alle Völker als Brüder, als Kinder Gottes an. Wir wollten alle unfreundlichen und bitteren Gefühle nach dem Kriege vergessen. Erneut war eine echte und wahre Liebe für unser Heimatland in uns erwachsen und sie half uns, auch eine große und tiefe Liebe für andere Völker, für die ganze Menschheit zu empfinden. Wie Sie sehen,
gibt es viele verschiedene Motive, die alle auf den Frieden hinarbeiten, aber was für ein Motiv es auch immer sei, es gibt ein großes Ziel und ein
großes Macht.“
Werk.
Die
Friedensbewegung
in Deutschland
ist eine große
424
Anhang
denn beide haben einen Vater. Unsere Kirchen haben dieses internationale Werk bereits begonnen. Aber viel wichtiger scheint es mir, daß jeder Christ, Mann und Frau, Junge und Mädel den großen Gedanken von der Einheit des Christentums ernst nehmen
und höher stellen sollte als alle persönlichen und nationalen Wünsche, das eine Volk Christi in der ganzen Welt, in der Bruderschaft der Menschheit, mit der Liebe, von der Paulus sagt: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit; sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles. Die Liebe höret
nimmer auf“ (1.Kor. 13, 4—8). Laßt uns bedenken, daß der Tag des Jüngsten Gerichts für jeden kommt, für Mann und Frau, Junge und Mädel, in Deutschland und in Amerika, in Rußland und in Indien; und Gott wird uns nach unserem Glauben und nach unserer Liebe richten. Wie kann der Mensch, der seinen Bruder haßt, Gnade von Gott erwarten? Das ist meine Botschaft als Deutscher und als Christ an Euch: Laßt uns einander lieben, laßt uns in Glaube und Liebe eine heilige Christenheit errichten, eine Bruderschaft, mit Gott dem Vater und Christus dem Herrn und dem Heiligen Geist als heiligmachende Kraft. Niemand ist zu ge-
ring oder zu arm für dieses Werk; wir brauchen jeden Willen und jede Kraft. Ich richte mich besonders an Euch, Jungen und Mädel in den Vereinigten Staaten, zukünftige Träger und Führer der Kultur Eures Landes. Ihr habt Brüder und Schwestern in unserem Volk und in
jedem Volk; vergeßt das nicht. Was auch immer kommen mag, laßt Volk seine wird
uns nie mehr vergessen, daß ist, daß kein Nationalismus, Anschläge ausführen kann, die Welt für immer Frieden
das Volk Gottes ein christliches kein Rassen- oder Klassenhaß wenn wir eins sind, und dann haben 1. Laßt uns an das Gebet
1. Schluß der zweiten Fassung: „...Das ist meine Botschaft an Sie: Hören Sie die Stimme Ihrer deutschen Brüder und Schwestern, ergreifen Sie die ausgestreckten Hände. Wir wissen, daß es nicht genug ist, nur von der Notwendigkeit des Friedens zu sprechen und sie zu empfinden, wir müssen ernsthaft daran arbeiten. Es gibt soviel Gemeinheit, Eigennutz, Verleumdung, Haß und Vourteile unter den Nationen. Aber wir müssen das überwinden. Heute wie nie zuvor bereiten sich die Nationen — mit Ausnahme von Deutschland — auf einen Krieg vor. Das macht
ZurBasinl MH denken,
das Christus
kurz vor seinem
425 Ende
gesprochen hat:
(Joh. 17, 20 f.) „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden: Auf daß sie alle eins seien, gleichwie Du, Vater, in mir und ich in Dir; daß auch sie in uns eins seien, auf daß die Welt glaube, Du habest mich gesandt.“ Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, be-
wahre Eure Herzen und Sinne in Christo Jesu. Amen!. unsere Arbeit besonders dringend. Wir dürfen keine Zeit mehr vergeuden. Laßt uns für einen immerwährenden Frieden zusammenarbeiten.“ 1. Im Entwurf findet sich noch folgender Anhang: „Mir kommt ein Abend in den Sinn, den ich vor nicht allzu langer Zeit mit einer Gruppe junger Leute unserer deutschen Jugendbewegung verbrachte. Es war eine herrliche Sommernacht. Wir waren im Freien, weit entfernt vom Lärm und Getöse der Großstadt auf dem Gipfel eines Berges, über uns der Himmel mit seinen Millionen von Sternen in der Stille des Abends, unter uns die Lichter in den Dörfern, die nebligen Felder und die schwarzen Wälder. Niemand sprach ein Wort. Wir hörten nichts als das friedliche
Rauschen der Rinnsale und Bäume. An jenem Abend zog wieder eine große und tiefe Liebe in unsere Herzen ein, eine Liebe für unsere Heimat und für den bestirnten Himmel. Die Jungen hatten Zweige mitgebracht und zündeten ein großes Feuer auf dem Gipfel des Berges an, und während wir in das lodernde Feuer starrten, fing ein Junge zu sprechen an von seiner Liebe für sein Land und für den bestirnten Himmel, der über alle Nationen, über alle Menschen schiene, und er sagte, wie wunderbar es wäre, wenn die Menschen aller Nationen in Frieden und Stille lebten wie die Sterne dort oben am Himmel, wenn die Nationen zusammen leben könnten wie Brüder, so wie sie es in ihren eigenen Ländern tun. Als er geendet hatte, erhoben alle Jungen und Mädchen ihre Hände zum Zeichen, daß sie bereit wären, ein jeder an seinem Platz für diesen Frieden zu wirken, für den Frieden im eigenen Land und in der Welt. Dann setzten wir uns, und während das Feuer ausbrannte, sangen wir unsere schönen Volkslieder von der Liebe zum Vaterland und dem Frieden für alle Menschen. Mit einem tiefen Verständnis für unsere große, vor uns liegende Aufgabe gingen wir heim. Mehr als ein Jahr ist seitdem vergangen, und ich möchte diese Botschaft meiner deutschen Studenten den Studenten in diesem großen Land übermitteln.“
426
Anhang
Zu Kapitel III Zu S. 118
Protokoll der Sitzung der Jugendkommission des Weltbundes in London am Montag, den 4. April 1932 Anwesend: der Bischof von Ripon (Vorsitzender), M. Henriod, Herr Bonhoeffer, Pasteur Toureille, Rev. F. W. T. Craske. Die Herren Rev. H. W. Fox, Rev. R.E. Burlingham und Mr. Steele waren eingeladen, zeitweise der Sitzung beizuwohnen. Der Bericht von der Sitzung der Jugendkommission in Cambridge im September 1931 wurde verlesen... Drei Jugendsekretäre sind bestimmt worden: Privatdozent Dietrich Bonhoeffer
Pasteur P. C. Toureille Rev. F. W. Craske...
. .. Herr Bonhoeffer berichtete, daß die Ergebnisse der Cambridge-Konferenz in Deutschland geringfügig wären, da die Arbeit des Weltbundes von nationalistischen Theologie-Professoren ab-
gelehnt würde. Der CVJM würde in diesem Jahr keine Delegierten zu internationalen Konferenzen schicken. Eine zentrale Jugendorganisation für alle Konfessionen ist gebildet worden, welche zusammenarbeitet, um Delegierte für Konferenzen zu finden. Dr.
Stählin ist Vorsitzender und Herr Bonhoeffer Schriftführer. Sie legen eine Liste von Namen
junger Leute an, die bereit sind, zu
internationalen Konferenzen zu kommen...
Zu Kapitel IV
Zu S. 182, 183
London, 27. Dezember 1933
Lieber Herr Bischof! Haben Sie vielen Dank für Ihre freundlichen Weihnachtsgrüße. Es bedeutet tatsächlich sehr viel für mich, zu wissen, daß Sie die ganze Zeit die Betrübnisse und Mühen teilen, welche das letzte Jahr
unserer Kirche in Deutschland gebracht hat. So stehen wir nicht allein und wissen, daß, was auch immer einem Glied der univer-
salen Kirche begegnen mag, von allen Gliedern mitgelitten wird. Das ist ein großer Trost für uns alle; und wenn sich Gott jetzt
Zu
Kapitel
IV
oder später unserer Kirche wieder zuwendet,
42
dann sollen wir
sicher sein, daß, wenn ein Glied geehrt ist, alle Glieder sich mit ihm freuen werden.
Die Dinge in Deutschland gehen langsamer voran, als wir erwarteten. Müller’s Stellung ist natürlich höchst gefährdet. Aber er scheint zu versuchen, engeren Anschluß an den Staat zu finden, um seines Schutzes sicher zu sein für den Fall der Gefahr. Nur unter
diesem Gesichtspunkt kann ich seine letzte Vereinbarung mit der Hitlerjugend verstehen. Aber es scheint so, als ob der Staat dennoch sehr reserviert bleibt und nicht wünscht, noch einmal mehr
einzugreifen. Ich persönlich glaube nicht, daß Müller seine Stellung halten kann, und es wird sicherlich ein großer Erfolg sein, wenn er fällt. Aber wir dürfen nicht glauben, daß der Kampf dann ausgetragen sei. Im Gegenteil, er wird ohne Zweifel von neuem beginnen und voraussichtlich schärfer werden als zuvor, mit dem
einzigen Vorteil, daß die Fronten dann geklärt sind. Der Zug zum nordischen Heidentum wächst ungeheuer, besonders unter den einflnßreichen Gruppen; und ich fürchte, die Opposition ist in ihren Zielen nicht eins. In Berlin sind sie dabei, am nächsten Freitag unter Jacobis Leitung eine Not-Synode zu bilden. Das bedeutet eine legale Vertretung der oppositionellen Gemeinden gegen die illegalen Synoden des letzten August und September. Jacobi ist
vielleicht der umsichtigste von den oppositionellen Führern im Augenblick, und ich setze großes Vertrauen in das, was er jetzt unternimmt. Es gibt eine große Gefahr, daß Leute,
die im letzten
Sommer eine sehr unklare Haltung gegenüber den Deutschen Christen eingenommen haben, jetzt den Erfolg der Opposition aufs Spiel setzen, indem sie ihre persönlichen Vorteile mit hinein-
mischen und ihnen nachgehen. Wie erwartet, ist Müllers Brief sehr schwach und ängstlich, er be-
deutet wirklich überhaupt nichts. Er kommt nicht aus einer gesunden theologischen, sondern vielmehr aus politischer Argumentation — obwohl man immer. sich vor Augen halten muß, daß seine Stellung jetzt schwieriger ist als je zuvor. Wenn Sie erlauben, wäre ich nur zu froh, noch einmal nach Chiche-
ster kommen zu dürfen. Ich habe weiter ununterbrochen Informationen durch das Telefon und durch Luftpost aus Berlin.
Bitte, grüßen Sie Mrs. Bell ehrerbietigst von mir; ich verbleibe in großer Dankbarkeit Ihr sehr ergebener Diesel Bonbochfer
428 Zu S. 184, 185
Anhang
London, 14. März 1934 Lieber Herr Bischof! Ich möchte Sie eben wissen lassen, daß ich in der letzten Woche
wieder nach Berlin gerufen war —
diesmal durch die Kirchen-
regierung. Es handelte sich um die ökumenische Situation. Ich sah außerdem Niemöller, Jacobi und einige Freunde aus dem Rbhein-
land. Die „Freie Synode“ in Berlin war ein wirklicher Fortschritt und Erfolg. Wir hoffen, zu einer Freien Nationalen Synode bis zum 18. April in Barmen bereit zu sein. Eins der wichtigsten Dinge ist, daß die christlichen Kirchen der anderen Länder nicht ihr Interesse an dem Konflikt durch die Länge der Zeit verlieren. Ich weiß,
daß meine Freunde mit großer Hoffnung auf Sie blicken und auf Ihre weiteren Aktionen. In Deutschland ist tatsächlich der Augenblick gekommen wie nie zuvor, daß unser Glaube an die ökumeni-
sche Aufgabe der Kirchen erschüttert und vollständig zerstört oder in einer überraschenden neuen Weise gestärkt und erneuert werden kann. Und es hängt von Ihnen ab, lieber Herr Bischof, ob dieser Moment genutzt wird. Die Frage, um die es in der deutschen Kirche geht, ist nicht mehr eine interne Angelegenheit, sondern
die Frage der Existenz des Christentums in Europa; deshalb hat eine deutliche Stellungnahme der ökumenischen Bewegung nichts mit
„Intervention“
zu
tun, sondern
ist eine Demonstration
vor
der ganzen Welt, daß Kirche und Christenheit als solche auf dem Spiel stehen. Wenn auch die Zeitungsinformation weniger inter-
essant wird, so ist doch die tatsächliche Lage so gespannt und so akut und so verantwortlich wie je zuvor. Ich wünschte nur, Sie könnten eine der Sitzungen des Notbundes jetzt miterleben; trotz
aller Schwierigkeit des Augenblickes sind sie jetzt immer eine wirkliche Stärkung des eigenen Glaubens und Mutes.
Bitte schweigen Sie jetzt nicht! Ich bitte wieder einmal darum, die Möglichkeit einer ökumenischen Delegation und eines Ultimatums in Betracht zu ziehen. Es handelt sich nicht um irgend ein nationales oder denominationelles Interesse, daß dieses Ultimatum gestellt werden sollte, sondern es geschieht im Namen der Christenheit in
Europa. Die Zeit vergeht sehr schnell, und es mag bald zu spät sein. Am 1. Mai soll „Der Friede in der Kirche“ durch Müller ausgerufen werden. Sechs Wochen nur noch.
Ich verbleibe, lieber Herr Bischof, in großer Dankbarkeit und rerbietung Ehrerbiet Ihr Dietrich Bonhoeffer
Zu
Kapitel
IV
429
Dr. D. Bonhoeffer Forest Hill, London
Zu S. 185, 186
Genf, 16. März 1934 Mein lieber Bonhoeffer! Vielen Dank für Ihren Brief vom 14. März. Es ist, wie Sie sagen:
die Situation wird immer kritischer und es sollte etwas von der oekumenischen Bewegung ohne weitere Verzögerung unternommen werden. Ich habe Ihren Brief ausführlich mit Dr. Schönfeld besprochen und wir haben ein oder zwei andere Verantwortliche und christliche Mitarbeiter hier um Rat gefragt. Ich habe vor wenigen Tagen bereits an den Bischof von Chichester geschrieben und ihn bedrängt, seiner Korrespondenz mit Bischof
Heckel einen scharfen Brief folgen zu lassen. Ich schreibe ihm heute, um eine kleine Konferenz von leitenden Theologen zu erbitten; die meisten von diesen würden Anfang April in Paris auf einer Studienkonferenz über Staat und Kirche sein. Es würde eine
Konferenz,
getrennt
von
der Studienwoche,
zu der man
den
Reichsbischof bittet, Delegierte zu schicken, so daß offene Fragen direkt an sie gerichtet und scharfe Erklärungen abgegeben werden können. Sie würde es ermöglichen, die Haltung, die die Kirche einnimmt, ausgesprochen zu mißbilligen und wahrscheinlich eine Aktion durch die Kirchen einzuleiten, die zur ökumenischen Bewegung gehören. Dies würde den vorher eingeleiteten Schritten
natürlich folgen und mag dazu führen, eine Delegation nach Berlin zu schicken. Wenn der Bischof von Chichester vorzieht, daß eine Delegation nach Berlin gehen soll — welches ich sehr bezweifle, da die meisten Mitglieder unseres Verwaltungskomitees die Methode
nicht gern haben —, so würde ich mich natürlich nach ihm richten. Gleichzeitig bereiten wir so schnell wir können eine Dokumentation über die Haltung anderer Kirchen zur gegenwärtigen deutschen Situation vor, welche in der Presse benutzt und so in
Deutschland bekannt werden kann. Es fällt nicht in meine Kompetenz, eine Delegation vorzubereiten oder ein Ultimatum abzuschicken, ohne daß mein Komitee zustimmt. Wie Sie wissen, wurde der Bischof von Chichester gebeten,
die Verantwortung in Richtung der Beziehungen zu Deutschland wahrzunehmen, und ich halte enge Fühlung mit ihm.
Diejenigen, welche für das Evangelium in Deutschland einstehen, sollten nicht verzweifeln. Es gibt Erklärungen und Nachrichten, die aus so verschiedenen Ländern von Pastoren und anderen kommen, und die anzeigen, wie tief die Erregung außerhalb Deutsch-
430
Anhang
lands ist im Blick auf die Situation der Leitung der deutschen Kirche. Ich kann nur wiederholen, daß man früher schon schärfere Maßnahmen ergriffen hätte, wenn uns unsere zuverlässigsten Freunde in Deutschland nicht wieder und wieder gedrängt hätten
— sogar in den letzten Tagen —, die Beziehungen mit der deutschen Kirche nicht abzubrechen, zumal unser einziges Mittel, die Situation zu beeinflussen, darin besteht, die gegenwärtige Leitung immer wieder mit scharfer Kritik zu belegen. Wenn Sie nach Deutschland zurückkehren müssen, lassen Sie mich bitte Ihre Anschrift wissen, bevor Sie London verlassen, und ob man an Sie schreiben kann, und ob etwa verhältnismäßig frei. Durch unseren Pressedienst und durch jedes uns zur Verfügung stehende Mittel tun wir unser Bestes, um die Wahrheit zu verbreiten, wie wir sie über die deutsche Situation erhalten.
Ich werde von Genf fort sein, in Österreich, Ungarn und in der Tschechoslowakei bis zu Ostern. Ich hoffe, daß Sie enge Fühlung mit dem Bischof von Chichester halten. Wie Sie sagen, es ist deutlich eine christliche Streitfrage und sie berührt die Zukunft des Christentums in Europa. Sie können auf meine volle Sympathie zählen, und wir wissen, wie fürchterlich die Situation für die sein
muß, die körperlich, geistig und seelisch leiden. Möchte Gott uns seine klare Führung geben, so daß wir zu jeder Stunde nach seinem Willen und für seine Sache handeln.
Immer Ihr H.L. Henriod
Zu S. 187—189
London,
Lieber Herr Bischof!
15. April 1934
Ich schreibe wieder an Sie, dieses Mal auf die dringende Bitte eines meiner deutschen Freunde, dessen Namen ich Ihnen lieber
persönlich nennen möchte. Ich habe gestern diesen Brief erhalten, der mich wirklich sehr betroffen hat, und ich glaube, es ist wichtig, daß Sie wissen, wie unsere Freunde in Deutschland die augenblickliche Situation und die heutige Aufgabe der ökumenischen Bewegung empfinden. Der Brief ist wirklich ein Schrei über die letzten Vorgänge in der deutschen Kirche und ein letzter Appell für ein „unmißverständliches“ Wort der ökumenischen Bewegung.
Dieser
Mann,
der für einige Tausend
andere
spricht, sagt ganz offen: „Im Augenblick hängt alles davon ab,
Zu
Kapitel
IV
431
absolut alles, wie die Haltung des Bischofs von Chichester ist.“ Wenn dieses Empfinden in Deutschland entstanden ist, dann heißt
es, daß für die ökumenische Bewegung der Augenblick endgültig gekommen ist, entweder eine entschiedene Haltung einzunehmen — vielleicht in der Weise eines Ultimatums oder indem sie öffent-
lich die Sympathie mit den oppositionellen Pastoren zum Ausdruck bringt — oder alles Vertrauen bei dem besten Teil der deutschen Pastoren zu verlieren — eine Aussicht, die mich mehr als alles andere erschreckt. Dies ist der Grund, daß ich Ihnen die
Äußerung meines Freundes wiederhole. Pastoren in Deutschland machen sich natürlich nicht alle Verwicklungen klar, die mit einem solchen Schritt verbunden
sind, den die ökumenische
Bewegung unternimmt, aber sie haben gewiß ein sehr gutes Empfinden für den rechten geistlichen Augenblick, in dem die Nachbarkirchen ihr Wort zu sagen hätten. Bitte glauben Sie nicht, daß unsere Freunde in Deutschland alle Hoffnung verlieren. Es ist nur
menschlich geredet, wenn sie auf die ökumenische Bewegung als ihre „letzte Hoffnung“ blicken; und es ist auf der anderen Seite für die ökumenische Bewegung der Augenblick, einen Beweis ihrer
Realität und ihrer Lebenskraft zu geben. Im Blick auf die Tatsachen ist zuerst die Bestellung Dr. Jaegers zu erwähnen, die als ein ostentativer Affront gegen die Opposition angesehen wird und welche tatsächlich bedeutet, daß alle Macht
der Kirchenleitung den politischen und den Partei-Behörden überantwortet worden ist. Ich war außerordentlich überrascht, daß die „Iımes“ einen ziemlich positiven Bericht über diese Berufung ge-
geben hat. Tatsächlich ist Jaeger der Mann mit der berühmten Äußerung über Jesus, daß er nur der Exponent der nordischen Rasse sei usw.... Er war der Mann, der den Rücktritt Bodelschwinghs verursacht hat und den man für den rücksichtslosesten
Mann in der ganzen Kirchenregierung hielt. Außerdem ist er — und bleibt er — der Chef der Kirchenabteilung im Preußischen Ministerium für Erziehung und ein führendes Mitglied der Partei. So muß diese Bestellung als ein bedeutungsvoller Schritt auf die völlige Gleichschaltung der Kirche mit Staat und Partei hin angesehen werden. Sogar wenn Jaeger jetzt den ausländischen Kirchen ein freundliches Gesicht zeigen sollte, indem er milde Worte gebraucht, darf man sich durch diese Taktik nicht täuschen lassen. Die Situation in Westfalen scheint noch gespannter zu sein als wir wissen. Ich könnte Ihnen persönlich einige Einzelheiten erzählen.
432
Anhang
Auf der anderen Seite besteht immer noch die große Gefahr, daß der Versuch der Kirchenregierung Erfolg haben wird, die Sympathie leitender Männer der ausländischen Kirchen zu gewinnen, wie wir es in einem Fall kennen — und zwar weil viele von ihnen
nicht genug wissen, um zu sehen, was hinter der Bühne vorgeht. Aus diesem Grunde macht der erwähnte Brief den sehr bestimmten Vorschlag, ob Sie nicht einen Brief an alle anderen Kirchen schreiben könnten, die mit der ökumenischen Bewegung verbunden sind, um sie zu warnen, keinerlei persönliche Schritte in Richtung auf die Anerkennung der deutschen Kirchenregierung hin zu tun, und
um ihnen eine wirklich christliche Einsicht in die Situation zu vermitteln, die sie sich wünschen. Es heißt, daß der Reichsbischof selber gesagt habe: Wenn wir die ausländischen Kirchen auf unsere Seite bringen, haben wir gewonnen. Entschuldigen Sie diesen langen Brief, aber es sieht alles so furchtbar dunkel aus. Es ist immer ein großer Trost für mich, daß ich Ihnen unser Empfinden frei und persönlich mitteilen darf. Ich hoffe, daß ich bald von Ihnen hören
werde. In großer Dankbarkeit, bleibe ich Ihr ehrerbietig ergebener Dietrich Bonhoeffer
The Palace Chichester, 2. Mai 1934
Zu S. 189
Mein lieber Bonhoeffer!
Ich schicke Ihnen den Entwurf eines Briefes an die Mitglieder des Ökumenischen Rates. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir
sagen würden, wie er auf Sie wirkt. Ich selber glaube, daß er zu lang ist. Ich hoffe, er ist richtig ausbalanciert. Ich würde höchst dankbar jeden Vorschlag annehmen, den Sie zu machen hätten, für bessere Formulierungen, für Auslassungen oder Hinzufügungen.
Ich bin natürlich dankbar für eine möglichst schnelle Antwort. Sie werden die vorsichtige Beziehung auf die Ulmer Erklärung am Ende des 2. Paragraphen bemerken. Immer Ihr George Cicestr
Zu
Kapitel
IV
433
London, 3. Mai 1934 Zu S. 189—191 Lieber Herr Bischof! Haben Sie vielen Dank für Ihren höchst interessanten Brief. Ich
glaube, er wird sehr hilfreich und ein wichtiges Dokument in der augenblicklichen Lage sein. Darf ich eben ein paar Worte in bezug auf Einzelheiten hinzufügen: Sie sprechen „von der Treue (der Pastoren) zu dem, was sie meinen, daß es die christliche Wahrheit
sei“. Könnten Sie nicht vielleicht sagen: zu dem, was die christliche Wahrheit ist“, oder „zu dem, was wir mit ihnen für die christliche
Wahrheit halten“? Es klingt so, als ob Sie einen Abstand von ihrem Glauben einzuhalten wünschten. Ich glaube, sogar der Reichsbischof wäre im Recht, wenn er disziplinare Maßnahmen gegen Pastoren ergreift für den Fall, daß sie für irgend etwas anderes einstünden
als für die Wahrheit des Evangeliums (sogar, wenn sie glauben, daß es die Wahrheit ist) —
tatsächlich geht es ja darum, daß sie
nicht anders handeln können gerade um ihrer Treue willen zu dem, was das wahre Evangelium ist —, nämlich ihre Opposition dagegen, daß das rassischeund politischeElement für die Kirche Christi konstituierend sei.
Ist nicht vielleicht das Wort „einseitig“ (Seite 2) mißverständlich? Es könnte so scheinen, als ob man zur gleichen Zeit mit beiden Seiten sympathisieren dürfte, und als ob die Unterschiede zwischen beiden Seiten nicht letzte Unterschiede wären, so daß einer
eben sich für eine der beiden Seiten entscheiden könnte. Ich fürchte, Heckel wird sich dieses Wortes „einseitig“ bemächtigen in einer Weise, in der Sie nicht wünschen, daß es gebraucht wird. Seite 3 „Die Einführung von rassischen Unterschieden“ und politischen Prinzipien — könnte dieses nicht hinzugefügt
werden? Es handelt sich immer um denselben Irrtum — das Hakenkreuz
im Kirchensiegel!
Mehrere
Quellen
der Offenbarung
neben und außerhalb Christus. Andere konstitutive Normen für die Kirche als Christus selbst. Schließlich glaube ich, die stimulierende Wirkung Ihres Briefes würde noch ein wenig stärker sein, wenn Sie auf die unbedingte Notwendigkeit der Einmütigkeit verweisen würden angesichts einiger lebensnotwendiger Prinzipien und daß jede weitere Zusammenarbeit nutzlos und unchristlicb wäre, wenn sich diese Ein-
heit als unwirklich erwiese. Wenn kein Wort dieser Art fallt, fürchte ich, werden Müller und
seine Leute sich vor keinerlei entscheidender Aktion von Ihrer Seite in naher Zukunft mehr fürchten. Die Einstellung der intelligenteren Leute in der Kirchenregierung ist immer gewesen: „Dis-
434
Anhang
kutiert die Probleme so viel Ihr wollt, aber laßt uns handeln“ — was sie am meisten fürchten, ist nicht Diskussion, sondern Aktion. Wenn sie von diesem Brief ablesen könnten, daß die ökumenische Bewegung sie für eine Weile in Ruhe läßt, sie würden das als einen Erfolg für sich buchen. So, glaube ich, ist es notwendig, daß man
ihnen die Möglichkeit einer solchen Illusion nimmt (sie würden von dieser Illusion jeden ihnen möglichen politischen Gebrauch machen). Entschuldigen Sie meine freimütigen Bemerkungen zu Ihrem Brief. Sie wissen, wie dankbar ich bin, daß Sie mir Gelegenheit geben,
meine Meinung so offen auszudrücken. Ich verbleibe in großer Dankbarkeit immer Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer
Z0NS1925193
Botschaft in bezug auf die Deutsche Evangelische Kirche — an die Vertreter der Kirchen im Ökumenischen Rat für Praktisches Christentum — vom Bischof von Chichester Ich bin von vielen Seiten dringend gebeten worden, eine Erklärung
an die Mitglieder des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum abzugeben über die gegenwärtige Lage in der Deutschen Evangelischen Kirche, besonders da sie andere Kirchen berührt, die
im Ökumenischen Rat für Praktisches Christentum vertreten sind. Die Lage ist zweifellos voller Besorgnisse. Um sie recht einzuschätzen, haben wir uns der Tatsache zu erinnern, daß eine Revo-
Iution im deutschen Staat vor sich gegangen ist, und daß als notwendiges Ergebnis die Deutsche Evangelische Kirche mit neuen Aufgaben
und
mit
neuen
Problemen
konfrontiert
sein mußte,
deren volle Lösung Zeit erfordert. Aber es ist nicht weniger wahr, daß die angenblickliche Situation von den Gliedern der Christlichen Kirchen außerhalb Deutschlands nicht nur mit großem Interesse beobachtet wird, sondern mit immer tiefer gehender Sorge. Die Hauptursache für die Befürchtungen besteht darin, daß der Reichsbischof im Namen des Führerprinzipes autokratische Gewalt angewendet hat, ungemildert durch gesetzliche oder traditionelle
Beschränkungen und ohne Vorgang in der Geschichte der Kirche. Die Ausübung dieser autokratischen Gewalt durch die Kirchen-
Zu Kapitel
IV
435
regierung erscheint unvereinbar mit dem christlichen Grundsatz, in brüderlicher Gemeinschaft darum zu ringen, die Führung des Heiligen Geistes zu empfangen. Das hat verwüstende Wirkungen auf
die innere Einheit der Kirche gehabt; und die Disziplinarmaßnahmen, die die Kirchenregierung gegen Diener des Evangeliums
durchgeführt hat, weil diese den fundamentalen Grundsätzen der christlichen Wahrheit die Treue hielten, haben einen peinlichen Eindruck in der christlichen Öffentlichkeit jenseits der Grenzen hinterlassen, nachdem sie schon aufgestört gewesen ist durch die Einführung der rassischen Unterscheidungen in die allgemeine Gemeinschaft der christlichen Kirche. Kein Wunder, daß in Deutsch-
land selbst sich Stimmen erhoben haben, indem sie eine feierliche Erklärung vor der ganzen christlichen Welt abgaben über die Gefahren, welchen das geistliche Leben der Evangelischen Kirche ausgesetzt ist. Es gibt noch andere Probleme, mit welchen die Deutsche Evangelische Kirche konfrontiert ist, die das allgemeine Interesse der ganzen Christenheit angehen. Das sind solche fundamentale Fragen wie die über die Natur der Kirche, ihr Zeugnis, ihre Freiheit und ihre Beziehung zu der säkularen Macht. Ende August wird sich der
Rat in Dänemark treffen. Die Tagesordnung des Rates wird unvermeidlich die Punkte ins Auge fassen, die durch die angenblickliche Situation in der Evangelischen Kirche gegeben sind. Sie wird außerdem weitere Fragen zu behandeln haben, welche das Leben aller Kirchen in der Christenheit berühren. Eine Kommission hat sich im letzten Monat in Paris getroffen zur Vorbereitung der Arbeit, und ihr Bericht wird in Kürze unter dem Titel „Die Kirche, der Staat und die weltliche Ordnung“ veröffentlicht werden. Ich hoffe, daß diese Konferenz den Kirchen in ihrer Freundschaft untereinander helfen wird und bei ihrer Aufgabe, eine gemeinsame Meinung zu finden über die Bedeutung ihres Glan-
bens in Beziehung auf die vorherrschenden Tendenzen modernen Denkens und moderner Gesellschaft; insbesondere in bezug auf die wachsenden Anforderungen des modernen Staates. Die Zeiten sind kritisch. Es ist etwas erforderlich, was jenseits von
Konferenzen und Beratungen liegt. Wie nie zuvor haben wir es nötig, unsere
Gedanken
und unseren
Geist zu Gott zu wenden.
Ernsthaftere Anstrengungen müssen in unseren theologischen Studien gemacht werden. Über alles: demütigere und brennendere Gebete
müssen
zu unserem
Vater im Himmel
gebracht werden.
Möge er uns Gnade schenken, der allein unsere Finsternis erleuch-
436
Anhang
tet! Möge er, der unsere Schwachheit und Blindheit kennt, durch
ein neues Ausgießen des Geistes die ganze Kirche instandsetzen, Zeugnis für ihren Herren mit Mut und Glauben abzulegen. George Cicestr
Zu S, 194
Himmelfahrt 1934
[10. Mai 1934]
London, 15. Mai 1934
Lieber Herr Bischof! Ihr Brief hat einen großen Eindruck auf mich gemacht und auf alle meine Freunde hier, die ihn gelesen haben. In seiner Knappheit verweist er auf die zentralen Punkte und läßt nichts offen für Mißdeutung. Ich bin völlig sicher, daß Ihr Brief die größte Wir-
kung in Deutschland haben und die Opposition Ihnen sehr verpflichtet sein wird. Und was ich für höchst wichtig halte, dieser Brief wird der Opposition helfen einzusehen, daß dieser ganze Konflikt nicht etwas ist, was nur innerhalb der Kirche passiert, sondern daß er genau an die Wurzeln des Nationalsozialismus greift.
Der Punkt ist die Freiheit, viel mehr als irgendein besonderes konfessionelles Problem. Ich bin höchst gespannt zu erfahren, wie
die Wirkung auf die Kirchenregierung sein wird. Noch einmal möchte ich Ihnen für Ihren Brief danken, der ein lebendiges Doku-
ment ökumenischer und brüderlicher Verantwortlichkeit ist. Ich hoffe, er wird anderen helfen, so deutlich zu reden, wie Sie es
taten. Ich verbleibe, lieber Herr Bischof, Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer
Zu $. 196, 197
London, 28. Juni 1934
Lieber Herr Bischof! Die Erklärung von Bischof Müller in Holle (Hannover), in der er ein Hochverratsverfahren all den Pfarrern androht, die irgendeine Information in Kirchenangelegenheiten jenseits der Grenzen geben, hat in Dr. Winterhager und mir einige Befürchtungen her-
vorgerufen. Bischof Müllers Erklärung fährt fort „es gibt keinen Notstand für den Glauben im gegenwärtigen Deutschland“.
Zu
Kapitel
IV
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Wir betrachten diese zweite Feststellung als eine heftige Verwerfung und als eine sehr unbefriedigende Beantwortung ihrer Himmelfahrtsbotschaft, in der wahrhaftig und deutlich festgestellt war, in welchem Ausmaß der christliche Glaube durch das „deutschchristliche“ Kirchenregiment gefährdet ist. Wir halten es deshalb für sehr wesentlich, daß der Ökumenische Rat nun wieder sein Urteil zum Ausdruck bringt. Dieses ökumenische Urteil und dieser Protest würde seinen wesentlichen
Gegenstand nicht einbüßen, auch wenn Bischof Müller wirklich zurückgetreten wäre zur Zeit seiner Veröffentlichung. Wir sind sicher, daß die Leiter der kirchlichen Opposition und die große Mehrheit der standhaften Protestanten zu Hause mehr und mehr in Verlegenheit gebracht werden durch die erste seiner kürzlichen Erklärungen, d. h. durch seine Hochverrats-Drohung. Sie werden alle das ökumenische Zeugnis und den Protest für außerordentlich hilfreich halten für alle die, die anderweitig völlig ungeschützt gelassen sind vor drohender Beleidigung und großer Gefahr. Das ökumenische Zeugnis würde jetzt besonders hilfreich sein, wenn Sie offen erklärten, daß jeglicher Disput und jede Information in Kirchenangelegenheiten das Gebiet der religiösen Diskussion allein angeht und gar nichts mit Staatspolitik zu tun hat. Ihre
Erklärung würde jetzt um so wichtiger sein, als durch die britische Presse und durch den Rundfunk die Aufmerksamkeit vieler Kirchen über die ganze Welt hin auf die erschreckenden Maßnahmen und Drohungen von Bischof Müller gelenkt worden ist. Der Welt-
protestantismus wird sicher sehr bald eine offene Antwort auf diese provozierenden Angriffe gegen die Himmelfahrtsbotschaft erwarten, welche an alle Kirchen Christi geschickt worden ist. Mit vielem Dank und freundlichen Empfehlungen von Dr. Winter-
hager bin ich Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer
Genf, 7. Juli 1934 Zu S. 197—200 Lieber Bonhoeffer! Ihr Brief an Schönfeld kam heute morgen an. Schönfeld ist in den
Ferien bis zum Ende des Monats. Deshalb habe ich gemäß Ihrer Anweisung Ihren Brief an ihn geöffnet, und dies ist meine Antwort.
438
Anhang
Ich habe volles Verständnis für die höchst delikate und peinliche Situation, in der die deutschen Vertreter auf der Konferenz in Fanö sich befinden werden, auf Grund ihrer schwierigen Beziehungen zu ihren staatlichen Behörden, auf Grund der Gegenwart einer offiziellen Kirchendelegation, auf Grund der wahrscheinlichen Aus-
breitung der innerdeutschen Schwierigkeiten vor einer internationalen Versammlung.
Im Blick auf das Management-Committee des Weltbundes, im Blick auf die Sitzungen
der Kommissionen
am
d. h.
22. August,
auf die Sitzung des Executive Committees am 23., auf die Sitzung des Management Committees, das am 24. August die geschäftlichen Dinge behandelt, im Blick auf diese können nur die,
welche vom deutschen Zweig des Weltbundes bestimmt worden sind, und Männer wie Siegmund-Schultze, Pastor Maas (d. h. wenn
er kommt) und Sie, die Sie als Glieder einer Weltbundkommission auf einer früheren Konferenz bestimmt worden sind, dabei sein,
mit dem Recht mit dem Management Committee zu tagen. Keine anderen Personen aus Deutschland werden eingeladen sein.
Im Blick auf den Rat für Praktisches Christentum wird die offizielle Delegation durch Bischof Heckel nominiert sein und zusammengesetzt aus Bischof Heckel selber, Dr. Wahl, Dr. Krummacher, Privatdozent Wendland, Prof. Hanns Koch, plus anderen ständigen Mitgliedern der deutschen Vertretung in Life and Work: Prof. Deissmann, Dr. Simons, plus einige Vertreter, so wie sie
durch die Europäische Sektion in der Vergangenheit bestimmt worden sind und berechtigt bleiben zu kommen. Vizepräsident Burghart (kommt nicht), Dozent Theophil Mann (?), Generalsuperintendent Zöllner (?), Prof. Siegmund-Schultze (angemeldet), Prof. Titins (angemeldet), dazu Leiter und Glieder der ständigen Kommissionen von Life and Work wie Pastor Menn, Prof. Dibelius, Dr. Stange als Mitglieder des Verwaltungskomitees (ich habe
nichts gehört, ob er kommt oder nicht) und Sie selbst als Glied der Jugendkommission, Dr. Iserland, der den internationalen Missionsrat vertritt, und natürlich Schönfeld. Ich stimme
mit Ihnen überein, die Zeit wird kommen:
„Durch
diese Entwicklung wird es nun zwangsläufig dahinkommen, daß die Ökumene vor die unzweidentige Frage gestellt wird, zu welcher der beiden Kirchen in Deutschland sie sich bekennen wird. Es
ist wichtig, daß man sich rechtzeitig über den Ernst dieser Alternative Klarheit verschafft.“ Um jedoch die Wahl, die Sie in Betracht ziehen, zu ermöglichen, muß dem Ökumenischen Rat mit-
Zu Kapitel
IV
439
geteilt werden, daß zwei Kirchen existieren und nicht eine. Bis jetzt hat solch eine Mitteilung uns nicht erreicht. Auch kein Antrag auf Anerkennung durch irgendeine neue Organisation von Kir-
chen oder einer Kirche. Weiterhin haben bis jetzt gerade die Leiter der Opposition, wie Dr. Koch, Niemöller u.a., dringend gebeten, unsere Beziehungen zur offiziellen Kirchenregierung nicht abzubrechen, um das Recht zu behalten, einen Druck auf sie auszuüben. Wenn die Barmer Synode und die gegenwärtigen oder zukünftigen Entwicklungen zur Konstitution einer Kirche führen, die von der gegenwärtig anerkannten offiziellen Kirche unterschieden ist — die offizielle Kirche, die Sie ja auch selbst anerkannt haben, als Sie
Ihre Entscheidung bekanntgaben,
die Einladung einer Deutsch-
Evangelischen Gemeinde in London anzunehmen —, und wenn und
wann diese neue Kirche um Anerkennung durch Life and Work bittet, dann, und nur dann, wird die Frage einer Wahl für die ökumenische Bewegung möglich werden. Dies ist wenigstens meine eigene Auffassung von der Situation, die Schönfeld nach vielen
Unterhaltungen über diese Sache gänzlich mit mir teilt. Dieses ist auch, glaube ich, die Ansicht des Bischofs von Chichester, so wie ich es weiß; um diesen letzten Punkt zu sichern, schicke ich ihm eine Kopie dieses Briefes an Sie. Wenn die gegenwärtige Kirchenregierung in Deutschland an der Macht bleibt und auf der Konferenz in Fanö vertreten ist, was sie deutlich kundgetan hat, und wenn nach der Debatte über Kirche und Staat und nach der besonderen Sitzung, die für den Nachmittags des 25. August in Aussicht genommen ist, um die Antwort auf den Brief des Bischofs von Chichester vom 10. Mai zu diskutieren, die offiziellen Vertreter der Kirche ihren Wunsch zum Ausdruck bringen, weiterhin Glied von Life and Work zu bleiben und die Konferenz dieser Entscheidung
zustimmt, wie in diesem Brief oben festgestellt, dann wird es keine andere Alternative geben, keine Wahl, die wir treffen könnten,
ohne daß ein Schritt von Deutschland selbst ausgeht. Sie werden jedenfalls bemerkt haben, daß eine ganze Menge „Wenns“ in diesem Brief stehen, und die Dinge mögen eine ganz andere Wendung nehmen. Aber es lag mir sehr daran, daß Sie voll verstehen, wo die Verantwortlichkeit im Blick auf die zukünftigen
Beziehungen zwischen Life and Work und der deutschen Kirche ruht. Was den Weltbund anbetrifft: solange wie der Weltbund in Deutschland in seiner augenblicklichen Form existiert, und solange
seine Führer sich weigern, in ein offizielles Organ der deutschen
440
Anhang
offiziellen Kirche hineingenommen zu werden, wird der Weltbund seine Beziehungen und seine Freundschaft nicht verändern. Für den Fall aber, daß Bischof Heckel und andere den Weltbund für aufgelöst erklären und kein Protest oder irgend ein Anzeichen der Leiter der deutschen Abteilung uns erreicht, daß sie sich weigern,
geduckt zu werden oder eine mögliche Gleichschaltung anzuerkennen, für diesen Fall wird es sehr schwierig für den Weltbund wer-
den, eine andere Haltung einzunehmen als die legale Verfassung des Weltbundes besagt. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß meine Hoffnung und meine Gebete wünschen, die Situation in Deutschland möchte sich in solcher Weise entwickeln, daß entweder die offizielle oder nichtoffizielle Kirche oder Organisation wieder frei wird, zu leben und zu handeln nach den Grundsätzen allein des Evangeliums; und Sie
können sicher sein, daß Ihre Mitchristen und die christlichen Organisationen in anderen Ländern aufs äußerste an Deutschland teilnehmen, daß es dem Evangelium von Jesus Christus treu bleibt in
seinem Programm und in der Haltung seiner Führer, wo immer sie sind. Ihr sehr ergebener
H.L. Henriod
Zu S. 200—202
London, 12. Juli 1934
Mein lieber Henriod! Vielen Dank für Ihren Brief. Ich freue mich über Ihre Bereitschaft, unsere Ansicht zu verstehen und über Ihr Mitgefühl mit unseren Schwierigkeiten. Vielen Dank für Ihre freundlichen Worte! Freilich, Ihr Haunptpunkt ist, daß die Bekennende Kirche in Deutschland an den Ökumenischen Rat eine Mitteilung über ihre Existenz ergehen lassen sollte. Wie ich es sehe, ist dieses vor langer Zeit in Ulm geschehen, wie auch in Barmen, wo die Bekennende Synode
den offiziellen Anspruch vor der ganzen christlichen Welt erhoben hat, die wahre Evangelische Kirche in Deutschland zu sein. Wenn dieser Anspruch überhaupt ernst genommen wird, dann schließt er
die Hoffnung auf Anerkennung durch die anderen Kirchen ein. Wenn ich recht verstehe, sind die Kirchen, die im Ökumenischen Rat repräsentiert sind, eingeladen worden, ihre Vertreter zu
schicken und haben dies nicht aus eigener Initiative getan. Ich habe diesen Punkt mit dem Bischof von Chichester kürzlich besprochen, und ich weiß, daß er an Sie darüber schon geschrieben hat. Sie
Zu
Kapitel
IV
441
sagen: „Wenn die Barmer Synode zu der Konstitution einer Kirche
führt, unterschieden von der augenblicklich anerkannten offiziellen Kirche, dann, und nur dann, wird die Frage der Wahl für die ökumenische
Bewegung
legale Konstruktion mißdeuten.
möglich
werden.“
der Bekennenden
Ich glaube,
daß Sie die
Kirche an diesem Punkt
Es gibt keinen Anspruch oder gar einen Wunsch, eine
Freikirche zu sein neben der Reichskirche, sondern es gibt nur den Anspruch, die einzig theologisch und legal legitimierte Kirche in Deutschland zu sein; und demgemäß können Sie von dieser Kirche nicht erwarten, daß sie eine neue Verfassung aufstellt, da sie genau auf der Verfassung basiert, welche die Reichskirche beiseite geschoben hat. Meiner Meinung nach folgt daraus, daß ein Schritt durch
den Ökumenischen Rat getan werden muß in der Form einer offiziellen Einladung an die Bekennende Synode, am ökumenischen Werk der Kirche teilzunehmen. Sie werden verstehen, daß es eine höchst delikate Sache für die Bekennende Kirche ist, diesen Schritt zu tun, nachdem sie schon vor der ganzen Christenheit erklärt hat, was ihr Anspruch ist. So glaube ich, und das ist meine feste Überzeugung, daß legal und theologisch die Verantwortung für die zukünftige Beziehung der Deutschen Kirche zur Ökumenischen Be-
wegung bei der Ökumenischen Bewegung selbst und ihrer Handlungsweise ruht. Bezugnehmend auf den Weltbund möchte ich, nachdem ich einer wichtigen Konferenz vor zwei Wochen beigewohnt habe, sagen, daß es gar nicht in Frage kommt, daß der Reichskirche erlaubt
würde, seine Angelegenheiten zu übernehmen. Es gibt eine starke Strömung gegen Dr. Heckel, so daß sogar die Möglichkeit ernsthaft in Erwägung gezogen wird, von Fanö wegzubleiben, wenn
Dr. Heckel dort sein sollte. Endlich erlauben Sie mir, Ihre Feststellung zu korrigieren, die sich
auf meine Anerkennung der Reichskirche in meiner persönlichen Stellung bezieht. Ich habe keinerlei Beziehung zur Reichskirche. Ich bin lediglich durch meine Gemeinde gewählt, und diese Wahl ist weder durch die Reichskirche bestätigt worden, wie es eigentlich
hätte geschehen sollen, noch würde ich eine solche Bestätigung überhaupt annehmen. Als ich nach London ging, gab es keine Bekennende Kirche, welche den Anspruch gemacht hätte, den sie jetzt stell. — Dieses war einer der Gründe, warum ich Deutschland verließ. Entschuldigen Sie die lange Erklärung, aber ich möchte nicht gerne von meinen Freunden mißverstanden werden.
Der Erlaß von Frick ist tatsächlich von größter Wichtigkeit. Ich
442
Anhang
glaube, es ist wieder einmal ein großer Moment für die Ökumene, etwas zu sagen. Dieser Erlaß mag die endgültige Unterdrückung des Christentums bedeuten als eines Ortes, wo öffentliche christ-
liche Meinung gebildet werden kann. Ich bin so froh, daß Sie so schnell einen Vertreter für mich für
Fanö gefunden haben und schicke Ihnen die Dokumente in einem getrennten Umschlag zu. Sie werden meine Entscheidung, nicht nach Fanö zu gehen, besser verstehen. Ich gebe freimütig zu, daß ich mit der Einladung von Heckel nicht übereinstimmen kann, ohne daß die Opposition eingeladen ist. — Ich habe diese Probleme mit Dr. Koch und Niemöller auf meiner Reise nach Berlin besprochen, und wir waren alle einer Meinung. Ich hoffe, bald
von Ihnen zu hören. Ihr Dietrich Bonhoeffer
Zu $. 203
Privat The Palace Chichester
7. Juli 1934
Mein lieber Bischof!
Mir ist vorgeschlagen worden, daß ich Vertreter der BekenntnisSynode der Evangelischen Kirche Deutschlands, welche sich in Barmen versammelte, einladen möchte, Abgesandte zu dem Dänemark-Treffen von Life and Work zu schicken. Es wurde festgestellt, daß die Bekenntnis-Synode tatsächlich eine Kirche ist, gleichgültig ob man ihrer Behauptung zustimmt, die legale Evangelische Kirche Deutschlands zu sein — ein Anspruch, den erfahrene deutsche Juristen sehr stark bejahen auf juristischer und verfassungsmäßiger Grundlage. Man hat mich wissen lassen (durch Bonhoef-
fer, mit dem ich die Sache besprochen habe), daß, wenn eine Einladung an Präses Koch erginge, diese willkommen wäre, und daß zweifellos Vertreter geschickt werden würden. Ich gestehe zu, daß mir daran liegt, eine Einladung zu senden. Unter gewöhnlichen Umständen ist es Sache der Kirchen in den betreffenden Ländern,
unter sich zum Einvernehmen zu kommen gemäß der Quote ihrer nationalen Delegation. Aber es ist klar, daß man nicht erwarten
kann, daß Bischof Heckel mit Präses Koch in diesem Fall über den Anteil verhandelt.
Ich weiß überhaupt nicht, ob Bischof Heckel
tatsächlich kommt oder wie weit die Deutsche Evangelische Kirche
Zu
Kapitel
IV
443
vertreten sein wird. Ich meine, man sollte alles tun, was vernünftigerweise möglich ist, die Bekenntnis-Synode zu unterstützen. Ich schreibe an Schönfeld in derselben Weise wie ich an Sie schreibe. Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn Sie mir mit ihrem weisen Rat helfen würden und im Laufe der kommenden Woche mir eine Antwort gäben; das wäre besonders willkommen. Die gegenwärtige Lage in Deutschland macht allgemein die ganze Frage noch dringender. Immer Ihr George Cicestr An den Bischof Ammundsen
The Palace, Chichester
18. Juli 1934
Sehr verehrter, lieber Herr Pfarrer!
Der Ökumenische Rat für praktisches Christentum hält vom 23. bis zum
30. August in Fanö, Dänemark,
Es wird
erwartet,
daß das
Treffen
seine Versammlung
sehr wichtig
wird.
ab.
Am
Sonnabend will der Rat in eine Diskussion über die Botschaft eintreten, welche ich als Präsident kürzlich zu Himmelfahrt an die
Vertreter der Kirchen im Christlichen Weltrat geschickt habe. Am Montag und am Dienstag wird das Thema
der Diskussion sein:
„Die Kirche und die moderne Auffassung des Staates“ und „Die Kirche und die Ordnung der Welt“. Ich schreibe in meiner Eigenschaft als Präsident, nachdem ich mit Bischof Ammundsen
einzuladen,
und einigen anderen
an der Versammlung
beraten habe, um
des Rates teilzunehmen
Sie
und
einen Kollegen mitzubringen, oder, falls Sie aus irgendeinem Grunde nicht selbst abkömmlich sind, zwei Vertreter zu schicken. Wenn es sich für Dr. von Bodelschwingh als passend erweisen sollte, einer der Repräsentanten zu sein, so wäre seine Gegenwart höchst wertvoll. Ich lade Sie und Ihren Kollegen, oder Ihre Vertreter, als Gäste und als bevollmächtigte Sprecher ein in einer sehr
schwierigen Lage. Der Christliche Weltrat würde sicherlich viel Nutzen aus Ihren Informationen und Ihrem Rat ziehen.
Mir ist sehr wohl klar, daß Sie selbst Schwierigkeiten empfinden werden, die Sie zweifellos sorgfältig abwägen werden, wenn Sie
diese Einladung erreicht. Der Weltrat wird genötigt sein, eine Dis-
Zu $. 204
444
Anhang
kussion über die Deutsche Kirchensituation zu veranstalten und wahrscheinlich eine Stellungnahme zu geben. Es wird für den Rat sehr schwierig sein, die angeschnittenen Fragen zu behandeln ohne den Beistand der Sprecher, die verschiedene Stellungnahmen und Ansichten repräsentieren. Außerdem erkenne ich jedoch die Tatsache an, daß die Anwesenheit
ihre Peinlichkeit haben
mag
für die,
welche eine abweichende Ansicht von der der Kirchenregierung haben. Ich möchte nur sagen, daß, wenn Sie in der Lage wären, zu kommen — oder Vertreter zu schicken — Sie und Ihr Kollege höchst willkommen wären. Mit großer Hochachtung und Anteilnahme bin ich Ihr sehr ergebener
George Cicestr, Präsident
An Herrn Pfarrer Präses Koch
E ngl.
The Church and the World of Nations
Fassung
zu $. 212—215
The Fundamental Principles of the World Alliance Summary
1. The destiny of the Alliance is determined by the following: whether it regards itself as a Church or as a society with a defi-
nate purpose. The World Alliance is a Church as long as its fundamental
principles lie in obediently listening to and preaching
the Word of God. It is a society, if its essential object is to realise aims and conditions of whatever kind they may be. It is only
as a Church that the World Alliance can preach the Word of Christ in full authority to the Churches and nations. As a society
it stands without authority with innumerable other societies of the same kind. 2. The work of the World Alliance means work of the Churches for peace amongst the nations. Its aim is the end of war and the victory over war.
3. The enemy of work for peace is war. War must be understood a) as a conscious action of the human will, for which it is fully responsible;
Z»
Kapitel
IV
445
b) as the work of the evil powers of this world, enemies of God, similar to disease, catastrophes, etc.; c) as the revelation of a world which has fallen under the law of death.
4. Corresponding to this, the justification of war takes the following three forms: a) War — according to the conscious will of its leaders — works
for the maintenance of the State and future peace, this is its moral justification; b) War is an irresistible event, over which no man has any power (so-called realism or, rather, naturalism); c) War reveals an heroic world of sacrifice.
5. Secular pacifism answers: a) the pacific welfare of humanity will not be brought about by
means of war. War cannot be justified morally on that basis; b) a rational organisation must be created which will hold back
the powers leading to war; ec) war must be suppressed so as to reveal the world as a good world 6. These two arguments are of equal value and are equally unchristian. They are not Christ-inspired but inspired by a desired or
non-desired picture of the world. 7. The Christian Church answers: a) The human will must be confronted with the commandment:
Thou shalt not kill. God does not exempt us from obeying His commandments.. Man by his transgressions will be guilty before God. The God of the Sermon on the Mount will
judge him. To the objection: The State must be maintained: the Church answers: Thou shalt not kill. To the objection: War creates peace: the Church answers: This is not true, war creates destruction. To the objection: The nation (Volk) must defend itself: the Church answers: Have you dared to entrust God, in full faich, with your protection in obedience to His
commandment? To the objection: compels me: the Church answers: keeps His commandments. To the then? the Church answers: Believe
Love for my neighbour The one who loves God question: What shall I do in God and be obedient.
But to the secular pacifism the Church answers: The motives
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Anhang
of our actions are not the welfare of humanity, but obedience to God’s commandments. Even if war meant the good of humanity, God’s commandment would remain steadfast.
b) The powers of evil will not be broken by means of organi-
sations, but by prayer and fasting (Mark. 9,29). Any other
attitude under-estimates these powers and regards them as naturalistic or materialistic. The spirits of hell will be ba-
nished only by Christ Himself. Neither fatalism, nor organisation, but prayer! Man, feeling responsible for peace, although
subject to evil powers, is being led to recognise that help and the solution will be brought about by God alone. Prayer is stronger than organisation. It is easy to hide the burden of (Not against flesh and evil and struggle by organisation.
blood... Ephes. 6, 12.) c) War revealing as it does a world under the law of death shows also that the abolition of war would only be the suppression of a horrible symptom, but would not cut the root of the evil itself. It is not pacifism that is the victory which overcomes the world (1. Joh.5,4) buth faith, which expects
everything from God and hopes in the coming of Christ and His Kingdom. Only then will the cause of evil — say, the Devil and the demons — be overcome!.
that is to
1. Im Fanö-Protokoll heißt es: The following questions were submitted to the meeting for general discussion: 1. From what basis and with what legitimation does the Church have a particular responsibility to speak regarding international problems? What does the mutual relationship between oecumenicity and internationalism imply for the task of the Church?
2. What are the particular means and limits of the Church’s cooperation in the international field? The discussion dealt with the attitude of the Churches to concrete international conflicts, and especially to the war problem, which was seen, however, as being only one problem in the whole struggle for the creation of international order. The Churches were recognised as having a unique contribution to make towards the achievement of genuine cooperation between the states and nations.
Zu
Kapitel
IV
447
The Church and Peoples of the World
Engl. Fassung zu S. 216—219
“I will hear what God the Lord will speak: for he will speak peace unto his people, and to his saints” (Psalm 85, 9). Between the twin crags of nationalism and internationalism oecumenical
Christendom calls upon her Lord and asks his guidance. Nationalism and internationalism have to do with political necessities and possibilities. The oecumenical Church, however, does not
concern itself with these things, but with the commandments of God, and regardless of consequences it transmits these command-
ments to the world. Our task as theologians, accordingly, consists only in accepting this commandment as a binding one, not as a question open to discussion. Peace on earth is not a problem, but a commandment given at Christ’s coming. 'There are two ways of reacting to this command from God: the unconditional, blind obedience of action, or the hypocritical question of the Serpent: “Yea, hath God said ....?” This question is the mortal enemy of obedience, and
therefore the mortal enemy of all real peace. “Hath God not said? Has God not understood human nature well enough to know that wars must occur in this world, like laws of nature? Must God not have meant that we should talk about peace, to be sure, but that it is not to be literally translated into action? Must God not really have said that we should work for peace, of course, but also make ready tanks und poison gas for security?” And then perhaps the most serious question: “Did God say you should not protect your own people? Did God say you should leave your own a prey to the enemy?”
No, God did not say all that. What He has said is that there shall be peace among men —
that we shall obey Him without further
question, that is what He means. He who questions the commandment of God before obeying has already denied Him.
There shall be peace because of the Church of Christ, for the sake of which the world exists. And this Church of Christ lives at one and the same time in all peoples, yet beyond all boundaries, whether national, political, social, or racial. And the brothers who make up this Church are bound together, through the command-
ment of the one Lord Christ, whose Word they hear, more inseparably than men are bound by all the ties of common history, of blood, of class and of language. All these ties, which are part of our world, are valid ties, not indifferent; but in the presence
j)
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Anhang
of Christ they are not ultimate bonds. For the members of the oecumenical Church, in so far as they hold to Christ, His word, His commandment of peace is more holy, more inviolable than the most revered words
and works of the natural world. For they
know that whoso is not able to hate father and mother for His sake is not worthy of Him, and lies if he calls himself after Christ’s name. These brothers in Christ obey His word; they do not doubt or question, but keep His commandment of peace. They are not ashamed, in defiance of the world, even to speak of eter-
nal peace. They cannot take up arms against Christ himself — yet this is what they do if they take up arms against one another! Even in anguish and distress of conscience there is for them no escape from the commandment of Christ that there shall be peace. How does peace come about? Through a system of political treaties? Through the investment of international capital in different countries? Through the big banks, through money? Or through universal peaceful rearmament in order to guarantee peace? Through none of these, for the single reason that in all of them peace is
confused with safety. There is no way to peace along the way of safety. For peace must be dared. It is the great venture. It can
never be made safe. Peace is the opposite of security. To demand guarantees is to mistrust, and this mistrust in turn brings forth war. To look for guarantees is to want to protect oneself. Peace means to give oneself altogether to the law of God, wanting no
security, but in faith and obedience laying the destiny of the nations in the hand of Almighty God, not trying to direct it for
selfish purposes. Battles are won, not with weapons, but with God. They are won where the way leads to the cross. Which of us can say he knows what it might mean for the world if one nation should meet the aggressor, not with weapons in hand, but praying, defenceless, and for that very reason protected by “a bulwark never failing”?
Once again, how will peace come? Who will call us to peace so that the world will hear, will have to hear? so that all peoples may rejoice® The individual Christian cannot do it. When all around are silent, he can indeed raise his voice and bear witness,
but the powers of this world stride over him without a word. The individual Church, too, can witness and suffer — oh, if it only would! — but it also is suffocated by the power of hate. Only the one great Ecumenical Council of the Holy Church of Christ over
Zu
Kapitel
IV
449
all the world can speak out so that the world, though it gnash its teeth, will have to hear, so that the peoples will rejoice because the Church of Christ in the name of Christ has taken the weapons
from the hands of their sons, forbidden war, and proclaimed the peace of Christ against the raging world. Why do we fear the fury of the world powers? Why don’t we take the power from them and give it back to Christ? We can still do it today. The Oecumenical Council is in session; it can send out
to all believers this radical call to peace. The nations are waiting for it in the East and in the West. Must we be put to shame by
non-Christian peoples in the East? Shall we desert the individuals who are risking their lives for this message? The hour is late. The world is choked with weapons, and dreadful ist the distrust which
looks out of all men’s eyes. The trumpets of war may blow tomorrow. For what are we waiting? Do we want to become involved in this guilt as never before? What use to me are crown, land, folk and fame?
They cannot cheer my breast. War’s in the land, alas, and on my name I pray no guilt may rest. M. Claudius We want to give the world a whole word, not a half word — a
courageous word, a Christian word. We want to pray that this word may be given us, today. Who knows if we shall see each
other again another year?
Bruay on Artois, 7. September 1934 Lieber Herr Bischof!
Vor allem möchte ich Ihnen sehr herzlich für die große Hilfe danken, die Sie der Sache unserer Kirche auf der Konferenz in Fanö gewährt haben. Die Resolution ist in ihrer endgültigen Form eın wirklicher Ausdruck des brüderlichen Geistes geworden, der Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Deshalb wird der Inhalt dieser Resolution jeden treffen, der sie ohne Vorurteil liest. Unmittelbar
nach der Konferenz ging ich nach Deutschland und traf Präses
Zu S. 222
450
Anhang
Koch und den ganzen versammelten Bruderrat. Ich gab dort einen ausführlichen
Bericht
über die Fanö-Konferenz
und
hatte
das
starke Empfinden, daß die Resolution von Fanö der stärksten Zustimmung begegnete. Der Bruderrat hat mich beauftragt, besonders Ihnen seine tiefe Dankbarkeit zu sagen. Präses Koch und der Rat baten mich, Ihnen zur gleichen Zeit den starken Wunsch zu übermitteln, Sie treffen zu dürfen, wenn Sie von Schweden zurück-
kommen. Wenn Ihnen irgendeine Zeit passend erscheint, würde Präses Koch Sie sehr gerne in Hamburg treffen. Weitere Vertreter der Synode werden mit ihm kommen. Seien Sie doch bitte so freundlich, eine kurze Notiz nach Oeynhausen zu schicken. Mit tiefem Dank bin ich, lieber Herr Bischof, Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer
Zu Kapitel V
Korrespondenz mit Faith and Order Zu S. 230
Bonhoeffer an Hodgson:
7. Juli 1935
...Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre freundliche Einladung, im August nach Dänemark zu kommen. Ich würde sehr gerne an der Tagung teilnehmen. Aber da taucht zu allererst die Frage auf, ob Vertreter
der Reichskirchenregierung
anwesend
sein werden;
das würde mein Kommen unmöglich machen ...
Zu S. 230, 231
Sehr geehrter Herr Pastor Bonhoeffer!
9. Juli 1935
Haben Sie vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen Brief. Las-
sen Sie bitte Dr. Winterhager sich nicht mit der Übersetzung mühen. Als ich nichts von Ihnen hörte, nahm ich an, daß mein Brief irgendwie verloren gegangen sei, und ich habe hier einen Über-
setzer gefunden, der die Arbeit schon getan hat. Wenn Sie nach Hindsgavl kommen, werden wir gewiß bereit sein, Ihre Ausgaben zu bezahlen, weil wir außerordentlich begierig
Zu Kapitel
V
451
sind, von allen Seiten der christlichen Kirche Rat zu bekommen,
bevor wir endgültige Entschlüsse für unser Programm für 1937 fassen; wir sind imstande, in einigen wenigen Fällen solche Zu-
schüsse zu gewähren, um uns die Anwesenheit von Männern zu sichern, deren Rat wir brauchen und sonst nicht erhalten können.
Ich hörte vor einiger Zeit von Dr. Krummacher, daß er und Bischof Heckel vorhaben, der Tagung beizuwohnen. Ich denke, Sie werden unseren Standpunkt verstehen, wenn ich sage, daß wir als
eine Bewegung nicht die Vertreter irgendeiner Kirche ausschließen können, „welche unseren Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennt“. Gleich von Anfang an gab es eine allgemeine
Einladung an alle solche Kirchen, und wir können uns nicht das Recht anmaßen, zwischen ihnen Unterschiede zu machen. Wir sind, wie ich oben sagte, außerordentlich begierig, bei unseren Über-
legungen durch alle möglichen Richtungen christlichen Denkens geleitet zu werden, und vor allen Dingen wünschen wir, daß Deutschland nicht ausschließlich durch die Reichskirche vertreten wird. Wir haben es den Vertretern der Reichskirche klargemacht.
daß wir sie nicht als die Vertretung der gesamten deutschen evangelischen Christenheit ansehen können; und weitgehend darum, den Schein dieser Tatsache zu vermeiden, wurde ich dazu bewogen, Ihnen diese besondere Einladung zu schicken. Ich hoffe noch
|
immer, daß Sie es für möglich halten, sie anzunehmen. Mit vielem
|
Dank für Ihre Bezeugung verbleibe ich
!
der Anteilnahme
an unserem
Werk,
Ihr ergebener Leonard Hodgson
Finkenwalde bei Stettin, 18. Juli 1935
Zu S. 231—234
Waldstraße 5. Evangelisches Predigerseminar Hochverehrter Herr!
Darf ich Ihnen meinen Dank un für Ihren Brief und für die freundliche Einladung nach Hindsgavl, welche Sie wiederum an mich gesandt haben. Ich weiß sehr wohl um die große Auszeichnung und Verantwortung, die darin enthalten ist. Kann es
für einen christlichen Pfarrer und Lehrer etwas Schöneres und Verheißungsvolleres geben, als an der Vorbereitung für eine große ökumenische Synode mitzuarbeiten, welche die Aufgabe ins Auge
|
452
Anhang
faßt, gemeinsam das Wort unseres Herrn Jesus Christus zu hören; gehorsam zu sein in dem Glauben an die wundertätige Macht des Heiligen Geistes und für eine sichtbare Vereinigung der gespaltenen Christenheit auch in dieser Welt zu beten. — Sollte die Verantwortung und der Glaube an die Verheißung des „unum omnes sint“ es uns nicht verbieten, pharisäische Anmaßungen
zu hegen
und impulsive Urteile über irgendeine Kirche, ja über irgendeinen Bruder in Christus auszusprechen? Sollte die Botschaft Jesu
Christi nicht jeden von uns zu allererst zur Buße hinführen und ihm gebieten, auf die Worte eines jeden Bruders in Christus zu hören und vielleicht seine eigene Auffassung der Berichtigung
durch seinen Bruder zu unterwerfen? Denn es kann doch nicht von endgültiger Bedeutung sein, daß irgendein Mensch oder irgend-
eine Kirche ihre Ansichten und Doktrinen verfechten sollte, indem man auf seiner „richtigen“ Stellung beharrt. Unser Herr Jesus
Christus allein ist von Bedeutung, daß er herrsche und daß seine Ansprüche unverletzt trotz aller menschlichen Weisheit bestehen bleiben. Ich schreibe dies alles als ein Glied der Bekennenden Kirche in Deutschland. Gleichzeitig muß ich aber erklären, daß die Stellung
meiner Kirche in bezug auf die deutsche Reichskirche sich grundsätzlich von ihrer Haltung gegenüber allen anderen Kirchen der Welt unterscheidet, da die Bekennende Kirche in Deutschland in Abrede stellt und bestreitet, daß die Reichskirche unseren Herrn
Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennt. Es mag einzelne Vertreter der Reichskirche geben (und vermutlich ist Bischof Hekkel unter ihnen), die eine Theologie vortragen, die als christlich bezeichnet werden muß, und die biblischer zu sein und besser mit der Lehre der Bekennenden Kirche in Einklang zu sein scheint als
die Lehren einiger anderer Kirchen. Aber sowohl die Lehre wie auch die Taten der verantwortlichen Führer der Reichskirche haben klar bewiesen, daß diese Kirche nicht mehr Christus dient, sondern dem Antichristen. Der Gehorsam dem einen himmlischen Herrn Jesus Christus gegenüber wird fortwährend dem Gehorsam
zu weltlichen Herren und Mächten gleichgestellt, ja sogar untergeordnet. Dadurch verrät die Reichskirche immerfort den alleinigen Herrn Jesus Christus, denn niemand kann zwei Herren dienen; er wird dem einen anhangen und den anderen verachten. Die
Bekennende Kirche hat darum auf der Dahlemer Synode im letzten Herbst erklärt, daß die Reichskirchenregierung sich von der Kirche Christi losgesagt hat. Diese feierliche Erklärung wurde in
Zu Kapitel
V
453
der Vollmacht und im Gehorsam gegen das Wort Jesu Christi ab-
gegeben.
Sie stellt deutlich
fest, daß die Reichskirchenregierung
nicht länger den Anspruch darauf erheben kann, die Kirche Christi in Deutschland oder einen Teil von ihr zu bilden. Kein Glied der Bekennenden Kirche und noch viel weniger einer ihrer Geistlichen kann daher die Reichskirche als eine Kirche anerkennen, die unseren Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland verehrt. Er muß vielmehr Gott anflehen, daß er die Reichskirchenregierung als ein Werkzeug des Antichristen zunichte machen möge. Als Geistlicher der Bekennenden Kirche kann ich an keiner ökumenischen Tagung teilnehmen, es sei denn, sie schließt entweder die Reichskirche aus oder sie wagt öffentlich, beide, Reichskirche und Bekennende Kirche, mit Verantwortung zu belasten. Das bedeutet jedoch, daß man tatsächlich in ihren Konflikt eingreift und ein Urteil ausspricht, das auf die Gebunderbeit an Gottes Wort gegründet ist und im Namen der ganzen Gemeinde Gottes ausgesprochen wird. Der Kampf, den wir auszufechten haben, geht nicht um scharfsinniges Urteilen oder um Meinungen besonderer Gruppen, welche durch ein gewisses Maß von gutem Willen ausgesöhnt werden könnten. Nein, der Kampf geht um „eine Scheidung der Geister“, indem man eine Grenze zieht zwischen Leben und Tod, zwischen
Gehorsam und Ungehorsam zu unserem wahren Herrn Jesus Christus. Unsere Trennung von der Reichskirche wäre wahrhaftig falsch und gottlos, wenn wir nicht denselben festen Glauben hätten, wie ihn Martin Luther einst besaß: wir müssen kämpfen für die Sache der wahren Kirche Christi gegen die falsche Kirche des Antichristen. Indem wir in diesem Glauben kämpfen, wird uns keine geringe Kraft zuteil im Bewußtsein der Tatsache, daß wir für die Christenheit nicht nur der Kirche in Deutschland, sondern in der ganzen Welt kämpfen. Denn überall auf der Erde sind jene heidnischen und anti-christlichen Kräfte zu finden, die sich in un-
serem Gebiet offen gezeigt haben. Alle Kirchen können eines Tages durch dieselbe Macht angegriffen werden.
Die Waffen des Evangeliums, die durch unser Kämpfen und Leiden neu geschärft wurden, sind für die ganze Christenheit der einzige Schutz. So ist die Entscheidung, die in Deutschland getroffen wurde, ein letzter Warnruf an alle Kirchen, über die ganze
Welt. Wenn
nun
die ökumenische
Bewegung,
und ganz besonders
die
Faith and Order-Bewegung, in diese entscheidende Frage einwil-
454
Anhang
ligte und diese Aufforderung im Gehorsam gegen Jesus Christus und sein Wort ernst nimmt, könnte der gesamten Christenheit eine innere Wiedergeburt und ein neues Einswerden geschenkt werden, wie groß die Schwierigkeiten auch sind und wie schmerzlich der
Weg des Gehorsams:zu sein scheint. Wenn die ökumenische Bewegung andererseits diese Frage außer acht läßt, würde sie ihr eigenes Urteil fällen und die Vollmacht verlieren, im Namen Jesu Christi zu sprechen und zu handeln. Ich möchte Sie bitten, diese Zeilen nicht als eine unausführbare
Verwirrung der eigentlichen Arbeit auf ökumenischem Gebiet an-
zusehen, sondern als einen Beitrag zu dieser Arbeit, der ausführ-
bar und richtungweisend ist. Haben Sie nochmals vielen Dank für Ihre große Freundlichkeit. Ich verbleibe Ihr sehr ergebener
Dietrich Bonhoeffer
Zu'S. 235—239
den 26. Juli 1935 Sehr geehrter Herr Pastor Bonhoeffer!
Haben Sie vielen Dank für Ihr so ausführliches und freimütiges Schreiben. Ich würdige gewiß die Mühe, die Sie sich gemacht haben, um die Lage, so wie Sie sie sehen, sorgfältig darzustellen und
mir so einen aufschlußreichen Einblick in den unseligen Konflikt zu geben, in den Sie verwickelt sind. Solche Briefe lassen einen um so mehr unsere gemeinsame Treue zu unserem Herrn und Meister erkennen, die alle nationalen Grenzen übersteigt und die uns zu
einem inbrünstigeren Gebet um Gottes Segen für alle jene unsere Brüder in anderen ringen.
Ich möchte nun
Ländern
veranlaßt,
die um
seine
meinerseits Ihr Entgegenkommen
Wahrheit
dadurch
er-
widern, daß ich Ihnen in weiteren Einzelheiten auseinandersetze,
wie die Angelegenheit vom Standpunkt unserer Bewegung her aussieht.
Seit ungefähr 300 Jahren haben sich die getrennten. christlichen Gemeinschaften immer mehr voneinander abgesondert. Zu Beginn des jetzigen Jahrhunderts erreichte einige christliche Führer der verschiedenen Kirchen Gottes Ruf, der ihnen befahl, den Versuch zu unternehmen, die getrennten christlichen Gemeinschaften wieder zusammenzuführen. Das führte zu verschiedenen Annäherungs-
Zu Kapitel
V
455
methoden. Eine einleuchtende Methode bestand darin, festzustel-
len, wie weit sich verschiedene christliche Gemeinschaften zusammentun könnten, um zu versuchen, die menschliche Lebensweise zu christianisieren, ohne die Prinzipien, für die jede Kirche ein-
stand, preiszugeben. Alle, die den Ruf empfingen, riefen 1925 die
Stockholmer Konferenz ins Leben, die zu dem Universal Christian
Council (Christlichen Weltbund) von Life and Work führte. Aber man erkannte, daß diese Gemeinschaft der Kirchen in ver-
einter Tätigkeit doch nicht zu einer völligen Heilung des Bruches in der getrennten Christenheit führen konnte, wenn die zusammenarbeitenden Kirchen nicht auch untereinander die Prinzipien erörterten, für welche jede von ihnen einstand, um zu ermitteln,
ob diese Prinzipien wirklich die Trennung in Glauben und Verfassung erforderlich
machten.
Daraus
entwickelte
sich die Lau-
sanne-Bewegung. Wenn ich die Sachlage bildlich darstellen darf, so bildeten die Kirchen im ersten Falle einen Kreis, wobei sie Schulter an Schulter standen und nach außen in die Welt blickten; im zweiten Falle bildeten sie wieder einen Kreis, schauten aber diesmal nach innen, um zu versuchen, einander besser kennen
und verstehen zu lernen. Weil beide Aufgaben notwendig sind und weil es wichtig ist, daß beide gleichzeitig durchgeführt werden und keine aus den Augen verloren wird, ist es das beste, zwei unabhängige Bewegungen zu haben, die in freundschaftlicher Beziehung zueinander stehen. Diejenigen unter uns, die die Verantwortung für die Ausführung der Angelegenheiten der Faith and
Order-Bewegung tragen, sind sich dessen bewußt, daß der ganze raison d’etre der Bewegung darin liegt, den verschiedenen Kirchen Gelegenheit zu geben, sich zu treffen und einander besser verstehen
zu lernen. Von Anfang an war es uns klar, daß wir in keiner Weise versuchen durften, im Namen der Kirchen zu sprechen, in-
dem wir entweder Pläne zur Wiedervereinigung machen oder indem wir der Welt im Namen der Kirchen eine Meinung kundgeben. Wir dürfen uns sozusagen nicht umdrehen und aufhören, nach innen zu schauen. Der Grund dafür ist folgender: Da es un-
sere Aufgabe ist, die Kirchen miteinander ins Gespräch zu bringen
und sie aus ihrer Isolation herauszuführen, muß jede Kirche die Gewißheit haben, daß, wenn sie Vertreter sendet, sie sich doch in keiner Weise durch irgendeine Handlung kompromittiert sehen würde, die von der Konferenz, auf der sie vertreten ist, aus-
geführt wird. Falls das geschehen sollte, würden sich die Kirchen von der Bewegung zurückziehen und in die Isolierung zurück-
456
Anhang
fallen, aus der wir sie ja herausbringen sollen. Es mag die Auf-
gabe der Life and Work-Bewegung sein, dieses Wagnis zu unternehmen — darüber kann ich kein Urteil abgeben. Aber wenn Faith and Order das täte, würden wir treulos gegen seine besondere Berufung handeln.
Die einzige erforderliche Qualifikation ist die folgende: Von Anfang an hat sich die Bewegung auf jene Kirchen beschränkt, die „unseren Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen“. Aber die Bewegung hat es niemals auf sich genommen, zu ent-
scheiden, welche Kirchen dieser Definition entsprechen und welche nicht. Die Einladung, an der Arbeit der Bewegung teilzunehmen, ist „an alle christlichen Gemeinschaften in der ganzen Welt, die unseren
Herrn Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen“, ergangen, und es blieb dann den Kirchen selbst überlassen, zu entschei-
den, ob sie das in aller Aufrichtigkeit annehmen können. Ich kann das an einem besonderen Beispiel veranschaulichen, mit dem wir
im Augenblick beschäftigt sind. Die Frage wurde aufgeworfen, ob die tschechoslowakische Nationalkirche eine trinitarische Kirche sei, die rechtmäßig an unserer Arbeit teilnehmen kann, oder eine unitarische
Kirche, die wir ausschließen
müßten.
Wie die Ent-
scheidung zu dieser Frage ausfallen wird, kann ich nicht sagen; im Augenblick ist sie sub indice. Aber die tschechoslowakische Kirche
selbst wird die Entscheidung zu treffen haben; wir werden nicht die Verantwortung auf uns nehmen, sie auszuschließen, wenn sie selbst der Meinung ist, daß sie sich uns in aller Aufrichtigkeit anschließen kann.
Wenn ich Ihren Brief richtig verstehe, so liegen die Dinge im Augenblick in Deutschland so, daß die Bekennende Kirche der Reichskirche das Recht abspricht, als eine Kirche angesehen zu werden, die unseren Herrn Jesus Christus als anerkennt. Aber ich weiß, daß die Glieder der das bestreiten würden; ich schließe das zum kleinen Schriftstück von Dr. Wobbermin, das
Gott und Heiland Reichskirche selbst Beispiel aus einem er mir gerade ge-
schickt hat. Wie die Wahrheit in diesem Fall auch immer aussehen mag, so kann ich doch nicht verstehen, wie es jemals die Pflicht der Faith
and Order-Bewegung sein sollte, diese Frage zu entscheiden. Lassen Sie uns für einen Augenblick erwägen, was die Übernahme einer solchen Verantwortung bedeuten würde. Es ist klar, daß wir kein derartiges Urteil aussprechen könnten, ohne beide Seiten
Zu
Kapitel
V
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gründlich angehört zu haben. Das heißt, daß wir ein verlängertes Treffen des Fortsetzungskomitees abhalten müßten, daß die Beweise, die von der Bekennenden Kirche und von der Reichskirche beigebracht werden, zu prüfen hätte. Damit würde das Fort-
setzungskomitee von der Arbeit abgelenkt werden, zu deren Ausführung es besteht —
und wir dürfen nicht vergessen, daß die
Glieder unserer Bewegung aus Kirchen der ganzen Welt, nicht nur Europas, herangezogen wurden. Kirchen aus Nord- und Südamerika, aus Südafrika, aus Australien, Neuseeland, Japan, China usw. schicken ihre Vertreter mit der Absicht zu erklären, welches ihre Haltung sei, und zu erfahren, was für eine Haltung andere
Kirchen einnehmen. Nachdem sie eingeladen wurden, zu diesem Zwecke zusammenzukommen,
mit der ausdrücklichen Zusicherung,
daß man nicht von ihnen verlangen wird, übereinander zu Gericht zu sitzen, können wir nun kaum eine derartige Handlung von ihnen verlangen. Wo würde es hinführen, wenn wir erst einmal mit einer derartigen
Sache begonnen haben? Man stelle sich zum Beispiel vor, eine der amerikanischen Kirchen würde eine andere dortige Kirche beschuldigen, so vom Humanismus infiziert zu sein, daß sie keinen wirksamen Glauben mehr an Jesum Christum als Gott und Heiland besäße; sollten wir dann alle Kirchen Europas und der übrigen
Welt auffordern, die Aufgabe eines Schiedsrichters über sie zu übernehmen? Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr bin ich davon überzeugt, daß eine solche Handlung entweder von den
Kirchen selbst oder möglicherweise von einer ökumenischen Bewegung vorgenommen werden muß, die nicht mit der besonderen Aufgabe betraut ist, die wir durchzuführen haben. Darf ich als Ergebnis
dieser Auseinandersetzungen
darauf hin-
weisen, daß Sie möglicherweise nicht ganz darüber im klaren sind, was die Teilnahme an unserer Bewegung mit sich bringt? Ich schließe aus Ihrem Brief, daß Sie der Meinung sind, Ihrer Mitgliedschaft zur Bekennenden Kirche durch die Teilnahme an unse-
serer Bewegung zusammen mit Vertretern der Reichskirche untreu zu werden, wenn Sie mit ihnen an einem gemeinsamen Werk zusammenarbeiten. Aber hängt das nicht von der Art der Arbeit ab, die die Bewegung
ausführt? Wir wersuchen nicht, wie die Stock-
holmer Bewegung, uns zu einer gemeinsamen Aufgabe zu verpflichten, bei der wir Schulter an Schulter als Brüder zusammenstehen; wir versuchen, einander zu treffen und Verständnis füreinander zu finden, und wenn Vertreter der verschiedenen Kirchen
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bei einem Treffen des Faith and Order-Fortsetzungskomitees oder bei einer Weltkonferenz
zusammenkommen,
so tun sie es unter
Wahrung der Überzeugungen der Kirchen, denen sie angehören. Wenn zum Beispiel auf einer unserer Tagungen ein Vertreter der Reichskirche erklären: sollte, in welchem Sinne seine Kirche unseren Herrn Jesum Christum als Gott und Heiland anerkennt, so wäre es ganz in Ordnung, wenn ein Vertreter der Bekennenden Kirche darauf hinwiese, daß von seinem Standpunkt aus eine
solche Anerkennung nicht als zufriedenstellend angesehen werden könnte. Das würde nicht notwendigerweise den Ausschluß einer der beiden Kirchen aus der Bewegung zur Folge haben; es würde nur einfach zum Ausdruck bringen, daß in naher Zukunft eine weitere Annäherung zwischen den beiden unwahrscheinlich wäre. Es ist einer unserer wichtigsten Grundsätze, daß wir keine Einheit durch Kompromisse suchen dürfen, oder indem wir die Meinungsverschiedenheiten, die uns trennen, beschönigen. Wir befinden uns auf keiner Tagung christlicher Gemeinschaften, deren Unterschiede
durch ein gewisses Maß von gutem Willen ausgeglichen werden könnten. Nein, wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Trennungslinie zwischen uns viel tiefer geht, daß es oft echte Unterschiede in unseren Überzeugungen sind, und daß der einzige
Weg zu gegenseitigem Verständnis darin zu finden ist, daß ein jeder ganz schlicht „die Wahrheit in Liebe spricht“, selbst wenn sie von anderen Anwesenden nicht angenommen werden kann. Verzeihen Sie mir bitte, daß ich Ihnen so einen langen Brief aufgebürdet habe. Aber ich glaube doch, daß es ungeheuer wichtig ist, daß wir einander so deutlich wie nur irgend möglich verstehen. Wie ich zuvor erwähnte, bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihr
Schreiben, und ich hoffe, Sie werden annehmen, daß mein Brief in demselben Geiste geschrieben wurde wie der Ihre. Ihr sehr ergebener Leonard Hodgson
Zu Kapitel
V
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Protokoll der Sitzung der Jugendkommission (Weltbund und Christlicher Weltrat für Life and Work) am 19. Februar 1937 in London Anwesende
Mitglieder: Archdeacon
Hunter
(Vorsitzender), die
Herren Bonhoeffer, Craske, Espy, Guillon, Henriod, Toureille, Zernoff. Eingeladen: die Herren Burlingham, Fenn, Oldham, Schönfeld, Miß Sichtig. Entschuldigungen eingegangen von Signorina Rossi, Captain Bach, Pastor Udo Smidt, Rev. Sparring-Petersen und Dr. Stange.
II....Betreffend die Teilnahme der Jugend in Oxford berichtete Mr. Espy über das Prinzip der Auswahl der 100 Jugend-Besucher; 10 sind durch die Jugendkommission zu kooptieren, 50 Prozent der übrigen sollen durch die Jugendwerke der bestehenden Kirchen ausgewählt werden und 50 Prozent durch die drei internationalen Christlichen Jugendbewegungen des CVJM, der weiblichen Jugend und des Christlichen Studenten- Weltbundes. Die Auswahl auf dieser Basis erforderte in vielen Ländern beträchtliche organisatorische Klarstellungen, hat aber allgemeine Billigung gefunden und die Auswahl geht unter den diesbezüglichen Kategorien zufrieden-
stellend vorwärts... Dr. Bonhoeffer bedauerte, daß es ihm nicht möglich gewesen ist, so viel zu tun, wie er es gern getan hätte, angesichts der bestehenden Bedingungen in Deutschland. Er stellte fest, daß er sich nicht in der Lage sähe, mit anderen Jugendgruppen als denen der Be-
kennenden Kirche auf der gleichen Plattform zusammenzuarbeiten. Innerhalb seines eigenen Kreises jedoch, als Direktor des Seminars der Bekennenden Kirche, ist er imstande gewesen, mit den Studenten ökumenische Probleme zu besprechen, Vorlesungen über den Gegenstand zu halten und diese Fragen regelmäßig in privaten Unterhaltungen zu diskutieren. Gespräche sind nur in sehr kleinen Gruppen möglich, aber diese sind aus Leuten zusammengesetzt, auf die man sich verlassen kann, und diese fühlen die Notwendigkeit wachsenden ökumenischen Verständnisses. Dr. Bonhoeffer legte dar, daß er mit Pastor Udo Smidt Verbindung aufgenommen hat, um festzustellen, ob er die Arbeit seines
Gebietes übernehmen könne. Dieser hat noch keine endgültige Entscheidung getroffen, aber seine Bereitschaft ausgedrückt, auf alle Fälle durch seine eigene Organisation, den Bibelkreis, bei den Vor-
bereitungen für die Oxfordkonferenz zu helfen.
Zu S. 271, 272
460
Anhang
Betreffend das Arbeitsgebiet äußerte Pastor Bonhoeffer die Meinung, daß es beinahe unmöglich erscheine, die Arbeit in Deutschland mit der in anderen Ländern unter einem Sekretär zu kombi-
nieren. Deshalb sollte die Frage ernsthaft bedacht werden, einen anderen Sekretär für. die Gebiete außerhalb Deutschlands zu bestimmen (Skandinavien, Österreich, Ungarn, Holland). Dr. Bonhoeffer sagte seinen besonderen Dank an Dr. Winterhager für seinen aktiven Beistand in der Arbeit in Deutschland ...
VII. ... Besondere Aufmerksamkeit widmete die Kommission der Situation in Deutschland. Dr. Bonhoeffer stellte die Differenzen zwischen den Kirchen als so schwerwiegend dar, daß er sich nicht bereitfinden könnte, eine deutsche Jugenddelegation zuzusagen, in der die Reichskirche vertreten wäre. Die Kommission blieb dabei,
daß dies der Praxis der Kirchen in Deutschland widerspreche im Blick auf die offiziellen Delegierten; in Chamby sei eine gemeinsame Entscheidung erreicht worden zwischen der Reichskirche, dem Lutherischen Rat und der Bekennenden Kirche, daß jeder sieben Delegierte zu einer einzigen deutschen Delegation von 21 Personen abordnen würde. Die Kommission schlug vor, daß für die Deutsche Jugenddelegation, die mit drei Personen die Jugendarbeit der bestehenden Kirchen repräsentieren sollte, je eine von jeder dieser Gruppen ausgewählt werden sollte. Da Dr. Bonhoeffer sich nicht bereitfand, auf dieser Basis die Nominierung für Deutschland vorzunehmen, fragte ihn die Kommission, ob er die Nomination jedes Vertreters vom Lutherischen Rat und der Bekennenden Kirche übernehmen würde, indem es der Jugendkommission überlassen bliebe, durch ihren Vorsitzenden, den Sekretär und Mr. Henriod direkt für das dritte Mitglied zu verhandeln. Dr. Bonhoeffer willigte ein, den Vorschlag mit seinen Kollegen in Deutschland zu
beraten und seine Entscheidung bald mitzuteilen. Die Kommission autorisierte den Vorsitzenden, den Sekretär und Mr. Henriod so zu handeln, wie sie es am besten fänden im Licht der Entwicklungen in Deutschland, nachdem sie Bonhoeffers Antwort erhalten hätten. oa R.H. Edwin Espy, Sekretär
Zu Kapitel
V
461 10. März 1937
Mein lieber Bonhoeffer! Ich war sehr erstaunt über Ihren Brief vom 24. Februar. Dies um so mehr, als Ihr Bericht von der Interpretation der Situation durch
den Bischof von Chichester, sofern sie die deutsche Beteiligung an Oxford betrifft: „Vielmehr war dies die Meinung, daß eine deutsche Delegation, bestehend aus 21 Delegierten, kommen sollte, wobei als Maßstab für die hierzu nötigen innerdeutschen Vereinbarungen das Verhältnis 7:7:7 angesetzt war“ genau das war, was ich
wiederholt auf der Sitzung der Jugendkommission betont habe, gemäß dem Prinzip der dreifachen Repräsentation und der Auswahl auf dieser Basis, die in Deutschland selbst vorzunehmen
wäre. Der Rat war und ist bemüht, daß nicht eine Partei, sondern die drei Hauptparteien innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche in Oxford vertreten sein sollen. Die Vertretung der jüngeren Generation auf der Oxford-Konferenz kann nicht als eine unabhängige Jugendkonferenz angesehen werden, sondern sie sollte eine ähnliche Repräsentation von der
Jugend der Kirchen erhalten, welche zugestimmt haben, offizielle Delegierte nach Oxford zu schicken. Dies trifft insbesondere auf die 50 Personen zu, um deren Nominierung die Jugendkommission gebeten worden ist; die Auswahl der anderen 50 ist ja den Internationalen Jugendorganisationen anvertraut, dem CV]JM, den
weiblichen Verbänden und dem Christlichen Studenten-Weltbund. Angesichts der neuen Situation, die durch die Wahl einer Synode geschaffen ist, wird es nötig, jede endgültige Entscheidung zu vertagen. Dies trifft auch zu für alle die anderen Delegierten aus
Deutschland, und wir werden die Frage der Jugend-Vertreter direkt von Genf aus mit den Kirchenbehörden nach der Wahl aufnehmen. Das sollte Sie nicht daran hindern, mit Dr. Lilje zu überlegen und etwaige Vorschläge einzusenden, die Sie zu machen hätten, wie es auf der Jugendkommission-Sitzung vereinbart worden
war... Ihr sehr ergebener
H. L. Henriod
Zu S. 274
462
Anhang
17. April 1937
70084275
Mein lieber Bonhoeffer! Haben Sie vielen Dank für Ihren Brief vom 24. März... Eine briefliche Diskussion der Angelegenheit ist unbefriedigend und kann sich nicht als fruchtbar erweisen. Es gab und es gibt keine Frage eines Delegierten von Heckel für den Jugendteil der Konferenz.
Die Jugend-Vertretung auf der Konferenz kann nicht als eine unabhängige Konferenz angesehen werden. Sie muß bezogen wer-
den auf die Kirchen, welche Verantwortung dafür übernommen haben, und auf solche Persönlichkeiten, welche die Arbeit für 1939
am besten fördern können. Wir können die ganze Vorbereitung nur ansehen unter dem Gesichtspunkt einer großen Anstrengung zu einem bestimmten Ziel und von Leuten, die der Aufgabe am besten dienen können, welche wir uns von Gott anvertraut wissen. Die Kirchensituation ist nicht mehr dieselbe, die sie war, als wir die Angelegenheit in London bei der Jugendkommission besprachen. Wir haben nicht den Wunsch, Sie in Schwierigkeiten zu bringen noch Sie zu bedrängen, irgendetwas gegen Ihr Gewissen zu tun. Deshalb bitte ich Sie, in Übereinstimmung mit Espy, als dem Verwaltungssekretär der Jugendkommission, endgültig uns den einen am besten qualifizierten jungen Mann zu nominieren, welcher für die Konferenz am geeignetsten ist wie auch später für seinen heimatlichen Auswahlbezirk. Die beiden anderen werden aus der Liste junger Leute genommen werden, deren Namen wir bekommen haben und die schon mit den Vorbereitungen für Oxford be-
schäftigt sind. Bitte lassen Sie Espy Ihre Nominierung bis Ende April wissen. Für die Vorbereitung der Delegierten ist es notwendig, daß sie solange vorher wie nur möglich Bescheid wissen, damit sie Anteil nehmen können; wir können außerdem Plätze in Oxford nicht endlos offen halten für die Gastgeberschaft usw.
Für jeden weiteren Briefaustausch, der die Jugendabteilung der Konferenz betrifft, verhandeln Sie bitte mit Espy. Ihr sehr ergebener
H. L. Henriod
463
Zu Kapitel VI 23, Manor
Mount
Zu S. 279
London S.E. 23.
den 13. März 1939 Sehr verehrter Herr Bischof!
Ich möchte Ihnen nur mitteilen, daß ich gestern abend in London angekommen bin. Ich bin so froh, wieder einmal für eine kurze Zeit hier zu sein, und ich freue mich sehr darauf, Sie bald zu besuchen. Ein Freund von mir, Pastor Bethge, ist mit mir gekommen
und möchte Ihnen eine besondere Mitteilung von der Vorläufigen Leitung überbringen. Es gibt so viele Dinge, die ich mit Ihnen besprechen möchte, und ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen würden, wann und wo ich Sie treffen kann. Ich habe Leib-
holz gesund und voller Dankbarkeit für Ihre Güte und Hilfe angetroffen. Es macht mich so glücklich, das zu wissen. — Ich fürchte, daß die politische Situation gerade jetzt immer gespannter und gefährlicher wird. In tiefer Dankbarkeit für alles, was Sie für uns tun Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer
clo Dr. Cruesemann
Westbrook, Westwood Park, London S.E. 23 ! den 25. März 1939 Sehr verehrter Herr Bischof! Dr. Rieger unterrichtete mich soeben davon, daß Visser ’t Hooft in der nächsten Woche nach London kommen und bei Ihnen in Chichester wohnen wird. Ich habe auch erfahren, daß Ihnen das
nächste Wochenende für unseren Besuch in Chichester nicht paßt. Darf ich Sie nun um eine große Gefalligkeit bitten? Wollen Sie bitte Visser ’t Hooft sagen, daß mir sehr viel daran liegt, ihn während seines Aufenthaltes in London zu sprechen? Mit Ausnahme von Mittwoch, wenn ich in Oxford sein muß, würde mir jede Zeit recht sein. Wollen Sie mich auch bitte irgendeine Zeit wissen lassen, zu der ich Sie noch einmal treffen kann, bevor ich nach
Deutschland zurückkehre? Um bei unserem Treffen nicht zuviel von Ihrer Zeit zu beanspruchen, möchte ich Ihnen jetzt die zwei Fragen vorlegen, die ich sehr
Zu S. 279—282
464
Anhang
gerne mit Ihnen besprechen würde vor meiner Rückkehr nach Deutschland. Während die erste Frage die Bekennende Kirche betrifft, ist die zweite eine ganz persönliche. Bitte, verzeihen Sie mir,
wenn ich Ihnen immer wieder Mühe mache und eine Last nach der andern auf Ihre Schultern lade. Im Blick auf die Lage der Bekennenden Kirche sind wir in Deutschland sehr besorgt, daß — hauptsächlich auf Grund der Reiseschwierigkeiten — das Verhältnis unserer Kirche zu den Kırchen im Ausland nicht so ist, wie es sein sollte. Die Verantwortung, die auf uns ruht, macht es immer notwendiger, einen dauernden
Meinungsaustausch und den Rat anderer Kirchen zu haben. Wir wissen natürlich um alles, was unaufhörlich von Mensch zu Mensch für uns getan wird und würdigen es voller Dankbarkeit. Aber ich glaube, wir müssen versuchen, einen Schritt weiterzugehen und zu irgendeiner Art von regelmäßiger Zusammenarbeit und einer besseren Vertretung der Bekennenden Kirche in den ökumenischen Bewegungen zu kommen. Wenn wir nicht in dieser Richtung einen entscheidenden Schritt vorwärts tun, befürchte ich, daß wir bald völlig von unseren Brüdern im Ausland abgeschnitten sein werden,
und das würde zumindest für uns einen ungeheuren Verlust bedeuten. Darum glaube ich, wir sollten versuchen, einen Mann zu finden, der seine ganze Zeit der Aufgabe widmen, die nötigen
Verbindungen herstellen und der, während er selbst lernt und beiträgt, an ökumenischen
Tagungen
und Konferenzen
teilnehmen
könnte. Ich glaube, wir haben in den vergangenen Jahren darin versagt, den russischen Christen durch Rat und Gemeinschaft unsere volle Hilfe zu leisten; jetzt entwickelt sich in Deutschland
ganz deutlich eine ähnliche Situation. Glauben Sie nicht auch, Herr Bischof, daß es unbedingt nötig ist, ein ähnliches Versagen zu ver-
meiden? Offen und mit aller nötigen Achtung gesagt, die deutschen Repräsentanten in Genf können einfach die Sache der Bekennen-
den Kirche nicht vertreten. So besteht eine Lücke, die früher oder später ausgefüllt werden muß. Das ist die erste Frage, die ich aufwerfen und mit Ihnen besprechen möchte, bevor ich wieder nach Hause zurückkehre, um den Bruderrat zu sehen. Ich habe auch
einen Vorschlag für die möglichen finanziellen Schwierigkeiten. Der zweite Punkt ist ganz persönlicher Art, und ich bin nicht sicher, ob ich Sie damit belästigen darf. Bitte, behandeln Sie ihn
ganz unabhängig von meinem ersten Punkt. Ich plane, Deutschland irgendwann zu verlassen. Der Hauptgrund dafür ist die allgemeine Wehrpflicht, zu der Männer meines Jahrganges (1906) in
Zu Kapitel VI
465
diesem Jahr einberufen werden. Es scheint mir mit meinem Gewissen unvereinbar, an einem Krieg unter den gegebenen Umständen teilzunehmen. Andererseits hat die Bekennende Kirche
als solche in dieser Hinsicht keine bestimmte Haltung eingenommen und kann es wahrscheinlich auch nicht tun, so wie die Dinge nun einmal liegen. So würde ich meinen Brüdern einen ungeheuren Schaden zufügen, wenn ich in diesem Punkt Widerstand leistete, was von dem Regime als typisch für die Feindseligkeit unserer
Kirche gegen den Staat angesehen werden würde. Vielleicht das Schlimmste
von allem ist der militärische Eid, den ich schwören
müßte. So bin ich ziemlich ratlos in dieser Angelegenheit, vielleicht sogar ganz
besonders
deshalb, weil ich fühle, daß ich es
wirklich nur aus christlichen Gründen schwierig finde, unter den gegenwärtigen Bedingungen Militärdienst zu leisten, und dennoch gibt es nur sehr wenige Freunde, die meine Haltung billigen würden. Obwohl ich sehr viel gelesen und darüber nachgedacht habe, bin ich noch zu keinem Entschluß darüber gekommen, was ich unter anderen Umständen tun würde. Aber so wie die Dinge liegen, würde ich meiner christlichen Überzeugung Gewalt antun müssen, wenn ich „jetzt und hier“ die Waffen ergreifen sollte. Ich habe daran gedacht, in die Missionsarbeit zu gehen, nicht um einen
Ausweg aus der Lage zu finden, sondern weil ich dort dienen möchte, wo mein Dienst wirklich gebraucht wird. Aber auch hier
macht es die deutsche Lage im Anslandsaustausch unmöglich, Arbeiter ins Ausland zu verschicken. Was die britischen Missionsgesellschaften angeht, habe ich keine Ahnung von ihren Möglichkeiten. Andererseits ist es auch noch immer mein größter Wunsch,
der Bekennenden Kirche zu dienen, solange wie es mir nur möglich ist. Lieber Herr Bischof, es tut mir sehr leid, daß ich Ihren Sorgen noch mehr Sorgen hinzufüge. Aber ich dachte, ich dürfte ganz offen zu Ihnen sprechen und Sie um Ihren Rat bitten. Sie wissen um die Bekennende Kirche und Sie kennen mich auch ein wenig. So glaubte ich, daß Sie mir am besten helfen könnten. Es ist auch
diese Angelegenheit, in der ich Visser ’t Hooft sprechen wollte. Bitte, verzeihen Sie diesen langen Brief. Ich hoffe, Sie bald zu treffen. Leibholz danken.
bittet mich, Ihnen für Ihren Brief an Dr.Lindsay
zu
In aufrichtiger Dankbarkeit bin ich, verehrter Herr Bischof, Ihr sehr ergebener
Dietrich Bonhoeffer
466 Zu S. 282, 283
Anhang
Westbrook,
Westwood
Park, London,
S.E. 23
Sehr geehrter Dr. Hodgson!
Haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief und Ihre Einladung. Ich werde am Mittwoch, den 29. März, nach Oxford kommen, und ich sehe es wirklich als ein großes Vorrecht an, wenn ich Sie dort treffe. Seit wir vor zwei‘ Jahren einen kurzen Briefwechsel über die Konferenz in Dänemark hatten, habe
ich mich immer nach einer Gelegenheit gesehnt, Sie zu treffen, und ich bin sehr froh, daß ich in wenigen Tagen die Gelegenheit zu
einer Unterredung mit Ihnen haben werde. Die Frage, die ich vor allem mit Ihnen besprechen möchte, betrifft den engen und regelmäßigen Kontakt zwischen der Bekennenden Kirche und der Faith and Order-Bewegung. Je mehr wir von unseren ausländischen Freunden abgeschnitten werden, um so mehr empfinden wir die Notwendigkeit, einen Weg für die ständige Vertretung der öku-
menischen Bewegung und besonders in der Faith and Order-Abteilung zu finden. Wir brauchen die theologische Hilfe anderer Kirchen, um die Bürde der Verantwortung, die Gott uns auferlegt hat, tragen zu können; und wir möchten Ihnen ein Zeugnis ablegen von den christlichen Einsichten, die Gott uns in den letzten
Jahren geschenkt hat. Es liegt mir sehr viel daran, daß tatsächlich schnell und nachdrücklich etwas unternommen wird, um neue Be-
ziehungen zwischen Ihnen und uns herzustellen. Würde es nicht zum Beispiel möglich sein, in Genf oder London einen ständigen
deutschen Sekretär der Bekennenden Kirche zu haben; und falls nicht ständig, so doch vielleicht für ein oder zwei Jahre? Dies sind
die Fragen, die ich mit Ihnen in theologischer und praktischer Hinsicht besprechen möchte.
Die Hauptschwierigkeit
wird wohl die
finanzielle Seite der Sache sein. Aber ich glaube, es würde einiges verkehrt sein, wenn eine Sache, die geistig nötig ist, aus finanziel-
len Gründen unmöglich werden würde. Entschuldigen Sie bitte diesen langen Brief. Ich hielt es für besser, Sie vor unserem Treffen über unsere Fragen und Hoffnungen zu unterrichten. Mit vielem Dank und besten Grüßen Ihr ergebener Dietrich Bonhoeffer
1. Schreibfehler, soll offenbar heißen: vor vier Jahren.
Zu
Kapitel
VI
467
den 30. März 1939 Zu S. 284—286 Sehr geehrter Herr Pastor Bonhoeffer! Ich habe mich sehr darüber gefreut, Sie gesehen zu haben, und ich glaube jetzt, daß ich Ihre Lage in einer Weise einschätzen kann,
die ohne unsere Unterhaltung unmöglich gewesen wäre. Ich glaube, es ist besser, wenn ich nun versuche, alles, was ich gestern gesagt
habe, schriftlich niederzulegen. Sie schrieben mir, daß Sie die Möglichkeit besprechen wollten, einen Kontakt zwischen der Bekennenden Kirche in Deutschland und der Faith and Order Bewegung aufrechtzuerhalten.
1. Ich wies zunächst darauf hin, daß es uns im Augenblick aus folgenden Gründen unmöglich ist, offizielle Verbindungen mit der Deutschen Evangelischen Kirche aufzurichten: () Kraft unserer Verfassung bestimmen die Kirchen die Weltkonferenz, und diese ernennt dann das Fortsetzungskomitee, das
durch Ergänzungswahlen seine Existenz bis zur nächsten Konferenz aufrechterhält, wenn es erlischt. Darum gibt es keine direkte Vertretung der Kirchen im Fortsetzungskomitee; es leitet seine Autorität mittelbar von den Kirchen durch die Konferenz ab. (ii) Die Deutsche Evangelische Kirche hat sich nicht in der Lage gesehen, an der Edinburg-Konferenz vertreten zu sein, und
darum konnte die Weltkonferenz, als sie ihr Fortsetzungskomitee wählte, aus ihrer Mitgliederzahl keine Vertreter dieser Kirche in das Komitee wählen. Darum hat sie das Komitee angewiesen, acht
Vertreter dieser Kirche zu kooptieren, wenn ein solches Vorgehen möglich werden sollte. (iii) Das Fortsetzungskomitee pflegt gewöhnlich jene Leute zu sei-
ner Mitgliederzahl zu kooptieren, die die Kirchen selbst als ihre Vertreter sehen wollen. Aus diesem Grunde ist es notwendig, in jedem Falle die Möglichkeit einer Verbindung mit einer zentralen Stelle zu haben, die das volle Vertrauen der ganzen Kirche genießt und fähig ist, in ihrem Namen Vertreter zu nominieren. Wir wur-
den unterrichtet, daß es im Augenblick keine derartige Stelle gibt (die im Namen der gesamten Deutschen Evangelischen Kirche spre-
chen kann) und daß wir nicht versuchen sollen, die verschiedenen Gruppen innerhalb dieser Kirche unabhängig voneinander zu behandeln, als ob sie getrennte Kirchen seien. Deshalb muß die Besetzung dieser Stellen für die nächste Zeit unentschieden bleiben. 2. Ich unterrichtete Sie dann darüber, daß Dr. Wahl im letzten Sommer an mich herantrat und mich fragte, ob Dr. Krummacher und Dr. Gerstenmaier 1938 an einer Tagung des Fortsetzungs-
468
Anhang
komitees teilnehmen könnten. Ich antwortete mit einem Brief und setzte die Lage genau so auseinander, wie ich sie gerade jetzt in
dem vorhergehenden Abschnitt dieses Briefes dargestellt habe. Ich fügte dann hinzu, daß, falls sie als Gäste kommen wollten, wir sie gern willkommen heißen würden und daß sie an allen Verhandlungen teilnehmen könnten, mit der Ausnahme, daß sie über keine Fragen abstimmen könnten, zu deren Entscheidung allein
das Fortsetzungskomitee befugt war, und daß sie möglicherweise von einer besonderen Sitzung ausgeschlossen werden könnten, falls das Komitee den Wunsch haben sollte, sie ausdrücklich auf seine
eigenen Mitglieder zu beschränken. Ich schrieb persönlich an Dr. Krummacher und Dr. Gerstenmaier und setzte ihnen die Lage aus-
einander. Beide kamen, wurden durch das Komitee begrüßt und hatten vollen Anteil an seinen Verhandlungen, lediglich daß sie eben für keinen seiner Beschlüsse verantwortlich waren. 3. Es ist ganz klar, daß das Komitee Vertreter der Bekennenden Kirche, die uns in ähnlicher Weise empfohlen werden sollten, unter
denselben Bedingungen willkommen heißen würde. Ich denke, daß Dr. Böhm zu diesem Zweck mit Dr. Wahl in Briefwechsel treten wollte. Wenn mir darum durch Dr. Böhm die Namen von zwei
Vertretern mitgeteilt werden könnten, und wenn diese zwei Vertreter am Montag, dem 21. August dieses Jahres, zur St.-GeorgsSchule, Clarens, kämen, so werden sie uns als Gäste willkommen
sein und werden an unseren Verhandlungen vollen Anteil nehmen können.
4. Ich erkundigte mich auch, ob es nicht für einen oder zwei junge Leute möglich wäre, als Glieder unserer Jugendgruppe zu kommen, und ich schlug Ihnen vor, diese Frage mit dem Reverend Oliver Tomkins zu beraten. Alle Personen, die uns von Oliver Tom-
kins vorgeschlagen werden, begrüßen wir als Gäste bei unseren Treffen, und daher würden wir auch jeden Ihrer Vertreter willkommen heißen, den er in seine Liste mit einbezieht.
5. Wir besprachen dann die finanzielle Frage, und Sie berichteten mir von den Schwierigkeiten, die Ihre Landsleute bei der Beschaf-
fung von
ausländischer
Währung haben. Ich sagte, daß wenn
ein oder zwei Gäste, die die Bekennende Kirche repräsentieren, und ein oder zwei Glieder der Jugendgruppe nur bis zum Bahnhof von Montreux gelangen könnten, wir während der Dauer des Treffens die Verantwortung für ihre Versorgung übernehmen würden.
6. Dann wies ich auf meine Erwartung hin, daß während der
Zu Kapitel
VI
469
nächsten Jahre die Hauptarbeit der Bewegung von den Ausschüssen geleistet werden wird, und sprach davon, daß wir bei dieser Arbeit auf die Mitwirkung von Gliedern der Bekennenden Kirche hoffen.
Ich denke, dies deckt sich mit unserer gestrigen Unterredung, und hoffe, damit eine zufriedenstellende Antwort auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen gegeben zu haben. Ihr sehr ergebener Leonard Hodgson Abschriften an: den Erzbischof von York, Tatlow Dr. Böhm
13.5. 39
den Bischof von Chichester 23.5. 39 Schönfeld 21. 6. 39
den 13. April 1939 Sehr verehrter Herr Bischof! Ehe ich nach Deutschland zurückkehre, möchte ich Ihnen noch ein-
Zu S. 286
mal für die große Hilfe danken, die Sie mir durch unser Gespräch in Chichester erwiesen haben. Ich weiß nicht, was das Ergebnis von allem sein wird, aber es bedeutet mir sehr viel, zu wissen, daß Sie die große Gewissensnot erkennen, der wir gegenüberstehen.
Ich werde Sie es wissen lassen, sobald ich die Lage klar sehe. Haben Sie Dank für Ihre Anteilnahme an unserer Sache.
In aufrichtiger Dankbarkeit
verbleibe ich, lieber Herr Bischof,
immer Ihr Dietrich Bonhoeffer
An Rev. Henry Smith Leiper
Zu S. 287, 288
New York City Edinburg, den 1. Mai 1939 Lieber Henry!
Vor einiger Zeit schrieb ich an Roland Elliot und bat ihn, den Brief an Sie weiterzuleiten. Er betraf Dr. Dietrich Bonhoeffer, der
|
470
Anhang
Ihnen ja bekannt ist. Mein Brief an Elliot wanderte umher und erreichte ihn schließlich hier in England. Der Vorschlag, um dessentwillen ich ihm schrieb, war folgender: Bonhoeffer ist im Juli für den Militärdienst fällig und will ihn verweigern. Der Bruder-
rat der Bekennenden Kirche würde es bevorzugen, wenn er die Entscheidung umgehen und gleichzeitig den amerikanischen Christen von ihrer Situation berichten könnte. Um ihn jedoch heraus-
zubringen, brauchen sie ziemlich formelle und nachdrückliche Einladungen aus Amerika. Ich schlug in jenem Brief vor, daß die Studentenbewegung in ihren Junikonferenzen von ihm Gebrauch machen könnte und daß Sie ihm danach während des Sommers
einige Verpflichtungen für Kirchenkonferenzen und Kirchenlager beschaffen könnten. Im Herbst pflichtungen sichern.
würde
ich ibm
Universitätsver-
Er spricht so fließendes Englisch und verkörpert in seiner Person den Geist des Ringens drüben so gut, daß ich glaube, sein Kommen würde sowohl für uns wie für ibn von Wert sein. Ich habe auch schon an Dr.Coffin geschrieben und ihn gebeten, ihm eine nach-
drückliche Einladung zu einer Vorlesung am Union Seminary zu schicken.
Durch den Verlust meines Briefes ist viel Zeit verloren gegangen. Vielleicht sind inzwischen die Studenten schon mit Ihnen in Verbindung getreten. Ich erhielt heute Nachricht von Bonhoeffer, daß die Zeit dränge. Wenn er die notwendigen Vorbereitungen treffen soll, müßte er sowohl ein Kabel wie auch einen bestätigenden Brief bekommen. Wenn Sie den Gedanken einer Einladung an ihn für
gut halten, wollen Sie ihm ein Kabel schicken, falls das noch nicht geschehen ist. Ich werde im Seminar Raum für ihn beschaffen, und
ich denke, nominelle Gebühren werden für den Rest Sorge tragen. Herzlichst Reinhold Niebuhr
Zu $. 288
An Dr. Dietrich Bonhoeffer, Berlin den 11. Mai 1939 Mein lieber Dr. Bonhoeffer! Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen hiermit eine formelle Einladung zu übermitteln, sogleich nach Amerika zu kommen, um einen wich-
tigen Dienst an den Kirchen im Bereich von New York zu übernehmen, der unter der allgemeinen Leitung des Central Bureau of
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Interchurch Aid (Zentralbüro für innerkirchliche Hilfe) und Union Theological Seminary steht. Die Art Ihrer Pflichten würde aus einer Verbindung von seelsorge-
rischem Dienst, aus Predigten und dem Halten von Vorlesungen bestehen, zunächst an der theologischen Sommerschule am Columbia- und Union Seminary und später während des gewöhnlichen Trimesters am Seminar.
Die Einzelheiten Ihres Dienstes sind noch nicht festgelegt, obwohl wir hoffen, daß er von Dauer sein kann, und wir erwarten, daß er Sie zumindest für die nächsten zwei oder drei Jahre beschäftigen wird. Das Komitee hat es für ratsam gehalten, noch nicht auf Angelegenheiten wie Gehalt und ähnliche Einzelheiten einzugehen, aber wir können Sie versichern, daß wir bereit sind, Ihrem billigen Ansuchen in Hinsicht auf Grundgehalt und andere Dienstbedingungen nachzukommen. Wenn möglich, möchten wir, daß Sie kommen, Ihren Dienst Mitte Juni aufzunehmen, und das bedeutet, daß Sie dieses Land zu dem
frühest möglichen Zeitpunkt für eine Beratung und allgemeine Vorbereitung erreichen sollten. Dr. Samuel McCrea Cavert und Dekan Henry P. Van Dusen schließen sich mir in dieser Bitte an und teilen mit mir die größte
persönliche Hoffnung, daß es Ihnen möglich sein werde, anzunehmen, und, wie oben angedeutet, in sehr naher Zukunft herüberzukommen.
Hochachtungsvoll
Henry Smith Leiper
Abschriften an Dr. Van Dusen und Dr. Cavert
An Lic. Dietrich Bonhoeffer, Berlin
Zu $. 289
27. Mai 1939 Lieber Dietrich! Die Nachricht, daß Du zum
Union Theological Seminary, New
York, eingeladen bist, um in dem Sommerkurs Vorlesungen zu halten, ermutigt mich, Dir diese dringende Bitte zu stellen. Willst Du bitte so nett sein und zustimmen und alle nur möglichen Arrangements treffen, um hier in der theologischen Fakultät des College Vorlesungen zu halten während des kommenden akade-
472
Anhang
mischen Jahres 1939 bis 1940? Es hat mir schon lange angelegen,
daß meine Studenten und andere hier Deine Sicht der Probleme der Philosophie und Theologie hören sollten. Demgemäß wage ich, Dein Kommen einzuplanen und ähnliche Abmachungen zu treffen für gleiche Vorlesungen an anderen Hochschulen, die mir bekannt sind. Ich bin sicher, Du wirst mit Freuden aufgenommen
werden. Genauere Einzelheiten können ausgemacht werden, während Du im Union Seminary wohnst. Inzwischen frene ich mich auf Deine Ankunft dort. Immer Dein Paul Paul L. Lehmann, Th.D.
Professor für Religion Elmhurst College Elmhurst, Illinois
Department of Religion
Zu $. 289, 290
An Dr. Samuel McCrea Cavert 297 Fourth Avenue, New York City
den 31. Mai 1939 Lieber Sam! In Anbetracht der Anordnungen, die wir unter beträchtlichem Druck im Zusammenhang mit Pastor Dietrich Bonhoeffer aus Ber-
lin getroffen haben, welcher am
12. Juni hier eintreffen wird,
möchte ich Ihnen den folgenden Bericht geben. Kurz nach der Tagung des American Christian Committee, auf der
eine Eingabe eingebracht wurde, die von dem Bedürfnis nach einem Pastor berichtete, der mit den Flüchtlingen arbeiten und helfen könnte, passende kirchliche Heimstätten für sie zu finden,
erhielt ich die Nachricht von Reinhold Niebuhr aus Edinburg, daß Dietrich Bonhoeffer bestimmt in ein Konzentrationslager müßte, falls wir ihn nicht aus Deutschland herausbringen können. Niebuhr erklärt, daß er zugestimmt hat, ihn vorläufig in seiner
Wohnung aufzunehmen, und daß er es unternehmen Union Seminary finden.
und anderswo
einige Vorlesungen
wird, am für ihn zu
Da ich Bonhoeffer sehr gut kenne, fiel mir die besondere Eignung dieses Mannes für gerade jene langdiskutierte Angelegenheit ein,
und ich suchte sogleich Dr. Paul Tillich auf, der mit mir zusammen
Zu
Kapitel
VI
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zu einem Ausschuß ernannt worden war, um einen Mann zu fin-
den. Tillich war sogar noch begeisterter als ich von Bonhoeffer und drückte die Überzeugung aus, daß er genan die richtige Persönlichkeit für diese heikle und schwierige Aufgabe sei. Bonhoeffer war im Austausch am Union Theological Seminary, dann wurde er Pastor einer deutschen Gemeinde in London und
zuletzt Leiter einer der „peripatetischen“
theologischen Schulen
des bekennenden Flügels der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seine Kenntnis des Englischen ist ausgezeichnet, und er kennt die
Lage der amerikanischen Kirchen durch unmittelbaren Kontakt. Er besitzt außergewöhnliche seelsorgerische Arbeit.
Geschicklichkeit
und Fähigkeit für
Darf ich Sie nun bitten, mit den verschiedenen kirchlichen Organisationen in New York City in Verbindung zu treten, die, wie ich mich erinnere, Interesse daran gezeigt haben, daß ein solcher
Dienst für die deutschen Flüchtlinge vorgesehen wird. Ich hoffe, daß wir die Summe von 1000 Dollar, die vom Flüchtlingsausschuß zur Verfügung gestellt wurde, ergänzen können, um von ungefähr 3000 Dollar für dieses Unternehmen
ein Budget zu sichern.
Bitte, geben Sie mir Nachricht, falls ich weitere Angaben beschaffen soll.
Hochachtungsvoll
Henry Smith Leiper Executive Secretary
„Coombe-Pine“, Lakeville, Connecticut den 15. Juni 1939
Lieber Dr. Leiper! Ich möchte Ihnen recht herzlich für den Empfang danken, den Sie mir bei meiner Ankunft in New York zuteil werden ließen. Ich
fühlte mich sogleich daheim, als Mr. Macy mir Ihren freundlichen Brief gab und als ich Sie am nächsten Morgen traf. Es ist wunder-
bar, im Ausland so gute Freunde und christliche Gefährten zu haben. Diese schönen Tage in Dr.Coffins Landhaus geben mir auch Zeit, über meine Zukunft nachzudenken, und ich bin sicher, daß Sie es verstehen werden, wenn ich Ihnen die Lage, so wie ich sie sehe, darlegen und Sie um Rat fragen möchte. Bevor ich Deutschland
verließ, hatte ich lange Unterredungen mit meinen Brüdern vom
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Anhang
Bruderrat, und ich verpflichtete mich, nach ungefähr einem Jahr nach Deutschland zurückzukehren, um meine Erziehungsarbeit in der Bekennenden Kirche wieder aufzunehmen, falls nicht eine un-
vorhergesehene Entwicklung die ganze Lage ändern sollte. Zunächst wollten sie mich kaum gehen lassen, da es ihnen an Lehrern fehlt. Erst als ich meine Hoffnung ausdrückte, daß es auch für sie
von Nutzen sein könnte, wenn ich durch Vorlesungen oder Tagungen Kontakt mit amerikanischen Theologen und Kirchenmännern herstellte, gaben sie mir Urlaub. Vom Standpunkt der Bekennenden Kirche aus sollte meine Reise nach Amerika also ein ökumeni-
sches Bindeglied zwischen unserer isolierten Kirche in Deutschland und unseren Freunden hier sein. Wir fühlten alle, daß das von verschiedenen Gesichtspunkten aus sehr wichtig sei. Meine persön-
lichen Fragen und Schwierigkeiten hinsichtlich des Militärdienstes kamen erst in zweiter Linie in Betracht, obwohl meine Amtsbrüder
natürlich froh waren, daß ich meine Entscheidung wenigstens für ein Jahr hinausschieben
konnte.
All dies konnte
brieflich sicher
nicht völlig klargestellt werden, bevor ich Deutschland verließ. Aber ehe wir mein Programm für die nächste Zeit ausarbeiten, wie lange es auch immer dauern mag, liegt es mir doch sehr am Herzen, daß alles zwischen uns geklärt sein sollte. Meine Freunde und ich würdigen Ihre Bereitschaft, mich in dieses Land einzuladen, sehr hoch, und ich bin gewiß glücklich, wieder hier zu sein
und alte Freunde zu treffen. Es gibt jedoch einige Fragen, welche wir klären müssen, ehe ich meine Arbeit hier beginne, und ich wünsche, daß Sie mir helfen möchten, das Richtige zu tun. Die
Stellung, die Sie mir freundlicherweise übertragen wollen, zieht mich auf geistliche don war, Menschen,
jede Weise an. Das Bedürfnis unserer Flüchtlinge für Hilfe liegt mir sehr am Herzen. Als ich Pastor in Lonverbrachte ich den größten Teil meiner Zeit mit diesen und ich fühlte, daß es ein großes Vorrecht war. Gleich-
zeitig würde diese Stellung mir eine außergewöhnliche Gelegenheit geben, mich mit dem Leben der Kirche in diesem Land vertraut zu machen, und das war eine meiner größten Erwartungen
für meinen Aufenthalt hier. Das einzige, was mich in diesem Augenblick der Entscheidung zögern läßt, ist die Frage der Loyalität gegenüber meinen Leuten daheim. Uns allen ist natürlich die
Tatsache bekannt, daß es für einen Pastor der Bekennenden Kirche riskant ist, nach Amerika zu gehen mit der Absicht, nach Deutschland wieder zurückzukehren, und wir stimmten alle überein, daß
ich auf das Wagnis eingehen und, wenn nötig, den Preis dafür
Zu Kapitel
VI
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zahlen sollte, wenn es nur dort wie hier für die Kirche Christi von echtem Wert ist. Aber um der Treue zur Bekennenden Kirche willen darf ich natürlich keine Stellung annehmen, die grundsätzlich
meine
Rückkehr
nach
Deutschland
unmöglich
machen
würde.
Meine Frage ist nun, ob das bei einer Stellung, die offiziell mit Flüchtlingsarbeit zu tun hat, nicht der Fall ist. Ich fürchte tatsächlich, daß es so ist. Wenn das stimmt, was können wir tun? Gibt es eine Möglichkeit, dieser Stellung mehr Spielraum zu geben? Ich habe keinen besonderen Plan, aber wenn es zum Beispiel möglich wäre, die Stellung als eine Art von Einladung zu interpretieren, als einen „Gastposten“ der Federation of Churches, die es mir ermöglichen sollte, mich mit der kirchlichen Arbeit in New York vertraut zu machen und in gewisser Hinsicht mitzuwirken (wobei natürlich etwas von der seelsorgerischen Arbeit, an die Sie gedacht hatten, bei jeweiligen Gelegenheiten auf mich übertragen werden könnte), so glaube ich, daß das der Sache ein ganz anderes Aussehen geben würde. Aber ich habe natürlich keine Ahnung, mit was für einem Titel man so etvas versehen könnte. Das ist meine erste Frage, zu der ich Ihren Rat erbitten möchte. Zweitens:
Als Reinhold Niebuhr mir im Februar zuerst schrieb,
hoffte er, daß man mir überall im Land einige Lehraufträge verschaffen könnte, so daß ich Gelegenheit finden würde, eine ganze Anzahl der theologischen Schulen kennenzulernen und mit T'heo-
logieprofessoren in Kontakt zu kommen. Das würde natürlich zu meiner Arbeit in Deutschland in enger Beziehung stehen und ich würde mich für eine derartige Arbeit sehr interessieren. Glauben Sie, daß die Stellung in New York mir die nötige Zeit lassen
würde, um derartige Untersuchungen und Besuche zu machen? Lassen
Sie mich schließlich eine persönliche Bemerkung
machen.
Mein bester Freund in Deutschland, ein junger Pastor der Bekennenden Kirche, der viele Jahrelang mit mir zusammengearbeitet hat, wird spätestens im nächsten Frühjahr, vielleicht sogar schon in diesem Herbst, in demselben Konflikt hinsichtlich des Militär-
dienstes stehen wie ich. Ich finde, daß es die größte Untreue wäre, ihn allein in Deutschland zu lassen, wenn dieser Konflikt an ihn herantritt. Ich würde entweder zurückkehren müssen, um ihm zur Seite zu stehen und mit ihm zu handeln, oder ihn herausbringen und meinen Lebensunterhalt, ganz gleich welcher Art, mit ihm teilen, aber ich weiß nicht, ob er bereit wäre, Deutschland zu ver-
lassen. Das ist ein letzter persönlicher, aber nicht nur persönlicher Grund, warum ich mich verpflichtet fühle, mir den Rückweg offenIt |
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zuhalten. Ich bin sicher, daß Sie das als eine Pflicht der Bruderschaft anerkennen werden, die man in diesen Zeiten einfach halten
Nun habe ich Ihnen meinen Fall auseinandergesetzt. Ich weiß, daß ich Ihnen damit viel Unannehmlichkeiten bereiten muß. Aber Sie kennen uns Deutsche ja und wissen, daß wir zuweilen ein bißchen kompliziert sind, und mehr noch, Sie wissen um die Bekennende
Kirche und ihre Nöte. Ich brauche Ihnen nicht noch einmal zu versichern, wie dankbar ich für alles bin, was Sie für unsere Sache und für mich persönlich getan haben. Aber gerade darum finde ich, daß Sie alles über mich wissen müssen, ehe Sie sich weiter mit mir
beschäftigen. Wenn Sie es, nachdem Sie dies alles gehört haben, für unmöglich halten sollten, die richtige Stellung für mich zu finden,
dann sagen Sie es mir bitte ganz offen, und wir würden dann versuchen, die nächsten Monate aufs beste zu nutzen. Ich würde im Spätherbst nach Deutschland zurückkehren, ganz gewiß voller
Dankbarkeit für die Freundschaft, die mir wieder hier zuteil geworden ist. Meine Freunde daheim wären nur zu dankbar, wenn
ich ein wenig früher als ursprünglich erwartet zurückkäme. Aber wenn Sie einen Ausweg aus diesen Schwierigkeiten sehen sollten, dann werde ich mit großem Vergnügen, voller Interesse und Dankbarkeit, hierbleiben. Ich gehe zum Sonnabend nach Eaglesmere. Ich freue mich darauf,
Sie in der nächsten Woche zu treffen. Das „Prophetenzimmer“ im Union ist reizend, und ich genieße den Aufenthalt im Union sehr. Mit vielem Dank für alles verbleibe ich Ihr Dietrich Bonhoeffer
Zu $. 319
den 19. Juni 1939
Lieber Dr. Leiper! Ich habe soeben einen Brief von Dr. Freudenberg erhalten, in dem er mich dringend warnt, den Flüchtlingsposten anzunehmen, falls ich nach Deutschland zurückkehren will. Er macht mich auch auf die Tatsache aufmerksam, daß viele unserer Pastoren der Beken-
nenden Kirche niemals nach Deutschland werden zurückkehren können und daß ich ihnen darum nicht die Möglichkeit dieser Stellung wegnehmen sollte. Ich hoffe, Sie werden mir morgen eine
Zu Kapitel
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Stunde erübrigen können. Wir müssen Klarheit über alles schaffen. Mit vielem Dank und besten Grüßen
: Ihr Dietrich Bonhoeffer
Ich hoffe, Sie haben meinen letzten Brief erhalten.
Anfang Juli 1939
ZuS. 320
An R. Niebuhr
»... Während ich hier in Dr. Coffins Garten saß, hatte ich Zeit, über meine Lage und die Lage meines Volkes nachzudenken und zu beten, und Gottes Wille wurde mir klarer. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ich einen Fehler gemacht habe, indem ich nach
Amerika kam. Ich muß diese schwierige Periode unserer nationalen Geschichte mit den Christen Deutschlands durchleben. Ich werde kein Recht haben, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens nach dem Kriege in Deutschland mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volke teile. Meine Brüder von der Synode der Bekennenden Kirche bestimmten mich,
fortzugehen. Es mag sein, daß sie recht hatten, als sie mich dazu drängten; aber es war falsch von mir, fortzugehen. Eine derartige Entscheidung muß jeder für sich selbst treffen. Die Christen in Deutschland stehen vor der fürchterlichen Alternative, ent-
weder in die Niederlage ihrer Nation einzuwilligen, damit die christliche Zivilisation weiterleben könne, oder in den Sieg und dabei unsere Zivilisation zu zerstören. Ich weiß, welche dieser Alternativen ich zu wählen habe; aber ich kann diese Wahl nicht
treffen, während ich in Sicherheit bin... .“
London S.E. 23, den 22. Juli 1939 Zu S. 320—322
Sehr verehrter Herr Bischof! Als Sie am Donnerstag in London
waren,
bat ich Hildebrandt,
Ihnen zu sagen, daß ich schon aus den U.S.A. zurückgekommen war und daß ich mich auf dem Wege nach Deutschland befinde. Unglücklicherweise
vergaß er, Sie davon
zu unterrichten.
Nun
Anhang
478
kann ich nur einige Worte zur Erklärung schreiben und Ihnen „Auf Wiedersehen“ sagen. Ich werde Dienstagmorgen abreisen. Bei meiner
Ankunft
in New
York
bot mir Dr.Leiper
freund-
licherweise die Stellung eines Flüchtlingspastors (ich meine eines Pastors für Flüchtlinge) in New York an. Diese Stellung sollte mit Vorlesungen an verschiedenen Orten verbunden werden. Na-
'türlich war ich über dieses Angebot recht erstaunt und sagte Dr. Leiper, daß ich der Bekennenden Kirche versprochen hätte, spätestens nach einem Jahr zurückzukehren, es sei denn, die politischen Umstände machten das unmöglich. So war es einfach eine Frage der Loyalität, ob ich eine Stellung annehmen konnte, die in sich selbst meine Rückkehr in Frage stellen oder sogar unmöglich
machen würde. Ich besprach das Problem sehr gründlich mit meinen Freunden und entschied, das Angebot aus drei Gründen ab-
zulehnen: Durch mein Versprechen war ich dazu verpflichtet, im
nächsten Jahr zurückzukehren; es gab viele nicht-arische Brüder, die ein viel größeres Anrecht auf so eine Stellung haben; ich hatte meinen Urlaub zu einem anderen Zweck bekommen. Es war eine schwierige Entscheidung, aber ich bin noch immer überzeugt,
ich durfte
nicht
anders
entscheiden.
Das
bedeutete
meine vorzeitige Rückkehr nach Deutschland. Dr. Coffin und Van Dusen Iuden mich freundlicherweise ein, so lange ich wollte am
Union Seminary zu bleiben. Aber als die Nachrichten über Danzig mich erreichten, sah ich mich genötigt, so bald wie möglich zurückzufahren und meine Entscheidung in Deutschland zu treffen. Ich bereue meine Reise nach den U.S.A. nicht, obwohl sie natür-
lich unter anderen Voraussetzungen unternommen worden war. Ich habe in den wenigen Wochen dort drüben viel gesehen und gelernt, und ich freue mich wieder auf meine Arbeit in Deutschland. Was für eine persönliche Entscheidung von mir verlangt werden wird, weiß ich nicht. Aber das weiß jetzt niemand. Mein Reisepaß läuft im nächsten Frühjahr ab; darum ist es ungewiß, wann ich wieder in dieses Land kommen werde. Lassen
Sie mich Ihnen heute für alle Hilfe und Freundschaft und Ihr wirkliches Verständnis in der Vergangenheit und Zukunft danken. Wir werden Sie während der kommenden Ereignisse nie vergessen. Ich danke Ihnen für alles, was Sie für meinen Schwager und seine Familie getan haben. Es hat ihnen alles bedeutet. Wollen Sie mir
erlauben, sie in diesem Land mit der Gewißheit zu verlassen, daß sie sich an Sie wenden können, wann immer sie Rat und Hilfe brauchen? Natürlich ist auch ihre Zukunft unbestimmt, und es
Zu Kapitel
VI
479
bedarf vieler Geduld und Energie, bevor sie neu beginnen können. Dennoch bin ich zuversichtlich, daß sie am Ende nicht mehr leiden werden als sie ertragen können. Darf ich Sie bitten, Mrs. Bell meine besten Grüße zu übermitteln? Ich verbleibe, lieber Herr Bischof, in aufrichtiger Dankbarkeit immer Ihr Dietrich Bonhoeffer
Zu Kapitel VII
Genf 1941 Die Kirche und die neue Ordnung. Von William Paton, D.D. Sekretär des Internationalen Missionsrates und Herausgeber der Internationalen Review of Missions. SCM. Press, London, erste
Auflage Juli 1941. Aus dem Vorwort:
„...Ich muß hier meine große Verpflichtung
ausdrücken; wenn es auch — wo Weniges original ist — unmöglich erscheint, allen Tribut zu zollen, so doch einigen Leuten gegenüber, besonders: Der Erzbischof von York, Dr. J. H. Oldham, Professor Arnold Toynbee, Sir Alfred Zimmern und Mr. A. D. K. Owen
haben das Manuskript ganz oder in Auszügen gelesen und ich schulde ihnen viel, wie sie mich beraten und ermutigt haben ..
Zwei Leuten möchte ich gern meinen Dank sagen, obwohl keiner von ihnen das Manuskript gesehen hat, Dr. W. A. Visser ’t Hooft in Genf, meinem Kollegen im Sekretariat des Weltbundes der Kirchen, und Dr. Henry P. Van Dusen in New York. Wir drei haben viel einer vom anderen gelernt während dieser Monate der Spannung... W.P.“ Inhaltsverzeichnis: Vorwort. Kapitel I Warum Friedensziele? II Das Chaos hinter dem Krieg. III Richtungweisende Prinzipien. IV Das Ideal und die nächsten Schritte. V England, Amerika und die Zukunft. VI Einige Sozialprobleme: Die Kolonien, Indien, die Juden, Religionsfreiheit. VII Die Kirche: Der Wert des Menschen und Freiheit. VIII Die Kirche: Gesetz und Verstehen. IX. Die
Kirche: Vergebung und Macht.
2.u194355
480
Anhang
den 12. September 1941
Zu S. 361
Lieber Hugh!
Vielen Dank für die Übersendung von Bill Patons Buch. Es wird von allen, die mit uns in Verbindung stehen, eifrig gelesen, nicht
zuletzt von denen, die es auf ganz besondere Weise angeht. Ich lege eine Reaktion vom
Kontinent ein. Wollen Sie dieses Doku-
ment bitte mit der folgenden Botschaft an Bill weiterschicken: Diese Anmerkungen zu Ihrem Buch wurden von mir in enger Zusammenarbeit mit einem Freund, der zu uns gekommen ist und
der ein guter Freund von George Bell ist, geschrieben. Ich hoffe, Sie werden sie bei allen in Umlauf setzen, die sich dafür interessieren und auch Pit Van Dusen eine Abschrift schicken. Sie müssen sich auf mein Wort verlassen, daß alles, was wir über die
nächsten Schritte und die Dringlichkeit der Lage sagen, nicht auf unsere Wunschträume gegründet ist, sondern auf tatsächliche Ent-
wicklungen, die mit den verantwortlichen Leuten in den betreffenden Ländern besprochen werden. Darum hoffe ich auch, daß einige dieser Überlegungen verantwortlichen Leuten in Groß-Britannien vorgelegt werden. Ich muß Sie bitten, das Dokument nicht in seiner jetzigen Form zu veröffentlichen, aber es gibt keine Gründe, warum seine Substanz nicht in den Christian News Letter benutzt werden könnte.In diesem Falle dürfte jedoch kein Hinweis auf seine
Verfasser gegeben werden. Natürlich würden wir eine Antwort zu diesem Bericht, wenn möglich in naher Zukunft, sehr begrüßen. Recht herzliche Grüße Ihr Visser ’t Hooft
Zu S. 362—371 Nicht zu veröffentlichen
Die Kirche und die neue Ordnung in Europa
Die folgenden Überlegungen über das Problem der Nachkriegs-
ordnung in Europa stellen die Gedanken zweier kontinentaler Chri-
sten aus zwei Nationen dar, die in diesem Krieg auf verschiede-
nen Seiten stehen. Sie haben William Patons Buch: „Die Kirche
und die neue Ordnung“ mit tiefer Anteilnahme gelesen und möch-
ten ihre Bewunderung
und Dankbarkeit
für dieses Zeugnis zum
Ausdruck bringen, das in wahrhaft ökumenischem Geiste abgelegt
Zu
Kapitel
VII
481
worden ist. Sie haben ebenfalls die jüngsten Ausgaben des Chri-
stian News Letter, die sich mit Nachkriegsfragen befassen, durchdacht. 1. Einige grundsätzliche Betrachtungen Die Ungesichertheit des Lebens und die ungeheuren Umwälzungen haben den kontinentalen Christen ganz deutlich die Tatsache zum Bewußtsein gebracht, daß die Zukunft in Gottes Händen liegt und daß kein menschliches Planen, wie verständig und wie gutgesinnt es auch sein mag, die Menschen zu Herren über ihr eigenes Schick-
sal machen kann. Darum gibt es heute in den kontinentalen Kirchen einen starken apokalyptischen Zug. Diese Richtung kann zu einer Haltung reiner Jenseitigkeit führen, aber sie kann auch eine heilsame Wirkung haben, indem sie uns
erkennen läßt, daß das Reich Gottes seine eigene Geschichte hat, die von politischen Ereignissen unabhängig ist, und daß das Leben der Kirche seine eigenen, von Gott gegebenen Gesetze hat, die von jenen, die das weltliche Leben regeln, abweichen. Darum sind wir froh, daß Paton eine so starke Betonung darauf legt, daß das Leben der Kirche nicht von einem Sieg im Kriege abhängig ist. Das bedeutet aber nicht, daß die kontinentalen Christen dem Problem der Nachkriegsordnung gleichgültig gegenüberstehen. Viele, die zuvor glaubten, die Kirche habe mit solchen weltlichen Pro-
blemen nichts zu tun, haben in diesen letzten Jahren einsehen gelernt, daß die Kirche wahrlich das Salz der Erde ist und daß das
Verwerfen der Gebote Gottes den Tod sowohl für Nationen als auch für den einzelnen bedeutet. Man hat im Besonderen die Tragweite des neutestamentlichen Glaubens neu gesehen: daß Christus der König ist, dem alle Mächte untertan sind. Weil die Welt „auf Ihn hin“ (Kol. 1,16) geschaffen wurde, dürfen wir sie nicht als ein Gebiet ansehen, das für sich selbst, außerhalb von Gottes Plan, lebt. Die Gebote Gottes zeigen die Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn Christus der Herr sein soll. Und die Kirche hat die Welt an diese Grenzen zu erinnern. Lange hat sie dieses Amt nicht ausgeübt, aber nun hat sie wieder damit begonnen, indem sie in verschiedenen Ländern starken Widerstand gegen die Verletzung der Ge-
bote Gottes im politischen Leben geleistet hat. Die Aufgabe der Kirche in bezug auf die neue Ordnung muß im
Lichte dieses Dienstes gesehen werden. Die Kirche kann und soll keine vollendeten und detaillierten Pläne zu einem Wiederaufbau
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Anhang
in der Nachkriegszeit ausarbeiten, aber sie soll die Nationen
an
die bleibenden Gebote und Tatsachen erinnern, die ernst genommen werden müssen, wenn die neue Ordnung eine echte Ordnung sein soll und wenn wir einem weiteren Gericht Gottes, wie diesem Kriege, entgehen wollen. Wir sind sehr dankbar dafür, daß eine Gemeinschaft von Christen aus verschiedenen Nationen entstanden ist, die diese Aufgabe als eine allgemeine Aufgabe auf sich nehmen kann. Wir haben guten Grund, zu hoffen, daß diese Gemeinschaft aus dem Krieg als eine noch enger verbundene Einheit hervorgehen wird, als sie es vor dem Kriege war. Augenblicklich ist es nur eine kleine Gruppe, die sich ihrer Mitgliedschaft zu dieser Gemeinschaft völlig bewußt ist, aber dennoch ist sie nicht unwichtig, weil sie praktisch die einzige internationale Gemein-
schaft darstellt, die trotz Krieg und Konflikt vereinigt bleibt. 2. Warum Friedensziele?
Wir stimmen mit Paton über die Dringlichkeit einer klaren Darlegung der Friedensziele überein. Aber soweit der Kontinent davon betroffen ist, möchten wir hinzufügen, daß das im Hinblick auf die Lage in Deutschland ganz besonders dringend ist. Die
besetzten Länder sind jetzt über den wahren Charakter des nationalsozialistischen Regimes zur Genüge unterrichtet und sind sich deutlich der Tatsache bewußt, daß ihre Zukunft von einem
britischen Sieg abhängt. Darum findet man in diesen Ländern bemerkenswert wenig Kritik an der britischen Blockade. Aber in Deutschland liegen die Dinge ganz anders. In diesem Land hängt die Haltung von beträchtlichen Gruppen, die gegen das Regime, aber gleichzeitig gute Patrioten sind, von der Antwort auf die Frage ab, wie Deutschland behandelt werden wird, wenn es den
Krieg verliert. Eine positive Darlegung der Friedensziele könnte einen bedeutenden Einfluß auf die Stärkung dieser Gruppe ausüben. Es ist klar, daß die jüngsten Ereignisse eine psychologische Lage geschaffen haben, die ihnen so günstige Gelegenheiten gibt, wie seit 1933 nicht mehr. Es gibt daher Gründe, dieser Seite der ganzen Frage hervorragende Beachtung zu schenken.
Nun ist es aber auch klar, daß die stark unterstrichene Forderung in jüngsten Darlegungen
(und im Radio) nach der militärischen
Entwaffnung Deutschlands eine ungünstige Wirkung auf diese Entwicklung ausübt. Die einzige Gruppe, die gegen das Regime vorgehen könnte, ist das Militär (ein Aufstand von anderer Seite würde von der SS niedergeworfen werden). Die Oppositions-
Zu Kapitel
VII
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gruppen in der Armee würden aber kaum handeln, falls sie nicht Grund haben zu glauben, daß Aussicht auf einen mehr oder weniger erträglichen Frieden bestünde. Unter diesen Umständen sollten Darlegungen über die Zukunft (und ganz besonders in der Rund-
funkpropaganda) der Widerstandsbewegung in Deutschland wenigstens eine Handlungsbasis geben. Wir sehen ein, daß die Entwaffnung Deutschlands gefordert werden muß. Aber sie sollte gewiß nicht als das Hauptfriedensziel angeführt werden, wie es zu oft geschieht. Vielmehr sollte sie als Teil eines umfassenderen Programms erwähnt werden, welches die Gewährung eines gewissen Maßes von politischer und wirtschaftlicher Sicherheit für ein entwaffnetes Deutschland einschließt, wie die Akzeptierung einer gewissen übernationalen Kontrolle der Rüstungen aller Nationen. Auf jeden Fall sollten die Gedanken
über wirtschaftlichen Wiederaufbau und soziale Neuordnung bei jeder Propaganda (besonders bei Rundfunksendungen für Deutschland) größere Anwendung finden. Dokumente wie der MalvernBericht haben auf die Oppositionskreise in Deutschland großen Eindruck gemacht. Warum sagt der B.B.C. über diese Dinge so wenig? 3. Das Chaos hinter dem Krieg Einen wichtigen Punkt hat Paton in seiner Beschreibung vom Chaos hinter dem Krieg nicht erwähnt. Der tiefste Grund für die moralische Verwirrung in Deutschland und bis zu einem gewissen Grade in ganz Europa liegt nicht einfach in der Opposition gegen christlich-ethische Überzeugungen (denn das allein hätte eher klare
Fronten als Chaos schaffen können), sondern vielmehr in der Fähigkeit des Nationalsozialismus, seine Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit darzustellen. Der Wagen von Compitgne ist geradezu das Symbol für diese Tarnung der Ungerechtigkeit. Es gab eine gerade ausreichende, relative Rechtfertigung für einige der Ansprüche Deutschlands, um Hitler die Möglichkeit zu geben, sich als ein Prophet einzuführen, der gekommen war, um die Gerechtigkeit wieder herzustellen. Das ist die Hauptquelle der gegen-
wärtigen moralischen Verwirrung. Und es darf nicht vergessen werden, daß die Staatsmänner anderer Länder, indem sie Hitler Zugeständnisse machten, die seinen Vorgängern verweigert wor-
den waren, zu Hitlers Helfern gegen die Widerstandsgruppen in Deutschland wurden. Auf diese Weise ist es erklärlich, daß es für
die deutsche Nation immer schwieriger geworden ist, den wahren
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Anhang
Charakter des Regimes zu begreifen, und daß nur verhältnismäßig Wenige in ihrer Überzeugung unerschüttert geblieben sind, daß es Satan in der Maske des Engels des Lichtes darstellt. 4. Richtungweisende Prinzipien Wir halten es für sehr wichtig, daß Paton die Grundlage für die neue Ordnung nicht in einer bestimmten Regierungsform sucht,
sondern in gewissen fundamentalen Prinzipien für das Leben von Staat und Gesellschaft. Denn es muß mit stärkstem Nachdruck gesagt werden, daß in einer Anzahl europäischer Länder eine so-
fortige Rückkehr zur voll ausgebildeten Demokratie und zum Parlamentarismus noch größere Unordnung hervorrufen würde als jene, die vor der autoritären Ara herrschte. In diesen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien), wo alle Zentren politischer
Schaffenskraft und alle Ordnung verunglimpft oder gar zerstört worden sind, wird für eine beträchtliche Zeitspanne eine starke, zentralisierte Gewalt vonnöten sein. Demokratie kann nur auf einem Boden wachsen, der durch eine lange geistige Tradition vorbereitet worden ist. Solche Traditionen gibt es noch in kleineren Nationen (Skandinavien, Holland, Schweiz), aber sonst kaum in anderen europäischen Nationen. Das bedeutet aber nicht, daß
wir weiterhin Formen von staatlichem Absolutismus hinnehmen müssen. Das Minimum, das von jedem Staat verlangt werden muß und das international gewährleistet werden muß (wir wissen, daß
politische Regierungsformen nicht nur die Angelegenheit der betreffenden Nationen sind), ist, daß der Staat durch Gesetz begrenzt werden soll: das heißt, er muß gewisse bindende Verpflichtungen gegenüber seinen Bürgern und gegenüber anderen Staaten anerkennen.
Die angelsächsische Welt faßt den Kampf gegen die Allmacht des Staates in dem Worte Freiheit zusammen. Und Paton gibt uns eine Charter von menschlichen Rechten und Freiheiten, die die
Richtschnur für die Handlungen des Staates festlegen soll. Aber diese Formeln
müssen,
wie Paton
andeutet,
„in solche Begriffe
übertragen werden, die sie enger mit dem Leben anderer Völker verknüpfen“. Denn Freiheit ist ein zu negatives Wort, als daß es in einer Lage angewendet werden könnte, wo alle Ordnung zerstört worden ist. Und Freiheiten sind nicht genug, wenn die Menschen vor allem nach einem Minimum von Sicherheit suchen. Diese Worte erinnern zu sehr an den alten Liberalismus, der wegen
Zu
Kapitel
VII
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seiner Mißerfolge selbst weitgehend für die Entwicklung zu einem staatlichen Absolutismus verantwortlich ist. Das ist zum Teil ein Streit um Worte, denn die Realitäten, die
hinter solchen Formeln wie „bürgerliche Religionsfreiheit, Redefreiheit oder Gleichheit vor dem Gesetz“ stehen, müssen gewiß in der neuen Ordnung sichergestellt werden. Aber es geht um weit mehr als um Worte. Die ganze Orientierung der Nachkriegs-
staaten wird von dieser ideologischen Frage abhängig sein. Wir glauben lichkeit sich ist, erkennt,
nun, daß der Begriff einer von Gesetz und Verantwortbegrenzten Ordnung, einer Ordnung, die nicht Ziel an sondern die die Gebote, die über dem Staate stehen, angrößere geistige Substanz und Gültigkeit besitzt als die
Betonung der Rechte des Individuums. So ist es gewiß wahr — wie Paton andeutet — daß es in einem Land wie Deutschland unmöglich sein wird, alle verschiedenen Formen demokratischer Freiheiten sofort einzuführen. Aber es wird, wie in anderen Ländern, möglich sein, alle Formen des nationalsozialistischen Terrors abzuschaffen und das Recht wieder zu einem unparteiischen Schiedsrichter nicht nur zwischen den Bürgern, sondern auch zwischen den Bürgern und dem Staat zu erheben und der Kirche ihre volle Freiheit zurückzugeben. Wenn dann einige Regelungen zum Schutze der Regierungen solcher
früherer totalitärer Staaten eingeführt werden
(wird Rußland
sich unter diesen befinden?), dann sollten sie nicht so sehr in Form
von individuellen Rechten abgefaßt werden, sondern vielmehr in Form von Normen, die der Staat bei allen seinen Handlungen anerkennen muß. 5. Das Ideal und die nächsten Schritte Wir stimmen rückhaltlos mit dem Plan für eine internationale Ordnung überein, so wie er in Patons Kapitel über „das Ideal und die nächsten Schritte“ dargelegt wird. Wir sind besonders
froh über seine Klarstellung, daß diese Ordnung nicht eine einfache Wiederherstellung des politischen und wirtschaftlichen Vorkriegssystems sein kann. Denn auf dem Kontinent ist es deutlich zutage getreten (und viele, die das vor einigen Jahren nicht verstanden, haben es nun begriffen), daß auf diesen zwei Gebieten drastische Anderungen vorgenommen werden müssen. Auf politischem Gebiet muß es eine wirkungsvolle Abgrenzung nationaler Souveränität geben. Auf wirtschaftlichem Gebiet muß es eine
Abgrenzung des wirtschaftlichen Individualismus geben, mit ande-
486
Anhang
ren Worten: eine Planung für die wirtschaftliche Sicherheit der Massen. Aber, wie Paton sagt, „die endgültige Regelung wird notwendigerweise weitgehend von der Natur der vorläufigen Maßnahmen beeinflußt werden, die in der Zwischenzeit getroffen werden, und die Zukunft kann möglicherweise von der richtigen Gestaltung dieser Maßnahmen abhängen“. Wir glauben nun nicht, daß Patons Buch dieses Problem genügend erläutert. Und wir glauben auch nicht, daß die Lösung dieses Problems, wie sie im Christian
News Letter vom 21. August dargelegt wird (Dr. Oldhams Zusammenfassung von einem P.E.P. Bericht, den er in seiner Dar-
stellung des Problems für völlig richtig hält), hinreichend ist. Wir können nicht bestreiten, daß Großbritannien
das Recht hat,
Sicherheiten gegen ein Wiederaufkommen des Nationalsozialismus in irgendeiner Form zu verlangen und daß es darum vielleicht weitreichende militärische Maßnahmen gegen Deutschland ergrei-
fen muß. Aber wir glauben, daß diese unvermeidlichen Maßnahmen um der Zukunft willen durch eine positive Politik ausbalanciert werden
müssen.
In England
und Amerika
sieht man
jetzt ein, daß es diesmal keine Wiederholung der wirtschaftlichen Klauseln des Versailler Vertrages geben darf, und das ist gewiß eine wichtige Erkenntnis; aber es ist nicht genug. Die Frage bleibt weiter bestehen, wie Deutschland seinen Weg zu einem Regierungssystem finden kann, das von den Deutschen angenommen wird und das es zu einem ordentlichen Mitglied im Kreis der Nationen werden läßt. Diese Frage kann nicht durch eine völlige Besetzung Deutschlands gelöst werden (obwohl eine Besetzung sich
als notwendig erweisen mag). Im Gegenteil, eine völlige Entwaffnung und Besetzung Deutschlands würde es ungewöhnlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich machen, eine neue deutsche Regierung zu schaffen. Würde eine Regierung, die solche Bedingungen annimmt, nicht als eine reine Quisling-Affäre angesehen werden? Würden nicht alle Gruppen, die unbedingt anti-nationalsozialistisch eingestellt sind, finden, daß sogar Hitler besser war als dieser völlige Zusammenbruch deutscher Integrität? Würde
das nicht nur noch zu einer wilderen Form des deutschen Nationalismus führen? Man muß dann also die Frage ins Auge fassen, ob es möglich sei, Deutschland ein derartiges Friedensangebot zu machen, so daß eine neue Regierung, aus nicht-nazistischen leitenden Leuten zusam-
mengesetzt und zu internationaler Zusammenarbeit bereit, nicht
Zu
Kapitel
VII
487
von draußen her in den Augen ihrer eigenen Leute verunglimpft werden würde. Oder um es anders auszudrücken: man muß die Frage ins Auge fassen, ob eine deutsche Regierung, die mit Hitler
und mit allem, was er darstellt, völlig bricht, Hoffnung hegen kann, ein derartiges Friedensangebot zu erhalten, daß sie einige Aussicht hat, weiter zu bestehen. Denn wenn eine solche Regierung gebildet würde, die ein echtes Friedensangebot machte (Räu-
mung aller besetzten Gebiete, Beseitigung aller Naziführer, Bereitwilligkeit zur Entwaffnung), und wenn dieses Angebot dann verworfen würde, so besteht die Gefahr, daß Deutsche aller Kreise und Gruppen in eine nationalistische Opposition getrieben wür-
den und daß für lange Zeit keine deutsche Regierung, die dieses Namens würdig wäre, gebildet werden kann. Es ist klar, daß die Beantwortung dieser Frage ganz dringlich ist, denn die Haltung der oppositionellen Gruppen Deutschlands hängt von der Antwort darauf ab. Realismus verlangt, daß die Welt vor einer Wiederholung des Nationalsozialismus geschützt werden muß, aber derselbe Realismus verlangt auch, daß wir die Welt vor einer Wiederholung des psychologischen Prozesses schützen müssen, der sich zwischen 1918 und 1933 in Deutschland vollzog. Wir glauben, daß es möglich ist, in Deutschland Menschen zu finden, die durch ihre Haltung während der letzten Jahre bewiesen haben, daß sie nicht von nationalsozialistischen Ideen vergiftet sind und auf die man sich als loyale Mitarbeiter an einer euro-
päischen Gemeinschaft der Nationen verlassen kann. Und wir glauben, daß man ihnen eine Gelegenheit geben sollte, nicht nur um Deutschlands willen, sondern um ganz Europas willen. 6. Das russische Problem Es ist verständlich, daß in der gegenwärtigen Lage das Problem des Verhältnisses von Rußland zu einer zukünftigen internationalen Ordnung nicht so gründlich behandelt wird wie das deutsche Problem. Es besteht so viel Ungewißheit über die Kräfte, die in Rußland am Werke sind und über die Folgen, die der Krieg auf Rußland haben wird, daß es fast unmöglich ist, sich vorzustellen, wo sein Platz sein wird. Aber als Christen dürfen wir uns nicht von momentanen Reaktionen überrumpeln lassen. Ob-
wohl wir das britisch-russische Bündnis als eine zu rechtfertigende und unvermeidliche politische Entscheidung ansehen mögen, so dürfen wir doch die Gefahr nicht für gering achten, die Rußland noch immer für alles, was uns wert ist, darstellt. Wenn der Krieg
488
Anhang
keine fundamentalen
Veränderungen in der Struktur des russi-
schen Staates hervorruft, kann der Bolschewismus
leicht zu einer
furchtbaren Drohung für alle Länder werden, die auf das falsche Pferd gewertet haben und die durch die deutsche Niederlage ihre
faschistischen Systeme verunglimpft sehen werden. Das ist eine weitere starke Bestätigung der Notwendigkeit für autoritative, allerdings antifaschistische Regime in der Nachkriegszeit und der
Notwendigkeit für die Stärkung aller Hände jener nichtnazistischen Elemente in Deutschland, die fähig sein würden, in diesem
Lande eine neue Regierung zu bilden. Weiterhin besteht auch die sehr schwierige Frage, ob die baltischen Staaten, die Bukowina, Karelien
und Bessarabien
zu Rußland
zurückkehren
sollen, das
bürgerliche und religiöse Freiheiten genau so wenig achtet wie die Nazis.
Zu S. 372—377
Geheim
Memorandum über ein Gespräch I Ende Mai 1942 kamen zwei deutsche Pastoren 1 von Berlin nach Stockholm, um dort den Bischof von Chichester zu treffen. Sie
trafen unabhängig voneinander ein, und einer von ihnen blieb nur 48 Stunden 2. Der Bischof sprach mit ihnen sowohl einzeln wie auch zusammen an vier verschiedenen Tagen. Beide Männer sind dem Bischof wohlbekannt und haben viele Jahre lang im Zusammenhang mit der ökumenischen Bewegung, dem Weltkirchenrat
und in verschiedenen Stadien des deutschen Kirchenkampfes mit ihm zusammengearbeitet. Einer von ihnen lebt in der Schweiz, stattet Deutschland aber beständig Besuche ab. Der andere wohnt in Berlin und ist einer der Führer der Bekennenden Kirche; er hat
von der Gestapo Rede- und Predigtverbot. Ihre Absicht war: A. Auskunft über eine starke, organisierte Widerstandsbewegung innerhalb Deutschlands zu geben, welche Pläne zur Vernichtung 1. Dr. Schönfeld und Pastor Bonhoeffer. 2. D. Bonhoeffer.
Zu
des
ganzen
Hitler-Regimes
Kapitel
VII
(einschließlih
489
Himmlers,
Görings,
Goebbels’ und der Hauptführer der Gestapo, der SS und der SA) und zur Errichtung einer neuen deutschen Regierung aufgestellt hat, bestehend aus:
1. Vertretern stark anti-nationalsozialistischer Kräfte in der Armee und der zentralen Staatsverwaltung.
2. Ehemaligen Gewerkschaftsführern. 3. Vertretern der protestantischen und katholischen Kirchen;
sie verpflichten sich zu folgender Politik: a) Verzicht auf Angriff.
b) Unverzügliche Aufhebung der Nürnberger Gesetze und Zusammenarbeit zur internationalen Lösung des jüdischen Problems. c) Allmählicher Rückzug der deutschen Streitkräfte aus besetzten und überfallenen Ländern. d) Zurückziehung der Unterstützung für Japan und Unterstützung der Alliierten, um den Krieg im Fernen Osten zu
beenden. e) Zusammenarbeit mit den Alliierten, um die zerstörten oder vom Krieg beschädigten Gebiete wieder aufzubauen. B. Zu fragen, ob die Alliierten unter der Voraussetzung, daß das ganze Hitlerregime vernichtet worden ist, bereit sein würden, mit einer solchen neuen deutschen Regierung über eine Friedensrege-
lung zu verhandeln, die folgendes vorsehen würde: 1. Die Errichtung eines Systems von Gesetz und sozialer Gerechtigkeit in Deutschland, verbunden mit einer weitgehenden
Aufgabenverteilung an die einzelnen Länder. 2. Die Schaffung gegenseitiger wirtschaftlicher zwischen
den verschiedenen
Nationen
Abhängigkeit
Europas, was sowohl
in sich selbst gerechtfertigt wie gleichzeitig die wirksamste Garantie gegen Militarismus wäre.
3. Die Errichtung einer repräsentativen Föderation freier Nationen oder Staaten, die eine freie polnische und eine freie tschechische Nation einschlössen. 4. Die Errichtung einer europäischen Armee zur Kontrolle Europas, unter zentraler Leitung, an der die deutsche Armee teilnehmen könnte.
490
Anhang 1I
Gepräge der Opposition Die Opposition war schon seit einiger Zeit in der Entwicklung begriffen und bestand bereits vor dem Kriege. Der Krieg gibt ihr nun eine Gelegenheit, die nur darauf wartet, ergriffen zu werden. Die Opposition kristallisierte sich im Herbst 1941 und hätte im Dezember 1941 eine Gelegenheit ergreifen können, als viele Offiziere sich weigerten, in Rußland weiterzukämpfen. Aber niemand übernahm die Führung. Hitlers letzte Rede, in der er ganz offen den Anspruch erhob, über allem Gesetz zu stehen, zeigte dem deutschen Volk immer deutlicher die völlige Gesetzlosigkeit des Regimes. Die Opposition setzt volles Vertrauen in die Stärke der deutschen Armee und ist bereit, den Krieg bis zum bitteren Ende weiterzukämpfen, falls die Alliierten sich weigern sollten, mit der neuen Regierung eines von Hitler befreiten Deutschland zu unterhandeln, nach dem Umsturz des gesamten Hitlerregimes; aber sie glaubt auch, daß die Fortsetzung des Krieges in dem augenblicklichen oder noch größerem Maßstab unter derartigen Umständen noch weitere Millionen zur Vernichtung verurteilen würde, besonders in den besetzten Ländern.
Sie glaubt auch, daß ein Kampf bis zur Entscheidung für Europa selbstmörderisch wäre. Daraus entspringt ihr Wunsch, zuerst Hit-
ler und sein Regime zu vernichten und dann eine Friedensregelung zu erreichen, bei der alle Nationen Europas wirtschaftlich untereinander abhängig werden sollen, bei der sie durch den Besitz
von ausreichenden europäischen Militärstreitkräften gegen eine Aggression verteidigt und auf irgendeine Art verbündet werden sollen. Obwohl die Opposition im Hinblick auf Rußland einige Bedenken
hegt, hofft sie doch (auf Grund
von
Eindrücken,
die
einige der höheren russischen Offiziere auf deutsche Offiziere gemacht haben) auf die Möglichkeit, zu einem Übereinkommen zu gelangen.
III Organisation der Opposition Die Opposition
ist gegründet auf Glieder der Staatsverwaltung,
der Staatspolizei, auf frühere Gewerkschaftsführer und hohe Offziere der Armee. Sie hat Verbindungen in jedem Ministerium,
Zu
Kapitel
VII
491
Militärbeamte in allen größeren Städten, befehlshabende Generäle
oder andere, die hohe Ämter in Schlüsselstellungen in der nächsten Umgebung der Generäle innehaben. Sie hat bewaffnete Verbindungsmänner in den Rundfunksendern, in den großen Fabri-
ken, in den Hauptstellen der Heeresbelieferung und der Gasversorgung. Es ist unmöglich, die Zahlen der Opposition anzugeben. Die Hauptsache ist, daß überall Schlüsselstellungen in den Händen von Mitgliedern der Opposition sind, und daß in Deutschland Schlüsselstellungen von größter Wichtigkeit sind. Folgende Namen von Männern wurden angegeben, die eng mit der Widerstandsbewegung verbunden sein sollen: GeneraloberstBek
.
.
.
.
Leiter des Generalstabs vor der tschechoslowakischen Krise 1938, 60 Jahre alt. r
Generaloberstv.Hammerstein
Goerdller
.
. .
.
.
.
Leiter des Generalstabs
.
Ex-Preis-Kommissar,
vor Beck.
Oberbürger-
meister von Leipzig, Leiter der Zivilen Front. Leushner
.
.
.
.
.
.
.
Ehemaliger
Präsident
der
Ver-
einigten Gewerkschaft, Kaiser
.
.
.
.
2...
.
Leiter
der Katholischen
Gewerk-
schaft. Alle oben Genannten sollen überzeugte Christen sein, die wichtigsten von ihnen sind Beck und Goerdeler. Gewisse andere Personen von weniger ausgesprochen christlichem
Charakter wären verfügbar, wie zum Beispiel Schacht. Die meisten der Feldmarschälle sind vertrauenswürdig, besonders von Kluge, von Bock, Küchler und möglicherweise Witzleben. Es wurde gefragt, ob England eine Monarchie in Deutschland befürworten würde, in welchem Fall Prinz Louis Ferdinand in Betracht käme. Es wurde aber nicht gesagt, ob er Mitglied der Opposition sei oder nicht. Er war von Hitler nach dem Heldentod des ältesten Sohnes des Kronprinzen aus den Vereinigten Staaten geholt worden. Er
hatte als Arbeiter in den Fordwerken gearbeitet, und er lebt jetzt auf einem Gut in Ostpreußen. Er ist ein Christ, zeigt aufrichtige soziale Interessen und ist einem der beiden deutschen Pastoren bekannt. Die Leiter der protestantischen und katholischen Kirchen stehen auch in enger Beziehung zu der ganzen Widerstandsbewe-
492
Anhang
gung, besonders Bischof Wurm
aus Württemberg
(protestantisch)
und Bischof von Preysing aus Berlin, der als Wortführer der katholischen Bischöfe wirkt. (Gleichzeitig sollte noch erwähnt werden, daß viele Glieder der Opposition nicht nur mit tiefer Reue über die
Verbrechen erfüllt sind, die in Deutschlands Namen begangen werden, sondern sogar sagen: „Christen wollen keiner Buße und keinem Chaos ausweichen, wenn Gottes Wille sie auf mich lädt.“)
IV Handlungsweise der Opposition Die Opposition weiß um die drohende Auflehnung gegen Hitler
innerhalb der Nazi-Partei durch Himmler und seine Genossen; aber während ein erfolgreicher Staatsstreich Himmlers der Opposition von Nutzen sein könnte, ist doch die völlige Vernichtung
Hitlers und Himmlers und des gesamten Regimes unerläßlich. Der Plan der Opposition besteht in einer Säuberungsaktion, die in der Heimat und in den besetzten Ländern so gleichzeitig wie nur möglich ausgeführt werden müßte. Danach würde eine neue Re-
gierung aufgestellt werden. Die Opposition ist sich der Notwendigkeit einer wirksamen Polizeikontrolle überall in Deutschland und in den besetzten und überfallenen Ländern bewußt, um die neue Regierung zu sichern; und es scheint, als ob die Hilfe der
alliierten Armee als Helfer zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig und willkommen sein würde, um so mehr, wenn es möglich wäre, mit der alliierten Armee die Armee einer neutralen Macht zur Aufrechterhaltung der Ordnung zu verbinden.
V
Anfragen der Opposition an die Regierungen der Alliierten Nachdem nun die Handlungsweise und die Pläne der Opposition
dargelegt sind, ergibt sich die Frage, welche Unterstützung ihren
Führern gegeben werden kann, um das Verfahren in Gang zu bringen und allen damit verbundenen Gefahren zu begegnen. Als Beispiele für eine Förderung werden Anfragen wie folgt gestellt: 1. Würden die alliierten Regierungen bereit sein, mit einer neuen deutschen Regierung, die nach den Richtlinien von Abschnitt I, A
Zu Kapitel
VII
493
zusammengestellt ist, auf Treu und Glauben (bona fide) für einen Frieden zu verhandeln, wie er in Abschnitt I, B beschrieben ist?
(Die Antwort darauf könnte einem Vertreter der Opposition privat durch ein neutrales Land zugestellt werden.)
2. Könnten die Alliierten jetzt der Welt öffentlich und mit den deutlichsten Worten bekanntgeben, daß, falls Hitler und das ganze Regime gestürzt wären, sie bereit sein würden, mit einer neuen deutschen Regierung im Hinblick auf eine Friedensregelung von der Art wie in Abschnitt I, B beschrieben, zu verhandeln, welche sich von jeglicher Aggression lossagte und zu einer Handlungsweise verpflichtete, wie sie in Abschnitt I, A beschrieben ist?
VI
Verbindungswege Es wurden Abmachungen getroffen, durch die jede Reaktion einflußreicher britischer Stellen, von der der Bischof von Chichester
erfahren sollte, durch einen neutralen
Weg mitgeteilt werden
könnte. Der britische Gesandte in Stockholm wurde ebenfalls über den Inhalt der Gespräche voll unterrichtet. Auf seinen Rat hin ließ der Bischof von Chichester die beiden deutschen Pastoren wissen, daß notwenigerweise nicht nur die amerikanischen und russischen und anderen alliierten Regierungen davon ebenfalls
betroffen sein würden, sondern daß das Foreign Office auch der Ansicht sein könnte, daß die Lage viel zu ungewiß sei, um irgendeinen Meinungsaustausch zu rechtfertigen. Wenn es jedoch andererseits für wünschenswert gehalten würde, weitere Aufklärung zu erhalten, könnte in Stockholm ein vertrauliches Treffen zwischen einem deutschen Vertreter und einem Vertreter des Foreign
Office oder irgendeiner anderen geeigneten Person zustande ge-
bracht werden.
494 Zu S. 378—381
Anhang
Bericht eines deutschen Pastors in Stockholm am
31. Mai 1942
I Die vielen Widerstandskreise in Deutschland, die vorher keine wirkliche Verbindung miteinander hatten, haben sich während des
letzten Winters zu aktiven Widerstandsgruppen kristallisiert, die jetzt als Zentren einer starken Widerstandsbewegung gegen das ganze Naziregime auf dem europäischen Kontinent eng zusam-
menarbeiten. Es gibt drei Haupt-Aktionsgruppen, die sich eindeutig darauf vorbereiten, das Naziregime zu stürzen und einen völligen Machtumschwung zustande zu bringen.
1. Wichtige Glieder der Heeresleitung und der zentralen Staatsverwaltung. (In der Armee schließt das sowohl Schlüsselmänner von der ober-
sten Heeresleitung — O.K.W. — für die Truppen an der Front, der Luftwaffe und Marine mit ein, als auch vom Oberkommando der Heimattruppen; ebenso umfaßt es in der Staatsverwaltung die Verbindungsmänner zu den staatlichen Polizeikräften, die sich
weithin in Opposition zur Gestapo befinden.) 2. Die Führer der früheren Gewerkschaften und andere aktive Verbindungsmänner zu großen Teilen der Arbeiterschaft.
(Durch ein Netzwerk letzten sechs Monate
von Schlüsselmännern,
das während
der
systematisch entwickelt wurde, überwachen
sie jetzt Schlüsselstellungen sowohl in den Hauptindustriegebieten wie auch in den Großstädten Berlin, Hamburg, Köln und überall ım Land.) 3. Die Führer der evangelischen Kirchen (unter Bischof Wurm) und der katholischen Kirche (Fuldaer Bischofskonferenz), die als
große Körperschaften und als Mittelpunkte des Widerstandes und des Wiederaufbaus zusammenwirken. Durch ihre enge Zusammenarbeit haben diese drei Haupt-Aktionsgruppen eine starke Widerstandsbewegung geschaffen, welche in einer gegebenen Lage durch ihre Kontrolle über weite Volks-
kreise, die jetzt bewaffnet sind und hinsichtlich der Arbeiterschaft zu ihrer Verfügung stehen, genügend Macht besitzen würde, um das gegenwärtige Regime zu stürzen.
Zu
Kapitel
VII
495
II
Die Führer dieser Schlüsselgruppen sind jetzt bereit, die nächste Gelegenheit zur Entfernung von Hitler, Himmler, Göring, Goeb-
bels, Ley und Co. zu ergreifen, und gleichzeitig mit ihnen würden die wichtigsten Leiter der Gestapo, der SS und der SA vernichtet werden, besonders in den besetzten Gebieten. Dieser Machtwechsel würde nicht zu der Errichtung einer Militärclique führen, die die ganze Lage kontrollierte, sondern zu der
Machtübernahme durch eine Regierung, die aus wichtigen Repräsentanten der drei Schlüsselgruppen zusammengesetzt sein würde,
und die dazu fähig und auch unbedingt bereit wäre, einen völligen Wechsel des gegenwärtigen Systems der Rechtlosigkeit und sozia-
len Ungerechtigkeit herbeizuführen. Ihr Programm wird von den folgenden Absichten bestimmt: 1. Eine deutsche Nation, von Recht und sozialer Gerechtigkeit geleitet, mit einem weiten Grad von verantwortlicher Selbstverwaltung in den verschiedenen Ländern. 2. Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Ordnung unter echt
sozialistischen Richtlinien und an Stelle einer selbstgenügsamen Autarkie eine enge Zusammenarbeit zwischen den freien Nationen; wobei ihre gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit die größtmögliche Sicherheit gegen reaktionären europäischen Militarismus bilden würde. 3. Ein europäischer Bund freier Staaten oder Nationen, einschließlich Großbritanniens, der mit anderen Staatengruppen eng zu-
sammenarbeiten würde. Dieser Bund freier europäischer Nationen, zu dem auch eine freie polnische und tschechische Nation gehört, müßte eine gemeinsame
Exekutive haben, unter der eine europäische Armee zur ständigen Ordnung europäischer Sicherheit geschaffen werden sollte. Die Grundlagen und Prinzipien des nationalen und sozialen Lebens innerhalb dieses Bundes freier europäischer Nationen sollten sich nach den fundamentalen Grundsätzen christlichen Glaubens
und Lebens neu ausrichten. III Die inneren Umstände für einen coup d’etat der Armee und der
übrigen vereinten Widerstandskräfte sind im Augenblick besonders günstig. Dieser Prozeß
einem Machtwechsel
entgegen
unter
496
Anhang
den oben erwähnten Richtlinien (siehe II) würde unterstützt und beschleunigt werden, wenn die Alliierten klarmachten, ob sie unter den angedeuteten Richtlinien zu einer europäischen Friedensregelung bereit wären.
Wenn die Alliierten‘ andererseits auf einem Kampf bis zur Entscheidung bestehen, so ist die deutsche Widerstandsbewegung mit
der deutschen Armee bereit, bis zum bitteren Ende weiterzukämpfen, trotz ihres Wunsches, das Naziregime zu beenden.
Im Falle eines Abkommens über eine europäische Friedensregelung, wie angedeutet, würde die Regierung der Opposition nach einem coup d’etat allmählich alle ihre Streitkräfte aus den besetzten und überfallenen Gebieten zurückziehen. Sie würde sofort ankündigen, daß sie die anerkannte Stellung des jüdischen Teils der Bevölkerung sogleich wiederherstellt, den ge-
stohlenen Besitz zurückgibt und mit allen anderen Nationen zu einer umfassenden Lösung des jüdischen Problems zusammenarbeiten will. Sie wäre bereit, einen vollen Anteil an den allgemeinen Bemühungen zum Wiederaufbau zerstörter oder durch den Krieg beschädigter Gebiete auf sich zu nehmen. Sie würde sogleich erklären, daß sie kein Interesse mehr an einer
weiteren Zusammenarbeit mit der japanischen Regierung und ihren Kriegszielen hat, sondern daß sie im Gegenteil bereit sei, ihre Streitkräfte und Kriegsmaterialien zur Verfügung zu stellen, um den Krieg im Fernen Osten zu beenden. Sie wäre bereit, an einer echten Lösung der Kolonialfrage mitzuarbeiten, unter den Richtlinien eines echten Mandatsystems, an dem alle Mitglieder der Europäischen Föderation teilnehmen sollten, zusammen mit allen anderen Nationen oder Staatenbünden,
die davon betroffen sind. Man erwartet, daß Vertreter der SS die Beseitigung Hitlers versuchen werden, um die Macht und die Herbeiführung eines Verhandlungsfriedens für sich sicherzustellen. Es wäre eine echte Unterstützung für den Beginn dieses Prozesses, der den Machtwechsel wie erwähnt herbeiführen soll, wenn man sie auf irgendeine Weise dazu ermutigte, mit ihren Plänen fortzufahren.
Es würde den Führern der Opposition helfen, alle anderen Kräfte des Heeres und der Nation zu mobilisieren und gegen Himmler und die SS-Leiter zu führen, gegen die Bitterkeit und Haß größer sind als gegen irgendeinen anderen.
Zu
Kapitel
VII
497
Anmerkung in bezug auf das russische Problem l. Die Oppositionsgruppen haben nicht die Absicht, Teile Rußlands zu erobern oder als Kolonialgebiet für Deutschland zu ge-
winnen. 2. Sie hoffen, daß es in Zukunft möglich sein werde, in wirklich friedlicher
Weise
mit Rußland
zusammenzuarbeiten,
besonders
auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. 3. Sie sind jedoch nicht davon überzeugt, daß die totalen Metho-
den einer revolutionären, grausamen Kriegsführung ohne sehr wirksame Garantien geändert werden würden, selbst wenn das totale Regime in Zentraleuropa vernichtet sein würde. 4. Sie würden den Aufbau einer Russisch-Orthodoxen Kirche durch eine Erneuerung des christlichen Glaubens in Rußland als eine echte allgemeine Grundlage ansehen, welche mehr als alles andere die Zusammenarbeit zwischen Rußland und der Europä-
ischen Föderation fördern würde.
den 1. Juni 1942 Sehr verehrter Herr Bischof!
Lassen Sie mich meine tiefe und aufrichtige Dankbarkeit für die Stunden aussprechen, die Sie mit mir verbracht haben. Es scheint mir noch immer wie ein Traum, Sie gesehen, zu Ihnen gesprochen
und Ihre Stimme gehört zu haben. Ich glaube, ich werde diese Tage unter den größten meines Lebens im Gedächtnis behalten. Dieser Geist des Miteinander
und christlicher Bruderschaft wird
mir durch die dunkelsten Stunden helfen, und selbst wenn die Dinge schlimmer kommen, als wir hoffen und erwarten, so wird der Schein
dieser wenigen
Tage in meinem
Herzen
nicht ver-
löschen. Die Eindrücke dieser Tage waren so überwältigend, daß ich sie nicht in Worte fassen kann. Ich bin beschämt, wenn ich an
Ihre Güte denke, und gleichzeitig bin ich voller Hoffnung für die Zukunft.
Gott sei mit Ihnen auf Ihrem Heimweg, bei Ihrer Arbeit und überall. Ich werde am Mittwoch an Sie denken. Bitte, beten Sie
für uns. Wir brauchen es.
In großer Dankbarkeit Dietrich
Zu $. 382
498
Anhang
The Bishop’s Lodging 22 The Droveway, Hove
Zu S. 383, 384
18. Juni 1942
Lieber Mr. Eden! Ich bin eben aus Schweden zurückgekommen. Ich bringe eine vertrauliche Information über Vorschläge einer großen Oppositionsbewegung in Deutschland, welche mir sehr wichtig zu sein scheint.
Zwei deutsche Pastoren (einer von ihnen ein intimer Freund), die mir beide seit zwölf oder mehr Jahren sehr gut bekannt sind, kamen eigens aus Berlin, um mich in Stockholm zu sehen. Die Be-
wegung hat die Unterstützung der Verantwortlichen aus beiden Kirchen, der protestantischen und der katholischen. Sie gaben mir ziemlich umfassende Einzelheiten, Namen von leitenden Personen
in der Zivilverwaltung, in der Arbeiterbewegung und der Armee, welche daran beteiligt sind. Die Beglaubigungen
dieser Pastoren
sind derart, daß ich von ihrer Integrität und von den Gefahren, die sie eingegangen sind, überzeugt bin. Ich sollte hinzufügen, daß ich in der britischen Gesandtschaft wohnte und Mr. Mallet alles
berichtet habe. Er hielt die Sache für wichtig genug, um zu rechtfertigen, daß ich Sie um einen Empfang bitte und Ihnen persön-
lich berichte, was mir die Pastoren sagten. Die Information liegt in der Linie des Memorandums, das Sie bereits sahen und welches
von Visser ’t Hooft vom Weltrat der Kirchen aus Genf gebracht war; es hatte mit von Trott zu tun,
Ich habe heute Mr. Warner von meiner schwedischen Reise berichtet und ihm einige Informationen zu dem Besuch der Pastoren gegeben. Auf seinen Vorschlag hin schreibe ich direkt an Sie, und
ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mich empfangen könnten. Ich werde meine Unterlagen mitbringen. Ich könnte am Sonnabend jederzeit kommen oder ab drei Uhr nachmittags am Montag. Von Dienstag bis Freitag habe ich einige Verpflichtungen,
die ich in
meiner Diözese nicht absagen kann. Ich weiß nicht, ob Sie am Wochenende in West Dean sein werden. Wenn das so ist, und es
sollte Ihnen passen, könnte ich leicht am Sonntag nach dem Tee kommen. Ihr sehr ergebener
George Cicestr
Zu Kapitel
VII
499
Persönlich und privat
Zu S. 384 Foreign-Office, S.W. 1
Lieber Herr Bischof!
17th July, 1942
Als Sie mich am 30. Juni besuchten, waren Sie so freundlich, mir eine Denkschrift über Ihre Unterhaltungen mit zwei deutschen Pastoren zu überlassen, die Sie Ende Mai in Stockholm getroffen
hatten, zusammen mit der Wiedergabe einer Darlegung von einem der Pastoren. Diese interessanten Dokumente sind nun aufs genaueste durchgeprüft worden. Ohne die ehrliche Überzeugung Ihrer Berichterstatter im geringsten zu beanstanden, habe ich keinerlei Zweifel,
daß es dem Interesse unserer Nation zuwider liefe, ihnen irgendwelche Antwort zukommen zu lassen. Ich weiß wohl, daß diese Entscheidung Sie etwas enttäuschen wird, aber angesichts der heiklen und damit verbundenen Umstände kann ich nicht anders als Sie bitten, diese hinzunehmen, was Sie sicher verstehen werden. Ihr ergebener Anthony Eden
25. Juli, 1942 Zu S. 384386 Lieber Mr. Eden! Vielen Dank für Ihren Brief vom 17. Juli. Es freut mich sehr, daß Sie nach genauester Prüfung der Dokumente, die ich Ihnen über-
ließ, den Eindruck haben, daß die ehrliche Überzeugung der beiden Pastoren nicht beanstandet werden kann. Ich muß mich natürlich
in Ihre Entscheidung schicken, daß es nicht im Interesse unserer Nation
wäre, den beiden Pastoren eine persönliche Antwort
zu
geben. Ich hoffe aber doch sehr, daß es Ihnen baldigst möglich sein wird, nachdrücklich und öffentlich zu erklären, daß die britische
Regierung (und die Alliierten) nicht den Wunsch hat, ein Deutschland zu versklaven, welches Hitler, Himmler und ihre Mitschuldi-
gen beseitigt hat. Ich habe vielerorts in Schweden, ganz abgesehen von den Aussagen der beiden Pastoren, Beweise dafür gefunden, daß zwischen den eigentlichen Nazis und einer sehr großen Anzahl anderer Deutscher scharf unterschieden wird. Gerade diese Unter-
scheidung (und ihre Folgen) von seiten der britischen Regierung wird von der Widerstandsbewegung so sehnlich erwartet. Ihre Nottinghamer Rede habe ich mit großer Aufmerksamkeit und
500
Anhang
starker Anteilnahme gelesen. Ich weiß alles sehr wohl zu schätzen, was Sie über unseren festen Vorsatz sagen, gegen die Diktatorenmächte weiterzukämpfen, bis sie alle endgültig entwaffnet sind und ihnen die Macht genommen ist, der Menschheit weiteren Schaden zuzufügen. Auch würdige ich völlig Ihre Worte über die jüngst verübten Greueltaten und Ihre Darlegung, daß diese Greuel-
taten als bewußte Politik der deutschen Regierung anzusehen sind, sowie Ihren erklärten Entschluß, volle und unerbittliche Vergeltung zu fordern. Alle diese Worte haben augenscheinlich den Zweck, anf die Konsequenzen des festen britischen Entschlusses hinzuweisen, auf keinerlei Verhandlungen mit den Nazis einzugehen. Wenn Sie
aber bei irgendeiner passenden Gelegenheit deutlich erklären könnten, daß die unerbittliche Vergeltungsstrafe nicht für diejenigen in Deutschland gemeint sein soll, die gegen die deutsche Regierung eingestellt sind, die das Nazisystem ablehnen und von deren Ver-
brechen aufs tiefste beschämt sind, so würde dies sicher eine starke und ermutigende Wirkung auf den Geist der Widerstandsbewegung haben. Ich kann mir die Worte nicht aus dem Sinn schlagen, die der norwegische Minister in einer Privatunterhaltung mit mir gebrauchte, in bezug auf die Realität der deutschen Widerstandsbewegung. Diese, sagte er, haßt Hitler, sieht aber nicht, daß die Alliierten irgendwelche Hoffnung durchblicken lassen auf bessere
Behandlung der Antinazis als der Nazis. „Entweder dieses (d.h. Hitler) oder Sklaverei. Dieses hassen wir, aber wir ziehen es der Sklaverei vor.“ Und ich habe gesehen, daß Goebbels gerade eben seine Propaganda an der Heimatfront durch die Behauptung ver-
stärkt hat, die Alliierten seien fest entschlossen, Deutschland zu vernichten. Ich halte Lord Vansittart’s Politik nicht für die Politik der britischen Regierung. Solange aber die britische Regierung ver-
säumt, diese abzulehnen, oder klar verlauten läßt, daß diejenigen, die Hitler Widerstand leisten, von uns besser behandelt werden sollen als Hitler, Himmler und seine Helfershelfer, ist es nicht
verwunderlich, daß die Widerstandsbewegung glaubt, Vansittart’s Politik behaupte das Feld.
in Deutschland
In seiner Rede als Premierminister im Unterhaus am 13. Mai 1940 hat Mr. Churchill gesagt, es sei unsere Politik, „Krieg zu führen
gegen eine schändliche T’yrannei, die in dem düsteren und erbärmlichen Verzeichnis menschlicher Verbrechen niemals überstiegen worden
ist“, und daß es unser Ziel sei „Sieg, es koste, was es
wolle“. Wenn es Menschen in Deutschland gibt, die ebenfalls bereit sind, diese schändliche T'yrannei im Lande selbst zu bekämpfen, ist
Zu
Kapitel
VII
501
es dann recht, sie zu entmutigen oder zu ignorieren? Können wir es uns leisten, ihre Hilfe bei der Erlangung unseres Zieles abzuweisen? Eben dies tun wir aber tatsächlich, wenn wie sie durch unser Stillschweigen bei dem Glauben lassen, es bestehe keine
Hoffnung für irgendein Deutschland, ob für oder gegen Hitler. Ihr aufrichtig ergebener George Cicestr
Foreign-Office, S.W.1
Vertraulich
den 4. August 1942
Mein lieber Herr Bischof! Vielen Dank für Ihren Brief vom 25. Juli über das deutsche Problem. Ich bin mir der Wichtigkeit dessen, was Sie sagen, völlig
bewußt, daß nämlich
keinerlei
Widerstandselemente
gegen das
Nazisystem in Deutschland entmutigt werden sollten. Sie werden sich erinnern, daß ich in meiner Rede am 8. Mai in Edinburg
Deutschland einen längeren Abschnitt einräumte und zum Schluß sagte, wenn irgend ein Teil des deutschen Volkes wirklich wieder zu einem Staat zurückzukehren wünsche, der auf Achtung vor dem Gesetz und dem Recht des Einzelnen begründet ist, so müßten diese Leute begreifen, daß ihnen solange niemand glauben wird,
bis sie aktive Schritte getan haben, ihr gegenwärtiges System zu beseitigen. Momentan
halte ich es nicht für ratsam, mehr als das öffentlich
auszusprechen. Ich weiß wohl, welchen Gefahren und Schwierigkeiten die Widerstandsbewegung in Deutschland ausgesetzt ist, aber diese hat bis jetzt noch wenig Beweise gegeben, daß sie überhaupt existiert, und bis diese Leute zeigen, daß sie bereit sind, dem Beispiel der unterdrückten Völker Europas zu folgen und sich Ge-
fahren auszusetzen
und aktive Schritte zu tun, um die Nazi-
schreckensherrschaft
zu stürzen,
sehe ich nicht, was
es fruchten
würde, die Aussagen über Deutschland, welche Mitglieder der Regierung schon gemacht haben, zu erweitern. Meiner Meinung nach haben diese Aussagen klar dargelegt, daß wir nicht die Ab-
sicht haben, Deutschland einen Platz in dem zukünftigen Europa zu verweigern, daß aber die Verantwortung des deutschen Volkes
Zu S. 386, 387
502
Anhang
für die Verbrechen, die die Naziregierung in seinem Namen verübt, um so größer wird, je länger das Volk das Nazisystem duldet. Ihr ergebener
Anthony Eden
The Bishop’s Lodging 22, The Droveway
Zu S. 387, 388 Privat
Hove, Sussex
den 17. August 1942 Lieber Mr. Eden! Recht vielen Dank für Ihren Brief vom 4. August über das deutsche Problem, der mir nach Schottland nachgeschickt worden ist. Ihre Worte, daß Sie sich bewußt sind, wie wichtig es ist, irgend-
welche Widerstandselemente gegen das Nazisystem in Deutschland nicht zu entmutigen, sowie Ihr Hinweis auf die sehr wichtige Rede, die Sie am 8. Mai in Edinburg hielten, würdige ich sehr. Ebenfalls
erkenne ich, wie schwerwiegend Ihre Ausführungen sind, daß nämlich die Opposition in Deutschland bereit sein müsse, sich eben den Gefahren auszusetzen, die die unterdrückten Völker Europas laufen. Die deutsche Opposition würde Ihnen wahrscheinlich antworten, daß hier ein Unterschied besteht angesichts der Tatsache, daß den
unterdrückten Völkern von den Alliierten Befreiung versprochen worden
ist, während
man
Deutschland
nicht gerade diese ver-
sprochen hat. Zur gleichen Zeit sehe ich durchaus ein, wie nötig es ist, den Grundsatz zu unterstreichen, daß die Opposition selbst ihr
Teil an dem Widerstand gegen die Naziregierung und deren Umsturz übernehmen muß. Bestimmt empfinden die Pastoren und ihre Freunde lebhaft, wie ernst die Art der Verantwortung ist, die auf dem deutschen Volk für die Verbrechen, die die Nazis in seinem Namen verüben, lastet. Die Hoffnung auf eine Rückkehr nach dem Umsturz der Nazis zu einem Staat, der auf Achtung vor dem Gesetz und dem Recht des
Einzelnen begründet ist, sowie auf einen Platz für ein verändertes Deutschland im zukünftigen Europa, sollte ein mächtiger Faktor sein, daß sich die Widerstandsbewegung immer deutlicher zu erkennen gibt. Ihr ergebener George Cicestr
Zu
Kapitel
VII
503
den 28. August 1942
Sehr verehrter Herr Bischof!
Zu S. 389
Ich habe gerade einen Brief von meiner Schwester bekommen, worin sie mir mitteilt, daß sie Sie nach Ihrer langen Reise gesehen hat. Ich bin so froh, zu wissen, daß Sie sicher heimgekehrt sind und daß Sie meine Verwandten schon getroffen haben. Seit ich
Ihnen zuletzt schrieb, hat sich hier nicht viel verändert. Die Dinge laufen, wie ich es erwartet hatte. Aber die Länge der Zeit geht einem natürlich manchmal auf die Nerven. Ich bin noch immer voller Hoffnung, daß der Tag nicht allzu fern ist, an dem der böse Traum vorüber ist und wir uns wiedersehen werden. Die Aufgabe, die dann vor uns liegt, wird größer sein als je zuvor. Aber ich hoffe, wir werden dafür gerüstet sein. Ich wäre glücklich, bald von Ihnen zu hören. Mittwoch ist für viele meiner Freunde
der Tag der ökumenischen Fürbitte geworden. Martin und die anderen Freunde lassen Sie alle grüßen und sagen Ihnen Dank. Bitte, grüßen Sie die Familie meiner Schwester.
In aufrichtiger Dankbarkeit bin ich immer Ihr
Dietrich
Die Hintergründe der Hitlerverschwörung
Zu S. 390—398
Der Zweck dieses Artikels ist, aus persönlicher Kenntnis der Dinge
Bericht über ein frühes Stadium der Verschwörung zur Vernichtung Hitlers am 20. Juli 1944 zu geben. Um der Gerechtigkeit willen schreibe ich diese Tatsachen jetzt nach Kriegsende nieder, um die Aufmerksamkeit auf das Vorhandensein und die Zusammensetzung einer starken anti-nationalsozialistischen Bewegung zu lenken, die hinter der Verschwörung stand. Im Mai 1942 begab ich mich auf Veranlassung des Informationsministeriums nach Stockholm, um die Verbindungen zwischen schwedischen und englischen Kirchenmännern zu erneuern, Ich
hatte keine Veranlassung zu erwarten, daß ich Deutsche dort treffen würde. Zu meiner großen Überraschung berichtete mir ein schwedischer
Freund
am
26.Mai
am
Ende
einer Konferenz
in
Stockholm, daß Dr.Hans Schönfeld aus Berlin eingetroffen sei und mich zu sprechen wünsche. Ich kannte Dr. Schönfeld seit vielen Jahren recht gut, zunächst in meiner Eigenschaft als Mitglied des Christlichen Weltrats für Life and Work, dessen Präsident ich
504
gewesen
Anhang
war,
dann
als Direktor
der Forschungsabteilung
des
Weltkirchenrates in Genf. Als deutscher Pastor, der außerhalb Deutschlands für den Weltkirchenrat arbeitete, hatte man ihn
darum ersucht, mit dem Büro der Deutschen Evangelischen Kirche, das mit auswärtigen Fragen zu tun hatte, in Fühlung zu bleiben. Der Leiter dieses Büros war Bischof Heckel, zu dessen Mitarbeitern Dr. Gerstenmaier gehörte. Und hier ist eine Warnung ange-
bracht. Innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche bestand eine scharfe Spaltung zwischen jenen, die dem Hitlerregime entschiedenen Widerstand leisteten und die Bekennende Kirche formten und jenen, die das Regime unterstützten oder wenigstens dul-
deten. Bischof Heckel gehörte zu den letzteren und war von dem berüchtigten Reichsbischof Ludwig Müller ernannt worden. Diese Tatsache an sich erschwerte Dr. Schönfelds Stellung, trotz seines eigenen persönlichen Mutes und seiner Sympathie für die Bekennende Kirche.
Ich traf Dr. Schönfeld in Begleitung von ein oder zwei schwedischen Freunden. Er befand sich in einem Zustand beträchtlicher Spannung. Nachdem er mir Einzelheiten über die vom Weltkirchenrat
für die Kriegsgefangenen
geleistete Arbeit mitgeteilt
hatte, sprach er über sein wirkliches Thema. Er sagte, er sei gekommen, um mich über eine starke deutsche Widerstandsbewegung gegen Hitler zu unterrichten, die sich seit einiger Zeit entwickelt hatte und die bereits vor dem Kriege bestand. Der Krieg gab ihr
dann eine Gelegenheit, die jetzt darauf wartete, ausgenutzt zu werden. Er berichtete mir, daß die Opposition aus drei Hauptelementen zusammengesetzt ist: I. Aus Staatsbeamten oder früheren Staatsbeamten. II. Aus einer großen Anzahl früherer Gewerkschaftler, zu denen
die Führer der früheren Gewerkschaften und andere aktive Verbindungsmänner in großen Teilen der Arbeiterschaft gehören. Wie er es in einem Memorandum ausdrückte, das er mir später auf mein Verlangen hin gab, kontrollieren sie „durch ein Netzwerk von Schlüsselmännern, das während der letzten sechs Monate sy-
stematisch entwickelt wurde, Schlüsselstellungen in den Hauptindustriezentren
und
ebenfalls
in den Großstädten
wie Berlin,
Hamburg, Köln und überall im Lande“. III. Aus höheren Offizieren der Armee und der Staatspolizei. Die Offiziere der Armee schlossen „Schlüsselmänner im Oberkommando
der Wehrmacht für die Fronttruppen, für die Flotte und die Luft-
Zu
Kapitel
VII
505
waffe und ebenfalls im Zentralkommando der Heimattruppen mit ein“.
Er erklärte, daß die Führer der protestantischen und katholischen Kirchen ebenfalls mit der ganzen Widerstandsbewegung in engster Verbindung ständen; und er erzählte mir von dem entschlossenen Kampf,
den die Bekennende
lische Kirche zur Verteidigung
Kirche wie auch die Katho-
der Menschenrechte
aufgenom-
men hätten und von den leidenschaftlichen Protesten, die Bischof Wurm von Württemberg für die Bekennende Kirche und Bischof
von Preysing, der katholische Bischof von Berlin, gegen den Angriff der Naziregierung auf Freiheit und Recht erhoben hätten. Diese drei Hauptgruppen hätten genügend Macht, das Naziregime zu stürzen, wenn sich eine Gelegenheit bieten sollte, Es waren bereits ausgedehnte Vorbereitungen getroffen worden. Im Dezember 1941 schien sich bereits eine Gelegenheit zur Vernichtung Hit-
lers zu bieten, als sich viele Offiziere weigerten, den Kampf in Rußland
allgemeine
weiterzuführen.
Entwicklung
Aber damals
im letzten
fehlte die Führung. Die
Winter
hatte den Leuten
jedoch die Augen geöffnet. Hitlers letzte Reichstagsrede vom 26. April 1942, in der er für sich das Recht beanspruchte, über allen Gesetzen zu stehen, hatte dem deutschen Volk deutlicher als je zuvor die völlige Gesetzlosigkeit des Regimes gezeigt.
Der Zweck der Widerstandsbewegung, so sagte er, sei die völlige Vernichtung des ganzen Hitlerregimes, einschließlich Himmlers, Görings, Goebbels’ und der zentralen Führer der Gestapo, der SS und der SA und die Errichtung einer aus starken Vertretern der oben erwähnten Hauptgruppen zusammengesetzten Regierung an seiner Statt, mit folgendem Programm (zitiert nach Dr. Schönfelds
Memorandum): 1. „Eine von Gesetz und sozialer Gerechtigkeit geleitete deutsche Nation, mit einem weiten Ausmaß von Selbstverwaltung in den verschiedenen Hauptprovinzen.
2. Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Ordnung auf wahrhaft sozialistischer Grundlage, an Stelle einer selbstgenügsamen Autokratie; und eine enge Zusammenarbeit zwischen freien Nationen, wobei ihre wirtschaftliche gegenseitige Abhängig-
keit die stärkste
Garantie
gegen
autokratisch-reaktionären
europäischen Militarismus bilden würde. 3. Ein Bund freier europäischer Staaten oder Nationen, einschließlich Großbritanniens, der aufs engste mit anderen Staatenbünden zusammenarbeiten würde.
506
Anhang
Dieser Bund freier europäischer Nationen, dem eine freie polnische und eine freie tschechische Nation angehören würden, müßte eine gemeinsame Exekutive besitzen, unter deren Autorität eine europäische Armee für die dauernde Ordnung der europäischen Sicherheit geschaffen werden sollte. Die grundlegenden Prinzipien des nationalen und sozialen Lebens inner-
halb dieses Bundes freier europäischer Nationen sollten nach grundlegenden Prinzipien neu ausgerichtet werden.“
christlichen
Glaubens
und
Lebens
Er fügte hinzu, daß eine von diesen Grundsätzen geleitete Regierung die Nürnberger Gesetze widerrufen und den gestohlenen Besitztümer zurückerstatten würde. Sie Beziehungen zu Japan abbrechen. Sie würde auch einen vollen Anteil an den gemeinsamen Bemühungen deraufbau der zerstörten oder vom Krieg beschädigten
Juden ihre würde die bereit sein, zum WieGebiete zu
übernehmen; denn viele Deutsche seien davon überzeugt, daß sie viel zu opfern hätten, um für den in besetzten Gebieten angerichteten Schaden zu sühnen. Aber — und das sei der Kern der Frage — bevor irgend etwas anderes unternommen werden könne, müsse Hitler beseitigt werden; und die Armee sei die einzige Macht, die das zustandebringen könne. Möglicherweise würde es zwei Stadien bei dieser Beseitigung geben:
I. Ein Aufstand innerhalb der Nazipartei, bei dem Himmler und die SS ermutigt werden könnten, Hitler zu vernichten; II. die Mobilisierung aller anderen Kräfte im Heer und in der Nation gegen Himmler und die SS-Führer, die mehr als alle anderen gehaßt werden, diesmal durch die Widerstandsbewegung. Dr. Schönfeld wollte im Auftrag der Widerstandsbewegung erfahren, ob die britische Regierung einen solchen Aufstand gegen Hitler unterstützen würde und ob sie im Falle eines Erfolges bereit sein würde, mit einer neuen deutschen .anti-nationalsozialistischen Regierung zu verhandeln. Der Versuch einer Vernichtung Hitlers, Himmlers und des ganzen Regimes bringe eine ungeheure Gefahr mit sich; darum sei es außerordentlich wichtig, zu erfahren,
ob die Haltung
der Alliierten
einem
von
Hitler
gereinigten
Deutschland gegenüber sich von ihrer Haltung gegenüber HitlerDeutschland unterscheiden würde. Die Alternative scheine in weiterer Zerstörung, Chaos und zunehmendem Nihilismus zu liegen,
falls der Krieg seinen Fortgang nähme. Ich traf Dr. Schönfeld
Zu
507
am
Widerstandes
der Kirche gegen Hitler und gab Beispiele für den
Widerstand
angriffe, zum
Wieder
VII
noch einmal wirksamen
29.Mai.
Kapitel
betonte er die Realität des
der Bekennenden
Kirche
Beispiel die Niederlage Bormanns
gegen
Nazi-
bei seinen Ver-
suchen, im Jahre 1941 die Kirche in Vereinigungen aufzulösen und den Erfolg Bischof Wurms und anderer, sich der Euthanasie in protestantischen Institutionen zu widersetzen. Bei dieser Gelegenheit widmete Dr. Schönfeld den größten Teil unseres Gespräches der Feststellung dessen, was die Kirche getan hatte, wobei er auf die Notwendigkeit einer christlichen Regierungsgrundlage und auf die Bedeutung der kirchlichen Opposition in Holland
und Norwegen in ihrer Rückwirkung auf Deutschland hinwies. Am Trinitatissonntag, dem 31. Mai, begab ich mich nach Sigtuna, einer kleinen Stadt mit einem berühmten Erziehungsheim, viele Meilen von Stockholm entfernt. Dort geschah etwas Außerordent-
liches. Ein zweiter deutscher Pastor traf ein, geradeswegs
aus
Berlin, um mich zu sprechen. Es war Pastor Dietrich Bonhoeffer. Um ihm seine Reise zu ermöglichen, hatte man ihm als Kurier eine diplomatische Botschaft übertragen. Nach meiner festen Überzeugung wußten weder Dr. Schönfeld noch Pastor Bonhoeffer, daß der andere kommen sollte oder schon gekommen war, obwohl
beide einen ähnlichen Auftrag hatten. Bonhoeffers Kommen war für mich von tiefer Bedeutung. Ich habe bereits auf die Schwierigkeit von Schönfelds Position wegen seiner Verbindung mit Bischof Heckel hingewiesen, während andererseits alle jene, die ihn während des Krieges getroffen hatten, nicht sicher waren, wieweit seine Schilderung über die Handlungen und über die möglichen Unternehmungen der Kirche von seinen eigenen Wünschen gefärbt war. Aber über Bonhoeffer konnte es nur eine Meinung geben. Ich hatte ihn neun Jahre lang seit 1933 sehr gut gekannt. Er war ein kompromißloser Nazigegner, eine der Haupttriebfedern der Kirchenopposition, der das volle Vertrauen der Leiter der Bekennen-
nenden Kirche besaß und bei Bischof Heckel und allen anderen Mitläufern und Anhängern des Naziregimes sehr unbeliebt war. Ein unterirdisch geführtes Seminar der Bekennenden Kirche, dessen Leiter er war, war zweimal von den Nazis aufgelöst worden. Seit 1940 hatte ihm die Gestapo das Reden und Predigen ver-
boten. Seit 1941 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt arbeitete er am Tage für die Bruderräte der Bekennenden Kirche, und bei Nacht war er in politische Tätigkeiten verwickelt. Als er kam und mir
ganz unabhängig (denn ich sprach ihn längere Zeit allein in Sig-
508
Anhang
tuna, bevor Schönfeld eintraf) bestätigte, was Schönfeld mir mitgeteilt hatte, war es unmöglich, noch länger Zweifel an der Wirklichkeit des Planes zu hegen. Während ich mit Bonhoeffer allein war, fragte ich ihn ganz im Vertrauen, ob er mi? die Namen der Hauptverschwörer nennen könne. Er gab sie mir sofort. Er sagte, die wichtigsten Männer in dieser Verschwörung wären Generaloberst Beck, Generalstabschef vor der österreichischen Krise von 1938; er besaß Vertrauen in
der Armee, war ein Christ und konservativ eingestellt und stand mit den Gewerkschaftsführern in Verbindung; ferner Generaloberst von Hammerstein, Chef der Heeresleitung bei Hitlers Machtergreifung, etwas älter und ein überzeugter Christ; Karl Goerde-
ler, früherer Oberbürgermeister von Leipzig und Ex-Reichskommissar für Preiskontrolle, der bei Beamtenkreisen in hohem Ansehen stand und ein Leiter der Zivilen Front war; Wilhelm Leuschner, Vorsitzender der Vereinigten Gewerschaften vor ihrer
Auflösung; und endlich Jakob Kaiser, Leiter der katholischen Gewerkschaften. Beck und Goerdeler waren die Hauptpersonen der Verschwörung. Wenn unter ihrer Leitung eine Bewegung zustande kommen sollte, so konnte sie nach Bonhoeffers Ansicht als ver-
trauenswürdig angesehen werden. In jedem Ministerium gab es eine Organisation, die die Widerstandsbewegung vertrat, und sie hatte Beamte in allen größeren Städten; außerdem gehörten ihr Generäle an oder Offiziere in der nächsten Umgebung der Generäle, überall in den Kommandos
der Heimattruppen. Er erwähnte zum Beispiel von Kluge und von Witzleben. Als er mir diese Tatsachen erzählte, konnte ich erkennen, daß er
sehr betrübt darüber war, daß sich die Dinge in Deutschland so entwickelt hätten und daß eine derartige Aktion nötig geworden war. Er sagte, er habe manchmal das Gefühl: „Ach, wir müssen
bestraft werden.“ Später am Nachmittag kam Schönfeld dazu, Er fügte zu seinen vorigen Aussagen noch einige Einzelheiten hinzu, aber alles im gleichen Sinne. Der Gewaltstreich sollte während zwei oder drei Tagen durchgeführt werden. Nicht nur in den Ministerien, sondern auch in allen öffentlichen Dienststellen, ein-
schließlich der Gasversorgung und des Rundfunks, befanden sich Schlüsselmänner der Widerstandsbewegung, enge Verbindung zu der Staatspolizei. Wenn ierten sich für das Schicksal von Millionen setzten Ländern verantwortlich fühlten, so
und es bestand eine die Führer der AlliMenschen in den behoffe er (Schönfeld),
Zu
Kapitel
VII
509
daß sie auch Mittel zur Verhinderung größerer Verbrechen gegen diese Völker in Erwägung ziehen würden. Im Laufe unserer Unterredung erklärte ich Schönfeld und Bonhoeffer, daß ich mich verpflichtet fühle, den britischen Gesandten in Stockholm, Mr. Victor Mallet, über ihre Aussagen zu unterrichten. Ich hatte ihn
auch schon über das vorige Gespräch informiert; und auf seinen Rat hin machte ich sie darauf aufmerksam, daß sie sich nicht allzu große Hoffnungen auf eine günstige Aufnahme von seiten der Regierung machen sollten, und daß auch die Russen und Amerikaner hinzugezogen werden müßten. Das verstanden sie. Aber ich versprach, mein Bestes zu tun, um der britischen Regierung
alle ihre Aussagen klar darzustellen. Wir hatten dann noch eine weitere Unterhaltung
über die verschiedenen Aspekte der Lage.
In Beziehung auf Rußland erwähnte Schönfeld, daß die deutsche Armee damals tausend Meilen russischen Gebietes besetzt hielte und daß man hoffe, Stalin in der Grenzfrage zufriedenzustellen und daß hohe deutsche Offiziere von der sowjetischen Elite sehr beeindruckt wären und an die Möglichkeit eines Übereinkommens glaubten. Nachdem
Schönfeld
über
diese
und
andere
Fragen
gesprochen
hatte, griff Bonhoeffer ein. Er war offensichtlich tief bekümmert darüber,
schwörung
wie weit ihn der Zwang
zur
Vernichtung
der Umstände
des Hitlerregimes
in die Ver-
hineingetrieben
hatte. Das christliche Gewissen, sagte er, könne bei den Gedanken-
gängen Schönfelds nicht ganz ruhig bleiben. „Die Strafe muß von Gott kommen. Wir würden einer solchen Lösung nicht würdig sein. Wir wollen der Buße nicht entfliehen. Unsere Handlung muß
als ein Sühneakt verstanden werden.“
Ich unterstrich die Not-
wendigkeit, Deutschlands Buße zum Ausdruck zu bringen, und das wurde angenommen. Ich sprach auch von der Wichtigkeit einer Besetzung Berlins durch die alliierten Truppen. Schönfeld
stimmte zu, daß eine derartige Besetzung eine große Hilfe bei der Ausübung von Kontrollmaßnahmen
sein würde.
Um es zusammenzufassen, die Widerstandsbewegung wollte Antwort auf die folgenden Fragen erhalten:
1. Würden die Alliierten Regierungen nach dem Sturz des Hitlerregimes bereit sein, mit einer deutschen Regierung bona fide wegen einer wie oben beschriebenen Friedensregelung zu verhan-
deln, die den Rückzug aller deutschen Streitkräfte aus den besetzten Ländern und Schadenersatzzahlungen einschlösse, und wür-
510
Anhang
den sie das einem bevollmächtigten Vertreter der Widerstandsbewegung im Geheimen mitteilen? Oder
2. Könnten die Alliierten in den klarsten Worten eine öffentliche Erklärung ähnlichen Inhalts abgeben? Vor Beendigung unserer Unterredung besprachen wir Mittel und Wege, um Schönfeld und Bonhoeffer die Haltung der britischen Regierung zu diesen Fragen wissen zu lassen; einer der Vorschläge
lautete, daß Adam von Trott als Mittelsperson dienen sollte, falls weitere Aufklärung gewünscht wurde. Am nächsten Tag hatte ich
eine kurze Schlußunterredung mit Bonhoeffer, bevor er nach Berlin zurückfuhr. Bei meiner Rückkehr nach London sprach ich am 30. Juni mit Mr. Eden und gab ihm mündlich einen ausführlichen Bericht über die Unterredungen. Außerdem übergab ich ihm ein ausführliches schriftliches Memorandum (einschließlich Schönfelds Erklärung), das die Hauptpunkte zusammen mit den Namen der Führer der Verschwörung darlegte. Er hörte aufmerksam zu. Er erklärte, daß
einige der von Bonhoeffer genannten Namen dem Foreign Office bekannt seien. Andere Mitteilungen oder Versuche zu Friedensgesprächen hätten ihn aus anderen neutralen Ländern erreicht.
Aber er unterstrich, daß er sehr vorsichtig sein müsse, nicht einmal den Anschein zu erwecken, daß er getrennt von den Russen und Amerikanern Verhandlungen beginnen wolle. Er versprach jedoch, das Memorandum gründlich zu erwägen und später zu schreiben. Er schrieb am 17. Juli und teilte mir mit, daß man nach gründlichen Überlegungen entschieden hätte, nichts weiter zu unter-
nehmen. Zum Schluß möchte ich noch ein Wort der Erklärung hinzufügen. Zur rechten Zeit erfuhren die Pastoren auf dem Wege über Genf, daß die britische Regierung zu keiner Handlung bereit sei. Inzwischen habe ich von der großen Enttäuschung gehört, mit der diese Nachricht aufgenommen wurde. Aber es ist nicht der Zweck dieses Berichtes, ein Urteil über die Entscheidung der Regierung abzugeben. Meine einzige Absicht ist es, die Aufmerksamkeit auf
zwei Tatsachen zu lenken. Erstens kann die allgemeine Ansicht, daß die Verschwörung des 20. Juli 1944 ein Komplott der Militaristen war oder (wie Mr.
Churchill es am 2. August 1944 im House of Commons ausdrückte) einfach eine Angelegenheit, bei der die höchsten Persönlichkeiten des deutschen Reiches sich gegenseitig mordeten, nicht aufrechterhalten
Zu
Kapitel
VII
511
werden. Die Sache ist viel verwickelter. Die beiden Annäherungs-
versuche zweier Pastoren, die unabhängig voneinander zu mir kamen, warfen ein Licht auf das, was man die zwei Richtungen in der Widerstandsbewegung nennen könnte. Die erste Richtung bestand aus sehr verschiedenen Personen, mit verschiedenen Motiven, die durch den gemeinsamen Beschluß, Hitler zu vernichten, zusammengehalten wurden. Ein Artikel von Dr. E. Gerstenmaier
in der Neuen Zürcher Zeitung vom 23. Juni 1945 mit seiner Bezugnahme auf Schönfeld als seinem Bindeglied zu anderen Ländern beschreibt dessen Verbindung mit dieser Richtung. Die zweite Richtung bestand aus all jenen, die in ihrer Verwerfung alles dessen, wofür Hitler und die Nazis im allgemeinen eintraten, voll-
kommen
kompromißlos
waren
und die sich dem Regime von
einem entschieden christlichen, liberalen oder demokratischen Standpunkt aus widersetzten. Sie können mit Recht die Verteidiger europäischer Tradition in Deutschland genannt werden. Bei der sehr verwickelten deutschen Lage waren beide Richtungen eng miteinander verbunden. Für beide Richtungen der Widerstandsbewegung war die Armee für den Erfolg unbedingt notwendig; denn außer ihr gab es keine Macht, die das Regime vernichten könnte. Zweitens stimmt auch die ebenso weit verbreitete Ansicht, daß die Verschwörung das Werk von Männern war, die 1942 bereits erkannt hatten, daß sie den Krieg verlieren würden, nicht mit den festgestellten Tatsachen überein. Ich habe dargelegt, wie
die Hitlerverschwörung
spätestens im Winter
vorbereitet wurde, als die Deutschen
von
1941—1942
1000 Meilen russischen Ge-
bietes besetzt hielten und als fast ganz Europa von ihnen eingenommen worden war. Tatsächlich gehen die Anfänge der Verschwörung bis auf 1940 zurück. Bonhoeffer begann zum Beispiel seine politische Tätigkeit mit seinen Freunden (besonders Dr. von Dohnanyi) bei Ausbruch des Krieges. Wir wissen um die Verzweiflung, die alle ergriff, die im Juli und August 1940 an Umsturzbewegungen beteiligt waren. Wir wissen um ein Treffen, das zu jener Zeit abgehalten wurde, und auf dem vorgeschlagen wurde, weitere Unternehmungen aufzuschieben, um zu vermeiden, daß Hitler im Falle seines Todes zu einer Märtyrergestalt werden würde. Bonhoeffers Erwiderung war entscheidend: „Wenn wir Christen sein wollen, gibt es keinen Raum für Notbehelfe. Hitler ist der Antichrist. Deshalb müssen wir unsere Aufgabe weiterführen und ihn vernichten, gleichgültig ob er erfolgreich ist oder
nicht.“
512
Anhang
So ist es klar, daß eine starke Nazi-Widerstandsbewegung
be-
stand, wie verschiedenartig sie auch zusammengesetzt sein mochte. Und die spätere Bildung eines Freien Deutschen Komitees in Moskau zeigt, daß die Sowjetregierung um ihr Bestehen wußte. Es ist
unmöglich, zu sagen, ob die Verschwörung gelungen sein würde, wenn die Alliierten sie 1942 begünstigt hätten. Wenn sie erfolgreich gewesen wäre, hätte das gewiß den Krieg verkürzt und das
Ausmaß der Leiden verringert. Aber die Tatsache verdient Erwähnung, daß diejenigen, deren Namen 1942 als Führer angegeben wurden, nämlich Beck, Goerdeler und andere, auch 1944 die Führer waren. Es ist auch angebracht, daran zu erinnern, daß es nicht das erste Mal war, daß Beck und Goerdeler die britische Regierung von ihrem Widerstand gegen Hitler unterrichteten. Goerdeler kam
im Sommer 1938 nach London und nochmals im Jahre 1939 und informierte
das Auswärtige
Amt
(Foreign
Office) über Hitlers
Vorsatz, einen Krieg zu führen und warnte sie, daß eine unbeugsame Haltung gegen Hitler und stete Wachsamkeit der einzige Weg zu einer Verhinderung des Krieges sei. Beck, Goerdeler, Leuschner, Witzleben und Adam von Trott bezahlten alle das Mißlingen der Verschwörung mit ihrem Leben. Nach Schätzungen (im Jahresregister für 1944) wurden insgesamt 20000 Personen hingerichtet, darunter auch Frauen. Eines der letzten Opfer war Dietrich Bonhoeffer. Obwohl er sich am 20. Juli 1944 im Gefäng-
nis befand, wurde er am 9. April 1945 nach zweijährigem Märtyrertum im Gefängnis von der SS im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. Im gleichen Monat wurden sein Bruder Klaus und sein Schwager Dr. R. Schleicher in Berlin ermordet, sein Schwager
Dr. H. von Dohnanyi in Sachsenhausen; sie alle starben für ihre Teilnahme an der Verschwörung.
Sie sind alle tot. Aber ihr Zeugnis lebt weiter. Von den Überlebenden
dieser Widerstandsbewegung
in allen Teilen
Deutsch-
lands, deren Zeugnis beweiskräftig ist und von allen anderen, ob innerhalb oder außerhalb der Kirche, die von liberalen und huma-
nitären Idealen und von einer wahren Liebe für ihr Vaterland durchdrungen sind, zusammen mit gleichgesinnten anderen Ländern, wird die geistige Wiedergeburt
Menschen in Deutschlands
und die Gesundung Europas abhängen. George Cicestr
Zu Kapitel VII
513
Die Kirche und die Widerstandsbewegung
we
Zu S. 399—413
Ich spreche heute abend über eine Episode während des zweiten Weltkrieges, in die zwei deutsche Pastoren und ich tief verwickelt
gewesen sind. Ich glaube, sie ist von außergewöhnlicher Bedeutung. Sie zeigt nicht nur, was zwei tapfere Pastoren zu tun bereit waren, indem sie ihr Leben im Widerstand gegen Hitler aufs Spiel setzten, weil sie Christen waren; sie zeigt auch, daß nach ihrer Ansicht die christliche Kirche ein solches besonderes Zeugnis zu geben hat, daß Kirchenmänner einer Nation das Recht haben, bei Kirchenmännern der anderen Nation nach Hilfe Ausschau
zu halten, selbst wenn ihre beiderseitigen Nationen im Krieg miteinander liegen. Ich habe deshalb meinem Vortrag den allgemeinen Titel gegeben: Die Kirche und die Widerstandsbewegung. Die Episode trug sich in Stockholm zu, fast genau vor 15 Jahren. Mein erster Besuch in Stockholm fand 1925 statt, ich war Delegierter der anglikanischen Kirche zur Universal Christian Conference on Life and Work. Dieser Stockholmer Tagung, den ver-
schiedenen daraus
Sitzungen
ergebenden
des Christlichen Besuchen
Weltrates
in Deutschland
und den sich
bis zum
Kriegs-
ausbruch verdanke ich meine persönlichen Beziehungen zu so vielen deutschen Kirchenführern. Die Gemeinschaft des Rates war es vor allem, die mir die erste Einsicht in die Schwere der Krisis verschaffte, welcher Deutschland von 1933 an gegenüberstand; sie brachte mich dazu, mit ganzem Herzen und öffentlich für die Bekennende Kirche einzutreten. Es war eines der Kennzeichen jenes Rates, daß er ein Band der Einheit zu finden suchte in der gemeinsamen Jüngerschaft Christi, die sich über alle Konfessions-, Volks- und Rassenunterschiede erheben sollte. Infolgedessen hatte ich selbst wie auch Kirchenmänner anderer Länder, die in dieser ökumenischen Bruderschaft zusammengearbeitet hatten, bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges ein sehr starkes Bewußtsein der christlichen Bindung. Noch bedeutsamer ist die Tatsache, daß viele deutsche Kirchenmänner genau wußten, wie man in Ländern, die mit Deutschland Krieg führten, Anteil an der Bekennenden Kirche nahm, an dem
zähen Kampf, den sie um die Freiheit, das Evangelium zu verkünden, führte.
In der Bekundung dieser Bruderschaft spielten Dr. Hans Schönfeld und Pastor Dietrich Bonhoeffer eine bemerkenswerte Rolle. Ich lernte Hans Schönfeld zuerst im Jahre 1929 kennen, als Se-
514
kretär
Anhang
der Forschungsabteilung
des Internationalen
Christlichen
Sozialinstituts in Genf. Seit den frühen Tagen des Naziregimes hatte er versucht, gegen den Einfluß des Nationalsozialismus anzukämpfen und gute Beziehungen zwischen der Deutschen Evangelischen Kirche und Kirchenführern jenseits ihrer Grenzen zu fördern. Er lebte während des ganzen Krieges mit seiner Familie in Genf, machte aber weiter Reisen nach Deutschland, wohl wissend,
daß er sich in ständige Lebensgefahr begab. Dietrich Bonhoeffer traf ich 1933 zum ersten Male als deutschen Pfarrer in London, in einer Stellung, die er bis 1935 innehatte. Wir wurden rasch enge Freunde. Er hielt mich mit dem Fortgang
des Kirchenkampfes in enger Berührung, solange er in London war und nach seiner Rückkehr nach Deutschland. Als er im Früh-
jahr 1939 England besuchte, kam er wegen zwei besonderer Fragen zu mir nach Chichester. Die erste bezog sich auf die Mittel, durch welche die Bekennende Kirche mit den Kirchen im Ausland in Fühlung bleiben könnte, „denn ich fürchte“, schrieb er, „daß wir bald völlig von unseren Brüdern im Ausland abgeschnitten sein werden, und das würde wenigstens für uns ein furchtbarer Verlust sein“. Die zweite Frage betraf ihn selbst. „Manchmal denke ich daran, Deutschland zu verlassen. Der
Hauptgrund ist die allgemeine Wehrpflicht, zu der die Männer meines Jahrganges (1906) dieses Jahr einberufen werden. Ich könnte unter den jetzigen Umständen unmöglich mit gutem Ge-
wissen an einem Krieg teilnehmen. Andererseits hat die Bekennende Kirche zu dieser Sache noch nicht bestimmt
Stellung ge-
nommen und kann es wohl auch, wie die Dinge liegen, nicht. Ich würde
also meinen Brüdern
ungeheuren Schaden zufügen, wenn
ich mich hier widersetzte; und das Regime würde dies als typisches Beispiel der Feindseligkeit unserere Kirche gegen den Staat betrachten... Das Allerschlimmste ist wohl der Eid, den ich als
Soldat leisten müßte.“ Wir hatten ein längeres Gespräch über die ganze Situation; ich
drängte ihn, sein tragisches Dilemma mit seinen Vertrauten in der Führung der Bekennenden Kirche zu besprechen. Bald darauf ging er nach den Vereinigten Staaten. Mein letzter Kontakt mit ihm vor Kriegsausbruch war ein Brief, den er bei seiner Rückkehr aus Amerika Ende Juli 1939 auf der Durchreise aus London schrieb. Man hatte ihn eingeladen, im Union Seminary, New York, zu bleiben, solange er wollte. Er schrieb aber: „Als mich
die Nachrichten über Danzig erreichten, fühlte ich mich gezwun-
Zu
Kapitel
VII
515
gen, so schnell wie möglich zurückzukehren und meine Entscheidung in Deutschland zu treffen... Es ist unsicher“, fügte er hinzu, „wann ich wieder in England sein werde.“ Das nächste Mal sah ich Dietrich Bonhoeffer am 31. Mai 1942 in
Schweden — mitten im Krieg. Zu meiner Reise nach Schweden
bar ich auf folgende Weise:
Anfang 1942 wurde die Luftverbindung zwischen Großbritannien und Schweden von seiten der Regierung in beschränktem Maße wiederhergestellt. Das britische Informations-Ministerium hatte den Wunsch, bei dieser Gelegenheit die Kontakte zwischen verschiedenen Zweigen der britischen und schwedischen Kultur wieder aufzunehmen. Sir Kenneth Clark, der Direktor der National Gallery, und T.S.Eliot, der Dichter, gehörten zu denen, die auf diese Weise mit Kunst und Literatur wieder Verbindungen an-
knüpfen konnten. Es erschien wünschenswert,
jemanden mitzu-
schicken, der mit Gliedern der Kirchen persönliche Beziehungen erneuern konnte. Und da ich in der Schwedischen Kirche viele Freunde hatte, wurde ich aufgefordert, das zu übernehmen. Ich landete am 13. Mai kurz vor 3 Uhr morgens auf dem Stocholmer Flughafen, in einem Flugzeug mit einem norwegischen Piloten und zwei Mann Personal, ohne weitere Passagiere. Während der ersten 14 Tage reiste ich durch verschiedene Gegenden Schwedens, traf viele alte Freunde und sah manche neuen Gesichter. Auf diesen Reisen erfuhr ich von dem, was in der Welt vorging, viel mehr als es in England möglich war. Aber so packend diese ersten 14 Tage waren, so bereiteten sie mich doch in keiner Weise auf die dramatische Begegnung mit einem deutschen Pastor vor am 26. Mai in Stockholm. Ich wohnte damals bei Mr. Victor Mallet, dem englischen Gesandten in der Britischen Gesandtschaft. Am Abend wurde ich
von
Nils Ehrenström,
einem jungen schwedischen
Pfarrer, der
Assistent Dr. Hans Schönfelds in der Forschungsabteilung in Genf war, abgeholt. Er brachte mich zum Haus der Studentenbewegung und stellte mich dem Leiter, Mr. Werner, vor. Dort fand ich zu meinem Erstaunen Dr. Schönfeld selbst, unmittelbar über Deutschland aus Genf eingetroffen. Er war eigens gekommen, um mich
zu sprechen, da die Nachricht von meinem Besuch in der [Schweizer Presse] erschienen war. Er stand offensichtlich unter schwerem Druck. Nach herzlicher Begrüßung erzählte er zuerst von seiner
Tätigkeit und der seiner Kollegen in Genf. Er gab mir Abschriften von Predigten, die deutsche Feldgeistliche für englische
516
Anhang
Kriegsgefangene in Deutschland geschrieben hatten und die von dem Büro der Deutschen Evangelischen Kirche in Umlauf gesetzt
wurden, dessen Leiter Eugen Gerstenmaier war. Schönfeld sprach von der Tätigkeit des Vereins Christlicher Junger Männer und der Studentenbewegung. Und dann — nach einer Weile — kam
er auf den Punkt
zu sprechen, der ganz
augenscheinlich
der
Zweck seiner Reise war. Er erzählte mir von einer äußerst wichtigen Bewegung innerhalb Deutschlands, in der die evangelische
und katholische Kirche eine führende Rolle spielten. Es existiere, so sagte er, ein Block von Christen beider Konfessionen, die mit Nachdruck von drei Menschenrechten sprächen, dem Recht auf Freiheit, auf gesetzliche Ordnung und auf christliche Lebensführung. Die Bewegung schließe Mitglieder der Gewerkschaften und Arbeiter ein. Diese Arbeiter fragten ihn und Dr. Gerstenmaier über die christliche Haltung: „Wie wollen Eure Kirchen
dem Nationalsozialismus die Stirn bieten?“ Schönfeld beschrieb weiter die allmähliche Entstehung christlicher Gruppen in Militärkreisen, der Zivilverwaltung sowohl als auch unter den Gewerkschaften. Es bestehe eine wachsende Widerstandsbewegung gegen Hitler, und viele wären auf der Suche nach einer Gelegenheit, ihn anzugreifen. Er erzählte, wie letzthin eine Anzahl von Offizieren sich geweigert hätte, weiter in Rußland zu dienen, und wie der Verlauf des letzten Winters den Menschen die Augen
geöffnet habe — aber niemand habe die Führung übernommen. Er sprach von einem Plan für einen Bund Europäischer Nationen, mit einer europäischen Armee unter der Kontrolle einer bevollmächtigten Behörde, die eventuell ihr Hauptquartier in einem der kleineren Länder haben könnte. Er fügte hinzu, viele Deutschen seien überzeugt, daß sie große persönliche Opfer als Sühne für den Schaden bringen müßten, den Deutschland in den be-
setzten Gebieten angerichtet habe. Die Wahrscheinlichkeit eines englischen Sieges sei nicht sehr groß, meinte er, andererseits aber wisse die Opposition von einer drohenden Revolte innerhalb der Nazipartei von seiten Himmlers und seiner Leute gegen Hitler. Die erste Stufe wäre Hitlers Sturz durch Himmler und die SS, woraufhin die Armee die Herrschaft in Deutschland in die Hand nehmen würde. Aber — und hier lag Schönfelds Frage — würden England und die Vereinigten Staaten mit einem von Hitler befreiten Deutschland Verhandlungen aufnehmen? Zur Zeit hege man kein Vertrauen, daß England anders handeln würde als in Versailles. Wenn auch ein erfolg-
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Kapitel
VII
517
reicher Umsturz durch Himmler für die Opposition von Nutzen werden könnte, so gäben sich ihre Mitglieder doch keinen Illu-
sionen hin, daß die wesentliche Voraussetzung sei, Hitler und Himmler und die Gestapo und die SS zu beseitigen. Sie kennten auch die andere Voraussetzung, daß alle besetzten Länder von den deutschen Truppen zu räumen seien, im Blick auf ihre Übernahme durch eine Europäische Behörde. Würden aber die Engländer — so fragten sie — die Anführer einer solchen Revolu-
tion dazu ermutigen, auf Unterhandlungen zu hoffen, wenn die Erzgangster über Bord geworfen würden? Andernfalls bliebe, nach seiner und seiner Freunde Ansicht, einzig und allein ein weiteres Chaos mit dem Boischewismus im Aufstieg.
Nach meiner Rückkehr zur Gesandtschaft berichtete ich dem Britischen Gesandten den wesentlichen Teil der Unterhaltung. Er zeigte Interesse. Ich solle weiter zuhören, meinem Besucher aber keine Ermutigung geben. Er meinte, was Schönfeld berichte,
könne vielleicht eine Friedenssondierung sein. Drei Tage später, am 29. Mai nachmittags, sah ich Schönfeld wieder. Ehrenström und Werner waren wieder zugegen. Die Wi-
derstandsbewegung
wurde weiter besprochen. Schönfeld betonte
die Realität der kirchlichen Opposition und nannte Generalsuperintendent Blau in Posen und Bischof Wurm als besonders
bemerkenswerte Beispiele unter den Führern, er erwähnte auch Hanns Lilje. Alle diese Hitler-Gegner stimmten darin überein, daß eine christliche Grundlage des Lebens und der Regierung notwendig sei, und sehr viele sähen wegen einer Hilfe und Er-
mutigung auf die Kirchenführer. Er sprach auch von der Bedeutung der Kirchen-Opposition in Norwegen und Holland. Diesmal dauerte unsere Unterhaltung ungefähr eine Stunde. Ich bat
Schönfeld, mir das Gesagte schriftlich zu geben, was er zu tun versprach. An diesem Abend fuhr ich nach Upsala zu Erzbischof Eidem. Ich erzählte ihm von unseren Gesprächen. Er bezweifelte Schönfelds Aufrichtigkeit durchaus nicht, noch den seelischen Druck, unter dem er litt. Er sagte mir aber bei einem Spaziergang am nächsten Morgen, dem 30.Mai, er meine, daß Schönfeld sich in seinem
Denken doch zu sehr von seinen Wünschen beeinflussen ließe und Erleichterung darin fände, sein Herz vor mitfühlenden Ohren auszuschütten.
Der nächste Tag aber, Sonntag der 31. Mai, war ausschlaggebend. Morgens fuhr ich nach Sigtuna, wo Mr. Harry Johansson, der
518
Leiter des Nordischen
Anhang
Okumenischen
Instituts, mich abholte. Ich
aß zu Mittag mit Dr. Manfred Björquist, dem Leiter der Sigtuna-Stiftung, und seiner Frau. Nach dem Tee erschien zu meinem Erstaunen ein zweiter deutscher Pastor: Dietrich Bonhoeffer. Er hatte nichts gewußt von
Schönfelds Besuch (auch Schönfeld nichts von seinem). Er kam mit einem Kurierpaß des Auswärtigen Amtes in Berlin, den er durch General Osters Hilfe erhalten hatte; auf diesen ging, zusammen mit Hans von Dohnanyi, Bonhoeffers Schwager, der Plan der ganzen Reise zurück. Wir erzählten ihm von dem Gespräch mit Schönfeld, der nicht da war, als Bonhoeffer erschien. Dann schlug ich vor, daß er und ich allein miteinander sprechen sollten; wir ließen die anderen zurück und gingen beide in ein anderes Zimmer. Er trug mir Verschiedenes auf an seine Schwester in England; er erzählte mir, daß sein Seminar 1940 zum zweiten Male aufgelöst
worden war; die Gestapo hatte ihm verboten zu reden, zu predigen oder irgend etwas im Druck erscheinen zu lassen. Nichtsdestoweniger habe er bei Tage kräftig an seiner „Ethik“ gearbeitet und Gutachten für die Bruderräte vorbereitet, bei Nacht
sich mit politischer Tätigkeit befaßt. Es habe für ihn die Gefahr bestanden, zum Militärdienst einberufen zu werden, er habe aber einen hohen Offizier im Kriegsministerium aufsuchen können, einen Freund der Bekennenden Kirche, der ihm sagte: „Ich will es versuchen und Sie heraushalten.“
Indem wir uns meinen Gesprächen mit Schönfeld zuwandten, betonte ich das Mißtrauen, dem mein Bericht bei der britischen Regierung nach meiner Heimkehr begegnen würde. Ich sagte auch, daß, obwohl ich die unendliche Gefahr, in der er sich befand,
völlig begriff, es mir doch eine große Hilfe wäre, wenn er mir einige Namen von leitenden Männern in der Bewegung nennen könnte. Er stimmte bereitwillig zu, obgleich ich sehen konnte, daß die ganze Sache schwer auf ihm lastete. Er nannte General-
oberst Beck, Generaloberst
von Hammerstein,
ehemalige Chefs
des Generalstabs, Herrn Goerdeler, ehemals Leipziger Oberbürgermeister, Wilhelm Leuschner, früher stellvertretender Vor-
sitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Jacob Kaiser, katholischer Gewerkschaftsführer. Er erwähnte auch Schacht als zweideutigen Anhänger, als einen „Seismograph der Zeitereignisse“. Er betonte die Bedeutung von Beck und Goerde-
ler. Ein von ihnen angeführter Aufstand wäre sehr ernst zu neh-
Zu
Kapitel
VII
519
men. Die Mehrzahl der Feldmarschälle und Generäle oder Nächstuntergebenen in den Befehlsstellen der Heimatfront seien ver-
trauenswürdig — von Kluge, von Bock, Küchler und von Witzleben, obwohl erscheine.
letzterer wahrscheinlich
nicht in der ersten Reihe
Damit endete unser privates Gespräch. Schönfeld kam an. Björquist, Johansson, Ehrenström, Bonhoeffer, Schönfeld und ich saßen in einem allgemeinen Gespräch beisammen. Schönfeld sagte, es sei unmöglich, die Zahl derer zu nennen, die am Widerstand beteiligt seien. Wichtig sei, daß Mitglieder des Widerstandes Schlüsselpositionen im Rundfunk, in den großen Fabriken, in den
Wasser- und Gaswerken hielten. Es gäbe außerdem enge Kontakte mit der Staatspolizei. Die Opposition bestehe seit einiger Zeit — der Krieg habe ihr die Gelegenheit gegeben und sie habe sich im Herbst 1941 kristallisiert. Wenn die Führer der Alliierten ein Verantwortungsgefühl für das Schicksal der Millionen in den besetzten Ländern hegten, so müßten sie ernsthaft überlegen, welche Mittel anzuwenden seien, um große Verbrechen gegen
diese Menschen zu verhindern. In bezug auf Rußland gab mir Schönfeld zu bedenken, daß die deutsche Armee 1000 Meilen russischen Territoriums in Händen halte. Stalin könnte, so meinte er, in der Grenzfrage befriedigt werden, wenn die Alliierten der sowjetischen Regierung eine Garantie geben würden. Hohe deutsche Offiziere, sagte er, seien von der sowjetischen Elite beeindruckt und glaubten an die Möglichkeit einer Verständigung. Hier unterbrach Bonhoeffer.
Sein christliches Gewissen, so sagte
er, sei nicht ganz einverstanden mit Schönfelds Ideen. Es muß ein Gericht Gottes stattfinden. Wir würden solch einer Lösung nicht wert sein. Unsere Aktion muß so sein, daß die Welt sie als einen Akt der Buße verstehen wird. „Christen wünschen nicht, der
Buße oder dem Chaos zu entgehen, wenn Gottes Wille es über uns
bringen
will. Wir
müssen
dieses Gericht
als Christen
an-
nehmen.“ Als Bonhoeffer davon sprach, wie wichtig es wäre, daß die Deutschen
ihre
Buße
zum
Ausdruck
bringen,
erklärte
ich
meine lebhafte Übereinstimmung mit ihm. Ich sprach auch davon, daß es wichtig sei, daß die alliierten Armeen Berlin besetzten. Schönfeld stimmte dem zu, aber mit dem Vorbehalt, daß sie Berlin nicht als Eroberer besetzten, sondern um der deutschen
Armee gegen Reaktionäre und feindliche Kräfte beizustehen. Es wurde die Frage gestellt, ob England eine Rückkehr der Monarchie in Deutschland begünstigen würde. Als möglicher Monarch
520
Anhang
wurde Prinz Louis Ferdinand genannt, der nach dem Tod des ältesten Sohnes des Kronprinzen von Hitler aus USA herübergebracht
worden
war
und nun
auf einem
Gut
in Ostpreußen
lebte. Er war Bonhoeffer bekannt, ein Christ, mit ausgesprochen sozialen Interessen.
Das alles wurde mir in der Absicht mitgeteilt, daß ich es an die Britische Regierung
weitergäbe.
Mir wurde
noch einmal
gesagt,
das Ziel der deutschen Widerstandsbewegung sei die Beseitigung Hitlers und die Bildung einer neuen deutschen Bona Fide-Regierung, die auf Agression verzichte und sich lich fern denen des Nationalsozialismus, deutsche Regierung würde wünschen, mit rungen über einen gerechten Frieden zu
auf Prinzipien, gänzgründete. Diese neue den Alliierten Regieverhandeln. Aber es
wurde mir dringend vorgestellt, daß es wenig Zweck habe, alle die Gefahren, denen die Widerstandsbewegung im Verfolg ihrer Ziele ausgesetzt sei, auf sich zu nehmen, wenn die Alliierten Regierungen die Absicht hätten, ein Deutschland, das von Hitler samt seinen Genossen gereinigt wäre, in genau der gleichen Weise zu behandeln wie ein Hitler-Deutschland. Ich wurde deshalb gebeten, Erkundigungen einzuziehen und wenn möglich, die zwei deutschen Pastoren das Ergebnis wissen zu lassen. Wenn irgendein Wunsch nach einleitenden privaten Besprechungen seitens der britischen Regierung bestehen sollte, wurde Adam von Trott, ein Freund von Sir Stafford Cripps’ Sohn, als sehr geeignete Person vorgeschlagen. Ich betonte noch einmal die Zurückhaltung, auf welche mein Bericht stoßen würde, und daß das Foreign Office wahrscheinlich der Ansicht sein würde, die ganze Situation sei zu ungewiß, um Schritte seinerseits zu rechtfertigen. Aber die folgende Form eines Kontaktes wurde zwischen Bonhoeffer, Schönfeld, Johansson und mir vereinbart, wenn er irgendwie ermöglicht werden könnte:
1. Wenn das Foreign Office auf meinen Bericht keine Antwort geben würde, sollte ich ein Telegramm an Harry Johansson, Sigtuna, schicken, einfach mit den Worten: Umstände zu ungewiß. 2. Wenn das Foreign Office der Sache sympathisch gegenüberstünde, sich aber selbst nicht binden wolle, sollte die Mies
teilung lauten: Freundliche Aufnahme. 3. Wenn das Foreign Office einwilligte, jemand von der Englischen Botschaft oder dem Foreign Office oder einen englischen
Kirchenmann
aus
London
zu
autorisieren,
Möglich-
Zu
Kapitel
VII
521
keiten zu diskutieren, sollte es heißen: Paton kann kommen. (Der Name Paton, gut bekannt als englischer Kirchenmann, sollte nicht bedeuten, daß diese spezielle Person oder daß ein Kirchenmann auszuwählen sei, sondern war einfach ein Name für irgendeinen Beauftragten.) Ferner kamen
wir überein, daß, falls das Foreign Office sich
bereit fände, jemand unspezifiziert zu autorisieren, um die Möglichkeiten zu diskutieren, folgende Antworten je nach den Umständen entweder von Johansson aus Sigtuna oder von Visser ’t Hooft aus Genf kommen und darin die gewünschte Art des Vertreters und das Datum nennen sollten, vor oder an welchem das Treffen stattfinden sollte: a) Wenn die Widerstandsbewegung wünschte, daß die autorisierte
Person in Deutschland ein Diplomat sei, dann sollte folgendes Telegramm an mich nach Chichester schicke Manuskript vor dem 20. Juli.
geschickt werden:
Bitte
b) Wenn man in diesem Stadium dem Diplomaten einen Kirchenmann vorzöge, sollte es lauten: Bitte schicke Manuskript vor dem 20. Juli. Betone religiösen Aspekt. c) Wenn es dem Beauftragten der Widerstandsbewegung
aus
irgendeinem Grunde nicht möglich wäre, jemand nach Stockholm zu schicken, sondern nur einen Dritten aus Schweden zu autorisieren — der faktisch Ehrenström sein würde —, weitere Erhebungen in London anzustellen, dann sollte es heißen: Bitte Strong am 20. Juli empfangen.
Hier ist zu bemerken, daß der im Telegramm zu nennende Monat aus Sicherheitsgründen auf einen Monat später lautete als tatsächlich gemeint war — so daß der 20. Juli in Wirklichkeit 20. Juni bedeutete, Aber es ist gewiß merkwürdig, daß das vereinbarte Code-Datum bei unseren Gesprächen der 20. Juli gewesen ist — obwohl es in einer später angefertigten Reinschrift in den 30. Juli geändert wurde, um ein wenig mehr Zeit zu lassen. In jedem Fall hing das genaue Datum, an welchem ein Treffen in Stockholm oder London stattfinden konnte, von den Umständen ab, welche nur zu klären waren, nachdem ich dem Foreign Office berichtet hatte. Am nächsten Tag, am 1. Juni, kehrte ich nach Stockholm zurück und wohnte in der Britischen Gesandtschaft. Am Nachmittag sah
ich Johansson und hörte von ihm, daß Björquist nicht einwilligte, Sigtuna für die Kontaktaufnahme Chichester—Widerstandsbewe-
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Anhang
gung zu gebrauchen, da das gegen Schwedens politische Neutralität verstoße. Das bedeutete, daß Botschaften über Genf geschickt werden mußten. Ich sah Bonhoeffer noch einmal an diesem Tage, zum letzten Male. Er übergab mir Mitteilungen für seinen Schwager Dr. Leibholz und bat mich, ihm zu sagen, daß Hans (das ist Hans von Dohnanyi) in der guten Sache sehr aktiv sei. Außerdem wurde mir — ich glaube von Schönfeld — eine kurze schriftliche
Notiz mit Grüßen
von
Helmut
von
Moltke
gegeben, einfach
unterzeichnet mit „James“; sie war für seinen Freund in England bestimmt, Lionel Curtis vom All Souls College in Oxford. Am Abend speiste ich in aller Ruhe zusammen mit dem Britischen Gesandten und Mrs. Mallet. Wir hatten dabei ein ausführliches Gespräch über die Sigtuna-Verhandlungen.
Der Tag ging damit zu Ende, daß ich noch zwei persönliche Briefe erhielt, einen von Schönfeld, mit dem vollen Text einer Darlegung, um deren Ausarbeitung ich ihn gebeten hatte, und
einen anderen von Bonhoeffer. Beide sprachen davon, was unser Zusammensein bedeutet hätte, was auch immer das Resultat wäre. „Ich kann nicht ausdrücken, was diese Gemeinschaft, die Sie uns bewiesen haben, für uns und meine christlichen Brüder bedeutet, welche in ihren Gedanken und Gebeten mit uns waren“, schrieb Schönfeld, und Bonhoeffer: „Es scheint mir noch immer wie ein Traum, Sie gesehen, zu Ihnen gesprochen und Ihre Stimme gehört zu haben. Ich glaube, ich werde diese Tage unter den größten
meines Lebens
im Gedächtnis
behalten. Dieser Geist des Mit-
einander und christlicher Bruderschaft wird mir durch die dunkelsten Stunden helfen, und selbst wenn die Dinge schlimmer kommen, als wir hoffen und erwarten, so wird der Schein dieser
wenigen Tage in meinem Herzen nicht verlöschen. Die Eindrücke dieser Tage waren so überwältigend, daß ich sie nicht in Worte fassen kann.“
Mein Besuch in Schweden fand sein offizielles Ende am 2. Juni, aber
angesichts
der ungünstigen
Flugbedingungen
konnte
kein
Flugzeug vor dem 9. Juni starten. Ich kam in Schottland am 10. Juni an und kehrte am 11. Juni heim. Am 18. Juni suchte ich den Leiter der in Frage kommenden Abteilung im Foreign Office, Mr. Warner, auf und schrieb auf dessen Vorschlag am selben Tag einen Brief an Mr. Eden... (Übersetzung des Briefes siehe Seite 498.)
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VII
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Mr. Eden setzte die Besprechung für den 30. Juni an. Ich gab ihm einen vollen Bericht meiner Erlebnisse und Gespräche. Ich betonte meine seit langem bestehenden persönlichen Beziehungen zu den beiden Pastoren, meine Verbindung mit ihnen, insbesondere
mit Bonhoeffer
vor dem Kriege in seiner starken Opposition
gegen Hitler und alles, wofür er einstand. Ich beschrieb den Charakter der Opposition, die gestellten Fragen, und gab Mr. Eden alle Namen, welche Bonhoeffer mir genannt hatte.
Mr. Eden war — nach meinen Tagebuchaufzeichnungen — sehr interessiert. Er würdigte die Tatsache, daß ich den Pastoren war-
nend gesagt hatte, die Britische Regierung würde voraussichtlich sehr reserviert sein, da die Meinung in England dahin tendierte, alle Deutschen dafür zu belasten, daß sie die Nazis so lange toleriert hatten. Mr. Eden schien geneigt, es für möglich zu halten, daß die Pastoren auf irgendeinem seltsamen Weg, ohne ihr eigenes Wissen, dazu benutzt wurden, Friedensfühler auszustrecken.
Er sagte, daß in der Türkei und in Madrid Friedensfühler ausgestreckt worden seien. Er müsse mit peinlicher Sorgfalt darauf achten, nicht einmal den Anschein zu erwecken, mit den Feinden Verhandlungen zu beginnen, um sowohl Rußland wie Amerika sagen zu können, daß es wirklich so sei. Nachdem ich betont hatte, daß ich in diesem Fall an die Über-
zeugung und die Realität der Opposition glaubte, händigte ich Mr. Eden das Dokument
aus, das Schönfeld für mich vorbereitet
hatte... (Übersetzung des Schönfeld-Dokuments
siehe Seite 494.)
Die Fragen, die die Opposition gestellt hatte, enthalten in einem
achtseitigen Memorandum! Mr.
Eden
überreichte,
meiner Gespräche, das ich ebenfalls
können
in folgender
Weise
zusammen-
gefaßt werden: 1. Würden die Alliierten Regierungen willens sein, mit einer neuen Bona Fide-Regierung Deutschlands über eine europäische Friedensregelung gemäß den genannten Richtlinien zu verhandeln, wenn die Opposition, wie beschrieben, Hitler, seine Genossen und das Regime eliminiert und gestürzt hätte?
2. Würden die Alliierten — während die Antwort auf die erste Frage privat gegeben werden könne — jetzt öffentlich und mit den deutlichsten Worten
erklären, daß sie bereit sind, mit einer
1. Übersetzung siehe Seite 488.
524
Anhang
neuen deutschen Regierung zu verhandeln, wenn Hitler und sein ganzes
Regime erst einmal gestürzt ist —
mit einer Regierung,
welche der Aggression absagt, über eine europäische Friedensregelung gemäß den genannten Richtlinien? Ich sagte Mr. Eden,. daß die Pastoren auf irgendeine Antwort von mir warteten. Mr. Eden versprach, die ganze Angelegenheit zu überlegen und mir später zu schreiben.
Am 13. Juli sah ich Sir Stafford Cripps. Er sprach begeistert von Adam
v. Trott; er erzählte mir von
seinem
eigenen Gespräch
im Mai mit Dr. Visser ’t Hooft, der ihm ein Memorandum gegeben hatte, verfaßt von v. Trott und erwähnt in meinem Brief an Mr. Eden. (Ich hörte nach dem Kriege, daß Sir Stafford Cripps dieses Memorandum Mr. Churchill gezeigt hatte.) Sir Stafford sagte mir, er habe Visser ’t Hooft informiert, er möchte von Trott ermutigen, jedoch auf der Basis eines besiegten Deutsch-
lands. Als ich Cripps Schönfelds Darlegung zeigte (welche übereinstimmende Stellen mit von Trotts Memorandum zeigte, aber eine hoffnungsvollere Haltung über eine Zusammenarbeit mit Rußland einnahm), war er davon höchst beeindruckt. Er bezeichnete es als „weitreichend“ und versprach, es mit Mr. Eden zu be-
sprechen. Er stimmte zu, daß eine Ermutigung keinen
Schaden
anrichten,
aber wenn
auf jeden Fall
es gut ginge, sogar
viel
Gutes stiften würde. Aber vier Tage später schickte mir Mr. Eden den Brief, welcher völlig negativ lautete... (Übersetzung des Briefes siehe Seite 499.)
Ich antwortete am 25. Juli in einiger Ausführlichkeit, indem ich meine Enttäuschung
zum
Ausdruck
brachte...
(Übersetzung des Briefes siehe Seite 499.)
Mr. Eden schrieb wieder am 4. August... (Übersetzung des Briefes siehe Seite 501.)
Ich antwortete
am
17. August
1942...
(Übersetzung des Briefes siehe Seite 502.)
Am
30. Juli sah ich den amerikanischen
Botschafter
in London,
Mr. J. Winant, und gab ihm denselben Bericht und überließ ihm dasselbe Memorandum und jene Darlegung. Ich erzählte ihm, daß ich Mr. Eden gesehen hatte. Ich betonte wieder die Realität und
Zu
Kapitel
VII
525
Bedeutung der Opposition in Deutschland. Er empfing mich mit freundlichem Wohlwollen und hörte sich meine Berichte an. Er versprach auch, das State Department in Washington zu unterrichten. Aber das war alles, und ich hörte nichts wieder. Angesichts der Ablehnung, eine Antwort zu geben, wovor ich ja tatsächlich die zwei Pastoren gewarnt hatte, konnte ich auf dem Wege einer Kontaktnahme mit ihnen nichts weiter tun. Das einzige, was ich tun konnte, war, ein Telegramm an Visser ’”t Hooft nach Genf zu schicken, was ich auch in folgender Formulierung am 23. Juni tat: „Interesse unbezweifelbar, aber bedaure tief, keine Antwort mög-
lich. Bell.“
Das Schweigen der Britischen Regierung war ein schwerer Schlag für die, für welche die Pastoren standen. Damit meine ich die
Hauptführung
der Widerstandsbewegung.
Schönfeld war durch
Gerstenmaier in besonderem Kontakt mit dem Kreisauer Kreis, einschließlich Helmut von Moltke und Adam von Trott, während Dietrich Bonhoeffer mit seinem Bruder Klaus und seinen Schwägern Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher mit General Oster und Generaloberst Beck verbunden war. Von Bonhoeffer selbst hatte ich einen Brief bekommen, datiert vom 28. August 1942 aus der Schweiz. Er hatte durch seine Schwester, Frau Leibholz, von meiner Heimkehr gehört und hoffte, daß ich an ihn schreiben würde. Aber es geschah nichts mehr.
Ohne irgendetwas von meinen Gesprächen in Schweden auszuplaudern, stellte ich im Oberhaus am 10. März 1943 von mir aus die generelle Frage, indem ich von der Realität einer Opposition in Deutschland Zeugnis gab und darauf verwies, daß Ermutigung und Unterstützung nötig sei, wenn diese erfolgreich handeln
sollte. Aber die Hauptbelastung für eine Antwort, die auf jede spätere Anfrage nach Alliierter Unterstützung für die Widerstandsbewegung in Deutschland zu geben war, bestand darin, daß die Säuberung Deutschlands eine deutsche Aufgabe war, die um ihrer selbst willen ausgeführt werden mußte, und daß Versprechen im voraus von den Alliierten nicht erwartet werden konnten. Am 20. Juli 1944 geschah, wie alle Welt weiß, der Anschlag und mißlang. Die Männer, deren Namen Bonhoeffer mir gerade zwei
Jahre vorher genannt hatte, waren unter den Hauptverschwörern, sie wurden, in Hitlers Worten, „unbarmherzig ausgelöscht“. Bon-
hoeffer selbst war schon am 5. April 1943 durch die Gestapo ver-
526
Anhang
haftet worden und im Gefängnis, als der Anschlag geschah. Aber am 9. April 1945 wurde er, 39 Jahre alt, zusammen mit Admiral Canaris und General Oster im Konzentrationslager Flossenbürg exekutiert. Als er am 8. April zum Schafott abgeholt wurde, ließ
er mir durch Captain Payne Best, einen englischen Mitgefangenen, sagen: „Bestell ihm, daß für mich dieses das Ende bedeutet, aber auch den Anfang — mit ihm glaube ich an die Grundsätze unserer universalen christlichen Bruderschaft, die sich über alle nationalen Interessen erhebt, und daß unser Sieg gewiß ist. Sage ihm auch, daß ich niemals seine Worte bei unserem letzten Treffen vergessen habe.“
Dasselbe Schicksal traf im gleichen Monat
andere Glieder der
Familie Bonhoeffer. Dietrichs Bruder Klaus und seine zwei Schwäger Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher wurden alle umgebracht. Hans Schönfelds Leiden waren von anderer Art, aber sie waren sehr schwer. Er ertrug große Überanstrengungen und begegnete den vielen Gefahren auf seinen Reisen von und nach Genf mit
hohem Mut. Seine Gesundheit verfiel nach dem Krieg schnell, und er wurde das Opfer einer langen Nervenkrankheit. Er starb in Frankfurt/Main Jahren.
am
1.September
1954
im
Alter
von
54
Ich weiß, daß einige führende britische Historiker und andere gesagt haben, daß der Anschlag vom 20. Juli zum Scheitern verurteilt war. Daß der Widerstand schwankend, unbesonnen und uneinheitlich war und daß die deutschen Generäle sich nie dazu
aufgerafft hätten, eine entscheidende Aktion zu unternehmen. Ich weiß auch, daß die Situation der Alliierten im Sommer 1942 vom militärischen Gesichtspunkt aus kritisch war und daß diejenigen,
welche mit der Führung des Krieges beauftragt waren, von den militärischen
Problemen
absorbiert
gewesen
sind.
Dessen
un-
geachtet ist es meine starke Überzeugung, daß die negative Haltung der Alliierten falsch war und daß es eine gesunde und staatsmännische Politik gewesen wäre, eine positive Antwort auf die Annäherungen zu geben, die mit solchen Gefahren unternommen wurden, und daß das Ausbleiben tragisch war. Jedoch, was ich vor allem betonen möchte, ist dies: Die treibende Kraft
hinter der Bewegung war eine moralische. Ich bestreite nicht, daß es in der Widerstandsbewegung verschiedene Elemente gab, nicht alle auf derselben Ebene moralischer und religiöser Inspiration.
Zu
Kapitel
VII
527
Aber ihre Leiter waren Männer hoher Ideale, für die Hitler und
alle seine Werke ein Greuel waren. Ihre besten Geister standen für ein Deutschland, gereinigt vom Totalitarismus und der Agressionslust. Wesentlich für die Widerstandsbewegung war, daß sie den Aufbau des nationalen, ökonomischen und sozialen
Lebens sowohl in Deutschland als auch in Europa auf den fundamentalen Prinzipien des christlichen Glaubens und Lebens verfolgte. Man braucht wirklich nicht erstaunt zu sein, daß Mit-
glieder der christlichen Kirche in Deutschland, sowohl der protestantischen wie der katholischen, eine hervorragende Rolle in ihr spielten. Noch sollte man erstaunt sein, daß Kirchenmänner außerhalb Deutschlands, welche von dem Konflikt in diesem Lande etwas wußten, ihm öffentliche Unterstützung gaben, so-
gar in der Zeit des Krieges. Ich sehe es persönlich als eine hohe Ehre an, daß ich mit diesen zwei deutschen Pastoren zusammensein konnte, welche für die Sache der Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit 1942 nach Schweden kamen. In Dietrich Bonhoeffers Worten: „Ich glaube an die Grundlagen unserer universalen christlichen Bruderschaft, die sich über alle
nationalen Interessen erhebt“: Schließlich wage ich zu behaupten, daß an dieser Nahtstelle menschlicher Geschichte die Zukunft Europas und der ganzen Welt der Völker davon abhängt, ob Staatsmänner und Verantwortliche in den verschiedenen Lebensgebieten dieselbe tapfere und uneigennützige Treue zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit zeigen, in nationalen und internationalen Angelegenheiten gleicherweise, welche die besten Geister aus der Widerstandsbewegung in Deutschland während des zwei-
ten Weltkrieges gezeigt haben.
528 NACHWEISE
Kapitel I Briefe an Erwin Sutz, Rütistraße 9, Schweiz.
Originale
bei Pfarrer
E. Sutz, Zürich,
Kapitel II
Briefwechsel mit Helmut Rößler. Originale bei Oberkirchenrat H. Rößler, Düsseldorf, Cecilienallee 13. Teilweise schon gedruckt in „Dietrich Bonhoeffer, Einführung in seine Botschaft“, Düsseldorf, S.58 ff.
S. 66 S.75, 81 S.79 S. 84
Ansprache in New York. Handschriftliche Kladden-Entwürfe, im Besitz des Herausgebers (Übersetzung Mrs. I. Duncan). Briefe an Superintendent Diestel, Originale dentur Berlin-LichterfeldeWest. Brief an die Großmutter beim Herausgeber.
in der Superinten-
Bericht über den Studienaufenthalt. Das dem Kirchenbundesamt in Berlin
1931
eingereiche
Original ist verloren.
Abdruck
nach
dem beim Herausgeber befindlichen handschriftlichen Entwurf. S. 104
Das social gospel. Der deutsche Arbeitsausschuß des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen beauftragte Bonhoeffer im Herbst 1932 für die Arbeitskreise über dieses Thema zu schreiben. Das Original und der eventuelle Ort der
Veröffentlichung sind bisher nicht festgestellt. Abdruck von einem Durchschlag des Entwurfes im Nachlaß beim Herausgeber.
Kapitel III S. 113 S. 118 5.119,.121, 171 S. 133
Tagung in Cambridge,
10. Jhg., 1931, Sp. 299 £.
Bericht. Nachdruck
aus Theol. Blätter,
Minutes of the meeting, 1932, London. Archiv des Weltrates der Kirchen, Genf. Die Berichte von Epsom, der Konferenz der Mittelstelle, Wester-
burg, Cernohorske Kupele und Gland sind Nachdrucke aus: „Die
Eiche“, 20. Jhg. Nr. 3 $. 260 £., Nr. 4 S. 361 ff., 365 ff.
Exaudi-Predigt 1932. Handschriftlich im Nachlaß beim Herausgeber.
Nachweise
Zur
theologischen
Begründung...
20. Jhg. Nr. 4 S. 334 £.
Nachdruck
529
aus
„Die Eiche“,
Acht Thesen. Handschriftlich im Nachlaß beim Herausgeber.
Ansprache in Gland. Manuskript im Nachlaß beim Herausgeber.
S.140 5.159 S. 162 S. 175
Kirche, Jugend, Friede. Handschriftliches Manuskript (mit Entwurf eines Anschreibens an die Tägliche Rundschau, Berlin), im Nachlaß beim Herausgeber. Diskussionsbeiträge. Schreibmaschinenentwurf mit vielen hand- S. 179
schriftlichen Korrekturen und Zufügungen von Bonhoeffers Hand im Nachlaß beim Herausgeber.
Kapitel IV Briefwechsel Bischof, The brucharbeiten bis 40 Briefe 1935. Einige
mit dem Bischof von Chichester. Originale beim Palace, Chichester/Sussex. Erst während der Uman diesem Band fanden sich in Chichester etwa 30 Bonhoeffers, vornehmlich aus den Jahren 1933 bis Briefe konnten noch aufgenommen werden, soweit
S. 182, 184, 187, 194, 196
sie die Entwicklung auf die Fanö-Ereignisse hin verdeutlichen. Andere mußten für den Kirchenkampf-Band zurückgestellt werden. A message regarding the German Evangelical Church. Nachdruck aus „Ihe Universal Christian Council for Life and Work. Minutes of the meeting of the Council Fanö August 24th—30th,
S. 192
1934“ S. 65 f. (Printed by K. F. Puromiehen Kirjapaino Oy. in Helsinki 1934). Briefwechsel zur Konferenzvorbereitung. Aus dem Archiv des Weltrates der Kirchen, Genf: Henriod 16. März 1934 (Durch-
schlag), Schönfeld
14. Juni 1934
(Durchschlag),
S. 185, 195, 203, 204, 207
Chichester-Am-
mundsen 7. Juli 1934, Chichester-Koch 18. Juli 1934 (Durchschläge), Schönfeld 13. August 1934 (Durchschlag). Beim Bischof von Chichester: Henriod-Bonhoeffer, Bonhoeffer-
Henriod 7. Juli und 12. Juli 1934; an Chichester 7. September 1934 (Durchschläge).
Aus Bischof Ammundsens Papieren in der königlichen Bibliothek,
S. 197, 200, 222 S. 205, 207,
Kopenhagen: an Ammundsen 8. August 1934, 18. August 1934, 223 8. September 1934. Zwei Entschließungen: Deutsche, englische und französische Fas- S. 209 sungen im Archiv beim Weltrat der Kirchen, Genf. Die Kirche und die Welt der Nationen. Deutsche, außerdem die Su212
offiziellen englischen und französischen Fassungen des Entwurfs
530
im Archiv des Weltrates Herausgeber. . 216
Anhang
der Kirchen,
Genf, Abschriften
beim
Kirche und Völkerwelt. Bonhoeffers deutsche Fassung wurde von einem der deutschen Teilnehmer aus der Jugendkonferenz, Frau Schönherr, geb. Enterlein (Brandenburg/Havel) zur Verfügung gestellt. Die früheren Veröffentlichungen in „Unterwegs“ Heft 3,
1954, S. 129 ff. und in „Dietrich Bonhoeffer. Eine Einführung in
. 220
seine Botschaft“ S. 35 ff. sind Rückübersetzungen aus einer englichen Fassung, bereitgestellt durch Dr. H. Jehle, Lincoln, USA. Protokoll der Sitzung des Reichsbruderrates. Auszug aus den Reichsbruderrats-Akten im Archiv Wilhelm Niemöller, Bielefeld, Jakobusstraße 5. Kapitel V
224 a2,
. 230
Brief an Präses D. Koch mit Vorschlag... und Niederschrift der ersten Sitzung des ökumenischen Beirates... Beides aus dem Archiv Wilhelm Niemöller, Bielefeld, Jakobusstraße 5.
Korrespondenz mit Faith and Order. Aus den Faith and OrderAkten im Archiv beim Weltrat der Kirchen, Genf. Die Korrespondenz 1935 (nicht die von 1939) findet sich außerdem im Archiv Wilhelm Niemöller; dorthin gelangte sie mit den VKLAkten von Präses Koch; an diesen hatte Bonhoeffer seinen Schriftwechsel 1935 zur Kenntnis gegeben. (Übersetzungen von Mrs. I. Duncan).
. 240
Die Bekennende Kirche und die Ökumene. Nachdruck aus Evangelische Theologie 1935, Heft 7, S. 245 ff.
. 262 . 264
Brief an Bischof Ammundsen. Königliche Bibliothek Kopenhagen. Niederschrift der Sitzung des ökumenischen
Beirates...
20. Mai
1936 . 266
und Briefwechsel mit Martin Niemöller. Aus den VKL-Akten im Archiv Wilhelm Niemöller.
. 268
Memorandum zu einem Austausch von Kandidaten. Schreibmaschinendurchschlag aufgefunden bei Dekan Dr. J. Rieger, London, jetzt beim Herausgeber.
. 271
Minutes of the meeting of the Youth Commission... 19. Februar 1937, London. Auszug aus dem Protokoll im Archiv des Weltrates der Kirchen, Genf. Korrespondenz um die Oxford-Jugenddelegation. Bonhoeffer an Henriod 24. Februar 1937, Durchschlag beim Bischof von Chi-
279
Nachweise
531
chester, s.o.; Henriod an Bonhoeffer 10. März und 17. April 1937, Durchschläge aus dem Archiv des Weltrates der Kirchen, Genf. Krieg und Frieden. Nachdruck aus „Kirche, Volk und Staat, Be-
S. 276
richt des Okumenischen Ausschusses der Vorläufigen Leitung der DEK“, Schriftenreihe der Bekennenden Kirche, Heft 2, hrsg. von
Propst Dr. Böhm, Februar 1948, S. 22. Kapitel VI Briefe an den Bischof von Chichester. Originale beim von Chichester, s. 0. (Übersetzungen von Mrs. I. Duncan.)
Briefwechsel mit Canon
Hodgson.
Bischof S. 279, 286,
Faith and Order-Akten
320
im
Archiv des Weltrates der Kirchen, Genf. (Übersetzungen Mrs. I. Duncan.) Vorbereitender Briefwechsel. In der William Adams Brown Ecumenical Library, Union Theological Seminary, New York: Niebuhr an Leiper, Leiper an Bonhoeffer, Leiper an Cavert, Bonhoeffer an Leiper. (Übersetzungen Mrs. I. Duncan.) Beim Herausgeber: P. Lehmann! an Bonhoeffer, Briefe an E. Bethge. Ein Nachdruck ist: Bonhoeffer an Niebuhr, Anfang Juli 1939 aus
S. 282
S. 287, 289 S. 316 S. 289, 291 S. 320
dem Aufsatz “The death of a martyr”, Christianity and Crisis, Nr. 11, Juni Originalbrief, dem er 1945 außerdem: “I
1945, S. 6. Reinhold Niebuhr teilt mit, daß der den er im Juli 1939 in Edinburgh erhielt und aus zitiert, verloren gegangen ist. R. Niebuhr schreibt had an exchange of letters with him about his
project for studying in India.” Tagebuch der Amerikareise. Original verloren gegangen. Abschrift beim Herausgeber. Sie enthält Unsicherheiten in den Namens-
übertragungen. Protestantismus ohne Reformation. Original war beim Herausgeber, ist aber jetzt beim Verlag „Unterwegs“ nicht auffindbar. Nachdruck aus „Unterwegs“ 1948, Heft 1, S. 3 ff.
1. Bei Abschluß des Bandes fanden sich in Harvard Divinity School bei Prof. P. Lehmann fünf Briefe Bonhoeffers von 1938—1939; außerdem Reinhold Niebuhrs Auftrag an P. Lehmann vom 11. Mai 1939, Universitäten und Colleges im Namen eines Kommitees für B. anzuschreiben; Lehmanns Rundschreiben und seine delikate baldige Zurückziehung dieses Briefes. Das Wesentliche wird voraussichtlich an entsprechender Stelle im Kirchenkampf-Band erscheinen.
S. 292
S. 323
532
Anhang
Kapitel VII S. 356
Gedanken zu W.Paton. Seite 1 und 4 des Originalmanuskriptes vorhanden bei W.A. Visser ’t Hooft, Genf. Der Rest ist kompiliert aus der ausführlichen Zitation in „Das Zeugnis eines Boten, zum Gedächtnis von Dietrich Bonhoeffer“, Genf 1945,
3. The Church and the new order in Europe (mit Brief an Hugh Martin). Durchschlag bei W. A. Visser ”t Hooft, Genf. (Übersetzung von Mrs. I. Duncan.) Memorandum of Conversation
und Statement by a German Pastor. Durchschläge beim Bischof von Chichester, s. 0. (Übersetzungen von Mrs. I. Duncan.) S. 382, 389 Briefe an den Bischof von Chichester. Originale beim Bischof von Chichester, s. 0. (Übersetzungen von Mrs. I. Duncan.) $. 383 Briefwechsel des Bischofs von Chichester mit Außenminister A. Eden. Durchschläge bzw. Originale von A. Eden beim Bischof von Chichester, s. o. (Übersetzungen von Mrs. I. Duncan.) 32390 The background of the Hitlerplot. Nachdruck des Aufsatzes in The Contemporary Review, October 1945. (Übersetzung von Mrs. I. Duncan.) S. 399 The Church and the Resistance Movement. Vortrag in Göttingen
am
15.Mai
1957. Vorabdruck
1957, 17. Jhg. Heft 7, S. 289 £.
in Evangelische Theologie, Juli
Bilder
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17
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aus den Immatrikulationsakten des Union Theological Seminary aus dem Nachlaß beim Herausgeber aus dem Besitz von Mrs. d’Arcy Trembath, London, früher Miss Marks, World Alliance aus H. L. Henriod’s Besitz aus J. Lasserre’s und E. Sutz’ Besitz
aus den Akten des Bischofs von Chichester aus dem Nachlaß beim Herausgeber Foto von Karl Stephan, Pfarrer in Meisdorf, Harz
Original beim Herausgeber
533 REGISTER
Bibelstellen Jesaja
1. Mose
3,1 11 32,41
216. 447
35,10
314
41,9 45,19 65,1
2, Mose
20,13 32
2 15
295
Richter 222
Maleachi 33
31.133.148
5,7
Matthäus 5,8
Hiob 41,3
5,13 312
6, 34 ZA | 1057
299
13, 8
294 294 52
16, 18 23529 28,20
Psalm
13,6 28,7 44,22 62,2 75,2 85,9 119,19 119,71 119, 105
303
216.447
Markus
148
9329
214. 446
315 301
Lukas
42
12, 49 15 17,10
Sprüche 31,8
Sacharja TE)
218
2. Chronik
20,12
Klagelieder
3,26
5. Mose
6,6
28,16
128
52 308 111
Anhang
534
Johannes
Epheser
2 12926
3,20. 21 4, 30
314 294
6,12
214. 446
17,20 f
314 293
74. 425
Apostelgeschichte 5,29 15, 40 19517,
211 295 303
Kolosser 1
1.6
308
1936
312
67.417
1. Petrus
11,6 12,18
52 276
1:17
13,11—12
58
1. Korinther
4,21
309
303
1. Johannes 4, 16b
66. 417
5,4
214. 446
362
53
Hebräer
12, 26 f
52
121
13, 4—8 1312 15, 14—17
73.424 294 52
55
Jakobus 4,15
356
Offenbarung
Galater 3928
Gi
2. Timotheus
1216 123
363. 481
1. Thessalonicher ir
Römer
358
66. 417
3a
299
21,1
315
Register
535
Namen
Ahlfeldt 98. 103 Althaus 18. 58. 59. 154 Ames, E.S. 106. 107. 353
Böhm, Dr. Hans 264. 276. 285. 286. 468. 469. 531
Ammundsen, Valdemar 10. 115.
Bonhoeffer, Julie geb. Tafel 79 Bonhoeffer, Karl Friedrich 310
203—208. 223. 253. 262. 263. 442. 443. 529. 530
Bonhoeffer, Klaus 53. 54. 398.
Andrews, C. F. 173. 175. 176 Anselm 25 Asmussen
226. 227. 264. 267
Augustin 353
bis 313. 315 411. 412. 512. 525. 526
Bormann, Reichsleiter 393. 507 Bouvier 212 Brandt, Dr. Karl 43 Brown, W.A. 307. 308. 341. 344
Bach, Captain 271. 459 Baillie, Prof. John 80. 87. 88 Barth, Karl 17-22. 25. 26. 29 bis 31. 35. 37. 38. 40. 42. 43. 60. 65. 76. 82. 88. 262. 350. 351
Beck,
Generaloberst
374.
375.
394. 398. 404. 411. 491. 508. 5122518.525
Bell, G.K.A., siehe unter: Chichester, Bischof von Bell, Mrs. G.K.A. 322 Best, Captain Paine 412. 526 Bethge 45. 279. 291. 292. 314. 463. 531
Bewer, Prof. Julius 49. 304 bis
21. 29. 31. 33
Buchman, Frank 46. 48 Burghart 198 Burlingham, R. E. 118.
271.
426. 459
Burroughs, Edward Arthur,
siehe unter: Ripon, Bischof von Büsing, W. 273
Calvin 106. 353 Canaris, Admiral 412. 526 Cavert, Dr. Samuel McCrea 288. 289. 290. 471. 472. 531
Chichester, Bischof von (Dr.G. 404.
405.
408.
518.0519.2521
Blau, Generalsuperintendent 403. 517
Bock,
Emil
bis 35. 37. 40. 48. 350
Chamberlain, H. St. 57
306. 308
Bismarck 155 Björquist, M.
Brunner,
Feldmarschall
von
375.
405. 491. 519
Bodelschwingh, F. von 188. 204. 431. 443
Boericke, Philadelphia 305
K.A. Bell) 182-194. 196. 199. 201. 203. 204. 220-222. 224. 226. 241. 273. 274. 279-282. 286. 292. 320. 361. 372-378. 382-413. 426-437. 439. 440 bis 444. 449. 461. 463—465. 469. 477-480. 488-493. 497 bis 527. 529-532
Christ, Lukas 23. 45
536
Anhang
Churchill 386. 510. 524
397.
410.
500.
Eden, Anthony 396. 409-411. 522-524. 532
Clark, K. 401
372. 383-388. 498-502.
510.
Claudius, Matthias 219 Coffin, Präsident H.S. 17. 49.
Edwards, Jonathan 324 Ehrenström, Nils 207. 401. 403.
320. 321. 470. 473. 477. 478
Eidem, Erzbischof Erling 403.
94. 287. 296. 297. 313. 316.
Colvin, H. 306
El 372
Craske, F.W.T. (jetzt Bischof von Gibraltar) 116. 118. 271. 426. 459
Cripps, Sir St. 406. 410. 520. 524
Crüsemann, E. 279. 463 Curtis, Lionel 408. 522
Einstein 89 El Greco 304
Eliot, T. S. 401. 515
Elliot, Roland 87. 287. 469 Ellwood 106 Erasmus
Espy,
63
Dr. R. H. Edwin
271.
272. 275. 459. 460. 462
Darwin 105 Dehn, Günther 54 Deissmann, Prof. A. 124. 198. 438
Delbrück, Emmi 54 Delekat, F. 226 Descartes
314
Dewey, John 91. 92 Dibelius, Martin 115. 198. 438 Dibelius, Otto 26. 78. 82 Dickinson, Lord 212 Diestel, Superintendent 75-79. 81-83.
128. 264. 528
Dohnanyi, Hans von 397. 398. 404. 408. 411. 412. 511. 512. 518. 522. 525. 526
Dollfuß 43 Dostojewski 59 Duncan,
Mrs. I. 11. 528-532
Dusen, H.P. Van 288. 296. 297. 304. 306. 314. 321. 355. 361. 471. 478—480
Eddy, 111
Sherwood
106.
107.
Fendt, Prof. 54. 59 Fenn, Eric 271. 459 Ferber, Miss 295 Fichte 155 Fiedler, Rechtsanwalt Dr. 227 Fischer, Hans 18. 27 Fisher, Frank 96 Fosdick, H.E. 89. 94. 95. 112. 304 Fox, H.W. 118. 426
Freudenberg, Dr. 319
Frik, H. 112
Frick, Reichsinnenminister
202.
441
Gandhi 173. 176 Gerstenmaier, Eugen 285. 390. 397. 402. 411. 467. 468. 504. 511. 516. 525
Gideon 218 Gilbert, Prof. Felix 308 Gill, Theodore 313 Glenthej, Jörgen 10. 11 Glondys 221
Register Goebbels 392.
321.
489.
Goerdeler
372.
495.
500.
379.
385.
505
375. 394. 404. 491.
508..512.7518
Gogarten, F. 22. 26 Göring 372. 379. 392. 489. 495. 505
Gorkmann 312 Guillon 271. 459 Günther, Prof. 57
226
Hall, Th. 93. 98 von 518
Hitler 42. 358. 366. 381. 385. bis 399. 412. 413. bis 492. 303=512. bis 527
43. 220. 274. 357. 369. 372-376. 379. 386. 390-395. 397 402-406. 409. 410. 483. 486. 487. 489 495. 496. 499. 500. 516, 517:.5207523
Hodgson,
Canon
Leonard
11. 230-239. 280. 450-458. 466-469.
Haan, von 173 Haeften, Hans Bernd von 206.
Hammerstein,
537
Generaloberst
10.
282-286. 531
Hooft, siehe unter: Visser ’t Hooft Horton, D. 314 Horton, W. M. 353
Hunter, Leslie (jetzt Bischof
von Sheffield) 271. 459
375. 394. 404. 491. 508.
Iserland 198. 438
Händler, Generalsuperintendent Jacobi, Gerhard 183. 184. 427.
78
Harris, E. 313 Heckel, Bischof
428
Theodor
131.
Jäger, Dr. 187. 188. 431
Heim, Karl 63. 350:
Jakobus 126 James, William 77. 91. 92. 351 Jehle, H. 530 Jesaja 42 Johansson, Harry 404—408. 517 bis 521
Henriod, H.L. 11. 118. 185. 186. 197—200. 271-275. 426. 429. 430. 437—442. 459462. 529-532 Herrmann, W. 88
Kaiser, Jakob 375. 394. 404. 491. 508. 518 Karow, Generalsuperintendent 82
. 190. 198. 200—203. 220. 22692282 22942312232, . 275. 284. 390. 394. 429. . 438. 440-442. 451. 452. . 504. 507
Hertzler 112 Hildebrandt,
Kehnscherper 53 Franz
27.
207.
226. 320. 477 Himmler 372. 375. 376. 379. 381. 385. 392. 393. 402. 403. 489. 492. 495. 496. 499. 500. 505. 506. 516. 517
Hirsch, Emanuel 18. 154
Keller, A. 314 Kierkegaard 350 Kilburn, T.H.H. 223 Kingsley, Charles 105 Klein, B. 17 Kluge, Feldmarschall von 375. 395. 404. 491. 508. 519
538
Anhang
Knak, Siegfried 30. 130 Knudson 91 Koch, Hanns 198. 438 Koch, Präses Karl 199. 202 bis 205.220..222. 224. 227-230. 234. 235. 242. 264-266. 442—444. 450. 529. 530
439.
Koch, Werner 262. 263 Kramm
227
Krummacher,
F. 198. 231. 285.
438. 451. 467. 468
Küchler, Feldmarschall 375. 491. Kümmel, Prof. 33
17. 32. 34. 41.
4922234532
289. 311. 313. 314. 531 Leibholz 48. 279. 292. 305. 306. 322. 408. 411. 463. 465. 51845222525
Leiper, Dr. Henry
Leuschner
401-403. 408. 493. 498. 509. 515.517. 522
Mann, Theophil 198. 438 McComb, Dr. C. 301 McCown 112 Maritain 309 Marten, Archdeacon 212
Martin, Hugh 361. 480. 532 Menn, Wilhelm 196. 226-228. 264. 438
Lauga, Pastor 173 Lehmann, Prof. Paul
bis 290. bis 319.
Machen, Prof. J. G. 100 Macy, Paul 296. 316. 473 Mallet, Victor 377. 383. 395.
Mathews, Shailer 111 Memling 304
519
Lagarde 57 Lasserre, Jean
Maas, H. 198. 264. 438
17. 37. 471. 472.
282. 291. 389. 404. 478. 503.
Smith
287
296. 299. 303. 321. 469-478.
316 531
375. 394.
398. 404.
491. 508. 512. 518
198. 207.
Meyer, Assessor 173 Miller, Francis 354 Moltke, Helmut von 408. 411. 522.525
Müller, Fritz, Dahlem 264. 266 Müller, Karl 112
Müller,
Ludwig,
Reichsbischof
182. 183. 185. 187-190. 192. 196. 197. 202. 221. 241. 390. 427—429. 432—434. 436. 437. 504
Muni, Paul 298 Nathan 43 Niebuhr, Reinhold 87. 102. 106.
Ley, Robert 379. 495
107.111.
287.
28953058072
Lilje, Hanns 126. 130. 226-228. 264. 265. 274. 403. 461. 517
309.
318.
320.
352.
470.
472.
475.
477.
Lindsay, Dr. 282. 465 Louis Ferdinand, Prinz
Niebuhr, 375.
405. 406. 491. 520
531
310.
313.
354
Niemöller, Martin 40. 184. 199.
Luther, Martin 47. 55. 63. 77. 99:2912.112.21262. 453
Richard
354. 469.
155-9233.
Lyman, Prof. E.W. 87. 88. 90
202.
224.
266.
267.
301.
389.
428. 439. 442. 503. 530
Niemöller, 530
Wilhelm
11.
220.
Register
Occam 329 Oldbars, Dr.
Ripon, J. H.'247..271.
355. 368. 459. 479. 486
Onnasch,
Friedrih
291.
311.
315
Oster,
General
404. 411. 412.
518. 525. 526
Owen, A.O.K.
355. 479
Page, Kirby 106. 111 Paton, William 355-357. bis 371. 531
539
407.
479-488.
Bischof
von
Ritschl, A. 87. 88 Roberts, David 304. 306. 310 Rodewell 307 Röhm, Stabschef 43 Roosevelt, F. 308 Rossi, Signorina 271. 459 Rößler, Helmut 11. 51-65. 528 Russel, B. 91 Sanherib 40. 42 Santayana 91 Sasse, Prof. Hermann
Pestalozzi (Zürich) 30. 35 Peter (später Bischof der DC
Schleicher,
in Magdeburg) 123. 130. 131 Philip, Andre 173 Piccard, Prof. 173 Popp 221 Preysing, Bischof von 375. 391.
Schmidt, H. W. 59
492. 505
92
Quisling 369. 486 Ragaz, Clara 111 Ragaz, Leonhard 46. 106 Rauschenbusch, Walter 101. 106
Cyril
309.
398.
411.
Schmidt, K.D. 180 Schönfeld,
Dr.
Hans
9. 185.
1952.1972199.,203%82079.227: 271. 286. 372. 378-381. 383 bis 385. 387. 390-397. 399 bis 406. 408-410. 412. 413. 429. 438. 439. 443. 459. 469. 488. 494-527. 529
Schönherr, Frau 530 Schutz, E. 301 Seeberg, Reinhold 54 Sichtig, Miss 271. 459 Siegmund-Schultze, Prof. F.W. 198. 205. 438 dent 115. 198. 438
Smart, Prof. 314
310
Richter, Prof. Julius 30 Rieger, Julius 268. 279. 463. 530 Riethmüller
Rüdiger
412. 512. 525. 526
Simons, Dr., Reichsgerichtspräsi-
bis 109, 111
Prof.
226
Schacht 375. 404. 491. 518
Schäfer, Wilhelm 57 Scherer, Dr. Paul 308
309.352
Perry, RB. 91
Richardson,
116.
361 521.
Pauck, Prof. W. 354 Paulus 92. 124. 126. 170. 302.
Protagoras
115.
118. 119. 173. 426
226. 227. 264
Smidt, Udo 271. 272. 459
292.
Sparring-Petersen 271. 459 Spencer, Herbert 105
Sperry, Prof. W.L. 351
540
Anhang
Stählin, W. 118. 121—128. 426 Stalin 395. 405. 509. 519 Stange,E. 112. 198. 227. 271. 438. 459
130.
264.
Steele 118. 426 Stephan, Karl 532 Stöcker 105 Strong, T. 407. 521 Sutz, E. 11. 17-50. 528. 532
Tait 173 Tatlow, Canon Tissington 286. 469
Tawney, K.H.
Temple,
111
William,
Erzbischof
von York 286. 355. 365. 469. 479
Thadden, Reinhold von 264 Thurneysen 22 Tillich, Paul 106. 290. 308. 309. 350. 472. 473
Timotheus 309 Titus, A. 112. 198. 438
Tomkins, Oliver 285. 468 Toscanini 17 Toureille, P.C. 116. 118. 271. 426. 459
Toynbee, Prof. A. 355. 479 Trembath, d’Arcy 532 Troeltsch 112 Trott zu Solz, Adam von 383. 396. 398. 406. 410. 411. 498. 510. 512. 520. 524. 525
Van Dusen, H.P., siehe unter: “ Dusen Vansittart, Lord 385. 386. 500 Vilmar 45
Visser ’t Hooft, W. A. 11. 107. 112#279.22807 282, 3552350: 367. 383. 407. 410. 411. 463. 465. 479-488. 498. 521. 524. 525..531. 332 Wahl, Dr. 198. 285. 438. 467. 468 Ward, H.F. 87. 102. 106. 107. 2110112
Warner 383. 409. 498. 522 Watson, J.B. 91 Webber, Charles 101 Weber, Max 106 Weissler, Dr. F. 264 Wendland, H.D. 198. 226. 438 Werner
401. 403. 515. 517
Whitehead, A.N. 91. 351 Wiemann, H.N. 351. 353 Williams, Roger 313. 326 Winant,
J. G. 410. 411. 524
Winterhager, J. 196. 197. 230. 272. 436. 437. 450. 460
Wirth, A. 57
Wise, Rabbi Stephen 94 Witzleben,
General
von
375.
395. 398. 405. 491. 508. 512. 519
Wobbermin, G. 237. 456 Wolf, Ernst 226 Wurm, Bischof 375. 378. 391. 393. 403. 492. 494. 505. 507. 517
Wycliffe 98 Zankoff, Prof. Stefan 212 Zernoff, Dr. N. 271. 459 Zimmern, A. 355. 479
Zoellner, Generalsuperintendent 121-123. 265. 438
Zuarez 298
126. 127. 179. 198.
Register
541
Sachen Aaronskirche 38 Abrüstung 113 Absolutismus, konfessioneller
199-203,
Bastard, theologischer 19
179
Aktionsproblematik 114 Aktivismus 109 Akt und Sein 22. 26. 79 Amsterdam 1939 275 Amt, ökumenisches, der
BBC 365. 483
behavioristische Diskussionsliteratur 91 Beirat, ökumenischer 227-229. BK
224.225
Ämter, zwei 341-343 Angelsächsische Theologie 177 Antichrist 258.303.
Barcelona 51-54 Barmen 1934 184. 244. 428. 439—442
114.
232. 233. 253. 254. 398. 452. 453. 511
Antisemitismus 306 Antrittsvorlesung 54 Apokalyptik 356. 362. 481 Apostolische Sukzession 297
Arbeiterbewegung 73. 423 Arbeitslosigkeit 24. 101 Arierparagraph 183. 192. 193. 435
Asylcharakter
264. 265
Bekennende
Kirche 40. 45. 47.
49. 201-203. 224-286. bis 442. 464-469
439
Bekenntnis (siehe auch: Konfession) 243. 249-258. 327 bis’331..33343332.336
Bergpredigt
40-43.
108.
148.
150. 213. 445
Bibelkreis 271. 459 black Christ 97 Blockade 70. 364. 482 Briefgeheimnis, Aufhebung des 38
Britische Antwort,
keine
384.
396. 410. 411. 499. 510. 525
der USA
(siehe
auch: Zufluchtsstätte) 335 Ausharren 334. 335. Auslandsdeutschtum 131 Auslandsgemeinden 225 Außenamt, Kirchliches 228. 229. 265. 284. 390
Austausch von Theologen 225. 268-270
(siehe Autorität der Kirche auch: Vollmacht) 63 Autorität der Ökumene 212. 213. 245. 248. 444. 445
Autorität des Staates 63 Auswärtiges Amt 228
Britisch-Russische
Allianz
370.
371. 487
Botschaft, lutherische 180. 181 Bruay on Artois 41. 206. 222. 223. 449
Bruderhaus 45. 46 Buchanism 88 Buße (siehe auch: Sündenbekenntnis) 180. 254. 255. 257 bis 259. 332.395. 405.509. 519
Cambridge 1931 18. 21. 113 bis 118. 120. 175. 426. 528
Cernohorske 172
Kupele 140-161.
542
Anhang
Chamby 1936 273.460
44. 266.
272.
Chikago-Schule 90. 92. 106 Christ, black 97 Christen, Deutsche, siehe unter:
Deutsche Christen Christian Century 300. 350
Christian News Letter 361. 362. 368. 480. 481. 486
Christologie 352 Christus präsens 64. 144. 159 Clarens 1939 285. 468 Compitgne, Wagen von 357. 365. 483 Cuba 17. 55. 75-79. 102
ES)V2225 CVJM (siehe
auch:
Deutsche Kriegsschuld (siehe
auch: Versailles) 117 Diskussionsliteratur, behavioristische 91 Dissentertum 98 docetur, pure 179 Doktrinarismus 253 Drittes Reich (siehe auch: Na-
tionalsozialismus) 56. 58 Edinburg 1937 230. 284. 451.467
education, religious 95 Ehe 50
Eigengesetzlichkeit 144 Einheit
YMCA)
117. 118. 225. 426. 459
der
Kirche
325. 328—332.
Elfter November
238.
239.
457. 458
1918 68. 70.
413. 420
Entwaffnung Deutschlands 357. 364. 365. 369. 483. 486. 487
Dahlem
(Synode
1934)
232.
233. 244. 452 Dämonen 213—215. 446 Danzig 1939 321. 401. 478. 514 Dassel 1933 179
DEK
(siehe auch: Reichskirche)
192. 193. 220. 264. 274. 284. 285. 390. 400. 434—436. 442. 461. 467. 468. 504. 514. 516
Dekalog 64. 108. 358. 363 Delegation, ökumenische
184
bis 186. 428. 429
Demokratie 108. 110. 340. 341. 360. 366. 367. 484
Denomination 98. 99. 325—334, 339. 342. 344. 348. 349
Desinteressement, politisches 65 Deutsche Christen 37. 38. 197. 205. 227, 228. 253. 254. 427. 437
Deutsche Kirche in USA 98. 103
Enzyklika 1891 105 Episcopalian 297. 326. 327. 339. 345. 346 Epsom’ 1932 175
3171192
Erhaltungsordnung
120217
129.
150. 151. 153-155.
130.
160
Erklärung, Ulmer, siehe: Ulmer Erklärung 1934 Erleiden 40
Erlösungsordnung 131 Eschatologie
50. 58. 109. 110.
123 Ethik 20. 31. 33. 34. 63. 64. 92. 404. 518
Europa 362-371. 373. 374. 378. 381. 392. 398. 410. 411. 413. 480-488. 489. 490. 495—497. 505. 506. 511. 516. 517. 523. 524. 527
Euthanasie 393. 507
Register
Evangelium und Gebot 144-146 Evolutionismus 295 Exerzitien 41
543
Friedensfühler
403.
409.
516.
523
Friedensziele 355. 357. 364. 365. 482. 483
Faith and Order (siehe auch: Lausanne) 126. 140. 141. 230 bis 239. 284-286. 450-458. 466-469 Familie 109. 111 Fanö 41. 182-223. 241. 250. 253
Friedrichsbrunn 55 Führerprinzip 192. 434 Fuldaer Bischofskonferenz 378. 494
Fundamentalisten
76.
89.
94.
100. 104. 304. 350. 352
Federal Council of Churches 78. 81. 103. 104. 106. 296. 325
Finkenwalde
42. 45. 46. 269.
271. 290. 394. 404. 460. 473. 507. 518
Flagge in der Kirche 345 Florida 98. 103 Flucht 334. 335 Flüchtling 290. 336. 473. 474
309.
Forschungsabteilung
317.
335.
(-institut), 390. 400.
Freiheit 194. 307. 312. 337. 338. 359. 360. 367. 436. 484 Freiheiten 359. 367. 386
Deutschland,
Gebot, Evangelium und bis 146 Geburtenkontrolle 81 Geist, Heiliger 34. 192.
144
193.
Geistliches Ministerium 187 Gerechtigkeit, bessere 64 Gerechtigkeit — Recht 153. 154. 160. 169
Fortschrittsglaube 92 Fortschrittsideologie 109. 111 Freidenkertum 57°
Freies
64. 133. 136-139. 144—152. 155.157, 1592 1601697218! 214. 216. 445—448
435. 436
ökumenische(s), in Genf 195. 196. 227. 247—249. 401. 504. 514. 515.
Gebot (konkretes) 33. 34. 63.
Komitee
398.512
Freie Synode 183. 184. 427. 428 Freiwilligkeitskirche 100 Friede (Friedensbewegung, sie-
he auch: Pazifismus) 65. 71 bis 74. 102. 152-154. 156. 160. 166-170. 176-178. 212 bis 219. 276-278. 344. 345. 423—425. 444—449
Gesetz 31. 148-150. 160 Gespräche, theologische
236.
247. 248. 455 Gestapo 360. 372. 378. 379. 392. 394. 403. 404. 488. 489. 494. 495. 505. 507. 517. 518. 525 Gland 1932 32. 162-170. 173. 175
Glauben 41. 59. 163. 215. 445. 446
Gnade als Prinzip 20
gospel, social 82. 101. 102. 104 bis 112. 323. 350. 353
Gott, der endliche 77
Grippe 1918 71. 421
Gruppenbewegung 46. 47
544
Anhang
Habilitationsschrift 54 Hakenkreuz 190. 433
Häresie
Kampf
(siehe auch: Irrlehre)
126. 127. 180. 303
Harlem 96. 97. 102,
Katholizität 259
Havana Velado 75 Heil, Verkündigung des -s 31 Hermeneutik 47 Himmelfahrtsbotschaft 187 bis 1925195419621972.1997204: 241. 430-437. 439. 443
Hindsgavl
230. 231. 282. 450.
451. 466
196.
Holle 196. 436 Hungerblockade
197. 436. 437
70. 364. 420.
64. 122-127. 130. 162-164. 174. 180. 210.211. 325332 343. 362. 435. 481
— als Gesellschaftskorporation — als Zweckorganisation (-verband) 140. 159. 164. 212. 444
das allgemeine Wort der — 145—148
der
—
325. 328-332.
Indien 41. 42. 58. 61
Individualismus 93. 99. 103 Instrumentalismus 92. 93 Internationaler Missionsrat 198. 355. 438. 479
Internationalismus
Wort
108.
205:
216. 240. 446. 447
184. 428
Irrlehre (siehe auch: Häresie) 247
37. 56. 373. 380.
392. 489. 496. 506 Jugendbewegung 73-75.
238.
239,
458
Freiwilligkeits — 100 Korporations — 124. 125 Korpus — 124. 125 Neger — 77. 96-98. 347 bis 349
ökumenishe 244.
245.
—
216.
250-252.
217. 447
bis 449
organologischer
Internationalität 196
der —
145—148
Einheit
Idealismus 329. 359 Imperialismus 108
Judenfrage
Kirche 63. 140. 143. 181. 193. 337-340.
das bestimmte
421
Intervention
Kelham 270 Kind, das 53
95299
Hinterweltlerisch 110 Hitlerjugend 182. 427 Hochschulen, theologische 270 Hochverrat
154. 155. 161. 168. 169
Kandidatenaustausch 225 Katechismusentwurf 26. 27. 45 Katholizismus 20. 171. 179
_-nbegriff
181 Reichs — 200-204. 220. 227 bis 229. 231-233.7237. 238.272
Schweigen der — 143. 147. Staat und — 104. 105. 193.
423
bis 425
Jugenddelegation, deutshe — für Oxford 272-275. 460 bis 462
327. 338-346. 435
Trennung von Staat und — 311. 313. 338—341
— und
Kirchen
180. 181
122-126.
Register
— und Welt
143.
144.
159.
363. 481
unsichtbare — 326 Verfassung der — 179 Zerrissenheit der — 158. 161
Kirchenausschüsse 46. 47
Kirchengemeinschaft
(Aufsatz)
545 154-156. 161. 168. 212-219. 261. 276-278. 444—449
Kriegsdienstverweigerung
131.
209. 210. 281. 282. 287. 316. 318. 325. 345. 400. 464. 465. 470. 474—476. 514. 518
Kriegsschuld
69. 70. 72.
103.
117. 420. 422
47
Kirchenkampf 37—40. 47 Kirchenrecht 125 Kirchenspaltung 328-332 Kirchenwahl 38. 274. 461 Kirchenzettel New Yorks
Lakeville 296-298 Langemarc 68. 419
Lausanne 93.
94. 342
Kirchliches Außenamt 228. 229. 265. 285. 390
Kollektivismus 109 Komitee Freies Deutschland 398. 512
Kommunisten (siehe auch:
Rußland) Konfession
32 (siehe
auch:
Be-
kenntnis) 179-181. 243. 244 konfessionellerRelativismus und Absolutismus 179 Konfirmanden 25—29. 33 Konfirmation 27 Kongregationalisten 324-327. 339. 343
Konkretion (der Verkündigung, des Gebotes) 33. 34. 63. 64. 159
115.
Kontakt-Code
131.
406.
145-147.
407.
(siehe
and Order)
auch:
126.
140.
Faith 141.
225. 236. 283. 284. 455
Lehramt 63 Lehre 179. 180. 247 Leib Christi 123 Liberalismus 76. 88. 367. 484 liberty 306 Life and Work (siehe auch: Universal Christian Council, und: Stockholm) 183. 192. 198. 199. 203. 204. 207. 210. 225. 236, 238. 271. 331. 390: 399. 434—444. 455. 456. 459. 503
Lutheraner 326. 327. 334. 344. 346. 349
Lutheraner, Missouri — 98. 327 lutherische Botschaft 180. 181 Lutherischer Rat 272. 460 Luthertum 307
47. 92. 98. 127. 225.
Luthertum, Welt — 225. 251
520.
521
Konventikel 38 Konzil, ökumenisches 218. 261. 448. 449
Kreisauer Kreis 411. 525 Krieg 42.43. 114. 131. 146. 149.
Malvern-Report 365. 483 Maria Laach 17. 18 Martyrium 335 Methodismus 105. 306. 339. 345. 346
Mexico 32. 81. 82. 103
327.
546
-
Anhang
Militäreid 281. 400. 465. 514
Ministerium, Mirfield 270 Mission
Geistliches
187
ökumenischer
Beirat
227-229.
264. 265
ökumenische
Delegation
bis 186. 428. 429
61. 130. 282. 465
Missouri Synode 98. 327 Mittelstelle 121-132. 179 Monarchie 108. 375. 405. 491. 519
Moseskirche 38
ökumenische 244.
Kirche
245.
184 -
216.
250-252.
217.
447-449
ökumenisches Konzil 218. 261 ökumenisches Seminar 225-227 order, new 355. 356. 358. 362 bis 371. 479-488
Nachfolge 41. 47 Nationale Souveränität 368 Nationalgefühl 57 Nationalismus 118. 141. 159. 171. 172. 216. 241. 243. 369. 426. 447. 486
Ordnungen, Gebote und 149 bis 151.
160
Organisation 89 Orthodoxie 258 Osten 32 Oxford 1937 271-278.
228.
264.
Oxfordbewegung 42. 48
58. 436. Neger 306.
Pangermanismus 360 Panslavismus 360
172. 194. 360. 367-370. 482. 483 78. 80. 96. 97. 105. 300. 314. 325. 348
Neger College 96 Negerkirche 77. 96-98. 347 bis 349
Negerliteratur 80 Neuschaffung der
Zustände
new order 355. 356. 358. 362 bis 371. 479-488
Nominalismus 329. 330 Notbund, siehe. Pfarrernotbund Notverordnung 21 183
Nürnberger Gesetze
185. 193. 195. 207.
Paulinischer Sündenfall 122 Pazifismus (siehe auch: Friede)
156. 157. 161
Novi Sad 1933
Paris 1934 429. 435
373.
392.
489. 506
73. 130.2155213@21414233 445. 446
Pelagianer 92 PEP-Report 368. 486 Pfarramt 78 Pfarramt, Refugee — 290. 317 bis 319. 478
321.
Pfarrernotbund
472.
474-476.
(emergency
league) 39. 184. 428 Philosophie, amerikanische
ökumenisches Amt der BK
224.
225
ökumenischer Ausschuß der VL 276
266.
459-462
Nationalökonomie 21 Nationalsozialismus 32. 39. 56.
90. 91
Polis 47
Prädestinationslehre 63 Pragmatismus 90-93. 106
88.
Register
Praktische Theologie 89 Pratteln 23 Predigerseminar 42. 45. 46. 269
Predigt 28. 29. 34. 52. 53. 77. 86. 87. 93. 94. 342
220. 221. 230. 250. 254. 433 bis 436. 439. 450. 453
Relativismus, konfessioneller 179
Religion 52. 57. 58. 300-302. 354
Presbyterian 297. 326-328. 339. 343
Presse 262. 263 Pressefreiheit 359 Preußen 56 Prignitz 56
Prinzipien, christliche 115. 142. 145. 147. 149. 160
Prohibitionsgesetz 346 Propaganda 89. 357. 364. 365 Protestantismus 41. 55. 334. 335 pure docetur 179 Puritaner 323. 340 Quäker 71. 99. 345. 422
Radiopropaganda, englische 197. 357. 364. 365. 437. 483
Rasse 57. 58. 325. 347 Realismus 329. 330 Recht — Gerechtigkeit 153. 154.
Religionsphilosophie 88 religiöser Verein 100 Republik, Weimarer 358 Resolutionen (kirchlihe ökumenische) 114-116.
und 142.
159. 174. 177. 178. 206. 207. 212. 449. 450
reunion 297. 306 Revers 39. 184 Revision der Verträge 178 revival 96 Revolte, siehe: Umsturz Revolution 192. 340. 434 Röhmaffäre 43 Rußland 360. 370. 371. 374. 381. 395. 396. 398. 403. 405. 409. 410. 487. 488. 490. 497. 509. 519 524
Sachkenntnis
(-zugewandtheit)
146
Sakrament 31. 34. 125. 127. 147.
160. 169
Redefreiheit 359 Reformation 323. 324 Refugee — Pfarramt 289. 293. 297—299. bis 476. 478
547
148. 160
Säkularisierung 89. 290.
321. 472. 474
Reiche, zwei 341—343 Reich Gottes 153. 154. 160. 173
Reichskirche (siehe auch: DEK) 200-204. 220. 227-229. 231 bis 233. 237. 238. 272. 441 bis 444. 451-453. 456-458. 460
Reichskirchenregierung 184.186. 188=19207192219421972
199.
333.
342.
343
Säkularismus 58. 350 sanctorum communio 55 Schicksal 124. 128 Schlüsselgewalt 31. 32 Schöpfungsordnungen 124. 128 bis 131. 149-152. 154. 160
Schöpfungswirklichkeit 148 Schriftbeweis 257 Schulfrage 344. 345 Schweigen, qualifiziertes, der Kirche 143. 147
548
Anhang
securite 114. 167. 216. 447
Synkretismus 57, 58
Seelsorge 29 Seminar, ökumenisches Siegurdshof 307
Synode, Barmer 225. 227
Sigtuna 393. 403. 404.507. 517.
Synode,
Dahlemer
232.
233.
244.452
Synode, Freie 183. 184. 427. 428
521.522
Sklavenfrage 325. 347-349 social ethics 92 social gospel 82. 101. 102. 104 bis 112. 323. 350. 353
Sonntagsschulen 95. 96 Southern Baptist 327 Souveränität, nationale 368. 485 Sozialismus 146. 147. 156. 161 Spanien 53 Spiritualismus 340-342 spirituals 97. 348 SS 357. 364. 372. 379-381. 393. 398. 402. 403. 482. 495. 496. 505. 506. 512. 517 Staat 42. 63. 104. 105. 157. 193. 195. 209-211. 214. 327. 367. 435. 445. 446. 485
184. 199-203,
244. 428. 439—442
392. 489. 516. 161. 215. 484.
Staat und Kirche 104. 105. 327.
Taufe
258.
259.
347.
348
text book Methode 86 Theologie 91. 140. 141. 143.157. 159. 254. 349-354
Theologie, angelsächsische 114. 351
Theologie, natürliche 351. 354 Theologie, praktische 89
Theologiestudium
42. 45. 46.
87. 270
Times 188. 431 Toleranzbegriff 326. 336. 349 Transzendentalismus 91 Traubrief 50 Trennung von Kirche und Staat 311. 313. 338-341
Tschechische Nationalkirche 237. 456
338-346
Staatsomnipotenz 358. 359. 366. 367
Ulmer Erklärung 1934 189. 193.
Life and Work) 225. 236. 399.
200. 432. 435. 440 Ultimatum 184. 186. 187. 428. 429.431 Umsturz 357. 359. 360. 364. 369. 370. 372-413. 482. 488-527
455. 457. 513
Una sancta
Stahlhelm 56 Stockholm (siehe auch: Universal Christian Council, und:
Studentenpfarramt 21 Studentenaustausch 225 Sündenbekenntnis, Bekenntnis als (siehe auch: Buße) 255 surrender, unconditional 357. 364. 365. 385. 484
Synagoge 64
123-126.
(und Einzelkirche) 180. 181. 306
unconditional
surrender
357.
364. 365. 385. 482
Union Theological Seminary 11. 17. 49. 84. 86. 87. 89. 92. 287 bis 290. 296. 319. 350. 401. 470-473. 476. 478. 514
549
Register
Unitarier 237. 345. 456 Universal Christian Council
(siehe auch: Life and Work, und: Stockholm) 189. 197. 199-201. 204. 210. 372. 399. 432—444. 488. 513
Universität 42. 54 unsichtbare Kirche 326 Unsichtbarkeit 61
Vereine, christliche, in USA 345. 346
Verein, religiöser 100 Verfassung der Kirche 179 Verkündigung 31. 33. 34. 63. 64
Verkündigung,
ökumenische
156. 157
Verleugnung, Flucht und 335 Versailles, Vertrag von (siehe
auch: Kriegsschuld)
69. 71.
72. 113. 369. 403. 420. 422; 486. 516
Versammlungsfreiheit 359 Verständigung 156. 157. 161. 167-169
Verträge, VKL
Revision
der
178
224-228. 264. 265
Völkerbund 113 Volksabstimmung 43 Vollmacht (siehe auch: Autorität) 144. 145. 148. 158. 159. 245. 249. 261 Volksmission 46
Wagen
von
Compiegne
357.
365. 483
Wagnis (der Entscheidung) 131. 151. 160. 218. 448
Wahrheit 85. 86. 91. 92. 106. 126. 127. 142. 143. 153. 154. 157... 158-2160. 169.,17.9..181. 189. 251. 252. 260. 328,330. 331. 333. 336. 433
Warten-lernen 174 Weimarer Republik 358 Weltbund für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen (siehe auch: World Alliance...) 18. 31. 113 bis 178. 197-201. 438—441.
528
Welt, Kirche und 143. 144. 159 Weltluthertum 225. 251 Weltprotestantismus 55. 197. 437
Wesensproblematik 114 Westerburg 171. 175 Widerstandsbewegung 372 bis 377.
381.
383—413.
488-527
Winkelkirche 47 Wirklichkeit 144. 145. 147. 148. 160
Wirtschaftsomnipotenz 358 Wissenschaft 42. 54 Wissenschaftsbegriff 91 Wochenendhaus 33 Wohltätigkeit, freie 101
World Alliance for promoting international friendship through the Churches (siehe auch: Weltbund...) 198 bis 201. 206. 207. 210. 212. 214. 271. 444—446. 459 Wort 145-148. 179. 180 WSCEF 271. 274. 459. 461
YMCA (siehe auch: CV JM) 117. 118. 271. 274. 346. 402. 461. 516
Youngplan 56
550
Anhang
Zeit, letzte 50 Zerrissenheit 161 Zingst 224
Zwanzigster Juli 1944 390. 397. der. Kirche
Zufluchtsstätte (siehe auch: Asyl) 334-336
Zustände, Neuschaffung der
158.
398. 407. 412. 413. 503. 510. 512.521. 525 Zweckverband (-organisation),
Kirche als 140. 159. 164. 212 Zwei Ämter 341-343
Zwei Reiche 341-343
1567157161
THEOLOGY LIBRANY GLAREMONT, CGALIE,
DIETRICH
BONHOEFFER
Gesammelte Schriften
BAND
II
Kirchenkampf und Finkenwalde Resolutionen - Aufsätze - Rundbriefe 1933 —1943
BAND
III
Theologie, Gemeinde Vorlesungen - Gutachten - Rezensionen 1928—1940
BAND
IV
Auslegungen, Predigten 1930—1944
CHR.
KAISER
VERLAG
MÜNCHEN
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17
Dez
Auen de Frei b-1Ma f
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Bonhoeffer,
Dietrich,
1906-1945.
BEL
Gesammelte Schriften / Dietrich Bonhoef!t hrsg. von Eberhard Bethge. -- München : Ka
yY.\
1958-61.
lv.
: ill.
Includes
Contents.- Dokumente,
; 19cm. indexes.
Bd.1. 1928
bis
Okumene 19h2.-
: Briefe, Bd.2.
Aufs?
Kirchenka
Finkenwalde : Resolutionen, Aufsätze, Rund 1933 pis 1943.- Bd.3. Theologie-Gemeinde : sugen, Briefe, Gespräche, 1927 bis ]
Ba.4.
Auslegungen,
N Predigten,
1933 bis