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German Pages 262 [265] Year 1982
BERLINER HISTORISCHE STUDIEN Herausgegeben vom Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin
Band 4
Germania Slavica II Von Wolfgang H. Fritze
Duncker & Humblot · Berlin
Germania Slavica I I
BERLINER HISTORISCHE STUDIEN Herausgegeben vom Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin
Band 4
Germania Slavica I I
herausgegeben von
Wolfgang H. Fritze
DUNCKER
&
HUMBLOT /
BERLIN
Gedruckt mit Unterstützung der Freien Universität Berlin Redaktion : Felix Escher und Jürgen
Vietig
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdruckes, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten. © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 05043 6
INHALT
Wolfgang
H. Fritze 7
Z u r Einführung
Walter
Lammers
Probleme der Germania Slavica zwischen Elbe und Oder. Bilanz einer Tagung
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Wolf gang Ribbe Z u r rechtlichen, wirtschaftlichen u n d ethnischen Stellung der Kossäten
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Wolf gang H. Fritze Eine K a r t e zum Verhältnis der frühmittelalterlich-slawischen hochmittelalterlichen Siedlung i n der Ostprignitz
Winfried
zur 41
Schick
Beobachtungen u n d Überlegungen zur Salzgewinnung i n Mecklenb u r g u n d Vorpommern i n der slawisch-deutschen Übergangsperiode
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Felix Escher Slawische Kultplätze u n d christliche Wallfahrtsorte. Bemerkungen zum Problem der Christianisierung des Raumes zwischen Elbe u n d Oder 121
Wolf gang H. Fritze Die A g r a r - u n d Verwaltungsreform auf der Insel Rügen u m 1300
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Inhalt
Wolfgang
Wippermann
„Gen Ostland w o l l e n w i r reiten!" Ordensstaat u n d Ostsiedlung i n der historischen Belletristik Deutschlands 187
Jürgen Vietig Die polnischen Grunwaldfeiern der Jahre 1902 u n d 1910
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ZUR EINFÜHRUNG Von Wolfgang H. Fritze Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Germania Slavica", die seit 1978 an der Freien Universität Berlin, Fachbereich Geschichtswissenschaften, besteht, legt hier ihren zweiten Sammelband vor, der neben zwei Referaten unserer ersten Arbeitstagung i m Oktober 1978 (von W. Lammers und W. Ribbe) sechs Beiträge enthält, die i m Rahmen unseres ständigen Wissenschaftlichen Colloquiums vorgetragen und diskutiert worden sind (zwei weitere von B. Sasse und W. Wippermann enthielt bereits der erste Sammelband). Wie ich i m Vorwort zu unserem ersten Bande (Germania Slavica I, Berlin 1980) geschrieben habe, sollten die Referate der Tagung vom Oktober 1978 die Problemstellung unserer Gruppe und die Methoden, m i t denen sie arbeitet, einer interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen. Wenn Walter Lammers Recht hat m i t den Worten, die er i n seiner Einleitung i n die Schlußdiskussion gesagt hat: „ . . . so w i r d man sagen dürfen, daß sie (d. i. die Tagung) methodisch interessante und sachlich neue Erkenntnisse brachte", dann hat die Tagung ihren Zweck erfüllt. Es ging, um wiederum W. Lammers zu zitieren, „ u m Kontinuität", um die Kontinuität zwischen der slawischen und der deutschen Periode i m Bereich der Germania Slavica, vornehmlich i n der Mark Brandenburg, i n den verfassungsrechtlichen Institutionen (E. Böhm in: Germania Slavica I), i n der bäuerlichen und bürgerlichen Siedlung (A. Krenzlin in: Germania Slavica I, W. Ribbe i n diesem Band S. 21 ff., W. Schich in: Germania Slavica I). W. Lammers hat, wie ich meine, m i t Recht betont, wie außerordentlich differenziert sich nach den Referaten der Tagung die Phänomene der slawisch-deutschen Kontinuität i n diesen verschiedenen Gebieten des geschichtlichen Lebens darstellen. Neben solchen Untersuchungen der realen historischen Phänomene stehen andere, die die ideologischen Implikationen aufdecken wollen, die, ob sie es w i l l oder nicht, jede historische Forschung i n sich birgt — meist ohne sich dessen bewußt zu sein. A u f der Tagung hat W. Wippermann diese Problematik behandelt (in: Germania Slavica I). Der vorliegende Band führt die Linien, die die Tagung vor drei Jahren gezogen hat, weiter. Zwei Beiträge behandeln wiederum ideologiekritische Probleme. W. Wippermann fragt nach den ideologischen Vor-
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aussetzungen ostdeutscher Geschichts- und Heimatromane, die als Vermittler ideologisch geprägter Geschichtsbilder eine kaum zu überschätzende Bedeutung besitzen. J. Vietig untersucht die historisch so w i r kungsvoll gewordene Entstehung des polnischen Bildes vom Staat des Deutschen Ordens i m Kontext einer bestimmten Phase der politischen Geschichte und dessen Auswirkungen i m politischen Zeitgeschehen. Kontinuitätsfragen sind die übrigen Beiträge gewidmet, zum größeren Teil i n sachlichen bzw. räumlichen Bereichen, die auf der Tagung von 1978 nicht behandelt werden konnten. So untersucht W. Schich die slawischen Voraussetzungen der Salzgewinnung und des Salzhandels an der südlichen Ostseeküste, F. Escher die so bedeutungsvolle Frage einer Kontinuität der Kultstätten von der heidnischen i n die christliche Zeit. Ein Beitrag des Herausgebers beschäftigt sich m i t agrarstrukturellen und agrarrechtlichen Veränderungen auf der Insel Rügen, die — i m Gegensatz zu anderen Teilregionen der Germania Slavica, besonders auch der Mark Brandenburg — ohne größere Beteiligung deutscher Bevölkerung vor sich gegangen sind. Ein weiterer Beitrag ist einer zentralen Aufgabe unserer Gruppe gewidmet, der kartographischen Darstellung des Verhältnisses von frühmittelalterlich-slawischer zur hochmittelalterlichen ländlichen Siedlung — hier am Beispiel der Ostprignitz. Die Diskussion der Tagung vom Oktober 1978 hat sich m i t dem Namen, den w i r uns gegeben haben, beschäftigt. Wie ich i n unserem ersten Bande festgestellt habe, ist er dem von Th. Frings 1932 i n die Geschichtswissenschaftliche Diskussion eingeführten Begriff „Germania Romana" nachgebildet (zuerst wohl von m i r selber i n meiner Dissertation von 1952). I n unserem Verständnis bezeichnet er denjenigen Teil des deutschen Sprachgebietes, i n dem i m Zuge der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung eine Bevölkerung deutscher Sprache sich eine slawisch sprechende Bevölkerung sprachlich und kulturell assimiliert hat — nicht ohne in diesem Durchdringungsprozeß ihr eigenes Wesen zu verändern (s. Germania Slavica I, S. 11). I n der Tagungsdiskussion haben einige Teilnehmer angenommen, daß w i r i n dem Begriff der Germania Slavica das „Slawentum" und das „Deutschtum" als zwei korrespondierende Größen, als zwei i n sich homogene, von einer eigentümlichen K u l t u r geprägte ethnische Komplexe, einander gegenüberstellen wollten, eine Auffassung, gegen die sich besonders Frantisek Graus mit Recht mehrfach gewandt hat (so in der HZ 197, 1963 oder in dem von G. Baraclough herausgegebenen Sammelwerk „Eastern and Western Europe i n the Middle Ages", London 1970). Wie ich schon früher dargetan habe (Jb. für die Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands, Erg.-Bd. zu Bd. 11, 1967; vgl. auch Germania Slavica I, S. 12), liegt uns eine solche, sachlich nicht haltbare Auffassung fern. W i r wissen, daß „die Slawen"
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auch i m hohen Mittelalter keine kulturelle Einheit gebildet haben, daß auch „die Deutschen" keineswegs eine kulturell homogene Gruppe waren und daß zudem ihre mittelalterliche K u l t u r nur teilweise ein spezifisch deutsches Gepräge trug. Wenn w i r i n dem Begriff der Germania Slavica dennoch die Ethnonyme „Deutsche" und „Slawen" einander gegenübergestellt haben, dann findet das seine Begründung zum einen darin, daß i m Zuge der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung ethnische Gruppen einander begegnet sind, die sich selbst auf Grund der Sprache gegenseitig als „Deutsche" (Theutonici) und „Slawen" bzw. „Wenden" ( Sciavi , Winidi) bezeichnet haben. Doch ist es nicht die Sprache allein, die als ethnisch kontrastierendes Element dem Bewußtsein der Zeit gegenwärtig war. Aus der Bilderhandschrift des Sachsenspiegels ersehen w i r , daß „Wenden" und „Sachsen" sich gegenseitig auch an der verschiedenen Kleidung erkennen konnten. Wichtiger sind indessen andere Beobachtungen. So stellt Helmold von Bosau, der bekannte Verfasser einer Chronica Slavorum in der 2. Hälfte des 12. Jh.s, dem aratrum Slavicum, d. i. dem technisch verhältnismäßig einfachen Hakenpflug der slawischen Bauern, den technisch überlegenen Wendepflug als aratrum Theutonicum gegenüber. Gewiß ist der Hakenpflug so wenig ein spezifisch slawisches Ackergerät wie der Wendepflug ein spezifisch deutsches. Doch ist auch richtig, daß die slawischen Bauern i m Bereich der Germania Slavica überwiegend i m 12. Jh. noch den Hakenpflug gebrauchten, während die einwandernden deutschen Bauern i n ihrer Mehrheit bereits den i n Westeuropa entwickelten Wendepflug mitbrachten, so daß beide Geräte i n dieser Zeit als ethnische Merkmale aufgefaßt werden konnten. M i t dem verschiedenen Stande der agrartechnisehen Entwicklung hing es auch zusammen, daß man „slawische" und „deutsche" Hufen (Flächeneinheiten der Flurgliederung) unterschied. I n ähnlicher Weise kennen Siedlungsurkunden des hohen Mittelalters auf der einen Seite ein ius Slavicum, auf der anderen den Kontrastbegriff des ius Theutonicum. M i t jenem ist i n erster Linie die Gesamtheit der Dienste und Abgaben gemeint, die die slawische bäuerliche Bevölkerung dem slawischen Landesherren zu leisten hatte, mit diesem die Befreiung davon, die libertas Theutonica (der Bedeutungsgehalt beider Begriffe reichte freilich wesentlich weiter). Man w i r d sagen müssen, daß das ius Slavicum i m bezeichneten Sinne in der Tat eine spezifisch westslawische Bildung war, für die es i m übrigen Europa kaum Parallelen gab. I m Gegensatz dazu hat das ius Theutonicum nur wenig eigentümlich Deutsches, sondern ist i m wesentlichen ein gemeinwesteuropäisches Recht, das nur deshalb als ius Theutonicum bezeichnet werden konnte, weil es von Deutschen i n die slawisch besiedelten Länder gebracht worden ist.
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I n den nicht wenigen Fällen von Paaren einander benachbarter Dörfer gleichen Namens, deren eines i m Namen den Zusatz „Wendisch", das andere den Zusatz „Deutsch" trägt, ist wohl sicher die Sprache das Unterscheidungskriterium. Dagegen spielen neben der Sprache auch Unterschiede i m Recht, i n der Verfassung und i m Abgabewesen eine Rolle, wenn Siedlungsurkunden villae Slavicales neben villae Theutonicales stellen. Es zeigt sich somit, daß „die Slawen" und „die Deutschen", die sich i m Bereich der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung begegneten, sich nicht nur nach der Sprache unterschieden, sondern auch nach i m weiteren Sinne kulturellen Besonderheiten. Das gilt freilich nur für diese Zeit und diesen Raum. Länder, i n denen slawische und deutsche Siedler schon früher aufeinandergetroffen sind, wie die Altmark, Oberfranken, Kärnten und Steiermark, bieten ein ganz anderes Bild. Daraus muß geschlossen werden, daß die kulturellen Besonderheiten, die die beiden Ethnika i m hohen Mittelalter unterschieden, keine historisch konstanten Bildungen waren und deshalb auch nicht ihren Trägern „wesensimmanent" gewesen sein können. Noch ein weiterer Einwand, der gegen den von uns gewählten Namen erhoben worden ist, sei hier besprochen. Die Bezeichnung unseres Arbeitsgebietes als Germania Slavica soll keinesfalls ein harmonisierendes B i l d von einem ausschließlich friedlichen Neben- und M i t einander von slawischer und deutscher Bevölkerung vortäuschen. Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters ist in den Zusammenhang weitgreifender wirtschaftlicher und rechtlicher Umbildungen i m östlichen Mitteleuropa zu stellen. Derartige großangelegte Reformwerke sind noch niemals ohne erhebliche Härten für große Bevölkerungsgruppen vor sich gegangen. Die hochmittelalterliche deutsche Ostsiedlung bzw. die Siedlung nach dem sog. deutschen Recht hat solche Härten für Teile der slawischen Bevölkerung zweifellos m i t sich gebracht. I n mehreren Arbeiten hat B. Zientara gezeigt, wie die daraus resultierenden Konflikte „nationale" Emotionen wecken konnten (z. B. i n Acta Polonia Historica 22. 1970). Auch diesen Fragen w i r d unsere Aufmerksamkeit zu gelten haben. Weiter hat die Diskussion — W. Lammers vermerkte es — die Frage aufgeworfen, ob nicht der Germania Slavica eine Slavia Germanica gegenüberstehe. W i r bejahen diese Frage ohne Einschränkung. So wie der Germania Romana eine Romania Germanica zur Seite steht (E. Gamillschegg 1934/36), so der Germania Slavica eine Slavia Germanica, d. i. ein Raum, i n dem eine Bevölkerung slawischer Sprache sich eine deutschsprechende Bevölkerung assimiliert hat; ihre Teilregionen haben w i r , soweit bisher bekannt, in Pommerellen, Teilen von Groß- und Kleinpolen, den beiden Lausitzen, Teilen von Oberschlesien,
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Teilen von Böhmen, Mähren und der Slowakei und auch i n K r a i n zu suchen. W i r meinen, daß man die Phänomene des einen Bereichs nur dann recht erfassen kann, wenn man auch die des anderen i m Auge behält. Wenn w i r als Gegenstand unserer Arbeit „die wechselseitige Durchdringung von slawischem und deutschem Ethnikum" bezeichnet haben (Germania Slavica I, S. 12), dann haben w i r implicite damit auch die Slavia Germanica i n unser Gesamtprogramm einbezogen. W i r würden es lebhaft begrüßen, wenn auch i n diesen Gebieten Untersuchungen unter der Fragestellung unserer Gruppe durchgeführt werden könnten. Damit b i n ich aber auf einen weiteren Punkt der Diskussion unserer Tagung gestoßen: die Frage nach der räumlichen Ausweitung oder aber der Einengung unseres Arbeitsgebietes. I n unserem ersten Bande haben w i r dargelegt, daß die notwendig beschränkte Zahl unserer aktiven M i t glieder es uns nicht gestattet, den Gesamtraum der Germania Slavica interdisziplinär, wie es unserem Programm entspricht, zu bearbeiten, daß w i r uns vielmehr für eine so allseitige Bearbeitung auf Kerngebiete beschränken müssen und andere Regionen nur unter ausgewählten Teilaspekten behandeln können, wie es i n diesem Bande geschieht und wie es auch i n künftig vorzulegenden Arbeiten geschehen soll. Deshalb ist es uns kaum möglich, die Phänomene der Slavia Germanica allein mit unseren Kräften zu behandeln. W i r würden uns wünschen, daß polnische und tschechische Fachgenossen sich finden, die diese Thematik gemeinsam m i t uns aufgreifen. Ohnedies waren w i r durch Veränderungen i n unserem Mitgliederbestand — ein Schicksal, dem keine universitäre Gruppenarbeit entgehen kann — genötigt, unser Arbeitsprogramm zu konzentrieren. Nach dem Abschluß der Arbeiten an dem i m ersten Bande vorgestellten Havelland-Projekt i n diesem Jahre werden w i r noch eine — bereits in Angriff genommene — entsprechende Untersuchung der Neumark zu Ende führen; i n Aussicht genommen ist auch noch ein Uckermark-Projekt. Das bedeutet eine räumliche Konzentration auf die Mark Brandenburg, i n deren Rahmen w i r freilich bemüht waren, Regionen von möglichst verschiedener Struktur auszuwählen, um die uns so dringend notwendig erscheinende Differenzierung des Gesamtgeschehens (s. Germania Slavica I, S. 25 f.) vornehmen zu können. Das neue Programm hat eine zeitliche Verlängerung unserer Arbeit zur Voraussetzung. Dafür haben w i r zum einen den Entscheidungsinstanzen unserer Universität zu danken, insbesondere der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, die die Laufzeit unseres Projektes um zwei Jahre, also bis Ende 1982, verlängert hat. Zum anderen gebührt unser Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die uns i n großzügiger Weise Personalmittel für die gleiche Zeit gewährt hat.
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Wie schon gesagt, sollen neben den brandenburgischen Kernregionen unseres Arbeitsprogrammes, dem Havelland, der Neumark, der Uckermark, auch weiterhin wenigstens Teiluntersuchungen aus anderen regionalen Bereichen vorgelegt werden. Z u unserer besonderen Freude konnten w i r i m Juni dieses Jahres i n Coburg ein interdisziplinäres Colloquium m i t fränkischen und bayerischen Spezialisten über das Verhältnis von slawischer (sorbischer) und deutscher Siedlung am Obermain (Radenzgau) durchführen. Ermöglicht wurde uns diese, wie w i r meinen, ertragreiche Veranstaltung durch die Hilfe der Stiftung Volkswagenwerk, die uns, wie schon i m Jahre 1978, die M i t t e l dafür zur Verfügung gestellt hat. W i r hoffen, ähnliche Regionen außerhalb der Mark Brandenburg behandelnde Colloquia auch i n Zukunft durchführen zu können. Ich schließe meine Einführung m i t dem Dank an das Kuratorium unserer Universität, das uns die Druckkosten dieses Bandes zur Verfügung gestellt hat, an den Verlag, m i t dem w i r i n gleichbleibend guter Zusammenarbeit stehen, m i t dem Dank an den Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin, der uns unter schwieriger werdenden Bedingungen jede mögliche Hilfe angedeihen läßt, m i t dem Dank an unsere nie versagende Helferin, Frau Ingrid Boehm-Tettelbach. Zuletzt danke ich dem Kartographen des Friedrich-MeineckeInstitutes, W i l l y Schlag, der uns insbesondere die Ostprignitz-Karte dieses Bandes gezeichnet hat; wer sich je m i t Fragen der historischen Kartographie beschäftigt hat, w i r d ermessen können, welch schwierige Aufgabe hier zu bewältigen war.
PROBLEME DER G E R M A N I A S L A V I C A ZWISCHEN ELBE UND ODER Bilanz einer Tagung Von Walter Lammers Wer die A r t unserer Tagungen kennt, weiß, daß immer einer dabei ist, der hören und speichern soll, u m zum Schluß wie i n einem kleinen Blütenstrauß zusammenzubinden, was vorher fuderweise i n die Scheunen gefahren wurde. Das geht nicht leicht. Doch durch lange Erörterungen über Schwieriges w i r d dieses nicht leichter. Darum sogleich zur Sache. I n der Eröffnung machte Herr Fritze zunächst m i t der neu eingerichteten Arbeitsgruppe Germania Slavica an der Freien Universität Berlin bekannt. Daß die Gruppe zustandegekommen und ihre erste Tagung durch den Besuch internationaler und deutscher ausgewiesener K o l legen honoriert worden ist, ist eine erfreuliche Berliner Tatsache. Das Symposion stellt sicher einen Höhepunkt i n der Arbeit der Veranstalter dar, auch i n der Geschichte des hiesigen Instituts. W i r wissen, wieviel Hingabe und Zähigkeit m i t der neuen Einrichtung einer solchen Forschungs- und Tagungsstelle verbunden und notwendig ist. W i r gratulieren daher herzlich den Kollegen Fritze und Quirin zum Beginn und wünschen eine lebendige Zukunft. Freilich, wer ein Panier am Wege, ja am Schnittpunkt vieler Wege aufpflanzt, der w i r d nicht nur Lob, Zustimmung und Einverständnis hören, sondern Bedenken, Einwände, Kontroversen erwarten. Es begann schon m i t dem Titel „Germania Slavica". So wurde von polnischen Kollegen gegengefragt: „Wo ist denn die ,Slavia Germanica'?" Es ist dies ein Einwand, der wahrscheinlich vom Erfinder der Formel gar nicht erwartet wurde, und insofern stellt der Einwand eine erste Erfahrung zum Thema dar. Jede derartige Formulierung zum Arbeitsthema bringt bereits eine Beurteilung des historischen Phänomens. Dabei sollte man jedoch bedenken, historische Phänomene werden, wie Herr Labuda sagte, nicht „vom Äther her" beobachtet, sondern i m Leben. Das heißt, von deutscher Seite wurde die Behandlung der deutsch-slawischen Begegnung angegangen; man sollte zunächst i m Vertrauen darauf, daß i n methodisch verläßlicher Weise sich von diesem Ansatz her (und vernünftig) debattieren läßt, die Arbeit beginnen. Es w i r d sich Gelegen-
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Walter Lammers
heit bieten, dabei die eigenen Voraussetzungen kennenzulernen und eine andere Sicht, einen anderen Standort zu prüfen und auch sie durchzuspielen. Meine Erfahrung ist, daß man nicht dümmer wird, wenn man der eigenen Voraussetzungen m i t den Augen der anderen Seite gewahr wird, freilich auch dadurch nicht, daß man auf der Gegenseite solche Voraussetzungen sieht. Offenbar sind historische Urteile immer an „Wir-Gruppen" gebunden; dennoch lebt der Historiker von der Hoffnung, daß es möglich ist, näher an die Wahrheit, an die Realität heranzukommen, etwa indem man sich gegenseitig m i t seiner Wahrheit bekannt macht. Genug von Problematischem und Grundsätzlichem, das auf einer internationalen Tagung zu einem Thema wie dem unsrigen gleich zu Anfang bedacht und zum Teil formuliert wurde. Herr Fritze hat sodann das Forschungsprogramm der Arbeitsgruppe umrissen. Die sachlichen Punkte und die methodischen Absichten können dazu nicht i m einzelnen wiederholt werden. Das Programm fand weitgehend Anerkennung. Es wurde zwar u. a. als gigantisch bezeichnet, das aber nur noch gigantischere Wünsche wachriefe. Etwa war danach ein Großteil des wünschenswerten geographischen Arbeitsfeldes ausgespart. So der europäische Südosten oder gar der dänische Raum nördlich der Eider etc. Dem Gegenvorschlag, den Raum i n übersehbarer Weise abzustecken, sollte man meines Erachtens zustimmen. Er wäre dann i m Westen durch die Linie bezeichnet, bis wohin jeweils slawische Siedlung vorgedrungen ist und dort kürzer oder länger verblieb, im Osten m i t der Ostgrenze der deutschen Neustämme, wie sie sich i m 19./20. Jh. ausgebildet vorfanden. Von den vielen Einzelproblemen, die zum Arbeitsprogramm genannt wurden, schien m i r ein Punkt übersehen, der aber i n der späten Diskussion sich als vordringlich anmeldete. Das ist die Frage nach der A n kunft der Slawen i n ihren westlichen Siedelplänen und die Form der „Ablösung". Das heißt: trafen die Slawen auf germanische (Rest)verbände auf, schoben diese etwa wie einen Schneepflug vor sich her oder bestand ein Siedlungshiatus zwischen abgewanderten Germanengruppen und den Neuankömmlingen oder lebten germanische Restgruppen m i t den landnehmenden Slawen hinfort miteinander? Dies eine Einzelheit; i m großen fand das Arbeitsprogramm Zustimmung bei den Hörern. M i t dem Vortrag von Herrn Wippermann begann dann das sachliche Programm der Tagung m i t einem Thema, das als Spezifikum der Arbeitsgruppe schon angekündigt wurde: „Die deutsche Ostsiedlung in der deutschen Historiographie und Publizistik des 19. Jh.s: Probleme und Methoden." Es handelte sich u m ein besonders interessantes A r beitsfeld, das mehr noch als die Erforschung der historischen Realien
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sogleich gegenteilige Meinungen hervorrief. Es geht um die Voraussetzungen historischen Anschauens und Begreif ens; der Hedner sprach einmal von „genetisch-funktionaler Ideologiekritik"; ich würde das gemeinte Erfordernis einfacher nennen: K r i t i k der historischen Vernunft. Man w i r d dem Redner und der Arbeitsgruppe beistimmen, daß es wicht i g ist zu wissen, wieso die Anschauungsformen, Begriffe und ihre Legitimation entstehen, m i t der eine Wir-Gruppe ihr historisches Schicksal (oder ihre historische Haltung) i n dem Begegnungsprozeß benennt, deutet, beurteilt. Von solchen Kurzinhaltsverzeichnissen, historischen K ü r zeln, die eine Anschauungswelt i n sich bergen können, wurden z.B. genannt: Der „Drang nach dem Osten", „Kulturträger", „Kulturgefälle" u.s.f. Wichtig ist die Erforschung solcher Anschauungsformen als Hilfswissenschaft des Geschichtsschreibers; wenn man die Bedingungen kennt, unter denen solche Schlagworte entstehen, dann versteht man die Geschichte der Geschichtsschreibung besser, und besser könnte man danach Geschichte schreiben. Aber das ist es nicht allein. Es wurde gezeigt, wie solche Urteile ihr Leben außerhalb der historiographischen Welt zu führen beginnen, daß sie nicht nur in politischer Propaganda wirksam werden, sondern daß sie als Geschichtsbild das Verhalten der Gruppe bestimmen — unreflektiert, wie man heute sagt. Solche Reflexion, Hinterfragung oder wie andere modische Vokabeln lauten, treffen i n der Tat auf eine Notwendigkeit unserer Tage. — W i r haben nun über die Herkunft wesentlicher Züge unserer überlieferten Bilder von der deutschen Ostsiedlung eine Reihe interessanter Auskünfte erfahren. Dabei war es mitunter, wie wenn man sich selbst zum ersten Mal i n einem Spiegel erblickt, und manches w i l l einem nicht gefallen. Das ist, meine ich, eine Erfahrung, die einem ehrlichen und vernünftigen Menschen selten erspart bleibt. Doch auch andere Leute sind nicht immer schön. Was ich meine, ist: Eine solche historiographische Ideologiekritik sollte man nicht vereinzelt, auch sollte man sie (wie man sagt) differenziert sehen. Phänomene, die man m i t der deutschen Ostsiedlung vergleichen könnte, wie etwa die spanische Reconquista oder die russische A u f Siedlung des sibirischen Raumes oder auch die Ausbreitung der Wikinger (alle Vergleiche hinken), finden sicherlich bei den entsprechenden Wir-Gruppen legitimierende Geschichtsbilder; ich bin überzeugt, daß anders die historische Darstellung bei den „Trägerverbänden" bislang gar nicht möglich erschien. Dazu wäre i n unserem Falle einmal von Interesse zu sehen, wie dasselbe historische Phänomen von slawischer Seite i n der Geschichte der Geschichtsschreibung erscheint. Auch hier gibt es sicher Bilder, Urteile, die ihre eigene Genesis, ihre eigene Verursachung, ihre Bedingtheit und Begrenztheit haben. Ich kann m i r nicht denken, daß, wenn m i t wissenschaftlicher Akribie die Herkünfte der verschiedenen historischen Anschauungsformen einmal gemeinsam
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aufgezeigt wurden, die Parteien so wieder aus dem Rathaus gehen, wie sie hineingegangen sind. Nach diesem historiographischen Vortrag begannen w i r sogleich m i t der speziellen Thematik der Tagung. Herr Ribbe trug über die Kossäten vor, ihre ethnische, rechtliche und wirtschaftliche Stellung. Der wissenschaftliche Fortschritt, der sich auf diesem sozialgeschichtlichen Felde ergab, resultierte aus der erweiterten Fragestellung, m i t der die Kossäten eingeordnet wurden. Als einseitige Erklärung erschien, daß die Kossäten sich als Schicht von Hintersassen aus der slawischen Bevölkerung als spezielle Folge der deutschen Kolonisation gebildet hätten. Die Ausbildung einer unbäuerlichen (oder unterbäuerlichen) Schicht i m Dorfe erscheint im Rahmen europäischer Sozialgeschichte vielmehr als allgemeine Erscheinung; sie stellt eine Stufe i n der Differenzierung der Dorfgesellschaft i n der Zeit dar. Die neue Schicht braucht daher nicht ethnisch bestimmt zu sein und die wirtschaftliche Stellung braucht nicht immer unterschichtenhaft zu sein (Schmiede, Stellmacher). Sieht man (das ist eine Erfahrung auf der Tagung überhaupt) als typisch geltende Erscheinungen der Kolonisationszeit diese i n einem sachlich erweiterten und geographisch großen Rahmen, dann verlieren alte Überzeugungen nicht nur ihre eigenartige Härte, sondern auch das Konfrontationsmotiv der Völker selbst erscheint nicht mehr i n der akzentuierten Besonderheit. Einem Generalthema der Tagung wandten w i r uns m i t dem Vortrag von Herrn Schick zu, dem der historischen Kontinuität. Sein Thema war: „Fragen der slawisch-deutschen Kontinuität i n der Entwicklung der Städte zwischen Elbe und Oder". A n einer Reihe von Beispielen zeigte Herr Schich (Brandenburg a. d. Havel, Jüterbog, Spandau, Prenzlau, Frankfurt a. d. O.) differente Stadtgründungsprozesse. Selten handelt es sich u m einen einmaligen sozusagen politischen Gründungsakt. Durch die polnische neuere Forschung ist der Typus der slawischen „Frühstadt" aufgezeigt worden. Burg- und Marktsiedlungen sind die vorgegebenen Sproßstellen für die Gründung hochmittelalterlicher Städte i m Sinne der europäischen Entwicklung. Von Kontinuität ist also bei den genannten Städten i n ganz besonderem Maße zu sprechen. Stadtentstehung erscheint nicht mehr so sehr als Prägeakte, sondern als Evolution aus alter Anlage. Dabei wurde, besonders i n der Diskussion, auf die verfehlte Haltung einer primär rechtsgeschichtlichen Betrachtung und Beurteilung des Städtewesens hingewiesen. Nicht nur die Stadt i m „Rechtssinne" sei europäische Stadt, ebenso wichtig sei die wirtschaftliche und soziale besondere Strukturierung einer städtischen Anlage, die topographische, vom Umland geschiedene Gestalt. Nun ist die stadtgeschichtliche Forschung durch Erforschung der „Frühformen" sicherlich reicher i m Verstehen eines großen europäischen Vorganges
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geworden; dennoch möchte ich meinen, daß man den Schritt zur Rechtsstadt und zur Einrichtung einer selbstverwalteten Bürgergemeinde, daß man diese Entwicklungsstufe nicht als ein K r i t e r i u m unter anderen werten sollte. Die Ausfaltung dieser Rechtsstadt stellt — meine ich — i n der europäischen Sozialgeschichte ein so eigentümliches Ereignis dar, daß man — wie Herr Schich m i t Recht bemerkte — es besonders markieren muß. Der Bedeutung slawischer Kontinuität w i r d dadurch das Gewicht nicht genommen. Auf dem Felde der Siedlungsgeographie trug Frau Krenzlin zum Generalthema bei: Fragen der Siedlungsgeographie i n der slawischdeutschen Kontaktzone. Sie fragte: Kann man das Weiterleben slawischer Bevölkerung aus den Siedlungsformen erkennen? Dazu ist zu sagen, daß uralte slawische Flurformen, etwa Blockfluren, nicht mehr aufzufinden sind. Wohl aber kann man bei Anwendung der vielfältigen methodischen M i t t e l des Siedlungshistorikers und -geographen noch Slawen aus späteren Umsetzungen erkennen. Bei Zusammenlegungen von kleineren Ortschaften zu neuen planmäßigen Anlagen sind z. B. die aufgelassenen slawischen Siedlungen häufig noch i m Flurnamenverzeichnis und auf den Flurkarten aufzufinden. A u f verschiedenen Untersuchungsgebieten wurden die verschiedenen Formen der weiter w i r t schaftenden slawischen Dorfgesellschaften, so i m Hannoverschen Wendland, i n der Prignitz, i n der Niederlausitz, i n der Uckermark gezeigt. Die Fülle ihrer Beispiele, die Menge der Indizien können hier nicht genannt werden. Nur ein Beispiel sei i n die Erinnerung zurückgerufen. I n Dörfern m i t flämischen Hufen findet man besonders oft slawische Flurnamen. Es ist erlaubt, bei solchen Dörfern m i t slawischer ursprünglicher Besetzung zu rechnen. Die Intensität slawischer weiterdauernder Siedlung i n deutscher Zeit ist landschaftlich sehr verschieden. So überlebt etwa das Hannoversche Wendland als slawisches Siedlungsgebiet bis i n die Neuzeit; an anderen Stellen sind unter der deutschen Neusiedlung Slawen i n der Übergangszeit nur schwer nachzuweisen. Durchweg jedoch ist die Kontinuität slawischer Bevölkerung i m Untersuchungsgebiet sicher. „Wieweit bestand Kontinuität i n der territorialen Gliederung ostdeutscher Länder seit der spätslawischen Zeit?", so fragte Herr Böhm und führte dabei als Schauplätze, da die Weiterwirkung territorialer Fassungen beobachtet werden konnte, die Mark Brandenburg und Ostholstein vor. I n Brandenburg ist die Vogteiverfassung des späten M i t telalters sicher zusammen zu sehen m i t der spätslawischen Einteilung i n Burgbezirke. Freilich ist die „Fortwirkung" nicht als starres Bestehenbleiben alter Grenzen und Mittelpunkte vorzustellen. Dynastische Entwicklung, verkehrsgeschichtliche Wandlungen, Verlagerung wirtschaftlicher Schwerpunkte, Verfassungspolitik w i r k e n auf die Grenzen und 2 Germania Slavica I I
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Mittelpunkte der Verwaltungseinheiten ein, aber jeweils ergab sich die Notwendigkeit, die territoriale Gliederung der deutschen Zeit aus den Gegebenheiten der slawischen Vergangenheit zu verstehen. Ein bislang unbekanntes Feld betrat Herr Harder (— und bebaute es), als er seine Ortsnamenstudien vortrug. Die Schreibung slawischer Ortsnamen läßt denjenigen erkennen, der den Namen zum ersten M a l aufschrieb. So sind an oberdeutschen Schreibungen zu Namen i n Pommern die Vestigia der Missionssprache Ottos von Bamberg zu erkennen. Offenbar gab es solche Schreibverzeichnisse. Sie können u. U. das Zusammentreffen bestimmter (z. B. oberdeutscher) Sprachgruppen m i t den slawisch besiedelten und benannten Landstrichen zu erkennen geben. Man darf gespannt sein, wie sich die Historiker dieses Hilfsmittels bedienen werden. Als methodisch interessant und sachlich ertragreich erwies sich der Beitrag von Herrn Roderich Schmidt, der den Versuch an mehreren Stellen unternahm, aus Besitzkomplexen der hochmittelalterlichen Zeit Rückschlüsse auf ältere slawische Bezirke zu ziehen, so etwa bei Kloster Broda und Gützkow. Ebenso wurde der Versuch gemacht, das Gebiet der Redarier auf solche rückschließende Weise zu lokalisieren. Auch hier ergab sich bei den Tagungsteilnehmern eine weitgehende Anerkennung des methodischen Vorgehens und die Einsicht, daß bei subtiler Arbeit und klarer Fragestellung sich die Anknüpfungspunkte hochmittelalterlicher Verbände i n den Ordnungen der spätslawischen Zeit finden lassen. Erwähnt sei noch, daß sich die Besitzhäufung eines slawischen Adligen (Bork) ungefähr m i t der Methode von Roderich Schmidt zeigen ließ. Insgesamt ergab die Arbeit, daß die Thematik der Tagung i m Sinne ihrer Anlage immer mehr zu klaren Aussagen gelangt. Einen anschaulichen und belebenden Abschluß erhielt die Reihe der Vorträge durch die beiden Berichte aus Holstein von Herrn Struve und Herrn Hinz. Was nach den jahrelangen Grabungen und Forschungen i n Oldenburg, Futterkamp und Bosau nunmehr als Ergebnis vorgeführt werden konnte, ist eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnis von der Geschichte der Slawen seit ihrem ersten Auftreten nördlich der Elbe bis ins Hochmittelalter. Die Grabungen i n Oldenburg lassen vieles von der Verfassungsgeschichte einer slawischen Fürstenburg über einen ungefähren Zeitraum von 500 Jahren erkennen. Höhe- und Wendepunkte i n der Geschichte des Abotritenverbandes lassen sich an dieser „ U r kunde" ablesen. Bei Futterkamp zeigte Herr Hinz den historischen Zickzackweg vom slawischen Burgsitz zum spätmittelalterlichen Rittergut. I n einer Kurzformel lautete das Ergebnis: Kontinuität ja, — aber nicht so einfach. A m Beispiel Bosau konnte der Archäologe die Geschichte einer slawischen Siedlungskammer von den Anfängen bis zur Zeit
Probleme der Germania Slavica zwischen Elbe u n d Oder
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Vicelins und der deutschen Siedlung erzählen. Eine Würze bekam dieser Bericht durch archäologische Indizien, die besagen, daß i n Bosau eine kleine Gruppe germanischer Leute von alters her gesessen haben muß und hier offenbar bis i n die slawische Zeit geblieben ist, — wie vor allem das Pollendiagramm wahrscheinlich machte. Von großem Interesse muß ferner die dendrochronologische Datierung des Burgwalles von Bosau zum Jahre 720 sein. Auch in Oldenburg kommen w i r beim augenblicklichen Stand bei der Bestimmung des Beginns der slawischen Zeit nicht weiter zurück als bis zu den Jahren u m 700 n. Chr. Übersehen w i r das Gesamtprogramm der Tagung, so w i r d man sagen dürfen, daß sie zum Generalthema methodisch interessante und sachlich neue Erkenntnisse brachte. Es ging um Kontinuität. Das heißt aber angesichts unseres Gegenstandes, daß die Herkunft und das Weiterwirken zweier ethnischer Kräfte und Gruppen, die Wechselwirkung aufgezeigt werden sollte. Wenn man energisch und findig an die Sache ging, wurde beispielhaft an manchen Stellen klar, daß das Alte i n den neuen Bildungen weiterwirkte. Man möchte jetzt sagen: Wie konnte es auch anders sein? Doch die Einsicht des historisch Einfachen ist methodisch häufig schwierig. N u r methodisch? Einen abschließenden Bericht, eine Zusammenfassung, sollte man immer m i t einer Frage schließen.
ZUR RECHTLICHEN, W I R T S C H A F T L I C H E N U N D ETHNISCHEN S T E L L U N G DER KOSSÄTEN Eine Problem-Diskussion Von Wolfgang Ribbe Lange Zeit w a r die Annahme verbreitet, die unterbäuerliche Schicht der Kossäten sei slawischer A b k u n f t und habe — m i t minderen Rechten ausgestattet — i n nach deutschen Recht angelegten Dörfern als Hintersassen gedient. Die ältere Historiographie, die diese Auffassung m i t Nachdruck vertrat, ohne allerdings weitergehende Forschungen daran zu knüpfen, vermochte sich offensichtlich nicht von der politischen A n sicht ihrer Zeit zu lösen, die den ethnisch als nicht gleichwertig angesehenen Slawen eine untergeordnete Rolle auch i m agrarwirtschaftlichen Bereich zuwies. Aufgrund dieser Prämisse wurde i m methodisch unzulässigen Zirkelschluß ausgehend von den ethnischen Gegebenheiten auf eine entsprechende rechtliche und wirtschaftliche Stellung geschlossen: Weil es sich bei den Kossäten u m Slawen handeln sollte, mußten sie rechtlich und wirtschaftlich auf einer tieferen Stufe stehen, bzw. umgekehrt: w e i l die Kossäten rechtlich und wirtschaftlich benachteiligt waren, konnte es sich bei ihnen nur u m Slawen handeln. Analog wurde die bessere Position der Hüfner den deutschen Siedlern zugewiesen. So versuchte Hans Witte die Schaffung von Kossätenstellen damit zu erklären, daß die deutsche Einwanderung zur Besetzung aller zu ihrer Aufnahme angelegten deutschrechtlichen Dörfer nicht ausgereicht hat 1. Er folgerte daraus: Dann werden aber zu den geringeren Bedingungen, wie sie auf slawischen Hufen oder gar Kossätenstellen geboten waren, gewiß keine Deutschen zu haben gewesen sein 2. Nach K a r l Hampe lebten die slawischen Bauern als hörige Lassen, die an die Scholle gebunden waren, auf kleineren Feldern als Kossäten oder auch als besitzlose unfreie Knechte mit ihrem schlechteren Sonderrechte fort, indem der Markgraf ihnen gegenüber in die Stellung der früheren [slawischen] Fürsten eintrat und Dienste und Abgaben bezog 3. Die marxistische For1 Witte, Hans: Wendische Bevölkerungsreste i n Mecklenburg, Stuttgart 1905, S. 109. 2 Witte, Wendische Bevölkerungsreste (wie Anm. 1), S. 109. 3 Hampe, K a r l : Der Zug nach dem Osten. Die kolonisatorische Großtat des deutschen Volkes i m Mittelalter (Aus Natur und Geisteswelt, 731), Leipzig Berlin 1921, S. 52 f.
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schung gelangt zu ähnlichen Ergebnissen. So konstatiert Siegfried Epperlein i n dem Handbuch „Die Slawen i n Deutschland" 4 , ein erheblicher Teil der slawischen Bevölkerung sei zu Kossäten geworden, daneben habe man aber auch Slawen als Hufenbauern angesetzt. Diese seien wirtschaftlich besser gestellt gewesen, was ihnen die Symbiose mit dem deutschen Siedelelement erleichtert habe. Auch einige Kossäten seien deutscher Herkunft gewesen, denn es habe auch ärmere deutsche Bauern gegeben, denen die Beschaffung der Hofwehr und anderer Betriebsmittel für die Landwirtschaft nicht möglich war. Von diesen Einzelfällen abgesehen seien aber die slawischen [!] Kossäten strikt von den deutschen [!] Bauern unterschieden worden. I h r Aufgabenbereich soll auf landwirtschaftliche Hilfsdienste beschränkt gewesen sein, die aus beträchtlichen Fronforderungen resultierten 5 . Diese Ausführungen zeigen zugleich, daß Fragen der ländlichen Sozialstruktur i m Mittelalter noch weitgehend ungelöst sind. Soweit entsprechende Untersuchungen vorliegen, setzen sie erst m i t der Überlieferung der schriftlichen Quellen, insbesondere der Urbare der frühen Neuzeit ein, und man glaubt vielfach, von den frühneuzeitlichen Gegebenheiten auf die mittelalterlichen Verhältnisse schließen zu dürfen, indem man auf ein angeblich starkes ländliches Beharrungsvermögen verweist. Hinsichtlich der verschiedenen bäuerlichen und unterbäuerlichen Schichten fehlen — zumal für den hochmittelalterlichen Siedlungsvorgang i m Bereich der „Germania slavica" — auch solche „spekulativen" Vorarbeiten, und zwar sowohl über die Hüfner, einschließlich der Lehn- und Setzschulzen, als auch über die Kossäten. Selbst die sonst grundlegende Dissertation von Eckhard Müller-Mertens 6 spart das Kossäten-Problem aus. Werner Vogel hat ihm einen knappen, zweiseitigen Abschnitt i n seiner Studie über den „Verbleib der wendischen Bevölkerung i n der Mark Brandenburg" gewidmet, i n dem er auch Beispiele für nichtslawische Kossätensiedlungen bringt 7 . Weiterführende Erkenntnisse haben w i r Anneliese Krenzlin und Johannes Schultze zu verdanken und als richtungsweisend können die vergleichenden und zeitübergreifenden Untersuchungen der dörflichen Sozialstruktur von W i l l i A. Boelcke angesehen werden 8 . 4 Epperlein, Siegfried: Die bäuerliche Siedlung i m 12. u n d 13. Jh., i n : Die Slawen i n Deutschland. Geschichte u n d K u l t u r der slawischen Stämme westlich von Oder u n d Neisse v o m 6. bis 12. Jh. E i n Handbuch, hrsg. v o n Joachim Herrmann, 3. A u f l . B e r l i n 1974, S. 344 - 364, bes. S. 359 f. 5 Epperlein, Die bäuerliche Siedlung (wie A n m . 4), S. 360. 6 Müller-Mertens, Eckhard: Hufenbauern u n d Herrschaftsverhältnisse i n brandenburgischen Dörfern nach dem Landbuch K a r l s I V . von 1375, i n : W i s senschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin. Gesellschaftsu n d sprachwissenschaftliche Reihe 1 (1951/1952), S. 35 - 79. 7 Vogel, Werner: Der Verbleib der wendischen Bevölkerung i n der M a r k Brandenburg, B e r l i n 1960, S, 4 1 - 4 3 .
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U m die E n t w i c k l u n g d e r a g r a r s o z i a l e n V e r h ä l t n i s s e i m m i t t l e r e n Elbe-Oder-Raum i m einzelnen erhellen zu können, müssen die erhalt e n e n u r b a r i a l e n A u f z e i c h n u n g e n des späten M i t t e l a l t e r s herangezogen w e r d e n . W e g e n des a n g e s t r e b t e n Vergleichs m i t a n d e r e n R e g i o n e n w i r d d a h e r ü b e r das engere G e b i e t d e r M a r k B r a n d e n b u r g h i n a u s auch a u f M a t e r i a l aus d e m lausitzisch-schlesisch-sächsisch-magdeburgischen B e reich z u r ü c k g e g r i f f e n . I m e i n z e l n e n h a n d e l t es sich u m das Z i n s r e g i s t e r des K l o s t e r s M a r i e n s t e r n (1374) 9 , das L a n d b u c h K a i s e r K a r l s I V . f ü r d i e M a r k B r a n d e n b u r g (1375) 1 0 , das L a n d r e g i s t e r d e r H e r r s c h a f t F r i e d l a n d ( v o r 1409) 1 1 , das S o r a u e r L a n d r e g i s t e r (1381) 1 2 , das L e b u s e r S t i f t s r e g i s t e r (1405) 1 3 , die E r b b ü c h e r des K l o s t e r s N e u z e l l e (1425) 1 4 u n d das L a n d b u c h des K l o s t e r s Z i n n a (1471/1480) 1 5 . D i e rechtlichen, w i r t s c h a f t l i c h e n u n d ethnischen A s p e k t e des K o s s ä t e n - P r o b l e m s w e r d e n d a b e i zunächst get r e n n t u n t e r s u c h t , u m sie d a n n abschließend v e r g l e i c h e n d z u w e r t e n . A l s G ä r t n e r oder K o s s ä t g a l t , w e r L a n d a u ß e r h a l b d e r H u f e n f l u r bewirtschaftete u n d keine Spanndienste zu leisten hatte. Ganz eindeutig w i r d dieser t e r m i n o l o g i s c h e U n t e r s c h i e d i m ersten E r b b u c h des N i e d e r 8 Vgl. dazu Krenzlin, Anneliese: Dorf, Feld u n d Wirtschaft i m Gebiet der großen Täler u n d Platten östlich der Elbe. Eine siedlungsgeographische U n tersuchung, Remagen 1952, bes. S. 86 ff.; Schultze, Johannes, Die M a r k B r a n denburg, Bd. 1, B e r l i n 1961, S. 88 f. sowie vor allem Boelcke, W i l l i Α.: W a n d lungen der dörflichen Sozialstruktur während M i t t e l a l t e r u n d Neuzeit, i n : Wege u n d Forschungen der Agrargeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Günther Franz, hrsg. von Heinz Haushof er u n d W i l l i A. Boelcke, F r a n k f u r t am M a i n 1967, S. 80 - 103. 9 Das Zinsregister des Klosters Marienstern, hrsg. von Walther Haupt und u n d Joachim Huth, Bautzen 1957. 10 Das Landbuch der M a r k Brandenburg von 1375, hrsg. von Johannes Schultze (Brandenburgische Landbücher 2: Veröffentlichungen der H i s t o r i schen Kommission f ü r die Provinz Brandenburg u n d Reichshauptstadt B e r l i n 8/2), B e r l i n 1940. 11 Hallwich, Hermann: Friedland v o r fünfhundert Jahren, i n : Mitteilungen des Vereins f ü r Geschichte der Deutschen i n Böhmen 43 (1905), S. 357-428; darin S. 363 - 404 das U r b a r i u m oder Zinsregister der Stadt u n d der H e r r schaft Friedland, das v o r 1409 angelegt sein muß (vgl. S. 360 f.). 12 Das Landregister der Herrschaft Sorau von 1381, hrsg. von Johannes Schultze (Brandenburgische Landbücher 1: Veröffentlichungen der H i s t o r i schen Kommission f ü r die Provinz Brandenburg u n d die Hauptstadt B e r l i n 8/1), B e r l i n 1936. 13 Ludat, Herbert: Das Lebuser Stiftsregister von 1405. Studien zu den Sozial- u n d Wirtschaftsverhältnissen i m m i t t l e r e n Oderraum zu Beginn des 15. Jahrhunderts, T e i l I (Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen 1/9), Wiesbaden 1965. 14 Bruchstücke zweier Neuzellischen Erbbücher des 15. Jahrhunderts, i n : Urkundenbuch des Klosters Neuzelle u n d seiner Besitzungen. I m Auftrage der Stände des Markgrafentums Niederlausitz, herausgegeben v o n E. Theuner, Lübben 1897, S. 120 - 129 u n d 129 - 135. 15 Das Landbuch des Klosters Zinna. Editio princeps v o n Wolfgang Ribbe u n d Johannes Schultze (Zisterzienser-Studien U/Studien zur europäischen Geschichte 12), B e r l i n 1976.
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lausitzer Klosters Neuzelle von 1425 zum Ausdruck gebracht, i n dem es vom Dorf Schlaben heißt: Sllawin hot nicht hufin. Do syn 11 gartin; iczlich gertener gibet von syner hofereiten von der ruten 1. g.ie. Und von Ziltendorf w i r d i m zweiten Erbbuch des Klosters gesagt: Zu Czultendorff seyn nicht huffener dysseyte kegen deme walde, dy nent man gertenere, der seyn 1617. A u f unverhuftes Land, auf Feldgärten, Wurten, Neuländern, Oberscharen stoßen w i r seit dem hohen Mittelalter i n nahezu allen Dörfern des ostelbischen Siedlungsraumes und darüber hinaus auf nicht wenige Dörfer ohne Hufenverfassung überhaupt. I m Landbuch der Mark Brandenburg von 1375 werden für die Zauche, das Havelland, den Teltow und den Barnim allein 9 Dörfer bzw. Siedlungen ohne eigene Hufenverfassung beschrieben 18 . Ihre Bewohner glichen i n ihrer wirtschaftlichen Lage Kossäten und lebten überwiegend von der Fischerei bzw. Zeidlerei. Grundsätzlich waren die Begriffe Bauer, Gärtner, Kossät 19 während des ganzen Mittelalters i n erster Linie agrarrechtlicher Natur, ohne daß i n jedem Falle die Besitzgröße entscheidend war. Als Bauer galt, wer verhuftes, dem Flurzwang unterworfenes Land bewirtschaftete und zu Spanndiensten verpflichtet war. Obwohl die unterbäuerliche Schicht keinen Anteil am Hufenschlagland hatte, war sie i m altdeutschen Gebiet, z. B. i n Niedersachsen, m i t vollem Stimmrecht auf der Gemeindeversammlung vertreten. Sein Haus besaß der „Kötter" überwiegend zu Meierrecht, i n Ausnahmefällen war es sein Eigentum 2 0 . Die Katen lagen i n der Regel innerhalb des Dorfberinges, und zwar auf der Dorffreiheit, der Allmende, i n einzelnen Fällen auch auf dem Gebiet eines Grundherren oder auf dem Land eines anderen Dorfgenossen. Nicht selten ist eine Kate auf dem Schulzenland errichtet worden, wofür der Kossät dem Schulzen Dienste zu leisten hatte 2 1 . Die Ausbauten m i t Kossätenstellen an den Dorfenden dürften jüngeren Datums sein 22 .
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Bruchstücke zweier Neuzellischen Erbbücher (wie A n m . 14), S. 120. Bruchstücke zweier Neuzellischen Erbbücher (wie A n m . 14), S. 133. 18 Göttin, Mesdunk, Nahmitz, Hohenneuendorf, Hermsdorf, Schmöckwitz, Zeuthen, Liepe. Vgl. Landbuch der M a r k Brandenburg (wie A n m . 10), passim sowie für die ersten fünf genannten Orte auch die Tabelle I V bei Anneliese Krenzlin, Dorf, Feld u n d Wirtschaft i m Gebiet der großen Täler u n d Platten östlich der Elbe. Eine siedlungsgeographische Untersuchung, Remagen 1952, S. 128 - 135. 19 Z u den Begriffen vgl. auch Boelcke, Wandlungen (wie A n m . 8), S. 82. 20 Wittich, Werner: Die Grundherrschaft i n Nordwestdeutschland, Leipzig 1896, S. 100. 21 Ihde, Rudolf: Das A m t Schwerin. Geschichte seiner Steuern, Abgaben u n d V e r w a l t u n g bis 1655, Schwerin 1913, S. 117 - 120. 22 Scheffler, Hans-Heinrich: Beiträge zur Geschichte der Kolonisation der Herrschaft Ruppin, Phil. Diss. B e r l i n 1936, Würzburg 1936, S. 29 - 43, bes. S, 39 sowie Boelcke, Wandlungen (wie A n m . 8), passim. 17
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I n der terra Schwerin ist i m Rahmen der Ostsiedlung neben dem Hufenland besonderes Katenland vermessen und an Kossäten ausgegeben worden. Diese Ackerstücke lagen nicht i m Gemenge des Hufenlandes, sondern hatten einen besonderen Platz i n der Feldmark. So w i r d zu 1271 das Dorf Dalberg beschrieben cum omnibus mansis ... cum terris etìam, que vulgariter Koteland nuncupantur 2Z. Auch i n den Beschreibungen der Feldmarken w i r d das Kossätenland besonders bezeichnet 24 . Daneben haben die Kossäten allmählich auch Anteil am Hufenschlagland erworben, allerdings gilt es zu beachten, ob es sich dabei um das ursprüngliche Ackerland des Dorfes handelt, oder — was in der Regel anzunehmen ist — um Neurodungen. Volle rechtliche Gleichstellung mit den übrigen Dorfbewohnern konnten sie — anders als i n Niedersachsen — i m Ostsiedelgebiet nur dann erlangen, wenn sie einen bäuerlichen Hof m i t altem Ackerland erwarben 2 6 . Die Inhaber der uckermärkischen Kossätenhufen entrichteten ihre Abgaben an den Grundherren und nicht an die Bauern des Dorfes. Bereits Riedel Schloß daraus, daß sie gleich bei der Lokation der Dörfer angesetzt worden sind, wodurch die rechtliche Unabhängigkeit von den Bauern möglich wurde 2 6 . Nach einer verbreiteten Meinung ist im Laufe des 13. Jahrhunderts das besondere wendische Recht vom platten Lande verschwunden und in der Folge die slawische Bevölkerung mit der deutschen zumindest i n rechtlicher Beziehung zu einer Einheit verschmolzen 27 . Man w i r d diese Feststellung dahingehend abwandeln müssen, daß slawische Besitz- und Abgabenformen sich regional durchaus lange erhalten konnten, wenn auch vielfach modifiziert, und das ist entscheidend: unabhängig von der ethnischen Zuordnung der Inhaber. Die starke Binnenwanderung von Dorf zu Dorf w i r d diesen Prozeß auch i n ethnischer Hinsicht beschleunigt haben. Ob soziale Unterschiede zwischen Hüfner und Kossäten dabei hemmend wirkten, mag dahingestellt bleiben. Die dörflichen Rechtsverhältnisse können damit wie folgt umrissen werden: Nur die Hufenbauern partizipierten zunächst voll an der Feldmark des Dorfes, die i m wesentlichen aus drei Komplexen bestand: 23 Mecklenburgisches Urkundenbuch, hrsg. v o m Verein f ü r Mecklenburgische Geschichte u n d Altertumskunde. Bd. 2 Schwerin 1864, Nr. 1213. 24 Mecklenburgisches Urkundenbuch (wie A n m . 23), Bd. 2 Nr. 1243. 25 Schulze, Eduard Otto: Die Kolonisierung u n d Germanisierung der Gebiete zwischen Saale u n d Elbe, Leipzig 1896 [ND 1969], S. 228. 26 Die M a r k Brandenburg i m Jahre 1250 oder historische Beschreibung der brandenburgischen Lande u n d ihrer politischen u n d kirchlichen Verhältnisse u m diese Zeit. Eine aus U r k u n d e n u n d K r o n i k e n [!] bearbeitete Preisschrift von A d o l p h Friedrich Riedel. Zweiter Theil: Beschreibung der politischen u n d kirchlichen Verhältnisse der M a r k Brandenburg, B e r l i n 1832, S. 254. 27 Vgl. etwa Hamann, Manfred: Mecklenburgische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Landständischen Union von 1523 (Mitteldeutsche Forschungen, 51), K ö l n - Graz 1968, S. 131 f.
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1. Aus der Dorfstätte m i t der Dorfstraße, den Gehöften bzw. Häusern und den anschließenden Gärten, 2. aus dem gemeinsam nach bestimmten Regeln bewirtschafteten und nach der Hufenverfassung angelegten Acker- und Wiesenland, 3. aus der Allmende, also den Waldungen, Hutungen, Triften, Wegen und Gewässern, wobei das Eigentumsrecht i m allgemeinen dem Grundherrn zustand. Die Kossäten hatten dagegen lediglich gewisse Rechte an ihrem Haus, an dem dazugehörenden „Garten" sowie gegebenenfalls am Wasser und am Wald, wobei das Obereigentum ebenfalls dem Grundherrn oder der Dorfgemeinde, also den Hüfnern, zustehen konnte, nicht aber den Kossäten selbst. Dies w i r d insbesondere dort deutlich, wo die Kossäten den Hüfnern Abgaben und Dienste zu leisten hatten. Diese mindere Rechtsstellung w i r k t e sich insoweit auf ihre Wirtschaftsführung aus, als sie kein Spannvieh halten konnten. Soweit Kossäten herrschaftliche Dienste zu leisten hatten, handelte es sich daher stets um Handdienste und nicht u m Spanndienste. Doch während es den Kossäten i m Verlauf der Zeit teilweise gelungen ist, ihre wirtschaftliche Stellung erheblich zu verbessern 28 , blieb ihre mindere Rechtsstellung gegenüber den Hüfnern noch lange Zeit erhalten. Die wirtschaftliche Stellung und Funktion der Kossäten ist aufgrund der überlieferten urbarialen Aufzeichnungen i n wesentlichen Bereichen zu erhellen. A m Anfang soll eine knappe Analyse der einschlägigen Angaben des Zinnaer Landbuchs stehen 29 . Es handelt sich dabei zwar um ein jüngeres und damit für die Frühzeit des Kossätenwesens weniger aussagekräftiges Register, doch ist es sehr ausführlich gestaltet, indem es Dorf für Dorf jeden Hüfner und jeden Kossäten namentlich verzeichnet, und zwar m i t seinem Besitz, den darauf lastenden Abgaben und einem Teil seiner Einnahmen. Dabei gliedert sich der i m Landbuch verzeichnete Besitz i n zwei geschlossene Komplexe, i n die sogenannte „Jüterboger Lande" und i n das „Land Barnim". Die Jüterboger Liegenschaften umfaßten 28 Klosterdörfer sowie geringen Streubesitz und zahlreiche Mühlen. A u f dem Barnim gehörten der Zisterze 10 Dörfer, hinzu kam ein Ort i m Lande Lebus, i n dem einige Zeidler wohnten. Die Aufzeichnungen beginnen jeweils m i t dem Namen des Dorfes und der Gesamthufenzahl. Diese schwankte erheblich, und zwar zwischen 24 und 119 auf dem Barnim sowie 12 und 62 i m Lande Jüterbog. Ein Vergleich der Durchschnittswerte (59 für den Barnim und 33 i m Lande 28
Vgl. dazu unten S. 29 f. Das Landbuch des Klosters Zinna (wie A n m . 15), passim, sowie Ribbe, Wolf gang: Sozialstruktur u n d Wirtschaftsverhältnisse i n den Zinnaer Klosterdörfern auf dem Barnim, i n : Zisterzienser-Studien I I I (Studien zur europäischen Geschichte 13), B e r l i n 1976, S. 107 - 139, bes. S. 123 - 127. 29
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Jüterbog) zeigt eine beträchtliche Differenz zwischen den beiden Güterkomplexen, die nach Ausweis des Landbuches von 1375, das einen großflächigen Vergleich ermöglicht, i n den brandenburgischen Teillandschaften überhaupt zu beobachten ist 3 0 . Es folgen i m Zinnaer Landbuch diejenigen Abgaben, die von allen Dorfbewohnern gemeinsam zu entrichten sind, also vor allem Zehnt, Zins, Pacht und Bede. Es schließen sich die individuellen Leistungen und Einkünfte des Pfarrers und des Schulzen sowie die der Bauern und Kossäten an, wobei auch die untereinander zu entrichtenden Abgaben berücksichtigt werden. A m Schluß eines jeden Dorfregisters sind jeweils noch einige Gemeinschaftsleistungen und Dienste registriert. Während also fast alle anderen urbarialen Quellen des Mittelalters, insbesondere auch das Landbuch von 1375, die Kossäten nach ihrer A n zahl und der Höhe der Abgaben summarisch aufführen, so daß keine „Fallstudien" möglich sind, schafft das Zinnaer Landbuch von 1471 insoweit Abhilfe, als für sämtliche Klosterdörfer neben dem Namen der Hüfner auch die aller Kossäten einzeln, jeweils zusammen m i t allen von ihnen individuell zu leistenden Abgaben, verzeichnet sind. Eine Auswertung dieses Materials führt zu folgen Ergebnissen 31 : 1. Ein Vergleich der überlieferten Namen zeigt, daß die Kossätenlisten der Zinnaer Klosterdörfer das gleiche Verhältnis von slawischen und deutschen Familiennamen (zumeist nach Ortsnamen) aufweisen wie die der Hüfner. Auch entsprechende Übernamen fehlen völlig. Danach können ethnische Unterschiede zwischen Hüfner und Kossäten kaum angenommen werden. 2. Zwischen Hüfnern und Kossäten haben ζ. T. enge verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Diese These soll i m folgenden am Beispiel des Dorfes Hönow begründet werden, sie ließe sich m i t weiteren Beispielen aus fast allen Zinnaer Klosterdörfern erhärten. Ausgangspunkt ist die zu beobachtende Namensgleichheit zwischen einzelnen Hüfnern und Kossäten i m vorliegenden Register. So befindet sich unmittelbar neben dem Hof von Hans Sellin das Haus eines gleichnamigen Kossäten. Weiter nennt das Landbuch i n Hönow neben dem Hüfner Hans Forstenberg die „Olde Forstenbergynn" und fügt hinzu: „ist itzo ein wüster Kossätenhof." Neben dem Hüfner Klaus Mertenstorpp w i r d der Kossät „Olde Mertensdorpp" verzeichnet und außer dem Hüfner Hans Schriver „die Schriversynn" als Kossätin. Diese Namensübereinstimmungen sind keineswegs als zufällig anzusehen, denn sie treten fast ausschließlich innerhalb eines Dorfes auf und kaum zwischen den einzelnen benachbarten Gemeinden. 30 Vgl. auch die Statistiken bei Müller-Mertens, Hufenbauern (wie A n m . 6), S. 42 - 45. 31 Das Landbuch des Klosters Zinna (wie A n m . 15), bes. S. 138 - 140.
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Eine Verifizierung und genauere Analyse des Verwandtschaftsgrades mittels der Kirchenbücher ist für die Zeit um 1471 noch nicht möglich. N i m m t man aber trotzdem die Verwandtschaft zwischen den jeweils genannten Personen als gegeben an, so sind hinsichtlich Herkunft und Funktion der Kossäten folgende Verhältnisse als wahrscheinlich anzusehen: 1. Die Kossätenstelle konnte als Altenteil dienen, wenn der älteste oder der jüngste Sohn den Hof übernahm. Damit w i r d auch deutlich, warum wiederholt ältere Frauen als Kossätinnen begegnen. 2. M i t der Kossätenstelle konnte auch ein nicht erbberechtigter Sohn ausgestattet werden, der i m Gebiet des Anerbenrechts den väterlichen Hof nicht übernahm und der mangels Geld, geeigneten Landes oder aus anderen Gründen keinen Anteil am Hufenschlag erwerben konnte. Diese Genesis eines Teils der Kossätenstellen schließt i m übrigen nicht aus, daß ihre Inhaber auch als Handwerker auf dem Dorfe tätig wurden oder ein dörfliches Gewerbe unterhielten. Die häufigsten Berufe bzw. Gewerbe, die bei Kossäten begegnen, sind neben Krüger vor allem Hufschmied und H i r t ; das Register der Jüterboger Besitzungen des Klosters Zinna zeigt darüber hinaus eine erheblich breitere Skala der Kossätenberufe, die bis h i n zum Weinmeister und Pfarrer reichte. Insoweit war auch ein Kossät durchaus i n der Lage, seine nur geringen Einkünfte aus der Landwirtschaft auf anderen Gebieten zu kompensieren. Allerdings sei i n diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit nur die spätmittelalterlichen Verhältnisse analysiert sind, wie sie sich aus dem Register von 1471 ergeben. Bei den Zinnaer Kossäten sind nach Anzahl, Verteilung auf die einzelnen Dörfer und den zu leistenden Abgaben und Diensten erhebliche Unterschiede zu beobachten. I n elf Dörfern gibt es 1471 insgesamt 80 Kossätenstellen, von denen lediglich 4 wüst liegen. Dabei besteht zwischen der Größe eines Dorfes und der Anzahl seiner Kossäten kein unmittelbarer Zusammenhang: Das 26-Hufen-Dorf Kagel liegt beispielsweise m i t 15 Kossätenstellen an der Spitze, während das 118-HufenDorf Hönow lediglich 8 Kossätenstellen verzeichnet, von denen auch noch 3 wüst liegen. Kagel ist i n mancher Hinsicht ein interessanter Fall: Es handelt sich hier ursprünglich um eine Grangie der Zisterzienser 32 . Die Verwaltung eines solchen Wirtschaftshofes war i m allgemeinen den Konversen übertragen, während die bäuerliche Handarbeit nicht von ihnen, geschweige denn von den Vollmönchen, sondern von Lohnarbeitern, den homines 32 Das Landbuch des Klosters Zinna (wie A n m . 15), S. 154 f. Über Aufgaben u n d F u n k t i o n von Grangien unterrichtet zusammenfassend Colin Platt, The Monastic Grange i n Medieval England. A Reassessment, N e w Y o r k 1969.
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mercenarii verrichtet wurde 3 3 . Die Grangienwirtschaft der Zisterzienser ist i n Brandenburg nicht mehr zur vollen Entfaltung gelangt. Dem Orden sind hier von Anfang an auch zinsende Dörfer übertragen worden, was nach den Statuten ursprünglich nicht statthaft war. Andererseits hatten die Zisterzienser — wie das Beispiel Kagel zeigt — die Eigenwirtschaft noch nicht gänzlich aufgegeben. Zumindest i m Altsiedelland w a r aber der Aufbau einer Eigenwirtschaft nur möglich, wenn bereits bestehende ländliche Siedlungen wieder aufgelöst wurden. I n diesem Zusammenhang w i r d w o h l m i t Recht vermutet, die Zisterzienser hätten Bauern gelegt, die dann als Lohnarbeiter auf den Grangien dienten. A u f unseren Fall angewendet lautet die Frage: Wer leistete die Handarbeit auf der Grangie i n Kagel? Haben sich deutsche Siedler, die während der ersten Siedelphase aus dem Altreich kamen, u m zu besserem Recht als zu Hause einen eigenen Hof aufzubauen und zu bewirtschaften, bereit gefunden, n u n lediglich Lohnarbeiter zu werden? Es lag die Vermutung nahe, daß es sich bei den homines mercenarii u m Teile der slawischen Vorbevölkerung handelte. Doch die große Zeit der Grangienwirtschaft w a r bereits vorbei 3 4 . I n ganz Europa gingen die Zisterzienser dazu über, ihre Eigenwirtschaften aufzulösen und i n zinsende Dörfer zu verwandeln. So auch i n Brandenburg. Die Gründe hierfür können an dieser Stelle unerörtert bleiben. I n Kagel jedenfalls entstand erst durch die Auflassung der Grangie ein Dorf m i t 26 Hufen, die an 10 Hüfner sowie an den Schulzen und an den Pfarrer gingen. Daneben nennt das Landbuch von 1471 15 Kossäten, die absolut höchste Zahl i n den Zinnaer Klosterdörfern auf dem Barnim. Setzt man die Zahl der Kossäten i n Beziehung zum Umfang des Hufenlandes, w i r d das Mißverhältnis noch größer. Was liegt näher, als die Vermutung, slawische Lohnarbeiter seien bei der Umwandlung der Grangie i n ein zinsendes Dorf auf Kossätenstellen gesetzt worden? Doch diese Annahme erweist sich bald als voreilig, wenn man einen Blick i n das Landbuch von 1375 w i r f t . Hier gab es i n Kagel bei gleicher A n zahl von Hufen lediglich 9 Kossäten, was dem Durchschnitt der übrigen Klosterdörfer entspricht. Ihre Vermehrung i n den folgenden hundert Jahren hängt w o h l m i t dem spätmittelalterlichen Landesausbau zusammen: Der neugerodete Heideacker i n Kagel von insgesamt 147 Morgen ist vornehmlich unter die Kossäten aufgeteilt worden, wobei der Krüger-Kossät m i t 17 1/2 Morgen das größte Einzelstück erhielt. M i t der Neurodung dürfte also die Ansetzung weiterer Kossäten zusammenhängen, die nicht zuletzt nach Ausweis ihrer Familiennamen keinesfalls aus der slawischen Restbevölkerung stammten. I n anderen — freilich 33 Eine grundlegende Studie über die Lohnarbeiter bei den Zisterziensern fehlt bisher. 34 Vgl. dazu Platt, The Monastic Grange (wie Anm. 32), insbesondere S. 94 117: The Late-Medieval Transformation of the Grange.
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wenigen — Fällen haben Kossäten sogar Anteile am Hufenland erhalten, so beispielsweise i n Hennickendorf, wo der Krüger-Kossät drei und ein anderer Kossät eine butemalische Hufe bestellten, sowie i n Klosterdorf, wo ein Kossät sogar zwei Hufen innerhalb der ursprünglichen Feldmark bearbeitete und ein weiterer einen Bauernhof bewirtschaftete. Während also die Beteiligung der Kossäten an der Neulandgewinnung und -nutzung nichts Außergewöhnliches war, partizipierten sie nur ausnahmsweise am ursprünglichen Hufenschlag. Einzelne Acker- und Wiesenstücke konnten sie dagegen häufiger i n ihren Besitz bringen. Von besonderem Interesse dürften i n diesem Zusammenhang auch die Verhältnisse i n Klosterdorf sein. Von dem 70-Hufen-Dorf heißt es unter den Zinnaer Besitzungen i m Landbuch von 1375: Villa est deserta , sed omnis mansi coluntur. Ad pactum et ad censum solvit quilibet mansus 8 solidos; ad precariam quilibet mansus 2 solidos et 8 denarios, quam habet Fritze Belkow, civis in Frankenforde; monachi habent residuum 35. W i r haben es hier also m i t einer reinen Ortswüstung zu tun; die gesamte F l u r wurde noch bebaut. Von wem erfahren w i r nicht. Es fällt auf, daß keine Naturalabgaben zu leisten sind. Zins, Pacht und Bede sind vollständig monetisiert, was aber i n unserem Zusammenhang nicht weiter erörtert zu werden braucht. Hier interessiert vor allem die Tatsache, daß keine Kossäten erwähnt werden. Knapp hundert Jahre später, 1471, hatte das Kloster wieder damit begonnen, ein eigenes Dorf aufzubauen 35 . Einen Hof m i t 12 Hufen und einer Schäferei betreibt die Zisterze nun i n Eigenwirtschaft. Weitere 23 Hufen sind an 7 Bauern ausgegeben worden, 2 Hufen an einen Kossäten. Weitere 6 Kossäten sind neu angesetzt worden, insbesondere wohl als Arbeitskräfte für den Klosterhof. Die Schaffung solcher Kossätenstellen, insbesondere i n Vorwerksdörfern, ist also seit dem späten Mittelalter häufig anzutreffen und sie ist i n der frühen Neuzeit die Regel geworden 36 . W i r müssen uns deshalb auch hier davor hüten, aus der Anzahl der Kossäten, die neuere Urbare nennen, auf hochmittelalterliche Verhältnisse zu schließen. Ich möchte diesen Vorgang noch an einem dritten Beispiel verdeutlichen, das nicht i n den Umkreis der zisterziensischen Siedlung gehört: Auch andere religiöse Gemeinschaften und geistliche Korporationen haben i m hohen Mittelalter Eigenwirtschaft betrieben und mußten später davon abgehen. So haben 1360 die Johanniter auf dem Teltow einen solchen Wirtschaftshof aufgelöst und ein zinsendes Dorf gegründet. Von diesem Richardsdorf oder Rixdorf — i m heutigen Berliner Verwaltungsbezirk Neukölln — ist sogar die Gründungsurkunde erhalten, ein für die Mark Brandenburg einmaliger Fall. Darin heißt es u. a.: Vortmer so Scholen die hufener dynen met oren plugen dry dage und 35 36
Das Landbuch der M a r k Brandenburg (wie A n m . 10), S. 129. Vgl. Boelcke, Wandlungen (wie A n m . 8), passim.
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kotzseten arbeiden dry dage in deme jähre tho unsen hufen tho Tempelhave. Vortmerwat in dem dorp kozeten wanen, schal jo dy kotzete geven dem komptor vorgnant XVIII d[enarios] und den hufenern gmeine VI d[enarios] ane ein kozete tho vorne, dy schall dem schulten geven sine II Schillinge 27. Die Anzahl der geschaffenen Hüfner- und Kossätenstellen ist m i t einiger Sicherheit erst aus dem 15 Jahre später angelegten Landbuch Kaiser Karls IV. zu entnehmen: Von den dort verzeichneten 12 Rauchhühnern dürfte je eines von jedem Hüfner stammen. I m übrigen werden 4 Kossätenstellen genannt, und zwar duo deserti et duo possessi 38. Man kann vermuten, daß es sich bei den unbesetzten Stellen um Altenteile handelt, deren Inhaber i n den seit der Gründung des Dorfes vergangenen 15 Jahre verstorben sind, ohne daß eine Neubesetzung erforderlich wurde. Gestützt w i r d diese Annahme durch die Aussage der Gründungsurkunde, nach der nur ein Kossät dem Schulzen zinste, die anderen aber den Hüfnern, zu deren Hof die Kossätenstellen gehörten. Bei dem Kossäten des Schulzen könnte es sich dagegen um einen Landarbeiter gehandelt haben. Vollkommen verändert ist die Situation dann 145039. Bei der gleichen Anzahl von 25 Hufen, von denen zwei auf jeden Hüfner kommen und eine der Kirche gehört, gibt es nun 11 Kossäten. Wären die früheren Quellen verloren gegangen und lediglich die Angaben des mittelmärkischen Schoß registers von 1450 überliefert, hätte man leicht auf einen slawischen Ursprung dieser i m Verhältnis zu den Hüfnern ungewöhnlich hohen Zahl von Kossäten schließen können. Daß die Vermehrung von Kossätenstellen auch i n diesem Fall auf den spätmittelalterlichen Landesausbau zurückgeht, w i r d deutlich, wenn es von den Kossäten heißt: so geben sy vom newen lande 3 stuck* 0. Neben einzelnen Kossäten i n den deutschrechtlich organisierten Dörfern gab es auch Landgemeinden, deren Bewohner ausschließlich aus Kossäten bestanden 41 . I n diesen Fällen war die Feldflur nicht i n Hufenschläge eingeteilt. Die Bewohner bewirtschafteten nur kleinere Ackerflächen, von denen sie überwiegend pauschale Abgaben zu leisten hatten. I n der Regel haben diese, oft als Kossäten bezeichneten Dorfbewohner, bei denen es sich nach Krenzlin und Vogel 4 2 tatsächlich ursprünglich 37 Z i t i e r t nach dem besten Druck der Urkunde bei Johannes Schnitze, R i x dorf-Neukölln. Die geschichtliche E n t w i c k l u n g eines Berliner Bezirks, B e r l i n 1960, Beilage 1, S. 240 f. 38 Das Landbuch der M a r k Brandenburg (wie A n m . 10), S. 95. 39 Das Schoß-Register der mittelmärkischen Kreise aus den Jahren 1450, 1451, 1480 u n d 1481, hrsg. von Ernst Fidicin, i n : ders., Kaiser K a r l s I V . L a n d buch der M a r k Brandenburg nach den handschriftlichen Quellen, B e r l i n 1856, S. 254 - 336, bes. S. 265. 40 Ebenda. 41 Krenzlin, Dorf, Feld u n d Wirtschaft (wie A n m . 18), bes. S. 85 ff.
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u m Slawen gehandelt haben dürfte, neben ihrem geringen Ackerbau i n der Hauptsache ein Gewerbe betrieben, m i t dem sie vorrangig den Lebensunterhalt bestritten. Sehr häufig lagen solche reinen Kossätensiedlungen an Gewässern, so daß man davon ausgehen kann, daß die Bewohner überwiegend vom Fischfang lebten, zumal die unregulierten Flußläufe m i t ihrem stark schwankenden Wasserstand häufig keinen geregelten Ackerbau i m Bereich der Uferniederungen und damit keine deutschrechtliche Flurverfassung zuließen. Auf bewaldeten Hochflächen kann ein entsprechendes Kossätendorf m i t unverhufter Feldflur auch die Zeidlerei gewerbsmäßig betrieben haben. I m übrigen hat es auch Hufendörfer gegeben, deren Einwohner i n der Hauptsache solchen gewerblichen Tätigkeiten nachgingen (Kienbaum) 4 3 . Auch i n diesen Fällen dürfte es sich ursprünglich um Slawen gehandelt haben, wobei die Landausstattung m i t nur einer Hufe (bei einem Durchschnittswert von 4 Hufen) als so niedrig anzusetzen ist, daß man darin keinen wesentlichen Unterschied zu den unverhuften Kossätendörfern sehen kann. Auch die uckermärkischen Kossätenhufen, die Teil der übrigen Bauernländereien waren, sind i n diesem Zusammenhang zu sehen. Welche Gründe letztlich den Ausschlag gaben, die eine oder andere Rechtsform zu wählen, läßt sich anhand der zur Verfügung stehenden Quellen kaum ermitteln. I n jedem dieser Fälle dürfte aber der Ackerbau nicht die einzige und wohl auch nicht die überwiegende Form der wirtschaftlichen Ausstattung gewesen sein. Für die Erhellung der wirtschaftlichen Stellung der Kossäten kann auch das Zinnaer Abgabenverzeichnis wegen seiner detaillierten A n gaben als Grundlage dienen 44 . Die von den Kossäten zu leistenden Abgaben waren der Geld- und Fleischzins sowie der Zehnt. Zins, Zehnt und Fleischabgabe standen ursprünglich dem Kloster zu, das dann i m Laufe der Zeit teilweise andere Empfänger damit begabt hat. Die Höhe des Zinses schwankte zwischen den verschiedenen Dörfern, war aber innnerhalb eines jeden Dorfes zumeist gleich hoch. Der Betrag bewegt sich zwischen 12 Pfennigen und 12 Groschen pro Kossät; seine Höhe war jeweils auch abhängig von den übrigen Abgaben. Einzelne Dörfer verzeichnen für ihre Kossäten noch Bedezahlungen, die vom Kloster größtenteils an das Adelsgeschlecht v. Krummensee abgetreten waren, so i n Rehfelde und Herzfelde sowie i n Rüdersdorf. I n allen Dörfern, i n denen den Hüfnern Holzrechte zustanden, bestanden diese auch 42 Vogel, Der Verbleib (wie A n m . 7), S. 26 - 45, sowie Kremlin , Dorf, Feld u n d Wirtschaft (wie A n m . 18), bes. Tabelle I - I I I . 43 Das Landbuch des Klosters Zinna (wie A n m . 15), S. 157 f. Die Landausstattung w a r i n solchen Fällen so gering, daß der Ackerbau allein zum Nahrungserwerb nicht ausreichte. 44 Vgl. dazu auch Ribbe, Sozialstruktur (wie A n m . 29), S. 123 - 127, sowie Das Landbuch des Klosters Zinna (wie A n m . 15), S. 138 - 162.
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für die Kossäten. Sie zahlten dafür ein Holzgeld von jeweils 12 Pfennigen (gegenüber 3 Groschen, die den Hüfnern abverlangt wurden). Soweit die Kossäten an der Nutzung der Wiesen beteiligt waren, entrichteten sie einen entsprechenden Zins. Nicht immer w i r d deutlich, inwieweit sie auch Dienste zu leisten hatten. Wenn man aber davon ausgeht, daß den Kossäten zunächst kein Spannvieh zur Verfügung stand, dürften sie zumindest von den 3 halben Tagen Pflugdienst jährlich ausgeschlossen gewesen sein. I n Hönow, also i n einem der beiden Dörfer, i n denen wegen ihrer räumlichen Entfernung zum Zinnaer Kernbesitz auf dem Barnim die tatsächlichen Dienstleistungen durch Geldzahlungen abgelöst worden sind, hatten die Kossäten ein (Hand-) Dienstgeld (9 Pfennig pro Hof gegenüber 1 Groschen pro Hufe bei den Bauern) zu zahlen. Danach muß ihre Dienstpflicht i m Mittelalter ebenso begrenzt gewesen sein wie die der Hüfner. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß einzelne Kossäten auch individuelle Abgaben entrichteten, deren Empfänger Pfarrer, Schulze und Krüger bzw. ein anderer Hüfner des Dorfes sein konnte. Es handelt sich dabei ausschließlich um Geldleistungen von jeweils nur wenigen Pfennigen, deren Ursache nicht geklärt werden kann. Es ist die Vermutung geäußert worden, daß diese Zahlungen m i t der Errichtung der Kossätenstellen zusammenhing, für deren Bau von den Hüfnern Land zur Verfügung gestellt werden mußte und für das nun ein Zins erhoben wurde. I n einem solchen Fall hätte man davon auszugehen, daß die hier i n Frage kommenden Abgaben jeweils an einen, und zwar dem Kossäten benachbarten Hüfner zu zahlen waren, was aber nicht durchweg der Fall ist. Das Landbuch von 1471 führt alle Bauern- und Kossätenhufen eines Dorfes — ausgehend vom Schulzenhof — der Reihe nach auf, so daß die Nachbarschaften erkennbar sind. Dabei w i r d deutlich, daß die zuletzt genannten Geldleistungen von den Kossäten nur zum Teil an benachbarte Bauern zu entrichten waren. Andererseits findet sich i m Landbuch von 1471 auch an keiner Stelle ein Hinweis, daß die Kossäten zu Diensten auf den Freihufen der Pfarrer und Schulzen verpflichtet gewesen sind. Die wiederholt vertretene These, nach der die Kossäten überwiegend als Landarbeiter fungiert hätten, läßt sich aus der vorliegenden Quelle nicht belegen. Z u klären bleibt u. a. die Frage, ob und wie sich slawische von deutschen Kossäten unterscheiden lassen. Die schriftliche, also insbesondere die urbariale Uberlieferung h i l f t hier nicht weiter, denn w i r müssen davon ausgehen, daß sich die ethnische Scheidung i m Lauf der Zeit auflöste. Auch die häufig als slawischen Ursprungs angesehenen Zinsformen, wie Pauschalabgabe und Scheffelkorn, sind nicht mehr aussagekräftig; es ist davon auszugehen, daß diese Abgabeformen für Jahrhunderte noch an dem jeweiligen Nutzungsobjekt haften geblieben 3 Germania Slavica I I
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sind, unabhängig davon, ob die betroffenen Personen slawischer oder deutscher A b k u n f t waren 4 5 . Zur Versorgung nicht erbberechtigter K i n der oder zur Schaffung von Altenteilen hat man den benötigten Grund und Boden eher vom eigenen Vollbauernhof abgezweigt als bei der Umsetzung einer ganzen Gruppe von slawischen Siedlern, denn dabei handelte es sich nicht selten u m so viele, daß sie die Zahl der Hüfner übertraf 4 6 . I n diesen Fällen dürften sie nicht auf bereits bestehenden Hofstellen angesetzt worden sein, sondern auf Ausbaustellen an den Dorfrändern, etwa vergleichbar den Büdnern, Kätnern und Häuslern i n neuerer Zeit. Falls man — etwa auf Grund von Flurkarten, Katastern oder ähnlichen Quellen — beide Typen unterscheiden könnte, würde es sich durchaus lohnen, unter Einbeziehung der urbarialen Aussagen — und bei Beachtung des Problems der neuzeitlichen Ausbauten — eine Typologie der Kossätenstellen zu versuchen. I m Zusammenhang m i t den verschiedenen Theorien, die über den Verbleib der slawischen Bevölkerung i n den von der mittelalterlichen Ostsiedlung erfaßten Gebieten entwickelt worden sind, ist die ausschließlich slawische Herkunft der Kossäten immer wieder erörtert worden 4 7 . Wie i m Fall der hochmittelalterlichen Dienstsiedlungen zu Burgen, den „Kietzen", ist auch der Begriff „Kossät" nicht slawischen, sondern deutschen Ursprungs (Kossät = Kotsasse = Hintersasse) 48 und kann nicht als Beweis für den slawischen Charakter der Institution herangezogen werden. Auch die überlieferten Familiennamen tragen nur bedingt zur Klärung der Frage bei. So wollte Witte überwiegend aus den Familiennamen des 15. - 17. Jahrhunderts auf die ethnische Herkunft ihrer Träger schließen 49 . Die herangezogenen Beispiele zeigen aber recht deutlich, daß auf Grund der slawischen Familiennamen dieser Zeit kaum Rückschlüsse auf die ethnische Herkunft ihrer Träger 45 Die methodische Grundlage zur Berücksichtigung der Abgabenverhältnisse wie f ü r die Flurkarten, u n d Katasterauswertung hat A . K r e n z l i n i n ihrer richtungsweisenden Schrift „Dorf, Feld u n d Wirtschaft" (wie A n m . 18) gelegt; vgl. auch dies.: Siedlungsformen u n d Siedlungsstrukturen i n deutschslawischen Kontaktzonen (mit besonderer Berücksichtigung Brandenburgs u n d angrenzender Gebiete), i n : Fritze, W o l f gang H. (Hrsg.): Germania Slavica 1, B e r l i n 1980, S. 239 - 275. 46 Als instruktives Beispiel k a n n der Ort Paretz gelten. Vgl. dazu Krenzlin, Anneliese: Deutsche u n d slawische Siedlungen i m inneren Havelland, i n : Ausgrabungen u n d Funde 1 (1956), S. 174 - 185, bes. S. 176 m. Abb. 47 Die besonders von Scheffler, Beiträge (wie A n m . 22), S. 29 - 43 vertretene Auffassung, nach der überall dort, w o Deutsche u n d Slawen zusammengetroffen sind, die Slawen als Kossäten rechtlich u n d sozial unter die deutschen Bauern gestellt worden seien, ist nicht haltbar. D a m i t ist aber auch seine Schlußfolgerung hinfällig, nach der die Unterscheidung von Bauern u n d Kossäten ursprünglich i n der verschiedenen Volkszugehörigkeit begründet liege. 48 Die slawische H e r k u n f t des Begriffes hat zuletzt Scheffler, Beiträge (wie A n m . 22), S. 29 behauptet. 49 Witte, Wendische Bevölkerungsreste (wie A n m . 1), bes. S. 97 f.
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möglich sind. Die Schlußfolgerungen Wittes, nach der „die minderwertigen Hufen und die noch geringeren Kossätenstellen nach der deutschen Besiedlung den Slaven verblieben sind" 5 0 , ist nicht haltbar. Namensstatistiken aus dem 16. Jahrhundert zeigen u. a. auch für das A m t Schwerin 51 , daß der A n t e i l der slawischen und deutschen Namen bei den Kätnern und Hüfnern annähernd gleich ist, woraus geschlossen wurde, daß die Slawen, die zunächst ausschließlich die Kossäten gestellt hätten, m i t der deutschen Bevölkerung verschmolzen seien. Trotz dieser Erkenntnisse hat noch Epperlein m i t Hinweis auf die Untersuchungen von Witte und Bruns-Wüstefeld die These von der verhältnismäßig großen Zahl slawischer Personennamen i n der unterbäuerlichen Schicht vertreten 5 2 . A m Beispiel des Landregisters für die Herrschaft Sorau (1381), i n der auch nach der deutschen Besiedlung bedeutende slawische Bevölkerungsanteile vermutet werden dürfen, soll daher die ethnische Zusammensetzung der ländlichen Gesellschaftsschicht noch einmal überprüft werden 5 3 . I n einigen Dörfern dieser Herrschaft hatte sich ein zahlenmäßig nicht unbeachtlicher Kleinbauernstand m i t Teilhufenbesitz herausgebildet, doch lag i n allen Dörfern die Durchschnittsgröße der Betriebe noch über einer Hufe. Die unterbäuerliche Schicht der Gärtner ist nicht i n allen Herrschaftsdörfern zu belegen. Rund 150 Gartennahrungen sowie 664 fränkische und 514 flämische Hufen sind i m Landregister verzeichnet 54 . Von den Gärten befanden sich allein neunzehn i n dem an die Stadt Sorau angrenzenden Seifersdorf, so daß die Nähe der Stadt die Ansiedlung von Tagelöhnern m i t Gartenland gefördert haben könnte. Sie waren durchweg außerhalb des Hufenschlaglandes angesiedelt und teils der Herrschaft, teils adligen Vorwerken und Grundherrschaften, insbesondere der Kirche, aber auch den Bauern zinsverpflichtet. Allerdings werden in weiten Teilen des Urbars die Namen der Garteninhaber nicht genannt. Die Gärten können auch durch die Bauern selbst genutzt worden sein. I n Wenau lagen alle vorhandenen 26 Gärten innerhalb bäuerlicher Güter, an deren Besitzer sie zinsten. Dieses Verhältnis der Gärten zu Bauerngütern findet sich ζ. B. auch in Droskau, Reinswalde, Oberullersdorf und Zugkleibe. Es liegt nahe, i n den Besitzern dieser Gärten die den märkischen Kossäten entsprechende Bevölkerungsschicht zu erblikken, doch sind die Aussagen des Registers über die Stellung der Gärtner 50
Witte, Wendische Bevölkerungsreste (wie A n m . 1), S. 109. Ihde, Das A m t Schwerin (wie A n m . 21), S. 119. 52 Epperlein, Die bäuerliche Siedlung (wie A n m . 4), S. 360. 53 Das Landregister der Herrschaft Sorau (wie A n m . 12). 54 Z u r Lage der flämischen u n d fränkischen Hufen vgl. Krenzlin, Dorf, Feld u n d Wirtschaft (wie A n m . 18), S. 103 ff.; dies., Siedlungsformen (wie A n m . 45), S. 264 ff.; zum slawischen Charakter der flämischen Hufen ebd. 51
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recht spärlich. Nur soviel w i r d deutlich, daß ihr Garten ein vererblicher Besitz war, von dem sie Abgaben leisten mußten. Aus der Lage der Gärten innerhalb bäuerlicher Güter kann man vielleicht schließen, daß sie ursprünglich zu einzelnen Hufen gehört hatten und zunächst m i t Verwandten besetzt wurden. I m übrigen fällt auf, daß die Kirche i n der Regel mehrere Gärten besaß oder doch zumindest den Zins davon einzog. Daß es sich bei den Gärtnern um Reste der wendischen Bevölkerungsschicht gehandelt hat, ist aus dem Landregister nicht ohne weiteres zu entnehmen. Bereits der Herausgeber des Urbars, Johannes Schultze, stellte fest: Eine Scheidung von Bauern und Gärtnern aufgrund verschiedenen Volktums ist nicht statthaft. Die Gründe für die Entstehung der Gärtner sind wirtschaftlicher, nicht völkischer Natur 55. Welche Rückschlüsse lassen sich aus den wenigen überlieferten Personennamen ziehen? Das Sorauer Landregister ist eines der wenigen Urbare, das Personennamen aus jener Zeit überliefert, als die Familiennamen entstanden. Die Auswertung 5 6 dieses wichtigen Materials hinsichtlich der Erkenntnis ethnischer Zugehörigkeiten und bezüglich der Herkunft der Bevölkerung zeigt starke Parallelen zu den Zinnaer Verhältnissen. Doch in zahlreichen Fällen konnte der Schreiber des Urbars die jeweilige Person lediglich m i t ihrem Ruf- oder Taufnamen bezeichnen. Die vorhandenen Beinamen sind vielfach nur als persönliche Kennzeichnung und noch nicht als feste Familiennamen i m heutigen Sinne aufzufassen. Es bleibt daher zweifelhaft, ob sie bereits ererbt waren und auch weiter vererbt wurden. Dies gilt namentlich von den Abkunftsbezeichnungen, die Angaben über den Namen des Vaters bzw. der Mutter enthalten und als patronymische Bildungen anzusprechen sind. Wenn es also beispielsweise heißt: Hannus Jenden Sohn, so liegt hier sicherlich noch kein Familienname vor. Der Rufnahme konnte sowohl vor, als auch nach dem Namen des Vaters stehen. So ist beispielsweise Albrecht Kareske 57 identisch m i t dem an anderer Stelle genannten Karis Albrecht. Sehr häufig sind i m Sorauer Register Abkunftsbezeichnungen zu finden. Hierher gehören alle Formen, die aus zwei Taufnamen bestehen wie z. B. Peter Tyle. Häufig stehen der Name des Vaters oder der Mutter i m Genitiv, also Nitze Hermanns oder Witze der Heinrichinne. Die Mutter ist i m letzten Fall nach dem Vornamen des Ehemanns benannt worden. Außerdem gehören zu den Abkunftsbezeichnungen auch Beinamen wie Schultes oder Lehmann, die ähnlich den Sohn des Schulzen oder des Lehnmannes von anderen unterschei55 Schultze, Johannes: Z u r Einführung, i n : Das Landregister der Herrschaft Sorau (wie A n m . 12), S. X X V . 58 Die folgenden Ausführungen fassen Ergebnisse zusammen, die der Herausgeber des Sorauer Landregisters, Johannes Schultze, i n der Einleitung zu seiner E d i t i o n m i t t e i l t . 57 Das Landregister der Herrschaft Sorau (wie A n m . 12), S. 109 m i t A n m . 4.
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den. Zweifelhaft bleibt aber zunächst der Charakter als fester Familienname bei der Bezeichnung persönlicher Eigenschaften, also Stumme, Rosse, Kahle, bei Bezeichnungen der Herkunft, also z.B. Hirsvelder, des Wohnplatzes ζ. B. an dem Ende, bei Berufsbezeichnungen, ζ. B. Köhler und bei allen sonstigen vorkommenden Beinamen bzw. Übernamen. Daß Bezeichnungen auch an den Vorbesitzer eines Hofes anknüpfen, ist möglich. Sichere Anhaltspunkte für das Bestehen von Hofnamen bietet jedoch das Verzeichnis nicht. Als Unterscheidungsmerkmal für slawische bzw. deutsche Volkszugehörigkeit kann man die Namen nur mit größter Vorsicht heranziehen. Der Beiname w i r d nicht vom Träger selbst gewählt, sondern ihm von anderen Dorfbewohnern beigelegt. So kann ein Slawe durchaus einen deutschen Namen tragen und umgekehrt. Zahlreiche Beinamen sind überdies aus Rufnamen entstanden, die sich i m Gebrauch stark angeglichen haben, wenn man einmal davon absieht, daß von der christlichen Bevölkerung i n der Regel auch christliche Rufnamen gewählt worden sind. Daß der i m wendischen Dorf sitzende Peter Schroter 58 deutscher Abkunft war, ist sehr wahrscheinlich, aber unbedingte Sicherheit gibt der Name allein nicht. Anders liegt es, wenn i m deutschen Ort Kunzendorf der wyndische Mertin 59 wohnt. Hier haben w i r es wohl m i t einem Slawen zu tun, worauf die besondere Hervorhebung der Volkszugehörigkeit schließen läßt. Daß i m übrigen ein Slawe auch noch i n späterer Zeit i n deutschen Dörfern eine besondere Erscheinung war, geht aus der Bezeichnung der wyndische Bauer 6 0 für einen Matthes Richter 1567 i n Seifersdorf hervor. Dieses letzte Beispiel zeigt einerseits, wie wenig ein Name allein für die ethnische Zugehörigkeit besagt; andererseits ist aber auch die Möglichkeit nicht ganz auszuschließen, daß tatsächlich ein Hüfner deutscher Herkunft einen Hof bewirtschaftete, an dem noch slawisches Recht haftete. Die Bezeichnung der ethnischen Zugehörigkeit erscheint daneben auch mehrfach m i t Hilfe des Familiennamens: So gibt es i n Laubnitz einen Matis Wyndisch €1 und i n Gersdorf einen Herman Wyndisch 62. Auch hier könnte der Beiname daher rühren, daß die Genannten anderen Stammes als ihre Mitbauern waren. Diese Beispiele zeigen, daß es nur einzelne slawische Bauern i n den deutschen Kolonistendörfern der Herrschaft Sorau gegeben hat. Vielleicht entstammten sie den alten Siedlungen, die i n die Neugründungen aufgenommen wurden. Die überwiegende Zahl der Bewohner der deutschen Hufendörfer ist aufgrund der 58 50 60 61 62
Das Das Das Das Das
Landregister Landregister Landregister Landregister Landregister
der der der der der
Herrschaft Herrschaft Herrschaft Herrschaft Herrschaft
Sorau Sorau Sorau Sorau Sorau
(wie (wie (wie (wie (wie
Anm. Anm. Anm. Anm. Anm.
12), S. 66. 12), S. 67. 12), S. X X V I . 12), S. 45. 12), S. 86.
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Namen als deutschstämmig anzusehen. Prüft man demgegenüber die Namen i n den flämischen Hufendörfern der Herrschaft Sorau, so w i r d ein gravierender Unterschied gegenüber den deutschen sichtbar, und man muß den Eindruck gewinnen, daß i n diesen Orten überwiegend Slawen wohnten 6 3 . Einmal fehlen hier überwiegend die Beinamen, und soweit sie auftauchen, sind sie eindeutig slawischen Ursprungs. Von der unterbäuerlichen Schicht ist eine entsprechende Aussage nicht möglich, denn leider verschweigt das Register zumeist die Namen der Gartenbesitzer bzw. der Gärtner. I n Seifersdorf 64 ist die Mehrzahl als ausgesprochen deutschen Ursprungs zu charakterisieren. Von den 7 Gartenbesitzern i n Zugkleibe 6 5 tragen zwei den Beinamen Wyndisch, während die Namen Spiller, Vogeler und Bedirmann als zweifelsfrei deutsch anzusehen sind. Schlüsse auf besondere Herkunft der Gärtner sind daraus, wenn überhaupt, aber nur m i t Vorsicht zu ziehen. Die Dörfer m i t reiner oder überwiegend unterbäuerlicher Bevölkerung haben sich offenbar i m Verlauf des späten Mittelalters und i n der frühen Neuzeit noch erheblich vermehrt. Während i m Mittelalter die Kossäten aber nur i n wenigen ländlichen Siedlungen zahlenmäßig dominierten, trat etwa i m Verlauf des 16. Jahrhunderts eine grundlegende Verschiebung i m gewohnten B i l d der Sozialstruktur des ostelbischen Dorfes ein, die sich vor allem nach dem 30jährigen Krieg zuungunsten des Bauernstandes entwickelte 6 6 . Allerdings kann man diese Entwicklung wohl nicht ausschließlich m i t der Vergrößerung der grundherrlichen Eigenbetriebe und der Herausbildung der Gutsherrschaft erklären, wenn auch keineswegs i n Abrede gestellt werden soll, daß die unterbäuerliche Schicht i n vielen Dörfern i n dem Maße wuchs, wie sich die Herrschaftsvorwerke ausdehnten. Auch die Handwerkersiedlung hat zu einem Anwachsen der unterbäuerlichen Schichten des Dorfes geführt. Daneben scheint aber der Bevölkerungsüberschuß auch mehr und mehr auf geteilten bäuerlichen Hufengütern angesetzt worden zu sein, soweit nicht das Anerbenrecht oder grundherrliche Absichten dem entgegenstanden. Die seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert stärker erkennbare Parzellierung von Bauerngütern zu Kossätensiedlungen beruht daher weniger auf bäuerlicher Initiative, sondern kann als Resultat einer grundherrlichen Siedlungspolitik angesehen werden, die der Vergrößerung einer unterbäuerlichen Schicht galt. Die Kossätenstelle wurde seit dem 16. Jahrhundert zum „Leitbild ländlicher Siedlung" 6 7 . Anscheinend wellenartig erfaßte die neue Kos63 64 65 66
Schultze, Z u r Einführung (wie A n m . 55), S. X X I I I ff. Das Landregister der Herrschaft Sorau (wie A n m . 12), S. 18. Das Landregister der Herrschaft Sorau (wie A n m . 12), S. 27. Boelcke, Wandlungen (wie A n m . 8), S. 96 u n d 99 f.
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sätenkolonisation die Dörfer östlich der Elbe und leitete einen sozialen Umstrukturierungsprozeß ein, der schließlich zur Genesis eines zahlenmäßig bedeutenden Kleinbauernstandes führte, der selbst durch die wirtschaftlich kontrahierende W i r k u n g der Bevölkerungsverluste während des 30jährigen Krieges letztlich insgesamt geringere Einbußen erl i t t als das Vollbauerntum. Die Zerschlagung von Hufengütern zugunsten von Kossätenstellen während des 15. und 16. Jahrhunderts ließ andererseits auch den Kossäten auf Hufenland Fuß fassen, so daß sich etwa m i t dem 16. Jahrhundert das entscheidende agrarrechtliche K r i t e r i u m des Kossäten als des Besitzers von unverhuftem Land nicht mehr m i t letzter Konsequenz auf i h n anwenden ließ. Die rechtlichen Unterschiede zwischen Bauer und Kossät scheinen sich nun zu verwischen und der Kossät wurde zum vollberechtigten Mitglied der Gemeinde, dem ein Mitspracherecht bei der gemeinsamen Regelung der Flurangelegenheiten nicht weiter verweigert worden zu sein scheint. Gleichzeitig trat i n vielen ostelbischen Landschaften eine klare Differenzierung innerhalb der niemals homogenen ländlichen Bevölkerung ein, indem fortan zwischen dem einen Kleinbauern gleichenden Kossäten und den lediglich hausbesitzenden Dorftagelöhnern, den Häuslern, Büdnern und Kätnern unterschieden wurde. Nicht mehr der Landbesitz, sondern lediglich der Besitz einer Kate oder einer Bude kennzeichnete die Schicht der Häusler, die für i h r Hausgrundstück m i t Hausgarten der Grundherrschaft zu zinsen hatten. I n den Urkunden und vor allem i n den Urbaren des 16. Jahrhunderts werden sie erstmals — auf Bauern und Kossäten folgend — erwähnt und machen deutlich, daß sich nach den zeitgenössischen Vorstellungen die Sozialstruktur des Dorfes fortan durch eine Dreischichtung kennzeichnete 68 . *
Zusammenfassend können hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit der Kossäten folgende Ergebnisse festgehalten werden: Nach der ersten Aufsiedlung des Landes mußten infolge des erheblich gestiegenen Grund- und Flußwassers solche Siedlungen, die zu tief oder zu nahe am Ufer lagen, auf höher gelegenes Gebiet verlegt werden. Bei der betroffenen Bevölkerung w i r d es sich überwiegend um Slawen gehandelt haben 6 9 , die man i n deutschrechtliche Siedlungen eingliederte, deren Ackerflächen m i t der dazugehörenden Allmende bereits vergeben waren, so daß die Neuankömmlinge lediglich als Kossäten Aufnahme 67 βθ
Boelcke, Wandlungen (wie Anm. 8), S. 91. Boelcke, Wandlungen (wie Anm. 8), S. 91 f.
69 Beispiele bei Krenzlin, passim,
Deutsche u n d slawische Siedlungen (wie Anm. 45),
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fanden. Dies dürfte auch ihre bisherigen Lebensgewohnheiten nicht wesentlich verändert haben, da es sich hauptsächlich um Fischer und Zeidler handelte, die auch i n der neuen Umgebung ihrem alten Gewerbe nachgehen konnten. Die Ausübung eines solchen Gewerbes ließ es auch i n der Regel gar nicht zu, nebenbei eine Vollbauernstelle zu bewirtschaften, so daß die m i t der Kossätenstelle verbundene Gartennahrung als ausreichende Ergänzung zur gewerblichen Tätigkeit des Kossäten anzusehen ist. A u f der anderen Seite brauchte auch die deutsche Bevölkerung solche Kossätenstellen, die es auch i m altdeutschen Gebiet, wenn auch m i t anderer Bezeichnung gegeben hat: Zunächst sind sie als Altenteil und zur Versorgung nicht erbberechtigter Söhne geschaffen worden. I m ersten Fall w i r d sich das Problem schon bald nach der Aufsiedlung gestellt haben, i m letzten Fall wahrscheinlich erst später, als die überschüssige Bevölkerung nicht mehr weiter nach Osten ausweichen konnte.
EINE K A R T E Z U M V E R H Ä L T N I S DER F R Ü H M I T T E L A L T E R L I C H - S L A W I S C H E N ZUR H O C H M I T T E L A L T E R L I C H E N SIEDLUNG I N DER OSTPRIGNITZ* Von Wolfgang H. Fritze I. Die Aufgabe Eine der Voraussetzungen der Arbeit am Rahmenthema der „Germania Slavica" ist die Klärung des räumlichen und quantitativen Verhältnisses der frühmittelalterlichen („vorkolonialen") slawischen zur hochmittelalterlichen Siedlung innerhalb der historischen Teillandschaften des Gesamtraumes 1 . Lange Zeit haben dafür nur schriftliche Quellen, Urkunden, Zinsregister, Landbücher u. ä., zur Verfügung gestanden, die nicht nur ein recht unscharfes, sondern, wie sich zeigen sollte, auch ein verzerrtes B i l d ergeben. Seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts sind m i t Hilfe neu erschlossener Quellengattungen, vor allem der Bodenfunde, der Siedelformen und der Ortsnamen, neue kombinative Methoden entwickelt worden 2 — sicher nicht ohne Zusammenhang m i t der Entwicklung der geographischen „Kulturlandschaftsforschung" 3 und des neuen historischen Faches der „geschichtlichen Landeskunde" 4 . * Die hier vorgestellte u n d erläuterte Karte w u r d e erarbeitet v o n W o l f r a m Manthey, Gerhard Weiduschat u n d dem Verfasser. Ihre kartographische Form verdankt sie dem Kartographen des Friedrich-Meinecke-Institutes der F U Berlin, W i l l y Schlag. 1 Vgl. Fritze, Wolf gang H.: Germania Slavica. Zielsetzung u n d Arbeitsprogramm einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, i n : Germania Slavica I, hrsg. v. W. H. Fritze (Berliner Historische Studien 1), B e r l i n 1980, S. 13, 38. 2 E i n A b r i ß der Forschungsgeschichte bei Fritze (s. A n m . 1), S. 8 ff.; vgl. auch das Erläuterungsheft zu der K a r t e von Fritze, Wolfgang H. u. Schich, Winfried: Das Verhältnis von vorkolonialer u n d hochmittelalterlicher Siedl u n g i n Zauche u n d Hohem Teltow, in: Historischer Handatlas von Brandenb u r g u n d Berlin, Abt. I V , Lief. 56, B e r l i n 1977. 3 Dazu der wissenschaftsgeschichtliche Überblick von Overbeck, Hermann: Die E n t w i c k l u n g der Anthropogeographie (insbesondere i n Deutschland) seit der Jahrhundertwende u n d ihre Bedeutung f ü r die geschichtliche Landeskunde, Erstdruck 1954, m i t Ergänzungen wieder i n : Probleme u n d Methoden der Landesgeschichte, hrsg. v. Pankraz Fried (Wege der Forschung 492), Darmstadt 1978, S. 190 ff. Vgl. auch Jäger, H e l m u t : Z u r Methodik der genetischen Kulturlandschaftsforschung, i n : Berichte zur deutschen Landeskunde 30, 1963, S. 158 ff. 4 Wegweisend: Aubin , Hermann: Aufgaben u n d Wege der geschichtlichen Landeskunde, Erstdruck 1925, wieder i n : Probleme u. Methoden (s.Anm.3),
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Jede Q u e l l e n g a t t u n g — so l ä ß t sich g r u n d s ä t z l i c h sagen — w i r d j e f ü r sich a u f i h r e n b e v ö l k e r u n g s - u n d siedlungsgeschichtlichen Aussagew e r t h i n kritisch geprüft. I n einem weiteren Arbeitsgang werden dann die g e w o n n e n e n A u s s a g e n dieser verschiedenen Q u e l l e n k a t e g o r i e n m i t e i n a n d e r v e r g l i c h e n ; z u diesem Z w e c k w i r d „ d i e historische M e t h o d e d e r K a r t o g r a p h i e " 5 a n g e w a n d t , das I n s t r u m e n t also d e r h i s t o r i s c h t h e m a t i s c h e n K a r t e , d e r „ G e s c h i c h t s k a r t e " , eingesetzt, das i m L a u f e d e r l e t z t e n 50 J a h r e i m m e r w e i t e r v e r v o l l k o m m n e t w o r d e n i s t 6 . D i e m i t diesen n e u e n M e t h o d e n z u u n s e r e m R a h m e n t h e m a b i s h e r bearbeiteten regionalen K a r t e n weichen, z u m T e i l jedenfalls, i m H i n b l i c k a u f die v o n i h n e n e r f a ß t e n D a t e n k a t e g o r i e n n i c h t u n e r h e b l i c h v o n e i n a n d e r a b 7 , so daß sie sich n i c h t ohne E i n s c h r ä n k u n g e n m i t e i n S. 38 ff. Der Gang der weiteren Diskussion ist i n dem o. A n m . 3 genannten, von P. Fried herausgegebenen Sammelband zu verfolgen. 5 Aubin , Hermann: Methodische Probleme historischer Kartographie, Erstdruck 1929, wieder i n : ders., Grundlagen u n d Perspektiven geschichtlicher Kulturraumforschung u n d Kulturmorphologie, hrsg. v. Franz Petri , Bonn 1965, S. 39. β Z u r E n t w i c k l u n g der historisch-thematischen Karte, der „Geschichtskarte", als eines Instrumentes der siedlungsgeschichtlichen Erkenntnis eingehend Quirin, Heinz: Forschungsprobleme der Siedlungsgeschichte i m Spiegel der thematischen Kartographie, i n : Blätter f ü r deutsche Landesgeschichte 107, 1971, S. 33 ff., m i t reicher Literatur. Allgemein zu den methodischen P r i n zipien der „Geschichtskarte" Ogrissek, Rudi: Die Karte als H i l f s m i t t e l des Historikers, Leipzig 1968. Z u m Begriff der „Geschichtskarte" Quirin, Heinz: V o m Wesen der Geschichtskarte, i n : Geschichte i n Wissenschaft u n d U n t e r richt 5, 1954, S. 598 ff. 7 Methodisch wegweisend w a r die A r b e i t von Engel, Franz: Deutsche u n d slawische Einflüsse i n der Dobbertiner Kulturlandschaft, Diss. K i e l 1934, S. 23 ff., 38 ff. Karten, die nach Engels Methoden angelegt sind bzw. sie v e r vollkommnet haben, legten vor: Krenzlin, Anneliese: Deutsche u n d slawische Siedlungen i m inneren Havelland, i n : Ausgrabungen u. Funde 1, 1956, S. 1 ff. (Bodenfunde, Ortsnamen, Wüstungsflurnamen, schriftliche Zeugnisse); dies., Siedlungsformen u n d Siedlungsstrukturen i n den deutsch-slawischen K o n taktzonen (mit besonderer Berücksichtigung Brandenburgs u n d angrenzender Gebiete), i n : Germania Slavica I (s. A n m . 1), S. 239 ff., bes. 271 ff. (Kreis Prenzlau; Bodenfunde, Ortsnamen, Wüstungsnamen, schriftliche Zeugnisse, Siedelformen); Heibig, Herbert: Die slawische Siedlung i m sorbischen Gebiet, i n : Siedlung u n d Verfassung der Slawen zwischen Saale, Elbe u n d Oder, hrsg. v. Herbert Ludat, Gießen 1960, S. 27 ff. m i t den K a r t e n 2 - 6 des K a r t e n anhangs (Ortsnamen u n d Siedelformen); Engel, Franz: Grenzwälder u n d .slawische Burgwardbezirke i n Nordmecklenburg. Über die Methoden ihrer Rekonstruktion, ebd. S. 125 ff., m i t K a r t e 15 (Ortsnamen, Wüstungsflurnamen, Bodenfunde, schriftliche Zeugnisse); Fritze ί Schick: Verhältnis (s. A n m . 2; Bodenfunde, Ortsnamen, Wüstungsflurnamen, schriftliche Zeugnisse); Schwarz, Ernst: Die volksgeschichtlichen Grundlagen des Kreises Pirna, i n : Zeitschrift f ü r slavische Philologie 22, 1954, S. 58 ff., 243 ff. (Ortsnamen u n d Ortsformen; vgl. dazu auch die K a r t e 6 der oben genannten A r b e i t von H. Heibig, die neben den Ortsnamen u n d Ortsformen auch die Flurformen aufnimmt); Fischer, Reinhart E.: Die Ortsnamen des Havellandes (Brandenburgisches Namenbuch Bd. 4), Weimar 1976, m i t K a r t e n der Bodenfunde u n d der Ortsnamen; Prange, W o l f gang: Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg, Neumünster 1960, S. 113 ff., m i t K a r t e n i m Anhang (Bodenfunde, Ortsnamen, Ortsformen).
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ander vergleichen lassen. Dennoch zeigt sich bereits jetzt recht deutlich, wie groß die Divergenzen sind, die sich von Region zu Region erkennen lassen. So haben sich, u m nur einen besonders augenfälligen Gegensatz zu nennen, auf der einen Seite Regionen ermitteln lassen, i n denen sich um ein Kerngebiet „vorkolonialer" slawischer Siedlung kranzförmig die hochmittelalterlichen Dörfer herumlegen, so daß der räumliche Kontakt zwischen beiden Siedlungszonen verhältnismäßig schwach ist 8 . Dem stehen auf der anderen Seite historische Landschaften gegenüber, die gerade umgekehrt das B i l d einer innigen Durchdringung von „vorkolonialer" slawischer und hochmittelalterlicher Siedlung zeigen 9 . A l l e i n dies Ergebnis schon bedeutet eine Revision älterer Lehrmeinungen 1 0 . Unausweichlich stellt sich die Frage nach den Faktoren, die diese zunächst überraschenden Abweichungen verursacht haben. Gewisse U r sachen lassen sich schon jetzt benennen 11 . Doch w i r d die Forschung auf diesem Felde noch weiterkommen können, wenn ihr eine genügend große Zahl derartiger Karten zur Verfügung steht, die es i h r erlauben, gewisse „Typenbilder" vom räumlichen und quantitativen Verhältnis der frühmittelalterlich-slawischen zur hochmittelalterlichen Siedlung auszumachen. Für die Erstellung eines regionalen Kartenbildes, wie es hier gefordert wird, muß zunächst die Frage der „Grundkarte" geprüft werden 1 2 . A u f jeden Fall sollten Gewässer, Niederungen und Höhenzüge, also das „Relief", kenntlich gemacht werden. Darüber hinaus aber sollten auch entweder die Bodenklassen oder aber, wohl noch besser, sofern die technisch-kartographischen Möglichkeiten dafür bestehen, die geomor8 I n besonders reiner F o r m stellt sich dieser Typus i n der altsorbischen Kleinlandschaft Rochelinze dar, s. Walther, Hans: Die Orts- u n d Flurnamen des Kreises Rochlitz, Halle 1957; Heibig, Slawische Siedlung (s. A n m . 7), Karte 4; Fritze, W o l f gang, H.: Ortsnamenkunde u n d Landesgeschichte i n Ostdeutschland. Probleme der Namenkontinuität, k ü n f t i g in: Deutsch-slawische Namenforschung, hrsg. v. Hans-Bernd Harder, Karte Abb. 1. 9 E i n gutes Beispiel f ü r diesen Typus bietet die Zauche, s. die i n A n m . 2 genannte K a r t e v o n Fritze / Schich. 10 Zuerst machte auf solche Divergenzen u n d ihre möglichen Ursachen aufmerksam Krenzlin, Anneliese: Historische u n d wirtschaftliche Züge i m Siedelformenbild des westlichen Ostdeutschland, F r a n k f u r t / M . 1955. Vgl. auch Schlesinger, Walter: Die mittelalterliche Ostsiedlung i m Herrschaftsraum der Wettiner u n d Askanier, i n : Deutsche Ostsiedlung i n M i t t e l a l t e r u n d Neuzeit (Studien zum Deutschtum i m Osten H. 8), K ö l n - Wien 1971, S. 44 ff. K ü n f t i g Fritze, Ortsnamenkunde (s. Anm. 8). 11 Dazu Krenzlin, Historische u n d wirtschaftliche Züge (s. A n m . 10); dies.: Die Siedlungsstrukturen i n der M a r k Brandenburg als Ergebnis grundherrschaftlicher A k t i v i t ä t e n , i n : Mensch u n d Erde. Festschrift W. M ü l l e r - W i l l e , Münster 1976, S. 131 ff.; dies., Régions d'habitat de la Marche de Brandebourg en tant que résultat d'activités de la grande propriété foncière, i n : Geographia Polonica 38, 1978, S. 159 ff. Vgl. auch Fritze, Ortsnamenkunde (s. A n m . 8). 12 Z u m Begriff der „ G r u n d k a r t e " s. etwa Ogrissek (s. A n m . 6), S. 60 ff.
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phologischen Gegebenheiten dargestellt werden, also sowohl die stoffliche Beschaffenheit und der Bau des Erduntergrundes als auch die Formationen der Erdoberfläche 13 , das heißt m i t anderen Worten: die „naturlandschaftlichen" Bedingungen jeder dauerhaften Siedlung 14 . Auf einer Grundkarte dieser A r t sind sodann die „Themen" der Karte darzustellen, hier also zum einen die spätslawische Siedlung, wie sie zum Zeitpunkt des Einsetzens der hochmittelalterlichen Siedelvorgänge zu fassen ist, zum andern die Siedlung des hohen Mittelalters, wie sie sich als Ergebnis der hochmittelalterlichen Siedelvorgänge darstellt 1 5 . Für die Rekonstruktion der spätslawischen Siedlung sind die spätslawischen Bodenfunde einzutragen, die slawischen Siedlungsnamen, die Siedlungsnamen m i t dem Zusatz „Wendisch", Flurnamen, die auf alte slawische Siedlung deuten, örtlichkeitsnamen, die einen Wüstungshinweis enthalten (Wüstungsflurnamen), aber auch schriftliche Hinweise auf slawische Siedlung. Freilich ist jede dieser verschiedenen Indizienkategorien i n ihrer Aussagekraft beschränkt, jede für sich bedarf einer kritischen Uberprüfung; davon w i r d i n Abschnitt I V noch näher zu sprechen sein. Was die hochmittelalterliche Siedlung betrifft, so helfen hier die schriftlichen Quellen i n weit höherem Maße. Es sind also alle i m hohen und späten Mittelalter (12. - 14. Jahrhundert) schriftlich bezeugten Orte aufzunehmen, einschließlich, wie sich versteht, der später wüst gewordenen. Dazu treten aber auch diejenigen später verödeten hochmittelalterlichen Siedlungen, die nur durch Bodenfunde bezeugt sind, ebenso wie die, die nur aus ihren zu Stellenbezeichnungen gewordenen Namen bekannt sind oder auf die nur Wüstungsflurnamen wie „Altes Dorf" 13
Dazu Schaefer, Ingo, i n : Allgemeine Geographie, hrsg. v. G. FochlerHauke (Fischer-Lexikon), F r a n k f u r t / M . 1959, S. 125 ff.; knapp auch Westermann L e x i k o n der Geographie, hrsg. v. Wolf Tietze, I I , Braunschweig 1969, S. 179 f. 14 Forschungsgeschichtlich wichtig f ü r die Erkenntnis der Zusammenhänge zwischen Boden u n d Siedelform Hennig, Α.: Boden u n d Siedlungen i m Königreich Sachsen, 1912. Weiteres bei Quirin, Forschungsprobleme (s. A n m . 6). Vgl. bes. Krenzlin, Anneliese: Über die Abhängigkeit der Siedlungsgestaltung von den Wirtschaftsformen i m ostdeutschen Siedlungsgebiet, i n : Berichte zur deutschen Landeskunde 6, 1949, S. 61 ff.; dies., Dorf, Feld u n d Wirtschaft i m Gebiet der großen Täler u n d Platten östlich der Elbe, 1952, S. 51 ff., 113 ff. Entsprechend ihrer Grundauffassung v o m funktionalen Z u sammenhang von Geomorphologie, agrarischem Wirtschaftssystem u n d Siedelf o r m hat K r e n z l i n f ü r ihre K a r t e der „ F l u r - u n d Dorf formen 1800" i m Räume von Groß-Berlin (in: Deutscher Planungsatlas I X : Atlas von Berlin, 1962) eine geomorphologische Grundkarte gewählt; vgl. auch dies., Die m i t t e l alterlich-frühneuzeitlichen Siedlungsformen i m Raum von Groß-Berlin, i n : Die Erde 90/4, 1959, S. 327 ff. (mit Karte). Diesem V o r b i l d folgt die Karte Fritze / Schich (s. A n m . 2). 15 Z u m Folgenden vgl. das Erläuterungsheft zur K a r t e Fritze / Schich (s. A n m . 2).
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hinweisen. I m höchsten Grade wünschenswert wäre darüber hinaus auch die Aufnahme der Orts- und Flurformen 1 6 und der Gemeindegrenzen. Doch stellen sich hier schwer überwindliche technisch-kartographische Hindernisse: Die Kennzeichnung auch der Siedelformen und die Aufnahme der Gemeindegrenzen neben den bereits genannten Daten würden die Karte überlasten und ihre Lesbarkeit stark beeinträchtigen. „Die für jede thematische Karte geltende Warnung, daß, wer alles bringen wolle, letztlich nichts bringe" 1 7 , ist auch hier zu beachten. So w i r d man sich i n dieser Beziehung m i t Behelfslösungen wie etwa einem Deckblatt zufriedengeben müssen. Dagegen kann aus Gründen, die i n Abschnitt V darzulegen sind, nicht auf die Einzeichnung der Grenzen der hochmittelalterlichen terrae der Prignitz verzichtet werden. II. Zur Wahl des Arbeitsgebietes Wenn nun für die Erstellung einer regionalen Karte der beschriebenen A r t hier der alte Kreis „Ostprignitz" ausgewählt worden ist, wie er bis zur Verwaltungsreform der DDR i m Jahre 1952 bestanden hat (heute liegen i n seinem Gebiet die Kreise Kyritz, Wittstock, Pritzwalk und Neuruppin), so haben dazu die folgenden Überlegungen und Feststellungen geführt. Zunächst liegen für benachbarte Landschaften der Mark Brandenburg entsprechend angelegte Arbeiten bereits vor (Zauche und Hoher Teltow) 1 8 bzw. sind i n Arbeit (Havelland) 19 . Das könnte nun allerdings gerade i m Gegenteil dazu veranlassen, eine weiter entfernt liegende Landschaft zu wählen, die sowohl i n ihren naturlandschaftlichen Gegebenheiten als auch i n den Bedingungen ihres geschichtlichen Werdens sich von den genannten Regionen der Mittelmark möglichst deutlich abhöbe. Aber wie noch näher auszuführen sein wird, bietet die Prignitz nicht nur i n ihrer geomorphologischen Beschaffenheit ein ganz anderes B i l d als die Mittelmark; auch die geschichtlichen Kräfte, die hier auf die hochmittelalterliche Siedlung eingewirkt haben, unterscheiden sich von denen der Mittelmark erheblich. Wenn also schon die Nachbarlandschaften Zauche und Teltow i n der hier zur Rede stehenden Frage stark voneinander abweichen 20 , dann ist das von der Prignitz noch i n weit höherem Maße zu erwarten. Der Vergleich zwischen der Prignitz einerseits, den Landschaften der Mittelmark andererseits scheint also durchaus lohnend. 16 Grundlegend zur Frage der ethnischen Aussagekraft der Siedelformen i n der M a r k Brandenburg Krenzlin, Siedlungsformen (s. A n m . 7). 17 Quirin, Forschungsprobleme (s. A n m . 6), S. 56. 18 s. A n m . 2. 19 Innerhalb der Projektgruppe „Havelland" der I A G Germania Slavica (s. zu ihrer Aufgabe Fritze, s. A n m . 1, S. 37 ff.); Bearbeiter: W i n f r i e d Schich. 20 Dazu das Erläuterungsheft zur K a r t e Fritze / Schich (s. A n m . 2).
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Freilich wäre unter sachlichen Gesichtspunkten die Bearbeitung der Prignitz i n ihrer Gesamtheit zu fordern, denn man w i r d wohl sagen müssen, daß dieses Teilgebiet der Mark Brandenburg, das bereits i n ihrer Beschreibung von 1373 als solches deutlich bezeichnet w i r d 2 1 , sich als eine geschichtliche Einheit, eine „Geschichtslandschaft", u m diesen problematischen Terminus zu gebrauchen 22 , präsentiert. Die spätere Teilung des Landes i n zwei Verwaltungsbezirke (Landkreise) zerreißt diese Einheit i n denkbar willkürlicher Weise. Für die Anlage der Karte w i r k t die Teilungslinie um so ungünstiger, als sie durch einige der Ländchen (terrae), i n die sich die Prignitz i m hohen Mittelalter gliederte, mitten hindurchgeht und sie so auseinanderreißt. Dennoch mußte der Nachteil der Beschränkung auf einen, nämlich den östlichen, der beiden Landkreise, auf die „Ostprignitz" also, zunächst i n Kauf genommen werden. Auch nach dem Erscheinen des Teils I des „Historischen Ortslexikons für Brandenburg" und der Bände 1 und 3 des „Corpus archäologischer Quellen zur Frühgeschichte auf dem Gebiete der DDR", von denen i n Abschnitt I I I noch näher zu sprechen sein wird, ist der Stand der Vorarbeiten i n der Ostprignitz erheblich besser als i n dem westlich benachbarten Kreise. Das ist der — noch näher zu erläuternden — Anlage des Werkes von W. Matthes über die „Urgeschichte des Kreises Ostprignitz" von 1929 zu danken, die für die hier zu erstellende Karte ungleich bessere Voraussetzungen schafft als die des entsprechenden Buches von Waldtraut Böhm über die Westprignitz von 1937. Schließt also die Wahl der Ostprignitz den Nachteil eines geschichtlich nicht i n sich abgeschlossenen Arbeitsfeldes ein, so hat sie andererseits den Vorteil eines befriedigenden Standes der Vorarbeiten. Doch muß es unser Bestreben sein, möglichst bald eine gleichwertige Karte auch für die Westprignitz zu erstellen. Erst beide Karten zusammen werden ein genügend klares B i l d der Entwicklung der Siedlung i n der Prignitz vom frühen 12. bis zum 14. Jahrhundert bieten. I I I . Der Stand der Vorarbeiten Hier ist zunächst zu vermerken, daß für die Prignitz als einzigem aller brandenburgischen Teilräume — m i t Ausnahme der Niederlausitz — eine den Ansprüchen moderner Landesgeschichtsschreibung gerecht werdende Darstellung ihrer Geschichte aus der Feder eines hervorragenden Kenners vorliegt, die nicht nur die politische und Territorialgeschichte behandelt, sondern i n gleicher Weise auch die Bevölke21 Das Landbuch der M a r k Brandenburg von 1375, ed. Johannes Schultze, B e r l i n 1940, p. 2. s. dazu u. S. 63. 22 Vgl. dazu Faber, K a r l - G e o r g : Was ist eine Geschichtslandschaft?, Erstdruck 1968, wieder i n : Probleme u. Methoden (s. A n m . 3), S. 390 ff.
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rungs-, Siedlungs- und Kulturgeschichte 28 . Ergänzt w i r d dies vortreffliche Werk durch eine Monographie über die „Länder" der Prignitz, die die für dieses Land so charakteristische Aufgliederung i n eine Reihe von terrae i m hohen und späten Mittelalter untersucht 24 ; für die Zwecke der zu erarbeitenden Karte ist von besonderem Wert, daß hier auch versucht wird, die räumliche Begrenzung der terrae zu ermitteln. Günstig muß sich für die Zwecke der Karte auch auswirken, daß die Prignitz i m Rahmen des vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv (jetzt Staatsarchiv) i n Potsdam betreuten „Historischen Ortslexikons für Brandenburg" bereits bearbeitet ist 2 5 . Das Lexikon erfaßt „sämtliche Ortschaften und Wohnplätze m i t eigenem Namen, die seit der hochmittelalterlichen Kolonisationszeit jemals bestanden haben" (S. IX), soweit sie schriftlich überliefert sind. Das schließt die Erfassung auch der Ortswüstungen ein, soweit sie möglich war, und auch Flurwüstungen sind aufgenommen, „soweit sie auf ehemals selbständige oder unselbständige Siedlungen schließen lassen" (ebd.) ; die letzte Kategorie ist für die Zwecke der Karte insofern besonders wertvoll, als hier auch Wüstungsflurnamen wie „Altes Dorf" oder „Wendfeld" aufgenommen worden sind. Nicht erfaßt sind dagegen Siedlungen, die nur durch Bodenfunde bezeugt sind. Als Nachteil — i m Sinne der Karte — ist auch zu werten, daß neben der modernen jeweils nur die älteste überlieferte Namenform verzeichnet ist. Positiv dagegen schlägt zu Buche, daß auch die historische Ortsform angegeben wird, allerdings nur — nach dem Verlust der Kartenabteilung des ehemaligen Landeskulturamtes i n Frankfurt/O. — entweder nach den erhaltenen Separationskarten der Katasterämter oder auch nur nach dem Meßtischblatt. I m ganzen muß das Historische Ortslexikon als äußerst wertvolles Hilfsmittel für die Erstellung der Karte bezeichnet werden. Das Gleiche kann von dem schon erwähnten archäologischen Werk von W. Matthes gesagt werden, das auf einer archäologischen Landesaufnahme beruhte; freilich konnte zu Ende der 20er Jahre ein solches Unternehmen den Forderungen, die heute dafür gestellt werden, noch kaum entsprechen 26 . Für die Zwecke der Karte sind die beiden letzten Abschnitte des darstellenden Teiles zu benutzen, die die „Wendenzeit" und das „Zeitalter der deutschen Kolonisation i m Mittelalter" behan23
Schultze, Johannes: Die Prignitz. Aus der Geschichte einer märkischen Landschaft, K ö l n - Graz 1956. 24 Luck , Walther: Die Prignitz u n d ihre Besitzverhältnisse v o m 12. bis zum 15. Jahrhundert, Leipzig 1917. 25 Historisches Ortslexikon f ü r Brandenburg, T e i l I : Die Prignitz, bearb. v. Lieselott Enders, W e i m a r 1962. 26 Vgl. Matthes, Walter: Urgeschichte des Kreises Ostprignitz, Leipzig 1929, S. 77. Z u m methodischen Fortschritt; s. Jankuhn, Herbert: E i n f ü h r u n g i n die Siedlungsarchäologie, B e r l i n - New Y o r k 1977, S. 8 ff., 80 ff.
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dein. „Stammeskunde", das „ B i l d der Landschaft", „Besiedlung", „Burgwälle", „Gräber und Funde" sind die wesentlichen Kapitel des A b schnittes über die „Wendenzeit", während der letzte Abschnitt nur noch knapp über „Beginn und Durchführung der deutschen Kolonisation" und das „Siedlungsbild" informiert. Von besonderer Bedeutung für die Karte ist der Katalogteil des Buches, der i n alphabetischer Reihenfolge die Gemarkungen der Ostprignitz aufführt, alle „Funde und Bodendenkmäler" einer jeden Gemarkung nach Zeitstellung und A r t verzeichnet und ihre Lage auf einer beigegebenen Karte der Gemarkung einträgt. Die slawischen Funde sind jedoch nicht nach ihrer chronologischen Stellung untergliedert. Diesem Mangel steht als Positivum gegenüber, daß auch Flur- und örtlichkeitsnamen aufgenommen sind, die auf slawische Siedlung deuten, soweit sie den vorhandenen Kartenwerken (Separationskarten, Reinkarte von 1841, Meßtischblättern und einer i m Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz lagernden „Specialkarte" der Prignitz von ca. 1730) entnommen werden konnten. Die hochmittelalterlichen Funde weisen auch solche Siedlungen nach, die — noch i m hohen Mittelalter wüst geworden — uns namentlich nicht bekannt und allenfalls durch einen örtlichkeitsnamen wie „Altes Dorf" bezeichnet sind und die deshalb i m Historischen Ortslexikon nur teilweise erscheinen. Der Katalogteil w i r d durch diese seine Anlage i n vieler Hinsicht zu einer besonders wertvollen Grundlage der Karte. Schließlich ist der die Bezirke Frankfurt/O., Potsdam und Berlin (nach der Verwaltungsgliederung von 1952) behandelnde, 1979 erschienene Band 3 des „Corpus archäologischer Quellen zur Frühgeschichte auf dem Gebiet der DDR (7. - 12. Jahrhundert)" zu nennen, das vom Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR bearbeitet wird. Das Werk hat — i m Hinblick auf die Karte — den Nachteil, daß es — i m Gegensatz zu dem oben erwähnten Historischen Ortslexikon — der Verwaltungsgliederung von 1952 folgt. Der Bezirk Potsdam schließt die Ostprignitz annähernd, aber nicht ganz vollständig i n sich ein; ergänzend ist der 1. Band, der den Bezirk Magdeburg enthält, heranzuziehen. Die Anlage des Werkes folgt weitgehend dem vom damaligen Institut für Ur- und Frühgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften bearbeiteten, älteren Burgwallwerk 2 7 . Es bildet also einen großen, nach Bezirken und Kreisen gegliederten Katalog, der für jede der i n alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Gemarkungen die dort gemachten Funde nach A r t , Zeitstellung und Lage verzeichnet. Da hier auch das gesamte noch unpublizierte Museumsmaterial, das nach dem Erscheinen des Buches von Matthes 27
Grimm, Paul: Die v o r - u n d frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle u n d Magdeburg, B e r l i n (O) 1958; Herrmann, Joachim: Die v o r - u n d frühgeschichtlichen Burgwälle Groß-Berlins u n d des Bezirkes Potsdam, Berl i n (O) 1960.
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geborgen werden konnte, erfaßt ist, kann das Werk die Zahl der von Matthes seinerzeit mitgeteilten Funde noch beträchtlich erhöhen. Methodisch von Interesse ist dabei, daß Zahl und Umfang der nach dem von Matthes mitgeteilten Material ermittelbaren slawischen Siedelräume sich kaum verändern; lediglich innerhalb der bereits bekannten Siedelgebiete läßt sich eine Fundverdichtung feststellen. Darüber hinaus leistet das Corpus der Karte dadurch einen besonderen Dienst, daß es sich — i m Gegensatz zu Matthes — u m eine grobe chronologische Bestimmung der Funde nach dem bisher erreichten Erkenntnisstand bemüht; daß dabei vieles noch unbestimmt bleiben oder m i t einem Fragezeichen versehen werden muß, kann kaum überraschen. Da die Mitarbeiter dieses umfangreichen Corpus nicht zeitraubende neue Forschungen unternehmen konnten, so versteht es sich, daß die einzelnen Teilgebiete ungleichmäßig intensiv bearbeitet sind. Für die Karte w i r k t sich das insofern aus, als regionale Unterschiede i n der Dichte der erfaßten slawischen Siedlung nicht unbedingt die realen historischen Gegebenheiten spiegeln müssen, sondern auch auf den ungleichmäßigen Stand der Bearbeitung zurückgeführt werden können. Weniger befriedigend ist i n der Prignitz der Stand der Ortsnamenforschung. Eine ältere Arbeit über die slawischen Ortsnamen der Prignitz von 1904 entspricht auch dem damaligen Forschungsstand i n keiner Weise und muß als wertlos bezeichnet werden 2 8 . I m Rahmen des seinerzeit von der „Arbeitsgruppe für Namen- und Reliktwortforschung" i m Institut für Slawistik der Deutschen Akademie der Wissenschaften betreuten „Brandenburgischen Namenbuches" ist ein Band über die Prignitz bisher nicht erschienen. So bleibt man hier angewiesen auf das bekannte Werk von R. Trautmann, das neben seinen großen Vorzügen auch nicht unerhebliche, i n seiner Anlage begründete Mängel aufweist und zudem das Material keineswegs vollständig erfaßt 29 . Zum Glück konnten w i r auf die Sammlungen des von J. Prinz bearbeiteten, noch ungedruckten „Historischen Ortsnamensbuches der Provinz Brandenburg" 3 0 , zurückgreifen, so daß eine zureichende Basis auch auf diesem Gebiet gegeben ist. Was die Flurnamen betrifft, so konnte neben den von L. Enders i m Historischen Ortslexikon und von W. Matthes m i t geteilten Namen auch das Material der i m Geheimen Staatsarchiv Preu28 Vogel, O.: Slavische Ortsnamen der Prignitz (Programm des Realgymnasiums Perleberg), Perleberg 1904. Stark auf Vogel stützen sich die beiden A r beiten v o n A. Graf über die Ortsnamen der Kreise P r i t z w a l k u. K y r i t z , Pritzw a l k 1957/1959. 29 Trautmann, Reinhold: Die elb- u n d ostseeslawischen Ortsnamen I - I I I , B e r l i n (O) 1948/1956. Dazu die Bemerkungen v o n Fritze, Ortsnamenkunde (s. A n m . 8); dort i n A n m . 41 weitere kritische Stimmen. 30 Dazu Prinz, Jürgen: Sprachliche Zuordnung u n d K r i t i k der Namenbelege eines brandenburgischen Namenbuches, i n : Beiträge zur Namenforschung N F 5, 1970, S. 128 ff.
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Bischer Kulturbesitz lagernden, von der damaligen Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und Berlin seit 1926 angelegten Brandenburgischen Flurnamensammlung 3 1 genutzt werden, die W. Matthes seinerzeit noch nicht vorgelegen hat und auch von L. Enders nicht ausgeschöpft worden ist. I V . Die Anlage der Karte Die Karte folgt i n ihrer Anlage dem Muster der für den Historischen Handatlas von Brandenburg und Berlin erstellten Karte zum Verhältnis von „vorkolonialer" slawischer und hochmittelalterlicher Siedlung i n den mittelmärkischen Landschaften Zauche und Hohem Teltow 3 2 , die ihrerseits m i t den oben erwähnten, von Franz Engel und Anneliese Krenzlin entwickelten Methoden 3 3 arbeitet. Das methodische Prinzip der Karte ist oben i n Abschnitt I bereits dargelegt. I m einzelnen ist dazu das Folgende zu sagen. Wie i n der erwähnten Karte von Zauche und Hohem Teltow soll auch hier auf der „Grundkarte" die Geomorphologie eingetragen werden. Grundlage dafür ist die die Geomorphologie der Mark Brandenburg darstellende Karte des Historischen Handatlas von Brandenburg und Berlin. „Themen" der Karte sind, wie i n Abschnitt I ausgeführt, die frühmittelalterlich-slawische Siedlung auf der einen, die Siedlung des hohen Mittelalters auf der anderen Seite. Für die Darstellung der frühmittelalterlich-slawischen Siedlung stützt sich die Karte, was die Bodenfunde betrifft 3 4 , auf die i n Abschnitt I I I genannten archäologischen Werke. Durch besondere Signaturen werden Siedelfunde, Gräberfelder und Burgwälle unterschieden. Grundsätzlich sind alle Funde aufgenommen worden, die m i t einiger Sicherheit i n die spätslawische Zeit (11. - 12. Jahrhundert) datiert werden können. Nicht datierbare Funde sind besonders als solche gekennzeichnet. Funde, die ausschließlich i n die älterslawische Zeit gehören, verzeichnet die Karte nicht.
31 Schultze, Johannes: Die Sammlung der Flurnamen i n der Provinz B r a n denburg, i n : Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Neumark 4, 1927; ders., Die Flurnamensammlung i n der Provinz Brandenburg, i n : M i t teilungen des Uckermärkischen GeschiehtsVereins 8, 1932. 32 s. A n m . 2; dazu Schich, Winfried: Z u m Verhältnis von slawischer u n d hochmittelalterlicher Siedlung i n den brandenburgischen Landschaften Zauche u n d Teltow, i n : Jb. f .d. Gesch. M i t t e l - u. Ostdeutschlands 26, 1977, S. 53 ff. 33 Engel, Einflüsse (s. A n m . 7); Krenzlin, Siedlungen (s. A n m . 7). 34 Z u den methodischen Problemen der Rekonstruktion eines historischen Siedlungsbildes m i t Hilfe der Bodenfunde s. allgemein Jankuhn, E i n f ü h r u n g (s. A n m . 26), S. 75 ff.
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So wertvoll und unentbehrlich die Bodenfunde für die hier zu erstellende Karte sind, so ist ihre Aussagekraft doch beschränkt. Zum einen ist nochmals daran zu erinnern, daß das Material keineswegs vollständig und zudem regional i n verschiedenem Umfang erfaßt ist 3 5 . Zum anderen muß darauf hingewiesen werden, daß es sich i n der großen Mehrheit um Oberflächenfunde (Lesefunde) handelt, die zwar eine Siedelstelle anzuzeigen vermögen, nicht aber die Größe der einstigen Siedlung, geschweige denn ihre Anlage. Die slawischen Siedelfunde können somit eine gewisse Vorstellung von der Erstreckung der slawischen Siedelräume und der topographischen Situation der slawischen Siedlung vermitteln. Für die Dichte der slawischen Siedlung geben sie nur Annäherungswerte, über die Volkszahl sagen sie kaum etwas aus. Zur Aufnahme der slawischen Ortsnamen ist grundsätzlich auf die bekannten Schwierigkeiten hinzuweisen, die die Unterscheidung der slawischen und der deutschen Namen i n nicht wenigen Fällen bereitet 3 6 . Hinzu kommt, daß das für die Prignitz vorläufig allein zur Verfügung stehende Werk von R. Trautmann gerade i n dieser Frage nicht immer einen zuverlässigen Führer abgibt 3 7 . U m so wichtiger war uns i n diesem Teil unserer Arbeit die sachkundige Hilfe von Jürgen Prinz, der sich, wie i n Abschnitt I I I bereits bemerkt, auf die Belegsammlung des „Historischen Ortsnamenbuches der Provinz Brandenburg" stützen konnte. Unentbehrlich schien uns eine Scheidung zwischen primären und sekundären Siedlungsnamen, wie sie auch die Karte von Zauche und Hohem Teltow durchgeführt hat 3 8 . N u r die primären slawischen Siedlungsnamen, d. h. diejenigen slawischen Ortsnamen, die primär als Siedlungsbezeichnung gebildet sind, können als sicheres Indiz slawischer Siedlung gewertet werden. Sekundäre slawische Siedlungsnamen, also Ortsnamen, die primär die Funktion von örtlichkeits-, Flur- oder Geländenamen oder auch von Gewässernamen besaßen, können zwar auch von slawischer Bevölkerung sekundär als Siedlungsnamen verwandt worden sein; i n solchen Fällen dienen auch sekundäre Siedlungsnamen als Indikatoren slawischer Siedlung. Doch läßt sich das allein auf Grund des Namens nicht entscheiden; i m Falle des uckermärkischen Dorfes Liepe etwa, das einen solchen primären örtlichkeitsnamen trägt, sind es neben der Bezeichnung des Dorfes als villa slavicalis die Dorf- und Flurform ebenso wie die Regelung der Abgaben, die zu der Bestimmung des Ortes 35
s. o. S. 47 ff. Beispiele dafür bei Fritze, Ortsnamenkunde (s. A n m . 8). 37 s. o. A n m . 29. 38 Z u r Scheidung von primären u n d sekundären Siedlungsnamen s. grundsätzlich bereits Schröder, Edward: Die Ortsnamen Hessens u n d seine Besiedlung, Erstdruck 1911, wieder i n : ders., Deutsche Namenkunde, hrsg. v. L u d w i g Wolff, 2 Göttingen 1944, S. 179 f. F ü r die slawischen Ortsnamen — unabhängig von Schröder — Taszycki, W i t o l d : Slowiaùskie nazwy miejscowe, K r a k a u 1946, S. 42 ff. Vgl. auch Fritze, Ortsnamenkunde (s. A n m . 8). 36
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als „vorkoloniale" slawische Siedlung führen 3 9 . Wo dagegen solche ergänzenden Indizien fehlen, muß auch m i t der Möglichkeit gerechnet werden, daß deutsche Siedler auf einem Platz, der m i t einem slawischen Örtlichkeitsnamen bezeichnet war, eine neue Siedlung angelegt haben, die sie m i t dem vorgefundenen slawischen örtlichkeitsnamen benannten. A u f diese Weise scheint der slawische örtlichkeitsname Buckow i m Teltow zum Siedlungsnamen geworden zu sein 40 . I n einem solchen Falle muß man von einem sekundären Siedlungsnamen sprechen, der nur dann als sicherer Indikator slawischer Siedlung anzusehen ist, wenn zusätzliche Indizien, wie etwa Bodenfunde, hinzutreten. Als primäre Siedlungsnamen sind hier die folgenden Kategorien slawischer Toponyme aufgenommen 41 : 1. die sog. possessivischen Namen, die von einem Personennamen m i t Hilfe der Suffixe -j-, -ov-, -in- gebildet sind, 2. die Insassennamen, nämlich a) die sog. patronymischen Namen, gebildet von einem Personennamen oder einem Appellativum m i t dem Suffix -ici, b) die aus dem Plural eines Personennamens gebildeten Namen, c) die Namen, die eine Gruppe von Trägern eines Berufes oder einer Funktion bezeichnen, 3. die Bewohnernamen m i t dem Suffix -jane; dazu kommen 4. diejenigen von Appellativen gebildeten Ortsnamen, die auf Siedlungstätigkeit hinweisen 42 . Da die Scheidung der slawischen appellativischen Ortsnamen von solchen, die von Personennamen gebildet sind, nicht immer leicht ist — Appellativa werden nicht selten als sog. Zunamen oder Spottnamen verwandt —, müssen zweifelhafte Fälle als solche durch besondere Signatur kenntlich gemacht werden. Nicht kenntlich gemacht sind sogenannte übertragene slawische Ortsnamen 43 , also Namen, die i m hohen Mittelalter von der einwandernden deutschen Bevölkerung aus Gebieten m i t alter slawisch-deutscher Mischsiedlung wie der A l t m a r k oder dem Hannoverschen Wendland mitgebracht worden sind. M i t einem gewissen, nicht zu hohen Prozentsatz solcher Namen w i r d zu rechnen sein. 39 Z u Liepe s. Krenzlin, Dorf (s. A n m . 14), A n h a n g Tabelle I, m i t F l u r karte i n Abb. 18; Vogel, Werner: Der Verbleib der wendischen Bevölkerung i n der M a r k Brandenburg, B e r l i n 1960, S. 101. Z u r Bestimmung des Namens als primären örtlichkeitsnamen s. Trautmann (s. A n m . 29) I I , S. 42. 40 Z u Buckow s. Schich (s. A n m . 32), S. 78; die Namenbelege bei Schlimpert, Gerhard: Die Ortsnamen des Teltow (Brandenburgisches Namenbuch Bd. 3), Weimar 1972, S. 61. Einen Parallelfall bietet der Dorf name Clausnitz i m Lande Rochlitz, s. Walther (s. A n m . 8), S. 34 f. 41 Z u m Folgenden vgl. Taszycki (s. A n m . 38). 42 Appellativische Ortsnamen dieser A r t s. bei Trautmann (s. A n m . 29) I I , S. 67 ff. 43 Z u r Frage der hochmittelalterlichen Ortsnamenübertragung i n der M a r k Brandenburg v o r allem Bathe, M a x : Lichtervelde — Lichterfelde, i n : Wiss. Zeitschr. d. U n i v . Rostock, 4. Jg. 1954/55, Ges.- u. Sprachwiss. Reihe, H. 2.
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Eine eigene Kategorie der Ortsnamen, die schon hier erwähnt werden kann, bilden die sogenannten slawisch-deutschen Mischnamen 44 , das sind diejenigen Namen, die, nach den Gesetzen der deutschen Ortsnamengebung als zweigliedrige Namen gebildet, einem deutschen Grundwort wie vor allem -dorf einen slawischen Personennamen als Bestimmungswort voranstellen (Typus: Stahnsdorf 45 ). Es kann als sicher gelten, daß diese Dörfer — jedenfalls i m Gebiet der Mark Brandenburg — i n der Zeit der hochmittelalterlichen Siedlung entstanden sind, aber wohl m i t Beteiligung slawischer Bevölkerung; möglich ist, i n dem slawischen Namengeber den Lokator der Siedlung zu sehen. Doch muß es sich i n solchen Fällen durchaus nicht u m eine Gründung „aus wilder Wurzel" handeln. Das lehrt der Fall Kähnsdorf am Gr. Seddiner See i n der Zauche. Offenbar handelt es sich um einen slawisch-deutschen Mischnamen der beschriebenen A r t 4 6 . I m Ort selbst sind am Ostausgang nun spätslawische Siedelfunde gemacht worden, während die übrige, nach Westen sich erstreckende Ortslage frühdeutsche Siedlungsspuren aufweist 4 7 . Es w i r d also zu schließen sein, daß das m i t einem slawischdeutschen Mischnamen bezeichnete Dorf aus dem Ausbau einer viel kleineren slawischen Siedlung entstanden ist. Flurnamen (im weiteren Sinne dieses Wortes) werden nur dann aufgenommen, wenn sie Hinweise auf eine eingegangene slawische Siedlung enthalten (Wüstungsflurnamen). Dazu gehören Flurnamen i m engeren Sinne — Bezeichnungen von Teilen der Ackerflur —, Stellennamen, Geländenamen und Gewässernamen. Daß die Flurnamen „Wendfeld" und „Wendemark" i n der Regel als Indikatoren slawischer Siedlung zu gelten haben, hat die mehrfach erwähnte Karte für Zauche und Teltow erwiesen 48 . Dazu treten die Stellennamen „Wenddorf" und „Zielitz", 44
Z u den Mischnamen generell Trautmann (s. A n m . 29) I, S. 181 ff.; Naumann, Hans: Die „Mischnamen", i n : Materialien zum Slawischen Onomastischen Atlas, B e r l i n (O) 1964, S. 79 ff.; Fischer, Reinhard E.: Die slawischdeutschen Mischnamen i m altpolabischen Sprachgebiet, i n : Namenkundl. I n formationen 20, 1972, S. 11 ff.; Eichler, Ernst: Z u r Typologisierung onomastischer slawisch-deutscher Sprachkontakte, i n : Commentationes Linguisticae et Philologicae, Ernesto Dickenmann lustrum claudenti q u i n t u m decimum, Heidelberg 1977, S. 57 ff.; Walther, Hans: Z u r Typologie der sogenannten „Mischnamen" (onymische Hybride), i n : Namenkundl. Informationen 33, 1978, S. 43 ff.; auch Schwarz, Ernst: Sprache u n d Siedlung i n Nordostbayern, N ü r n berg 1960, S. 329 ff. 45 Dazu Schlimpert (s. A n m . 40), S. 175. 46 Fischer, Reinhard E.: Die Ortsnamen der Zauche (Brandenburgisches Namenbuch Bd. 1), Weimar 1967, S. 71 f. 47 Herrmann, Joachim: Siedlung, Wirtschaft u n d Gesellschaft der slawischen Stämme zwischen Oder/Neiße u n d Elbe, B e r l i n (O) 1968, S. 292, u n d dazu die K a r t e Abb. 1; ders. i n : Fischer, Ortsnamen der Zauche (s. A n m . 46), S. 21 f. m i t Abb. 3 b. Vgl. auch Grebe , Klaus, i n : Corpus archäologischer Quellen zur Frühgeschichte auf dem Gebiet der DDR, 3. Lief., B e r l i n (O) 1979, S. 261 s. v. Kähnsdorf (Nr. 81/51). 48 Dazu Schich (s. A n m . 32), S. 64 ff.
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„Ziedlitz" u. ä. I n Zauche und Teltow ließen sich an je zwei als „Wenddorf" bzw. „Zielitz" o. ä. bezeichneten Stellen spätslawische Siedelfunde nachweisen 49 . Dagegen sind Stellennamen wie „Altes Dorf" und „Dorfstelle" als Hinweis auf eine eingegangene slawische Siedlung nur dann zu werten, wenn zusätzliche Indizien hinzutreten; immerhin zeigt die Zauche-Teltow-Karte, daß auch diese „neutralen" Wüstungsstellennamen i n nicht wenigen Fällen eine verödete slawische Siedlung anzeigen können 5 0 ; ebenso sicher ist freilich, daß sie i n anderen Fällen auf eine eingegangene deutsche Siedlung des hohen Mittelalters hinweisen. Aufzunehmen sind, soweit erfaßbar, auch slawische Stellenoder Flurnamen, die ihrer Bildung nach als primäre Siedlungsnamen zu deuten; sie müssen ebenfalls als Indikatoren slawischer Siedlung gelten 5 1 . Jedoch auch Stellennamen, die zwar sprachlich eindeutig slawisch, aber nur als örtlichkeitsnamen aufzufassen sind, sind zu verzeichnen, sofern sie m i t einer archäologisch nachgewiesenen slawischen Siedlung i n Zusammenhang zu bringen sind; i n solchen Fällen ist wahrscheinlich, daß es sich um slawische örtlichkeitsnamen handelt, die von slawischer Bevölkerung als Bezeichnung einer slawischen Siedlung verwandt worden ist 5 2 . Slawische Ortsnamen ebenso wie Wüstungsflurnamen, die auf eine slawische Siedlung hinweisen, machen zwar eine Aussage über die ethnische Zugehörigkeit der betroffenen Siedlungen, die Zeitstellung der von ihnen angezeigten slawischen Siedlung dagegen lassen sie offen. Darauf hinzuweisen, besteht, wie sich noch zeigen wird, gerade i n der Prignitz Anlaß. Es muß m i t der Möglichkeit gerechnet werden, daß auch noch i m hohen Mittelalter slawische Siedlungen neu angelegt worden sind, auch solche m i t slawischen Namen. Das hat sich i n anderen Teilgebieten der Germania Slavica, wie dem Fläming oder der Oberlausitz, deutlich gezeigt 53 . Für die Prignitz haben w i r dafür auch ein 49 Ebd. S. 64 ff., 66 f. Die Skepsis, die Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 31 f., i n bezug auf die Zeugniskraft der Flurnamen „Wendfeld", „Wendemark", „Wenddorf" äußert, geht also sicher zu weit. Z u beachten zur Frage der Wendfelder auch die Ausführungen von Prange (s. A n m . 7), S. 126 ff. Z u r etymologischen Deutung der lange umstrittenen Stellennamen „Zielitz", „Ziedlitz", „Siedlitz" u. ä. überzeugend jetzt Olesch, Reinhold: Cideleist. E i n sprachwissenschaftliches Problem, i n : Festschrift f ü r Walter Schlesinger I, hrsg. v. H e l m u t Beumann, K ö l n - Wien 1973, S. 73 ff., nach dem diese Namen auf jeden F a l l auf Siedlung hinweisen, ob sie n u n als „Acker" oder als „Siedelstelle" zu deuten sind; vgl. Schich, S. 66, m i t weiterer L i t e r a t u r i n A n m . 97. 50
s. Schich, S. 62 f. s. Schich, S. 60 f. 52 s. Schich, S. 61 f. 53 Z u r toponomastischen Situation auf dem F l ä m i n g u n d ihrer Deutung s. Fischer, Reinhard, E.: Die Ortsnamen des Kreises Beizig (Brandenburgisches Namenbuch Bd. 2), Weimar 1970, 172 ff., u n d dazu die Ausführungen zur archäologischen Situation v o n Herrmann, Joachim, ebd., S. 10 ff., m i t K a r t e 1. 51
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schriftliches Zeugnis: U m die Mitte des 13. Jahrhunderts gründete das Havelberger Domkapitel eine nova villa slavicalis auf der Feldmark des bestehenden Dorfes Gumtow, die m i t dem später wüst gewordenen Zarenthin bei Gumtow identifiziert w i r d 5 4 . Das Beispiel Zarenthin hat bereits gezeigt, daß auch die Bezeichnung eines Dorfes als villa slavicalis keineswegs immer dessen Entstehung i n „vorkolonialer Zeit" beweist, wenn es sich wohl auch i n der Mehrzahl der hoch- und spätmittelalterlichen villae slavicales w i r k l i c h u m „vorkoloniale" slawische Siedlungen handelt 5 5 . Der Fall Zarenthin lehrt aber darüber hinaus, daß auch ein als primärer Siedlungsname zu deutender slawischer Ortsname keineswegs stets als Zeugnis für „vorkoloniale" Entstehung der betroffenen Siedlung gelten muß; denn es kann kaum bezweifelt werden, daß der Name von einem slawischen Personennamen abgeleitet 56 und somit als primärer Siedlungsname zu werten ist. Das Gleiche gilt auch von der schriftlichen Bezeugung slawischer Bevölkerung einer Siedlung des hohen und späten Mittelalters; auch i n diesen Fällen ist eine Sicherheit i n bezug auf die Entstehungszeit der Siedlung nicht gegeben. Auch Dörfer, die i n ihren Namen den Zusatz „Wendisch" tragen 5 7 , können nur dann i n die Zeit vor dem Einsetzen der hochmittelalterlichen Siedlung datiert werden, wenn sie einer Siedlung gleichen Namens, die den Zusatz „Deutsch" i m Namen führt, unmittelbar benachbart sind 5 8 . I n diesen nicht ganz seltenen Fällen ist die Annahme mögZ u r siedlungsgeschichtlichen E n t w i c k l u n g der Oberlausitz s. Blaschke, K a r l heinz: Die E n t w i c k l u n g des sorbischen Siedlungsgebietes i n der Oberlausitz, i n : Siedlung u n d Verfassung (s. A n m . 7), S. 65 ff., m i t K a r t e n i m Anhang; m i t Blaschke übereinstimmend Eichler, Ernst / Walther, Hans: Ortsnamenbuch der Oberlausitz I I , B e r l i n (O) 1978, S. 140 ff., m i t K a r t e n i m Anhang. 54 Riedel, Adolph: Codex diplomaticus Brandenburgensis (CDB), B e r l i n 1838 - 69, A I I I , p. 93; dazu Schnitze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 73; Vogel, V e r bleib (s. A n m . 39), S. 113. Vgl. damit etwa das P r i v i l e g Herzog Wartislavs I I I . von Pommern f ü r das Kloster Dargun von 1229, das Bestimmungen t r i f f t f ü r den Fall, daß der A b t auf dem Klosterland plures forte villas posnerit Teutonicales vel Slavicales (Pommersches Urkundenbuch, 2. Aufl. K ö l n 2 1970, k ü n f t i g P U B I , nr. 259, p. 322). Auch i n Schlesien konnten villae polonicales i m 13. Jh. neu gegründet werden, so etwa nach dem herzoglichen P r i v i l e g f ü r das Breslauer Domkapitel von 1278 (Schles. Regesten I I , 1569). 55 Z u r Frage der Bedeutung des urkundlichen Terminus villa slavicalis s. einstweilen Prange (s. A n m . 7), S. 117 ff.; Fritze, Probleme des Fortlebens slawischer Bevölkerung i n den nordostdeutschen Ländern, i n : Protokoll Nr. 160 über die Arbeitstagung des Konstanzer Arbeitskreises für m i t t e l alterliche Geschichte März 1970, S. 96 f. Die Frage bedarf einer umfassenden Untersuchung. 58 s. Trautmann (s. A n m . 29) I, S. 148. 57 Z u i h m s. Krenzlin, Dorf (s. A n m . 14), S. 88 ff.; Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 27 ff. 58 Z u den entsprechenden Dörfern i n Zauche u n d Teltow s. Schich (s. A n m , 32), S. 74 ff.
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lieh, daß die einwandernde deutsche Bevölkerung den „wendisch" benannten Ort vorgefunden und eine Siedlung gleichen Namens daneben angelegt hat, die durch den Zusatz „deutsch" i m Namen von der älteren slawischen Siedlung unterschieden wurde. Aber selbst i n solchen Fällen ist das „vorkoloniale" Alter der „wendisch" benannten Dörfer keineswegs zweifelsfrei, nachdem i m Lande Lauenburg nachgewiesen werden konnte, daß dort „wendisch" benannte Dörfer jünger sind als ihre „deutsch" benannten Zwillinge 5 9 . Besonders scheinen solche Zweifel angebracht, wenn das Dorfpaar, was auch vorkommt, einen deutschen Namen trägt wie Deutsch- und Wendisch-Buchholz i n der Zauche 60 , oder wenn die Dörfer einen Mischnamen führen wie Deutsch- und WendischStahnsdorf auf dem Teltow 6 1 . Andererseits sind „wendisch" benannte Dörfer bekannt, deren „vorkoloniale" Entstehung archäologisch belegt ist, wie etwa Wendisch-Paretz i m Havelland, Klein- (früher Wendisch-) Kreutz in der Zauche 62 . I n der Gemarkung von Wendisch-Bork i n der Zauche findet sich der slawische Stellenname „Zielitz" 6 8 , der eine slawische Siedlung bzw. deren Ackerflur bezeichnet 64 ; das Landbuch von 1375 weist für Wendisch-Bork nur eine bäuerliche Schicht aus 65 , nicht die gewöhnliche Zweiteilung im Hufenbauern und Kossäten, und diese „soziale Einschichtigkeit" gilt gewöhnlich als Merkmal slawischer Siedlung 6 6 . Nach dem Landbuch haben auch die Abgabenverhältnisse i n Wendisch-Bork gewisse Züge (Pauschalabgabe), die vielfach als Kriterium slawischer Siedlung angesehen werden, aber doch wohl kaum zu Recht 67 . Man muß aber nach den Mitteilungen des Landbuches zu den Abgabeverhältnissen zweifeln, ob die Ackerflur des Dorfes überhaupt nach Hufen vermessen war, ob es sich bei den hier genannten Hufen nicht lediglich um geschätzte Hufen handelte. Alle diese Beobachtungen zusammengenommen führen zu dem Schluß, daß Wendisch-Bork auf die eine oder die andere Weise eine „vorkoloniale" slawische Siedlung fortsetzt. 59
s. Prange (s. A n m . 7), S. 119 ff. s. Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 82. Wie die Zauche-Teltow-Karte (s. A n m . 2) zeigt, lag Wendisch-Buchholz unmittelbar neben einem Dorf gleichen Namens, dem i n diesem Falle der ethnisch unterscheidende Zusatz „deutsch" fehlt. Z u r Interpretation dieses Falles s. Schich (s. A n m . 32), S. 77. 61 Dazu Schich (s. die vor. Anm.). 62 zu Paretz s. Krenzlin, Siedlungen (s. A n m . 7), S. 3 ff., m i t K a r t e Abb. 1. Z u Wendisch-Kreutz dies., S. 7; vgl. dazu die Karte Fritze I Schich (s. A n m . 2), die spätslawische Funde i m O r t Klein-(Wendisch-)Kreutz zeigt. 63 s. die K a r t e Fritze / Schich. 64 s. o. S. 54 m i t A n m . 49. 65 Ed. Schultze (s. A n m . 21), p. 202. 66 Dazu die u. A n m . 90 genannte Literatur. 67 s. bes. Krenzlin (s. A n m . 14), S. 86 ff. Gegen die Lehre v o m slaw. Charakter der Pauschalabgabe spricht, daß das genuin slawische Abgabewesen sie nicht kennt. 60
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Zu der gleichen Annahme nötigen wohl die Fälle, i n denen — abweichend von der Regel — das „wendisch" benannte Dorf eines dieser Dorfpaare einen größeren Umfang und eine regelmäßigere Flurform als der,, deutsche " Z w i l l i n g hat 6 8 . I n diesen Fällen ist wohl das alte slawische Dorf zunächst nur oberflächlich an die neuen hochmittelalterlichen strukturellen Formen angepaßt und erst geraume Zeit später, jedenfalls nach der Gründung des „deutsch" benannten Dorfes, „ u m gesetzt" worden, so daß es nunmehr einen „moderneren" Charakter gewann als sein deutscher Nachbar; bei dieser Umgestaltung dürfte freilich auch neue, und darunter sicherlich auch deutsche, Bevölkerung i n das Dorf aufgenommen worden sein. Wieder anders liegt es, wenn das „Wendisch"-Dorf allein für sich ohne gleichbenannten deutschen Nachbarn steht, was gelegentlich vorkommt. I n solchen Fällen muß die Frage seiner Entstehungszeit offen bleiben, besonders wenn es überdies einen deutschen Namen trägt. Wie kompliziert i n einem solchen Falle das Erscheinungsbild sich ausnehmen kann, lehrt das Beispiel von Wendisch-Wilmersdorf bei Trebbin i m Teltow. Ein Deutsch-Wilmersdorf gibt es i m Teltow ebenfalls, aber i n weiter Entfernung von Wendisch-Wilmersdorf am Nordrand des Hohen Teltow; ein Siedlungszusammenhang zwischen beiden Dörfern ist nicht anzunehmen. Die ethnischen Namenzusätze sind erst i n der Neuzeit belegt, daher ist zu schließen, daß sie einem Bedürfnis der neuzeitlichen Verwaltung ihren Ursprung verdanken 69 . Es scheint i m Falle von Wendisch-Wilmersdorf angesichts seines deutschen Namens und des Fehlens einer „Paarbildung" zunächst viel dafür zu sprechen, daß es sich um ein erst i m Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus m i t slawischer Bevölkerung neu angelegtes Dorf handelt. Aber bei näherem Zusehen muß diese Deutung i n gewisser Weise modifiziert werden. Denn auf der Feldmark von Wendisch-Wilmersdorf findet sich der Stellenname „Wenddorf" 7 0 ; danach ist anzunehmen, daß Wendisch-Wilmersdorf aus der Verlegung und Umbildung einer „vorkolonialen" slawischen Siedlung hervorgegangen ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die vorstehend behandelten Indizien, nämlich 1. slawische Ortsnamen, und zwar auch solche, die als primäre Siedlungsnamen aufzufassen sind, 2. Wüstungsflurnamen, die 68 Einen solchen F a l l — Deutsch- u n d Wendisch-Luppa östl. Würzen i m Lande Sachsen — f ü h r t vor Schlesinger, Walter: Flemmingen u n d Kühren. Z u r Siedlungsform niederländischer Siedlungen des 12. Jahrhunderts i m m i t teldeutschen Osten, i n : Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte (Vorträge u. Forschungen X V I I I ) , Sigmaringen 1975, S. 293 ff. Beispiele aus der Neumark bei Schich, s. A n m . 32, S. 76 f. 89 s. Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 89; Krenzlin, Dorf (s. A n m . 14), A n hang, Tabelle I I I ; Spatz, W i l l y : Der Teltow, T e i l 3, B e r l i n 1912, S. 230 ff. 70 Krenzlin, Dorf (s. A n m . 14), S. 89.
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ältere slawische Siedlungen anzeigen, 3. die Bezeichnung eines Dorfes als villa slavicalis und schließlich 4. der ethnisch bestimmende Zusatz „Wendisch" i m Namen einer Siedlung, zwar die betroffenen Siedlungen i n eine Beziehung zu slawischer Bevölkerung setzen, über die Entstehungszeit der Siedlungen jedoch für sich genommen nichts auszusagen vermögen. N u r wenn jeweils mehrere Indizien zusammentreffen und andere hinzutreten, wie vor allem Bodenfunde, kann eine Siedlung der „vorkolonialen" Periode zugewiesen werden. Aber auch wenn die Vorbedingungen für die Datierung einer Siedlung i n die „vorkoloniale" Zeit gegeben sind, ist i n der Mehrzahl der Fälle nicht damit zu rechnen, daß die erschlossene „vorkoloniale" slawische Siedlung schlechthin identisch m i t der historisch bezeugten gleichen Namens sei. Die bisher vorliegenden Untersuchungen haben gelehrt, daß slawische Siedlungen i n Nordostdeutschland i n nicht geringer Zahl im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus umgebildet worden sind, wie sich das etwa oben an dem Beispiel von Kähnsdorf i n der Zauche zeigen ließ. I n zahlreichen anderen Fällen wurden sie i m gleichen Zusammenhang verlegt 7 1 . Es ist sicher, daß m i t der Verlegung ebenfalls eine strukturelle Umbildung verbunden war, an der neben der älteren slawischen Bevölkerung auch zugewanderte deutsche beteiligt gewesen sein könnte. Wie m i t Nachdruck zu betonen ist, besteht diese Möglichkeit einer Siedlungsverlegung und einer strukturellen Umbildung auch für Dörfer, die den Zusatz „Wendisch" i m Namen führen 7 2 oder die als villae slavicales bezeichnet werden 7 3 . Lange Zeit haben auch die eigenartigen kleinen Siedlungen der Mark Brandenburg und angrenzender Gebiete, die als Kietze bezeichnet werden, als fortbestehende „vorkoloniale" slawische Siedlungen gegolten. Heute kann das für die Mehrheit der Kietze kaum noch m i t gleicher Sicherheit behauptet werden. Festzuhalten aber bleibt, daß die Kietze — zumindest vorwiegend — von slawischer Bevölkerung bewohnt waren und daß darüber hinaus ihre besondere rechtliche und w i r t schaftliche Stellung, die sie von allen anderen märkischen Siedlungen, den ländlichen wie den städtischen, charakteristisch unterscheidet, m i t großer Wahrscheinlichkeit aus dem System der westslawischen Dienstsiedlungen herzuleiten ist 7 4 . Manches spricht dafür, daß i n frühdeutscher 71 Dazu v o r allem die beiden i n A n m . 33 genannten Arbeiten v o n Engel u n d Krenzlin; vgl. auch Schich (s. A n m . 32), S. 72 ff.; Prange (s. A n m . 7), S. 175 ff., m i t K a r t e 22 des Anhangs. 72 Dazu Krenzlin, Dorf (s. A n m . 14), S. 88 ff. Vgl. auch das o. S. 56 Gesagte. 73 Dazu Fritze, Probleme (s. A n m . 55). 74 Grundlegend zur Frage der Kietze Ludat, Herbert: Die ostdeutschen Kietze, Bernburg 1936. A u f G r u n d archäologischer Untersuchungen hat Krüger, Bruno: Die Kietzsiedlungen i m nördlichen Mitteleuropa, B e r l i n (O) 1962, jeden Zusammenhang dieses Siedlungstyps m i t vorkolonialen slawischen
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Zeit sowohl die Landesherren wie „private" Grundherren sich einen bereits bestehenden slawischen Siedlungstyp zunutze gemacht haben, um herrschaftlich gebundene slawische Bevölkerung zweckmäßig anzusiedeln. Die Kietze sind also auf jeden Fall als Zeugnisse für fortlebende slawische Bevölkerung i n die Karte aufzunehmen. Ist m i t Hilfe der vorstehend genannten und erläuterten Indizienkategorien das B i l d der spätslawischen Siedlung rekonstruiert, soweit das zur Zeit möglich ist, dann muß ihm das B i l d der hochmittelalterlichen Siedlung gegenübergestellt werden. Es w i r d gewonnen i n erster Linie aus den schriftlichen Nennungen i n Urkunden des 12. bis 15. Jahrhunderts und i m Landbuch von 1375, das die Prignitz freilich nur zum kleinsten Teil erfaßt. Spätere Quellen wie die Kirchenvisitationsabschiede, das Landsteuer- und Giebelgeldregister von 1576, der Landreiterbericht von 1652, das Kontributionskataster der Prignitz von 1686/87 können nur noch zur Erfassung des Wüstungsprozesses herangezogen werden. Denn i n der Darstellung des Siedlungsbildes sind die durchgehend bis i n die Moderne bezeugten Siedlungen, wie kaum gesagt zu werden braucht, zu unterscheiden von solchen, die i m späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit wüst geworden sind; ein späterer Wiederaufbau verödeter Siedlungen braucht dagegen nicht dargestellt zu werden, da er zur Fragestellung der Karte nichts aussagen kann. Nicht als Wüstungen kenntlich gemacht sind Siedlungen, die m i t Sicherheit erst i m Laufe der Neuzeit wüst geworden sind. Grundsätzlich sind nur solche Siedlungen aufzunehmen, deren Entstehung m i t einiger Gewißheit i n die Zeit vor dem Einsetzen der großen Wüstungsperiode i m 14. Jahrhundert gelegt werden kann. Das gilt m i t Sicherheit für diejenigen Dörfer, die bereits i m 13. Jahrhundert erwähnt werden. Aber auch die Dörfer, die erst i m 14. Jahrhundert i n den Quellen erscheinen — und das ist die große Mehrheit —, können wohl unbedenklich i n das 12. und 13. Jahrhundert zurückdatiert werden. Eine kleinere Zahl von Siedlungen begegnet erst i n Zeugnissen des 15. Jahrhunderts; auch sie werden aufgenommen, zumal i n einigen von ihnen Kirchen höheren Alters stehen, wie etwa i n dem 1440 zuerst genannten Berlitt oder in dem 1429 belegten Garz 75 . Ergänzend zu den schriftlich bezeugten Dörfern des hohen Mittelalters treten diejenigen Siedlungen, die uns nur dadurch bekannt werSiedlungsstrukturen bestritten; die vorwiegend slawische Bevölkerung der Kietze erkannte dagegen auch K r ü g e r an. Krügers Untersuchungen haben wahrscheinlich gemacht, daß die Mehrzahl der Kietze erst i n frühdeutscher Zeit entstanden ist; Ludats überzeugend dargelegte Lehre von der slawischen Wurzel ihrer besonderen Rechtsstellung u n d S t r u k t u r hat K r ü g e r dagegen nicht widerlegen können. Vgl. zur Frage die bei Fritze i n : Germania Slavica I (s. A n m . 1), S. 21, A n m . 41 genannte L i t e r a t u r ; dazu noch die von Schlesinger, Hanna, u. Schulze, Hans K., bearbeitete K a r t e der Kietzsiedlungen i n : Historischer Handatlas von Brandenburg u n d Berlin, A b t . I V , Lief. 37, B e r l i n 1972. 75 Ortslexikon Prignitz (s. A n m . 25), S. 22 f. (Berlitt), S. 109 f. (Garz).
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den, daß ihre Namen als Stellen- bzw. Flurnamen fortgelebt haben. Als Siedlungsindikatoren dieser A r t können nur solche Toponyme gelten, die eindeutig als Siedlungsnamen einzustufen sind, besonders Namen, die m i t dem Grundwort -dorf oder auch -hagen gebildet sind. Es handelt sich u m eine verhältnismäßig kleine Zahl von Fällen; i n einigen von ihnen haben sich Bodenfunde oder Häuserfundamente des hohen Mittelalters feststellen lassen. Wie sich aus dem ergibt, was oben über die Indikatoren der slawischen Siedlung gesagt worden ist, muß auch die sprachliche Zugehörigkeit der Ortsnamen kenntlich gemacht werden. Neben die slawischen müssen also jetzt auch die deutschen Ortsnamen treten. A u f die Schwierigkeiten, die sich bei der Trennung der deutschen von den slawischen Namen ergeben, ist oben schon hingewiesen worden 7 6 . Doch ist vor dem I r r t u m zu warnen, daß ein deutscher Ortsname nun auch i n jedem Falle als Beweis für eine ethnisch „reine" deutsche Ortsbevölkerung zu werten sei. Auch sicher deutsch benannte Dörfer können nach Ausweis der Bodenfunde aus slawischen Kernen entstanden sein, wie das etwa für das Zauche-Dorf K r i e l o w 7 7 oder für Blankensee an der Nuthe 7 8 nachzuweisen ist. Die slawische Bevölkerung solcher alter Dorfkerne war an der Anlage der hochmittelalterlichen Dörfer ohne Zweifel beteiligt 7 9 . Aber auch i n anderen Fällen ist bei deutsch benannten Dörfern m i t einem Anteil von slawischer Bevölkerung zu rechnen. Wenn etwa i n der Gemarkung von deutschnamigen Dörfern wie Klausdorf, Neuendorf, Wildenbruch i n der Zauche sich der Flurname „Wendfeld" bzw. „Wendemark" findet 80 oder i n der Gemarkung des Zauchedorfes Fresdorf der Stellenname „Wenddorf" 8 1 , so scheint auch hier der Schluß auf eine Beteiligung slawischer Bevölkerung an der Anlage des hochmittelalterlichen Dorfes unabweislich. Das gleiche gilt für solche deutsch benannten Siedlungen, deren Namen sich als Übersetzungen älterer slawischer Siedlungsnamen erweisen oder die i n der Zeit deutscher Herrschaft einen neuen deutschen 76
s. o. S. 53 f. Z u dem deutschen Namen von K r i e l o w s. Fischer, Zauche (s. A n m . 46), S. 78 f. Z u r Fundsituation Herrmann , Siedlung (s. A n m . 47), S. 292, u n d dazu die K a r t e Abb. 1; vgl. Grebe , Klaus i n : Corpus (s. A n m . 47), S. 264 s. v. K r i e l o w (Nr. 81/66). 78 Z u r Fundsituation von Blankensee Herrmann, Siedlung (s. A n m . 47), S. 290, u n d dazu die K a r t e Abb. 1; vgl. Witkowski, Gudrun, i n : Corpus (s. A n m . 47), S. 295 s. v. Blankensee (Nr. 85/1). 79 Vgl. zu diesen Fällen Schich (s. A n m . 32), S. 69 f. 80 Die Namensbelege f ü r Klausdorf bei Fischer, Zauche (s. A n m . 46), S. 49, für Neuendorf ebd. S. 9, für Wildenbruch ebd., S. 130. Die Lage der Flurnamen auf der K a r t e Fritze / Schich (s. A n m . 2). 81 Die Namenbelege f ü r Fresdorf bei Fischer, Zauche (s. A n m . 46), S. 58, die Lage des Stellennamens auf der K a r t e Fritze / Schich (s. A n m . 2). 77
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Namen erhalten haben 82 . Derartige Vorgänge sind nur bei besonderer Gunst der Überlieferung nachweisbar. Ihre Zahl ist sicher größer, als uns erkennbar wird. Ein Beispiel für Namenübersetzung liefert das Zauchedorf Bergholz 8 3 ; Umbenennung — die sich hier allerdings nicht durchgesetzt hat — liegt vor i m Falle des Zauchedorfes Plötzin, das i n der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts den Namen Reinoldestorp erhalten, i h n aber noch vor 1200 wieder aufgegeben hat 8 4 . Nochmals sei an dieser Stelle auf die oben schon behandelten slawisch-deutschen Mischnamen hingewiesen, die — jedenfalls i m Gebiet der Mark Brandenburg — wohl sicher Siedlungen des hochmittelalterlichen Landesausbaus anzeigen — vermutlich m i t Beteiligung slawischer wie deutscher Bauern; auch daß so benannte Siedlungen ältere slawische Kerne enthalten können, wurde oben schon gesagt 86 . Ebenso wie die Siedlungsnamen sind zur Rekonstruktion der hochmittelalterlichen Siedlung Wüstungsflurnamen heranzuziehen. Daß die „neutralen" Namen wie „Altes Dorf" oder „Dorfstelle" dafür nur bedingten Wert haben, ergibt sich aus dem, was oben zu dieser Kategorie gesagt worden ist 8 6 . Höheren Wert haben Flur- und Stellennamen, die den Namen eines wüst gewordenen hochmittelalterlichen Dorfes bewahren 8 7 . Aber auch die mittelalterliche Archäologie vermag zur Erhellung des hochmittelalterlichen Siedlungsbildes beizutragen. Die Zahl der nur archäologisch bezeugten Siedlungen der frühdeutschen Zeit ist nicht ganz klein, obgleich das Material dazu bisher nur sehr unvollständig erfaßt ist. I n einigen Fällen finden sie sich an Plätzen, die einen Wüstungsflurnamen tragen. Schwierigkeiten macht freilich derzeit noch die Abgrenzung der spätslawischen von der frühdeutschen Keramik. Es scheint, daß i m 12. Jahrhundert i m Gebiet östlich der Elbe sich ein — kurzlebiger — keramischer Typ entwickelt hat, der spätslawische m i t frühdeutschen Eigenheiten verbindet 8 8 . Damit hängt zusammen, daß es 82 Eine Zusammenstellung solcher Namen i m polabopomoranischen Sprachgebiet gibt Trautmann (s. A n m . 29), I, S. 22 ff. Dazu die methodisch u n d sachlich lehrreiche Untersuchung von Ludat, Herbert: Beiträge zur brandenburgischen Namenkunde 3: Doppelnamen, Erstdruck 1936, wieder i n : ders., Deutsch-slawische Frühzeit u n d modernes polnisches Geschichtsbewußtsein. Ausgew. Aufsätze, K ö l n - Wien 1969, S. 24 ff., m i t reicher Literatur. F ü r Zauche u n d Teltow s. Schich (s. A n m . 32), S. 70 ff. 83 s. Fischer, Zauche (s. A n m . 46), S. 39; ausführlicher Schich, S. 70 f. 84 Fischer, Zauche (s. A n m . 46), S. 98 f. u. 104. 85 s. o. S. 53 f. 86 s. o. S. 54. 87 Dazu Schich, S. 58 ff. 88 Hierzu u n d zum Folgenden v. Müller, Adriaan: Z u r hochmittelalterlichen Besiedlung des Teltow, i n : Die deutsche Ostsiedlung (s. A n m . 68), S. 311 ff.; Gehrmann, Johannes: Die mittelalterliche Besiedlung des Teltows zwischen
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oft schwer zu entscheiden ist, ob ein Siedelplatz m i t frühdeutscher Keram i k nicht lediglich eine in der Zeit der hochmittelalterlichen Siedlung fortbestehende slawische Siedlung anzeigt. Die Entscheidung ist um so schwerer, als jetzt sicher zu sein scheint, daß i m Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus jedenfalls i n der Mark Brandenburg Dörfer von slawischen und deutschen Bauern gemeinsam angelegt worden sind; solche Siedlungen führen — wie etwa die Wüstung Krummensee an der Krummen Lanke/Berlin-West auf dem Teltow — slawische und deutsche Keramik nebeneinander 89 . Wünschenswert wäre vielleicht die Aufnahme weiterer Daten gewesen, die vielfach als Hinweise auf i m hohen und späten Mittelalter fortlebende slawische Bevölkerung betrachtet werden, wie bestimmter Abgabeformen, bestimmter Formen der sozialen Struktur der Dorfbevölkerung, von Rechtsnormen wie der Verpflichtung der Dorfeinwohnerschaft zu ungemessenen Diensten, des Fehlens einer Vermessung der Dorfflur nach Hufen u. ä. 90 . Aber zum einen ist der Wert dieser Indizien umstritten; man w i r d wohl sagen müssen, daß sie nur i m Verein m i t anderen, sicheren Indizien Aussagekraft gewinnen. Wenn sich z. B. für Netzen i n der Zauche ein primärer slawischer Siedlungsname erweisen läßt und i n der Feldmark des Dorfes an zwei Stellen spätslawische Siedelfunde gemacht worden sind, von denen die eine einen Wüstungsflurnamen trägt 9 1 , dann scheint zwar sicher, daß Netzen eine „vorkoloniale" slawische Siedlung fortsetzt. Da Netzen aber i m Landbuch von 1375 i n fast jeder Beziehung das B i l d eines „deutschrechtlichen" Dorfes bietet 9 2 , ist zu schließen, daß die alte slawische Siedlung verlegt und i n diesem Zusammenhang auch umgebildet worden ist. Unter diesen Umständen bleibt fraglich, ob die Pauschalabgabe des Dorfes insgesamt, die das Landbuch für Netzen verzeichnet, einen besonderen Aussagewert für die Frage nach dem Verhältnis des hochmittelalterlichen Dorfes Netzen zu seirier slawischen Vorgängersiedlung besitzt, zumal die Lehre vom „slawischen" Ursprung der Pauschalabgabe stärksten Zweifel erwecken muß. Wenn dagegen i m Nachbardorf Nahmitz, das gleichfalls einen primären slawischen Siedlungsnamen trägt, keine Hufenbauern verzeichnet sind, sondern nur Kossäten, die eine Pauschalabgabe 1150 u n d 1300, i n : Jb. f. d. Gesch. M i t t e l - u. Ostdeutschlands 24, 1975, S. 1 ff. Vgl. auch Schich, S. 55 f. 89 Dazu die i n der vor. A n m . genannten Arbeiten v o n A. v. Müller und J. Gehrmann. 90 Z u r Frage, w i e w e i t K r i t e r i e n dieser A r t als Indizien f ü r slawische Siedlung anzusehen sind, s. Krenzlin, Dorf (s. A n m . 14), S. 86ff.; Vogel, V e r bleib (s. A n m . 39), S. 29 f., 34 ff. 91 s. die K a r t e Fritze ! Schich (s. A n m . 2); zum Namen s. Fischer, Zauche (s. A n m . 46), S. 88 f. 92 s. A n m . 21, p. 216.
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leisten, und die Dorfflur nicht nach Hufen vermessen ist 9 3 , so scheinen sich hier i n der Tat ältere slawische strukturelle Verhältnisse erhalten zu haben. Indizien der genannten A r t bleiben also unsicher, wie auch ein Vergleich der mehrfach genannten Karte für Zauche und Teltow m i t der dem Erläuterungsheft beigegebenen Karte ergibt, die nur solche „indirekten" Indizien aufgenommen hat. Unter diesen Umständen mußte sich eine weitere Belastung der Karte m i t zusätzlichen Signaturen verbieten. Die vorstehenden Ausführungen wollten nicht nur die Anlage der Karte erläutern, sondern auch zugleich gewisse Bedingungen ihrer Interpretation nennen, auf gewisse notwendige Einschränkungen der Aussagekraft jeder einzelnen Indizienkategorie aufmerksam machen. Ohne die Kenntnis dieser Einschränkungen kann die Karte nicht so gelesen werden, daß sie ein der geschichtlichen Wirklichkeit sich näherndes B i l d vermittelt.
V. Zur territorialen Entwicklung der Prignitz vom 11. bis zum 14. Jahrhundert Bevor versucht werden kann, die Karte nach ihren Ergebnissen zu befragen, scheinen noch einige Bemerkungen zur äußeren Geschichte der Prignitz angebracht. I n der Zeit slawischer Herrschaft bildete die Prignitz keine politische Einheit. Der Name Prignitz ist zuerst i n einer Urkunde des Jahres 1349 belegt 94 . I n der Beschreibung der Mark Brandenburg vom Jahre 1373 erscheint er als Bezeichnung des Landes, das w i r auch heute so benennen, jedoch einschließlich des Landes Ruppin i m Osten der heutigen Prignitz und einschließlich des Landes Wusterhausen i m Südosten zwischen Dosse und Temnitz 9 5 . Z u dieser Zeit wurde also die gesamte Landschaft als ein i n sich geschlossenes Teilgebiet der Mark Brandenburg aufgefaßt, und es scheint sicher, daß dafür die Unterstellung der gesamten Region unter einen Landvogt 9 ^ das bestimmende K r i t e r i u m w a r 9 7 ; i n der Zeit vor der Mitte des 14. Jahrhunderts war das Land i n eine Mehrzahl von Vogteibezirken aufgegliedert 98 . Es ist anzunehmen, daß diese 93
1. c.; zum Namen Fischer (s. A n m . 46), S. 88. CDB (s. A n m . 54) A I, p. 149. Vgl. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 1. 95 s. o. A n m . 21. Vgl. Schultze, Prignitz, S. 4 f. 98 Luck (s. A n m . 24), S. 47; Liebegott, M a r t i n : Der brandenburgische L a n d vogt bis zum 16. Jahrhundert, Halle 1906, S. 6 ff., 12 ff.; Schultze, Prignitz, S. 142. 97 So m i t Schultze, Prignitz, S. 1. 98 Dazu Luck, S. 47 f.; Schultze, Prignitz, S. 141 f., m i t Tabelle S. 328. 94
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politische Zusammenfassung den Anlaß dazu gab, einen Landschaftsnamen, der vorher nur an einem enger begrenzten Gebiet gehaftet haben dürfte, nun auf den gesamten Bereich der neuen Landvogtei auszudehnen. Die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung des Namens und aus welcher Sprache er gebildet worden ist, kann hier offen bleiben". Bleibt also festzustellen, daß die Prignitz als politische Einheit vor der Mitte des 14. Jahrhunderts nicht erscheint, so läßt sich doch andererseits sagen, daß sie schon i n der Zeit slawischer Herrschaft eine gewisse geographische Einheit gebildet hat, die nach außen i m Westen, Norden und Osten durch breite Waldgebiete bzw. feuchte Niederungen abgegrenzt war, i m Süden durch das breite Tal der Elbe und unteren Havel 1 0 0 . Innerhalb dieser natürlichen Grenzen lassen sich hier vom 9. bis zum 12. Jahrhundert einige slawische Stämme erkennen, von denen aber keineswegs alle diese ganze Zeit hindurch bezeugt sind 1 0 1 . Das gilt insbesondere für die kleinen Stämme der Bethenici und Smeldingi, die vom sog. Bairischen Geographen, einer i n der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Völkertafel, erwähnt werden und die wohl i n der Prignitz zu lokalisieren sind 1 0 2 . Es ist anzunehmen, daß diese beiden kleinen Völkerschaften später i n einem größeren benachbarten Verbände, etwa dem der Linanen, aufgegangen sind 1 0 3 . Die verunechtete Gründungsurkunde für das Bistum Havelberg von 948/48 zählt die provinciae auf, i n die sich das neue Bistum gliederte; i n die Prignitz gehören davon die provinciae Nieletizi, Dessert und 99 Eine slawische Deutung schlägt v o r Ludat, Herbert: Die Namen der brandenburgischen Territorien, Erstdruck 1934, wieder i n : ders., Frühzeit (s. A n m . 82), S. 12 f.; ähnlich die mdl. Deutung M a x Vasmers, die Schultze, Prignitz, S. 2 A n m . 9, m i t t e i l t ; eine niederländische Deutung n i m m t lt. frdl. mdl. M i t t e i l u n g Friedrich Boelling an; vgl. seine K a r t e „ F l u r n a m e n der Prignitz seit dem Beginn der deutschen Ostsiedlung" i n : Historischer Handatlas von Brandenburg u n d Berlin, A b t . I V , Lief. 32, B e r l i n 1970. 100 Dazu Schultze, Prignitz, S. 4 f.; Herrmann, Siedlung s. A n m . 47), Karte Abb. 2: Die slawischen Siedlungs- u n d Stammesgebiete westlich der Oder und Neiße. 101 Z u m Folgenden Schultze, Prignitz, S. 15 ff.; Wachowski, Kazimierz: Siowiahszczyzna zachodnia, Erstdruck 1903, Neudruck Posen 1950; Leciejewicz, Lech: Slowiaùszczyzna zachodnia, Breslau - Warschau - K r a k a u - Danzig 1976, S. 59 ff. ισ2 Geographus Bavarus, ed. E r w i n Herrmann, Slawisch-germanische Beziehungen i m südostdeutschen Raum, München 1965, S. 220 f.; zu seiner Datierung Fritze, Wolf gang (H.): Die Datierung des Geographus Bavarus u n d die Stammesverfassung der Abotriten, i n : Zeitschrift f ü r slavische Philologie 21, 1951, S. 326 ff. Die v o n E. Herrmann, S. 213, angesetzte spätere Datier u n g (Ende 9. Jh.s) beruht auf einer Verwechslung zwischen der Entstehung der Hs. (Ende 9. Jh.s) u n d der Entstehung des Textes. — Über die Lokalisier u n g der beiden kleinen Völkerschaften s. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 17 f., u n d J. Herrmann, Siedlung (s. A n m . 47), S. 29 f. 103 s. dazu auch unten A n m . 118.
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Linagga 104. Da als Orte des „Gaues" Nieletizi Havelberg und Nitzow genannt werden, ist er i m Gebiet nördlich der unteren Havel zu lokalisieren 1 0 5 . Später werden die Nieletizi nicht mehr genannt; auf diese Frage w i r d noch zurückzukommen sein. Der Linagga ist zweifellos das Gebiet der schon i n fränkischen Annalen der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts und dann wieder i m sog. Bairischen Geographen genannten Linanen 1 0 6 . Nach dem Zeugnis der Bestätigungsurkunde Konrads I I I . für das Bistum Havelberg von 1150 lag i n ihm der Ort Putlitz, der als solcher auch schon 946/48 genannt ist 1 0 7 . Als Hauptort der Linanen erscheint später Lenzen am Unterlauf der Löcknitz kurz vor ihrer Mündung i n die Eide 1 0 8 . Man kann den Linanen also ein altes Siedelgebiet zwischen den Flüssen Eide und Stepenitz zuschreiben 109 ; vielleicht haben sie ihr Gebiet später nach Osten zu erweitert (s. o.). Die Linanen sind bis i n das frühe 12. Jahrhundert hinein bezeugt, zuletzt in der Slawenchronik des Helmold von Bosau. Sie bildeten einen eigenständigen politischen Verband m i t einem eigenen politischen Führungsorgan 1 1 0 . Als dritte provincia der Prignitz nennt die Havelberger Gründungsurkunde den „Gau" Desseri, zu dem die Urkunde den Ort Wizoka, d. i. Wittstock, zählt. Die Desseri sind offenbar identisch m i t den später einmal genannten Doxani 111 ; beide Namen sind als Ableitungen vom Namen des Flusses Dosse i n der östlichen Prignitz aufzufassen 112 . Als politisch selbständig handelnder Verband erscheinen die Desseri-Doxani nicht. Gleichwohl kann ihr Stammesgebiet, das zu beiden Seiten des Laufes der Dosse zu suchen ist, nicht ganz klein gewesen sein 1 1 3 ; es wäre 104 Monumenta Germaniae Historica ( M G H Diplomata), DO I 76. Z u r Frage der Verfälschung der Urkunde ist hier nicht Stellung zu nehmen, da sie die Nennung der slawischen „Gaue" i n der Prignitz nicht berührt. 105 s. die o. A n m . 100 genannte K a r t e von J. Herrmann. 106 Z u den Linanen s. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 29 ff.; Fritze, Stammes- u n d Reichs Verfassung (s. A n m . 110). 107 M G H D K I I I 241; DO I 76. 108 s. Schultze, Prignitz, S. 29 ff. Z u r Bedeutung von Lenzen i n slawischer Zeit allgemein Hoppe, W i l l y : Lenzen 929 - 1929, Lenzen 1929, S. 12 ff. 100 Vgl. Schultze, Prignitz, S. 17 f., u n d die o. A n m . 100 genannte Karte von J. Herrmann. 110 Dazu Schultze am o. A n m . 108 genannten O r t ; ferner Fritze, Wolfgang H.: Probleme der abodritischen Stammes- u n d Reichsverfassung, Excurs I, in: Siedlung u n d Verfassung (s. A n m . 7), S. 208 f. 111 A d a m Bremensis, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontifìcum I I 21, ed. Bernhard Schmeidler ( M G H SSRG), Hannover - Leipzig 1917, p. 77 s. Vgl. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 17 m i t A n m . 11. 112 Dazu Fischer, Reinhard E. / Schlimpert, Gerhard: Vorslawische Namen i n Brandenburg, i n : Zeitschrift f ü r Slawistik 16, 1971, S. 664 ff.; Schwarz, Ernst: Dosse u n d Queis. Beiträge zum Verhältnis von Indogermanen, Germanen u n d Slawen i n Ostdeutschland, i n : Zeitschr. f. Ostforschung 23, 1974, S. 296 ff. 113 Dazu die K a r t e von J. Herrmann , ο. A n m . 100.
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möglich, daß auch das spätere Land Wusterhausen i n seinem alten Kern zwischen Dosse und Temnitz zu ihm gehört hat 1 1 4 . Dagegen wurde das der Prignitz östlich benachbarte Land Ruppin, soweit es i n slawischer Zeit bereits aufgesiedelt war, allem Anschein nach von dem slawischen Kleinstamm der Zamzizi eingenommen 115 . Wie oben schon bemerkt, w i r d der Verband der slawischen Nieletizi, die nördlich der unteren Havel zu lokalisieren sind, nur einmal genannt, nämlich i n der mehrfach erwähnten Havelberger Gründungsurkunde 1 1 6 . Dagegen bezeugt Helmold von Bosau in seiner bekannten Slawenchronik für das frühe 12. Jahrhundert einen sonst nirgends erwähnten slawischen Verband, die Brizani, und zwar als Bewohner von Havelberg und Nachbarn der Linanen, Verbündete der Stodoranen (Heveller) 1 1 7 . Helmold setzt seine Brizanen also eben i n das Gebiet, das die Urkunde von 946/48 den Nieletizi zuweist. Sehr wahrscheinlich haben w i r es hier m i t dem Ergebnis einer strukturellen Umbildung eines slawischen Verbandes zu tun, die sich i n diesem Falle auch i n einer Namensänderung niedergeschlagen hätte 1 1 8 . Als Bischof Otto von Bamberg auf seiner zweiten Missionsreise nach Pommern 1128, von Magdeburg kommend, i n Havelberg Station machte, traf er dort den slawischen Fürsten W i r i k i n d 1 1 9 ; man muß annehmen, daß es sich um den Fürsten der Brizanen handelte. I m frühen 12. Jahrhundert haben w i r also i m Westen und vielleicht auch i n der Mitte der Prignitz die Linanen m i t ihrem alten Hauptort Lenzen, i m Osten die — freilich kaum hervortretenden — Dossanen m i t Wittstock, i m Süden und i m Zentrum die Brizanen m i t dem Hauptort Havelberg. Augenscheinlich hat zu dieser Zeit der Abodritenfürst Heinrich (t 1127) zeitweise den Gesamtraum der Prignitz seiner Herrschaft unterstellen können 1 2 0 . Als m i t seiner Ermordung der Versuch einer 114
s. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 19 f. So m i t J. Herrmann, Siedlung (s. A n m . 47), S. 30 f., gegen Schultze, Prignitz, S. 19. 116 s. o. S. 64 f. 117 Helmolds Slavenchronik, bearbeitet von Bernhard Schmeidler (MGH SSRG), 3. Aufl. Hannover 1937, I 374, I 89, p. 72 s. u. 174. 118 Schultze, Prignitz, S. 19, 39, meint, die Brizanen seien „als Völkerschaft m i t den früher genannten Bethenizern u n d Smeldingen identisch". I n der provincia Nieletizi der Urkunde von 946/48 erkennt er „den alten Raum der Bethenizer" (S. 20). Demnach müßten w i r m i t drei verschiedenen, zeitlich aufeinander folgenden Namen für den slawischen Verband ein u n d desselben Gebietes rechnen. Da das nicht sehr wahrscheinlich i s t können die Bethenizi u n d Smeldingi des sog. Bairischen Geographen w o h l doch nicht an der unteren Havel lokalisiert werden, sondern eher i n der m i t t l e r e n Prignitz i m Karthanegebiet. S. zur Frage die Ausführungen von J. Herrmann, Siedl u n g (s. A n m . 47), S. 30 A n m . 58. 110 Dazu Schultze, Prignitz, S. 40 f., m i t Quellen u n d Literatur. 115
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„großabodritischen" Reichsbildung gescheitert war, erlangten die slawischen Verbände der Prignitz offenbar ihre politische Selbständigkeit wieder zurück. Aber schon bald darauf begannen ostsächsische Fürsten i n die Prignitz vorzudringen und hier eine eigene Herrschaft aufzurichten. Der Prozeß ist — i m einzelnen schwer erkennbar — hier nicht nachzuzeichnen 121 . Festzuhalten ist nur, daß daran eine Mehrzahl von ostsächsischen Fürsten beteiligt war: der Markgraf der Nordmark und spätere Markgraf von Brandenburg Albrecht der Bär, der Erzbischof von Magdeburg Norbert, außerdem aber allem Anschein nach einige kleinere Herren. Einen wichtigen Einschnitt i n der politischen Geschichte des Landes brachte offensichtlich der Wendenkreuzzug von 1147, dessen südliche Abteilung von Magdeburg über Havelberg auf Demmin zuzog 122 . I n seinem Ergebnis wurde das 983 i m Zuge des großen Slawenauf standes zerstörte Bistum Havelberg wieder begründet 1 2 3 und 1150 von König Konrad I I I . bestätigt 1 2 4 . Wie schon Otto I. 948, so teilte auch Konrad I I I . das burgwardium Havelberg i n zwei Teile, deren einer dem Bischof zufiel. Der andere verblieb dem Reich, i n dessen Rechte sich auf uns unbekannte Weise der Markgraf von Brandenburg setzte. Zur weiteren Ausstattung des Bistums Havelberg innerhalb der Prignitz gehörten nach der Urkunde Konrads der „Burgward" Nitzow, ferner die civitates Wittstock und Putlitz. Wie schon bemerkt, erscheinen neben dem Erzbischof von Magdeburg bzw. dem Bischof von Havelberg und dem Markgrafen der Nordmark i n der Prignitz i m Laufe des 13. Jahrhunderts noch andere, kleinere deutsche Herren, über deren Herrschaftsnahme dort ein schriftliches Zeugnis nicht vorliegt. Es handelt sich um die Edlen Gans von Putlitz, die Herren von Plotho und ihre Nachbarn außerhalb der eigentlichen Prignitz, die Herren von Jerichow. Viel scheint dafür zu sprechen, daß diese klei120
Dazu Wagner, Richard: Die Wendenzeit (Mecklenburgische Geschichte i n Einzeldarstellungen II), B e r l i n 1899, S. 126 f.; Schultze, Prignitz, S. 38 f. Die Datierung ist unsicher, s. Kahl, Hans-Dietrich: Slawen u n d Deutsche i n der brandenburgischen Geschichte des 12. Jahrhunderts I, K ö l n - Graz 1964, S. 24 f. 121 Z u m Folgenden wieder vor allem Schultze, Prignitz, S. 41 ff. 122 Z u m äußeren Verlauf des Wendenkreuzzuges i m m e r noch υ. H eine mann, Otto: Albrecht der Bär, Darmstadt 1864, S. 161 ff.; Bernhardt, W i l h e l m : Jahrbücher der deutschen Geschichte. K o n r a d I I I . , B e r l i n - Leipzig 1883, S. 563 ff. Daß der Wendenkreuzzug nicht einfach als „Farce" beurteilt werden darf u n d durchaus nicht ohne Ergebnisse geblieben ist, zeigte Kahl, HansDietrich: Z u m Ergebnis des Wendenkreuzzuges von 1147, Erstdruck 1957/58, wieder i n : Heidenmission u n d Kreuzzugsgedanke i n der deutschen Ostpolitik des Mittelalters, hrsg. v. H e l m u t Beumann (Wege der Forschung 7), D a r m stadt 1963, S. 275 ff. 123 Wentz, Georg: Das B i s t u m Havelberg (Germania Sacra 1/2), B e r l i n 1933, S. 16 f. 124 s. o. A n m . 98. ·
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nen Herren, von denen die Edlen Gans wohl edelfreie Herren aus der zur A l t m a r k gehörigen Wische waren, die von Plotho und die von Jerichow aber m i t Sicherheit ursprünglich Ministerialen des Erzbistums Magdeburg, sich i n der Prignitz i m Ergebnis des Wendenkreuzzuges von 1147 selbständige kleinere, vom Markgrafen von Brandenburg ursprünglich unabhängige Herrschaften begründet haben 1 2 5 . A n dieser Stelle sind einige Bemerkungen über die territoriale Gliederung der Prignitz i m 13. Jahrhundert einzuschieben. W i r haben hier elf sog. terrae, die nach ihren Hauptorten und Mittelpunkten benannt waren, nämlich Grabow im Nordwesten, Lenzen im Südwesten, Wittenberge, Nitzow und Havelberg i m Süden, Perleberg, Putlitz und Pritzwalk i n der Mitte, Wittstock i m Nordosten, K y r i t z und Wusterhausen i m Südosten 126 . Die Prignitz weicht i n Hinsicht auf diese ihre innere Gliederung von allen anderen brandenburgischen Teilräumen ab 1 2 7 . Unter der weltlichen Herrschaft des Bischofs von Havelberg standen eine Hälfte des Landes Havelberg, dazu die terrae Nitzow, Putlitz und Wittstock 1 2 8 . I n den terrae K y r i t z und Wusterhausen waren Inhaber einer herrschaftlichen Gewalt die Herren von Plotho 1 2 9 , i n den terrae Wittenberge, Perleberg, Grabow 1 3 0 und vielleicht auch Lenzen 1 3 1 die Edlen Gans, die außerdem auch das Land Putlitz von den Bischöfen von Havelberg zu Lehen trugen 1 3 2 . Schwer entscheidbar ist die Frage nach dem ursprünglichen Herrschaftsträger i n der terra Pritzwalk. Als sie i n der Mitte des 13. Jahrhunderts zuerst genannt wird, stand sie bereits unter der Herrschaft der Markgrafen; doch ist nicht auszuschließen, daß sie vorher zum unmittelbaren Herrschaftsbereich der Edlen Gans gehörte 133 . Es sind demnach vier herrschaftliche Gewalten, die sich i m frühen 13. Jahrhundert i n die Herrschaft über die elf terrae teilen. Das bedeutet, daß die terrae-Gliederung sich nicht aus der Abgrenzung der 125 So die bekannte These von Schultze, Johannes: Der Wendenkreuzzug von 1147 u n d die Adelsherrschaften i n Prignitz u n d Rhingebiet, Erstdruck 1953, wieder i n : ders., Forschungen zur brandenburgischen u n d preußischen Geschichte, hrsg. v. W i l h e l m Berges, B e r l i n 1964, S. 41 ff. Vgl. auch dens., Prignitz (s. A n m . 23), S. 54 ff. — Anderer Meinung als Schultze ist i n bezug auf die Herrschaftsnahme der Grafen von Arnstein i n dem der Prignitz östlich benachbarten Lande Ruppin Heinrich, Gerd: Die Grafen von Arnstein, K ö l n 1963, S. 335 ff. 126 Dazu Luch (s. A n m . 24), S. 9 ff.; vgl. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 54. 127 So m i t Recht Schultze, Prignitz, S. 54. 128 Luck , S. 51 ff. 129 Luck, S. 119 ff. 130 Luck, S. 105 ff.; Schultze, Prignitz, S. 55. 131 So Schultze, Prignitz, S. 55 m i t A n m . 6; vgl. dazu die Angaben bei Luck, S. 114 f. 132 Luck, S. 102 ff. 133 s. Luck, S. 115 f.; Schultze, Prignitz, S. 56.
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herrschaftlichen Bereiche i m 13. Jahrhundert erklären läßt. Zum Teil könnte sie an ältere slawische Gliederungen angeknüpft haben; das gilt besonders für diejenigen terrae, deren namengebende Mittelpunkte alt bezeugt sind und m i t Sicherheit schon i n slawischer Zeit als zentrale Orte fungiert haben, wie vor allem Havelberg, dann Nitzow, Wittstock, Lenzen und wohl auch Putlitz. Wie i n Abschnitt V I noch zu zeigen sein w i r d 1 3 4 , spricht viel dafür, daß die terrae Wittstock und K y r i t z aus dem Stammesgebiet der Desseri-Doxani herausgewachsen sind, die terrae Havelberg und Nitzow aus dem der Nieletizi-Brizani. Dagegen dürften die terrae Perleberg und Pritzwalk ohne Anknüpfung an ältere slawische Gliederungen entstanden sein. Man muß also w o h l annehmen, daß die Gliederung i n die terrae des 13. Jahrhunderts, die auch Vogteibezirke bildeten 1 3 5 , zunächst ältere slawische Gliederungen fortbildete, i m Zuge des Landesausbaus aber eine Umgestaltung erfuhr, die i m einzelnen zu verfolgen nur schwer möglich sein w i r d 1 3 6 . Denn die Grenzen der hochmittelalterlichen terrae der Prignitz lassen sich erst für die Zeit u m 1300 und auch da nur ungenau fassen 137 . Daß es sich bei diesen spät erkennbaren Grenzen mindestens teilweise u m junge Grenzziehung handelt, scheint sich daraus zu ergeben, daß i n einer Reihe von Fällen Flußläufe die Grenze bilden, die i n slawischer Zeit diese Funktion kaum besessen haben dürften. Nicht unwesentlich für die Aufgabenstellung der Karte ist schließlich noch die Frage, zu welchem Zeitpunkt die einzelnen terrae der Prignitz unter die Herrschaft der Markgrafen von Brandenburg gekommen sind 1 3 8 . Denn von ihrer Beantwortung hängt zum Teil jedenfalls auch die A n t w o r t auf die Frage nach den Initiatoren des hochmittelalterlichen Landesausbaus ab. Die Edlen Gans verloren als Parteigänger des dänischen Königtums u m 1214 die Länder Grabow und Perleberg an die Grafen von Schwerin, von denen sie das Land Perleberg zu Lehen nahmen. Vielleicht kam i m gleichen Zusammenhang das Land Pritzw a l k an die Markgrafen, denen jedenfalls damals das Land Lenzen zufiel. Zeitweilig als Lehen an die Grafen von Schwerin vergeben, fiel Lenzen zwischen 1237 und 1252 an die Markgrafen zurück. I n der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts traten auf nicht näher erkennbare Weise die Herren von Plotho ihre Rechte an den terrae K y r i t z und Wusterhausen an die Markgrafen ab, die u m 1275 auch noch die terrae Perleberg und Grabow erwarben.
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s. u. S. 72. Luck , S. 47 ff. Vgl. o. S. 63 m i t A n m . 98. Vgl. die Bemerkungen von Schultze, Prignitz, S. 54. Lude, S. 9 ff. Das Folgende nach Schultze, Prignitz, S. 59 ff,
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Z u erwähnen ist schließlich noch, daß die Burg Goldbeck an der Dosse m i t den Dörfern Neuendorf, Zootzen und Gadow und dem oppidum Dossow sich offenbar noch i n der Mitte des 13. Jahrhunderts in der Hand der mecklenburgischen Fürsten von Werle befand und dann als Lehen der Bischöfe von Havelberg an die Grafen von Arnstein-Lindow, die Herren des Landes Ruppin, k a m 1 3 9 . Die Gebiete i m Nordosten der Prignitz um Dranse und Schönefeld i n der alten Landschaft Lietze, u m Zechlin und Repente i m alten Lande Turne sind erst i m späten 14. bzw. i m 15. Jahrhundert an die Bischöfe von Havelberg gelangt, nachdem sie vorher i n der Hand verschiedener mecklenburgischer Herren gewesen waren; Dranse bildete seit 1233 den Mittelpunkt eines größeren Besitzkomplexes des Klosters Amelungsborn, die Dörfer u m Schönefeld gehörten dem Kloster Altenkamp, während der Zechliner Komplex, lange Zeit dem mecklenburgischen Kloster Doberan gehörig, zeitweilig unter der Herrschaft Herzog Heinrichs II. von Mecklenburg, 1320 den Bischöfen von Havelberg zugefallen ist 1 4 0 . Die Frage nach den Initiatoren des hochmittelalterlichen Landesausbaus i n der Prignitz ist damit freilich noch nicht zulänglich beantwortet; sie hängt eng zusammen m i t der Frage nach dem Beginn der hochmittelalterlichen Siedlung. Nun kann es kaum zweifelhaft sein, daß die Bischöfe von Havelberg schon unmittelbar bei Wiederbegründung des Bistums 1150 die Aufsiedelung eingeleitet haben 1 4 1 . Ob schon damals die anderen herrschaftlichen Gewalten der Prignitz diesem Vorbild gefolgt sind, ist schwer zu sagen. Aus dem 12. Jahrhundert haben w i r Nennungen von ländlichen Siedlungen aus der Prignitz noch so gut wie gar nicht und aus dem 13. Jahrhundert i n nicht zu großer Zahl; es wurde schon oben bemerkt 1 4 2 , daß die Masse der Prignitz-Dörfer erst i m 14. Jahrhundert in den Urkunden erscheint. Aus diesem argumentum e silentio auf einen späten Beginn des Siedelwerkes zu schließen, wäre sicher verfehlt. Es kann kein Zweifel sein, daß die späte Nennung der ungünstigen Überlieferung zuzuschreiben ist. Bedenkt man, daß die Städte der Prignitz i m allgemeinen recht früh — i m 12. und frühen 13. Jahrhundert — entstanden zu sein scheinen, so möchte man die Siedlungstätigkeit, die eine Voraussetzung der Stadtgründungen bildete, m i t ihrem Schwerpunkt am ehesten i n die Zeit von der Mitte des 12. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts legen; eine Fortsetzung bis i n das 14. Jahrhundert hinein soll damit nicht ausgeschlossen werden. Das würde 139 Heinrich (s. A n m . 125), S. 342 f. m i t A n m . 1642, gegen Luck, S. 67. Anders aber Schultze, Prignitz, S. 64 f. 140 Luck, S. 69 ff., 74 ff. 141 Das ergibt der T e x t der Urkunde Konrads I I I . f ü r Havelberg von 1150 (s. o. A n m . 107) eindeutig, vgl. Schultze, Prignitz, S. 46 f. 142 s. o. S. 59. Schultzes These, daß der Beginn der deutschen Siedlung i n der Prignitz bereits u m 1100 anzusetzen sei, möchte Verf. nicht folgen.
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bedeuten, daß neben den Bischöfen und den Markgrafen auch die Edlen Gans und die Herren von Plotho als Initiatoren der Siedlung anzusehen wären, vor allem die letztgenannten, während die Edlen Gans, die schon im frühen 13. Jahrhundert einen großen Teil ihrer Herrschaft verloren haben, nur in den Ländern Putlitz und Perleberg länger am Siedelwerk teilgenommen haben können. Die Markgrafen dürften nicht nur i n ihrem Teil des Landes Havelberg, sondern auch i n Pritzwalk an der Aufsiedelung beteilt gewesen sein. VI. Auswertung der Karte 1 4 3 Die Auswertung der Karte hat auszugehen von der Grundkarte. Das erste, was hier ins Auge fällt, ist die Kleingliedrigkeit der geomorphologischen Formationen i n der östlichen Prignitz. Grund- und Endmoränen, Sander und Talungen bilden jeweils nur kleine und kleinste Einheiten — m i t Ausnahme der weiten Sandergebiete i m Nordwesten und Nordosten, der verhältnismäßig breiten Dosse-Niederung, einer Verbreiterung der Jägelitz-Niederung im Zentrum und i m Süden der Ostprignitz und einer etwas umfangreicheren Grundmoränenplatte westlich Kyritz. I m übrigen haben w i r eng ineinander verschobene kleine Blöcke und Streifen von Sandern, Grund- und Endmoränen, das Ganze durchzogen von einem Netz schmaler Talbänder. Für die slawische Siedlung, die breite, m i t Sandhorsten durchsetzte Talauen, aber auch lockere Lößböden bevorzugte, konnte die Ostprignitz somit nur teilweise günstige Voraussetzungen bieten. U m so mehr überrascht das verhältnismäßig dichte Siedelnetz, i n dem die slawischen Ortsnamen, wenn auch i n recht ungleicher Verteilung, wie sich noch zeigen wird, i m ganzen deutlich überwiegen. Was die spätslawischen Funde betrifft, so heben sich einige Hauptverbreitungszonen klar heraus, wenn auch ihre Abgrenzung gegeneinander Schwierigkeiten bereitet. I m äußersten Nordosten, i m gewässerreichen alten Lande Turne, haben w i r eine ausgesprochene Fundmassierung, die nach Westen durch eine breite siedlungsarme Sanderfläche deutlich abgegrenzt wird. Wie die von J. Herrmann und von O.-F. Gandert vorgelegten Karten der slawischen Besiedlung der Mark Brandenb u r g 1 4 4 zeigen, erstreckt sich die genannte Fundzone nach Osten zu über 143 Z u m Folgenden vgl. auch Schulze, H a n s - K a r l : Die Besiedelung der M a r k Brandenburg i m hohen u n d späten Mittelalter, i n : Jb. f. d. Gesch. M i t t e l - u. Ostdeutschlands 28, 1979, S. 84 ff.; ferner Krausch, Hans-Dieter: Die Vegetationsverhältnisse Brandenburgs i n slawischer Zeit, i n : M ä r k . Heimat, Sonderheft 2, Potsdam 1961, S. 50 ff. 144 Herrmann (s. A n m . 47); Gandert, Otto-Friedrich: K a r t e „ M i t t e l - u n d spätslawische Zeit" i n : Historischer Handatlas von Brandenburg u n d Berlin, Abt. I I , Lief. 51, B e r l i n 1976.
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die Grenzen der Ostprignitz hinaus. Folgt man J. Herrmann, so handelt es sich um den südwestlichen Teil des Stammesgebietes der Redarier 1 4 5 . Dazu paßt, daß das alte Land Turne 1 4 6 ursprünglich unter mecklenburgischer Herrschaft gestanden hat 1 4 7 . Deutlich markiert sich ferner das Stammesgebiet der Dossanen durch die nicht wenigen Funde, die sich längs der Dosse reihen. Die gleichfalls verhältnismäßig zahlreichen Funde aus dem Gebiet der Jägelitz und ihrer Nebentäler westlich der Dosse müssen w i r entweder ebenfalls dem Gebiet der Dossanen oder — wahrscheinlicher — der Nieletizi-Brizani zuordnen. Der ganze Osten und Südosten der Ostprignitz zeigt sich verhältnismäßig dicht m i t spätslawischen Funden durchsetzt, nach Nordosten dagegen nimmt die Funddichte ab, und erst i m äußersten Nordosten zeichnet sich wieder eine deutliche Fundmassierung ab. I m ganzen Westen der Ostprignitz sind spätslawische Funde selten; auch das Gebiet der Karthane weist verhältnismäßig wenige slawische Fundstellen auf. Die Fundhäufung i n den Niederungen der Dosse und Jägelitz und ihrer Seitentäler kann kaum überraschen. W i r haben hier das bekannte B i l d der slawischen Siedlung i n ihrer Reihung längs der gewässerdurchflossenen Talauen. Auf Grund- und Endmoränen fehlen die slawischen Funde i m allgemeinen ebenso wie auf Sandern; wo sie dort dennoch begegnen, liegen sie an kleinen wasserführenden Vertiefungen, die auf der Karte ebenso wenig kenntlich werden wie die Sandhorste, auf denen die slawischen Siedlungen der feuchten Talauen gelegen sind. Auffallen muß dagegen die Spärlichkeit slawischer Funde i m Karthanegebiet. A l l e i n m i t einer Fundlücke läßt sich dies B i l d kaum erklären. Vielleicht ist die Ursache i n der besonderen Enge des Karthanetales zu suchen. Die oben i n Abschnitt V ausgesprochene Vermutung, daß die terrae Wittstock und K y r i t z aus dem Stammesgebiet der Dossanen herausgewachsen sind, findet sich durch das B i l d der Fundverteilung bestätigt, wenn auch das nördliche Wittstock bedeutend weniger Funde aufweist als das südlich benachbarte Kyritz. Das Land Havelberg ist, wenn die Funde aus dem Bereich der Jägelitz und der Karthane oben zu Recht den Nieletizi-Brizani zugeschrieben worden sind, aus diesem Stammesgebiet hervorgegangen. Fast ganz frei von Funden ist das Gebiet der terra Pritzwalk; nur um die Stadt Pritzwalk selber gruppieren sich einige slawische Fundplätze. Das Land ist besonders arm an breiteren Talungen. Größere Grundmoränen- und Endmoränenblöcke, i n die sich kleinere Sander einschie145 146 147
Herrmann (s. A n m . 47), S. 26 f. m i t K a r t e Abb. 1 u. 2. s. Schultze, Prignitz (s. A n m . 23), S. 66. s. o. S. 70 m i t A n m . 140.
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ben, beherrschen es i n seiner ganzen Ausdehnung, die nur von einigen wenigen besonders schmalen Talbändern durchzogen wird. Das Land bot der slawischen Siedlung also besonders ungünstige Voraussetzungen und dürfte i n der Zeit slawischer Herrschaft weithin m i t Wald bedeckt gewesen sein. Die Teile der Länder Perleberg, Putlitz und Grabow, die zur Ostprignitz gehören, sind zu klein, um allgemeine Aussagen zu erlauben. Fragen w i r nun weiter nach dem Ausmaß, das der hochmittelalterliche Landesausbau, wie er sich uns i m Kartenbild darstellt, angenommen hat, so w i r d es sich empfehlen, die einzelnen terrae gesondert für sich zu behandeln. Vom ursprünglich mecklenburgischen Land Turne im äußersten Nordosten der Prignitz w i r d man wohl sagen müssen, daß ein eigentlicher Ausbau hier nicht stattgefunden hat. Nicht nur das gänzliche Fehlen deutscher Ortsnamen führt zu dieser negativen Aussage. Offensichtlich handelt es sich nach dem Zeugnis der Bodenfunde und Ortsnamen zum Teil um fortbestehende slawische Siedlungen (z. B. Wumzow und Wallwitz), zum Teil um leicht versetzte slawische Dörfer (z. B. Luhme), zum Teil um Dörfer, die aus der Zusammenlegung mehrerer älterer slawischer Siedlungen entstanden sind (Bremin, Zechlin). Man w i r d hier also nur von einer gewissen Anpassung an die „modernen" Formen der hochmittelalterlichen Siedlung sprechen können, nicht von einem eigentlichen Ausbau. Daß m i t Ausnahme von Zechlin alle zu diesem Gebiet gehörigen Siedlungen wüst geworden sind, überrascht danach nicht. Auch die westlich sich anschließenden Dörfer des Landes Lietze, zum größten Teil im Besitz der Klöster Amelungsborn und Altenkamp, tragen fast durchweg slawische Namen, darunter eine Reihe primärer Siedlungsnamen. Wenn hier slawische Funde gänzlich fehlen, dann wäre es möglich, auf eine Fundlücke zu schließen. Doch haben w i r es hier wohl eher m i t einem Gebiet zu tun, das ausschließlich von slawischer Bevölkerung aufgesiedelt wurde, die den neugegründeten Siedlungen slawische Namen gab. Dafür spricht zum einen die Beobachtung, daß die Dörfer i n ihrer Mehrheit auf Grund- und Endmoränenzügen liegen, wo die ältere slawische Siedlung nur ausnahmsweise anzutreffen ist. Aber auch eine schriftliche Quelle weist i n diese Richtung. Als Fürst Nikolaus von Rostock 1233 dem Kloster Amelungsborn den See Dräns zusammen m i t 60 Hufen Land schenkte, verband er damit die potestas, vocandi ad se et collocandi ubicumque voluerint in possessione prefata cuiuscunque gentis et cuiuscunque artis homines 149. Danach haben w i r m i t einer Siedlungstätigkeit des Klosters i n diesem Gebiet zu rechnen, der vermutlich die meisten Dörfer dort ihre Entstehung 148
CDB A I, p. 446 nr. 2.
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verdanken, auch die m i t slawischen Namen. Daß es i m Bereich der Germania Slavica Gebiete gibt, deren slawisch benannte Siedlungen erst im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus entstanden sind, wurde oben schon festgestellt 149 . I n der terra Wittstock finden sich slawische Funde fast nur i m Osten, i m Bereich der Dosse-Niederung, und auch dort nicht allzu zahlreich. Die von Norden nach Süden das Land durchziehenden Sanderflächen ebenso wie die Grund- und Endmoränenzüge i m Westen der terra sind von slawischen Funden frei. Deutsche und slawische Ortsnamen halten sich i n diesen fast ganz fundarmen Zonen etwa die Waage, m i t Ausnahme der Niederung der Glinze nordwestlich Wittstock, deren Ränder i n auffälliger Weise mit einer Kette von slawisch benannten Dörfern gesäumt sind — darunter eine Reihe von primären slawischen Siedlungsnamen. Auch hier müssen w i r bei der gänzlichen Fundleere dieser Zone m i t slawischer Siedlung des hohen Mittelalters rechnen. Das gleiche gilt für den von kleineren Grund- und Endmoränen und Sandern eingenommenen Norden und Westen der terra, deren Siedlungsdichte nicht groß ist; hier begegnen teils deutsch, teils slawisch benannte Orte, aber kaum slawische Funde. Dörfer m i t slawischen Ortsnamen wie Niemerlang, Ganzow, Ferchow, Ratechow i m Westen der terra müssen nach dem gegenwärtigen Forschungsstand ebenso als Neugründungen des hohen Mittelalters gelten wie die zwischen ihnen liegenden Dörfer m i t deutschen bzw. m i t Mischnamen (Wulfersdorf, Steckelsdorf, Volkwig, Tetschendorf). Der Süden der terra, vornehmlich von Sanderblökken gebildet, wird, soweit er überhaupt besiedelt ist, zur Gänze von deutsch benannten Orten eingenommen, deren Zahl freilich nicht allzu groß ist. I m ganzen ergibt sich der Eindruck, daß die terra Wittstock entstanden ist aus einem an der Dosse gelegenen Teilgebiet der Dossanen, das von den Herren der terra, den Bischöfen von Havelberg, durch eine nicht sehr dichte Besiedelung der dem Dosse-Tal westlich benachbarten kleinen Sander, Grund- und Endmoränenblöcke m i t deutscher wie m i t slawischer Bevölkerung erweitert worden ist. Dichter als das des Landes Wittstock ist das Siedlungsnetz der nach ihren naturlandschaftlichen Gegebenheiten der slawischen wie der deutschen Siedlung günstigeren terra Kyritz, die unter der Herrschaft der Herren von Plotho stand. Durch den ganzen Osten der terra zieht sich die breite Dosse-Niederung. I m Süden und Westen haben w i r eine größere, von einigen schmalen Talbändern durchschnittene Grundmoränenplatte, i m Norden ein Sandergebiet, das sich i n den Süden der terra Wittstock hinein fortsetzt. Slawische Funde finden sich vor allem i n der 149
s. o. S. 54 f.
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Dosse-Niederung und längs der zwischen Dosse und Jägelitz sich von Norden nach Süden erstreckenden Seenkette, aber auch an den Rändern der Grundmoräne i m Süden und Westen. Hier haben w i r denn auch vorwiegend slawische Ortsnamen; die so benannten Dörfer dürften i n ihrer Mehrheit unmittelbar oder mittelbar „vorkoloniale" slawische Siedlungen fortsetzen. Die wenigen Siedlungen der Sanderfläche i m Norden, auf der auch einige slawische Fundplätze liegen, finden sich nur dort, wo kleine Gewässer sie durchziehen; i n ihrer Mehrheit tragen sie slawische Namen, vornehmlich primäre Siedlungsnamen. Auch diese Siedlungen dürften auf die eine oder die andere Weise an ältere slawische anknüpfen. Auch auf den nördlichen Teilen der großen Grundmoränenplatte i m Westen der terra finden sich — fast ausschließlich slawisch benannte — Dörfer nur an den Rändern der schmalen Talungen, die die Grundmoräne gliedern. Da slawische Funde hier äußerst spärlich sind, wäre es möglich, daß Dörfer wie etwa Wutike, Drewen, Mechow erst im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus entstanden sind. Da aber Radenthin, K e t t i n und Demerthin, die zu der gleichen Zone gehören, eine slawische Wurzel besitzen 150 , läßt sich die Frage schwer entscheiden; eine Lücke der archäologischen Forschung erscheint möglich. Die kleine Gruppe der deutsch benannten Dörfer auf der Grundmoränenplatte i m Süden ist m i t Gewißheit erst i n das hohe M i t telalter zu datieren. I n der terra K y r i t z hat der Landesausbau kaum ein größeres Ausmaß erreicht als i m Lande Wittstock. Immerhin konnte ein großer Teil der Grundmoränenplatte i m Süden und Westen besiedelt werden. Ob an diesem Siedelwerk slawische Bevölkerung ebenso wie deutsche beteiligt war, muß einstweilen noch offen bleiben. Die terra K y r i t z hat sich allem Anschein nach gebildet durch eine Erweiterung des spätslawischen Siedelgebietes i m Osten der terra auf die Grundmoränenplatte i m Westen und Süden. I n der westlich benachbarten terra Havelberg sind slawische Funde vor allem in der Jägelitz-Niederung verbreitet, die i m Norden eine erhebliche Ausdehnung gewinnt. Da w i r k t es denn überraschend, gerade i n diesem Nordteil der terra fast nur deutsche Ortsnamen zu finden. Zur Erklärung h i l f t vielleicht der Fall von Dahlhausen, das zu dieser Gruppe gehört. A u f der Feldmark von Dahlhausen haben sich nordöstlich und südwestlich des Ortes spätslawische Siedlungsplätze feststellen lassen 151 . Entsprechendes gilt für Horst 1 5 2 . Es wäre also denk150
s. u. S. 86. s. Matthes, Walter: Urgeschichte des Kreises Ostprignitz, Leipzig 1929, S. 113 f.; Corpus (s. A n m . 47), S. 93 f. 152 s. Herrmann (s. A n m . 47), S. 299; nicht verzeichnet i m Corpus (s. A n m . 47). 151
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bar, daß es sich mindestens bei einem Teil auch der übrigen deutsch benannten Dörfer dieser Zone ähnlich verhält. W i r würden es dann i m Norden des Landes Havelberg weniger mit einer Erweiterung oder Verdichtung des Siedlungsnetzes zu tun haben als m i t einer Umbildung der Siedlung — anscheinend mit starker Beteiligung deutscher Bevölkerung. Nur die Dörfer auf der Grundmoräne des Westens dürften Neugründungen des hohen Mittelalters sein, wie Breitenfeld und Schönebeck. Der ganze Süden der terra, der sich i n sehr kleine geomorphologische Einheiten gliedert, ist fast zur Gänze m i t slawisch benannten Dörfern besetzt. Da hier auch verhältnismäßig viele slawische Fundplätze liegen, dürften diese Dörfer zum größten Teil, wenn auch nur indirekt, an slawische Siedlungen anknüpfen; slawische Funde unmittelbar i m Ort sind freilich bisher allein i n Gumtow zu verzeichnen 153 . Ausnahmen bilden die Wüstungen Modderlake, Hoppenrade und Wolfshagen. Als slawisch benannte Neugründungen des hohen Mittelalters könnten hier die Dörfer auf den kleinen Grundmoränenblöcken des äußersten Südwestens gelten, wo slawische Funde bisher ganz fehlen. Das Bild, das der Südteil der terra Havelberg bietet, steht i n auffallendem Gegensatz zu dem des Südens des Nachbarlandes Kyritz, wo offensichtlich eine Grundmoräne, deren größerer östlicher Teil zum Lande K y r i t z gehört, i m Hochmittelalter deutsch aufgesiedelt worden ist, während ihr i n der terra Havelberg gelegener westlicher Teil Siedlungen nur am Westrande auf weist, die zudem, nach den slawischen Namen ebenso wie nach den Bodenfunden zu schließen, an ältere slawische Siedlungen anknüpfen. Überblickt man die terra Havelberg i m ganzen, so w i r d man von einem eigentlichen Landesausbau nur i n geringem Umfang sprechen können. Auch hier haben w i r es offenbar — ähnlich wie i n Wittstock — i n höherem Maße m i t einer Umbildung bestehender älterer Siedlung zu tun, während die Erweiterung und Verdichtung des Siedlungsnetzes demgegenüber zurücktritt. Die terra Pritzwalk unterscheidet sich von den bisher behandelten drei Ländchen dadurch i n auffallender Weise, daß slawische Funde i n ihr fast ganz fehlen. Eine Ausnahme bildet allein eine kleinere Gruppierung um Pritzwalk selber herum. Deutlich sich abhebende Zonen deutscher Ortsnamen weist zum einen das Gebiet westlich und südlich der Stadt von Langerwisch und Schönhagen bis Woltersdorf und Seefeld auf, wo eine zusammenhängende Zone deutscher Toponyme sich gut erkennbar abzeichnet. Es wäre zu fragen, ob diese Gruppe deutsch benannter Dörfer nicht zusammenhängt m i t den oben besprochenen, räumlich sich an sie anschließenden Siedlungen i m Norden des Landes Havelberg, die sich ihrerseits wiederum bis i n den Süden des Landes 1
s.
. S. 4.
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Wittstock hinein erstrecken. Es würde das allerdings ein Zusammenwirken verschiedener Herrschaftsträger bei diesem Aufsiedelungsprozeß voraussetzen. Bedenkt man, daß i n solchen Unternehmungen nicht nur die Träger der politischen Herrschaft, sondern auch die Lokatoren eine bedeutende Rolle spielten, so w i r d man eine solche Annahme nicht von vornherein ausschließen wollen. A n die genannte Gruppe i m Westen und Süden von Pritzwalk schließt sich eine zweite i m Norden an, gekennzeichnet vor allem durch eine Vielzahl von -hagen-Orten; von Steffenshagen nordwestlich Pritzwalk zieht sie sich nach Nordosten über die Linie der Dörfer von Falkenhagen bis Wilmersdorf und über die parallel laufende von Gerdshagen bis Ellershagen und Könkendorf bis hin zu der Gruppe Brügge, Warnsdorf und Halenbeck i m Nordosten. Der Anteil der deutschen Ortsnamengebung an der gesamten Toponymie des Landes liegt i n der terra Pritzwalk erheblich höher als in den anderen drei terrae. Fast alle genannten Orte liegen auf Grund- oder Endmoränen; es sind, wie die große Zahl von -hagen-Namen bereits zeigt, Rodungsdörfer. Zwischen diese beiden Zonen deutscher Ortsnamen, die den Kern der terra bilden, schieben sich einige slawisch benannte Dörfer wie Kuhbier westlich Pritzwalk, Groß- und Klein-Streckenthin nordöstlich der Stadt. Eine kleinere zusammenhängende Gruppe slawischer Ortsnamen haben w i r östlich und südöstlich Pritzwalk, die m i t Alt-Krüssow beginnt und sich nach Süden bis Boddin zieht. Auch diese Orte sind auf Grundmoränenplatten gelegen und somit sehr wahrscheinlich ebenfalls Rodungsdörfer des hohen Mittelalters. Eine Ausnahme könnte allenfalls Kemnitz ostsüdöstlich Pritzwalk bilden, das am Rande einer Grundmoräne i n der Nachbarschaft slawischer Siedelfunde liegt. Die Siedlungsdichte des Landes ist hoch; nur die Gebiete nordwestlich Pritzwalk (Grund- und Endmoränen) und i m Norden des Landes (Grund- und Endmoränen, Sander) sind weniger dicht besetzt. I m Gegensatz zu den terrae Wittstock, K y r i t z und Havelberg stellt sich das Land Pritzwalk als eine charakteristische Schöpfung des hochmittelalterlichen Landesausbaus von geradezu klassischer Ausprägung dar. Einen slawischen K e r n hat nur die engere Umgebung des zentralen Ortes selber gebildet. Der Anteil slawischer Bevölkerung an diesem umfangreichen Siedelwerk war verhältnismäßig gering — auch dies i m Gegensatz zu den drei anderen terrae, aber auch zum Lande Turne und den Besitzkomplexen der Klöster Altenkamp und Amelungsborn i m Lande Lietze i m Nordosten der Prignitz. I h r besonderer, unterscheidender Charakter dürfte der terra Pritzwalk von derjenigen herrschaftlichen Gewalt aufgeprägt worden sein, die als der Hauptträger der Siedlung hier anzusehen ist, den askanischen Markgrafen von Brandenburg.
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Die zur Ostprignitz gehörenden Teile der Länder Perleberg und Grabow sind zu klein, um Aussagen von allgemeiner Gültigkeit zu erlauben. Größer ist der zur Ostprignitz gehörige Teil der terra Putlitz, die i m Zentrum ebenso wie i m Norden von einer ausgedehnten Sanderfläche eingenommen wird. I m Westen liegt ein größerer Grundmoränenblock, i m Osten befinden sich Grund- und Endmoränenzüge. Slawisch benannte Dörfer begleiten den ganzen Lauf der Stepenitz; wenn hier auch slawische Siedelfunde fehlen, w i r d man die Dörfer des StepenitzTales doch wohl unbedenklich als Fortsetzungen „vorkolonialer" slawischer Siedlungen einstufen dürfen. Das gleiche gilt wohl auch für die Dörfer m i t slawischem Namen am Rande der Grundmoräne i m Westen. I n beiden Fällen, bei den slawisch benannten Dörfern des StepenitzTales wie denen am Rande der westlichen Grundmoräne, ist das Fehlen slawischer Bodenfunde wohl m i t einer Fundlücke zu erklären. Anders steht es m i t den drei slawisch benannten Dörfern mitten auf der östlichen Grundmoräne, die sehr wahrscheinlich als hochmittelalterliche Neugründungen anzusehen sind. N u r die am Südrande gelegene Wüstung Zernezin, die lediglich durch einen erhaltenen Stellennamen bezeugt ist, könnte i n die „vorkoloniale" Zeit zurückreichen. Von den drei westlich und südwestlich auf dem Sander gelegenen slawisch benannten Dörfern trägt eines (Lübbersdorf) einen slawisch-deutschen Mischnamen; man muß deshalb annehmen, daß es i m hohen Mittelalter erst angelegt worden ist, wenn auch damit eine slawische Wurzel nicht ausgeschlossen wird. Es bleibt jedenfalls möglich, die Gründung aller drei Dörfer erst i n das hohe Mittelalter zu datieren. Die deutsch benannten Dörfer bilden in der terra Putlitz eine deutliche Minderheit. Sie liegen vorwiegend auf der Sanderfläche; es verwundert deshalb nicht, daß nur wenige den spätmittelalterlichen Wüstungsprozeß überdauert haben. I m ganzen deutet alles darauf hin, daß i n dem zur Ostprignitz gehörenden Teil der terra Putlitz von den Landesherren, den Edlen Gans, ein Landesausbau von nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorgenommen worden ist. Slawische Bevölkerung war daran offenbar ebenso beteiligt wie deutsche. A l l e m Anschein nach haben sich also die verschiedenen Herrschaftsträger innerhalb der Ostprignitz i n der Praxis ihrer Siedlungspolitik recht verschieden verhalten, die Bischöfe und das Domkapitel von Havelberg anders als die Herren von Plotho oder die Edlen Gans von Putlitz, diese anders als das Kloster Amelungsborn und alle zusammen anders als die Markgrafen von Brandenburg. Wahrscheinlich könnte diese These durch eine Analyse der Siedelformen der einzelnen terrae noch gestützt werden 1 5 4 . 154
Vgl. dazu Krenzlin,
Siedlungsstrukturen (s. Anm. 11), S. 131 ff.
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Unser Überblick hat gezeigt, daß in den einzelnen terrae der östlichen Prignitz der hochmittelalterliche Landesausbau i n verschiedenem Ausmaße betrieben worden ist. Er hat aber weiter gelehrt, daß slawische Bevölkerung an diesem Siedelwerk hier offenbar i n viel höherem Maße beteiligt war als i n anderen Teilgebieten der Mark Brandenburg; slawisch benannte Dörfer, die aller Wahrscheinlichkeit nach erst i m Zuge der hochmittelalterlichen Siedlung entstanden sind, finden w i r innerhalb der Mark Brandenburg nach dem bisherigen Erkenntnisstand sonst nur noch i m Fläming 1 5 5 . Eine Ausnahme bildet allein das Land Pritzwalk, i n dem slawisch benannte Dörfer des hohen Mittelalters zwar ebenfalls nicht fehlen, die deutschen Ortsnamen aber bei weitem überwiegen. Freilich zeigt sich auch i n der terra Pritzwalk, daß ein deutscher Ortsname keineswegs i n jedem Fall für eine rein deutsche Bevölkerung des Dorfes zeugt. Nordnordwestlich Pritzwalk liegt das Dorf Schönhagen, eine deutsche Rodungssiedlung, nach dem Namen zu urteilen. Unmittelbar nördlich des Dorfes haben w i r den Stellennamen „Dörpstätte", und ebendort konnten slawische Siedelfunde festgestellt werden 1 5 6 . Es kann also kaum ein Zweifel sein, daß an der Gründung des „deutschen" Rodungsdorfes Schönhagen auch slawische Bevölkerung beteiligt war. I n der Gemarkung von Beveringen, östlich Pritzwalk, liegt ein spätslawischer Fundplatz, dessen Bevölkerung im mittelalterlichen Dorf Beveringen aufgegangen sein dürfte 1 5 7 . Ähnliches findet sich auch i n anderen Teilen der Ostprignitz. I n dem zur Ostprignitz gehörigen Teile der terra Perleberg liegt das Dorf Kehrberg; ein nordöstlicher Teil der F l u r trägt die Namen „die hintersten, mittelsten und vordersten Wendländer" 1 5 8 , ein sicheres Zeichen dafür, daß i m mittelalterlichen Dorf Kehrberg eine ältere slawische Siedlung aufgegangen ist. I m Lande Wittstock haftet an einem Platze westlich des Dorfes Groß-Haßlow (nordwestlich W i t t stock) der Stellenname „Zielitz", der auf eine ältere slawische Siedlung hinweist 1 5 9 . Das benachbarte Klein-Haßlow hatte nach dem Kataster von 1686 nur 8 Halbhüfner oder Kossäten; die Feldmark umfaßte dementsprechend zusammen m i t der vollen Hufe des Schulzen nur 5 Hufen. Diese Angaben liegen freilich reichlich spät, doch hat Klein-Haßlow schon 1550 nur 11 Kossäten; 1576 werden 12 Kossäten gezählt 1 6 0 . Diese 155
s. A n m . 53. s. Matthes (s. A n m . 151), S. 249 m i t Abb. 107. Corpus (s. A n m . 47), S. 95; die dort gegebene Datierung „wahrsch. 8. - 10. Jh." bedarf der Überprüfung. 157 s. Corpus (s. A n m . 47), S. 93. 158 Flurnamensammlung des Geh. Staatsarchivs Preuß. Kulturbesitz, K r . Ostprignitz; s. zu dieser Sammlung o. S. 49 f.; vgl. Enders (s. A n m . 25), S. 175. 159 Flurnamensammlung (s. A n m . 158). Z u r Bedeutung des Stellennamens Zielitz s. o. S. 56. 156
160
s. Enders (s. A n m . 25), S. 142.
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„Einschichtigkeit" der Sozialstruktur des Dorfes scheint auf slawischen Ursprung hinzuweisen. A u f der Gemarkung von Goldbeck südöstlich Wittstock findet sich der Stellenname „Wenddorf" an einem Platze südsüdöstlich des Ortes, an dem spätslawische und mittelalterliche Funde beobachtet werden konnten; in geringer Entfernung von diesem spätslawischen Fundplatz liegt noch ein zweiter, dessen Datierung freilich nicht sicher ist 1 6 1 . Goldbeck hat demnach wahrscheinlich die Bevölkerung zweier, wohl kleinerer slawischer Dörfer i n sich aufgenommen. Südlich von Wulfersdorf i m Norden des Landes Wittstock trägt ein Flurteil den Namen „Wendfeld", und i n unmittelbarer Nähe ist der Stellenname „ O l l Dörpen" bezeugt 162 . Ein „Wenddorf" m i t slawischen Funden und ein zweiter namenloser slawischer Fundplatz liegen auch nahe bei Fretzdorf i m Norden der terra K y r i t z 1 6 3 , doch muß offenbleiben, ob diese Siedlungen i n Fretzdorf oder i m südlich benachbarten Lüttkendosse aufgegangen sind 1 6 4 . Papenbruch südwestlich Wittstock hat gleichfalls ein „Wenddorf" i n seiner nächsten Nachbarschaft 165 , östlich Herzsprung, ebenfalls im Norden der terra K y r i t z gelegen, ist ein slawischer Fundplatz m i t dem Stellennamen „ I m alten Dorf" bezeichnet 166 . I n Steinberg nordwestlich K y r i t z haben w i r den nicht sehr häufigen Fall slawischer Funde i m Orte selbst 1 6 7 ; ebenso i n der Wüstung Havekedael nordwestlich Putlitz. A u f Dahlhausen und Horst i n der terra Havelberg wurde schon oben hingewiesen 168 . Das sind insgesamt nicht allzu viele Fälle. Doch darf die Lückenhaftigkeit sowohl der Aufnahme der archäologischen Funde wie auch der Flurnamensammlung hier nicht vergessen werden. Eine Anzahl von deutsch benannten Dörfern haben i n ihrer Nachbarschaft „neutrale" Wüstungsflurnamen wie „Altes Dorf"; auch an solchen Plätzen mögen slawische Siedlungen gestanden haben, wenn es sich um Dörfer handelt, die i n altem slawischen Siedlungsgebiet gelegen sind, wie etwa Schönebeck i m Westen der terra Havelberg (südöstlich Pritzwalk). 161 s. Matthes (s. A n m . 151), S. 151 f. m i t Abb. 42; Corpus (s. A n m . 47), S. 96. 162 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); vgl. Matthes (s. A n m . 151), S. 292 m i t Abb. 133; Enders (s. A n m . 25), S. 432. 163 s. Matthes (s. A n m . 151), S. 134 m i t Abb. 34; Corpus (s. A n m . 47), S. 95 f. (der Fundplatz „Wenddorf" dort nicht verzeichnet). 164 s. auch u. S. 85. 165 Flurnamensammlung (s. A n m . 158). Enders (s. A n m . 25), S. 280. 168 s. Matthes (s. A n m . 151), S. 162 m i t Abb. 49; Corpus (s. A n m . 47), S. 97. 167 Z u der Wüstung Steinberg s. Enders (s. A n m . 25), S. 366; Enders n i m m t sicher m i t Recht an, daß die Wüstung St. an der Stelle zu suchen ist, an der der Stellenname „Altes Dorf" i m Norden der Feldmark von Gantikow haftet. A n dieser Stelle hat bereits Matthes (s. A n m . 151), S. 146 m i t Abb. 38, slawische u n d mittelalterliche Funde beobachtet; vgl. jetzt Corpus (s. A n m . 47), S. 102. 1 s . o. S. 5.
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I n gewisser Weise überraschend w i r k t , daß bei deutschnamigen Dörfern i n Regionen, die von slawischen Funden frei sind, besonders also i n der terra Pritzwalk, Wüstungsflurnamen wie „Altes Dorf" oder „Dorfstelle" verhältnismäßig selten sind. I m Nordwesten des Kreises Ostprignitz, der zum Bereich der terra Putlitz gehört, sind Krumbeck 1 6 9 und Gösseldörp 170 zu nennen. Ebenfalls i n der terra Putlitz liegt die Wüstung Silmersdorf ; südlich der Dorf läge haben w i r den Stellennamen „Dörpstell" 1 7 1 . I n der terra Pritzwalk liegt Könkendorf nordöstlich der Stadt; am nordwestlichen Rande der Gemarkung haftet der Stellenname „ A l t e Dorf stelle" 1 7 2 . A u f der Feldmark von Biesendorf liegen zu beiden Seiten des Dorfes zwei Siedelplätze m i t „mittelalterlichen" Funden 1 7 3 ; hier könnte eine Zusammenlegung von zwei oder drei älteren Siedlungen stattgefunden haben — offenbar m i t Beteiligung slawischer Bevölkerung, denn der Name des Dorfes ist als Mischname einzustufen. Nordwestlich von Kuhsdorf (südwestlich Pritzwalk) liegt ein Fundplatz m i t „mittelalterlichen" Funden, für den der Stellenname „Dorfstelle" überliefert ist 1 7 4 . Auf der Feldmark von Groß-Woltersdorf südlich Pritzwalk liegt nicht nur die Wüstung Brünkendorf, sondern nahe dabei auch der Stellenname „Dorfstelle" 1 7 5 . Innerhalb der terra Havelberg könnte die lokale Überlieferung, nach der nördlich von Dannenwalde i m Zentrum der terra ein altes Dorf bestanden habe, gleichfalls i n diesen Zusammenhang gehören 1 7 6 ; doch mag es sich hier, berücksichtigt man die Gesamtsituation des Karthanegebietes, zu dem das Dorf gehört, auch um eine ältere slawische Sied169 Das mittelalterliche Dorf Krumbeck ist m i t Matthes (s. A n m . 151), S. 182 m i t Abb. 65, am Ostrand der Gemarkung von K r . zu suchen; vgl. auch Enders (s. A n m . 25), S. 200. Matthes ebd. verzeichnet südwestlich des heutigen Dorfes Krumbeck den Stellennamen „ A l t e Dorfstelle" und vermutet dort die Lage der Krumbeck benachbarten Wüstung Ziemersdorf. M i t überzeugenden Gründen dagegen Enders ebd., S. 449. Demnach bezeichnet die „ A l t e Dorfstelle" westlich Krumbecks eine ältere Lage des Dorfes, das somit drei Phasen durchlaufen hat: die 1. Phase an der „ A l t e n Dorf stelle", eine 2., ebenfalls noch mittelalterliche, an einer Stelle i m Osten der Gemarkung, eine 3., neuzeitliche, i n der heutigen Dorflage. 170 Von Gösseldörp hat sich n u r der Name als Stellenname innerhalb der Gemarkung Krempendorf erhalten: Flurnamensammlung (s. A n m . 158); nicht verzeichnet bei Enders (s. A n m . 25). Dicht daneben liegt der Stellenname „Dörpstellen" : Flurnamensammlung. 171 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); bei Enders (s. A n m . 25) nicht v e r zeichnet; s. aber die Bemerkung von Matthes (s. A n m . 151), S. 254. 172 Matthes (s. A n m . 151), S. 177 m i t Abb. 60; Enders (s. A n m . 25), S. 187. 173 Matthes (s. A n m . 151), S. 98 m i t Abb. 11. 174 Matthes, S. 186 m i t Abb. 68; Enders (s. Anm. 25), S. 204. 175 Flurnamensammlung (s. A n m . 158) („Oberdorfstelle"); vgl. Enders (s. A n m . 25), S. 429. Die i n der Flurnamensammlung ebenfalls aufgenommene „Unterdorfstelle" identifiziert Enders zu Recht als die Ortslage der Wüstung Brünkendorf. 176
s. Matthes (s. A n m . 151), S. 117 m i t Abb. 23.
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lung handeln. Die benachbarte terra K y r i t z scheint ganz frei von Fällen der hier behandelten A r t zu sein, wenn w i r nicht den von Herzsprung i m Norden der terra hier noch anziehen wollen. I n der Gemarkung des Dorfes liegt eine spätslawische Siedlung, die durch den Stellennamen „ I m alten Dorf" gekennzeichnet ist 1 7 7 . Südöstlich des Dorfes aber finden sich an einem Platze, der den Stellennamen „Wöhrden" trägt, „mittelalterliche" Funde und Fundamente 1 7 8 , die eine ältere, aber noch mittelalterliche Siedlung markieren. Demnach wäre das 1339 zuerst erwähnte Herzsprung erwachsen aus der Vereinigung einer älteren slawischen und einer älteren deutschen Siedlung. I m Lande Wittstock ist Christdorf südlich Wittstock zu nennen; westlich des Südausganges von Christdorf liegt der Stellenname „Die alten Dörfer" 1 7 9 . A u f der Feldmark von Königsberg i m Südzipfel des Landes ist nordwestlich der Ortslage der Stellenname „Altkönigsberg" bezeugt 1 6 0 . Wahrscheinlich handelt es sich um die ursprüngliche Lage des Dorfes Königsberg. I m Norden des Landes haben w i r mit Wulfersdorf einen Fall, der dem von Herzsprung ähnelt. Südlich des Dorfes ist der Flurname „Wendfeld" überliefert und daneben der Stellenname „ O l l Dörpen" 1 8 1 . I m nordöstlichen Teil der Gemarkung liegt ein durch „ m i t telalterliche" Funde markierter Siedelplatz 182 . Es wäre danach zu schließen, daß i n dem 1309/19 zuerst bezeugten Wulfersdorf sowohl eine ältere slawische als auch eine ältere deutsche Siedlung aufgegangen sind. I m Nordwesten der Ostprignitz ist schließlich noch die Wüstung Wusterade anzuführen, die auf einem als „Untere Dorfstelle" bezeichneten Platz m i t „mittelalterlichen" Funden zu lokalisieren ist 1 8 3 . Nordwestlich von ihr befindet sich die „Obere Dorf stelle" 1 8 4 , die wohl als ältere Lage von Wusterade angesehen werden muß. Es scheint also nach dem jetzt gewonnenen Bilde, daß sekundäre, aber noch mittelalterliche Verlegungen deutscher Neugründungen des hohen Mittelalters in etwas größerer, aber nicht wirklich großer Zahl nur i m Lande Pritzwalk stattgefunden haben. Da w i r in dieser terra ohnedies die bei weitem größte Zahl deutscher Neugründungen haben, kann ein solches Ergebnis nicht sonderlich überraschen. Eher überraschend w i r k t es, daß die Zahl der Siedlungsverlegungen i m Lande 177 178
S. 154. 179 180 181 182 183 184
s. o. S. 80 m i t A n m . 166. s. Matthes (s. A n m . 151), S. 162 m i t Abb. 49; vgl. Enders (s. A n m . 25), Matthes (s. A n m . 151), S. 113; vgl. Enders (s. A n m . 25), S. 59. s. Flurnamensammlung (s. A n m . 158). s. o. S. 80 m i t A n m . 162. Matthes, o. A n m . 162. Matthes (s. A n m . 151), S. 286 m i t Abb. 131; Enders (s. A n m . 25), S. 434 f. Ebd.
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Pritzwalk nicht bedeutend höher liegt. Vermutlich haben w i r hier m i t einer Materiallücke zu rechnen. Die Siedlung i n der Prignitz hat früh begonnen und sich wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckt. Die ausgebildeten Planformen der östlichen Mittelmark kennt sie dementsprechend noch nicht. Unter diesen Umständen ist es wahrscheinlich, daß die Zahl der Siedlungsverlegungen höher war, als die Karte erkennen läßt. Was nun die slawisch benannten Dörfer betrifft, so wurde schon gesagt, daß nur ein Teil von ihnen auf ältere slawische Siedlung zurückzuführen ist. Diejenigen Dörfer slawischen Namens, die i n fundleeren Regionen, besonders auf Grund- und Endmoränen, gelegen sind, müssen wohl als Neugründungen des hohen Mittelalters angesehen werden. Das gilt auch für die Dörfer des Klosters Amelungsborn um Dranse i n der Lietze, die nicht nur nach ihrem Namen, sondern auch nach dem besonderen, als ius slavicale bezeichneten Besitzrecht der Bauern sich als slawisch ausweisen 185 . Daß Dörfer nach „slawischem Recht" auch i m hohen Mittelalter noch neu angelegt wurden, macht, wie noch zu zeigen sein wird, auch der Fall der villa slavicalis Zarenthin i m Süden der terra Havelberg wahrscheinlich 186 . Solange aus diesem Gebiet keine Bodenfunde vorliegen, die das Gegenteil beweisen, müssen w i r annehmen, daß diese Dörfer zum größten Teil von den Klöstern Amelungsborn und Altenkamp neu angelegt worden sind. Eine Ausnahme bildet wohl Schweinrich, i n dessen F l u r östlich des Dorfes zweimal der Stellenname „Zielitz" überliefert i s t 1 8 7 ; Schweinrich w i r d deshalb wohl aus der Vereinigung zweier älterer slawischer Dörfer hervorgegangen sein 1 8 8 . I m Falle von Alt-Berlin, das nur i n einem Stellennamen i n der Feldmark von Berlinchen fortlebt, von der benachbarten Wüstung Groß-Berlin aber zu unterscheiden ist 1 8 9 , muß wohl eine mittelalterliche Siedlungsverlegung angenommen werden: Groß-Berlin dürfte ursprünglich an der Stelle von A l t - B e r l i n gelegen haben. I n Anbetracht der Vielzahl slawisch benannter Dörfer i n der Ostprignitz w i r k t die kleine Zahl derjenigen Orte überraschend, i n denen sich Kontinuität des Platzes seit der spätslawischen Zeit nachweisen läßt. Daß das auch von den deutschnamigen Dörfern Steinberg nordwestlich K y r i t z und Havekedael nordwestlich Putlitz gilt, wurde schon 185
CDB A I, p. 451 ss.; dazu Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 118 f. s. o. S. 55 u. S. 90. 187 Flurnamensammlung (s. A n m . 158). 186
188 Es ist deshalb w e n i g wahrscheinlich, daß der Name Schweinrich niederländischen Ursprungs ist, wie Bathe (s. A n m . 43), S. 100, annimmt. A n der slawischen Deutung von Trautmann (s. A n m . 29) I I , S. 102, bleibt festzuhalten. 189 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); zu Groß-Berlin s. Enders (s. A n m . 25), S. 20 f.; Matthes (s. A n m . 151), S. 287.
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bemerkt 1 9 0 . Vermutlich sind diese Dörfer aus einem Ausbau älterer slawischer Siedlungen entstanden, an dem auch deutsche Bevölkerung beteiligt war. Sonst sind einige Dörfer i m Lande Turne, i m äußersten Nordosten der Ostprignitz, zu nennen, wie die Wüstungen Lutterow, Wallnitz, Bremin. I m Lande Lietze findet sich kein derartiger Fall, i n der terra Wittstock nur einer: die Wüstung Podarge nördlich W i t t stcck 1 9 1 . Die terra K y r i t z weist neben Steinberg immerhin vier Beispiele auf: die Wüstung Westfalen südlich K y r i t z 1 9 2 , die Wüstung K e t t i n westnordwestlich K y r i t z 1 9 3 , die Wüstung Radenthin westnordwestlich K y r i t z 1 9 4 und schließlich die Wüstung Tornow östlich K y r i t z 1 9 5 . I n der terra Havelberg ist nur Gumtow westnordwestlich K y r i t z zu nennen 1 9 6 . Aus der terra Pritzwalk ist — erwartungsgemäß — kein Fall bekannt, der hierher gehörte, und auch der zur Ostprignitz gehörige Teil der terra Perleberg fällt i n diesem Zusammenhange aus. Nur i m äußersten Nordwesten, der ursprünglich zur terra Grabow gehört hat, liegt die Wüstung Damerow auf einem spätslawischen Fundplatz 1 9 7 . Das ist eine recht kleine Zahl von Orten. Doch ist hier zu berücksichtigen, daß Bodenfunde i n bestehenden Ortschaften noch selten sind. M i t Ausnahme von Steinberg und Gumtow handelt es sich i n allen hier aufgeführten Fällen von Dörfern m i t archäologisch belegter Platzkontinuität um Wüstungen, und das ist gewiß kein Zufall. Sehr wahrscheinlich könnte eine intensive, auf die Ortslagen bestehender Dörfer konzentrierte Suche die Zahl der Siedlungen m i t Platzkontinuität seit der spätslawischen Zeit nicht unwesentlich erhöhen. Freilich wäre es durchaus irrig, meinen zu wollen, daß die Dörfer m i t Platzkontinuität spätslawische Siedlungen unverändert fortgesetzt hätten. Das dürfte 190
s. o. S. 80. Z u Podarge s. Enders (s. A n m . 25), S. 288 (unter dem verderbten Namen Podarft); Corpus (s. A n m . 47), S. 95 (die dortige Datierung „wahrscheinlich 8. - 10. Jh." bedarf der Überprüfung). 192 Z u Westfalen s. Enders (s. A n m . 25), S. 416; Corpus (s. A n m . 47), S. 106. 193 Die Wüstung K e t t i n ist n u r aus einem Flurnamen der Gemarkung von K y r i t z bekannt: Flurnamensammlung (s. A n m . 158). Sie w i r d sehr w a h r scheinlich lokalisiert durch den spätslawischen Fundplatz der Gemarkung Rehfeld südlich des Dorfes Mechow, an der der Stellenname „Dorfstelle" haftet; s. zu i h m Corpus (s. A n m . 47), S. 108, und Enders (s. A n m . 25), S. 312. Nicht gänzlich auszuschließen ist freilich, daß K e t t i n nicht unmittelbar an der „Dorfstelle" der Feldmark Rehfeld gelegen hat. 194 Radenthin ist n u r durch einen entsprechenden Stellennamen i n der Gem a r k u n g von Demerthin bezeugt: Flurnamensammlung (s. A n m . 158). Der Name haftet an einem Platze, an dem spätslawische Funde festgestellt w o r den sind: Corpus (s. A n m . 47), S. 101. 195 Z u T. s. Enders (s. A n m . 25), S. 385 f.; Matthes (s. A n m . 151), S. 266 m i t Abb. 121; Corpus (s. A n m . 47), S. 109 f. 196 s. Corpus (s. A n m . 47), S. 103. 197 s. Enders (s. A n m . 25), S. 66; Corpus archäologischer Quellen zur F r ü h geschichte auf dem Gebiet der DDR, 1. Lief., B e r l i n (O) 1973, S. 105. 191
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wohl i n keinem Falle anzunehmen sein. Zweifellos haben sämtliche Dörfer m i t Platzkontinuität einen mehr oder weniger umfangreichen Um- und Ausbau erfahren. Gumtow etwa stellt sich auf der Separationskarte als klassisches Straßendorf dar, das i n dieser Form gewiß nicht i n die slawische Zeit zurückzudatieren ist. I n einer Reihe von Fällen ist auch i n der Ostprignitz, ebenso wie i n anderen Landschaften Nordostdeutschlands, eine Verlegung slawischer Siedlungen festzustellen oder auch eine Zusammenlegung von mehreren älteren Siedlungen. Das gilt besonders für einige Dörfer i n den Ländern Lietze und Turne, wo freilich das Motiv der Verlegung nicht recht deutlich wird. Unklar ist der Fall von Biesen nordnordwestlich Wittstock, i n dessen Gemarkung an einem Platz m i t „mittelalterlichen" Funden der Stellenname „Altes Dorf" haftet 1 9 8 . Der Name von Biesen ist zwar slawisch, doch nicht eindeutig als primärer Siedlungsname zu bestimmen. Es wäre also möglich, daß an der Stelle des „ A l t e n Dorfes" erst im hohen Mittelalter eine Siedlung entstanden ist, die einen slawischen örtlichkeitsnamen als Siedlungsnamen übernommen hätte und einige Zeit später an die Stelle des heutigen Dorfes verlegt worden wäre. Biesen gehört zu der oben schon erwähnten Gruppe slawisch benannter Dörfer, die die breite Niederung nordwestlich Wittstock säumen und bei denen sich slawische Funde bisher nicht haben feststellen lassen. Z u der gleichen Dorfgruppe gehört auch Jabel, i n dessen Feldmark ein Flurteil den Namen „Dörpstellkoppeln" trägt 1 9 9 . Es stellt sich hier die gleiche Frage wie i m Falle Biesen, zumal der Name Jabel primär ein örtlichkeitsname ist. Ob Dossow südsüdöstlich Wittstock ursprünglich an der Stelle des slawischen Fundplatzes östlich des heutigen Dorfes gelegen hat, muß offenbleiben, da die Funde an dieser Stelle sich nicht näher datieren lassen 200 . Nicht eindeutig ist auch der Fall Lüttkendosse i m Norden der terra Kyritz. Nordöstlich der erschließbaren Ortslage der Wüstung Lüttkendosse liegt ein undatierter slawischer Fundplatz und nordöstlich von diesem wiederum der Stellenname „Wenddorf", alles innerhalb der Gemarkung von Fretzdorf 2 0 1 . Die Siedlungen, auf die Fundplatz wie Wüstungsflurname hinweisen, können i m nördlichen Fretzdorf ebenso wie i m südlichen Lüttkendosse aufgegangen sein; eine Entscheidung ist 198
Matthes (s. A n m . 151), S. 95 m i t Abb. 9. Corpus (s. A n m . 47) verzeichnet f ü r B. keine Funde. 109 Flurnamensammlung (s. A n m . 158). 200 Corpus (s. A n m . 47), S. 95. 201 Matthes (s. A n m . 151), S. 133 f. m i t Abb. 34; Corpus (s. A n m . 47), S. 95 f. Z u Lüttkendosse s, Enders (s. A n m . 25), S, 238,
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schwer zu treffen 2 0 2 . Das „Wenddorf", das zwischen Wutike nordwestlich K y r i t z und Wüsten-Barenthin an der Stelle eines Platzes m i t „mittelalterlichen" Funden liegt 2 0 3 , bezeichnet entweder die ursprüngliche Lage von Wutike oder die von Wüsten-Barenthin. Da sich dort aber bisher nur mittelalterliche Funde gezeigt haben, muß damit gerechnet werden, daß Wutike oder Wüsten-Barenthin oder beide Dörfer nicht an eine spätslawische Siedlung angeknüpft haben, obwohl es sich um ein Gebiet handelt, das m i t slawischen Fundplätzen locker durchsetzt ist. Ob Demerthin westlich K y r i t z ursprünglich an dem slawischen Fundplatz südöstlich des Dorfes gelegen hat, muß offenbleiben, da die Funde nicht näher datierbar sind 2 0 4 . Unklar bleibt auch die Frage nach der Bedeutung des slawischen Fundplatzes nordöstlich Rehfeld (westlich Kyritz), der ebenfalls undatierbar ist 2 0 5 . Zudem ist ungewiß, ob er auf Rehfeld oder auf die nahegelegene Wüstung K e t t i n zu beziehen ist; da K e t t i n auf einem Platz m i t spätslawischen Funden liegt, ist die erste Möglichkeit wohl eher i n Betracht zu ziehen. Auch auf der Feldmark von Schönermark i m Süden des Landes K y r i t z liegt südlich des Ortes eine undatierbare slawische Fundstelle 2 0 6 ; entsprechendes gilt von dem Fundplatz nordöstlich des Dorfes Holzhausen (südsüdwestlich K y r i t z ) 2 0 7 . Eine ganz andere Situation haben w i r i m Falle von Bantikow südöstlich Kyritz. A u f der Gemarkung haben sich nicht weniger als vier slawische Fundplätze feststellen lassen, davon drei i n die spätslawische Zeit datierbar 2 0 8 . Da der vierte, undatierte, auf einem Flurteil liegt, der den primären slawischen Siedlungsnamen „Vettin" trägt, dürfte auch er i n spätslawischer Zeit noch besetzt gewesen sein, da sonst die Namenkontinuität kaum verständlich wäre. I n Bantikow haben w i r also einen Fall von Siedlungskonzentration, wie w i r ihn sonst nur i m Lande Turne feststellen können. Zusammenfassend läßt sich für die terra K y r i t z sagen, daß Verlegungen slawisch benannter Dörfer, die m i t Sicherheit als solche erkennbar werden, nicht zahlreich sind. Die Forschung w i r d hier weiterkommen können, wenn es ihr möglich wird, die slawischen Fundplätze i n größerer Zahl zu datieren. Ähnlich wie i n dem zuletzt behandelten Bantikow scheint auch i n Breddin i m Süden der terra Havelberg eine Siedlungskonzentration 202
s. auch o. S. 80. 203 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); Matthes (s. A n m . 151), S. 294 m i t Abb. 135. Enders (s. A n m . 25), S. 436, die das „Wenddorf" nicht vermerkt. Keine Funde verzeichnet f ü r W u t i k e das Corpus (s. A n m . 47). 204 Corpus (s. A n m . 47), S. 101. 205 Corpus (s. A n m . 47), S. 108; Matthes (s. A n m . 151), S. 237 m i t Abb. 99. 206 Matthes, S. 247 m i t Abb. 106; Corpus (s. A n m . 47), S. 109. 207 Matthes, S. 163 m i t Abb. 50; Corpus (s. A n m . 47), S. 103. 208 Matthes, S. 88 m i t Abb. 3; Corpus (s. A n m . 47), S. 97 f. Der Flurname „ V e t t i n " nordöstlich B a n t i k o w ist n u r i m Corpus bezeugt.
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feststellbar. A u f der Gemarkung liegen zwei slawische Fundplätze, von denen der eine i n die spätslawische Zeit datiert werden kann, während der andere einstweilen undatiert bleibt 2 0 9 . Außerdem aber fanden sich an einer Stelle der Gemarkung, die den primären slawischen Siedlungsnamen „Prenzlow" trägt, „mittelalterliche" Funde 2 1 0 . Da Prenzlow i n einem Gebiet slawischer Bodenfunde liegt, das vermutlich zum Stammesgebiet der Brizanen gehört hat 2 1 1 , ist eine hochmittelalterliche Entstehung des Ortes nicht wahrscheinlich; wenn Funde der spätslawischen Zeit hier noch nicht beobachtet worden sind, dann muß i n diesem Falle doch wohl eine Forschungslücke angenommen werden. Vermutlich ist also das 1273 zuerst bezeugte Breddin 2 1 2 aus der Konzentration von drei älteren slawischen Siedlungen entstanden. Einen sicheren Fall von Siedlungsverlegung bietet das Nachbardorf Kötzlin, i n dessen Gemarkung ein spätslawischer Fundplatz auf einer Stelle beobachtet werden konnte, die den Namen „Altes Dorf" t r ä g t 2 1 3 ; offen bleibt, ob auch der undatierte Fundplatz südöstlich Kötzlin i n der Entstehung des Dorfes eine Rolle gespielt hat. Nördlich von Kötzlin liegt Barenthin, i n dem offenbar zwei spätslawische Siedlungen aufgegangen sind 2 1 4 , während i m benachbarten Granzow eine Siedlungsverlegung anzunehmen ist — südöstlich des Dorfes ist der Stellenname „Dorfstelle" bezeugt an einem Platze, an dem undatierte slawische Funde festzustellen waren 2 1 5 . Eine Siedlungsverlegung läßt sich auch im Falle des i m Südwesten der terra gelegenen Vehlin konstatieren; hart nordwestlich des Dorfes liegt ein spätslawischer Fundplatz 2 1 6 . Die Wüstung Beckenthin nördlich von Vehlin hat anscheinend ursprünglich etwas weiter südlich gelegen an der Stelle eines undatierten slawischen Fundplatzes, wenn dieser Platz nicht auf das nächst benachbarte Kunow zu beziehen ist 2 1 7 . Einen interessanten Fall bietet Brüsenhagen i m Zentrum der terra Havelberg, ein Rodungsdorf seinem Namen nach. Doch trägt der Ort einen Mischnamen; Beteiligung slawischer Bevölkerung an seiner Entstehung ist deshalb sehr wahrscheinlich. Diese Annahme w i r d bestätigt durch die Feststellung, daß südwestlich des Dorfes der Stellenname „Wendstädt" 209
Matthes, S. 103 m i t Abb. 13; Corpus (s. A n m . 47), S. 99 f. Der Stellenname „Prenzlow" ist i n der Flurnamensammlung (s. A n m . 158) verzeichnet, w a r aber auch Matthes schon bekannt, s. die vor. A n m . 211 s. o. S. 69. 212 Enders (s. A n m . 25), S. 41. 213 Matthes (s. A n m . 151), S. 178 m i t Abb. 61; Corpus (s. A n m . 47), S. 104; Flurnamensammlung (s. A n m . 158). 214 Corpus (s. A n m . 47), S. 98. 215 Matthes (s. A n m . 151), S. 155 m i t Abb. 45; Corpus (s. A n m . 47), S. 102. 216 Matthes, S. 271 m i t Abb. 123; Corpus (s. A n m . 47), S. 111. 217 Matthes, S. 89, S. 187 m i t Abb. 69; Corpus (s. A n m . 47), S. 99 (Die Lageangabe i m Corpus s t i m m t m i t der von Matthes, dem hier gefolgt w i r d , nicht überein). 210
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überliefert ist und ebendort spätslawische Funde festgestellt werden konnten 2 1 8 . Nicht minderes Interesse bietet Blandikow i m äußersten Nordzipfel des Landes Havelberg. Nach der Separationskarte von 1821 haftete an einer Stelle südwestlich der Ortslage der Flurname „Die Wendefelder" 2 1 9 . Blandikow liegt am Rande der Jägelitz-Niederung, die von slawischer Siedlung locker durchsetzt w a r 2 2 0 . Es trägt einen primären slawischen Siedlungsnamen. Man muß wohl schließen, daß i n spätslawischer Zeit ein Dorf dieses Namens an einer anderen Stelle der Gemarkung gelegen hat, das im Zuge der hochmittelalterlichen Siedlung an die heutige Stelle verlegt worden ist. Ebenfalls i n der terra Havelberg liegt die villa slavicalis Zarenthin, die indessen weiter unten behandelt werden soll. Die terra Havelberg liefert, aufs Ganze gesehen, eine wesentlich höhere Zahl sicherer Verlegungen slawisch benannter Dörfer als die Nachbarländer K y r i t z und Wittstock. I m zur Ostprignitz gehörigen Teil der terra Perleberg findet sich hart nordöstlich des Dorfes Reckenthin der Stellenname „Dorfstelle" 2 2 1 . Es handelt sich um ein Grundmoränengebiet, in dem deutsche und slawische Ortsnamen nebeneinander liegen; da zudem slawische Funde hier bislang nicht festgestellt worden sind, dürfte die „Dorfstelle" bei Rekkenthin nicht eine ältere slawische Siedlung bezeichnen, sondern eine hochmittelalterliche Gründung m i t slawischem Namen, die später verlegt worden ist. Die zur Ostprignitz gehörigen Teile der terra Putlitz liefern für unsere Frage keine Hinweise. Dagegen haben w i r i m äußeren Nordwesten der Ostprignitz i m alten Lande Grabow i n der Gemarkung von Redlin eine m i t spätslawischen Funden besetzte „Dorfstätte" 2 2 2 . Hier ist wohl nicht zu bezweifeln, daß es sich um die Verlegung einer älteren slawischen Siedlung handelt. I m Bereich der terra Pritzwalk ist, wie zu erwarten, für unsere Frage wenig zu finden. Zu nennen ist immerhin Techow östlich Pritzwalk. Westlich des Dorfes ist i n der Gemarkung von Heiligengrabe der Stellenname „ Z i t h l i t z " bezeugt 223 , der am ehesten die alte Lage von Techow angibt. Der Ort liegt i m Osten des Landes Pritzwalk i m Einzugsbereich der Jägelitz; es kann daher damit gerechnet werden, daß Techow aus 218 Matthes, S. 108 m i t Abb. 17; Corpus (s. A n m . 47), S. 100; Flurnamensammlung (s. A n m . 158). 219 Enders (s. A n m . 25), S. 28; nicht erfaßt i n der Flurnamensammlung (s. A n m . 158). 220 s. o. S. 72. 221 Flurnamensammlung (s. A n m . 158). 222 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); Matthes (s. A n m . 151), S. 235 m i t Abb. 98; Corpus 1 (s. A n m . 197), S. 107 f. 223
Flurnamensammlung (s. A n m . 158).
Siedlung i n der Ostprignitz
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der Verlegung einer älteren slawischen Siedlung entstanden ist. Westlich Pritzwalk liegt, nicht weit von der zum Stammesgebiet der Linanen gehörigen Stepenitz-Niederung entfernt, das Dorf Kuhbier, i n dessen Gemarkung sowohl der Flurname „Wendfelder" wie der Stellenname „Dörpstell" überliefert ist 2 2 4 . Obwohl östlich Kuhbier sich ein ausgesprochenes, m i t deutsch benannten Dörfern besetztes Ausbaugebiet auf Grund- und Endmoränenböden erstreckt, muß man wohl annehmen, daß die „Dorfstelle" von Kuhbier die Lage einer älteren slawischen Siedlung angibt. I n den gleichen Zusammenhang wie Kuhbier gehört auch Pankow, ein südlicher Nachbarort. Auch i n der Gemarkung von Pankow finden w i r die Flurnamen „ A l t e Dorpstücken" und „Wendfeld" 2 2 5 . W i r müssen hier auf den gleichen Sachverhalt schließen wie i n Kuhbier. I n den Fällen Kuhbier und Pankow w i r d auch das Motiv der Verlegung klar: beide Dörfer sind aus einer Sanderfläche auf den Rand einer Grundmoräne verlegt worden. Ähnlich deutlich w i r d das Verlegungsmotiv sonst nur selten, sowohl bei deutsch wie bei slawisch benannten Dörfern. Demerthin westnordwestlich K y r i t z etwa scheint wie Kuhbier von einer Sanderfläche auf den Rand einer Grundmoräne verlegt, und das Gleiche gilt für Wutike nordnordwestlich Kyritz. I n anderen Fällen aber w i r d das Motiv der neuen Ortswahl aus der Karte schwer erkenntlich. I n dieser Beziehung unterscheidet sich die Ostprignitz vom Havellande ebenso wie von der Zauche. Schließlich noch ein Wort zu den wenigen villae slavicales bzw. Wendisch-Dörfern der Ostprignitz. I m Nordwesten haben w i r Klein-Pankow und Kuwalk, die beide i m 14. Jahrhundert den Zusatz „Wendisch" i m Namen führten 2 2 6 . Die Frage, warum gerade diese beiden Dörfer einen ethnisch unterscheidenden Namenszusatz erhalten haben, kann hier nur gestellt werden. Ein „deutsch" benanntes gleichnamiges Zwillingsdorf besaß keines von beiden, und die benachbarten Siedlungen. Damerow, Redlin, Babelow, sind offensichtlich ebenfalls slawischer Herkunft. Da es sich u m ein Gebiet m i t slawischen Funden handelt, das zur StepenitzRegion der Linanen zu rechnen ist, werden beide Dörfer als fortbestehende slawische Siedlungen anzusehen sein, was freilich mindestens für Damerow ebenfalls g i l t 2 2 7 , während Redlin offenbar aus der Verlegung einer älteren slawischen Siedlung entstanden ist 2 2 8 . 224 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); Matthes (s. A n m . 151), S. 184 m i t Abb. 67. 225 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); Enders (s. A n m . 25), S. 278. 226 Enders, S. 207, 279. 227 s. o. S. 84. 228 s. o. S. 88.
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Als villa slavicalis w i r d i n der Ostprignitz nur Zarenthin bezeichnet 2 2 9 . 1275 hat das Havelberger Domkapitel auf der Feldmark von Gumtow (infra terminos dicte ville Gumthouwe) eine nova villa slavicalis begründet 2 3 9 . Sie w i r d allgemein m i t der nordwestlich von Gumtow liegenden Wüstung Zarenthin identifiziert, die erst 1667 als „Wüste Feldmark" genannt wird, und zwar als Zubehör teils der Feldmark von Gumtow, teils von Döllen und Schönhagen; da i m Nordwesten der Feldmark Gumtow der Flurname „Wendsche Kaveln" überliefert ist 2 3 1 , w i r d dort m i t Recht die Lage der Wüstung gesucht 232 . Daß die Urkunde von 1275 ein wertvolles schriftliches Zeugnis dafür bildet, daß auch i m hohen Mittelalter noch villae slavicales neu begründet werden konnten, wurde oben schon bemerkt, und es wurde auch festgestellt, daß die Frage nach der Bedeutung dieses Terminus einer Untersuchung auf breiter Materialbasis bedarf 2 3 3 . Der Fall Zarenthin scheint geeignet, dazu einen Beitrag zu liefern. Zunächst muß daran erinnert werden, daß Gumtow aus dem Ausbau einer älteren slawischen Siedlung entstanden ist 2 3 4 , ferner, daß das ganze Gebiet zu der alten slawischen Siedlungsregion von Karthane und Jägelitz gehört; nordöstlich von Zarenthin konnte ein freilich undatierter slawischer Fundplatz festgestellt werden 2 3 5 . Auch die westlichen Nachbardörfer Döllen und Klein-Döllen tragen nicht nur slawische Namen, sondern sind wahrscheinlich auch aus älteren slawischen Siedlungen hervorgegangen. Warum also die unterscheidende Kennzeichnung von Zarenthin als nova villa slavicalis? Die Erklärung scheint kaum darin zu suchen zu sein, daß hier ein neues Dorf m i t slawischer Bevölkerung entstand. Eher möglich wäre, daß das neue Dorf Zarenthin nach einem besonderen Recht begründet wurde, vielleicht einem ähnlichen, wie w i r es i n Raderang als ius slavicale kennengelernt haben 2 3 6 . Damit soll aber gewiß nicht gesagt werden, daß der Terminus villa slavicalis etwa i n allen Fällen eine solche siedlungsrechtliche Bedeutung besessen haben müßte. Schließlich soll hier noch der Versuch gemacht werden, das Bild, das die Siedlung i n der Ostprignitz unter der besonderen Fragestellung 229 Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 113, h ä l t auch Breddin f ü r eine villa slavicalis; doch w i r d i n der von V. angezogenen Urkunde von 1284, die die beiden Dörfer K ü m m e r i t z u n d Breddin nebeneinander nennt, n u r die erste i n dieser besonderen Weise charakterisiert: CDB A I I I , p. 94 s. (duas nostras villas Kummerviz villam Slavicalem et Breddin villam). 230 CDB A I I I , p. 93; vgl. Vogel, Verbleib (s. A n m . 39), S. 112. 231 Flurnamensammlung (s. A n m . 158); Matthes (s. A n m . 151), S. 157; Enders (s. A n m . 25), S. 136. 232 s. Enders, S. 440. 233 s. o. S. 55. 234 Ebd. 235 Corpus (s. A n m . 47), S. 201 (Gemarkung Dannenwalde). 238 s. o. S. 83.
Siedlung i n der Ostprignitz
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unserer Karte bietet, zu vergleichen m i t den Siedlungsbildern, die i n anderen Regionen der Germania Slavica bisher erarbeitet worden sind. Da ist freilich zunächst die Uneinheitlichkeit des Siedlungsverlaufes i n der Ostprignitz noch einmal zu betonen. Die terra Pritzwalk steht i n einem scharfen Gegensatz zu den übrigen terrae des Gebietes. Sie stellt sich als eine klassische Region des hochmittelalterlichen Landesausbaus dar, an dem slawische Bevölkerung hier anscheinend nur i n geringem Umfang beteiligt war. Insofern ließe sich das Land Pritzwalk etwa m i t dem Hohen Teltow vergleichen 237 . I m Hohen Teltow haben w i r eine Grundmoränenplatte, die nur von wenigen kleineren Gewässerläufen durchzogen wird. Slawische Siedlung findet sich nur an diesen Gewässerrinnen, vor allem aber i n den breiten Niederungen, die sich rings um die Grundmoränenplatte herumziehen. Die Platte selber ist fast zur Gänze m i t deutsch benannten Dörfern besetzt, die ohne Zweifel — auch ihrer Siedelform nach — als Neugründungen des hohen Mittelalters anzusprechen sind. Aber abgesehen davon, daß die geomorphologische Situation des Hohen Teltow m i t der des Landes Pritzwalk nicht zu vergleichen ist, weichen die beiden Ländchen auch i m Siedelformenbild stark voneinander ab. M i t seinen Siedelformen erinnert die terra Pritzwalk eher an die Ländchen der westlichen Mittelmark, die Zauche und das Havelland, als an die östliche M i t t e l m a r k 2 3 8 . I m Lande Pritzwalk haben w i r es ebenso wie i n der Zauche und dem Havelland m i t einer früheren Siedlungsphase zu t u n als i n der östlichen Mittelmark, die bereits von den großen, entwickelten Planformen der Siedlung, dem großen Angerund Straßendorf m i t Planhufengewannflur, beherrscht w i r d 2 3 9 . Aus ähnlichen Gründen läßt sich das Land Pritzwalk auch schlecht vergleichen m i t den ausgedehnten Verbreitungsgebieten der deutsch benannten Waldhufendörfer an den Hängen des Erzgebirges und der Sudeten, die nur das m i t der terra Pritzwalk gemein haben, daß sie ausgesprochene Ausbaugebiete des hohen Mittelalters bilden. Vergleichbar erscheint aber das mecklenburgische Gebiet zwischen den alten slawischen Burgen Ilow und Kessin, das zum größeren Teil von slawischen Funden frei ist und sich als ausgesprochenes Ausbaugebiet m i t vorwiegend deutschen Ortsnamen präsentiert 2 4 0 . Charakteristisch für diese Region ist freilich die große Zahl von Hagenhufendörfern, die i m Lande Pritzwalk fehlen; andererseits scheint der Anteil slawischer Ortsnamen hier deutlich höher als i n dem Prignitzlande. 237
K a r t e Fritze / Schich (s. A n m . 2). Dazu zuletzt Krenzlin, Siedlungsformen (s. A n m . 7), S. 252 ff. 239 Ausführlich zu diesen ostmittelmärkischen Planformen Krenzlin, (s. A n m . 14), S. 25 ff. 240 Dazu die Karte von F. Engel, Grenzwälder (s. A n m . 7). 238
Dorf
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Die übrigen Regionen der Ostprignitz zeigen eine gewisse Verwandtschaft m i t Zauche und Havelland i n der Mittelmark und dem Lande Siuseli i n Sachsen-Anhalt 241 . I n allen diesen Gebieten hält sich der Landesausbau i n Grenzen, die hier ein wenig weiter, dort etwas enger gezogen sind; charakteristisch ist für alle diese Länder zum einen die oft m i t Verlegung verbundene Umbildung bestehender Siedlungen, die den „modernen" Formen des hohen Mittelalters angepaßt werden sollen, zum anderen eine gewisse Verdichtung und auch Ausweitung des Siedlungsnetzes, die aber, abgesehen vielleicht vom Lande Putlitz, einen größeren Umfang nicht annimmt. Charakteristisch ist ferner der starke Anteil slawischer Ortsnamen und das bunte Nebeneinander deutscher und slawischer Toponymie. I n allen diesen Zügen unterscheiden sich die genannten Regionen scharf von den altsorbischen Landschaften des Landes Sachsen 242 . Hier haben w i r die bekannten Kernzonen altsorbischer Siedlung, die durch slawische Ortsnamen, Blockfluren und kleine Ortsformen gekennzeichnet sind und um die sich kranzförmig Straßen-, Anger und Reihendörfer herumlegen mit deutschen Ortsnamen, Gelänge·, Gewann- und Waldhufenfluren. Was aber die terrae Wittstock, Kyritz, Havelberg und Putlitz i n der Ostprignitz auch von den Gebieten der westlichen Mittelmark unterscheidet, das ist der starke Anteil, den die slawische Bevölkerung am Landesausbau genommen hat und der sich charakteristisch i n den slawischen Namen solcher Siedlungen äußert, die m i t hoher Wahrscheinlichkeit als Neugründungen des hohen Mittelalters anzusprechen sind. Je mehr Regionen der Germania Slavica m i t den Methoden, die die neuere Landesgeschichtsforschung und Siedlungsgeographie dafür entwickelt haben, nach dem Verhältnis von „vorkolonialer" slawischer und hochmittelalterlicher Siedlung untersucht werden, um so bunter w i r d das Bild, um so deutlicher w i r d die Vielfalt i n den Formen des Siedlungsablaufes, die Vielfalt auch, die i m räumlichen und quantitativen Verhältnis von slawischer und deutscher Siedlung zueinander festzustellen ist. Um so dringlicher w i r d aber auch die Frage nach den Ursachen dieser überraschenden Divergenzen. Hier kann sie freilich nur gestellt, nicht auch beantwortet werden 2 4 3 .
241 Z u r Siedlungssituation i m „Gau" Siuseli nach den Ortsnamen s. Eichler, Ernst: Die Orts- u n d Flußnamen der Kreise Delitzsch u n d Eilenburg, Halle/S. 1958, m i t K a r t e n i m Anhang; dazu Fritze, Ortsnamenkunde (s. A n m . 8). 242 s. o. S. 43 m i t A n m . 8; ferner Eichler, E r n s t / Walther, Hans: Die Ortsnamen i m Gau Daleminze I, I I , B e r l i n (O) 1966/67. Allgemein zur Frage noch Kötzschke, Rudolf: Ländliche Siedlung u n d Agrarwesen i n Sachsen, Remagen 1953, S. 228 ff. 243 s. o. S. 43 m i t A n m . 11.
BEOBACHTUNGEN UND ÜBERLEGUNGEN ZUR SALZGEWINNUNG I N MECKLENBURG UND VORPOMMERN I N DER SLAWISCH-DEUTSCHEN ÜBERGANGSPERIODE Von Winfried Schich Es ist heute kaum noch bekannt, daß zwischen der unteren Elbe und der unteren Oder im Mittelalter zeitweise an zahlreichen Plätzen Salz produziert wurde. I n dem naturräumlich zum Ostmitteleuropäischen Tieflandstreifen gehörenden Gebiet konnte Salz an vielen Stellen aus, freilich schwach, konzentrierter Sole gewonnen werden, die entweder selbständig in einer natürlichen Quelle zutage trat oder zu der man mittels eines künstlichen Brunnenschachtes gelangte. Die Grundlage der wässerigen Salzlösung bilden hier die in Salzstöcken lagernden Salze der Zechsteinformation. Grundwasser, das mit dem Steinsalz i n Berührung kommt, nimmt Salz auf und t r i t t i n den Quellen oder Brunnen als Salzwasser aus1. Aus der Sole kann dann das Salz i m Siedeverfahren, durch Verdampfen der Flüssigkeit, gewonnen werden 2 . Ein direkter Abbau der Steinsalzlager i m bergmännischen Betrieb war hier in älterer Zeit nicht möglich, erst i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte an einigen Stellen der Bergbau auf Steinsalz ein. Die Salzproduktion ist an allen diesen Plätzen inzwischen längst aufgegeben worden. Als Salinen des Mittelalters sind i m allgemeinen nur Greifswald in Vorpommern, Bad Sülze i n Mecklenburg und Bad Oldesloe i n Holstein bekannt. Walter Fellmann verzeichnet i n seiner einschlägigen Studie über die „Salzproduktion i m Hanseraum" von 1961 lediglich auf der beigegebenen Karte i n Mecklenburg zusätzlich die Plätze Conow und Sülten als „Salinen von örtlicher Bedeutung" 3 . Darüber hinaus waren aber zeitweise weitere Salzwerke in Betrieb. Eine Reihe der i n der zweiten Hälfte des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts genannten Salinen findet namentlich bei polnischen Autoren i m Zusammenhang 1 von Bülow, K u r d : A b r i ß der Geologie von Mecklenburg, B e r l i n (O) 1952, S. 9, 65. 2 Allgemein vgl. Fürer, F. Α.: Salzbergbau- und Salinenkunde, B r a u n schweig 1900, S. 69 ff., 461 ff., 610 ff.; Freydank, Hanns: Das Salz u n d seine Gewinnung i n der Kulturgeschichte, i n : K a l i - u n d verwandte Salze 23, 1929, S. 145 - 151, 161 - 168, 177 - 181, dort S. 165 ff. 3 Fellmann, Walter: Die Salzproduktion i m Hanseraum, i n : Hansische Studien. Heinrich Sproemberg zum 70. Geburtstag (Forsch, z. mittelalterl. Gesch. 8), B e r l i n (O) 1961, S. 56 - 71, K t . v o r S. 65.
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mit der Schilderung der wirtschaftlichen Situation der Nordwestslawen Erwähnung 4 , wobei aber auf die nicht unwesentliche Frage des zu der Zeit in diesem Raum einsetzenden bzw. zunehmenden deutschen Einflusses nicht eingegangen wird. Von den einzelnen Salinen liegen freilich i m allgemeinen auch nur recht wenige Nachrichten vor. Dies ist vor allem damit zu erklären, daß keine von ihnen jemals eine überregionale Bedeutung besaß. Es bleibt darüber hinaus festzustellen, daß für den nichtagrarischen Sektor der Wirtschaftstätigkeit i m Raum zwischen Elbe und Oder i m Übergang von der slawischen zur deutschen Periode bisher überhaupt nur wenige Erkenntnisse vorliegen. Es sei einleitend daran erinnert, daß sich i m Umkreis unseres Raumes weit bedeutendere und bekanntere Salinen befanden. Dies betrifft in erster Linie Lüneburg i m Westen und Halle a. d. Saale i m Süden, aber auch, mit einigem Abstand, Kolberg i m Osten. A n diesen Orten waren spätestens seit dem 10. Jahrhundert, in Halle mit Sicherheit noch früher, Salzwerke in Betrieb. Die größte Bedeutung hatte die i m niedersächsischen Nachbarraum gelegene Lüneburger Saline. Sie konnte i m Vergleich m i t den i m folgenden behandelten Salzwerken eine Sole mit einem weit höheren Salzgehalt nutzen. Während um 1825 i n Lüneburg i n der Sole ein Salzgehalt von 2 5 % gemessen wurde, erreichte man i n den zu der Zeit ebenfalls noch arbeitenden Salinen an der südlichen Ostseeküste, i n Greifswald, Bad Sülze, Bad Oldesloe und auch in Kolberg, Werte von höchstens 5,5 € /o 5 . Es sei am Rande bemerkt, daß die Salzproduktion i n Lüneburg unlängst, i m September 1980, nach mehr als tausend Jahren eingestellt wurde. Eine ähnlich hohe Salzkonzentration (21