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German Pages [200] Year 1972
STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER UNIVERSITÄT WIEN Band VIII
GERARD VAN SWIETEN UND SEINE ZEIT
GERARD VAN SWIETEN UND SEINE ZEIT
INTERNATIONALES SYMPOSIUM VERANSTALTET VON DER UNIVERSITÄT WIEN IM INSTITUT FÜR GESCHICHTE DER MEDIZIN 8 . - 1 0 . MAI 197?.
HERAUSGEGEBEN VON ERNA LESKY UND ADAM WANDRUSZKA
1973 IN KOMMISSION BEI
VERLAG HERMANN BÖHLAUS NACHF. WIEN-KÖLN-GRAZ
Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung
ISBN 3-205-02208-4 Copyright © 1973 by Hermann Böhlaus Nachf. Gesellschaft m.b.H., Graz Alle Rechte vorbehalten In der Borgis Times gedruckt bei G. Gistel & Cie., Wien Bindung: Hermann Scheibe, Wien
INHALT Vorwort
7 ERSTER TEIL
Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung. Von Erna LESKY Gerard van Swietens erster Lebensabschnitt (1700—1745). Von G. A. LINDE-
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BOOM
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Gerard van Swieten als praktizierender Arzt und als ärztlicher Forscher. V o n Christian PROBST
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Van Swieten und die Zensur. Von Grete KLINGENSTEIN 93 Sulla riforma dell'insegnamento della medicina nella Università di Pavia al tempo di Gerard van Swieten. Di Bruno ZANOBIO 107 ZWEITER TEIL
Boerhaave-Schüler als Medizinalpolitiker. Von Erwin H. ACKERKNECHT . . . 121 G. B. Morgagni und die Bedeutung seines „De Sedibus et Causis Morborum per Anatomen Indagatis". Von Luigi BELLONI 128 Pio Nicolò Garelli, predecessore del van Swieten nella Hofbibliothek. Di G i u s e p p e RICUPERATI
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Van Swietens Ideen und die ungarische Gesellschaft. Von Eva H. BALÄZS . . 1 5 4 Gerard und Gottfried van Swieten und die Schulreform in Ungarn. Von Kàlmàn BENDA
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Das Bildungsideal Gottfried van Swietens. Von Ernst WANGERMANN 175 Schrifttum zu Leben und Werk Gerard van Swietens. Von Erna LESKY und E v a RÖHL
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Bildnachweis. Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek: 5; Institut für Geschichte der Medizin: Frontispiz, 1, 2, 4; Kunsthistorisches Museum, Wien: 3; Prof. Dr. G. A. Lindeboom: 7, 8, 9; Medisch-Encyclopaedisch Institut, Vrije Universiteit, Amsterdam: 6, 10.
VORWORT
Im Jahre 1772 starb der Holländer Gerard van Swieten in Wien, wo er 27 Jahre seines Lebens zugebracht hatte. 1745 war er mit 45 Jahren mitten im österreichischen Erbfolgekrieg dem Ruf Maria Theresias gefolgt, um über ihre und ihrer Familie Gesundheit zu wachen. Wäre er zeit seines Lebens nur kaiserlicher Leibarzt und Gelehrter geblieben, sein Name wäre wie der seines Landsmannes Antonius de Haen wohl in die Literatur zur österreichischen Medizingeschichte eingegangen, die 200. Wiederkehr seines Todestages hätte aber kaum Anlaß gegeben, ihm zu Ehren und zu Gedenken ein wissenschaftliches Symposium zu veranstalten. Die Universität Wien, die van Swieten ihre Modernisierung und Reorganisation in der Mitte des 18. Jahrhunderts verdankt, fand im Symposium „Gerard van Swieten und seine Zeit" den gegebenen Rahmen, um die Bedeutung van Swietens für das gesamte kulturelle und wissenschaftliche Leben in der österreichischen Monarchie im Zeitalter der Aufklärung zu würdigen. Im historischen Raum der josephinischen Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin fanden sich vom 8. bis 10. Mai 1972 Vortragende und Diskussionsteilnehmer zu den Fachsitzungen ein. Der Bedeutung van Swietens entsprechend trug das Symposium interdisziplinären Charakter, indem es Historiker und Medizinhistoriker vereinte. Es wurde darauf Bedacht genommen, die Person van Swietens, seine vielfältigen Leistungen wie auch seine Umgebung in möglichst umfassender Weise zu behandeln. Dies war eine schwierige Aufgabe, da wichtige Aspekte seiner Persönlichkeit wie zum Beispiel seine Religiosität weiterer und tieferer Studien bedürfen und es auch in der allgemeinen Geschichte der theresianischen Epoche noch unerforschte Gebiete gibt. Dafür soll am Beispiel Pavias gezeigt werden, in welcher Weise das von van Swieten für Wien entwickelte Modell auf die Universitäten im mitteleuropäischen Herrschaftsbereich der Habsburger wirkte. Auch werden Fragen der josephinischen Schulreform in einem eigenen Beitrag behandelt, der in der Person des Sohnes Gottfried die Kontinuität und den Zusammenhang mit Gerard wahrt, wenngleich er in der Zeit und Problematik weiterführt. Ähnliches gilt für van Swietens Wirken als Präfekt der Hofbibliothek. Wenn auch kein eigener Beitrag dazu vorliegt, so können doch die Ausführungen über seinen Vorgänger Pio Nicolö Garelli zeigen, welche Bedeutung die Palatina als geistiges Zentrum im Lande besaß. Unmittelbarer auf van Swieten bezogen sind der Beitrag über seine Tätigkeit in Holland, wo er immerhin 45 Jahre seines Lebens zubrachte, und die Ausführungen über van Swieten als praktischer Arzt und ärztlicher Forscher. In welcher großen Reihe engagierter Ärzte der in Österreich wirkende van Swieten steht, demonstriert der Beitrag über „Boerhaave-Schüler als Medizinpolitiker". Von Gesellschaft und Institutionen im Zeitalter der Aufklärung und
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Vorwort
von van Swietens Einfluß handeln in exemplarischer Weise die Beiträge über die ungarische Gesellschaft und jener über van Swieten und die Reorganisation der Zensur. Der als Festvortrag konzipierte Beitrag „Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung" ist der Versuch, die Fülle van Swietenschen Lebens und Wirkens zusammenfassend im Lichte der neuesten Forschungen darzustellen. Die
Herausgeber
G E R A R D VAN SWIETEN Auftrag und Erfüllung*) V o n E R N A LESKY
Als Maria Theresia am 11. Juni 1772 ihrem Sohn Ferdinand in Mailand Nachricht von dem bevorstehenden Tode van Swietens gab, schrieb sie: „Unser großer van Swieten. . . lebt noch . . und sie endigte das Schreiben mit den Worten: „Es ist herzzerreißend, diesen großen Mann derartig umkommen zu sehen"!). Diese Worte sind nur ein Zeugnis unter vielen, die davon sprechen, wie die Kaiserin ihren Leibarzt, Berater und Helfer gesehen hat. Sinnvoll steht van Swieten als einer unter den vier Paladinen, die das bekannte Denkmal von Zumbusch zu Füßen der Kaiserin zeigt. Über der in die Geschichte eingegangenen Zusammenarbeit, über dem bedingungslosen Vertrauensverhältnis, in dem die Kaiserin und van Swieten mehr als 27 Jahre zueinander standen, soll man jedoch nicht übersehen, wie hier zwei Menschen aus völlig geschiedenen Lebens- und Gesellschaftsbereichen den Weg zueinander fanden. Van Swietens Werdegang vor seinem Eintritt in den kaiserlichen Dienst muß aus den kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen der holländischen Republik 2 ) verstanden werden, die bereits 1609 ihre volle Freiheit von spanischer Bedrückung erkämpft hatte. Das damalige Holland, der am dichtesten bevölkerte und am weitesten urbanisierte Teil Europas, war den übrigen Staaten des Kontinents in seiner Entwicklung weit vorangeschritten. An seinem höheren Lebensstandard hatte das ganze Volk seinen Anteil, die Konfessionen lebten friedlich nebeneinander, Gewerbefleiß und die sprichwörtlich gewordene holländische Reinlichkeit haben zeitgenössischen Besuchern Bewunderung abgenötigt. All das war im wesentlichen das Werk einer bürgerlichen Gesellschaft, die bei all ihren merkan-
*) Die folgenden Ausführungen stellen eine Erweiterung des Festvortrages dar, der bei der Eröffnung des Internationalen Symposiums „Gerard van Swieten und seine Zeit" am 8. Mai 1972 im Festsaal der Universität Wien gehalten wurde. !) ARNETH, ALFRED VON: Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde. 1. Bd. Wien 1881. S. 130f. Die in den folgenden Anmerkungen nur mit dem Namen des Autors genannten Werke beziehen sich auf die im Schrifttum zu Leben und Werk Gerard van Swietens angeführten Zitate. 2 ) Vgl. GEYL, PIETER: The Netherlands in the 17th Century. Part I . 1609-1648. London 1961. Part I I . 1648-1715. London 1964. S . 189-253. WILSON, CHARLES: Die Früchte der Freiheit. Holland und die europäische Kultur des 17. Jahrhunderts. Kindlers Univ. Bibl. München 1968. S. 39ff.
Erna Lesky
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tilen Interessen ebenso mit einem ausgesprochenen Gefühl für soziale Verantwortlichkeit wie mit einer großen Aufgeschlossenheit für Wissenschaft und Kunst begabt war. Der neue Sinn für das allgemeine Beste war in dem kleinen Holland längst zum Durchbruch gekommen, als man in den großen Ländern Europas noch in ergebener Untertanengesinnung den barocken Glanz der Fürstenhöfe bestaunte.
S C H Ü L E R BOERHAAVES
In diese Welt bürgerlicher Fortschrittlichkeit wurde van Swieten am 7. Mai 1700 als Sproß eines alten Geschlechts3), das in den Glaubenskämpfen katholisch geblieben war, hineingeboren. Herkunftsdaten können bereits vorausweisende Bedeutung haben. Hier ist es der Fall. Als Maria Theresia in einer Instruktion 4 ) an ihren Sohn Leopold 1765 das Idealbild eines Leibarztes entwarf, verlangte sie außer der hervorragenden fachlichen Qualifizierung, daß er ein guter Christ (bon chretien) und ein honnête homme sei. Die Katholizität van Swietens hat vielleicht eine Rolle gespielt, als er mit 14 Jahren die Universität Löwen bezogt) und dort nach seinen eigenen Angaben 1715 (auch für die damalige Zeit außerordentlich jung) zum Dr.phil. promoviert wurde. Aber, wie van Swieten selbst sagt, hatten damals in Löwen die Jesuiten, andernorts die privilegierten Träger katholischen Bildungswesens, keinen Einfluß mehr. Das Bildungserlebnis, das van Swieten entscheidend geprägt hat, begegnete ihm in seiner Vaterstadt Leiden und in seinem Lehrer Herman Boerhaave (1668 bis 1738)6), dem protestantischen Pastorssohn. Als van Swieten von ihm 1725 zum Dr. med. promoviert wurde, war Boerhaave der anerkannte praeceptor communis
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) Van Swietens Familie gehörte zu den ältesten von Rynland. Sie kann bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Vgl. W. J. J. C. BIJLEFELD: Dr. Gérard van Swieten und seine Vorfahren. Leiden 1929. Van Swietens Vater, Thomas Franciscus, war Notar. Er starb, als van Swieten 12 Jahre alt war. Da seine Mutter bereits 1708 verstorben war, erhielt die 12jährige Waise zwei Vormunde. Vgl. BRECHKA, F. T. S. 8 ff.
(zit. Anm. 1): Instruktion Maria Theresias an ihren Sohn, den Großherzog Leopold von Toskana. Undatiert (Innsbruck, erste Hälfte 1765). S. 14—21. Vgl. LESKY, ERNA (1959), S. 198 ff. 5) Van Swieten war von Ende August 1714 bis Ende Februar 1715 an der Universität Löwen immatrikuliert. Vgl. BRECHKA, F. T. S. 10. Von Februar 1715 bis zum 26. Februar 1717, für welchen Tag seine Immatrikulation an der Universität Leiden belegt ist (BRECHKA, F. T. S. 51), besitzen wir keine archivalisch belegten Daten. Van Swietens Angabe im Mémoire sur la Remonstration du Recteur et de le consistoire aus dem Jahre 1750 (vgl. Dokumenten-Anhang Nr. 7), daß er zwei Jahre Philosophie und neun Jahre Medizin studiert habe, bedarf noch der archivalischen Verifizierung. Auch ist es mir nicht gelungen, aus dem Universitätsarchiv in Löwen eine Nachricht zu erhalten, ob van Swieten tatsächlich, wie er nach Egydius van Swieten S. 279 behauptet, 1715 dort zum Dr. phil. promoviert wurde. Nach LINDEBOOM (vgl. S. 67) handelt es sich um das Bakkalaureat in der Philosophie. 6 ) Dazu vgl. das monumentale Werk von G. A. LINDEBOOM (1968). 4
) ARNETH, ALFRED VON
Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung
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Europae. Seine Schüler waren über alle Länder und alle Höfe Europas verteilt, nicht immer freilich in Freundschaft verbunden, wie ich an dem Verhältnis Albrecht von Hallers zu van Swieten'') zeigen konnte. Selbst in Wien hat es Boerhaave zu einer Gasse mit traditionell falscher Aussprache gebracht. Es ist in der damaligen Unterrichtspraxis ganz ungewöhnlich, daß van Swieten nicht nur 9 Jahre Medizin (und zwei Jahre Philosophie) 8 ) studierte, sondern als fertiger Arzt weitere 13 Jahre an allen Boerhaave-Vorlesungen und Übungen bis zu dessen Tod 1738 nicht nur teilnahm, sondern sie mitstenographierte 9 ). Diese stenographischen Vorlesungsmitschriften sind heute noch erhalten. In zahlreichen Faszikeln i) liegen sie zum größten Teil unentziffert in der österreichischen Nationalbibliothek. Aus diesem — im wahrsten Sinne des Wortes — Thesaurus medicinae Boerhaavianae hat van Swieten sein ganzes Leben geschöpft, auf seiner Grundlage die Erste Wiener medizinische Schule errichtet und seine Kommentare zu den allzu knappen, aphoristischen Lehrsätzen Boerhaaves geschrieben. Sie sind die Bibel der praktischen Medizin der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts geworden. Boerhaave ist für van Swieten nicht nur der praeceptor magnus gewesen. Der eindrucksvolle Vertreter einer strengen, einfachen und arbeitsamen Lebensführung protestantischer Prägung hat über die konfessionellen Schranken hinaus den Lebensstil van Swietens geprägt. Konfessionelle Schranken wurden jedoch unbeschadet aller holländischen Toleranz für van Swieten zu einem gewissen Hindernis. Als man ihm 1734 verbot, seine stark besuchten Privatvorlesungen fortzusetzen, haben dies eifersüchtige Kollegen aufgrund eines alten Konfessionsparagraphen erwirkt 11 ). Nicht aber konnten sie hindern, daß die gesamte internationale und ein Großteil der holländischen Klientel nach Boerhaaves Tod van Swieten als dessen genuinem Erben zufiel. Die in der österreichischen Nationalbibliothek erhaltenen Briefe van Swietens an den Leibarzt der russischen Zarin Elisabeth, Antonio Nunes Ribeiro Sanches (1699—1783)12), sind nur ein Beispiel für die Reichweite dieser Konsiliarpraxis. So wohl fühlte sich van Swieten in der erfolgreichen Ausübung seines ärzt') LESKY, ERNA: Albrecht von Haller, Gérard van Swieten und Boerhaavens Erbe. Gesnerus 15 (1958), 120—140. DIES.: Neue Dokumente zum Streit zwischen Haller und van Swieten. Clio Med.
7 (1972), 1 2 0 - 1 2 7 .
8) Nach dem Anm. 5 angeführten Mémoire. Dokumenten-Anhang S. 49. 9 ) Darüber van Swieten in der Praefatio der Commentaria in Hermanni Boerhaavii aphorismos de cognoscendis et curartdis morbis. Vol. 1. Lugd. Bat. 1742. Albrecht von Haller äußert sich über van Swieten in seinem Tagebuch (herausg. von ERICH HINTZSCHE. Berner Beitr. Gesch. Med. Natw. Bd. 4, Stuttgart 1971, S. 81): „von Schieten, Mfedicinae] Dfoctor], der krafft einer Charakteren Schrift alle Sachen von Boerhave von Wort zu Wort abgeschrieben. Ein gescheuter Mensch, ließt über die Mat. med." 10 ) Beschrieben von VAN LEERSUM, E. C. : Cours de Boerhaave en particulier ses leçons cliniques. Description de l'héritage sténographique laissé par Gérard van Swieten. Janus 23 (1918), 335 —346. 11) LINDEBOOM, G . A . ( 1 9 6 8 ) S. 191 f.
12) Vgl. über ihn die Monographien von LEMOS, MAXIMIANO: Ribeiro Sanches — A sua vida e a sua obra. Porto 1911. WILLEMSE, DAVID (1966). S. 13. Die Briefe hat der französische Arzt und Freund von Sanches, Charles-Louis-François Andry (1741—1829), gesammelt und mit anderen Briefen von Boerhaave-Schülern und Freunden in zwei Faszikel binden lassen. Sie tragen heute in der österr. Nationalbibliothek die Signaturen MS 12 713 und MS 12 714.
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liehen Berufes und in seinem häuslichen Glück in Leiden, daß er an Sanches nach St. Petersburg schreiben konnte 13 ): „ . . . sans ambition, graces á Dieu, sans inquietude sur les choses humaines, je coule des jours tranquiles, plus a mon aise que le plus grand Monarque de l'univers." PROTOMEDICUS WIDER WILLEN
In dieser Leidener Idylle kommt im Frühjahr 1743 die vom damaligen österreichischen Gesandten in Den Haag, Thaddeus Freiherr von Reischach, übermittelte Berufung an den Wiener Hof 14 ), wobei es van Swieten überlassen war, die Bedingungen zu bestimmen. Trotz dieser großzügigen Geste brauchte van Swieten nur zwei Tage Überlegung, um das Angebot des Wiener Hofes abzulehnen15). Um diese Haltung zu verstehen, ist ein Brief sehr aufschlußreich, den Boerhaave 19 Jahre vorher, 1724, an seinen Schüler Johannes Baptista Bassand (1680—1742)16) nach Wien geschrieben hatte, als dieser zum Leibarzt Franz Stephans von Lothringen, des späteren Gatten Maria Theresias, berufen wurde. Lieber möchte er in die äußerste Wüste fliehen, als seine Freiheit mit jener Sklaverei vertauschen, die Fürstendienst bedeutet. Das ist aus dem Geiste jenes Leidener Tuchhändlers Pieter de la Court 17 ), des Ideologen einer freiheitsstolzen bürgerlichen Gesellschaft, gesprochen, der eine Vaterunser-Bitte folgendermaßen abwandelte: A furore monarchorum libera nos, Domine! So verstehen wir van Swieten, der am 8. April 1743 an Sanches nach St. Petersburg schreibt 18 ): „Ich ziehe es bei weitem vor, ein kleiner Republikaner (un petit Republicain) zu sein, als einen pompösen Titel zu haben, der eine tatsächliche Sklaverei (un esclavage reél) verhüllen soll."
13) ÖNB, MS 12 713 f. 117v. 14 ) Hier wird erstmals der Versuch gemacht, Ordnung in die bisher mit sehr viel Verwirrung behandelte Berufungsgeschichte zu bringen. Die zuverlässigste Hilfe in ihr, der Aufsatz von GIGL, ALEXANDER: Gerhard van Swietens Berufung als Leibarzt der kaiserlichen Familie und dessen persönliche Beziehungen zu Maria Theresia. Oesterreichisch-Ungarische Revue. N.F. 6 (1888/89) 113 — 131, wurde in den Darstellungen der letzten Jahrzehnte so gut wie ganz außer acht gelassen. Nunmehr konnten diese Daten mit Details aus der Sanches-Korrespondenz sowie anderen Archivfunden zu einem abgerundeten Bild ergänzt werden. 15) Brief an Sanches vom 8. April 1743. ÖNB, MS 12 713 f. 115. i«) Vgl. LINDEBOOM, G. A. (Ed.): Boerhaave's Correspondence. Part II. Leiden 1964. S. 204: Haud fernere credideris, qua ego agrimonia viderim, Te, hominem liberum, et tuae spontis, alieno iterum arbitrio Te commisisse! Aulam qui spectasti atque Aulicos, Principes qui novisti, horumque imperia. Mihi ne quid contingeret tale, in extremum fugerem Getuliae angulum. Sed reducere nequit, supra potentis limen semel qui possit pedem. . . . Gratia Principis servitus aeterno, ira Ejus rugitus Leionis est. Caeterum vix a risu tempero, dum sollicitum video aulicum de integritate mentis, et animi religione! vah exeat Aula, qui vult esse pius. 17) V g l . WILSON, CHARLES ( z i t . A n m . 2 ) S . 4 8 f f . ; GEYL, PIETER ( z i t . A n m . 2 ) 2 , 1 1 4 f . 2 2 7 .
18) Brief vom 8. April 1743. ÖNB, MS 12 713 f. 115: „ . . . et j'aime infinement mieux d'estre un petit Républicain, que d'avoir un titre pompeux, qui sert a couvrir un esclavage reël. pardonne moy, si je parle avec si peu de respect d'un emploi si honorable, mais un homme, qui a sucé avec le lait l'amour de la liberte, frémit, quand il pense, qu'il estoit menace de la perdre.
Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung
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Van Swieten hat nicht mit der Hartnäckigkeit Maria Theresias gerechnet, die nun einmal den prominentesten der Boerhaave-Schüler bei sich haben wollte. Im August 1744 erfolgte der zweite Akt in dieser an dramatischen Effekten so reichen und bisher mit soviel Konfusion dargestellten Berufungsgeschichte. Wir sind über sie erst durch die seit kurzem und noch völlig mangelhaft ausgewertete Korrespondenz van Swietens mit dem früher genannten Ribeiro Sanches nunmehr genau orientiert. Maria Theresia ließ diesmal ihre von einem kostbaren Geschenk begleitete Bitte an van Swieten durch einen Sonderboten, den Boerhaave-Schüler AlexandreLouis Laugier, überbringen 1 ! 1 ). Als eben ausgeschiedener Wiener Hofarzt war er in der Lage, van Swieten bis in Einzelheiten über die Stellung eines Protomedicus am Wiener Hofe zu unterrichten. Aber auch jetzt, im August 1744, kann sich van Swieten noch nicht entschließen. Erst als die Kaiserin persönlich eingreift, als sie, die große Fürstin, ihm, dem kleinen Privatmann (petit particulier) ihre persönliche N o t in einem eigenhändig geschriebenen Brief darlegt 2 "), hat sich der Mensch van Swieten von der faszinierenden Kraft theresianischen Humanums überwältigen lassen. Anfangs November 1744 2 1 ) hat sich der freiheitsstolze Republikaner ent-
19) Vgl. Dokumenten-Anhang Nr. 4. Dazu ergänzend ein Brief des Grafen Friedrich von Thoms (1696—1746), des Schwiegersohns Boerhaaves, der am 21. August 1744 folgendes an Albrecht von Haller zu berichten weiß: „La Reine d'Hongrie a fait des offres magnifiques à van Swieten pour venir à Vienne en qualité de Son Premier Medecin et Premier Bibliothequaire, l'emploi lui auroit valu plus de dix milles florins par an, avec une pension particulière pour sa femme, et quoiqu'il l'ait refusait, la Reine vient de lui envoyer une Tabatière d'or garnie de Diamants. Je suis surpris qu'il ne l'accepte pas, étant Catholique Romain. C'est le seul Commentaire sur les Aphorismes qui 1' a rendu celebre à Vienne . . . La Cour du Portugal a tant prié la Reine d'Hongrie de permettre qu' un Ecolier de Boerhaave nommé Laugier, qui est Medecin de la Reine, alla à Lisbonne, qu' à la fin Sa Majesté a consentie, et il actuellement ici avec moi dans son chemin pour le Portugal. Ainsi l'esprit de Boerhaave opere encore fortement. Vgl. HINTZSCHE, ERICH: Boerhaaviana aus der Burgerbibliothek in Bern. In: LINDEBOOM, G. A. (1970) S. 148. 20) Dieser Brief war auch im Familienarchiv in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr erhalten. Vgl. EGYDIUS VAN SWIETEN S . 24. Um so wertvoller ist das im Dokumenten-Anhang Nr. 3 abgedruckte Antwortschreiben van Swietens an den Kabinettssekretär Koch, da sich aus ihm einigermaßen der Inhalt des ersten Briefes Maria Theresias an van Swieten rekonstruieren läßt. 21) Van Swietens Entschluß, den Wiener Ruf anzunehmen, stand bereits vor seiner Ankunft am Krankenlager der Erzherzogin Anna in Brüssel fest, wo er am 11. November 1744 eintraf. Zwei Tage vorher, am 9. November 1744, hatte bereits der österreichische Geschäftsträger in Holland, Baron von Reischach, den entscheidenden Brief van Swietens nach Wien abgefertigt und, wie ich HHStA, Staatenabtg Holland, Karton 46, ermitteln konnte, in einem Postskriptum zu einer Relation an den Staatskanzler Grafen Ulfeid vom 17. November 1744 folgendes vermerkt: „P. S. Vor 8 tägen habe Eure Excellenz eines vom hb. Doctore van Swieten an hbden Koch erlassenes Schreiben beygeschlossen. Verhoffe, selbes werde Eurer Excellenz richtig zugegangen seyn. Disser beriemte mann hat sich resolvirt, künftiges jähr nach Wien im Dienste seiner königl. Majest. zu begeben." — Bei dem angekündigten Schreiben kann es sich nur um die Antwort van Swietens auf den ersten Brief Maria Theresias handeln, die er in übergroßer Bescheidenheit nicht an sie selbst, sondern an ihren Kabinettssekretär Koch richtete. Das
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schlössen, mit der Unerbittlichkeit und Halsstarrigkeit, die ihm eigen war, sein privates Schicksal mit dem der habsburgischen Monarchin und ihres Reiches zu verbinden. In diesem Entschluß konnte auch das pöbelhafte und beleidigende Benehmen des damaligen Leibarztes Maria Theresias, Elias Engel 2 2 ), nichts mehr ändern, mit dem van Swieten am Krankenbett von Maria Theresias Schwester, der Erzherzogin Maria Anna, in Brüssel zusammengekommen war. Er hatte in ihm einen Vertreter jenes engen Zunft- und Kastengeistes kennengelernt, dessen Ignoranz im Zeichen aufklärerischen Arzttums niederzuringen eine seiner Wiener Aufgaben werden sollte. Es ist ein Zeichen für die souveräne Position van Swietens und gleichzeitig für seine nonkonformistische Haltung, daß er 1745 — 44 Jahre vor der Französischen Revolution — ohne Perücke und ohne Handkrausen der barocken Adelswelt des Wiener H o f e s gegenübertrat 2 3 ). Erst als die Kaiserin höchstpersönlich ihm Handkrausen stickte, hat sich van Swieten ihren Kleiderwünschen gefügt. Es ist dies derselbe Mann, der in souveräner Überlegenheit 1750 seinem Freunde Sanches schrieb 2 4 ), er hätte ein Lächeln nicht unterdrücken können, als er sich eines Tages Schreiben, das wir im Anhang S. 41 f. abdrucken, ist undatiert, mit dem Zusatz von anderer Hand in Klammer „Okt. 1744" versehen. Aus einem Brief Kaunitz' an den Grafen Ulfeid vom 11. November 1744 geht weiters hervor, daß van Swieten dieses Schreiben an Baron Reischach zur selben Zeit abfertigte, als er die von Kaunitz am 6. November 1744 ausgefertigte Bitte mittels Kurier erhielt, zur Konsultation nach Brüssel zu kommen. Vgl. GIGL, ALEXANDER S. 119. Entsprechend der hier vorgetragenen zeitlichen Koinzidenzen ist der Brief an Koch zwischen 6 . - 9 . November 1744 zu datieren. Die Antwort der Kaiserin erfolgte am 29. November 1744. Diese Antwort abgedruckt bei ARNETH, A.: Geschichte Maria Theresias. 2. Bd. (Wien 1864) S. 565. 22 ) Darüber vgl. GIGL, A. S. 120fF. Zum Pamphlet gegen van Swieten im Frankfurter Avant-courir vom 9. Jänner 1745 vgl. ARNETH, A.: Geschichte Maria Theresias. Bd. 4, S. 516, Anm. 135. In dem Brief Maria Theresias an van Swieten vom 8. Jänner 1745 (ARNETH, A.: Geschichte Maria Theresias. Bd. 2, S. 566) hat Maria Theresia van Swietens maßvolles Betragen gegen Engel besonders anerkannt. 23
) V g l . EGYDIUS VAN SWIETEN S. 24.
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) Brief vom 21. Dezember 1750. ÖNB, MS 12.713 f. 150: „Je crois, que vous scavez a peu près mon opinion sur tout ce qui regarde les titres et les honneurs. Je ne les ay jamais desirè et encore moins demandé, et je ne pouvois m'empecher de rire l'annee passée, quand le jour de nom de Sa Majesté je me trouvois baronifiè sans en scavoir un mot. Je regarde cela comme une marque, que Sa Majesté est content de moy, et dans ce sens cela me fait plaisir, le reste m'est fort indifferent. S'il estoit possible, qu' un Medecin attentif a son art devint orgueilleux, je courrois grand risque de l'estre en me trouvant membre de l'academie: car c'est un honneur que je partage avec tout ce qu'il y a des plus habiles gens en l'Europe, et l'autre titre n'a sûrement pas le mesme avantage." Um die Verwirrung, die F. T. BRECHKA S. 114 in der Frage der Nobilitierung van Swietens angerichtet hat, aufzulösen: Sicherlich ist van Swieten 1753 in den erbländisch österreichischen Freiherrnstand erhoben worden. Das hindert aber nicht, daß er mit Diplom vom 15. Oktober 1749 — und nicht 1750! — Baron in Flandern und Brabant wurde, wie er 1767 nach der Genesung Maria Theresias von ihrer schweren Blatternerkrankung auch Landstand der gefürsteten Grafschaft Tirol, des Herzogtums Kärntens und der vereinigten gefürsteten Grafschaften Görz und Gradiska geworden ist.
1. H e r m a n Boerhaave (1668 —1738), der Lehrer van Swietens
2. Franz I. mit den vier Vorständen der Hofinstitute : van Swieten, Valentin Jamery-Duval, Chevalier Jean de Baillou, A b b é Jean de Marcy. Gemälde von Franz Messmer und Ludwig Kohl, 1773
3. Der alte Universitätsplatz in Wien, 1759/60, mit dem Gebäude der alten Universität (heute Akademie der Wissenschaften) mit noch vorhandener Sternwarte. Nach einem Gemälde von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto
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Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung
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b o o m 63) hat gezeigt, in welchem Maße Boerhaave die Chirurgie als einen nützlichen Zweig der Heilkunde schätzte und selbst praktizierte. So mag Boerhaave auch hierin van Swieten Vorbild gewesen sein. Darüber darf man aber nicht übersehen, wie das bis in die jüngste Zeit der Fall gewesen ist, daß van Swieten erklärtermaßen bereits vor seinem Medizinstudium die Chirurgie (ebenso wie die Pharmazie) erlernte6 4 ). Weiters: die ersten zwei Bände seiner Kommentare befassen sich in einem solchen A u s m a ß mit chirurgischen Fragen, daß sie später selbständig als chirurgisches Lehrbuch erscheinen konnten 65 ). Außerdem brachte er eine elementare Chirurgie zur Unterweisung der Feldärzte 1758 heraus 6 6 ), die so beliebt war, daß sie wiederholt aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
So war van Swieten wie kein anderer geeignet, als mächtiger Anwalt der Chirurgie aufzutreten, das bisher als Handwerk verachtete Fach auf das Niveau akademischer Dignität zu heben und seinen Vertretern in allen Ebenen öffentlichen Lebens Achtung zu sichern. Für das Egalitätsgefühl des Holländers war es eine Selbstverständlichkeit, was vordem unmöglich schien, sich mit Chirurgen und Apothekern in Beratungen an einen Tisch zu setzen 6 7 ). So hat van Swieten viel dazu beigetragen, die gesell«3) LINDEBOOM, G. A. (1968) S. 302f. Vgl. auch QUARDIA, J. M.: Les autographes de l'Académie de Médecine. Gazette méd. de Paris. 3. sér. 19 (1864) 347. M) In einer an die Kaiserin gerichteten Note vom 27. Februar 1759 — ihr Inhalt ist uns nur durch EGYDIUS VAN SWIETEN S. 13 f. bekannt — erläutert van Swieten den Prüfungsvorgang in der Chirurgie, wobei er anfügt, daß er als letzter der Prüfer an den Kandidaten Fragen stelle. Mit sichtlichem Stolz vermerkt er dazu: „cela m'est facile, car je me fait gloire d'avoir appris la chirurgie et la pharmacie avant que d'etudier la Medecine". Diese Beschäftigung mit Chirurgie und Pharmazie muß in die Zeit nach der Rückkehr von Löwen (August 1715) und vor der Immatrikulation an der Leidener Universität (26. Februar 1717; zu den Daten vgl. Anm. 5) fallen. Über seine Ausbildung in der Pharmazie und seine Tätigkeit als Apotheker vgl. dieses Buch, LINDEBOOM, S. 67 f. — Seine Vorliebe und vorzügliche Kenntnis der Materia medica sowie der Botanik (vgl. das Titelbild dieses Bandes !), die Wahl dieser Disziplinen bei seinen Vorlesungen in Leiden und z. T. auch in Wien gehen wohl auf dieses Interesse seiner Frühzeit, in die jetzt LINDEBOOMS Ausführungen Licht brachten, zurück. Diese Vorliebe hat er auf eine Reihe seiner Schüler, wie Melchior und Anton Störck sowie Heinrich Nepomuk Crantz, übertragen und damit in der Ersten Wiener medizinischen Schule einen vehementen therapeutischen Impuls gesetzt. Vgl. Alethophilorum quorundam Viennensium elucidatio (1766) S. 4 . — Vgl. FRITZ, JOSEPH: Zu Gerhard van Swietens Kommentaren von Boerhaaves Institutionen. In: Festschr. Max Neuburger. Internat. Beitr. Gesch. Med. Wien 1928. S. 115ff. Für die Leidener Zeit ist das Urteil wichtig, das Sanches über die Materia medica-Vorlesung van Swietens fällte und das schlechtweg lautete: „van Swieten . . . a ressucité la pharmacie". Vgl. LEMOS, M.: Ribeiro Sanches à Leyde (1730-1731). Janus 16 (1911) 239. 65
) G. VAN SWIETEN: Erläuterungen der Boerhaavischen Lehrsätze der Chirurgie. 2 Bände. Frankfurt und Leipzig 1778. 66 ) Kurze Beschreibung und Heilungsart der Krankheiten, welche am öftesten in dem Feldlager beobachtet werden. Wien-Prag-Triest 1758. Ital. u. Franz. Wien 1759. 1760. Paris, Amsterdam, Leipzig 1760. In diesem Werkchen empfiehlt van Swieten zur Ernährung der Soldaten in höchst fortschrittlicher Weise „junge und frische Kräuter und Zugemüse" sowie Obst als antiskorbutisch (Vorrede 2). 6T ) EGYDIUS VAN SWIETEN S. 51 teilt aus der heute verlorenen Note vom 29. September 1763 folgenden Vorfall (in deutscher Übersetzung) mit: Die Brünner Sanitätskommission hatte beratender-
Erna Lesky
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schaftlichen Mauern zwischen den verschiedenen Gruppen von Heilpersonen niederzureißen. Er hat damit begonnen, unter ihnen ein neues Solidaritätsgefühl aufzubauen. In dieser Haltung war van Swieten bereits seit 1747 entschlossen, eine „bonne école de chirurgie" zu gründen 68). Dabei hoffte er, daß er Marcel Sanches, den Bruder seines Freundes Antonio, als Lehrer der Chirurgie würde anstellen können. Aus sprachlichen Schwierigkeiten — Marcel konnte nicht Deutsch — zerschlug sich dieser Plan, so daß van Swieten am 20. September 1749 Joseph Jaus zum Professor der Chirurgie ernennen ließ. Jaus war es denn auch, der in den fünfziger Jahren den chirurgischen Sektor an der Klinik im Bügerspital betreute. Bereits bei der Planung 1753 hatte van Swieten „eine lichte Operationskammer" im 1. Stock des Bürgerspitals vorgesehen, ebenso neben der medizinischen Assistentenstelle eine chirurgische eingeplant69). In den fünfziger Jahren hatte diese Stelle Ferdinand Leber (1727—1808) inne, der nach dem Tode Jaus 1761 zum Professor der Chirurgie avancierte70). So kann man füglich behaupten, daß van Swieten vom Personellen und Institutionellen her alle Voraussetzungen für die Entwicklung einer leistungsfähigen Chirurgenschule geschaffen hat 71 ). Es ist ihm jedoch versagt geblieben, eine solche sich entwickeln zu sehen, so daß unter Joseph II. ein neuer Ansatz notwendig war.
EINHEIT VON FORSCHUNG U N D LEHRE
Mag der chirurgische Part der van Swietenschen Klinikschöpfung die empirischpraktischen Elemente der Boerhaaveschen und überhaupt der Aufklärungsmedizin stärker hervortreten lassen, so sind van Swieten und de Haen als echte Boerhaaveweise Wundärzte und Apotheker beizuziehen, ließ sie aber nicht am gemeinsamen Beratungstisch sitzen, sondern abseits. Dazu van Swieten: „Die Chirurgie und Pharmazeutik sind sehr nützliche und achtungswerte Wissenschaften und nie ist es mir in den Sinn gekommen, in dieser Hinsicht einen so widerlichen Unterschied (distinction odieuse) zu machen, obgleich mich Ihre Majestät mit Titeln und Würden sehr ausgezeichneter Art beehrt hat und bei den Examina zum mindesten auch immer zwei Professoren, die den Titel eines kaiserlichen Rates führen, anwesend sind. Die Wundärzte, die Bader und die Apotheker sitzen hiebei immer an einem und demselben Tische mit den übrigen Mitgliedern der Kommission, welcher, um alle Rangstreitigkeiten zu vermeiden, eine runde Form besitzt. Es scheint mir folglich, daß auch die SanitätsKommission zu Brünn, ohne ihre Würde im mindesten zu vergeben, unserem Beispiele folgen könnte." «8) Brief vom 3. August 1748 an Sanches (ÖNB, MS 12 713 f. 141 v): „ . . . apres que j'aura rangé nostre faculté, je va faire la mesme chose pour la chirurgie..." oder im Brief vom 19. April 1749 (ebd. f. 138v): „J'ay dessein de former successivement une ecole de la chirurgie . . . " 69 ) Der medizinische Assistent erhielt 404 fl. jährlich, der chirurgische 354 fl. Vgl. LÖBEL, G. S. 663. •")) PUSCHMANN, THEODOR (1885) S. 13, 39 f. 71
) 1752 holte van Swieten den Florentiner Natalis Giuseppe Pallucci (1719—1797), den er eigens in Paris hatte ausbilden lassen, nach Wien. Zu gleicher Zeit ließ er im Dreifaltigkeitsspital am Rennweg eine Operationskammer „für Augen- und andere schwere Operationen" einrichten. Warum auch dieser Versuch van Swietens mit Pallucci nicht zum Tragen kam, ist bisher nicht geklärt.
Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung
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Schüler bei aller Ausrichtung auf die Praxis doch genuine Forscher gewesen 72 ). Im Geiste und im Auftrag van Swietens hat de Haen die medizinische und chirurgische Lehrschule im Bürgerspital nicht nur als eine Lehr-, sondern auch als eine Forschungsklinik geführt 73). Es ist reizvoll, in seinem Hauptwerk, der Ratio
medendi,
zu lesen, in welchem Maße er es verstand, die Studenten an seinen Forschungsprojekten zu interessieren und mitarbeiten zu lassen. Die Tragweite dieser Feststellung ist nicht hoch genug einzuschätzen. Es ist noch nie richtig ausgesprochen worden, daß am Anfang einer eigenständigen österreichischen Bildungspolitik Forschung und Lehre untrennbar verbunden sind. Daß damit ein perennierendes und heute erst recht wieder aktuelles Problem bezeichnet ist, braucht nur angedeutet zu werden. Die Früchte der eben bezeichneten Bildungspolitik sind im medizinischen Bereich am Beginn der sechziger Jahre deutlich greifbar. Eine neue Medizinschule war in Europa erstanden, die man die Erste Wiener medizinische Schule zu nennen pflegt. Ihr Beitrag zur Weltmedizin war kein geringer. Stellvertretend wollen wir hier nur drei Leistungen nennen: Die Begründung der modernen Diagnostik durch Leopold Auen brugger74), der experimentellen Pharmakologie durch Anton Störck 75 ) und die Revolutionierung des europäischen Quarantäneverfahrens durch Adam Chenot 76 ). Es liegt eine besondere Tragik darin, daß es dem Schulgründer van 72) Auch in Wien ist van Swieten dies geblieben. Eine Hauptbedingung bei der Annahme der Berufung war, seine wissenschaftlichen Arbeiten fortsetzen zu können (vgl. Quellenanhang Nr. 3, S. 41). Maria Theresia ließ ihm in seiner Wohnung in der Hofburg (nahe der Hofbibliothek in den früheren Räumlichkeiten der Maler-, Bildhauer- und Baukunst-Akademie; vgl. ARNETH, A. : Geschichte Maria Theresias. Bd. 9, S. 277) „un petit laboratoire chymique" (ÖNB, MS 12 713 f. 129) bereits 1746 einrichten; seine Zeit für die Forschung weiß van Swieten sich so von seinen zahlreichen Verpflichtungen abzuringen, daß er Sanches (ebd. f. 132) schreiben kann: vous ririez a me voir estudier si tranquillement dans la chambre d'une Archiduchesse comme si j'etois chez moy." — 1750 wiederholt er die Bebrütungsexperimente Reaumurs, um nur einige einschlägige Daten aus der Sanches-Korrespondenz anzuführen, und im Zusammenhang mit den Forschungen Buffons legt er im selben Jahre die zugleich persönlichkeitserhellende und methodologisch bedeutsame Konfession ab (ÖNB, MS 12 713 f. 150): „J'aime infinement les gens qui osent penser tout seul, sans se laisser gener par l'autorité, quand ils font des recherches, et par conséquent je fais grand cas de Mr Buffon, son histoire du cabinet du Roy est écrit avec toute la dignité possible, et j'aime a voir ecrouler quelque systeme que ce fut, quand des experiments fideles et un raisonnement exquis sappent les fondements. Ce seroit un travail bien utile de chercher par des experiments ce que Helmontius nomme actio regiminis ou la puissance que certaines parties du corps ont sur des autres . . . " 73) LESKY, ERNA: Auenbrugger - Schüler van Swietens. Dtsch. med. Wschr. 84 (1959) 1017-1022. DIES.: Vom Hippokratismus Boerhaaves und de Haens. I n : LINDEBOOM, G. A. (Ed.) (1970) S.
123-143.
PROBST, CHR., H a b i l s s c h r . S. 9 8 - 1 0 4 ,
1 3 0 - 1 3 9 . DERS.: Ä r z t l i c h e
Forschung
am Krankenbett im Zeitalter der Aufklärung. Festschr. f. Hermann Heimpel. Bd. 1 (Göttingen 1971) S. 5 6 8 - 5 9 8 . 74) LESKY, ERNA (zit. A n m . 73).
Anton Störck (1731—1803) und seine therapeutischen Versuche. Zürcher med. hist. Abh., N.R. 54. Zürich 1968. 7«) LESKY, ERNA: Die österreichische Pestfront an der k. k. Militärgrenze. Saeculum 8 (1957) 82-106. DIES.: (1959) S. 118-140. 75) ZUMSTEIN, BRUNO:
Erna Lesky
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Swieten versagt blieb, die Tragweite der neuen Verfahren seiner Schüler Auenbrugger und Chenot zu erkennen. Dabei war van Swieten von berechtigtem Stolz auf seine Schule erfüllt. Ein Jahr vor seinem Tode, 1771, hat er mit großer innerer Genugtuung der Kaiserin vorgerechnet, daß 17 aus seiner Schule hervorgegangene Ärzte als medizinische Professoren an den Universitäten Wien, Prag, Innsbruck, Freiburg und Tyrnau wirkten 77). Erst diese Feststellung macht die Reichweite der van Swietenschen Reform voll sichtbar und ist geeignet, die Wende zu verdeutlichen, die mit ihr im Bildungswesen eingetreten ist: Hatte van Swieten am Beginn seiner reformatorischen Tätigkeit eine Reihe von Lehrkräften aus dem Ausland importieren müssen, so konnte er nach 26 Jahren nicht nur die Universitäten der Erbländer mit einheimischen Lehrkräften versorgen; er war nunmehr auch imstande, solche in den ungarisch-slowakischen Raum zu exportieren, wo er 1769 an der Universität Tyrnau, der Vorläuferin der heutigen Universität Budapest, eine neue medizinische Fakultät nach dem nunmehr bewährten Muster der Wiener Fakultät begründete ?8). Eindrucksvolles Zeugnis dafür, in welchem Maße van Swieten auf dem Gebiete des Bildungswesens die landeigenen Kräfte zu mobilisieren suchte und jene Autarkie anstrebte, die auf dem wirtschaftlichen Sektor durch den Merkantilismus zum bestimmenden Prinzip geworden war. Nun wird ein erstes Mal so etwas wie ein kommunizierender Bildungs-Großraum sichtbar, in dem der Wissenschaftsorganisator in Wien die geistige Elite des habsburgischen Territoriums, Deutsche, Italiener, Slawen und Ungarn, ohne Ansehen der Nationalität von einem Bildungszentrum zum anderen bewegt. Ein anderer Aspekt der van Swietenschen Reform ist nicht minder bedeutungsvoll. Zum erstenmal wurde eine Einheitlichkeit der Universitäten und darüber hinaus des gesamten Bildungswesens erreicht, in der sich die theresianische Gesamtstaatsidee aufs deutlichste manifestiert. Ihr entspricht im Verwaltungstechnischen die Errichtung der Studienhofcommission 1760 als oberster zentraler Unterrichtsbehörde79) mit van Swieten zunächst als 2., später als 1. Vorsitzenden. GESUNDHEITSMINISTER IM A L L E I N G A N G
Wir sprechen im Folgenden von van Swieten als sanitärem Organisator der habsburgischen Monarchie. Von diesem Standort aus möchte es scheinen, als ob alle ärztliche Ausbildungsarbeit, die van Swieten seit 1746 für den theresianischen Staat leistete, nur ein Mittel gewesen sei, um sein vom Wohlfahrtsdenken der Aufklärung geprägtes gesundheitspolitisches Programm zu erfüllen, eine Heilkunde für alle zu 77
) EGYDIUS VAN SWIETEN S . 344.
Die ersten Jahre der medizinischen Fakultät in Nagyszombat (Tyrnau). Arch. Gesch. Med. 2 5 ( 1 9 3 2 ) 2 1 4 — 2 1 8 . BOKESOVÖ-UHEROVA, M . : Lekarska faculta Trnarsky univerzity ( 1 7 7 0 - 1 7 7 7 ) . In: Lekarske Prace I I / 4 . Bratislava 1962. S. 23ff. LESKY, E R N A : Wiener Krankenbett-Unterricht, van Swieten und die Begründung der medizinischen Fakultät Tyrnau.
78) GYÖRY, TIBOR VON:
Communicationes 79
de Historia
Medicinae
57—59 (1971) 29—39.
S. 97. 200 Jahre österreichische Unterrichtsverwaltung. 1760—1960. Festschrift d. Bundesmin. f. Unterricht. Hrsg. von ANTON KOLBABEK. Wien 1960.
) MÜLLER,
WILLIBALD
Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung
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schaffen: für die Bürger, die Handwerker, die Gewerbetreibenden und Arbeiter in den Städten, für die Bauern am Lande, für die Soldaten in der Armee, für Kinder, Greise und Mütter und vor allem für die Armen. Dieses Heer von Heilungsbedürftigen war am Anfang der Regierung Maria Theresias mit Organen des Staates nicht erreichbar. Die Kreis-, Viertel- und Stadtärzte unterstanden den Ständen bzw. den Magistraten, aber nicht dem Landesfürsten. Der harte Vertreter der Staatsgewalt hat in dieser Notsituation völlig konsequent gehandelt, als er sich von der Kaiserin das Mandat erbat, daß sämtliche öffentlich tätigen Ärzte sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich nur mit seiner Zustimmung von den lokalen Behörden angestellt werden durften 80 ). So durchsetzte van Swieten die habsburgischen Länder mit einer Avantgarde tüchtiger Landessanitätschefs (Landesprotomediker) und verläßlicher Bezirksärzte (Kreisphysiker), lange bevor er im Sanitätsnormativ von 177081) dafür den gesetzlichen Rahmen schaffen konnte. Daß Österreich relativ so spät unter den europäischen Großmächten zu einer einheitlichen Sanitätsgesetzgebung kam, hängt einerseits mit der multinationalen Struktur des Habsburgerreiches und seiner späten verwaltungsmäßigen Zentralisierung zusammen; anderseits darf man über den strukturellen Faktoren die personalen nicht übersehen. Saßen doch in den neuen Ämtern noch vielfach Herren feudal-konservativer Gesinnung82), die sich den progressivistischen Wünschen und Projekten des holländischen Reformers gegenüber nicht immer aufgeschlossen zeigten. Es ist hier nicht der Ort, weiter auszuführen, mit welchen Schwierigkeiten, Vorurteilen, alteingewurzelten Gewohnheiten van Swieten allein bei der Durchsetzung der neuen Bestattungsordnung83), bei der Unterdrückung des allerorten blühenden Kurpfuschertums und erst recht bei der Ausrottung des finstersten Aberglaubens84) zu kämpfen hatte. In all diesen Aktionen hat sich der sanitäre Gesetzgeber als echter Aufklärer erwiesen. Ein außerordentliches und für den persönlichen Elan van Swietens so bezeichnendes Phänomen ist dabei nicht zu übersehen: Der Mann, der dies alles leistete, war ein Gesundheitsminister ohne Portefeuille, ohne Kanzlei und ohne Angestellte. Ganz auf sich allein gestellt hat van Swieten Tag für Tag durch 27 Jahre hindurch hunderte und aberhunderte Noten mit eigener Hand niedergeschrieben. D E R „SOZIALARBEITER"
Alles, was van Swieten in den verschiedenen Positionen seines öffentlichen Wirkens geschaffen hat, hat letztlich seine Wurzel in seinem tiefen Gefühl für soziale Verantwortlichkeit. Ja, die neuen Studien, die diesem Vortrag vorausgingen, haben zu 80) V g l . ROSAS, A . I I / 2 , 2 7 4 . 2 8 5 . SI) LESKY, ERNA ( 1 9 5 9 ) S. 5 8 - 9 7 . 82
) Als ein Beispiel sei auf van Swietens Kampf mit dem Statthalter von Niederösterreich, Graf Schrattenbach, verwiesen. MÜLLER, W . S. 101. FOÜRNIER, A. S. 415FF. KLINGENSTEIN, G. S. 185 ff. 83) LESKY, E. (1959) S. 174ff. 84) Vgl. VENTURI, FRANCO: Settecento riformatore. Da Muratori a Beccaria. Torino 1969. S. 379ff. Hier handelt es sich um van Swietens Kampf gegen den Vampirismus.
Erna Lesky
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der Erkenntnis geführt, daß gerade hier die Mitte seiner Persönlichkeit liegt. Man muß schon in Leiden seine innere Nähe zu sozialer Arbeit gespürt haben. Sonst hätte ihn nicht die Leidener katholische Gemeinde bereits 1738 mit der Aufsicht über ihr Armenwesen betraut 85 ). Aus dieser vorausgegangenen karitativen Praxis wird verständlich, daß van Swieten die bewährten sozialen Errungenschaften seiner alten Heimat auch in der neuen verwirklichen wollte. 1755 legte er der Kaiserin sein soziales Sanierungsprogramm vor 86 ). Ein Vierteljahrhundert vor dem Wirken des großen Sozialmediziners Johann Peter Frank (1745—1821)87) ist hier das Konzept einer prophylaktischen Medizin entworfen, das im philanthropischen Geiste der Aufklärung den sozial gefährdetsten Gruppen der Bevölkerung gilt: den unehelichen Kindern und Müttern, den Arbeitern, den alten Menschen, den Bettlern und den Frauen, die den Familienerhalter verloren hatten. Von all den genannten Projekten ist nur das letzte in der Witwensozietät der medizinischen Fakultät 88 ) 1758 in Form einer Ablebensversicherung verwirklicht worden. Jeder Arzt hatte jährlich entsprechend seinem Alter einen bestimmten Betrag (20 bzw. 10 Gulden) in einen gemeinsamen Fonds einzuzahlen, aus dem im Falle seines Todes seine Familie erhalten werden konnte. Von all den van Swietenschen Schöpfungen war diese am dauerhaftesten. Erst 1959, nach 201 Jahren, hat sich die Witwensozietät der Wiener medizinischen Fakultät aufgelöst. Aus der erwähnten Denkschrift an die Kaiserin spüren wir, daß der Notstand der ledigen Mütter und ihrer Kinder für van Swieten am unerträglichsten war. Nach der Geburt, die in solchen Fällen meist in dem städtischen Spital St. Marx vor sich ging, wurde die Mutter so schnell als möglich aus der Stadt abgeschoben und so in der brutalsten Weise vom Kinde getrennt. Diese Roheit hat die Kaiserin zwar sofort abstellen lassen, doch war es Maria Theresia in ihrer religiös-ethischen Gebundenheit offensichtlich nicht möglich, van Swieten auf dem Wege zu folgen, der auf die Einhebung eines Alimentationsbeitrages von seiten des Vaters bzw. auf die Errichtung von Findelhäusern abzielte. Erst 30 Jahre später hat der kaiserliche Revolutionär die mit diesen Vorschlägen verbundenen Vorurteile beiseite geschoben und 1785 das Findelhaus in der Aiser Straße begründet 8 '). Auch hier wird wie in van Swietens Chirurgieplanung eine Linie sichtbar, die direkt vom theresianischen Reformer zu Joseph II. führt. Sie auch in andern Bereichen des staatlichen Lebens aufzuzeigen, wird Aufgabe künftiger Forschung sein. 85) V g l . BRECHKA, F . T . S. 72.
86) Die Denkschrift vom 10. August 1755 ist heute nicht mehr erhalten. Ihr Inhalt wird im folgend e n n a c h EGYDIUS VAN SWIETEN S. 4 9 7 ff. dargestellt.
" ) Vgl. darüber LESKY, ERNA (1959) S. 101-115. DIES. (Hrsg.): Johann Peter Frank. Akademische Rede vom Volkselend als der Mutter der Krankheiten (Pavia 1790). Sudhoffs Klass. d. Med. Bd. 34. Leipzig 1960. DIES. (Hrsg.): Johann Peter Frank. Selbstbiographie. Bern-Stuttgart 1969. 88) GERSTEL, ADOLF HEINRICH: D i e W i t w e n s o z i e t ä t der m e d i z i n i s c h e n F a k u l t ä t z u W i e n . 1 7 5 8 — 1 8 5 8 .
Wien 1858. Ärzte-Witwen- und Waisen-Societät. Wien. med. Wschr. 104 (1954) 888. Nach mündlicher Mitteilung von Prof. Oskar Straker hat sich dieser Verein erst 1959 aufgelöst. 89) Vgl. LESKY, ERNA: Einführung zur Nachricht an das Publikum über die Einrichtung des Hauptspitals in Wien (1784). Wien 1960. S. 16ff.
Gerard van Swieten. Auftrag und Erfüllung
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Das dritte Projekt in van Swietens Denkschrift beschäftigt sich mit der Errichtung von Altersheimen. Die holländische Mittelstandsgesellschaft kannte bereits eine gut funktionierende Altersvorsorge. Gut ausgestattete Heime für alte, ruhebedürftige Menschen gab es dort bereits seit dem 17. Jahrhundert in erheblicher Dichte so). Man zahlte in einen Altersfonds einen nach dem jeweiligen Lebensalter modifizierten Beitrag ein und erhielt damit das Anrecht, in einem solchen Heim sorgenfrei die Jahre des Alters zu verbringen. Auch dieser Vorschlag van Swietens wurde ebensowenig verwirklicht wie sein Projekt einer Arbeiterkrankenkasse. Auch bei diesem haben ganz offensichtlich holländische Vorbilder Pate gestanden. Van Swieten entwirft den sehr konkreten Plan, diese Krankenkasse unter Aufsicht des Magistrats zu stellen und die Arbeiter, Schlosser, Maurer, Zimmerleute usw., wöchentlich fünf Kreuzer in sie einzahlen zu lassen. Im Erkrankungsfalle habe der Versicherte nicht nur seinen vollen Wochenlohn zu erhalten, sondern auch die Kosten von Arztbehandlung und von Medikamenten. Wenn auch das meiste von van Swietens kühn ausgreifendem Programm ein solches blieb und bei der inneren Struktur des theresianischen Staates bleiben mußte, so manifestiert sich in ihm doch aufs deutlichste das soziale Empfinden eines Mannes, der auf seine eigenen Kosten Jahr für Jahr begabte junge Mediziner studieren ließ 91) und der Jahr für Jahr ein Zehntel seiner Ersparnisse an die Armen gegeben hat. D E R GROSSE VAN SWIETEN
Schließen möchte ich diesen Versuch, ein neues Van-Swieten-Bild zu zeichnen, indem ich zum Anfang zurückkehre und von der glücklichen Fügung spreche, die zwei so verschiedene Menschen wie van Swieten und seine Kaiserin zu gemeinsamer Arbeit vereinigte. Denn für alles, was van Swieten, dieser in den Augen seiner Umwelt so gefahrliche Neuerer, vollbrachte, war die unerläßliche Voraussetzung das Vertrauen einer großen Frau, die ihrem van Swieten, ihrem großen van Swieten gegen alle Kabalen der Niedertracht und des Neides sicheren Schutz gewährte. Mit jener Unmittelbarkeit, die uns an vielen Äußerungen dieser Frau so ergreift, hat sie ausgesprochen, was ihr van Swieten war, als dieser sich nach einer schweren Erkrankung 1771 vorübergehend von den Geschäften zurückzogt): „niemand kan und solle bessere zeignus geben als ich von seinen unermüdeten eyffer und arbeit, von seiner wahr- und khlarheit ohne scheu, ohne leydenschafften; er verfolgte das böse, nicht aber hassete er demjenigen, der daran ursach wäre, ville grosse exempel kunte von disen vorgeben, sein eyffer und exempel in der religion waren so rein als seine treue vor meine person und famille; was bin ich ihme nicht wegen selber schuldig, wegen der einrichtung deren Studien, welche man ihm allein zuschreiben mus, und was verbessert worden, was hat er nicht grosse Sachen in der medicin hier vorgenohmen; ich endigte nicht, wan nur von allen was anerckennen w o l t e . . . " SO) WILSON, CHARLES: 91
Die Früchte der Freiheit. Kindlers Univ.-Bibl. München
) EGYDIUS VAN SWIETEN S . 53 f .
»2) FOURNIER, A . S. 4 4 3 f. 3
1968.
S.
51.
QUELLENANHANG
Zur
Quellenlage
Es ist kein Zufall, daß wir bis heute keine modernen Ansprüchen genügende Darstellung von Leben und Werk van Swietens besitzen1). Eine der Hauptursachen dafür ist die prekäre Quellenlage, soweit es sich um das Material für van Swietens Tätigkeit in Wien handelt. Katastrophal wirkte sich in diesem Zusammenhang der Brand des Justizpalastes am 15. Juli 1927 aus. Ihm ist bis auf kärgliche, heute im Allgemeinen Verwaltungsarchiv2) aufbewahrte Reste das Archiv des Inneren bzw. seiner Vorgänger, der Hofkanzlei und des Directorium in publicis et cameralibus, zum Opfer gefallen. Damit ist die Hauptmasse der Noten verlorengegangen, mit denen van Swieten durch mehr als ein Vierteljahrhundert die zentrale Innenbehörde der habsburgischen Monarchie in allen bei ihr anfallenden Sanitätsagenden beriet. Durch diesen Verlust läßt sich ein Hauptbereich von van Swietens Tätigkeit, nämlich der des sanitären Organisators der Monarchie, archivalisch kaum mehr fassen. Eine Zersplitterung des Aktenmaterials war schon vorher dadurch eingetreten, daß bereits 1919 die die Nachfolgestaaten betreffenden Teile an diese abgegeben werden mußten. Den ähnlichen Aspekt eines archivalischen Trümmerfeldes bietet auch der zweite zentrale Archivkörper, der des Staatsrats, dar. Er ging großteils im 2. Weltkrieg durch Kriegseinwirkung zugrunde. Erhalten geblieben ist das ehemalige Archiv des Ministeriums für Kultus und Unterricht, das als ein Teil der Bestände des Allgemeinen Verwaltungsarchivs heute noch die wichtigsten, z. T. bereits bei A. v. Rosas und R. Kink 3 ) publizierten Dokumente van Swietens zur Reform der Universität Wien und ihrer medizinischen Fakultät enthält. Was im übrigen noch an Material vorhanden ist, stellt sich folgendermaßen dar: Zwei Institutionen sind hier vor allem zu nennen, und aus ihnen stammen auch die beiden Quellen, die den folgenden Studien vornehmlich zugrunde liegen. Die österreichische Nationalbibliothek (=ÖNB) besitzt in zahlreichen Faszikeln die Nachschriften, die van Swieten durch fast zwanzig Jahre von den Vorlesungen seines Lehrers Herman Boerhaave (1668 — 1738) angelegt hat 4 ). Verfaßt sind sie in einer Kurzschrift des 18. Jahrhunderts, der Tacheographie Ramsays, die E. C. van Leersum am Beginn unseres Jahrhunderts entziffert hat. Außerdem befinden sich neben anderen Manuskripten medizinischen Inhalts in der Nationalbibliothek auch Briefe Maria Theresias und van Swietens (Autogr. Sg. 296/7-1-23. 6,80; 9,49), die aus dem Familienbesitz stammen und z. T. bei A. v. ArnethS) publiziert sind und später vielfach republiziert wurden. Während diese erst 1957 in den Besitz der österreichischen Nationalbibliothek gelangten, gehören zu deren altem Bestand zwei umfangreiche Faszikel (MS 12.713. 12.714) mit Briefen verschiedener Korrespondenten an Antonio Nunes Ribeiro Sanches (1699—1783)6). Bei diesem portugiesischen Arzt jüdischer Abstammung handelt es sich 1) F. T. BRECHKAS Buch Gerard van Swieten andhis world. 1700—1772 kann die im Titel erweckten Erwartungen nicht erfüllen. Dazu vgl. Médical History (im Druck). 2 ) Aufrichtigen Dank möchte ich auch an dieser Stelle dem Direktor des Allgemeinen Verwaltungsarchives (=AVA), Herrn Hofrat Prof. Dr. W. Goldinger, für seine großzügige Hilfe in der Bereitstellung des Aktenmaterials sagen. 3) K I N K , R . 1 / 2 , S . 2 5 4 - 2 7 1 . 4
) Aufgeführt bei VAN LEERSUM, E. C. : Cours de Boerhaave, en particulier ses leçons cliniques. Description de l'heritage sténographique laissé par Gérard van Swieten. Janus 23 (1918) 325—346. 5) A R N E T H , ALFRED VON: Geschichte Maria Theresias. Bd. 2 (Wien 1864) S. 565f. D E R S . : Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde. Bd. 4 (Wien 1881) S. 231—245. 6 ) Vgl. dazu WILLEMSE, D. S. 13.
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um eine der interessantesten Arztpersönlichkeiten des 18. Jahrhunderts, dem Maximiano Lemos 7 ) bzw. David Willemse8) zwei ausführliche monographische Darstellungen widmeten. Angezogen vom Ruhm des communis praeceptor Europae hat Sanches 1730/31 bei Herman Boerhaave in Leiden studiert und in eben diesem Jahr auch die Privatvorlesungen gehört, die damals van Swieten über Materia medica gab 9 ). Auf Empfehlung Boerhaaves kam Sanches 1731 an den Hof nach St. Petersburg, wo er als Leibarzt der Zarinnen Anna Iwanovna und Elisabeth eine einflußreiche Stellung einnahm. Als sie 1747 durch Intrigen im Zusammenhang mit seiner jüdischen Herkunft erschüttert wurde, zog er sich nach Paris zurück. 33 Briefe van Swietens an Sanches aus den Jahren 1739-1754 sind im MS 12.713 f. 84-159 erhalten. Sie sind erst in jüngster Zeit herangezogen und für die Van-Swieten-Forschung in ihrem vollen Aussagewert auch nicht annähernd ausgeschöpft worden. Was diese Quelle zu einer eminent wichtigen in der Van-Swieten-Forschung macht, dürfte bereits der vorangegangene Versuch, ein neues Van-Swieten-Bild zu konstituieren, gezeigt haben: Einmal umspannen diese Briefe die entscheidungsvollste Phase in van Swietens Leben, in der er sich entschloß, die Leidener Idylle mit dem theresianischen Hof zu vertauschen. Wir konnten aus diesem Briefmaterial nicht nur die äußeren Daten dieses Weges endlich abklären, sondern auch etwas über die Motive erfahren, die zu dieser weit über das Berufliche hinausgehenden Lebensentscheidung führten. Zum zweiten hat van Swieten diese Briefe nicht nur an einen gelehrten Berufsgenossen gerichtet. Gewiß sind sie auf weite Strecken hin auch Beispiel eines commercium litterarium, ja auch einer ärztlichen Konsultationskorrespondenz, wie sie im 18. Jahrhundert noch üblich war. Darüber hinaus aber hat van Swieten sich in diesen Briefen „familièrement" (f. 118v) einem Mann eröffnet, den er nicht nur optime amicorum, très cher ami nennt, sondern der ihm all das auch gewesen ist. Wir haben damit eine im Bereich der erhaltenen Swieteniana so seltene Quelle vor uns, in der sich der Mensch van Swieten vertrauensvoll enthüllt und enthüllen darf. Spricht durch diese Briefe van Swieten selbst zu uns, so handelt es sich bei dem Fund 10 ), den wir im Haus-, Hof- und Staatsarchiv machten, um eine Quelle anderer Art. Seit 1863 hat sich nach einer redaktionellen Bemerkung der Oesterreichisch-Ungarischen Revue11) ein Urenkel van Swietens, der k. k. Hauptmann a . D . Egydius Freiherr van Swieten (1817 — 1896), bemüht, eine umfassende Darstellung von Leben und Werk seines großen Vorfahren zu geben. Das Resultat dieser Bemühungen ist in einem zum Druck fertiggestellten Manuskript mit dem Titel Gerhard van Swieten als Gelehrter, Arzt, Staatsmann und Mensch nach archivalischen Quellen und Familienpapieren im Haus-, Hof- und Staatsarchiv unter der Signatur Suppl. Nr. 1203—W 1012 aufbeRibeiro Sanches. A sua vida e sua obra. Porto 1911. Antônio Nunes Ribeiro Sanches — Eleve de Boerhaave — et son importance pour la Russie. Janus Suppl. 6. Leiden 1966. 9) Darüber schrieb Sanches: „Gérard Van Swieten . . . doit être glorifié parce que'il a été le premier qui dans ce siècle a ressuscité la pharmacie et parce qu'il a montré que tous les médecins ont besoin d'être des pharmaciens accomplis. — En même temps qu'il suivait les leçons de Boerhaave il assistait dans une pharmacie à Leyde; il y apprît cet art avec supériorité, parce qu'il suivait en même temps les leçons de chimie et de médecine. Il obtint le grade de docteur avec la permission que Boerhaave obtint pour lui du Sénat Académique; il enseignait chez soi (non comme professeur) la matière médicale et la pharmacie; je lui ai attendu quelques leçons en 1730 et 1731." Vgl. LEMOS, M.: Ribeiro Sanches a Leyde (1730-1731). Janus 16 (1911) 239. I°) Das bei KLINGENSTEIN, G . S. 115 Anm. 9 2 gegebene Zitat dieser Biographie geht auf eine Mitteilung von meiner Seite zurück. ii) Oesterr.-Ung. Revue N.F. 6 (1888/1889) 131. Egydius van Swieten war ein Enkel des jüngsten Sohnes van Swietens, Gijsbertus Henricus (geb. 1744). Vgl. VAN SWIETEN, D. L.: Gerard van Swieten, de lijfarts van Maria Theresia, en zijn nageslacht. Nederl. Leeuw 42 (1919) 5—11. 7) LEMOS, MAXIMIANO: 8) WILLEMSE, DAVID :
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wahrt. Das Manuskript umfaßt 574 halbseitig beschriebene Folioseiten und enthält anhangsweise 17 Beilagen aus dem Familienarchiv, darunter jenen bisher unbekannten Brief van Swietens an den Kabinettssekretär Maria Theresias, in dem er seinen Entschluß bekanntgibt, der Berufung an den Wiener Hof Folge zu leisten. Unverkennbar ist Egydius van Swieten bei seinem Unternehmen von dem gleichzeitig erscheinenden Maria-Theresia-Werk Alfred von Arneths angeregt worden, das ihm in gewissem Sinne Vorbild gewesen sein mag. Sicherlich trifft dies für den Fleiß zu, mit dem er die damals noch intakten Archive der Zentralbehörden durchforscht hat, um mit einer Akribie ohnegleichen das gefundene Aktenmaterial entweder in deutscher Ubersetzung oder in ausführlicher Paraphrase darzubieten. Außerdem konnte Egydius van Swieten aus den Familienpapieren und einer noch lebendigen mündlichen Familientradition schöpfen. Da, wie wir eingangs bemerkten, die für van Swietens Wiener Tätigkeit zentral wichtigen Archivkörper vernichtet wurden, leuchtet der besondere Wert dieser Quelle als Ersatz für soviel Verlorenes ohne weiteres ein.
Quellen Nr. 1 Brief van Swietens an Sanches. Original Dat. Leiden, 29. Jänner 1739. ÖNB. MS 12 713 f . 96-97. Dank für die Geschenke (Zobelpelz, Mineralien). Verlegenheit über Gegengaben (Pflanzensamen, Mineralien, anatomische Injektionspräparate von Lieberkühn). Würdigung des preußischen Anatomen Johann Nataniel Lieberkühn (1711—1756), der in Leiden studiert hatte. Trauer um Boerhaave, der am 23. September 1738 gestorben war. Leichenfeier in Leiden. Klage van Swietens um den geliebten Lehrer. Sein Verhältnis zu ihm. Entschluß, die Aphorismen Boerhaaves zu kommentieren. Die Hypochondrie des Studenten van Swieten, geheilt von Boerhaave. Musiktherapie. Praestantissimo et eruditissimo viro oculatissimo medico, amicorum optimo, Antonio Ribeyro Sanches s. p. d. Gerardus van Swieten. Et gratissimas tuas ad me datas literas et splendida accepi munera, mustelinum strophium, mineralia, naptas lagenulas, omnia salva, salina humecta erant, sed non poterat hoc in tanto itinere aliter evenire. Tradidi vulpinam pellem bibliopolae Moetjens. Dum haec omnia avidis percurrebam oculis, quoties grata mente tui recordor, dum charam uxorem tuo superbientem munere video, dum praeter haec omnia clarissimi Ammanni 12 ) tuabenevolentia oblatam recordor, obstupeo, tantisque beneficiis cumulatus, quid rependam, nescio. Quid potero addere thesauro Imperialibus sumptibus et Petri Magni (cui parem nulla vidit aetas) cura collecto, si semina, plantulas, mineralia forte quaedam, si desint adhuc aliqua, desiderat Cl. Ammannus, corradam libentissime. Cum amico integerrimo natione Borusso Lieberkühn13), cui similem nunquam vidi in omnibus physicae, mechanices, anatomes partibus, injectiones anatomicas colui, ille me docuit plurima 12) Der aus Schaff hausen stammende Arzt Johannes Ammann war 1723 als Professor der Botanik nach St. Petersburg berufen worden. 13) Johann Nathaniel Lieberkühn (1711—1756) studierte unter Boerhaave und Albinus in Leiden, wo er 1739 promoviert wurde. Offensichtlich war er bereits damals in der Injektionstechnik so versiert, daß er darin zum Lehrer van Swietens wurde. Van Swieten hat seine Sammlung Lieberkühnscher Injektionspräparate 1745 nach Wien mitgebracht, sie bei seinen Vorlesungen (KINKR. 1/2, 256) verwendet und sie später dem anatomischen Museum der Universität geschenkt. Vgl. HYRTL, JOSEPH: Vergangenheit und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie an der Wiener Universität. Wien 1869. S. XXXIII.
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circa hanc artem, si haec placeant, jube, Candidus communicabo, dum de meis nil habeo, aliena certe munera tibi offerem. Si Ruthenos tuos Magni Boerhaavii morbus afllixit, quid credis factum fuisse hic loci, dum acerbum funus academiae cives nostri, tota luget provincia. Demisso vultu, lacrymis, sincero luctu omnes clamabant, Boerhaavius fuit. Dum tanti viribus manibus parentaret Schultingius14) in Academia nostra (lugubre spectaculum) tacitae omnibus academiae civibus, gravissimis magistratibus, omnium ordinum hominibus decurrebant lacrymae. Quoties aegrorum lectulis assidens me aliquid in cura proficere gaudeo, toties tacitus mihi dico, hoc totum deberi magno praeceptori. Rara felicitate mihi fere soli obtigit per viginti solidos annos a tanti viri ore pendere, titubantem in praxi salutari Consilio et paterna benevolentia toties firmavit, quoties ad ilium accessi, toties reddi doctior 15 ). Ab ilio numquam passus fui, ut avellerer, splendidis licet et merita longe superantibus in Germaniae aulas et academias vocatus conditionibus, sub illius umbra delitescere summam mihi semper gloriam duxi 16 ). Audax nunc meditor facinus et viribus impar, fateor, onus, sed et in magnis aliquando voluisse sat est. Statui enim commentaria scribere in aphorismos et post pascha incipiam 17 ), omnia, quae in academicis exercitiis vel in privatis colloquiis me docuit, hue conferam, audacia veniam impetrabit spero pia, qua defuncti magistri memoriam colo reverentia"). Doleo quam maxime, quod hypochondriaco morbo (eruditorum flagello) laboras, sine hac labe sapientiae studiis dediti ipso Jove forent beatiores. Quondam molestissimo hoc malo laborans summi Boerhaavii consiliis perfecte sanatus sum. Suadebat ille, ut vesperi somno me traderem, nec nocturnas horas studiis impenderem, mane surgerem diluculo, tunc ilia tractarem, quae acriorem indaginem requirerent, fessum his animum recrearem ante prandium ambulatone etc., post prandium
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) Albert Schultens, Boerhaaves bester Freund und Professor der orientalischen Sprachen, hielt am 27. oder 28. September 1738 die Leichenrede auf Boerhaave. Vgl. LINDEBOOM, G. A. (1968) S. 217. ls ) Dieser Satz stimmt fast wörtlich mit einem der Praefatio im 1. Band der Kommentare überein. Da im Folgenden van Swieten seinen Entschluß mitteilt, mit der Arbeit an den Kommentaren beginnen zu wollen, so dürfte sich ihm die Stelle aus dem Brief an Sanches als Vorformulierung angeboten haben. 16 ) Zum erstenmal erfahren wir hier, daß van Swieten auch Rufe an deutsche Universitäten und Höfe hatte und sie abgelehnt hatte. Bisher war nur aus der Éloge Fouchys aus dem Jahre 1773 (DE FOUCHY: Éloge de M. Ie Baron van Swieten. Histoire de l'Académie Royale des Sciences. Année 1772. Paris 1775. S. 116) bekannt, daß er vor dem Ruf nach Wien einen solchen nach London abgelehnt hatte, den ihm sein Schüler Tourton vermittelt hatte. 17 ) Es muß einmal mit allem Nachdruck klargestellt werden, daß sich van Swieten erst nach dem Tode Boerhaaves 1739 entschloß, Kommentare zu dessen Aphorismen herauszugeben. Die bisherigen van Swieten-Biographien bringen diesen Entschluß gewöhnlich in Zusammenhang mit dem Verbot der Universität Leiden vom 8. Juli 1734 (vgl. LINDEBOOM, G. A. [1968] S. 191 f.) Vorlesungen zu halten und dem Wunsch der Studenten, dafür einen Ersatz zu haben. Dazu muß festgestellt werden, daß zwischen dem Verbot (8. Juli 1734) und van Swietens Entschluß (Ostern 1739) immerhin fast fünf Jahre liegen! 18) Man sieht, von welchen Gefühlen pietätvoller Verehrung van Swieten gegenüber seinem Lehrer Boerhaave durchdrungen war. Fünf Jahre später sollten sie durch Albrecht von Haller auf das empfindlichste verletzt werden. Dazu vgl. LESKY, ERNA: Albrecht von Haller, Gerard van Swieten und Boerhaavens Erbe. Gesnerus 15 (1958) 120—140. DIES.: Neue Dokumente zum Streit Haller—van Swieten. Clio Med. 1 (1972) 120-127.
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chemica, anatomica etc experimenta, si luberet, facerem. Interim pertinaci usu ferulaceorum gummi et salubribus verno imprimis tempore cichorei, taraxaci, becabungae fumariae etc succis solverem atrabilariam saburram. Incredibile quantum profecerim, nunc jam dudum ab his angustiis liber, gaudens haec aliis consulo 19 ). Utinam et tibi prodessent. Addebat subridens magnus vir, philosophum decet habere lyram, volens, ut Musices amabili lenocinio severiores musas demulcerem, affirmans se eodem morbo afflictum, maximum inde solamen habuisse, et, uti solebat urbano sale omnia condire, addidit, hune morbum décorum esse literatis ut militibus cicatrices20). Sic nullius licet recordari morbi, quin ilico recurrat magni praeceptoris memoria et acerbum vulnus repicet. Valeas, amicorum optime meoque nomine ci. Ammannum iterum atque iterum salutes, an poterit amousos dici locus, ubi tu cum talibus degis. ignoscas moram occupatissimo homini et mei memor diu felix vive. Lugd. Batavor. 29. Jan. 1739. Nr. 2 Brief van Swietens an Sanches. Original. Dat. Leiden, 8. April 1743. ÖNB. MS 12 713 f . U5-116v. Schwierigkeiten mit der französischen Sprache. Erste Berufung nach Wien und Ablehnung. Arbeit an den Kommentaren. Schwierigkeiten bei der Darstellung der Krisenlehre. Schwierigkeiten mit Bücherbeschaffung aus England. Freude von van Swietens Frau über das kostbare Hermelingeschenk. Mikroskope als Gegengabe. Kaau Boerhaave. Wirkung der Chinarinde bei Gangrän. Abenteuer britischer Matrosen mit einem Seeungeheuer. Regenerationsversuche mit Polyp. Monsieur, Messrs. Verbeek 21 ) faisants partir selon vos ordres des livres et une lettre je devois naturellement profiter de cette occasion pour vous écrire cellecy. Comme je me mets dans l'esprit, que je vous parle, quand je vous écris une lettre, par conséquent je veux m'entretenir avec vous sans aucune ordre, mais seulement selon que les choses me viennent dans l'esprit. Je vous fera pas d'excuse sur les fautes d'ortographie etc. 22 ). Car la langue francoise n'estant pas mesme le manteau de ma langue 19
) Die Éloge des Sekretärs der Académie des Sciences, de Fouchy, beruht auf ausgezeichneter Information — vermutlich über den in Paris lebenden Sanches. Man vgl. die Stelle (zit. Anm.16, S. 115: il tomba dans une mélancholie profonde, accompagnée de marasme et d'insomnie. Boerhaave qui l'avoit bientôt distingué dans la foule de ses disciples, et qui s'y étoit véritablement attaché, blâma cet excès de travail, et en ordonna la cessation; il lui prescrivit l'exercise des armes et l'étude de la musique; il lui recommanda, sur-tout, de faire avant que de se mettre au lit quelque lecture plaisante, et de se coucher aussitôt qu'il se sentiroirt envie de rire. Ce régime, si sagement indiqué, joint aux remèdes convenables, eut tout l'effet qu'on pouvoit en attendre: en peu de temps la mélancholie disparut, et M. van Swieten reprit l'embompoint et le sommeil dont il étoit privé." 20 ) Die Hypochondrie galt im 18. Jahrhundert besonders als Krankheit der Gelehrten, zu der sich auch Immanuel Kant bekannte. Vgl. FISCHER-HOMBERGER, ESTHER: Melancholie bis Neurose: Krankheits- und Zustandsbilder. Bern-Stuttgart 1970. S. 42 f. 21 ) Leidener Buchdrucker und Verleger, bei dem van Swieten seine Kommentare herausbrachte. Gleichzeitig mit den Büchern vermittelte Verbeek wie überhaupt die Buchhändler im 18. Jahrhundert die Briefe der Gelehrten. 22 ) Wie man bereits aus den mitgeteilten Noten van Swietens ersehen konnte und im folgenden noch mehr ersehen wird, schrieb van Swieten ein recht ungefüges Französisch mit orthographischen Fehlern und syntaktischen Unebenheiten. Sie wurden in der Edition in der ursprünglichen Form belassen ebenso wie van Swietens höchst willkürliche Akzentsetzung.
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maternelle, comme vous dites de la vostre, on doit bien attendre, qu'un hollandois doit avoir ses c o n . . . franches, pour estropier un peu cette langue, quand il se mêle d'ecrire. Un ami 23 ), qui me veut du bien de tout son cœur, m'a tendu un piege, car le medecin en chef de Sa Majesté la Reine d'Hongrie estant mort (c'estoit Monsr. Bassand, grand ami de nostre Maitre) 24 ). Il avoit écrit a mon inscu a la cour et cela me produisoit une lettre, pour m'inviter a cette cour, laissant les conditions a mon choix. Cet ami s'interessoit chaudement pour me faire accepter ce parti, mais après deux jours de délibération sur cette matière, j'écrivis une lettre pour remercier Sa Majeste très humblement de ma part, car je me sentois pas fait d'une manière pour mener ce train de vie, et j'etois assuré, que mes etudes auraient souffert et j'aime infinement mieux d'estre un petit Républicain que d'avoir un titre pompeux, qui sert a couvrir un esclavage reël. Pardonne moy si je parle avec si peu de respect d'un emploi si honorable, mais un homme, qui a sucé avec le lait l'amour de la liberte, frémit, quand il pense, qu'il estoit menacé de la perdre. Par conséquent me voila le mesme qu'auparavant, c'est a dire, en bonne santé, libre et content. L'histoire du crisis25) m'a fait delà peine, tant pas la difficulté de la nature que pour mettre dans un abrégé ce qui estoit nécessaire d'en dire, pour donner une idee moins confuse qu'on voit dans les auteurs. J'ai consulté sur cela les ancients et revu quelques centaines d'histoires des maladies aiguës, que je traité moy mesme. Vous lirez cela dans le deuxieme tome et vous me direz alors ce que vous pensez. En général l'histoire de la fièvre est un rude morceau. J'en suis pourtant venu au bout, si ce n'est pas bien, au moins c'estoit le meilleur que je pouvoy faire. On commencera bien tôt a imprimer le second tome, parceque je voulois avoir une bonne partie de l'ouvrage fait, pour n'estre pas incommodé par Messrs les imprimeurs et toutes les ouvriers qui en dépendent. Car des bonnes gens n'entendent point raison, quand il s'agit de leur pain quotidiain, et dans le fond l'ouvrage ne viendra pas plus tard a sa fin pour cela, car il me scauront bien tôt attraper, quoique je fusse plus avancé que je ne suis. C'est un histoire que d'avoir un livre d'Angleterre. Messrs. Verbeek ont desja écrit deux fois pour l'avoir a leur correspondant, et cet honneste homme après avoir donné sa parole de le procurer, leurs a envoye des autres livres sans celuy de pulsu 26 ), dont j'ai pesté assez devotement et exhalé ma bile sur toutes les librairies. Pourtant Messrs. Verbeek m'ont promis de faire en sorte, qu'ils vous l'envoyeront a la première occasion.
23) Die Vermutung F. T. BRECHKAS S. 92, daß dieser Freund Wenzel Anton Graf Kaunitz, der spätere Staatskanzler Maria Theresias, gewesen sei, scheint mir nicht verifizierbar. Es ist unwahrscheinlich, daß sich der Jurist Kaunitz während seines einwöchigen Leidener Aufenthaltes auf seiner Kavalierstour 1732 ausgerechnet mit dem Mediziner van Swieten so befreundet hätte, daß er sich, der 1743 Gesandter in Turin war, seiner erinnerte. 24) Jean Baptiste Bassand (1680—1742), Schüler und Freund Boerhaaves, der 1724 Leibarzt Franz Stephans von Lothringen, des späteren Gatten Maria Theresias, in Wien wurde und eine jahrelange Korrespondenz bis zu Boerhaaves Tod mit ihm unterhielt. Die von Boerhaave an ihn gerichteten Briefe sind herausgegeben von LINDEBOOM, G. A.: Boerhaaves Correspondence. Part. II. Leiden 1964. S. 107 f. 25) Die Ermittlung der kritischen Tage bei den Fiebern, die schlechtweg einen Großteil der damaligen Pathologie ausmachten, spielte aus diagnostischen und therapeutischen Gründen eine wichtige R o l l e . Vgl. LESKY, E . (1970) S. 134FF.; KINO, LESTER S.: The Medical
World of the
Eighteenth
Century, Chicago 1958. S. 123-155. 2 «) Wahrscheinlich handelt es sich hier um die Pulslehre des spanischen Arztes Francisco Solano de Lucques, die damals Aufsehen erregte, indem sie alle Krisen auf drei Pulsarten zurückführen wollte. Vgl. HECKER, J. F. C. (1839) S. 414.
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Les hermines sont arriveès belles et blanches, et ma femme vous en remercie de tout sa cœur 27 ). Mais elle-voulut absolument voir, si dans vostre lettre il n'y avoit rien sur son article. Le moyen de refuger cela, ca quoique garçon encore vous comprenez assez, que empecher une femme dans un cas semblable, ce serait piquer sa couriositè, et elle m'aura volé vostre lettre plustot que d'ignorer ce qu'elle vouloit scavoir. Par amour pour la paix domestique je luy a montré l'endroit de vostre lettre, qui la regarde, et comme j'avois fait quelque difficulté sur cela, elle prit la resolution de me brouiller avec vous, pour me punir. Elle a fait venir des microscopes, les a fait empaqueter chez Verbeek, malgré mes dents, mesme elle semblait mepriser mes menaces, en défaut, qu'elle craignoit peu le garçon le plus entreprenant du monde, quand il est éloigné de quelques centaines de lieues, vous voyez bien qu'il n'ya rien a faire avec ces créatures, et qu'il faut les laisser aller leur train, particulièrement dans les petites bagatelles comme celles sont. Je suis sur, que vous entreroy dans ma pense, quand vous aurois une femme a vostre tour. Je suis ravi que Monsr. Kaau 2 «) vous plait, et je estimais plus pour cela, saluez le de ma part, comme aussi Monsr. Blumentrost. Je vous remercie de la communication de tant des belles observations, et je puis dire que les vertus du cortex dans la gangraene 29 ) se confirme de jour; mais le spécifique de Madame Stephens pour la pierre semble perdre son crédit. J'ai vu une lettre d'Angleterre, ou on marque que des matelots estant allez dans la barque pour chercher quelques provisions. Ils furent surpris de voir un monstre marin prendre le bord de la barque, et un d'eux craignant malheur, d'un coup d'hache coupa le bras attaché au bord. Le monstre alla au fond d'abord, et le bras coupé près de la jointure de l'epaule tomba dans la barque. Les chairs se corrompirent bien tôt, et on trouva les os parfaitement semblables a elles d'un homme. On dit, que la Société Royale fera examiner ce cas, et que cela fut arrivé dans un endroit, ou d'un tems immémorial on avoit dit, que de tems en tems on voyoit des sirenes30). Vous voyez que je vous cede pas en longueur des lettres, et je ne finis pas encore, car je dois vous dire, que historia uteri gravidi composé par mon beaufrere Noortwyk 31) s'imprime actuellement. Il a encore quelques petits traités, qui sont pas mauvais, quoique ils pourront bien faire enrager quelquesuns, parcque, c'est un terrible homme, pour renverser des systèmes, qui ont coûté tant de peine a leurs auteurs. Bientôt il va paroitre un petit traité curieux sur un insecte aquatique, qu'on nomme a cause
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) In der Art, in der van Swieten dem Freunde über die Neugierigkeit seiner Frau bezüglich der neuen Geschenke aus Rußland berichtet, kann man ersehen, in welch glücklicher Ehe er mit ihr lebte. 2 ') Hier handelt es sich um den Neffen Boerhaaves, Herman Kaau-Boerhaave (1705—1753), der über Vermittlung von Sanches und van Swieten 1742 einen Ruf als Leibarzt nach Rußland erhalten hatte und 1742 in Moskau eingetroffen war. Vgl. WILLEMSE, DAVID ( 1 9 6 6 ) S. 70ff. 29 ) Die Chinarinde war ein beliebtes Mittel gegen Gangrän. Auch in der Todeskrankheit van Swietens wurde sie von den behandelnden Ärzten Störck und Leber mit seiner Zustimmung verordnet. 30 ) Es ist immerhin bemerkenswert, daß ein so aufgeklärter Naturforscher wie van Swieten nicht umhin konnte, im Zusammenhang mit dem Vorfall die Fabel von den Sirenen zu erwähnen. 31 ) William Noortwyk, der Schwager van Swietens, brachte 1743 eine Uteri humani gravidi anatome et historia in Leiden heraus. Er übersetzte auch das Werk des Anm. 26 genannten spanischen Arztes Solano in das Lateinische: New and ordinary Observations concerning the prediction of various crisis by the pulse. Utrecht 1735. 1746. In dem Streit zwischen Haller und van Swieten spielte er als Verfasser der Gegenschrift gegen Haller 1746 eine Rolle. Vgl. LESKY, E.: Neue Dokumente zum Streit Haller-van Swieten. Clio Med. 7 (1972) 123f.
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de sa figure Polypus 32). J'en ai nourris quelques uns pendant quelques jours, leurs petits sortent de leurs corps comme les rameaux sortent des arbres, et quoyque attachez au corps de leurs meres, ils ne laissent pas de bien manger, et mesme de disputer des petits vers a leurs meres. Mais ce qui doit enrager les naturalistes, quand on coupe ces animaux en deux, trois, quatre et plusieurs pieces, selon leur longeur, largeur, ou toute autre direction, ces parties coupeès se transforment en autant d'animaux du mesme espece. Monsr. Albinus a tourne cet insecte comme on tourne le dort d'un grand, ensorte que l'interieur de l'insecte devenoit exterieur, et non obstant cela, cet animal mangoit et faisoit des petits comme auparavant. Vous voyez bien qu'il est temps de finir, quand je commence a conter des choses surprenantes. Dans un lettre d'Allemagne on me marque, que le bruit y courut, que Monsr. Haller professeur, qui donne les commentaires sur les institutions estoit mort. Je finis en vous assurant, que je suis et servis toute ma vie Monsieur vostre ami et très obéissant serviteur van Swieten.
Nr. 3 Brief van Swietens an den Kabinettssekretär Koch. Abschrift. Undatiert. Vermerk von anderer Hand in Klammer „Okt. 1745". Zur Datierungsfrage vgl. S. 15f., Anm. 21. Beilage I aus: Egydius van Swieten: Gerhard van Swieten. HHStA. Handschriftenabtg. Suppl. Nr. 1203— W1012. Annahme der Berufung nach Wien. Gefühl der Auszeichnung über den persönlichen Brief Maria Theresias. Gründe für die Verspätung der Antwort. Bitte, Dank für Brief der Kaiserin zu übermitteln. Rückfrage, ob Pension für die Gattin ohne Ortsbindung. Über ev. Verlust bei übereiltem Verkauf von van Swietens Haus in Leiden. Terminisierung der Ankunft in Wien für Frühjahr 1745. Monsieur. A la fin je me rends, et quel moyen de resister a des offres si avanteuses et proposées d'une maniéré si distinguée? La lettre dont sa Majesté m'a honoreè, les sentimens heroiques et pleins de la vertu la plus solide, que je ne me suis pas lassez d'y admirer, m'ont tellement touché, Monsieur, que je n'ai pu m'empecher de prendre une resolution de laquelle je me croyois presque incapable auparavant. Si j'ai tardé, Monsieur, a repondre, c'est parcque je me mefiois de moy mesme, le passé m'avoit appry, que j'avois le cœur assez tendre, pour estre touché vivement de la seule idee, qu'il falloit se separer de sa patrie, de sa famille, de ses amis. J'avois des liens a briser, des difficultees a surmonter, des résistances a vaincre. Je me suis examiné sérieusement sur tout cela et j'ay ete surpris moy mesme, de me trouver ferme, et de voir les mesmes dispositions a ma chere epouse. J'entre donc avec toute la satisfaction imaginable au service de sa Majesté et je me persuade suivre encela la route, que la Divine Providence me trace 33 ). J'espere, qu'en employant tout mon tems d'une part aux soins, que demande, un employ si distingué, et de l'autre part a l'étude nécessaire, pour m'en rendre plus digne et plus capable, il plaira a la Divine misericorde de bénir mes travaux.
32) An der folgenden Erzählung sieht man das Engagement des echten Naturforschers van Swieten. Regenerationsversuche sind auf Anregung Reaumurs gerade in den vierziger Jahren durch Charles Bonnet (1720-1793) und durch Abraham Trembleys (1700-1784) Arbeit über die Süßwasserpolypen modern geworden. Vgl. RÄDL, EMANUEL: Geschichte der biologischen Theorien. Bd. 1 (Leipzig-Berlin 1 9 1 3 ) S. 175, 228. NORDENSKIÖLD, ERIK: Die Geschichte der Biologie. Jena 1926. S. 234. 33 ) Hier klingt dieselbe schicksalhaft empfundene Entschlossenheit an, die im Brief an Sanches (vgl. S. 43) mit fast denselben Worten bekundet wird.
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Comme Sa Majesté m'a ordonné, de m'adresser a vous, Monsieur, dans ma reponse, et que vous me faites si gracieusement des offres d'une amitié sincere que je tacherés de meriter par touts les services, dont je suis capable, permettez, que je commence d'en faire usage. J'ay cru, que je manquerais au respect, qu'on doit a Sa Majesté, si je donnois une reponse a la lettre, dont elle a bien voulu m'honorès, et ne trouvant pas des termes assez forts, pour exprimer mes sentiments j'ai recours a vous, Monsieur, et je vous prie, de marquer de ma part a Sa Majesté la plus vive reconnaissance, le plus profond respect et l'attachement le plus sincere. Oserais vous importuner sur un point encor. En cas qu'il plut a Dieu de m'appeler a luy dans le commencement de ma nouvelle carrière, la pension que sa Majesté a bien voulu accorder a mon epouse, pourrait elle estre depenseè en tout lieu? Cela servirait de consolation, quand elle n'aurait pas tout a fait perdu le souvenir de sa patrie et de sa famille qu'elle y laisse. Je vous avoue sincerement, Monsieur, que content de mon sort, et ayant toute raison de l'estre, je ne pouvois pas pourtant sans trouble penser a l'estat, ou je laisserais une tendre epouse et des chers enfants, si la mort m'en séparait, avant que j'aurais pu pouvoir a leurs besoins. Quelle consolation, que de laisser ce qu'on a de plus cher sous la protection bienfaisante d'une Auguste Reine, qui avec tant de bonté m'en donne toute assurance! Cela seul, je le confesse, a fait une très forte impression sur moy, et ma rendu ferme dans mes resolutions. Quant a la perte, que je ferai a la vente de la maison 34), et des meubles, il n'est pas possible de le marquer a peu près, et je croirais abuser des libéralités de Sa Majesté, si j'excedois dans ma demande la juste valeur. Je scay bien que ce n'est pas un objet de conséquence en soy mesme, me je crois qu'il me convient d'estre exact la dedans. Quoyque je désirerais fort d'accelerer mon départ je prévois pourtant facilement, que cela de pourrait pas se faire. Il y a un grand nombre de choses a regler, et avec cela un enfant âgé de huit mois ne soutiendrait pas avant le printemps les fatigues du voyage35). Je vas donc disposer toutes mes affaires pour mon départ, j'aurois pourtant encore besoin de vos conseils sur bien des choses, qui regardent la sûreté du voyage dans ce tems 3«), le transport des bagages et des mes livres etc. Mais je diffère cela pour un autre occasion, esperant l'honneur de vostre reponse a cette lettre, pour estre sur qu'elle vous est arriveé. J'espere, qu'un je pourrais vous remercier de vive voix, et cultiver cette amitié, qui m'est si precieuse. En attendant cet heureux moment j'ai l'honneur de me dire avec toute l'estime possible Monsieur etc.
Nr.4 Brief van S Wielens an Sanches. Original. Undatiert (nicht vor dem 31. Jänner 1745). ÖNB. MS 12 713 f . 122-123v. Zweite Berufung nach Wien. Ihr Zustandekommen. Vermittlung durch Laugier (August 1744). Persönliches Schreiben der Kaiserin. Wirkung auf van Swieten. Neustoische Fügung in das Schicksal. Bedingungen der Annahme der Berufung. Verzögerung in der Herausgabe der Kommentare. Monsieur et cher ami. Vous serez surpris sans doute d'apprendre, que j'ay accepté la charge de Premier Medecin et Bibliothécaire de Sa Majesté la Reine d'Hongrie, Boheme etc., quand vous vous resouvenez 3t) Der Verkaufsvertrag ist noch erhalten (ÖNB. Handschriften-Sammlung Nr. 296/7 - 19). Er trägt das Datum vom 1. Mai 1745. 35) Van Swietens jüngster Sohn Gijsbertus Henricus war am 26. Februar 1744 zur Welt gekommen. V g l . F . T . BRECHKA S . 7 0 .
3«) Van Swieten meint die Wirren des 2. Schlesischen Krieges.
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de m'avoir dans vos lettres quelques fois des instructions sur cet article, qui estoient sûrement d'un grand poids, et meritoient toute attention. Cependant je crois, que voyant le détail des raisons, qui m'ont fait accepter ce parti, vous jugerez plus favorablement de ma resolution prise. Cette grande Princesse après m'avoir envoyé par un de ses medecins37), que je connoissois particulièrement, un magnifique present, fit renouveller pour m'avoir a son service. Je m'informois de luy, pendant quelques semaines, qu'il restoit a Leyde, de tout en grand détail, qui concernoit cette charge, il pouvoit en parler par experience. Je connoissois sa candeur, et j'estois convaincu en mesme tems, que nulle raison ne pouvoit l'engager a me tromper, parce qu'il alloit en Portugal pour estre Medecin de la Reine a Lisbonne. Pendant que j'estois dans cette irrésolution, et que ce Medecin fut desja parti, la Reine m'écrivit une lettre de sa main propre, la plus touchante, que j'ay vu de ma vie, et peut estre jamais souveraine n'a écrit de cette façon a un petit particulier 38 ). Les sentiments les plus nobles, la résignation la plus parfaite, l'amour le plus tendre pour son illustre époux et ses enfans, s'y montrèrent par tout. Cette illustre Princesse en m'exhortant a entrer dans son service finissoit sa lettre, en disent qu'elle acceptera ce refus, comme un décret de Dieu, qui le menoit a luy par le chemin des troubles et des chagrins, et ne permit pas, qu'elle eut dans son domestique mesme celuy, qu'elle avoit tant souhaité. Vous avez le cœur trop bien placé, cher ami, pour de approuver la conduite d'un homme, qui se laisse toucher par une invitation si tendre. Je restois pourtant encore un mois entier dans la délibération, pour peser sincerement le pour et le contre. A la fin je céda, et je vous dis sincerement, que je me scais bon gré de l'avoir fait, et il me semble pas mesme possible, que je me repentira jamais. N'ayant jamais cherché les honneurs, et me pouvant rendre ce témoignage, que je n'avois fait le moindre pas les obtenir, qu'au contraire j'y avois mis bien des obstacles. Je suis sur de suivre les routes, que la Divine Providence me trace 39 ); s'il m'arrive des traverses, je tachera de les souffrir avec patience, et l'exemple de cette illustre Reine, qui sans murmurer a tant souffert, suffira tousjours pour m'encourager. Quoyque la prudence exige, de se préparer a tout evenement, cependant je n'ay pas la moindre ombre de raison pour tirer des mauvais augures. Jusques a trois fois la Reine m'a honoré m'a des lettres de sa main •">), et je puis dire, que si la première me ravissoit, les deux autres le surpassent encore. L'honoraire est amplè 41 ), et payé de trois mois très exactement, et mesme tousjours d'avance. Ma chere epouse a une pension de mille ducats, a dépenser par tout, on elle voudra, en cas qu'elle me survécut. Mes enfans ont tout assurance raisonable, d'avoir du pain, s'ils le meritent par une bonne 37) Wie wir aus dem Brief des Grafen Thoms an Albrecht von Haller vom 21. August 1744 (vgl. S. 15 Anm. 19) wissen, handelte es sich hier um den Boerhaave-Schüler Alexandre-Louis Laugier, der am Wiener Hof Arzt gewesen war. Er brachte van Swieten als Geschenk Maria Theresias eine mit Brillanten besetzte Tabatiere. 38 ) Dieser erste Brief Maria Theresias war bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Egyd van Swieten die Biographie seines Vorfahren verfaßte, nicht mehr vorhanden. 3 ®) Vgl. die ähnliche Wendung in dem Brief an den Kabinettssekretär Koch. Möglicherweise bricht hier etwas von der neustoizistischen Haltung durch, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts (Justus Lipsius!) in der holländischen Oberschicht sehr verbreitet war. Vgl. OESTREICH, G. 40 ) Van Swieten hat außer dem ersten, nicht mehr erhaltenen Brief, noch zwei weitere von Maria Theresia in Leiden erhalten. Sie sind datiert vom 29. November 1744 und 8. Jänner 1745 und abgedruckt bei ARNETH, A . : Geschichte Maria Theresias. Bd. 2 (Wien 1864) S. 565. 41) Van Swieten erhielt 12.000 Gulden im Jahr, von denen 3000 Gulden vierteljährlich im voraus zu bezahlen waren. Zum Vergleich sei angeführt, daß Kaunitz in Brüssel im Rang eines Ministers 30.000 Gulden erhielt und ein gewöhnlicher Leibarzt am Wiener Hof 1200 Gulden hatte. Vgl. ARNETH, A . : Biographie
S. 200.
des Fürsten Kaunitz. A r c h . österr. Gesch. 88 (1900) 77. LESKY, E . (1959)
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conduite, au quelle je tachera de les former. Je sera logé a cote de cette belle bibliothèque42), pour y pouvoir estre souvent, le travail, attache a cette charge, m'incommodera pas, ayant deux sousbibliothecaires pour le faire 43 ). Sa Majesté m'a excusé de suivre la cour dans les voyages, afin d'avoir plus loisir pour l'etude. Je suis indemnisé de toutes pertes faites a la vente de ma maison, meubles etc. Ce changement dans mes affaires est pourtant cause, que le second tome de mes commentaires n'ira pas si loin, que je croyois, scavoir jusques au maladies chroniques, il auroit pourtant este trop grand alors. Je prends la liberté de vous envoyer les restes des feuilles, et je vous prie en mesme tems de me dire librement, si quelque chose vous deplait afin que je me corrige. Je peu exiger cela de vous par droit d'amitié. D'abord que je sera a Vienne, et que j'aurois rangé mes petites affaires, je continuera mon travail. La reponse sur cette lettre me trouvera a Vienne, car je compte de partir au commencement du mois de May, et par tout ou je me trouvera dans le monde, je sera toujours, mon cher, le mesme a vostre égard. Adieu vives heureux et content, et pensez quelques fois a un homme, qui sera tousjours sincerement vostre ami et obeeissant serviteur G. van Swieten. (P. S.) J'avois desja fini cette lettre, pour l'envoyer a Messrs. Verbeek avec la reste des feuilles du second tome, quand je me trouvois honoré de vostre lettre du 31 janvier de cette anneé. J'y vis avec plaisir, que vous ne des approuviez pas mon choix, et connoissant vostre candeur et experience cela me fit un vray plaisir.
Nr. 5 Antwort van Swietens auf den oft publizierten Brief Maria Theresias vom 8. Jänner 1745. In ihm hatte Maria Theresia auf Grund der Affare Engel—van Swieten frei gestellt, nach Wien zu kommen oder von seinem Entschluß zurückzutreten. Abschrift. Beilage IV aus Egydius van Swieten: Gerhard van Swieten. HHStA. Handschriftenabtg. Suppl. Nr. 1203—W1012. Vgl. auch das Konzept, Autograph in ÖNB. Handschriftensammlung, Sign. 296/7—18. Äußerungen des Bedauerns über den Tod der Erzherzogin Maria Anna, der am 16. Dezember 1744 in Brüssel erfolgt war. Versicherung, hinsichtlich der Intrigen Engels sich im Schutze der Majestät sicher zu fühlen. Die gleich zuversichtliche Haltung bei der Gattin van Swietens. Äußerungen über seine 15jährige glückliche Ehe. Gefühl einer schicksalhaften und nicht mehr änderbaren Entscheidung. Sacreè Majesté. La mort de S. A. S. Madame L'archiduchesse44) m'avait affligé si vivement, que, quoyque accoutumé par l'experience de mon art a estre souvent spectateur de ces tristes evenemens il m'estoit impossible de moderer ma douleur. Apres que j'eu donné un libre effort a mes larmes, et calmé ma
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) Die Wohnung van Swietens befand sich im Augustinertrakt der Hofburg. 13) Bei der Amtsübernahme fand van Swieten zwei Kustoden vor, Nikolaus Forlosi und Spannagel. Vgl. WIESER, W. G.: Die Hofbibliothek in der Epoche der beiden van Swieten (1739-1803). In: Geschichte der österreichischen Nationalbibliothek. Hrsg. von STUMVOLL, J. Wien 1968. S. 246. 44 ) Der Tod der Erzherzogin Maria Anna in Brüssel war am 16. Dezember 1744 erfolgt. Darüber vgl. die erschütternde Schilderung Kaunitz' bei ARNETH, A . (zit. Anm. 41) S. 75 f.
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douleur par le vif souvenir de la résignation parfaite, et la tendre pieté avec lesquelles cette illustre Princesse rendoit sa belle ame a son createur, je me sentoit le cœur serré, en craignant les tristes impressions que cette triste nouvelle pouvait faire sur la personne Sacreè de Vostre Majesté, sur l'Imperatrice Mere 45 ), et sur l'incomparable Héros 46 ) qui, pendant que son bras victorieuxpunissoit les cruels et perfides ennemis de Vostre Majesté perdoit cette epouse si cherie et si digne de l'estre. Quelle consolation n'a ce donc pas été pour moy? quand honoré d'une lettre de Vostre Majesté je me trouvais rassuré sur ce qui regarde Sa Personne Sacreè. Je souhaite que l'esprit consolateur daignera effuger les larmes de Vostre Majesté, celles de l'Imperatrice Mere, celles du grand Prince Charles de Lorraine, et de toutes la famille Royale, et que l'heureux accouchement de Vostre Majesté adoucira l'amertume de cette fatale perte. Comme le seul bonheur, au quel j'aspire dans ce monde, est d'estre dans les bonnes grâces de Vostre Majesté, tout ce qui me paroissoit y pouvoir donner la moindre atteinte, me devoit inquieter. Ces pour cela, que procédé de Monsr. Engel 47 ) ne laissoit pas de me faire d'abord quelque peine, mais je me sentis bientost tranqille, quand je réfléchis, qu'honoré de la protection Royale, j'en'avois rien a craindre, et que Vostre Majesté estoit trop eclaireè, pour se laisser surprendre par des mensonges si grossiers. Les assurances gracieuses, dont Vostre Majesté daigne m'honorer dans sa derniere lettre me rendent le plus heureux et le plus content des hommes et je manque de termes assez forts pour marquer ma reconnaissance. Ma chere epouse, toucheè vivement de cette gracieuse attention, que Sa Majesté daigne avoir pour elle, et pleine de reconnaissance pour tout de bienfaits, ne sent pas le moindre scrupule sur cet article. J'admirois son courage, quand je m'appercus, que les premiers impressions de la plus noire calomnie 48 ) n'estoient pas en estât de l'ebranler dans les resolutions qu'elle avoit prise; elle m'affermissoit mesme tousjours, estant parfaitement convaincu, qu'on ne peut estre malheureux, quand on a le bonheur de servir Vostre Majesté. Ayant vécu elle d'une union parfaite d'esprit et de coeur pendant quinze ans4») il n'estoit pas possible que nous pensions diversement sur une affaire de cette importance. Bien loin donc de craindre la perte de cette heureuse tranqillité dans le service de Vostre Majesté, je sens vivement, qu'elle seroit perdue pour tousjours, si j'estois capable de m'y opposer. Je suis sur de suivre la route, que la Divine Providence me trace 50), et les malheurs mesmes ne servent jamais en estât de me causer des regrets. Le parfait modele, que Vostre Majesté a donné a tout l'univers de sa résignation dans les plus grands revers et dans les pertes les plus sensibles suffiroit tousjours pour m'encourager. Je vois avec plaisir avancer le terme de mon départ. Je ne sens rien qui m'attache; mes amis, qui a la premiere nouvelle de nostre séparation future ont marqué le plus de sensibilité, sont les premiers a me presser sur mon départ et ils m'aident mesme pour aranger mes affaires. Bien loin donc de faire usage de la permission, que Vostre Majesté m'accorde si gracieusement, de pouvoir
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) Gemeint ist Maria Theresias Mutter, die Kaiserin Elisabeth. ) Herzog Karl von Lothringen, der Schwager Maria Theresias, war im 2. Schlesischen Krieg Heerführer. 4 ?) Vgl. S. 16 Anm. 22. 48 ) Gemeint sind die Intrigen und Verleumdungen des Protomedicus Engel. 49 ) Van Swieten hatte Maria Lambertina Elisabeth Theresia ter Beck van Coesfeldt am 27. September 1729 geheiratet. Aus der Ehe sind drei Söhne und zwei Töchter hervorgegangen. Vgl. K. T.
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) Zum drittenmal in den vorgelegten Dokumenten bricht nach den Briefen an Koch und an Sanches nunmehr auch in jenem an die Kaiserin die Überzeugung durch, eine schicksalhafte, nicht mehr abänderbare Entscheidung gefällt zu haben.
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différer mon voyage (car pour le refus Dieu me garde d'y penser un seul moment) 51 ). Je ne pense qu'a accélérer mon bonheur en me jettant le plustot que je pourais aux pieds de Vostre Majesté pour luy donner le plus respectueuses assurances de vivre et de mourir dans son Royal service. Je goûte une douceur infinie, de pouvoir me nommer avec le plus profond respect et l'attachement le plus invoilable De Vostre Majesté le très humble et le très obéissant Leyde 29 Janvier 1745 serviteur et sujet G. van Swieten
Nr. 6 Brief van Swietens an Sanches. Original. Datiert Wien, 25. April 1746. ÖNB. MS 12 713 f . 124-125. Ärztliche Inanspruchnahme durch die kaiserliche Familie. Lebensphilosophie. Auszeichnung durch Besuch der Kaiserin in van Swietens Wohnung. Vergnügungen am Hofe: Oper, Maskenball. Van Swietens Vorlesungen. Problem des Büchertransportes von Wien nach Rußland. J'ai bien des excuses a faire, bien des raison alleguer: des couches de Sa Majesté, une rougeole de S. A. S. L'archiduc, college, etude necessaire pour cela, mais le plus court est d'avouer la dette, et de fâcher sincerement de m'amander. C'estoit une grande consolation pour moy de voir vostre lettre, que vous estiez dans la reconvalescence de cette terrible et longue maladie52). Dieu vous preserve d'y retomber! Tachez de modérer un peu vostre panchant louable pour la lecture, et laissez aller les choses humaines comme elles peuvent. C'est la veritable moyen pour faire du bon sang. Et sûrement pour le peu de tems que nous avons a rester icy, cela vaut pas la peine de s'embarasser beaucoup, car si nos jours sont quelquefois mauvais, ils sont courts. Ne croyez pas pourtant, cher ami, que je debitte cette morale, parceque je suis dans le cas de m'en devoir servir. Grâces a Dieu je suis dans une situation assez tranquille. L'empeureur, l'imperatrice et toute l'auguste famille ont mille bontez pour moy, et la noblesse m'accable quelquefois des caresses. Croisiez vous vien que!: M. l'imperatrice m'est venu voir chez moy a l'imprévu, et m'a honoré d'une visite de deux heurs. Il est vray, que je mene une vie laborieuse, mais cela me fait plaisir et je trouve dans le changement du travail mon repos: je suis pas sensible au plaisirs qui dissipent, cependant je veux pas vivre en misantrope, et je me prête par bienseance quelquefois au plaisirs de la cour. J'ai desja estez dans le tems, que suis a Vienne, trois fois a l'opera, et c'est une petite débauché pour moy que tout cela. Vous aurez ris, mon cher, de me voir au bal, car j'y ai esté une fois pendant le tems des deux heures, mais c'estoit par obeissance, car S. M. L'imperatrice m'avoit mis six filles masquereès a mes trousses, pour m'y mesner avec ma femme: comme S. M. connoissoit mon masque, et que je scavois la sienne, cela seroit a nous faire crever de rire presque. Mais j'ai fait mes conditions, que cela ne tirera pas a conséquence, et que j'en serois quitte pour une fois, parceque j'aime a dormir et laisser dormir les honestes gens pendant la n u i t . . .
51) Van Swieten bezieht sich hier auf Maria Theresias Brief vom 8. Jänner 1745, in dem sie schrieb (ARNETH, A., zit. Anm. 40, S. 566): „ . . . et tant que je souhaite de vous voire bientôt ici, autant je vous donne toute la aisance et liberté de l'entreprendre, de reculer et même me refuser si vous croyez ne pouvoirs vous surmonter; le dernier me fervit de la peine, mais aussi cela je vous sacrifierai et a votre repos, et sera toujours la même Marie Therese. 52 ) Gemeint ist die Melancholie Sanches', zu deren Heilung van Swieten im Brief vom 29. Jänner 1739 (vgl. S. 38) Ratschläge erteilt hatte.
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J'ai fini ma leçon de Methodo studendi5i), et je commence a donner l'explication des Institutiones medicae**). J'ay choisi cela, parce que je pourrois y faire entrer toute la Medecine, et traiter bien des maladies, qui sont pas dans les aphorismes. Tout mon but est, d'estre utile, et je me console aisement du travail, que cela me coûte. Cependant je n'ay pas le dessein de laisser les commentaires imparfaits, au contraire j'y pretends travailler le plustôt que je pourrois. . . . Ayez la bonté de m'ecrire par occasion, comment qu'il faut faire pour vous envoyer quelque livre, si dans ce pays ci donnoit quelque chose de bon. En Hollande cela estoit commode, mais icy je n'en scais pas encor bien tous les expediens. En attendant je vous remercie de vostre catalogue des raretees dans le cabinet de l'imperatrice, et je me souviens fort bien, que je vous écris jamais des lettres sans avoir des nouvelles raisons de vous faire de remerciment. Sans doute que vous suivez la maxime bénéficia beneficiis tegenda sunt, ne perpluant. Mon epouse vous fait des compliments et moy je suis de toute mon ame Monsieur vostre très humble et très obéissant serviteur Vienne, 25 d'avril 1746 van Swieten Nr. 7 Van Swietens Mémoire sur la Remonstration du Recteur et de le Consistoire de l'université. Original. Unsigniert und undatiert (Wien, Dezember 1750). AVA. StHC. Fase. 4. Universität Wien55). Van Swieten widerlegt die Punkte, mit denen sich die Universität gegen das Reformdekret vom 7. Februar 1749 stellte. Unzulänglichkeit der Mitglieder der Wiener medizinischen Fakultät in der Ausübung der Lehre und Praxis. Ablehnung des Rechtes der Universität, Professoren zu ernennen. Bisherige Unterrichtsverhältnisse an der medizinischen Fakultät. Nicht Studiendauer, sondern Prüfungsleistung maßgeblich für die Graduierung. Streit um die feierliche Promotion. Repetitionsakt und gewöhnliche Promotion. Härten der feierlichen Promotion für die Studenten. Der sogenannte „Casus" in der Prüfung. Stellung und Befugnisse des Domprobstes von St. Stephan als des Kanzlers der Universität. Streit um das Recht der Ernennung der Professoren für Botanik und Chemie bzw. Chirurgie. Grad des Baccalaureus. Studiengang zur Erlangung der feierlichen Promotion. Unterschied zwischen der durch die feierliche Promotion Graduierten und jenen durch die gewöhnliche. Bisherige Prüfungsgepflogenheiten in der Medizin. Prüfungsbedingungen nach dem Dekret vom 7. Februar 1749. Desinteressement der Fakultät an der ärztlichen Versorgung der Länder. Streitfragen über die Erteilung der licentia 53) Offensichtlich folgte van Swieten auch hier Boerhaaves Gepflogenheit, eine Einleitung in das Medizinstudium zu geben. Vgl. das unechte Werk Boerhaaves Methodus discendi medicinam. London 1726. Dazu LINDEBOOM, G. A. (1968) S. 274. 5"») Wie Boerhaave vermittelte van Swieten in dieser Vorlesung seinen Studenten Grundkenntnisse vom Aufbau sowie von der normalen und pathologischen Funktion der Organe. Vgl. KINK, R. 1/2, 256. 55) Zu diesem Mémoire sind noch Noten und Referate des Directorium in publicis et cameralibus im gleichen Archivkörper erhalten. Sie ermöglichen eine Datierung dieses Dokuments in die erste Hälfte des Dezember 1750. In seinem Referat zum Mémoire van Swietens schließt sich mit Datum vom 15. Dezember 1750 Haugwitz den Ausführungen van Swietens an. Diese Ausführungen van Swietens zur Gegenvorstellung der Universitätsführung zum Reformdekret vom 7. Februar 1749 sind deshalb so wichtig, weil sie die verschiedenen Positionen in aller Schärfe herausarbeiten und bisher unbekannte Details zur Unterrichts- und Prüfungspraxis der medizinischen Fakultät sowie zu den Formen ihrer gegen van Swieten gerichteten Reaktion darbieten.
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practicandi für die Erbländer. Übernahme der Promotionskosten für unbemittelte Mediziner durch die Kaiserin. Befähigung Molinaris für den Hebammenunterricht. Streit um die Ausstellung von Doktordiplomen nach der gewöhnlichen Promotion. Stellung der Professoren zum Consistorium. Nicht Privilegien und Statuten, sondern Reform. Gewöhnliche Promotion bereits 1737 dekretiert, aber von Fakultät mißachtet. Resolutionsvorschläge zu den einzelnen Punkten. Je ne croyois pas, que l'université, ou plustot la faculté reviendroit a la charge, et encore moins qu'elle feroit cette tentative en defendant une mauvaise cause par des arguments si foibles, comme il paroitra par ce qui suit. Cet écrit contient plusieurs articles. Le premier et le deuxieme servent a prôner les louanges de la faculté, et a faire remarquer qu'elle a eu parmy ses membres des sujets excellens, et mesme plusieurs, qui ont eu l'honneur de servir les Augustes Ancêtres deVostre Majesté comme Medecins, et que par le soin de la faculté et le scavoir de ses membres les malades dans les hospitaux sont guéris pour la plus grande partie. Sur cela est a remarquer, qu'il s'agit pas si parmy les membres de la faculté on a trouvé des bons medecins, mais si ceux la ont acquis leur science dans l'université devienne, dans laquelle les estudes de la medicine ont este dirigés par la faculté jusqu'icy. Je pourrais assez prouver que les meilleurs sujets, que j'ay trouvé a mon arrivé icy, avoient appris dans des autres endroits 56 ) ce qu'ils scavoient, et ils n'ont point fait difficulté de l'avouer. Ce que j'ay autresfois démontré sur les défauts de l'instruction publicque dans la medicine, prouve évidemment la mesme chose. Pour ce qui regarde les Medecins de corps 57 ), cela m'etonne pas, car actuellement tous ceux qui ont l'honneur de servir Sa Majesté, sont membres de la faculté. Quoyque je suis pas informé sur ce qui se passe dans tous les hospitaux, j'ay cependant en main un memoire, qui prouve que plusieurs anneès de suite de six cens enfans, qui sont entré a l'hospital des Bourgeois, ils sont morts cinq cent quatre vint a peu près 58 ), ce qui répond pas a ce que l'université avance. Le troisième contient en substance, que l'université avoit seulement donne son avis sur les promotions extraordinaires 59), et que dans le décret se trouvoient plusieurs autres points, sur lesquels ils furent pas consulté. Le sixieme article affirme hardiment, que l'université en général, et la faculté de Medicine en particulier n'a jamais manqué des Professeurs scavants et experts. Sur cela je pourrais dire bien des choses, qui prouveront le contraire. Mais sans intéresser la memoire de ceux qui sont morts, on n'a qu'a considérer les vivants, qui n'ont pas la réputation d'estre de plus habiles. Le septieme article regarde la nomination des Professeurs, que l'universite demande d'avoir, comme ils ont eu auparavant par une concession de Ferdinand Premier dans l'an 155460). 56) Meistens studierte man in Padua Medizin, promovierte dort und ließ sich hierauf nach dem in der Fakultät durchgeführten Repetitions(Nostrifikations)akt in Wien nieder. 57 ) Gemeint sind die Hofärzte. 58 ) Offensichtlich handelt es sich hier um Säuglinge bzw. unehelich geborene Kinder, die man von der Mutter trennte und im Bürgerspital aufzog. Die Sterblichkeit dieser Kinder war allgemein eine sehr hohe. Vgl. FRANK, J. P.: System einer vollständigen medicinischen Polizey. 3. Aufl. Bd. 2. Wien 1786. S. 450ff. sowie PEIPER, A.: Chronik der Kinderheilkunde. 2. Aufl. Leipzig 1955. S. 129. 59) Gemeint sind die feierlichen Promotionen im Stephansdom, die alle sechs Jahre stattfanden. 60 ) Ferdinand I. hatte sich in der Renovatio nova von 1554, in der er versuchte, die Universität zu einer Staatsanstalt zu machen, das Recht, Professoren zu ernennen, wohl vorbehalten, es aber dem Consistorium bis auf Widerruf ausüben lassen. Vgl. KINK, R. 1/1, 264, Anm. 313.
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Je suis surpris que l'université cite cette piece, car elle seule suffit pour prouver, que le souverain a fait les trois chosses suivantes. 1. Il a reformé l'université, quand le tems et les abus, qui s'y estoient glissees, le demandoient. 2. Il paroit clairement, qu'avant ce tems la le Souverain avoit fait conferer les places des Professeurs en son nom, sans avis mesme de la faculté. 3. Il est clair, qu'il n'a pas transmis ce pouvoir a l'université, comme un privilege perpetuel, car il y a expressement ces termes: usque ad revocationem nostram jusques a ce qu'il nous plaira de revoquer cette concession. Par conséquent la reforme et le changement de leurs statuts n'est pas une nouveauté. Les Augustes Predecesseurs de Vostre Majesté, l'ont fait de mesme. Le pouvoir d'elire des Professeurs appartient de plein droit au souverain et on peut oster sans la moindre ombre d'injustice un droit a la faculté, dont le souverain s'estoit reservè sagement le pouvoir de le revoquer a tout tems, quand l'utilité publique le demande. Et Sa Majesté honore encore l'université, quand elle demande l'avis de l'université dans un tel cas. Mais pour les Professeurs, que l'université paye pas de ses fonds, et que Sa Majesté recompense de sa propre caisse, on comprend pas sur quel pretexte l'université s'en voudroit mesler. Le Huitième Article insiste principalement a nécessiter tous ceux, qui veulent recevoir le degrez icy, de faire six ans d'estude a Vienne, parce que dans un moindre tems on peut pas se rendre assez capable. Je suis assez de cet avis; qu'il faut un tems assez long pour se perfectionner dans la medicine, et moy mesme après deux ameés de philosophie j'ay encore employé neuf ans a la medicine seule avant que de prendre le degrez 62). Mais il suffit pas de demeurer six ans a Vienne, ou autres fois les Professeurs donnoient dix ou douze leçons par an, et jamais un cours complet de la medicine63) : et mesme si des habiles Professeurs faisoient leur devoir, il faut de la disposition dans les disciples, et non seulement la fréquentation des collèges suffit, mais ils faut qu'ils estudient au logis sur ce qu'on traite dans les collèges. Par conséquent le tems, qu'ils ont resté a Vienne ne décidé rien sur la capacité, l'examen seul peut le faire paroitre. Et si en examinant je trouve un jeune homme bien instruit, je suis sur qu'il a employé un tems considérable a apprendre ce qu'il scait; et au contraire s'il est trouvé incapable, il m'importe peu et au publicq, s'il a estudie six annees et plus mesme. Un bon nombre des membres de la faculté ont resté icy six ans et plus, et n'ayant point de quoy subsister, ont du faire le metier de précepteur dans des maisons particulières, ce qui leur ostoit le tems pour bien estudier 64 ). Et l'instruction publique estant très défectueuse en mesme tems, on peut aisement juger quels medecins on a formé par cette estude de six ans, qu'on vaute tant. Aussy dans la reformation de l'an 1554, on a mis seulement cincq annees d'estude, et on exigoit pas mesme, qu'ils les avoient passer aVienne.il suffisoit d'avoir fait cinq ans d'estude quoyque dans une autre université.
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) Im Reformakt vom 7. Februar 1749 war der Universität nur das Vorschlagsrecht belassen worden. Vgl. ROSAS, A . II/2, 277.
62
) Wie LINDEBOOM, G. A.: Gerard van Swietens erster Lebensabschnitt (1700—1745), in dieser Publikation S. 68 nachweisen konnte, hat sich van Swieten am 26. Februar 1717 in das Album studiosorum der philosophischen Fakultät in Leiden einschreiben lassen. Selbst wenn man die in Löwen verbrachte Zeit (August 1714 bis Ende Februar 1715) hinzunimmt, sind die archivalischen Daten mit den Angaben van Swietens nicht zur Deckung zu bringen. 63 ) Ursprünglich waren in der Renovatio nova jedem Professor für jedes Vierteljahr 42 Vorlesungen als Minimum vorgeschrieben. KINK, R. 1/1, 264, Anm. 314. 64 ) Werkstudenten, die sich als Hauslehrer ihren Unterhalt verdienten, gab es immer schon und besonders im 19. Jahrhundert. Joseph Skoda, der von 1825 — 1831 in Wien Medizin studierte, ist nur ein Beispiel von vielen. 4
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Dans l'année 1737 l'université a obtenu un décret, qui renouvelloit l'ordre de l'estude de six ans, mais il est a noter, que c'estoit uniquement pour la Promotion Solemnelle, qui se fait tous les six ans, et dans le mesme tems on ordonnoit a l'université de conferer le degrez en tout tems a ceux qui estoient trouves capables, mais'uni lversitè n'a rien fait de cela, parceque la Faculté aimoit mieux les repetitions, quoyqu'ils necessitoient de prendre le degrez de docteur dans une autre université, comme j'ay déduit au long dans un autre memorial dans le commencement de cette anneè. Par consequent l'estude de six ans estant prescrit pour pouvoir jouir de la promotion solemnelle, il n'y a rien de changé sur cet article dans le nouvel arrangement. Et la faculté confond malicieusement la promotion solemnelle, qui se fait seulement tous les six ans, avec la promotion ordinaire, qui est substitué a la repetition de la faculté, dans laquelle il n'y a aucun tems fixé. En effet il y auroit des grands inconvénients a fixer ce tems. Par exemple la promotion publicque et solemnelle est fixee pour l'année 1755, et si un jeune homme commence ses etudes en medicine l'annee 1751, il peut pas jouir de la promotion de 1755 car l'estude de six ans n'est pas accompli, et il faut qu'il a patience jusqu'à l'annee 1761. Et si on laisse faire la faculté, il n'est pas mesme sur d'estre admis alors, parceque par la pluralité des voix on determine le nombre de ceux qu'ils admetteront, quoyque il y en a plusieurs, qui ont accomplis leur sixaine d'anneès et qu'ils sont capables. Dans la promotion publicque et solemnelle de cette anneè la faculté n'en vouloit admettre que six, et il y avoit huit qui se presentoient, et on a du remuer bien des machines, pour faire admettre les deux autres, quoyque on les trouvoit dignes. Ce seroit un mauvais encouragement pour les estudiants en medecine, de scavoir qu'on pouvoit reculer leur doctorat a un tems si long. Le neuvieme article insinue, que la repetition estoit plus difficle, que la promotion ordinaire, qui a succédé en sa place, parceque on faisoit expliquer un Aphorisme d'Hippocrate, et qu'on donnoit un Casus a résoudre sur le champ 65 ). Je m'estonne, que Messrs. de la faculté n'ont pas lu dans le décret, qu'on fait encore expliquer un aphorisme et le defendre contre les oppositions, qu'on fait au candidat. Et chaque examinateur 66 ) dans l'examen propose ordinairement un cas a résoudre sur le champ, mais tellement que cela est possible, et par consequent au lieu d'un cas on luy propose quelques fois huit. J'avoue franchement, qu'après avoir estudie neuf ans, et exercé la pratique avec quelque succès pendant vingt cincq ans, et estant mesme desja membre de la faculté depuis trois ans 67 ), (ce qu'on croit donner des nouveaux lumières) je suis encore obligez de travailler souvent deux heures pour developer un cas difficile, sur lequel on me consulte, et on pretend qu'un candidat doit résoudre sur le champs un cas proposé, embrouillé tout expres, et qui souvent n'a jamais existé que dans la cervelle de celuy qui l'a proposé. Mesme il est arrivé, que Messrs. de la faculté ne se pouvoient accorder entre eux sur un cas proposé, et que les opinions estoient tellement divisees, qu'on s'echauffoit pas peu. Pour le reste on remercie Sa Majesté dans cet article d'avoir empechè les Acatholiques de prendre le degrez.
i5
) Nach dem Dekret vom 7. Februar 1749 waren zwei Examina notwendig, das erste aus allen Teilen der medizinischen Wissenschaft, das zweite über einen oder zwei hippokratische Aphorism e n . ROSAS, A . I I / 2 , 2 7 7 .
66
) Während vor der Reform sich alle 70 Mitglieder der medizinischen Fakultät an der Prüfung beteiligen konnten, hatte van Swieten ihre Zahl auf acht beschränkt, wobei außer dem Praeses, dem Dekan und den vier Professoren jeweils zwei Mitglieder aus dem Doktorenkollegium mitprüfen konnten. ROSAS, A. II/2, 277, 284. 67 ) Van Swieten ließ sich am 2 2 . Juni 1 7 4 6 in die medizinische Fakultät aufnehmen. ROSAS, A . II/2, 270.
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Dans le dixieme Article la faculté pretend que le chancelier de l'universite 68 ) doit assister a l'examen des Medecins, et ils prétendent le prouver par une bulle du Pape Urbain de l'anneè 1378. Je veux pas faire beaucoup de reflexions sur la bulle mesme, qui paroit d'aucune necessite. Car le Pape donne la permission de donner leçons en toutes les sciences humaines, en quoy un souverain n'a aucun besoin de demander permission, et il excepte dans cette permission expressement la leçon de la theologie, la quelle matiere estoit proprement du ressort du Saint Pere. On pensoit peut estre autrement sur ces sortes de choses dans le quatorzième que dans le dixhuitieme siecle. Mais il est a considérer icy nécessairement, que le chancelier est membre de l'université, et point de la faculté de la medicine, et qu'il est nécessaire pour conférer le doctorat avec le Recteur a celuy qui est desja examiné, et pour recevoir le serment sur l'immaculeè conception, et on voit évidemment que l'on n'a pas oublié le chancelier dans les fonctions, ou il doit paroitre, puisqu'il est marqué dans la taxe, qu'on luy doit payer pour chacun de ces fonctions un ducat. Le Recteur magnifique mesme, quoyqu'il est requis pour conferer le Doctorat, ne paroit point dans l'examen. En effet un Theologien feroit belle figure dans un examen d'un medecin, et quelques fois on y traite des matières, qu'il seroit pas fort convenable pour luy d'entendre. Mais ce n'est pas cela qu'on veut, il y envoyera un substitut et mesme un membre de la faculté, et voila le fin de cette affaire. Car alors on y pourroit fourrer quelqu'un, qui tachera de brouiller tout, et je serois exposé ou de souffrir bien des impertinences, qui aviliront l'autorité dont je suis revêtu, ou il me faudroit user de sévérité, laquelle doit estre toujours le dernier remede. Car on pretend que le Procancellarius doit avoir la prescance. Dans l'estat, ou sont les choses, s'avancera mieux par la douceur, soutenue par la fermeté requise pour l'execution des ordres de Sa Majesté. Encore selon la bulle du Pape mesme le chancelier ne dirigeoit que les promotions solemnelles, car a l'execution de l'université et bien des annees après on connoissoit point d'autre. Mais dans la répétition a la faculté, a laquelle succédé la promotion ordinaire, le chancelier n'a pas paru a l'examen, et par conséquent il convient pas, qu'il y soit asteur. L'onzieme Article. Dans cet article l'université demande, si elle nommera les Professeurs en Botanie et chymie, et en chirurgie®) ? Ils sont desja nommés par Sa Majesté, et comme ils seront payez par la caisse de Sa Majesté, il n'y a aucune raison pour cela, comme il est desja dit dans le septieme article. La faculté de Medicine a Paris, qui est dans le mesme cas apeupres que celle de Vienne, et tache de persecuter tous ceux, qui sont pas de leur corps, a eu besoin du mesme remede. Le Roy paye des Professeurs habiles, qui sont absolument indépendants de la faculté. Dans le mémoire sur l'affaire de Jaus7(>)j'ay déduit cela plus amplement. Les émissaires de la faculté ont desja fait peur au pauvre Laugier, mais je l'ay consolé par l'esperance de la protection de Sa Majesté. Le Douzième Article sert a affirmer, qu'il faut estre Baccalaureus premièrement, avant que d'estre fait Docteur, et que cela se pratique dans tous les universiteès. Cela est très abusif, car je suis fait Docteur en medicine sans jamais avoir esté Baccalaureus. Cette ceremonie appartient seulement a la promotion solemnelle, qui se fait tous les six ans, et point du tout a la promotion ordinaire 71)Le treizième article insiste derechef sur la nécessité de l'etude de six ans, et l'explication d'un cas sur le champ. A cela j'ay repondu dans le huitième et neuvieme article, et évidemment démontré le contraire. 68
) Über die Stellung des Kanzlers in den verschiedenen Epochen der Universität vgl. K I N K , R . 1 / 1 , 1 3 3 f. Anm. 1 5 0 . 69 ) Laugier und Jaus waren am 2 0 . September 1 7 4 9 (ROSAS, A. I I / 2 , 2 8 5 ) zum Professor der Botanik und Chemie bzw. der Chirurgie mit dem Beisatz ernannt worden, „daß keiner von beiden dem Machtgebiete der Fakultät und Universität untergeordnet sein solle". 70 ) Dieses Mémoire konnte archivalisch nicht eruiert werden. 71) Über die Entwertung des Baccalariats seit 1 5 5 4 vgl. K I N K , R . 1 / 1 , 2 6 2 . 4
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Dans le mesme article on soutient, que les promotions solemnelles cesseront a la fin, parceque par les promotions ordinaires on peut obtenir le mesme fin, sans estre obligé a une estude de six ans, et qu'on est moins severement examiné dans la promotion ordinaire, qu'on est dans la solemnelle, et mesme qu'on estoit beaucoup plus rigide dans l'examen, quand on les faisoit repeter a la faculté. Sur cela il est a remarquer, que l'université met pas les choses dans son jour, et ne dit que la moitié de la vérité, et il est besoin de detailler cela pour faire voir a Vostre Majesté les choses, comme ils sont réellement. Pour la promotion solemnelle, qui se fait tous les six ans, on choisit parmy les estudiants, qui se sont distinguez par leur diligence, quelques uns, qui excellent par leurs talents naturels, et pour cela il faut un examen pour connoitre ceux la, mais qui roule pas sur toute la medicine, mais sur les premiers principes. On choisit alors quelques uns après les premiers annees de leur estudes, qu'on destine pour la promotion solemnelle, qui se fera après les six ans finis. Ils sont pas déclarés par cet examen capables d'estre medecin, mais on espere qu'ils le pourront devenir, s'ils continuent comme ils ont commencé. L'université les ayant alors choisis comme les meilleurs sujets est intéressée elles mesme, qu'ils demeurent tels, et qu'un jour le publicq soit du mesme sentiment. C'est pour cela qu'elle les veille de près, leur fait subir de tems en tems quelque examen, quelque disputation de pour les tenir a l'ouvrage, et s'assurer de leurs progrès. Mais a la fin vient l'examen peremptoir, qui decide de tout, et qui doit estre sûrement également vigoureux pour ceux qui sont examinez pour la promotion ordinaire. Voila la veritable utilité, que je me propose de tirer de la promotion solemnelle, mais j'ay prouvé auparavant, que la promotion ordinaire est nécessairement substitueè a la repetition a la faculté, qui supposoit tousjours, qu'on avoit pris le degrez dans une autre université. Toute la difference est par consequent, que l'université traite ceux, qu'elle destine pour la promotion solemnelle, comme ses enfants choisis et bien aimés, qu'elle veille de plus près sur leurs progrès, parceque s'ils réussissent pas, leur deshonneur rejailliroit sur l'université, qui les avoit choisie comme ses meilleurs sujets. Mais pour ceux, qui se présentent a la promotion ordinaire, l'université est indifférente, s'ils sont point trouvez capables, on les renoye, et eux seuls en portent la honte. Est il croyable, que les parents seront insensibles a cette distinction, et ce soin particulier, qu'on prend de leurs enfants? Est ce que les jeunes gens mesme n'aspireront pas a jouir de tous les honneurs de la promotion solemnelle ? Sur tout quand on considéré, que Sa Majesté pour encourager la jeunesse y a ajouté de nouvelles marques de distinction; scavoir la presence d'un Seigneur distingué pour assister a cette ceremonie de sa part, et une médaillé d'or 72 ). Si l'université alloit droit, elle auroit de ajouter que ceux qui sont reçu Docteurs a la promotion solemnelle, sont d'abord membres de la faculté, et que les autres doivent payer cent ducats pour le mesme avantage. Mesme par la on fait un avantage aux enfans du pays, car ce sont eux qui naturellement jouiront le plus de cet honneur. Car les estudiants estrangers ou n'arriveront pas justement au tems quand le cours de six ans commence, ou n'auront pas les moyens ou la permission de leurs parents de rester six ans a Vienne. La faculté voudrait bien faire accroire, qu'on peut pas bien examiner quelqu'un dans deux examens, qui ne durent que deux ou trois heures tout au plus, et ou il n'y a que six ou huit examinateurs 73). Et moy j'avance le contraire, et je le prouvera par les effets. Je crois pas qu'un homme sensé peut croire, que la presence de soixante et dix membres de la faculté, de toute sorte de calibre, fera 72) Aus diesem Vorschlag van Swietens, der im Reformdekret vom 7. Februar 1749 Gesetzeskraft erlangt hatte (ROSAS, A. II/2, 278), entwickelte sich die promotio sub auspiciis imperatoris. 73 ) Vgl. dazu Anm. 66.
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plus. Ils crieront et feront du bruit, mais si chacun n'examineroit a son tour qu'un quart d'heure, cela feroit un seance de dix sept heures, par conséquent jamais tous les membres n'ont pu examiner celuy qui se présente. Ils prétendent, que ces examens seront su faciles, que par la tout le pays se remplira de mauvais medecins. Mais on scait assez, quels sujets sont souvent entrez dans la faculté après ces examens qu'on pretend avoir esté si rigoureux. J'en pourrois nommer, qui trembleront, s'ils devoient passer par ceux qu'on fait asteur. On n'a rien a craindre de ma facilité sur cet article, car des trois premiers qui se sont présentez a l'examen, j'en ay renvoyé deux, et parmy ces deux estoit un homme, que la faculté avoit jugé digne et capable pour estre envoyé en Hongrie comme medecin pour guérir les pestiferés, il y dix ans, comme il a prouvé par des documents authentiques. Je n'estois pas seul, qui faisoit le rigoureux, car leur ignorance estoit si palpable, que tous les examinateurs ont conclus unanimement, qu'on pouvoit pas les admettre. Il est vray, que la faculté ne dissimule pas, qu'elle n'y regarde pas de si près, si les pays héréditaires sont fournis de bons medecins: Vienne seul leur tient au cœur, et pour cela ils prétendent, qu'on doit pas permettre la pratique dans Vienne qu'a ceux qui sont reçus dans la promotion solemnelle, les autres, qu'ils croyoient estre mauvais, peuvent se placer ou ils veulent. Mais je crois, qu'ils craignent que les nouveaux venus pourront debusquer les anciens, ayant jouis d'une meilleure instruction. Que la faculté ne pense pas comme elle parle je le prouve par le fait suivant. Le Dr. Anderler 74 ), qui fut Doyen l'anneè 1748, m'avoua sans façon, qu'il avoit recherché le Decanat pour faire repeter son fils a la faculté pendant cette anneè, et qu'il le feroit graduer premièrement a Inspruk, ou Padoue. Mais Sa Majesté ayant fait scavoir a la faculté, que ces promotions dans les Academies estrangeres n'estoient pas convenables 75 ), puisque il y avoit une université dans sa capitale, et ayant en mesme teins demande l'avis de l'université sur les moyens de remedier a cet abus, cet avis ne paroissoit pas, et sûrement n'auroit pas paru encore, si un interdit sur tous les actes de la faculté en medicine ne l'avoit fait paroitre. Par cet incident le Doyen ne pouvoit faire repeter son fils a la faculté pendant son Decanat, et quoyque il me l'assuroit estre très bien instruit, et qu'il souhaitoit ardement de le voir membre de la faculté, pour l'introduire dans la pratique, cependant ce fils ne s'est pas encore présenté a cet examen, qu'on dit estre si facile, et le Dr. Vogl, doyen de cet anneè cy 76 ), m'a confessé, qu'il avoit conseillé a ce bon Pere, de pas exposer son fils a la honte d'un renvoy. Et Vogl en pouvoit juger, puisqu'il avoit esté de tous les examens. Le quartorzieme Article insiste de nouveau sur la resolution d'un cas proposé sur le champ. Sur cela j'ay desja reflexions dans le neuvieme article. L'université doute si ce privilege d'exercer la medicine par tous les pays herdeditaires est accordé a tous, qui seront ou sont graduez en cette université, ou seulement a ceux, qui seront graduez par la promotion solemnelle, qui se fait tous les six ans. Cependant il est clairement marqué dans le décret, que cela est accordé a tous, qui seront graduez icy pour les animer a prendre le degrez en cette université 7 ''). 74
) Philipp Ignaz Anderler von Hohenwald (1691—1763). Vgl. VON TÖPLY, ROBERT: Wiener Ärztefamilien der theresianischen Zeit. In: Ein halbes Jahrtausend. Festschr. anl. des 500jährigen Bestandes der Acta fac. med. Vind. Red. von ADLER, HEINRICH. S. 100. 75 ) Bereits mit Dekret vom 13. Jänner 1749 wurden alle Repetitionsakte aufgehoben. ROSAS, A. II/2, 275. 7 «) Vogl war Dekan der Jahre 1749/50 und 1750/51. 77 ) Der Passus des Reformdekrets lautet (ROSAS, A. II/2, 278): „ . . . daß jene, so allhier graduiret sind, sich aller dem Gradui anklebenden Prärogativen in Dero gesammten Erblanden zu erfreuen haben, dahingegen aber alle übrige auf anderen, obschon erbländischen Universitäten
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La faculté insinue aussy, que ce privilege serait sans fruit, si cela ne fut pas notifié au dicasteres respectives. La faculté dit dans le mesme article, qu'elle est d'opinion, que le defense d'admettre ceux a la pratique qui sont graduez ailleurs, ne peut tomber que sur ceux, qui ont pris les degrez dans les autres universitez après la publication du décret, et pas sur ceux qui ont estès graduez avant ce tems ailleurs, sur tout s'ils sont neés sujets de Sa Majesté, et elle voudroit encore faire avec ceux la l'acte de la répétition, laquelle est totalement abolie. Ils se fondent sur cela, qu'aucune loy a une vertu retroactive. Sur quoy il est a remarquer, qu'on pretend point inquieter ceux, qui ayant reçu le degrez ailleurs ont fixé leur domicile dans quelque endroit des pays héréditaires avant le décret, et y ont exercé la medicine. Car ils sont dans le cas, ou la loy donneè après n'a point de prise. Mais les autres qui sont encore nulle part établis, et qui se font fait graduer pour repeter après a la faculté, sont sujets a la loy, puisque la répétition est abolie: et mesme cette loy leur est favorable, puisque la répétition a la faculté constoit quatre fois le moins autant que la promotion ordinaire 78 ). Je dois remarquer icy, que la faculté n'a pas toujours esté si affectionneé pour les nativs du pays, qu'elle paroit asteur. Car Humelauer 79 ), ayant esté examiné et fait licentiè a l'universite de Louvain, fut pas admis a la répétition, quoyqu'il fut né a Vienne: mais la faculté le força d'aller prendre encore un fois le degré a Inspruck. Les dépenses pour la promotion sont assez modiques, et personne se peut plaindre de cela: il s'agit seulement d'examiner leur capacité. Et Sa Majesté selon sa clemence ordinaire, a bien voulu donner de sa propre caisse l'argent nécessaire pour les frais a un medecin, qui avoit pris le degrez ailleurs avant le décret, et qui estoit pauvre. Le quinzième article contient, que la faculté a tousjours examiné les sages femmes 80 ), et on assure hardiment, que depuis des siecles entiers le publicq est si bien servi, qu'on n'a jamais fait des plaintes. La faculté trouve mauvais, qu'on se sert dans l'examen de Molinari 81 ), qu'on dit estre ny Docteur en medecine, ny membre de la faculté. promovirten, sothane Prärogativen nur in der Provinz, wo sie den Gradum empfangen, zu genießen haben sollen." Diese Bestimmung van Swietens sollte auch nach der Modernisierung der anderen erbländischen Universitäten bis zur Thun-Hohensteinschen Reform (1849) weiter in Geltung bleiben. Sie hat schon bei Johann Peter Frank am Anfang des 19. Jahrhunderts schwerste Kritik durch die in ihr implizierte Diskreditierung der übrigen Universitäten der Monarchie ausgelöst. 78 ) Nach der Taxordnung vom 24. März 1749 (ROSAS, A. II/2, 281) kostete die gewöhnliche Promotion 179 Gulden 48 Kreuzer. Nach Albrecht von Haller (Berner Beitr. z. Gesch. Med. N.F. 4. St. Bern-Stuttgart 1971. S. 41) waren die Promotionskosten in Leiden 178 Gulden. Dagegen kostete die feierliche Promotion im Stephansdom an die 1 0 0 0 Gulden. Vgl. PUSCHMANN, TH. ( 1 8 8 5 ) S. 11. 79
) Ignaz Georg Humelauer ( 1 7 1 9 - 1 7 8 5 ) . Vgl. TÖPLY, R . (zit. Anm. 7 4 ) S. 101. 80 ) Versuche der Fakultät seit 1718, den Hebammenunterricht zu verbessern, hatten sich nicht als zielführend erwiesen. Vgl. FISCHER, ISIDOR: Geschichte der Geburtshilfe in Wien. Leipzig u. Wien 1909. S. 71. 81 ) Van Swieten hatte bereits am 31. Jänner 1748, als er längst noch nicht zum Praeses facultatis ernannt war, der Fakultät mitgeteilt (ROSAS, A. II/2, 273), daß der Trientiner Joseph Molinari — er war in Rom zum Doktor promoviert worden — künftig zum Hebammenlehrer bestellt sei. Am 3. April 1749 wurde die erste Hebamme nach der neuen Ordnung von van Swieten, dem Dekan und Molinari geprüft. Vgl. FISCHER, I. (zit. Anm. 80) S. 71 f. Im gleichen Jahr trug van Swieten dafür Sorge, daß Molinari für seine anatomischen Demonstrationen das notwendige Leichenmaterial erhielt.
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La faculté est mal informeè, Molinari est Docteur en medicine, quoyque cela n'est point du tout nécessaire pour enseigner et examiner les sages femmes, car il s'agit pas icy d'enseigner la medicine au sages femmes, qui ne font que trop souvent le metier de medecin. Il fallut un accoucheur pour instruire les sages femmes, et rien de plus naturel, que de les faire examiner en presence de celuy, qui les a enseigné. Or Molinari a exercé avec succès cet art a Gratz et le continue de mesme a Vienne, et on est fort content des peines, qu'il se donne pour ses leçons, et on a trouvé dans l'examen les sages femmes très bien instruits, qui avoient estès a son ecole. La faculté pourtant dans ses siecles entiers n'avoient pas pensé mesme a donner au sages femmes un habile maître. Dans cet examen je suis tousjours, et le Doyen, qui représente la faculté, y est aussy, et par consequent la faculté n'a pas se plaindre, qu'on la neglige. Si pourtant Sa Majesté voudrait continuer Molinari dans cet employ, la faculté demande qu'on prend les mesures nécessaires, pour le faire membre de la faculté. Mais il me paroit qu'il n'y a pas la moindre necessite. Le seizieme Article est tel, que si me croyois pas obligé de faire un rapport exact a Vostre Majesté de tout le contenu de cet écrit, je l'aurois volontiers passé sous silence. L'université voudrait bien refuser un Diploma au graduez icy par la promotion ordinaire, et cependant elle le donne icy au sages femmes etc. et la semaine passeè j'en ay vu deux en parchemin reliez en velouis rouge, munis du sceaux de l'universite, qu'elle avoit prodigué autres fois a deux arracheurs des dents, qui l'exposent sur leur theatres dans tous les foires. Dans tous les universitees on donne cet instrument au graduez, afin qu'ils puissent montrer par tout, qu'ils sont docteurs, et ils avouent que dans la promotion solemnelle le bona nova servent de diplôme, et ils voudront sur une chose si juste et si nécessaire chicaner les graduez par la promotion ordinaire. Est ce que le faculté ne se souvient plus, qu'elle ne vouloit pas admettre un postulant a la repetition, s'il n'estoit pas muni de cet instrument, pour prouver, qu'il estoit gradué ailleurs. Un autre gravamen est, que le Bedeau de l'université écrit le Diploma, et l'université se trompe très grossièrement, quand elle conclut par la, que le Bedeau aurait par la acquis la puissance d'expedier le Diploma. Voicy les propres paroles: Inmassen es contra decorem lauffete, wann der Pedellus, so nur effective der Universitâts Ansager und Thiirhutter ist, ein Diploma doctoratus zu schreiben und auszufertigen macht haben solle. Est ce qu'on croit, qu'un écrivain de la chancellerie expedie le décret, qu'il écrit? J'ay honte de devoir relever de telles pauvretés. Personne doute, que la signature et le sceaux font la valeur d'un instrument publicq, et point la main qui l'écrit. L'université a fait venir deux attestations de Salzburg, qui prouvent, que ce n'est pas le Bedeau de l'université qui souscrit et expedie les diplômes. Personne n'en a doutez jamais. Mais il paroit par la mesme au moins que cette université donne un diplôme au graduez. Dans la taxe 82 ) il est écrit que le Bedeau aura pour ses jura et pour ecrire le diplôme six florins, mais au notaire de la faculté six florins sont, assignez aussy, et pour l'apposition du sceaux quatre florins, et le recteur magnificq, le Doyen, le chancelier de l'université, et le Professeur qui est le promotor, et qui assembles font l'acte de la promotion, et qui doivent signer le diploma, ont chacun un ducat. S'il valoit la peine de faire venir des attestations je prouverais facilement, que dans plusieurs universiteès le Bedeau écrit ce diplôme, ou le fait ecrire par un autre, s'il n'a pas une belle écriture. Il est a remarquer, que la taxe, que Sa Majesté a approuvé, a estez fait par le Doyen et les trois Professeurs en Medecine en ma presence, et je leur ay laissé pleine liberté en cela. Mais ny moy ny eux ont du deviner, que le Recteur magnificq, jaloux de ce petit profit de son huissier, l'aurait voulu avoir en faisant le metier d'écrivain.
82) Gemäß der Taxordnung vom 24. März 1749. Vgl. ROSAS, A. II/2, 280.
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Sa Majesté ayant ordonné que les Professeurs en medicine seront jamais membres du consistoire 83 ), afin de pas perdre un tems, qu'ils pourront employer mieux, a des choses inutiles a leur profession, et etrangeres. Mais Funiversite persiste a demander qu'on leur laisse Rauch 84 ), par raison qu'il donne sa leçon le matin, et le consistoire se tient l'apres midy, et elle paroit en peine de remplacer ce sujet. Dans tous les autres choses la faculté abonde en habiles gens, mais icy elle se trouve en défait, elle scauroit pas trouver un homme dans son sein capable d'estre present au querelles des cachiers et laquais etc. des membres de la faculté"). Elle allégué le décret du Ferdinand Premier. Mais elle n'avertit pas, que dans ce tems la jurisdiction de l'université s'etendoit pas sur les domestiques de leurs membres. Rauch est Professeur, Practicien et medecin de cour, et par conséquent il doit appliquer son tems, qui luy reste, a l'etude et a donner des bonnes leçons. Le dixseptieme article répété une partie de ce qui a esté dit desja dans le treizième, sur lequel je me suis assez estendu. Enfin l'université finit par faire souvenir Sa Majesté, qu'au commencement de son Empire, elle avoit confirmé les Privileges et Statuts de l'université, et elle souhaiteroit fortement, qu'on observoit en toutes choses la reformation de l'université en 1554. Mais si dans ce tems l'université avoit besoin de reform, parce que des abus considérables s'estoient glissés et introduits depuis sa fondation jusqu'à ce tems, j'ay prouvé ailleurs, que des abus enormes et contraires au Statuts fondamentaux regnent dans ce tems, et qu'après un tems de cent et nonante cincq anneè une nouvelle reforme estoit nécessaire. Et s'il estoit nécessaire, je me fais fort de prouver, qu'ils n'ont pas observé le regelement de l'anneè 155486). Mais une reforme ne deplairoit pas tant a la faculté, pourvu qu'il n'y eut personne, qui veilloit a l'observation de cette reforme. La faculté après les décrets du Souverain en observoit autant, qu'il convenoit a ses vues, et laissoit la le reste. L'Empereur Charles VI de glorieuse memoire avoit ordonné a la faculté dans l'anneè 1737 de conférer le degrez de docteur a ceux qui le demandoient, et en estoient trouvés dignes, dans tout tems, et non seulement tous les six ans. Mais la faculté dans douze ans n'a pas obéi une seule fois aux ordres du Souverain sur ce point, et quand ceux, qui se présentèrent pour estre graduez, insistèrent sur cet ordre, la faculté les traita de mutins et les renvoya pour aller prendre le doctorat dans des autres universités, ce qui estoit directement contraire a la volonté du Souverain et a l'institution de l'université. Je conclus donc ce qui suit. 83) Zu dieser Bestimmung sind die Worte von ROSAS, A. II/2, 294 zu beherzigen : „Und so hatte denn van Swieten, von dem solche Maassregel ausging, und dem doch die Hebung des Studiums der Medicin am Herzen zu liegen schien, auch der erste die Hand zur Erniedrigung der medicinischen Professoren geboten, und sie gegenüber den Professoren anderer Facultäten eines von alther geübten Rechts . . . beraubt! Ob er hiermit recht, ob er conséquent gehandelt habe, wird sich aus den Folgen ergeben. Es war dies der erste der tadelnswerthen Acte des sonst hochachtbaren Van Swieten, deren noch mehrere uns im Verlaufe der Geschichte seiner Wirksamkeit aufstossen werden." 84
) Johann Franz Rauch war zur Zeit der Eingabe Professor medicinae Primarius, d. h. Professor der praktischen Medizin. Er muß bereits am 1. Dezember 1750 verstorben gewesen sein. Vgl. ROSAS, A . I I / 2 , 287.
85) Damals wurden im Konsistorium noch die Streitigkeiten der Universitätsmitglieder verhandelt, zu denen auch die Dienstboten und Kutscher der Universitätsangehörigen gehörten. Erst 1752 teilte van Swieten das Konsistorium in ein ordinarium (für die eigentlichen Universitätsangelegenheiten) und ein consistorium in judicialibus für Zivilstreitigkeiten und Kriminalangelegenheiten. Aber auch nach dieser Teilung gab van Swieten den medizinischen Professoren keinen Sitz im Consistorium ordinarium. Vgl. KINK, R. 1/1, 479 f. 86 ) Ferdinand I. versuchte in der Renovatio nova von 1554 die Universität zu einer Staatsanstalt zu machen und unterstellte sie der Aufsicht eines Superintendenten. KINK, R . 1/1, 257 f.
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Que le décret donné le 20 fevrier doit subsister, et estre executè avec toute exactitude comme aussy la taxe. Qu'on devoit repondre au questions de l'universite ce qui suit scavoir sur le 7 article. Que les Professeurs payez du propre aerarium de Sa Majesté sont indépendants de la faculté, jusqu'à ce que Sa Majesté ordonnera autrement. La mesme reponse suffit pour la question contenu dans l'onzieme article. Sur le quatorzième Article. Que la permission d'exercer la pratique dans les pays hereditaires est commune a tous, qui sont graduez a l'université de Vienne, soit par la promotion solemnelle, soit autrement, et que cela sera insinué au dicasteres respectives. Que tous les medecins, qui n'estoient point établis avant la publication du décret, doivent recevoir le doctorat icy, pour avoir la liberté d'exercer la medicine. Sur le quinzième Article. Que Molinari doit continuer ses leçons et assister aux examens des sages femmes, sans estre obligé de devenir membre de la faculté. Sur le seizieme Article. Qu'on doit donner un Diploma au graduez en bonne forme, signé par le Recteur et par le chancelier de l'université, et aussy par le Professeur en Medecine, qui est le promotor, et contresigné par le Notaire de la faculté. Le quatrième Article contient une plainte amere sur la nouveauté introduite par la création de la place du Président de la faculté, qui a le rang sur le Doyen. Et on le regarde dans le cinquième article comme une chose injurieuse a la faculté, et par la quelle la faculté sera decrieè partout, quoyque elle soit innocente, qu'elle n'a pas fait la moindre faite. Mais on me voudroit bien avoir present a tous les examens, mais comme collegiatus doctor, afin que je pourrais rien faire, et estre simple spectateur, pendant qu'ils y mettront le chancelier de l'universite, ou son substitut, pour y presider, et faire tout a leur fantaisie. Mais il est evident, que la faculté ne peut avec raison regarder comme une injure, d'avoir pour Président un des ses membres, qui indépendamment de cela par la charge de Premier Medecin, dont Vostre Majesté a daignèz de le revêtir, est le premier dans la faculté, comme ils déclarent eux mesmes dans la liste imprimeè, ou chacun des membres est placé selon son rang. Par conséquent c'est un honneur pour la faculté que Vostre Majesté a voulu revêtir le premier des ses membres d'un nouvel employ qui est absolument nécessaire, pour entretenir l'ordre, et corriger les abus. Je porte pas le nom de commissaire, qui leur semble, si odieux, et c'est pour eviter des ceremonies, honorables a la vérité, mais inutiles pour le bien publicq, et souvent onereuses, que je supplie Sa Majesté, de m'accorder plustot le titre de Président. La nécessité de cela paroit évidemment, si on considère qu'il regne une division perpetuelle parmy les membres de la faculté, que le Doyen change ordinairement tous les ans, et si un Doyen zélé avoit commencé quelque reforme, son successeur le continuoit jamais, ou par esprit de contradiction, ou souvent par paresse, quelques fois mesme par desespoir de pouvoir réussir. Car il est a remarquer que le Doyen pouvoit rien faire sans l'avis de toute la faculté assemblee, et alors les plus impertinents prevaloient par la criaillerie, et emportaient la pluralité des voix. Je puis prouver par leur protocol mesme, que dans un seule anneè et sous le mesme Doyen ils ont pris quatre resolutions tout a fait différentes, et rien de plus commun, que de trouver que le Doyen defaisoit, ce que son predecesseur avoit fait. Par cela aucun abus pouvoit estre corrigé, et on se moquoit ouvertement du Doyen et de son autorité. Au contraire le Président, restant toujours, continue ce qu'il a commence, et s'il a besoin d'avis, le Doyen, les Professeurs en medicine, et deux ou trois membres de la faculté, et des plus respectables par leur âge et par leur conduite, suffisent cela, sans essuyer les clameurs et impertinences de plusieurs membres, sans éducation et sans jugement.
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Dankschreiben van Swietens an die Académie royale de chirurgie für die Wahl zum Mitglied. Dank für die Ausbildung Natalis Giuseppe Palluccis. Original. Dat. Wien, 15. Dezember 1751. Bibliothèque de l'Académie Nationale de Médecine, Paris. MS 42. f . 58. Monsieur 87). Cellecy sert a remercier Messrs de l'academie Royale de chirurgie de l'honneur, qu'ils m'ont fait de m'aggreger a leur corps, et a vous en particulier, Monsieur, de la peine, que vous avez pris de m'annoncer cette nouvelle comme mon unique désir, et le seul but de mes travaux est de concourir a l'avancement des sciences utiles aux genre humain, je me vois avec satisfaction parmy les membres d'un corps, qui sous les auspices d'un grand Roy travaille a l'avancement de la chirurgie, et en desja donné de si bonnes preuves. Je souhaite de trouver des occasions pour montrer mon zele pour l'academie, et mon estime pour chacun des membres. L'exemplaire des reglemens de l'academie m'est pas encore parvenue, mais je l'attends avec Monsr. Pallucci88), qu'on m'a dit estre en chemin. Je vous rend grâces des peines que vous avez pris pour le rendre capable de se distinguer dans son art, et la considération du Maitre, qui l'a formé, et la capacité du disciple me mettront en estât de luy procurer a son arriveè une place honorable et utile. J'ay l'honneur d'estre avec toute estime Monsieur vostre très humble et très obessante serviteur Vienne van Swieten le 15 Decbr. 1751 Nr. 9 Vortrag des Directorium in Publicis et Cameralibus. Original. Dat. Wien, 27. April 1753. AVA. StHC. Fase. 4. Universität. Besuch van Swietens im Bürgerspital. Auswahl und Bestimmung der Räumlichkeiten für die Klinik, an der sowohl die Interne Medizin wie auch die Chirurgie praktisch gelehrt werden sollen. Allerunterthänigster Vortrag des allergehorsamsten Directorii in Publicis et Cameralibus, den in Beyseyn des Baron von Switen in dem alhiesigen Burger Spittal wegen aldort pro Praxi medica et chyrurgica errichtender Kranken- und Operations-Schullen eingenommenen Augenschein betreffend. Allergnädigste Kaiserin Königin und Frau! Auf Euer kais.-könig. Majest. allerhöchsten Befehl hat anheut der Baron von Svitten mit dem Hof-Rath von Managetta nebst beyziehung des Repraesentations-Rath von Häring den Augen87) Der Brief ist gerichtet an den damaligen secrétaire perpétuel Sauveur-François Morand (1697— 1773), einen der verdienstvollsten Chirurgen des 18. Jahrhunderts und Mitbegründer der Académie de chirurgie. Außer van Swietens unbestreitbaren Verdiensten um die Chirurgie und die Chirurgen scheinen auch politische Motive beim Vorschlag, bei dem auch der damalige französische Botschafter in Wien, Marquis de Choiseul-Stainville, intervenierte, eine Rolle gespielt zu haben. Vgl. GUARDIA, J. M.: Les autographes de l'Académie de Médecine. Gazette méd. de Paris. 3. sér. 19 (1864) 347ff. 88
) Der Florentiner Natalis Giuseppe Pallucci (1719—1798) war auf Empfehlung van Swietens von Maria Theresia zur Weiterbildung in der Chirurgie nach Paris geschickt worden, wo Morand sein Lehrer wurde. Der im Brief ausgesprochene Dank für diese Ausbildung gilt demnach Morand. V g l . GUARDIA, J . M . (zit. A n m . 87) S. 347.
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schein in dem alhiesigen Burger Spittal 89 ) wegen dortiger Anlegung einer Medicinisch- und Chirurgischen Operations-Schull eingenommen: allwo von dem Baron von Switen die ihme vorgezeigte zwey große sogenannte Sebastiani- und Rochi-Zimmer zu seinen Vorhaben so tauglich zu seyn gefunden worden seynd, daß Er derohalben weder die der Gräfin von Dietrichstein zünnßweis verlassene Wohnung, noch eine andere Gelegenheit in diesem Spittal mehr angesehen hat. Innmaßen in solchen übermäßig großen Zimmern beiderseits hohe Fenster sich befinden, und also dieselbe genugsam licht, lüftig und gesund seynd. Der Baron von Switen gedenkete das große Zimmer im ersten Stockh für unterschiedliche Kranke auf zwey oder drey Abtheilungen und beynebens noch nächst an einem Fenster eine liechte Operations-Cammer zurichten zu lassen, wo in denen ersteren drey Abtheillungen nach Unterschied deren Krankheiten die Patienten in abgesonderten Böttern zusammen geleget, in der vierten Cammer aber die Eröffnung deren Todten Cörpern vorgenommen 90 ) und sowohl denen Medicinischals Chyrurgischen Practican ten 91 ) von denen Professoribus die Ursach des erfolgten Todtes vorgezeiget werden solte. In eben diesem großen Zimmer des änderten Stocks wird von Seiten des Baron von Switen gedacht, auch einige Abtheillungen derowegen zu machen, damit die in verschiedenen Zuständen dahin kommende Chyrurgische Patienten wegen des üblen Geruchs und anderen Ungemachs voneinander füglich abgesondert werden können. Übrigens bestehet das Haubtabsehen dieser alhier in der Statt einrichtend Medicinisch- und Chyrurgischen Curen in deme, daß die Excellentiores Studiosi Medicinae et Chyrurgiae unter Anleittung deren von ihme demnächst in Vorschlag bringenden Professorum sich alldort in Praxi ueben und auf solche Weiß accedente demonstratione anatómica in kurzer Zeit mehr als sonst in einigen Jahren erlehrnen können. Derowegen wolte auch der Baron von Switen, als an welchen alle Physici und Chyrurgen in denen Spittälern und Kranken-Häusern angewiesen seynd 92 ), die beständige Sorg tragen, daß in die obige zwey zurichtende Zimmer sowohl Medicinisch- als Chyrurgische Patienten von aller Gattung deren Krankheiten, Schäden und Zuständen nach Maaß der Erfordemus ad praxim auß denen anderweiten Krankenhäusern oder auch, wan eine arme Persohn in der Statt vorkommet, zur Cur aldahin gebracht werden solte. Wobey absonderlich auf die von Zeit zu Zeit außerordentlich sich äußerende Krankheiten der Bedacht genommen werden wird. 85) Bereits 1718 hatte man das Bürgerspital als potentielle Stätte eines Krankenbett-Unterrichtes ins Auge gefaßt. Vgl. ROSAS, A. II/2, 232. Doch war der damals von der Fakultät der Regierung vorgelegte Reformplan nicht zur Verwirklichung gekommen. Über diesen und andere karolinische Reformversuche vgl. KLINGENSTEIN, GRETE: Vorstufen der theresianischen Studienreformen in der Regierungszeit Karls VI. Mitt. Inst. f . österr. Geschichtsforschung 76 (1968) 327-377. 90 ) Die pathologische Anatomie als ein Teil des klinischen Unterrichtes war nach diesem Zeugnis von van Swieten von allem Anfang an eingeplant worden. Programmatisch äußert er sich darüber in der Rede De medicinasimplici vera.Viennae 1779.p.26: „ . . . I n illis (sc. decumbentibus) autem, quos nulla arte domabilis acutorum morborum vehementia rapuit subito, vel quos chronicorum lenta sed certa pernicia abstulit, lustrantur viscera, monstrantur morborum latentissimorum causa, patent mirabiles effectus. 91 ) Eindrucksvoll wird aus den immer wiederkehrenden Benennungen klar, daß das Grundkonzept van Swietens in der Errichtung eines akademischen Lehrspitales sowohl für Interne als auch Chirurgie bestand. 92 ) Bereits am 5. Februar 1748 hatte sich van Swieten von Maria Theresia das Dekret erwirkt (ROSAS, A. II/2, 274): „ . . . daß künftig kein Medicus oder Chirurgus in den Bürgerspitalerischen Häusern in und vor der Stadt ohne Allerhöchstes Vorwissen angestellet, noch weniger jemand eine Expectanz oder Adjunction ertheilet werden soll."
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Votum: Das gehorsamste Directorium findet bey dieser von dem Baron von Switen abzillenden Erziglung stattlicher Leib- und Wund-Arzten gar nichts zu erinnern, sondern villmehr dieses Absehen pro Publico sehr nüzlich zu seyn. Und kommet es solchennach nur darauf an, daß Raum- und behörigen Zurichtung deren obbesagten Sebastiani- und Rochi-Stuben geschritten, derowegen aber die von der Gräfin Dietrichstein in dem Bürger Spittal inhabende Wohnung ad festum S. Michaelis dieses Jahres aufgekündet und dahin die in beiden oberwehnten Zimmern in der Zahl über hundert ligende arme Spittällerinnen verleget werden. Gleichwie aber Euer Kais.-Königl. Maestt sich schon jüngsthin allergnädigst zu äußeren geruhet haben, daß allerhöchst dieselbe dem Burger-Spittal den Zünnß für die Dietrichsteinische Wohnung ab aerario allermildest wollen vergütten lassen 93), also scheinet auch die Billigkeit zu erheischen, daß nicht allein die Wohnung für die arme Spittällerinnen, sondern auch die erwehnten Kranken- und Operations-Zimmer auch von Kosten des aerarii erforderlichermaßen zugerichtet und für die bey diesen Kranken- und Operations-Zimmern nötige Einrichtung, wie auch Behäzung derenselben und Besoldung deren dabey nötigen Aufsehern, Wärtern oder anderen Leuthen von aller Gattung wie nicht minder für die Ätzung deren Kranken und die ihnen verordnende Medicin oder sonstige Arzneyen der behörige Geld-Betrag ohne darmit das Burger Spittal zu beschwären, irgendwo angewisen werde. Dessentwegen das gehorsamste Directorium die milde Stiftungs Hof Commission gutachtlich zu vernehmen gedenket, ob nehmlich ein oder das andere wohl fundirte Kranken-Haus in stand seye, hierzu einen Beytrag abzureichen. Da bevor durch dise machende Vorsehung einiger Orthen wie besonders anjezo bey der vorhabenden Transferirung des Spittais am Rennweg in das Spännische Spittal einige Ersparung durch nicht mehr so zahlreich erforderliche Medicos vel Chyrurgos bewürcket werden könte. Jedoch, Johann Graf Chotek (Resolution der Kaiserin:) wegen dem platz placet und resol[u]z[ion] an das spittall. wan nichts andres zu finden wäre, müße man dem spittal selbsten vor jeden Kopf etwas passirn. das selbe besorgt wie in spanisch spittall gehalten worden. 30 k(reuzer) vor ein köpf. M. Th. 94 ). Nr. 10 Antwort auf die Anfrage der medizinischen Fakultät Paris über verschiedene Punkte die Inokulation betreffend. Original. Dat. Wien, 1. November 1763. Bibliothèque de la Faculté de Médecine, Paris95). 9J) Laut Dekret vom 8. Februar 1754 wurden für die Räumlichkeiten der Klinik 140 Gulden und für die (frühere Dietrichsteinsche) Wohnung de Haens 650 Gulden ausgeworfen. Dazu kamen noch die Verpflegsgebühren für die „pro doctione medica et chirurgica practica" aufzunehmenden Kranken von täglich 18 Kreuzer, so daß sich die Gesamtsumme auf 2409 Gulden 30 Kreuzer belief. Vgl. LÖBEL, G. 662 f. 94
) Die Resolution der Kaiserin ist in dem Sinne zu verstehen, daß sie ihre Zustimmung zur Wahl des Bürgerspitals als zukünftiger Klinik gab, jedoch die Kosten dafür nicht dem Spital angelastet, sondern ab aerario in der Weise geregelt wissen wollte, wie dies eben mit dem Spanischen Spital (in der späteren Waisenhausgasse) geschehen war. Zum Spanischen Spital vgl. NEUBURGER, M . : Das alte medizinische Wien in zeitgenössischen Schilderungen. Wien u. Leipzig 1921. S. 48 f. 9i) Im Gegensatz zu England war in Frankreich die Einimpfung der Blattern (variolarum insitio, Variolation, Inokulation) nur langsam seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Gang gekommen und am 8. Juni 1763 durch ein Parlamentsdekret verboten worden. Im Zusammenhang damit wurde von der medizinischen Fakultät ein Gutachten angefordert. Die Fakultät setzte eine
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Über die Inokulationsversuche im Wiener Waisenhaus. Unsicheres Ergebnis. Unglücklicher Ausgang einer privaten Inokulation. Erfahrungen des griechischen Arztes Anton Timoni. Keine eigenen Impferfahrungen. Hinweis auf das Pocken-Kapitel der Kommentare. Eruditissimis et Expertissimis viris Medicis celeberrimis G. J. de l'Espine et reliquis s. p. d. Gerardus L. B. van Swieten. Ad quaestiones propositas sic respondeo. 1. Per id et ultra annos in Austria vivo, et penes me est rerum Medicarum cura: hactenus autem nullo modo in hac regione invaluit variolarum insitio. Tentatam novi in sex, pueris et puellis, ex orphanothrophio selectis, sanis omnibus, omni cum cautela, sub cura peritissimi Medici. Pus ex variolis benignis, bene maturis, adhibitum fuit. Sed absque ullo successu. Nullis ex his sex variolae prodierunt, sed, quantum novi, nullum ex tentata insitione damnum successit. Probabile hinc credebatur, illos pueros et puellas in prima aestate jam variolas habuisse. Postea, quantum novi, nun fuit variolarum insertio tentata in Austria. 2.
Hinc facile patet, nullos ab insitione mortuos hic fuisse, cum tentata non fuerit. Ante triduum autem nuntius venit, insitionem tentatam fuisse in adolescente, Illustris Familiae in regno Bohemiae prole, qui morbo varioloso ex insitione nato, periit. 3.
Ob eandem rationem ex propriis observatis hic nihil statuere possum. Timoni, Medicus Byzantinus 96), tractatulum edidit elapso anno (quem procul dubio celeberrimi viri legerunt) in quo testate, propriae sorori ínsitas fuisse variolas in prima aetate et postea pluribus annis elapsis variolis correptam occubuisse. Simile infortunium se adhuc semel vidisse, affirmat.
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)
Kommission bestehend aus Impfgegnern und Impffreunden ein. Führer der Impfgegner war Guillaume Joseph de l'Épine (1703 —1783), den van Swieten namentlich anführt. Die Kommission forderte ihrerseits prominente europäische Ärzte wie eben van Swieten auf, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wie lange und mit welchem Erfolg wurde die Inokulation in Ihrem Lande geübt? 2. Sind Todesfälle unter den Inokulierten aufgetreten? 3. Sind Inokulierte seither an Blattern erkrankt? 4. Sind andere Erkrankungen mit den Blattern aufgetreten? 5. Haben Inokulierte Gesundheitsstörungen gezeigt, die durch Inokulation verursacht wurden? 6. Ereignete sich dies öfter bei Inokulierten als bei solchen, die natürliche Blattern überstanden? Zu dem Fragenkomplex vgl. DELAUNAY, P.: Le monde médical Parisien au dixhuitième siècle. Paris 1905. S. 285ff. KLEBS, A . C . : Die Variolation im 18. Jahrhundert. Gießen 1914. S. 43f. MILLER, G.: The adoption of inoculation for smallpox in England and France. Philadelphia 1957. S. 234ff. LESKY, E. (1958) S. 140-154. Das hier vorgelegte Dokument stellt die Antwort van Swietens auf diese Fragen dar. Aus ihm geht die reservierte Haltung van Swietens zur Inokulation hervor, wie sie van Leersum ausführlich belegt und charakterisiert hat. Vgl. VAN LEERSUM, E . C . : A couple of letters of Gerard van Swieten on the "Liquor Swietenii", and on the inoculation of smallpox. Janus 15 (1910) 365 ff. Wir stimmen mit van Leersum überein, daß trotzdem van Swieten auch in diesen Jahren nicht zu den ausgesprochenen Impfgegnern wie beispielsweise de Haen gerechnet werden darf. TIMONY, ANTOINE: Dissertation sur l'inoculation de la petite vérole. Vienne 1762.
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Ob eandem rationem nihil circa hanc quaestionem statuere possum. 5. Neque circa hanc quaestionem aliquid observare potui, cum in Austria non invaluerit variolarum insertio. Caeterum certo scio propriis observatis, paucos perire ex variolis naturalibus, si debita adhibeatur cura: de hac re agam quinto Commentariorum tomo, qui quartum jam absolutum, ut spero, proxime sequetur. Valete. Dabam Vindobonae 1 Novembr. 1763.
G E R A R D VAN SWIETENS ERSTER LEBENSABSCHNITT (1700—1745) V o n G . A . LINDEBOOM
HOLLÄNDISCHES ANDANTE
Zur Erinnerungsfeier Gerard van Swietens einen bescheidenen Beitrag liefern zu dürfen, und zwar in der schönen Stadt, in der er sich viele Jahre zugunsten der medizinischen Wissenschaft und der Gesundheitspflege in der alten österreichischungarischen Monarchie eingesetzt hat, das ist mir fürwahr eine tiefe Freude. Zwar verstehe ich sehr wohl, daß diese Ehre mir nur zugefallen ist, weil ich nun einmal ein an der Medizingeschichte interessierter Landsmann van Swietens bin. Als solcher stehe ich an diesem Ort und in diesem Augenblick mit gemischten Gefühlen da. Ein etwaiger nationaler Stolz weicht zurück vor dem Bedauern, daß sein Vaterland nicht verstanden hat, den nachher so berühmten Mann zu halten und daß es — sei es im Rahmen von damals in ganz Europa herrschenden Auffassungen — ihm keine passende Stelle bieten konnte, die ihn in den Stand gesetzt hätte, seine außerordentliche Gelehrsamkeit und seine organisatorischen Talente zum Wohle seines eigenen Volkes völlig zu entfalten. Dieser Umstand ist aber um so mehr ein Grund zur Beteiligung an der Gedächtnisfeier für eine der hervorragendsten Gestalten aus der medizinischen Welt des 18. Jahrhunderts. Dabei liegt es für mich nahe, Ihre Aufmerksamkeit für die viereinhalb Jahrzehnte von van Swietens Leben zu erbitten, die er in der Republik der sieben Vereinigten Niederlande verbracht hat. Sie gingen den 27 Jahren voran, in denen er mit Anstrengung all seiner Kräfte in glänzender Entfaltung seiner Persönlichkeit sein umfangreiches Wissen und Können zum Wohle der Wissenschaft, der Medizin und der Gesellschaft angewendet hat. In der historischen Perspektive erscheint diese holländische Periode wie eine lange Vorbereitung und Zurüstung zu der großen Aufgabe, welche ihm eine große Fürstin auferlegt hat — ein holländisches Andante zu der stilvollen Symphonie, die ihm nationalen und internationalen Ruhm gebracht und eine bleibende Stellung in der Geschichte, nicht nur in jener der Medizin, gesichert hat.
D I E TAUFE
Es ist eine kleine Ironie der Geschichte, daß am Anfang und am Ende des Lebens von Gerard van Swieten, dem Gegner der Jesuiten in Wien, die Societas Jesu steht. Er ist nämlich von einem Jesuitenpater getauft worden, und es war bekanntlich
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ein Jesuit, P. Würz, der nach seinem Ableben in dieser Universität die feierliche Trauerrede gehalten hat. Van Swieten war ein überzeugter Katholik und ein Sprößling einer rechtgläubig katholischen Familie. Um so mehr müssen die Gerüchte, welche später in Wien umgingen, als sei er nicht rein katholischer Herkunft!), dem Mann peinlich gewesen sein, zumal weil er bis zu seinem letzten Lebensjahre nicht über den Beweis des Gegenteils verfügen konnte. Obwohl genealogisch die Verbindung nie völlig klar gestellt worden ist, darf man wohl annehmen, daß Gerard van Swieten — wie er selbst auch gerne geglaubt hat 2 ) — von einem Nebenzweig eines adeligen katholischen Geschlechtes stammt, das lange in einem Schlößchen gewohnt hat, das in der Nähe von Soeterwoude lag und im Anfang des 19. Jahrhunderts in Verfall geriet und abgebrochen wurde. In der protestantischen Niederländischen Republik konnten die Katholiken unbehindert leben, aber sie waren von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Ihr kirchliches Leben spielte sich sozusagen unter der Oberfläche des öffentlichen Lebens ab. Sie durften ihre Gottesdienste abhalten, aber nur in sogenannten Schlupf kirchen, welche als solche von der Straße nicht erkennbar sein sollten und keine Glocken läuten durften. Sie sollten auch vor dem Gericht, das heißt vor den Schöffen und dem Schultheiß heiraten, und konnten erst nachher in einer solchen Versteckkirche oder einer Station ihre Heirat einsegnen lassen. So hatte Gerards Vater, Thomas van Swieten (1662—1712), der Notar in Leiden war, 1697 Elisabeth Loo, eine junge Witwe aus Haarlem, geheiratet; die Trauung folgte am nächsten Tag in Leiden 3 ). Der erste Sohn des Ehepaars, ebenfalls
') Die Gerüchte fanden wahrscheinlich ihren Ursprung in der Tatsache, daß ein Namensgenosse, wahrscheinlich sein Onkel, Doktor Cornelis Gerritsz [Gerardsz] van Swieten, verheiratet war mit einer Tochter eines Wallonischen Ehepaares, Catharina de Rispy, welche später in die katholische Kirche zurückkehrte. Dr. Cornelis war Witwer von Johanna Maria de Cock, als er am 20. November 1695 vor dem Gericht heiratete. Seine Frau schwur drei Jahre später dem protestantischen Glauben ab. In dem Register der katholischen Kirche von Säkulieren-Priestern in St. Jorissteeg findet sich die Eintragung, datiert 20. März 1698: „Dr. Catharina de Rispy, uxor expertissimi D' D* Cornelii ä Swieten med. Doctoris nata in hac urbe 26 die Augusti A° D* 1673 [1674!] filia D* Joannis de Rispy et D"1 Mariae de Wee, ambo calvinianae religionis, ex haeretica pravitate calvinistorum, in qua enutrita fuerat et ad quam maritum suum non poterat seducere, pie conversa, haeresim suam solemniter abjuravit et magna cum repentatione fidei et ecclesiae Catholicae reconciliata est." Das Ehepaar van Swieten—de Cock bekam am 27. Juni 1698 einen Sohn, Gerardus Cornelius. Siehe W. J. J. C. BIJLEVELD ( 1 9 2 4 ) , Dr. Gerard van Swieten en zijn voorgeslacht. Nederl. Leeuw 42, 261—272, 311—312; und: Dr. Gerard van Swieten und seine Vorfahren [1929], 15 pp. (kein Jahr, kein Ort). 2 ) cf. D. L. VAN SWIETEN (1919), Gerard van Swieten, de lijfarts van Maria Theresia, en zijn geslacht. Nederl. Leeuw 37, 5 - 1 0 . 3 ) Die Eltern wurden in der Kirche getraut von einem noch zu nennenden Neffen, der im Taufregister eintrug „20. Nov. 1697. solemni matrimonio junxi Thomam van Swieten, cognatum meum, cum Elisabeth Loo, presentibus patruo Petro Loo ejusque uxore et Lamberto van Swieten, notario" (BDLEVELD, 1924). Notar Lambertus van Swieten war ein älteres Familienmitglied von Notar Thomas van Swieten. Notar Thomas war der älteste Sohn von Gerard van Swieten und Catharina
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(1969), The Universities of Europe in the Middle Ages. Neue Auflage der ersten Ausgabe (1936), I, 238. 20) MOLHUYSEN (1920), L. c. IV (1682-1725), 23*. Jacobus Le Mort (1650-1718), der damals Präfekt des chemischen Laboratoriums war, aber keinen Lehrauftrag hatte (erst 1702 wurde er Professor), hatte seine privaten Vorlesungen an dem schwarzen Brett angekündigt, aber der Senat hatte die Notiz entfernen lassen. Danach hatte Le Mort sich zu den Curatoren gewandt, welche den Rat der Fakultät einholten. Dieser Rat war negativ. Jedoch hielt Le Mort etwas später wieder seine privaten Vorlesungen. 21) Louis, 1. c. 22) SANCHES (1959), 1. c., p. 97. „Gerardo van Sweten hoje Fisico Mor de suas Magestadas Imperiais se deve glorificar que elle foi o que neste seculo ressucitou a Pharmacia, e que mostrou a necessidade que tinhäo todos os Medicos serem Botanicarios perfeitos." — Übersetzung von Lemos: „Gérard van Swieten, aujourd'hui médecin de Leurs Majestés Impériales, doit être glorifié parce qu'il a été le premier qui dans ce siècle a ressucité la pharmacie et parce qu'il a montré que tous les médecins ont besoin d'être des pharmaciens accomplis", und weiter: „En même temps qu'il suivait les leçons de Boerhaave il assistait dans une pharmacie à Leyde; il y apprit cet art avec supériorité, parce qu'il suivait en même temps les leçons de chimie et de médecine. Il obtint le grade de docteur avec la permission que Boerhaave obtint pour lui du Sénat Académique: il enseignait chez soi (non comme professeur) la matière médicale et la pharmacie: je lui ai entendu quelques leçons en 1730 et 1731." 23) Bekanntlich hat van Swieten den oralen Gebrauch von Quecksilberpräparaten gegen Syphilis propagiert. Der Liquor Swietenii ist jedoch nicht seine eigene Erfindung, sondern er bekam
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Nach neun Jahren kam für diesen, für ihn selbst auch so vorteilhaften, privaten Unterricht ein plötzliches Ende. Am 8. Juli 1734 faßte der akademische Senat auf Vorschlag des jungen Professors Adrianus van Royen (1704—1779) den Entschluß, Doktor van Swieten seine Vorlesungen zu untersagen und ihm dies durch den Pedell mitteilen zu lassen 24 ). Dieses geschah am nächsten Tag, und van Swieten gehorchte, obwohl das Verbot bei den enttäuschten Schülern den Gedanken an einen öffentlichen Protest aufkommen ließ. In seinem bekannten „Plan pour la Faculté de la Médecine" vom 17. Januar 1749 hat van Swieten selbst an seine Vorlesungen erinnert und berichtet, daß sie so erfolgreich gewesen wären, daß die Professoren „un peu de jalousie" empfunden hätten. Als hinzukommenden Faktor nannte er „la haine de la religion catholique" und dies soll genügend gewesen sein, das Verbot zustande kommen zu lassen 25). Wahrscheinlich aber ist die Religion van Swietens für van Royen nur ein Vorwand gewesen, um das Verbot vom akademischen Senat zu erlangen. Adrianus van Royen verdankte zwar Boerhaave sehr viel, hatte er doch als einziger auf eigene Bitte die Erlaubnis bekommen, Boerhaave bei der Vorbereitung seiner Demonstrationen zu helfen, war auf Boerhaaves Empfehlung zuerst zum Lektor, später zum Professor der Botanik ernannt worden. Aber van Royen hegte damals aus persönlichen Gründen einen Groll gegen seinen Lehrmeister26), den er nach dessen Tode
ein Rezept für eine spirituöse Sublimatlösung von Sanches. Sanches seinerseits hatte es von einem alten Chirurgen bekommen, welcher es oft mit gutem Erfolg bei hartnäckigen venerischen Infektionen angewandt hatte. (R. „Mercurii sublimati corrosivi drachmam, spiritus fermentati ex hordeo, vel secale, parati, semel rectificati, unicas centum & viginti.") — Siehe: E. C. VAN LEERSUM (1910), Een tweetal brieven van Gerard van Swieten over den liquor Swietenii en de kinderpokinenting. Ned. T. Geneesk. 54, I, 1708—1725; ERNA LESKY (1959), Van Swietens Syphilistherapie und die Schule von Montpellier. Compt. rend. XVIe Congrès int. Hist. Méd. Montpellier 1958. Bruxelles 1959, 1, 59-62. 24) MOLHUYSEN, 1. c., V, 137. „Petiit Clar. van Royen ut interdiceretur Doctori van Swieten privata institution decrevit sénatus prohibitionem per pedellum esse faciendum, quod sequenti die factum, dixitque Doctor van Swieten se obtemperaturum" (Acta Senatus). cf. Van Swietens Brief an Dr. Richard Richardson (28. August 1734) : „Senatus nostri academici jussu a domesticis exercitiis abstinere cogor" (DAWSON TURNER, Extracts from the literary and scientific correspondent of Richard Richardson. Yarmouth 1835, p. 338—339). BRECHKA (71) meint irrtümlicherweise, daß es sich um David van Royen (1699—1764), den Sekretär der Curatoren und Bruder Adrians handelte. David war kein „Clar." (Professor) und der Sekretär der Curatoren wohnte den Versammlungen des Senats nicht bei. 25 ) Van Swieten schrieb in seinem „Plan pour la Faculté": „J'ai donné neuf ans un collège en médecine à Leyde sans aucun titre ny gages et avec tant de concours que les professeurs de cette Université en conçurent un peu de jalousie. La haine de la religion catholique que je professois, s'y joignit et on trouva bon de me faire cesser à donner des collèges en médecine, ce que je fis d'abord non obstant que les estudiants se révoltèrent contre cet ordre et vouloient mesme venir à des excez." ( R U D . KINK [1854], Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, vol. 1, S. 2 5 4 . ) 2«) Siehe LINDEBOOM (1968), 1. c., S. 191 und 192 w.
Gerard van Swietens erster Lebensabschnitt (1700—1745)
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selbst auf seine Familie übertragen hat 27 ). Van Royen hat den Protégé Boerhaaves treffen wollen, und das ist ihm allerdings gelungen. Van Swieten hat den Schlag auf besonders würdige Weise hingenommen. EXPERIMENTATOR
Es soll aber noch daran erinnert werden, daß van Swieten sich auch lebhaft für physiologische und patho-physiologische Probleme interessierte und sich selbst mit Tierexperimenten beschäftigt hat. Namentlich hat er Versuche über die Respiration bei offenen Brustverletzungen angestellt. Sein Interesse dafür war erregt worden durch einen englischen Studenten, William Houston (1704—1733)28), welcher einmal zu ihm kam mit der Frage, ob er, van Swieten, meine, daß offene Wunden in der Brusthöhle tödlich seien. Nach einer zustimmenden Antwort zeigte er lachend ein (unter seinem Kleid verborgenes) junges Hündchen, bei dem er einige Tage vorher die beiden Brusthöhlen durchstochen hatte, aber das nun fröhlich hin und her lief. Diese kleine Demonstration wurde Anlaß zu weiteren Versuchen, welche von Houston und van Swieten, zum Teil gemeinschaftlich, veranstaltet wurden. Van Swieten machte eine Reihe Experimente an Hunden — seit Jahrzehnten die bevorzugten armen Versuchstiere in Leiden —, an welchen er kleinere und größere Öffnungen der Brustwand bis in die Lunge vornahm, eine Röhre einbrachte, Luft einblies, gleichzeitig die Tracheotomie ausführte oder auch den Bauch aufschnitt, um unter diesen Umständen das Verhalten der Respiration zu beobachten. Er kam zu der Schlußfolgerung, daß es für den Verlauf der Folgen dieser Verletzungen wesentlich
27
(1970), Boerhaaviana aus der Burgerbibliothek in Bern, in: G. A. LINDEBOOM (ed.), Boerhaave and his Time, Brill, Leiden, S. 144—164. — In einem Brief vom 3. Dezember 1745 von Boerhaaves Schwiegersohn, dem Grafen de Thoms, schreibt dieser an Haller anläßlich dessen letzten Briefes, welcher viele Vorwürfe gegen Boerhaave enthielt („votre lettre pleine d'amertumes contre mon beaupère"): „Je ne voudrais pas communiquer votre lettre à qui que ce soit, car tout le monde criera contre vous, excepté un seul, c'est celui à qui vous avés envoyé les graines dont je me garde bien de l'apprendre que vous le les avés addressés pour lui, je lui les ferai portant par quelque étranger. Car c'est l'ennemie mortel de Mr Boerhaave et de sa famille, ainsi ne m'addressés jamais rien pour cet homme" (p. 160). Meines Erachtens kann dieser „ennemi mortel" von Boerhaave kein anderer sein als Adr. van Royen, Professor der Botanik, für den Haller Sämereien an De Thoms geschickt hatte. Diese Feindschaft war ziemlich bekannt, cf. K. SPRENGEL, Historia rei herbariae, II, 333. Sprengel schreibt, sprechend über Linnaeus: „Lugdunum Batavorum cum ventum esset, Adrianus van Royen . . . qui Boerhaavio successif eique irascebatur, obtulit Linnaeo Stipendium." 28) William Houston, ein Schotte von Ursprung, ließ sich immatrikulieren am 6. Oktober 1727 in Leiden und gab sein Alter mit 23 Jahren an. Er promovierte in St. Andrews 1732 und starb in Jamaica 1733. Er war ein ausgezeichneter Botaniker. Cf. R. INNES SMITH ( 1 9 3 2 ) Englishspeaking Students of Medicine at the University of Leyden. Edinburgh/London. — Seine Experimente über die Respiration wurden nach seinem Tode veröffentlicht in den Philosophical Transactions (1736), p. 230: „IV. Expérimenta de Perforatione Thoracis, ejusque in Respiratione Effectibus, facta per Guilielmum Houstonum, M. D. & quondam R. S. S. cum Lugduni Batavorum commoraretur. Ann. 1728 & 1729. Regali Societati communicataper Philippum Millerum, R. S. S." ) ERICH HINTZSCHE
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G. A. Lindeboom
ist, ob die Lungenfistel größer oder kleiner als die Stimmritze ist 2 '). Diese experimentellen patho-physiologischen Untersuchungen zeigen den großen Bereich von van Swietens wissenschaftlichem Interesse und seiner Wirksamkeit.
PRAKTISCHER A R Z T
Sofort nach seiner Promotion im Jahre 1725 hat van Swieten sich in Leiden als praktischer Arzt niedergelassen. Bald bekam er eine ausgedehnte Praxis, hauptsächlich unter dem katholischen Teil der Bevölkerung. Mit größter Sorgfalt behandelte er seine Patienten: oft besuchte er sie täglich, wie aus dem Journal hervorgeht, worin er das Wichtigste aufzeichnete. Besonderes Interesse widmete er den häufig vorkommenden Epidemien, deren Gang er im Zusammenhang mit den äußerlichen Faktoren des Wetters, Regen und Wind, Hitze und Kälte, studierte. Maximilian Stoll (1742—1787), der 1782 das Journal in zwei Teilen, zugleich in Wien und Leiden veröffentlichte, hat ihm denn auch den Titel Constitutiones epidemicae et morbi potissimum Lugduni Batavorum observati: Die epidemischen Beschaffenheiten und Krankheiten, vornehmlich in Leiden beobachtet, gegeben3«). in schwierigen Fällen war van Swieten gewohnt, sich den Rat von Boerhaave einzuholen, der ihm auch persönlich in einer Periode von Überanstrengung und geistiger Depression hinweggeholfen hatte31)- Nach Boerhaaves Tod fiel ihm noch ein Teil von dessen konsultativer Praxis in Diplomatenkreisen im Haag zu 32 ).
HÖRER UND STENOGRAPH BOERHAAVES
Wie kein anderer ist van Swieten von Boerhaave gebildet und geformt worden; er hat das gewollt und gesucht, und hat sich dafür ungewöhnlich viel Mühe gegeben. Beinahe zwanzig Jahre, davon dreizehn nach dem Ende seines Studiums, hat er Boerhaaves öffentlichen und privaten Vorlesungen beigewohnt und das Gehörte aufgezeichnet. Er tat das bekanntlich in einer auch von Haller erwähnten Schnellschrift, die van Leersum entziffert hat und die auf dem System des schottischen Commentaria in Hermanni Boerhaave Aphorismos de cognoscendis et curartdis morbis. Tomus primus, editio secunda, Verbeek, Leiden 1745, p. 70 sqq (zu § 170). 30 ) GER. L. B. VAN SWIETEN, Constitutiones epidemicae et morbi potissimum Lugduni-Batavorum observati ex eiusdem adversariis edidit Max. Stoll. 2 Teile. Wien und Leipzig, sowie Lugd. Batav. Die ganze Auflage wurde wahrscheinlich in Wien gedruckt, denn der Name des Leidener Druckers zeigt einen Fehler (Luchtmanns statt Luchtmans). Siehe über das Werk: J. J. VAN DER KLEY (1921), G. van Swietens Constitutiones epidemicae etc. Ned. T. Geneesk. 65, 33—39. 31) Die Geschichte von van Swietens Überanstrengung findet sich bei D E FOUCHY (1773), Eloge de M. le baron van Swieten, prononcé à l'académie Royale des Sciences, par M. —, secrétaire de la même Académie, le 21 Avril 1773, in: G. VAN SWIETEN, Commentaria etc. vol. V, Guill. Cavellier, Paris 1773. 32) Cf. C. SOMMÉ (1851), Lettres inédites de H. Boerhaave et G. van Swieten. Précédées de quelques reflexions. Annal. Soc. Méd. d'Anvers XII, 665 — 682. 29
) G . VAN SWIETEN,
Gerard van Swietens erster Lebensabschnitt (1700—1745)
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Arztes und Chemikers Charles Aloys Ramsay (fl. 1677—1683) beruhte. Der fleißige Schüler arbeitete, auch später noch, zu Hause die tacheographisch aufgenommenen Diktate aus und fand den Lehrer immer bereit, irgendeine von ihm nicht gut verstandene Stelle näher zu erklären. Großmütig ließ er von einem solchen Diktat manchmal für Freunde Abschriften anfertigen, namentlich von Boerhaaves Vorlesungen über die Nervenkrankheiten, worüber der alte Professor fünf Jahre lang (1730—1735) las 33 ). Eine Kopie davon versprach er dem englischen Arzte Richard Richardson (1663—1741)34), eine zweite seinem Freunde Johannes de Gorter 35 ), während Ribeiro Sanches eine dritte bekam 36). Es ist gewiß bemerkenswert, daß es nie zu einer näheren Beziehung zwischen Lehrmeister und Schüler gekommen ist. Die große Geschäftigkeit von Boerhaave, der Altersunterschied von mehr als dreißig Jahren zwischen beiden bieten keine befriedigende Erklärung. Die grenzenlose Bewunderung, die van Swieten für den weltberühmten Professor hegte — nennt er ihn nicht oft kurz: Das Orakel? — hat vielleicht den Gedanken an ein freundschaftliches Verhältnis nicht bei ihm aufkommen lassen; er hat offenbar kein Bedürfnis danach gehabt. Es ist natürlich ausgeschlossen, daß Boerhaave nicht die großen Talente, die Begabtheit, den Fleiß und die außerordentliche Hingabe seines treuen Schülers erkannt hätte. Dabei ist es einigermaßen befremdend, daß überhaupt keine einzige Äußerung von Boerhaave mit van Swietens Namen, mündlich oder schriftlich, auf uns gekommen ist. Weniger auffallend ist es, daß er in dem bekannten Gespräch mit dem Sekretär der Kuratoren am 22. April 1738 über seine Nachfolge 37 ) verschiedene Namen genannt hat, aber — wenigstens nach dem sorgfältigen Protokoll zu beurteilen — nicht denjenigen des Mannes, der dazu in erster Linie die Fähigkeit besaß. Eine Ernennung eines katholischen Gelehrten war in den damaligen Verhältnissen in der Republik nun einmal von vornherein völlig ausgeschlossen; van Swieten wußte das sehr wohl und hat sich darüber nie beklagt. Es ist sein Schicksal gewesen, daß sein katholischer Glaube ihm in Holland eine akademische Karriere verschlossen hat, aber ihm den Zugang zu einem viel größeren Arbeitsfeld und einer angesehenen öffentlichen Stellung erleichtert hat. 33
) Diese Vorlesungen sind veröffentlicht worden von J. VAN EEMS (1761), Hermanni Boerhaave. Praelectiones academicae de morbis nervorum. Lugd. Bat. (Francof. 1762). — Neulich sind sie wieder veröffentlicht worden nach dem Leningradschen Manuskript: B. P . M. SCHULTE: Hermanni Boerhaave Praelectiones de morbis nervorum. Inauguraldissertation, Leiden 1959 (Analecta Boerhaaviana IV). 34 ) TURNER, 1. c. : „Cl. Boerhavius publicam de nervorum morbis lectionem nondum hoc anno académico finivit; seguente tarnen anno académico finiet procul dubio: in compendium tunc redactam tibi transmittam ..." (van Swieten an Richardson). 35 ) In einem bis jetzt nicht publizierten Brief. 3«) LEMOS 1. c., 248. „Dans une lettre à Mr. Castro Sarmentó du 11 Novembre 1752, il (Sanches) lui envoyait un passage du livre De morbis nervorum, en ajoutant qu'il possédait un extrait fait par Van Swieten." 37 ) Van Royens Gespräch mit Boerhaave, bei MOLHUYSEN V, S . 6 2 * — 6 5 * .
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G. A. Lindeboom D I E KOMMENTARE
Als Haller und van Swieten nach Boerhaaves Tod am 23. September 1738 es sich zur Aufgabe machten, sein wissenschaftliches Erbe weiterzuführen, hat bei beiden wahrscheinlich auch die Ambition, ihre Namen mit demjenigen des weltberühmten Mannes dauernd zu verbinden und zu größerer Anerkennung zu bringen, eine gewisse Rolle gespielt. Beiden ist dies glänzend gelungen, nicht zuletzt dank der vortrefflichen Weise, in der sie ihre Aufgabe vollbracht haben. Hatte van Swieten anfangs den Plan, Boerhaaves theoretischen Unterricht, die Institutiones medicae, zu erläutern 38 ), so kam ihm Haller zuvor und brachte schon 1739 den ersten Band seiner Hermanni Boerhaavii Praelectiones academicae in proprias Institutiones rei medicae heraus und zwang dadurch van Swieten, seinen Plan zu ändern. Van Swieten schrieb am 1. Januar 1742 das Vorwort zu dem ersten Band seiner Kommentare zu Boerhaaves Aphorismen, welcher einige Monate später von der Presse kam. Trotz des hohen Preises wurden in eineinhalb Jahren 2000 Exemplare des Werkes verkauft 39 ). Durch den magischen Glanz von Boerhaaves Namen, aber nicht weniger wegen des ausgezeichneten Inhaltes war van Swietens Name als Gelehrter, zweifellos zu seiner tiefen Genugtuung, mit einem Schlage begründet und in der internationalen Welt verbreitet worden.
D E R „KLEINE REPUBLIKANER"
Man soll sich hüten vor der Vorstellung, als ob van Swieten in Holland bis zu seinem 45. Jahr unter einem Druck gelebt und den Ruf nach Wien sofort als ein Gottesgeschenk begrüßt hätte. Nichts ist weniger wahr. Er hat die ehrenvolle Einladung zuerst nach kurzem Überlegen abgelehnt. Auch darin folgte er anfangs seinem hochverehrten Lehrmeister Boerhaave. Für Boerhaave hatte ein Hof keine Attraktion. Er hat keinen Augenblick die Einladung der russischen Zarin, im Jahre 1731 an ihren Hof zu kommen, unter Bedingungen, die er selbst bestimmen durfte, ernsthaft erwogen. In seiner langjährigen Korrespondenz mit dem Wiener Hofarzt Jean-Baptiste Bassand (1680—1742), der am 30. November 1742 gestorben ist und an dessen Stelle van Swieten berufen wurde, hat Boerhaave mehr als einmal seinen Freund vor den moralischen Gefahren des Hofes gewarnt. Gerade in diesem Punkt gebrauchte er einen scharfen Ton, den man sonst nie von ihm hörte. Damals schrieb er: „Wer fromm sein will, ver-
38) Van Swieten hatte seine Aufzeichnungen von Boerhaaves Vorlesungen nicht publizieren wollen, weil er wußte, daß Boerhaave das immer streng mißbilligt hatte, wenn es von seinen Studenten geschah. Bekanntlich verübelte er es Haller, daß dieser das wohl tat. Haller hatte auch Kritik an Boerhaave, z. B. an seinen anatomischen Kenntnissen, geübt. All dieses hatte eine Entfremdung zwischen den zwei begabtesten Schülern von Boerhaave zur Folge. Vgl. ERNA LESKY (1958), Albrecht von Haller, Gerard van Swieten und Boerhaaves Erbe. Gesnerus 15, 120—140. 39
) C f . HINTZSCHE, I. c.
Gerard van Swietens erster Lebensabschnitt (1700—1745)
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lasse den Hof" 4 0 ), oder „von einem goldenen Teller ißt man Gift". Auch für van Swieten hatte der Glanz eines fürstlichen Hofes überhaupt keinen Reiz. Die erste Einladung nach Wien kam im Frühling 1743 und bald danach, am 8. April, schrieb er an Sanches, der selbst Leibarzt der russischen Zarin war, ausführlich und unumwunden, aus welchen Gründen er sie nach einigen Tagen des Nachdenkens ehrfurchtsvoll abgelehnt hat. Der Freund — war es Königsegg oder Kaunitz, der ihm diesen „Fallstrick" gespannt hatte —, so schrieb er — hatte feurig gewünscht, daß er dem Ruf folgen würde, aber er fühlte sich nicht veranlagt zu jener Lebensart, und überdies würden seine Studien darunter leiden. „Ich bevorzuge es unendlich, ein kleiner Republikaner zu sein, als einen pompösen Titel zu haben, welcher dazu dient, eine richtige Sklaverei zu verdecken, verzeihe mir, wenn ich mit so wenig Respekt von einem so honorablen Amt spreche, aber ein Mann, der mit der Muttermilch die Liebe zur Freiheit eingezogen hat, seufzet, wenn er daran denkt, sie zu verlieren; deshalb siehe mich als zuvor, das heißt, in guter Gesundheit, frei und zufrieden" 41 ), „en bonne santé, libre et content". Van Swieten fühlte sich nicht zurückgesetzt. A LA FIN, JE ME RENDS
Aber der Wiener Hof gab nicht nach. Maria Theresia, Königin von Ungarn, scheint van Swieten einen speziellen Abgesandten geschickt zu haben, auch eine goldene, mit Diamanten besetzte Tabaksdose 42 ). Allmählich gewöhnte sich van Swieten an den Gedanken einer völligen Veränderung seiner Lebensart. Endlich schrieb die junge Fürstin, selbst in einen Krieg mit Frankreich, Bayern, Preußen und Sardinien verwickelt, dem holländischen Doktor persönlich einen ihrer aufrichtigen und herzlichen Briefe, so wie sie es konnte 43 ). Daß er zugleich zum Präfekten der reichen Hofbibliothek ernannt werden würde, daß auch für seine Frau und seine Kinder nach seinem eventuellen Sterben gesorgt sein würde, das alles waren Beweggründe, welche ihn schließlich dazu brachten, seine ablehnende Haltung fahren zu lassen. Als er dann im Oktober 1744 sich endlich entschied, die hohe Stelle zu akzeptieren, fand der ehrliche Mann passende Worte, diese allmähliche Umstellung seiner Ge40
) „Exeat aula, qui vult esse pius." Boerhaave an Bassand, 19. März 1721. Vgl. G. A. (1964), Boerhaave's Correspondence II, Brill, Leiden. S. 182.
LINDEBOOM
- » ) C f . BRECHKA, 9 1 - 9 2 . 42) HINTZSCHE, 1. c . , 1 4 8 . 43
) Dieser Brief ist leider nicht erhalten geblieben. Einige andere eigenhändig von Maria Theresia geschriebene Briefe an van Swieten wurden veröffentlicht von ALFRED RITTER VON ARNETH (1864), Maria Theresia's erste Regierungsjahre, II (1722-1744), Wien, p. 5 6 5 - 5 6 6 . Arneth verdankte diese Briefe dem k. k. Hauptmann Egyd van Swieten. Dieser Egyd van Swieten (1817—1896) war ein Sohn von Karl August (1780— ?), welcher wieder ein Sohn war von Gysbertus Henricus (geb. 1744), dem jüngsten Sohn des Leibarztes. Egyd und sein Bruder Friedrich (1821 — 1879) sind die letzten männlichen Nachkommen von Gerard van Swieten gewesen. Vgl. D. L. VAN SWIETEN (1919), Gerard van Swieten, de lijfarts van Maria Theresia, en zijn nageslacht. Nederl. Leeuw 42, 5 — 11, D. L. van Swieten gehörte dem Rotterdamer Zweig der van Swietens an.
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G. A. Lindeboom
mütsstimmung zum Ausdruck zu bringen. Die Antwort, die er auf einen Wink der Königin an einen ihrer Berater schickte, fing an mit den Worten: „A la fin, je me rends 44 )." Mit Bezug auf seinen jüngsten, erst acht Monate alten Sohn würde er aber nicht eher als im nächsten Frühling abreisen können.
KONSULENT AM BRÜSSELER HOF
Kaum hatte er diesen Brief geschrieben, so wurde er — am 6. November — nach Brüssel ans Krankenbett der jungen Erzherzogin Marianne, der einzigen Schwester von Maria Theresia, gerufen, die nach der Entbindung von einem toten Kinde an einer Entzündung der Geburtswege und der angrenzenden Organe ernstlich erkrankt war. Durch sein gewinnendes Verhalten erwarb er bald das Vertrauen der Prinzessin und ihrer Umgebung. Hier begegnete er zuerst Reinhardus Antonius Engel, der schon die Stelle Bassands als Protomedicus unter den acht Leibärzten eingenommen hatte, aber bald zugunsten von van Swieten abtreten sollte. Der herabsetzenden und intrigierenden Haltung Engels gegenüber verhielt sich van Swieten ruhig und würdig45). Nach dem Tode von Marianne am 16. Dezember 1744 kehrte er sofort nach Leiden zurück. LETZTE VORBEREITUNGEN
In den ersten Monaten des Jahres 1745 machte hierauf van Swieten die letzten Vorbereitungen für seine Auswanderung nach Österreich. Es gelang ihm noch, den zweiten Band seiner Commentaria von der Presse zu bekommen. In dem Vorwort machte der Autor eine diskrete Anspielung auf die große Reise, welche er unternehmen wollte, und auf die Möglichkeiten, in der Nähe einer reichhaltigen Bibliothek das Werk schneller zu vollenden46). Daß er seine Übersiedlung nach Wien als endgültig für sein weiteres Leben betrachtete, geht hervor aus der Tatsache, daß er seine unbeweglichen Güter verkaufte. Am 4. Mai 1745 verkaufte er, laut der Akte, als erster Leibarzt und Bibliothekar seiner Majestät der Königin von Ungarn, Böhmen usw. 713 Morgen Mor,
44) Der Brief befindet sich noch in Abschrift in der österreichischen Nationalbibliothek und wird an anderer Stelle von mir publiziert werden. 45 ) Über van Swietens Verhältnis zu Dr. Engel siehe auch HINTZSCHE, 1. c. 158. 46 ) In der Praefatio zu dem zweiten Teil seiner Commentaria (1745) schrieb van Swieten: „cum autem rerum pertractandarum numerus & dignitas facerent, ut in majorem molem secundus Tomus excresceret, simulque ad longinquum iter suscipiendum omnia disponere deberem, citiùs finem imponere secando huic Tomo coactus fui. Neque tarnen ab incepto labore desistam, sed ilico, ubi sedem fixerim, pergam alacriter datamque liberabo fidem. Instructissimae Bibliothecae usus, & amabile illud, solis Musis sacrum futurum, otium spem faciunt, ut a turbulenta praxi Uber citius ad finem perducam haec Commentaria. Vale\"
Gerard van Swietens erster Lebensabschnitt (1700—1745)
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weil das Haus, worin er seit 1731 in der „Nieuwe Steeg" (Neue Gasse) gewohnt hatte, das Eigentum seines Schwagers Doktor Willem van Noortwijck wurde 47 ). Noch in demselben Monat reiste er ab. Am 7. Juni 1745 kam er in der Reisekutsche mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in Wien an. Van Swietens zweiter Lebensabschnitt hatte angefangen.
47
) E . C . VAN LEERSUM ( 1 9 1 9 ) ,
Ned. T. Gerteesk. I,
Hoe van Swieten zyn zaken regelde vóór zijn vertrek naar Weenen. cf. Brechka, 9 3 .
2058 - 2 0 5 9 ;
G E R A R D VAN SWIETEN ALS PRAKTIZIERENDER U N D ALS ÄRZTLICHER
ARZT
FORSCHER1)
V o n CHRISTIAN PROBST
EINLEITUNG : BOERHAAVE UND SYDENHAM
Wenn wir Gerard van Swieten als tätigen Arzt vorstellen wollen, sei es in der Praxis — sei es in der Forschung, dann müssen wir zunächst die wissenschaftliche Grundlage skizzieren, auf der er gestanden hat. Dieses Fundament haben in erster Linie Herman Boerhaave und in zweiter Linie Thomas Sydenham gelegt. Boerhaave hatte ein einheitliches physiologisches und pathologisches Lehrgebäude errichtet, das den menschlichen Körper als eine Maschine beschrieb. Diese Maschine war mit Hilfe der Kategorien und Gesetze der Mathematik und der Physik, insbesondere der Hydromechanik, zu analysieren und zu manipulieren. Die Physik war seit Galilei zur Erfahrungswissenschaft geworden; so galt auch für die Medizin Boerhaaves, daß Erfahrungswerte die Grundlage lieferten. Auf der anderen Seite war der Anspruch der mathematischen Physik als geistiger Ordnungsmacht so bestimmend, daß wir in dieser sogenannten „Iatromechanik" ein durch den Rationalismus geprägtes Lehrsystem vor uns haben, das im Grunde nur eine deduktive Erklärung empirischer Phänomene erlaubte. Am Krankenbett trug der Iatromechaniker alle Symptome und Zeichen zusammen, ordnete sie und erklärte sie mittels der mechanischen Gesetze. Bei der Untersuchung erhob er alle Daten und Zeichen von den Personalien über die Anamnese und die äußerlich wahrnehmbaren Symptome bis zur Harn-, Blut- und Stuhlschau. Aus den verschiedenen mechanisch definierten Semiogenesen rekonstruierte er eine mechanische Pathogenese. Das heißt: bei der ärztlichen Diagnose hatte der Arzt die Störungsursache im Gefüge der Körpermaschine an Hand der Krankheitszeichen in analoger Weise aufzusuchen wie ein Uhrmacher den Fehler im Uhrwerk, wenn er sieht, daß die Uhr falsch geht. Bei der Forschung am Krankenbett und am Sektionstisch ging er in entsprechender Weise vor: er beobachtete einen diagnostisch unklaren Fall, zeichnete seinen klinischen Verlauf auf und erhob bei tödlichem Ausgang einen genauen Sektionsbefund. In der kritischen Auswertung erklärte er die klinischen Zeichen und ihre !) Vgl. hierzu meine Arbeit: Der Weg des ärztlichen Erkennens am Krankenbett. Herman Boerhaave und die ältere Wiener medizinische Schule. Bd. 1. (1701 — 1787,). Sudhoffs Archiv, Beiheft 15. Wiesbaden 1973. Dort finden sich weiterführende Quellen- und Literaturangaben zu diesem Thema im größeren Rahmen.
Gerard van Swieten als Arzt und Forscher
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Veränderungen aus dem pathologisch-anatomischen Befund, rekonstruierte die Pathogenese im Sinne des iatromechanischen Modells, stellte Überlegungen über eine mögliche Therapie an und veröffentlichte den Fall zur Belehrung aller Ärzte. Suchte Boerhaave in der Praxis den Krankheitsfall mittels des mechanischen Denkmodells zu analysieren und eine entsprechende kausale Therapie durchzuführen, so strebte er in der ärztlichen Forschung nach systemimmanenter Wissenserweiterung, das heißt, er suchte das Gefüge der einmal konzipierten und als richtig anerkannten iatromechanischen Theorie durch Erfahrungssätze auszufüllen, nicht aber die Theorie selbst zu erweitern oder zu verändern 2 ). Anders war das Verfahren Sydenhams, das den von Francis Bacon postulierten induktiven Empirismus in die Tat umsetzte. Sydenham legte zwei pathologische Hypothesen zugrunde, die er empirisch zu verifizieren suchte: 1. Die meteorologische Epidemiologie der hippokratischen Epidemienbücher. Diese beschreiben parallel den Jahresablauf der Witterung und der gleichzeitig herrschenden Volkskrankheiten, und sie suchen der Witterungskonstitution als der Ursache für die epidemische Konstitution auf die Spur zu kommen. Das gleiche tat Sydenham. 2. Sydenham hielt die Krankheiten für streng determiniert ablaufende Naturereignisse, die man nach ihren Erscheinungsformen in Gattungen (species) einteilen könne — ebenso wie der Botaniker Pflanzen in Gattungen einteile. Die pathogenetischen Vorgänge hielt er für unerforschlich. Die Therapie mußte für jede Krankheitsspecies auf rein empirischem Wege erprobt werden. Die Methode sowohl in der ärztlichen Praxis wie in der ärztlichen Forschung war keine wirkursächliche Analyse, wie sie Boerhaave und die Iatromechanik erstrebten, sondern sie war ein empirisches Beobachten aller belangvollen Erscheinungen und deren Zuordnung zu bestimmten Gattungen. Die Forschung sollte diese „phänotypischen" Gattungen ergründen und festlegen, die Praxis sollte sich ihrer bedienen3). Sowohl Sydenham als auch Boerhaave waren der Meinung, daß die Heilkunde ihrer Zeit noch am Beginn einer Entfaltung zur Vollkommenheit stünde. Beide erstellten ein theoretisches Konzept und forderten alle Ärzte auf, dieses Konzept in der Praxis zu verwenden und durch empirische Forschung auszufüllen. Praxis und Forschung sollten Hand in Hand gehen.
Opera omnia medica. Venedig 1783. — GERRIT ARIE LINDEBOOM: Herman Boerhaave. The Man and his Work. London 1968. — CHRISTIAN PROBST: Das Krankenexamen. Methodologie der Klinik bei Boerhaave und in der ersten Wiener Schule. Hippokrates 3 9 ( 1 9 6 8 ) S. 8 2 0 — 8 2 5 . — DERS.: Ärztliche Forschung am Krankenbett im Zeitalter der Aufklärung. Gezeigt am Beispiel der Leydener und der Wiener Schule. Festschrift für HERMANN HEIMPEL, Bd. 1, Göttingen 1971, S. 5 6 8 - 5 9 8 . THOMAS SYDENHAM: Opera omnia, hg. von W . A . GREENHILL, London 1844. — PEDRO LAINENTRALGO: La Historia Clinica. Historia y Teoria del Relato Patografico. Barcelona 2 1 9 6 1 ,
2) HERMAN BOERHAAVE:
3)
S . 114F., 1 2 2 - 1 2 8 . 6
PROBST ( 1 9 7 1 ) .
82
Christian Probst GERARD VAN SWIETEN
Es ist bekannt, daß Gerard van Swieten über die Lehrsätze seines Meisters Boerhaave nicht hat hinausgehen und sie auch nicht hat verbessern wollen. Am Krankenbett hat er diese Heilkunde angewandt, er hat in ihren Kategorien gedacht und nach ihren Vorschriften gehandelt. Andererseits jedoch hat er — eben dem Geheiße seines Lehrers folgend — Forschungen zur praktischen Heilkunde angestellt. — In der Epidemiologie ging er von Sydenhams Theorie aus, kam aber später zu abweichenden Ergebnissen 4 ). Als Quellen für diese praktische und forscherische Tätigkeit van Swietens liegen uns vor allem zwei Werke vor: 1. Die Constitutiones epidemicae, das sind Aufzeichnungen von epidemiologischen Beobachtungen und von Krankengeschichten, die Maximilian Stoll posthum herausgegeben hat 5 ), und 2. die Commentaria zu Boerhaaves Aphorismen über das Erkennen und Behandeln der Krankheiten, ein riesiges Lehr- und Nachschlagewerk, das zwischen 1742 und 1772 herauskam und das zur wichtigsten literarischen Grundlage der älteren Wiener Schule geworden ist«). 1. Der praktizierende
Arzt
Als Grundlage für die Betrachtung der ärztlichen Tätigkeit van Swietens dient uns seine Krankengeschichtsschreibung. An Hand dieser Aufzeichnungen vermögen wir zu rekonstruieren, was dieser Arzt bei der praktischen Ausübung seines Berufes am Krankenbett an seinen Patienten wahrgenommen, welche Schlüsse er aus den wahrgenommenen Zeichen gezogen, wie er seine Diagnose formuliert und begründet und wie er die Therapie durchgeführt hat. Hierbei ist es nötig, die Krankengeschichten formal und inhaltlich zu interpretieren, das heißt, sie in ihre Teile zu zerlegen, Beobachtungen und Schlußfolgerungen zu trennen und sowohl die Beobachtungen als auch die Schlußfolgerungen aus der Pathologie, die van Swieten gelehrt und benutzt hat, zu erklären. Die Krankengeschichtsschreibung zerfällt in zwei Gruppen: a) die Epidemienbeschreibungen, die in Form und Inhalt von dem Vorbild der hippokratischen Epidemienbücher und der Epidemiologie Sydenhams bestimmt sind, und b) in die Krankengeschichten im engeren Sinne, die formal die Methodologie und inhaltlich die Pathologie der Boerhaave-Schule widerspiegeln. Für die gesamte Krankengeschichtsschreibung gilt, daß die Zeichenerhebung am Patienten rein qualitativ geschah, also sich im Grunde von der Zeichenerhebung der Hippokratiker der griechischen Klassik nicht unterschied. Die uns vorliegenden Texte sind samt und
") PROBST (1971). 5) GERARD VAN SWIETEN: Constitutiones epidemicae et morbi potissimum Lugduni-Batavorum observati, hg. von M. STOLL. Editio novissima, Genf 1783. 6 ) DERS. : Commentaria in H. Boerhaavii aphorismos de cognoscendis et curandis morbis, 5 Tie., Leyden 1742 — 1772. Deutsch: Erläuterungen der Boerhaavischen Lehrsätze von Erkenntniß und Heilung der Krankheiten, 10 Bde., Wien, Frankfurt, Leipzig 1755-1775.
Gerard van Swieten als Arzt und Forscher
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sonders in Leiden entstanden; aus van Swietens Wiener Zeit liegen uns derzeit keine entsprechenden Quellen vor. a) Die Epidemienbeschreibungen In der Nachfolge des „englischen Hippokrates", Thomas Sydenham, beobachtete van Swieten die epidemisch auftretenden Krankheiten, zeichnete die allgemein verbreiteten und hervorstechenden Symptome auf, vernachlässigte individuelle Erscheinungen, beobachtete die Witterung und suchte hieraus die Ätiologie zu erkennen, die ihm den Weg zur Therapie weisen sollte. Im Jahre 1727 beobachtete er in Leiden eine herbstliche Fieberepidemie, an der er auch selbst erkrankte und über die er folgende Aufzeichnungen machte 7): (Witterung und pathognomonische Zeichen:) „Im späten August und beginnenden September traten nach einer Zeit starker Hitze anomale Fieber auf, die fast kontinuierlich, teils remittierend und kaum intermittierend waren. Die Hitze war bei vielen (Patienten) nicht groß, desgleichen bestanden auch nicht viele Anzeichen für ein Fieber, wie ich an mir selbst bemerkt habe. Es bestand eine heftige Enge um das Herz, wie wenn man von einer Kelter zusammengepreßt würde. Bei vielen bestand Durst, Brechreiz, Erbrechen, zuweilen Durchfall, gänzliche Appetitlosigkeit, bei einigen starker Kopfschmerz, der bei mir, als ich krank war, nicht auftrat. Die Zunge war schmutzig, gelb oder weißlich. Das Fieber nahm am Anfang keinen bestimmten Typ an, doch lief es in eine Tertiana oder Quartana aus. (Ätiologische Diagnose:) Es schien nach der starken Hitze gleichsam ausgedörrte und verderbte Galle in den Hypochondrien zu haften; eine ähnliche Epidemie hatte nämlich in den Jahren 1718 und 1719 geherrscht. Diese schlechten Umstände nach solcher Hitze schienen die Ursache für den Krankheitsstoff zu sein. (Verifikation der Diagnose durch Sektionen:) Dies bestätigten auch die Sektionsergebnisse: es zeigte sich nämlich gewöhnlich eine Gallenblase, die von einer unglaublich großen Menge von Galle prall gefüllt war. (Indikation und Therapie:) Hieraus vor allem schien die Heilanzeige geboten, jenen verderbten galligen Saft durch Erbrechen oder Abführen auszutreiben, nachdem zuerst ein Aderlaß durchgeführt wurde, soweit Zeichen für Plethora oder Entzündung sichtbar waren. — Da Brechreiz und Erbrechen von selbst auftraten, schien ein Brechmittel das bequemste Mittel zu sein. Ich gab meistens Ipecacuana-Infus ad dr. 1 in Wein; das nahm ich auch selbst ein und trank darauf Honigwein. Den stärkeren und weniger beweglichen Patienten gab ich ein Brechmittel aus Antimon und bei einigen mußte dieses Brechmittel wiederholt verabreicht werden, da sich der ganze gallige KrankheitsstofF nicht auf ein Mal austreiben ließ. . . . (Weiterer Verlauf der Epidemie, neue diagnostische und indikatorische Schlüsse:) Später lehrten die Zeichen, daß sich auch im Darm eine ähnliche Materie abgesetzt hatte. Sie wurde durch Abführen mit Rhabarber ausgetrieben. Die Zeichen waren leichte Enge, Kollern usw. — Bei denjenigen, bei denen die faulige und verdünnte
7
6'
) Ders.: Const. epid. S. lf. In Klammern: Zusätze des Verfassers; desgl. in den folgenden Krankengeschichten.
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Galle ins Blut aufgenommen worden war, entbrannten langdauernde und hartnäckige Fieber mit starkem Kopfschmerz. — (Ergebnisse der Behandlung:) Diese Heilmethode habe ich bei der Krankheit versucht, und es sind nur wenige gestorben. Im Gegenteil, von der großen Zahl derjenigen, die ich behandelt habe, waren es kaum einer oder zwei und dies waren Greise, bei denen ich nach der Entleerung die Kräfte nicht mehr stärken konnte. Bei vielen schien jedoch danach die Gesichtsfarbe gelblich verändert und die Augen gelblich gefärbt, so auch bei mir. Deshalb habe ich täglich Rhabarber in kleiner Dosis (ad gr. 10) genommen, um nicht zu stark abzuführen." Van Swieten diagnostizierte diese Epidemie als ein durch Überschuß der heißen und trockenen Galle hervorgerufenes Fieber. Dieses Fieber galt als anomal, da es nicht in die Jahreszeit, den Herbst, paßte und da es sich keiner der hippokratischen Fiebertypen zuordnen ließ. Als die Ursache für die Vermehrung der Galle nahm van Swieten die spätsommerliche Hitze an. Zur Bekräftigung der Diagnose diente eine ähnliche Epidemie, die einige Jahre vorher aufgetreten war. Aus den Erscheinungen im Magen-Darm-Trakt schloß der Arzt, daß sich der Krankheitsstoff im Bauch angesammelt hatte, wobei Appetitlosigkeit, Brechreiz und Erbrechen am Anfang auf eine Ansammlung der Galle im Oberbauch, dagegen die im späteren Verlauf auftretenden Unterbauchsymptome auf eine Versetzung in den Darmbereich schließen ließen. Diese Diagnose wurde durch Sektionsbefunde, die wohl nicht nur aus der eigenen Praxis, sondern auch aus den Praxen der Kollegen stammten, bestätigt: man fand prall gefüllte Gallenblasen, also vermehrt Galle im Oberbauch. Dieses Verfahren der empirischen Verifikation entsprach dem erfahrungswissenschaftlichen Ansatz der Iatromechaniker. Die Heilanzeige verlangte in traditionell hippokratischer Weise das Abführen der materia peccans. In ebenfalls echt hippokratischer Manier, das heißt, nach dem Grundsatz medicus minister naturae, wollte van Swieten die Natur in ihrem spontanen Heilungsbemühen unterstützen: er gab, da spontan Brechreiz auftrat, anfangs Brechmittel, um die Galle aus dem Oberbauch auszuführen; später, als Kollern im Unterbauch einsetzte, führte er nach dem gleichen Grundsatz durch den Darm nach unten ab. Komplikationen," die sich später zeigten, nämlich langdauernde Fieber mit Kopfschmerz, erklärte er, wieder mehr iatromechanisch, aus dem Übertritt der Galle in den Blutkreislauf. Hierfür mag für ihn auch die gelbliche Verfärbung des Gesichtes und der Augen gesprochen haben. Die Erfolge der Behandlung, die allgemein das humoralpathologische Ziel verfolgte, den Körper vom Krankheitsstoff zu reinigen und die dabei auf individuelle Besonderheiten Rücksicht nahm, zeitigte, wie van Swieten feststellen zu können glaubte, gute Erfolge und verifizierte damit noch einmal die Diagnose. Diese Epidemienbeschreibung ist klar und aus sich selbst verständlich. Zur Methode der Diagnose und der Indikation sei noch einmal festgehalten, daß der Arzt nicht aus der individuellen Analyse des Einzelfalles, sondern im Sinne Sydenhams aus der vergleichenden Beobachtung möglichst vieler epidemischer Fälle sowie der meteorologischen Fakten die Ätiologie und die Therapie der überindividuellen species morbi bzw. des genius epidemicus zu bestimmen suchte. Im Falle dieser
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Epidemie war das Handeln van Swietens am Krankenbett in erster Linie von den Prinzipien der Hippokratiker und Sydenhams, in zweiter Linie von der Iatromechanik bestimmt; die Humoralpathologie, deren Spuren hier deutlich hervortreten, war mutatis mutandis Bestandteil dieser beiden Lehrsysteme. b) Die Krankengeschichten Ganz anders war es bei den chronischen Leiden und bei Einzelfällen akuter Krankheiten. Hier war eine individuelle Analyse im Sinne der Iatromechanik geboten. Die folgende Krankengeschichte berichtet von einem Fall, den van Swieten über eine längere Zeit beobachtet und behandelt hat. Hier hat er die individuelle Pathogenese und Indikation sorgfältig ergründet. Die Krankengeschichte stammt ebenfalls aus dem Jahre 1727 und schildert den Verlauf einer Schwindsucht 8 ): (Anamnese und Befund:) „Ein Mann von 25 Jahren, der eine flache, zusammengedrängte Brust, einen langen Hals und rötliche Wangen hatte und im ganzen Körperbau zart war, dessen Vater, Mutter und Bruder an der Schwindsucht zugrundegegangen waren, litt an trockenem Husten. Es fanden sich bei ihm anhaltende Engbrüstigkeit, rötlicher Harn und leichtes Schwitzen. Es war keine Hämoptoe vorausgegangen, auch fanden sich keine Zeichen einer bestehenden inneren Eiterung. (Pathogenese:) Vielmehr schien das ganze Übel seinen Ursprung von den sehr zarten Lungen und . . . von einer erhöhten Reizbarkeit der Lungennerven zu nehmen, so daß die Lungen nicht fähig waren, die aufgenommenen Stoffe zu verarbeiten und ihre notwendigen Funktionen zum Besten des ganzen Körpers auszuüben. (Indikation und Therapie:) Da diese schwache Lunge, wenn sie durch steten Husten erschüttert wurde, zu reißen drohte, gebot die Heilanzeige vor allem, diesen Husten zu stillen, was mit stark erweichenden Dekokten und, wenn der Husten zu stark wurde, mit Opiaten und Magsamensaft geschah. Zur Stärkung der Lungen nahm der Patient Pillen aus Gummi, Mastix, Sarcocolla, Weihrauch, Myrrhe und Süßholzsaft fast ständig ein und trank dazu stark erweichende Dekokte. Dazu wurde ihm eine stark erweichende Diät vorgeschrieben, während wir zur gleichen Zeit versuchten, die Lungen und den ganzen Körper durch Reiten zu stärken. (Weiterer Verlauf:) Der Patient, dem Gemütserregungen höchst schädlich waren, wurde von seinen Verwandten, mit denen er zusammenzuleben gezwungen war, häufig zu Zornesausbrüchen gereizt. Er wurde, obwohl alle jene (Heilmaßnahmen) durchgeführt wurden, von einem schleichenden Fieber verzehrt. Der Auswurf begann wirklich eitrig heraufzukommen, bis Aphthen die Tragödie beendeten, nachdem der geschwächte Körper durch hinzukommende Nachtschweiße ausgezehrt worden war. (Neue Erfahrung aus diesem Fall:) Hieraus scheint man sicher schließen zu können, daß hier der Eiter ohne bemerkenswert fortgeschrittene Entzündung entstanden ist und daß eine echte eitrige Schwindsucht ohne Hämoptoe entstehen kann."
«) Ebd. S. 5 f.
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Auch diese Krankheitsbeschreibung ist deutlich gegliedert und läßt den Weg des Erkennens am Krankenbett sichtbar werden. Das chronische Schwindsuchtleiden hat van Swieten hier aus dem schwächlichen Körperbau, der einschlägigen Familienanamnese sowie den Zeichen des Hustens, der Engbrüstigkeit, dem leichten Schwitzen und dem leicht entzündlich veränderten Harn diagnostiziert. Dies war zweifellos eine empirische Diagnose, der eine iatromechanisch, oder genauer solidarpathologisch erklärende Pathogenese unterlegt wurde: Krankheitsdisposition war die Schwäche der Lungen und der Lungennerven, die ihrerseits aus der allgemeinen Körperdisposition erschlossen wurde, Pathokinese war die Überbeanspruchung der Lungen, die zur Dekompensation führte. Aus dieser Pathogenese ergaben sich folgende Indikationen: 1. Die indicatio praeservatoria zielte auf die Entfernung der schädlichen Ursachen, hier des Hustens und der Aufregung. Hieran wird die mechanische Vorstellung besonders deutlich: der Arzt nahm an, daß die Fäserchen beim Husten durch den erhöhten Luftdruck und bei der Aufregung durch den vermehrten Blutumlauf, also den erhöhten inneren Druck reißen würden. 2. Die indicatio curatoria verordnete erweichende und stärkende Arzneimittel zum Neuaufbau stärkerer Gewebsfasern — die hier verordneten Mittel sind im wesentlichen leimige Substanzen, von denen man sich eine Festigung der Fasern versprach. 3. Die indicatio Vitalis, die die Lebensweise regeln sollte, verlangte erweichende Speisendiät und stärkende Übungen — nach solidarpathologischer und damit auch iatromechanischer Ansicht stärkte eine leichte, regelmäßige Bewegung die Fäserchen, das sind die feinsten Baubestandteile des Körpers; Reiten war hier das Mittel der Wahl. — Die indicatio mitificans brauchte hier nicht gestellt zu werden, da es sich um einen chronisch verlaufenden Fall ohne akuten Notstand handelte »). Van Swieten hat den Patienten über längere Zeit behandelt und festgestellt, daß die Behandlungsanweisungen nicht eingehalten wurden. Die ständige Zerstörung des Lungengewebes in seinen feinsten Strukturelementen führte nach seiner Diagnose zu einer Eiterung, die im Verein mit einem Fieber den Körper auszehrte. Insgesamt handelte es sich bei dieser Analyse eines Krankheitsfalles durch van Swieten um ein rein qualitatives, dabei aber stark individualisierendes Schlußverfahren: die individuellen Bedingungen und Erscheinungen wurden einzeln betrachtet und mit Hilfe der iatromechanischen Pathologie erklärt. — Der Fall bereicherte zudem den Arzt um eine bestimmte Erfahrung, die er wissenschaftlich analysierte und verwertete. Ganz andere Anforderungen als dieser langsam verlaufende Fall stellte im gleichen Jahre ein akut-dramatisches Krankheitsgeschehen, zu dem van Swieten geholt wurde und in dem er einen „entzündlichen Darmverschluß" (ileus inflammatorius) diagnostiziert hat 1 0 ): „1727, 20. Juli. Ich wurde zu einem armen Manne von 40 Jahren gerufen, dem es an allem Nötigen fehlte. Er war um ein Uhr nachts aufgewacht und hatte ») Zu den vier Indikationen bei BOERHAAVE siehe PROBST (1968).
IO) VAN SWIETEN, Const. epid. S. 13.
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heftigsten Schmerz im Bauch gespürt. Seine Nachbarn hatten ihm Pulver von Pomeranzenrinde in warmem Wein gegeben, worauf der Schmerz eher stärker als geringer geworden war. Ich fand, nachdem ich um zwei Uhr nachmittags gerufen worden war, ein starkes akutes Fieber; der Bauch war gebläht und geschwollen, schmerzte beim Abtasten, die Zunge war trocken, der Urin gelblich; der Patient hatte keinen Stuhlgang. Ich ließ ihm ein Pfund Blut abziehen, ein Klystir von Leinöl, Fenchelwasser und Steinsalz machen, gab ihm eine große Menge warmer, mit Hafer gekochter Molke zu trinken und ließ ihm Umschläge mit warmem Wasser auf den Bauch geben. Er entleerte das Klystir nicht, erbrach dafür eine gelbe stinkende Masse. Das abgezogene Blut hatte viel Serum, war aber nicht entzündlich verbacken. All diese Maßnahmen führten zu keiner Erleichterung. Ich gab milden Magsamensaft mit Salpeter und versuchte, auf dem Bauch Schröpfköpfe ohne Hautritzung anzusetzen, jedoch vergeblich. Der Bauch war (jetzt) weniger geschwollen und schmerzhaft. — 21. Juli: Morgens fand ich einen weichen Puls, der Schmerz war derselbe, die Atmung gehemmt. Ich wagte nicht, zur Ader zu schlagen, weil der weiche Puls mir anzuzeigen schien, daß fast das ganze Blut sich in den Baucheingeweiden angeschoppt hatte. Ich verordnete zwei Drachmen Salpeter mit Hafer und Buttermilch gekocht zum Trinken und erweichende Umschläge auf den Bauch zu legen. — Am Abend fand ich die Extremitäten kalt, die Atmung hochgradig gehemmt, das Schmerzgefühl war weg. Ich sagte den baldigen Tod voraus, welcher in der zweiten Abendstunde eintrat, nachdem der Patient nach oben und unten eine große Menge bräunlicher, fauliger und, wie es schien, gangränöser Massen entleert hatte." Der gedrängte Ablauf dieses Krankheitsfalles in der Armenpraxis van Swietens, zu dem der Arzt im anhaltenden akuten Notstand gerufen wurde, läßt die Gliederung und auch die diagnostischen und indikatorischen Überlegungen, die am Krankenbett anzustellen waren, zurücktreten. Ganz auf dem Boden der Iatromechanik diagnostizierte van Swieten hier aus dem akuten Fieber und den heftigen Bauchschmerzen eine Entzündung im Bauch, die wohl durch die Schwellung zu einem Darmverschluß geführt hatte, wie die Stuhlverhaltung anzeigte, insgesamt also einen „entzündlichen Darm Verschluß". Die Indikation war demzufolge eine antiphlogistische mit großem Aderlaß und Klystir, wobei das Klystir wohl auch den Zweck hatte, den Darmverschluß zu lösen. Die Schröpfköpfe sollten ebenfalls antiphlogistisch wirken. Sie sollten zusammen mit dem Aderlaß die Massen des entzündlich veränderten Blutes, in dem man einen besonderen Entzündungsstoff vermutete, aus dem Bereich der Entzündung, also hier aus der Bauchhöhle, abziehen. Der EntzündungsstofF selbst schien sich in dem vermehrten Serumanteil des geronnenen Aderlaßblutes zu zeigen. Der später beobachtete weiche Puls bestätigte die Diagnose einer Entzündung im Körperinneren, denn er ließ darauf schließen, daß eine entzündliche Anschoppung das Blut aus der Peripherie ins Körperinnere abzog. Die fauligen und gangränösen Massen, die kurz vor dem Tode durch Erbrechen und Stuhlgang zu Tage gefördert worden waren, zeigten dem Diagnosten, daß die akute Entzündung im Bauche rasch in eine faulige und gangränöse übergegangen war, der der Patient dann erlag. Insgesamt dürfte in diesem Fall dem Arzte von Anfang an bewußt gewesen
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sein, daß ein tödlicher Ausgang zu erwarten war. Doch verzichtete er auf Polypragmasie und wandte gezielt starke, ursächlich wirkende — hier entzündungshemmende — Heilmittel an. 2. Der ärztliche Forscher Die soeben vorgestellte Krankengeschichtsschreibung ist nicht nur Zeugnis über die Tätigkeit van Swietens in der ärztlichen Praxis, sondern auch für seine ärztliche Forschung — ja, der Zweck ihrer Anfertigung war eigentlich die Forschung, das methodische Gewinnen und Aufzeichnen ärztlicher Erfahrung. Von 1727 bis 1744 hat van Swieten in Leiden diese Aufzeichnungen angefertigt, um der Aufforderung Sydenhams und Boerhaaves an alle Ärzte, empirische Forschung zu treiben, zu folgen. a) Forschung zur Epidemiologie11) Es war van Swieten klar, daß es Sydenham nicht gelungen war, die Richtigkeit der Hypothese von der meteorologischen Ätiologie der Volkskrankheiten und vom regelmäßig wiederkehrenden Ablauf derselben an Hand einer empirischen Korrelation zu beweisen. So hat er diesen Versuch noch einmal aufgenommen und in Leiden in den genannten Jahren täglich die Witterung notiert, dreimal täglich Luftdruck, Lufttemperatur, Richtung und Stärke der Winde und die Niederschlagsmengen gemessen. Parallel dazu hat er die Arten der Krankheiten, die Anzahl der Erkrankungs- und der Todesfälle aufgezeichnet, und er hat versucht, Korrelationen nachzuweisen. In diesen epidemiologischen Aufzeichnungen (Constitutiones epidemicae) finden wir für jeden Tag die Angabe der Witterungslage, wie z. B. „die Luft trübe, schwer mit lauer Wärme" oder „Winde mit großer Kälte, nachts Regen" oder „heiter, aber kälterer Nordwind". Die meteorologischen Meßwerte fehlen in dem von Stoll herausgegebenen Text. Für die einzelnen Monate zusammengefaßt folgt der Bericht über die Volkskrankheiten, zum Teil mit, zum Teil ohne Zahlenangaben. Bei diesen Aufzeichnungen handelt es sich in der Mehrzahl nicht um so anschauliche Epidemienbeschreibungen, wie wir sie vorhin gehört haben, sondern um numerisch verwertbares Material über „Konstitutionen" und „Epidemien", aus dem man, wenn man es chronologisch zur Deckung brachte, Korrelationen abzulesen hoffte, die auf ursächliche Zusammenhänge schließen ließen. Außerdem zeichnete van Swieten die Therapie und deren Ergebnisse auf. Nach der Sydenhamschen Forschungsmethode mußte ja die „spezifische Therapie" für jede „species morbi" rein empirisch ermittelt werden. Diese Aufzeichnungen und die damit angestellten Untersuchungen haben van Swieten ebensowenig zu dem angestrebten Ziel geführt, wie weiland Sydenham. Die vermuteten Korrelationen haben sich nicht nachweisen und damit auch die Hypothese von der meteorologischen Ätiologie der Volkskrankheiten nicht verifizieren lassen. Van Swieten hat diesen Schluß mit aller Folgerichtigkeit gezogen,
N
) VAN SWIETEN, Commentario
§ 1408. -
PROBST (1971).
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und er hat es aufgegeben, auf diesem Gebiete und mit dieser Methode weiter zu forschen. Er hat dieses Ergebnis in den Commentaria zu Boerhaaves Aphorismen besprochen und zwischen den Zeilen erklärt, daß man auf diesem Wege die Ursachen der epidemischen Krankheiten wohl nicht auffinden werde. Auf diese Weise ist von van Swieten die Hypothese Sydenhams zur Ätiologie der Epidemien durch empirische Untersuchungen, die nach der von Sydenham angegebenen Methode durchgeführt worden waren, widerlegt worden, jedoch hat van Swieten dieses Ergebnis aus Pietät gegenüber dem „englischen Hippokrates" nicht in aller Schärfe ausgesprochen, und er hat damit dazu beigetragen, daß diese Untersuchungen trotz der mehrfach erwiesenen Ergebnislosigkeit später wieder aufgenommen worden sind — besonders in Wien, wo man sie bis weit ins 19. Jahrhundert hinein fortsetzte. b) Sonstige klinische Forschung 12 ) Van Swieten war in seiner Forschung zur Epidemiologie ganz der Methode Sydenhams gefolgt; bei der Aufzeichnung und Auswertung der Krankengeschichten folgte er im wesentlichen Boerhaavei3). Die in den Constitutiones epidemicae enthaltenen Krankengeschichten folgen im wesentlichen dem Boerhaaveschen Schema. Es handelt sich bei diesen Aufzeichnungen sowohl um alltägliche Krankheiten, wie Peripneumonia, Pleuritis oder Febris acuta, continua, Haemorrhagia soluta, als auch um seltenere, wie Oculus elephantinus, Ileus inflammatorius oder Fistula lacrimalis. Völlig neuartige, die noch nicht beschrieben waren, scheinen nicht darunter zu sein, so daß die Sammlung mehr zur Bereicherung der persönlichen Erfahrung gedient haben mag und nicht für die Veröffentlichung verwandt wurde, zumal auch die Sektionen, die zur kunstgerechten Erklärung der Fälle notwendig waren, fehlen. Später ist aus ihr ein Teil der Fälle in die Kommentare zu Boerhaaves Aphorismen eingegangen; sie dienten als empirisches Belegmaterial für den Text. Es ist oben angezeigt worden, daß diese Fälle unter Zugrundelegen des iatromechanischen Modells erklärt wurden. Die neuen Erfahrungen dienten demnach dem empirischen Ausbau und der weiteren empirischen Untermauerung des iatromechanischen Konzeptes, das in sich feststand und keine grundsätzliche Erweiterung oder Veränderung verlangte, ja duldete. Über diese Forschung am Krankenbett hat sich van Swieten auch grundsätzliche Gedanken gemacht: Der Ursprung und der Fortschritt der Heilkunde komme, os betonte er 1759 in einer akademischen Festrede, aus der Beobachtung der Krankheiten in ihrem Verlauf. Die Ursachen und Wirkungen in ihrem wunderbaren Zusammenhang könne man jedoch nur mit Hilfe der Leichensektion aufdecken 14 ). In Leiden, wo er die oben behandelten Krankengeschichten niedergeschrieben hat, ist es ihm nicht möglich gewesen, in ausreichender Weise zu sezieren, worüber er im Jahre 1741 beredt Klage geführt hat. Durch die Sektion verstorbener Patienten
12) PROBST (1971). » ) V g l . PROBST (1968).
N) GERARD VAN SWIETEN: Oratio de medicina simplici vera, habita V. Apr. 1759. Wien 1779.
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würden nicht nur viele Behandlungsfehler der Ärzte aufgedeckt werden, sondern vor allem viele noch unbekannte Ursachen der Krankheiten entdeckt werden. Den Sektionsbefund wollte van Swieten jedoch nur als Endprodukt des Krankheitsprozesses gelten lassen. Bei der Auswertung des Befundes sollte der dynamische Charakter der Krankheit berücksichtigt werden, so wie ihn die iatromechanische Pathologie lehrte. Der sezierende Arzt müsse sich stets dessen bewußt bleiben, daß dieser Befund Wirkungen, nicht Ursachen der Krankheit zeige. So sei der Schluß, der Eiter, den man bei einer Rippenfellentzündung finde, wäre die Ursache dieser Krankheit, wie manche Ärzte glaubten, grundfalsch 15 ). Die pathologische Sektion, die ihm, solange er selbst in Leiden aktiv am Krankenbett forschte, meist nicht erlaubt war, hat van Swieten später in Wien großzügig gefördert. Van Swieten hat auch therapeutische Untersuchungen angestellt. Schon in Leiden begann er ein Sublimat-Präparat an Patienten zu erproben, mittels dessen sich die Dosierung des Quecksilbers leichter kontrollieren ließ und durch die sich toxische Nebenwirkungen leichter vermeiden ließen. Diese Versuche setzte er in Wien fort und er ließ auch andere Ärzte diese Versuche an Patienten vornehmen. Bis 1762 besaß er 4880 kontrollierte Fälle. Das Präparat ging unter dem Namen Liquor Swietenii in die Pharmakopoen ein — nicht ganz zu Recht, denn das Rezept stammte eigentlich von Ribeiro Sanchez 16 ). c) Organisation der ärztlichen Forschung In Wien ist van Swieten als Protomedicus weniger mit eigener klinischer Forschung denn als Förderer und Organisator der Forschung zur praktischen Heilkunde ans Licht getreten. Unter seiner Oberaufsicht ist in Wien klinische im Verein mit pathologisch-anatomischer Forschung auf breiter Ebene betrieben worden — so, wie es in Boerhaaves Absicht gelegen hatte. Anton de Haen hat die Universitätsklinik im Bürgerspital zu einer Pflegestätte der Krankengeschichtsschreibung in enger Verbindung mit der Anatomia practica, wie die pathologische Anatomie damals hieß, gemacht, und er hat die Ergebnisse seiner Forschung in der Ratio medendi, den fortlaufend erscheinenden Forschungsberichten aus der Klinik, der ärztlichen Öffentlichkeit mitgeteilt. In gleicher Weise verfuhren die Primarärzte mehrerer anderer Krankenhäuser. An Hand seiner Untersuchungen gab Leopold Auenbrugger das Inventum novum, in dem er die Thoraxperkussion, und das Experimentum nascens, in dem er die Kampferbehandlung von Maniekranken empirisch begründete, heraus. Johann Georg Hasenöhrl veröffentlichte eine Arbeit über das Fleckfieber mit Obduktionsberichten und eine weitere über drei Krankheiten, die 1760 in seinem Krankenhaus am häufigsten gewesen waren, ebenfalls mit Obduktionsberichten. Beide Ärzte waren Primarii am spanischen Spital. Anton Störck, Primararzt am Bäckenhäusel, ließ zwei Jahr-
!5) DERS., Commentaria § 11 Nr. 3. • 6 ) FRANK T. BRECHKA: Gerard van Swieten and his World. 1700—1772. Archives internationales d'histoire des idées 36. Den Haag 1970, S. 139f.
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gänge der Krankengeschichten seines Hauses nebst Sektionsberichten drucken, und im Großarmenhaus führte Johann Melchior Störck emsig Krankenbeobachtungen und Sektionen durch; das gleiche tat im Spital der Barmherzigen Brüder Joseph Quarin 17 ). Die Forschung am Krankenbett und am Sektionstisch wurde in Wien zu jener Zeit von den Klinikern in einer Person durchgeführt; es gab keine Prosektoren. Auch hier muß wieder betont werden, daß es dieser Forschung nicht darum ging, neue Theorien zu entwickeln, sondern darum, Erfahrungsmaterial bereitzustellen, um unter der Anleitung der vorhandenen und als richtig anerkannten Theorie am Krankenbett sicherer handeln zu können. Neben der klinisch-pathologischen Forschung wurde eine umfangreiche Arzneimittelforschung durchgeführt. Hier ist vor allem Anton Störck zu nennen, der in umfangreichen Forschungsreihen Arzneipflanzen auf ihre Wirksamkeit überprüfte. Es war das Ziel dieser Untersuchungen, bessere und wohlfeilere Arzneimittel zu finden, vor allem auch solche, die innerhalb der Landesgrenzen wuchsen, damit man im Sinne merkantilistischer Wirtschaftspolitik die Einfuhr sparen konnte. Auf die Arzneimittelforschung Auenbruggers wurde oben schon hingewiesen.
ZUSAMMENFASSUNG
„Die Anfangsgründe der Arzneykunst zu erklären, überlasse ich erhabneren Seelen und beschäftige mich nur mit der Erläuterung der Lehrsäze von Erkenntniß und Heilung der Krankheiten." So sagt van Swieten in der Vorrede seines Kommentars zu Boerhaaves Aphorismen zugleich bescheiden und selbstbewußt. Und weiter unten fährt er fort: „Überdieses habe ich noch alles, was ich aus den besten Schriftstellern, vornehmlich aber aus den Schriften der alten Arzneygelehrten zu meinem eigenen Gebrauche gesammlet hatte, hiermit beygefüget; und hieraus wird man, wie ich glaube, leicht abnehmen können, wie schön Boerhaavens Lehrsäze mit Hippocrates und Galenus Meynungen . . . übereinstimmen. Zugleich habe ich noch dasjenige hinzugethan, was ich sowol durch fleißiges Nachsinnen herausgebracht, als auch was mich schon meine eigene Erfahrung in der Arzneykunst gelehret hat." Boerhaave war zum medizinischen Lehrmeister ganz Europas geworden, van Swieten wurde zum wohl bedeutendsten Vertreter dieser Medizin. Als Begründer der älteren Wiener medizinischen Schule, die durch und durch von Boerhaaves Geist geprägt war, ist van Swieten neben Albrecht von Haller als der wichtigste Sproß der Boerhaave-Schule anzusehen. Pragmatisch und utilitaristisch benützte van Swieten die Erkenntnisse jener Schule als handelnder Arzt am Krankenbett. Ablehnend gegen Theorien und Spekulationen, die von außen kamen, suchte er in seiner klinischen Forschung die vor17
) ERNA LESKY: Leopold Auenbrugger — Schüler van Swietens. Dtsch. med. Wschr. 84 (1959) S. 1017-1022.
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handene und als brauchbar erkannte Theorie der Iatromechanik durch neue empirische Einsichten zu festigen und für die Praxis zu erweitern. — Anders in der Epidemiologie: hier hat van Swieten die Hypothesen Sydenhams im Grunde falsifiziert. Sowohl als Praktiker als auch als Forscher war van Swieten kein kühner Neuerer oder Erfinder. Er hat sich vielmehr auf den Boden der bewährten Überlieferung gestellt. Er war als praktizierender und als forschender Arzt ein Mann, der den soliden Durchschnitt seines Standes repräsentierte. Er bewegte sich auf den erprobten und bewährten Wegen der Heilkunst. Sein oberstes Ziel war es, 1. dem kranken Menschen zu helfen und 2. dem Staat die Gesundheit seiner Untertanen zu sichern. Um dies zu erreichen und um seine großen medizinal- und hochschulpolitischen Reformen durchführen zu können, mußte er sich auf die medizinisch-wissenschaftliche Grundlage fest verlassen und durfte sie nicht in Zweifel ziehen.
VAN SWIETEN U N D DIE ZENSUR V o n GRETE KLINGENSTEIN
In unseren Tagen ruft das Wort Zensur eine tiefe Abneigung hervor, die ein Erbstück aus den großen Zeiten des europäischen Liberalismus im 19. Jahrhundert ist1). Im Glauben an den unendlichen Fortschritt der Menschheit zu immer größerer Freiheit verabscheute das liberale Bürgertum diese Institution. Denn sie verletzte, was als heilige Rechte des einzelnen und des ganzen Volkes galten, nämlich die Preßfreiheit, die freie Meinungsäußerung, den unbehinderten Austausch von Ideen. Die Zensur erschien als etwas Böses, weil sie die Spielregeln der bürgerlichen Gesellschaft mißachtete. Sie zerstörte auch das Selbstbewußtsein, den Bildungs- und Wissensstolz, erschütterte die Hoffnungen, die auf dem materiellen und geistigen Fortschritt als einem Endprodukt des freien, ungestörten Spiels der Meinungen und der Ideen aufbauten. Zwar ist der Fortschrittsglaube, der einst die liberale Gesellschaft beseelte, in den Erfahrungen der Kriege und der totalitären Staaten und angesichts des Mißbrauchs wissenschaftlicher Erkenntnisse im Laufe unseres Jahrhunderts scheinbar endgültig zerbrochen oder hat sich zumindest als höchst fragwürdig erwiesen. Die Abscheu jedoch gegen die Zensur ist geblieben als Traditionsgut liberaler Geisteshaltung. Wie aber haben sich ihre Anwendungsgebiete und Mittel in der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts verändert! Die breite Öffentlichkeit in den parlamentarischen Demokratien scheint an die Existenz der Zensur nicht mehr zu glauben, und dort, wo sie Zensur und Zensoren vermutet, erscheinen sie ihr in höchstem Maße verwerflich. Von Zensur im althergebrachten Sinn ist heute nicht mehr die Rede. Hingegen hört man neuerdings viel von „Meinungsmanipulation" und „Informationsmonopol". Diese offenbar neuartigen Erscheinungen treten in den durch Bild und Ton erweiterten Kraftfeldern der Massenmedien auf, in jenen technischen und ökonomischen Riesenkomplexen, die ebenso durchdringend wie diffus wirken und den Mechanismus jeglicher Zensur verschleiern. Dagegen war die alte Zensur, von der !) Die folgenden Ausführungen beruhen auf meinen Forschungen zum Verhältnis von Staat und Kirche in der Mitte des 18. Jahrhunderts, das am Beispiel der Zensur untersucht worden ist. Die Ergebnisse sind niedergelegt in Staatsverwaltung und kirchliche Autorität. Das Problem der Zensur in der theresianischen Reform. Verlag für Geschichte und Politik. Wien 1970. Wie ich in der Einleitung zu diesem Buch ausgeführt habe, ist die Analyse der Kataloge der verbotenen Bücher und der in Kurzschrift erhaltenen Aufzeichnungen van Swietens (in der Nationalbibliothek Wien und laut freundlicher Mitteilung von Frau Professor Eva Baläsz, Budapest, auch im Staatsarchiv Budapest) ein dringliches Desiderat der Forschung.
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die Liberalen mit Verachtung sprachen, im bürokratischen Apparat der inneren Staatsverwaltung institutionell verankert. Sie war als öffentliche Behörde weithin erkennbar; sie überwachte die Vermittlung und Verbreitung von Ideen und Meinungen, die in Druck erschienen; sie schritt auf Grund ihr öffentlich-rechtlich zuerkannter Kompetenzen ein. Die alte Zensur war also spürbar und faßbar, weil sie als eine öffentliche Institution formal existierte. So wandelt sich die Zensur im Laufe der Zeiten. Wenn auch das Wort selbst obsolet geworden ist, so ist die Zensur in anderer Gestalt auch heute noch wie ehzudem ein Herrschaftsinstrument zur Bildung, Beeinflussung und Kontrolle kollektiver Geisteshaltungen. Sie wird nur je nach Zeiten, Machtverhältnissen und Bildungsstand von Bevölkerungen unterschiedlich gebraucht. Mit dieser Einsicht in die Geschichtlichkeit der Zensur lösen wir uns von jener liberalen Auffassung, die fortschrittsbezogen auf eine endgültige Austilgung der Zensur bezogen war. Will man nun die Zensur als ein historisches Phänomen erfassen und bewerten, so wird man die durch den Lauf der Zeit bedingte Wandelbarkeit von Funktion und Wertigkeit der Zensur anerkennen und jeweils gebührend berücksichtigen. In dieser Erkenntnis liegt die Möglichkeit, die Konfrontation mit der Zensur als eines auch hier und jetzt gegebenen Faktums zu bestehen. Damit eröffnen sich aber auch neue Perspektiven zu den historischen Themen „Aufklärung und Zensur" im allgemeinen und „Van Swieten und Zensur" im besonderen. D I E ZUSTÄNDE VON 1 7 4 5
Betrachten wir zuerst die Zensur, die van Swieten vorfand, als er 1745 nach Wien kam. Der Ruf, der den holländischen Arzt als Gelehrten umgab, trug ihm sogleich wie einst dem Italiener Garelli die Ernennung zum Präfekten der kaiserlichen Hofbibliothek ein. Beides waren Posten, die unmittelbar dem Hof unterstanden. Die Palatina im neuen prunkvollen Gebäude neben der Burg war schon unter der Ägide seines Vorgängers Garelli zu einem Hort der modernen historischen und philologischen Wissenschaften geworden. In seiner Eigenschaft als Präfekt dieser Bibliothek wurde nun van Swieten mit den damals herrschenden Zensurverhältnissen konfrontiert. Als kaiserlicher Leibarzt, der unabhängig von der Universität war und deshalb moderne medizinische Vorlesungen im Vorsaal der Bibliothek halten konnte, ergaben sich ihm weitere Einsichten in die Realitäten des wissenschaftlichen Betriebes an der Universität Wien und des gesamten Bildungswesens in der österreichischen Monarchie. Man wird daher die Zusammenhänge zwischen Zensur, Universität und Bildungswesen stärker beachten, als dies in den älteren Arbeiten über die Zensur der Fall war. Abgeschieden von der Hofbibliothek, ihr wenig freundlich gesinnt, verharrte die Universität in den alten starren Schemata der scholastischen Philosophie und Theologie und auch des römischen Rechts. Altertümlich wie Lehr- und Lernmethoden war auch die Struktur der Universität, die als privilegierte Standeskorporation noch mittelalterliches Gepräge und Gepränge trug. Darunter war auch das Recht der Zensur. Diese Einrichtung hatte im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit ihren Sinn und Zweck erfüllt, als das wissenschaftliche Schaffen im
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Lande an die Fakultäten gebunden war und diese ihrem ursprünglichen Wesen und Auftrag nach bestimmt waren, über den rechten Glauben und die rechte Lehre zu wachen. In Wien wie an den übrigen habsburgischen Universitäten waren die Philosophen und Theologen die eifrigsten Zensoren, Mitglieder des Jesuitenordens, denen diese beiden Fakultäten von den Kaisern der Gegenreformation anvertraut worden waren. Wenn auch Kaiser Ferdinand II. in der Pragmatischen Sanktion von 1623 den Schutz des bedrohten Glaubens an der Universität Wien den Jesuiten überlassen hatte, so hatte er sich seines im weltlichen Herrscheramt begründeten Rechtes und seiner Pflicht zur Zensur dennoch nicht auf ewige Zeiten begeben. Es wäre falsch zu meinen, wie dies immer wieder geschieht, daß die Universität unter der Herrschaft der Jesuiten überhaupt aufgehört habe, eine landesfürstlich-weltliche Anstalt zu sein. Gewiß war die Universität seit ihrer Gründung gleichzeitig auch eine geistliche Institution, und die Zensur der Jesuiten somit auch kirchliche Zensur. Der kirchliche Charakter der Universitätszensur war aber deswegen so stark ausgeprägt, weil die Bischöfe ihre Zensurpflicht nicht ausübten, wie es ihnen vom Konzil in Trient aufgetragen worden war. Denn sie hatten als Ordinarien innerhalb der Diözesen bis ins 18. Jahrhundert weder ein geschultes Personal noch den nötigen Überwachungsapparat zu ihrer Verfügung. Auch erschien dem Betrachter die Universitätszensur als kirchliche schlechthin, weil sich weder Juristen noch Mediziner, die weltlichen Fakultäten, daran beteiligten, obwohl es ihr urkundlich verbrieftes Recht gewesen wäre. Wenn eine Publikation auftauchte, die politisch und juridisch anfechtbar schien, so war als erstes die niederösterreichische Regierung oder die ihr übergeordnete österreichische Hofkanzlei zur Stelle und verbot das Pamphlet, die Zeitung, den Kalender oder das Buch. Zwar hatte in der Regierungszeit Karls VI. die niederösterreichische Regierung als zuständige Instanz schon öfters die Herren der juridischen Fakultät aufgefordert, Zensoren zu stellen. Denn in jenen Jahren tauchten politische und staatsrechtlichhistorische Publikationen häufiger auf, und die Lektüre und Beurteilung jener Traktate wurde immer schwieriger, weil die Argumentationen kompliziert waren und eingehende staats-, Völker- und erbrechtliche und auch historische Kenntnisse erforderten, über die die adeligen Regierungsräte nicht immer verfügten. Außerdem waren die Regierungsräte neben ihren anderen Obliegenheiten mit der Zensur überfordert und übten sie mehr schlecht als recht aus, so daß allerhöchsten Orts gelegentlich Unzufriedenheit herrschte. Die juridische Fakultät aber übte dennoch weiterhin Abstinenz von der Zensur, aus Bequemlichkeit und Unlust, sich an einem so wenig lukrativen Geschäft zu beteiligen. Außerdem stellte die Zensur an Professoren und Fakultätsmitglieder wissenschaftliche Anforderungen, denen nicht alle gewachsen waren. Es gab ja niemanden in der Fakultät, der über Staats-, Naturund Völkerrecht las und auch die Reichsgeschichte vortrug. Die Herren Mediziner wiederum hatten mit der Zensur ebenfalls nichts zu tun. Kamen überhaupt medizinische und naturwissenschaftliche Werke auf den Markt, so wurden sie ohnedies von den Jesuiten beurteilt. Diese fragten freilich nicht nach dem wissenschaftlichen Inhalt. Daß das Werk, insbesondere die darin enthaltenen Abbildungen, nicht die guten Sitten verderbe und den Glauben zerstöre, war das
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hauptsächliche Kriterium jesuitischer Zensur. Es nimmt da nicht wunder, daß van Swieten unter solchen Umständen in seinem eigenen Fache vieles vorfand, insbesondere an volkstümlichen Kalendern, das alten medizinischen Aberglauben enthielt und Fabeln und Wundergeschichten von Naturereignissen und Naturphänomenen. Dieses Gemisch von Kontrollaktionen geistlichen und weltlichen Charakters, das van Swieten 1745 vorfand, erfaßte die vom Ausland hereinkommenden Bücher und war somit Nachzensur. Die Jesuiten lasen die Bücher in ihren Studierstuben. Daneben gab es die Regierungsräte, die über die politischen und juridischen Traktate wachen sollten und ansonsten hauptsächlich in der Öffentlichkeit ihres Amtes walteten, wenn sie bei Marktzeiten die Bücherstände und Gewölbe der Buchhändler oder die Kraxen der Hausierer inspizierten. Und an den Grenzen und Mautstellen durchsuchten Zöllner die ankommenden Bücherfässer und -kisten. All diese Maßnahmen waren völlig unkoordiniert und wurden ausgeführt von verschiedenen Leuten, denen van Swieten ein vernünftiges und gerechtes Urteil über ein Buch kaum zutraute, am allerwenigsten den Zöllnern. In diesem unsystematischen System spiegeln sich die wenig entwickelten verwaltungstechnischen und verfassungsrechtlichen Zustände der österreichischen Monarchie wider. Es war gewiß weniger straff und rigoros, als es von liberalen Historikern im 19. Jahrhundert und auch heute noch gezeichnet wird. Diese verzettelten Zensurmaßnahmen waren nicht die Ursache für die Rückständigkeit im Bildungswesen und in den Wissenschaften in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, denn diese war zutiefst verwurzelt in einer früheren Epoche, als jene unkoordinierten Maßnahmen genügten, um in Verein mit anderen ähnlichen die katholische Konformität wieder herzustellen und zu bewahren. Während somit die Nachzensur ein gemischt weltlich-geistliches Gepräge trug, war die Vorzensur, die Überprüfung der Manuskripte vor dem Druck, gänzlich in den Händen der Jesuiten. Das war nicht zu verwundern in einem Land, in dem es „außer fünf oder sechs Geistlichen und etwa ein paar Weltlichen keine anderen Skribenten" gab, wie es 1751 in einer Stellungnahme der Wiener Buchdrucker und Buchhändler hieß. Was an der Artisten- und theologischen Fakultät publikationsreif war, ging durch die Hände der Jesuiten. Angehörige anderer Orden unterbreiteten ihre Manuskripte ihren eigenen Ordensoberen, und es war deswegen auch schon zu Auseinandersetzungen zwischen den Benediktinern und den das kirchliche Zensurmonopol beanspruchenden Jesuiten gekommen. An den beiden weltlichen Fakultäten, bei Juristen und Medizinern, erübrigte sich eine Vorzensur, gab es doch kaum ein publizierendes Fakultätsmitglied und sonst in diesen Wissenschaften keinen einzigen nennenswerten Autor. Solche Zustände an den Universitäten gab es weder im protestantischen Deutschland noch im Heimatland van Swietens. Buchdruck und Buchhandel waren unter diesen Umständen darniederliegende Gewerbe. Van Swieten fand nicht nur schlechten Druck und schlechtes Papier vor und Druckereien und Verlage in desolater Organisation, auch begegnete er einer ihm gänzlich fremden Einstellung zum Buch überhaupt. Buchdruck und Buchhandel waren zwar nicht zunftgebunden wie die anderen Gewerbe und Handwerke, standen aber seit alters her unter der Aufsicht und Jurisdiktion der Universität
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und wurden deshalb nicht als wirtschaftliche Unternehmen angesehen. Infolgedessen galt das Buch auch nicht als eine kommerzielle Ware, die, um Profit zu bringen, auch möglichst vielen Leuten zugänglich sein sollte. Dies war eine alte Einstellung, verwurzelt im mittelalterlichen Auftrag an Rektor und Konsistorium, den Preis der Lehrmittel und also der Bücher für die Studenten niedrig zu halten. Die niederösterreichische Regierung hatte bereits 1724 und 1736 unter dem Einfluß der Merkantilisten und mit einem neidischen Blick auf den im protestantischen Deutschland florierenden Buchhandel versucht, Buchdruck und Buchhandel auch hierzulande von der hemmenden Jurisdiktion der Universität zu befreien und sie somit zu bürgerlichen Gewerben zu erklären. Doch waren diese Versuche an den Protesten der privilegienbewußten Universität gescheitert. Van Swieten nun kam aus einem Lande, wo Buchdruck und Buchhandel wichtige Erwerbszweige darstellten und zum allgemeinen Wohlstand beitrugen. Bücher, und vor allem die Bibel in der Landessprache, waren selbst bei der bäuerlichen Bevölkerung Hollands vertraute Gegenstände des täglichen Lebens. Lesen und Schreiben waren dort weit verbreitet, und Bildung und Wissenschaft galten als Fundamente der wirtschaftlichen Prosperität und des größeren Glücks auf Erden. So groß waren die Bildungsunterschiede zwischen Holland und den kaiserlichen Landen, daß österreichische Kavaliere auf ihrer Bildungsreise von Amsterdam eigens ins Dorf Sardam fuhren, um den Bauern Peter Kalf wie eine Sehenswürdigkeit zu bestaunen, weil er nicht nur unermeßlich reich war, sondern wie ihresgleichen in mehreren Sprachen Konversation führen konnte und obendrein die Formen höflichen Umgangs vollkommen beherrschte2). So rückständig wie das rechtliche und institutionelle Gefüge war, innerhalb dessen van Swieten das gesamte Bücherwesen, Wissenschaft und Unterricht antraf, so niedrig war also der allgemeine Bildungsstand in den mitteleuropäischen Ländern des Hauses Österreich. Das hatte man hierzulande zwar längst erkannt. Wie bei der Zensur, so hatte die für Wien zuständige niederösterreichische Regierung auch im mittleren und höheren Studienwesen gelegentlich versucht, die ärgsten Mißstände abzustellen. Die Regierung war aber gescheitert an der altprivilegierten Position der Universität, deren Beharrungsvermögen gegen die landesfürstlichen Anweisungen noch durch den Jesuitenorden verstärkt wurde. Denn jede institutionelle Veränderung an der Universität, sei es in Zensur- oder Studienangelegenheiten, und jede Reform der Studiengänge und Lehrmethoden scheiterte letztlich an der Tatsache, daß der Jesuitenorden sich von den landesfürstlichen Anweisungen exempt erklärte. Wie in der inneren Verwaltung, im Finanz-, Militär- und Gesundheitswesen die zentralen staatlichen Behörden den einzelnen Untertan nicht direkt, sondern nur über die Vermittlung ständischer und grundherrschaftlicher Instanzen erreichen konnten, so in Studienangelegenheiten den einzelnen Studenten nur über den Weg der privilegierten Korporation und des Jesuitenordens3). 2) Nach einer Schilderung des Wenzel Anton von Kaunitz, der im Herbst 1732 Holland bereiste. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Nachlaß Arneth, Voyage de Hollande et d'une partie de l'Allemagne fait en 1732, fol. 246. 3) Vgl; meine Abhandlung Vorstufen der theresianischen Studienreformen in der Regierungszeit Karls VI. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 76 (1968) 327—377. 7
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Eines war somit 1745 klar und deutlich erkennbar: jegliche Reform im Bildungswesen bedurfte eines absoluten Alleinvertretungsanspruches des Staates gegenüber der Universität, die träge war und obstinat zugleich, und gegenüber dem Jesuitenorden, der sich einer exterritorialen Autorität verbunden fühlte. Auch war es klar, daß zur Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus eine Studienreform ohne Zensurreform und eine Zensurreform ohne Studienreform nur Stückwerk bliebe. Es wurden im Vortrag von Erna Lesky die Motive ins rechte Licht gerückt, die van Swieten bewogen, im Staate Maria Theresias jene verantwortungsvollen Funktionen freiwillig auf sich zu nehmen und ehrenamtlich auszuüben, die ihn, den Bürger Leidens, zum großen Reformer und Organisator der Wissenschaften und der Bildung in Österreich machten. Er war erfüllt vom Ethos der Aufklärung, sich nützlich zu machen, seine Fähigkeiten in den Dienst der öffentlichen Wohlfahrt zu stellen. Den selbstbewußten Republikaner drängte es hinaus über den engeren Bereich des Hofes und der Hofgesellschaft, in den er als kaiserlicher Leibarzt und Präfekt der Palatina gerufen worden war. Er fühlte sich der Öffentlichkeit verpflichtet, nicht anders als Maria Theresia, die schrieb, daß sie sich nicht ihr und ihrer Familie, sondern dem „Publico allein zugehörig" fühle. Die neue aufgeklärte Staatsauffassung, die Maria Theresia in diese Worte faßte, verband die österreichische Monarchin und den holländischen Bürger im gemeinsamen Wirken. D I E REORGANISATION VON 1 7 5 1
Für die großen Reformen war die Zeit mitten im Erbfolgekrieg noch nicht reif, auch gewann van Swieten erst im Laufe der Jahre Einsichten in die Wiener Verhältnisse und Erfahrungen im Umgang mit Hofleuten, Bürokraten, Jesuiten, Professoren und Doktoren. 1748/49 wurde der nötige institutionelle und organisatorische Rahmen auf zentralstaatlicher Ebene in Wien und in den Ländern geschaffen. Die Trennung von politischer Administration und Justiz, die mit dem Handschreiben vom 2. Mai 1749 sanktioniert wurde, ermöglichte im weiteren eine Spezialisierung und „Durchrationalisierung" einzelner Herrschaftsaufgaben. Die gleichzeitige Zusammenfassung der böhmischen und der österreichischen Länder ließ jede einzelne Agende im neuerrichteten Directorium in publicis et cameralibus größere Dimensionen annehmen, als dies zuvor der Fall war. Dies erwies sich am Beispiel der Zensur schon im Jahre 1749, als ein an und für sich unbedeutender Fall in Prag die gesamtstaatliche Bedeutung dieser Direktorialagende ins Licht rückte. Das Directorium ließ sich sogleich aus Böhmen und aus einigen anderen Ländern ausführlich über die Zensurverhältnisse unterrichten. Eine der wichtigsten Fragen des Directoriums an die Länderregierungen war, wer denn im Lande die politischen Traktate überwache. Diese Frage war besonders akut. Denn durch den Erbfolgekrieg war innerhalb weniger Jahre in der Monarchie das Informationsbedürfnis breiter städtischer Schichten stark gewachsen, und es hatte sich insbesondere in und um die Kaffeehäuser ein Publikum konstituiert, das seinen eigenen Lebensbereich und alles, was da hineinwirkte — die Kriegsereignisse, die schlechte wirtschaftliche Lage, die Schulen und Hospitäler, die Verordnungen der Regierung und nicht zuletzt die
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kirchlichen Angelegenheiten — zum Gesprächsthema machte und damit den Bereich der bürgerlichen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert schuf. Die öffentliche Meinung konstituierte sich damals kraft ihres politischen und moralischen Urteils dem Staat und auch der Kirche gegenüber als dritte Potenz, deren wichtigste Instrumente die geschriebenen und gedruckten Zeitungen, Broschüren und Pamphlete waren. Damit nun forderte die Öffentlichkeit den Staat und auch die Kirche zu Gegenmaßnahmen heraus. In Form von Verordnungen teilte die Regierung in den vierziger Jahren dem des Lesens kundigen Publikum öffentlich mit, welche Schriften verboten waren. Es waren zumeist Traktate, in denen die Rechte Maria Theresias angegriffen oder die Handlungsweise ihrer Verbündeten verurteilt wurden. Die Bücher kamen vom Ausland herein. Die öffentliche Meinung stand damals der Regierung besonders kritisch gegenüber, weil die Reformen altprivilegierte Positionen angriffen und liebe Gewohnheiten im Alltag zerstörten. Maria Theresia selbst gibt Zeugnis davon, wenn sie von „anstößigen Reden" der Haugwitz-Gegner schreibt und von der Notwendigkeit, „auch diesen fernershin bedürfenden Falls Einhalt zu tun, weilen nur allzu stark wahrgenommen, daß selbige eine sehr schädliche Influenz in das Publicum haben, so nach und nach die schädlichsten Folgen verursachen". Von einer kritischen Stimmung im Volk und auch im Klerus zeugt weiters der Hirtenbrief des Wiener Erzbischofs Trautson vom 2. Jänner 1752, und wir verstehen deshalb besser seine Beweggründe, sich trotz schwerer Bedenken an der von van Swieten 1751 organisierten Zensur zu beteiligen. So wurde die Zensur 1749 sogleich in den Sog der Konzentrations- und Zentralisationsbewegung gezogen. Aber es vergingen noch zwei Jahre, bis das Directorium die ersten konkreten Reformmaßnahmen setzte. Aus Mangel an Quellen müssen wir es uns versagen, eine Antwort auf die Frage zu geben, welche Umstände die Zensurreform hinauszögerten. Nur vermuten können wir, daß an der Universität weder die nötigen personellen noch rechtlich-institutionellen Voraussetzungen schon geschaffen waren, die eine Zensurreform 1749 ratsam erscheinen hätten lassen. Zwar hatte van Swieten im Jänner 1749 der Kaiserin seinen Plan zur Reform der medizinischen Fakultät und des medizinischen Studiums vorgelegt. An der juridischen Fakultät aber, die zur Zensur politischer und staatsrechtlich-historischer Werke herangezogen werden sollte, rührten sich reformerische Hände erst im Jahre 1751. In diesem Jahr nun erstellte das Directorium unter der Vizepräsidentschaft Johann Karl Chotecks einen Plan zur Reorganisation der Zensur. Die Monarchin zog sofort den Präfekten ihrer Bibliothek zu Rate und ersuchte ihn um eine Stellungnahme. Dies geschah zwischen dem 26. Juni und 10. Juli. Mit dem Gutachten zum Direktorialentwurf, das uns nicht mehr erhalten ist, dessen Inhalt sich aber im Vortrag Chotecks an Maria Theresia vom 10. Juli widerspiegelt, begann van Swieten seine Tätigkeit als Reformer der Zensur. In der an Kontroversen und an Konfusion so reichen Literatur zur österreichischen Aufklärung werden dem Zensor van Swieten Auffassungen und Handlungen zugeschrieben, die bei näherem Zusehen einen ganz anderen als den hinlänglich bekannten Sinn enthalten. Es ist hier mit allem Nachdruck festzuhalten, daß die Zensur durch die Reform von 1751 weder schon säkularisiert noch verstaatlicht 7»
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und auch nicht sofort der Universität entzogen wurde. Die Zensur war seit alters her im weltlichen Herrscheramt begründet und war mitinbegriffen in den Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Frieden, Ruhe und Ordnung im Gemeinwesen. Mit einem Wort: Zensurrecht war stets Polizeirecht. In diesem Sinne hatten die landesfürstlichen Regierungen und gelegentlich auch die österreichische Hofkanzlei in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts schon eine größere Aktivität entfaltet. In Graz und in Prag gab es damals schon eigene landesfürstliche Zensurkommissionen, und die Folge davon war eine größere Beständigkeit und intensivere Bearbeitung der Zensuragenden auf weltlicher Ebene. In dem Maße, in dem die alte Gemeinsamkeit von weltlicher und geistlicher Gewalt nach vollendeter Rekatholisierung sich auflöste, beanspruchten die landesfürstlichen Zensoren die ausschließliche Kontrolle über diejenige Literatur, die, wie sie nunmehr meinten, nur von weltlichen, von politischen Dingen handelte. So zeigt sich auch im Bereich der Zensur jene säkulare Grundtendenz zur Differenzierung und Separation, die letztlich in einer an dramatischen Konflikten reichen Geschichte zur Autonomie von Staat und Kirche führte. Vom Gesetz dieser Tendenz zeugt der Entwurf des Directoriums und zeugt die Stellungnahme van Swietens. Doch war die Zeit damals noch nicht reif genug, die mittelalterliche Gemeinsamkeit von Staat und Kirche ideell und institutionell schon gänzlich aufzulösen in zwei autonome Bereiche, in unserem Fall hier die rein weltliche, dort die rein kirchliche Zensur. Es kann in diesem Zusammenhang nicht deutlich genug ausgesprochen werden, was bisher in all den Diskussionen um das theresianische und josephinische Staatskirchentum außer acht gelassen worden ist: die Tendenz zur Auflösung der alten Gemeinschaft von weltlicher und geistlicher Herrschaft war ebenso innerhalb der Kirche wirksam, wenn auch mit unterschiedlicher Vehemenz und verdeckt durch innerkirchliche, theologische Differenzen, die hier mit den Begriffen Jansenismus und Reformkatholizismus nur angedeutet werden können. In den mit dem Wort Josephinismus umschriebenen Konflikten suchte auch die Kirche ihre Kompetenzen gegenüber dem Staat abzugrenzen. In der Reform von 1751 wurde nun die alte Verschränkung von weltlicher und geistlicher Zensur sowohl vom Directorium wie von van Swieten beibehalten, und auch die Universität wurde ihrer Zensurrechte nicht beraubt. Mit der Absicht, die Zensur regelmäßiger auszuüben, aber auch die Agenden straffer und sachlicher zu führen, wurde nunmehr bei der niederösterreichischen Repräsentation und Kammer, der neuen Landesregierung, eine Kommission errichtet. Die gesamte Bücherproduktion wurde in vier Kategorien eingeteilt und fachlich qualifizierten Zensoren zugewiesen. Historisch-staatsrechtliche und politische Werke wurden zu einer einzigen Kategorie zusammengefaßt. In der ganzen Stadt kam dafür niemand anderer in Betracht als drei Professoren, die vom Ausland berufen worden waren, um an den adeligen Akademien die auf den Staat bezogenen, modernen Wissenschaften zu lehren: Johann Heinrich Gottlob Justi, der Kameralist, lehrte am Theresianum und war zugleich in der Finanz- und Montanverwaltung tätig; der Freiburger Paul Joseph Riegger hatte von 1734 bis 1746 in Innsbruck den Lehrstuhl für Naturrecht und Reichsgeschichte innegehabt und folgte dann dem Ruf an die in Wien errichteten Ausbildungsstätten. Christian August Beck, der zum katholi-
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sehen Glauben übergetreten war, sollte wenig später dem ältesten Sohn der Kaiserin Rechtsunterricht erteilen. Weiters schlug das Directorium vor, daß die juridische Fakultät endlich zwei ihrer Mitglieder in die Kommission delegiere. Die theologischen und philosophischen Schriften wollte das Directorium den Jesuiten und somit wie bisher den entsprechenden Fakultäten überlassen. Für die medizinischen Publikationen gab es keinen geeigneteren Zensor als den kaiserlichen Leibarzt selbst. Soweit der Entwurf des Directoriums. Das Neue daran war, daß die Bücher in Kategorien eingeteilt und fachlich qualifizierten Zensoren zugewiesen wurden. Bemerkenswert war die personelle Erweiterung des Gremiums durch Mitglieder der juridischen Fakultät und der adeligen Akademien. Den Jesuiten brachte der Entwurf zwar nicht den gänzlichen Verlust ihrer bis dahin de facto bestehenden Zensurautonomie, aber durch die fachliche Differenzierung sollten sie in Hinkunft lediglich über die Philosophie und Theologie gebieten. Die großen und die Wiener Verhältnisse tatsächlich umstürzenden Neuerungen brachte erst die Stellungnahme van Swietens. Denn er schlug vor, nicht den Jesuiten, sondern dem Wiener Erzbischof die Zensur der Theologica zu überlassen. Diese Idee und die Bereitschaft Trautsons, das Angebot tatsächlich anzunehmen, beseitigten zwar nicht die alte Verschränkung von weltlicher und geistlicher Zensur, hatte jedoch im innerkirchlichen Bereich eine folgenschwere Verlagerung von Autoritätsverhältnissen zur Folge, die wir mit dem Ausdruck Episkopalisierung am treffendsten bezeichnen. Zwar spielten die schlechten Erfahrungen, die van Swieten — aber erst im Laufe seines Wiener Aufenthaltes — mit den Jesuiten gemacht hatte, eine Rolle. Doch ist bislang übersehen worden, daß der van Swietensche Vorschlag nichts anderes war als die endliche Verwirklichung der tridentinischen Vorschriften, die der holländische Katholik in der Kirchenorganisation seiner Heimat verwirklicht sah. Entscheidend nun war, daß Maria Theresia ihr Placet dazu gab. Nur milderte sie die Radikalität des van Swietenschen Gedankens, indem sie in einer Randbemerkung hinzufügte: „Daß auch ein Jesuiter beigezogen werde." In diesem Sinne schwächte sie auch den Vorschlag ihres Leibarztes ab, ihm selbst die Kategorie der Philosophie zu überlassen. In der modernen Auffassung von der Philosophie als einer autonomen Wissenschaft konnte die Herrscherin ihm nicht folgen. Anstandslos aber wurde sein dritter Vorschlag angenommen, unter der Bezeichnung Materies mixtae eine neue Kategorie einzuführen und diese ihm und den Hofbibliothekaren zu überlassen. Es war das breite Feld der schönen und der Trivialliteratur, die bis dahin wenig beachtet war. Dies war die neue Ordnung der Zensurkommission, in der für die Zukunft mehr angelegt als definitiv schon entschieden war. Ausschlaggebend war, daß Maria Theresia die Schlüsselposition in der neuen Kommission van Swieten einräumte. Diese ging weit über das hinaus, was die Direktorialbehörde ihm ursprünglich zuzuweisen bereit gewesen war. So war es van Swieten und nicht der mit der „Direktion und Oberaufsicht" beauftragte Rat der Landesregierung, der innerhalb von acht Jahren die ursprünglich auf Landesebene errichtete Kommission zu einer zentralen Behörde ausbaute. Seit 1759 führte van Swieten selbst den Vorsitz. Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen die organisatorischen Maßnahmen van Swietens aufzuzählen. An einigen Beispielen sollen jedoch die Prinzipien van Swieten-
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scher Zensurpraxis erläutert werden. Aus der skizzierten Ausgangsposition wird klar, daß der im Direktorialentwurf gegebene institutionelle Rahmen äußerst dürftig war. Auch waren keine Verfahrensregeln und keine verbindlichen Zensurprinzipien festgelegt worden. Als erstes verteidigte van Swieten noch im Oktober 1751 die Autonomie der weltlichen Wissenschaften und der Literatur gegen die Ansprüche des Erzbischofs. Dann drängte er, die Kommission als eine Behörde mit kollegialer Verantwortlichkeit zu konstituieren und das Mehrheitsprinzip als Grundlage der Entscheidungen einzuführen. Konnten es denn die durch Fachwissen qualifizierten Zensoren dulden, daß neben ihnen und unabhängig von der Kommission noch immer einzelne Regierungsräte als Revisoren amtierten und die Zöllner an den Mautstellen ihr Unwesen trieben? Diese Relikte früherer Zensurpraktiken wurden im Juni 1752 beseitigt und im Zusammenhang damit für Buchhändler und Drucker ein allgemein verbindlicher Katalog der verbotenen Bücher aufgestellt. Bald zeigte es sich, daß die in der Kommission verbliebenen Jesuiten eine Kommission innerhalb der Kommission bildeten und auf Grund der besonderen Struktur des Ordens sich den neuen Autoritätsverhältnissen nicht fügen konnten. Sie opponierten nicht nur gegen den Behördencharakter der Kommission, sondern ebenso — wie wir erst seit kurzem wissen — gegen die erzbischöfliche Präsenz. Es war für sie nicht nur eine Frage der Unterordnung unter die Autorität des Erzbischofs, sondern ebenso eine Auseinandersetzung um die von Trautson geförderten Formen reformkatholischer Glaubenspraxis. In zwei konfliktreichen Entscheidungen, die eine im Jahre 1752 im Zusammenhang mit Montesquieus Esprit des Lois, die andere im Jahre 1758, wurde die rechtliche Stellung der in der Kommission verbliebenen Jesuiten eingeebnet und jener der anderen Zensoren angeglichen, bis endlich der letzte Jesuit 1764 die Kommission verließ. Die geistliche Zensur innerhalb der Kommission lag somit in den Händen des Erzbischofs und seiner Geistlichen.
D I E KONSTELLATION DER SECHZIGER JAHRE
Der Erfolg der Reorganisation, der sich 1759 abzeichnete, war mitbedingt durch die wohlwollende Kooperation der Wiener Erzbischöfe Trautson und Migazzi, auf die sich van Swieten in dem ihm zugewachsenen Kampf mit den Jesuiten stützen konnte. In den sechziger Jahren stand aber die säkulare Konfrontation zwischen Staat und Kirche, die sich in Zensurangelegenheiten widerspiegelt, unter einem anderen Vorzeichen. Das Monopol der Jesuiten war gebrochen. Da übernahm Migazzi, als oberster kirchlicher Zensor nunmehr unangefochten, die Rolle der Jesuiten und begann die Entscheidungen der weltlichen Zensoren in Frage zu stellen. Es kam zu öfteren Auseinandersetzungen mit van Swieten, der die kirchliche Zensur als einen notwendigen Bestandteil der „öffentlichen Zensur" betrachtete, die geistlichen Zensoren jedoch auf das ihnen eigene Gebiet der Theologica beschränkt wissen wollte. Migazzi kritisierte das Prinzip der verbindlichen Mehrheitsbeschlüsse, jene fundamentale Regel, durch die die Kommission erst jenen geschlossenen behördenmäßigen Charakter erhalten hatte. Van Swieten besaß nun aber längst nicht mehr den starken Rückhalt bei Maria Theresia. Die alternde Kaiserin ließ sich von
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den Argumenten des Erzbischofs beeindrucken, vielleicht auch von Gesprächen mit ihrem jansenistischen Beichtvater Müller beeinflussen, der ein erklärter Feind van Swietens war. 1768 resolvierte sie, daß wichtige Fälle, und vor allem religiöse Publikationen, dem Urteil der Mehrheit nicht unterliegen, sondern ihrer alleinigen Entscheidung. Diese allerhöchste Resolution war ein eindeutiger Schritt zurück, denn van Swietens „öffentliche Zensur" (censure publique) wurde ihres wesentlichsten Elementes beraubt, und individuell vorgetragene Argumente konnten bei der Kaiserin über Zulassung und Verbot entscheiden. Waren einst die direkten Interventionen der absoluten Monarchin dem Aufbau der staatlichen Zensurbehörde zugute gekommen, so wirkten sie nunmehr störend und hemmend. Hinzu kam, daß die Kaiserin ihr Ohr zunehmend auch den Herren der Böhmischen und österreichischen Hofkanzlei lieh, die 1761 an Stelle des Directoriums errichtet worden war. Die Hofkanzlei beargwöhnte die unabhängige Stellung, die van Swieten und die Kommission innehatten, und mißtraute dem politischen Verstand der Kommission, die im großen und ganzen ein Gremium von bürgerlichen Gelehrten und „Intellektuellen" war, wenngleich einige weltliche Kommissionsmitglieder als Beamte tätig waren. Justi, Riegger und Beck waren noch in den fünfziger Jahren ausgeschieden. An ihre Stelle waren Karl Anton Martini, der seit 1754 an der Universität das Naturrecht lehrte, Johann Baptist de Gaspari, niederösterreichischer Regierungsrat und Professor der Geschichte, und Johann Theodor von Gontier, Lizenziat der Rechte, getreten. Auch Joseph von Sonnenfels, Professor der Polizeiwissenschaften und Schriftsteller, versuchte sich in der Zensur. Und es zeigte sich bald, daß das Verfahren und der in den fünfziger Jahren geschaffene Rahmen dem vermehrten Geschäftsgang nicht mehr gewachsen waren. Die Wiener Kommission übte als Hofkommission eine zentralstaatliche Funktion aus und überprüfte auch die von den Länderkommissionen eingeschickten Gutachten. Der Präsident war mit der sogenannten Superrevision nicht nur überlastet, sondern er war auch verwundert und erbost, wenn die Länderkommissionen erlaubten, was in Wien verboten war, und verboten, was in Wien erlaubt war. Der Protest des Bischofs Spaur aus Graz im Jahre 1768 ist ein Beispiel dafür. In den Ländern konnte man eben die Rolle der Wiener Kommission, die ehemals auf Landesebene errichtet worden war, schwer ertragen. Aber abgesehen von diesen politischen Beweggründen fanden die Länderkommissionen die Entscheidungen der Wiener unverständlich und unausführbar, weil diese Entscheidungen bestenfalls den städtischen Verhältnissen in Wien, aber niemals dem Bildungsniveau der Bevölkerung in den Ländern entsprachen. So entglitt die Zensur in den sechziger Jahren allmählich den festen Händen van Swietens, und Einflüsse machten sich bemerkbar, die nach seinem Tod voll zum Tragen kommen und der Zensur der siebziger Jahre jenen eigentümlichen restriktiv-konservativen Charakter verleihen sollten. Wir würden jene Entwicklung der Zensur mißverstehen, wenn wir nur persönliche und institutionelle Momente in Betracht ziehen, die fromm alternde Kaiserin, den seiner episkopalen Autorität bewußten Erzbischof und die Bürokraten der Hofkanzlei. Ihre Interventionen waren gewissermaßen Reaktionen auf fundamentale Vorgänge im österreichischen Bildungswesen. Angeregt durch den Krieg mit Preußen begann sich nämlich in den
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sechziger Jahren die literarische Produktion im Lande stärker zu entfalten, und der Kreis des Lesepublikums erweiterte sich ständig, das die aktualitätsbezogenen Schriften eines Sonnenfels und anderer einheimischer Publizisten las, das die in- und ausländischen Wochenblätter und Zeitungen abonnierte, die aufstrebende deutsche Dichtung begrüßte und nicht zuletzt nach den neuesten Traktaten der französischen Schriftsteller und deren Übersetzungen verlangte. Mit fortschreitender Alphabetisierung im Lande und Verbesserung des Bildungsniveaus breiterer Schichten stieg in der öffentlichen Meinung die Bereitschaft zur Kritik. So veränderten sich auch die Anforderungen, die staatliche und kirchliche Stellen an die Zensurkommission stellten. Van Swieten nun konnte diesen neuen Anforderungen in den sechziger Jahren nicht mehr ganz gerecht werden. Es sei für das Amt eines Zensors eine ganz andere Einstellung erforderlich als die seine, bedeutete er schon 1764 der Kaiserin in einer versteckten Rücktrittsdrohung. 1767 wiederholte er die Bitte um Entlassung, als Migazzi gegen eine Bemerkung über das Asylrecht Einspruch erhob, die Sonnenfels in seinem Mann ohne Vorurteil eingeflochten hatte und die van Swieten passieren hatte lassen. VOM S I N N U N D Z W E C K DER ZENSUR
Wenn abschließend van Swietens Auffassung von der Zensur erörtert werden soll, so müssen wir seine niederländische Herkunft gebührend berücksichtigen. Er war aus einem Land freien Buchhandels und geringen Analphabetismus in das rückständige Österreich gekommen, wo Bildung und Aufklärung dem breiten Volk von oben gebracht werden mußten. In diesem Sinne waren der Zensur mehrere Aufgaben zugedacht. Sie war erstens ein Instrument der Aufklärung, nützlich, ja sogar notwendig, um Unwissenheit und Aberglauben auszutilgen. Auch konnten mit Hilfe der Zensur die alten Formen von Sitten und Gebräuchen verändert werden, die in den Augen der Aufklärer derb und roh schienen. So war die Zensur zweitens ein Mittel der Sozialdisziplinierung und diente der Verbreitung einer modernen, rigoroseren Moral und der Verfeinerung der Umgangsformen. Man wird die strengen Moralbegriffe van Swietens nicht belächeln, wenn man sie in ihrer Herkunft als tragende Elemente der bürgerlichen Gesellschaft Hollands begreift, wo auch die Katholiken sich dem protestantisch-kalvinistischen Rigorismus nicht entziehen konnten, und wenn man bedenkt, daß im Zeichen dieser „bürgerlichen Moral" das ganze folgende 19. Jahrhundert stehen sollte. Drittens sollte die Zensur eine besondere Schutzfunktion ausüben, die als ein integraler Bestandteil des aufklärerischen Bildungsauftrages zu verstehen ist. Schon 1728 hatte der Engländer Ephraim Chambers im Vorwort zu seiner Cyclopedia, einer Vorläuferin der großen französischen Encyclopédie, festgestellt, daß es nicht „Zweck des Lernens und Studierens" sei, die Köpfe der Menschen „mit den Ideen anderer vollzustopfen". Und er fährt fort mit der Warnung: „Das ist eine Bereicherung, die sich zum Bösen wenden kann, wenn sie nicht im richtigen Geist betrieben wird 4 )." Das breite Volk, das sich noch 4
) ROBERT SHACKELTON, Die Aufklärung. Die Freiheit des Denkens und die Welt der Ideen. Das achtzehnte Jahrhundert. Hg. ALFRED COBBAN. Verlag Droemer Knaur. München-Zürich 1971. S. 274.
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nicht an das Lesen gewöhnt hatte, sollte also dem ihm neuen, ungewohnten Wissen, das die Bücher enthielten, nicht unvorbereitet ausgeliefert werden. Der einfache, unwissende Pöbel — das Wort hatte damals noch nichts Pejoratives an sich — sollte zuerst im Gebrauch seiner eigenen Verstandeskräfte geschult werden, bis jeder einzelne allmählich selbständig über Nutzen und Nachteil seiner Lektüre entscheiden werde können. Wissen und Erkenntnisse, die, wie man meinte, in den Köpfen des Volkes Verwirrung und dadurch Schaden anrichten konnten, waren jedoch einem Gelehrten und Gebildeten ungefährlich. Und so wurde denn dem unterschiedlichen Bildungsniveau der Gesellschaftsschichten Rechnung getragen, indem man in großzügiger Weise daranging, erga schedam, das ist mit besonderen Lizenzzetteln, nachweislich gelehrten und gebildeten Leuten Bücher auszuhändigen. (Diese Praxis war, wie ich vermute, die säkularisierte Form eines im wissenschaftlichen Betrieb der Klöster und der Jesuiten üblichen Brauches.) Wie es der junge Joseph 1765 bezeugt, war van Swietens Zensur so streng nicht und besaß ein gutes Maß an Durchlässigkeit. Denn in Wien war jedes verbotene Buch zu haben, wie er spöttisch und wissend bemerkte. Noch dazu war der in Druck vorliegende Katalog der verbotenen Bücher allgemein zugänglich, weil er seinen Zweck als Führer für Buchdrucker und Buchhändler und als Orientierungshilfe für den Leser erfüllen sollte. Dies ist ein weiteres Zeugnis für den aufklärerischen Optimismus und für das Vertrauen in den rechten Gebrauch der Vernunft, die den holländischen Arzt als Zensor beseelten. Noch 1771 erwogen van Swieten und die Kommission, die Liste der verbotenen Bücher jeweils in der Wiener Real-Zeitung zu veröffentlichen! Sechs Jahre später wurde im Zeichen der konservativen Reaktion selbst der Katalog der verbotenen Bücher verboten. Wissenschaft, Schriftstellerei und Zensur waren unter der Ägide van Swietens noch keine inkommensurablen Größen. Der Staat, so postulierte er es kurz vor seinem Tode, habe nur die allerschlechteste Lektüre zu verbieten, also lediglich ein Minimum an Verboten zu setzen. Dieser freiere Geist des Holländers aber war im Österreich seiner Zeit noch nicht ganz zeitgemäß.
ANHANG
Note sur la Censure par rapport de deux écrits No. 2 et 3 ci-joint !). Aus: Archivio di Stato in Milano, cart. 156, autografi. Kopie eines Memorandums an Kaiserin Maria Theresia vom 29. Juli 1766. Diese Note wurde mir freundlicherweise von Herrn Professor Bruno Zanobio, Pavia, zum Abdruck überlassen, wofür ich ihm besten Dank sage. Dieses Memorandum ist ein weiteres Dokument für die Schwierigkeiten, denen van Swietens „öffentliche Zensur" in den späten sechziger Jahren begegnete. Nicht mehr die Jesuiten, sondern die Erzbischöfe und Bischöfe opponieren gegen die Laisierung von Zensur und Wissenschaften. Dieses Stück ist besonders wertvoll, weil es die wenigen uns erhaltenen Dokumente über die Zensur ergänzen kann.
J'ai lu avec bien de satisfaction ces deux excellentes pièces, ou on a éclairci et épuisé cette matière. On voit avec évidence tout l'artifice dont on se sert pour entamer le pouvoir des souverains i) Weder Schriftstück No. 2 noch No. 3 sind der hier zum Abdruck kommenden Kopie beigelegt.
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sur cette matière et attirer insensiblement l'autorité suprême à la puissance ecclésiastique par rapport à la censure. Le cardinal archevêque de Vienne 2), animé par le même esprit et fortement imbu de ces principes, a tenté longtemps à persuader que la censure appartenait de droit a l'épiscopat et quoique Son Excellence dans la commission des études ou j'ai l'honneur d'assister convenait qu'il n'était point du tout utile que l'évêque d'Olmiitz 3 ) présiderait à la commission des études (et on pensait aussi à faire la même chose pour la censure) cependant il travaillait sous main à obtenir ce presidium pour le même évêque Hamilton comme un droit attaché à l'épiscopat, et qu'on ne pouvait pas lui disputer sans injustice, ni refuser sans flétrir sa dignité. On a fait la même chose pour l'archevêque de Prague 4 ). Sa Majesté se souviendra sans doute de l'insolente prétension du cardinal Roth 5 ) qui voulut être déclaré confudator, protectator et judex perpetuus de l'université de Fribourg, laquelle étoit coupable d'une renitence scandaleuse à l'ordre souverain pour la reformation des études. On a prouvé avec des arguments incontestables dans ces deux écrits le danger des semblables prétentions. Je prie Sa Majesté de prendre en bonne part deux remarques que je crois pouvoir faire sur l'écrit No. 3 pag. 4. et 5. Après qu'on a dit que la censure des dogmes appartient aux seuls ministres de l'église, ce que tout le monde reconnaît, on ajoute que dans les matières indifférentes il n'y a pas d'autre nécessités d'être de l'opinion du censeur, que celle qui nait de la force de la vérité et de la raison et cela est vrai aussi. Mais il ne me parait pas qu'il suit de là qu'un homme légitimement constitué pour interpreter et enseigner une science par exemple en médecine, jurisprudence, philosophie etc. puisse acquérir le droit qu'on soit absolument obligé de suivre sa décision et de rejetter absolument comme des erreurs tout ce qui est contraire à cette décision. Des professeurs célébrés à Paris avaient décidé que l'antimoine et toutes ses préparations étaient très pernicieuses pour le genre humain et en conséquence ces remèdes furent proscrits par un arrêt du parlement. Quelques années après on a été convaincu du contraire et le parlement a été obligé de lever cette défense. Car dans les sciences humaines les plus savants même n'ont aucun droit de prétendre à l'infaillibilité. Pour ce qui est du péril que par la négligence ou ignorance d'un censeur il pourrait arriver qu'un livre imprimé et approuvé par le gouvernement fut condamné après justement le même danger reste si les écclésiastiques restaient maitres de la censure et ces cas seront même plus frequents. En France on punit le censeur. Celui qui avait admit les fameuses thèses de l'abbé Prades 6 ) à Paris fut privé de ses bénéfices et exilé. Ici on a prevenu cet inconvénient car on ne munit pas un livre d'une approbation imprimée. Mais on garde à la chancellerie de la censure la copie du manuscrit signé du censeur. Alors on peut toujours voir si la faut est au censeur ou à l'imprimeur pour punir le coupable et jamais le gouvernement n'est compromis. Le schème de la censure de Vienne va ci-jointe7). 29 Juillet 1766
Van Swieten «)
2) Christoph Anton von Migazzi (1714—1803), seit 1757 Erzbischof von Wien. Sein Vorgànger von 1751 bis 1757 war Johann Joseph von Trautson (1704-1757). 3) Maximilian Hamilton, Bischof von Olmiitz von 1761 bis 1776, geb. 1714. t) Anton Przichowsky (1707-1793), Erzbischof seit 1752. 5) Franz Konrad Rodt (1706-1776), seit 1751 Bischof von Konstanz. 6 ) Jean-Martin de Prades (ca. 1720—1782), unterbreitete der Sorbonne 1751 seine Thesen, ging darauf nach Berlin. 7) Liegt nicht bei. «) Im Text mit tt.
SULLA R I F O R M A D E L L ' I N S E G N A M E N T O DELLA M E D I C I N A NELLA UNIVERSITÀ DI PAVIA AL T E M P O DI G E R A R D VAN SWIETEN D i B R U N O ZANOBIO
La prima porta della parte più antica del Palazzo centrale universitario di Pavia — quella che immette nel «cortile medico» — è sovrastata da una lapide con la scritta: «Imperatrix M. Theresia Augusta Athenaeum Antiquissima Vetustate Memorandum Ab Iniuria Oblivionis Adseruit Anno MDCCLXXI». L'esplicito richiamo ai meriti teresiani nei confronti dell'Ateneo Ticinese è confermato dall'iscrizione posta sopra la seconda porta del Palazzo: «Cesarea Politiorum Doctrinarum Fautrix Nobiliori Forma Censu Methodo Et Professoribus Praestantissimis Claravit Anno MDCCLXXII». Tali scritte, le cui date praticamente coincidono con la morte di Gerard van Swieten (1700—1772) 0, ricordano appunto quella settecentesca riforma dell'Università di Pavia 2 ) grazie alla quale l'Ateneo Ticinese non solo riacquistò, dopo un periodo di decadenza, il pristino suo splendore, ma addirittura si trasformò in un centro di studio e di cultura di fama mondiale; quella riforma che ebbe la sua magna charta nel Dispaccio Reale*) del 31 ottobre 1771, con cui l'Imperatrice Maria Teresa (1717—1780) ordinava l'attuazione del Piano di direzione, disciplina ed 1) FRANK T. BRECHKA, Gerard van Swieten andhìs world 1700-1772. The Hague 1970. ) A proposito della storia dell'Università di Pavia e della relativa riforma settecentesca vedi fra l'altro le opere sottosegnate, alle quali si è anche attinto per questo lavoro: Memorie e documenti per la storia dell'Università di Pavia e degli uomini più illustri che v'insegna-
2
rono.
[A c u r a di ALFONSO CORRADI ( 1 8 3 3 - 1 8 9 2 ) , r e t t o r e . ] P a v i a 1 8 7 7 / 7 8 .
Codice diplomatico
dell'Università
di Pavia, raccolto ed ordinato dal Sac. Dott. RODOLFO
MAIOCCHI. P a v i a 1 9 0 5 / 1 9 1 3 / 1 9 1 5 .
Contributi alla storia dell'Università
di Pavia. Pubblicati nell' XI centenario dell'Ateneo. Pavia
1925.
Statuti e ordinamenti della Università di Pavia dall'anno 1361 all'anno 1859. Raccolti e pubblicati nell' XI centenario dell'Ateneo. Pavia 1925. PIETRO VACCARI, Storia della Università di Pavia. II ediz. Pavia 1957. Discipline e Maestri dell'Ateneo Pavese. Università di Pavia 1961 (Verona 1961). Monumenti e cimeli dell'Ateneo Pavese, a cura di GIANFRANCO TIBILETTI. Università di Pavia 1961 ( M i l a n o 1961). 3
) Circa i documenti inerenti la riforma e i relativi carteggi intercorsi fra Vienna e Milano, conservati in Italia, la maggior parte trovasi presso l'Archivio di Stato di Milano, una minor parte presso l'Archivio di Stato di Pavia; essi sono stati da me ampiamente consultati per il presente studio. Alcuni di questi documenti sono stati oggetto di pubblicazione da parte di vari autori in tempi diversi (vedi per es. nota 2).
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economia dell'Università di Pavia, proposto precedentemente dalla Deputazione degli studi e che rappresentava la felice conclusione di laboriose vicende. Al Piano di direzione, disciplina ed economia fece seguito nel 1773 il Piano scientifico che doveva servire «di scorta e direzione ai professori per dirigere la pubblica istruzione nelle scienze». E'appunto sulle parti di esso che riguardano l'insegnamento della medicina che mi intratterrò e farò qualche considerazione, non senza peraltro premettere, succintamente, attraverso quali vicende si giunse alla riforma teresiana. Germinata dal Capitulare olonnense ecclesiasticum primum dell'825 dell'imperatore Lotario (795—855), costituita in Generale studium utriusque iuris, videlicet tam canonici quam civilis, rtec non philosophiae, medicinae et artium liberalium nel 1361 con diploma dell'imperatore Carlo IV (1316—1378), l'Università di Pavia, dopo un periodo di floridezza, venne colpita dalla fine del'500 sino alla seconda metà del'700 da una profonda crisi, alla determinazione della quale concorsero molteplici complessi fattori, sui quali non posso evidentemente qui intrattenermi. Vani, perchè rimasti allo stadio delle classiche grida di manzoniana memoria, risultarono durante tutto questo periodo gli ordini, via via succedutisi, del Senato milanese — l'organo cui spettava l'alta direzione dell'Università — intesi a porre rimedio alla situazione. Praticamente improduttivo fu anche il tentativo riformatore più impegnato, quello del 1730. In quell'anno il Senato di Milano invitava il Podestà di Pavia a «rilevare tutto ciò avesse stimato più opportuno per il bon governo dell'Università». Ma le risposte del Corpo Accademico, cui il problema era stato trasferito, e che pervennero attraverso i Rilievi proposti dall' Università di Pavia per il bon governo della medesima l'anno 1730, furono generici e limitati e comunque lontani dal significato di riforma, anche se vi era qualche accenno all'opportunità di prendere in considerazione l'ordinamento degli studi. La situazione assunse aspetti nuovi in seguito al Dispaccio Reale di Maria Teresa del 17 maggio 1753, con il quale Sua Maestà ordinava al Senato di «formare sollecitamente un nuovo Piano per la migliore direzione» dell'Università «dall'antico suo lustro assai decaduta» e di rimettere quindi il medesimo a Vienna. Dopo un lavoro preparatorio durato circa tre anni, la Commissione all'uopo istituita arrivò (1757) alla stesura di un Regularum apparatus, quas Senatus ad Ticinensis Archigynnasii Scolarumque Palatinarum Mediolani instaurationem, una cum votis fiscalibus in antecessum novi systematis elaboratis, supremo S. I. R. M. oráculo subijciendas curabat. Il nuovo Piano, nonostante le sostanziali riforme proposte, venne da Vienna approvato con molte critiche e molte riserve (Dispaccio Reale del 3 ottobre 1757) e la situazione si mise in modo, anche per la mancanza dei mezzi economici, che ne divenne praticamente impossibile l'applicazione. Ciò peraltro rientrava, secondo taluni storici, nei precisi disegni di Vienna che in quegli anni già maturava nuovi propositi di politica scolastica. Dopo un ristagno di parecchi anni, l'8 agosto 1765 il Ministro plenipotenziario per la Lombardia austriaca, Carlo conte di Firmian (1718—1782), ordinava da Innsbruck a Don Paolo della Silva, a Milano, di sospendere la pubblicazione del
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Piano e pochi mesi dopo, con il Cesareo Dispaccio del 24 novembre 1765, Maria Teresa avocava a sè la cura di tutte le scuole dello stato e quindi anche dell'Università di Pavia, circa la quale istituiva una Deputazione degli studi composta di cinque membri di nomina regia (membro per la medicina il dottore fisico Giuseppe Cicognini) con l'incarico di riprendere in esame il Piano del 1757 e rifonderlo «conformandolo, per quanto fosse praticabile, col Piano degli studj veglianti negli Stati Ereditari della Germania». La Deputazione si pose presto all'opera e con alacre lavoro il 10 ottobre 1767 già presentava il nuovo Piano di riforma che, opera di cospicua mole, peraltro non incontrava l'approvazione del Cancelliere di Stato Wenzel Anton Principe di KaunitzRietberg (1711 — 1794), il quale espresse al Firmian il suo malcontento «nel ritrovarsi con una selva di Progetti. . . tutti distaccati ed isolati» alcuni dei quali «invece di concorrere a formare con gli altri un corpo solo, camminavano su massime diverse a fini diversi». Cosa questa che va riconosciuta, almeno in parte, per vera. Riesaminata ed in parte rielaborata la materia, come voluto dal Kaunitz, si arrivò sollecitamente alla stesura di due Piani, uno di disciplina ed uno scientifico, che già il 13 ottobre 1768 venivano spediti alla Corte di Vienna, corredati di alcuni allegati e di una Consulta. A Vienna ogni questione trattata nel Piano venne minuziosamente esaminata e discussa. Dai dettagliati scambi di opinioni intercorsi in materia fra il Kaunitz, il Firmian e la Deputazione degli studi scaturì alla fine il Piano di direzione, disciplina ed economia dell'Università di Pavia e il Piano scientifico dei quali ho detto all'inizio e che furono approvati da Maria Teresa con Dispacci reali rispettivamente del 31 ottobre 1771 e del 4 novembre 1773. Prima di esaminare la parte del Piano scientifico relativa alla medicina, mi pare opportuno accennare alla situazione in atto antecedentemente. Sino alla riforma le caratteristiche dell'insegnamento erano rimaste praticamente le stesse stabilite all'inizio del Seicento e cioè circa un secolo e mezzo prima. L'aspirante medicus physicus doveva pertanto istruirsi ancora in logica, astrologia, filosofia ed anche circa gli argomenti che noi oggi consideriamo di carattere più direttamente medico si era rimasti ancorati alla tradizione, come se nulla fosse accaduto con Galileo. Nelle Tabulae Lectorum del 1741 figurano per esempio le seguenti letture: - Medicinae Theoricae ordinar. - Medicinae Practicae ordinar. - Almansoris - Simplicium - Extraordinar. Practicae Medicinae - Chirurgiae - Anathomiae. Sembra veramente paradossale che nel Settecento i precetti di Ippocrate, Galeno, Oribasio, Ezio, Paolo d'Egina risuonassero ancora per le aule dell'Università attraverso la lettura del medioevale Kitabu-L-Mansuri, la famosa opera di Abü Bekr Muhammad ibn Zakarià, il celebre medico persiano noto più general-
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mente come Rhazes, vissuto fra 1'865 e il 926 circa e cioè quasi un millennio prima ! Del resto il professore di chirurgia non si era ancor degnato di scendere dalla cattedra, ma dall'alto di essa continuava imperterrito a spiegare la «4am Fen 4i libri Avicennae, in qua De solutione continuitatis verba facit ipsemet Avicennas». La prima variazione dei programmi scolastici che s'incontra è quella del 1742 relativa alla sostituzione della Medicina Teorica con la Medicina Razionale ; sostituzione il cui significato credo che non sia stato ancora chiarito e che potrebbe invece meritare qualche attenzione. A proposito del senatoriale Regularum apparatus del 1757, che venne approvato da Vienna con molte riserve, che non ebbe applicazione e che certamente peccava di velleitarismo, va però rilevato che in esso troviamo già, almeno per quel che riguarda l'insegnamento delle discipline scientifiche, proposte interessanti per il loro spirito innovatore e che si possono riassumere nella necessità di : - fornire macchine ed istituire una biblioteca ed un orto botanico ; - mettere a disposizione del professore di anatomia parecchi cadaveri e non uno solo come in uso sino ad allora; - conferire alle lezioni carattere, per quanto possibile, sperimentale (il professore di medicina pratica dovrà mettere sotto gli occhi degli scolari ciò che il suo collega di medicina teorica avrà precedentemente spiegato) ; - riconoscere particolare importanza alle dissezioni dei cadaveri (dovranno assistervi anche gli insegnanti di fisica, di medicina e di botanica) ; - attenersi da parte dei professori di fisica e di medicina alle più recenti scoperte scientifiche. Interessanti sono anche le proposte circa l'insegnamento della medicina contenute nella Forma degli Statuti della Regia università, una relazione stesa di sua iniziativa dal Cicognini e da lui inoltrata al Firmian con lettera del 26 maggio 1767. Trattasi di un documento che, se non sbaglio, è stato sin qui piuttosto trascurato. Per la classe medica vengono proposti i seguenti insegnamenti : - Anotomia, ed Instituzioni Chirurgiche - Fisiologia, ed Instituzioni Mediche - Patologia, e Trattati prattici - Medicina Esperimentale, o sia prattica nell'Ospedale - Operazioni Chirurgiche, ed Arte Ostetricia all'Ospedale - Matteria Medica, Bottanica, e Chimica. A tale schema didattico il Cicognini aggiunge il seguente: «NB. Vedo che nelle Provincie di Germania sei sono le Cattedre della Classe Medica, e quattro sono nell'Università di Vienna, ho procurato di unire le parti più affini dello Studio medico, addattandomi così al metodo di Vienna, anche per la durata del Corso Scolastico. Ho assegnata l'Arte Ostetricia al Professore delle Operazioni Chirurgiche, come cosa appartenente più ad Esso, che al Teorico, al quale vedo, che per accidente è unita. Al Professore Bottanico, al quale in Vienna è unita la Chimica, ho aggiunto
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come cosa convenevole la matteria medica, distinguendo li vari tempi dell'anno. Li due Professori all'Ospedale sono ad imitazione di quelli di Vienna, ma siccome in Italia senza esorbitanti stipendj non potrebbero servire alla Università, ed all'Ospedale per formare il Nosocomium practicum, cosi ho assegnati questi solamente all'Ospedale. » 11 Piano scientifico del 17734) fonda l'insegnamento della medicina sulle seguenti cattedre: - Anatomia, ed Istituzioni Chirurgiche (annuale) - Operazioni Chirurgiche, ed Arte Ostetricia (biennale) - Istituzioni Mediche (annuale) - Medicina Teorico-Pratica, e Clinica (biennale) - Chimica, Materia Medica, e Botanica (annuale). Il Piano si presenta profondamente innovatore e può essere considerato, come ha detto il Bellonì5), l'attuazione didattica della medicina propugnata nel 1689 da Marcello Malpighi (1628—1694) con il De recentiorum medicorum studio, al quale erano seguite nel 1712 la prolusione Nova institutionum medicarum idea medicum perfectissimum adumbrans di Giovanni Battista Morgagni (1682—1771) e nel 1715 la prolusione De recta medicorum studiorum ratione instituenda di Giovanni Maria Lancisi (1654-1720). Vi emergono, a fianco del rigore scientifico, spiccato spirito pratico; precisa volontà di rifuggire dalle speculazioni teoriche; continuo incitamento alla sperimentazione ed alla osservazione dei fatti; indicazione al costante connubio fra teoria e pratica; cose tutte che, ovviamente, assumono estrinsecazioni differenti a seconda delle varie discipline. Cosi: in Anatomia, le lezioni dovranno esser fatte sui cadaveri e gli allievi dovranno praticare dissezioni, iniezioni, ecc. ; in Operazioni Chirurgiche la parte dimostrativa sarà essenziale; in Arte Ostetricia si dovrà ricorrere all'uso di modelli uterini effigiati al naturale; in Istituzioni Mediche ci si dovrà fondare sull'osservazione costante e si dovrà aver cura di fare delle esperienze con la maggior frequenza possibile; e così via. Un siffatto tipo di insegnamento — che si accorda perfettamente con la mentalità sperimentale di cui già era vessillifero in Pavia sin dal 1769 Lazzaro Spallanzani (1729—1799) — presuppone rilevanti attrezzature scientifico-didattiche, le quali assumono valore essenziale. Esse erano state appunto previste nel Piano di direzione, disciplina ed economia del 1771, ritoccato nel 1773 (biblioteca, teatro anatomico, orto botanico, museo di storia naturale ecc.). La rapida rassegna, ora compiuta, sulla riforma dell'insegnamento della medicina 4
) La parte di esso riguardante la medicina viene riportata in appendice. 5) LUIGI BELLONÌ, Italian Medical Education after 1600. Relazione air"International Symposium on the History of Medical Education", svoltosi a Los Angeles 5—9 febbraio 1968. Edited by C. D. O'Malley. UCLA Forum in Medical Sciences No. 12. University of California Press, Los Angeles 1970. LUIGI BELLONÌ, Riforma illuministica dell'università e insegnamento della medicina. Simposi Clinici Ciba (voi. 6, n. 1) Milano 1969.
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a Pavia riguarda praticamente l'arco di tempo che va dall'arrivo a Vienna del van Swieten sino alla sua morte. Appunto al van Swieten — allievo del «communis Europae praeceptor» Herman Boerhaave (1668—1738), il cui sistema di medicina razionale combaciava sostanzialmente con le ricordate istanze didattiche di Malpighi, Morgagni e Lancisi — spetta il merito della riforma universitaria a Vienna 6). Come si è visto, e come del resto è ben noto, la riforma settecentesca dell'Università di Pavia è, nel suo complesso, strettamente legata a Vienna, per cui giustamente è definita «riforma teresiana». Sembra tuttavia che si possano distinguere due differenti tipi di intervento di Vienna nella medesima: uno a carattere perentorio, e fu quello relativo al Piano di direzione, disciplina ed economia, ed uno a carattere ordinatorio, e fu quello relativo al Piano scientifico. Non sto qui ad illustrare le motivazioni della perentorietà di Vienna relativamente al Piano di direzione, rientrando esse nel vasto disegno politico di un illuminato governo dell'Impero. Del resto questo aspetto è già ampiamente trattato nella letteratura. Circa il Piano scientifico, dallo studio della letteratura e dei documenti dell'epoca, si può desumere che l'intervento di Vienna fu differente a seconda delle discipline. Relativamente all'ordinamento degli studi della Facoltà Teologica l'azione di Vienna fu certamente penetrante e ciò evidentemente in relazione a determinati disegni politici. Nel caso degli studi della Facoltà Medica l'azione di Vienna sembra invece essere stata meno assillante. L'ordinamento generale dell'insegnamento della medicina a Pavia si rifà certamente a quello di Vienna e certamente unico è lo spirito che anima le facoltà mediche delle due università, così come sono affini gli insegnamenti impartiti nell'una e nell'altra. Tuttavia non mancano a Pavia aspetti di originalità, anche se relativi solo a dettagli. Cito, ad esempio, la Chimica, Materia Medica e Botanica che nel Piano scientifico del'73, a differenza di Vienna, sono riunite in un'unica cattedra come già figuravano, con specifica motivazione, nelle proposte del Cicognini del 1767. Pure esemplificativo in tal senso può essere il caso della Medicina TeoricoPratica e Clinica, disciplina alla cui siffatta denominazione, certamente, contribuì l'acerba polemica7) intercorsa in quegli anni fra i due professori di Medicina pratica in Pavia, Michele Rosa (1731 — 1812) e Gian Battista Borsieri (1725—1785); quest'ultimo compatriota e intimo del Firmian, alla cui protezione aveva fatto ripetutamente ricorso. Il Borsieri nel'71 e nel'72 «invocava il braccio del Ministro Plenipotenziario, non potendo patire che in Pavia la clinica fosse delle cattedre la più vile, quando il signor Barone Van Swieten in Vienna e nelle altre connesse Università ha voluto sia la più onorifica e la più stimata. » (Corradi). The development of bedside teaching at the Vienna medical school from scholastic times to special clinics. Relazione all'"International Symposium on the History of Medical Education", svoltosi a Los Angeles 5 - 9 febbraio 1968. Edited by C. D. O'Malley. UCLA Forum in Medical Sciences No. 12. University of California Press, Los Angeles 1970. 7 ) Memorie e documenti per la storia dell'Università di Pavia . . . (vedi nota 2). Partei, pag. 210—217. 6) E R N A LESKY,
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I casi ora citati aprono il problema della valutazione del grado di autonomia da Vienna di cui poterono disporre quanti della Lombardia austriaca (Milano, Pavia) parteciparono alla formulazione del Piano dello studio medico e della misura in cui ritennero di usufruire di tale autonomia. Vi è poi il problema delle affinità e delle discrepanze delle norme sull'insegnamento medico fra Pavia e le altre università dell'Impero. Per dare una risposta a questi quesiti sarà necessario non solo comparare fra di loro gli statuti delle varie università dell'Impero, ma anche esaminare attentamente i documenti d'archivio di Vienna e compararli quindi con quelli degli archivi di Milano e di Pavia, mettendo in luce l'influenza che esercitarono, sulla materia, l'ambiente e gli uomini. Sarà allora forse possibile precisare quale parte ebbe il van Swieten nell'operazione riforma universitaria pavese e cioè se vi influì direttamente e specificamente o se il suo influsso fu indiretto e generico. Tenuto conto che la riforma rappresentava un mutamento di struttura di cospicua rilevanza, e che in tali casi il Kaunitz diveniva arbitro 8 ) di ogni cosa, quale parte effettiva egli ebbe in essa? Per la parte medica chi furono i suoi consiglieri? Non si deve d'altra parte dimenticare che già dal 1757 il grande chirurgo pavese Giovanni Alessandro Brambilla (1728—1800) si trovava a Vienna, ove dal 1764 aveva raggiunto posizioni già tali da far pensare ad una sua influenza a Corte, almeno su alcuni membri. Del resto fu proprio il Brambilla che nel 1769 accompagnò Giuseppe II nel suo viaggio in Lombardia e certamente gli fu a fianco nella visita all'Università di Pavia compiuta il 9 giugno, visita ricordata da Giuseppe II nel suo Diario di viaggio, pubblicato integralmente dal Valsecchi9). Citando il Brambilla affiora naturalmente il problema della presenza della cultura e del pensiero italiano a Vienna in quell'epoca. Viene infine spontaneo chiedersi quale significato immediato assunse il Piano scientifico del'73 per lo sviluppo della medicina a Pavia. Si può ritenere che, a causa anche delle attrezzature ancora insufficienti, in un primo tempo esso potè solo svolgere una funzione preparatoria del successivo splendore della facoltà medica ticinese. Quando nel 1772 Gerard van Swieten veniva a morte, Antonio Scarpa (1752— 1832), l'allievo prediletto del Morgagni, dava inizio in Modena al suo corso di Anatomia, avviandosi a quella fulgida carriera che doveva portarlo un decennio più tardi ad assumere la cattedra di Anatomia ed operazioni chirurgiche in Pavia, a seguito dell'intervento del Brambilla, che in quegli anni fondava a Vienna l'Accademia Medico-Chirurgica Josephina. E'appunto a partire dalla chiamata (1783) dello Scarpa a Pavia che, grazie anche al potenziamento delle attrezzature (biblioteca, teatro anatomico, orto botanico, museo di storia naturale, ecc.), inizia lo straordinario fulgore della facoltà medica ' ) FRANCO VALSECCHI, Il principe di Kaunitz e il Dipartimento 9
8
)
d'Italia in Storia di Milano. Voi. XII,
pag. 303—305. Fondazione Treccani degli Alfieri per la Storia di Milano. Milano 1959. FRANCO VALSECCHI, L'assolutismo illuminato in Austria e in Lombardia. Voi. II, appendice, pag. 323. Milano 1934.
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ticinese, frutto del felice concorso di saggia opera di governo e di uomini di lucido intelletto. L'Università di Pavia è gelosa custode delle vestigia di quel suo tempo aureo e di quanto la legò Vindobonensi sorori.
APPENDICE
Estratto dal: PIANO SCIENTIFICO PER L'UNIVERSITÀ' DI PAVIA approvato con Dispaccio Reale 4 novembre 1773
MEDICINA
La parte delle Scienze Filosofiche finora considerata, è diretta a perfezionare la Ragione dell'Uomo, ed a procurare la cognizione delle diverse proprietà dei Corpi: cognizione indispensabile per perfezionare la Ragione umana, per il comodo, e per i bisogni della vita. Un'altra essenziale parte delle Scienze medesime è la Medicina, che veglia sopra la vita degl'Individui, e procura di custodire, e rendere il principale de' Beni, la salute. Anatomia, ed Istituzioni Chirurgiche Il primo stadio del Medico è di conoscere la struttura del Corpo umano, senza di che non è possibile di conoscere gli usi, le proprietà, i difetti, nè di rimediarne i disordini. Il Professore d'Anatomia incomincierà dal darne una generale idea, ne analizzerà, e dimostrerà tutte le parti con quella estensione, che la loro importanza richiede, perchè i Scolari possano a sufficienza percepire, qual uso esse abbiano nel Corpo umano. Le Lezioni non dovranno essere pomposi Discorsi Cattedratici, ma una descrizione, e simultanea ispezione delle parti del Corpo umano, fatta su i Cadaveri; dovranno indirizzarsi i Scolari colla frequente dissezione, e colle più delicate preparazioni di taglio, o di injezioni, le quali, fatte dal Professore, ed eseguite sotto i di lui occhj dai più abili tra gli Scolari, gioveranno a renderli capaci d'operare da se stessi. Incominciando dagli Elementi del Corpo umano, il Professore darà in seguito la generale nozione de' fluidi, che circolano, che vi si lavorano, secernono, o espellono ; tratterà delle alterazioni, che la diversa proporzione de' fluidi, e de' solidi induce ne' vari Individui. Awanzandosi indi alla divisione del Corpo nelle sue parti, facendo la descrizione d'ognuna d'esse, aggiungendone l'uso, e mescolando in tutto coli'Anatomia i primi principi della Fisiologia, compirà il suo Corso, e riserverà alle ultime lezioni il trattare con tutta la dovuta estensione delle ossa, attesa la facilità, e sicurezza di maneggiarle anche nella calda stagione, senza danno alla salute. Nell'apertura e nel taglio de' Cadaveri, destinati all'uso dell'Anatomia, offerendosi qualche osservazione anatomica rara, e morbosa; e richiedendosi, per illustrarla, qualche sperimento, o discorso, il Professore vi si fermerà tutto il tempo, che sarà compatibile coll'ordine delle sue Lezioni ordinarie. Colle operazioni dell'Anatomia ha moltissima affinità la Chirurgia, nelle di cui Istituzioni, utilissime per i Medici, ed indispensabili per i Chirurghi, si dovranno, oltre i cinque soliti elementi, o trattati, indicare le Teorie Fisiche dell'Infiammazione, della Supurazione, e Cicatrizzazione, coll'investigare minutamente, ed in dettaglio i fenomeni, i segni diagnostici, i caratteri, l'indole, ed il metodo curativo delle malattie Chirurgiche.
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Operazioni Chirurgiche, ed Arte Ostetricia L'applicazione dei Precetti avuti nelle Istituzioni Chirurgiche è lo scopo principale che si deve avere, ed è l'occupazione del Professore della Cattedra d'Operazioni Chirurgiche, e d'Ostetricia. Egli in primo luogo seguendo un metodico corso nel trattare le diverse operazioni, incomincierà dalla Storia de' più celebri metodi, praticati dai varj Autori nella esecuzione di ciascuna di quelle, sulla quale verseranno le Lezioni. Ne indicherà i vantaggi, o gl'inconvenienti, darà la preferenza al metodo, che crederà migliore, e dedurrà i fondamenti della presa determinazione; poi descriverà tale metodo unitamente agl'Istromenti necessari per esso, che avrà sott'occhio, e farà vedere agli Scolari. Per ultimo passerà alla esecuzione pratica della Operazione sul Cadavere, facendone ripetere le più diffìcili, e complicate da quelli tra i suoi Allievi, che si mostreranno i più atti, e diligenti. Ogni qualvolta poi all'Ospedale accada di fare qualche pratica Operazione, dopo che il tutto sia concertato, eseguendosi essa alla presenza degli Scolari, potrà ragionare sul progresso dell'Operazione medesima, e su i Fenomeni, che s'anderanno di mano in mano osservando. Per questa strada gradatamente il Professore spiegherà le più diffìcili parti della Chirurgia, dirigendo i suoi Scolari nella pratica: li condurrà dalle più semplici Operazioni alle più composte, e diffìcili, mostrandone i compedj, la semplicità, la sicurezza, i pericoli delle laboriose Operazioni, de' Rimedj, e delle Fasciature, e per condurre poi i Scolari alla pratica delle più grandi, e più difficili Operazioni; conchiuderà finalmente colla serie delle Operazioni Ostetriche, in tutti i casi, e semplici, e complicati. Si servirà a quest'effetto de' modelli Uterini, che procurerà di avere effigiati al naturale, per rappresentare, e mettere sotto l'occhio de' Giovani tutte le varie positure del Feto, e per poter con tal sussidio dirigere, e regolare la mano ne' casi più complicati, e difficili. I sistemi più curiosi, che solidi intorno alla Generazione, non dovranno punto occupare il professore, intento unicamente a spiegare il puro meccanismo della Gravidanza, del Parto, del Puerperio, e ad indicare in un separato discorso que' segni, ed il complesso d'essi, che possano determinare con ragionevole probabilità il giudizio, e la decisione de' Periti in alcuni casi controversi
Istituzioni Mediche Non è meno importante di queste due Cattedre, quella delle Istituzioni Mediche. In esse il Professore esporrà la Dottrina delle funzioni animali, e la Storia Naturale dell'economia della vita: accennerà il Fatto Anatomico, di cui deve supporre ne' suoi Allievi la cognizione. Conosciuta però pel Fatto Anatomico la machinale struttura del Corpo umano, importa di conoscerne le conseguenze, e gli effetti, cioè le potenze, i fenomeni, che sono il vero soggetto della Fisiologia, o sia della Storia Naturale, e della ragione di tutti i fenomeni della vita. Quasi tutta la Scienza Fisica s'interessa in questa Dottrina. L'osservazione costante, l'Analogia, il Fatto verificato, e le immutabili Leggi della Natura, sono la norma, colla quale dovrà il Professore condursi. Dove tutto ciò manca, confesserà la sua ignoranza, piuttosto che abbandonarsi alle supposizioni, alle conghietture, o che involgersi in Dispute, ed occuparsi delle altrui opinioni. La Statica Animale, la Vegetazione, le Leggi del Moto, e tutta l'economia delle Funzioni sono appoggiate a' principj dimostrati dalla esperienza; l'azione de' Nervi, i Fenomeni della Vita, l'armonia della Parti, il Mistero della Generazione, e dei Sensi, sono tuttora Arcani. Per illustrare dunque le parti dimostrate di questa Scienza, e per rischiararne le altre tuttora involte nel Mistero, non meno che per avvezzare la Gioventù a tentar la Natura, è necessario, che il Professore abbia cura di fare delle sperienze colla maggiore frequenza possibile, presentando nello stesso tempo un tessuto ordinato, e seguente dei progressi della Filosofica industria in questa parte. Colla viva voce poi il Professore medesimo, spargendo la luce della critica sopra le opinioni più celebrate, e sulle diverse conseguenze dedotte da osservazioni uguali, insegnerà ai Giovani a 8*
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Bruno Zanobio
sospendere la decisione, e pesando i momenti della ragione raffrenerà il pericoloso prurito di voler troppo prontamente teorizzare sopra tutto. Alla esattezza nell'esporre i fenomeni dovrà esser eguale quella di considerare, e di determinare i segni della perfetta salute, ed i precetti per conservarla. Nell'esame del Corpo infermo si darà il prospetto generale delle cause, differenze, accidenti delle Malattie, e farà il Professore rilevare la maniera, colla quale si conoscono, e si distinguono. Porrà finalmente i fondamenti della grande, e diffìcile Arte di presagire, col farne sentire l'importanza, i pericoli, e gli abusi. Lo scopo principalmente nella educazione dei Giovani Medici è di assicurar loro la cognizione di tutti i caratteristici segni delle malattie, e di accostumarli ad una continua osservazione. Non è di minore importanza il liberare, e depurare dalle vane ipotesi i metodi di medicare. Per condurre gli Scolari in questa difficile carriera, e temperare i loro giudizj, gioverà far loro sowente riflettere sulla incertezza delle Teorie, sulla instabilità delle Dottrine, sulla fallacia delle induzioni: in somma ad osservare moltissimo, a ponderare pazientemente ogni cosa, ed a non concludere, se non quando la costante uniformità de' fatti estorca il consenso della ragione.
Medicina Teorico-Pratica, e Clinica Dietro ai primi elementi della Medicina, ed alle preliminari cognizioni necessarie per distinguere 10 stato di Salute da quello di Malattia, seguir deve la Medicina Pratica, e la Teoria d'essa, che comprendono la Storia dettagliata di tutte le Malattie, e la spiegazione teorica delle medesime, ossia l'applicazione de' principi nelle precedenti Scuole conosciuti dai Giovani Allievi. La diligenza nei più minuti particolari Dettaglj ; l'esame del Corpo umano infermo, e presentato in tutte le varie positure, o combinazioni; la esattezza nell'enumerare i segni costanti, che accompagnano le malattie; l'enumerazione dei veri loro caratteri per rilevarne la qualità, le successioni, gli influssi, lo scioglimento, e proporre i metodi, confermati dalla sperienza, possono metter in istato il Professore, dopo un confronto dei diversi metodi, e corrispondenti effetti, di combinare, analizzare, e dedurre stabili conseguenze; in somma di passare alla Teoria appoggiata sulla base dei fatti, e non fondata sulla illusione delle ipotesi. In questa sì vasta, e delicata materia il Professore avvertirà principalmente a porre una esatta partizione, conveniente al buon metodo, ed alla natura delle cose; trattando prima de' generi delle malattie, poi discendendo alle specie, e loro differenze; un corrispondente sistema dovrà stabilirsi nell'esaminare i lavori particolari, secondo le varie principali sedi del Corpo umano. Portata la Gioventù ad un certo grado di cognizione, il Professore dovrà farne nell'Ospedale l'applicazione, ed ivi avvezzare i suoi Allievi ad esaminare gl'Infermi, conoscere di vista le malattie, distinguere i diversi caratteri, rilevarne le cagioni, e spiegarne i sintomi: ciò che principalmente forma l'oggetto della Clinica. Questo utile esercizio fatto sopra chi è attaccato da malattie, contribuirà al profìtto d'una maniera decisa. Gioverà poi moltissimo il trattare gli Ammalati non solo coi metodi conosciuti, ma il tentare di perfezionarli, ed anche di metterne in pratica dei nuovi, colla scorta d'una fedele, e spregiudicata osservazione. Avrà a questo fine il Professore la facoltà di scegliere, a trattare, indipendentemente da ogni altro, que' Malati, che più crederà, colla avvertenza di non occuparsi in un tempo, che d'un numero piuttosto ristretto, affine di non confondere gli Scolari. Tali Malati dovranno trasportarsi dov'egli crederà più a proposito, e sarà libero a que' Scolari, ai quali il Professore l'accorderà, 11 visitarli in ogni ora, e fare su di essi quello, ch'egli darà loro la facoltà di ordinare; il passare per regola stabile alla dissezione de' Cadaveri in caso, che tali Malati soccombano alla morte; l'osservare minutamente l'affezione di tutte le parti interessate, o sospette, per riscontrare le vere cagioni delle malattie, sono esercizj indispensabili.
Sulla riforma dell'insegnamento della medicina a Pavia
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Chimica, Materia Medica, e Botanica Per esercitar bene, ed utilmente la Medicina, è necessario di conoscere l'indole, la natura, ed i caratteri dei rimedj, che si compongono, e che si danno. Per questo nella Medicina non si può far a meno della Chimica, per discoprire il mistero della varia unione, de' principi nella composizione de' Corpi: e discernere, quanto i tre Regni somministrano ad uso della Medicina, e dei comodi della Vita. Il Professore dunque esaminando, ed analizzando le parti componenti i diversi Corpi dal Regno Vegetabile, passerà all'Animale, indi al Minerale, e tentando colle diverse operazioni i Corpi medesimi, ne dimostrerà i prodotti, e nello stesso tempo apprenderà ai suoi Scolari il metodo d'esperimentare cautamente. Siccome la Chimica deve dal Professore essere principalmente indirizzata ad uso della Medicina, egli avrà cura d'indicare la virtù, le dosi, e le più utili composizioni di questi prodotti. Finalmente darà delle generali regole per fare con prudenza tali composizioni; nel che consiste l'importante Arte del ricettare. Un gran Ramo di Storia Naturale, che interessa sommamente la Medicina per la cognizione della Piante Officinali, è la Scienza dei Vegetabili. Il Professore di questa Facoltà darà le Istituzioni della Scienza colla spiegazione del Linguaggio, e della Filosofia dell'Arte, per farsi strada ad una divisione sistematica, la quale, se non altro, serva di comodo per abbracciare più facilmente gli estesi limiti della Natura nelle produzioni vegetabili. Dopo ciò passerà alla dimostrazione delle Piante, ed Erbe, delle quali, oltre i caratteri sistematici, indicherà le proprietà le più importanti per gli usi, o Medici, o Economici, ritenendo, che le Piante Officinali dovranno, sopra tutte le altre, essere fatte conoscere agli Scolari.
BOERHAAVE-SCHÜLER ALS M E D I Z I N A L P O L I T I K E R V o n ERWIN H . ACKERKNECHT
Gerard van Swieten ist wohl neben Haller der berühmteste und bedeutendste Schüler des an Schülern so reichen, das 18. Jahrhundert dominierenden Leidener Meisters. Van Swieten hat sich als klinischer Schriftsteller mit geradezu fanatischem Eifer auf diese Schülerposition beschränkt, und mit ungeheurer Gelehrsamkeit und großer Erfahrung das eklektische System des Lehrers propagiert. Dagegen hat er auf anderen medizinischen Gebieten große und vielfach sehr originelle Leistungen aufzuweisen. Erna Lesky, die sich um die Aufdeckung dieser Zusammenhänge so große Verdienste erworben hat, sagt mit Recht, daß er nicht nur Leibarzt der Kaiserin, Reformator der Wiener Universität und ihrer medizinischen Fakultät, Zensor und Präses der Hofbibliothek, sondern „der sanitäre Organisator und oberste Sanitätschef eines großen R e i c h s " w a r . Wobei gesagt werden muß, daß Maßnahmen wie die Reform des medizinischen Unterrichts inklusive Verstaatlichung der Prüfungen und Professorenwahlen bereits Maßnahmen von einem eminenten medizinalpolitischen Interesse waren. Dazu tritt die Errichtung von Lehrspitälern, von Kursen für Hebammen und Wundärzte. Dazu tritt van Swietens Tätigkeit als allmächtiger „Berater" der Sanitäts-Hofdeputation, seine Anstellungsvorschläge bei derselben, seine Sorge für medizinische Volksbelehrung, die den Aberglauben zurückdrängen soll, für den Kampf gegen Viehseuchen, für Rettungswesen und Totenschau, seine Bemühungen um Gewerbehygiene (Quecksilbervergiftungen!) und Militärmedizin2). Ich möchte mich hier nur auf diesen Hinweis beschränken, da ich nicht hoffen darf, zu Erna Leskys Resultaten Wichtiges hinzufügen zu können. Dagegen möchte ich heute eine andere Frage aufwerfen : Hat diese medizinalpolitische Rolle van Swietens irgend etwas mit seiner Rolle als Boerhaave-Schüler zu tun ? Wenn sich unter den Schülern Boerhaaves große Kliniker wie de Haen, Tronchin, Huxham oder R. Whytt befinden, große Physiologen oder Anatomen wie Haller, La Mettrie, Lieberkühn, Monroe, B. S. Albinus, Buddeus; große Botaniker wie Linné; Chemiker wie Gaubius oder Rutty, so ist das nicht weiter verwunderlich. Alles das ist ja in seinem Werke angelegt3). Überraschend sind hingegen bei einem Boerhaave-Schüler hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizinalpolitik. Hier ist van Swieten nun aber durchaus nicht der einzige, der sich auf diesem Gebiet J) 2)
LESKY 1959, S. 42. Für Gesamtdarstellung van Swietens s. auch die Bücher von BRECHKA 1970 und W . MÜLLER 1883. Über absolutistische Gesundheitspolitik s. ROSEN 1958, S. 109. S. dazu vor allem BRUPPACHER 1 9 6 7 , S. 3 1 - 3 8 .
3) S . LINDEBOOM 1 9 6 8 .
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Erwin H. Ackerknecht
einen Namen gemacht hat. Zu nennen sind mindestens die russischen Hofärzte Antonio Nunez Ribeiro Sanchez (1699-1783), Johann Deodat (1676—1756) und Laurentius Blumentrost (1692—1755) und Johann Bernhard von Fischer (1685— 1772) ; der Berliner Hofarzt Johann Theodor Eller (1689—1760); und der Londoner Hofarzt Sir John Pringle (1707—1782). Ehe wir also an die Beantwortung unserer Frage gehen, scheint es wünschenswert, einen Blick auf diese Männer zu werfen. ANTONIO NUNEZ RIBEIRO SANCHEZ4)
ist wohl eine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Medizingeschichte des 18. Jahrhunderts. Geboren 1699 in Pegna Macor, Portugal, studierte er in Coimbra und Salamanca, wo er 1724 den Dr. med. erwarb. Als „Neuchrist" (Marano) in Portugal zum Bürger 2. Klasse verurteilt, ging Sanchez nun nach London und versuchte, Jude zu werden. Letzteres mißlang aus inneren Gründen. Schon auf seiner zweiten Etappe, in Livorno, huldigte er wieder der Religion seiner Verfolger. Eine Bordeauxer katholische Maranenfamilie (de la Cour), der er als Erzieher diente, schickte ihn 1730 mit seinem Zögling nach Leiden, wo damals Boerhaave auf der Höhe seines Ruhmes stand. Sanchez studierte zwei Jahre lang bei Boerhaave, der ihm einen unauslöschlichen Eindruck machte und ihm 1731 eine Stelle in Rußland verschaffte. Sanchez war erst Stadtarzt in Moskau, wo er auch als medizinischer Prüfer und Lehrer wirkte, dann einige Jahre führender Armeearzt. Vor 1737 wurde er Arzt des wichtigen kaiserlichen Kadettenkorps in der Hauptstadt St. Petersburg, 1740 sogar Hofarzt. In dieser Funktion rettete er 1744 der jungen Prinzessin Katharina, der späteren Katharina II., laut ihrer eigenen Angabe in ihren Memoiren, das Leben. 1747 verließ er plötzlich Rußland, um sich für die verbleibenden 36 Jahre in Paris niederzulassen. Ein Jahr später wurde er auch aus der Akademie ausgestoßen. Er war von zwei ehemaligen Leidener Kollegen, dem Iren Henry Smith und dem verkommenen Boerhaave-Neffen Herman Kaau, dem er eine Stelle besorgt hatte, als „Jude" bei der für ihren Lebenswandel berüchtigten Kaiserin Elisabeth denunziert worden. Diese fromme Person konnte natürlich einen solchen Schandfleck auf „ihrer" Akademie nicht dulden. Sanchez lebte in Paris in einem intellektuell sehr anregenden Milieu, betätigte sich vor allem als Schriftsteller und hatte eine enorme Korrespondenz, darunter auch mit einer Reihe anderer prominenter Boerhaave-Schüler, wie van Swieten, Pringle, Haller und vor allem Gaubius, der auch Neuauflagen seiner Werke veranstaltete. 1762 kam Katharina an die Macht. Sie hatte seiner nicht vergessen, setzte ihm eine Pension aus, reinstallierte ihn in der Akademie und ließ ihn als Experten für medizinische Erziehungs- und Sozialreformen verwenden. 1783 ist Ribeiro Sanchez friedlich in Paris gestorben. Zu seinen Lebzeiten publizierte er folgendes: eine Dissertation sur Vorigine de la maladie vénérienne (Paris 1752) und ein „Examen historique sur l'apparition de la maladie vénérienne" (Paris 1774). Kurz nach seinem Tode veröffentlichte sein Freund Audry einen Band „Observations sur les maladies vénériennes". Sanchez
4
) Die wichtigsten Werke über Ribeiro Sanchez sind die von
LEMOS 1 9 1 1
und
WILLEMSE 1 9 6 6 .
Boerhaave-Schüler als Medizinalpolitiker
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war eine große Autorität auf dem Gebiet der Syphilis. Die berühmte van Swietensche Sublimatbehandlung der Syphilis stammt laut van Swietens eigener Aussage (Erläutg. V, 2, 301) von Sanchez. Sanchez war ein Gegner der amerikanischen Syphilistheorie. Der Tratado da Conservacao da Saude dos Povos (Paris 1785) ist eine Pionierleistung auf dem Gebiet der Privat- und Sozialhygiene. Carlas sobre a Educacao da Mocidad (Paris 1760) und Metodo para aprender e estudar a Medicine (Paris 1763) waren vor allem für den portugiesischen Reformminister Marquis Pombai und seine Mitarbeiter bestimmt, der auch verschiedene Vorschläge von Sanchez realisierte. 1771 schrieb er das erste und klassisch gewordene Werk über „les bains de vapeurs Russes" (russ. Übers. St. Petersburg 1779). Von diesen 6 Werken verraten 4 starke sozial- und medizinalpolitische Interessen und Wirksamkeit. Der Eindruck verstärkt sich noch beim Studium der Audryschen Liste der 28 (!) im Manuskript hinterlassenen Werke, die leider meist verschwunden sind. Davon beschäftigen sich nicht weniger als zwölf mit russischen medizin- und sozialpolitischen Reformen. Wir erwähnen: 1. Instructions pour le Professeur de chirurgie qui enseignera la chirurgie aux disciples des deux hôpitaux de St. Petersbourg (o. D.); 2. Plan sur la manière de nourrir et d'élever les enfants trouvés dans l'hôpital de Moscou (1764); 3. Continuation du plan pour élever et nourrir les enfants trouvés en Russie (1765); 4. Lettre à l'Université de Moscou sur l'enseignement de la médicine ; 5. Sur la culture des sciences et des beaux arts dans l'Empire de Russie (1765?). Dieses letztere höchst interessante Werk, das die medizinische Reform nur als Teil einer allgemeinen Sozial- und Erziehungsreform behandelt, hat zum Glück überlebt und ist von Willemse 1966 publiziert worden. Alle diese Werke sind keine müßigen Schreibtischübungen, sondern für einen von Katharinas engsten Mitarbeitern, General I. I. Beckoj (1704—1795), verfaßt, der sie nach Maßgabe der Verhältnisse realisierte und einen Teil von Sanchez'Vorschlägen wörtlich in seine Erlässe übernahm. Sanchez erschien als Berater für Beckoj ideal, da er als Portugiese unterentwickelte Verhältnisse kannte, sie in Rußland 16 Jahre lang erlebt hatte, anderseits mit dem Besten in Westeuropa praktisch und literarisch vertraut war. Selbst in dieser skizzenhaften Übersicht erweist sich der Boerhaave-Schüler Ribeiro Sanchez als bedeutender Medizinalpolitiker, besonders in Portugal und Rußland. LAURENTIUS BLUMENTROST DER JÜNGERE w u r d e 1662 i n M o s k a u g e b o r e n , a l s
Sohn eines aus Thüringen eingewanderten Arztes Laurentius Blumentrost. (Die russische Medizin wurde für mehr als 200 Jahre mit deutschen Ärzten aufgebaut.) Sowohl sein Vater wie seine älteren Brüder Christian und Johann Deodatus waren Leibärzte am Zarenhof 5 ). Der ebenfalls in Moskau geborene JOHANN DEODATUS, der in Halle promoviert, aber auch eine Zeitlang in Leiden studiert hatte, war übrigens nicht nur Leibarzt Peters I., sondern sein Feldarzt und „Archiater". 1731 fiel er unter Kaiserin Anna in Ungnade, verarmte und starb 1756 als letzter Blumentrost der russischen Linie. 5) Bezüglich der Blumentrosts s. RICHTER 1813, Bd. 2, S. 300 - 320.
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Laurentius der Jüngere, der uns vor allem interessiert, wurde von Peter dem Großen zum Studium nach Leiden geschickt, wo er 1713 bei Boerhaave doktorierte. 1714 wurde er Hofarzt sowie Direktor des Naturalienkabinetts und der Bibliothek. Er begleitete Peter auf seinen Reisen und kaufte für ihn die berühmte anatomische Sammlung von Ruysch. Es gelang ihm schließlich, Peter zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften zu überreden. In Anbetracht der enormen Rolle, welche diese Institution in der Geschichte der Medizin und der Wissenschaften in Rußland gespielt hat und bis auf den heutigen Tag spielt, würde dies allein Blumentrost hier erwähnenswert machen. Von 1725 bis 1733 war er der erste Direktor der Akademie und zog viel tüchtige Gelehrte nach Rußland. Während dieser Zeit (Brief v. 7. V. 30) machte er Boerhaave im Namen der Kaiserin ein finanziell sehr günstiges Angebot, als Professor nach St. Petersburg zu kommen 6 ). 1733 fiel auch er bei Kaiserin Anna in Ungnade. Aber bereits 1738 war er Direktor des für die Entwicklung der russischen Medizin so wichtigen Militärspitals in Moskau. 1755 wurde er Kurator der neuen Universität Moskau, konnte aber wenig für dieselbe tun, da er im selben Jahr starb. Johann Deodat Blumentrost wurde als Leibarzt und Archiater 1734—1735 ersetzt durch einen anderen Boerhaave-Schüler, JOHANN BERNHARD VON FISCHER 7 ), geboren 1685 in Lübeck, aber aufgewachsen in Riga. Er studierte Medizin in Halle, Jena, Amsterdam und Leiden, wo er 1709 dissertierte. Er war vor seiner Erhebung zum Leibarzt und Archiater Stadtphysikus in Riga. Als Chef des Medizinalwesens entfaltete er eine außerordentliche Tätigkeit: gründete neue Medizinschulen, verbesserte alte, ließ Handbücher zum Unterricht schreiben etc. Jedoch bereits 1742 mußte er sich nach Riga zurückziehen, wo er sich vor allem der Schriftstellerei widmete und erst 1772 starb. Wir wissen nicht viel über von Fischers Beziehungen zu Boerhaave. Es ist jedoch wahrscheinlich kein Zufall, daß sein Hauptwerk De senio (Erfurt 1760), eines der besten frühen gerontologischen Werke, mit einem langen Boerhaave-Zitat beginnt. Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, daß in Rußland im 18. Jahrhundert die Medizinalpolitik 70 Jahre lang außerordentlich stark von Boerhaave-Schülern beeinflußt wurde. Auch das preußische Medizinalwesen ist zum großen Teil das Werk eines Boerhaave-Schülers: JOHANN THEODOR ELLER, geboren 1689 in Plötzkau in Anhalt, gestorben 1760 in Berlin 8). Eller studierte Medizin in Halle, Amsterdam, Paris und Leiden. Dort doktorierte er bei Boerhaave 1716. 1721 wurde er Anhalt-Bernburgischer Leibarzt, 1724 ging er als Leibarzt, Feldmedicus und Professor an das zur Ausbildung von Regimentsfeldscheren 1723 geschaffene Collegium medico-chirurgicum nach Berlin. 1725 verfaßte er zusammen mit Stahl das berühmte preußische Medizinaledikt, das weit über das von 1685 (das erste europäische!), das nur eine aus Juristen zusammengesetzte Aufsichtsbehörde vorgesehen hatte, hinausging. Er 6
) BOERHAAVE
Corresp. Bd. II, S. 145.
T) S . HIRSCH u n d GURLT 1 8 8 5 , B d . 2 , S. 3 6 9 .
8) S. Allg. Deutsche Biogr. Leipzig 1877, Bd. 6, S. 5 2 - 5 3 .
Boerhaave-Schüler als Medizinalpolitiker
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wurde natürlich auch Dekan des durch diesen Erlaß geschaffenen medizinischen Oberkollegiums und Mitglied des Collegium Sanitatis. 1727 erhielt er den sechsten medizinalpolitisch wichtigen Posten. Zusammen mit dem Chirurgen Senff wurde er Direktor des neugegründeten Spitals Charité, das eine so enorme Rolle in der Entwicklung der Medizin in Preußen spielen sollte. Er wurde auch Direktor der physikalischen Klasse der Akademie. Er war ein sehr aktiver Chemiker. Ein großer Teil seines Briefwechsels mit Friedrich II. dreht sich um Chemisches 9). Das sogenannte Leidenfrostsche Phänomen wurde von ihm entdeckt. Seine experimentell pharmakologischen Arbeiten sind leider im Ansatz zum Scheitern verurteilt, aber von einer in seiner Zeit auf diesem Gebiet einzigartigen Gründlichkeit 10 ). Eller war jedoch nicht primär Forscher, wie die gleichzeitig mit ihm in Berlin wirkenden Boerhaave-Schüler Buddeus und Lieberkühn. Er war vor allem Praktiker. Seine „Observationes" (Leipzig 1762) sind allerdings in ihrem Boerhaave-Dogmatismus und ihrer Abstraktheit uninteressant. Seine „Nützlichen Anmerkungen" (Berlin 1730) sind in der Tat nützliche Kasuistik und spiegeln Ellers grosses Interesse für Chirurgie, über die er auch ein 800 Seiten starkes Lehrbuch schrieb. Vor allen Dingen zeigen sie bei der Besprechung der soeben vom „Pesthaus" zum Spital gewandelten und vor allem als chirurgische und geburtshilfliche Ausbildungsstätte (auch ein Anatomiesaal war vorhanden), Geschlechtskrankheitenbehandlungszentrum und Heim für uneheliche Mütter gedachten Charité Ellers großes organisatorisches Talent. Eller führte unter anderem Staatsprüfungen für Ärzte und Wundärzte mit Anatomie als Prüfungsfach ein. Eller war auch ein Vorkämpfer der Variolation, wobei ihn Friedrich II. unterstützte11). Auch Boerhaave und viele seiner Schüler standen der Variolation positiv gegenüber, was dem anders gesinnten van Swieten offenkundig peinlich war 12 ). Ellers Rolle ist zu Unrecht durch den Ruhm der in Preußen von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. natürlich besonders geschätzten Militärchirurgen etwas in den Schatten gestellt worden. SIR JOHN PRINGLE, geb. 1707 in Stichel House, Roxburgshire, bildete sich ursprünglich zum Kaufmann in Holland aus 13 ). Es scheint, daß der magnetische Einfluß Boerhaaves ihn veranlaßte, Medizin zu studieren. 1730 doktorierte er in Leiden. 1734 wurde er Professor der Moralphilosophie in Edinburg, 1742 Armeearzt bei der Armee des Earl of Stair in Flandern. 1743 veranlaßte er das „erste Rotkreuzabkommen" betreffs Schonung der Feldspitäler zwischen dem Earl of Stair und dem Duc de Noailles, eine epochemachende Leistung. 1744 rückte er zum Generalarzt auf. 1748 ging er nach Beendigung des Krieges nach London, wo er Hofarzt wurde. Er veröffentlichte bald seine wichtigen Bücher, das über jail fevers (1750), das zur Sanierung von Gefängnissen, Kasernen, Bergwerken, Schiffen und Spitälern viel beitrug, und das über Armeekrankheiten (1752), das in alle wichtigen Sprachen
9) S. MAMLOCK 1907. 10
) S. ACKERKNECHT, Therapie, S. 94.
11) S. MAMLOCK 1 9 0 7 , s. FISCHER, A , B d . 2 , S. 2 6 6 .
12) S. VAN SWIETEN Bd. V, Teil 1, S. 211.
U) Für Pringles Leben und Leistung s. BRUPPACHER 1967, S. 15—30.
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übersetzt und bis 1812 immer wieder neu aufgelegt wurde. Von 1772 bis 1778 war Pringle auch Präsident der Royal Society. Er starb 1782, und es wurde ihm die hohe und seltene Ehre zu Teil, in Westminster Abbey beigesetzt zu werden. Pringles Observations on the Diseases of the Army ist tatsächlich das erste Buch über Medizin und Hygiene im Felddienst. Man versteht besser, warum bis ins 20. Jahrhundert mehr Soldaten an Krankheiten als an Kugeln starben, wenn man die Liste der von ihm beobachteten Armeekrankheiten betrachtet: „Fieber" (Malaria und Unterleibstyphus), „Spitalfieber" (Fleckfieber), Dysenterie (von ihm als infektiös erkannt!) Rückfallfieber, Icterus, Pneumonie, Skorbut; von Krätze und Würmern gar nicht zu reden. Pringle empfiehlt eine ganze Reihe im Hinblick auf diesen Krankheitskatalog außerordentlich wertvoller Vorbeugungsmaßnahmen: Aufklärung der Soldaten, geeignete Bekleidung, Decken, trockene Räume, Wechsel der Lagerplätze; Zwang, Latrinen zu benutzen; Vermeidung der Überfüllung, besonders in Spitälern; körperliche Reinlichkeit; zweckentsprechende Ernährung. Weniger interessant sind seine Therapievorschläge, die aus den damals üblichen Aderlässen, Klystieren etc. bestehen. Wissenschaftsgeschichtlich wichtig sind seine Untersuchungen über „putrefaction", die ein Flair für die Rolle kleinster Lebewesen als Krankheitsursache verraten. Pringles Rolle in der Geschichte der Militärmedizin ist einmalig.
Alle sieben von uns behandelten Medizinalpolitiker waren Boerhaave-Schüler. Und doch läßt sich nichts in Boerhaaves Lehren finden, was ihre Entwicklung in dieser Richtung erklären könnte. Wenn Boerhaave schon einmal in einem Brief an Bassand 14 ) einen Exkurs über Armeekrankheiten einschiebt, handelt es sich zu unserer Enttäuschung ausschließlich um das rein klinische Problem der Dysenteriebehandlung mit Ipecacuanha. Um ganz sicher zu gehen, habe ich auch den besten lebenden Boerhaave-Kenner, Professor Lindeboom, befragt. Aber auch er hat nichts Medizinalpolitisches in Boerhaaves Schriften gefunden. Boerhaave war auch nicht genötigt, zu solchen Fragen Stellung zu nehmen. Die föderalistische Natur der kleinen holländischen Republik führte dazu, daß die ausgezeichneten Bemühungen auf diesem Gebiet lokal blieben oder von privaten Handelsgesellschaften wie der Ostindienkompagnie getragen wurden. Und persönlich scheint Boerhaave keine Interessen in dieser Richtung gehabt zu haben. Nie kommt es in seinen Schriften zum Ausdruck, daß das Leiden seiner Zeit immerhin die zweitgrößte Industriestadt Europas war. Die sieben Schüler hingegen, wohin sie auch gingen, wurden in eine ganz andere, ganz spezifische Situation versetzt: sie kamen in zurückgebliebene, absolutistisch regierte, extrem hierarchisch organisierte, meist sehr ausgedehnte Länder, wurden Leibärzte und gerieten damit automatisch an die Spitze der medizinischen Pyramide, eine Situation, die ihnen geradezu medizinalpolitisches Handeln auferlegte. Wenn bei van Swietens „Protomedikat" allenfalls noch spanische Antezendentien existier-
14) Corresp. Bd. II, S. 145.
Boerhaave-Schüler als Medizinalpolitiker
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ten, die ja sowohl in Wien wie in den Niederlanden bekannt waren die aber außerdem von ihm stark modifiziert wurden, so existierte nichts dergleichen in Preußen oder Rußland 1 6 ). Die Verhältnisse formten aber doch dieselben Aufgaben und Lösungen. Die Wahl der Sieben als Leibärzte war sicher durch die Tatsache, daß sie Boerhaave-Schüler, also Mitglieder einer Elite waren, beeinflußt. Ihr medizinalpolitisches Handeln aber erwuchs vor allem aus ihrer Situation, ihren Pflichten sowie auch ihren Neigungen und Talenten.
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15
) Über die Anfänge des spanischen Protomedikats im 15. Jahrhundert s. Ruiz
MORENO
1946,
S. 2 5 , u n d DUSOLIER 1906, S . 4 6 , 66. 16
) Pringle war sogar Bürger eines wenig absolutistischen und recht fortgeschrittenen Landes. Aber er wirkte in einer Armee, die sowohl als hierarchisch wie als zurückgeblieben bezeichnet werden darf.
G . B. M O R G A G N I
UND
DIE BEDEUTUNG
„DE SEDIBUS ET CAUSIS PER ANATOMEN
SEINES
MORBORUM
INDAGATIS"
V o n L U I G I BELLONI
In den medizingeschichtlichen Lehrbüchern geht das Inventum novum (1761) J) als das glorreichste Banner der ersten Wiener medizinischen Schule hervor. Der Träger desselben war „Leopold Auenbrugger — Schüler van Swietens", wie er von Erna Lesky2) bezeichnet wurde, als sie, auf Grund einer eingehenden Untersuchung der Quellen, zu dem Schlüsse kam, daß „nirgend anderswo um die Mitte des 18. Jahrhunderts die zwei Grundvoraussetzungen für seine Erfindung in gleicher Weise vereint und verwirklicht waren wie in der Schule van Swietens: klinisch gelehrte und klinisch geübte Untersuchungspraktik und praktische Anatomie", d. h. die pathologische Anatomie. Es ist die volle Erfüllung des klinisch-anatomischen Parallelismus, der Morgagnis De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis durchdringt. Dieses ebenfalls 1761 erschienene Werk wird allerdings von denselben medizingeschichtlichen Lehrbüchern als der Gründungsstein der pathologischen Anatomie bezeichnet. Das literarische und praktische Werk von Gerard van Swieten (1700—1772) und seiner Schule und das De sedibus von Giovanni Battista Morgagni (1682—1771) können tatsächlich als zwei, trotz ihrer Abweichungen grundsätzlich ähnliche Entwicklungsergebnisse aufgefaßt werden, die auf denselben Ursprung zurückzuführen sind. Um diesen Ursprung besser zu erkennen, befreien wir uns von dem gewohnten Bilde Morgagnis — samt der Perücke, dem Hermelin und den vier P (Publicus Primarius Patavinus Professor) — und gehen vielmehr auf den sechzehnjährigen Jüngling zurück, der 1698 nach Bologna zog, nachdem er in seiner Geburtsstadt Forli in der peripatetischen Philosophie ausgebildet worden war. In den in Bologna verlebten zehn Jahren (1698—1707) studierte Morgagni, wie er selbst sagt3), „die moderne Philosophie und Medizin4) und hatte als Lehrer Inventum novum ex percussione thoracis humani ut signo abstrusos interni pectoris morbos detegendi (Wien 1761). 2 ) ERNA LESKY, „Leopold Auenbrugger — Schüler van Swietens", in Dtsch. med. Wschr., 84, 1017-1022 (1959). 3 ) C . 45'des Ms. Ashburnham 227/6 der Biblioteca Mediceo-Laurenziana, Florenz; G . B. MORGAGNI, Opera postuma a cura dell'Istituto di Storia della Medicina dell'Università di Roma, 1 (Rom 1964), 3. 4 ) Die Kursivschrift ist vom Verfasser. ' ) LEOPOLD AUENBRUGGER,
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verschiedene berühmte Schüler Malpighis, und zwar Sandri 5), Albertini6) und Valsalva 7 )". In diesen Zeilen klingt eine andere, ebenfalls selbstbiographische Stelle wieder, worin der soeben erwähnte Marcello Malpighi (1628—1694) genau denselben Gesinnungswechsel bespricht, den er, diesmal unter dem Einfluß von Giovanni Alfonso Borelli (1608—1679)8), erfuhr: „Er hatte also die Güte, mich in die freie und Demokritische Philosophie einzuführen, und ich erkenne daraus, welchen Fortschritt ich in der Naturforschung machte"; und, wohlverstanden, die „libera philosophia" ist die wissenschaftliche Forschung im Sinne Galileis. Im Jahre 1609 machte Galileo Galilei (1564—1642) die optische Vergrößerung zu einem wissenschaftlichen Hilfsmittel. Während er selbst das Teleskop ausnützte, um die uns allen wohlbekannten, großen Entdeckungen am Himmel zu vollbringen, überließ er den Biologen') die wissenschaftliche Anwendung des Mikroskops und wies ihnen außerdem wunderbare Beispiele, um die mechanischen Gesetze der anorganischen Welt auf die organische zu übertragen i"). Die akustische Wahrnehmung darf z. B. nicht auf geheime Eigenschaften, sondern vielmehr auf einen durch „das häufige Zittern der in kleinste Wellen gekräuselten Luft" u) mechanisch reizbaren Rezeptor zurückgeführt werden. Boreliis De motu animalium (Rom 1680/81) will eben die systematische Anwendung dieser Gesetze auf die den Lebensfunktionen zugrunde liegenden makround mikroskopischen Bewegungen sein. Die Erforschung der Lebensfunktionen wird demnach zur „Biophysik", oder, um den damaligen Ausdruck zu gebrauchen, zur „Iatromechanik". Um eine nicht rein theoretische und apriorische Iatromechanik, wie es jene von René Descartes (1596—1650) war, zu schaffen, veranlaßte Borelli die Anatomie, die in den verschiedenen Teilen unseres Organismus versteckten, winzigen „Maschinen" zu entdecken. Dabei hatte er das einzigartige Glück, keinen geringeren Forscher 5) Giacomo Sandri (1657-1718). 6) Ippolito Francesco Albertini (1662—1738). Seine Animadversiones super quibusdam difficilis respirationis vitiis a laesa cordis et praecordiorum structura pendentibus erschienen im 1. Band der De Bononiensi Scientiarum et Artium Instituto atque Academia Commentarti (Bologna 1731, 154—155, und 382—404 der „Opuscula") und wurden durch Moritz-Heinrich Romberg (1795— 1873) neu herausgegeben, in HIPPOLYTI FRANCISCI ALBERTINI, Opuscula, Berlin 1828. Vgl. PROSPER-JOHANN PHILIPP, „Albertinis Verdienste um die Lehre von den Herzkrankheiten", in Deutsche Klinik, 327-330, 340-342 (1853). 7 ) Wird außerdem in dem mit der Anmerkung 13 versehenen Teile des Textes erwähnt. 8) L. BELLONI, „Dal Borelli al Malpighi", in Atti della Società Italiana di Patologia, 10/2, 381 - 3 9 4 (1967); und in Simposi Clinici, 4, X V I I - X X I V (1967). 9 ) L. BELLONI, „II Primo Ventennio della Microscopia (Galilei 1610—Harvey 1628). Dalla Microscopia alla Anatomia Microscopica dell'Insetto", in Clio Medica, 4, 179—190 (1969). 10 ) Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf das hydrostatische Gleichgewicht der Fische; vgl. L. BELLONI, „Bionica del palombaro e del sommergibile dal Galilei al Borelli", in Simposi Clinici, 7, X V I I XXIV (1970). 11) L. BELLONI, „Suono e orecchio dal Galilei al Valsalva", in Simposi Clinici, 3, XXXIII—XLII (1966). 9
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als Malpighi auf diesen Weg zu bringen, und diesem gelang es, seine außergewöhnliche anatomische Handfertigkeit mit der Benutzung des Mikroskops zu verbinden. So geschah es, daß Malpighi 12 ) die mikroskopische Anatomie begründete und sich diese zunutze machte, um im Organismus eine mechanische Strukturierung zu erkennen: seine Entdeckungen gehen von den Lungenalveolen bis zu den Blutkapillaren, von den Tastrezeptoren zur Sekretionsmaschine, wie diejenige der Diurese mit dem wohlbekannten Malpighischen Körperchen und dem teils geraden und teils gewundenen Kanälchen. Auch das 1704 von Anton-Maria Valsalva (1666—1723)") m i t der tatkräftigen Mitarbeit des zweiundzwanzigjährigen Morgagni veröffentlichte Werk De aure humana erbrachte die Erforschung und die vermeintliche Auffindung des von Galilei vorausgesehenen Gehörrezeptors. Zwei Jahre später, 1706, erschien, immer in Bologna, das erste Werk Morgagnis: die Adversaria anatomica prima, worin seine tiefgehende Beobachtungsgabe ganz besonders zum Ausdruck kommt. Es handelt sich um eine Reihe feiner anatomischer Befunde im Sinne Malpighis, wenn auch mit größerer Vorsicht^) sowohl bezüglich des anatomischen Kunstgriffes als auch der Anwendung des Mikroskopes 15 ) durchgeführt: um eine Reihe neuentdeckter winziger organischer Maschinen, wie die Drüsen der Luftröhre, der männlichen Harnröhre, der weiblichen Scham, usw. Die Adversaria anatomica prima sicherten dem erst 24jährigen Morgagni bereits europäischen Ruf: 1708 wurde er Mitglied der Academia Naturae Curiosorum 16 ) und 1711 Professor an der berühmten Universität Padua. Bevor er den ihm zusagenden Lehrstuhl für Anatomie besetzte, las er vier Jahre lang theoretische Medizin, welche traditionsgemäß die Erläuterung klassischer Texte erforderte. Allerdings erachtete es Morgagni i?) als seine Aufgabe, statt diese Texte
Opere scelle a cura di L . Belloni (Turin, Utet 1 9 6 7 ) . HOWARD B. ADELMANN, Marcello Malpighi and the Evolution ofEmbryology (Ithaca N.Y. 1 9 6 6 ) . 13) Vgl. den in Anmerkung 11 erwähnten Artikel. 14) „Er hatte eine lobenswerte Furcht vor den Täuschungen der allzu scharfen Mikroskope, der Einspritzungen und anderer ähnlicher Beobachtungsweisen; deshalb zog er es eher vor, die Natur in ihrer Freiheit zu befragen... und nicht durch Kunstgriffe gezwungen, obwohl er einige Male auch davon Gebrauch machte. Er verabscheute es immer, die anatomischen Beobachtungen der Tiere auf die Menschen zu übertragen, was vor ihm nicht wenige getan hatten; aber er sezierte eine große Zahl von Tieren zur vergleichenden Anatomie:" Vgl. GIOSEPPE MOSCA, Vita di Giovambattista Morgagni (Neapel 1768), 34—35. 15) BRUNO ZANOBIO, „L'immagine filamentoso-reticolare nell'anatomia microscopica dal XVII al XIX secolo", in Physis, 2, 299 — 317 (1960); „Micrographie illusoire et théories sur la structure de la matière vivante", in Clio Medica, 6, 25—40 (1971). 16) Während des Vorsitzes von Lucas von Schröck (1646—1730). Im Jahre 1731 ernannte ihn der nachfolgende Präsident Johann Jakob Baier (1677—1735) zum „adiunctus praesidi". Vgl. L. BELLONI, „ A U S dem Briefwechsel von G . B. Morgagni mit L. Schröck und J. J. Baier", in Nova Acta Leopoldina, 36, Nummer 198, 107-139 (1970). 17) „De via atque ordine ab se in tradenda publice Medicina et Anatome servato epistola", in Opuscula miscellanea, I (Venedig 1763), 8. 12) M . MALPIGHI,
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selbst zu erklären, die zu behandelnden Themen daraus zu ziehen. Nachdem er also mit wenigen und möglichst klaren Worten ihre Behauptung dargelegt hatte, ging er sofort dazu über, mit ungleich größerer Ausführlichkeit zu erforschen, welches wohl — nach so vielen Entdeckungen und nach so vielen Erfahrungen — die damalige Stellung Galens und Avicennas wäre. Tatsächlich sind die Vorlesungen Morgagnis über die theoretische Medizin i») ein fortlaufender Beweis der Modernisierung seiner Lehrmethode, worin die im De recentiorum medicorum studio19), dem wissenschaftlichen Testament Malpighis, kodifizierte Richtung leicht zu erkennen ist. Eben von einem von Malpighi gelieferten Leitmotiv ausgehend, entwickelt Morgagni im De sedibus sein großartiges Werk: und es handelt sich um ein Leitmotiv, das in ganz einfacher Weise formuliert werden kann. Unser Organismus ist eine Zusammenfügung von zarten und durch das Mikroskop im Innern der Organe entdeckten Maschinen: und das Leben ist wohl das Ergebnis ihres harmonischen Funktionierens. Ebenso wie die anorganischen, so sind auch die organischen Maschinen der Beschädigung und der Abnutzung ausgesetzt, wodurch ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigt wird. Diese Schäden wirken sich auf ihre allerkleinsten Teilchen aus; aber auf Grund des damaligen Standes der zur Verfügung stehenden Instrumente ist eine zuverlässige Erforschung nur makroskopisch möglich, und zwar durch die am Sektionstisch erfaßbaren Organveränderungen20). Die durch diese Schäden bedingten funktionellen Veränderungen rufen im Haushalt des Organismus Störungen hervor, die sich in klinische Erscheinungen umsetzen, welche dem Sitz und dem Wesen der Schäden selbst entsprechen. Es ist das Programm, das im Titel von Morgagnis Werk zum Ausdruck kommt: De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis21). Die an einer Stelle des mechanischen Komplexes des Organismus durch die Anatomie entdeckte Schädigung ist der Sitz und die Ursache der Krankheit, oder besser, der klinischen Erscheinungen derselben. Diese sind nämlich als funktionelle Störungen aufzufassen, die durch den Schaden selbst bedingt sind.
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) G. B. MORGAGNI, Opera postuma: Lezioni di medicina teorica, II e III (Commento a Galeno), IV (Commento ad Avicenna), a cura dell'Istituto di Storia della Medicina dell'Università di Roma, Rom 1965, 1966 und 1969. 19 ) Sugli studi dei medici moderni; in M . MALPIGHI, Opere scelte, 491 —631. 20 ) „Erat enim illud pronunciatum, ut sanitatis, ita et morborum, plerorumque saltem, causas esse nostris sensibus omnino inaccessas, quippe in occultis invisibilium particularum conformationibus, et nexibus, et motibus, et viribus, eos motus, et nexus efficientibus, positas. Quod ut verum sit, non inde tamen sequitur, effecta quoque illarum causarum sensus fugere\ cadunt enim in partes manifestas, suntque eae ipsae, quas in his deprehendimus, pravae mutationes, evidentes internae causae plerorumque morborum." Aus der Widmung des III. Buches De sedibus. 21 ) De sedibus, et causis morborum per anatomen indagatis libri quinqué. Dissectiones et animadversiones, nunc primum editas, complectuntur propemodum innúmeras, medicis, chirurgis, anatomicis profuturas (Venedig 1761). 9»
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Die Ätiologie in unserem Sinne umfaßt hingegen die von Morgagni als „äußere" bezeichneten22) Ursachen, d. h. die traditionellen Umweltsverhältnisse, wobei auch die psychischen Einflüsse und noch mehr2*) die Arbeitsverhältnisse24) einbezogen sind. Der Parallelismus zwischen anatomischer Veränderung und klinischem Symptom kennzeichnet die sogenannten historiae anatomico-medicae, welche die Bausteine darstellen, womit Morgagni sein De sedibus aufbaut. Kasuistische Sammlungen dieser Art gab es auch vor Morgagni: und im besonderen das Sepulchretum25) von Théophile Bonet (1620—1689); aber es ist nach Laennec 26 ) „une compilation indigeste et incohérente", der die wesentlichen Vorteile des Werkes von Morgagni, und hauptsächlich die durch die direkte Erfahrung eines erstklassigen Anatomikers aufgeklärte Koordinationsarbeit, fehlen. Morgagni erwägt nicht nur die mit äußerster Sorgfalt und, ich möchte sagen, in erschöpfender Weise aus der vorausgegangenen Literatur herausgegriffenen „historiae anatomico-medicae": er beschreibt davon auch eine große Zahl unveröffentlichter 27 ): teilweise hatte er diese persönlich während sechzig Jahren anatomischer Tätigkeit gesammelt und teilweise hatte er sie von den Schülern Malpighis, also seinen Lehrern, erhalten. Ich denke hier vor allem an Valsalva, dessen wissenschaftlicher Nachlaß durch Morgagni in gewissenhafter Weise herausgegeben und erläutert wurde. Kurz, die erstveröffentlichte Kasuistik des De sedibus gehört nicht nur Morgagni, sondern der ganzen Schule Malpighis an, diesen selbst inbegriffen. Als Beispiel möchte ich hier eine unveröffentlichte, auf das Jahr 1689 zurückgehende „historia anatomico-medica" aus dem De sedibus28) anführen; einen glänzenden Fall von thrombophlebitischer 29 ) Splenomegalie mit wiederholtem Bluterbrechen. Albertini führte die Obduktion aus, Malpighi 30 ) trug die wesentlichen Elemente in sein Notizbuch ein, und Morgagni verwendete in seinem De sedibus die ausführliche Beschreibung Valsalvas. 22) Und im Titel selbst „Index secundus Morbos, et Symptomata exhibens, illorumque externas causas, aetates extremas, vitae genus, artes, et alia ejusmodi" betonten (die Kursivschrift ist von uns!). 23) Vgl. „artes" in Anmerkung 22. 24 ) Die De morbis artificum diatriba von Bernardino Ramazzini (1633 — 1714) war um 1700 in Modena erschienen. 25) Sepulchretum sive anatomia practica, ex cadaveribus morbo denatis, proponens historias et observationes omnium pene humani Corporis affectuum, ipsorumque Causas reconditas revelans. Quo Nomine tarn Pathologiae Genuinae, quam Nosocomiae Orthodoxae fundatrix, imo Medicinae Veteris ac Novae Promptuarium dici meretur (Genf 1679). Die 2. Ausgabe, durch Jean-Jacques Manget (1652—1742) „wenigstens um einen Drittel vermehrt", erschien um 1700 ebenfalls in Genf. 2«) Traité inédit sur l'anatomie pathologique .. .préface par V. Cornil (Paris 1884), 37. 27) Vgl. den in Anmerkung 21 vollständig angeführten Titel. 28) XXXVI, 11-16. 29) „in Splenicae venae trunco polyposae concretiones latebant, quae cum ejus venae ramis perbelle se vel intra splenem dividebant." 30 ) MALPIGHI, Opere scelte, 4 4 7 — 4 4 8 .
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Unter verschiedenen Vermutungen zur Erklärung des Bluterbrechens beruft sich Morgagni auf die Verhinderung des Rückflusses des Blutes aus dem Magen längs der Vena gastrica brevis und auf die nachfolgende Bildung von Varizen und deren Zerreißung. Die Hypothese ist physiologisch annehmbar, aber sie steht im Gegensatz zu der im Sektionsprotokoll fehlenden Angabe von Magenvarizen: und eben diese, uns wohl bekannte eventuelle Unauffindbarkeit bietet Stoff zu einer weitgehenden Diskussion mit ausführlichen Bezugnahmen auf die vorausgegangenen historiae anatomico-medicae von Bluterbrechen mit oder ohne Splenomegalie. Es wird auch ein von van Swieten in den Commentaria3i) mitgeteilter plötzlicher Todesfall nach Hämatemese und Melaena erwähnt: „In cadavere, cum quibusdam amicis, in anatome satis versatis, lustravi magna cum cura omnia viscera abdominalia, nec ullum vas ruptum invenire potuimus.. .". Morgagnis Erörterung erweitert sich auch auf andere physiopathologische Probleme. Warum hatte sich der Umfang der Milz nach dem Bluterbrechen vergrößert, anstatt sich — wie in anderen Fällen — zu verringern? Warum trat nach dem Bluterbrechen Fieber ein? Diese und andere Fragen werden sehr sorgfältig im Lichte der Physiologie erörtert, deren Bedeutung offensichtlich ist, da sie die Elemente liefert, um von der Schädigung der Maschine auf ihre funktionelle Störung zurückzugehen. Die Anordnung des De sedibus entspricht wesentlich derjenigen einer „practica medicinae": d. h. das herkömmliche Lehrbuch für spezielle Pathologie, mit seiner typischen Gliederung des Stoffes „a capite ad calcem". Aber die Gegenüberstellung mit einer „practica" — sagen wir — des 15. Jahrhunderts läßt einen tiefgehenden Unterschied erkennen, der eben in der beträchtlichen Einfügung anatomischer Befunde und der physiologischen Voraussetzungen besteht, die es erlauben, sie mit den klinischen Erscheinungen in Beziehung zu bringen: kurz, die neuen Erkenntnisse der Struktur und der Funktion eines mechanisch erfaßten Organismus. Neben der Feinheit der Beobachtung, die der Schule eigen ist, neben der Logik und der Sprache derselben, d. h. ein meisterhaft — für uns leider zu meisterhaft — beherrschtes Latein, sticht fortwährend das ungeheure Ausmaß von ausführlichen Angaben hervor, sowie die sorgfältige und zuverlässige Sammlung der Quellen, die durch genaue und sogar kleinliche Angaben bezeugt wird. Man kann wohl sagen, daß Morgagni — oft als feinfühliger Historiker — die gesamte vorausgegangene Literatur kennt: diese ist, zusammen mit den direkt von ihm beobachteten Befunden, in seinem außergewöhnlichen Gedächtnis immer gegenwärtig und erlaubt ihm, jene großartige Synthese aufzubauen, die sich im De sedibus verwirklicht. Diese Synthese ist das Ergebnis fortwährender Vergleichsprüfungen: zwischen zwei oder mehr ähnlichen anatomischen Befunden; zwischen ähnlichen klinischen Symptomen sowie zwischen Befunden und Symptomen. In dieser Weise wird eine ununterbrochene Reihe von Beziehungen festgelegt: eine unaufhörliche Arbeit der Koordination, der Zusammenfügung, die mit größter 3i) Paragraph 950.
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Geschicklichkeit die wertvolle Hilfe der vier zum Teil großartigen Verzeichnisse ausnützt, deren Bedeutung von Morgagni selbst in seiner E i n f ü h r u n g 32) besonders ausdrücklich hervorgehoben wird. So konnte Morgagni an der Schwelle seines 80. Lebensjahres und in voller Geistesklarheit das Meisterwerk seines Lebens veröffentlichen: das Werk, das durch die Systematisierung der pathologischen Anatomie deren Bedeutung als Bestandteil der Medizin und als Voraussetzung für ihre weitere Entwicklung bewies. Es war die Zeit der großen Synthesen: die Encyclopédie des arts et métiers von Diderot und D'Alembert, die Histoire naturelle von Buffon und besonders die Elementa physiologiae von Haller und die Commentaria von van Swieten, welche, in dem von Erna Lesky 33 ) angegebenen Sinne, Weiterentwicklungen der Institutiones bzw. der Aphorismen von Boerhaave darstellen, die in ihrer Knappheit vorzügliche Synthesen sind. Und eben Herman Boerhaave (1668—1738), der „communis Europae praeceptor", ist es, der van Swieten und die erste Wiener Schule mit der Iatromechanik der Schule Galileis verbindet. Dieses Thema ist aber zu weitläufig, um hier angemessen behandelt zu werden. Ein typisches Beispiel des von Malpighi auf Boerhaave ausgeübten Einflusses ist die Drüsenlehre, wovon in dem 1968 in Leiden abgehaltenen Symposium „Boerhaave and his Time" gesprochen wurde 34 ). 1687 waren in Leiden Malpighis Opera omnia erschienen und 1698 in Amsterdam die Opera posthuma, die sein großes methodologisches Werk De recentiorum medicorum studio*5) enthalten. Es folgen die Leidener Neudrucke der Werke von Lorenzo Bellini (1643—1704), des De motu animalium von Borelli, der Adversaria anatomica von Morgagni und die erste Ausgabe der Epistolae anatomicae duae36) ebenfalls von Morgagni, die 1728 von Boerhaave selbst besorgt wurde 37 ). Durch seine 1724 veröffentlichte Beschreibung des spontanen Risses der Speiseröhre38) hinterließ uns Boerhaave eine meisterhafte „historia anatomico-medica". Sowohl in den Lehrbüchern über Medizingeschichte als in jenen über Pathologie, wird heute Morgagni einstimmig als der Begründer der Organpathologie betrachtet, 32) Paragraph 1 6 - 1 8 . 33) ERNA LESKY, „Albrecht von Haller, Gerard van Swieten und Boerhaavens Erbe", in Gesnerus, 15, 1 2 0 - 1 4 0 ( 1 9 5 8 ) . 34
) L. BELLONI, „Boerhaave et la doctrine de la glande", in G. A. LINDEBOOM [ed.], Boerhaave and his Time ( L e i d e n 1970), 6 9 - 8 2 .
35) Auch in Anmerkung 19 angeführt. 36) Epistolae anatomicae duae Novas Observationes, et Animadversiones complectentes, quibus Anatome augetur, Anatomicorum Inventorum Historia evolvitur, utraque ab erroribus vindicatur ( L e i d e n 1728).
37) L. BELLONI, „Contributo all'epistolario Boerhaave-Morgagni. L'edizione delle Epistolae anatomicae duae Leida 1728", in Physis, 13, 8 1 - 1 0 9 (1971). 38) Atrocis, nec descripti prius, morbi historia, secundum medicae artis leges conscripta ab Hermanno Boerhaave (Leiden 1724). Vgl. G. A. LINDEBOOM, Herman Boerhaave: The Man and his Work ( L o n d o n 1968), 1 5 3 - 1 5 7 .
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d. h. jener Richtung, die von einigen Pathologen unseres Jahrhunderts angeklagt wird, die Einheitlichkeit unseres Organismus zu zergliedern. Epistemologisch interessierte Pathologen — unter anderen auch Ludwig Aschoff (1866—1942) — stellten demnach sogenannte „holistische" Systeme39) auf, um diese Einheitlichkeit zu bewahren. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Morgagni Lokalismus und Holismus, Solidismus und Humorismus völlig einander anzupassen versteht. Wenn er die Schädigung einer organischen Maschine dem Sintern oder der Ätzung durch Säuren zuschreibt, so bezieht er sich auf einen holistischen Humorismus mit iatrochemischem Einschlag, wie wir ihn auch in der Krasenlehre von Karl von Rokitansky (1804—1878) wiederfinden, dessen Abstammung von Morgagni heute noch auf der Fassade seines Instituts bezeugt wird: INDAGANDIS SEDIBUS ET CAUSIS MORBORUM
Indem wir diese holistischen, humoristischen, iatrochemischen Aspekte erkennen, müssen wir aber besonders hervorheben, daß gerade die Organpathologie jene Seite des Werkes von Morgagni darstellt, welche die nachfolgende Entwicklung der Medizin wesentlich beeinflußte. 1. Das Erscheinen des De sedibus erbrachte als darauffolgende Etappe das Herausgreifen von pathologisch-anatomischen Einheiten aus der nunmehr reichlichen und koordinierten Kasuistik. Diese Einheiten entsprechen den von der empiristischen Nosologie individualisierten Krankheitsarten. Es ist die Typisierung der Organveränderungen, wie wir sie in der 1793 in London erschienenen Morbid anatomy 40) von Matthew Baillie (1761 — 1823) finden werden: d. h. die pathologische Anatomie im engeren Sinne. 2. Die Richtlinie „de sedibus" rief die neue sogenannte innere Klinik hervor, die es sich zur Aufgabe macht, die Organveränderungen im Lebenden zu erkennen. Albertini41), ein Schüler Malpighis und ein Lehrer Morgagnis, greift zur Palpation der Brust („applicita ad thoracem manu"), um bei Herzvergrößerung die Hypertrophien („vitia generis aneurysmatici") von den Erweiterungen („vitia generis varicosi") zu unterscheiden. Von ganz anderer Bedeutung war die bereits erwähnte Perkussion der Brust, ein Verdienst der ersten Wiener Schule«), die in Paris dank Jean-Nicolas Corvisart (1755—1821) ihre volle Anerkennung finden wird 43 ), und zwar kurz bevor das 39
40)
41
) «) 4
„Metaphysical trends in modern pathology", in Bulletin of the History of Medicine, 26, 7 1 - 8 1 (1952). The morbid anatomy of some of the most important parts of the human body (London 1793), und nachfolgend der entsprechende Atlas: A series of engravings, accompanied with explanations, which are intended to illustrate the morbid anatomy of some of the most important parts of the human body (London 1799-1802). Vgl. Anmerkung 6. Vgl. Anmerkung 2. BERNHARD NOLTENIUS, „Zur Geschichte der Perkussion von ihrer Bekanntgabe durch Auenbrugger (1761) bis zu ihrer Wiederbelebung durch Corvisart (1808)", in [SUDHOFFS] Archiv für
) CLAUDIUS F . MAYER,
')
Geschichte der Medizin,
1, 3 2 9 - 3 5 0 , 4 0 3 - 4 2 8 (1908).
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Werk Morgagnis durch die Stethoskopie von Rene-Theophile-Hyacinthe Laennec (1781 — 1826) in vollkommenstem Sinne des Ausdruckes wiederauflebte. Die durch den Zylinder erfaßbaren Geräusche und Töne rufen in dem Geiste von Laennec ein optisches Bild hervor: das Bild einer intrathorakalen Veränderung, die er am Sektionstisch kennengelernt hat und die er gegebenenfalls bei der Obduktion seines Patienten wiederzufinden gedenkt. Daher stammt die Benennung „Stethoskopie", die Skopie des Brustkorbes, da es sich eigentlich um eine im Lebenden vorgenommene thorakale Autopsie handelt, welche die heute durch die Röntgenstrahlen üblich gewordene vorwegnimmt44). Kennzeichnend ist die Tatsache, daß der 1819 erschienenen Abhandlung 45 ) Laennecs ein Jahr später in Paris die lateinische Neuausgabe des De sedibus und die französische Übersetzung 46 ) folgt. 3. Die Richtlinie „de sedibus" war vom Organlokalismus auf den Gewebelokalismus übertragbar. Vorläufer dieser Übertragung war Domenico Cotugno (1736—1822), den man als den bedeutendsten Anhänger Morgagnis in Italien betrachten kann. 1769 erkannte Cotugno die schichteigenen Veränderungen der Haut im Verlaufe des Pockenprozesses (De sedibus variolarum syntagma) 47). Er hatte bereits in der nervösen Ischias eine Veränderung erkannt, die vorerst den „bindegewebigen" Bestandteil des Nervs und nur sekundär den eigentlichen nervösen Bestandteil betrifft. Als Cotugno 1764 sein Werk De ischiade nervosa veröffentlichte, widmete er es Gerard van Swieten, den er den jungen Schülern als einen hervorragenden Vertreter der sich auf die pathologische Anatomie stützenden rationellen Medizin weist: „... illustre exemplar summae artis peritiae, profectae in primis ab eximia notitia corporis humani".
L. BELLONI, „L'enfisema polmonare individuato dalla stetoscopia del Laennec", in Simposi Clinici, 6, XXXIII—XL (1969). 4S ) R . - T H . - H . LAENNEC, De l'auscultation médiate ou Traité du diagnostic des maladies des poumons et du cœur, fondé principalement sur ce nouveau moyen d'exploration (Paris 1819). 4S ) Recherches anatomiques sur le siège et les causes des maladies, par J. B. Morgagni; traduites du latin par MM. A. Desormeaux,.. .et J. P. Destoüet... (Paris 1820/4). 47 ) L. BELLONI, Auf dem Wege zur Gewebepathologie: 1769 erkennt Cotugno die schichteigenen Veränderungen der Haut im Verlaufe des Pockenprozesses, in H. H. EULNER et al. [ed.], Medizingeschichte in unserer Zeit (Stuttgart 1971), 245—258. Über die Beziehungen zwischen Cotugno und Morgagni vgl. L. BELLONI, Lettere del 1761 fra D. Cotugno e G. B . Morgagni, in Physis, 12, 415-423 (1970).
PIO NICOLÒ GARELLI PREDECESSORE DEL VAN NELLA HOFBIBLIOTHEK
SWIETEN
Di GIUSEPPE RICUPERATI
E' noto come in tutti gli stati dell'Ancien Régime la figura del bibliotecario di corte fosse complessa e ricca di molteplici significati politici. Non era semplicemente un intellettuale influente. Il suo ruolo implicava inevitabilmente una serie di rapporti con alcune strutture del potere, come l'insegnamento, la stampa, la censura, le istituzioni culturali1)- Nel modello fornito soprattutto dall'assolutismo francese il bibliotecario assolveva a parecchi impegni, non solo attraverso la custodia dei libri più importanti per la politica gallicana, ma per esempio favorendo l'elaborazione di una letteratura ad usum delphini. Spesso dava direttamente lezione ai figli del sovrano. Ci sono naturalmente delle differenze di tempo e di luogo. La Francia di Luigi XIV era una società così sviluppata dal punto di vista culturale e così articolata nelle sue istituzioni che naturalmente si era prodotto un certo decentramento o meglio una distribuzione dei poteri, per cui la figura del bibliotecario si era in qualche modo specializzata diventando più simile a quella attuale. La politica culturale dello stato passava ormai per canali molto complessi, come le grandi accademie delle Scienze e delle Iscrizioni e Belle Lettere. La stessa censura dello stato aveva trovato in alcune figure istituzionali (dai Parlamenti al Cancelliere) una definizione precisa e una direzione coerente, che avevano tolto gli spazi residui a quella esercitata dal clero2). Molto diversa era quindi la situazione dell'Impero
!) Basti pensare, per quanto riguarda l'Italia, al ruolo di Antonio Magliabechi, bibliotecario dei Medici, o a quello di Benedetto Bacchini, bibliotecario degli Este a Modena dal 1697, o ancora a quello di Ludovico Antonio Muratori, che sostituì nel 1700 il Bacchini all'Estense. Per esempio l'intervento di quest'ultimo nella polemica di Comacchio è legato alla sua carica di bibliotecario ed archivista. 2 ) Per quanto riguarda i bibliotecari francesi e i loro compiti, si può far riferimento, dopo Isaac Casaubon, a Nicolas Rigault (1577—1654), amico del de Thou e custode della biblioteca del re; ai fratelli Dupuy, Pierre (1582—1651), collega e amico del Rigault (che ne scrisse una biografia), autore del Traité des droits et des libertés de l'église gallicane nel 1639, Jacques (morto nel 1656) anch'egli bibliotecario e difensore della tradizione gallicana. Mentre la figura di Camille Letellier de Louvois (1675—1718) bibliotecario di Luigi XIV, si spiega soprattutto con la potenza del padre ministro, molto indicativa è la personalità di Jean-Paul Bignon (1662—1743), gallicano, organizzatore e presidente per oltre quarant'anni dell'Accademia, capo della censura dal 1700 al 1714, consigliere di stato dal 1701, direttore del „Journal des Sçavants" e, dal 1718 bibliotecario del sovrano. Dopo di lui, la figura del bibliotecario si specializza. Cfr. H. J. M A R T I N , Livre, pouvoirs et sociétés a Paris au XVII siècle (1598-1701), Genève 1969, voli. 2, II, pp. 757-772
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dove non solo mancava (in Austria) una cultura con caratteristiche così creative come in Francia, ma dove il monopolio della censura era ancora saldamente in mano agli ecclesiastici3). Inoltre il carattere polinazionale dell'Impero si rifletteva, almeno nei secoli XVII—XVIII, nella scelta dei bibliotecari di corte. Proprio perchè essi erano implicitamente i custodi e gli interpreti di complesse esigenze culturali, non solo austriache, dovevano avere caratteristiche particolari. E' solo il caso di ricordare per esempio Peter Lambeck, tedesco ed ex-protestante, o ancora, le vicende di Daniel de Nessel4). In Austria il bibliotecario di corte, oltre a mediare tradizioni culturali molto diverse, da una parte doveva essere per il sovrano un preciso e prudente interprete del giurisdizionalismo, dall'altra assolvere al compito di sollecitazione culturale e rappresentare (per molto tempo) l'unica presenza laica che coesistesse con il monopolio ecclesiastico della censura. Con gli inizi del secolo, in una fase complessa di riorganizzazione e di apertura politica al mondo italiano, venne infatti scelto un tirolese di formazione italiana, monsignor Giovanni Benedetto Gentilotti5). E' in qualche modo ancora il segno di una «cultura di frontiera» che viene collegato al ruolo di Prefetto della biblioteca. Il Gentilotti, inviato nel 1707 come segretario del viceré Martinitz a Napoli, vi rimase per qualche mese (fino al 1708), iniziando a stringere quei rapporti con il mondo intellettuale napoletano che solo in parte sono riassumibili nella politica di spoliazione dei conventi partenopei a favore della biblioteca imperiale, come fu sostenuto dagli eruditi italiani dell'8006). In realtà Napoli era uno dei centri più vivi della cultura italiana e la sua esperienza intellettuale non può essere ridotta ai pochi grandi nomi che una tradizione storiografica ha isolato e in qualche modo esaltato. Accanto al Vico e al Giannone c'è tutta una realtà di esperienze culturali di notevole vivacità solo in parte riflesse nelle istituzioni tradizionali come l'università e che talvolta utilizzano ambienti meno conformistici, dalle accademie ai salotti. Inoltre si tratta di una cultura che ha i suoi punti di riferimento nell'evoluzione del «ceto civile»7), cioè di quella parte della popolazione che gli strumenti intellettuali, professionali o anche talvolta le ricchezze e le possibilità di investisul Bignon. Cfr. anche R. ESTIVAL, La statistique bibliographique de la Frartce sous la monarchie au XVIIIsiècle, Paris 1965, pp. 25—62. Sull'evoluzione della „librairie" nel secolo XVIII cfr. anche AA. VV., Livre et société dans la France du XVIII siècle, Paris-La Haye 1965; 1970. 3 ) G . KLINGENSTEIN, Staatsverwaltung und kirchliche Autorität im 18. Jahrhundert. Das Problem der Zensur in der theresianischen Reform, Wien 1970. Sulla cultura austriaca cfr. R. H. K A N N , A Study in Austrian intellectual History, New York 1960. 4 ) I . MOSEL, Geschichte der k. k. Hofbibliothek zu Wien, Wien 1 8 3 5 . 5) Cfr. oltre al Mosel, la voce del Michaud. Importanti notizie sul Gentilotti fornisce però l'epistolario di Apostolo Zeno, che a Vienna fu suo amico e, dopo la morte, inviò al fratello materiale e giudizi per un suo profilo sul „Giornale de' letterati". Cfr. A. ZENO, Lettere di..., Venezia 1785, voli. 6, IV, lettera al fratello P. Caterino da Vienna 8 dicembre, 1725, pp. 7 5 - 7 7 ; lettera allo stesso del 29 dicembre 1725, pp. 77-81. 6 ) H. BENEDIKT, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI., Wien-Leipzig 1 9 2 7 , pp. 5 9 6 — 5 9 7 . 7 ) In questo senso è stato fondamentale il libro di N. BADALONI, Introduzione a G. B. Vico, Milano 1 9 6 1 . Sugli studi più recenti cfr. G . Q U A Z Z A , La decadenza italiana nella storia europea. Saggi sul Sei-Settecento, Torino 1971, pp. 61 —85.
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menti fanno distinguere sia dai nobili di «seggio» sia dalla plebe. Con gli esponenti di tale cultura il Gentilotti prese contatto, mentre sie preparava da parte del ceto civile non solo una alleanza organica con il regime austriaco, ma l'apertura di un conflitto con la Curia romana che sarebbe stato uno degli episodi più vitali ed articolati dell'esperienza asburgica a Napoli. Era la cultura dei grandi funzionari intellettuali che Carlo d'Asburgo avrebbe reclutato nel Meridione, da Gaetano Argento a Costantino Grimaldi, da Alessandro Riccardi al Giannone, una cultura che avrebbe trasformato la tensione giurisdizionalistica (che partiva da Vienna e coinvolgeva vari problemi, vecchi e nuovi) in qualcosa di ben più ricco e articolato, come mostra per esempio l'ultimo frutto di questa esperienza, L'istoria civile del regno di Napoli6). Il Gentilotti rimase in buoni rapporti con gli intellettuali meridionali e li utilizzò per cercare libri e manoscritti. Aprì i contatti con gli «Acta eruditorum» di Lipsia e con il Muratori 9 ); proseguii lavori di classificazione del Lambeck e del Nessel, ma le sue fatiche dovevano in gran parte restare inedite10). Concluse la sua carriera di bibliotecario nel 1723, diventando auditore della S. Rota a Roma. Ebbe solo il tempo di incontrare a Vienna Pietro Giannone, giunto nella capitale asburgica per salvarsi dalle persecuzioni e presentare al sovrano e al consiglio di Spagna la sua opera. Non è quindi un caso che Carlo VI abbia nominato prefetti della biblioteca imperiale due italiani: Alessandro Riccardi e Pio Nicolò Garelli. Entrambi erano esponenti di una tradizione intellettuale, politica e religiosa in pieno rinnovamento in Italia. L'uno proveniva dal Meridione che dal 1707 apparteneva all'Austria;
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) Cfr. il mio L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, Milano-Napoli 1971. 9) Sotto il falso nome di Angelo Fonteio nel 1717 aveva attaccato un annuncio dato da Bernard Pez agli „Acta eruditorum". I giornalisti di Lipsia negli „Acta eruditorum" del 1716, pp. 30—48 avevano pubblicato un Conspectus insignis codicis diplomatico-historico Epistolaris Undarici Babenbergensis ex autogràpho ut quidem vide tur, datus ad Actorum eruditorum Lips. Collectores a R. P. B. Pez benedectino et bibliothecario Monasterii Mellicensis in Austria, anno 1716. L'anno successivo era apparsa appunto l'operetta ANGELI FONTEI, Veronensis, Epistola ad V. CI. Joan. Burchardum Menkenium Lipsiensem ... che recava come luogo di edizione Verona. La critica più rilevante era quella che il Pez nelle notizie sul codice avesse preso per inediti testi già stampati. Il „Giornale de' letterati d'Italia", tomo XXVIII, 1717, recensendo l'operetta, mostra come non sia di un veronese, ma composta piuttosto in Germania e come il Maffei (che vi era chiamato in causa come suggeritore di alcune osservazioni critiche) fosse invece all'oscuro di tutto. Lo Zeno, più tardi, scrivendo al fratello le notizie sul profilo del Gentilotti, già citate, gli attribuisce con sicurezza questo scritto. Per i rapporti con il Muratori cfr. il mio La difesa dei „Rerum italicarum scriptores" di L. A. Muratori in un inedito giannoniano in „Giornale storico della letteratura italiana", voi. CXLII, fase. 439, 1965, pp. 388—418. Un'analisi di un suo breve inedito sull'insegnamento della storia, che mostra chiaramente le sue simpatie gallicane, in L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 231 —235. 10) Sulla mancata pubblicazione dei cataloghi del Gentilotti giacenti ora a Vienna (Ser. n. 2207— 2221), che era stata data per imminente dagli „Acta eruditorum lipsiensium", 1727, p. 288 in un Corpus scripforum de A. Bibliotheca Vindobonensi, può essere interessante la notizia da me riportata in L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit. p. 245. che documenta un'opposizione dello Spannagel.
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l'altro da una alta tradizione scientifica e nello stesso tempo di servizio a corte. Essi garantivano in qualche modo insieme il rapporto con le esperienze più avanzate del rinnovamento civile italiano, una politica culturale e religiosa orientata verso la laicità, l'apertura ad esperienze internazionali. Alessandro Riccardi 11 ) è stato un personaggio piuttosto rilevante sia nell'ambito politico, sia in quello religioso. Tipico esponente del «ceto civile», era emerso faticosamente nella Napoli dei primi del '700 grazie all'avvocatura. Al cambio di regime iniziò il suo curriculum politico. Fu l'autore di una delle prime richieste di grazie al sovrano austriaco in nome della cittadinanza napoletana e del proprio gruppo, tracciando le linee di una politica verso Roma che avrebbe in seguito approfondito in ardenti libelli12). In essi non vi è soltanto l'analisi di una politica di rapina della corte romana verso Napoli, ma anche la denuncia dell'ignoranza del clero e delle condizioni di miseria in cui l'ingiusta utilizzazione dei benefici spesso lo riduceva. Era implicito il modello dell'esperienza gallicana. Protagonista delle lotte anticuriali promosse a Napoli dal «ceto civile», condannato a Roma insieme con altri grandi funzionari ed intellettuali, come Gaetano Argento e Costantino Grimaldi, aveva assunto posizioni sempre più radicali. Dopo un soggiorno a Barcellona, era diventato avvocato fiscale del Consiglio di Spagna. Questa esperienza lo aveva allontanato da Napoli con tutta la famiglia. Aveva quindi aperto una casa a Vienna che era un pò il centro di raccolta e di incontro degli italiani e soprattutto dei partenopei di idee anticuriali. Dalla generazione precedente aveva ereditato la passione per la letteratura toscana e il culto del Trecento e di Dante; della propria condivideva il ritorno a Cartesio, soprattutto nelle reinterpretazioni successive, come era stato per esempio realizzato nell'accademia Medina-Coeli. Il gusto degli incontri intellettuali, fra l'accademia e il salotto, non lo abbandonò mai. Dante e Cartesio erano generalmente i soggetti delle conversazioni che si tenevano nella sua dimora di Vienna, secondo quanto rievoca il Giannone 13 ). E questi non era certo l'unico meridionale ad avervi trovato conforto e protezione. Per esempio Nicolò Forlosia (che sarà primo custode della Hofbibliothek) era un protetto del Riccardi. Quando infatti questi, verso la fine del 1724, chiese un congedo all'imperatore e parti per un viaggio verso Napoli, si portò con sè un fratello del Forlosia, Basilio14). Il viaggio durò circa due mesi, con tappe a Salisburgo, Augusta, poi Venezia, Firenze, Roma e infine, nel dicembre, l'arrivo a Napoli. Già durante il viaggio, aveva raccolto libri e manoscritti, ma aveva fatto spaventare gli amici che temevano il suo arresto da parte del S. Ufficio. Rimase a Napoli per tutto il 1725, chiedendo una proroga all'imperatore di altri sei mesi. Ma l'averla ottenuta, invece di fargli piacere, gli fece sentire contraddittoriamente un profondo senso di inutilità e, peggio, gli diede l'impressione di essere stato vittima di una
11) Cfr. il mio Alessandro Riccardi e le richieste del „ceto civile" all'Austria nel 1707, in „Rivista storica italiana", 1969, fase. IV, pp. 745-777. 12) Vedila ivi, pp. 770-777. 13) P . GIANNONE, Vita scritta da lui medesimo in Opere, a cura di S . BERTELLI e G . RICUPERATI, Milano-Napoli 1972. 14 ) Per tutti questi awentimenti rinvio al mio articolo Alessandro Riccardi, cit.
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congiura orditagli dal Garelli per allontanarlo de Vienna. In questo stato d'animo morboso scrisse lettere drammatiche agli amici rimasti a corte e che invano cercarono di persuaderlo del contrario. Deciso a tornare a Vienna verso la fine dell'anno 1725, intraprese il viaggio in condizioni già precarie di salute. Gli amici di Vienna e Basilio Forlosia, restato a Napoli, per qualche tempo non ebbero più sue notizie. Finalmente si seppe che l'imbarcazione aveva fatto naufragio in un'isoletta dalmata e che il Riccardi era a Venezia, salvo, anche se sempre più malandato. Qui aveva ricevuto ed accettato l'invito da Scipione Maffei di recarsi a svernare a Verona, per farsi curare da Antonio Vallisnieri. Ma il 29 marzo 1726 Scipione Maffei ne annunciava la morte improvvisa al Forlosia 15 ). Si sparse fra l'altro la voce che gli Inquisitori avessero fatto arrestare e perfino strangolare il Maffei per aver ospitato e poi reso onori funebri al Riccardi. La diceria dell'arresto era infondata, ma che il Veronese avesse avuto qualche fastidio lo testimonia una lettera del 1744, dove il Maffei fa riferimento al periodo in cui soggiornò a casa sua quel «calvinizzante matto del Riccardi» 16 ). La morte cancellò fra gli amici viennesi qualsiasi ombra di risentimento che poteva essere stata provocata dall'estrema mania di persecuzione rivelata dal Riccardi, per la quale si era dovuto organizzare una specie di giurì d'onore e scagionare completamente il Garelli !?). Questi, anche per smentire definitivamente le voci maligne, non solo si occupò degli onori funebri, ma scrisse l'epigrafe. In oltre: dovette intervenire perchè gli stessi gli fossero resi anche a Napoli dove la persistente fama di eretico faceva sorgere dure resistenze, soprattutto data la tendenza filo-curiale del viceré cardinale Althann. Il Riccardi lasciava una ricca biblioteca che confluirà poi, per acquisto, nella Palatina. Oltre alle lettere che han permesso la ricostruzione delle sue ultime vicende, il Riccardi avera seritto una specie di Zibaldone18) delle dottrine ree e buone che raccoglieva in maniera informale i suoi appunti di carattere filosofico e religioso. Pio Nicolò Garelli fu Prefetto della biblioteca Palatina dal 1723 al 1739. Su di lui e sul padre Giambattista, ugualmente medico di corte, esiste una biografia ottocentesca, accuratissima e un pò estrinseca, scritta da Gustav Suttner 19 ), un lontano discendente dei Garelli. Questa fornisce un materiale notevole, ma ben poche idee sul ruolo effettivo nella cultura austriaca, in quanto tutto viene appiattito dal taglio un pò agiografico della storia di famiglia. 15) Vedila ivi, pp. 766-767. I) S. MAFFEI, Epistolario, 17
a c u r a di C. GARIBOTTO, M i l a n o 1955, voli. 2, II, p. 1095.
) Vedilo in S. BERTELLI, Giannoniana. Autografi, manoscritti e documenti della fortuna di P. Giannone, Milano-Napoli 1968, pp. 442—443, Manifesto per Garelli intorno al S. Riccardi, da Vienna 10 novembre 1725. 18) Alla Biblioteca Palatina di Vienna (codd. 10423 -24). 1») G. SUTTNER, Die Garelli. Ein Beitrag zur Culturgeschichte des XVIII. Jahrhunderts, Wien 1888. Questa biografia che per prima utilizza il codice della Palatina 9337u corregge i numerosi errori delle precedenti, soprattutto italiane, da S. MAZZETTI, Repertorio di tutti i professori antichi e moderni della famosa università e del celebre istituto delle Scienze di Bologna ..., Bologna 1848, pp. 141 —142, al FANTUZZI, Notizie degli scrittori bolognesi, IV, Bologna 1884, pp. 61—63.
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Giambattista Garelli, bolognese, era stato chiamato a Vienna nel 1679, quando Pio Nicolò aveva soltanto quattro anni, durante una pestilenza. Era destinato ad essere il medico di corte di tutti gli imperatori fino a Carlo VI. Il figlio a sua volta aveva studiato a Bologna, prima al Collegio dei Poeti e poi alla facoltà di medicina dove era stato allievo di Paolo Mini e di Giovanni Girolamo Sbaraglia. Si laureò il 26 marzo 1695. E' difficile dire qualcosa di preciso sulla sua formazione scientifica e sulla sua eventuale adesione alle polemiche che contrapposero il Mini e lo Sbaraglia (del resto due personalità scientifiche molto diverse) al Malpighi, il quale aveva abbandonato Bologna per Roma nel 1691. In questo senso non ci sono d'aiuto nè Theses Physico-medicae qnas in Patrio Lyceo publice disputandas Gloriosissimo invictissimo Leopoldo I Romanorum Imperatori Semper Augusto Humillime vovet et sacrai Pius Nicola Garelli, Philosophiae et Medicinae doctor20), elenco schematico delle proposizioni che il giovane si impegnava a difendere, né l'introduzione al De vivipera generatione scepsis sive dubia contra viviperam generationem ex ovo del suo maestro Sbaraglia21), pubblicata l'anno successivo, che non contiene alcun elemento indicativo di una scelta scientifica ed è piuttosto indirizzata ad ingraziarsi il sovrano austriaco. Comunque il Garelli nello stesso anno 1696 si trasferì a Vienna e cominciò a insegnare all'università. Seguì successivamente Carlo nelle sue peregrinazioni per l'Europa ed ebbe occasione di visitare Germania, Olanda, Inghilterra e Portogallo. La sua posizione a corte si rafforzò naturalmente quando Carlo divenne imperatore. Non solo fu medico imperiale, ma membro influente della facoltà di medicina, fino a raggiungere la carica di Decano fra il 1715 e il 17 1 6 22 ). Negli anni che precedono la sua nomina a Bibliotecario, compare nei documenti ufficiali come archiatra, cavaliere e consigliere del sovrano 23 ). La nomina a Prefetto della Biblioteca insieme con Alessandro Riccardi era in qualche modo la testimonianza della stima, fiducia e simpatia dell'imperatore verso il proprio medico che era non solo una figura notevole di professionista, ma anche un intellettuale ormai apprezzato. Mi pare interessante cogliere in quest'esperienza (che anticipa anche esteriormente quella del van Swieten)24) come il Garelli abbia agito da organizzatore della cultura, utilizzando tutti i suoi ruoli, da quello di membro influente della facoltà di medicina e archiatra, a quella di consigliere e bibliotecario imperiale. Era un uomo ormai maturo, coltissimo, nel pieno delle energie intellettuali. Dalla fine del 1724, cioè dal momento del congedo del Riccardi, rimase fra l'altro solo, ma in pratica era sempre stato l'unico ad occuparsi sul serio della biblioteca. Dopo la morte del Riccardi la sua dimora divenne il centro di un'intensa vita intellettuale. Fondamentali sono in questa direzione i rapporti con Ludovico Antonio Muratori. Già Alessandro Riccardi era stato in corrispondenza con il bibliotecario modenese; un contatto si era stabilito fin dal primo decennio del '700 20) Bononiae 1695. 21) Viennae 1697. 22) SUTTNER, op. dt.,
p p . 33—34.
23) Ivi, p. 35. 24) Cfr. F. T. BRECHKA, Gerard van Swieten andhis World. 1700-1772,
The Hague 1970.
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per la comune tensione giurisdizionalistica25). Poi la fama del Muratori come intellettuale ed erudito era cresciuta. L'impresa dei Rerum Italicarum scriptores rinnovò i legami, perchè l'abate modenese aveva avuto bisogno non solo di appoggi materiali, per superate le difficoltà tecniche ed economiche, ma anche culturali, per la collazione di manoscritti che erano a Vienna 26 ). Il Garelli e il Forlosia (come prima il Gentilotti) si impegnarono a fondo per aiutare il Muratori. Ma i rapporti non rimasero sul piano della collaborazione erudita. Su sollecitazione del Garelli il Muratori scrisse il De codice carolino21), in qualche modo un primo abbozzo dell'opera sui difetti della giurisprudenza e che poi non volle né inviare a Vienna, né pubblicare successivamente. In quest'opera il Muratori tendeva ad esortare l'imperatore ad un'impegnativa riforma dei codici. Se successivamente si rifiutò di inviarlo allo stesso Garelli che glielo richiese più volte, fu soprattutto perchè si era accorto di aver offerto implicitamente una giustificazione teorica ai già pesanti interventi dell'imperatore nelle vicende italiane. Comunque i rapporti rimasero ottimi; il bolognese aveva compreso i dubbi del Muratori e continuò a fornirgli, direttamente e indirettamente, ogni appoggio possibile. Dopo il 1726 la casa del Garelli aveva in qualche modo sostituito quella del Riccardi come centro di un'intensa vita intellettuale legata soprattutto (anche se non esclusivamente) ai gruppo di italiani presenti a Vienna. Quest'esperienza ebbe una certa importanza sul piano politico e religioso, perchè, decisamente orientata in senso anticurialistico, si collegava con analoghe presenze giurisdizionaliste in grandi funzionari dell'impero (dall'arcivescovo di Valenza, Antonio Folch del Cardona — morto nel 1724 — al principe Eugenio). Pur essendo contro la morale gesuitica, il rigorismo del Garelli, rispetto al Riccardi, aveva meno tendenza all'eterodossia, alla rottura, al paradosso. Manteneva una robusta tensione politica. Era un cattolicesimo illuminato che, pur seguendo con simpatia la lotta degli Appellanti in Francia, non coincideva con l'ortodossia giansenistica e manteneva una notevole apertura al dialogo verso i protestanti e alla cultura scientifica contemporanea 28 ). 25) La prima lettera di A. Riccardi al Muratori è da Vienna 18 novembre 1715 ed è legata soprattutto all'entusiasmo suscitato nel Napoletano dalla lettura delle opere giurisdizionalistiche su Comacchio. Vedila in BIBLIOTECA ESTENSE DI MODENA, Arch. Murat. Filza 7 6 , fase. 3 1 . 26 ) Cfr. il mio La difesa dei „Rerum italicarum scriptorescit. 27 ) Cfr. B . DONATI, L. A. Muratori e la giurisprudenza del suo tempo, Modena 1935, p. 119 sgg. Il testo a pp. 173—219. Cfr. ancora E. PATTARO, Il „De codice carolino" di L. A. Muratori, „Rivista trimestrale di diritto e procedura civile", 1969. 28 ) Cfr. E. WINTER, Der Josefinismus. Die Geschichte des österreichischen Reformkatholizismus. 1740-1848; Berlin 1962, pp. 3 5 - 3 6 . Dello stesso cfr. Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutsch-slavische Begegnung, Berlin 1966, pp. 128 — 131. Qui il Garelli appare non solo come fìlo-giansenista, ma in corrispondenza con gli eruditi tedeschi da Leibniz a Christian Wolf. Cfr. ancora l'ultimo lavoro del W., Barock, Absolutismus und Aufklärung in der Donaumonarchie, Wien 1971, dove si accenna, oltre al filogiansenismo del Garelli, alla sua amicizia con Muratori e Van Espen e ai suoi rapporti con Mathias Bel. Di un tentativo di difesa del canonista di Lovanio in qualche modo organizzato da Vienna e quindi sollecitato dal Garelli parla il Giannone nel suo epistolario. Cfr. L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit. p. 266.
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Inoltre il Bolognese seppe raccogliere l'eredità del Riccardi, utilizzando i suoi privilegi per svolgere una vera e propria politica culturale. Gli uomini che ruotarono intorno al Garelli fino al 1739 e in qualche modo parteciparono ad un'esperienza comune non furono soltanto gli impiegati della Biblioteca, come Nicolò Forlosia, che gli doveva sopravvivere come Primo Custode, o Gottfried Spannagel, ma per esempio Pietro Giannone che collaborò strettamente con lui dal 1723 al 1734, Bernardo Andrea Lama, dal 1730 funzionario della Segreteria del Dispaccio, Biagio Garofalo, amico e protetto del Principe Eugenio, Francesco Antonio Spada, collaboratore del Rialp. Questo gruppo, nonostante le differenze interne, condusse una politica culturale omogenea almeno fino al 1734, che si articola in alcuni tratti facilmente identificabili: 1. polemica giurisdizionalistica. Non solo il Giannone si servì spesso del Garelli per far pervenire al sovrano i suoi interventi (sulla Sicilia, su Eusebio Filopatro, su Benevento)29) ma molti di questo personaggi intervennero su problemi giurisdizionalistici, dallo Spannagel allo Spada 30 ). 2. attività di svecchiamento culturale e di aggiornamento. Si organizzarono i contatti con vari centri d'Europa e soprattutto con le riviste, dal «Journal des Sgavants»31), agli«Actaeruditorum»32), i cui direttori erano in relazione col Giannone, alla «Bibliothèque italique» di Ginevra. 3. difesa di un certo tipo di cultura storica ed erudita (Muratori per esempio) e polemica con la letteratura devota di tipo arretrato. Da questo gruppo (e dal Garelli in particolare) si organizzò una campagna abbastanza dura contro Bernard Pez 33 ). Anche se non mancarono le posizioni di irrigidimento per partito preso, 29
) Cfr. L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit. cap. IV, soprattutto pp. 320 —323. ) Ivi, cap. cit. 31) „Journal des s?avants", septembre 1729, p. 132. Cfr. L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit. p. 495 sgg. 33) Cfr. G. KLINGENSTEIN, Staatsverwaltung und kirchliche Autorität cit., pp. 1 5 2 — 1 5 3 . IL benedettino, che era protetto a corte, aveva pubblicato nel 1731 la vita di Agnese Blannbekin, scrìtta da un ignoto minorità: Ven. Agnetis Blannbekin... Vita et revelationes auctore Anonymo ord. FF. Min. e celebri conv. S. Crucis Wiennensis eiusdem virg. Confess. Accessivit Pothonis Presbyteri et Monachi ... Liber de miraculis sanctae Dei Genitricis Mariae, Utrumque opusculum et mss. codicis primum edidit R . P. BERNARDUS PEZ, Wiennae 1731. Il Pez, nella prefazione, cercava di dimostrare che nelle vicende della beghina non c'era nulla di contrario alle Scritture. Il capitolo che avrebbe suscitato in particolare polemiche è il XXXVII, De praeputio Domini, pp. 36—41, dove si narra di una visione della beghina, che, essendosi messa a pensare intensamente dove fosse finito il prepuzio di Gesù, se lo sentì sulla lingua. Anche il secondo opuscolo mescola in questo stesso modo sacro e profano, con un continuo richiamo al miracolo. Tipico è il racconto De abatissa impraegnata, p. 396 dove si racconta di una badessa incinta che stava per essere scoperta e che per l'intervento della Vergine fu liberata, tanto che quando il Capitolo la esaminò, nel suo utero non fu trovata alcuna traccia della maternità. L'intervento del Garelli, che fu molto deciso contro quest'opera, si trova in HADRIANI PONITI, Epistola ad amicum qua eifelicia natalia gratulabatur et historiam libri rarioris exponit qui inscribitur: Ven. Agnetis Blanbekin vita et revelationes... Adiectae sunt in calce R. P. Pezii et illustris Garellii Bibliothecar. Caes. de hoc libro epistolae lectu dignissimae, Francofurti et Lipsiae 1735. Sotto il finto nome probabilmente si cela lo stesso Garelli, il quale finge di inviare ad un amico il libro del Pez, spiegandogli 30
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in questo campo le critiche non furono indiscriminate e per esempio fu apprezzata nel suo valore l'opera del gesuita Marcus Hansitz 34 ). 4. ricerca di collegamenti internazionali anche sul piano editoriale. Si è già detto come si cercasse di collaborare con il Muratori che preparava i Rerum italicarum scriptores. Attraverso Richard Mead e i rapporti del Garelli con la Royal Society si contribuì attivamente all'edizione inglese del De Thou 35 ), fornendo documenti viennesi. Precedentemente c'era stata l'edizione inglese àùYIstoria civile36). Inoltre il Garelli fu personalmente interessato alla collaborazione con Nicola Cirillo, un celebre medico napoletano, editore dell'Etmuller, per stampare insieme una storia di medicina del maestro del Giannone, Domenico Aulisio37). 5. avvicinamento alle esperienze più aperte del cristianesimo protestante tedesco (di eredità leibiniziana), svizzero (Jean Alphonse Turrettini) e anglicano. Questi rapporti furono soprattutto curati dal Garelli e dal Giannone 38 ). 6. contatti con il deismo. Qui naturalmente il problema si complica e nello stesso tempo diventa più umbratile. Questo rapporto passa solo indirettamente per il Garelli, ma è per esempio una presenza così significativa nell'esperienza del Giannone, che vale la pena di accennarvi. Il rapporto degli intellettuali residenti a Vienna con il deismo fu reso possibile dalla funzione mediatrice di alcune personalità abbastanza notevoli che erano state in contatto diretto con i deisti inglesi e soprattutto con John Toland. Bisogna risalire al clima «interconfessionale» della guerra di Successione spagnola3®). Come ho avuto già occasione di sottolineare, il merito principale di questi rapporti tocca al barone George de Hohendorf 40 ), amico del principe Eugenio. Questo avventuroso personaggio, nella giovinezza, le ragioni della sua rarità. E' stato ritirato dalla circolazione perchè ha mosso l'irritazione di tutti gli uomini eruditi, anche cattolici. Colpisce duramente non solo l'incredibile storia del prepuzio di Cristo (paragonandola a quella di S. Birgitta, pubblicata dallo stesso Pez nel II tomo dei Rerum austriacarum) ma soprattutto la difesa delle apparizioni e rivelazioni che si sostituiscono alla Scrittura e alla tradizione cristiana. Storie di questo genere, secondo il prefatore, non giovano nè ai cattolici né ai protestanti. Inoltre non hanno niente a che fare con la storia. Il vero nucleo dell'operetta è però formato dalla lettera del Pez al Garelli e dalla risposta di quest'ultimo. Il Garelli rispondendo alla lettera del 4 giugno 1731 era stato durissimo nonostante la cortesia formale, legata ad una precedente amicizia. Aveva affermato, ribadendo la condanna dell'opera, che non valeva il richiamo ai Bollandisti. In realtà un'epoca ormai illuminata dallo spirito critico aveva visto ancora un monaco credere tutto ciò che era scritto nei vecchi codici senza nessuna mediazione culturale. Sulle tracce di questa polemica nel Giannone cfr. il mio La difesa dei „Rerum italicarum scriptores", cit. p. 406. 34 ) Sulla conoscenza e sul giudizio che nell'ambiente viennese si era espresso sui lavori del gesuita Marcus Hansitz, Germania sacra, Augustae Vindelicorum, 1 7 2 7 — 1 7 2 9 , voli. 2 , può valere il ricordo del Giannone in Opere, a cura di S. BERTELLI e G. RICUPERATI, cit. p. 9 7 2 . 35 ) Cfr. Vesperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit. pp. 375—377. 36) Ivi, p. 374. 37) Ivi, p. 367. 38) Ivi, cap. V. 3») Ivi, p. 395 sgg. 40 ) M. BRAUBACH, Geschichte und Abenteuer, Gestalten um den Prinzen Eugen, Munchen 1 9 5 0 , cap. III, pp. 126-164. io
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avendo perso al gioco la cassa del reggimento, era stato vari anni a servizio dei Turchi, diventando poi uno dei membri di quella singolare ed irregolare diplomazia 41 ) organizzatasi intorno al principe Eugenio. Di formazione protestante, ma in sostanza libertino, nei frequenti contatti con l'Inghilterra e nei soggiorni in Olanda aveva accumulato una sorprendente biblioteca in cui erano presenti tutte le esperienze più inquietanti della cultura europea, tutti i dibattiti politico-religiosi più arditi, quel genere di libro che naturalmente poteva piacere al palato di un intellettuale aristocratico pieno di spregiudicata raffinatezza. Ma accanto ai libertini, accanto ai primi classici del deismo a stampa, troviamo nella sua biblioteca i manoscritti del Toland, in una lingua accessibile all'Hohendorf e ai suoi amici dal palato fine, cioè in francese e spesso in una versione ancora più libera ed aggressiva di quella che sarebbe stata pubblicata. John Toland, che l'Hohendorf aveva incontrato nelle missioni diplomatiche, non solo per qualche tempo si era prestato a fare l'agente librario per il principe Eugenio, ma addirittura aveva inviato a Vienna versioni delle sue opere più ardite o anticipazioni delle sue polemiche42). L'Hohendorf morì prima del 1720. La biblioteca, come è noto, fu acquistata dalla Palatina. Il Garelli diede a Nicolò Forlosia il compito di riordinarla e di inserirla nel patrimonio comune. Questi libri e manoscritti entrarono in qualche modo in circolazione, nel senso che per esempio li utilizzò il Giannone nel Triregno, impensabile senza la presenza del deismo e del Toland. La biblioteca Hohendorf non rimase poi sola ad ampliare il materiale politico-religioso della Palatina. Negli anni successivi il Forlosia ordinò anche quelle dell'arcivescovo di Valenza, Antonio Folch de Cardona e del Riccardi, prevalentemente giurisdizionalistiche. Infine dovette lavorare anche ad assorbire quella del principe Eugenio, altrettanto ricca di testi deistici che il Toland mandava spesso in due copie a Vienna, per l'Hohendorf e per il suo autorevole protettore 43 ). Fondamentale è quindi questa circolazione di libri e di idee per la nascita del Triregno. Anche qui bisogna naturalmente stare attenti. Il Giannone era giunto a Vienna quando ormai l'esperienza «interconfessionale» della guerra di successione spagnola era un pallido ricordo 44 ). L'Hohendorf era già morto e il principe Eugenio si stava in qualche modo isolando, come un protagonista stanco e disincantato. Si tratta quindi di una cultura in qualche modo in riflusso come cultura libertina, letta e raccolta da uomini in realtà profondamente diversi, nonostante i rapporti che potevano stabilire con i grandi personaggi dell'aristocrazia. Per il Giannone per esempio il deismo non è affatto un cibo piccante; è qualcosa che prima lo sconvolge e poi si inserisce molto precisamente nella sua macchina di guerra contro la chiesa come istituzione. Si tratta quindi di un rapporto molto più drammatico e vitale che non quello stabilito in precedenza dai primi fruitori diretti, che probabilmente si erano soprattutto divertiti, senza battere ciglio, alla demolizione del-
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) Idem, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Köln und Opladen 1962. ) L'esperienza civile e reiigiosa di P. Giannone, cit., cap. VI. 43) Ivi, p. 406. Cfr. G. MECENSEFFY, Geschichte des Protestantismus in Österreich, Graz 1956. 42
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l'immortalità dell'anima 45 ), alla dimostrazione che il Corano è molto più vicino allo spirito dell'antica legge che non il cristianesimo paolino, irrimediabilmente ellenizzante e così via4«). Ma probabilmente questa cultura influenzò anche il poeta calabrese di corte Antonio Costantino, autore di una Philosophìa adamìto-noetica, che 47 ) giace inedita nella Palatina. Quest' opera deve essere stata scritta intorno agli anni '30. Il Giannone potè esaminarne un tomo (il sesto), un tentativo di ritrovare la morale e la filosofia adamitica (che coincide con la morale naturale) in tutte le esperienze religiose primitive. Le tracce di deismo sono evidenti in un'opera di questo genere che si sforza di ricostruire, nelle strutture di tutti i culti pagani, i superstiti residui di una esperienza religiosa etica e intellettuale comune, che risalirebbe a Noè e prima ancora, al rapporto di Adamo con Dio. Inoltre anche Francesco Antonio Spada scrisse a sua volta, quasi contemporaneamente al Giannone, una «storia civile» della società umana 48 ). Tutto il gruppo conosceva bene Spinoza e la cultura della crisi della coscienza religiosa europea. Il Lama forse introdusse in questo dibattito, che investiva storia, filosofia, scienza e morale, il pensiero di Newton, di cui vi è qualche riflesso nel Triregno del Giannone 49 ). Anche se il Garelli rimase fuori dalle elaborazioni più estreme, che scandalizzavano i viaggiatori italiani in visita a Vienna e che venivano a contatto con questi i n t e l l e t t u a l i so), certamente però discusse con il Giannone almeno alcune parti del Triregno, contribuendo a chiarirgli tutti i problemi scientifici e soprattutto di medicina e di anatomia. Quasi sicuramente risale al Garelli e alle sue indicazioni quanto il Giannone utilizza per esempio dal Diemerbroek 51 ) o dal Deusing52), tentando di costruire un modello di biologia materialistica che fosse in qualche modo più complesso di quello meccanicistico suggerito da Cartesio e dal suo seguace De La Forge "). Non si vuole qui affrontare il problema della ricostruzione indiretta del pensiero scientifico del Garelli, ma indicare alcune linee di lettura e di dibattito presenti a Vienna. E a questo punto si apre un altro problema di una certa rilevanza. Nelle carte del Giannone che furono archiviate a Torino 54 ) dopo il suo arresto, vi sono molti pareri, interventi, scritture che riflettono le vicende di questi anni viennesi e non appartengono in qualche modo solo al Giannone, ma rivelano spesso (direttamente e indirettamente) un lavoro di gruppo e una volontà di far circolare
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) L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 409 sgg. M. 47 ) Cfr. il mio, Alle origini del „Triregno": la Philosophia adamito-noetica di A. Costantino in „Rivista storica italiana", fase. III*, 1965, pp. 602-638. 48 ) L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 247 —263. 49) Ivi, p. 476. 50) Cfr. E. ZLABINGER, L. A. Muratori und Österreich, Innsbruck 1970, p. 81. 51 ) L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 477—478. 52) Ivi, p. 463. 53) Ivi, p. 404. 54) Cfr. il mio Le carte torinesi di Pietro Giannone, Memorie dell'Accademia delle scienze di Torino, 1963.
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negli ambienti di corte (e poi in circuiti più vasti come le riviste europee) opinioni e giudizi. Vale la pena di indicare alcuni di questi episodi in cui è possibile cogliere un intervento del gruppo : 1. Sui voluminosi manoscritti inediti di Antonio Costantino esistono vari interventi dei collaboratori del Garelli. E' probabile che il Costantino stesso li avesse presentati a qualcuno di loro per la eventuale pubblicazione. Esistono infatti tracce di correzione probabilmente del Lama. Il Lama espresse il suo parere in una nota. Ma c'è poi quello del Giannone, abbastanza duramente stroncatorio, che riguarda soltanto il VI libro ss). L'opera non andò alle stampe. 2. Un'altra relazione56) del Giannone in difesa del Muratori e della sua edizione, all'interno dei Rerum Italicarum scriptores, delle Croniche dei Villani. Il testo che io ho pubblicato nel 1965 è inconfondibilmente del Giannone, ma una lettera del Lama a Milano conferma come fosse stato concertato e discusso dal gruppo a casa del Garelli. 3. Un parere del Giannone sull'Istoria delle leggi e de' magistrati del regno di Napoli di Gregorio Grimaldi 57 ). Questi aveva in qualche modo cercato di riscrivere l'Istoria civile da un punto di vista tecnico e meno passionalmente anticurialistico. Il Giannone, preoccupato soprattutto della politica di diffusione che da Napoli si stava facendo di quest'opera presso i funzionari dell'impero, mostra chiaramente come sia un'edulcorazione (piena di errori) della propria. 4. Un parere intorno alla censura del padre Massimiliano Galler gesuita sopra i libri di Giovanni Paolo Ganzer dottore in medicina e filosofia58). Il Ganzer aveva scritto un manuale d'igiene59) che era stato duramente attaccato dal gesuita viennese60). Il Giannone intervenne non solo difendendo la libertà della scienza, ma mostrando la doppiezza della morale gesuitica. 5. Sull'edizione della vita della beata Agnese di Vienna del Pez. In questo caso intervenne il Garelli, ma i riferimenti interni in opere e anche scritti posteriori del Giannone mostrano come fosse stato il gruppo ad occuparsene. Si potrebbe continuare citando tutte le risposte che il Giannone scrisse ai vari attacchi a cui fu sottoposto (dal gesuita Sanfelice, con lo pseudonimo Eusebio Filopatro, al padre Paoli). Queste erano certamente lette e commentate dagli amici viennesi e in particolare dal Garelli.
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) Cfr. il mio Alle origini del „Triregno", cit. Per una analisi dei sei codici giacenti alla Palatina di Vienna (codd. 10408—10413) che raccolgono i 7 libri dell'opera cfr. le pp. 602 —610; a ' pp. 620 —621 i giudizi del Lama; a pp. 623—638, il parere del Giannone. 56) Vedila in appendice a La difesa dei „Rerum italicarum scriptores", cit., pp. 409 —418. 57) Vedila in P . GIANNONE, Opere, ed. a cura di S. BERTELLI e G . RICUPERATI, cit., pp. 5 5 5 — 5 7 7 . 58 ) Il testo, inedito, è fra le carte del Giannone, all'Archivio di stato di Torino (mss. Giannone, mazzo I, ins. 20, Parere intorno la censura del padre Massimiliano Galler gesuita sopra il libro di Gio. Paolo Ganzer dottore in medicina . . . Vienna 4 maggio 1734). 59 ) J. F. P. GANSER, Hygieine sive tutrix corporis humani. .. Lipsiae 1731. «0) Maximilian Galler (Graz 1665 — Linz 1750), gesuita dal 1685, professore di retorica e di morale, provinciale d'Austria. Sul SOMMERFOGEL manca ogni accenno a questa censura.
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Quanto si è detto fa pensare a una battaglia culturale in cui l'orientamento era in sostanza in maniera non tanto generica coordinato dal Garelli che, in prima persona o utilizzando gli amici, aveva individuato alcuni obiettivi precisi. Questo non significa che egli condividesse per esempio tutte le posizioni del Giannone; indica piuttosto che in una certa fase era sufficientemente spregiudicato per pensare di potersene servire ed essergli amico. Nel parere 61 ) certamente richiesto da lui al Giannone sulla censura del gesuita Galler contro un medico e soprattutto contro un'opera accusata di immoralità perchè parlava per esempio di rapporti sessuali, c'è la prima articolazione di una lotta contro la censura gesuitica e quindi l'anticipazione di un ruolo che avrebbe avuto più apertamente il van Swieten. Questo testo è di un certo interesse perchè rivela la dinamica della collaborazione fra due intellettuali di formazione diversa. Il Garelli aveva certamente contribuito ad arricchire la cultura del Giannone in direzione del dibattito scientifico e in particolare della medicina ed anatomia. A questo punto poteva farlo intervenire in una polemica in cui la competenza scientifica era soltanto propedeutica a un discorso più generale sulla morale gesuitica e sulla libertà della scienza e dello scienziato. E'sorto anche il dubbio che questo intervento (non firmato e non autografo del Giannone, ma di evidente mano di un copista) possa essere non del Napoletano, ma del Garelli stesso. E' quanto per esempio tende a suggerire il Bertelli. In realtà (anche se questa possibilità non può essere definitivamente esclusa) oltre al tono polemico inconfondibile, qualcos'altro fa pensare che sia del Giannone. Questi lo scrisse su sollecitazione (e probabilmente con la diretta collaborazione del Garelli) per un'occasione precisa; poi, siccome trattava di temi fondamentali che stava affrontando nel Triregno, lo introdusse, spogliandolo dell'occasionalità, in una parte di quest'opera 62 ). Il 1734 fu però un anno tragico per il gruppo: la perdita del regno di Napoli significò per contraccolpo la mancanza di sicurezza economica per una parte di loro, che in qualche modo aveva pensioni o impieghi legati al Meridione. Prese consistenza l'ipotesi di un ritorno in patria. Solo alcuni, che avevano compiti specifici e ormai slegati dalla provenienza, avevano una qualche sicurezza di restare a corte. Tale per esempio fu il caso del Forlosia, primo custode della Palatina, o dello stesso Lama, inserito come impiegato della segreteria del Rialp. Invece la pensione del Giannone collocata sulle rendite della Sicilia, fu immediatamente sospesa63). Questi fece di tutto per essere pagato; poi si rivolse al Garelli, ma lo trovò singolarmente freddo e preoccupato per se stesso. Il Giannone, il cui carattere si era inasprito per le traversie, non gli perdonò la freddezza e lo smarrimento, quasi un'ombra di incoraggiamento all'idea di un viaggio di ritorno. Forse successivamente non gli perdonò ancora di non aver saputo smentire prontamente una diceria che lo accusava di essersi appropriato di un codice delle lettere di Pier delle Vigne appartenente 61
) Cfr. S. BERTELLI, L'incartamento originale del Sant'Uffizio relativo a Pietro Giannone, in „11 pensiero politico", I, 1968, pp. 16—38. L'indicazione a pp. 34—36. 62) P . GIANNONE, Il Triregno, a cura di A. PARENTE, Bari 1940, voli. 3,1, pp. 323-338. 63 ) Cfr. P . GIANNONE, Vita scritta da lui medesimo, ed. cit., p. 251.
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alla Palatina. Anzi con gli anni il risentimento dovette aumentare. Mentre nella Vita il ritratto del Garelli è in fondo quello di un amico e di un protettore, nell'ultima opera scritta in carcere, l'Ape ingegnosa, parlando delle biblioteche di Vienna, ricorda un epigramma maligno sul Garelli e sul Riccardi, fra l'altro conosciuto, per fonte diversa, anche dal Suttner, che lo attribuisce ai Gesuiti 64 ). In realtà il Garelli, avendo saputo del suo arresto, in accordo con il Forlosia, tentò di far intervenire il principe Eugenio a favore del prigioniero, nonostante la guerra in corso; ma questi morì poco dopo e quindi non potè far niente. Il Garelli visse fino al 173965).
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Var. 3 0 3 , P . GIANNONE, L'ape ingegnosa, Osservazione XI, c. 58 sgg. : ,,A' miei tempi, poco prima di giungere a Vienna, vacando il posto di Bibliotecario della Cesarea Biblioteca per lo passaggio del Gentilotti, che l'occupava, all'Auditorato di Rota in Roma, si duplicò il posto ed invece di uno crearono due bibliotecari e quando prima il soldo non era altro che 1500 fiorini si accrebbe al doppio per ciascheduno sicché da questa somma si passò a 6 . 0 0 0 , che per poterla pagare si pensò di imporre un nuovo peso a' regni di Napoli, Sicilia e di Milano ed in Vienna un nuovo vettigale sopra i calendari, bollati e si videro occupare questi posti da due di diverse professioni, un fiscale del Consiglio di Spagna ed un altro medico di corte ricchissimo. Talché non mancarono di mormoratori; tra questi uno non potè trattenersi di dar fuori questo distico arguto ed ingegnoso: Aegrotant libri; an crimen fecisse videntur/ Inquirat ut Fiscus, pharmaca det Medicus ? . . . Sulle biblioteche di Vienna vedi anche le pagina dall'Ape ingegnosa da me riprodotte in P . GIANNONE, Opere, ed. cit., pp. 1071 — 1 0 7 9 . Il SUTTNER, op. cit., riporta l'epigramma a p. 81. Sulla biblioteca del Garelli oltre a quanto dice il SUTTNER, op. cit., cfr. M. DENIS, Die Merkwürdigkeiten der K. K. garellischen öffent. Bibliothek am Theresiano, Wien 1780. 65 ) Poco prima di morire il Garelli si interessò ad una vicenda che ebbe una certo eco nell'Europa del '700 e che ancora una volta indica le sue scelte politico-religiose. Nell'ottobre del 1738 rispondeva infatti a Giovanni Lami che gli aveva inviato il De eruditione Apostolorum (Firenze 1737) ricordando l'antica amicizia, durante il soggiorno viennese del fiorentino, e il dono che gli era stato fatto, qualche anno prima, de De recta Patrum Niceanorum fide (Venezia 1730). Aveva saputo che il Lami stava curando l'edizione del Meursio e si prenotava per due copie, una per sé e una per la Biblioteca Palatina. Ma ciò a cui appariva più interessato era la polemica che era sorta fra i gesuiti e i letterati fiorentini. Aveva avuto fra le mani alcuni di questi testi, fra cui Lucio Settano, De tota graeculorum huius aetatis litteratura sermones quattuor ad Gaium Salmorium ... Genevae (Lucca) 1737 e la risposta fiorentina, pepatissima, I pifferi della montagna . . . di Cesellio Filomastige, Leida e Londra, s. d. In una lettera successiva e ormai di poco precendente la morte (3 gennaio 1739), non solo ringraziava il Lami per l'invio del primo tomo delle Deliciae eruditorum (Firenze 1736) ma gli chiedeva nuovi particolari sullo scontro. Aveva ormai letto anche il Sermo quintus del Settano di rimando a Ipifferi e la risposta fiorentina, M. THYMOLEONTIS adversus improbos litterarum bonarumque artium osores Menippea I. . ., Londini 1738. Dopo aver chiesto se per caso era uscito qualche altro pamphlet e pur dovendo ignorare ufficialmente che dietro le più risentite ed abili risposte ai gesuiti c'era la penna acre del suo corrispondente, prendeva risolutamente posizione contro i Padri, avvertendo il letterato toscano di essersi mosso a favore del suo „partito" con il Granduca. Le lettere del Garelli sono alla Biblioteca Riccardiana di Firenze, nella corrispondenza del Lami, ms. 3729, voi. 31. Sulla polemica cfr. A. FAGGIOTTO, I sermoni di L. Settano e la polemica fiorentina, in „Atti R. Istituto Veneto", tomo LXXIX, 1919-1920, pp. 487-515. In realtà l'interesse del Garelli è molto più significativo di quanto non potrebbe sembrare a prima vista. Non si tratta solo di una discussione erudita. Il gesuita che aveva attaccato Domenico Lazzarini e il Lami stesso voleva ) BIBLIOTECA REALE DI TORINO,
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Lasciò una splendida biblioteca che in parte (libri di medicina) passò per testamento (fatto successivamente rispettare dal van Swieten logicamente interessato) alla Palatina, in parte divenne il fondo del Theresiano. E fu un contributo importante alla cultura austriaca, anche se fosse vera la voce maligna riportata dal Giannone, che egli avesse arricchito la propria biblioteca con i volumi doppi della Palatina. Ma c'è qualcosa di più. La sua eredità non fu soltanto di organizzatore e di promotore. Lasciò a Vienna un certo numero di allievi ed amici che ne proseguirono gli impulsi politico-religiosi e favorirono certamente l'opera innovatrice del suo successore, il van Swieten. Uno dei personaggi che il Garelli reclutò per la biblioteca e che rappresenta un tramite fra prima e seconda metà del secolo, fra cultura italiana ed austriaca, fra la corte di Carlo VI e quella di Maria Teresa è lo Spannagel66), insegnante di storia delle due arciduchesse. Era stato il Muratori a raccomandarlo al Garelli per un impiego alla biblioteca Palatina 67 ). Lo Spannagel si muove in una chiave culturale complessa, in cui la tradizione del giurisdizionalismo imperiale si incontra con robusti apporti di cultura italiana, dal Giannone al Muratori. Dal primo prese spunto per scrivere (a favore dei diritti di Maria Teresa) una storia «civile» dell'Austria. Più patetico certamente fu il napoletano Nicolò Forlosia, sempre condannato a vivere ai margini di grandi personaggi; prima il Riccardi, che lo aveva accolto e protetto, poi il Giannone, per il quale era stato spesso un collaboratore diretto, avendogli tradotto in latino per esempio il suo contributo alla edizione inglese del De Thou, poi ancora il Garelli e infine, quando ormai sperava di essersi guadagnato, con la paziente attesa, il titolo di Prefetto, il van Swieten, che venne a togliergli ogni residua speranza68). Il Kollar, che ebbe ancora occasione di conoscerlo negli ultimi anni viennesi, ne parla con affetto, anche se non privo di qualche riserva; accenna alla sua volontà che fossero distrutti, alla morte, i manoscritti dei suoi lavoir, come segno di una consapevole, finale insoddisfazione69). In realtà probabilmente il colpire (e in questo senso c'era un preciso richiamo al Sergardi e alla sua azione contro il Gravina) l'insegnamento grammaticale che si ispirava al razionalismo e che si contrapponeva alla ratio studiorum gesuitica. Una piena coscienza del significato e dell'ampiezza dello scontro mostra Giovanni Lami nella Raccolta di composizioni diverse su alcune controversie in Toscana nel corrente secolo, 2 tomi, s. 1., 1761, I, Protesta del collettore e editore, pp. iii—xxvii. Come è noto, il Lami non aveva identificato l'autore dei Sermoni, Lucio Settano, che è Giulio Cesare Cordara. Sul Lami e l'ambiente fiorentino cfr. W. E. COCHRANE, Tradition and Enlightenment in the Tuscan Academies. 1690—1800, Roma 1961 ; M. ROSA, Riformatori e ribelli nel Settecento religioso italiano, Bari 1969, pp. 168 — 170 e passim; F. VENTURI, Settecento riformatore, Da Muratori a Beccaria, Torino 1969, pp. 299 sgg. 66 ) Sullo Spannagel cfr. H . TSHOL, Gottfried Philipp Spannagel und der Geschichtsunterricht Maria Theresias, in „Zeitschrift für Katholische Theologie", 83, 1961, pp. 208 - 221. Cfr. inoltre L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 243 —247. ZLABINGER, L. A. Muratori, cit., p. 106. 68 ) Cfr. L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 237—243. p. LAMBECH, Commentariorum de Augustissima Bibliotheca Caesarea vindobonensi editio altera opera et studio. A. F. KOLLARII, Vindobonae 1766, I, coli. 799-800.
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desiderio del napoletano non fu esaudito perchè almeno alcuni di questi sopravvissero alla Palatina e testimoniano come fosse stato fedele fino in fondo agli impulsi culturali che gli provenivano dal Riccardi, dal Garelli e dal Giannone. C'è per esempio la traccia di un tentativo di nuova edizione delle lettere di Pier delle Vigne, che certamente per un momento aveva interessato il gruppo e l'autore àsYL'Istoria civile in particolare. Questo tentativo segue certamente la partenza del Giannone e precede la morte del Garelli a cui doveva essere dedicato. Ma c'è di più. Il Garelli — si è già detto — andava istintivamente d'accordo più con il robusto, cordiale, non fanatico cattolicesimo del Muratori, che con l'irruente polemica del Riccardi o con gli approcci inquietanti verso il deismo del Giannone. Lasciò anche questa eredità al Forlosia, che non solo mantenne paziente corrispondenza con l'erudito modenese, fornendogli soprattutto materiale, ma ne riprese a sua volta un tema fondamentale, tentando, ancora una volta senza riuscire ad andar oltre il progetto, un'opera sulla diminuzione delle feste religiose70). A Vienna sopravvissero agli anni '50, fra gli antichi amici del Garelli, Biagio Garofalo e Bernardo Andrea Lama 71 ). Il primo è un erudito di un certo valore, formatosi nella Napoli giurisdizionalistica e nella Roma del Gravina. Per un momento, con l'appoggio del principe Eugenio, era stato il candidato dei laici al posto di Cappellano maggiore, dopo la morte di mons. Vidania. Gli fu preferito — e la scelta moderata in realtà non si rivelò affatto infelice — Celestino Galiani 72 ). Essendosi trasferito a Vienna, concluse qui alla soglia degli anni '60 la sua lunga vita di erudito, ricordato non senza onore dal «Wienerisches Diarium». Il secondo era un napoletano dall'esistenza ancora più avventurosa 73 ). Nel 1730 era fuggito dall'università di Torino dopo che si era appesatito il controllo sulla vita culturale. Si era portato con sè il manoscritto di un'inedita storia della casa Savoia, che era stata una delle principali incombenze del suo soggiorno piemontese. Anzi, tutte le trattative che il governo sabaudo, timoroso che egli la pubblicasse all'estero, condusse tramite il suo ambasciatore Solaro di Breglio, ebbero come punto di riferimento il Garelli, nella cui casa e alla cui presenza avvenne la restituzione del manoscritto ai Savoia, in cambio di un certo compenso. Il Lama era stato un antico frequentatore di circoli libertini francesi, amico di Nicolas Fréret e Henry de Boulainvilliers; contemporaneamente aveva conservato legami con i centri eruditi, religiosi e laici, di Parigi. Fra gli altri, a Torino, aveva incontrato Montesquieu. E proprio le osservazioni che questi riporta a proposito del Lama nello Spicilège fanno pensare che non fosse soltanto scherzosa la definizione che gli fu attribuita di filosofo spinoziano. Fisico dilettante, era intervenuto a difendere o meglio a propagandare Newton sulla «Bibliothèque italique». Aveva quindi portato 70) Un esame di entrambi questi due manoscritti è nel mio L'esperienza civile e religiosa di P. Giannone, cit., pp. 2 3 9 - 2 4 0 . Ivi., p. 4 9 4 . 72 ) F . NICOLINI, Un grande educatore: Celestino Galiani, Napoli 1 9 5 1 . 73) Cfr. il mio B. Andrea Lama, professore e storiografo nel Piemonte di Vittorio Amadeo II, in „Bollettino storico-bibliogr. subalpino", 66, 1968, pp. 11 — 101, da cui sono tratte le notizie successive.
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a Vienna tutta la carica di una personalità inquieta e non risolta, quella stessa che da giovanissimo lo aveva spinto ad abbandonare Napoli e andare ad ascoltare a Parigi la diretta lezione di Malebranche e che ora, da adulto ormai maturo, ne faceva però ancora un intelligentissimo dilettante, senza specializzazioni. Fu impiegato nella segreteria del Rialp; aderì con passione al gruppo giannoniano, diventando intimo del Garelli e partecipando attivamente alle polemiche, di cui poi informava con vivacità ed acutezza i suoi due più grandi amici rimasti in Italia, Francesco d'Aguirre e Celestino Galiani. Dopo il 1740 compare fuggevolmente come soprannumerario alla biblioteca Palatina. L'ultima impresa della sua vita fu la traduzione latina dell'opera di Muratori sulla regolata divozione74), che precedette di qualche anno quella tedesca e provocò interventi dei gesuiti per fermarla in qualche modo. Con la morte di questi personaggi si chiude un'epoca caratterizzata dalla presenza di una cultura italiana a Vienna che non è solo quella poetica del Metastasio. Dopo la morte del Garelli uno dei centri di raccolta degli italiani, frequentato per esempio oltre che dal Metastasio, dallo Spannagel e dal Lama, fu la casa dell'ambasciatore piemontese Malabaila di Canale 75 ), fra l'altro ormai profondamente legato al mondo austriaco per aver sposato una nobildonna dell'aristocrazia viennese. Questi, che era stato uno dei più promettenti allievi dell'università di Torino e quindi del Lama, a Vienna raccolse per decenni su ordinati quaderni la sua polemica contro gli aspetti più aperti del pensiero illuministico. Ma il discorso interessante non è qui tanto quello di misurare il ruolo rappresentato dalla cultura italiana a Vienna e dalla sua sopravvivenza oltre metà secolo, quanto cogliere, nelle esperienze in qualche modo legate alla personalità del Garelli, un filo tenace e preciso con il rinnovamento intellettuale e politico che il van Swieten riuscì ad organizzare nel periodo immediatamente successivo.
74) Traggo la notizia dalla KLINGENSTEIN, Staatsverwaltung und kirchliche Autorität, cit., pp. 213 —214. Si tratta del De recta hominis christiani devotione opus, L. Pritanii, Wien 1759. La traduzione tedesca, Die wahre Andacht des Christen, Augsburg-Innsbruck 1761. 75 ) A. RUATA, Luigi Malabaila di Canale, Riflessi della cultura illuministica in un diplomatico piemontese, Torino 1968.
VAN SWIETENS IDEEN U N D DIE UNGARISCHE
GESELLSCHAFT
V o n EVA H . BALÄZS
Reich und andere bereichernd war Gerard van Swietens Leben. Zu skizzieren, wie sich das mit seinem direkten und indirekten Einfluß auf die ungarische Gesellschaft nachweisen läßt, ist das Anliegen meines kurzen Referats. Die ungarische Geschichtsschreibung, die ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die unabhängige nationale Entwicklung richtete und richtet, hat sich oft zurückhaltend über die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts geäußert und die Funktionen und Zielsetzungen des aufgeklärten Absolutismus oft in Frage gestellt. Niemals aber bezog sich dieses Fragezeichen auf ihn, den allerersten Inspirator des neuen Herrschaftssystems. Somit hat unsere Geschichtsschreibung vor seiner Größe die Fahne gesenkt, mehr aber hat sie kaum getan. Van Swietens Name taucht verstreut in verschiedenen Hinweisen auf, in Arbeiten über die Kulturgeschichte, in erster Linie in solchen über die Geschichte der Universität; darum konnten wir für unsere Thematik keine wirkliche Stütze im historiographischen Sinne ausfindig machen. So soll die ungarische Gesellschaft als das aufnehmende Medium, dem Thema zwar ein wenig willkürlich untergeordnet, in den Vordergrund treten. Quellen und Literaturhinweise ergeben sich fast nur zufällig, und dadurch verschieben sich in gewisser Weise bestimmte Schwerpunkte. Als erste zur Exposition geeignete Quelle bietet sich die Mitteilung des knapp zweihundertjährigen Jahrbuches an, das von Johann Matthias Korabinszky unter dem Titel Almanach von Ungarn auf das Jahr 1778 veröffentlicht wurde1)- Der hervorragende Redakteur, Kartograph und Buchhändler publizierte u. a. auch eine Namensliste, und zwar — wie die einleitenden Zeilen besagen — eine „Verzeichnung der lebenden bekanntesten ungarischen Gelehrten und Beförderer der Wissenschaften, welche sowohl in als außer Landes leben". Korabinszky führt in alphabetischer Reihenfolge 333 Namen an. An der Spitze seiner Liste steht ein Raaber Kanonikus, ihm folgt ein evangelischer Pastor aus der Zips. Dann sind in dieser Liste Ärzte aus den Städten West- und Ostungarns angeführt, des weiteren zwei mäzenhaften Neigungen frönende Damen und ein Professor ungarischer Herkunft der Universität Deventer. In der Namensliste vertragen sich protestantische
i) Korabinszkys angeführter Almanach erschien übrigens mangels Abonnenten nicht mehr. Der einzige Jahrgang enthält mit Hinblick auf die van Swietensche Universitätsreform mehrere aufschlußreiche Beiträge und Datenveröffentlichungen. So über die Universität Ofen, über die Rechtsakademien. Über das Ausbildungsziel heißt es: „Zu nützlichen Bürgern des Staats zu bilden."
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Professoren aufs friedfertigste mit einem früheren Jesuitenpater und Historiker, die hoftreuen Magnaten mit den Nachkommen siebenbürgischer Rebellen. Korabinszky hatte recht, als er dieses Kunterbunt von Persönlichkeiten für seine Leser und für die Nachwelt aufsetzte. Er hatte sich, so gut er konnte, informiert, und obschon seine Information etwas regional geprägt war, hatte er die 333 Namen doch richtig verewigt. Ihre Zahl ließe sich verdoppeln, vielleicht verdreifachen, mehr aber könnte man schwerlich finden2). So viele dürften also jene gewesen sein, die sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts um die Verbreitung der Kenntnisse und Wissenschaften in Ungarn auf diesem oder jenem Niveau bemühten. Die überwiegende Mehrheit lebte im Lande, einige förderten ihre Landsleute von ihren ausländischen Posten her. Sie waren die potentiellen Verbündeten und Anhänger van Swietens, mochte es sich um die Universität oder aber um die Reorganisation der Zensur handeln. Es war fast für alle charakteristisch, daß sie die Verbreitung der Kenntnisse, die Anhebung der Kultur schon mit der Verwirklichung der Grundsätze und Ideale der Aufklärung zu fördern gedachten: Der Magnat, der Adelige in seinem Komitat und Amt 3 ), der Professor von seinem Katheder aus, der Physikus durch fachkundige Heilung. So nahmen sie alle zugleich den Kampf gegen überlieferte Vorurteile, abergläubische Vorstellungen und verknöcherte dogmatische Thesen auf. Korabinszkys Namensliste bietet sich somit als ein guter Ansatzpunkt an, um festzustellen, Vertreter welcher sozialen Schichten geeignet waren, van Swietens Ideen zu adaptieren und inwieweit sie diese in Ungarn verbreiten konnten; oder anders ausgedrückt: inwieweit sie dieses Ideengut in gewissem Sinne zu verarbeiten bzw. zu bearbeiten vermochten. Um mehr dürfte es sich nämlich kaum gehandelt haben. Wien selbst war ja auf geistige Importe angewiesen, Ungarn aber noch weit mehr. Das hatte seine gewichtigen, ja, schwerwiegenden historischen und sozialen Gründe. Das Land zählte damals mit Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien sowie der Militärgrenze nahezu 9 Millionen Einwohner, jedoch nicht die Hälfte davon waren Ungarn 4 ). Die Gegensätze mit den Nationalitäten, die teils schon seit dem Mittelalter hier lebten, teils infolge der türkischen Besatzung und der durch die Türken verursachten 2
) Eine noch wichtigere Quelle sind die zwei Jahrgänge des von dem hervorragenden Rechtswissenschaftler Märton György Kovachich herausgegebenen Merkurs von Ungarn. Die 1786 und 1787 veröffentlichte, freimaurerisch orientierte Zeitschrift verfolgte die ganze Entwicklung des Unterrichtswesens. Vgl. „Geschichte der neuen Schulreformation in Ungarn" (1787) 471 ff. Für den außeruniversitären Wirkungsbereich der einzelnen Fakultäten ist die wichtigste Mitteilung die Liste der jährlichen Absolventen. Da die zeitgenössischen Universitätsmatrikeln vernichtet wurden, ist die Zeitschrift eine erstrangige Quelle der einschlägigen Forschung. 3 ) Ausführlicheres über die Funktion des Adels der Frühreformzeit, des ungarischen Vormärz vgl. bei E. H. BALAZS: Berzeviczy Gergely, a reformpolitikus (Gregor Berzeviczy, der Reformpolitiker) 1763-1795. Budapest 1967, passim. 4 ) Das statistische Material stützt sich auf die Volkszählung unter Joseph II. Diese wurde in der ungarischen Fachliteratur von G. Thirring in einer größeren Veröffentlichung und in zahlreichen Studien ausgewertet. Neuerdings wird eine moderne Auswertung von den Forschern der historischen Statistik unter der Leitung von J. Kovacsics erstellt.
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Verheerungen zugezogen waren, hatten sich noch nicht zugespitzt — diese Verhärtung erfolgte erst nach dem völligen Durchbruch der Aufklärung —, um so zerrissener aber waren die Einwohner Ungarns durch konfessionellen Hader. An der Oberfläche bekämpften einander die Kirchen, genauer gesagt bekämpfte die obherrschende katholische Kirche die protestantischen Kirchen. In Wirklichkeit aber hatte dieser Kampf sehr wohl seine sozialen Ausmaße. Die katholische Zweidrittelmehrheit der herrschenden Klasse setzte gegen jene, die in die Minderheit geraten waren, alle Mittel ein. In dieser Hinsicht wurden ideologische Überzeugung mit gröblich schroffem Anspruch auf Positionen und deren Wahrung verquickt. Aus dem Spannungsfeld dieser Gegensätze konnten sich weder die Städte noch weniger die in voller Untertänigkeit lebenden Bauern heraushalten. Noch drückender wurde die Lage durch das ungewöhnlich disproportionierte Gefüge der Gesellschaft. Diese Verhältnisse waren nur denen Polens vergleichbar, denn nur dort war der Anteil der Privilegierten noch höher als in Ungarn. Fünf Prozent der 9-MillionenBevölkerung waren nämlich Adelige (rund 200 Aristokratengeschlechter) und eine sehr breit gestreute Schicht der wohlhabenden adeligen Besitzer, der „bene possessionati", wie man sie zu dieser Zeit nannte. Das Bürgerrecht besaßen dazumal ebenfalls etwa 5 Prozent, aber die Zahl der wirklichen Bürger in europäischem Sinne erreichte nicht einmal die kargen 2 Prozent. Und ernüchternd gering war die Zahl der Intelligenz: Kaiman Benda versuchte die konfusen Daten der Konskriptionen zu sichten und konnte im Ungarn dieser Zeit bloß 15.000 berufstätige Intellektuelle nachweisen 5). Nach schweren Kontroversen konnte der Hof diese spontane ideologische Zerrissenheit noch im ersten Drittel des Jahrhunderts durch die Carolina Resolutio kanalisieren, d. h. regeln. Nach wie vor aber war es eine Quelle von Reibereien, daß der katholische Klerus die protestantischen Kirchen durch Visitationen des Gottesdienstes und Entscheidung in Ehrprozessen in der Hand hatte. Die Forderung des sogenannten dekretalen Eides war Ursache weiterer und ständiger Spannungen. Die Bestellung von verschiedensten Ämtern, die Ausübung des Richteramtes und die Praxis des Rechtsanwaltes blieb nämlich an einen Eid gebunden, den ein gläubiger Protestant nicht leisten konnte. Die protestantischen Herren, die durch diese Forderung aus dem öffentlichen Leben gedrängt wurden, kümmerten sich um so eifriger um ihre Güter, Gruben und Weinberge und taten das mit einem immer größer werdenden Interesse für ökonomische Fragen. Aber zumindest mit dem gleichen Eifer wandten sie sich den Problemen ihrer Kirchen zu. In den damals mit staatlicher Unterstützung ausgebauten Kirchenbezirken wuchs bei den Lutherischen und den Kalvinisten gleicherweise der Einfluß des weltlichen Elements, des Adels. Sie vermittelten die Bitten und Klagen der Kirche (es waren Generationen hindurch die Angehörigen derselben Adelsfamilien) weiter an den Hof. Ihrem finanziellen Vermögen und geistigem Niveau angemessen bekundeten sie für das Schulwesen, für die Kultur ein mehr oder minder reges Interesse. Zumindest auf diesem Gebiet
A magyar jakobinusok iratai (Schriften der ungarischen Jakobiner). Budapest 1957, Bd. I, 19-20.
5) K . BENDA:
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waren sie bemüht, den katholischen Gegenspielern die Konkurrenz zu halten, und diese Gegensätze verstärkten die Kooperation und knüpften den Kontakt zwischen protestantischen Adeligen und Intellektuellen enger. Die Bildungsmöglichkeiten für Protestanten verschiedener Konfessionen waren annähernd die gleichen. In den Lyzeen der Lutheraner, vor allem in dem von dem gelehrten Matthias Bei besonders hoch entwickelten Preßburger Lyzeum, studierten die Söhne der ungarischen, deutschen und slowakischen Bürger gemeinsam mit der adeligen Jugend der engeren Umgebung 6 ). Die Professoren, die ihre Studien in Halle und Jena absolviert hatten, unterrichteten im Geiste Leibnizens und Wolffs in den höheren Klassen Ethik, Politik, Recht und Ökonomie und hoben, gleichsam unbemerkt, die Mittelschulen auf das Niveau von Hochschulen. Die kalvinistischen Kollegs wirkten in einer homogen protestantischen Umwelt: in Debrecen und Särospatak bzw. in Siebenbürgen in Klausenburg, Neumarkt-Marosväsärhely, Großaich-Nagyenyed standen den Kalvinisten vollständige Gymnasien und darüber hinaus Oberstufen zur Verfügung, wo Philosophie und Theologie unterrichtet wurden. Die Zahl der Studenten belief sich an diesen Lehranstalten auf mehr als 1000, jedoch von einigen vorzüglich gebildeten Professoren abgesehen, die nur an der Oberstufe unterrichteten, war das Niveau der wissenschaftlichen Ausbildung und des Unterrichts unzulänglich: die Erziehung der jungen Adeligen, der Bürger- und Bauernsöhne erfolgte in diesen kalvinistischen Kollegs nicht nach modernen Grundsätzen. Immerhin aber gab es bedeutende Gelehrte, die den jüngeren Generationen entsprechende Anregungen zu vermitteln mochten. Diese Anregungen bestanden nicht selten darin, daß die Begabteren ermutigt wurden und finanzielle Unterstützung erhielten und daß für diese Schüler Mäzene ausfindig gemacht wurden, damit sie ihre Kenntnisse durch Studienaufenthalte im Ausland weiterentwickeln konnten. Mit den Universitätsstudien im Ausland sind wir bei einem wichtigen Punkt unserer Thematik angelangt, war doch auch bei uns in Ungarn die Reorganisierung des Universitätsunterrichts eine der wichtigsten Errungenschaften des van Swietenschen Lebenswerks. Das hatte auch für die katholische Jugend, die die Mehrzahl darstellte, eine sehr große Bedeutung und brachte für die Protestanten radikale Änderungen. Der Mittelschul- und größtenteils auch der Hochschulunterricht der katholischen Jugend war fast völlig in den Händen der Jesuiten gewesen. 1765 standen von 60 Institutionen des Mittel- und Hochschulunterrichts 31 unter ihrer Leitung. Die wichtigste war selbstverständlich die Universität zu Thyrnau-Nagyszombat, die eine philosophische, theologische und juristische Fakultät hatte und sich auf bedeutende Stiftungen stützen konnte. Der Unterricht blieb aber weit unter dem Niveau der Bedürfnisse. Die katholische Jugend bezog also zwecks höherer Studien gerne die Universitäten von Wien, Prag und Graz. Piaristen und weltliche Geistliche konnten zum 6
) Über die Literatur des von Matthias Bei und seiner Schule entwickelten lutherischen bzw. kalvinistischen Hochschulunterrichts berichtet zusammenfassend D. Kosäry in seiner Ungarischen Kulturgeschichte des 18. Jahrhunders (im Druck). Kosäry hebt wohl die fortschrittlichen Tendenzen hervor, unterstreicht aber nachdrücklich die Wirkung reaktionärer Kräfte.
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Teil ihre Studien in Italien, hauptsächlich in Rom, beenden. Bedeutender aber waren die traditionellen Studienaufenthalte der protestantischen Studenten im Ausland, die ihre Befähigung zum Beruf eines Pastors, Lehrers oder Arztes an den protestantischen Universitäten des Westens erwarben. Dieses Auslandsstudium hatte jahrhundertelange Voraussetzungen mit festen finanziellen Grundlagen. Die Kalvinisten hatten an 25, die Lutheraner an 11 Universitäten vergünstigte Studienplätze zur Verfügung. Die Reisespesen wurden, sofern die Familie dafür nicht aufkommen konnte, aus den Schulfonds, dem Stadtsäckel oder den Zuschüssen adeliger Gönner bestritten. Wer wurde nun durch diese Studien dazu geeignet, die Ideen der Aufklärung in Ungarn zu adaptieren ? Unter diesem Aspekt scheint es angebracht, auch an Hand von archivalischem Material zu untersuchen, wie es sich mit dem Auslandsstudium der Protestanten von der Mitte bis zu den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts verhielt7). Das war nicht nur für uns bedeutungsvoll, denn dazumal wurde das einschlägige Material von der zuständigen ungarischen Zentralbehörde, dem Statthaltereirat, gesondert, in den Beständen der sogenannten Acta studiosorum acatholicorum ausgewiesen. Nach einer Sichtung des Materials von 1743 bis 1779 läßt sich summarisch folgendes feststellen: Durchschnittlich beantragten 25 bis 35 junge Protestanten die Ausreise. Die Erlaubnis erhielten sie für ein Jahr, diese Frist verlängerten sie dann auf Grund immer wieder erneuerter Anträge. Später, als die Geschäftsführung komplizierter wurde, hatten sie die Heimkehr besonders zu beantragen. Bei den Anträgen handelt es sich nicht um individuelle Eingaben, denn diese wurden durch behördliche Urkunden, durch Ausweise der Städte und Komitate gestützt. Es mußte nämlich die soziale und finanzielle Lage des Antragstellers ebenso wie die Art seiner Studien und die vorgesehene Universitätsstadt im Ausland angeführt werden. Konfrontieren wir die Tatsachen mit diesen Akten, so hat man den Eindruck, daß die Behörden systematisch irregeführt wurden. Fast alle Studiosi beantragten die Erlaubnis zwecks theologischer Studien, nach Jahren aber kehrten viele mit einem juristischen oder medizinischen Diplom in die Heimat zurück. Die meisten Antragsteller waren bürgerlicher Herkunft, viele aber junge Adelige. Ihr Reiseziel war durch die protestantische Konfession bestimmt. Die Lutheraner zog es vor allem nach Halle, Jena, Wittenberg und Tübingen, aber immer häufiger auch nach Göttingen. Die Kalvinisten begaben sich in die Schweiz, hauptsächlich nach Basel, Bern und Zürich, von wo dann viele weitergingen nach Holland, an die Universitäten Franeker, Groningen, Leiden und Utrecht. Selten kam es vor, daß ein ungarischer Kalvinist, wie der Gelehrte Istvän Weszpremi, nach der Schweiz
7
) Das Material über die Auslandsstudien im Ungarischen Landesarchiv Budapest unter C. 41. Acta studiosorum acatholicorum 1743 — 1779. Über den Hochschulunterricht in Ungarn vgl. die grundlegende Arbeit von E. FINÄCZY: A magyarorzägi közoktatäs törtenete Märia Terezia koräban (Geschichte des öffentlichen Unterrichts in Ungarn zur Zeit Maria Theresias), Bd. I—II, Budapest 1899, des weiteren die Arbeiten von I. Szentpetery, F. Eckhart und T. Györy über die Geschichte der einzelnen Fakultäten aus den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts.
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und Holland auch England besuchte8). Allerdings war er gesandt von seiner Vaterstadt Debrecen: er hatte Kollekten zu sammeln für das Kolleg. Übrigens ist bezeichnend, daß sich die Protestanten aus Ungarn im Ausland — mochten sie nun Magyaren, Sachsen oder Slowaken sein — in den Kolonien der Hungari oder Transsylvani zusammenschlössen. Weder ihre Herkunft noch ihre Muttersprache bedeuteten für sie trennende Schranken, denn studiert wurde ja auf lateinisch. Den inhaltsvollen, erfolgreichen und landweit nützlichen Studienaufenthalt eines protestantischen jungen Ungarn können wir mit dem bereits erwähnten Istvän Weszpremi belegen. Dieser arme junge Adelige, ein gebürtiger Transdanubier, studierte jenseits der Theiß in Debrecen, im „kalvinistischen Rom", und brach mit der Unterstützung des Kollegs zu seiner Auslandsreise auf. Glück und gute Empfehlungsschreiben verschafften ihm den Kontakt zu van Swieten, der auf Weszpremi beim Antritt seiner Laufbahn aufmerksam wurde. Er wies den unentschlossen Zögernden entschieden auf die medizinischen Studien hin und dürfte ihn auch an Johann Gesner in Zürich empfohlen haben. Unter dem Eindruck von Karl Schäffers anatomischen Übungen schrieb Weszpremi später seine Abhandlung Disputatio inauguralis medica sistens observationes medicas. Ein Jahr später zog es ihn nach Holland; er setzte seine Studien in Utrecht fort und ging von da weiter nach England, wo die besten Ärzte Londons seine Lehrmeister waren: William Smellie, John und William Hunter. Bei Smellie studierte er Gynäkologie, sein zehn Jahre später geschriebenes Hebammenbuch reichte in diese Zeit zurück. In den Pockenimpfanstalten studierte er den Schutz gegen Pocken und Pest, das Ergebnis dieser Studien war sein angeblich auch ins Englische und Französische übersetztes, 1775 erschienenes Werk Tentamen de inoculanda peste. „Wenn ein Land der inoculatio bedarf", heißt es darin unter anderem, „so ist es in erster Linie meine Heimat. . ., Jahr für Jahr strömen viele tausend Neusiedler nach Ungarn, . . . und wie sehr diese die Seuche verbreiten, bezeugen die verödeten, entvölkerten Stätten dieses Landes." Wochenlang hielt er sich an den Universitäten Oxford und Cambridge auf, wo es damals für drei Studenten aus Ungarn Freiplätze gab. Mit Begeisterung las er in der Oxforder Bibliotheca Bodleiana 9). Nach seiner Rückkehr aufs Festland erwarb er in Utrecht den Doktortitel, den er daheim in Preßburg durch eine Prüfung vor dem Hofphysikus und Zensor approbieren lassen mußte. Zweifellos besuchte er auf dem Heimweg in Wien van Swieten, um ihm von seinen medizinischen Kenntnissen Rechenschaft abzulegen. Denn sobald er in Debrecen die medizinische Praxis aufgenommen und eine praktische Anleitung für die Kinderbetreuung auf ungarisch in einem Umfang von acht Bogen herausgegeben hatte, war es für ihn das erste,
8
) M. SÜKÖSD : Tudös Weszpremi Istvän. Arckep a magyar felvilägosodäs elötörtenetiböl (Der Gelehrte I. Weszpremi. Ein Porträt aus der Vorgeschichte der ungarischen Aufklärung), Budapest 1958. — Vgl. noch die medizinhistorischen Studien von Gy. Elekes, T. Györy, Gy. Magyary Kossa und anderen. 9 ) Das Tagebuch Weszpremis ist im Besitz der Manuskriptensammlung der Universität Oxford. Die ungarischen Fachkreise erfuhren davon erst aus der Rezension von D. LOFTHOUSE in: Philosophical Trans. Oxford, 1953, 648-681.
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diese Arbeit seinem Gönner zuzuschicken. Mit größter Überraschung lesen wir in van Swietens lateinischem Dankschreiben: „Lübens fateor, me nondum Hungaricam Linguam, quam amo tarn bene intelligere" (so gut), daß er ohne Schwierigkeiten alles verstünde. Trotzdem habe es die geringe Mühe gelohnt, die er, van Swieten, auf das Manuskript Weszpremis über die medizinische Erziehung der Kleinkinder von ihrer Geburt bis zum dritten Lebensjahr aufgewandt habe. Nach den lobenden Worten äußerte sich van Swieten resigniert über die weibliche Einfalt: leichter lasse sich Herkules die Keule entwenden, als den Frauen ihre Vorurteile abzugewöhnen. Den Zuspruch, ja, die konkrete Anweisung entzog er auch in den mit Rezepten ergänzten nächsten Brief seinem Schützling nicht. Wir wissen von insgesamt sieben Briefen van Swietens an Weszpremi, die der Schützling nach dem Tode seines verehrten Meisters veröffentlichte. Aus diesen schließen wir, daß das Vorwort zur ungarischen Bearbeitung des geburtshilflichen Handbuches des Heinrich Crantz von van Swieten verfaßt war. Dieser legte das fertige Werk Maria Theresia vor, die dem beflissenen ungarischen Physikus ihr mit Edelsteinen geschmücktes goldenes Konterfei zukommen ließ. Aufschlußreich ist der im Februar 1770 aus Wien datierte Brief: darin ermuntert van Swieten den Ungarn, alles, was Ärzte über die Heilwässer in Ungarn und Siebenbürgen geschrieben haben, zusammenzustellen: „Befürchte nichts von der Wiener Zensur! Sie begünstigt immer die Wissenschaftler. Fürchterlich ist sie nur für die Gauner, die Schamlosen . . . " Und der letzte Abschied lautet: „Gott mit Dir, viel Erfolg in Deinen Geschäften." Der Erfolg blieb schließlich nicht aus. Weszpremi machte sich an ein gewaltiges Unterfangen: in vier Bänden veröffentlichte er unter dem Titel Succincta Medicorum Hungariae et Transsylvaniae Biographia sein Lexikon von einzigartigem Wert 10 ). Der erste Band mit den Biographien von 100 Ärzten erschien 1774 in Leipzig. Darin bot er die Summa längst vergessener oder damals noch berühmter Ärzte, ihres Lebenswerkes auf Grund einer breit angelegten Korrespondenz und der dadurch ermittelten Daten. Die nächsten Bände widmete er breits Baron Störck und erbat dessen Unterstützung für diese Veröffentlichung im Namen des ganzen Vaterlandes und der gesamten Ärzteschaft, aller Wissenschaftler in Ungarn. Diese wissenschaftliche Öffentlichkeit konnte selbstverständlich nur die Hilfsbereitschaft von einigen Dutzend Menschen, einigen hundert Interessenten bedeuten. Tatsache aber ist, daß Weszpremi innerhalb von 14 Jahren dieses große Werk zu schaffen wußte, das sich keineswegs in den biographischen Daten alter und zeitgenössischer, einheimischer oder ins Ausland verschlagener Ärzte erschöpft. Die Beschreibung von Krankheitsfällen und Heilmethoden, die Darstellung der sonstigen Tätigkeit von Ärzte-Polyhistoren ergänzte Weszpremi an Hand der Universitätsmatrikeln mit Daten über jene, die an den Universitäten Jena, Basel, Halle, Utrecht und Leiden einen wissenschaftlichen Grad oder medizinischen Doktortitel erworben hatten, die Mitglieder der Naturae curiosorum societas waren. Da er seinen Auf10
) Succincta Medicorum Hungariae et Transsylvaniae Biographia, zweisprachig (lateinisch-ungarisch) in vier Bänden neu aufgelegt, Budapest 1960—1970. Auf Grund dieses Werkes und eingedenk der Tätigkeit Weszpremis wird Jahr für Jahr der verdienteste ungarische Arzt von der Ungarischen Ärztegesellschaft mit der Weszpremi-Gedenkplakette ausgezeichnet.
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gaben als Stadtphysikus von Debrecen nachkommen mußte, hätte er dieses nebensächliche Hauptwerk ohne verständnisvolle und hilfsbereite Gefährten nicht erstellen können. Diese waren zumeist Freimaurer. Denn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnte in Ungarn nichts geschehen, was den Fortschritt, die Progression, die allmähliche Entfaltung aus dem Alten, aus der Bedrängnis der ständischen Gesellschaft anzeigte, das in irgendeiner Form nicht Beziehung gehabt hätte zur Organisation der Freimaurer. Der beträchtliche Teil der eingangs erwähnten Namensliste besteht quellenmäßig nachweisbar aus Namen von Freimaurern11)- Ein solcher war auch Franz Adam Kollär, der Nachfolger van Swietens an der Hofbibliothek, der unaufhörliche Kritiker der ungarischen ständischen Verfassung, ähnlich wie sein Freund und Mitarbeiter, ein wirkungsvoller Rechtshistoriker, Joseph Benzur. Mit voller Gewißheit können wir das auch von der überwiegenden Mehrheit der rund 200 Ärzte sagen, die ihr Diplom im Ausland erworben hatten und von Weszpremi selbst sowie von seinen Briefpartnern. Und diese Tatsache leitet uns über zur Thematik der Werkstätten der Aufklärung, zur Zusammensetzung und Tätigkeit der Freimaurer- und Rosenkreuzerlogen. Wir haben bisher hervorgehoben, wie sehr die sozialen Verhältnisse Ungarns im 18. Jahrhundert durch die besonders scharfen religiösen Gegensätze geprägt, wie sehr die „bene possessionati" aus dem protestantischem Adel und die Intelligenz infolge ihrer zwangsläufigen Lage in der Beanspruchung und Bejahung des Zeitgemäßen vorgeprescht waren. Wir konnten nur andeuten, daß es sich damit auch in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend so verhielt: den modernen Besitzer von unternehmungsfreudigem Typ, den kühneren Grubenunternehmer, den mit Weinhandel fast auf französische Art vertrauten Weinbergbesitzer finden wir dazumal in den Reihen des protestantischen Adels. Dazu trugen die Auslandsaufenthalte beträchtlich bei: das Kennenlernen entwickelter Verhältnisse war in erster Linie durch ihre Reisen und Studien im Ausland möglich, und daraus resultierte der Anspruch, etwas Ähnliches auch daheim zu verwirklichen. Eigenartigerweise spielten dabei auch die Kriege eine Rolle. Im Zuge des Erbfolge- und des Siebenjährigen Krieges waren jene, die ins Ausland verschlagen wurden, mehr als durch die Kriegsereignisse dadurch beeindruckt, daß sie höhere Lebensverhältnisse kennenlernten. Selbstverständlich bedeutete Wien auch ein höheres Niveau. In unserer Literatur- und Geschichtsschreibung ist es geradezu ein Gemeinplatz, den Einfluß der Kaiserstadt hervorzuheben. Das können wir dadurch ergänzen, daß Wien auch in der Verbreitung der Freimaurerei in Ungarn eine große Rolle spielte. Beamte und Offiziere, die aus Wien kamen, gründeten in Preßburg, Südungarn und Siebenbürgen die ersten Logen, dann folgte von Polen aus eine weitere Gründungswelle, die das ganze östliche und nordöstliche Oberland erfaßte. In dieser mit Widersprüchen trächtigen Gesellschaft Ungarns bedeuteten die Losungen von Freiheit, besonders aber von Brüderlichkeit und n
) Zur Frage der Freimaurerei vgl. E. H. Baläzs: Die erste Epoche der Freimaurerei in der Habsburger-Monarchie (im Druck) und: Contribution a l'étude des lumières et du josephisme en Hongrie in: East European Quarterly, vol. VI. No. 1, 27—43
11
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Gleichheit sehr viel. Es ist eine Detailfrage, daß diese Organisation auch von den Rosenkreuzern mitgeprägt wurde. Diese widmeten sich weniger der Alchimie, als man gemeinläufig von ihnen meint, eher schon frönten sie in den Laboratorien der herrschaftlichen Schlösser ihren allgemeinen naturwissenschaftlichen Interessen. Dazu wurden Ärzte besonders gerne hinzugezogen. Hier sei eine bisher unveröffentlichte einschlägige Äußerung aus jener Zeit angeführt: „Die Brüder müssen immer neue Naturgeheimnisse entdecken, welche entweder im Feldbau oder in der Medizin, Manufacturey, Kommerz oder Bergbau, auch Münzwesen etc. ihren großen Nutzen zu haben pflegen, den sie ihrem Vaterlande... zuzuwenden schuldig sind." 12 ) In den Logen arbeiteten alsbald Adelige und Intellektuelle ungeachtet des Rangunterschieds und, was noch wichtiger ist, ohne konfessionellen Unterschied zusammen. Der Anspruch auf religiöse Toleranz, die Ablehnung des jesuitischen Systems der Zensur und des Unterrichts war nicht mehr nur Sache der Protestanten. Die Bewegung wurde breiter und breiter und weitete sich innerhalb eines Jahrzehnts, bis zu den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts landweit aus. Bis zu dieser Zeit war dann auch die Universitätsreform herangereift. Die unhaltbare Lage, daß ein großer Teil der Lernbeflissenen praktisch vom Hochschulunterricht ausgeschlossen war, wurde dank der van Swietenschen Reform allmählich behoben. Nach der Reform in Wien begann man 1753 mit der Reformierung der theologischen und philosophischen Fakultät an der Universität Thyrnau. Die Anfänge waren bescheiden. Der juristische Unterricht blieb weit unter dem Niveau der Bedürfnisse. Die Professoren, die nicht einmal über die entsprechenden Grade verfügten, konnten am Morgen und in den Mittagsstunden die Vorlesungen über das landläufige bzw. römische Recht in den Sälen der theologischen Fakultät halten. Der theoretische und praktische Unterricht fand monatlich abwechselnd statt, die Studenten der Rechtswissenschaften konnten nur einen geringen Teil des notwendigen Unterrichtsstoffes hören, denn die Lehrbeauftragten beendeten das Theoretikum nur innerhalb von 15, das Praktikum innerhalb von 12 Jahren. Die ungarische Fachliteratur erklärt die Vernachlässigung der juristischen Fakultät teils mit dem Schutz der Wiener Universität, teils aber damit, daß der Hof den Vorlesungen im Geiste der ungarischen Rechtsordnung von vornherein Mißtrauen entgegenbrachte. Endlich aber erklärte die Norma studiorum von 1770, Thyrnau werde verpflichtet sein, „sich sowohl in den Lehrbüchern und in der Prüfungsordnung als auch im Zeitablauf, in den wissenschaftlichen Graden und in der Methode der Vorlesungen an die für die Universität Wien festgelegten und bekräftigten Regeln zu halten". Obschon der theologische und philosophische Unterricht noch den Jesuiten oblag und die Entwicklung an der juristischen Fakultät geringfügig war, wurden die Lehrstühle für Natur- und Völkerrecht schon errichtet und die Professorengehälter beträchtlich angehoben, was gleichbedeutend war mit wachsendem Ansehen und Gewicht. Das Wesentlichste aber war, daß nach dem Vorbild von van Swietens medizinischer Fakultät mit fünf von ihm ausgewählten
12
) Ung. Landesarchiv, P. 1134. Nr. 3. Dokumente des Archivs der Familie Festetics in Deg. Kopien aus dem 19. Jh. Ausgabe in Vorbereitung.
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Professoren auch die Ausbildung von Ärzten aufgenommen wurde. Hierbei waren die entsprechenden Voraussetzungen zu gewährleisten, es bedurfte auch eines Krankenhauses, und so tauchte die Verlegung der Universität als vordringliche Aufgabe auf. Die Auflösung des Jesuitenordens, die Sicherung der finanziellen Basis der Universität, sodann ihre Verlegung nach Ofen bzw. Pest waren keine bloßen kulturhistorischen oder wissenschaftsgeschichtlichen Fragen"). Das alles war eine entscheidende Wende, die sich auf die ungarische Gesellschaft insgesamt auswirkte. Van Swieten erlebte die Entfaltung seiner wirkungsträchtigen Reform in Ungarn nicht mehr. Was nun folgte, war zweifellos nicht widerspruchslos, wie ja auch das Verhältnis von Wien und Ungarn und auch weiterhin die ungarische Gesellschaft im Innern durch Widersprüche belastet waren. Jedoch ohne van Swieten, ohne die Reformzeit Josephs II. wäre die ungarische Gesellschaft viel später und nur um einen viel größeren Preis in die Phase der bürgerlichen Nationswerdung eingetreten.
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) Zur Reorganisation und „Verstaatlichung" der Jesuitenuniversität siehe vor allem die Studien von A . TÖTH und PAJKOSSY in Egyetemi Könyvtär Evkönyvei, I—IV, 1 9 6 4 — 1 9 7 0 . Vgl. Felsöoktatäsi Szemle, 1968. Die Studie von E. H. BALÄZS: A magyarorszägi felsöoktatäs a felvilägosult abszolutizmus koräban (Der Hochschulunterricht in Ungarn zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus).
G E R A R D U N D GOTTFRIED VAN SWIETEN U N D SCHULREFORM IN U N G A R N
DIE
Von KÄLMÄN BENDA
Nach der Reform der Universität am Ende der sechziger Jahre hat der Wiener Hof auch die Sache der Reformierung des Volksschulwesens auf die Tagesordnung gesetzt. Bekanntlich befanden sich die Schulen, die ganze Erziehung, in Händen der römisch-katholischen Kirche; und ebenso wie im Falle der Universität wurden auch im Mittel- und Volksschulunterricht das Unterrichtsmaterial, die Prinzipien der Erziehung von den geistlichen Orden, vor allem von den Jesuiten, bestimmt. Übrigens haben sie auch organisatorisch die Schulen in ihren Händen gehabt. Im wesentlichen stellte sich also das Problem, wie im Unterrichtswesen die Gesichtspunkte des Staates zur Geltung gebracht werden können, die in nicht wenigen Beziehungen in scharfem Gegensatz zu dem Erziehungsideal der Orden und im allgemeinen der Kirche standen. Im Jahre 1770 hat Graf Anton Pergen seinen großen Plan über die Reform des Volks- und Mittelschulunterrichtes eingereicht. Graf Pergen, der in seiner mehrere Jahrzehnte umfassenden Diplomatenlaufbahn fast in allen Ländern Europas herumgekommen war, war ein Anhänger des französischen Rationalismus. In seinem Plan beantragte er, sich auf das Beispiel „anderer vorgeschrittenerer Länder" berufend, das Schulwesen im Interesse „der Wohlfahrt des Staates", aus der Hand der Jesuiten und der geistlichen Orden zu nehmen, weil diese, wie er sagt, keine Staatsbürger erziehen könnten, mit der Erziehung ihre eigenen besonderen Ziele verwirklichen wollten, und diese meistens dem Staatsinteresse entgegenstünden. Es sei daher die Pflicht des Staates, das ganze Schulwesen in seinen Wirkungskreis zu übernehmen und in einem einheitlichen System zu vereinigen. Seines Erachtens würden die Trivialschulen als Volksschulen in Stadt und Land die unterste Stufe der Volksbildung bilden. Die zweite Stufe wären die Realschulen „für die zu jeder andern Lebens- und Nahrungsart als zum Landleben oder zum eigentlichen Studieren und Lateinlernen bestimmte Jugend". Auf der dritten Stufe wären die Lateinschulen, die Gymnasien, in erster Linie für die Söhne der Adeligen, in zweiter Linie für jene der wohlhabenden Leute da, denn, wie er sagte, gehörten die Kinder armer Leute nur dann ins Gymnasium, wenn sie auffallend begabt sind. Führung und Lenkung der Schulen obliege der Studien-Hofkommission, an deren Spitze ein Minister stünde !) Pergens Plan, der unter den Staatsrat-Akten im J. 1944 vernichtet wurde, exzerpiert J. A. v. HELFERT, Die österreichische Volksschule. Bd. 1, Prag 1860, S. 196FF.
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Der Plan, der den Vorstellungen des Franzosen La Chalotais sehr ähnlich war 2 ), und der im Unterricht den naturwissenschaftlichen und praktischen Kenntnissen breiten Raum sichern wollte, fand im Staatsrat nur mäßige Zustimmung, teilweise sogar Widerstand. Der Gedanke, die Erziehung gänzlich aus der Hand der Kirche zu nehmen, hat bei mehreren Befremden ausgelöst. Die offen vorgebrachten Bedenken hatten jedoch nicht prinzipiellen, sondern praktischen Charakter: woher sollte der Staat als Ersatz für die Ordens- und weltlichen Priester andere Lehrkräfte nehmen, und man fragte, ob es wohl richtig sei, eine bestehende Organisation, wenn man auch mit ihren Tätigkeitsprinzipien nicht im allem einverstanden ist, für eine solche zu opfern, die erst in Vorstellungen besteht. Nur Gerard van Swieten, den die Kaiserin Maria Theresia zur Abgabe eines Gutachtens aufgefordert hatte, erklärte sich ohne Vorbehalt für den Plan 3). In seinem Referat gebrauchte er scharfe Worte gegen das veraltete und überholte System der Ordensschulen. Die derzeitige Erziehung halte, wie er sagte, eine außerhalb des Staates stehende Macht in Händen, im Geiste einer inhaltlos gewordenen Vorstellung, die das Wohlergehen des Volkes behindere. Die Mönche bildeten ein „corpus separatum" in der Gesellschaft, so daß sie, selbst wenn sie wollten, sich nicht in die Staatsordnung einfügen und den Verfügungen des Staates nicht ohne Hintergedanken aufrichtig und loyal gehorchen könnten. Die Ordensleute begeben sich übrigens ohne Vorbereitung auf das Gebiet des Unterrichts, der in den meisten Fällen gar nicht ihren Beruf bildet. So könnten sie auch keine religiöse Überzeugung und ethische Empfindung in ihren Schülern wecken, sie ließen nur Katechismus und Regeln der Grammatik büifeln. Bei diesen gegensätzlichen Meinungen wollte es Maria Theresia nicht zum Bruch mit der Kirche kommen lassen, weshalb sie einen dilatorischen und ausweichenden Standpunkt einnahm. Die Reform der Volksschulen zog sich dahin, bis dann im Jahr 1773 die Auflösung des Jesuitenordens das Wesen des Problems freilich nicht löste. Van Swieten hat jedoch das Endziel seines im ganzen Leben geführten Kampfes nicht mehr erlebt, 1772 war er gestorben. Mit der Ausarbeitung des Systems des Volksschulunterrichts wurde Carl Anton von Martini beauftragt. Den endgültigen Entwurf hat dann 1775 der Piarist Gratian Marx ausgearbeitet und der „Preuße" Felbiger in die Wirklichkeit durchgesetzt. Dieser ist durch einen Kompromiß gekennzeichnet. Dem Plan Pergens werden das dreigegliederte System, der staatliche Lehrplan entnommen, die Ordensleute und kirchlichen Personen verbleiben hingegen auf ihren Plätzen, selbst auch die Mehrheit der früheren Jesuiten, sie geraten aber unter staatliche Aufsicht 4 ). Das neue Schulsystem war natürlich auf prinzipieller Ebene für die ganze Habsburger-Monarchie richtunggebend, für Ungarn mußte es jedoch mit separater 2
) Essai d'éducation nationale ou plan d'études pour la jeunesse, par Messire LOUIS-RENÉ DE CARADEUE DE LA CHALOTAIS, procureur-général du roi au Parlament de Bretagne. 1763. 3 ) Van Swietens Referat, abgedruckt bei E. FINÁNCZY, A magyarországi kozoktatás tôrténete Mária Terézia korában (Geschichte des Unterrichtswesens in Ungarn zu Maria Theresias Zeit). Bd. 2, Budapest 1902, S. 41. 4) HELFERT, op. cit. S. 182ff.; A. v. ARNETH, Geschichte Maria Theresias. Bd. 9, S. 227 ff; R.GÖNNER, Die österreichische Lehrerbildung von der Normalschule bis zur Pädagogischen Akademie. Wien 1967, S. 24 ff.
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Verordnung, ja durch Reichstagsbeschluß geltend gemacht werden. Ungarns Lage war auch übrigens nicht in allem jener der österreichisch-böhmischen Länder gleich. Die Zahl der Volks- und Mittelschulen Ungarns (ohne Kroatien, Siebenbürgen und der Militärgrenze) können wir auf Grund der Konskribierungen der Schulen von 1766 und 1770 feststellen, die leider nur unvollkommen erhalten sind5). Nach diesen gab es 58 Gymnasien oder Lateinschulen, alles Ordensschulen, von denen sich 24 in Händen der Jesuiten befanden. Die Zahl der Volksschulen in Stadt und Land, der sogenannten Trivialschulen, kann nicht genau festgestellt werden, es dürften ungefähr 800 gewesen sein. Dies bedeutet, daß zur größeren Hälfte der Pfarren keine Schule gehörte und daß ungefähr zwei Drittel der Niederlassungen keine Priester und keine Schule hatten. Doch befand sich nur ein Teil, und auch nicht der größte, in Händen der katholischen Kirche. Rund 60% der Bevölkerung des Landes war katholisch, hinzu kamen 25% Protestanten und 12% griechisch-orthodoxe6). Letztere dürften nur wenige Schulen gehabt haben, die Protestanten legten jedoch ein großes Gewicht auf die Volksbildung, sie hatten 34 Kollegien, d. h. Mittelschulen, und etwa 600 Volksschulen. Von diesen entfielen im großen und ganzen ein Drittel auf die Lutheraner und zwei Drittel auf die Kalvinisten. Da im Lande die Staatsreligion die katholische war, hatten die katholischen kirchlichen Schulen nicht nur die Aufgabe, zu erziehen und zu unterrichten, sondern auch die katholische Religion zu verbreiten. Letztere hielt der Klerus für die wichtigste und entsprach dieser manchmal mit schonungslosem Eifer. Selbst in den 1760er Jahren kam es serienweise zur Schließung protestantischer Schulen, und die protestantischen Kinder wurden in katholische Schulen gedrängt. Da sich der Staat mit der katholischen Kirche identifizierte, waren die protestantischen Schulen autonom, freilich unter starker Kontrolle durch den Staat, besser gesagt durch die katholische Kirche. Die Verstaatlichung der Schulen hat daher spezielle, in Österreich unbekannte Probleme aufgeworfen, und der Klerus konnte — sich auf die von Seiten der Protestanten drohende Gefahr berufend — bei der Kaiserin erwirken, daß diese Schulen von jenen der übrigen Teile der Monarchie abweichend behandelt werden. Was die Vorstellung van Swietens über die ungarländische Schulreform war, wissen wir konkret nicht, doch viele Daten beweisen, daß er mit dem unduldsamen Verhalten des Klerus und hauptsächlich der Jesuiten in Ungarn nicht einverstanden war. Dies zeigte sich auch bei der Organisierung der medizinischen Fakultät der Tyrnauer Universität, worüber Eva Baläzs in ihrem Referat ausführlich berichtet; doch zeigte sich dies auch bei der Bücherrevision, wo van Swieten in Gegensatz zum ungarischen Klerus geriet. Die Bücherrevision schloß sich eng an die Frage der protestantischen Geistmagyar nepiskolai oktatäs statisztikai forrasäi (Die statistischen Quellen des ung. Volksunterrichts) 1777—1848. In: Statisztikai Szemle 1971, S . 296ff.; M. SCHWARTNER, Statistik des Königreichs Ungarn. Pest 1798, S . 134f.; G Y . KORNIS, A magyar miivelödis eszminyei (Die Ideale der ungarischen Kultur). Bd. 1, 1927, S. 32. G . TFFLRRING, Magyarorszäg nipessige II. Jözsef koräban (Ungarns Bevölkerung zur Zeit Josephs II.). Budapest 1938, S. 19ff., 60ff.
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) N . TÖTHNE POLÖNYI, A
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liehen und Professoren an. Da die Protestanten in Ungarn keine Universität hatten, haben die jungen Protestanten in großer Zahl die deutschen, niederländischen und englischen Universitäten besucht. Von dort kamen sie mit Büchern reichlich versehen heim. In ihrer Heimat waren Bücher, die ihrem wissenschaftlichen und konfessionellen Standpunkt entsprachen, rar und teuer; deshalb haben sie nicht nur ihre Lehrbücher mitgebracht, sondern auch solche Werke, die sie sich zu ihrer Fortbildung verschafft haben. Die Zollämter an der Landesgrenze haben aber diese Bücher beschlagnahmt und zur Kontrolle den Jesuiten-Revisoren in Preßburg übersandt. Diese versahen die Revision ausschließlich vom Gesichtspunkt der katholischen Kirche, und haben nicht nur protestantische kirchenrechtliche und kirchengeschichtliche Werke konfisziert, sondern auch die deutsche Bibel Luthers und die in Utrecht und Basel gedruckten ungarischen Bibelübersetzungen Gäspär Kârolis 7 ). Es braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden, daß sich van Swieten von Anfang an scharf einer solchen Bücherrevision entgegensetzte. 1753 schrieb er: „ . . . Comme si on devoit rejetter simplement un livre, quand il n'est pas fait par un catholique, et il me paroit, que cette censure est faite sur ce principe.. . Une grande partie de ces livres sont des ouvrages de théologiens protestants. . . Mais il est à considérer que si la constitution du Royaume d'Hongrie est telle qu'on donne l'exercice de la religion aux protestants, on ne peut pas pour la mesme raison empêcher l'entrée de leurs livres théologiques et des livres de prières, et quelquefois un zèle indiscret pourrait exciter des troubles. En général, la manière de censurer les livres à Presbourg paroit fort déféetueuse 8 )." Auf seine Eingaben verfügte Maria Theresia an die Ungarische Hofkanzlei: „Ich will, daß bei der Bewilligung der Bücher der Akatholiken behutsam vorgegangen werde, daß ihre symbolischen Bücher und Katekismen zediert werden, selbst wenn sie kleinere Beleidigungen (leviora invectiva) beinhalten, da ja ihre Lehre selbst für die einzig wahre Religion gravaminös ist 9 )." Die Kaiserin mußte diese ihre Anweisung an die Hofkanzlei mehrfach wiederholen 10 ), doch ohne meritorischen Erfolg. Deshalb beantragte die Ungarische Hofkanzlei 1771, die ungarländische Bücherrevision der Wiener Zensurhofcomission unterzuordnen 11 ). Van Swieten war jedoch entschieden gegen diesen Antrag. Er berief sich darauf, daß die Commission ohnedies mit Arbeiten überhäuft ist, doch hauptsächlich darauf, daß die Frage ohnedies nicht gelöst werden könne, so lange in Ungarn die Zensur nicht aus den Händen der Jesuiten genommen wird. „Die Jesuiten werden niemals die Gelegenheit verpassen, uns mit vielen und unnützen Arbeiten zu überhäufen, weil sie hoffen, daß wir unter deren Last zusammenbrechen. Früher gab es auch bei der Wiener Zensur zwei Jesuiten, die viel zu schaffen machten und behaupteten, daß kirchliche Leute nicht gezwungen werden können, an staatlichen Aufgaben teilzunehmen, und ihre Tätigkeit war darauf gerichtet, dem fürst7
) FINÄNCZY, op. cit. B d . 1, S . 6 7 ff.
8) Ebenda, Bd. 1, S. 73. 9 ) Ung. Staatsarchiv, Budapest, Cancellaria Hungarica Aulica, Acta generalia 1760, No. 116. 10) Ebenda, 1761, No. 227; 1766, No. 165; 1772, No. 845 und Originales referadae 1759, No. 171. H) Ebenda, 1771, No. 1560 und 2591.
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lichen Ansehen Abbruch zu tun. Seitdem Euer Majestät die Wiener Zensur von diesen gefährlichen Personen befreit haben, können wir unsere Arbeit in Frieden verrichten. Ich kenne die Gesellschaft viel zu gut, als daß ich es für würdig hielte, ihr gegenüber auch nur die geringste Annäherung zu versuchen. Untertänigst bitte ich Euer Majestät, die Wiener Zensur nicht zu beauftragen, die ungarische Zensur zu verbessern, weil wir für eine solche Arbeit, die ansonsten ja auch keine Ergebnisse zeitigen würde, keine Zeit haben i 2 )." Mit der Auflösung des Jesuitenordens änderte sich auch in Ungarn die Lage; infolge der Anwesenheit der Protestanten haben sich die Vorstellungen van Swietens auch hier nicht verwirklicht, ja die Volksschulreform hatte in Ungarn noch mehr den Charakter eines Kompromisses als in Österreich, obgleich einer der Verfasser der Ratio Educationis des Jahres 1777, Adam Kollâr, ein Schüler van Swietens war, jahrelang neben ihm gearbeitet hatte, nicht nur in der Hofbibliothek, sondern auch in Zensurfragen 13 ). Die Bedeutung der Ratio Educationis besteht in erster Linie darin, daß sie erklärt: Die Schule ist ein Politikum, das der Staat nicht seiner Lenkung entgleiten lassen kann; er schreibt den Schulen das Lehrmaterial vor. Die Schulen verbleiben aber auch weiterhin in den Händen der Kirche, mit Ausnahme von einigen der Lehrerbildung dienenden Primär- oder Musterschulen (Scolae primariae vernaculae). Die Geistlichen haben auch das erreicht, daß auch die Ratio die frühere Verordnung enthält: katholische Kinder können nicht protestantische Schulen besuchen, daß hingegen in Dörfern mit gemischten Konfessionen, wo die katholische Schule groß genug ist, auch die protestantischen Kinder aufzunehmen, keine protestantische Schule ins Leben gerufen werden kann, dort müssen sämtliche Kinder die katholische Schule besuchen. Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen der ungarischen Ratio und dem österreichischen Entwurf, und zwar, daß die Ratio den Unterricht in ungarischer Sprache bei weitem nicht in solchem Maße zur Geltung bringt, wie der Entwurf den Unterricht in deutscher Sprache. Auf der Mittelstufe ist die Unterrichtssprache das Lateinische, doch erhält auch der Deutschunterricht einen betonten Platz. Dies ist der Grund, daß sich nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die protestantischen Konfessionen der Ratio entgegensetzten, wie auch jene aufgeklärten 12)
la censure en Hongrie est entre les mains des Jésuites seuls, qui manqueront jamais de nous accabler d'un travail énorme et très inutile, dans l'espérance de nous faire succomber sous le pois . . . La censure de Vienne a eu autre fois deux Jésuites dans son corps, qui broullèrent tout, pour soutenir le Probabilisme, quoyque condamné à Rome, défendirent qu'aucun ecclésiastique pouvoit estre contraint à porter sa part avec les autres sujets dans les charges d'estat, tâchèrent de diminuer l'autorité des souverains etc. etc. Sa Majesté a délivré la Censure de Vienne des sujets si dangereux et nous avons pu continuer nos travaux en paix. Nous connoissons trop la Société pour jamais avoir la moindre communication avec eux dans notre besogne. Je supplie Sa Majesté de ne pas charger la censure de Vienne de devoir redresser ou faire des représentations sur la censure hongroise, car le tems nous manque pour une telle opération, qui seroit tousjours sans le moindre effet." (Ebenda, 1772, No. 367. „Note sur la proposition de la chancellerie hongroise par rapport à la censure des livres." 25. Jänner 1772. Van Swietens eigenhändige Handschrift.) 13 ) L. CSÔKA, Mâria Térézia iskolareformja és Kollâr A'dâm (Maria Theresias Schulreform und Adam Kollâr). Pannonhalma 1 9 3 6 ; G Y . KORNIS, op. cit. S. 3ff.
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Elemente gegen sie waren, die die Verbreitung der Aufklärung, das Emporblühen der nationalen Bildung und der ungarischen Sprache erwartet hatten. Es genügt wohl, von denselben György Bessenyei, einen der größten Vertreter der ungarischen Aufklärung zu erwähnen, der übrigens mit den über den Kirchen, ja über den Religionen stehenden Ideen der Aufklärung gerade in den van Swieten nahestehenden Wiener Kreisen bekannt wurde. Die durch die Ratio Educationis ungelöst gebliebenen Fragen kamen während der Regierung Josephs II. mit erhöhter Kraft zum Vorschein. Mit dem 1781 erlassenen Toleranzpatent erhielten die Protestanten auch auf dem Gebiete des Schulwesens bedeutende Rechte. Joseph verfügte, „daß in allen Orten, wo keine Schulen existiren, jeder eine Schule zu errichten befugt seyn soll, es mag von der katholischen oder akatholischen Gemeinde geschehen, weil Lesen und Schreiben und Rechnen in jeder erlernt werden kann, und es doch besser ist, eine akatholische Schule in einem Orte zu haben, als gar keine 14 )". Die Verfügung Josephs zeigt, welche große Änderung in der Politik des Hofes seit Maria Theresia eingetreten war. Ein Teil der Protestanten besuchte nämlich auch bis dahin katholische Schulen, doch gab es kein Beispiel dafür, daß ein katholisches Kind in einer protestantischen Schule gelernt hätte. Joseph erklärte nichts Geringeres, als daß die Erwerbung von Kenntnissen nicht an die Kirche gebunden, Wissen nicht mit Glauben identisch sei, also in Dörfern mit gemischten Religionen jedermann ohne Rücksicht auf die Konfession jene Schule besuchen könne, die es eben gab. Nach seiner Auffassung „müssen Trivial- und Normalschulen als der Hauptgegenstand der Nation angesehen" werden, dieser Aufgabe könne jedoch die Schule nur dann nachkommen, wenn sie nicht im Dienste konfessioneller Ziele steht is). Die Schaffung des überkonfessionellen neuen Schultypus ist an Gottfried van Swieten, den Sohn Gerards geknüpft, der seit 1781 als Vorsitzender der Studienhofcomission das Unterrichtswesen der Monarchie lenkte. In dieser seiner Eigenschaft wurde von Joseph 1783 auch Ungarn unmittelbar ihm unterstellt16). Gottfried van Swieten war als Persönlichkeit nicht mit seinem Vater zu vergleichen, aber als Kulturpolitiker nimmt er in der Geschichte Österreichs, aber vielleicht noch mehr in jener Ungarns, einen sehr wichtigen Platz ein. Es kann gesagt werden, daß ihn die in der Aufklärung wurzelnde Weltanschauung, sein europäischer Bildungshorizont, sein klarer Blick in politischen Fragen befähigten, jene Arbeit, die sein Vater mit der Hochschulreform begonnen hatte, mit der Modernisierung der Elementarschulen, dem Volksunterricht, abzuschließen. Beide, Vater und Sohn, waren Anhänger des absoluten Staates. Während jedoch Gerard den Standpunkt des Reformers der frühen Aufklärung vertrat, war Gott14
) Ung. Staatsarchiv, Kancellaria Hungarica Aulica. Acta generalia 1785, No. 12807. Ebenda 1785, No. 12811. Siehe auch E. MÄLYUSZ, A Tärelmi Rendeiet. II. Jözsef es a magyar protestantizmus (Das Toleranzpatent. Joseph II. und der ung. Protestantismus). Budapest 1939, S. 517 ff. I«) E. FINÄNCZY, Adal6k a magyar tanügynek II. Jözsef korabeli törtenetehez (Beitrag zur Geschichte des ung. Unterrichtswesens unter Joseph II.). In: Magyar Paedagogica 1905, S. 151. 15)
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fried schon ein Schüler der Enzyklopädisten und Rousseaus. In Religions- und gesellschaftlichen Fragen bekundete er radikalere Ansichten als sein Vater und war prinzipiell ein Anhänger der Demokratie. Nicht jener Demokratie, in der die Massen herrschen, sondern jener, in der die Führung in den Händen der Weisen, der geistig Auserwählten liegt. Sein Standpunkt hat ihn infolge des geistigen Aristokratismus in ungarischer Relation eher zum Beschützer der Interessen der gebildeten Adeligen als jener des Bürgertums oder des Bauerntums gemacht. Zur gleichen Zeit aber trug seine Schulpolitik bedeutend zum kulturellen Emporheben der rechtlosen Klassen bei. Gottfried van Swieten war übrigens allen Anzeichen nach Deist, und es ist zweifellos kein Zufall, daß er an den ungarländischen Hochschulen und an der Pester Universität die Lehrstühle für Philosophie mit solchen Personen besetzte, gegen die später, nach dem Tod Josephs, wegen ihrer atheistischen Anschauungen eine Untersuchung angeordnet wurde 17 ). Er war Mitglied des den linken Flügel der Freimaurerei bildenden Illuminatenordens, von dem in Kreisen der Zeitgenossen gesagt wurde, er strebe nach dem Sturz der feudalen Gesellschaftsordnung. Heute wissen wir bereits, daß sie keine Revolutionäre, sondern höchstens Reformer waren. Gottfried van Swieten geriet aber trotzdem wegen seiner Illuminatenansichten in Gegensatz zu Kaiser Leopold II., der ihm auch 1790 die Lenkung des Unterrichtswesens entzog. Das Wesen seiner Schulreform bestand darin, daß neben den bereits bestehenden und in Zukunft zu schaffenden konfessionellen Schulen sogenannte Gemischte Schulen aufgestellt wurden, d. h. solche Elementarschulen in Stadt und Land, die von Katholiken und Protestanten gemeinsam erhalten wurden und bei denen weder die Lehrkräfte noch die Schüler sich auf konfessioneller Grundlage rekrutierten. Die Vereinigung der in kleinen Dörfern nebeneinander tätigen katholischen und protestantischen konfessionellen Schulen mit je einer Lehrkraft hatte auch vom Gesichtspunkt des Studiums großen Vorteil. Zwei Lehrer konnten, sich in der Arbeit teilend, den Unterricht auf höherem Niveau versehen. Die wirkliche Bedeutung der gemischten Schulen bestand jedoch darin, daß sie die Schulen der Lenkung durch die Kirche entzog, die Lehrer und Schüler und durch diese auch die Eltern verschiedener Konfessionen zusammenbrachte. Die gemischten Schulen bedeuteten den Beginn der Formierung einer neuen Gesellschaft18). Um das den gemischten Schulen entgegengebrachte Mißtrauen zu zerstreuen, war van Swieten bestrebt, aus dem Unterricht alles auszuschließen, das zu irgendeiner Beeinflussung der religiösen Überzeugung Gelegenheit bieten würde. Religionsunterricht erhielten die Kinder nach Konfessionen getrennt, und die Lehrer wurden streng angewiesen, beim Unterricht in anderen Gegenständen die religiösen Gesichtspunkte zu meiden. Auch das gemeinsame Morgen- und Mittagsgebet ließ er so zusammenstellen, daß dasselbe die Kinder jedweder Religion verrichten konnten. Bedeutend war auch seine Verordnung, daß an den in jedem Distrikt aufgestellten Bôlcsészettudomânyi Kar torténete (Geschichte der Philosophischen Fakultät). In: A Kir. Magyar Pâzmâny Péter Tudomànyegyetem torténete (Geschichte der königl. ung. P. Pâzmâny Universität). Bd. 4, Budapest 1935, S. 198ff., 302f.; E. MALYUSZ, op. cit. S. 515ff. 'S) E. MALYUSZ, op. cit. S. 518ff.
• 7 ) I . SZENTPÉTERY, A
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vierklassigen Musterschulen, in denen auch die Lehrer ausgebildet wurden, die Lehrer ohne Rücksicht auf ihre Religion ernannt werden. Elementarschulen, die ihren kirchlichen Charakter verloren haben, hatten freilich zahlreiche Gegner. Die ungarische Hofkanzlei, die noch die Traditionen der Zeit Maria Theresias bewahrte, wollte die gemischten Schulen nur so annehmen, daß ihre Führung in katholische Hände gerät und der katholische Charakter der Schule gesichert werden kann. Diese Meinung unterstützte im Staatsrat auch Martini, und Hatzfeld war gänzlich für die Beibehaltung des alten Systems. Nur der Kanzler Kaunitz stellte sich an die Seite van Swietens, indem er der Ansicht Ausdruck gab, die Schule müsse der ganzen Nation und nicht der einen oder anderen Konfession dienen i'). Wenn unter den zur Führung des Staates berufenen Politikern solch einander widersprechende Ansichten bestanden, kann man sich die seitens der Kirchen an den Tag gelegten Widerstände vorstellen. Die katholischen Bischöfe widersetzten sich an einigen Orten offen der Organisierung gemischter Schulen und auch die protestantischen kirchlichen Führer sahen die Sache mit großem Mißtrauen. Der Kaschauer Bischof Andrässy erklärte dem Schulinspektor des Distriktes mit auf das Kruzifix gelegter Hand, möge van Swieten ein noch so mächtiger Mann sein, er gehorche eher Christus 20 ). Der Vizegespan des Komitats Bihar, ein Kalvinist, verordnete vertraulich, daß man in den reformierten Schulen die von der Studienhofkommission systematisierten Schulbücher beiseite lasse und das Lesen und Schreiben auch weiterhin an den biblischen Geschichten unterrichte 21 ). Es gab aber auch solche, die in der Schulreform van Swietens mit Freude das Symbol des konfessionellen Friedens begrüßten und von den gemischten Schulen das Erstarken der Toleranz und des rationalen Denkens erwarteten. Gedeon Räday, eine führende Persönlichkeit der protestantischen Adeligen, erklärte seinen sich sträubenden Religionsgenossen, die alte Schule sei nicht mehr geeignet, „gute und nützliche Bauern und vernünftige Bürger zu erziehen". In diesen Schulen haben ja die Schüler nur von der Heiligen Schrift gehört, über die Naturwissenschaften, Geometrie und Ökonomie, „ohne die man jedoch heutzutage nicht mehr existieren kann", fiel aber kein einziges Wort 22 ). Die wahre Begeisterung hat jedoch die Reform bei jenen ausgelöst, die dem feudalen System teilweise oder gänzlich schon entwachsen waren, und von einer Gesellschaft träumten, in der die rechtlosen Klassen zu gleichberechtigten Mitgliedern der Nation geworden und Rechte und Pflichten gleicherweise verteilt seien. Wie der später wegen seiner demokratischen und revolutionären Ideen eingekerkerte Dichter Verseghy sagte: Jene Gesellschaft, in der die Religion das Verhältnis der !') Ung. Staatsarchiv. Cancellaria Hungarica Aulica. Acta generalia 1 7 8 5 , No. 1 3 7 9 9 ; E . MÄLYUSZ, op. cit. S. 5 2 1 . 20) F. KAZINCZY, Pälyäm emlekezete (Erinnerung an meine Laufbahn). Budapest o. J., S. 184. 21 ) J. KERESZTESI, Krdnika Magyarorszäg polgäri es egyhäzi közeletiböl a XVIII. szäzad vigin (Chronik aus dem weltlichen und kirchlichen öffentlichen Leben Ungarns am Ende des 18. Jahrhunderts). Pest 1868, S. 71. 22) E . MÄLYUSZ, op. cit. S . 5 3 2 - 5 3 3 .
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Menschen zueinander nicht mehr vergiftet, in der die Ideen und Wissenschaften frei verkündet werden können, in der zwischen Mensch und Mensch nicht die Geburt Unterschiede festsetzt, muß zuerst in der Schule aufgebaut werden 23 ). Ferenc Kazinczy, einer der größten Schriftsteller seiner Zeit, der dann 1795 im Prozeß gegen die Jakobiner nur durch königlichen Gnadenakt dem Todesurteil entging und 1785 im Kaschauer Schuldistrikt sogar einen Posten annahm, um in Nordostungarn selbst mehr als hundert Schulen zu organisieren, verehrte van Swieten — nach seinen eigenen Worten — als Vater. Als er von diesem in Wien in Audienz empfangen wurde, bat er um die Erlaubnis, „seine Hand mit kindlicher Treue" küssen zu dürfen. „Swieten war ein Mann von kleiner, aber nicht magerer Statur, trug einen Zopf", schreibt Kazinczy in seinen Memoiren. „Er empfing mich in einem weichselroten gestreiften kleingeblümten K a f t a n . . . Er eröffnete mir, welch großes Ziel darin liege, die Schulen in gemischte Schulen umzuwandeln und die Bürger des Vaterlandes gemeinsam zu erziehen. Seinen Worten konnte ich entnehmen, daß er mich prüft, wissen wolle, wie weit er meinem Denken und meinen Gefühlen trauen kann. Er widmete mir mehr als eine Stunde. Als ich ihn, erfüllt mit Liebe und Bewunderung seiner Größe, verließ, konnte ich nicht verstehen, wie sich so viel Gnade, so viel Güte, eine solche Seele unter so häßlichem Äußerem und hinter solch frostiger Natur verbergen könne. Noch nie sah ich einen so gemessenen, fast sauren Menschen, doch auch keinen besseren, keinen edleren" 24). Zwischen 1785 und 1790 hat sich in Ungarn die Zahl der Volksschulen fast verdoppelt (einen bedeutenden Teil der neuen Schulen bildeten die gemischten Schulen). Die anfängliche Begeisterung wurde aber selbst in Kreisen der ungarischen Josephinisten stark gedämpft, als der Sprachenerlaß Josephs erschien, der in seinem Reiche das Deutsche zur Verwaltungs- und Unterrichtssprache machte. Wir wissen, daß der Kaiser von praktischen Gesichtspunkten ausging und mit der gemeinsamen Sprache die einheitliche Verwaltung schaffen wollte, und nichts stand ihm ferner, als den Ungarn ihre Sprache zu nehmen. Jedoch hat die Verordnung, daß man die Kinder bereits in der Volksschule in „der allgemeinen Sprache der Monarchie", im Deutschen, unterweisen müsse, daß in die Mittelschule nur solche aufgenommen werden können, die die deutsche Sprache beherrschen, daß der Mittelschulunterricht zu großem Teile, der Hochschulunterricht aber gänzlich deutsch werden müsse, die Gefahr der Germanisierung in sich getragen. 1787 stimmte auch schon van
MILLOT, A vilâgnak kôzônséges tôrténete (Éléments d'histoire générale). Übersetzt von F . Verseghy. Pest 1790 Vorwort des Übersetzers. F . KAZINCZY, op. cit. S . 97—98,181. — Wir zitieren einige Worte aus der Antrittsrede Kazinczys als Schulinspektor: „Die Vorsehung hat es nur der jetzt lebenden Menschheit vorbehalten, daß die so wichtige Erziehung nicht nur in andern Ländern von Europa, sondern auch in Hungarn durch vortreffliche Regenten und mittelst Mitwirkung der in dieser Sache höchst bewanderten biederen Patrioten und besondern Einfluß klug gewählter Vorgesetzten, mehr und mehr Wachstum und Ansehen gewinne..." (Archiv des Kirchendistriktes H. B. in Särospatak. Ms. 1128, No. 98.)
23) A .
24)
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Swieten der Schaffung neuer Schulen nur unter der Bedingung zu, daß in denselben Lehrkräfte angestellt werden, die gut Deutsch können 25 ). Der Sprachenerlaß hat unter den Ungarn ohne Unterschied der gesellschaftlichen und politischen Zugehörigkeit einheitlichen Widerstand ausgelöst. Da die Schulreform nunmehr mit dem Unterricht in deutscher Sprache identisch geworden war, wies ein immer größer werdender Teil der Gesellschaft auch die Reform selbst ab. Um so mehr, als der Gedanke der bürgerlichen Umgestaltung auch in Ungarn sich immer mehr mit der nationalen Sprache und Kultur, dem Nationalismus, verband. Als zu Beginn des Jahres 1790 Joseph auf seinem Sterbebett auf den drohenden Druck der ungarischen Gesellschaft hin seine Anordnungen — mit Ausnahme von dreien — zurückzog, fiel auch die Schulreform van Swietens. Die Verfassung des Landes wurde wiederhergestellt, die Gefahr der Germanisierung war gebannt — aber in die Macht setzten sich wieder der Klerus und die Aristokratie zurück, die von einer Fortsetzung der begonnenen Reform nichts hören wollten. Die gemischten Schulen wurden aufgelassen, der Unterricht kam wieder in die Hände der Konfessionen, allgemein wurde jene Lage wiederhergestellt, die unter Maria Theresia herrschte. Die einstigen Anhänger der Schulreform haben nach kurzer Zeit resigniert feststellen müssen, daß alles wieder von vorn begonnen werden muß. Martin Schwartner schrieb in seinem Werke Statistik des Königreichs Ungarn: „Wäre Kaiser Josephs weitaussehender Schulplan nicht gescheitert, sehr wahrscheinlich hätten wir im Jahre 1800, die theologischen und Religionsschulen ausgenommen, keine katholischen und keine protestantischen, sondern nur lauter gemischte Volks- und gelehrte Staatsschulen in Ungarn gehabt" 26). Die den linken Flügel der einstigen Josephinisten bildenden Demokraten, die inzwischen durch die Zustände in der Heimat und die Französische Revolution zu Revolutionären geworden waren, sahen 1794 nur mehr eine Möglichkeit: sie begannen, sich zum Sturz des Feudalismus, zur Verwirklichung der bürgerlichen Revolution und der Republik zu organisieren. Ihre Bewegung wurde jedoch 1795 von der Regierung mit blutiger Retorsion erstickt. Die Bestrebungen der ungarischen Jakobiner reichten freilich auf jedem Gebiet, so auch im Unterricht weit über das hinaus, was Joseph oder van Swieten wollten27). Trotzdem erklärten sie stolz, ihre Bewegung sei den Reformen entwachsen. Van Swieten und sein unmittelbarster ungarischer Mitarbeiter, Päszthory, „diese zwei beförderten sehr viel die zur Demokratie nötigen Anstalten", schrieb im Jahre 1792 25
) E. MÄLYUSZ, op. eil. S. 535, Anm. 117. — Aus Kazinczys Meldung an van Swieten, 3. Februar 1790: „Die Bewohner meines Bezirkes geben zum Grund ihrer Abneigung gegen das Institut der Normal-National-Schulen zwey Puncta an. Erstens, daß die Lehrart, die in dem Felbigerschen Methodenbuch vorgeschrieben wird, nicht philosophisch gewählt, zweytens, daß in solchen Schulen die Verbreitung der deutschen Sprache auf Unkosten und gänzlichen Unterdrückung des ungarischen, zur Absicht genommen sey." (Archiv des Kirchendistriktes H. B. in Särospatak. Ms. 1128, No. 77.)
26
) E . SCHWARTNER, op. cit. S . 134.
27
) A magyar jakobinusok iratai (Die Schriften der ungarischen Jakobiner). Hrsg. von K. BENDA. Bd. 1, Budapest 1957, S. 834ff.
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der Führer der Organisation der ungarischen Jakobiner, Ignac Martinovics 28 ). Oder wie es der erwähnte Kazinczy konzipierte: „Vor der Regierung des Lothringischen Kaisers Franz I. war der Wiener Hof von einem Chaos überdeckt. Franz und Kaunitz befahlen, es werde Licht, und Swieten kam mit der Fackel der nüchternen Vernunft und schied das Licht von der Finsternis. Doch das Licht nahm nur schwer zu, bis nicht dann unter dem Sohne Franzens Swietens Sohn die Fackel übernahm" 29).
28) Ebenda, S. 667. 29 ) F. Kazinczy an A. Batthyány, 7. Jan. 1791: Kazinczy Ferenc levelezése (Der Briefwechsel F. Kazinczys). Bd. 23, S. 29.
DAS B I L D U N G S I D E A L G O T T F R I E D VAN SWIETENS V o n ERNST WANGERMANN
Das Bild, das die österreichische Geschichtsschreibung von Gottfried Freiherrn van Swieten, dem Sohne Gerard van Swietens, entworfen hat, ist ein recht düsteres. Es basiert vor allem auf den Ausführungen Kinks und Wolfsgrubers!), Historiker aus dem Lager des katholischen Konservatismus, aber auch auf denen Sigmund Adlers2), der keineswegs dieser Schule angehörte. In Anlehnung an die genannten Historiker wird Gottfried van Swieten als ein steifer, engstirniger Bürokrat geschildert, der das ganze österreichische Unterrichtswesen dem einzigen Zweck der Heranbildung von tauglichen Staatsdienern unterordnen wollte. Darüber hinaus läßt man ihn eine positive Bedeutung in der österreichischen Geschichte nur als Kenner und Mäzen der Musik und als Textdichter der Oratorien Haydns in Anspruch nehmen. Erst in den letzten Jahren erschien ein Buch eines ungarischen Historikers, Oskar Sashegyi3), das Zweifel aufkommen ließ, ob das traditionelle düstere Bild dem jüngeren van Swieten tatsächlich gerecht wird. Es war das letzte Buch, das sich auf die so wesentlichen Unterlagen der Staatsratsakten vor deren Zerstörung im Zweiten Weltkrieg stützen konnte, und befaßt sich ausschließlich mit van Swieten in seiner Eigenschaft als Zensor. Sashegyis Buch zeigt van Swieten als Gönner der vielgeschmähten Schriftsteller der josephinischen Zeit, als Vorläufer der grundsätzlichen Ablehnung der Zensur, die im neunzehnten Jahrhundert für die liberale und demokratische Weltanschauung charakteristisch werden sollte, und als leidenschaftlichen Fürsprecher für den von den Schriftstellern erhobenen, von Joseph II. jedoch spöttisch zurückgewiesenen Anspruch auf Schutz ihres geistigen Eigentums gegen den uneingeschränkten Nachdruck. Nach der Veröffentlichung des Sashegyischen Buches war es unbedingt an der Zeit, auch die Tätigkeit Gottfried van Swietens als Leiter des österreichischen Unterrichtswesens einer neuerlichen gründlichen Untersuchung zu unterziehen, soweit das heute angesichts der Zerstörung der Staatsratsakten noch möglich ist. Das Unterrichtsarchiv wurde separat von den Hofkanzleiakten aufbewahrt und daher im Justizpalastbrand von 1927 nicht beschädigt. Die Akten aus dem josephinischen Jahrzehnt sind ziemlich vollständig und gut erhalten, obwohl von den wichtigen Protokollen der Studien- und Zensurshofkommission nur ein Bruchteil vorhanden 1) R. KINK, Geschichte der Kaiserlichen Universität Wien. 2 Bde., Wien 1854; C. WOLFSGRUBER, Christoph Anton Kardinal Miggazzi. Ravensburg 1897. 2 ) S. ADLER, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II. Wien 1917. 3 ) O. SASHEGYI, Zensur und Geistesfreiheit unter Joseph II. Studia Histórica Academiae Scientiarum Hungaricae.16. Budapest 1958.
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Ernst Wangermann
zu sein scheint. Ich möchte im Rahmen des Internationalen Van-Swieten-Symposiums einige vorläufige Ergebnisse meiner Einsicht in diese Akten zur Diskussion stellen. Schon seit der Veröffentlichung von J. A. v. Helferts bahnbrechender Arbeit über die Gründung der österreichischen Volksschule durch Maria Theresia wissen wir von Gottfried van Swietens außerordentlichem Interesse für die öffentlichen Erziehungsanstalten. Als nämlich die Kaiserin die Verbesserung des Schulwesens ernstlich in Angriff nahm, ließ sie durch die österreichischen Gesandten an den verschiedenen Höfen genaue Nachrichten über Schule und Unterricht in anderen Staaten einholen. Helfert berichtet, daß alle Gesandten diesem Auftrag als Teil ihrer täglichen Arbeitsroutine nachkamen; der einzige Gottfried van Swieten, Gesandter am preußischen Hof, drückte in seinem Bericht an Kaunitz Begeisterung für die Absichten der Kaiserin aus: „Die Freude ist zu groß, als daß ich sie hätte beschränken können. Es ist endlich der Zeitpunkt gekommen, wo die Wahrheit aus denen finsteren Wolken, worin sie verhüllet war, mit einem neuen Glänze hervortritt und alle ihre Rechte erhält" 4 ). Es ist nicht genau bekannt, wie weit die Berufung van Swietens als Präses der Studien- und Zensurshofkommission im Jahre 1781 auf die Empfehlung Kaunitz' zurückzuführen ist; jedoch scheint es mir, daß seine leidenschaftliche Begeisterung für die Sache der Erziehung — seine Ausdrucksweise erinnert übrigens stark an die Ideenwelt der Zauberflöte — ihn eminent für diesen Posten qualifizierte. Was nun van Swietens Tätigkeit als Unterrichtsminister Josephs II. betrifft, so ist es vor allem interessant festzustellen, daß man bei ihm nicht die Meinung so vieler anderer Mitarbeiter Josephs, z. B. Franz Joseph Heinkes, antrifft, daß in den habsburgischen Ländern zu viele Leute studieren wollten. Ihm schien im Gegenteil die Zahl der Studierenden (5000) im Verhältnis zur Zahl der schulfähigen Kinder (735.805) nicht übermäßig 5 ). Er wollte daher auch nicht, daß Josephs bekannter Entschluß, in erster Linie für die Verbesserung und Vermehrung der Dorfschulen zu sorgen, auf Kosten der Universitäten verwirklicht werden solle. Van Swieten kann meines Erachtens durchaus als Verteidiger der Sache der Universitäten gegenüber seinem kaiserlichen Herrn angesehen werden. Anderseits setzte er sich nachdrücklich für eine wirklich allgemeine und freie Erziehung des Volkes in Stadt und Land ein, und betonte dabei besonders die Wichtigkeit der Erziehung des weiblichen Geschlechts. So heißt es in einem Vortrag der Studienhofkommission, aus dessen Formulierungen van Swietens persönliche Meinung deutlich hervorleuchtet: „Der Staat gewinnt durch die Verbreitung des verbesserten Unterrichts auch auf die weibliche Jugend ungemein... Da es bekannt ist, wie lange jedes Kind, und vorzüglich auf dem Lande in den Händen der Mutter bleibt, und wie ganz die erste
v. HELFERT, Die Gründung der österreichischen Volksschule durch Maria Theresia. Prag 1 8 6 0 , S. 287, Anm. 1. 5 ) Vortrag der Studienhofkommission, 12. Aug. 1783, Allg. Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, F. 63, 132 ex 1783.
4
) J. A .
Das Bildungsideal Gottfried van Swietens
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Bildung und die Grundlegung der künftigen Begriffe von denjenigen Eindrücken abhängen, welche die ersten Erzählungen und Unterrichte der Mütter und Kindswärter immer bei Bauern, Bürgern und adelichen auf das junge Gemüth des Kindes machen . . . so darf es keinen Beweises, wieviel dem Staate daran gelegen seyn muß, auch das weibliche Geschlecht auszubilden, das auf die Erziehung aller K i n d e r . . . einen so lange dauernden... und doch einen so unvermeidlichen Einfluß hat. Nicht zu gedenken, daß die Weiber, wenn sie selbst nichts wissen, von dem Schulunterrichte keinen oder einen widrigen Begriff haben, und die wenigstens itzt noch nicht sehr unterrichteten Väter, über welche ihrer viele keine unbedeutende Gewalt haben, durch tägliche Einwendungen... den Schulen abgeneigt m a c h e n . . . " 6). Das Werk, das Gottfried van Swieten selbst als das wichtigste seiner ganzen Amtstätigkeit betrachtete, war die Reform des philosophischen Studiums, die in allen Universitäten der Habsburger-Monarchie, einschließlich Ungarn, durchgeführt wurde. Van Swietens „Entwurf für das philosophische Lehrfach" stammt aus dem Jahre 1783. Kink beklagt sich über eine Abwertung und Degradierung des philosophischen Studiums unter van Swieten, das nach der Reform nur mehr einen Übergangsunterricht darstellte „mit der Bestimmung, den Studierenden bis zu ihrem Hinzutritte zu den Brotstudien eine Interimsbeschäftigung zu geben" 7 ). Gegen die eigentlichen Worte Kinks läßt sich hier nichts einwenden, aber der Eindruck, den er mit diesen Worten zu erwecken suchte und sicherlich erweckte, ist ein durchaus irriger. Lassen wir van Swieten selbst über den Begriff „Übergangsunterricht" zu Worte kommen. Ich zitiere aus seinem Entwurf: „Man kann das philosophische Fach mit einem hohen Berge vergleichen, der ein ödes, finsteres, enges Thal von einer weiten, anmuthig, fruchtbaren Ebene absondert, und, um von jenem in diese zu gelangen, erstiegen werden muß. Ein schmaler tief gegrabener Steig, der nirgends eine Aussicht gestattet, leitet durch manche Krümmungen, die der jähe Abhang nöthig machet, zum Gipfel beschwerlich hinan. Dann aber zeigt auf einer Seite der zurückgeworfene Blick mit einemmal den hinterlegten Weg sammt allen Hindernissen, welche die Ablenkung veranlasset haben, und läßt nun deutlich erkennen, daß er gleichwohl der einzig mögliche, der sicherste und kürzeste war, das Ziel zu erreichen. Auf der andern Seite stellet sich die anmuthige Ebene dar, das entzückte Aug schwebt über das Ganze, durchwandert jede Gegend, und mißt schon das Feld, das der entflammte Geist zur Wirksamkeit sich ausgezeichnet hat. Eine freye breite Strasse führet über den sanften Abhang hinunter, und theilet sich am Fusse des Berges wieder in besondere Wege, welche zu den verschiedenen Gegenden leiten, deren jede dem Fleiß des Bearbeiters gewisse und reiche Belohnung verspricht" 8).
«) Vortrag der Studienhofkommission, 18. Aug. 1784, ebenda, 154 ex 1784. 7) R . KINK, a. a. O., I, S. 568. 8
) Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, F. 13, 152 ex 1784.
12
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Ernst Wangermann
Um diesem Ideal des philosophischen Unterrichts gerecht zu werden, mußten die dazu gehörigen Gegenstände natürlich in einer ganz besonderen, vom spezialisierten Detailunterricht absolut verschiedenen Art vorgetragen werden. Die Art, auf die z. B. Professor Well damals die Naturgeschichte für spezialisierte Medizinstudenten vortrug, war für van Swietens Philosophiestudium gänzlich ungeeignet, und er schlug daher Peter Jordan als außerordentlichen Professor für Naturgeschichte an der philosophischen Fakultät vor. Joseph II., der schon bei der ursprünglichen, übrigens recht kühlen Approbation des van Swietenschen Entwurfs seine Besorgnis wegen der etwaigen Kosten zum Ausdruck gebracht hatte 9 ), wurde bei diesem Vorschlag kopfscheu und weigerte sich, einen zweiten Naturgeschichtsprofessor anzustellen. Van Swieten mußte seinen ganzen Einfluß einsetzen, und dem Kaiser sehr ausführlich den weiten Unterschied zwischen den zwei Arten von Naturgeschichtsunterricht erklären, bevor dieser in die Anstellung Peter Jordans einwilligte10). Für Historiker ist es von besonderem Interesse, wie sich van Swieten den allgemeinen Geschichtsunterricht im Rahmen des reformierten Philosophiestudiums vorstellte, und ich zitiere den betreffenden Passus aus seinem Entwurf: „Die Geschichte muß sich über alle Zeiten, über alle Völker erstrecken, und wird hier nicht als eine blosse Sammlung der Weltbegebenheiten, oder als ein Zeitvertreib, sondern als die Gefährtin aller Wissenschaften, als ein Studium der Menschheit, eine Schule des Lebens, der Klugheit, und der Sitten angesehen; sie soll, wie der seel. Heß sich ausdrückte, von der Stufe des Vorwitzes, und einer eitlen Gedächtnißsprache zum hohen Rang des Nachdenkens und der Weisheit hinaufsteigen" 11 ). Ich glaube, das Ideal des historischen Unterrichts ließe sich auch heute nicht besser ausdrücken, und wir sehen, auch wenn es sich bei van Swieten im wesentlichen um die Erziehung von tauglichen Staatsdienern handelte, welch hohen Begriff von dieser Erziehung er sich erarbeitet hatte. Wenn man das bekannte Handschreiben Josephs II. an den Obersten Kanzler Kollowrat vom 9. Februar 1790, in dem er das gesamte Unterrichtswesen in seinen Ländern so unbarmherzig kritisierte, durchliest, so darf man nicht vergessen, daß ähnliche Formulierungen in jeder kritischen Eingabe über diesen Gegenstand seit 1770 immer wieder vorkommen. Man darf nicht einfach annehmen, wie das oft getan wird, daß hier das spezifische Werk Gottfried van Swietens angeprangert wird. Wäre die Eingabe, die vermutlich die Grundlage des Handschreibens darstellte, van Swieten zur Begutachtung übergeben worden, hätte er zweifellos seiner Übereinstimmung mit wesentlichen Aspekten der Kritik Ausdruck verliehen. Sie wurde aber nicht ihm übergeben, sondern Kollowrat, der schon seit 1786 bemüht war, den Einfluß van Swietens zu schwächen. Überdies trug der neue Herrscher Leopold II.
') Resolution zum Vortrag der Studienhofkommission vom 16. Juli 1783, ebenda: Vor allem ist der Unterschied der Beköstigung zwischen der hier vorgeschlagenen und der jetzt bestehenden philosophischen Fakultät anzuzeigen. 10) Vgl. die eigenhändige Immediatnote van Swietens vom 13. Okt. 1783, ebenda, 164 ex 1784. 11) Ebenda, 152 ex 1784. Mathäus Ignaz Heß war einige Jahre Professor für Universal- und Literarische Geschichte an der Universität Wien.
Das Bildungsideal Gottfried van Swietens
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die vollkommene Neuorganisierung des Unterrichtswesens seinem ehemaligen Lehrer Karl Anton v. Martini auf. Trotz seiner aufgeklärten Ansichten stand Martini nie eindeutig im Lager der eigentlichen Auf klärungspartei unter den österreichischen Staatsmännern. Da ihm von Maria Theresia im Jahre 1773 die Ausarbeitung eines allgemeinen Planes für das österreichische Unterrichtswesen aufgetragen worden war, ist es möglich, daß zwischen ihm und van Swieten eine gewisse Rivalität bestand. Man darf daher seine Kritik an der Arbeit der Studienhofkommission unter van Swieten nicht ohne genaue Überprüfung an Hand der noch vorhandenen Akten als bare Münze annehmen. Ich habe auf Grund meiner bisherigen Einsicht in die Akten z. B. nicht den Eindruck bekommen, daß sich die Kommission in den letzten Jahren ihrer Tätigkeit, wie Martini es ihr vorwirft, nur mit den Kleinigkeiten der täglichen Verwaltung befaßte. Das genaue Verhältnis zwischen allgemeiner Planung und Detailarbeit wird sich jedoch durch den Verlust der meisten Protokolle nicht mehr feststellen lassen. Anderseits dürfte es gestimmt haben, daß van Swieten in seiner Kommission ziemlich despotisch herrschte. Am meisten schmerzte es van Swieten, daß Martini im Zuge seines neuen Planes von 1790 auch in die Ordnung des von ihm persönlich betreuten philosophischen Studiums eingriff. Unter anderem beantragte Martini, daß Ästhetik und Geschichte nur freiwillige Wahlgegenstände innerhalb dieses Studiums sein sollten. Das gab van Swieten die Gelegenheit, noch einmal über die Bedeutung dieser Gegenstände seine Meinung zu äußern, und zwar in dem Sigmund Adler unbekannt gebliebenen Vortrag vom 15. August 1791. Darin heißt es: „Man bescheidet sich ganz wohl, daß die Philosophie der schönen Künste nicht für alle, denen Kopfarbeiten Nahrung verschaffen sollen, als ein Gegenstand einer Beschäftigung oder Ausübung für das ganze Leben, das ist als ein Berufs- und Brodstudium betrachtet, und in solcher Absicht nicht allgemein vorgeschrieben werden kann; allein wenn man erwäget, daß die Lehre der Ästhetik Empfindungen und Leidenschaften zum Gegenstande und ein lebhaftes Gefühl des Wahren und des Guten zum Zwecke hat, daß ihre Wirkung ist, die Thätigkeit und die Fähigkeiten des Geistes nach einer besonderen Richtung zu entwickeln, die Einbildungskraft zu üben und zu leiten, den Geschmack zu bilden und zu nähren, das gesellige Vergnügen zu befördern, die Kenntniß der Gemüther zu erleichtern, wohlgeordnete Neigungen einzupflanzen und zu verbreiten, folglich überhaupt den moralischen Werth des Menschen zu erhöhen und sie zu Erfüllung ihrer Pflichten geneigter und williger zu machen; wenn man alle diese Wirkungen erwäget, und zugleich die Mittel wodurch sie hervorgebracht werden, die schönen Künste mit ihren unwiderstehlichen Reizen sich vorstellet, so begreift man gar wohl, warum die philosophischen Lehrer von Prag. . . einstimmig geäußert haben, daß die Aesthetik und die aesthetische Literatur zu denjenigen Lehrgegenständen gehören, welche... eine allgemein nützliche, bey allen Berufsarten und Standesverhältnissen gleich brauchbare, gleich unentberliche Bildung des Verstandes und Herzens gewähren, und allen Schülern ohne Ausnahme mit dem besten Grunde können vorgeschrieben werden. Mit diesem Urtheile ist man von jeher vollkommen verstanden gewesen, und tritt jetzt demselben um so mehr bey, als man überzeugt ist, daß erhöhtes Gefühl, verfeinerter Geschmack, Kenntniß der Gemüther und wohlgeordnete Neigungen 13
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auch für den Arzt nicht überflüssig scheinen dürften, und daß selbst der gemeine Seelenhirt, wenn er . . . seinen Unterricht fruchtbar machen, den Willen seiner Herde zum Guten lenken, ihrem rohen Verstände das Wahre darstellen, mit einem Worte, wenn er das, was er nach geläuterten Grundsätzen seyn soll, auch wirklich werden will, aus der Aesthetik manche brauchbare Anleitung und zweckmäßige Kenntniß schöpfen mag, die er von seinem Gymnasialstudium gewiß nicht mitbringen konnte, und in dem ganzen Umfange der Theologie vergebens suchen würde . . . Den vollständigen Werth der Geschichte . . . umständlich darzustellen, wäre heut zu T a g e . . . eben so viel, als bey dem Scheine der hellen Mittagssonne beweisen zu wollen, daß es Licht ist. (Gewiß ist,) daß Erfahrungen allein sicheren Grund und dauerhafte Materialien für spekulative Kenntnisse geben, daß ohne jene die abstrakten Begriffe nichts als unfruchtbare Hirngespinste sind, die den Kopf nur verengen, verschieben und irre machen, daß gleichwie die Naturgeschichte für die Physik und derselben Zweige die nöthigen Erfahrungen sammlet, sie die Weltgeschichte mit eben der Sorgfalt aufnimmt und allen übrigen Wissenschaften darbiethet, und daß folglich das ordentliche Studium der Geschichte als ein wesentlicher Gegenstand der allgemeinen Bildung in dem öffentlichen Unterricht allenthalben und ununterbrochen von dessen Anfang bis zu dessen Ende verwebet werden muß" 12 ). Ästhetik und Geschichte waren also für van Swieten nicht Interessensgebiete für Liebhaber und Gelehrte. Ästhetik war für ihn ein unentbehrliches Mittel zur kulturellen und moralischen Bildung des Menschen, und Geschichte die Königin der Wissenschaften.
12) Vortrag van Swietens, 15. Aug. 1791, ebenda, F. 106, 298 ex 1791.
SCHRIFTTUM
ZU LEBEN U N D WERK
GERARD VAN
SWIETENS
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