Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht [1 ed.] 9783428423149, 9783428023141


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German Pages 350 Year 1970

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Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht [1 ed.]
 9783428423149, 9783428023141

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 131

Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht

Von

Burkhard Tiemann

Duncker & Humblot · Berlin

BURKHARD

TIEMANN

Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 131

Recht

Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i n verfassungsrechtlicher Sicht

Von

Dr. Burkhard Tiemann

SSf v/

D U N C K E R

&

"yv)

H U M B L O T / B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Vorwort Der Bundesstaat ist ein komplexes und labiles Gebilde; komplex i n bezug auf das vielschichtige Übereinandergreifen der Kompetenzen, die komplementäre Überlagerung der Aufgaben, die enge Verzahnung der zwischen Bund und Gliedstaaten geteilten Sphären eigenständiger Verantwortung; labil durch die ständig neu auszulotende Balance des politischen Eigengewichts von Bund und Ländern, durch die Gefahr einseitiger Gewichtsverlagerungen i m bundesstaatlichen Kräfteparallelogramm und der damit verbundenen Störungsanfälligkeit des bundesstaatlichen Systems. Den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern kommt für beide Charakteristika des Bundesstaats eine besondere Bedeutung zu. Sie sind Ausdruck der komplexen bundesstaatlichen Struktur, da sie die enge Verbindung gemeinsamer Aufgabenerfüllung i m Bundesstaat der Gegenwart bezeichnen und anerkennen. Darüber hinaus stellen sie aber auch einen Stabilisator i m bundesstaatlichen Kräftefeld dar, w e i l sie die gleichberechtigte Zusammenarbeit der föderativen Partialordnungen gewährleisten und damit eine einseitige Okkupation der Kompetenzen verhindern. Die Staatspraxis von Bund und Ländern hat sich bereits i n der Vergangenheit i n steigendem Maße der Gemeinschaftsaufgaben zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Belange angenommen und sich dabei vielfältiger verfassungsrechtlicher Institute bedient oder auch parakonstitutionelle Formen föderaler Zusammenarbeit gefunden. Durch die Finanzreform i m Jahre 1969 sind die Gemeinschaftsaufgaben i m Grundgesetz verankert und auch i n anderen verfassungsrechtlichen Neuregelungen anerkannt oder vorausgesetzt worden. Die Vielfalt der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i m bisherigen Sinn, i h r Bedeutungswandel durch die spezifische Einführung ins Grundgesetz und ihre weiterbestehenden vielgestaltigen Formen i n teils hergebrachter, teils durch verfassungsrechtliche Änderungen abgesicherter Weise gebieten die Einordnung dieser verschiedenen Ebenen der Gemeinschaftsaufgaben i n das übergeordnete System des Grundgesetzes, wobei sich insbesondere eine sachliche und funktionelle Überprüfung der Gemeinschaftsaufgaben am Maßstab der Verfassung als erforderlich erweist.

6

Vorwort

Die vorliegende Arbeit möchte vor allem einen Beitrag dazu leisten und darüber hinaus die Gemeinschaftsaufgaben i n den übergreifenden Zusammenhang einer dem Wesen des Bundesstaats entsprechenden Entwicklungstendenz zum kooperativen Bundesstaat einordnen. Insofern verstehen sich ihre Ausführungen als Prolegomena einer neuen Theorie des Bundesstaates. Die Untersuchung wurde von der Juristischen Fakultät der Universität München i m Sommer 1969 als Dissertation angenommen. Bei ihrer Abfassung lag die grundgesetzliche Neuregelung der Gemeinschaftsaufgaben nur i n Form von Kommissionsgutachten und Regierungsentwürfen vor, die allerdings i n ähnlicher oder meistens sogar derselben Fassung i n das Grundgesetz eingeführt wurden, so daß sich am Ergebnis der Arbeit nichts geändert hat. Für die Drucklegung wurde die Untersuchung überarbeitet. Das Schrifttum konnte noch bis A p r i l 1970 berücksichtigt werden. Meiner Frau habe ich für aufopferungsvolle Mitarbeit bei der Überarbeitung und Durchsicht des Manuskripts zu danken. Mein besonderer Dank gilt auch meinem verehrten Lehrer, Herrn Staatsminister a. D. Prof. Dr. Theodor Maunz, dem ich für seinen väterlichen Rat und die stets gewährte vielfältige Unterstützung zutiefst verpflichtet bin. Dem deutschen Bundesrat und seinem Direktor, Herrn Ministerialdirektor Dr. Pfitzer, darf ich für eine finanzielle Unterstützung der Drucklegung, Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Broermann für die bereitwillige Aufnahme der Arbeit i n sein Verlagsprogramm meinen aufrichtigen Dank aussprechen. München, i m Mai 1970 Burkhard

Tiemann

Inhaltsverzeichnis

Einleitung I. Einführung i n die verfassungsrechtliche Problematik der Gemeinschaftsaufgaben I I . Das Ziel der Untersuchung u n d Anmerkungen zur Methode

Erster

19 23

Hauptteil

Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in der bisherigen Fassung des Grundgesetzes

Abschnitt A Die Gemeinschaftsaufgaben

als Rechtsbegriff

Erstes Kapitel : Die finanzverfassungsrechtliche schaftsaufgaben I. Aufgaben- u n d Ausgabenverantwortung rechtstheorie

Theorie der

i n der älteren

I I . Gemeinschaftsaufgaben bei K o n n e x i t ä t von tenz u n d Ausgabenverantwortung

Gemein-

Staats-

Verwaltungskompe-

29

30 32

1. Die Theorie des Finanzverfassungsgesetzes von 1955

32

2. Der kritische Standpunkt i n der L i t e r a t u r

33

I I I . Die finanzverfassungsrechtliche Theorie der Gemeinschaftsaufgaben bei Patzig u n d Henle

35

Zweites Kapitel: Der Begriff der Gemeinschaftsaufgaben als Koordinierung der Verwaltungsbefugnisse beim gemeinschaftlichen Gesetzesvollzug

39

I. Die vier A r t e n der Gemeinschaftsaufgaben nach K ö l b l e

39

8

nsverzeichnis I I . Die körperschaftliche Definition Kleins

42

1. Der theoretische Ausgangspunkt

42

2. Die praktische A n w e n d u n g des Körperschaftsbegriffs Gesetzesvollzug I I I . Die begriffliche Becker

Einengung

der

auf den

Gemeinschaftsaufgaben

43 durch

46

I V . Die Identität von Gemeinschaftsaufgaben u n d Gemeinschaftseinrichtungen nach Köttgen

47

Drittes Kapitel: Die Gemeinschaftsaufgaben als eigenverantwortlich wahrgenommene Aufgaben m i t Vollzugskoordination u n d Gemeinschaftsfinanzierung

51

I. Eigenverantwortlichkeit, Koordination u n d Gemeinschaftsfinanzierung als richtiger Ausgangspunkt der Begriffsbildung

51

I I . Prüfung der begrifflichen Praktikabilitätsvoraussetzungen am Maßstab des Vollzugs von Bundesgesetzen

53

1. K r i t i k der Theorie Röttgens u n d des i h r Bundesstaatsbegriffs

zugrundeliegenden

53

2. Die beschränkte Eignung der Körperschaftstheorie Kleins zur begrifflichen Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben

57

I I I . Der materielle Begriff der Gemeinschaftsaufgaben u n d das Prinzip der Gleichordnung

62

I V . Die gemeinschaftliche Finanzierung als Wesenselement der Gemeinschaftsaufgaben

64

V. Die definitorische Erfassung des staatsrechtlichen Charakters der Gemeinschaftsaufgaben

66

Abschnitt B Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern des Grundgesetzes und ihre verfassungsrechtlichen Erstes Kapitel: gesetzen

im System Grenzen

Gemeinschaftsaufgaben bei der Ausführung von Bundes-

I. Gemeinschaftsaufgaben bei der landeseigenen Ausführung Bundesgesetzen nach A r t . 84 GG

von

1. Die Eigenverantwortlichkeit der Verwaltungsführung

69 69 69

2. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes durch die Organisationsbefugnisse nach A r t . 84 Abs. 1 GG

72

3. Gemeinschaftsaufgaben u n d Mischverwaltung

74

nsverzeichnis 4. Der Charakter des A r t . 84 GG als Gemeinschaftsaufgabe i n Bezug auf A r t . 84 Abs. 1 GG

77

5. Die Grenzen der verfassungsrechtlich zulässigen Koordination i m Bereich des A r t . 84 GG

77

6. Die Vereinbarkeit von Gemeinschaftsaufgaben m i t der Bundesaufsicht

81

7. Die Weisungsbefugnisse des Bundes als wesensfremdes Element i m System der Gemeinschaftsaufgaben

82

I I . Gemeinschaftsaufgaben von B u n d u n d Ländern i m Bereich der Auftragsverwaltung nach A r t . 85 GG

83

1. Die Rechtsnatur der Auftrags Verwaltung i m Bezugssystem der essentiellen K r i t e r i e n materieller Gleichordnung

83

2. Der Grad funktioneller Eigenständigkeit i m Bereich des A r t . 85 GG

86

3. Die Gemeinschaftsaufgaben i m Rahmen des A r t . 85 Abs. 2 GG

88

4. Koordination praxis

89

statt Ingerenzen-Wahrnehmung

i n der

Staats-

5. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des faktischen Verzichts auf die Steuerungsmodalitäten des A r t . 85 GG

90

I I I . Gemeinschaftsaufgaben bei der Errichtung von Bundesoberbehörden, bundesunmittelbaren Körperschaften u n d Anstalten des öffentlichen Rechts auf Gebieten der landeseigenen V e r w a l t u n g u n d der Bundesauftragsverwaltung

92

1. Verfassungsrechtliche Grenzen der Zulässigkeit einer Errichtung der i n A r t . 87 Abs. 3 GG normierten Institutionen

92

2. Das Vorliegen von Gemeinschaftsaufgaben bei A r t . 87 Abs. 3 GG i m Verhältnis zu A r t . 84 GG

94

3. Die verfassungsrechtlichen Schranken bei bundeseigener V e r w a l t u n g i n Bezug auf die Landeseigenverwaltung i n A r t . 84 GG, insbesondere das Problem des überregionalen Verwaltungsakts

95

4. Die Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 87 Abs. 3 GG i m Bereich der Auftragsverwaltung nach A r t . 85 GG

97

Abschnitt C Die durch Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung der Zusammenarbeit koordinierten Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern

Erstes Kapitel: Die Koordination durch Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern 100

10

nsverzeichnis I. Die verschiedenen A r t e n der Verwaltungsabkommen

100

1. Allgemeine Typisierung

100

2. Die Koordinierungsabkommen

102

3. Die Interpretationsabkommen

103

4. Die Mandats- u n d Delegationsabkommen

103

I I . Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern 104 1. Die Auffassung der älteren Staatsrechtslehre

104

2. Die Zulässigkeit der A b k o m m e n i m System des Grundgesetzes 106 I I I . Der Geltungsgrund der Verwaltungsabkommen

107

1. Die Willenstheorie

107

2. Die normative Theorie

108

I V . Die Grenzen der Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern 109 1. Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab

109

2. Die Schranke des bundesstaatlichen Aufbauprinzips

110

3. Die Grenze der grundgesetzlich statuierten Zuständigkeitsverteilung 111 4. Die Beschränkung auf die verfassungsrechtlich fixierten Formen u n d Ausmaße der wechselseitigen Ingerenzrechte 114

Zweites Kapitel: Die Institutionalisierung der Zusammenarbeit von B u n d u n d Ländern i m Rahmen von Gemeinschaftsaufgaben 120 I. Die Institutionalisierung aufgrund von Verwaltungsabkommen . . 120 1. Die A r t e n der institutionalisierten Kooperation i n F o r m v o n Koordinierungsgremien 120 2. M i t w i r k u n g des Bundes an Verwaltungseinrichtungen der Länder 121 3. Beteiligung der Länder an Verwaltungseinrichtungen des Bundes 122 4. Gemeinsame Institutionen auf dem Gebiete des Privatrechts . . 123 5. öffentlich-rechtliche Gemeinschaftseinrichtungen von B u n d u n d Ländern u n d ihre Verfassungsmäßigkeit 123 I I . Die gesetzlich begründete Institutionalisierung gemeinsamer W a h r nehmung von Gemeinschaftsaufgaben 125 1. N o r m a t i v errichtete Köordinierungsgremien rechtlicher Basis

auf

verfassungs-

125

2. Zwangsinkorporierte Länderbeteiligung an Bundesinstitutionen 127 3. Institutionalisierung der Zusammenarbeit auf G r u n d bundesgesetzlicher Offerten 127 4. Gemeinschaftseinrichtungen durch gemeinsame sungen nach der Reichshaushaltsordnung

Finanzzuwei-

128

nsverzeichnis Abschnitt D Die gemeinschaftliche Finanzierung von Bund und als Element der Gemeinschaftsaufgaben

Ländern

Erstes Kapitel: Die Finanzierung i m Rahmen des gemeinschaftlichen Vollzugs von Bundesgesetzen 130 I. Die Allgemeingültigkeit des Lastenverteilungsgrundsatzes

130

I I . E r m i t t l u n g der Finanzierungsanteile von B u n d u n d Ländern

131

1. Allgemeine Grundsätze zur Erfassung des richtigen A n k n ü p fungspunktes 131 2. Die Verbindung von Verwaltungs- u n d Ausgabenverantwortung 132 3. Das Veranlassungsprinzip äquate Lösung

als finanzverfassungsrechtlich

ad133

I I I . Die Abgrenzung der Kostenbeteiligung am gemeinschaftlichen Gesetzesvollzug 135 1. Der Beteiligungsgrad bei den Ausgaben i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 84 GG 135 2. Die Lastentragung der Verwaltungs- u n d Zweckausgaben bei A r t . 85 GG 137

Zweites Kapitel: Die finanzielle Beteiligung des Bundes an der E r f ü l l u n g von Landesaufgaben 139 I. Die Zuständigkeit des Bundes bei der Vergabe von Subventionen 139 1. Die allgemeinen Zuständigkeitsvoraussetzungen

139

2. Die ungeschriebene Fondszuständigkeit des Bundes

142

3. A b l e i t u n g einer Subventionierungskompetenz des Bundes aus der Gesetzgebungszuständigkeit 144 4. Die Beteiligung der Länder am Vollzug leistungsgewährender Bundesprogramme 146 I I . Die gemeinschaftliche Finanzierung von B u n d u n d Ländern durch zweckgebundene Bundeszuschüsse 149 1. Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Bundeszuschüsse an die Länder i m Rahmen verwaltungsinterner Fondsverwaltung 149 2. Die verfassungsrechtlichen Schranken bei der internen Ausgestaltung interföderativer Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben 153 3. Die Dotationsauflagen i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben bei staatsinterner Fonds Verwaltung 156

12

nsverzeichnis Abschnitt E Die Abgrenzung der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern zu ihrer Verlagerung auf Bundes- oder Länder ebene

Erstes Kapitel : Die alternative Zentralisierung der Gemeinschaftsaufgaben beim B u n d 160 I. Die allgemeine Problemstellung bei alternativer Aufgabenerfüllung 160 I I . Der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs als Begründung einer Bundeszuständigkeit 161 I I I . Die Bundeszuständigkeiten aus der N a t u r der Sache

163

1. Die verfassungstheoretische Begründung des Prinzips der N a t u r der Sache 163 2. Die ungeschriebenen Verwaltungszuständigkeiten des Bundes aus der N a t u r der Sache i m Verhältnis zu den Gemeinschaftsaufgaben von B u n d u n d Ländern 164 I V . Die Annex-Kompetenz i m Bereich der Bundeszuständigkeiten . . 166 V. Das ungeschriebene Organisationsmonopol des Bundes auf überregionaler Ebene 168

Zweites Kapitel: Die Gemeinschaftsaufgaben ohne den B u n d durch alternative Selbstkoordinierung der Länder 170 I. Die Selbstkoordinierung der Länder durch zwischengliedstaatliche Verträge 170 1. Die Zulässigkeit der Verträge zwischen den Ländern

170

2. Die Rechtsordnung der Länderverträge

171

3. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Länderverträge i n bezug auf die Gemeinschaftsaufgaben von B u n d u n d Ländern . . 172 I I . Die institutionalisierten Formen der Länderkooperation i m V e r hältnis zu den Gemeinschaftsaufgaben 174 1. Die Gemeinschaftseinrichtungen der Länder u n d die bundesstaatliche S t r u k t u r 174 2. Die Organisation der Zwischenländereinrichtungen

176

3. Die zwischengliedstaatlichen Finanzierungen

178

Zusammenfassung

182

nsverzeichnis Zweiter

Hauptteil

Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in den Änderungsvorschlägen und der grundgesetzlichen Neufassung

Abschnitt A Änderungsentwürfe Verankerung von

zur grundgesetzlichen Gemeinschaftsaufgaben

Erstes Kapitel: Die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben A r t . 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

in

I. Die Grundlagen des Kommissions-Entwurfes

185 185

I I . Die Gemeinschaftsaufgaben als verfassungsrechtliches I n s t i t u t i n A r t . 85 a des Kommissions-Entwurfes 187 I I I . Das Verfahren bei der Durchführung der von der Kommission vorgeschlagenen Gemeinschaftsaufgaben 191 1. Das Zustandekommen von Gesetzen über gaben

Gemeinschaftsauf-

191

2. Die A r t der Gesetze über Gemeinschaftsaufgaben

192

3. Die Ausführung von Gemeinschaftsaufgaben

194

I V . Die Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben

196

V. A r t . 85 a K E u n d bundesstaatliche Gewaltenteilung 197 1. Gemeinschaftsaufgaben u n d grundgesetzliches Trennsystem . . 197 2. Bundesstaatliche Gewaltenteilung u n d veränderte Stellung des Bundesrats 199 V I . Die Vereinbarkeit der Gemeinschaftsaufgaben i n der Fassung des Kommissions-Entwurfes m i t A r t . 79 Abs. 3 GG 200 1. Wesen u n d Umfang der Bestandsgarantie nach A r t . 79 Abs. 3 GG 200 2. Gemeinschaftsaufgaben i m Verhältnis zu der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder als M e r k m a l ihrer Staatsqualität 202 3. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung

205

4. A r t . 85 a K E u n d die formelle Sicherungsfunktion der Verfassung 205 5. Die Stärkung des Bundesrats als Legitimationsgrund der Gemeinschaftsaufgaben 207 Zweites Kapitel: Die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i n den Änderungsvorschlägen der Bundesregierung 212 I. Stellungnahmen u n d Vorschläge der „Flurbereinigungskommission" 212 I I . A r t . 91 a, b i n der Fassung des Finanzreformprogramms

216

14

nsverzeichnis Abschnitt B Die neuen Gemeinschaftsaufgaben

im Grundgesetz

Erstes Kapitel: Die Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a u n d 91 b des Grundgesetzes 219 I. Das verfassungsrechtliche I n s t i t u t der Gemeinschaftsaufgaben A r t . 91 a G G 1. Der äußere A u f b a u der Verfassungsvorschrift 2. Die Gemeinschaftsaufgaben als Rechtsbegriff

in 219 219 220

3. Die Vorzüge der enumerativen Regelung gegenüber einer Generalklausel 223 4. Die Ausführungsgesetze und der Mitwirkungsbereich des Bundes 224 5. Die Ermächtigung zum Erlaß allgemeiner Grundsätze

226

I I . Die einzelnen Aufgabengebiete i m Katalog der Gemeinschaftsaufgaben 227 1. Die Aufgaben nach A r t . 91 a GG

227

2. Der Umfang der i n A r t . 91 b GG statuierten Gemeinschaftsaufgaben 230 I I I . Die gemeinsame Planung von B u n d u n d Ländern als zentrales I n strument der Gemeinschaftsaufgaben 231 1. Das Zustandekommen der Planungsgesetze nach A r t . 91 a GG . . 231 2. Die Rechtsnatur der Rahmenpläne

235

3. Der Planungsausschuß als verfassungsrechtliches I n s t i t u t

240

I V . Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben

242

V. A r t . 91 b i m System der Gemeinschaftsaufgaben

244

1. Die grundgesetzlich verankerte Verwaltungsvereinbarung Instrument der Gemeinschaftsaufgaben

als

244

2. Möglichkeiten einer Institutionalisierung der Bildungsplanung u n d Forschungsförderung aufgrund A r t . 91b 246 3. Der Systemzusammenhang zwischen A r t . 91 b u n d A r t . 91 a

248

4. Integration u n d Koordination der Gemeinschaftsaufgaben

251

V I . Die gemeinsame Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben B u n d u n d Länder

durch

256

V I I . Die verfassungsrechtliche Problematik der Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 a u n d 91 b GG 260 Zweites Kapitel: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben i n der Neuregelung der Finanzreform 266 I. Die Abgrenzung der Finanzierungszuständigkeiten zwischen B u n d u n d Ländern i m Flurbereinigungsabkommen 266

nsverzeichnis 1. Die Grundlagen eines neuen Instruments der Gemeinschaftsaufgaben 266 2. Die Verfassungsmäßigkeit Bundes

der Förderungszuständigkeiten des

268

I I . Die Neuregelung von Lastenverteilungsgrundsatz u n d Auftragsv e r w a l t u n g als Teilbereiche von Gemeinschaftsaufgaben 271 1. Die Klarstellung des Lastenverteilungsgrundsatzes

271

2. Die Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung

274

I I I . Die Investitionsbeteiligung des Bundes u n d Gemeinschaftsaufgaben 280 1. Die verfassungsrechtliche Grundlage der Investitionsbeteiligung des Bundes 280 2. Die Verfassungsmäßigkeit der Investitionskompetenz I V . Die von der Finanzreform schaftsaufgaben

nicht betroffenen

Dritter

übrigen

282 Gemein-

288

Hauptteil

Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern im umfassenden System des kooperativen Föderalismus Abschnitt A Gemeinschaftsaufgaben

und kooperativer

in ausländischen Erstes Kapitel:

Föderalismus

Bundesstaaten

Die Republik Österreich

I. Die staatsrechtliche S t r u k t u r der Republik Österreich

291 291

I I . Gemeinschaftsaufgaben u n d Föderalismus i m österreichischen V e r fassungssystem 293 Zweites

Kapitel:

Die Schweizerische Eidgenossenschaft

I. Die Aufgabenteilung zwischen B u n d u n d Kantonen

297 297

I I . Gemeinschaftsaufgaben u n d kooperativer Föderalismus i m Schweizerischen Bundesstaat 300 Drittes

Kapitel:

Die Vereinigten Staaten von A m e r i k a

I. Die staatsrechtliche S t r u k t u r der USA I I . V o m „ d u a l federalism" zum „cooperative federalism" I I I . Gemeinschaftsaufgaben i m kooperativen Bundesstaat der USA

304 304 306 308

16

nsverzeichnis Abschnitt B Die Wandlungen im Föderalismus der Bundesrepublik durch die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern

Erstes Kapitel: Sinngebung u n d Legitimation der bundesstaatlichen Ordnung i m H i n b l i c k auf die Kooperation von B u n d u n d Ländern 314 I. Wesen u n d Rechtfertigung des Föderalismus I I . Die Bedeutung der Gemeinschaftsaufgaben föderatives Verständnis

314 für ein gewandeltes

317

Zweites Kapitel: Gemeinschaftsaufgaben u n d bundesstaatliche S t r u k t u r i m kooperativen Föderalismus 323 I. Der kooperative Bundesstaat als Alternative zum unitarisierten Bundesstaat 323 I I . Die Auswirkungen der Gemeinschaftsaufgaben auf die bundesstaatliche S t r u k t u r 331

Literaturverzeichnis

339

Abkürzungsverzeichnis a. A. a.a.O. Abg. a. F. AVVFStr. AZ BA G U r t . BAnz. BayBgm BayVBl BGBl BGHZ BR-Drucks. BT-Drucks. BV BVerfGE BVerwGE B-VG DAR DÖV DUZ DVBL E EGKS FGO FN. GG GMB1 GVB1 GWB H HdStR h. M. i. d. F. i. S. i. V. m. 2

Tiemann

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordneter alte Fassung Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesfernstraßen Aktenzeichen

für

Auftragsverwaltung

U r t e i l des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Der Bayerische Bürgermeister Bayerische Verwaltungsblätter Bundesgesetzblatt Entscheidung des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Schweizerische Bundesverfassung Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung österreichisches Bundesverfassungsgesetz Deutsches Autorecht Die öffentliche V e r w a l t u n g Die Deutsche Universitätszeitung Deutsche Verwaltungsblätter Entwurf Europäische Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl Finanzgerichtsordnung Fußnote Grundgesetz Gemeinsames Ministerialblatt Gesetzes- u n d Verordnungsblatt Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen Heft Handbuch des deutschen Staatsrechts herrschende Meinung i n der Fassung i m Sinne i n Verbindung m i t

18

Abkürzungsverzeichnis

JÖR JuS

Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Schulung

JWG KE

Jugendwohlfahrtsgesetz Kommissionsentwurf

LWG N. F. Nds GVB1 NJW

Landwirtschaftsgesetz Neue Folge Niedersächsisches Gesetzes- u n d Verordnungsblatt Neue juristische Wochenschrift

OVG OVGE RHO RV See. SGG Sp. Sten. Ber. Sten. Prot. TZ U.S.

WRV

Oberverwaltungsgericht Oberverwaltungsgerichtsentscheidung Reichshaushaltsordnung Reichsverfassung Section Sozialgerichtsgesetz Spalte Stenographischer Bericht Stenographisches Protokoll Textziffer United States (mit Zahlenzusatz: Entscheidungen des Supreme Court) the Constitution of the U n i t e d States versus Verwaltungsarchiv Verwaltungsvereinbarung Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Weimarer Reichsverfassung

ZRP

Zeitschrift f ü r Rechtspolitik

U.S.-Const. v. Verw. Arch. VV VVdSt(R)L

Einleitung I. Einführung in die verfassungsrechtliche Problematik der Gemeinschaftsaufgaben Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern i m umfassenderen System eines kooperativen Föderalismus stehen heute i m Mittelpunkt der Diskussion u m die Weiterentwicklung der föderativen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die staatsrechtliche Bedeutung der Gemeinschaftsaufgaben und die Grenzen ihrer Zulässigkeit berühren Grundfragen nach Inhalt, Wert und Ausgestaltung der bundesstaatlichen Struktur des Grundgesetzes. Dabei w i r d häufig, wenn von Gemeinschaftsaufgaben gesprochen wird, die verfassungspolitische Frage i n den Vordergrund gestellt, welche Aufgaben dem Bund, welche den Ländern und welche beiden gemeinsam zustehen sollen. Für das Staatsrecht handelt es sich aber vor allem darum, welche Hechtssätze gelten, falls eine bestimmte Aufgabe durch das Grundgesetz zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt w i r d oder von Bund und Ländern i n sonstiger zulässiger Weise gemeinsam wahrgenommen wird1. Es ist also unabhängig von föderalistischem oder unitarischem Wunschdenken 2 , das die Auseinandersetzung um die bundesstaatliche Ordnung i n einen — wie es Scheuner 3 ausgedrückt hat — „juristischen Stellungskrieg" der Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Ländern verwandelt hat, zu klären, wo das Grundgesetz überhaupt Gemeinschaftsaufgaben vorgesehen hat und i n welchem Umfang eine Kooperation von Bund und Ländern verfassungsrechtlich zulässig sein kann. Der Begriff der Gemeinschaftsaufgabe als notwendiger Kooperationsform i m Bundesstaate ist frühzeitig nach Inkrafttreten des Grundgesetzes i n der juristischen Diskussion herausgebildet worden. Ansätze finden sich bereits bei Fischer-Menshausen 4, der darauf hingewiesen 1

Maunz, B a y V B L 1968, S. 62. A u f die ideologische Färbung solcher unfruchtbarer Auseinandersetzungen, die oft politische Intentionen m i t verfassungsrechtlicher Argumentation verbrämen, weist Herzog, JuS 1967, S. 193, 198 hin. 8 D Ö V 1966, S. 519. 4 DÖV 1952, S. 673. 2

2*

20

Einleitung

hatte, eine Reihe staatlicher Aufgabengebiete sei so geartet, daß sich auf ihnen der Bund und die Länder gleichzeitig betätigen könnten. I n den amtlichen Sprachgebrauch wurden die Gemeinschaftsaufgaben durch die sogenannten Finanzreformgesetze des Jahres 19555 eingeführt. I n Ziffer 53 des Entwurfs zu diesen Gesetzen werden hierunter jene Aufgaben verstanden, bei denen die Verantwortung für die Wahrnehmung von mehreren Gebietskörperschaften verschiedener Ordnung gemeinsam getragen wird. I n Ziffer 62 heißt es, die Regel, daß der Inhaber der Verwaltungskompetenz die aus der Kompetenzausübung resultierende finanzielle Last zu tragen habe, ergebe auf die Frage nach dem „richtigen" Lastenträger dann keine zweifelsfreie Antwort, wenn i m Einzelfall die Kompetenzfrage ihrerseits zweifelhaft sei: Es gebe A u f gabenbereiche, bei denen die Funktionen so verzahnt seien, daß eine trennscharfe Analyse der Zuständigkeitsverhältnisse nicht möglich erscheine. Ebenfalls i m Jahre 1955 bereits bezeichnete Hettlage 6 die „neue verfassungsrechtliche Theorie" der Gemeinschaftsaufgaben als von erheblichem finanziellem Gewicht. Eine systematische Untersuchung der Kooperationsformen zwischen Bund und Ländern nahmen Kölble und Klein i n ihren Vorträgen auf dem diesem Thema gewidmeten 29. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule Speyer 19617 vor. Sie gingen dabei von anderen Prämissen aus als Patzig 8, der i n erster Linie die Gemeinschaftsaufgaben unter den finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten des Lasten Verteilungsgrundsatzes i n A r t . 106 I V GG würdigte. Parallel m i t der Diskussion um die Gemeinschaftsaufgaben wurden Erörterungen darüber angestellt, inwieweit die Struktur unseres Grundgesetzes nicht einen kooperativen Bundesstaat statuiert. Es ist in erster Linie Scheuners Verdienst, den Gedanken des aus der amerikanischen Staatsrechtslehre stammenden Begriffs des cooperative federalism für unsere föderative Ordnung fruchtbar gemacht zu haben. So hat er 1962 ausgeführt 9 , es sei ein Kennzeichen der formalistischen Bundesstaatslehre, daß sie den Kern des Bundesstaats allein i n der Kompetenzverteilung sehe, auf deren Probleme es ausschließlich aber nicht ankomme. Zwar gehöre zum Bundesstaat eine Teilung der Aufgaben, zugleich aber auch ein reiches Zusammenspiel des Ganzen und der Glieder. Gerade i n den Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, aber auch i n den M i t t e l n des indirekten Einflusses wie durch Finanzzuweisungen und finanzielle Hilfen werde das bundes5 E n t w u r f eines Finanzverfassungs-, eines Finanzanpassungs- u n d eines Länderfinanzausgleichsgesetzes, BT-Drucks. II/480. 6 W D S t R L 14 (1956), S. 19. 7 Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 11 (1961). 8 A Ö R 86 (1961), S. 296. * D Ö V 1962, S. 641 f.

I. Verfassungsrechtliche Problematik

21

staatliche Leben besonders bewegliche Formen zeigen. Der kooperative Föderalismus statuiert also einen Föderalismus, der sich die Bewältigung der Staatsaufgaben durch ineinandergreifende Zusammenarbeit von Bund und Ländern angelegen sein läßt. Die Diskussion darüber, inwieweit dieses Ziel m i t dem föderalistischen Prinzip des Grundgesetzes i n Einklang steht, das Bund und Länder nicht wie der dualistische Föderalismus amerikanischer Provenienz (dual federalism) als streng getrennte Sphären betrachtet, hält noch an und w i r d noch eingehend zu erörtern sein. I n die Richtung eines sich wandelnden Selbstverständnisses unserer föderativen Organe i m Hinblick auf kooperative Aufgabenerfüllung ging auch der Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10. bis 12. J u l i 1963 i n Saarbrücken, auf der einstimmig die Entschließung 10 gefaßt wurde, die unfruchtbare verfassungspolitische Auseinandersetzung m i t dem Bund durch eine verfassungs- und sachgerechte Ordnung der Aufgaben und ihrer Finanzierung zu beenden und einen Verfassungsfrieden von Dauer herzustellen. Dazu bedürfe es der einwandfreien Klärung, welche Aufgaben nur gemeinschaftlich von Bund und Ländern wahrgenommen werden könnten, und welche Aufgaben eindeutig i n die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fielen. Eine ähnliche Formulierung, nämlich die Klärung der Frage, i n welchem Rahmen und nach welchen Regeln der Bund und die Länder für bestimmte Aufgaben gemeinsam die Verantwortung tragen und die M i t t e l aufbringen sollen (Gemeinschaftsaufgaben) 11 , wurde auch dem Auftrag der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Länder an die Sachverständigenkommission für die Finanzreform zugrundegelegt. Diese Kommission, die ein Gutachten zur Vorbereitung einer umfassenden Finanzreform erstellen sollte, und die nach ihrem Vorsitzenden, dem Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, Staatsminister a. D. Troeger, auch als Troeger-Kommission bezeichnet wurde, konstituierte sich am 20. März 1964 und legte Anfang 1966 ihr Gutachten vor, das als eines der wichtigsten Dokumente für innenpolitische Ordnung der Bundesrepublik i n der Gegenwart bezeichnet w i r d 1 2 . Die Kommission hat nicht nur eine Konzeption zur Neugestaltung der institutionell-innenpolitischen Ordnung der Bundesrepublik vorgelegt, sie hat notwendigerweise auch eine Fülle von Problemen i n die Diskussion 10 Abgedruckt, i n : Meyers, K l a r e Aufgabenteilung zwischen B u n d u n d Ländern (1963), S. 21. 11 Gutachten über die Finanzreform i n der Bundesrepublik Deutschland (Vorwort T Z 8). I m folgenden „Kommission" u n d „Troeger-Gutachten" genannt, w i r d nach Textziffern, abgekürzt „ T z " zitiert; die von der K o m mission vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen werden durch den Z u satz „Kommissionsentwurf" abgekürzt „ K E " gekennzeichnet. 12 Vgl. Lauf er, Kooperativer Föderalismus, S. 31; Wagner, D Ö V 1968, S. 608.

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Einleitung

gebracht, die zu einer lebhaften Auseinandersetzung i n P o l i t i k 1 8 und Wissenschaft 14 führten. Die tragende Grundvorstellung, die die Kommission bei ihrer Analyse der Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie ihren Vorschlägen zu Grundgesetzänderungen geleitet hat, ist das unter „kooperativer Föderalismus" behandelte innerstaatliche Organisationsprinzip der bundesrepublikanischen Ordnung. Ausgangspunkt des Gutachtens bildet eine kritische Überprüfung der föderativen Situation, für die der Topos von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit gewählt wurde, die beide i n Relation zueinandergesetzt einer Prüfung anhand der Normen des Grundgesetzes unterzogen werden 1 5 . Zur Verwirklichung ihrer Vorstellungen vom kooperativen Föderalismus als einem „aktiven Staatsprinzip", das den Ausgleich zwischen klaren Kompetenzabgrenzungen und bundesstaatlicher Kräftekonzentration schafft 16 , hält die Kommission eine Vielzahl von Grundgesetzänderungen für erforderlich. Die wichtigste Änderung stellt dabei die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i n einem A r t . 85a dar, wobei sie als Erfüllung für die Gesamtheit bedeutsamer und einer langfristigen gemeinsamen Planung bedürftiger staatlicher Aufgaben normiert werden, deren Ausführung Sache der Länder bleibt 1 7 . Neben der Festlegung von Gemeinschaftsaufgaben und ihrer gemeinsamen Erfüllung durch Bund und Länder schlägt die Kommission als institutionelle Instrumentarien des kooperativen Föderalismus eine Flurbereinigung der Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern 1 8 , sowie die Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung 19 vor. Ausgehend von der Analyse und den Änderungsvorschlägen der Kommission legte die Bundesregierung am 19. J u l i 1967 ihr Finanzreformprogramm vor 2 0 , das Grundlage der Verhandlung m i t den Ministerpräsidenten der Länder bilden sollte. Dieses Finanzreformprogramm übernahm die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i m Grundgesetz, wenn auch i n stark veränderter Form des Planungs- und Aufsichtsverfahrens. I m Gegensatz zum A r t . 85a des Kommissions-Entwurfs, der die Bund-Länder-Kooperation durch eine Generalklausel statuierte, enthielt der A r t . 91a des Finanzreformprogramms eine enume13 Statt vieler sei auf die Kontroverse zwischen Kübel u n d Leisler-Kiep , i n : Die Zeit Nr. 28/1968 sowie Heubl, ebd., Nr. 29/1968 verwiesen. 14 Vgl. die umfangreichen Literaturhinweise unten 2. Hauptteil, Abschn. A , 1. Kapitel. 15 Tz 28—51. 16 Tz 77. 17 Tz 139 m i t Begründung i n Tz 129—165. 18 Tz 81—l?n sowie Anlage 2 zum Gutachten (S. 178). 19 Tz 121—128. 20 Finanzbericht 1968, S. 209 ff.; vgl. auch Klein , B u l l e t i n Nr. 83 (1967), S. 713.

II. Ziel und Methode

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rative Regelung der Gemeinschaftsaufgaben, wobei neun Arten von A u f gaben vorgesehen waren, die als „für die Gesamtheit bedeutsam und einer gemeinsamen Planung bedürftig" (so A r t . 91a Abs. 1) angesehen wurden. Diese neun Gemeinschaftsaufgaben waren i n den Verhandlungen m i t den Ländern auf vier reduziert worden, als die Bundesregierung am 30. A p r i l 1968 den Entwurf eines Finanzreformgesetzes 21 dem Gesetzgebungsverfahren zuleitete. Neben den i m wesentlichen unverändert gebliebenen Ausgestaltungen der Gemeinschaftsaufgaben, der Flurbereinigung und der Neugestaltung der Bundesauftragsverwaltung enthält der Regierungsentwurf, modifiziert durch die Beschlüsse des Bundesrates vom 5. A p r i l 1968 und vom 7. Februar 1969 und des Bundestages vom 8. Mai 1968 und vom 11. Dezember 1968 als vierte Institution des kooperativen Föderalismus eine Investitionshilfekompetenz des Bundes zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder der regionalen Wirtschaftsentwicklung 22 . M i t diesen vier neuen Kooperationsformen soll eine Ausprägung des Föderalismus entwickelt werden, die ein ausgewogenes und bewegliches System der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern und unter den Ländern ermöglicht und somit dem Leitmotiv des Kommissions-Gutachtens und der Begründung des Regierunsentwurfes entspricht, das i n der Zusammenfassung gipfelt: „Der Föderalismus unserer Zeit kann nur ein kooperativer Föderalismus sein 23 ."

II. Das Ziel der Untersuchung und Anmerkungen zur Methode Die kurze Skizze der verfassungsrechtlichen Entwicklung der Gemeinschaftsaufgaben i m System des Grundgesetzes hat bereits angedeutet, daß die Gemeinschaftsaufgaben als Rechtsbegriff durch ihre Institutionalisierung i n der Verfassung eine Einengung erfahren haben. Während sie bisher Kooperationsformen i n verschiedenen, vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen oder doch zumindest zugelassenen rechtlichen Ausgestaltungen bezeichneten, w i r d man jetzt nur noch unter bestimmten tatbestandsmäßigen Voraussetzungen gemeinsamer Planung und Finanzierung von Bund und Ländern von Gemeinschaftsaufgaben i m 21

BT-Drucks. V/2861. Die Formulierung des A r t . 104 a Abs. 4 w a r i m Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten. Sie wurde durch BT-Beschl. v o m 11.12. 68 (BR-Drucks. 14/69) u n d dann wieder v o m Vermittlungsausschuß am 26. 2. 69 (BT-Drucks. V/3896) geändert. Die verfassungsrechtliche Würdigung dieser Vorschrift w i r d an anderer Stelle (s. 2. Hauptteil, Abschn. B, 2. Kap., I I I ) zu erfolgen haben. 23 Tz 76. 22

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Einleitung

eigentlichen Sinne sprechen können 2 4 . Die Darlegungen haben aber auch gezeigt, daß sich das Instrumentarium des kooperativen Föderalismus nicht auf die Institutionalisierung der jetzt von der Verfassung als solche bezeichneten Gemeinschaftsaufgaben beschränkt. Ein Teil der früher als Gemeinschaftsaufgaben bezeichneten Kooperationsformen soll also i n den drei anderen Institutionen des Finanzreformprogramms verfassungsrechtliche Gestalt annehmen. Daneben werden aber auch andere koordinierte Wirkungsmöglichkeiten wie bisher von Bund und Ländern weitergeführt werden, ohne daß sie von der Finanzreform berührt werden. Es ergeben sich also drei Ebenen von Gemeinschaftsaufgaben i m weiteren Sinne: einmal die i m Entwurf i n Art. 91a institutionalisierten, dann solche, die i n den drei anderen Formen der Kooperation vorgesehen sind (Flurbereinigungsabkommen, Erweiterung der Auftragsverwaltung m i t eventuell gemeinsamer Finanzierung der Zweckausgaben sowie Investitionshilfekompetenz) und schließlich die sonstigen Kooperationsmöglichkeiten, die sich wie bisher vollziehen und von der vorgesehenen Grundgesetzänderung nicht betroffen werden. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung muß es daher sein, diese verschiedenen Ebenen verfassungsrechtlicher Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgaben i n der früheren Fassung des Grundgesetzes aufzuzeigen und auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu untersuchen, u m dann das dadurch gewonnene Ergebnis i n Beziehung zu den grundgesetzlichen Änderungsvorschlägen zu setzen. Ausgangspunkt der Untersuchung kann dabei die Würdigung der bisherigen Verfassungspraxis bei der Bund-Länder-Kooperation durch die Troeger-Kommission und die Begründung des Regierungsentwurfs zum Finanzreformgesetz sein. Beide kommen zu dem Ergebnis, daß die Verfassungswirklichkeit zu Entwicklungen geführt hat, die sich i m Verhältnis zwischen Bund und Ländern neben dem und gelegentlich auch gegen das Grundgesetz vollzogen haben 25 . Für verfassungsrechtlich bedenklich werden dabei zahlreiche Formen der Kooperation von Bund und Ländern 2 6 , die Selbstkoordinierung der Länder 2 7 und die Fondswirtschaft des Bundes gehalten 28 . I n der Systematik unserer Untersuchungen ist also zuerst die Frage zu stellen, wo sieht das Grundgesetz besonders i n diesen drei Bereichen Gemeinschaftsaufgaben vor oder läßt sie zumindest stillschweigend zu. Daran schließt sich die Frage an: Wer darf i n welchem Beteiligungsgrad welche 24

A u f diesen Bedeutungswandel, den die Gemeinschaftsaufgaben erfahren haben, weist Maunz , B a y V B L 1968, S. 162 u n d N J W 1968, S. 2033 hin. 25 Troeger-Gutachten Tz 30. 26 Troeger-Gutachten Tz 31—35, E n t w u r f Tz 40, 78—80. 27 Troeger-Gutachten Tz 36—43, E n t w u r f Tz 34. 28 Troeger-Gutachten Tz 44—51, E n t w u r f Tz 40—50.

II. Ziel und Methode

25

Anteile an diesen Gemeinschaftsaufgaben (mit-)bewirken 2 9 ? Welchen verfassungsrechtlichen Schranken unterliegen also die wechselseitigen Mitwirkungsrechte von Bund und Ländern? Wenn diese beiden Fragen beantwortet sind, können w i r beurteilen, ob die der Finanzreform zugrundeliegende Einschätzung der Verfassungswirklichkeit zutreffend ist und eine Grundgesetzänderung notwendig machte, wobei vor allem auch der Zusammenhang von A u f gaben« und Ausgabenverantwortung zu klären ist und somit der finanzverfassungsrechtliche Aspekt der Gemeinschaftsaufgaben i n den Vordergrund tritt. Nach der Bewertung der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung w i r d sich die Untersuchung der Frage nach der Möglichkeit ihrer Umgestaltung des Grundgesetzes i n der erfolgten Form zuwenden müssen. Es stellt sich also das Problem der Verfassungsmässigkeit der Änderungsvorschläge. Dabei werden insbesondere die Vorstellungen der Troeger-Kommission und die vorgesehenen Grundgesetzänderungen des Regierungsentwurfs verfassungsrechtlich zu würdigen sein. Eine Auseinandersetzung m i t der Frage der Gemeinschaftsaufgaben fordert darüber hinaus aber zu einer Gesamtbetrachtung der Situation unserer bundesstaatlichen Ordnung und der Situation des deutschen Föderalismus heraus 30 , so daß die Einordnung der Gemeinschaftsaufgaben i n das umfassendere System der föderativen Struktur des Grundgesetzes unerläßlich erscheint, wobei sich angesichts der Allgemeingültigkeit der Problemstellung von Gemeinschaftsaufgaben für jedes föderative Staatswesen ein kurzer Vergleich m i t anderen bundesstaatlich strukturierten Ländern, wie z. B. der Schweiz, Österreich und den USA anbietet. Zusammenfassend kann es also als Ziel der vorliegenden Untersuchung i m engeren Sinne bezeichnet werden, die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i n ihren verschiedenen rechtlichen Ausprägungen und besonders ihren nunmehr erfolgten grundgesetzlichen Normierungen auf ihre Verfassungsmässigkeit zu untersuchen. Als Ziel der Untersuchung i m weiteren Sinne stellt sich dann ihre Einordnung i n die vielfältigen Rechtsbeziehungen des kooperativen Föderalismus unserer bundesstaatlichen Ordnung. Durch die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung ist dabei die einzuhaltende Methode i m wesentlichen vorgezeichnet: Ausgehend von allgemeinen Kriterien der Gemeinschaftsaufgaben, wie w i r sie i n der gegenwärtigen Verfassungspraxis vorfinden und die dann i n Beziehung zu den Legaldefinitionen der Vorschläge zur Grundgesetzänderung zu 29 Vgl. die Fragestellung bei Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 11, S. 128. 30 So m i t Recht Kölble, D Ö V 1967, S. 6, Fußnote 42. Konow, D Ö V 1966, S. 368.

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Einleitung

setzen sind, werden die wechselseitigen Ingerenzrechte und Koordinationsformen zu untersuchen sein. Diese Prüfung hat an den gegenwärtig gültigen konkreten Normen des Grundgesetzes zu erfolgen. Es soll also keine Theorie der Gemeinschaftsaufgaben anhand abstrakter Bundesstaatsbegriffe entwickelt werden. Denn es muß vermieden werden, aus Begriffen und formalen Konstruktionen Hechtsfolgen herzuleiten und Rückschlüsse auf gegenwärtig geltendes Recht zu ziehen 31 . Als notwendig w i r d sich jedoch angesichts der terminologischen Unsicherheit bei der Anwendung des Begriffs der Gemeinschaftsaufgabe i m juristischen Schrifttum eine eingehende Analyse der begrifflichen Wesensmerkmale erweisen 32 . Die essentiellen Kriterien, die zur wesensmäßigen Erfassung und begrifflichen Klärung der Gemeinschaftsaufgaben dienen, müssen dabei wiederum dadurch entwickelt werden, daß die i n der Praxis vorgefundenen Verflechtungen bundesstaatlicher Funktionen i n Relation zu den normativen Regelungen der Verfassung gesetzt werden. Aber auch auf der bundesstaatlichen Ebene selbst müssen die Formen der Bund-Länder-Kooperation gegen andere Möglichkeiten föderativer Aufgabenwahrnehmung abgegrenzt werden. Der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bezieht sich auf Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern. Diese sind daher zu unterscheiden von einer zentralen Aufgabenerfüllung durch den Bund und von der Selbstkoordinierung der Länder, die sich i n Form von Verwaltungsabkommen und Gemeinschaftseinrichtungen vollzieht. Diese Verlagerung der Gemeinschaftsaufgaben von der interförderativen Ebene auf die des Zentralstaats oder die der bundesstaatlichen Partialordnungen bildet also hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit nur ein Abgrenzungsproblem unserer Untersuchung und soll daher nur als Aspekt alternativer Aufgabenerfüllung durch die bundesstaatlichen Glieder beleuchtet werden, soweit nicht eine Lösung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern i m Einzelfall verfassungsrechtlich geboten erscheint. Gerade bei einer Betrachtung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, die i n den letzten Jahren eine so vielschichtige Ausgestaltung i n der Verfassungspraxis erfahren haben, darf die Interpretation einer Verfassungsvorschrift aber nicht absehen von ihrer effektiven Bedeutung und Wirksamkeit, also von den verfassungsrechtlichen Fol31 Herzog , JuS 1967, S. 194, der eine solche K o n s t r u k t i o n als Verstoß gegen fundamentale Grundsätze bundesstaatlicher Verfassungsinterpretation bezeichnet, die freilich infolge eines positivistischen Bundesstaatsverständnisses i n der heutigen Staatsrechtslehre i m m e r wieder zu beobachten sei. Ebenso Scheuner , D Ö V 1962, S. 641. 32 Die dringende Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Abgrenzung dieses Begriffs, seiner Voraussetzungen u n d der A u s w i r k u n g e n seiner institutionellen Umsetzung, betont Lauf er, a.a.O., S. 40.

II. Ziel und Methode

27

gen, die sie i m Staatsleben zeitigt. Denn keine Verfassung ist Theorie, die i m luftleeren Raum schwebt; sie ist immer auf konkrete politische Realitäten bezogen 33 . Angesichts der Tatsache, daß sich eine Vielzahl von Gemeinschaftsaufgaben mangels grundgesetzlicher Regelung praeter constitutionem gebildet hat, w i r d hier oft die Mahnung Erich Kaufmanns zu beachten sein, daß nur eine elastische „broad interpretation" diese Lage meistern und Engpässe vermeiden kann 3 4 . Das bedeutet, daß vor allem eine enge begriffsjuristische Interpretation unserer Verfassung vermieden werden muß 3 5 , die aus der Sicht eines reichen Zusammenspiels des Ganzen und der Glieder zu verstehen ist 3 8 . Andererseits darf aber auch der Verfassungsinhalt nicht zugunsten einer vermeintlichen „VerfassungsWirklichkeit" umgedeutet werden. Maunz 37 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß eine verfassungswidrige Wirklichkeit i n Wahrheit keine Verfassungswirklichkeit, sondern eine Verfassungsunwirklichkeit darstellt 3 8 . A l l e Handlungen, Ereignisse und Fakten müssen demnach am Maßstab des Verfassungsinhalts bemessen werden, nicht umgekehrt. Die Antithese von Verfassungsinhalt und Verfassungswirklichkeit, die sich an der vielgenannten normativen K r a f t des Faktischen zu orientieren scheint, deren Voraussetzungen einst die Staatsrechtslehre i m Anschluß an Georg Jellinek aufzustellen versucht hat 3 9 , darf nicht dazu führen, daß der „lästige J u r i s t " 4 0 vor der verfestigten Staatspraxis kapituliert, wie es Köttgen 41 gerade i n Bezug auf die Gemeinschaftsaufgaben befürchtet hat. Ist also bei der Verfassungsauslegung der richtige Weg zwischen einer engen begriffsjuristischen und unelastischen Interpretation, die den Zu33 Geiger, Mißverständnisse u m den Föderalismus, S. 3. Gerade i n Bezug auf die Gemeinschaftsaufgaben erst kürzlich wieder Kewenig, A Ö R 93 (1968), S. 433 ff. (S. 481). 34 Kaufmann, W d S t R L 9, S. 12. 35 Wagner, D Ö V 1968, S. 604 ff., der für ein neues Verfassungsverständnis plädiert, w a r n t vor einer Versteinerung verfassungsmäßiger Gestaltungsmöglichkeiten der Staatsgewalt durch zu enge Auslegung der Grundgesetzvorschriften. Auch das B V e r f G hat seiner Ansicht nach den Gesetzgeber dadurch zu zahllosen Änderungen gezwungen oder die E n t w i c k l u n g existent i e l l wichtiger Aufgaben überhaupt gehemmt. Eine solche Verfassungskonzeption habe auch bezüglich der Finanzreform n u r eine sich i n bloßem Zuständigkeitsstreit erschöpfende u n d daher sterile L i t e r a t u r produziert, die den Föderalismus unglaubwürdig werden lasse. (S. 608). 36 Scheuner, D Ö V 1962, S. 641; Patzig, AÖR 92 (1967), S. 310. 37 B a y V B L 1969, S. 1 ff. 38 Daher hätte auch die Kommission (Tz 28—30) den Respekt vor der V e r fassung terminologisch besser dadurch untermauert, daß sie statt von „ V e r fassungswirklichkeit" von „Verfassungspraxis" hätte sprechen sollen. So auch Lauf er, a.a.O., S. 32. 39 Maunz, B a y V B L 1969, S. 3, gerade hinsichtlich eines Teils der Gemeinschaftsaufgaben (S. 2). 40 Forsthoff, Rechtsstaat i m Wandel, 1964, S. 57 ff. 41 Fondsverwaltung i n der Bundesrepublik (1965), S. 53.

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Einleitung

sammenhang m i t der gelebten Verfassung verloren hat, und andererseits einer zu beflissenen Einbeziehung vermeintlicher „Verfassungswirklichkeiten" zu suchen, so ist als weitere methodische Richtlinie einer Betrachtung der Gemeinschaftsaufgaben zu beachten, daß sie sich notwendigerweise auf die Strukturprinzipien der Bund-Länder-Kooperation beschränken muß. Das folgt daraus, daß i m Rahmen der bewußt weitgespannten Thematik der vorliegenden Untersuchung Einzelfragen der variantenreichen verfassungsrechtlichen Phänomene außer acht bleiben müssen, damit eine Gesamtschau dieser Erscheinungsformen kooperativer Beziehungen zwischen Bund und Ländern i n den Vordergrund treten kann. Denn die Verfassung ist mehr als die Summe von Verfassungsbestimmungen. Sie ist eine innere Einheit, ein geschlossenes System 42 . Deshalb kann keine Bestimmung isoliert betrachtet und interpretiert werden. Sie muß vielmehr i m Gefüge dieser rechtlichen Einheit gesehen werden, die durch übergreifende Strukturprinzipien (wie das Rechtsoder Sozialstaatsprinzip), immanente Systematik (wie das Prinzip der Gewaltenteilung) und zentrale Wertentscheidungen (Freiheit, Personenwürde, Demokratie) gewahrt w i r d 4 3 . I m Lichte dieser Staatsstrukturbestimmungen, zu denen auch das Bundesstaatsprinzip des A r t . 20 GG zählt 4 4 , sind daher die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern zu sehen.

42

Vgl. Geiger , Mißverständnis u m den Föderalismus, S. 2; Scheuner , DÖV 1962, S. 641, D Ö V 1966, S. 519; Glum , Die staatsrechtliche S t r u k t u r der Bundesrepublik Deutschland, S. 68 f. 43 Geiger , a.a.O., S. 3. 44 Contiades, Verfassungsgesetzliche Staatsstrukturbestimmungen (1967).

ERSTER H A U P T T E I L

D i e Gemeinschaftsaufgaben von B u n d u n d Ländern i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes Abschnitt

A

Die Gemeinschaftsaufgaben als Rechtsbegriff Erstes Kapitel

Die finanzverfassungsrechtliche Theorie der Gemeinschaftsaufgaben Die Kooperationsformen von Bund und Ländern weisen sehr verschiedenartige Züge auf. Sie reichen von der Zusammenarbeit bei der Ausführung von Bundesgesetzen über die lose Absprache zur Koordinierung und Verwaltungsvereinbarung bis zur institutionellen Verfestigung. Sie nehmen teilweise die Form gemeinsamer Verwaltungseinrichtungen an, bei der Bund und Länder (oder aber nur die Länder untereinander i m Wege derSelbstkoordnierung) zusammenarbeiten, beschränken sich aber oft auch auf verschiedenartige finanzielle Zuweisungen 1 . Daß angesichts dieser Vielgestaltigkeit der Ausformungen der Gemeinschaftsaufgaben i m juristischen Schrifttum ein „uneinheitlicher, noch tastender Gebrauch" der Gemeinschaftsaufgabe als Rechtsbegriff zu verzeichnen ist 2 , erscheint daher u m so weniger verwunderlich, als eine Betrachtung der gegenwärtig praktizierten bundesstaatlichen Zusammenarbeit nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsformen sondern auch zwei verschiedene Aspekte ihrer verfassungsrechtlichen Würdigung aufweist, je nachdem ob man auf die Notwendigkeit der Koordinierung bei der verwaltungsmäßigen Wahrnehmung und Durchführung der Aufgaben abstellt oder aber auf die Tatsache ihrer gemeinschaftlichen Finanzierung. 1 8

Vgl. die Ubersicht Troeger-Gutachten, Tz. 129—134. Darauf weist das Gutachten, Tz 136, hin.

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben I. Aufgaben- und Ausgabenverantwortung in der älteren Staatsrechtstheorie

Dieser Dualismus einer Verzahnung und Verflechtung der Aufgabenund Ausgabenverantwortung i m bundesstaatlichen System ist schon unter der Reichsverfassung von 1871 problematisch gewesen. So wies bereits Laband 3 auf die starke Interdependenz aller Staatstätigkeit i m Bundesstaat hin, die es nicht erlaube, zwischen Bund und Ländern eine Kompetenzgrenze "wie eine chinesische Mauer" zu errichten und Hänel 4 setzte sich i n seiner kritischen Würdigung der Verwaltungspraxis des Kaiserreichs m i t der Vereinbarkeit einer zentralstaatlichen Fondsverwaltung m i t den Grundsätzen des Bundesstaates auseinander. Zu einer aktuellen verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung führte die Kooperation von Bund und Ländern aber erst unter der Weimarer Reichsverfassung, die die Zuständigkeiten nicht verfassungskräftig abgegrenzt, sondern die entgültige Entscheidung bewußt der politischen Entwicklung überlassen hatte, wobei die Zuständigkeitsverteilung zur Disposition der einfachen Reichsgesetzgebung stand. Dadurch haben sich Reichsgesetzgebung und Reichsverwaltung auf verschiedenen Lebensgebieten durch Ausübung der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten und durch Bildung ungeschriebenen Verfassungsrechts weiter ausgedehnt, eine Folge, die Lassar 1926 i n seinem Bericht „Reichseigene Verwaltung unter der Weimarer Verfassung" als eine „gewisse Mediatisierung der Länder" bezeichnete. Die gesteigerte Notwendigkeit der Selbstbehauptung i m Inneren und nach außen sei zufolge der politischen Gesamtlage i n einem nicht vorhergesehenen Maße zur Sache des Reichs geworden und habe zu einer weitgehenden Betätigung i n der bisherigen Länder-Sphäre geführt 5 . I m Mittelpunkt der bundsstaatlichen Auseinandersetzung stand dabei i n der Weimarer Republik das Eindringen der Reichsgewalt i n die Staatlichkeit der Länder durch ein umfangreiches Subventionswesen und zentrale Fondsverwaltung, die wie Medicus 1932 feststellte 6 , zu einer weiteren Kompetenzverschiebung durch Stärkung der Stellung der Reichsverwaltung gegenüber der Landesverwaltung geführt habe. Es zeigt sich also, daß sowohl unter der Reichsverfassung von 1871 als auch i n der Weimarer Republik ein umfassendes System der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern nicht entwickelt wurde. Zwar wurden i n Einzelfällen die bundesstaatlichen Verflechtungen und aus 3 4 5 8

Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 3. A u f l . 1901, Bd. 1, S. 94. Deutsches Staatsrecht, Bd. I (1892), S. 380. JÖR X I V , 1 ff., insbesondere S. 20/21. JÖR X X , 1 ff., insbesondere S. 104 f.

1. Kap.: Die finanzverfassungsrechtliche Theorie

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ihnen resultierende Kooperationsformen aufgezeigt. Eine Gesamtkonzeption bundes- und gliedstaatlicher Zusammenarbeit wurde jedoch durch juristische Zuständigkeitsabgrenzungen und verfassungspolitische Kompetenzstreitigkeiten unmöglich. Dies ist für die ältere Staatsrechtslehre des Kaiserreichs darauf zurückzuführen, daß sie sich i n positivistischer Dogmatik auf formale und konstruktive Gesichtspunkte konzentrierte 7 und dabei Fragen, wie die nach der geteilten Souveränität i m Bundesstaate, der Herleitung des Bundes von den Einzelstaaten oder umgekehrt sowie der Herkunft „originärer" Staatsgewalt und ähnliche bundesstaatliche Konstruktionsprobleme i n den Vordergrund stellte. Demgegenüber hat sich die Staatsrechtslehre der Weimarer Zeit durchaus von formalen Bundesstaatskonstruktionen gelöst 8 . So heben die Untersuchungen von Smend 9 vor allem den Charakter des Bundes als eines staatlichen Gesamtbildes mit doppelter Zusammenfassung der staatlichen Kräfte i n Bund und Ländern und das Spiel des Zusammenwirkens aller Teile hervor. Daneben hat C. Schmitt 10 andere Momente, wie das der verfassungsrechtlichen Homogenität, der Dezentralisation sowie der gegenseitigen Durchdringung der Organisation als Element des Bundesstaates beleuchtet 11 . Diese verfassungstheoretischen Erörterungen standen jedoch i m Schatten eines heftigen Abwehrkampfes der Länder gegen die zentralistische Entwicklung durch eine übermächtige Reichsgewalt, die weit über die verfassungsmäßigen Grenzen hinaus i n die bisher den Gliedstaaten vorbehaltenen Gebiete vorgedrungen war. So versteiften sich auch die staatsrechtlichen Erörterungen bald i m Widerstand gegen die Reichweite der Zentralgewalt, die „über das Maß des Vermeidlichen hinausging und, treffend als Aushöhlungspolitik bezeichnet, die Staatlichkeit der Länder immer stärker i n Frage stellte" 1 2 . Da diese m i t großem Nachdruck geführte Auseinandersetzung, die i n der bekannten und auch heute noch oft zitierten 1 3 Denkschrift der bayrischen Staatsregierung aus dem Jahre 1926 „über die fortschreitende Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder unter der Weimarer Verfassung" 1 4 gipfelte, sich i n erster Linie auf verfassungsrechtliche Kompetenzabgrenzungen beschränkte, ist auch der Staatsrechtslehre der Wei7 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 3, 4; Scheuner, D Ö V 1962, S. 641; DÖV 1966, S. 515, 516. 8 Vgl. Hesse, a.a.O., S. 4. 9 Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : „Staatsrechtliche Abhandlungen" 1955, S. 223 ff.; 268 ff. 10 Verfassungslehre 1928, S. 363 ff. 11 Vgl. Scheuner, D Ö V 1962, S. 642. 12 Apelt, „Geschichte der Weimarer Verfassung", 1946, S. 409/410. 13 Vgl. F.Meyers, K l a r e Aufgabenteilung, S. 15; Röttgen, Fondsverwaltung, S. 14; Patzig, A Ö R 92, S. 317. 14 Drucksachen des Reichsrats, Tagung 1926 Nr. 98, Denkschrift S. 4.

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

marer Zeit keine Gesamtschau übergreifender bundesstaatlicher Kooperation gelungen. U m so weniger konnte erst angesichts der Zuständigkeitsstreitigkeiten i n Einzelfragen eine begriffliche Klärung von Gemeinschaftsaufgaben oder — da diese Terminologie der damaligen Staatsrechtslehre fremd war — eine verfassungsrechtliche Systematisierung oder nomologische Abgrenzung entsprechender Kooperationsformen erfolgen 15 .

II. Gemeinschaftsaufgaben bei Konnexität von Verwaltungskompetenz und Ausgabenverantwortung 1. Die Theorie des Finanzverfassungsgesetzes von 1955

Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist schon relativ früh versucht worden, eine Theorie der Gemeinschaftsaufgaben zu entwickeln, wobei zunächst der finanzverfassungsrechtliche Aspekt i n den Vordergrund trat. So werden i n der bereits zitierten Begründung zum Finanzverfassungsgesetz aus dem Jahre 195516 als Gemeinschaftsaufgaben jene Sachbereiche bezeichnet, „ i n denen Bund und Länder zusammenwirken und sich i n die Verwaltungsbefugnis teilen" 1 7 . I n ähnlicher Weise heißt es an anderer Stelle 1 8 : „ W i r d die Verantwortung für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben von mehreren Gebietskörperschaften verschiedener Ordnung gemeinsam getragen (Gemeinschaftsaufgaben), so entspricht es der Regel, daß die beteiligten Verbände sich entsprechend ihrem A n t e i l an der Aufgabenverantwortung i n die Ausgabenverantwortung teilen." Ferner wurde dargelegt, der Kreis dieser Aufgaben könne nicht abstrakt umrissen werden: „Er w i r d auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen, gegebenenfalls des ungeschriebenen Verfassungsrechts durch die staatspolitische Praxis bestimmt 1 9 ." A n anderer Stelle w i r d diese Auffassung jedoch insofern wieder eingeschränkt, als „ein anderer Tatbestand" als eine Gemeinschaftsaufgabe gegeben sein soll, wenn sich der Oberverband zwecks Förderung bestimmter Aufgaben der Unterverbände an deren Ausgaben m i t Zu15

Daher wurde i m Rahmen dieser Darstellung auch darauf verzichtet, einen detaillierten Überblick über die „Gemeinschaftsaufgaben" der Reichsverfassung von 1871 u n d der Weimarer Reichs Verfassung zu geben. Es empfiehlt sich statt dessen ein kurzer Rückblick bei der Besprechung der einzelnen Gemeinschaftsaufgaben i m GG. 16 BT-Drucks. 11/480. 17 Tz 64. 18 Tz 53. 19 Tz 64.

1. Kap.: Die finanzverfassungsrechtliche Theorie

33

schüssen beteiligt oder ihnen diese Ausgaben erstattet. Das Subventionswesen und die Fondsverwaltung, bei denen der Oberverband „ohne eigene Sachzuständigkeit es anstrebt, auf den Vollzug der subventionierten Aufgabe Einfluß zu gewinnen" und „Verwaltungskompetenzen i n dem Umfang an sich zieht, i n dem er diese Verbände von ihrer Ausgabenverantwortung entlastet" 2 0 , werden also ausdrücklich aus dem Bereich der Gemeinschaftsaufgaben ausgeklammert. Es fragt sich, wo der Entwurf überhaupt i m Sinne der oben zitierten Formulierung Ansätze für Gemeinschaftsaufgaben erkennt. Das ist nach der Konzeption des Entwurfs ausschließlich dann der Fall, wenn „Bund und Länder Verwaltungsfunktionen gemeinsam wahrnehmen" 2 1 . Eine nähere Betrachtung zeigt also, daß der Gedanke der Gemeinschaftsaufgaben i m Endergebnis nur für das Gebiet der Verwaltungskosten fruchtbar gemacht wurde 2 2 . So w i r d für die Fälle des A r t . 84 GG i n der Begründung des Entwurfs eine Beteiligung des Bundes an den Verwaltungskosten dann für zulässig erachtet, wenn die Länder dem Bund ein sachliches Mitwirkungsrecht eingeräumt haben 23 , dem Bund also eine „eigene Verwaltungskompetenz insofern zustehe, als die Landesbehörden bei der Gesetzesdurchführung an Weisungen von Bundesbehörden (Art. 84 Abs. 5 GG) gebunden seien 24 . Darüber hinaus w i r d als weitere Voraussetzung gefordert, daß der Vollzug der Bundeszuweisungen den Ländern erhebliche Verwaltungsausgaben verursacht. Bei der Bundesauftragsverwaltung w i r d eine Teilung der Ausgabenverantwortung entsprechend dem A n t e i l an der Aufgabenverantwortung befürwortet, „da dem Oberverband m i t dem Weisungsrecht eine Verwaltungskompetenz eingeräumt ist, die seine finanzielle Beteiligung an den Vollzugsaufgaben der Unterverbände rechtfertigen kann" 2 5 . Der Entwurf folgt damit der These von der Konnexität zwischen Aufgabenund Ausgabenverantwortung als allgemeinem finanzverfassungsrechtlichen Grundsatz der Lastenverteilung, wobei sich die Kostentragungspflicht der Gemeinschaftsaufgaben nach dem jeweiligen Intensitätsgrad der Ingerenzmöglichkeiten des Bundes richten soll. 2. Der kritische Standpunkt in der Literatur

Diese primär auf der Verwaltungskompetenz beruhende Konnexitätsthese ging auf Überlegungen Fischer-Menshausens 2* zurück, der die 20 21 22 28 24 25 28

3

Tz 54. Tz 176. Vgl. Patzig, A Ö R 86, S. 258. Tz 64. Tz 176. Tz 53, 64. D Ö V 1948, S. 10 ff.

Tiemann

34

Abschn. A : Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

allgemeinen Grundsätze f ü r die Lastenverteilung i m Bundesstaat aus den verfassungsrechtlichen Kompetenznormen ableiten w i l l , die auf administrativem Gebiet die Aufgabenverteilung zwischen B u n d und Ländern bestimmen. Allerdings hatte er einräumen müssen, daß die natürliche Verflechtung des Gesamtbereichs der bundesstaatlichen Verwaltungstätigkeit eine scharfe Grenzziehung i n der Praxis m i t u n t e r erschweren könne 2 7 und eine Reihe von Aufgaben sich f ü r eine gemeinsame Betätigung von B u n d u n d Ländern eigne 2 8 . Die These Fischer-Menshausens, daß jede Gebietskörperschaft die m i t der Ausübung ihrer staatlichen Befugnis u n d der E r f ü l l u n g ihrer staatlichen Aufgaben verbundenen Ausgaben aus eigenen M i t t e l n zu tragen habe, und zwar sowohl die Verwaltungs- als auch die Zweckausgaben, wobei die allgemeine Lastenverteilungsnorm „ n u r an die i m Einzelfall verfassungsrechtlich bestimmbare Verwaltungskompetenz" anknüpfe u n d hiernach den Träger der Ausgabenverantwortung bestimme 2 9 , ist i n der L i t e r a t u r teilweise auf erhebliche K r i t i k gestoßen. So hat Röttgen 30 die Auffassung vertreten, die Unterscheidungen der A r t . 83 ff. beruhten auf anderen methodischen Überlegungen als sie i m Bereich des Finanzierungsausgleichs angestellt werden müßten. Die Konnexitätsthese sei n u r dort unproblematisch, wo sich eine Aufgabe v o m Anfangsstadium planender I n i t i a t i v e bis zum Schlußstadium abschließender V e r w i r k l i c h u n g i n gleicher Hand befinde. Da aber gerade für den Bereich der modernen V e r w a l t u n g eine funktionelle Verzahnung aller Ebenen charakteristisch sei, könnten weder die Aufgaben nach A r t . 84 GG vorbehaltlos als Landesaufgaben i m Sinne des Finanzausgleichs angesprochen, noch die Fälle der Bundesauftragsverwaltung i n diesem Sinne als landesfremd deklariert werden, vielmehr liege i m Geltungsbereich der A r t . 84 u n d 85 die Sachverantwortung nach einem verfassungsrechtlich fixierten Schlüssel sowohl bei den Ländern wie beim Bund. Auch Hettlage 31 ist der Meinung, daß die verfassungsrechtlichen U n terscheidungen beim Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder für die Kostentragung ohne Bedeutung sind, w e i l letztere weder der Gesetzgebungs- noch der Verwaltungszuständigkeit folge. Er v e r t r i t t allerdings zu A r t . 84 die Auffassung, daß m i t Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Trennsystem der Wirkungsbereiche von Gesetzgebung und V e r w a l t u n g i n B u n d u n d Ländern die Länder sowohl die Verwaltungs27 28 29 30 31

DÖV 1948, S. 13. DÖV 1952, S. 673. DÖV 1956, S. 161. DÖV 1953, S. 358. D V B L 1953, S. 713.

1. Kap.: Die finanzverfassungsrechtliche Theorie

35

kosten als auch die Zweckausgaben allein zu tragen hätten 3 2 , wohingegen er Bundeszuschüsse i m Rahmen des A r t . 85 GG für rechtlich zulässig und finanzpolitisch zweckmäßig hält.

I I I . Die finanzverfassungsrechtliche Theorie der Gemeinschaftsaufgaben bei Patzig und Henle Die m i t Rücksicht auf eine enge Auslegung der Konnexitätsthese für notwendig gehaltene Beschränkung der Gemeinschaftsaufgabe als Rechtsbegriff auf die Regelung der Verwaltungskosten bei der Durchführung von Bundesgesetzen durch den Regierungsentwurf von 1954 ist vor allem bei Patzig 3 3 auf K r i t i k gestoßen. Ausgehend von der Unzulänglichkeit der Konnexitätstheorie zur Lösung der bei den Gemeinschaftsaufgaben gestellten Probleme m i t den ganz verschieden zu bewertenden Einflußnahmen des Bundes auf die gemeinsame Aufgabenerfüllung mit den Ländern, entwickelt er eine finanzverfassungsrechtliche Theorie der Gemeinschaftsaufgaben, die sich nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen und Verwaltungskompetenzen orientiert, sondern an der Qualität und der Wirkung, die der Aufgabe als solcher zuerkannt wird, so wie es etwa i n der Begründung zum Bundesentschädigungsgesetz 34 heißt, daß „die Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein Anliegen des ganzen deutschen Volkes ist und somit eine Gemeinschaftsaufgabe des Bund und Länder umfassenden Gesamtstaates darstellt". Ansätze für eine solche Sicht der Gemeinschaftsaufgaben findet Patzig 35 bereits i n verschiedenen „Skizzen" und Bemerkungen, die vom Bundesfinanzministerium zur Vorbereitung der „Finanzreform 1955" i n den Jahren 1952 und 1953 erstellt wurden. So hieß es i n der „Skizze" vom 12. J u l i 19523*, es gäbe Aufgabenbereiche, die an sich zur Zuständigkeit der Länder gehörten, aber so gestaltet seien, daß auch dem Bund eine Einwirkungsmöglichkeit zustehe. Die beiderseitigen Kompetenzen unterschieden sich i n diesen Fällen nicht ressortmäßig, sondern allein i n ihrer funktionellen Bedeutung und ihrem räumlichen Wirkungsbereich, was am Beispiel des Wohnungsbaues erläutert wurde, der aufgrund seiner überregionalen Bedeutung eine finanzielle Beteiligung des Bundes erfordere. Darüber hinaus wurden zahlreiche Aufgaben nichtakzessorischer A r t , die nicht regional radizierbar seien, als Gemeinschaftsaufgaben von 32 33 34 35 36

3*

D V B L 1953, S. 711. AÖR 86, S. 258 (oben), S. 291 ff. I. d. F. v o m 29. 6. 1956 ( B G B L I S. 559). a.a.O., S. 295. Zitiert bei Patzig, a.a.O., S. 295.

36

Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Bund und Ländern angesprochen. Dazu zählten die Überlegungen des Bundesfinanzministeriums einmal Maßnahmen der Existenzsicherung des Bundesgebietes und der Bundesbevölkerung wie den Luftschutz und die Seuchenbekämpfung, zum anderen Führungs- und Förderungsaufgaben auf dem Gebiete der großräumigen Wirtschafts-, Verkehrs- und Sozialpolitik, die ihrem Wesen nach nur einheitlich und umfassend für alle Bundesländer wahrgenommen werden können, wie Arbeitsbeschaffung i m Rahmen der allgemeinen Konjunkturpolitik, Landgewinnung, Seeschiffahrt, technische Förderung etc. Auch die Wahrnehmung deutscher Interessen und Verpflichtungen gegenüber dem Ausland, die sonst als Bundesaufgabe bezeichnet wurde, sollte bei regionaler Beziehung eine Gemeinschaftsaufgabe darstellen. Aus diesen punktuellen und kasuistischen Überlegungen, die bereits frühzeitig zur Vorbereitung der Finanzreform von 1955 i m Bundesfinanzministerium angestellt wurden, leitet Patzig 37 zweierlei ab: Einmal die zunehmende Anerkennung von Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich der gesetzesfreien Verwaltung, so daß etwa „kostenpflichtige" Weisungsrechte des Bundes gemäß A r t . 84, 85 GG, die den Lastenverteilungsgrundsatz der Konnexitätsthese hinsichtlich einer finanziellen Bundesbeteiligung berühren könnten, überhaupt nicht i n Betracht kommen. Damit führt Patzig den Gedanken der Gemeinschaftsaufgabe aus der Einengung bloßer Kostenverteilungsfragen beim verwaltungsmäßigen Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder, die er durch den Regierungsentwurf erfahren hatte, heraus und macht i h n auch für nicht gesetzesakzessorische Kooperationsformen von Bund und Ländern fruchtbar. Denn zum anderen ist für ihn das Zusammenwirken von Bund und Ländern nicht so zu verstehen, daß sich beide i n den verwaltungsmäßigen Vollzug etwa i n dem Sinne „teilen", daß dem Bund Mitwirkungsrechte größeren Umfangs zuerkannt werden: „Gemeinschaftlichkeit i m finanzverfassungsrechtlichen Sinne meint vielmehr die gemeinsame Übernahme der m i t der Erfüllung der Aufgabe verbundenen Zweckausgaben. Nicht das Ineinandergreifen irgendwelcher Verwaltungskompetenzen beim Gesetzesvollzug macht eine Aufgabe zur Gemeinschaftsaufgabe, sondern die Wertung, die der Aufgabe als solcher zuerkannt w i r d 3 8 . " Das Wesen der Gemeinschaftsaufgaben besteht also für Patzig i n der gemeinsamen Finanzierung von Zweckausgaben für solche Vorhaben gesetzesmäßiger oder gesetzesfreier A r t , deren Wesen i n ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung besteht. Die Finanzierung folgt daher 87 38

A Ö R 86 (1961), S. 296. Patzig, a.a.O., S. 296.

1. Kap.: Die finanzverfassungsrechtliche Theorie

37

nicht der verwaltungsmäßigen Aufgabenverteilung, wobei der Bund etwa eingeräumte Ingerenzrechte durch finanzielle Mitbeteiligung „honoriert", sondern w i r d bei solchen Aufgaben projektiert, die ihrem Charakter nach gesamtstaatliche Bedeutung haben und nicht regional erfüllbar sind und daher eine gemeinschaftliche Übernahme von Bund und Ländern erfordern 89 . Ein Gesetzesprogramm ist daher folgerichtig für Patzig nicht deshalb eine Gemeinschaftsaufgabe, w e i l die Bundesmittel i m Einvernehmen m i t den Ländern zu verteilen sind, sondern deswegen, w e i l überhaupt Bundesmittel zur Verfügung zu stellen sind. Diese Theorie der Gemeinschaftsaufgaben, die nach Patzig die Kapitulation der primär auf der Verwaltungskompetenz beruhenden Konnexitätsthese vor den Realitäten darstellt 4 0 , w i r d i n ähnlicher Form auch von Henle 4 1 vertreten, der die Konnexitätsthese durch das „Veranlassungsprinzip" ersetzen w i l l , d. h. also, daß der Bund als Veranlasser der Ausgaben auch die durch ein Gesetzesobjekt verursachten Kosten tragen soll. Gesetzgebungsverantwortung und Finanzverantwortung sollen demnach aus der Logik der Staatsräson heraus untrennbar zusammen gehören. Nicht Vollzugsverantwortung und Finanzverantwortung sind für ihn die zusammengehörenden Begriffe, w e i l ja nicht über die Kosten des Gesetzgebungsprogramms eines administrierenden Gesetzgebers die Vollzugsbehörde entscheide, sondern w e i l vielmehr der Kostenaufwand vom Gesetzgeber bestimmt werde 4 2 . Dieses Veranlassungsprinzip 43 , m i t dem Henle die i m Jahre 1955 i n das Grundgesetz eingebaute Bestimmung des A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG an die mangelnde Dotierung der Länder i m Finanzausgleich anpassen w i l l , rechtfertigt es seiner Ansicht nach sowohl, daß der Bund Gesetzesprogramme wie den „Grünen Plan", das 89 Vgl. etwa die Begründung zu § 35 des Tuberkulosenhilfegesetzes v o m 23. 7.1959 (BT-Drucks. III/349), wo von einer Gemeinschaftsaufgabe gesprochen w i r d , „bei der das Schwergewicht bei den Ländern liegt." 40 a.a.O., S. 297. Das ist nach Patzig u m so bedeutsamer, als es sich bei den Gemeinschaftsaufgaben sehr oft u m finanziell ins Gewicht fallende Anliegen handelt. 41 „Die Förderung von Landesaufgaben aus Bundesmitteln" i n : Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 11, S. 63 ff. 42 Henle, a.a.O., S. 75. 48 Es w i r d außer den oben bereits zitierten von Maunz, i n : Maunz-Dürig, Rdnr. 11 zu A r t . 106; Gross, D V B L 1969, S. 128, D Ö V 1967, 163, ders. N J W 1967, 1005 vertreten. A u f den Theorienstreit u m Veranlassungsprinzip und Konnexitätsthese bei der Auslegung des A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 G G brauchte bis z u m gegenwärtigen Stadium der Untersuchung n u r insoweit eingegangen zu werden, als er sich bei der Begründung der dargelegten Meinungen i n der L i t e r a t u r zur Begriffsbildung der Gemeinschaftsaufgaben i m Rahmen ihrer finanzverfassungsrechtlichen Wertung als relevant erwies. Eine eingehendere Würdigung der Lastenverteilungsgrundsätze w i r d bei der Beurteilung des Vollzugs von Bundesgesetzen oder der finanziellen Bundesbeteiligung an Länderaufgaben als Gemeinschaftsaufgaben erfolgen (s. unten 1. Hauptteil, Abschnitt D, 2. Kap.).

38

Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Wohnungsbauprogramm oder die Wiedergutmachung zusammen m i t den Ländern finanziert, als auch, daß er sich an Programmen i m gesetzesfreien Raum beteiligt, zu denen beispielsweise der Entwicklungsplan, die regionalen Förderungsprogramme, das Verkehrs- und Straßenbauprogramm sowie die Förderung der Wissenschaft und Forschung gezählt werden. Diese Programme, die letztlich von den Verwaltungen der Länder durchgeführt werden, sollen der Raum für das gemeinsame Wirken von Bund und Ländern sein, wobei die Pflicht des Bundes zur Kostenbeteiligung aus seinen Koordinierungsbefugnissen gesamtstaatlicher K o n j u n k t u r - und Finanzpolitik hergeleitet wird. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß sich eine finanzverfassungsrechtliche Theorie der Gemeinschaftsaufgaben gebildet hat, die sich von ihrer Beschränkung durch den Regierungsentwurf beim Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder ausgeweitet hat zu einer generellen Charakterisierung gemeinsamer Kostentragung von Bund und Ländern bei der Durchführung überregionaler Vorhaben von großer wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Bedeutung, deren ungewöhnlich hohe Kostenlast, langfristige Bindung der Haushaltsmittel und großräumiges Planungsbedürfnis sie als Aufgaben von gesamtstaatlicher Qualität ausweist. Das entscheidende K r i t e r i u m dieser Maßnahmen, die sowohl i m gesetzesakzessorischen als auch i m gesetzesfreien Raum durchgeführt werden, w i r d dabei nicht i n der Koordinierung ihres verwaltungsmäßigen Vollzugs gesehen, sondern läßt sich m i t Henle 4 4 i n der Feststellung zusammenfassen: „Die gemeinschaftliche Finanzierung kreiert die Gemeinschaftsaufgabe."

44

oben.

Die Förderung von Landesaufgaben aus Bundesmitteln, a.a.O., S. 67

Zweites

Kapitel

Der Begriff der Gemeinschaftsaufgaben als Koordinierung der Verwaltungsbefugnisse beim gemeinschaftlichen Gesetzesvollzug I. Die vier Arten der Gemeinschaftsaufgaben nach Kölble Eine wesentlich andere begriffliche Ausprägung haben die Gemeinschaftsaufgaben durch Kölble 1 erfahren, der besonders den Bereich der Verwaltung unter den Aspekten gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung von Bund und Ländern beleuchtet hat. Dabei hat er den einheitlichen Begriff der Gemeinschaftsaufgabe aufgelöst und in einer systematischen Untersuchung vier Arten von Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern unterschieden, die er dann auf die Vereinbarkeit ihrer Zielsetzung und Durchführung m i t den Sinnprinzipien und formalen Schranken unserer Verfassung prüfte. Die kasuistische Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben i n einer systematischen Übersicht ergibt nach Kölble 2 folgende vier Kategorien und zwar Aufgaben, die das Grundgesetz a) dem B u n d u n d den Ländern zur gemeinschaftlichen E r f ü l l u n g zugewiesen hat, b) dem B u n d bzw. den Ländern zugewiesen hat, ohne sie ihnen zur gemeinschaftlichen E r f ü l l u n g zu übertragen, wobei Kölble die Frage stellt, i n w i e w e i t gleichwohl eine Bundesbeteiligung an Landesaufgaben oder umgekehrt möglich ist, c) ohne Übertragung zur gemeinschaftlichen E r f ü l l u n g zwar zwischen B u n d u n d Ländern aufgeteilt hat, die sich aber als Teile einer v o m G r u n d gesetz anerkannten Gesamtaufgabe darstellen, d) weder dem B u n d noch den Ländern zugewiesen hat, die also mangels Kompetenzzuteilung von beiden gemeinsam oder auch von jedem allein erfüllt werden können.

Unter der ersten Kategorie 8 wurde von Kölble vor allem der gemeinschaftliche Vollzug von Bundesgesetzen verstanden. Die Beteiligung 1

Gemeinschaftsaufgaben zwischen B u n d Und Ländern sowie zwischen den Ländern, i n : Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 11, S. 17 ff. 2 a.a.O., S. 18. 8 a.a.O., S. 18 ff.

40

Abschn. A: Bisheriger

echtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

des Bundes erstrecke sich teils nur auf das Innenverhältnis i n Form der Ingerenzrechte bei A r t . 84, 85 GG, teils trete sie auch nach außen i n Erscheinung und zwar i n Gestalt eines „ Nebeneinander " von Bundeseigen- und Länderverwaltung nach A r t . 78 b Abs. 2, über Art. 87 Abs. 3 oder mittels der Zuständigkeit oberster Bundesbehörden zum Erlaß überregionaler Verwaltungsakte. Daneben käme auch eine gemeinschaftliche Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Bundes- und Landesbehörden i m Bereich der nichtgesetzesakzessorischen Verwaltung i n Betracht bei A r t . 87d, 89, 90 und 108 GG sowie i n gewissen Fällen des A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG. Bei der zweiten Gruppe 4 hält Kölble eine Beteiligung des Bundes an der Erfüllung von Landesaufgaben sowohl i n der Form einer Ausführung von Landesgesetzen oder der Erfüllung sonstiger Verwaltungsaufgaben als auch einer M i t w i r k u n g des Bundes i n Verwaltungseinrichtungen der Länder m i t dem bundesstaatlichen Aufbauprinzip für unvereinbar. Umgekehrt ist auch eine Ausübung von Bundeszuständigkeiten durch Landesbehörden für ihn verfassungsrechtlich unzulässig, so daß nur eine M i t w i r k u n g der Länder i n Verwaltungseinrichtungen des Bundes die Charakteristika von Gemeinschaftsaufgaben aufweist. Als Beispiel für die dritte Kategorie 5 nennt Kölble u. a. den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der i m allgemeinen den Ländern obliege, hinsichtlich der Grenzpolizei und i n den Fällen des A r t . 91 Abs. 2 GG jedoch eine Bundesaufgabe sei. Ebenso verhalte es sich beim Bundfunkwesen, das i m wesentlichen Länderaufgabe sei, während die Rundfunksendungen für das Ausland und für Gesamtdeutschland dem Bund zustünden. Als M i t t e l des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Erfüllung dieser Aufgaben von gesamtstaatlicher Bedeutung sieht Kölble entweder die ausdrückliche Regelung durch Bundesgesetz oder aber die Vereinbarung, sowie als dritte Möglichkeit die Institutionalisierung durch gemeinsame Verwaltungseinrichtungen. Bei der vierten A r t von Gemeinschaftsaufgaben geht Kölble von der Frage aus, ob A r t . 30 GG jede staatliche Tätigkeit erfaßt oder nicht. Er sieht jedoch i m fiskalischen Raum ein weites Feld für Gemeinschaftsaufgaben, die sich vorzugsweise i n der Institutionalisierung durch gemeinschaftliche privatrechtliche Organisationen manifestieren. Kölble grenzt also die Arten der Gemeinschaftsaufgaben begrifflich nach den formalen Kriterien der Zuordnung wechselseitiger Beteiligungsrechte bei ihrer Durchführung gegeneinander ab. Dabei ergeben sich die Koordinierungsmodalitäten und der Intensitätsgrad der Ingerenzmöglichkeiten jeweils nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der 4 5

a.a.O., S. 27, 28. "a.a.O., S. 28 ff.

2. Kap.: Gemeinschaftsaufgaben bei Gesetzesexekution

41

Zuständigkeitsphäre des Grundgesetzes, i n der die spezifische A r t der Gemeinschaftsaufgabe angesiedelt ist. Der verfassungsrechtliche Gehalt der grundgesetzlichen Zuweisungsnorm ist bei der ersten Kategorie der Gemeinschaftsaufgaben relativ leicht bestimmbar, w e i l der Vollzug von Bundesgesetzen und das Verhältnis von Bundeseigen- und Länderverwaltung i n den A r t . 83 ff. des GG ihre institutionelle Ausprägung erfahren haben, während bei der zweiten und vierten A r t der Gemeinschaftsaufgaben 6 kaum Ansätze für i n der Praxis bisher bedeutsame Kooperationsformen auftreten. Als der Baum verfassungsrechtlich nicht durchnormierter Zuständigkeiten bietet sich nach der Systematik Kölbles nur die zweite Gruppe von Gemeinschaftsaufgaben an, die sich nach Kölble als Teil einer überregionalen Gesamtaufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung darstellt. Hier geht Kölble notwendigerweise von seiner begrifflichen Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben nach der jeweiligen Erscheinungsform der Bundesbeteiligung nur i m Innenverhältnis oder auch nach außen ab und t r i f f t eine Unterscheidung nach den Rechtsgrundlagen und Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Erfüllung dieser Gesamtaufgaben, wobei er eine gesetzliche Regelung der Kooperation, wie sie i n den aufgrund des A r t . 73 Nr. 10 GG vertraglich vereinbarten Formen der Zusammenarbeit und in der Gestalt einer Vielzahl von Bund-Länder-Verträgen erfolgt ist, und schließlich eine Institutionalisierung der Aufgabenerfüllung wie i m Wissenschaftsrat, i n Verwaltungseinrichtungen und gemeinsamen privatrechtlichen Organisationen unterscheidet. Wenn w i r also die Methode der begrifflichen Systematisierung der Gemeinschaftsaufgaben durch Kölble zusammenfassend analysieren, läßt sich ein übergeordneter Gesichtspunkt und zwei zur Differenzierung geeignete Einteilungskriterien unterscheiden. Der übergeordnete Gesichtspunkt w i r d durch die Einteilung der Gemeinschaftsaufgaben nach dem verfassungsrechtlichen Zuweisungsgehalt der Grundgesetznormen i n vier Arten gewonnen. Innerhalb der jeweiligen Aufgabenkategorie w i r d dann i n einem zweiten Schritt nach den formalen K r i t e rien der Koordinierungsfunktionen eine Einteilung getroffen. Dabei erweist sich einmal eine Unterscheidung nach dem Beteiligungsgrad i m Innenverhältnis von Bund und Ländern oder ihrem gemeinsamen A u f treten nebeneinander beim Verwaltungsvollzug 7 oder aber andererseits eine Systematisierung nach den Rechtsgrundlagen und Formen der Zu6

Das sind die oben unter b) u n d d) bezeichneten Aufgaben. Diese Einteilung w i r d von Kölble i n erster L i n i e bei den oben unter a) bezeichneten Gemeinschaftsaufgaben vorgenommen, w e i l sie dem v e r w a l tungsmäßigen Vollzug von Bundesgesetzen systemimmanent ist. 7

42

Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

sammenarbeit 8 als geeignetes Ordnungsprinzip der Einteilung bei der begrifflichen Erfassung des Phänomens der Gemeinschaftsaufgaben. I L Die körperschaftliche Definition Kleins 1. Der theoretische Ausgangspunkt

Eine andere Konzeption der Gemeinschaftsaufgaben hat Klein 9 entwikkelt, der diesen Begriff auf eine körperschaftliche Beteiligung von Bund und Ländern an der Erfüllung ein- und derselben Aufgabe beschränkte. Diese Beteiligung kann dabei sehr unterschiedlich sein, so daß der Begriff der Gemeinschaftsaufgabe bei K l e i n i n einem sehr weiten Sinn, nämlich i m Sinne einer irgendwie gearteten Beteiligung bzw. Einflußnahme des einen Partners an der bzw. auf die Erfüllung der Aufgaben des anderen Partners verstanden wird. Wesentlich sei aber i n jedem Falle, daß sich die an der Gemeinschaftsaufgabe Beteiligten körperschaftlich gegenüberstünden, wenn der Begriff der Gemeinschaftsaufgaben sinnvoll verwendet werden solle. Wenn dieses Erfordernis aufgegeben würde und man auch ein reines Organschaftsverhältnis i m Begriff der Gemeinschaftsaufgaben aufgehen ließe, dann verlöre der Begriff der Gemeinschaftsaufgaben seine Umrißlinien 1 0 . Für Klein ist daher nicht jedes Zusammenwirken von Bund und Ländern schon deshalb Ausdruck von Gemeinschaftsaufgaben, weil Bund und Länder jedenfalls Körperschaften sind. Inwieweit eine körperschaftliche Kooperation überhaupt vorliegt, muß seiner Ansicht nach bei jeder gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung gesondert untersucht werden. I n seiner rechtstheoretischen Analyse des Körperschaftsbegriffs geht K l e i n von der Untersuchung Bachofs über „Teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Rechts" 11 aus, der dargelegt hat, daß i m Gegensatz zum Zivilrecht, i n dem die Rechtspersönlichkeit eines Subjekts Vorausetzung für das Innehaben von Rechten ist, i m Organisationsrecht gerade das Innehaben von Rechten als „eigene" Rechte Voraussetzung für den rechtlichen Status des Subjekts dieser Rechte als Rechtsperson ist. Da das öffentliche Organisationsrecht die von i h m an8 I n erster L i n i e bei den Gesamtaufgaben (oben unter c), obwohl auch diese — was Kölble unbeachtet läßt — gelegentlich das Strukturproblem einer bloßen Bundesbeteiligung i m Innenverhältnis bei der Durchführung gemeinschaftlicher Projekte oder aber des gemeinsamen auch nach außen w i r k e n d e n Vollzugs aufweisen. 9 „Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben", i n : Schriftenreihe der Verwaltungshochschule Speyer, Bd. 11, S. 125 ff. 10 Klein , a.a.O., S. 126. 11 I n AÖR 83 (1958), S. 208—279.

2. Kap.: Gemeinschaftsaufgaben bei Gesetzesexekution

43

erkannten Hechtspersönlichkeiten nicht vorfindet, sondern überhaupt erst schafft, soll nach Bachof 12 die Möglichkeit eröffnet sein, daß ein Verband n u r i n bezug auf eine einzige N o r m Rechtssubjekt i. S. einer Rechtspersönlichkeit ist. Aus der Tatsache, daß es nach dieser Auffassung lediglich eine Frage des positiven Rechts ist, ob eine Organisation als Rechtssubjekt anerkannt w i r d und eine solche Anerkennung auch n u r i n einzelnen Beziehungen ausgesprochen werden kann, folgert K l e i n 1 8 , daß ein u n d dasselbe organisationsrechtliche Gebilde i n einer Beziehung Körperschaft, i n anderer Beziehung bloßes Organ einer anderen Körperschaft sein könne, und daß also aus dem Rechtscharakter einer Organisation i n einer Beziehung nicht geschlossen werden könne, sie sei es auch i n anderen oder allen anderen Beziehungen. Daraus ergibt sich nach K l e i n die Notwendigkeit, i n allen Fällen, i n denen möglicherweise eine Gemeinschaftsaufgabe vorliegen könnte, zunächst zu prüfen, ob eine körperschaftliche Beteiligung von B u n d u n d Ländern gegeben ist, wobei eine bloße Berufung auf das Bundesstaatsprinzip zur Annahme einer Gemeinschaftsaufgabe als nicht ausreichend erachtet w i r d , da dieses als Auslegungsmaßstab erst herangezogen w e r den soll, wenn die Analyse der zu erörternden Rechtsfigur ergeben hat, daß sich B u n d u n d Länder insoweit körperschaftlich gegenüberstehen. Methodisch geht K l e i n dabei so vor, daß er zunächst untersucht, i n welchem Status die einzelnen Beteiligten an der E r f ü l l u n g der jeweiligen Aufgabe teilnehmen, bevor er Aussagen über den grundsätzlich zulässigen Beteiligungsanteil der Partner t r i f f t . Die Frage, ob u n d i n welcher Beziehung eine Gemeinschaftsaufgabe vorliegt, d. h. i n w i e w e i t eine körperschaftliche Kooperation von B u n d u n d Ländern stattfindet, untersucht K l e i n f ü r die drei Sachverhalte „Ausführung von Bundesgesetzen", „Staatsverträge" und „finanzielle Beteiligung des Bundes an der E r f ü l l u n g von Landesaufgaben" 1 4 . 2. Die praktische Anwendung des Körperschaftsbegriffs auf den Gesetzesvollzug

Die Anwendung dieser neugewonnenen begrifflichen Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben als körperschaftliches Zusammenwirken unter Ausschluß einer bloßen organschaftlichen Einbeziehung i n den Aufgabenvollzug f ü h r t bei K l e i n dazu, die landeseigene Ausführung von Bundesgesetzen nach A r t . 84 G G als körperschaftlich dezentralisierte Bundesverwaltung zu betrachten, deren Charakter als Gemeinschaftsaufgabe i. S. eigenverantwortlicher Ausführung der Bundesgesetze 12 18 14

a.a.O., S. 262. a.a.O., S. 127. Klein, a.a.O., S. 128 ff.

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

durch die grundgesetzliche Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften (Art. 84 Abs. 2 GG) oder zur Erteilung von Einzelweisungen (Art. 84 Abs. 5 GG) nicht beeinträchtigt wird. Die Ausführung dieser Gesetze bleibt vielmehr nach wie vor eine eigene Angelegenheit der Länder, die von ihnen eigenverantwortlich durchgeführt wird. Wenn w i r den Gemeinschaftsaufgabenbegriff Kleins also näher analysieren, stellen w i r fest, daß für das K r i t e r i u m der Körperschaftlichkeit des Zusammenwirkens letztlich die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung konstitutiv ist. A n dieser selbständigen Wahrnehmung eigener Rechte scheint es Klein 15 jedoch bei der Bundesauftragsverwaltung der Länder (Art. 85 GG) zu fehlen, die zwar terminologisch an die zivilrechtliche Rechtsfigur des Auftrags erinnere, i n deren Rahmen sich jedoch nicht zwei selbständige Rechtspersönlichkeiten i n der Stellung des „Auftraggebers" und des „Beauftragten" gegenüberständen, da i m anders strukturierten öffentlichen Organisationsrecht die Rechtspersönlichkeit seiner Subjekte mangels eines diesbezüglichen realen Substrats von diesem Recht nicht vorgefunden, sondern überhaupt erst und nur gerade i n dem Umfang begründet werde, i n dem man einem bestimmten organisatorischen Gebilde eigenständige Zuständigkeiten zuerkennen könne. Dies ermögliche es, ein und dasselbe organisatorische Gebilde i n der einen Beziehung organisatorisch zu verselbständigen — d. h. i h m durch Zuweisung einer Verbandskompetenz die Stellung einer eigenen Rechtspersönlichkeit zu geben — und dieses Gebilde gleichzeitig i n anderer Beziehung durch Zuweisung einer bloßen Organzuständigkeit i n die Organisation eines anderen Verbandes einzugliedern. Nach Ansicht Kleins ist bei der Bundesauftragsverwaltung von der Möglichkeit organisatorischer Aufgabenzuweisung an die Länder Gebrauch gemacht worden, u m i m Sinne der Zielsetzung einer sparsamen und rationellen Organisation der beauftragenden Körperschaft Bund den Aufbau eines eigenen Behördensystems dadurch zu ersparen, daß ursprünglich körperschaftsfremde Einrichtungen als Substituten eines eigenen Behördenapparates der beauftragenden Körperschaft benutzt werden, wobei die „beauftragten" Einrichtungen des Landes nur Organzuständigkeiten erhalten und die Verbandskompetenz i. S. einer Rechtsträgerschaft beim Bund bleibt. Nach dieser Vorstellung werden kraft des sogenannten „Auftrags" bestimmte Instanzen oder Instanzenzüge organschaftlich i n die Organisation der „beauftragenden" Körperschaft eingefügt, so daß die i n das Gefüge der Auftragsverwaltung einbezogenen Landesstellen als bloße Substituten einer bundeseigenen Behör15

a.a.O., S. 139—146.

2. Kap.: Gemeinschaftsaufgaben bei Gesetzesexekution

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denorganisation und damit als Bundesorgane erscheinen 16 . Folgerichtig i m Sinne seiner Auffassung charakterisiert Klein 17 die Bundesauftragsverwaltung weder als echte Landesverwaltung 1 8 noch als mittelbare Bundesverwaltung 1 9 und auch nicht als gemeinsame Verwaltung des Bundes und der Länder 2 0 , sondern als Sonderform bundesunmittelbarer Verwaltung, die grundsätzlich nicht den Charakter einer Gemeinschaftsaufgabe trägt. Eine andere Beurteilung sollen jedoch die Einflußmöglichkeiten des Bundes i m Bereiche des A r t . 85 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG erfahren, da hier i n die Personalhoheit der Länder bei der Besetzung der m i t Organzuständigkeiten zur Wahrnehmung von Bundeshoheiten versehenen Landesbehörde eingegriffen wird. Da hier der Walter der Institution, die einerseits als Landesorgan Landesaufgaben — insbesondere staatliche Aufgaben des Landes —, andererseits als Bundesorgan Bundesaufgaben zu erfüllen hat, unter M i t w i r k u n g des Bundes angestellt wird, t r i t t hier das Problem auf, daß der Bund auf die personelle Besetzung der Stelle auch insoweit Einfluß nimmt, als diese Landesaufgaben wahrzunehmen hat. Deshalb liegt für K l e i n sowohl i n A r t . 85 Abs. 2 Satz 3 GG, wonach i m Bereich der Bundesauftragsverwaltung die Leiter der Mittelbehörden i m Einvernehmen m i t der Bundesregierung zu bestellen sind, als auch bei A r t . 85 Abs. 2 Satz 2 m i t Rücksicht auf die Personalhoheit der Länder trotz der Regelungsbefugnis des Bundes zur einheitlichen Ausbildung der Beamten und Angestellten, die Anordnung einer Gemeinschaftsaufgabe vor 2 1 . Auch bei der Errichtung von Bundesbehörden, bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts auf Gebieten der landeseigenen Verwaltung und der Bundesauftragsverwaltung der Länder nach A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG lassen sich nach der Konzeption Kleins Gemeinschaftsaufgaben erkennen, da die Errichtung solcher I n stitutionen und ihre Betrauung m i t bisher landeseigenen Vollzugsaufgaben zu einer materialmäßigen Trennung des Vollzugs des jeweilig auszuführenden Gesetzes teils i n landeseigener, teils i n bundeseigener Verwaltung führt. I m Bereich der Bundesauftragsverwaltung, wo durch das Errichten der i n A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Institutionen 19

Klein, a.a.O., S. 141. a.a.O., S. 141/142. 18 So aber Hamann, Kommentar zum GG, 3. A u f l . A n m . A zu A r t . 85 GG; Herrfahrdt, Bonner Kommentar, A n m . I u. I I . 1 zu A r t . 85 G G ; Maunz-Dürig, a.a.O., Rdnr. 28, 44 zu A r t . 83 GG; Patzig, A Ö R 86, S. 245 ff. (282, 286). 19 So v. Mangoldt, K o m m e n t a r zum GG A n m . 2 zu A r t . 85 GG. 20 Diese Auffassung v e r t r i t t Schäfer, D Ö V 1960, S. 641 ff., der i n der A u f tragsverwaltung eine „Gemeinschaftsaufgabe von B u n d u n d Ländern" sieht (S. 645). 21 Klein, a.a.O., S. 143. 17

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

eine vertikale Aufspaltung des Vollzugs ein und desselben Gesetzes zwischen der bundeseigenen Verwaltung gemäß den A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 und A r t . 86 GG und der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG bzw. den einschlägigen Sondervorschriften des Grundgesetzes herbeigeführt wird, sollen dementsprechend Gemeinschaftsaufgaben ebenso wie bei der Bundesauftragsverwaltung der Länder nur i n Form personeller Einflüsse und Ausstrahlungen vorliegen 2 2 . Eine zusammenfassende Betrachtung des Begriffs der Gemeinschaftsaufgaben bei K l e i n 2 3 läßt erkennen, daß er i m Gegensatz zu bloßer organschaftlicher Einbeziehung der Länder i n den Gesetzesvollzug auf den formalen Kriterien körperschaftlicher Kooperation von Bund und Ländern beruht, wobei sich diese aber wiederum nur aus den materiellen Gesichtspunkten der Zuweisung eigener Rechte und eigenverantwortlicher Zuständigkeiten i m Grundgesetz ergeben können 2 4 .

I I I . Die begriffliche Einengung der Gemeinschaftsaufgaben durch Becker Einen wesentlich engeren Begriff der Gemeinschaftsaufgaben hat demgegenüber Becker 25 vertreten. Hiernach können nur solche öffentlichen Aufgaben unter diesen Begriff subsumiert werden, die als eigene Angelegenheiten der beteiligten Aufgabenträger i m Wege der Koordinierung mehrerer Gemeinwesen entweder aufgrund eines Verwaltungsabkommens durch eine gemeinsam getragene Verwaltungseinheit oder entsprechend einer Vereinbarung durch ein Gemeinwesen zugleich für 22 Klein, a.a.O., S. 148, vgl. auch S. 146/147. Bei den Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich der vertraglichen Kooperation u n d besonders der finanziellen Beteiligung des Bundes an Landesaufgaben hat K l e i n den für seine A r g u mentation entscheidenden Gedanken der körperschaftlichen Kooperation von B u n d u n d Ländern nicht herangezogen u n d w o h l auch nicht fruchtbar machen können, was den beschränkten Wert dieser Konzeption für die Erfassung der gerade i n diesen beiden Bereichen i n der weitaus größten Zahl angesiedelten Gemeinschaftsaufgaben zeigt, (vgl. hierzu die K r i t i k unten 3. Kap., II.) 23 Dieser Auffassung scheint auch Lerche, i n : W d S t L H. 21, S. 70/71 FN. 18 zuzuneigen, der das Problem der Gemeinschaftsaufgaben allerdings n u r ganz kurz streift u n d es i n den Rahmen des kooperativen Föderalismus stellt, dessen M e r k m a l das Anwachsen der sogenannten bundesstaatlichen Gemeinschaftsaufgaben sei, die voraussetzten, daß sich die Beteiligten körperschaftlich (nicht organschaftlich) gegenüberstünden, wobei er sich i m übrigen ohne eigene Begründung auf Klein beruft. (S. 71 oben, F N 18). 24 Z u r Frage der Eignung dieses Verfahrens bei der Wertung des jeweiligen Beteiligungsgrades von B u n d u n d Ländern an einer Aufgabe vgl. die K r i t i k unten 3. Kap., sowie schon oben FN. 22. 25 I n seinem Vorwort, das er der späteren Publikation der Referate von Kölble und Klein vorangestellt hat. Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 11, S. 5 ff.

2. Kap.: Gemeinschaftsaufgaben bei Gesetzesexekution

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andere Gemeinwesen e r f ü l l t werden. Dabei soll i m ersten F a l l an die Stelle einer eigenverantwortlichen Alleinentscheidung eine nicht aufhebbare M i t v e r a n t w o r t u n g treten, die den Anteilen der Aufgabenverantwortung enspricht, der wiederum die Ausgabenverantwortung folgen muß. Die Merkmale des Begriffs der Gemeinschaftsaufgabe bei Becker sind also auf die E r f ü l l u n g eigener Aufgaben beschränkt, bei denen m i t den Koordinierungsinstrumenten des Vertrags, oder der gemeinschaftlichen Verwaltungseinrichtung die Aufgabe entweder unter gemeinsamer V e r antwortung der Beteiligten oder aber von einem Partner zugleich f ü r den anderen wahrgenommen w i r d . Die gemeinschaftliche E r f ü l l u n g der gleichen Aufgabe durch B u n d u n d Länder setzt hier demnach eine entsprechende Sonderung eines Teils ihrer Verbandskompetenz voraus, der fortan nicht mehr allein, sondern i n Gemeinschaft m i t dem jeweiligen Partner, oder aber zugleich für i h n besorgt werden soll. Dabei schließt das M e r k m a l der Koordinierung f ü r Becker die Einbeziehung von Subordinationsverhältnissen begrifflich aus den Gemeinschaftsaufgaben aus 28 . Daher soll auch die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder nicht als Gemeinschaftsaufgabe von B u n d und Ländern zu qualifizieren sein, da deren kennzeichnendes M e r k m a l nicht eine irgendwie geordnete, verwaltungstechnische Zuordnung mehrerer Aufgabenträger i m Wege der Unterwerfung, sondern die gemeinsame Aufgabenerfüllung unter Beachtung der Verbandskompetenz, der Koordinierung u n d der eigenen Verantwortung i m Rahmen der Gesetze sei 2 7 . I V . Die Identität v o n Gemeinschaftsaufgaben und Gemeinschaftseinrichtung nach Röttgen Diese Konzeption der Gemeinschaftsaufgaben w i r d i m grundsätzlichen auch von Röttgen 28 geteilt, der den Ausschluß des Gesetzesvollzugs aus der begrifflichen Abgrenzung der Gemeinschaftsaufgaben m i t der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung motiviert. Er geht davon aus, daß eine A u f t e i l u n g der Zuständigkeiten zwischen Gliedstaaten u n d Zentralstaat ein Charakteristikum des Bundesstaatsrechts sei, das insbesondere i m Verhältnis von zentralstaatlicher Rechtsetzung u n d gliedstaatlicher Gesetzesausführung beachtet sein wolle. Daran ändere auch nichts, daß eine unverkennbare Erweichung der Dreiteilung der Gewalten auch an der föderativen Gewaltenteilung nicht spurlos vorübergegangen sei u n d die Möglichkeiten administrativer Ingerenz des 26 Becker, a.a.O., S. 6. 27 Becker a a O. S. 7. 28 JÖR N F 11 (1962), S. 173 ff. (insbes. S. 303—311).

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Abschn. A: Bisheriger

echtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Bundes gegenüber den seine Gesetze ausführenden Ländern erheblich erweitert habe. Zwar seien Bund und Länder i m Ergebnis an der gleichen Aufgabe insofern beteiligt, als der Bundesgesetzgeber der Landesverwaltung eine Aufgabe stelle, die i m Endstadium von der zuständigen Landesbehörde bewältigt werden müsse. Aber diese vielgliedrige Kausalkette dürfe nicht darüber täuschen, daß der Bund lediglich die Präjudizien setze, die den Ablauf der Landesverwaltung regulieren, ohne daß hinter diesem Nacheinander eine Gemeinschaftsaufgabe gesehen werden könne 2 9 . Aus dieser Auffassung Röttgens folgt, daß eine Bewertung der Ausführung von Bundesgesetzen als Gemeinschaftsaufgabe die von dem Grundgesetz intendierte Trennschärfe i m Verhältnis von Bundes- und Landessphäre verleugnen würde 3 0 . Diese verfassungsrechtliche Trennschärfe w i r d angesichts des Schweigens des Grundgesetzes zum Thema Gemeinschaftsaufgaben besonders i n der Regelung des Finanz- und Lastenausgleichs m i t der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern nach A r t . 109 GG gesehen. Daher kann bei Köttgen der Raum für Bund-Länder-Kooperation, die unter den Begriff „Gemeinschaftsaufgaben" zu subsumieren wäre, nur sehr beschränkt sein. I m Unterschied zu Becker 31 geht Röttgen32 davon aus, daß eine eigentliche Gemeinschaftsaufgabe auch dann nicht gegeben ist, wenn „ein Gemeinwesen zugleich für andere Gemeinwesen" eine bestimmte öffentliche Aufgabe erfüllt. Zwischen Bund und Ländern sei nur eine wechselseitige Beteiligung an den jeweils eigenen Einrichtungen denkbar. Durch die bloße Beteiligung bleibe sie jedoch die Einrichtung des einen der kooperierenden Partner 3 3 . Köttgen klammert diese A r t des Zusammenwirkens von Bund und Ländern aus dem Begriff der Gemeinschaftsaufgaben aus und bezeichnet sie als „anderweitige Möglichkeiten administrativer Kommunikation" 3 4 . Von einer wirklichen Gemeinschaftsaufgabe kann nach Köttgen nur dort gesprochen werden, wo diese auf den institutionellen Fundamenten einer von 29

Köttgen, a.a.O., S. 304. Daran ändert f ü r Köttgen (a.a.O., S. 304/305) auch nichts, daß die Staatspraxis „nicht selten zum Suchen neuer Wege zur Zusammenarbeit von B u n d u n d Ländern genötigt ist, auch w e n n damit die schon heute gewiß nicht geringe Verfilzung i m Verhältnis von B u n d u n d Ländern weitergefördert wurde". 31 Gemeinschaftsaufgaben, S. 5 ff. (Vorwort). 32 a.a.O., S. 305. 33 Als Beispiel nennt Köttgen (a.a.O., S. 305) die Beteiligung des Bundes u n d aller Länder an der Hochschule f ü r Verwaltungswissenschaften i n Speyer als einer gesetzlich fundierten Einrichtung des Landes Rheinland-Pfalz ( G V B L Rheinland-Pfalz 1950, S. 265), die damit jedoch nicht zu einer Gemeinschaftseinrichtung — u n d folglich einer Gemeinschaftsaufgabe — geworden sei, sondern nach w i e vor eine I n s t i t u t i o n des Landes RheinlandPfalz darstelle. 34 a.a.O., S. 307, die bei Köttgen i n einem gesonderten Abschnitt (Kap. I I I ) behandelt werden. 30

2. Kap.: Gemeinschaftsaufgaben bei Gesetzesexekution

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Bund und Ländern „gemeinsam getragenen Verwaltungseinheit" beruht. Wenn man die begriffliche Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben durch Köttgen analysiert, stellt man fest, daß zu ihren essentiellen Kriterien nach seiner Konzeption ihre institutionelle Neutralisierung gehört. Die Gemeinschaftsverwaltung stellt sich dabei weder als Bundes« noch als Landesaufgabe dar, sondern vielmehr als ein Drittes. Für dieses Tertium ist konsequenterweise bei der Ausführung von Bundesgesetzen insoweit kein Raum, als an der fraglichen Einrichtung Bund und Länder beteiligt sind. Dem stünde das Verbot der Mischverwaltung entgegen, da sich A r t . 83 GG auf die Alternative Bundes- oder Landesverwaltung festgelegt hat 3 5 . Etwas anderes w i l l Köttgen 3 6 gelten lassen für die Gemeinschaftseinrichtungen der Länder zumindest i n denjenigen Fällen, i n denen der Bundesgesetzgeber ausdrücklich dieses Verfahren zugelassen hat 8 7 . Konsequenterweise kommen für eine Beteiligung des Bundes an Gemeinschaftseinrichtungen nach Köttgen, wenn überhaupt, nur Agenden gesetzesfreier Verwaltung i n Betracht, auf die der 8. Abschnitt des Grundgesetzes und sein Verbot der Mischverwaltung keine Anwendung finden. Lediglich also für den Bereich der nicht-gesetzesakzessorischen Verwaltung hat Köttgen den Gedanken der Gemeinschaftsaufgaben nutzbar gemacht. Die Anwendung dieses Begriffs der Gemeinschaftsaufgaben, der diese als Synonym für Gemeinschaftseinrichtungen von Bund und Ländern m i t gemeinschaftlicher Verwaltung braucht, auf die verfassungsrechtliche Praxis der Bund-Länder-Kooperation zeigt eine der begrifflichen Eingrenzungen entsprechende beschränkte Erfassung des Phänomens bundesstaatlicher Zusammenarbeit: So hat sich der Bund bislang — wie schon das Reich vor i h m 3 8 — i n keinem Fall an einer Gemeinschaftseinrichtung m i t den Ländern beteiligt, die i n der Form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts verfaßt ist 8 9 , so daß i n diesem Bereich der von Köttgen konzipierte Begriff der Gemeinschaftsaufgaben überhaupt nicht zum Tragen kommt. Ein wesentliches Betätigungsfeld gemeinschaftlichen Zusammenwirkens ergibt sich aber für Köttgen auf dem Boden privatrechtlich organi35

F ü r diesen F a l l ebenso Füsslein, D V B L 1956, S. 1 ff., Gerner, B a y V B L 1955, S. 193. 38 a.a.O., S. 305. 87 Wie z. B. bei den Landesversorgungsämtern ( B G B L 1951 I , S. 169, § 1), den Landeskriminalämtern ( B G B L 1951 I, S. 165, § 3) oder den Oberverwaltungsgerichten ( B G B L 1960 I, S. 17, § 3). Z u r Problematik der Gemeinschaftseinrichtungen der Länder vgl. die Erörterungen unten Abschnitt E, 2. Kap., I I . 1. 38 Medicus, a.a.O., S. 114, für die Reichsverwaltung unter der Weimarer Reichsverfassung. 39 Köttgen, a.a.O., S. 306. 4

Tiemann

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

sierter Gemeinschaftseinrichtungen 40 . Da hier der institutionelle Gesetzesvorbehalt des A r t . 87 GG nicht durchgreife, räume das Privatrecht der Organisationsgewalt des Bundes wesentlich größere Möglichkeiten ein als das öffentliche Recht, so daß als Voraussetzung nur der i n Art. 30 GG geforderte verfassungsrechtliche Titel für die Übernahme einer „staatlichen Aufgabe" gefordert werden müsse 41 . Über den Bereich des privaten Organisationsrechts hinaus sieht Köttgen 42 auch i m bundesstaatsrechtlichen Bereich Formen institutioneller Verfestigungen von Gemeinschaftsaufgaben 43 . Bei den Gemeinschaftseinrichtungen dieses Bereichs handele es sich lediglich um vergleichsweise lose Arbeitsgemeinschaften, die keinerlei Zuständigkeiten ausübten und als solche nur das Recht zu Empfehlungen hätten, deren Wirkung i n erster Linie i n den politischen Raum ausstrahle 44 . Wenn man an diese Koordinierungsgremien den Maßstab des von Köttgen entwickelten Gemeinschaftsaufgabenbegriffs i. S. einer institutionalisierten „gemeinsam getragenen Verwaltungseinheit" m i t Gemeinschaftsverwaltung legt, so nimmt es Wunder, daß Köttgen diese Arbeitsgemeinschaftten überhaupt unter die von i h m vertretene enge begriffliche Fassung subsumieren konnte. Aber auch hier dürfte die Notwendigkeit einer Erfassung der Vielgestaltigkeit bundesstaatlicher Kooperationsformen die zu enge begriffsjuristische Begrenzung, die die Gemeinschaftsaufgaben sonst auf wenige privatrechtliche Organisationen und somit einen minimalen Ausschnitt des Zusammenwirkens von Bund und Ländern i n der Verfassungspraxis beschränkt hätte, überspielt haben.

40

Als Beispiel nennt Köttgen (a.a.O., S. 306) neben der Lufthansa A G u n d einer A n z a h l von Flughafengesellschaften die v o m B u n d u n d dem L a n d Niedersachsen gemeinsam errichtete Stiftung des bürgerlichen Rechts Volkswagenwerk (BAnz. 1961 Nr. 179). Weitere Beispiele, die sich i n diesen von Köttgen gesteckten Rahmen einfügen, nennt Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, S. 37. 41 A u f die Bedenken bei Maunz-Dürig, A r t . 83 Rdnr. 38, gegen die Zulässigkeit der Bundesbeteiligung an dieser F o r m der Gemeinschaftseinrichtung geht Köttgen nicht ein. 42 a.a.O., S. 307. 43 Als Beispiel nennt er den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen, dessen Mitglieder von dem Bundesinnenminister u n d der Ständigen Konferenz der Kultusminister gemeinsam berufen wurden, und der einen Zuschuß aus dem Bundeshaushalt erhielt. Dieser durch Beschluß des Bundestages 1952 errichtete Ausschuß ist inzwischen durch den stärker institutionalisierten Bildungsrat, errichtet durch A b k o m m e n v o m 15. 7.1965 (BAnz. 1960 Nr. 30), ersetzt worden. Hierher gehört auch der durch V e r w a l tungsabkommen v o m 15. 7.1957 ( G M B L 1957, S. 553) von B u n d u n d Ländern gemeinsam errichtete Wissenschaftsrat. 44 Köttgen, a.a.O., S. 307.

Drittes

Kapitel

Die Gemeinschaitsaufgaben als eigenverantwortlich wahrgenommene Aufgaben mit Vollzugskoordination und Gemeinschaitsfinanzierung I. Eigenverantwortlichkeit, Koordination und Gemeinschaftsfinanzierung als richtiger Ausgangspunkt der Begriffsbildung Eine nähere Betrachtung des Begriffs der Gemeinschaftsaufgaben hat ergeben, daß er i n der Literatur eine vielfältige und sehr unterschiedliche Ausprägung erfahren hat, die die bereits eingangs zitierte Bemerkung der Kommission vom uneinheitlichen, noch tastenden Gebrauch dieses Begriffs i m juristischen Schrifttum rechtfertigt. Das hat seinen Grund i n erster Linie darin, daß die Zusammenarbeit von Bund und Ländern auf völlig verschiedenen Rechtsgrundlagen beruhen und i n jeweils anderen Rechtsformen vollzogen werden kann. Daher stellt sich der Begriff der Gemeinschaftsaufgaben bei den meisten Autoren als Funktion der jeweiligen Prämisse dar, unter der das Zusammenwirken beleuchtet wurde. Dabei w i r d oft ein Ausschnitt der verfassungsrechtlichen Kooperationspraxis herausgegriffen und anhand dieser „Spielart" der Bund-Länder-Zusammenarbeit i m Wege deduktiver Begriffsbildung eine Theorie der Gemeinschaftsaufgabe entworfen 1 . Die meisten Autoren gehen jedoch von einer begrifflichen Abstraktion der Gemeinschaftsaufgaben aus, die meist allgemeinen Bundesstaatsprinzipien entnommen und dann als neugewonnener Rechtsbegriff auf die Staatspraxis angewandt und gegen andere Formen der bundesstaatlichen Kooperation abgegrenzt w i r d 2 . Wie die obigen Darlegungen nachgewiesen haben, ist es jedoch den meisten Theorien nur gelungen, Teilaspekte der vielfältigen Beziehungen zwischen Bund und Ländern i n ihrer Begriffsbestimmung der Gemeinschaftsaufgaben zu erfassen, ganz gleich ob nun die Verzahnung des verwaltungsmäßigen Gesetzesvollzugs3, die Aufgabenerfüllung 1 2 8



So Patzig u n d Kölble. So Klein , Becker u n d vor allem Köttgen. Wie es der Begriff der Gemeinschaftsaufgabe bei Klein u n d Kölble

tut.

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

durch Verwaltungsabkommen oder eine gemeinsame Einrichtung 4 , oder aber ob die gemeinsame Finanzierung 5 als das entscheidende Charakteristikum der Gemeinschaftsaufgaben bezeichnet wird. Eine Analyse der i m Schrifttum vertretenen Konzeptionen des Begriffs Gemeinschaftsaufgaben läßt aber übereinstimmend folgende drei Elemente als ihre essentiellen Wesenszüge erkennen: Das ist einmal die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung durch den jeweiligen Träger der Verbandskompentenz; zum anderen ist es die Koordinierung bei der Wahrnehmung und Durchführung dieser Aufgabe i m Hinblick auf die i m Interesse des Gemeinwohls zu erzielende optimale Wirkung oder aber als drittes Element — entweder alternativ zu dem letzteren von beiden oder als Ergänzung zu ihnen — die gemeinschaftliche Finanzierung®. Eine richtige Erfassung des begrifflichen Wesens der Gemeinschaftsaufgaben macht es dabei unumgänglich, diese drei Elemente i n der staatsrechtlichen Praxis der Bund-Länder-Kooperation aufzuspüren und die verschiedenen Begriffe der Gemeinschaftsaufgaben anhand der dabei gewonnenen Erkenntnisse zu überprüfen. Wenn sich Eigenverantwortlichkeit, Koordinierung und (oder) Gemeinschaftsfinanzierung als den Begriff der Gemeinschaftsaufgabe konstituierende Wesensmerkmale postulieren lassen, ist es zweckmäßig, i n einem kurzen zusammenfassenden Überblick über einige der praktizierten Kooperationsformen von Bund und Ländern zu untersuchen, inwieweit sich diese als übergreifendes Strukturprinzip der Bund-LänderKooperation herauskristallisieren lassen, ob sie sich also als das diese verschiedenen Formen verbindende gemeinsame Element erweisen, oder welche Kooperationsarten mangels eines dieser Elemente aus der begrifflichen Sphäre der Gemeinschaftsaufgaben auszuscheiden haben. Da das Grundgesetz i n seiner bisherigen Form keine Regelung der Gemeinschaftsaufgaben enthält, muß jede A r t der Zusammenarbeit auf ihren verfassungsrechtlichen Gehalt bezüglich der bezeichneten drei Wesensmerkmale der Gemeinschaftsaufgaben gesondert untersucht werden. Als besonders geeigneter Prüfstein für die Überprüfung der hier vorausgesetzten drei Kriterien zur Begriffsbildung von „Gemeinschaftsaufgaben" bietet sich dabei der Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder an, w e i l dieser, wie die Darlegungen der Lehrmeinungen zum Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben erwiesen haben, hinsichtlich 4

So die begriffliche Konzeption bei Becker u n d Röttgen. So der Regierungsentwurf zur Finanzreform 1955; i n anderer Patzig u n d Herile. 6 Vgl. Gutachten, Tz. 136. 5

Form

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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seiner subsumtionsmäßigen Einbeziehung am heftigsten umstritten war. Außerdem zeigt er sowohl Probleme der Eigenverantwortlichkeit bei der Aufgabenerfüllung als auch solche der Koordinierung und der Lastentragung, so daß er sich als Ausgangspunkt für eine begriffliche Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben und für die Abgrenzung der i m Rahmen dieser Untersuchung zugrundegelegten Begriffsbestimmung gegen die dargelegten Definitionen der juristischen Literatur anbietet 7 . I L Prüfung der begrifflichen Praktikabilitätsvoraussetzungen am Maßstab des Vollzugs von Bundesgesetzen 1. Kritik der Theorie Köttgens und des ihr zugrundeliegenden Bundesstaatsbegriffs

Dabei müssen w i r uns sogleich m i t der von Becker 8 und Röttgen 9 geäußerten Ansicht auseinandersetzen, die nur durch Koordinierung m i t tels Verwaltungsabkommens oder durch Verwaltungseinrichtung — letzterer sogar nur durch gemeinschaftlich von Bund und Ländern getragene Einrichtung — Gemeinschaftsaufgaben entstehen lassen wollen, auf keinen Fall jedoch eine verwaltungsmäßige Zuordnung zweier Aufgabenträger als solche anerkennen zu können glauben. Dies hat Köttgen — wie dargelegt 10 — m i t der Trennung der Zuständigkeiten i m Sinne bundesstaatlicher Gewaltenteilung begründet. Diese vom Grundgesetz seiner Ansicht nach intendierte Trennschärfe i m Verhältnis von Bundes- und Landessphäre soll demzufolge nicht durch eine Bewertung des Gesetzesvollzuges als Gemeinschaftsaufgabe verwischt „und die gewiß nicht geringe Verfilzung i m Verhältnis von Bund und Ländern weiter gefördert" werden 1 1 . Daß eine solche Sicht der bundesstaatlichen Struktur einem modernen Verständnis des Bundesstaates nicht entspricht, w i r d jedoch i n der Literatur i n zunehmendem Maße anerkannt und darf heute als herrschende Ansicht bezeichnet werden 1 2 . Das Grundgesetz bringt i n zahlreichen Bestimmungen die 7 Dabei soll an dieser Stelle der Untersuchung der Vollzug der Bundesgesetze nach A r t . 84, 85 GG n u r exemplarisch zur begrifflichen Ausprägung der Gemeinschaftsaufgaben untersucht werden. Eine andere Frage ist es, ob er nach dieser Prüfung überhaupt unter den so gewonnenen Begriff der Gemeinschaftsaufgabe fällt. Erst danach wiederum ist der verfassungsrechtlich zulässige Beteiligungsgrad der Partner beim Aufgabenvollzug zu e r m i t teln. 8 Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 5 ff. (Vorwort). • a.a.O., S. 303 ff. 10 Vgl. die ausführliche Darlegung oben Abschn. A , 2. Kap. 11 Köttgen, a.a.O., S. 305. 12 Vgl. Maunz, B a y V B L 1968, S. 164; ders. Deutsohes Staatsrecht, S. 190, 200; ders. N J W 1968, S. 2033 ff. (2033, 2034); Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 245 ff. (269, 270); ders. D V B L 1966, S. 389 ff. (S. 390); ders. A Ö R 93 (1968), S. 316—318;

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Abschn. A: Bisheriger

echtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Verflechtung der Aufgaben und Zuständigkeiten i n einer modernen bundesstaatlichen Verfassung zum Ausdruck. Außer den zahlreichen Ingerenzrechten des Bundes i n Art. 84, 85 GG und dem Nebeneinander von Bundeseigen- und Länderverwaltung nach A r t . 87 b Abs. 2 GG und A r t . 87 Abs. 3 GG läßt sich diese Überlagerung bundesstaatlicher Kompetenzen i m Bundeszwang des A r t . 37 GG, i m Staatsnotstand (Art. 91 GG), bei den Einzelweisungen des Bundes nach A r t . 84 Abs. 5 und Art. 120 a erkennen. Besondere Beachtung aber verdient i n diesem Zusammenhang die Regelung des A r t . 73 Nr. 10 GG, nach welcher dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung „über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder i n der Kriminalpolizei und i n Angelegenheiten des Verfassungschutzes" zusteht. I n dieser Kompetenznorm w i r d deutlich, daß das Grundgesetz selbst das Vorhandensein von Gemeinschaftsaufgaben voraussetzt, die einer Zusammenarbeit von Bund und Länder bedürfen 1 3 . Dieses Element der Kooperation kommt auch i n der gesetzlichen Konkretisierung zum Ausdruck, die die von Art. 74 Nr. 10 GG ausdrücklich vorausgesetzte Gemeinschaftsaufgabe „Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" sowie des Staatsschutzes durch das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern i n Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. 9.1950 14 erfahren hat. Es verpflichtet Bund und Länder ausdrücklich, i n Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen und Hilfe zu leisten 15 . Darüber hinaus gewährt das Gesetz dem Bund bestimmte Weisungsrechte, um die Effektivität der Zusammenarbeit zu gewährleisten 16 . Ferner ist diese Gemeinschaftsaufgabe durch das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes vom 8. 3.1951 17 näher ausgestaltet worden, das ebenfalls eine Koordination von Bund und Ländern bei der Verbrechensbekämpfung herstellt. Somit zeigt sich, daß schon i m Scheuner , D Ö V 1966, S. 519; Füsslein, D V B L 1956, S. 2; Sturm , D Ö V 1968, S. 469; Herzog , JuS 1967, S. 196, 197; Kewenig , A Ö R 93 (1968), S. 482, 483; ähnlich, wenn auch i n erster L i n i e zur Kennzeichnung ausländischer E n t w i c k lungen Lerche, V V d S T L 21 (1964), S. 64 ff. 13 Maunz, N J W 1968, S. 2033; ders. B a y V B L 1968, S. 163; Kölble , Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 30. 14 B G B L , S. 682. 15 So § 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von B u n d u n d Ländern auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes. Maunz , B a y V B L 1968, S. 163, weist darauf hin, daß hier eine verstärkte A m t s h i l f e statuiert w i r d , die über A r t . 35 G G hinausgeht, nämlich auf gleichberechtigte Zusammenarbeit gerichtet ist. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Partner i m Rahmen dieser Zusammenarbeit w i r d dadurch gewährleistet, daß keine B i n d u n g von A k t e n der einen Seite an die Zustimmung von Behörden der anderen Seite vorgesehen ist u n d auch keine verwaltungsmäßige Aufsicht durch Bundesbehörden erfolgt. 16 Vgl. § 5 des Gesetzes. 17 B G B L I, S. 165.

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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Grundgesetz bisheriger Fassung Gemeinschaftsaufgaben zwar nicht institutionalisiert sind, diese aber i n einer grundgesetzlichen Kompetenznorm bereits vorausgesetzt und ihre nähere Ausgestaltung vorgesehen werden. Ferner gehört i n diesen Rahmen das Zusammenwirken von Bund und Ländern i m Finanzwesen wie nach A r t . 108 Abs. 1 GG oder zur Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und einer stabilen Währung i m Bereich des A r t . 109 Abs. 2—4 GG. Diese Grundgesetznormen lassen erkennen, daß das Grundgesetz von vornherein nicht nach dem strengen Trennsystem ausgerichtet gewesen ist, sondern stets eine Zusammenarbeit als geeignetes M i t t e l der Aufgabenerfüllung angesehen hat 1 8 . I m Widerspruch zu seinen Aussagen bei den Gemeinschaftsaufgaben hat auch Köttgen an anderer Stelle 1 9 anerkannt, daß m i t dem durch die politische und soziale Entwicklung verursachten Bedürfnis nach gesteigerter zentraler Normierung der Verwaltungstätigkeit sich die Akzente i m Bund-Länder-Verhältnis verschoben haben, so daß „die klassische Zäsur zwischen Gesetzgebung als primärer Bundesangelegenheit und Verwaltung als Länderaufgabe ihre einstmalige Tiefenwirkung" eingebüßt hat. I n A r t . 84 und 85 GG sind „als Praktikabilitätsvoraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips" dem bisherigen Verfassungsrecht unbekannte Möglichkeiten zentraler Einflußnahme auf den Vollzug des Bundesverwaltungsrechts durch die Länder erschlossen worden. Diese Möglichkeiten haben die Verwaltungshoheit der Länder, wie Köttgen es selbst ausgedrückt hat, ihres „axiomatischen Charakters" entkleidet: Die horizontale Aufspaltung des Vollzugs eines Bundesgesetzes zwischen Bund und Länder i n den Formen der A r t . 84 und 85 hat eine „föderative Kontaktstelle" geschaffen, durch die — so Köttgen (!) — die herkömmliche Vorstellungswelt bundesstaatlicher Verwaltung m i t ihrer strikten Beachtung der Verwaltungshoheit der Länder erhebliche Modifizierungen erfahren hat und die die i m Grundsatz angelegte Funktionszäsur ungleich differenzierter macht, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Hieraus folgert Köttgen selbst, daß die von manchen Theoretikern des Bundesstaatsrechts 20 unterstellte Trennschärfe der Funktionsbe18

Maunz, B a y V B L 1968, S. 164. So die Untersuchungen Röttgens i n D Ö V 1953, S. 361, D Ö V 1955, S. 485, u n d JÖR N F 3, S. 67, die i n einem seltsamen Kontrast zu den Äußerungen i n JÖR N F 11, S. 304/305, stehen. Auch später (vgl. Bundesfondsverwaltung, 1965) hat Köttgen eine andere bundesstaatliche Konzeption vertreten. 20 So beispielsweise aus dem neueren Schrifttum Konow, D Ö V 1966, S. 368 ff. 19

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

reiche heute durchaus nicht als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden kann, sondern gerade i m Bereich der Verwaltung eine funktionelle Verzahnung aller sich aus Bundesstaat und Dezentralisation ergebenden Verwaltungsebenen charakteristisch ist. Somit ist bewiesen, daß Röttgens Grundauffassung des verwaltungsmäßigen Vollzugs der Bundesgesetze durch die Länder durchaus nicht m i t seiner Sicht der Gemeinschaftsaufgaben übereinstimmt, nach der der Bundesgesetzgeber „der Landesverwaltung eine Aufgabe stellt, die i m Endstadium von der zuständigen Landesbehörde bewältigt werden muß", wobei der Bund „lediglich die Präjudizien setzt" 2 1 , die den A n stoß für den regulativen Ablauf der Landesverwaltung i n getrennter Sphäre geben. Daher stellt sich dieser Prozeß auch nicht als „vielgliedrige Kausalkette" dar, die zu einem getrennten „Nacheinander" der Aufgabenerfüllung führt 2 2 , sondern muß auch i m Sinne der Köttgen'schen Bundesstaatstheorie letztlich als einheitliche Aufgabe gesehen werden, die das Grundgesetz dem Bund und den Ländern mit verschiedenem verfassungsrechtlichen Beteiligungsgrad und unter Wahrung der jeweiligen Kompetenzen zur gemeinschaftlichen Erfüllung zugewiesen hat, und die somit Ausdruck der Verflechtung der Funktionen und der kooperativen Aufgabenstellung i n der bundesstaatlichen Struktur des Grundgesetzes ist. Aus einer solchen Sicht unseres föderativen Systems, die zwar die grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilungen als Charakteristikum des Bundesstaates anerkennt, dessen Wesen jedoch nicht als sich i n bloßer Abgrenzung der Kompetenzsphären erschöpfend begreift, w i r d man also nicht den verwaltungsmäßigen Gesetzesvollzug nach A r t . 84, 85 GG von vorneherein aus dem Begriff der Gemeinschaftsaufgaben ausklammern können 2 3 . Es bleibt aber zu prüfen, ob der Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder den Voraussetzungen eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung entspricht, da w i r die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit als einen der drei Wesenzüge der Gemeinschaftsaufgaben bezeichnet hatten. Dabei sollen an dieser Stelle die A r t . 84, 85 GG wiederum nur exemplarisch unter dem Gesichtspunkt der generellen Problemstellung gesehen werden und zwar insoweit, als w i r an i h r ablesen können, i n welchem Maße die angesprochenen drei Grundelemente zur Erfassung der Vielfalt des Phänomens „Gemeinschaftsaufgabe" geeignet sind 21

Köttgen, JÖR N.F. 11, S. 304. Köttgen, JÖR N.F. 11, S. 304. 23 Vgl. auch die Analyse der Bund-Länder-Kooperation i m Rahmen der Verwaltungsfunktion durch das Troeger-Gutachten (Tz 31) u n d den Regierungsentwurf zum Finanzreformgesetz (BT-Drucks. V/2861) i n Tz 36 ff. 22

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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und eine Einengung oder Erweiterung der begrifflichen Grundstrukturen für unsere Untersuchung sich als notwendig erweist. 2. Die beschränkte Eignung der Körperschaftstheorie Kleins zur begrifflichen Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben

Eine solche Einschränkung des Begriffs der Gemeinschaftsaufgaben würde sich als notwendig erweisen, wenn man Kleins These der körperschaftlichen Kooperation von Bund und Ländern folgt. Nach Klein 24 kann zwar die landeseigene Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 84 GG grundsätzlich i m Sinne einer körperschaftlich dezentralisierten Bundesverwaltung als Gemeinschaftsaufgabe angesehen werden. Schon die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG und besonders die Möglichkeit zur Erteilung von Einzelweisungen lassen sie seiner Ansicht nach der Bundesauftragsverwaltung nahekommen, die er — wie bereits ausführlich dargelegt 25 — als Sonderform bundesunmittelbarer Verwaltung und somit organschaftlicher Eingliederung der Landesbehörden i n den Vollzug einer Bundesaufgabe aus der Begriffssphäre der Gemeinschaftsaufgaben ausklammern w i l l . Zweifellos hat Klein m i t dem Begriff der Körperschaftlichkeit i m Sinne einer Wahrnehmung eigener Rechtspositionen bei selbständiger Aufgabenerfüllung einen wichtigen Gesichtspunkt zur Charakterisierung der Gemeinschaftsaufgaben beigetragen, der sich auf den ersten Blick auch m i t dem hier vorausgesetzten Wesenselement der Eigenverantwortlichkeit zu decken scheint. Wie w i r aber bereits bei der Erörterung des Begriffs der Gemeinschaftsaufgaben bei K l e i n oben gesehen hatten2®, versteht er das Wesen der Körperschaft als formellen Rechtsstatus, während die Eigenverantwortlichkeit i m Rahmen unserer Untersuchung als ein materielles Prinzip zugrundegelegt wird, das aus der Eigenstaatlichkeit der Länder und der ihnen i m Grundgesetz zugewiesenen Kompetenzsphäre selbständiger Funktionen fließt und sich auf dem Boden der Gleichordnung von Bund und Ländern entfaltet, so daß subordinationsrechtlich geprägte Bund-Länder-Beziehungen dem Wesen der Gemeinschaftsaufgabe fremd sind. Es fragt sich, inwieweit eine Kongruenz zwischen dieser Konzeption und dem körperschaftlich strukturierten Begriff Kleins gerade bei der so differenzierten Ausgestaltung des Vollzugs der Bundesgesetze besteht, für die der Gedanke einer scharfen Trennung der körperschaftlichen und der organschaftlichen Vollzugsmodalitäten von K l e i n w o h l überhaupt entwickelt wurde und jedenfalls ausschließlich zur Anwendung kommt. 24 25 26

Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 129. Siehe oben 2. Kap., I I . 1. Siehe oben 2. Kap., I I . 1.

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Abschn. A: Bisheriger

echtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Wenn man Kleins Definition des Körperschaftscharakters bei der Bundesauftragsverwaltung untersucht, so kann man feststellen, daß er diese deshalb von den Gemeinschaftsaufgaben ausnehmen will, weil hier nicht die Körperschaft Land als solche beauftragt werde, sondern bestimmte Instanzen oder Instanzenzüge organschaftlich i n die Organisation der „beauftragenden" Körperschaft Bund eingeliedert würden, so daß die i n das Gefüge der Auftragsverwaltung einbezogenen Landesstellen als bloße Substituten einer bundeseigenen Behördenorganisation und damit als Bundesorgan zu kennzeichnen seien 27 . Ob ein solcher durchgängiger Verwaltungszug von den Bundesministerien bis herab zu den unteren Verwaltungsbehörden der Länder besteht, ist bereits von Kölble 28 angezweifelt worden, der zu bedenken gab, daß zumindest i n der Staatspraxis auch i m Bereich des A r t . 85 GG von seiten des Bundes weit weniger dirigiert und weit mehr kooperiert wird, als es nach dem Wortlaut des A r t . 85 GG den Anschein hat. Seitdem haben weitere Untersuchungen 29 und besonders die jüngste von Blümel 30 den Nachweis erbracht, daß auch der A r t . 85 GG durchaus nicht frei ist von den Problemen einer gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung durch Bund und Länder. So hat der Bund i n weiten Bereichen der Bundesauftragsverwaltung auf das Steuerungsmittel der bindenden Verwaltungsvorschriften und Weisungen gemäß Art. 85 Abs. 2 und Abs. 3 GG verzichtet und ist dazu übergegangen, durch gemeinsam m i t den Ländern i n Koordinierungsgremien erarbeiteten Rundschreiben und Empfehlungen den einheitlichen Verwaltungsvollzug zu sichern. Blümel 31 hat diese Verfahrensweise bei der Praxis der Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen untersucht, wo der Bund lediglich zwei allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG erlassen hat 3 2 . 27

Klein, a.a.O., S. 141. Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 21. 29 s. besonders Köttgen, JÖR N . F . I I (1962), S. 206 f., 223 ff.; ders. aber auch schon i n JÖR N. F. 3 (1954), S. 87 f., 141 f.; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern i n der Bundesrepublik Deutschland (1967), insbes. S. 164 ff., 177 ff., 205 ff.; Maunz, B a y V B L 1966, S. 1 ff.; vgl. aber auch Maunz-Dürig, A r t . 20 Rdnr. 17, A r t . 32 Rdnr. 75, A r t . 83 Rdnr. 39, 48, 52 ff.; Kölble, DÖV 1960, S. 656, 657 f., 659; ders. D Ö V 1964, S. 594; Herzog, JuS 1967, S. 158 f.; Gross, N J W 1967. S. 1002 f. B V e r w G E 13, S. 271 (276); Scheuner, DÖV 1962, S. 645; Patzig, A Ö R 86, S. 286, 287. 30 AÖR 93 (1968), S. 199 ff. 31 Bundesstaatsrechtliche Aspekte der Verwaltungsvorschriften A Ö R 93 (1968), S. 202 ff. 32 Die Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift f ü r die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen (1. A W F S t r . ) v o m 3.7.1951 (BAnz. Nr. 132, S. 2), sowie die 2. A W F S t r . v o m 11. 2.1956 (BAnz. Nr. 38, S. 109). 28

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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I m übrigen werden die notwendigen Anwendungs- und Verfahrensrichtlinien regelmäßig i m Zusammenwirken zwischen dem Bundesverkehrsministerium und den obersten Straßenbaubehörden der Länder i m „Länderfachausschuß Straßenbaurecht" erarbeitet. Diese Richtlinien werden vom Bundesminister für Verkehr i n allgemeinen Runderlassen und Schreiben den Landesstraßenbaubehörden zugestellt m i t der Bitte oder Empfehlung, die ausgearbeiteten Richtlinien i m Geschäftsbereich der betreffenden obersten Straßenbaubehörde als Dienstvorschrift zur Anwendung bei der Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen, zum Teil sogar bei den übrigen der Verwaltung dieser Behörde unterstehenden Straßen einzuführen und den jeweiligen Einführungserlaß dem Bundesminister für Verkehr zur Kenntnis zu geben. Angesichts der großen Zahl und der beachtlichen Produktivität der dem Länderfachausschuß Straßenbaurecht vergleichbaren Koordinierungsgremien 33 kommt dieser Praxis von Bund und Ländern gemeinsam erarbeiteter und von den Ländern eingeführter Anwendungs- und Verfahrensrichtlinien für die Auftragsverwaltung große Bedeutung zu. Die Gründe für den Verzicht des Bundes auf die i h m i n den Art. 84 und besonders A r t . 85 GG eingeräumten Ingerenzrechte zugunsten einer gleichberechtigten Kooperation m i t den Ländern w i r d einmal i n der Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeit der Länder gegenüber der anordnenden Bundesgewalt gesehen 34 , zum anderen i n der Tatsache, daß bundesweite allgemeine Verwaltungsvorschriften sich oft leichter vereinbaren als anordnen lassen, weil die Landesbürokratie freiwillig mehr zugesteht als sie anordnungsmäßig überhaupt hinzunehmen hätte 3 5 , oder aber auch i n der Rücksichtnahme auf die Eigeninteressen der i m Bundesrat m i t verschiedenem Stimmgewicht vertretenen Länder, die sich bei dieser Verfahrensweise nicht unbedingt an die empfohlenen Richtlinien zu halten brauchen und sogar an der Verlautbarung abweichender Rechtsauffassungen nicht gehindert sind, während die i m direkten Weg des A r t . 85 Abs. 2 Satz 1 erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften auch von den Behörden derjenigen Länder anzuwenden sind, deren Vertreter i m Bundesrat bei der Abstimmung über die erforderliche Zustimmung negativ votiert haben 36 . 33 Neunreither, Der Bundesrat zwischen P o l i t i k u n d V e r w a l t u n g (1959), S. 105 ff. nennt i m Jahre 1959 — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — 82 Koordinierungsgremien. Vgl. dazu ausführlicher Bergdolt, Gemeinschaftseinrichtungen der Bundesländer auf Bundesebene u n d das GG, 1966, S. 24 ff., 52, 77 ff., 108 ff., 134. 34 Vgl. Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, S. 21 (mit Beispielen i n F N 10 und 11). 35 So Schneider, W d S t L 19 (1961), S.21; vgl. auch Grawert, a.a.O., S. 22, 220 f. 35 D a r i n vermutet Blümel, a.a.O., S. 240 den entscheidenden G r u n d für den Verzicht auf Verwaltungsvorschriften u n d Weisungen.

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Diese staatsrechtliche Praxis ist von Köttgen 37 i n Bezug auf die i m Bereich des A r t . 84 GG unter Verzicht auf den Einsatz hoheitlicher M i t t e l erfolgende „schlichte" Koordinierungstätigkeit der Bundesressorts durch Rundschreiben oder Empfehlungen 38 generell für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt worden. Maunz 39 hält eine Koordinierung unter bestimmten Voraussetzungen auch i m Bereich der Bundesauftragsverwaltung für zulässig und sieht i n i h r eine begrüßenswerte Klimaverbesserung i m Verhältnis von Bund und Ländern als Ausdruck eines geläuterten Vorstellungsbildes einer bundesstaatlichen Einheit, deren Glieder bei jedem Handeln auf die Rechte, Interessen und Anliegen der anderen Seite Bedacht nehmen müssen. Noch weiter geht Grawert 40, wenn er die Bevorzugung der — Verwaltungsrichtlinien betreffenden — Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern gegenüber dem Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften durch den Bund auch bei der Bundesauftragsverwaltung m i t der Erwägung rechtfertigt, daß das Grundgesetz eine einseitige Regelung von Bundes wegen als Ausnahme angesehen haben wolle, da Eingriffe i n die Landesverwaltung auf ein M i n i m u m zu beschränken seien. Nach Auffassung Grawerts ist daher bundesstaatlich eher eine Lösung zu befürworten, welche der Landesinitiative Raum läßt. Dabei w i r d i m Schrifttum 4 1 sogar teilweise die Auffassung vertreten, der Bund sei nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der Bundestreue sogar verpflichtet, die auf eben demselben Grundsatz beruhende koordinierende Tätigkeit der Länder m i t beratender Stimme zu unterstützen, da es sich bei der i n den Fachausschüssen erfolgenden Koordinierung u m eine wahrhaft föderalistische Zusammenarbeit zwischen den Ländern untereinander und m i t dem Bund handle 4 2 . Ob diese Auffassungen zutreffend sind, oder ob der Verzicht auf die zentralen Steuerungsmittel der allgemeinen Verwaltungsvorschriften und der Weisungsrechte zugunsten der flexibleren Regelung einer schlichten Koordinierung die Unterschiede zwischen landeseigener Verwaltung und der Auftragsverwaltung i n einem Maße verwischt, das dem durch die grundgesetzliche Regelung fixierten Typenbild des A r t . 85 GG nicht 87

JÖR N. F. 3 (1954), S. 87 f., 141 f. Vgl. allgemein zur Staatspraxis der Koordinierung der Verwaltungsfunktionen zwischen B u n d u n d Ländern. Schneider , D Ö V 1957, S. 645; ders. W d S t L 19 (1961), S. 4; Grawert , a.a.O., S. 59 ff., 133 ff., 172 f., 219 ff.; Scheuner, D Ö V 1962, S. 647; Bergdolt, a.a.O., S. 41 ff.; v. Stralenheim, BayVBL 1962, S. 70 ff. (70); Pfeiffer, N J W 1962, S. 565 ff.; Maunz , N J W 1962, S. 1641 ff.; Hesse, Bundesstaat, S. 14, 17 ff.; Schmitt-Lermann, D Ö V 1962, S. 667 ff.; Gross, N J W 1967, S. 1001 ff.; ders. D V B L 1964, S. 94/95, Sturm, D Ö V 1968, S. 469. 89 B a y V B L 1966, S. 1 ff. (S. 2 unten, S. 4). 40 a.a.O. S. 219 ff. 41 Bouska, N J W 1962, S. 620 f.; Pfeiffer, NJW. 1962, S. 566 f. 42 Vgl. dazu Grawert, a.a.O., S. 154 ff., 158 ff. 88

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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mehr entspricht und daher als verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen muß 4 3 , kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben 4 4 . Hier ging es nur darum, den Nachweis zu erbringen, daß die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder einschließlich der Auftragsverwaltung durchaus i n den Kreis der Problematik der Gemeinschaftsaufgaben m i t einbezogen werden muß und sich das K r i t e r i u m des Körperschaftscharakters des die jeweilige Aufgabe vollziehenden Verbandes allein als nicht geeignet erwiesen hat, die vielfältigen Phänomene koordinationsrechtlich geprägter Rechtsbeziehungen i m Bundesstaate zu erfassen 45 . Das formale Rechtsprinzip der Körperschaftlichkeit läßt nicht i n ausreichendem Maße Rückschlüsse auf die wesensmäßige Zuordnung der Träger der Verbandskompetenz bei der Aufgabenerfüllung zu. Ist das aber bereits bei dem verfassungsrechtlich durchnormierten verwaltungsmäßigen Vollzug von Bundesgesetzen der Fall, für den dieses K r i t e r i u m von K l e i n entwickelt wurde, so gilt das umsomehr für den weiten Bereich der gesetzesfreien Verwaltung und Finanzierung, i n dem sich Bund und Länder fast stets „körperschaftlich" gegenüberstehen. Obwohl hier die meisten Formen der Bund-Länder-Kooperation anzutreffen sind, w i r d der Terminus der Körperschaft i n diesem Bereich von K l e i n nicht mehr verwendet, so daß er zu einer begrifflichen Abgrenzung der Gemeinschaftsaufgaben nicht geeignet erscheint, zumal gerade i m Zusammenhang m i t der finanziellen Beteiligung des Bundes an Landesaufgaben, die auch Klein als Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern untersucht, Erscheinungen zu beobachten sind, daß sich auf der Grundlage des § 64 a der Reichshaushaltsordnung eine A r t accordierter Bundesauftragsverwaltung entwickelt, die zu einer Instrumentalisierung der Länder als Zuschußempfänger führen kann 4 6 . Damit ist bewiesen, daß der Begriff der Körperschaftlichkeit hinsichtlich seiner Aus43

So Blümel, a.a.O., S. 235, 236 f., 240. Ebenso k a n n i n diesem Zusammenhang die Frage nach der dogmatischen Einordnung oder der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Bundesauftragsverwaltung offenbleiben. Vielmehr soll sie i n diesem Abschnitt der Untersuchung n u r als Prüfstein der P r a k t i k a b i l i t ä t des Topos "Eigenverantw o r t l i c h k e i t " bzw. „Körperschaftlichkeit" zur Abgrenzung u n d wesensmäßigen Erfassung des Begriffs „Gemeinschaftsaufgabe" dienen. 45 Das g i l t gerade i n Bezug auf die Bundesauftragsverwaltung, die Klein nicht als Gemeinschaftsaufgabe anerkennt, u m so mehr als es dem überwiegenden T e i l der L i t e r a t u r äußerst fraglich erscheint, ob angesichts deren verschiedener Formen — vgl. z. B. A r t . 87 b — überhaupt eine f ü r alle ihre grundgesetzlichen Varianten gleichermaßen zutreffende Formel gefunden werden kann. Vgl. Röttgen, JÖR N . F . I I (1962), S.235, 241, 248, ebenso Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 288 f., 316 f. Ausdrücklich verneinend Blümel, a.a.O., S.235. Z u den Modifikationen des A r t . 8 5 vgl. auch Maunz-Dürig, Art.85 Rdnr. 9. 46 Darauf weist Röttgen, Bundesfondsverwaltung, S. 47 hin. 44

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

dehnung nur für den engen Bereich des verwaltungsmäßigen Vollzugs von Bundesgesetzen durch die Länder überhaupt als Unterscheidungsmerkmal zur begrifflichen Abgrenzung der Gemeinschaftsaufgaben verwendbar ist. Hinsichtlich seines substanziellen Gehalts bei einer richtigen Erfassung der wesensmäßigen Ausprägung der Gemeinschaftsaufgaben hat er sich aber auch für diesen Bereich als ungeeignet erwiesen, weil seine formelle Betrachtungsweise trotz des richtigen Ansatzpunktes der „Selbständigkeit" und der „Wahrnehmung eigener Rechte" eine Wertung der Kooperationsformen i m Rahmen des Gesetzesvollzugs nicht ermöglicht, andererseits aber Arten der Zusammenarbeit, die seinen eigenen begrifflichen Prämissen widersprechen, aufgrund formaler K r i terien m i t i n die Begriffssphäre der Gemeinschaftsaufgaben einbezieht.

I I I . Der materielle Begriff der Gemeinschaftsaufgaben und das Prinzip der Gleichordnung Unsere exemplarische Betrachtung der Art. 84, 85 GG hat aber gezeigt, daß i n Übereinstimmung mit dem Ausgangspunkt dieser Untersuchung der Begriff gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung i m Bundesstaat ein materieller sein muß. Daher ist es notwendig, das formale K r i t e r i u m des körperschaftlichen Rechtsstatus fallenzulassen und das Wesen der Gemeinschaftsaufgaben zumindest i n einer Hinsicht i n der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung der kooperierenden Partner zu sehen. Denn die von uns eingangs zugrundegelegten Wesensmerkmale der Eigenverantwortlichkeit und der Koordinierung haben sich bei ihrer Prüfung am Maßstab des Gesetzesvollzugs als geeignete Richtlinien zur Subsumierung einer gemeinsamen, von Bund und Ländern wahrgenommenen Funktion unter dem Begriff der Gemeinschaftsaufgabe erwiesen. So haben w i r gesehen, daß es bei der Ausführung der Bundesgesetze darauf ankommt, inwieweit sich die Einflußrechte des Bundes als partieller Aufgabenvollzug i m landeseigenen Bereich darstellen, i n welchem Grad also die Verwaltungstätigkeit von Bundes wegen normiert wird, oder aber der Landesinitiative bei der Herausbildung eines eigenen Verwaltungsstils i m Rahmen der Zuweisung der Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erfüllung Raum bleibt 4 7 . Das aber ist der Nachweis der Tatsache, daß sich das begriffliche Wesen der Gemeinschaftsaufgabe nicht i n formellen Gesichtspunkten erschöpfen kann, sondern notwendigerweise materiell unter den Aspek47 Eben diesen materiellen Gesichtspunkt legen auch Patzig , A Ö R 86 (1961), S. 286 und Sturm , D Ö V 1968, S. 466 ff. (469,470), ihrer Untersuchung der anteiligen Lastenverteilung zugrunde.

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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ten der Eigenverantwortlichkeit gesehen werden muß. Als weiteres — ebenfalls materielles — Wesensmerkmal läßt sich selbst bei den stark m i t imperativen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes durchsetzten Formen des verwaltungsmäßigen Vollzugs der Bundesgesetze die Notwendigkeit der Koordinierung erkennen. Diese Tendenz zur Koordinierung erweist sich oft als Sachnotwendigkeit zur Erzielung eines optimalen Verwaltungseffekts, häufig ist sie aber auch eine Folge bundesstaatlicher Rücksichtnahme zur Erreichung eines möglichst reibungslosen, effektvollen und gleichberechtigten — eben kooperativen — Zusammenspiels aller föderativen Glieder. Daraus folgt, daß sich i m Rahmen der Koordinierung eine bereits oben 48 bezeichnete Prämisse der hier vertretenen Konzeption der Gemeinschaftsaufgaben als sehr wesentlich erweist: Daß nämlich gleichberechtigte Koordinierung i m Bundesstaat koordinationsrechtlich geprägt sein muß 4 9 , so daß jedenfalls dort, wo Bund und Länder i n einem Über-und Unterordnungsverhältnis gegenüber stehen, nicht von Gemeinschaftsaufgaben gesprochen werden kann 5 0 . Das würde sowohl dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit als auch dem materieller Koordinierung widersprechen, die sich hier i n der Abgrenzung zu subordinationsrechtlich geprägten Bund-LänderBeziehungen überschneiden. Das verbindende Grundelement eigenverantwortlicher und koordinierter Aufgabenerfüllung ist also die Gleichordnung der Partner. Dabei kommt es nicht auf die bundesstaatstheoretische Problematik der Frage an, ob Bund und Länder nach der Struktur des Grundgesetzes grundsätzlich gleichgeordnet sind 5 1 , sondern ausschließlich darauf, ob sie bei der Durchführung einer konkreten Aufgabe auf dem Boden der Gleichordnung zusammenarbeiten 52 . Daher müßte — u m bei diesem Beispiel zu bleiben — der Vollzug der Bundesgesetze nach A r t . 84, 85 GG zur definitiven Einordnung i n den Begriffsbereich der Gemeinschaftsaufgaben darauf untersucht werden, inwieweit die Ingerenzrechte des Bundes zu einem hierarchischen Verhältnis bei der verwaltungsmäßigen Durchführung durch die Länder 48

Siehe 3. Kap., I. Die Bedeutung des staatsrechtlichen Begriffs der Koordination i m bundesstaatlichen Gefüge als Gegensatz zum Begriffspaar Separatismus und Subordination betont Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 190. 50 Die Bedeutung der Gleichberechtigung der Partner zur Klassifizierung einer bundesstaatlichen F u n k t i o n als „Gemeinschaftsaufgabe" unterstreichen Duppre, Eröffnungsansprache zum 29. Staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1961, veröffentlicht i n Bd. 11 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, S. 11 ff. (S. 12) und neuerdings Maunz, B a y V B L 1968, S. 162 ff. (S. 163). 51 Vgl. dazu z. B. Schmidt, A Ö R 87 (1962), S. 253 ff. (S. 276 ff.); Herzog, DÖV 1962, S. 81 ff.; Scheuner, D Ö V 1966, S. 513 ff. (S. 514), Grawert, a.a.O., S. 135 ff. 52 So auch Blümel, a.a.O., S. 231, 232 (mit F N 176). 49

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

führen oder aber nur eine Verschränkung der unterschiedlichen Staatsorganisationen von Bund und Land darstellen, die einer Wahrnehmung eigener Angelegenheiten der Länder und gleichberechtigtiger Koordinierung ihrer Durchführung nicht i m Wege stehen.

IV. Die gemeinschaftliche Finanzierung als Wesenselement der Gemeinschaftsaufgaben Diese gleichberechtigte Koordinierung braucht nun aber nicht nur i n einer verwaltungs- oder planungsmäßigen Abstimmung eigenverantwortlicher Tätigkeit m i t dem i n den Aufgabenvollzug eingeschalteten Partner zu bestehen, sondern kann, wie w i r bereits oben gesehen hatten 5 3 , auch i n einer gemeinsamen Finanzierung bestehen. Diese gemeinsame Finanzierung kann kumulativ zu den beiden Elementen der Eigenverantwortlichkeit und der Vollzugskoordinierung treten oder aber alternativ zum Erfordernis der Koordinierung bei der Planung und verwaltungsmäßigen Durchführung eines Vorhabens. A u f jeden Fall muß aber das Erfordernis der Eigenverantwortlichkeit und somit das der Selbständigkeit und Gleichberechtigung gewahrt bleiben, so daß eine finanzielle Beteiligung des Bundes oder der Länder an den jeweiligen Aufgaben des anderen Partners nicht zu einem Einbruch i n dessen Zuständigkeitssphäre mittels dirigistischer Finanzierungsmethoden führen darf, u m der Gemeinschaftsfinanzierung den Charakter der Gemeinschaftsaufgabe zusprechen zu können. Auch eine kurze Anwendung dieser Grundsätze auf den i m Rahmen unserer Untersuchung immer als Maßstab zugrundegelegten Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder erweist die Bedeutung gemeinsamer Lastentragung als integrierendem Bestandteil gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung 5 4 . Schon die Darlegung der finanzverfassungsrechtlichen Theorie der Gemeinschaftsaufgaben hat den Zusammenhang von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung dargelegt und den Streit zwischen Vertretern der Konnexitätstheorie und denjenigen, die auf das Veranlassungsprinzip abstellen, aufgezeigt 55 : 58 Vgl. die Darstellung der finanzverfassungsrechtlichen Theorie der Gemeinschaftsaufgaben 1. Hauptteil, Abschnitt A , 1. Kap. I I I . 54 Der sowohl hinsichtlich seines finanziellen Volumens als auch seiner verfassungspolitischen Bedeutung erheblichste T e i l der gemeinschaftlichen Finanzierung von B u n d u n d Ländern vollzieht sich allerdings i m nichtgesetzesakzessorischen Bereich. Dazu i m einzelnen unten 1. Hauptteil, A b schnitt D, 2. Kap., 1.1. 55 Vgl. dazu u n d zum Folgenden die oben Abschnitt A , 1. Kap., I I . angegebene Literatur.

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

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So w i r d überwiegend aus A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG gefolgert, daß i m Bereich des A r t . 84 GG die Länder die volle Finanzverantwortung, also sowohl die gesamten Zweckausgaben für die Durchführung der Gesetze, als auch die Verwaltungskosten zu tragen hätten, obwohl auch hier i n der Verfassungspraxis Bund und Länder oft gemeinsam die Zweckausgaben aufgrund eines Bundesgesetzes getragen haben 56 . Währenddessen w i r d — wie w i r gesehen hatten — bei der Bundesauftragsverwaltung vielfach eine Aufteilung der Kosten befürwortet, so daß bei der Verwaltungsführung als Länderangelegenheit die durch sie anfallenden Kosten von den Ländern zu tragen sind, während der Bund die Zweckausgaben auf seinen Haushalt zu übernehmen hat. Damit läßt sich erkennen, daß die Gemeinschaftsaufgaben einen wesentlichen finanziellen Aspekt aufweisen, so daß w i r die gemeinsame Finanzierung zu Hecht als eines ihrer Wesensmerkmale bezeichnet haben. Dieser Gesichtspunkt der Lastenverteilung w i r d auch i n starkem Maße i n dem der Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i m Grundgesetz zugrundeliegenden Gemeinschaftsaufgabenbegriff der Kommission 5 7 und des Regierungsentwurfs zur Finanzreform 5 8 berücksichtigt. Ein Vergleich m i t den i n A r t . 85a des Kommissions-Entwurfs bzw. 91a des Regierungsentwurfs vorgeschlagenen normativen Regelungen der Gemeinschaftsaufgaben zeigt, daß die i n dieser Untersuchung gewonnenen Elemente der Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung, der Notwendigkeit föderaler Koordinierung und gemeinsamer Finanzierung, die sich als der Wesensgehalt der Gemeinschaftsaufgaben i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes abstrahieren ließen, auch die Grundlagen der Neuregelung bilden. Zwar ist das Koordinierungsinstrumentarium gemeinsamer Planung und bestimmter Verfahrensweisen bei der Kooperation neuartig und kann nicht zum Vergleich m i t den so verschiedenartig praktizierten Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern ohne verfassungsrechtliche Institutionalisierung herangezogen werden; wenn man jedoch das Wesen der vorgeschlagenen Neuregelungen als gemeinsame Planung und gemeinschaftliche 56 So haben B u n d u n d Länder die Kosten der Finanzierung des Sparprämiengesetzes v o m 6.2.1963 ( B G B L I, S. 93), des Wohnungsbauprämiengesetzes v o m 25.8.1960 ( B G B L I, S. 713) sowie des Wohnungsgeldgesetzes v o m 1.4.1965 ( B G B L I S. 177) gemeinsam getragen. Vgl. K l e i n , D Ö V 1968, S. 153 sowie Sturm, D Ö V 1968, S. 467. Weitere Beispiele zählt die Kommission Tz 128 u n d Tz 206 auf. Eine Übersicht v e r m i t t e l t Anlage 3 des Gutachtens. — Eine ähnliche Regelung ist auch i m E n t w u r f eines Städtebauförderungsgesetzes (BR-Drucks. 530/68) vorgesehen, nach dem sich der B u n d an den Kosten städtebaulicher Sanierungs- u n d Entwicklungsmaßnahmen beteiligt (§ 69 Abs. 1 des Entwurfs). 57 Vgl. Troeger-Gutachten, Tz 137 ff. 58 V o m 30. A p r i l 1968, BT-Drucks. V/2861, Tz 78 ff.

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Tiemann

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Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

Finanzierung der für die Gesamtheit bedeutsamen Aufgaben durch Bund und Länder zusammenfassen kann, wobei die Durchführung der eigenverantwortlichen Disposition der Länder verbleibt, so lassen sich zahlreiche Parallelen zu Kooperationsformen aufzeigen, die schon i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes als Gemeinschaftsaufgaben angesprochen werden könnten: So ergab sich schon jetzt — u m auch hier das Beispiel der Gesetzesausführung zu verwenden — ohne Grundgesetzänderung die Möglichkeit, bei Materien der ausschließlichen und der konkurrierenden Bundesgesetzgebung durch den Bund Planungen aufzustellen und Mitfinanzierungen vorzusehen, sowie durch die Ingerenzrechte des A r t . 84 Abs. 2 GG und A r t . 84 Abs. 5 GG die sachgerechte Durchführung der überregionalen Planung und Finanzierung zu gewährleisten. Ebensolche Möglichkeiten eröffnen die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes i m Bereich der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) und der Grundsatzgesetzgebung (Art. 109, 140 GG) 5 9 .

V. Die definitorische Erfassung des staatsrechtlichen Charakters der Gemeinschaftsaufgaben A m Beispiel des Vollzugs von Bundesgesetzen durch die Länder als einem Grenzfall der Gemeinschaftsaufgaben, der daher bei den Bemühungen des Schrifttums u m eine begriffliche Klärung ihres Wesens besonders umstritten ist, ließ sich also die zunächst als hypothetische Ausgangsbasis erstellte Begriffskette der Eigenverantwortlichkeit i m Zusammenhang m i t verwaltungsmäßiger Koordinierung und (oder) gemeinschaftlicher Finanzierung als begriffsnotwendiges K r i t e r i u m der Gemeinschaftsaufgaben bestätigen und gegen zu enge formale Betrachtungsweisen i n der Literatur abgrenzen. Dabei ließ sich feststellen, daß viele Theorien richtige Ansatzpunkte zur begrifflichen Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben enthielten, jedoch entweder die verschiedenartigen Formen der Zusammenarbeit i n formale Schemata einzuordnen suchen, denen sie sich i n ihrer Vielfalt der Rechtsgrundlagen, rechtlichen Ausgestaltung und grundgesetzlichen Zuordnungsbereiche aber entziehen, oder durch die selbstgewählte Einengung definitorischer Prämissen von vornherein nur einen kleinen Ausschnitt der praktizierten Kooperation erfassen. Demgegenüber w i r d i n der vorliegenden Untersuchung ein weiterer begrifflicher Ausgangspunkt bevorzugt, der die wesentlichen Elemente des die verschiedenen A r t e n der Gemeinschaftsaufgaben verbindenden übergreifenden Strukturprinzips enthält und praktikable Kriterien für 59

Vgl. Maunz , N J W 1968, S. 2033, 2034; ders. B a y V B L 1968, S. 163.

3. Kap.: Begriffselemente der Gemeinschaftsaufgaben

67

die rechtliche Einordnung einer bündesstaatlichen Kooperationsform i n das Begriffsgefüge der Gemeinschaftsaufgaben liefert. Somit lassen sich als Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern solche Aufgaben bezeichnen, die Bund und Länder unter eigener Verantwortung erfüllen, deren Wahrnehmung und Durchführung jedoch i m Hinblick auf die i m Interesse des Gemeinwohls und einer effektiven Zusammenarbeit aller bundesstaatlichen Glieder zu erzielende optimale Wirkung i m Sinne eines kooperativen Föderalismus entweder hinsichtlich ihrer Planung sowie verwaltungsmäßigen Durchführung auf dem Boden der Gleichordnung koordiniert oder gemeinschaftlich von Bund und Ländern finanziert werden. Damit ist der definitorische Rahmen gesetzt, i n den i m folgenden Teil der Untersuchung die verschieden ausgeprägten Kooperationsformen eingeordnet werden müssen. Der begriffliche Bereich der Gemeinschaftsaufgaben mußte bewußt weitgespannt werden, weil der Koordinationsund damit der Kooperationsgrad bei den einzelnen Aufgaben sehr verschieden ist und sich somit hinter der alle Arten der Gemeinschaftsaufgaben umfassenden begrifflichen Abgrenzung i n der Praxis Kooperationsformen erkennen lassen, die bezüglich des Ausmaßes der Zusammenarbeit stark divergieren 6 0 . Man könnte sich daher die verschiedenen verfassungsrechtlichen Ausprägungen der Arten von Gemeinschaftsaufgaben bildlich i n der Form konzentrischer Kreise vorstellen, i n deren Außenbereichen sich die Kooperation i n loser Gestalt vollzieht und sich i n den Kernzonen hinsichtlich der Intensität der Zusammenarbeit und ihrer institutionellen Umsetzung verdichtet zu rechtlich detailliert ausgestalteten und verfestigten Kooperationsformen m i t starkem Koordinierungseffekt. Wenn man dieses geometrische B i l d auf die verfassungsrechtliche Praxis anwendet, so würde man i n den „Außenzonen" der Gemeinschaftsaufgaben die losen Absprachen und formlosen Abkommen sowie eventuell gewisse Formen des Gesetzesvollzugs ansiedeln, während i m Kernbereich engen bundesstaatlichen Zusammenwirkens die gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Gemeinschaftseinrichtungen m i t hoher Kooperationsintensität stehen. Den jeweiligen Standort i n diesem verästelten Gefüge der Gemeinschaftsaufgaben sowie die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Zusammenwirkens und besonders des Beteiligungsgrades der Partner i m 00 Ä h n l i c h auch Maunz, B a y V B L 1968, S. 163, w e n n er meint, daß die E i n beziehung der Verteilung einer bestimmten Materie auf die Gesetzgebung des Bundes u n d die Ausführung durch die Länder i n die Begriffssphäre der Gemeinschaftsaufgabe eine weitere Ausdehnung des Begriffs darstelle, u n d er dann dieses weite begriffliche Feld unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung bei der Bund-Länder-Kooperation eingrenzt.

5*

68

Abschn. A: Bisheriger Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben

einzelnen gilt es nunmehr für jede A r t der Gemeinschaftsaufgabe i m bisherigen Sinne zu ermitteln. Dann w i r d auch eine A n t w o r t auf die Frage möglich sein, ob die i m Gutachten der Kommission für die Finanzreform 8 1 und i n der Begründung des Regierungsentwurfs zum Finanzreformgesetz 62 getroffene Feststellung zutreffend ist, daß eine große Zahl der bisher üblichen Formen der Kooperation von Bund und Ländern verfassungsrechtlich bedenklich sei, und sich daher die Notwendigkeit ergeben habe, i m Wege der Verfassungsänderung eine grundgesetzliche Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben herbeizuführen.

61 62

Troeger-Gutachten, Tz 35. BT-Drucks. V/2861 (30. 4.1968) Tz 33 ff., Tz 78 ff.

Abschnitt

B

Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern im System des Grundgesetzes und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen Erstes Kapitel

Gemeinschaftsaufgaben bei der Ausführung von Bundesgesetzen Den gemeinschaftlichen Vollzug von Bundesgesetzen hatten w i r schon bei der begrifflichen Klärung der Gemeinschaftsaufgaben unter dem Aspekt der Bund-Länder-Kooperation gesehen, uns jedoch m i t Hinweisen auf die koordinationsrechtliche Problematik der Gesetzesausführung begnügt, ohne i m einzelnen die nunmehr zu erörternde Frage zu klären, inwieweit sich der Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder, gemessen an den Maßstäben des i n dieser Untersuchung gewonnenen materiellen Begriffs der Gemeinschaftsaufgabe überhaupt als solche darstellt, und i n welchen verfassungsrechtlichen Grenzen eine Beteiligung der Partner an der Gesetzesexekutive zulässig ist. Dabei werden die beiden Grundtypen des Gesetzesvollzugs, nämlich die A r t . 84 GG und 85 GG, sowie die Errichtung von Bundesoberbehörden, bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts auf Gebieten der landeseigenen Verwaltung und der Bundesauftragsverwaltung der Länder unter den oben bezeichneten Gesichtspunkten zu untersuchen sein. I. Gemeinschaftsaufgaben bei der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 84 GG 1. Die Eigenverantwortlichkeit der Verwaltungsführung

Soweit Bundesgesetze von Landesbehörden nach A r t . 84 GG als eigene Angelegenheiten vollzogen werden, sieht das Grundgesetz drei verschiedene Arten von Ingerenzrechten des Bundes vor, nämlich erstens den Erlaß von Allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach A r t . 84 Abs. 2 GG, sowie zweitens die Rechtsaufsicht, die unter bestimmten

70

Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

Voraussetzungen zur Entsendung eines Bundesbeauftragten nach A r t . 84 Abs. 3 und Einleitung des Mängelrügeverfahrens nach A r t . 84 Abs. 4 GG berechtigt und schließlich drittens die Erteilung von Weisungen für besondere Fälle auf Grund entsprechender gesetzlicher Ermächtigung m i t Zustimmung des Bundesrats nach A r t . 84 Abs. 5 GG. Angesichts dieser vielfältigen Einflußmöglichkeiten des Bundes ist zu prüfen, inwieweit der Gesetzesvollzug nach Art. 84 GG noch eine echte „eigene Angelegenheit" des Landes ist und dieses nicht i n eine instrumentale Abhängigkeit des Bundes gerät, so daß von einer eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung und materiell gleichberechtigten Koordinierung keine Rede sein könnte. Allerdings erwecken gerade der Abs. 2 und besonders Abs. 5 des A r t . 84 GG den Eindruck, als stelle der Typ des A r t . 84 GG eine A r t mittelbarer Bundesverwaltung oder eines partiellen Gesetzesvollzugs des Bundes i m landeseigenen Bereich dar, wobei der Anschein eines hierarchischen Verhältnisses entsteht, was Maunz-Dürig 1 zu der Bemerkung veranlaßt hat, das Bund-Länder-Verhältnis komme durch die Ausübung von Weisungsrechten des Bundes „einem solchen Unterwerfungsverhältnis zumindest sehr nahe". Klein 2 sieht i m Abs. 2 des A r t . 84 GG ein systemfremdes Element, das die Bundesregierung den Ländern insoweit als zentrale Verwaltungsinstanz unmittelbar vorordnet und ihre körperschaftliche Verbandskompetenz ausschaltet, während die Weisungsrechte des Abs. 5 zu einer völligen Unterordnung des Landes unter zentrale Imperativbefugnisse des Bundes führen sollen. Die Eigenverantwortlichkeit der Länder w i r d aber nach der Auffassung Kleins 3 durch diese Bundesbefugnisse nur eingeschränkt, so daß die landeseigene Ausführung der Bundesgesetze i m Grunde eine Gemeinschaftsaufgabe bleibe. Die Auffassung, daß die Ausführung der Bundesgesetze i m Rahmen des A r t . 84 GG trotz der Ingerenzrechte des Bundes eine eigene Angelegenheit der Länder bleibt, und nicht als subordinationsrechtlich geprägtes Verhältnis von Bund und Ländern zu bezeichnen ist, kann man als durchaus herrschende Auffassung bezeichnen 4 . Dieser Auffassung dürfte grundsätzlich zuzustimmen sein, da die Steuerungsmittel des Bundes i m landeseigenen Gesetzesvollzug rechtlich nur als verwaltungsinterne Einflußnahmen ohne die Möglichkeit einer materiellen Mitgestaltung des Verwaltungsaktes m i t unmittelbarer Rechtswirkung nach außen zu qualifizieren sind. Sie reichen bei ver1

A r t . 83 Rdnr. 54 (a. E.). a.a.O., S. 137, 138. 3 a.a.O., S. 129. 4 Schmidt, A Ö R 87 (1962), S. 282 ff.; F.Mayer, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 33 (1967), S. 45; Sturm, D Ö V 1968, S. 469; Blümel, A Ö R 93 (1968), S. 233. 2

.Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

71

fassungsgerechter Ausgestaltung nicht an die rechtliche Wirkung einer mittelbaren Bundesverwaltung imperativrechtlicher Provenienz heran, da sie sich i m Regelfall des A r t . 84 GG immer nur an die obersten Landesbehörden richten, die Verwaltungsführung der Länder zwar mehr oder weniger stark einengen, sie aber i n ihrem freien Verwaltungshandeln i n der letzten entscheidenden Gestaltung der Einzelentscheidung nicht völlig einschränken 5 . Da also die Ingerenzrechte des Bundes sich auf verwaltungsinterne Steuerungsmöglichkeiten beschränken, und das Land nach außen als Träger der Einzelentscheidung auftritt, w i r d man die grundsätzliche Eigenverantwortlichkeit und Gleichordnung der Länder beim Vollzug der gemeinsamen koordinierten Aufgabenerfüllung anerkennen können. Das w i r d auch durch die Staatspraxis bestätigt, die ausweist, daß von den Ingerenzrechten — abgesehen vom Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften — wenig Gebrauch gemacht wird. So w i r d die Möglichkeit der Rechtsaufsicht kaum ausgenutzt 6 . Zur Entsendung von Bundesbeauftragten ist es bisher nur i n einem Falle gekommen 7 . Auch das Verfahren zur Abstellung von der Bundesregierung festgestellter Mängel nach A r t . 84 Abs. 4 ist i n der Praxis nicht bedeutsam geworden 8 . Ohne nennenswerte praktische Bedeutung ist bis jetzt auch das i n A r t . 84 Abs. 5 vorgesehene Weisungsrecht der Bundesregierung geblieben 9 . Das liegt einmal daran, daß A r t . 84 Abs. 5 GG sich nur auf besonders gelagerte Fälle von Ausnahmen bezieht, also nicht auf „bestimmte" i m Sinne von individuellen und konkreten Sachverhalten 10 , zum anderen daran, daß der Bundesrat sein erforderliches Zustimmungsrecht davon abhängig macht, daß die gesetzliche Ermächtigung besonders weit konkretisiert 1 1 , und die Ausübung des Weisungsrechtes nur von der Bundesregierung als Kollegium ausgeübt w i r d 1 2 . 5 Die Formulierung Sturms, D Ö V 1968, S. 469, daß die internen Einflußmöglichkeiten des Bundes die äußere Ausgestaltung der Einzelentscheidung „unbeeinflußt" lasse, dürfte w o h l die A u s w i r k u n g e n der Ingerenzrechte auch auf den äußeren Vollziehungsakt unterschätzen. 8 Vgl. Katzenstein, D Ö V 1958, S. 593 (602). 7 Durch Beschlüsse der Bundesregierung v o m 20.11.1951 bzw. 12. 2.1952 zur Überprüfung der gesetzmäßigen E r f ü l l u n g der Aufnahmeverpflichtungen einiger Bundesländer gemäß §§ 2, 14 des Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus d^n Ländern Bayern, Niedersachsen u n d SchleswigHolstein v o m 22. 5.1951 ( B G B L S. 350). 8 Katzenstein, a.a.O., S. 602. 9 Vgl. Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 19. 10 MaunZy Deutsches Staatsrecht, S. 239. 11 Vgl. z. B. Rechtsausschuß des Bundesrates, 142. Sitzung, 1. Tag, Sitzungsbericht S. 21. 12 Vgl. Rechtsausschuß des Bundesrates, 105. Sitzung, Bericht S. 4.

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

Aber auch auf das Steuerungsmittel des A r t . 84 Abs. 2, das sich als weiteres bedeutsamstes Ingerenzrecht des Bundes erwiesen hat, w i r d oft zugunsten formloser Richtlinien und Empfehlungen verzichtet 18 , so daß auch i n der Verfassungspraxis — fast noch stärker als es die normative Regelung des A r t . 84 GG vermuten läßt — die Selbständigkeit der Länder bei der Aufgabenerfüllung und das Moment der Koordinierung einer einheitlichen, Bund und Länder vom Grundgesetz zur gemeinschaftlichen Erfüllung 1 4 übertragenen Aufgabe zum Ausdruck kommt. Kann man demnach die Ausführung der Bundesgesetze als eigene Länderangelegenheiten i m Rahmen des A r t . 84 GG nach der strukturellen Grundlage dieser Verfassungsnorm als Gemeinschaftsaufgabe qualifizieren, so bleibt zu klären, inwieweit der Beteiligungsgrad des Bundes i m einzelnen diese Betrachtungsweise rechtfertigt, und i n welchen verfassungsrechtlichen Grenzen er sich bewegt.

2. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes durch die Organisationsbefugnisse nach Art. 84 Abs. 1 GG

Neben den drei genannten Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Ausführung der Gesetze selbst nach Art. 85 Abs. 2 bis Abs. 5 GG hat der Bund gemäß A r t . 84 Abs. 1 GG die Möglichkeit, durch Bundesgesetz auf dem Gebiete der landeseigenen Verwaltung m i t Zustimmung des Bundesrates die Behördeneinrichtung und das Verfahren der Landesbehörden zu regeln 1 5 . Aus dieser Regelung ergibt sich, daß weder ein organisatorischer noch ein verfahrensmäßiger Vorbehalt zugunsten der Länder dahingehend besteht, daß es dem Bund grundsätzlich verwehrt ist, Organisation und Verfahren zu regeln. Aus dem engen Zusammenhang zwischen Sachnormen einerseits und Verfahrensnormen andererseits hat K l e i n 1 6 daher zu Recht gefolgert, daß es m i t der Abhängigkeit der Gesetzesausführung vom Gesetzesinhalt und dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, insbesondere der Gleichmäßigkeit der Verwaltung unvereinbar wäre, wenn die auszuführenden Bundesgesetze ausschließlich am Maßstab der staatlichen Einheit des Gliedstaats orientiert würden. Da m i t h i n die Moda13 I n w i e w e i t ein solcher Verzicht verfassungsrechtlich zulässig ist, w i r d anschließend zu erörtern sein. Vgl. unten Abschn. B, 1. Kap., I I . 5. 14 I n diesen grundgesetzlichen Zuordnungsbereich seiner vier A r t e n von Gemeinschaftsaufgaben ordnet Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 19 den A r t . 84 GG ein. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung der Auffassung Kölbles oben Abschn. A , 2. Kap., I. 15 Vgl. BVerfGE 8, S. 274. 18 Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 130, 131.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

73

litäten des Treffens der Vollzugsentscheidungen wesentlich auf den Inhalt der getroffenen Entscheidungen einwirken, diese Entscheidungen aber hinsichtlich der am Maßstab der staatlichen Einheit des Zentralstaates orientierten Bundesgesetze bei gleichen Tatbeständen i m gesamten Bundesgebiet nur gleichmäßig ergehen, so ergibt sich daraus die notwendige Konsequenz, daß dem am Maßstab der staatlichen Einheit des Zentralstaates orientierten Bundesgesetz sinnvollerweise auch eine an demselben Maßstab orientierte Organisations- und Verfahrensnorm zugeordnet werden kann 1 7 . Daher kann der i m Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung 18 , die Regelung der Organisation und des Verfahrens hinsichtlich der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen stehe nach A r t . 84 Abs. 1 GG grundsätzlich den Ländern, nur ausnahmsweise dem Bund zu, nicht zugestimmt werden, zumal diese Verfassungsnorm sich auch auslegetechnisch nicht als Ausnahmetatbestand darstellt, der sonst als solcher die Voraussetzung normieren müßte, unter denen die als „Ausnahme" gewertete Rechtsfolge eintreten soll1®. Allerdings verbleibt die Regelung der Behördeneinrichtung und des Verfahrens subsidiär den Ländern, solange und soweit eine Bundesregelung nicht erfolgt ist. Damit ist eine wichtige Komponente der Eigenverantwortlichkeit der Länder bei der Gesetzesexekution gesichert. Aber auch wenn der Bund von den Möglichkeiten des A r t . 84 Abs. 1 Gebrauch macht, darf er nicht Teile der Landestätigkeit i n eigener Verantwortung übernehmen. Vielmehr muß als Grundsatz bestehen bleiben, daß trotz der Regelung durch ein Bundesgesetz die Behördeneinrichtung und das Verfahren immer letztlich solche des Landes bleiben 2 0 . Das hat i m Rahmen der Organisationsgesetze zur Folge, daß der Bund die Landeszuständigkeit zur landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze weder ganz noch teilweise auf andere Institutionen verlagern darf. 17 Die Auffassung Kleins, a.a.O., S. 132, daß die Regelung des A r t . 84 Abs. 1 GG, indem sie auch den Ländern die Möglichkeit der verfahrensu n d organisationsmäßigen Gestaltung der Landesbehörden einräumt, m i t der verfassungstheoretischen S t r u k t u r der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen unvereinbar sei, übersieht die Tatsache, daß der T y p des A r t . 84 G G grundsätzlich die landeseigene Gesetzesexekution statuieren w i l l u n d die potentiellen Bundesingerenzen n u r insoweit m i t einbezieht, als es nach dem Ermessen der Bundesregierung der einheitliche Gesetzesvollzug erfordert. (Vgl. B V e r f G E 11, S. 6; Grawert, a.a.O., S. 221; Blümel, a.a.O., S. 226, 227). 18

Röttgen, D Ö V 1952, S. 424; Rohwer-Rahlmann,

19

Vgl. Riem, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 132, F N 9.

80

Das betont auch Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 238.

AÖR, 79, S. 221.

74

Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen 3. Gemeinschaftsaufgaben und Mischverwaltung

Wesentliche Schranken ergeben sich für den Bund vor allem i m Bereich der Verfahrensgesetze, die aufgrund des A r t . 84 Abs. 1 GG ergehen. Hier gilt es, das Koordinierungsinstrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe gegen eine verfassungsrechtlich unzulässige Mischverwaltung abzugrenzen. Eine solche Verfassungswidrigkeit der Mischverwaltung ergibt sich aus der Trennung der Verwaltungsräume i m Grundgesetz durch die Art. 30 und 83 GG, sowie die enumerative Regelung der Fälle der Auftragsverwaltung und der bundeseigenen Verwaltung und die ausdrückliche und abschließende Normierung der Weisungsbefugnisse von Bundesstellen gegenüber Landesbehörden. Zum anderen folgt sie auch aus einem der Gestaltung des Grundgesetzes zugrundeliegenden Typenzwang i n dem Sinne, daß andere Verwaltungsformen als die landeseigene Verwaltung (Art. 83, 84 GG), die Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) und die bundeseigene Verwaltung (Art. 86 ff. GG) oder auch nur Mischformen dieser drei Typen m i t der Systematik des Grundgesetzes nicht vereinbar sind 2 1 . Daraus folgt für die Verfahrensgesetze, daß sie nicht zu einer „ M i schung" von Bundes- und Landesverwaltung i n Gestalt eines zusammengesetzten Verwaltungsaktes führen dürfen, bei dem Bundes- und Landesbehörden nach außen h i n gemeinsam tätig werden 2 2 . Eine weitere Grenze finden die gemäß Art. 84 Abs. 1 GG zu erlassenden Verfahrensgesetze darin, daß sie keinen durchgehenden außergerichtlichen Rechtsmittelzug von Landesbehörden zu Bundesbehörden eröffnen dürfen 2 3 . Auch dem stünde das Verbot der Mischverwaltung entgegen. Denn es würde die grundsätzliche Gleichordnung i m Verhältnis zwischen Bundes- und Landesbehörden aufgehoben 24 . Vor allem aber würde die Zuständigkeit für die endgültige Vollzugsentscheidung auf den Bund verlagert und insoweit die Landeszuständigkeit beseitigt sowie eine Bundeskompetenz i m Rahmen der Reichweite der Rechtsmittelentscheidung des Bundes begründet. Die Zuständigkeit eines durchgehenden Instanzenzuges von Landesbehörden zu Bundesbehörden kann auch nicht aus dem Rechtsgedanken des A r t . 84 Abs. 5 GG hergeleitet werden 2 5 . Denn diese Bestimmung gestattet nur Einzelweisüngen m i t interner Wirkung, nicht jedoch die Einweisung von Bundes21 22

S. 1.

Gerner, B a y V B L 1955, S. 193. Röttgen, D Ö V 1955, S. 487; Gerner,

a.a.O., S. 194; Füsslein,

D V B L 1956,

28 Gerner, a.a.O., S. 194; Röttgen, D Ö V 1955, S. 488; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 134, 135; Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 238. 24 Gerner, a.a.O., S. 194. 25 Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 135.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

75

behörden i n extern wirkende Vollzugsfunktionen 2 6 . Die Einführung eines durchgehenden Instanzenzuges würde dagegen gerade extern w i r kende Vollzugsfunktionen des Bundes begründen und insoweit die materielle Eigenständigkeit der Landesbehörden beseitigen, damit aber über die Grenzen auch des A r t . 84 Abs. 5 GG hinausgehen. Gerade ein solches Überschreiten der Grenzen der i n A r t . 84 Abs. 5 GG statuierten Weisungsbefugnisse würden den Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen bei der Ausgestaltung der Verfahrensgesetze sprengen. Der Grundsatz der Gleichordnung von Bundes- und Landesverwaltung sowie der Unabhängigkeit der Verwaltungsräume m i t den grundgesetzlich abschließend normierten Weisungsbefugnissen des Bundes lassen eine Begründung weitergehender Rechte über die i n A r t . 84 Abs. 5 vorgesehenen Fälle hinaus nicht zu 2 7 . Besonders bedeutsam ist aber für die staatsrechtliche Praxis, daß durch die Verfahrensgesetze das rechtswirksame Zustandekommen der von den Ländern gesetzten Verwaltungsakte nicht von einer irgendwie gearteten M i t w i r k u n g von Bundesstellen abhängig gemacht werden darf, weder von Einvernehmen oder Zustimmungsvorbehalten noch von Einspruchsrechten 28 . Das folgt daraus, daß sowohl der Bund als auch die Länder als Verwaltungsträger selbständig und voneinander unabhängig sind, soweit nicht das Grundgesetz selbst gegenseitige Bindungen oder Einwirkungsmöglichkeiten ausdrücklich vorsieht. Für den Bereich des landeseigenen Gesetzesvollzugs bedeutet das aber, daß der Bund auf die i n A r t . 84 GG vorgesehenen Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt ist. Eine darüber hinausgehende Bindung der Länder an Entscheidungen von Bundesstellen i n der A r t , daß gewisse Verwaltungsmaßnahmen des Einvernehmens oder der Zustimmung von Bundesstellen bedürfen, kann daher i n Bundesgesetzen nicht vorgesehen werden und erweist sich als verfassungsrechtlich unzulässig 29 . Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß A r t . 84 Abs. 5 GG die weitergehende Möglichkeit der Einzelweisung vorsieht. Einzelweisung und Einvernehmen sind etwas qualitativ völlig Verschiedenes. Denn die Gültigkeit des weisungswidrig gesetzten Vollzugsaktes w i r d durch das Nichtbefolgen der Einzelweisung als eines bloßen Verwaltungsinternums nicht berührt, wohingegen der Mangel 28

Röttgen, D Ö V 1955, S. 488. Gerner, a.a.O., S. 195. 28 Gerner, a.a.O., S. 194; Rohwer-Kahlmann, a.a.O., S. 223; Maunz, Gesetzgebung u n d V e r w a l t u n g i n deutschen Verfassungen, i n : Festschrift für Nawiasky (1956) S. 266; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 133. A . A . Füsslein, a.a.O., S. 2,3, der allerdings nicht überzeugend darzulegen vermag, inwiefern diese Institute n u r eine „Typenabart" seien, u n d nicht vielmehr als eine unzulässige „Typenmischung" einen grundgesetzwidrigen Einbruch i n die verfassungsrechtlich gesicherte Kompetenzsphäre darstellt. 27

29

Gerner, a.a.O., S. 194.

76

Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

der Zustimmung oder des Einvernehmens sowie die Ausübung des Einspruchrechts den externen Vollzugsakt als solchen nicht gültig Zustandekommen läßt 3 0 . Dieser qualitative Unterschied w i r k t sich auch i n der internen Verantwortlichkeit aus; diese besteht bei der Weisung nur für den Weisenden, bei der Zustimmung dagegen sind beide Teile für ihre Entscheidung rechtlich verantwortlich: Bei einer Weisung des Bundes liegt daher die parlamentarische Verantwortlichkeit allein bei dem zuständigen Bundesminister, bei den Zustimmungserfordernissen und Einspruchsrechten dagegen sowohl bei dem zuständigen Bundes- als auch für die Landesbehörde zuständigen Landesminister, und zwar je für die Entschließung, die i m Bundes- oder Landesbereich gefallen ist 3 1 . Durch das Verbot der Mischverwaltung, das i m Bereich des A r t . 84 GG das Erfordernis der Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung durch die Länder als integrierendes Moment der Gemeinschaftsaufgaben gewährleistet, w i r d aber nicht jede Form der Koordinierung in diesem Bereich ausgeschlossen: So bestehen keine Bedenken, wenn das Anhören von Bundesbehörden vorgeschrieben 32 , oder wenn angeordnet wird, daß sich die Landesbehörden m i t Bundesbehörden ins Benehmen zu setzen haben 33 . Auch eine solche Koordinierung des Verwaltungsverfahrens als unzulässige Mischverwaltung zu qualifizieren 3 4 , würde das Erfordernis der Trennung der Verwaltungsräume zwischen Bund und Ländern überspannen und seine Zweckbestimmung verkennen, die Eigenverantwortlichkeit i m grundsätzlichen abzusichern, nicht aber die Koordinierung angesichts der vielfältigen Verflechtungen bundesstaatlicher Funktionen auszuschließen. Daher sind Formen einer Einbeziehung von Bundesbehörden i n die Verwaltungsführung der Länder, welche die Vollzugsbehörden der Länder weder binden noch für das Zustandekommen der Vollzugsakte dieser Behörden rechtserheblich sind, als zulässig anzusehen 35 . Sie stellen einen weiteren Beweis für das 30

Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O. S. 134. Vgl. Füsslein, a.a.O., S. 3. Diesen eventuellen Unterschied zwischen Weisung u n d Einvernehmen, der auch i n der Terminologie des G r u n d gesetzes k l a r zum Ausdruck k o m m t (so i n A r t . 108 GG), übersieht Köttgen, D Ö V 1955, S. 489, w e n n er die Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundes aus dem I n s t i t u t der Weisung m i t der Begründung rechtfertigen w i l l , daß die Weisungsrechte der A r t . 84,85 G G i m summarischen Sinne des „Einflußrechtes" zu verstehen seien, dessen technische Ausgestaltung Sache des Bundesgesetzgebers bleibe. 32 Köttgen, D Ö V 1955, S. 487; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 135. 33 v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, A r t . 84, A n m . 2 Abs. 2, S. 454. 34 So aber Gerner, a.a.O., S. 195. 35 So zusammenfassend auch Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 135. 31

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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Erfordernis materiell gleichgeordneter Koordinierung der Partner und somit das Vorliegen von Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich des A r t . 84 GG dar. 4. Der Charakter des Art. 84 G G als Gemeinschaftsaufgabe in Bezug auf Art. 84 Abs. 1 G G

Ein wichtiges Steuerungsmittel des Bundes i m Bereich des A r t . 84 GG, das auch praktisch das bei weitem bedeutsamste ist, wie uns ein kurzer Blick auf die staatsrechtliche Praxis gezeigt hat, sind die allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die die Bundesregierung m i t Zustimmung des Bundesrats nach A r t . 84 Abs. 2 GG erlassen kann. Dadurch w i r d dem Bund zwar die Möglichkeit eingeräumt, die sachliche Ausführung der Bundesgesetze durch die Landesbehörden wesentlich zu beeinflussen. Doch kann der Bund unter diesen Gesichtspunkten keine Regelungen für den Einzelfall treffen, sondern nur generelle Instruktionen erteilen 3 6 . Es gibt nach geltendem Recht auch keine allgemeinen Anweisungen oder Richtlinien der Bundesregierung für die Behandlung bestimmter Einzelfälle mehr, wie sie A r t . 15 Abs. 2 Satz 1 WRV der Reichsregierung einräumte. Die durch die Verwaltungsvorschriften bewirkte interne Bindungsw i r k u n g gibt nicht die Möglichkeit einer materiellen Mitgestaltung des Verwaltungsaktes m i t unmittelbarer Rechtswirkung nach außen, so daß dieses Steuerungsmittel des Bundes i m landeseigenen Gesetzesvollzug die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Aufgabe nicht ausschaltet. Daher kann der Ansicht Kleins 37, wie w i r schon festgestellt hatten 3 8 , nicht zugestimmt werden, daß die Länder insoweit i m gleichen Maße wie bei der Bundesauftragsverwaltung auf die Stufe von Bundesorganen herabgedrückt seien, die der Bundesregierung unmittelbar nachgeordnet und unterstellt seien. 5. Die Grenzen der verfassungsrechtlich zulässigen Koordination im Bereich des Art. 84 G G

Das g i l t um so mehr, wenn man sich die staatsrechtliche Praxis vergegenwärtigt, wo die Bundesbehörden oft auf den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften verzichten und statt dessen durch Rundschreiben, Richtlinien und Empfehlungen auf die Länder einwirken, um somit die gleichmäßige Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten. Dabei werden diese typischen M i t t e l gleichgeordneter Koordinierung oft i n den bereits geschilderten Koordinierungsgremien gemeinsam m i t den Ländern erarbeitet. Es ist nur die Frage zu klären, inwieweit ein solcher 36 37 38

Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 238. Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 137. Vgl. oben Abschn. A , 2. Kap., II., 3. Kap., I I .

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

Verzicht auf zentrale Lenkungsverfahren, die das Grundgesetz eröffnet, zugunsten der dargestellten Koordinierungspraxis verfassungsrechtlich zulässig ist3®. Die verfassungsrechtliche Problematik solcherart zwischen Bund und Ländern zustandegekommener Richtlinien und Empfehlungen ist bereits 1907 von Triepel 40 erkannt worden. Medicus 41 registrierte 1932 i n seiner Darstellung der Reichsverwaltung die i n der Weimarer Republik immer bedeutsamer gewordene gleiche Erscheinung und versuchte sie zu deuten. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes nahm diese Entwicklung noch zu, wobei besonders die Anzahl der Koordinierungsgremien wuchs und somit die gemeinsame Erarbeitung der Richtlinien durch Bund und Länder 4 2 . Gegen diese weitverbreitete Praxis der gemeinschaftlichen Gestaltung aller möglichen Anwendungs- und Verfahrensrichtlinien i n den verschiedensten Koordinierungsgremien sowie gegen die Empfehlungen an die Länder auf Einführung dieser Richtlinien ist gelegentlich für den Bereich des A r t . 84 GG der Einwand erhoben worden, daß auf diesem angeblich verfassungswidrigen Wege versucht werden, die Form der Verwaltungsvorschrift und die für ihren Erlaß vorgeschriebene Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes zu umgehen 43 . Denn solche Empfehlungen bedürften einer gesetzlichen Ermächtigung, weil sonst die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren zur Regelung der Ausführung von Bundesgesetzen umgangen werden könnten. Eine solche Auffassung geht jedoch von falschen Voraussetzungen aus, als sie den genannten Richtlinien bzw. Empfehlungen eine rechtliche Wirkung beilegt, die ihnen nicht zukommt. Da die zahlreichen Koordinierungsgremien regelmäßig der gesetzlichen Grundlage entbehren, sind sie als solche gar nicht i n der Lage, selbst Vorschriften zu erlassen, auch nicht i n der Form von Verwaltungsvorschriften 4 4 . Ihre Tätigkeit er39 Dabei sollen hier n u r die formlosen Koordinationsmodalitäten untersucht werden. I n w i e w e i t die Ingerenzrechte der A r t . 84, 85 GG durch V e r w a l tungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern modifiziert werden können, w i r d bei der Besprechung der Zulässigkeit solcher Vereinbarungen zu prüfen sein. Siehe dazu unten Abschn. C., 1. Kap., I V . 40 Unitarismus u n d Föderalismus i m Deutschen Reiche, 1907, S. 72 ff.; ders. Die Reichsaufsicht — Untersuchungen zum Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1917, S. 380 ff.; vgl. Scheuner, DÖV 1962, S. 647; Bergdolt, a.a.O., S. 41 ff.; Grawert, a.a.O., S. 220. 41 JÖR 20 (1932), S. 1 ff. (111 ff., 114); vgl. auch Bergdolt, a.a.O., S. 43 ff. 42 Vgl. hierzu das oben 3. Kap., I I . 2. angegebene Schrifttum. 43 Bettermann, D A R 1962, S. 102 f. (S. 103); Möhl, D A R 1962, S. 116; Vertueyen, D A R 1962, S. 122. 44 Bouska, N J W 1962, S.620f.; Grawert, a.a.O., S. 59 ff., 61, 62 ff., 114 ff., 219 ff; Blümel, a.a.O., S. 221 ff.; Schneider, D Ö V 1957, S. 648, Blümel, a.a.O., S. 222.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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schöpft sich vielmehr zumeist i n der Erarbeitung der betreffenden Richtlinien und der anschließenden unverbindlichen Empfehlung an die für den Verwaltungsvollzug nach Maßgabe der A r t . 83 ff. GG zuständigen Länder, die Richtlinien als eigene Verwaltungsvorschriften einzuführen oder ihre Anwendung anzuordnen. Erst ihre Umsetzung durch Runderlasse der zuständigen Landesbehörden verschafft den Richtlinien die rechtliche Verbindlichkeit für die nachgeordneten Behörden des jeweiligen Landes 45 . Somit bleibt die Verwaltungshoheit der Länder unangetastet 46 . Eine andere Frage ist es aber, ob die überhandnehmende Koordinierungspraxis selbst noch verfassungsrechtlich zulässig ist, weil darin ein faktischer Verzicht auf verfassungsrechtlich normierte Einwirkungsmöglichkeiten und damit eine Umdeutung des Instituts des Art. 84 GG überhaupt gesehen werden kann. Dabei ist davon auszugehen, daß es A r t . 82 Abs. 2 GG dem freien Ermessen der Bundesregierung anheimstellt, ob sie eine allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen w i l l 4 7 . Davon zu trennen ist aber die Frage, ob i m Falle der Notwendigkeit einer Steuerung des Verwaltungsvollzugs zur Sicherung der gleichmäßigen verwaltungsmäßigen Gesetzesausführung die Bundesregierung von diesem an die Zustimmung des Bundesrates gebundenen Einflußmittel unbedingt Gebrauch machen muß, oder ob sich der Bund insoweit auf die M i t w i r k u n g seiner Ministerialbürokratie bei der Erarbeitung der erforderlichen Anwendungs- und Verfahrensvorschriften i n den betreffenden Koordinierungsgremien beschränken darf. Röttgen 48 hat die unter Verzicht auf den Einsatz hoheitlicher M i t t e l erfolgende schlichte Koordinierungstätigkeit der Bundesressorts m i t der Begründung für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, daß durch diese die eigentliche Zuständigkeitsordnung nicht tangierenden Koordinierungsmethoden, die allein m i t Hilfe ihrer sachlichen oder auch politischen Argumente verbunden m i t einem Publizitätseffekt ihr Ziel zu erreichen versuchten, die Eigenverantwortlichkeit der Länder zum Vollzug der Bundesgesetze nicht beeinträchtigt werde. Die verfassungsrechtliche Grenze werde erst dort überschritten, wo an die Stelle der ministeriellen Empfehlungen der echte Ministerialerlaß trete. Auch wenn man nicht der bereits dargelegten Ansicht Grawerts 49 folgen 45

Grawert, a.a.O., S. 61, 62 ff. Röttgen, JÖR N. F. 3 (1954), S. 87, 142. 47 BVerfGE 11, S. 6; Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 238; Grawert, a.a.O., S. 221; Maunz-Dürig, A r t . 84 Rdnr. 36, A r t . 85 Rdnr. 24; v. Mangoldt-Rlein, A r t . 84 A n m . 83 a. E. (S. 455). 48 JÖR N. F. 3 (1954), S. 87 f.; vgl. auch Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 279 zu den Ausführungen Röttgens. 49 a.a.O., S. 219 ff. (220 ff.). Noch weniger k a n n man der schon oben entwickelten Ansicht Bouskas, N J W 1962, S. 620 folgen, der B u n d sei aus dem Grundsatz der Bundestreue verpflichtet, die koordinierende Tätigkeit der 46

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

kann, daß der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften durch den Bund als Ausnahme anzusehen sei und das Grundgesetz ihn nur subsidiär vorgesehen habe, soweit eine Vereinbarung nicht praktikabel erscheine, w i r d man doch aus der grundgesetzlichen Ausgestaltung des A r t . 84 GG m i t seiner materiellen Eigenständigkeit der Länder beim Gesetzesvollzug schließen können, daß das Grundgesetz einer Koordinierung der Verwaltungsführung nicht entgegensteht, sondern eine solche Zusammenarbeit seiner Struktur entspricht, die auf bundesstaatliche Kooperation auf dem Boden der Gleichordnung ausgerichtet ist. Ob etwas anderes gilt, wo bei der Ausführung der Bundesgesetze zwischen Bund und Ländern von einem echten Über- und Unterordnungsverhältnis gesprochen werden kann, mag i n diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben 5 0 . Jedenfalls w i r d man i m Bereich der landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze, i n dem auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften die Eigenverantwortlichkeit und Gleichordnung der Landesverwaltungen nicht tangieren, sondern nur i n den Grenzen der Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Gesetzesvollzugs 51 zulässig sind, nicht aus der typenmäßigen Ausgestaltung des A r t . 84 GG eine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundes zu zentralen Lenkungsmaßnahmen und zum Verzicht auf gemeinsam m i t den Ländern konzipierte Verfahrensmodalitäten koordinationsrechtlicher Natur herleiten können 5 2 . Somit ergibt sich, daß auch die VerwaltungsVorschriften des Abs. 2 nicht das Typenbild des A r t . 84 m i t seiner eigenverantwortlichen und gleichberechtigt koordinierten Aufgabenerfüllung und somit seinen Charakter als Gemeinschaftsaufgabe ändern.

Länder zu unterstützen. Gegen einen solchen Versuch, m i t dem Grundsatz der Bundestreue verfassungsrechtlich normierte Ingerenzrechte des Bundes zu derogieren m i t Recht: z. B. Blümel, a.a.O., S. 230. 50 Z u dieser Frage w i r d bei der Betrachtung der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) Stellung zu nehmen sein. Siehe unten I I . 61

Dabei soll hier nicht der kontroversen Frage nachgegangen werden, ob die allgemeinen Verwaltungsvorschriften des A r t . 84 Abs. 2 G G eine i m wesentlichen einheitliche Ausführung der Bundesgesetze i m gesamten Bundesgebiet gewährleisten sollen, w i e m a n m i t der ganz herrschenden A n sicht aus ihrer grundgesetzlichen Zweckbestimmung folgern k a n n (vgl. BVerfGE 11, S. 6; Maunz-Dürig, A r t . 83 Rdnr. 31; Schmidt-Lermann, DÖV 1962, S. 670; Blümel, a.a.O., S. 226) oder ob sie — w i e Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 136 meint — die Aufgabe haben, die innerhalb einer gesetzlichen Regelung möglichen u n d m i t h i n hinsichtlich der Wahrung des Gleichheitsgebotes gleichwertigen Spielarten unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit u n d der Anpassung an die wechselnden Verhältnisse festzulegen. 52 So außer den bereits zitierten Köttgen u n d Gr awert besonders Blümel, a.a.O., S. 233 ff.; auch Kölble, D Ö V 1960, S. 654, 655 ff.; Maunz, B a y V B L 1966, S. 1 ff.; Schneider, D Ö V 1957, S. 646; v. Mangoldt-Klein, A r t . 59 A n m . V 4 (S. 1154).

1.Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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6. Die Vereinbarkeit von Gemeinschaftsaufgaben mit der Bundesaufsicht

Dieses B i l d des A r t . 84 GG w i r d auch nicht durch die Aufsichtsrechte des Bundes i n A r t . 94 Abs. 3 und Abs. 4 GG beeinträchtigt. Unter der Geltung der Verfassungen von 187153 und 191954 kam der damaligen Reichsauf sieht, wie sie i n A r t . 4, 19 RV und A r t . 15 WRV ausgeprägt war, noch eine große und umfassende staatsrechtliche Bedeutung zu. I m Anschluß an die klassische begriffliche Ausprägung der bundesstaatlichen Aufsichtsbefugnisse durch Triepel 55 w i r d zwischen selbständiger und abhängiger Aufsicht unterschieden, wobei die Aufsicht des Bundes als selbständig bezeichnet wird, wenn ihr kein vom Land zu vollziehendes Gesetz zugrundeliegt, hingegen als abhängig, wenn sie sich auf den Vollzug eines Bundes- (bzw. früher Reichs-) Gesetzes bezieht. Das Grundgesetz kennt nach ganz herrschender Auffassung 50 nur die abhängige Bundesaufsicht. Der Bereich der Bundesaufsicht deckt sich also heute m i t dem Bereich erlassener Gesetze, nicht m i t dem Bereich kompetenzmäßig zulässiger Gesetze 57 . Da die Bundesaufsicht reine Rechtsaufsicht ist und eine Ausrichtung an politischen Wertungen oder Zweckmäßigkeiten nicht stattfinden kann 5 8 , w i r d die Eigenverantwortlichkeit der Länder durch sie nicht eingeschränkt, zumal dem Bund andere Zwangsmittel als die Mängelrüge und die Entsendung von Beauftragten nicht zur Verfügung stehen 59 . Da sich die Bundesaufsicht i m Gegensatz zu den anderen beiden Ingerenzrechten der allgemeinen Verwaltungsvorschrift und Einzelweisung nicht unmittelbar auf die materielle Durchführung der Gesetze als landeseigene Aufgabe und den Bundesanteil an ihrer koordinierten Wahrnehmung bezieht, sondern nur ein potentielles Einwirkungsinstrument des Bundes zur Garantie dieses Aufgabenvollzugs i m Rahmen der gesetzlichen Schranken darstellt, kommt ihr für unsere Untersuchung keine große Bedeutung zu. Den fixierten Typ des A r t . 84 GG — soweit w i r ihn i n seinen Ausgestaltungen durch Abs. 1 und Abs. 2 untersucht haben — schränkt er jedenfalls i n seinen Grundzügen gemeinsam von Bund und Ländern i n eigener Verantwortung und koordinierter Durchführung wahrgenommener Aufgabenerfüllung nicht ein. 53 Vgl. dazu A. Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 299 ff.; Triepel, Die Reichsaufsicht, 1915. 54 Z u r Reichsaufsicht unter der W R V besonders Smend, Verfassung und Verfassungsrecht (Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 224, 239). 55 a.a.O., S. 370 ff. 56 BVerfGE 8, S. 122,131; Maunz-Dürig, A r t . 84 Rdnr. 43 ff. 57 Vgl. Maunz, B a y V B L 1966, S. 2. 58 Maunz, B a y V B L 1966, S. 2; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 239. 80 Schmidt, A Ö R 87 (1962), S. 281.

6

Tiemann

82

Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen 7. Die Weisungsbefugnisse des Bundes als wesensfremdes Element im System der Gemeinschaftsaufgaben

Etwas Anderes könnte sich aber für die i n A r t . 84 Abs. 5 GG vorgesehenen Einzelweisungen des Bundes ergeben. Diese Einzelweisungen, die die Bundesregierung aufgrund eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, i n besonders gelagerten Ausnahmefällen erteilen kann, stellen gegenüber den bisher untersuchten Ingerenzrechten des Bundes ein aliud dar, w e i l sie i m Gegensatz zu diesen nicht nur einen Rahmen abstecken, der von den Landesbehörden i n eigenverantwortlicher Tätigkeit auszufüllen ist, sondern detaillierte Regelungen und Sachentscheidungen von Einzelfällen beinhalten. Diese Einzelweisungen, die grundsätzlich an die obersten Landesbehörden zu richten sind, bilden daher kein Koordinierungsinstrument, sondern begründen die endgültige Entscheidungsbefugnis der anweisenden Bundesregierung 60 . Zwar bleibt nach außen die formelle Eigenständigkeit der Landesbehörde gewahrt, da sie die Weisung ausführt; auch ist es zutreffend, wenn Köttgen 6 1 darauf hinweist, daß das Weisungsrecht nach A r t . 84 Abs. 5 GG nicht als ein „Behelfsmittel des laufenden Geschäftsgangs" verwendet werden darf, dennoch stellt es angesichts der absoluten Bindung des Landes bei der Entscheidung des weisungsbetroffenen Einzelfalles i m Gegensatz zu der Auffassung Röttgens 62 letztlich eben doch ein „Surrogat bundesministerieller Verwaltungsakte" dar. M i t Rücksicht auf die Unterordnung der Landesbehörden unter die zentrale Entscheidungsbefugnis des Bundes und die dadurch bewirkte Instrumentalisierung der Landesbehörde i m weisungsbezogenen Einzelfall, kann i m Rahmen des A r t . 84 Abs. 5 GG nicht mehr von materieller Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gesprochen werden. Noch weniger ist eine Koordination von Bund und Ländern auf dem Boden der Gleichordnung zu erkennen. Man w i r d die imperativrechtliche Struktur des Abs. 5, die Nawiasky 63 zu der Bemerkung veranlaßt hat, daß „ein derartiges Befehlsrecht i n einem Rechtsstaat nicht einmal der Staatsregierung i n bezug auf den Bereich des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden" zustehe und die Länder also hier „auf einen niedrigeren Status als dem der untersten Stufe der Selbstverwaltung herabgedrückt" würden, nicht wie Schmidt 64 als eine bloße, auf den Ein60

S. 3. 61

Klein,

Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 138, 139; Füsslein,

a.a.O.,

JÖR N. P. 3, S. 86. «2 JÖR N. F. 3, S. 86. 63 Die Grundgedanken des Grundgesetzes f ü r die Bundesrepublik Deutschland (1950), S. 44. 64 a.a.O., S. 288.

.Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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zelfall beschränkte „Verklammerung von Bundesorgan und Landesorgan" bezeichnen können. Die Aufhebung materieller Entscheidungsbefugnisse der Länder und der Kompetenzübergang auf den Bund i m Rahmen der Weisungsbefugnisse lassen es nicht zu, das insoweit subordinationsrechtlich geprägte Verhältnis von Bund und Ländern als eine „dem deutschen Bundesstaatsrecht eigentümliche Verschränkung der unterschiedlichen Staatsorganisationen von Bund und Land" zu charakterisieren, wobei es „nicht zu einer grundsätzlichen Unterwerfung der (Teil-) Staatsgewalt des Landes unter den Bund" kommt 6 5 . Vielmehr w i r d man die Weisungsbefugnisse des Bundes, die auch i n der Verschiebung der internen — besonders parlamentarischen — Verantwortlichkeit zum Ausdruck kommen 6 6 , m i t Maunz* 7 als eine Ausnahme von der grundsätzlichen Gleichordnung von Bund und Ländern ansehen müssen. Da aber die Subordination dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben fremd ist, und die Weisungsbefugnisse des A r t . 84 Abs. 5 GG sowohl die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung als auch die Koordination ihres Vollzuges als Wesenselemente der Gemeinschaftsaufgaben ausschalten, wobei zu beiden Charakteristika begriffsnotwendig die Gleichordnung der Partner erforderlich ist, kann man, soweit die Bundesregierung von ihrem Weisungsrecht nach A r t . 84 Abs. 5 GG Gebrauch macht, den landeseigenen Vollzug von Bundesgesetzen nicht mehr als Gemeinschaftsaufgabe ansehen. II. Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern im Bereich der Auftragsverwaltung nach Art. 85 GG 1. Die Rechtsnatur der Auftragsverwaltung im Bezugssystem der essentiellen Kriterien materieller Gleichordnung

Die Ausgestaltung der Landesexekution i m Bundesauftrag weist eine Vielzahl von Ingerenzrechten des Bundes auf: So kann die Bundesregie65

So aber Schmidt, a.a.O., S. 288, 289. Insofern ist es irreführend, w e n n Schmidt, a.a.O., S. 289 die seiner A n sicht nach „organisatorische Verschränkung von Zentralgewalt u n d Gliedgewalten, die m i t dem Denkschema der Uber- Unterordnung nicht zu erfassen ist", damit zu begründen versucht, daß die angewiesenen Landesbehörden allein dem betreffenden Landesparlament parlamentarisch v e r a n t w o r t lich blieben. Das g i l t zweifellos für die Durchführung der Weisung, ist aber für das hier diskutierte Problem der Gleichordnung von B u n d u n d L a n d i m Rahmen des A r t . 84 Abs. 5 G G deshalb ohne Belang, w e i l die parlamentarische Verantwortung für den Erlaß der Weisung u n d ihren I n h a l t allein bei der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag liegt. (Vgl. Füsslein, a.a.O., S. 3). 67 Deutsches Staatsrecht S. 190; ders. Maunz-Dürig, A r t . 83 Rdnr. 54 (a. E.) spricht von einem „Unterwerfungsverhältnis". Ebenso Herzog, D Ö V 1962, S. 87. 66

ö*

84

Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

rung m i t Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen und die Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln (Art. 85 Abs. 2 GG). Sie kann Weisungen erlassen (Abs. 3) und i m Wege der Bundesaufsicht die Gesetzmäßigkeit und auch die Zweckmäßigkeit der Ausführung überwachen (Abs. 4). Angesichts derart bedeutsamer Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes scheint es sich nach dem Typenbild des A r t . 85 GG um ein ausgesprochenes Direktionsverhältnis zu handeln. U m zu ermitteln, ob die Bundesauftragsverwaltung dennoch als materiell eigenverantwortliche Landes Verwaltung bezeichnet werden kann, muß zunächst ihre Rechtsnatur daraufhin untersucht werden, inwieweit der Bundesgesetzgebung, die das Ergebnis eigenständiger Bundestätigkeit ist, auf der Seite des verwaltungsmäßigen Vollzugs durch die Länder noch eine selbständig wahrgenommene und m i t dem Bund gleichberechtigt koordinierte Aufgabenerfüllung gegenübersteht. So hat vonMangoldt 68 i n der Bundesauftragsverwaltung lediglich eine mittelbare Bundesverwaltung gesehen. Praktisch liege bei A r t . 85 GG Bundesverwaltung vor, die aber nicht durch Bundesbehörden, sondern durch Landesbehörden ausgeübt werde. Laforet 69 hat das auf die Formel gebracht: „Hier entscheidet allein der Wille der obersten Bundesbehörden." Auch von anderen Autoren 7 0 ist die Ansicht vertreten worden, daß die Länder i m Falle des A r t . 85 GG Bundesaufgaben nach Weisung der Bundesbehörden erfüllen. Die Länder führen also nach dieser Meinung materiell fremde Angelegenheiten nach Weisung des Bundes durch, so daß sie nur als Organe des Bundes fungieren. Diese Sicht des A r t . 80 GG ist von Klein 71 dahingehend modifiziert worden, daß m i t Rücksicht auf A r t . 85 Abs. 3 GG nicht einmal von einer mittelbaren Bundesverwaltung gesprochen werden könne, w e i l diese eine Verbandskompetenz der Länder voraussetze, die ihnen durch die Weisungsbefugnisse des Bundes jedoch genommen sei, und sie zu bloßen Substituten einer bundeseigenen Behördenorganisation und somit zu Bundesorganen mache. Für K l e i n handelt es sich daher bei der Bundesauftragsverwaltung u m eine Sonderform bundesunmittelbarer Verwaltung. Demgegenüber hat Schäfer 72 i n der Bundesauftragsverwaltung eine „Gemeinschaftsaufgabe" von Bund und Ländern gesehen, die durch 88

Das Bonner Grundgesetz, A n m . 2 zu A r t . 85. D Ö V 1949, S. 225. 70 So z. B. Köttgen, JÖR N. F. 3, S. 92, 97. 71 Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 141, 142. 72 D Ö V 1960, S. 641. E r verwendet den Begriff der Gemeinschaftsaufgabe allerdings i m untechnischen Sinne einer irgendwie gearteten Zuordnung gemeinsamer Verwaltungsfunktionen von B u n d u n d Ländern. Anklänge an seine Konzeption der Bundesauftrags Verwaltung auch bei Kölble, Gemein69

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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eine gemeinsame oder gemeinschaftliche Verwaltung wahrgenommen werde. Zur Begründung führt er an, daß die den Bundesinstanzen i n A r t . 85 GG zustehenden Befugnisse deutlich werden ließen, daß der Bund mitverwaltend tätig werde. Den richtigen Ansatzpunkt zur Beurteilung des Rechtscharakters der Bundesauftragsverwaltung hat aber schon Herrfahrdt 78 m i t der Auffassung gewonnen, daß sich i n A r t . 85 GG eine „mehr föderalistische Grundauffassung" durchgesetzt habe, die die hier geregelte Form des Zusammenwirkens als eine der Bundeskontrolle i n stärkerem Maße unterworfene Landesverwaltung erscheinen lasse. Dementsprechend hat sie Hamann 74 als „echte Landesverwaltung" m i t lediglich weitergehenden Weisungs- und M i t wirkungsrechten des Bundes bezeichnet. Maunz 75 hat dafür die Formulierung geprägt, es handele sich um eine „LandesVerwaltung nach Weisung des Bundes". Diese Auffassung, die inzwischen von der wohl überwiegenden Mehrheit des Schrifttums 7 6 und der Rechtsprechung 77 geteilt wird, entspricht der Struktur des A r t . 85 GG und seiner Stellung i m System des Grundgesetzes. I m Gegensatz zu der Meinung, die Bundesauftragsverwaltung sei unmittelbare Bundesverwaltung oder Sonderform unmittelbarer Bundesverwaltung, ist zu beachten, daß die Länder hierbei m i t der Ausführung der Bundesgesetze zwar eine Angelegenheit des Bundes wahrnehmen, aber diese Wahrnehmung auch hier i m Rahmen einer grundgesetzlich zugewiesenen Verwaltungsaufgabe erfolgt. Das bedeutet, daß diese Aufgabe auch dann echte Landesverwaltung bleibt, wenn sie unter Berücksichtigung einer Weisungsaufsicht des Bundes erledigt wird. Von den Einwirkungsmöglichkeiten des A r t . 85 GG abgesehen liegt die Verwaltungstätigkeit allein bei den Ländern 7 8 . Daraus folgt, daß sich auch die Auffassung einer gemeinschaftlich von Bund und Ländern wahrgenommenen Aufgabe nicht halten läßt, weil der Bund bei Ausübung seiner Ingerenzbefugnisse den Verwaltungsakt der Landesbehörde nicht m i t gestaltet 79 . schaftsaufgaben, a.a.O., S. 20, der sie allerdings dort u n d auch an anderer Stelle (DÖV 1959, S. 803, D Ö V 1960, S. 656 m i t A n m . 49) als weisungsgebundene Länderverwaltung bezeichnet. 78 Bonner Kommentar, A n m . I u n d I I 1 zu A r t . 85. 74 Das Grundgesetz, A n m . A zu A r t . 85 GG. 75 Deutsches Staatsrecht, S. 240, Maunz-Dürig, Rdnr. 28, 44 zu A r t . 83 GG, Rdnr. 1, 6 zu A r t . 85 GG, Nawiasky-Festschrift S. 266. 76 Vgl. außer den bereits zitierten auch Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 245 ff. (S. 282,286ff.); F.Mayer, „ V e r w a l t u n g v o n B u n d u n d Ländern, a.a.O., S. 45 ff.; Gerner, a.a.O., S. 194 sowie neuestens wieder Sturm, a.a.O., S. 470. 77 B G H Z 16, 95; B A G U r t . v o m 22. 2.1962 — 2 A Z R 356/61. 78 B G H Z 16, S. 95. 79 Ebenso Sturm, a.a.O., S. 470.

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

Die Landesbehörden werden i m Rahmen des A r t . 85 GG nicht als Bundesbehörden tätig. Sie bleiben ihrem Landesparlament für die Mittelbewirtschaftung uneingeschränkt verantwortlich. Ihnen verbleibt trotz stärkerer Einwirkungsrechte des Bundes als i n A r t . 84 GG ein eigener Spielraum i n der Gesetzesdurchführung und die volle Verantwortung als Verwaltungsträger für die Bereitstellung des Behördenapparates 80 . Obwohl die i n A r t . 85 GG bezogenen Angelegenheiten materiell solche des Bundes sind, bleibt die verwaltungsmäßige Durchführung eine Länderangelegenheit. Denn die Ausführung der vom Bund geschaffenen Rechtssätze fällt hier i m Gegensatz zur bundeseigenen Verwaltung der A r t . 87, 88 GG nicht mehr i n seine Zuständigkeit, sondern i n die der Länder 8 1 . 2. Der Grad funktioneller Eignständigkeit im Bereich des Art. 85 G G

M i t dem so gewonnenen Ergebnis, daß die Auftragsverwaltung des A r t . 85 GG eine echte Landesverwaltung nach Weisung des Bundes darstellt, ist aber noch nicht die Frage geklärt, inwieweit diese Landesverwaltung noch als eigenständig bezeichnet werden kann. Zur Klärung dieses Problems, das auch die weitergehende Frage miteinschließt, inwieweit der A r t . 85 GG überhaupt Elemente der Gemeinschaftsaufgaben enthält, ist es notwendig, kurz die Ingerenzbefugnisse des Bundes zu analysieren: Eine Zuständigkeit des Bundes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens ist zwar i n A r t . 85 GG nicht ausdrücklich vorgesehen, ergibt sich jedoch aus einer Auslegung des A r t . 85 Abs. 1 GG, zumal die Form der weisungsgebundenen Landesverwaltung i n noch stärkerem Maße eines bundeseinheitlichen Verfahrens bedarf als die Verwaltung des A r t . 84 GG 8 2 . Die Organisations- und Verfahrensgesetze, die aufgrund des A r t . 85 Abs. 1 GG ergehen, müssen aber berücksichtigen, daß die verwal80 Vgl. Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 282; Sturm, a.a.O., S. 470, Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, S. 20. 81 Die Differenzierung Kölbles, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 20, der den entscheidenden Unterschied zwischen dem Gesetzesvollzug nach A r t . 84 GG u n d der Auftragsverwaltung des A r t . 85 GG d a r i n sieht, daß bei A r t . 84 GG nicht n u r die förmliche Verwaltungstätigkeit als solche, sondern auch der m i t dieser Tätigkeit bezweckte Erfolg als eine „eigene Angelegenheit" der Länder anzusehen sei, w ä h r e n d bei A r t . 85 G G dies n u r f ü r die förmliche Verwaltungstätigkeit zutreffe, der m i t i h r bezweckte Erfolg sich aber als eine Aufgabe des Bundes darstelle, übersieht, daß angesichts der zahlreichen Ingerenzrechte des Bundes sowohl i n A r t . 84 w i e i n A r t . 85 eine anteilige Aufspaltung der einheitlichen Gesamtaufgabe wenig praktikabel ist u n d i n beiden Fällen der m i t der Gesetzgebung bezweckte Erfolg dem Bund, der m i t der Verwaltungsführung bezweckte Erfolg dem L a n d zuzuordnen ist, die sich zu einem einheitlichen v o m Gesetz intendierten Gesamtziel verbinden. 82 Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 144; w o h l auch Lerche, A k t u e l l e föderalistische Verfassungsfragen, S. 14—16 m i t A n m . 35.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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tungsmäßige Selbständigkeit der Landesbehörden gewahrt bleibt und diese nicht zu bloßen Organen des Bundes werden dürfen. Daher kann auch hier das rechtswirksame Zustandekommen von Vollzugsakten des Landes nicht von der Zustimmung oder dem Einvernehmen sowie dem Verzicht auf ein Einspruchsrecht der Bundesbehörden abhängig gemacht werden 8 3 . Eine wichtige Gestaltungsmöglichkeit des Bundes sind auch i m Rahmen des A r t . 85 GG die allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Bedeutsamer aber noch ist es, daß die Landesbehörden hier stets den Weisungen der obersten Bundesbehörden unterstehen, ohne daß diese Weisungsbefugnisse durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz wie i n A r t . 84 Abs. 5 GG begründet werden müßten. Wenn w i r aber schon bei A r t . 84 die Weisungsrechte des Bundes als Instrument eigenverantwortlicher Verwaltungsführung des Bundes bei formell bestehender Verwaltungskompetenz der Länder bezeichnet hatten, und sie eine Einbeziehung unter dem begrifflichen Bereich i m Umfang der Wahrnehmung der Weisungsbefugnisse ausschlossen, so muß dies erst recht für den Typ des A r t . 85 Abs. 3 GG gelten, wo sich die Weisungsbefugnisse als integrierender Bestandteil der Grundstruktur dieser Norm erweisen. Dieses B i l d w i r d dadurch vervollständigt, daß Art. 85 Abs. 4 GG die Bundesaufsicht sowohl auf die Gesetzmäßigkeit als auch die Zweckmäßigkeit der Landesmaßnahmen bezieht. Der Bund kann hier ferner Aktenvorlage anordnen und Beauftragte auch zu den nachgeordneten Landesbehörden entsenden. Die Bundesbehörden können auch die Entscheidung von Einzelfällen auf dem Wege der Parteienbeschwerde oder von Amts wegen an sich ziehen, wobei sich aus diesen Aufsichts- und Weisungsrechten der Bundesregierung sogar gegenüber einem einzelnen Staatsbürger eine Amtspflicht der Bundesregierung zum Einschreiten gegen die Landesbehörden ergeben kann, wenn dessen rechtliche Interessen durch Untätigkeit der Landesbehörden verletzt werden 8 4 . Somit ergibt sich, daß die Bundesauftragsverwaltung ihrer Struktur nach jeder materiellen Eigenverantwortlichkeit der Länder oder Aspekte gleichgeordneter Koordination von Bund und Ländern entbehrt, soweit der Gesetzesvollzug selbst betroffen ist. Seiner typenmäßigen Anlage nach stellt sich der A r t . 85 GG vielmehr als eine Institution dar, i n deren Ausgestaltung sich Bund und Länder 88 Gerner, a.a.O., S. 194; Maunz, i n : Nawiasky-Festschrift, S. 266. Die gegenteilige Auffassung Kleins, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 144 beruht auf der unzutreffenden Voraussetzung, daß die Bundesauftragsverw a l t u n g eine Sonderform bundesmittelbarer V e r w a l t u n g oder doch zumindest eine ihrer Qualität nach als Bundesaufgabe zu bezeichnende I n s t i t u t i o n sei. Vgl. daher auch Röttgen, D Ö V 1955, S. 488 f. 84 B G H v o m 19. 4.1956, S. 1028; Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 241.

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

i n einem Verhältnis subordinationsrechtlicher A r t gegenüberstehen, das als weitere Ausnahme vom Grundsatz der Gleichberechtigung der bundesstaatlichen Partialordnungen angesehen werden muß 8 5 . Daher liegt eine Gemeinschaftsaufgabe nicht vor, soweit der Gesetzesvollzug durch die Landesbehörden betroffen ist. 3. Die Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen des Art. 85 Abs. 2 GG

Etwas anderes gilt aber bezüglich der Behördeneinrichtung und der Verwaltungsorganisation, die — wie w i r gesehen hatten — unbestrittenermaßen auch bei der Auftragsverwaltung eine eigene Angelegenheit der Länder bleibt. Hier gibt A r t . 85 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG dem Bund die Befugnis zur Regelung der einheitlichen Ausbildung der Beamten und Angestellten. Auch kann die Bestellung der Mittelbehörden — Leiter nur i m Einvernehmen m i t der Bundesregierung erfolgen. Da somit dem Bund eine Einflußnahme auf die personelle Besetzung der m i t der Wahrnehmung der weisungsgebundenen Bundesaufgaben betrauten Landesbehörden eingeräumt ist, w i r d durch A r t . 85 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG i n die Personalhoheit der Länder eingegriffen. Da die Verwaltungsbehörden einerseits Landesaufgaben, insbesondere den Vollzug von Landesgesetzen und sonstigen staatlichen Aufgaben des Landes wahrzunehmen haben, andererseits i m Rahmen der Bundesauftragsverwaltung materielle Bundesaufgaben erfüllen, nimmt der Bund durch die M i t w i r k u n g bei der Regelung der Ausbildung und vor allem bei der Anstellung der Leiter der Mittelbehörden auf die personelle Besetzung der Stelle auch insoweit Einfluß, als diese Landesaufgaben wahrzunehmen hat 8 6 . Diese doppelte Funktion der Landesbehörden, die hinsichtlich ihrer personellen Besetzung und internen Verwaltungsorganisation stets eigene Angelegenheiten der Länder bleiben, läßt erkennen, daß sich Bund und Länder dann i n einem Gemeinschaftsaufgabenverhältnis gegenüberstehen, w e i l beide bei der Regelung der Besetzung der leitenden Positionen i m Bereich der Mittelbehörden und der Regelung der Ausbildung eigenverantwortlich handeln 8 7 . Das ergibt sich für den 85 Ebenso w i e A r t . 84 Abs. 5 GG. Maunz, B a y V B L 1968, S. 163; ders. i n Maunz-Dürig, A r t . 83 Rdnr. 54 (a. E.); ders., Deutsches Staatsrecht, S. 190 nennt als weitere Ausnahmefälle außer A r t . 84 Abs. 5 GG u n d A r t . 85 GG noch A r t . 128,119, 37; Herzog, D Ö V 1962, S. 87 f ü h r t A r t . 37, 84, 85,108 GG an. Vgl. auch Gerner, a.a.O., S. 193. Blümel, a.a.O., S. 233; A . A . Schmidt, a.a.O., S. 288, 289, der auch bei der Auftragsverwaltung von einer grundsätzlichen Gleichordnung von B u n d u n d Ländern ausgeht, wobei hier n u r die — w i e er es nennt — „organisatorische Verschränkung" besonders eng sei. (Vgl. a.a.O., S. 288 F. N. 120). 86

Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 143. Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 143; vgl. auch a.a.O., S. 470. 87

Sturm,

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

89

Bund aus der verfassungsrechtlichen Kompetenznorm, für das Land aus seiner grundsätzlichen Verwaltungskompetenz (Art. 30, 83 GG) und der mit ihr verbundenen Personalhoheit. Diese gemeinsame Aufgabe w i r d auch gleichgeordnet koordiniert. Das kommt schon i n der Formulierung des A r t . 85 Abs. 2 Satz 3 GG zum Ausdruck, der von einem „Einvernehmen" bei der Bestellung der Mittelbehörden-Leiter spricht. Aber auch bei der einheitlichen Gestaltung der Ausbildung der Beamten und Angestellten, die zur bundeseinheitlichen Gesetzesexekution i m Rahmen der Auftragsverwaltung erforderlich ist, bleibt die Frage der Koordination und Gleichberechtigung der Partner, w e i l die Beamten auch i m Bereich dieses Verwaltungstyps Landesbeamte sind und nach wie vor der Personalhoheit der Länder unterstehen 88 . Sind also nur in diesem beschränkten Rahmen bei A r t . 85 GG Gemeinschaftsaufgaben erkennbar, so ist zu fragen, wo hier die Grenzen des Bundeseinflusses liegen. Man w i r d dazu m i t Klein 89 nur sagen können, daß sich die verschiedenen persönlichen Einflüsse und Ausstrahlungen, die den Regelungen der Sätze 2 und 3 des A r t . 85 GG immanent sind, i n die Grundstruktur der Bundesauftragsverwaltung einfügen müssen. Sie müssen insbesondere den Charakter dieses Instituts als landeseigene Verwaltung beachten, wobei sie sich als vielseitige Einflüsse und Imponderabilien einer detaillierten verfassungsrechtlichen Abgrenzung weitgehend entziehen 90 . 4. Koordination statt Ingerenzen-Wahrnehmung in der Staatspraxis

W i r hatten i n unserer bisherigen Betrachtung der Bundesauftragsverwaltung unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens von Gemeinschaftsaufgaben innerhalb dieses Verwaltungstyps ausschließlich das B i l d des Art. 85 GG zugrundegelegt, wie es bei richtiger Auslegung und verfassungsgerechter Ausgestaltung dem Grundgesetz zu entnehmen ist. Dabei hatten w i r bisher die bereits ausführlich geschilderte Praxis 0 1 unberücksichtigt gelassen, nach der die subordinationsrechtliche Ausprägung des A r t . 85 GG durch den Verzicht auf die i n A r t . 85 GG vorgesehenen Ingerenzrechte, insbesondere die allgemeinen Verwaltungsvorschriften und die Weisungsbefugnisse, wenigstens teilweise zu einem Instrument der Koordination von Bund und Ländern umstrukturiert wird. Soweit der Bund auf die zentralen Steuerungsmittel verzichtet und stattdessen als Ersatz auf gemeinschaftlich m i t den Ländern in Koordinierungsgremien erarbeitete Empfehlungen und Richtlinien zurück88

Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 240; ebenso Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 143. 89 Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 143. 90 Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 143. 91 Siehe oben Abschn. A , 3. Kap., I I . 1. Ä h n l i c h schon bei A r t . 84 GG, vgl. oben Abschn. B, 1. Kap., I . 5.

90

Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

greift, scheinen tatsächlich den Gemeinschaftsaufgaben ähnelnde Wesenszüge bei der Bundesauftragsverwaltung auch über den Bereich des A r t . 85 Abs. 2 GG hinaus erkennbar zu werden, w e i l nicht die imperativrechtlichen Befugnisse den Verwaltungsvollzug der Länder dirigieren, sondern die materiellen Vollzugsmodalitäten m i t den Ländern koordiniert werden. Es fragt sich jedoch, inwieweit eine solche Verfahrensweise m i t der grundgesetzlich intendierten Funktion des A r t . 85 GG vereinbar ist. 5. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des faktischen Verzichts auf die Steuerungsmodalitäten des Art. 85 G G

Grundsätzlich w i r d man m i t der i n der Literatur ganz allgemein vertretenen Auffassung 92 auch i m Bereich der Bundesauftragsverwaltung Abkommen und Absprachen aller A r t zwischen Bund und Ländern für zulässig erachten können, soweit sie sich innerhalb ihrer jeweiligen Zuständigkeiten halten und der Behebung von Überschneidungen und Zuständigkeitszweifeln dienen 98 . Wo allerdings die Grenzen eines faktischen Verzichts auf grundgesetzlich vorgesehene Einwirkungsrechte liegen, läßt sich nur aus einer typenmäßigen Analyse des A r t . 85 GG und seiner systematischen Stellung i m Grundgesetz bestimmen. Dabei waren w i r bereits bei A r t . 84 GG zu dem Ergebnis gekommen, daß die verfassungsrechtlich zulässigen Koordinierungsmöglichkeiten dort, wo sich Bund und Länder i n einem Verhältnis der Über- und Unterordnung gegenüberstehen, sehr viel beschränkter sind als bei einer auch vom Verfassungsgeber bereits als gleichgeordnet strukturierten Beziehung. Denn die Kooperation von Bund und Ländern muß der rechtlichen Grundlage, auf der sie basiert, adäquat sein, w e i l sie sich sonst als verfassungswidrige Umgehung einer vom Grundgesetz festgelegten Verfahrensweise darstellen würde. Ebensowenig wie die Ingerenzrechte des A r t . 85 GG zur Disposition des Bundes stehen und er sich verpflichten kann, auf sie zu verzichten 94 , kann es verfassungsrechtlich zulässig sein, daß der Bund grundsätzlich i n der Verfassung normierte imperativrechtliche Befugnisse nicht wahrnimmt und stattdessen mittels koordinationsrechtlicher Verfahren das Typenbild des A r t . 85 i n seinen Grundstrukturen verändert und somit das System des Grundgesetzes m i t den i n i h m statuierten Verwaltungstypen umgestaltet. Da aber die i n A r t . 85 GG normierte landes92 Blumel, a.a.O., S. 235; Kölble, D Ö V 1960, S. 656; Schneider, D Ö V 1957, S. 647; Grawert, a.a.O., S. 219; Maunz, B a y V B L 1966, S. 2; v. Mangoldt-Klein, GG, A r t . 59 A n m . V 4 (S. 1154). 98 Maunz, B a y V B L 1966, S. 2. 94 Maunz, B a y V B L 1966, S. 3, 4 gerade i n Bezug auf solche Koordinierungsmöglichkeiten; Kölble, D Ö V 1960, S. 657.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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eigene Verwaltung nach Weisung des Bundes eindeutig subordinationsrechtlich geprägt ist, würde ein Ersatz der Ingerenzrechte durch formlose Rundschreiben und Richtlinien, die i n Zusammenarbeit m i t den Ländern erstellt und den obersten Landesbehörden zur Übernahme als Vorschriften des betreffenden Landes selbst empfohlen werden, jeden Unterschied zwischen der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen des A r t . 84 GG und der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) verwischen 95 . Zwar steht es auch bei der Bundesauftragsverwaltung grundsätzlich i m Ermessen der Bundesregierung, ob sie von ihren Einwirkungsbefugnissen Gebrauch machen w i l l 9 6 . I m Falle der Notwendigkeit einer Regelung aber ist sie i n der Wahl der anzuwendenden Form an das Grundgesetz gebunden und kann nicht durch Verzicht auf das grundgesetzlich fixierte Regelungsinstrumentarium zugunsten schlichter Koordinierung 9 7 den verfassungsrechtlichen Typenzwang, der dem System des Grundgesetzes immanent ist, i n wichtigen Teilbereichen i n einem Maße umgehen, der m i t der grundgesetzlichen Regelung nicht mehr vereinbar erscheint 98 . Die Bundesauftragsverwaltung muß materiell eine Aufgabe des Bundes bleiben, die von den Ländern weisungsgebunden wahrgenommen wird. Durch die Mitgestaltung der Regelungsbefugnisse des Bundes w ü r den die Länder als gleichberechtigte Partner an einer Aufgabe mitwirken, die das Grundgesetz eindeutig als Bundesangelegenheit dem Bund zugeordnet und trotz landeseigener Verwaltungstätigkeit nicht als Gemeinschaftsaufgabe bezüglich der materiellen Gesetzesexekution normiert hat. So ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich die Bundesregierung i n Einzelfällen, wo eine Bundesingerenz sich als notwendig erweist, auf eigene Hinweise, Erläuterungen und Empfehlungen für den Vollzug eines Bundesgesetzes i n Auftragsverwaltung beschränkt oder zur Vermeidung von Kompetenzüberlagerungen und Reibungsverlusten bei der Verwaltungsführung m i t den Ländern Abkommen über die 95

Blümel, a.a.O., S. 236; vgl. auch Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, S. 21.

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BVerfGE 11, S. 6; Grawert, a.a.O., S. 221; Blümel, a.a.O., S. 227; Kölble, DÖV 1960, S. 654, 655 ff. (S. 656, 658). 97 Daß auch die Gründe, die den B u n d zu diesem Verzicht bewegen, die praktische Verfahrensweise nicht verfassungsrechtlich legitimieren können, ergibt sich aus ihrer Darlegung oben 3. Kap., I I . 2. 98 Z u m Verhältnis des A r t . 85 GG zum A r t . 84 GG unter Berücksichtigung des Gefälles zwischen diesen beiden Instituten i n ihrer verfassungsrechtlichen Ausgestaltung einerseits u n d der Staatspraxis andererseits vgl. Köngen, JÖR N . F . 3 (1954), S. 97, 110; ders. JÖR N. F. 11 (1962), S. 238, 240, 241 u n d Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., 145, 146. I n anderem Z u sammenhang hat Köttgen (JÖR N . F . 3, S. 85) ausgeführt, die Bundesauftragsverwaltung repräsentiere gegenüber dem regulären Landesvollzug (Art. 84 GG) kein minus oder maius, sondern ein aliud.

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

detaillierte Wahrnehmung, die Ausgestaltung oder den Umfang der Einwirkungsbefugnisse schließt. Soweit i n der Regel Anwendungs- und Verfahrensrichtlinien gemeinsam von Bund und Ländern i n Koordinationsgremien erarbeitet werden und dann auf bloße Empfehlung der Bundesregierung als eigene Verwaltungsvorschriften der Länder eingeführt werden, stellt dies einen verfassungsrechtlich unzulässigen faktischen Verzicht des Bundes auf die Steuerungsmittel der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach A r t . 85 Abs. 2 Satz 1 GG und der allgemeinen Weisungen des A r t . 85 Abs. 3 GG d a r " . Somit ergibt sich, daß auch die Verfassungspraxis den Gesetzesvollzug durch die Länder nach Weisung des Bundes m i t seinem Subordinationscharakter nicht i n eine Gemeinschaftsaufgabe umgestalten kann. Bei verfassungsmäßiger Durchführung der Auftragsverwaltung stellt sie weder eine eigenverantwortliche Tätigkeit der Landesbehörden noch einen gleichberechtigt bei dem Bund koordinierten Gesetzesvollzug, also auch keine Gemeinschaftsaufgabe dar. I I I . Gemeinschaftsaufgaben bei der Errichtung von Bundesoberbehörden, bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts auf Gebieten der landeseigenen Verwaltung und der Bundesauftragsverwaltung 1. Verfassungsrechtliche Grenzen der Zulässigkeit einer Errichtung der in Art. 87 Abs. 3 GG normierten Institutionen

A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG gestattet dem Bund, für Angelegenheiten, die seiner Gesetzgebungskompetenz unterliegen, selbständige Bundesoberbehörden und bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetze ohne Zustimmung des Bundesrates zu errichten. Die Bestimmung bezieht sich auf alle der Bundesgesetzgebung unterliegenden Sachbereiche ohne Unterschied, i n welcher Form die Verwaltung auf diesen Gebieten geführt wird. Damit ergibt sich die Frage, welche Einwirkungen des Bundes durch das Errichten der erwähnten Institutionen innerhalb der einzelnen Verwaltungsformen 99 So hält Blümel, a.a.O., S. 236, 240 i m bereits eingangs erwähnten Beispiel der Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen die i m Länderfachausschuß Straßenbaurecht i n Zusammenarbeit von B u n d u n d Ländern erstellten Richtlinien, die v o n den obersten Straßenbaubehörden der Länder als Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Landes erlassen werden, f ü r verfassungswidrig. Zulässig sollen dagegen die ohne M i t w i r k u n g des Länderfachausschusses Straßenbaurecht zustandegekommenen Schreiben u n d allgemeinen Runderlasse des Bundesministers f ü r Verkehr sein, die sich auf Hinweise u n d Empfehlungen f ü r die Ausführung des Bundesfernstraßengesetzes beschränken.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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geschaffen werden können, und welche Gemeinschaftsaufgaben i m Zusammenhang damit neu entstehen oder aber innerhalb der Verwaltungstypen der A r t . 84 GG und A r t . 85 GG erhalten bleiben, soweit sie nicht i n reine Bundesverwaltung fallen. Daher ist zunächst zu prüfen, wann und i n welchem Umfang der Bund Bundesoberbehörden und die sonstigen Institutionen errichten darf, sodann das Problem, ob und i n welchen verfassungsrechtlichen Grenzen i m Rahmen der beiden zuvor behandelten Sachverhalte der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen und der Bundesauftragsverwaltung der Länder überhaupt Gemeinschaftsaufgaben neu auftauchen oder i n ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten bleiben. Als Zulässigkeitserfordernis für ein Tätigwerden des Bundes i m Sinne des A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG w i r d man indessen eine bloße Rahmengesetzgebungskompetenz als nicht ausreichend erachten müssen, da sich eine Behörde kaum m i t bloßer Rahmenverwaltung befassen kann, und der Bund daher keine bundeseigene Ausführungsstelle besitzen kann, wenn er nur Rahmenvorschriften erlassen darf 1 0 0 . Allerdings genügt eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit, soweit die Bedürfnisvoraussetzungen des A r t . 72 Abs. 2 GG erfüllt sind 1 0 1 . Zwar wollte der Bundesrat die Zulässigkeit von Gesetzen nach A r t . 87 Abs. 3 GG früher von einem besonders qualifizierten Bedürfnis für eine bundesgesetzliche Regelung abhängig machen 102 , doch hat das Bundesverfassungsgericht i m sog. Kreditwesengesetz-Urteil vom 24. 7.1962 103 m i t Recht ein solch weitergehendes Bedürfnis verneint, da der Wortlaut des Grundgesetzes keinen Anhalt dafür bietet 1 0 4 . I m selben U r t e i l hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur eine Organisationsnorm, sondern vornehmlich eine Kompetenznorm darstellt, die dem Bund ausdrücklich eine zusätzliche Verwaltungsbefugnis eröffnet und somit i m Sinne des A r t . 83 GG „etwas anderes zuläßt". Daher setzt die Errichtung einer Bundesoberbehörde nicht voraus, daß eine einschlägige Verwaltungskompetenz des Bundes i m Grundgesetz schon anderweitig begründet oder zumindest zugelassen ist 1 0 5 . Wohl aber w i r d man trotz des fraglichen Wortlauts von A r t . 87 Abs. 3 GG grundsätzlich annehmen müssen, daß auf dem einschlägigen Ge100

Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 241. Vgl. Kratzer, D Ö V 1950, S. 530, der betont, daß aber dann, wenn kein Bedürfnis für ein Bundesgesetz vorliege, nach dem W i l l e n des G r u n d gesetzes auch keines f ü r eine bundeseigene Verwaltungsbehörde gegeben sei. 102 Vgl. BT-Drucks. III/1114, S. 49. 105 N J W 1962, S. 1670. 104 Vgl. Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 24; ebenso Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 241. 105 Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 241. 101

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

biet ein Bundesgesetz bereits ergangen sein muß, das i n bundeseigener Oberbehördenverwaltung vollzogen werden soll, wobei Ausnahmen allerdings i m Bereich der gesetzesfreien Verwaltung denkbar sind 1 0 6 . 2. Das Vorliegen von Gemeinschaftsaufgaben bei Art. 87 Abs. 3 G G im Verhältnis zu Art. 84 G G

Besonders wichtig für das Vorliegen von Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich des A r t . 87 Abs. 3 GG ist die Frage, welche Ausmaße die Bundeseigenverwaltung hierbei annimmt. Dazu vertrat Kratzer 107 die Auffassung, der Bund nehme m i t der Errichtung einer Bundesoberbehörde das betreffende Sachgebiet i n seinem gesamten Umfang i n bundeseigene Verwaltung, auch soweit keine Mittel- und Unterbehörden des Bundes geschaffen werden. Dem hat schon Böhm108 entgegengehalten, daß nur insoweit Bundeseigenverwaltung entstehe, als sich die Verwaltung des betreffenden Gebiets durch Bundesoberbehörden erschöpfend durchführen läßt. Diese A u f fassung, die heute als herrschend angesehen werden kann 1 0 9 , läßt die für die Frage der Gemeinschaftsaufgaben i n diesem Bereich bedeutsame Erkenntnis zu, daß die bisher landeseigenen Vollzugsaufgaben i n dem Umfange, i n dem Bundesoberbehörden, bundesunmittelbaren K ö r perschaften oder Anstalten des öffentlichen Hechts Vollzugsaufgaben zugewiesen werden, der Zuständigkeit der Länder entzogen und i n bundeseigene Vewaltung i. S. des A r t . 86 GG überführt werden, wobei eine vertikale Aufteilung des Gesetzesvollzuges auf Bund und Länder unter Beschränkung des Bundes auf eine zentrale Instanz stattfindet 1 1 0 . Dank dieser materienmäßigen Trennung des Gesetzesvollzugs kommt es also zu einem nach außen i n Erscheinung tretenden gemeinschaftlichen Vollzug von Bundes- und Landesbehörden 111 . Das bedeutet für den Bereich der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen, daß der Gesetzesvollzug teils i n landeseigener, teils i n bundeseigener Verwaltung durchgeführt wird, so daß sich für den Bereich, der i n landeseigener Verwaltung verbleibt, am Charakter der Gemeinschaftsaufgabe i m Sinne der Darlegungen zu A r t . 84 GG nichts ändert. Darüber hinaus läßt sich aber auch das Nebeneinander der beiden Verwaltungsformen 106 Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 241; weitergehend Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 24. 107 D Ö V 1950, S. 529 (S. 535). 108 D V B L 1950, S. 746. 109 Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 241, 242; von Mangoldt, a.a.O., A n m . 6 zu A r t . 87, S. 472—475; Köttgen, JÖR N. F. 3, S. 67 f.; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 23, 24; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 147. 110 Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 147, 148. 111 Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 24.

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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innerhalb der vertikalen Aufspaltung des Gesetzesvollzugs als Gemeinschaftsaufgabe charakterisieren 112 , w e i l es durch das auszuführende Gesetz als übergreifender Zwecksetzung zu einer Verklammerung dieser getrennt und von Bundes- wie Landesbehörde eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgabe kommt. Der durch das Bundesgesetz bezweckte Erfolg und die somit gegebene gemeinschaftliche Aufgabenstellung läßt die Gesetzesausführung als Gemeinschaftsaufgabe erkennen, wobei allerdings der Koordinierungsgrad angesichts seiner Beschränkung auf die i m jeweils zu vollziehenden Gesetz zum Ausdruck kommende gemeinsame Aufgabenstellung und der Selbständigkeit der beiden Verwaltungsträger recht gering ist.

3. Die verfassungsrechtlichen Schranken bei bundeseigener Verwaltung in Bezug auf die Landeseigenverwaltung in Art. 84 GG insbesondere das Problem des überregionalen Verwaltungsakts

Aus dieser Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit und Gleichberechtigung der beteiligten Behörden ergeben sich auch die Grenzen der wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeiten: So darf i m Bereich der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen die Bundesoberbehörde, bundesunmittelbare Körperschaft oder Anstalt den Landesbehörden nicht unmittelbar vorgeordnet werden. Daher kann es keinen Instanzenzug von Landesbehörden zu Bundesoberbehörden geben; denn jene sind nicht die nachgeordneten Instanzen der i n A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG bezeichneten bundesunmittelbaren Institutionen 1 1 3 . Daher sind auch Weisungsrechte von Bundesoberbehörden gegenüber Landesbehörden nicht zulässig 114 . Die Eigenständigkeit der Landesbehörden muß also stets gewahrt bleiben, wo diese bei dem ihnen zugewiesenen Teil des Gesetzesvollzuges nur den üblichen Ingerenzrechten des A r t . 84 GG unterworfen sind. 112 So auch Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 24 u n d Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 147. 113 Ebenso Hamann, a.a.O., Erl. B 7 zu A r t . 83, S. 362; Köttgen, DÖV 1955, S. 491; Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 242; Rohwer-Kahlmann, a.a.O., S. 223; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 148; Grundsätzlich a. A . aber Böhm, a.a.O., S. 747; Herrfahrdt, a.a.O., Erl. I I 4 zu A r t . 87; von Mangoldt, a.a.O., A n m . 2 zu A r t . 84, S. 454. Diese Autoren verkennen aber — worauf Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 148 F N 57 m i t Recht h i n weist — daß die Einführung eines solchen Rechtsmittelzuges eine Bundesauftragsverwaltung statuieren würde. Eine solche ist aber innerhalb des A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG angesichts des A r t . 87 b Abs. 2 Satz 2 u n d des A r t . 120 a Abs. 1 GG verfassungswidrig. 114

Ebenso Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 242; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 148; Kratzer, D Ö V 1950, S. 535. F ü r den F a l l der Weisungsbefugnisse aber auch Böhm, a.a.O., S. 747; Herrfahrdt, a.a.O., Erl. I I 4 zu A r t . 87.

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

I n diesen systematischen Zusammenhang gehört auch die Frage, inwieweit i m Bereich eines i m übrigen den Landesverwaltungen obliegenden Gesetzesvollzuges oberste Bundesbehörden zum Erlaß sogenannter „überregionaler Verwaltungsakte" zuständig sind, d. h. also, ob und i n welchen Grenzen solche Verwaltungsakte ohne ausdrückliche Zuweisung i m Grundgesetz von diesen Bundesbehörden durchgeführt werden dürfen. Gerade aus dem Verhältnis des A r t . 83 GG zu A r t . 87 GG hat man versucht, eine Zuständigkeit der obersten Bundesbehörden abzuleiten. So hat Huber 115 gemeint, wenn der Bund nach A r t . 87 Abs. 3 GG durch einfaches Bundesgesetz neue Bundesoberbehörden zur Erledigung bestimmter Aufgaben errichten könne, so sei es i h m auch nicht verwehrt, durch ein solches Gesetz den Bundesministerien Verwaltungsaufgaben zu übertragen. Es bestehe keinerlei verfassungspolitische Notwendigkeit, i n jedem Fall, i n dem bundeseigene Verwaltung ausgeübt werden soll, eine so umständliche Apparatur aufzubauen, wie A r t . 87 Abs. 3 GG sie benennt. Eine solche Auffassung verkehrt jedoch den Sinn des A r t . 83 GG, dessen m i t „soweit" beginnender Nebensatz eine Ausnahmeregelung ist, i n sein Gegenteil. A r t . 87 Abs. 3 GG impliziert die Notwendigkeit der Errichtung einer neuen bundeseigenen Verwaltungsbehörde aufgrund gesetzlicher Regelung. Eine ausweitende Auslegung dieser Bestimmung, die Ausnahmecharakter gegenüber der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung trägt, durch Verzicht auf das verfassungsrechtlich statuierte Erfordernis gesetzlicher Normierung ist daher nicht zulässig. Andererseits w i r d vom überwiegenden Teil der Literatur die Zuständigkeit zum Erlaß überregionaler Verwaltungsakte aus der „Natur der Sache" abgeleitet 116 , wenn es sich also nach dem Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts 117 „ u m eigene, der Zuständigkeit der Länder von vornherein entrückte Angelegenheiten des Bundes handeln würde, die nur von i h m wahrgenommen werden könnten". Neben dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die auch zum Ausdruck bringt, daß der Gesichtspunkt der Überregionalität keine natürliche Bundeszuständigkeit begründet 1 1 8 , ist vor allem seine Entscheidung i m sogenannten „Dampfkesselfall" vom 15. 3. i960 1 1 9 für das 115

Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 326. Vgl. Schmitt-Lermann, D Ö V 1962, S. 673, 674 m i t zahlreichen Nachweisen; zu diesem Problem ferner Maunz-Dürig, a.a.O., Rdnr. 31 zu 83 GG; Röttgen, JÖR N. F. 3, S. 76; Mayer, V e r w a l t u n g von B u n d u n d Ländern, a.a.O., S. 54; zum Zusammenhang m i t A r t . 87 Abs. 3 insbesondere Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 23, S. 25, 26. 117 BVerfGE 12, S. 252. 118 a.a.O., S. 251. 119 BVerfGE 11, S. 6 ff. 116

.Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

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Problem des überregionalen Verwaltungsakts von Bedeutung. Danach ist eine solche Zuständigkeit des Bundes vom Grundgesetz nur dann stillschweigend zugelassen, wenn der Zweck des Gesetzes „durch das Verwaltungshandeln eines Landes überhaupt nicht erreicht werden kann", oder wenn seine „vollständige Ausführung durch Landesverwaltung nicht erreicht werden kann". Ohne damit das Problem des überregionalen Verwaltungsaktes auch nur annähernd erschöpft zu haben, was den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde, die diese Frage nur als Abgrenzungsproblem zu den Gemeinschaftsaufgaben i m Rahmen des A r t . 87 Abs. 3 GG beleuchtet, läßt sich also feststellen, daß überregionale Verwaltungsakte nur i n engen Grenzen zulässig sein können. So ergibt sich aus den beiden zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts insbesondere, daß weder der Umstand, daß die Verwaltung durch das Land unzweckmäßiger wäre, noch die Tatsache, daß ein Verwaltungsakt Wirkungen über den Bereich des Landes hinaus hat, oder daß die Aufgabe nicht von jedem Land gesondert, sondern von den Ländern gemeinsam wahrgenommen wird, noch die Möglichkeit einer uneinheitlichen Gesetzesanwendung durch die Länder, dem Bund automatisch die Befugnis verleiht, eine Kompetenz der landeseigenen Behörden an sich zu ziehen und innerhalb der Bundeseigenverwaltung wahrzunehmen. Hier handelt es sich also u m ein typisches Problem der Abgrenzung der verfassungsrechtlich zulässigen Beteiligungsanteile von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung einer Gemeinschaftsaufgabe. Sofern der Bund darüber hinaus nach A r t . 87 Abs. 3 Satz 2 GG von der Möglichkeit der Errichtung von Bundesmittel- und Unterbehörden Gebrauch macht, verlagert sich der Vollzug des betreffenden Gesetzes ganz aus dem Zuständigkeitsbereich der Landesverwaltung i n den der Bundeseigenverwaltung, so daß i n diesem Fall keine Gemeinschaftsaufgabe mehr vorliegt.

4. Die Gemeinschaftsaufgaben des Art. 87 Abs. 3 G G im Bereich der Auftragsverwaltung nach Art. 85 G G

Auch i m Bereich der Bundesauftragsverwaltung führt das Errichten der i n A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 genannten Einrichtungen zu einer vertikalen Aufspaltung des Vollzuges ein und desselben Gesetzes zwischen der bundeseigenen Verwaltung gemäß den A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 sowie A r t . 86 GG und der Bundesauftragsverwaltung gemäß A r t . 85 GG bzw. den einschlägigen Sondervorschriften des Grundgesetzes 120 . Soweit die Bun120

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Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 148.

Tiemann

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Abschn. B: Systematik und verfassungsrechtliche Grenzen

desauftragsverwaltung i m Zuständigkeitsbereich der Landesbehörden verbleibt, ändert sich i n Bezug auf die Existenz von Gemeinschaftsaufgaben nichts. Sie liegen nur i m Rahmen des A r t . 85 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG vor. Aber auch hinsichtlich des Nebeneinanders von Bundesund Landesbehörden kann sich nichts ändern, da die gesetzlich normierte Gesamtaufgabe eine solche des Bundes bleibt und der A n t e i l des Landes nach Weisung des Bundes vollzogen wird. Gemeinschaftsaufgaben verbleiben nur i n Form personeller Einflüsse und Ausstrahlungen 1 2 1 . Der Beteiligungsanteil des Bundes ist auch i n diesem Fall begrenzt: Hinsichtlich des Gesetzesvollzugs selbst zeigen A r t . 87 b Abs. 2 Satz 1 zweite Alternative m i t Satz 2, A r t . 87 d Abs. 2, A r t . 120 a Abs. 1 und auch A r t . 87 c GG, daß die Einrichtungen des A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG i n den Instanzenzug der Bundesauftragsverwaltung nur kraft ausdrücklicher Gestattung des Grundgesetzes eingeschaltet werden dürfen, während bezüglich der verbleibenden Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich personeller Verwaltungsführung der Bund auch hier die Grundstruktur der Auftragsverwaltung als landeseigenen Verwaltungsvollzug zu beachten hat und die m i t diesem verbundene Personalhoheit der Länder auf die Bedürfnisse bundeseinheitlicher Regelungen innerhalb des Personalsektors abstimmen muß. I n diesem Zusammenhang ist ein Sonderfall i m Verwaltungsgefüge des Grundgesetzes zu erwähnen, der sowohl i n der personellen Sphäre als auch i m Verwaltungsvollzug eine enge Verzahnung von Landes- und Bundesaufgaben herbeigeführt hat: die Finanzverwaltung des Bundes. Der Bund hat für das Finanzwesen eine bundesunmittelbare Verwaltung m i t eigenem Verwaltungsunterbau erhalten (Art. 87 Abs. 1 GG) 1 2 2 . Neben der Bundesfinanzverwaltung besteht für die Länderfinanzen eine Landesfinanzverwaltung, die insoweit eine Doppelfunktion wahrnimmt, a k die Oberfinanzdirektionen und die Finanzämter und Hauptzollämter als Hilfsstellen der Oberfinanzdirektionen teilweise i n die Verwaltungsorganisation des Bundes eingegliedert sind. Die Oberfinanzdirektion als Mittelbehörde stellt somit die wichtigste Nahtstelle der Doppelgleisigkeit innerhalb der Finanzverwaltung dar. Sie ist sowohl Bundes- als auch Landesbehörde. I h r Leiter, der Oberfinanzpräsident, ist Bundes- wie auch Landesbeamter. U m dieser Doppektellung gerecht zu werden, sieht A r t . 108 Abs. 1 Satz 3 vor, daß die Leiter der Mittelbehörden i m Benehmen m i t der Landesregierung zu bestellen sind. 121

Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 148. Vgl. hierzu das Bundesgesetz über die Finanzverwaltung v o m 6. 9.1950 (BGBL., S. 448) u n d das Zweite Gesetz über die Finanzverwaltung v o m 15. 5.1952 (BGBL. I, S. 293). 122

1. Kap.: Koordinierte Ausführung von Bundesgesetzen

99

Bei dieser funktionellen Teilung des Verwaltungsvollzugs zwischen Bund und Ländern handelt es sich um einen typischen Fall von Mischverwaltung 1 2 3 , die nach den Organisationsprinzipien unserer bundesstaatlichen Ordnung zwar grundsätzlich unzulässig ist, als Ausnahmeregelung von der Verfassungsnorm des A r t . 108 GG aber ausdrücklich zugelassen w i r d 1 2 4 . Zusammenfassend läßt sich somit für den Bereich der ersten A r t von Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern, als deren Charakteristikum sich die verwaltungsmäßige Koordinierung des Gesetzesvollzuges erwiesen hat, feststellen, daß das Grundgesetz auch beim Verwaltungsvollzug bereits vielfältige Formen der Kooperation zur Verfügung stellt, daß es sich also nicht i n der Trennschärfe der Verwaltungssphären erschöpft, sondern i n vielen Beziehungen auf eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung i n partnerschaftlicher Zusammenarbeit angelegt ist. Aber auch dort, wo es von den Möglichkeiten einer Direktion der Verwaltungsführung durch den Bund ausgeht, läßt es oft Spielraum für fakultative Kooperation, die i n der Verfassungspraxis v o l l ausgeschöpft und manchmal sogar über den Bereich des verfassungsrechtlich Zulässigen hinaus ausgeweitet wird. Auch beim gemeinschaftlichen Vollzug von Bundesgesetzen hat sich somit die Koordination als wesentliches Element der Gemeinschaftsaufgaben erwiesen und die These von Maunz 125 bestätigt, daß die Koordination als zentraler Begriff des bundesstaatlichen Systems stets zu sich erneuernder gemeinsamer Arbeit führt, die den Blick nicht zuerst auf die Teile und erst dann auf das Ganze richtet, sondern sogleich auf das Ganze, das aber als ein sinnvoll gegliedertes Ganzes verstanden werden muß.

123 Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 285; Mayer, u n d Ländern, a.a.O., S. 48. 124 Maunz-Dürig, a.a.O., Rdnr. 42 zu A r t . 108 GG. 125 Deutsches Staatsrecht, S. 190.

V e r w a l t u n g von B u n d

Abschnitt

C

Die durch Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung der Zusammenarbeit koordinierten Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern Erstes Kapitel

Die Koordination durch Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern L Die verschiedenen Arten der Verwaltungsabkommen 1. Allgemeine Typisierung

Das wichtigste Instrument der Koordination i m Rahmen bundesstaatlicher Gemeinschaftsaufgaben stellen die Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern und die auf ihnen beruhenden Formen der Institutionalisierung der Zusammenarbeit dar. Diese Abmachungen verschiedenster Bedeutung und Wirkung sind unterschiedlicher A r t : Sie gehen von formlosen Verständigungen über gemeinsame Stellungnahmen zu Regierungsvorlagen i m Bundesrat und von einstimmigen Beschlüssen der Fachministerkonferenzen bis zu sorgfältig ausgearbeiteten Verträgen von Bund und Ländern 1 . Die verfassungsrechtliche Problematik der vertraglichen Bund-Länder-Beziehungen ist relativ spät i n den Blickpunkt staatsrechtlicher Erörterungen getreten und hat seitdem aufschlußreiche Darstellungen bei Kölble 2 und jüngst bei Grawert 3 gefunden. Daß die Verwaltungsabkommen einem gesteigerten Bedürfnis bundesstaatlicher Kooperation entsprechen, läßt sich schon ihrer großen Anzahl entnehmen. Grawert 4 hat i n seiner Darstellung 216 bekannt gewordene Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zusammengestellt. Ihre Zahl dürfte angesichts der Tatsache, daß nur die 1

Vgl. Maunz, B a y V B L 1966, S. 1. D Ö V 1960, S. 650 ff.; ders. Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 17 ff. 3 Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern i n der republik Deutschland, 1967. 4 a.a.O., S. 299 ff. 2

Bundes-

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

101

wenigsten dieser Abkommen veröffentlicht werden, noch wesentlich höher liegen 5 . Der Begriff des Verwaltungsabkommens muß dabei weitgefaßt werden, weil die Skala seiner Erscheinungsformen vom dauernden faktischen Zusammenwirken aufgrund formloser Absprachen bis zu förmlichen Abkommen reicht. So kann die Absprache lediglich i n einem durch Besprechung erzielten formlosen Einverständnis der beteiligten Verwaltungen bestehen, die vielleicht i n einer Aktennotiz fixiert ist, oder aber sich auch zu einer gewissen Form i n der Anfertigung eines Protokolls verfestigt haben kann. Eine weitergehende A r t der formellen Verfestigung einer faktischen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern stellt die des Erlasses von Richtlinien, Allgemeinen Verwaltungsvorschriften oder ähnlichen Regelungen aufgrund entsprechender Absprachen dar. Dabei kann es sich teils u m einseitige, teils u m übereinstimmende beiderseitige Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften handeln 6 . Schließlich kann auch ein förmliches Verwaltungsabkommen vorliegen. Unter einem solchen werden durchweg schriftlich fixierte Absprachen zwischen den Verwaltungsbehörden des Bundes und der Länder verstanden, durch die unmittelbare Rechtswirkungen für den Bund und die Länder als solche herbeigeführt, also insbesondere Berechtigungen oder Verpflichtungen des Bundes und der Länder begründet oder modifiziert werden. Dabei handelt es sich also u m Verträge i m gebräuchlichen Wortsinn auf bundesstaatlicher Ebene, die Rudolf 7 als interföderationsrechtliche Verträge bezeichnet hat. Darüber hinaus gibt es auch noch die Form der Staatsverträge, die schon unter der Geltung der alten Reichsverfassung von 1871 und auch unter der Weimarer Reichsverfassung praktiziert wurde, wobei es sich um öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Bund und Ländern handelt, die zwischen den Regierungen unter Beteiligung der beiderseitigen gesetzgebenden Körperschaften abgeschlossen werden. Diese formellen Unterscheidungen, die nur Ausdruck des Variantenreichtums der Rechtsformen bei diesen Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Ländern sind, sollen jedoch i m folgenden unberücksichtigt bleiben, wo es gilt, das Element der Koordination als konstitutives Merkmal der Gemeinschaftsaufgaben i n seinen verfassungsrechtlichen Grenzen der Verwaltungsabkommen zu untersuchen. Dabei ist zunächst einmal die Typologie der Verwaltungsabkommen daraufhin zu betrachten, wo i n ihrem funktionellen Gehalt überhaupt eine materielle Ausrichtung i n Bezug auf echte Gemeinschaftsaufgaben fest5 6 7

Vgl. Grawert, a.a.O., S. 310 Nr. 47 u n d S. 340 Nr. 218. Kölble, D Ö V 1960, S. 651 m i t zahlreichen Beispielen. D Ö V 1966, S. 75, 76.

102

Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

gestellt werden kann. Wenn w i r der die wesentlichen Grundtypen erfassenden Einteilung Kölbles 8 folgen, so lassen sich folgende Arten der Verwaltungsvereinbarungen abgrenzen: 2. Die Koordinierungsabkommen

Verwaltungsabkommen über die Form der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen des Bundes und der Länder bei der Ausübung ihrer jeweiligen beiderseitigen Zuständigkeiten. Sie finden sich häufig i m Geschäftsbereich der Justizverwaltungen und der statistischen Ämter des Bundes und der Länder 9 , sowie auf den Gebieten der Polizei 1 0 und des Personalwesens 11 . Sodann Verwaltungsabkommen über eine materielle Koordinierung der Ausübung der jeweiligen beiderseitigen Zuständigkeiten durch die Verwaltungen des Bundes und der Länder, die besonders dem Ziel der Hechtseinheit und Rechtssicherheit auf Gebieten dienen, wo die Verwaltungen des Bundes und der Länder dem Staatsbürger gegenüber vergleichbare Entscheidungen zu treffen haben, also insbesondere i m Bereich der Justiz, des Steuer-, Kosten-, Gebühren- und Entschädigungswesens sowie der Wirtschaftsverwaltung und der staatlichen K u l t u r förderung 1 2 . Diese materielle Koordinierung ist für den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben die wesentlichste, weil hier nicht nur formelle 8 D Ö V 1960, S. 652; ders. Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 31, 32; vgl. auch Grawert, a.a.O., ferner die summarischen Feststellungen des Troeger-Gutachtens, Tz 31—35 u n d die exemplarische Analyse der B u n d - L ä n d e r - A b kommen i m Regierungsentwurf (BT-Drucks. V/2861) Tz 37—50. 9 z.B. Vereinbarung über den Austausch von U r t e i l e n i n Staatsschutzsachen sowie über die Erstellung einer Statistik der anhängigen Staatsschutzverfahren v o m 16. 7.1954. 10 Vgl. z.B. Vereinbarung über die Durchführung von E r m i t t l u n g e n i n Staatsschutzsachen durch Beamte des Bundeskriminalamtes v o m 17. Dez. 1953 sowie über die Zusammenarbeit von Polizei u n d Bundeswehr ( G M B L 1957, S. 486). 11 z.B. Vereinbarung über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden v o m 7. 5.1954 ( G M B L 1954, S. 414). 12 Aus der Fülle der Beispiele (vgl. Kölble, D Ö V 1960, S. 653, F. N. 26 sowie Grawert, a.a.O., S. 299 ff.) seien n u r die A b k o m m e n zwischen dem Bundesminister der Justiz u n d den Landesjustizverwaltungen über den Erlaß einer übereinstimmenden Strafvollstreckungsordnung (BAnz. Nr. 42 v o m 29. 6.1956) sowie die Vereinbarung bundeseinheitlicher Durchführungsbestimmmungen zu den Kostengesetzen v o m 7. 9.1957 u n d die Vereinbarung über den Erlaß gleichlautender Anordnungen bezüglich der Entschädigung f ü r unschuldig erlittene Untersuchungshaft oder Strafvollstreckung (BAnz. Nr. 247 v o m 20.12.1956) erwähnt. Sehr wichtig hinsichtlich des finanziellen Volumens ist vor allem die systematisch ebenfalls i n diesen Zusammenhang gehörende Koordinierung der Förderungsmaßnahmen von B u n d u n d Ländern bei der Durchführung des Honnefer Modells, das auf dem Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern zur Förderung von Wissenschaft und Forschung, dem sog. Königsteiner A b k o m m e n v o m 4. 6.1964 beruht, das am 8. 2.1968 erneuert wurde.

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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Koordinierungsmodalitäten vereinbart werden, sondern auch ein hoher Intensitätsgrad der Kooperation erreicht wird, die hierbei oft höheren Rechtswerten wie dem der Rechtsgleichheit oder der Sozialstaatlichkeit sowie anderen gesamtstaatlichen Staatszielsetzungen 13 zu dienen bestimmt ist. 3. Die Interpretationsabkommen

Sodann lassen sich Verwaltungsabkommen über die Abgrenzung von Zuständigkeiten der Verwaltungen des Bundes und der Länder feststellen, die vornehmlich dort vorkommen, wo Zweifel über die Grenzen der beiderseitigen Zuständigkeiten herrschen, wobei oft gleichzeitig auch Absprachen über die Form der Zusammenarbeit und die materielle Koordinierung der Ausübung dieser abgegrenzten jeweiligen Zuständigkeiten getroffen werden 1 4 . 4. Die Mandats- und Delegationsabkommen

Darüber hinaus gibt es aber auch Verwaltungsabkommen über die Ausübung von Zuständigkeiten der Verwaltungen des Bundes und der Länder. Absprachen dieser A r t kommen vor allem dort vor, wo die örtliche Nähe oder die Sachkunde einer bestimmten Behörde die betreffende Regelung als zweckdienlich erscheinen lassen 15 . Eng verwandt damit sind die verhältnismäßig seltenen Verwaltungsabkommen über die Ausübung staatsrechtlicher Befugnisse der Bundesverwaltung gegenüber den Länderverwaltungen 1 6 . Die übrigen Verwaltungsabkommen, soweit sie die gemeinsame Errichtung und Unterhaltung von Einrichtungen durch die Verwal13

Vgl. hierzu Contiades, Verfassungsgesetzliche Staatsstrukturbestimmungen, 1967. 14 Z u diesen A b k o m m e n gehört insbesondere auch das sog. „Lindauer A b kommen" über das Zusammenwirken der Bundesverwaltung u n d der L ä n derverwaltungen bei der Vorbereitung u n d beim Abschluß internationaler Verträge v o m 14.7.1957; vgl. hierzu Maunz-Dürig, a.a.O., Rdnr. 45 zu A r t . 32 sowie neuerdings Rudolf, B u n d u n d Länder i m aktuellen deutschen Verfassungsrecht 1968, S. 47 ff., u n d Lerche, A k t u e l l e föderalistische Verfassungsfragen, 1968, S. 22. 15 So hat der B u n d z.B. die Ausübung der Paßnachschau durch Vereinbarungen m i t den Ländern Bayern, H a m b u r g u n d Bremen aus dem Jahr 1953 u n d gewisse schiffahrtsnolizeiliche Aufgaben durch A b k o m m e n m i t Niedersachsen (NdsGVBl, S. 293) u n d H a m b u r g (Hamb.GVBl, 1956, S. 83) auf deren Behörden übertragen. Vgl. ferner § 9 des Ersten Gesetzes über die Finanzverwaltung v o m 6. 9.1950 (BGBL, S. 448). Danach werden die Umsatzu n d Beförderungssteuern, f ü r die A r t . 108 Abs. 1 Satz 1 GG die Bundeseigenverwaltung vorschreibt, zwar durch Verwaltungsangehörige des Bundes bei den Oberfinanzdirektionen bearbeitet; diese können sich dabei jedoch der H i l f e der Landesfinanzämter bedienen. 16 z. B. die A b k o m m e n zwischen dem B u n d u n d einzelnen Ländern über die Einrichtung von Bereitschaftspolizeien auf G r u n d des A r t . 91 Abs. 2 GG.

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

tungen des Bundes und der Länder betreffen oder eine finanzielle Beteiligung des Bundes an Länderaufgaben statuieren, sollen i n diesem Zusammenhang nur erwähnt werden, da sie sich als M i t t e l der Koordination von ihrer Rechtsgrundlage gelöst und verselbständigt haben und bei ihnen nicht mehr das Verwaltungsabkommen als solches das Wesen der Koordination ausmacht, sondern die institutionelle Verfestigung der Koordinierungsgremien oder die Bereitstellung der finanziellen M i t t e l i m Haushaltsplan. Diese Koordinationsinstrumente werden daher anschließend gesonderten Darstellungen vorbehalten bleiben 1 7 . Wenn w i r uns daher die hier i n Frage stehenden Verwaltungsabkommen typenmäßig vergegenwärtigen, so lassen sie sich i n drei große Gruppen einteilen: Die echten Koordinierungsabkommen, die sowohl formelle als auch materielle Koordination implizieren, die Interpretationsabkommen über die Abgrenzung verfassungsrechtlicher Kompetenzen und schließlich die Delegations- bzw. Mandatsabkommen, wo Zuständigkeiten entweder ganz oder nur zur vorübergehenden Ausübung übertragen werden. Diesen drei Arten der Bund-Länder-Abkommen ist gemeinsam, daß i n ihnen eigene Aufgaben der Partner auf der Grundlage der Gleichordnung abgestimmt werden. Sie weisen also die Aspekte gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung auf. Fraglich ist jedoch, inwieweit solche Verwaltungsabkommen zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland rechtlich überhaupt zulässig sind, und welcher Geltungsgrund ihnen zugrundeliegt. Daran anschließend w i r d die Problematik der Grenzen der Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zu klären sein.

I L Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern 1. Die Auffassung der älteren Staatsrechtslehre

Die generelle Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Gliedstaaten oder deren Gesamtheit wurde i m älteren staatsrechtlichen Schrifttum verneint. Diese Auffassung gründete sich auf die umfassende imperativrechtliche Kompetenz staatlicher Herrschaftsmacht. So hielt O. Mayer 19 den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen einem Träger hoheitlicher Gewalt und einem gewaltunterworfenen Einzelnen deshalb grundsätzlich für unzulässig, weil dem hoheitlichen Han17 Vgl. die Darstellungen der Institutionalisierung der Zusammenarbeit bzw. der finanziellen Kooperation unten Abschn. C, 2. Kap., I I . ; Abschn. D, 2. Kap., 1.1. 18 AÖR, 3 (1888), S. 3.

.Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

105

dein des Staates bereits als solchem die K r a f t zur Herbeiführung von Rechtswirkungen und zur zwangsweisen Durchsetzung innewohne, während dem Gewaltunterworfenen ein solches Recht erst durch die Rechtsordnung verliehen werden müsse, eine solche Verteilung an i h n i m Bereich des öffentlichen Rechts aber nicht nachweisbar sei. Diese Stellung der Unterordnung des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt wurde von der älteren staatsrechtlichen Literatur 1 9 auch auf das Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten übertragen, das generell als ein solches der Subordination charakterisiert wurde. Dementsprechend wurde auch die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge zwischen der zentralen Bundesgewalt und den bundesstaatlichen Partialordnungen vor allem m i t der Begründung verneint, daß der Wille des Gesamtstaates, der über die Kompetenz-Kompetenz verfüge, es i h m gestatte, Rechtswirkungen auch i m Verhältnis zu seinen Gliedstaaten herbeizuführen und ihnen gegenüber durchzusetzen. Die Kompetenz-Kompetenz und die zum Wesen des Vertrags begriffsnotwendig gehörende, i m Bundesstaat aber mangelnde Gleichordnung der Vertragschließenden, ließe daher keinen Verzicht auf die einseitigen Regelungsbefugnisse zu. Diese Auffassung hat sich i m staatsrechtlichen Bereich aber ebensowenig durchgesetzt wie die O. Mayers für das Gebiet des Verwaltungsrechts 20 . So hat insbesondere die Auffassung nicht zu überzeugen vermocht, daß für einen Hoheitsträger nur der Zwangsweg, nicht aber der eines Übereinkommens gangbar sein soll. Da der Staatsgewalt nur potentiell die Fähigkeit zwangsweiser Regelungen immanent ist, ist nicht einzusehen, warum die Fähigkeit, nötigenfalls auch einseitig rechtswirksam zu handeln, generell die Möglichkeit ausschließen soll, i m Vertragsweg vorzugehen. Ebensowenig gehört es zum Begriff des Vertrages, daß die Vertragschließenden i n jeder Beziehung gleichgeordnet sind 2 1 . Die Gleichordnung kann durchaus auf einen bestimmten Normenkomplex oder den i m Vertrag zu regelnden Gegenstand beschränkt sein, so daß sich hieraus, selbst wenn man das Verhältnis von Bund und Ländern generell als ein solches der Subordination bezeichnen könnte, kein Hinderungsgrund für den Abschluß von Verwaltungsabkommen ergäbe.

19 Nachweise bei Ficker, Vertragliche Beziehungen zwischen Gesamtstaat u n d Einzelstaat i m Deutschen Reich, 1926, S. 4 ff. 20 So ist die Zulässigkeit subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Verträge i m Verwaltungsrecht heute generell anerkannt: so z. B. zusammenfassend die neuere höchstrichterliche Judikatur, B V e r w G E 23, 213; 22, 138; B G H Z 32, 214; 43, 34; vgl. auch §§ 40 ff. des Entwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes. 21 Ebenso Kölble, D Ö V 1960, S. 655; vgl. auch Grawert, a.a.O., S. 135 ff. (S. 136).

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen u n d Institutionalisierung 2. Die Zulässigkeit der Abkommen i m System des Grundgesetzes

Das Grundgesetz erwähnt die Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen oder von sonstigen öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen dem Bund und den Ländern zwar nicht ausdrücklich. Insbesondere bezieht sich A r t . 59 Abs. 2 GG, wie sich aus Abs. 1 eindeutig ergibt, nur auf Verträge m i t auswärtigen Staaten, nicht aber auf solche, die innerhalb der Bundesrepublik geschlossen werden. Aus der Tatsache aber, daß das Grundgesetz i n A r t . 32 Abs. 2 GG den Ländern sogar die Möglichkeit gegeben hat, m i t ausländischen Staaten Verträge abzuschließen, läßt sich — gleichsam m i t einem argumentum a maiore ad minus — herleiten, daß folglich der Einzelstaat erst recht einen Vertrag m i t dem Bund schließen kann 2 2 . Hinzu kommt, daß gütliche Einigungen dem vom Grundgesetz vorausgesetzten Wesen des bundesstaatlichen Verhältnisses entsprechen, was nach Maunz 23 unter Umständen nicht nur fakultative Zusammenarbeit beeinhaltet, sondern sich sogar zu einer rechtlichen Notwendigkeit verdichten kann, da der Bundesstaat „trotz aller rechtlichen Sonderung der Aufgabenbereiche die Pflicht zur Einigkeit nicht soweit verleugnen" kann, daß er „freiwillige Versuche hierzu schlechthin ablehnt". Insofern ist die Rechtslage hier eine andere als beim Vertragschluß zwischen einem Hoheitsträger und einzelnen Staatsbürgern, wo teilweise eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für erforderlich gehalten w i r d 2 4 oder aber die Zulässigkeit sich doch als Ausnahmefall einer lückenhaften gesetzlichen Regelung ergibt 2 5 . I m Verhältnis des Bundes zu den Ländern w i r d man sie hingegen als eine dem Wesen des föderativen Staatsaufbaus entsprechende Kooperationsform anzusehen haben, bei dem Bund und Länder eine Einheit bilden, deren Glieder ihre Rechte, Interessen und Anliegen aufeinander abstimmen müssen 26 . Die Zulässigkeit dieser Abkommen w i r d man auch aus der Eigenstaatlichkeit der Länder als Gebietskörperschaften von Staatsrang m i t eigener — wenn auch gegenständlich beschränkter — nicht vom Bund abgeleit e t e r , sondern von i h m anerkannter staatlicher Hoheitsmacht 27 folgern können, da ihnen insofern auch als inkorporierten Gliedern des Gesamtstaates die Abschlußkompetenz nicht abgesprochen werden kann. 22 Ä h n l i c h Maunz-Dürlg, a.a.O., A r t . 83 Rdnr. 51 m i t einem entsprechenden Schluß aus A r t . 59 Abs. 2 GG. Das B V e r w G , D Ö V 1966, S. 415 ff. hat die Zulässigkeit von Ländervereinbarungen darüber hinaus auch aus A r t . 118 Satz 1 u n d A r t . 135 Abs. 5 GG hergeleitet. 28 I n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83, Rdnr. 51. 24 Vgl. die Darstellung des Streitgegenstandes i m Verwaltungsrecht durch das O V G Münster i n OVGE 16, S. 13. 25 So die Grundsätze i n B V e r w G E 23, 216. 26 Ebenso sinngemäß Maunz, B a y V B L 1966, S. 4. 27 Vgl. BVerfGE 1, S. 14, Leitsatz 31.

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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Ist also die Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern grundsätzlich zu bejahen, so bleibt die systematisch hiervon zu trennende Frage nach der Grundnorm zu stellen, auf der die Geltung von Verwaltungsabkommen beruht.

I I I . Der Geltungsgrund der Verwaltungsabkommen Dieser Geltungsgrund der Verwaltungsabkommen ist i n der Rechtstheorie nicht unbestritten. 1. Die Willenstheorie

So entspringt nach Husserl 28 die Geltungskraft eines Vertrages den Willensakten, die zum A u f b a u eines vertraglichen Gesamtwillens gef ü h r t haben. Es erzeugt der einzelne, sich m i t anderen Rechtsgenossen vertraglich zusammenschließend, aus eigener K r a f t autonomes Recht. Die Verbindlichkeit des Vertrages soll demnach aus der individuellen Autonomie folgen. Diese Lehre betrachtet den W i l l e n als K e r n des Vertrages. Der W i l l e w i r d zur Norm. Das Vereinbarte g i l t deshalb, w e i l es i n bestimmter Weise gewollt ist. Es hat sich i n der L i t e r a t u r zu der Frage des Geltungsgrundes öffentlich-rechtlicher Verträge eine Richtung herausgebildet, die man als Willenstheorie 2 9 bezeichnen kann, da sie auf der Annahme beruht, der vertraglich geäußerte W i l l e eines Rechtssubjekts könne aus sich heraus normative W i r k u n g entfalten, so daß eine künftige B i n d u n g an den einmal geäußerten W i l l e n statuiert wird. Die Willenstheorie vermag jedoch nicht das Verhältnis der autonom rechtsetzenden Willensäußerung zu den Normen der Rechtsordnung zu klären 3 0 . Es ist nicht ersichtlich, w i e der gemeinsame Vertragswille zustande kommen soll, der mangels einer Sanktionsnorm die Gültigkeit des Vertrages gewährleistet. Z u m anderen verbietet es die Einheit der Rechtsordnung, eine Konkurrenz zweier Rechtsquellen eines autonomen Vertragsrechts nach dem W i l l e n der Vertragspartner neben dem staatlichen Recht zuzulassen. Diese Einheit der staatlichen Rechtsordnung, die sich nicht i n Willensäußerungen ihrer Rechtssubjekte auflösen darf 8 1 , 28 Rechtskraft und Rechtsgeltung, 1. Bd., Genesis und Grenzen der Rechtsgeltung, B e r l i n 1925, S. 28. 29 Stern, V e r w A r c h 49 (1958), S. 128, 130; Schneider, W d S T L 19, S. 16. 30 Insofern widersprüchlich Stern, a.a.O., S. 128, 131 ff., 133 wenn er die Rechtsverbindlichkeit eines Vertrages, die er apriorisch auf die Willensbetätigung zurückführt, von der Rechtsgrundlage zu trennen versucht. Letztere sei von den positiven Rechtssätzen der Gesamtrechtsordnung abhängig, so daß die Verträge n u r als Tatbestände dieser positiven Rechtsordnung fungierten. 31 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 251 f.

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

kann nur aufrecht erhalten werden, wenn über die Geltung eines Vertrages die Rechtsordnung entscheidet. Das bedeutet, daß allein der positiven Gesetzesnorm oder vor allem der Verfassungsnorm die Entscheidung darüber obliegt, wann ein gültiger Vertrag vorliegt oder nicht. 2. Die normative Theorie

Demgemäß hat schon O. Mayer 32 einen Vertrag nur dann für wirksam gehalten, wenn zugleich ein Rechtssatz besteht, wonach der Vertragsinhalt verbindlich sein soll. Dieser Rechtssatz (Sanktion) „pacta sunt servanda" prägt gewissermaßen die Willensäußerung des Vertrages zur Norm. Der Geltungsgrund des Abkommens und die dem Vertrage inhärente Rechtsverbindlichkeit w i r d hier also i n einer beide Seiten bindenden Norm des Inhalts gesehen, daß der Vertrag zu halten sei. Diese normative Theorie ist heute als herrschend anzusehen 33 . Sie läßt über die Verbindlichkeit des Vertrages letztlich nicht die Vertragspartner, sondern übergeordnete Rechtssätze entscheiden. Der Vertrag ist demnach selbst auch ein Rechtssatz, dessen Inhalt nur i n besonderer Weise festgestellt wird. Rechtsgeschäft und Rechtssatz sind nach dieser Theorie keine voneinander unabhängigen Rechtsquellen. Der Vertrag ist die tatbestandsmäßige Konkretisierung eines Rechtssatzes, der hinsichtlich Abschluß und inhaltlicher Gestaltung i m einzelnen gewisse Möglichkeiten, die alle rechtlich vertretbar sind, zur freien Wahl stellt. Ist also der Geltungsgrund der Bund-Länder-Abkommen letztlich i n dem allgemeinen Rechtssatz pacta sunt servanda zu erblicken, dem das moderne Rechtsbewußtsein „als einem integrierenden Bestandteil der abendländischen Rechtsidee und damit unseres gesamten Kultursystems umfassende Geltung" zuspricht 34 , so bleibt doch zu beachten, daß es sich bei diesem Satz nur u m eine Sammelbezeichnung für die i m Einzelfall anzuwendende sanktionierende Rechtsnorm handeln kann, u m dann die weitergehende Frage klären zu können, wann ein pactum servandum vorliegt. Erscheint die Frage nach dem Geltungsgrund der Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern somit hinreichend geklärt, so stellt sich die Frage, nach welcher Rechtsordnung die m i t dem Abschluß dieser Verwaltungsabkommen zusammenhängenden Probleme zu beurteilen sind. Diese Frage läßt sich i m System des Grundgesetzes eindeutig beantworten. Während zur Zeit der alten Reichsverfassung von 1871 noch zum Teil das Völkerrecht als maßgebend angesehen wurde 3 5 , ist 32

Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Bd., S. 431. Vgl. Forsthoff , a.a.O., S. 253 m i t weiteren Nachweisen; auch Kölble, D Ö V 1960, S. 655. 34 Forsthoff , a.a.O., S. 253. 35 Vgl. die Nachweise bei Ficker, a.a.O., S. 11 ff. 33

insbesondere

1.Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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schon seit Bestehen der Weimarer Republik anerkannt, daß sich Abkommen zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten nur nach der Rechtsordnung des Gesamtstaates beurteilen lassen 36 . Dieser Grundsatz ist für die interföderationsrechtlichen Verträge des Bundes m i t den Ländern allgemein anerkannt 3 7 . IV. Die Grenzen der Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern 1. Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab

Bei der Prüfung der Grenzen, die der Zulässigkeit der Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern gesetzt sind, muß berücksichtigt werden, daß das Grundgesetz selbst keine diesbezüglichen konkreten Aussagen enthält, und diese daher anhand der Strukturprinzipien der Verfassung vorzunehmen sind. Dabei folgt schon aus der Darlegung des rechtlichen Wesens der Verwaltungsabkommen, ihres Geltungsgrundes und vor allem ihrer bundesstaatlichen Funktion, daß der Abschluß von Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern grundsätzlich einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung, die nur i n einem Bundesgesetz enthalten sein könnte, nicht bedarf. Denn ihre Bejahung würde dem Grundsatz der Gewaltenteilung insofern widersprechen, als er den eigenständigen Bereich der Exekutive auf diesem Gebiet planerischer Initiativen und Durchführungsfunktionen gesetzlich fixierter Aufgaben i n einem Maße beschneiden würde, das der Eigenverantwortung und Organisationsbefugnis der Exekutive bei der Verwaltungsführung und damit der Erfüllung grundgesetzlich zugewiesener Kompetenzen zuwiderliefe. Zum anderen würde eine solche bundesgesetzliche Ermächtigung auch gegen das Bundesstaatsprinzip verstoßen, weil sie den Landesregierungen die Abschlußmodalitäten für Verwaltungsabkommen diktieren würde. Es ist m i t der Eigenstaatlichkeit der Länder, zu der auch die wichtige Befugnis des Vertragsschlusses gehört, nicht vereinbar, für eine solche Abschlußkompetenz eine bundesgesetzliche Ermächtigung zu fordern 3 8 . Somit beschränkt sich die Prüfung der Zulässigkeit einzelner i n den Verwaltungsabkommen vorgesehener Regelungen i m wesentlichen auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätze. Dabei sollen naturgemäß i m Mittelpunkt der Betrachtung die verfassungsrechtlich zulässigen Beteiligungen der Partner an der Erfüllung der jeweiligen Gemeinschaftsaufgaben stehen und daher die Prüfung der Zulässigkeit i n erster Linie am Maßstab der Verfassungsnormen vorgenommen werden, die das Bund-Länder-Verhältnis regeln. 36 37 38

Ficker, a.a.O., S. 167 ff. BVerfGE 1, S. 13, Leitsatz 17. Ebenso — allerdings ohne Begründung — Kölble, D Ö V 1960, S. 656.

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

Somit sollen die verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsschranken für die drei festgestellten Haupttypen der Verwaltungsabkommen, nämlich die Koordinierungs-, Interpretations- und Delegations- bzw. Mandatsabkommen i n erster Linie unter den Gesichtspunkten des allgemeinen bundesstaatlichen Aufbauprinzips, der grundsätzlichen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, der grundgesetzlich festgelegten Form und des Maßes der gegenseitigen Ingerenzrechte der Verwaltungen des Bundes und der Länder sowie unter den Aspekten einer Bindung oder Übertragung von Zuständigkeiten und Ingerenzrechten festgestellt werden 3 9 . 2. Die Schranke des bundesstaatlichen Aufbauprinzips

Als erste Schranke muß also das bundesstaatliche Aufbauprinzip beachtet werden. Dadurch w i r d die Zulässigkeit des Abschlusses von Verwaltungsabkommen i n verschiedener Hinsicht eingeschränkt. Soweit sich aus dem Grundgesetz ergibt, daß eine Einrichtung nur i n einer bestimmten Gestalt errichtet werden darf, sei es als Behörde oder selbständige Anstalt oder aber Körperschaft des öffentlichen Rechts, so sind Bund und Länder auch bei Abschluß eines Verwaltungsabkommens daran gebunden. Sie sind dann also hinsichtlich der Organisationsform nicht frei, w e i l man dem Grundsatz insoweit einen organisatorischen Typenzwang entnehmen kann, der neben den Typenzwang der Verwaltungsformen (wie A r t . 84, 85 GG) t r i t t . Das bundesstaatliche Aufbauprinzip als grundgesetzimmanente Schranke muß auch i n den Fällen echter fakultativer Bundesverwaltung gewährleistet bleiben. Der Bund ist i n diesen Fällen verfassungsrechtlich nicht gezwungen, Verwaltungen einzurichten; wenn er sie aber schafft, müssen sie als Bundesverwaltungen geführt werden, wie sich aus A r t . 87 Abs. 1 GG ergibt 4 0 . Auch i n den sonstigen Fällen, i n denen das Grundgesetz die Organisation der Bundesverwaltung näher bestimmt, steht die Organisationsform m i t Rücksicht auf verbindliche Feststellung der Verfassungsnorm nicht zur Disposition der Vertragspartner. Das gilt beispielsweise für 59 Daneben dürfen selbstverständlich auch andere verfassungsrechtliche Grundsätze nicht verletzt werden. So ist insbesondere der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g m i t dem durch i h n bezeichneten Vorrang des Gesetzes u n d dem Vorbehalt des Gesetzes zu beachten. Ebenso muß das Prinzip der Gewaltenteilung gewahrt bleiben, so daß die legislativen oder j u d i k a t i v e n Gewalten durch die A b k o m m e n nicht zu einem T u n oder U n t e r lassen verpflichtet werden können. Da diese allgemeinen Grundsätze jedoch bei jedem hoheitlichen Handeln zu beachten sind u n d keine spezifische Aussage über die hier interessierenden Beteiligungsgrade verfassungsrechtlich gebilligter föderativer Kooperation zulassen, seien sie hier n u r a m Rande erwähnt u n d als allgemeine Zulässigkeitsbedingung ohnehin vorausgesetzt. 40

Vgl. Mayer, V e r w a l t u n g von B u n d u n d Ländern, a.a.O., S. 51.

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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A r t . 87 Abs. 2 GG, für A r t . 87 b, 87 d oder A r t . 90 GG. Auch dort, wo für die Schaffung bestimmter Organisationen die Gesetzesform vorgeschrieben ist, wie i n A r t . 87 Abs. 3 GG, kann diese nicht i m Wege der Vereinbarung umgangen werden. Die verbindlichen Strukturprinzipien des i n A r t . 20 GG statuierten bundesstaatlichen Charakters der Bundesrepublik sind also auch den Bund-Länder-Abkommen zugrundezulegen. 3. Die Grenze der grundgesetzlich statuierten Zuständigkeitsverteilung

Schwieriger ist die Abgrenzung verfassungsrechtlich zulässiger Gestaltungsmöglichkeiten vorzunehmen, wo die grundgesetzliche Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern durch die A b kommen tangiert wird. Nach einhelliger Auffassung i n Schriftum 4 1 und Rechtsprechung 42 schränkt die grundgesetzliche Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern die Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen ihnen insofern ein, als die hiernach bestehenden Zuständigkeiten des Gesamtstaates auf der einen und der Gliedstaaten auf der anderen Seite durch Verwaltungsabkommen nicht verändert, also nach keiner Seite weder erweitert noch eingeschränkt werden können. Da die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung auf der pouvoir constituant des Volkes beruht, kann sie nicht durch Verzicht derogiert werden 4 3 . Umstritten ist jedoch die Frage, inwieweit Zuständigkeiten des Bundes und der Länder zur Ausübung bzw. Wahrnehmung delegiert werden dürfen oder aber Befugnisse zur Wahrnehmung i n fremdem Namen übertragen werden können. Während letztere am wenigsten auf Ablehnung stößt, w e i l es sich u m einen Fall des Mandats, nicht der Delegation handele 44 , w i r d die Übertragung der Zuständigkeiten zur Ausübung meist für verfassungswidrig gehalten 45 . Eine solche Delegation quod usum w i r d dabei als Einbruch i n die grundgesetzlich gewährleistete Kompetenzordnung gewertet. Die Unterscheidung von Delegation und Mandat geht auf Triepel 46 zurück, der Delegation als Kompetenzver41 Vgl. z.B. Maunz-Dürig, A r t . 20 Rdnr. 17; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 243, 244; Gross, D V B L 1969, S.94,95; ders. N J W 1967, S. 1002; Grawert, a.a.O., S. 164 f.; Herzog, JuS 1967, S. 198, 199; Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 36; Sturm, a.a.O., S. 471, 472; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 155; Kölble, D Ö V 1960, S. 457. 42 BVerfGE 1, S. 35; B V e r w G , D Ö V 1966, S. 415 ff. 43 Ä h n l i c h Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 20 GG, Rdnr. 17. 44 Vgl. Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 32 Rdnr. 44; A r t . 83, Rdnr. 39; ders. N J W 1962, S. 1644; ders. B a y V B L 1966, S.2; Gross, D V B L 1969, S.95; Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 36; Zeidler, D V B L 1960, S. 578; Grawert, a.a.O., S. 193. 45 Gross, D V B L 1969, S.95; Grawert, a.a.O., S. 186 ff.; Kölble, DÖV 1960, S. 656; ders. Gemeinschaftsaufgaben, S. 33; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 155, 156. 46 Delegation u n d Mandat i m öffentlichen Recht, 1942.

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

Schiebung definiert, die gleichzeitig Abschiebung und Zuschiebung einer Zuständigkeit beinhaltet, wobei beides auf dem Willen dessen beruht, der an Zuständigkeit verliert. Das Mandat, erklärt Triepel, sei demgegenüber der Auftrag zur Ausübung einer fremden Kompetenz. Das Mandat werde durch den Inhaber der Kompetenz (den Mandanten) einem anderen Subjekt (dem Mandatar) erteilt 4 7 . Anders als die Delegation nehme das Mandat keinerlei Veränderungen an der Kompetenzordnung vor 4 8 . Von dieser Unterscheidung ausgehend, die eine Delegation als eine Übertragung der Zuständigkeit als solcher oder zumindest zum Gebrauch, ein Mandat hingegen als Übertragung der Ausübung einer Zuständigkeit unter Belassen der Zuständigkeit als solcher bei ihrem gesetzlich bestimmten Inhaber begreift, w i r d man ein bloßes Mandatsabkommen für verfassungsrechtlich unbedenklich halten können, weil es die grundgesetzliche Kompetenzordnung überhaupt nicht tangiert, sondern nur vorübergehend Befugnisse zur Wahrnehmung in fremdem Namen überträgt. Aber auch eine Delegation quoad usum kann i m Gegensatz zu einer Delegation quoad substantiam nicht generell unzulässig sein. Dort, wo sich nach der Gesamtanlage des Grundgesetzes eine besonders enge Verzahnung der Aufgabenstellung ergibt und das Grundgesetz von einer faktischen Gemengelage der Bundesund Landeszuständigkeiten ausgeht 49 , so daß von einer bundesstaatlichen Gesamtaufgabe gesprochen werden kann, w i r d man annehmen müssen, daß das Grundgesetz die erforderliche Übertragung stillschweigend zuläßt 5 0 . I n diesen Bereichen muß auch die Übertragung der Ausübung einer Kompetenz als solcher zulässig sein 51 . Dem Einwand, daß i n diesem Fall die Delegation der Zuständigkeit zur Ausübung praktisch dasselbe wie die endgültige Zuständigkeitsübertragung bedeute, solange die Delegation dauert 5 2 , ist entgegenzuhalten, daß bei der Delegation quoad usum nur eine temporäre Zuständigkeitsübertragung stattfindet und der ursprüngliche Inhaber der Kompetenz diese jederzeit wieder an sich ziehen kann. I m übrigen entzieht ja auch das Mandat für die 47

Triepel, a.a.O., S. 23. Triepel, a.a.O., S. 26. 49 Als Beispiele nennt Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 34, A r t . 73 Nr. 9, A r t . 74 Nr. 11 u n d A r t . 74 Nr. 16; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 28, 29 zählt zu den gesamtstaatlichen Aufgaben die öffentliche Sicherheit und Ordnung, das Rundfunkwesen, den Wohnungsbau, die Wirtschaftsförderung u n d die Entwicklungshilfe. 50 Schäfer, D Ö V 1960, S. 644; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 33. 51 Dem ist auch die Staatspraxis i n weiten Bereichen gefolgt. So bei den bereits zitierten Beispielen der A b k o m m e n über die Übertragung der Ausübung der Paßnachschau u n d schiffahrtspolizeilicher Vollzugsaufgaben auf Landesbehörden, sowie der Übertragung gewisser Befugnisse der bundeseigenen Finanzverwaltung auf die Finanzämter der Länder durch § 9 des Ersten Gesetzes über die Finanzverwaltung, vgl. oben Abschn. C, 1. Kap., 1.4. 52 So Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 36, 37; Grawert, a.a.O., S. 189. 48

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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Dauer seiner Geltung dem Mandanten die faktische Herrschaftsmacht, ohne daß dies für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten würde. Zusammenfassend w i r d man also Mandatsabkommen und i n dem beschränkten Umfang der kompetenzmäßigen Ausübungsübertragung auch Delegationsabkommen zwischen Bund und Ländern als Formen der von beiden wahrzunehmenden Gemeinschaftsaufgaben für zulässig halten können 5 3 . Eine damit i n engem Zusammenhang stehende Frage ist die nach der Zulässigkeit von Interpretationsabkommen, die an dieser Stelle nur kurz grundsätzlich erörtert werden soll, w e i l sie i m Zusammenhang m i t dem vom Gutachten für die Finanzreform und dem Finanzreformprogramm der Bundesregierung vorgesehenen sogenannten Flurbereinigungsabkommen über das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben i m einzelnen zu prüfen sein w i r d 5 4 . Gegen solche Abkommen, die dazu dienen, Zweifel an dem Verlauf der durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen der beiderseitigen Zuständigkeiten zu beseitigen und eine Einigung der beteiligten Verwaltungen auf eine übereinstimmende Rechtsauffassung über die Auslegung des Grundgesetzes herbeizuführen, sind verschiedentlich verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht worden 5 5 . Diese richten sich i n erster Linie dagegen, daß hier grundgesetzlich verbindlich statuierte Zuständigkeitsverteilungen modifiziert werden sollen und i m Wege der Auslegung nach dem Grundsatz „volenti non fit iniuria" neue Bundeszuständigkeiten geschaffen würden. Ein solches Verfahren widerspreche der Würde der Verfassung, bei deren Auslegung es notwendig nur ein Ergebnis geben könne, über das letztlich nur das Bundesverfassungsgericht verbindlich entscheide, nicht dagegen die Exekutive. Zum anderen sei eine solche interpretatorische Vereinbarung ohne rechtliche Bedeutung, w e i l sie i m Falle einer falschen Auslegung irrelevant sei und auch bei richtiger Ausgestaltung trotzdem nicht sie sondern nach wie vor das Grundgesetz Geltungsgrund für das Vereinbarte sei 56 . Diese Auffassung verkennt aber Wesen und Zweck der Interpretationsabkommen, die nicht die grundgesetzliche Kompetenzaufteilung modifizieren wollen, sondern nur eine Regelung der Ausübung von Zuständigkeiten auf Grund der durch das Grundgesetz festgelegten Ver63 So vor allem Maunz, i n : Maunz-Dürig, A r t . 32 Rdnr. 44, A r t . 83 Rdnr. 39; ders. B a y V B L 1966, S. 2; Gross, D V B L 1969, S.95; ders. N J W 1967, S. 1002; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 33; Herzog, JuS 1967, S. 198. 54 Vgl. dazu unten 2. Hauptteil, Abschn. B, 2. Kap. I. 55 V o r allem von Liebrecht, D V B L 1967, S. 72; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 155, 156 m i t F N 96; neuerdings w o h l auch Lerche, A k t u elle föderalistische Verfassungsfragen (1968), S. 22. 58 Vgl. diese Argumentation bei Liebrecht, a.a.O., S. 72.

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Tiemann

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

teilung dieser Zuständigkeiten treffen 5 7 . Eine „Pflicht zur Uneinigkeit", wie sie Maunz 58 für die Länder verneint, läßt sich auch für das BundLänder-Verhältnis nicht postulieren. Solange das Grundgesetz für die Verfassungsgerichtsbarkeit beim Antragsprinzip bleibt, ist es den Parteien möglicher Kompetenzprozesse unbenommen, sich zu einigen, daß ein Prozeß überhaupt nicht entsteht. Das Bundesverfassungsgericht ist an eine wirklich kompetenzverschiebende Vereinbarung ohnehin nicht gebunden, wenn i h m diese i n irgendeinem anderen Zusammenhang vorgelegt w i r d 5 0 . Solange die Abkommen daher nur zur Behebung von Überschneidungen und Auslegungszweifeln dienen, ist ihre Zulässigkeit zu bejahen 60 , zumal nicht einzusehen ist, warum die Würde der Verfassung durch eine i h r gemäße und von ihr sogar vorausgesetzte bundesfreundliche Kooperation von Bund und Ländern verletzt werden könnte. 4. Die Beschränkung auf die verfassungsrechtlich fixierten Formen und Ausmaße der wechselseitigen Ingerenzrechte

Bei den Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, i n denen eine formelle oder materielle Koordination der Befugnisse vorgesehen ist, taucht das schon eingehend erörterte Problem der Verbindlichkeit der grundgesetzlich festgelegten Form und des Ausmaßes der gegenseitigen Ingerenzrechte der Verwaltungen des Bundes und der Länder auf 6 1 . Auch hier gilt ebenso wie bei der formlosen Koordinierung durch Rundschreiben, Richtlinien und Empfehlungen, daß weder der verfassungsrechtlich erschöpfend geregelte Kreis der Einflußrechte der Bundesverwaltung gegenüber den Länderverwaltungen seinem Umfang oder Inhalt nach durch Verwaltungsabkommen modifiziert werden kann, noch das Ausmaß der Mitwirkungsrechte des Bundesrates erweitert werden kann. Dem Bund kann also dort, wo i h m das Grundgesetz 57 Vgl. Kölble, D Ö V 1960, S. 657. Insofern ist die K r i t i k Kleins (Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 156 F N 96), an Maunz (Die K u l t u r h o h e i t der Länder i n „Föderalistische Ordnung" (1961), S. 12 f.) nicht zutreffend, w e n n er diesem die Auffassung unterstellt, durch die Interpretationsabkommen könnte die Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes „ k o r r i g i e r t " w e r den. Auch daß allein das B V e r f G zu einer authentischen Auslegung der Verfassung berufen ist, verkennt Maunz nicht (vgl. B a y V B L 1966, S. 2 und besonders S. 4). W a r u m allerdings einer „gütlichen Verständigung über bestrittene Fragen" (Maunz, K u l t u r h o h e i t , S. 13) jede rechtliche Verbindlichkeit fehlen soll, vermag Klein nicht darzutun. 58 N J W 1962, S. 1641 ff. 59 Herzog, JuS 1967, S. 198, 199. 60 Kölble, D Ö V 1960, S.657; Maunz, B a y V B L 1966, S. 1 ff.; ders. K u l t u r hoheit, S. 12 ff.; Gross, D V B L 1969, S. 95; Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 33 hält die Seltenheit dieser A b k o m m e n f ü r „erstaunlich". 61 Siehe oben Abschn. A , 3. Kap., I I . 2.; Abschn. B, 1. Kap., I. 5.

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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kein Ingerenzrecht verleiht, auch durch Verwaltungsabkommen m i t den Ländern nicht die Befugnis zum Erlaß Allgemeiner Verwaltungsvorschriften, zur Ausübung der Bundesaufsicht oder zur Erteilung von Einzelweisungen eingeräumt werden 6 2 . Auch eine Mischverwaltung kann durch Verwaltungsabkommen ebenso wie bei den formlosen oder faktischen Koordinationsmodalitäten nicht geschaffen werden, so daß darin keine Bindung der Landesbehörde beim Erlaß von Verwaltungsakten an das Einvernehmen, die Zustimmung oder ein Einspruchsrecht von Bundesbehörden vereinbart werden darf 6 3 . Wenn demgegenüber i n der Staatspraxis ein gemeinschaftliches Vorgehen von Bund und Ländern anzutreffen ist, das sich bei den Koordinierungsabkommen i n Gestalt der Einräumung eines technischen oder beratenden Mitwirkungsrechts, der gegenseitigen Unterrichtung über i m Rahmen des eigenen Zuständigkeitsbereichs anfallende Erkenntnisse und Maßnahmen oder aber der gemeinsamen Erörterung der i n den eigenen Zuständigkeitsbereich fallenden Planungen ausprägt, so begegnet eine solche konzertierte Verfahrensweise keinen verfassungsrechtlichen Bedenken 64 . Insbesondere steht ihr auch nicht das Verbot der Mischverwaltung entgegen, das lediglich die entscheidende Mitbeteiligung des Bundes i n Landesangelegenheiten verbietet, soweit diese nicht von der Verfassung vorgesehen ist 6 5 , nicht aber eine bundesstaatliche Kooperation hindert, die die eigenverantwortliche und selbständige Aufgabenerfüllung der Länder nicht beeinträchtigt. Als Beispiel für ein solches Koordinationsabkommen, durch das eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern mittels Verwaltungsvereinbarung zwischen den Partnern durch gegenseitige Unterrichtung und gemeinsame Erörterung abgestimmt wird, bietet sich besonders das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Raumordnung nach § 8 des Raumordnungsgesetzes an 6 6 . Dieses Abkommen sieht vor, daß i n einer Ministerkonferenz für Raumordnung solche Angelegenheiten der Raumordnung, die das Bundesgebiet i n seiner Struktur betreffen, von den zuständigen 62 Vgl. zu diesem Problemkreis u n d auch zum Folgenden die eingehenden Erörterungen oben Abschn. B, 1. Kap., I. 3. 63 A . A . Kölble, D Ö V 1960, S. 658, der allerdings diese Vorbehaltsrechte des Bundes unrichtigerweise als verfassungsrechtlich zulässige M i t v e r w a l tung einstuft. Dazu, daß hier jedoch echte verfassungswidrige Misch Verwaltung geschaffen w i r d , siehe oben Abschn. B, 1. Kap., I . 3. 64 Vgl. Gross, D V B L 1969, S. 95; Herzog, JuS 1967, S. 198, 199; Kölble, D Ö V 1960, S. 358; ders. Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 31,32. 65 BVerfGE 11, S. 77 ff. (S.88); zutreffend auch Gross, D V B L 1969, S.95; ähnlich schon Röttgen, D Ö V 1955, S. 487; v.Mangoldt, a.a.O., A n m . 2, Abs. 2 zu A r t . 84, S. 454 u n d Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 135. 66 Siehe BAnz. 1967 Nr. 122; ähnlich schon das dieser Vereinbarung zugrundeliegende A b k o m m e n v o m 16.12.1957 ( G M B L 1958, S. 54).

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

Landesministerien m i t der Bundesregierung zu erörtern sind, während Angelegenheiten der Raumordnung, die i n ihren Auswirkungen über die Grenzen eines Bundeslandes hinausreichen, von den beteiligten Landesregierungen, und, soweit Zuständigkeiten des Bundes berührt sind, von ihnen und der Bundesregierung gemeinsam erörtert werden. Ebenfalls w i r d i n diesem Abkommen eine wechselseitige Unterrichtung der Bundes- und Landesbehörden über die i n ihrem Zuständigkeitsbereich beabsichtigten „raumbedeutsamen" Maßnahmen statuiert. Gerade diese Vereinbarung zeigt deutlich, wie die Vertragspartner die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern respektieren, zumal die Beratungsergebnisse der durch das Abkommen begründeten Ministerkonferenz für Raumordnung nur den Charakter von Empfehlungen tragen 6 7 . Stehen somit Ausmaß und Form der verfassungsrechtlich festgelegten Ingerenzrechte grundsätzlich 88 nicht zur Disposition vertraglicher Regelung der Koordinierungsabkommen, so ist es doch eine andere Frage, ob der Bund oder ein Land i n einem Verwaltungsabkommen Bindungen hinsichtlich der Ausübung seiner Kompetenzen über Ingerenzrechte eingehen kann. Daß eine solche Bindung nicht zu einem faktischen Verzicht auf Einwirkungsbefugnisse — besonders bei subordinationsrechtlich geprägten Bund-Länder-Beziehungen — führen darf, wurde bereits i m Zusammenhang m i t formlosen Koordinationsmodalitäten beim verwaltungsmäßigen Gesetzesvollzug dargelegt 69 . Dennoch w i r d eine Bindung nicht generell für unzulässig zu halten sein. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß ein Land, das nach dem Grundgesetz bestimmten Ingerenzrechten der Bundesverwaltung wie der Bundesaufsicht oder Einzelweisungsbefugnissen unterliegt, sich i n einem Verwaltungsabkommen zu einer entsprechenden Ausübung seiner Kompetenzen i n bestimmtem Sinne verpflichtet. Denn es kann nach der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes nicht unzulässig sein, daß ein Land eine Verpflichtung, die i h m durch einseitigen A k t der Bundesverwaltung auferlegt werden könnte, durch einen entsprechenden Vertrag übernimmt 7 0 . 67 So auch Gross, D V B L 1969, S. 95 unter Hinweis auf Streicher, Der Gemeindetag 1967, S. 324 f. 68 Eine Ausnahme bildet das A b k o m m e n zwischen B u n d u n d Ländern über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien v o m 27.10.1950, i n dem sich die Länder dem Bunde gegenüber verpflichten, bei der A u s w a h l der Bewerber u n d der Einrichtung, Ausbildung u n d Ausrüstung der Bereitschaftspolizeien nach allgemeinen Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien der Bundesregier u n g zu verfahren. Die i n diesem A b k o m m e n vereinbarte Einflußnahme des Bundes w i r d man aber i m H i n b l i c k auf die Sonderregelung des A r t . 91 Abs. 2 GG für notwendig u n d rechtlich zulässig halten dürfen; vgl. Maunz-Dürig, A r t . 32 Rdnr. 67; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 34, 35. 69 Siehe dazu oben Abschn. A , 3. Kap., I I . 2.; Abschn. B, 1. Kap., I. 5., I I . 4. 70 Vgl. Kölble, D Ö V 1960, S.659; Maunz, K u l t u r h o h e i t , S. 12 f.; ders. BayV B L 1966, S. 3.

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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Umgekehrt kann sich auch der Bund bei der Ausübung seiner Zuständigkeiten und Regelungsbefugnisse i n bestimmter Weise binden, wenn dies zur Vermeidung von Schwierigkeiten notwendig ist, die beim Vollzug von Gesetzen auftreten. Allerdings gilt auch hier das Prinzip: Kompetenz geht vor Vertrag, so daß der Abschluß eines Vertrages den Bund grundsätzlich nicht daran hindern kann, von seinen Einwirkungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen 71 . Dagegen ist die vertragliche Übernahme derartiger Verpflichtungen dort überhaupt unzulässig, wo keine wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeiten bestehen. So darf der Bund beispielsweise den Landesverwaltungen gegenüber nicht die Verpflichtung übernehmen, Kompetenzen der Bundeseigenverwaltung i n einem bestimmten Sinne auszuüben, weil deren Verwaltungsführung die der Länder nicht berührt. Aus dem gleichen Grund können auch die Länder hinsichtlich des ihnen vom Grundgesetz zur freien und eigenverantwortlichen Gestaltung zugewiesenen Teils ihrer staatlichen Betätigung solche Verpflichtungen dem Bund gegenüber nicht eingehen. Das gilt jedoch nur, soweit ein Gebiet den Ländern ausschließlich zugewiesen ist, nicht jedoch, soweit auf diesem Gebiet auch eigene Verwaltungszuständigkeiten des Bundes bestehen 72 . Gerade i n solchen Bereichen, i n denen Bund und Länder jeweils für die eigene Sphäre zur Regelung eng zusammenhängender Angelegenheiten „nebeneinander" zuständig sind, bieten sich Abkommen zur Koordinierung der jeweils zu erlassenden und unabhängig voneinander geltenden Gestaltungsformen dieser Materien als M i t t e l konzertierter Verfahrensweisen an 7 3 . Das gleiche gilt für Abkommen zur Vermeidung von Doppelzuständigkeiten und Überschneidungen auf dem Gebiet der Verwaltung, soweit Ungewißheit darüber besteht, welche Befugnisse i n die Zuständigkeit des Zentralstaates und welche i n die der Gliedstaaten fallen 7 4 . Solche Abkommen sind insoweit deklaratorisch gültig, als die darin vorgenommene Kompetenzverteilung und Bindung der Befugnisse der wirklichen Rechtslage entspricht. Eine konstitutive Wirkung bezüglich einer von der Rechtslage abweichenden Verteilung der Zuständigkeiten und Bindung der Kompetenzen kommt ihnen hingegen nicht zu 7 5 . 71

Maunz y B a y V B L 1966, S. 3. Kölble, D Ö V 1960, S. 659. 73 Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 155 w i l l die Zulässigkeit von Verwaltungsabkommen zwischen B u n d u n d Ländern überhaupt n u r i n diesem beschränkten Rahmen gelten lassen. 74 Vgl. das Münchener A b k o m m e n v o m 23. 3.1950 zum Vollzug des Energiewirtschaftsgesetzes, siehe dazu Maunz-Dürig, A r t . 32 GG, Rdnr. 75. 75 So Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 32 GG, Rdnr. 75; ders. B a y V B L 1966, S. 3, wo er sich u m eine K l ä r u n g des Verhältnisses der Bundesaufsicht zu vertraglichen Vereinbarungen bemüht, wobei er der Bundesaufsicht 72

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

Eine solche Bindung kommt vor allem aber dort i n Betracht, wo Bund und Länder den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum durch Vereinbarung einengen. Gegen solche Abkommen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da sie sich darauf beschränken, eine grundgesetzlich zugewiesene Kompetenzensphäre auszugestalten, die die Verfassung insoweit innerhalb der durch sie gezogenen Schranken zur Disposition des Trägers der Verbandskompetenz gestellt hat. Daher wäre auch das i m Zusammenhang m i t der parlamentarischen Debatte über das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft erörterte Abkommen zwischen Bund und Ländern über die Koordination der Haushaltswirtschaft 76 , durch dessen Abschluß eine Änderung des A r t . 109 GG überflüssig geworden wäre, verfassungsrechtlich zulässig gewesen. Zwar hätten sich die Partner nicht derart binden können, daß damit die haushaltswirtschaftliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit ausgehöhlt worden wäre. Eine bloße konjunkturelle Koordinierung der Haushaltswirtschaft zur Schaffung der Voraussetzungen für eine antizyklische staatliche Finanzwirtschaft und eines wirtschaftlichen Gleichgewichts überhaupt, hätte bei verfassungsgerechter Ausgestaltung und insbesondere einer Kündigungsmöglichkeit der Vertragspartner 7 7 keinen Einbruch i n die grundgesetzlich gewährleistete Haushaltshoheit der Länder bedeuten müssen. Bestimmte Bindungen, die die Zuständigkeiten und die Eigenverantwortlichkeit der Vertragspartner nicht einschränken — was i m übrigen auch dem Charakter dieser Verfahrensweise als Gemeinschaftsaufgabe zuwiderlaufen würde — können also auch durch die Verwaltungsabkommen und besonders durch die hier i n Betracht kommenden Verträge formeller oder materieller Koordination vorgesehen werden. Zusammenfassend lassen sich die Verwaltungsabkommen als Instrument partnerschaftlicher Koordination und konzertierter Aufgabenerfüllung bezeichnen, die dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben entsprechen, w e i l sie unter Beachtung der grundgesetzlich fixierten Zuständigkeitsbereiche und materieller Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit eine optimale Lösung gemeinschaftlich wahrzunehmengrundsätzlich den Vorrang gibt u n d sie n u r i n Ausnahmefällen m i t Rücksicht auf das Prinzip der Bundestreue subsidiär hinter ein vertragliches V o r gehen zurücktreten läßt. 78 Vgl. hierzu die Ausführungen des damaligen Bundeskanzlers Erhard u n d des seinerzeitigen Wirtschaftsministers Schmücker, sowie der Abg. Schiller, Barzel, Starke, Luda, Staratzke i n der 55. B T - S i t z u n g am 14. 9.1966 (Sten. Ber. S. 2657, 2659, 2674, 2676, 2682, 2693, 2697) sowie der Abg. Lenz, Genscher, Jahn, Pohle, Strauß u n d des damaligen Justizministers Jaeger i n der 56. B T - S i t z u n g a m 15. 9.1966 (Sten. Ber. S. 2727, 2728, 2730, 2759, 2775, 2793); vgl. dazu auch Patzig, D V B L 1966, S. 672 ff. (S. 674); ders. A Ö R 92 (1967) S. 347 ff. (349). 77 Diesen Gesichtspunkt betont Gross, D V B L 1969, S. 95, der insoweit eine Parallele zu den Zwischenländereinrichtungen zieht.

1. Kap.: Koordination durch Verwaltungsabkommen

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der Aufgaben auf der Grundlage prinzipieller Gleichordnung gewährleisten. Insofern stellt die immer intensiver werdende Zusammenarbeit von Bund und Ländern m i t dem durch die Verwaltungsabkommen erzielten Koordinationseffekt i n mannigfaltigen Formen keine Denaturierungserscheinung des bundesstaatlichen Aufbaus dar 7 8 , sondern ist Ausdruck eines gewandelten föderativen Selbstverständnisses, das Bund und Länder als Partner einer i m Interesse des Gemeinwohls zu koordinierenden Zusammenarbeit begreift.

78 Das befürchtet Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 41, der allerdings von der grundsätzlichen Uberordnung des Gesamtstaates ausgeht und eine zu weitgehende partnerschaftliche Gleichordnung m i t seinen Gliedern vermeiden w i l l . E i n solches bundesstaatliches Aufbauprinzip ist aber nicht der S t r u k t u r des Grundgesetzes immanent, das n u r i n Ausnahmefällen eine Unterordnung der Länder zum Ausdruck bringt. A n anderer Stelle (DÖV 1960, S. 661) r ä u m t Kölble aber selbst ein, daß die Verwaltungsabkommen „dem Wesen der bundesstaatlichen S t r u k t u r durchaus entsprechen."

Zweites

Kapitel

Die Institutionalisierung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Rahmen von Gemeinschaftsaufgaben I . D i e Institutionalisierung aufgrund v o n Verwaltungsabkommen

1. Die Arten der institutionalisierten Kooperation in Form von Koordinierungsgremien

Diese vertragliche Kooperation von Bund und Ländern hat i n zahlreichen Fällen eine institutionelle Verfestigung erfahren, die sich i m Rahmen koordinierter Vereinbarungen i n der Form permanenter Zusammenarbeit ausprägt Einen der wichtigsten Grundtypen der Institutionalisierung bundesstaatlicher Zusammenarbeit stellen dabei die zahlreichen Koordinierungsgremien dar, die einen unterschiedlichen Intensitätsgrad aufweisen, der proportional ihrer rechtlichen Verselbständigung und Betrauung m i t eigenen Aufgaben zunimmt. Daher sollen die mannigfaltigen Koordinierungsgremien, die nur beschränkte sachliche Funktionen i m Rahmen der Behördenorganisation wahrnehmen, hier nicht i m Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zu letzteren zählen die interministeriellen Ausschüsse oder sonstigen koordinierenden Fachausschüsse, denen w i r schon i m Zusammenhang m i t der Untersuchung koordinierten Gesetzesvollzugs begegnet sind 1 , die aber oft nur auf losen Absprachen beruhen und sich von Zeit zu Zeit nach Bedürfnis konstituieren, ohne über sächliche oder personelle Unabhängigkeit zu verfügen, sondern gänzlich eingegliedert bleiben i n die jeweiligen Verwaltungen des Bundes und der Länder. Demgegenüber sind teilweise durch Verwaltungsabkommen vornehmlich auf dem Gebiete der nicht normgebundenen Verwaltung Arbeits1 So z.B. der Länderfachausschuß Straßenbaurecht oder die Ministerkonferenz f ü r Raumordnung (BAnz. 1967 Nr. 122) vgl. die zahlreichen Beispiele bei Neunreither , a.a.O., S. 105 ff.; ferner i m einzelnen Bergdoldt , a.a.O., S. 24 ff., 52, 77 ff., 108 ff.

2. Kap.: Institutionalisierung der Zusammenarbeit

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gemeinschaften gebildet worden, die selbständig und unabhängig von den Verwaltungsorganisationen Gemeinschaftsaufgaben erfüllen. Das bedeutsamste Beispiel eines solchen Koordinierungsgremiums stellt der Wissenschaftsrat dar, dessen Aufgabe nach dem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern 2 darin besteht, auf der Grundlage der von Bund und Ländern i m Rahmen ihrer Zuständigkeiten aufgestellten Pläne einen Gesamtplan für die Förderung der Wissenschaften zu erarbeiten und hierfür die Pläne des Bundes und der Länder aufeinander abzustimmen, wobei die Schwerpunkte und Dringlichkeitsstufen zu bezeichnen sind 3 . Außerdem hat er jährlich ein Dringlichkeitsprogramm aufzustellen und Empfehlungen für die Verwendung derjeniger M i t t e l zu geben, die i n den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder für die Förderung der Wissenschaften verfügbar sind. Hier wie auch i n anderen Fällen 4 werden gesamtstaatliche Belange, die i m vorliegenden Beispiel i n erster Linie unter die Kulturhoheit der Länder fallen, für die aber A r t . 74 Nr. 13 GG auch eine Bundeskompetenz geschaffen hat, dadurch gemeinschaftlich wahrgenommen, daß dem Bund unter Respektierung der jeweiligen Kompetenzen ein technisches oder beratendes Mitwirkungsrecht innerhalb eines Koordinierungsgremiums eingeräumt wird. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes w i r d schon deshalb nicht tangiert, weil diese Institutionen nur das Recht zu Empfehlungen haben und keinerlei Zuständigkeiten selbst ausüben 5 . Ihre Wirkung besteht daher nicht i n verbindlichen Regelungen und Gestaltungsbefugnissen, sondern i n ihrer Ausstrahlung i n den politischen Raum und i n ihrem Einfluß auf die öffentliche Meinung. 2. Mitwirkung des Bundes an Verwaltungseinrichtungen der Länder

Auch die M i t w i r k u n g des Bundes an Verwaltungseinrichtungen der Länder w i r d teilweise durch Verwaltungsabkommen institutionalisiert 6 . 2

V o m 5. 9.1957 ( G M B L S. 553). Vgl. z. B. die jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur B i l d u n g von Sonderforschungsbereichen an den Hochschulen (1968). 4 Vgl. z. B. das A b k o m m e n über den Bildungsrat v o m 15. 7.1965 (BAnz. 1966, Nr. 30) das den aufgrund einer formlosen Ubereinkunft zwischen B u n d u n d Ländern i m Jahre 1953 konstituierten „Deutschen Ausschuß für das Erziehungs- u n d Bildungswesen" stärker institutionalisiert. Ferner das Deutsche Polizeisportkuratorium (vom 1.12.1952 i. d. F. v o m 1.11.1957), dessen Aufgabe d a r i n besteht, die körperliche Ertüchtigung der Polizeibeamten zu fördern. 5 Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 20 GG Rdnr. 18; Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 307. 6 Beispiele hierfür sind i m Rahmen der E r f ü l l u n g der zwischen B u n d u n d Ländern aufgeteilten Gesamtaufgabe des Schutzes der öffentlichen Sicherheit u n d Ordnung die Wasserschutzpolizeischule Hamburg, i n deren K u r a t o r i u m der Bundesminister des I n n e r n durch zwei Beamte vertreten ist 8

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

Gegen solche Beteiligungen, die grundsätzlich m i t dem bundesstaatlichen Aufbauprinzip nicht i n Einklang stehen, w e i l A r t . 30, 83 GG den Ländern die Verwaltungsbefugnisse zuweist und Ausnahmen bundesmäßiger Ingerenzen der verfassungsrechtlichen Normierung vorbehält, können i m Rahmen der gesetzesfreien Verwaltung keine Bedenken erhoben werden, wenn sich aus dem Wesen der gemeinschaftlich zu erfüllenden Aufgabe eine Mitwirkungsbefugnis oder eine Legitimation des Bundes zu finanzieller Beteiligung ergibt 7 . 3. Beteiligung der Länder an Verwaltungseinriditungen des Bundes

Umgekehrt findet auch eine M i t w i r k u n g der Länder an Verwaltungseinrichtungen des Bundes statt, die meist über eine bloße Offerte der Bundesverwaltung hinaus durch Verwaltungsabkommen institutionell verfestigt wird. Verfassungsrechtlich ist eine solche Beteiligung nicht zu beanstanden, solange keine Mischverwaltung i m Bereich der gesetzesakzessorischen Verwaltung geschaffen wird. Eine fakultative Länderbeteiligung an solchen Aufgaben, die gesamtwirtschaftlichen Charakter i n dem Sinne tragen, daß sie einer engen Verzahnung der Kompetenzen von Bund und Ländern unterliegen, steht daher m i t dem bundesstaatlichen Strukturprinzip i n Einklang 8 . Ein solches Beispiel der Interdependenz der verschiedenen Kompetenzträger bilden die Bundesrundfunkanstalten „Deutsche Welle" und „Deutschland-Funk", deren Aufgabe i n der Veranstaltung von Rundfunksendungen für das Ausland und für Deutschland besteht. Hier kommt es zu einer untrennbaren Verflechtung der Gemeinschaftsaufgaben, w e i l nach dem Fernseh-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 9 die Veranstaltung von Rundfunksendungen für das Ausland und für die Deutschen, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland i n deutschen Gebieten wohnen, als Sache des Bundes, die Ausstrahlung von Rundfunksendungen für das Bundesgebiet dagegen als eine Angelegenheit der Länder anzusehen ist. Da die beiden Sender sowohl Rundfunkprogramme für das Ausland als auch für die Bundesrepublik ausstrahlen, ist eine Länderbeteiligung verfassungsrechtlich möglich 1 0 . (Abkommen v o m 15.10.1955) u n d die ähnliche Regelung beim Polizei-Instit u t H i l t r u p (Abkommen v o m 27. 9.1951 i. d. F. v o m 1. 4.1953). Auch an der Hochschule f ü r Verwaltungswissenschaften i n Speyer als einer gesetzlich fundierten Einrichtung des Landes Rheinland-Pfalz ( G V B L Rhld.-Pfalz 1950, S. 265) ist der B u n d durch eine Stimme i m Verwaltungsrat u n d finanzielle Zuschüsse beteiligt. 7 Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 40; Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 307. 8 Rölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 40; Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 307, 308. 9 BVerfGE 12, S. 205 ff. 10 Daher sind die Länder über den Bundesrat i m Rundfunkrat der beiden Sender vertreten. Vgl. das Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstal-

2. Kap.: Institutionalisierung der Zusammenarbeit

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4. Gemeinsame Institutionen auf dem Gebiete des Privatrechts E i n weites Feld institutionalisierter Kooperation ist B u n d u n d L ä n d e r n i m B e r e i c h des P r i v a t r e c h t s e r ö f f n e t . H i e r h a b e n d i e P a r t n e r f ö d e r a t i v e r Z u s a m m e n a r b e i t eine V i e l z a h l p r i v a t r e c h t l i c h o r g a n i s i e r t e r G e m e i n s c h a f t s e i n r i c h t u n g e n geschaffen, d i e u n t e r bundesstaatsrechtlichen A s p e k t e n u n b e d e n k l i c h sind, da h i e r d e r T y p e n z w a n g des Grundgesetzes u n d das V e r b o t d e r M i s c h v e r w a l t u n g k e i n e A n w e n d u n g f i n d e t 1 1 . A l l e r d i n g s w i r d auch i n diesem B e r e i c h d e r i n A r t . 30 G G g e f o r d e r t e verfassungsrechtliche T i t e l f ü r d i e Ü b e r n a h m e e i n e r „ s t a a t l i c h e n A u f g a b e " vorausgesetzt. D a sich d e r B u n d aber m e i s t a u f G e b i e t e n d e r F ö r d e r u n g d e r w i s s e n schaftlichen F o r s c h u n g 1 2 oder des W o h n u n g s b a u s 1 3 m i t d e n L ä n d e r n i n p r i v a t r e c h t l i c h e n F o r m e n zusammengeschlossen h a t , bestehen i n s o f e r n k e i n e B e d e n k e n , als A r t . 74 N r . 13 u n d N r . 18 G G i h m Z u s t ä n d i g k e i t e n i m B e r e i c h dieser M a t e r i e n e i n r ä u m e n . 5. öffentlich-rechtliche Gemeinschaftseinrichtungen von Bund und Ländern und ihre Verfassungsmäßigkeit D e m g e g e n ü b e r h a t sich d e r B u n d w i e auch schon das Reich v o r i h m 1 4 b i s h e r i n k e i n e m F a l l an e i n e r G e m e i n s c h a f t s e i n r i c h t u n g m i t d e n L ä n ten des Bundesrechts v o m 29.11.1960 ( B G B L I , S. 862). Z w a r beruht hier die M i t w i r k u n g der Länder an der Gemeinschaftseinrichtung auf Gesetz, so daß dieser F a l l systematisch nicht i n die aufgrund eines Verwaltungsabkommens institutionalisierte M i t w i r k u n g der Länder an Verwaltungseinrichtungen des Bundes einzureihen ist. Er zeigt aber die enge funktionelle Verzahnung der Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben auf dem wichtigen Gebiet des Rundfunkwesens besonders deutlich. E i n systemgerechtes Beispiel ist das Verwaltungsabkommen über das amtliche Landkartenwesen ( G M B L 1957, S. 391, A r t . 5), nach dem alle Länder bestimmte Dienste des Bundesinstituts für angewandte Geodäsie i n Anspruch nehmen können. 11 Z w a r w i r d man Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 Rdnr. 38 darin zustimmen müssen, daß auch auf dem privatrechtlichen Sektor die Gemeinschaftseinrichtungen von B u n d u n d Ländern die grundgesetzliche Zuständigkeitsordnung zu beachten haben. I m übrigen bietet aber das Privatrecht der Organisationsgewalt des Bundes wesentlich größere Möglichkeiten als das öffentliche Recht, das dem institutionellen Gesetzesvorbehalt des A r t . 87 GG genügen muß. Vgl. Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 306. 12 So z. B. die v o m B u n d u n d dem L a n d Niedersachsen gemeinschaftlich durch Vertrag v o m 11./12.11.1959 errichtete „ S t i f t u n g Volkswagenwerk" (BAnz. 1961 Nr. 179), deren Zweck darin bestehen soll, „Wissenschaft u n d Technik i n Forschung u n d Lehre" zu fördern. 13 E i n Beispiel f ü r diesen Sektor stellt die „ F r a n k f u r t e r Siedlungsgesellschaft m. b. H." dar, die Bauprogramme i m Rahmen der Wohnungsfürsorge für Bundesbedienstete u n d Angehörige der Bundeswehr durchführt u n d an deren Stammkapital der Bund, das L a n d Hessen u n d die Stadt F r a n k f u r t beteiligt sind. Weitere Beispiele bei Rölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 37, 42; Röttgen, JÖR N . F . 11, S. 306, u n d vor allem i n der Übersicht bei Grawert, a.a.O., S. 299 ff. 14 Z u r Praxis i n der Weimarer Republik vgl. Medicus, a.a.O., S. 114.

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

dern beteiligt, die in Form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts verfaßt ist 1 5 . A u f dem Gebiet des Kommunalrechts finden sich zahlreiche Formen öffentlich-rechtlich organisierter Gemeinschaftseinrichtungen, und auf Länderebene ist die Diskussion über die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Gemeinschaftseinrichtungen durch die Errichtung der Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen" i m Gange 16 . Die diesbezügliche Zurückhaltung des Bundes erscheint auch verfassungsrechtlich geboten. Denn anders als die von der Landesstaatlichkeit umschlossenen Zweckverbände des Kommunalrechts 1 7 und auch die Konstruktionen von Gemeinschaftseinrichtungen der Länder, ist der Bund für seine Verwaltungsfähigkeit an die Normen des Grundgesetzes gebunden, weil die grundsätzliche Zuweisung der A r t . 30, 83 ff. GG nur i n bestimmten Formen durchbrochen werden darf, die typenmäßig von der Verfassung beschränkt sind. Zwar w i r d man ein Anvertrauen von Aufgaben an eine gemeinsame Einrichtung, die sowohl Angelegenheiten des Bundes wie der Länder wahrnimmt, bei entsprechender Ausgestaltung dann nicht für grundsätzlich durch das System des Grundgesetzes ausgeschlossen halten können, wenn dabei die Zuständigkeiten des Bundes auf Bundesebene bleiben und dem Bundesrecht unterliegen und dasjenige, was die Länder ausüben, nach wie vor auf Landesebene bleibt und sich nach dem Recht des jeweiligen Landes richtet 1 8 . Es wäre aber verfassungsrechtlich unzulässig, wenn eine förmliche Übertragung von Aufgaben auf eine zwischen Bund und Ländern stehende oder schwebende Einrichtung vorgesehen würde, die gleichsam i m „bundesstaatsrechtlichen Niemandsland" 1 9 angesiedelt wäre. Da es aber ein zwischen Bundes- und Landesrecht stehendes Interföderationsrecht i m Sinne einer gesonderten Rechtsordnung nicht g i b t 2 0 und die parlamentarische Verantwortlichkeit 15 Die einzige ersichtliche Ausnahme einer gemeinsamen Einrichtung des Bundes u n d der Länder i m Bereich des öffentlichen Rechts überhaupt ist der „Gemeinsame Prüfungsausschuß für den höheren Staatsdienst i m Bergfach", der auf die Vereinbarung des Bundes m i t sechs Ländern vom 10.1.1955 (GMBL, S. 47) zurückgeht. 19 Vgl. dazu i m einzelnen unten Abschn. E, 2. Kap., I I . 1. 17 Vgl. dazu das nordrhein-westfälische Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit m i t seiner Legaldefinition öffentlich-rechtlicher Gemeinschaftseinrichtungen ( G V B L 1961, S. 190). 18 Maunz , B a y V B L 1966, S. 4; Scheuner , D Ö V 1962, S. 648. 19 So die Formulierung Röttgens , i n : JÖR N. F. 11, S. 306; ebenso Maunz , B a y V B L 1966, S. 4; Rölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 40. 20 Vgl. Maunz , B a y V B L 1966, S. 4. Insofern ist Rudolf , D Ö V 1966, S. 76 nicht zuzustimmen, w e n n er eine eigene interföderationsrechtliche Rechtskategorie unterscheidet, die weder Bundes- noch Landesrecht ist. Geeignet erscheint der Begriff des Interföderationsrechts n u r zur Bezeichnung eines bestimmten, entweder dem Bundes- oder Landesrecht zuzuordnenden Aus-

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jedes Partners gewährleistet bleiben muß, würde die Schaffung einer solchen Institutionalisierung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern m i t der bundesstaatlichen Struktur des Grundgesetzes nicht i n Einklang stehen 21 . I I . Die gesetzlich begründete Institutionalisierung gemeinsamer Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben 1. Normativ errichtete Koordinierungsgremien auf verfassungsrechtlicher Basis

Neben der vertraglich begründeten Institutionalisierung der Zusammenarbeit ist es auch zu einer gesetzlich statuierten Verfestigung der Bund-Länder-Kooperation gekommen. Hierzu hat vor allem das 15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 8. 6.1967 (BGBl. I, 581), sowie das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der W i r t schaft vom 8. 6.1967 — Stabilitätsgesetz — (BGBl. I, 582) geführt. Durch die Neufassung des A r t . 109 w i r d das wirtschaftspolitische Erfordernis des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts m i t Hilfe einer konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft und einer mehrjährigen Finanzplanung als Gemeinschaftsaufgabe postuliert. Die Haushalte von Bund und Ländern sollen als M i t t e l der Konjunktursteuerung eingesetzt werden und als Regulativ den Wirtschaftsablauf antizyklisch steuern 22 . Von A r t . 109 w i r d eine föderative Anpassung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern zur Erreichung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als Verfassungsgebot vorausgesetzt. Dem hat § 18 des Stabilitätsgesetzes dadurch Rechnung getragen, daß er die Einrichtung eines K o n j u n k t u r rats bei der Bundesregierung vorsieht. Dieser Konjunkturrat hat i m Wesentlichen drei Funktionen: Er berät alle zur Erfüllung des Stabilitätsgesetzes erforderlichen konjunkturpolitischen Maßnahmen. Ferner erörtert er die Möglichkeiten der Deckung des Kreditbedarfs der öffentlichen Haushalte. Schließlich ist er Anhörungsorgan vor der Mittelzuführung an die Konjunkturausgleichsrücklagen (§ 15) und K r e d i t l i m i tierungen (§ 19, 20). Dem Konjunkturrat gehören an die Bundesminister für Wirtschaft und der Finanzen, je ein Vertreter der Gemeinden und der Gemeindeverbände, die vom Bundesrat auf Vorschlag der kommunalen Spitzen verbände bestimmt werden. Der Konjunkturrat ist demschnitts koordinationsrechtlicher Bund-Länder-Beziehungen, bei denen der Kreis der Vertragspartner, die wegen des koordinationsrechtlichen Charakters dieser interföderativen Rechtsbeziehung zugleich Normadressaten sind, begrenzt ist auf den Bund, die Länder u n d auf kontrahierungsberechtigte Interföderationsgemeinschaften. 21 Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 306; Maunz, B a y V B L 1966, S. 4; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 40. 22 Z u den Zielsetzungen des Stabilitätsgesetzes s. Benda, N J W 1967, S. 849 f.

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

nach ein gesetzlich verankertes Koordinierungsgremium auf grundgesetzlicher Basis. Er besitzt zwar keinerlei Beschlußvollmacht, sondern ist ein rein beratendes Gremium. Er ist jedoch eine zentrale Koordinierungsstelle für die Verwirklichung der gesamten konjunkturorientierten Finanzpolitik auf allen Haushaltsebenen 23 . Die Beachtung der i m Rahmen der Rechtsregeln getroffenen Empfehlungen kann für ein gleichgerichtetes Verhalten von Bund und Ländern sogar wichtiger als die Durchsetzung der Rechtsregeln selbst sein 24 , weil der K o n j u n k turrat die wirtschaftspolitischen Leitlinien der föderativen haushaltswirtschaftlichen Abstimmung setzt, deren Befolgung allein eine Globalsteuerung über die öffentlichen Haushalte ermöglicht. Gegen die Funktionen des Konjunkturrats sind verfassungsrechtliche Bedenken 25 m i t Rücksicht darauf geltend gemacht worden, daß hier eine politische Bindung der Regierungen herbeigeführt werde und materielle Regierungsaufgaben auf eine außerhalb der Kontrolle von Regierung und Parlament stehende Stelle verlagert würden 2 6 . Zwar hat der Konjunkturrat als föderatives Koordinierungsgremium weitgehende beratende Funktionen, eine verfassungsrechtliche Verselbständigung, die i h n als ein über Regierung und Parlament schwebendes Organ erscheinen ließe, ist jedoch i m Stabilitätsgesetz nicht vorgesehen. Die Regierung w i r d von ihrer Verantwortung für die getroffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen ebensowenig entbunden, wie die Kontrollbefugnisse des Parlaments dadurch eingeschränkt werden, daß die alleinverantwortliche Regierung bei der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgabe „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" von einem bundesstaatlichen Beratungsorgan Entscheidungshilfe erhält. Das Gleiche gilt auch für den durch das Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19. 8.1969 — Haushaltsgrundsätzegesetz — (BGBl. I, 1273) geschaffenen Finanzplanungsrat. Diesem gehören nach §51 des Haushaltsgrundsätzegesetzes der Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft, sowie die für die Finanzen zuständigen Minister der Länder und vier Vertreter der Gemeinden an. Der Finanzplanungsrat soll Empfehlungen für eine Koordinierung der Finanzplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände geben. I n enger Zusammenarbeit m i t dem K o n j u n k 23

Eberhard, B a y V B L 1967, S. 222. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 109 Rdnr. 28. Zuck, JZ 1967, S. 698; vgl. auch Benda, a.a.O., S. 850. 28 Vgl. B V e r f G E 9, 268, w o ausgesprochen w i r d , es gebe „Regierungsaufgaben, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen u n d auf Stellen übertragen werden dürfen, die von Regierung u n d Parlament unabhängig sind, anderenfalls würde es der Regierung unmöglich gemacht, die v o n i h r geforderte Verantwortung zu tragen, da auf diese Weise unkontrollierte u n d niemand verantwortliche Stellen Einfluß auf die Staatsverwaltung gewinnen würden." 24 25

2. Kap.: Institutionalisierung der Zusammenarbeit

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turrat soll er die Finanzplanungen dieser Gebietskörperschaften aufeinander abstimmen, indem er eine einheitliche Systematik der Finanzplanungen aufstellt, sowie einheitliche volks- und finanzwirtschaftliche Konzeptionen für die Finanzplanungen ermittelt und Prioritäten für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben nach Maßgabe der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse setzt 27 . Auch hier findet sich also eine gesetzlich verankerte Institutionalisierung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, ein Weg, den der Gesetzgeber immer häufiger einzuschlagen scheint. 2. Zwangsinkorporierte Länderbeteiligung an Bundesinstitutionen

Das Wesen der föderativen Koordinierungsgremien, die ihren Entstehungsgrund i n Bundesgesetzen auf verfassungsrechtlicher Basis haben, besteht i n der gleichberechtigten Zusammenarbeit von Bund und Ländern i m Rahmen eines bundesgesetzlich verankerten Organs. Davon zu unterscheiden ist die Zusammenarbeit, die den Ländern durch Zwangsmitgliedschaft i n bundesgesetzlich fundierten Institutionen verordnet wird. So wurden die Länder an der Stiftung „Preussischer Kulturbesitz" als einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts zur Übernahme von Vermögenswerten des ehemaligen Preußen durch den Bundesgesetzgeber 28 i n der Weise beteiligt, daß etwaige Fehlbeträge des Stiftungshaushaltes von Bund und Ländern entsprechend ihrer Stimmrechte i m Stiftungsrat anteilmäßig zu tragen sind. I n diesen und ähnlichen Fällen ist allerdings der Charakter der institutionalisierten Zusammenarbeit als Gemeinschaftsaufgabe insofern eingeschränkt, als der Rahmen, i n dem die gleichberechtigte Koordination erfolgt, einseitig vom Bund festgelegt w i r d 2 9 . 3. Institutionalisierung der Zusammenarbeit auf Grund bundesgesetzlicher Offerten

Echte Gemeinschaftsaufgaben bilden aber solche gemeinsame Einrichtungen von Bund und Ländern, die auf eine bundesgesetzlich normierte Offerte an die Länder zur Beteiligung zurückgehen. Solche Offerten haben zu koordinierter Aufgabenerfüllung durch Beteiligung der 27 Z u den Funktionen des Finanzplanungsrats i m einzelnen s. Piduch> a.a.O., Finanzplanung I I . Rdnr. 20—27. 28 B G B L I S. 841 sowie die Stiftungssatzung i n B G B L I , S. 1709. 29 Vgl. außer den beiden Bundesrundfunkanstalten „Deutschlandfunk" u n d „Deutsche Welle" die Kreditanstalt f ü r Wiederaufbau, an deren K a p i t a l die Länder neben dem B u n d gesetzlich m i t einem festen Betrag beteiligt sind ( B G B L 1961,1, S. 1878).

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Abschn. C: Verwaltungsabkommen und Institutionalisierung

Länder an Verwaltungseinrichtungen des Bundes geführt 3 0 und besonders auf wirtschaftlichem Gebiet eine gemeinsame Partizipation an privatrechtlich organisierten Gesellschaften b e w i r k t 3 1 . I m Gegensatz zu einer zwangsweisen Beteiligung der Länder, wo das Grundgesetz eine solche auf die Länder gezielte Spezialgesetzgebung i n A r t . 107 und i n A r t . 135 GG abschließend geregelt hat 3 2 , sind bundesgesetzliche Offerten auf Gebieten, die nicht dem Verbot der Mischverwaltung unterliegen, aber einem Nebeneinander von Bundes- und Landeszuständigkeiten unterfallen, verfassungsrechtlich zulässig 33 . 4. Gemeinschaftseinrichtungen durch gemeinsame Finanzzuweisungen nach der Reichshaushaltsordnung

Eine besondere Form gesetzlicher Bundesofferten w i r d über die Reichshaushaltsordnung eingeführt, nach der es „Anstalten" gibt, die vom Bund entweder m i t Hilfe von Zuschüssen Dritter oder vom Bund und Dritten gemeinschaftlich unterhalten werden (§ 9 b RHO). Da der Begriff der Anstalt hier nicht i m technischen Sinne des Verwaltungsrechts zu verstehen ist, kann es sich bei diesen Gemeinschaftseinrichtungen auch u m privatrechtliche Gebilde handeln 3 4 . Diese werden dann also durch die gemeinschaftliche Finanzierung aufgrund der gesetzlichen Normierung der RHO zu einer gemeinsamen Institution von Bund und Ländern. So ist der Bund durch seinen Beitritt zum Königsteiner Abkommen 3 5 an der Deutschen Forschungsgemeinschaft e. V. und der MaxPlanck-Gesellschaft ebenso wie früher durch die Bezuschussung des Deutschen Studentenwerkes e. V. bei der Durchführung der Studienför30 So offeriert das Luftschutzgesetz den Ländern u n d kommunalen Spitzenverbänden die Mitgliedschaft i n der bundesunmittelbaren Körperschaft B u n desluftschutzverband. Eine ähnliche Konstellation ergibt sich bei der Deutschen Genossenschaftskasse als einem öffentlich-rechtlichen K r e d i t i n s t i t u t des Bundes ( B G B L 1954 I , S. 329), an deren K a p i t a l sich neben B u n d u n d Genossenschaften auch die Länder beteiligen können. 31 So z. B. bei der gesetzlichen Einbringung der Steinkohlenbergwerke i m Saarland i n eine Aktiengesellschaft, an der sich das Saarland durch Übernahme von A k t i e n beteiligen k a n n ( B G B L 1957 I, S. 1103). 32 Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 309, 310; vgl. auch das U r t e i l des B V e r f G zur Stiftung „Preußischer Kulturbesitz", (BVerfGE 10, S. 20) i n dem es die gesetzliche Beteiligung der Länder für vereinbar m i t A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG und A r t . 135 GG erklärt hat. 33 So Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 308, 309; w o h l auch Maunz-Dürig, A r t . 83 GG Rdnr. 38. 34 Vgl. Röttgen, JÖR N. F. 11, S. 308; ders. Fondsverwaltung i n der Bundesrepublik, S. 46, 48. 35 Vgl. das a m 8.2.1968 verlängerte Verwaltungsabkommen zwischen B u n d und Ländern zur Förderung von Wissenschaft u n d Forschung vom 4. 6.1964 ( G M B L 1964, S. 315 sowie B u l l e t i n Nr. 18/1968, S. 137 f.).

2. Kap.: Institutionalisierung der Zusammenarbeit

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derung nach dem Honnef er Modell 3 6 an diesem als Gemeinschaf tseinrichtungen des Bundes und der Länder i m speziellen Sinne der RHO beteiligt. Da die Reichshaushaltsordnung indessen keinerlei Verpflichtung zu solcher Mitunterhaltung begründet, handelt es sich auch hier u m die finanzrechtliche Ausgestaltung einer Offerte, die unter Respektierung der Eigenverantwortlichkeit der Länder zu einer gesetzlich fundierten Institutionalisierung einer Gemeinschaftsaufgabe führt. Damit ist aber gleichzeitig auch der Zusammenhang hergestellt zwischen Koordinierungsmodalitäten beim Vollzug der Gemeinschaftsaufgaben durch Verwaltungsabkommen oder vertraglich sowie gesetzlich begründeten gemeinschaftlichen Institutionen einerseits und der gemeinsamen Finanzierung andererseits, wobei letztere entweder als wesentliche Komponente der anderen Koordinationsformen i n Erscheinung t r i t t oder aber — was i m Folgenden näher zu analysieren sein w i r d — als verselbständigter essentieller Bestandteil der koordinierten Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern.

86 A u f demselben A b k o m m e n beruhend, wobei das Deutsche Studentenw e r k als eine v o n B u n d u n d Ländern gemeinsam beauftragte u n d finanzierte Zentralstelle fungiert. Vgl. dazu Röttgen, Fondsverwaltung, a.a.O., S. 46, S. 48 m i t F. N. 99.

9

Tiemann

Abschnitt

D

Die gemeinschaftliche Finanzierung von Bund und Ländern als Element der Gern ein schaftsauf gaben Erstes Kapitel

Die Finanzierung im Rahmen des gemeinschaftlichen Vollzugs von Bundesgesetzen I. Die Allgemeingültigkeit des Lastenverteilungsgrundsatzes Die finanziellen Anteile von Bund und Ländern bei den i m Rahmen des gemeinschaftlichen Vollzugs von Bundesgesetzen verursachten Ausgaben sind i n ihrer detaillierten Abgrenzung nicht unstrittig. Bereits bei der Darstellung der finanzverfassungsrechtlichen Theorie der Gemeinschaftsaufgaben wurde eine Fülle von differierenden Anknüpfungspunkten zur Aufteilung der anfallenden Kosten i m Schrifttum zur theoretischen Begründung eines Lasten Verteilungssystems i n der Finanzverfassung des Grundgesetzes angeboten. Von den dabei geschilderten Lösungsversuchen soll hier ausgegangen werden, wobei diese i n den Zusammenhang einer dem Grundgesetz entsprechenden und den finanzverfassungsrechtlichen Notwendigkeiten adäquaten Kostenaufteilung zu stellen sind. Grundlage jeder Betrachtung des bisherigen Lastenverteilungssystems ist der Lastenverteilungsgrundsatz des A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG, der i n das Finanzverfassungsgesetz von 1955 aufgrund des i n A r t . 107 Satz 3 GG a. F. an den Bundesgesetzgeber erteilten Auftrags eingefügt worden ist, die endgültige Steuerverteilung entsprechend den Aufgaben von Bund und Ländern vorzunehmen 1 . Eine Verteilung der Steuern entsprechend den Aufgaben kann aber nur den Sinn haben, daß die Aufteilung nach dem finanziellen Gewicht der Aufgaben, also nach den Ausgaben 1 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des Finanzreformgesetzes von 1955 (BT-Drucks. 11/480 Ziff. 52 ff.); Fischer-Menshausen, D Ö V 1955, S. 261, DÖV 1956, S. 161 ff.; Sturm, DÖV 1966, S. 256 ff. (S. 261).

1. Kap.: Gemeinschaftlicher Vollzug von Bundesgesetzen

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vorzunehmen ist, die sich aus der Erfüllung der beiderseitigen Aufgaben ergeben. Es wäre sinnlos, die Aufgabenverteilung als Maßstab für die Steuerverteilung zu bestimmen, wenn sich aus der Aufgabenverteilung nicht auch zugleich die Lastenverteilung ergäbe 2 . Es w i r d also durch A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG a. F. ein enger Zusammenhang zwischen Steuerverteilung, Lastenverteilung und Aufgabenverteilung statuiert, der der verwaltungsökonomischen Notwendigkeit entspricht, eine Konnexität zwischen der auf verfassungsrechtlich normierten Zuständigkeitsregeln basierenden Aufgabenverantwortung und der m i t der A u f gabe verbundenen Finanzierungslast zu begründen. Obwohl der bisherige A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG seinem Wortlaut nach nur als Richtlinie für eine Verteilung der Einkommens- und Körperschaftssteuer dient, ist aus diesen Gründen allgemein anerkannt, daß diese Vorschrift eine allgemein gültige, die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern umfassend bindende Richtlinie enthält, die, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt, wie i n A r t . 120 GG eine grundsätzliche Konnexität zwischen Ausgaben- und Aufgabenverantwortung begründet 3 . Damit steht verfassungsrechtlich außer Zweifel, daß Bundesaufgaben ausschließlich aus M i t t e l n des Bundeshaushaltes und Landesaufgaben ausschließlich aus denen des jeweiligen Landeshaushalts zu finanzieren sind 4 , wobei die Lastenverteilungsregel m i t ihrer Verbindung von A u f gaben« und Ausgabenverantwortung als fester Bestandteil der bundesstaatlichen Ordnung für die Erfüllung aller staatlichen Aufgaben i m System des Grundgesetzes gilt.

II. Ermittlung der Finanzierungsanteile von Bund und Ländern 1. Allgemeine Grundsätze zur Erfassung des richtigen Anknüpfungspunktes

Allerdings ist — worauf Maunz 5 zu Recht hinweist — m i t der Erkenntnis, daß die Ausgabenverantwortung der Aufgabenverantwortung folgt, noch keine endgültige Aussage über die anteiligen Ausgaben gewonnen, da das Grundgesetz hinsichtlich der Aufgabenverantwortung zwar i m Grundsätzlichen klare Grenzen zwischen dem Bund und den 2

Sturm, D Ö V 1968, S. 467. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 Rdnr. 7; BVerfGE 9, S. 305 (S. 328); Sturm, Nr. 1 GG i n Frage zu stellen vermögen, sondern n u r die Schwierigkeit seiner D Ö V 1968, S. 467, a. A . aber Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 245 ff. (S. 250, 254 ff.), dessen Ausführungen jedoch nicht die Allgemeingültigkeit des A r t . 106 Abs. 4 i n Frage zu stellen vermögen. 4 Sturm, DÖV 1968, S. 468. Das Gleiche ergibt sich schon aus A r t . 109 GG. Der Lastenverteilungsgrundsatz ist die rechtliche Konkretisierung der finanzwirtschaftlichen Bedeutung des A r t . 109 GG; vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 109 GG Rdnr. 2. 5 I n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG, Rdnr. 8. 3

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

Ländern zieht, nicht aber i n Bezug auf alle Einzelfragen abschließende Regelungen enthält. Da das Grundgesetz nicht entsprechend dem System amerikanischer Verfassung eine dualistische Aufteilung der einzelnen Sachgebiete zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten mit der Zuweisung der Gesetzgebungsbefugnisse an den Bund und dem Verwaltungsvollzug an die Länder vorgenommen hat, sondern vielseitige Einwirkungsbefugnisse des Bundes auf die Verwaltung der Länder beim Vollzug der Bundesgesetze vorsieht, ist i n manchen Einzelfragen schwierig festzustellen, ob die A u f gaben Verantwortung beim Bund oder bei den Ländern oder vielleicht und zu welchem A n t e i l bei beiden liegt. A n dieser scheinbaren Antinomie zwischen der Allgemeingültigkeit des i n A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG statuierten Lasten Verteilungsgrundsatzes, der bei seiner praktischen Durchführung eine klare verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung auch i m Einzelfall voraussetzt, und der Verflechtung der Aufgaben i m kooperativen Bundesstaat hat sich eine juristische Auseinandersetzung u m eine adäquate Konkretisierung des Lastenverteilungsgrundsatzes bei der Durchführung einzelner Gesetzesvorhaben entzündet. Unter anderem hat er auch zu einer begrifflichen Erfassung der Gemeinschaftsaufgaben als Substrat gemeinschaftlicher Finanzierung geführt, was schon beweist, daß eine Trennschärfe der Ausgabenverantwortung am Maßstab der Aufgabenverantwortung nicht immer i m Grundgesetz durchgeführt ist. 2. Die Verbindung v o n Verwaltungs- u n d Ausgabenverantwortung

So hat der Lösungsversuch Fischer-Menshausen 6, der grundsätzlich jene Seite für die Kosten der Staatstätigkeit verantwortlich machen w i l l , die für die Verwaltung des betreffenden Sachgebietes zuständig ist, nicht zu befriedigenden Abgrenzungskriterien geführt, wie w i r schon bei der i m Grundsätzlichen übereinstimmenden Begründung des Regierungsentwurfs zum Finanzreformgesetz des Jahres 1955 gesehen hatten 7 . Daher ist besonders der Ausgangspunkt dieser Betrachtungsweise, die darauf beruht, daß erst die Verwaltung Kosten verursachen und daher die Ausgabenverantwortung der Verwaltungszuständigkeit folgen müsse, i m juristischen Schrifttum frühzeitig und besonders durch die bereits oben dargelegte 8 Auffassung von Hettlage 9 und vor allem Kött6 DÖV 1952, S. 675; ders. D Ö V 1953, S.230; ders. D Ö V 1956, S. 167; ebenso Heim, D Ö V 1958, S. 566. 7 Siehe oben Abschn. A , 1. Kap., I I I . , wobei besonders die Ausnahmen zu beachten sind, die der E n t w u r f selbst i n vielen Fällen bei A r t . 84 GG und A r t . 85 GG für notwendig erachtet (vgl. Ziff. 53, 64,176). 8 Vgl. die Ausführungen zur finanzverfassungsrechtlichen Theorie der Gemeinschaftsaufgaben oben Abschn. A , 1. Kap., I I I .

1. Kap.: Gemeinschaftlicher Vollzug von Bundesgesetzen

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gen10 i n Zweifel gezogen worden, der eine alleinige Anknüpfung an die Verwaltungszuständigkeit m i t der Wandlung des Staates zum „Verwaltungsstaat" der Gegenwart für unvereinbar hält. Da nunmehr die kostenverursachenden Entscheidungen nicht mehr i n erster Linie von der Exekutive getroffen würden, sondern die Legislative die eigentlichen Entscheidungen über die staatlichen Aufgaben fälle, sei die Gesetzgebung oft nichts anderes als die „Initialzündung", durch die der Verwaltungsapparat i n Gang gesetzt werde. Aus dieser Tatsache der Staatspraxis hat Köttgen gefolgert, daß nicht einseitig die Verwaltungszuständigkeit zur Grundlage der Ausgabenverantwortung erklärt werden könne, sondern vor allem darauf abgestellt werden müsse, wer praktisch über das Anfallen von Kosten entschieden habe 11 . 3. Das Veranlassungsprinzip als finanzverfassungsrechtlich adäquate Lösung

Das hierin zum Ausdruck kommende Veranlassungsprinzip scheint i n der Tat aus zwei Gründen dem von A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG intendierten Lastenverteilungsgrundsatz zu entsprechen: Einmal w e i l durch die Gesetzgebung heute mehr und größere Ausgaben veranlaßt werden als durch andere Zweige der staatlichen Gewalt, und es daher sachfremd und dem Sinngehalt des Grundgesetzes nicht adäquat wäre, wenn man der Verfassung m i t ihrer verhältnismäßig eingehenden Regelung des Verhältnisses von Legislative und Exekutive unterstellen wollte, daß sie diesen Wandel i n der Zuständigkeit zur Veranlassung von Aufgaben nicht beachte 12 ; zum anderen aber auch, w e i l gerade für den Bereich der modernen Verwaltung eine funktionelle Verzahnung aller Ebenen charakteristisch ist, die es nicht zuläßt, bestimmte Aufgaben, wie die nach A r t . 84 GG vorbehaltlos als Landesaufgaben, oder andere wie die Fälle der Bundesauftragsverwaltung des A r t . 85 GG als landesfremd i m Sinne des Lastenverteilungssystems zu deklarieren. Daher kann eine bloße Konnexität von Verwaltungs- und Ausgabenzuständigkeit den grundgesetzlichen Voraussetzungen gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung nicht entsprechen. Aber auch der teilweise i n der L i t e r a t u r 1 8 vertretene Anknüpfungspunkt an die bloße Gesetzgebungszuständigkeit kann aus diesen Gründen keine Zustimmung finden, da i n Bereichen der nicht akzessorischen Verwaltung häufig ein Exekutivakt die Ausgaben verursacht und hier9

D V B L 1953, S. 713; W d S T L 14, S. 20. D Ö V 1953, S. 358 ff. 11 Köttgen, D Ö V 1953, S. 360. 12 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 Rdnr. 12. 13 Rietdorf, D Ö V 1953; unklar, ob Gesetzgebungszuständigkeit genügt oder das Gesetz auch erlassen sein muß: Henle, Die Förderung von Landesaufgaben aus Bundesmitteln, a.a.O., S. 75, 76. 10

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

bei nicht anzunehmen ist, daß eine zwar vorhandene, aber nicht ausgenutzte oder doch für die entstandenen Auslagen nicht ursächliche Gesetzgebungszuständigkeit über die Kostenverteilung entscheiden soll 1 4 . Es muß sich daher die Gesetzgebungskompetenz i n einer durch das Gesetz verursachten Veranlassung der Ausgaben konkretisiert haben, u m die Rechtsfolge der i n A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG statuierten Ausgabenverantwortung auszulösen. Daher setzt die Ausgabenverantwortung mindestens den Erlaß eines Bundesgesetzes voraus 15 . Soweit hiergegen eingewandt wird, daß unter „Aufgaben" i m Sinne des Lastenverteilungsgrundsatzes nur Verwaltungsaufgaben und nicht etwa gesetzgeberische Aufgaben zu verstehen seien, weil sonst der Bund als Träger der Gesetzgebungskompetenz auch die durch den Gesetzesvollzug den Ländern entstehenden Verwaltungskosten tragen würde 1 6 , so ist einer solchen Argumentation entgegenzuhalten, daß das Veranlassungsprinzip i m Sinne einer differenzierten Betrachtungsweise verstanden werden muß und nur die unmittelbar durch das Gesetz selbst entstehenden Ausgaben dem Bund zufallen können, während die Verwaltungskosten i n dem Umfang, i n dem die Verwaltung eine eigenverantwortlich und selbständig wahrgenommene Aufgabe der Länder ist, und es somit bei dem i n A r t . 30, 83 GG ausgesprochenen Grundsatz bleibt, von den Ländern zu tragen sind. Das entspricht dem Wesen des Veranlassungsprinzips, das nicht die Konnexität von Ausgaben- und A u f gaben Verantwortung durchbricht, sondern i m Gegenteil die K r i t e rien zur Erfassung des Problems der A u f gaben Verantwortung i m modernen Bundesstaat herausbildet, i n dem Ausgaben i m gesetzesgebundenen Raum regelmäßig nicht erst durch den Vollzug der Gesetze entstehen, sondern primär durch die planerische Initiative des Gesetzgebers i n Form von Gesetzesprogrammen verursacht werden 1 7 . Eine andere Betrachtungsweise wäre auch verfassungstheoretisch kaum verständlich, würde man von A r t . 30 GG als der Grundnorm der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, die i n A r t . 70 GG für die Gesetzgebung und i n A r t . 83 GG für die vollziehende Gewalt konkretisiert wird, annehmen, daß sie alle staatlichen Aufgaben erfaßt, während man A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG restriktiv auslegte und nur auf die Verwaltung bezöge 18 .

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Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 Rdnr. 12. Gross, D V B L 1969, S. 128; ders. D Ö V 1967, S. 163; Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 196 Rdnr. 12; Röttgen, D Ö V 1953, S. 360 f.; Viaion, Haushaltsrecht, S. 163; Patzig, A Ö R 86, S. 270 f.; Hettlage, D V B L 1953, S. 716; Heim, D Ö V 1958, S. 566. 16 Sturm, D Ö V 1968, S. 468, 469. 17 Henle, Die Förderung von Landesaufgaben aus Bundesmitteln, a.a.O., S. 76. 18 Gross, D V B L 1969, S. 128 15

1. Kap.: Gemeinschaftlicher Vollzug von Bundesgesetzen

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m . Die Abgrenzung der Kostenbeteiligung am gemeinschaftlichen Gesetzesvollzug Ist somit grundsätzlich auf die Kostenveranlassung abzustellen 19 , so bleibt doch i m Einzelfall die Schwierigkeit einer Abgrenzung des finanziellen Beteiligungsgrades von Bund und Ländern bestehen. Welche Ausgaben z. B. durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift gemäß A r t . 84 Abs. 2 GG oder A r t . 85 Abs. 2 Satz 1 GG entstehen und wie groß der durch eine Einzelweisung gemäß A r t . 84 Abs. 5 GG oder A r t . 85 Abs. 3 Satz 1 GG verursachte Unkostenanteil ist, kann bei einer numerischen Erfassung der Aufgabenanteile recht schwierig zu bestimmen sein. Da aber eine auf Schätzungen und Pauschalbeträgen gegründete Verf ahrensv/eise für das Finanzverfassungsrecht typisch ist 2 0 , darf diese Schwierigkeit nicht von einer differenzierten Regelung der Lastenverteilung abhalten. Bei einer genauen Abgrenzung der jeweiligen Anteile an den durch den gemeinschaftlichen Vollzug von Bundesgesetzen entstandenen Kosten w i r d man entsprechend der Existenz von Gemeinschaftsaufgaben i n diesem Bereich unterscheiden müssen, wo von den Partnern eigenverantwortlich gestaltete Bereiche vorliegen und daher die Kosten von jedem getrennt zu tragen sind und wo die eigentliche materielle Koordinierung einsetzt, die den Gemeinschaftsaufgaben inhärent ist und zu einer Überschneidung der Aufgabenverantwortung führt, wobei eventuell eine Kostenteilung i n Betracht zu ziehen ist. 1. Der Beteiligungsgrad bei den Ausgaben im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben des Art. 84 G G

Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 84 GG ergibt, daß die Länder innerhalb dieser Gemeinschaftsaufgabe eigenverantwortlich den verwaltungsmäßigen Vollzug des Bundesgesetzes steuern und dabei insbesondere für die personelle Besetzung und sachliche Ausstattung der Behörden zuständig sind. Die damit verbundenen Kosten sind also von ihnen zu tragen 2 1 . 19 So auch ein bedeutender T e i l des Schrifttums: Gross, D V B L 1969, S. 128; ders. D Ö V 1967, S. 163; Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 Rdnr. 12; Hettlage, D V B L 1953, S. 716 f.; Viaion, Haushaltsredit, S. 164; Röttgen, D Ö V 1953, S. 360 f.; Heim, D Ö V 1958, S. 566; ähnlich auch Rölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 43; Patzig, A Ö R 86, 270, der allerdings auf die Qualität als Bundesaufgabe abstellen w i l l . Dieses K r i t e r i u m erweist sich jedoch als zu konturenlos, w e i l es keine eindeutige Zuordnung der einzelnen Aufgaben ermöglicht; vgl. Hettlage, W d S T L 14, S. 18. 20 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG Rdnr. 13. 21 Ganz h. M.: vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG Rdnr. 15, der Ausnahmen n u r bei organisatorischen Bundesgesetzen nach A r t . 84 Abs. 1 GG für möglich hält.

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

Fraglich ist aber, wer die Kosten des Gesetzesprogrammes selbst, also die Zweckausgaben zu tragen hat. Hier w i r d man nach dem Veranlassungsprinzip grundsätzlich dem Bund die Ausgabenverantwortung zusprechen müssen, w e i l dieser durch den Erlaß des Leistungsgesetzes unmittelbarer Verursacher der Kosten ist, während die Länder darauf beschränkt sind, dieses Leistungsprogramm nach außen umzusetzen 22 . Allerdings sind von diesem Grundsatz Ausnahmen zu machen, zumal die weitgehende Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit der Landesbehörden diesen möglicherweise den Charakter des eigentlichen Veranlassers geben kann und somit eine Kostenteilung rechtfertigt 2 3 . Dabei w i r d man auf die konkreten Umstände beim Vollzug des einzelnen Gesetzes abstellen müssen. So ist es auch i n der Staatspraxis i n verschiedenen Formen zu gemeinschaftlicher Finanzierung gekommen. Diese ist i n Gestalt der sogenannten Interessenquoten erfolgt, wobei der Bund das Land m i t einem bestimmten Prozentsatz an den Kosten des Vollzuges seiner Gesetze beteiligt, u m auf diese Weise eine sparsame Finanzgebarung sicherzustellen 24 . Bedeutsamer aber ist die bereits oben geschilderte Praxis, eine gemeinschaftliche Finanzierung der Zweckausgaben gesetzlich zu normieren, wie es i n § 18 Abs. 1 und § 42 Abs. 6 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes 25 , und §§66 des Bundessozialhilfegesetzes 26 , ferner i m Sparprämiengesetz 27 und Wohnungsbauprämiengesetz 28 sowie Wohngeldgesetz 29 geschehen ist und auch i n § 69 des Entwurfes eines Städtebauförderungsgesetzes 30 vorgesehen wird. Diese Verfahrensweise w i r d allerdings m i t genau umgekehrten Gründen gestützt: Der Bund geht davon aus, daß die Länder grundsätzlich die Zweckausgaben dieser Gesetze selbst zu tragen hätten und nur angesichts der Tatsache, daß diese Leistungsgesetze für ein Verwaltungs22 Gross, D V B L 1969, S. 128; ders. D Ö V 1967, S. 163; Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG Rdnr. 16; unentschieden insofern Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 43; i m übrigen aber auch unter den Vertretern des Veranlassungsprinzips umstritten, w e i l diese teilweise i n der eigenverantwortlichen V e r waltungsführung der Länder die Kosten Verursachung sehen: vgl. Hettlage, W d S T L 14, S. 16; Heim, D Ö V 1958, S. 567, der allerdings i n fast allen wesentlichen Punkten zu dem hier vertretenen Ergebnis gelangt, indem er Ausnahmen von seiner Regel zuläßt. 23 Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 Rdnr. 16. 24 Vgl. Hettlage, D V B L 1953, S. 717; Kratzer, A Ö R 77, S. 271. MaunzDürig, a.a.O., A r t . 106 GG Rdnr. 16 F. N. 4 zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit dieser Praxis. Allerdings hat das B V e r f G i m U r t e i l über die T i l g u n g von Ausgleichsforderungen (BVerfGE 9, S. 305 ff.) die Zulässigkeit von I n t e r essenquoten i m Bereich des A r t . 120 GG bejaht. 25 i. d. F. v o m 1. 8.1961 ( B G B L I, S. 1122). 28 V o m 30. 6.1961 (BGBL. I, S. 815). 27 V o m 6. 2.1963 ( B G B L I , S. 93). 28 V o m 25. 8.1960 ( B G B L I, S. 713). 29 V o m 1. 4.1965 ( B G B L I , S. 177). 30 BR-Drucks. 530/68.

1. Kap.: Gemeinschaftlicher Vollzug von B u n d e s g e s e t z e n 1 3 7 ermessen der Länder keinen wesentlichen Raum lassen und durch die Anordnung der Zahlung von Geldleistungen an einen festumrissenen Empfängerkreis, wobei die Leistungen nach Voraussetzungen und Höhe eindeutig bestimmt sind, die typischen Merkmale der Wahrnehmung einer landeseigenen Aufgabe ausgeschaltet wird, soll eine gemeinsame Finanzierung der Zweckaufgaben erfolgen 81 . Diese Staatspraxis, die schon i n ihrem Ausgangspunkt nicht m i t der hier vertretenen Auffassung übereinstimmt, läßt sich auch unter Zugrundelegung der Theorie konnexer Verwaltungs- und Ausgabenverantwortung nicht halten und stellt demzufolge eine Abweichung von dem verfassungsrechtlich gebotenen Lastenverteilungsprinzip dar 3 2 . 2. Die Lastentragung der Verwaltungs- und Zweckausgaben bei Art. 85 G G

Auch bei der Auftragsverwaltung (Art. 85 GG) sind die personellen und sachlichen Kosten der Verwaltungsführung von den Ländern zu tragen, w e i l die Auftragsverwaltung keinen Fall einer Organleihe oder eines bundesstaatlichen Mandats darstellt, sondern einen Verwaltungstyp echter Landeszuständigkeit bildet. Obwohl die Landesbehörden hier materiell fremde Angelegenheiten nach Weisung des Bundes wahrnehmen, ist diese Gesetzesexekution nach Weisung des Bundes doch echte Landesverwaltung. Daher sind die Verwaltungskosten von den Ländern zu tragen 3 3 . Dagegen w i r d i n der L i t e r a t u r 3 4 teilweise unter Hinweis auf die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes bezüglich der Landesverwaltung i n diesem Bereich nach A r t . 85 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 3 und Abs. 4 GG eine gemeinsame Kostentragung für erforderlich gehalten. Der Regierungsentwurf zum Finanzreformgesetz 195535 bezeichnete die Auftragsverwaltung sogar als „Gemeinschaftsaufgabe", bei der dem Oberverband m i t den Ingerenzrechten eine Verwaltungskompetenz eingeräumt sei, die eine finanzielle Beteiligung an den Vollzugsausgaben rechtfertige. Da sich aber die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes nicht als partieller Gesetzesvollzug i m landeseigenen Bereich darstellen, ist eine solche Auffassung nicht haltbar. Der Ansicht, daß eine besonders intensive Ausübung der Einflußrechte des Bundes Folgen für die Kostentragung durch den Bund zeitigen müsse, kann zwar eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden, ist aber abzulehnen, weil sich 31 Vgl. das Troeger-Gutachten, a.a.O., Tz 123 ff., 198 ff., das aus diesem Grunde eine Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung f ü r notwendig hält. 82 Vgl. F. K l e i n , D Ö V 1968, S. 153 ff. (S. 153); Sturm, D Ö V 1968, S. 467. 88 Ebenso Röttgen, D Ö V 1953, S. 362, 363; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 43; Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG Rdnr. 15. 84 Hettlage, D V B L 1953, S. 716 f.; ders. W d S T L 14, S. 17; Heim, D Ö V 1958, S. 566; Patzig, A Ö R 86, S. 317. 85 BT-Drucks. 11/480 Ziff. 53, 64.

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

auf diese Weise keine hinreichend klaren Grenzen für die Kostenverteilung gewinnen lassen. Außerdem bleibt der Charakter der Verwaltung als Landesaufgabe auch i n diesem Bereich bestehen, so daß man auch i n diesem Fall der Aufgaben- die Ausgabenverantwortung folgen lassen muß. Das entspricht auch der hier vertretenen Konzeption, daß i m Rahmen des A r t . 85 GG keine wesentlichen Gemeinschaftsaufgaben vorliegen. Da aber auch die Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 85 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG an der grundsätzlichen Eigenständigkeit der Landesverwaltung nichts ändern, kann sich die hier zum Ausdruck kommende Koordination ausnahmsweise nicht i n einer gemeinsamen Finanzierung ausprägen, so daß hier nicht die gemeinsame Lastentragung als zusätzliches Element der Gemeinschaftsaufgabe neben die verwaltungsmäßige Koordinierung t r i t t . Eindeutiger ist die Frage nach der Lastenverteilung bei den Zweckausgaben i n diesem Bereich zu beantworten. Da hier kein selbständiges Verwaltungshandeln zusätzliche Veranlassungsmomente verursachen kann und die Landesverwaltungen nach strikter Bundesweisung Angelegenheiten des Bundes wahrnehmen, kann hier nur der Bund als Kostenveranlasser auch Kostenträger sein 86 . Die Untersuchung der finanziellen Beteiligung von Bund und Ländern am gemeinschaftlichen Vollzug von Bundesgesetzen hat also gezeigt, daß i m Rahmen des A r t . 84 GG die gemeinsame Finanzierung teilweise als zusätzliche Komponente zu den Koordinierungsmodalitäten bei den Gemeinschaftsaufgaben dieser Ebene t r i t t , während das i m Bereich des A r t . 85 GG auch i n dem sehr beschränkten Maße des Vorliegens von Gemeinschaftsaufgaben nicht der Fall ist 3 7 .

36 Das gleiche muß naturgemäß bei den Gegenständen der bundeseigenen V e r w a l t u n g nach A r t . 87, 87 b, 87 d, 88, 89 gelten, da diese eindeutig i n den Aufgabenbereich des Bundes fallen. 37 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG Rdnr. 16; Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 43; dieser Grundsatz w i r d sogar von Sturm, DÖV 1968, S. 470, anerkannt, der i m übrigen von der K o n n e x i t ä t von Verwaltungs- u n d Ausgabenverantwortung ausgeht, i n diesem F a l l aber eine Ausnahme von dieser Regel zuläßt, w e i l die Länder bei A r t . 85 G G „eine Angelegenheit des Bundes wahrnehmen", w o m i t er letztlich doch dem Veranlassungsprinzip zur A n e r kennung verhilft.

Zweites

Kapitel

Die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Erfüllung von Landesaufgaben I. Die Zuständigkeit des Bundes bei der Vergabe von Subventionen 1. Die allgemeinen Zuständigkeitsvoraussetzungen

Dem Element gemeinschaftlicher Finanzierung als Charakteristikum der Gemeinschaftsaufgaben kommt besondere Bedeutung i m Rahmen der Fondsverwaltung des Bundes zu. Diese Fondsverwaltung, unter der man die Vergabe von Subventionen an den einzelnen Staatsbürger oder von Zuschüssen an die Länder oder andere Hoheitsträger versteht 1 , ist als administrative Methode i n fast allen Bereichen staatlicher Tätigkeit vorzufinden. Sie hat besonders die bundesstaatliche Struktur nachhaltig beeinflußt, w e i l der Bund i n vielen Fällen die Länder i n den Vollzug eines Leistungsprogramms eingeschaltet hat, sei es, daß sie als bloße Verteilungsorgane der Mittelvergabe nach genauen Richtlinien des Bundes auftreten oder aber ihnen durch Bundesofferte die Möglichkeit gemeinsamer Finanzierung angeboten wird. Gemeinschaftsaufgaben i m Sinne unserer Definition liegen dabei nur dann vor, wenn die Länder sich freiwillig an solchen Gemeinschaftsprojekten i m Rahmen ihrer Zuständigkeiten beteiligen können. Die Fondsverwaltung w i r f t eine Fülle verfassungsrechtlicher Probleme auf 2 . Dabei sollen die Fragen, die das Bund-Länder-Verhältnis nicht tangieren, wie z. B. die rechtsstaatlichen Probleme oder die Grundrechtsbindung, aber auch der strittige Punkt, ob das grundgesetzliche Erfordernis des Gesetzesvorbehalts eine spezialgesetzliche Ermächtigung des Bundes zur Subventionierung erfordert oder, ob i m Zeichen eines gewandelten Verständnisses des Haushaltsplans von seiner engen begrifflichen Erfassung als „rechtsindifferentem Zahlenwerk" 3 zu seiner Aufwertung als echtem formellen und auch materiellem Gesetz4 die 1

Vgl. Röttgen, Fondsverwaltung i n der Bundesrepublik (1965), S. 18; Flehinghaus, Die Bundesfonds Verwaltung, Münchener Dissertation (1962), S. 1 f f. 2 Vgl. hierzu auch das Troeger-Gutachten, Tz 81 ff. 9 Lab and, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I. 4 B V e r f G i n N J W 1966, S. 1499 ff. (S. 1501).

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

haushaltsrechtliche Legitimation als ausreichend anzusehen ist, i m Rahmen unserer Betrachtung dahingestellt bleiben. Für das hier gestellte Problem der Gemeinschaftsaufgaben als Kristallisationskern i m System mannigfaltiger bundesstaatlicher Finanzierungspraktiken sind die Probleme der Bundesfondsverwaltung nur i m Hinblick auf die dem deutschen Verfassungsrecht eigentümliche föderative Gewaltenteilung zu untersuchen. Dabei müssen die schon i n der Weimarer Republik umstrittenen Erscheinungsformen 5 der Fondsverwaltung i n den Vordergrund treten, die i n den Grenzbereich zentralstaatlicher Einbrüche i n die Dispositionsfreiheit der Länder innerhalb ihrer eigenen Kompetenzbereiche durch dirigistische Finanzierungsmethoden und die damit verbundenen Denaturierungsphänomene der Gemeinschaftsaufgabensphäre führen. Somit läßt sich die hier i n Frage stehende Problematik der Bundesfondsverwaltung i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben den beiden Fragenkomplexen zuordnen: Inwieweit ist der Bund überhaupt zur Vergabe von Subventionen sowie zur dadurch implizierten Bezuschussung der Länder befugt und welche verfassungsrechtlichen Schranken sind i h m hinsichtlich seiner Einbeziehung der Länder i n diese Subventionsprogramme der Leistungsverwaltung gezogen? Denn die Frage nach der Zuständigkeit des Bundes bildet den Ausgangspunkt aller verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen K r i t i k der Fondsverwaltung sowohl unter der Geltung der Weimarer Verfassung als auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. Sie soll daher auch Gegenstand des von der Troeger-Kommission und i m Finanzreformprogramm der Bundesregierung vorgesehenen sogenannten Flurbereinigungsabkommens zur Abgrenzung der Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sein 6 . Daneben aber bilden die Schaffung neuer Ingerenzrechte des Bundes und die Dotationsauflagen immer wieder das Angriffsziel des verfassungsrechtlichen Streits zwischen Bund und Ländern u m die Fondsverwaltung. Während bezüglich der Bundeszuständigkeit i m Bereich der Gesetzgebungskompetenz selten Zweifelsfragen auftauchen, da i m Gegensatz zu der Verwaltungszuständigkeit i m Grundgesetz hier die Zuständigkeit des Bundes bei den für die Subventionsvergabe einschlägigen Materien 5 Dazu die Berichte v o n Lassar, JÖR X I V , S. 20 f., u n d Poetzsch-Heffter, JÖR X I I I , S. 40. Schon i m Kaiserreich u n d seit der kritischen Würdigung seiner Verwaltungspraxis durch Härtel, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 380, w a r die Vereinbarkeit einer damals erst i n beschränktem Umfang bestehenden zentralstaatlichen Fondsverwaltung m i t den Grundsätzen des Bundesstaatsrechts umstritten. 8 Vgl. Troeger-Gutachten, Tz 81 ff. m i t Anlage 2; ebenso Finanzbericht 1968, S. 209 f., bezüglich der Vorschläge des Finanzreformprogramms der Bundesregierung. Z u m Ganzen eingehend unten 2. Hauptt., Abschn. B, 2. Kap.

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

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wie die der A r t . 74 Ziff. 7 (öffentliche Fürsorge), A r t . 74 Ziff. 11 (Recht der Wirtschaft), A r t . 74 Ziff. 13 (Förderung der wissenschaftlichen Forschung), A r t . 74 Ziff. 17 (Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung) enumerativ begründet wurde, ist diese Frage hinsichtlich der verwaltungsmäßigen Möglichkeiten des Bundes nicht m i t hinreichender Klarheit eindeutig beantwortet. Die Zuständigkeiten des Bundes wurden gerade i m Bereich der leistungsgewährenden Verwaltung von der Rechtslehre nicht immer einheitlich ausgelegt. Einigkeit besteht nur insoweit, daß dem Bund auf dem Gebiet der Ausgabenwirtschaft keine Kompetenz-Kompetenz zusteht, weil eine solche beliebige Erweiterung seines finanziellen Wirkungskreises gegenüber den Ländern m i t der zwingenden Aufgabenzuweisung des Grundgesetzes unvereinbar wäre. Wie allerdings das Begriffspaar „staatliche Befugnisse und Aufgaben" i n A r t . 30 GG i n diesem Zusammenhang auszulegen sind, w i r d i m Schrifttum verschieden beurteilt. So verstehen v. Mangoldt-Klein 7 unter staatlichen Befugnissen nur solche hoheitlicher A r t und leiten aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ihren synonymen Begriffsinhalt m i t dem Topos der „Staatsgewalt" ab. Peters 9 w i l l die Gehalte der „staatlichen Befugnisse und Aufgaben" nicht als Gegensatz zu nichtstaatlich oder öffentlich, sondern i n der Bedeutung von obrigkeitlich i. S. von gesetzesgebundener Verwaltungstätigkeit verstanden wissen, wobei er allerdings die Subventionsvergabe zur gesetzesfreien Verwaltung zählt. Aber selbst wenn man der Ansicht wäre, daß die Subventionen keiner gesetzlichen Grundlage bedürfen, müßte man doch i. S. der heute wohl herrschenden Auffassung 9 unter A r t . 30 GG die gesamte Staatstätigkeit subsumieren, die der Erfüllung einer öffentlichen A u f gabe dient. Das folgt schon daraus, daß angesichts des zunehmenden Umfangs der nicht eingreifenden Tätigkeit des Staates eine andere Auslegung dem Sinn des A r t . 30 GG nicht gerecht würde. A r t . 30 GG ist außerdem i n Verbindung m i t A r t . 83 ff. GG zu sehen, die sowohl von der gesetzesfreien als auch von der gesetzesakzessorischen Verwaltung handeln. Daher ist die i m Fernsehstreit von der Bundesregierung vertretene A u f fassung 10 unzutreffend, daß der Grundsatz des A r t . 30 GG nur i n A r t . 7

a.a.O., A r t . 30 G G A n m . I I I l b . D Ö V 1949, S. 326. 9 BVerfGE 12, S. 205 ff.; S. 246 f.; B V e r f G i n N J W 1967, S. 1795 ff.; Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 Rdnr. 41; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 232; Röttgen, Fondsverwaltung, S. 40; Gross, D V B L 1969, S. 127. 10 Diese Stellungnahme w i r d i n den Urteilsgründen i n BVerfGE 12, S. 205 ff., zitiert u n d zu Recht verworfen. 8

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

83 GG für die gesetzesakzessorische Verwaltung gelte, da hierfür der 8. Abschnitt des Grundgesetzes eine „andere Regelung" i m Sinne des A r t . 30 GG getroffen habe. Diese Ansicht, die insofern m i t der Konzeption von Peters übereinstimmt, übersieht, daß i m Bereich des 8. A b schnittes des Grundgesetzes die i n A r t . 87 bis 90 GG aufgeführten Sachbereiche zum größten Teil gesetzesfrei verwaltet werden und daher dieser Teil des Grundgesetzes auch von der gesetzesfreien Verwaltung handelt. Auch für sie t r i f f t er i m einzelnen andere Regelungen, von denen i n A r t . 30 GG die Rede ist und nimmt sie nicht von dem i n A r t . 30 GG statuierten Vorrang der Länder aus 11 . Außerdem ist nicht ersichtlich, warum der Verfassungsgeber die Leistungsverwaltung, deren Bedeutung er nach den Erfahrungen i n der Weimarer Republik nicht unterschätzt haben wird, einerseits i n A r t . 20 GG voraussetzt, andererseits aber nicht i n die Verteilungsnorm des A r t . 30 GG miteinbezogen haben soll 1 2 . 2. Die ungeschriebene Fondszuständigkeit des Bundes

Hat somit der Bund die grundgesetzmäßige Zuständigkeitsverteilung nach Art. 30 GG zu beachten, so ist zu prüfen, inwieweit das Grundgesetz i m Sinne dieser Vorschrift eine „andere Regelung t r i f f t oder zuläßt". Das ist i n den Fällen unproblematisch, i n denen der Bund kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Normierung zuständig ist, wie es sich aus Art. 87 ff. GG oder i n A r t . 119 und Art. 120 a GG ergibt. Die Praxis des Bundes hält sich aber nicht an diese Zuständigkeitsbereiche. Vielmehr subventioniert der Bund weitgehend auch da, wo i h m das Grundgesetz eine Zuständigkeit nicht vorschreibt. Zur Rechtfertigung dieser Bundesverwaltung w i r d dabei auf eine ungeschriebene Fondszuständigkeit des Bundes verwiesen, die sich aus der Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs sowie Bedürfnisses ergebe. I n der Vergangenheit hatte schon Lassar 13 die von i h m bejahte Fondszuständigkeit des Reichs i n dem Sinne umschrieben, das Reich sei „zur Finanzierung reichswichtiger Aufgaben und damit zur Einflußnahme auf ihre Durchführung dann zuständig, wenn sie von den Ländern nicht erfüllt werden oder tatsächlich nicht erfüllt werden können". Diese globale Zuweisung der Finanzierungskompetenz an den Zentralstaat ist auch für das Grundgesetz teilweise von der Rechtslehre übernommen worden 1 4 . 11

So auch das BVerfG, a.a.O. Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 G G Rdnr. 19. 13 Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 316. 14 Vgl. z. B. Ipsen, D V B L 1956, S. 500; besonders Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 ff., nach dem es für den B u n d „keiner ausdrücklichen Kompetenzn o r m " bedarf. Es müßten vielmehr alle Kompetenznormen als grundgesetz12

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

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Durch eine solche weite Ausdehnung des Kriteriums der Natur der Sache oder der Annexkompetenz würde aber die Zuständigkeitsvermutung des A r t . 30 GG i n ihr Gegenteil verkehrt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Bundeszuständigkeit aus diesen Gründen nicht nur für den Bereich der Gesetzgebung, sondern auch für den Bereich der Verwaltung anerkannt 1 5 . Allerdings hat es die Grenzen für die Zuständigkeit des Bundes hierbei sehr eng gezogen. So hat schon das Fernsehurteil des BVerfG zum Ausdruck gebracht, daß Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer sachgerechter Lösungen zwingend fordern müssen 16 . Dabei ist weder das K r i t e r i u m der Überregionalität noch die Tatsache der gemeinsamen oder koordinierten Erfüllung einer Aufgabe durch die Länder ein Grund, der eine natürliche Bundeszuständigkeit rechtfertigen würde 1 7 . Ohne das Poblem einer Bundeszuständigkeit aus der Natur der Sache oder des Sachzusammenhangs an dieser Stelle abschließend zu erörtern, ergibt sich aus den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts doch, daß eine darauf gestützte ungeschriebene Fondszuständigkeit des Bundes nur i n den begrenzten Fällen anerkannt werden kann, i n denen die Erfüllung der Aufgabe durch die Länder logisch nicht denkbar ist. Ebensowenig ist das K r i t e r i u m des Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung geeignet, eine Zuständigkeit des Bundes zu begründen. Soweit dieses Bedürfnis auf eine finanzielle Unzulässigkeit der Länderexekution zurückgeführt w i r d 1 8 , ist dem m i t dem Bundesverfassungsgericht 19 entgegenzuhalten, daß sich der Bund auch beim Ausbau einer Fondsverwaltung nicht auf ein administratives Defizit berufen kann, das sich lediglich aus den Mangelerscheinungen regionaler Finanzkraft erklärt. Auch der Hinweis auf A r t . 72 Abs. 2 GG 2 0 kann keine solche Bundeszuständigkeit rechtfertigen. Diese Verfassungsvorschrift ist i m Bereich der Verwaltungskompetenz nicht heranzuziehen, da sie i m Abschnitt über die Gesetzgebung steht. Eine analoge Anwendung verbietet sich lieh „zugelassen" gelten, ohne die der B u n d die Funktionen, die dem Oberverband eines föderativen Gesamtstaates eigentümlich sind, nicht sachgemäß erfüllen kann. 15 BVerfGE 22, S. 180; w o h l auch schon BVerfGE 12, S. 251 ff.; ebenso Gross, D V B L 1969, S. 127; Sturm, D Ö V 1968, S. 473; Röttgen, Fondsverwaltung, S. 42, 43; Flehinghaus , Die Bundesfondsverwaltung, S. 147. 16 BVerfGE 12, S. 251 ff. 17 B V e r f G E 11, S. 6 ff. 18 Vgl. Flehinghaus , a.a.O., m i t Nachweisen. 19 BVerfGE 12, S. 251. 20 Röttgen, JÖR N . F . 3, S. 93; Füsslein, D V B L 1951, S. 34; Fischer-Menshausen, D Ö V 1952, S. 678.

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

ebenfalls. Eine Analogie w i r d nämlich nur von übereinstimmenden gesetzlichen Tatbeständen getragen. Die Intention des Verfassungsgebers i n dem Kapitel über die Gesetzgebung und i n dem folgenden über die Verwaltung divergiert jedoch völlig. Das Schwergewicht bei der Ausführung der Gesetze soll bei den Ländern liegen, während dem Bund primär die Gesetzgebung vorbehalten ist. Dieser Wille des Verfassungsgebers konkretisiert sich i m Sinngehalt des A r t . 72 GG 2 1 . Außerdem würde eine analoge Anwendung des A r t . 72 GG selbst über den inneren Wirkungskreis der Vorschrift hinausgehen 22 . Auch i m Rahmen der Gesetzgebungszuständigkeit genügt nicht stets ein Bedürfnis zu einer bundeseinheitlichen Regelung, u m die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zu begründen. Dieses Bedürfnis kann sich erst dann auswirken, wenn dem Bund überhaupt durch das Grundgesetz eine konkurrierende Zuständigkeit eingeräumt ist 2 8 . Eine konkurrierende Zuständigkeit i m Rahmen der Verwaltungskompetenzen ist dem Grundgesetz jedoch fremd. Der Unterschied regionaler Finanzkraft w i r d daher ausschließlich i m Wege des Finanzausgleichs vorgenommen 24 . 3. Ableitung einer Subventionierungskompetenz des Bundes aus der Gesetzgebungszuständigkeit

Es fragt sich aber, ob der Bund nicht eine Finanzierungs- und damit verbunden eine Verwaltungskompetenz i m Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeiten i n Anspruch nehmen kann. Dabei geht die wissenschaftliche Diskussion, ob der Gesetzgebungszuständigkeit die Verwaltungskompetenz bei der Finanzierung folgt, meist von der konkreten Vorschrift der A r t . 74 Ziffer 13 und 17 GG aus, wonach der Bund Gesetze zur Förderung der Wissenschaft und der Landwirtschaft erlassen kann. Die hierin angesprochene Problematik w i r d aber auch vom Schrifttum auf das Gesamtproblem ausgedehnt. Das Bundesverwaltungsgericht i n ständiger Rechtsprechung 25 und i h m folgend die Instanzengerichte 28 sowie eine heute als herrschend zu bezeichnende Lehrmeinung 2 7 sprechen dem Bund eine solche Fondszuständigkeit i m Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz zu. 21

Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 Rdnr. 7; Füsslein, D V B L 1951, S. 34. Darauf weist zu Recht Flehinghaus, a.a.O., S. 151, hin. 23 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 Rdnr. 7. 24 Vgl. B V e r f G E 12, S. 252; Fischer-Menshausen, D Ö V 1952, S. 678. 25 B V e r w G i n N J W 1959, S. 1098 (Landwirtschaftssubvention), D V B L 1959, S. 575 (Landwirtschaftssubvention); B V e r w G E 18, S. 353 (Wissenschaftsförderung — Honnefer-Modell). 26 z.B. V G H Hessen, E S V G H 6, S. 234 (Konsumbrotsubvention); V G H Hessen, D V B L 1963, S. 443 (Honnefer-Modell). 27 v.Mangoldt-Klein, A r t . 74 A n m . 13; Zeidler, D V B L 1960, S. 576; Kipp, D Ö V 1958, S. 559; Kölble, D Ö V 1964, S. 593; ders. D Ö V 1965, S. 77; Köttgen, Fondsverwaltung, S. 40 f.; ders. JÖR N . F . 11, S. 282; Ipsen, Die öffentliche 22

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

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Das w i r d teilweise exemplarisch aus der Vorschrift des A r t . 74 Ziff. 13 GG abgeleitet, deren gesetzliche Normierung ohnehin wenig materiell anderes enthalten könnte als einen finanziellen Bewilligungstatbestand. Dem entspricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Denn schon i m Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates wurde bezweifelt, ob A r t . 74 Ziff. 13 überhaupt notwendig sei, da es zur Förderung der Wissenschaften doch nur der haushaltsmäßigen Bewilligung bedürfe, die auch ohne Annahme der Ziffer möglich sei 28 . Wenn aber die Errichtung einer Bundesoberbehörde etwa zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung wenig sinnvoll erscheint und ein auf A r t . 74 Nr. 13 gestütztes Bundesgesetz nicht sehr gehaltvoll sein könnte, andererseits diese Vorschrift dem Bund aber die Bereitstellung von Mitteln i n diesem Bereich nicht versagt, eröffnet sich die Möglichkeit, eine unmittelbare Finanzierungskompetenz des Bundes etwa unter dem Gesichtspunkt a maiore ad minus anzunehmen 29 . Dieses Argument hat bereits Triepel 30 i n bezug auf Reichsgesetzgebung beim Eisenbahnbau (Art. 41 WRV) verwandt m i t der Schlußfolgerung, daß dem Reich auf diesem Gebiet auch das Recht zur finanziellen Unterstützung erwachsen müsse. Diesen Gedanken hat Kölble 3 1 aufgegriffen und bemerkt, es stehe dem Bund grundsätzlich frei, „dort, wo er selbst nach außen verwaltend tätig werden könnte, dies auch i n der schwächeren Form einer intern zweckgebundenen Finanzzuweisung an ein Land zu tun, die die Verwaltungskompetenz nach außen unberührt läßt". Die durch die Gesetzgebungskompetenz eingeräumte Ordnungsfunktion erfordere es auch, diese auch dort fruchtbar zu machen, wo sich eine Materie der Normierung ganz oder teilweise entzieht, wie dies auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung der Fall sei 32 . I n der Tat erscheint es zwingend, i n diesen Bereichen, die i m Sinne des A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG eine Bundesaufgabe darstellen, und i n denen der Bund eine bundeseigene Verwaltung unterhalten könnte oder sich i n gewissem Umfang die Möglichkeit eines überregionalen Verwaltungshandelns oberster Bundesbehörden eröffnen würde, eine Finanzierungskompetenz des Bundes anzunehmen. Denn wenn es dem Bund freisteht, grundsätzlich selbst nach außen verwaltend tätig zu Subventionierung Privater (1956), S. 40; Patzig, A Ö R 92 (1967), S. 332 f.; Sturm, D Ö V 1968, S. 472. 28 So der Abg. Laforet; vgl. v. Mangoldt-Klein, a.a.O., A r t . 74 A n m . 13. 29 Vgl. Patzig, A Ö R 92 (1967), S. 332. 30 Die Kompetenzen des Bundesstaates u n d die geschriebene Verfassung, i n : Festgabe für Laband, 1908, Bd. I, S. 247 ff., S. 288 f.; ebenso z.B. Hänel, Staatsrecht, Bd. I, S. 648. Die gleiche Argumentation für das schweizerische Bundesstaatsrecht, vgl. Schindler, Die Bundessubventionen als Rechtsproblem (1951), S. 164. 31 D Ö V 1964, S. 553. 82 D Ö V 1965, S. 77. 10 Tiemann

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

werden, so muß er erst recht seine Finanzierungsmaßnahmen i n die rechtlich mindere Form von internen zweckgebundenen Finanzzuweisungen an ein Land kleiden können, welche die Verwaltungsführung des Landes nach außen nicht berührt 3 3 . Diese Tatsache w i r d auch dem Umstand gerecht, daß gerade i m Bereich dieser Materien wie z. B. der wissenschaftlichen Forschung oder auf dem Agrar-Sektor eine enge Verzahnung der Bundes- und Landesaufgaben zu finden ist, wie es sich — u m bei dem F a l l des A r t . 74 Ziff. 13 zu bleiben — i n der Einheit von Forschung und Lehre an den Hochschulen ausprägt, die damit teilweise auch i n die Kulturhoheit der Länder fällt. Hierbei handelt es sich also u m eine typische Gemeinschaftsaufgabe, die sinnvoll nur durch eine Koordinierung i n der Ausübung der beiderseitigen Kompetenzen gelöst werden kann 3 4 . Eine solche konzertierte Aufgabenerfüllung w i r d daher von Köttgen schon i n seinem ersten Bericht über den „Einfluß des Bundes auf die deutsche Verwaltung" 3 5 i m Rahmen der Bundeszuschüsse insoweit bejaht, als „unter Beachtung der sich i n Verbindung m i t A r t . 30 GG ergebenden Grenzen jeglicher Bundeszuständigkeit der Bund die betreffende Verwaltungsaufgabe auch von sich aus i n Angriff nehmen könnte und es sich daher nicht u m zentrale Investitionen i n dem den Ländern vorbehaltenen Verwaltungsraum, sondern lediglich u m eine Modalität der Koordinierung andernfalls paralleler Bundesund Landesverwaltung handelt". Innerhalb dieser Grenzen w i r d man also auch eine Subventionierungskompetenz des Bundes aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz anerkennen müssen. 4. Die Beteiligung der Länder am Vollzug leistungsgewährender Bundesprogramme

Es w i r d nunmehr die Frage zu klären sein, ob sich der Bund auch bei der Durchführung seiner Leistungsprogramme gegenüber den Ländern an diese Grundsätze hält und i n welchem Maße die Landesverwaltungen durch ihre Einschaltung i n die Subventionsplanungen des Bundes dessen Einwirkungsmöglichkeiten unterliegen. Insoweit hier eine ungeschriebene Fondszuständigkeit des Bundes unter den beschränkten Voraussetzungen der Natur der Sache sowie des Sachzusammenhangs bejaht wurde und auch eine Finanzierungskompetenz aus der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes angenommen wurde, entspricht diese Zuständigkeit den Anforderungen des A r t . 30 GG nicht nur hinsichtlich der bloßen Bereitstellung von Bundesmitteln. Denn wenn M i t t e l überhaupt i m Bundeshaushalt eingestellt werden können, so besteht nur die Möglichkeit, diese von der für ihren 33 34 35

Sturm, D Ö V 1968, S. 472. Vgl. Patzig, A Ö R 92 (1967), S. 332; Viaion, Haushaltsrecht, S. 169. JÖR N . F . 3 (1954), S. 67 ff.

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

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Einzelplan verantwortlichen obersten Bundesbehörde bewirtschaften zu lassen 36 . Ist also beim Vorliegen der Finanzierungskompetenz dem Bunde auch die Praxis der Fondsministerien grundsätzlich nicht verwehrt, so bleibt doch die Frage bestehen, welche organisatorischen Möglichkeiten der Bund hat, wenn — wie es i n der Regel der Fall ist — ein Subventionsprogramm die Verwaltungskraft eines auf sich selbst gestellten Fondsministeriums übersteigt. Hier w i r d man i n modifizierter Form Triepels 37 Erkenntnis, daß sich durch bloße Schlußfolgerung aus den dem Reich überwiesenen Kompetenzen zur Vollziehung weitere Vollzugskompetenzen ableiten lassen, auch für das Grundgesetz nutzbar machen können. Da bei dem Bund eine ungeschriebene Fondszuständigkeit oder auf die Gesetzgebungskompetenz gestützte Finanzierungskompetenz ohnehin nur unter besonderen Umständen vorliegt, unter denen der Anknüpfungspunkt der Überregionalität und Gesamtstaatlichkeit m i t begriffsnotwendiger Konsequenz ein Bundeshandeln erfordert, kann bei Vorliegen dieser Voraussetzungen der organisatorische Engpaß des achten Abschnittes des Grundgesetzes nicht ein Scheitern der Bundesprogramme bewirken 3 8 . Zwar hat der Bund auch bei der Fondsverwaltung die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften zu beachten 39 , doch w i r d man i n den Fällen, i n denen überhaupt eine Verwaltungszuständigkeit i m Bereich des Fondswesens i n Betracht kommt, m i t Triepel 40 „alle zur vollkommenen und wirksamen Ausübung einer Zuständigkeit erforderlichen und geeigneten M i t t e l i m Zweifel als Bestandteil der Zuständigkeit" ansehen müssen. Jedoch muß die auf einen ungeschriebenen Titel gestützte Organisationsgewalt der Bundesressorts i n jedem Fall den Vorrang des geschriebenen Verfassungsrechts und die dadurch implizierten organisationsrechtlichen Grundgehalte respektieren, was sich dahingehend auswirkt, daß der Bund die Länder nicht i n Form eines Diktats zur Abwicklung seiner Programme heranziehen kann 4 1 . Bei der Einschaltung der Länder i n die Verteilung der Bundessubventionen lassen sich zwei Formen unterscheiden. Bei einer Form der Fondsverwaltung verwalten die Länder i n Ausführung des Bundeshaushalts auf Rechnung des Bundes 42 . Sie sind dabei „ i n Angelegen86

Röttgen, Fondsverwaltung, S. 44. Die Kompetenzen des Bundesstaates u n d die geschriebene Verfassung, S. 306. 88 Röttgen, Fondsverwaltung, S. 44. 89 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 GG Rdnr. 41. 40 a.a.O., S. 306. 41 Röttgen, Fondsverwaltung, S. 45. 42 Über solche „Landesverwaltung auf Rechnung des Bundes", vgl. Hettlage, W d S T L 14, S. 35; Röttgen, JÖR N . F . 11, S. 218f.; ders. Fondsverwaltung, S. 47. 87

10*

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

heiten von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung" an die Weisungen der für ihren Einzelplan verantwortlichen obersten Bundesbehörden gebunden (§ 4 Abs. 2 des ersten Überleitungsgesetzes 43 ). Bei diesen sogenannten unechten Zuschüssen kommt es nur zu einem kassenmäßigen Durchlauf der Mittel, wobei die Länder nur als Verteilungs- oder Zuteilungsorgane ohne eigenes Entscheidungs- oder M i t entscheidungsrecht fungieren 4 4 . Eine Gemeinschaftsaufgabe liegt i n diesem Bereich also nicht vor, da die Länder ohne eigenverantwortliche Funktion als bloße Vollzugsorgane i n die Mittelverteilung eingeschaltet sind und sogar der Hoheitsakt selbst, der über die Subventionsbewilligung an den einzelnen Antragsteller entscheidet, von der Bundesbehörde erlassen wird. Demgegenüber sind die Fälle anders zu beurteilen, wo die Landesbehörden eigenverantwortlich die Abwicklung der Bundesprogramme wahrnehmen, wobei sie aber richtlinienmäßig gebunden sind. Durch die Einschaltung ihrer Verwaltungsbehörden i n den Subventionsvollzug übernehmen die Länder die Rolle einer außerhalb der Bundesverwaltung stehenden Stelle i. S. des § 64 a RHO und müssen daher ein sich in Bewilligungsbedingungen manifestierendes Direktionsrecht des Bundes respektieren. I m Unterschied zu der Landesverwaltung auf Rechnung des Bundes werden hierbei aber die für Zwecke einer Fonds Verwaltung bereitgestellten Bundesmittel i m Landeshaushalt als Einnahmen aufgeführt, wodurch den Landtagen die Entscheidungsbefugnis über die Annahme solcher Offerten des Bundeshaushalts verbleibt. Kein Land kann daher ohne parlamentarische M i t w i r k u n g i n eine Fondsverwaltung des Bundes verstrickt werden. Somit ist diese Einbeziehung der Länder grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen. Einerseits w i r d die Eigenständigkeit der Länder nicht angetastet; andererseits erlassen die Landesbehörden zwar Verwaltungsakte auf Gebieten, die das Grundgesetz der Verwaltungshoheit des Bundes zugeordnet hat, jedoch w i r d keine Zuständigkeit des Bundes auf die Länder übertragen, sondern es erfolgt nur eine richtliniengebundene zeitweilige Ausübung der Bundeszuständigkeiten durch die Landesbehörden i m Wege einer mandatsähnlichen Verwaltungshilfe. Da die M i t w i r k u n g der Länder am Vollzug eines Bundesprogrammes eine eigene Angelegenheit der Länder bleibt und die Annahme entsprechender Offerten des Bundeshaushalts der eigenverantwortlichen Entscheidung der Länder obliegt, läßt sich diese A r t der Fondsverwaltung durchaus als Gemeinschaftsaufgabe bezeichnen, da beide Partner eine 43 44

B G B L 1955,1, S. 193. Vgl. Flehinghaus, a.a.O., S. 170.

2.Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

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eigene Aufgabe erfüllen, wobei der Bund seine Finanzierungskompetenz wahrnimmt, die er m i t der Verwaltungskompetenz der Länder koordiniert. Allerdings ist hier der Koordinierungseffekt ziemlich gering, w e i l nur der Bund finanziert und die Länder sich auf den eigenverantwortlichen Verwaltungsvollzug beschränken, der außerdem noch durch die Bewilligungsbedingungen gebunden ist. Dabei ist das Gewicht der vom Bunde diktierten Bewilligungsbedingungen i n ihrer detaillierten Ausgestaltung durch die Staatspraxis oft durch die Reichshaushaltsordnung nicht mehr legitimiert, weil hier die politische Zwangslage angesichts der Bundesofferten zu einer A r t einverständlicher Bundesauftragsverwaltung geführt hat, die dem verfassungsrechtlichen numerus clausus der Bundesauftragsverwaltungen widerspricht 4 5 . Auch der Bereitwilligkeit der Länder, sich derart intensiv i n eine Fondsverwaltung des Bundes verstricken zu lassen, kann dabei keine rechtliche Bedeutung zukommen, da das Bundesstaatsrecht ein volenti non f i t iniuria nicht kennt. Eine solche dirigistische Einflußnahme des Bundes würde auch den Charakter der Gemeinschaftsaufgaben i n diesem Bereich pervertieren und der Ratio der RHO widersprechen, die schon m i t ihrer Unterscheidung zwischen „außerhalb der Bundesverwaltung stehenden Stellen" (§ 64 a RHO) und „Anstalten" (§ 9 b RHO) zum Ausdruck gebracht hat, daß ein Land als Zuschußempfänger niemals i n die instrumentale Abhängigkeit einer derartigen Anstalt des Bundes gelangen kann 4 6 .

I I . Die gemeinschaftliche Finanzierung von Bund und Ländern durch zweckgebundene Bundeszuschüsse 1. Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Bundeszuschüsse an die Länder im Rahmen verwaltungsinterner Fondsverwaltung

Dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben entspricht i n stärkerem Maße die sogenannte „verwaltungsinterne" Fondsverwaltung. Auch hier werden nur aufgrund haushaltsrechtlicher Ermächtigung zweckgebundene Finanzhilfen geleistet, deren Besonderheit darin besteht, daß damit ein jeweiliger Unterverband i n die Lage eines Zuschußempfängers seines Oberverbandes versetzt wird. Welche kommunalpolitische Rolle die 45

Vgl. Röttgen, Fondsverwaltung, S. 47. Das g i l t u m so mehr, als § 64 a RHO die Länder nicht etwa i n eine dem beliehenen Unternehmer i m Verwaltungsrecht ähnliche Rechtsposition v e r setzt. Wenn Flehinghaus , a.a.O., S. 172, die gegenteilige Ansicht v e r t r i t t , v e r kennt er dieses allein auf die Übertragung hoheitlicher Gewalt an Private anwendbare Rechtsinstitut, das sich nicht auf das Bund-Länder-Verhältnis übertragen läßt, innerhalb dessen das Grundgesetz dem Zentralstaat u n d den Gliedstaaten die Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zuteilt. 46

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

Finanzzuweisungen seit jeher gespielt haben, hat Popitz schon 1932 i n seinem bekannten Gutachten über den künftigen Finanzausgleich dargelegt, i n dem er das berühmt gewordene B i l d von der „Anziehungskraft des größeren Etats" verwandte, u m den Einbruch des subventionierenden Oberverbandes i n die Kompetenzen des bezuschußten Unterverbandes zu demonstrieren. Aus diesem Grunde waren auch die Zuschüsse des Bundes an die Länderhaushalte stets umstritten. So hat die Bayerische Staatsregierung i n der bereits zitierten „Denkschrift über die fortschreitende Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder unter der Weimarer Verfassung" 47 schon i m Jahre 1926 ausgeführt, das Reich handele nach dem Grundsatz: „Wer zahlt ordnet an" und erfülle verfassungsmäßig den Ländern zustehende Aufgaben m i t Mitteln, die es den Ländern i m Finanzausgleich vorenthalte. Indem das Reich an die Ausschüttung von Mitteln, die es i n seinem Haushalt für mannigfaltige Zwecke zur Verfügung stelle, zahlreiche Bedingungen und Auflagen knüpfe, erhalte es einen weitreichenden Einfluß auf die verschiedenartigsten Verwaltungsgebiete. Auch die Bundesregierung hat i n der Begründung zum Entwurf des Finanzverfassungsgesetzes von 195548 eingeräumt, nicht selten sei die Erweiterung ihres funktionellen W i r kungsbereichs der eigentliche Zweck der Finanzierungshilfe und ausgeführt, Subventionen aus zentralen Fonds hätten sich stets als besonders wirksames Instrument erwiesen, i n rechtlich schwer zugängliche Zuständigkeitsbereiche nachgeordneter Verbände einzudringen. Dieses verfassungspolitische Faktum läßt sich aus der äußeren Verfahrensweise bei den Bundeszuschüssen nicht auf den ersten Blick ablesen. Haushaltsrechtlich werden die Länder durch diese Praxis abermals i n die Rolle einer „außerhalb der Bundesverwaltung stehenden Stelle" versetzt (§ 64 a RHO). Der Bund begnügt sich m i t einer Zuschußofferte, die bei Annahme durch das Land unter den Einnahmen des Landeshaushalts erscheint und insofern die Eigenständigkeit der regionalen Haushaltswirtschaft nicht antastet. Soweit eine eigenverantwortliche Vergabe der Zuschußmittel durch die Länder ohne eine richtlinienmäßige Bindung von Bundesseite erfolgt, entstehen bundesstaatliche Probleme nur bezüglich der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit der Zuschußvergabe durch den Bund. Das Grundgesetz sieht ausdrücklich gesetzesfreie Finanzhilfen des Bundes für den Fall vor, daß einzelnen Ländern oder Gemeinden auf Grund vom Bunde veranlaßter Maßnahmen „Sonderbelastungen" entstehen. Für diese soll i n Gestalt von Bundeszuschüssen ein Ausgleich gewährt werden (Art. 106 Abs. 5 und Abs. 7 GG). Aber darüber hinaus 47 48

Drucksachen des Reichsrats, 1926 Nr. 98, Druckschrift, S. 4, 12. a.a.O., Ziff. 54.

2.Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

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ist, i n Verbindung m i t dem horizontalen Finanzausgleich, nur die Möglichkeit vorgesehen, daß leistungsschwachen Ländern seitens des Bundes zur Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs „Ergänzungszuweisungen" gewährt werden, deren Regelung indessen dem Bundesgesetzgeber vorbehalten ist (Art. 107 Abs. 2 GG). Aus diesen finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes ist von Bühler 49 und Meyers 50 ein verfassungsrechtlicher numerus clausus der Bundeszuschüsse hergeleitet worden, da der Verfassungsgeber durch die A r t . 106, 107 GG eine abschließende Gestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vorgenommen habe. A r t . 107 GG kann zwar als eine abschließende Regelung betrachtet werden, aber nur insoweit als es sich u m die Vergabe der dort angesprochenen Zuschüsse handelt. Es können folglich nicht auf eine andere A r t Zuschüsse vergeben werden, die, wie die Zuwendungen nach A r t . 107 GG den Zweck verfolgen, die Finanzkraft der Länder einander anzugleichen. Über andere Zuschüsse sagt diese Vorschrift aber nichts aus 51 . Auch aus A r t . 106 Abs. 5 und Abs. 7 GG kann kein argumentum e contrario i n dem Sinne gezogen werden, daß eine Vergabe von Zweckzuschüssen generell unzulässig ist. Denn auch A r t . 106 Abs. 5 und Abs. 7 GG betrifft Zuschüsse innerhalb des Finanzverhältnisses von Bund und Land und stellt eine Erweiterung des A r t . 106 Abs. 4 GG dar, wobei den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen ein klagbarer Anspruch auf Zahlung eines Ergänzungszuschusses gewährt w i r d " . A r t . 106 Abs. 5 und 7 GG regelt also einen Spezialfall der Zuschußgewährung, der gegenüber den hier i n Frage stehenden Ermessenszuschüssen ein aliud darstellt. Ebensowenig kann aus A r t . 106 Abs. 4 GG gefolgert werden, der hier aufgezeigte Weg des vertikalen Finanzausgleichs schließe eine andere Verteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern auch mittels einer Zuteilung von Zweckzuschüssen aus dem Finanzaufkommen aus, das dem Bund nach der geltenden Aufteilung des Steueraufkommens 58 zusteht. Denn i n der Vorschrift über den vertikalen Finanzausgleich sind nur die den Ländern und dem Bund zwingend zustehenden Anteile am „Steuereinkommen" geregelt. Eine darüber hinausgehende Aussage über Ermessenszuweisungen und Zweckzuschüsse ist dieser Vorschrift, die sich nur m i t einem bestimmten Ausschnitt bundesstaatlicher Finanz49 50 51 62 53

I n Bonner Kommentar A r t . 107 GG A n m . B 1. K l a r e Aufgabenteilung, S. 11. Ebenso Flehinghaus , a.a.O., S. 181. Viaion, a.a.O., A r t . 106 A n m . 23. So aber Meyers, a.a.O., S. 11.

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Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

beziehungen beschäftigt, nicht zu entnehmen. Sofern also nicht eine gezielte Umgehung der grundgesetzlichen Finanzverfassung intendiert wird, u m eine Änderung des Aufteilungsschlüssels bezüglich der Einkommens- und Körperschaftssteuer zu vermeiden, obwohl der Tatbestand des A r t . 106 Abs. 4, 5 GG gegeben ist 5 4 , w i r d man die Zulässigkeit der Bundeszuschüsse annehmen können, sofern eine Bundesaufgabe i m Sinne einer ungeschriebenen Fondsverwaltungszuständigkeit oder auf Gesetzesbefugnis beruhende Finanzierungskompetenz besteht 55 . Das gilt u m so mehr, als durch diese A r t der Zuschußvergabe die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern i. S. des A r t . 109 GG nicht eingeschränkt w i r d 5 6 . Das entspricht auch dem Charakter dieser Finanzierungen als Gemeinschaftsaufgabe: Der Bund gibt den Ländern für solche Bereiche Zuschüsse, die i n seine Kompetenz fallen und ermöglicht es den Ländern, sich an solchen gesamtstaatlichen Vorhaben zu beteiligen, wobei jeder den Zuständigkeitsbereich des anderen respektiert. Die finanziellen Bundesofferten sind also ein wichtiges Instrument der Koordination i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben. Daher hat Viaion 57 zu Hecht den Bundeszuschüssen eine Schranke gezogen, die ihrem Wesensgehalt als Gemeinschaftsaufgaben entspricht, wenn er eine Verstärkung der Landesmittel für Sonderzwecke nur beim Vorliegen echter gemeinsamer Aufgaben zulassen w i l l , und zwar nur zur Durchführung des Bundesanteils dieser Aufgaben. Daher ist beim Vorliegen einer Gemeinschaftsaufgabe zu beachten, daß der Bund nur den A n t e i l finanzieren kann, der materiell eine Bundesaufgabe darstellt 5 8 . Das folgt bereits aus A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG, sowie aus den hier vertretenen Grenzen einer Finanzierungskompetenz des Bundes aufgrund ungeschriebener Fondszuständigkeit und Gesetzgebungskompetenz. Auch die von den Ländern teilweise vertretene Formel 5 9 , der Bund sei zwar bei ausschließlichen Landesaufgaben verfassungsrechtlich von der Finanzierung ausgeschlossen, die Hinnahme der angebotenen finanziellen Leistung durch die Länder verstoße jedoch nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, 54 Diese Schranke zieht Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 GG Bdnr. 63, der Z u lässigkeit einer Fondsverwaltung i m staatsinternen Bereich. 55 Daß der B u n d keiner verfassungsrechtlichen L e g i t i m a t i o n zur v e r w a l tungsinternen Fondsverwaltung bedürfe, w i e Flehinghaus , a.a.O., S. 198, meint, widerspricht schon A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG, der eine Bundesaufgabe erfordert. Vgl. Sturm, D Ö V 1968, S. 472; Maunz, B a y V B L 1962, S. 1. 56 Da die Annahme der Bundesofferte nach § 64 a R H O der Entscheidungsbefugnis der Landesparlamente anheimgestellt ist, ist die Auffassung Bühlers, a.a.O., A r t . 107 B I, u n d Meyers, a.a.O., S. 13, die i n jedem Bundeszuschuß eine Verletzung des A r t . 109 GG sehen, unzutreffend. 57 Haushaltsrecht, S. 169. 68 BVerfGE 22, S. 180. 59 Vgl. Maunz, K u l t u r h o h e i t , a.a.O., S. 10 f.; ders. B a y V B L 1968, S. 164.

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

153

entspricht nicht der strikten grundgesetzlichen Kompetenzordnung, die nicht zur Disposition von Bund oder Ländern stehen kann 6 0 . Bei der gemeinsamen Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben 61 muß also eine dem gesamtstaatlichen Charakter der Aufgabe entsprechende Finanzierungsmodalität gefunden werden, die gleichzeitig aber auch die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten der Partner beachtet. 2. Die verfassungsrechtlichen Schranken bei der internen Ausgestaltung interföderativer Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben

Sofern der Bund die eigenverantwortliche Vergabe der Bundesmittel durch die Länder an Vergaberichtlinien bindet, wie es der fast ausnahmslos geübten Praxis entspricht, stellt sich die Frage, welche Grenzen i h m hierbei gesetzt sind. Gemäß § 64 a RHO ist der zuständige Ressortminister gehalten, die Zuschüsse an die Länder unter bestimmten richtlinienmäßigen Bindungen der Länderbehörden zu vergeben. Bedenken gegen diese bundesministeriellen Richtlinien und B e w i l l i gungsbedingungen können sich aus A r t . 84 Abs. 2 GG ergeben, da sich die Richtlinien meist nicht i m Rahmen allgemeiner Verwaltungsvorschriften halten und eine Zustimmung des Bundesrats stets fehlt. A r t . 84 Abs. 2 GG betrifft jedoch nur solche Verwaltungsanordnungen, die zu der Durchführung eines Bundesgesetzes durch die Länder i n eigener Zuständigkeit ergehen. A r t . 84 GG ist daher nur i n dem Regelfall anwendbar, i n dem sich die Bundesgesetze an den Staatsbürger wenden, also eines äußeren Vollziehungsaktes durch die Landesverwaltungen bedürfen, u m den Gesetzeszweck zu erreichen. Adressat der Vorschriften, aufgrund deren der Bund den Ländern Zuschüsse gewährt, wie Spezialgesetze oder das Bundeshaushaltsgesetz, ist aber das Land und nicht der endbegünstigte Staatsbürger, so daß die 60 Gegen diese Argumentation daher Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 170 F. N. 129. 61 Auch Röttgen, Fondsverwaltung, S. 50 anerkennt das Vorliegen von Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich der verwaltungsinternen Fondswirtschaft. Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 51, sucht dem Grundgesetz positive Anhaltspunkte f ü r eine finanzielle Bundesbeteiligung an den Gemeinschaftsaufgaben zu entnehmen. E r sieht sie i n erster L i n i e i m durch A r t . 3 GG statuierten Gebot der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle, i m i n A r t . 14 Abs. 2 GG genannten „ W o h l der Allgemeinheit", sowie i m Sozialstaatsprinzip des A r t . 20 Abs. 1 G G u n d A r t . 28 Abs. 1 GG. Sofern er allerdings einen besonders wichtigen Ansatzpunkt f ü r gemeinsam finanzierte Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 72 Abs. 2 GG erblickt, ist i h m m i t Maunz, N J W 1968, 2034 entgegenzuhalten, daß diese angesichts ihrer auch für Generalklauseln Unbestimmtheit der Wortfassung u n d ihrer Funktion, die Kompetenzen des Bundes i m Bereich der Gesetzgebung (Art. 74, 75 GG) u n d damit auch i n der F o r m von Planungen, Finanzierungen u n d Richtliniengebung (Art. 83 ff. GG) nicht auszudehnen, sondern vielmehr einzuschränken, keine geeignete G r u n d lage f ü r Gemeinschaftsaufgaben bildet.

154

Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des A r t . 84 Abs. 2 GG gar nicht vorliegen 6 2 . Das eigentliche verfassungsrechtliche und auch verfassungspolitische Problem der Richtlinien und Bewilligungsbedingungen liegt aber i n den Fragen nach ihren inhaltlichen Grenzen, w e i l sich der Bund durch die Zuschußgewährung weitgehenden Einfluß auf die Länderverwaltungen zu sichern sucht. Dabei liegen aber die verfassungsrechtlichen Grenzen, die sich insoweit kongruent zu den wesensmäßigen Schranken der Gemeinschaftsaufgaben verhalten, stets dort, wo die Eigenverantwortlichkeit und Verwaltungshoheit der Länder berührt wird. Daraus folgt, daß der Bund bei der Subventionsgewährung nur dann durch Auflagen auf die Landesverwaltungen einwirken kann, wenn es der Zweck der Subventionsmaßnahme erfordert. Ähnlich wie bei den allgemeinen Zulässigkeitsschranken für die Verknüpfung eines Verwaltungsaktes m i t Auflagen und Bedingungen 63 muß der Inhalt der Richtlinien durch den Zweck der Subventionsmaßnahme gedeckt sein und sich i m Rahmen der Bundeszuständigkeit halten, u m eine Ausuferung der Zweckmäßigkeitserwägungen und Bindungen der Länder unter Aushöhlung ihrer Verwaltungshoheit zu vermeiden 64 . Aber auch soweit keine Auflagen m i t den Bundeszuschüssen verbunden sind binden die Richtlinien und Bewilligungsbedingungen die Länder dadurch, daß sie eine Präzisierung der Vergabevoraussetzungen und der Vergabemodalitäten des Subventionsanteils enthalten sowie Entscheidungsvorbehalte verschiedener A r t zu Gunsten des Bundes statuieren 65 . Dabei ist der Vorbehalt des Einzelentscheidungsrechts für bestimmte Fälle des Zustimmungsrechts des Bundes sowie des Prüfungsrechtes des Bundes gebräuchlich 66 . Diese Verfahrensweise, bei der der Bund dem Land generell die Bewilligungsbefugnis überläßt, sich selbst aber ein mehr oder minder weitreichendes Mitentscheidungsrecht i m Einzelfall sichert, hat K o t i gen 6 7 zu der Frage Anlaß gegeben, „ob etwa der unscheinbare § 64 a RHO als legitimes Vehikel einer Mischverwaltung zu werten" sei. Entscheidungsvorbehalte, Zustimmungs- und Prüfungsrecht des Bundes verlagern die Entscheidungsbefugnis und damit die Wahrnehmung 62

Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 GG Rdnr. 56. Diese Parallele zieht auch Flehinghaus , a.a.O., S. 189. Vgl. Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 G G Rdnr. 63; ders. B a y V B L 1962, S. 2. 65 Symptomatisch hierfür sind die Richtlinien betreffend die M i t t e l des Bundes j ugendplanes. 66 Vgl. die Beispiele bei Flehinghaus , a.a.O., S. 187. 67 Fondsverwaltung, S. 50. 63

84

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

155

der Hoheitsrechte auf den Bund. Das t r i f f t ohne Zweifel auf die Fälle zu, i n denen sich der Bund eine Einzelentscheidung vorbehält. Denn hier kann von einer eigenverantwortlichen Subventionsvergabe an die von den Bewilligungsbedingungen begünstigten Staatsbürger durch die Landesbehörden nicht mehr gesprochen werden, da der Bund die Entscheidung an sich zieht. Nichts anderes gilt aber auch für Subventionsrichtlinien, i n denen ein Prüfungsrecht des Bundes vorgesehen ist. Denn wenn der Bund den von den Ländern erlassenen Subventionsbescheid nachprüfen und somit auch abändern kann, verbleibt i h m die letzte Entscheidung über die Mittelvergabe. Er kann sein Ermessen an die Stelle der Ermessensentscheidung des Landes setzen und entgegenstehende Bewilligungsbescheide der Landesbehörden jederzeit abändern. Zum gleichen Ergebnis kommt man aber auch bei einem Zustimmungsvorbehalt des Bundes. Da der Bund die M i t t e l nur unter dem Vorbehalt seiner Zustimmung überhaupt zur Verfügung stellt, ist das Land faktisch gezwungen, sich i n jedem Fall der Auffassung des Bundes anzuschließen. Zwar w i r d hier dem Land die nach außen wirkende Entscheidung überlassen und die M i t w i r k u n g des Bundes auf die staatsinterne Willensbildung beschränkt, jedoch verlagert sich i n diesem Bereich die materielle Verwaltungskompetenz auf den Bund. Somit sind die i n den Vergaberichtlinien des Bundes teilweise vorgesehenen zentralstaatlichen Direktionsbefugnisse nicht als bloße „Mitverwaltung" oder „Verwaltungsverbund", sondern als typisches Instrumentarium einer verfassungsrechtlich unzulässigen Mischverwaltung zu qualifizieren, weil sie gegen die vom Grundgesetz vorgenommene bundesstaatliche Funktionsteilung verstoßen und i n die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen 88 . Auch widerspricht es dem Gedanken der Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich der staatsinternen Fondsverwaltung, die funktionelle Aufgabenteilung der Partner i m Hinblick auf den gemeinsam zu erreichenden Staatszweck dadurch zu durchbrechen, daß an die Stelle der Koordination die zentralstaatliche Lenkung tritt. Daher können diese verfassungswidrigen Einbrüche i n die Verwaltungskompetenz der Länder auch nicht mittels Verwaltungsabkommen sanktioniert werden, w e i l diese verfassungsrechtlich festgelegten Zuständigkeiten weder erweitert noch eingeschränkt oder aufgegeben werden können 6 9 . 68

So außer den bereits bei der allgemeinen Mischverwaltungsproblematik zitierten Autoren ausdrücklich i n bezug auf die Fonds Verwaltung: Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 GG, Rdnr. 61; der§. B a y V B L 1962, S. 1, 2; Flehinghaus , a.a.O., S. 188; Sturm, D Ö V 1968, S. 473. 69 F ü r die Finanzierungsabkommen vgl. Maunz, B a y V B L 1962, S. 2; Flehinghaus f a.a.O., S. 188, 189; Kölble, D Ö V 1960, S. 659.

156

Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

Die Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes und der durch sie garantierte Charakter der interföderativen Finanzierungen als Gemeinschaftsaufgaben ist also i n jedem Fall gewährleistet. 3. Die Dotationsauflagen i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben bei staatsinterner Fondsverwaltung

Von Dotationsauflagen ist dann zu sprechen, wenn der Bund bei der Vergabe von Subventionen oder Zuschüssen an die Länder eine bestimmte quotenmäßige Selbstbeteiligung der Länder verlangt. Obwohl in der Staatspraxis hierbei von „Auflagen" die Rede ist, handelt es sich rechtlich um eine Bedingung 7 0 . I m Unterschied zu einer Auflage, m i t der ein zwingender, aber kein suspendierender Effekt erzielt werden soll, zwingt eine Bedingung den Belasteten nicht, hat aber eine suspendierende Wirkung. Angesichts der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern können die Dotationsauflagen bei verfassungskonformer Auslegung meistens nur auflösende Bedingungen sein, m i t denen der Bund beabsichtigt, daß die Länder diejenigen Landesmittel, die sie für den gleichen Zweck bisher aufgewandt haben, auch weiterhin der Förderung dieses Bereichs zur Verfügung stellen und die Bundesmittel nicht zu Einsparungen auf dem bisher geförderten Sektor nützen und die eingesparten M i t t e l für andere Landesaufgaben verwenden. Dadurch übt der Bund einen starken faktischen Zwang auf die Länder aus, die sich einer Selbstbeteiligung kaum entziehen können, w e i l sie auf die angebotenen M i t t e l angewiesen sind. Da somit die haushaltsmäßige Kontrollbefugnis der Landesparlamente unter den Druck heterogener Sachzwänge gerät, ist die Praxis der Dotationsauflagen i n der bundesstaatlichen Auseinandersetzung stets ein Streitpunkt zwischen Bund und Ländern gewesen. So hat der Bundesrat 7 1 sich häufig gegen die Dotationsauflagen m i t der Begründung gewandt, durch diese Praxis erfahre die finanzielle Bewegungsfreiheit der Länder eine Einschränkung, da ihnen die Rangfolge und Dringlichkeit der Maßnahmen vorgeschrieben werde und es dem Bund nicht gestattet sei, „auf einem den Ländern vorbehaltenen Gebiet finanzielle Anforderungen erheblichen Ausmaßes zu stellen und damit die Länder zu bestimmten Maßnahmen auf ihnen vorbehaltenen Gebieten zu zwingen" 7 2 . Außerdem sieht der Bundesrat i n dieser Praxis 70

S. 2.

Maunz, i n : Maunz-Dürig,

a.a.O., A r t . 83 GG, Rdnr. 63; ders. B a y V B L 1962,

71 So z.B. BR, Ausschuß f ü r innere Angelegenheiten, Drucks. Nr. 277/1/57; BR, Sitzungsbericht Nr. 179 v o m 24.6.1957, S. 699; BR-Drucks. 250/60 (Beschluß) v o m 23. 9.1960, Anlage S. 5 Nr. 4. 72 BR-Sitzungsbericht Nr. 179, S. 699.

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

157

einen Verstoß gegen A r t . 109 GG. Aus dem gleichen Grund hält Meyers 73 die Dotationsauflagen für verfassungswidrig, w e i l der Begriff der Selbständigkeit und Unabhängigkeit i n A r t . 109 GG nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine tatsächliche Bedeutung habe und somit der vom Bund ausgeübte Zwang, die von i h m bezeichneten Maßnahmen i n einer bestimmten Höhe zu fördern und damit einen erheblichen Teil der nicht gesetzlich festgelegten, sondern verfügbaren Finanzmasse nach den Absichten der Bundespolitik schwerpunktmäßig einzusetzen, eine selbstverantwortliche Landespolitik und Haushaltshoheit i n Frage stelle und somit gegen A r t . 28 GG und A r t . 109 GG verstoße. Eine solche Argumentationsweise vermengt jedoch i n zu starkem Maße verfassungsrechtliche Grundsätze m i t verfassungspolitischen Aspekten. Die verfassungspolitische Fragwürdigkeit der dirigistischen Dotationspraxis angesichts ihrer eigentlichen Natur als Gemeinschaftsaufgaben i m kooperativen Bundesstaate dürfte außer Frage stehen 74 . Jedoch w i r d man gegen die Argumentation der Bundesregierung 75 , daß auch durch Dotationsauflage die Bundesofferten nicht die Entscheidungsfreiheit der Länder bezüglich ihrer Annahme aufheben, vom streng verfassungsrechtlichen Standpunkt grundsätzlich nichts ein zuwenden haben. Dennoch w i r d man auch i n diesem Bereich einen Standpunkt differenzierter Betrachtungsweise einnehmen müssen und nicht m i t Viaion 76 die Dotationsauflagen unbeschränkt für zulässig halten dürfen, weil sich angeblich Bund und Länder „alle Leistungsbedingungen setzen können" und jeder „eine Leistung an den anderen durch Haushaltsgesetz oder Haushaltsplan, aber auch durch einfache Verwaltungsanordnung von der Erfüllung bestimmter Bedingungen, insbesondere von Leistungen des Empfängers abhängig machen" darf. Eine solche Argumentation läßt sich auch nicht m i t der Bemerkung Hamanns 77 stützen, A r t . 109 betreffe Finanzzuweisungen des Bundes nicht, sondern statuiere nur eine Freiheit von sonstigen zwingenden Einflüssen. A r t . 109 GG schließt 73

a.a.O., S. 14. Vgl. Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 GG, Rdnr. 63; ders. B a y V B L 1962, S. 2; Patzig, A Ö R 86 (1961), S. 307 f.; Gross, D V B L 1969, S. 128; Seeger, D Ö V 1968, S. 781 ff. (S. 782). Ferner der bayer. Ministerpräsident Goppel, E r k l ä r u n g vor dem Bayerischen Landtag am 7.11.1968, S. 6; der bayer. Staatsminister Heubl, Stenogr. Bericht über die 11. Sitzung des Bayer. Landtags (12.4.1967) 6. Wahlperiode, S. 294—306; ders. Stenogr. Bericht über die 29. Sitzung des Bayer. Landtags (24.1.1968) 6. Wahlperiode, S. 1295; ders. Stenogr. Bericht über die 58. Sitzung des Bayer. Landtages (11.12.1968), S. 2736. 75 Vgl. Zitate bei Meyers, a.a.O., S. 13, 14, 17; Viaion, a.a.O., S. 199; Patzig, A Ö R 86, S. 310. 76 a.a.O., S. 196, ebenso Hamann, a.a.O., A r t . 109 GG A n m . 5 u n d Bühler, a.a.O., A r t . 109 GG A n m . I I ; vgl. auch v. Mangoldt, a.a.O., A r t . 109 G G A n m . 2. 77 a.a.O., A r t . 109 A n m . 5. 74

158

Abschn. D: Gemeinschaftliche Finanzierung

jedoch die gesamte Haushalts Wirtschaft ein. Diese w i r d zwar nicht schon dadurch abhängig, daß das Land hinsichtlich einzelner Haushaltsansätze gebunden ist, jedoch kann von Selbständigkeit und Unabhängigkeit da nicht mehr gesprochen werden, wo durch den faktischen Selbstbeteiligunszwang eine so weitgehende Bindung der Landesmittel herbeigeführt wird, daß die Länder durch die Beschränkung der i m Landeshaushalt zur Verfügung stehenden M i t t e l nicht mehr i n der Lage sind, die Prioritäten der Landespolitik zu setzen, sondern auch insoweit mittelbar durch die Schwerpunktbildung der Bundessubventionen eingeschränkt werden. Wann eine solche Konstellation erreicht ist, läßt sich nur aus der Relation der Gesamthöhe der durch Auflagen gebundenen Haushaltsansätze zum Gesamtvolumen des Haushalts bestimmen. Wann dabei eine i n begrenztem Maße zulässige Quantität der Dotationsauflagen i n eine verfassungswidrige Qualität der Verletzung des A r t . 109 GG umschlägt, dürfte dabei i m einzelnen ebenso schwierig zu bestimmen sein wie bei der entsprechenden Problematik der Gewährleistung landeseigener Gesetzgebungszuständigkeiten durch A r t . 79 Abs. 3 GG 7 8 . Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen ist jedenfalls dort überschritten, wo der Bund unter Verstoß gegen A r t . 109 GG durch die m i t telbare Einwirkungsmöglichkeit der Dotationsauflagen faktisch die A u f stellung eines erheblichen Teils der Länderhaushalte diktiert 7 9 . Bei beschränkter Anwendung sind also die Dotationsauflagen grundsätzlich zulässig, wenn sie auch kein dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben als koordinierter und konzentrierter, nicht aber subordinierter Wahrnehmung einer Aufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung entsprechendes Instrument darstellen. I m allgemeinen aber haben sich die gemeinsamen Finanzierungen von Bund und Ländern, gleichgültig ob sie auf Verwaltungsabkommen oder nur haushaltsgesetzlicher Ermächtigung m i t richtlinienmäßiger Zweckbindung beruhen, als ein integrierendes Element der Gemeinschaftsaufgaben erwiesen. Einen besonders 78 Vgl. zur ähnlichen Fragestellung bei A r t . 79 Abs. 3 GG a.a.O., A r t . 79 G G Rdnr. 37.

Maunz-Dürig,

79 Ebenso Stadler, D Ö V 1961, S. 455; Flehinghaus, a.a.O., S. 195; Henle, Die Förderung von Landesaufgaben, a.a.O., S. 68; Seeger, D Ö V 1968, S. 782 weist zu Recht darauf hin, daß bei handelsrechtlichen Gesellschaften 50 v. H. des Kapitals zur Entscheidungsbefugnis notwendig ist, w ä h r e n d der B u n d m i t einer wesentlich geringeren Subvention höhere Landesmittel binden u n d auch über deren Verwendung bestimmen kann. Der B u n d k a n n damit eine I n i t i a t i v f u n k t i o n ausüben, ohne selbst erheblichere M i t t e l einsetzen zu müssen u n d dann unter dem beschränkten finanziellen Engagement des bloßen A n finanzierens die Folgekosten auf die Länder abwälzen. Gerade dann aber, w e n n der B u n d sich auf eine Beteiligung an Investitionskosten beschränkt, stößt er i n den oben bezeichneten verfassungsrechtlichen Grenzbereich vor, w e i l diese Investitionsbeteiligungen oft wesentlich höhere laufende Kosten verursachen u n d diese Folgekosten als Dauerbelastung dem Landeshaushalt über viele Jahre verbleiben u n d hohe Landesmittel binden.

2. Kap.: Beteiligung an Landesaufgaben

159

hohen Intensitätsgrad bundesstaatlicher Kooperation erzielen die Gemeinsphaftsfinanzierungen dort, wo sie als zusätzliche Komponente zu verwaltungsmäßigen, vertraglichen oder institutionalisierten Koordinationsformen hinzutreten. Hier hat sich die i n den Finanzreformvorschlägen vertretene Konzeption der Gemeinschaftsaufgaben schon i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes realisiert.

Abschnitt

E

Die Abgrenzung der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern zu ihrer Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene Erstes Kapitel

Die alternative Zentralisierung der Gemeinschaitsauigaben beim Bund I . D i e allgemeine Problemstellung bei alternativer Aufgabenerfüllung

Bei der Untersuchung der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern tauchten gelegentlich Abgrenzungsprobleme hinsichtlich einer alternativen Wahrnehmung dieser Aufgaben entweder durch den Bund oder die Ländergesamtheit auf. So zeigte sich innerhalb der Gemeinschaftsaufgaben die Möglichkeit des Bundes zum Erlaß überregionaler Verwaltungsakte oder zur Wahrnehmung ungeschriebener Verwaltungskompetenzen wie der Fondszuständigkeit. Diese — meist nur stillschweigend zugelassenen — Verwaltungszuständigkeiten des Bundes zeigten auf, daß der Bund i n diesen Bereichen nicht gehalten ist, eine Gemeinschaftsaufgabe zusammen m i t den Ländern wahrzunehmen, sondern i m Rahmen seiner Zuständigkeiten diese an sich ziehen kann, wobei sie ihren Charakter als Gemeinschaftsaufgabe verliert und zur reinen Bundesaufgabe wird. So kann der Bund auf Gebieten, die seiner Verwaltungskompetenz unterliegen, selbst ein Subventionsprogramm finanzieren, wobei er sich der Landesverwaltungen lediglich als Verteilungsorgane bedient. Er kann aber auch den Ländern durch eine Bundesofferte eine Beteiligung anbieten und dadurch dieses Programm unter Erzielung eines optimalen gesamtstaatlichen Effekts zur Gemeinschaftsaufgabe ausgestalten. Umgekehrt hatten w i r bei den Verwaltungsabkommen und Gemeinschaftseinrichtungen von Bund und Ländern gesehen, daß hierbei gewisse verfassungsrechtlich begründete organisatorische Beschränkungen bestehen, denen eine Koordination der

1. Kap.: Zentralisierung beim Bund

161

Länder untereinander nicht unterliegt, so daß sich das Problem stellt, inwieweit die Länder i m Wege der Selbstkoordinierung bundesstaatliche Aufgaben lösen können, ohne den Bund hieran zu beteiligen. Da eine solche Verlagerung der Gemeinschaftsaufgaben unter Umgestaltung ihres Charakters auf Bundes- oder Länderebene i m Rahmen der vorliegenden Untersuchung nur als Randproblem zu behandeln ist, soll sie nur i n den Grundzügen ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit i n den systematischen Zusammenhang der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern eingeordnet werden. Die Begründung einer ungeschriebenen Bundeszuständigkeit auf dem Verwaltungssektor ist für unser Thema i n zweierlei Hinsicht bedeutsam: Einmal w e i l i m Bereich der i m nächsten Kapitel kurz zu erörternden Selbstkoordinierung der Länder gelegentlich gesagt wird, daß eine solche Kooperation der Länder i n der Sphäre dezentralisierter Aufgabenerfüllung unzulässig sei und hier dem Bund allein eine überregionale Funktion zukomme und insbesondere ein organisationsrechtlicher Vorbehalt nach Maßgabe seiner Gesetzgebungszuständigkeit bestehe. Zum anderen aber auch, weil das Flurbereinigungsabkommen des Finanzreformprogramms der Bundesregierung eine Aufgabenabgrenzung gerade i m Bereich der ungeschriebenen Verwaltungskompetenzen des Bundes vornehmen w i l l . Hinzu kommt, daß auch die Vorschläge einer Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i m Grundgesetz nur solche Aufgaben zu Gemeinschaftsaufgaben deklarieren, deren Ausführung Sache der Länder ist, so daß sie dort nicht eingeführt werden können, wo dem Bund eine Verwaltungskompetenz zusteht, und somit diese Gebiete aus der Diskussion über die verfassungsrechtlichen Grenzen ihrer Institutionalisierung ausscheiden1. Da die Einzelprobleme der ungeschriebenen Verwaltungskompetenzen des Bundes meist i n ihrem jeweiligen Sachzusammenhang schon erörtert wurden, sei hier nur ein Überblick über die verfassungstheoretischen Grundlagen gegeben.

II. Der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs als Begründung einer Bundeszuständigkeit Da die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich eine Länderangelegenheit ist (Art. 30 GG) und diese Zuständigkeitsvermutung sowohl für die Gesetzgebung (Art. 70 GG) als auch für die Verwaltung (Art. 83 GG) gilt, muß der Bund stets nachweisen, daß das Grundgesetz eine andere Regelung 1 A u f diesen Zusammenhang der ungeschriebenen Verwaltungskompetenzen des Bundes m i t der Problematik institutionalisierter Gemeinschaftsaufgaben weist Achterberg, D Ö V 1966, S. 695 F N 2 hin.

11 Tiemann

162

Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

„ t r i f f t " oder „zuläßt", sofern er eine Kompetenz i n Anspruch nehmen will. I n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Möglichkeit des Bestehens stillschweigend zugelassener Gesetzgebungszuständigkeiten und i n beschränktem Umfang auch ebensolcher Verwaltungskompetenzen unter den drei Gesichtspunkten des „Sachzusammenhangs", der „Natur der Sache" und der „Annexkompetenz" grundsätzlich anerkannt 2 . Dabei hat das Bundesverfassungsgericht den Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs, den es auch zur Begründung einer Landeszuständigkeit heranzieht 3 , insofern eingeschränkt, daß bloße Zweckmäßigkeitserwägungen nicht ausreichen, um eine hierauf gegründete Zuständigkeit anzunehmen 4 . I n positiver Hinsicht w i r d gefordert, daß „eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie m i t geregelt w i r d " 5 . Hiernach vermag ein „Sachzusammenhang eine Zuständigkeit nur dann zu stützen", wenn „ein Übergreifen i n nicht ausdrücklich angewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie". Gegen das vom Verfassungsgericht entwickelte Begrenzungsmerkmal „unerläßliche Voraussetzung" ist i m Schrifttum 6 der Einwand erhoben worden, es sei zu eng. Eine solche Auffassung verkennt aber, daß alle Materien der Landesgesetzgebung i n engem Zusammenhang m i t den Gegenständen der Bundeszuständigkeit nach A r t . 73—75 GG stehen und eine Ausdehnung des Kriteriums Sachzusammenhang jede Grenze zwischen Bundes- und Landeszuständigkeit aufheben und die Landeskompetenzen zur Disposition des Bundes stellen würde 7 . 2

Vgl. Maunz-Dürig,

3

Vgl. BVerfGE 12, S. 205 f. (S. 238). BVerfGE 3, S. 421. BVerfGE 3, S. 421; ähnlich BVerfGE 4, S. 74; 12, S. 237. Achterberg, A Ö R 86 (1961), S. 89 f.; Kölble, D Ö V 1963, S. 667.

4 5 6

a.a.O., A r t . 70 G G Rdnr. 25 bis 32.

7 Eine Gefahr, auf die Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 70 GG Rdnr. 26, ders. Deutsches Staatsrecht, S. 220, hinweist, der i m übrigen ungeschriebene Bundeskompetenzen generell ablehnt u n d sie n u r als „Auslegungsbehelf" zuläßt, w e i l nach seiner Auffassung das Grundgesetz eine andere Regelung i. S. des A r t . 30 G G n u r dann „ t r i f f t " , w e n n es eine bestimmte Zuständigkeit dem B u n d ausdrücklich vorbehält, während es hiernach eine andere Regelung „zuläßt", w e n n es eine Ermächtigung oder Delegation enthält, durch Gesetz oder i n sonstiger Weise eine Befugnis oder Aufgabe f ü r den B u n d i n A n spruch zu nehmen.

1. Kap.: Zentralisierung beim Bund

163

Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die Verwertbarkeit der Gesichtspunkte des Sachzusammenhangs auch für den Bereich der Verwaltung nur i n den engen Grenzen begriffsnotwendiger Verbindung eines vom Bund wahrzunehmenden Verwaltungsbereichs m i t einem dem Bund nicht ausdrücklich zugewiesenen Gebiet zugelassen8. So hat es die Zuständigkeit des Bundes zur Veranstaltung von Rundfunksendungen für das Ausland unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs bejaht. Sofern man diesen für die bundesstaatliche Ordnung äußerst gefährlichen Grundsatz also überhaupt zur Begründung einer Verwaltungskompetenz zulassen w i l l , muß man ihn auf Gebiete beschränken, für die kein Anknüpfungspunkt einer Landeszuständigkeit ersichtlich ist, wie es i m vorstehend zitierten Beispiel die Pflege der deutschen K u l t u r i m Ausland und die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen überhaupt darstellen.

I I I . Die Bundeszuständigkeiten aus der Natur der Sache 1. Die verfassungstheoretische Begründung des Prinzips der Natur der Sache

I n der deutschen Rechtslehre wurde der Gedanke einer ungeschriebenen Zuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache zuerst von Triepel 9 zur alten Reichsverfassung geäußert. Triepel bezog sich dabei auf die i n den USA vom Obersten Gerichtshof und insbesondere J. Marshall sowie A. Hamilton 10 begründeten Lehren von den implied powers. Soweit auch heute noch i n der Literatur auf diese Lehre Bezug genommen wird, w i r d dabei zum größten Teil übersehen, daß sich diese doctrine of implied powers nicht als eine Stütze für eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache heranziehen läßt, da hier nur Rechte zur Ausübung vorhandener Kompetenzen, nicht aber die m i t vorhandenen Kompetenzen lediglich sachlich zusammenhängenden anderen Kompetenzen angesprochen sind 1 1 . Das folgt aus ihrer Bezeichnung als „auxiliary powers" oder „coefficient power" i n der amerikanischen Staatsrechtslehre 12 sowie aus dem Wortlaut der 8

Vgl. BVerfGE 12, S. 250. Die Kompetenz des Bundesstaates und die geschriebene Verfassung, Festschrift für Laband f 1908, Bd. I I . 9

10

Nachweise bei Triepel, a.a.O., S. 257 ff. u n d 272 ff. Triepel, a.a.O., S. 257 ff. u n d S. 272 ff.; ebenso Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 220. 11

12 Vgl. die Nachweise bei Achterberg, Triepel, a.a.O., S. 257 m i t A n m . 1.

11»

D Ö V 1966, S. 697 F N 18; siehe auch

164

Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

„sweeping clause" des A r t . 1 Sect. 8 der US-Verfassung 13 . Eine originäre Zuweisung nicht bereits vorhandener Bundeskompetenzen ist dieser Lehre also nicht zu entnehmen. Anschütz 14 nahm demgegenüber eine Gesetzgebungszuständigkeit des Reiches aus dem „ungeschriebenen, i m Wesen der Dinge begründeten, m i t h i n einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz an, wonach gewisse Sachgebiete, w e i l sie ihrer Natur nach „eigenste, der partikulären Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen und vom Reich und nur von i h m geregelt werden können". Nur i n diesen engen Grenzen, an die sich aber die Staatspraxis der Weimarer Republik nicht gehalten hat, ist eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache sowohl bezüglich der Gesetzgebungszuständigkeit 15 als auch hinsichtlich der Verwaltung 1 6 vom Bundesverfassungsgericht anerkannt worden. Aber eben wegen dieser uferlosen Ausdehnung dieses Begriffs unter der Weimarer Verfassung hat das Grundgesetz die Regelung der A r t . 70, 83 GG geschaffen, und ein Mißbrauch dieses Prinzips zur Schaffung neuer materieller Bundesbefugnisse durch eine verdeckte Ergänzung der Verfassung würde einen gegen den Willen des Verfassungsgebers gerichteten Verfassungsdurchbruch bedeuten. 2. Die ungeschriebenen Verwaltungszuständigkeiten des Bundes aus der Natur der Sache im Verhältnis zu den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern

Die engen verfassungsrechtlichen Grenzen einer Verwaltungszuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache wurden schon anhand des überregionalen Verwaltungsaktes und der ungeschriebenen Fondszuständigkeit des Bundes dargelegt. So hat das Bundesverfassungsgericht aus der Tatsache, daß Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache begriffsnotwendig sein müssen und eine ganz bestimmte Lösung erfordern 1 7 , die schon i n diesem Zusammenhang erörterten Grenzen der Bundeszuständigkeiten dahingehend abgesteckt, daß weder physikalische noch finanzielle Überregionalität einer Aufgabe eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes be13 „The congress shall have the p o w e r . . . to make a l l laws which shall be necessary and proper for carrying into execution the foregoing powers." Auch hier also findet sich n u r eine Bezugnahme auf bereits verfassungsrechtlich sanktionierte Bundeskompetenzen („the foregoing powers"). 14 Handbuch des deutschen Staatsrechts 1, S. 367. 15 BVerfGE 11, S. 89 ff., 12, S. 251. 16 BVerfGE 12, S. 251 u n d vor allem BVerfGE 22, S. 180. 17 Vgl. B V e r f G E 12, S. 250.

1. Kap.: Zentralisierung beim Bund

165

gründen könne und auch eine koordinierte Aufgabenerfüllung durch die Länder keine andere Lösung rechtfertigt. Daraus hatten w i r bereits den Schluß gezogen, daß allein die logische Zwangsnotwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung geeignet ist, eine Bundeszuständigkeit anzunehmen, sofern man das fragwürdige K r i t e r i u m einer Zuständigkeit aus der Natur der Sache überhaupt verwenden w i l l , ohne zugleich „die vom Grundgesetz nun einmal getroffene und daher zu respektierende Entscheidung für einen föderativen Aufbau des Bundes i n Frage (zu) stellen" 1 8 . Sofern demgegenüber i m Schrifttum 1 9 eine Zuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache für das „Recht zur Selbstdarstellung", zur „nationalen Repräsentation nach innen" und zur „Pflege kontinuitätsbewahrender Repräsentation" gefordert wird, w i r d hier eine bedenkliche Aushöhlung des föderativen Systems intendiert. Denn hierbei handelt es sich nicht u m begriffsnotwendig nur vom Bund zu fördernde Angelegenheiten. Außerdem ähnelt die Terminologie i n ihrer globalen Ausprägung dem vom Reich unter der Weimarer Verfassung beanspruchten Kompetenzkatalog der „natürlichen, ausschließlichen Zuständigkeit für reichswichtige Einrichtungen" 2 0 . Einer solchen Konzeption entspricht es, daß Kölble 21 eine Erweiterung des Gesichtspunktes der „Natur der Sache" sowohl i m Bereich der Gesetzgebung als auch der Verwaltung für notwendig erachtet: Neben denjenigen Materien, die ihrer Natur nach von vornherein der Zuständigkeit der Gliedstaaten entrückt seien und daher i n die ausschließliche Zuständigkeit des Gesamtstaates fielen, gäbe es solche, die ihrer Natur nach eine — konkurrierende — Zuständigkeit sowohl des Gesamtstaats als auch der Gliedstaaten denkbar erscheinen ließen, von denen aber der Gesamtstaat deshalb nicht ganz ausgeschlossen sein könne, weil sie zur zweckentsprechenden Erfüllung gewisser m i t dem Wesen eines jeden Staates notwendig verbundener öffentlicher Aufgaben unerläßlich seien. Nach dieser Auffassung würden also die meisten Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern, deren Wesen gerade i n ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung und der Verflechtung von Bundes- und Landesaufgaben besteht, durch das Prinzip der Natur der Sache auf die Ebene des Bundes verlagert. Das würde aber bedeuten, daß der Bund, der i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nur eine Teilkompetenz be18 M i t dieser Begründung w a r n t Bachof, J Z 1951, S. 31 v o r einer A u s w e i t u n g der Bundeskompetenzen durch ungeschriebene Verwaltungszuständigkeiten. 19 Röttgen, Die Kulturpflege u n d der B u n d i n : Staats- u n d verwaltungswissenschaftliche Beiträge, 1957, S. 183 f.; Rölble, D Ö V 1963, S. 668. 20 Vgl. Medicus, JÖR 20, S. 104. 21 D Ö V 1963, S. 668, 673.

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länder ebene

sitzt, diese partielle Zuständigkeit unter Einbruch i n die Landeskompetenzen ausweitet. Demgegenüber besteht das essentielle Strukturprinzip der Gemeinschaftsaufgaben darin, daß jeder Partner eigenverantwortlich die i h m übertragenen Zuständigkeiten wahrnimmt und nur ihre Ausübung koordiniert, so daß sich die Gemeinschaftsaufgabe als Summe der koordiniert erfüllten, aber selbst wahrgenommenen Zuständigkeiten von Bund und Ländern darstellt. Daß der Bund aber diese Gemeinschaftsaufgaben einseitig an sich ziehen könnte, widerspricht der festen Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes, dem entgegen der Auffassung Kölbles eine konkurrierende Zuständigkeitsverteilung fremd ist. Dem Bund obliegt die „Beweislast" für Ausnahmen von der grundgesetzlichen Zuständigkeitsvermutung der A r t . 30, 70, 83 GG 2 2 . Sofern es aber zu einer Überlagerung der Kompetenzen kommt, weil eine Materie teilweise i n die Zuständigkeit des Bundes, teilweise i n die der Länder fällt, muß jeder den i h m zustehenden A n t e i l eigenverantwortlich wahrnehmen und ihn gegebenenfalls durch Koordinationsmodalitäten zusammen m i t dem jeweiligen bundesstaatlichen Partner zur Gemeinschaftsaufgabe ausgestalten. Eine zentrale Wahrnehmung der Gemeinschaftsaufgaben durch Verlagerung der Landeskompetenzen auf den Bund ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Daß eine solche Umgestaltung der bundesstaatlichen Ordnung m i t Hilfe der Denkform der Natur der Sache überhaupt erwogen wird, stellt die Fragwürdigkeit dieses Prinzips erneut unter Beweis 23 . IV. Die Annex-Kompetenz im Bereich der Bundeszuständigkeiten Verfassungsrechtlich weniger bedenklich erscheint der Gedanke der Annexkompetenz zur Rechtfertigung einer Zuständigkeit des Bundes, der i n der Rechtsprechung des Bundes i m wesentlichen unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten entwickelt wurde: Einmal wurde die Zuständigkeit des Bundes bei Vorliegen einer ausdrücklichen Kompetenz auch auf das Stadium der Vorbereitung bezogen 24 . Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz aufgestellt, daß der Bund, soweit er ein Recht zur Gesetzgebung auf einem bestimmten Lebensgebiet hat, auch die Befugnis besitzen müsse, alle dieses Lebensgebiet betreffenden speziellen Vorschriften zu erlassen 25 . Hier w i r d also eine ausdrücklich zugeteilte Kompetenz i n das Stadium der Durchführung ausgedehnt 26 . 22

Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 218. Vgl. i m gleichen Sinne auch die Erörterungen über das sog. Flurbereinigungsabkommen unten 2. Hauptteil, Abschn. B, 2. Kap., I. 1., 2. 24 BVerfGE 8, S. 143 f. (S. 149, 150) hinsichtlich von Verfahrensgesetzen. 25 BVerfGE 8, S. 118 bezüglich spezial-polizeilicher Vorschriften des Bundes. 28 Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 70 GG, Rdnr. 32. 23

1. Kap.: Zentralisierung beim Bund

167

Während also die Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs eine nicht ausdrücklich begründete, m i t einer solchen aber verwandte Kompetenz erweitert und die Zuständigkeit kraft Natur der Sache überhaupt erst eine solche zu schaffen sucht, dehnt die Annex-Kompetenz eine ausdrückliche Zuständigkeit i n die Stadien der Vorbereitung und Durchführung aus. Die Ausdehnung der geschriebenen Kompetenz erfolgt also nicht i n die Breite, sondern i n die Tiefe, also gleichsam i n eine andere Dimension 27 . I n der Annex-Kompetenz manifestiert sich auch die doctrine of implied powers, weil sie nicht neue Kompetenzen schafft, sondern einer bereits vorhandenen Zuständigkeit die wesensmäßig m i t ihr verbundenen i m Bereich der Vorbereitung und Durchführung zuordnet. Sie ist also insofern nicht m i t dem Prinzip des Sachzusammenhangs identisch, wie Bullinger 28 meint und stellt auch keine resulting power i. S. einer aus der Natur der Sache gefolgerten Zuständigkeit dar 2 9 . Die Annex-Kompetenz als Vorbereitung oder Durchführung eines einzelnen dem Bund zugewiesenen Aufgabengebietes ist daher insofern m i t dem Grundgesetz vereinbar, als keine ausdrückliche Verfassungsvorschriften entgegenstehen 30 . Wenn Klein 31 dem entgegenhält, AnnexZuständigkeiten seien nicht nur dann zulässig, wenn ihnen keine ausdrücklichen Kompetenzen entgegenstünden, da die zur Ableitung stillschweigender Bundeszuständigkeit führende Auslegung immer eine solche ausdrücklicher Vorschriften sei und daher entgegenstehende Normen die Zulässigkeit einer Annex-Kompetenz noch nicht ausschließen könnten, sondern vielmehr eine Auslegung jener entgegenstehenden Bestimmungen, die einen Annex unzulässig erscheinen ließen, hinzukommen müsse, so handelt es sich nur u m einen scheinbaren Widerspruch zu der hier vertretenen Auffassung. Denn zwar läßt erst die Verfassungsauslegung oder die Prüfung, ob überhaupt eine Verfassungsergänzung zulässig ist, erkennen, ob der abzuleitenden Annex-Kompetenz eine ausdrückliche Zuständigkeit entgegensteht, sie kann aber nur abgeleitet werden, wenn dies nicht der Fall ist 3 2 . Innerhalb dieser Grenzen ist also eine Annex-Kompetenz zulässig. Zu einer exekutiven Verlagerung von Gemeinschaftsaufgaben auf die Ebene des Bundes kann die Anerkennung einer Annex-Kompetenz nicht führen, weil sie dem Bund nur die M i t t e l verschafft, eine materielle Bundesaufgabe auch i n bezug auf ihre Vorbereitung und Durchführung 27

Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 70 GG, Rdnr. 32. Die Mineralölfernleitungen (1962), S. 63. 29 Z u r dogmatischen Einordnung von i m p l i e d powers u n d resulting powers i n das deutsche Bundesstaatsrecht vgl. Achterberg, DÖV 1966, S. 697. 30 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 70 GG, Rdnr. 32. 31 v. Mangoldt-Klein, a.a.O., A r t . 70 A n m . I I I f. 32 So auch Achterberg, D Ö V 1966, S. 701. 28

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

in jeder Hinsicht zu erfüllen. Angesichts der Akzessorietät dieser Kompetenz stellt ihre Wahrnehmung nur eine Ausschöpfung grundgesetzlicher Zuständigkeiten dar.

V . Das ungeschriebene Organisationsmonopol des Bundes auf überregionaler Ebene

Ein Spezialproblem ungeschriebener Bundeszuständigkeiten, das in engem Zusammenhang m i t der Frage nach der Zulässigkeit von Ländereinrichtungen oder von Gemeinschaftseinrichtungen des Bundes und der Länder steht, bildet das i n der L i t e r a t u r 3 3 teilweise behauptete Organ- und Organisationsmonopol des Bundes auf gesamtstaatlicher Ebene. Wenn ein solches dem geltenden Verfassungsrecht zu entnehmen wäre, könnte der Bund nicht nur die Ländergemeinschaftseinrichtungen sondern einen großen Teil der institutionalisierten Formen der Gemeinschaftsaufgaben zumindest alternativ auch in eigener Regie übernehmen. Ein unbestreitbares Organisationsmonopol besitzt der Bund nach dem Grundgesetz nur i m Rahmen der i n A r t . 87 Abs. 1 und 87 b GG aufgeführten Verwaltungszweige, wo jede Länderverwaltung ausgeschlossen ist. Außerhalb dieser Bestimmungen liegt es i m Ermessen des Bundesgesetzgebers, weitere Bundesoberbehörden zu errichten, sofern dem Bund für die i n Frage kommenden Angelegenheiten die Gesetzgebungsbefugnis zusteht (Art. 87 Abs. 3 GG). Bereits i m Fall des A r t . 87 Abs. 3 GG kann daher i m Hinblick auf die nur i m Ermessen des Bundesgesetzgebers liegende Möglichkeit bundeseigener Verwaltung nicht mehr von einem Monopol gesprochen werden. Zugleich legt A r t . 87 Abs. 2 GG durch Verweisung auf die Gesetzgebungskompetenzen den äußersten Rahmen für eine Betätigung des Bundes i m Bereich der Verwaltung fest 34 . Danach kann also der Bund Behörden mit einer Zuständigkeit für das ganze Bundesgebiet nur errichten, wenn i h m auch die entsprechende Gesetzgebungskompetenz zusteht 35 . Bei den Gemeinschaftseinrichtungen der Länder handelt es sich aber u m keine solche Kompetenz, da diese nur auf Gebieten der Länderzuständigkeiten errichtet werden können. Aber auch abgesehen von der Selbstkoordinierung der Länder ergibt sich keine ausschließliche Bundesbefugnis, überregionale Einrichtungen zu schaffen. Denn sofern der Bund von den Möglichkeiten des A r t . 83 33 Haegert, N J W 1961, S. 1137 ff.; ders. N J W 1964, S. 16; Kölble, D Ö V 1960, S. 650 ff.; ders. N J W 1962, S. 1081 ff.; ders. D Ö V 1963, S. 669; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 157, 158. 34 BVerfGE 12, S. 205 ff. 85 BVerfGE 14, S. 197.

1. Kap.: Zentralisierung beim Bund

169

Abs. 3 GG keinen Gebrauch macht, gelten die allgemeinen Vorschriften des Grundgesetzes über die Ausführung von Bundesgesetzen (Art. 83 ff. GG) 8 6 . Da der Bund also i n zweierlei Hinsicht bezüglich seiner Organisationsbefugnis beschränkt ist, weil er nämlich nur i m Bereich der Bundeskompetenzen Einrichtungen schaffen kann und auf allen anderen Gebieten die Organisationskompetenz bei den Ländern liegt, ist dem Grundgesetz kein Organisationsmonopol zu entnehmen. Insbesondere ist auch keine ungeschriebene ausschließliche Organisationsbefugnis aus einer allein dem Zentralstaat vorbehaltenen überregionalen Verwaltungsfunktion anzunehmen 87 . Wenn allein schon die Tatsache, daß eine Aufgabe nicht von den Ländern i n dezentralisierter Form wahrgenommen werden kann, zur Begründung einer zentralen Verwaltungszuständigkeit des Bundes ausreichen könnte, würde die gesamte bundesstaatliche Ordnung i n Frage gestellt, weil dann der Bund alle Aufgaben an sich ziehen könnte 8 8 . Damit sind auch die von verschiedenen Autoren erhobenen Einwendungen entkräftet, daß das Grundgesetz von einer überregionalen Gewährleistungsfunktion des Zentralstaates ausgehe 89 , die i h m die die Bundesrepublik „als Ganzes" betreffenden Angelegenheiten übertragen habe, die nur durch „gemeines Recht" geregelt werden könnten, das zu setzen dem Bund vorbehalten sei 40 , während die den Ländern zugewiesenen Aufgaben solche „auf Landesebene" seien, die auch nicht durch gemeinsames Tätigwerden der Länder zu „Aufgaben auf Bundesebene" würden. Eine solche Auffassung w i r d der bundesstaatlichen Struktur des Grundgesetzes nicht gerecht, denn „das Bedürfnis nach bundeseinheitlichem Vollzug, für das es keine rechtlichen Maßstäbe, sondern nur politisches Ermessen gäbe, ist kein tragfähiger Rechtsboden für die Errichtung irgendwelcher Formen der Bundesverwaltung, die das Grundgesetz nicht vorgesehen hat" 4 1 . Die einzige mittelbare Auswirkung eines ungeschriebenen Organisationsmonopols zeigt sich i n dem sehr beschränkten Bereich, i n dem der Bund zum Erlaß überregionaler Verwaltungsakte befugt ist. I n diesem Rahmen kann er Zuständigkeiten an sich ziehen, die auch durch Gemeinschaftseinrichtungen der Länder nicht beseitigt werden können 4 2 . Darüber hinaus aber kann er keine Gemeinschaftsaufgaben auch nur alternativ durch ein generelles ungeschriebenes Organisationsmonopol auf überregionaler Ebene i n die zentralstaatliche Sphäre verlagern. 88

Maunz, N J W 1962, S. 1643. So m i t Recht Roellenbleg, D Ö V 1968, S. 231. Mauhz, N J W 1962, S. 1643. 39 So aber Kölble, D Ö V 1963, S. 669; Haegert, N J W 1961, S. 1137 ff. 40 Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 157, 158. 41 Maunz, Festschrift für Nawiasky, 1956, S. 266; i m gleichen Sinne auch Roellenbleg, a.a.O., S. 231. 42 Maunz., N J W 1962, S. 1643. 37 38

Zweites

Kapitel

Die Gemeinschaftsaufgaben ohne den Bund durch alternative Selbstkoordinierung der Länder I. Die Selbstkoordinierung der Länder durch zwischengliedstaatliche Verträge 1. Die Zulässigkeit der Verträge zwischen den Ländern

I m Gegensatz zur österreichischen Verfassung, die i n A r t . 107 B V G den Bundesländern ausdrücklich die Befugnis verleiht, untereinander Vereinbarungen „über Angelegenheiten ihres selbständigen Wirkungsbereichs" zu treffen, enthält das Grundgesetz keine entsprechende Regelung der zwischengliedstaatlichen Verträge. Dennoch ist ihre generelle Zulässigkeit m i t der gleichen Begründung zu bejahen, m i t der auch die Abschlußkompetenz der Länder m i t dem Bund begründet wurde. I n A r t . 32 Abs. 3 GG erkennt das Grundgesetz die Befugnis der Länder zum Vertragsschluß ausdrücklich an. Wenn aber die Vertragsschließungsbefugnis der Länder i n einem Bereich verfassungsrechtlich sanktioniert wird, der traditionell der auswärtigen Gewalt zugeordnet w i r d und somit i n die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes fällt, muß a fortiori gefolgert werden, daß das Grundgesetz dann auch innerhalb des Bundesstaates Verträge zwischen den Gliedstaaten anerkennt 1 . Dieses Ergebnis w i r d auch durch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes bestätigt. Der Herrenchiemseer Verfassungskonvent unterschied zwischen innerdeutschen Vereinbarungen der Länder einerseits und Verträgen m i t auswärtigen Mächten andererseits. Es bestanden dort nicht nur keine Bedenken gegen innerdeutsche Vereinbarungen, man hielt diese sogar für das gegebene M i t t e l zur Harmonisierung von Landesgesetzgebungsmaterien 2 . Dementsprechend wurde auch die Fassung des A r t . 40 des Herrenchiemseer Entwurfs gewählt: „Die Länder 1 Vgl. BVerfGE 22, S. 299 ff.; Roellenbleg, a.a.O., S. 235; Herzog , JuS 1967, S. 193 ff. (S. 198); Kölble, D Ö V 1960, S. 655; ebenso i m Ergebnis m i t einer Begründung aus A r t . 59 Abs. 2 GG Maunz, i n : Maunz-Dürig, A r t . 83 GG Rdnr. 51; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 243, 244. 2 Vgl. Protokoll über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v o m 10. bis 23. 8. 1948, S. 30.

2. Kap.: Alternative Selbstkoordinierung der Länder

171

können über Gegenstände, die i n ihren Aufgabenbereich fallen, Vereinbarungen m i t anderen deutschen Ländern treffen." 2. Die Rechtsordnung der Länderverträge

I n der Rechtslehre ist die Frage, welcher Rechtsordnung die zwischengliedstaatlichen Verträge unterliegen, noch ungeklärt. Zum Teil w i r d die Ansicht vertreten, i n diesem Bereich müsse Völkerrecht anzuwenden sein, da sonst keine Aussage möglich sei, nach welchen sonstigen Rechtssätzen sich die Länder verhalten sollten, die sich insofern als Staaten m i t originärer Hoheitsmacht gegenüberstünden 3 . Innerhalb dieser Grundauffassung finden sich verschiedene Modifikationen. So handeln nach einer Meinung 4 die Länder nur dann auf der Grundlage des Völkerrechts, wenn sie innerhalb ihrer Gesetzgebungszuständigkeiten als Merkmalen ihrer Staatlichkeit kontrahieren. Nach anderer Auffassung 5 wiederum gilt unter den Ländern ein durch das Bundesstaatsverhältnis geprägtes Völkerrecht, das z. B. die comitas gent i u m i m Bundesstaat zur Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten steigert. Demgegenüber geht die entgegengesetzte Ansicht dahin, daß unter den Ländern deshalb kein Völkerrecht gelten könne, w e i l i m Bundesstaat i m Gegensatz zu nur völkerrechtlich verbundenen Staaten ein übergeordneter Maßstab, das „Bundesinteresse" bzw. das Bundesrecht vorhanden sei, nach dem sich die Gliedstaaten ausrichten müßten 6 . Die Verträge beruhten nicht auf Völkerrecht, weil Völkerrechtssubjekte nur souveräne Staaten sein könnten, die Länder aber nicht souverän seien 7 . Dieser Auffassung ist insofern zuzustimmen, als sich über den Gliedstaaten eines Bundesstaates die gemeinsame organisierte Rechtsordnung i n Gestalt der Bundesverfassung erhebt. I m Sinne der hier vertretenen normativen Auffassung des Geltungsgrundes gliedstaatlicher Verträge ist die Anerkennung durch die übergeordnete bundesstaatliche Rechtsordnung konstitutiv für die Länderverträge als Rechts3 So Thoma, HDStR Bd. I, S. 178; Anschütz, Reichsverfassung, (14. Aufl.) 1933, A r t . 78 W R V A n m . 2; S t G H i n RGZ 112, 21 ff. 4 Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. I, S. 537 ff., Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff, S. 120. 5 Triepel, Reichsaufsicht, S. 457; Schaumann, W d S t L 19, S. 124, 125; Huber, Diskussionsbeitrag, W d S t L 19, S. 145. 6 Schneider, W d S t L 19, S. 13 ff.; Schaumann, a.a.O., S. 119 ff.; Diskussionsbeiträge von Menzel u n d Scheuner, W d S t L 19, S. 147, 149, 152 f.; v. MangoldtKlein, A r t . 20 GG, A n m . I I I 3 d ; Rudolf, D Ö V 1966, S. 73 ff.; Roellenbleg, a.a.O., S. 234; BVerfGE 4, S. 276. 7 Kölble, Gemeinschaftsaufgaben, a.a.O., S. 55; Haegert, N J W 1961, S. 1138; Schneider, D Ö V 1957, S. 649.

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

entstehungsvorgang. Nur soweit dieser von der gesamtstaatlichen Ordnung gebilligt w i r d und diese Rechtsordnung i h m Raum läßt, kann durch die Länderverträge originäres Föderationsrecht entstehen, das immer Landesrecht bleibt und i m Rang hinter dem Bundesrecht gemäß A r t . 31 GG steht. Soweit das gemeine Recht des Bundesstaates aber Lücken aufweist, sind die Normen des Völkerrechts als „Minimalverpflichtung der Gliedstaaten für die vertraglichen und außervertraglichen Beziehungen" 8 subsidiär anwendbar 9 . Dabei besteht i m koordinationsrechtlichen Verhältnis der Länder keine Rechtssatzgebundenheit i. S. subordinationsrechtlicher Verhältnisse, wo Vertrag und hoheitliche Anordnung nicht zu substituierende Gegensätze bilden 1 0 . Die Verträge i m Bereich föderativer Koordination werden aber teilweise deswegen geschlossen, weil eine rechtssatzmäßige Regelung nicht ohne weiteres denkbar ist. Daher bedarf es auch unter Zugrundelegung der normativen Auffassung keiner ausdrücklichen Einzelermächtigung, zumal sich gerade der Bereich der Organisationsgewalt einer solchen weitgehend entzieht. Würde man auch für den Organisationsbereich eine detaillierte ausdrückliche Ermächtigung fordern, so würde damit zugleich „postuliert, daß i n der Zielsetzung eines konkreten Staates i n nuce bereits alle i m Rahmen der staatlichen Ordnung ergehenden rechtlichen Anordnungen materiell eingeschlossen und aus ihr deduzierbar seien" 11 . Soweit die Länder aber i m Bereich ihrer staatlichen Hoheitsgewalt handeln, verlangt die ihnen zukommende und von der gesamtstaatlichen Rechtsordnung anerkannte Autonomie eine Sphäre freier organisatorischer Gestaltung, die allerdings ihre Grenzen i n den grundgesetzlich beschränkten Hoheitsbefugnissen der Länderstaatlichkeit finden muß. 3. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Länderverträge in bezug auf die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern

I n dieser Beschränkung der Länderautonomie nach der normativen Theorie liegen auch die verfassungsrechtlichen Grenzen der Länderverträge i n bezug auf die Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern begründet. Denn die Hoheitsgewalt der Länder ist beschränkt auf ihre Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz. Daher können die Länder unbestrittenermaßen nur über solche Materien paktieren, die eine Landesangelegenheit darstellen. Als erste Schranke zwischenglied8

Vgl. Diskussionsbeitrag von Huber, W d S t L 19, S. 145.

9

So auch Roellenbleg, a.a.O., S. 234. Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1958, S. 66. Imboden, a.a.O., S. 150.

10 11

2. Kap.: Alternative Selbstkoordinierung der Länder

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staatlicher Verträge ergibt sich also die Kompetenzordnung des Grundgesetzes12. Eine andere Grenze der Länderverträge w i r d i n der vertraglichen Selbstpreisgabe wesentlicher Teile der Landesstaatsgewalt zugunsten eines anderen Landes oder zugunsten einer supragliedstaatlichen Verwaltung gesehen 13 . Dieser Auffassung kann insoweit zugestimmt werden, als sich ein Land nicht seiner Hoheitsbefugnisse i m Sinne einer Selbstpreisgabe entäußern darf, weil das Grundgesetz den typenmäßigen Bestand der Länder mit eigener, unbeschränkbarer Hoheitsgewalt voraussetzt. Andererseits aber w i r d man eine Einschränkung der Länderrechte durch eine vertragliche Selbstbindung nicht für ausgeschlossen halten können, w e i l eine vertragliche Verpflichtung und die durch sie bewirkte Bindung zum Wesen eines jeden Vertrages gehört und anderenfalls über diesen Umweg doch wieder eine generelle Unzulässigkeit der zwischengliedstaatlichen Verträge herbeigeführt würde. Daher w i r d man sowohl die i n der Praxis vorkommenden Koordinationsabkommen 1 4 als auch i n beschränktem Umfang die Mandatsabkommen für zulässig halten können, soweit nur eine vorübergehende Übertragung der Kompetenz zur bloßen Ausübung vereinbart w i r d 1 5 . Als dritte Schranke schließlich w i r d das Gebot der Bundestreue und die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die anderen Länder zu betrachten sein, die politische Sonderbündnisse zwischen den Ländern ausschließen. Denn i n einem Bundesstaat verbindet das Prinzip der Bundestreue Bund und Länder miteinander und verbietet eine Länderkooperation, die staatenbündische Züge trägt und m i t den vom Bund repräsentierten gesamtstaatlichen Interessen unvereinbar ist 1 6 . Insofern gilt auch für den deutschen Bundesstaat der Satz der Schweizerischen Bundesverfassung (Art. 7 BV), daß „Vorkommnisse" nicht „etwa dem Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten" dürfen. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn die Länder innerhalb ihrer Zuständigkeiten einzelne und von einander unabhängige Aufgaben koordinieren. Auch zahlreiche Koordinationsfor12 Maunz, N J W 1962, S. 1641; Schneider, V V d S t L 19, S.20; v. MangoldtKlein, a.a.O., A r t . 32 G G A n m . V I I I ; Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen, a.a.O., S. 156; Roellenbleg, a.a.O., S. 235. 13 Schneider, W d S t L 19, S. 22; Maunz, N J W 1962, S. 1642. 14 Vgl. z. B. die Vereinbarung aller Bundesländer über die Verteilung der Feuerschutzsteuer v o m 8. 3.1951 (Rhld.-Pf. G V B L 1951, S. 198). 15 Vgl. z. B. das bremisch-niedersächsische A b k o m m e n über die Zuständigkeit des Oberbergamtes Clausthal-Zellerfeld u n d des Bergamtes Hannover v o m 16.12.1955/14.8.1956, unveröffentlicht, zitiert bei Schneider, W d S t L 19, S. 61 (Nr. 171). 18 Maunz, N J W 1962, S. 1642; Schneider, W d S t L 19, S. 23; Rudolf, B u n d und Länder, a.a.O., S. 27.

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

men konstituieren noch keinen Staatenbund 17 . Daher verstößt es auch nicht gegen das Prinzip der Bundestreue, wenn die Länder i m Wege der Selbstkoordinierung ihre Kompetenzen auch auf überregionaler Ebene voll ausschöpfen. Die gegenteilige Auffassung geht von der vom Bundesverfassungsgericht zu Hecht verworfenen ungeschriebenen Bundeskompetenz aus Überregionalität aus und hält eine Länderkooperation für unzulässig, „ u m die Entstehung (!) oder Ausübung verfassungsrechtlicher Kompetenzen des Bundes dadurch zu umgehen, daß sie sich bemüht, den Eintritt (!) der entsprechenden verfassungsmäßigen Voraussetzungen zu verhindern" 1 8 . Daß eine solche Auffassung, die schon von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht und zu dem unhaltbaren Ergebnis führt, daß die Länder von ihren Kompetenzen keinen Gebrauch machen dürfen, u m dem Bund eine überregionale Koordinationsfunktion i m landeseigenen Bereich zu eröffnen, das Prinzip der Bundestreue i n ihr Gegenteil verkehren würde, bedarf keiner Erörterung. Der Bund kann als Wahrer der Rechtseinheit durch die Selbstkoordinierung der Länder grundsätzlich überhaupt nicht betroffen sein, da es sich um Kompetenzen handelt, die ausschließlich den Ländern zustehen. Nur die Überschneidung und Verflechtung von Bundes- und Landeskompetenzen kann es erforderlich machen, daß die Länder den Bund i n ihre Selbstkoordinierung einbeziehen müssen und somit die Länderkooperation zur echten Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern ausgestalten.

I I . Die institutionalisierten Formen der Länderkooperation i m Verhältnis zu den Gemeinschaftsaufgaben 1. Die Gemeinschaftseinrichtungen der Länder und die bundesstaatliche Struktur

Die vertragliche Selbstkoordinierung der Länder hat sich i n vielfältigen Formen zu einer institutionalisierten Kooperation der bundesstaatlichen Glieder verfestigt. So existieren Arbeitsgemeinschaften, Ausschüsse und ständige Konferenzen, von denen besonders die turnusmäßig tagenden Konferenzen der Ministerpräsidenten der Länder und als permanente Organisation die ständige Konferenz der Kultusminister zu nennen sind, die als Koordinierungsgremien durch Empfehlungen einen landeseinheitlichen Verwaltungsvollzug zu gewährleisten suchen. 17

Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 27. Kölble, N J W 1962, S. 1081 ff., S. 1082 (Ausrufungszeichen v o m Verfasser). Diese Auffassung widerspricht der gesamten höchstrichterlichen Judikatur, vel. BVerfGE 12, S. 205, 251 f.; BVerfGE 22, S. 180, 217; BVerfGE 22, S. 299. 18

2. Kap.: Alternative Selbstkoordinierung der Länder

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Neben diesen nichtrechtsfähigen Gebilden existieren Gemeinschaftseinrichtungen der Länder, die wenigstens Teilrechtsfähigkeit besitzen wie z. B. die Hochschule für Verwaltungswissenschaften i n Speyer oder das Zweite Deutsche Fernsehen. Dazu kommen noch gemeinsame Institutionen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften i n den Ländern, wie beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern, die sich mißverständlich als „Bundesärztekammer" bezeichnet, oder die Westdeutsche Rektorenkonferenz. Gegen diese Vielzahl institutionalisierter Formen der Zusammenarbeit der Länder w i r d immer wieder der Vorwurf erhoben, derartige Zwischenländereinrichtungen seien auf einer staatenbündischen dritten Ebene angesiedelt, die dem vom Grundgesetz statuierten bundesstaatlichen Aufbau widerspräche 19 . Dieser Einwand beruht aber auf einem Mißverständnis der von Nawiasky 20 entwickelten Vorstellung eines „dreigliedrigen Bundesstaats". Gedacht war sie als rein gedankliche Hilfskonstruktion zur begrifflichen Erklärung bundesstaatlicher Erscheinungen. Sie beruhte darauf, daß sich entweder Bund und Länder zu einer gesamtstaatlichen Gemeinschaft ergänzten — dann seien beide gleichermaßen notwendige Bestandteile der Gesamtheit und daher gleichgeordnet — oder aber der Bund den Gliedern übergeordnet und insofern m i t dem Gesamtstaat identisch sei. Wenn aber Glieder und Zentralstaat Staaten seien, die sich gleichgeordnet gegenüberständen, müßten beide in einem Dritten, dem Gesamtstaat zusammengefaßt sein. Besondere Organe bestünden für den Gesamtstaat nicht, seine Funktionen würden durch Organe des Zentralstaates ausgeübt 21 . Somit steht nach Nawiasky ein Teil der staatlichen Befugnisse i m Bundesstaat dem Land als Gliedstaat zu, ein anderer Teil dem Bund, dem Zentralstaat. Beide Teile zusammen machen die Fülle der staatlichen Befugnisse, den sogenannten Gesamtstaat aus. I n diesem System ist von einer „Ländergemeinschaft" als „dritter Ebene zwischen Bund und Land" nicht die Rede 22 . Daher kann auch aus der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht 23 nach gewissen Zweifeln einen zweistufigen Bundesstaatsbegriff vertreten hat, kein Argument gegen die Zulässigkeit von Zwischenländereinrichtungen hergelei19 Kölble, N J W 1962, S. 1083; Haegert, N J W 1964, S. 12; Kratzer, DVBL 1963, S. 312; Scheuner, D Ö V 1965, S. 545; Sturm, D Ö V 1968, S. 472. 20 Der Bundesstaat als Rechtsbegriff, 1920, S. 43 ff., 66 ff. 21 So Nawiasky zusammenfassend i n Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 1950, S. 35 ff. Z u m dreigliedrigen B u n desstaatsbegriff vgl. vor allem Maunz, i n : Maunz-Dürig, A r t . 20 GG, Rdnr. 5 ff.; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 188, 189; ders. N J W 1962, S. 1643. 22 Maunz, N J W 1962, S. 1643; Roellenbleg, a.a.O., S. 232; Gross, D V B L 1969, S. 125; Liebrecht, D V B L 1969, S. 103. 23 BVerfGE 13, S. 78 (nach BVerfGE 6, 364).

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

tet werden. Denn bei dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls nur m i t dem Verhältnis Gesamtstaat — Zentralstaat befaßt und zur Frage der Zulässigkeit von Gemeinschaftseinrichtungen der Länder keinerlei Aussage getroffen. 2. Die Organisation der Zwischenländereinrichtungen

Bedenken gegen die Gemeinschaftseinrichtungen der Länder wurden auch gegen ihre Organisation als freischwebende Verwaltungseinrichtungen einer staatenbündischen Gesamthand erhoben 24 . Gemeinschaftseinrichtungen der Länder können aber als Rechtsträger nicht die Ländergemeinschaft haben, da Hoheitsträger nur entweder der Bund oder das Land ist. Die Ländergemeinschaft hingegen hat keinen Staatscharakter. Bei einer Zwischenländerinstitution handelt es sich vielmehr u m eine Einrichtung, bei der ein Land oder jedes Land, nicht aber eine staatenbündische Gesamthand Träger der Einrichtung ist 2 5 . Das Bundesverwaltungsgericht hat i n seinen Urteilen zur Zulässigkeit der Errichtung der Landesanstalt Zweites Deutsches Fernsehen 26 und zur Filmbewertungsstelle 2 7 auch überzeugend dargelegt, daß es i m Grundgesetz keine Vorschrift gibt, nach der die Staatsgewalt eines Landes auf sein Gebiet beschränkt sei und bei einer Ausdehnung der Zuständigkeit auf das ganze Bundesgebiet nur der Bund zuständig wäre. Da eine Beschränkung der Landes-Staatsgewalt auf das betreffende Landesgebiet dem Grundgesetz nicht ohne weiteres entnommen werden könne, müsse davon ausgegangen werden, daß die Länder nach dem Grundgesetz auch i n der Lage sein sollten, solche für das Bundesgebiet zu erfüllenden Aufgaben i n einer der Notwendigkeit entsprechenden Weise zu erfüllen 2 8 . Das gilt u m so mehr, als auch das Grundgesetz i n A r t . 130 GG Einrichtungen kennt, „die auf Staats Verträgen zwischen den Ländern beruhen". Die Voraussetzungen zur Erstreckung der Wirkungen eines Aktes der Landesstaatsgewalt über den Landesbereich hinaus werden vom Bundesverwaltungsgericht i n Übereinstimmung m i t der überwiegenden Auffassung i m Schrifttum 2 9 von der Rechtsnatur dieser Erstreckung durch Zuweisung einer Zuständigkeit an die gemeinschaftliche Institution der Länder als Modell abhängig gemacht 30 . 24

Röttgen, JÖR N. F. 3, S. 145. Maunz, N J W 1962, S. 1644; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 244, 245; Gross, D V B L 1969, S. 125; Liebrecht, D V B L 1969, S. 102. 26 B V e r w G E 22, S. 299 ff. 27 B V e r w G E 23, S. 194 ff. 28 B V e r w G E 22, S. 308 unter Berufung auf BVerfGE 12, S. 251, 252. 29 Rölble, D Ö V 1960, S. 656; ders. N J W 1962, S. 1082; v. Stralenheim, BayV B L 1962, S. 72; Maunz, N J W 1962, S. 1644; a. A. Roellenbleg, a.a.O., S. 227. 30 B V e r w G E 23, S. 196. 25

2. Kap.: Alternative Selbstkoordinierung der Länder

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Bei den Ländereinrichtungen kann die Staatsgewalt nur quoad usum übertragen sein. Der Rechtsakt ihrer Errichtung ist nach den Rechtsnormen eines bestimmten Staates zu beurteilen. So richtet sich z. B. die Rechtswirksamkeit der Entstehung der Mainzer Fernsehanstalt nach dem Recht des Landes Rheinland-Pfalz, das — wie die anderen vertragschließenden Länder — den Fernsehvertrag i n innerstaatliches Recht transformiert hat, während die Filmbewertungsstelle der Länder eine „nachgeordnete Dienststelle" des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung ist. Daher sind die verwaltungsgerichtlichen Klagen wegen der Bewertungsbescheide der Filmbewertungsstelle gegen das Land Hessen zu richten 8 1 . I n keinem F a l l ist also der Rechtsträger solcher Gemeinschaftseinrichtungen der Länder eine supragliedstaatliche Ländergemeinschaft, sondern — je nach inhaltlicher Gestaltung des Ländervertrags — entweder ein bestimmtes Land als Mandatar oder jedes einzelne an ihr beteiligte Land 8 2 . Gemeinschaftseinrichtungen der Länder sind also unter diesen Gesichtspunkten ihrer Organisation verfassungsrechtlich unbedenklich. Allerdings w i r d gegen die Übertragung von Befugnissen auf Zwischenländereinrichtungen geltend gemacht, daß hier eine Zuständigkeitsverschiebung eintritt, die dann zur Selbstpreisgabe wesentlicher Funktionen führe, wenn die politische Verantwortung von Regierung und zuständigem Minister sowie die parlamentarische Kontrolle i n Wegfall käme 8 8 . Wenn das Grundgesetz i n A r t . 24 GG die Übertragung von Hoheitsbefugnissen durch den Bundesgesetzgeber vorsieht, so w i r d eine wesentlich erheblichere Einschränkung der Gewährleistung parlamentarischer Kontrolle herbeigeführt. Selbst das demokratische Prinzip des A r t . 20 GG erscheint gefährdet, da die strukturelle Kongruenz zwischen der Verfassung der supranationalen Gemeinschaften nach dem Grundgesetz nicht garantiert ist und das Gemeinschaftsrecht dem innerstaatlichen Recht vorgeht ohne wie nationales Recht der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu unterliegen 3 4 . Zwar dürfte es zu weitgehend sein, A r t . 24 Abs. 1 GG entsprechend anwenden zu wollen 3 5 . Doch w i r d man aus dieser Bestimmung einen Hinweis auf die Zulässigkeit der Aufgabenübertragung entnehmen können, wobei sich die Ermächtigung für die Länder i m Einzelfall aus dem Grundgesetz ergeben muß 3 8 . I m übrigen w i r d die Kontrollbefugnis der Landesparlamente 31

B V e r w G E 23, S. 196 i n Übereinstimmung m i t HessVGH, D Ö V 1962, S. 870. Maunz, N J W 1962, S. 1644; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 245. 33 Vgl. Siburg, D Ö V 1967, S. 774 ff. (S. 778 F.N. 63); Gross, D V B L 1969, S. 126; Sturm, DÖV 1968, S. 472. 34 B V e r f G i n D Ö V 1967, S. 823 f. 35 So aber B V e r w G E 22, S. 299 ff. u n d Krapp, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit gemeinsamer Ländereinrichtungen, 1962, S. 67. 36 Gross, D V B L 1969, S. 126. 32

12 Tiemann

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

durch die zwischengliedstaatlichen Institutionen nicht ausgeschaltet: Einmal unterliegt die grundsätzliche Zustimmung zu Zwischenländereinrichtungen und Aufgabenübertragungen zwischen verschiedenen Bundesländern der Disposition des innerstaatlichen Gesetzgebers und bei entsprechenden qualifizierten Mehrheiten auch der Abänderung durch diesen. Andererseits garantiert ein i n zahlreichen Verträgen vorgesehenes Kündigungsrecht 37 , daß die Kontrollbefugnis der Parlamente über das Verhalten der Regierungsmitglieder i m Bereich der Aufgaben, die auf eine Zwischenländereinrichtung übertragen wurden, nicht verdrängt wird. Darüber hinaus sieht auch das Bundesrecht bisweilen die Übertragung von Hoheitsbefugnissen durch Staatsverträge der Länder vor und bestätigt damit deren Koordinierungspraxis 3 8 . Sofern also die Möglichkeit besteht, sich von einem Abkommen wieder zu lösen und somit die Entscheidungsfreiheit der Regierung und die parlamentarische Kontrolle zu erhalten, sind gegen die Gemeinschaftseinrichtungen der Länder keine Bedenken zu erheben. 3. Die zwischengliedstaatlichen Finanzierungen

Gegen die finanzielle Beteiligung von Ländern an Einrichtungen anderer Länder werden i m Schrifttum 3 9 gelegentlich Bedenken aus A r t . 106 Abs. 5 und 7 GG sowie aus A r t . 107 Abs. 2 Satz 1, 2 und 3 GG hergeleitet. Wie w i r jedoch bereits i m Zusammenhang m i t der Fondsverwaltung des Bundes gesehen hatten 4 0 , regelten diese Bestimmungen nur den vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie die Sonderzuweisungen des Bundes an die Länder und den horizontalen Finanzausgleich zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Ländern. Während A r t . 106 Abs. 5 und 7 GG hinsichtlich unseres Problems überhaupt keine Aussage trifft, weil er nur die finanziellen Beziehungen von Bund und Ländern regelt, nicht aber die zwischengliedstaatlichen Finanzverhältnisse anspricht, ist auch A r t . 107 Abs. 2 GG kein verfassungsrechtlicher numerus clausus finanzieller Beteiligungen der 37 Die Bedeutung dieses Kündigungsrechts, wie es z. B. i n § 27 des Staatsvertrages über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen" statuiert ist, hält das B V e r w G i n B V e r w G E 23, S. 198 für ein wesentliches Zulässigkeitsmerkmal. 38 Vgl. § 3 Abs. 2 V w G O , § 3 Abs. 2 FGO, § 31 Abs. 3 SGG i n der Fassung v o m 3. 9.1953 ( B G B L I, S. 614) u n d §§ 7 Abs. 2, 28 Abs. 2 SGG i n der Fassung v o m 23. 8.1958 ( B G B L I, S. 591); §§ 89 Abs. 2, 93 Abs. 2 GWB. 39 Kölble, D Ö V 1964, S. 592 ff. (S.593); ders. DÖV 1965, S. 76 ff. (S.77); ders. D Ö V 1967, S. 1 ff. (S. 2); Sturm, D Ö V 1968, S. 472. 40 Siehe Abschnitt D, 2. Kap., I I 1.

2. Kap.: Alternative Selbstkoordinierung der Länder

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Länder an gemeinsamen Vorhaben zu entnehmen. Denn die Länder beeinträchtigen durch eine gemeinsame Planung und Förderung finanzieller Vorhaben nicht die Befugnis des Bundes, zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Ländern einen Ausgleich herbeizuführen. Die finanzielle Beteiligung an gemeinsamen, den Ländern kompetenzmäßig zustehenden staatlichen Aufgaben stellt überhaupt keinen Ausgleich i m Sinne des A r t . 107 Abs. 2 G G dar 4 1 . Vielmehr handelt es sich bei der finanziellen Selbstkoordinierung der Länder u m eine fondsmäßige Konzentration der Landesmittel zur optimalen Verwirklichung der jedem Land gestellten Aufgabe. Dabei bekommt das gewährende Land häufig i n der Form der Benutzung der Einrichtung eine Gegenleistung. Außerdem hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 42 und des Bundesverwaltungsgerichts 43 den Grundsatz bestätigt, daß den Ländern bei der Wahrnehmung von Aufgaben, die einer überregionalen gemeinsamen Koordination bedürfen, alle zu ihrer Erfüllung notwendigen M i t t e l zustehen müssen. Daher kann aus A r t . 107 Abs. 2 GG kein Verbot hergeleitet werden, daß sich die Länder bei der Erfüllung einzelner Aufgaben, deren Bedeutung über den Bereich eines Landes hinausgeht und die die Finanzkraft eines Landes übersteigen, gegenseitig unterstützen, zumal gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme zum Wesen des Bundesstaates gehören 44 . Dabei kann es auch keine Rolle spielen, ob die Höhe der finanziellen Leistung, wie es i n einigen Verträgen vorgesehen ist 4 5 , von seiner Steuerkraft abhängt. Auch dadurch werden keine finanzverfassungsrechtlichen Modalitäten geschaffen, die einen nach A r t . 107 Abs. 2 GG dem Bund vorbehaltenen Finanzausgleich der Länder untereinander bewirken, zumal für den horizontalen Finanzausgleich nach A r t . 107 Abs. 2 GG nicht 41

Gross, D V B L 1969, S. 127; v. Stralenheim, D Ö V 1965, S. 75; Konow, a.a.O., S. 375. 42 BVerfGE 12, S. 251, 252. 43 B V e r w G E 22, S. 308. 44 Vgl. BVerfGE 6, S. 361: „Die Länder haben ebenso w i e der B u n d die verfassungsrechtliche Pflicht, dem Wesen des sie verbindenden verfassungsrechtlichen Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken u n d zur Wahrung der wohlverstandenen Belange des Bundes u n d seiner Glieder beizutragen." Vereinbarungen der Länder untereinander bei der E r f ü l l u n g ihrer Aufgaben sind demnach nicht n u r verfassungskonform, sondern v e r w i r k l i c h e n die auch zwischengliedstaatlich bestehende wechselseitige Verpflichtung zu b u n desfreundlichem Verhalten: vgl. Maunz, i n : Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 83 Rdnr. 51; ders. N J W 1962, S. 1644, 1645; ders. B a y V B L 1966, S.3; Konow, a.a.O., S. 374; Gross, D V B L 1969, S. 95; Schneider, W d S t L 19, S. 13. 45 So z. B. i n A r t . 6 des Staatsabkommens der Länder der Bundesrepublik Deutschland über die Finanzierung der wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen v o m 30./31. 3.1949 (Hess. G V B L 1950, S. 179) — sogenanntes K ö nigsteiner A b k o m m e n der Länder —. Ferner i n A r t . 1 des Länderabkommens über die Finanzierung neuer wissenschaftlicher Hochschulen v o m 4. 6, 1964 (z. B. B r G B L 1964, S. 133).

12*

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Abschn. E: Verlagerung auf Bundes- oder Länderebene

die Steuerkraft, sondern die Finanzkraft das entscheidende Merkmal ist4®. Aus dem gleichen Grunde entfällt auch der Einwand, die Länder finanzierten unter Verstoß gegen A r t . 106 Abs. 4 Nr. 1 GG fremde A u f gaben, da die finanzstarken Länder zu einem mehr oder weniger großen Teil die Kosten der Verwaltung finanzschwacher Länder trügen und diese damit i n eine gewisse Abhängigkeit brächten, die sich auch auf die Willensbildung i m Bundesrat auswirken könne. Zwar ist es keine „Wahrnehmung einer Aufgabe" i m Sinne des Lasten Verteilungsgrundsatzes, wenn ein Land die Aufgabe eines anderen mitfinanziert 4 7 . Bei der finanziellen Selbstkoordinierung der Länder handelt es sich aber nicht u m eine solche Mitfinanzierung fremder Aufgaben, vielmehr steht die Zusammenfassung der finanziellen Möglichkeiten der Länder zur Erfüllung eigener, aber nicht regional radizierbarer Aufgaben i m Vordergrund. M i t ihrem Beitrag finanzieren die einzelnen Länder eigene Aufgaben, deren Erfüllung entweder ihre finanziellen Kräfte übersteigt, oder deren Erfüllung durch ein Land allein nach der Natur der Aufgaben nicht i n Betracht kommt 4 8 . Daß bei der Bemessung der Länderbeiträge auch auf die Steuerkraft der einzelnen Länder Rücksicht genommen wird, erscheint i m Lichte der Verpflichtung zu bundes- und länderfreundlichem Verhalten, als adäquate Konkretisierung dieses Prinzips 4 9 . Grundsätzlich bestehen demnach keine Bedenken gegen die Selbstkoordinierung der Länder, wobei angesichts des Stellenwerts dieser Problematik als bloßes Abgrenzungsproblem unserer Untersuchung i n diesem Rahmen nur eine grundlegende Betrachtung dieser bundesstaatlichen Erscheinungsform erfolgen konnte. Als Alternative zu den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern ist die Selbstkoordinierung der Länder durchaus denkbar, soweit es sich u m überregional zu lösende spezifische Landesaufgaben handelt. Soweit es allerdings zu einer Verflechtung dieser Aufgaben m i t solchen des Bundes kommt, sind die Länder gehalten, den Bund an ihren Abmachungen zu beteiligen. Dieser Dualismus w i r d i n der Staatspraxis i m Bereich der Förderung von Wissenschaft und Forschung deutlich, wo das bereits genannte 46

Gross, D V B L 1969, S. 127; Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 107 GG, Rdnr. 35. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 106 GG, Rdnr. 7; Sturm, D Ö V 1968, S. 472; Kölble, D Ö V 1967, S. 2. 48 So weist Konow, a.a.O., S. 375 zu Recht darauf hin, daß bei der Beseitigung des i m gesamten Bundesgebiet bestehenden Studienplatzmangels nicht jedes L a n d den Bruchteil einer Universität errichten kann. Da aber weder Überregionalität der Aufgabe noch mangelnde regionale Finanzkraft eine Bundeszuständigkeit begründen (BVerfGE 12, S. 264), nehmen die Länder auch bei zwischengliedstaatlicher Finanzierung eigene Aufgaben wahr. 49 Ebenso Konow, a.a.O., S. 375; vgl. auch Pfeiffer, N J W 1962, S. 566. 47

2. Kap.: Alternative Selbstkoordinierung der Länder

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Länderabkommen zur Finanzierung neuer wissenschaftlicher Hochschulen 50 , neben dem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Förderung von Wissenschaft und Forschung 51 besteht. Da dem Bund für den Bereich der Förderung der wissenschaftlichen Forschung in A r t . 74 Nr. 13 GG eine Kompetenz eingeräumt ist 5 2 , wurde hier die Selbstkoordinierung der Länder zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ausgestaltet. Soweit also eine echte Überschneidung der Zuständigkeiten vorliegt, gebietet es das Prinzip bundesfreundlichen Verhaltens und das Verbot staatenbündischer Zusammenschlüsse, den Bund i m Rahmen seiner Kompetenz an einer solchen echten Gemeinschaftsaufgabe zu beteiligen, zumal die Länderkooperation nicht zu einer Usurpation von Bundeszuständigkeiten führen darf. Nur innerhalb dieser Grenzen also ist zwischengliedstaatliche Koordination als Alternative zu Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern verfassungsrechtlich zulässig.

50

z. B. B r G B L 1964, S. 133. G M B L 1964, S. 315, erneuert am 8. 2.1968, siehe B u l l e t i n 1968, Nr. 185, S. 137. 52 Dabei soll die Frage, i n w i e w e i t sich der B u n d dabei i m Rahmen seiner Zuständigkeiten zur Forschungsförderung hält, w e n n er i n diesem A b k o m men auch Hochschulen mitfinanziert u n d sich an den M i t t e l n zur A u s b i l dungsförderung nach dem Honnefer-Modell beteiligt, dahingestellt bleiben. Vgl. hierzu die kontroversen Ansichten von Kölble, D Ö V 1964, S. 592 ff.; ders. D Ö V 1965, S. 76 u n d v. Stralenheim, D Ö V 1965, S. 73; ferner Siburg, D Ö V 1967, S. 774. 51

Zusammenfassung Die Untersuchung der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern i m System der bisherigen Fassung des Grundgesetzes hat gezeigt, daß das Grundgesetz i n vielfältiger Beziehung auf Kooperation angelegt ist. Es ermöglicht durch die Einschaltung der Länder i n den Vollzug der Bundesgesetze ein verästeltes System gemeinsamer Planungen und Finanzierungen und steigert diese Koordinationsmodalitäten dadurch, daß es eine ausreichende Grundlage für Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern über die Zusammenarbeit i m Rahmen ihrer Zuständigkeiten statuiert. I m Gegensatz zu den Vorstellungen des Gutachtens zur Finanzreform und des Regierungsentwurfs eines Finanzreformgesetzes von 1968 sind dem Grundgesetz auch gemeinschaftliche Planung und Finanzierung nicht fremd, soweit die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden, wie es durch die umfangreichen Subventionsprogramme von Bund und Ländern geschehen ist. Gemeinschaftsaufgaben i n dem hier vertretenen Sinne eigenverantwortlicher Wahrnehmung der Befugnisse unter materieller Koordination ihres Vollzugs bei alternativer oder kumulativer Gemeinschaftsfinanzierung finden sich schon i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes entweder i n ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Normierung oder doch zumindest i n grundgesetzlich gebilligter Form, so daß die vielfältigen bundesstaatlichen Kooperationserscheinungen von der Koordination des Gesetzesvollzugs, den Verwaltungsabkommen und gemeinschaftlichen Institutionen bis h i n zur gemeinsamen Finanzierung von Projekten gesamtstaatlicher Bedeutung m i t der Struktur unserer Verfassung grundsätzlich i n Einklang stehen. Aber auch i n der Selbstkoordinierung der Länder zeigt sich nicht — wie das Gutachten und der Regierungsentwurf feststellen zu müssen glauben 1 — eine Tendenz zu staatenbündischen Zusammenschlüssen auf einer verfassungsrechtlich unzulässigen dritten Ebene. Auch die zwischengliedstaatliche Zusammenarbeit ist Ausdruck einer bundesfreundlichen föderativen Einigung als eine „der bundesstaatlichen Form eigentümliche, unersetzliche, w e i l kontinuierliche Legitimierung der 1

Siehe Troeger-Gutachten, Tz 36 ff.; Begründung zum Regierungsentwurf, a.a.O., Tz 86.

Zusammenfassung

183

Staatlichkeit" 2 . Eine andere Auffassung würde nicht nur den sprachlichen Kern des Wortes „Föderalismus" mißachten, der Bündnisse der Länder als dem Wesen des „foedus" entsprechende Gestaltungsform erscheinen lassen müßte 3 , sie setzt sich auch i n Widerspruch zum Inhalt des Föderalismus und heutiger Bundesstaatlichkeit überhaupt, die auf Kooperation i n allen bundesstaatlichen Ebenen angelegt ist 4 . Diese Erscheinungsformen föderativen Zusammenwirkens beweisen, daß der Föderalismus des Grundgesetzes bereits i n seiner bisherigen Gestalt ein „kooperativer Föderalismus" war 5 . Das schließt nicht aus, daß die Analyse der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i n der Verfassungspraxis auch Elemente aufwies, die m i t der bundesstaatlichen Ordnung nicht i n Einklang stehen. So zeigte sich gerade i m Bereich des Fondswesens eine Tendenz, die m i t der Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes nicht übereinstimmt, weil der Bund i n manchen Materien mitfinanziert und mitentscheidet, die nicht seiner Kompetenz unterliegen. Ähnliche Erscheinungen ließ die Untersuchung der Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern erkennen. I n beiden Bereichen zeigten sich auch Formen einer verfassungswidrigen Mischverwaltung und einer Kompetenzüberlagerung, die nicht den Grundsätzen einer klaren Aufgabenverantwortung i m Bundesstaate und der m i t ihr verbundenen Lastentragungskompetenz entsprechen. Insofern erwies es sich als notwendig, diese Erscheinungsformen einer i n Widerspruch zum Verfassungsinhalt stehenden Verfassungspraxis durch Grundgesetzänderung zu legitimieren 6 . Unsere eingangs gestellte Frage, inwieweit eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit bestand, die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern durch Grundgesetzänderung zu institutionalisieren, hat also durch das Ergebnis der Untersuchung eine i n zweierlei Beziehung differenzierte A n t w o r t erfahren: Einmal weist das Grundgesetz schon i n seiner bisherigen Form zahlreiche Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern auf oder läßt sie zumindest als bundesstaatliches Phänomen zu. Insoweit also wäre eine Grundgesetzänderung verfassungsrechtlich 2 Lerche, Rechtsgutachten über die Rechtsverbindlichkeit des Staatsvertrages über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen" v o m 8.10.1963. 3 Maunz, Föderalistische Ordnung, S. 83 ff. 4 Roellenbleg, a.a.O., S. 231; Maunz, B a y V B L 1969, S. 2; Konow, a.a.O., S. 375; Pfeiffer, N J W 1962, S. 566. 5 Maunz, N J W 1968, S. 2033; ders. B a y V B L 1968, S. 62; ders. Deutsches Staatsrecht, S. 200. 6 So auch Maunz, B a y V B L 1969, S. 2 i n bezug auf Kompetenzverschiebungen i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben: Durch die Finanzreform „soll eine Wirklichkeit, die sonst m i t dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre, durch den Verfassungsgeber selbst zum geltenden Recht erhoben werden, ein Weg, der i n vollem Umfang dem Verfassungsinhalt entspricht."

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Gemeinschaftsaufgaben in der bisherigen GG-Fassung

nicht geboten gewesen. Andererseits aber hat unsere Betrachtung der Gemeinschaftsaufgaben erwiesen, daß diese i n manchen Bereichen bundesstaatliche Denaturierungserscheinungen aufwiesen, die nur i m Wege verfassungsgerichtlich zu schlichtender Kompetenzkonflikte oder aber durch Verfassungsänderung m i t der Verfassung i n Einklang zu bringen wären. Abgesehen von diesen verfassungsrechtlichen Aspekten erschien es aber verfassungspolitisch wünschenswert, die Kooperation von Bund und Ländern auf eine rechtlich gesicherte Basis zu stellen und damit eine gedeihliche Entwicklung der föderativen Ordnung der Bundesrepub l i k Deutschland zu gewährleisten.

ZWEITER H A U P T T E I L

D i e Gemeinschaftsaufgaben von B u n d u n d Ländern i n den Änderungsvorschlägen u n d der grundgesetzlichen Neufassung

Abschnitt

A

Änderungsentwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung von Gemeinschaftsaufgaben Erstes Kapitel

Die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben in Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform I. Die Grundlagen des Kommissions-Entwurfes Der bereits einleitend zitierte Auftrag des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder an die Sachverständigen-Kommission für die Finanzreform enthielt unter anderem als Zielsetzung eine K l ä rung der Frage, „ i n welchem Rahmen und nach welchen Regeln der Bund und die Länder für bestimmte Aufgaben gemeinsam die Verantwortung tragen und die M i t t e l aufbringen sollen (Gemeinschaftsaufgaben)". Gleichzeitig forderte Hettlage 1 eine Verfassungsänderung, die als Ausnahme von der Regel bundesstaatlicher Kompetenzteilung „künftig eine neue Form der gemeinsamen Aufgabenerfüllung von Bund und Ländern (Gemeinschaftsaufgaben)" ermöglichen sollte, w e i l eine saubere Trennung der Zuständigkeiten insbesondere i n Ansehung „wirtschaftswichtiger öffentlicher Aufgaben z. B. der Förderung von 1 Wirtschaftsordnung u n d Finanzpolitik, I n s t i t u t „Finanzen u n d Steuern", Heft 78 (1965), S. 26.

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Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

Wissenschaft und Forschung, der Raumordnung und der Straßenbauplanung" nicht mehr möglich sei. I n die gleiche Richtung gingen die Überlegungen, die dem ebenfalls i m Jahre 1965 von dem damaligen Bundeskanzler Erhard 2 propagierten „Deutschen Gemeinschaftswerk" zugrunde lagen. Gedacht war bei diesem Projekt, das keine konkreten verfassungsrechtlichen Konturen annahm, an ein bis zu einer Größenordnung von einem Prozent des Bruttosozialproduktes aus Bundes- und Landesmitteln gespeistes Sondervermögen, m i t dessen Hilfe für die Gesamtheit des deutschen Volkes notwendige Investitionen langfristig finanziert werden sollten 3 . Auch das Gutachten zur Finanzreform geht davon aus, daß die großen öffentlichen Aufgaben der Infrastruktur m i t ihren hohen Anforderungen an die öffentlichen Haushalte für die Wirtschaft und soziale Zukunftssicherung der Bundesrepublik von großer Bedeutung sind. Der Kommission gibt diese Tatsache Anlaß zu einer Prüfung der Frage, ob derartige Maßnahmen, die i n der Regel von den Ländern und Gemeinden durchzuführen sind, künftig allein der regionalen Initiative und Verantwortung überlassen bleiben können oder ob nicht vielmehr auch der Bund zwecks Wahrung der gesamtpolitischen und gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse zur M i t w i r k u n g und Mitverantwortung berufen ist 4 . Sachlich spricht dafür nach Ansicht der Kommission die Bedeutung dieser Aufgaben für die Gesamtheit des Volkes. Nicht weniger wichtig sei es, daß es gerade bei diesen Aufgaben auf einen rationellen Einsatz der nur beschränkt zur Verfügung stehenden Investitionsmittel ankomme. Diese M i t t e l müßten aufgrund einer sorgsamen Planung, die auch den überregionalen Bedürfnissen Rechnung trägt, verwendet werden; eine derartige von Bund und Ländern gemeinsam zu entwickelnde Planung müsse festlegen, i n welcher Reihenfolge und an welchen Schwerpunkten diese M i t t e l einzusetzen seien und nach welchem Zeitplan sie verausgabt werden sollten 5 . Aber auch rechtlich sieht die Kommission eine Notwendigkeit verfassungsrechtlicher Neuregelung. Einmal um die durch die Bund-Länder-Kooperation entstandenen verfassungsrechtlichen Probleme zu lösen, zum anderen aber auch, w e i l „die 2

Referat auf dem CDU-Bundesparteitag am 31. 3.1965, S. 12 f. I n w i e w e i t ein solcher bundesstaatlicher Solidaritätsfonds, an dem auch die Gemeinden beteiligt werden sollten, verfassungsrechtlich realisierbar gewesen wäre, erscheint i n Anbetracht des bundesstaatlichen Aufbauprinzips allerdings fraglich. Siehe hierzu auch Geiger, Föderalismus i n der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, i n : Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 33, S. 12 ff. (S. 16). 4 Tz 132. 5 Tz 133; vgl. Lauf er, a.a.O., S. 40 f.; Konow, a.a.O., S. 368; Kölble, D Ö V 1967, S. 1 ff. 3

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

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notwendige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei dem jetzigen Stand der Entwicklung zu einem Verfassungselement ausgestaltet werden muß; die Verfassung kann an dem wichtigen Tatbestand der gemeinsamen Aufgabenerfüllung, wie sie sich i n den letzten Jahren entwickelt hat, nicht mehr achtlos vorübergehen und i n Kauf nehmen, daß sich die grundgesetzlich festgelegte Ordnung des Verhältnisses von Bund und Ländern i n eine unübersehbare Vielzahl der verschiedensten Gemeinschaftsformen auflöst" 6 .

II. Die Gemeinschaftsaufgaben als verfassungsrechtliches Institut in Art. 85 a des Kommissions-Entwurfes Die Kommission für die Finanzreform empfiehlt die Ergänzung des Grundgesetzes durch einen A r t . 85 a, desen Abs. 1 folgende begriffliche Definition der Gemeinschaftsaufgaben enthält: „Bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben, deren Ausführung Sache der Länder ist, wirken Bund und Länder zusammen, wenn die Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und einer langfristigen gemeinsamen Planung bedürfen (Gemeinschaftsaufgaben) 7 ." I n Abs. 2 heißt es dann: „Durch Bundesgesetze m i t Zustimmung des Bundesrats w i r d bestimmt, welche Aufgaben Gemeinschaftsaufgaben sind." Demnach ergibt sich als erstes Tatbestandsmerkmal, daß es sich bei den Gemeinschaftsaufgaben u m gewisse Verwaltungsaufgaben der Länder handeln soll. Hierzu hat Konow 8 bemerkt, daß der A r t . 85 a insofern das Gewollte nicht klar zum Ausdruck bringe. Gemeint seien nicht Aufgaben, bei denen der Verwaltungsvollzug Sache der Länder ist, sondern Aufgaben, für die den Ländern nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes die Gesetzgebungszuständigkeit zusteht. Hier seien i n erster Linie A u f gaben aus dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder zu nennen. Es kämen aber auch Aufgaben aus den Bereichen der konkurrierenden und der Bahmengesetzgebung des Bundes i n Betracht, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Da der Kommissions-Entwurf eine Generalklausel enthält und auf eine enumerative Regelung der Gemeinschaftsaufgaben verzichtet hat, läßt sich diese Aussage Konows nur 6 Tz 134; hierzu außer den i n der obigen F. N. Genannten: Patzig, D V B L 1966, S. 395; Siburg, D Ö V 1967, S.774f.; Liebrecht, D V B L 1966, S.72; Hüttl, D V B L 1967, S. 436. 7 Tz 139. 8 a.a.O., S. 368, 369.

188

Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

anhand der von der Kommission zur Normierung als Gemeinschaftsaufgaben empfohlenen Materien überprüfen. Als ersten Bereich der Gemeinschaftsaufgaben, deren Regelung zur Disposition des Bundesgesetzgebers gestellt wird, empfiehlt die Kommission das Gebiet des Neu- und Aufbaus wissenschaftlicher Hochschulen. Für dieses Gebiet, das der Kulturhoheit der Länder unterliegt, t r i f f t Konows Auffassung uneingeschränkt zu. Für den Bereich der Förderung von Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen, den die Kommission als zweite Materie zur Einführung als Gemeinschaftsaufgabe empfiehlt, räumt A r t . 74 Nr. 13 GG dem Bund die Gesetzgebungskompetenz und — wie w i r oben gesehen hatten — eine damit verbundene Finanzierungskompetenz ein, so daß hier nicht von einer Gesetzgebungsbefugnis der Länder gesprochen werden kann 9 . A u f dem Sektor des Ausbaues der Verkehrseinrichtungen i m gemeindlichen Bereich ist an § 5 Abs. 2 des Bundesfernstraßengesetzes zu erinnern. Danach kann der Bund zum Bau oder Ausbau von Ortsdurchfahrten i m Zuge von Bundesstraßen oder zum Bau oder Ausbau von Zubringerstraßen zu Bundesautobahnen Zuschüsse oder Darlehen an fremde Träger der Straßenbaulast gewähren. Aus dem zweckgebundenen Aufkommen der Mineralölsteuer gewährt der Bund i m Einvernehmen m i t dem beteiligten Land auch Zuschüsse zum Bau oder Ausbau von Gemeinde- und Kreisstraßen, die Zubringerstraßen zu Bundesstraßen i n der Baulast des Bundes sind. Auch i n diesem Bereich also hat der Bund bereits weitgehende Finanzierungsmöglichkeiten, so daß es sich ebenfalls nicht um eine allein den Ländern unterstehende Materie handelt 1 0 . Das Gleiche gilt auch für die Verbesserung der Agrarstruktur sowie für Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsstruktur, für die A r t . 74 Nr. 11 und 17 GG eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes statuiert. Beiden Zielen dienen wesentliche Teile der aufgrund der i n § 6 L W G dem Bund eingeräumten Finanzierungskompetenz bereitgestellten M i t t e l des „Grünen Plans". Bei der Durchführung dieses Plans handelt es s;ch teilweise u m Fondsverwaltung als administrative Methode, also u m Inanspruchnahme einer Fondszuständigkeit des Bundes, teils u m Erscheinungsformen der staatsinternen Fondsverwaltung. Gerade diese beiden Bereiche zeigen aber die teilweise Berechtigung der Konow'schen Hypothese, weil nämlich hier eine enge Verschränkung landeseigener Aufgaben, bundesgesetzlich wahrgenommener Zuständigkeiten und ungeschriebener bzw. stillschweigend zugelassener Bun9 10

Hierzu eingehend Patzig, A Ö R 92 (1967), S. 223 f. Vgl. Kölble, D Ö V 1967, S. 2.

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

189

deskompetenzen vorliegt 1 1 . Daher empfiehlt die Kommission, für diesen Sektor eine Trennung der Aufgaben i n bundeseigene, landeseigene und Gemeinschaftsaufgaben vorzunehmen, wobei zu letzteren hierbei nur solche Maßnahmen zählen sollen, die dazu bestimmt sind, den strukturellen Umwandlungsprozeß voranzutreiben und der Landwirtschaft die Eingliederung i n den internationalen Wettbewerb zu erleichtern 12 . Soweit das Gutachten schließlich als letztes Gebiet die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zur Einführung als Gemeinschaftsaufgabe empfiehlt, handelt es sich hierbei u m eine Aufgabe, die auch schon bisher als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden angesehen wurde. Zeigt der Katalog der von der Kommission vorgesehenen Gemeinschaftsaufgaben also, daß i n diesen Bereichen der Bund schon bisher weitgehende Einflußmöglichkeiten hatte, so ist Konow dennoch insofern zuzustimmen, als innerhalb der weitgefaßten Materien auch teilweise Länderkompetenzen angesiedelt sind, sei es, daß sie von vornherein eine ausschließliche Landesangelegenheit darstellen oder aber eine solche sind, weil der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit noch keinen Gebrauch gemacht hat. Daher ist die generalisierende Formulierung des A r t . 85 a „Aufgaben, deren Ausführung Sache der Länder ist" unter Zugrundelegung der von der Kommission selbst als Gemeinschaftsaufgabe angesehenen Bereiche bei strenger Auslegung nicht zutreffend. Immerhin beweist dieses Tatbestandsmerkmal, daß nur Aufgaben der Länder, nicht auch solche des Bundes „Gemeinschaftsaufgaben" i. S. des A r t . 85 a K E werden können. Außerdem enthält es keine inhaltlichen Beschränkungen, so daß auch alle wesentlichen Aufgaben aus dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder zu Gemeinschaftsaufgaben bestimmt werden können. Das gilt vor allem für das Schulwesen, das Bildungswesen außerhalb der Schulen und wissenschaftlichen Hochschulen, den Bereich von Sicherheit und Ordnung, das Gesundheitswesen, die Wasserwirtschaft und das Rundfunkwesen 13 . Eine solche Möglichkeit besteht umsomehr, als auch das Tatbestandsmerkmal, daß die Aufgabe „ f ü r die Gesamtheit bedeutsam" sein muß, ohne weiteres auch auf diese Landesmaterien erstreckt werden kann. Die Bedeutung für die Gesamtheit stellt eine unbestimmte und allgemein gehaltene Voraussetzung dar, die praktisch sämtliche Länderaufgaben erfüllen, zumal keine „besondere" Bedeutung für die Gesamtheit " Vgl. Patzig, A Ö R 92, S. 326 f. Gutachten, Tz 149. 13 Eine solche uferlose Ausdehnung der Gemeinschaftsaufgaben Kernbereich der Landeskompetenzen befürchtet Konow, a.a.O., S. 369. 12

i n den

190

Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

gefordert w i r d 1 4 . Außerdem soll es keinen Unterschied machen, ob die Aufgabe i n einem oder i n allen Ländern anfällt, sofern der betreffenden Aufgabe eine über den lokalen oder regionalen Bereich hinausreichende Bedeutung zukommt 1 5 . Als gleichsam negatives verfassungsrechtliches Tatbestandsmerkmal setzt A r t . 85 a Abs. 4 K E nur voraus, daß die betreffende Aufgabe nicht bundesgesetzlich geregelt sein darf. Das erklärt sich daraus, daß i m Bereich der A r t . 84, 85 GG dem Bund ausreichende Einwirkungsmöglichkeiten offenstehen, so daß i n dem hier vorausgesetzten Umfang bereits Gemeinschaftsaufgaben bestanden. A r t . 85 a K E w i l l vielmehr die entsprechende Regelung der Kooperation zwischen Bund und Ländern i m Bereich der gesetzesfreien Verwaltung treffen. Daher hat die Kommission i n die von ihr vorgeschlagene Regelung diejenigen Teile der gesetzesfreien Verwaltung nicht einbezogen, die den Ländern vom Grundgesetz zur Erfüllung i n der Form der Bundesauftragsverwaltung übertragen worden sind (Art. 85 a Abs. 4 KE) 1 8 . Denn bei diesen relativ seltenen Fällen einer gesetzesfreien Bundesauftragsverwaltung wie der nach A r t . 89 Abs. 2 Satz 2 und 90 Abs. 2 GG, hatte der Bund schon alle Möglichkeiten materieller Ingerenz 17 , so daß sie sich für das Institut der Gemeinschaftsaufgabe wohl kaum geeignet hätten. Als weitere Voraussetzung der Annahme einer Gemeinschaftsaufgabe w i r d i n A r t . 85 a K E das Erfordernis einer „langfristigen gemeinsamen Planung" normiert. Wann ein solches Bedürfnis besteht, hängt nach Auffassung der Kommission von der Eigenart der Aufgaben, ihrem Umfang und ihrer finanzwirtschaftlichen Bedeutung ab 1 8 . Dabei muß 14

Zutreffend Konow, a.a.O., S. 369. Gegenüber der extensiven Auslegung der Kommission, daß es auf die regionale Beziehung der Aufgabe nicht ankomme u n d auch das Vorkommen i n n u r einem Lande zur Annahme einer Gemeinschaftsaufgabe ausreiche (Tz 153), formuliert Hüttl ( D V B L 1967, 437), der selbst der Kommission angehörte, zurückhaltender: „Die Aufgabe darf sich i m Regelfall nicht auf das Gebiet eines Landes beschränken ... Durch die Bezugnahme auf die Gesamtheit des Volkes ist das Zusammenwirken des Bundes m i t n u r einem L a n d regelmäßig ausgeschlossen." 16 Vgl. Kölble, D Ö V 1967, S. 4. Demgegenüber weist Liebrecht, DVBL 1966, S. 75 auf die A n t i n o m i e i m Verhältnis des A r t . 85 a Abs. 4 zu Abs. 1 hin. Denn einmal erscheint es sachlich widersprüchlich, eine Gemeinschaftsaufgabe dann annehmen zu wollen, w e n n eine bundesgesetzliche Regelung vorliegt, w e i l die i n A r t . 85 a K E vorgesehene Planungskompetenz etwas essentiell von der Gesetzgebungskompetenz Verschiedenes ist. Z u m anderen fragt es sich aber auch, w a r u m die Kommission überhaupt das schwierige verfassungsrechtliche I n s t i t u t der Gemeinschaftsaufgaben geschaffen hat, w e n n sie der Auffassung ist, daß durch eine bundesgesetzliche Regelung die überregionale Koordinierung bereits ausreichend gesichert sei. (vgl. Tz 163). 17 Vgl. zu dieser sehr begrenzten A r t der Bundesauftragsverwaltung Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 89 Rdnr. 33, A r t . 90 Rdnr. 24. 18 Tz 155; hierzu Kölble, D Ö V 1967, S. 4. 15

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

191

zuerst eine „gemeinsame Planung von Bund und Ländern" erforderlich sein. Reicht für die Erfüllung der Aufgabe die Planung durch den Bund oder durch ein Land aus, so soll für die gemeinschaftliche Erfüllung kein Raum sein 19 . Aber auch dieses Merkmal kann den materiellen Gehalt des A r t . 85 a K E nicht i n seinem Verhältnis zu den ausschließlichen Landesangelegenheiten konkretisieren. Denn die Notwendigkeit langfristiger Planung ist ebenso wie die gemeinsamer Planung mit Rücksicht auf die finanzielle Abhängigkeit der Länder vom Bund ein Wesensmerkmal auch der Länderaufgaben. Nicht bedacht hat die Kommision auch den Fall, daß eine Bedeutsamkeit für die Gesamtheit oder das Bedürfnis langfristiger gemeinsamer Planung später wieder entfällt, etwa wenn das Universitätsprogramm oder der strukturelle Umwandlungsprozeß der Landwirtschaft abgeschlossen ist. Hier fehlt jede zeitliche Befristung und eine Klärung der Frage, inwieweit dann die früheren Verwaltungskompetenzen des Landes wieder aufleben. Der Begriff der Gemeinschaftsaufgaben, wie ihn die Kommission i n A r t . 85 a K E gefaßt hat, sieht also eine Generalklausel vor, die den materiellen Gehalt als gemeinsame Planung von Bund und Ländern i m Bereich der Verwaltungszuständigkeiten der Länder ihrerseits noch i n die Form einer Anhäufung unbestimmter und auslegungsbedürftiger Begriffe kleidet, so daß der Eindruck entsteht, als sollten die bisher schon bestehenden Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern auch in den Bereich ausschließlicher Landeszuständigkeiten ausgedehnt werden, wodurch eine einseitige Einbeziehung von Landeskompetenzen i n die Begriffszone und auch Staatspraxis der Gemeinschaftsaufgaben impliziert würde.

I I I . Das Verfahren bei der Durchführung der von der Kommission vorgeschlagenen Gemeinschaftsaufgaben 1. Das Zustandekommen von Gesetzen über Gemeinschaftsaufgaben

Die Qualifikation einer Verwaltungsaufgabe der Länder als einer „Gemeinschaftsaufgabe" und der E i n t r i t t der entsprechenden Rechtsfolgen sind nach den Vorstellungen der Kommission nicht automatisch m i t der Erfüllung der materiellen verfassungsrechtlich i n A r t . 85 a Abs. 1 K E normierten Voraussetzungen verbunden. Nach dem Vorschlag bedarf es vielmehr i n allen Fällen vor der Entstehung einer „Gemeinschaftsaufgabe" i m verfassungsrechtlichen Sinn und zur Auslösung der entsprechenden Rechtsfolgen noch des Erlasses eines formellen Bundes19

Hüttl, D V B L 1967, S. 437.

192

Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

gesetzes m i t Zustimmung des Bundesrates. Die Entscheidung des Bundesgesetzgebers w i r d also nach A r t . 85 a Abs. 2 K E konstitutiv für die Begründung einer Gemeinschaftsaufgabe 20 . Nicht eindeutig geregelt ist i m Kommissions-Entwurf, ob der Bundesgesetzgeber bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer Gemeinschaftsaufgabe verpflichtet ist, ein entsprechendes Bundesgesetz zu erlassen durch das eine Verwaltungsaufgabe der Länder zu einer solchen deklariert wird. Einerseits heißt es i m Gutachten 21 , aus dem Wortlaut des A r t . 85 a Abs. 1 K E ergebe sich, daß die „Vorschrift nicht nur eine Möglichkeit für den Gesetzgeber eröffne". Die Worte „ w i r k e n — zusammen" stellten vielmehr klar, „daß sich Bund und Länder zur Inangriffnahme von Gemeinschaftsaufgaben zusammenschliessen sollen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind". Demgegenüber w i r d an anderer Stelle 2 2 ausgeführt, die finanziellen Auswirkungen von Gemeinschaftsaufgaben hingen davon ab, „ i n welchem Umfang der Bundesgesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht". Ob man Kolble 2 3 darin zustimmen kann, daß hier eine „ i m objektiven Verfassungsrecht begründete Pflicht" ohne einen verfassungsrechtlichen Anspruch der Beteiligten vorliege, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist nach der anderen Seite keine Beschränkung ersichtlich, die den Bundesgesetzgeber hindern könnte, i m Wege eines einfachen Bundesgesetzes sämtliche Landesaufgaben zu Gemeinschaftsaufgaben i m Sinne des A r t . 85 a K E zu machen. Eine solche Möglichkeit besteht umsomehr, als offensichtlich die Ansicht besteht, es könne sich eine Pflicht der Länder aus bundesfreundlichem Verhalten ergeben, i m Bundesrat der Einführung einer bisher der Landeskompetenz unterfallenden Aufgabe als Gemeinschaftsaufgabe zuzustimmen 24 . 2. Die Art der Gesetze über Gemeinschaftsaufgaben

Die Gesetze über Gemeinschaftsaufgaben bilden eine neue besondere Form der Gesetzgebung. Es handelt sich hierbei um „Planungsgesetze", die sich von den „Rechtsgesetzen" dadurch unterscheiden, daß sie keine Gebote i m rechtstechnischen Sinne enthalten. Gemäß A r t . 85 a Abs. 2 Satz 2 K E soll das Bundesgesetz, das eine Länderaufgabe zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt, „allgemeine Grundsätze" für 20 Kölble, D Ö V 1967, S. 4 vergleicht die dem Gesetzgeber i n A r t . 85 a Abs. 2 K E übertragene F u n k t i o n m i t seiner Zuständigkeit, i n Abweichung von dem Prinzip des A r t . 83 GG, das seinen Ausdruck i n A r t . 84 GG gefunden hat, die Ausführung eines Gesetzes i n Bundesauftragsverwaltung nach A r t . 85 GG (Art. 87 b Abs. 2 GG, A r t . 87 c GG) zu bestimmen. 21 Tz 157. 22 Tz 276. 23 DÖV 1967, S. 4. 24 Diese Auffassung v e r t r i t t Kölble, D Ö V 1967, S. 4.

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

193

die Erfüllung der Aufgabe enthalten. Zweck der Planungsgesetze ist also nicht die Entfaltung von Rechtsfolgen, sondern die Verwirklichung von Planzielen, die sich i m Inhalt der Gesetze und i m Inhalt der sie ergänzenden Pläne niederschlagen. Dabei lassen sich die Planungsgesetzgebungskompetenzen nicht eindeutig einer Kategorie der grundgesetzlich fixierten Gesetzgebungsarten zuordnen. Kölble 25 sieht i n i h r eine A r t von Rahmengesetzgebung des Bundes, jedoch ohne die Befugnis, teilweise auch unmittelbar geltendes Recht zur Regelung der betreffenden Materie zu setzen. Demgegenüber umfaßt jedoch die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach A r t . 75 GG i n gewissem Umfang auch die Befugnis zur Setzung unmittelbar geltender Rechtsnormen 2 6 . Daher sieht Konow 27 i n den „allgemeinen Grundsätzen" des A r t . 85 a Abs. 2 Satz 2 K E eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes i m Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Diese Kompetenz soll i n Anknüpfung an die Grundsatzkompetenz der A r t . 10 und 11 WRV als inhaltlich beschränkte Gesetzgebungszuständigkeit zu verstehen sein, die eine alle Einzelheiten normierende Vollregelung ausschließt. Dabei weist die Grundsatzkompetenz des A r t . 85 a Abs. 2 jedoch die Besonderheit auf, daß die Grundsätze für die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben keine unmittelbare Geltung gegenüber dem Staatsbürger haben sollen, sondern nur die Gesetzgebungsorgane und Verwaltungen der Länder binden. Sie stellen also Planungsgesetze m i t staatsinterner Wirkung dar, durch die ein Aktionsprogramm festgelegt wird, auf das sich Bund und Länder geeinigt haben 28 . Unklar bleibt nach der Regelung des Kommissionsentwurfs, wie das Verhältnis von Landesgesetzgebungskompetenz und der i n A r t . 85 a Abs. 2 K E statuierten Bundesgesetzgebungskompetenz zu beurteilen ist, wenn eine Gemeinschaftsaufgabe auf dem Gebiet einer Landeszuständigkeit geschaffen wird. Denn dann müßte sich aus der Qualität dieser neuen A r t einer Bundesgesetzgebung ergeben, ob dem Landesgesetzgeber daneben noch eine Kompetenz bleibt und gegebenenfalls, welchen Umfang sie hat. Aufgrund des nach A r t . 85 a erlassenen Gesetzes stellen Bundesregierung und Bundesrat durch übereinstimmende Beschlüsse einen Plan und Richtlinien auf. Diese dienen der Ausführung des Gesetzes und verpflichten die Bundesregierung und die Regierungen der Länder, planund richtliniengetreu zu handeln. Da ein Plan unter dem Vorbehalt besonderer Umstände bei seiner Ausführung und der hierbei gewonnenen Erkenntnisse steht, sind die Bundesregierung und die Regie25

D Ö V 1967, S. 5. BVerfGE 4, S. 128 f. 27 a.a.O., S. 370. 28 Vgl. Hüttl, a.a.O., S.437; ebenso Kölble, S. 370; vgl. auch Gutachten, Tz 140, 141. 29

1

Tiemann

D Ö V 1967, S.4; Konow,

a.a.O.,

1 9 4 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung rungen der Länder befugt, vom Plan abzuweichen. Sie können i m Einvernehmen den Zeitraum, i n dem das Planungsziel erreicht werden soll, ausdehnen oder verkürzen; sie können bessere als die vorgesehenen Methoden anwenden oder bei Störungslagen andere als die ursprünglich beabsichtigten Maßnahmen treffen 2 9 . I m übrigen sollen aber die Pläne und Richtlinien das den Ländern aufgegebene Aktionsprogramm konkretisieren und Grundsätze für die Durchführung des i n dem Gesetz vorgeschriebenen Planungsziels enthalten. Anders als die Grundsatzregelungen nach A r t . 10 und 11 WRV oder A r t . 109 und 140 GG und Rahmenvorschriften nach A r t . 75 GG sind die Grundsätze des A r t . 85 a Abs. 2 Satz 2 K E nicht auf Ausfüllung durch die Länder, sondern auf Ausfüllung durch Bundesrat und Bundesregierung angelegt. Wie weit die Pläne ins einzelne gehen, ist eine Ermessensfrage. Daß Bundesregierung und Bundesrat nicht ihrerseits auf Grundsatzvorschriften beschränkt sind, folgt schon daraus, daß es der Zweck der Pläne und Richtlinien ist, Grundsätze zu konkretisieren 3 0 . I m Gegensatz zur Rahmenkompetenz des Art. 75 GG steht die Grundsatz«, Plan- und Richtlinienkompetenz des A r t . 85 a Abs. 2 Satz 2 und 3 K E demnach nicht unter dem Vorbehalt, daß den Ländern i m Hinblick auf das zu ordnende Sachgebiet Regelungen von substantiellem Gewicht überlassen werden müssen. Sämtliche für die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben wesentlichen Sachentscheidungen können also von Bundesorganen getroffen werden. Den Ländern bleibt nur die Möglichkeit, das durch Grundsätze, Pläne und Richtlinien festgelegte Aktionsprogramm, soweit erforderlich, i n unmittelbar geltendes Recht umzusetzen. Eine Sphäre eigenverantwortlicher Gestaltung und materieller Entscheidungsfreiheit bleibt ihnen dabei nicht. Die Beschlüsse über Plan und Richtlinien binden zwar nur die Regierungen, jedoch beruht die Vorschrift auf der Erwägung, daß diese auf ihre jeweiligen Gesetzgebungsorgane, also auf den Bundestag bzw. die Landtage i n diesem Sinn einwirken, und daß die Macht der Verhältnisse und der Zwang politischer Notwendigkeiten groß genug ist, die Parlamente zur Bewilligung der finanziellen M i t t e l für die plangetreue Ausführung der Gemeinschaftsaufgaben zu veranlassen 31 . 3. Die Ausführung von Gemeinschaftsaufgaben Die Ausführung der Gesetze über Gemeinschaftsaufgaben liegt bei den Ländern. Sie führen Bundesgesetze, die Gemeinschaftsaufgaben regeln, als eigene Angelegenheiten aus. Dabei ist ohne Bedeutung, ob bei der Ausführung i m Einzelfall Maßnahmen der Eingriffs-, Leistungs29 30 31

Hüttl, a.a.O., S. 438. Vgl. Konow, a.a.O., S. 370. Tz 160; vgl. auch Konow, a.a.O., S. 370; Hüttl,

a.a.O., S. 438.

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

195

oder fiskalischen Verwaltung notwendig werden. Die Länder regeln die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit das Gesetz über eine Gemeinschaftsaufgabe nichts anderes bestimmt 3 2 . Dabei geht das Gutachten davon aus, daß nach dem Inhalt der Vorschrift des A r t . 85 a K E Sachentscheidungen bei der Ausführung des Gesetzes nicht i m Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden getroffen werden sollen. Die Landesbehörden sind deshalb formell weder an Weisungen der Bundesbehörden gebunden, noch können sich die Bundesbehörden nach dem Wortlaut der Regelung an den Entscheidungen von Landesbehörden beteiligen. Ob jedoch die summarische Feststellung der Kommission, daß A r t . 85 a K E eine Mischverwaltung nicht zulasse 33 , zutreffend ist, erscheint äußerst fraglich. Die Gutachter gehen nämlich offenbar davon aus, daß sich Planungs- und Richtlinienkompetenz auf der einen und die Ausführungskompetenz auf der anderen Seite genau trennen lassen. Wenn man aber, wie es die Kommission voraussetzt, unter Planung nicht nur eine Vorwegplanung sondern eine die Ausführung begleitende Planung versteht 3 4 , w i r d sich i n Verbindung m i t dem i n Art. 85 a Abs. 3 K E statuierten Aufsichtsrecht der Bundesregierung oft eine enge Verflechtung von Bundes- und Landesexekutive auch bei der eigentlichen Ausführung ergeben. Damit würde die Regelung des A r t . 85 a K E zumindest mittelbar i n der Praxis doch zu einer Mischverwaltung führen 3 5 . A r t . 85 a Abs. 3 K E räumt dem Bund ein Aufsichtsrecht ein. Gegenstand der Aufsicht sind die Ausführung des Gesetzes und die Einhaltung der Pläne und Richtlinien. Die Aufsicht umfaßt das gesamte verwaltungsmäßige Verhalten der Länder, das sie i m Zusammenhang m i t der Ausführung des Gesetzes und der Pläne entfalten. Sie bezieht sich auf ihre hoheitliche und nichthoheitliche Tätigkeit und ist i m wesentlichen dem A r t . 84 GG nachgebildet. Die Aufsicht ist daher eine abgewandelte Form der Rechtsaufsicht, deren Maßstab die planungsgerechte und richtliniengetreue Ausführung des Gesetzes ist. Das Aufsichtsrecht nach A r t . 85 a K E liegt bei der Bundesregierung, nicht bei dem einzelnen Bundesminister, jedoch ist sein Instrumentarium gegenüber dem A r t . 84 GG insofern reduziert, als keine Bundesbeauftragten entsandt werden dürfen sondern nur Bericht verlangt werden kann. Zur Durchsetzung von Mängelrügen stehen dem Bund jedoch die M i t t e l des A r t . 84 Abs. 4 GG zur Verfügung, so daß eine Anrufung des Bundesrates und eine Ent32

Tz 161; vgl. auch H ü t t l , a.a.O., S. 438. Tz 161. 34 Liebrecht, a.a.O., S. 75, den auch Hüttl, a.a.O., S. 438 nicht widerlegt, w e i l die gesetzlich fixierte Möglichkeit von den Planzielen sachlich u n d zeitlich abzuweichen, nichts anderes als eine begleitende Planung darstellt, die auch i n den Vollzug h i n e i n w i r k t . 35 Das erkennt i m Ansatz richtig Liebrecht, a.a.O., S. 75. 33

1*

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Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

Scheidung des Bundesverfassungsgerichtes erfolgen kann. Diese Möglichkeit stellt die einzige Konfliktregelung i m Bereich des Kommissionsentwurfes dar. Demgegenüber hat das Gutachten offensichtlich den Fall übersehen, daß durch Gesetz eine Gemeinschaftsaufgabe bestimmt ist, übereinstimmende Beschlüsse von Bundesregierung und Bundesrat über Pläne und Richtlinien dann aber nicht Zustandekommen. Für diesen Verfassungskonflikt hätte jedoch eine ausdrückliche Lösungsmöglichkeit eröffnet werden müssen u m einen Schwebezustand auf einem für die Gesamtheit bedeutsamen Gebiet zu vermeiden. Denn die Länder können insoweit nicht mehr eintreten, weil sie durch das Gesetz bereits ihre Planungs- und Richtlinienkompetenz verloren haben 36 . I V . Die Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben Der Entwurf eines A r t . 85 a, wie die Kommission i h n vorschlägt, enthält aus rechtssystematischen Gründen keine Regelung für die finanziellen Lasten, die bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben entstehen. Sie findet sich i m finanzverfassungsrechtlichen Teil des Entwurfs i n A r t 104 a K E 3 7 , der nach dem Vorschlag der Kommission dem 10. Abschnitt des Grundgesetzes vorangestellt werden soll. A r t . 104 a Abs. 3 KE, nach dem der Bund den Ländern die Hälfte ihrer Ausgaben für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben erstattet, statuiert eine Ausnahme von der Neuregelung des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes i n A r t . 104 a Abs. 1 KE, demzufolge der Bund und die Länder gesondert die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergebenden Ausgaben tragen. Nach dem Inhalt des Abs. 3 dieser Vorschrift erstattet der Bund den Ländern die Hälfte ihrer Ausgaben für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben. Damit ist klargestellt, daß die Ausgaben von den Ländern i n voller Höhe geleistet werden und der Bund ihnen seinen A n t e i l erstattet. Diese Rückerstattung des Bundes beschränkt sich auf die Hälfte der Länderausgaben. Damit ist eine feste, durch die Bundesgesetzgebung nicht abänderbare Verteilung der Zweckausgaben vorgesehen. Da die Verwaltungsführung bei den Gemeinschaftsaufgaben Sache der Länder bleibt, kommt eine Beteiligung des Bundes an den Verwaltungskosten nicht i n Betracht. Demgegenüber hat es die Kommission m i t Rücksicht auf die nur beschränkten Weisungsrechte des Bundes für angemessen gehalten, seinen Kostenanteil auf die Hälfte zu begrenzen 38 . Die Möglichkeit einer variablen Gestaltung der Beteiligungsquote hat die Kommission zwar erwogen, i m Ergebnis zur Vermeidung permanenter Auseinandersetzungen zwischen 36 37 38

Liebrecht, a.a.O., S. 75. Tz 164, 202 u n d 207 ff. Tz 207.

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

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Bund und Ländern jedoch verworfen 3 9 . Da die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben i n einzelnen finanzschwachen Ländern zu Schwierigkeiten führen kann, haben die Gutachter eine Ergänzung des Länderfinanzausgleichs durch einen Sonderlastenausgleich für die Gemeinschaftsaufgaben erwogen. Dieser Lastenausgleich soll m i t dem horizontalen Finanzausgleich kombiniert werden, wobei der 50°/oige Länderanteil an den Ausgaben für Gemeinschaftsaufgaben i n den Sonderlastenausgleich einbezogen wird. Gegenüber einem vertikalen Ausgleich durch Ergänzungszuweisungen des Bundes hat die Kommission der horizontalen Regelung den Vorzug gegeben, w e i l das Verfahren der zentralen Ergänzungszuweisungen i n seiner finanziellen Wirkung die finanzstärkeren gegenüber den leistungsschwachen Ländern begünstigen, also einen geringeren Ausgleichseffekt auslösen würde als die horizontale Methode. I n der L i t e r a t u r 4 0 ist zu Recht darauf hingewiesen worden, daß die unterschiedliche Staffelung der gliedstaatlichen Lastenanteile an den Gemeinschaftsaufgaben den Finanzausgleich unter den Ländern wesentlich erschweren würde und die finanzstarken Länder dazu bringen könnte, i m Bundesrat gegen die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe zu stimmen. Unsere systematische Betrachtung der Vorschläge der Kommission für die Finanzreform hinsichtlich einer Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben hat also verschiedene verfassungspolitisch bedenkliche Züge aufgezeigt, darüber hinaus aber auch bei den Einzelregelungen verfassungsrechtlich bedenkliche Erscheinungen oder Unterlassungen nachgewiesen.

V. Art. 85 a KE und bundesstaatliche Gewaltenteilung 1. Gemeinschaftsaufgaben und grundgesetzliches Trennsystem

Es sind aber i n der Diskussion über die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben zahlreiche Stimmen laut geworden, die den Vorschlag der Troeger-Kommission i n A r t . 85 a K E nicht nur bezüglich der nachgewiesenen Unzulänglichkeiten i n den Einzelbeziehungen der verfassungsrechtlichen Regelung für rechtlich bedenklich halten, sondern das grundgesetzliche Institut der Gemeinschaftsaufgaben i n der von den Gutachtern vorgeschlagenen Form für verfassungswidrig halten. Der erste verfassungsrechtliche Einwand richtet sich dagegen, daß m i t dem Vorschlag des Gutachtens der i n A r t . 30, 70, 83 und 106 Abs. 1 GG 39

Tz 208. Henle, D Ö V 1966, S. 612; Wiek, Gutachten, Anlage 14 über die A u s w i r kungen der Finanzreform auf die einzelnen Länder u n d den Finanzausgleich unter den Ländern, S. 251. 40

1 9 8 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung verankerte allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern durchbrochen werde. Gemeinschaftsaufgaben stellten die durch eine Finanzreform anzustrebende Ordnung einer klaren Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern nicht her, sondern führten zu einer Überlagerung von Landes- und Bundeszuständigkeiten; selbst die Kommission habe aber davon gesprochen, daß ohne klare Zuständigkeitsabgrenzung eine bundesstaatliche Ordnung nicht denkbar sei 41 . Diese Argumentation trennt jedoch nicht zwischen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und verfassungspolitisch wünschenswerter Zielsetzung. Die gewaltenteilende Funktion der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes ist einerseits durch die M i t w i r k u n g der Länder an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes über den Bundesrat gemäß A r t . 50 GG, andererseits durch die Verteilung der Staatsgewalt auf Bund und Länder gekennzeichnet 42 . Abgesehen davon, daß unsere Untersuchung der Gemeinschaftsaufgaben nachgewiesen hat, daß das bundesstaatliche Trennsystem grundsätzliche Aufteilungen vornimmt, i n diesem Rahmen aber Raum für zahlreiche Ausgestaltungen von Gemeinschaftsaufgaben und verschiedenste Form parakonstitutioneller Zusammenarbeit läßt, geht die Kommission gerade davon aus, daß das überkommene deutsche Vorstellungsb i l d vom bundesstaatlichen Aufbau der Durchführung von Aufgaben, die für die Gesamtheit lebenswichtig sind, nicht mehr i n jeder Beziehung entspricht 43 . Gerade deshalb hält sie eine Grundgesetzänderung für notwendig, u m dem Prinzip des kooperativen Föderalismus auch einen verfassungsrechtlich institutionalisierten Ausdruck zu verleihen. Hiermit w i r d zwar eine neue Verfassungsform von Verwaltungszuständigkeiten i n das Grundgesetz eingeführt, durch die die Verwaltungskompetenz innerhalb einer einzelnen Aufgabe aufgeteilt wird. Dabei soll die Planungs- und Richtlinienkompetenz der Bundesebene (unter Beteiligung des Bundesorgans Bundesrat), die Ausführungskompetenz hingegen i m Rahmen von Plan und Richtlinien den Ländern zugeordnet werden. Gegen die Schaffung einer solchen neuen Verwaltungsform können rechtliche Bedenken aber zunächst nicht erhoben werden 4 4 . Da die Kommission dieses neue Institut i m Wege einer Verfassungsänderung einführen w i l l , würde unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung kein Grundsatz verletzt, der auch gegen Verfassungsänderungen geschützt wäre 4 5 . 41 Vgl. diese Einwände, m i t denen sich Patzig, A Ö R 92 (1967), S. 316 f. auseinandersetzt. 42 BVerfGE 12, S. 229; vgl. Hesse, a.a.O., S. 27 m i t weiteren Nachweisen. 43 Vgl. Tz 23—25, 134. 44 Liebrecht, a.a.O., S. 73. 45 So richtig Liebrecht, a.a.O., S. 74. Daher sieht Konow, a.a.O., S. 372 i m

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

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Daß darüber hinaus A r t . 85 a K E die unbeschränkte Ermächtigung gibt, die ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder ganz oder zu einem wesentlichen Teil an den Bund zu ziehen und damit auch den Verwaltungsvollzug i n diesem Bereich der Hoheit des Bundes zu unterwerfen, führt zwar auch zu einer Aufhebung der gewaltenteilenden Funktion der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, ist jedoch i m größeren verfassungsrechtlichen Rahmen der grundgesetzlichen Garantie der Länderstaatlichkeit i n A r t . 79 Abs. 3 GG zu sehen. 2. Bundesstaatliche Gewaltenteilung und veränderte Stellung des Bundesrats

Nach dem vom Gutachten vorgeschlagenen Abs. 2 Satz 3 des A r t . 85 a K E stellen Bundesregierung und Bundesrat durch übereinstimmende Beschlüsse Pläne und Richtlinien für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben auf. Diese Pläne und Richtlinien, die den einheitlichen Vollzug der Gemeinschaftsaufgaben i n den Bundesländern sichern sollen, stellen materiell eine Aufgabe dar, die zum Bereich der Exekutive gehört. Daher steht diese Aufgabe für den Bund der Bundesregierung, für die Länder dem Bundesrat zu, der damit „eine neue, i m Grundgesetz bisher nicht vorgesehene Funktion erhält" 4 6 . Hiergegen w i r d vorgetragen, daß damit eine Wandlung i n der Stellung des Bundesrates verbunden sei: der bisher stets als Bundesorgan verstandene Bundesrat werde für den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben zu einem nach dem Majoritätsprinzip entscheidenden Organ aller Länder 4 7 . Ob diese Auffassung zutreffend ist, kann aber dahingestellt bleiben, denn auch hier kann es durch eine Verfassungsänderung nicht verwehrt sein, dem Bundesrat neue Funktionen zu übertragen. Inwieweit dadurch die Struktur des föderativen Organs verändert w i r d und in welchem Maß es überhaupt einer Bestandsgarantie unterliegt, läßt sich nur am Maßstab des A r t . 79 Abs. 3 GG beurteilen, zumal kein A n haltspunkt dafür besteht, daß die neu i n das Grundgesetz aufzunehmenden Rechtssätze sonstigen stärkeren Verfassungsnormen widersprechen würden 4 8 . Gegensatz zu Patzig, AÖR 92, S. 316 das Problem der bundesstaatlichen Gewaltenteilung angesichts der durch Verfassungsänderung geschaffenen Gemeinschaftsaufgaben als Frage verfassungspolitischer Wertung. 46 Tz 158. 47 Diesen E i n w a n d formuliert Patzig, A Ö R 92, S. 335 u n d setzt sich kritisch m i t i h m auseinander, wobei er jedoch auch hier übersieht, daß sich dieser i m Rahmen einer Verfassungsänderung n u r als verfassungspolitisches Problem stellt. Zutreffend daher Konow, a.a.O., S. 373. 48 Vgl. hierzu Maunz, Starke u n d schwache Normen i n der Verfassung, i n Festschrift für Laforet (1952), S. 141 ff.; ders. N J W 1968, S. 2033 f ü r die Reduzierung der richtigen Fragestellung auf diese beiden Probleme, w e n n die E i n f ü h r u n g der Gemeinschaftsaufgaben durch Grundgesetzänderung v e r w i r k l i c h t werden soll,

2 0 0 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung V I . Die Vereinbarkeit der Gemeinschaftsaufgaben in der Fassung des Kommissions-Entwurfes mit Art. 79 Abs. 3 GG 1. Wesen und Umfang der Bestandsgarantie nach Art. 79 Abs. 3 G G

Die entscheidende Frage ist somit, ob die nach den Vorstellungen der Kommission für die Finanzreform institutionalisierten Gemeinschaftsaufgaben m i t A r t . 79 Abs. 3 GG i n Einklang stehen. Gegen die Fassung der Kommission sind i m Schrifttum 4 9 erhebliche Bedenken i m Hinblick auf diese verfassungsrechtliche Bestandsgarantie erhoben worden. A r t . 79 Abs. 3 GG dient dem Zweck, eine Aushöhlung unserer Verfassungsordnung auf scheinlegalem Wege zu verhindern und stellt zugleich ein ausdrückliches Bekenntnis zu einer nicht allein auf die formale Mehrheitsentscheidung abstellenden „wertgebundenen Demokratie" 5 0 dar. Rechtsdogmatisch beruht die Vorschrift auf der i n der Verfassungslehre der Weimarer Zeit entwickelten Unterscheidung zwischen dem Verfassungsgeber — dem Volk als Träger der verfassunggebenden Gew a l t (pouvoir constituant) — und dem Verfassungsgesetzgeber als einem das Volk bei Ausübung eines Teils der Staatsgewalt repräsentierenden Verfassungsorgan, (pouvoir constitué) Dieser Lehre, die besonders von C. Schmitt 51 entwickelt wurde, entspricht es, daß die A u f hebung der Verfassung i m Ganzen sowie einzelner ihr Wesen ausmachender Fundamentalsätze dem Verfassungsgeber vorbehalten und damit der Diskussion des Verfassungsgesetzgebers entzogen ist. I m Schrifttum 5 2 w i r d A r t . 79 Abs. 3 GG als ein „staatsrechtliches Wagnis" bezeichnet. Das ist einmal deshalb der Fall, weil die Norm einerseits einen gewissen Widerspruch i n sich schließt, da sie eine Abweichung von dem Verfassungsprinzip der Volkssouveränität und Volksrepräsentation darstellt, andererseits aber dieses Prinzip selbst für unabänderlich erklärt 5 3 . Die Vorschrift ist auch insofern problematisch, als sie die Verfassung dadurch i n Frage stellen kann, wenn sie es unmöglich macht, den sich aus der fortschreitenden Entwicklung ergebenden zwingenden Notwendigkeiten einer Anpassung des geltenden Verfassungs49

Vgl. Konow, a.a.O., S. 368 f.; Liebrecht, a.a.O., S. 74; w o h l auch Gross, D V B L 1969, S. 94; Geiger, Föderalismus i n der Verfassungsordnung der BRD, a.a.O., S. 17, 18; Pöhner, „Finanzreform — aber n u r i m Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung" i n Bayerische Staatszeitung Nr. 9 v. 4. 3. 1966; Heubl, B a y V B L 1968, S. 415; Wehgartner, „Eine verfassungsrechtliche Fehlkonstruktion", i n : Bay. Staatszeitung Nr. 10 v. 11. 3. 1966; zweifelnd selbst das K o m missionsmitglied Hüttl, a.a.O., S. 439. 50 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 29. 61 Verfassungslehre (1928), S. 20 f. 52 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 27. 53 Vgl. Kölble, D Ö V 1967, S. 6.

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201

rechts an die veränderten Lebensverhältnisse auf dem Wege der legalen Verfassungsänderung Rechnung zu tragen. Die Frage, ob dieser Earriere überhaupt rechtsverbindlicher Charakter zukommt, oder ob ein derartiger Anspruch sogar die Grenzen des Verfassungsgebers selbst übersteigt, dürfte überaus schwierig zu lösen sein 54 . Hier soll i n Übereinstimmung m i t der herrschenden Auffassung i m neueren Schrifttum 5 5 von der Gültigkeit dieser Verfassungsnorm ausgegangen werden. Die Unantastbarkeit des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3 GG) gewährleistet neben anderen Rechtssätzen und Einrichtungen das bundesstaatliche System i n seinem Kern. A r t . 79 Abs. 3 GG konkretisiert das ebenfalls für unantastbar erklärte Bundesstaatsprinzip des A r t . 20 Abs. 1 GG hinsichtlich einer Bestandsgarantie für die „Gliederung des Bundes i n Länder" sowie die „grundsätzliche M i t w i r k u n g der Länder bei der Gesetzgebung" 56 . A n diesem Maßstab ist die entscheidende Frage zu messen, wie weit der ungefähre Spielraum für den verfassungsändernden Gesetzgeber zu bemessen ist ohne das bundesstaatliche System als solches zu beseitigen. Dabei dürfen die Unantastbarkeiten des Grundgesetzes nicht extensiv ausgelegt werden, u m nicht i n mittelbarer Konsequenz die Rechtsverbindlichkeit des Art. 79 Abs. 3 GG dadurch zu unterwandern, daß die Praxis zur „Entfremdung vom Grundgesetz" geradezu hingedrängt w i r d 5 7 . Daraus ist zu schließen, daß i n A r t . 79 Abs. 3 GG nicht etwa die Garantie konkreter Züge des gegenwärtigen Systems erblickt werden kann, wie z. B. die unveränderte Erhaltung der Funktionen des Bundesrats 58 . Andererseits müßte es aber zu weit gehen, unter dem i n A r t . 79 Abs. 3 GG verwendeten Begriff der „Gliederung des Bundes i n Länder" jede beliebige Gliederung zu erfassen, bei der die Länder ohne materielle Hoheitskompetenzen nur noch die Fassade einer bundesstaatlichen Ordnung abgeben würden. Vielmehr ist Lerche 59 darin zuzustimmen, daß der ungefähre, allgemeine, nicht zu eng verstandene, aber über den abstrakten Begriff des Bundesstaates schlecht54 Lerche, A k t u e l l e föderalistische Verfassungsfragen (1968), bezeichnet dies als eine sog. Ewigkeitsfrage. 55 z.B. Hesse, a.a.O., S. 33; Harbich, Der Bundesstaat u n d seine Unantastbarkeit (1965), S. 92 ff.; Herzog, JuS 1967, S. 196; Patzig, D V B L 1966, S. 396; Rudolf, B u n d u n d Länder, a.a.O., S. 5; Scheuner, D Ö V 1966, S. 517; Lerche, A k t u e l l e föderalistische Verfassungsfragen, S. 45. 58 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 40, 46. 57 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 31; Lerche, Verfassungsfragen, S. 45. 58 So auch Lerche, Verfassungsfragen, S. 45. 59 Verfassungsfragen, S. 45, der diese Definition i n den weitergefaßten Strukturzug des Grundgesetzes einordnet, dessen verschiedene Wesensgehaltsgarantien oder Institutsgarantien (z.B. A r t . 28 Abs. 2 GG, A r t . 19 Abs. 2 GG) bei zutreffender Deutung ebenfalls i n der Herausstellung des jeweiligen „ T y p s " der Institution, des Grundrechts oder eines sonstigen grundgesetzlichen Gehalts bestünden (vgl. Lerche, a.a.O., S. 46).

2 0 2 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung h i n hinausgehende Typus des grundgesetzlichen Bundesstaates abgeschirmt sein soll, wodurch die Grundkonzeption des Bundesstaates „Bundesrepublik Deutschland" gewährleistet bleibt. Ähnlich hatte schon die von A r t . 79 Abs. 3 GG rezipierte Lehre C. Schmitts 60 den „Verfassungskern" als die typische Substanz der Verfassung als einer Verfassungsänderung stets entzogen betrachtet. Wo die konkreten Grenzen dieses Typs liegen, kann i m Einzelfall freilich schwer auszumachen sein, da oft erst „durch schrittweise Veränderung und Anpassung normativer Grundlagen die Identität des Typs in einer sozial veränderten Welt fortgeführt" werden kann 6 1 . Zum Begriff des Landes i m Sinne des A r t . 79 Abs. 3 als wesentlichem Element des bundesstaatlichen „Typs" gehört nach herrschender Ansicht, daß es ein originäres, vom Bund nicht abgeleitetes Eigenwirkungsrecht besitzt, wozu insbesondere ein nennenswerter Bestand eigener Rechtssetzungsbefugnis der Länder gehört 6 2 . I n welchem Maße allerdings den Ländern eine eigene Gesetzgebungszuständigkeit i n Landesangelegenheiten zusteht, ist „ein schwer zu beantwortendes Problem der Quantität" 6 3 . Fest steht einerseits, daß A r t . 79 Abs. 3 GG „nicht jede bestehende Landeszuständigkeit für unantastbar erklärt" und daher eine Abänderung des Gesetzgebungskatalogs der A r t . 73—75 GG i m Wege der Verfassungsänderung nicht ausgeschlossen ist 6 4 . Es muß aber „eine Grundsubstanz der eigenen unabgeleiteten und unabhängigen Wirkung für jedes bestehende L a n d " 6 5 übrig bleiben, weil ohne eine originäre Landesgesetzgebung der grundgesetzliche Typus des Bundesstaates nicht mehr gewährleistet ist. Jede Änderung des Grundgesetzes, die die Staatsqualität der Länder aufhebt oder in Frage stellt, ist demnach unzulässig. 2. Gemeinschaftsaufgaben im Verhältnis zu der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder als Merkmal ihrer Staatsqualität

Die Staatlichkeit der Länder beruht i m wesentlichen darauf, daß die Länder als Glieder des Bundes über einen Bereich eigener, wenn auch gegenständlich beschränkter, nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von i h m anerkannter staatlicher Hoheitsmacht verfügen, indem sie die Staatsgewalt eigenverantwortlich und frei von Einwirkungen der Bundesgewalt ausüben 66 . Eigene, vom Bund nicht abgeleitete und von un60

Verfassungslehre, S. 25 f., 171 ff. Diese Notwendigkeit einer dynamischen Betrachtungsweise des Bundesstaatsprinzips betont Lerche, Verfassungsfragen, S. 46. 62 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 37; Scheuner, D Ö V 1966, S. 17. 63 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 37; vgl. auch Kölble, D Ö V 1967, S. 7; Lerche, Verfassungsfragen, S. 46. 64 Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 79 GG Rdnr. 35. 65 s. Kölble, D Ö V 1967, S. 7, m i t weiteren Nachweisen i n F N 58. 66 BVerfGE 1, S. 34; B V e r f G E 6, S. 354, 362. 61

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mittelbaren verfassungsrechtlichen Einflußmöglichkeiten des Bundes freie Staatsgewalt üben die Länder nur aus, wo ihnen das Recht der Gesetzgebung zusteht, das heißt i n den Bereichen der ausschließlichen Landeskompetenz und i n den Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, so lange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. I n diesem Bereich kann der Landesgesetzgeber eigenverantwortlich politische Entscheidungen treffen, ohne Einwirkungsrechten des Bundes ausgesetzt zu sein. Zwar stellt sich auch der landeseigene Vollzug von Bundesgesetzen als eigenverantwortliche Tätigkeit der Länder dar, i n deren Rahmen sie selbständig staatliche Hoheitsrechte wahrnehmen, jedoch vollziehen sie Materien, die vom politischen Willen des Bundesgesetzgebers geprägt sind. Ziel des Vollzugs ist die Verwirklichung der Entscheidungen des Bundesgesetzgebers nach dem Maßstab der staatlichen Einheit des Zentralstaates 67 . Daher sind dem Bund i m Bereich der Verwaltungstätigkeit der Länder weitgehende Ingerenzrechte eingeräumt. Das Wesen der Staatlichkeit der Länder läßt sich unter Zugrundelegung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Attribute staatlicher Hoheitsmacht also nicht aus der gemäß A r t . 83 GG den Ländern zustehenden Befugnis herleiten. Vielmehr kommt der vom Grundgesetz vorgesehenen Verteilung der Gesetzgebungskompetenz auf Bund und Länder für die Staatlichkeit der Länder entscheidende Bedeutung zu, weil sie i n diesem Bereich eigenverantwortlich auch politische Entscheidungen von Gewicht treffen können 6 8 . I n diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht die Kulturhoheit der Länder, also die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder für kulturelle Aufgaben, als das „Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder" bezeichnet 69 . Demgegenüber kommen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder i m Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Wesen der Staatsqualität der Länder erst i n zweiter Linie i n Betracht, w e i l sie der Bundesgesetzgeber jederzeit an sich ziehen kann. Die Gesetzgebungskompetenz der Länder kann also durch Verfassungsänderung nur insoweit eingeschränkt werden, daß die verbleibenden ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten eine tragfähige Basis für ihre Staatlichkeit b i l den. Da A r t . 85 a K E den Bundesgesetzgeber ohne sachliche Beschränkung dazu ermächtigt, alle wesentlichen Aufgaben aus dem Bereich der Landesgesetzgebung an sich zu ziehen, stellt sich hier die Frage, wann die Quantität endgültig i n die verfassungswidrige Qualität eines Einbruchs i n die Grundsubstanz der eigenen unabgeleiteten und unabhängigen Wirkungsmöglichkeit der Länder umschlägt. 67 68 89

BVerfGE 11, S. 18. Vgl. Konow, a.a.O., S. 371. B V e r f G E 6, S. 346 ff. (S. 361).

2 0 4 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung I m Schrifttum 7 0 w i r d die Auffassung vertreten, daß A r t . 85 a K E eine Automatik enthält, die keine Sperre i m Hinblick auf den gewährleisteten Stand des föderalen Staatsaufbaus enthält. A n irgendeiner Stelle müsse i n jedem Fall die Grenze, die A r t . 79 Abs. 3 GG zieht, überschritten werden. Eine verfassungsrechtliche Regelung, die es ermögliche, daß die Schaffung von mehr und mehr Gemeinschaftsaufgaben i n einem Grenzpunkt gegen A r t . 79 Abs. 3 GG verstoßen müßte, könne selbst nur verfassungswidrig sein. Aus dem Gebot der Schlüssigkeit der Verfassung folge, daß eine Generalklausel, die den einfachen Gesetzgeber ohne immanente Grenzziehung ermächtigt, die Staatlichkeit der Länder und damit die bundesstaatliche Struktur des Grundgesetzes aufzuheben, mit der Verfassung nicht i n Einklang zu bringen sei. Wenn demgegenüber eingewandt w i r d 7 1 , daß die Aufgaben, die der Bundesgesetzgeber gemäß A r t . 85 a Abs. 2 Satz 1 und 2 K E zu Gemeinschaftsaufgaben erklären könnte, wie die von der Kommission angeführten Beispiele zeigten, zum größten Teil schon nach geltendem Verfassungsrecht zur konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gehören 72 , so kann dieses Argument aus zweierlei Gründen nicht überzeugen: Einmal hat die Analyse der von der Kommission vorgeschlagenen Gemeinschaftsaufgaben gezeigt, daß diese Materien nur teilweise zur konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gehören, teilweise aber auch ausschließliche Landesangelegenheiten darstellen. Letztere aber würden durch ihre Einbeziehung i n die Gemeinschaftsaufgaben der politischen Entscheidungsgewalt der Länder entzogen. Zum anderen wäre der Bundesgesetzgeber an die Vorschläge der Kommission und deren authentische Interpretation des A r t . 85 a K E nicht gebunden und könnte angesichts der Tatsache, daß das vorgeschlagene Institut der Gemeinschaftsaufgaben keinerlei nähere Kriterien seiner materienmäßigen Erstreckung enthält, sehr wohl die der Staatsqualität der Länder eigentümlichen Zuständigkeiten i n den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben einbeziehen. Eine Verfassungsnorm, die dem einfachen Gesetzgeber die Möglichkeit gibt, die Staatlichkeit 70 So vor allem Liebrecht, a.a.O., S. 74; Konow, a.a.O., S. 372, u n d Heubl, B a y V B L 1968, S. 415. 71 Kölble, D Ö V 1967, S. 7. 72 Der von Kölble, a.a.O., S. 7, aufgeführte Katalog bedarf allerdings einer wesentlich differenzierteren Betrachtungsweise: Förderung der wissenschaftlichen Forschung nach A r t . 74 Nr. 13 GG, Straßenverkehr nach A r t . 74 Nr. 22 GG, Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung nach A r t . 74 Nr. 17 GG, Recht der Wirtschaft nach A r t . 74 Nr. 11 GG, Wohnungswesen nach A r t . 74 Nr. 18 GG. E i n Vergleich dieser Materien m i t den detaillierten Vorschlägen der Kommission zeigt nämlich, daß sich bei w e i t e m nicht alle als Gemeinschaftsaufgaben vorgesehenen Angelegenheiten unter diese Vorschriften subsumieren lassen.

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der Länder i n unbegrenzter Weise auszuhöhlen, muß aber als gegen A r t . 79 Abs. 3 GG verstoßend angesehen werden 7 3 . 3. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung 74

Konow hat die Möglichkeit angedeutet, obwohl der Wortlaut des A r t . 85 a K E Schranken für die Ausübung der Ermächtigung nicht erkennen läßt, diesen vielleicht verfassungskonform dahin zu verstehen, daß der Bundesgesetzgeber nur unter dem Vorbehalt von A r t . 79 Abs. 3 GG ermächtigt sein soll. Länderaufgaben könnten also dann nur insoweit zu Gemeinschaftsaufgaben erklärt werden, wie dies mit der Staatsqualität der Länder vereinbar ist. Bei jeder Anwendung von A r t . 85 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 K E wäre dann zu fragen, ob die Inanspruchnahme von Aufgaben aus dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder als Gemeinschaftsaufgaben den kritischen Punkt überschreitet, an dem der quantitative Entzug von Länderaufgaben eine qualitative Änderung des staatsrechtlichen Status der Länder zur Folge haben muß. Konow weist aber selbst darauf hin, daß angesichts der ohnehin auf einer verhältnismäßig schmalen Basis ausschließlicher Landeskompetenzen beruhenden Staatlichkeit der Länder nahezu jedes Gesetz über Gemeinschaftsaufgaben mit der Gefahr der Verfassungswidrigkeit belastet wäre. Das Ziel der Kommission, die Zusammenarbeit der Länder auf eine gesicherte verfassungsrechtliche Basis zu stellen, würde dabei i n sein Gegenteil umschlagen. Viele für die Gesamtheit bedeutsame Aufgaben müßten ungelöst bleiben, weil A r t . 85 a K E eine Quelle fortgesetzter Verfassungsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern bilden würde. Vor allem aber scheidet eine verfassungskonforme Auslegung bei einer Vorschrift aus, deren Tendenz m i t der Verfassung nicht „konform" ist, w e i l sie dem Sinngehalt der Verfassung als dem Garanten der bundesstaatlichen Ordnung zuwiderläuft. Dieser aber ist auf formale Sicherung angelegt. 4. Art. 85 a K E und die formelle Sicherungsfunktion der Verfassung

A r t . 85 a K E erweist sich einer verfassungskonformen Auslegung i n erster Linie deshalb als unzugänglich, w e i l eine solche m i t der formellen Sicherungsfunktion der Verfassung nicht i n Einklang zu bringen wäre. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift kann es nicht darauf ankommen, daß wahrscheinlich nur die von den Gutachtern genannten Beispiele zu Gemeinschaftsaufgaben gemacht würden und damit wahrscheinlich A r t . 79 Abs. 3 GG noch nicht i n sei73 So außer Liebrecht, a.a.O., S. 74, u n d Konow, a.a.O., S. 372, vor allem auch Wehgartner, a.a.O., u n d Geiger, Föderalismus i n der Verfassungsordnung der BRD, S. 17, sowie Heubl, B a y V B L 1968, S. 415. 74 a.a.O., S. 372.

2 0 6 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung nem Wesensgehalt berührt würde. Die Frage der Zulässigkeit einer solchen Verfassungsänderung kann immer nur nach den Möglichkeiten, die sie eröffnet, beurteilt werden 7 5 . Gegen die formale Garantiefunktion der Verfassung verstößt A r t . 85 a K E auch unter einem weiteren Gesichtspunkt. Nach A r t . 79 Abs. 2 GG bedarf ein verfassungsänderndes Gesetz der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Dadurch w i r d ein wesentliches Erschwernis verfassungsändernder Mehrheiten geschaffen und ein auf den Bestand der Verfassung abzielendes Erfordernis statuiert. Für die Deklarierung einer Landesmaterie als Gemeinschaftsaufgabe genügt demgegenüber nach A r t . 85 a K E eine einfache Mehrheit i n Bundestag und Bundesrat, wie sie für jedes zustimmungsbedürftige Bundesgesetz erforderlich ist. Es würde also eine Umgehung des auch i n A r t . 79 Abs. 2 GG konkretisierten Sicherungsprinzips der Verfassung darstellen, wenn man dem einfachen Bundesgesetzgeber i n einer Generalklausel die Möglichkeit eröffnen wollte, sämtliche Kompetenzen seinem Einfluß zu unterwerfen, für die bei Begründung einer neuen Bundeszuständigkeit eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre. Es läuft dem Wesen der Verfassung, die dem latenten politischen Machtmißbrauch m i t rechtsstaatlichen Mitteln begegnen w i l l 7 6 , zuwider, das festgefügte System bundesstaatlicher Kompetenzaufteilung durch eine Generalklausel aufzulösen, die die Staatsqualität der Länder zur Disposition des Bundesgesetzgebers stellt. I n diesen Zusammenhang der grundgesetzlichen Gewährleistungsfunktion muß auch der Einwand gestellt werden, daß die Voraussetzungen, unter denen der Bundesgesetzgeber allgemeine Grundsätze für die Erfüllung der zu diesem Bereich gehörenden Gemeinschaftsaufgaben aufstellen kann, hinreichend justiziabel seien 77 . Als diese Merkmale kommen das K r i t e r i u m der „Bedeutung für die Gesamtheit", sowie das Erfordernis einer „langfristigen gemeinsamen Planung" i n Betracht. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat jedoch verschiedentlich gezeigt, wie schwierig die Auslegung und Begriffsabgrenzung schon bei dem den A r t . 73 ff. 75 Die Bedeutung der formellen Sicherungsfunktion der Verfassung für die Beurteilung dieser Frage betonen Liebrecht, a.a.O., S. 74, u n d Hüttl, a.a.O., S. 439. 76 Die verfassungsrechtlichen Schranken sind gegen u n l i m i t i e r t e Macht und Machtkonzentration an sich gerichtet: „ . . . c'est une expérience éternelle que tout homme q u i a d u pouvoir est porté à en abuser; i l va jusqu'à ce q u ' i l trouve des limites Qui le d i r a i t ! la v e r t u même a besoin de limites."; vgl. Montesquieu , De L'esprit des Lois, Editions Garnier Paris, Bd. 1, S. 162. 77 So Kölble, D Ö V 1967 S. 4, 8; demgegenüber haben die Gutachter selbst offensichtlich Bedenken gehabt. Auch sie sehen anscheinend i n dem M e r k m a l „Bedeutung für die Gesamtheit" keine ausreichende Bestimmung, meinen aber, daß das vorgesehene Verfahren das rechte Gebrauchmachen von der VerfassungsVorschrift sichere (Tz 154). F ü r die begriffliche Justiziabilität der Generalklausel ist das allerdings kein K r i t e r i u m .

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GG zugrunde gelegten System der Materienbezeichnung sein kann. So ist noch ungeklärt, welche Kompetenzen unter den Bereich der i n Art. 74 Nr. 13 GG dem Bund zustehenden Förderung der wissenschaftlichen Forschung fallen. Eine solche Schwierigkeit gilt i n verstärktem Maß für die i n A r t . 85 a K E vorgeschlagenen Merkmale, die i m Gegensatz zu den A r t . 73 ff. GG den Bereich der einfachen Sachbezeichnung verlassen haben und i m Einzelfall nur anhand unsicherer Wertungen festzustellen wären 7 8 . Das Bundesverfassungsgericht hat bei den parallelen Begriffen des A r t . 72 Abs. 2 GG („Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung") anfangs die These aufgestellt, daß der Gesetzgeber bei der Bewertung dieser Begriffe ein gesetzgeberisches Ermessen habe, das grundsätzlich keiner richterlichen Nachprüfung unterliege 7 9 . Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht 80 , was meist übersehen zu werden pflegt, von dieser Rechtsprechung gelöst und hat den Charakter als unbestimmten Rechtsbegriff betont, gleichzeitig jedoch die primäre Beurteilungskompetenz des Handelnden, also des Bundes, hervorgehoben, was i m Ergebnis einem beschränkten gesetzgeberischen Ermessen gleichkommt. Nichts anderes müßte aber auch für die Merkmale des Art. 85 a K E gelten. Sofern also der Bundesgesetzgeber das Vorliegen der Voraussetzungen für Gemeinschaftsaufgaben bejaht, kann er nach und nach jede bedeutsame Länderaufgabe i n eine Gemeinschaftsaufgabe verwandeln und Pläne und Richtlinien gegen den Willen einzelner, ja sogar der hauptsächlich betroffenen Länder aufstellen. Diese i m Bundesrat überstimmten Länder hätten insoweit nur noch die Funktion rein ausführender Verwaltungsbehörden und müßten faktisch gegen ihren Willen Aufgaben i m eigenen Landesbereich mitfinanzieren 8 1 . Während das gesetzgeberische Ermessen nach A r t . 72 Abs. 2 GG eine Begrenzung durch die Aufzählung der Materien i n A r t . 74 GG erhalten hat, steht bei A r t . 85 a K E die Prüfung des gesamten Tatbestandes unter dem Ermessen von Bundestag und Bundesratsmehrheit 82 . Auch aus diesem Grunde steht die i n A r t . 79 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommende Sicherungsfunktion des Grundgesetzes der Verfassungsmäßigkeit des A r t . 85 a K E entgegen. 5. Die Stärkung des Bundesrats als Legitimationsgrund der Gemeinschaftsaufgaben

Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers, den Umfang der Gemeinschaftsaufgaben autonom zu bestimmen, w i r d teilweise damit zu recht78

Das betont Liebrecht, a.a.O., S. 74. BVerfGE 2, S. 224 f.; BVerfGE 10, S. 245. BVerfGE 13, S. 233, hierzu Lerche, Verfassungsfragen, S. 23 m i t FN. 48. 81 So auch Wehgartner, a.a.O.; Liebrecht, a.a.O., S. 74; Heubl, B a y V B L 1968, S. 415; ders Bayerischer Landtag, 29. Sitzung, 6. Wahlperiode, 24. 1. 1968, Stenographischer Bericht, S. 1295 ff. 82 Liebrecht, a.a.O., S. 74. 79

80

2 0 8 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung fertigen gesucht, daß es zum Erlaß von Bundesgesetzen nach A r t . 85 a Abs. 2 Satz 1 und 2 K E i n jedem F a l l der Zustimmung des Bundesrates als des die Länderinteressen auf gesamtstaatlicher Ebene repräsentierenden förderativen Organs bedarf 8 3 . Unproblematisch ist i n diesem Fall, daß sich die Stellung des Bundesrates durch die Zuweisung neuer Planungs- und Richtlinienkompetenzen i m Sinne einer Übernahme materieller Verwaltungsfunktionen ändert, denn i n A r t . 79 Abs. 3 GG w i r d allenfalls sein Bestand als föderatives Organ gewährleistet, nicht aber seine unveränderte Ausgestaltung, wie sie sich i n A r t . 50 ff. GG ausprägt 84 . Vor allem aber liegt i n der Regelung des A r t . 85 a K E sogar eine Stärkung des Bundesrates begründet, w e i l i h m außer den neuen Kompetenzen auch neue Zustimmungsrechte zugeordnet werden. Eben aus dieser Tatsache aber sucht man zu folgern, daß das Zustimmungsrecht des Bundesrats eine verfassungsrechtliche Garantie der Staatsqualität der Länder auch i m Sinne des A r t . 79 Abs. 3 bedeutet. Dem liegt die Auffassung zugrunde, daß die Länder nicht solchen Gemeinschaftsaufgaben zustimmen würden, die eine Aushöhlung ihrer eigenen Staatsqualität zur Folge hätten. Dieser Auffassung ist aber aus verschiedenen Gründen zu widersprechen. Das folgt einmal schon aus der Stellung des Bundesrats als einem Bundesorgan, das nicht m i t einer Länderkammer gleichzusetzen ist 8 5 . Durch dieses föderative Organ sollen die Länder zur politischen Willensbildung auf gesamtstaatlicher Ebene beitragen. Sie haben dabei i n erster Linie die gesamtstaatlichen Interessen zu beachten und keine partikularen Landesinteressen zu repräsentieren. Der Bundesrat bildet jedoch, obwohl er keineswegs als ein A b b i l d der i m Bundestag verkörperten politischen Kräfte bezeichnet werden kann, kein politisches Gegengewicht zu diesem. Seine Stärke liegt da, wo die administrative Erfahrung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes zur Geltung gebracht w i r d 8 6 . Schon von daher würde der Bundesrat die durch die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben aufgrund von A r t . 85 a K E mögliche politische Gleichschaltung der Länder auf allen wesentlichen Bereichen staatlicher Tätigkeit kaum verhindern können. Das gilt u m so mehr, als ein starker Anreiz für finanzschwache Länder bestünde, sich durch die Erklärung einer Landesaufgabe zur Gemeinschaftsaufgabe von den durch sie verursachten Kosten zu entlasten 87 . Damit würden die aufzuwendenden 83

Diesen Gesichtspunkt betont Kölble, D Ö V 1967, S. 8. Maunz-Diirig, a.a.O., A r t . 50 GG Rdnr. 9; A r t . 79 GG Rdnr. 76 FN. 1; v. Mangoldt-Klein, a.a.O., S. 1014; Hamann, a.a.O., S. 296; Harbich, a.a.O., S. 131; Lerche, Verfassungsfragen, S. 46. 85 Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 335. 86 Hesse, a.a.O., S. 24; Konow, a.a.O., S. 373; Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 339; 87 Das verkennt auch Kölble, DÖV 1967, S. 8, nicht, w o m i t er sich i n Widerspruch zu seinen sonstigen Ausführungen, a.a.O., setzt. 84

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

209

M i t t e l durch die Lastentragung des Bundes u n d den Sonderausgleich unter den Ländern auf 25 °/o des ursprünglichen Mittelaufwands f ü r das betreffende L a n d reduziert 8 8 . Dieser politischen Notwendigkeit der finanziellen Ausstattung w ü r d e n sich die finanzschwachen Länder auch i m Bundesrat nicht widersetzen können. Darüber hinaus v e r t r i t t der Bundesrat strukturgemäß nicht die L a n desgesetzgeber als solche, sondern die Landesregierungen. Eine Stärkung seiner F u n k t i o n k o m m t daher p r i m ä r den Landesregierungen zugute. Leisner 89 hat überzeugend nachgewiesen, daß die Erweiterung der M i t w i r k u n g der Länder i m Bundesrat zu einer Stärkung der Länderexekutive zu Lasten der Landesparlamente u n d damit zu einem nicht unerheblichen E i n g r i f f i n die Gewichtsverteilung zwischen den einzelnen Staatsorganen innerhalb der Länder führt. Diese Lösung der gliedstaatlichen Gewaltenbalance läßt auch die Regelung des A r t . 85 a K E befürchten. Denn die Pläne u n d Richtlinien, die aufgrund dieser Verfassungsnorm ergehen sollen, binden zwar n u r die Landesregierungen, jedoch soll „die Macht der Verhältnisse, die den W i l l e n zur gemeinschaftlichen Ordnung eines Lebensbereiches hervorgerufen hat", genügen, die Landtage zur M i t t e l b e w i l l i g u n g zu veranlassen 90 . Während demnach die Landesexekutive über den Bundesrat noch ein beschränktes Mitwirkungsrecht hat, werden die Landesparlamente i n ihrer E n t scheidungsfreiheit vollkommen eingeschränkt. Es bleibt ihnen n u r übrig, der von der Exekutive gesetzlich geforderten M i t t e l b e w i l l i g u n g ihre Zustimmung zu geben. Daraus ergibt sich aber gleichzeitig der inhärente Widerspruch einer Auffassung, die den Machtzuwachs des Bundesrates m i t einer entscheidenden Schwächung der Länderpotenz verbinden w i l l . Denn der A b b a u der politischen Machtbefugnisse der Länder vermindert notwendigerweise das politisch-legitime Gewicht der Landesregierungen u n d damit die Chance politisch einflußreicher und zugleich von der Sache her legitimer Entscheidungen des Bundesrates 9 1 . Der Plan, den Bundesrat i m Zusammenhang m i t der Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben als Ausgleich f ü r den Verlust substantieller Hoheitsbefugnisse der Länder durch entsprechenden Kompetenzzuwachs zu stärken, geht von der unzutreffenden Voraussetzung einer Ländergemeinschaft und glied88

Herile, DÖV 1968, S. 611, 612. DÖV 1968, S. 389 ff. (390 f.). Zustimmend Lerche, Verfassungsfragen, S. 40; Gross, D V B L 1969, S. 96; Heubl, B a y V B L 1968, S. 416. 90 Diese bedenkliche Möglichkeit zentralistischer Steuerung der Gesetzgebungskörperschaften der Länder erscheint der Kommission (Tz 160) als wünschenswerte Folge der zentralstaatlich geprägten Gemeinschaftsaufgaben unter Ausschaltung der Gliedstaaten. 91 Lerche, Verfassungsfragen, S. 41; ähnlich Konow, a.a.O., S. 373; Heubl, B a y V B L 1968, S. 415; Leisner, ZRP 1969, S. 14. 89

14 Tiemann

2 1 0 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung staatlicher Interesseneinheit aus. Angesichts der regionalen Unterschiede wirken sich die Gemeinschaftsaufgabenprogramme für die einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich aus. Daher können die Entscheidungen des Bundesrates bei der Ausübung seines Zustimmungsrechts zu den Gemeinschaftsaufgaben für die einzelnen Länder sehr unterschiedliche finanzielle Belastungen m i t sich bringen und die Landesparlamente dazu zwingen, M i t t e l für ihnen ungeeignet erscheinende Projekte bereitzustellen 92 . Da es für das Vorliegen einer Gemeinschaftsaufgabe genügen soll, daß sie i n einem Land anfällt, sofern ihr nur überregionale Ausstrahlung innewohnt, kann somit der Bundesgesetzgeber über die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben eines Landes unter Ausschaltung der eventuell i m Bundesrat überstimmten Landesregierung und des durch das Bundesgesetz faktisch völlig gebundenen Landesparlaments eine detaillierte Regelung treffen. Somit zeigt sich, daß der Bundesrat keine Garantiefunktion gegenüber der Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder wahrnehmen kann. Denn dieser ist ein nach Mehrheitsbeschlüssen agierendes Bundesorgan und nicht eine bloße Bündelung der einzelnen Landesinteressen. Die Reduzierung parlamentarischer Landeskompetenz kann daher nicht ohne weiteres durch Kompetenzsteigerung eines Bundesorgans ausgeglichen werden, i n dem das Land überstimmt werden und gegen seinen Willen zur Ausführung einer Gemeinschaftsaufgabe veranlaßt werden kann. Hier zeigt sich die Bedeutung, die i m Gegensatz dazu der Sicherungsfunktion des föderativen Prinzips der Einstimmigkeit zukommt. Dieses Prinzip sichert den Ländern bei der Kooperation m i t dem Bund und untereinander die volle Entscheidungsfreiheit. Das Prinzip der Einstimmigkeit ist daher vom Bundesverfassungsgericht 98 als ein Wesensmerkmal föderativer Zusammenarbeit bezeichnet worden. I n dem Bereich der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i m bisherigen Sinne und auch der Selbstkoordinierung der Länder konnte daher nie ein Land gegen seinen Willen zu irgendeiner Form der Zusammenarbeit herangezogen werden. Den Landesparlamenten verblieb bei der Zustimmung zu Staatsverträgen oder zur Finanzierung gemeinsam projektierter Vorhaben stets volle Entscheidungsfreiheit. Hesse 94 hat sie als Unitarisie92 s. die Bedenken bei Wehgartner, a.a.O., und Lemke, Neuorientierung zwischen B u n d u n d Ländern, Ansprache vor dem Bundesrat am 11. 11. 1966, S. 10. 93 BVerfGE 1, S. 315; zustimmend z.B. Gross, D V B L 1969, S. 96; Geiger, Föderalismus i n der Verfassungsordnung der BRD, a.a.O., S. 17; Konow, a.a.O., S. 373; Liebrecht, D V B L 1969, S. 102. 94 a.a.O., S. 19 ff.; ebenso Konow, a.a.O., S. 373; a. A . Scheuner, D Ö V 1966, S. 518, der die B i n d u n g der Gemeinschaftsaufgaben an die Zustimmung des Bundesrates als ausreichende Garantie f ü r die Eigenstaatlichkeit der Länder sieht u n d keinen Unterschied zwischen der Zentralisierung beim B u n d und der Koordinierung durch die Länder anerkennen w i l l (vgl. auch FN. 43).

1. Kap.: Art. 85 a des Gutachtens zur Finanzreform

211

rung bundesstaatlicher Beziehungen i m Gegensatz zur Zentralisierung durch den Bund bezeichnet. Letztere würde aber stattfinden, wenn man der Auffassung der Kommission zustimmen wollte, daß eine Durchführung von Aufgaben, die für die Gesamtheit lebenswichtig sind, nicht am Widerspruch eines einzigen Landes scheitern könne 9 5 . Obwohl die Kommission die Gefahren eines „zentralen Befehlsmechanismus" sieht, schätzt sie die größere Effektivität zentraler Regelungen höher ein als die substantielle Auszehrung der bundesstaatlichen Ordnung. Daß diese aber einen höheren Rechtswert verkörpert, stellt A r t . 79 Abs. 3 GG ausdrücklich klar. Daher können die Länder durch eine verfassungsrechtliche Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben nicht i m Kernbereich ihrer staatlichen Hoheitsbefugnisse auf eine bloße Verwaltungsfunktion nach Planungs- und Richtlinienkompetenz sowie Weisungsbefugnis des Bundes beschränkt werden, wie es i n der vorgeschlagenen Regelung des A r t . 85 a K E vorgesehen ist. Diese verstößt daher in der von den Gutachtern festgelegten Fassung gegen A r t . 79 Abs. 3 GG. Daß eine modifizierte Form der Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben m i t dem Grundgesetz durchaus vereinbar wäre und verfassungspolitisch sogar wünschenswert erscheinen könnte, w i r d dabei auch von dem Teil des Schrifttums, der die Ausgestaltung des A r t . 85 a K E für verfassungswidrig hält, nicht verkannt. Als Grundvoraussetzung einer dem Wesen der bundesstaatlichen Ordnung entsprechenden Verankerung der Gemeinschaftsaufgaben i m Grundgesetz w i r d dabei eine enumerative Normierung für notwendig erachtet, ein Weg, den die Bundesregierung m i t ihren Vorschlägen zur Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben beschritten hat.

95

14*

Tz 138.

Zweites

Kapitel

Die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben in den Änderungsvorschlägen der Bundesregierung I. Stellungnahme und Vorschläge der „Flurbereinigungskommission" Die Ministerpräsidentenkonferenz i n Saarbrücken vom Juni 1963 hatte eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern eingesetzt, die sogenannte „Flurbereinigungskommission". Diese legte i m Juni 1967 ihren Bericht vor, der von der Feststellung ausgeht, daß trotz der klaren Kompetenzverteilung des Grundgesetzes offen und streitig sei, ob es nicht „ungeschriebene Bundeszuständigkeiten" geben könne, insbesondere aus den Gesichtspunkten der „Natur der Sache" und des „Sachzusammenhangs". Der danach streitige Bereich solle durch Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern geregelt werden 1 . Die grundgesetzliche Regelung von Gemeinschaftsaufgaben führe verfassungsrechtlich zur Aufgabe von Grundsätzen, auf denen das Grundgesetz beruhe. Dafür werden sieben Argumente angeführt 2 : „1. Der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der Aufgabenteilung zwischen B u n d u n d Ländern (Art. 30, 70, 83 u n d 106 Abs. 4 Nr. 1 GG) w i r d durchbrochen. 2. Der Grundsatz der enumerativen Festlegung der Zuständigkeiten des Bundes w i r d aufgegeben u n d durch unklare Abgrenzungsmerkmale ersetzt. Die Abgrenzung hängt ab von unbestimmten Wertungen („für die Gesamtheit bedeutsam") u n d ebenso unbestimmten Zweckmäßigkeitserwägungen („einer langfristigen Planung bedürfen") 3. Die Gemeinschaftsaufgaben erweitern einseitig zu Lasten der Länder die Zuständigkeiten des Bundes bei der Gesetzgebung, V e r w a l t u n g und Finanzierung; sie begründen neue Ingerenzrechte des Bundes. 4. Die Gemeinschaftsaufgaben führen zu einer „Mischverwaltung" und „Mischfinanzierung". 1 Bericht der Kommission der Ministerpräsidentenkonferenz zur Erarbeitung von Vorschlägen f ü r eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen B u n d u n d Ländern („Flurbereinigungskommission") (Maschinenschrift), S. 3; abgedruckt bei Henrichs, Gemeinschaftsaufgaben—Bundesstaatsprinzip—Kommunale Selbstverwaltung, 1968, S. 21 f. 2

Flurbereinigungskommission, a.a.O., S. 13.

2. Kap.: Änderungsvorschläge der Bundesregierung

213

5. Dem B u n d w i r d gegenüber den Ländern eine neue Aufsichtsbefugnis zur Durchsetzung v o n „Grundsätzen", „Plänen u n d Richtlinien" gegeben, die auch die Zweckmäßigkeitskontrolle umfaßt. 6. Der Bundesrat, der rechtsdogmatisch ein Organ des Bundes ist, soll für den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben ein — nach dem Majoritätsprinzip entscheidendes — Organ aller Länder werden. 7. Es ist zum wenigsten zweifelhaft, ob die vorgeschlagenen Änderungen des Grundgesetzes nicht die Staatsqualität der Länder aufheben und deshalb nach A r t . 79 Abs. 3 GG unzulässig sind."

Verfassungspolitisch bedeutet nach Ansicht der Flurbereinigungskommission die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben — besonders i n der von der Troeger-Kommission vorgeschlagenen Form — eine A b kehr von der föderativen Gestaltung des Grundgesetzes zugunsten einer zentralistischen Tendenz 3 . Die allgemeinen politischen Auswirkungen des Vorschlags, Gemeinschaftsaufgaben einzuführen, ließen sich nicht v o l l übersehen, w e i l potentiell jede Länderaufgabe zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt werden könne 4 . Unter Ablehnung der verfassungsrechtlichen Regelung von Gemeinschaftsaufgaben schlug die Flurbereinigungskommission daher vor, den Bund auf die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zu verweisen und die bundeseigene Verwaltung zu erweitern, zu welchem Zweck das Grundgesetz durch einen A r t . 87 e folgenden Inhalts ergänzt werden solle 5 : „ A r t i k e l 87 e G G Gesetze, die auf G r u n d v o n A r t i k e l 74 Nr. 11, 13 u n d 17 ergehen, können m i t Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß Aufgaben der Förderung i n bundeseigener V e r w a l t u n g ohne eigenen Verwaltungsunterbau oder v o n den Ländern i m Auftrage des Bundes ausgeführt werden. A r t i k e l 87 Abs. 3 bleibt unberührt."

I m weiteren Verlaufe der Beratungen wurde ein Arbeitsausschuß der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Finanzreform m i t den Vorschlägen befaßt. I n seinem Bericht vom Januar 19686 führte dieser Arbeitsausschuß aus, es bestehe Einigkeit darüber, daß eine verfassungsrechtliche Regelung für die gemeinschaftliche Erfüllung bestimmter Aufgaben getroffen werden solle. Die Länder Vertreter seien jedoch der Ansicht, daß sich hierzu eine Verwaltungsvereinbarung oder ein Gesetz anbiete, das i m Wege der Einzelaufzählung dem Bund eine Finanzierungskompetenz auch für eine teilweise Finanzierung eröffne. Die Bundesvertreter seien demgegenüber der Meinung, daß auf der Grundlage der vorgeschlagenen Gemeinschaftsaufgaben eine Verfahrensregelung möglich sei, die 3

Flurbereinigungskommission, a.a.O., S. 14. Flurbereinigungskommission, a.a.O., S. 16. 5 Flurbereinigungskommission, a.a.O., S. 21, 25. 6 Zusammenfassender Bericht über die Verhandlungen des Arbeitsausschusses der Bund-Länder-Arbeitsgruppe f ü r die Finanzreform (Maschinenschrift), S. 1; abgedruckt bei Henrichs, a.a.O., S. 24. 4

214

Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

keinen Verwaltungsmehraufwand erfordere und eine rationellere Verwendung der vorhandenen M i t t e l gewährleiste. Die endgültigen Vorschläge der Bundesregierung setzten eine Auseinandersetzung m i t den Einwänden der Flurbereinigungskommission voraus. Die erste These der Flurbereinigungskommission, daß durch die Einführung des Instituts der Gemeinschaftsaufgaben der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern durchbrochen werde, konnte jedoch kein rechtliches Hindernis für die grundgesetzliche Verankerung der Gemeinschaftsaufgaben darstellen. Zwar geht das Grundgesetz von der Vorstellung möglichst klarer Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern aus, es handelt sich dabei aber nicht u m ein i n jeder Beziehung strikt durchgeführtes Verfassungsprinzip, das als tragender und unabänderlicher Grundsatz das gesamte Grundgesetz durchziehen würde; die Darlegungen kooperativer Bund-Länder-Beziehungen i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes haben vielmehr gezeigt, daß das Verfassungsrecht der Bundesrepub l i k von Anfang an Gemeinschaftsaufgaben gekannt hat, die i n der Struktur des Grundgesetzes angelegt sind und seinem Wesen entsprechen. Das zweite Argument der Flurbereinigungskommission hinsichtlich der enumerativen Festlegung der Bundeszuständigkeiten sowie unbestimmter Wertungen und Zweckmäßigkeitserwägungen konnte nur teilweise durchschlagend sein. Es mußte dazu führen, dem Enumerationsprinzip bei der Neuregelung der Gemeinschaftsaufgaben Geltung zu verschaffen und der Sicherungsfunktion der Verfassung besonders i m Hinblick auf A r t . 79 Abs. 3 GG zu entsprechen. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungen hingegen konnten zumindest dann einer verfassungsrechtlichen Normierung nicht entgegenstehen, wenn sie eine justiziable Fassung erhielten. Generalklauseln und Zweckmäßigkeitserwägungen enthält das Grundgesetz schon i n seiner bisherigen Fassung an verschiedenen Stellen 7 . Ein verfassungsrechtliches Verbot solcher Begriffe und Grundgesetzformulierungen besteht i n aller Regel nicht. Ebensowenig greift die dritte Überlegung der Kommission durch, daß die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben zu einem Kompetenzgewinn für den Bund führe. Es ist verfassungsrechtlich nicht untersagt, durch Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes neue Zuständigkeiten 7 Vgl. A r t . 72 Abs. 2 GG, A r t . 109 G G m i t seinen zahlreichen unbestimmten finanz- u n d wirtschaftswissenschaftlichen Begriffen, Wertungen und Postulaten.

2. Kap.: Änderungsvorschläge der Bundesregierung

215

oder Mitwirkungsrechte des Bundes zu schaffen, sofern den Ländern ein wesentlicher Zuständigkeitsbereich verbleibt. Auch hier bot sich das Enumerationsprinzip zur Sicherung der Länderkompetenzen an. Auch die Ansicht der Kommission, die Gemeinschaftsaufgaben führten zur Mischverwaltung und Mischfinanzierung, konnte nur als ein verfassungspolitisches Argument bei der grundgesetzlichen Neuregelung berücksichtigt werden. Bereits i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes findet sich i m Bereich der Finanzverwaltung (Art. 108 GG) eine Form der Mischverwaltung. Auch eine solche könnte als Ausnahmetatbestand i m Wege einer Verfassungsänderung durchaus eingeführt werden, was allerdings — und insoweit ist der Kommission rechtzugeben — verfassungspolitisch äußerst unerwünscht wäre. Das Gleiche gilt für eine Mischfinanzierung, die dem Prinzip einer klaren Ausgabenverantwortung widersprochen hätte und daher möglichst zu vermeiden war. Auch der Hinweis der Flurbereinigungskommission auf neue, die Zweckmässigkeitskontrolle umfassende Aufsichtsbefugnisse des Bundes stellt ein verfassungspolitisches Argument dar. Das Verfassungsrecht verbietet es keineswegs, dem Bund weitergehende Aufsichtsrechte als bisher zu verleihen. Allerdings mußte der Verfassungsgeber davon ausgehen, daß weitgehende Ingerenzrechte des Bundes i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nicht der m i t diesem Institut angestrebten gleichberechtigten und partnerschaftlichen föderativen Kooperation entsprechen würden. Soweit das sechste Argument der Kommission von der zutreffenden Überlegung ausgeht, daß der Bundesrat nach dem System des Grundgesetzes ein Bundesorgan ist, galt es, dieser Fehlkonzeption des Troeger-Gutachtens gegenzusteuern und ein interföderatives Planungsgrem i u m zu schaffen, wobei der Bundesrat i n systematisch richtiger Weise i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nur als ein an der Gesetzgebung und bestenfalls an der Unterrichtung teilnehmendes Bundesorgan eingeschaltet werden konnte. Die letzte und entscheidende Überlegung der Flurbereinigungskommission, der Hinweis auf A r t . 79 Abs. 3 GG, galt es durch eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgaben gegenstandslos zu machen. Hierbei mußte vor allem darauf geachtet werden, daß der Mitwirkungsbereich des Bundes bei ausschließlichen Länderaufgaben nicht uneingeschränkt ausgedehnt werden kann, u m die Eigenstaatlichkeit der Länder i n keiner Weise zu schmälern, sondern eine allseits befriedigende bundesstaatliche Kooperation zu ermöglichen.

2 1 6 A b s c h n . A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung I I . Art. 91 a, b in der Fassung des Finanzreformprogramms Die Bundesregierung legte am 19. J u l i 1967 ihr erstes Finanzreformprogramm 8 vor, das i n seinen verfassungsrechtlichen Grundzügen auf den Untersuchungen der Troeger-Kommission beruht. Wie das Gutachten für die Finanzreform, hielt auch die Bundesregierung eine verfassungsrechtliche Regelung verschiedener Formen von Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinn für erforderlich. Insbesondere übernahm sie den Vorschlag der Kommission bezüglich der Klärung der Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern, der sogenannten Flurbereinigung, i n einem Verwaltungsabkommen. Der finanzverfassungsrechtliche Aspekt der Gemeinschaftsaufgaben i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes sollte teilweise durch eine Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung eine neue Ausprägung erfahren und durch eine K l ä rung der Lastenverteilungsgrundsätze nach dem Prinzip getrennter Aufgaben- und Ausgabenverantwortung i n die bundesstaatliche Ordnung eingefügt werden. Das Kernstück des Finanzreformprogramms bildete jedoch eine wesentlich geänderte Fassung der Gemeinschaftsaufgaben gegenüber dem Kommissionsentwurf i n einem Art. 91 a und 91 b GG. Auch die Bundesregierung ging dabei von der Überlegung aus9, daß die starre Aufgabenteilung, die das bundesstaatliche Verhältnis von Zentralstaat und Gliedstaaten, aber auch der Gliedstaaten untereinander kennzeichne, den modernen bundesstaatlichen Bedürfnissen nicht mehr Rechnung trage. Die soziale, industrielle und w i r t schaftliche Entwicklung mache neue Formen der Bewältigung staatlicher Aufgaben erforderlich und lasse eine verfassungsrechtlich gesicherte Regelung für die Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben notwendig erscheinen. Voraussetzung dafür soll nach der Konzeption der Bundesregierung sein, daß die Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und wegen des großen Kostenaufwandes einer längerfristigen gemeinsamen Planung durch Bund und Länder bedürfen. Das Ziel dieser Überlegungen ist es, dem Bund eine verfassungsrechtlich gesicherte Beteiligung an den großen Investitionsaufgaben zu sichern, die es i h m ermöglicht, i n Zukunft auch innerhalb des Bundeshaushalts Verlagerungen zwischen Konsum- und Investitionsausgaben i m Interesse der allgemeinen Wirtschaftspolitik vorzunehmen. Gegenüber der Generalklausel hat sich die Bundesregierung i n ihrem Finanzreformprogramm jedoch für die Enumeration der Gemeinschaftsaufgaben i n der Verfassung entschieden. Sie hat diese verfassungsrechtlich wesentliche Änderung des Kommissionsentwurfs damit begründet, daß i n einem föderativ gegliederten Staat die Zuständigkeiten so weit wie 8

Abgedruckt i n Finanzbericht 1968, S. 209 ff.

8

Vgl. Klein,

B u l l e t i n Nr. 83/1967, S. 713 ff.; ders. B a y V B L 1967, S. 406 ff.

2. Kap.: Änderungsvorschläge der Bundesregierung

217

möglich verfassungsrechtlich normiert sein sollen. Dadurch werde vermieden, daß „durch einfaches Bundesgesetz verfassungspolitisch die Gemeinschaftsaufgaben über das richtige Maß hinaus erweitert werden oder das finanzielle Gleichgewicht i m Bundesstaat gestört w i r d " 1 0 . Unter Wahrung des bundesstaatlichen Prinzips sollen die „bereits i n der Verfassungswirklichkeit bisher gemeinsam geförderten Aufgaben der Systematik des Grundgesetzes entsprechend" geregelt werden. Dabei hat die Bundesregierung einen Katalog von Aufgaben zusammengestellt, die nach der verfassungsrechtlichen Normierung des A r t . 91 a Abs. 1 „ f ü r die Gesamtheit bedeutsam sind und einer gemeinsamen Planung bedürfen (Gemeinschaftsaufgaben)". I n dieser Aufzählung der Gemeinschaftsaufgaben schlugen sich offensichtlich die Wünsche beinahe aller Bundesressorts nieder 1 1 . Der Katalog enthielt neun Gemeinschaftsaufgaben, nämlich: 1. Ausbau u n d Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen, 2. Verbesserung der A g r a r s t r u k t u r u n d der M a r k t s t r u k t u r f ü r l a n d - u n d forstwirtschaftliche Erzeugnisse, sowie wasserwirtschaftliche Maßnahmen i m Agrarbereich, 3. Maßnahmen zur wirtschaftlichen E n t w i c k l u n g bestimmter Gebiete, soweit sie zur Beseitigung wesentlicher Unterschiede i n den Lebensverhältnissen i m Bundesgebiet erforderlich sind, 4. Ausbau der Verkehrseinrichtungen i m gemeindlichen Bereich zur Behebung von Verkehrsnotständen, 5. Ausbildungsförderung, 6. Förderung des Wohnungsbaues, 7. Förderung der E n t w i c k l u n g u n d Erneuerung von Städten u n d Dörfern, soweit dies zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse i m Bundesgebiet erforderlich ist, 8. Ausbau, Neubau u n d Sicherung der Betriebsfähigkeit von K r a n k e n anstalten, 9. Förderung des Baues von T u r n - u n d Sportstätten.

Als weitere Gemeinschaftsaufgabe sollte die Förderung der großen Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft aufgrund eines besonderen A r t . 91 b geregelt werden, nach dem Bund und Länder bei der Förderung von Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung und von Organisationen, die der wissenschaftlichen Forschung dienen, zusammenwirken, wenn und soweit die Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und einer gemeinsamen Planung bedürfen. Über Zahl, Notwendigkeit und Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgaben fanden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern statt, als 10 So Klein, Bulletin, a.a.O., S. 715 u n d B a y V B L 1967, S, 407, der allerdings übersieht, daß durch den Kommissionsentwurf nicht n u r eine verfassungspolitische Problematik tangiert, sondern gegen i n A r t . 79 GG Abs. 3 GG fixierte Grundprinzipien der Verfassung verstoßen w i r d . 11 Vgl. Seeger, D Ö V 1968, S. 784.

218

Abschn. A: Entwürfe zur grundgesetzlichen Verankerung

deren Ergebnis die Bundesregierung am 23. Januar 1968 ein zweites Finanzreformprogramm vorlegte, das nach Billigung durch die Ministerpräsidenten der Länder Eingang i n den Regierungsentwurf für ein Finanzreformgesetz fand. Nach verschiedenen Abänderungen i m Gesetzgebungsverfahren stellt dieser Regierungsentwurf i m wesentlichen die endgültige Neufassung des Grundgesetzes dar.

Abschnitt

B

Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz Erstes Kapitel

Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a und 91 b des Grundgesetzes I. Das verfassungsrechtliche Institut der Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a GG 1. Der äußere Aufbau der Verfassungsvorschrift

Als wesentliche Änderung gegenüber dem ersten Finanzreformprogramm der Bundesregierung enthält der Regierungsentwurf 12 eine Investitionskompetenz des Bundes i m Bereich eines Teils der Gemeinschaftsaufgaben, wie sie die vorliegende Untersuchung i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes aufgezeigt hat. Ein anderer Teil dieser Gemeinschaftsaufgaben soll i n A r t . 91 a und 91 b institutionalisiert werden, wobei sich der Katalog der Gemeinschaftsaufgaben von neun auf nunmehr drei verringert hat. Für den i n A r t . 91 a GG institutionalisierten Teil der Gemeinschaftsaufgaben hat der Regierungsentwurf einen neuen Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben geschaffen. Danach soll i m Bereich der enumerativ geregelten Materien der Bund dann bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mitwirken, „wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die M i t w i r k u n g des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist". Gemeinschaftsaufgaben können in folgenden drei Bereichen eingeführt werden: 1. Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen 13 , 2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, 3. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. 12 BT-Drucks. V/2861. I m Folgenden soll von der Fassung des Regierungsentwurfs ausgegangen werden, soweit das spätere Gesetzgebungsverfahren wesentliche Änderungen herbeigeführt hat, werden diese i n den Ausführungen berücksichtigt. 13 Dazu sind auf Wunsch des Bundesrates i n der endgültigen Fassung die Hochschulkliniken getreten, vgl. BT-Drucks. V/3896.

220

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

A r t . 91 b GG sieht, wie schon das Finanzreformprogramm, ein Zusammenwirken von Bund und Ländern aufgrund von Vereinbarungen bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung vor. Das Wesen der Gemeinschaftsaufgaben i n dieser grundgesetzlichen Fassung liegt also i n ihrer gemeinschaftlichen Planung und Finanzierung durch Bund und Länder. Dabei soll die M i t w i r k u n g des Bundes bei der Planung jedoch auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Sie soll i n der gemeinsam m i t den Ländern aufzustellenden Rahmenplanung bestehen, die zu einer wirkungsvollen Erfüllung der Aufgaben unerläßlich ist. Die Aufstellung von Detailplänen bleibt ebenso wie die Ausführung des Rahmenplanes Sache der Länder 1 4 . Die Rahmenpläne werden i n einem Bundesgesetz festgelegt, das m i t Zustimmung des Bundesrates die Gemeinschaftsaufgaben i m einzelnen bestimmt (Art. 91 a Abs. 2 GG). Als wichtige Gewährleistungsschranke föderativer Prinzipien enthält Art. 91 a Abs. 3 den Vorbehalt, daß die Aufnahme eines Vorhabens i n die Rahmenplanung der Zustimmung des Landes bedarf, i n dessen Gebiet es durchgeführt wird. Neben der Rahmenplanung gehört es zum Wesen der Gemeinschaftsaufgaben, daß Bund und Länder gemeinsam die Kosten tragen, wobei das Beteiligungsverhältnis i n A r t . 91 a Abs. 4 des Entwurfs 1 5 fixiert ist. 2. Die Gemeinschaftsaufgaben als Rechtsbegriff

A r t . 91 a Abs. 1 stellt den Grundsatz des Zusammenwirkens und die sachlichen Voraussetzungen für die Gemeinschaftsaufgaben heraus. Ausdrücklich werden i n der Legaldefinition die Aufgaben, die i n den Nr. 1—3 des Abs. 1 aufgeführt sind, durch den Klammerzusatz „Gemeinschaftsaufgaben" von anderen Formen der Zusammenarbeit abgegrenzt. Der Gesetzesentwurf geht davon aus, daß m i t dem Wortlaut des Abs. 1 nicht nur eine Möglichkeit für den Gesetzgeber eröffnet ist, die Worte „ w i r k t m i t " sollen vielmehr klarstellen, daß sich Bund und Länder zur Inangriffnahme von Gemeinschaftsaufgaben zusammenzuschließen haben, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. „Die Bestimmung enthält daher für Bund und Länder den Verfassungsauftrag, zu prüfen, ob das Gemeinwohl die gemeinsame Erfüllung einer Aufgabe erfordert 1 6 ." Möglicherweise w i r d hier i n Analogie zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 17 zu A r t . 29 Abs. 1 GG eine i m objektiven Verfassungsrecht begründete Pflicht ohne einen vor dem Bundesverfassungsgericht verfolgbaren Anspruch des Beteiligten 14

Tz 98. Tz 99 ff. 16 »pz 259. 17 BVerfGE 13, S. 54 f. (S. 96, 97). 15

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a, b GG

221

statuiert. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts käme einer solchen verfassungsrechtlichen Pflicht, die sich i n „Gesetzgebungsaufträgen" aufgrund eines Verfassungsbefehls konkretisiert 1 8 , keine geringere Bedeutung als einer verfassungsgerichtlich verfolgbaren Verpflichtung zu. Bei den Aufgaben, die unter die Vorschrift des A r t . 91 a fallen, kann es sich nur um staatliche Aufgaben handeln, u m solche also, die aus der Staatlichkeit fließen oder auch nach den veränderten Zeitumständen als solche des Staates erachtet werden. Nicht erfaßt werden folglich rein privatwirtschaftliche Betätigungen von Bund und Ländern, wie z.B. erwerbswirtschaftliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften 1 9 . Die Voraussetzungen, unter denen die i n den Nr. 1—3 des Abs. 1 aufgeführten Materien zu Gemeinschaftsaufgaben erklärt werden können, sind i n Satz 1, 2. Halbsatz näher dahin umschrieben, daß die Aufgaben „ f ü r die Gesamtheit bedeutsam" sein müssen und „das Zusammenwirken von Bund und Ländern für die Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich" ist. Beide Voraussetzungen müssen also kumulativ vorliegen, u m ein potentielles Zusammenwirken von Bund und Ländern auszulösen. Es reicht daher nicht aus, wenn Bund und Länder i n den genannten Aufgabengebieten ein Zusammenwirken für erforderlich halten. Es müssen vielmehr die objektiven Voraussetzungen einer überregionalen Bedeutung vorliegen. Während die Kommission 2 0 die auch i n A r t . 85 a K E statuierte Bedeutung für die Gesamtheit extensiv dahin interpretierte, daß es hierbei auf die regionale Beziehung nicht ankomme, geht die Bundesregierung 21 davon aus, daß dieser qualitative Begriff nicht jede, die Gesamtheit berührende Aufgabe zur Gemeinschaftsaufgabe erhebe. Die Vorschrift setze vielmehr Aufgaben besonderer A r t voraus, deren Lösung vordringlich sei. Dieser Auffassung dürfte angesichts des kumulativen Erfordernisses der „Verbesserung der Lebensverhältnisse" zuzustimmen sein. Es muß also bei der Erfüllung einer Landesaufgabe die M i t w i r k u n g des Bundes zu einer wesentlichen Verbesserung der regionalen Verhältnisse erforderlich sein, wobei die Formulierung i n A r t . 91 a Abs. 1 dem ähnlichen Begriff der „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" des Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG entlehnt sein dürfte. Daraus folgt auch die Rechtsnatur dieser beiden verfassungsrechtlich normierten Voraussetzungen als unbestimmte Rechtsbegriffe i m Sinne der neueren Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, wobei sie jedoch nur i n sehr beschränktem Umfang justiziabel sind, w e i l die Grenzen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums weit gezogen werden 2 2 . 18 19 20 21 22

Vgl. Lerche, A Ö R 91 (1966), S. 341; Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 222. So auch Tz 260. Tz 153 des Gutachtens. Tz 262. Vgl. BVerfGE 13, S. 233 f.

222

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Der Hechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a ist demnach sehr weit gefaßt. Er ist weiter gespannt als die i m Rahmen dieser Untersuchung gewonnene Definition der Gemeinschaftsaufgaben i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes, obwohl letztere die verschiedensten Formen gemeinsamer Planung, Koordinierung und Finanzierung umfaßt. Die immanenten Schranken dieser Verfassungsnorm ergeben sich also nicht aus dem „generellen Tatbestand" des Art. 91 a Abs. 1, sondern allein aus der enumerativen Regelung der von i h m umschlossenen Materien. Jedoch darf man daraus nicht schließen, daß der verfassungsrechtliche Begriffsinhalt der Gemeinschaftsaufgaben keine reale Bedeutung für die Abgrenzung des Mitwirkungsbereiches des Bundes hat 2 3 . Die grundgesetzliche Voraussetzung der Bedeutsamkeit der Aufgabe für die Gesamtheit und der Erforderlichkeit der M i t w i r k u n g des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse hat vielmehr eine doppelte Funktion. Sie ist einmal wesentliches Begriffselement der verfassungsrechtlichen Definition der Gemeinschaftsaufgaben; insofern dürften die Voraussetzungen bei den auf sie bezogenen drei Sachgebieten i n ihrer Gesamtheit und ihren weitreichenden Auswirkungen als Ganzes fast immer gegeben sein. Zum anderen verfolgt die Voraussetzung i m Hinblick auf ihre konditionale Beziehung zur Mitwirkungskompetenz des Bundes den Zweck, jeden konkreten Teilbereich bei der Erfüllung einer Gemeinschaftsaufgabe an die einschränkenden Merkmale der Verfassungsnorm zu binden. Daher darf ein bestimmtes Vorhaben nur dann gemeinsam geplant und finanziert werden, wenn es bereits als solches und bei isolierter Betrachtungsweise für die Gesamtheit bedeutsam ist und die M i t w i r k u n g des Bundes der Verbesserung der Lebensverhältnisse dient 2 4 . Dadurch werden zweitrangige oder regional beschränkte Bagatellvorhaben aus dem Begriff der Gemeinschaftsaufgaben ausgeschieden. Der Mitwirkungsbereich des Bundes erfährt somit eine quantitative Beschränkung und zugleich eine qualitative Aufwertung durch das Gewicht und die Bedeutung der gemeinsam zu planenden Vorhaben. Einen klaren Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben vermag A r t . 91 a jedoch nicht zu schaffen, w e i l die Ver23 So aber Goroncy, D Ö V 1970, S. 111 F N 19, der der verfassungsrechtlichen Generalklausel keinen praktischen Aussagewert zuerkennt, sondern die A n nahme einer versehentlichen Beibehaltung für möglich hält. Eine solche A n nahme ist jedoch angesichts der umfangreichen parlamentarischen Beratungen unhaltbar. Der Verfassungsgeber w a r sich n u r über eine praktikable Begriffsbestimmung nicht i m klaren u n d w o l l t e jedenfalls m i t der Fassung des Abs. 1 bestimmte Voraussetzungen f ü r ein Mitwirkungsrecht des Bundes bei der konkreten Anordnung einer Gemeinschaftsaufgabe i m Einzelfall schaffen. Vgl. auch § 4 Abs. 2 Hochschulbauförderungsgesetz, nach dem die Ergänzung des Hochschulverzeichnisses wegen der Bedeutung der neu aufzunehmenden wissenschaftlichen Hochschule für die Gesamtheit wissenschaftspolitisch erforderlich sein muß. 24 Ä h n l i c h auch Kölble, DÖV 1967, S. 4.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

223

fassungsnorm den Begriffsinhalt dadurch zu umschreiben sucht, daß sie i h n negativ eingrenzt. Während als erstes K r i t e r i u m der Gemeinschaftsaufgaben die M i t w i r k u n g bei Aufgaben der Länder bezeichnet wird, schränkt der Konditionalsatz dieses sogleich wieder ein. Offensichtlich hat der Verfassungsgeber selbst die Schwierigkeit erkannt, einen Begriff durch seine Einschränkungen zu bestimmen. Er hat daher die nähere Bestimmung i n Abs. 2 einem zustimmungsbedürftigen B u n desgesetz vorbehalten. Der konstitutionelle Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgabe bezeichnet diese also i m wesentlichen als eine nach dem Zuständigkeitskatalog des Grundgesetzes i m Regelfall i n die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fallende Aufgabe, bei deren Erfüllung Bund und Länder vor allem durch gemeinsame Planung, Gemeinschaftsfinanzierung und gegenseitige Unterrichtspflicht zusammenwirken, wobei die näheren Bestimmungen über die Zusammenarbeit durch zustimmungsbedürftige Bundesgesetze getroffen werden. 3. Die Vorzüge der enumerativen Regelung gegenüber einer Generalklausel

Der Umstand, daß A r t . 91 a i n seiner Legaldefinition der Gemeinschaftsaufgaben einer Generalklausel sehr nahe kommt, hat zu der Frage Anlaß gegeben, ob nicht eine elastische Fassung des Rechtsbegriffs der Gemeinschaftsaufgaben i n einer i m Gegensatz zum Entw u r f der Troeger-Kommission verfassungskonformen Ausgestaltung einer Generalklausel den Vorzug gegenüber einer Aufzählung der entsprechenden Sachbereiche verdiene. Maunz 25 hat darauf hingewiesen, daß die Einzelaufzählung die Gefahr einer Erweiterung des aufgezählten Katalogs durch weitere Grundgesetzänderungen i n sich birgt. Diese Überlegungen sind auch von der Bundesregierung geprüft worden, aber w o h l nur unter dem B l i c k w i n k e l der Vorschläge des Gutachtens. Auch hat sie es für „verfassungspolitisch" nicht unbedenklich gehalten, wenn Bestimmungen des Grundgesetzes durch einfaches Bundesgesetz erweitert werden könnten 2 6 . Der Rechtsausschuß 27 des Deutschen Bundestages hat sich dieser Konzeption des Regierungsentwurfs angeschlossen, nach der die Gemeinschaftsaufgaben i n Abs. 1 einzeln aufgezählt werden sollen. Allerdings räumt er ein, daß „eine Generalklausel die verfassungsrechtlich flexiblere Lösung wäre". Maunz hat allerdings verschiedene verfassungsmäßige Lösungsmöglichkeiten i m Wege einer A l l 25

N J W 1968, S. 2034. Tz 82. Auch hier w i r d wieder die verfassungsrechtliche Problematik dieser Frage verkannt und m i t vorsichtigen verfassungspolitischen A r g u menten verbrämt. 27 BT-Drucks. zu Drucks. V/3605, S. 4; vgl. die Ausführungen der Abg. Bayerl, Wahl, Kuchtner, Reischl, die eine Generalklausel für unvereinbar m i t A r t . 79 Abs. 3 GG halten, ohne allerdings einen konkreten Formulierungsvorschlag zu prüfen. Protokoll des Rechtsausschusses Nr. 92, S. 7. 20

224

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

gemeinklausel aufgezeigt. So schlägt er die Formulierung vor: „Bund und Länder können zusammenwirken, wenn dies zur Förderung überregionaler Einrichtungen und Vorhaben notwendig ist, und wenn bei landeseigenen Aufgabenbereichen die Länder zustimmen." Sofern die Zustimmung aller oder zumindest aller beteiligten Länder grundgesetzlich verankert ist, würde eine solche Generalklausel keinen grundsätzlichen Bedenken begegnen, da hier das föderale Prinzip der Einstimmigkeit gewahrt ist und einer Aushöhlung der Länderstaatlichkeit i m Wege steht. Auch eine Bindung an eine qualifizierte Bundesratsmehrheit könnte wohl noch als verfassungskonform angesehen werden, weil m i t einer entsprechenden Zweidrittelmehrheit auch der grundgesetzlich normierte Katalog der Gemeinschaftsaufgaben i m Wege einer Grundgesetzänderung erweitert werden könnte. Während also eine Generalklausel bei verfassungsgerechter Ausgestaltung die flexiblere Lösung darstellt, entspricht das Enumerationsprinzip der formellen und materiellen Sicherungsfunktion der Verfassung i n stärkerem Maße. Beide Möglichkeiten können aber verfassungsrechtlich zulässig sein, sofern sie die Grundentscheidung des Verfassungsgebers für die bundesstaatliche Struktur der Bundesrepublik beachten. 4. Die Ausführungsgesetze und der Mitwirkungsbereich des Bundes

Abs. 2 und 3 des A r t . 91 a enthalten verschiedene Ermächtigungen zu einfachen Bundesgesetzen 28 . Die erste Ermächtigung betrifft die Bestimmung und Ausfüllung der i n Abs. 1 bezeichneten drei Bereiche. Dabei ist der Bundesgesetzgeber an die i n Abs. 1 aufgeführten Voraussetzungen gebunden. Fraglich ist jedoch, wie der Mitwirkungsbereich des Bundes durch die Ausführungsgesetze näher abgegrenzt werden kann, da sich die Mitwirkungsgarantie des Abs. 1 generell auf die „Erfüllung von Aufgaben der Länder" bezieht. Diese Teilbarkeit der drei Aufgabenbereiche ergibt sich nach zwei Richtungen: Sie folgt einmal daraus, daß die Absätze 3 und 4 die M i t w i r k u n g des Bundes bei der Planung und Finanzierung der Aufgaben sichern, während die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben, die i n Abs. 1 ausdrücklich als Aufgaben der Länder bezeichnet werden, m i t Rücksicht auf A r t . 30 GG allein den Gliedstaaten obliegt. Ausgehend von dieser funktionellen Teilbarkeit stellt das Grundgesetz jedoch innerhalb der Aufgabengebiete selbst auf eine Verteilung der Mitwirkungskompetenzen nach dem faktischen Umfang des jeweiligen Aufgabengebiets ab. Daraus folgt, daß es i m tatsächlichen Umfang der drei Aufgabenbereiche einen 28 Z u den Ausführungsgesetzen s. Patzig, D V B L 1969, S. 889 ff.; Ruhe, B u l l e t i n 1969, S. 395 ff.; ders. Deutsche Steuerzeitung 1969, S. 369 ff.; Schmittner, DUZ, 1969, 17/18, S. 19 ff.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

225

Teilbereich geben kann, der vom Bund und von den Ländern gemeinsam erfüllt wird, während ein anderer Teil vom einzelnen Land wie bisher selbständig wahrgenommen w i r d 2 9 . Der Bund kann auch einen Teilbereich allein wahrnehmen, sofern sich seine Tätigkeit als ein M i t wirken i m Sinne der Gesamtaufgabe darstellt. Aus dem Wortlaut des Abs. 1 („von Aufgaben") dürfte wohl folgen, daß der Bund seinen M i t wirkungsbereich nicht auf das gesamte jeweilige Aufgabengebiet erstrecken kann 3 0 . Er kann nur an den Teilbereichen mitwirken, die für die Gesamtheit bedeutsam sind und eine M i t w i r k u n g des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich machen. Aus A r t . 91 a folgt auch, daß auf den von dieser Grundgesetzvorschrift umschlossenen Sachbereichen die Länder nach wie vor für sich allein Aufgaben erfüllen können. Die Ermächtigung des Abs. 2 zur näheren Bestimmung der Gemeinschaftsaufgaben durch Ausführungsgesetz kann sich insbesondere nicht auf eine Sperrwirkung gegen ein selbständiges Vorgehen der Länder beziehen 31 . Durch die Ausführungsgesetze läßt sich der M i t wirkungsbereich des Bundes nur i n dem negativen Sinne abgrenzen, daß es keine M i t w i r k u n g des Bundes an nicht genannten Maßnahmen gibt. Eine eigenständige Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die Länder können die Ausführungsgesetze schon deshalb nicht ausschließen, weil A r t . 91 a Abs. 1 selbst von „Aufgaben der Länder" spricht 3 2 . Die Annahme einer Sperrwirkung scheitert aber auch an der Funktion und Struktur des A r t . 91 a. Denn ob eine Aufgabe Gemeinschaftsaufgabe wird, steht nach Abs. 3 zur Disposition des betroffenen Landes. Erst wenn die Länder es selbst beantragen, w i r d geprüft, ob das i n Frage stehende Vorhaben zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt werden soll. Ob das Gebot des Abs. 1 ein Zusammenwirken von Bund und Ländern erforderlich macht, ist daher für jeden Einzelfall zu prüfen. Die Gemeinschaftsaufgaben schließen also grundsätzlich Länderinitiativen nicht 20

So auch Goroncy, D Ö V 1970, S. 110. Die gegenteilige Ansicht von Goroncy, a.a.O., S. 111 F N 21, ist m i t dem Wortlaut des A r t . 91 a unvereinbar. Z w a r ist dem Gesetzgeber ein Spielraum eingeräumt, der es i h m erlaubt, den Umfang u n d die Grenzen des M i t wirkungsbereichs des Bundes zu fixieren, die sektorale Beschränkung i m Bereich der Nr. 1 bis 3 darf jedoch nicht auf das Gesamtgebiet ausgedehnt werden, ohne der Aufgabe ihren Charakter als solchen grundsätzlicher L a n deskompetenz zu nehmen. 31 Davon geht auch die Begründung des Finanzreformgesetzes (Tz 275) aus: „ A b e r auch i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben können die Länder außerhalb der gemeinsamen Pläne noch nach eigenem Befinden Aufgaben w a h l nehmen." 32 Die Begründung von Goroncy, a.a.O., S. 111, daß gerade wegen der T a t sache, daß die M i t w i r k u n g des Bundes bei der Gemeinschaftsaufgabe nichts an deren Charakter als Landesaufgabe ändert, die formale Eigenschaft als Länderaufgabe nicht zum Beweis f ü r die Möglichkeit eines selbständigen Vorgehens der Länder angeführt werden könne, läuft auf eine petitio p r i n cipii hinaus u n d steht i m Gegensatz zum Fundamentalsystem des G r u n d gesetzes m i t seiner prinzipiellen Kompetenzzuweisung i n A r t . 30 GG. 30

15 Tiemann

226

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

aus 33 , sondern stehen unter dem Anmeldungsvorbehalt, der die potentiellen Rechts Wirkungen des A r t . 91 a erst zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu konkretisieren vermag. Neben der Ermächtigung i n Abs. 2 zur näheren Ausfüllung und Interpretation der Gemeinschaftsaufgaben durch Bundesgesetz und der m i t dieser näheren Bestimmung der Gemeinschaftsaufgaben verbundenen Abgrenzung des Mitwirkungsbereichs des Bundes hat der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit, Bestimmungen über das Verfahren für eine gemeinsame Rahmenplanung zu treffen. Diese Ermächtigung betrifft das formelle Verfahren der Rahmenplanung, insbesondere die Aufstellung des Rahmenplans selbst sowie Mitwirkungs- und Anhörungsrechte bei seiner Ausarbeitung und vor allem auch die verfahrensmäßigen Vorschriften über die Anmeldungen zum Rahmenplan. Schließlich enthält Abs. 3 als dritte Ermächtigung die Einrichtungen für eine gemeinsame Rahmenplanung. Diese betrifft vor allem die Planungsausschüsse von Bund und Ländern, i n denen das funktionelle Mitwirkungsrecht des Bundes realisiert wird. Die beiden letzten Ermächtigungen regeln also die verfahrensmäßigen Modalitäten der Bundesbeteiligung an den Gemeinschaftsaufgaben. Sie bilden insofern das notwendige Korrelat zu der materiellen Bestimmung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Ausführungsgesetze nach Abs. 2. 5. Die Ermächtigung zum Erlaß allgemeiner Grundsätze

Außer den drei Fallgruppen enthält Abs. 2 Satz 2 eine weitere Ermächtigung an den Bundesgesetzgeber, durch das die Gemeinschaftsaufgaben näher konkretisierende Bundesgesetz allgemeine Grundsätze für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben festzulegen. Damit w i r d i m Bereich der Gemeinschaftsaufgaben die Grundsatzgesetzgebung statuiert. M i t dieser Gesetzgebungsart, die außer i n Art. 140 GG auch i n die grundgesetzlichen Neuregelungen des A r t . 109 sowie des A r t . 75 Nr. 1 a eingeführt wurde, verwirklicht sich eine offenbar i m Vordringen befindliche Tendenz der gesetzgeberischen Vereinheitlichung auf föderativer Ebene durch Bindung des Bundes und der Länder an gemeinsam geltende Gesetzgebungsschemata. Die Grundsatzgesetze entfalten normative Wirkungen nur i m Verhältnis des Bundes zu den Ländern, nicht jedoch zu Dritten. Die Grundsätze betreffen die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben i m allgemeinen Sinne. Dabei steht „Erfüllung" i n Abs. 2 i m Gegensatz zur „Durchführung" der Gemeinschaftsaufgaben i n Abs. 5, da die Erfüllung die Aufsicht und Kontrolle nicht einbezieht. Als fünfte Ermächtigung w i r d schließlich die Regelung der Kostentragung einem Gesetz überlassen. 33 Daher m i t Recht w o h l gegen eine S p e r r w i r k u n g auch Stadler, S. 300.

a.a.O.,

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

227

Bei der Grundsatzgesetzgebung handelt es sich ähnlich der Rahmengesetzgebung der A r t . 75 und A r t . 98 Abs. 3 Satz 3 um eine inhaltlich beschränkte Kompetenz, wobei erstere i m Gegensatz zur Rahmengesetzgebung nicht an das Vorliegen des A r t . 72 Abs. 2 gebunden ist, sondern sich allein nach den i n A r t . 91 a Abs. 1 enthaltenen Postulaten zu richten hat. Während die Grundsatzgesetzgebung nach A r t . 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Satz 2 WRV ausschließlich die Landesgesetzgebung binden konnte, richten sich die Grundsätze zur Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben i n erster Linie an die Exekutive. I n mancher Hinsicht können jedoch die Grundsatzregelungen zur Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben m i t der Grundsatzgesetzgebung der Weimarer Reichsverfassung (Art. 10, 11 WRV) sowie m i t der dieser ähnlichen Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) 3 4 verglichen werden, da auch sie bei der Konkretisierung der Zielsetzungen der jeweiligen Gemeinschaftsaufgabe auf das Grundsätzliche beschränkt sind, u m einen breiten Variationsraum für strukturelle oder organisatorisch bedingte Differenzierungen durch die Länderverwaltungen zu belassen. Abgesehen von dieser Grundsatzkompetenz ermächtigt Art. 91 a keineswegs nur zu rahmengesetzähnlichen Regelungen. Soweit Gesetze aufgrund der übrigen Ermächtigungen i n Art. 91 a ergehen, sind sie je nachdem, ob sie den Bund oder die Länder binden, entweder der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zuzurechnen, oder es handelt sich u m konkurrierende Gesetzgebung des Bundes, da insoweit auch die Länder berechtigt sind, auf den ihnen verbleibenden Gebieten durch Landesgesetze die betreffenden Materien zu regeln.

I I . Die einzelnen Aufgabengebiete i m Katalog der Gemeinschaftsaufgaben 1. Die Aufgaben nach Art. 91 a GG

Als erste Aufgabe w i r d i n A r t . 91 a der Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen vorgesehen. A u f diesem Gebiet haben Bund und Länder bereits aufgrund der Verwaltungsabkommen vom 4. 6. 1964 und vom 8. 2. 1968 zusammengearbeitet. Ebenso besteht, wie w i r gesehen hatten, ein Abkommen der Länder untereinander vom 4. 6. 1964, das auf dem Königsteiner Abkommen vom 30./31. 3. 1949 aufbaut. Der Regierungsentwurf 35 geht von der unzutreffenden Voraussetzung aus, daß die i m Wege der Selbstkoordinierung erfolgte gemeinsame Finanzierung der Länder von Hochschulgründungen der bundesstaat34 35

1

B V e r f G E 4, 128. Tz 85, 86.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

liehen Ordnung des Grundgesetzes widerspreche. Aber abgesehen von dieser verfassungsrechtlichen Argumentation, deren Unhaltbarkeit bereits nachgewiesen wurde 8 8 , sieht der Entwurf i n erster Linie eine sachliche Notwendigkeit, ohne Unterschied zwischen Ausbau und Neubau, einer Zusammenfassung und Koordinierung aller Kräfte für die wissenschaftlichen Hochschulen 37 . Die große M i t t e l erfordernde Aufgabe könne nur bei übereinstimmenden Vorstellungen von Bund und Ländern über den bestmöglichen Einsatz der verfügbaren M i t t e l erfüllt werden. Durch die Erklärung dieses Aufgabengebietes zur Gemeinschaftsaufgabe werde auch ein intensiveres Zusammenwirken als nach den genannten Verwaltungsvereinbarungen erreicht. Die Begriffe „Ausbau" und „Neubau" der wissenschaftlichen Hochschulen i m Sinn des A r t . 91 a stellen klar, daß die Unterhaltung und der Betrieb der Hochschulen nicht unter den Begriff der Gemeinschaftsaufgaben fallen. Das hat zur Folge, daß der Bund sich nur an den Investitionskosten beteiligt, daß jedoch eine Übernahme der Folgekosten durch den Bund nicht i n Betracht kommt. I m Rechtsausschuß38 wurde dies damit begründet, daß die Übernahme der Folgekosten, wie z. B. die Erhaltung der Universitäten, bedeuten würde, dem Bund ein M i t spracherecht auf personellem und sachlichem Gebiet einzuräumen. Umstritten war auch bei den Beratungen, wie der Begriff der Hochschulen i m Sinne von Nr. 1 zu fassen sei. I m Rechtsausschuß39 schwankte man zwischen der Fassung „wissenschaftliche Hochschule" und „Hochschule" bzw. „Akademie". Eine besondere Schwierigkeit ergab sich dadurch, daß i n den verschiedenen Landesgesetzen keine einheitliche statusbegründende Definition zu finden ist. Schließlich setzte sich der Begriff der „wissenschaftlichen Hochschule" nach Maßgabe der Hochschulgesetzgebung des jeweiligen Sitzlandes durch, wobei Einigkeit darüber bestand, daß Fachhochschulen und auch Kunsthochschulen nicht unter diesen Begriff fallen. Als zweites Gebiet, das einer Einführung als Gemeinschaftsaufgabe zugänglich ist, sieht A r t . 91 a die Verbesserung der regionalen W i r t schaftsstruktur vor. Hierdurch soll ein Ausgleich der wesentlichen Unterschiede i n der regionalen Wirtschafts- und Sozialstruktur und i m Gefälle der Lebensverhältnisse herbeigeführt werden. Durch die Einschränkung der Maßnahmen auf die Verbesserung der „regionalen Wirtschaftsstruktur" 36 s. oben bei der Selbstkoordinierung der Länder, 1. Hauptteil, Abschnitt E, 2. Kap., I, 1. 37 Tz 87. 88 92. Sitzung des Rechtsausschusses v o m 2. 10. 1968, Protokoll Nr. 92, S. 8,9. 39 102. Sitzung des Rechtsausschusses v o m 5. 12. 1968, Protokoll Nr. 102, S. 4, 5. Erweiterung auf alle Hochschulen durch die 27. GG-Novelle.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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w i r d klargestellt, daß hierunter nur Vorhaben fallen, die auf ein bestimmtes Gebiet bezogen sind, und die dazu dienen sollen, die w i r t schaftlichen Strukturbedingungen i n diesem Gebiet zu verbessern, z. B. durch Ansiedlung von Industriebetrieben und durch Aufschließungsmaßnahmen 40 . Da die regionale Wirtschaftsförderung primär als A u f gabe der Länder anzusehen ist, sind die Bereiche, die als Gemeinschaftsaufgabe eingeführt werden, gegen solche wirtschaftspolitischen Maßnahmen abzugrenzen, die allein i m Zuständigkeitsbereich der Länder verbleiben. Das gilt auch für das weite Gebiet der sektoralen W i r t schaftsförderung, die einen gesamten Wirtschaftszweig umfaßt. Soweit hier die Wirtschaft des Bundes als Ganzes betroffen ist, steht dem Bund eine Förderungskompetenz zu, bei regionaler Beziehung verbleibt sie beim Land oder kann sich auch m i t einer Gemeinschaftsaufgabe decken 41 . Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten weist auch die dritte Gemeinschaftsaufgabe, die Verbesserung der Agrarstruktur und die des Küstenschutzes auf. I n diesem Bereich ist seit Bestehen der Bundesrepublik eine gemeinsame Planung und Finanzierung von Bund und Ländern festzustellen, die sich i n der bereits geschilderten Praxis des Grünen Plans ausgeprägt hat. Das Ziel der Einführung dieses Aufgabenbereichs als Gemeinschaftsaufgabe ist es, die Landwirtschaft den steigenden Anforderungen i n der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzupassen 42 . Dabei werden unter „Verbesserung der Agrarstruktur" i n Nr. 3 Maßnahmen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktions- und Absatzbedingungen i m weitesten Sinne, sowie auch wasserwirtschaftliche Maßnahmen verstanden. Ferner gehört hierzu die Verbesserung der Marktstruktur für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, da diese als eine unabdingbare Voraussetzung für die Verbesserung der Produktionsbedingungen i n der Landwirtschaft angesehen w i r d 4 3 . Gerade i n diesem Bereich aber ist schon i n der gegenwärtigen Praxis eine enge Überlagerung landes- und bundeseigener Kompetenzen und Förderungsmaßnahmen m i t gemeinschaftlich durchgeführten Programmen festzustellen. Das war auch ein Grund dafür, warum die Kommission 4 4 eine strikte Dreiteilung der Zuständigkeiten auf diesem Sektor empfohlen hatte. Die Abgrenzung der jeweiligen Einzelbereiche, die aus dieser Materie als Gemeinschaftsaufgaben eingeführt werden sollen, w i r d hier, wie auch beim Aus- und Neubau von Hochschulen und bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk40 41 42 48 44

Tz 265. Tz 91, 265. Tz 92 ff. (Tz 95). Tz 94, 266. Vgl. Troeger- Gutachten, Tz 149,150.

230

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

t u r durch das aufgrund von A r t . 91 a Abs. 2 ergehende Ausführungsgesetz 45 getroffen. I m Zusammenhang m i t der Verbesserung der Agrarstruktur nennt Nr. 3 noch die Verbesserung des Küstenschutzes. Diese dient einer überregionalen Zusammenarbeit und Planung zum Schutz der deutschen Nord- und Ostseeküste sowohl hinsichtlich der Maßnahmen an Deichen und Küstenschutzwerken zur Vermeidung von Flutkatastrophen, als auch i n bezug auf Deichverstärkungs- und -erhöhungsmaßnahmen zur Sicherung landwirtschaftlich genutzter Fläche i m Hinterland. 2. Der Umfang der in Art. 91 b G G statuierten Gemeinschaftsaufgaben

Die „Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung" (Art. 91 b) steht zwar unter der Abschnittsüberschrift „Gemeinschaftsaufgaben", sie ist aber als Gemeinschaftsaufgabe untypisch, da das Erfordernis einer geregelten, gemeinsamen Rahmenplanung fehlt 4 6 . Rechtssystematisch gehört sie deshalb nicht zu den institutionalisierten Formen der Gemeinschaftsaufgaben. Sie folgt nicht den i n A r t . 91 a festgelegten Planungs- und Durchführungsmodalitäten und w i r d einschließlich der Aufteilung der Kosten durch freie Vereinbarung geregelt. Die Vorschrift ist deshalb vom Entwurf der Bundesregierung vorgesehen worden, damit die Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft, wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft, gemeinsam von Bund und Ländern auf gesicherter verfassungsrechtlicher Basis gefördert werden können. Beide Organisationen wurden auch schon bisher aufgrund des genannten Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern vom 4. 6. 1964 bzw. 8. 2. 1968 finanziell unterstützt. Darüber hinaus sollen aber auch weitere bedeutsame Vorhaben i m Wissenschaftsbereich i n ein Abkommen aufgrund des A r t . 91 b einbezogen werden. Dazu gehören insbesondere die an den wissenschaftlichen Hochschulen zu bildenden Sonderforschungsbereiche, sowie sonstige Wissenschaftszentren von überregionaler Bedeutung, wie das Krebsforschungszentrum i n Heidelberg und verschiedene Rechenzentren 47 . Das Institut des A r t . 91 b ist von der Bundesregierung deshalb aus dem Bereich des A r t . 91 a ausgegliedert worden, da sich die Wissenschaftsförderung und besonders die Förderung wissenschaftlicher Organisationen für die 45 Vgl. hierzu E n t w u r f eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „ V e r besserung der A g r a r s t r u k t u r u n d des Küstenschutzes", BR-Drucks. 688/68; E n t w u r f eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau u n d Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen", BR-Drucks. 690/68; E n t w u r f eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen W i r t schaftsstruktur", BR-Drucks. 689/68. 4 « Seeger, D Ö V 1968, S. 785. 47 Tz 103 ff. (Tz 107).

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Durchführung etwaiger, von Bund und Ländern gemeinsam aufgestellter Pläne durch ein Sitzland nicht eignet. Denn bei den zu fördernden Forschungseinrichtungen gibt es keine echte Bund-Sitzland-Beziehung, zumal es sich meist u m Selbstverwaltungsorganisationen handelt 4 8 . Obwohl A r t . 91 b sich also vom verfassungsrechtlichen Typ des Art. 91 a unterscheidet, enthält auch diese Vorschrift die Voraussetzung einer überregionalen Bedeutung der Einrichtung oder des Vorhabens. I m Gegensatz zum Merkmal der Bedeutung für die Gesamtheit kann die Voraussetzung der überregionalen Bedeutung schon dann gegeben sein, wenn sie sich nur für zwei oder mehrere Länder ergibt 4 9 . Anders als Art. 91 a GG enthält die Bestimmung kein verfassungsrechtliches Gebot des Zusammenwirkens. Die Kooperation muß weder i n einer gemeinsamen Rahmenplanung bestehen, noch braucht sie sich darin zu erschöpfen. Vielmehr steht es Bund und Ländern frei, i n der aufgrund A r t . 91 b geschlossenen Vereinbarung jede Form der Zusammenarbeit von grundsätzlicher Koordinierung bis zu detailliert ausgestaltetem Zusammenwirken zu wählen 5 0 . I I I . Die gemeinsame Planung von Bund und Ländern als zentrales Instrument der Gemeinschaftsaufgaben 1. Das Zustandekommen der Planungsgesetze nach Art. 91 a GG

Die nähere Abgrenzung der Gemeinschaftsaufgaben sowie ihre materielle Ausgestaltung bleibt nach Art. 91 a Abs. 2 GG einem Bundesgesetz überlassen. Damit w i r d es allerdings nicht i n das freie Ermessen des Gesetzgebers gestellt, wie weit er die i n Abs. 1 definierten Gemeinschaftsaufgaben umgrenzen w i l l . Vielmehr muß er sich an die Grundsätze des Abs. 1 halten und kann nur eine nähere Ausführung dazu geben. Dabei haben die Ausführungsgesetze i n erster Linie die Aufgabe zu klären, was innerhalb der drei Aufgabenbereiche gemeinschaftlich zu erfüllen ist, und was Aufgabe der Länder bleiben soll. Darüber hinaus haben sie aber eine materielle Ausfüllungs- und Interpretationsfunktion und konkretisieren die allgemeinen Grundsätze des Abs. 1 für jede einzelne Gemeinschaftsaufgabe. So klärt § 1 des Entwurfes eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" 5 1 , welche Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur i n Betracht kommen, und i n welchen Gebie48

Vgl. Tz 108. So auch Tz 286. 50 I n dieser Zusammenarbeit k a n n nach dem i n die endgültige Fassung des A r t . 91 b aufgenommenen Vorschlag des Vermittlungsausschusses auch die Bildungsplanung m i t einbezogen werden (vgl. BT-Drucks. V/3896, S. 3). 51 BR-Drucks. 689/68. 49

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

ten sie durchgeführt werden. Entsprechend w i r d i m § 3 des Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen" 52 eine detaillierte Aufstellung der Zweckaufwendungen vorgenommen, während § 4 den Rahmen für die Förderung wissenschaftlicher Hochschulen absteckt, die i n der Anlage zum Gesetz einzeln aufgeführt werden. Ferner enthalten die Gesetze gemäß Art. 91 a Abs. 2 Satz 2 allgemeine Grundsätze für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben. I n diesen allgemeinen Grundsätzen w i r d die grundsätzliche Zielsetzung der Förderungsmaßnahmen deklariert. So heißt es i n § 2 des Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" 53 : „Die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgabe dient dazu, eine leistungsfähige, auf künftige Anforderungen ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft zu gewährleisten und deren Eingliederung i n den gemeinsamen M a r k t der Europäischen Gemeinschaften zu erleichtern, sowie den Küstenschutz zu verbessern. Dabei sind die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung zu beachten." Abs. 3 des A r t . 91 a geht davon aus, daß Bund und Länder für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben gemeinsame Rahmenpläne aufstellen. Daher müssen die Ausführungsgesetze auch Regelungen über das Verfahren und über Einrichtungen für eine gemeinsame Rahmenplanung treffen. Nach der wohl zutreffenden Auffassung der Bundesregierung liegt i n dieser gemeinsamen Planung von Bund und Ländern das eigentliche Kernstück des Zusammenwirkens bei den Gemeinschaftsaufgaben 54 . Hierbei geht es vor allem darum, „unter Abwägung der sachlichen Bedürfnisse, der finanziellen Möglichkeiten und unter raumordnungspolitischen Notwendigkeiten Schwerpunkte zu bilden, u m eine möglichst wirksame Erfüllung der Aufgaben nach übergeordneten Gesichtspunkten zu gewährleisten" 5 5 . Die Pläne müssen daher ein längerfristiges Programm, sowie Grundsätze für den allgemeinen Ablauf der Verwirklichung vorsehen. Dadurch, daß die Verfassungsvorschrift von „Rahmenplänen" spricht, ist außerdem klargestellt, daß es sich hierbei nicht um Detailpläne handeln kann und die Planung der Einzelheiten dem jeweiligen Land vorbehalten bleiben muß. Der Rahmenplan w i r d von Bund und Ländern gemeinsam aufgestellt, während seine Ausführung ausschließlich den Ländern obliegt. Die Ausführungsgesetze geben den vom Rahmenplan umfaßten Zeitraum an. Er deckt sich m i t dem Zeitraum der mehrjährigen Finanzplanungen i n Bund und Ländern, wodurch unter52

BR-Drucks. 690/68. BR-Drucks. 688/68; entsprechend die §§ 2 der beiden anderen Ausführungsgesetze. 64 Tz 98, 271; vgl. auch Henle, D Ö V 1968, S. 401; Maunz, N J W 1968, S. 2033; ders. B a y V B L 1968, S. 164. 65 So Tz 271. 53

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91a, b GG

233

strichen wird, daß Rahmenplanung und Finanzplanung aufeinander abgestimmt sein müssen. Da die Finanzplanung gemäß § 9 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. 6. 196756 einen Zeitraum von fünf Jahren umfaßt, ist der Rahmenplan für den gleichen Zeitraum vorgesehen. Es w i r d also grundsätzlich ein Rahmenplan für den ganzen Planungszeitraum aufgestellt. Da die Rahmenplanung aber nur eine wesentliche Orientierungs- und Koordinierungshilfe sein soll und kein Selbstzweck ist 5 7 , kann sie nicht starr sein, sondern muß jährlich der Entwicklung angepaßt und, soweit sie die auf das laufende Haushaltsjahr folgenden Rechnungsjahre betrifft, i n angepaßter Form fortgeschrieben werden. Hierin kommt das Prinzip der gleitenden Planung zum Ausdruck, die sich i n ihren Grundzügen über den vollen Planungszeitraum erstreckt und sich daher ohne störende Zäsuren kontinuierlich fortsetzt. Es w i r d dabei an die mehrjährige Finanzplanung des Bundes angeknüpft. Dadurch soll klargestellt werden, daß sich Bund und Länder bei der Aufstellung des Rahmenplans an dem durch die Finanzplanung vorgesehenen Umfang der Haushaltsmittel orientieren müssen. Umfang und Auswahl der Maßnahmen dürfen daher kostenmäßig i n der Regel die i n der mehrjährigen Finanzplanung vorgesehenen M i t t e l nicht überschreiten 58 . Nach §§ 10, 14 des Stabilitätsgesetzes baut die Finanzplanung des Bundes und der Länder aber ihrerseits auf Investitionsprogrammen auf. Die aufgrund der Ausführungsgesetze zu erstellenden Rahmenpläne für die Gemeinschaftsaufgaben m i t ihren Angaben über die i m nächsten Jahr bereitzustellenden und die i n den Folgejähren vorzusehenden M i t t e l stellen aber praktisch solche Investitionsprogramme dar und bilden daher wiederum selbst Unterlagen für die Finanzplanung. Es besteht also eine Wechselw i r k u n g von der Rahmenplanung der Gemeinschaftsaufgaben und der Finanzplanung, die zwar nicht ausdrücklich gesetzlich normiert ist, sich jedoch aus der Interdependenz der i n den betreffenden Vorschriften statuierten Zielsetzungen ergibt. Der Inhalt des Rahmenplans bezieht sich auf die Angabe der durchzuführenden Maßnahmen. Auch die diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Zielvorstellungen sollen angegeben werden. Unter diesen Zielvorstellungen sind Angaben über den inneren Zusammenhang einer Maßnahme m i t anderen, sowie über die Bedeutung bestimmter Maßnahmegruppen i n den jeweiligen Bundesländern zu verstehen. Ferner zählen zu diesen Zielvorstellungen auch Überschlagsrechnungen, aus denen sich ergibt, für wieviele Jahre voraus56

B G B L I, S. 582. Begründung des Gesetzentwurfs über die Gemeinschaftsaufgabe „ V e r besserung der A g r a r s t r u k t u r u n d des Küstenschutzes" (BR-Drucks. 688/68), S. 10, 11. 68 Begründung des Gesetzentwurfs über die Gemeinschaftsaufgabe „ V e r besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (BR-Drucks. 689/68), S. 7. 57

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

sichtlich eine Maßnahme oder mehrere Maßnahmen zusammen durchgeführt werden müssen, damit das gesteckte Förderungsziel erreicht werden kann 5 9 . Hier ist also eine zeitliche Begrenzung der Gemeinschaftsaufgaben möglich, so daß gewisse Teilbereiche nach ihrer gemeinschaftlichen Wahrnehmung von Bund und Ländern wieder i n die ausschließliche Zuständigkeit eines Landes zurückgelangen können. Der Rahmenplan muß ähnlich durchsichtig wie ein Haushaltsplan ausgestaltet sein. Daher müssen neben den Förderungsarten auch die voraussichtlichen Kosten angegeben werden. Dabei haben lediglich die nach dem Rahmenplan für das nächste Jahr bereitzustellenden M i t t e l eine die Regierungen des Bundes und der Länder bindende Wirkung. Wegen der nur vorläufigen Planung für die nächsten Jahre ist eine Bindungswirkung des Rahmenplans für die i n den folgenden Jahren vorgesehenen M i t t e l nicht möglich 60 . Auch die Zuwendungsbedingungen sind Bestandteile des Rahmenplans und binden damit auch die Landesregierungen, wie es § 44 BHO für die allgemeine Vergabe von Bundesmitteln vorschreibt. Für das Zustandekommen der Rahmenpläne ist ein besonderes Anmeldungsverfahren vorgesehen. Der jeweilige Rahmenplan w i r d zum überwiegenden Teil dadurch vorbereitet, daß die Länder Maßnahmen zur Aufnahme i n den Rahmenplan vorschlagen. Dieses Vorschlagsrecht der Länder erklärt sich aus ihrer Erfahrung, ihrer speziellen Kenntnis der örtlichen Bedürfnisse, sowie ihrer Verantwortung für die Durchführung des Rahmenplans 61 . Dieses Initiativrecht der Länder entspricht also dem Sinngehalt des Föderalismus, der die Sachnähe der regionalen Verwaltungen und die dadurch bewirkte Kenntnis der örtlichen Verhältnisse für eine optimale Koordinierung i m Hinblick auf die Belange der Gesamtheit nutzt. Die angemeldeten Maßnahmen werden vor ihrer Aufnahme i n den Rahmenplan i m Planungsausschuß geprüft und an den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln ausgerichtet. Daher müssen die Anmeldungen eine Übersicht über die Kosten der Maßnahmen, die i m einzelnen geplant sind, enthalten. Wichtig ist es dabei, daß bei der Anmeldung von Bau- und Beschaffungsvorhaben auch Angaben über Folgekosten m i t i n das Anmeldungsverfahren einbezogen werden 6 2 . Wenn diese Kosten auch nicht zu den Gemeinschaftsaufgaben gehören, so kommt ihnen doch bei der Investition entscheidende Bedeutung zu, w e i l sie eine langfristige Bindung der M i t t e l i n den Landeshaushalten bewirken. Der Planungsausschuß soll daher die Möglichkeit erhalten, auch diesen Punkt i n seine Überlegungen einzubeziehen, obwohl offensichtlich an eine Aufnahme der Folgekosten i n den Rahmen59 60 61 62

Begründung Begründung Begründung Begründung

(BR-Drucks. (BR-Drucks. (BR-Drucks. (BR-Drucks.

688/68), 688/68), 689/68), 690/68),

S. S. S. S.

10. 10. 11, 12. 12.

1.Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

235

plan nicht gedacht ist 6 3 . Die Ausführungsgesetze zu den Gemeinschaftsaufgaben enthalten ferner beim Anmeldungsverfahren zum Rahmenplan die Regelung einer speziellen, sich unmittelbar aus der Verfassung ergebenden Frage. Nach Art. 91 a Abs. 3 Satz 2 GG bedarf die A u f nahme eines Vorhabens i n den Rahmenplan der Zustimmung des Landes, i n dessen Gebiet das Vorhaben durchgeführt wird. Aus Gründen der Vereinfachung w i r d bei der ohnehin erforderlichen Anmeldung der Vorhaben durch das Land dessen Zustimmung i m Sinne des A r t . 91 a Abs. 3 Satz 2 GG unterstellt 8 4 . Weil sich jedoch die Absichten des Landes i n dem Zeitraum zwischen Anmeldung und Aufstellung des Rahmenplans möglicherweise ändern, ist ein Widerrufsrecht des Landes bis zur Beschlußfassung über den Rahmenplan vorgesehen. 2. Die Rechtsnatur der Rahmenpläne

I n A r t . 91 a GG w i r d zum erstenmal eine Erscheinungsform moderner staatsrechtlicher Koordinierung verfassungsrechtlich verankert, die sich bisher i n vielfältigen Formen parakonstitutioneller Zusammenarbeit verwirklichte: Das Prinzip der Planung i m gesamtstaatlichen Maßstab unter Einbeziehung gliedstaatlicher Detailprojektierung. Das Bedürfnis großräumiger und langfristiger Planung hat sich nicht nur i m Verwaltungsrecht erwiesen 65 , sondern greift auch i n die umfassenderen Zusammenhänge bundesstaatlichen Zusammenwirkens über. Während der verwaltungsrechtliche Plan die Regelung individueller Verhältnisse i m Hinblick auf den zu erzielenden Endzustand i m wesentlichen normativ festlegt und sowohl für die Behörde als auch für die Beteiligten verbindlich macht, geht es bei Planungen auf bundesstaatlicher Ebene nicht um einen vorgestalteten Endzustand, der definitiv postuliert wird, sondern um Planungen i n der Zeit, für eine bestimmte Zeitperiode 66 . Die zentralen Planungen wollen für einen bestimmten Zeitabschnitt eine Koordination der Kräfte der Administration und sonstiger öffentlicher Institutionen erreichen. Daher ist der gesamtstaatliche Plan auch nicht auf einen bleibenden Zustand ausgerichtet, sondern steuert, immer i m Durchgangsstadium befindlich, eine bestimmte Richtung der Entwicklung an, zu deren Weiterverfolgung der nächste Plan folgt, der wieder neue Teilziele aufstellt. Somit ist der zentrale Plan ein Instrument der Strategie, das i n erster Linie Fragen der Prioritäten regelt 6 7 . 63

Vgl. Begründung (BR-Drucks. 690/68), S. 12. Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Ausführungsgesetzentwurf „ A g r a r s t r u k t u r und Küstenschutz"; § 8 Abs. 1 Satz 2 Ausführungsgesetzentwurf „Hochschulbauförderungsgesetz"; § 7 Abs. 1 Satz 2 u n d 3 Ausführungsgesetzentwurf „Regionale Wirtschaftsstruktur". 65 Vgl. hierzu die Verhandlungen der 18. Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer i n B e r l i n 1960; V V d S t L 18, S. 113 ff. 68 Vgl. Scheuner i n Planung I , S. 75. 67 Ebenso Scheuner, Planung I, S. 75. 64

236

Abschn. B : Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Diesem Typenbild des staatsrechtlichen Plans entspricht aber nicht nur der aufgrund A r t . 91 a Abs. 3 Satz 1 GG aufgestellte Rahmenplan, sondern i n weitem Umfang die bereits seit langem praktizierte staatsrechtliche Planungspraxis. Diese gesamtstaatliche Planung kommt, soweit sie als Parallelfall zu der hier untersuchten Rahmenplanung von Bund und Ländern i n Betracht zu ziehen ist, unter Beteiligung der Bundesregierung, des Bundestags und meist auch des Bundesrates zustande. Eine zweite Form planungsmäßiger Koordinierung bilden die Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern. Beide Arten der bundesstaatlichen Planung hat Kölble 6 8 zutreffend als „staatsleitende Gesamtakte" charakterisiert. Bei diesen staatsleitenden Gesamtakten, deren begriffliche Prägung von Hecfcel 69 übernommen wurde, handelt es sich u m Pläne oder Programme, die sich als ganze nicht mit einem Gesetzgebungsakt decken. Das bedeutsamste Beispiel eines Plans dieser A r t bildet der Grüne Plan, der eine Sammelbezeichnung zahlreicher Einzelpläne i m Bundeshaushalt darstellt. Der Grüne Plan ist i n diesem Umfang daher nicht gesetzlich normiert, sondern hat nur eine sehr generelle Grundlage i n §§ 4, 5 L W G und w i r d i m übrigen, wie unsere Untersuchung gezeigt hat, i n verschiedenen Formen der Fondsverwaltung durchgeführt. Das gleiche gilt auch für den Bundes jugendplan, der sich auf § 26 Abs. 2 JWG stützt und i m übrigen teils i m Direktverfahren über die Länder, teils i m Zentralstellenverfahren der Bundesfondsverwaltung abgewikkelt wird. Neben dieser Vielzahl staatsleitender Gesamtakte von Bundesorganen hat unsere Analyse der Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern ebensolche auf dieser Ebene erkennen lassen. So kann man die Empfehlungen und Dringlichkeitsprogramme des Wissenschaftsrates oder die Pläne und Programme anderer auf Verwaltungsabkommen beruhender Koordinierungsgremien als solche staatsleitenden Gesamtakte charakterisieren. I n materieller Hinsicht lassen sich nach Scheuner 70 i m Anschluß an das französische Verwaltungsrecht 7 1 drei Arten gesamtstaatlicher Planung feststellen. Zunächst gehört hierzu der indikative oder informative Plan, der sich m i t der Darbietung der gewonnenen Daten unter A n fügung gewisser erwünschter Folgerungen begnügt. Hierzu gehören 68

I n Planung I, S. 99 f.; ders N J W 1966, S. 473 ff. (S. 478, 479). Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 2. Bd. (1932), S. 392, der den Beg r i f f zur Charakterisierung der Rechtsnatur des Haushaltsplans verwendet. 70 I n Planung I, S. 67 ff. (S. 83 f.). 71 Lambert , i n : „Les problèmes de la planification", Colloque de janvier 1962, Université L i b r e de Bruxelles, I n s t i t u t de Sociologie (1963), unterscheidet eine planification indicative, contractuelle, eine planification par i n fluencement sowie eine planification par commandement et interdictions. 89

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

237

Berichte, Gutachten und allgemeine Pläne der Bundesregierung oder anderer Bundesorgane, aber wohl auch die Empfehlungen der zahlreichen Koordinierungsgremien von Bund und Ländern 7 2 . Die nächste Stufe ist der influenzierte Plan, der Ähnlichkeit m i t der französischen planification aufweist. Über den bloß indikativen Plan hinaus werden hier auf gesamtstaatlicher Ebene gewisse Ziele und Richtlinien verbindlich festgesetzt, die Prioritäten akzentuiert und gewisse Zwecke statuiert, wie es auch i n vielen Bund-Länder-Abkommen geschieht. I m Gegensatz zu der dritten Form der Planung, die als normative bezeichnet w i r d 7 3 und durch Planungsgesetze detaillierte Regelungen für alle Beteiligten verbindlich festlegt, w i r d durch die influenzierte Planung eine bestimmte Richtung der Entwicklung nach Maßgabe entsprechender Planziele angestrebt. Dieser A r t der bundesstaatlichen Planung ist auch der Rahmenplan nach A r t . 91 a Abs. 3 GG zuzuordnen. Auch die Rahmenpläne statuieren allgemeine Planungsgrundsätze, nennen die Ziele, die auf den entsprechenden Gebieten zu erreichen sind und stellen i n Grundzügen die Maßnahmen fest, die zur Erreichung des Planziels erforderlich sind, während die detaillierte Planung bei den Ländern verbleibt. Sie stellen daher eine modifizierte Form der „planification par influencement" auf bundesstaatlicher Ebene dar. Da das Ausführungsgesetz zu A r t . 91 a GG nur die allgemeinen Grundsätze für das Verfahren bei der Rahmenplanung bestimmen kann, ist der Rahmenplan selbst kein Planungsgesetz, sondern bleibt ein „staatsleitender Gesamtakt" 7 4 auf verfassungsrechtlicher Basis. Die bisherige Praxis staatsleitender Gesamtakte warf eine Fülle verfassungsrechtlicher Fragen auf 7 5 . So erschien es fraglich, inwieweit ein derarti72 Auch A r t . 43 des EGKS-Vertrages spricht von „programmes prévisionnels de caractère indicatif". 73 So Scheuner, a.a.O., S. 85, i m Anschluß an die Einteilung Lamberts. 74 Ä h n l i c h v.Dohnanyi, B u l l e t i n 1970, S. 146: „gemeinsame Rahmenvorstellungen" des Bundes u n d der Länder; Goroncy, DVB1 1970, S. 313: „ b i n dende sachpolitische L e i t l i n i e n " ; Wimmer, DVB1 1970, S. 309: „Gesamtakt als Rechts Vorgang sui generis"; i n vergleichbarem Zusammenhang spricht Oppermann, Kulturverwaltungsrecht (1969), S. 185 von einem „Engagement zu gleichgerichtetem künftigen Handeln i m jeweiligen Herrschaftsbereich der Partner". 75 Hierzu Kölble, Planung I, S. 121; ders. N J W 1966, S. 480; vgl. auch Geiger, Föderalismus i n der Verfassungsordnung der BRD, a.a.O., S. 19, 20, der den Plan i n seiner Wirkungsweise an die Seite der Rechtsnormen stellt u n d Schranken der Planungszuständigkeit des Bundes fordert, damit die Planungen des Bundes nicht Entscheidungen der Länder präjudizieren: „ P l a nungen des Bundes, die sich unvermeidlich dahin auswirken, daß die Länder i n i h r e m Zuständigkeitsbereich die Freiheit der Gestaltung, also die eigenverantwortliche Bestimmung über das Ob u n d Wie einer Regelung oder gesetzesfreien Neuordnung des Lebensbereiches verlieren, bedürfen ihrer M i t w i r k u n g . " Diesem Erfordernis trägt A r t . 91 a GG dadurch Rechnung, daß die Länder an der Beschlußfassung über die Rahmenpläne i n den Planungsausschüssen gleichberechtigt m i t dem B u n d beteiligt werden.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

ger staatsleitender Gesamtakt i m Bereich der nichtgesetzesakzessorischen Verwaltung eine ausreichende Grundlage für den Erlaß von Allgemeinen Verwaltungsvorschriften an die Landesverwaltungen oder für ein „überregionales" Verwaltungshandeln von Bundesministerien bildet. Ferner war umstritten, inwieweit staatsleitende Gesamtakte von Bundesorganen auch Rechtswirkungen gegenüber Landesverwaltungen i m Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder oder sogar auf die Gestaltung der Landeshaushalte haben konnten. Auch die Frage einer Planaufsicht des Bundes war ungeklärt. Sogar eine Verwirklichung des Vorschlags der Troeger-Kommission hätte die meisten dieser Probleme ungeklärt gelassen. Demgegenüber stellt A r t . 91 a Abs. 3 GG ausdrücklich fest, daß die Aufnahme eines Vorhabens i n die Rahmenplanung der Zustimmung des Landes bedarf, i n dessen Gebiet es durchgeführt wird. Das föderale Prinzip der Einstimmigkeit w i r d also verfassungsrechtlich abgesichert. Ferner sind die Rahmenpläne ihrer Rechtsnatur nach ein Staatsinternum ohne Außenwirkung. Daher können aus den i m Rahmenplan vorgesehenen Förderungsarten keine Rechtsansprüche Dritter erwachsen. Es gehört zum Wesen staatsleitender Gesamtakte, daß sie keine unmittelbare Außenwirkung zeitigen, sondern nur innerhalb des Bundes und i n den Rechtsbeziehungen seiner Glieder rechtliche Verbindlichkeit i n beschränktem Umfang entfalten können. Diese staatsinterne Rechtswirkung der Rahmenpläne kommt auch i n dem Verfahren zum Ausdruck, das sich an die Beschlußfassung über die Rahmenpläne anschließt. Der Planungsausschuß leitet den Rahmenplan der Bundesregierung und den Landesregierungen zu, damit sie sich über dessen Inhalt informieren können und für ihre Haushaltsentwürfe entsprechende Vorbereitungen treffen. Die Bundesregierung und die Landesregierungen haben die für die Durchführung des Rahmenplans i m nächsten Jahr erforderlichen Mittelansätze i n die Entwürfe ihrer Haushaltspläne aufzunehmen. Für die Regierungen des Bundes und der Länder statuieren die Gemeinschaftsaufgaben also eine Bindungswirkung, die aus der ratio der verfassungsrechtlichen Normierung dieser staatsleitenden Gesamtakte folgt. Dabei bedeutet die auch i n den Vorschriften der Ausführungsgesetze zum Ausdruck kommende Bindungswirkung, daß die erforderlichen M i t t e l die vom Planungsausschuß beschlossenen M i t t e l sind, damit die Rahmenplanung auch verwirklicht werden kann. Diese Bindung setzt andererseits auch voraus, daß sich die Mitglieder des Planungsausschusses vorher m i t ihren Regierungen abstimmen 76 . Eine unter bundesstaatlichen Aspekten wichtige Einschränkung bedeutet es jedoch, daß die Bindung der Regierungen an die Mittelansätze des Rahmenplans die Haushaltshoheit der Parlamente des Bundes und der Län76

E n t w u r f (BR-Drucks. 689/68), S. 8.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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der nicht beeinträchtigt. Der Bundestag und die Landtage sind nicht gehindert, die Haushaltsentwürfe abzuändern und abweichend von den Vorschlägen der Regierungen über die Haushalte zu beschließen 77 . Werden die Mittelansätze des Rahmenplans von den Änderungen der Parlamente betroffen, so ist über die Rahmenplanung neu abzustimmen und zu beschließen. Dadurch w i r d also gewährleistet, daß die Gewaltenbalance innerhalb des Bundes und der Länder durch die Rahmenplanung nicht tangiert wird. Die sich i n den Rahmenplänen konstituierenden staatsleitenden Gesamtakte entfalten also eine direkte Wirkung nur i n bezug auf die Exekutive der bundesstaatlichen Glieder. Mittelbar folgt jedoch aus dem Sinngehalt des A r t . 91 a GG und dem durch diese Vorschrift implizierten Verfassungsbefehl, daß auch die Länderparlamente ebenso wie der Bundestag bei Vorliegen der verfassungsrechtlich normierten Voraussetzungen von Gemeinschaftsaufgaben die zu ihrer Wahrnehmung erforderlichen Haushaltsmittel nicht grundsätzlich verweigern dürfen. Art. 91 a Abs. 1 stellt insofern eine Konkretisierung des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens dar. Dieses konkurriert i n diesem Fall jedoch m i t der Haushaltshoheit der Parlamente als einem Wesensmerkmal der Staatlichkeit der föderativen Glieder. Daher können die Parlamente sachgerechte Änderungsvorschläge machen und auch Streichungen von Haushaltsansätzen vornehmen. Die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kann niemals die Hoheitsbefugnisse der Parlamente ausschalten und sie an Planungen der Exekutive binden. Denn die Bundestreue kann nicht selbständige verfassungsrechtlich begründete Pflichten und Rechte von Verfassungsorganen derogieren. Sie kann nur die Ausübung dieser Rechte i m Sinne einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung modifizieren, daß „die Glieder des Bundes sowohl einander als auch dem größeren Ganzen und der Bund den Gliedern die Treue halten und sich verständigen" 78 . Daraus folgt für die Kontrollbefugnisse der Parlamente bezüglich der i n den Rahmenplänen festgelegten Haushaltsansätze, daß die i n A r t . 91 a normierte Verpflichtung des bundesstaatlichen Zusammenwirkens beachtet w i r d und „ i m Falle einer Spannungslage zwischen Bundes- und Landesinteressen ein tragbarer Ausgleich" 7 9 zu schaffen ist, damit „das Maß, i n dem sie von 77 E n t w u r f (BR-Drucks. 689/68), S. 8, entsprechend auch die Ausgestaltung des § 8 dieses Ausführungsgesetzes. Unzutreffend demgegenüber die F o r m u lierung des Regierungsentwurfs zum Finanzreformgesetz selbst (Tz 268), daß die Ausführungsgesetze über Gemeinschaftsaufgaben n u r solche G r u n d sätze enthalten könnten, die „die Gesetzgebungsorgane der Länder u n d die Verwaltungen binden." Der hier vertretenen Auffassung entsprechen auch die Beratungen des Rechtsausschusses, vgl. Prot. Nr. 93, S. 5, 6 der 93. Sitzung am 3. 10. 1968. 78

BVerfGE 1, S. 131.

79

BVerfGE 6, S. 362.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

formal bestehenden Kompetenzen Gebrauch machen können, durch gegenseitige Rücksichtnahme bestimmt bleibt" 8 0 . 3. Der Planungsausschuß als verfassungsrechtliches Institut

I m Gegensatz zur Troeger-Kommission, die den Bundesrat als Planungsorgan bei der grundsätzlichen Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgaben einschalten wollte, w i r d i n den Ausführungsgesetzen zu A r t . 91 a GG ein gemeinsamer Planungsausschuß von Bund und Ländern eingerichtet. Dieser ergibt sich als neuartiges verfassungsrechtliches Institut aus A r t . 91 a Abs. 3 Satz 1 GG. Der verfassungsrechtlich institutionalisierte Planungsausschuß bildet das notwendige Gegenstück zu der grundgesetzlichen Regelung der staatsleitenden Gesamtakte i n Form der Rahmenplanung. Das Planungsgremium als gemeinsamer Ausschuß von Bund und Ländern ist das föderative Koordinierungsorgan bundesstaatlicher Planungsprogramme. Die Bundesregierung und die Regierungen der Länder bilden diesen Planungsausschuß aus einer Anzahl ihrer Mitglieder. Die Entscheidungsfunktion des Planungsausschusses setzt voraus, daß sich die i h m angehörenden Minister vorher m i t ihren Regierungen abstimmen. Hier ist also eine ähnliche Stellung der Regierungsmitglieder vorgesehen wie bei derjenigen der Vertreter der Landesregierungen i m Bundesrat zu ihren Landesregierungen. Der Planungsausschuß als eine „Einrichtung für eine gemeinsame Rahmenplanung" (Art. 91 a Abs. 3 Satz 1 GG) t r i f f t i m Anwendungsbereich der Gemeinschaftsaufgaben selbständig Planungsentscheidungen. Dem Planungsausschuß kommt demnach nicht nur eine beratende Funktion zu, wie etwa einem Sachverständigengremium, auch besteht seine Aufgabe nicht darin, Entscheidungen der Regierungen lediglich vorzubereiten 81 . Der Planungsausschuß stellt also die verfassungsrechtlich institutionalisierte Form eines Koordinierungsgremiums dar, wie sie i n der gegenwärtigen Staatspraxis zwischen Bund und Ländern meist i n der Form interministerieller Ausschüsse häufig anzutreffen ist. I m Gegensatz zu den Koordinierungsgremien ist der Planungsausschuß nach A r t . 91 a GG aber m i t verfassungsrechtlich begründeter Entscheidungsbefugnis ausgestattet. Dem Planungsausschuß gehören der für die jeweilige Gemeinschaftsaufgabe zuständige Bundesminister, sowie die entsprechenden Landesminister (Senatoren) an. M i t Rücksicht auf die Organisationsgewalt der Länder können die Ausführungsgesetze zu den Gemeinschaftsaufgaben aber nicht bestimmen, welcher Landesminister (Senator) Mitglied sein soll. Dabei entspricht es der gleichberechtigten Kooperation von Bund und Ländern innerhalb des Planungsausschusses, daß beide Partner über die gleiche Stimmenzahl verfügen. Da jedes 80 81

BVerfGE, 4, S. 140. E n t w u r f (BR-Drucks. 690/68), S. 11.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Land eine Stimme hat, Bund und Länder jedoch die gleiche Stimmenzahl, ergibt sich daraus, daß der Bund bei elf Ländern auch elf Stimmen haben muß. Nach den Ausführungsgesetzen 82 haben die Vertreter der Bundesregierung ihre Stimme einheitlich abzugeben. Das erscheint auch insofern konsequent, als hier der Bund geschlossen als Zentralstaat auftritt, dem nur m i t Rücksicht auf die Parität m i t den Ländern mehrere Stimmen zustehen. Es ist allerdings vorgesehen, daß der Bund nicht zusammen m i t einer Minderheit der Länder Mehrheitsentscheidungen herbeiführen kann. Dementsprechend w i r d die Beschlußfassung an eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder geknüpft. Dadurch ist also gewährleistet, daß der Bund die Mehrheit der Länder nicht majorisieren kann, so daß sich i m Zusammenhang m i t dem Zustimmungserfordernis des Art. 91 a Abs. 3 Satz 2 GG eine doppelte Absicherung der Länder gegen ein unerwünschtes Eindringen i n ihre Kompetenzen ergibt. Der Planungsausschuß soll auch insofern institutionalisiert werden, als er sich eine Geschäftsordnung gibt, die Verfahrensfragen regelt. Demgegenüber soll eine besondere Geschäftsstelle nicht eingerichtet werden, da sich jedes Mitglied des Planungsausschusses auf sein Ministerium stützen kann 8 3 . Eine Sonderregelung enthält § 9 des Entwurfs des Hochschulbauförderungsgesetzes, der eine Zusammenarbeit des Planungsrates mit dem Wissenschaftsrat etabliert. Die Erfahrungen und die Sachkunde dieses Beratungs- und Koordinierungsgremiums sollen durch seine Beteiligung an den Arbeiten des Planungsausschusses nutzbar gemacht werden. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bilden unmittelbare Beratungsgrundlage des Planungsausschusses. Bei beabsichtigten Abweichungen von den Empfehlungen des Wissenschaftsrates besteht demnach eine gesetzliche Verpflichtung, dem Vorsitzenden dieses Gremiums Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es t r i t t hier also eine Verflechtung der Befugnisse eines föderativen Organs, das zum Erlaß staatsleitender Gesamtakte befugt ist, mit den Aufgaben eines Koordinierungsgremiums ein, das aufgrund eines Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern schon bisher zu staatsleitenden Planungen, wenn auch nur indikativer Provenienz, berechtigt war. Der Planungsausschuß als gemeinsamer Ausschuß von Bund und Ländern zur Bewältigung der Gemeinschaftsaufgaben ist i m Gegensatz zum Vorschlag der Troeger-Kommission föderativen Prinzipien angemessen, da es hier zu einer echten gleichberechtigten Zusammenarbeit von Bund und Ländern kommt, an der die Länder nicht i m Rahmen eines Bundesorgans beteiligt werden, sondern ihre gliedstaatlichen Belange i m Zusammenwirken mit dem Bund zur optimalen Koordinierung der Gemeinschaftsaufgaben verfolgen können. 82 83

z. B. § 6 E n t w u r f (BR-Drucks. 689/68). E n t w u r f (BR-Drucks. 690/68), S. 11.

16 Tiemann

242

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG I V . Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben

A r t . 91 a Abs. 1 GG stellt klar, daß die Durchführung des Rahmenplans Aufgabe der Länder ist. Zur Durchführung zählen insbesondere die Detailplanung, die Vergabe der M i t t e l an die Begünstigten, die Erstellung der Schlußabrechnungen sowie die Überwachung der Begünstigten auf Einhaltung der Zuwendungsbedingungen 84 . Somit bleibt grundsätzlich die eigenverantwortliche Verwaltungszuständigkeit der Länder bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben gewahrt. Allerdings sind nach A r t . 91 a Abs. 5 GG die Bundesregierung und der Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten. Dadurch w i r d aber kein besonderes Aufsichtsrecht des Bundes über die Länder statuiert 8 5 . Die Bundesregierung ist ebenso wie der Bundesrat lediglich auf Verlangen über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten. Es findet also keine permanente rechtlich geregelte Aufsicht statt, sondern nur ein Unterrichtungsverlangen i m Ausnahmefall. Ein entscheidender Einbruch i n die Eigenverantwortlichkeit der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Länder kann hierin nicht gesehen werden, da hier ein minus gegenüber der Rechtsaufsicht i n A r t . 84 GG vorliegt. Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben ist also eine ausschließliche Landesangelegenheit m i t dem Vorbehalt potentieller Auskunftsverpflichtung. Der Regierungsentwurf hält die dem Bund damit eingeräumten Möglichkeiten aber für ausreichend, u m auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Länder hinzuwirken, „ w e i l eine planwidrige Verwendung von Bundesmitteln eine Pflichtverletzung der Länder darstellt" 8 6 . Die Ausführungsgesetze zu A r t . 91 a 8 7 differenzieren die Unterrichtungspflicht der Länder dahingehend, daß sowohl eine Unterrichtung über die Durchführung des Rahmenplans als auch eine solche über den allgemeinen Stand der Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen wird. Dadurch soll neben der detaillierten Information über den augenblicklichen Stand der Ausführung des Rahmenplans eine umfassende Orientierung möglich werden 8 8 . Demgegenüber erschien dem Rechtsausschuß des Bundestages 89 bei seinen Beratungen des Regierungsentwurfs der Bundeseinfluß auf die 84

Vgl. Begründung (BR-Drucks. 688/68), S. 13. Begründung zum E n t w u r f des Finanzreformgesetzes, Tz 284. Tz 284. I m übrigen wäre die Verpflichtung der Länder zur Einhaltung der sich aus A r t . 91 a GG ergebenden Befugnisse auch vor dem Bundesverfassungsgericht einklagbar. 87 z. B. § 9 Abs. 2 E n t w u r f (BR-Drucks. 688/68). 88 § 11 des Entwurfs des Hochschulbauförderungsgesetzes (BR-Drucks. 690/ 68) verpflichtet die Landesregierungen außerdem, den Wissenschaftsrat regelmäßig zu unterrichten. 85

88

l.Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben nicht i n ausreichendem Maße gewährleistet. Dafür wurden i m wesentlichen drei Gründe angegeben: Einmal bedeute die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes auch eine Mitverwaltungskompetenz; aus der Konnexität beider Kompetenzen ergebe sich auch die Notwendigkeit einer Richtlinienkompetenz. Zum anderen habe der Bund auf agrarpolitischem Gebiet eine Koordinierungsfunktion, die auch zu einer Richtlinienkompetenz führen müsse. Schließlich ergebe sich auch aus § 64 a RHO das Recht des Bundes, bei der Hingabe von M i t t e l n außerhalb der Bundesverwaltung Auflagen machen zu können und dies teilweise auch zu müssen. Auch hieraus lasse sich eine Richtlinienkompetenz des Bundes ableiten. Vor allem bei den Gemeinschaftsaufgaben unter Nr. 3 des Abs. 1 ergebe sich die Notwendigkeit von Bundesrichtlinien gerade i m Hinblick auf die Strukturmaßnahmen des Europäischen Agrarfonds. Das System dieser Strukturpolitik arbeite m i t einem Präferenzgefälle, das ohne Richtlinien gefährdet würde 0 0 . Dementsprechend beschloß der Bundestag 91 , daß das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgaben Bestimmungen über den Erlaß von allgemeinen Richtlinien zur Durchführung der Rahmenpläne treffen könne. Durch diese Richtlinien sollte der notwendige Umfang zur gleichmäßigen Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben festgelegt werden. Die Richtlinien sollten entsprechend der Rahmenplanung nicht die Einzelheiten regeln, sondern lediglich allgemeine Richtlinien sein 92 . Gegen diese Fassung des A r t . 91 a Abs. 3 durch den Bundestag hat sich der Bundesrat bei der ersten Anrufung des Vermittlungsausschusses m i t der Begründung gewandt 9 3 , daß er dieser über die Rahmenplanung hinausgehenden Richtlinienkompetenz nicht zustimmen könne, weil sie einen einschneidenden und der Sache nach nicht erforderlichen Eingriff i n die Verwaltungshoheit der Länder bedeute. I n der Tat ist dieser Auffassung des Bundesrates insofern zuzustimmen, als diese Richtlinienkompetenz die Eigenverantwortlichkeit der Länder bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben weitgehend aufgehoben und eine verfassungsrechtlich sanktionierte Form der Mischverwaltung eingeführt hätte. Die Folge davon wäre gewesen, daß der Bund sich auch i n Einzelheiten an der Planung und Durchführung von Bauvorhaben beteiligen und entsprechende Planungs- und Aufsichtsbehörden einrichten müßte 9 4 . I n der endgültigen Fassung des Vermittlungsausschusses 95 89

93. Sitzung am 3. 10. 1968, Protokoll Nr. 93, S. 7 f. Rechtsausschuß des BT, 93. Sitzung am 3.10.1968, Protokoll Nr. 93, S. 7 f. Sitzung am 11.12.1968. Vgl. die Bundestagsfassung des A r t . 91a i n B T Drucks. V/3605. 92 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses (Abg. Bayerl) zu Drucks. V/3605, S. 3. 93 BT-Drucks. V/3826. 94 Das betont auch die Begründung des Bundesrates (BT-Drucks. V/3826, S. 4), der auch i n dem A r g u m e n t zuzustimmen sein dürfte, daß eine Richt90

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

taucht das Instrument der Bichtlinienkompetenz, das dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben als gleichberechtigter Koordinierung und eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung zuwidergelaufen wäre, nicht mehr auf. Ebenfalls wurde i n die endgültige Fassung des A r t . 91 a GG der Satz 3 des Abs. 3 des Regierungsentwurfs nicht miteinbezogen, i n dem ausdrücklich festgestellt wurde, daß A r t . 87 Abs. 3 GG bei den Gemeinschaftsaufgaben keine Anwendung finden sollte. Schon der Rechtsausschuß des Bundestages sah diese Bestimmung als überflüssig an 9 6 . Denn A r t . 91 a gibt dem Bund lediglich die Befugnis, die i n Abs. 1 genannten Aufgaben durch Gesetz als Gemeinschaftsaufgaben zu regeln. Soweit der Bund nach A r t . 91 a eine Regelungskompetenz besitzt, kann er daher nicht die Aufgaben auf dem Wege über A r t . 87 Abs. 3 GG i n bundeseigener Verwaltung durch selbständige Bundesoberbehörden oder neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durchführen lassen. Sofern dem Bund aber gleichzeitig auf diesen Gebieten eine Gesetzgebungszuständigkeit nach dem siebenten Abschnitt des Grundgesetzes zusteht, w i r d das Recht aus A r t . 87 Abs. 3 GG durch A r t . 91 a ohnehin nicht berührt 9 7 . Es bedarf daher keines Hinweises, daß Gemeinschaftsaufgaben, die nach der ausdrücklichen Vorschrift des A r t . 91 a Aufgabe der Länder bleiben, nicht über A r t . 87 Abs. 3 GG zu Bundesaufgaben gemacht werden können. V. Art. 91 b im System der Gemeinschaftsaufgaben 1. Die grundgesetzlich verankerte Verwaltungsvereinbarung als Instrument der Gemeinschaftsaufgaben

Durch A r t . 91 b w i r d anerkannt, daß das Grundgesetz schon Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne außerhalb der Modalitäten des Art. 91 a kennt. Dieser traditionelle Begriff der Gemeinschaftsaufgaben w i r d rechtsdeklaratorisch i n der Verfassungsnorm verankert. Allerdings ist nicht ganz einsichtig, warum ein Ausschnitt bewährter bundesstaatlicher Kooperation i m Wege der Ermächtigung zur Bildungsplanung und Forschungsförderung ins Grundgesetz eingeführt wurde, denn der Bund besaß schon bisher einen wesentlichen Teil kulturpolitischer Befugnisse. Auch das Bundesverfassungsgericht 98 hat nur eine Vermutung des Grundgesetzes für die Kulturhoheit der Länder ausgesprochen und ist sich der weitreichenden positivrechtlich gesicherten Kompetenzen des linienkompetenz des Bundes die Qualität der Sachentscheidung k a u m verbessern könnte, da hierfür i n erster L i n i e die größere Orts- u n d Sachnähe maßgebend ist. 95 BT-Drucks. V/3896. 96 Vgl. Bericht des Abg. Reischl (zu BT-Drucks. V/3605). 97 »pz 257. 98 BVerfGE 6, 309.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Bundes durchaus bewußt gewesen. Außer den bedeutsamen kulturellen Grundrechten gab es bereits bisher eine Bundeszuständigkeit für die kulturpolitische Auslandsarbeit und kulturelle Entwicklungshilfe (Art. 73 Nr. 1), den Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung i n das Ausland (Art. 74 Nr. 13), ferner die auf Rahmengesetzgebung eingeengte Zuständigkeit für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films (Art. 75 Nr. 2). Hierzu ist jetzt die sehr wichtige Rahmengesetzgebung des Bundes für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens getreten. Mittelbare Wirkungen hatten schließlich auch die organisatorischen und materiellen Regelungen i m Verhältnis von Staat und Kirche nach A r t . 140 G G " . Eine generelle Zuständigkeit des Bundes für das Bildungswesen kann jedoch m i t Rücksicht auf die grundgesetzliche Vermutung der kulturhoheitlichen Länderkompetenz auch durch A r t . 91 b nicht begründet werden. Es werden nur Teilbereiche des Forschungs- und Bildungsbereiches einer Vereinbarung von Bund und Ländern zugänglich gemacht, wobei die Abkommen hinsichtlich der inhaltlichen Konkretisierung der Materie kaum über das hinausgehen dürfte, was schon bisher Gegenstand der Vereinbarungen von Bund und Ländern war. So konnte der Bund schon bisher sogar als Gesetzgeber nach A r t . 74 Nr. 13 „Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung" fördern. Die Kompetenz zur Forschungsförderung w i r d auch durch A r t . 91 b nicht eingeschränkt. Der Bund kann neben den Vereinbarungen nach A r t . 91 b nach wie vor Gesetze zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung erlassen, deren Ausführung den Ländern obliegen würde. Die Ermächtigung zum Erlaß solcher Gesetze reicht weiter als die vertragliche Abschlußkompetenz des A r t . 91 b, die sich auf bloße Planungsmaßnahmen beschränkt. Bereiche, die dem Bund bisher teilweise verschlossen waren, dürften sich aber durch das weite Gebiet der Bildungsplanung erschließen, die über die Forschungsförderung nach A r t . 74 Nr. 13 und das Hochschulwesen i n A r t . 75 Nr. 1 a sowie 91 a hinausgeht. Die Bildungsplanung erfaßt einmal die Bildungsvermittlung durch unterrichtliche Methoden. So bezieht sie sich auf das gesamte Schulwesen, die Erwachsenenbildung, die Einbeziehung der Massenmedien i n didaktische Bildungsprogramme. Darüber hinaus ist der Bildungsbegriff des A r t . 91 b aber auch auf alle bildungsmäßigen Bereiche zu beziehen, wie Förderung von Bibliotheken, Schrifttum i n jeder A r t sowie vor allem sämtliche Erscheinungsformen der Kunst, die einen bildungsmäßigen Bezug haben, die also i m Gegensatz zur Kunstförderung selbst durch Außenwirkung 99 Z u den k u l t u r e l l e n Bundeskompetenzen siehe Maunz, Die Abgrenzung des Kulturbereichs zwischen dem B u n d u n d den Ländern, i n Festschrift für Gebhard M ü l l e r (1970), S. 257 f.

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Abschn. B : Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

öffentlichkeitsbezogene bildungspolitische Ausstrahlung haben (Kunstausstellungen, Konzerte, Filmveranstaltungen, kunsterzieherische Programme i m weitesten Sinne etc.) Die Bedeutung des A r t . 91 b liegt außer der typischen Form der B i l dungsplanung also vor allem darin, daß durch die grundgesetzliche Neuregelung klargestellt wird, daß Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern an sich zulässig sind, und daß programmatisch die bildungsund wissenschaftspolitischen Befugnisse des Bundes unterstrichen werden, ohne eine Verpflichtung zum Abschluß solcher Vereinbarungen zu schaffen. Aus der Formulierung des A r t . 91 b („der Bildungsplanung") folgt, daß hier i m Gegensatz zu A r t . 91 a („von Aufgaben") der Bund seine Mitwirkungsrechte auf das gesamte Gebiet ausdehnen darf, sofern die Länder einer solchen Vereinbarung zustimmen. Dieses Erfordernis ist ohnehin integrierender Bestandteil des verfassungsrechtlichen Instituts des A r t . 91 b, das als solches weder unmittelbare Rechte noch Pflichten von Bund und Ländern erzeugt noch Außenwirkung gegenüber Dritten zeitigt. Die bundesstaatliche Kooperation ist vielmehr fakultativ: Sie schließt auch nicht andere Formen der Koordinierung von Bund und Ländern auf anderen Bereichen aus, da Art. 91 b keinen numerus clausus der Bund-Länder-Vereinbarungen statuiert. 2. Möglichkeiten einer Institutionalisierung der Bildungsplanung und Forschungsförderung aufgrund Art. 91 b

Da die Intensität der Zusammenarbeit der Disposition von Bund und Ländern unterliegt, ist insbesondere eine Verdichtung der Kooperation durch die beabsichtigte Errichtung eines Bund-Länder-Ausschusses für Bildungsplanung zulässig. Hiermit w i r d eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit durch ein Koordinierungsgremium auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung herbeigeführt, also auf bewährte Formen der Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne zurückgegriffen. Der Ausschuß, der als ständiges Gesprächsforum i n Fragen des B i l dungswesens und der Forschungsförderung vorgesehen ist, erhöht die Effizienz der von A r t . 91 b betroffenen Gemeinschaftsaufgaben. Das Gremium soll lang- und mittelfristige Rahmenpläne ausarbeiten, ein Bildungsbudget erstellen, Sofortprogramme sowie Anregungen auf dem Gebiet der Bildungsforschung ausarbeiten. Die Rahmenplanung als Grundlage bildungspolitischer Maßnahmen ist ein für die Bildungsplanung unerläßliches Instrument. I m Gegensatz zur Rahmenplanung nach A r t . 91 a können die Rahmenpläne der Verwaltungsvereinbarungen aber keine normative Wirkung entfalten, sondern nur Leitlinien einer freiwillig konzertierten Bildungs- und Forschungspolitik sein.

1. Kap.: Die Gemeinsaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Der nur empfehlende Charakter dieser spezifischen Rahmenplanung ordnet sie der indikativen und informativen Planungskategorie zu, die auf Darbietung von Orientierungsdaten und Berichte beschränkt ist. Auch die Aufstellung eines Bildungsbudgets, das die finanzielle Grundlage für eine Gesamtkonzeption der Bildungsplanung darstellt, ist von der Ermächtigung des A r t . 91 b gedeckt, da planerische Maßnahmen erst durch die haushaltsmäßige Absicherung sinnvoll sein können. Da die Haushaltshoheit von Bundestag und Länderparlamenten ohnehin durch eine solche Planung nicht eingeschränkt werden kann, sondern auch die budgetären Vorschläge nur Orientierungshilfen sein können, tauchen verfassungsrechtliche Probleme in diesem Zusammenhang nicht auf. Auch die vorgesehenen Sofortprogramme entsprechen der Konzeption des A r t . 91 b, da sich Bildungsplanung und Forschungsförderung nicht auf theoretische Erörterungen beschränken können. Es müssen daher auch konkrete Einzelprogramme zur schnellen Behebung von Mängeln ermöglicht werden. Obwohl sich A r t . 91 b nur auf die Planung selbst bezieht, ist es Bund und Ländern nicht verwehrt, auch die Modalitäten der Planausführung miteinander abzustimmen, da Planung und Durchführung ineinander greifen. Schließlich ist durchaus auch die Bildungsforschung m i t i n die fakultative Zusammenarbeit nach A r t . 91 b einzubeziehen, da sie als Grundlagenforschung für die B i l dungsplanung deren integrierender Bestandteil ist und eine moderne, an den neuesten bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Bildungsplanung erst sinnvoll gestaltet. Bund und Länder beabsichtigen also durch diese Verfahrensweise, die Möglichkeiten des A r t . 91 b v o l l auszuschöpfen. Der Institutionalisierung i n Gestalt eines gemeinsamen Ausschusses entspricht auch die organisatorische Verfestigung i n Form einer Geschäftsstelle, die dem Bundespräsidialamt angegliedert wird. Somit soll der Ausschuß als bundesstaatliches Bildungsgremium ständig präsent und arbeitsfähig sein. Die gleichberechtigte föderative Zusammenarbeit manifestiert sich auch i m Wechsel des Vorsitzes, der turnusmäßig entweder der Bundesregierung oder einer Landesregierung zusteht. Der Ausschuß hat i m Gegensatz zu den Planungsausschüssen nach A r t . 91 a GG keine verfassungsrechtlich abgesicherte Entscheidungsbefugnis m i t unmittelbarer Bindungswirkung. Er stellt vielmehr ein bloßes Koordinierungsgremium i m Sinne der bisherigen Verfassungspraxis dar. Für die rechtliche Verpflichtung der Länder, sich an die vertraglich übernommenen Bindungen zu halten, gilt deshalb nichts anderes als für die übrigen Verwaltungsabkommen 1 0 0 . Seiner Struktur 100 Hierzu siehe Maunz, B a y V B l 1966, S. 1 ff. (insbes. S. 4 über Rechtswegfragen.) E i n Unterschied zu den bisherigen Verwaltungsabkommen ergibt sich n u r durch die Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Uberprüfung

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

nach ähnelt der Ausschuß dem Deutschen Bildungsrat, dessen Aufgabe darin besteht, Entwürfe von Bedarfs- und Entwicklungsplänen für das Bildungswesen, Empfehlungen für langfristige Planung, Vorschläge für die Struktur des Bildungswesens sowie Berechnungen des Finanzbedarfs zu erarbeiten 1 0 1 . Während der Bildungsrat aber ein unabhängiges Sachverständigengremium ist, das Empfehlungen für die Regierungen von Bund und Ländern erstellt, sind an der Ausschußarbeit die Regierungsmitglieder unmittelbar beteiligt, so daß die erarbeiteten Vorschläge eine erheblich weitergehende faktische Verbindlichkeit für die Planung bundesstaatlicher Bildungsprogramme haben. Wesentlich ist jedoch, daß auch die Bund-Länder-Kommission nach der auf A r t . 91 b basierenden Verwaltungsvereinbarung kein Beschlußkörper sein kann, da es abgesehen von den verfassungsmäßig zugelassenen Planungsausschüssen nach A r t . 91 a m i t ihren beschränkten Möglichkeiten eines für beide Seiten verbindlichen Mehrheitsbeschlusses keine beschlußkompetente Einheit zwischen Bund und Ländern geben darf. Eine solche i m bundesstaatlichen Niemandsland jenseits der grundgesetzlichen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland i n Bund und Länder angesiedelte entscheidungsbefugte Ebene verbietet sich schon m i t Rücksicht auf die Funktion der Parlamente, die nicht durch eine von den Regierungen verbindlich getroffene Planung i n ihren Entscheidungsrechten geschmälert werden können. Eine solche Entwicklung w i r d aber weder durch A r t . 91 b legitimiert, noch ist sie durch die Institutionalisierung einer Bildungskommission eingeleitet worden, die lediglich Grundsätze für die gemeinsame Arbeit erstellen soll, u m eine einheitliche Bildungsund Forschungskonzeption i n nationalem Maßstab zu gewinnen. Auch hier w i r d eine bereits bestehende Form von Gemeinschaftsaufgaben kontinuierlich weiterentwickelt. 3. Der Systemzusammenhang zwischen Art. 91 b und Art. 91 a

Ein systematischer Zusammenhang zwischen A r t . 91 b und A r t . 91 a ist insofern offensichtlich, als beide verfassungsrechtlichen Institute der Gemeinschaftsaufgaben i n einem Abschnitt V I I I a unter dem Titel „Gemeinschaftsaufgaben" zusammengefaßt sind. Dennoch ergibt sich aus der Untersuchung der beiden neuen Grundgesetzvorschriften, daß die Formen der Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a und Art. 91 b völlig verschiedene verfassungsrechtliche Ausgestaltung erfahren haben, so daß es verfehlt wäre, von einem einheitlichen und nur verschieden ausder aufgrund von A r t . 91b geschlossenen Vereinbarungen i m Hinblick auf ihre Übereinstimmung m i t der i n dieser Verfassungsnorm enthaltenen A b schlußkompetenz. 101 Über F u n k t i o n u n d Aufgaben des ebenfalls auf Verwaltungsabkommen beruhenden Deutschen Bildungsrats sieh Grawert, a.a.O., S. 243.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a, b GG

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g e b i l d e t e n verfassungsrechtlichen I n s t i t u t z u s p r e c h e n 1 0 2 . A r t . 91 a schafft e i n e n n e u e n R e c h t s b e g r i f f d e r Gemeinschaftsaufgaben, d e r i n A r t . 91 b ü b e r h a u p t n i c h t a u f t a u c h t . N u r A r t . 91 a e n t h ä l t e i n f ü r das b i s h e r i g e Verfassungsrecht u n d auch d i e V e r f a s s u n g s p r a x i s n e u a r t i g e s I n s t r u m e n t a r i u m f ö d e r a t i v e n Z u s a m m e n w i r k e n s . I n A r t . 91 b h i n g e g e n w i r d eine b e r e i t s seit l a n g e m p r a k t i z i e r t e K o o p e r a t i o n s f o r m g r u n d g e setzlich a n e r k a n n t . D e n n o c h s i n d b e i d e I n s t i t u t e z w e i f e l l o s als echte Gemeinschaftsaufgaben anzusehen; b e i d e s i n d auch i n s o f e r n neu, als sie i m Grundgesetz b i s h e r n i c h t v e r a n k e r t w a r e n . W ä h r e n d sich jedoch die Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 b, w e n n auch n i c h t ganz i n bezug a u f die v o n dieser V e r f a s s u n g s v o r s c h r i f t b e t r o f f e n e n M a t e r i e n , so doch i n d e r F o r m des K o o p e r a t i o n s v o l l z u g s als Gemeinschaftsaufgaben i m b i s h e r i g e n S i n n e bezeichnen lassen, w i r d d u r c h das spezifische Z u s a m m e n w i r k e n v o n B u n d u n d L ä n d e r n i m R a h m e n des A r t . 91 a u n t e r b e s t i m m t e n verfassungsrechtlichen V o r a u s s e t z u n g e n u n d M o d a l i t ä t e n d e r Z u s a m m e n a r b e i t erst d i e I n s t i t u t i o n geschaffen, d i e m a n als Gem e i n s c h a f t s a u f g a b e n i m engeren S i n n e bezeichnen k a n n 1 0 3 . D i e b e i d e I n s t i t u t e verbindenden systemimmanenten Elemente der Gemein102 Der Nachweis eines einheitlichen Instituts der Gemeinschaftsaufgaben ist insbesondere Goroncy, DVB1 1970, S. 310 ff. nicht gelungen. Seine K r i t i k an meinen Ausführungen i n D Ö V 1970, S. 162 geht insofern fehl, als niemand die Einordnung des A r t . 91b i n ein übergeordnetes grundgesetzliches Gemeinschaftsaufgabensystem leugnet, zumal sie sich positivrechtlich durch die Einfügung i n den Abschnitt V i l l a des Grundgesetzes manifestiert. Aus dieser Einordnung u n d auch aus einer Reduzierung auf allen Gemeinschaftsaufgaben i n weitestem Sinne gemeinsame Prinzipien läßt sich aber eine Aussage für das Wesen einer spezifischen Gemeinschaftsaufgabe u n d ihrer E i n ordnung i n das grundgesetzliche System nicht gewinnen. Das Wesen der neuen Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a ist sowohl hinsichtlich des verfassungsrechtlichen „Tatbestandes" als auch der besonderen Planungs- und Exekutionsmndalitäten i n einem v ö l l i g anderen Sinne f i x i e r t als die bloß fakultative Kooperation nach A r t . 91 b, die i m übrigen hinsichtlich ihrer Ausgestaltung v ö l l i g der Disposition der Vertragspartner anheimgestellt ist. Widersprüchlich daher Goroncy, a.a.O., S. 312: „ K a n n es h i e r n a c h . . . als gesichert gelten, daß es sich i n A r t . 91 b GG u m das gleiche verfassungsrechtliche Institut der Gemeinschaftsaufgaben w i e i n A r t . 91 a handelt, so braucht i m Zusammenhang m i t A r t . 91b GG nicht von untypischen oder von Gemeinschaftsauf gaben i m weiteren Sinne gesprochen zu werden. Dies sind e^tbpbrlVhe TJrn Schreibungen für den ohnehin nicht zu übersehenden U m stand, daß die Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91b GG eine andere rechtliche Ausgestaltung aufweisen als die des A r t . 91 a." 103

So auch Seeger, a.a.O., S. 785; Patzig, DVB1 1969, S. 431, 432; Böning, Konstpnzer Blätter für Hochschulfragen, Heft 24 (1969), S. 5 f. (12), für den A r t . 91 b n u r „die Grundlage f ü r vereinbarte (im Gegensatz zu gesetzlichen) Gemeinschaftsaufgaben" bildet. Tiemann, D Ö V 1970, S. 162. Noch erheblich weitergehend Sturm, Beilage Nr. 2/70 zum Bundesanzeiger Nr. 12 (1970). S. 10. (,.Der Finanzreformgesetzgeber hat deshalb neben den Gerne?nschaftsaufgaben(!) durch die Einfügung eines A r t . 91b auch ein kooperatives Zusamm e n w i r k e n von B u n d u n d Ländern bei der Förderung von Einrichtungen u n d Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung vorgesehen.")

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

schaftsaufgaben sind das schon für den bisherigen Begriff der Gemeinschaftsaufgaben konstitutive Zusammenwirken von Bund und Ländern sowie die Gemeinschaftsfinanzierung als Integrationsfaktor bundesstaatlicher Kooperation. Während A r t . 91 a Abs. 1 bei den i n den Nr. 1 bis 3 genannten Sachgebieten von einem „ M i t w i r k e n " des Bundes spricht, w e i l es sich u m Aufgaben der Länder handelt, ist i n A r t . 91 b der Topos „Zusammenwirken" gewählt, weil das Sachgebiet der überregionalen Forschungsförderung sowohl zu den Aufgaben der Länder als auch zu den vom Bund als ungeschriebene Verwaltungskompetenz aus der Natur der Sache i n Anspruch genommenen Aufgaben gehört. Schließlich w i r d die „überregionale Bedeutung" — wenn auch i n unterschiedlichem Sinn — als gemeinsame verfassungsrechtliche Voraussetzung postuliert. Es zeigt sich also, daß i m Rahmen des übergreifenden verfassungsrechtlichen Systems der Gemeinschaftsaufgaben zwei völlig verschiedene grundgesetzliche Institute angesiedelt sind, deren immanente Zwecksetzung zwar nicht unähnlich, deren Koordinierungsmodalitäten jedoch völlig verschieden sind. I n jedem Fall w i r d durch das Gesamtsystem der neuen grundgesetzlichen Gemeinschaftsaufgaben, das sich funktionell i n die beiden Verfassungsinstitute als kompetenzbegründende Kooperationsinstrumente untergliedert, entsprechend den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung, das Wesen aller föderativen Gemeinschaftsaufgaben i n seinen essentiellen Kriterien als planend abgestimmtes Zusammenwirken i m weitesten Sinne bei gemeinschaftlicher Finanzierung definiert. Daraus kann man jedoch nicht den Schluß ziehen, daß sich die beiden verfassungsrechtlichen Institute einem einheitlichen Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben einordnen ließen. Der Verfassungsgeber hat mit der Abschnittsüberschrift „Gemeinschaftsaufgaben" nur einen allgemeinen Oberbegriff für ein teils gesetzlich teils vertraglich begründetes Zusammenwirken von Bund und Ländern geschaffen. I n A r t . 91 a w i r d dann ein spezifischer Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben geschaffen, der die verfassungsrechtliche Definition des Abs. 1 durch den K l a m merzusatz ausdrücklich als solchen bezeichnet. Dieser hinsichtlich seiner Exekutionsmodalitäten ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff w i r d durch das Erfordernis der gemeinsamen Rahmenplanung als integrierendem Bestandteil des Zusammenwirkens sowie die gemeinsame Finanzierung als verfassungsrechtlicher Durchbrechung des A r t . 104 a Abs. 1 GG näher konkretisiert. Neben dieses vom Verfassungsgeber als solches statuierte und begrifflich besonders hervorgehobene Institut der Gemeinschaftsaufgaben t r i t t die grundgesetzliche Anerkennung der Gemeinschaftsaufgaben i m wei-

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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teren Sinne, deren rechtliche Ausgestaltung nicht verfassungsrechtlich fixiert ist, sondern unter weitgefaßten Voraussetzungen der näheren Bestimmung und Ausfüllung durch Bund und Länder anheimgestellt bleibt. Auch die gemeinsamen Kriterien der beiden Verfassungsinstitute, das Zusammenwirken bei Aufgaben von überregionaler Bedeutung sowie die gemeinsame Finanzierung unterscheiden sich wesentlich voneinander: Der Mitwirkungsbegriff des Art. 91 a ist an die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Abs. 1 gebunden und folgt den Rahmenplanungs-, Zustimmungs- und Durchführungsbestimmungen dieser Verfassungsvorschrift, während das fakultative Zusammenwirken aufgrund von A r t . 91 b an die Rechtsform der Vereinbarung gebunden ist und die Intensität der Kooperation zur Disposition von Bund und Ländern steht. Auch die grundgesetzliche Voraussetzung der Bedeutung für die Gesamtheit i n A r t . 91 a und die der überregionalen Bedeutung i n A r t . 91 b ist insofern nicht identisch, als das Merkmal der Bedeutung für die Gesamtheit die objektiven Erfordernisse einer gesamtstaatlichen Bedeutung voraussetzt, während eine überregionale Bedeutung schon dann gegeben sein kann, wenn sie sich nur für zwei oder mehrere Länder ergibt 1 0 4 . I n A r t . 91 a muß außerdem kumulativ das Erfordernis zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erfüllt sein, u m ein potentielles Zusammenwirken von Bund und Ländern auszulösen. Auch dieFinanzeirungsregelung ist insofern verschieden, als die Kostenaufteilung i n A r t . 91 a Abs. 4 verfassungsrechtlich festgelegt ist, während sie nach A r t . 91 b der jeweiligen Vereinbarung überlassen bleibt. Es zeigt sich somit, daß man selbst die verbindenden Elemente der beiden grundgesetzlichen Institute der Gemeinschaftsaufgaben differenziert betrachten muß. 4. Integration und Koordination der Gemeinschaftsaufgaben

Die Kooperation von Bund und Ländern nach Art. 91 a und das Zusammenwirken i m Rahmen des A r t . 91 b sind qualitativ etwas völlig Verschiedenes 105 . Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß der verfassungsrechtliche Begriff der Gemeinschaftsaufgaben und der von i h m umschlossene spezifische Rahmen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern i n A r t . 91 b überhaupt nicht verwendet wird. Daher ist es gerechtfertigt, von zwei verschiedenen Instituten i m übergreifenden Systemzusammenhang grundgesetzlicher Gemeinschaftsaufgaben zu 104 V 105

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Tiemann, D Ö V 1970, S. 162.

Die entgegenstehende Ansicht von Goroncy, DVB1 1970, S. 312, der beide Grundgesetzvorschriften gemeinsamen Auslegungsgrundsätzen unterwerfen w i l l , beruht auf einer Verkennung der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Qualität ihres Zusammenwirkens, der Tragweite u n d B i n d u n g s w i r k u n g ihrer Koonerationsformen sowie ihrer Stellung u n d F u n k t i o n i m System des Grundgesetzes.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschafts aufgaben im GG

sprechen, wobei sich A r t . 91 a als verfassungsrechtliche Grundlage integrierter Gemeinschaftsaufgaben bezeichnen läßt, während man A r t . 91 b als fakultativ koordinierte Gemeinschaftsaufgaben ansprechen kann. Dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 a als Rahmen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei Aufgaben von gesamtstaatlicher Bedeutung ist der staatsrechtliche Begriff der Integration 1 0 6 zuzuordnen, während der begrifflichen Erfassung der vertraglich vereinbarten Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich des A r t . 91 b der ebenfalls i m Staatsrecht angesiedelte Topos der Koordination entspricht 1 0 7 . Bei den Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 a ist die gesamte staatliche Tätigkeit von Bund und Ländern stets auf das Ganze ausgerichtet, der bundesstaatlichen Gesamtordnung zugewandt, wobei sie diese institutionell i n Form der gemeinsamen Rahmenplanung und des Planungsausschusses integriert. Dem entspricht die Notwendigkeit multilateraler bundesstaatlicher Beziehungen i m Bereich des Art. 91 a. Die Mehrseitigkeit der Beziehungen kommt i n der „gemeinsamen Rahmenplanung" (Art. 91 a Abs. 3 Satz 1 GG), der M i t w i r k u n g des Bundes bei der Erfüllung von Aufgaben „der Länder", (Art. 91 a Abs. 1 GG) sowie auch i n der Vorschrift des A r t . 91 a Abs. 3 Satz 2 GG zum Ausdruck, wonach die Aufnahme eines Vorhabens i n die Rahmenplanung der Zustimmung „des Landes" bedarf, in dessen Gebiet es durchgeführt wird. Bei nur zweiseitigen Beziehungen würde der Verfassungsgeber allenfalls von der Zustimmung „des jeweiligen Landes" sprechen und noch eher diesen Punkt gar nicht erwähnen, weil eine bilaterale Rahmenplanung ohne Zustimmung beider Teile kaum denkbar wäre 1 0 8 . I m übrigen folgt aus dem verfassungsrechtlichen Typenbild der Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 a und insbesondere der Definitionsnorm des Abs. 1, die bundesweite Lösungen und allseitige Absprachen sämtlicher Entscheidungsträger voraussetzt, daß alle Länder an der gemeinsamen Planung beteiligt werden müssen, u m verfahrensmäßige Homogenität und volle Integration der Entscheidungsräume zu gewährleisten. Diesem integrierenden Charakter der i n A r t . 91 a enthaltenen Gemeinschaftsaufgaben entspricht die beschränkte Bindungswirkung der m i t Mehr106 z u r „Integration" als staatsrechtlichem Begriff s. Erich Kaufmann, Gesammelte Schriften, Band I I I (Rechtsidee u n d Recht), Göttingen 1960, E i n leitung S . X X X f f . ; Smend, Stichwort „Integrationslehre" Handwörterbuch der Sozialwissenschaften 5. Bd., 1956, S. 299 ff.; ders. Stichwort „Integration", Evangelisches Staatslexikon (1966), Sp. 803 ff.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre (1969), S. 23, 24; Hesse, Die normative K r a f t der Verfassung, 1959, S. 12, 19; Schmidt, a.a.O., S. 275, der den Begriff der Integration zur Kennzeichnung der Wahrung übergreifender Gesamtinteressen durch die Bundesorgane verwendet. 107

Z u m staatsrechtlichen Begriff der „Koordination" s. Maunz, Staatsrecht, S. 190. 108 So auch Goroncy, DVB1 1970, S. 315.

Deutsches

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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heitsbeschluß erstellten Planungen sowie der angesichts der Integrationsintensität notwendige Zustimmungsvorbehalt des betroffenen Landes als eine Modifikation des föderativen Einstimmigkeitsprinzips 1 0 0 und schließlich das Unterrichtungsrecht als Bestandteil partnerschaftlicher Beteiligung. Auch die Gemeinschaftsfinanzierung bildet einen solchen Integrationsfaktor der bundesstaatlichen Kooperation 1 1 0 . Dabei ist das Institut der Gemeinschaftsaufgaben nicht wie die Investitionskompetenz des Bundes i n A r t . 104 a Abs. 4 GG als Zuschußfinanzierung m i t gewissen Ingerenzrechten normiert, sondern als materielle M i t w i r k u n g des Bundes bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder, so daß das entscheidende Integrationsmoment i m Rahmen des A r t . 91 a i n den durch die Mitwirkungskompetenz begründeten substantiellen Mitwirkungsbefugnissen enthalten ist. W i r d somit auf den i n Art. 91 a GG normierten Gebieten das gesamtstaatliche Interesse durch eine spezifische Organisationsform interföderativer Beziehungen integriert, so beschränkt sich Art. 91 b auf eine Ermächtigung zu fakultativer Koordination. Dabei bedingt diese als Gegenteil von Separatismus eine Konzertierung der bundesstaatlichen Glieder und als der einer Subordination konträre Begriff eine partnerschaftliche Gleichordnung. I m Unterschied zu einer integrierten Kooperation kann ein koordiniertes Zusammenwirken nicht zu einer Integration der Erfüllung vertraglich vereinbarter Gemeinschaftsaufgaben führen, sondern nur zu einer Abstimmung institutionell von einander unabhängiger föderativer Organe zur Erreichung der i n A r t . 91 b statuierten Zielsetzungen. Dabei darf sich die Organisation der Zusammenarbeit nicht so weitgehend verselbständigen, daß sie das den staatlichen Organen von Bund und Ländern gemeinsame materielleigenständige Substrat politischer Entscheidungsbefugnis zusammenfaßt. Eine solche integrierende Institutionalisierung w i r d nur von A r t . 91 a als Ausnahme von der föderativen Kompetenzteilung gedeckt, ist sonst jedoch m i t Rücksicht auf den bundesstaatlichen Aufbau und die föderative Gewaltenteilung untersagt. Koordination als bundesstaatliches Prinzip, das schon i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes an vielen Stellen vorausgesetzt wurde und zahlreiche Gemeinschaftsauf109 v g l . Tiemann, DÖV 1970, S. 163,164. Auch der Zustimmungsvorbehalt stellt i n diesem F a l l eine F o r m des Einstimmigkeitsprinzips dar, das sich zwar nicht bei der generellen Beschlußfassung aber bei einer ein bestimmtes L a n d betreffenden Detailplanung als Ausschnitt des Gesamtvorhabens äußert. Bei einer effektiven u n d integrierten F o r m bundesstaatlicher Planung ist eine solche M o d i f i k a t i o n des Einstimmigkeitsprinzips notwendig, während bei zweiseitigen Beziehungen das Zustimmungsproblem nicht auftaucht. Der Zustimmungsvorbehalt stellt bei Integration der Gesamtentscheidung die Einstimmigkeit i n bezug auf das Einzelvorhaben für jedes betroffene L a n d her u n d bringt insofern föderative Prinzipien bei bundesstaatlich integrierten Entscheidungsprozessen zur Geltung. Unzutreffend aber Goroncy, DVB1 1970, S. 316 F N 59. 110

Tiemann, D Ö V 1970, S. 165.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

gaben i m weiteren Sinne ermöglichte, bedeutet demgegenüber gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern als voneinander unabhängigen politischen Entscheidungszentren auf freiwilliger und partnerschaftlicher Basis. Dafür stellt A r t . 91 b m i t der Vereinbarung ein besonders geeignetes M i t t e l zur Verfügung. Die Koordination findet aber dort ihre Grenzen, wo sie i n eine Integration der Bildungs- und Forschungsförderung hinsichtlich Planung und Verwaltung durch eine beschlußkompetente bundesstaatliche Organisationseinheit mündet. Aus dieser verfassungsrechtlichen Struktur des A r t . 91 b folgt, daß dem Bund Durchgriffe auf die Verwaltungsebene und insbesondere eigene verwaltungsmäßige Organisationsformen verwehrt sind. Auch w i r d ein Zusammenwirken von Bund und Ländern, das dem die Verwaltungskompetenz zustehenden Beteiligten keinen Raum für wesentliche ausfüllende Entscheidungen läßt, von A r t . 91 b m i t seiner Beschränkung auf bloße gemeinsame Leitlinienbestimmung und überregionale Grundsatzentscheidung nicht gedeckt 111 . Der Koordinierung ist die Freiheit der Formenwahl angemessen, die sich auf mehr oder weniger bindende Richtlinien beschränken kann, die die Möglichkeit einer Institutionalisierung i n Form eines Sachverständigengremiums oder einer m i t Vertretern von Bund und Ländern besetzten Kommission einschließt, schließlich auch jede andere Form konzertierten Vorgehens von der Vereinbarung bloßer Konsultierung bis zur Festlegung gemeinsam geltender Grundsätze und verbindlich festgesetzter Prioritäten einbeziehen kann. Die Bindungswirkung solcher Koordinierungsmodalitäten zwischen den Beteiligten gilt m i t Rücksicht auf den Entstehungsakt jedoch nur kraft Vereinbarung und nicht wie i n A r t . 91 a kraft Verfassungsnorm. Daher bedürfen Forschungsförderungs- und Bildungsplanungsvereinbarungen auch weiterhin der Umsetzung i n innerstaatliches Recht der Bundesländer, u m Rechtswirkungen besonders gegenüber Dritten zeitigen zu können 1 1 2 . Da die Vereinbarungen nach A r t . 91 b keinen Integrationscharakter haben können, ist es den Vertragspartnern i n jedem Falle verwehrt, einen zum Erlaß staatsleitender Gesamtakte befugten interföderativen Beschlußkörper zu schaffen; sie sind auf ein Beratungsund Koordinierungsgremium indikativer Planungsprovenienz beschränkt 1 1 3 . Während das gesetzlich begründete Zusammenwirken von Bund und Ländern nach A r t . 91 a die Ausfüllung aller integrationsfähigen Be111

So auch Goroncy, DVB1 1970, S. 314. Z u r Rechtsnatur u n d Justiziabilität v o n Vereinbarungen nach A r t . 91b siehe Wimmer, DVB1 1970, S. 309, 310. 113 Zumindest mißverständlich Goroncy, DVB1 1970, S. 314 F N 39, w e n n er die B i l d u n g eines Planungsausschusses w i e nach A r t . 91a durch Vereinbarung für zulässig hält. Siehe andererseits F N 40. 112

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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reiche der von dieser Verfassungsnorm betroffenen Materien voraussetzt, gehört ein multilaterales Bezugssystem nicht begriffsnotwendig zu den koordinierten Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 b. Das fakultative Zusammenwirken ermöglicht Vereinbarungen zwischen dem Bund einerseits und allen oder mehreren Ländern, aber auch einem einzigen Land andererseits. Nur soweit die verfassungsrechtlichen Zielsetzungen des A r t . 91 b entsprechende bundeseinheitliche Einigungen erfordern, ist eine Mehrseitigkeit der Beziehungen unbedingt erforderlich. I m übrigen ist der Grundsatz der Bundestreue als Maßstab für die Beurteilung des vertraglich Möglichen heranzuziehen. So ist der Bund beim Vorliegen sachlicher Erfordernisse verpflichtet, m i t allen betroffenen Ländern gleichwertige Verhandlungen zu führen und ein Zustandekommen mehrseitiger Beziehungen zu fördern. Wenn allerdings ungeachtet entsprechender Bemühungen des Bundes und der Länder keine Einigung zustande kommt, kann die Möglichkeit von Vereinbarungen des Bundes m i t nur einem Teil der Länder 1 1 4 oder von Vereinbarungen unterschiedlichen Inhalts nicht ausgeschlossen werden 1 1 5 . Die Beschränkung auf bloße Koordination bezieht sich auch auf die Finanzierungsregelung, die nach A r t . 91 b Satz 2 der unterschiedlich bestimmbaren Höhe der finanziellen Beteiligung unterliegt. Dabei darf der Grad der jeweiligen Mitwirkungsrechte nicht eine Funktion der Höhe des Kostenanteils sein. Es folgt aus dem koordinationsrechtlichen Begriff des Zusammenwirkens i n A r t . 91 b, daß die partnerschaftliche Beteiligung nicht zugunsten finanzieller Entlastung aufgegeben werden kann. A r t . 91 b als Institut des kooperativen Föderalismus setzt vielmehr Gleichberechtigung der Entscheidungsbefugnisse voraus. Während also bei den Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 a der Gesamtbereich der Kooperation von der Planung bis zur Durchführung und Finanzierung nach Maßgabe des gesamtstaatlichen Interesses i n gesetzlichem Rahmen kraft unmittelbar bindenden Verfassungsauftrags integriert wird, bleibt bei der Koordination des Art. 91 b die föderative Gewaltenteilung v o l l erhalten, da sie sich gerade nicht wie bei Rahmenplanung und Planungsausschüssen i n bundesstaatliche Organisationsformen einordnet. Beim koordinierten Zusammenwirken können daher die eigentümlichen Interessen des Bundes und der Länder i n stärkerem Maße zur Geltung kommen. Während die Integration i n erster Linie auf die bundesstaatliche Gesamtordnung ausgerichtet ist und nicht ein bloß konzertiertes Nebeneinander zentralstaatlicher und gliedstaatlicher Belange anstrebt, sucht die Koordination einen Ausgleich der oft divergierenden Zielsetzungen und Interessenanlagen der föderativen Partial114 115

Vgl. v. Dohnanyi, a.a.O., S. 146. Ebenso Goroncy, DVB1 1970, S. 316.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Ordnungen am Maßstab des verbindenden und übergeordneten Ganzen herbeizuführen. Beide Formen der Gemeinschaftsaufgaben werden nunmehr von der Verfassung als M i t t e l der Intensivierung bundesstaatlicher Kooperation, der Verbindung gemeinsamer Initiativen und Effizienzsteigerung interföderativer Planungen zur Verfügung gestellt.

V I . Die gemeinsame Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben durch B u n d und Länder

Neben der gemeinsamen Planung besteht das Wesen der Gemeinschaftsaufgaben i n ihrer gemeinschaftlichen Finanzierung durch Bund und Länder. Die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Gemeinschaftsaufgaben ist eine notwendige Folge seiner M i t w i r k u n g an der Planung i m Sinne lastenverteilungsmäßiger Prinzipien. Die Bundesregierung 1 1 6 hat i n Art. 91 a Abs. 4 GG für die Gemeinschaftsaufgaben „Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen" und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 und 2) eine feste Beteiligungsquote des Bundes von jeweils der Hälfte der Aufwendungen i n jedem Land festgelegt. Dadurch soll die partnerschaftliche Gleichberechtigung von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung der Gemeinschaftsaufgaben als Kernzone des kooperativen Föderalismus zum Ausdruck gebracht werden. Schon die Bundesregierung hatte bei ihrem Entwurf erwogen, i m Grundgesetz nur zu bestimmen, daß die Festsetzung der Beteiligungsquoten den Bundesgesetzen über die einzelnen Gemeinschaftsaufgaben überlassen werden soll. Diese Lösung hätte den Vorteil gehabt, daß das Beteiligungsverhältnis den jeweiligen Gemeinschaftsaufgaben und auch den Finanz Verhältnissen von Bund und Ländern hätte angepaßt werden können. Auch i m Rechtsausschuß 117 wurde die Ansicht vertreten, daß eine Verfestigung des Beteiligungsverhältnisses den Grundprinzipien einer Verfassung nicht gerecht werde, die nur die verfassungsrechtlichen Grundbeziehungen zu regeln hat, Detailabstimmungen aber Auführungsgesetzen überläßt. Demgegenüber setzte sich die Auffassung durch, daß die Regelung eines festen Beteiligungsverhältnisses die durch die Finanzreform intendierte klare Abgrenzung der Aufgaben und der Finanzverantwortung sichere. Außerdem w i r d die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben von Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über die Beteiligungsquoten freigehalten. 116 V g l . T z 1 0 0 f . , 277 f.; hierzu Sturm, S. 156; Henle, D Ö V 1968, S. 401.

DÖV 1968, S.474; Klein,

D Ö V 1968,

117 101. Sitzung am 28.11.1968, Protokoll Nr. 101, S. 14, 15 (Ausführungen der Abg. Lenz, Busse, Senator Heinsen, Staatssekretär Hettlage).

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG Für die Verbesserung der Agrarstruktur t r i f f t A r t . 91 a Abs. 4 insofern eine Sonderregelung, als hier nur eine Mindestbeteiligung des Bundes i n der Höhe der halben anfallenden Kosten vorgesehen ist. Dies w i r d m i t der erheblichen Kostenlast begründet, die m i t diesem A u f gabengebiet verbunden ist und besonders die finanzschwachen Länder t r i f f t 1 1 8 . Damit konkretisiert die Regierungsvorlage den Grundgedanken des A r t . 106 Abs. 5 GG i n seiner bisherigen Fassung, der zwar einen Mehrbelastungsausgleich zugunsten der Länder i n der gesetzesakzessorischen Verwaltung vorsieht, dem aber gleichzeitig das Prinzip möglichst gleichmäßiger Aufgabenerfüllung i m gesamten Bundesgebiet (Art. 72 Abs. 2 Nr. 3, 106 Abs. 4 Nr. 3GG) und damit die Forderung nach innerer Kontinuität i n der Finanzausstattung aller Länder immanent ist 1 1 9 . Außerdem ist der Bund auch bisher schon bei der Förderung der Landwirtschaft i m größeren Umfang finanziell beteiligt gewesen als die Länder. Die Bundesbeteiligung ist aber auch auf dem Argrarsektor für alle Länder einheitlich zu bemessen, wenn auch innerhalb des i n Abs. 1 Nr. 3 genannten Aufgabenbereichs für verschiedene Maßnahmen verschiedene Hundertsätze gelten können 1 2 0 . Die endgültige Festsetzung der jeweiligen Beteiligungsquote enthält das Ausführungsgesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des K ü stenschutzes". Ebenso werden die Einzelheiten über das Verfahren bei der Kostenbeteiligung, wie Vorauszahlungen, Abrechnungen, Rückzahlung und Verzinsung der Bundesmittel durch die Ausführungsgesetze festgelegt. Diese gehen dabei vom Erstattungsprinzip aus, das dem partnerschaftlichen Zusammenwirken von Bund und Ländern i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben als angemessen angesehen w i r d 1 2 1 . Das bedeutet, daß der Bund den Ländern grundsätzlich seinen A n t e i l an den Förderungsmitteln erst dann gewährt, wenn die i m Rahmenplan festgelegten Maßnahmen durchgeführt sind. Das Land ist also vorleistungspflichtig, wobei sich die durchgeführten Maßnahmen aus den von den Ländern vorzulegenden Endabrechnungen ergeben. Die Erstattungspflicht des Bundes erstreckt sich dann auf alle entsprechend dem Rahmenplan durchgeführten Maßnahmen. Soweit sich die Länder nicht an den Rahmenplan halten, müssen sie etwaige Mehraufwendungen allein tragen. Dies kann vor allem bei eventuell gewünschten zusätzlichen und aufwendigen Maßnahmen der F a l l sein. Die Erstattungsquote bezieht sich dabei nur auf die Istausgaben des Landes. Unter den 118 119

Tz 102, 280. Sturm, DÖV 1968, S. 474 m i t FN. 94.

120 So zutreffend auch Sturm, D Ö V 1968, S. 474. I m übrigen ist durch das Ausführungsgesetz (BR-Drucks. 688/68) dieser Konzeption gefolgt worden. 121 Vgl. E n t w u r f (BR-Drucks. 690/68), S. 13.

1

Tiemann

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Istausgaben sind jedoch nicht die Kosten Dritter und des Begünstigten zu verstehen 122 . Dabei ist der Formulierung i n A r t . 91 a Abs. 4 GG, daß der Bund die Hälfte bzw. mindestens die Hälfte der Ausgaben „ i n jedem Land trägt", bezüglich des Finanzierungsumfangs zu entnehmen, daß sich die Verpflichtung des Bundes auf die Gesamtausgaben von Land und Kommunen bezieht, — da die Gemeinden insofern als i n die Länder integrierte Gebietskörperschaften anzusehen sind 1 2 3 — und nicht nur auf den Betrag, m i t dem sich das Land an den Ausgaben der Gemeinde i m Einzelfall beteiligt. Diese Auslegung ist nicht nur dem Wortlaut der Verfassung zu entnehmen, sondern entspricht auch der Überlegung, daß anderenfalls die Höhe der Bundesleistung von den Zufälligkeiten der Aufgabenabgrenzung zwischen Land und Gemeinden und von den unterschiedlichen Begelungen des jeweiligen kommunalen Finanzausgleichs abhängen 124 . Die Ausführungsgesetze regeln insbesondere auch die Rückzahlung und Verzinsung der Bundesmittel. Da sie aber nur das Verhältnis von Bund und Ländern betreffen, haben die Rückzahlungsbestimmungen keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber dem Zuwendungsempfänger. Falls das die Zuwendung gewährende Land die Bundesmittel bedingungswidrig verwendet hat, muß es den vollen, i n der Zuwendung enthaltenen Bundesanteil erstatten 1 2 5 . Wesentlich ist, daß bei den Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 a GG nur die Zweckausgaben, also keine Verwaltungskosten, erstattet werden. Die Abgrenzung der Zweckausgaben von den Verwaltungsausgaben w i r d sich dabei auf der Grundlage der Neuregelung des Lasten Verteilungsgrundsatzes in A r t . 104 a Abs. 4 GG gestalten müssen, nach dem Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben gesondert tragen. Zur klaren Durchführung dieses Lastenverteilungsprinzips ist es von Bedeutung, daß durch A r t . 91 a GG keine Mischverwaltung statuiert w i r d 1 2 6 , sondern die Ausführung der Gemeinschaftsaufgaben eine aus122

E n t w u r f (BR-Drucks. 689/68), S. 9. Die Gemeinden werden nach dem Staatsaufbau des Grundgesetzes als innere Gliederung des Landes zur Länderseite gerechnet. Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., A r t . 28 Rdnr. 23. 124 So auch Stadler, B a y V B l 1969, S. 299; ebenso die Stellungnahme des Bundesrates zu § 10 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", Anlage 2 zu BT-Drucks. V/4092 u n d zu § 10 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der A g r a r s t r u k t u r u n d des Küstenschutzes", Anlage 2 zu BT-Drucks. V/4090; anderer Ansicht die Bundesregierung, jeweils i n Anlage 3, a.a.O. 125 z. B. § 11 Abs. 2 E n t w u r f (BR-Drucks. 688/68) m i t Begründung, 'S. 14. 126 Vgl. Klein, D Ö V 1968, S. 115,156; Kölble, D Ö V 1967, S. 1 f.; auch der Regierungsentwurf (Tz 274) geht davon aus, daß A r t . 91a keine Mischver123

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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schließliche Landesangelegenheit bleibt. Nach der verfassungsrechtlichen Struktur dieses neueingeführten Instituts ist die klare Trennung der Aufgabenbereiche und die Eigenverantwortlichkeit der Länder bei der Verwaltungsführung gewährleistet, so daß eine Misch Verwaltung insbesondere nach der Eliminierung der Richtlinienkompetenz des Bundes nicht zu befürchten steht. Finanzpolitische Probleme w i r d allerdings die Tatsache verursachen, daß sich der Bund i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nur m i t investitionsmäßigen „Anfinanzierungen" beteiligt, während die Folgekosten bei den Ländern verbleiben und wesentliche Haushaltsmittel langfristig binden 1 2 7 . Verfassungsrechtlich ist aber zu beachten, daß nach A r t . 91 a Abs. 4 Satz 3 der Umfang der Leistungen für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben der haushaltsmäßigen Festsetzung durch die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder vorbehalten bleibt. Der Haushaltsgesetzgeber ist daher rechtlich nicht gezwungen, die sich nach den Rahmenplänen ergebenden Jahresleistungen i n die jeweiligen Haushaltspläne einzustellen. Es bleibt also der Haushaltshoheit der Landesparlamente und ihrer politischen Entscheidung überlassen, ob sie die m i t einer Gemeinschaftsaufgabe verbundenen Folgekosten über eine bloße Investitionsbeteiligung hinaus auf lange Sicht übernehmen wollen. Zwar dürfte der faktische Zwang der i n den Rahmenplänen begründeten Bundesangebote groß genug sein, das Parlament i n den meisten Fällen zur Mittelbewilligung zu veranlassen, die rechtliche Entscheidungsfreiheit bleibt jedoch i n jedem Fall unangetastet und w i r d i n dem Vorschaltverfahren der Beschlußfassung durch den Planungsausschuß doppelt abgesichert. Das gilt i n noch stärkerem Maße für die Finanzierung der gemeinsamen Förderung von Bund und Ländern i m Forschungsbereich. (Art. 91 b GG) Nach Satz 2 dieser Vorschrift w i r d die Aufteilung der Kosten durch Vereinbarung geregelt. Dadurch soll eine der jeweiligen Zusammenarbeit angepaßte Finanzierungsregelung ermöglicht werden 1 2 8 . Durch die freie Vereinbarung der Kostentragung bleibt hier die Entscheidungsfreiheit der Landesexekutiven und die Autonomie der Parlamente i n jedem Fall gewahrt. Es w i r d hier auf bewährte Formen der Kooperation von Bund und Ländern zurückgegriffen, die auch schon als Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne anzusprechen sind und auch in ihren finanzverfassungsrechtlichen Konsequenzen der bundesstaatlichen Struktur des Grundgesetzes und föderalen Prinzipien überhaupt entsprechen. w a l t u n g schafft, da weder Bundesbehörden den Landesbehörden Weisungen erteilten, noch an deren Entscheidungen m i t w i r k e n könnten. 127 Vgl. Seeger, D Ö V 1968, S. 782. Vgl. diese Bedenken i n der E r k l ä r u n g des bayer. Ministerpräsidenten Goppel vor dem Bayer. Landtag am 7.11.1968. 128 Tz 288; vgl. Sturm, DÖV 1968, S. 474. 17*

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG V I I . Die verfassungsrechtliche Problematik der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a und 91 b GG

Die Untersuchung der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a und 91 b GG hat bereits erkennen lassen, daß dieses grundgesetzliche Institut i n der vorgesehenen Fassung die verfassungsrechtlichen Mängel beseitigt hat, die dem Vorschlag des Gutachtens für die Finanzreform anhafteten. Durch das Enumerationsprinzip w i r d der Sicherungsfunktion der Verfassung gegen eine Aushöhlung der Länderstaatlichkeit durch Bundesingerenzen innerhalb des Kernbereichs ihrer Staatsqualität Genüge getan. Durch den Zustimmungsvorbehält jedes Landes gegen die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe i m Bereich seiner Hoheitskompetenzen, sowie durch die gleichberechtigte Beteiligung der Länder an der Rahmenplanung w i r d eine zusätzliche Garantieschranke i n die Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben einbezogen. Angesichts dieser bundesstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Normierung der föderalen Zusammenarbeit sind grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen A r t . 91 a, b GG kaum laut geworden. Da die Gemeinschaftsaufgaben grundgesetzlich institutionalisiert sind, würden sich solche Einwendungen ohnehin nur darauf stützen können, daß durch diese eine Unantastbarkeit des Grundgesetzes berührt w i r d oder stärkere Verfassungsnormen betroffen werden. Solche Bedenken müßten i n diesem Zusammenhang aber sowohl über das Verhältnis der schwächeren zu den stärkeren Verfassungsnormen als auch über das i n A r t . 79 Abs. 3 GG konkretisierte Bundesstaatprinzip zu A r t . 20 GG führen, durch den der Bundesstaat i n den verfassungsrechtlich abgesicherten Raum erhoben w i r d 1 2 9 . Diesbezügliche Vorbehalte werden hinsichtlich der grundgesetzlichen Neuregelung wohl nur von Seeger 130 gemacht, der eine Gefahr darin sieht, daß der Bund durch seine finanzielle Beteiligung die Kompetenzen der Länder an sich ziehen könnte. Er sieht i n den Gemeinschaftsaufgaben i m K e r n zweckgebundene Finanzierungen, die sich trotz gemeinsamer Rahmenplanung dahin auswirkten, daß der Bund an die Hergabe seiner M i t t e l Bedingungen knüpfen könne und dadurch „leitender Financier" werde. Dies habe sich bereits am Beispiel der Wissenschaftsförderung gezeigt. Zwar erkläre der Entwurf des Finanzreformgesetzes den Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen zur Gemeinschaftsaufgabe, der Bund werde sich m i t diesen Kompetenzen jedoch nicht begnügen, sondern auch i n die innere Struktur der Universitäten eingreifen 1 3 1 . Das Gleiche ergebe sich auch aus A r t . 91 b. Diese Vorschrift 129

Maunz, N J W 1968, 2033. a.a.O., S. 781 ff. (S. 784 f.). 131 Vgl. Bundesforschungsminister Stoltenberg i n der Wissenschaftsdebatte des Bundestages a m 7.5.1968 (170. Sitzung V/S. 9085 (B) u n d 9059 (A)): „Die 130

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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greife über die bloße Förderung der wissenschaftlichen Selbstverwaltungsorgane hinaus, da fast jeder wissenschaftlichen Forschung überregionale Bedeutung zugesprochen werden könne und dies eine weitere Handhabe für Eingriffe des Bundes i n die Hochschulverwaltung gebe 132 . Seeger folgert daraus, daß A r t . 91 a und b GG „ dem Bund i m Hochschulwesen den entscheidenden Einfluß verschaffen und den Anfang vom Ende der Landeszuständigkeit für die Hochschulverwaltung bedeuten werde". Gleiches gelte aber auch für die regionale Wirtschaftsförderung und für die Verbesserung der Agrarstruktur: „Auch diese Gemeinschaftsaufgaben sind geeignet, eine Entwicklung voranzutreiben, i n deren Verlauf die Wirtschaftsministerien und die Landwirtschaftsministerien der Länder letztlich zu nachgeordneten Nebenstellen der Bundesministerien werden müssen". Wenn man unterstellt, daß diese Ansicht Seegers zuträfe, so würden die A r t . 91 a und b GG i n der Tat verfassungsrechtlichen Bedenken i m Hinblick auf A r t . 79 Abs. 3 GG begegnen. Da insbesondere die Kulturhoheit, die das Bundesverfassungsgericht 1 3 8 als Wesenselement der Eigenstaatlichkeit der Länder bezeichnet hat, aber auch so wichtige Gebiete wie die Wirtschaftsförderung und die Agrarpolitik i n die ausschließliche Kompetenz des Bundes gerieten und sogar die Landesministerien nur nachgeordnete Stellen der Bundesverwaltung würden, bliebe für eine Sphäre eigenverantwortlicher Gesetzgebungsbefugnisse und Verwaltungshoheit und damit politischer Entscheidungsfreiheit der Länder kaum noch Raum. Denn diese drei Materien und besonders die Kulturhoheit bilden neben der Zuständigkeit für die öffentliche Sicherheit und Ordnung den wesentlichen Tätigkeitsbereich der Landeskompetenzen. Da dann insofern weder eigenständige Gesetzgebung noch Verwaltung der Gliedstaaten möglich wäre, würden die Gemeinschaftsaufgaben i n die gefährliche Nähe eines Umschlags quantitativer Beschränkungen der staatlichen Hoheitsbefugnisse der Länder i n die verfassungswidrige Qualität einer Aushöhlung gliedstaatlicher Eigenständigkeit geraten. Allerdings läuft die darin zum Ausdruck kommende Vorstellung dem Typenbild der A r t . 91 a und b GG i n direkter Weise zuwider. Die Sicherheitskautelen, die i m verfassungsrechtlichen Institut der Gemeinschaftsaufgaben gegen eine Majorisierung der Länder eingebaut sind, und die partnerschaftliche Beteiligung der Gliedstaaten an der Konzeption der Gemeinschaf tsBundesregierung w i r d aus der jetzigen F u n k t i o n des Ratgebers u n d Mäzens heraustreten u n d die Sachentscheidungen über die künftige Gestalt unserer Hochschulen partnerschaftlich u n d i n voller Gleichberechtigung m i t den L ä n dern t r e f f e n . . . Die Planung von Neubau u n d Ausbau ist nicht ohne eine Konzeption für die innere S t r u k t u r der Universitäten m ö g l i c h . . . " 132 Vgl. Seeger, a.a.O., S. 785 unter Hinweis auf Tz 107, nach der die neue Vorschrift es ermögliche, auch „Sonderforschungsbereidie" gemeinsam zu planen u n d zu finanzieren. iss BVerfGE 6, S. 346 f. (S. 361).

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

aufgaben i n jeder Phase ihrer Entwicklung und Planung sichert diese Form bundesstaatlichen Zusammenwirkens gegen eine Entwicklung ab, wie Seeger sie voraussieht. Vor allem aber gewährleistet die grundgesetzliche Bestimmung des A r t . 30 GG, daß die Ausführung der Gemeinschaftsaufgaben allein Sache der Länder bleibt. Allenfalls hätte eine Richtlinienkompetenz des Bundes, die i n der Endfassung des Art. 91 a nicht mehr vorgesehen ist, die Tendenz einer Instrumentalisierung der Landesbehörden i n sich getragen 134 . I m Zusammenhang m i t dem Vetorecht jedes Landes gegen die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe i m eigenen Bereich und der ausschließlichen Landeskompetenz ihrer verwaltungsmäßigen Wahrnehmung ist es nicht einzusehen, wie die Landesministerien i n den Verwaltungszug der Bundesbehörden einbezogen werden könnten. Ferner ist es auch nicht zutreffend, wenn Seeger meint, die Länder würden den wechselnden Bedingungen oder Auflagen des jeweiligen Finanzierungsangebots unterworfen und insofern i n ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Der Planungsausschuß als gleichberechtigtes föderales Organ sichert die Beteiligung der Länder an der Entwicklung der Konzeption einer Gemeinschaftsaufgabe bereits i m frühen Stadium, zumal die Anmeldungen der i n den Rahmenplan einzubeziehenden Sachbereiche von Länderseite ausgehen. Somit regiert also nicht „die Angebotsdiktatur des Bundes" 1 3 5 sondern die partnerschaftliche Abstimmung i n einem spezifischen Verfassungsorgan, i n dem Bund und Länder gemeinsam über Projekte beschließen und der Bund nur m i t einer Mehrheit der Länder seine Vorstellungen durchsetzen kann, wobei er selbst dann an den Zustimmungsvorbehalt des betreffenden Landes gebunden ist. Ebenso unzutreffend ist auch die Ansicht Seegers 136 , daß die Länder bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben aus haushaltsrechtlicher Notwendigkeit unter eine Zweckmäßigkeitsaufsicht gelangen könnten, weil den Bundesbehörden die haushaltsrechtliche Verantwortung für die wirtschaftliche und zweckmäßige Verwendung der Bundesmittel nicht abgenommen werden könne und deshalb die gesamte Investition i n ihre Kontrolle einbezogen werden müsse. Demgegenüber stellt die Begründung zum Finanzreformgesetze n t w u r f 1 3 7 m i t Recht fest, daß sich aus der Zuständigkeit der Länder für die Ausführung der gemeinsam von Bund und Ländern aufgestellten Rahmenpläne ergibt, daß die Rechnungsprüfung für die ordnungsgemäße Verwendung der von Bund und Ländern bereitge134 Vgl. die Bedenken gegen eine Richtlinienkompetenz des Bundes innerhalb der Gemeinschaftsaufgaben bei von der Heydte, Bayer. Landtag, 59. Sitzung am 12.12.1968, Stenographischer Bericht, S. 2756. 135 So aber Seeger, a.a.O., S. 782, nach dessen Ansicht der B u n d auf diesem Wege die bundesstaatliche Ordnung aufrollt. 136 a.a.O., S. 787. 137 V g l T z 2 8 2 S i e h e j e t z t a b e r § 4 5 H G r G > § 93 B H O

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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stellten M i t t e l den Rechnungshöfen der Länder obliegt. Der Bundesrechnungshof kann sich daran nur auf Wunsch des Bundes oder des Landes beteiligen. Durch die gemeinsame Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben w i r d also die klare Zuordnung der Ausgabenverantwortung zu der ihr zugrundeliegenden Aufgabenverantwortung nicht beeinträchtigt. Nach alledem ergibt sich aus der Fassung der A r t . 91a und b GG nicht der geringste Anhalt für eine Einschränkung der Eigenstaatlichkeit der Länder. Das gilt umsomehr, als erst die Deklarierung zur Gemeinschaftsaufgabe konstitutiv für eine M i t w i r k u n g des Bundes wird, während darüber hinaus auch die i n A r t . 91 a Abs. 1 Nr. 1—3 und A r t . 91 b aufgezählten Materien nach Maßgabe ihrer bisherigen Zuordnung der Landeszuständigkeit verbleiben. Das gilt aber i n noch stärkerem Maße für die Aufgaben, die nach A r t . 91 b GG i n einem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern i m Wege frei vereinbarten Zusammenwirkens festgelegt werden sollen. Es ist nicht einzusehen, wieso auf diesem Wege, der schon bisher von Bund und Ländern beschritten und stets als geeignetes Koordinierungsmittel bundesstaatlicher Belange angesehen wurde, nunmehr, da für diese Kooperationsmodalitäten endlich eine verfassungsrechtlich gesicherte Basis geschaffen wurde, eine Beeinträchtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder herbeigeführt werden könnte. Aus dieser verfassungsrechtlichen Würdigung der A r t . 91 a und 91 b GG folgt aber auch, daß die Institution der kommunalen Selbstverwaltung, wie sie i n A r t . 28 Abs. 2 GG garantiert ist, durch die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben nicht beeinträchtigt wird. Selbst wenn man unterstellt, daß A r t . 28 Abs. 2 insofern eine stärkere Verfassungsnorm darstellen würde, so sind doch Selbstverwaltungskompetenzen gemeindeverfassungsrechtlicher A r t nicht unmittelbar berührt. Insbesondere w i r d die Institution der kommunalen Selbstverwaltung nicht dadurch beeinträchtigt, daß bisherige Landesaufgaben jetzt von Bund und Ländern gemeinsam i n Angriff genommen werden. Vor allem die Vorschrift des A r t . 91 a Abs. 3 Satz 2 verhindert, daß der Bund durch sein finanzpolitisches Übergewicht auf dem Umweg über die Länder auch Selbstverwaltungskompetenzen der Gemeinden beschränkt. Denn es kann den Gemeinden nicht gleichgültig sein, wo etwa eine neue wissenschaftliche Hochschule errichtet wird, oder wo durch Ansiedlung von Industriebetrieben sowie durch Aufschließungsmaßnahmen die wirtschaftlichen Strukturbedingungen einer regionalen Zone verbessert werden sollen. Zwar kann es auf die Wirkungsmöglichkeiten der Gemeinden nicht ohne Einfluß bleiben, daß diese i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nicht nur dem jeweiligen Land und seinen aufsichtsrechtlichen und finanzpolitischen Möglichkeiten konfrontiert sind, sondern der konzertierten

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Planung von Bund und Ländern gegenüberstehen. Eine solche politische Gewichtsverlagerung ist zunächst jedoch nicht von rechtlichem Belang, da durch das wechselnde politische Kräftespiel zwischen Land und Kommunen, das schon bisher nach den jeweiligen finanzpolitischen Möglichkeiten gliedstaatlicher Einflußnahme divergierte, die Sicherung eines bestimmten wesentlichen Gehalts der Selbstverwaltung sowohl bezüglich eigenverantwortlicher Verwaltung als auch gegenüber der Gesetzgebung von Bund und Ländern nicht tangiert w i r d 1 3 8 . Dies gilt umso mehr, als der Bund i n keinem Fall i n unmittelbare Rechtsbeziehungen zu den Kommunen tritt, sondern nur an der Erfüllung der Länderaufgaben m i t w i r k t 1 3 9 . Partner des Bundes w i r d bei den Gemeinschaftsaufgaben allein das Land, das auch die Auswahl und die Anmeldung der jeweiligen Vorhaben für die Rahmenplanung allein regelt. Allerdings werden die Gemeinden einer weitgehenden Beschränkung ihrer politischen Wirkungsmöglichkeiten entgegentreten müssen, da der Bund bei der Rahmenplanung entscheidend Einfluß nehmen w i r d i n vielen Fragen, die das Land bisher allein m i t den jeweils betroffenen Gemeinden ausgehandelt hat. Hierbei werden die Gemeinden die rechtlichen Möglichkeiten bezüglich der den Ländern vorbehaltenen Auswahl der Vorhaben und ihrer Anmeldung zum Rahmenplan v o l l ausschöpfen müssen, u m ihre Interessen schon zu einem der bundesstaatlichen Beschlußfassung des Planungsausschusses vorhergehenden Zeitpunkt zur Geltung bringen zu können 1 4 0 . Eine verfassungsrechtlich relevante Einschränkung der Selbstverwaltungsgarantie w i r d durch A r t . 91 a, b GG jedenfalls nicht herbeigeführt 1 4 1 . Insgesamt besteht daher auch i m Schrifttum 1 4 2 die einhellige Auffassung, daß sich das Problem des A r t . 79 Abs. 3 GG und der damit verbundenen Gewährleistung der bundesstaatlichen Struktur sowie das des A r t . 28 GG bei der Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i n der Fassung der A r t . 91 a und b GG nicht stellt, sondern diese „Varianten zu Rechtsformen" sind, „die sich i n mehrjähriger Entwicklung i n 138

Vgl. Tiemann, B a y B g m 1970, S. 62. Somit tauchte insbesondere nicht die verfassungsrechtlich i n t r i k a t e Frage auf, i n w i e w e i t der B u n d überhaupt u n m i t t e l b a r i n den gemeindlichen Selbstverwaltungsbereich vorstoßen darf, oder sich i m Einzelfall der V e r m i t t l u n g der Länder bedienen muß. Z u diesem Problem s. Osseribühl, V e r waltungsvorschriften u n d Grundgesetz, 1968, S. 396 ff. 140 Tiemann, B a y B g m 1970, S. 63. 139

141

So auch Henrichs, a.a.O., S. 76. Maunz, N J W 1968, S. 2033 f.; ders. B a y V B L , S. 162 f.; Sturm, D Ö V 1968, S. 474; Klein, D Ö V 1968, S. 153 f.; ders. B u l l e t i n 1968, Nr. 159, S. 1394; ders. B a y V B L 1967, S. 406, 407; Henle, DÖV 1968, S. 401 spricht sogar davon, daß die Regierungsvorlage eine Lösung bringe, die ebenso elegant w i e realistisch sei, u n d vielleicht als Patentlösung angesprochen zu werden verdiene. Vgl. auch Tiemann, D Ö V 1970, S. 167. 142

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

265

den Beziehungen zwischen Bund und Ländern ausgebildet haben, und die von den Ländern teils hingenommen, teils sogar angestrebt worden sind. Sie sind nicht Verletzungen des bundesstaatlichen Strukturkerns. Vielmehr stellen sie Entfaltungen dar, m i t denen das System des Bundesstaates fortgeführt w i r d " 1 4 3 .

148

Maunz, N J W 1968, S. 2034.

Zweites

Kapitel

Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben in der Neuregelung der Finanzreforin I. Die Abgrenzung der Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern i m Flurbereinigungsabkommen 1. Die Grundlagen eines neuen Instruments der Gemeinschaftsaufgaben

Eine Betrachtung der i n A r t . 91 a und b GG institutionalisierten Gemeinschaftsaufgaben zeigt, daß i n dieser Verfassungsvorschrift nur ein Teilbereich der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern i m Sinne ihrer begrifflichen Erfassung durch die vorliegende Untersuchung für die bisherige Fassung des Grundgesetzes geregelt ist. Die Finanzreformvorschläge der Bundesregierung haben sich aber ebenso wenig wie das Gutachten der Kommission für die Finanzreform darauf beschränkt, nur einen Ausschnitt der schon bisher koordiniert wahrgenommenen gesamtstaatlichen Aufgaben auf neue rechtliche Grundlagen zu stellen. Gemeinschaftsaufgaben finden sich daher auch i n anderen verfassungsrechtlichen Instituten, so wie i n der neu eingeführten Investitionskompetenz des Bundes (Art. 104 a Abs. 4 GG), i n der Einbeziehung eines geringen Teils der Gemeinschaftsaufgaben i n die Erweiterung der Bundesauftragsverwaltung durch A r t . 104 a Abs. 3 GG und vor allem auch i n dem zwar nicht grundgesetzlich vorgesehenen, aber doch zum Bereich der Finanzreform gehörenden sogenannten Flurbereinigungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Klarstellung der jeweiligen Aufgabengebiete und Finanzierungskompetenzen. I n diesen verstreuten Neuregelungen von Gemeinschaftsaufgaben zeigt sich die zweite Ebene bundesstaatlicher Kooperationsformen neben der institutionalisierten Fassung des A r t . 91 a. Von besonderer Bedeutung für eine klare Aufgaben- und Lastenabgrenzung i m Sinne echter Finanzverantwortung erwies sich bei den Bemühungen u m eine Finanzreform die Klarstellung, welche Bereiche der Bundeszuständigkeit unterliegen und welche i n die Landeskompetenz fallen, sowie eine Klärung der Frage, welche Aufgaben gemeinsam zu erfüllen sind. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten und damit vor allem auch der Finanzverantwortung, zeigte sich als notwendig, u m eine

2. Kap. : Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

267

zügige und planmäßige Erfüllung der öffentlichen Aufgaben unter wirkungsvollem Einsatz der öffentlichen M i t t e l zu gewährleisten. Das Gutachten für die Finanzreform 1 hielt dazu ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Vermeidung unfruchtbarer Auseinandersetzungen und unklarer Verantwortungsverhältnisse für ein geeignetes Mittel. Als Ziel proklamierte es die möglichst genaue Klärung der „ungeschriebenen" Finanzierungszuständigkeiten des Bundes, besonders, soweit sie sich aus der „Natur der Sache" oder einer Annexkompetenz herleiteten, die Einordnung der bisherigen Finanzförderungsmaßnahmen, die Klärung der Übernahme neuer Förderungsaufgaben durch den Bund, sowie die M i t w i r k u n g der Landesregierungen bei der Durchführung der Förderungsmaßnahmen des Bundes einschließlich der Mitfinanzierung beim Zusammentreffen von Bundes- und Landeszuständigkeiten i n der gleichen Aufgabe, die i m Rahmen unserer Abhandlung als Gemeinschaftsaufgaben definiert w u r den. Das Finanzreformprogramm der Bundesregierung 2 hat die Fassung des Troeger-Gutachtens i n fast unveränderter Form übernommen. Dabei geht sowohl die Kommission als auch die Bundesregierung davon aus, daß ein solches Abkommen kein neues Verfassungsrecht setzen, also vor allem keine nicht aus dem Grundgesetz ableitbaren neuen Zuständigkeiten begründen kann. Es besteht Einigkeit darüber, daß dadurch deklaratorisch festgelegt werden kann, was nach dem Grundgesetz rechtens ist, und darüber hinaus die Möglichkeit besteht, „ i n zweifelhaften Fällen eine gemeinsame Rechtsauffassung von Bund und Ländern und eine von allen Beteiligten anerkannte Verdeutlichung des ungeschriebenen Verfassungswillens" zu proklamieren 8 . Daß ein solches Interpretationsabkommen, soweit es nur explikativ gemeinsame Rechtsauffassungen zum Ausdruck bringt und nicht konstitutiv die Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes ändern w i l l , keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, hat bereits unsere Analyse dieses Instituts als einer besonderen A r t der Bund-Länder-Abkommen dargelegt. I n dem vom Gutachten und i m Finanzreformprogramm der Bundesregierung vorgelegten Entwurf einer derartigen Verwaltungsvereinbarung w i r d „bewußt die Zuständigkeit des Bundes zur Finanzierung bestimmter Aufgaben i n den M i t t e l p u n k t " 4 gestellt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß sich eine Bundeszuständigkeit notwendig für diejenigen staatlichen Aufgaben ergebe, die nicht regional radizierbar seien und infolgedessen „von den einzelnen Ländern nicht wirksam, oder nicht ohne Eingriff i n die Zuständigkeit eines anderen Landes" wahr1 2 3 4

Tz 81 ff. Finanzbericht 1968, S. 209 f. Gutachten Tz 87. Tz 91.

268

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

genommen werden könnten 5 . Andererseits sei eine Finanzierung durch den Bund dort ausgeschlossen, wo die Aufgabe ihrer Natur nach m i t dem gleichen Wirkungsgrad von den Ländern oder Gemeinden allein wahrgenommen werden könne. Weder die „überregionale Bedeutung" einer Aufgabe allein oder ein „Bundesinteresse" schlechthin begründe eine Finanzierungszuständigkeit des Bundes; diese könne auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Aufgabenerfüllung die einzelnen Länder unterschiedlich belaste, dem Bund oder anderen Ländern zugute komme, oder von i h m oder alternativ auch von ihnen veranlaßt sei 6 . Damit bleibe die Finanzierungszuständigkeit des Bundes auf jene Fälle beschränkt, „ i n denen eine erfolgreiche Wahrnehmung durch die regionalen Aufgabenträger aus zwingenden sachlichen Gründen nicht möglich ist" 7 . Der Entwurf der Vereinbarung gliedert die ungeschriebenen Bundeszustäridigkeiten, die sich oft nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen und vor allem von höchst unterschiedlichem allgemeinen und finanziellen Gewicht sind 8 . 2. Die Verfassungsmäßigkeit der Förderungszuständigkeiten des Bundes

Die erste Gruppe umfaßt die „Gesamtstaatliche Repräsentation", worunter die „Wahrnehmung der Befugnisse und Verpflichtungen, die i m bundesstaatlichen Verband ihrem Wesen nach dem Bund eigentümlich sind" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 W ) verstanden wird. Diese Aufgaben, i n denen „der Gesamtstaat sich selbst, das heißt, seine Existenz, seine Staatshoheit und seine besondere Eigenart zur Darstellung bringt", sowie jene Aufgaben, deren Wahrnehmung „eine einheitliche staatliche Vertretung des deutschen Volkes erfordert" 9 , w i r d man unbedenklich zur Bundeszuständigkeit aus der „Natur der Sache" rechnen können. Nicht ganz so eindeutig ist der zweite Bereich, nämlich die „Nationale Repräsentation", d. h. die „Förderung geschichtlich, wissenschaftlich oder künstlerisch bedeutsamer Einrichtungen und Veranstaltungen, i n denen die Leistungen, die Tradition oder das Ansehen des deutschen Volkes als einer Kulturnation sinnfällig zum Ausdruck kommen". (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 W ) I n diesem Bereich w i r d man nur begrenzt eine Förderungskompetenz des Bundes für zulässig halten können, da sich hier Einbrüche i n die K u l turhoheit der Länder andeuten, die gerade auch die Förderung des gesamtstaatlich bedeutsamen Kulturguts umfaßt, soweit dem Bund nicht eine Sonderkompetenz verliehen ist, wie sie die Zuständigkeit i n A r t . 74 5 6 7 8 9

Tz 83. Tz 83. Tz 84. Vgl. Patzig, D V B L 1966, S. 393; Henle, D Ö V 1968, S. 611. Tz 94.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

269

Abs. 5 GG vorsieht 1 0 . Eindeutig i m Rahmen ungeschriebener Bundeszuständigkeiten hält sich hingegen das Gebiet der „Internationalen A u f gaben" und der „Gesamtdeutschen Aufgaben", worunter bei ersteren die „Pflege der Beziehungen zum Ausland, zu ausländischen Organisationen und Einrichtungen" verstanden w i r d 1 1 , während letztere als „Förderung der Wiedervereinigung und Sorge für die Deutschen aus den nicht zum Geltungsbereich dieses Grundgesetzes gehörenden Gebieten" umschrieben w i r d 1 2 . Offen bleibt hier allerdings, wie sich der Begriff der „Internationalen Angelegenheiten" zu dem der „Auswärtigen Angelegenheiten" verhält, für die dem Bund nach A r t . 32 Abs. 1, 73 Nr. 1 und 87 Abs. 1 GG bereits eine umfassende Kompetenz zukommt. Ferner w i r d i n § 1 Nr. 5 V V als fünfter Bereich die naturwissenschaftliche Großforschung außerhalb der Hochschulen i m Bereich der Kern-, Flugund Weltraumforschung genannt. Für diese sogenannte „big science" läßt sich eine Bundeszuständigkeit aus A r t . 74 Nr. 13 GG herleiten, wobei allerdings verwandte Länderkompetenzen zu beachten sind. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet jedoch die i n § 1 Abs. 1 Nr. 6 W vorgesehene Förderungskompetenz des Bundes für die „Gesamtstaatliche Wirtschaftsförderung". Hierfür w i r d es schon als ausreichend erachtet, wenn die Hilfen für einzelne Wirtschaftszweige „ f ü r die W i r t schaft des Bundesgebietes als Ganzes von Bedeutung sind" 1 3 . M i t dieser Formulierung hält sich der Entwurf der Vereinbarung nicht an die engen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht den ungeschriebenen Bundeskompetenzen gesetzt hat und überschreitet damit die Voraussetzungen für eine reine Auslegungsvereinbarung. Es scheint sich hierin vielmehr die Auffassung der Kommission auszudrücken, daß eine Bundeszuständigkeit aus der „Natur der Sache" immer dann gegeben ist, wenn sich eine staatliche Aufgabe als nicht mehr „regional radizierbar" erweist, wenn sie also von den einzelnen Ländern nicht mehr wirksam wahrgenommen werden kann. M i t solchen allgemeinen Kriterien setzt sich der Entwurf der Verwaltungsvereinbarung aber i n offenen Gegensatz zu der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 14 . Hinzu kommt, daß es zu zahlreichen Überschneidungen m i t A r t . 91 a Abs. 1 Nr. 2 GG käme, da auch für die „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk10 Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine Zuständigkeit des Bundes aus dem Gesichtspunkt der Nationalen Repräsentation abgelehnt. (Vgl. BVerfGE 12, S. 252). Ebenso Liebrecht, D V B L 1967, S. 73. A . A . Patzig, D V B L 1966, S. 393 u n d Kölble, D Ö V 1963, S. 669, ohne allerdings diesem unbestimmbaren Begriff eine konkrete Gestalt verleihen zu können. 11 Vgl. § 1 Nr. 3 W . 12 Vgl. die Definition i n § 1 Nr. 4 W . 13 Vgl. die begriffliche Fassung i n § 1 Nr. 6 W . 14 Vgl. BVerfGE 12, S. 205 (S. 251 f. u n d Leitsatz Nr. 7 b), nach dem jede — auch die finanziell bedingte — Überregionalität einer Aufgabe für die Begründung einer Bundeszuständigkeit ausscheidet.

270

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

t u r " eine „Bedeutung für die Gesamtheit" erforderlich ist. Eine solche Überschneidung widerspricht aber der Verwendbarkeit dieser Formulierung als Rechtsbegriff 15 . Nicht unbedenklich, wenn auch von geringerer Bedeutung, ist der letzte Bereich: Zentrale Organisationen. Eine Bundeszuständigkeit soll hier für die Förderung zentraler Einrichtungen und Veranstaltungen nicht staatlicher Organisationen, deren W i r kungsbereich sich auf das Bundesgebiet als Ganzes erstreckt, anerkannt werden. (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 VV) Dabei soll also eine Finanzierungszuständigkeit des Bundes an die Zufälligkeit geknüpft werden, ob irgendwelche Einrichtungen i m Bundesgebiet eine Zentrale auf Bundesebene haben, und der Gegenstand, m i t dem sich diese Organisationen beschäftigen, soll keine Bedeutung haben. Die Zuständigkeit folgt allein aus dem formalen Organisationsakt. A u f diesem Wege könnte der Bund in erheblichem Maße i n die meisten Landeszuständigkeiten hineinwirken, zumal die Möglichkeit eröffnet würde, zentrale Organisationen nur zur Verwirklichung des Bundeseinflusses zu errichten. Diese durch keine Materie mehr, sondern nur formal begrenzte Zuständigkeit würde von der Rechtsfigur der „Natur der Sache" aber nicht mehr getragen 16 . Über die Regelung der Materien hinaus sind folgende Grundsätze des Entwurfs der Verwaltungsvereinbarung bemerkenswert: Einmal ist es von Bedeutung, daß dem Bund keine „allgemeine Initiativkompetenz" zuerkannt wird, durch Bereitstellung von Mitteln neue Entwicklungen anzuregen. Ein „Selbsteintrittsrecht" des Bundes w i r d auch für jene Fälle verneint, i n denen nach Meinung des Bundes i m Zuständigkeitsbereich eines Landes bestimmte Aufgaben nur unzureichend gefördert werden 1 7 . Ferner unterwerfen sich Bund und Länder bei Zweifeln, ob ein neues beabsichtigtes Vorhaben vom Bund finanziert werden darf, der „gutachtlichen Feststellung einer Schiedskommission, die aus sechs Vertretern der Bundesregierung und je einem Vertreter der elf Landesregierungen besteht und m i t Zweidrittelmehrheit entscheidet". Hier sollen also i m Sinne eines umfassenden bundesfreundlichen Verhaltens föderale Kompetenzstreitigkeiten geschlichtet werden, was insofern unbedenklich ist, als keine Pflicht von Bund und Ländern zur Uneinigkeit und zur Austragung aller Zuständigkeitskonflikte vor dem Bundesverfassungsgericht besteht. Besonders bedeutsam für das Zusammenwirken von Bund und Ländern i m Rahmen von Gemeinschaftsaufgaben i m allgemeinen Sinne ist die Feststellung der Troeger-Kommission 18 , 15 Ä h n l i c h Liebrecht, D V B L 1967, S. 73 i n bezug auf A r t . 85 a K E , wobei er i m übrigen zu Recht darauf hinweist, daß der B u n d eine solche ungeschriebene Kompetenz sachlich überhaupt nicht benötigt, da er sich auf diesem Gebiet über A r t . 87 Abs. 3 i. V. m. A r t . 74 Nr. 11 u n d Nr. 17 GG nicht unbeträchtliche Verwaltungsbefugnisse bereits verschaffen kann. 16 So zutreffend auch Liebrecht, D V B L 1967, S. 73. 17 Tz 107. 18 Tz 116.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

271

daß der Bund die Hergabe seiner M i t t e l nicht von der Bereitstellung von Landesmitteln abhängig machen darf; die Länder dürfen auch nicht in der Form von Interessenquoten herangezogen werden. N u r bei einem Zusammentreffen von Bundes- und Landeszuständigkeiten i n der gleichen Aufgabe w i r d eine Verpflichtung des Sitzlandes zu einer angemessenen, i m einzelnen zu vereinbarenden Beteiligung statuiert (§ 2 Abs. 1 VV). Zu beachten ist hierbei allerdings, daß die Vereinbarung nicht zu einer unzulässigen Mischverwaltung führt, da die Frage, wann und inwieweit eine Landeszuständigkeit gegeben ist, bei der vielgestaltigen Überlagerung der Kompetenzen innerhalb der sieben i n § 1 Abs. 1 aufgezählten Materien nur i n seltenen Fällen eindeutig zu klären ist 1 9 . Immerhin bringt § 2 Abs. 1 insoweit das Prinzip der Gemeinschaftsaufgaben i n dem i n dieser Untersuchung vertretenen Sinne zum Ausdruck, daß sich Bund und Länder — jeder i m Rahmen seiner Zuständigkeit — gemeinsam an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben von gesamtstaatlicher Bedeutung beteiligen. Neben diese finanzielle Koordinierung t r i t t auch noch eine verwaltungsmäßige, die sich darin ausdrückt, daß die Länder dem Bund Verwaltungshilfe bei der Durchführung dieser Gemeinschaftsaufgaben leisten. A u f Wunsch der Bundesregierung übernimmt das Sitzland für den Bund den verwaltungstechnischen und kassenmäßigen Vollzug der Aufgaben und die Überwachung der bestimmungsmäßigen Verwendung der Bundesmittel (§ 2 Abs. 2 VV). Es t r i t t hier also neben die gemeinsame Finanzierung als zweites Element der Gemeinschaftsaufgaben das verwaltungsmäßige Zusammenwirken. Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken, denen einzelne Materien der Verwaltungsvereinbarung begegnen, stellt diese i n ihrer Grundkonzeption ein typisches Instrument der Gemeinschaftsaufgaben dar und bestätigt i n ihrer Ausgestaltung die begriffliche Erfassung dieser bundesstaatlichen Kooperationsformen durch die vorliegende Untersuchung. Die Verwaltungsvereinbarung soll die koordinierte und eigenverantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben bundesstaatlichen Ausmaßes unter verwaltungsmäßigem und finanziellem Zusammenwirken ermöglichen und auf eine rechtlich gesicherte Grundlage stellen.

II. Die Neuregelung von Lastenverteilungsgrundsatz und Auftragsverwaltung als Teilbereiche von Gemeinschaftsaufgaben 1. Die Klarstellung des Lastenverteilungsgrundsatzes

Die verfassungsrechtliche Neuregelung des Lastenverteilungsgrundsatzes bedeutet zwar nicht an sich die Normierung einer Gemeinschaftsaufgabe, sie bildet jedoch die entscheidende Grundlage für alle finan19

Vgl. die Bedenken bei Liebrecht,

D V B L 1967, S. 73.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

ziell koordinierten Gemeinschaftsaufgaben. Insofern besteht eine Parallele zu dem Stabilitätsgesetz von 1967, durch das das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Verfassungsprinzip erhoben wurde, dem sich die Haushaltswirtschaften von Bund und Ländern i n koordinierter Zuordnung unterordnen müssen. Das Stabilitätsgesetz bringt also ebenso wie das verfassungsrechtlich verankerte Lastenverteilungsprinzip die grundgesetzlich normierte Richtlinie zum Ausdruck, nach der sich alle Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, soweit sie finanzrechtlich von Bedeutung sind, auszurichten haben. Der Lastenverteilungsgrundsatz bildet daher eine entscheidende Grundlage für den weitaus größten Teil aller Gemeinschaftsaufgaben, die sich nicht nur auf verwaltungsund planungsmäßige Koordination beschränken, sondern als alternatives oder kumulatives Element die gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern einbeziehen. A r t . 104 a Abs. 1 GG normiert den auch bisher schon i n A r t . 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG a. F. niedergelegten allgemeinen Lasten Verteilungsgrundsatz, wonach Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Einschränkung des Abs. 1 „soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt" stellt klar, daß Sonderregelungen des Grundgesetzes nicht betroffen werden. Unberührt bleibt daher ebenso wie bisher der A r t . 120 GG. Die weitere Fassung gegenüber dem jetzigen A r t . 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG ist gewählt worden, w e i l A r t . 91 a Abs. 4 GG und A r t . 104 a Abs. 3 GG Ergänzungen dieses allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes enthalten 2 0 . A r t . 104 a Abs. 1 stellt also noch einmal ausdrücklich klar, daß die Aufgabenverantwortung die Grundlage für die sich aus ihr ergebende Ausgabenverantwortung bildet. I n Abs. 2 des A r t . 104 a GG w i r d die Frage geklärt, wer die Kosten trägt, wenn die Länder i m Auftrag des Bundes handeln. I n A r t . 104 a kommt die grundgesetzliche Anerkennung des Veranlassungsprinzips zum Ausdruck, da der Bund die Kosten für die Auftragsverwaltung übernimmt. Das folgt daraus, daß der Bund den obersten Landesbehörden gegenüber weisungsbefugt ist und dadurch auch auf die Verwaltungsführung Einfluß nimmt und sich die i n Zusammenhang m i t A r t . 85 i. V. m. A r t . 87 b Abs. 2, 87 c, 87 d Abs. 2, 90 Abs. 2, 120 a Abs. 2 GG anfallenden Aufgaben materiell als Angelegenheiten des Bundes darstellen. Ob daraus i m Wege eines Umkehrschlusses gefolgert werden kann, daß die Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten gemäß A r t . 83, 84 GG stets die Zweckausgaben zu tragen haben 21 , erscheint sehr zweifelhaft, da gerade A r t . 20 21

Vgl. Regierungsentwurf Tz 289; Gutachten Tz 198 ff. (Tz 201).

So aber die Ansicht, die dem Regierungsentwurf (Tz 290) u n d dem G u t achten (Tz 204) zugrunde liegt. Die Formulierung des A r t . 104 a G G läßt zumindest keinen eindeutigen Schluß von der Verwaltungskompetenz auf die

2. Kap.:

emeinschaftsaufgaben

273

104 a klarstellt, daß die Ausgabenver antwortung der A u f gaben Verantwortung folgt, daß also die Kosten demjenigen zugeordnet werden müssen, der für ihre Verursachung die Verantwortung trägt. Die Bestimmung des A r t . 104 a Abs. 2 GG gilt aber nicht nur für die Fälle, i n denen die Länder Bundesgesetze i n Auftragsverwaltung ausführen, sondern auch dann, wenn sie unmittelbar kraft grundgesetzlicher Vorschrift i m Auftrage des Bundes tätig werden (z. B. A r t . 90 Abs. 2 GG) 2 2 . Daß diese Regelung jedoch nur die Zweckausgaben, nicht auch die Kosten des Verwaltungspersonals und der Verwaltungseinrichtungen, die sogenannten Verwaltungskosten also, betrifft, ergibt sich aus A r t . 104 a Abs. 5 GG. Nach dieser Vorschrift tragen Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben. Es w i r d hier also für eine Gruppe von Kosten der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz konkretisiert. Die Verwaltungsausgaben werden dabei dem Träger der Verwaltung auferlegt. Es gehört zu den Aufgaben und Verpflichtungen jeder Gebietskörperschaft „für die notwendige personelle Ausstattung und die technischen Einrichtungen zur Erfüllung ihrer A u f gaben zu sorgen, die entsprechende Organisation zu unterhalten und die damit verbundenen persönlichen und sächlichen Kosten zu tragen" 2 3 . Das gilt sowohl für die landeseigene Ausführung der Bundesgesetze, als auch für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben, für die A r t . 91 a Abs. 4 GG nur eine Bundesbeteiligung an den Zweckausgaben, nicht aber an den Verwaltungskosten ermöglicht. Das Gleiche gilt aber auch für die Auftragsverwaltung, da trotz des Weisungsrechts des Bundes die Ausführungsbehörden Einrichtungen der Länder bleiben, ebenso wie die Ausführungsorgane nach wie vor der Personalhoheit der Länder unterstehen. Die Bundesauftragsverwaltung beläßt also „einen wesentlichen Teil der Verantwortung für die ordnungsmäßige Ausführung i n der Landesebene" 24 . Von daher erscheint es gerechtfertigt, bei einer klaren Gliederung der Finanzverantwortung die Lastentragung des Bundes auch bei der Auftragsverwaltung auf die Sachaufwendungen zu beschränken. Allerdings ergeben sich in der Praxis vielfach Schwierigkeiten bei der begrifflichen Abgrenzung der Verwaltungsausgaben von den Zweckausgaben. So ist z. B. bei der Wahrnehmung von Bauaufgaben des Bundes durch die Länder i n Auftragsverwaltung die Zuordnung der Baunebenkosten zu den Verwaltungskosten oder zu den Sachausgaben kaum eindeutig vorzunehmen 25 . Zur Regelung solcher EinzelFinanzierungsverantwortung zu, da sie insofern nichts an dem Grundsatz des A r t . 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG ändert. 22 Regierungsentwurf Tz 291. 23 Gutachten Tz 211; vgl. Sturm, D Ö V 1968, S. 475. 24 Gutachten Tz 211; vgl. Patzig, D V B L 1966, S.394; Henle, D Ö V 1968, S. 400, 401. 25 Vgl. die Beispiele i n E n t w u r f Tz 283, Gutachten Tz 212 f. 18 Tiemann

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

fragen ist ein Bundesgesetz vorgesehen, i n dem m i t Zustimmung des Bundesrates einzelne Abgrenzungsfragen geklärt werden (Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG). 2. Die Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung

Obwohl die Untersuchung der Bundesauftragsverwaltung i n ihrer jetzigen Fassung gezeigt hat, daß i n diesem Rahmen Gemeinschaftsaufgaben nur i n geringen Ansätzen zu finden sind (bei A r t . 85 Abs. 2 Satz 2 und 3), hat die erfolgte Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung für den Gegenstand unserer Untersuchung eine weitergehende Bedeutung, weil durch die Neuregelung auch solche Materien i n Bundesauftragsverwaltung übernommen wurden, die bisher i n gleichberechtigter Koordinierung, und somit als Gemeinschaftsaufgaben gemeinsam von Bund und Ländern wahrgenommen wurden. Dabei ist die endgültige Fassung der Erweiterung der Bundesauftragsverwaltung zwischen Bundesregierung und Bundestag einerseits und dem Bundesrat auf der anderen Seite lange umstritten gewesen. Die Bundesregierung hatte i m Anschluß an den Vorschlag der Kommission 2 6 die Formulierung eines A r t . 87 e vorgeschlagen, nach dem Bundesgesetze über die Gewährung von Geldleistungen, deren Empfänger, Voraussetzungen und Höhe eindeutig festgelegt sind, m i t Zustimmung des Bundesrats bestimmen können, daß sie von den Ländern i m Auftrage des Bundes ausgeführt werden. Dem lag die Auffassung zugrunde, daß die Anwendung des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes i n diesen Fällen zu Folgen führen würde, die nicht allgemein gerechtfertigt seien. Schon i n der Vergangenheit sei deshalb der Grundsatz ganz oder zum Teil durchbrochen worden. So trage der Bund die durch das Sparprämiengesetz entstehenden Kosten allein, während die Kosten des Wohnungsbauprämiengesetzes vom Bund und den Ländern je zur Hälfte getragen würden 2 7 . Es w i r d hier also das Bedürfnis erkannt, die aufgrund eines Bundesgesetzes gemeinsam finanzierten Gemeinschaftsaufgaben mit dem Lastenverteilungsgrundsatz i n Einklang zu bringen. Nach der Lastenverteilungsregel, wie sie m i t der Finanzreform angestrebt wird, kann der Bund jedoch die Zweckausgaben für die Ausführung solcher Gesetze i n verfassungsrechtlich eindeutigem Sinne nur übernehmen, wenn sie i n Bundesauftragsverwaltung oder in bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden. Da für die Durchführung von Geldleistungsgesetzen i n Auftragsverwaltung zur Zeit aber keine verfassungsrechtliche Möglichkeit bestand, hält die Bundesregierung i n Übereinstimmung mit der Troeger-Kommission eine entsprechende Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung für erforderlich. Dadurch soll die Möglichkeit ge28 27

Gutachten A r t . 90 a K E Tz 126. E n t w u r f Tz 125.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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schaffen werden, daß Geldleistungsgesetze, i n denen die Leistungen nach Empfänger, Voraussetzung und Höhe eindeutig bestimmt sind, i m Auftrag des Bundes ausgeführt und damit v o l l vom Bund finanziert werden können. Damit w i r d zwar die bisherige starre Abgrenzung des Grundgesetzes aufgegeben, wonach die Verwaltung i m Auftrage des Bundes nur i n ganz bestimmten, i m Grundsatz aufgezählten Aufgabenbereichen vorgesehen oder zugelassen ist, aber da nach A r t . 87 Abs. 3 GG sogar die bundeseigene Verwaltung bei Bedarf ohne Verfassungsänderung durch Bundesgesetz erweitert werden kann, bestehen keine Bedenken, eine entsprechende Möglichkeit i n geeigneten Fällen auch für die mildere Form der Bundesauftragsverwaltung einzuführen, die weniger tief i n die Aufgaben der Länder eingreift als die Übernahme einer Aufgabe i n bundeseigener Verwaltung 2 8 . Die Auftragsverwaltung w i r d für diese bestimmte Kategorie gesetzlicher Regelungen deshalb als die geeignetste Form der Gesetzesdurchführung angesehen, weil diesen Gesetzen eigen ist, daß sie nach ihrem Inhalt für ein Verwaltungsermessen der Länder keinen wesentlichen Raum belassen. Sie legen die Einzelheiten der Gesetzesdurchführung so genau fest, daß die Entscheidung für den Einzelfall i m Grunde bereits durch das Gesetz getroffen ist. Die Ausführungshandlungen der Länder beschränken sich damit auf den wortgetreuen und gebundenen Vollzug dieser Gesetze 29 . Der Beschluß des Bundesgesetzgebers über die Einführung der Bundesauftragsverwaltung würde bei dieser Fassung nach A r t . 104 a GG automatisch zugleich darüber entscheiden, daß der Bund die Zweckausgaben trägt. Dem Bund wäre auch die Möglichkeit gegeben, durch den Erlaß von Geldleistungsgesetzen, deren Empfänger, Voraussetzung und Höhe eindeutig festgelegt sind, selbst die Voraussetzungen für eine Bundesauftragsverwaltung zu schaffen. Daher hat sich der Bundesrat 3 0 gegen diese Formulierung gewandt und auch die Begründung angefügt, daß nach A r t . 87 e der Regierungsvorlage der Bundesgesetzgeber ohne Zustimmung des Bundesrats Geldleistungsgesetze erlassen kann, die von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt werden müssen m i t der Folge, daß diese dann nach A r t . 104 a Abs. 1 die Zweckausgaben tragen. Demgegenüber sieht die Bundesratsfassung die Zustimmung des Bundesrats bei Geldleistungsgesetzen i n allen Fällen vor, wenn sie nicht nach A r t . 87 ff. GG i n bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden. Es soll auch keine automatische Bundesauftragsverwaltung bei 28

E n t w u r f Tz 126. Unter diese Kategorie der sog. „Inspektorengesetze", bei denen die typischen Merkmale der Wahrnehmung einer landeseigenen Aufgabe durch die gesetzliche Regelung weitgehend ausgeschaltet ist, fallen u.a. z.B. das Sparprämiengesetz ( B G B L I, S. 93), das Wohnungsbauprämiengesetz ( B G B L I, S. 713), das Wohngeldgesetz (BGBL I, S. 177). 30 BT-Drucks. V/2861, Anlage 2 zu § 2. 29

18*

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

diesen Materien eingeführt, sondern nur die Möglichkeit einer solchen Regelung eröffnet werden. Eine unter anderen Gesichtspunkten elastischere Regelung als der Vorschlag der Bundesregierung hielt demgegenüber der Rechtsausschuß81 des Deutschen Bundestages für notwendig, dessen Vorschlag dem Beschluß des Bundestages vom 11.12.1968 32 zugrundelag. Der Ausschuß hielt es entgegen der Regierungsvorlage nicht für zweckmäßig, i n A r t . 87 e eine starre Regelung dahingehend einzuführen, daß alle Geldleistungsgesetze entweder vom Bund oder von den Ländern v o l l finanziert werden müssen. Er glaubte vielmehr, daß hier entsprechend der bewährten Praxis der Vergangenheit auch eine gemeinschaftliche Finanzierung ermöglicht werden sollte. Ebenso wie das Wohnungsbauprämiengesetz, das Bundesentschädigungsgesetz oder das Wohngeldgesetz bisher gemeinsam von Bund und Ländern finanziert wurden, hielt der Rechtsausschuß eine entsprechende Regelung auch i m Grundgesetz für adäquat, die er aus verfassungssystematischen Gründen i n einen A r t . 104 a Abs. 2 a bzw. 3 einfügen wollte. Nach dieser Fassung sollten Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, bestimmen können, „daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund mehr als die Hälfte der Ausgaben trägt, w i r d es i m Auftrag des Bundes durchgeführt. Das Gesetz bedarf i n diesem Falle der Zustimmung des Bundesrates" 33 . M i t dieser Formulierung, die auch eine gemeinsame Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne ermöglicht, glaubte der Rechtsausschuß am ehesten dem die Finanzreform beherrschenden Grundsatz des kooperativen Föderalismus gerecht werden zu können 3 4 . Dabei wurde besonders an ein Gesetz zur Regelung der Ausbildungsförderung gedacht. I n diesem Bereich haben Bund und Länder bereits heute die Förderungsmittel nach dem Honnefer Modell, das i n das Ausbildungsförderungsgesetz eingehen wird, je zur Hälfte aufgebracht. Eine flexible Regelung soll es ermöglichen, diesen wichtigen Bereich wie bisher durch gemeinsame Finanzierung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern fortführen zu können. Demgegenüber ist der Bundesrat i n seiner ersten Anrufung des Vermittlungsausschusses 35 zu seiner Formulierung zurückgekehrt, daß Bundesgesetze über die Gewährung von 31

Vgl. BT-Drucks. V/3605, S. 7. Vgl. BR-Drucks. 14/69, S. 2. 33 Vgl. BR-Drucks. 14/69, S. 2. 34 Vgl. die Beratungen des Rechtsausschusses, 85. Sitzung, am 21. 6.1968, Protokoll Nr. 85, S. 12 f., Ausführungen der Abg. Bayerl, Reischl; 92. Sitzung am 2.10.1968, Protokoll Nr. 92, S. 6; schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Berichterstatter Abg. Reischl), BT-Drucks. V/3605, S. 6; s. zum Ganzen ferner Maunz, N J W 1968, S. 2035, m i t Formulierungsvorschlag; Sturm, DÖV 1968, S. 474, 475; Patzig, D V B L 1966, S. 394. 35 BT-Drucks. V/3826, S. 4. 32

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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Geldleistungen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Das Gesetz soll bestimmen können, daß der Bund die Geldleistungen trägt; i n diesem Fall w i r d es dann i m Auftrag des Bundes ausgeführt. Die vom Bundestag verabschiedete Fassung, nach der Geldleistungsgesetze auch gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden können, lehnte der Bundesrat m i t der Begründung ab, daß eine solche Regelung dem erklärten Ziel der Finanzreform widerspreche, die Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern klar abzugrenzen. Demgegenüber hat die endgültige Fassung des Vermittlungsausschusses folgenden Wortlaut: „Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, w i r d es i m Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt das Gesetz, daß die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen, so bedarf es der Zustimmung des Bundesrates" (Art. 104 a Abs. 3) 36 . Der Vermittlungsausschuß hat also gegenüber dem Begehren des Bundesrats, eine gemeinschaftliche Finanzierung von Geldleistungsgesetzen, wie sie bisher vielfach vorgenommen wurde, gänzlich zu beseitigen und außerdem die Zustimmungsbedürftigkeit auf sämtliche Geldleistungsgesetze auszudehnen, die Bundestagsfassung aufrechterhalten, die neben der Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Finanzierung vor allem auch eine Ausdehnung der Bundesauftragsverwaltung bei Geldleistungsgesetzen vorsieht. Der Vermittlungsausschuß hat dem Anliegen des Bundesrats jedoch insofern Rechnung getragen, als Geldleistungsgesetze dann zustimmungsbedürftig sein sollen, wenn die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen 8 7 . Es ist damit also gewährleistet, daß der Bund die Länder nicht einseitig m i t der Tragung der Zweckausgaben belasten kann, sobald die Viertelgrenze überschritten wird. Außerdem ist eine feste Grenze eingeführt, die eine Auftragsverwaltung des Bundes bew i r k t , so daß diese nur bei einer sehr wesentlichen Bundesquote eingeführt wird. Als Grundsatz gilt aber, daß Bund und Länder die Geldleistungsgesetze gemeinsam finanzieren können. Aus dem Normzweck des A r t . 104 a Abs. 3 folgt auch, daß der Satz 1 weit zu interpretieren ist: Nicht nur i m wortgetreuen Vollzug des Gesetzes zu gewährleistende Geldleistungen, sondern ganz allgemein alle Zahlungen an einen berechtigten Empfänger, (wie z.B. Renten, Entschädigungsbeträge, Beihilfen, Unterstützungen, Darlehen) fallen darunter, auch wenn der Verwaltungsbehörde bei der Gewährleistung ein 36 Vgl. Bericht über die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses nach A r t . 77 GG, BT-Drucks. V/3869, S. 3. 37 Vgl. Abg. Reischl (Berichterstatter) Deutscher Bundestag, 222. Sitzung, am 20. 3.1969, Stenographisches Protokoll, S. 1257 C u n d D.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Beurteilungsspielraum oder sogar ein gewisser Ermessensspielraum verbleibt, so daß auch solche Gesetze, die Geldleistungen gewähren, aber keinen Hechtsgrund vorsehen, als Geldleistungsgesetze nach A r t . 104 a GG angesehen werden 3 8 . Obwohl das Geldleistungsgesetz i n erster Linie für private Empfänger konzipiert ist, können auch öffentliche Gebietskörperschaften als anspruchsberechtigter Adressat betroffen sein, sofern sie die Voraussetzungen eines Geldleistungsgesetzes wie ein privater Empfänger erfüllen. Solche Gesetze, die Geldleistungen an Länder und Gemeinden i n ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger vorsehen, fallen naturgemäß nicht unter A r t . 104 a Abs. 3 GG, sonder gehören i n den Bereich des Finanzausgleichs der Gebietskörperschaften untereinander und unterliegen der speziellen Regelung der A r t . 106, 107 Abs. 2 GG. Das schließt jedoch nicht aus, daß z. B. gemeindliche Versorgungsbetriebe oder fiskalische Unternehmungen i n diesen Bereichen den privaten Empfängern gleichgestellt werden können. Schwierigkeiten hinsichtlich der Einordnung i n den Bereich des A r t . 104 a Abs. 3 ergeben sich bei einzelnen Geldleistungsnormen, die i n einem Gesetz neben anderen Erstattungsvorschriften i m Bund-LänderVerhältnis stehen. Man w i r d dem vom Verfassungsgeber gewollten flexibleren Begriff der „Geldleistung" entnehmen müssen, daß hierbei auch Mischformen innerhalb derselben Einzelnorm miterfaßt werden sollen. Dabei fallen unter A r t . 104 a Abs. 3 nicht nur unmittelbare bargeldmäßige Leistungen einschließlich ihrer Surrogate, sondern auch alle „geldwerten Leistungen." Gerade das Bundessozialhilfegesetz m i t seinem umfangreichen und höchst differenzierten Leistungskatalog, der sich für den Sozialhilfeempfänger in einem einheitlich gestaltenden Verwaltungsakt äußern kann, zeigt die Unmöglichkeit einer Aufteilung in „Barleistungen" und „Sachleistungen". Maßgebend für die Bejahung eines „Geldleistungsgesetzes" muß vielmehr sein, daß der Bund für die gesetzlich vorgesehenen Leistungen i n seinem Haushalt M i t t e l bereitstellt, gleichgültig, ob er sie aus sachlichen Gründen von der Verwaltungsbehörde an den Anspruchsberechtigten selbst auszahlen läßt oder an das Land zahlt, das seinerseits Geldaufwendungen für bestimmte Leistungen erbracht hat und damit diese Kosten selbst wieder ganz oder teilweise abdeckt 39 . Eine andere Betrachtungsweise würde in einer Vielzahl von Fällen zu einer Aufspaltung der Verwaltung führen, je nach dem ob man m i t dem strengen Wortlaut der Vorschrift nach Barleistungen m i t fünfzigprozentiger oder höherer Kostenbeteiligung des Bundes 38 Sturm, Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 12 (1970), S. 12 m i t Hinweis auf § 25 Abs. 1 Satz 3 I. WohnungsbauG, § 33 I I . WohnungsbauG. 39 So auch Sturm, Beilage zum Bundesanzeiger, a.a.O., S. 13.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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(Auftragsverwaltung) oder nach (unechten) Sachleistungen (Landesverwaltung) differenziert. Eine solche Aufspaltung der Verwaltung innerhalb desselben Sachbereichs m i t ihren Gefahren einer Ungleichbehandlung der Antragsteller und ihren großen aufsichtsrechtlichen Schwierigkeiten kann aber vom Verfassungsgeber nicht gewollt sein, der eine sachgerechte Kooperation und verantwortungsbezogene Finanzierungsteilung zwischen Bund und Ländern ermöglichen wollte. Nicht unter die Bundesauftragsverwaltung fallen die Gesetze, deren Finanzierung sich nach A r t . 120 GG richtet, weil hier das Grundgesetz selbst schon den Bund verpflichtet, die Sachausgaben nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen zu tragen 4 0 . A r t . 104 a Abs. 3 Satz 1 überläßt durch die Formulierung „ . . . können bestimmen . . . " die Konkretisierung der Finanzierungsanteile der Entscheidungsbefugnis des Bundesgesetzgebers, der durch diese fakultative Verteilung der Kostenlast darüber verfügen kann, welche Gesetzesprogramme er zu welchen Anteilen finanzieren w i l l . Diese Entscheidungsfreiheit ist i h m jedoch bei A r t . 120 GG nicht gelassen, da die Kostenverteilung bei der Kriegsfolgengesetzgebung verfassungsrechtlich petrifiziert ist. A r t . 120 a GG ist insofern eine lex specialis zu A r t . 104 a Abs. 3, als die Verwaltungsformen für Gesetze, die der Durchführung des Lastenausgleichs dienen, i m Hinblick auf die Tatsache unberührt bleiben, daß A r t . 120 GG nur eine spezielle Modifikation des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes darstellt. I m übrigen t r i t t die Bundesauftragsverwaltung automatisch ein, wenn es sich um Geldleistungsgesetze handelt, die durch die Länder ausgeführt werden und bei denen der Bund die Hälfte der Sachausgaben oder mehr trägt. Einer besonderen Überleitung i n die Bundesauftragsverwaltung bedarf es hierbei nicht mehr. Das gilt sowohl für neu zu erlassende als auch für bereits bestehende Gesetze, deren Finanzierungspraxis vor der Finanzreform also durchaus beibehalten werden kann, sofern sich diese Finanzierungsregelungen einer verfassungskonformen Auslegung als fähig erweisen. Damit w i r d also i n A r t . 104 a Abs. 3 GG eine weitere Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern i m bisherigen Sinne verfassungsrechtlich institutionalisiert. Diese Verfassungsnorm stellt somit einen wichtigen Bereich der Gemeinschaftsaufgaben auf eine auch finanzverfassungsrechtlich abgesicherte Grundlage, so daß diese A r t der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, die bisher nicht i m Einklang m i t dem Grundgesetz stand, verfassungsrechtlich ausgestaltet wird. 40 Vgl. z.B. das Bundesversorgungsgesetz i n Verbindung m i t dem Ersten Überleitungsgesetz i n der Fassung v o m 28. 4.1955.

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

I I I . Die Investitionsbeteiligung des Bundes und Gemeinschaftsaufgaben 1. Die verfassungsrechtliche Grundlage der Investitionsbeteiligung des Bundes

Der Entwurf der Bundesregierung zum Finanzreformgesetz enthält gegenüber dem Vorschlag der Troeger-Kommission ein für die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern besonders bedeutsames Institut, das eine Investitionsbeteiligung des Bundes an Länderaufgaben vorsieht und i m Gesetzgebungsverfahren zum Mittelpunkt eingehender Erörterungen zwischen Bund und Ländern wurde 4 1 . Nach der Fassung des Regierungsentwurfs soll der Bund dazu berechtigt sein, zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts den Ländern für bestimmte Arten von Investitionen der Länder und Gemeinden Finanzhilfen zu gewähren. Das gleiche w i r d auch für Investitionen von besonderer A r t und Bedeutung zur Abwehr von erheblichen Störungen der regionalen Wirtschaftsentwicklung vorgesehen. Ausgangspunkt der Überlegungen, die dieser i n A r t . 104 a Abs. 4 GG getroffenen Regelung zugrunde liegen, ist die Tatsache, daß gerade die öffentlichen Investitionen ein wichtiges konjunkturpolitisches Steuerungsmittel darstellen. i m Hinblick darauf, daß der größte Teil der öffentlichen Investitionen auf Länder und Gemeinden entfällt, soll dem Bund das Recht eingeräumt werden, zur Abwehr von Störungen des gesamtwirschaftlichen Gleichgewichts Ländern und Gemeinden die Durchführung zusätzlicher Investitionen durch Gewährung von Finanzhilfen zu ermöglichen 42 . Hier soll die Verantwortung des Bundes für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, wie sie auch i m Stabilitätsgesetz zum Ausdruck kommt, verfassungsrechtlich näher konkretisiert werden. Da die Zulässigkeit dieser Maßnahmen i n Form von Bundeszuschüssen wegen der Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern i n Zweifel gezogen werden kann, erscheint der Bundesregierung bei der Bedeutung der Frage eine Klärung i m Grundgesetz unumgänglich 43 . Soweit der erste Tatbestand eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts voraussetzt, w i r d hierunter sowohl eine eingetretene als auch eine unmittelbar bevorstehende Störung der Gleichgewichtslage verstanden. I n diesem Fall soll der Bund Finanzhilfen „für bestimmte Arten von Investitionen" der Länder und Gemeinden geben, u m auf diese Weise die allgemeine Wirtschaftstätigkeit anzuregen und eine gleichgewichtige Wirtschaftsentwicklung wiederherzustellen 44 . Die 41 Z u r verfassungsrechtlichen Bedeutung der Investitionskompetenz i n A r t . 104 a Abs. 4 für Länder u n d Gemeinden siehe Tiemann, B a y V B L 1970, S. 157 f. 42 Tz 119, 293 ff. 43 So zutreffend die Begründung i n Tz 119; vgl. Sturm, D Ö V 1968, S. 474; Maunz, N J W 1968, S. 2034. 44 Tz 294; kritisch, zur Einführung unbestimmter finanz- u n d wirtschaftswissenschaftlicher Begriffe: Wagner D Ö V 1968, S. 606.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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zweite Alternative der Fassung des Regierungsentwurfs dient der Verhinderung oder Behebung ungleichmäßiger wirtschaftlicher Entwicklungen i n den verschiedenen Regionen des Bundesgebiets. Die Bundesregierung stützt sich dabei auf einen verfassungsrechtlichen Grundgedanken, der i n A r t . 72 Abs. 2 Nr. 3 und A r t . 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 GG a. F. zum Ausdruck kommt, und der die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu einem bundesstaatlichen Programmsatz erhebt 4 5 . Hier sollen dem Bund durch die grundgesetzliche Neuregelung Möglichkeiten zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen gegeben werden, die „von besonderer A r t und Bedeutung" sind. Durch diese Einschränkung w i r d klargestellt, daß sie i n Ausmaß und Wirkung ein besonderes Gewicht haben müssen 46 . Als solche Aufgaben sieht der Regierungsentwurf z. B. Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse i n den Gemeinden vor, ferner die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nach dem 2. Wohnungsbaugesetz, sowie als drittes Beispiel die Städtebauförderung. Nach beiden Alternativen des Abs. 3 sollen Empfänger der Finanzhilfen die Länder sein, die sie, falls sie für Investitionen der Gemeinden bestimmt sind, an diese weiterzugeben haben. Das Nähere über die Ermächtigung der Bundesregierung soll durch Bundesgesetz m i t Zustimmung des Bundesrates oder durch Verwaltungsvereinbarung geregelt werden (Art. 104 a Abs. 3 Satz 3). I m Rechtsausschuß47 des Bundestages, dem sich der Beschluß des Bundestages anschloß, wurde die Generalklausel des A r t . 104 a Abs. 4 ausgeweitet: Das K r i t e r i u m der „Abwehr von erheblichen Störungen der regionalen Wirtschaftsentwicklung" der Regierungsvorlage wurde durch die „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse i m Bundesgebiet" ersetzt. Die Auffassung des Rechtsausschusses stützt sich dabei auf eine angebliche allgemeine Finanzierungskompetenz des Bundes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse i m Bundesgebiet. Diese Rechtsansicht habe auch i n der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes ihren Niederschlag gefunden, i n der A r t . 106 Abs. 3 a. F. GG dem Bund eine Kompetenz für die Gewährung von Zuschüssen an die Länder auf dem Gebiet des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens verliehen habe. Dieser Grundsatz sei zwar i n A r t . 106 Abs. 3 GG nicht niedergelegt, sondern von dieser Verfassungsbestimmung vorausgesetzt worden. Er sei daher auch m i t dem Wegfall des A r t . 106 Abs. 3 a. F. GG i n der Finanzreform des Jahres 1955 nicht weggefallen. Außerdem w i r d der Grundsatz, daß Bundeszuschüsse für Länderzwecke gegeben werden können, wenn sie zur Wahrung der Ein45

Tz 120. Tz 297. 47 Vgl. den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses Abg. Reischl) zu Drucks. V/3605, S. 5, 6. 46

(Berichterstatter

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

heitlichkeit der Lebensverhältnisse notwendig sind, aus einem allgemeinen bundesstaatlichen Prinzip abgeleitet, das „so alt wie der moderne Föderalismus selbst" sei. Der Rechtsausschuß hält dabei Bundesinvestitionen i n folgenden Gebieten für zulässig: i m gemeindlichen Verkehrswesen, bei der Schaffung angemessener Wohnverhältnisse, bei der städtebaulichen Erneuerung und Entwicklung i n den Gemeinden und beim Krankenhausbau 48 . Der Katalog der zu fördernden Maßnahmen ist i n der Fassung des Rechtsausschusses also gegenüber der Regierungsvorlage schon beträchtlich erweitert, wobei man sich bei dem Zusammentreffen der beiden Kriterien „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" und „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" kaum eine wesentliche Aufgabe vorstellen kann, die nicht unter diese Begriffe subsumiert werden und somit eine Finanzierungskompetenz des Bundes begründen könnte. 2. Die Verfassungsmäßigkeit der Investitionskompetenz

Aus diesen Gründen sind gegen die verfassungsrechtliche Normierung der Investitionsbeteiligung sowohl i n der Fassung der Regierungsvorlage als vor allem auch i n der Formulierung des Bundestagsbeschlusses verfassungspolitische, aber auch verfassungsrechtliche Einwendungen erhoben worden. Letztere stützen sich i m wesentlichen darauf, daß die verfassungsrechtliche Neuregelung durch ein umfassendes System von Bedingungen und Auflagen des Bundes bei der Mittelvergabe die Eigenstaatlichkeit der Länder aufhebe 49 , sowie durch Eingriff i n die gliedstaatliche Gewaltenbalance gegen A r t . 20, 28 GG verstoße, die dann insofern als stärkere Verfassungsnorm angesehen werden müßten 5 0 . So sieht insbesondere Seeger 51 i n der Finanzierungsklausel eine tiefgreifende Änderung der Verfassungsstruktur durch den Versuch, i m Grundgesetz das bundesstaatliche Verhältnis systematisch von den Finanzen aus zu gestalten. Hier werde der Finanzordnung der Vorrang vor der Kompetenzordnung gegeben. I n einem weiten Bereich werde dadurch die Verwaltung eine Funktion der Finanzierung, das Bund-Länder-Verhältnis werde durch Techniken der Finanzmacht bestimmt und dadurch grundlegend umgestaltet. Der Spielraum für Ein48

Vgl. den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses, a.a.O., S. 6. Vgl. Seeger, a.a.O., S. 785 f.; Heubl, B a y V B L 1968, S. 415; ders. Bayer. Landtag, 29. Sitzung, 24. 1. 1968, Stenogr. Protokoll, S. 1295 ff.; ders. Bayer. Landtag, 58. Sitzung am 11. 12. 1968, S. 2073 ff.; Ministerpräsident Goppel, Bayer. Landtag am 7.11.1968; von der Heydte, Bayer. Landtag, 59. Sitzung am 12.12.1968, Stenogr. Protokoll, S. 2753; Abg. Rothemund i n der selben Sitzung des Bayer. Landtags m i t der Auffassung, daß diese Investitionskompetenz des Bundes „die Eigenstaatlichkeit der Länder aus den Angeln hebt" (Stenogr. Protokoll, S. 2741). 50 Heubl, B a y V B L 1968, S. 416. 51 a.a.O., S. 787. 49

2. K a . : Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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flußnahmen des Bundes werde praktisch unbegrenzt, unberechenbar und unbestimmbar: „Die Länder werden den wechselnden Bedingungen oder Auflagen des jeweiligen Finanzierungsangebots unterworfen, ihre Ermessensfreiheit und ihre Selbstverantwortlichkeit werden beschränkt, ihre finanzielle Selbständigkeit w i r d durch Finanzauflagen eingeengt". Die Investitionskompetenz des Bundes ändere i n grundlegender Weise die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern, zumal die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen die Bundeszuschüsse erfolgen könnten, nicht hinreichend justiziabel seien. Eine ähnliche A u f fassung hat auch Senator Heinsen als Berichterstatter vor dem Bundesrat vertreten 5 2 : „Wenn man berücksichtigt, daß bis auf den Krankenhausbau und den Sportstättenbau sämtliche Aufgabenbereiche, die nach der ursprünglichen Auffassung der Bundesregierung zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt werden sollten, jetzt i n den A r t . 74, 91 a , 91 b und nach dem Enumerationsvorschlag des Sonderausschusses i n A r t . 104 a Abs. 4 geregelt werden, könnte eine solche Generalklausel nur bedeuten, daß der Bund die Möglichkeit erhält, z. B. i n den Bau von Schulen, Kinderoder Altenheimen und dergleichen hineinzufinanzieren und damit den Ländern den letzten Rest eigener Dispositionsfreiheit und eigener Haushaltspolitik zu nehmen." Auch für HewbZ53 bedeutet eine Generalermächtigung des Bundes, zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse i m Bundesgebiet Finanzhilfen für Investitionen der Länder zu gewähren gerade i m Zusammenhang m i t den anderen Grundgesetzänderungen, wie dem Stabilitätsgesetz, der Ausdehnung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, der Ausdehnung der Bundesauftragsverwaltung und der Haushaltsrechtsreform eine so einseitige Verlagerung von Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten von den Ländern auf den Bund, daß sie i n die Nähe des Verstoßes gegen A r t . 79 Abs. 3 GG gerät. „Derartige Ermächtigungen w ü r den dem Zentralstaat die Möglichkeit geben, durch einfaches Bundesgesetz i n die verfassungsrechtlich garantierte Zuständigkeit der Länder einzugreifen, d. h. wichtige Teilbereiche der Verfassung zu gestalten." Als weiterer Gesichtspunkt w i r d die völlige Einschränkung der Haushaltshoheit der Parlamente angeführt, die durch das m i t der Investitionsbeteiligung verbundene System der Dotationsauflagen, i n ihrer Entscheidungsbefugnis vollkommen eingeengt seien 54 . Diese Einschränkung der gliedstaatlichen Gesetzgebungskörperschaften werde auch 52

Bundesrat, 334. Sitzung am 7. 2.1969, Sten. Prot., S. 8 B. B a y V B L 1968, S. 415. 54 Heubl, B a y V B L 1968, S. 416; Heinsen, a.a.O., Sten. Prot. S. 8 B ; vgl. auch Stadler, B a y V B L 1969, S. 301 m i t dem Hinweis auf das bekannte Zitat von Popitz, Wandlungen i n den Aufgaben, Recht u n d Staat i m neuen Deutschland, Bd. I, S. 173: „Geld schlägt auch ein auf seine Eigenstaatlichkeit besonders eingestelltes L a n d nicht aus." 53

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

nicht dadurch kompensiert, daß A r t . 104 a Abs. 4 die Zustimmung des Bundesrates zu dem Bundesgesetz vorsehe, das die nähere Ausgestaltung der Investitionsbeteiligung des Bundes regele. Die Einengung des Betätigungsfeldes der Landesparlamente könne nicht dadurch ausgeglichen werden, daß die Landesregierungen über den Bundesrat verstärkt bei der Bundesgesetzgebung mitwirken, da ein Mitwirkungsrecht ohnehin nicht wertgleich m i t einem eigenständigen Gesetzgebungsrecht sei. Die Einschränkung der Gesetzgebungsbefugnis der Landesparlamente unter gleichzeitiger Verstärkung der Stellung der Landesregierungen i m Bundesrat verstoße deshalb nicht nur gegen das Bundesstaatsprinzip, sondern auch gegen das für die Länder, ebenso wie für den Bund geltende parlamentarisch-demokratische Prinzip des Art. 20 GG 5 5 . I n engem Zusammenhang m i t diesem Argument, das sich gegen eine Verschiebung der Gewaltenbalance innerhalb der Gliedstaaten unter Ausschaltung des Parlaments wendet, steht auch der Hinweis auf A r t . 104 a Abs. 3 Satz 3, nach dem die nähere Regelung entweder durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz oder durch Verwaltungsvereinbarung getroffen werden soll. Auch hier werden die Landesexekutiven gegenüber den Landtagen dadurch gestärkt, daß sie m i t der Bundesregierung die Investitionsbedingungen aushandeln. Vor allem w i r d hierin aber auch ein Vorstoß gegen A r t . 20 GG auf der zentralstaatlichen Ebene gesehen, da diese Bestimmung die Trennung der Befugnisse der Legislative und Exekutive insofern aufhebt, als ein formloser A k t der Exekutive einem formellen A k t der Legislative gleichgestellt w i r d 5 6 . Die „nähere Regelung", die den Verfassungswillen ausprägen soll, w i r d alternativ einer formlosen Verwaltungsvereinbarung überlassen, die die Bundesregierung m i t allen Landesregierungen oder auch nur einer von ihnen schließen könnte. Die vorgeschlagene Bestimmung schließt vor allem die Möglichkeit nicht aus, daß die Bundesregierung m i t einer Gesetzesinitiative i m Gesetzgebungsverfahren scheitert und dann gleichwohl ihre Absicht durchsetzt, indem sie sich m i t den beteiligten Landesregierungen formlos einigt 5 7 . Diese verfassungssystematisch unzulässige Alternative von zustimmungsbedürftigem Bundesgesetz und formloser Verwaltungsvereinbarung hat die Formulierung des Vermittlungsausschusses 58 dadurch beseitigt, daß sie nur ein Verwaltungsabkommen aufgrund des Haushaltsgesetzes für zulässig erklärt und damit klarstellt, daß keine Verwal55 Heubl, B a y V B L 1968, S.416; Leisner, D Ö V 1968, S.390f.; Lerche, Verfassungsfragen, S. 40. 56 Seeger, a.a.O., S. 786. 57 Vgl. Seeger, a.a.O., S. 786; ebenso die Begründung des Anrufungsbegehrens des Bundesrats v o m 7. 2.1969 (BT-Drucks. V/3826, S. 5). 58 Vgl. BT-Drucks. V/3896, S. 3.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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tungsvereinbarung ohne entsprechende finanzielle Grundlage i m Etat getroffen werden kann. I m übrigen ist aber die Fassung des Vermittlungsausschusses bei der Form der Generalklausel geblieben und ist nicht der Anregung des Bundesrates gefolgt, der i n seinem Anrufungsbegehren gefordert hat, die vom Bundestag beschlossene Generalklausel "zur Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" durch eine Enumeration zu ersetzen, die das Gebiet der Verbesserung der gemeindlichen Verkehrsverhältnisse und die städtebauliche Erneuerung sowie die Entwicklung i n den Gemeinden erfassen sollte 5 9 . Der Vermittlungsausschuß hielt demgegenüber eine derartige Enumeration für m i t dem Rang der Verfassung nicht vereinbar, da dadurch eine ständige Änderung und Anpassung an neue Entwicklungen i n der Zukunft erforderlich würden 6 0 . Die Fassung des Vermittlungsausschusses legt demgegenüber als dritte alternative Voraussetzung einer Investitionskompetenz des Bundes neben der „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" und dem „Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft i m Bundesgebiet" noch die „Förderung des wirtschaftlichen Wachstums" fest, das als eine der Komponenten des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts angesprochen w i r d und i n erster Linie die Strukturpolitik umfaßt 6 1 . Dabei ging der Vermittlungsausschuß davon aus, daß seine Fassung des A r t . 104 Abs. 4 sowohl die vom Bundesrat i n dessen Vermittlungsbegehren aufgeführten Bereiche umfaßt, als auch dem Anliegen des Bundestages Rechnung trägt und z.B.Finanzhilfen i m Bereich des Wohnungsbaus ermöglicht 62 . Die verfassungsrechtliche Beurteilung der verschiedenen Vorschläge i m Schrifttum und i n den Gesetzgebungskörperschaften des Bundes und der Länder erliegt oft der Versuchung, berechtigte verfassungspolitische Anliegen der Länder m i t verfassungsrechtlicher Argumentation zu verbrämen. Es gilt für die Finanzierungskompetenz des Bundes i n A r t . 104 a allenfalls das selbe, was verfassungsrechtlich zu den Dotationsauflagen der Bundeszuschüsse zu sagen ist, obwohl die verfassungsrechtliche Neuregelung keinen Anhalt für Auflagen oder Bedingungen enthält, zumal diese i n einem zustimmungsbedürftigen Bundesgesetz oder einer Verwaltungsvereinbarung enthalten sein müßten, so daß i n jedem Fall der Einfluß der Länder gesichert bleibt. Sind aber bereits gegen die Dotationsauflagen zwar verfassungspolitische, meistens nicht aber verfassungsrechtliche Bedenken zu erheben, so muß dies erst recht für das minus der Investitions59

Vgl. BT-Drucks. V/3896, S. 4. Abg. Reischl (Berichterstatter), Deutscher Bundestag, 222. Sitzung, am 20. 3.1969, Sten. Prot. 1258 A. 61 Abg. Reischl, ebd. Sten. Prot. 1258 B. 82 Abg. Reischl, ebd. Sten. Prot. 1258 B. 60

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

beteiligung des Bundes gelten 63 . Auch hier soll nicht verkannt sein, daß eine Bundesbeteiligung einen faktischen Zwang auf die Landesregierung und auf die Landesparlamente ausüben kann. Es bleibt jedoch immer zu beachten, daß eine entsprechende Investitionsbeteiligung der Länder der haushaltsmäßigen Bewilligung durch die Landesparlamente unterliegt. Keinesfalls ist es so, daß A r t . 104 a Abs. 4 die Möglichkeit eröffnen würde, die Landesparlamente auch rechtlich zu binden. Auch gegen Art. 28 i. V. m. A r t . 20 w i r d hierbei nicht verstoßen, da auch die innergliedstaatliche Gewaltenteilung und insbesondere das parlamentarisch-demokratische Prinzip gewährleistet bleibt; denn auch die Landesexekutiven können bei einer Verwaltungsvereinbarung oder ihrer Zustimmung i m Bundesrat die Haushaltshoheit der Parlamente nicht einschränken, da A r t . 104 a insofern auch nicht das Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens i m Sinne einer potentiellen Pflicht der Länder zur Selbstbeteiligung konkretisiert, sondern nur eine rechtliche Grundlage für Bundesbeteiligungen darstellt. Daß hiermit aber ein Einbruch i n den Kernbereich der von A r t . 79 Abs. 3 GG garantierten Eigenstaatlichkeit der Länder ermöglicht wird, w i r d schon dadurch ausgeschlossen, daß irgendwelche Ingerenzmöglichkeiten des Bundes nicht vorgesehen sind und auch keine Zuständigkeitsänderungen vorgenommen werden können. Die Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes w i r d in keiner Weise dadurch tangiert, daß der Bund den Ländern für wichtige langfristige Strukturmaßnahmen Zuschüsse geben kann, die den Ländern die eigenverantwortliche Wahrnehmung ihrer staatlichen Aufgaben erleichtern sollen. Dadurch w i r d der Bund aber keineswegs von seiner Verpflichtung entlastet, die Länder i m Finanzausgleich so zu stellen, daß sie das Wesen ihrer Staatlichkeit voll entfalten können. Jedenfalls w i r d dieses Grundelement gliedstaatlicher Eigenständigkeit durch Art. 104 a Abs. 4 nicht i n Frage gestellt, da weder die Verwaltungs- noch die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder in irgendeiner Weise eingeschränkt werden. Auch die Haushaltshoheit der Landtage, sowie ihre parlamentarischen Kontrollbefugnisse werden nicht berührt. Der verfassungspolitische Zwang der Länder, sich an gesamtstaatlichen Vorhaben zu beteiligen, darf nicht m i t verfassungswidriger Einschränkung ausschließlicher Landeskompetenzen verwechselt werden. Dabei zeigen gerade die ausländischen Erfahrungen, so insbesondere die Bundeszuschüsse i n den USA, der Schweiz und Österreich, daß diese zum Wesen moderner Bundesstaatlichkeit gehören und auch dort die föderative Struktur nicht beeinträchtigt haben 64 . Das entscheidende K r i t e r i u m 83 Vgl. hierzu u n d zum Folgenden die bei der Behandlung der Dotationsauflagen angegebene L i t e r a t u r oben 1. Hauptteil, Abschn. C, 2. Kap., I I . 3. Tiemann, B a y V B L 1970, S. 159. 84 So auch der Rechtsausschuß des Bundestages; vgl. schriftlicher Bericht zu Drucks. V/3605, S. 6.

2. Kap.: Die übrigen Gemeinschaftsaufgaben

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für eine verfassungsrechtliche Beurteilung kann aber nur sein, inwieweit die Eigenstaatlichkeit der Länder durch Übertragung von Kompetenzen auf den Bund oder Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes innerhalb der Landeskompetenzen beeinträchtigt wird, oder aber den Ländern die M i t t e l vorenthalten werden, ihre staatsrechtliche Natur als Gliedstaaten m i t eigener, nicht vom Bunde abgeleiteter, sondern von i h m anerkannter staatlicher Hoheitsmacht zu entfalten, wie dies z. B. eine ungenügende finanzielle Ausstattung i m Wege des Finanzausgleichs oder der faktische Entzug eigener Steuerhoheit darstellen würde. Durch bloße finanzielle Bundesofferten hingegen kann weder eine direkte — w e i l auf Verfassungsnorm gestützte — noch eine mittelbare — weil durch Umgehung bindender Verfassungsgrundsätze verursachte — Aushöhlung der Staatsqualität der Länder herbeigeführt werden. Vielmehr muß der A r t . 104 a Abs. 4 i n der endgültigen Fassung des Vermittlungsauschusses (entsprechend A r t . 104 a Abs. 3 der Regierungsvorlage) als eine grundgesetzliche Normierung der seit langem und i n großem Umfang gewährten Bundessubventionen gesehen werden, die nunmehr auf eine gesicherte Rechtsbasis gestellt sind 8 5 . Hierdurch w i r d auch keine Umgehung des Lastenverteilungsgrundsatzes statuiert, sondern eine sinnvolle Ergänzung ohne Änderung seines materiellen Gehaltes vorgenommen 66 . Das gilt u m so mehr, als Art. 104 a Abs. 4 an A r t . 109 GG anknüpft, der das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Verfassungsprinzip erhoben hat. Ebensowenig w i r d das i n A r t . 28 GG garantierte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden durch die Investitionskompetenz des Bundes in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Zwar sind die von A r t . 104 a Abs. 4 i n erster Linie betroffenen Materien wie das gemeindliche Verkehrswesen, die Schaffung angemessener Wohnverhältnisse, die städtebauliche Erneuerung und Entwicklung sowie der Krankenhausbau für die Gemeinden von vitalem Interesse. Ebensowenig wie bei den Gemeinschaftsaufgaben i m Sinne der Art. 91a, b w i r d die Struktur der kommunalen Selbstverwaltung jedoch durch die Tatsache beeinträchtigt, daß Bund und Länder bei der Abwicklung der Investitionsprogramme zusammenarbeiten 67 . Der Bund gibt den Ländern auch die Finanzhilfen für die Gemeinden, so daß er nicht i n unmittelbare Beziehungen zu den Gemeinden t r i t t und diese daher auch nicht i n ihrer rechtlichen Entscheidungsfreiheit binden kann. Es muß somit der Prüfung der Einzelfragen vorbehalten sein, ob das jeweilige Ausführungsgesetz zu Art. 104 a Abs. 4 oder das entspre65 66 87

Maunz, N J W 1968, S. 2034; Tiemann, B a y V B L 1970, S. 159. Vgl. Sturm, D Ö V 1968, S. 474. Vgl. Tiemann, B a y V B L 1970, S. 159 f.; ders. B a y B g m 1970, S. 62.

288

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

chende Verwaltungsabkommen die kommunalen Kompetenzen über Gebühr einschränkt, so daß darin eine Verletzung des Wesensgehalts der Selbstverwaltungsgarantie gesehen werden könnte, die aber von der verfassungsrechtlichen Neuregelung weder intendiert noch legitimiert wird88. Es werden hier also Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, die sich bisher praeter constitutionem entwickelt hatten, verfassungsrechtlich abgesichert und zum Instrument wichtiger wirtschaftspolitischer Entscheidungen gesamtstaatlichen Ausmaßes ausgestaltet. IV. Die von der Finanzreform nicht betroffenen übrigen Gemeinschaftsaufgaben Die Finanzreform hat die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i n zwei Ebenen aufgegliedert. Ein wesentlicher Bereich der Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne wurde unter begrifflicher Einschränkung durch die Legaldefinition i n A r t . 91 a und 91 b institutionalisiert, wobei die Materien, die überhaupt unter den Gesetzesbegriff fallen können, enumerativ festgelegt werden. Somit ist diese Ebene der Gemeinschaftsaufgaben auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Basis gestellt und als verfassungsrechtliches Institut gegenüber den anderen Gemeinschaftsaufgaben abgegrenzt. Darüber hinaus hat aber die Finanzreform einen weitaus größeren Teil der Gemeinschaftsaufgaben unter verschiedensten verfassungsrechtlichen Titeln neugeordnet. Sie finden sich i m Zusammenhang m i t der Lastenverteilungsregel bei der Gemeinschaftsfinanzierung von Geldleistungsgesetzen i n der Abgrenzung zur Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung sowie vor allem i n der verfassungsrechtlichen Regelung der Investitionsabteilung des Bundes. Eine wichtige Ergänzung erfahren diese Gemeinschaftsaufgaben als verfassungsrechtliche Institute durch das Flurbereinigungsabkommen zur Abgrenzung von Bundes- und Landeskompetenzen und zur damit verbundenen Klärung von Gemeinschaftsaufgaben. Damit zeigt sich also neben der verfassungsrechtlichen Institutionalisierung der Gemeinschaftsaufgaben i m engeren Sinne eine zweite grundgesetzlich geregelte Ebene von Gemeinschaftsaufgaben der schon bisher von Bund und Ländern praktizierten A r t . Das Flurbereinigungsabkommen deutet aber bereits an, daß neben diesen beiden verfassungsrechtlichen Arten der Gemeinschaftsaufgaben als dritter Bereich die durch diese Neuregelungen nicht erfaßten Formen bundesstaatlicher Kooperation i m bisherigen Umfang fortgeführt werden. U m dieser Tatsache verfassungsrechtlich Ausdruck zu verleihen, hatte sich die Kom68

Tiemann, B a y V B l 1970, S. 160.

2. Kap.:

emeinschaftsaufgaben

289

mission 69 lange Zeit m i t dem Gedanken getragen, ihrem Entwurf des A r t . 85 a einen Abs. 5 anzufügen. Darin sollte klargestellt werden, daß die Befugnis des Bundes und der Länder, i m Rahmen ihrer Zuständigkeiten die gemeinschaftliche Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Vereinbarung zu regeln, unberührt bleiben soll. Die weitere verfassungsrechtliche Überprüfung durch die Gutachter ergab jedoch, daß eine derartige Vorschrift nicht erforderlich ist: „Auch ohne ausdrückliche K l a r stellung bleibt die erwähnte Befugnis dem Bund und den Ländern erhalten 7 0 ." Damit ist klargestellt, daß die über die verfassungsrechtliche Neugestaltung hinausgehenden traditionellen Formen der Bund-Länder Kooperation weder durch die grundgesetzliche Einengung der „Gemeinschaftsaufgaben", noch durch ihre materielle Normierung i n verschiedenen verfassungsrechtlichen Vorschriften unmöglich gemacht werden sollen. Ein solcher verfassungsrechtlicher numerus clausus der Bund-Länder-Kooperation ist dem Grundgesetz auch i n seiner neuen Fassung nicht zu entnehmen und würde i n der Tat eine „bedauerliche Verarmung" darstellen 71 , die von der Finanzreform nicht beabsichtigt sein kann. Dementsprechend ging auch der Rechtsausschuß72 in seinen Beratungen davon aus, daß die Zuständigkeit von Bund und Ländern zum Abschluß von VerwaltungsVereinbarungen durch A r t . 91 a und 9 1 b GG nicht beeinträchtigt wird. Diese Auffassung w i r d auch durch die Einbeziehung des Flurbereinigungsabkommens m i t seinen vielfältigen Möglichkeiten bundesstaatlichen Zusammenwirkens i n das Finanzreformprogramm der Bundesregierung bestätigt 7 3 . Somit werden die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, die von der Finanzreform nicht betroffen sind, als dritter Bereich dieser Erscheinungsformen eines kooperativen Föderalismus fortgeführt. Dazu zählt der weite Bereich der hier untersuchten Verwaltungsabkommen, der verschiedenen Formen institutionalisierter Zusammenarbeit, die Koordinationsmaßnahmen i m Bereich der Verwaltung und vor allem beim Gesetzesvollzug, sowie die zahlreichen Arten der Gemeinschaftsfinanzierung von Bund und Ländern, sofern sie nicht einer bestimmten Ausprägung der verfassungsrechtlichen Neuregelung zuzuordnen sind. Ein Vergleich dieser Gemeinschaftsaufgaben, wie sie schon bisher i n der Bund-Länder-Kooperation gehandhabt werden und sich fortsetzen sollen, m i t der grundgesetzlichen Fassung verschiedener Arten von Gemeinschaftsaufgaben hat aber gezeigt, daß die verfassungsrechtlichen Institute dem 69

Gutachten Tz 165. Gutachten Tz 165. 71 Maunz, N J W 1968, S. 2033. 72 Vgl. 92. Sitzung, 2.10.1968, Prot. Nr. 92, S . 7 f . ; 93. Sitzung, 3.10.1968, Prot. Nr. 93, S. 9. 73 Vgl. Finanzbericht 1968, S. 209 f. 70

1

Tiemann

290

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG

Wesen der bisherigen Gemeinschaftsaufgaben i n dem hier dargelegten Sinne bundesstaatlich koordinierter und finanzierter Aufgabenerfüllung sehr genau entsprechen. Durch die grundgesetzliche Finanzreform werden also die Wesensmerkmale der Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne i n einigen Verfassungsvorschriften abstrahiert und diese daher i n umfassendem Maße i n das Gefüge des Grundgesetzes eingeordnet. Dadurch paßt die Finanzreform i n den wesentlichen Zügen ihrer Gesamtkonzeption das Finanzverfassungsrecht und m i t i h m die Gemeinschaftsaufgaben den veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen an: „Diese entscheidende Wendung, die eine Fortbildung des geltenden Verfassungsrechts m i t weitreichenden finanzpolitischen Möglichkeiten bewirkt, vermag die Vorlage herbeizuführen, ohne daß der Kern des bundesstaatlichen Systems angetastet wird, und ohne daß sonstige Grundlagen des geltenden Verfassungsrechts verlassen werden 7 4 ."

74

Maunz, N J W 1968, S. 2035.

DRITTER H A U P T T E I L

Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern im umfassenden System des kooperativen Föderalismus Abschnitt

A

Gemeinschaftsaufgaben und kooperativer Föderalismus in ausländischen Bundesstaaten Erstes Kapitel

Die Republik Österreich I. Die staatsrechtliche Struktur der Republik Osterreich Die Republik Österreich ist ein Bundesstaat, der aus neun Bundesländern besteht. Als Verfassung des Bundes gilt das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) vom 1.10.1920 i n der Fassung von 19291. Hinzu kommen zwei Sondergesetze m i t Verfassungsrang i n Ausführung der A r t . 13 und 14 B-VG, nämlich das Finanzverfassungsgesetz von 19482 und das Gesetz über das Schulwesen von 19623. A r t . 2 Abs. 1 B - V G legt den staatsrechtlichen Charakter Österreichs als Bundesstaat fest. Diese bundesstaatliche Organisationsform prägt sich insofern aus, als einmal zufolge der i n A r t . 10—15 B - V G verfügten Verteilung der Kompetenzen auf der Grundlage der Gesamtverfassung eine für das Gesamtgebiet geltende Teilordnung (des Bundes) und nur für Teilgebiete wirksame Teilordnung (der Länder) enstehen, die wechselseitig i m Verhältnis der vollen Koordination stehen, und zum anderen die Länder durch Vermittlung des Bundesrates an der Gesetzgebung und der Kontrolle der Vollziehung des Bundes ständig teilnehmen 4 . 1

B G B L 1930, Nr. 1 m i t späteren Änderungsgesetzen. B G B L , Nr. 45/1948. s B G B L , Nr. 215/1962. 4 Adamovich-Spanner, Handbuch des österreichischen S. 111. 2

19*

Verfassungsrechts,

292 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten Die normative Bedeutung des A r t . 2 B - V G w i r k t sich auch dahin aus, daß dieses Verfassungsprinzip i m Zusammenhang m i t A r t . 44 Abs. 2 B - V G klarstellt, daß eine Aufhebung der i n A r t . 2 statuierten Bundesstaatsstruktur als Gesamtänderung der Verfassung anzusehen wäre und daher nur unter den i m A r t . 44 Abs. 2 für Totalrevisionen vorgesehenen besonderen Bindungen verfügt werden könnte 5 . Aus dem Bundesstaatsprinzip des österreichischen Staatsrechts w i r d ferner gefolgert, daß die ganze Verfassung dem bundesstaatlichen Typus entsprechend grundsätzlich i m föderalistischen Sinne auszulegen ist 6 . Dieser Verfassungsgrundsatz kommt auch i n A r t . 15 B - V G zum Ausdruck, durch den grundsätzlich die Kompetenz der Länder vermutet wird. Demgegenüber sind die relativ weitgehenden Zuständigkeiten des Bundes einzeln aufgezählt. Die Bundeskompetenzen umfassen beinahe alle wesentlichen staatlichen Aufgaben unter Einschluß der Sicherung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, weiter Bereiche des Gesundheitswesens, das Hochschulwesen, die Lehrerbesoldung und vor allem seit 1962 auch das Schulwesen. Wesentlich für die Eigenstaatlichkeit der Länder und ihre sowohl staatliche als auch politische Autonomie ist in jedem Bundesstaat die Finanzverfassung. Das österreichische Finanzwesen ist nicht i n der Verfassung geregelt, sondern gemäß A r t . 13 B - V G i n dem bereits erwähnten Finanzverfassungsgesetz vom 21. 1. 1948. Dieses Finanzverfassungsgesetz regelt als eine A r t „Grundgesetz" für das Finanzwesen nur i n Grundzügen, wie Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit über die öffentlichen Abgaben verteilt werden können, und welche Arten von gegenseitigen Zuweisungen zulässig sind. Die materiellen Bestimmungen über den eigentlichen Finanzausgleich, insbesondere über die Ertragsaufteilung der einzelnen Steuern, werden durch die jeweiligen Finanzausgleichsgesetze erlassen 7 . Die finanzpolitisch wichtige Entscheidung, welche Steuererträge dem Bund, den Ländern und Gemeinden ganz oder anteilmäßig zufließen, w i r d somit jeweils für ein oder mehrere Jahre durch ein Bundesgesetz getroffen, gegen welches der Bundesrat als Organ der Länder lediglich ein Einspruchsrecht hat, das gemäß A r t . 42 Abs. 3 und 4 B - V G durch einfachen Mehrheitsbeschluß des Nationalrates (sog. Beharrungsbeschluß) als Organ des Bundes zurückgewiesen werden kann. Diese Regelung des Finanzwesens i n Österreich, das den Kernbereich der Finanzverfassung einer Normierung durch einfaches Bundesgesetz überläßt, ist symptomatisch für eine staatsrechtliche Entwicklung, die deutlich die Züge zentralistischer Tendenzen trägt. 5

Adamovich-Spanner, a.a.O., S. 111. Vgl. Adamovich-Spanner, a.a.O., S. 112; Ermacora, JÖR N. F. 12 (1963), S. 245 f.; ders. JÖR N. F. 18 (1967), S. 251 f. (265). 7 Zuletzt v o m 15.12.1966 für die Jahre 1967—1972 B G B L Nr. 2/1967. 6

l.Kap.: Die Republik Österreich

293

II. Gemeinschaftsaufgaben und Föderalismus im österreichischen Verfassungssystem Die fehlende Steuerautonomie der österreichischen Bundesländer ist nur ein Anzeichen eines Aushöhlungsprozesses der bundesstaatlichen Struktur der Republik Österreich. Diese Entwicklung hat die Länder mehr und mehr eines eigenen staatspolitisch bedeutsamen Wirkungsbereichs beraubt und durch kontinuierliche Kompetenzänderungen zu Lasten der Länder eine einseitige Gewichtsverlagerung auf die zentralstaatliche Ebene herbeigeführt. Die Änderung der föderativen Struktur ist nicht zuletzt durch die Uneffektivität des österreichischen Bundesrates gefördert worden, dessen Aufgabe nach dem Bundesverfassungsgesetz i n der Wahrung der Länderinteressen bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes besteht 8 . Dieses Gesetzesorgan hat seit 1945 nur eine äußerst geringe Zahl von Einsprüchen gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrats eingelegt, und auch diese beschränkten sich i n fast allen Fällen auf bloße Formulierungsfragen 9 . Daher hat der Bundesrat den stetigen Kompetenzzuwachs des Bundes, der seinen vorläufigen Höhepunkt i n der Verfassungsnovelle von 1962 auf dem Gebiete des Schulwesens 10 erreichte, nicht hindern können. Durch diese Verfassungsänderung ist den Ländern ein wesentlicher Bereich ihrer Kulturhoheit und der Kernfunktion ihrer Staatlichkeit entzogen worden. Der neugefaßte A r t . 14 B - V G enthält i n Abs. 1 eine grundlegende Bestimmung: Das gesamte Schulwesen und das Erziehungswesen für Schüler- und Studentenheime w i r d aus der Generalklausel des A r t . 15 B-VG, der die grundsätzliche Landeszuständigkeit statuiert, herausgenommen und durch eine i m Verhältnis zu dieser Klausel speziellere Generalklausel dem Bund zur ausschließlichen Gesetzgebung und Vollziehung übertragen. M i t dieser Durchlöcherung des A r t . 15 B - V G w i r d die stärkste theoretische Stütze des föderalistischen Prinzips getroffen. Denn gerade aus der Formulierung, daß alle Angelegenheiten, soweit sie nicht ausdrücklich dem Bund übertragen werden, i m Wirkungsbereich der Länder verbleiben, konnte man aus der österreichischen Bundesverfassung die Anerkennung der ursprünglichen Hoheit der Länder ableiten 1 1 . Die Zuständigkeitsvermutung w i r d jetzt i n dem Sinne umgekehrt, daß die Länder nur mehr zuständig sind, soweit sie Angelegenheiten auf den jeweiligen Gebieten ausdrücklich übertragen bekommen, 8

Z u r F u n k t i o n des österreichischen Bundesrates, die sich i n A r t . 41, 42, 44 Abs. 2, 50, 52, 100, 147 B - V G ausprägt, vgl. Adamovich-Spanner, a.a.O., S. 191. 9 Nach Ermacora, JÖR N. F. 12 (1963), S. 238 hat der Bundesrat seit 1945 n u r i n 14 Fällen von seinem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht u n d auch dabei n u r zweimal echte Länderinteressen vertreten. 10 B G B L Nr. 215/1962. 11 Ermacora, JÖR N. F. 12 (1963), S. 245.

294 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten ihre Zuständigkeit gründet sich also nicht mehr darauf, daß sie ihrer eigenen Hoheitsgewalt verblieben sind. Der österreichische Verfassungsgerichtshof, der seiner Judikatur schon früher oft eine zentralistische Auslegung statt einer der Verfassung entsprechenden föderalistischen Auslegung zugrundegelegt hat 1 2 , ist aufgrund dieser Verfassungsnorm gehalten, künftig i m Zweifel auf dem Gebiet des Schulwesens zugunsten des Bundes zu entscheiden. Die österreichische Staatsrechtslehre 18 sieht hierin einen der stärksten Rückschläge für den Föderalismus. Denn damit werde i n diesen so wichtigen Angelegenheiten der Landeskultur, die i n jedem Bundesstaat Domäne der Gliedstaaten sei, ein Schritt gesetzt, der die österreichischen Bundesländer i n den Stand von bloßen „Regionen" versetze 14 . Daß angesichts dieser zentralistischen Tendenzen, die alle bundesstaatlichen Probleme durch Kompetenzverlagerung auf den Bund zu lösen suchen, nicht von einem kooperativen Föderalismus gesprochen werden kann, dessen Wesen i n einer umfassenden Abstimmung und koordinierten Wahrnehmung gesamtstaatlicher Aufgaben besteht, liegt auf der Hand. Das gilt um so mehr, als auch die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern i n der Regel dadurch gelöst werden, daß der Bund die Initiative ergreift und sich dabei auf seine Kompetenzen stützen kann. So kann der Bund nach § 18 des Finanzausgleichsgesetzes den Ländern und zum Teil den Gemeinden für zahlreiche Zwecke Zuschüsse geben (Bedarfszuweisungen) 15 , wenn eine Grundleistung der empfangenden Gebietskörperschaften gewährleistet ist. I m Gegensatz zu der neuen Fassung des § 104 a Abs. 4 GG w i r d hier also das Dotationswesen des Bundes finanzverfassungsrechtlich normiert. Angesichts der mangelnden Steuerhoheit der Länder w i r d dadurch eine gliedstaatliche Instrumentalisierung erreicht, die keine Ansätze für bundesstaatliche Kooperation erkennen läßt. Der ohnehin durch die umfassende verfassungsgesetzliche Enumeration der Bundeszuständigkeiten sehr beschränkte Raum eigener Landeskompetenzen w i r d noch dadurch eingeengt, daß der Bund bei der Ausübung seiner Rechte zur Grundsatzgesetzgebung so verfährt, daß den Ländern i n der Regel kaum ein nennenswerter Spielraum für eine echte Ausführungsgesetzgebung bleibt. Auch m i t Hilfe von Fonds als M i t t e l wirtschaftslenkerider und wirtschaftsbeeinflussender Planung w i r d die Planungshoheit der Länder auf dem W i r t schaftssektor und insbesondere der Land- und Forstwirtschaft einge12

Vgl. Adamovich-Spanner, a.a.O., S. 113. Ermacora, JÖR N. F. 12 (1963), S. 245; ders. JÖR N. F. 18 (1967), S. 265. 14 Ermacora, JÖR N. F. 18 (1967), S. 265. 15 Diese umfassen die Wirtschaftsförderung i n entwicklungsbedürftigen Gebieten, die Defizittragung von Theaterbetrieben, den Zivilschutz, die Sportförderung, die Fremdenverkehrsförderung, die Lärmbekämpfung u n d L u f t reinerhaltung, sowie die Beseitigung von Katastrophenschäden. 13

1. Kap.: Die Republik Österreich

295

schränkt 16 . Teilweise wurde sogar m i t befristeter Verfassungsänderung die Zuständigkeitsregelung des B - V G geändert, um ein zentralistisches Planungsbedürfnis des Bundes verwirklichen zu können 1 7 . Es zeichnet sich hierin also bezüglich der Bund-Länder-Beziehungen die Entwicklung ab, selbst nur vorübergehende gesamtstaatliche Anliegen, die einer koordinierten Durchführung von Bund und Ländern bedürfen, durch — sogar zuweilen nur befristete! — Verfassungsänderung durch einseitige Kompetenzverlagerung auf den Bund wahrzunehmen. Die bundesstaatliche Kooperation oder gar die Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben ist demnach i m österreichischen Verfassungsrecht nur schwach entwickelt. Zwar sieht A r t . 107 B - V G die Möglichkeit zwischengliedstaatlicher Verträge vor 1 8 , jedoch spielt das Vertragsrecht unter den österreichischen Ländern eine sehr geringe Rolle, was auch m i t ihrer mangelnden Kompetenzausstattung und ihrem beschränkten Handlungsspielraum zu erklären sein dürfte 1 9 . Erst recht ist angesichts der dirigistischen Tendenzen die partnerschaftliche Zusammenarbeit i n den Beziehungen des Bundes zu den Ländern schwach ausgeprägt. So schreibt § 6 Finanzausgleichsgesetz 1967 Verhandlungen des Bundes m i t den am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften vor, wenn durch steuerpolitische Maßnahmen Steuerausfälle, oder durch sonstige Bundesmaßnahmen Mehrbelastungen entstehen. Angesichts des Fehlens jeder Steuerhoheit der Länder und der mangelnden Einflußnahme der Länder auf die Bundesgesetzgebung ist hierin jedoch nur ein sehr beschränkter Ansatz bundesstaatlicher Kooperation zu erblikken, zumal die Beteiligung der Länder nur auf Sonderfälle beschränkt bleibt, und die mangelnde Kompetenz ihnen kein starkes Gewicht bei den Verhandlungen über die finanzielle Ausstattung verleiht. Von echten Gemeinschaftsaufgaben kann somit i m österreichischen Bundesstaatsrecht keine Rede sein, da der österreichische Bundesstaat seinem Wesen nach kein kooperativer, nicht einmal ein unitarisierter, sondern ein eindeutig zentralisierter Bundesstaat ist. Diese zentripetale Entwicklung i m österreichischen föderalistischen Kräftespiel hat bereits zu der verfassungsrechtlichen Besorgnis Anlaß gegeben, ob alle Einbrüche i n die Zuständigkeit der Länder, wenn man sie m i t ihrer, nach dem ursprünglichen Wortlaut der Bundesverfassung bestehenden Zuständigkeit vergleicht, zusammengenommen noch als bloße „Modifikation" des 16 Wenger, „Rechtsfragen der Wirtschaftsplanung i n Österreich" i n Planung I, S. 123 f. (S. 151). 17 Vgl. Wenger, a.a.O., S. 142; s. z.B. die befristete Verfassungsänderung für Angelegenheiten der Landwirtschaft, die zunächst bis 31. 7.1965 vorgesehen w a r und dann (mit Gesetz v o m 15. 7. 1964 B G B L Nr. 215) bis 30. 6. 1967 verlängert wurde. 18 s. hierzu Adamovich-Spanner, a.a.O., S. 161. 19 Vgl. Schaumann, VVtfStL 19 (1961), S. 86,

296 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten bundesstaatlichen Prinzips i m Sinne des Bundesverfassungsgesetzes angesehen werden könnten, oder ob sie nicht i n ihrer Gesamtheit bereits als eine Gesamtänderung der Bundesverfassung angesehen werden müßten. Jedenfalls aber erscheine es nicht unberechtigt, angesichts dieser Erscheinungen „zumindest von der Gefahr einer schleichenden Gesamtänderung der Bundesverfassung i m Hinblick auf das bundesstaatliche Prinzip zu sprechen" 20 .

20 Adamovich-Spanner, a.a.O., S. 114; ähnliche Bedenken bei Ermacora , JÖR N. F. 12 (1963) S. 248 m i t der Begründung, die E n t w i c k l u n g i n Österreich schmälere die Autonomie der kleineren Gemeinschaft ohne Not; dem P r i n zip der Subsidiarität werde dabei widersprochen u n d die Beziehung zwischen Staat u n d Bürgern entfremdet, die dem Föderalismus innewohnende Gewaltenteilungstendenz werde entscheidend herabgemindert.

Zweites

Kapitel

Die Schweizerische Eidgenossenschaft I. Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen Die Schweizerische Eidgenossenschaft w i r d aus 25 Kantonen gebildet und beruht auf der Bundesverfassung vom 29. 5.1874. Sie ist die Vereinigung der Völkerschaften (Art. 1 BV) und der Gebiete der Kantone. Die Kantone sind „souverän" und für alle Bereiche zuständig, die nicht ausdrücklich der Bundesgewalt vorbehalten sind (Art. 3 BV). A b gesehen von den grundsätzlichen Bundesaufgaben der Verteidigung, der auswärtigen Beziehungen, der Außenwirtschaft, des Währungs-, Münz-, Maß- und Gewichtswesens, des Eisenbahn-, Schiffahrts-, Postund Fernmeldewesens stehen dem Bund einzelne, i n der Verfassung aufgezählte Gesetzgebungskompetenzen zu, die nicht i n einem geschlossenen Katalog, wie i n der Regel i n anderen Bundesverfassungen, sondern i m Rahmen der jeweiligen Sachgebiete aufgezählt sind. So steht dem Bund z. B. die Gesetzgebungskompetenz für das Handels- und Wettbewerbsrecht und das materielle Strafrecht, nicht aber für das Strafverfahren und die Rechtsprechung, und grundsätzlich auch nicht für das Zivilrecht (mit Ausnahmen der persönlichen Handlungsfähigkeit) zu. Durch diese verfassungsrechtliche Zuständigkeitverteilung und insbesondere durch die Zuständigkeitsvermutung i n A r t . 3 BV, der bestimmt, „daß die Kantone souverän seien, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist", w i r d die Eigenstaatlichkeit der Kantone i n weitem Maße abgesichert 1 . Zwar w i r d die Frage, ob diese Souveräntität eine staatsrechtliche Souvernität ist, i n der Staatsrechtslehre der Schweiz nicht einheitlich beantwortet, w e i l die neuere Staatsrechtslehre i m Gegensatz zur älteren, die den Kantonen eigene Hoheitsgewalt ohne bundesverfassungsrechtliche Legitimation zusprach, an der i n A r t . 1 und 3 B V genannten Souveränität zweifelt, weil die Kantone ihre Herrschaftsordnimg letztlich aus der Bundesverfassung ableiteten 2 . 1 Vgl. Lüchinger, Die Auslegung der Schweizerischen Bundesverfassung (1954), S. 157. 2 Fleiner-Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 3.

298 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten Die Auslegung der Zuständigkeitsvermutung des A r t . 3 BV, nach der alle staatliche Tätigkeit grundsätzlich bei den Kantonen liegt, w i r d durch diesen Meinungsstreit jedenfalls nicht berührt. Die Aufzählung des A r t . 1 B V m i t der Benennung aller Kantone bedeutet i. V. m. A r t . 6 Abs 2 BV, durch den der Bund die Verfassung gewährleistet, die verfassungsrechtliche Bestandsgarantie für die Kantone. Die juristische Stellung der Kantone ist daher gefestigter als die der deutschen Bundesländer, denen nicht nur die Bestandsgarantie fehlt, sondern deren Neugliederung sogar verfassungsrechtlich durch A r t . 29 GG vorgezeichnet ist. Der Einfluß der Kantone auf Bundesebene ist durch den Ständerat gesichert, dessen Position i n etwa der des deutschen Bundesrats vergleichbar ist 3 . Ferner gibt Art. 86 Abs. 2 B V einer Minderheit von fünf Kantonen die Möglichkeit, die Einberufung der Bundesversammlung zu verlangen. Diese ist — obschon die höchste gesetzgebende Gewalt durch die Möglichkeit der Gesetzesinitiative und des Referendums beim Volke liegt — das einflußreichste Gesetzgebungsorgan 4. Allerdings haben die Kantone von dieser Möglichkeit noch niemals Gebrauch gemacht. Ebensowenig wurde das Rechtsinstitut der Vorschriften des A r t . 89 Abs. 2 und 89 bis I I B V genutzt, das den Kantonen das Recht gibt, von der Bundesversammlung verabschiedete Gesetze oder dringliche Bundesbeschlüsse dem Volksreferendum zu unterbreiten. Ein wichtiges Recht der Kantone enthält A r t . 123 I und I I BV, denen zufolge eine Verfassungsänderung nur möglich ist, wenn die Hälfte der Kantone zustimmt. Verhältnismäßig am meisten praktizieren die Kantone das Recht, das ihnen A r t . 93 I I B V gibt. Nach dieser Verfassungsvorschrift können die Kantone i n der Bundesversammlung initiativ werden. Dieses Initiativrecht umfaßt sowohl den Gesetzgebungsbereich als auch andere Hoheitsbereiche, die der Zuständigkeit der Bundesversammlung unterliegen. Für den Bereich der Verwaltung gilt das Leitbild des deutschen Föderalismus m i t seinem Schwerpunkt der Gesetzgebung beim Bund und dem wesentlichen A n t e i l der Verwaltung bei den Ländern für die Schweiz nur i n abgeschwächter Form. I n der Gesetzgebung hat sich keine so eindeutige Vorrangstellung des Bundes gebildet wie i n der Bundesrepublik; i m Bereich der Exekutive haben die Kantone andererseits nicht die eindeutige Vorrangstellung, die den deutschen Ländern zukommt 5 . Schon die sachlichen Verwaltungskompetenzen der Kantone sind geringer als die der deutschen Länder, wobei sich die Kompetenzverteilung i n Verwaltungsangelegenheiten nach der Bundesverfassung bestimmt, die viele Verwaltungskompetenzen i n kasuistischer 3

Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 53. Vgl. Lantpert, Das Schweizerische Bundesstaatsrecht (1918), S. 24. 5 Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 82; Bowie-Friedrich, Studies i n Federalism (1964), S. 100. 4

2. Kap.: Die Schweizerische Eidgenossenschaft

299

Weise regelt. I n einigen Bereichen werden klare Verwaltungskompetenzen des Bundes konstituiert 6 , während eine Reihe von Verfassungsbestimmungen eindeutige Verwaltungskompetenzen der Kantone auf solchen Gebieten begründen, auf denen dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht 7 . Die kantonalen Behörden, die Bundesgesetze vollziehen, unterstehen i m einzelnen einer sehr weiten Aufsicht, die die ähnliche, i m deutschen Verfassungsrecht aber wenig praktizierte Form der Bundesauftragsverwaltung auf weite Bereiche ausdehnt 8 . Die steuerlichen Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen der Kantone sind m i t Ausnahme der Zölle (Art. 28 BV) grundsätzlich unbeschränkt. Die Steuern, welche der Bund erheben darf, sind i m einzelnen und ausdrücklich i n der Bundesverfassung genannt. Die Schweizerische Finanzverfassung durchbricht das grundsätzlich gegebene Trennsystem, nach welchem den Kantonen die direkten Steuern (Einkommen- und Vermögenssteuern) und dem Bund die Zölle und die klassischen indirekten Steuern zustehen 9 . Hinsichtlich der Wehrsteuer des Bundes und der kantonalen Einkommen- und Vermögenssteuern besteht ein legislatives Konkurrenzsystem; daneben gilt ein Ertragsbeteiligungssystem zwischen Bund und Kantonen hinsichtlich der Wehrsteuer, der Stempelsteuer und der Treibstoffzölle. Die Finanzverfassung der Schweiz zeigt also i m Gegensatz zu Österreich eine weitgehende Steuerautonomie der Gliedstaaten, die auch der übrigen starken staatsrechtlichen Stellung der Kantone i m Bund entspricht. Diese weitgehende Eigenständigkeit der Kantone ist allerdings gegenüber der ursprünglichen Gestalt der Bundesverfassung von 1874 durch eine ständige Erweiterung der Bundeskompetenzen eingeschränkt worden. Die allgemeinen bundesstaatlichen Tendenzen zur Unitarisierung und Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse haben auch vor der Schweiz nicht haltgemacht. I n letzter Zeit haben sich insbesondere aus der Entwicklung der Schweiz zum Sozialstaat sowie aus der engen wirtschaftlichen Verflechtung der Kantone zahlreiche Verfassungsän6 z. B. A r t . 10 B V f ü r auswärtige Angelegenheiten, A r t . 19 I I B V bzgl. des Bundesheeres, A r t . 27 B V zur Errichtung einer Universität, einer Technischen Hochschule u n d höheren Lehranstalt, A r t . 28 B V f ü r das Zollwesen, A r t . 36 B V für das Post- u n d Telegraphenwesen. 7 So z. B. A r t . 20 I u n d I I I B V für Teilbereiche des Militärwesens, A r t . 40 I I B V bzgl. der Ausführung der Bundesgesetze über Maße u n d Gewichte, A r t . 69 bis I I B V hinsichtlich der Ausführung von Bundesgesetzen i m Bereich des Lebensmittelrechts. 8 Der B u n d ist aber nicht berechtigt, kantonalen Beamten direkte Weisungen zu erteilen. Der Adressat ist stets die kantonale Regierung. Es ist dies ein Recht u n d eine Pflicht, die sich aus der Mitgliedschaft i n der Eidgenossenschaft ergibt. Vgl. hierzu Schindler, JÖR N F 9 (1960), S. 50. 9 Vgl. Finanzbericht 1968, S. 222.

300 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten derungen ergeben 10 . Neben diesen wurde die Bundeszuständigkeit auch durch eine extensive Auslegung der Verfassungsnormen sowie durch die Annahme ungeschriebener Gesetzgebungskompetenzen aus dem „Wesen der Bundesverfassung", die der Zuständigkeit aus der „Natur der Sache" i m deutschen Staatsrecht entspricht, weiter ausgedehnt 11 . Ruck weist jedoch darauf h i n 1 2 , daß diese Entwicklung nicht nur auf Kosten der Kantone gehe, sondern sich auch aus der allgemeinen Erweiterung der staatlichen Aufgaben überhaupt und aus der unverhältnismäßigen Erschwerung oder Unmöglichkeit ihrer Lösung auf dem Boden kantonaler Zersplitterung erkläre. So sei das staatsrechtliche Ergebnis keineswegs eine grundsätzliche Entrechtung oder Bedeutungslosigkeit der Kantone, diese hätten vielmehr den wesentlichen und für lebensfähige Staatsgebilde nötigen Bestand an Staatsgewalt und Staatsaufgaben bewahrt, da und dort sogar erweitert. I m Ganzen bewege sich die Auseinandersetzung zwischen Bund und Kantonen auf der Mittellinie eines gesunden Ausgleichs, „der dem Bund gibt, was eine gesamtschweizerische Lösung erfordert, und den Kantonen zuspricht, was für eigenständig-gliedstaatliche Lösung geeignet ist: i m Notwendigen bundesmäßige Einheit, i m übrigen kantonale Freiheit" 1 3 . I I . Gemeinschaftsaufgaben und kooperativer Föderalismus im Schweizerischen Bundesstaat Der starken staatsrechtlichen Stellung der Kantone i m bundesstaatlichen System der Schweiz entspricht es, daß die interkantonale Zusammenarbeit zur Koordination der jeweiligen Kompetenzen stark ausgeprägt ist. I m Ansatzpunkt enthält schon die Bundesverfassung i n A r t . 15 eine Bestimmung, die erkennen läßt, daß sich das Staatswesen der Schweiz nicht nur i n dem Verhältnis der Kantone zum Bund erschöpft. I n dieser Vorschrift w i r d nämlich die Verpflichtung der Kantone zur gegenseitigen Hilfeleistung i m Falle einer Bedrohung vom Auslande statuiert. Eine wesentliche Konkretisierung dieses Grundsatzes kanto10 s. die Übersicht der Verfassungsänderungen bei Schindler, JÖR N F 9 (i960), S. 41 f.; Imboden, Die staatliche Problematik des schweizerischen Föderalismus, Zeitschrift f ü r Schweizerisches Recht, N F 74 (1955), S. 223. Fleiner-Giacometti, a.a.O., S. 75; hierzu i m einzelnen Favre, D r o i t constitutionnel Suisse (1966), S. 48, der als Beispiel den A r t . 36 B V (Telegraphenwesen, worunter auch der Telephonverkehr subsumiert wurde) u n d A r t . 28 B V (Zollhoheit des Bundes, auf die sich jetzt die gesamte Regelung des Außenhandels stützt) anführt u n d die extensive Auslegung m i t dem verfassungspolitischen Ziel begründet, „pour répondre aux nécessités nouvelles". 12 Schweizerisches Staatsrecht (1957), S. 53. 13 Siehe hierzu auch Favre, a.a.O., S. 46: „ l a constitution opère la répart i t i o n des attributions étatiques entre l'Etat central et les cantons de telle façon qu'elle favorise par l'accomplissement des tâches de l'Etat central la v i t a l i t é et la prospérité des cantons."

2. Kap.: Die Schweizerische Eidgenossenschaft

301

naler Interdependenz und dadurch bewirkter Kooperationsnotwendigkeit enthält A r t . 7 I I BV, der den Kantonen das Recht gibt, „Vorkommnisse über Gegenstände des Gerichtswesens und der Verwaltung" unter sich abzuschließen. Diese Vorschrift bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Vielzahl interkantonaler Verträge 1 4 . Überwiegend werden diese Verträge, jedenfalls soweit sie darauf gerichtet sind, daß i n ihnen sich mehr als zwei Kantone vereinigen, „Konkordate" genannt 15 . Die Möglichkeit solcher „Vorkommnisse" oder „Konkordate" w i r d in der staatsrechtlichen Praxis der Schweiz weitgehend genutzt, allerdings schränkt A r t . 7 I B V aus der historischen Erfahrung kantonaler Sonderbündnisse die Vertragsfähigkeit der Länder dadurch ein, daß er den Abschluß politischer Verträge schlechthin ausschließt und i n A r t . 7 I I Satz 2 B V sämtliche geschlossenen Verträge der Bundesaufsicht unterwirft. Durch diese Verträge ist es, ähnlich wie i n der Bundesrepublik, auch zu institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit gekommen, die sich i n interkantonalen Einrichtungen und Kommissionen ausgeprägt hat 1 6 . Darüber hinaus finden sich zahlreiche Arten formloser Koordination der Kantone untereinander, wie sie die interkantonalen Konferenzen der Regierungspräsidenten oder der Chefs der kantonalen Fachdepartemente darstellen, die den deutschen Ministerpräsidentenkonferenzen, sowie den interministeriellen Ausschüssen entsprechen 17 . Neben dieser kantonalen Selbskoordinierung finden sich aber gerade i n der Schweiz ausgeprägte Strukturen eines kooperativen Föderalismus 18 . Dieses Zusammenwirken von Bund und Kantonen t r i t t besonders i n finanzverfassungsrechtlicher Beziehung auf. Dabei enthält die Schweizerische Bundesverfassung eine Regelung, die als eine besondere A r t von verfassungsrechtlich i m einzelnen geregelten Gemeinschaftsaufgaben bezeichnet werden kann. Es handelt sich hierbei u m die 1958 i n die Bundesverfassung eingefügten A r t . 36 bis, 36 ter. Hierdurch ist der Bund zur Gesetzgebung hinsichtlich der Errichtung von Nationalstraßen befugt, während den Kantonen grundsätzlich deren Bau und Unter14 Vgl. Schaumann, V V d S t L 19 (1961), S. 86; Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 95 f. 15 Die Terminologie ist allerdings nicht eindeutig; wenn ein interkantonaler Vertrag n u r zwischen zwei Kantonen geschlossen w i r d , heißt er vielfach „Vorkommnis". Vgl. Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 95; Schaumann, V V d S t L 19 (1961), S. 86 f. 16 Beispiele bei Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 98 f. 17 Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 100. 18 Z u den neuesten Entwicklungstendenzen des kooperativen Föderalismus i n der Schweiz vgl. die umfassende u n d sorgfältige Bestandsaufnahme der beiden Referate auf dem Schweizerischen Juristentag 1969 von Häfelin und Dominicé , Referate u n d Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins 103 (1969), S. 549 ff., 743 ff. Z u den Beziehungen zwischen B u n d u n d Kantonen siehe auch Favre, a.a.O., S. 115 ff.

302 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten haltung obliegt. Die Erstellungskosten werden auf Bund und Kantone unter Berücksichtigung des Interesses und der Finanzkraft der Kantone verteilt; Betrieb und Unterhaltung werden von den Kantonen, gegebenenfalls mit Beiträgen des Bundes finanziert. Der Bundesanteil an den Kosten der Nationalstraßen, sowie auch die gemäß der Verfassung i m einzelnen geregelten Bundesbeiträge zu den Kosten der übrigen Hauptstraßen und der dem internationalen Verkehr dienenden Alpenstraßen werden aus dem Ertrag des teilweise zweckgebundenen Treibstoffzolles, bzw. des Treibstoffzuschlages finanziert. A n den Angelegenheiten der Nationalstraßen sind also Bund und Kantone i m Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen verfassungsrechtlich beteiligt, wobei sich die Gemeinschaftsfinanzierung als integrierender Bestandteil der bundesstaatlichen Aufgabenerfüllung erweist. A r t . 36 bis, 36 ter B V können daher als verfassungsrechtliche Institutionalisierung föderativer Gemeinschaftsaufgaben angesprochen werden 1 9 . Neben dieser institutionalisierten Form der Gemeinschaftsaufgaben prägt sich der kooperative Föderalismus der Schweiz vor allem i n Form von Bundesbeiträgen und Bundessubventionen aus. Diese werden neben den Bundesbeiträgen gewährt, die den Zwecken des Finanzausgleichs zugeführt werden. Die Beiträge und Subventionen sind i m ständigen Anwachsen begriffen und haben starke Verflechtungen der öffentlichen Haushalte zur Folge 20 . Da die Subventionen an Bedingungen des Bundes geknüpft werden, sind sie dem Wesen von Gemeinschaftsaufgaben nicht immer adäquat. Denn i m Verhältnis des Bundes zu den Kantonen bedeuten sie ein Anwachsen der Abhängigkeit der Kantone vom Bund. Wenn das Ausmaß der kantonalen Abhängigkeit, das durch einen einzelnen Beitrag des Bundes entsteht, relativ gering erscheinen mag, so w i r d doch i n der Schweizer Staatsrechtslehre nicht verkannt, daß insgesamt erhebliche Abhängigkeiten aus dem Subventionssystem folgen. Wie stark der Einfluß des Bundes i m einzelnen ist, wenn er den Kantonen Beiträge gewährt, hängt einmal von der Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Subvention gewährt wird, zum anderen von ihrer Größenordnung ab. Diese Subventionen haben teilweise auch zu einer Fonds Verwaltung des Bundes geführt, denn ihre Empfänger sind nur zu einem Teil die Kantone und Gemeinden, wesentliche Subventionsbeträge werden unter Umgehung dieser Gebietskörperschaften unmittelbar an pri19 Auch die Regierungsvorlage zum Finanzreformgesetz sieht die Schweizerischen Vorschriften über den Nationalstraßenbau als bisher einzige verfassungsrechtliche Institutionalisierung von „Gemeinschaftsaufgaben" i n einer Bundesverfassung. Vgl. BT-Drucks. V/2861, Übersicht 11, S. 74, 77; vgl. F i nanzbericht 1968, S. 222. 20 Vgl. Schindler , Die Bundessubventionen als Rechtsproblem, Zürich 1952; ders. JÖR, N. F. 9 (1960), S. 55 f.

2. Kap.: Die Schweizerische Eidgenossenschaft

303

vate Kulturträger, an Stiftungen und Nationalfonds gegeben 21 . Neben diesem System der Bundesbeiträge und Subventionen, das sich teilweise außerhalb der Verfassung entwickelt hat, sieht aber die Schweizerische Bundesverfassung i n einer Reihe von Verfassungsartikeln ausdrücklich die Gewährung von Bundeszuschüssen vor 2 2 . Während diese Möglichkeit für das Grundgesetz erst durch die Finanzreform eröffnet wurde, hat die Schweiz längst diesen Weg eines kooperativen Föderalismus beschritten 23 . I m Gegensatz zu den Bundesbeiträgen, die außerhalb der Verfassung gewährt werden, kann der Bund bei den verfassungsrechtlich normierten Zuschüssen den Kantonen keine Bedingungen oder Auflagen stellen. Diese Verfassungsartikel respektieren also die volle Eigenständigkeit der Kantone und sind als sedes materiae von Gemeinschaftsaufgaben dem Wesen bundesstaatlicher Kooperation adäquat. Dieser Grundsatz partnerschaftlichen Zusammenwirkens kommt besonders i n der jüngsten diesbezüglichen Änderung der Bundesverfassung durch die Einfügung eines neuen A r t . 27 quater am 20. 2.1964 zum Ausdruck, wo es heißt: „Der Bund kann den Kantonen Beiträge gewähren an ihren Aufwendungen für Stipendien und andere Ausbildungsmöglichkeiten. Er kann ferner i n Ergänzung kantonaler Regelungen selber Maßnahmen ergreifen oder unterstützen, die eine Förderung der Ausbildung durch Stipendien und andere Ausbildungsbeihilfen bezwecken. Die kantonale Schulhoheit ist i n allen Fällen zu w a h r e n . . . " Somit zeigt sich, daß die Schweizer Bundesverfassung neben einer spezifischen Institutionalisierung von Gemeinschaftsaufgaben i n vielen Fällen finanzielle Koordinierungsmöglichkeiten geschaffen hat, die ein Zusammenwirken von Bund und Kantonen bei wichtigen gesamtschweizerischen Aufgaben ermöglichen. Sowohl auf interkantonaler als auch auf bundesstaatlicher Ebene hat sich i n der Schweiz ein verästeltes System kooperativer föderaler Beziehungen entwickelt, deren Fortbildung anhält.

21 Hier sind besonders die Stiftung „Pro Helvetia" und der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu erwähnen, die m i t besonders hohen Bundeszuschüssen finanziert werden; weitere Beispiele bei Katzenstein, Die föderale S t r u k t u r der Schweiz, S. 142, 143. 22 z. B. A r t . 20 I I I B V , A r t . 27 bis BV, A r t . 64 bis B V sowie A r t . 69 bis I I BV. 23 Vgl. Scheuner i n Planung I, S. 87.

Drittes

Kapitel

Die Vereinigten Staaten von Amerika I. Die staatsrechtliche Struktur der USA Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein Bundesstaat, dem fünfzig Gliedstaaten (States) und fünf Territorien angehören. Als Verfassung gilt „The Constitution of the United States" vom 17. 9.1787 mit bisher vierundzwanzig Ergänzungen (Amendments). I n der Verfassung ist ausdrücklich und ausschließlich geregelt, welche Aufgaben dem Bund zustehen (Art. I See. 8 und 9 sowie einige Amendments) und welche Aufgaben den Staaten nicht zustehen (Art. I See. 10). Zu den ersteren zählen nur die „klassischen" Bundesaufgaben, d. h. Verteidigung, auswärtige Angelegenheiten, Außenwirtschaft, Währungs-, Münz-, Maß-, Gewichts-, Wettbewerbs-, Post- und Schiffahrtsangelegenheiten sowie einige andere Bundesangelegenheiten minderer Bedeutung. Dementsprechend sind verboten für die Gliedstaaten im wesentlichen außenpolitischen Verträge, Münzprägung sowie Steuerund Zollerhebung auf die Einfuhr oder die Ausfuhr. Für alle i n der Verfassung dem Bund nicht zugewiesenen bzw. den Gliedstaaten nicht verbotenen Aufgabengebiete ist somit — ohne eine ausdrückliche Generalklausel — die ausschließliche Zuständigkeit der Gliedstaaten gegeben, insbesondere für das Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht sowie die Sozial-, Schul- und Kulturangelegenheiten 1 . Diese strikte Zuständigkeitsverteilung w i r d jedoch durch die verfassungsrechtliche Entwicklung modifiziert, die i n vielen Beziehungen die Bundeszuständigkeit ausgedehnt hat. Diese Erweiterung der Bundeskompetenzen über die ausdrücklichen Zuweisungen hinaus w i r d einmal durch die bereits zitierte generalklauselartige „necessary and proper"Bestimmung des A r t . 1 See. 8, letzter Absatz, dann durch die von Marshall entwickelte Theorie der „implied powers" bewirkt, die Triepel als Vorb i l d für eine Entwicklung ungeschriebener Bundeszuständigkeiten i m deutschen Staatsrecht diente. Aufbauend auf dieser Theorie hat der Oberste Gerichtshof durch die Formel vom „interstate commerce" eine 1 Vgl. die Übersicht i n Finanzbericht 1968, S. 224; ausführlich American National Government (1965), S. 77.

Johnson,

3. Kap.: Die Vereinigten Staaten von Amerika

305

umfassende wirtschaftliche Zuständigkeit des Bundes entwickelt 2 . Entsprechendes gilt von der Befugnis des Bundes „to tax and to spend". Wurde die Befugnis zur Gesetzgebung hier früher daran gebunden, daß der Bund eine sonstige Kompetenz i n dem betreffenden Bereiche besaß, so hat die neuere Rechtsprechung diese Begrenzung aufgegeben und gestattet sogar steuerliche Maßnahmen, die nicht nur Einkommen erzielen wollen, sondern darüber hinaus auch Wirtschaftsregulierende W i r kungen anstreben 3 . I m übrigen steht dem Bund nach der Verfassung das Recht zur Erhebung aller Arten von Abgaben zu (Taxes, Duties, Imports, Excises), welche einheitlich für das gesamte Bundesgebiet erhoben werden müssen (Art.I See. 8 Abs. 1 US-Const.). Das Recht zur Erhebung von Einkommensteuer wurde dem Bund erst durch das 16. Amendment zur Verfassung am 25. 2.1913 verliehen. Die Gliedstaaten haben ebenfalls das — i n der Bundesverfassung nicht ausdrücklich festgelegte — Recht zur Erhebung aller Arten von Abgaben m i t Ausnahme der vorerwähnten Einfuhrund Ausfuhrabgaben. Es gilt somit für die USA noch ein völliges Konkurrenzsystem hinsichtlich der Steuergesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungshoheit von Bund einerseits und Gliedstaaten andererseits. Dieses System, das den europäischen Bundesstaaten fremd ist, gewährleistet die uneingeschränkte Steuerautonomie der Länder. Ein weiteres Wesensmerkmal des amerikanischen Verfassungsystems, das es insofern insbesondere vom deutschen unterscheidet, bildet die ausschließliche Kompetenzzuweisung der Verfassung sowohl hinsichtlich der Verwaltung als auch der Gesetzgebung entweder an den Bund oder die Länder. Eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit kennt die Verfassung nicht. Aber auch dieser Grundsatz wurde durch die Lehre von den sog. „pre-emptions" eingeschränkt, derzufolge den Staaten Raum für eine gesetzgeberische Tätigkeit bleibt, solange der Bund eine i h m zustehende Kompetenz noch nicht „erschöpft" hat 4 . Die Verfassung kennt auch keine Rahmengesetzgebungskompetenz i m Sinne des Grundgesetzes. Aber auch hier hat sich die Verfassungspraxis i n eine andere Richtung entwickelt, da sich gerade i m Rahmen der Bundeszuschüsse ausgedehnte Rahmengesetzgebungsmodalitäten finden 5 . Justiz und Verwaltung sind durch die verfassungsmäßige Regelung gleichermaßen 2 M a r t i n o v. Michigan W i n d o w Cleaning Co 327 U . S . 173 (1946); U . S . v. Wrightwood D a i r y Co 315 U. S. 116 (1942). Z u r Ausweitung der Bundeskompetenzen durch „ i m p l i e d powers", „resulting powers" u n d „inherent powers" eingehend Loewenstein, Verfassungsrecht u n d Verfassungspraxis i n den Vereinigten Staaten (1959), S. 75 (78, 295). 3 Sonzinsky v. U. S. 300 U. S. 506 (1937) u n d U. S. v. K a h r i g e r 345 U. S. 22 (1953). Dazu Scheuner, D Ö V 1962, S. 647. 4 Fraenkel, Das Amerikanische Regierungssystem (1962), S. 112. 5 Vgl. die eingehende Untersuchung des amerikanischen Föderalismus von Kewenig, AÖR 93 (1968), S. 433.

20 Tiemann

306 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten streng vertikal getrennt. Der Instanzenzug ist i n beiden Fällen völlig unabhängig, es gibt grundsätzlich keine Verschränkungen. Es gibt weder eine Auftragsverwaltung noch eine Ausführung von Bundesgesetzen durch die Einzelstaaten als eigene Angelegenheit i m Sinne des Grundgesetzes. Bundesgesetze werden durch Bundesinstanzen, einzelstaatliche Gesetze durch Landesinstanzen ausgeführt. Die amerikanische Verfassung baut also auf einem strengen Dualismus der Zuständigkeiten auf, der den Staaten gegenüber dem Bund ein starkes Eigengewicht verleiht. Diese verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Bundesstaatsstruktur hat während eines Jahrhunderts zu einer Betonung der Trennungslinien zwischen Bund und Gliedstaaten geführt, die sich erst i n den letzten Jahrzehnten zu einem umfassenden System föderativen Zusammenwirkens aufgelöst hat.

I L Vom „dual federalism" zum ,kooperative federalism" Die Theorie des „dual federalism" als Ausdruck getrennter Sphäre staatlicher Hoheitsgewalt und Aufgabenerfüllung i m Verhältnis von Gliedstaaten zu Zentralstaat stand besonders i m Vordergrund der Rechtsprechung des Supreme Court. Sie ist zu verstehen als Reaktion auf eine Überbetonung der „national supremacy" und der m i t ihr verbundenen extensiven Auslegung der Bundeszuständigkeit durch den Gerichtshof i n den ersten Jahrzehnten seines Bestehens 6 . Diese Entwicklung ging soweit, eine föderale Ordnung m i t vertikal streng getrennten Aufgabenbereichen unter dem Titel „coordinate and independent" zum einzig denkbaren Typ eines wahren Bundesstaates zu erklären 7 . Diese Überbetonung der gegenseitigen Unabhängigkeit ist aber der US-Verfassung i n solcher Form nicht zu entnehmen. So enthält A r t . I See. 8 Ziff. 16 Ansätze für eine Kooperation auf dem Gebiet des M i l i t ä r wesens, und i n der Verfassungspraxis sind von Anfang an gewisse Formen bundesstaatlicher Zusammenarbeit praktiziert worden 8 . Ende der Dreißiger Jahre änderte der Supreme Court dementsprechend seine Rechtsprechung grundlegend bei der Beurteilung der New-Deal-Gesetzgebung und löste sie durch eine starke Hervorhebung des Moments der Kooperation ab 9 . 6

So unter Chief Justice Marshall (1801—1835), der auch die Lehre von den „ i m p l i e d powers" begründete. 7 Vgl. Scheuner, D Ö V 1966, S. 514, unter Bezugnahme auf Wheare, Federal Government (1963), S. 10. 8 Vgl. Kewenig, a.a.O., S. 438 m i t Beispielen u n d Literaturnachweisen. 9 Vgl. Justice Frankfurter i n New Y o r k v. O'Neill, 359, U . S . 1, S. 11: „The manifold arrangements b y w h i c h the Federal and State Government collaborate constitute an extensive n e t w o r k of cooperative governmental activities not formulated i n the Constitution but not offensive to any of its provisions or p r o h i b i t i o n s . . . "

3. Kap.: Die Vereinigten Staaten von Amerika

307

Seitdem sind „intergovernmental relations" und „cooperative federalism" zu den Kernbegriffen der bundesstaatlichen Beziehungen i n den Vereinigten Staaten geworden. Diese vielgestaltige Zusammenarbeit vollzieht sich auf allen Ebenen: zwischen Bund und Einzelstaaten, zwischen den Staaten untereinander und auch zwischen diesen m i t den Gemeinden. Sachlich umfaßt sie den Bereich der Verwaltung ebenso wie den der Gesetzgebung und sogar Rechtsprechung. Sie erstreckt sich i n ihren Zielvorstellungen auf die Durchsetzung und den Schutz der Grundrechte, auf die Regulierung des Wirtschaftslebens und die V e r w i r k lichung einer Sozialordnung ebenso wie auf den rein fiskalischen Bereich 10 . Es gelang den USA, damit eine Entwicklung einzuleiten, die zu einer Überwindung des dual federalism des vorigen Jahrhunderts, aber auch zu einer Vermeidung zentralistischer Ordnungsvorstellungen wie zur Zeit des New Deal führte und i m bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen eine bundesstaatliche Kooperation bewirkte 1 1 . Daß angesichts der grundsätzlichen dualistischen Konzeption der amerikanischen Verfassung eine derart umfassende Kooperation nicht ohne verfassungsrechtliche Problematik sein kann, folgt schon aus der damit verbundenen Stärkung des Bundeseinflusses i n Kontrast zu einer stark ausgeprägten Länderstaatlichkeit. Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet i n der amerikanischen Staatsrechtslehre die Kooperation von Bundes- und einzelstaatlichem Gesetzgeber ohne Unterschied, ob sie sich auf einen Bereich der ausschließlichen Bundes- oder Landeszuständigkeit bezieht. Hier hat die Entwicklung der „Commerce-Klausel" des Supreme Court die verfassungsrechtlichen Weichen für eine kooperative Entwicklung gestellt. Weniger eindeutig verlief die Entwicklung i m Bereich der Zusammenarbeit von Bundes- und Länderexekutiven. Hier taucht vor allem die bedeutsame Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Zusammenarbeit von Bundes- und Länderexekutiven bei den „grants-in-aid" auf. Die erste und wichtigste ist die, ob die „spending power" des Bundes auf den Kompetenzbereich des Zentralstaates beschränkt ist, oder ob dieser befugt ist, Geld auch für Projekte auszugeben, für die die Gesetzgebungskompetenz eindeutig bei den Einzelstaaten liegt. Fraglich ist ferner, ob die „grants-in-aid-Gesetzgebung" nicht zumindest i n gewissen Bereichen eine unzulässige Delegation von der Bundes- auf die Landesebene darstellt. Die bundesstaatliche entscheidende Problematik liegt aber darin, inwieweit durch diese Gesetzgebung nicht umgekehrt i n die „reserved domain" der Einzelstaaten insoweit eingegriffen wird, als eine unzulässige Aufgabe einzel10

Vgl. Kewenig,

11

Vgl. Vile , The Structure of American Federalism, S. 194.

20*

a.a.O., S. 441.

308 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten staatlicher Regierungsgewalt an den Bund stattfindet 1 2 . Der Supreme Court hat bisher noch nicht i n einer Stellungnahme zu Grundsatzfragen, zu „fundamental issues", sich zu dieser Frage geäußert, sie jedoch bei mehreren Fällen i n einem obiter dictum positiv entschieden 13 . Eindeutig Stellung genommen hat der oberste Gerichtshof jedoch zu der Frage, ob die m i t den Bundeszuschüssen verbundene Gesetzgebung des Bundes eine „usurpation" des den Einzelstaaten durch das 10. Amendment vorbehaltenen Zuständigkeitsbereiches darstelle. Unter Hinweis auf den Umstand, daß den Einzelstaaten nichts aufgezwungen, sondern nur eine „option" für sie eröffnet werde, unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Zwecke Bundesmittel i n Anspruch zu nehmen, verneinte das Gericht diese Frage eindeutig 1 4 . Das Gericht hat damit die Freiwilligkeit der Länder, eine Bundesofferte anzunehmen, oder aber durch Ablehnung jeder möglichen Einflußnahme des Bundes zu entgehen, als ein entscheidendes Moment verwaltungsmäßiger Koordination gesehen. Auch die Frage, ob die auf der „general-welfare clause" beruhende „spending power" des Bundes auf den Bereich beschränkt ist, der dem Bund ausdrücklich kompetenzmäßig übertragen wurde, ist eindeutig dahingehend entschieden, daß der Bund eine unabhängige Zuständigkeit zur Ausgabe von Bundesmitteln für das allgemeine Wohl besitzt 15 . A n diesen Beispielen zeigt sich, daß selbst diese am weitesten gehende Form bundesstaatlicher Zusammenarbeit i n den USA verfassungsrechtlich bisher kein eigentliches Problem war. Erst recht ist unter diesen Umständen das Gesamtsystem des kooperativen Föderalismus bis heute keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, obwohl sich die Entwicklung vom „dual federalism" zum „cooperative federalism" i n beinahe allen Bereichen des staatlichen Lebens der Vereinigten Staaten ausprägt. I I I . Gemeinschaftsaufgaben i m kooperativen Bundesstaat der USA Der kooperative Föderalismus der USA prägt sich i n einer Beziehung i n starkem Maße auf der Länderebene aus, eine Erscheinung, die auch Bundesstaaten wie der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland geläufig ist. Diese horizontale Aufgabenteilung und gegenseitige Ergänzung hat sich i n den USA vor allem i n dem sog. „Council of State Go12

Vgl. Kewenig, a.a.O., S. 445. Vgl. z.B. Cornell University v. Fiske, 136 U.S. 152; W y o m i n g v. Irvine, 206 U. S. 278; E r w i n v. U. S., 251, U. S. 48. 14 262 U. S. 447, 480: „ . . . probably i t w o u l d be sufficient, to point out, that the powers of the State are not invaded since the Statute imposes no Obligation, but simply extends an option which the State is free to accept or reject..." 15 Vgl. U. S. v. Butler, 297, U. S. 1, 65, 66. 18

3. Kap.: Die Vereinigten Staaten von Amerika

309

vernments" institutionalisiert 1 6 . Der Council, der sich 1933 konstituierte, ist eine von allen Staaten der Union gemeinsam unterhaltene Organisation, die sich aus den i n jedem einzelnen Staat bestehenden „Commissions on Interstate Cooperation" zusammensetzt. I m „Managing Board" des Council sitzen je ein Vertreter jedes Einzelstaates, neun Gouverneure als Vertreter der „Governors Conference" und neun Repräsentanten anderer gemeinsamer Institutionen auf Länderebene i m legislativen, i m Verwaltungs- und i m Rechtsprechungsbereich. Dieser Council ist eine Schaltstelle der Koordination der Staaten i n legislativer, administrativer und justizverwaltungsmäßiger Hinsicht 1 7 . Er ist vor allem die Verbindungsstelle der kaum noch zu übersehenden Anzahl von Gemeinschaftseinrichtungen auf Staatenebene. Ein weiteres wesentliches Koordinationsinstrument bildet die „Governors Conference", die ähnlich den deutschen Ministerpräsidentenkonferenzen ein turnusmäßiges Treffen der Gouverneure darstellt, das sich durch zahlreiche Kommissionen, Ausschüsse und Untergliederungen aber zu einer permanenten und institutionalisierten Kooperation der Chefs der Exekutive i n den Einzelstaaten ausgestaltet hat und insofern der Ständigen Konferenz der Kultusminister i n Deutschland auf einer anderen Ebene gleichkommt. Die Ausstrahlungskraft der „Governors Conference" besteht i n erster Linie i m politischen Raum durch die gemeinsame Vertretung gebündelter Staatsinteresssen gegenüber dem Bund und durch interföderale Koordinierung. Ein weiteres wesentliches Koordinierungsmittel bilden die „interstate compacts" oder Staatsverträge, die nach A r t . 1 See. 10 der Bundesverfassung der Zustimmung des Kongresses bedürfen 18 . Diese Länderverträge haben i n den USA eine sehr gefestigte Tradition und erlangen besonders wirtschaftlich unter dem Aspekt des kooperativen Föderalismus immer größere Bedeutung, weil an ihnen i n den meisten Fällen nicht nur eine Vielzahl von Einzelstaaten beteiligt ist, sondern sie meist die Grundlage für eine weitergehende institutionalisierte Zusammenarbeit bilden, wobei den hierdurch konstituierten Gemeinschaftseinrichtungen i n der Regel wichtige Aufgaben zur selbständigen Ausführung übertragen werden 1 9 . Abgesehen von den praktischen Gesichts16

Vgl. Graves, „ A m e r i c a n Intergovernmental Relations", S. 584 f. Vgl. den A u f t r a g des Council als „a m e d i u m for i m p r o v i n g state legislative, administrative and j u d i c i a l practices; an agency for cooperation among the states i n v o l v i n g interstate problems, both regional and national; a means of facilitating and i m p r o v i n g federal-state relations, (vgl. The Book of the States, 15 (1964, 1965), S. 253.) 18 Z u den „interstate compacts" vgl. Schaumann, W d S t L 19, S. 86 f., S. 122; Ferguson-McHenry, The American System of Government (1959), S. 96. 19 So vor allem die „Great Lakes Commission", die „Interstate O i l Commission", die „Port of New Y o r k A u t h o r i t y " u n d der „Southern Interstate Nuclear Board". Vgl. weitere Beispiele bei Graves, a.a.O., S. 607. 17

310 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten punkten, unter denen die Verträge geschlossen werden, bilden sie vor allem ein Gegengewicht gegen die Zentralisierung des Gesamtstaates 20 . Bis 1963 wurden vom Kongress fast 100 „compacts" autorisiert, von denen 60 durch die Ratifikation der einzelstaatlichen Parlamente i n K r a f t getreten sind. Sie regeln insgesamt acht Komplexe 2 1 : Grenzfragen, deren Lösung i m Vertragswege vom Supreme Court veranlaßt wurde, Kontrolle und Verbesserung der Schiffahrt, wofür die „Port of New York A u t h o r i t y " zur Vermeidung von Kompetenzschwierigkeiten ein bedeutsames Beispiel liefert, ferner die Strafgerichtsbarkeit 22 , die Vereinheitlichung der Gesetzgebung, zu deren Erreichung die „National Conference of Commissioners on Uniform State Laws" gegründet wurde, i n die jeder Staat einen Vertreter entsendet 23 , die zwischenstaatliche Abrechnung 24 , der Schutz und Erhalt der Bodenschätze, die durch den „Interstate Oil Compact" von 1935 gewährleistet wird, schließlich die Regulierung der öffentlichen Dienstleistungen, deren Kontrolle sich auf die Staaten verlagerte, während die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit durch den „interstate-commerce" vom Bund übernommen wurde 2 5 und endlich das Steuerwesen 26 . Für den Gegenstand unserer Untersuchung von noch größerer Bedeutung ist aber die Zusammenarbeit der Einzelstaaten m i t dem Bund. I n jüngster Zeit hat sich der compact auch zu einer Rechtsform vertikaler föderativer Zusammenarbeit entwickelt. Der erste Vertrag, an dem auch der Bund beteiligt wurde, ist der „Delaware River Basin Compact" von 1961. Neben Delaware, Pennsylvania, New York und New Jersey ist der Bund der fünfte, gleichberechtigte Partner bei 20

Loewenstein, a.a.O., S. 93. Ferguson-McHenry, a.a.O., S. 96. 22 Das bedeutsamste Beispiel auf diesem Sektor ist das A b k o m m e n z w i schen Wisconsin, Illinois, Indiana u n d Michigan „for t r i a l of crimes comm i t t e d on Lake Michigan". Ferner der „Crime Compact" des Jahres 1934, der die Überwachung von auf Bewährung entlassenen Verurteilten regelt. 28 Diese Konferenz erarbeitet Vorschläge für die Gesetzgebung u n d leitet sie den Mitgliedern der Organisation u n d dem B u n d zu. Bisher w u r d e n auf G r u n d ihrer Empfehlungen ein einheitliches Wechsel- u n d Scheckrecht und das Recht der Aktienübertragung von allen Staaten verabschiedet, von den meisten Staaten aber auch die bedeutsame Bundeszivilprozeßordnung (Feder a l Rules of C i v i l Procedure). Vgl. Loewenstein, a.a.O., S. 93. 24 So z. B. das A b k o m m e n zwischen Washington u n d Oregon zum Schutz der Fischerei auf dem Columbia River von 1918. Ebenfalls zu diesem Bereich gehört der „Southern Regional Educational Compact" von 1948 u n d der „Western Regional Educational Compact" von 1953, nach denen Schüler und Studenten aus Staaten m i t unzulänglichen Bildungsinstitutionen auf Rechnung ihres Heimatstaates i n besser ausgerüsteten Staaten studieren können. 25 Vgl. Frankfurter-Landeis, The Compact Clause of the Constitution. A Study i n Interstate Adjustment, Yale L a w Journal, Vol. X X X I V , M a y 1925, Nr. 7, S. 703. 26 Das „Cansas C i t y Waterworks Agreement" von 1922 sieht f ü r das vom A b k o m m e n betroffene Projekt Steuerfreiheit vor. 21

3. Kap.: Die Vereinigten Staaten von Amerika

311

diesem bedeutsamen Vertragswerk 2 7 . I m Zusammenhang m i t dem compact wurde die „Delaware Hiver Basin Commission" gegründet. Sie stellt eine regionale Verwaltungsbehörde dar, die i m Gebiet des Delaware River Gesetzgebungsbefugnis hat. Diese Befugnis erstreckt sich nicht nur auf den Fluß, sondern auch auf die Teile des Delaware-Tals, die zu den verschiedenen Staaten gehören 28 . I m übrigen ist die Kooperation der USA m i t ihren Gliedstaaten auch i m Bereich der Gesetzgebung heute nicht mehr auf das i n der Verfassung vorgesehene Maß, nämlich auf die Vertretung der Interessen der Einzelstaaten durch die Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses, beschränkt. Sichtbaren Ausdruck findet diese Zusammenarbeit auf der Bundesebene heute vor allem i n zwei Institutionen, die nach 1945 geschaffen worden sind. Als erste zu nennen sind die heute sowohl beim Senat wie beim Repräsentantenhaus bestehenden „Subcommittees on Intergovernmental Relations". Personell sind zwar die Einzelstaaten an der Arbeit dieser Gremien nur insofern beteiligt, als ihre Vertreter ständig i n den Hearings der Unterausschüsse auftreten. Sachlich beschäftigen sich die Unterausschüsse aber ausschließlich m i t der Problematik der Beziehungen des Bundes zu den Einzelstaaten und den ihnen nachgeordneten Hoheitsträgern. Die Ausschüsse haben daher für die Bund-Staaten-Beziehungen i n den USA eine große Bedeutung erlangt 2 9 . Die zweite für das Funktionieren des kooperativen Föderalismus typische Institution auf Bundesebene ist die sog. „Advisary Commission on Intergovernmental Relations", die durch Gesetz vom 24. 9.1959 ins Leben gerufen wurde 3 0 . Die Kommission w i r d i n allen denkbaren Bereichen der Kooperation zwischen Bund und Einzelstaat tätig. Sie hat insgesamt 26 vom Präsidenten ernannte Mitglieder, von denen 20 unmittelbar aus dem Bereich der Einzelstaaten und Gemeinden, sechs aus dem Kongreß kommen. Der Umfang der bisher von der Kommission geleisteten Arbeit ist auf allen Gebieten von gesamtstaatlicher Bedeutung sehr erheblich. So legt sie ständig Modellentwürfe für ein einheitliches Gesetzgebungsprogramm i n den Einzelstaaten hinsichtlich solcher Materien vor, die einer einheitlichen, über die Landesgrenzen hinausgehenden Lösung bedürfen. Die Kommission w i r k t auch auf die Bundeslegislative ein, indem sie ihre Mitglieder als Sachver27 Z u dieser Entwicklung, die dem kooperativen Föderalismus i m B u n d Länder-Verhältnis neue Wege eröffnet, siehe Grad, Federal-State Compact, a new Experiment i n Cooperative Federalism, Columbia L a w Review 63 (1963), S. 825 ff. 28 Ferguson, a.a.O., S. 98. 29 Vgl. Kewenig, a.a.O., S. 449. 80 Hierzu vgl. Scheuner, D Ö V 1966, S. 519; ausführlich Kewenig, a.a.O., S. 450 f. Eine dritte Institution, die i m Bereich des Kooperativen Föderalismus als Koordinations- u n d Planungsbehörde zunehmende Bedeutung erlangt, ist das „Bureau of the Budget"; vgl. Loewenstein, a.a.O., S. 252 f., 321 f.

312 Abschn. A: Gemeinschaftsaufgaben in ausländischen Bundesstaaten ständige i n die einschlägigen Hearings des Senats oder des Repräsentantenhauses entsendet oder i n ständiger Fühlungnahme m i t den verschiedenen Bundesministerien ein konzertiertes Gesetzgebungsprogramm von Bund und Einzelstaaten vorbereitet. I m administrativen Bereich befaßten sich die Arbeiten der Kommission vor allem m i t den Problemen der personellen Zusammenarbeit des Bundes und der Einzelstaaten i m Bereich der Finanz Verwaltung oder i m Rahmen des „Poverty Program", i m eigentlich fiskalischen Bereich vor allem aber m i t dem Problem der „grants i n aid" als einem der wichtigsten Entwicklungsmomente i m Bereich des kooperativen Föderalismus. Diese „grants i n aid", unter denen man insbesondere die traditionellen Bundeszuschüsse an die Länder versteht, und deren verfassungsrechtliche Problematik bereits dargelegt wurde, sind das wesentliche Instrument der Gemeinschaftsaufgaben i m kooperativen Bundesstaat der USA. Die „grants i n aid", deren Volumen i m Bundeshaushalt der USA ständig zunimmt, sind Zuschüsse für einen genau festgelegten Zweck und werden grundsätzlich nur m i t einer Reihe von unabdingbaren Auflagen und Konditionen gewährt. Die Einzelstaaten können sich diesen Bedingungen und Auflagen nur entziehen, wenn sie auf die Inanspruchnahme der bereitgestellten Bundesmittel verzichten. Eine immer wiederkehrende Verpflichtung der Empfangsstaaten ist die, für den gleichen Zweck zur selben Zeit einen gleichen oder doch vergleichbaren Geldbetrag aufzubringen (sog. matching-requirement). Die Ausführung des Programms w i r d grundsätzlich dem Empfängerstaat überlassen, wobei meist zur Auflage gemacht wird, daß eine besondere Behörde für diesen Zweck einzurichten ist. Dabei behält sich der Bund i n jedem Fall das Recht vor, die Ausführung des Programms durch den Einzelstaat auf Zweck- und Rechtmäßigkeit zu kontrollieren 3 1 . Der Einfluß, den der Bund auf den politischen Entscheidungsprozeß i n den Einzelstaaten nimmt, indem er einem Hilfsprogramm bestimmte Zielvorstellungen zugrundelegt und die Verwirklichung dieser Vorstellungen m i t Hilfe von Bedingungen und Auflagen und durch ein weit verzweigtes System von für jeden Einzelstaat verschiedenen „matching-requirements" praktisch erzwingt, ist nicht gering zu veranschlagen. Das w i r d besonders augenfällig dadurch, daß die Hilfsprogramme oft Dinge berühren, die den Kern der politischen Eigenständigkeit des betroffenen Staates ausmachen, wie beispielsweise die umfangreichen Zuschüsse zum Erziehungswesen zeigen 32 . Dennoch werden die „grants i n aid" als Spielart des kooperativen Föderalismus von den Einzelstaaten weitgehend akzeptiert. Das dürfte i n erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß den Staaten die rechtliche Entscheidungsfreiheit über die Annahme einer 31 32

Vgl. Graves , a.a.O., S. 474 f., 513 f., 537 f., 571 f.; Loewenstein , a.a.O., S. 122. Vgl. hierzu Kewenig , a.a.O., S. 458 f.

3. Kap.: Die Vereinigten Staaten von Amerika

313

Bundesofferte verbleibt und darüber hinaus die verwaltungsmäßige Durchführung bei den Staaten liegt, denen insofern auch die Einzelentscheidung über die Mittelvergabe überlassen ist. Insgesamt also ist die Eigenständigkeit der Staaten durch die „grants i n aid" und den sonstigen Kompetenzzuwachs des Bundes nicht einschneidend geschmälert. Starke Absicherung der Staatenkompetenzen durch die Verfassung hindert ihre weitgehende Gleichschaltung durch den Bund. Vielmehr haben sich die Staaten diesem System des kooperativen Föderalismus i m Wege eines „functional approach" angepaßt, der das heutige Verständnis des Föderalismus i n den USA kennzeichnet 33 . Die föderale Struktur des Staatswesens w i r d nicht mehr so sehr aus seinem historischen Auftrag verstanden und bewertet, sondern aus der Überlegung, welchen Zweck, welche Funktion es zu erfüllen hat. Daher w i r d nicht i n erster Linie danach gefragt, welche Aufgaben dem Bund und welche den Einzelstaaten nach der Verfassung zukommen, sondern wie die sich stellenden Aufgaben am besten bewältigt werden. Diese Betrachtungsweise ist dem amerikanischen Verfassungsdenken eigen, weil die Verfassung nur als der Rahmen gesehen wird, i n dem sich das staatliche Leben gestaltet 34 . Nach dieser funktionellen Betrachtungsweise stehen sich daher Bund und Einzelstaaten aufgrund der Bedürfnisse der modernen Industriegesellschaft nicht so sehr als getrennte oder gar i n ihrem Interesse gegeneinander gestellte Einheiten gegenüber, sondern bilden ein Ganzes, das die gesamtstaatlichen Belange i m Sinne des Gemeinwohls m i t möglichst großer Effizienz zu wahren hat. A u f dem Boden dieses i n erster Linie nicht normativen sondern funktionellen Verfassungsverständnisses hat sich der Föderalismus i n den USA unter Wahrung der Eigenständigkeit seiner Glieder zu einer kooperativen Bundesstaatlichkeit entwickelt.

33

Z u diesem Verfassungsverständnis Kewenig, a.a.O., S. 478. Grundlegend für diese Auffassung schon Chief Justice Marshall Culloch v. Maryland, 4, U. S. 316, 407. 34

i n Mc

Abschnitt

B

Die Wandlungen im Föderalismus der Bundesrepublik durch die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern

Erstes Kapitel

Sinngebung und Legitimation der bundesstaatlichen Ordnung im Hinblick auf die Kooperation von Bund und Ländern I. Wesen und Rechtfertigung des Föderalismus Die Betrachtung der ausländischen Bundesstaaten hat gezeigt, daß die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern als ein Kernbereich der Zuordnung der bundesstaatlichen Glieder eine Erscheinungsform des modernen Föderalismus schlechthin ist. Eine Auseinandersetzung m i t dem Problem der Gemeinschaftsaufgaben fordert aber zu einer Gesamtbetrachtung der Situation des deutschen Föderalismus, insbesondere seiner Sinngebung und Rechtfertigung angesichts eines umfassenden Systems kooperativer Bundesstaatlichkeit heraus 1 . Daher sollen zum Abschluß dieser Untersuchung die Gemeinschaftsaufgaben i n den größeren Zusammenhang der Strukturelemente des Föderalismus als nationalem Ordnungsprinzip eingegliedert werden. Während i m Mittelpunkt unserer Betrachtung ausschließlich die verfassungsrechtlichen Aspekte der Gemeinschaftsaufgaben standen, seien diese Arten bundesstaatlicher Kooperation m i t hohem föderativen Koordinierungseffekt nunmehr kurz den verfassungstheoretischen Grundlagen zugeordnet. Hierbei stellt sich zunächst die Frage nach der Legitimation der bundesstaatlichen Ordnung. Gerade bei der Frage nach der Rechtfertigung des heutigen Föderalismus bahnt sich i n der letzten Zeit ein gewandeltes Verständnis dieses staatlichen Ordnungsprinzips an. Daß eine rein historische Erklärung des Föderalismus heute nicht mehr befriedigen kann, folgt schon aus der A r t des Entstehens unserer Bundesländer und ange1

So zutreffend auch Kölble , D Ö V 1967, S. 6 FN. 42.

1. Kap.: Legitimation der bundesstaatlichen Ordnung

315

sichts der meist fehlenden historischen Kontinuität m i t den alten Ländern des Reichs. Auch die i n der katholischen Soziallehre wurzelnde Rechtfertigung aus dem Subsidiaritätsprinzip, nach welchem die übergeordnete Gemeinschaft nur für solche Aufgaben zuständig ist, die auf der unteren Ordnungsstufe nicht mehr wirksam erfüllt werden können, kann zur Erklärung des Föderalismus allein nicht genügen. Der wesentliche Grund hierfür mag vielleicht mehr i n der philosophisch-kosmologischen Begründung dieses Prinzips, i n seinem naturrechtlichen A n satz liegen, von dem aus der Föderalismus sich als zwangsläufig und unumgänglich darstellt. Eine solche Vorstellung, die sich i n gewissen Übersteigerungen auf generelle Postulate wie „Vielheit i n Einheit" gründet 2 , entspricht nicht mehr dem modernen pragmatischen Staatsverständnis, das von den politisch wirkenden Kräften und der Frage nach der richtigen Machtbildung und Machtverteilung ausgeht und sich danach erst seine adäquaten Institutionen schaffen w i l l 3 . Obwohl ein Konsens über die Ratio essendi des Bundesstaates nicht besteht, lassen sich zahlreiche Aspekte für die Legitimation bundesstaatlicher Ordnung anführen, die teilweise mehr rechtsstaatlich, teils mehr demokratisch orientierten Vostellungen entspringen. Aus der Tatsache, daß zwischen diesen beiden Vorstellungsgruppen kein wirklicher Gegensatz besteht, w i r d man folgern können, daß beide Betrachtungsweisen komplementär das Wesen des Föderalismus i n seiner komplexen Ausgestaltung erfassen. So w i r d als wesentlicher rechtsstaatlicher Aspekt der Gedanke der politischen Gewaltenteilung angeführt, der neben die horizontale A u f gliederung der Macht i n eine gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt die Aufteilung der Macht auf Zentralstaat und Gliedstaaten stellt 4 . Je besser die Machtbefugnisse gegliedert sind, desto schwieriger w i r d der Eingriff i n die Individualsphäre des einzelnen. Der Bürger steht keiner omnipotenten Staatsmacht gegenüber, sondern einer Reihe von Machtträgern, die sich gegenseitig kontrollieren 5 . W i r d somit die Freiheitssphäre des einzelnen effektiv geschützt, so w i r d durch die föderale Gewaltenteilung auch die innerstaatliche Gewaltenbalance regulativ beeinflußt. Neben die Kontrolle von Exekutive und Legislative t r i t t die vertikale Gliederung der Staatsgewalt. Diese Gewaltenteilung übt der Föderalismus auch dadurch aus, daß die Länder i n ihrem 2 Vgl. die „Diversity i n U n i t y " bei Wheare „Federal Government", S. 243— 245; auch Roellenbleg, D Ö V 1968, S. 237, der kürzlich das bundesstaatliche Prinzip m i t dem Subsidiaritätsgedanken begründete, r ä u m t ein, daß dem Subsidiaritätsgedanken neben dem Bundesstaatsprinzip ein selbständiger Erkenntniswert w o h l nicht mehr zukommen dürfte. 3 Liebrecht, D V B L 1969, S. 98; ebenso Lerche, Verfassungsfragen, S. 10. 4 Vgl. BVerfGE 12, S. 229; B V e r w G E 22, S. 308 f.; Heubl, B a y V B L 1968, S. 413; Lerche, Verfassungsfragen, S. 10; Scheuner, D Ö V 1966, S. 320; Hesse, Der u n i tarische Bundesstaat, S. 27 f.; Liebrecht, D V B L 1969, S. 99. 6 Heubl, B a y V B L 1968, S. 413.

316

Abschn. B: Wandlungen im Föderalismus

Organ „Bundesrat" auch auf der Bundesebene A n t e i l an der staatlichen Willensbildung haben 6 . Neben dieses rechtsstaatliche Prinzip t r i t t das demokratische, das den Föderalismus als ein Stück zusätzlicher Demokratie bezüglich des Minderheitenschutzes und des Einbaues der Opposition i n die demokratische Gesamtordnung erscheinen läßt. Dieser Gedanke beruht auf der Tatsache, daß die Mehrheitsverhältnisse i n den einzelnen Ländern und auf der Bundesebene meist verschieden ausfallen, und daß Minderheiten, die auf der Bundesebene nicht zur politischen Wirkung kommen, eine andere Chance zur Durchsetzung ihrer politischen Vorstellungen haben 7 . Föderalismus ergänzt das demokratische Prinzip ferner dadurch, daß er die Hierarchie i n den einzelnen Parteien auflockert. Hesse 8 meint sogar, daß der bundesstaatliche Aufbau i n der Bundesrepublik für die demokratische Internstruktur der Parteien bedeutungsvoller als der Verfassungsbefehl i n Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG sei. Neben diesen rechtsstaatlichen und demokratischen Aspekten der Legitimationsgründe des Föderalismus treten jene Gesichtspunkte, die allgemeinen Sachelementen des Verfahrens gewidmet sind 9 . Hier w i r d einmal auf die verstärkte Effektivität durch größere Lebensnähe hingewiesen, die sich aus der Ortsnähe der Verwaltung zum Sachgegenstand ergibt 1 0 . Umgekehrt stärkt auch die Nähe des Bürgers zum verwaltungsmäßigen und politischen Entscheidungszentrum sein Interesse an der demokratischen Gestaltung des öffentlichen Lebens. Dadurch fühlt er sich nicht den anonymen Einflüssen einer zentralen Planungsinstanz ausgesetzt, sondern sieht die Möglichkeit politischer Einflußnahme bei transparenten Entscheidungsprozessen 11 . Ein wesentlicher Grundzug des Föderalismus ist auch das belebende Element des Wettbewerbs der politischen Kräfte i n und unter den Ländern, sowie zwischen Bund und Ländern, der sich i n der Daseinsvorsorge optimal zugunsten des Staatsbürgers auswirkt. Der Zwang der einzelnen politischen Ebene, Erfolge nachzuweisen, führt zu A k t i v i t ä t und Einfallsreichtum. Durch diese permanente Konkurrenz w i r d das dauernde Spannungsverhältnis zwischen Gesamtstaat und Gliedstaat sowie zwischen Regierung und Opposition innerhalb des einzelnen Gliedstaates i m Sinne einer Mobilisierung aller politischen Kräfte für das Gemeinwohl nutzbar gemacht 12 . Eine weitere Dimension innerhalb des Verfahrensgedankens als rechtfertigendem Sinnprinzip des Föderalismus eröffnet 8

Liebrecht, D V B L 1969, S. 99. Liebrecht, D V B L 1969, S. 100; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 30; Scheuner, D Ö V 1962, S. 645; Lerche, Verfassungsfragen, S. 10. 8 a.a.O., S. 90. 9 Vgl. Lerche, Verfassungsfragen, S. 11. 10 Vgl. Mayer, Z u r S t r u k t u r der deutschen Verwaltung, S. 57 f. 11 Vgl. Heubl, B a y V B L 1968, S. 414. 12 Vgl. Lerche, Verfassungsfragen, S. 11; Heubl, B a y V B L 1968, S. 414. 7

1. Kap.: Legitimation der bundesstaatlichen Ordnung

317

sich durch die Notwendigkeit des Kompromisses, des Verzichts, der Verständigung der Gliedstaaten miteinander und m i t dem Bund, der ein besonderer Vorzug der bundesstaatlichen Staatsform ist und sowohl Elemente der Rechtsstaatlichkeit als auch des Demokratieprinzips i n sich vereinigt 1 3 . Freiheit, Demokratie und Daseinsvorsorge werden demnach durch die bundesstaatliche Gliederung gestärkt und optimal verwirklicht. Somit zeigt bereits diese kurze Betrachtung der Sinngebung des deutschen Föderalismus i n seiner modernen bundesstaatlichen Ausprägung, daß diese Staatsform auch einem pragmatischen Staatsverständnis entspricht und der Funktionsfähigkeit der staatlichen Organisation gerecht wird. Die Legitimation des Föderalismus ergibt sich also aus seiner Sinngebung als optimalem Ordnungsprinzip zur V e r w i r k lichung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und verfahrensmäßiger Effektivität. II. Die Bedeutung der Gemeinschaftsaufgaben für ein gewandeltes föderatives Verständnis I n den letzten Jahren ist zu diesem föderativen Verständnis ein weiterer Aspekt getreten, der sich auf die Zuordnung der Glieder i m Bundesstaate bezieht, und der diese bundesstaatlichen Beziehungen als kooperativen Föderalismus begreift. Unsere Untersuchung hat gezeigt, wie sich dieser kooperative Föderalismus i n Zukunft i n neuen verfassungsrechtlichen Instituten ausprägen wird. Denn die bundesstaatliche Ordnung unterliegt dem Wandel der politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse. Sie kann deshalb nicht auf unabsehbare Zeit verfassungsrechtlich fixiert werden, weil sie anderenfalls zu Versteinerungen führen würde, die eine zeitgemäße und zweckmäßige Erfüllung der staatlichen Aufgaben behindern und als störendes Element der politisch-wirtschaftlichen Ordnung empfunden würden. Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, wie sie sich bisher i n der Verfassungspraxis entwickelt haben und jetzt grundgesetzlich abgesichert wurden, gewährleisten deshalb eine Form des Föderalismus, „die ein ausgewogenes und bewegliches System der Zusammenordnung und der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern und unter den Ländern ermöglicht" 1 4 . I n der Tat ist der kooperative Föderalismus insofern ein „aktives Staatsprinzip", als er den Ausgleich zwischen einer klaren Aufgabenabgrenzung, ohne die eine Ordnung des Bundesstaates nicht denkbar ist, und der bundesstaatlichen Kräftekonzentration herbeigeführt, die den höchsten Wirkungsgrad des öffentlichen Mittelein18 Lerche, Verfassungsfragen, S. 11; ders. W d S t L 21 (1964), S. 90 f.; Scheuner, D Ö V 1966, S. 518; Leisner, D Ö V 1968, S. 395 f. 14 Gutachten Tz 76.

318

Abschn. B: Wandlungen im Föderalismus

satzes ermöglicht, ohne die bundesstaatliche Ordnung selbst zu beeinträchtigen. Scheuner 15 hat den kooperativen Föderalismus dahingehend definiert, daß dort, wo die Sachaufgaben eine einheitliche und planend abgestimmte Zusammenarbeit aller Ebenen und Träger der öffentlichen Verwaltung erfordern, eine Koordination und ein Zusammenwirken aller Beteiligten, des Bundes, der Länder und auch der Gemeinden herbeigeführt wird, daß also grundsätzlich die öffentliche Tätigkeit i n ihrem Zusammenspiel und ihrer gemeinsamen Verpflichtung für das Wohl der Bürger gesehen wird. Diese Zusammenarbeit i m Sinne des kooperativen Föderalismus wurde schon bisher m i t dem höchsten Intensitätsgrad bei den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern realisiert. Dabei haben sich die Träger der öffentlichen Gewalt auch über das i n der Verfassung ausdrücklich vorgesehene Maß hinaus zu Formen der Kooperation zusammengefunden, deren Ausgestaltung und Anzahl sich den ständig verändernden Arten der nur gemeinschaftlich zu bewältigenden Aufgabe anpassen 16 . Die Tatsache aber, daß sich die grundgesetzliche Ordnung i n so hohem Maße schon bisher auch außerhalb geschriebener Änderungen als elastisch und fortbildungsfähig erwies und zwar gerade i m Sinne des kooperativen Föderalismus, zeigt wohl am augenfälligsten ihre prinzipielle Lebenstüchtigkeit 17 . Dabei werden die Vorzüge des kooperativen Föderalismus häufig primär i n praktisch-technischer Steigerung der Effizienz staatlichen Wirkens als M i t t e l der A n passung der bundesstaatlichen Ordnung an die Erfordernisse des modernen Planungs-, Leistungs- und Vorsorgestaats bei gleichzeitiger Erhaltung der Vorzüge des bundesstaatlichen Aufbaus gesehen 18 . Häufig w i r d allerdings übersehen, daß der kooperative Föderalismus i n dieser Beziehung ein mehrfach zweideutiges Prinzip darstellt: gesteigerte Effizienz würde Regungslosigkeit des Verfahrens, unmittelbare Durchsetzung der Initiativen, schnelle Entscheidungsmöglichkeit und damit Entscheidungskompetenz voraussetzen. Diese Bedingungen erfüllt ein kooperativ strukturiertes Gemeinwesen jedenfalls nicht optimal, w e i l es ständiger und oft mühsamer Anstrengungen bedarf, einen Ausgleich partikularer Interessen herbeizuführen. Das Erfordernis freier Einigung kann auch umfassende und durchgreifende Reformen erschweren. Es begegnet oft verfahrensmäßigen Schwierigkeiten zeitraubender Auseinandersetzungen. Bis zu einem gewissen Grad setzt es auch eine Homo15

DÖV 1966, S. 518. I n einer Kooperation auch über das von der Verfassung gesetzte Maß hinaus unter Einbeziehung aller staatlichen Ebenen sieht Kewenig, a.a.O., S. 442 das Wesen des kooperativen Föderalismus, wobei er allerdings zu wenig das deutsche v o m amerikanischen Verfassungsverständnis unterscheidet, wobei das letztere eher geneigt ist, den normativen Gehalt der Verfassung den pragmatischen Bedürfnissen der Staatswirklichkeit anzupassen. 17 Lerche, Verfassungsfragen, S. 11, 12. 18 So das Gutachten, Tz 77. 16

1. Kap.: Legitimation der bundesstaatlichen Ordnung

319

genität der Interessen und Ziele bei gleichzeitiger Differenziertheit dieser Interessen und Ziele voraus, w e i l ohne das erstere Erfordernis eine Einigung scheitern muß, während bei mangelnder Differenziertheit keine neuen und von zentralistischen Lösungen zu unterscheidenden Ergebnisse hervorgebracht werden können, so daß i n beiden Fällen eine Gefahr des Immobilismus beim kooperativen Föderalismus nicht zu übersehen ist 1 9 . Jedoch bringt kooperativer Föderalismus als Verfahrensweise gerade unter dem Gesichtswinkel der Legitimationsgründe föderalistischer Ordnung viele Vorteile m i t sich: Unter dem Aspekt der Effizienz wiegt er die mangelnde Schnelligkeit und Reibungslosigkeit des Verfahrens durch die erhöhte Qualität und bessere Realisierbarkeit von Lösungen auf, die von den Betroffenen selbst erarbeitet und daher besser durchdacht und tragfähiger als einseitig angeordnete Entscheidungen sind. Hinzu kommt, daß dieses Verfahren dem Demokratiegebot gemäßer ist, w e i l es Transparenz der Entscheidungsbildung und Berücksichtigung von Minderheitsinteressen durch die Zuordnung regionaler Einheiten i n höherem Maße gewährleistet. Allerdings besteht m i t Rücksicht auf den vereinheitlichenden Charakter der Kooperation die Gefahr, daß durch die Anpassung an die Notwendigkeiten des modernen Sozialstaats die Wirkungen abgeschwächt werden, die als Vorzug föderativer Ordnung anzusehen sind: Die Vielfalt der Gestaltungen, die dem Föderalismus i m bisherigen Sinne sein Gepräge gab, könnte sich i n amorpher Uniformierung verlieren und die Möglichkeiten zum begrenzten Experiment und Wettbewerb zwischen den Ländern schwinden lassen. Die Funktionsfähigkeit des Föderalismus w i r d jedoch i n anderer H i n sicht erhalten, die m i t der freiheitlichen Demokratie als der Herstellung, Erhaltung und Sicherung politischer Freiheit i n Zusammenhang steht. Das Einigungserfordernis verhindert Majorisierung und Dominierung. Es werden nicht Über-, Unter- und Nebenordnung die Kriterien bundesstaatlicher Beziehungen, sondern Auseinandersetzung, Verständigung, Zusammenarbeit, auf denen eine freiheitliche Ordnung letztlich beruht 2 0 . Dieser Raum politischer Freiheit setzt jedoch eine Selbständigkeit der Beteiligten voraus, die sowohl durch einen hinreichenden Bestand ausschließlich eigener Zuständigkeiten als auch durch ineinander greifende Teilzuständigkeiten, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsbefugnisse gewährleistet sein kann. I n engem Zusammenhang damit stehen auch die Auswirkungen des kooperativen Föderalismus auf Gestalt und Funktion der demokratischen Ordnung. Sofern kooperativer Föde19 A u f diesen Umstand weist Hesse, Aspekte des kooperativen Föderalismus i n der Bundesrepublik, i n Festschrift für Gebhard Müller, (1970), S. 146 hin. 20 Hesse, Aspekte des kooperativen Föderalismus, a.a.O., S. 147.

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Abschn. B: Wandlungen im Föderalismus

ralismus die Länder als Entscheidungszentren erhält und sich als Zuordnung regionaler Kräfte begreift, w i r d eine Hierarchisierung der Zuständigkeiten vom Bund als Entscheidungszentrum zu den Ländern als Erfüllungsgehilfen vermieden 2 1 und die Rolle, die die Länder für den Einbau der Opposition i n die demokratische Ordnung, die innere Auflockerung der politischen Parteien und Verbände spielen, auch weiterh i n erhalten und abgesichert 22 . Zum anderen besteht jedoch wiederum die negative Möglichkeit, daß durch die präjudizierenden Wirkungen der Einigung staatlicher Gewalt die Chancen aktiver demokratischer Anteilnahme und M i t w i r k u n g vermindert werden 2 3 . Auch das Gewicht der Landtage als der demokratisch legitimierten Organe der Länder kann durch eine Verlagerung der Kooperation auf die bundesstaatliche Ebene geschmälert werden 2 4 . Für einen weiteren nach der modernen föderalistischen Theorie wesentlichen Gesichtspunkt der Rechtfertigung föderativer Ordnung erweist sich der kooperative Föderalismus als besonders bedeutsam: die föderative Gewaltenteilung. Dabei soll hier nicht von der Funktion der bundesstaatlichen Struktur bei der Ergänzung und Verstärkung der horizontalen Gewaltenteilung die Rede sein, sondern von der Machthemmung durch die föderative Kompetenzverteilung auf verschiedene selbständige Entscheidungszentren. Da diese durch die grundgesetzliche Überlagerung und Verzahnung der Zuständigkeiten schon immer nur in beschränkter Weise wirksam war, könnte sie durch den bundesweiten Vereinheitlichungseffekt der Kooperation gänzlich aufgehoben werden. Dabei muß jedoch beachtet werden, daß heute auch die vertikale Gewaltenteilung nicht mehr als ein System hemmender und blockierender Wirkung staatlicher Machtbefugnisse gesehen werden kann. I m Mittelpunkt einer Betrachtung, die das Schwergewicht auf die Zusammenarbeit der Bundes- und Landesgewalten zu legen sucht, muß das Gewaltenteilungsprinzip als ein Prinzip der Konstituierung staatlicher Gewalten und einer Zuordnung dieser Gewalten stehen, die auf Vielfalt der Initiativen, Zusammenwirken und Leistungsfähigkeit angelegt ist, zugleich jedoch durch gegenseitige Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse einem Machtmißbrauch zu wehren und Freiheitlichkeit zu sichern sucht 25 . Es 21

Vgl. dazu auch Weinacht, i n : „Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte", Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", Nr. 21/69, S. 15. 22 s. dazu näher Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepub l i k Deutschland, 3. Aufl. 1969, S. 190 f. 23 A u f diese Gefahr weist Hempel, „Der demokratische Bundesstaat" (1969), S. 219 hin, der allerdings diesen Aspekt des kooperativen Föderalismus überbetont. 24 Leisner, D Ö V 1968, S. 389 ff. 25 Dazu näher Hesse, Grundzüge, a.a.O., S. 181 ff. (S. 91 f.); ders. Aspekte des Kooperativen Föderalismus, a.a.O., S. 149.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Land eine Stimme hat, Bund und Länder jedoch die gleiche Stimmenzahl, ergibt sich daraus, daß der Bund bei elf Ländern auch elf Stimmen haben muß. Nach den Ausführungsgesetzen 82 haben die Vertreter der Bundesregierung ihre Stimme einheitlich abzugeben. Das erscheint auch insofern konsequent, als hier der Bund geschlossen als Zentralstaat auftritt, dem nur mit Rücksicht auf die Parität m i t den Ländern mehrere Stimmen zustehen. Es ist allerdings vorgesehen, daß der Bund nicht zusammen m i t einer Minderheit der Länder Mehrheitsentscheidungen herbeiführen kann. Dementsprechend w i r d die Beschlußfassung an eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder geknüpft. Dadurch ist also gewährleistet, daß der Bund die Mehrheit der Länder nicht majorisieren kann, so daß sich i m Zusammenhang m i t dem Zustimmungserfordernis des A r t . 91 a Abs. 3 Satz 2 GG eine doppelte Absicherung der Länder gegen ein unerwünschtes Eindringen i n ihre Kompetenzen ergibt. Der Planungsausschuß soll auch insofern institutionalisiert werden, als er sich eine Geschäftsordnung gibt, die Verfahrensfragen regelt. Demgegenüber soll eine besondere Geschäftsstelle nicht eingerichtet werden, da sich jedes Mitglied des Planungsausschusses auf sein Ministerium stützen kann 8 3 . Eine Sonderregelung enthält § 9 des Entwurfs des Hochschulbauförderungsgesetzes, der eine Zusammenarbeit des Planungsrates mit dem Wissenschaftsrat etabliert. Die Erfahrungen und die Sachkunde dieses Beratungs- und Koordinierungsgremiums sollen durch seine Beteiligung an den Arbeiten des Planungsausschusses nutzbar gemacht werden. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bilden unmittelbare Beratungsgrundlage des Planungsausschusses. Bei beabsichtigten Abweichungen von den Empfehlungen des Wissenschaftsrates besteht demnach eine gesetzliche Verpflichtung, dem Vorsitzenden dieses Gremiums Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es t r i t t hier also eine Verflechtung der Befugnisse eines föderativen Organs, das zum Erlaß staatsleitender Gesamtakte befugt ist, m i t den Aufgaben eines Koordinierungsgremiums ein, das aufgrund eines Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern schon bisher zu staatsleitenden Planungen, wenn auch nur indikativer Provenienz, berechtigt war. Der Planungsausschuß als gemeinsamer Ausschuß von Bund und Ländern zur Bewältigung der Gemeinschaftsaufgaben ist i m Gegensatz zum Vorschlag der Troeger-Kommission föderativen Prinzipien angemessen, da es hier zu einer echten gleichberechtigten Zusammenarbeit von Bund und Ländern kommt, an der die Länder nicht i m Rahmen eines Bundesorgans beteiligt werden, sondern ihre gliedstaatlichen Belange i m Zusammenwirken mit dem Bund zur optimalen Koordinierung der Gemeinschaftsaufgaben verfolgen können. 82 83

z. B. § 6 E n t w u r f (BR-Drucks. 689/68). E n t w u r f (BR-Drucks. 690/68), S. 11.

16 Tiemann

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG I V . Die Durchführung der Gemeinsckaftsaufgaben A r t . 91 a Abs. 1 GG stellt klar, daß die Durchführung des Rahmenplans Aufgabe der Länder ist. Zur Durchführung zählen insbesondere die Detailplanung, die Vergabe der M i t t e l an die Begünstigten, die Erstellung der Schlußabrechnungen sowie die Überwachung der Begünstigten auf Einhaltung der Zuwendungsbedingungen 84 . Somit bleibt grundsätzlich die eigenverantwortliche Verwaltungszuständigkeit der Länder bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben gewahrt. Allerdings sind nach A r t . 91 a Abs. 5 GG die Bundesregierung und der Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten. Dadurch w i r d aber kein besonderes Aufsichtsrecht des Bundes über die Länder statuiert 8 5 . Die Bundesregierung ist ebenso wie der Bundesrat lediglich auf Verlangen über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten. Es findet also keine permanente rechtlich geregelte Aufsicht statt, sondern nur ein Unterrichtungsverlangen i m Ausnahmefall. Ein entscheidender Einbruch i n die Eigenverantwortlichkeit der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Länder kann hierin nicht gesehen werden, da hier ein minus gegenüber der Rechtsaufsicht i n A r t . 84 GG vorliegt. Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben ist also eine ausschließliche Landesangelegenheit m i t dem Vorbehalt potentieller Auskunftsverpflichtung. Der Regierungsentwurf hält die dem Bund damit eingeräumten Möglichkeiten aber für ausreichend, u m auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Länder hinzuwirken, „ w e i l eine planwidrige Verwendung von Bundesmitteln eine Pflichtverletzung der Länder darstellt" 8 6 . Die Ausführungsgesetze zu A r t . 91 a 8 7 differenzieren die Unterrichtungspflicht der Länder dahingehend, daß sowohl eine Unterrichtung über die Durchführung des Rahmenplans als auch eine solche über den allgemeinen Stand der Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen wird. Dadurch soll neben der detaillierten Information über den augenblicklichen Stand der Ausführung des Rahmenplans eine umfassende Orientierung möglich werden 8 8 . Demgegenüber erschien dem Rechtsausschuß des Bundestages 89 bei seinen Beratungen des Regierungsentwurfs der Bundeseinfluß auf die 84

Vgl. Begründung (BR-Drucks. 688/68), S. 13. Begründung zum E n t w u r f des Finanzreformgesetzes, Tz 284. 86 Tz 284. I m übrigen wäre die Verpflichtung der Länder zur Einhaltung der sich aus A r t . 91a GG ergebenden Befugnisse auch vor dem Bundesverfassungsgericht einklagbar. 87 z. B. § 9 Abs. 2 E n t w u r f (BR-Drucks. 688/68). 88 § 11 des Entwurfs des Hochschulbauförderungsgesetzes (BR-Drucks. 690/ 68) verpflichtet die Landesregierungen außerdem, den Wissenschaftsrat regelmäßig zu unterrichten. 85

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG

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Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben nicht i n ausreichendem Maße gewährleistet. Dafür wurden i m wesentlichen drei Gründe angegeben: Einmal bedeute die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes auch eine Mitverwaltungskompetenz; aus der Konnexität beider Kompetenzen ergebe sich auch die Notwendigkeit einer Richtlinienkompetenz. Zum anderen habe der Bund auf agrarpolitischem Gebiet eine Koordinierungsfunktion, die auch zu einer Richtlinienkompetenz führen müsse. Schließlich ergebe sich auch aus § 64 a RHO das Recht des Bundes, bei der Hingabe von M i t t e l n außerhalb der Bundesverwaltung Auflagen machen zu können und dies teilweise auch zu müssen. Auch hieraus lasse sich eine Richtlinienkompetenz des Bundes ableiten. Vor allem bei den Gemeinschaftsaufgaben unter Nr. 3 des Abs. 1 ergebe sich die Notwendigkeit von Bundesrichtlinien gerade i m Hinblick auf die Strukturmaßnahmen des Europäischen Agrarfonds. Das System dieser Strukturpolitik arbeite m i t einem Präferenzgefälle, das ohne Richtlinien gefährdet würde 9 0 . Dementsprechend beschloß der Bundestag 91 , daß das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgaben Bestimmungen über den Erlaß von allgemeinen Richtlinien zur Durchführung der Rahmenpläne treffen könne. Durch diese Richtlinien sollte der notwendige Umfang zur gleichmäßigen Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben festgelegt werden. Die Richtlinien sollten entsprechend der Rahmenplanung nicht die Einzelheiten regeln, sondern lediglich allgemeine Richtlinien sein 92 . Gegen diese Fassung des A r t . 91 a Abs. 3 durch den Bundestag hat sich der Bundesrat bei der ersten Anrufung des Vermittlungsausschusses m i t der Begründung gewandt 9 3 , daß er dieser über die Rahmenplanung hinausgehenden Richtlinienkompetenz nicht zustimmen könne, w e i l sie einen einschneidenden und der Sache nach nicht erforderlichen Eingriff i n die Verwaltungshoheit der Länder bedeute. I n der Tat ist dieser Auffassung des Bundesrates insofern zuzustimmen, als diese Richtlinienkompetenz die Eigenverantwortlichkeit der Länder bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben weitgehend aufgehoben und eine verfassungsrechtlich sanktionierte Form der Mischverwaltung eingeführt hätte. Die Folge davon wäre gewesen, daß der Bund sich auch i n Einzelheiten an der Planung und Durchführung von Bauvorhaben beteiligen und entsprechende Planungs- und Aufsichtsbehörden einrichten müßte 9 4 . I n der endgültigen Fassung des Vermittlungsausschusses 95 89

93. Sitzung am 3. 10.1968, Protokoll Nr. 93, S. 7 f. Rechtsausschuß des BT, 93. Sitzung am 3.10.1968, Protokoll Nr. 93, S. 7 f. Sitzung am 11.12.1968. Vgl. die Bundestagsfassung des A r t . 91a i n B T Drucks. V/3605. 92 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses (Abg. Bayerl) zu Drucks. V/3605, S. 3. 93 BT-Drucks. V/3826. 94 Das betont auch die Begründung des Bundesrates (BT-Drucks. V/3826, S. 4), der auch i n dem A r g u m e n t zuzustimmen sein dürfte, daß eine Richt90

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Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG taucht das Instrument der Richtlinienkompetenz, das dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben als gleichberechtigter Koordinierung und eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung zuwidergelaufen wäre, nicht mehr auf. Ebenfalls wurde i n die endgültige Fassung des Art. 91 a GG der Satz 3 des Abs. 3 des Regierungsentwurfs nicht miteinbezogen, i n dem ausdrücklich festgestellt wurde, daß A r t . 87 Abs. 3 GG bei den Gemeinschaftsaufgaben keine Anwendung finden sollte. Schon der Rechtsausschuß des Bundestages sah diese Bestimmung als überflüssig an 0 6 . Denn A r t . 91 a gibt dem Bund lediglich die Befugnis, die i n Abs. 1 genannten Aufgaben durch Gesetz als Gemeinschaftsaufgaben zu regeln. Soweit der Bund nach A r t . 91 a eine Regelungskompetenz besitzt, kann er daher nicht die Aufgaben auf dem Wege über A r t . 87 Abs. 3 GG i n bundeseigener Verwaltung durch selbständige Bundesoberbehörden oder neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durchführen lassen. Sofern dem Bund aber gleichzeitig auf diesen Gebieten eine Gesetzgebungszuständigkeit nach dem siebenten Abschnitt des Grundgesetzes zusteht, w i r d das Recht aus A r t . 87 Abs. 3 GG durch A r t . 91 a ohnehin nicht berührt 9 7 . Es bedarf daher keines Hinweises, daß Gemeinschaftsaufgaben, die nach der ausdrücklichen Vorschrift des A r t . 91 a Aufgabe der Länder bleiben, nicht über A r t . 87 Abs. 3 GG zu Bundesaufgaben gemacht werden können. V. Art. 91 b im System der Gemeinschaftsaufgaben 1. Die grundgesetzlich verankerte Verwaltungsvereinbarung als Instrument der Gemeinschaftsaufgaben

Durch A r t . 91 b w i r d anerkannt, daß das Grundgesetz schon Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne außerhalb der Modalitäten des Art. 91 a kennt. Dieser traditionelle Begriff der Gemeinschaftsaufgaben w i r d rechtsdeklaratorisch i n der Verfassungsnorm verankert. Allerdings ist nicht ganz einsichtig, warum ein Ausschnitt bewährter bundesstaatlicher Kooperation i m Wege der Ermächtigung zur Bildungsplanung und Forschungsförderung ins Grundgesetz eingeführt wurde, denn der Bund besaß schon bisher einen wesentlichen Teil kulturpolitischer Befugnisse. Auch das Bundesverfassungsgericht 98 hat nur eine Vermutung des Grundgesetzes für die Kulturhoheit der Länder ausgesprochen und ist sich der weitreichenden positivrechtlich gesicherten Kompetenzen des linienkompetenz des Bundes die Qualität der Sachentscheidung k a u m verbessern könnte, da hierfür i n erster L i n i e die größere Orts- u n d Sachnähe maßgebend ist. 95 BT-Drucks. V/3896. 96 Vgl. Bericht des Abg. Reischl (zu BT-Drucks. V/3605). 97 »pz 257. 98 BVerfGE 6, 309.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG Bundes durchaus bewußt gewesen. Außer den bedeutsamen kulturellen Grundrechten gab es bereits bisher eine Bundeszuständigkeit für die kulturpolitische Auslandsarbeit und kulturelle Entwicklungshilfe (Art. 73 Nr. 1), den Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung i n das Ausland (Art. 74 Nr. 13), ferner die auf Rahmengesetzgebung eingeengte Zuständigkeit für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films (Art. 75 Nr. 2). Hierzu ist jetzt die sehr wichtige Rahmengesetzgebung des Bundes für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens getreten. Mittelbare Wirkungen hatten schließlich auch die organisatorischen und materiellen Regelungen i m Verhältnis von Staat und Kirche nach A r t . 140 G G " . Eine generelle Zuständigkeit des Bundes für das Bildungswesen kann jedoch m i t Rücksicht auf die grundgesetzliche Vermutung der kulturhoheitlichen Länderkompetenz auch durch A r t . 91 b nicht begründet werden. Es werden nur Teilbereiche des Forschungs- und Bildungsbereiches einer Vereinbarung von Bund und Ländern zugänglich gemacht, wobei die Abkommen hinsichtlich der inhaltlichen Konkretisierung der Materie kaum über das hinausgehen dürfte, was schon bisher Gegenstand der Vereinbarungen von Bund und Ländern war. So konnte der Bund schon bisher sogar als Gesetzgeber nach A r t . 74 Nr. 13 „Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung" fördern. Die Kompetenz zur Forschungsförderung w i r d auch durch A r t . 91 b nicht eingeschränkt. Der Bund kann neben den Vereinbarungen nach A r t . 91 b nach wie vor Gesetze zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung erlassen, deren Ausführung den Ländern obliegen würde. Die Ermächtigung zum Erlaß solcher Gesetze reicht weiter als die vertragliche Abschlußkompetenz des A r t . 91 b, die sich auf bloße Planungsmaßnahmen beschränkt. Bereiche, die dem Bund bisher teilweise verschlossen waren, dürften sich aber durch das weite Gebiet der Bildungsplanung erschließen, die über die Forschungsförderung nach A r t . 74 Nr. 13 und das Hochschulwesen i n A r t . 75 Nr. 1 a sowie 91 a hinausgeht. Die Bildungsplanung erfaßt einmal die Bildungsvermittlung durch unterrichtliche Methoden. So bezieht sie sich auf das gesamte Schulwesen, die Erwachsenenbildung, die Einbeziehung der Massenmedien i n didaktische Bildungsprogramme. Darüber hinaus ist der Bildungsbegriff des A r t . 91 b aber auch auf alle bildungsmäßigen Bereiche zu beziehen, wie Förderung von Bibliotheken, Schrifttum i n jeder A r t sowie vor allem sämtliche Erscheinungsformen der Kunst, die einen bildungsmäßigen Bezug haben, die also i m Gegensatz zur Kunstförderung selbst durch Außenwirkung 09 Z u den k u l t u r e l l e n Bundeskompetenzen siehe Maunz, Die Abgrenzung des Kulturbereichs zwischen dem B u n d u n d den Ländern, i n Festschrift für Gebhard M ü l l e r (1970), S. 257 f.

Abschn. B Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG öffentlichkeitsbezogene bildungspolitische Ausstrahlung haben (Kunstausstellungen, Konzerte, Filmveranstaltungen, kunsterzieherische Programme i m weitesten Sinne etc.) Die Bedeutung des A r t . 91 b liegt außer der typischen Form der B i l dungsplanung also vor allem darin, daß durch die grundgesetzliche Neuregelung klargestellt wird, daß Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern an sich zulässig sind, und daß programmatisch die bildungsund wissenschaftspolitischen Befugnisse des Bundes unterstrichen werden, ohne eine Verpflichtung zum Abschluß solcher Vereinbarungen zu schaffen. Aus der Formulierung des A r t . 91 b („der Bildungsplanung") folgt, daß hier i m Gegensatz zu A r t . 91 a („von Aufgaben") der Bund seine Mitwirkungsrechte auf das gesamte Gebiet ausdehnen darf, sofern die Länder einer solchen Vereinbarung zustimmen. Dieses Erfordernis ist ohnehin integrierender Bestandteil des verfassungsrechtlichen Instituts des A r t . 91 b, das als solches weder unmittelbare Rechte noch Pflichten von Bund und Ländern erzeugt noch Außenwirkung gegenüber Dritten zeitigt. Die bundesstaatliche Kooperation ist vielmehr fakultativ: Sie schließt auch nicht andere Formen der Koordinierung von Bund und Ländern auf anderen Bereichen aus, da Art. 91 b keinen numerus clausus der Bund-Länder-Vereinbarungen statuiert. 2. Möglichkeiten einer Institutionalisierung der Bildungsplanung und Forschungsförderung aufgrund Art. 91 b

Da die Intensität der Zusammenarbeit der Disposition von Bund und Ländern unterliegt, ist insbesondere eine Verdichtung der Kooperation durch die beabsichtigte Errichtung eines Bund-Länder-Ausschusses für Bildungsplanung zulässig. Hiermit w i r d eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit durch ein Koordinierungsgremium auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung herbeigeführt, also auf bewährte Formen der Gemeinschaftsaufgaben i m bisherigen Sinne zurückgegriffen. Der Ausschuß, der als ständiges Gesprächsforum i n Fragen des B i l dungswesens und der Forschungsförderung vorgesehen ist, erhöht die Effizienz der von A r t . 91 b betroffenen Gemeinschaftsaufgaben. Das Gremium soll lang- und mittelfristige Rahmenpläne ausarbeiten, ein Bildungsbudget erstellen, Sofortprogramme sowie Anregungen auf dem Gebiet der Bildungsforschung ausarbeiten. Die Rahmenplanung als Grundlage bildungspolitischer Maßnahmen ist ein für die Bildungsplanung unerläßliches Instrument. I m Gegensatz zur Rahmenplanung nach A r t . 91 a können die Rahmenpläne der Verwaltungsvereinbarungen aber keine normative Wirkung entfalten, sondern nur Leitlinien einer freiwillig konzertierten Bildungs- und Forschungspolitik sein.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG Der nur empfehlende Charakter dieser spezifischen Rahmenplanung ordnet sie der indikativen und informativen Planungskategorie zu, die auf Darbietung von Orientierungsdaten und Berichte beschränkt ist. Auch die Aufstellung eines Bildungsbudgets, das die finanzielle Grundlage für eine Gesamtkonzeption der Bildungsplanung darstellt, ist von der Ermächtigung des A r t . 91 b gedeckt, da planerische Maßnahmen erst durch die haushaltsmäßige Absicherung sinnvoll sein können. Da die Haushaltshoheit von Bundestag und Länderparlamenten ohnehin durch eine solche Planung nicht eingeschränkt werden kann, sondern auch die budgetären Vorschläge nur Orientierungshilfen sein können, tauchen verfassungsrechtliche Probleme i n diesem Zusammenhang nicht auf. Auch die vorgesehenen Sofortprogramme entsprechen der Konzeption des A r t . 91 b, da sich Bildungsplanung und Forschungsförderung nicht auf theoretische Erörterungen beschränken können. Es müssen daher auch konkrete Einzelprogramme zur schnellen Behebung von Mängeln ermöglicht werden. Obwohl sich A r t . 91 b nur auf die Planung selbst bezieht, ist es Bund und Ländern nicht verwehrt, auch die Modalitäten der Planausführung miteinander abzustimmen, da Planung und Durchführung ineinander greifen. Schließlich ist durchaus auch die Bildungsforschung m i t i n die fakultative Zusammenarbeit nach A r t . 91 b einzubeziehen, da sie als Grundlagenforschung für die B i l dungsplanung deren integrierender Bestandteil ist und eine moderne, an den neuesten bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Bildungsplanung erst sinnvoll gestaltet. Bund und Länder beabsichtigen also durch diese Verfahrensweise, die Möglichkeiten des A r t . 91 b v o l l auszuschöpfen. Der Institutionalisierung i n Gestalt eines gemeinsamen Ausschusses entspricht auch die organisatorische Verfestigung i n Form einer Geschäftsstelle, die dem Bundespräsidialamt angegliedert wird. Somit soll der Ausschuß als bundesstaatliches Bildungsgremium ständig präsent und arbeitsfähig sein. Die gleichberechtigte föderative Zusammenarbeit manifestiert sich auch i m Wechsel des Vorsitzes, der turnusmäßig entweder der Bundesregierung oder einer Landesregierung zusteht. Der Ausschuß hat i m Gegensatz zu den Planungsausschüssen nach A r t . 91 a GG keine verfassungsrechtlich abgesicherte Entscheidungsbefugnis m i t unmittelbarer Bindungswirkung. Er stellt vielmehr ein bloßes Koordinierungsgremium i m Sinne der bisherigen Verfassungspraxis dar. Für die rechtliche Verpflichtung der Länder, sich an die vertraglich übernommenen Bindungen zu halten, gilt deshalb nichts anderes als für die übrigen Verwaltungsabkommen 1 0 0 . Seiner Struktur 100

Hierzu siehe Maunz, B a y V B l 1966, S. 1 ff. (insbes. S. 4 über Rechtswegfragen.) E i n Unterschied zu den bisherigen Verwaltungsabkommen ergibt sich n u r durch die Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG nach ähnelt der Ausschuß dem Deutschen Bildungsrat, dessen Aufgabe darin besteht, Entwürfe von Bedarfs- und Entwicklungsplänen für das Bildungswesen, Empfehlungen für langfristige Planung, Vorschläge für die Struktur des Bildungswesens sowie Berechnungen des Finanzbedarfs zu erarbeiten 1 0 1 . Während der Bildungsrat aber ein unabhängiges Sachverständigengremium ist, das Empfehlungen für die Regierungen von Bund und Ländern erstellt, sind an der Ausschußarbeit die Regierungsmitglieder unmittelbar beteiligt, so daß die erarbeiteten Vorschläge eine erheblich weitergehende faktische Verbindlichkeit für die Planung bundesstaatlicher Bildungsprogramme haben. Wesentlich ist jedoch, daß auch die Bund-Länder-Kommission nach der auf A r t . 91 b basierenden Verwaltungsvereinbarung kein Beschlußkörper sein kann, da es abgesehen von den verfassungsmäßig zugelassenen Planungsausschüssen nach A r t . 91 a m i t ihren beschränkten Möglichkeiten eines für beide Seiten verbindlichen Mehrheitsbeschlusses keine beschlußkompetente Einheit zwischen Bund und Ländern geben darf. Eine solche i m bundesstaatlichen Niemandsland jenseits der grundgesetzlichen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland i n Bund und Länder angesiedelte entscheidungsbefugte Ebene verbietet sich schon m i t Rücksicht auf die Funktion der Parlamente, die nicht durch eine von den Regierungen verbindlich getroffene Planung i n ihren Entscheidungsrechten geschmälert werden können. Eine solche Entwicklung w i r d aber weder durch A r t . 91 b legitimiert, noch ist sie durch die Institutionalisierung einer Bildungskommission eingeleitet worden, die lediglich Grundsätze für die gemeinsame Arbeit erstellen soll, u m eine einheitliche Bildungsund Forschungskonzeption i n nationalem Maßstab zu gewinnen. Auch hier w i r d eine bereits bestehende Form von Gemeinschaftsaufgaben kontinuierlich weiterentwickelt. 3. Der Systemzusammenhang zwischen Art. 91 b und Art. 91 a

Ein systematischer Zusammenhang zwischen A r t . 91 b und A r t . 91 a ist insofern offensichtlich, als beide verfassungsrechtlichen Institute der Gemeinschaftsaufgaben i n einem Abschnitt V I I I a unter dem Titel „Gemeinschaftsaufgaben" zusammengefaßt sind. Dennoch ergibt sich aus der Untersuchung der beiden neuen Grundgesetzvorschriften, daß die Formen der Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a und A r t . 91 b völlig verschiedene verfassungsrechtliche Ausgestaltung erfahren haben, so daß es verfehlt wäre, von einem einheitlichen und nur verschieden ausder aufgrund von A r t . 91b geschlossenen Vereinbarungen i m H i n b l i c k auf ihre Übereinstimmung m i t der i n dieser Verfassungsnorm enthaltenen A b schlußkompetenz. 101 Über F u n k t i o n u n d Aufgaben des ebenfalls auf Verwaltungsabkommen beruhenden Deutschen Bildungsrats sieh Grawert, a.a.O., S. 243.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a, b GG g e b i l d e t e n verfassungsrechtlichen I n s t i t u t z u s p r e c h e n 1 0 2 . A r t . 91 a schafft e i n e n n e u e n R e c h t s b e g r i f f d e r Gemeinschaftsaufgaben, d e r i n A r t . 91 b ü b e r h a u p t n i c h t a u f t a u c h t . N u r A r t . 91 a e n t h ä l t e i n f ü r das b i s h e r i g e Verfassungsrecht u n d auch d i e V e r f a s s u n g s p r a x i s n e u a r t i g e s I n s t r u m e n t a r i u m f ö d e r a t i v e n Z u s a m m e n w i r k e n s . I n A r t . 91 b h i n g e g e n w i r d eine b e r e i t s seit l a n g e m p r a k t i z i e r t e K o o p e r a t i o n s f o r m g r u n d g e setzlich a n e r k a n n t . D e n n o c h s i n d b e i d e I n s t i t u t e z w e i f e l l o s als echte Gemeinschaftsaufgaben anzusehen; beide s i n d auch i n s o f e r n neu, als sie i m Grundgesetz b i s h e r n i c h t v e r a n k e r t w a r e n . W ä h r e n d sich jedoch d i e Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 b, w e n n auch n i c h t ganz i n b e z u g a u f d i e v o n dieser V e r f a s s u n g s v o r s c h r i f t b e t r o f f e n e n M a t e r i e n , so doch i n d e r F o r m des K o o p e r a t i o n s v o l l z u g s als Gemeinschaftsaufgaben i m b i s h e r i g e n S i n n e bezeichnen lassen, w i r d d u r c h das spezifische Z u s a m m e n w i r k e n v o n B u n d u n d L ä n d e r n i m R a h m e n des A r t . 91 a u n t e r b e s t i m m t e n verfassungsrechtlichen V o r a u s s e t z u n g e n u n d M o d a l i t ä t e n d e r Z u s a m m e n a r b e i t erst d i e I n s t i t u t i o n geschaffen, die m a n als Gem e i n s c h a f t s a u f g a b e n i m e n g e r e n S i n n e bezeichnen k a n n 1 0 3 . D i e b e i d e Institute verbindenden systemimmanenten Elemente der Gemein102 Der Nachweis eines einheitlichen Instituts der Gemeinschaftsaufgaben ist insbesondere Goroncy, DVB1 1970, S. 310 ff. nicht gelungen. Seine K r i t i k an meinen Ausführungen i n D Ö V 1970, S. 162 geht insofern fehl, als niemand die Einordnung des A r t . 91 b i n ein übergeordnetes grundgesetzliches Gemeinschaftsaufgabensystem leugnet, zumal sie sich positivrechtlich durch die Einfügung i n den Abschnitt V i l l a des Grundgesetzes manifestiert. Aus dieser Einordnung u n d auch aus einer Reduzierung auf allen Gemeinschaftsaufgaben i n weitestem Sinne gemeinsame Prinzipien läßt sich aber eine Aussage für das Wesen einer spezifischen Gemeinschaftsaufgabe u n d ihrer Einordnung i n das grundgesetzliche System nicht gewinnen. Das Wesen der neuen Gemeinschaftsaufgaben i n A r t . 91 a ist sowohl hinsichtlich des verfassungsrechtlichen „Tatbestandes" als auch der besonderen Planungs- u n d Exekutionsmodalitäten i n einem v ö l l i g anderen Sinne f i x i e r t als die bloß fakultative Kooperation nach A r t . 91 b, die i m übrigen hinsichtlich ihrer Ausgestaltung v ö l l i g der Disposition der Vertragspartner anheimgestellt ist. Widersprüchlich daher Goroncy, a.a.O., S. 312: „ K a n n es h i e r n a c h . . . als gesichert gelten, daß es sich i n A r t . 91 b GG u m das gleiche verfassungsrechtliche Institut der Gemeinschaftsaufgaben w i e i n A r t . 91 a handelt, so braucht i m Zusammenhang m i t A r t . 91 b GG nicht von untypischen oder von Gemeinschaftsauf gaben i m weiteren Sinne gesprochen zu werden. Dies sind entbehrliche Umschreibungen für den ohnehin nicht 7.u übersehenden U m stand, daß die Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91b GG eine andere rechtliche Ausgestaltung aufweisen als die des A r t . 91 a." 105 So auch Seeger, a.a.O., S. 785; Patzig, DVB1 1969, S. 431, 432; Böning, Konstanzer Blätter für Hochschulfragen, Heft 24 (1969), S. 5 f. (12), f ü r den A r t . 91 b n u r „die Grundlage für vereinbarte (im Gegensatz zu gesetzlichen) Gemeinschaftsaufgaben" bildet. Tiemann, D Ö V 1970, S. 162. Noch erheblich weitergehend Sturm, Beilage Nr. 2/70 zum Bundesanzeiger Nr. 12 (1970), S. 10. („Der Finanzreformgesetzgeber hat deshalb neben den Gemeinschaftsaufgaben (!) durch die Einfügung eines A r t . 91b auch ein kooperatives Zusamm e n w i r k e n von B u n d u n d Ländern bei der Förderung von Einrichtungen u n d Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung vorgesehen.")

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG schaftsaufgaben sind das schon für den bisherigen Begriff der Gemeinschaftsaufgaben konstitutive Zusammenwirken von Bund und Ländern sowie die Gemeinschaftsfinanzierung als Integrationsfaktor bundesstaatlicher Kooperation. Während A r t . 91 a Abs. 1 bei den i n den Nr. 1 bis 3 genannten Sachgebieten von einem „ M i t w i r k e n " des Bundes spricht, w e i l es sich u m Aufgaben der Länder handelt, ist i n A r t . 91 b der Topos „Zusammenwirken" gewählt, weil das Sachgebiet der überregionalen Forschungsförderung sowohl zu den Aufgaben der Länder als auch zu den vom Bund als ungeschriebene Verwaltungskompetenz aus der Natur der Sache i n Anspruch genommenen Aufgaben gehört. Schließlich w i r d die „überregionale Bedeutung" — wenn auch i n unterschiedlichem Sinn — als gemeinsame verfassungsrechtliche Voraussetzung postuliert. Es zeigt sich also, daß i m Rahmen des übergreifenden verfassungsrechtlichen Systems der Gemeinschaftsaufgaben zwei völlig verschiedene grundgesetzliche Institute angesiedelt sind, deren immanente Zwecksetzung zwar nicht unähnlich, deren Koordinierungsmodalitäten jedoch völlig verschieden sind. I n jedem Fall w i r d durch das Gesamtsystem der neuen grundgesetzlichen Gemeinschaftsaufgaben, das sich funktionell i n die beiden Verfassungsinstitute als kompetenzbegründende Kooperationsinstrumente untergliedert, entsprechend den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung, das Wesen aller föderativen Gemeinschaftsaufgaben i n seinen essentiellen Kriterien als planend abgestimmtes Zusammenwirken i m weitesten Sinne bei gemeinschaftlicher Finanzierung definiert. Daraus kann man jedoch nicht den Schluß ziehen, daß sich die beiden verfassungsrechtlichen Institute einem einheitlichen Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben einordnen ließen. Der Verfassungsgeber hat m i t der Abschnittsüberschrift „Gemeinschaftsaufgaben" nur einen allgemeinen Oberbegriff für ein teils gesetzlich teils vertraglich begründetes Zusammenwirken von Bund und Ländern geschaffen. I n Art. 91 a w i r d dann ein spezifischer Rechtsbegriff der Gemeinschaftsaufgaben geschaffen, der die verfassungsrechtliche Definition des Abs. 1 durch den K l a m merzusatz ausdrücklich als solchen bezeichnet. Dieser hinsichtlich seiner Exekutionsmodalitäten ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff w i r d durch das Erfordernis der gemeinsamen Rahmenplanung als integrierendem Beständteil des Zusammenwirkens sowie die gemeinsame Finanzierung als verfassungsrechtlicher Durchbrechung des A r t . 104 a Abs. 1 GG näher konkretisiert. Neben dieses vom Verfassungsgeber als solches statuierte und begrifflich besonders hervorgehobene Institut der Gemeinschaftsaufgaben t r i t t die grundgesetzliche Anerkennung der Gemeinschaftsaufgaben i m wei-

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG teren Sinne, deren rechtliche Ausgestaltung nicht verfassungsrechtlich fixiert ist, sondern unter weitgefaßten Voraussetzungen der näheren Bestimmung und Ausfüllung durch Bund und Länder anheimgestellt bleibt. Auch die gemeinsamen Kriterien der beiden Verfassungsinstitute, das Zusammenwirken bei Aufgaben von überregionaler Bedeutung sowie die gemeinsame Finanzierung unterscheiden sich wesentlich voneinander: Der Mitwirkungsbegriff des Art. 91 a ist an die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Abs. 1 gebunden und folgt den Rahmenplanungs-, Zustimmungs- und Durchführungsbestimmungen dieser Verfassungsvorschrift, während das fakultative Zusammenwirken aufgrund von A r t . 91 b an die Rechtsform der Vereinbarung gebunden ist und die Intensität der Kooperation zur Disposition von Bund und Ländern steht. Auch die grundgesetzliche Voraussetzung der Bedeutung für die Gesamtheit i n A r t . 91 a und die der überregionalen Bedeutung i n A r t . 91 b ist insofern nicht identisch, als das Merkmal der Bedeutung für die Gesamtheit die objektiven Erfordernisse einer gesamtstaatlichen Bedeutung voraussetzt, während eine überregionale Bedeutung schon dann gegeben sein kann, wenn sie sich nur für zwei oder mehrere Länder ergibt 1 0 4 . I n A r t . 91 a muß außerdem kumulativ das Erfordernis zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erfüllt sein, u m ein potentielles Zusammenwirken von Bund und Ländern auszulösen. Auch dieFinanzeirungsregelung ist insofern verschieden, als die Kostenaufteilung i n A r t . 91 a Abs. 4 verfassungsrechtlich festgelegt ist, während sie nach A r t . 91 b der jeweiligen Vereinbarung überlassen bleibt. Es zeigt sich somit, daß man selbst die verbindenden Elemente der beiden grundgesetzlichen Institute der Gemeinschaftsaufgaben differenziert betrachten muß. 4. Integration und Koordination der Gemeinschaftsaufgaben

Die Kooperation von Bund und Ländern nach A r t . 91 a und das Zusammenwirken i m Rahmen des A r t . 91 b sind qualitativ etwas völlig Verschiedenes 105 . Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß der verfassungsrechtliche Begriff der Gemeinschaftsaufgaben und der von i h m umschlossene spezifische Rahmen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern i n A r t . 91 b überhaupt nicht verwendet wird. Daher ist es gerechtfertigt, von zwei verschiedenen Instituten i m übergreifenden Systemzusammenhang grundgesetzlicher Gemeinschaftsaufgaben zu 104 vgL Tiemann, D Ö V 1970, S. 162. 105

Die entgegenstehende Ansicht von Goroncy, DVB1 1970, S. 312, der beide Grundgesetzvorschriften gemeinsamen Auslegungsgrundsätzen unterwerfen w i l l , beruht auf einer Verkennung der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Qualität ihres Zusammenwirkens, der Tragweite u n d B i n d u n g s w i r kung ihrer Koonerationsformen sowie ihrer Stellung u n d F u n k t i o n i m System des Grundgesetzes.

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG sprechen, wobei sich A r t . 91 a als verfassungsrechtliche Grundlage integrierter Gemeinschaftsaufgaben bezeichnen läßt, während man A r t . 91b als fakultativ koordinierte Gemeinschaftsaufgaben ansprechen kann. Dem Wesen der Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 a als Rahmen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei Aufgaben von gesamtstaatlicher Bedeutung ist der staatsrechtliche Begriff der Integration 1 0 6 zuzuordnen, während der begrifflichen Erfassung der vertraglich vereinbarten Gemeinschaftsaufgaben i m Bereich des A r t . 91 b der ebenfalls i m Staatsrecht angesiedelte Topos der Koordination entspricht 1 0 7 . Bei den Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 a ist die gesamte staatliche Tätigkeit von Bund und Ländern stets auf das Ganze ausgerichtet, der bundesstaatlichen Gesamtordnung zugewandt, wobei sie diese institutionell i n Form der gemeinsamen Rahmenplanung und des Planungsausschusses integriert. Dem entspricht die Notwendigkeit multilateraler bundesstaatlicher Beziehungen i m Bereich des A r t . 91 a. Die Mehrseitigkeit der Beziehungen kommt i n der „gemeinsamen Rahmenplanung" (Art. 91 a Abs. 3 Satz 1 GG), der M i t w i r k u n g des Bundes bei der Erfüllung von Aufgaben „der Länder", (Art. 91 a Abs. 1 GG) sowie auch i n der Vorschrift des A r t . 91 a Abs. 3 Satz 2 GG zum Ausdruck, wonach die Aufnahme eines Vorhabens i n die Rahmenplanung der Zustimmung „des Landes" bedarf, i n dessen Gebiet es durchgeführt wird. Bei nur zweiseitigen Beziehungen würde der Verfassungsgeber allenfalls von der Zustimmung „des jeweiligen Landes" sprechen und noch eher diesen Punkt gar nicht erwähnen, weil eine bilaterale Rahmenplanung ohne Zustimmung beider Teile kaum denkbar wäre 1 0 8 . I m übrigen folgt aus dem verfassungsrechtlichen Typenbild der Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 a und insbesondere der Definitionsnorm des Abs. 1, die bundesweite Lösungen und allseitige Absprachen sämtlicher Entscheidungsträger voraussetzt, daß alle Länder an der gemeinsamen Planung beteiligt werden müssen, u m verfahrensmäßige Homogenität und volle Integration der Entscheidungsräume zu gewährleisten. Diesem integrierenden Charakter der i n A r t . 91 a enthaltenen Gemeinschaftsaufgaben entspricht die beschränkte Bindungswirkung der m i t Mehr106 Zur „Integration" als staatsrechtlichem Begriff s. Erich Kaufmann, Gesammelte Schriften, B a n d I I I (Rechtsidee u n d Recht), Göttingen 1960, Einleitung S. X X X ff.; Smend, Stichwort „Integrationslehre" Handwörterbuch der Sozialwissenschaften 5. Bd., 1956, S. 299 ff.; ders. Stichwort „Integration", Evangelisches Staatslexikon (1966), Sp. 803 ff.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre (1969), S. 23, 24; Hesse, Die normative K r a f t der Verfassung, 1959, S. 12, 19; Schmidt, a.a.O., S. 275, der den Begriff der Integration zur Kennzeichnung der Wahrung übergreifender Gesamtinteressen durch die Bundesorgane verwendet. 107 Z u m staatsrechtlichen Begriff der „Koordination" s. Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 190. 108 So auch Goroncy, DVB1 1970, S. 315.

1. Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG heitsbeschluß erstellten Planungen sowie der angesichts der Integrationsintensität notwendige Zustimmungsvorbehalt des betroffenen Landes als eine Modifikation des föderativen Einstimmigkeitsprinzips 1 0 9 und schließlich das Unterrichtungsrecht als Bestandteil partnerschaftlicher Beteiligung. Auch die Gemeinschaftsfinanzierung bildet einen solchen Integrationsfaktor der bundesstaatlichen Kooperation 1 1 0 . Dabei ist das Institut der Gemeinschaftsaufgaben nicht wie die Investitionskompetenz des Bundes i n A r t . 104 a Abs. 4 GG als Zuschußfinanzierung m i t gewissen Ingerenzrechten normiert, sondern als materielle M i t w i r k u n g des Bundes bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder, so daß das entscheidende Integrationsmoment i m Rahmen des A r t . 91 a i n den durch die Mitwirkungskompetenz begründeten substantiellen Mitwirkungsbefugnissen enthalten ist. W i r d somit auf den i n Art. 91 a GG normierten Gebieten das gesamtstaatliche Interesse durch eine spezifische Organisationsform interföderativer Beziehungen integriert, so beschränkt sich A r t . 91 b auf eine Ermächtigung zu fakultativer Koordination. Dabei bedingt diese als Gegenteil von Separatismus eine Konzertierung der bundesstaatlichen Glieder und als der einer Subordination konträre Begriff eine partnerschaftliche Gleichordnung. I m Unterschied zu einer integrierten Kooperation kann ein koordiniertes Zusammenwirken nicht zu einer Integration der Erfüllung vertraglich vereinbarter Gemeinschaftsaufgaben führen, sondern nur zu einer Abstimmung institutionell von einander unabhängiger föderativer Organe zur Erreichung der i n A r t . 91 b statuierten Zielsetzungen. Dabei darf sich die Organisation der Zusammenarbeit nicht so weitgehend verselbständigen, daß sie das den staatlichen Organen von Bund und Ländern gemeinsame materielleigenständige Substrat politischer Entscheidungsbefugnis zusammenfaßt. Eine solche integrierende Institutionalisierung w i r d nur von A r t . 91 a als Ausnahme von der föderativen Kompetenzteilung gedeckt, ist sonst jedoch m i t Rücksicht auf den bundesstaatlichen Aufbau und die föderative Gewaltenteilung untersagt. Koordination als bundesstaatliches Prinzip, das schon i n der bisherigen Fassung des Grundgesetzes an vielen Stellen vorausgesetzt wurde und zahlreiche Gemeinschaftsauf109 vgL Tiemann, DÖV 1970, S. 163,164. Auch der Zustimmungsvorbehalt stellt i n diesem F a l l eine F o r m des Einstimmigkeitsprinzips dar, das sich zwar nicht bei der generellen Beschlußfassung aber bei einer ein bestimmtes L a n d betreffenden Detailplanung als Ausschnitt des Gesamtvorhabens äußert. Bei einer effektiven u n d integrierten F o r m bundesstaatlicher Planung ist eine solche M o d i f i k a t i o n des Einstimmigkeitsprinzips notwendig, während bei zweiseitigen Beziehungen das Zustimmungsproblem nicht auftaucht. Der Zustimmungsvorbehalt stellt bei Integration der Gesamtentscheidung die Einstimmigkeit i n bezug auf das Einzel vorhaben für jedes betroffene L a n d her u n d bringt insofern föderative Prinzipien bei bundesstaatlich integrierten Entscheidungsprozessen zur Geltung. Unzutreffend aber Goroncy, DVB1 1970, S. 316 F N 59. 110

Tiemann, D Ö V 1970, S. 165.

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG gaben i m weiteren Sinne ermöglichte, bedeutet demgegenüber gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern als voneinander unabhängigen politischen Entscheidungszentren auf freiwilliger und partnerschaftlicher Basis. Dafür stellt A r t . 91 b m i t der Vereinbarung ein besonders geeignetes M i t t e l zur Verfügung. Die Koordination findet aber dort ihre Grenzen, wo sie i n eine Integration der Bildungs- und Forschungsförderung hinsichtlich Planung und Verwaltung durch eine beschlußkompetente bundesstaatliche Organisationseinheit mündet. Aus dieser verfassungsrechtlichen Struktur des A r t . 91 b folgt, daß dem Bund Durchgriffe auf die Verwaltungsebene und insbesondere eigene verwaltungsmäßige Organisationsformen verwehrt sind. Auch w i r d ein Zusammenwirken von Bund und Ländern, das dem die Verwaltungskompetenz zustehenden Beteiligten keinen Raum für wesentliche ausfüllende Entscheidungen läßt, von A r t . 91 b m i t seiner Beschränkung auf bloße gemeinsame Leitlinienbestimmung und überregionale Grundsatzentscheidung nicht gedeckt 111 . Der Koordinierung ist die Freiheit der Formenwahl angemessen, die sich auf mehr oder weniger bindende Richtlinien beschränken kann, die die Möglichkeit einer Institutionalisierung i n Form eines Sachverständigengremiums oder einer m i t Vertretern von Bund und Ländern besetzten Kommission einschließt, schließlich auch jede andere Form konzertierten Vorgehens von der Vereinbarung bloßer Konsultierung bis zur Festlegung gemeinsam geltender Grundsätze und verbindlich festgesetzter Prioritäten einbeziehen kann. Die Bindungswirkung solcher Koordinierungsmodalitäten zwischen den Beteiligten gilt m i t Rücksicht auf den Entstehungsakt jedoch nur kraft Vereinbarung und nicht wie i n A r t . 91 a kraft Verfassungsnorm. Daher bedürfen Forschungsförderungs- und Bildungsplanungsvereinbarungen auch weiterhin der Umsetzung i n innerstaatliches Recht der Bundesländer, u m Rechtswirkungen besonders gegenüber Dritten zeitigen zu können 1 1 2 . Da die Vereinbarungen nach A r t . 91 b keinen Integrationscharakter haben können, ist es den Vertragspartnern i n jedem Falle verwehrt, einen zum Erlaß staatsleitender Gesamtakte befugten interföderativen Beschlußkörper zu schaffen; sie sind auf ein Beratungsund Koordinierungsgremium indikativer Planungsprovenienz beschränkt 1 1 3 . Während das gesetzlich begründete Zusammenwirken von Bund und Ländern nach A r t . 91 a die Ausfüllung aller integrationsfähigen Be111

So auch Goroncy, DVB1 1970, S. 314. Z u r Rechtsnatur u n d Justiziabilität von Vereinbarungen nach A r t . 91b siehe Wimmer, DVB1 1970, S. 309, 310. 113 Zumindest mißverständlich Goroncy, DVB1 1970, S. 314 F N 39, w e n n er die B i l d u n g eines Planungsausschusses w i e nach A r t . 91 a durch Vereinbarung für zulässig hält. Siehe andererseits F N 40. 112

.Kap.: Die Gemeinschaftsaufgaben in Art. 91 a, b GG reiche der von dieser Verfassungsnorm betroffenen Materien voraussetzt, gehört ein multilaterales Bezugssystem nicht begriffsnotwendig zu den koordinierten Gemeinschaftsaufgaben des A r t . 91 b. Das fakultative Zusammenwirken ermöglicht Vereinbarungen zwischen dem Bund einerseits und allen oder mehreren Ländern, aber auch einem einzigen Land andererseits. Nur soweit die verfassungsrechtlichen Zielsetzungen des A r t . 91 b entsprechende bundeseinheitliche Einigungen erfordern, ist eine Mehrseitigkeit der Beziehungen unbedingt erforderlich. I m übrigen ist der Grundsatz der Bundestreue als Maßstab für die Beurteilung des vertraglich Möglichen heranzuziehen. So ist der Bund beim Vorliegen sachlicher Erfordernisse verpflichtet, m i t allen betroffenen Ländern gleichwertige Verhandlungen zu führen und ein Zustandekommen mehrseitiger Beziehungen zu fördern. Wenn allerdings ungeachtet entsprechender Bemühungen des Bundes und der Länder keine Einigung zustande kommt, kann die Möglichkeit von Vereinbarungen des Bundes m i t nur einem Teil der Länder 1 1 4 oder von Vereinbarungen unterschiedlichen Inhalts nicht ausgeschlossen werden 1 1 5 . Die Beschränkung auf bloße Koordination bezieht sich auch auf die Finanzierungsregelung, die nach A r t . 91 b Satz 2 der unterschiedlich bestimmbaren Höhe der finanziellen Beteiligung unterliegt. Dabei darf der Grad der jeweiligen Mitwirkungsrechte nicht eine Funktion der Höhe des Kostenanteils sein. Es folgt aus dem koordinationsrechtlichen Begriff des Zusammenwirkens i n A r t . 91 b, daß die partnerschaftliche Beteiligung nicht zugunsten finanzieller Entlastung aufgegeben werden kann. A r t . 91 b als Institut des kooperativen Föderalismus setzt vielmehr Gleichberechtigung der Entscheidungsbefugnisse voraus. Während also bei den Gemeinschaftsaufgaben nach A r t . 91 a der Gesamtbereich der Kooperation von der Planung bis zur Durchführung und Finanzierung nach Maßgabe des gesamtstaatlichen Interesses i n gesetzlichem Rahmen kraft unmittelbar bindenden Verfassungsauftrags integriert wird, bleibt bei der Koordination des A r t . 91 b die föderative Gewaltenteilung v o l l erhalten, da sie sich gerade nicht wie bei Rahmenplanung und Planungsausschüssen i n bundesstaatliche Organisationsformen einordnet. Beim koordinierten Zusammenwirken können daher die eigentümlichen Interessen des Bundes und der Länder i n stärkerem Maße zur Geltung kommen. Während die Integration i n erster Linie auf die bundesstaatliche Gesamtordnung ausgerichtet ist und nicht ein bloß konzertiertes Nebeneinander zentralstaatlicher und gliedstaatlicher Belange anstrebt, sucht die Koordination einen Ausgleich der oft divergierenden Zielsetzungen und Interessenanlagen der föderativen Partial114 115

Vgl. v. Dohnanyi, a.a.O., S. 146. Ebenso Goroncy, DVB1 1970, S. 316.

Abschn. B: Die neuen Gemeinschaftsaufgaben im GG Ordnungen am Maßstab des verbindenden und übergeordneten Ganzen herbeizuführen. Beide Formen der Gemeinschaftsaufgaben werden nunmehr von der Verfassung als M i t t e l der Intensivierung bundesstaatlicher Kooperation, der Verbindung gemeinsamer Initiativen und Effizienzsteigerung interföderativer Planungen zur Verfügung gestellt.

VI. Die gemeinsame Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben durch Bund und Länder Neben der gemeinsamen Planung besteht das Wesen der Gemeinschaftsaufgaben i n ihrer gemeinschaftlichen Finanzierung durch Bund und Länder. Die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Gemeinschaftsaufgaben ist eine notwendige Folge seiner M i t w i r k u n g an der Planung i m Sinne lastenverteilungsmäßiger Prinzipien. Die Bundesregierung 1 1 6 hat i n A r t . 91 a Abs. 4 GG für die Gemeinschaftsaufgaben „Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen" und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 und 2) eine feste Beteiligungsquote des Bundes von jeweils der Hälfte der Aufwendungen i n jedem Land festgelegt. Dadurch soll die partnerschaftliche Gleichberechtigung von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung der Gemeinschaftsaufgaben als Kernzone des kooperativen Föderalismus zum Ausdruck gebracht werden. Schon die Bundesregierung hatte bei ihrem Entwurf erwogen, i m Grundgesetz nur zu bestimmen, daß die Festsetzung der Beteiligungsquoten den Bundesgesetzen über die einzelnen Gemeinschaftsaufgaben überlassen werden soll. Diese Lösung hätte den Vorteil gehabt, daß das Beteiligungsverhältnis den jeweiligen Gemeinschaftsaufgaben und auch den Finanz Verhältnissen von Bund und Ländern hätte angepaßt werden können. Auch i m Rechtsausschuß 117 wurde die Ansicht vertreten, daß eine Verfestigung des Beteiligungsverhältnisses den Grundprinzipien einer Verfassung nicht gerecht werde, die nur die verfassungsrechtlichen Grundbeziehungen zu regeln hat, Detailabstimmungen aber Auführungsgesetzen überläßt. Demgegenüber setzte sich die Auffassung durch, daß die Regelung eines festen Beteiligungsverhältnisses die durch die Finanzreform intendierte klare Abgrenzung der Aufgaben und der Finanzverantwortung sichere. Außerdem w i r d die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben von Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über die Beteiligungsquoten freigehalten. na v g l . Tz 100 f., 277 f.; hierzu Sturm, S. 156; HenZe, D Ö V 1968, S. 401.

D Ö V 1968, S. 474; Klein,

D Ö V 1968,

117 101. Sitzung a m 28.11.1968, Protokoll Nr. 101, S. 14, 15 (Ausführungen der Abg. Lenz, Busse, Senator Heinsen, Staatssekretär Hettlage).

2. Kap.: Gemeinschaftsaufgaben im kooperativen Föderalismus

337

Bundesgebietes i m Sinne des A r t . 29 GG dar. Nur eine Neugliederung kann die leistungsfähigen und eigenständigen Bundesländer schaffen, die auch die Voraussetzungen einer bundesstaatlichen Kooperation b i l den 4 1 . Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben erfordert ein ausgewogenes bundesstaatliches System. Nur starke und selbstbewußte Länder können eine effektive und gleichberechtigte Zusammenarbeit i m Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben gewährleisten 42 . Dies setzt aber voraus, daß die föderativen Kräfte i n unserem Staat lebendig bleiben und entwickelt werden, denn der Bundesstaat ist nicht i n erster Linie ein Problem der technischen Organisation, wohl aber ein sinnvolles politisches System, i n dem die Einzelstaaten nicht unvermeidliche Hypotheken auf einer als Ideal zu wünschenden Einheit eines Gesamtstaates, sondern ein Kraftquell für das Ganze sind 4 3 . Dementsprechend bezeichnet der angelsächsische Begriff „federal" gerade die Stärkung der Einheit durch die spezifische Verbindung der Glieder, während der deutsche Föderalismus oft der irrigen Vorstellung begegnet, der Bund sei die Gesamtheit der Rechte, die die Teile dem Ganzen entzogen haben 44 . U m diese Lebensfähigkeit des Föderalismus zu erhalten, müssen auch die bundesstaatlichen Kooperationsformen i n eine Richtung entwickelt werden, die die föderative Ordnung nicht „bundeslastig" werden läßt, sondern den Ländern ein ihren gliedstaatlichen Eigenarten entsprechendes politisches Gewicht gibt. Dies wiederum setzt voraus, daß den Ländern auch ein ausreichendes Gesetzgebungsrecht zusteht, und sie nicht nur auf Verwaltungstätigkeit verwiesen sind, wobei den Parlamenten nur die Aufgabe bliebe, die Einrichtung und den organisatorischen Ablauf der Verwaltung zu kontrollieren und damit i n Regierungsfunktionen miteinzutreten. Dann nämlich würde die typische Wirklichkeit der Länder zum Kommunalen h i n verschoben, wo sich seit jeher legislative und administrative Aufgaben i n den Händen der Vertretungskörper vereinigen 45 . Die interföderative Kooperation muß also dort ihre Grenzen finden, wo der Entscheidungsspielraum der Gliedstaaten m i t materiell-politischem Eigengewicht i n dem Maße eingeengt wird, daß ihnen kein ausreichender Kompetenzbereich originärer, nicht institutio41 Ebenso Feuchte, a.a.O., S. 75; zum Problem der Neugliederung u n d ihres Verhältnisses zur Finanzreform ausführlicher Feuchte, D Ö V 1968, S. 456 ff. 42 Ä h n l i c h Zacher, a.a.O., S. 189: „Es ist deshalb eine Schicksalsfrage des Föderalismus i n der Bundesrepublik, ob das Selbstbewußtsein der Länder wieder Fuß faßt. N u r als ein System der Gewaltenteilung i n einem der Sache nach möglichst einheitlichen Gesamtstaat verstanden, muß das bundesstaatliche System sich früher oder später totlaufen." 48 Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht (1928), i n : Staatsrechtliche A b handlungen 1955, S. 119 ff. (S. 225, 270). 44 Z u den Mißverständnissen föderativer Ordnung siehe Maunz, Deutsches Staatsrecht, S. 190, 191; Zacher, a.a.O., S. 189. 45 So Zacher, a.a.O., S. 189.

Tiemann

338

Abschn. B: Wandlungen im Föderalismus

nell koordinierter Regelungsbefugnisse verwaltungsmäßiger und gesetzgeberischer A r t bleibt. Diese verfassungspolitische Schranke kann durchaus vor der normativen Grenze des A r t . 79 Abs. 3 GG liegen. Aus dem gleichen Grunde einer Stärkung der gliedstaatlichen Eigenständigkeit ist aber auch bei der bundesstaatlichen Zusammenarbeit die kooperative Beteiligung der Länder erforderlich. Nur wenn die Länder in ihrer spezifischen Eigenständigkeit an der gemeinsamen Planung beteiligt werden, können überhaupt die Belange der Gliedstaaten zur Geltung gebracht werden. Nur so w i r d eine gesamtstaatliche Willensbildung ermöglicht, die zu bewußter, planvoller Konzeption und aktiver Koordinierung der Zusammenarbeit führt 4 6 . Jede andere Lösung würde die Länder i n den Bundesbereich integrieren und Gemeinschaftsaufgaben zum Synonym für Bundesaufgaben mit Länderbeteiligung werden lassen. I m Gegensatz zur Kommission für die Finanzreform hat die Regierungsvorlage und ihr folgend das spätere Gesetzgebungsverfahren, das zur 20. Änderung des Grundgesetzes führte, einen solchen bedenklichen Weg nicht beschritten, sondern eine adäquate Lösung i m Sinne des kooperativen Föderalismus gefunden. Durch diese werden die Länder nicht nur über das Bundesorgan Bundesrat an der Planung für die Gemeinschaftsaufgaben beteiligt, sondern i n ihrer staatsrechtlichen Qualität als Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland gleichberechtigt und ohne die Möglichkeit der Majorisierung und zentralstaatlicher Dominanz bei diesen Planungen zur Koordinierung gesamtstaatlicher Aufgaben i m Rahmen eines neuen verfassungsrechtlichen Organs herangezogen. Die Planungsausschüsse und Vereinbarungen sind typische Koordinierungsinstrumente, die einen weiteren Beweis dafür darstellen, daß sich der Föderalismus i n Deutschland funktionsgerecht zu einem kooperativen Bundesstaat entwickelt. Innerhalb eines solchen föderativen Systems kann man die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern als einem modernen Sinnprinzip des Bundesstaates entsprechende Ausgestaltung des kooperativen Föderalismus bezeichnen, deren überragende verfassungspolitische Bedeutung i n ihrer zukünftigen Chance zur Weiterentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung als Prüfstein der Legitimation und Bewährung des deutschen Föderalismus liegt.

46 Deren entscheidende Bedeutung für unterstreicht Häfelin, a.a.O., S. 735 ff.

den kooperativen

Föderalismus

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