Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht [1 ed.] 9783428519828, 9783428119820

Konsumsteuermodelle gehören seit mehr als 10 Jahren zu den vieldiskutierten Themen des Unternehmenssteuerrechts. Im Vord

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German Pages 334 Year 2007

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Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht [1 ed.]
 9783428519828, 9783428119820

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1066

Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht

Von

Stefan Reis

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN REIS

Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1066

Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht

Von

Stefan Reis

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 30 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-11982-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und meiner Großmutter

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004 / 2005 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Die Untersuchung wurde im Dezember 2004 abgeschlossen und berücksichtigt Rechtsprechung und Schrifttum bis zu diesem Zeitpunkt. Die mündliche Prüfung fand im Juni 2005 statt. Für die Druckfassung wurde die verwendete Literatur nochmals aktualisiert (Stand: Dezember 2005). Gerne nehme ich diese Gelegenheit zum Anlass, meiner lieben „Doktormutter“, Frau Prof. Dr. Lerke Osterloh, für die stets warmherzige, zugleich jedoch auch kritische und anregende Betreuung meiner Dissertation zu danken. Hervorheben möchte ich besonders, dass sie trotz ihrer äußerst zeitintensiven Tätigkeit als Richterin des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts immer ansprechbar war und sich dabei stets Zeit genommen hat, um mich bei Fragen und Problemen im Rahmen dieser Untersuchung engagiert zu unterstützen. Meinen besonderen Dank möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M. aussprechen, der das Zweitgutachten in Rekordzeit erstellt hat. Herzlich bedanken möchte ich mich ferner bei meinen lieben Freunden, Frau Yvonne Grünert und Herrn Gernot Schulz, die mich bei der Anfertigung dieser Dissertation sehr unterstützt haben. Meiner Freundin und „Doktorschwester“ Yvonne Grünert schulde ich dabei für ihre stete Diskussionsbereitschaft meinen besonderen Dank. Mein größter Dank gilt schließlich meinen Eltern Hannelore und Manfred Reis sowie meiner Großmutter Helma Reis, die meine gesamte Ausbildung und meine Promotion in jeglicher Hinsicht tatkräftig begleitet und gefördert haben. Ihnen widme ich diese Arbeit. Wiesbaden, im Dezember 2005

Stefan Reis

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einführung

23

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Zweiter Teil Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

27

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Der Einkommensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

I. Der quellentheoretische Einkommensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

II. Der Einkommensbegriff nach der Reinvermögenszugangstheorie . . . . . . . . . . . . . . .

29

III. Der Einkommensbegriff nach der Markteinkommenstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

C. Die Besteuerung der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

Dritter Teil Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

40

A. Grundmodelle einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung auf Haushaltsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II. Die sparbereinigte Konsumeinkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

III. Die zinsbereinigte Konsumeinkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

B. Elemente einer konsumorientierten Besteuerung im gegenwärtigen Steuerrecht . . . . .

48

C. Argumente für eine konsumorientierte Besteuerung auf Haushaltsebene . . . . . . . . . . . .

50

I. Die „moralische“ Argumentation zugunsten der Konsumbesteuerung . . . . . . . . . . .

50

10

Inhaltsverzeichnis II. Konsumneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Die „Doppelbesteuerung“ der Ersparnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

2. Die „Verzerrung“ der Konsum-Sparentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Vierter Teil Vergleichende Darstellung unterschiedlicher konsumorientierter Unternehmensbesteuerungsmodelle

57

A. Entscheidungsneutralität als der konsumorientierten Besteuerung zugrunde liegendes betriebswirtschaftliches Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

II. Der Begriff der Entscheidungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

III. Zur Kritik am herkömmlichen, einkommensorientierten Unternehmensbesteuerungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

1. Darstellung anhand eines Beispiels von Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Auswertung des Beispielsfalles nach Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

3. Kritik an den von Wagner gezogenen Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

4. Bestätigung von Wagners grundsätzlicher Systemkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

IV. Arten der (intersektoralen) Entscheidungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. Investitionsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

2. Finanzierungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Gewinnverwendungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

4. Rechtsformneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

a) Teilhabersteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

b) Betriebsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

5. Konzentrations- und Betriebsgrößenneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

6. Standortneutralität und Steuerausländerneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

V. Entscheidungsneutralität als „Desideratum“ von Steuersystemen . . . . . . . . . . . . . . .

74

VI. Die unterschiedlichen Ansatzpunkte im kapitalorientierten Besteuerungsmodell

76

1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

2. Die Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

Inhaltsverzeichnis

11

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle: Die allgemeine betriebliche Cash-flow-Steuer . . . .

80

I. Die Kennzahl „Cash-flow“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

II. Der betriebswirtschaftliche Cash-flow-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

III. Die Grundprinzipien der Cash-flow-Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Entlastung der Investition und Belastung der Desinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Cash-flow-Steuer als Betriebsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

3. Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung einer Cash-flow-Steuer

86

a) Die sog. Belastungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

b) Die sog. Abschreibungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

c) Die sog. Entlastungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

4. Zur Regelung eines Verlustausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

IV. Die rechentechnischen Varianten der Cash-flow-Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

1. Die Grundvariante: R-Basis-Cash-flow-Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Die R+F-Basis-Cash-flow-Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

3. Die Ausschüttungssteuer (S-Basis-Cash-flow-Steuer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

4. Das Mischsystem nach Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

5. Die erweiterte Ausschüttungssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 V. Kombination von Cash-flow-Steuer auf Betriebsebene mit konsumorientierter Besteuerung auf Haushaltsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 C. Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Umsetzung in Kroatien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Die Gewinnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Die Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Kombination einer zinsbereinigten Unternehmenssteuer mit einer konsumorientierten Besteuerung auf der Haushaltsebene nach Langs Modell . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Cash-flow-Steuer versus zinsbereinigte Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 D. Kritische Analyse der Argumente für ein konsumorientiertes Unternehmenssteuersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Die Praktikabilität der Cash-flow-Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Die Inflationsneutralität der Konsumsteuersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

12

Inhaltsverzeichnis III. Zum Argument der Entscheidungsneutralität einer konsumorientierten Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Zur Investitionsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Bei Besteuerung des Cash-flows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Bei einer zinsbereinigten Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Bei Sicherheit der Gewinnerwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Bei Unsicherheit der Gewinnerwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Zur Finanzierungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Zur (weiteren) Kritik am konsumorientierten Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Einführung einer konsumorientierten Unternehmenssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

E. Abschließendes Beispiel der unterschiedlichen konsumorientierten Unternehmensbesteuerungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Fünfter Teil Europarechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

134

A. Regelungen des EG-Vertrages mit steuerrechtlichem Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B. Bedeutung der Grundfreiheiten und des Beihilfenverbots für die direkte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Die Bedeutung der Grundfreiheiten des EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Das Beihilfenverbot nach Art. 87 I EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Ergebnis zum Fünften Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Sechster Teil Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle mit der Finanzverfassung

141

A. Subsumtion unter die in Art. 106 GG genannten Konsumsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . 142 I. Zur Auslegung des Einkommensbegriffes i. S. d. Art. 106 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Theorie der extensiven Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Theorie der restriktiven Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

13

II. Art. 106 GG als nicht beschränkende Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Steuererfindungsrecht ablehnende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Steuererfindungsrecht bejahende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 C. Ergebnis zum Sechsten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Siebter Teil Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

155

A. Verfassungsrechtliche Legitimation des Steuereingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 B. Das „Unternehmen“ als Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Eigentumsgrundrecht und Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Bedeutung von Art. 14 GG für das Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Ansicht des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Auffassung der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Die Auffassung von Kirchhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Zur Interpretation und Kritik der Entscheidung des BVerfG sowie der Ansicht Kirchhofs in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Zum Schutzbereich des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (2) Zur Kritik am „Halbteilungsgrundsatz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Zur Frage des Eingriffs in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 bb) Zur Frage der Rechtfertigung eines Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Berufsfreiheit und Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Berufsfreiheit als Unternehmerfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Bereichsspezifische Besonderheiten von Art. 12 I GG im Steuerrecht . . . . . . . . 178 3. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Bedeutung von Art. 2 GG für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 D. Ergebnis zum Siebten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

14

Inhaltsverzeichnis Achter Teil Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

183

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I. Allgemeine Vorgaben des Gleichheitssatzes nach Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Der Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Der Gleichheitssatz als Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Die „neue Formel“ des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Das Verhältnis von Willkürverbot und „neuer Formel“ des BVerfG . . . . . . . 186 2. Weitere Ansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Die Unterscheidung in externe und interne Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Zur Systemgerechtigkeit als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Maßstabsverschärfung bei bereichsspezifischen Regelungsgegenständen 193 3. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als bereichsspezifische Vorgabe für das Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Idee und dogmatischer Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . 198 2. Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Allgemeine Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Alternative Steuerverteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Äquivalenzprinzip versus Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Entscheidungsneutralität als Steuerverteilungskriterium . . . . . . . . . . . . . 203 c) Zur Kritik des Leistungsfähigkeitsprinzips als fundamentaler Wertungsmaßstab des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Anwendungsbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Bezogen auf einzelne Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Nach der Unterscheidung Fiskal- / Sozialzwecknormen . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Das Unternehmen als Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ablehnende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gegenauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 215 217

dd) Leistungsfähigkeitsprinzip und Entscheidungsfreiraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis

15

III. Wahl und Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsindikators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Wahl des Leistungsfähigkeitsindikators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Die Leistungsfähigkeitsindikatoren Vermögen, Konsum und Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 aa) Einkommen versus Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (1) Das Nutzenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (2) Das Verfügungsmachtkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (3) Vermittelnde Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Leistungsfähigkeitsadäquate Ausgestaltung des Indikators „Einkommen“ . . . . 240 a) Quellentheoretischer und kapitaltheoretischer Einkommensbegriff . . . . . . . 241 b) Einkommensbegriff nach Reinvermögenszugangstheorie und Markteinkommenstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Zahlungsstromorientierter Einkommensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Lebenseinkommensprinzip versus Periodeneinkommensprinzip . . . . . . 246 bb) Das Maßgeblichkeitsprinzip in Gestalt der GoB als verfassungskonkretisierender Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (1) Grundzüge des Maßgeblichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (2) Das Vorsichtsprinzip als Subprinzip des Maßgeblichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (a) Das Realisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (b) Das Imparitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (3) Verfassungsrechtliche Verankerung des Maßgeblichkeitsprinzips (a) „Vorrangtheorie“ sowie „Widerspruchstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . (b) Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vermittelnde Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254 254 259 261 264

cc) Vereinbarkeit einer Cash-flow-Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Zinsbereinigte Bestimmung des Einkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Das Nominalwertprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Die Besteuerung des zinsbereinigten Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Vereinbarkeit von Leistungsfähigkeit und Steuervereinfachung / Typisierung 272 IV. Leistungsfähigkeitsprinzip und Steuerprogression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Zum Meinungsstreit in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

16

Inhaltsverzeichnis

B. Überprüfung der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Ausgangspunkt der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. In Betracht kommende Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1. Allgemeine Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Rechtfertigung durch wirtschaftslenkende Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Rechtfertigung durch „Typisierung“ und „Steuervereinfachung“ . . . . . . . . . . . . . 285 4. Rechtfertigung durch Umweltschutz und Ressourcenschonung . . . . . . . . . . . . . . 286 5. Entscheidungsneutralität als eigenständiger Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . 286 III. Verfassungsmäßigkeit der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Zum Prüfungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Zum materiellen Gewicht der Abweichung von der Belastungsgrundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Bei Einführung einer Cash-flow-Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Bei Einführung einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer . . . . 292 3. Die Rechtfertigung der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . 293 a) Zur Eignung der Differenzierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Zur Erforderlichkeit der Differenzierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 c) Zur Angemessenheit der Differenzierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 C. Ergebnis zum Achten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Neunter Teil Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

302

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. A. F. a. F. AfA Abb. Abs. ACE AG AG AK Anm. AO AöR Art. Aufl. Az. BB Bd. begr. BFH BGB BGBl. BGH BilReG BMF BStBl. BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzgl. bzw. 2 Reis

anderer Ansicht am angeführten Ort alte Fassung (bei FinA) alte Fassung Absetzung für Abnutzung Abbildung Absatz allowance for corporate equity Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Alternativkommentar Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Auflage Aktenzeichen Der Betriebsberater (Zeitschrift) Band begründet Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bilanzrechtsreformgesetz Bundesministerium der Finanzen Bundessteuerblatt Bundestag Bundestagdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich beziehungsweise

18 ca. CAPM DB DBA DBW ders. d. h. dies. diff. Diss. DM DÖV DRV DRV-Schriften DStJG DStR DStZ DStZ A Dt. DVBl. e.V. EFG EG EK ErbSt ErbStG ErbStR erw. ESt EStG EStR etc. EU EuGH EuGRZ EWG f. ff. FG FinA fortgef. FR

Abkürzungsverzeichnis circa Capital Asset Pricing Model Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) derselbe das heißt dieselbe differenzierend Dissertation Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Schriften des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungsträger Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe A (Zeitschrift) Deutschen Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) eingetragener Verein Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Eigenkapital Erbschaftsteuer Erbschaftsteuergesetz Erbschaftsteuer-Richtlinien erweiterte Einkommensteuer Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende fortfolgende Finanzgericht Finanzarchiv (Zeitschrift) fortgeführt Finanz-Rundschau (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis FS GbR GE gem. GewESt GewSt GewStG GewStR GG ggf. gl. A. GmbH GmbHR GoB GrS GuV HdbStR h. M. HGB hrsg. Hrsg. Hs. IAS i. d. F. i. d. R. IDW IFSt inkl. InsO IntFis i. S. d. IStR i. S. v. i.V. m. IWB i. w. S. JbFStR JuS JZ KapAEG KG krEStG 2*

Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Geldeinheit(en) gemäß Gewerbeertragsteuer Gewerbesteuer Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Großer Senat Gewinn- und Verlustrechnung Handbuch des Staatsrechts herrschende Meinung Handelsgesetzbuch herausgegeben Herausgeber Halbsatz International Accounting Standards in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Institut „Finanzen und Steuern“ e.V. inklusive Insolvenzordnung Gesellschaft für Internationale Fiskalanalysen mbH, Hemsbach im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe im weiteren Sinne Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kommanditgesellschaft kroatisches Einkommensteuergesetz

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20 krGwStG krORG KSt Lifo m. a. W. m. E. Mio. Mitarb. Mitverf. m. w. H. m. w. N. neubearb. N. F. NJW Nr. NVwZ OECD OECD-MA o. g. o. V. OHG OLG ÖStZ PrEStG Rdnr. RFH RGBl. Rz. S S. S. sog. Sp. StaatsR StabG Stbg StbJb StEntlG SteuerStud StuB StuW

Abkürzungsverzeichnis kroatisches Gewinnsteuergesetz (kroatische) Ordnungsrichtlinie über die Abrechnung und Entrichtung der Gewinnsteuer Körperschaftsteuer last in – first out mit anderen Worten meines Erachtens Million Mitarbeit Mitverfasser mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen neubearbeitete neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Organization for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit) OECD-Musterabkommen oben genannt ohne Verfasser Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Österreichische Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Preußisches Einkommensteuergesetz Randnummer Reichsfinanzhof Reichsgesetzblatt Randziffer Standard Satz (bei Gesetzeszitaten) Seite sogenannte, sogenannter Spalte Staatsrecht Stabilitätsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerentlastungsgesetz Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis s. u. u. u. a. überarb. v. VDR Verf. vgl. v. H. VVDStRL WD WiSt z. B. ZBB ZfbF ZfhF z. T. zit. zugl. zzgl.

siehe unten und unter anderem überarbeitete von, vom Verband Deutscher Rentenversicherer Verfasser vergleiche vom Hundert Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wirtschaftsdienst (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung zum Teil zitiert zugleich zuzüglich

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Erster Teil

Einführung A. Einleitung Wenngleich Meinungsverschiedenheiten über steuerliche Maßnahmen nur selten – wie bei der sog. Bostoner Tea Party im Jahre 17731 – einen Unabhängigkeitskrieg zur Folge haben dürften, ist man sich allgemein der besonderen Bedeutung des Steuerrechts bewusst. Gerade in Zeiten konjunktureller Schwächen wird dem Steuerrecht die Fähigkeit zugeschrieben, korrigierend eingreifen und in diesem Sinne wirtschafts- und wohlstandsfördernd sein zu können. Da die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes insbesondere von der wirtschaftlichen Stärke seiner Unternehmen abhängt, spielt in diesem Zusammenhang das Unternehmenssteuerrecht eine besondere Rolle. Dementsprechend wird gefordert, dass ein (Unternehmens-) Steuersystem investitionsfördernd sein muss und keinesfalls investitionsfeindlich sein darf. Bei allen politischen Differenzen bezüglich der konkreten Ausgestaltung besteht wohl über alle Parteigrenzen hinweg grundsätzlich Einigkeit darüber, dass ein „gutes“ Steuersystem vor allem „einfach“ und „gerecht“ sein soll. Nachdem diese Einigkeit in der praktischen Auswirkung jedoch bislang kaum dazu geführt hat, dass unser Steuersystem tatsächlich (jemals) einfacher geworden wäre, mehren sich die Stimmen derer, die unser Steuersystem umfassend reformieren möchten. In jüngerer Zeit wurde dabei auch der Ruf nach einer völligen Abkehr vom hergebrachten Steuersystem laut. Propagiert wurde und wird ein steuerrechtlicher Paradigmenwechsel zu einem neuen, im Ansatz wesensverschiedenen Steuersystem. Während das herkömmliche, kapitalorientierte Steuermodell sich an der Mittelentstehung, dem Einkommen bzw. Ertrag orientiert, ist der Konsum und damit die Verwendung des Einkommens das zentrale Kernstück dieses neuen Ansatzes, der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Anhänger dieser konsumorientierten Besteuerung schreiben ihrem System Einfachheit in der Gestaltung, Gerechtigkeit in den Auswirkungen und in besonderem Maße eine investitionsfördernde Wirkung zu. Während Denkmodelle zumeist 1 Die sog. Boston Tea Party (1773) gilt gemeinhin als Ausgangspunkt des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Dabei ging es um Zoll auf die Einfuhr von Tee, also um eine Verbrauchsteuer. Letztlich war der unmittelbare Ausgangspunkt aber eine Lieferung verbilligten Tees, zur Boston Tea Party aus steuerrechtlicher Sicht, vgl. Kruse, StuW 2000, S. 337 ff.

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1. Teil: Einführung

den Nachteil haben, niemals in der Praxis zur Anwendung gekommen zu sein, wurde eines der in dieser Arbeit untersuchten Steuersysteme im Jahre 1994 in Kroatien in ein umfassendes Steuergesetz implementiert2. Diese Umsetzung in Kroatien war nicht zuletzt auf das Engagement und die Hilfe deutscher Wirtschaftswissenschaftler zurückzuführen. Daher verwundert es nicht, dass diese Steuermodelle im deutschen Schrifttum mehrfach untersucht worden sind. Dabei standen jedoch vor allem ihre betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen im Blickpunkt der Betrachtung. Neben dem Begriff Konsumsteuer werden diese Modelle in der Literatur auch unter dem Oberbegriff Optimalsteuertheorie („optimal taxation“) diskutiert. Im Zentrum dieser Steuermodelle steht dabei der Gesichtspunkt der Entscheidungsneutralität. Diese Art der Besteuerung soll „optimal“ sein, weil von ihr – im Gegensatz zur Besteuerung herkömmlicher Prägung – kein Einfluss auf die Verhaltensweisen der Steuerpflichtigen ausgehen soll. Erstaunlicherweise hat diese Thematik bei Juristen bislang kaum Interesse geweckt. Die Zahl derer, die sich ihr aus juristischer Sicht genähert haben, nimmt sich daher auch eher bescheiden aus. Insbesondere fehlt es im rechtswissenschaftlichen Schrifttum an einer vertieften verfassungsrechtlichen Überprüfung der Konsumsteuermodelle. Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit aus juristischer, d. h. insbesondere verfassungsrechtlicher Sicht untersucht werden, ob die konsumorientierten Besteuerungsmodelle auch auf unser Steuersystem übertragbar sind. Es sei in diesem Zusammenhang bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier zu überprüfenden Konsumsteuermodellen nicht etwa um eine Erweiterung der bestehenden Umsatzsteuer handelt, die ebenfalls an den Konsum anknüpft. Wie nachfolgend darzustellen ist, handelt es sich dabei vielmehr um eigenständige, direkte Steuerformen, die sich von der Umsatzsteuer deutlich unterscheiden. Zentrale Frage dieser Arbeit ist, ob eine Konsumbesteuerung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben unseres Grundgesetzes vereinbar ist und daher auch in der Bundesrepublik Deutschland eine denkbare Alternative darstellt. Dem Titel dieser Arbeit entsprechend steht dabei die Unternehmensbesteuerung im Fokus des Interesses. Die Formulierung „Konsumorientierte Unternehmensbesteuerung“ suggeriert, dass Unternehmen konsumieren. Das können sie – im Gegensatz zu Unternehmern – selbstverständlich nicht. Diese bewusst in Kauf genommene Ungenauigkeit soll jedoch in plakativer Weise die zwei zentralen Bezugspunkte dieser Untersuchung verbinden: 2 Das im Jahre 1994 in Kroatien implementierte System der zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung wurde allerdings mit Wirkung vom 1. 1. 2001 wieder abgeschafft. Auf die Gründe, die hierzu geführt haben, soll später (Vierter Teil, C. I. und D. V.) näher eingegangen werden, vgl. auch Stöber, IStR-Länderbericht zu Heft 13 / 2001, S. 4.

B. Gang der Untersuchung

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In dieser Arbeit werden Steuermodelle überprüft, deren Zielrichtung der Konsum ist, wobei die Ausgestaltung dieser Steuermodelle auf Unternehmensebene im Vordergrund der Betrachtung stehen soll.

B. Gang der Untersuchung Da die konsumorientierten Steuersysteme die geltende Einkommensbesteuerung bzw. Körperschaftsteuer ersetzen sollen, werden im Zweiten Teil dieser Arbeit zunächst die Grundprinzipien dieser bestehenden Steuern erklärt. Hieran anschließend folgt im Dritten Teil die Darstellung der Grundprinzipien der konsumorientierten Besteuerung. Den Schwerpunkt des Vierten Teils bildet die vergleichende Darstellung verschiedener konsumorientierter Unternehmenssteuermodelle. Zentraler Gesichtspunkt ist dabei der Aspekt der Entscheidungsneutralität der Besteuerung und seine Umsetzung durch die konsumorientierten Besteuerungsmodelle. Soweit sich diese Arbeit mit den wirtschaftswissenschaftlichen Argumenten pro und contra konsumorientierte Besteuerung auseinandersetzt, soll dies weder als abschließende noch als umfassende wirtschaftswissenschaftliche Bewertung der vorgestellten Steuermodelle verstanden werden. Eine solche ist und bleibt Aufgabe des betriebs- und volkswirtschaftlichen Schrifttums. Insofern wird an den jeweiligen Stellen auf weiterführende Literatur verwiesen. Gleichwohl sollen eigene, unter diesen Gesichtspunkten auftauchende Überlegungen und auch Bedenken nicht verschwiegen werden. In einem immer mehr zusammenwachsenden Europa kann das nationale Steuerrecht nicht völlig isoliert von den europarechtlichen Vorgaben innerhalb der EU gesehen werden. Die europarechtlichen Gesichtspunkte der Besteuerung werden daher im Fünften Teil dargestellt. Entsprechend dem verfassungsrechtlichen Schwerpunkt können die europarechtlichen Aspekte der Besteuerung hierbei nur kursorisch behandelt werden. Im Sechsten, Siebten und Achten Teil werden die zuvor dargestellten konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle aus verfassungsrechtlicher Sicht beleuchtet. Dabei soll im Sechsten Teil der Frage nachgegangen werden, ob die Konsumsteuermodelle mit den finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes zu vereinbaren sind. Der Siebte Teil dieser Arbeit ist der Darstellung der freiheitsgrundrechtlichen Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung gewidmet. Im Achten Teil wird die Vereinbarkeit der konsumorientierten Steuersysteme mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG überprüft. Zentraler Bezugspunkt ist dabei zunächst die Funktion und Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für das Steuerrecht. Insbesondere Wahl und Ausgestaltung möglicher Leistungsfähigkeitsindikatoren werden unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunk-

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1. Teil: Einführung

ten eingehend untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bilden die Basis für die anschließende Prüfung, in welcher die zentrale Frage dieser Arbeit nach der Vereinbarkeit der Konsumsteuermodelle mit den Vorgaben des Grundgesetzes am Maßstab des Art. 3 I GG beantwortet wird. Die Arbeit schließt im Neunten Teil mit der Zusammenfassung der zuvor gewonnenen Ergebnisse in Thesen.

Zweiter Teil

Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung A. Vorbemerkung Mit der Einkommensteuer soll das Einkommen natürlicher Personen und mit der Körperschaftsteuer das Einkommen juristischer Personen erfasst werden1. Der Begriff „Einkommen“ stammt ursprünglich aus der Ökonomie2. Das Einkommen ist nicht nur der zentrale Begriff des (Einkommen-)Steuerrechts, sondern spielt darüber hinaus auch im Sozialrecht, Strafrecht, Prozessrecht und vor allem im öffentlichen Schuldrecht eine zentrale Rolle3. Das „Charakterbild“ der Einkommensbesteuerung und damit auch dessen, was Einkommen ist, schwankte in der deutschen Geschichte4. Nachfolgend sollen die für das deutsche Einkommensteuerrecht insoweit bedeutendsten Einkommensdefinitionen dargestellt werden.

B. Der Einkommensbegriff I. Der quellentheoretische Einkommensbegriff Zu den ersten deutschen Einkommensteuergesetzen gehören das sächsische EStG v. 2. 7. 18785 und vor allem das preußische EStG v. 24. 6. 18916. Das preußische EStG wurde unter dem damaligen Finanzminister Johannes von Miquel im Rahmen der sog. „Miquelschen Steuerreform“ initiiert und von ihm mit seiner Steuergerechtigkeit begründet7. Die Besonderheit der preußischen Einkommensteuer war dabei ihr progressiver Steuertarif, wobei sich dieser mit Steuersätzen von 0,67 bis 4 % doch recht bescheiden ausnahm8. Vgl. Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 1. Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 49. 3 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 49, m. w. N. 4 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 2. 5 Gesetz- und Verordnungsblatt für Sachsen, 1878, S. 129. 6 Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1891, S. 175. 7 Zur Argumentation (und auch zur Person) Johannes von Miquels, vgl. Pausch, Johannes von Miquel, S. 33 ff. 1 2

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2. Teil: Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

Eine Definition des Begriffes „Einkommen“ war im preußischen EStG von 1891 ebenso wenig enthalten wie in allen anderen folgenden Einkommensteuergesetzen9. Gleichwohl war das preußische Einkommensteuergesetz vor allem dem „quellentheoretischen“ Einkommensteuerbegriff verhaftet10. Nach Auffassung der „Quellentheoretiker“11 ist unter Einkommen „die Gesamtheit der Sachgüter zu verstehen, welche in einer bestimmten Periode (Jahr) dem Einzelnen als Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse ( . . . ) zur Verfügung stehen“12. Nach der Quellentheorie ist also Einkommen vom Vorhandensein einer ständig fließenden Einkommensquelle abhängig. Vermögensveränderungen der Einkommensquelle selbst, die nicht „in ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung zur Ertragserzielung ihren Ursprung haben“, stellen kein Einkommen dar13. Wird die Quelle selbst veräußert, dann stellt ein hierbei eventuell erzielter Veräußerungsgewinn nach der Quellentheorie kein steuerliches Einkommen dar14. Bildhaft gesprochen sind nach dem quellentheoretischen Einkommensverständnis nur die Äpfel, nicht aber der Stamm dem Einkommen zuzuordnen15. Daher führt der „Verkauf des Apfelbaums“ nicht zu einem steuerbaren Einkommen. Bei der quellentheoretischen Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, dem „Reineinkommen“, sind von der Summe der Quellenreinerträge die Schuldzinsen und Renten abzuziehen16. Gegen die Quellentheorie wird insbesondere geltend gemacht, dass ihr ein zu enger Einkommensbegriff zugrunde liege und somit erhebliche Besteuerungslücken entstünden, weshalb ihr ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip 8 Durch kommunale Zuschläge reichte die Spitzenbelastung bis zu 12 %, siehe hierzu Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 6, m. w. N. 9 Gefordert wurde eine solche Begriffsdefinition in einem EStG vor allem von Neumark, Theorie und Praxis der modernen Einkommensbesteuerung, S. 37. 10 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 68. 11 Als Begründer der „Quellentheorie“ gilt Fuisting, vgl. Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 2, der als Referent im Finanzministerium die Miquelsche Steuerreform maßgeblich mitgestaltet hat. 12 So Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, S. 110. 13 Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, S. 147. 14 Der quellentheoretische Charakter des preußischen Einkommensteuergesetzes ist dabei insbesondere den Regelungen des § 7 PrEStG , wo verschiedene Einkunftsquellen aufgezählt werden, sowie des § 8 PrEStG zu entnehmen. § 8 PrEStG bestimmt, dass außerordentliche Einnahmen (aus dem Verkauf der Quelle) kein steuerbares Einkommen, sondern lediglich eine Vermehrung des Stammvermögens darstellen, vgl. hierzu vertiefend Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 68 ff. 15 Vgl. Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 2. 16 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 68.

B. Der Einkommensbegriff

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entgegengehalten wird17. Mittlerweile ist die Quellentheorie – jedenfalls in ihrer ursprünglichen Gestaltungsform – in den Hintergrund der steuerrechtlichen Diskussion verdrängt worden18.

II. Der Einkommensbegriff nach der Reinvermögenszugangstheorie Mit dem Deutschen Reichseinkommensteuergesetz vom 29. 3. 1920 wandte sich der deutsche Gesetzgeber von der Quellentheorie ab und orientierte sich mehr an der Reinvermögenszugangstheorie, als deren Hauptbegründer in Deutschland im Wesentlichen Schanz19 angesehen wird. Da als weitere Begründer dieser Theorie Haig20 und Simons21 gelten, wird sie auch als Schanz-Haig-Simons-System bezeichnet22. Die Reinvermögenszugangstheorie wird zu den sog. kapitalorientierten Besteuerungssystemen gezählt23, bei welchen die Besteuerung bei der Entstehung (und nicht bei der Verwendung) eines Vermögens- bzw. Wertzuwachses ansetzt. Nach Schanz bemisst sich das Einkommen „als Reinvermögenszugang eines bestimmten Zeitabschnitts“ nach dem, „was in einem Zeitabschnitt einer Person derart zugeflossen ist, dass dieselbe darüber disponieren kann, ohne ihr bisheriges Vermögen selbst zu mindern. . .“24, 25. Zum Einkommen nach der Reinvermögenszugangstheorie sind nach Schanz26 alle „Reinerträge“, die „Wertsteigerungen“ so17 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 51. Auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. 18 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 70, der allerdings hervorhebt, dass sie unter dem Namen „Markteinkommenstheorie“ leicht modifiziert „eine Art Renaissance“ erlebe. 19 Vgl. Schanz, FinA 1896, S. 1 ff. 20 Haig, The Concept of Income. 21 Simons, Personal Income Taxation. 22 Vgl. bspw. Sinn in Bös / Rose / Seidl, S. 211. 23 Vgl. Sinn in Bös / Rose / Seidl, S. 211 ff. 24 Schanz, FinA 1896, S. 23. 25 Ausgangspunkt der Reinvermögenstheorie nach Schanz war dabei die Definition des Einkommens nach Hermann, Staatswirthschaftliche Untersuchungen über Vermögen, Wirthschaft, Productivität der Arbeiten, Kapital, Preis, Gewinn, Einkommen und Verbrauch, S. 299, der Einkommen (grammatikalisch fehlerhaft im Originaltext) als „Summe der wirthschaftlichen oder Tauschgüter, welcher in einer gewissen Zeit zu dem ungeschmälert fortbestehenden Stammgut einer Person neu hinzutreten, die sie daher beliebig verwenden kann“. Dies begründe sich nach dem Zweck menschlichen Wirtschaftens, denn nach Hermann, a. a. O., S. 297, läuft „. . . alle Wirtschaft Einzelner wie ganzer Völker ( . . . ) am Ende auf Herstellung von Gütern hinaus, die sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse verwenden können, ohne dass ihr wirthschaftlicher Zustand verschlechtert, – auf Erwerb von Einkommen“. 26 Schanz, FinA 1896, S. 23 ff.

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2. Teil: Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

wie Nutzungswerte zu zählen, so dass „auch jeder unmittelbare Verbrauch, der in der Benutzung eines eigenen Hauses, eigener Pferde, eines eigenen Gartens oder auch nur in dem Genusse der Möglichkeit einer solchen Nutzung liegt“, das Einkommen erhöhen. Des Weiteren werden „geldwerte Leistungen Dritter, alle Geschenke, Erbschaften, Legate, Lotteriegewinne, Versicherungskapitalien, Versicherungsrenten“ sowie „Konjunkturgewinne jeder Art“ als reinvermögensmehrend erachtet27. Dies zeigt einen bedeutenden Unterschied zur Quellentheorie, bei welcher eher zufällige Vermögensmehrungen wie Geschenke oder Lotteriegewinne (sog. „windfall profits“) nicht erfasst werden. Dass auch durch das Deutsche Reichseinkommensteuergesetz vom 29. 3. 1920 die Reinvermögenszugangstheorie niemals in ihrer Idealform verwirklicht wurde, ergibt sich beispielsweise daraus, dass zum einen Güterzugänge aus Erbschaften und Schenkungen ausgenommen waren und zum anderen „außerordentliche Einnahmen“ wie Gewinne aus der Veräußerung von privaten Grundstücken nur in Spekulationsfällen steuerlich erfasst wurden, obwohl in beiden Fällen Einkommen i. S. d. Reinvermögenszugangstheorie vorliegt28. Wertsteigerungen wurden vom Deutschen Reichseinkommensteuergesetz vom 29. 3. 1920 nur im Falle einer Veräußerung erfasst. Die Reinvermögenszugangstheorie in ihrer Idealform umfasst jedoch neben den realisierten Wertsteigerungen auch alle unrealisierten, so dass grundsätzlich auch latente Wertsteigerungen von einer an diesem Ideal ausgerichteten Steuer erfasst werden müssten29. Eine solche umfassende Besteuerung des nichtrealisierten Wertzuwachses wäre aber allein aufgrund des damit verbundenen Ermittlungsaufwandes in der Praxis kaum durchführbar. Daher wird eine Besteuerung von latenten Wertzuwächsen auch von Schanz nicht gefordert30. Die Reinvermögenszugangstheorie nach Schanz umfasst mithin drei Bestandteile31: 1. den Reinertrag, 2. Zuwendungen Dritter, 3. die Nutzung von Vermögen und geldwerte Leistungen Dritter32. Schanz, FinA 1896, S. 24. Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 4. 29 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 107. 30 So fehlt es für eine Besteuerung latenter Wertsteigerungen insbesondere an der grundsätzlich erforderlichen Liquidität des Steuerpflichtigen, vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 102. 31 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 2. 32 Die geldwerten Leistungen Dritter können eigentlich auch als Untergruppe der Reinvermögenszugänge verstanden werden, vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 2. Gemeint ist nämlich, dass die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Form anderer Vermögensgegenstände oder Dienstleistungen erfolgt. 27 28

B. Der Einkommensbegriff

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Unter dem Reinertrag versteht Schanz die Differenz aus dem Erlös aus der entgeltlichen Verwertung von Gütern und Leistungen am Markt und den Aufwendungen, die zur Erzielung der Erträge getätigt werden müssen33. Zu den Aufwendungen, die in einer Periode anfallen, werden neben Löhnen, Rohstoffen, Mieten und Fremdkapitalzinsen auch die Abschreibungen gezählt34. Da der Einkommensbegriff keine Unterscheidung zwischen Privat- und Betriebssphäre kennt, spielt es keine Rolle, ob eine Vermögensmehrung durch den Verkaufsgewinn eines privat oder aber betrieblich genutzten Gegenstandes erfolgt35. Unter Zuwendungen Dritter sind dabei solche zu verstehen, die unentgeltlich, d. h. ohne wirtschaftliche Gegenleistung der begünstigten Person erfolgen36. Die Einbeziehung der „Nutzung von Vermögen“ wird in der Literatur37 als systemfremde Erweiterung des Einkommensbegriffes aufgefasst. So ist bei den Begriffen „Reinertrag“ und „Zuwendungen Dritter“ das Einkommen durch einen Vermögenszuwachs und mithin von der Entstehungsseite her bestimmt. Hingegen wird bei der „Nutzung des eigenen Vermögens“ auf die Verwendungsseite abgestellt. Die Einbeziehung des Nutzungswertes des eigenen Vermögens als Bestandteil des Einkommens wird deshalb mit dem Argument abgelehnt, dass dieses schwerlich mit dem Begriff „Reinvermögenszugangstheorie“ vereinbart werden könne38. Des Weiteren wird kritisiert, dass dadurch, dass auch die bloße Nutzungsmöglichkeit den tatsächlich gezogenen Nutzungen gleichgestellt werden würde, das ansonsten geltendende Realisationsprinzip, nach dem nur tatsächlich erzielte Bereicherungen Einkommen darstellten, unterlaufen werde39. Der Reinvermögenszugangstheorie wird unter anderem aus diesem Grunde entgegengehalten, dass ihr Einkommensbegriff zu weit sei40. Durch die Erfassung unrealisierter Wertsteigerungen bestehe darüber hinaus die Gefahr einer übermäßigen Besteuerung41; des Weiteren sei die Erfassung aller Nutzungswerte technisch nicht möglich42. Vgl. Schanz, FinA 1896, S. 6 ff. Vgl. Schanz, FinA 1896, S. 6 ff. 35 Vgl. Schanz, FinA 1896, S. 44. Streng genommen bedürfte es nach der Reinvermögenszugangstheorie nicht einmal eines Verkaufs, da insoweit auch eine unrealisierte Wertsteigerung genügt. 36 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 2. 37 Vgl. zur Argumentation im folgenden Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 2. 38 So Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 2. 39 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 2. Tatsächlich wurden bspw. latente Wertsteigerungen, die sich noch nicht in einem Umsatzprozess realisiert haben, noch niemals vom deutschen Steuergesetzgeber als Einkommen verstanden, vgl. Jakob, Einkommensteuer, Rn. 2. 40 So bspw. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 13. 41 Dieses Argument bezieht sich allerdings in erster Linie auf das theoretische Ideal der Reinvermögenszugangstheorie. 42 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 33. 33 34

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2. Teil: Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

Probleme haben selbst Anhänger der Reinvermögenszugangstheorie mit der Behandlung von Erbschaften sowie Lotterie- und Spielgewinnen43. So wäre ein Spielgewinn nach dieser Theorie (eigentlich) als einkommenserhöhend zu erachten. Dass der Grund für das Spielen in einer höchst privaten Spielleidenschaft zu suchen ist, spielt für die Einkommensermittlung im Rahmen der Reinvermögenszugangstheorie gerade keine Rolle44. Umgekehrt müssten dann aber auch Spielverluste zu einer Einkommensverringerung führen und damit mit anderen Einkünften verrechenbar sein. Gleichwohl wird dies auch von Anhängern der Reinvermögenszugangstheorie wie beispielsweise Tipke45 nicht gefordert, was wohl an fiskalischen Gründen liegt. Regelmäßig wird nämlich bei Lotterie und Glücksspiel in der Summe mehr verloren als gewonnen. Kritiker der Reinvermögenszugangstheorie schließen daraus, dass die Anhänger der Reinvermögenszugangstheorie – insoweit systemwidrig – nicht für die steuerliche Erfassung von Sozialtransferleistungen und Subventionen votieren, eine Bestätigung dafür, dass Vermögensänderungen aus unterschiedlichen Gründen zustande kommen könnten, was entsprechend zu würdigen sei. So müsse hieraus allgemein gefolgert werden, dass unterschiedlich begründete Vermögensveränderungen auch steuerlich unterschiedlich zu behandeln sind46. Die Reinvermögenszugangstheorie erfasst, wie eben gezeigt, jeden Güterzugang bei einer natürlichen Person innerhalb einer bestimmten Periode als Einkommen47. Im Gegensatz hierzu stellt die Quellentheorie, wie oben näher ausgeführt, auf den Entstehungsgrund ab. Sie erfasst im Wesentlichen nur die Erträge als Einkommen, die ihren Grund in der wirtschaftlichen Tätigkeit haben48. Vergleicht man die Reinvermögenszugangstheorie mit der Quellentheorie unter Bezugnahme auf den Konsum des Steuerpflichtigen, dann könnte man Erstere als die Theorie beschreiben, die die Ermittlung der Konsummöglichkeit in einer (abgelaufenen) Periode ermittelt, während demgegenüber die Quellentheorie eher versucht, zukünftiges Konsumpotential zu prognostizieren49. Mit dem Reichseinkommensteuergesetz vom 10. 8. 1925 hat sich der deutsche Gesetzgeber von der Konzeption eines einheitlichen Einkommensbegriffes wieder verabschiedet. Indem das Gesetz auf 8 unterschiedliche Einkunftsarten abstellte, die entweder mehr dem quellentheoretischen Ansatz oder eher dem Ansatz der Vgl. Trzaskalik in FS-Tipke, S. 326. Vgl. zu den Ausführungen im folgenden Trzaskalik in FS-Tipke, S. 326. 45 Siehe hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd II, S. 666 ff. 46 So vom Grundgedanken Trzaskalik in FS-Tipke, S. 326, der wörtlich ausführt, dass es sich lohne, „darüber nachzudenken, ob es nicht Vermögensmehrungen unterschiedlicher Art gibt, was die Vertreter der Reinvermögenszugangstheorie leugnen müssen“. 47 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 3. 48 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 3 ff. 49 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 72. 43 44

B. Der Einkommensbegriff

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Reinvermögenszugangstheorie folgen, hat der Gesetzgeber eine eher „pragmatische Lösung“ gewählt50. Diese zweigeteilte Aufteilung in (mittlerweile 7) verschiedene Einkunftsarten hat sich bis zum heutigen Tage gehalten. Der Einkommensbegriff des heutigen EStG basiert nicht auf einer einheitlichen Grundkonzeption, daher kann insoweit eher von zwei geltenden Einkommensbegriffen gesprochen werden51. Soweit Unternehmen ihren zu versteuernden Gewinn auf der Grundlage einer (Steuer-)Bilanz ermitteln52, wird das Einkommen idealtypischerweise nach der Reinvermögenszugangstheorie ermittelt53. Hierbei wird nämlich das Betriebsreinvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres demjenigen am Anfang des Wirtschaftsjahres gegenübergestellt. Es soll somit grundsätzlich der während einer Periode erzielte Zuwachs an Reinvermögen ermittelt werden54. Demgegenüber ist beispielsweise die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eher der Quellentheorie zuzuordnen. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass sich auch die Reinvermögenszugangstheorie in ihrer ursprünglichen reinen Form aufgrund der damit verbundenen oben genannten Probleme nie im deutschen Steuerrecht hat durchsetzen können. Auch wenn man die Einkunftsarten den beiden genannten Theorien zuordnet, ist damit lediglich das ihnen zugrundeliegende Prinzip und die darin begründeten Elemente gemeint. Eine Verwirklichung der Theorien in Reinform hat niemals existiert.

III. Der Einkommensbegriff nach der Markteinkommenstheorie Die Entscheidung des Gesetzgebers, auf eine Definition des Einkommensbegriffes im geltenden Einkommensteuergesetz zu verzichten und statt dessen sieben verschiedene Einkunftsarten aufzuführen, aber auch die Kritik an den beiden genannten Theorien, hat in der Wissenschaft und Rechtsprechung zu Bestrebungen geführt, gemeinsame, für alle Einkunftsarten geltende Merkmale zu suchen55. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH ist für alle Einkunftsarten kennzeichnend, dass „die ihnen zugrundeliegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen“56. In die gleiche Richtung geht der in der neueren Steuerrechtswissenschaft entwickelte Versuch, eine Theorie zu finden, die das Wesen des Einkommensteuer50 51 52 53 54 55 56

3 Reis

Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 2. Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 13. Siehe hierzu die Ausführungen im Zweiten Teil, C. Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 13. Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 13. Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 14. BFH-Beschl. v. 25. 6. 1984 GrS 4 / 82, BStBl. 1984 II, 751, 766.

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2. Teil: Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

objekts am besten beschreibt und somit prinzipiell geeignet ist, alle Einkünfte zu substantiieren. Ausgangspunkt dieser sog. „Markteinkommenstheorie“ 57 ist, dass nur das am Markt erwirtschaftete Einkommen der Einkommensteuer unterworfen werden soll58. Gemeinsames Merkmal aller Einkunftsarten ist daher die „entgeltliche Verwertung von Leistungen (Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen) am Markt“59. Damit es sich um steuerbares Einkommen i. S. d. Markteinkommenstheorie handelt, muss es also erwirtschaftet worden sein, wobei sich dieser Wertschöpfungsprozess am Markt vollzogen haben muss60. Vergleicht man die Markteinkommenstheorie mit der Quellentheorie, dann stellt man fest, dass beide insoweit übereinstimmen, als auch die Quellentheorie im Wesentlichen Erträge nur dann als steuerbares Einkommen erfasst, wenn diese aus einer Teilnahme am Marktgeschehen entstanden sind61. Beide trennt jedoch deutlich, dass nach der Markteinkommenstheorie auch die gewinnbringende Veräußerung ertragbringender Wirtschaftsgüter als Teilnahme am Marktgeschehen erachtet wird62. Der letztgenannte Punkt eint Markteinkommenstheorie und Reinvermögenszugangstheorie: Bei beiden erhöht auch der gewinnbringend verkaufte „Apfelbaum“ das steuerbare Einkommen. Von der Reinvermögenszugangstheorie unterscheidet sich die Markteinkommenstheorie allerdings dadurch, dass bei letztgenannter unentgeltliche Güterzugänge wie beispielsweise Erbschaften, Schenkungen, Lotteriegewinne, Fund und Finderlohn nicht als steuerbares Einkommen erachtet werden63. Vom Standpunkt der Markteinkommenstheorie aus betrachtet, dürfen (eigentlich) auch staatliche Subventionen und öffentliche Zuschüsse nicht der Ertragsbesteuerung unterliegen64, da es sich hierbei nicht um eine „entgeltliche Verwertung von Leistungen am Markt handelt“. 57 Der Begriff „Markteinkommenstheorie“ wurde 1980 von Lang, DStJG 4 (1980), S. 54 ff., in die juristische Diskussion eingeführt. 58 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 52. Als einer der wesentlichen Vertreter der Markteinkommenstheorie muss P. Kirchhof bezeichnet werden, vgl. Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 16 ff. 59 So die wohl grundlegende Definition, die 1977 von Ruppe, DStJG 1 (1978), S. 16, in die Diskussion eingebracht worden ist. 60 Vgl. Wittmann, Das Markteinkommen, S. 5. 61 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 4. 62 Die Quellentheorie will hingegen wie oben gezeigt nur die Nutzungsüberlassung als Teilnahme am Marktgeschehen verstehen, vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 4. 63 Vgl. Biergans / Stockinger, FR 1982, S. 4. 64 Nach Ansicht des BFH sind (zumindest) betrieblich veranlasste öffentliche Zuschüsse zu versteuern. Zu Recht weist der BFH darauf hin, dass es nicht darauf ankommen kann, ob diese Einnahmen im Betrieb erwirtschaftet wurden. Vielmehr sei darauf abzustellen, dass auch diese Zugänge in Geld oder Geldeswert das Betriebsvermögen mehren und damit Ein-

B. Der Einkommensbegriff

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Die Markteinkommenstheorie erfährt in weiten Teilen der Literatur grundsätzliche Zustimmung65. Allerdings werfen ihre Kritiker ihr insbesondere eine Unvereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vor66. Dies soll jedoch an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Als positivrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Markteinkommenstheorie wird § 2 I S. 1 EStG gesehen67. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Einkommensteuer die Einkünfte, die „erzielt“ worden sind. Der Begriff „erzielt“ wird dabei als gleichbedeutend mit dem Begriff „erwirtschaftet“ verstanden68. Auch die separate Behandlung von Schenkung und Erbschaft im ErbStG spricht für eine Orientierung am Einkommensbegriff der Markteinkommenstheorie. Allerdings bestehen auch Ausnahmen, wie etwa die Unterhaltsbezüge nach § 22 Nr. 1a EStG und die wiederkehrenden Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG, die nicht notwendig am Markt erzielt worden sein müssen, so dass sich feststellen lässt, dass der Steuergegenstand des Einkommensteuergesetzes jedenfalls nicht deckungsgleich mit der Größe Markteinkommen ist69. Für die Markteinkommenstheorie spricht, dass sie im Gegensatz zur Reinvermögenszugangstheorie einen praktikablen Begriff darstellt. Während nämlich Nutzungswerte im Bereich der privaten Schöpfungssphäre kaum oder nur sehr unvollständig bestimmt werden können, lassen sich offen am Markt stattfindende Erwerbsvorgänge vergleichsweise leicht ermitteln70. Als noch größer stellt sich der Praktikabilitätsvorteil gegenüber dem theoretischen Ideal der Reinvermögenszugangstheorie dar, nach welchem auch ein nichtrealisierter und praktisch kaum ermittelbarer Vermögenszuwachs zum Einkommen zählt. Die Markteinkommenstheorie bestimmt die Rechtsdogmatik aller Einkunftsarten und hilft insbesondere bei der Lösung der folgenden Abgrenzungsproblematiken71: – Abgrenzung der einkommensteuerbaren Einkünfte zu den nicht einkommensteuerbaren (wie beispielsweise Liebhabereieinkünfte, Schenkungen und Erbschaften), kommen darstellen, BFH, BStBl. II 1986, 806 (808); BStBl. II 1988, 324 (327); BStBl. II 1997, 125 (126); vgl. auch BFH BStBl. II 2002, 697 (699). 65 Vgl. etwa Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 16 ff.; Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 3; Söhn in FS-Tipke, S. 344 ff.; Wittmann, Das Markteinkommen, S. 6. 66 Vgl. zu den Argumenten gegen die Markteinkommenstheorie bspw. Schön in FS-Offerhaus, S. 396 ff. 67 Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 14. 68 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht § 9 Rdnr. 52. Nach Schön in FS-Offerhaus, S. 397, ist das Merkmal des „Erzielens“ hingegen „schlicht zu farblos“, um darin eine Marktbezogenheit der Einkünfte zu erkennen. 69 Vgl. Söhn in FS-Tipke, S. 346. 70 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rdnr. 33. 71 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 52. 3*

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2. Teil: Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

– persönliche Zurechnung der Einkünfte (Einkünfte werden demjenigen zugeordnet, der sie auch erwirtschaftet hat), – Abgrenzung von Erwerbsaufwendungen und privaten Aufwendungen, – prinzipielle Erfassung nur der realisierten Einkünfte (die Markteinkommensteuer erfasst nur das erwirtschaftete Einkommen – dadurch kann auch nur liquides Einkommen steuerbares Einkommen darstellen72).

Gleichwohl soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der heute herrschenden Markteinkommenstheorie nicht um eine von Quellentheorie und Reinvermögenszugangstheorie völlig losgelöste, unabhängige Theorie handelt. Ausgangspunkt der Markteinkommenstheorie war der Versuch, ein gemeinsames Merkmal aller sieben Einkunftsarten des EStG zu finden. Da diese, wie oben bereits ausgeführt, entweder (mehr) der Quellentheorie oder (mehr) der Reinvermögenszugangstheorie folgen, kann die Markteinkommenstheorie als Einschränkung der von diesen Theorien erfassten Erträge (oder als Weiterentwicklung dieser Theorien73) verstanden werden. Alle drei genannten Theorien werden zu den sog. Kapitaleinkommenstheorien gezählt74. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Besteuerung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auf das erworbene Vermögen zugreift75. Die Besteuerung erfolgt bei einer kapitalorientierten Besteuerung zu Zeitpunkten, in welchen das Vermögen entsteht und / oder noch nicht verwendet worden ist, und damit vor oder unabhängig vom Konsum76.

C. Die Besteuerung der Unternehmen Im gegenwärtigen deutschen Steuerrecht wird das Unternehmen nicht als eigenständiger Steuergegenstand angesehen77. Die Besteuerung der Unternehmen ist vielmehr von einem doppelten Dualismus geprägt: So unterliegen Gewinne aus Einzelunternehmen und aus Personengesellschaften nach §§ 2 I Nr. 1 – 3, II – VI; 13; 15; 18; 32a; 35 EStG der progressiven Einkommensteuer, während juristische Personen ihre Gewinne nach § 23 KStG proportional zu einem Steuersatz von derzeit 25 % versteuern, wobei in Bezug auf den Steuertarif keine Unterscheidung (mehr) zwischen ausgeschütteten und thesaurierten Gewinnen erfolgt. Die Anknüpfung an die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit 72 73 74 75 76 77

Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rdnr. 33. Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 14. Vgl. Lang in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 154. Vgl. Gröpl, FR 2001, S. 570. Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 97. Vgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 90.

C. Die Besteuerung der Unternehmen

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juristischer Personen stellt damit einen Eckpfeiler des gegenwärtigen Unternehmenssteuersystems dar78. Weiterhin wird innerhalb der Unternehmensbesteuerung nach dem EStG, also bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, zwischen Gewinneinkünften nach § 4 I EStG, bei welchen der sich aus einem Betriebsvermögensvergleich ergebende Gewinn die Steuerbemessungsgrundlage bildet, und den Überschusseinkünften nach § 4 III EStG, bei welchen der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu versteuern ist, unterschieden. Ein Gewerbetreibender79 hat nach § 4 I EStG dann den Gewinn und nicht den Überschuss zu versteuern, wenn er „auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet“ ist, „Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen“ Gleiches gilt gem. § 2 II Nr. 1 EStG auch für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i. S. d. § 2 I Nr. 1 EStG und für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. S. d. § 2 I Nr. 3 EStG. Diese Buchführungspflicht ergibt sich für Kaufleute aus § 238 HGB. Nach § 140 AO wird diese außersteuerliche Verpflichtung für das Steuerrecht nutzbar gemacht, indem hierdurch auch eine steuerliche Verpflichtung definiert wird80. Für die benannten Gewerbetreibenden und für Gewerbetreibende, die freiwillig Bücher führen, ist die Gewinnermittlung nach § 5 EStG vorzunehmen. Der Gewinn wird dabei durch Vermögensvergleich von Beginn und Schluss des Wirtschaftsjahres auf der Grundlage einer Bilanz, die nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellt worden ist, ermittelt. Auch die dem Geltungsbereich der KStG unterliegenden Kapitalgesellschaften ermitteln nach § 7 II KStG i.V. m. § 8 I KStG, der auf die Vorschriften des EStG verweist, ihren zu versteuernden Gewinn durch Vermögensvergleich auf der Grundlage der Bilanzen. Gemäß § 8 II KStG werden alle Einkünfte buchführungspflichtiger Körperschaften zu Einkünften aus Gewerbebetrieb deklariert81. Setzt man nun diese Unternehmensbesteuerungskonzepte mit den oben dargestellten, unterschiedlichen Einkommensbegriffen in Verbindung, dann lässt sich feststellen, dass der den Überschusseinkünften zugrundeliegende EinkommensVgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 90. Für Land- und Forstwirte kann sich eine Buchführungspflicht aus § 141 AO ergeben. Ein Betriebsvermögensvergleich nach § 4 I EStG erfolgt für Angehörige freier Berufe und andere Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. S. d. § 2 I Nr. 3 EStG i.V. m. § 18 EStG erzielen, dann, wenn diese freiwillig Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 11. Allerdings soll im Rahmen dieser Arbeit nur die steuerliche Behandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb näher betrachtet werden. 80 Zu dem Fall des § 141 AO, in welchem in Abhängigkeit von bestimmten Parametern wie bspw. Umsatz eine originäre steuerliche Buchführungspflicht angeordnet wird, vgl. z. B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 11 ff. 81 Der so ermittelte Gewinn wird gem. § 8 ff. KStG modifiziert. 78 79

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2. Teil: Die Grundprinzipien der geltenden Einkommensbesteuerung

begriff eher82 der Quellentheorie zuzuordnen ist. Hingegen liegt der Gewinnermittlung der Unternehmen, die ihren Gewinn aufgrund eines Vermögensvergleiches ermitteln, wie oben bereits ausgeführt, deutlich erkennbar ein von der Reinvermögenstheorie geprägter Einkommensbegriff zugrunde83. Daraus, dass der Gesetzgeber die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 2 I Nr. 2 i.V. m. § 2 II Nr. 1, § 4 I EStG als Gewinn, der durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln ist, steuerbar macht, sowie aus der Ausnahmeregelung des § 4 III EStG, die (auf Unternehmensebene) nur bei kleineren Gewerbebetrieben zur Anwendung kommt84, lässt sich schließen, dass dem Gesetz für die Unternehmensbesteuerung ein eher an der Reinvermögenszugangstheorie orientiertes Einkommensverständnis zugrunde liegt. Der Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber der Besteuerung auf der Basis der Überschusseinkünfte ist wohl in dem Wunsch nach Steuervereinfachung bei der Besteuerung kleinerer Unternehmen und Einkommen zu suchen, ein Argument, das auch für die Quellentheorie insgesamt angeführt wird85. Im nachfolgenden sollen die Unternehmen, Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften im Vordergrund stehen, die ihren Gewinn auf der Grundlage einer Bilanz ermitteln, da hierin offenbar der vom Gesetzgeber gewünschte Regelfall zu sehen ist. Dieser hat sich dafür entschieden, dass grundsätzlich auch für die Ermittlung und Besteuerung des zu versteuernden Gewinns die nach den Vorschriften des HGB ermittelte Bilanz maßgeblich sein soll. So ergibt sich aus dem § 5 I S. 1 EStG zu entnehmenden sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz, dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellte Handelsbilanz auch die Grundlage für die Steuerbilanz darstellt86. Daneben bestehen eine Reihe von Regeln, welche Gestalt diese Bilanz für Besteuerungszwecke einzunehmen hat87. Vgl. Jakob, Einkommensteuer, Rdnr. 61. Vgl. bspw. Schön in FS-Offerhaus, S. 402, der zugleich darauf hinweist, dass das nach absolut h. M. für gewerbliche Einkünfte erforderliche Merkmal der „Gewinnerzielungsabsicht“ zugleich auch für die Quellentheorie herangezogen wird. Es werden nämlich „einzelne Mehrungen und Minderungen des eingesetzten Vermögens durch ihre Zweckwidmung zum Gewerbebetrieb zusammengefasst“ und bilden als solche die „Quelle“ des erzielten Totalgewinns. 84 Außerhalb des Bereiches der Unternehmensbesteuerung kann § 4 III EStG des Weiteren auch bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit sowie Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zur Anwendung kommen. 85 Vgl. Homburg in Rose (1997), S. 110, der als Anhänger der Reinvermögenszugangstheorie darauf verweist, dass das Quellenprinzip fälschlicherweise mit dem Wunsch nach Steuervereinfachung begründet werde. Der Einkünftedualismus verkompliziere die Besteuerung de facto aber und gehöre daher „auf den Müll der Gesetzgebung“. 86 Ausnahmen von dem Maßgeblichkeitsprinzip ergeben sich bspw. aus § 5 VI EStG, nach dem die steuerlichen Vorschriften über Entnahmen und Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung zu beachten sind. 87 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 17. 82 83

C. Die Besteuerung der Unternehmen

39

Bei einer Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich, also durch Bilanzierung, hängt die Höhe des steuerbaren Gewinns ganz entscheidend davon ab88: – was zu aktivieren bzw. passivieren (also zu bilanzieren) ist und – wie diese Aktiva und Passiva zu bewerten sind.

Da dem Steuerpflichtigen in vielen Bereichen ein gewisser Freiraum zugestanden wird, können sich für ein und denselben Sachverhalt unterschiedliche Bilanzgewinne ergeben, je nach Ausübung der Gestaltungsmöglichkeiten. Die Entscheidung hierüber hängt zum einen von der Funktion der Bilanz ab, zum anderen aber auch von den individuellen Möglichkeiten und Kenntnissen hinsichtlich einer Ausnutzung solcher Freiräume. Nicht zuletzt haben die steuerlichen Unterschiede, die sich durch eine geschickte Bilanzpolitik bei einem vorgegebenen Sachverhalt ergeben, dazu geführt, dass dieses Steuersystem immer wieder in die Kritik geraten ist. Die Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung beziehen ihre Kritik auf Grundstrukturen des geltenden Steuerrechts, und zwar sowohl was die Einkommensbesteuerung natürlicher, nicht gewerbetreibender Personen als auch die im Rahmen dieser Arbeit im Vordergrund stehende Unternehmensbesteuerung betrifft. Nachfolgend soll diese Kritik und die daraus gezogenen Schlüsse näher dargestellt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei, dem Titel der Arbeit entsprechend, auf der Besteuerung der Unternehmen. Gleichwohl handelt es sich bei diesen Steuermodellen um Gesamtkonzeptionen, so dass auch die Besteuerung der privaten Haushalte nicht völlig ausgeblendet werden kann.

88

Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 12.

Dritter Teil

Die Prinzipien der Konsumbesteuerung A. Grundmodelle einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung auf Haushaltsebene I. Vorbemerkung Während, wie eben gezeigt, die traditionelle Einkommensteuer im Zeitpunkt der Einkommensentstehung ansetzt, erfolgt bei einer konsumorientierten Besteuerung die Besteuerung (erst) im Zeitpunkt der Einkommensverwendung1, 2. Rose3, einer der prominentesten Befürworter der Konsumsteuermodelle, rechtfertigt dies damit, dass die endgültige Reallast einer Steuer immer ein Konsumopfer sei. Daher seien die Konsumenten die einzigen Träger realer Steuerlasten4. Bei einem konsumorientierten Steuersystem wird nicht das Einkommen, sondern der von dem Steuerpflichtigen getätigte Konsum der Besteuerung unterworfen. Die Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung halten ihr Steuerrechtssystem in besonderem Maße für wettbewerbsfähig, da von der damit verbundenen Freistellung von Sparen und Investieren eine wirtschaftsfördernde Anreizwirkung ausgehe5. Demgegenüber wird am geltenden Steuerrecht kritisiert, dass von den drei möglichen Ansatzpunkten einer Besteuerung, nämlich Einkommenserzielung, Vermögensbildung und Konsum, der falsche Zeitpunkt des Kapitalzuflusses der Besteuerung zugrundegelegt werde6. Die zahlreichen Konsumsteuertheoretiker gehen dabei davon aus, dass ihr Steuersystem den gesamten Vermögenszuwachs im Ergebnis vollständiger erfasse als das herkömmliche Einkommensteuerrecht, da letzteres gegenwärtig eine starke Kapitalflucht ins Ausland zur Folge habe7. Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 77. Vgl. für viele Rose in Rose, S. 14 ff., Wagner in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 15 ff.; Schlicht, WD 1984, S. 323 ff.; Lang, Bitburger Gespräche 1997, S. 16 ff. 3 So Rose in Rose, S. 14 ff. 4 So Rose in Rose, S. 14. 5 Vgl. Lang, Bitburger Gespräche 1997, S. 16; zu den Argumenten im Einzelnen später mehr. 6 So bspw. Lang, Bitburger Gespräche 1997, S. 16, m. w. N. 7 Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 77. 1 2

A. Grundmodelle auf Haushaltsebene

41

Die geläufigste Form einer Konsumsteuer ist die Verlagerung des Steueraufkommens auf indirekte Verbrauchsteuern, insbesondere auf die Umsatzsteuer8, 9. Da die indirekten Verbrauchsteuern, auf die in dieser Arbeit nicht intensiver eingegangen werden soll, wegen ihrer Unpersönlichkeit und vor allem wegen der Belastung des Existenzminimums nicht die Hauptlast für die Steuereinnahme übernehmen können und sollen10, werden vor allem in der betriebswirtschaftlichen Literatur die direkten Formen der Konsumbesteuerung diskutiert, die nachfolgend näher zu untersuchen sind. Die Formen und Varianten der (direkten) Konsumbesteuerung sind Legion. Interessanterweise haben auch Staaten, die die steuerliche Bemessungsgrundlage einkommensteuerorientiert bestimmen, regelmäßig sowohl bedeutende Konsumsteuern (meist werden diese aber indirekte sein) als auch innerhalb der Einkommensteuer wesentliche Konsumsteuerelemente 11. Das „klassische Modell“12 einer direkten Konsumsteuer stellt die sog. Ausgabensteuer dar. Dabei bestimmt die Summe der tatsächlich getätigten Ausgaben die steuerliche Bemessungsgrundlage. Da sich der (Privat-)Konsum auf direktem Wege aber nur mit völlig unverhältnismäßigem Aufwand feststellen lässt, wird dieses Modell, das noch 1992 auf dem sog. „Heidelberger Kongress“ ernsthaft diskutiert worden ist, mittlerweile wohl allgemein als praxisuntauglich abgelehnt13. Auf der Ebene der privaten Haushalte gelten zwei Alternativen als in besonderem Maße praktisch realisierbar, wobei beide als ökonomisch gleichwertig erachtet werden14. Nachfolgend sollen nun diese beiden Modelle vorgestellt werden. Die später dargestellten Unternehmensbesteuerungsmodelle zielen im Ergebnis darauf ab, eine Besteuerung des Konsums der hinter diesen Unternehmen stehenden privaten Haushalte zu erreichen. Wie später noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, geht es bei der konsumorientierten Besteuerung auf betrieblicher Ebene um die Begriffe „investieren“ bzw. „desinvestieren“; die Begriffe „sparen“ und „konsumieren“ finden dort hingegen keine Anwendung, weil Unternehmen weder konsumieren noch sparen können. 8 Wagner, Harzburger Steuerprotokoll, S. 27 ff., hält die Auffassung, dass die Mehrwertsteuer den privaten Konsum tatsächlich belaste, für unzutreffend. Sie ergebe sich daraus, dass die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs an die Unternehmereigenschaft geknüpft ist und dem Endverbraucher nicht zusteht. Sie sei aber keine exakte Konsumbesteuerung. Wenn sie nämlich exakt den Konsum treffen solle, dann müsse auch demjenigen ein Vorsteuerabzug gewährt werden, der abzugsfähige Werbungskosten nachweisen könne und kein Unternehmer ist. Insofern sei die Bemessungsgrundlage breiter als bei einer Steuer auf den (privaten) Konsum. 9 Vgl. Lang, Bitburger Gespräche 1997, S. 16. 10 Vgl. Rose in FS-Meyding, S. 236. 11 Vgl. Krause-Junk in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 125. 12 So Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 115. 13 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 115. 14 Vgl. Lang, Bitburger Gespräche 1997, S. 22.

42

3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

II. Die sparbereinigte Konsumeinkommensteuer Da eine direkte Methode zur Ermittlung des privaten Konsums wie eben dargelegt als zu kompliziert ausscheidet, liegt es nahe, auf der Ebene der privaten Haushalte den in einer Periode getätigten Konsum als Differenz zwischen Einkommen und Sparen zu ermitteln15. Steuererfassungstechnisch werden die Einkünfte bei dieser sog. sparbereinigten Konsumeinkommensteuer deshalb in Form einer Überschussrechnung ermittelt16. Ziel ist es, hierdurch den für Konsumausgaben verwendeten Teil eines heute oder in früheren Jahren erzielten (und gesparten) Einkommens zu versteuern17, 18. Alle Ersparnisse (bzw. anerkannte Investitionsausgaben, für die gleiches gilt), die in sogenannte qualifizierte – also von der Finanzverwaltung kontrollierte – Bank- oder Versicherungskonten eingezahlt worden sind, werden bei der Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage von der Summe der im Kalenderjahr erzielten Einkünften abgezogen19, 20. Werden die Ersparnisse in späteren Perioden aufgelöst, dann erhöht sich in diesem Jahr die steuerliche Bemessungsgrundlage21. Weil somit die Besteuerung der Ersparnisse regelmäßig (nur) verschoben wird, spricht man neuerdings in diesem Zusammenhang auch von nachgelagerter Besteuerung22. Beispiel: Ein Arbeitnehmer spart 10.000 A seines Arbeitseinkommens bei einem Zinssatz von 5 % und einem Steuersatz von 40 %. Im Jahr 01 beträgt die hierauf entfallende Steuer 0 A. Verwendet der Sparer die Ersparnisse inkl. der hierauf angefallenen Zinsen i. H. v. 50 A im nächsten Jahr, um damit Konsumausgaben zu finanzieren, fällt eine Steuer in Höhe von 4.200 A an. Es stehen ihm also noch 6.300 A für Konsumzwecke zur Verfügung. Nach traditioneller Einkommensbesteuerung hätte die Steuer im Jahr 01 4.000 A (auf das Arbeitseinkommen) und im Jahr 02 120 A (auf die angefallenen Zinsen in Höhe von 300 A) betragen.

Vgl. Krause-Junk in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 125. Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 79. 17 Vgl. Rose in Krause-Junk, S. 249. 18 Auf diesem Grundprinzip aufbauend bestehen zahlreiche Untermodelle, die sich insbesondere in der steuerlichen Behandlung langlebiger Konsumgüter, geleisteter Schenkungen und Erbschaften sowie in der Behandlung der Kreditbeziehungen unterscheiden, vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 76 ff., mit den Unterscheidungen im Einzelnen und den entsprechenden Literaturverweisen. 19 Vgl. Rose in Krause-Junk, S. 249. 20 Lang, DStJG 24 (2001), S. 79, will die steuerliche Bemessungsgrundlage ermitteln, indem alle Investitionen einschließlich der Ersparnisse den Abzugsposten bilden. Danach würde die Überschussrechnung nach §§ 8 ff. EStG im Wesentlichen die Sparbereinigung der Einkommen darstellen, wenn man die systemfremde Vorschrift des § 9 I S. 3 Nr. 7 EStG, nach welcher Anschaffungs- und Herstellungskosten bilanztechnisch abgeschrieben werden, außen vor lässt. Die Berücksichtigung von Investitionen gehört jedoch eher in den Bereich der Unternehmensbesteuerung, so dass dies hier nicht näher vertieft werden soll. 21 Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 85. 22 Lang in Tipke / Lang, § 4 Rdnr. 116. 15 16

A. Grundmodelle auf Haushaltsebene

43

Lang23 merkt an, dass bei der sparbereinigten Konsumeinkommensteuer, entgegen einem unter Juristen verbreiteten Irrtum, die Ersparnisse nicht (dauerhaft) steuerfrei gelassen würden; vielmehr erfasse die Bemessungsgrundlage die Ersparnisse (nur) im Zeitpunkt des Sparens nicht. Freilich ändert dies nichts an der Feststellung, dass bei der sparbereinigten Einkommensteuer die Ersparnis die Bemessungsgrundlage zunächst mindert, was durchaus als (zumindest vorläufige) Steuerbefreiung angesehen werden kann24. Ein umfassenderes Modell einer sparbereinigten Einkommensteuer findet sich bei Bradford 25. Dabei wird die steuerliche Bemessungsgrundlage ermittelt, indem man zur Summe der Bruttoeinkünfte die empfangenen Schenkungen und Erbschaften hinzuzählt und hiervon die Nettoersparnisse sowie die geleisteten Schenkungen und Erbschaften abzieht26. Zu den Ersparnissen, als die Bemessungsgrundlage mindernde Ausgaben, gehören nach Bradford neben den Einzahlungen in qualifizierte Kapitalkonten (sog. „qualified accounts“) bzw. spezielle Fonds (z. B. Pensionsfonds) auch Transferausgaben (Beiträge zur Sozialversicherung, geleistete Unterstützungszahlungen), sonstige Steuerzahlungen (z. B. Kfz-Steuer) sowie der Aufwand für den Einkommenserwerb (Werbungskosten) und außergewöhnliche Belastungen (z. B. wegen Krankheit oder Behinderung)27. Investitionsausgaben mindern wie Ersparnisse ebenfalls die steuerliche Bemessungsgrundlage, wobei der Erwerb von Wohnungseigentum von den meisten Vertretern der sparbereinigten Besteuerung als Investition angesehen wird28. Die Investition wird also im Rahmen der Sparbereinigung grundsätzlich der Ersparnis gleichgestellt. Neben diesem sog. „qualified account“-Ansatz, bei welchem die Ersparnisse bei Nachweis der Anlage auf qualifizierten Konten die steuerliche BemessungsgrundLang, Bitburger Gespräche 1997, S. 23. Obwohl es sich bei dieser Steuer nach Ansicht aller ihrer Befürworter um eine Konsumsteuer handelt, hat sich dennoch der Name „sparbereinigte Einkommensteuer“ eingebürgert. 25 Bradford, Blueprints for Basic Tax Reform, S. 16 ff. 26 Bradford, Blueprints for Basic Tax Reform, S. 30 ff., unterscheidet insoweit zwei Konsumsteuerkonzepte einer sparbereinigten Einkommensteuer: Beim sog. „ability-to-pay“-Konzept (Konsum nach der Zahlungsfähigkeit) sind die geleisteten Erbschaften und Schenkungen nicht abzugsfähig, nach dem „standard-of-living“-Konzept (Konsum nach dem Lebensstandard) sind die geleisteten Schenkungen und Erbschaften abzugsfähig. Erhaltene Schenkungen und Erbschaften erhöhen jedenfalls die Bemessungsgrundlage. In Anlehnung an Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, Rdnr. 437, kann sie jedoch auch als „umverteilungspolitisch unentbehrliche Ergänzung“ einer konsumorientierten Besteuerung angesehen werden, so dass Schenkungen und Erbschaften die einkommensteuerrechtliche Bemessungsgrundlage im Falle einer Konsumbesteuerung nicht beeinflussen. 27 So Bradford, Blueprints for Basic Tax Reform, S. 16 ff. 28 Vgl. vertiefend hierzu Kaldor, An Expenditure Tax, S. 191 ff. Zur unterschiedlichen Behandlungsweise von langlebigen Konsumgütern vgl. Bradford, Blueprints for Basic Tax Reform, S. 108 ff. 23 24

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3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

lage mindern, besteht noch eine zweite Möglichkeit der steuerlichen Behandlung der Ersparnisse, der sog. Steuervorauszahlungsansatz („tax prepayment approach“). Bei diesem mindern bestimmte investive Auszahlungen nicht die Steuerbemessungsgrundlage, gleichzeitig werden aber alle aus dieser Auszahlung resultierenden weiteren Zahlungsrückflüsse steuerfrei gestellt29. Da diese Investitionen bzw. Ersparnis bei diesem Modell von der Freistellung ausgeschlossen werden und als Steuervorauszahlung betrachtet werden können, findet hierbei de facto eine Vorversteuerung des Konsums statt30. Im Falle von Sicherheit bzgl. der Gewinnerwartung und bei Gleichmäßigkeit der zu erwartenden Rendite ist der Gegenwartswert beider Besteuerungsvarianten gleich groß31. Gegen die Anwendung des Steuervorauszahlungsansatzes auf Haushaltsebene spricht, dass sich durch ihn nicht in systematischer Weise eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen lässt32. Interessanterweise spielt der Steuervorauszahlungsansatz in der deutschsprachigen Literatur zur sparbereinigten Konsumeinkommensteuer eine nur untergeordnete Rolle. Wie bei der traditionellen Einkommensteuer auch, kann der Steuertarif bei einer Besteuerung nach der sparbereinigten Einkommensteuer auf Haushaltsebene progressiv ausgestaltet sein33, so dass ein gewisser Umverteilungseffekt erreicht werden kann. Auf der Ebene der Unternehmen findet sich das Pendant zur sparbereinigten Konsumeinkommensteuer in einer Besteuerung des durch Überschussrechnung ermittelten Cash-flows. Dabei mindern die getätigten Investitionen die steuerliche Bemessungsgrundlage. Auch hier zeigt sich, dass im Ergebnis Ersparnis und Investition gleichgestellt werden. Die Bestimmung des Cash-flows und seine verschiedenen Varianten soll später vertieft werden34. Um die Ersparnis des Steuerpflichtigen zu ermitteln, sind neben den kontrollierbaren qualifizierten Sparkonten auch Institutionen, die dem Steuerpflichtigen die 29 Vgl. hierzu Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 177. Es lassen sich hierbei zwei verschiedene Varianten unterscheiden: Bei der ersten Variante erfolgt die Besteuerung grundsätzlich nach dem „qualified-account-Ansatz“, der Steuerpflichtige hat aber die Möglichkeit für den Steuervorauszahlungsansatz zu optieren. Bei der zweiten Variante wird für bestimmte, zuvor definierte Transaktionen der Steuervorauszahlungsansatz vorgeschrieben, so dass zwei Klassen von Investitionsobjekten entstehen. 30 Heinhold in FS-Seicht, S. 85. 31 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 80. Zu den besonderen praktischen Problemen des Steuervorauszahlungsansatzes (insbesondere bei Unsicherheit) und dem Vergleich beider Varianten einer sparbereinigten Konsumsteuer vgl. Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 179 ff., der anhand einfacher Beispiele deutlich macht, dass bereits nach Investitionsvolumen gestufte Renditen zu einem deutlichen Ergebnisunterschied führen. 32 So Schwinger, Einkommen- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 181 ff., der weitere Nachteile des Steuervorauszahlungsansatzes anhand von Beispielen illustriert. 33 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 81. Bradford, Blueprints for Basic Tax Reform, S. 148 ff., spricht sich für eine Stufenregression aus. 34 Siehe hierzu die eingehendere Darstellung im Vierten Teil dieser Arbeit.

A. Grundmodelle auf Haushaltsebene

45

tatsächlich netto eingezahlten und die von ihm entnommenen Beträge bescheinigen können, erforderlich35. Bei der unermesslichen Vielzahl der möglichen Anlageformen in Sparkonten, Depots oder Fonds stellt die Ermittlung des Sparens und Entsparens für die Finanzverwaltung einen nicht unwesentlichen administrativen Aufwand dar36. Aufgrund dieser Schwierigkeiten erscheint die Methode der Sparbereinigung mehr für die Besteuerung der Alterseinkünfte geeignet, da bei diesen auf zahlenmäßig begrenzte und daher leichter zu kontrollierende gesetzliche und private Pensionsfonds abzustellen ist37. Außer der besonderen administrativen Problematik wird auch die Einbettung in das internationale Steuerrecht wegen entgegenstehender Doppelbesteuerungsabkommen etc. als problematisch angesehen38. Da zudem die Einführung einer sparbereinigten Konsumeinkommensteuer zu radikalen Veränderungen des derzeitigen Einkommensteuersystems führen würde, wird in der Literatur zumeist der – nach Ansicht ihrer Anhänger – in ihren ökonomischen Wirkungen identischen zinsbereinigten (Konsum-)Einkommensteuer der Vorzug gegeben39.

III. Die zinsbereinigte Konsumeinkommensteuer Im Vergleich zur sparbereinigten Konsumeinkommensteuer, bei der die Besteuerung des Jahreskonsums im Vordergrund steht, ist bei der zinsbereinigten Konsumeinkommensteuer (bereits erfassungstechnisch) der Lebenskonsum des Steuerpflichtigen das Ziel der Besteuerung40. Gewährleistet werden soll dies dadurch, dass bei der zinsbereinigten Einkommensteuer Einkünfte nur insoweit besteuert werden, als diese die marktübliche Normalverzinsung des eingesetzten Kapitals überschreiten41. Bemessungsgrundlage einer zinsbereinigten Einkommensteuer ist also die Differenz aller Einkünfte eines Jahres und der marktüblichen Verzinsung des in früheren Jahren aus bereits versteuertem Einkommen gebildeten Kapitals42. Die Ersparnis ist daher nicht von der Steuer absetzbar. Dafür unterliegen die Erträge aus der Ersparnis, also insbesondere Zinsen, in Höhe der „Normalverzinsung“ nicht der Besteuerung43. Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 85. Vgl. Rose in FS-Meyding, S. 238. 37 Vgl. Rose in Krause-Junk, S. 251. 38 Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 85. 39 Vgl. Rose in Rose, S. 7 ff.; Heinhold in FS-Seicht, S. 85.; Rose, WD 1994, S. 424. 40 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 85. 41 Vgl. Wenger, FinA 1983, S. 207; Kiesewetter, Zinsbereinigte Einkommen- und Körperschaftsteuer, S. 25 ff. 42 Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 85. 43 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 85. 35 36

46

3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

Dies bedeutet, dass im Gegensatz zur traditionellen Einkommensteuer Zinseinkommen (jedenfalls in Höhe der marktüblichen Verzinsung) nicht erfasst werden. Hierdurch wird ein der sparbereinigten Einkommensteuer ökonomisch vergleichbares Ergebnis erzielt44. Die nachfolgende Tabelle zeigt die beiden konsumorientierten Besteuerungssysteme im Vergleich zum System der traditionellen Einkommensbesteuerung am Beispiel eines 10.000,00 A sparenden Arbeitnehmers, der Marktzins i betrage 5 %, der Steuersatz  40 %. Tabelle 145 Jahr 1

Jahr 2

Einkommen für Sparzwecke

Steuer ( = 40 %)

Traditionelle Einkommensteuer

10.000

4.000

6.000

Sparbereinigte Einkommensteuer

10.000

0

Zinsbereinigte Einkommensteuer

10.000

4.000

ErZinsen sparnis (i = 5 %)

Für Konsum verfügbar

Sparkapital

Steuer

300

6.300

120

6.180

10.000

500

10.500

4.200

6.300

6.000

300

6.300

0

6.300

Wie das Beispiel zeigt, wird durch die zinsbereinigte Einkommensteuer der gleiche Effekt erzielt wie bei der sparbereinigten Einkommensteuer: Der Zukunftskonsum in Höhe von 10.500,00 A unterliegt nur einer einmaligen Besteuerung in Höhe von 40 %. Die zinsbereinigte Einkommensteuer führt damit (nur) im Ergebnis zu einer einmaligen Besteuerung des Konsums mit dem gegebenen Steuersatz. Streng genommen könnte die zinsbereinigte Einkommensteuer daher auch als Unterfall einer – an den Mittelerwerb anknüpfenden – Einkommensteuer und nicht als Konsumbesteuerungssystem betrachtet werden46. Gegen eine Einordnung als konsumorientierte Steuer spricht auch, dass das zeitliche Profil der Steuerzahlungen nicht dem zeitlichen Profil des Konsums entspricht47. 44 Bisweilen wird in diesem Zusammenhang von einem ökonomisch gleichwertigen Ergebnis gesprochen, vgl. Rose in Krause-Junk, S. 251. Dies ist jedoch nur in einem Ausnahmefall wirklich korrekt, wie nachfolgend dargestellt. 45 Das Beispiel ist entnommen aus Greß / Rose / Wiswesser, Marktorientierte Einkommensteuer, S. 19 ff. 46 Dazu an anderer Stelle (Vierter Teil, C.) mehr. 47 Vgl. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 55.

A. Grundmodelle auf Haushaltsebene

47

Allerdings wird bei der zinsbereinigten Einkommensteuer die Steuer auf den späteren Konsum im Voraus gezahlt48. Da es somit das Ziel der zinsbereinigten Einkommensteuer ist, die konsumtive Mittelverwendung (einmalig) zu besteuern, wird sie in der Literatur ganz einhellig zu den konsumorientierten Besteuerungssystemen gezählt49, 50. Dass zinsbereinigte und sparbereinigte Einkommensteuer insbesondere in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur als wirtschaftlich gleichwertig betrachtet werden, bedeutet im Übrigen nicht, dass beide Verfahren auch immer zum gleichen ökonomischen Ergebnis im Sinne gleicher Gegenwarts- oder Ertragswerte führen51. Lediglich dann, wenn die Abdiskontierungsrate (der Kalkulationszinsfuß) mit dem Marktzins übereinstimmen, haben beide Verfahren tatsächlich die gleiche ökonomische Wirkung52. Zu den Einkünften im Sinne der zinsbereinigten Einkommensteuer lassen sich im Sinne einer das Lebenseinkommen umfassenden Besteuerung neben dem Arbeitseinkommen auch die erhaltenen Schenkungen und Erbschaften zählen53. In den Varianten der sparbereinigten Einkommensteuer wird sowohl die Berücksichtigung der geleisteten Schenkungen und Erbschaften (dann sog. „ability-to-payKonzept“) als auch deren Nichtberücksichtigung (dann sog. „standard of livingKonzept“) diskutiert54. In dem von Wenger55 auf (Privat-)Haushaltsebene vorgeschlagenen Modell bleiben hingegen erhaltene Erbschaften und Schenkungen unberücksichtigt. Auf das zinsbereinigte Einkommen soll ein linearer und zeitlich konstanter Steuertarif angewendet werden56. Da die Kapitalanreizwirkung eines solchen Steuersystems, bei welchem der Marktzins unbesteuert bleibt, enorm sei, könne der Steuersatz in einem solchen Steuersystem bedeutend höher angesetzt werden57. Vgl. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 55. Vgl. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 51; Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 115 ff. 50 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Rose, der beispielhaft (und unter Zugrundelegung gewisser Vereinfachungen) nachweist, dass über die Lebensdauer eines Unternehmens der Barwert aller Steuerzahlungen gleich dem Produkt aus Steuersatz und Barwert aller Nettoausschüttungen (und damit des Konsums) ist, weshalb man bei der zinsbereinigten Gewinnsteuer von einer konsumorientierten Unternehmenssteuer sprechen könne, vgl. Rose in KrauseJunk, S. 274 f. 51 Zu diesen Begriffen später (Vierter Teil, D. III.) mehr. 52 Zum Nachweis hierfür siehe bspw. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 236 ff. 53 Hingegen wollen Hall / Rabushka, The Flat Tax, S. 45 ff., als Vertreter einer zinsbereinigten Einkommensteuer die geleisteten Schenkungen und Erbschaften nur versteuern, sofern sie aus versteuertem Arbeitseinkommen stammen, während erhaltene Schenkungen und Erbschaften nicht versteuert werden sollen. 54 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 85 ff. 55 Vgl. Wenger, FinA 1983, S. 227 ff. 56 Vgl. Wenger, FinA 1983, S. 227 ff. 48 49

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3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

Im Ergebnis ist die zinsbereinigte Einkommensteuer nichts anderes als eine sparbereinigte Einkommensteuer mit dem sog. Vorauszahlungsansatz bzw. der Vorauszahlungsmethode58, wobei erstere für alle möglichen Aktiva und nicht nur (wie bei der Sparbereinigung) für einige wenige finanzielle Aktiva gilt. Es wird vorgeschlagen, auf der Ebene der Privathaushalte ganz auf eine Besteuerung von Zinsen zu verzichten59, selbst wenn diese oberhalb des Marktzinses liegen. Hierdurch werde ein sehr hoher administrativer Aufwand vermieden, der entstünde, wenn man auf der Haushaltsebene (genau) die Differenz zwischen tatsächlich erzielter Verzinsung und dem Marktzins ermitteln müsste. Auch in dem später noch näher darzustellenden kroatischen Steuersystem, in dem erstmalig in einem Land eine zinsbereinigte Besteuerung implementiert worden war, werden auf Haushaltsebene Zinserträge aus Finanzanlagen in jeglicher Höhe von der Besteuerung ausgenommen. Der Grund für die völlige Freistellung der Zinserträge auf Ebene der privaten Haushalte liegt darin, dass diese Investitionen typischerweise zum Marktzins angelegt und entsprechend „normalverzinst“ werden. Auf der Unternehmensebene wird bei einer zinsbereinigten Besteuerung eine Verzinsung des zur Erzielung des Gewinnes eingesetzten Eigenkapitals in Abzug gebracht. Die weiteren Einzelheiten dieser Besteuerung werden im vierten Teil dieser Arbeit näher untersucht.

B. Elemente einer konsumorientierten Besteuerung im gegenwärtigen Steuerrecht Auch unser gegenwärtiges Steuersystem enthält insbesondere in den indirekten Verbrauchsteuern Elemente einer Konsumbesteuerung. Aber auch im System der direkten Steuern lassen sich bereits jetzt solche Ansatzpunkte finden. Daher wird in der Literatur in diesem Zusammenhang auch von dem „hybriden Charakter“ des Rechts der Besteuerung der Einkommen gesprochen60. Bereits der progressive Tarif ist nach Lang61 konsumsteuerorientiert, da er sich auf die Konsumleistungsfähigkeit beziehe. Dies folgt nach Lang daraus, dass das 57 Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 81. Dies trifft aber insbesondere auf die zinsbereinigte Besteuerung der Unternehmen zu. Daher soll dies an späterer Stelle näher dargelegt werden. 58 Im Zusammenhang mit den sparbereinigten Einkommensteuermodellen bestand bei einigen Vorschlägen die Wahl zwischen der Ersparnis innerhalb und außerhalb qualifizierter Konten, wobei die Ersparnis außerhalb qualifizierter Konten Steuervorauszahlungsansatz genannt wurde, da die Erträge aus diesen Anlagen später steuerfrei konsumiert werden konnten, vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 85. 59 So Greß / Rose / Wiswetter, Marktorientierte Einkommensteuer, S. 19 ff. 60 So Lang, DStJG 24 (2001) S. 82. 61 Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 78.

B. Konsumorientierte Besteuerung im gegenwärtigen Steuerrecht

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zu versteuernde Einkommen in Höhe des Existenzminimums steuerfrei zu stellen und in Höhe des Luxuskonsums besonders hoch zu besteuern ist. Weiterhin stellt auch der Sparer-Freibetrag nach § 20 IV EStG insofern ein konsumorientiertes Element unseres geltenden Steuersystems dar, als in dieser Höhe eine Besteuerung des mit versteuertem Einkommen erzielten Zinseinkommens unterbleibt. Durch das in § 30a AO steuerverwaltungsrechtlich festgelegte Bankengeheimnis verzichtet der Staat darüber hinaus in vielen Fällen bei Zinserträgen, die über den Zinsabschlag hinausgehen, auf die effektive Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs, was sich de facto wie eine Sparbereinigung in Höhe der nicht versteuerten Zinsbeträge auswirkt62. Arbeitnehmer und Freiberufler, bei denen i. S. d. § 4 III EStG keine Buchführungspflicht besteht, ermitteln den zu versteuernden Gewinn nach §§ 8 ff. EStG durch Überschussrechnung. Eine solche Überschussrechnung stellt aber als Cashflow-Steuer den Grundtypus der konsumorientierten Besteuerung dar. In diesem Zusammenhang entsprechen auch die Sofortabschreibungen nach § 6 II EStG, die erhöhten Abschreibungen und Sonderabschreibungen nach § 7a EStG sowie alle anderen gegenüber dem tatsächlichen Werteverzehr erhöhten Abschreibungen eher dem einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung, während die Abschreibungsnormen nach § 4 III S. 3 EStG und § 9 I Nr. 7 EStG eher dem Verständnis einer traditionellen Einkommensteuer entsprechen63. Ein weiteres, insofern häufig zitiertes Beispiel ist die Besteuerung der Einkünfte von Beamten. Nach dem herkömmlichen Einkommensteuersystem müsste der Pensionserwerb eigentlich als Arbeitslohn angesetzt und grundsätzlich versteuert werden64. Dies ist jedoch nicht der Fall. Beamtenpensionen werden erst im späteren Zeitpunkt der Auszahlung voll besteuert65. Somit erfolgt bei Beamten insoweit eine Besteuerung im Sinne einer sparbereinigten bzw. nachgelagerten Konsumeinkommensteuer. Weiterhin folgt die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei den Überschusseinkünften eher einem konsumorientierten Konzept der Besteuerung, bei 62 Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 118, der in diesem Zusammenhang auch auf die im Ausland erzielten Einkünfte verweist, die der Staat mangels administrativen Zugriffs nicht erfassen kann. 63 Vgl. Lang DStJG 24 (2001), S. 83. 64 Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 80. 65 BVerfGE 105, 73 (75). Da auf der anderen Seite bei Arbeitnehmern ein Steuerabzug von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 I Nr. 2 EStG), Steuerfreistellung von Arbeitgeberbeiträgen für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers (§ 3 Nr. 62 EStG) und von Zinsen bestimmter Versicherungen (§ 20 I Nr. 6 S. 2 EStG) sowie eine Besteuerung der Alterseinkünfte der Rentner (nur) mit dem deutlich niedrigeren Ertragswertanteil (§ 22 Nr. 1 S. 3 a EStG) erfolgt (bzw. Lebensversicherungen gänzlich steuerfrei ausgezahlt werden), spricht Lang, DStJG 2001 (24), S. 82, vom „Steuerchaos der Zukunftsvorsorge“ im deutschen Einkommensteuerrecht. Das BVerfG hat folgerichtig im vorgenannten Urteil die Besteuerung der Beamtenpensionen für verfassungswidrig erklärt.

4 Reis

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3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

dem mehrfache Belastungen vermieden werden, als dem traditionellen Konzept66. Gerade auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung kann der wesentlich unter dem Spitzensteuersatz der Einkommensteuer liegende proportionale Satz der Körperschaftsteuer als Konsumsteuerelement aufgefasst werden67. Insbesondere bei der personenbezogenen GmbH, namentlich der Einmann-GmbH, wird hierdurch die Tendenz zur Gewinnthesaurierung verstärkt68. Die Gesellschafter mit hohen persönlichen Grenzsteuersätzen werden demnach dazu tendieren, (sich) nur in der Höhe Gewinne auszuschütten, in welcher sie diese Ausschüttungen zur Befriedigung ihrer (Konsum-)Bedürfnisse auch tatsächlich benötigen.

C. Argumente für eine konsumorientierte Besteuerung auf Haushaltsebene Nachfolgend sollen nun die zentralen Argumente, die auf der Ebene der privaten Haushalte für ein Steuersystem sprechen, welches an den Konsum anknüpft, näher vorgestellt werden.

I. Die „moralische“ Argumentation zugunsten der Konsumbesteuerung Bereits in der im Jahre 1651 in England erschienenen Ausgabe des berühmten „Leviathan“69 von Thomas Hobbes findet sich ein bemerkenswertes Plädoyer für eine konsumorientierte Besteuerung. So verlangte Hobbes, die Steuerlasten gleichmäßig zu verteilen und verband hiermit die Forderung, den Konsum und nicht das Einkommen als Steuerbemessungsgrundlage zu wählen. Dabei argumentierte er, dass es (moralisch) keinen Grund dafür gebe, denjenigen, der viel arbeitet, stärker zu belasten als den Müßiggänger, der wenig verdient und alles ausgibt. Würden hingegen die Dinge, die der Mensch verbraucht, belastet, dann zahle jedermann gleich für das, was er nutzt. Mithin würde der Staat nicht mehr durch „genusssüchtige Verschwendung“ eines Privatmenschen um seine Steuereinnahmen gebracht70. Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 83. Lang, DStJG 24 (2001), S. 80 f., spricht insoweit von partiell nachgelagerter Besteuerung von Unternehmen. 68 Dies gilt jedenfalls im Rahmen der früher geltenden Anrechnungsmethode. Aber auch nach Einführung des Halbeinkünfteverfahrens hat sich hieran für hohe Einkommensgruppen nichts geändert, vgl. hierzu das Beispiel bei Hey in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rdnr. 15. 69 Hobbes, Leviathan, S. 226. 70 Der Originaltext von Hobbes lautet: „For what reason is there, that he which laboureth much, and sparing the fruits of his labour, consumeth little, and spendeth all he gets; seeing the one hath no more protection from the commonwealth, than the other? But when the im66 67

C. Argumente für eine konsumorientierte Besteuerung auf Haushaltsebene

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Die Steuerbemessungsgrundlage Konsum wird von Hobbes somit aus Gründen der individuellen und sozialen Moral als Kriterium der Steuerlastverteilung befürwortet71. Namentlich Lang hat das Argument von Hobbes aufgegriffen und eine Besteuerung des Konsums im Hinblick auf Ressourcenschonung und Umweltschutz gefordert72. Die von allen erkannte Notwendigkeit, etwas zum Schutze der Umwelt zu tun, bewirke – in die richtige Richtung gelenkt –, ein „großes Feld überparteilicher Zusammenarbeit, nämlich das Feld umweltschützender Besteuerung des Konsums“73. Ein weiteres Argument für eine Besteuerung des Konsums und gegen eine Besteuerung des Einkommens ergebe sich also aus dem Grundgedanken, dass wertvolle Ressourcen gegenwärtig auf Kosten der Zukunft verschwendet würden74.

II. Konsumneutralität Neben ethischen Argumenten werden aber vor allem ökonomische von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung ins Feld geführt. Konsumorientierte Besteuerungsmodelle sind am Postulat einer möglichst weitgehenden Entscheidungsneutralität ausgerichtet75. Die Besteuerung solle dabei so ausgerichtet sein, dass sie keinen Einfluss auf die Entscheidung des Handelnden hat. Ein Bestandteil dieser Entscheidungsneutralität ist das Postulat der intertemporalen Neutralität oder Konsumneutralität, worunter in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Einflusslosigkeit der Besteuerung auf die Entscheidung eines Wirtschaftssubjektes verstanden wird, sein Einkommen nicht sofort, sondern erst später zu konsumieren76. Ein wesentliches Argument der Befürworter einer konsumorientierten Besteuerung besteht in diesem Zusammenhang darin, dass durch ein solches Besteuerungssystem Verzerrungseffekte auf Haushaltsebene im Gegensatz zur gegenwärtig bestehenden Einkommensteuer vermieden werden könnten77. positions, are laid upon those things which men consume, every man payeth equally for what he useth; nor is the commonwealth defrauded by the luxurious waste of private men“, Hobbes, Leviathan, S. 226. 71 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 327. 72 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 123. 73 Lang in Rose, S. 309. 74 Lang in Rose, S. 307. 75 Harhoff u. a., Unternehmenssteuerreform, Innovationsförderung und Zukunftsinvestitionen, S. 62. 76 Vgl. Wala / Riener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 103. 77 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 16 ff. 4*

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3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

Jede herkömmliche Einkommen- oder Ertragsbesteuerung, auch wenn sie nach dem theoretischen Ideal der Reinvermögenszugangsbesteuerung erfolge, beeinflusse die Kapitalbildung in negativer („suboptimaler“) Weise78. 1. Die „Doppelbesteuerung“ der Ersparnis Als besondere Ausprägung dieser Verzerrungswirkung durch die Besteuerung der Zinsen wird regelmäßig das Argument der sog. „Doppelbesteuerung“ der Ersparnisse angeführt. Bei der herkömmlichen Einkommensteuer sind auch Zinsen auf Ersparnisse zu versteuern79. Da sowohl die Ersparnisse als auch die darauf entfallenden Zinserträge besteuert werden, führe dies zu einer „Doppelbesteuerung“ der Ersparnis80. Der berühmte Nationalökonom Schumpeter hat hierzu im Jahre 1929 Folgendes ausgeführt81: „Was der Sparer von dem gesparten Einkommensteil hat, ist der Ertrag aus seiner Investition. Dieser Ertrag wird nun durch die herrschende Praxis zweimal geschmälert. Zuerst dadurch, dass die auf die Sparsumme entfallende Einkommensteuer den Ertrag kleiner macht als er sonst wäre und sodann dadurch, dass von diesem also durch die Einkommensteuer schon verringerten Betrag (durch die Zinsbesteuerung) nochmals Einkommensteuer zu zahlen ist“.

Zwar wird mittlerweile auch von den Vertretern einer konsumorientierten Besteuerung eingesehen, dass es sich in streng juristischem Sinne nicht um eine Doppelbesteuerung handelt, gemeint sind hierbei aber die ökonomischen Wirkungen82. Dadurch, dass auch auf die Zinsen wieder Steuern anfielen, werde das Sparen für den Zukunftskonsum gegenüber der Einkommensverwendung für den Gegenwartskonsum diskriminiert83. So Bach, WD 1995, S. 392. Wie jede andere Einkommenserzielung unterliegt auch die Ersparnis der Besteuerung, vgl. Schlicht, WD 1984, S. 324. 80 Siehe Mohr, Konsum- versus Vermögenszuwachsbesteuerung, S. 141 ff. Die These von der Doppelbesteuerung geht zurück auf Mill, Principles of Political Economy, S. 813 ff. „unless savings are exempted, the contributors are twice taxed on what they save, and only once on what they spend. . .“ und wurde später vor allem von Fisher, The American Economic Review 1939, S. 16 ff.; Marshall, Principles of Economics, S. 354 ff. und Pigou, A Study in Public Finance, S. 139 ff., vertreten. Aus juristischer Sicht zustimmend bspw. Jachmann in Schick, S. 17. 81 Schumpeter, zit. nach Greß / Rose / Wiswesser, Marktorientierte Einkommensteuer, S. 20. 82 So Schlicht, WD 1984, S. 324. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass viele Steuerwissenschaftler die Doppelbesteuerungsthese für widerlegt halten, da die Steuer auf Dividenden oder Zinsen als eine Steuer auf ein neues und anderes Einkommen betrachtet werden kann, vgl. McNulty, StuW 1989, S. 123, m. w. N. 83 Wala / Riener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 103. 78 79

C. Argumente für eine konsumorientierte Besteuerung auf Haushaltsebene

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Gegen das Argument der Doppelbesteuerung der Zinsen wird geltend gemacht, dass der Steuerpflichtige das einmal besteuerte Einkommen auch für Bildungsausgaben verwenden könne, anstatt dieses zu sparen84. Ausgehend von der Doppelbelastungsthese sei dann aber das aufgrund dieser Investition künftig zusätzlich entstehende Arbeitseinkommen ebenfalls doppelt belastet und müsse demzufolge als Zinsen auf Humankapital steuerlich gleichfalls freigestellt werden. Entsprechendes gelte dann für jegliche Investition, weshalb – dieser Theorie folgend – de facto kaum noch eine Bemessungsgrundlage übrig bliebe85. Die Vertreter der konsumorientierten Besteuerung halten diesen Ausführungen entgegen, dass solche Humankapitalinvestitionen im Gegensatz zu Finanzinvestitionen ohnehin bereits nach dem Modell der Sparbereinigung besteuert würden, da Bildungskosten im Abflusszeitpunkt entweder als Werbungskosten oder aber als Betriebsausgaben von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden könnten86. 2. Die „Verzerrung“ der Konsum-Sparentscheidung Mit dem Vorwurf, dass die Einkommensteuer herkömmlicher Prägung zu einer Doppelbesteuerung führe, geht die These einher, durch die Besteuerung der Zinsen werde die Konsum-Sparentscheidung des Steuerpflichtigen „verzerrt“. Dem liegt die folgende Argumentation zugrunde: Haushalte machten ihre Konsum-Sparentscheidung, d. h. die Frage, ob sie ihr Einkommen sofort konsumieren oder sparen und damit späteren Konsum finanzieren sollten, davon abhängig, welchen Nutzen ihnen die jeweilige Handlungsweise stifte87. Die Präferenz eines Haushaltes bzw. Individuums für die eine oder andere 84 So Petersen, Finanzwissenschaft I, S. 270 (FN 10). Nach Schlicht, WD 1984, S. 325, m. w. N., erfolgt ein Großteil der Ersparnis – insbesondere durch Aus- und Weiterbildung – durch temporären Einkommensverzicht. Tätigt nun ein Steuerpflichtiger eine solche Humankapitalinvestition, dann wird hierdurch eine „Doppelbesteuerung“ vermieden. Den Begünstigten ist es also möglich, durch Ersparnis in Form der Humankapitalbildung eine Art der Konsumbesteuerung zu realisieren. Schlicht hält einer solchen Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts entgegen, dass sie ungerecht und stark regressiv sei, da ihre Nutznießer ohnehin schon höhere Einkommen erzielen würden. Zudem seien hier Fehlallokationen von beträchtlichem Ausmaß zwischen den Ausgaben für das Bildungssystem und den übrigen Bereichen nicht auszuschließen. In einer Zeit, in welcher das Maß der Bildung als unabdingbare Voraussetzung für das Gemeinwohl des gesamten Landes verstanden wird, können Verzerrungswirkungen des Steuerrechts hin zu einer Intensivierung der Bildung des Einzelnen – selbst wenn diese tatsächlich auftreten mögen – jedoch nicht als gewichtiges Argument gegen das bestehende Steuerrecht und hin zu einer konsumorientierten Besteuerung herhalten. Auf die dargestellte Argumentation soll daher nicht näher eingegangen werden. 85 So Petersen, Finanzwissenschaft I, S. 270 (FN 10). 86 Wala / Knoll, ÖStZ 2001, S. 144. 87 Vgl. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 37.

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3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

Vorgehensweise drücke sich in der sog. Zeitpräferenzrate aus, welche die prozentuale Nutzenabnahme zwischen dem Konsum zweier Perioden angibt88. Die daraus resultierende marginale Zeitpräferenzrate repräsentiere die Minimumprämie, die ein Haushalt bekommen müsse, damit er eine weitere marginale Konsumeinheit nicht in dieser, sondern erst in der nächsten Periode erwerbe. Der Zeitpräferenzrate, die man somit auch als Prämie für den Konsumverzicht verstehen kann, stehe nun der Marktzins gegenüber89. Im Modellfall des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts entsprächen die marginalen Zeitpräferenzraten aller Haushalte dem Marktzinssatz90. Fehle nun eine Besteuerung des Zinseinkommens, dann richte sich das nutzenmaximierende Individuum seinen intertemporalen Konsumplan so ein, dass seine subjektive Zeitpräferenzrate zu jedem Zeitpunkt dem Marktzins gleiche. Anders ausgedrückt: Stifte der Kauf eines Gutes weniger subjektiven Nutzen als der Marktzins, dann werde der Kauf nicht getätigt, sondern gespart; stifte der Kauf einen größeren Nutzen, dann werde konsumiert. Durch die Besteuerung der Zinseinkommen werde nun, so beispielsweise Sinn91, ein „Keil“ zwischen den Marktzinssatz und die subjektive Zeitpräferenzrate getrieben, mit dem Ergebnis, dass bei gegebenem Marktzins, eine Substitution von zukünftigem durch gegenwärtigen Konsum erfolge. Hierdurch würden Konsum- und Sparentscheidungen (intertemporal) verzerrt, wodurch Ineffizienzen einträten92, 93. Welche ökonomische Wirkung die Besteuerung von Zinsen hat, verdeutlicht die nachfolgende Tabelle94:

Zur Herleitung der Zeitpräferenzrate vgl. Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 30. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 37. 90 Zum Folgenden siehe Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 37. 91 Sinn in Bös / Rose / Seidl, S. 215. 92 So bspw. Schlicht, WD 1984, S. 324. 93 Wenger, ZBB 1990, S. 185 ff., veranschaulicht diese intertemporalen Verzerrungen anhand des folgenden einfachen Beispiels: „Wird ein Haushalt mit der Entscheidung konfrontiert, entweder Äpfel oder Birnen zu konsumieren, dann führt eine ausschließlich auf Äpfel erhobene Steuer dazu, dass der Hauhalt seinen Apfelkonsum vermindern und seinen Birnenkonsum erhöhen wird. Diese Nachfrageverschiebung führt zu einer höheren Birnenproduktion. Dadurch nimmt die Birnenproduktion und der Birnenkonsum im Vergleich zur Situation vor Steuererhebung zu“. Wenger zieht nun aus diesem Beispiel den Schluss, dass, ersetzt man die Birnen durch die Gesamtheit des Gegenwartskonsums und die Äpfel durch die Gesamtheit des Zukunftskonsums, eine steuerliche Diskriminierung des Zukunftskonsums eine Verschiebung der Konsum- / Sparentscheidung zugunsten des Gegenwartskonsums bedeutet. 94 Tabelle und zugrundeliegendes Beispiel nach Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 17, die sich wiederum an Wenger, ZBB 1990, S. 185, orientiert. 88 89

C. Argumente für eine konsumorientierte Besteuerung auf Haushaltsebene

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Tabelle 2 Heute erforderliche Ersparnis für 1 A Zukunftskonsum Zinsen bleiben steuerfrei

Besteuerung der Zinsen mit 40 % (Reinvermögenszugangstheorie)

Einjährige Konsumverschiebung

1 / 1,1 = 0,9091

1 / 1,06 = 0,9434

Vierzigjährige Konsumverschiebung

1 / 1,140 = 0,0221

1 / 1,0640 = 0,0972

Konsumverschiebung

In der Tabelle wird der Zusammenhang zwischen Gegenwartskonsum und Zukunftskonsum anhand eines Beispiels, dem ein Kapitalmarktzins von 10 % und ein Steuersatz von 40 % zugrunde liegen, aufgezeigt. Der Sparer, der heute 1 A anlegt, kann bei Steuerfreiheit der Zinsen und einem Zinssatz von 10 % im nächsten Jahr 1,1 A konsumieren. Untersucht man nun, wie viel der Sparer bei gleichen Voraussetzungen sparen muss, damit er im nächsten Jahr 1 A konsumieren kann, dann erhält man 0,9091 A, der Betrag der auch als Preis für 1 A Zukunftskonsum verstanden werden kann. Bei einer Besteuerung der Sparzinsen zu 40 %, muss der Sparer schon 0,9434 A anlegen, um im nächsten Jahr 1 A für seinen Konsum ausgeben zu können, der heutige Preis für 1 A Zukunftskonsum ist somit um etwa 3,8 % gestiegen. Betrachtet man nun den Fall eines vierzigjährigen Konsumverzichts bzw. einer vierzigjährigen Konsumverschiebung, dann verteuert sich der Preis für 1 A Zukunftskonsum unter Berücksichtigung der Steuer auf etwa 440 % (also ein Anstieg von 340 %) seines ursprünglichen Preises. Lang hebt die durch Zinsbesteuerung auftretenden überperiodischen Belastungsverzerrungen mit folgendem Beispiel hervor95: Werden von einem Sparer im Alter von 25 Jahren 10.000 A zu einem Zinssatz von 6 % angelegt, dann verfügt er bei Nichtbesteuerung der Zinsen nach 40 Jahren über ein Sparguthaben von 102.857 A. Unterliegen hingegen die Zinsen einer Besteuerung zu angenommenen 30 %, dann beträgt sein Sparguthaben nach 40 Jahren lediglich 36.292 A. Hieraus folgt nach Lang eine überperiodische Steuerbelastung von 64,72 % (1 – 36.292 / 102.857). Damit habe sich die Steuerlast im Gesamtergebnis mehr als verdoppelt.

Das Beispiel von Lang (Gleiches gilt für das von Kaiser bzw. Wenger) soll verdeutlichen, welchen Belastungen Ersparnisse im geltenden Steuerrecht unterliegen. Hierzu lässt sich jedoch kritisch anmerken, dass sich die Steuerlast in dem Beispiel von Lang auch anders berechnen lässt, nämlich als Quote von gezahlter Steuer und erhaltenen Zinsen. Betrachtet man danach die Summe der erhaltenen 95

Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 120.

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3. Teil: Die Prinzipien der Konsumbesteuerung

Zinsen von 59.778,89 A und die darauf gezahlten Steuern von 17.933,67 A, dann bleibt es (selbstverständlich) bei einer Steuerbelastungsquote von 30 %. Der Unterschied der beiden Ergebnisse erklärt sich daraus, dass die letztere Betrachtungsweise als eher juristisch, während die von Lang in dem Beispiel gewählte wohl eher als ökonomisch bezeichnet werden kann. Noch nicht abschließend durch empirisch fundierte Analysen geklärt ist die Frage, ob eine Zinsbefreiung gerade bei privaten Haushalten überhaupt zu einer deutlichen Veränderung des Sparverhaltens führen würde. So vertritt beispielsweise Bach96 die Auffassung, dass das Ersparnisangebot der privaten Haushalte eher relativ unelastisch auf eine Veränderung von Zinssätzen reagiert, da in diesem Fall Vermögensbildung und Sparverhalten im Wesentlichen vom Einkommen und den persönlichen Verläufen der Lebens- und Arbeitskarrieren abhänge. Wegen der Notwendigkeiten der Alterssicherung, Risikovorsorge und weiterer „Sparziele“ stehe bei privaten Haushalten vor allem das zinsunempfindliche „Zweck“- und „Restsparen“ in Vordergrund97. Auch wenn die Argumentation der Befürworter einer Zinsbefreiung daher mit einiger Skepsis zu behandeln ist98, liegt gleichwohl die Vermutung nahe, dass im Falle einer zinsbereinigten Besteuerung mit einer Ersparnissteigerung zu rechnen wäre. Als weiteres Argument gegen die Besteuerung des Sparens wird die Beeinträchtigung der Investitionstätigkeit angesehen, die jede Beeinträchtigung der Ersparnis in einer Markwirtschaft „naturgemäß“99 zur Folge habe. Werden nämlich Zinseinkünfte versteuert, dann sei erforderlich, dass die Erträge der Investitionen nicht nur das Opfer des Konsumverzichts (ohne Steuer), sondern darüber hinaus auch die Zinssteuer tragen könnten; andere Investitionen erschienen aus Sicht des Unternehmens nicht mehr vorteilhaft100. Daher führe eine Zinsbesteuerung zu einer Erhöhung der Kapitalkosten des Unternehmens und somit zum Ausfall von Investitionen101. Freilich ergibt sich dieser Zusammenhang auch bereits aus der in der Volkswirtschaftslehre seit langem bekannten Identität: Sparen = Investieren102.

Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 115. So Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 115. 98 So weist bspw. König, Wirtschaftliche Effizienz und Steuerreformen, S. 114, nach, dass der Übergang zu einer Konsumbesteuerung nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Ersparnis führen muss. Gleichwohl hält er einen solchen Übergang im Hinblick auf eine optimale Allokation für „wünschenswert“, da bestehende Verzerrungen abgeschwächt würden. 99 So Rose in FS-Meyding, S. 240. 100 Vgl. Rose in FS-Meyding, S. 240. 101 Vgl. Rose in FS-Meyding, S. 240. 102 Vgl. bspw. Krause-Junk in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 126. 96 97

Vierter Teil

Vergleichende Darstellung unterschiedlicher konsumorientierter Unternehmensbesteuerungsmodelle A. Entscheidungsneutralität als der konsumorientierten Besteuerung zugrunde liegendes betriebswirtschaftliches Postulat I. Vorbemerkung Als größter Vorteil einer konsumorientierten Besteuerung wird von ihren Anhängern die Entscheidungsneutralität eines solchen Steuersystems gepriesen. Im Zusammenhang der „Doppelbesteuerungsproblematik“ wurde oben bereits der Begriff der Entscheidungsneutralität angesprochen. Im Mittelpunkt der dortigen Diskussion stand dabei das Argument der intertemporalen Neutralität einer konsumorientierten Besteuerung. Neben der intertemporalen Neutralität auf Haushaltsebene spricht nach Ansicht ihrer Befürworter die sog. intersektorale Neutralität auf der Unternehmensebene für eine konsumorientierte Besteuerung. Zum besseren Verständnis soll nachfolgend der Begriff der Entscheidungsneutralität bzw. der intersektoralen Neutralität näher untersucht werden1.

II. Der Begriff der Entscheidungsneutralität Entscheidungsneutralität oder -indifferenz eines Steuersystems liegt dann vor, wenn die konkrete Ausgestaltung einer Entscheidung davon unbeeinflusst ist, welche steuerlichen Wirkungen von dieser Entscheidung hervorgerufen werden2. Vereinfacht ausgedrückt sind Steuern dann entscheidungsneutral, wenn bei vernünftigen Steuerpflichtigen keine Ausweichhandlungen, die ohne Besteuerung nicht erfolgen würden, hervorgerufen werden3. Ein Steuersystem ist demnach entscheidungsneutral, wenn sich die Rangordnung der unternehmerischen Handlungen, wie sie für eine Welt ohne Steuern unter sonst gleichen Bedingungen geplant wären, 1 Zu den verschiedenen Arten der Entscheidungsneutralität vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 77. 2 Heinhold in FS-Seicht, S. 75. 3 Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 193.

58

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

unter Beachtung der Steuerzahlungen nicht ändert. Die zielentsprechende Rangordnung der zur Wahl stehenden Handlungsalternativen in einer Welt ohne Steuern deckt sich mit der Rangordnung nach Steuern4. Unabhängig von der Frage nach der Beeinflussung der Rangfolge alternativer Handlungsmöglichkeiten darf durch die Besteuerung eine zuvor vorteilhafte Investition nicht unvorteilhaft werden. In der betriebswirtschaftlichen Praxis und im Schrifttum wird zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer unternehmerischen Handlungsmöglichkeit regelmäßig der Kapitalwert bzw. was regelmäßig zum gleichen Ergebnis führt, der Endwert verwendet5. Danach ist eine Steuer dann neutral, wenn die Rangfolge der Kapitalwerte (bzw. Endwerte) mehrerer Entscheidungsalternativen nicht durch die Besteuerung beeinflusst wird und der positive Kapitalwert einer (zuvor) vorteilhaften Besteuerung nach Besteuerung nicht negativ wird 6.

III. Zur Kritik am herkömmlichen, einkommensorientierten Unternehmensbesteuerungssystem 1. Darstellung anhand eines Beispiels von Wagner Bevor nun die Entscheidungsneutralität der unterschiedlichen konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle untersucht wird, muss zunächst der Begriff Kapitalwert definiert werden, nach welchem sich, wie bereits ausgeführt, die Vorteilhaftigkeit einer Investition beurteilt. Der Kapitalwert C ergibt sich vor Steuern allgemein als Barwert des Saldos der gesamten Einzahlungen Et und Auszahlungen At aller Perioden (t): Cˆ

T X

…Et

At † …1 ‡ i†

t

:

tˆ0

4 Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 193. Dabei wird dreierlei vorausgesetzt: 1. Durch das Steuerrecht darf sich nicht die Zielgröße, die der Entscheidungsträger anstrebt, ändern, verändern darf sich lediglich das Maß dieser Zielerreichung. 2. Das Steuerrecht beeinflusst weder die Anfangsausstattung an Mitteln noch die Handlungsmöglichkeiten, unter denen gewählt wird. 3. Die Besteuerung ändert nicht das Maß an Rationalität, mit der der Steuerpflichtige handelt. Gerade die letztgenannte Forderung, dass etwa der Risikoscheue nicht durch die Besteuerung zum „Hasardeur“ wird, mag in der Theorie einleuchten. Gleichwohl zeigen die Beispiele der „Bauherrenmodelle“, dass in der Realität oftmals das Gegenteil der Fall ist. 5 Formal unterscheidet sich der Endwert vom Kapitalwert dadurch, dass der Kapitalwert auf den Beginn des Planungsprozesses abgezinst wird, während der Endwert auf das Ende abstellt. Inhaltlich gibt der Kapitalwert jedoch nur die relative Vorteilhaftigkeit im Vergleich zu einer fiktiven Finanzinvestition an, wohingegen der Endwert den Geldbetrag angibt, der nach Ende der Planungsdauer tatsächlich zur Verfügung steht, vgl. Heinhold, Unternehmensbesteuerung, Bd. 3, S. 86. 6 Heinhold, Unternehmensbesteuerung, Bd. 3, S. 33.

A. Entscheidungsneutralität

59

Durch die Kapitalwertmethode wird der Barwert (Kapitalwert) einer Investition bezogen auf einen vorgegebenen Stichtag, regelmäßig der Tag der Investitionstätigung, bewertet7. Der mit dem Zeitfaktor t abnehmende Faktor …1 ‡ i† t verdeutlicht, dass eine Investition umso weniger „wert“ ist, je später die Einzahlungsüberschüsse (also die Beträge, die aus der Investition in das Unternehmen zurückfließen) anfallen. Abhängig ist der Faktor …1 ‡ i† t außerdem von der Wahl des Kalkulationszinsfusses i. Die Höhe des Kalkulationszinsfusses i richtet sich nach den aus Sicht des Unternehmens für die Investition relevanten Kosten8. Neben verschiedenen anderen Möglichkeiten der Bestimmung dieses Zinssatzes werden im Wesentlichen zwei Möglichkeiten in der finanzwirtschaftlichen Literatur9 genannt. So wird der Kalkulationszins von manchen im Sinne einer angestrebten Mindestverzinsung des vom Unternehmer eingesetzten Kapitals verstanden. Wohl überwiegend wird der Kalkulationszinssatz allerdings als der Zinssatz ermittelt, welcher der Rendite einer alternativ möglichen Finanzanlage entspricht. In diesem Falle gibt der Kalkulationszinssatz die sog. Opportunitätskosten10 wieder. Im theoretischen Modell eines vollkommenen Kapitalmarktes, in welchem sichere Erwartungen bzgl. der erzielbaren Verzinsung des eingesetzten Kapitals bestehen, entsteht diesbezüglich kein Problem, da der Marktzins bekannt ist und für gewinnmaximierende Handlungen den einzigen Maßstab darstellt. In dem in der Realität gegebenen unvollkommenen Markt ist eine solche Bestimmung der zu erzielenden Rendite regelmäßig kaum möglich. Im Zusammenhang mit den Konsumsteuern wird als Kalkulationszinssatz vor allem das Zinsniveau von Staatsanleihen, also der Zinssatz der sicheren Alternativinvestition, diskutiert und wohl auch überwiegend angenommen11. 7 Zur Kapitalwertmethode vgl. Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 61 ff. und S. 86 ff. 8 Zu den Funktionen des Kalkulationszinssatzes vgl. Götze / Bloech, Investitionsrechnung, S. 85 ff., sowie Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 86 ff. 9 Zu den verschiedenen Arten der Bestimmung des Kalkulationszinssatzes sowie der Kritik in der finanzwissenschaftlichen Literatur an den jeweiligen verschiedenen Bestimmungsverfahren vgl. Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 87 ff. 10 Unter Opportunitätskosten versteht man die „Kosten“, vgl. etwa Corsten / Reiß, Betriebswirtschaftslehre, S. 779, die dadurch „entstehen“, dass eine Handlungsalternative nicht gewählt wird und somit Erträge bzw. Deckungsbeiträge nicht erzielt werden. Sie dienen insbesondere als Vergleichsgröße für die Beurteilung von Handlungsalternativen bei Vorliegen von Produktionsengpässen, werden aber als entscheidungsorientierter Kostenbegriff wegen der praktischen Unbrauchbarkeit abgelehnt. 11 Vgl. Hiller, DBW 1999, S. 805. Andere Ansätze wählen die langfristige Durchschnittsrentablitität als Bestimmungsgröße des Kalkulationszinsfusses, vgl. etwa Albach, Investition und Liquidität, S. 86 ff. Bei diesem Ansatz kommt dem Kalkulationszinsfuß die Funktion einer Mindestverzinsung zu. Brandt, Investitionspolitik des Industriebetriebs, S. 146, unterscheidet drei mögliche Ansätze:

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Der Kapitalwert der Investition gibt nun die Vorteilhaftigkeit der Investition im Vergleich zur einer zum Kalkulationszinssatz getätigten Alternativinvestition wieder. Ergibt sich ein Kapitalwert von Null, dann ist die Investition als genauso rentabel einzuschätzen wie die Alternativinvestition bzw. das Unterlassen der Investition. Unter Berücksichtigung einer Ertragsteuer ergibt sich der Kapitalwert nach Steuern12 CEst von: CEst ˆ

T X

…Et

At

s  BGt † …1 ‡ i…1





t

:

tˆ0

Nachfolgend sollen die obigen Ausführungen an einem Beispiel verdeutlicht werden. Dieses von Wagner gewählte Beispiel soll das „Dilemma“ der herkömmlichen Unternehmensbesteuerung aus der Sicht eines Befürworters der Konsumsteuern zeigen. Der Vorwurf gegen die hergebrachte Besteuerung ist nämlich, dass sie im Gegensatz zu den konsumorientierten Besteuerungssystemen entscheidungs-aneutral sei13: Ein Unternehmen kaufe in der Periode t ˆ 0 Waren zu einem Preis von 100 GE und verkaufe sie wieder in der nachfolgenden Periode t ˆ 1 zu einem Preis von 120 GE. Die in den späteren Perioden erfolgende Ersatzbeschaffung und die Veräußerung in der darauffolgenden Periode erfolgen jeweils zu einem um 10 GE erhöhten Preis. Es gelte der Steuersatz s ˆ 0,5, der Kalkulationszinssatz i ˆ 0,1 und ein unendlicher Planungszeitraum (vgl. Tabelle 3).

In der nachfolgenden Tabelle14 sind die Zahlungsbewegungen dargestellt. Dabei gibt die Größe BGt nach Wagner die periodische Steuerbemessungsgrundlage nach geltendem Recht wieder15. – Kalkulationszinsfuß als Kapitalzins: Bei diesem Ansatz orientiert sich der Kalkulationszinsfuß an den Kapitalkosten für Fremdkapital und den kalkulatorischen Eigenkapitalkosten sowie am Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital. – als Normalzinssatz: Hierunter versteht Brandt die unter normalen Umständen zu erwartende Verzinsung des Kapitaleinsatzes. Diese enthält die objektiven Marktgegebenheiten, die Finanzierungskosten sowie die Gewinnerwartungen bzw. -forderungen des Investors. – als Ausnahmezins: Durch einen Aufschlag werden besondere Risiken, durch Abschläge aus anderen Gründen wichtige Investitionen berücksichtigt. Im Übrigen gilt: Übersteigen die Finanzierungskosten, also die Kreditkosten des Unternehmens, die Rendite dieser Finanzanlage, dann bestimmen diese höheren Kosten den Kalkulationszinsfuß. Die Alternativanlage bestünde dann mithin darin, auf die Investition zu verzichten und die Finanzmittel nicht aufzunehmen oder zurückzuzahlen. 12 Zum Einfluss und der Bedeutung von Steuern im Kapitalwertmodell sowie zum sog. Steuerparadoxon, bei welchem der Kapitalwert mit zunehmendem Steuersatz steigt, vgl. Steiner, Gewinnsteuern in Partialmodellen für Investitionsentscheidungen. 13 Beispiel sowie die zugehörigen Tabellen sind entnommen aus Wagner in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 20 ff. Dasselbe Beispiel findet sich auch in Wagner, Harzburger Steuerprotokoll, S. 30 ff. 14 Tabelle nach Wagner in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 21 sowie Wagner, Harzburger Steuerprotokoll, S. 31.

A. Entscheidungsneutralität

61

Tabelle 3 t At

0

1

2

3

...

1

100

110

120

130

...

...

120

130

140

...

...

10

10

10

...

10

(20)

(20)

(20)

...

(20)

10

10

10

...

10

0

0

0

...

0

Et Et

–100

At

Gewinnsaldo ˆ BGt St ˆ s  BGt Et

At

St

–100

Der zu versteuernde Bilanzgewinn ergibt sich nach Wagner aus der Differenz der in der Periode t erhaltenen Einzahlungen abzüglich der in Periode t 1 getätigten Auszahlungen …Et At 1 †; ab Periode t ˆ 1 beträgt der Gewinnsaldo demnach 20 GE. Betrachtet man die diesem Beispiel zugrundeliegende unendliche Rente, dann ergibt sich der Kapitalwert der Investition zu16: Cˆ

100 ‡

10 ˆ0: 0; 1

Der Kapitalwert der Investition ist somit gleich Null. Dies bedeutet, dass die Verzinsung dieser Investition vor Steuern so hoch wie die Alternativinvestition bzw. die Mindestverzinsung ist, die vom Kalkulationszins verkörpert wird. In einem System mit Steuern ergibt sich nach Wagner ein Kapitalwert von: CEst ˆ

100 :

Durch die Besteuerung würde sich bei einem Steuersatz von 50 % auf die periodisch anfallende Bemessungsgrundlage BGt = 20 GE eine jährliche Steuer von 10 GE ergeben. Damit würde sich der Zahlungsüberschuss um 10 GE mindern. Der verbleibende Überschuss würde aber zur Deckung der neu zu beschaffenden Waren verwendet, so dass letztlich kein Einzahlungsüberschuss mehr bestünde und statt dessen in der Periode t ˆ 0 sogar ein Auszahlungsüberschuss stehen bliebe.

15 Der Faktor …1 s† berücksichtigt dabei, dass auch die Alternativanlage einem Steuersatz von s unterliegen würde und damit auch die daraus resultierenden Erträge zu versteuern wären. 16 Dies ergibt sich aus einer einfachen Umformung. Bei der diesem Beispiel zugrunde liegenden unendlichen Reihe handelt es sich nämlich um eine geometrische Reihe, für die gilt: 1 X 1 an ˆ für alle jaj < 1, vgl. Bronstein, Taschenbuch der Mathematik, S. 19. 1 a nˆ0

62

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

2. Auswertung des Beispielsfalles nach Wagner Wagner zieht aus seinem Beispiel den Schluss, dass das herkömmliche System der Einkommensbesteuerung negative Auswirkungen auf potentielle Investoren hat17. Das Beispiel zeige, dass durch die Besteuerung das Anfangskapital von 100 GE vollständig verloren gehe, weil die Steuer die gesamten Zahlungsüberschüsse i. H. v. 10 GE vollständig aufzehrten. Von einem Investor werde bei diesem Steuersystem verlangt, dass er ein Steuersystem akzeptiere, das von ihm den Verlust seines gesamten Kapitaleinsatzes fordere. Wagner hält es für „ausgeschlossen“, dieses Steuersystem, bei welchem es sich um das in Deutschland geltende Einkommensteuersystem handele, „Investoren zuzumuten, da seine Anreizwirkung katastrophal ist“18. Die Defizite unseres einkommensorientierten Steuersystems kämen immer dann zum Tragen, wenn ein Gewinn als Besteuerungsgrundlage dient, der nicht ausschüttbar sei. Einkommen dürfe aber nur soweit besteuert werden als es sich um konsumierbares Einkommen handele. 3. Kritik an den von Wagner gezogenen Schlussfolgerungen Im Blickfeld dieser Arbeit steht weniger die Analyse der ökonomischen Argumente für eine konsumorientierte Besteuerung als vielmehr ihre juristisch-verfassungsrechtliche Bewertung19. Gleichwohl kann eine solche juristische Bewertung nicht völlig unabhängig von den ökonomischen Bedingungen und Auswirkungen, quasi im „luftleeren Raum“ erfolgen. Dies gilt umso mehr als Wagner mit seinem Beispiel ein grundsätzlich vernichtendes Urteil über das geltende einkommensund kapitalorientierte Steuersystem fällt. Da dieses der Ausgangspunkt für die Forderung nach einem konsumorientierten Systemwechsel ist, erscheint es angebracht, sein Beispiel und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Wagner unterstellt in seinem Beispiel einen unendlich großen Planungshorizont. Dabei geht er davon aus, dass das Unternehmen in jeder und damit auch in der letzten fiktiven Periode …t ˆ 1† ebenfalls einen Saldo von Ein- und Auszahlungen in Höhe von 10 GE erzielt. Dies würde aber voraussetzen, dass in dieser letzten Periode durch Warenverkäufe Einzahlungen erzielt und in derselben Periode wieder Wareneinkäufe getätigt würden, ohne dass diese anschließend wieder verkauft würden. Vgl. Wagner in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 30. Vgl. Wagner in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 30, sowie Wagner, Harzburger Steuerprotokoll, S. 23. 19 In diese Untersuchung können auch betriebs- und volkswirtschaftliche Argumente mit einfließen, was insoweit jedoch kein Widerspruch sein muss. 17 18

A. Entscheidungsneutralität

63

Einen unendlichen Planungshorizont unterstellt, wäre es plausibler, davon auszugehen, dass in dieser Periode nur noch verkauft, aber eben nicht mehr, sozusagen auf Lager, gekauft werden würde. Denn welcher vernünftige Kaufmann erwirbt Waren, wenn er weiß, dass er diese anschließend nicht mehr verkaufen kann. Selbst wenn man unterstellt, dass in dieser fiktiven letzten Periode Absatzschwierigkeiten bestehen, mag sich dies wohl auf den Preis auswirken, die Annahme des Nichtabsatzes ist hingegen wohl auch theoretisch auszuschließen. Aus kaufmännischer Sicht ist auch wenig nachvollziehbar, dass sich das Unternehmen in Wagners Beispiel an einem periodisch konstanten Gewinnaufschlag in Höhe von 10 GE orientiert und an diesem festhält. Bei den hier unterstellten steigenden Preisen bedeutet dies nämlich, dass die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis prozentual sinkt. In betriebswirtschaftlicher Hinsicht läge es aber näher, den Verkaufspreis auf der Grundlage eines prozentualen Aufschlages auf den Einkaufspreis zu ermitteln. Das Beispiel „krankt“ mithin daran, dass die Unterstellungen nicht realistisch sind. Ändert man aber insoweit diese Annahme ab, dann ergibt sich ein völlig anderes Ergebnis20. Auch aus einem anderen Blickwinkel ergeben sich Zweifel an der Aussagekraft dieses Modells. Es handelt sich bei der getätigten Investition um eine Investitionskette, also um die Summe von Einzelinvestitionen, bei welchen Waren zum Zeitpunkt t gekauft und eine Periode später wieder verkauft werden21. Betrachtet man nun vom Zeitpunkt t ˆ 0 aus nicht die gesamte Investitionskette, sondern die einzelnen Investitionen, dann ergibt sich ein anderes Bild. In diesem Fall lässt sich der Kapitalwert Ct der Einzelinvestitionen (ohne Berücksichtigung der Steuer) der folgenden Gleichung entnehmen22: Ct ˆ Et  …1 ‡ i†

t

At

1

 …1 ‡ i†

…t 1†

:

In der nachfolgenden Tabelle sind aus der Sicht t ˆ 0 (Planungszeitpunkt) die sich hieraus ergebenden Einzelkapitalwerte23 für die in den jeweiligen Perioden getätigten Investitionen aufgeführt24: Wenngleich dieses mathematisch nicht mehr bestimmbar wäre. Auch Wagner geht offenbar von solch einer Betrachtungsweise aus. Dies ergibt sich daraus, dass er die steuerliche Bemessungsgrundlage BGt aus der Differenz von Et At 1 ermittelt, so jedenfalls Wagner in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 21 (Tabelle 1). 22 Die Einzelkapitalwerte ergeben sich dabei aus den auf den Zeitpunkt t ˆ 0 abdiskontierten sog. Barwerten der Aus- und Einzahlungen. Da die aus dem Verkauf der Waren stammende Einzahlung immer eine Periode nach dem Kauf der jeweils zugehörigen Warenlieferung erfolgt, unterscheiden sich die Barwerte von Ein- und Auszahlungen jeweils um den Faktor 1=…1 ‡ i†. 23 Dabei wurde auf die zweite Nachkommastelle gerundet. 20 21

64

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle Tabelle 4 t

At

1

Et Et  …1 ‡ i† At

1

t

 …1 ‡ i†

…t 1†

1

2

3

10

11

12

100

110

120

190

200

210

120

130

140

210

220

230

109,09

107,44

105,18

80,96

77,11

73,29

100

100

99,17

80,58

77,11

73,60

6,01

0,38

t

Ct ˆ Et  …1 ‡ i† At 1  …1 ‡ i† …t 1†

9,09

7,44

0

–0,31

Betrachtet man nunmehr die Einzelinvestitionen, dann erkennt man, dass alle Warenkäufe ab der Periode t ˆ 12 bereits ohne Berücksichtigung der Steuern zu einem negativen Kapitalwert führen25. Ein Unternehmen würde deshalb zum Zeitpunkt t ˆ 0 lediglich die Investitionen bis zu diesem Zeitpunkt vornehmen und von den anderen Abstand nehmen, ohne dass es eines Rückgriffs auf die zu entrichtende Steuer bedarf. Da (auch theoretisch) kaum ein Fall denkbar erscheint, in welchem zum Zeitpunkt t ˆ 0 bereits eine Festlegung über einen solch langen Zeitraum erfolgen müsste, erscheint es unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten realitätsfern, von einer solchen Investitionskette auszugehen. Vielmehr ist es sachgerecht, die Einzelinvestitionen auf ihre Ertragswirksamkeit hin zu betrachten, was zu den oben gezeigten veränderten Ergebnissen führt. Betrachtet man nun die Einzelkapitalwerte unter Berücksichtigung der Steuern, so ergibt sich, geht man jeweils von einem zu versteuernden periodischen Gewinn von 20 aus, das folgende Bild (Ct _Est ˆ Kapitalwert der Investitionen nach Steuern)26:

24 Berücksichtigt man, dass bei diesen Einzelinvestitionen der erzielte Verkaufspreis jeweils um 20 Einheiten höher ist als der in der vorherigen Periode gezahlte Wareneinkaufspreis (und somit At 1 ˆ Et 20 gilt), dann lässt sich der Kapitalwert der Einzelinvestition vor Steuern aus der durch einfache mathematische Umformungen ergebenden Gleichung: Ct ˆ …20 ‡ 20  i Et †=…1 ‡ i†t ˆ …22 Et †=1; 1t bestimmen. Ab der Periode t ˆ 12 werden bei einem Kalkulationszinsfuß von 10 % nur noch negative Kapitalwerte ermittelt. 25 Siehe hierzu den Nachweis in der vorhergehenden Fußnote. 26 Setzt man in die Gleichung zur Bestimmung der Einzelkapitalwerte die Werte für s ˆ 0; 5 und i ˆ 0; 1 ein und berücksichtigt man ebenfalls, dass Et ˆ At 1 ‡ 20 sowie BGt ˆ 20, dann lässt sich durch einfache Umformungen ermitteln: Ct _Est ˆ …11 Et †=1; 05t . Ab der Periode t ˆ 12 wird bei den gegebenen Daten der sich ergebende Kapitalwert negativ.

A. Entscheidungsneutralität

65

Tabelle 5 t

1

2

3

10

11

12

9,09

7,44

6,01

0,38

0

–0,31

4,76

4,08

3,46

0,31

0

–0,28

t

Ct ˆ Et  …1 ‡ i† At 1  …1 ‡ i† …t 1†

 s† Ct _Est ˆ Et  1 ‡ i  …1  …t 1† At 1  1 ‡ i  …1 s†  t s  BGt  1 ‡ i  …1 s†

t

Nimmt man also die Kapitalwerte der Einzelinvestitionen, dann ändert sich in dem von Wagner gewählten Beispielsfall durch die Besteuerung nichts an der Rentabilität. War die Investition vor Steuern unrentabel, dann ist sie es auch nachher. Da – wie oben gezeigt – vieles dafür spricht, die Investitionen hinsichtlich ihrer Rentabilität nicht in ihrer Gesamtheit, sondern als Einzelinvestitionen zu betrachten, kann das gewählte Beispiel nicht überzeugen, auch wenn hier keineswegs bestritten werden soll, dass es Fälle geben mag, in welchen der Kapitalwert einer Investition durch die Besteuerung negativ und die Investition mithin wegen der Besteuerung unrentabel wird. Schließlich lässt sich auch gegen die in dem Beispielsfall ermittelte Bemessungsgrundlage einwenden, dass es wohl gerade in einem solchen Fall auch nach geltendem Recht möglich wäre, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Handelt es sich nämlich um gleichartige Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens, dann ist es nach § 6 I Nr. 2 a EStG i.V. m. § 5 I S. 1 EStG und § 256 HGB zulässig27, bei der Bewertung der Waren zu unterstellen, dass die zuletzt angeschafften zuerst verbraucht worden sind. Würde man im Beispielsfall auf diese hier wohl zulässige Lifo-Bewertung28 (last in – first out) abstellen, dann würde sich der Gewinn aus der Differenz von Verkaufspreis und Einkaufspreis der zuletzt angeschafften Waren errechnen und damit je Periode auf 10 reduzieren. Damit wären aber ebenfalls die von Wagner gezogenen Schlussfolgerungen obsolet29. 27 Weitere Voraussetzungen sind insoweit, dass die Anwendung dieser Bewertungsmethode den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und dass das steuerrechtliche Wahlrecht in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz ausgeübt wird (sog. umgekehrte Maßgeblichkeit); zu den Einzelheiten der hier in Betracht kommenden sog. Lifo-Bewertung vgl. BFH, DStZ 2000, S. 1911 ff. 28 Von entscheidender Bedeutung wäre insoweit, dass in einem solchen Fall die Lifo-Bewertung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht. Dies hängt insbesondere davon ab, dass die Ermittlung der individuellen Anschaffungskosten der verkauften Waren im Einzelfall ausgeschlossen oder – wie bspw. bei Massenartikeln – mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, denn auf derartige Sachverhalte ist das Wahlrecht typischerweise zugeschnitten, vgl. BFH, DStZ 2000, S. 1911 ff. 29 Überspitzt formuliert könnte man sagen, das Beispiel stellt ein Plädoyer für die LifoMethode dar.

5 Reis

66

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

4. Bestätigung von Wagners grundsätzlicher Systemkritik Hätte Wagner recht und unser Steuersystem wäre tatsächlich so investitionsfeindlich wie er dies aufgrund seiner Folgerungen unterstellt, dann würde sich wohl kaum noch ein Unternehmen finden, das bereit wäre, in Deutschland zu investieren. Aus den oben genannten Gründen bestehen jedoch insoweit starke Bedenken gegen die aus dem Beispielsfall von ihm gezogenen Schlussfolgerungen. Der Einwand, dass man im Beispielsfall bei Anwendung der Lifo-Methode zu einem anderen Bilanzgewinn und damit einer anderen steuerlichen Bemessungsgrundlage kommt, als bei der von Wagner gewählten und ebenfalls steuerlich zulässigen Bewertungsmethode, kann jedoch umgekehrt auch als Bestätigung einer steuerrechtlichen Systemkritik angesehen werden. Daher darf die Kritik an Wagners aus dem Beispielsfall gezogenen Schlussfolgerungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser geltendes Unternehmenssteuerrecht aufgrund der zahlreichen bilanzpolitischen Sonderregelungen zu ökonomischen Verzerrungen führt. Inwieweit solche Verzerrungen bereits bei der Wahl unterschiedlicher Abschreibungsverfahren auftreten, soll das nachfolgende, einfache Beispiel30 zeigen: Ein Unternehmen kauft zu Beginn eines Jahres eine Maschine zum sofort und aus Eigenkapitalmitteln gezahlten Kaufpreis von 10.000 A an. Es wird ein Zinssatz von 10 % unterstellt. Verglichen werden nun die aus ökonomischer Sicht interessanten Barwerte der Kapitalkosten der Investition zum einen bei linearer Abschreibung über zwei und vier Jahre und zum anderen bei degressiver Abschreibung mit einem Abschreibungssatz von 30 % über einen Zeitraum von vier Jahren.

Tabelle 6 Kapitalkosten bei linearer Abschreibung über vier Jahre

Abschreibung: Barwert:

31

1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

2.500,00

2.500,00

2,500,00

2.500,00

2.272,73

2.066,12

1.878,29

1.707,53

Summe aller periodischen Kapitalkosten: 7.924,67

Der Grundtypus dieses Beispiels ist entnommen aus Rose in FS-Meyding, S. 241 ff. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die Kapitalkosten erst zum Jahresende steuermindernd auswirken. Bei der Berechnung der Barwerte der Kapitalkosten muss daher eine Abzinsung auf jeden Periodenbetrag mit dem Zinssatz von 10 % auf den Investitionszeitpunkt vorgenommen werden, vgl. Rose in FS-Meyding, S. 241. 30 31

A. Entscheidungsneutralität

67

Tabelle 7 Kapitalkosten bei linearer Abschreibung über zwei Jahre 1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

Abschreibung:

5.000,00

5.000,00





Barwert:

4.545.45

4.132,23





Summe aller periodischen Kapitalkosten: 8677,68

Tabelle 8 Kapitalkosten bei degressiver Abschreibung über vier Jahre 1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

Abschreibung:

3000,00

2.100,00

1.470,00

3.430,00

Barwert:

2727,27

1735,54

1104,43

2342,74

Summe aller periodischen Kapitalkosten: 7.909,98

Das Beispiel zeigt, dass in keinem Fall die Barwerte der steuerlich anerkannten Kapitalkosten den Anschaffungskosten entsprechen32. Dabei führen sowohl Abschreibungszeit als auch Wahl des Abschreibungsverfahrens zu – aus ökonomischer Sicht betrachtet – beachtlichen Unterschieden. So beträgt die Differenz bei einem Übergang von einem vierjährigen zu einem zweijährigen Abschreibungszeitraum 753,01 A oder 9,5 %. Da den Kapitalkosten auf der anderen Seite Steuerersparnisse und damit Gewinne gegenüberstehen, bedeutet dies für das Unternehmen einen deutlichen finanziellen Vorteil, das Abschreibungssystem mit den höchsten Kapitalkosten zu wählen. Bei sonst gleichen Voraussetzungen wird der Unternehmer daher stets nach dem Investitionsobjekt suchen, bei welchem ihm die Finanzverwaltung den kürzestmöglichen Abschreibungszeitraum ermöglicht. Bezogen auf unser Steuersystem verdeutlicht dieses Beispiel, welch einschneidende ökonomische Auswirkungen beispielsweise Abschreibungstabellen haben können. Die Wahl unterschiedlicher Abschreibungssätze steht dabei stellvertretend für ein durch eine Vielzahl von Wahlrechten und Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Entscheidungswirkungen zerklüftetes Steuersystem. Zugleich verdeutlicht es, welchen starken Einfluss unser Steuersystem auf die unternehmerischen Investitionsentscheidungen hat. Bevor nun die Vorzüge der konsumorientierten Besteuerung im Hinblick auf das Postulat der Entscheidungsneutralität näher untersucht werden, soll zunächst ein 32

5*

Vgl. Rose in FS-Meyding, S. 242.

68

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Überblick über die von der Literatur unterschiedenen Entscheidungsneutralitätstypen gegeben werden.

IV. Arten der (intersektoralen) Entscheidungsneutralität 1. Investitionsneutralität Die eben bereits besprochene Investitionsneutralität bezeichnet den zentralen Typus der intersektoralen Entscheidungsneutraliät. Investitionsneutralität ist dann gegeben, wenn die Entscheidung zwischen verschiedenen Arten von Investitionsobjekten (Sach- oder Finanzanlagen) nicht beeinflusst wird33. Maßgebliches Kriterium zur Beurteilung ist dabei der Vergleich der unterschiedlichen Kapitalwerte, jeweils vor und nach Besteuerung. 2. Finanzierungsneutralität Das Postulat der Finanzierungsneutralität ist mit dem Gebot der Investitionsneutralität eng verbunden. Finanzierungsneutralität eines Steuersystems liegt dann vor, wenn unterschiedliche Finanzierungsformen, nämlich insbesondere Eigenkapitalfinanzierung auf der einen und Fremdkapitalfinanzierung in ihren verschiedenen Varianten auf der anderen Seite, steuerlich gleich behandelt werden34. Demnach darf die Besteuerung nicht die Kapitalstruktur dominieren35. Das oben näher ausgeführte Beispiel von Wagner sollte verdeutlichen, warum das herkömmliche Steuersystem nicht als investitionsneutral angesehen wird. Auch in Bezug auf die Wirkungen der unterschiedlichen Finanzierungsformen wird ihm vorgeworfen, die Entscheidungen zu verzerren. Nach Ansicht der Kritiker werde gegenwärtig die Finanzierung durch Eigenkapital gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung „diskriminiert“36. Ein Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote weist im Verhältnis zu einem Unternehmen mit niedriger Eigenkapitalquote einen höheren Gewinn aus, da im erstgenannten Fall die steuerlich absetzbaren Fremdkapitalzinsen den Gewinn mindern. Dieser ist in vollem Umfang steuerpflichtig. Mindert der Unternehmer deshalb seine Eigenkapitalbeteiligung und finanziert sein Unternehmen in dieser Höhe durch die Aufnahme von Fremdkapital, dann mindert sich hierdurch auch sein steuerpflichtiger Gewinn. Setzt der Unternehmer das hierdurch freigewordene Kapital im Privatbereich zur Finanzierung privater Investitionen ein (und damit letztlich als Ersatz für an33 34 35 36

Heinhold in FS-Seicht, S. 77. Spengel, DBW 1998, S. 349; Heinhold in FS-Seicht, S. 77. Spengel, DBW 1998, S. 349. Siehe zur Argumentation im Folgenden siehe Bruckner in Aiginger, S. 181.

A. Entscheidungsneutralität

69

dernfalls aufzunehmende, verzinsliche Kredite, die jedoch nicht steuerlich absetzbar wären) oder legt es steuerbegünstigt oder sogar steuerfrei37 an, entsteht hierdurch ein systemimmanenter Steuervorteil. In der Tendenz begünstigt unser Steuersystem daher die Unternehmen mit maximaler Fremdkapitalfinanzierung. Wie später zu zeigen sein wird, soll durch einen konsumorientierten Steuersystemwechsel der Nachteil dieser fehlenden Finanzierungsneutralität beseitigt werden. 3. Gewinnverwendungsneutralität Dem Gebot der Gewinnverwendungsneutralität entspricht ein Steuersystem dann nicht, wenn die Entscheidung, ob Gewinne einbehalten oder ausgeschüttet werden sollen, von der Besteuerung beeinflusst wird. Widerspricht ein Steuersystem diesem Gebot, dann wird durch die unterschiedliche Behandlung von thesaurierten (einbehaltenen) und ausgeschütteten Gewinnen die Entscheidung bezüglich der rentabelsten Kapitalinvestition verzerrt38. Da hierdurch Marktmechanismen außer Kraft gesetzt werden, wird ein solcher Verstoß als „gesamtwirtschaftlich nicht optimal“ aufgefasst39. Im Zusammenhang mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens wurde der Steuersatz für ausgeschüttete und thesaurierte Gewinne gem. § 23 KStG für Körperschaften einheitlich auf 25 % festgesetzt. Daher hat sich die Bedeutung dieser Problematik im geltenden Steuerrecht deutlich verringert. 4. Rechtsformneutralität Das Postulat der Rechtsformneutralität erfordert die steuerliche Gleichbehandlung der unterschiedlichen Unternehmensformen. Die Entscheidung zwischen unterschiedlichen, wirtschaftlich gleichwertigen Rechtsformen darf nicht durch die Besteuerung „verzerrt“ werden40. Kapitalgesellschaften dürfen demnach gegenüber Personengesellschaften und Einzelunternehmen weder begünstigt noch benachteiligt werden41. Da in Deutschland das sog. duale System streng zwischen der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen trennt und beide unterschiedlich besteuert, wird in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur vielfach vertreten, dass das geltende Unternehmensbesteuerungssystem wegen fehlender Rechtsformneutralität verfassungswidrig sei42. 37 Etwa weil Sparerfreibeträge ausgenutzt werden oder der steuerpflichtige Unternehmer sich seiner Steuerpflicht entzieht. 38 Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 77. 39 Heinhold in FS-Seicht, S. 77. 40 Hey, DStJG 24 (2001), S. 157 und S. 221. 41 Spengel, DBW 1998, S. 349. 42 Siehe hierzu ausführlich Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung; Lang, StuW 1989, S. 3 ff.; Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9 ff.

70

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Dieser verfassungsrechtliche Streit, der im steuerrechtswissenschaftlichen Schrifttum ausführlich behandelt wird43, soll in dieser Arbeit nur sehr verkürzt dargestellt werden, da er für den Untersuchungsgegenstand keine unmittelbare Bedeutung hat. Da eines der beiden im Zusammenhang mit der Frage der Rechtsformneutralität hauptsächlich diskutierten Reformmodelle, die zur Überwindung der Trennung von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer entwickelt wurden, eine große Nähe zu den Konsumsteuermodellen besitzt, sollen beide Ansätze dennoch kurz skizziert werden. a) Teilhabersteuer Das Grundprinzip der sog. Teilhabersteuer44 besteht darin, den Unternehmensgewinn unabhängig von dessen Rechtsform steuerlich unmittelbar den Gesellschaftern bzw. Anteilseignern zuzumessen45. Dabei werden sowohl die einbehaltenen als auch die ausgeschütteten Gewinne mit dem Steuersatz des Anteilseigners, also der Einkommensteuer belastet; das Unternehmen selbst besitzt (auch als juristische Person) mithin keine Steuersubjekteigenschaft und ist daher auch nicht steuerpflichtig46. Soweit auf den im Unternehmen erzielten Gewinn bereits Steuern gezahlt wurden, werden diese dem Anteilseigner als Gewinn zugerechnet und anschließend auf die Einkommensteuer angerechnet. Es liegt daher eine Einkommensteuervorauszahlung vor47. Dem Modell der Teilhabersteuer liegt das klassische Einkommenskonzept der Reinvermögenszugangstheorie zugrunde, wobei jede Wertsteigerung des Unternehmens unmittelbar der wirtschaftlich hinter diesem Unternehmen stehenden natürlichen Person, dem Anteilseigner, zugerechnet wird48. Das Konzept der Teilhabersteuer wird aus mehreren Gründen scharf kritisiert. So wird bemängelt, dass die sofortige Zurechnung auch des thesaurierten Gewinnes sowohl dem zivilrechtlichen als auch dem wirtschaftlichen Sachverhalt widerspreche49. Insbesondere im Fall von börsennotierten Aktiengesellschaften sei es auch praktisch verfehlt, dem Anteilseigner, der rein zivilrechtlich nicht über den thesaurierten Gewinn der Aktiengesellschaft verfügen könne, diesen dennoch zuzurechnen50. Im umgekehrten Fall sei es nicht nachzuvollziehen, dass ein Verlust 43 Zum Meinungsstand im Schrifttum siehe hierzu ausführlich Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 65 ff., m. w. N. 44 Zur Teilhabersteuer siehe insbesondere Engels / Stützel, Teilhabesteuer, Schneider, StuW 1975, S. 108 ff.; Elschen, Institutionale oder personale Besteuerung von Unternehmensgewinnen, S. 116 ff. 45 Vgl. Hey in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 18 Rdnr. 539. 46 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 99 f. 47 Vgl. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 128. 48 Hey, DStJG 24 (2001), S. 217. 49 Hey, DStJG 24 (2001), S. 217. 50 Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 128.

A. Entscheidungsneutralität

71

dem beschränkt haftenden Teilhaber voll zugerechnet werde, obwohl dessen maximale Vermögenseinbuße auf den Wert der Beteiligung begrenzt ist51. Da somit die Besteuerung nach dem Teilhabersteuermodell zu gravierenden Verstößen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip52 führe (denn es werde auf der Gesellschafterebene ein Einkommenszuwachs unterstellt, der tatsächlich nicht stattgefunden habe) verstoße es gegen Art. 3 GG53. b) Betriebsteuer Auch das sog. Betriebsteuermodell54, das einen Gegenentwurf zum Teilhabersteuerkonzept darstellt, möchte den Dualismus von Einkommen- und Körperschaftsteuer überwinden und Rechtsformneutralität sicherstellen. Im Gegensatz zu seinem Gegenmodell geht es dabei jedoch den entgegengesetzten Weg und nähert Personengesellschaften steuerrechtlich den Kapitalgesellschaften an55. Nach dem Modell der Betriebsteuer wird das Unternehmen selbst zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung56. Da beim Betriebsteuermodell weder die Rechtsform dieses Unternehmens noch die dahinter stehenden Personen für die Besteuerung eine Rolle spielen, wird die Betriebsteuer auch als allgemeine Unternehmenssteuer bezeichnet57. In der Literatur wurden verschiedene Betriebsteuerkonzepte entwickelt, die sich in Teilaspekten unterscheiden58. Als am besten geeignete Bemessungsgrundlage wird dabei überwiegend der Unternehmensgewinn angesehen59, wobei es zunächst ohne Bedeutung ist, ob dieser Gewinn ausgeschüttet oder thesauriert wird60. Der Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 128. Zum Leistungsfähigkeitsprinzip später ausführlicher. 53 So Hey, DStJG 24 (2001), S. 218; Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 129; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 100 f.; Levedag, Die Begünstigung der gewerblichen Einkünfte, S. 13 ff., mit jeweils weiteren Argumenten (und entsprechenden Literaturnachweisen) gegen dieses Modell. 54 Zum Betriebsteuermodell vgl. ausführlicher Flume, DB 1971, S. 693 ff.; Lang, StuW 1989, S. 3 ff.; Englisch, DStZ 1997, S. 783 ff.; Watrin, DStZ 1999, S. 238 ff.; Knobbe-Keuk, DB 1989, S. 1303 ff. 55 Hey, DStJG 24 (2001), S. 218. 56 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 102. 57 Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 129. 58 Siehe zu den unterschiedlichen Konzepten den Überblick bei Raupach in GS-KnobbeKeuk, S. 713. 59 Manche Betriebsteuermodelle sehen eine Kombination aus Gewerbekapital, Lohnsumme und Jahresumsatz , Leistungsaufwand und Betriebsgewinn oder Produktivgewinn und Bruttoaufwand als bestgeeignete steuerliche Bemessungsgrundlage, siehe hierzu die Nachweise bei Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 130. Sie werden hier jedoch nicht weiter vertieft. 60 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 101. 51 52

72

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Gewinn soll nach den traditionellen Betriebsteuerkonzepten vergleichbar der geltenden Regelung der Körperschaftsteuer proportional besteuert werden61. Auf der Ebene der Anteilseigner sollen die ausgeschütteten Gewinne mit einer regelmäßig höheren progressiven Einkommensteuer belastet werden. Unter ihren Anhängern herrscht Streit hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Betriebsteuer. Während manche dafür plädieren, die Regelung der Betriebsteuer auf alle Gewerbebetriebe i. S. d. GewStG zu übertragen62, möchten andere den Anwendungsbereich auch auf alle nicht bilanzierungspflichtigen oder zulässigerweise freiwillig bilanzierenden Betriebe ausdehnen. Es sei nicht einzusehen, weshalb Einkünfte aus Gewerbebetrieb anders zu behandeln sein sollten als etwa Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung63. Auch die letztgenannte Auffassung möchte die Betriebsteuer neben der Einkommensteuer erheben64. Daher stellt sich auch bei ihr, vor allem aber bei der anderen Ausgestaltung die Frage der Anrechenbarkeit der auf Unternehmensebene ausgezahlten Betriebsteuer auf die Einkommensteuer. Aus der steuerrechtlichen Verselbständigung des Unternehmens wird dabei teilweise geschlossen, dass die auf der Unternehmensebene gezahlten Steuern nicht anrechenbar sein sollten65. Den hierdurch entstehenden Doppelbesteuerungseffekten könne am besten durch die Gewährung von Freibeträgen und Steuersatzminderungen begegnet werden66. Letztlich bleibt es bei diesem Modell aber grundsätzlich bei einer Doppelbelastung der ausgeschütteten Gewinne, wobei die entnommenen Gewinne der progressiven Einkommensteuer der Empfänger unterworfen werden sollen67. Um dieser Doppelbelastung zu entgehen, ohne zugleich systematische Änderungen vornehmen zu müssen, schlagen andere Stimmen vor, die vom Unternehmen gezahlte Steuer ähnlich dem bekannten Anrechnungsverfahren in Anrechnung zu bringen68. Da die Betriebsteuermodelle Verträge zwischen Einzelunternehmen und Unternehmer steuerrechtlich (fiktiv) selbst dort anerkennen müssen, wo diese zivilrechtFlume, DB 1971, S. 694. Stellvertretend genannt sei hier Flume, DB 1971, S. 694. 63 So bspw. der sog. „Betriebsteuerausschuß“ der 1949 gebildet wurde und der insgesamt drei verschiedene Modelle mit Gesetzesentwürfen vorschlug, vgl. Boettcher, StuW 1949, Sp. 929 ff. 64 Englisch, DStZ 1997, S. 783. 65 So insbesondere Flume, DB 1971, S. 694, der in diesem Zusammenhang auch Praktikabilitätserwägungen im Hinblick auf die Kompliziertheit eines Anrechnungsverfahrens anführt. 66 Flume, DB 1971, S. 694, erwägt jedoch auch eine völlige Freistellung der ausgeschütteten Gewinne von der Einkommensteuer der Empfänger. 67 Vgl. Boettcher, StuW 1949, Sp. 1021. 68 Vgl. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 134. 61 62

A. Entscheidungsneutralität

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lich nicht existieren (etwa beim In-sich-Geschäft des Einzelunternehmers), wird gegen sie vorgebracht, dass diese Konzepte gegen den Grundsatz der zivil- und steuerrechtlichen Einheit der Rechtsordnung verstießen69. Des Weiteren wird gegen sie argumentiert, dass die Nichtberücksichtigung der zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsformen Ungleiches gleich behandele und dadurch den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG verletze70. Durch die Betriebsteuermodelle entfalte das Steuerrecht zudem einen starken Anpassungsdruck auf das Zivilrecht. Dies habe zum Ergebnis, dass die Existenz der Personengesellschaften bedroht sei71. Schließlich führten zumindest die klassischen Betriebsteuermodelle durch die niedrigere proportionale Besteuerung auf der Unternehmensebene dazu, dass die Gewinne in den Unternehmen „eingesperrt“ würden (sog. „Lock in-Effekt“)72. Dies habe Verzerrungen zur Folge und bedeute fehlende Allokations- und Verteilungsneutralität. Wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, spielen die Betriebsteuermodelle auch im Rahmen der konsumorientierten Besteuerung eine wesentliche Rolle, so dass insoweit auf ihre spezielle verfassungsrechtliche Problematik in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden soll. 5. Konzentrations- und Betriebsgrößenneutralität Soweit die Frage der Unternehmensgröße nicht Bestandteil der Rechtsformproblematik ist, besteht eine grundsätzliche Unabhängigkeit zwischen der betriebswirtschaftlich äußerst wichtigen Frage nach Unternehmensgröße, Fusion oder Unternehmenskauf und dem Steuersystem73. Daher soll auf diese Art der Entscheidungsneutralität nicht weiter eingegangen werden. 6. Standortneutralität und Steuerausländerneutralität Standortneutralität ist dann gegeben, wenn die Standortwahl nicht von der Besteuerung beeinflusst wird74. Das Postulat der Steuerausländerneutralität fordert, dass ein nationales Steuersystem Steuerinländer und -ausländer gleich behandelt75. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 102. Watrin, DStZ 1999, S. 238 ff.; Frenz, StuW 1997, S. 117 ff. 71 So Weber, Grundgesetz, Gesellschaftsrecht und die Besteuerung der selbständigen Unternehmen, S. 79. 72 So insbesondere Watrin, DStZ 1999, S. 239, der betont, dass nicht gesichert sei, dass einbehaltene Gewinne tatsächlich auch investiert würden. Daher sei eine steuerliche Begünstigung im Rahmen des Betriebsteuerkonzeptes ökonomisch unsinnig. 73 Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 77. 74 So Heinhold, FS-Seicht, S. 77 ff., der anmerkt, dass sich insoweit sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich zahlreiche, politisch bedingte Verstöße gegen dieses Postulat finden lassen. 75 Vgl. Heinhold in FS-Seicht, S. 78. 69 70

74

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Im Gegensatz insbesondere zur Thematik der Investitionsneutralität spielen diese Postulate in der Diskussion wohl eine eher untergeordnete Rolle. Daher werden beide Thematiken nachfolgend ausgeblendet.

V. Entscheidungsneutralität als „Desideratum“ von Steuersystemen Es wurde bisher mehrfach betont, dass vor allem die wirtschaftswissenschaftliche Literatur die Entscheidungsneutralität der Besteuerung als „ökonomisches Ideal“ versteht76. Bislang wurde jedoch noch nicht näher untersucht, welche Gründe hierfür angeführt werden. Nachfolgend sollen deshalb die aus ökonomischer Sicht insofern wichtigsten Argumente angeführt werden. Werden durch komplexe Steuersysteme wirtschaftliche Handlungsalternativen nicht entscheidungsneutral belastet, dann werden hierdurch Steuervermeidungsplanungen beim Steuerpflichtigen ausgelöst, um den Betrag der steuerlichen Belastung zu minimieren bzw. die unter Berücksichtigung der Steuer optimale Handlungsalternative auszuwählen77. Beispiele für diese Kosten sind etwa die Honorare für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die damit beschäftigt sind, die größte Steuerminderung für den Mandanten zu erreichen78. Da bei einem neutralen Steuersystem die steuerlichen Handlungsalternativen keinen Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit der Alternative haben, bedarf es dort keiner solchen Steuervermeidungsplanung. Einzelwirtschaftlich betrachtet entstehen somit im Falle fehlender Neutralität erhebliche Planungskosten, die neben den eigentlichen Steuerzahlungen auf den Steuerpflichtigen zukommen und die bei einem per se entscheidungsneutralen Steuersystem entfielen79. Unter der im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum verbreiteten Annahme, dass sich das gesamtwirtschaftliche Optimum aus einer marktwirtschaftlichen Ressourcenallokation im Falle (und auch wegen) fehlender Besteuerung selbständig herausbildet, muss eine Besteuerung, bei welcher die gewählte Handlungsalternative über die Höhe der zu zahlenden Höhe entscheidet, zu einer Verzerrung dieses Optimums führen80. Vgl. bspw. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 38 ff. Wagner, StuW 1992, S. 3. Die hieraus entstehenden Planungskosten der Steuervermeidung zählen im weiteren Sinne ebenfalls zu den Kosten der Besteuerung. 78 Nach Hall / Rabushka, Das Steuermodell der Zukunft, S. 26, handelt es sich bei diesen Dienstleistungen aber nicht um produktive Tätigkeiten in dem Sinne, dass etwas Wertvolles für die Gesellschaft geleistet wird; daher seien die wahren Kosten in einem solch aneutralen Steuersystem die Güter und Dienstleistungen, die diese Menschen produziert hätten, wenn sie ihre Tätigkeit nicht darauf gerichtet hätten, Steuervermeidungsstrategien zu entwickeln. 79 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 39. 80 Vgl. Schwinger, Einkommen- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 13. 76 77

A. Entscheidungsneutralität

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Berücksichtigt man daher, dass durch ein nicht entscheidungsneutrales Steuersystem in die wettbewerblich geregelte Ressourcenallokation eingegriffen wird, wodurch gesellschaftliche (Zusatz-)Kosten entstehen81, dann verdeutlicht dies, dass eine entscheidungsneutrale Besteuerung wegen der hierdurch vermiedenen steuerlichen Zusatzlasten (sog. „excess burden“82) auch gesamtwirtschaftliche Vorzüge hat. Das Besteuerungsideal der Entscheidungsneutralität findet auf gesamtwirtschaftlicher Ebene seine Begründung in der Überzeugung von der Effizienz der freien marktwirtschaftlichen Ordnung und ist daher auch an diese gebunden83. Hieraus lässt sich aber nicht schließen, dass Entscheidungsneutralität und Lenkungswirkung als Maximen eines Steuersystems grundsätzlich unvereinbar sind. Von den Befürwortern eines entscheidungsneutralen Steuersystems wird vielmehr das Gegenteil angenommen. Um mit einer Steuer zielgerichtet lenken zu können, sei es erforderlich, dass in dem vorhandenen Steuersystem nicht bereits immanent unbeabsichtigte Lenkungswirkungen vorhanden sind, die Einfluss auf die vom Gesetzgeber gewünschte Wirkung der Lenkungssteuer haben. Entscheidungsneutralität wird daher auch dann gefordert, wenn der Steuergesetzgeber ausdrücklich einen Lenkungseffekt erzielen will. Eine zielgerichtete Fiskalpolitik erfordere das Berücksichtigen von Neutralität quasi als „Nullpunkt“ oder „Eichstrich“84, um ungewünschte Lenkungseffekte zu vermeiden85. In einem entscheidungsneutralen Steuersystem, bei welchem die Rangfolge der Entscheidungen nicht beeinflusst wird, ist es für den einzelnen Steuerpflichtigen nicht möglich, der Steuerbelastung auszuweichen. Geht man (aus fiskalischen Gründen) von einem gegebenen Betrag der Steuereinnahmen aus, dann bedeutet dies zudem, dass es dem Einzelnen nicht mehr möglich ist, durch Steuervermeidung die Steuerlast auf einen anderen überzuwälzen86. Daher werden neben Effizienzgesichtspunkten auch „Gerechtigkeitsaspekte“ für ein entscheidungsneutrales Steuersystem angeführt.

Wala / Wiener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 102. Diese Zusatzlast der Besteuerung (neben dem Begriff „excess burden“ ist insoweit auch der Begriff „deadweight loss of taxation“ gebräuchlich) wird also darauf zurückgeführt, dass die einer Laissez-Faire-Allokation eigene Paretoeffizienz durch die Einführung verzerrender Steuern gestört wird, vgl. Niemann, Neutrale Steuersysteme unter Unsicherheit, S. 6, m. w. N. 83 Wagner, StuW 1992, S. 6. 84 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 193 und S. 196. Daher darf Entscheidungsneutralität auch nicht mit Steuerneutralität verwechselt werden. 85 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 40. 86 Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 12. 81 82

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

VI. Die unterschiedlichen Ansatzpunkte im kapitalorientierten Besteuerungsmodell 1. Vorbemerkung In der Literatur werden zwei Klassen von entscheidungsneutralen Steuersystemen genannt. Zum einen kann die Steuerzahlung unabhängig vom Entscheidungsverhalten des Steuerzahlers erfolgen. In einem solchen Fall, in welchem alle Entscheidungsalternativen zum gleichen Steuerbetrag führen, kann die Besteuerung keine Entscheidungswirkung auslösen87. Man spricht insoweit von entscheidungsfixer Besteuerung88. Diese sog. „Kopfsteuer“, die von jedem den gleichen Betrag verlangt, hat jedoch wegen des offensichtlichen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip wenig Anhänger gefunden89. Eine solche Steuer würde weder Existenzminimum noch individuelle Besonderheiten berücksichtigen und würde daher dem in Art. 20 GG normierten Sozialstaatsprinzip zuwiderlaufen90. Bei der zweiten Gruppe, zu der auch die konsumorientierten Besteuerungskonzepte gehören, wird auf die betriebswirtschaftliche Zielgröße des Steuerpflichtigen abgestellt, wobei der Steuertarif bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss91. In der Literatur werden in diesem Zusammenhang zwei grundsätzlich verschiedenartige Steuersysteme diskutiert, die neben der entscheidungsfixen Besteuerung die Neutralitätsbedingungen erfüllen sollen92: – Die konsumorientierten Besteuerungsmodelle. – Eine Gewinnsteuer, bei welcher die Zahlungssalden um die Ertragswertveränderungen korrigiert werden und Zinsen besteuert werden (Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinns)93.

Das zweitgenannte Modell, eine Gewinnsteuer, die Zahlungssalden um die Ertragswertveränderungen korrigiert, soll nun nachfolgend kurz dargestellt werden. 2. Die Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinns Der kapitaltheoretische („ökonomische“) Gewinn wird seit den Arbeiten von Samuelson94 und Johansson95 als Gestaltungsmöglichkeit einer investitionsneuVgl. Niemann, Neutrale Steuersysteme unter Unsicherheit, S. 7. Vgl. Niemann, Neutrale Steuersysteme unter Unsicherheit, S. 7. 89 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 86. 90 Wotschofsky, Der Progressionsvorbehalt, S. 8. 91 Niemann, Neutrale Steuersysteme unter Unsicherheit, S. 8. 92 Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 33. 93 Erstmals wurde dieses Modell von Johansson, Swedish Journal of Economics 1969, S. 104 ff., und von Samuelson, Journal of Political Economy 1964, S. 604 ff., dargestellt. 94 Samuelson, Journal of Political Economy 1964, S. 604 ff. 87 88

A. Entscheidungsneutralität

77

tralen Einkommensbesteuerung diskutiert. Als klassische Definition des ökonomischen Gewinns wird dabei die Annahme von Hicks96 gesehen, dass ein Unternehmer das Ziel verfolgt, seine künftigen Entnahmen zu maximieren, ohne zugleich sein Wohlstandsniveau zu vermindern; das Maß des Wohlstandsniveaus wird an der Höhe des Ertragswertes gemessen97. Der Ertragswert ist gleich dem Gesamtwert der Investition (bzw. des Unternehmens) und ergibt sich, indem alle zukünftigen Zahlungsüberschüsse auf den Stichtag mit einem bestimmten Kalkulationszinsfuß abgezinst werden98, 99. Der ökonomische Gewinn bezeichnet den Betrag, der ausgeschüttet werden kann, ohne dass der Ertragswert des Unternehmens sinkt. Legt man nun einen bestimmten Zinssatz zugrunde, dann entspricht dieser Gewinn der Verzinsung des zum Stichtag ermittelten Ertragswertes (des Unternehmens / der Investition) mit eben diesem Zinssatz100. Es lässt sich nun mathematisch nachweisen, dass unter modellmäßig angenommener Sicherheit bei einer Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinns kein Einfluss auf die Besteuerung erfolgt und damit Entscheidungsneutralität erreicht wird101. Durch die Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinns wird lediglich der entnahmefähige Rest des ökonomischen Gewinns gesenkt102. Ausgangspunkt ist also, dass die Besteuerung den Kapitalwert einer Investition bzw. den Marktwert eines Unternehmens nicht ändern soll103. Wenn nun die Ertragswerte aller Investitionsobjekte entgegen der Steuerniveauänderung konstant bleiben, ist das Ziel einer entscheidungsneutralen Besteuerung erreicht: Die Steuerpflichtigen passen sich durch Verminderung ihrer Entnahmen einer Steuererhöhung und durch Erhöhung ihrer Entnahmen einer Steuerminderung an – hiervon bleiben die Ertragswerte der Investitionsobjekte unbeeinflusst104. Johansson, Swedish Journal of Economics 1969, S. 104 ff. Hicks, Value and Capital, S. 30. 97 Kahle, WiSt 1995, S. 214. 98 Insoweit entspricht nun die Definition des Ertragswertes der des Kapitalwertes, nur dass letzterer die am Stichtag anfallenden (Anfangs-)Kosten mit berücksichtigt. Als Kalkulationszinsfuß ist dabei nach Schneider, Cash-flow-Besteuerung als klägliche Konterrevolution gegen den ökonomischen Gewinn, S. 5, der Konkurrenzgleichgewichtspreis für die einperiodige Geldüberlassung zu verstehen. 99 Kahle, WiSt 1995, S. 214. 100 Schneider, ZfhF 1963, S. 461. 101 Auf die Darstellung dieses Nachweises soll in dieser Arbeit verzichtet werden, vgl. hierzu Schneider, ZfhF 1963, S. 461 ff., m. w. N. Da insoweit die Zielgrößen vor Steuern und nach Steuern identisch sind, ist hierbei sogar die strenge Neutralitätsform der Niveauinvarianz und damit selbstverständlich auch die weniger strenge Form der Rangfolgeinvarianz gegeben. 102 Haase, BB 1990, S. 112. 103 Vgl. hierzu Feldhoff, Kapitalallokation, Besteuerung und Unsicherheit, S. 94, m. w. N. 104 Auf die Darstellung anhand eines Beispiels wurde verzichtet. Ein sehr instruktives Beispiel findet sich bei Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 218 ff. 95 96

78

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Ermittlungstechnisch stützt sich die Investitionsneutralität darauf, dass aufbauend auf eine Zahlungsrechnung (Einnahmeüberschussrechnung) die Anfangsinvestitionsausgabe bzw. -einnahme ausgeklammert wird105. An die Stelle der Anfangsauszahlung tritt ein Periodisierungsbetrag in jedem Zahlungszeitpunkt, der in der Addition zu einer Gesamtsumme in Höhe des Ertragswertes der Investition führt. Indem dieser Periodisierungsbetrag abgezogen wird, wird der gesamte Ertragswert der Investition steuerfrei gestellt und nicht nur – wie im geltenden Steuerrecht – die abschreibungsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten106. Die Abschreibungen können daher in der Summe auch die Anschaffungskosten – etwa einer Maschine – überschreiten107. Die Konzeption des ökonomischen Gewinns entspricht im Vergleich mit anderen Gewinnermittlungsmethoden (wohl am ehesten) einer Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 III EStG108 mit einer „gedachten Steuerrechtsänderung“109, die sowohl bei abnutzbaren als auch bei nicht abnutzbaren Anlagen eine Ertragswertabschreibung vorsieht. Führt eine Investition zu einem Ausgabenüberschuss, etwa weil eine Maschine generalüberholt werden muss und die Kosten hierfür die Einnahmen übersteigen, dann führt dies zu einer negativen Ertragswertabschreibung in diesem Jahr und somit zu einer Ertragswertzuschreibung, so dass der zu versteuernde Gewinn über dem Zahlungssaldo liegt110. Das zentrale Problem der Konzeption des ökonomischen Gewinns ist jedoch nicht in der Abkehr von zentralen Prinzipien des geltenden Unternehmenssteuerrechts wie etwa der Begrenzung der Abschreibung auf die Anschaffungskosten zu sehen. Die besondere Problematik dieser Konzeption liegt vielmehr darin, dass die Ertragswerte (insbesondere auch der Anfangsertragswert) wegen der Unsicherheit der zukunftsbezogenen Daten nicht exakt zu bestimmen sind und daher auch der zu versteuernde Gewinn kaum ausreichend exakt bestimmbar ist111. Dies bezieht sich zum einen auf die ex ante zu ermittelnden Zahlungsüberschüsse, zum anderen aber auch auf den zur Bestimmung des Ertragswertes zusätzlich erforderlichen Zinssatz. Es müssten Beträge der Besteuerung zugrundegelegt werden, die auf den Siehe hierzu Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 218 ff. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 218. 107 Vgl. hierzu Steiner, Gewinnsteuern in Partialmodellen für Investitionsentscheidungen, S. 149. 108 Im Einzelnen ist dies in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur streitig, bisweilen wird diese Konzeption auch in die Nähe der Gewinnermittlung nach §§ 5 – 7 EStG gerückt, vgl. Schneider, Cash-flow-Besteuerung als klägliche Konterrevolution gegen den ökonomischen Gewinn, S. 3 ff. Dieser Streit soll hier jedoch nicht vertieft werden. 109 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 218. 110 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 218. 111 Denn dieser erfordert ja die exakte Bestimmung des Ertragswertes als Ausgangsgröße, vgl. Mohr, Konsum- versus Vermögenszuwachsbesteuerung, S. 205. 105 106

A. Entscheidungsneutralität

79

subjektiven Schätzungen der Investoren beruhen und die einer Objektivierung kaum zugänglich gemacht werden könnten112. Selbst wenn man dazu überginge, ex ante ermittelte Zahlungsgrößen nachträglich ex post zu korrigieren, und einen Steuerzugriff erst bei endgültiger Realisierung der Überschüsse erfolgen zu lassen113, würde dies nur das Problem der ex ante unbekannten Zahlungsströme betreffen. Soll aber Entscheidungsneutralität gewährleistet sein, dann müsste es dem Steuerpflichtigen erlaubt sein, einen individuellen Kalkulationszinssatz anzusetzen. Eine solche Regelung würde wiederum Manipulationen Tür und Tor öffnen und wäre administrativ kaum beherrschbar114. Würde man – um dem entgegenzuwirken – einen einheitlichen (möglicherweise branchenbezogenen) Zinssatz festsetzen, dann käme es in den Fällen, in welchen Einheitszinssatz und Kalkulationszinssatz nicht übereinstimmen, wieder zu Entscheidungswirkungen, die gerade vermieden werden sollen115. Aus den genannten Gründen wird die Konzeption des ökonomischen Gewinns in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wohl überwiegend als ein in der Praxis unanwendbares Steuersystem abgelehnt116. Das Modell stellt im Schrifttum derzeit keine ernsthaft diskutierte Alternative zu den Konsumsteuersystemen dar und soll hier deshalb nicht weiter vertieft werden. Im Folgenden werden nun – ausgehend von den im Dritten Teil dieser Arbeit gemachten Grundkonzepten – die wesentlichen konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle im Einzelnen dargestellt. Dabei lassen sich die an die Grundidee der Sparbereinigung anknüpfenden Cash-flow-Steuermodelle sowie die zinsbereinigte Unternehmensbesteuerung unterscheiden. Im Anschluss an die Darstellung dieser Modelle sollen diese im Hinblick auf die ihnen zugeschriebene Entscheidungsneutralität kritisch überprüft werden.

Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 68. Kahle, WiSt 1995, S. 217 f. 114 Kahle, WiSt 1995, S. 217 f. 115 Zur Problematik, ob diese Verzerrungswirkungen weitestgehend vermieden werden könnten, indem sich der steuerliche Rechnungszins am jeweiligen Kapitalmarktzins orientiert, vgl. Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 159. Dies soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden. Eine Übereinstimmung der beiden Zinssätze und damit ein Entfallen jeglicher Entscheidungswirkung wäre jedenfalls ein bloßes „Zufallsprodukt“, vgl. Kahle, WiSt 1995, S. 218. 116 Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 68, attestieren dem „ökonomischen Gewinn“, nicht viel mehr als ein theoretisches Ideal zu sein; vgl. auch Haase, BB 1990, S. 113, der den Übergang zur Besteuerung des ökonomischen Gewinns mit dem „Ersatz des Zollstocks durch das Gummiband“ vergleicht; hiergegen jedoch bspw. Richter, BB 1990, S. 760 f. 112 113

80

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle: Die allgemeine betriebliche Cash-flow-Steuer I. Die Kennzahl „Cash-flow“ Die Kennzahl „Cash-flow“ (in wörtlicher Übersetzung: „Zahlungsstrom“) dient insbesondere den Zwecken der Finanz- und Bilanzanalyse und ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur in unterschiedlichen Fassungen anzutreffen. Darüber hinaus wird der Begriff auch für Umsatzüberschussrechnungen (hierbei im Wesentlichen unter dem Oberbegriff Kapitalflussrechnungen) verwendet117. Auch im Rahmen der Diskussionen um eine Reform der Unternehmensbesteuerungsmodelle taucht der Begriff Cash-flow auf. Gleichwohl verbergen sich hinter diesem – identischen – Begriff jeweils unterschiedliche Kenngrößen, so dass von der finanzwissenschaftlichen Literatur selten Bezug auf den betriebswirtschaftlichen Begriff des Cash-flows genommen wird. Es soll nun zunächst der von der Betriebswirtschaftslehre verwendete Begriff des Cash-flows kursorisch erläutert werden. Daran anschließend erfolgt eine Darstellung des finanzwissenschaftlichen Cash-flow-Begriffes und dessen Ausgestaltung in den unterschiedlichen Cash-flow-Unternehmenssteuermodellen.

II. Der betriebswirtschaftliche Cash-flow-Begriff In der Betriebswirtschaftslehre wird der Cash-flow als Kennzahl verstanden, die dem Bilanzanalytiker helfen soll, die Finanzlage eines Unternehmens zu beurteilen. Daneben dient er auch zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsund Finanzierungsprojekten118. Mithin ist seine Hauptaufgabe darin begründet, Aussagen über die Fähigkeit eines Unternehmens zu treffen, zukünftige Zahlungsüberschüsse zu erwirtschaften, bestehende Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen und hierdurch eine Aussage über die Finanz- und Ertragskraft des Unternehmens treffen zu können119. Als finanzielle Stromgröße wird der Cash-flow in Literatur und Praxis nicht einheitlich definiert; die verschiedenen Cash-flow-Definitionen unterscheiden sich nach den ihnen jeweils zugrundegelegten Komponenten120. Das Grundprinzip der Ermittlung des betriebswirtschaftlichen Cash-flows verwendet als Basisgröße den Jahresgewinn (Jahresüberschuss) aus der Gewinn- und Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 572. Vgl. Corsten / Reiß, Betriebswirtschaftslehre, S. 530. Die letztgenannte Funktion würde auch dem Hauptzweck des finanzwissenschaftlichen Cash-flow-Begriffs entsprechen. 119 Corsten / Reiß, Betriebswirtschaftslehre, S. 530. 120 Vgl. Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, S. 836. 117 118

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle

81

Verlustrechnung121. Zu diesem Gewinn, der sich aus der Differenz von Erträgen und Aufwendungen ergibt, werden nun alle Aufwendungen hinzugezählt und alle Erträge wieder abgezogen, die im untersuchten Zeitraum nicht finanzwirksam geworden sind, denen also keine Einzahlungen bzw. Auszahlungen gegenüberstehen122. Die unterschiedlichen Cash-flow-Definitionen begründen sich nun darin, dass die Auffassungen darüber divergieren, welche Vorgänge als „finanzwirksam“ angesehen werden müssen und welche nicht. Die nachfolgende Übersicht stellt die wohl wichtigsten vier Cash-flow-Definitionen der Betriebswirtschaftslehre dar123: Bilanzgewinn –

Gewinnvortrag

+

Verlustvortrag

+

Erhöhung der Rücklagen



Auflösung der Rücklagen

=

Jahresüberschuss

+

Abschreibungen



Zuschreibungen (Wertaufholungen)

=

Cash-flow Nr. 1

+

Erhöhungen langfristiger Rückstellungen



Auflösungen langfristiger Rückstellungen

=

Cash-flow Nr. 2

+

sonstige betriebliche Aufwendungen



sonstige betriebliche Erträge

=

Cash-flow Nr. 3



Gewinnausschüttungen

=

Cash-flow Nr. 4

Die Grundidee des betriebswirtschaftlichen Cash-flows als ertragswirtschaftliche Kenngröße beruht auf dem bilanzanalytischen Grundgedanken, dass in der Cash-flow-Kennziffer Positionen (wie insbesondere Abschreibungen und Rückstellungen) enthalten sind, die erfahrungsgemäß in besonderem Maße bilanzpolitisch zur Verschleierung des tatsächlichen Gewinns verwendet werden. Werden nun diese Positionen zusammen mit dem „manipulierten“ Periodenerfolg in der Cashflow-Kenngröße erfasst, dann neutralisiert sich die Wirkung dieser bilanzpoliti121 Der Einfachheit halber soll hier nur die sog. indirekte Ermittlung des Cash-flows dargestellt und auf die Einzelheiten der direkten Ermittlung nicht näher eingegangen werden, vgl. zu den unterschiedlichen Ermittlungsmethoden beispielsweise Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft, S. 572 ff., m. w. N. 122 Vgl. Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, S. 836 ff. 123 Übersicht nach Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, S. 836.

6 Reis

82

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

schen Maßnahmen124. Bei dem betriebswirtschaftlichen Cash-flow handelt es sich also um eine Kenngröße, so die Argumentation, die (weitestgehend) unbeeinflusst von Bewertungsmanipulationen ist125. Als finanzwirtschaftliche Überschuss-Kenngröße dient der Cash-flow der Bestimmung der Innenfinanzierungskraft für Investitionen, Schuldentilgung und Aufrechterhaltung der Liquidität126.

III. Die Grundprinzipien der Cash-flow-Besteuerung Der Begriff Cash-flow, der im Zusammenhang mit einer Reform der Unternehmensbesteuerung verwendet wird, wird von der Literatur nur selten mit dem aus der Betriebswirtschaftslehre bekannten Cash-flow in Verbindung gebracht127. Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, S. 633. Gegen diesen einleuchtenden Grundgedanken und die Verwendung des Cash-flows als Erfolgsindikator werden insbesondere zwei Kritikpunkte hervorgehoben, vgl. bspw. Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, S. 633 ff.: 1. Beim Cash-flow handelt es sich seiner Natur nach nicht um den betriebswirtschaftlichen Gewinn eines Unternehmens, da in ihm Aufwandspositionen wie Abschreibungen und Rückstellungen enthalten sind. Um den Cash-flow als die „richtige“ Erfolgsgröße interpretieren zu können, müsste man aber diese verrechneten Aufwandspositionen in einen „echten“ und einen lediglich als Aufwand titulierten Betrag, der in Wirklichkeit einen Gewinn darstellt, aufteilen. Dies ist aber bei der externen Bilanzanalyse nicht möglich bzw. soll gerade durch Verwendung der Cash-flow-Kenngröße umgangen werden. 2. Auch als Indikator für relative Veränderungen oder Unterschiede in der Ertragskraft ist der Cash-flow nur bedingt geeignet bzw. eher ungeeignet. Ein solcher Erfolgsvergleich würde nämlich voraussetzen, dass alle Einflüsse, die zwar den Cash-flow, nicht aber die Ertragskraft beeinflussen, konstant gesetzt werden würden. Ein weiterer Mangel der hier aufgeführten Cash-flow Bestimmungen wird darin gesehen, dass mit den auszahlungswirksamen Aufwendungen und einzahlungswirksamen Erträgen nicht alle Betriebsauszahlungen und Betriebseinzahlungen aus dem Umsatzprozess der Abrechnungsperiode erfasst werden, denn es fehlen alle erfolgsneutralen Bestandsveränderungen, da sie nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden, vgl. Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, S. 837 ff. So hat es bspw. keine Auswirkung auf den Cash-flow, wenn Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe gekauft und in derselben Periode bezahlt werden. Der Mittelabfluss wird durch die Bestandserhöhung ausgeglichen. Jedoch lassen sich diese erfolgsneutralen Vorgänge durch Erweiterung des Cash-flow-Ermittlungsschemas berücksichtigen: Bisheriger Cash-flow + einzahlungswirksame, erfolgsneutrale Bestandsänderungen – auszahlungswirksame, erfolgsneutrale Bestandsänderungen = Cash-flow Den genannten Unzulänglichkeiten zum Trotz gibt der Cash-flow gerade beim Vergleich mit anderen Unternehmen und über mehrere Perioden zumindest Anhaltspunkte, so dass seine Bedeutung als bilanzpolitisches Analyseinstrument ungebrochen ist. 126 Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 573 f. 127 Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 36. 124 125

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle

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Der von der Finanzwissenschaft verwendete Terminus des Cash-flows hat weniger die Ermittlung der Finanz- oder Ertragskraft eines Unternehmens zum Ziel; vielmehr soll hierdurch der Einnahmeüberschuss aus der Umsatztätigkeit eines Unternehmens ermittelt werden, der für andere als investive Zwecke, wie beispielsweise für die Ausschüttung an Anteilseigner, Anlage auf dem Geldmarkt oder für die Rückzahlung von Krediten zur Verfügung steht128. Während bei der herkömmlichen Einkommen- und Körperschaftsteuer der Gewinn aus der Differenz von Ertrag und Aufwand gebildet wird, bezieht sich die Bemessungsgrundlage der Cash-flow-Steuern auf die Bestimmungsgrößen Einzahlung und Auszahlung129. Einzahlungen und Auszahlungen bezeichnen hierbei konkrete Zugänge und Abgänge von Geld bzw. Zahlungsmitteln130; wobei unter Geld bzw. Zahlungsmitteln die Komponenten des Geldmengenaggregats M1 , also Bargeld und Sichteinlagen bei Kreditinstituten, Schecks (da sie Zahlungsanweisungen darstellen), nicht aber Wechsel oder andere verbriefte kurzfristige Verbindlichkeiten zu verstehen sind131. Die Cash-flow-Steuermodelle beziehen sich streng zahlungsmittelorientiert auf den Zahlungsüberschuss, d. h. die Differenz zwischen Einzahlungen und Auszahlungen innerhalb einer Periode132. Zur periodischen Abgrenzung dieser Bemessungsgrundlage ist daher der Zahlungstermin das Abgrenzungskriterium. Steuerbare Erfolge gelten als in der Periode realisiert, in welcher sie sich durch Zahlungen konkretisiert haben133. 1. Entlastung der Investition und Belastung der Desinvestition Zentrales Prinzip aller Cash-flow-Steuersysteme ist, dass jede Investition entlastet und jede sog. Desinvestition belastet wird. Der Gesichtspunkt der effektiven Freistellung der Investition von der Besteuerung ist die gemeinsame Grundlage aller rechentechnischen Varianten der Cash-flow-Besteuerung134. Dabei bedeutet Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 41. Cansier, WD 1989, S. 49. 130 Oftmals wird anstatt von Zahlungen von Einnahmen bzw. anstatt von Auszahlungen von Aufwand gesprochen. Dies liegt daran, dass die Begriffe Einnahme und Einzahlung (bzw. Aufwand und Ausgabe) im angelsächsischen Schrifttum aber auch teilweise in der deutschen Literatur synonym verwendet werden. Allerdings hat sich die Unterscheidung mittlerweile in der deutschsprachigen, betriebswirtschaftlichen Literatur etabliert. Danach unterscheidet sich die Einnahme von der Einzahlung (Entsprechendes gilt für Auszahlungen und Ausgaben) dadurch, dass letztere streng zahlungsmittelorientiert ist, während erstere auch sonstige Geldforderungen umfasst, vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 38. 131 Vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 37. 132 Insoweit besteht allerdings kein Widerspruch zu dem aus der Betriebswirtschaftslehre bekannten Cash-flow-Begriff. 133 Feldhoff, StuW 1989, S. 54. 134 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 38. 128 129

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Investition Verzicht auf konsumtive Verwendung von Zahlungsmitteln und anderer Güter zugunsten einer wirtschaftlichen Betätigung135. Dementsprechend unterliegt die vom einzelnen Haushalt (privat) getätigte Ausgabe nicht diesem Investitionsbegriff. Bei den Cash-flow-Steuersystemen kommt es zur Entlastung der betrieblichen Investitionen, indem ab ihrer Einführung alle mit den Investitionen zusammenhängenden Zahlungen die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern136. Dementsprechend erhöhen die anfallenden Zahlungsüberschüsse die Bemessungsgrundlage. Wird das Gegenteil von Investition als Desinvestition bezeichnet, dann kann man die Cash-flow-Steuersysteme auch als Desinvestitionssteuer bezeichnen, denn es bleibt bzw. kommt dann zu einer Besteuerung, wenn die erwirtschafteten Zahlungsüberschüsse nicht investiert, sondern nicht-investiven also konsumtiven Zwecken zugeführt werden137. Werden die Beträge hingegen nicht konsumiert, sondern in demselben oder einem anderen steuerpflichtigen Betrieb investiert, dann entfällt insoweit die Besteuerung bzw. es erfolgt eine Steuererstattung138. Eine andere in diesem Zusammenhang ebenfalls vorgeschlagene Möglichkeit besteht darin, nicht wie grundsätzlich bei der Cash-flow-Steuer die Investition zu entlasten und die Desinvestition zu belasten, sondern einerseits die Investition nicht zu entlasten und andererseits die später erfolgende Desinvesitition nicht zu belasten. Bei einem solchem Besteuerungssystem bleibt die frühere Steuerbelastung bestehen, die Steuer wird quasi im Hinblick auf die spätere Desinvestition „vorausgezahlt“139. Bei dieser Art der Besteuerung handelt es sich um eine Einkommen- oder Ertragsteuer mit (anschließender) Freistellung der Kapitalerträge. Insofern besteht eine gewisse Nähe zur zinsbereinigten Einkommensteuer, bei welcher man ebenfalls davon sprechen kann, dass die Steuer auf den späteren Konsum im Voraus gezahlt wird140. Allerdings bestehen gerade methodisch deutliche Unterschiede zwischen beiden Verfahren. So spielt der Begriff der im Ergebnis steuerbefreiten „Normalverzinsung“ grundsätzlich keine Rolle bei dieser Variante der Cash-flow-Steuer.

135 Dieser Investitionsbegriff entspricht dem der Makroökonomie, wonach auf wirtschaftliche Betätigung abstellend, Konsum negativ verstanden wird, nämlich als alternative Verwendung von Zahlungsmitteln und anderen Gütern für nicht wirtschaftliche Betätigungen, vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 39. 136 Meade Committee, S. 230 ff. 137 Bach, WD 1992, S. 325. 138 Bach, WD 1992, S. 325. 139 Diese Form der Investitionsentlastung wird deshalb als Steuervorauszahlungsansatz („tax prepayment“) bezeichnet, vgl. hierzu Seidl in Rose (1990), S. 414. 140 Siehe hierzu die Ausführungen im Dritten Teil dieser Arbeit unter A. III.

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2. Cash-flow-Steuer als Betriebsteuer Mit der Entscheidung für die Besteuerung von Zahlungen ist noch nicht zugleich entschieden, welchen Charakter diese Zahlungen als Unternehmenssteuer haben. Es kommen insoweit zwei Konzeptionen in Betracht141. Zum einen könnte es sich dabei um eine besondere Erhebungsform der allgemeinen Einkommensteuer oder Konsumsteuer handeln. In diesem Fall handelt es sich dann lediglich um ein Quellenabzugsverfahren 142. Des Weiteren ist diese Steuer aber auch als selbständige Steuer neben einer allgemeinen Einkommenoder Konsumsteuer denkbar, wobei dann das Unternehmen als selbständiges Steuerobjekt aufzufassen ist. In der Literatur wurden und werden Cash-flow-Steuern zumeist in diesem letztgenannten Sinn als allgemeine Unternehmens- oder Betriebsteuer, seltener als Körperschaft- oder als sog. Übergewinnsteuer für einzelne wirtschaftliche Betätigungen (wie beispielsweise Rohstoffgewinnungen) entwickelt143. Steuersubjekt der Cash-flow-Steuer ist damit nicht die juristische Person, sondern der Betrieb. Im weiteren Verlauf soll dieser Auffassung – ausgehend von einem weiten Betriebsbegriff – gefolgt werden. Zur Bestimmung des Begriffes „Betrieb“ kann dabei auf die Normen des gegenwärtigen Steuerrechts, insbesondere § 15 II EStG zurückgegriffen werden144, wonach sich der Betrieb dann wie folgt definiert: Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist ein Betrieb. Geht man von einer solchen Betriebsdefinition aus, dann bleiben Vermögenstransfers wie Erbschaften, Schenkungen, Sozialtransfers etc. außerhalb der Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr insoweit ebenso (cash-flow-)steuerfrei wie nicht marktgerichtete Aktivitäten der Selbstversorgungswirtschaft wie z. B. unentgeltliche Nachbarschaftshilfe145. Ebenso wenig werden wegen des Kriteriums der Gewinnerzielungsabsicht Einkünfte aus einem Hobby unter diesen Begriff subsumiert146 . Der hier dargestellte Betriebsbegriff geht deutlich über den Begriff des Gewerbebetriebes des § 15 EStG hinaus, denn er umfasst zum einen auch Land- und Feldhoff, StuW 1989, S. 54. Vgl. Feldhoff, StuW 1989, S. 54. 143 Vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 32, und zu der Ausgestaltung der Cashflow-Steuer als Übergewinnsteuer ausführlicher auf S. 399 ff. 144 So Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 32 ff. 145 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 34 ff. 146 Im Einzelnen treten dabei freilich die gleichen Abgrenzungsprobleme zwischen Liebhaberei und gewerblicher Betätigung auf, die auch nach geltendem Recht immer wieder zu Gerichtsverfahren führen und geführt haben, vgl. bspw. BFH GrS, BStBl. II 1984, 752 (766). 141 142

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Forstwirtschaft sowie selbständige Tätigkeit, zum anderen aber auch grundsätzlich die private Vermögensverwaltung147. Dieser Betriebsbegriff setzt voraus, dass es sich um selbständiges Handeln, d. h. Handeln auf eigene Rechnung und Gefahr ohne Anleitung eines anderen handelt148. Des Weiteren muss eine Nachhaltigkeit der Betätigung vorliegen. Die Cash-flow-Steuer besteuert grundsätzlich den einzelnen Betrieb, d. h. sie kann mithin als analytische oder zerlegte Objektsteuer149 aufgefasst werden. Gleichwohl liegt es aus Gründen der Praktikabilität nahe, entsprechend den Regelungen des § 15 III EStG und § 8 KStG die betreffenden Betriebe mit allen wirtschaftlichen Betätigungen als einen einheitlichen Betrieb zu behandeln150. Bei der Abgrenzung zwischen selbständiger wirtschaftlicher und unselbständiger Betätigung handelt es sich letztlich um die bereits im gegenwärtigen Steuerrecht bestehenden Unterscheidungsproblematiken. 3. Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung einer Cash-flow-Steuer Problematisch im Zusammenhang mit einer Einführung einer Cash-flow-Steuer ist die Frage, wie vor Einführungszeitpunkt bereits getätigte Investitionen, also die Kapitalbestände, zu behandeln sind. Hierbei werden drei Varianten diskutiert151: a) Die sog. Belastungslösung Eine Möglichkeit besteht darin, keine Rücksicht auf den im Unternehmen vorhandenen Kapitalbestand zu nehmen. In diesem Fall unterliegen der Cash-flowSteuer zusätzlich zu den Rückflüssen aus den bereits von der Cash-flow-Steuer entlasteten Investitionen die Desinvestitionen des zum Einführungszeitpunkt bestehenden Kapitalbestands in vollem Umfang152.

147 Inwieweit hiervon allerdings die Einnahmen aus Kapitalvermögen betroffen sind, wird nachfolgend im Zusammenhang mit der Darstellung der einzelnen Varianten der Cash-flowSteuersysteme aufgezeigt. 148 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 413. 149 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 34. 150 So Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 34. 151 Vgl. hierzu Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 42 ff. 152 Vgl. Sinn in Bös / Rose / Seidel, S. 229. In diesem Fall vermindert sich der Marktwert des Betriebs vor Einführung der Cash-flow-Steuer (MBvor ) um   E (wobei  den Cashflow-Steuersatz und E den Ertragswert aller zukünftigen Desinvestitionen darstellt).

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b) Die sog. Abschreibungslösung Ein anderer Ansatz besteht darin, dass der Kapitalbestand auch nach Einführung der Cash-flow-Steuer planmäßig abgeschrieben wird und hierdurch die Bemessungsgrundlage der Cash-flow-Steuer über einen längeren Zeitraum gesehen entsprechend der Abschreibungsraten gemindert wird153. Bei dieser Variante wird der Marktwert des Betriebes durch Einführung der Cash-flow-Steuer im Vergleich zur sog. Belastungslösung weniger stark vermindert. c) Die sog. Entlastungslösung Die sog. Entlastungsmöglichkeit besteht nun darin, neben den ab Einführungszeitpunkt getätigten Investitionen auch die im vorhandenen Kapitalbestand gebundenen Alt-Investitionen zu entlasten. In diesem Fall ist dem betroffenen Unternehmen eine Steuererstattung in Höhe des mit dem Cash-flow-Steuersatz multiplizierten Kapitalbestandes oder ein entsprechender Anspruch zu gewähren154. Im Vergleich zu den beiden anderen Varianten führt dies zu dem höchsten Kapitalwert des betroffenen Betriebes, gleichzeitig würde dies aber, da ein großer Anteil des volkswirtschaftlichen Sachvermögens betroffen ist, auch bedeuten, dass es gerade bei Einführung der Cash-flow-Steuer zu massiven Steuerausfällen in der Übergangszeit käme. Dies würde zugleich massive volkswirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringen, deren Folgen kaum absehbar wären. 4. Zur Regelung eines Verlustausgleichs Eine Variante des Verlustausgleiches im Cash-flow-Steuersystem besteht darin, den Verlust (wobei unter Verlust ein negativer Cash-flow zu verstehen ist155) durch eine dem streng proportionalen Steuersatz entsprechende Steuererstattung des Staates an das Unternehmen auszugleichen. Da eine solche Steuererstattung staatlicherseits, d. h. insbesondere aus fiskalischen Gründen, oftmals nicht gewünscht sein wird, wird vorgeschlagen, über einen Verlustvortrag einen Ausgleich herzustellen156. Die vorgetragenen Verluste werden dabei verzinst157, so dass unter der Annahme eines vollständigen Kapitalmarktes unter Sicherheit und marktgerechter Wahl des 153 154 155 156 157

Vgl. Sievert, Steuern und Investitionen, S. 277. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 44. Vgl. Feldhoff, StuW 1989, S. 55. So Kay / King, The British Tax System, S. 200 ff. So jedenfalls nach Kay / King, The British Tax System, S. 200 ff.

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Zinsfaktors aus der Sicht des betroffenen Unternehmens wirtschaftlich die gleiche Wirkung wie bei einem sofortigen Verlustausgleich erzielt wird158. Damit im Falle des Misserfolges und anschließender Liquidation des Unternehmens der Verlustausgleich nicht entfällt, wird weiterhin vorgeschlagen, dem Betrieb schuldrechtliche Ansprüche gegen den Fiskus einzuräumen, die ohne größere Transaktionskosten auf dem Kapitalmarkt handelbar sein sollten159.

IV. Die rechentechnischen Varianten der Cash-flow-Steuer In der Formulierung „Entlastung der Investition“ und „Belastung der Desinvestition“ kommt, wie bereits dargestellt, der Kernpunkt und wesentliche Grundgedanke der Cash-flow-Steuer, der allen verschiedenen rechentechnischen Varianten zugrunde liegt, zum Ausdruck: Investitionen sind effektiv von der Besteuerung freizustellen160. Alle nachfolgend dargestellten rechentechnischen Varianten der Cash-flowSteuer haben neben den oben aufgeführten gemeinsamen Grundlagen die Eigenschaft, dass die mit einzelnen Zahlungen zusammenhängenden Investitionen bzw. Desinvestitionen nur an einer Stelle auf ihrem Weg durch das Finanzierungssystem ent- bzw. belastet werden161. Weitere Gemeinsamkeit ist, dass die Besteuerung streng proportional erfolgt. Im Hinblick auf die steuerliche Bemessungsgrundlage unterscheiden sich die Cash-flow-Steuersysteme jedoch. Der Darstellung dieser unterschiedlichen Varianten soll zunächst in Anlehnung an die Studie des Meade Committee162 eine Untergliederung in die drei Bereiche der betrieblichen Zahlungsströme vorangestellt werden. R („real items“) bezeichnet in der nachfolgenden Tabelle die im Zusammenhang mit Realinvestitionen stehenden eingehenden Zahlungsströme der Produktionssphäre, d. h. der Verkauf von Gütern, Dienstleistungen sowie sonstige Anlageverkäufe (einschließlich des Eigenverbrauchs), während R0 die Käufe solcher Güter und Dienstleistungen repräsentiert163. Daneben werden aber auch Investitionen in immaterielle Vermögenswerte wie Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung, Marketing etc. zu den Realinvestitionen („real items“) gezählt164. Vgl. Feldhoff, StuW 1989, S. 55. So Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 46. Bezüglich der späteren Tilgung wird dabei von ihm vorgeschlagen, gleich den übrigen Staatsschulden, festgelegte Tilgungstermine vorzusehen oder diese Forderungen bei späteren Steuerzahlungen in Zahlung zu nehmen. 160 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 38. 161 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 41. 162 Meade Committee, S. 231 ff. 163 Vgl. Cansier in FS-Pohmer, S. 144. 158 159

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Tabelle 9 Konto der betrieblichen Zahlungsströme Einzahlungen

Auszahlungen

Realwirtschaftliche Produktionssphäre („real items“) Verkäufe von erstellten Gütern und Dienst- Käufe von Vorleistungen leistungen Verkäufe von Vermögensgegenständen Käufe von Bauten und Ausrüstungen Lohnkosten R R0 Fremdfinanzierung („financial items“) Kreditaufnahme Schuldentilgung durch Schuldner Empfangene Zinsen F

Kreditvergabe Tilgung eigener Schulden Geleistete Zinsen F0

Beteiligungsfinanzierung („share items“) Einlage bzw. Kapitalerhöhung Einzahlung aus Verminderung der Beteiligung an einem anderen Betrieb Empfangene Gewinnausschüttungen S

Entnahme bzw. Kapitalverminderung Auszahlung zum Zwecke der Beteiligung an einem anderen Betrieb Geleistete Gewinnausschüttungen S0

Transaktionen mit dem Staat („tax items“) Steuererstattung

Steuerzahlung T0

T

Saldo: Änderung des Zahlungsmittelbestandes M165

Die Zahlungsströme im Rahmen der Fremdfinanzierung werden mit F bzw. F0 bezeichnet. Damit werden Aus- und Einzahlungen aus der Vergabe und Tilgung von Krediten sowie erhaltene und geleistete Zinszahlungen erfasst. Entscheidend ist insoweit die Differenzierung zwischen Beteiligungsfinanzierung und Fremdfinanzierung. Nur die Letztgenannte wird im Rahmen der F F0 Zahlungsströme erfasst166. Vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 48. Die Änderung des Zahlungsmittelbestandes ordnet das Meade Committee, S. 231, als „increase / decrease in cash balance / overdraft“ bei den F-items ein. 166 Die Unterscheidung entspricht dabei der betriebswirtschaftlichen Finanzierungslehre, wonach auf die Rechtsstellung des Investors abzustellen ist: Einlagen- oder Beteiligungsfinanzierung beinhaltet alle Arten der Beschaffung von Eigenkapital von bisher vorhandenen oder neu hinzutretenden Gesellschaftern, vgl. Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft der Unter164 165

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Zahlungen aufgrund von Kapitalerhöhungen bzw. Einlagen sowie Gewinnausschüttungen werden von den Größen S und S0 dargestellt. Unter Berücksichtigung der mit T bzw. T0 gekennzeichneten Cash-flow-Steuerzahlungen und der Saldogröße  M für die (positive) Änderung des Zahlungsmittelbestands ergibt sich die folgende Kontodarstellung: R ‡ F ‡ S…‡T† ˆ R0 ‡ F0 ‡ S0 …‡T0 † ‡  M :

Die Bestimmung der einzelnen Größen erfolgt dabei dadurch, dass mit Hilfe des („normalen“) Jahresabschlusses eine Kapitalflussrechnung, die auf tatsächlichen Zahlungen aufbaut, erstellt wird167. 1. Die Grundvariante: R-Basis-Cash-flow-Steuer Bereits in einem Aufsatz von E. Cary Brown168 aus dem Jahre 1948 wurde das für die Cash-flow-Steuer zentrale Grundprinzip einer Steuerentlastung bzw. Steuerbefreiung der Investition im Rahmen einer Unternehmensbesteuerung erstmalig aufgegriffen. Diese Grundvariante der Cash-flow-Steuer, nach ihrem Begründer auch BrownSteuer genannt169, besteuert auf der Ebene der Unternehmen die realwirtschaftlichen Zahlungsströme. Die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage ergibt sich dabei durch Abzug der realwirtschaftlich verursachten Auszahlungen von den durch realwirtschaftliche Transaktionen begründeten Einzahlungen170. Entsprechend mindert jede Auszahlung zu investiven Zwecken in voller Höhe die steuerliche Bemessungsgrundlage. Häufig wird dies auch als „Sofortabschreibung“ der Investition bezeichnet171. Dieser Begriff ist jedoch irreführend, da der Begriff Abschreibung aus dem Bereich von Kosten und Aufwendungen stammt und somit in einer rein zahlungsmittelorientierten Rechnung „eigentlich nichts zu suchen hat“172. Die Kassenhaltung wird entsprechend dem oben gewählten Investitionsbegriff als Investition behandelt und mindert daher ebenfalls die steuerliche Bemessungsnehmung, S. 359 f. Dass es zahlreiche Mischformen zwischen Eigen- und Fremdkapital gibt, deren genaue Abgrenzung sich als schwierig erweist (z. B. Gesellschafterdarlehen etc.), soll im Weiteren unberücksichtigt bleiben. 167 Zur Vorgehensweise im Einzelnen vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 42 ff., die dies anhand eines instruktiven Beispiels im Detail darstellt. 168 Brown in FS-Hansen, S. 300 ff. 169 Diese Grundvariante aller Cash-flow-Steuern wurde erstmals im Jahre 1948 von Brown in FS-Hansen, S. 300 ff., vorgestellt. 170 Feldhoff, StuW 1989, S. 54. 171 Vgl. Schneider, BB 1987, S. 696. 172 Feldhoff, StuW 1989, S. 54.

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grundlage173. Dies gilt sowohl für die Grundvariante der R-Basis-Cash-flow-Steuer als auch für alle anderen darauf aufbauenden rechentechnischen Varianten der Cash-flow-Steuer174. Sofern sich aber der Cash-flow und damit die steuerliche Bemessungsgrundlage (wie bei der R-Basis-Cash-flow-Steuer) unmittelbar aus dem realwirtschaftlichen Cash-flow bestimmt, bedarf es einer besonderen Erfassung der Bestandsänderung an Zahlungsmitteln, da sich die betriebliche Kassenhaltung gerade nicht in der Form realwirtschaftlicher Kassenhaltung ausdrückt175. Die Tatsache, dass bei dieser R-Basis-Cash-flow-Steuer nach Brown176 nur die realwirtschaftlichen Zahlungsströme erfasst werden, impliziert, dass Fremdkapitalzinsen als finanzielle Transaktionen nicht abzugsfähig sind. Umgekehrt bleiben aber auch Zinseinnahmen bei diesem Berechnungsschema steuerfrei. Hinsichtlich der aus Kreditaufnahme und –vergabe herrührenden Zahlungsströme macht Brown zwar keine ausdrückliche Aussage, hieraus ist aber wohl eher zu folgern, dass diese Größen bei der Bestimmung des Cash-flows ebenfalls unberücksichtigt bleiben sollen177. Bei der Rückstellungsbildung liegen noch keine Auszahlungen vor. Deshalb erhöht die Bildung von Rückstellungen die Bemessungsgrundlage bzw. es kommt zu keiner Minderung aufgrund der Rückstellungsbildung. Werden Rückstellungen (z. B. Pensionsrückstellungen) hingegen aufgelöst, dann mindert sich die Bemessungsgrundlage der R-Basis-Cash-flow-Steuer, weil in diesem Falle tatsächliche Auszahlungen vorliegen178. Im Ergebnis verlieren Rückstellungen in einem Cashflow-Steuersystem ihren Sinn. Bestandteil der R-Basis-Cash-flow-Steuer ist auch ein sofortiger Verlustausgleich179. Dabei ist Gewinn und Verlust nicht im herkömmlichen Kontext von Ertrag und Aufwand bzw. Kosten und Leistung zu verstehen, denn in einem System reiner Zahlungsrechnungen kann es sich letztlich (nur) um Einzahlungs- und Auszahlungsüberschüsse handeln180. Insofern ist mit dem Begriff „sofortiger VerlustBach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 42. Allerdings wird bei den anderen Cash-flow-Steuermodellen die Kassenhaltung einer Finanzinvestition gleichgesetzt, vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 56. 175 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 42. 176 Brown in FS-Hansen, S. 300 ff. 177 So auch das Meade Committee, S. 230 ff., sowie Kay / King, The British Tax System, S. 200, während Schneider, BB 1987, S. 697, dies anders interpretiert und die aus der Kreditausgabe und –vergabe resultierenden Zahlungströme berücksichtigen möchte. 178 Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 53 ff. 179 So jedenfalls die von Brown in FS-Hansen, S. 303, entwickelte Grundform. Kay / King, The British Tax System, S. 200, modifizieren diese Grundform leicht, indem sie anstelle eines sofortigen Verlustausgleichs einen vollständigen, verzinslichen Verlustvortrag gewähren. 180 Feldhoff, StuW 1989, S. 55. 173 174

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ausgleich“ gemeint, dass es im Falle auftretender Auszahlungsüberschüsse zu einer sofortigen Rückerstattung durch den Fiskus kommt181. Zusammenfassend ergeben sich gegenüber dem bestehenden Körperschaftsteuersystem durch die Besteuerung des realwirtschaftlichen Cash-flows die folgenden Änderungen182: 1. Die Ausgaben für Realinvestitionen sind sofort (d. h. in der Periode ihrer Entstehung) und in voller Höhe von der Bemessungsgrundlage absetzbar. Dementsprechend fällt die anteilige Verteilung von Anschaffungskosten über Abschreibungen weg. 2. In die Bemessungsgrundlage gehen nur Käufe und Verkäufe von Waren und Dienstleistungen ein, die zahlungswirksam geworden sind. 3. Finanzielle Transaktionen (wie z. B. Zinszahlungen und -einnahmen und Kreditaufnahme bzw. Kredittilgung) sowie Transaktionen mit Anteilseignern (wie z. B. Kapitalerhöhungen durch Aktienemissionen und Dividendenzahlungen) bleiben bei der Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage unberücksichtigt. 4. Sofern die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, erhält das Unternehmen einen Zuschuss („Verlustausgleich“) auf das Defizit in Höhe des Steuersatzes183. 5. Die Bildung von Rückstellungen ändert die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht. Weil Zinseinnahmen bei der R-Basis-Cash-flow-Steuer von der Besteuerung ausgenommen sind, kommt es bei Betrieben mit einem hohen Anteil von Finanzinvestitionen im Portefeuille, also vor allem bei Banken, Investment-Gesellschaften und anderen Finanzdienstleistern, regelmäßig zu einer negativen steuerlichen Bemessungsgrundlage und damit zu Steuererstattungen durch den Fiskus184. Dies liegt daran, dass solche Institute den Hauptteil ihrer Dienstleistungen ihren Kunden nicht gesondert in Rechnung stellen, sondern ihre Gewinne mittels der Zinsspanne zwischen Soll- und Habenzinssatz realisieren. Da einerseits Zinseinnahmen und Kapitalerträge in der R-Basis-Steuer steuerbefreit sind, andererseits aber die im realwirtschaftlichen Bereich anfallenden Kosten, wie beispielsweise Lohnkosten, Kosten für Ausrüstung etc. geltend gemacht werden können, hat die Besteuerung auf der Grundlage der R-Basis-Cash-flow-Steuer regelmäßig eine negative Steuerbemessungsgrundlage und somit einen Steuererstattungsanspruch zur Folge185. Feldhoff, StuW 1989, S. 55. Bradford, Untangling the Income Tax, S. 119 ff.; Cansier, WD 1989, S. 50. 183 Wie oben (Vierter Teil, B. III. 4.) dargelegt wird dieser Verlustausgleich entweder sofort ausgezahlt oder aber über (verzinsliche) Gutschriften geregelt. 184 Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 93. 185 Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 93. 181 182

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Ein weiteres Problem der R-Basis-Cash-flow-Steuer wird darin gesehen, dass die Steuerfreiheit von Zinseinkünften aus Schuldtiteln zu Ausweichhandlungen verleitet. Es bestehe daher die Gefahr, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Manager darauf drängen, ihr Gehalt nicht in bar, sondern als zinstragende Schuldtitel ausgezahlt zu bekommen, auch wenn sie hierfür dem Unternehmen bei Eintritt einen Kredit gewähren müssten186. Für Mietzahlungen etc. würden möglicherweise entsprechende Gestaltungen gewählt, so dass die Gefahr massiver Steuerverluste bestehe187. Wollte man einer solchen Steuerausweichhandlung die Legalität nehmen, seien umfangreiche und komplizierte Kasuistiken erforderlich. Damit könnte die R-Basis-Cash-flow-Steuer aber kaum noch das Argument der Praktikabilität und einfachen Gestaltung für sich in Anspruch nehmen. Hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Belastungskonzeption der Cash-flowSteuer kommt es unter fiskalischen Gesichtspunkten nicht zwangsläufig zu einer Gefährdung, wenn lediglich der Schuldner der Kredite steuerpflichtig ist188. In einem solchen Fall steht nämlich der Steuerfreiheit der Zinseinnahmen auf der einen Seite die Nichtabzugsfähigkeit der Zinszahlungen beim Schuldner gegenüber. Damit kommt es aber zu einer steuerlichen „Vorbelastung“ der Zinsen. Das steuerpflichtige Unternehmen des Schuldners kann auch nicht etwa durch „geschickte“ Sachverhaltsgestaltungen steuerpflichtigen Cash-flow aus dem realwirtschaftlichen Bereich in den steuerfreien finanzwirtschaftlichen „transferieren“. Werden beispielsweise Kaufgeschäfte mit Kreditgeschäften derart verknüpft, dass ein Betrieb A einem anderen Betrieb B Waren unter Preis verkauft, dafür aber im Gegenzug höhere Zinsen erhält, so ist hiermit insgesamt keine Steuerminderung oder –vermeidung verbunden. Da der die verbilligte Ware erhaltende Betrieb B seinerseits die erhöhten Zinsausgaben nicht absetzen kann, führt dies nur zu einer Verlagerung der Steuerbelastung von Unternehmen A auf Unternehmen B. Lohnend wird eine solche Kopplung zwischen Verkauf und Kreditgewährung jedoch immer dann, wenn der Käufer im konkreten Fall selbst nicht der Steuer unterliegt (z. B. Haushalt, Ausland oder steuerbefreite Einrichtung)189. Nicht weiter diskutiert werden soll an dieser Stelle die Frage, ob durch die Nichtabsetzbarkeit der Zinsausgaben die Investitionsbereitschaft der kreditaufnehmenden Betriebe beeinträchtigt wird. Bach190 geht davon aus, dass ein solches Steuersystem im langfristigen Gleichgewicht dazu führt, dass die Schuldner der 186 Zur Argumentation im Weiteren vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720. 187 So (wohl etwas überspitzt) Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720. 188 Zur diesbezüglichen Argumentation im Weiteren vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 93, sowie Bach, Die Idee der Cash-flow-Besteuerung, S. 55. 189 Cansier in FS-Pohmer, S. 153. 190 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 56.

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Zinsen die anteilige Cash-flow-Steuer auf die Gläubiger überwälzen würden. Kurzfristig sei jedoch von „Verzerrungen“ auszugehen, sofern bei einer nur geringen Wettbewerbsintensität im Kreditgewerbe eine Überwälzung der durch den Nichtabzug der Zinsen entstehenden Cash-flow-Steuer nicht „auf Anhieb gelingt“. Freilich kommt es auf eine solche Überwälzungsmöglichkeit nicht an, wenn der Schuldner überhaupt nicht steuerpflichtig ist, wie dies etwa bei Kreditgeschäften mit privaten Haushalten, also nicht Steuerpflichtigen, oder Ausländern der Fall sein könnte. Sofern solche Geschäfte nicht privilegiert werden sollen, bestünde eine Möglichkeit darin, den die Finanzdienstleistung abdeckenden Teil an den Kapitalerträgen gesondert zu ermitteln und in die Steuerpflicht einzubeziehen, was jedoch hinsichtlich der Ermittlung einige Probleme bereiten würde.191 Davon unabhängig stellt sich die an dieser Stelle nicht zu vertiefende Frage, wie dieses „optische“ Ungleichgewicht zugunsten von Finanzintermediären unter juristischen Gesichtspunkten zu bewerten ist. Um das Problem der Besteuerung von Profiten im finanzwirtschaftlichen Bereich zu lösen, schlägt das Meade Committee192 vor, auf der Basis von Ausschüttungen Besteuerungen vorzunehmen. Da Fremdkapitalzinsen bei diesem Steuersystem nicht (mehr) abzugsfähig sind, würde auf Unternehmen mit einem relativ hohen Fremdkapitalanteil und damit hohem zu leistendem Zinsanteil eine hohe Steuerlast zukommen, die unter Umständen sogar den Bestand des Unternehmens gefährden könnte193. Daher wäre die Einführung der R-Basis-Cash-flow-Steuer wohl nur bei Einhaltung entsprechend behutsamer Anpassungsfristen möglich, welche es Unternehmen ermöglichen würden, sich auf den Systemwechsel vorzubereiten194. 2. Die R+F-Basis-Cash-flow-Steuer Um auch Banken und Finanzinstitutionen einer Cash-flow-Steuer zu unterwerfen, wurde vom Meade Committee der Vorschlag gemacht, auch finanzwirtschaftliche Zahlungsströme in die Bemessungsgrundlage zu integrieren und somit die R-Basis-Cash-flow-Steuer um die Differenz aus F F0 zu erweitern195. Demnach sind bei der R+F-Basis-Cash-flow-Steuer empfangene Zinszahlungen und -tilgungsleistungen, aber auch die Beträge, die durch Kreditaufnahme in die „Kasse fließen“, steuerpflichtig, während vom Steuerschuldner geleistete Zinsen und Tilgungen sowie vergebene Kredite abzugsfähig sind. Vgl. Meade Committee, S. 259 ff. Meade Committee, S. 233. 193 Feldhoff, StuW 1989, S. 59 ff. 194 Meade Committee, S. 242. 195 Meade Committee, S. 233; vertreten wird diese Form der Unternehmensbesteuerung vor allem von Aaron / Galper, Assessing Tax Reform, S. 79 ff. 191 192

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Damit umfasst die R+F-Basis-Cash-flow-Steuer bis auf die Zahlungen, die im Zusammenhang mit Beteiligungsfinanzierungsgeschäften im Inland stehen, sämtliche sich dem Unternehmen bietenden Finanzinvestitionsmöglichkeiten (Kreditvergabe, Anlage auf dem Geldmarkt, Erhöhung der Kassenhaltung, Erwerb von Aktien anderer Unternehmen im Ausland)196. Werden Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften erworben, dann können diese Beteiligungen und die damit verbundenen Abschreibungen nicht als Investitionsausgabe abgesetzt werden. Andererseits stellen Erträge (Dividenden) aus solchen Beteiligungen keine finanziellen Einzahlungen dar197. Der Grund für die steuerrechtliche Sonderbehandlung solcher Investitionen ist darin zu suchen, dass andernfalls Steuerhinterziehungen befürchtet werden, die hierdurch verhindert werden sollen198. Beträgt nämlich beispielsweise die steuerliche Bemessungsgrundlage des inländischen Unternehmens A 10.000 A und die Bemessungsgrundlage des inländischen Unternehmens B 9.000 A, und könnten Beteiligungen an anderen Unternehmen als Investitionen geltend gemacht werden, dann würde das Unternehmen A Anteile am Unternehmen B in Höhe von 10.000 A und das Unternehmen B umgekehrt Anteile am Unternehmen A in Höhe von 9.000 A erwerben. Durch diese Kapitalerhöhung würde die Bemessungsgrundlage beider Unternehmen auf Null reduziert. Da (bzw. wenn) im Ausland ein anderes Steuersystem gilt und ein ausländisches Unternehmen aus solchen Transaktionen deshalb regelmäßig keinen Nutzen oder sogar einen Nachteil erleiden würde, sind solche Transaktionen mit diesen Unternehmen regelmäßig nicht zu erwarten199. Neben der Einbeziehung der Finanzintermediäre in die Besteuerung liegt ein weiterer Unterschied zur F-Basis-Cash-flow-Steuer darin, dass bei der R+F-BasisCash-flow-Steuer die einbehaltenen Gewinne die Bemessungsgrundlage nicht erhöhen, wenn und soweit sie in Sach- oder Finanzanlagen (mit Ausnahme inländischer Beteiligungen) investiert werden200. Bei der R+F-Basis-Cash-flow-Steuer wird die Investition allerdings (freilich nur) dann steuerlich entlastet, wenn das Realinvestitionsobjekt eigen- und nicht fremdfinanziert wird. Wird es hingegen fremdfinanziert, dann beeinflusst die Investition die Bemessungsgrundlage nicht unmittelbar, und zwar selbst dann nicht, wenn ein Finanzintermediär zwischengeschaltet ist201. Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 56. Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 57. 198 Siehe hierzu und insbesondere zum nachfolgenden Beispiel Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 57. 199 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Neuordnung der Unternehmensbesteuerung, S. 57. 200 Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Neuordnung der Unternehmensbesteuerung, S. 59. 201 Hierzu folgendes Beispiel nach Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 57: Ein Handwerksbetrieb finanziert eine Realinvesitition (z. B. Kauf einer Maschine) indem er bei der Bank einen Kredit aufnimmt. Die Bank refinanziert diesen Kredit wiederum durch Termingelder von Privatkunden. Bei der Bank erhöht nun die Termingeldeinlage den Cash196 197

96

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Dies zeigt, dass die R-F-Basis-Cash-flow-Steuer Investitionen unmittelbar nur entlastet, wenn die investierten Zahlungsmittel durch Beteiligungsfinanzierung (also Einzahlung auf ein Beteiligungskapitalkonto) von Nicht-Steuerpflichtigen aufgebracht werden202. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Art der Besteuerung Eigenfinanzierung und damit wohl auch Eigenkapitalquoten in den Unternehmen fördert. Entsprechend den oben bei der R-Basis-Cash-flow-Steuer gemachten Ausführungen wird auch hier (wie bei allen Cash-flow-Steuersystemen) die betriebliche Kassenhaltung als Investition behandelt, das Meade Committee ordnet die Änderung des Bestandes an Zahlungsmitteln ( M) bei Investitionen in Finanztitel ein203. Die Bemessungsgrundlage der R+F-Basis-Cash-flow-Steuer lässt sich somit bestimmen aus204: …R

R0 † ‡ …F

F0 † :

3. Die Ausschüttungssteuer (S-Basis-Cash-flow-Steuer) Bei der Ausschüttungssteuer, der dritten vom Meade Committee vorgestellten Reformalternative, wird die Steuer auf die Differenz der Zahlungsströme S S0 erhoben. Die Bemessungsgrundlage wird demnach vom Auszahlungsüberschuss gebildet, der aus den Beteiligungstransaktionen zwischen Körperschaft bzw. Unternehmen und den Anteilseignern sowie den inländischen Körperschaften resultiert205. Somit erhöhen Rückzahlungen an Anteilseigner, der Erwerb von Anteilen anderer inländischer Unternehmen sowie insbesondere Dividendenzahlungen die steuerliche Bemessungsgrundlage, während Einzahlungen der Anteilseigner (z. B. durch Emission von Aktien), Verkauf von Anteilen an anderen Unternehmen im Inland sowie empfangene Dividenden aus der Beteiligung an anderen inländischen Unternehmen zu einem Kapitalzufluss führen und damit (als Investitionen) die flow, während die Kreditauszahlung an den Handwerksbetrieb zu einer Minderung führt. Beim Handwerksbetrieb erhöht der ausgezahlte Kreditbetrag den Cash-flow, während es durch die Tätigung der Investition (den Kauf der Maschine) zu einer Minderung kommt. Zins- und Tilgungszahlungen führen beim Handwerksbetrieb zu einer Minderung und bei der Bank zu einer Erhöhung des Cash-flows, diese kann jedoch wiederum eigene Tilgungs- und Zinsleistungen als Abzug geltend machen. Letztlich wird bei der Bank ausschließlich die Zinsdifferenz (F F0 ) zwischen gezahlten und erhaltenen (vom Handwerksbetrieb geleisteten) Zinszahlungen geltend gemacht. Dadurch gelingt es der R+F-Cash-flow-Steuer, die in den Zinsleistungen enthaltenen Entgelte der Finanzinstitute bei diesen selbst zu besteuern, so dass das oben bei der R-Basis-Cash-flow-Steuer beschriebene Problem vermieden wird. 202 Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 94. 203 Die Investition in die betriebliche Kassenhaltung, d. h. das Halten von Bar- und Buchgeldbeständen, um zukünftige Zahlungsverpflichtungen termin- und beitragsgerecht erfüllen zu können, wird vom Meade Committee, S. 231, zu den F 0 -items gezählt. 204 Dabei sind die Erhöhungen der Kassenhaltung ( M) bei F0 berücksichtigt. 205 Meade Committee, S. 233.

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle

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steuerliche Bemessungsgrundlage mindern206. Sofern der Eigner eines Unternehmens ebenfalls ein Unternehmen ist, kommt es hierdurch nicht etwa zu einer Doppelbesteuerung, da zwar die ausgeschütteten Beträge beim Tochterunternehmen steuerpflichtig sind, diese Zahlungen jedoch auch die Bemessungsgrundlage des Mutterunternehmens mindern207. Die Ausschüttungssteuer entlastet damit die Investition genau in dem Unternehmen, in dem sie auch vorgenommen wurde. Die Ausschüttungssteuer errechnet sich somit wie folgt208: T0

T ˆ s  …S0

S† :

Da in einer Periode Einnahmen und Auszahlungen immer übereinstimmen müssen, lässt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen S-Basis-Cash-flowSteuer und R+F-Basis-Cash-flow-Steuer ermitteln209. Aufgrund dieser Gleichheit von Einzahlungs- und Auszahlungssumme gilt: R ‡ F ‡ S ‡ T ˆ R0 ‡ F0 ‡ S0 ‡ T0

bzw.:

…R

R0 † ‡ …F

F0 † ˆ …S0

S† ‡ …T0



Legt man diesen Zusammenhang zugrunde, dann entspricht die R+F-BasisCash-flow-Steuer mit einem Steuersatz von  einer S-Steuer mit dem Steuersatz von s ˆ =…1 †210, 211. Auch wenn die Ausschüttungssteuer nicht mehr unmittelbar die realwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Zahlungsüberschüsse erfasst, sondern der Zah206 207 208 209 210

Vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 60. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 61. s gibt dabei den bei einer Ausschüttungssteuer geltenden Steuersatz wieder. Bach in FS-Pohmer, S. 145. Bei der R+F-Basis-Cash-flow-Steuer ergibt sich ein Steueraufkommen von:  …T0 T† ˆ   …R R0 † ‡ …F F0 † :

Bei der S-Basis-Cash-flow-Steuer ergibt sich das Steueraufkommen zu: …T0 0

T† ˆ s  …S0

S† :

Da per definitione …R R † ‡ …F F0 † ˆ …S0 S† ‡ …T0 T† und somit T0 T ˆ …R R0 † ‡ …F F0 † …S0 S†, ergibt sich durch Einsetzen der letzten Gleichung in die erste, dass zur Erreichung des gleichen Steueraufkommens von s  …S0 S† gelten muss: s ˆ =…1 †. Siehe zu dieser Berechnung Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 61, sowie Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 61. 211 So entspricht bspw. einem Steuersatz von 50 % bei Anwendung der R+F-Basis ein Steuersatz von 100 % bei Anwendung der S-Basis. Wegen dieser Diskrepanz der Steuersätze wird bei der R+F-Basis-Besteuerung von einer „Vomhundert-Besteuerung“ und bei Anwendung der S-Basis von einer „Imhundert-Besteuerung“ gesprochen, vgl. Sievert, Steuern und Investitionen, S. 280. 7 Reis

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

lungsverkehr zwischen dem Unternehmen und seinen Eignern erfolgt, ergibt sich aus den geschilderten Zusammenhängen zwischen S-Basis-Cash-flow-Steuer und R+F-Basis-Cash-flow-Steuer, dass beide letztlich die gleichen Zahlungsvorgänge belasten und sich somit nur in der Erhebung unterscheiden. Die Ausschüttungssteuer kann somit (auch) als eine besondere (in der praktischen Ausgestaltung naheliegende) Erhebungsform der R+F-Cash-flow-Steuer verstanden werden. Ein Grundproblem der Ausschüttungssteuer (und der R+F-Basis-Cash-flowSteuer) besteht darin, dass es in der Praxis Bestrebungen geben dürfte, wirtschaftliche Erfolge in die steuerfreie Fremdfinanzierungssphäre zu verlagern. In diesem Fall bestünde eine Aufgabe der Finanzverwaltung darin, sämtliche Zinsausgaben auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen212. Es würde aber erhebliche (nahezu nicht zu bewältigende) Praktikabilitätsprobleme mit sich bringen, wenn Unternehmen tatsächlich in „exotische“ Varianten der Fremdfinanzierung (wie beispielsweise eine stille Beteiligung mit voller Verlustbeteiligung) flüchten würden, bei welchen die „angemessene“ Verzinsung kaum feststellbar ist213. 4. Das Mischsystem nach Sinn Die Einführung der dargestellten Cash-flow-Steuersysteme erscheint nur dann sinnvoll, wenn dies mit einer radikalen Umgestaltung des Steuersystems einhergeht214. Die hier dargestellten Steuersysteme unterscheiden sich nämlich in grundsätzlicher Weise vom hergebrachten Steuersystem. Dies gilt umso mehr, wenn man davon ausgeht, dass bei den genannten Cash-flow-Steuersystemen die Zinseinkünfte der privaten Haushalte steuerfrei zu stellen sind215. Da eine solche Änderung des Steuersystems einen absoluten Bruch mit dem gegenwärtigen Steuersystem darstellt und daraus (vermutlich) Akzeptanzprobleme resultieren, schlägt Sinn ein Mischsystem vor, das in größerem Umfang Elemente der gegenwärtigen Unternehmensbesteuerung beinhaltet216. Vgl. Bach, WD1992, 326. Als weitere Beispiele nennt Bach, WD 1992, S. 326, die nachrangige Verbindlichkeit, das als Fremdkapital ausgestaltete Genussrecht, die Gewinnobligation, das partiarische Darlehen sowie das (einfache) Gesellschafterdarlehen. 214 Cansier, WD 1989, S. 54. 215 So jedenfalls die Annahme Sinns, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 301, der meint, dass die genannten Cash-flow-Steuersysteme den unvermeidlichen Nachteil hätten, „auf eine Besteuerung der Zinseinkünfte auf der Haushaltsebene“ zu verzichten; gleichwohl geht bspw. Swoboda in Rose, S. 481 ff., davon aus, dass eine solche Annahme nicht zwingend ist. Cansier, WD 1989, S. 54, führt an, dass entweder die Aufhebung der Zinsbesteuerung oder die Abschaffung der ganzen Einkommensteuer und ihre Ersetzung durch die Konsumausgabenbesteuerung zur Umgestaltung in ein Cash-flow-Steuersystem erforderlich sind. Dass dieser Ansatz von der Mehrheit der Anhänger der Cash-flow-Steuern getragen wird, ist entgegen der Auffassung von Sinn nicht erkennbar. 216 Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 300 ff. 212 213

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle

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Sinns Konzeption knüpft an die Grundkonzeption der R-Basis-Cash-flow-Steuer an, d. h. die Bemessungsgrundlage richtet sich nach den realwirtschaftlichen Zahlungsgrößen. Daneben werden jedoch auch Zinszahlungen zum Abzug zugelassen und demgegenüber Zinseinnahmen beim Empfänger versteuert217. Dies bedeutet, dass auch bei diesem Modell alle Investitionen in Anlage- und Umlaufvermögen sofort abzugsfähig sind. Da Sinn nichts über die Zulässigkeit von Rückstellungen sagt, ist davon auszugehen, dass diese – entsprechend den anderen Modellen der Cash-flow-Besteuerung – unzulässig sind218. Aus Unternehmenssicht liegt diese Besteuerungsvariante also quasi zwischen R-Basis und R+F bzw. S-Basis-Cash-flow-Steuer219. Werden an private Anleger, die nicht der Besteuerung als Betrieb unterliegen, oder an andere nicht steuerpflichtige Betriebe Zinsen gezahlt, dann sind die erzielten Zinseinkünfte einer eigenständigen Kapitalertragsteuer mit dem Cash-flowSteuersatz zu unterwerfen. Durch Sinns Mischsystem wird somit auch der „geizige“ Rentier besteuert und somit die für die Öffentlichkeitswirksamkeit erforderliche Akzeptanz erhöht. Da eine konsequente Besteuerung aller Zinseinkünfte nicht danach differenziert, woher diese Zinseinkünfte kommen und ob die betreffenden Steuerschuldner als Betriebe die mit den Krediten finanzierten Investitionen absetzen konnten, besteht eine Problematik dieser Variante (und auch der beiden oben erwähnten) in der Behandlung von Konsumentenkrediten, also Krediten, die von steuerpflichtigen Betrieben an nicht steuerpflichtige, private Haushalte gewährt werden. In diesen Fällen ist eine volle Besteuerung der Zinseinkünfte ungerechtfertigt, da die nicht steuerpflichtigen Schuldner keine steuerliche Erstattung erhalten und es daher zu einer Diskriminierung der Kreditvergabe an nicht steuerpflichtige Schuldner käme220. Daher sollen diese Zinszahlungen beim steuerpflichtigen Betrieb insoweit steuerfrei gestellt werden als sie den in ihnen enthaltenen Anteil für Finanzdienstleistungen übersteigen221. Die Kapitalertragsteuer nach Sinn ließe sich in der Form einer Quellensteuer direkt bei dem Betrieb erheben222. Dies bedeutet, dass der betreffende Kapitalanleger und nicht der Betriebsinhaber Steuerschuldner der auf die Zinserträge entfallenden Steuerbeträge wäre. Die Steuer müsste aber vom Betrieb einbehalten und nicht an den Anleger ausgezahlt werden. 217 Zum hier dargestellten Modell im Einzelnen vgl. Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 300 ff. 218 Swoboda in Rose, S. 481. 219 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 64. 220 So Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 65. 221 Insoweit gilt wieder die oben im Zusammenhang mit der R-Basis-Cash-flow-Steuer dargestellte Problematik, vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 65. 222 Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 95.

7*

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Eine weitere Problematik dieses Systems liegt darin, dass die Kapitalertragsbesteuerung auch ausländische Betriebe belastet und damit zu Konflikten mit dem bestehenden internationalen Steuerrecht führen kann223. So empfiehlt beispielsweise das OECD-Doppelbesteuerungsmusterabkommen für Zinseinkommen eine maximale Quellensteuer von 10 %. In den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik werden die Zinseinkünfte regelmäßig dem Wohnsitzland zugewiesen. Daher müssten diese Doppelbesteuerungsabkommen im Sinne des Quellensteuerprinzips geändert werden224. 5. Die erweiterte Ausschüttungssteuer Ein weiteres auf dem Prinzip der Ausschüttungssteuer aufbauendes Steuermodell schlägt Bach vor225. Bei diesem Modell werden die Zahlungsströme der S-Basis-Cash-flow-Steuer um die Zahlungsströme, welche die Fremdfinanzierung betreffen, erweitert und somit der Anknüpfungspunkt an die „Grenze“ zwischen betrieblicher und nichtbetrieblicher Sphäre verlegt. Damit werden sämtliche Finanzierungsvorgänge zwischen den Betrieben und Nichtbetrieben, sowohl in der Form der Beteiligungsfinanzierung als auch in der Form der Fremdfinanzierung erfasst226. Bei der erweiterten Ausschüttungssteuer werden die Auszahlungen an private Kapitalanleger, Ausländer sowie nicht steuerpflichtige Betriebe besteuert, während die Einzahlungen von diesen entlastet werden. Finanzwirtschaftliche Zahlungen zwischen zwei Betrieben bleiben hingegen unberücksichtigt227. Die Bemessungsgrundlage der erweiterten Ausschüttungssteuer umfasst die betrieblichen Zahlungsströme …S0 S ‡ F0 F†NB ,228 wobei bei dieser Variante lediglich diejenigen S und F Zahlungsströme erfasst werden, die sich auf Zahlungen von und an private Kapitalanleger, private Kreditnehmer, Ausländer und nicht der Cash-flow-Steuer unterliegende Betriebe beziehen229. Nach Bach erinnert diese Variante der Cash-flow-Besteuerung schon steuertechnisch an die Konsumbesteuerung, da sie die Investition konsequent beim Eintritt in die betriebliche Sphäre entlastet und die Belastung erst dann erfolgt, wenn die Zahlungsüberschüsse (endgültig) wieder die Betriebssphäre verlassen. Hierdurch sei die Vermittelbarkeit und Akzeptanz der Cash-flow-Besteuerung in der breiten Öffentlichkeit deutlich erhöht230. Des Weiteren vermöge die erweiterte Ausschüt223 224 225 226 227 228 229 230

Sinn, WD 1984, S. 333. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 95. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 66 ff. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 66. Vgl. Bach, WD 1992, S. 327. Der Hochindex NB steht dabei für die nichtbetriebliche Sphäre. Vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 67. So Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 96.

B. Cash-flow-Besteuerungsmodelle

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tungssteuer der dargestellten Varianten der Cash-flow-Besteuerung die Konsumentenkredite systematisch konsumsteuergerecht zu behandeln. Dem Konsumsteuergedanken entspreche es, die mit dem Kauf und damit dem Konsum verbundene Kreditauszahlung an die privaten Haushalte mit der Cashflow-Steuer zu belasten und den späteren Schuldendienst gleich einer Investition zu entlasten. Dies könnten aber die anderen dargestellten Cash-flow-Steuersysteme nicht entsprechend leisten.231. Die Auszahlung an den Konsumenten löse bei der erweiterten Ausschüttungssteuer unter F0 die betriebliche Steuerpflicht aus, während der Schuldendienst (Zinsen, Tilgung) als Investition unter F die Bemessungsgrundlage vermindere. Damit stelle sie systemgerecht eine konsumorientierte Besteuerung von Konsumentenkrediten dar232. Auch bei der erweiterten Ausschüttungssteuer besteht jedoch der Nachteil, dass im Falle der Gewährung von Krediten von steuerpflichtigen Betrieben an nicht steuerpflichtige Schuldner (und damit auch bei Konsumentenkrediten) der die Finanzdienstleistungen abdeckende Anteil an den Soll-Zinsen bei den steuerpflichtigen Betrieben gesondert zu ermitteln und der Cash-flow-Steuer zu unterwerfen ist, da die empfangenen Zinsen unter der Position F voll abzugsfähig sind233. Es bestehen daher die gleichen Ermittlungsprobleme wie bei den anderen Varianten der Cash-flow-Unternehmenssteuer, nämlich diesen Abzug faktisch auf den übrigbleibenden Anteil der „wahren“ Zinskosten zu beschränken. Auch wenn sich die beiden zuletzt genannten Cash-flow-Steuersysteme in einigen Punkten von den vorangegangenen unterscheiden, orientieren sie sich dennoch deutlich an den Grundprinzipien von R-Basis-Cash-flow-Steuer und R+F-BasisCash-flow-Steuer bzw. S-Basis-Cash-flow-Steuer. Da eine gesonderte verfassungsrechtliche Überprüfung dieser Modelle somit keine wesentlichen zusätzlichen Erkenntnisse verspricht, werden sie im weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht weiter behandelt.

V. Kombination von Cash-flow-Steuer auf Betriebsebene mit konsumorientierter Besteuerung auf Haushaltsebene Bezüglich der Ausgestaltung einer Kombination von Cash-flow-Steuern auf Betriebsebene und der Besteuerung auf der Haushaltsebene bestehen sehr unterschiedliche Auffassungen, die hier nicht detailliert dargestellt werden können und sollen234. Im Grundsatz wird dabei die Möglichkeit diskutiert, die entsprechenden So Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 101. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 67. 233 Vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 68. 234 Zu den einzelnen Auffassungen siehe den sehr instruktiven Überblick bei Wagner in Hax / Kern / Schröder, S. 277; vgl. zu den verschiedenen Konbinationen auch Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 207 ff. 231 232

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Varianten der Cash-flow-Steuern auf Unternehmensebene mit einer Arbeitseinkommensteuer oder aber einer Konsumausgabensteuer auf Haushaltsebene zu kombinieren235. Die nähere Ausgestaltung ist in vielerlei Hinsicht sehr umstritten. Unabhängig von der Ausgestaltung der Besteuerung der Einkommen ist z. B. streitig, ob Erbschaften und Schenkungen Berücksichtigung bei der Besteuerung finden sollten236. Weiterhin besteht Uneinigkeit über die Behandlung der Ausgaben für langlebige Konsumgüter237. Während nach einer Auffassung am proportionalen Tarif auch auf Haushaltsebene festgehalten werden soll, sprechen sich andere hier für eine progressive Besteuerung aus, wieder andere halten einen Stufentarif für vorzugswürdig238. Entscheidet man sich für die wohl überwiegend vertretene Konsumausgabensteuer, dann könnte die steuerliche Bemessungsgrundlage für Unternehmerhaushalte auf der Grundlage der R+F-Basis-Cash-flow-Steuer durch ein Quellenabzugsverfahren auf der Betriebsebene erfolgen239. Soweit die Cash-flow-Steuer bei Körperschaften erhoben wird, wird in der Literatur für eine Anrechnung votiert240. Ausgehend vom hier241 gewählten weiten Betriebsbegriff, der auch die selbständige Tätigkeit erfasst, reduziert sich die Thematik auf Haushaltsebene vor allem auf die Frage nach der Besteuerung der nichtselbständig Tätigen. Auf der Seite der steuerpflichtigen Betriebe sehen dabei alle in der Literatur diskutierten Cash-flowSteuersysteme den Abzug von Löhnen, Gehältern sowie Sozialabgaben und sonstigen Nebenkosten vor242. Hierbei könnte auf die in den §§ 38 ff. EStG den Steuerabzug betreffenden Vorschriften zurückgegriffen werden. Ebenfalls könnten dabei die bereits im herkömmlichen Steuersystem bekannten persönlichen Abzugsbeträge wie Grundfreibetrag und Sonderausgaben-Pauschbetrag Berücksichtigung finden243. Im übrigen soll die Besteuerung der Einkommen auf Haushaltsebene nach der wohl überwiegenden Ansicht sparbereinigt erfolgen244. Dementsprechend erhöhen Vgl. Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 207 ff. Zustimmend bspw. McLure / Zodrow in Rose, S. 123. 237 Nach der sog. Investitionsgutlösung stellen langlebige Konsumgüter steuerlich relevante Ausgaben dar. Die wohl überwiegend vertretene Konsumgutlösung lehnt dies hingegen ab, vgl. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 76 ff., m. w. N. 238 Siehe hierzu Wagner in Hax / Kern / Schröder, S. 477, m. w. N.; vgl. auch Cansier in FS-Pohmer, S. 154 ff. 239 So Cansier in FS-Pohmer, S. 155. 240 Cansier in FS-Pohmer, S. 155. 241 Siehe hierzu die Ausführungen im Vierten Teil, B. II. 1. b). 242 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 96. 243 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 97. 244 Vgl. hierzu im Einzelnen Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 207 ff.; Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 75 ff.; McLure / Zodrow in Rose, S. 123. 235 236

C. Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer

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Einnahmen aus der Kreditaufnahme sowie erhaltene Zinsen die Bemessungsgrundlage der privaten Haushalte, während Tilgungs- und Zinszahlungen steuerlich abzugsfähig sind245. Da insoweit eine einheitliche Linie in der Literatur nicht festzustellen ist, soll unterstellt werden, dass auf Haushaltsebene die Bemessungsgrundlage grundsätzlich sparbereinigt ermittelt und der Konsum erfasst wird.

C. Die zinsbereinigte Einkommenund Gewinnsteuer Mit der Einführung einer Cash-flow-Steuer wäre eine völlige Änderung bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen mit den damit einhergehenden Unwägbarkeiten verbunden. Typischerweise treffen jedoch Systemveränderungen auf großen gesellschaftlichen Widerstand. Daher wurden der praktischen Umsetzbarkeit der Cash-flow-Steuersysteme auch von ihren Befürwortern keine großen Chancen eingeräumt. Ziel bei der Entwicklung der zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer – also einer zinsbereinigten Einkommensteuer auf der Ebene privater Haushalte und auf Betriebsebene – war es, dieselben Neutralitätseigenschaften wie bei Einführung einer Cash-flow-Besteuerung zu erreichen, ohne gleichzeitig die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage auf ein völlig neues System umstellen zu müssen. Ihrer Struktur nach handelt es sich bei ihr nicht um eine direkte bzw. persönliche Konsumsteuer. Vielmehr stellt diese ermittlungstechnisch eher eine Einkommensteuer bisheriger Prägung dar246, trotzdem basiert sie auf dem theoretischen Fundament der Konsumsteuer247.

I. Umsetzung in Kroatien Ein Modell einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer, das international auch unter der Bezeichnung ACE-Konzept248 diskutiert wird, wurde von der sog. „KNS-Steuerreformgruppe“ ausgearbeitet249. Ein Steuergesetz, das auf McLure / Zodrow in Rose, S. 123. Knoll, WD 1996, S. 147. 247 Vgl. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 51. Dass die zinsbereinigte Gewinnsteuer bisweilen als Einkommensteuer bisheriger Prägung, die mit den gleichen allokativen Vorzügen einer Konsumbesteuerung ausgestattet ist, bezeichnet wird, soll hier nicht weiter vertieft werden, vgl. Knoll, WD 1996, S. 146 ff. 248 ACE steht dabei für „allowance for corporate equity“, vgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 115 ff. 249 Die „KNS-Steuerreformgruppe“ (die Abkürzung „KNS“ steht für: Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems) wurde von Manfred Rose (Heidelberg), Franz W. Wagner 245 246

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

dem System der Zinsbereinigung und damit auf dem Grundprinzip der Konsumbesteuerung basierte, wurde zum 1. 1. 1994 in Kroatien eingeführt. Mit der Reform des kroatischen Steuerrechts zum 1. 1. 2001 ist die bisher einzige tatsächliche Umsetzung dieses Systems allerdings wieder rückgängig gemacht worden250. Erstaunlicherweise erfolgte diese radikale Abkehr von der zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung in Kroatien ohne jegliche offizielle steuersystematische Gesetzesbegründung251. Demzufolge haben (zumindest) die Kritiker der Steuerreform von 2000 / 2001 darin eher eine politische Generalabrechnung, verbunden mit einer bewussten Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien, als ein Zeichen für ein Scheitern dieses Systems sehen wollen252. Als inoffizielle Begründung für die Änderung wurde vor allem die mangelnde Kompatibilität des zinsbereinigten Steuersystems mit der international üblichen Besteuerung angeführt253. Ein grundsätzliches Scheitern des Systems als solchem lässt sich hieraus jedoch nicht (zwingend) ableiten. Da das (frühere) kroatische Steuerrecht – im Gegensatz zu den anderen, lediglich theoretischen Modellen – gleichwohl den Vorzug genießt, bereits einmal eine praktische Umsetzung gefunden zu haben, sollen nachfolgend an seinem Beispiel die Grundzüge des Systems der zinsbereinigten Besteuerung dargestellt werden254. (Tübingen), Ekkehard Wenger (Würzburg) und Joachim Lang (Köln) gebildet, vgl. hierzu Wagner / Wenger in Sadowski, S. 399 – 415. Die Grundkonzeption dieses Modells geht dabei zurück auf die Arbeiten von Robin W. Broadway und Neil Bruce, vgl. Broadway / Bruce, Journal of Public Economics, S. 231 – 239, sowie Ekkehard Wenger, vgl. Wenger, FinA 1983, S. 207 – 252. 250 Die Steuerreform basiert auf dem Beschluss des kroatischen Parlaments vom 7. 12. 2000, veröffentlicht im Gesetzblatt „Narodne novine“ Nr. 127 vom 20. 12. 2000. Neben der Abschaffung des Schutzzinses und der Verlustvorträge auf Unternehmensebene war insbesondere auch die Wiedereinführung der Besteuerung privater Kapitaleinkünfte mit einem Quellensteuersatz in Höhe von 15 % Gegenstand dieser Steuerreform. Mit diesen Änderungen hat sich der kroatische Gesetzgeber zugleich von dem System einer zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung verabschiedet. Zu den weiteren Einzelheiten dieser Steuerreform vgl. Knoll, DBW 2001, S. 340 ff.; Stöber, IStR-Länderbericht zu Heft 13 / 2001, S. 4. 251 Knoll, DBW 2001, S. 341, m. w. N. 252 Die am 1. 1. 2001 in Kraft getretenen Änderungen wurden nämlich nach den Parlamentswahlen (und dem Tode Franjo Tudjmans im Jahre 1999) von einer Regierung unter Leitung der Nachfolgepartei der kommunistischen Partei Kroatiens vorgenommen, vgl. Loncarevic´, Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung von Einkommen und konsumorientierte Steuersysteme, S. 99. 253 Siehe hierzu Stöber, IStR-Länderbericht zu Heft 13 / 2001, S. 4, die sich dabei auf Auskünfte aus dem kroatischen Finanzministerium bezieht. 254 Die Darstellung orientiert sich im Wesentlichen an Wagner / Wenger in Sadowski, S. 400 ff.; zur weiteren Vertiefung bezüglich des früheren kroatischen Steuersystems wird insbesondere auf Greß / Rose / Wiswesser, Marktorientierte Einkommensteuer, hingewiesen; eingehend beschäftigen sich mit diesem Modell auch Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 231 ff.; Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 60 ff.; Kiesewetter, StuW 1997, S. 27 ff.

C. Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer

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Dabei soll im Folgenden auf das kroatische Einkommensteuergesetz255 und das kroatische Gewinnsteuergesetz256 mit jeweiligem Stand vom 1. Januar 1998 Bezug genommen werden. 1. Die Gewinnsteuer Der (kroatischen) Gewinnsteuer unterliegen Selbständige, Unternehmer und Unternehmen im Regelfall unabhängig von der Rechtsform257. Die Bemessungsgrundlage wird mittels eines traditionellen bilanziellen Vermögensvergleiches ermittelt. Von diesem Bilanzgewinn ist nun eine kalkulatorische Verzinsung des zu Periodenbeginn in das Unternehmen eingebrachten Eigenkapitals in Abzug zu bringen, wobei dieser kalkulatorische Zins, der sog. Schutzzins, administrativ festgelegt wird und im Idealfall dem Kapitalmarktzins entspricht258. Zum bilanziellen Eigenkapital werden alle gezeichneten Einlagen, alle Arten von Rücklagen und der laufende Gewinn gezählt259. Da weder Einlagen noch Entnahmen den Gewinn beeinflussen dürfen, werden eingelegte Eigenkapitalanteile zeitanteilig ab dem Ende des Monats der Kapitalzuführung verzinst. Um stichtagsbezogenen Manipulationen vorzubeugen, kürzen Entnahmen das verzinsliche Eigenkapital bereits ab Anfang des Monats260. Des Weiteren werden die Werte der Anteile an (anderen) gewinnsteuerpflichtigen Unternehmen bei der Berechnung des Eigenkapitals herausgekürzt, damit der Schutzzinsbetrag auf dasselbe investierte Kapital nicht doppelt berücksichtigt wird. Gemäß dem Prinzip der Einmalbesteuerung werden alle steuerrelevanten Vorgänge nur in den Tochterunternehmen erfasst bzw. Anteile am Erfolg der Tochterunternehmen aus der Bemessungsgrundlage des Mutterunternehmens eliminiert. Finanzierungsneutralität soll dadurch gewährleistet werden, dass Fremdkapitalzinsen abzugsfähig sind, während erhaltene Zinsen Erträge darstellen. Damit heben sich die Zinserträge beim Gläubiger eines Kredites und der Schutzzinsbetrag auf 255 Veröffentlicht im kroatischen Gesetzblatt „Narodne novine“ Nrn. 25 / 95, 52 / 95, 106 / 96, 164 / 98. Eine deutsche Übersetzung findet sich in IntFis, Schulungsbuch kroatische Einkommensteuer sowie (auszugsweise) bei Loncarevic´, Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung von Einkommen und konsumorientierte Steuersysteme, S. 221 ff. 256 Veröffentlicht im kroatischen Gesetzblatt „Narodne novine“ Nrn. 103 / 93, 95 / 94, 35 / 95, 106 / 96. Eine deutsche Übersetzung findet sich in IntFis, Schulungsbuch kroatische Gewinnsteuer sowie (auszugsweise) bei Loncarevic´, Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung von Einkommen und konsumorientierte Steuersysteme, S. 224 f. 257 § 2 kroatisches Gewinnsteuergesetz (krGwStG). 258 § 7 – 9 krGwStG. Der Schutzzins setzt sich zusammen aus der Inflationsrate für Industrieprodukte und einem Realzins von zuletzt 5 %. 1999 betrug der Schutzzins einschließlich Inflationsrate 11,2 %, vgl. Knoll, DBW 2001, S. 339, m. w. N. 259 § 8 I Ordnungsrichtlinie über die Abrechnung und Entrichtung der Gewinnsteuer (krORG). 260 § 5 krGwStG.

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

das investierte Eigenkapital auf. Auf der Seite des Schuldners besteht keine Favorisierung der Fremd- gegenüber der Eigenfinanzierung261. Die sich ergebende Bemessungsgrundlage ist mit einem proportionalen Steuersatz von 35 % zu versteuern262. 2. Die Einkommensteuer Von der Einkommensteuer werden die Einkommen aus Vermögen und Vermögensrechten, Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit sowie geringere Einkommen aus selbständigen Tätigkeiten erfasst263. Zu den letztgenannten gehören gewerbliche264, freiberufliche265, land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten266 sowie andere selbständige Tätigkeiten267, 268, die alle durch die Merkmale der Selbständigkeit, Nachhaltigkeit und Gewinnerzielungsabsicht gekennzeichnet sind269. Sofern der Umfang der Geschäftstätigkeit einer in diesem Sinne selbständig tätigen Person (eines Unternehmers) zu gering ist, um die aufwendige kaufmännische Buchführung zu rechtfertigen, kommt nun für diesen Unternehmer das vereinfachte Ermittlungsverfahren für Einkommen aus Gewerbebetrieb und freien Berufen im Rahmen der Einkommensteuer und eben nicht der Gewinnsteuer in Betracht270. Da Einkommen, das von mehreren Personen gemeinsam erzielt wird, für den Fall, dass dieses nicht der Gewinnsteuer unterliegt, den hinter ihnen stehenden natürlichen Personen anteilig zugerechnet wird, gilt diese Zuordnung zur Einkommensteuer auch für Gesellschaften, insbesondere für Personengesellschaften, falls diese nur in geringerem Umfang tätig werden. Die Steuerpflichtigen, deren Einkommen nicht der Gewinnsteuer unterliegt, haben ihre Einnahmen und Ausgaben trotzdem buchmäßig zu erfassen und ein Verzeichnis der zur Einnahmenerzielung erforderlichen Anlagegegenstände zu führen. In dieses „Verzeichnis des langlebigen Vermögens“ sind alle Sachen und Rechte einzutragen, wenn ihre Anschaffungspreise bzw. Herstellungskosten 1000 Kuna übersteigen und ihre Lebensdauer länger als ein Jahr beträgt271. Vgl. Wagner / Wenger in Sadowski, S. 408. § 13 I krGwStG. 263 § 3 II krEStG. 264 § 11 I krEStG. 265 § 11 II krEStG. 266 § 11 III krEStG. 267 § 11 IV krEStG. 268 Zu den daraus resultierenden Abgrenzungsschwierigkeiten, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, vgl. Greß / Rose / Wiswesser, Marktorientierte Einkommensteuer, S. 226 ff. 269 Vgl. §§ 40, 41 ORG. 270 § 2 krGwStG; §§ 13 – 29 krEStG. 261 262

C. Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer

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Des Weiteren besteht die Möglichkeit für die Gewinnsteuer zu optieren. In diesem Fall ist der Steuerpflichtige dann zur vollständigen Buchführung und Bilanzierung verpflichtet272. Die Berechnung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Rahmen der Einkommensteuer für selbständige Tätigkeiten erfolgt anhand einer realwirtschaftlichen Überschussrechnung, also durch Ermittlung der Differenz zwischen Betriebseinnahmen und -ausgaben273. Mithin werden Kreditbeziehungen steuerlich nicht erfasst. Im Gegensatz zu einer R-Basis-Cash-flow-Rechnung werden die Investitionen jedoch nicht sofort, sondern zeitanteilig nach Maßgabe eines Anlageverzeichnisses abgeschrieben. Zusätzlich wird auf den Buchwert des Anlagevermögens, der sich aus einem Vermögensverzeichnis zu Beginn des Jahres ergibt, ein Schutzzins abgezogen. Die während eines Jahres bestehenden Zu- und Abgänge werden anteilig berücksichtigt. Zum Einkommen aus Vermögen und Vermögensrechten gehören Einkommen aus Vermietung und Verpachtung von Immobilien, beweglichen Sachen, Autorenrechten, industriellen Eigentumsrechten und anderen Vermögensrechten274. Ebenfalls hierzu gezählt werden die Gewinne, die bei der Veräußerung von Immobilien und Vermögensrechten innerhalb einer Spekulationsfrist von 3 Jahren erzielt werden275. Als Gewinn gilt dabei der Veräußerungserlös abzüglich des mit dem Preissteigerungssatz aufgezinsten Anschaffungskostenpreises, wobei AfA nicht berücksichtigt werden. Das zu versteuernde Einkommen aus Vermögen wird berechnet, indem vom erzielten Miet- bzw. Pachtzins die Kosten der Einnahmeerzielung abgesetzt werden. Diese werden pauschal mit 30 %, im Falle der Vermietung und Verpachtung von Zimmern an Reisende und Touristen in Höhe von 50 % angesetzt276. Den Pauschalierungen kann der Steuerpflichtige insbesondere dann, wenn die tatsächlichen Kosten höher sind, durch Optierung zugunsten der Gewinnsteuer entgehen277. Bei den Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit278 werden die Steuern auf Löhne und Gehälter in einem dem deutschen Lohnsteuerabzug vergleichbaren Quellenabzugsverfahren vom Arbeitgeber einbehalten und abgeführt. Renten und Sachleistungen erhöhen die Bemessungsgrundlage, abzugsfähig sind im Wesentlichen nur die gesetzlichen Pflichtabgaben279. 271 272 273 274 275 276 277 278

§ 17 I krEStG. § 14 I krEStG. § 15 krEStG. §§ 30 – 34 krEStG. § 30 II krEStG. § 32 I krEStG. § 32 IV krEStG. §§ 7 – 9 krEStG.

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Während auf der Unternehmensebene eine Berücksichtigung von Zinsen und Kapitalerträgen erfolgt, besteht bei der Einkommensteuer keine den deutschen Einkünften aus Kapitalvermögen vergleichbare Einkommensart. Die Nichterfassung von Kreditbeziehungen ist daher das charakteristische Merkmal dieser Einkommensteuer280. Damit sind zugleich auch die Dividenden und Gewinne, die an eine natürliche Person aus dem Gewinn eines Unternehmens, das der Gewinnsteuer unterliegt, ausgeschüttet werden, steuerfrei281. Ausgangspunkt bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens eines inländischen Steuerpflichtigen ist die Summe des Einkommens dieser drei Einkunftsarten282. Von dieser Summe werden nun die persönlichen Abzüge und die mit dem Schutzzins verzinsten Vorträge von Verlusten früherer Jahre (wobei das Verlustvortragsrecht auf fünf Jahre begrenzt ist) abgezogen283. Des Weiteren kann der Steuerpflichtige für jedes von ihm unterhaltene Familienmitglied zusätzlich das 0,3-fache des Grundfreibetrages abziehen, für Invaliden (um 0,2) und ab dem zweiten Kind (jeweils um 0,1 pro Kind) erhöht sich dieser Faktor entsprechend284. Das zu versteuernde Einkommen wird nach einem Stufentarif versteuert. Bis zur Höhe des dreifachen Grundfreibetrages beträgt der Tarif 20 %, der den dreifachen Grundfreibetrag übersteigende Betrag ist mit einem Steuersatz von 35 % zu versteuern285. Da Gemeinden einen Hebesatz erheben dürfen, kann der Steuertarif auf bis zu 45 % ansteigen.

II. Kombination einer zinsbereinigten Unternehmenssteuer mit einer konsumorientierten Besteuerung auf der Haushaltsebene nach Langs Modell Als weiteres Modell einer zinsbereinigten Unternehmenssteuer wird nachfolgend das Modell von Lang exemplarisch vorgestellt. Der Entwurf von Lang, der als Mitglied der KNS-Steuerreformgruppe das ehemalige kroatische Steuersystem 279 Gemäß § 9 II krEStG sind dies: 1. die Abgabe für die Renten- und Invaliditätsversicherung 2. die Abgabe für die Krankenversicherung 3. die Abgabe für Arbeitslose (für die Schaffung von Arbeitsplätzen) 4. die Abgabe für das Kindergeld. 280 Vgl. Wagner / Wenger in Sadowski, S. 410. 281 § 6 I krEStG. 282 § 3 krEStG. 283 Bei Rentnern wird ein Grundfreibetrag in Höhe der Rente, höchstens jedoch 2000 Kuna gewährt, für die übrigen Steuerpflichtigen beträgt er 800 Kuna, § 34 I krEStG. Grund dafür ist, dass die jetzigen Rentner ihre Beiträge noch aus versteuertem Einkommen gebildet haben und mithin nicht doppelt besteuert werden sollen, vgl. IntFis, Schulungsbuch kroatische Einkommensteuer, S. 29. 284 § 34 II krEStG. 285 § 5 krEStG.

C. Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer

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mitentwickelt hat, weist zahlreiche Parallelen zum (früheren) kroatischen Steuergesetz auf. Er unterscheidet sich allerdings auch in manchen Punkten von diesem. Auch Lang hat in seinem Buch „Entwurf eines Steuergesetzbuches“ den Versuch unternommen, von einer einkommensbasierten bzw. kapitalorientierten Besteuerung den Schritt zu einer konsumorientierten Besteuerung zu vollziehen286. Dabei kombiniert er Elemente der herkömmlichen kapitalorientierten Einkommensteuer auf Unternehmensebene mit Elementen einer konsumorientierten Steuer auf der Ebene der Privatpersonen. Nach dem Modell von Lang, das als modifiziertes Betriebsteuermodell bezeichnet werden kann, werden wie nach dem (früheren) kroatischen Steuersystem die in den Betrieben ermittelten zinsbereinigten Gewinne proportional besteuert287. Dabei unterliegen Körperschaften einer im Vergleich zur Einkommensteuer niedrigeren Körperschaftsteuer. Neben der Körperschaftsteuer existiert eine sog. Inhabersteuer288, durch die ein „kompletter Transfer“ der Körperschaftsteuer in die investiven Bereiche jenseits der Körperschaftsteuersubjekte erreicht werden soll289. Diese Inhabersteuer290 und Körperschaftsteuer sollen „möglichst inhaltsgleich“291 ausgestaltet werden. Entsprechend der in seinem „Entwurf eines Steuergesetzbuches“ verwendeten Nomenklatur soll daher im Weiteren nur noch von Unternehmenssteuer (bestehend aus Körperschaftsteuer und Inhabersteuer) einerseits und Einkommensteuer andererseits gesprochen werden. Auch nach Langs Modell unterliegen – wie im (früheren) kroatischen Steuermodell – neben den Gewinnen der Körperschaften auch die Gewinne i. S. d. § 4 I EStG der nicht körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen der Unternehmenssteuer. Daher fallen im Gegensatz zu den herkömmlichen Betriebsteuerkonzepten nicht nur gewerbliche Unternehmen in den Anwendungsbereich der Unternehmenssteuer, dieser wird vielmehr auf alle Gewerbebetriebe, die Ausübung der Land- und Forstwirtschaft sowie die Ausübung eines freien Berufes ausgedehnt. Es gilt der weite umsatzsteuerrechtliche Unternehmensbegriff292. Vgl. Steichen in FS-Fischer, S. 242. Zu diesem Modell siehe Lang, StuW 1989, S. 3 ff.; Lang, Entwurf eines Steuergesetzes, Lang, DStJG 24 (2001), S. 49 ff. und insbesondere S. 107 ff. 288 Die Bezeichnung Inhabersteuer geht darauf zurück, dass das Leitbild dieser Steuer der Inhaber des Einzelunternehmens ist, vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 107. 289 Lang, DStJG 24 (2001), S. 107; Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 256 (§ 22). 290 In Langs Entwurf eines Steuergesetzbuches wird nicht vom Begriff „Inhabersteuer“, sondern nur von der Unternehmenssteuer gesprochen. Dies umfasst sowohl die Körperschaftsteuer als auch die Inhabersteuer, vgl. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, Rdnrn. 646 ff. 291 In Langs Grundmodell sind beide identisch. Die von Lang verwendete Formulierung „möglichst inhaltsgleich“ bezieht sich darauf, dass eine völlige Gleichstellung wegen des Halbeinkünfteverfahrens gegenwärtig nicht möglich erscheint. 292 Lang, StuW 1989, S. 13; Lang, StuW 1990, S. 119; ebenso auch das Modell von Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 161. 286 287

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Da das Konzept der Unternehmenssteuer auf die Erfassung des gesamten investiven Bereichs gerichtet ist, wird von dieser auch das Sparen in jeglicher Form (Sparbuch, Wertpapiere, Immobilien- / Aktienfonds etc.) erfasst293. Um den Steuerpflichtigen bei kurzfristigen oder geringwertigen Finanzanlagen nicht dem Zwang der Unternehmenssteuer zu unterwerfen, soll dieser der Unternehmenssteuer nur dann unterliegen, wenn er hierfür optiert hat. Auch in den übrigen Fällen294 selbständiger oder investiver Tätigkeit kommt dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, auch wenn es sich dabei nicht um geringfügige Tätigkeiten handelt. Der selbständig Tätige kann sich daher auch gegen die Anwendbarkeit der Unternehmenssteuer entscheiden. Gewinne von Unternehmen, für die Buchführungspflicht besteht oder die freiwillig Bücher führen, sollen in Langs Modell jedenfalls der Unternehmenssteuer unterliegen. Um einen Optionsstreit zwischen den Beteiligten zu vermeiden, werden Einkünfte auch dann der Unternehmenssteuer unterworfen, wenn diese aufgrund selbständiger Tätigkeiten gemeinschaftlich erzielt werden. Auf der Ebene der Einkommensteuer lassen sich nun die drei Einkunftsarten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Privatvermögen unterscheiden295. Ein entscheidender Unterschied zum (früheren) Verfahren in Kroatien besteht nun hinsichtlich der letztgenannten Einkunftsart. Einkünfte aus Privatvermögen sind insbesondere Einkünfte, bei denen der Gedanke der Zukunftsvorsorge und damit das Sparen im Vordergrund steht. Während in Kroatien entsprechend dem Gedanken der Zinsbereinigung im Rahmen der Einkommensteuer Finanzierungsströme und damit auch Kapitalerträge unberücksichtigt blieben, folgt Langs Entwurf hier dem Sparbereinigungsansatz. Legt der Steuerpflichtige sein Geld in sog. qualifizierten Vermögensanlagen an296, dann mindern die Einzahlungen die Bemessungsgrundlage, während die Auszahlungen diese erhöhen. Damit werden auch die Zinseinkünfte sparbereinigt erfasst. Mithin stellt Langs Entwurf hinsichtlich der Kapitalerträge eine Kombination von Zinsbereinigung auf Unternehmenssteuerebene und Sparbereinigung auf Einkommensteuerebene dar. 293 Lang, DStJG 24 (2001), S. 109, spricht insoweit vom „Konzept der globalen Investitionseinkommensteuer“. Siehe zum Folgenden auch Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, Rdnrn. 507 ff. sowie Rdnrn. 646 ff. 294 Lang betont, dass sich in seinem Steuersystem und dessen „zweigliedrigen Einkünftekatalog“ die private Vermögensverwaltung nicht mehr von anderen selbständigen Erwerbstätigkeiten abhebt, vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 109. 295 Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches Rdnrn. 557 ff. 296 Qualifizierte Vermögensanlagen sind Gesamtguthaben bei sog. qualifizierten Sparinstituten (das sind gem. § 132 staatlich besonders überwachte Kreditinstitute), die Beteiligungen an eigenen und fremden Unternehmen, Kapitalforderungen jeder Art sowie sonstige Kapitalanlagen umfassen, Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 285 (§ 123).

C. Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer

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Eine weitere Besonderheit von Langs Entwurf besteht darin, dass auch Einkünfte aus der Selbstnutzung und Veräußerung des Eigenheims berücksichtigt werden und somit ein Element der Reinvermögenszugangstheorie in den Tatbestand der Einkünfte aus Privatvermögen übernommen wurde297. Gemeinsamkeiten zum (früheren) kroatischen Steuersystem bestehen schließlich wiederum dahingehend, dass auch Langs Entwurf einen Stufentarif mit den Stufen 30 %, 40 %, 50 % und 60 % für Spitzenverdiener enthält.

III. Cash-flow-Steuer versus zinsbereinigte Gewinnermittlung Hinsichtlich ihrer ökonomischen Wirkungen werden die Cash-flow-Steuern und die zinsbereinigte Einkommensteuer von ihren Befürwortern als gleichwertig angesehen298. Als bedeutsam werden jedoch die Unterschiede der beiden Systeme in Bezug auf ihre administrative Handhabbarkeit erachtet. So unterscheidet sich die zinsbereinigte Einkommen- bzw. Gewinnsteuer im Hinblick auf ihre praktische Umsetzbarkeit nur wenig vom gegenwärtig bestehenden Steuersystem. Eine Umsetzung könnte daher relativ problemlos erfolgen. Bei Einführung einer Cash-flow-Besteuerung wäre hingegen zumindest während der Übergangsphase mit zahlreichen Übergangsproblemen zu rechnen, die in ihrem Ausmaß derzeit kaum abzusehen sind299. Daneben stehen zahlreiche Kompatibilitätsprobleme gegenüber den Steuersystemen von Ländern, in welchen kein Cashflow-Steuersystem besteht. Aus den genannten Gründen wird daher von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung der zinsbereinigten Einkommensteuer der Vorzug gegenüber der Cash-flow-Besteuerung eingeräumt300.

Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, Rdnr. 584 (§ 109 I Nr. 4). Vgl. Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 68 ff.; Knoll, WD 1996, S. 146 ff.; Kiesewetter, StuW 1997, S. 27; Wala / Riener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 107 ff. 299 Vgl. Hiller, DBW 1999, S. 804. 300 Vgl. Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 68 ff.; Knoll, WD 1996, S. 146 ff.; Kiesewetter, StuW 1997, S. 27; Wala / Riener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 107 ff. 297 298

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

D. Kritische Analyse der Argumente für ein konsumorientiertes Unternehmenssteuersystem Neben dem bereits angesprochenen Argument der Entscheidungsneutralität 301 sollen im folgenden die weiteren Eigenschaften einer konsumorientierten Unternehmenssteuer kritisch hinterfragt werden.

I. Die Praktikabilität der Cash-flow-Steuer Da die zinsbereinigte Einkommensteuer auf der herkömmlichen Gewinnermittlung aufbaut, besteht hinsichtlich der Praktikabilitätseigenschaften zu dieser auch kein Vorteil. Allenfalls könnte man vermuten, dass Streitigkeiten über konkrete Wertansätze bei der zinsbereinigten Einkommensteuer dadurch reduziert werden, dass gegenläufige Bestrebungen egalisierend wirken: Auf der einen Seite möchte der Steuerpflichtige mit einem relativ hohen Eigenkapitalausweis einen hohen Zinsbereinigungseffekt erzielen, während er auf der anderen Seite mittels eines niedrigeren Wertansatzes einen geringeren Bilanzgewinn ermitteln kann. Selbst wenn diese Vermutung aber zutrifft, ändert dies nichts daran, dass durch die Zinsbereinigung eine zusätzliche Größe in die Gewinnermittlung einfließt, ohne dass zugleich eine andere entfällt, so dass hinsichtlich ihrer Praktikabilität nicht von einer Erleichterung ausgegangen werden kann. Dies gilt allerdings nicht zugleich auch für die im Hinblick auf ihre Gewinnermittlungstechnik hiervon wesentlich abweichenden Cash-flow-Steuersysteme. Diesen werden erhebliche Praktikabilitätsvorteile gegenüber einer auf Vermögensvergleich aufbauenden Gewinnermittlung, die mit zahlreichen Problemen behaftet ist, zugeschrieben302. So führt beispielsweise Wagner303 an, dass es gerade die strittigen Fragen des Steuerbilanzrechts seien, die Deutschland beim mengenmäßigen Ausstoß steuerrechtlicher Literatur an die Spitze gebracht hätten. Demgegenüber sei die rein auf Zahlungsströme aufbauende Cash-flow-Steuer ein „Kinderspiel“, keine Steuer sei einfacher zu erheben als diese304. 301 Das Argument der Entscheidungsneutralität ist – wie nachfolgend (unter III.) noch detaillierter zu zeigen sein wird – zum einen umstritten, zum anderen an bestimmte, in der Realität nicht unbedingt anzutreffende Voraussetzungen geknüpft. 302 Vgl. zu diesem Themenbereich Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 162 ff.; Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 104 ff. 303 Vgl. Wagner in Rose (1997), S. 44 f., der namentlich die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über die Behandlung von Teilwertabschreibungen, Rückstellungen, Lifo-Verfahren, den Ansatz von Herstellungskosten sowie die Aktivierung materieller und immaterieller Vermögensgegenstände benennt. 304 So Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 300, bezogen auf die Brownsche Gewinnund Ausschüttungssteuer.

D. Kritische Analyse der Argumente

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Hervorstechend ist daher, dass die rein zahlungsorientierte Cash-flow-Rechentechnik es ermöglicht, auf die zahlreichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften, die sich auf die Periodisierung von Zahlungsströmen beziehen, weitestgehend zu verzichten305. Hiervon sind insbesondere die Bewertungsvorschriften aus den folgenden Themenbereichen betroffen306: – Abschreibungsverfahren und -sätze; – Teilwertabschreibung307, Zuschreibung, Rückstellungen; – periodische Rechnungsabgrenzung; – Ansatz und Bewertung von Vorräten, nicht abgesetzten Produktionsgütern sowie selbst erstellten und immateriellen Vermögensgegenständen.

In allen Normen, die sich mit diesen Themenbereichen beschäftigen, geht es letztlich um die Frage, auf welche Art und Weise Zahlungsströme (Ein- und Auszahlungen) in periodengerechte Vermögensänderungen umzuwandeln sind308. Bei den Cash-flow-Steuersystemen309, die nur auf die tatsächlichen Zahlungsflüsse und -zeitpunkte abstellen, erübrigen sich solche Vorschriften. Beispielsweise bedarf es bei dieser nicht der Verteilung der Anschaffungskosten auf die Nutzungszeit, da die Anschaffungskosten in voller Höhe zum Zeitpunkt des Erwerbs als Ausgaben geltend gemacht werden können310. Auch Wertminderungen oder drohende Verluste, die nach geltendem Bilanzsteuerrecht durch Teilwertabschreibungen oder Rückstellungen zu berücksichtigen sind, bleiben mangels damit verbundenen Zahlungszuflusses bei der Cash-flow-Steuer unberücksichtigt311. Damit entfallen viele Probleme, die durch die zahlreichen unbestimmten und daher streitanfälligen Bewertungsregelungen entstehen. Beispielhaft dafür stehen der rechtlich unbestimmte Begriff „Teilwert“ oder die „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung“312. Aus den genannten Gründen wird von den Befürwortern der konsumorientierten Besteuerung als ein Hauptargument für die Cash-flow-Steuer deren Einfachheit gelobt313. Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 105. Zur Aufstellung vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 105. 307 Nach § 6 I Nr. 1 S. 3 EStG ist der Teilwert definiert als „der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt“. 308 Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 105. 309 Zu einer Darstellung der administrativen Aspekte der einzelnen Cash-flow-Steuern vgl. ausführlich Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 162. 310 Vgl. zu den Ausführungen im folgenden Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 104 ff. 311 Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 105. 312 Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 105. 305 306

8 Reis

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Durch die Cash-flow-Steuern werden jedoch nicht alle Praktikabilitätsprobleme überwunden, die dem gegenwärtigen Steuerrecht anhaften. Da die Cash-flowSteuersysteme nur Desinvestitionen steuerlich belasten, würde auch in einem Cash-flow-Steuersystem die Tendenz bestehen, private Ausgaben als Betriebsausgaben umzudeklarieren, Arbeitsleistungen statt in Geld in Naturalien zu vergüten oder Wirtschaftsgüter an nahestehende Personen unter Preis zu verkaufen314, um hierdurch hohe Investitionsausgaben zu erzielen bzw. niedrige Desinvestitionen ausweisen zu können. Somit würden die bekannten steuerrechtlichen Abgrenzungsprobleme von Privat- und Betriebssphäre weiterhin bestehen315. Kritiker316 halten ihr des Weiteren entgegen, dass mit der Cash-flow-Steuer Praktikabilitätsprobleme ganz eigener Art verbunden seien, so dass das Argument der Einfachheit entfalle bzw. in seiner Bedeutung deutlich reduziert werde. Es wurde bereits erwähnt, dass im Falle der Steuerfreiheit von Zinsen bei der R-Basis-Cash-flow-Steuer Ausweichhandlungen zu befürchten wären, denen nur durch eine umfangreiche Kasuistik begegnet werden könnte. Eine solche Regelungsmenge würde aber der rechentechnischen Einfachheit der Cash-flow-Steuer wieder entgegenwirken317. Auch bei der Ausschüttungssteuer (und der R+F-Basis-Cash-flow-Steuer) besteht die Gefahr, dass es durch die Ungleichbehandlung von Fremdfinanzierungsströmen und Beteiligungsfinanzierungsströmen zu einer Verlagerung hin zu den steuerlich „absetzbaren“ Fremdfinanzierungsströmen käme, was eine umfangreiche „Angemessenheitsprüfung“ erforderlich machen würde. Es lässt sich also festhalten, dass auch eine Cash-flow-Steuer zahlreiche administrative Erfassungsprobleme mit sich bringt, so dass nicht von einer „einfachen Steuer“ gesprochen werden kann. Berücksichtigt man allerdings, dass zahlreiche Probleme aus dem Bereich der Periodisierung wegfallen, lässt sich dennoch eine deutliche Vereinfachung gegenüber dem gegenwärtigen Steuersystem feststellen318.

313 Vgl. Wagner in Rose (1997), S. 43 ff.; Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 104, m. w. N. 314 Vgl. Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 105 f. 315 Die Steuerpflichtigen würden also weiterhin versuchen, die Kosten ihrer privaten Lebensführung als Betriebskosten im Rahmen des Betriebskontos zu erfassen, vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 106. 316 Vgl. bspw. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 719 ff. 317 Vgl. Schneider, Investitition, Finanzierung und Besteuerung, S. 720. 318 Vgl. Bach in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 107.

D. Kritische Analyse der Argumente

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II. Die Inflationsneutralität der Konsumsteuersysteme In diesem Zusammenhang wird als weiterer Vorteil einer Cash-flow-Besteuerung die Vermeidung der mit dem herkömmlichen Vermögensvergleich verbundenen sog. Scheingewinnproblematik angesehen319. Nach dem über das Maßgeblichkeitsprinzip auch für die Steuerbilanz maßgeblichen Realisationsprinzip bzw. Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip werden verbrauchbare Güter maximal in Höhe ihrer Anschaffungskosten bewertet und dementsprechend als Aufwand berücksichtigt320. Wenn nun infolge von Inflation die Wiederbeschaffungskosten für die entsprechenden Güter gestiegen sind, dann entsteht in Höhe der Differenz zwischen dem Anschaffungspreis und dem Wiederbeschaffungspreis ein Gewinn, der mitzuversteuern ist, weil die Besteuerung grundsätzlich den Nominalgewinn erfasst321. Da einem derart ermittelten Gewinn aber keine tatsächliche Substanzvermehrung gegenübersteht, spricht man in einem solchen Fall von einem Scheingewinn. Dieser führt zu einem Substanzverzehr und damit zu einer Gefährdung der Finanzierung von Ersatzinvestitionen, wenn die Gewinne nicht mehr ausreichen, um eine Ersatzbeschaffung zu finanzieren322. Bei der Cash-flow-Besteuerung werden nun die Investitionsausgaben sofort verrechnet, statt über die Zeit abgeschrieben und hierdurch periodisiert zu werden323. Daher werden zeitliche Bewertungsprobleme und die damit zusammenhängende Scheingewinnproblematik vermieden324. Der dargestellte Vorteil einer Cash-flow-Besteuerung relativiert sich insoweit, als auch das gegenwärtige Bilanzsteuerrecht Regelungen enthält, um der Scheingewinnproblematik entgegenzuwirken. So führt beispielsweise die Bewertung nach dem Lifo-Verfahren, bei welchem bei der Bewertung gleichartiger Verbrauchsgüter die zuletzt angeschafften als die zuerst verbrauchten angesehen werden, dazu, dass in manchen Fällen die Besteuerung von Scheingewinnen vermieden werden kann. Auch die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG wirkt einer Scheingewinnbesteuerung entgegen325. Im Rahmen der zinsbereinigten Einkommensteuer wirkt bereits der Ansatz des Schutzzinssatzes der Inflation entgegen326. Vgl. Wala / Riener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 109. Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 255. 321 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 255. 322 Vgl. Hey in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 17 Rdnr. 74. 323 Vgl. Hiller, DBW 1999, S. 793. 324 Vgl. Hiller, DBW 1999, S. 793. 325 Vgl. hierzu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 264 ff. 326 Wie bereits gezeigt errechnet sich dieser nämlich im (früheren) kroatischen Steuersystem, indem die Wachstumsrate der Herstellerpreise für Industrieerzeugnisse, also die Inflationsrate, um 5 % erhöht wird, vgl. Jelcic´ in FS-Fischer, S. 133. 319 320

8*

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4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

III. Zum Argument der Entscheidungsneutralität einer konsumorientierten Unternehmensbesteuerung Wie bereits mehrfach erwähnt, wird neben der intertemporalen Konsumneutralität der verschiedenen konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle vor allen Dingen die Entscheidungsneutralität als größter ökonomischer Vorzug dieser Systeme gepriesen. Nachfolgend soll kurz dargestellt werden, inwieweit dieses Argument tatsächlich zutrifft. 1. Zur Investitionsneutralität Ausgangspunkt ist stets die Frage des Unternehmers nach der günstigsten Investitionsalternative. Da Investitionsentscheidungen in der betriebswirtschaftlichen Praxis nach dem Kapitalwertkriterium erfolgen, ist ein Besteuerungssystem, wie bereits dargelegt, dann entscheidungsneutral, wenn sich die Reihenfolge der Kapitalwerte unter Berücksichtigung der Steuern nicht ändert327. a) Bei Besteuerung des Cash-flows Der Kapitalwert einer Investition vor Steuer ergibt sich wie oben328 gezeigt nach folgender Formel: Cˆ

1 X

Et

At †…1 ‡ i†

t

:

tˆ0

Dabei bezeichnet i den (Kalkulations-)Zinssatz vor Steuern und Et ferenz zwischen Ein- und Auszahlungen, also den Cash-flow.

At die Dif-

Wird nun eine Steuer mit einem konstanten Steuersatz von s auf den Cash-flow erhoben, dann ergibt sich der Kapitalwert nach Steuern wie folgt: CSt ˆ

1 X …1 tˆ0

s†  …Et …1 ‡ i†t

At †

ˆ …1

s†  C :

Es werden demnach alle Kapitalwerte mit dem konstanten Faktor …1 s† multipliziert. Somit ergibt sich der Kapitalwert nach Steuern aufgrund einer Multiplikation des Kapitalwertes vor Steuern mit diesem Faktor. Vergleicht man nun die Kapitalwerte verschiedener Investitionsobjekte vor und nach Steuern miteinander, dann wird klar, dass die Multiplikation mit einem konstanten Faktor …1 s† nichts an ihrer Reihenfolge ändert329. Somit ist die Voraussetzung für Entscheidungs327 328 329

Wenger, ZBB 1990, S. 187. Vierter Teil, A. III. 1. Vgl. Wenger, ZBB 1990, S. 187.

D. Kritische Analyse der Argumente

117

neutralität bei der Cash-flow-Steuer gegeben, die Cash-flow-Steuer ist entscheidungsneutral. Diese intersektorale Neutralität gilt für alle Arten der Cash-flowSteuern, also sowohl R-Basis- als auch R+F-Basis- sowie S-Basis-Cash-flowSteuern, bei denen es sich letztlich nur um verschiedene Erhebungsformen einer Cash-flow-Steuer handelt330. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der im Nenner stehende Zinssatz i hier vor und nach Steuern identisch ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Finanzinvestitionen gegenüber Realinvestitionen „privilegiert“ oder gar „subventioniert“ werden müssten. Vielmehr ergibt sich die hierdurch zum Ausdruck kommende Steuerfreiheit der Zinsen aus einer Gleichbehandlung von Finanz- und Realinvestitionen331. Im Gegensatz zur Einkommensteuer herkömmlicher Prägung, bei welcher sich die Rendite einer Finanzinvestition nach Steuern (rs) durch eine Kürzung der Bruttorendite vor Steuern mit dem Faktor (1-s) ergibt, hat bei einer Cash-flow-Steuer die Besteuerung keinen Einfluss auf die Verzinsung von Kapitalmarktanlagen, was sich der nachfolgenden Gleichung entnehmen lässt332, 333: rs ˆ

…1

s†A0 ‡ A0 …1 ‡ r†…1 …1 s†A0



ˆr:

Dabei ist A0 der Betrag, der im Rahmen einer Finanzinvestition ausgegeben wird, r die Bruttorendite und rs die Nettorendite dieser Finanzinvestition nach Steuern. Weil Brutto- und Nettorendite und somit auch Brutto- und Nettozinsfuß …is ˆ i† bei einer Cash-flow-Besteuerung übereinstimmen, spielt es bei dieser Art der Besteuerung keine Rolle, ob Finanzinvestitionen in die Cash-flow-Besteuerung mit einbezogen werden334. Die Nichtbesteuerung der Zinsen hat somit (nur) die gleiche Auswirkung, die auch durch einen Abzug der Finanzinvestition …A0 † und Besteuerung des gesamten Erlöses mitsamt der Rendite …A0  …1 ‡ r†† erzielt werden würde. Daher kommt es auch bei Steuerfreiheit der Zinsen in Verbindung mit einer Cash-flow-Besteuerung (lediglich) der Sachinvestitionen, also einer R-Basis-Cash-flow-Steuer, nicht zu einer Verzerrung oder „Subventionierung“ von Finanzinvestitionen335. So bspw. Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 69. Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 69. 332 Vgl. Wagner / Schwinger in Rose, S. 498 ff. 333 Mit anderen Worten: Bei der R+F und der S-Basis-Cash-flow-Steuer wäre zwar grundsätzlich der Abzinsungsfaktor is nach Steuern in die obige Kapitalwert-Gleichung einzusetzen, da empfangene Zinsen zu den Einzahlungen gehören und dementsprechend die Bemessungsgrundlage erhöhen, gezahlte Zinsen hingegen die Bemessungsgrundlage mindern; wegen der Abzugsfähigkeit der Auszahlungen zum Erwerb der Finanzanlagen entspricht aber der Bruttozinssatz dem Nettozins, so dass gilt: is ˆ i; vgl. hierzu Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 7 ff. 334 Vgl. Wagner / Schwinger in Rose, S. 499. 335 So Wagner / Wissel, WiSt 1995, S. 69. 330 331

118

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Aus dem Gezeigten folgt, dass (unabhängig von der Einbeziehung der Zinsen) durch die Cash-flow-Besteuerung keine den Gegenwartskonsum begünstigende Tendenz entsteht, so dass die Cash-flow-Steuern nicht nur intersektoral, sondern theoretisch auch intertemporal neutral sind336. Unterstützung erfährt diese These dadurch, dass die Cash-flow-Steuer als Konsumsteuer sowohl den jetzigen als auch den zukünftigen Konsum um den einheitlichen Faktor …1 s† verkürzt337, 338. b) Bei einer zinsbereinigten Einkommensteuer aa) Bei Sicherheit der Gewinnerwartung Die Überlegungen zur Frage der Investitions- und Konsumneutralität der zinsbereinigten Einkommensteuer basieren auf dem sog. Lücke-Theorem, wonach bei Übereinstimmung der Summe der mittels Ertrags- und Aufwandsrechnungen ermittelten Periodengewinne mit der Summe der Zahlungsüberschüsse in der Totalperiode, die durch handels- bzw. steuerrechtliche Periodisierungswirkungen bedingten Verzerrungen durch Verrechnung von kalkulatorischen Zinsen auf das zu Beginn einer Periode gebundene Kapital beseitigt werden können339. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen, dass die Entscheidungsneutralität der zinsbereinigten Einkommensteuer im Falle der Unternehmensbesteuerung von der Annahme ausgeht, dass sich das Bestreben, durch überhöhte Abschreibungen, Rückstellungsbildung oder andere bilanzpolitische Maßnahmen den steuerlich ausweisbaren Gewinn zu mindern, mit dem Interesse an einem möglichst hohen Eigenkapitalausweis und damit einem hohen Abzugsbetrag ausbalanciert340. Nachfolgend soll auch hierfür der mathematische Nachweis geführt werden. Der Kapitalwert einer Investition nach Steuern ergibt sich im zinsbereinigten Steuersystem wie folgt341: CSt ˆ

A0 ‡

1 X Et tˆ1

At

s…Et

At AfAt …1 ‡ is †t

z  RBWt 1 †

:

Dabei repräsentiert AfAt die Abschreibungen der Periode t, RBWt 1 den Restbuchwert am Ende des Jahres t 1 und z den steuerfreien Schutzzinssatz.

Vgl. Wenger, ZBB 1990, S. 187. Vgl. Wenger, ZBB 1990, S. 187. 338 Zur Neutralität der Cash-flow-Steuern vgl. vertiefend auch Feldhoff, Kapitalallokation, Besteuerung und Unsicherheit, S. 91 ff. 339 Vgl. Lücke, ZfhF 1955, S. 310, dem hierdurch der Nachweis der Identität von Investitionsrechnungen mit Ausgaben und mit Kosten gelungen ist. 340 Vgl. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, Rdnr. 514. 341 Vgl. Wala / Riener-Micheler, ÖStZ 2000, S. 111. 336 337

D. Kritische Analyse der Argumente

119

Die Höhe der einzelnen Abschreibungen bzw. die Wahl des Abschreibungsverfahrens haben dann keinen Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit der Investition, wenn folgende Gleichung gilt342: f …AfAt † ˆ

1 X …AfAt ‡ z  RBWt 1 †  …1 ‡ is †

t

ˆc

…konstant† :

tˆ1

Weiterhin gilt: A0 ˆ

1 X

AfAt

tˆ1

sowie: RBWt

1

ˆ A0

t 1 X

AfAj

bzw:

ˆ

n X

AfAj :

jˆt

jˆ1

Des Weiteren gilt wegen der Steuerfreiheit der Zinsen in Höhe des Schutzzinssatzes, dass der Kalkulationszinssatz vor Steuern gleich dem nach Steuern ist, also is ˆ i343. Es lässt sich nun zeigen, dass der Kapitalwert der Abschreibungen und des Schutzzinssatzes auf den Restbuchwert der Vorperiode dann konstant für jedes Abschreibungsverfahren ist, wenn der staatlich festgelegte Schutzzinssatz z identisch mit dem Opportunitätskostensatz i ist344. Ist dies gegeben, dann ergibt sich der Kapitalwert aus: cˆ

n X

AfAt ˆ A0 :

tˆ1

Umgekehrt bedeutet dies, dass dann, wenn der Schutzzinssatz z nicht dem Opportunitätskostensatz bzw. Kalkulationszinssatz i entspricht, eine Neutralität im eigentlichen Sinne nicht gegeben ist und die Wahl des Abschreibungsverfahrens einen Einfluss auf die Wahl der Investition hat. Aus fiskalischen Gründen kann unterstellt werden, dass der von den Investoren gewählte interne Zinssatz regelmäßig eher größer ist als der vom Staat festgesetzte Schutzzinssatz. Da der Schutzzinssatz einheitlich für alle Unternehmen festgesetzt wird (und auch festgesetzt werden muss), ist dies vor allem bei sehr ertragsstarken Unternehmen mit regelmäßig hohen Opportunitätskosten der alternativen Kapital342 Zu den folgenden Ausführungen siehe Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 8 ff. 343 Dies gilt freilich nur dann, wenn man als Kalkulationszinssatz die sichere Alternativanlage zum Marktzins ansetzt, ansonsten ergeben sich zwischen den beiden Größen geringe Abweichungen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass i ˆ z, vgl. Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 9 ff. 344 Auf eine Darstellung im Einzelnen wurde verzichtet, siehe hierzu die sehr anschauliche Herleitung bei Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 8 ff.

120

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

verwendung als auch bei risikoaversen Unternehmen, die typischerweise als Ausdruck dieser Risikoaversion den Kalkulationszinssatz mit einem Risikozuschlag versehen, der Fall345. Ist aber der Schutzzinssatz kleiner als der vom Unternehmer der Investition als Mindestverzinsung seines Kapitals zugrundegelegte Opportunitätskostensatz bzw. Kalkulationszins, dann werden nicht mehr die tatsächlichen Kosten des Kapitals freigestellt, sondern nur ein kleinerer Betrag346. Dies hat zur Folge, dass eine Aufwandsvorverlagerung zum ökonomisch besten Ergebnis der Investition347 führt, weil hierdurch der zu versteuernde Anteil der Opportunitätskosten besonders niedrig gehalten wird. Heinhold / Hüsing / Pasch348 haben anhand von zahlreichen Fallbeispielen gezeigt, dass es sich dabei nicht um eine „theoretische Spitzfindigkeit“ handelt, sondern um einen größenmäßig je nach Fallgestaltung nicht unbedeutenden Einfluss auf die Investitionsrechnung. Die nachfolgende Tabelle soll diese Zusammenhänge anhand eines einfachen Beispiels verdeutlichen. Ausgangspunkt ist dabei eine Anschaffungsausgabe in Höhe von 1.000 A und ein gegebener Schutzzinssatz von z ˆ 5 %. Weiterhin wurde eine betriebliche Nutzungsdauer von 10 Jahren und ein Steuersatz von 50 % gewählt. In Klammern ist die prozentuale Abweichung der Differenz der Barwerte nach zinsbereinigter Konsumeinkommensteuer und nach geltendem Einkommensteuerrecht im Verhältnis zum abschreibungsneutralen Barwert der Steuerersparnis angegeben. Um die bestehenden Unterschiede zu verdeutlichen, wurde im Rahmen der degressiven Abschreibung eine Rundung auf die zweite Nachkommastelle vorgenommen. Aus der Tabelle geht hervor, dass die Barwerte bei allen Abschreibungsverfahren mit steigendem Kalkulationszins sinken. Unabhängig hiervon sind die Barwerte der Steuerersparnis in jedem Fall größer als bei geltendem Steuerrecht. Lediglich bei Gleichheit des Kalkulationszinssatzes mit dem Schutzzinssatz besteht Gleichheit der Steuerbarwerte. Betrachtet man jedoch die sich in den Prozentzahlen ausdrückende Relativität der Neutralitätsverletzung349, dann ergibt sich, dass diese mit wachsendem KalkuSo Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 10. Vgl. Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 10. 347 Zu den Ausführungen im Weiteren vgl. Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 10 ff. 348 Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 10 ff., führten dabei – unter Berücksichtigung verschiedener Abschreibungsverfahren, Schutzzinssätze und Kalkulationszinssätze – unterschiedliche Sensitivitätsanalysen durch. 349 Die Differenz zwischen geltendem Steuersystem und zinsbereinigter Konsumeinkommensteuer (auch) bei Sofortabschreibung ergibt sich daraus, dass nach geltendem Einkommensteuerrecht Zinsen zu versteuern sind, so dass gilt: is ˆ s  i. 345 346

D. Kritische Analyse der Argumente

121

lationszinsfuß (und damit wachsender Differenz aus Kalkulationszinssatz und Schutzzinssatz) steigt. Tabelle 10350 Barwerte der Steuerersparnis aus Abschreibungen in Abhängigkeit von Abschreibungsverfahren und Kalkulationszinssatz i und Vorteilhaftigkeitskennzahl der Aufwandsvorverlagerung (= Maßstab für die Neutralitätsverletzung) Barwerte der Steuerersparnis bei einem Kalkulationszinssatz von i = . . .

Abschreibungsverfahren / Steuerersparnis

5%

6%

8%

10 %

12 %

15 %

Lineare AfA Zinsbereinigte Konsumeinkommensteuer

500,00

488,81

467,57

447,73

429,20

403,61

Geltendes Steuersystem

437,60

426,51

405,54

386,09

368,00

343,20

Differenz

62,40 (12,5)

62,30 (12,5)

62,02 (12,4)

61,64 (12,3)

61,20 (12,2)

60,41 (12,1)

Degressive AfA mit optimalem Wechsel Zinsbereinigte Konsumeinkommensteuer

500,00

493,10

479,82

467,22

455,24

438,33

Geltendes Steuersystem

462,54

455,68

442,51

430,05

418,25

401,66

Differenz

37,46 (7,49)

37,42 (7,48)

37,31 (7,46)

37,17 (7,43)

36,99 (7,40)

36,67 (7,33)

Sofortabschreibung Zinsbereinigte Konsumeinkommensteuer Geltendes Steuersystem Differenz

351

500,00

497,63

492,96

488,37

483,87

477,27

487,80

485,44

480,77

476,19

471,70

465,12

12,20 (2,44)

12,19 (2,44)

12,19 (2,44)

12,18 (2,44)

12,17 (2,43)

12,15 (2,43)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass immer dann, wenn der Kalkulationszinssatz i den steuerfreien Schutzzins z übersteigt, auch bei der zinsbereinigten Einkommensbesteuerung Barwertvorteile zugunsten einer Aufwandsvorverlagerung bestehen. Je größer diese Differenz ist, desto größer ist auch der daraus entstehende Barwertvorteil. Daher gilt auch bei den gewählten Abschreibungstechniken stets, dass (aus Unternehmersicht) die Sofortabschreibung günstiger als die Tabelle nach Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 12. In den Beispielen von Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 12 ff. wird die relative Neutralitätsverletzung als die prozentuale Abweichung zum abschreibungsneutralen Barwert der Steuerersparnis s  A0 dargestellt. 350 351

122

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

degressive Abschreibung und diese wiederum günstiger als die lineare Abschreibung ist. Des Weiteren sinkt der Barwert der Steuerersparnisse bei der zinsbereinigten Einkommensteuer in Abhängigkeit von der betrieblichen Nutzungsdauer, wenn auch nicht so stark wie im geltenden Steuersystem. Schließlich hat auch der gegebene Steuersatz eine Auswirkung auf den Barwertvorteil. Zwar gilt nach Heinhold / Hüsing / Pasch, dass die Vorteilhaftigkeit der Aufwandsvorverlagerung im zinsbereinigten System stets niedriger ist als im geltenden Steuersystem. Jedoch kommt es bei steigendem Kalkulationszinssätzen und steigenden Steuersätzen zu einer Annäherung. Hält man sich vor Augen, dass eine Übereinstimmung des Schutzzinssatzes mit dem (individuell höchst unterschiedlichen) Kalkulationszinssatz purer Zufall wäre, dann kann auch das zinsbereinigte Einkommensteuermodell keine Entscheidungsneutralität gewährleisten. Insbesondere bei hohen Kalkulationszinssätzen ertragsstarker Unternehmen besteht nach wie vor ein starker ökonomischer Anreiz zur Aufwandsvorverlagerung und damit zu entsprechenden bilanzpolitischen Maßnahmen. Heinhold / Hüsing / Pasch352 merken zur zinsbereinigten Einkommensteuer des Weiteren kritisch an, dass diese zu einer weiteren zusätzlichen Betriebsausgabe führt. Diese bewirke eine weitere „Aushöhlung“ der einkommensteuerlichen und körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Ein solcher Ansatz habe aber keinen Platz in der globalen Steuerreformdiskussion, in welcher eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erstrebt werde, um das politisch gewünschte Absenken der Steuersätze haushaltsmäßig verkraften zu können. bb) Bei Unsicherheit der Gewinnerwartung Abgesehen von dieser Kritik stellt sich jedoch im Fall der zinsbereinigten Einkommensteuer die Frage nach der Investitionsneutralität im realistischen Fall einer unsicheren Gewinnerwartung353. Wird diese Unsicherheit beim Investor in Form von Risikoaufschlägen354 auf den Kalkulationszins berücksichtigt, dann ergibt sich die oben beschriebene Folge der Abweichung von der Entscheidungsneutralität. Da diese wie oben gezeigt jedoch geringer ist als im herkömmlichen Steuersystem, wäre dies jedoch unter Umständen ein hinnehmbarer Nachteil. Siehe hierzu Heinhold / Hüsing / Pasch, Konsumsteuer und Investitionsneutralität, S. 29. Zum Fall der unsicheren Erwartung bei einer Cash-flow-Besteuerung, vgl. Cansier in FS-Pohmer, S. 150 ff. Dieser kommt dabei zu dem Schluss, dass diese Besteuerung auch bei Unsicherheit investitionsfördernd wirkt. Demgegenüber führt Schwinger, StuW 1994, S. 45 ff., aus, dass bei Unsicherheit die Investitionsentscheidungen nicht oder jedenfalls kaum davon abhängen, ob die Bemessungsgrundlage konsum- oder einkommensorientiert ermittelt wird. 354 In diesem Zusammenhang geht die Praxis regelmäßig vom sog. CAPM (Capital Asset Prizing Model) aus, und korrigiert mithin den Kalkulationszinssatz, zur Methodik des CAPM siehe Perridon / Steiner, Finanzwirtschaft in der Unternehmung, S. 21 ff. sowie S. 274 ff.; zur Anwendung des CAPM im Rahmen der Unternehmensbewertung vgl. Hommel / Braun / Schmotz, DB 2001, S. 346, jeweils m. w. N. 352 353

D. Kritische Analyse der Argumente

123

Das Modell der Zinsbereinigung führt dazu, dass eine sichere Kapitalanlage in Höhe des Schutzzinssatzes steuerfrei bleibt. Daher stellt sich die Frage, ob hierdurch nicht Tendenzen, von risikobehafteten Investitionen Abstand zu nehmen, gefördert werden. Der Investor steht nämlich vor dem zusätzlichen Problem, sein Kapital entweder zu einem sicheren Zinssatz steuerfrei zu investieren oder aber bei unsicheren Erwartungen eine Risikoinvestition zu tätigen. Wobei im Misserfolgsfalle möglicherweise überhaupt kein Gewinn anfällt und im Erfolgsfalle ein (möglicherweise großer) Teil hiervon zu versteuern wäre. Das nachfolgende, bewusst vereinfachende Beispiel soll diese Problematik verdeutlichen: Ein Unternehmer steht vor der Wahl, einen Betrag von 1.000.000 A entweder in einer sehr risikobehafteten Geldanlage, die im Erfolgsfalle im nächsten Jahr eine Rendite von 100.000 A verspricht, anzulegen oder alternativ eine risikolose, niedrig verzinsliche Geldanlage zu tätigen. Im Misserfolgsfall soll die risikobehaftete Anlage keine Rendite (aber auch keinen Verlust) abwerfen. Das Eintreten von Alternative 1 (Erfolgsfall der Risikoanlage) wird von dem Investor mit der Wahrscheinlichkeit von 60 % erwartet (p ˆ 0,6). Die sichere Geldanlage werde mit einem Zinssatz von 5 % verzinst, so dass hierdurch 50.000 A erzielt werden könnten. Die Frage, welche Anlageform bei risikobehafteten Anlagen für den Investor günstiger ist, soll hier vom Investor nach dem sog. Erwartungswert355, der sich aus dem jeweiligen Produkt von Rendite multipliziert mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeit ergibt, entschieden werden356. Ohne Berücksichtigung von Steuern ergeben sich die folgenden Erwartungswerte: Der Erwartungswert der Risikoalternative ergibt sich zu: EW (Alt.1) ˆ p  100.000,00 ‡…1 p†  0 ˆ 60.000 A. Der Erwartungswert der sicheren Alternative beträgt: EW (Alt.2) ˆ 50.000 A. Der Unternehmer wird also unter den gegebenen Voraussetzungen die unsichere Alternative vorziehen. Berücksichtigt man nun die Besteuerung, dann ergibt sich nach dem herkömmlichen Steuersystem keine Veränderung. Bei einem Steuersatz von s ˆ 50 % ist der Erwartungswert der Risikoalternative ˆ (1 – 0,5)  60.000 A ˆ 30.000 A. Im Fall der sicheren Alternative ist der Erwartungswert 25.000 A. An der Reihenfolge der Handlungsalternativen hat sich durch die Besteuerung nichts geändert. Erfolgt die Besteuerung hingegen zinsbereinigt bei einem Schutzzinssatz von 5 %, dann ergibt sich ein verändertes Bild, da das eingesetzte Kapital in Höhe von 1.000.000,00 A zinsbereinigt werden muss. Der Erwartungswert der Risikoalternative nach Steuern beträgt: EWs (Alt.1) ˆ p  (100.000 A – s  (100.000 A – 1000.000 A  0,05) ˆ 0,6  75.000 ˆ 45.000 A. Zum Erwartungswert siehe Bronstein, Taschenbuch der Mathematik, S. 776 f. In der Praxis wird die Vorteilhaftigkeit von unsicheren Anlagen – wie in der vorletzten Fußnote gezeigt – üblicherweise im Rahmen des sog. Korrekturverfahrens durch Berücksichtigung von Risikozuschlägen auf den Kalkulationszinsfuß beurteilt, vgl. Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, S. 388 ff. Dies soll hier allerdings unberücksichtigt bleiben. Da beide Alternativen die Rendite im jeweils folgenden Jahr erwirtschaften, kann auch die Frage der Verzinsung bzw. des Kapitalwertvergleiches dahinstehen. 355 356

124

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Der Erwartungswert nach Steuern der sicheren Alternative ergibt sich unverändert zu 50.000 A, da im Beispiel nur eine Rendite in Höhe des steuerfreien Schutzzinssatzes anfällt.

Im vorliegenden Beispiel hat sich demnach durch die Besteuerung die Präferenz des Steuerpflichtigen geändert. Es lassen sich mithin Fälle bilden, in welchen bei Unsicherheit aufgrund eines zinsbereinigten Steuersystems die Rangfolge der Handlungsalternativen geändert wird357, 358. Insbesondere bei Risikoinvestitionen, die üblicherweise hochverzinslich sind, besteht also die Gefahr einer Verzerrung der Entscheidung durch ein zinsbereinigtes Steuersystem. Nicht auszuschließen ist daher, dass bei Einführung einer zinsbereinigten Besteuerung risikostärkere Branchen stärker gemieden werden, als dies nach dem geltenden Steuersystem der Fall ist. Die hierdurch verursachte Verzerrung der Entscheidung würde gerade in den Bereichen neuer Technologien zu noch größeren Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung führen, da dort regelmäßig größere Risiken bestehen als in den bereits etablierten Märkten. In einer auf Wissens- und Technologievorsprung basierenden Volkswirtschaft wäre eine solche „Innovationsfeindlichkeit“ des Steuersystems und damit auch des Kapitalmarktes ein bedeutender Wettbewerbsnachteil. Es kann mithin festgehalten werden, dass insbesondere unter Unsicherheit nicht mehr von Entscheidungsneutralität des zinsbereinigten Einkommensteuersystems ausgegangen werden kann359. 2. Zur Finanzierungsneutralität Während dem herkömmlichen Steuersystem eine Diskriminierung des Eigenkapitals zugunsten des Fremdkapitals vorgeworfen wird, werden den konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodellen von ihren Anhängern auch in dieser Hinsicht Vorzüge zugeschrieben. 357 Würde im dem genannten Beispiel die Besteuerung nach dem R+F-Cash-flow-Steuersystem erfolgen, dann würde sich keine Rangfolgeverschiebung durch die Besteuerung ergeben – ein weiterer Beleg dafür, dass beide Besteuerungssysteme nicht in jedem Falle zu ökonomisch gleichen Ergebnissen führen. 358 Gleichwohl soll nicht verkannt werden, dass eine solche Verzerrungswirkung – was sich im Übrigen auch mathematisch leicht nachweisen lässt – eher die Ausnahme darstellen dürfte. 359 Siehe hierzu vertiefend Niemann, Neutrale Steuersysteme unter Unsicherheit, S. 210 ff. und S. 258 ff., der in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass bei Risikoaversion des Investors (auch) Cash-flow-Steuer und Besteuerung des ökonomischen Gewinns keine Steuersysteme beschreiben, die in der Realität als objektiv entscheidungsneutral zu identifizieren sind. Niemann konzentrierte sich in diesem Zusammenhang allerdings nur auf diese beiden „neutralen“ Steuersysteme.

D. Kritische Analyse der Argumente

125

Für den Fall der zinsbereinigten Einkommensteuer ist eine solche Finanzierungsneutralität jedenfalls für den Fall offensichtlich, in welchem der Schutzzinssatz und der Fremdkapitalzins einander entsprechen. Dass die Zinsbereinigung insofern gegebenenfalls im geltenden Steuerrecht bestehenden Verzerrungen entgegenwirkt, bedarf daher keiner näheren Ausführung360. Unter den theoretischen Annahmen eines vollkommenen Marktes sowie Sicherheit sind auch die Cash-flow-Steuersysteme finanzierungsneutral. Dies ergibt sich daraus, dass auch bei diesen Modellen obligatorisch im Ergebnis die Zinsen effektiv steuerfrei sind361.

IV. Zur (weiteren) Kritik am konsumorientierten Ansatz Die Anhänger der konsumorientierten Besteuerung stützen ihre Theorie auf einen neoklassischen Ansatz. Nach der neoklassischen Theorie sinkt durch eine Steigerung der Sparrate der Zins. Wenn der Zins niedrig genug sei, werde genug investiert, wodurch ein ausreichendes Wachstum erzeugt werde und die Arbeitslosigkeit sinke362. Eines Eingreifens des Staates bedarf es nach diesem Ansatz daher grundsätzlich nicht. Vielmehr reguliert und stabilisiert sich der Markt nach der (neo-)klassischen Theorie tendenziell selbst. Diese Argumentation berücksichtigt aber nicht, dass der Geldzins nicht (nur) ein Preis ist, der durch Angebot und Nachfrage von bzw. nach Sparkapital entsteht, hierfür sind vielmehr auch andere Gesichtspunkte wie z. B. die Geldpolitik der Zentralbanken verantwortlich363. Auch ein Blick auf die gegenwärtig – trotz niedriger Zinsen – in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Wirtschaftskrise lässt Zweifel an der Berechtigung dieser Theorie aufkommen. Diejenigen, die die Ursache für diese Krise in einer ausgeprägten und dauerhaften Schwäche des (Inlands-)Konsums sehen, werden einer konsumorientierten Besteuerung ohnehin zumindest gegenwärtig keine Wachstumsimpulse zusprechen wollen. Durch Einführung einer Konsumsteuer würde nämlich diese Konsumschwäche eher verstärkt werden364. 360 Zur Finanzierungsneutralität des zinsbereinigten Steuersystems vgl. Rose in KrauseJunk, S. 256; Kiesewetter, StuW 1997, S. 26 ff. 361 Schwinger, StuW 1994, S. 50. Dass die sparbereinigte Einkommensteuer und die zinsbereinigte Einkommensteuer insoweit ökonomisch gleichwertig sind, wurde bereits oben gezeigt. Zum genauen Nachweis siehe auch Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 366 ff. Anhand von Beispielen verdeutlicht dies Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 118 ff. 362 Vgl. Farny / Gall, ÖStZ 1998, S. 511. 363 So Farny / Gall, ÖStZ 1998, S. 511. 364 Siehe hierzu unten: Vierter Teil, V. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Einführung einer konsumorientierten Unternehmenssteuer.

126

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Der auf der traditionellen neoklassischen Lehre aufbauenden konsumorientierten Besteuerung wird weiterhin zu Recht vorgeworfen, diese vernachlässige völlig die Auswirkungen auf die Bildung von Humankapital, d. h. z. B. Fortbildung und Umschulung, obwohl dieses heute vielfach als wichtigster Faktor für das Wirtschaftswachstum angesehen wird365. Für den Fall einer progressiven Besteuerung hält König366 eine Besteuerung der Kapitaleinkünfte insoweit für vorteilhaft, als diese eine Anreizwirkung zur Bildung von Humankapital schaffe. Ausgangspunkt der auf Boskin367 zurückgehenden Überlegungen ist, dass eine progressive Besteuerung der Arbeitseinkünfte, wie sie beispielsweise im Rahmen der zinsbereinigten Besteuerung zumindest als Kompromiss vorgeschlagen wird, dazu führe, dass die Bildung von Humankapital behindert werde368. Unterlägen jedoch auch die Zinsen der Besteuerung, dann sinke der zur Abzinsung der künftigen aus der Humankapitalinvestition z. B. in Form höherer Löhne herangezogene Kalkulationszinsfuß und der Barwert dieser Erträge steige369. Nach Ansicht von König liefert die Besteuerung von Kapitaleinkünften daher Anreize zur Bildung von Humankapital. Gegen die konsumorientierten Besteuerungsmodelle kann weiterhin geltend gemacht werden, dass sie auf unrealistischen Bedingungen aufbauen. Die Modelle basieren auf dem sog. vollkommenen Markt. Dieser kennt aber keine unterschiedlichen Soll- und Habenzinssätze, so dass das zentrale Problem der Normalverzinsung bereits per definitionem ausgeschlossen wird370. Da die Überlegungen auch von einer unendlich großen zur Verfügung stehenden Kapitalmenge ausgehen, werden zentrale Gesichtspunkte, die in der Realität Bedeutung haben, einfach ausgeblendet. Vor diesem Hintergrund dürfen die in der Theorie bestehenden Neutralitätseigenschaften in der Praxis nicht überbewertet werden371. 365 So König, Wirtschaftliche Effizienz und Steuerreformen, S. 117, m. w. N. auch zu anderen sich mit dieser Thematik beschäftigenden Modellansätzen. 366 So König, Wirtschaftliche Effizienz und Steuerreformen, S. 118. 367 Boskin, zitiert nach König, Wirtschaftliche Effizienz und Steuerreformen, S. 118. 368 Die Steuerwirkungen bei einer proportionalen Besteuerung der Lohneinkünfte gleichen sich bei einer Investition in Humankapital hingegen aus: Den Steuerausfällen aus den anfallenden Opportunitätskosten in Form entgangener Löhne stehen die Steuermehreinnahmen der aus dieser Investition folgenden höheren Lohneinkünfte in Form gestiegener Löhne gegenüber. 369 So König, Wirtschaftliche Effizienz und Steuerreformen, S. 118. 370 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 120; zum vollkommenen Kapitalmarkt siehe auch Breuer, WiSt 1999, S. 271. Innerhalb eines solchen vollkommenen Marktes, einer sog. „Arrow-Debreu-Welt“, sollen sogar Unsicherheiten den behaupteten Neutralitätseigenschaften nicht entgegenstehen, da insoweit vollständige Versicherungsmärkte angenommen werden, zu den Einzelheiten vgl. Jansen, Entscheidungsneutrale Gewinnbesteuerung und Liquidität, S. 47. 371 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 120; kritisch Jansen, Entscheidungsneutrale Gewinnbesteuerung und Liquidität, S. 282.

D. Kritische Analyse der Argumente

127

V. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Einführung einer konsumorientierten Unternehmenssteuer Welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen die Einführung der vorgestellten Konsumsteuermodelle in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich hätte, kann – darauf sei bereits an dieser Stelle hingewiesen – nicht abschließend beurteilt werden. Insoweit besteht in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur Uneinigkeit. Eine verlässliche und umfassende Untersuchung hierüber liegt, soweit ersichtlich, noch nicht vor. Im Schrifttum wurde in diesem Zusammenhang bisweilen auf eine erfolgreiche Einführung der zinsbereinigten Einkommensteuer in Kroatien verwiesen372. Hieraus kann jedoch allenfalls geschlossen werden, dass ein solches Steuersystem in der Praxis tatsächlich funktionieren könnte373. Da sich Kroatien wieder vom Grundprinzip der zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung verabschiedet hat, ließe sich allerdings auch das Gegenteil vermuten. Auch die Tatsache, dass die wirtschaftliche Lage in Kroatien ab 1998 von einer starken Rezession geprägt war374, spricht eher gegen als für einen herausragenden Erfolg des zinsbereinigten Steuersystems. Einer Übertragbarkeit auf unser Rechtssystem sind ohnehin bereits aus dem historischen Zusammenhang heraus Grenzen gesetzt. Während nämlich in Kroatien ein ehemals sozialistisches Land in einer Zeit des Umbruchs mit einem solchen Steuersystem konfrontiert worden ist, müsste in der Bundesrepublik Deutschland ein Steuersystemwechsel vor dem Hintergrund einer für lange Zeit unveränderten und etablierten Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur erfolgen. Überdies unterscheidet sich Kroatien auch von den anderen sog. Transitionsländern, da die Situation in Kroatien stark vom Krieg und dessen Folgen geprägt war375. In Kroatien wurde die Systemabkehr (inoffiziell)376 damit begründet, dass ausländische Investoren die Vorteilhaftigkeit des zinsbereinigten Steuersystems wegen des im Vergleich zu anderen Ländern (aufgrund der Zinsbereinigung) höheren tariflichen Steuersatzes nicht erkannt hätten377. Vor allem sei es den ausländischen 372 Eine nähere Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen des von 1994 – 2000 gültigen kroatischen Steuersystems findet sich bei Keen / King in Rose (2003), S. 323 ff.; vgl. im Übrigen Loncarevic´, Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung von Einkommen und konsumorientierte Steuersysteme, S. 99 ff.; Knoll, WD 1996, S. 147 ff.; sowie die umfassende Darstellung bei Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 151 ff., der hierbei jedoch einschränkend ausführt, dass die positiven Daten in Kroatien keine verallgemeinernde Aussage zuließen. 373 Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 154. 374 Vgl. Keen / King in Rose (2003), S. 338. 375 Jelcic´ in FS-Fischer, S. 121. 376 Wie oben (Vierter Teil, C. I.) bereits ausgeführt fehlt eine offizielle Begründung für den Steuersystemwechsel in Kroatien.

128

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

Kapitalanlegern aber in aller Regel im Ergebnis nicht möglich gewesen, die Steuervorteile bei Dividenden in ihrem Heimatland zu realisieren, weil Doppelbesteuerungsabkommen dies weitestgehend verhinderten378. Die Steuerpflichtigen hätten die in Kroatien steuerfrei erzielten Dividenden regelmäßig in ihren Ansässigkeitsstaaten voll versteuern müssen379. Unterstellt man die Richtigkeit dieser Argumentation, dann würden diese Gefahren selbstverständlich auch bei einer Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Selbst wenn es jedoch im Rahmen einer isolierten Einführung einer solchen Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland gelänge, verstärkt ausländisches Kapital nach Deutschland zu „locken“, was vordergründig Wachstum bedeuten könnte380, wären hiermit weitere Risiken verbunden. Wenn Deutschland in stärkerem Umfang internationales Kapital anziehen würde, wäre nämlich ein sog. „Steueroaseneffekt“ zu befürchten. Da die Steuerbelastung im Ausland höher wäre, könnte dies zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die exportierenden deutschen Großunternehmen, die im Ausland investieren wollen, führen381. Auch bestünde die Gefahr der wirtschaftlichen Isolation, wenn andere Staaten Schutzmaßnahmen gegen den Kapitalabfluss nach Deutschland ergriffen382. Ein verschärfter Steuerwettbewerb könnte schließlich dazu führen, dass zuvor erzielte Nutzenvorteile langfristig entfielen383. Die isolierte Einführung wäre daher mit einer Reihe von gravierenden Gefahren verbunden, die eine Einführung insofern als eher bedenklich erscheinen lassen. 377 Siehe hierzu Stöber, IStR-Länderbericht zu Heft 13 / 2001, S. 4. Demgegenüber meint Jelcic´, die Praxis habe gezeigt, dass der höhere Steuersatz keine nennenswerte Rolle bei den Entscheidungen ausländischer Investoren gespielt habe, Jelcic´ in FS-Fischer, S. 133. 378 Nach den Art. 10 OECD-MA nachgebildeten und zumeist zur Anwendung kommenden Abkommensklauseln erfolgt die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, während die im Quellenstaat zu leistende Steuer entweder mangels entsprechender DBA oder gem. Art. 23 OECD-MA angerechnet wird, vgl. hierzu Stöber, IStR-Länderbericht zu Heft 13 / 2001, S. 4; a. A. jedoch Loncarevic´, Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung von Einkommen und konsumorientierte Steuersysteme, S. 165 sowie S. 206 ff. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass beim Zusammentreffen eines traditionellen und eines zinsbereinigten Steuersystems (auch bei Anwendung des OECD-MA) „keine Probleme bei der Vermeidung der Doppelbesteuerung entstehen“. 379 Wenger geht davon aus, dass (auch) der Realisierung einer zinsbereinigten Besteuerung ein durchschlagender Erfolg nur dann zuteil werden könne, wenn die Wohnsitzstaaten von Dividendenempfängern auf ihr Besteuerungsrecht verzichteten, vgl. Wenger in Stützl, S. 544. 380 Nach Ansicht von Hellwig, würde die völlige Freistellung der Zinsen vermutlich sogar zu einer „Kapitalschwemme“ nach Deutschland führen, so Hellwig in FS-Offerhaus, S. 1119. 381 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 124. 382 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 124. 383 Vgl. Musgrave in Rose, S. 566.

D. Kritische Analyse der Argumente

129

Ob die konsumorientierten Unternehmenssteuern – von den Risiken einer fehlenden internationalen Einbettung einmal abgesehen – wirtschaftliches Wachstum anregen würden, lässt sich letztlich nicht verbindlich feststellen. Beide hier vorgestellten konsumorientierten Steuersysteme stellen Sparen und Investition in weitem Maße von der Besteuerung frei. Daher wird man vom Standpunkt einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik mit guten Gründen den Standpunkt vertreten können, dass hiervon Wachstumseffekte ausgehen würden384. Gegen die auf Förderung von Investition und Sparen ausgerichtete konsumorientierte Besteuerung wird jedoch – vom Standpunkt einer eher nachfrageorientierten Konjunkturpolitik385 aus folgerichtig – eingewandt, dass eine hohe Sparquote noch kein Garant für gesamtwirtschaftlichen Erfolg ist386. Das gegenwärtige wirtschaftliche Zentralproblem einer hohen Arbeitslosigkeit wird dementsprechend zum einen als Strukturproblem, zum anderen aber auch als Problem einer geringen effektiven Nachfrage diskutiert. Nicht der Mangel an Ersparnisbildung sei die Ursache der aktuellen ökonomischen Probleme, sondern der Mangel an Nachfrage und die fehlende Bereitschaft, ausreichend zur Verfügung stehendes Kapital in realwirtschaftliche Investitionen zu führen387. Im Hinblick darauf, dass gegenwärtig vor allem die fehlende Bereitschaft der Konsumenten zur Nachfrage kritisiert wird, wäre der Umstieg auf ein konsumorientiertes Besteuerungssystem gerade in einer solchen Zeit nicht ohne Risiko, da sich dieses Verhalten durch eine derartige Steuersystemänderung vermutlich eher verstärken würde. Auch die Tatsache, dass der Rückgang der Körperschaftsteuer im Jahre 2002 nicht einhergeht mit einer Ausweitung der Investitionen und dementsprechende hohe Abschreibungsraten nicht zu Wachstum geführt haben, zeigt, dass die Macht der Finanzpolitik, auf Wachstum und Wohlstand einwirken zu können, nicht überschätzt werden darf. Sieht man dies allerdings vom wohl überwiegend vertretenen, eher angebotsorientierten Standpunkt aus388, dann wird man nicht bestreiten können, dass von der Steuerbefreiung bzw. -minderung der Unternehmensgewinne ein großer Anreiz für Investitionen ausginge. Eine entsprechende Steuerreform könnte daher die „dyna384 Eine (gemäßigte) angebotsorientierte Wirtschaftspolitik wird bspw. vom Sachverständigenrat der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Während bei ihrem Gegenstück, der nachfrageorientierten Konjunkturpolitik die Steigerung der Nachfrage als die bestimmende Größe betrachtet wird, sieht die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik in der Steigerung des Produktionspotentials die zu beeinflussende Bestimmungsgröße, siehe hierzu Peters, Wirtschaftspolitik, S. 221. 385 Die nachfrageorientierte Theorie stützt sich vom Ansatz her vor allem auf Keynes, vgl. Peters, Wirtschaftspolitik, S. 203 ff. 386 Farny / Gall, ÖStZ 1998, S. 511. 387 Vgl. Farny / Gall, ÖStZ 1998, S. 511. 388 Der Streit, ob einer angebots- oder einer eher nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik der Vorzug zu geben ist, soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Letztlich handelt es sich hierbei um einen „Glaubenskrieg“. Beide Systeme können gute Argumente für sich anführen, gleichwohl neigt der Verfasser eher dem angebotsorientierten Ansatz zu.

9 Reis

130

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

mischen Wirkungs- und Antriebskräfte eines marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems“ fördern389. Eng hiermit verbunden ist die Frage der Intensivierung der Eigenkapitalfinanzierung. Beide konsumorientierten Steuersysteme fördern die Eigenkapitalfinanzierung. Dies könnte zum einen zu einem positiven Wachstumseffekt führen. Zum anderen könnte dies aber auch konjunkturpolitisch von Interesse sein, da sich Unternehmen durch ein stärkeres Eigenkapitalpolster „krisenunempfindlicher“ zeigen würden390. Schneider wirft in diesem Zusammenhang allerdings ein, dass die Länder, die zeitweise auf eine Sofortabschreibung setzten, die Erfahrung gemacht hätten, dass die Investitionen im Konjunkturzyklus stark schwankten391. Dies würde aus Sicht des Staatshaushaltes, der auf verlässliche Prognosen angewiesen ist, zu erheblichen Problemen führen. Während also über die Frage nach den konjunkturellen Auswirkungen keine Einigkeit besteht, kann man davon ausgehen, dass die Konsumsteuersysteme im Hinblick auf die Inflationsproblematik weitestgehend neutral reagieren, d. h. aus Sicht des Steuerpflichtigen ausgleichend wirken392. Durch die mittelbare Belastung des Konsums kann weiterhin von einer konsumhemmenden Wirkung ausgegangen werden. Damit würde eine solche Besteuerung den Problemen Ressourcenverschwendung sowie Umweltverschmutzung zumindest tendenziell entgegenwirken. Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind nicht ohne weiteres vorauszusagen. Da auch die glühendsten Verfechter der konsumorientierten Besteuerung nicht davon ausgehen können, dass die beispielsweise mit der Freistellung von Zinsen verbundenen Steuerausfälle allein durch Wachstumseffekte aufgefangen werden könnten, würde sich die Gewichtung des Steueraufkommens sicherlich von den Kapitaleinkommen zu Lasten der Arbeitseinkommen verschieben393. Ein höherer Steuersatz auf das Arbeitseinkommen hätte jedoch leistungshemmende Wirkung394. Homburg warnt in diesem Zusammenhang davor, dass die Konsumsteuersysteme zwar die Konsum-Sparentscheidung entzerrt hätten, im Hinblick auf das Arbeitsangebot aber neue Verzerrungen hervorriefen, die das gesamte Steuersystem gesamtwirtschaftlich als fragwürdig erscheinen ließen395. Rose in Rose, S. 27 f. Zur Förderung der Eigenkapitalbildung siehe Rose in Rose, S. 209 ff. 391 Schneider, Cash-flow-Besteuerung als klägliche Konterrevolution gegen den ökonomischen Gewinn, S. 18. Namentlich werden diese Länder von Schneider allerdings nicht benannt. 392 Vgl. McLure / Zodrow in Rose, S. 126. 393 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, S. 122. 394 McLure / Zodrow in Rose, S. 118. 389 390

D. Kritische Analyse der Argumente

131

Die Verlagerung der Besteuerung auf die Arbeitseinkommen könnte auch dazu führen, dass die Arbeitsangebotsentscheidung zugunsten einer Freizeitentscheidung verzerrt wird. Weil eine höhere Einkommensteuer nicht zwangsläufig ein vermindertes Arbeitsangebot bedeutet396, wäre ein solcher Effekt nur schwer messbar, so dass allgemeine Aussagen über das Arbeitsangebotsverhalten nur sehr eingeschränkt zu treffen sind397. Während ein Steuersystemwechsel in Bezug auf das Arbeitsangebotsverhalten demnach eher mit Vorsicht zu sehen ist, sprechen Einfachheit und Effizienz vor allem für die Cash-flow-Steuersysteme. Auch wenn die oben beschriebenen praktischen Probleme nicht verschwiegen werden können, deutet die anzunehmende administrative Vereinfachung allen Einwänden zum Trotz auf einen Effizienzgewinn und damit gleichzeitig auch auf eine Kostenreduktion auf Ebene der öffentlichen Haushalte hin398. Durch die dem Postulat der Entscheidungsneutralität zumindest stark angenäherte Cash-flow-Besteuerung werden vermutlich zudem die volkswirtschaftlich nachteiligen Zusatzkosten („excess burden“) gesenkt, so dass hierdurch ein weiterer Effizienzgewinn zu verzeichnen wäre. Während die Cash-flow-Besteuerung somit ihrem Ideal der Entscheidungsneutralität zumindest nahe kommt und das Erreichen der hiermit verbundenen allokativen Vorzüge zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, trifft dies auf die zinsbereinigte Gewinnsteuer nicht zu. Wie oben gezeigt bleibt die „Entscheidungsneutralität“ dieses Systems in der Praxis ein ökonomischer Wunschtraum. Da die Entscheidungsneutralität somit nicht gewährleistet ist, entfallen auch die damit verbundenen allokativen Vorzüge. Daran ändert im Übrigen auch die Tatsache nichts, dass die Zinsbereinigung dazu führt, dass Bilanzgestaltungen in ihrer Bedeutung abnehmen. Kein Unternehmen kann es sich nämlich erlauben, darauf zu verzichten, die Steuervorteile einzelner Handlungsalternativen vorher genau zu ermitteln, nur weil deren steuerliche Auswirkungen weniger groß sind als dies beim „alten“ Steuersystem der Fall wäre. Zusammengefasst zeigt sich also, dass mit der Einführung der konsumorientierten Besteuerungssysteme aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Chancen, aber auch Risiken verbunden sind.

395 Homburg in Rose (1997), S. 112; Krause-Junk in Rose (1997), S. 62, gibt zu Bedenken, dass der Entlastung des Sparens „im Hinblick auf die internationale Mobilität hochproduktiver Arbeit Grenzen gesetzt“ seien, was Wenger in Rose (1997), S. 138, mit der zynischen Bemerkung kommentiert, dass der „kontinuierliche Abfluß von Milliardären und Multimilliardären, den Deutschland seit langem beklagen“ müsse, wohl stärker ins Gewicht falle. 396 So können die Haushalte bei sinkendem Nettolohn auch mit einer Erhöhung des Angebots reagieren, um einem Einkommensverlust zu entgehen, vgl. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 37. 397 Vgl. Blundell, Fiscal Studies 13 (3) 1992, S. 38, wonach der Besteuerungseffekt nur in nach verschiedenen Arbeitnehmergruppen differenzierenden Modellen sinnvoll messbar ist. 398 Kritisch insoweit Feldhoff, StuW 1989, S. 63.

9*

132

4. Teil: Unterschiedliche konsumorientierte Unternehmensbesteuerungsmodelle

E. Abschließendes Beispiel der unterschiedlichen konsumorientierten Unternehmensbesteuerungssysteme Nachfolgend sollen anhand eines einfachen Beispiels nochmals die Auswirkungen der R-Basis-, R+F-Basis-Cash-flow-Steuer399 sowie der zinsbereinigten Einkommensteuer auf die steuerliche Bemessungsgrundlage im Vergleich zum gegenwärtigen Steuersystem verdeutlicht werden400: Ein Unternehmen investiere im Jahre t ˆ 0 100 GE und im Jahre t ˆ 1 nochmals 50 GE. Vorleistungen seien nicht erfolgt. Von der Anfangskapitalausstattung werden 70 GE fremdfinanziert. Diese werden mit 10 % verzinst. Die restlichen 30 GE sind als EK vorhanden. Als Kalkulationszinssatz werde ebenfalls der (sichere) Marktzins von 10 % angesetzt. Alle Fremdkapitalbeträge werden im Jahre t ˆ 2 inkl. der Zinsen in voller Höhe zurückgezahlt und das Unternehmen liquidiert. Der Einfachheit halber soll davon ausgegangen werden, dass die versteuerten Gewinne bzw. die Steuergutschrift zum Zeitpunkt t ˆ 0 voll ausgeschüttet und nicht reinvestiert werden. Da der Barwert der Bemessungsgrundlagen identisch ist, sind bei gleichem Steuersatz auch die Barwerte der Steuerzahlungen und die Barwerte der Ausschüttungen gleich, so dass auch in dieser Hinsicht ökonomische Identität besteht401. Tabelle 11 Zeitpunkt t=0

t=1

t=2

Barwerte

Umsätze



163,38

218,38

329,00

Lohnkosten



–100,00

–100,00

–173,55

Investitionsausgaben

–100,00

–50,00



–145,45

Bemessungsgrundlage (R-Basis-Cash-flow-Steuer)

–100,00

13,38

118,38

10,00

–70,00

12,15

–7,00

–7,00

–12,15

6,38

41,38

10,00

Kreditaufnahme Geleistete Zinsen Bemessungsgrundlage (R+F-Basis-Cash-flowSteuer)

70,00 –

30,00



399 Auf die Darstellung der insoweit wesensgleichen Ausschüttungssteuer sowie des Mischsystems nach Sinn (vgl. Vierter Teil, B. IV. 3. und 4.) wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet. 400 Das Beispiel sowie die entsprechenden Tabellen sind entnommen aus Schreiber / Stellpflug, WiSt 1999, S. 186 ff. 401 Daran änderte sich im Übrigen auch dann nichts, wenn die entsprechenden Beträge nicht ausgeschüttet, sondern im Betrieb (zum Kalkulationszinssatz) alternativ angelegt werden würden.

E. Abschließendes Beispiel

133

Das Beispiel verdeutlicht mit Hilfe der Barwerte, dass die Bemessungsgrundlagen von R-Basis-Cash-flow-Steuer und R+F-Basis-Cash-flow-Steuer wirtschaftlich identisch sind. Dies ergibt sich zwingend daraus, dass sich die Barwerte der Bemessungsgrundlage nur durch die Barwerte der auf das Fremdkapital bezogenen Zahlungen unterscheiden. Unter der Voraussetzung, dass der Kalkulationszinssatz identisch mit dem Zinssatz auf das aufgenommene Fremdkapital ist, ist dieser zwingend gleich Null. Somit müssen dann auch die Barwerte der Bemessungsgrundlagen identisch sein402. Die nachfolgende Tabelle zeigt nun die Ermittlung aufgrund der zinsbereinigten Gewinn- bzw. Einkommensteuer durch Abzug eines Schutzzinses in Höhe von 10 %. Dabei wurde die Investition in Höhe von 100 GE über zwei Jahre und die Anschlussinvestition von 50 GE sofort abgeschrieben. Tabelle 12 Zeitpunkt t=0

t=1

t=2

Barwerte

Umsätze



163,38

218,38

329,00

Lohnkosten



–100,00

–100,00

–173,55

Abschreibungen



–50,00

–100,00

–128,09

Geleistete Zinsen



–7,00

–7,00

12,15

Bemessungsgrundlage (Geltendes Steuersystem)



6,38

11,38

15,20

Schutzzins (auf EK in Höhe von 30 GE)



–3,00

–3,00

–5,20

Bemessungsgrundlage (Zinsbereinigte Gewinnsteuer)



3,38

8,38

10,00

Die obige Tabelle verdeutlicht, dass die Barwerte der Zahlungsüberschüsse bei R+F-Cash-flow-Steuer und bei der zinsbereinigten Einkommensteuer übereinstimmen. Dies ist jedoch wie oben ausgeführt unter den gegebenen Annahmen nicht verwunderlich. Es ergibt sich daraus, dass die Rückflüsse des eingesetzten Eigenkapitals durch die Abschreibung und dessen Zinskosten von den verrechneten Eigenkapitalzinsen erfasst sind403.

402 403

Vgl. Schreiber / Stellpflug, WiSt 1999, S. 188. Vgl. Schreiber / Stellpflug, WiSt 1999, S. 189.

Fünfter Teil

Europarechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung Gegenstand dieser Arbeit ist die Beurteilung der in den letzten Teilen beschriebenen konsumorientierten Besteuerungssysteme aus verfassungsrechtlicher Sicht. Im Hinblick darauf, dass der deutsche Gesetzgeber immer mehr an die im Rahmen eines zusammenwachsenden Europas entstehenden bzw. bereits bestehenden europäischen Regelungen gebunden ist, wird dieser verfassungsrechtlichen Betrachtung ein kursorischer Überblick über die europäischen Rechtsgrundlagen mit steuerrechtlichem Bezug vorangestellt.

A. Regelungen des EG-Vertrages mit steuerrechtlichem Bezug Hinsichtlich des Steuerrechts enthält der EG-Vertrag (EGV) in den Art. 90 – 93 (ex-Art. 95 – 99) EGV1 spezielle steuerliche Vorschriften. Diese beziehen sich jedoch nur auf indirekte Steuern. So gibt Art. 93 (ex-Art. 99) EGV eine spezielle Rechtsgrundlage zur Harmonisierung der indirekten Steuern, während die Art. 90 – 92 (ex-Art. 95 – 99) EGV Verbote der Warendiskriminierung für indirekte Steuern festlegen. Für den Bereich der direkten Steuern fehlt ein solcher ausdrücklicher Harmonisierungsauftrag. Daraus lässt sich schließen, dass den Mitgliedstaaten nach wie vor primär die Gesetzgebungshoheit auf dem Gebiet der direkten Steuern zusteht2. Der Bereich der direkten Steuern hängt nämlich unmittelbar mit den Besonderheiten der nationalen Rechts- und Gesellschaftsordnung und der „nationalen Identität“ zusammen, welche die Union gem. Art. 6 III EUV zu achten hat. Dies lässt sich außerdem aus den in Art. 5 S. 2 (ex-Art. 3b) EGV ausdrücklich festgelegten gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen der Subsidiarität und Erforder1 Die erstgenannten Artikel beziehen sich dabei auf die durch die EU-Beitrittsakte 2003 vom 16. 4. 2003 geänderte Fassung, in Kraft getreten am 1. 5. 2004, während die Bezeichnung in Klammern die im Vertrag von Maastricht verwendete Nummerierung benennt. 2 Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 2 Rdnr. 53; Schön, DStJG 23 (2000), S. 209.

A. Regelungen des EG-Vertrages mit steuerrechtlichem Bezug

135

lichkeit folgern3. Nach dem Wortlaut dieser Norm darf die Gemeinschaft, wenn ihre Zuständigkeit nicht von vornherein ausdrücklich festgelegt worden ist, nur tätig werden, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden“. Es besteht heute weitestgehend Einigkeit darüber, dass die in Art. 94 und 95 (ex-Art. 100 und 100a) EGV festgelegte Möglichkeit, im Interesse der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes / Binnenmarktes, mitgliedstaatliche Vorschriften anzugleichen, auch Eingriffe in direkte Steuern zulässt4. Art. 95 II (ex-Art. 100a) EGV schließt für „Bestimmungen über die Steuern“ das gegenüber Art. 94 EGV vereinfachte Verfahren nach Art. 95 I EGV aus. Daraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass Regelungen bezüglich direkter Steuern jedenfalls auf der Grundlage der allgemeinen Harmonisierungsvorschrift des Art. 94 EGV beschlossen werden können5. Voraussetzung ist nach Art. 94 EGV, dass sich die beabsichtigten Regelungen „unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken“. Dementsprechend sind in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der direkten Steuern vor allem steuerliche Vorschriften, die grenzüberschreitende Vorgänge als solche betreffen, erlassen worden6. Demgegenüber ist im Schrifttum streitig, ob eine Harmonisierungsbefugnis der EG-Organe auch für steuerliche Vorschriften besteht, die zu den allgemeinen steuerlichen Rahmenbedingungen inländischer Wirtschaftstätigkeit ohne unmittelbare grenzüberschreitende Wirkung gehören. Da steuerliche Vorschriften als Kostenfaktor für die Wahl des Standorts und der Investition von Bedeutung sind, folgert eine Auffassung hieraus, dass sich steuerliche Regelungen zu Kapitaleinkünften und Unternehmensgewinnen unmittelbar auf das „Entstehen und Funktionieren“ 3 Nach einer Mindermeinung ist das Subsidiaritätsprinzip im Bereich der Rechtsharmonisierung nicht anwendbar. Die einzelnen Mitgliedstaaten seien nämlich gar nicht in der Lage, von sich aus eine Harmonisierung des Rechts vorzunehmen. Die Rechtsangleichung, als besondere für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendige Tätigkeit, führe dazu, dass eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft gegeben sei, Voß, StuW 1993, S. 161. Entscheidend muss insoweit aber das jeweilige Sachgebiet sein, vgl. Zorn, DStJG 23 (2000), S. 235. Dass das Steuerrecht nach den Regelungen der Art. 90 ff. EGV gerade kein exklusiv der Gemeinschaft zugewiesenes Rechtsgebiet darstellt, widerlegt deutlich, dass hier das Subsidiaritätsprinzip gelten soll und keine ausschließliche Harmonisierungskompetenz besteht, siehe hierzu die nachfolgenden Ausführungen. 4 Schön, DStJG 23 (2000), S. 217. 5 Schön, DStJG 23 (2000), S. 217, m. w. N. 6 Beispielhaft genannt seien dabei die Richtlinie zur grenzüberschreitenden Fusion, Richtlinie 90 / 434 / EWG des Rates vom 23. 7. 1990, ABl. EG L 225 / 1 vom 20. 8. 1990, sowie die Richtlinie zu grenzüberschreitenden Schachteldividenden im Konzern, Richtlinie 90 / 434 / EWG des Rates vom 23. 7. 1990, ABl. EG L 225 / 6 vom 20. 8. 1990. Vgl. aus dem neueren Schrifttum umfassend zur EuGH-Rechtsprechung Laule, IFSt-Schrift Nr. 407.

136

5. Teil: Europarechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

des Gemeinsamen Marktes auswirken, weshalb eine Rechtsetzungsbefugnis zu bejahen sei7. Die Gegenmeinung verweist darauf, dass die Standortwahl einer Investition nicht nur von der Steuerbelastung, sondern vor allem auch von dem damit korrespondierenden Angebot staatlicher Leistungen abhängt8. Somit sei unter Umständen ein Hochsteuerland einem Niedrigsteuerland vorzuziehen, weshalb die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung durch Steuern bereits im Ansatz verfehlt sei9. Mithin bestehe keine Harmonisierungsbefugnis der EU10. Dieser Streit ist im Hinblick auf das Untersuchungsthema ohne Bedeutung. Er soll daher nicht entschieden werden. Anzumerken ist jedoch, dass insbesondere für den Bereich der Finanzdienstleistungen Standortfaktoren wie Infrastruktur von nur untergeordneter Bedeutung sind, weshalb die letztgenannte Auffassung, zumindest soweit sie solche Einkünfte betrifft, abzulehnen ist11. Da die Harmonisierungsbefugnis dem nationalen Gesetzgeber nicht die Möglichkeit nimmt, auf dem Gebiet der direkten Steuern tätig zu werden, stellt sich nunmehr die Frage, welche Grenzen insoweit durch das Europarecht gesetzt werden12.

B. Bedeutung der Grundfreiheiten und des Beihilfenverbots für die direkte Besteuerung Die Steuerharmonisierung dient zum einen dazu, Beeinflussungen privatwirtschaftlicher Entscheidungen und damit des Wettbewerbs zu vermindern, zum anderen sollen hierdurch auch die Grundfreiheiten des EGV im Gemeinsamen Markt verwirklicht werden13.

7 Fischer, NJW 1968, S. 324; Greiffenhagen, GmbHR 1962, S. 88 ff.; Grasmann, AG 1973, S. 228 ff. 8 So bspw. Vogel, StuW 1993, S. 384. 9 Herzig, DStJG 19 (1996), S. 130 ff. 10 Zum Streit inwieweit durch direkte Steuern Wettbewerbsverzerrungen bestehen, siehe Maithert, Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, S. 68 ff., der sich unter diesem Gesichtspunkt eingehend mit den beiden Positionen Vorrang des Steuerwettbewerbs auf der einen und Vorrang der Steuerharmonisierung auf der anderen Seite beschäftigt. 11 Schön, DStJG 23 (2000), S. 220. 12 Im Vordergrund der aktuellen Diskussion steht hingegen die oben angesprochene, eher gegenteilige Frage, inwieweit der EU Harmonisierungsbefugnisse auf dem Gebiet der direkten Steuern zukommen. 13 Vgl. Zorn, DStJG 23 (2000), S. 235, m. w. N.

B. Bedeutung der Grundfreiheiten und des Beihilfenverbots

137

I. Die Bedeutung der Grundfreiheiten des EGV Die Grundfreiheiten14 des Gemeinschaftsrechts enthalten Diskriminierungsverbote und sind unmittelbar zugunsten der Steuerpflichtigen anwendbar15. Da sie zugleich entgegenstehendes nationales Recht verdrängen, stellen sie das „Einfallstor“ für Eingriffe in das nationale Steuerrecht dar16. Gleichwohl sind die Grundfreiheiten keine Grundrechte der Unionsbürger gegenüber dem Staat, vielmehr verpflichten sie die Mitgliedstaaten, im Rahmen der nationalen Gesetzgebungskompetenz die Grundfreiheiten angemessen zu würdigen17. Der EG-Vertrag enthält (für das Gebiet der direkten Steuern) die folgenden Grundfreiheiten: Die Regelungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 ff. [ex-Art. 48] EGV), den Abbau der Beschränkungen des Niederlassungsrechts (Art. 43 ff. [ex-52] EGV), den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49 ff. [ex-Art. 59] EGV) und den freien Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 56 ff. [ex-Art. 73b] EGV). Nach ihrem primären Verständnis stellen die Grundfreiheiten gleichheitsrechtliche Diskriminierungsverbote18 nach der Staatsangehörigkeit bzw. der Ansässigkeit dar19. Sie sind spezielle Ausprägungen des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nach Art. 12 (ex-Art. 6 I) EGV20, das neben ihnen keine Anwendung mehr findet, und ähneln daher dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. In zwei Punkten unterscheidet sich eine Überprüfung am Maßstab der Grundfreiheiten deutlich von einer Überprüfung am Maßstab von Art. 3 I GG. Die Diskriminierungsverbote des EGV schützen nur vor Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder Ansässigkeit21. So versteht der EuGH beispielsweise die Verpflichtung aus Art. 39 EGV als Gebot der Inländergleichbehandlung, d. h. 14 Auch wenn der EG-Vertrag den Begriff der Grundfreiheiten nicht verwendet, hat er sich dennoch durchgesetzt, vgl. Lehner, DStJG 23 (2000), S. 265. 15 Vgl. Levedag, Die Begünstigung der gewerblichen Einkünfte, S. 230. 16 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 228. 17 Thömmes, DStJG 19 (1996), S. 82. 18 Auf die Wirkung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote soll hier nicht näher eingegangen werden, siehe hierzu eingehend Lehner, DStJG 23 (2000), S. 271 ff. 19 So der EuGH in seiner grundlegenden Entscheidung, EuGH v. 28. 1. 1986, Rs. 270 / 83 (avoir fiscal), Slg. 1986, S. 273. 20 Klein, DStJG 19 (1996), S. 17. 21 Durch das Kriterium der Ansässigkeit wurde das Diskriminierungsverbot auch auf faktische oder mittelbare Diskriminierungen ausgeweitet, also auf Regelungen, die typischerweise ausländische Staatsangehörige, nämlich im Ausland ansässige Personen, treffen, vgl. Scheuer in Lenz / Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Art. 39 Rdnr. 35 ff. Insbesondere für das Steuerrecht, dessen Regelungen weniger an die Staatsangehörigkeit als vielmehr an die Ansässigkeit anknüpfen, besitzt dies besondere Bedeutung.

138

5. Teil: Europarechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

als Verbot, einen Staatsangehörigen bzw. Ansässigen eines anderen Mitgliedstaates bei der Erhebung der direkten Steuern schlechter zu behandeln als einen eigenen Staatsangehörigen in gleicher Lage22. Die Regelung kann dabei unmittelbar an der Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal anknüpfen. Es genügt aber auch eine sog. „verdeckte Diskriminierung“, bei welcher zwar für die unterschiedlichen Regelungen an ein anderes Merkmal als die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, der jedoch die gleiche Wirkung zukommt23, 24. Weiterhin besteht eine Besonderheit dahingehend, dass die Grundfreiheiten Diskriminierungen bereichsspezifisch verbieten. Die Grundfreiheiten tragen kein synthetisches Element in sich, wonach etwa Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die von Art. 39 EGV geschützt werden, nicht schlechter behandelt werden dürfen als Einkünfte, die von der Kapitalverkehrsfreiheit oder Niederlassungsfreiheit erfasst werden25. Insbesondere auch die zuletzt genannten Ausführungen verdeutlichen, dass in der unterschiedlichen Ausgestaltung der innerstaatlichen Steuersysteme, Bemessungsgrundlagen oder Steuertarife für sich gesehen noch keine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs in der EG zu sehen ist26. Unterschiede innerhalb des Steuersystems, die lediglich die Kostensituation in einem Mitgliedstaat betreffen, berühren daher von vornherein nicht den Normbereich der Grundfreiheiten27. Bei den vorgestellten konsumorientierten Steuermodellen wurde auf eine Darstellung der Besteuerungsregelungen im internationalen Kontext verzichtet28. Das Ziel dieser konsumorientierten Besteuerungsansätze ist es jedoch, die Gleichbehandlung aller investiven Einkünfte zu gewährleisten. Eine Unterscheidung bei der Besteuerung zwischen innerstaatlichen und ausländischen Betrieben erfolgt gerade nicht. Somit lässt sich bei den Konsumsteuermodellen auch keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit bzw. Ansässigkeit erkennen. 22 So EuGH v. 14. 2. 1995, Rs. C-279 / 93 (Schumacker), Slg. 1995, I-I-225, Rdnr. 24, wobei der EuGH stets betont, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde regelmäßig nicht in der gleichen Position befinden. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn der Gebietsfremde sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus dem Tätigkeitsstaat bezieht, EuGH (Schumacker), Rdnr. 31 ff. 23 Lenz in Lenz / Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Art. 12 Rdnr. 4 ff. 24 Nach wohl h. M. werden von den Grundfreiheiten des EGV nicht die Fälle der umgekehrten Diskriminierung erfasst, bei welchen ein Staat ausländischen Investoren gezielt günstigere steuerliche Bedingungen gewährt, vgl. Schön, DStJG 23 (2000), S. 212. Da es sich in einem solchen Fall um eine innere Angelegenheit des Mitgliedstaates handelt, käme nur eine Überprüfung am Maßstab des Art. 3 I GG in Betracht. 25 Levedag, Die Begünstigung der gewerblichen Einkünfte, S. 240. 26 Vgl. Schön, DStJG 23 (2000), S. 211. 27 Birk, DStJG 19 (1996), S. 72 ff. 28 Siehe zur zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung in einer offenen Volkswirtschaft bspw. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer, S. 128 ff.

B. Bedeutung der Grundfreiheiten und des Beihilfenverbots

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Die Besteuerungsmodelle sind demnach im Hinblick auf die Grundfreiheiten des EGV europarechtlich unbedenklich.

II. Das Beihilfenverbot nach Art. 87 I EGV Eine weitere europarechtliche Hürde bei der Errichtung eines neuen nationalen Steuersystems könnte auch das Beihilfenverbot nach Art. 87 I (ex-Art. 92) EGV darstellen. Gemäß Art. 87 I EGV sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Grundsätzlich kann dabei auch eine Steuervergünstigung eine verbotene Beihilfe im Sinne von Art. 87 I EGV darstellen29. Damit eine steuerliche Regelung jedoch als Beihilfe zu verstehen ist, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Da eine Beihilfe eine gezielte Vergünstigung darstellt, kann eine steuerliche Regelung nur dann in diesem Sinne verstanden werden, wenn sie vom „Normalmaß“ der Besteuerung, das den anderen Steuerpflichtigen auferlegt wird, in begünstigender Weise abweicht30. Weil das Steuerrecht, jedenfalls im Bereich der direkten Steuern, in den Aufgabenbereich der einzelnen Mitgliedstaaten fällt, kommt als Vergleichsmaßstab nur das nationale Steuersystem in Betracht31. Erst wenn eine Begünstigung vorliegt, kommt es darauf an, ob die steuerliche Regelung eine besondere Selektivität aufweist, indem sie bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige bevorzugt32. Somit werden die allgemeinen steuerlichen Regelungen, wie etwa die Senkung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer, durch das Beihilfenverbot nicht in Frage gestellt33. Die hier vorgestellten konsumorientierten Besteuerungsmodelle beinhalten einen Systemwechsel, der das gesamte Steuersystem umfasst und nicht einzelne Bereiche unmittelbar selektiv bevorzugen will. Im Hinblick auf die hiermit bezweckte Gleichbehandlung aller Betriebs- und Investitionsarten fehlt es somit an einer Abweichung vom „Normalmaß“ der Besteuerung. Da die begünstigende 29 Vgl. bereits EuGH v. 23. 2. 1961, Rs. 30 / 59 (Gesamenlijke Steenkolenmijnen), EuGHE 1961, S. 5, vgl. auch Tumpel, DStJG 23 (2000), S. 329. 30 Schön, DStJG 23 (2000), S. 214, m. w. N. 31 Die Souveränität des einzelnen Staates über sein Steuersystem wird nämlich auch durch das Beihilferecht nicht in Frage gestellt, vgl. Schön, DStJG 23 (2000), S. 214 ff. 32 Schön, Common Market Law Review 1999, S. 927 ff. 33 Schön, DStJG 23 (2000), S. 215.

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5. Teil: Europarechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

Behandlung aller investiven Einkünfte auch nicht als Begünstigung einzelner Branchen zu begreifen ist, sondern vielmehr eine grundsätzliche Gleichstellung aller Unternehmen und Produktionszweige bewirken soll, fehlt es an der erforderlichen Selektivität. Die konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle stellen aus den genannten Gründen keine Beihilfen i. S. v. Art. 87 I EGV dar.

C. Ergebnis zum Fünften Teil Dem nationalen Gesetzgeber sind in Bezug auf die Gestaltung des Systems der direkten Steuern durch die europarechtlichen Regelungen des EGV nur geringe Grenzen gesetzt. Dabei steht es ihm grundsätzlich frei, eigene Wege zu gehen, auch wenn diese mit den Steuergesetzen der übrigen Mitgliedstaaten nicht übereinstimmen34. Eine Umstrukturierung des deutschen Steuersystems hin zu einem konsumorientierten Steuersystem wäre daher weder unter dem Blickwinkel des Beihilfenverbots noch unter dem Gesichtspunkt der Grundfreiheiten des EGV bedenklich. Ob man aufgrund der Haushaltssouveränität der Mitgliedstaaten bezüglich der direkten Steuern das System der Subsidiarität befürwortet oder wegen der Wettbewerbsrelevanz der direkten Steuern einen Harmonisierungsbedarf sieht, ist vor allem eine politische Entscheidung, auf die hier nicht einzugehen ist. Zu vermuten ist, dass der starke Systemwettbewerb ohnehin früher oder später zu einer Anpassung auch der direkten Steuersysteme der Mitgliedstaaten führen wird35.

34 So ist z. B. das deutsche und österreichische Vorsichtsprinzip europaweit nicht mehrheitsfähig, vgl. Zorn, DStJG 23 (2000), S. 248. 35 Zur Zukunft der Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in der EG vgl. Zorn, DStJG 23 (2000), S. 260.

Sechster Teil

Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle mit der Finanzverfassung Die deutsche Finanzverfassung kennt den Begriff der Konsumsteuer als solchen nicht. Da auch die Cash-flow-Steuermodelle sowie die zinsbereinigte Einkommenbzw. Gewinnsteuer in den insofern relevanten Regelungen der Art. 104a ff. GG nicht ausdrücklich genannt bzw. aufgeführt werden, stellt sich die Frage, ob die Einführung solcher Besteuerungsmodelle finanzverfassungsrechtlich zulässig wäre. Zu prüfen ist daher zunächst, ob diese Steuern unter die in Art. 106 GG aufgezählten Steuertypen subsumiert werden können.

A. Subsumtion unter die in Art. 106 GG genannten Konsumsteuern Auch wenn der Begriff der Konsumsteuern nicht explizit auftaucht, werden in Art. 106 GG dennoch einige Konsumsteuertypen genannt. So benennt Art. 106 I Ziff. 2 die Gruppe der Verbrauchsteuern, zu welchen etwa die Mineralöl-, Tabakund Schaumweinsteuer gehören, in Art. 106 II Ziff. 5 GG wird des Weiteren die Biersteuer aufgeführt. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob die Konsumsteuern als derartige Verbrauchsteuern angesehen werden können. Die Verbrauchsteuern i. S. d. Art. 106 GG zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf ein bestimmtes verbrauchsfähiges Gut erhoben werden, das in Verkehr gebracht wird1. Da Steuerschuldner (der Hersteller oder Verkäufer) und Steuerträger (der Verbraucher) nicht übereinstimmen, handelt sich um indirekte Steuern2. Die im Vordergrund dieser Arbeit stehenden Konsumsteuern werden hingegen direkt ermittelt. Darüber hinaus beziehen sich die konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle auch nicht auf spezielle Konsumausgaben, vielmehr wird der Konsum insgesamt ermittelt. Daher unterscheiden sie sich wesentlich von den in Vgl. Birk in Rose, S. 356. Die Steuer wird durch den Kauf, also den Einkommensverwendungsakt, mittelbar auf den Verbraucher überwälzt, vgl. Birk in Rose, S. 356. 1 2

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

Art. 106 I Nr. 2 GG genannten Verbrauchsteuern3. Eine Subsumtion unter diesen Begriff scheidet somit aus. Dass die konsumorientierten Steuern auch nicht als Unterfall der örtlichen Aufwandsteuern i. S. d. Art. 106 IIa GG4 oder der speziellen Aufwandsteuer „Kraftfahrzeugsteuer“ nach Art. 106 II Ziff. 3 GG verstanden werden können, ergibt sich bereits daraus, dass außer der bei beiden gegebenen direkten Erhebungsform kaum weitere Übereinstimmungen festzustellen sind. Die meisten Gemeinsamkeiten haben die direkten Konsumsteuersysteme wohl mit der in Art. 106 III GG genannten Umsatzsteuer. Dennoch besteht auch hier der wesentliche Unterschied in den unterschiedlichen Erhebungsformen. Da die direkten Konsumsteuersysteme aufgrund ihrer Erhebungsform außerdem in der Lage sind, persönliche Umstände des Steuerpflichtigen, z. B. durch Minderung der Bemessungsgrundlage in Höhe des Existenzminimums, entsprechend zu berücksichtigen, besteht hier ein deutlicher Unterschied, der es verbietet, beide als gleiche Steuerarten i. S. d. Art. 106 GG zu behandeln.

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer Möglicherweise lassen sich aber die genannten Konsumsteuersysteme als Unterfall der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer verstehen. Ob die Unternehmenssteuermodelle der Cash-flow-Steuer und der zinsbereinigten Einkommensteuer sich unter diese in Art. 106 GG genannten Steuertypen subsumieren lassen, ist durch Auslegung der dort genannten Begriffe zu ermitteln.

I. Zur Auslegung des Einkommensbegriffes i. S. d. Art. 106 GG Vergleicht man die in dieser Arbeit dargestellten Varianten der Konsumbesteuerung sowohl auf Unternehmensebene als auch auf Ebene der Privathaushalte mit der bestehenden Einkommensteuer, dann lassen sich sehr viele Gemeinsamkeiten feststellen5. So stimmen Steuersubjekt und Steuertarif weitestgehend überein. Außerdem lassen sich auch Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen finden6. So für die allgemeine Konsumausgabensteuer, Birk in Rose, S. 357. Zu den örtlichen Aufwandsteuern gehören bspw. Hundesteuer, kommunale Zweitwohnungsteuer, Vergnügungsteuer und Verpackungsteuer. 5 Vgl. zu diesen Gemeinsamkeiten Birk in Rose, S. 358. 6 So für den Fall der Ausgabensteuer Birk in Rose, S. 358 ff. 3 4

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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Im Hinblick auf die Cash-flow-Steuer besteht der wesentliche Unterschied bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage darin, dass bei dieser ein bestimmter Einkommensteil, nämlich die Ersparnisse bzw. auf Unternehmensebene die Investitionen, herausgenommen werden. Betrachtet man nun das gegenwärtig bestehende Einkommensteuerrecht, dann stellt man fest, dass dieses im Zusammenhang mit den Überschusseinkünften i. S. d. § 2 II Nr. 2 EStG bzw. der Überschussermittlung nach § 4 III EStG zahlreiche Elemente der Cash-flow-Besteuerung enthält. Wird die steuerliche Bemessungsgrundlage in dieser Weise als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nach §§ 8, 9 EStG ermittelt, dann stimmt dies grundsätzlich mit der strikt an Zahlungsströmen ausgerichteten Cash-flow-Besteuerung überein, wenn man einmal von den Ausnahmeregelungen für nicht abnutzbare und abnutzbare Wirtschaftsgüter7 sowie für einzelne, kurze Zeit vor bzw. nach dem Abschlusszeitpunkt fließenden Zahlungen8 absieht9. Dies spricht dafür, dass der Begriff Einkommensteuer vom Wortlaut her eine Cash-flow-Steuer umfassen könnte. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Wortlautgrenze bei einer solchen Auslegung nicht überschritten ist. Bei der zinsbereinigten Einkommen- bzw. Gewinnsteuer handelt es sich ihrer Ermittlungstechnik nach um eine Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer bisheriger Prägung. Sie unterscheidet sich von der herkömmlichen Einkommen- und Körperschaftsteuer ausschließlich durch den Abzug einer Standardverzinsung auf das eingesetzte Kapital. Auch hier wird man daher feststellen müssen, dass die Wortlautgrenze nicht überschritten ist. Gleichwohl besteht in der Literatur insoweit Streit, ob die konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle unter die in Art. 106 GG aufgeführten Steuertypen subsumiert werden können. 1. Theorie der extensiven Auslegung Insbesondere die Anhänger der konsumorientierten Besteuerung sehen im Steuerkatalog des Art. 106 GG keine Hürde für die Einführung dieser Steuerarten. Im Rahmen des hier als „Theorie der extensiven Auslegung“ bezeichneten Ansatzes werden vor allem die im Dritten und Vierten Teil dieser Arbeit diskutierten Vorteile der Konsumsteuern gegenüber dem herkömmlichen Steuersystem auch in diesem Zusammenhang geltend gemacht10. Neben diesen Argumenten spreche beispielsweise auch die Verwandtschaft beider Steuern dafür, die sparbereinigte Einkommensteuer lediglich als Unterart der Vgl. § 4 III S. 3 und S. 4 EStG. Vgl. § 11 I S. 2 und II S. 2 EStG. 9 Vgl. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, S. 64. 10 Vgl. Lang in Smekal / Sendlhofer / Winner, S. 152, der in diesem Zusammenhang allerdings nicht explizit auf den Einkommensbegriff des Art. 106 GG eingeht. 7 8

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

herkömmlichen Einkommensteuer anzusehen11. Beide Steuern setzten an der Einkommenserzielung an, der Unterschied bestehe lediglich darin, dass die sparbereinigte Einkommensteuer nur einen Teil hiervon unmittelbar nach der Erzielung besteuere. Mittelbar, d. h. langfristig betrachtet, werde auch dieser Teil steuerlich belastet12. Darüber hinaus bezweifelt beispielsweise Vogel, dass die Aktivierung von reinvestierten Gewinnbestandteilen zum unabänderlichen Kern des finanzverfassungsrechtlichen Einkommenstatbestandes gehört13. Diese Argumentation müsste sich gleichermaßen auf alle Cash-flow-Steuern sowie (erst recht) auf die zinsbereinigten Konsumsteuermodelle14 übertragen lassen. 2. Theorie der restriktiven Auslegung Während bei einer extensiven Auslegung demnach (zumindest) der Einführung einer Cash-flow-Besteuerung keine finanzverfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstünden, scheitert nach Ansicht der hier als „Theorie der restriktiven Auslegung“ bezeichneten Auffassung die Einführung der Cash-flow-Steuern an der Finanzverfassung. So hält namentlich Birk den Wechsel von einem kapitalorientierten hin zu einem konsumorientierten Einkommensbegriff im Hinblick auf Art. 106 GG für unzulässig15. Dem konsumorientiert geprägten Einkommensteuerbegriff lasse sich zunächst die historische Auslegung von Art. 106 GG entgegenhalten16. Bei der Schaffung des Grundgesetzes ging der Verfassungsgesetzgeber von den Strukturen einer kapitalorientierten Einkommensbesteuerung aus, an welche er angeknüpft habe17. Damals sei der Anknüpfungspunkt der Besteuerung der Zufluss 11 Vallender / Jacobs, Ökologische Steuerreform, S. 228. Untersuchungsgrundlage waren insoweit jedoch die Regelungen der Schweizer Verfassung, was jedoch nicht gegen eine Übertragbarkeit der Argumentation spricht. 12 Vallender / Jacobs, Ökologische Steuerreform, S. 228; Vogel in FS-Tipke, S. 95, hält die Subsumtion einer solchen Konsumsteuer unter den Begriff Einkommensteuer für erwägenswert. 13 Vgl. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rdnrn. 58 ff. 14 Die zinsbereinigte Einkommen- und Körperschaftsteuer unterscheiden sich nämlich von der herkömmlichen Einkommen- und Körperschaftsteuer (nur) durch die zusätzlich zu berücksichtigende Zinsbereinigung bzw. die Nichtberücksichtigung der Kapitalerträge. In der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage weisen diese Konsumsteuern demgegenüber – wie bereits gezeigt – eine große Nähe zu den herkömmlichen Steuern auf. Im Vergleich zu den Cash-flow-Steuermodellen sind die Unterschiede zu den in Art. 106 GG genannten, herkömmlichen Steuern jedenfalls deutlich geringer. Soweit ersichtlich fehlt im rechtswissenschaftlichen Schrifttum allerdings eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich insbesondere die zinsbereinigten Steuermodelle explizit unter die in Art. 106 GG aufgeführten Steuertypen subsumieren lassen. 15 Vgl. Birk in Rose, S. 355 ff. 16 Nach Ansicht des BVerfG geht Art. 106 GG seinem Wortlaut nach von den traditionellen Steuerarten aus, vgl. BVerfGE 14, 71 (91).

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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und nicht erst der Konsum gewesen18. Weiter sei zu berücksichtigen, dass Art. 106 GG seinem Wortlaut nach von den traditionellen Steuerarten ausgehe, so dass auch der Begriff selbst für eine kapitalorientierte und gegen eine konsumorientierte Besteuerung spreche. Setze man Einkommen mit „Hin-Einkommen“ gleich19, dann weise dies deutlich auf den früheren Besteuerungszeitpunkt der Einkommensentstehung hin. Daher spreche im Falle einer Besteuerung des Cashflows sehr viel dafür, diesen nicht als Einkommen i. S. d. Art. 106 GG zu begreifen20. Ein Freistellen von Spareinlagen und Investitionen käme nach Gröpl 21 einer „Denaturierung der traditionellen Einkommensteuer“ gleich. Eine solche Steuer hat seiner Ansicht nach die Wirkungen einer Verbrauchsteuer, von welcher sie sich lediglich durch die andersartige Erhebungstechnik unterscheide. Birk argumentiert des Weiteren, dass die Einkommensteuer als Einkommensentstehungssteuer phasenbezogen sei22. Belastungsgrund dafür, dass das Einkommen in der Erwerbsphase erfasst werde, sei die aus dem Erwerb resultierende Zahlungsfähigkeit. Diese Zahlungsfähigkeit sei aber unabhängig davon, ob sie sich (später) in Konsum oder Vermögensbildung ausdrücke. Bei der Einkommensentstehungssteuer realisiere sich die Belastung zu einem Zeitpunkt, zu welchem sich das Eigentum noch nicht verfestigt habe23, weil hierüber noch nicht disponiert worden sei. Insoweit sei „Einkommen“ als „dynamische Stromgröße“ aufzufassen24, dessen steuerliche Belastung den Steuerzahler nicht entreichere, sondern eine Bereicherung verhindere. Hierin liege aber ein bedeutender Unterschied zur konsumorientierten Besteuerung, da diese nicht die erworbene Zahlungsfähigkeit, sondern die Phase der Verausgabung belaste. Während die Einkommensteuer in der herkömmlichen Art die Disposition des Einzelnen nur über die Frage, ob und wie viel er erwirtschafte, beeinflusse, werde durch die Konsumsteuer die Frage auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, so dass auch nach der Erwirtschaftung die Steuerpflicht seiner Disposition unterliege. Weiterhin wird von Birk geltend gemacht, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der Konsumsteuer und der herkömmlichen Einkommensteuer im Be17 Zuletzt wurde eine solche kapitalorientierte Besteuerung im Deutschen Reichseinkommensteuergesetz von 1934, das in seinen Grundstrukturen noch heute Geltung beansprucht, ausgeformt, vgl. Gröpl, FR 2001, S. 621. 18 Vgl. Gröpl, FR 2001, S. 621; siehe auch Gröpl, Nachgelagerte Besteuerung, S. 86 f. 19 Vgl. Gröpl, FR 2001, S. 621. 20 So auch Schön, StuW 1995, S. 369. 21 Gröpl, FR 2001, S. 621. 22 Zu der Argumentation im Weiteren vgl. Birk in Rose, S. 359 ff. 23 Hierdurch realisiere die Einkommensentstehungssteuer die Sozialbindung des Eigentums in einer früheren Phase, vgl. Birk in Rose, S. 359. 24 Birk in Rose, S. 359, unter zustimmender Bezugnahme auf Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 95.

10 Reis

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

steuerungsadressaten zu sehen sei25. Während die Einkommensteuer denjenigen belaste, der erfolgreich am Markt teilnehme, sei es bei der Konsumsteuer grundsätzlich gleichgültig, wer den Erfolg erzielt habe. Da die Konsumsteuer erst anfalle, wenn die Ersparnis aufgelöst werde, könne die Besteuerung auch erst den Rechtsnachfolger treffen. Damit fehle der Ausgabensteuer26 ein wesentliches Element der Einkommensteuer. Schließlich führt Birk an, dass durch die Konsumsteuer ein wesentlicher Funktionskern der herkömmlichen Einkommensbesteuerung, nämlich ihre sozialstaatliche Komponente verloren gehen würde27. Die herkömmliche Einkommensbesteuerung reagiere bewusst auf durch den Markt entstandene ungleiche Verteilungsrelationen. Demgegenüber führe die Konsumbesteuerung zu einer „steuerfreien Vermögensbildung“ und fördere dadurch „Vermögensballungen“ der Großeinkommen. Aus den genannten Gründen kommt Birk28 daher zu dem Ergebnis, dass die Konsumsteuer keine Unterart der Einkommensteuer ist, sondern eine typverschiedene, eigenständige Steuerart darstellt.

II. Art. 106 GG als nicht beschränkende Regelung Der oben ausgeführte Streit wäre hier nicht zu entscheiden, wenn dem Gesetzgeber ein sog. Steuererfindungsrecht zukommt. Ist der Steuergesetzgeber nämlich durch die Regelungen der Art. 105, 106 GG nicht daran gehindert, „neue“ Steuern einzuführen, auch wenn diese sich nicht dem Typenkatalog des Art. 106 GG zuordnen lassen, dann spricht unter finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nichts gegen die Einführung von Konsumsteuern. Ob dem Gesetzgeber ein solches Steuererfindungsrecht zusteht, ist in der Literatur umstritten29. 1. Steuererfindungsrecht ablehnende Auffassung Als einer der Ersten hat Wacke im Jahre 1950 die Auffassung vertreten, dass dem Gesetzgeber kein solches Steuererfindungsrecht zukommt30. Während sich in der Weimarer Verfassung neben dem allgemeinen Gleichheitssatz nur die BestimVgl. hierzu Birk in Rose, S. 360. Birk verwendet den Begriff der Ausgabensteuer, obgleich er bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage ebenfalls davon ausgeht, dass eine Direktermittlung aller Ausgaben in der Praxis nicht möglich ist und daher die Bemessungsgrundlage indirekt durch Erfassung der Einnahmen und Abzug des nicht konsumtiv verwendeten Anteils zu ermitteln ist, vgl. Birk in Rose, S. 356 ff. 27 Vgl. Birk in Rose, S. 360. 28 Vgl. Birk in Rose, S. 361. 29 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1088 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 30 Wacke, Das Finanzwesen der BRD, S. 62 ff. 25 26

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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mung befand, dass alle Staatsbürger ohne Unterschied „im Verhältnis ihrer Mittel“ zu allen öffentlichen Lasten herangezogen werden31, hat das Grundgesetz alle bis dahin geltenden Steuern in den Art. 105 – 108 GG einzeln aufgeführt und in der dort normierten Weise auf Bund und Länder nach Gesetzgebung, Ertrag und Verwaltung verteilt. Daraus sei zu schließen, dass diese steuerrechtlichen Begriffe nur im Sinne der bisherigen Steuergesetzgebung zu verstehen seien. Die Grundlagen des traditionellen Steuersystems seien zugleich Verfassungsrecht geworden32. Durch die Bezugnahme im Grundgesetz sei aber nicht nur der Bestand der einzelnen Steuern und ihre gegenseitige Relation zueinander „in die Ebene des Verfassungsrechtes“ erhoben worden, sondern auch ihre konkrete „Ausprägung“ in ihrem wesentlichen Charakter33. Daher bedürften Abänderungen, die das Wesen der Steuern veränderten, einer Grundgesetzänderung34. Grundlegende Steuerreformen, die Steuern beseitigten oder zu einer Umgestaltung des Steuersystems führten, seien auf der Grundlage der Art. 105 – 108 GG zugleich Verfassungsreformen35. Ungeachtet der Tatsache, dass Art. 105 II GG im Jahre 1969 geändert worden ist und nunmehr dem Bund nicht mehr die Gesetzgebungskompetenz einzelner, namentlich genannter Steuern oder Steuerarten, sondern nur noch pauschal hinsichtlich der „übrigen Steuern“ zuweist, findet die Ansicht Wackes, nach welcher dem Bund kein „Steuererfindungsrecht“ zusteht, nach wie vor ihre Anhänger. Als wesentliches Argument wird dabei die Absicht des Gesetzgebers gesehen, durch Art. 106 GG ein abschließendes Ertragsteuersystem für alle Steuern zu schaffen36. So führt beispielsweise Vogel 37 aus, dass dieses verfassungsrechtliche Ertragsverteilungssystem unterlaufen würde, wenn man zuließe, dass durch ein einfaches Gesetz neue Steuern, deren Ertragsverteilung nicht in Art. 106 GG geregelt ist, geschaffen werden könnten38. Waldhoff gibt zu bedenken, dass die Steuerertragsverteilung des Art. 106 GG aus Gründen „föderativer Machtbalance“ Vgl. Art. 134 WRV. So Wacke, Das Finanzwesen der BRD, S. 64. 33 Vgl. Wacke, Das Finanzwesen der BRD, S. 64. 34 Vgl. Wacke, Das Finanzwesen der BRD, S. 64. 35 So Wacke, Das Finanzwesen der BRD, S. 64 ff., der als Beispiel für eine solche steuerliche Strukturreform, bei welcher der Charakter der Steuern geändert werden würde, die Einführung einer Betriebsteuer nennt. Bei einer solchen Steuer, bei der der Gewinn aller gewerblichen Betriebe unabhängig von ihrer Gesellschaftsform besteuert wird, würde nämlich der Steuergegenstand der bisherigen Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuern entfallen. 36 In der Regierungsbegründung, BT-Drucks. V / 2861, S. 33 Tz. 134, wurde ausgeführt, dass es das Ziel der Finanzverfassungsreform von 1969 war, „für die Aufteilung der Steuern ein möglichst dauerhaftes und überschaubar gestaltetes System zu schaffen, das eine Anpassung an den sich ändernden Mittelbedarf der einzelnen Ebenen gewährleistet und so angelegt ist, dass unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern vermieden werden“. 37 Vogel / Walter in Bonner Kommentar, Art. 105 Rdnr. 105. 38 Zustimmend Starck, StuW 1974, S. 276. 31 32

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

unverzichtbar sei; diese dürfe nicht über Art. 105 GG der Disposition des einfachen Gesetzgebers überlassen bleiben39. Neue Steuern seien somit verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie unter einen der in Art 106 GG genannten Begriffe fallen würden40. In die gleiche Richtung argumentiert Birk41, wenn er sagt, dass Art. 106 GG eine „sorgfältige und komplette“ Verteilung der Steuerarten beinhaltet. Dieses Ertragsverteilungssystem sei gefährdet, wenn man die Steuergesetzgebungskompetenz für andere, nicht in Art. 106 GG genannte Steuern zulassen würde. Würde aufgrund von Art. 30 GG die daraus resultierenden Steuererträge den Ländern zugewiesen, dann könnten diese die detaillierte Ertragsverteilung des Art. 106 GG einseitig zu ihren Gunsten verändern42. Aus den genannten Gründen folgert auch Birk, dass ein Steuererfindungsrecht des Bundes ausscheidet43. Die Einführung einer neuen Steuer sei daher nur zulässig, wenn es sich dabei um eine Erhebungsform einer dort aufgeführten Steuer handelt. Die Frage nach dem Steuererfindungsrecht des Bundes hängt eng zusammen mit dem oben behandelten Problem der Subsumtion einzelner neu geschaffener Steuern unter den Steuertypenkatalog des Art. 106 GG. So verwundert es nicht, dass insbesondere die Anhänger einer das Steuererfindungsrecht ablehnenden Auffassung auch eine derartige Auslegung im Hinblick auf die Änderungen von Struktur oder Typus der Steuer ablehnen44. Mit anderen Worten: Diejenigen, die einem Steuererfindungsrecht kritisch gegenüberstehen, lehnen auch eine steuerrechtliche Umgestaltung durch Veränderung ihrer wesentlichen Inhalte ab45.

39 Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland – Schweiz, S. 186. 40 Vgl. Vogel / Walter in Bonner Kommentar, Art. 105 Rdnrn. 105 ff.; Stern, StaatsR II, S. 1119 ff. 41 Vgl. Birk in Kommentar zum Grundgesetz für die BRD, Art. 105 Rdnr. 21. 42 So Birk in Kommentar zum Grundgesetz für die BRD, Art. 105 Rdnrn. 21 ff. 43 Birk in Kommentar zum Grundgesetz für die BRD, Art. 105 Rdnrn. 21 ff. 44 Vgl. Birk / Förster, DB 1985, S. 5 ff. 45 Vgl. in diesem Zusammenhang bspw. Birk / Förster, DB 1985, S. 5, die hervorheben, dass es auf die traditionellen Begriffsinhalte, d. h. die herkömmlichen Grundstrukturen der einzelnen Steuern ankomme, nämlich auf das „Konzentrat einfachgesetzlicher Rechtsnormen, wie es sich geschichtlich entwickelt und verfestigt hat“. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 15 ff., geht davon aus, dass im Falle der Erbschaftsteuer eine solche Änderung des Kerns der Steuer entstünde, wenn man aus einer „kleinen Steuer“ eine „große Steuer“ mache. Zum Charakter der Steuer gehöre nämlich auch der Steuertarif. Eine Veränderung des Steuerkerns liege aber dann vor, wenn die Erbschaftsteuer erheblich über 50 % des Wertes der Erbschaft steigen würde.

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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2. Steuererfindungsrecht bejahende Auffassung Nach der Gegenmeinung kommt den in Art. 106 GG benannten Steuern keine materielle Aussagekraft hinsichtlich der Schaffung einer neuen Steuer zu46. Dem Bund (und entsprechend ihrer Gesetzgebungskompetenzen auch den Ländern) sei durch die Regelung in Art. 105 II GG, die nunmehr auf eine einzelne Benennung von Steuern verzichte, vielmehr ein allgemeines Steuererfindungsrecht eingeräumt worden47. Dieses Steuererfindungsrecht beziehe sich nicht nur auf die herkömmlichen Steuerarten und ihre Ausgestaltung, sondern auch auf die Schaffung völlig neuer Steuern. Für eine verfassungsrechtliche Verankerung der zum Zeitpunkt der Einführung von Art. 105 II GG bestehenden Steuern spreche weder Wortlaut, Entstehungsgeschichte noch das Gesamtsystem48. Ausgehend vom Wortlaut des geänderten Art. 105 II GG, der nunmehr nicht mehr auf Art. 106 GG und die dort genannten Steuerarten verweist, sieht Osterloh im historischen Kontext ein „sehr beredtes Schweigen“ des Verfassungstextes, dem zu entnehmen sei, dass unter den „übrigen Steuern“ i. S. d. Art. 105 II GG auch andere als die in Art. 106 GG genannten zu verstehen seien49. Dass der in Art. 106 GG aufgeführte Steuerkatalog nicht abschließend sei, ergibt sich nach Wendt50 auch daraus, dass diesem keinerlei Systematik zu entnehmen sei, die sich als „zeitlose Gültigkeit beanspruchender Niederschlag von Reflexionen des Verfassungsgesetzgebers über ein ideales Steuersystem“ begreifen ließe. Aus Art. 105 III GG folge nämlich, dass der Bundesgesetzgeber zusammen mit dem Bundesrat befugt sei, eine Landes- oder Gemeindesteuer inhaltlich umzugestalten oder sogar auch völlig aufzuheben, wobei der dadurch entstehende Einnahmeausfall im Rahmen der Steuerverteilung auszugleichen sei. Wenn aber selbst durch eine Aufhebung einer Steuer das Steuerverteilungssystem nicht beeinträchtigt werde, dann gelte dies auch für die Einführung neuer Steuern. Wesentlichen Störungen des Verteilungsgleichgewichts werde durch die Revisionsmechanismen des Verteilungssystems entgegengewirkt, so dass auch unter veränderten Einnahme- und Ausgabeverhältnissen die Balance gewahrt bleibe. Es bestehe daher 46 Vgl. Hey, DStJG 24 (2001), S. 174 ff.; Heintzen in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 105 Rdnr. 16 ff.; Wendt, HdbStR IV, § 104 Rdnr. 28 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1090 ff. 47 Zur Argumentation im Weiteren vgl. Heintzen in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 105 Rdnr. 16 ff. 48 Vgl. Osterloh, NVwZ 1991, S. 828. 49 Osterloh, NVwZ 1991, S. 828. 50 So Wendt, HdbStR IV, § 104 Rdnr. 28 ff., der weiter davon ausgeht, dass die Steuereinnahmen einer neu geschaffenen Steuer demjenigen zustehen, der sie „erfunden“ hat. Die Gefahr „freischwebender“ Steuererträge sieht er dabei nicht. Diese Problematik soll in diesem Zusammenhang allerdings nicht vertieft werden.

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

kein Grund, die in Art. 105 II GG geregelten Gesetzgebungskompetenzen materiell auf die in Art. 106 GG genannten Steuern zu beschränken. Die einzige materielle Schranke des Art. 106 GG bestehe darin, das verfassungsrechtliche Steuerverteilungssystem zu erhalten. Zum gleichen Ergebnis kommt auch Tipke51, der aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte52 (bzw. der amtlichen Begründung) schließt, dass Art. 106 GG „nicht die Gesetzgebung limitieren und auf ein grundgesetzfestes „System“ von Steuern und Steuerarten festlegen“ will. In diesem Zusammenhang führt er weiter aus53: „Er (Art. 106 GG) soll nicht ein bestimmtes „Steuersystem“ mit verfassungsrechtlichen Weihen versehen oder gar „verewigen“, sondern die Grundlage dafür abgeben, die Steuermittel, die durch die aufgrund Art. 105 GG erlassenen Steuergesetze aufkommen, auf Bund, Länder und Gemeinden zu verteilen. Das ist eine Sekundärfunktion. Die gerechte Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die Steuerpflichtigen ist vorrangig und unabhängig von der angemessenen Verteilung des Steueraufkommens auf Bund, Länder und Gemeinden“. Des Weiteren argumentiert Tipke54, dass es dem Gesetzgeber nach allgemeiner Meinung ja erlaubt sei, bestehende Steuern aufzuheben und neue Steuern, die unter eine in Art. 106 GG genannte Steuerart fallen, einzuführen55, ohne jedoch zugleich dazu verpflichtet zu sein, neue Steuern einzuführen, um die im Steuerkatalog des Art. 106 genannten Steuerarten aufzufüllen. Wenn dies aber anerkanntermaßen so sei, dann habe – bei diesen Freiheiten – der Verfassungsgesetzgeber – gar nicht mit einem „fixen, nicht anpassungsbedürftigen“ Ertragsverteilungssystem rechnen können. Dann könne nämlich erst recht nicht aus den Regelungen in Art. 105 – 108 GG geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die „Struktur“, den „Kern“ bzw. „Wesenskern“ oder „Typus“ der in Art. 106 GG genannten Steuern erhalten müsse, um das Verteilungssystem zu konservieren. In diese Richtung argumentiert auch Osterloh, wenn sie ausführt, dass die Störung des Ertragsverteilungssystems durch die Einführung neuer Steuern „sich in nichts von denjenigen (Störungen) unterscheidet, die durch gesetzliche Änderungen der von Art. 106 GG erfassten Steuern hervorgerufen werden können“56. Es handele sich nicht um ein qualitatives, sondern um ein „quantitatives“ Problem57. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1092 ff. Die amtliche Begründung zu Art. 105 II GG, BT-Drucks. V / 2861, S. 53 (Nr. 308), lautet: „Auf die Aufzählung einzelner Steuerkategorien in Abs. 2 kann verzichtet werden. Sie ist nicht sachgemäß, denn für die Notwendigkeiten einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung können nur die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG, der die Wirtschaftseinheit und die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen für unsere Wirtschaft im ganzen Bundesgebiet verlangt, maßgebend sein“. 53 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1092 f. 54 Vgl. zur Argumentation im Weiteren Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1093 ff. 55 Vgl. hierzu auch Vogel in FS-Tipke, S. 94. 56 Osterloh, NVwZ 1991, S. 828. 57 Osterloh, NVwZ 1991, S. 828. 51 52

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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Gegen einen Typenzwang wird weiterhin geltend gemacht, dass die Festlegung, was zur „grundlegenden Gestaltungsform“ einer Steuer gehört, sich als sehr schwierig darstelle. So könne z. B. die Körperschaftsteuer mit Anrechnungsverfahren nicht mehr mit der klassischen Körperschaftsteuer gleichgesetzt werden; es handele sich dabei um etwas gänzlich anderes. Gegen eine restriktive Auslegung der Art. 105 – 108 GG spreche auch, dass Art. 106 GG kein ethischer Gehalt zukomme, welchen man üblicherweise mit Grundgesetzvorschriften verbinde. Er setze nämlich die gerechte Verteilung der Steuern auf die Steuerpflichtigen voraus, ohne sie jedoch zu regeln. Die Urheber des Grundgesetzes hätten die Frage nach der Rechtfertigung der Steuern nicht geprüft, vielmehr, so vermutet Tipke58, hätten sie alle damals existierenden Steuern in den Katalog des Art. 106 GG aufgenommen. Verschiedene Steuern, wie die Vermögensteuer oder die Gewerbesteuer, sind nach Tipke mit einem auf Gerechtigkeit gerichteten Maßstab, dem das Grundgesetz aber zugeordnet sei, unvereinbar. Diese Steuern sollten aufgehoben werden. Dass das Grundgesetz aber auf dem Weg zu einem möglichst gerechten Steuerrecht als Hindernis in Erscheinung trete, könne nach Tipke nicht angenommen werden. Schließlich würde die Annahme, dass der materielle „Wesenskern“ einzelner Steuern in Art. 106 GG festgeschrieben sei und daher nicht verändert werden könne, dazu führen, dass die Bestrebungen der Steuerrechtswissenschaft nach einem gerechteren Steuersystem weitestgehend umsonst wären59. Eine Verfassungsänderung bedürfe nämlich regelmäßig der Zustimmung der Opposition. Diese habe aber erfahrungsgemäß kein Interesse an der Mitwirkung bei Steuerreformen, da sie der Regierung einen Erfolg nicht gönne.

III. Eigene Auffassung Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass auch Art und Ausgestaltung der einzelnen Steuern begrenzt bzw. festgelegt sind, dann hätte es nahegelegen, dies in der Finanzverfassung festzuhalten. Der Verfassungsgesetzgeber hatte aber gute Gründe, dies nicht zu tun. Im Grundgesetz fehlt ein eindeutiges Bekenntnis zu einer bestimmten Wirtschaftsordnung. Hierdurch wird dem Gesetzgeber ein gewisser Freiraum eingeräumt, innerhalb dessen er auf unterschiedliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen entsprechend reagieren kann. Wenn aber im Grundgesetz sogar darauf ver58 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1094, vermutet, dass der Gesetzgeber sogar eine das Existenzminimum missachtende (und daher mit den Grundrechten unvereinbaren) Kopfsteuer, in den Katalog des Art. 106 GG aufgenommen hätte, wenn es diese Steuer damals gegeben hätte. 59 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1094, spricht davon, die „Gebrechen tradierter, antiquierter Steuergesetze und ihrer Strukturen weiterzuschleppen“.

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

zichtet wurde, eine konkrete Wirtschaftsordnung festzulegen, dann wäre es wenig konsequent, hinsichtlich der Steuergestaltung von engen verfassungsrechtlichen Grenzen auszugehen und dadurch die verfassungsrechtlich gewährten wirtschaftspolitischen Freiheiten des Gesetzgebers wieder einzuengen. Ein Hauptinstrument der Wirtschaftspolitik ist nämlich die Steuergesetzgebung. Den Anhängern eines Steuererfindungsrechts ist darin zuzustimmen, dass weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte für einen steuerrechtlichen Typenzwang sprechen. In der amtlichen Begründung60 zu Art. 105 GG heißt es, es sei nicht „sachgemäß“ einzelne Steuerkategorien in Abs. 2 aufzuzählen, weil für die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung Art. 72 II GG, der die Wirtschaftseinheit und Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen im Bundesgebiet verlangt, maßgebend ist. Hieraus kann zugleich geschlossen werden, dass eine Festlegung gerade unerwünscht war. Dies gilt umso mehr als in Art. 105 GG a. F. die Nennung einzelner Steuerarten noch enthalten war61. Es sprechen daher gewichtige Argumente gegen einen Typenzwang und für ein Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers. Auf der anderen Seite lassen sich auch die Argumente gegen ein solches Steuererfindungsrecht nicht völlig von der Hand weisen. Zweck der in den Art. 105 – 109 GG normierten Finanzordnung des Grundgesetzes ist es nämlich, eine sachgerechte Ver- und Zuteilung des Gesamtertrags der Volkswirtschaft auf den Gesamtstaat und die Gliedstaaten, also die Länder, sicherzustellen62. Diese sollen so ausgestattet werden, dass sie die zur Wahrung ihrer Aufgaben benötigten Mittel besitzen63. Werden nun die traditionelle Einkommen- und Körperschaftsteuer vom traditionellen, kapitalorientierten Ansatz weg und hin zu einem konsumorientierten Ansatz umgewandelt, so ändert sich hinsichtlich dieser Verteilung dann nichts, wenn diese Umgestaltung aufkommens- und verteilungsneutral erfolgt. Die Hauptfunktion der Art. 105 ff. GG, die Funktionsfähigkeit des verfassungsmäßigen Steuerverteilungssystems zu erhalten64, wird hierdurch nicht beeinträchtigt. BT-Drucks. V / 2861, S. 53 (Nr. 308). Art. 105 II GG lautet in seiner ursprünglichen Fassung: Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über 1. die Verbrauchs- und Verkehrssteuern mit Ausnahme der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, insbesondere der Grunderwerbsteuer, der Wertzuwachssteuer und der Feuerschutzsteuer, 2. die Steuern von Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen, 3. die Realsteuern mit Ausnahme der Festsetzung der Hebesätze, wenn er die Steuern ganz oder zum Teil zur Deckung der Bundesausgaben in Anspruch nimmt oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 vorliegen. 62 So BVerfGE 93, 319 II (342). 63 So BVerfGE 93, 319 II (342). 64 So Heintzen in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 105 Rdnr. 17, der hierin die einzige generelle Schranke des Art. 105 GG sieht. 60 61

B. Konsumsteuern als Unterfall von Einkommen- und Körperschaftsteuer

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Sieht man demnach den von den Gegnern eines Steuererfindungsrechts als Hauptargument angeführten Sinn und Zweck der Art. 105 ff. GG ausschließlich in der Stabilisierung des Steuerverteilungssystems, dann würde diesem Zweck auch Genüge getan, wenn durch die Einführung neuer Steuern keine Beeinträchtigung dieses Steuerverteilungssystems erfolgte. Würde ein konsumorientiertes Steuersystem mit Cash-flow-Besteuerung oder zinsbereinigter Einkommensteuer eingeführt und die Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer bisheriger Prägung abgeschafft, dann hätte man de facto die eine Steuer durch die andere ersetzt. Auch wenn die Cash-flow-Besteuerungssysteme den Betrieb zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung machen, kann die Cash-flow-Steuer einer Körperschaft der Körperschaftsteuer zugeordnet werden, während die Besteuerung der übrigen Unternehmen sowie die Besteuerung der Haushalte als Einkommensteuer aufzufassen wäre. Über die Ersetzungsfunktion der Steuer lässt sich also eine eindeutige Zuordnung der Steuern zu den alten, durch sie ersetzten Steuerarten des Art. 106 GG vornehmen. Die neue Steuer würde somit derjenigen zugeordnet, an deren Stelle sie tritt65. Hierdurch würde das Gesamtsystem der Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nicht beeinträchtigt, denn es entstünde keine Steuerverteilungslücke. Mit Tipke66 ist festzuhalten, dass im Hinblick auf eine Steuergesetzgebungskompetenz das Abstellen auf die „Struktur“, die „grundlegende Gestaltungsform“, das „Wesenselement“ etc. zu schwerwiegenden Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Zuordnung zum Steuerartenkanon des Art. 106 GG führen kann. Vor dem Hintergrund des Ersetzungszwecks spielt dieses Argument für die Einführung der Konsumsteuern aber keine Rolle. Bei der Einführung der Konsumsteuern bestünden solche Abgrenzungsprobleme nämlich gerade nicht. Wird eine Steuer durch eine andere ersetzt, dann steht hinsichtlich des Steuerverteilungssystems nach Art. 106 GG die fiskalische Funktion der Steuer im Rahmen der Finanzordnung im Vordergrund. Weniger entscheidend ist demnach, ob sich die ersetzte und die neue Steuer im Hinblick auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage und ihrer wirtschaftstheoretischen Grundkonzeption wesentlich voneinander unterscheiden. Da Erstgenanntes im Falle der Einführung der Konsumsteuern gewährleistet würde, braucht der Streit, ob dem Gesetzgeber ein weitreichendes Steuererfindungsrecht zugestanden werden soll, hier nicht entschieden zu werden. Die überzeugenden Argumente für ein Steuererfindungsrecht in Verbindung mit dem Hauptargument der Gegenposition ergeben mithin gleichsam als „Synthese“, dass dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 106 GG jedenfalls ein „Steuererset65 Insofern könnte dann auch die Steuerertragsbeteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer nach Art. 106 V GG berücksichtigt werden. Im Übrigen steht diesen nach Art. 106 III GG das Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ohnehin jeweils zur Hälfte zu, so dass sich hierdurch keine Verteilungsproblematik ergibt. 66 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1093.

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6. Teil: Vereinbarkeit mit der Finanzverfassung

zungsrecht“ zukommen muss. Nach diesem Steuerersetzungsrecht kann der Gesetzgeber neue Steuern einführen, wenn diese an die Stelle der alten Steuern treten und deren Funktion im Steuerverteilungssystem übernehmen. Da dies sowohl bei den Cash-flow-Steuern als auch bei der zinsbereinigten Einkommen- und Körperschaftsteuer der Fall ist, würde die Einführung dieser Konsumsteuern nicht gegen die Regelungen der Finanzverfassung verstoßen.

C. Ergebnis zum Sechsten Teil Dem Steuergesetzgeber steht im Rahmen des Art. 106 GG ein „Steuerersetzungsrecht“ zu. Nach diesem kann er die Einkommen- und Körperschaftsteuer herkömmlicher Prägung durch die Konsumsteuern, die an deren Stelle treten sollen, ersetzen. Die Konsumsteuermodelle widersprechen daher nicht den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.

Siebter Teil

Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung Auch bei Einführung der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle wäre grundsätzlich danach zu fragen, ob diese mit den freiheitsgrundrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren sind. Wie später noch zu zeigen sein wird, liegt die Bedeutung der Freiheitsgrundrechte für die hier untersuchten Unternehmenssteuermodelle allerdings vor allem darin, dass sie einen materiell bedeutsamen Wertungsmaßstab im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Überprüfung der Steuergesetze anhand von Art. 3 GG darstellen. Als eigenständiger Prüfungsmaßstab ist ihre Bedeutung für die Verfassungsmäßigkeit jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang geringer, so dass nachfolgend auf eine gesonderte Überprüfung verzichtet werden soll. Unverzichtbar bleibt es jedoch gleichwohl, die Vorgaben der Freiheitsgrundrechte für die spätere, im Vordergrund stehende Überprüfung der Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle mit dem allgemeinen Gleichheitssatz herauszuarbeiten.

A. Verfassungsrechtliche Legitimation des Steuereingriffs Im Untersuchungszusammenhang der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines konsumorientierten Besteuerungskonzeptes stellt sich in unserem demokratischen Rechtsstaat zunächst die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimation des Steuerzugriffs überhaupt. Dass die Erhebung von Steuern gerechtfertigt ist, wird allgemein vorausgesetzt. In einem modernen Verfassungsstaat bedürfen Steuern als solche keiner besonderen Rechtfertigung1. Da die Finanzverfassung unseres Staates vor allem auf Steuerfinanzierung aufgebaut ist, sind Steuern als Beitrag des Einzelnen zur Funktionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft „zugleich Geburtshelfer wie Produkt des modernen Staates“2, der dem Bürger Freiraum einräumt und sich im 1 So Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 4, mit zahlreichen weiteren Literaturhinweisen. 2 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 5.

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

Gegensatz zu patrimonialen Abgabensystemen mit dem Geldzugriff durch Steuer begnügt. Während demnach über die grundsätzliche Berechtigung zur Steuererhebung im Schrifttum Einigkeit besteht, herrscht Streit darüber, worauf diese Rechtfertigung dogmatisch zu stützen ist. So vertritt Kirchhof die Auffassung, dass die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern bereits durch ihre Nennung im Grundgesetz gerechtfertigt sind3. Trotzdem verlangt er zu ihrer Rechtfertigung (zusätzlich) für jede einzelne Steuer einen besonderen Belastungsgrund4. Des Weiteren entnimmt er dem Grundrecht des Art. 14 GG ein „verfassungsorientiertes Steuersystem“5. Hieraus folge beispielsweise für die Einkommensteuer, dass diese ihren Belastungsgrund in der staatlichen Teilhabe am Erfolg individuellen marktwirtschaftlichen Handelns habe6. Tipke sieht den Belastungsgrund (die Rechtfertigung) der Steuern im Finanzbedarf des Staates und der Gemeinden7. Dieser Finanzbedarf müsse durch gerecht verteilte Steuern gedeckt werden. Hieraus folge, dass die Steuerlastverteilung dem Gleichheitssatz aus Art. 3 GG zu entsprechen habe. Auch das BVerfG hat sich auf Gerechtigkeitserwägungen berufen und ausgeführt, dass der steuerliche Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre seine Rechtfertigung „auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung“ gewinne8. Der letztgenannte Ansatz, wonach der steuerrechtliche Eingriff auf Art. 3 GG und das Gebot der Lastengleichheit zu stützen ist, überzeugt. Es sprechen aber auch gewichtige Argumente für den Ansatz Kirchhofs9, eine Rechtfertigung aus Art. 14 GG abzuleiten. Der Staat kann sich die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Finanzmittel nur entweder über eine Besteuerung oder durch eine Verstaatlichung der Erwerbsgrundlagen beschaffen10. Entscheidet er sich für die Besteuerung und verzichtet insofern auf eine Verstaatlichung, dann stellt dies zugleich die eigentumsschonendste Form der Finanzmittelbeschaffung dar. Demgemäss ergibt sich die Besteuerung als notwendige Folge der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG11. Nicht gefolgt werden kann Kirchhof jedoch, soweit er die Einkommensteuer damit rechtfertigt, dass das Einkommen ein sowohl von der Individualleistung So Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 219. Kirchhof, NJW 1987, S. 3221 ff. 5 Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 226 ff. 6 Ausführlicher zur Bedeutung von Art. 14 GG für das Steuerrecht (auch aus der Sicht Kirchhofs) im Siebten Teil, C. I. 2. b). 7 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 578. 8 BVerfGE 84, 239 (269). 9 Zum Ansatz Kirchhofs siehe vor allem die Ausführungen im Siebten Teil, C. I. 2. b) . 10 Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz-Kommentar, § 2 A 156; vgl. auch Kirchhof, Stbg 2000, S. 553. 11 Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz-Kommentar, § 2 A 156. 3 4

B. Das „Unternehmen“ als Grundrechtsträger

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des Einzelnen als auch von der Leistung der staatlichen Gemeinschaft hervorgebrachtes Gemeinschaftsprodukt darstelle. Nach seiner Auffassung partizipiert der Staat in Form der Steuer daran, dass der Einkünfte erzielende Steuerzahler den staatlich organisierten Markt sowie die vom Staat angebotene Ordnung nutze12. Wie Tipke13 richtigerweise einwirft, versagt diese Argumentation nämlich dann, wenn der Steuerpflichtige Verluste erzielt. Es stellt sich nämlich auch dann die Frage nach dem Kausalbeitrag des Staates. Vor allem kann hiermit aber nicht erklärt werden, warum der Staat nach dem Welteinkommensprinzip – im Einklang mit dem Völkerrecht – auf das Welteinkommen zugreifen darf, obwohl er hierzu allenfalls einen äußerst untergeordneten Beitrag geleistet hat14. Die Besteuerung ist demnach jedenfalls aus Art. 3 GG grundsätzlich gerechtfertigt. Die oben angeführte Argumentation spricht dafür, dass sie zusätzlich auch auf Art. 14 GG gestützt werden kann. Ob sie darüber hinaus auch aus Art. 106 GG eine Rechtfertigung erfährt, kann hier offen bleiben15. Die unterschiedlichen Steuerrechtfertigungsansätze lassen erahnen, dass die Grundrechte aus Art. 14 GG und Art. 3 GG je nach Blickwinkel zentraler Gegenstand auch bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung einer konkreten Ausgestaltung der Unternehmensbesteuerung sein müssen. Im Folgenden wird daher zunächst die Bedeutung der Grundrechte aus Art. 14 GG und Art. 3 GG sowie aus Art. 12 GG für das Steuerrecht untersucht. Im Vordergrund steht dabei ihre Bedeutung als Begrenzungsnormen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

B. Das „Unternehmen“ als Grundrechtsträger Nach Art. 19 III GG gelten Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Daraus wird allgemein geschlossen, dass die Besteuerung von Unternehmen, soweit es sich um juristische Personen handelt, an den Grundrechten der Art. 12 GG und Art. 14 GG sowie grundsätzlich auch an Art. 3 GG auszurichten ist16. Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 14 ff. So Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 558; etwas abgeschwächt in der 2. Aufl., vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 617. 14 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 559, führt in diesem Zusammenhang aus, für das Welteinkommen habe der steuereinnehmende Staat, (überhaupt) keinen Kausalbeitrag geleistet. Zu denken sei insoweit jedoch möglicherweise an die Gestaltung völkerrechtlicher Verträge und Abkommen. In der 2. Aufl. wirft Tipke zurecht die Frage auf, ob man dem Ansatz von Kirchhof folgend – vom gemeinsamen Markt her gedacht – nicht einen Teil der Einkommensteuer (eigentlich) der Europäischen Union überlassen müsste, so Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 617. 15 Vgl. hierzu Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz-Kommentar, § 2 A 156. 12 13

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

Die h. M. in Literatur und Rechtsprechung17 lässt auch nichtrechtsfähigen Vereinigungen zu Recht die Grundrechtsfähigkeit dann zukommen, wenn diese wie etwa OHG, KG oder die Erbengemeinschaft teilrechtsfähig sind. Hierfür spricht zum einen, dass die Unterscheidung zwischen „voll-“rechtsfähig und „teil-“ rechtsfähig nur eine graduelle ist. Zum anderen wird dies aus einem Erst-rechtSchluss hergeleitet: Wenn schon juristische Personen, die ihrerseits selbst nicht notwendigerweise eine Vereinigung von grundrechtsfähigen natürlichen Personen darstellen müssen, grundrechtsfähig sind, dann muss dies erst recht für Personenvereinigungen, die natürlichen Personen noch näher stehen, gelten18.

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung Neben den Gleichheitsrechten und dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit kommen die Freiheitsgrundrechte der Art. 1 I GG, Art. 2 I GG, Art. 12 GG sowie Art. 14 GG grundsätzlich in Betracht, insbesondere der Ertragsbesteuerung Grenzen zu setzen19. Bevor im nächsten Teil auf die für das Steuerrecht bedeutendere gleichheitsrechtliche Vorgabe der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eingegangen wird, sollen nun die freiheitsrechtlichen Grenzen der Besteuerung angesprochen werden.

I. Eigentumsgrundrecht und Unternehmensbesteuerung 1. Grundlagen Art. 14 GG enthält zum einen eine institutionelle Garantie der Rechtseinrichtung Eigentum (Institutsgarantie), zum anderen stellt es ein subjektiv öffentliches Recht (Grundrecht) des Einzelnen gegen den Staat auf Freiheit von Eingriffen in das Eigentum dar20. Art. 14 GG enthält keine Definition des Begriffs Eigentum, sondern verweist insoweit auf außerverfassungsrechtliches Recht21. Aus Art. 14 I S. 2 GG lässt sich ableiten, dass Art. 14 GG ein „normgeprägter“ Schutzbereich zugrunde liegt. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber verbindlich festlegt, was Eigentum ist 16 Zur speziellen Problematik der Leistungsfähigkeit von Unternehmen siehe unten, Achter Teil, A. II. 2. d) cc). 17 Vgl. hierzu Krebs in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 19 Rdnr. 31, m. w. N. Nachdem nunmehr auch die Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft ganz überwiegend anerkannt ist, muss dies auch für diese gelten. 18 Vgl. hierzu Krebs in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 19 Rdnr. 31. 19 Jachmann, StuW 1998, S. 197. 20 Model / Müller, Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 1. 21 Model / Müller, Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 1.

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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und somit auch, wie weit der Schutz durch Art. 14 GG reicht. Heute ist allgemein anerkannt, dass Art. 14 GG über den Begriff des Eigentums im bürgerlichen Recht hinaus jedenfalls alle vermögenswerten Rechte des Privatrechts schützt22. Bei der Frage der Rechtfertigung eines Eingriffs kommt es im Falle des Art. 14 GG darauf an, ob es sich bei dem konkreten Eingriff um eine Enteignung oder um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung ohne Enteignungswirkung handelt, da beide Eingriffsarten unterschiedliche Garantiebereiche betreffen23. Während sich nämlich die Rechtmäßigkeit einer Enteignung nach Art. 14 III GG richtet, ist die Rechtmäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung am Maßstab von Art. 14 I und II GG zu überprüfen24. Die Abgrenzung von Enteignung einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmung andererseits ist im Einzelnen umstritten25. Da in Literatur und Rechtsprechung weitestgehend Einigkeit besteht, dass eine Besteuerung jedenfalls grundsätzlich keine Enteignung i. S. d. Art. 14 III GG darstellt26, können die Anforderungen an eine Enteignung ebenso wie die Frage der Abgrenzung dieser beiden Rechtsinstitute hier dahinstehen. Während der Gesetzgeber nur unter den besonders strengen Voraussetzungen des Art. 14 III GG enteignend eingreifen darf, ergibt sich die Zulässigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung unter den insoweit gemilderten Voraussetzungen des Art. 14 I S. 2 GG und Art. 14 II GG. Auch wenn nach Art. 14 I 2 GG der Inhalt und die Schranken des Eigentums durch außerverfassungsrechtliche Gesetze bestimmt werden können, bedeutet dies allerdings nicht, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Ausgestaltung völlig frei ist27 und das Eigentum grenzenlos be22 Bryde in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 11; zur kontrovers geführten Diskussion hinsichtlich einer Ausdehnung des Schutzbereiches auch auf vermögenswerte subjektive öffentliche Rechte, vgl. etwa Dürig in FS-Apelt, S. 13 ff., sowie Nicolaysen in FS-Schack, S. 107 ff., jeweils m. w. N. 23 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 30. 24 Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 30. 25 Vgl. zu den Abgrenzungstheorien (sog. Sonderopfer-, Zumutbarkeits- sowie Schweretheorie) im Einzelnen den umfassenden Überblick bei Kimmich, Bonner Kommentar, Art. 14 Rdnr. 190 ff. Das BVerfG hat bereits früh entschieden, dass die gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung auf der einen und die Enteignung auf der anderen Seite von vornherein jeweils unterschiedliche und eigenständige Rechtsinstitute sind, BVerfGE, 52, 1 (27 ff.); 58, 300 (330 ff.); 70, 171 (199 ff.); 79, 174 (191 ff.); 83, 201 (211 ff.); 100, 226 (239 ff.). 26 Vogel / Waldhoff, Bonner Kommentar, Vorbem. zu 104a bis 115 GG, Rdnr. 545; v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 310 ff.; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 407 ff.; a. A. allerdings Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 78 ff. Ausgehend von dem Ansatz, dass nur in einem gezielten hoheitlichen Eingriff auf konkrete vermögenswerte Rechte eine Enteignung gesehen werden kann, ist sein zentrales Argument, dass Besteuerungsregelungen jedenfalls nicht gezielt auf konkrete vermögenswerte Rechte zugreifen. 27 Bryde in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 59. 28 Bryde in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 59.

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

schränkt werden könnte. Der Gesetzgeber hat nämlich dafür Sorge zu tragen, dass einerseits Eigentum grundsätzlich gewährleistet wird, andererseits aber auch der in Art. 14 II GG enthaltenen Sozialbindung des Eigentums, wonach dieses verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll, Rechnung getragen wird28. Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht jeden Zweck verfolgen kann, sondern dabei zur Verwirklichung der Sozialbindung verpflichtet ist. Die gesetzliche Einschränkung der Eigentümerbefugnisse muss zur Erreichung dieses Ziels geeignet sowie notwendig sein. Des Weiteren darf sie nicht übermäßig belastend und aus diesem Grund unzumutbar sein29. Der Gesetzgeber muss m. a. W. „den Bereich des Einzelnen und die Belange der Allgemeinheit ( . . . ) in einen gerechten Ausgleich bringen“30. Wichtigste Grenzen für den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber sind dabei der Gleichheitssatz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie der Vertrauensschutz31. 2. Bedeutung von Art. 14 GG für das Steuerrecht Die in Art. 14 GG enthaltene Eigentumsgarantie umfasst grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens eines Unternehmens. Des Weiteren schützt Art. 14 GG nach wohl h. M. auch das wirtschaftliche Unternehmen in seiner Sach- und Rechtsgesamtheit32. Unklarheit besteht jedoch in Rechtsprechung und Literatur darüber, welche Bedeutung Art. 14 GG für die Besteuerung hat. Umstritten ist insoweit zunächst, ob durch eine Besteuerung überhaupt in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingegriffen wird. Dies unterstellt, schließt sich die Frage an, welche Anforderungen bei einem Eingriff an die Rechtmäßigkeit zu stellen sind. Nachfolgend sollen daher die hierzu bestehenden Auffassungen dargestellt und überprüft werden.

BVerfGE 21, 150 (155); 74, 203 (214 ff.). BVerfGE 31, 229 (242); 70, 191 (201 ff.); 95, 64 (84); 98, 17 (37); 100, 226 (240). 31 BVErfGE 58, 300 (338); 74, 203 (214); 87, 114 (138); 98, 17 (35); 100, 226 (241). 32 Papier, Der Staat, Bd. 11, S. 498 ff.; Leisner, HdbStR IV, § 149 Rdnrn. 108 ff.; Rüfner, DVBl. 1970, S. 881 ff.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 44 ff.; Engel, AöR 118 (1993), S. 169 ff.; Depenheuer in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnrn. 135 ff.; im Gegensatz zu einer frühen Entscheidung, BVerfGE 1, 264 (277 ff.), hat das BVerfG allerdings in einer späteren Entscheidung ausgeführt, dass (nur) der Eingriff in die Substanz der Sachund Rechtsgesamtheit eines Gewerbebetriebs Art. 14 GG verletzen könne, BVerfGE 13, 225 (229 ff.); mittlerweile äußert das BVerfG deutliche Zweifel, ob der Gewerbebetrieb als solcher unter den Eigentumsbegriff zu subsumieren ist, BVerfGE 51, 193 (221 f.). 33 So das BVerfG im Urteil zum Investitionshilfegesetz, BVerfGE 7, 7 (17). 29 30

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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a) Ansicht des BVerfG Vom BVerfG wurde die Anwendbarkeit des Art. 14 GG bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Steuern zunächst mit dem Argument verneint, dass sich Art. 14 GG nur auf einzelne Vermögensgegenstände oder vermögenswerte Rechte beziehe, nicht aber auf das Vermögen als solches. Nur dieses sei aber beeinträchtigt, wenn der Staat dem Bürger Geldleistungen durch Steuern abverlange33. Die Eigentumsgarantie sichere zwar den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögenswerte, nicht aber den Bestand des Vermögens als solches gegenüber staatlichen Maßnahmen34. In seinem Beschluss zum Fremdrentengesetz hat das BVerfG diese Auffassung der eigentumsrechtlichen Irrelevanz von Geldleistungspflichten relativiert35. Danach lasse die Auferlegung von Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie nur „grundsätzlich“ unberührt36. Eine Verletzung von Art. 14 I GG durch Steuern sei dann gegeben, wenn die Geldleistungspflichten den Steuerpflichtigen übermäßig belasteten und seine Vermögensverhältnisse grundsätzlich beeinträchtigten 37. Eine solch übermäßige Belastung sei dann gegeben, wenn die auferlegten Geldleistungspflichten konfiskatorisch38 oder erdrosselnd39 wirkten. Bislang wurde jedoch in der Judikatur des BVerfG (soweit ersichtlich) eine solche erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung noch nicht festgestellt. In der Literatur wurde diese Auffassung als dogmatischer Widerspruch gewertet40. Es sei denkunmöglich, dass Abgabenpflichten, die die Eigentumsgarantie nicht berührten, dies ab einem bestimmten Zeitpunkt doch täten41. Entweder berührten Abgabengesetze die Eigentumsgarantie, dann könnten sie unter bestimmten Umständen auch übermäßig belastend wirken; oder aber sie berührten sie nicht; in diesem Falle blieben sie auch dann eigentumsrechtlich irrelevant, wenn sie dies im Einzelfall (oder auch generell) konfiskatorisch täten42. Das BVerfG hat in seinem Beschluss43 zum steuerlichen Existenzminimum von dieser Auffassung teilweise Abstand genommen und ausgeführt, dass SteuergeBVerfGE 75, 108 (154). BVerfGE 14, 221 ff. 36 So BVerfGE 10, 89 (116). 37 BVerfGE 14, 221 (241); zuletzt BVerfGE 91, 207 (220). 38 So BVerfGE 23, 288 (315). 39 So BVerfGE 30, 250 (272 ff.). 40 Vgl. zu dieser Problematik Depenheuer in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 163; Friauf, DÖV 1980, S. 485 ff.; Herzog, StbJb 1985 / 86, S. 31; Papier, Der Staat, Bd. 11, S. 485; Seer, DStJG 23 (2000), S. 98. 41 So Depenheuer in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 163. 42 So Depenheuer in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 163. 43 BVerfGE 87, 153 (169). 44 BVerfGE 87, 153 (169). 34 35

11 Reis

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

setze in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 I GG zu messen seien. Dabei erfolge der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 I GG, Art. 12 I GG). Die Gesamtbelastung durch eine Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung sei vom Gesetzgeber so aufeinander abzustimmen, dass das Belastungsmaß gewahrt und eine übermäßige Last vermieden werde44. Insoweit sei zu beachten, dass auch der Steuergesetzgeber nicht beliebig auf Privatvermögen zugreifen könne. Der Steuerpflichtige habe einen Anspruch darauf, dass ihm die Privatnützigkeit des Erworbenen und die Verfügungsbefugnis über geschaffene vermögenswerte Rechtspositionen jedenfalls im Kern erhalten bleibe. Im zweiten Einheitswertbeschluss zur Vermögensteuer hat der Zweite Senat dies bestätigt und ausgeführt, dass die Steuer (dort wörtlich: Vermögensteuer) „in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (Art. 14 GG) eingreife.“ Damit bezog das BVerfG die Freiheit des Grundrechtsträgers, sein Eigentum zu nutzen, in den Schutzbereich von Art. 14 GG mit ein. Nicht der Schutz konkreter Rechte, sondern die Freiheit des Eigentümerhandelns, also die Handlungsfreiheit, bestimme somit den Schutzbereich der Eigentümerfreiheit45. Bezüglich der Vermögensteuer, die der zentrale Gegenstand des Urteils war, führt das BVerfG aus, diese dürfe „nur so bemessen sein, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt lässt und aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträge) bezahlt werden kann“46. Andernfalls würde im Ergebnis eine schrittweise Konfiskation herbeigeführt, die den Steuerpflichtigen übermäßig belaste und seine Vermögensverhältnisse schrittweise grundlegend beeinträchtige47. Das persönliche und familiäre sog. Gebrauchsvermögen48 müsse als existenzsicherndes Vermögen sogar in vollem Umfang vom Steuerzugriff freigestellt werden49. 45 Dies geht zurück auf Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213, der in seinem Vortrag bei der Staatsrechtslehrertagung in These 7 bereits 1980 ausführt hat: „Der Schutz des privatnützigen Eigentümerhandelns findet seinen Maßstab in der Eigentümerfreiheit, weniger im Eigentum: „Eigentum“ definiert nicht ein Wirtschaftsgut, das gegen steuerlichen Zugriff abzuschirmen wäre, sondern umgrenzt den Handlungsspielraum des Eigentümers. Grundlage der Eigentümerfreiheit ist das Gesamtvermögen“. 46 BVerfGE 93, 121 (137). 47 BVerfGE 93, 121 (137). 48 Dieser Schutz erstreckt sich aber lediglich auf das normale oder durchschnittliche Gebrauchsvermögen, z. B. auf den Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses, vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 217. 49 BVerfGE 93, 121 (140 ff.). 50 BVerfGE 93, 121 (138).

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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Der Zweite Senat des BVerfG entnahm Art. 14 GG also (erstmals) einen Bestandsschutz für den Vermögensstamm. Weiterhin wurde in diesem Beschluss aus Art. 14 GG aber auch ein Schutz des Vermögensertrages in Gestalt einer Belastungsobergrenze abgeleitet, der sog. Halbteilungsgrundsatz50. Nach diesem nimmt auch jeder aus dem Vermögen erzielte Ertrag – unbeschadet des Bestandsschutzes für den Vermögensstamm – am Schutz der vermögenswerten Rechtspositionen als Grundlage individueller Freiheit teil. Gemäß Art. 14 II GG diene der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen sowie der Allgemeinheit. Deshalb sei der Vermögensertrag einerseits für die steuerliche Gemeinlast zugänglich, zum anderen müsse dem Steuerpflichtigen aber auch ein privater Nutzen verbleiben. Die Vermögensteuer dürfe daher zu den anderen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, „soweit die steuerliche Belastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen öffentlicher und privater Hand“ verbleibe51. Während der Zweite Senat des BVerfG in der beschriebenen Entscheidung also die besondere Bedeutung von Art. 14 GG für das Steuerrecht unterstrichen hat, blieb der Erste Senat hiervon offenbar unbeeindruckt. Im Urteil vom 8. 4. 1997 hat der Erste Senat seine ständige Rechtsprechung, nach welcher das Vermögen als Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person kein Eigentum im Sinne des Art. 14 GG sei, wiederholt52. Öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten seien nicht mittels eines konkreten Eigentumsobjekts zu bestimmen. Diese würden vielmehr aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten, weshalb entsprechend der oben dargestellten Ausführungen zu dieser Problematik, abgesehen von den Fällen einer erdrosselnden Wirkung, Art. 14 GG durch die Besteuerung nicht berührt werde53. Eine Plenarentscheidung nach § 16 BVerfGG zur Behebung dieser Divergenz ist bislang noch nicht herbeigeführt worden. Der Erste Senat wertet die eigentumsrechtlichen Ausführungen des Zweiten Senats lediglich als obiter dictum54. Somit besteht nach wie vor keine einheitliche Auffassung der beiden Senate hinsichtlich der Bedeutung und konkreten Schutzfunktion des Art. 14 GG im Steuerrecht.

51 52 53 54 55

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BVerfGE 93, 121 (138). BVerfGE 95, 267 (300). BVerfGE 95, 267 (300 ff.). BVerfGE 95, 267 (300). Vgl. bspw. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 439.

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

b) Auffassung der Literatur aa) Die Auffassung von Kirchhof Die oben dargestellte Entscheidung des Zweiten Senates wurde insbesondere vom daran beteiligten Verfassungsrichter Kirchhof und dessen Verständnis von Art. 14 GG geprägt und diesem auch maßgeblich zugeschrieben55, weshalb diese Auffassung nachfolgend näher dargestellt werden soll. Kirchhof hat eine geschlossene steuerspezifische Dogmatik herausgearbeitet und daraus Belastungsgrenzen und Gestaltungsmaßstäbe entworfen56. Hinsichtlich ihrer Wertigkeit sieht Kirchhof die Eigentumsgarantie im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung maßvoller Steuerlasten57. Nach Auffassung von Kirchhof hat der Steuerpflichtige dann, wenn das Steuerrecht zugreift, bereits – aus Berufstätigkeit oder Kapitalnutzung – Einkommen erworben und damit eine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition inne58. Die Eigentumsgarantie wehre grundsätzlich jeden staatlichen Eingriff in das Eigentum ab. Der das Privateigentum gewährleistende Staat erwirtschafte grundsätzlich nicht selbst ertragfähiges Kapital, sondern überlasse dies der privaten Hand und partizipiere dann an ihrem Erfolg in Form der Steuern. Somit stelle der steuerliche Zugriff auf das Privatvermögen zugleich die Voraussetzung für die Eigentumsgarantie dar. Der steuerliche Zugriff sei daher zum einen Bedingung einer Garantie des Privateigentums, zum anderen stelle er aber zugleich einen Grundrechtseingriff dar. Die umstrittene Frage, ob auch das Vermögen an sich in den Schutzbereich des Art. 14 GG einzubeziehen ist, wird von Kirchhof aus einem anderen Blickwinkel heraus untersucht und beantwortet. Nach Kirchhof definiert nämlich das „Eigentum“ nicht das Rechtsgut, das gegen die Auferlegung von Steuern zu schützen sei. Das Eigentum i. S. d. Art. 14 GG bestimme vielmehr den Handlungsspielraum, der dem Eigentümer bei seinem ökonomischen Verhalten zur Verfügung steht59. Grundlage dieser Handlungsfreiheit sei das jeweilige Gesamtvermögen60. Die Frage, ob und wie der Eigentümer sein Geld anlege oder liquide mache, ob er einzelne Gegenstände behalte oder verkaufe, ob er sich einzelne Leistungen in Geld oder Sachwerten entgelten lasse, sei Folge dieser Eigentümerfreiheit und nicht Voraussetzung seines Freiheitsrechtes 61. Es mache für den Kraftfahrzeughändler kaum einen Unterschied, ob ihm der Staat von 100 Fahrzeugen 13 wegnehme oder ob er seinen Umsatz mit einem Steuersatz von 13 % zu versteuern hat. Art. 14 GG müsse 56 57 58 59 60 61 62

So Vogel / Waldhoff, Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a bis 115 GG, Rdnr. 543. Kirchhof, Stbg 2000, S. 553. Zur Argumentation im Folgenden vgl. Kirchhof, Stbg 2000, S. 553 ff. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 236; Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rdnr. 88. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 236. Zur Argumentation im Weiteren vgl. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 236 ff. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 38 ff. und S. 44 ff.

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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daher nicht nur den steuerlichen Zugriff auf Sachbezüge und Naturalien, sondern auch auf bares und bargeldloses Entgelt mäßigen. Daher schütze die Verfassung jedes zu Eigentümerhandeln befähigende Wirtschaftsgut und mithin auch das Gesamtvermögen im wechselnden, je nach Steuerstichtag fassbaren Bestand. Dass Kirchhof wohl auch das Vermögen an sich dem Schutzbereich des Art. 14 GG zuordnet, ergibt sich unter anderem daraus, dass nach seinem Verständnis von einer abgestuften Sozialpflichtigkeit in Bezug auf die Besteuerung auszugehen ist. Kirchhof unterscheidet zwischen dem Vermögensbestand, dem „ruhenden“ Vermögen, dem Vermögenszufluss in der Erwerbsphase und dem gesteigert sozialpflichtigen Gebrauch des Vermögens62. Je nachdem um welchen Bereich es sich handelt, unterscheiden sich nach Kirchhof die Rechtmäßigkeitsanforderungen im Hinblick auf Art. 14 GG. Die durch Art. 14 I GG geschützte Privatnützigkeit des Eigentums erfasse grundsätzlich den Bestand, so dass die Substanz des Vermögens unberührt zu bleiben habe und aus den daraus üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen bezahlbar sein müsse. Da die Eigentumspflichtigkeit keinen Eigentumsentzug rechtfertige, sei in der Ausgestaltung der Bestandsteuern als Sollertragsteuern eine verfassungsrechtliche Vorgabe zu sehen. Diesen vollen Bestandsschutz des Art. 14 GG möchte Kirchhof aber nur dem sog. konsolidierten Vermögen63 gewähren, bei welchem bereits eine (Ertrags-)Besteuerung durchgeführt worden ist. Hiervon zu unterscheiden sind nach Kirchhof die Anforderungen an die Besteuerung des Vermögenszugangs, des Einkommenserwerbs. Dabei entnimmt er dem Wortlaut des Art. 14 II GG eine gegenüber dem konsolidierten Vermögen ausgeprägtere Sozialpflichtigkeit64. Da nach Art. 14 II GG der Eigentumsgebrauch „zugleich“ dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit diene, sei einerseits der Vermögensertrag für die steuerliche Gemeinlast zugänglich, andererseits müsse dem Berechtigten ein privater Ertragsnutzen bleiben. In der Tradition des deutschen Steuerrechts nach der Formulierung von Friedrich dem Großen in seinem politischen Testament, müsse die steuerliche Obergrenze deutlich unterhalb der hälftigen Teilung verbleiben. Nach Vorgabe des Art. 14 II GG lasse sich die Obergrenze in einer hälftigen Teilung zwischen öffentlicher und privater Hand bestimmen. Auch Steuern auf die Verwendung des Eigentums, träfen auf das Eigentümerrecht der Verfügungsfreiheit. Jedoch fänden sie ihre ausdrückliche Rechtfertigung in der (insoweit gesteigerten) Sozialbindung des Eigentums65. Diese Steuern belas-

63 Die Unterscheidung von „konsolidiertem“ und „nicht konsolidiertem“ Vermögen wurde auch von Böckenförde, Sondervotum zu BVerfGE 93, 121 (153 ff.), aufgegriffen. Demnach ist das Vermögen „konsolidiert“ das in Form von Einkommen – also bei seinem Erwerb – der Besteuerung unterlegen hat und ab diesem Zeitpunkt in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen „ruht“. 64 Siehe etwa Kirchhof, Stbg 2000, S. 554.

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

teten den Eigentumsgebrauch durch Verfügungsgeschäfte und wirkten bestandsschonend. Sie setzten nämlich voraus, dass der Eigentümer die Herrschaft über sein Eigentum willentlich lockere, sein Eigentum einer Neubewertung durch die Marktbeteiligten unterwerfe und so einen Spielraum auch für wertbildende Steuern eröffne66. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Nachfrage nach lebensnotwendigen Gütern nicht freiwillig sei, so dass das individuelle Existenzminimum, der unverzichtbare Konsum, steuerfrei bleiben müsse. Im Übrigen rechtfertige sich der Steuersatz als angemessene Teilhabe am Marktwert des jeweiligen Wirtschaftsgutes67. Da die Steuern auf die Einkommensverwendung als Teil der Produktkosten, als Zuschlag zu dem Preis erschienen, sei die Bemessungsgrundlage für eine an den freiwilligen Eigentümerwechsel anknüpfende Steuer die in der Nachfrage sichtbar werdende Selbsteinschätzung individueller Konsumkraft. Die Angemessenheit der steuerlichen Belastung richte sich nach dem typischen Nachfrageverhalten und nicht wie bei der Kapitaleinkommensteuer nach dem individuellen Erfolg des Eigentumsgebrauchs. bb) Zur Interpretation und Kritik der Entscheidung des BVerfG sowie der Ansicht Kirchhofs in der Literatur Auch wenn die Ausführungen des Beschlusses des BVerfG sich ausdrücklich (nur) auf die Vermögensteuer (im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten) beziehen, sind sie nach wohl überwiegender Ansicht in der Literatur aufgrund ihrer Herleitung aus Art. 14 II GG auf alle Ertragsteuern (und Sollertragsteuern) entsprechend anzuwenden68. Mit seiner Entscheidung hat der Zweite Senat aber nicht nur eine quantitative Grenze (Halbteilungsgrundsatz), sondern auch eine qualitative Grenze gesetzt. Indem er fordert, dass die Substanz des Vermögens grundsätzlich unberührt bleiben müsse, hat er zugleich einen Bestandsschutz des Vermögensstammes statuiert69. Dadurch hat er bestimmt, dass es bestimmte Vermö65 Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 243 ff., der insoweit aber nur die Verkehrsteuern, die Verbrauchsteuern, die Umsatzsteuern und die Zölle benennt, ohne jedoch auf direkte Formen der Konsumbesteuerung einzugehen, die ja ebenfalls (jedenfalls von ihrem theoretischen Ansatz aus betrachtet) Steuern auf die Eigentumsverwendung darstellen. 66 So Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 276, allerdings nur vor dem Hintergrund der oben genannten indirekten Steuern. 67 Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 277. 68 Vgl. bspw. Vogel, JZ 1996, S. 44; Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 101 ff.; Seer, DStJG 23 (2000), S. 96 ff.; Keß, FR 2000, S. 700; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 51; a. A.: Thomas, DStR 1998, S. 1493 ff.; BFH, FR 1999, S. 1303, der die Bindungswirkung des Urteils für andere Steuerarten mit der Argumentation ablehnt, dass sich diese nur auf den Streitgegenstand beziehen könne. Streitgegenstand sei aber im vom BVerfG zu entscheidenden Fall die Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer gewesen. 69 Kritisch hierzu Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 215, der dies wegen der Anknüpfung an Soll-Erträge als nicht hinreichend gewährleistet sieht.

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gensbestandteile gibt, die nicht unmittelbarer Gegenstand einer Besteuerung sein dürfen. Die Kritik an der Entscheidung des Zweiten Senates lässt sich in zwei Teilbereiche aufteilen. (1) Zum Schutzbereich des Art. 14 GG Die Kritik setzt zunächst bei der Frage nach dem Schutzbereich des Art. 14 GG ein. So wird nach wie vor in der Literatur mit Nachdruck vertreten, dass die Besteuerung überhaupt nicht den Schutzbereich des Art. 14 GG berühre, weil dieser nicht das Vermögen als solches schütze. Durch die Auferlegung einer allgemeinen Geldleistungspflicht würden dem Steuerpflichtigen gerade nicht bestimmte in Art. 14 GG geschützte Eigentumspositionen entzogen70. Dies sei im Übrigen unabhängig davon, ob der Gegenstand der Besteuerung in konsolidiertem Vermögen zu finden sei oder ob (neue) Vermögenszugänge, Erträge, besteuert würden. Durch die Besteuerung werde der Steuerpflichtige nämlich unspezifisch (abstrakt) zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichtet, den er aus beliebigen Einnahmequellen erbringen könne und der daher nur das Gesamtvermögen belaste71. Da die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG aber nicht das Vermögen als solches, sondern nur den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögenswerte schütze, sei der Schutzbereich durch die Besteuerung nicht betroffen72. Eine Ausdehnung des Schutzbereiches des Art. 14 GG auf die Besteuerung sei weder vom verfassungsgebenden noch vom heutigen Gesetzgeber gewollt73. Gegen die Ausdehnung des Schutzbereiches auf das Vermögen wird insbesondere von Wieland angeführt, dass Art. 14 GG mit dem Eigentum ein Recht schütze, während das Vermögen als solches von der Rechtsordnung nicht als Recht ausgestaltet sei74. Des Weiteren kranke der Versuch, Art. 14 GG als Schutzwehr gegen den Steuergesetzgeber auszubauen auch daran, dass hierdurch das Gewaltenteilungsprinzip außer Kraft gesetzt werde75. Die Grenzen der Besteuerung seien nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes grundsätzlich vom Gesetzgeber zu bestimmen, der gemäß dem Sozialstaatsprinzip für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen habe. Die Grundrechte vermögen aber nur die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit jedes Steuerpflichtigen (i. S. v. Art. 3 GG) zu sichern. Raum für Art. 14 GG sei nur in den theoretischen Ausnahmefällen, in welBöckenförde, Sondervotum zu BVerfG 93, 121 (153). Böckenförde, Sondervotum zu BVerfG 93, 121 (153). 72 Wieland in Dreier, Grundgesetz, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 50. 73 Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 323. 74 So Wieland in Dreier, Grundgesetz, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 56. 75 Zur Argumentation im Weiteren vgl. Wieland in Dreier, Grundgesetz, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 56. 70 71

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chen durch die Besteuerung die Privatnützigkeit von Rechtsgütern in einem solchen Umfang beseitigt werde, dass das Institut Eigentum nicht mehr gewährleistet sei. Würde man demgegenüber jede Steuer grundsätzlich an Art. 14 GG messen, träte notwendig das BVerfG an die Stelle des Gesetzgebers. Denn nur das Gericht könnte dann im Einzelfall autoritativ entscheiden, ab welchem Punkt eine Besteuerung unverhältnismäßig im engeren Sinne sei, ohne dass sich diese Grenze nachvollziehbar aus Art. 14 I GG ableiten ließe. Auch Birk geht davon aus, dass die Erhebung von Steuern grundsätzlich nicht in eigentumsrechtliche Positionen eingreift76. Geld repräsentiere nämlich nur die eigentumsrechtlich zugeordnete Güterposition, sei aber nicht mit dieser identisch77. Geld komme als Tauschmittel kein Wert an sich zu, weshalb in der steuerlichen Belastung allein auch kein Eingriff in konkrete Eigentumsrechte gesehen werden könne78. Allerdings könnten die aus der steuerlichen Belastung entstehenden steuerlichen Gestaltungswirkungen in individuelle Eigentumspositionen eingreifen79. Während Wieland und Birk aus den genannten Argumenten den Schluss ziehen, dass mit der Besteuerung grundsätzlich kein Eingriff in den Schutzbereich verbunden ist, wird dies von der wohl h. M. im Schrifttum bejaht80. Das Vermögen werde durch Art. 14 GG grundsätzlich vor der Besteuerung geschützt, weil Art. 14 GG eine „Vermögenswertgarantie“ enthalte81. In die gleiche Richtung argumentiert auch Seer82. Nach seiner Auffassung ist der Schutzzweck von Art. 14 GG der Schutz des Ergebnisses einer bestimmten Persönlichkeitsentfaltung, nämlich der auf den ökonomischen Erfolg gerichteten privatinitiierten Leistung83. Daher erfasse Art. 14 GG jedes vermögenswerte Recht jedenfalls dann, wenn es auf der eigenen Leistung des Grundrechtsträgers beruhe84. Das Ergebnis dieser eigenen wirtschaftlichen Leistung sei auch und gerade das am Markt erwirtschaftete Einkommen. Wenn der Staat nun auf dieses Einkommen in der Form der Steuern zugreife, sei dies wirtschaftlich gleichbedeutend daBirk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 180 ff. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 184 ff. 78 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 182. 79 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 187. Ohne dass Birk dies ausdrücklich erwähnt, wird man hiervon – seiner Auffassung zufolge – wohl erst ab einer konfiskatorischen Wirkung der Steuerbelastung ausgehen können. 80 Seer, DStJG 23 (2000), S. 98 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 449 ff.; Depenheuer in Bonner Kommentar, Art. 14 Rdnrn. 173 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 33 ff.; Herzog in FS-RFH / BFH, S. 111; Schön, StuW 1995, S. 372; Vogel, JZ 1996, S. 43 ff. 81 So bspw. Friauf, DStZ A 1975, S. 360 ff.; Herzog in FS-RFH / BFH, S. 110 ff. 82 Seer, FR 1999, S. 1283 ff., sowie ders., DStJG 23 (2000), S. 99 f. 83 Seer, DStJG 23 (2000), S. 99, unter Bezugnahme auf v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 304. 84 Seer, DStJG 23 (2000), S. 99. 76 77

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mit, dass dem Steuerpflichtigen die einzelnen als Eigentum geschützten Rechtspositionen wieder entzogen würden. Der Steuerpflichtige könne die Abgabe nämlich nicht aus dem Abstraktum „Vermögen“ zahlen, sondern nur, indem er einzelne Vermögensgegenstände aufgebe, von denen aber jeder für sich wieder dem Schutz des Art. 14 GG unterliege85. Im Ergebnis zustimmend fügt Tipke hinzu, dass auf das allen Freiheitsrechten zugrundeliegende Prinzip zu rekurrieren sei, interpretatorische Übungen am Wortlaut des Art. 14 GG griffen zu kurz86. Wie das Rechtsstaatsprinzip beruhten auch die Freiheitsrechte nicht nur auf einzelnen Sätzen der Verfassung, sondern auf einem sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden Prinzip, das allgemein durch Art. 2 I GG und speziell durch Art. 12 GG und Art. 14 GG konkretisiert würde. Diesem Freiheitsprinzip würde es aber zuwider laufen, wenn Steuerlasten auferlegt werden könnten, die die Eigentumsverhältnisse grundlegend veränderten. Alle Steuern könnten nur aus gespeichertem Einkommen oder Vermögen aufgebracht werden. In dieses Vermögen greife die Steuer ein. Durch den Entzug von Vermögen schränke sie die Freiheit, zu investieren, zu sparen oder zu konsumieren ein. Diesem Eingriff müssten zum Schutz der Freiheit, der freien wirtschaftlichen Betätigung, Grenzen gesetzt werden87. (2) Zur Kritik am „Halbteilungsgrundsatz“ Gegen den Halbteilungsgrundsatz als steuerliche Belastungsobergrenze wird zunächst vorgebracht, dass Art. 14 II 2 GG seinem Wortlaut nach keine solche Schlussfolgerung zulasse88. Wenn der Gebrauch des Eigentums nach Art. 14 II 2 GG „zugleich“ dem Wohle der Allgemeinheit dienen solle, könne hieraus noch keine feste Steuerbelastungsgrenze „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ abgeleitet werden89. Bei wörtlicher Auslegung könne dem Begriff „zugleich“ nur ein „nebeneinander“, aber nicht eine abstrakte Gleichwertigkeit entnommen werden90. Es spreche daher viel mehr dafür, diesen Begriff im Sinne von „auch“, „ebenso“ oder als „in gleicher Weise“, „gleichermaßen“ oder „zugleich“ zu verstehen91. Auch gebe es keinen Beleg dafür, dass die Verfassungsväter ihm überhaupt eine steuerrechtliche Funktion zugedacht haben92. Seer, DStJG 23 (2000), S. 99. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 449 ff. 87 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 449 ff., lässt in diesem Zusammenhang aber offen, ob er dieses Freiheitsprinzip auch unmittelbar auf den Schutzbereich des Art. 14 GG projizieren will. 88 Für viele Frenz, StuW 1997, S. 122; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 452 ff., jeweils m. w. N. 89 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 452. 90 Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 60. 91 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 452. 92 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 452. 85 86

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

Verstünde man „zugleich“ trotzdem im Sinne von „zu gleichen Teilen“, dann würde dies nach Tipke93 bedeuten, dass alle Bürger, unabhängig von ihrem Einkommen die Hälfte ihres Einkommens als Steuer abzuführen hätten. Dies widerspreche aber dem Sozialstaatsprinzip, das sich im progressiven Tarif niederschlage. Wie Tipke aber richtigerweise hieraus weiter folgert, haben die Anhänger des Halbteilungsgrundsatzes weniger eine „allgemeine Halbteilung“ als vielmehr „eine obere Belastungsgrenze“ im Sinn94. In der Tat wird von weiten Teilen der Literatur der Halbteilungsgrundsatz als Belastungsobergrenze verstanden95. Ein solches Verständnis könnte aber gerade bei Einführung einer zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung zu erheblichen Problemen führen. Diese hätte nämlich voraussichtlich zur Folge, dass bei gleichbleibenden Steuersätzen geringere Steuereinnahmen erzielt werden würden. Aller Wahrscheinlichkeit nach müsste diesem Effekt mit einer deutlichen Anhebung der Steuersätze begegnet werden96. Möglicherweise müssten die Steuersätze dann auf (weit) über 50 % erhöht werden, so dass der als strikte Belastungsobergrenze verstandene Halbteilungsgrundsatz gegen die Verfassungsmäßigkeit einer praktischen Umsetzung der zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung sprechen könnte, sofern tatsächlich eine derartige Erhöhung der Steuersätze erfolgen würde. c) Stellungnahme Nachfolgend soll nun zunächst die Streitfrage geklärt werden, ob Steuern überhaupt in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingreifen. Anschließend ist – insbesondere vor dem Hintergrund der soeben geschilderten Problematik – die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes zu erörtern. aa) Zur Frage des Eingriffs in den Schutzbereich Neben den bereits angeführten Argumenten spricht auch das Zusammenspiel von Art. 14 III GG einerseits und Art. 14 I und II GG andererseits dafür, dass Art. 14 I und II GG nicht das Vermögen als solches schützen. Bei einer Enteignung hat nach Art. 14 III GG ein vermögensmäßiger Ausgleich zu erfolgen. Art. 14 III GG enthält für Enteignungen somit eine Wertgarantie, mithin wird durch diese Ausgleichsvorschrift das Vermögen unmittelbar geschützt97. So Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 453. Vgl. auch Papier, Stbg 1999, S. 54. 95 Vgl. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 59 ff.; Seer, DStJG 23 (2000), S. 99 ff.; Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaats, S. 129. 96 Wie oben (Vierter Teil, V.) ausgeführt bestand ein (inoffizielles) Argument für die Abschaffung des zinsbereinigten Besteuerungssystems in Kroatien darin, dass viele ausländische Kapitalanleger von den hohen Steuersätzen abgeschreckt worden seien. 93 94

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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Hätten nun Art. 14 I und II GG denselben Schutzzweck, nämlich das Vermögen als solches zu schützen, dann würden die Zielrichtungen von Art. 14 I und II GG auf der einen und Art. 14 III GG auf der anderen Seite diametral entgegenlaufen. Einen Eingriff in das Vermögen durch einen Zuwachs an Vermögen rechtfertigen zu wollen, wäre kein „Ausgleich“, sondern im Hinblick auf einen Grundrechtsschutz des „Vermögens“ vielmehr eine „Aufhebung“ der Wirkung dieses Eingriffs. Der in Art. 14 III GG verwendete Begriff „Entschädigung“ spricht jedoch dafür, dass der Verfassungsgesetzgeber im Fall der Enteignung keine Aufhebung, sondern tatsächlich einen (vermögensmäßigen) Ausgleich gewähren wollte. Damit hat der Gesetzgeber zugleich auch zum Ausdruck gebracht, dass das Vermögen als solches nicht unmittelbar in den Schutzbereich von Art. 14 GG fallen soll. Der Argumentation Kirchhofs muss des Weiteren entgegengehalten werden, dass seine Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 14 GG, welche die Handlungsfreiheiten betont und konkrete vermögenswerte Rechte vernachlässigt, zu Abgrenzungsschwierigkeiten im Verhältnis zu anderen Grundrechten, insbesondere zu Art. 12 GG führt. Insoweit ist Wieland zuzustimmen, der davor warnt, durch das Kirchhofsche Konzept der Eigentümerfreiheit als „Konglomerat aus Eigentumsgewährleistung, Berufsfreiheit und allgemeiner Handlungsfreiheit“ die von der Verfassung mit Absicht vorgegebenen Gewährleistungsdifferenzierungen der Art. 1 bis 18 GG unzulässigerweise aufzuheben98. Gleichwohl lässt sich ein Eingriff in Art. 14 GG durch die Erhebung von Steuern selbst dann begründen, wenn man nur verfestigte subjektive Rechte in den Schutzbereich von Art. 14 GG einbezieht und insoweit weder auf das Vermögen als solches noch auf die Handlungsfreiheit abstellt. Ausgangspunkt ist zunächst, dass die Bestandsgarantie des Art. 14 GG jedenfalls einzelne Vermögensrechte und vermögenswerte Rechte umfasst99. Es lässt sich nun praktisch kein Fall denken, in welchem der mit der Auferlegung einer Steuerpflicht verbundene Anspruch nicht dazu führt, dass zu seiner Erfüllung konkrete Vermögenspositionen aufgegeben werden müssen. So ist die Bezahlung von Steuern denknotwendig davon abhängig, dass Bargeldbestände, Positionen aus Bankguthaben oder bestimmte Vermögensgegenstände vermindert bzw. aufgegeben werden, um die Steuerschuld zu begleichen. Alle diese aufzugebenen Positionen fallen aber einzeln betrachtet jedenfalls in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Daher ist durch die Auferlegung der Steuern der Schutzbereich von Art. 14 GG eröffnet. Eine Verletzung von Art. 14 GG setzt außerdem voraus, dass auch ein Eingriff in diese Rechtspositionen vorliegt. Da dem Eigentümer die Wahlfreiheit zukommt, mit welchen Mitteln er seine steuerliche Schuld begleichen will, scheidet die AnVgl. Wieland, DStJG 24 (2001), S. 40. Wieland, DStJG 24 (2001), S. 41, führt insoweit aus, dass die Grundrechte des Grundgesetzes nicht eine umfassende Gesamtfreiheit schützten, die keine Differenzierung kenne, sondern jeweils „einzelne Freiheiten in ihrer verfassungsrechtlich ausgeformten Gestalt“. 99 So bereits BVerfGE 75, 108 (154). 97 98

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

nahme eines unmittelbaren Eingriffs aus100. Denn der Staat greift durch die Steuererhebung nur mittelbar auf die genannten Rechte zu. Während der klassische Eingriffsbegriff von den Kriterien Finalität, Rechtsförmlichkeit und eben Unmittelbarkeit bestimmt wird, besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass auch mittelbare und faktische101 Einwirkungen Eingriffe darstellen können102. Umstritten ist innerhalb der Fallgruppe der mittelbaren Eingriffe, auf welche Kriterien es zur Bejahung eines Eingriffs ankommt. Nach einer Ansicht liegt ein Eingriff vor, wenn die Folgen des staatlichen Handelns vorhersehbar waren und in Kauf genommen wurden103. Hingegen knüpft die sog. „Schweretheorie“ an den Erfolg des staatlichen Handelns an, verlangt also eine gewisse Intensität der Beeinträchtigung 104. Die sog. „Schutzzwecktheorie“ fragt schließlich danach, ob der Schutzzweck des betroffenen Grundrechtes auch einer mittelbaren Einwirkung auf die Schutzsphäre entgegensteht105. Leider haben die im Jahre 2002 getroffenen Entscheidungen des Ersten Senats des BVerfG zur Warnung vor glykolhaltigen Weinen106 sowie zur Auseinandersetzung mit der Osho- bzw. Bhagwan-Sekte107 keine Klärung gebracht, unter welchen Voraussetzungen von einem mittelbaren Eingriff auszugehen ist. Der Erste Senat hat insbesondere in der erstgenannten Entscheidung bei der Grundrechtsprüfung sogar auf die Aufteilung in Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung gänzlich verzichtet und festgestellt, dass der Schutzbereich der Berufsfreiheit nicht durch marktbezogene Informationen „beeinträchtigt“ werde, „sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt.“108 Der Senat führt zwar aus, dass auch eine staatliche Informationstätigkeit eine „Beeinträchtigung im Gewährleistungsbereich eines Grundrechts“ darstellen könne, wenn die Beeinträchtigung in der „Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme“ darstelle, die als „Grundrechtseingriff zu qualifizieren“ wäre109. Vgl. Depenheuer in Bonner Kommentar, Art. 14 Rdnr. 173. Faktische Einwirkungen werden vor allem bei staatlichen Warnungen, Wertungen und Kritik diskutiert, siehe hierzu Di Fabio, JuS 1997, S. 1 ff. 102 Vgl. v. Münch in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Vorb. Art. 1 – 19, Rdnr. 51 a. 103 Siehe zu den Theorien im Einzelnen Discher, JuS 1993, S. 464, jeweils m. w. N. 104 Zu dieser Theorie siehe BVerfG, NJW 1992, S. 2499. 105 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 277 ff.; Lübbe-Wolf, NJW 1987, S. 2710 ff.; der Schutzzwecktheorie nahe steht auch das BVerwG, vgl. BVerwGE 71, 183 (191): „Unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des jeweiligen Grundrechts kann vielmehr – je nach Art und Ausmaß – auch eine tatsächliche Betroffenheit des Grundrechtsträgers einen Grundrechtseingriff bedeuten“. 106 BVerfGE 105, 252. 107 BVerfGE 105, 279 II. 108 BVerfGE 105, 252 (268). 109 BVerfGE 105, 252 (273). 100 101

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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Weil der Erste Senat mit diesen Ausführungen aber zugleich auch das Vorliegen eines Eingriffs mit Argumenten aus dem Bereich der Rechtfertigung eines solchen verneint und umgekehrt den Begriff des Eingriffs tendenziell mit einer Verletzung des Grundrechts vermengt, hat insbesondere die Glykol-Entscheidung starke Kritik erfahren110. So führt beispielsweise Dreier aus, es sei auch für den Bereich amtlicher Informationen und Warnungen vorzugswürdig, diese – sofern sie rechtserhebliche Konsequenzen hätten – tendenziell als Eingriffe zu charakterisieren und (erst) anschließend ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen111. Der Kritik ist zuzugeben, dass der Erste Senat des BVerfG in den hier angeführten Entscheidungen ohne besonderen Grund auf die grundrechtsdogmatische Aufteilung in Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung verzichtet hat, obwohl diese sich vielfach bewährt hat und gemeinhin anerkannt ist112. Es hat den Anschein, als habe der Erste Senat den Begriff „mittelbarer Eingriff“ (jedenfalls) für den Bereich staatlicher Informationen und Warnungen als ungeeignet empfunden113. Auch der Erste Senat kommt allerdings nicht umhin, mit denselben Kriterien zu arbeiten, die auch in der Literatur zur Überprüfung eines mittelbaren Eingriffs herangezogen werden. Der Senat führt insoweit aus, dass Maßnahmen als „funktionales Äquivalent eines Eingriffs“ verstanden werden könnten, wenn sie nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellten, die „als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne“ zu qualifizieren wären114. Der Erste Senat stellt also letztlich ebenfalls auf Wirkung und Ziel einer Maßnahme ab. Sieht man in einem „mittelbaren Eingriff“ ein „funktionales Äquivalent“, dann relativiert sich der Unterschied zwischen der neueren Auffassung des Ersten Senats und der (herkömmlichen) Auffassung in Literatur und Rechtsprechung. Die ohne nähere Begründung vollzogene Abkehr von der grundrechtsdogmatischen Aufteilung in Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung überzeugt allerdings nicht und ist daher abzulehnen. Dreier in Dreier, Grundgesetz, Vorb. Rdnr. 128, mit zahlreichen weiteren Nachweisen. So Dreier in Dreier, Grundgesetz, Vorb. Rdnr. 128. 112 Ein Überblick über andere Ansätze in der Literatur für die Grundrechtsprüfung findet sich bei Dreier in Dreier, Grundgesetz, Vorb. 122 Rdnr. 121 ff. 113 Dieser Eindruck wird insbesondere auch durch die Osho- bzw. Bhagwan-Entscheidung bestätigt, vgl. BVerfGE 105, 279 II (300 ff.). Dort heißt es wörtlich: „Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben. Die genannten Äußerungen hatten in Bezug auf die Beschwerdeführer eine mittelbare faktische Wirkung. Als Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind aber auch sie von Verfassungs wegen nur dann nicht zu beanstanden, wenn sie sich verfassungsrechtlich hinreichend rechtfertigen lassen.“ Diese Formulierung lässt vermuten, dass sich der Erste Senat für den Bereich der mittelbaren Beeinträchtigungen von der grundrechtsdogmatischen Aufteilung in Schutzbereich, (mittelbarer) Eingriff und Rechtfertigung verabschiedet hat. Jedenfalls soll dies offenbar für den Bereich amtlicher Warnungen gelten. 114 BVerfGE 105, 279 II (303). 110 111

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

Wenngleich die Frage des mittelbaren Eingriffs daher längst nicht als abschließend geklärt bezeichnet werden kann, lässt sich festhalten, dass nach allen vorbenannten, herkömmlichen Theorien mittelbare Beeinträchtigungen jedenfalls dann Eingriffe darstellen, wenn sie beabsichtigt sind115. Dass die Aufgabe konkreter Vermögenspositionen durch den Steuerpflichtigen bei der Auferlegung von Steuerpflichten vom Gesetzgeber beabsichtigt ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber andernfalls keine Steuern erhält. Die Tatsache, dass die Steuer (nur) mittelbar von Art. 14 GG geschützte Rechtsgüter beeinträchtigt, kann deshalb nicht ihren Eingriffscharakter neutralisieren116. Jedes Abgabengesetz greift somit (mittelbar) in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ein. Nach der hier vertretenen Auffassung bedeutet dies zugleich, dass insoweit auch das Vermögen des Steuerschuldners vor Abgabenbelastungen geschützt wird. Letztlich ist dies aber lediglich indirekte Folge (Reflexwirkung) und resultiert nicht daraus, dass auch das Vermögen an sich vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst wird. Selbst wenn man demnach den Schutzbereich des Art. 14 GG vor allem gegenstandsbezogen und weniger handlungsbezogen versteht, lässt sich das Vorliegen eines Eingriffes also bejahen. bb) Zur Frage der Rechtfertigung eines Eingriffs Das Vorliegen eines Eingriffs durch die Besteuerung sagt noch nichts über seine Zulässigkeit aus. Zulässigkeit setzt in diesem Sinne voraus, dass der Eingriff verhältnismäßig ist. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordert, dass eine staatliche Maßnahme sich als geeignet, erforderlich und angemessen (d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne) im Hinblick auf den verfolgten Zweck darstellt. Steuern haben regelmäßig den (Haupt-)Zweck der Einnahmeerzielung. Dass die Erhebung von Steuern bezogen auf diesen Zweck grundsätzlich geeignet und erforderlich ist, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden117. Schwieriger gestaltet sich hingegen die Beantwortung der Frage nach der Angemessenheit der Steuern. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zum Halbteilungsgrundsatz insoweit erstmals konkrete Kriterien benannt. Zuzustimmen ist dabei im Ergebnis dem Ansatz des BVerfG, wonach eine „konfiskatorische Besteuerung“ im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips unangemesVgl. Discher, JuS 1993, S. 467. Depenheuer in Bonner Kommentar, Art. 14 Rdnr. 173. 117 In diesem Zusammenhang muss vor dem Irrglauben gewarnt werden, dass Steuern per se eine Erhöhung des Gemeinwohls zulasten des Eigennutzes bedeuten. Unter Umständen könnten die Steuereinnahmen nämlich gemeinwohldienlicher eingesetzt werden, ließe man sie beim Steuerzahler, so bspw. Vogel, JZ 1996, S. 44. Diese Problematik soll hier jedoch nicht weiter erörtert werden. 115 116

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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sen ist. Dies kann für den Fall der Vermögensbesteuerung als Grenze verstanden werden, wonach eine Besteuerung, die nicht aus den erzielten (Soll-)Erträgen geleistet werden kann, jedenfalls unzulässig ist118. Durch eine Besteuerung oberhalb der Grenze der Sollerträge führt die Besteuerung nämlich dazu, dass der Steuerpflichtige entweder andere Vermögenswerte oder aber den von der Vermögensteuer „betroffenen“ Gegenstand (bzw. die Gegenstände) aufgeben muss, um die Steuerpflicht erfüllen zu können. Besitzt der Steuerpflichtige lediglich den von der Vermögensteuer „betroffenen“ Gegenstand, dann wird er früher oder später dazu gezwungen sein, diesen Gegenstand – und damit seine Einnahmequelle – zu veräußern, um die Steuer zahlen zu können. Damit wäre durch eine solche Besteuerung letztlich die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet. Ebenfalls gefolgt werden kann der Entscheidung, soweit sie einen existenzsichernden Betrag des Steuerpflichtigen und seiner Familie als nicht disponibles Einkommen (auch) unter dem Gesichtspunkt von Art. 14 GG von der Besteuerung ausnimmt119. Nach der hier vertretenen Auffassung stellt sich die Besteuerung als mittelbarer Eingriff in konkrete Rechtspositionen und nicht als Beschränkung einer durch Art. 14 GG geschützten Handlungsfreiheit dar. Da dem Steuerschuldner ungeachtet der jeweiligen Steuer insoweit die Wahlfreiheit zukommt, welche konkreten Positionen er aufgeben will, ist es danach im Rahmen der Prüfung von Art. 14 GG möglicherweise grundsätzlich weniger entscheidend, in welcher Phase der Besteuerungstatbestand begründet wurde120. Gleichwohl spricht auch von diesem Ansatz aus betrachtet einiges dafür, bei der Frage der Verhältnismäßigkeit, die Phasen der Besteuerung (Phase des Einkommenserwerbs, der Einkommensverwendung und Phase des konsolidierten Vermögens) zu unterscheiden und damit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, wie schwer dem Steuerpflichtigen jeweils die Beschaffung der Finanzmittel für die Steuerzahlung fällt. Auch die eben dargelegte Argumentation zur Begrenzung der Vermögensbesteuerung auf den Sollertrag bestätigt letztlich die Richtigkeit dieses Ansatzes. Dem Zweiten Senat des BVerfG ist weiterhin darin beizupflichten, dass sich die Schwere des Eingriffs (auch) aus der Gesamtsteuerbelastung ergibt. Für den Steuerpflichtigen ist nämlich nicht entscheidend, auf welche Steuerarten sich die Steuerbelastung stützt. Vielmehr hat für diesen Bedeutung, welcher Grad der Belastung, welche Gesamtsteuerbelastung, sich für ihn ergibt121. Die genaue Bestim118 A. A. Böckenförde, Sondervotum zu BVerfG 93, 121 (153 ff.), der allerdings bereits das Vorliegen eines Eingriffes in Art. 14 GG durch die Besteuerung verneint. 119 Insofern trifft die Entscheidung des BVerfG wohl auf breite Zustimmung, vgl. Thomas, DStR 1998, S. 1494. 120 Dies heißt jedoch nicht, dass diese Frage nicht im Rahmen der Bestimmung der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein kann. 121 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 450; Papier, Stbg 199, S. 53, macht insoweit geltend, dass die Belastungsintensität auch von faktischen Kompensationen und der regressiven Wirkung anderer Steuern relativiert werden könne.

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

mung dieser steuerlichen Belastung lässt sich jedoch bei der gegebenen Steuerartenvielfalt mathematisch auch nicht annähernd exakt bestimmen. Bereits dies verbietet es, den Halbteilungsgrundsatz im Sinne einer festen Obergrenze der Besteuerung zu verstehen122. Gegen eine starre Steuerbegrenzung in Höhe von 50 % bei Ertragsteuern spricht auch, dass insoweit die Gewinnermittlungsvorschriften von entscheidender Bedeutung sind und daher bei der Abwägung mitberücksichtigt werden müssen. Ist nämlich aufgrund besonderer steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten nur ein Teil des tatsächlich erzielten Gewinns zu versteuern, kann dies für die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht unberücksichtigt bleiben. Insofern kann es dann aber auch keine festen Steuersatzobergrenzen geben. Letztlich zeigt auch das Beispiel der zinsbereinigten Unternehmensbesteuerung, dass eine starre Begrenzung der Steuersätze nicht sachdienlich ist. Würde nämlich tatsächlich eine Besteuerung mit einem höheren Steuersatz als 50 % auf zinsbereinigt ermittelte Gewinne erfolgen, dann wäre damit noch nicht zugleich festgelegt, dass ein Unternehmen bezogen auf den ermittelten Bruttogewinn mehr Steuer zahlt als im herkömmlichen Steuersystem mit Steuersätzen unterhalb der 50 %-Marke. Dies belegt, dass die Höhe des Steuersatzes isoliert betrachtet nicht dazu geeignet ist, die Frage zu beantworten, ob die Belastung auch angemessen ist. Die Festlegung der Höhe der Steuerlast ist eine politische Entscheidung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine zu hoch gewählte Belastung leistungshemmend wirken und somit insgesamt zu einer Reduktion der Einnahmen des Staates führen kann. Die Frage, welche Steuerquote unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten optimal ist, ist aber grundsätzlich eine ökonomische. Sie darf nicht verwechselt werden mit der juristischen, verfassungsrechtlichen Frage nach der Steuerbelastungsobergrenze im Hinblick auf Art. 14 GG. Für die Ableitung einer steuerrechtlichen Obergrenze aus Art. 14 GG finden sich jedoch weder in der Entstehungsgeschichte noch im Wortlaut von Art. 14 GG Anhaltspunkte. Vielmehr sprechen das Gewaltenteilungsprinzip und die grundsätzliche wirtschaftssystematische Neutralität des Grundgesetzes gegen eine solche Begrenzung. Nicht zu folgen ist aus den genannten Gründen auch der Auffassung v. Arnims, der bereits 1980 ausgeführt hat, dass die Erhebung von Steuern nur dann mit Art. 14 GG vereinbar sei, wenn die Ausgabeentscheidung dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entspreche123. Seiner Auffassung nach entspricht eine Besteuerung nur dann dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn die „am wenigsten dringliche Aufgabe“ noch die Erhebung der am schwersten belastenden Steuer rechtfertige124. Von den 122 Die Formulierung „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ spricht dafür, dass auch das BVerfG keine solche fixierte Begrenzung herleiten wollte. Ob die Entscheidung darüber hinaus insoweit nur als obiter dictum zu verstehen ist, soll hier nicht weiter vertieft werden. 123 v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 308 ff. 124 Insofern verlagert v. Arnim die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Ebene des „Ausgaben-Gesetzgebers“ vor, indem er ein Grundrecht des Bürgers auf eine dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Ausgabenpolitik „konstruiert“, so Papier, Stbg 1999, S. 53.

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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praktischen Schwierigkeiten, die „am wenigsten dringliche Aufgabe“ zu bestimmen, einmal abgesehen, würde dies auch eine völlige Einengung des parlamentarischen Budgetrechts bedeuten125. Möglicherweise kann sich die Steuerbelastung in Ausnahmefällen einmal als derart ökonomisch lähmend darstellen, dass sie zugleich auch unverhältnismäßig ist. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit käme es dann aber auf eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und insbesondere auch auf die Frage an, auf welchen Zeitraum sich diese besonders hohe Steuerbelastungsquote erstrecken soll. Was zur Behebung einer vorübergehenden volkswirtschaftlichen Krise angemessen sein kann, muss nämlich nicht zwingend auch im Normalfall gerechtfertigt sein. Soweit sich die Herleitung der Halbteilungsgrenze auf die Kirchhofsche Steuerrechtfertigungslehre stützt, müssen ihr die bereits oben genannten Einwände entgegengehalten werden126. Auf den von Kirchhof angeführten Teilhabegedanken lässt sich somit weder eine Steuerrechtfertigung aufbauen, noch kann er als Begründung für eine Steuerbelastungsobergrenze Bedeutung erlangen. Auch wenn die Gefahr einer gesamtwirtschaftsschädlichen „Über-Besteuerung“ grundsätzlich bestehen mag, muss im Sinne der Rechtssicherheit der Versuchung widerstanden werden, konkrete Anhaltspunkte für steuerliche Belastungsobergrenzen aus Art. 14 GG herauslesen zu wollen. Papier hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, ihm scheine der Versuch, die Eindämmung des Superfiskalismus als Grundrechtsgebot zu formulieren, in die „Traumfabrik des Staatsrechts“ zu gehören127. Wenn das BVerfG aber anerkanntermaßen keine „Superrevisionsinstanz“ der Judikative darstellt, dann darf ihm erst recht nicht die Funktion einer „Superrevisionsinstanz der Legislative“ aufgebürdet werden. Wenngleich aus den genannten Gründen jede Besteuerung in Art. 14 GG eingreift, ist somit die unmittelbare Bedeutung dieses Grundrechts für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Steuergesetzen unter Berücksichtigung dieses „judicial self restraint“ von eingeschränkter Bedeutung.

II. Berufsfreiheit und Besteuerung Nachfolgend soll nun die Bedeutung von Art. 12 GG für das Steuerrecht herausgearbeitet werden.

125 Vgl. Wieland, DStJG 24 (2001), S. 34, der darauf hinweist, dass diese Auffassung zu Recht in Rechtsprechung und Literatur kaum Widerhall gefunden hat. 126 Insbesondere sind dies die Unvereinbarkeit mit dem Welteinkommensprinzip sowie das Problem der Behandlung von Verlusten, siehe hierzu Siebter Teil, A. 127 Zuletzt Papier, Stbg. 1999, S. 53.

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

1. Berufsfreiheit als Unternehmerfreiheit Nach Art. 12 I S. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Der Begriff Beruf ist dabei weit auszulegen, so dass über Art. 12 I S. 1 GG jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung einer Lebensgrundlage, sofern diese erlaubt ist, geschützt wird128. Wegen dieses weiten Verständnisses umfasst die Berufsfreiheit sowohl die Gewerbefreiheit als auch die freien Berufe und andere selbständige bzw. nichtselbständige Erwerbstätigkeiten129. Das Grundrecht auf Berufsfreiheit konkretisiert somit das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich individueller Leistung bzw. Existenzerhaltung130. Mithin schützt die Berufsfreiheit die Unternehmerfreiheit der natürlichen Personen und über Art. 19 III GG auch die der Personenvereinigungen und der juristischen Personen. 2. Bereichsspezifische Besonderheiten von Art. 12 I GG im Steuerrecht Die Bedeutung dieses sehr weiten Schutzbereichs des Art. 12 I GG ist vom BVerfG für das Steuerrecht deutlich eingeschränkt worden. Nach Auffassung des BVerfG greift die Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben nur dann in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein, wenn diese in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs steht und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz entfaltet131. Bei allgemeinen Steuergesetzen fehle es regelmäßig an einer unmittelbaren Auswirkung auf die berufliche Tätigkeit, da diese Normen „als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem Beruf an generelle Merkmale wie Gewinn, Ertrag, Umsatz oder Vermögen“ anknüpfen132. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz nimmt das BVerfG bei Abgaben mit Erdrosselungscharakter an, bei welchen „die Finanzfunktion in eine reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter“ umschlage133. Im Ergebnis hat diese Auffassung jedoch noch nie zu einer Aufhebung eines Steuergesetzes geführt134. Letztlich kann ein Steuergesetz – aus dem Blickwinkel des BVerfG betrachtet – nur dann in den Schutzbereich des Art. 12 I GG eingreifen, wenn die Steuer BVerfGE 7, 377 (397); 14, 19 (22); 32, 311 (316); 68, 272 ff. Manssen in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 12 Rdnr. 36; Breuer in HdbStR VI, § 147 Rdnr. 9. 130 BVerfGE 75, 284 (292); 97, 12 (25). 131 BVerfGE 13, 181 (186); 16, 147 (162); 37, 1 (17); 47, 1 (21); 70, 191 (214); 98, 83 (97); 98, 106 (117). 132 BVerfGE 47, 1 (21). 133 BVerfGE 38, 61 (81). 134 Trzaskalik, Gutachten E zum 63. Deutschen Juristentag, S. E 50. 128 129

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nicht nur Fiskalzwecken, sondern zumindest auch interventionistischen Zwecken dient135. In der Literatur ist diese Auffassung des BVerfG überwiegend auf Kritik gestoßen136. Bemängelt wird zum einen, dass die vom BVerfG aufgestellte Wendung einer „objektiv berufsregelnden Tendenz“ in sich widersprüchlich sei, da dem Begriff „Tendenz“ ein subjektives Element immanent sei, was dem vorangestellten Adjektiv „objektiv“ widerspreche137. Problematisch sei es auch, dass diese Rechtsprechung den Beruf nur eindimensional als eine Wahrnehmung fachbezogener Tätigkeiten verstehe. Damit sei eine berufsbezogene Regelung nur das, was gezielt auf die spezifischen Merkmale der betroffenen Tätigkeit abstelle138. Dies bedeute zugleich, dass der wirtschaftliche Hintergrund zu Unrecht ausgeblendet werde. Art. 12 GG schütze aber nicht die Wahrnehmung von fachlichen Funktionen als solche, sondern vielmehr das Recht, eine bestimmte Tätigkeit als Beruf zu wählen und damit zur Grundlage der wirtschaftlichen Betätigung zu machen. Dieser instrumentale Zusammenhang dürfe aber bei der Anwendung von Art. 12 GG nicht „ausgeblendet“ werden139. Die vom BVerfG aufgestellten Bedingungen vereitelten eine effektive Prüfung am Maßstab des Art. 12 GG140. Die Berufsfreiheit gewährleiste, dass der Unternehmer Einkommen erwirtschaften könne. Greife der Gesetzgeber durch Steuern wie z. B. Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf dieses in Ausübung der Unternehmerfreiheit erwirtschaftete Einkommen zu, dann berühre dies zwangsläufig auch den Schutzbereich der Berufsfreiheit des Unternehmers141. Bisweilen wird in der Literatur auch darauf abgestellt, ob es sich bei der Steuer um eine sog. Lenkungsnorm oder um eine sog. Fiskalzwecknorm handelt. Da lenkende Steuern mit ihrem „zusätzlichen Verhaltensbefehl“ direkt in die Berufsfreiheit eingriffen, würde die Hürde der objektiv berufsregelnden Tendenz stets überwunden142. Fiskalzwecksteuern regelten nicht unmittelbar die berufliche Tätigkeit, sondern griffen in den Erwerbszweck, also den gewünschten Erfolg der wirtschaftlichen Betätigung ein143. Da das Erwerben von der Steuer jedoch beeinträchtigt Seer, DStJG 23 (2000), S. 93. So F. Kirchhof, StuW 2002, S. 193; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 440; Scholz in Maunz / Dürig, GG, Bd. II, Art. 12, Rdnrn. 415 ff.; Breuer in HdbStRVI, § 148 Rdnr. 31. 137 Seer, DStJG 23 (2000), S. 93. 138 Friauf, DStJG 12 (1989), S. 26. 139 Friauf, DStJG 12 (1989), S. 26. 140 Vgl. Seer, DStJG 23 (2000), S. 93. 141 So Seer, DStJG 23 (2000), S. 93. Nach Ansicht von Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 434, ist Art. 12 GG bereits dann verletzt, wenn das Unternehmen aufgrund der Steuerbelastung nicht rentabel arbeiten kann und dadurch seine Leistungsfähigkeit untergraben werde. 142 F. Kirchhof, StuW 2002, S. 193. 143 Zur Argumentation im Weiteren vgl. F. Kirchhof, StuW 2002, S. 194. 135 136

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

werde, müssten auch diese Steuern in „den Schutzbereich der Berufsfreiheit führen“, also einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen144. Birk145 sieht in einer steuerlichen Regelung dann einen Eingriff in Art. 12 GG, wenn der Gesetzgeber mit den berufsbeeinträchtigenden Gestaltungswirkungen rechnen bzw. diese voraussehen konnte. Ob der Gesetzgeber die eingetretene Gestaltungswirkung gezielt herbeiführen will oder nicht, spiele hingegen keine Rolle. Zur Beurteilung der Eingriffsschwere sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip heranzuziehen, wobei Birk darauf hinweist, dass die schematische Differenzierung zwischen berufswahl- und berufsausübungsbezogenen Beeinträchtigungen bei der Beurteilung steuerinterventionistischer Lenkungseffekte versage146. Jede derartige Zwecksetzung, die dazu führe, dass eine bestimmte berufliche Betätigung erschwert werde, habe nämlich zugleich auch einen berufswahlbezogenen Aspekt147. Sofern es sich um gezielte Gestaltungswirkungen handele, habe eine Überprüfung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch zu erfolgen, dass der Gestaltungszweck (Lenkungszweck) und die Intensität der Berufsbeeinträchtigung gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen seien. Im Falle unbeabsichtigter Folgewirkungen sei eine Zweck-Mittel-Relation schwerer herzustellen, da der einzige Zweck einer solchen Steuer in der Einnahmeerzielung bestehe. Unter dem Gesichtspunkt der geringstmöglichen freiheitsrechtlichen Beeinträchtigung kann nach Birk148 gleichwohl eine Vergleichsrelation im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips hergestellt werden. Danach sei eine ungezielte berufsbeeinträchtigende Folgewirkung dann als unverhältnismäßig anzusehen, wenn sie sich eliminieren lässt, ohne dass es (dann) hinsichtlich der Belastungswirkung der Steuer zu einem Verstoß gegen den Verteilungsmaßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips kommt. 3. Eigene Auffassung Schenkt man dem finanzwissenschaftlichen Ansatz Glauben, dass hohe Steuersätze zu einer „Flucht“ in die „Schwarzarbeit“ führen, dann bedeutet dies, dass durch die Steuer zumindest mittelbar die von Art. 12 GG geschützte legale Berufstätigkeit von der illegalen verdrängt wird. Auf Unternehmerseite führt eine hohe Steuerbelastung der Arbeitslöhne möglicherweise dazu, dass manche Unternehmen den erforderlichen Arbeitskräftebedarf nicht mehr decken können. Da Art. 12 I GG nur die legale, erlaubte Tätigkeit schützt, bedeutet dies, dass Steuern zumindest faktisch diesen Schutzbereich betreffen müssen. Berücksichtigt man zudem, dass sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Unternehmer weniger das BruttoSo im Ergebnis wohl F. Kirchhof, StuW 2002, S. 194. Zur Argumentation im Folgenden siehe Birk, Das Leistungsfähigkeitspinzip, S. 217 ff. 146 So Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 218, unter Bezugnahme auf Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 257 ff. 147 So Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 218. 148 Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 222. 144 145

C. Freiheitsgrundrechtliche Grenzen der Besteuerung

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ergebnis als vielmehr das Ergebnis nach Steuern entscheidend ist, dann zeigen diese Überlegungen, welche Bedeutung Steuern bei der Wahl und der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit besitzen. Dieser wirtschaftlichen Bedeutung würde es aber nicht gerecht, sähe man das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG nicht von der Besteuerung betroffen. Ähnlich den oben zu Art. 14 GG dargelegten Ausführungen muss daher auch für Art. 12 GG gelten, dass Abgaben (zumindest) mittelbar in das Grundrecht des Art. 12 GG eingreifen. Entscheidend ist somit nicht, ob die Steuer eine Berufsregelung bezweckt, sondern welche Wirkung ihr zukommt149. In diese Richtung tendiert nunmehr auch das BVerfG in der Rechtsprechung zum Grundfreibetrag, in welcher es mit der Formulierung, dass „Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 I, Art. 12 I GG) eingreifen“150, einen Paradigmenwechsel einleitet. Steuern greifen somit auch in die Berufsfreiheit ein. Entsprechend der zu Art. 12 GG vom BVerfG entwickelten „Drei-Stufen-Lehre“ 151 muss daher gelten, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Steuer im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung mit ihrer Intensität steigen. Da, wo Steuern der „Erdrosselung“ einer beruflichen Tätigkeit nahe kommen, müssen sie sich an den stringenten Anforderungen an die Zulässigkeit von Eingriffen in die Freiheit der Berufswahl messen lassen152. Im Regelfall haben steuerliche Regelungen zudem Auswirkungen auf die Berufsausübung, da sie den Handlungsrahmen für Unternehmen und für Arbeitnehmer bestimmen153. Letztlich soll hier die Frage, ob die Unterscheidung zwischen berufswahl- und berufsausübungsbezogener Beeinträchtigung im Sinne der Drei–Stufen-Lehre streng schematisch zur Anwendung kommen muss, nicht entschieden werden. Insofern soll genügen, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sowohl die berufsausübungsbezogenen als auch die berufswahlbezogenen Gestaltungswirkungen zu berücksichtigen sind. Wie Tipke154 richtigerweise hervorhebt, setzt Art. 12 GG der Besteuerung nicht nur eine Grenze; er beinhaltet auch einen Wertungsmaßstab. Insofern kommt Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 434. BVerfGE 87, 153 (169). 151 Die „Drei-Stufen-Lehre“ wurde vom BVerfG im sog. Apothekenurteil, BVerfGE, 7, 377 (405), entwickelt. Danach darf die Freiheit der Berufswahl nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert, BVerfGE 25, 1 ff. Im Rahmen einer Berufswahlregelung kommt es darauf an, ob die Berufswahlregelung in Gestalt subjektiver (dann weiter Prüfungsmaßstab) oder in Gestalt objektiver Regelungen (dann enger Prüfungsmaßstab) erscheint. Die Freiheit der Berufsausübung kann hingegen schon eingeschränkt werden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen, vgl. auch BVerfGE 28, 374 ff. 152 Friauf, DStJG 12 (1989), S. 26. 153 Levedag, Die Begünstigung der gewerblichen Einkünfte, S. 56. 154 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 436. 149 150

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7. Teil: Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

Art. 12 GG ebenso wie Art. 14 GG auch im Rahmen der Gleichheitsprüfung nach Art. 3 GG eine zusätzliche (mittelbare) Rolle zu.

III. Bedeutung von Art. 2 GG für die Besteuerung Nach der hier vertretenen Auffassung greift die Besteuerung in die freiheitrechtlichen Grundrechte aus Art. 12 GG und insbesondere Art. 14 GG ein. Nach ganz h. M.155 stellt die in Art. 2 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit ein subsidiäres (Auffang-)Grundrecht dar, das hinter die anderen Freiheitsrechte zurücktritt. Damit wird Art. 2 GG hier verdrängt und kommt nicht zur Anwendung. Wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, führen die konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle zu einer anderen Aufteilung der Steuerbelastung auf die Steuerpflichtigen. Daher muss eine verfassungsrechtliche Überprüfung dieser Modelle naturgemäß primär auf die damit verbundene Verteilungsproblematik abstellen. Aus diesem Grund ist der Schwerpunkt dieser Arbeit auf die Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungssysteme mit den Vorgaben des Art. 3 GG ausgerichtet. Um dieser im Vordergrund stehenden Verteilungsproblematik Rechnung zu tragen, wurde – wie bereits erwähnt – auf eine eigenständige freiheitsrechtliche Prüfung verzichtet. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die in diesem Teil herausgearbeiteten freiheitsrechtlichen Vorgaben der Unternehmensbesteuerung im Rahmen der nachfolgenden gleichheitsrechtlichen Grundrechtsprüfung eine besondere Bedeutung besitzen und deshalb dort wieder aufzugreifen sind.

D. Ergebnis zum Siebten Teil Der Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst nicht das Vermögen als solches. Die Erhebung von Steuern greift gleichwohl mittelbar in Art. 14 GG ein, weil zur Erfüllung der Steuerpflicht stets konkrete, ihrerseits von Art. 14 GG geschützte Vermögenspositionen aufgegeben werden müssen. Die Besteuerung stellt auch bzgl. Art. 12 GG einen mittelbaren Eingriff dar. Die Bedeutung von Art. 12 GG und Art. 14 GG für das Steuerrecht entfaltet sich als bedeutender Wertungsmaßstab, insbesondere auch im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG.

155 BVerfGE 6, 32 (36 ff.); 32, 98 (107); 64, 208 (213); 65, 196 (209); 65, 237 (248); 67, 157 (171); 89, 48 (61); BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), NJW 1995, 2279 (2280); Dreier in Dreier, Grundgesetz, Art. 2 I Rn. 30 u. 93; Murswiek in Sachs, Grundgesetz, Art. 2 Rn. 137, jeweils m. w. N.

Achter Teil

Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle mit dem allgemeinen Gleichheitssatz Nachfolgend sollen nun zunächst die allgemeinen gleichheitsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 I GG für die Besteuerung herausgearbeitet werden. Anschließend ist zu prüfen, ob bzw. inwieweit die Konsumsteuermodelle diesen Vorgaben entsprechen.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung I. Allgemeine Vorgaben des Gleichheitssatzes nach Art. 3 I GG Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG bestimmt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Der allgemeine Gleichheitssatz gilt als die zentrale Verfassungsnorm bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Steuernormen, insbesondere im Hinblick auf das Gebot der Steuergerechtigkeit1. Bevor die in diesem Zusammenhang wesentlichen steuerrechtlichen Besonderheiten näher untersucht werden – hierbei ist namentlich das sog. Leistungsfähigkeitsprinzip gemeint –, soll zunächst der allgemeine materielle Gehalt von Art. 3 I GG überprüft werden. Art. 3 GG verlangt zum einen Rechtsanwendungsgleichheit (Gleichheit vor dem Gesetz) und zum anderen Rechtssetzungsgleichheit (Gleichheit des Gesetzes)2. Das Gebot der Rechtssetzungsgleichheit, das sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 3 GG ergibt, wird aus dem Zusammenhang von Art. 3 I GG mit Art. 1 III, der die Bindung der Gesetzgebung an die Grundrechte sicherstellt, hergeleitet3. 1 Vgl. bspw. BVerfGE, 74, 182; 84, 239; 93, 121; Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 70. 2 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 428. 3 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 428.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Art. 3 GG verlangt insoweit jedoch nicht eine absolute Gleichbehandlung. Dort wo alle und alles gleich behandelt wird, ist ein Gesetz sinnlos. Eine notwendige Differenzierung und damit Ungleichbehandlung nimmt jedes Gesetz schon allein dadurch vor, dass es in seinem Tatbestand nur einzelne Personengruppen bzw. Sachverhalte anspricht, wodurch andere zwingend ausgeschlossen werden4. Es geht bei der Bindung der Gesetzgebung an Art. 3 GG demnach vielmehr darum, wann ein Differenzierungsgrund eine Ungleichbehandlung rechtfertigt.

1. Der Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des BVerfG a) Der Gleichheitssatz als Willkürverbot Früher wurde der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG vom BVerfG im Wesentlichen als Willkürverbot interpretiert. Danach ist der Gleichheitssatz verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss“5. Die Überprüfung einer Maßnahme am Maßstab des Art. 3 GG anhand dieser sog. „Willkürformel“ vollzieht sich dabei im Wesentlichen in zwei Schritten. Zunächst wird ein Vergleichspaar bestimmt, um eine Ungleichbehandlung (bzw. Gleichbehandlung) aufzuzeigen. Da niemals zwei Personengruppen oder Sachverhalte in allen Einzelheiten gleich sind, lässt sich absolute Gleichheit in der Praxis de facto niemals finden. Daher entstand bereits früh die Kurzformel, wonach Art. 3 GG es verbiete, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln6. Wesentliche Gleichheit bedeutet insofern, dass Personen, Personengruppen oder Sachverhalte vergleichbar sind, was die Zugrundelegung eines Bezugspunktes oder Vergleichsmaßstabes (tertium comparationis) bedeutet7. Entscheidend sind daher die für die jeweilige Regelung ausschlaggebenden Merkmale, während andere vernachlässigt werden8. Nach Feststellung einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, wird in einem zweiten Prüfungsschritt entsprechend der oben dargestellten Formel danach gefragt, ob ein sachlicher Grund für die vorgenommene bzw. unterlassene Differenzierung vorliegt9. Als sach4 5 6 7 8 9

Vgl. Gusy, NJW 1988, S. 2507. So das BVerfG im sogenannten Südweststaaturteil im Jahre 1951, BVerfGE 1, 14 (52). BVerfGE 1, 14 (52); 4, 144 (155). Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 431. Vgl. Austrup, Zinsbesteuerung, S. 67. Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 15.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

185

licher Grund für die Differenzierung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Es ist nicht erforderlich, dass die zweckmäßigste, vernünftigste oder gar gerechteste Lösung gewählt wird10. Nach der sog. Willkürformel ist Art. 3 I GG nur dann verletzt, wenn sich überhaupt kein sachlicher Grund für die Differenzierung finden lässt, oder anders ausgedrückt, eine gesetzliche Regelung evident unsachlich wäre11. Gerechtfertigt wurde die in der Willkürformel zum Ausdruck kommende, zurückhaltende Rechtsprechung mit dem Argument, dass dem Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum eingeräumt werden müsse, der erst bei Willkürakten überschritten sei12. b) Die „neue Formel“ des BVerfG In der Literatur ist diese sog. Willkürrechtsprechung auf massive Kritik gestoßen13. Zentraler Kritikpunkt war (und ist) dabei, dass sich ein sachlicher Grund für eine Differenzierung immer finden lasse, so dass der Aktionsradius des Art. 3 I GG unnötig eng gemacht werde und ein Verstoß nur bei Überschreitung äußerster Grenzen festgestellt werden könne14. Diese Kritik und die Tatsache, dass diese formelhafte Selbstbeschränkung des BVerfG zunehmend in einem deutlichen Widerspruch zur ausdifferenzierten (insbesondere freiheitsrechtlichen) Grundrechtsjudikatur stand15, haben vermutlich dazu geführt, dass der Erste Senat des BVerfG 1980 mit der sog. „neuen Formel“16 eine Abkehr von der bloßen Willkürkontrolle vollzogen hat. Danach ist Art. 3 GG „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“17. Im Unterschied zur sog. „alten Formel“ des BVerfG ist nach der sog. „neuen Formel“ die fragwürdige Bestimmung dessen, was wesentlich gleich oder ungleich ist, entbehrlich. Es genügt die Feststellung der rein tatsächlichen UngleichbehandJarass in Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 15. BVerfGE 12, 326 (333); 18, 121 (124); 19, 101 (115); 21, 292 (305); 23, 135 (143); 33, 303 (345); 52, 277 (281); 55, 72 (90); 89, 132 (141). 12 Vgl. Krugmann, JuS 1998, S. 7. 13 Vgl. Kirchberg, NJW 1987, S. 1988 ff.; einen Überblick über die kritischen Stimmen gibt Schoch, DVBl. 1988, S. 875 (FN. 189 bis 197); befürwortend Robbers, DÖV 1988, S. 755. 14 Herzog, StbJb 1985 / 86, S. 34; Maaß, NVwZ 1988, S. 14. 15 Herzog in Maunz / Dürig, GG, Bd. I, Art. 3 Anhang Rdnr. 6. 16 BVerfGE 55, 72 (88), danach ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfGE 88, 5 (12); 95, 39 (45). 17 BVerfGE 55, 72 (88). 10 11

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

lung zweier Normadressatengruppen18. Für einen Verstoß gegen Art. 3 GG kommt es nach der neuen Formel nicht mehr auf die „Evidenz“ der Ungleichbehandlungen an, entscheidend ist vielmehr eine verfassungsmäßige Abwägung19. Diese Abwägung führt damit zu einer Einbeziehung des Aspekts der Verhältnismäßigkeit20. Eine verfassungsrechtliche Prüfung an diesem Maßstab setzt somit voraus, dass das Differenzierungskriterium im Hinblick auf das Differenzierungsziel (der Grund der Ungleichbehandlung) verhältnismäßig, d. h. geeignet, erforderlich und angemessen ist. c) Das Verhältnis von Willkürverbot und „neuer Formel“ des BVerfG Auch wenn sich der Zweite Senat des BVerfG in mehreren Entscheidungen der „neuen Formel“ angeschlossen hat21 und diese nunmehr als ständige Rechtsprechung des BVerfG bezeichnet werden kann, bedeutet dies nicht, dass sich die Rechtsprechung völlig von der Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot verabschiedet hätte. Vielmehr kann die „neue Formel“ als Ergänzung bezeichnet werden22. Das BVerfG geht davon aus, dass Art. 3 GG „jedenfalls“ dann verletzt ist, wenn sich für eine Differenzierung kein vernünftiger aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund finden lässt23. Darüber hinaus ergeben sich nach Ansicht des BVerfG aus Art. 3 GG „je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen“24. Nach Auffassung des BVerfG lässt sich die Frage, wann lediglich eine Willkürprüfung und wann eine Prüfung anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen hat, nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche beantworten25. Die Anforderungen werden umso höher je intensiver die Ungleichbehandlung den Betroffenen beeinträchtigt 26. Handelt es sich um eine weniger intensive Ungleichbehandlung, dann wird das Gleichheitsgebot vom BVerfG nach wie vor als Austrup, Zinsbesteuerung, S. 71. Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 14. 20 Gubelt in v. Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, Art. 3 Rdnr. 14, m. w. N. 21 BVerfGE 65, 377 (384); 92, 277 (318); zuletzt BVerfGE 105, 73 (110 f.). 22 Vgl. Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 25. 23 BVerfGE 105, 73 (110). 24 BVerfGE 88, 5 (12); 88, 87 (96); 101, 54 (101); 105, 73 (110); Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 17, spricht insoweit von einem „Kontinuum von einer sehr großzügigen bis zu einer sehr strengen Prüfung“. 25 BVerfGE 75, 108 (157); 88, 5 (12); 88, 87 (96 f.); 90, 226 (239); 93, 319 (348 f.); 101, 275 (291); 103, 310 (318); 88, 87 (96); 101, 54 (101); 105, 73 (111). 26 BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389 (401); 95, 267 (216 ff.). 18 19

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Willkürverbot verstanden, bei welchem sich die Rechtfertigungsprüfung auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Wird eine intensive Ungleichbehandlung festgestellt, dann ist diese nur dann gerechtfertigt, wenn durch den rechtfertigenden sachlichen Grund ein legitimer Zweck verfolgt wird und dieser im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Erreichung des Zieles geeignet und notwendig ist sowie auch sonst in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Zweckes steht27. Das BVerfG leitet diese Abstufung in der Prüfungsintensität aus Wortlaut und Sinn von Art. 3 I GG sowie aus dem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen ab und führt insoweit aus: „Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen einer strengen Bindung“28. Erfolge die Differenzierung nach personenbezogenen (personengebundenen) Merkmalen, dann bestehe für den Gesetzgeber eine besonders strenge Bindung an das Gebot der Verhältnismäßigkeit, insbesondere wenn sich die personenbezogenen Merkmale an die in Art. 3 III GG genannten annähern29. Das BVerfG stellt für die Frage, ob eine Willkürprüfung oder eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen soll, demnach grundsätzlich darauf ab, ob das zu überprüfende Gesetz sachverhaltsbezogen (dann Willkürprüfung) oder personenbezogen (dann ausführlichere Verhältnismäßigkeitsprüfung) unterscheidet. Kennzeichnend für personenbezogene Merkmale ist neben einer möglicherweise gegebenen Nähe zu den in Art. 3 III GG genannten Merkmalen, dass die Benachteiligten den begünstigten Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen können30. Danach wird eine Personenbezogenheit generell dann anzunehmen sein, wenn es sich um eine Eigenschaft handelt, die unabhängig von der zu überprüfenden Regelung für eine abgrenzbare Personengruppe kennzeichnend ist und ihr nicht durch diese (gruppenkonstituierend) erst zugeschrieben wird31. Beispiele für personenbezogene Ungleichbehandlungen sind etwa die Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten32, zwischen Verheirateten und Geschiedenen33 sowie in der Begünstigung von Landesangehörigen gegenüber Personen aus anderen Bundesländern34. Demgegenüber zeichnen sich sachverhaltsoder verhaltensbezogene Unterscheidungen dadurch aus, dass die Betroffenen die 27 28 29 30 31 32 33 34

Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 440. BVerfGE 88, 87 (96). BVerfGE 93, 99 (111). BVerfGE, 88, 5 (12); 92, 26 (52). Sachs, JuS 1997, S. 128 ff. BVerfGE 90, 46 (56 ff.). BVerfGE 91, 389 (401). BVerfGE 73, 301 (321).

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Möglichkeit haben, sich auf die betreffenden Differenzierungen einzurichten bzw. „nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten zu beeinflussen“35 oder durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu erreichen, nach welchen differenziert wird36. So stellt beispielsweise die unterschiedliche Behandlung von Jugendlichen beim Besuch von Tanzveranstaltungen und Gaststätten eine sachverhalts- oder verhaltensbezogene Differenzierung dar37. Auch wenn die dargestellten Unterscheidungsmerkmale einen gewissen Anhaltspunkt bieten, fehlt nach wie vor ein griffiges Abgrenzungskriterium für die strittigen Fälle. Problematisch ist dies insbesondere, weil sich letztlich jede sachbezogene Differenzierung als personenbezogene Regelung darstellen lässt, indem man auf die Personen abstellt, die ein bestimmtes sachliches Tatbestandsmerkmal verwirklichen38. Die Abgrenzung in der Rechtsprechung des BVerfG verliert auch deswegen an Trennschärfe, weil in bestimmten Fällen die Unterscheidung „sachverhaltsbezogene Differenzierung – personenbezogene Differenzierung“ hinsichtlich des daraus resultierenden Prüfungsmaßstabes nicht konsequent eingehalten wird. So wurde die engere Bindung des Gesetzgebers auch bei sachverhaltsbezogenen Ungleichbehandlungen dann als erforderlich angesehen, „wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt“39. Unabhängig von der Unterscheidung sachverhaltsbezogen – personenbezogen ist nach Auffassung des BVerfG eine umso strengere Prüfung angezeigt, „je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann“40. 2. Weitere Ansätze im Schrifttum In der Literatur wird die Abkehr von einer bloßen Willkürprüfung im Wesentlichen akzeptiert41. Nur vereinzelt wird ein Festhalten hieran gefordert42. Demgegenüber sprechen sich einige Stimmen für eine noch stärkere Bedeutung der Verhältnismäßigkeit bis hin zur völligen Abkehr von der Willkürprüfung aus43. BVerfGE 88, 5 (12). BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22). 37 BVerfGE 52, 277 (280). 38 Sachs, JuS 1997, S. 128; Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rn. 27. 39 BVerfGE 88, 87 (96). 40 BVerfGE 91, 346 (363); hierin ist im Übrigen eine interessante Parallele zur Rechtsprechung des US Supreme Court, dem US-amerikanischen Pendant zum Bundesverfassungsgericht zu sehen, vgl. Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 162 ff. 41 Hesse in FS-Lerche, S. 128; Huster, JZ 1994, S. 541; Sachs, JuS 1997, S. 124. 42 So etwa Starck in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 3 Rdnrn. 11 und 17. 43 So bspw. Martini, Art. 3 I GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit, S. 275. 35 36

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Nachfolgend sollen nun weitere in der Literatur diskutierte Ansatzpunkte vorgestellt werden. a) Die Unterscheidung in externe und interne Zwecke Einen insoweit anderen Weg bei der Differenzierung hinsichtlich Prüfungsintensität und Prüfungsaufbau geht Huster44. Er versteht den allgemeinen Gleichheitssatz (jedenfalls auch) als Schutzbereich, der im Prüfungsaufbau den Freiheitsgrundrechten insofern gleichgestellt sei, als ein Eingriff in den Schutzbereich einer Rechtfertigung bedürfe45. Da das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus dem Eingriffs- und Schrankenschema der Freiheitsrechte stamme und dort auf die Überprüfung von Grundrechtseingriffen bezogen sei, bestünde – so Huster – das Dilemma, dass dieses Prinzip beim Gleichheitsrecht in der Gleichheitsprüfung per definitionem nicht zur Anwendung kommen könne. Wenn aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip beim Gleichheitsgrundrecht Geltung erlangen solle, dann müsse die These aufgegeben werden, dass sich der Gleichheitssatz der Eingriffsdogmatik nicht füge. Andernfalls sei unklar, was die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dort bedeuten solle. Nach Auffassung von Huster enthält Art. 3 GG als spezifisches Schutzgut die Behandlung gemäß den jeweiligen Maßstäben der Gerechtigkeit. Da es auch bei der Gleichheitsprüfung um die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderliche Zweck-Mittel-Abwägung kollidierender Rechtsgüter gehe, sei es jedenfalls in bestimmten Fällen erforderlich, eine Rechtsgüterabwägung i. S. d. Verhältnismäßigkeitsprinzips durchzuführen. Art. 3 GG verlange eine bereichsspezifische Anwendung46. Der Begriff der Gleichheit sei insofern „relativ“47. Seine Ausprägungen seien bereichs- oder kontextspezifisch zu verstehen. So richte sich die Verteilung von Sozialleistungen nach der Bedürftigkeit, während die Verteilung der Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit differenziere48. Da es in vielen Fällen umstritten sei, welche Gerechtigkeitsnorm aus dem fundamentalen Gleichheitsgebot abzuleiten sei, weil das Verfassungsrecht insoweit nur selten zwingende Vorgaben mache, komme diese Kompetenz dann dem Gesetzgeber zu. Finde der Gesetzgeber (auch) von ihm vorgegebene und am Maßstab der Gerechtigkeit orientierte Gemeinsamkeiten oder Unterschiede vor und differenziere hiernach, dann handele es sich um einen sog. internen Zweck, der nur anhand des 44 45 46 47 48

Huster, JZ 1994, S. 541 ff.; Huster, Rechte und Ziele, S. 193 ff. Huster, Rechte und Ziele, S. 193 ff. So auch BVerfGE, 84, 239 (268); 85, 176 (187). Zur Argumentation im Weiteren vgl. Huster, JZ 1994, S. 542 ff. So Huster, JZ 1994, S. 546.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Maßstabs des Willkürverbotes überprüft werden könne. Huster illustriert diese Unterschiede anhand der folgenden Beispiele49. Beispiel 1a: „Frau X, die durch Beruf und Familie doppelt belastet ist, kann früher Altersruhegeld beziehen als Frau Y, die alleinstehend und kinderlos ist. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, weil der frühere Bezug von Altersruhegeld die stärkere Belastung von Frauen, die berufstätig sind und eine Familie zu versorgen haben, kompensieren soll und Frau X – ceteris paribus – stärker belastet ist als Frau Y.“ Beispiel 1b: „X, der im Monat 5000 DM verdient, muss höhere Steuern zahlen als Y, der 2000 DM verdient. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, weil sich die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit richtet und X – ceteris paribus – leistungsfähiger ist als Y.“

Die Ungleichbehandlungen beruhen nach Auffassung Husters in diesen Fällen auf Erwägungen der Gerechtigkeit, so dass es sich eigentlich nicht um eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG handele. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung sei in einem solchen Fall kaum möglich. So sei im Beispiel 1b das Verhältnis von Leistungsfähigkeit und Steuerhöhe kein Verhältnis kollidierender Rechtsgüter, vielmehr sei die Leistungsfähigkeit der Maßstab an dem sich die steuerliche Belastung orientieren müsse. Entspreche die steuerliche Belastung diesem Maßstab, dann mache es keinen Sinn, darüber hinaus zu fragen, ob die ungleiche Steuerlast geeignet und erforderlich ist, um der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit zu entsprechen, schon gar nicht könne ein Ausgleich der kollidierenden Güter Steuerverteilung und Leistungsfähigkeit durchgeführt werden. Der Gesetzgeber finde in den Beispielen 1a und 1b somit einen am Gerechtigkeitsmaßstab orientierten Unterschied vor. Die unterschiedliche Behandlung beruhe daher auf einem internen Zweck. Somit erfolge hier eine Überprüfung am Maßstab des Art. 3 GG nur im Hinblick auf eine Willkürprüfung. Etwas anderes ergebe sich dann, wenn der Gesetzgeber Diskriminierungen bzw. Privilegierungen als Instrument einsetze, um spezifische Gemeinwohlzwecke zu erreichen. In einem solchen Fall liege ein externer Zweck vor, so dass die verfassungsrechtliche Rechtfertigung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden sei. Beispiel 2a: „Herr X und Frau Y sind jeweils verheiratet, berufstätig und haben drei Kinder. Obwohl beide den Haushalt der Familie führen und daher in gleicher Weise doppelt belastet sind, besteht nur für Frau Y die Möglichkeit, vorgezogenes Altersruhegeld zu beziehen. Die Benachteiligung des X wird damit gerechtfertigt, dass die entsprechende gesetzliche Regelung typisieren müsse, da es verwaltungstechnisch zu aufwendig gewesen wäre, im Einzelfall festzustellen, ob der Mann tatsächlich den Haushalt führt; bei Frauen könne dies aufgrund der traditionellen Rollenverteilung dagegen vermutet werden.“ Beispiel 2b: „X und Y sind gleich leistungsfähig. Trotzdem muss Y erheblich weniger Steuern bezahlen, da er die Kosten für den Bau eines Eigenheims absetzen kann. Der Gesetzgeber hatte diese Möglichkeit geschaffen, um die Baukonjunktur anzukurbeln“.

49

Beispiele jeweils nach Huster, JZ 1994, S. 543 f.

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In den Beispielen 2a und 2b könne nicht die Rede davon sein, dass die Ungleichbehandlung jeweils aufgrund von Gerechtigkeitsaspekten erfolge. Vielmehr seien wirtschaftspolitische und verwaltungstechnische Zweckmäßigkeitserwägungen, also „externe Zwecke“, ausschlaggebend. Diese wirtschaftspolitischen und verwaltungstechnischen Gestaltungsziele stünden in einem Rechtsgüterkonflikt mit der Gleichbehandlung, so dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung möglich und geboten sei. Gegen das Modell von Huster, der die Prüfung davon abhängig macht, ob ein interner oder ein externer Zweck vorliegt, spricht, dass beide Begriffe häufig schwer voneinander abzugrenzen sind. So könnte beispielsweise in seinem Beispiel 1a durch eine familienfreundliche Regelung eine Erhöhung der Geburtenrate und damit ein externer Zweck beabsichtigt sein. Die Abgrenzungsproblematik besteht darin, dass der Gesetzgeber mit einer Regelung häufig gleichzeitig sowohl externe als auch interne Zwecke verfolgt, so dass auch die Unterscheidung in Rechte (als Konkretisierungen des allgemeinen Gleichheitsgebotes) und Ziele zweifelhaft erscheint50. Da eine Unterscheidung zwischen internen und externen Zwecken somit kaum möglich ist, überzeugt das Modell von Huster nicht. Husters Prämisse, dass auch Gleichheitsrechten ein Schutzbereich im Sinne eines fundamentalen Gleichheitsgebots zugeordnet werden kann, ist entgegenzuhalten, dass dem Grundgesetz eine solche Gleichsetzung mit den Freiheitsrechten gerade nicht zu entnehmen ist51. Im Schrifttum wird ferner die Zuordnung „Gerechtigkeit – weiter Spielraum“, „Instrument – enger Spielraum“ kritisiert. So sei es im Gegenteil naheliegender, auf die Ungerechtigkeiten, die Huster mit überkommenen und gefestigten Gerechtigkeitsvorstellungen identifiziert, einen besonders engen Maßstab anzulegen und dort, wo der Gesetzgeber innovativ und gestaltend tätig wird, eher großzügig zu sein52. b) Zur Systemgerechtigkeit als Abgrenzungskriterium In der Literatur wird bisweilen auch der Begriff der Systemgerechtigkeit als Abgrenzungskriterium diskutiert53. Mit dem Begriff der Systemgerechtigkeit (und dem insoweit häufig synonym verwendeten Begriff der Sachgerechtigkeit54) verbindet sich die Bindung des Vgl. Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 39. Vgl. Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 39. 52 Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 39. 53 Vgl. Huster, Rechte und Ziele, S. 386 ff.; Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 41, jeweils m. w. N. 54 Vgl. Levedag, Die Begünstigung gewerblicher Einkünfte, S. 34; Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 102, sieht in dem Begriff der Sachgerechtigkeit einen mit der Systemgerechtigkeit eng verbundenen Begriff. 50 51

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Gesetzgebers an die von ihm geschaffenen Strukturen und Prinzipien55. Nach dem Grundsatz der Systemgerechtigkeit hat der Gesetzgeber einen großen, nur der Willkürprüfung unterfallenden Spielraum hinsichtlich der Schaffung und Gestaltung von Regelungsbereichen. Habe er diese Regelungsbereiche aber einmal geschaffen, dann stelle diese Logik seines Werkes ein Prüfungsraster dar, das umso engmaschiger werde, je mehr die angegriffene Regelung sich als Ausnahme von der eigenen Regelungslogik der entsprechenden Materie darstelle56. Der Gesetzgeber habe den von ihm gesetzten Systemprinzipien folgerichtig zu entsprechen und dürfe nur davon abweichen, wenn er ein bestimmtes Ziel verfolge und das Abweichen von diesen Fundamentalprinzipien zur Zweckerreichung verhältnismäßig sei57. Das Gebot der Systemgerechtigkeit verlange ein „hinreichendes Maß an Folgerichtigkeit einfachgesetzlicher Wertungen“58. In der Rechtsprechung wurde das starre Festhalten am Gebot der Systemgerechtigkeit mit dem Argument relativiert, dass der Gedanke der Systemgerechtigkeit nicht zu einer Verkrustung der Gesellschaft führen dürfe59. Nach Ansicht des BVerfG bedeutet eine Systemwidrigkeit allein keine Verletzung des Gleichheitssatzes, sondern könne allenfalls ein Indiz hierfür darstellen60. Gegen das Abgrenzungskriterium „Systemgerechtigkeit“ wird geltend gemacht, die Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgeber und BVerfG schließe es aus, dass politische Entscheidungen des Gesetzgebers, die auch anders hätten ausfallen können, mit Hilfe des Gleichheitssatzes „versteinert“ würden und Anschluss und Folgeregelungen erzwängen, an die der Gesetzgeber nie gedacht habe61. Einfache Gesetze stellen sich mitunter als Folgegesetze mehrerer übergeordneter Gesetze dar. Diese übergeordneten Gesetze entspringen aber häufig unterschiedlichen Motiven und Strukturen. Daher ist es oftmals kaum möglich, festzustellen, ob sich ein Gesetz als Ausnahme oder eher als folgerichtig im Sinne einer „Systemgerechtigkeit“ darstellt. Diese Schwierigkeit verbietet es aber grundsätzlich, hieraus ein unterschiedliches Maß der Prüfungsintensität abzuleiten. Das Gebot der Systemwidrigkeit kann somit insoweit nicht als Abgrenzungskriterium dienen. Bryde / Kleindieck, Jura 1999, S. 41. Vgl. Bryde / Kleindieck, Jura 1999, S. 41; Gusy, NJW 1988, S. 2509, betont insoweit den Zeitaspekt einer Systemgerechtigkeit. Nach einem solchen Verständnis ist ein späteres Gesetz nicht nur seinem eigenen, sondern zugleich auch dem Sinn einer früheren Regelung verpflichtet. Dem Postulat Gleichheit als Systemgerechtigkeit hält er aber unter diesem Blickwinkel zu Recht entgegen, dass durch Art. 3 GG ein gesetzgeberischer Neuanfang nicht ausgeschlossen werden soll. Es besteht mithin kein Vorrang alter Gesetze vor neuen, vielmehr sind altes und neues Recht grundsätzlich gleichrangig; siehe hierzu auch den Überblick bei Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 49 ff. 57 Kirchhof, StuW 1985, S. 321; Wendt, NVwZ 1988, S. 783. 58 Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 98. 59 BVerfGE 60, 16 (42 ff.). 60 BVerfGE 61, 138 (148 ff.). 61 So Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 41. 55 56

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Etwas anderes ergibt sich jedoch dann, wenn sich die Anforderungen an die systemgerechte Ausgestaltung oder Folgeregelung aus der Verfassung selbst ergeben62. c) Maßstabsverschärfung bei bereichsspezifischen Regelungsgegenständen Wie vom BVerfG wird auch in der Literatur argumentiert, für die Unterscheidung zwischen Willkürprüfung und strengeren Gleichheitsanforderungen sei auf die jeweiligen Regelungsgegenstände abzustellen63. Eine auf einzelne Regelungsgegenstände bezogene, bereichsspezifische Anwendung des Gleichheitssatzes erlaube es eher, ein Regel-Ausnahme-Verhältnis anzunehmen, d. h. eine Ausnahme von der „eigentlich“ geforderten, in der Regel anzuwendenden Willkürprüfung festzustellen, und dann vom Gesetzgeber eine entsprechende Rechtfertigung zu verlangen64. Als Beispiel für eine bereichsspezifische Verschärfung des Prüfungsmaßstabes wird dabei die Wahlrechtsgleichheit genannt. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit unterscheidet sich durch seinen streng formalen Charakter von anderen an Art. 3 GG zu messenden Regelungen. Daraus folge, dass dem Gesetzgeber bei einer Regelung des Wahlrechts, durch welche die Chancen der politischen Parteien und Wahlbewerber verändert werden können, wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen zustehe. Daneben komme eine bereichsspezifische Maßstabsmilderung in den Fällen in Betracht, in denen dem Gesetzgeber ein besonders großer Gestaltungsspielraum zukommen müsse65. Diesem Ansatz ist entgegenzuhalten, dass sich die Abgrenzung nach Regelungsbereichen jedenfalls nicht zur Feststellung eignet, ob eine Willkürprüfung oder eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten ist. Keinem Regelungsbereich steht es quasi „auf der Stirn“ geschrieben, ob eine Regelung einer strengen oder einer weniger strengen Gleichheitsprüfung unterzogen werden muss. Hierzu bedarf es weiterer Merkmale, die sich aber nicht unmittelbar aus dem Regelungsbereich selbst, sondern nur aus dem mit einem Regelungsbereich verbundenen verfassungsrechtlichen Kontext heraus ergeben. Auch das Argument, wonach hierdurch Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 41. Nach Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 41, lassen sich die Schwächen der Abgrenzung am besten überwinden, wenn für die Unterscheidung zwischen Willkürprüfung und strengeren Gleichheitsanforderungen von der Unterteilung in Regelungsgegenstand einerseits und Differenzierungsmerkmale andererseits ausgegangen wird. 64 Zu den Ausführungen im Folgenden vgl. Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 41. 65 Dies sei z. B. bei der Regelung „hochkomplexer, vielfältiger Interessen innen- und außenpolitischer Art, gewaltige Summen betreffenden Sachverhalte“ der Fall, bei welchen den politischen Akteuren ein erhebliches Maß an Freiheit verbleibe, so Bryde / Kleindiek, Jura 1999, S. 44. 62 63

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der Logik des „Regel-Ausnahme-Verhältnisses“ besser entsprochen werde, überzeugt nicht. Es geht von der Prämisse aus, dass die Regel immer die Willkürprüfung darstellt. Genau dies wird aber überwiegend angezweifelt. Will man dem Gesetzgeber in manchen Bereichen weite Gestaltungs- und Wertungsspielräume einräumen, dann kann dieser Ansatz auch innerhalb einer Verhältnismäßigkeitsprüfung angemessen Berücksichtigung finden. So lassen sich auch im Rahmen der Erforderlichkeits- oder Zumutbarkeitserwägungen die Anforderungen an die Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung unterschiedlich streng ausgestalten66. Dementsprechend würde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Bereichen mit sehr weiten Spielräumen regelmäßig nicht verletzt sein. Allerdings wäre auch dort stets von einer Verletzung auszugehen, wenn Willkür vorliegt67. Der Auffassung, die auf die jeweiligen Regelungsgegenstände abstellt, ist aber zuzustimmen, dass das Vorliegen einer (ungerechtfertigten) Ungleichbehandlung nur unter den Bedingungen des jeweiligen Regelungsbereichs festgestellt werden kann. Was dies im Zusammenhang des Steuerrechts bedeutet, wird unten68 untersucht. 3. Eigene Auffassung In der Literatur wird zuweilen der Vorwurf erhoben, die weitgehende Gleichsetzung einer Überprüfung am Maßstab des Art. 3 GG mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung gehe zu weit und verkenne das Wesen der eigentlichen Gleichheitsprüfung im Kern69. Während eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Beziehung zwischen angestrebtem Ziel und dem dafür eingesetzten Mittel frage, sei die Gleichheitsprüfung wesensmäßig eine „Entsprechensprüfung“, bezogen auf die Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes, denen die unterschiedlichen Rechtsfolgen entsprechen müssten70. Entspreche eine differenzierte Regelung den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes, dann liege überhaupt keine „Ungleichbehandlung“ i. S. d. Art. 3 GG vor, die rechtfertigungsbedürftig wäre. Erst wenn die differenzierende Regelung nicht lediglich diesen bereichsspezifischen Besonderheiten Rechnung trage, verwirkliche sie den Tatbestand einer „Ungleichbehandlung“ und müsse als „Eingriff“ in Art. 3 GG gerechtfertigt werden71. Diesem grundsätzlichen Vorbehalt gegen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist entgegenzuhalten, dass sich die Prüfung der Verhältnismäßigkeit beim allgemeinen 66 67 68 69 70 71

Vgl. Krugmann, JuS 1998, S. 11. Krugmann, JuS 1998, S. 11. Achter Teil, A. II. So Sachs, JuS 1997, S. 129. Sachs, JuS 1997, S. 129. Sachs, JuS 1997, S. 129.

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Gleichheitssatz schon von vornherein in einem Punkt von der Prüfung bei den Freiheitsrechten unterscheidet: Während es bei der Prüfung der Freiheitsrechte um ein Abwägen von Belastungswirkung und Zweck der getroffenen Maßnahme geht, ist bei der Gleichheitsprüfung nicht das Maß der Belastung, sondern das Maß der Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Zweck entscheidend72. Dies bedeutet aber auch, dass eine Prüfung denknotwendig an Schärfe verlieren muss, wo dieser Unterschied nicht oder kaum messbar erscheint. Mit anderen Worten: Je weniger deutlich ein Unterschied quantifizierbar ist bzw. materiell abgeleitet werden kann, desto weniger hohe Anforderungen darf auch die darauf aufbauende Überprüfung innerhalb der Abwägung stellen. Gleichzeitig zeigt dies auch, dass die Schwierigkeit der Überprüfung häufig gerade darin liegt, die Unterschiedsmerkmale bzw. -kriterien irgendwie messbar zu machen. Dort wo eine Vergleichbarkeit von Sachverhalten bzw. Personengruppen nicht oder kaum möglich ist, wäre eine Verhältnismäßigkeitsprüfung verfehlt. Hat der Gesetzgeber beispielsweise überhaupt kein Differenzierungskriterium benutzt und die Ungleichbehandlung vielmehr dem Zufall überlassen, dann bleibt es bei einer bloßen Willkürprüfung73. Ein solcher Fall, in dem eine Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgrund mangelnder Greifbarkeit des Maßes der Ungleichbehandlung keinen Sinn macht, ist der Fall der „willkürlichen Rechtsanwendung“, in denen die Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr vertretbar ist und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht74. Beispiele hierfür sind schwere Rechtsanwendungsfehler einer Behörde oder eines Gerichts, die etwa eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt haben oder in besonders starkem Maß fehlgedeutet haben. In einem solchen Fall lässt sich häufig weder ein Maß an Ungleichbehandlung finden, noch liegt diesen Fällen ein (legitimer) Zweck zugrunde. In Fällen, in denen eine Ungleichbehandlung jedoch bestimmbar (und quantifizierbar) ist, gibt es keinen Grund, auf eine Abwägung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu verzichten. Dass sich dabei das Ob und vor allem das Maß der Ungleichbehandlung als das Ergebnis von (grundrechtsbezogenen) Wertungen darstellt und sich somit regelmäßig einer exakten mathematischen Überprüfung entzieht, stellt zwar eine grundsätzliche Schwierigkeit dar. Diese ist aber letztlich jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung immanent. Der erhobene Vorwurf, in vielen Fällen entspreche eine differenzierte Regelung den Verschiedenheiten ihres Gegenstandes und sei daher überhaupt keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, geht fehl. Diesem Ansatz liegt eine unsaubere Trennung zwischen Feststellung einer Ungleichbehandlung einerseits und Rechtfertigung der (zuvor festVgl. Jarass, NJW 1997, S. 2549. Vgl. Jarass, NJW 1997, S. 2548. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Auswahl durch Los erfolgt oder es sich um eine nach dem Zufallsprinzip gesteuerte Stichprobe handelt, BVerfGE, 91, 118 (123). 74 BVerfGE 86, 59 (63). 72 73

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gestellten) Ungleichbehandlung andererseits zugrunde. Die Verschiedenheit einzelner Regelungsgegenstände mag den Gesetzgeber in bestimmten Fällen dazu zwingen, Adressaten der gesetzlichen Regelung auch unterschiedlich zu behandeln. In diesen Fällen kann gerade in der Verschiedenheit der zu regelnden Materie die Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung liegen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Adressaten (auf Tatbestandsebene) letztlich unterschiedlich behandelt werden, weshalb dann eine (gerechtfertigte) Ungleichbehandlung vorliegt. Durch eine Abwägung wird zum einen ein „dogmatischer Brückenschlag“75 zwischen dem verfassungsgerichtlichen Freiheits- und Gleichheitsschutz erreicht. Zum anderen erfährt hierdurch das Grundrecht aus Art. 3 GG zu Recht eine Aufwertung. Gleichzeitig wird damit das grundrechtliche Gesamtsystem aus Gleichheits- und Freiheitsrechten betont, in welchem die Grundrechte nicht isoliert, sondern als Ganzes betrachtet werden müssen76. Gegen den Vorrang einer Willkürprüfung in den Fällen der Legislativkontrolle spricht die Unbestimmtheit einer solchen Prüfung. Maßstab für die Feststellung der Willkür ist die Evidenz77. Evidenz wird nun im Sinne von „Offensichtlichkeit“ bzw. „offenem Erkennen“ der Unsachlichkeit verstanden. Erkennen bzw. Erkennbarkeit knüpft aber an innere, subjektive Vorgänge an, die kaum als Tatbestandsmerkmale subsumierbar sind78. Einer Abkehr von der Willkürprüfung hin zu einer am Übermaßverbot ausgerichteten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist daher zuzustimmen. Die Betrachtung von Art. 3 GG in einem grundrechtlichen Kontext führt weiterhin dazu, dass auch die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sehr unterschiedlich ausfallen kann. Entscheidend muss hierfür sein, ob und in welcher Weise durch die Ungleichbehandlung (bzw. die Behandlung, die eine Ungleichbehandlung darstellt) in grundrechtsrelevante Bereiche eingegriffen wird. Daher sind dem Gesetzgeber umso engere Grenzen gesetzt, „je stärker sich die Ungleichbehandlung ( . . . ) auf die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten auswirken kann“79. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die vom Verfassungsgesetzgeber unmittelbar in Art. 3 GG verankerten Grenzen, die in Art. 3 II u. III GG aufgeführten Diskriminierungsverbote, wonach eine Differenzierung nach den dort aufgeführten Merkmalen grundsätzlich unzulässig ist. Ein im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu berücksichtigender verfassungsrechtlicher Kontext verlangt auch, dass eine Differenzierung umso weniger zulässig ist, je mehr das Differenzierungsmerkmal den in Art. 3 II und III GG genannten vergleichbar ist. 75 76 77 78 79

Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnrn. 12 f. Vgl. Osterloh, EuGRZ 2002, S. 311. Krugmann, JuS 1998, S. 12. Vgl. Krugmann, JuS 1998, S. 10. BVerfGE 88, 87 (96); 89, 69 (89); 90, 46 (56); 91, 346 (363); 95, 267 (316 f.).

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Es bleibt festzuhalten, dass der Gleichheitssatz grundsätzlich eine Überprüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfordert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gleichheitssatz ein „justitiables Optimierungsgebot“80 enthält. Art. 3 I GG bürdet dem Gesetzgeber also nicht etwa auf, jeweils die „zweckmäßigste und gerechteste“ Lösung auszuwählen, sondern setzt seiner Gestaltungsfreiheit Grenzen81.

II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als bereichsspezifische Vorgabe für das Steuerrecht Die hier grundsätzlich favorisierte „neue Formel“ erfordert im Rahmen der darin implementierten Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Abwägung, sofern eine Ungleichbehandlung vorliegt. Daher ist zunächst zu überprüfen, ob und wann für den hier relevanten Bereich des Steuerrechts eine solche Ungleichbehandlung vorliegt. Setzt man hierzu die von den verschiedenen Steuerpflichtigen zu leistenden Steuerbeträge in Beziehung, dann wird schnell klar, dass die Problematik der Überprüfung eines Steuergesetzes am Maßstab des Art. 3 GG weniger darin liegt, eine solche (faktische) Ungleichbehandlung zu erkennen. Zahlt der Steuerpflichtige A nämlich höhere (Ertrag-)Steuern als der Steuerpflichtige B, dann ist hierin eine Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 GG zu sehen. Schwieriger als die Frage nach dem Vorliegen einer Ungleichbehandlung ist jedoch die Frage zu beantworten, wann eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt und damit verfassungsmäßig i. S. v. Art. 3 GG ist. Hierzu müssen die sachbereichsspezifischen Wertungen des Steuerrechts berücksichtigt werden82. Das BVerfG führt für den Bereich des Steuerrechts aus, dass „die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt“ werde, nämlich durch „das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit“ und das „Gebot der Folgerichtigkeit“83. Danach müsse im Interesse „verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit“ eine Besteuerung am Maßstab der Leistungsfähigkeit dazu führen, dass Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert würden. Die Besteuerung höherer Einkommen müsse gegenüber der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen „angemessen“ sein84. 80 81 82 83 84

Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 95. Vgl. BVerfGE 55, 72 (90); 81, 108 (117 ff.). Vgl. hierzu Birk / Kulosa, FR 1999, S. 438. BVerfGE 105, 73 (125 ff.). BVerfGE 82, 60 (89).

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Nach der Rechtsprechung des BVerfG, aber auch nach der Literatur, wird gemeinhin also auf das Leistungsfähigkeitsprinzip als Lastenverteilungsmaßstab85 und damit auch als Vergleichsmaßstab („tertium comparationis“)86 zurückgegriffen87. Deshalb sollen nachfolgend Bedeutung und Inhalt dieses fundamentalen Steuerrechtsprinzips herausgearbeitet werden.

1. Idee und dogmatischer Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips Das BVerfG hat Art. 3 GG den Grundsatz der Steuergerechtigkeit entnommen und aus diesem wiederum abgeleitet, dass die Besteuerung sich am Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu orientieren habe88. In späteren Entscheidungen hat es dann auf diesen Zwischenschritt verzichtet und das Leistungsfähigkeitsprinzip unmittelbar auf Art. 3 GG gestützt89. Der Begriff „Leistungsfähigkeitsprinzip“ hat sich dabei als die verkürzte Bezeichnung für „das Prinzip gleichmäßiger Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit“ etabliert90. Die Grundidee einer Besteuerung am Maßstab der Leistungsfähigkeit lässt sich dogmatisch nicht genau zuordnen. So hat Vogel mit dem Gleichnis vom Opfer der Witwe91 biblische Wurzeln der Steuergerechtigkeit und des Leistungsfähigkeitsprinzips in die Diskussion eingebracht92. Darüber hinaus wird das Leistungsfähigkeitsprinzip ideengeschichtlich auch als Produkt der naturrechtlichen Aufklärung Vgl. Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnr. 134. Der Begriff „tertium comparationis“ bezeichnet üblicherweise den Vergleichsmaßstab zur Feststellung einer (formalen) Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung i. S. d. Art. 3 I GG. Zur Beurteilung einer Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung durch ein Steuergesetz wird man insoweit auf den Betrag der zu zahlenden Steuer abstellen, so dass das Leistungsfähigkeitsprinzip im engeren Sinne (eigentlich) nicht als „tertium comparationis“ zu verstehen ist. Dies soll allerdings an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, siehe hierzu Achter Teil, A. II. 2. d) dd). 87 Vgl. Birk / Kulosa, FR 1999, S. 438. 88 BVerfGE 13, 331 (338); 26, 302 (310); 43, 108 (120); 61, 319 (343 ff.). 89 BVerfGE 82, 60 (89). 90 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 480. 91 Mk 12, 41 – 44; Lk 21, 41 – 4: „Er (Jesus) setzte sich in die Nähe des Opferkastens und sah zu, wie das Volk Kupfermünzen in den Kasten warf. Viele Reiche kamen und legten viel herein. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei Kupfermünzen hinein im Wert von einem Pfennig. Er rief seine Jünger zu sich und sprach: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als alle anderen in den Opferkasten hineingeworfen. Denn die anderen haben nur etwas von ihrem Reichtum hergegeben, sie aber, die nur das Nötigste zum Leben hat, hat alles gegeben, was sie besaß, ihre ganze Habe“. Dieses Gleichnis wird zugleich auch im Rahmen einer Diskussion über die Berechtigung der Steuerprogression häufig angeführt. 92 Vogel, DStZ 1975, S. 409 ff.; vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 57. 85 86

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im 18. Jahrhundert verstanden93. Es entstand in der Folge des Widerstandes gegen die Steuerprivilegien des Feudalstaates und wurde in Art. 13 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 erstmals ausdrücklich genannt94. Nachdem auch verschiedene deutsche Länderverfassungen den Grundsatz der Belastungsgleichheit und die Gleichstellung im steuerlichen Belastungserfolg normiert hatten95, übernahm die Weimarer Reichsverfassung in Art. 134 diesen Grundsatz und formulierte neben dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 109 WRV einen speziell steuerrechtlichen: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“. Während das Leistungsfähigkeitsprinzip in zahlreichen Verfassungen anderer westlicher Staaten Einzug gehalten hat96, fehlt eine deutliche Bezugnahme hierauf in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Wenngleich sich das Grundgesetz insofern von der Weimarer Reichsverfassung unterscheidet, wird allgemein in diesem Schweigen keine Ablehnung gesehen97. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird vielmehr in allen steuerrechtswissenschaftlichen Disziplinen als das Fundamentalprinzip einer gerechten Besteuerung anerkannt98. Wie bereits ausgeführt wird das Leistungsfähigkeitsprinzip vor allem auf den Gleichheitssatz, nämlich das sich aus Art. 3 I GG ergebende Gebot gleichmäßiger Steuerbelastung gestützt99. Es besteht in der Literatur wohl weitestgehend Einigkeit, dass die Art. 3 GG zu entnehmende verhältnismäßige Gleichheit nach einem sachgerechten Vergleichsmaßstab verlangt100. Dieser sachgerechte Vergleichsmaß93 Zur ideengeschichtlichen Einordnung des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 6 ff. 94 Art. 13 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 legte fest: „Für die Unterhaltung der Streitmacht und für die Kosten der Verwaltung ist ein gemeinschaftlicher Beitrag unerlässlich; dieser soll unter alle Bürger des Staates im Verhältnis zu ihren Vermögensverhältnissen auf gleiche Weise verteilt werden“, zitiert nach Lang in FS-Kruse, S. 314. 95 Zu nennen sind insoweit insbesondere die Preußische Verfassung von 1850 (Art. 101) sowie die Bayrische Verfassung (§ 13) und die Badische Verfassung (§ 8), jeweils von 1818, siehe hierzu BVerfGE 84, 239 (269 ff.). 96 Namentlich genannt seien hier die Verfassungen von Griechenland, Italien, Spanien und Kroatien; zu den Einzelheiten siehe Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 489. 97 Zur Diskussion, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip in die Verfassung aufgenommen werden sollte, vgl. Schemmel, StuW 1995, S. 39 ff., m. w. N.; zustimmend z. B. Schneider, StuW 1994, S. 58; das Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler schlägt in diesem Zusammenhang vor, Art. 105 GG durch folgenden Text zu ergänzen: „Bund und Länder haben insbesondere darauf zu achten, dass alle Bürger auf der Grundlage einfacher und praktikabler Gesetze entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu allen öffentlichen Lasten beitragen. Das Existenzminimum ist steuerfrei“; kritisch hierzu Tipke, StuW 1994, S. 58 ff. 98 Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 83; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 491, m. w. N. 99 Vgl. Birk, StuW 2000, S. 329. 100 Kirchhof, StuW 1985, S. 322 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 491.

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stab wird im Leistungsfähigkeitsprinzip gesehen. Durch diese Herleitung aus Art. 3 GG wird auch der verfassungsrechtliche Geltungsgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips anerkannt101. Im Schrifttum wird das Leistungsfähigkeitsprinzip daneben auch der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zugeordnet102. Vogel und Waldhoff sehen die verfassungsrechtlichen Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips außerdem in der Steuerertragsverteilungsregelung des Art. 106 GG, dem rechtsstaatlichen Willkürverbot sowie dem Sozialstaatsprinzip103. Schließlich werden zusätzlich noch das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Übermaßverbot und die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG als dogmatische Verankerung angeführt104. 2. Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips a) Allgemeine Vorgaben Gemeinhin wird das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip als Fähigkeit, Steuern zu zahlen, also Geldzahlungen erbringen zu können, verstanden (sog. „abilityto-pay-principle“)105. Da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine Verteilungsgröße öffentlicher Lasten darstellt, kann sie sich nur auf die tatsächliche Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und nicht auf die Fähigkeit, Geld erwirtschaften zu können, beziehen106. Es handelt sich bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit daher um eine Ist-Größe und nicht um eine Soll-Größe107. Demnach wird das Erwerbspotential nicht zum unmittelbaren Anknüpfungspunkt gemacht108. Des Weiteren orientiert sich der Begriff „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ grundsätzlich an der bestehenden Zuordnung des Geldvermögens. Daher können Gegenstände, die keinen vorhandenen Geldwert repräsentieren, nicht den Bezugspunkt der Leistungsfähigkeit bilden109. Mithin haben beispielsweise Freizeitnutzen, Arbeitsleid oder Arbeitsvergnügen keine Auswirkung auf die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen110. Kirchhof, StuW 1985, S. 323. So z. B. Wendt, StuW 1992, S. 71. 103 Vogel / Waldhoff, Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104 a bis 115 GG, Rdnrn. 518 ff. 104 Schaumburg in FS-Tipke, S. 126, m. w. N. 105 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 97; vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 480; Tipke in FS-Kruse, S. 220; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167. 106 Vgl. Schaumburg in FS-Tipke, S. 139. 107 Zur Wahl und Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsindikators siehe die Ausführungen im Achten Teil, A. III. 108 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167. 109 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167. 110 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167; wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, ist dies allerdings nicht unstreitig. 101 102

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In subjektiver Hinsicht stellt das Leistungsfähigkeitsprinzip auf die subjektive, d. h. durch die individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen begründete Leistungsfähigkeit ab111. Dementsprechend ist dem Steuerpflichtigen das Existenzminimum steuerfrei zu belassen (sog. subjektives Nettoprinzip)112. Soweit den Steuerpflichtigen Unterhaltsverpflichtungen für Familienangehörige treffen, mindern diese seine Leistungsfähigkeit und sind entsprechend zu berücksichtigen113. Während über die subjektive Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips weitestgehend Einigkeit besteht, ist unklar, was unter objektiver Leistungsfähigkeit zu verstehen ist. Dies wird später114 genauer zu untersuchen sein. Da dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG die Grundsätze der vertikalen und der horizontalen Steuergerechtigkeit entnommen werden, wird dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine vertikale und eine horizontale Komponente zugeschrieben115: Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit sind demnach gleich und Steuerpflichtige mit ungleicher Leistungsfähigkeit ungleich zu besteuern. b) Alternative Steuerverteilungskriterien Bevor auf die nähere inhaltliche Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips einzugehen sein wird, stellt sich die Frage nach alternativen Steuerverteilungskriterien. In Betracht kommen insoweit grundsätzlich der äquivalenztheoretische Ansatz sowie ein am Kriterium der Entscheidungsneutralität orientierter Ansatz. aa) Äquivalenzprinzip versus Leistungsfähigkeitsprinzip Das Äquivalenzprinzip stützt sich auf die Assekuranztheorien des 17. Jahrhunderts und ist daher deutlich älter als das Leistungsfähigkeitsprinzip116. Nach dem äquivalenztheoretischen Ansatz bestimmt sich die Höhe der Steuern nach dem Nutzen, welcher der Steuerpflichtige aus den staatlichen Leistungen gewinnt117. Demnach hat derjenige, der viele staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, höhere Steuern zu zahlen, während derjenige, der darauf verzichtet, entsprechend weniger leisten muss. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 42. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 42. 113 BVerfGE 82, 60 ff. (Kindergeldbeschluss); BVerfGE 82, 198 ff. (Kinderfreibetragsbeschluss). Nach Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 802 ff., ergibt sich dies nicht nur aus einem entsprechenden Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips, sondern auch aus anderen grundrechtlichen Wertungen, wie dem Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 I GG. 114 Achter Teil, A. III. und IV. 115 BVerfGE 82, 60 (89 f.). 116 Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 87. 117 Birk, Steuerrecht, Rdnr. 29. 111 112

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Es besteht Einigkeit darüber, dass das Äquivalenzprinzip für andere Abgaben als Steuern seine Berechtigung hat und das Leistungsfähigkeitsprinzip dort verdrängt. Gegenstand dieser Arbeit sind jedoch ausschließlich die Steuern i. S. v. § 3 I AO118. Auch im Bereich der Steuern wird die Anwendbarkeit des Äquivalenzprinzips insbesondere im Zusammenhang mit der Besteuerung von Unternehmen diskutiert. Die Rechtfertigung für eine Besteuerung von Unternehmen wird zum Teil darin gesehen, dass Staat und Gemeinden einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten (Nutzenäquivalenz) und somit die Unternehmen die besonderen Lasten auszugleichen hätten, die sie dem Staat oder den Gemeinden verursacht haben (Kostenäquivalenz)119. Betrachtet man die Beiträge, die der Staat z. B. durch die Bereitstellung von Infrastruktur, aber auch durch Ermöglichung und Förderung von Bildung und damit der Qualifizierung des Arbeitsmarktes leistet, dann ließe sich daran denken, im unternehmerischen Bereich eine äquivalenztheoretische Verteilung der Verteilung nach der Leistungsfähigkeit vorzuziehen. Gegen eine solche Verteilung spricht aber, dass diese weder theoretisch noch praktisch durchführbar ist120. So erscheint es unmöglich, für das einzelne oder für die Gesamtheit der Unternehmen festzustellen, welchen Nutzen diese konkret gezogen bzw. welche Kosten sie verursacht haben. Selbst wenn man die Unternehmensbesteuerung insgesamt unter Äquivalenzgesichtspunkten rechtfertigen will, erscheint es daher auch theoretisch vorzugswürdig, die Rechtfertigung der Steuer als solche und die Rechtfertigung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im konkreten Fall auseinanderfallen zu lassen121. Im Bereich der nicht unternehmerischen Privatpersonen scheidet das Äquivalenzprinzip von vornherein als untauglich aus. Diejenigen, die die meisten Leistungen in Anspruch nehmen, sind naturgemäß gar nicht in der Lage, Steuern zahlen zu können. Dementsprechend müssen andere durch die Steuerzahlung für ihre Bedürfnisse mit aufkommen. Das Äquivalenzprinzip kann das Leistungsfähigkeitsprinzip bei den Steuern daher nicht verdrängen.

118 § 3 AO bestimmt: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen“. 119 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 128, m. w. N. insbesondere auch zur in der U.S.-Literatur vertretenen Auffassung, wonach der Staat als Partner der Unternehmen bezeichnet wird. 120 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 1029. 121 So auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 1030, unter Bezugnahme auf Goode, The Corporation Income Tax, S. 28.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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bb) Entscheidungsneutralität als Steuerverteilungskriterium Während das Steuerrecht in früheren Jahren einmal von der sog. Edinburgher Regel, der „leave-them-as-you-find-them-rule of taxation“ und damit vom Grundsatz der Besteuerungsneutralität dominiert wurde122, taucht dieses Prinzip in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur heute vor allem im Zusammenhang mit der Forderung nach einer rechtsformneutralen Besteuerung auf123. Daneben wird unter dem Stichwort „optimal taxation“ empfohlen, die Verteilung der Steuern grundsätzlich nach Allokationsgesichtspunkten vorzunehmen, dies jedoch zumeist aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht und im Wesentlichen ohne unmittelbaren Bezug zu Art. 3 GG124. Nach dieser Optimalsteuertheorie, die vor allem von den im Zentrum dieser Arbeit stehenden Konsumsteuermodellen repräsentiert wird, hat eine Besteuerung vor allem entscheidungsneutral zu sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage, ob eine entscheidungsneutrale Besteuerung gleichmäßig im Sinne von Art. 3 GG ist. In der Rechtsprechung des BVerfG ist der Begriff Neutralität zumeist im Zusammenhang mit dem Terminus „Wettbewerbsneutralität“ zu finden125. Das BVerfG hat aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG insbesondere für den Bereich der Unternehmensbesteuerung das Gebot der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung abgeleitet126. Da eine völlig wettbewerbsneutrale Steuer kaum vorstellbar sei, müssten geringfügige Wettbewerbsverschiebungen hingenommen werden. Gleichwohl sei eine Steuer dann grundsätzlich verfassungswidrig, wenn sie eine Gruppe von Steuerpflichtigen in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten lasse127. Das BVerfG hat diesen Grundsatz bislang jedoch nur im Zusammenhang mit der indirekten Besteuerung, insbesondere der Umsatzsteuer angeführt. Hieraus wurde im Schrifttum geschlossen, dass das BVerfG dem Prinzip der Wettbewerbsneutralität nur bei den unmittelbar preisbildenden indirekten Steuern Geltung verschaffen möchte128. Diesem Ansatz wurde entgegengehalten, dass es keinen sachlichen Grund dafür gebe, staatliche Eingriffe durch direkte Steuern ganz aus dem Schutz-

122 Die „Edinburgher Regel“ aus dem Jahre 1842 stammt von J. Mill; siehe hierzu Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 33. Nach dieser Regel sollen durch die Besteuerung die relativen Einkommensverhältnisse nicht verändert werden. Wer vorher einkommensmäßig doppelt so wohlhabend war wie ein anderer Steuerpflichtiger, sollte auch nach der Besteuerung doppelt so wohlhabend sein. Anknüpfungspunkt war also das Einkommen und nicht etwa Ertragswerte von Investitionen. 123 Siehe hierzu Hey, DStJG 24 (2001), S. 157; Lang, DStJG 24 (2001), S. 101 ff. 124 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 1 Rdnr. 45, m. w. N. 125 Vgl. Lang, StuW 1990, S. 115; Kirchhof, StuW 1984, S. 305. 126 BVerfGE 21, 12 (27 ff.); 37, 38 (52 ff.). 127 BVerfGE 21, 12 (27 ff.); 27, 375 (389 ff.); 37, 38 (52 ff.). 128 Vgl. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rdnr. 125.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

bereich der Wettbewerbsgleichheit herauszunehmen129. Eine unterschiedliche Belastung führe nämlich zu unterschiedlichen Gewinnen nach Steuern und damit zu unterschiedlichen Handlungsspielräumen in Bezug auf das Wettbewerbsverhalten130. Das BVerfG hat sich bislang nicht unmittelbar mit dem Verhältnis von Leistungsfähigkeitsprinzip und Entscheidungsneutralität beschäftigt. Während diese Thematik auch in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur nur eine untergeordnete Rolle spielt131, finden sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur mehrere Autoren, die sich mit dieser Themenstellung beschäftigen132. Vielfach werden dabei die Gemeinsamkeiten der beiden Begriffe hervorgehoben. So weist beispielsweise Elschen darauf hin, dass durch die Verknüpfung fiskalischer Zwecke und Umverteilungszwecke der juristische Zweck der „Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“ zu einer „Verwässerung beider Zwecke“ führe133. Nach seiner Definition sind Steuern dann entscheidungsneutral, wenn sie keine Ausweichhandlungen auslösen134. Richtigerweise seien Fiskalzwecknormen von Lenkungsnormen, die Steuervermeidungsbestrebungen verursachten, sauber zu trennen. Trenne man insoweit aber und löse man die von der Steuerrechtswissenschaft in den Leistungsfähigkeitsbegriff einbezogenen Umverteilungsabsichten (sowie die Steuern, deren Lenkungswirkungen verkannt würden), dann korrespondiere bei dem verbleibenden Rest der tatsächlichen Fiskalzwecksteuern der Begriff der Leistungsfähigkeit aus ökonomischer Sicht mit einer allokations- und verteilungsneutralen Besteuerung. Eine solche Besteuerung sei dann aber zugleich auch entscheidungsneutral135. Wagner führt aus, dass Steuerpflichtige Ungleichbehandlungen immer in ökonomischen Größen messen136. Dem entspreche es, Neutralität oder Nichtneutralität ebenfalls stets in ökonomischen Kategorien zu messen137. Gleichwohl gibt er zu bedenken, dass zwischen beiden Größen ein wichtiger Unterschied bestehe. Während es nämlich bei der Neutralität um die Gleichbehandlung von HandlungsalterHüttemann, DStJG23 (2000), S. 145, m. w. N. in FN 90. Hüttemann, DStJG23 (2000), S. 146. 131 Eine Ausnahme bilden hierbei Lang und Jachmann, vgl. bspw. Jachmann in FS-Offerhaus, S. 1078 ff. So hat Lang darauf hingewiesen, dass die Entscheidungsneutralität einen „engen Bezug zum Gleichheitssatz“ aufweise, Lang, StuW 1990, S. 115. 132 Siehe bspw. Wagner, StuW 1992, S. 2 ff.; Elschen, StuW 1991, S. 99; Löhr, StuW 2000, S. 33 ff., jeweils m. w. N. 133 Elschen, StuW 1991, S. 115. 134 Elschen, StuW 1991, S. 102. 135 So Elschen, StuW 1991, S. 112 ff. 136 Wagner, StuW 1992, S. 6 ff. 137 Wagner, StuW 1992, S. 6, weist aber zugleich darauf hin, dass die Neutralität als Leitgedanke nicht alle Erwartungen erfüllen könne, die in die Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesetzt worden sind. 129 130

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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nativen gehe, stehe beim Gleichheitssatz die Gleichbehandlung von Menschen im Vordergrund138. Im Zusammenhang mit der Lenkungswirkung von Steuern ergibt sich für Walz das Verhältnis von ökonomischer Entscheidungsbeeinflussung und steuerlicher Leistungsfähigkeit wie folgt: „Je allgemeiner dabei die Förderung – oder Hemmung – gestaltet ist, je weniger sie an bestimmte strukturpolitische oder andere punktuelle Eingriffszwecke gebunden wird, umso eher wird sich eine Wertungskongruenz zum Leistungsfähigkeitsprinzip herstellen lassen“139.

Sieht man im Leistungsfähigkeitsprinzip einen umfassenden Grundsatz einer belastungsgleichen Besteuerung, dann fällt auf, dass insbesondere die „entscheidungsneutrale“ und die „leistungsfähigkeitsbezogene“ Besteuerung von deutlich unterschiedlichen Ansätzen ausgehen. Wie Wagner richtigerweise ausführt, geht es im einen Fall um die Behandlung von Menschen, im anderen Fall um die Gleichbehandlung von Handlungsalternativen. Der Ansatz der Entscheidungsneutralität ist zukunftsbezogen (Zielgröße: Ertragswert der einzelnen Alternativen), während das Leistungsfähigkeitsprinzip auf einen status quo (Zielgröße: vorhandene Zahlungsfähigkeit) abstellt140. Art. 3 I GG verlangt nach einer gleichmäßigen Steuerbelastung der Menschen (bzw. juristischen Personen). Das maßgebliche Verteilungskriterium muss daher ebenfalls das Steuersubjekt im Blickpunkt haben und nicht auf die Gleichbehandlung von Handlungsoptionen hinwirken. Belastungsgleichheit im Sinne von Art. 3 I GG meint Gleichheit im (tatsächlichen) Belastungserfolg. Das verbietet ein Anknüpfen an (unsichere) prognostische Zielgrößen, wie dies für die Entscheidungsneutralität erforderlich ist. Es lässt sich noch ein weiterer ganz zentraler Unterschied zwischen beiden Grundsätzen finden: Entspricht eine Besteuerung nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip, dann bedeutet dies nicht zugleich, dass dieses Prinzip für die weitere verfassungsrechtliche Überprüfung unbeachtlich sein muss. Ist in diesen Fällen nämlich auf andere Rechtfertigungsgründe abzustellen, dann kann gleichwohl das Maß der Abweichung von einer leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Abwägung Berücksichtigung finden. Je größer nämlich die Abweichung der Steuerbelastung eines Steuergesetzes von der (eigentlich) gebotenen leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung ist, desto gewichtiger müssen die im Rahmen der Gleichheitsprüfung zu berücksichtigenden (anderen) Rechtfertigungsgründe sein. Durch das Kriterium der Leistungsfähigkeit ist es demnach möglich, Quantifizierungselemente in der verfassungsrechtlichen Abwägung zu berücksichtigen. Nimmt man hingegen den Grundsatz der Entscheidungsneutralität als maßgebliche Steuerverteilungsregel, ist dies nicht möglich. Neutralität be138 139 140

Wagner, StuW 1992, S. 7. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 115. Wagner, StuW 1992, S. 5.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

ansprucht Absolutheit, Abstufungen einer Neutralität kann es denknotwendigerweise nicht geben. Letztlich stellt sich auch die Frage, ob das Gebot der Steuergerechtigkeit nicht einer entscheidungsneutralen Besteuerung sogar zuwiderläuft141. Aber auch wenn man diese Frage unbeantwortet lässt, kann aus den oben genannten Gründen das Kriterium der Entscheidungsneutralität im Rahmen von Art. 3 GG keinen tauglichen Steuerverteilungsmaßstab darstellen142. Die genannten Unterschiede verdeutlichen zugleich, dass Leistungsfähigkeit und Entscheidungsneutralität nicht gleichgesetzt werden können. Beide bezeichnen unterschiedliche Größen. c) Zur Kritik des Leistungsfähigkeitsprinzips als fundamentaler Wertungsmaßstab des Steuerrechts Wenngleich das Leistungsfähigkeitsprinzip von der herrschenden Meinung143 in der Literatur als das Fundamentalprinzip jedenfalls der Einkommensbesteuerung aufgefasst wird, stehen ihm auch ablehnende Stimmen gegenüber. Leisner144 kritisiert das Leistungsfähigkeitsprinzip als politisches Instrument mit sozialistischer Zielrichtung, das, auf Egalisierung und Nivellierung ausgerichtet, den Leistungswillen und die Freiheit des Einzelnen beschneide. Es sei ein „Ausdruck echter Machtbrutalität“, und nicht die „zentrale Steuerlegitimation“, als die es entwickelt worden sei145. Insbesondere aus finanzwissenschaftlicher Sicht wird bemängelt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip zu einer inhaltsleeren und formalen Norm degeneriert sei, die sich nur noch wegen ihrer beliebigen Interpretierbarkeit als kleinster gemeinsamer Nenner unterschiedlicher steuerpolitischer Auffassungen großer Beliebtheit erfreue146. Des Weiteren basiere das Leistungsfähigkeitsprinzip auf der sog. Opfertheorie147. Deren Hypothesen seien aber unhaltbar und inkonsistent148. Haase in FS-Rose, S. 251. Zur Frage, ob das Kriterium der Entscheidungsneutralität als Rechtfertigungsgrund im Rahmen von Art. 3 I GG in Frage kommt, siehe Achter Teil, B. II. 5. 143 Grundlegend hierzu Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip; vgl. auch Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 13 ff.; Osterloh, EuGRZ 2002, S. 311; Jachmann, StuW 2000, S. 239. 144 Leisner, StuW 1983, S. 97 ff. 145 Leisner, StuW 1983, S. 97. 146 Littmann in FS-Neumark, S. 113 ff. 147 Die Opfertheorie wurde von Jean Jacques Rousseau 1755 in seinem Werk „Discours sur l’économie politique“ entworfen. Er zeigte auf, dass die Steuer nach der Größe des Vermögens abgestuft sein müsse; je größer das Vermögen sei, desto entbehrlicher werde es für die Befriedigung der Lebensbedürfnisse. Die Einkommensteuer wird also als ein im Verhältnis zu den Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung auferlegtes Opfer verstanden. Auf diesem Gedanken beruht die Steuerfreiheit des Existenzminimums und das Progressionsprinzip, vgl. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs, Rdnr. 537. 141 142

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Auch in jüngster Zeit wurde das Leistungsfähigkeitsprinzip als tauglicher Maßstab für Steuerrechtsnormen in Zweifel gezogen149. Gassner und Lang machen geltend, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als „vage Ausformung eines allgemeinen Gerechtigkeitsgrundsatzes“ im Steuerrecht keinen Platz haben dürfe und für die steuerpolitische Diskussion wertlos sei150. Gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip spreche seine Unbestimmtheit. Rechtspolitische Fragen dürften nicht mit „schwammigen Gerechtigkeitsüberlegungen mit Hilfe des Leistungsfähigkeitsprinzips“ angegangen werden. Man müsse vielmehr mit offenen Argumenten um die Weiterentwicklung des inneren Systems und dessen Umbau bemüht sein151. Dass das Leistungsfähigkeitsprinzip zu unbestimmt sei, um daraus konkrete Schlüsse ziehen zu können, wurde bereits früher u. a. auch von der früheren Rechtsprechung kritisiert152, wenngleich dies nicht bei allen Kritikern zur Forderung geführt hat, auf dieses Steuerverteilungssystem ganz zu verzichten153. Den Kritikern ist zuzugeben, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip begrifflich wenig bestimmt ist. Hierin unterscheidet es sich jedoch nicht von anderen Prinzipien, wie beispielsweise den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Rechtssicherheit oder dem Grundsatz von Treu und Glauben. In der Unbestimmtheit liegt vielmehr ein Wesenselement eines jeden Prinzips154. Letztlich könnte diese Kritik auch gegen die einzelnen Grundrechte eingewandt werden. Die Kritiker lassen weiterhin die Frage unbeantwortet, welches Kriterium sie statt dessen für die Frage der Steuerlastverteilung als gerechtfertigt erachten. Da diese Auffassung auch nicht zu erklären vermag, auf welcher Grundlage ein Verstoß gegen Art. 3 I GG im Falle einer belastungsungleichen Besteuerung festgestellt werden soll, ist sie abzulehnen. d) Anwendungsbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips aa) Bezogen auf einzelne Steuerarten Wenn somit an der grundsätzlichen Berechtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips in der Rechtsordnung keine Zweifel bestehen können, stellt sich nunmehr die Frage nach seiner näheren Ausgestaltung und seinem Anwendungsbereich. Vgl. Littmann in FS-Neumark, S. 126 ff. Gassner / Lang, 14. Österreichischer Juristentag, 2000, S. 121; Gassner / Lang, ÖStZ 2000, S. 643 f. 150 Gassner / Lang, 14. Österreichischer Juristentag, 2000, S. 120. 151 Gassner / Lang, 14. Österreichischer Juristentag, 2000, S. 118. 152 BVerfGE 43, 108 (120). 153 So bspw. Littmann in FS-Neumark, S. 113 ff. 154 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 492; Vogel, DStZ 1975, S. 410 ff., bezeichnet das Leistungsfähigkeitsprinzip insoweit als „notwendige Konkretisierungsstufe“, die zwar nicht den Konkretisierungsgrad eines Rechtssatzes habe, aber dennoch verbindlich sei. 148 149

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Ungeachtet der später zu untersuchenden Frage, welcher Entscheidungsfreiraum dem Gesetzgeber dabei konkret zukommt, besteht in Literatur und Rechtsprechung weitestgehend Einigkeit darüber, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip bei den direkten Steuern und insbesondere der Einkommensteuer jedenfalls grundsätzlich zur Anwendung kommen muss. Umstritten ist allerdings, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip auch außerhalb des Bereiches der direkten Steuern maßgebend sein soll. Streitig ist dabei im Schrifttum insbesondere, ob die Umsatzsteuer dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu entsprechen hat. Auch wenn die indirekten Steuern nicht im Vordergrund dieser Arbeit stehen, soll dieser Streit der Vollständigkeit halber nicht völlig ausgeblendet werden, da die Umsatzsteuer als typische Konsumsteuer des geltenden Steuerrechts angesehen werden kann. Nach Auffassung von Kirchhof ist das Leistungsfähigkeitsprinzip auf die indirekte Besteuerung durch die Umsatzsteuer nicht anwendbar155. Maßstab für die indirekten Steuern sei die „Wettbewerbsneutralität“ 156. Das Leistungsfähigkeitsprinzip hingegen frage danach, über welche Zahlungsfähigkeit der einzelne aufgrund seiner individuellen Verhältnisse verfüge. Daher könne es nur für Steuern gelten, die auf die persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Bedarfsverhältnisse abgestimmt seien. Die indirekte Besteuerung knüpfe aber nicht unmittelbar hieran, sondern an die durch die Nachfrage vermutete Kaufkraft an. Auch diejenigen, die das Leistungsfähigkeitsprinzip gleichfalls auf die Umsatzsteuer anwenden wollen, stimmen Kirchhof insoweit zu, als die in der indirekten Umsatzsteuer zum Ausdruck kommende Konsumnachfrage allenfalls einen pauschalen und grob typisierenden Rückschluss auf die persönliche Zahlungsfähigkeit zulasse157. Trotzdem sei das Leistungsfähigkeitsprinzip auch hier anwendbar. Argumentiert wird dabei zum einen damit, dass der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet sei, dieses Prinzip mit dem geeignetsten Mittel, nämlich der Einkommensteuer, zu verwirklichen. Vielmehr habe er insoweit einen Freiraum. Diesen Gestaltungsspielraum könne er aber auch mit Steuern ausfüllen, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht optimal entsprechen, wenn sie sich denn grundsätzlich mit ihm vereinbaren ließen158. Weiterhin wird argumentiert, dass der Umsatzsteuer unter Gerechtigkeitsaspekten eine Ergänzungsfunktion zur Einkommensteuer zukomme. So würden durch die Umsatzsteuer auch solche Einkünfte erfasst, die andernfalls überhaupt nicht besteuert würden159. 155 Zu den Argumenten im Folgenden siehe Kirchhof, StuW 2000, S. 326 f., sowie Kirchhof, StuW 1984, S. 305 ff. 156 Kirchhof, StuW 1984, S. 305. 157 Birk in Kirchhof / Neumann, S. 67, führt in diesem Zusammenhang aus, dass derjenige, der sich einen großen Sportwagen kaufe, wohl ausnahmslos zu einer vermögenden Bevölkerungsschicht gehören werde, während jedoch derjenige, der sich in größerem Umfange „normale“ Konsumgüter kaufe, deshalb nicht vermögend sein müsse. 158 Vgl. Reiß, DStJG 13 (1990), S. 13.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Birk weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die zuletzt genannten Argumente zu einer Relativierung des Leistungsfähigkeitsprinzips führten160. Dies sei jedoch nicht „beklagenswert“. Vielmehr zeige sich, dass kein Verfassungsprinzip „Absolutheitsanspruch“ erheben dürfe, sondern „im Lichte anderer verfassungsrechtlicher Zielvorstellungen relativiert und optimiert“ werden müsse. Auch wenn es „beachtliche finanzpolitische, aber auch verfassungsrechtliche“ Gründe für die Umsatzsteuer gebe, spricht sich Birk dennoch dafür aus, der Umsatzsteuer neben der direkten Einkommensteuer nur eine ergänzende Funktion zuzubilligen161. Das BVerfG hat zwar – wie eben gezeigt – ausgeführt, dass „jedenfalls“ die direkten Steuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden müssten162. Ausdrücklich abgelehnt hat es eine Anwendung im Bereich der Umsatzsteuern allerdings bislang noch nicht. Aus den aus Art. 3 GG abzuleitenden Grundsätzen der Lastengerechtigkeit und der Lastengleichheit im Belastungserfolg ergibt sich, dass die verschiedenen Steuerarten nicht ein beziehungsloses Nebeneinander darstellen können. Vielmehr müssen sie ein System bilden, das eine innere, möglichst homogene Gesamtstruktur aufweist163. Insofern sprechen gute Gründe dafür, Unzulänglichkeiten der direkten Besteuerung (in Bezug auf den tatsächlichen Belastungserfolg) im Sinne einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Umsatzsteuer auszugleichen. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand, eine Änderung des Steuersystems hin zu einer direkten, konsumorientierten Besteuerung kann aber letztlich offen bleiben, ob die indirekte Umsatzsteuer – isoliert betrachtet – dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht. Entscheidend ist insoweit, dass sich das Steuersystem in seiner Gesamtstruktur am Leistungsfähigkeitsprinzip orientiert. Dies bedeutet, dass sich jedenfalls der Schwerpunkt der Besteuerung, in Form der direkten Steuern, hieran zu orientieren hat, zumal die direkten Steuern unmittelbar an die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen anknüpfen. Ob den indirekten Steuern wie der Umsatzsteuer daneben eine Ergänzungs- oder Korrekturfunktion zukommen kann, soll hier nicht weiter vertieft werden. Da sich die Rechtfertigung der Besteuerung aus dem Gebot der Belastungsgleichheit ergibt, darf indes bezweifelt werden, dass sich der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung dadurch entziehen könnte, dass er den 159 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 986 f., nennt hier unter anderem Lotterieund Spielbankgewinne, außerhalb der Spekulationsfrist erzielte Spekulationsgewinne sowie „schwarz“ erzielte Einkünfte; vgl. auch Pelka in FS-Tipke, S. 252 ff. 160 Zur Argumentation im Folgenden siehe Birk in Kirchhof / Neumann, S. 68. 161 Birk in Kirchhof / Neumann, S. 68; vgl. auch Birk, StuW 1989, S. 214, im existenzsichernden Bereich sei der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip umso gravierender, je höher der Steuersatz der indirekten Steuern sei. Der Gesetzgeber könne diese ungleiche Belastung teilweise und nur typisierend durch Transferleistungen ausgleichen. 162 BVerfG, NJW 1996, S. 2089. 163 Birk, StuW 1989, S. 214.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Schwerpunkt der Besteuerung deutlich auf die indirekte Besteuerung verlagert oder sogar völlig auf die direkte Besteuerung verzichtet. bb) Nach der Unterscheidung Fiskal- / Sozialzwecknormen In der Literatur wird die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips bisweilen davon abhängig gemacht, ob es sich bei der jeweiligen Norm um eine sog. Fiskalzwecknorm oder um eine Sozialzweck- bzw. Lenkungsnorm handelt, bei welcher das Leistungsfähigkeitsprinzip a priori nicht anwendbar sein soll164. Unter Fiskalzwecknormen werden dabei diejenigen Normen verstanden, die primär dazu dienen, den notwendigen Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte zu decken (Primärfunktion)165. Zwar haben auch Fiskalzwecknormen wirtschaftliche und soziale Auswirkungen (Nebenwirkungen), diese werden aber nicht primär bezweckt166. Im Gegensatz zu den Fiskalzwecknormen zielt der Gesetzgeber bei den sog. Sozialzweck- bzw. Lenkungsnormen auf den Eintritt bestimmter Gestaltungswirkungen167. In der Literatur wird vertreten, dass es im Falle der Lenkungsnormen, die aufgrund der beabsichtigten Lenkungswirkung erkennbar vom Prinzip der gerechten Lastenverteilung abwichen, nicht sachgerecht sei, diese am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen168. Nach Tipke169 sollen diese Normen statt dessen am Bedürfnis- oder am Verdienstprinzip ausgerichtet werden, wobei das Bedürfnisprinzip auf das (vor allem wirtschaftliche) Bedürfnis170 des Steuerpflichtigen abstellt, während das Verdienstprinzip besondere Verdienste belohnen will. Gegen eine Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei diesen Normen spricht, dass die Steuerverteilung in diesen Fällen oftmals erkennbar nicht den unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten entspricht. Daraus lässt sich aber noch nicht Tipke, StuW 1994, S. 59. Da es dem Gesetzgeber bei den Fiskalzwecknormen um die Verteilung der Belastungswirkungen geht, die bei der Auferlegung der Steuern entstehen, werden die Fiskalzwecknormen auch Lastenausteilungsnormen genannt, vgl. Vogel, StuW 1977, S. 99. 166 Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 20. 167 Birk, Steuerrecht, Rdnr. 169; Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 21, unterscheidet innerhalb der Gruppe der Sozialzwecknormen nochmals die Untergruppen der Lenkungsnormen, bei welchen ein bestimmtes Gemeinwohlverhalten durch gezielte Steuerentlastung bzw. -belastung stimuliert wird, und die Umverteilungsnormen, durch die eine Wohlstandskorrektur erreicht werden soll. Da gemeinhin jedoch nur in Fiskalzwecknormen und Lenkungsnormen unterschieden wird, soll auf diese Differenzierung von Lang hier nicht näher eingegangen werden. Bekanntestes Beispiel für Lenkungssteuern sind im Übrigen wohl die sog. Ökosteuern, durch welche der Umweltschutz gestärkt werden soll. 168 Tipke, StuW 1994, S. 59. 169 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 530; a. A. bspw. Lang in FS-Kruse, S. 324. 170 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 530, bezeichnet das wirtschaftliche Bedürfnis als negative wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. 164 165

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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zugleich ableiten, dass deshalb auch das Leistungsfähigkeitsprinzip bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung gänzlich auszuschalten ist. Es ist das Verdienst Birks171, über die Unterscheidung von Lastenausteilungszweck und Lenkungszweck den Zusammenhang zwischen Gestaltungswirkung und Belastungswirkung herausgearbeitet zu haben. Birk unterscheidet dabei Lastenausteilungsnormen (Fiskalzwecknormen) und Lenkungsnormen nicht nach ihrem Zweck, sondern spaltet die Normen in ihre faktischen unterschiedlichen Besteuerungswirkungen auf172. Bei dieser Prüfung sind nun zunächst die Belastungswirkungen einer Steuerbelastung anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips als Ausprägung des Gleichheitssatzes und damit an Art. 3 I GG zu messen, während die Gestaltungswirkungen eines konkreten Steuergesetzes am verfassungsrechtlichen Maßstab der Freiheitsrechte, Art. 12 GG und Art. 14 GG zu überprüfen sind. Ergebe sich in dieser verfassungsrechtlichen Überprüfung, dass sowohl die Belastungswirkungen als auch die Gestaltungswirkungen dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab entsprechen, dann sei die Norm verfassungsgemäß. Widerspreche die zu überprüfende Norm beiden Maßstabsnormen, dann sei sie verfassungswidrig. Problematisch seien nun die Normen, bei welchen die Belastungswirkung nicht den lastenausteilenden Verfassungsnormen, also der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprechen, während die damit verfolgten Gestaltungswirkungen verfassungskonform sind. Voraussetzung dafür, dass auch eine solche Konstellation insgesamt verfassungsgemäß ist, ist nach Birk, dass der Gestaltungszweck auf ein Ziel gerichtet ist, dessen Verwirklichung die Verfassung nicht nur toleriert, sondern „entweder gebietet oder ( . . . ) zumindest für „förderungswürdig“ hält“173. Liege ein solcher Gestaltungszweck vor, dann sei im Rahmen einer Abwägung festzustellen, ob das Gestaltungsziel den Verstoß gegen den Gleichheitssatz rechtfertige174. Nach Birk erfolgt diese Abwägung in drei Schritten175: Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, insbes. S. 232 ff. Siehe zum Folgenden Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 233 ff. 173 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 245. 174 Vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 241. Die Ausführungen von Birk sind in diesem Zusammenhang sehr verkürzt wiedergegeben. Bevor Birk zur Abwägung gelangt, stellt er zunächst die Frage, ob dem Gesetzgeber eine „verteilungsgerechte Regelungsalternative“ offengestanden hätte, bei welcher der Gestaltungszweck auch ohne einen Verstoß auf der Belastungsseite erreichbar wäre; v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 337, spricht insoweit von „lastengleichen Lenkungssteuern“, im Unterschied zu „partikularen Lenkungssteuern“. Weiterhin ist nach Birk vorrangig zu überprüfen, ob die Lenkungsnorm so ausgestaltet ist, dass die Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips möglichst gering gehalten wurde, also der Weg der geringsten Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips gegangen wurde, Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 243 f. 175 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 245. 171 172

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Im ersten Schritt sei die verfassungsrechtliche Relevanz der bezweckten Gestaltungswirkung festzustellen. Danach sei zu untersuchen, wie intensiv die Belastung vom Verteilungsmaßstab, der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, abweicht. Schließlich sei bei der Abwägung im engeren Sinne zu entscheiden, ob die verfassungsrechtliche Relevanz der bezweckten Gestaltungswirkung im konkreten Fall den Umfang der Abweichung vom Verteilungsmaßstab rechtfertigt. Für Birks Auffassung eines umfassend geltenden Leistungsfähigkeitsprinzips spricht zunächst, dass hierdurch die oftmals schwierige Abgrenzung zwischen Lastenausteilungsnorm (Fiskalzwecknorm) auf der einen und Lenkungsnorm (Sozialzwecknorm) auf der anderen Seite entfällt. Steuernormen beinhalten nämlich vielfach neben ihrem Hauptzweck der Einnahmenerzielung auch (mehr oder weniger deutlich zum Vorschein tretende) lenkende Nebenzwecke. Würde nun bereits das Vorliegen eines untergeordneten Zweckes ausreichen, um aus einer Fiskalzwecknorm eine Lenkungsnorm zu machen, wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip nach der Gegenauffassung in vielen Fällen bedeutungslos. Wollte man das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich nur auf Fiskalzwecknormen anwenden, dann stellte sich zudem die schwierige Abgrenzungsfrage, ob im konkreten Fall tatsächlich ein Zweck oder nur eine (unbeabsichtigte) Folge vorliegt. Begreift man das Leistungsfähigkeitsprinzip als umfassenden Lastenverteilungsmaßstab, dann hätte nach der Gegenauffassung das Vorliegen (irgend-)eines Zweckes zudem die erstaunliche Auswirkung, dass sich der Steuergesetzgeber allein hierdurch diesem Maßstab entziehen könnte. Das alternativ vorgeschlagene Verdienstprinzip wie auch das Bedürfnisprinzip sind demgegenüber gerade in den Fällen eines nebengeordneten Zwecks kaum handhabbar, da regelmäßig weder das jeweilige Bedürfnis noch der Verdienst quantifizierbar sind. Letztlich spricht aber ein weiterer entscheidender Punkt für die umfassende Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Durch das grundsätzliche Abstellen auf die Leistungsfähigkeit als Vergleichmaßstab wird eine sachgerechte Überprüfung auch von Lenkungsnormen am Maßstab des Art. 3 GG überhaupt erst ermöglicht. Insbesondere vor der hier vertretenen Auffassung entsprechend den oben dargestellten Ausführungen, wonach eine Prüfung der direkten Steuern am Maßstab des Art. 3 GG nach der sog. „neuen Formel“ und demnach unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu erfolgen hat, ist es unentbehrlich, den Unterschied in der Behandlung gerade bei den sog. Lenkungsnormen mit Hilfe des Leistungsfähigkeitsprinzips quantifizierbar zu machen. Nur so ist es möglich, den rechtfertigenden Grund der Ungleichbehandlung und das hierbei in Kauf genommene Ausmaß verhältnismäßig in Beziehung setzen zu können. Verzichtete man auf diesen Vergleichsmaßstab, dann wären zahlreiche Gesetze nicht mehr am für das Steuerrecht wohl bedeutendsten Maßstab des Art. 3 GG zu überprüfen. Damit würde die verfassungsrechtliche Normenkontrolle im Bereich des Steuerrechts zu einem großen Teil leer laufen.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Da auf der anderen Seite der Gesetzgeber auch die Möglichkeit der (insbesondere wirtschaftspolitischen) Einflussnahme haben muss, wird durch das von Birk vorgeschlagene Vorgehen im Sinne praktischer Konkordanz ein optimaler Ausgleich der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuergesetzgebung erreicht. Dass die Besteuerung im Falle der Lenkungssteuern nicht der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspricht, bedeutet – wie oben gezeigt – nicht, dass dieses Prinzip als grundsätzliche Wertentscheidung aus der verfassungsrechtlichen Betrachtung ausscheidet. Indem das Maß der Abweichung von der grundsätzlich geforderten Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in die Abwägung einfließt, zeigt sich, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in diesen Fällen nur scheinbar keine Bedeutung mehr besitzt. Aus den genannten Gründen ist daher das Leistungsfähigkeitsprinzip auch bei Lenkungs- bzw. Sozialzwecknormen anwendbar. cc) Das Unternehmen als Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit Für die verfassungsrechtliche Überprüfung der Besteuerung von Unternehmen stellt sich zunächst die Frage, ob diese überhaupt eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit besitzen. Entsprechend der im Vierten Teil dieser Arbeit gemachten Vorgaben soll dabei unter dem Begriff Unternehmen die wirtschaftliche Funktionseinheit verstanden werden, mittels derer Gewinneinkünfte erzielt werden. Im Blickpunkt der Untersuchung soll jedoch zunächst der in der Literatur bestehende Streit stehen, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip auch auf juristische Personen anwendbar ist176. Auch wenn nach wohl h. M. Art. 3 GG ebenso wie Art. 12 u. 14 GG gem. Art. 19 III GG auch auf juristische Personen (und entsprechend auch auf Personengesellschaften) grundsätzlich anwendbar ist, heißt dies nicht zugleich, dass dies auch für das Leistungsfähigkeitsprinzip gilt. (1) Ablehnende Ansicht Nach einem eher traditionellen Verständnis ist dieses Prinzip nämlich auf die progressive Besteuerung natürlicher Personen begrenzt177. Eine Kapitalgesellschaft habe als solche keine über die Leistungsfähigkeit ihrer Eigentümer hinausgehende eigene, durch das Leistungsfähigkeitsprinzip geschützte Kraft178. Als Vgl. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 16 ff., m. w. N. Vgl. Schneider, StuW 1975, S. 100 ff.; Haller, Die Steuern, S. 184 ff. 178 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, S. 103 ff.; Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, FN 1644. 176 177

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Konkretisierung der gesetzgeberischen Verpflichtung aus Art. 3 GG, Steuergerechtigkeit herzustellen, sei das Leistungsfähigkeitsprinzip auf die Besteuerung der natürlichen Person ausgerichtet179. Auch aus Art. 19 III GG, wonach sich inländische juristische Personen auf Grundrechte berufen können, ergebe sich nichts anderes, da das Leistungsfähigkeitsprinzip sich „seinem Wesen nach“ nur auf die natürliche Person beziehe180. Das Leistungsfähigkeitsprinzip berücksichtige nämlich persönliche Verhältnisse wie Existenzminimum, Unterhaltsverpflichtungen etc.. Diese gebe es aber in einem Unternehmen naturgemäß nicht181. Ausgehend von der Auffassung, dass als Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit das in einem Reinvermögenszugang inkorporierte Einkommen gesehen wird, wird eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit von juristischen Personen mit dem Argument abgelehnt, dass nach wirtschaftswissenschaftlichem Verständnis nur natürliche Personen „Einkommen“ erzielen könnten. Organisationen brächten vielmehr „Ertrag“ hervor182. Die juristische Person existiere nicht um ihrer selbst willen, sondern als Instrument zur Verfolgung der wirtschaftlichen Interessen natürlicher Personen. Daher sei die These von der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit juristischer Personen ökonomisch unhaltbar183. Gegen die Leistungsfähigkeit juristischer Personen argumentierte – aus opfertheoretischem Blickwinkel – auch die Steuerreformkommission von 1971184. Sehe man die Auferlegung von Steuern als Opfer des Einzelnen, dann verlange die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ein von allen Beteiligten gerechtes Opfer. Ein Opfer erfordere eine Einbuße an Bedürfnisbefriedigung. Dieses könne aber begrifflich nur von natürlichen Personen erbracht werden, da diese einen persönlichen Bedarf zu befriedigen hätten. Bei juristischen Personen sei ein solches Opfer nicht denkbar. Das Opferprinzip sei deshalb bei nicht physischen Personen nicht anwendbar185. Als weiteres Argument gegen eine Leistungsfähigkeit von Unternehmen wird geltend gemacht, dass die Zurechnung steuerlicher Leistungsfähigkeit dazu diene, die Steuer als Gemeinlast auf die (staatliche) Allgemeinheit zu verteilen. Da die Mitglieder dieser staatlichen Gemeinschaft die Staatsangehörigen sind, spreche dies ebenfalls dafür, nur natürliche Personen als Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit anzuerkennen186.

179 180 181 182 183 184 185 186

Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 55. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 55. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 55. Schneider, Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II, S. 544. Hey, DStJG Sonderband (2001), S. 14. BMF-Schriftenreihe Heft 17 (1971), S. 306. Im Ergebnis ähnlich auch Knobbe-Keuk, DB 1989, S. 1306 ff. Vgl. Bach, StuW 1991, S. 127.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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(2) Gegenauffassung Die Gegenmeinung sieht im Leistungsfähigkeitsprinzip einen das gesamte Steuerrecht umfassenden Maßstab, der auch bei juristischen Personen Anwendung finden solle187. So versteht Tipke188 das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht eng personenbezogen189, sondern als Fähigkeit, Steuern aus dem Gewinn oder dem Einkommen leisten zu können, weshalb auch juristische Personen leistungsfähig seien. Pezzer190 führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Frage der Leistungsfähigkeit von Organisationen letztlich nicht nur eine Folge der formalrechtlichen Eigenschaft als juristische Person, sondern insbesondere auch der tatsächlichen wirtschaftlichen Verselbständigung der Körperschaft sei. Juristische Personen seien in ihrer Existenz von den hinter ihnen stehenden Personen unabhängig und könnten unter ihrem Namen Vermögen erwerben, weshalb die zivilrechtlichen Vorgaben auch die wirtschaftlichen Sachverhalte prägten. An diese knüpfe aber auch die Besteuerung an191. Die juristische Person stelle einen eigenständigen, im Wettbewerb tätigen Organismus dar192. Dies rechtfertige es, das Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit als Ausdruck von steuerlicher Leistungsfähigkeit zu verstehen – wie dies auch bei natürlichen Personen geschehe193. Es sei zwar zuzugestehen, dass eine Körperschaft in dem vorgenannten Sinne keine subjektive Leistungsfähigkeit besitze. Da Kapitalgesellschaften aber als rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Glieder des Wirtschaftsverkehrs Wertschöpfung erzielten, erlangten diese eine objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit194. Jachmann195 führt in diesem Zusammenhang weiter aus, dass die Ertragsbesteuerung auf privatwirtschaftlich erzielte Erträge zugreife, die durch Wahrnehmung der in Art. 12 und 14 GG gewährleisteten Freiheiten erlangt würden. Die Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 59. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 1172 ff. 189 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 1172, bezieht sich dabei auf Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 132 ff., der zwischen „individuell-persönlicher“ und „sachlich-generischer Leistungsfähigkeit“ unterscheidet. 190 Pezzer, DStJG 20 (1997), S. 13. 191 Pezzer, DStJG 20 (1997), S. 13. 192 So die Begründung zum Entwurf des KStG 1977, BT-Drucks. 7 / 1470, S. 326. 193 Pezzer, DStJG 20 (1997), S. 13; Wendt weist darauf hin, dass auch das Körperschaftsteuerrecht die Frage nach der Leistungsfähigkeit der juristischen Person in positivem Sinne beantwortet, indem diese eindeutig eine Personen- und nicht eine Objektsteuer darstelle. Dass die Einkommensteuer der juristischen Person zuzurechnen und nicht bloße Vorauszahlung auf die Einkommensteuer der Anteilseigner sei, zeige, dass Einkommensteuer und Körperschaftsteuer unmittelbar vergleichbar seien, so Wendt in FS-Friauf, S. 869 ff. 194 Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 17. 195 Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 17. 187 188

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Zurechnung der so abgeschöpften Leistungsfähigkeit müsse wegen der wertsetzenden Bedeutung der Freiheitsgrundrechte für die Gleichheitsbeurteilung der Ertragszurechnung nach Maßgabe der Art. 12 GG und 14 i.V.m. Art. 19 III GG erfolgen196. Danach seien die Erträge, die eine Gesellschaft im Rechtsverkehr in Ausübung ihrer wirtschaftsrechtlichen Freiheit erziele, dieser zuzurechnen. Dies bedeute, dass der gleiche wirtschaftliche Sachverhalt einer Schöpfung von Leistungsfähigkeit, im einen Fall von einer natürlichen, im anderen Fall von einer juristischen Person verwirklicht, zur gleichen objektiven Steuerbelastung führen müsse197. Gegen das Argument, nur natürliche Personen könnten Opfer erbringen, weshalb es an der „Opferfähigkeit“ und damit auch an der selbständigen Leistungsfähigkeit von Organisationen fehle, wird Kritik hinsichtlich der hierfür erforderlichen Gleichsetzung von Opferfähigkeit und Leistungsfähigkeit geübt198. Definiere man Opfer im Sinne einer „Einbuße an Bedürfnisbefriedigung“, dann könnten Opfer nicht von Unternehmen erbracht werden. Diese Kausalkette immunisiere aber individualistisch verkürzt das Leistungsfähigkeitsprinzip gegen andere nicht am Opfer angelehnte Deutungen199. Gegen das Opferprinzip selbst wird unter anderem geltend gemacht, dass dieses auf einer nicht unbestrittenen hypothetischen Grenznutzenkurve des Steuerpflichtigen beruhe, weshalb die von den politischen Entscheidungsträgern vorzunehmende „normative Nutzeneinschätzung“ nicht einer gewissen Willkür entbehre200. Daher sei der Opfergedanke als alleinige Argumentationsgrundlage gegen eine Übertragbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips auf Unternehmen untauglich. Selbst wenn man die Opfertheorie (nur) bei natürlichen Personen für anwendbar halte, führe der Befund, dass diese auf Unternehmensebene zweifellos nicht passe, nur zu dem Schluss, dass die Opfertheorie kein allgemeingültiges, axiomatisches Prinzip ist, und für die Unternehmensbesteuerung außer Acht gelassen werden müsse201. Für die Unternehmensbesteuerung sei dann auf den erwirtschafteten Unternehmenszuwachs (Ertrag), also eine unternehmensbezogene Leistungsfähigkeit abzustellen, die von der Individualität des Eigners abstrahiere202. Ähnlich argumentiert auch Schredelseker, der ausführt, dass sich die heutige Finanzwirtschaft von einer utilitaristisch-individualistischen Steuerrechtfertigungs196 Dass eine Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips auch aus grundrechtsdogmatischen Gründen erforderlich sei, wird – allerdings ohne nähere Begründung – auch von Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 319, vertreten. 197 Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 17 f.; vgl. auch Wendt in FS-Friauf, S. 869. 198 Vgl. Schipporeit, StuW 1980, S. 196. 199 Vgl. Schipporeit, StuW 1980, S. 196. 200 Vgl. Schipporeit, StuW 1980, S. 196. 201 Vgl. Lang in FS-Schneider, S. 415. 202 Vgl. Schipporeit, StuW 1980, S. 196.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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lehre gelöst habe und zu einer pragmatischeren Ausfüllung des Begriffs Leistungsfähigkeit gelangt sei203. Der Begriff der Leistungsfähigkeit orientiere sich an den jeweils geltenden Gerechtigkeitsvorstellungen. Dabei hätten sowohl Haushalts- wie Unternehmensbesteuerung in diesem System ihren angestammten Platz204. (3) Stellungnahme Die Gegner einer Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf Körperschaften lassen die Frage unbeantwortet, nach welchem Verteilungsmaßstab Kapitalgesellschaften statt dessen zu besteuern sein sollten. Dass auch im Rahmen der Körperschaftsbesteuerung ein i. S. v. Art. 3 GG verfassungsmäßiger (gerechter) Vergleichsmaßstab benötigt wird, kann dabei nicht wirklich in Frage stehen. Wer im Leistungsfähigkeitsprinzip zu Recht einen das Steuerrecht umfassend beherrschenden Maßstab erkennt205, der kommt nicht umhin, diesen Maßstab auch auf die Besteuerung juristischer Personen anzuwenden. Dieser Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips widerspräche es, ließe man ihn bei Körperschaften leer laufen206. Ausgehend von Art. 19 III GG, der den Grundrechten und somit auch dem aus Art. 3 GG unmittelbar folgenden Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch bei juristischen Personen Geltung verschafft, muss dieser Maßstab auch bei Körperschaften anwendbar sein207. Gegen den opfertheoretischen Ansatz sprechen schon die bereits oben dargelegten Einwände. Gerade die Konsequenz eines opfertheoretischen Ansatzes, letztlich auf den Vergleichsmaßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips bei Körperschaften zu verzichten, zeigt eine weitere Schwäche dieser Theorie. Dies spricht aber nicht gegen die Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dass im Zusammenhang mit der Besteuerung juristischer Personen der Begriff der subjektiven Leistungsfähigkeit ohne Bedeutung ist, widerspricht einer Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als solchem ebenfalls nicht. Selbstverständlich hat eine GmbH kein Existenzminimum. Dies zeigt aber nur, dass ihre Leistungsfähigkeit bereits mit dem ersten Euro Gewinn gegeben sein kann, während dies bei natürlichen Personen eben nicht gilt. Räumt man dem Gesetzgeber einen gewissen Freiraum hinsichtlich der Bestimmung dessen ein, was unter dem Begriff der Leistungsfähigkeit zu verstehen ist208, dann ist es insoweit nur konsequent, bei der Festlegung der Kriterien hierfür danach zu unterscheiden, ob es Schredelseker, StuW 1975, S. 325. Schredelseker, StuW 1975, S. 325. 205 Lang, DStJG 24 (2001), S. 59. 206 Vgl. Lang, DStJG 24 (2001), S. 59. 207 Dass Art. 3 I GG seinem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar ist, dürfte weitestgehend unstreitig sein, vgl. Jarass in Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 5. 208 Die Indikatoren der Leistungsfähigkeit werden nachfolgend (Achter Teil, A. III.) noch genauer zu untersuchen sein. 203 204

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

sich um eine natürliche oder um eine juristische Person handelt. Aus der personenbezogenen Wahl der Leistungsfähigkeitsindikatoren kann jedoch kein Argument gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip insgesamt abgeleitet werden. Dieselbe Problematik der Wahl dieser Indikatoren ergibt sich nämlich bei der Ausgestaltung der Steuergesetze auch im Verhältnis natürlicher Personen untereinander. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist daher auch auf juristische Personen anwendbar. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob diese Argumentation auch für teilrechtsfähige Unternehmen, die keine juristischen Personen sind, zur Anwendung kommt. Ausgehend vom geltenden Steuerrecht, das über § 15 EStG die Einkünfte beispielsweise einer OHG den einzelnen Gesellschaftern zurechnet, sieht namentlich Lang209 eine eigene Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen verfassungsrechtlich nicht begründet210. Nur wenn das Unternehmen kraft seiner Rechtspersönlichkeit selbst Grundrechtsträger sei, könne es Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit sein. Bei Personengesellschaften gehöre deren objektive Leistungsfähigkeit zur Leistungsfähigkeit der natürlichen Personen als Unternehmensinhaber211. Sieht man die Hauptfunktion des Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Eigenschaft als Vergleichsmaßstab zur Schaffung steuerlicher Belastungsgleichheit, kann die Frage hier letztlich offen bleiben. So wird nämlich im Falle einer Personengesellschaft nach geltendem Recht (§ 15 EStG) zunächst der Ertrag, de facto also die Leistungsfähigkeit der Personengesellschaft als solcher bestimmt, um diesen Ertrag dann anschließend auf die Gesellschafter zu verteilen. Geht man nun den letzten Schritt wieder zurück, kommt man über die Addition der (einzelnen) Leistungsfähigkeiten der Gesellschafter zur Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Da ein Vergleichen der Leistungsfähigkeit verschiedener Unternehmen somit auch über den „Umweg“ der Zurechnung auf die jeweiligen Mitunternehmer möglich ist, kann insoweit dahinstehen, ob der Auffassung Langs als der dogmatisch besseren Lösung der Vorzug zu geben ist. Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch der Einfachheit halber unmittelbar auf die Leistungsfähigkeit aller Unternehmen – und damit auch der Personengesellschaften – abgestellt werden. dd) Leistungsfähigkeitsprinzip und Entscheidungsfreiraum des Gesetzgebers Nach Auffassung des BVerfG ist es Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, das Leistungsfähigkeitsprinzip zu konkretisieren212. Gleichzeitig hat das BVerfG betont, dass das Grundgesetz den Gesetzgeber nicht „zur reinen Ver209 210 211 212

Lang, DStJG 24 (2001), S. 59. A. A. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 18. Lang, DStJG 24 (2001), S. 59. So bspw. BVerfGE 89, 108 (117).

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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wirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“ verpflichte213. Der Gleichheitssatz billige dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum bei der Erschließung von Steuerquellen zu214. Dieser weitreichende Gestaltungsfreiraum stehe ihm hinsichtlich der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes zu215. Der Gesetzgeber verletze, wenn er eine bestimmte Steuerquelle erschließen wolle, eine andere hingegen nicht, den allgemeinen Gleichheitssatz solange nicht, „wie die Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen, insbesondere finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Gründen“ beruhe216. Andererseits werden nach der Rechtsprechung des BVerfG diesem weitreichenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich Auswahl des Steuergegenstandes und Bestimmung des Steuersatzes insoweit Grenzen gesetzt, als „unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit“ 217 umgesetzt werden müsse. Diese Ausführungen werfen die Frage auf, welche Grenzen das Leistungsfähigkeitsprinzip nach der Auffassung des BVerfG für die Besteuerung tatsächlich setzt. Insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber ein neues Steuersystem schafft, scheinen die Gestaltungsfreiräume nach dieser Auffassung sehr weit. Wäre aber der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes tatsächlich völlig frei, dann könnte er auch den Konsum als Steuerquelle wählen bzw. den Steuergegenstand als zinsbereinigtes Einkommen bestimmen, ohne dass er insoweit an das Leistungsfähigkeitsprinzip gebunden wäre. Dies müsste grundsätzlich selbst dann gelten, wenn eine solche Anknüpfung an den Konsum per se nicht leistungsfähigkeitsadäquat wäre. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit käme es demnach möglicherweise nicht darauf an, ob der Gesetzgeber bei der Wahl der Steuerquellen das Gebot der Leistungsfähigkeit beachtet hat. Vielmehr wäre entscheidend, ob er das zugrundeliegende Modell folgerichtig, also widerspruchslos umsetzt. Bei einem Paradigmenwechsel hin zu einer konsumorientierten Besteuerung wäre demnach möglicherweise nicht das dogmatische Grundkonzept Prüfungsgegenstand, sondern dessen „handwerkliche“ Umsetzung in den jeweiligen Einzelgesetzen nach dem Gebot der Folgerichtigkeit. Es stellt sich daher die Frage nach den Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraums. Auch in der Literatur wird bisweilen behauptet, der Gesetzgeber BVerfG, NJW 1983, S. 1843. BVerfGE 49, 343 (360); 50, 57 (77 ff.); 65, 325 (354); 74, 182 (200); 84, 239 (271); 93, 165 (177 ff.); BVerfG, NJW 1999, S. 2582. 215 BVerfG, NJW 1998, S. 3769. 216 BVerfG, WM 2002, S. 1502. 217 BVerfGE 84, 239 (271); 93, 121 (136); 99, 88 (95); 101, 132 (138); 101, 151 (155). 213 214

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

könne an beliebige Sachverhalte anknüpfen218. Das Kriterium der Steuererhebung sei nicht vorgezeichnet, dadurch unterscheide sich das Steuerrecht prinzipiell etwa vom Polizeirecht. Diese Ansicht, wonach dem Gesetzgeber insoweit völlige Gestaltungsfreiheit zukommt, ist jedoch auch auf Kritik gestoßen219. Der Staat greife durch die Steuer auf einen Teil des Vermögens des Steuerpflichtigen zu. Das Vermögen sichere aber die Existenz und somit auch die Entfaltung der Persönlichkeit und gewährleiste so in materieller Weise die Freiheitsrechte. Es sei mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar, wenn die Verfassung gerade in diesem Bereich dem „Gesetzgeber keine Zügel anlege“, indem er jeden nur erdenklichen Sachverhalt besteuern könne und einen anderen nicht. Dass das BVerfG dem Gesetzgeber jedoch in einem so weiten Sinne einen Freiraum einräumen möchte, darf indes bezweifelt werden. Zwar führt das BVerfG aus, dass es sich bei dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit um eng miteinander verbundene Leitlinien handelt220. Hieraus lässt sich aber schließen, dass beide Prinzipien nach Ansicht des BVerfG trotzdem eigenständig sind und daher das Leistungsfähigkeitsprinzip auch unabhängig vom Gebot der Folgerichtigkeit Bedeutung erlangen muss. In diesem Zusammenhang hebt das BVerfG zudem ausdrücklich hervor, dass beide Prinzipien die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpfe, „begrenzten“221. Mithin stellt das Leistungsfähigkeitsprinzip offenbar auch aus der Sicht des BVerfG eine Grenze des Entscheidungsfreiraums des Gesetzgebers dar. Außerdem betont das BVerfG in ständiger Rechtsprechung die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips, indem es ausführt, dass Art. 3 I GG verlange, jeden Inländer je nach finanzieller Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsausgaben heranzuziehen222. Wenn sich der Staat hauptsächlich von wirtschaftspolitischen oder konjunkturpolitischen Erwägungen leiten lässt, dann mag dies bei den, ihrem materiellen Gewicht nach, unbedeutenderen Steuern nicht zu einer (nachhaltigen) Störung dieser Gleichmäßigkeit führen. Da bei diesen Steuern der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip zumeist ohnehin nur von geringerer Bedeutung ist, wäre eine Abwägung der Belastungswirkung dieser Steuern mit dem mit der Steuer verbundenen Zweck regelmäßig reiner Formalismus. 218 Vgl. Hensel, Steuerrecht, S. 57; Vogel, DStZ 1977, S. 5 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 25 ff. 219 Zur Argumentation im Folgenden siehe Mössner, DStJG 17 (1994), S. 234 ff. 220 BVerfGE 105, 73 (125 f.). 221 So zuletzt ausdrücklich BVerfGE 107, 27 (46). 222 BVerfGE 93, 121 (135); BVerfG, NJW 1999, S. 2582.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Anders stellt sich die Situation aber bei den hier zu untersuchenden direkten Steuern dar, von welchen eine starke Belastung für den Steuerpflichtigen ausgeht. Wenn das BVerfG ausführt, dass aus dem allgemeinen Gleichheitssatz jedenfalls für die direkten Steuern – und hierbei insbesondere für das Einkommensteuerrecht – folge, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden müsse223, dann erfolgt diese Ausrichtung am Leistungsfähigkeitsprinzip für den Bereich des Steuerrechts im Grundsatz gerade nicht unter dem Vorbehalt irgendwelcher wirtschaftspolitischen Erwägungen. Auch wenn das BVerfG dem Gesetzgeber wie ausgeführt einen weiten Spielraum bei der Wahl bzw. Gestaltung von Steuerquellen zubilligen möchte, ist es kaum vorstellbar, dass dies auch dann gelten soll, wenn ein umfassender Systemwechsel erfolgt, indem ein direktes Steuersystem durch ein anderes direktes, nämlich ein konsumorientiertes, ersetzt wird. In einem solchen Fall kann die Frage, ob das (neue) System per se dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht, nicht gänzlich unbeachtlich sein. Das BVerfG hat im Rahmen seiner Entscheidung zur Zinsbesteuerung entschieden, dass der in der ;„Besteuerung liegende Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen ( . . . ) seine Rechtfertigung ( . . . ) auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung“ gewinne224. Wenn man diesem Ansatz aber folgt, dann muss gerade die Wahl des Steuergegenstandes dem Grundsatz der gleichen Lastenzuteilung entsprechen, denn diese setzt die causa der steuerlichen Belastung. Entspricht die Wahl des Steuergegenstandes nicht diesem Lastenzuteilungsmaßstab – und liegt für diesen Verstoß auch keine materiellrechtliche Rechtfertigung vor –, dann kann hieraus nur geschlossen werden, dass die Steuererhebung nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig ist. Begreift man das Leistungsfähigkeitsprinzip als einzigen Maßstab, um im Sinne des BVerfG eine Gleichheit der Lastenzuteilung zu erreichen, und sieht in ihm den umfassenden Beurteilungsmaßstab im Rahmen von Art. 3 I GG, dann leuchtet nicht ein, warum die Wahl der Steuerquelle selbst (zumindest bei den hier zu untersuchenden direkten Steuern) dem Geltungsbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips entzogen sein soll. Kruse hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, das Leistungsfähigkeitsprinzip stehe in Konkurrenz mit „anderen Differenzierungsgründen“225. Es gebe insofern keine allgemeinen Prioritäten. Daher könnten dem Leistungsfähigkeitsprinzip beispielsweise finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen vorgehen226. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip kein Fundamentalprinzip der Besteuerung sei, könne der Gesetzgeber frei entscheiden, ob diese Gründe dem Leistungsfähigkeitsprinzip vorgehen sollten227. 223 224 225 226 227

BVerfGE 82, 60 (86); 89, 346 (352). BVerfGE 84, 239 (269). Kruse, StuW 1990, S. 327. Kruse, StuW 1990, S. 327. Kruse, StuW 1990, S. 327.

222

8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Selbst wenn man unter diesen Erwägungen zulässige „Differenzierungsgründe“ versteht, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung am Leistungsfähigkeitsprinzip. Der Begriff „Differenzierungsgrund“ bezeichnet den Grund für eine Unterscheidung. Damit sind Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bzw. für die Abweichung vom eigentlich zugrundeliegenden System gemeint. Ob eine solche Abweichung vorliegt, kann jedoch nur unter Zuhilfenahme eines sachgerechten Maßstabs entschieden werden. Als ein solcher steuerrechtlicher „Zollstock“ wurde und wird – wie gezeigt – jedoch einzig das Leistungsfähigkeitsprinzip als geeignet empfunden. Volkswirtschaftliche oder finanzpolitische Gründe können hierüber nichts aussagen. Solche Gründe stellen zwar (ebenfalls) Rechtfertigungsgründe i. S. d. Art. 3 I GG dar und können daher eine, sich in absoluten Steuerbeträgen ausdrückende, unterschiedliche steuerliche Belastung zweier Steuerpflichtiger ebenso rechtfertigen wie eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende Besteuerung eine (betragsmäßig) ungleiche Besteuerung rechtfertigen bzw. gebieten kann. Dieser Befund kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein deutlicher, wertungsmäßiger Unterschied zwischen dem Rechtfertigungsgrund „Besteuerung nach Leistungsfähigkeit“ auf der einen und volks- und finanzwirtschaftlichen sowie sonstigen Rechtfertigungsgründen auf der anderen Seite existiert. Das Leistungsfähigkeitsprinzip dient nämlich nicht nur als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 GG, sondern greift darüber hinaus wie gezeigt auch als Rechtfertigungsgrund („causa“) für die Besteuerung insgesamt. Entspricht eine Besteuerung diesem Prinzip, dann ist sie grundsätzlich auch gerechtfertigt. Widerspricht die Besteuerung jedoch dem Leistungsfähigkeitsprinzip, dann bedeutet dies nicht, dass dieser Grundsatz in der verfassungsrechtlichen Prüfung jegliche Bedeutung verliert und es nur noch auf die (sonstigen) Rechtfertigungs- bzw. Differenzierungsgründe ankommt. Vielmehr müssen die Anforderungen an die in diesen Fällen in Betracht kommenden weiteren materiellrechtlichen Rechtfertigungsgründe umso größer sein, je deutlicher sich die Abweichung von der leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung im konkreten Fall darstellt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann man daher als „tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene“ bezeichnen. In der verfassungsrechtlichen Überprüfung bedeutet dies, dass zunächst das Ausmaß der im jeweiligen Fall gegebenen Abweichung von der (grundsätzlich gebotenen) Belastungsgleichheit festzustellen ist. Im zweiten Schritt ist dann zu überprüfen, ob die vorliegenden Differenzierungsgründe diese Abweichung rechtfertigen können. Erst wenn die „Messung“ ergibt, dass eine Abweichung vom Gebot der Belastungsgleichheit i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips vorliegt, macht nämlich der Rückgriff auf „Differenzierungsgründe“ Sinn. Insofern sagt das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich nichts darüber aus, wann ein Verstoß hiergegen gerechtfertigt ist. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip als „tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene“ insofern jedoch eingebettet ist in die Struktur des allgemeinen

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Gleichheitssatzes nach Art. 3 I GG, muss das gelten, was Art. 3 GG auch in anderen Fällen vorgibt: Art. 3 GG ist dann verletzt, wenn der Grund der Differenzierung das Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht rechtfertigt, insoweit also nicht geeignet, erforderlich und angemessen ist. Sähe man demgegenüber in jeder „vernünftigen“ Erwägung von vornherein eine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, dann führte die Vermengung der beiden Gesichtspunkte zu einer Entwertung dieses Prinzips. Gleichzeitig würde dies bedeuten, dass sich die verfassungsrechtliche Überprüfung steuerlicher Normen im Rahmen von Art. 3 GG wieder einer bloßen Willkürprüfung nähert228, wobei diese allerdings systematisch ebenfalls eine strikte Trennung der Prüfung einer Ungleichbehandlung und der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung erfordern würde. Die Auffassung, die dem Gesetzgeber völlige Freiheit bei der Wahl des Steuergegenstandes zubilligen möchte, verkennt mithin die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips als „tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene“ bei der Prüfung im Rahmen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG. Nicht die Differenzierung ist das Ziel einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sondern die Schaffung der verfassungsrechtlich gebotenen Belastungsgleichheit. Sozialpolitische oder gesamtwirtschaftliche Zwecke können demnach zwar grundsätzlich eine Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 I GG rechtfertigen. Voraussetzung ist aber, dass die konkrete Bedeutung des Ziels das Maß der Abweichung vom (eigentlich gebotenen) Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit rechtfertigt, d. h. insofern geeignet, erforderlich und angemessen ist. Im Hinblick auf die Prüfungsintensität im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 3 GG kann – jedenfalls für die materiell bedeutenden direkten Steuern – die Überprüfung einer neuen Steuerquelle nicht geringeren Anforderungen unterliegen als die Frage der folgerichtigen Ausgestaltung des Steuersystems. Verzichtete man der Argumentation Kruses folgend insoweit auf den Einsatz des Leistungsfähigkeitsprinzips, etwa weil der Gesetzgeber wirtschaftspolitische Gründe a priori für vorrangig erachtet, dann bedeutete dies zugleich, dass eine angemessene Überprüfung am Maßstab des Art. 3 I GG entfiele. Auf das Leistungsfähigkeitsprinzip verzichten bedeutet also zugleich, den Gesetzgeber aus seiner gleichheitsrechtlichen Verantwortung zu entlassen. Dies kann aber auch von Kruse nicht gewünscht sein. Für die folgende Prüfung eines Paradigmenwechsels hin zu einer konsumorientierten Unternehmensbesteuerung ergibt sich somit der folgende Prüfungsablauf: Nach der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Leistungsfähigkeitsprinzips hat die Festlegung der Kriterien, nach welchen Leistungsfähigkeit zu bemessen ist, bzw. die Prüfung, welche Kriterien hierfür ungeeignet sind, zu erfolgen. 228

So auch Huster, Rechte und Ziele, S. 370.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Ausgehend hiervon stellt sich zunächst die Frage, ob die zu untersuchenden konsumorientierten Steuermodelle mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbaren sind. Erst wenn im Hinblick auf diesen Vergleichsmaßstab eine Abweichung bzw. ein Verstoß festzustellen ist, ist die Frage der (weiteren) Rechtfertigung zu prüfen. Entsprechend den hier getroffenen Vorgaben käme (bzw. kommt) es dann darauf an, ob Differenzierungsgründe vorliegen, die im Hinblick auf das Maß dieser Abweichung als geeignet, erforderlich und angemessen anzusehen sind.

III. Wahl und Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsindikators 1. Wahl des Leistungsfähigkeitsindikators a) Vorbemerkung Nachfolgend soll nun im Einzelnen überprüft werden, welche Grenzen bzw. Vorgaben der Verfassung hinsichtlich der Wahl des Leistungsfähigkeitsindikators zu entnehmen sind. Einigkeit besteht bei den Befürwortern einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit darin, dass dieses Prinzip als Ordnungsprinzip in seiner konkreten Ausgestaltung nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann, sondern auf die Konkretisierung durch den Gesetzgeber angewiesen ist229. Dementsprechend wird dem Gesetzgeber ein gewisser Gestaltungsfreiraum hinsichtlich der Bestimmung der Leistungsfähigkeitsindikatoren eingeräumt. Auf der anderen Seite sind auch diesem Gestaltungsermessen bezüglich der Wahl des Leistungsfähigkeitsindikators Grenzen gesteckt. Verzichtete man nämlich von vornherein auf die Bildung solcher Grenzen, dann würde man letztlich den Kritikern Recht geben, die das Leistungsfähigkeitsprinzip als zu unbestimmt ablehnen. Man könnte in diesem Fall auf diesen Grundsatz auch völlig verzichten. Somit liegt der Schwerpunkt bei der Überprüfung möglicher Leistungsfähigkeitsindikatoren hier weniger darin, festzustellen, welcher dem Leistungsfähigkeitsprinzip am besten entspricht. Vielmehr geht es darum, solche Indikatoren auszuschließen, die nicht mehr mit diesem Prinzip vereinbar sind. Im Untersuchungskontext dieser Arbeit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen.

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Siehe bspw. Birk, Steuerrecht, Rdnr. 157.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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b) Die Leistungsfähigkeitsindikatoren Vermögen, Konsum und Einkommen Als Anknüpfungspunkte der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kommen grundsätzlich das Vermögen, der Konsum und das Einkommen in Betracht. Die Auffassungen, welche dieser Größen als Leistungsfähigkeitsindikator vorzuziehen ist, haben sich entsprechend dem Zeitgeist der jeweiligen Epoche verändert230. So wurde im 17. Jahrhundert die Besteuerung von Grund und Boden, also des Vermögens, als allgemein sach- und leistungsgerechtes Prinzip erachtet231. Vor allem ab dem 19. Jahrhundert trat der Indikator Einkommen an die Stelle des Indikators Vermögen und ersetzte diesen. Gerade in jüngerer Zeit wird demgegenüber eine Besteuerung am Maßstab des Konsums gefordert. Ob die statische Bestandsgröße „Vermögen“ sachgerecht Leistungsfähigkeit indizieren kann, ist in der Literatur umstritten232. Jedenfalls ergibt sich im Hinblick auf Art. 14 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Begrenzung der Besteuerung des Vermögens durch den Soll-Ertrag233. Da die Besteuerung des Vermögens im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand, die Umwandlung eines kapitalorientierten zu einem konsumorientierten Steuersystem, ohne Bedeutung ist, soll auch die Frage, ob das Vermögen im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips tauglicher Indikator sein kann, hier nicht weiter vertieft werden. Im Vordergrund der nachfolgenden Ausführungen steht daher der Streit über die Tauglichkeit der Leistungsfähigkeitsindikatoren „Einkommen“ und „Konsum“. Während – wie im Dritten Teil dieser Arbeit gezeigt – Hobbes der aus historischer Sicht wohl prominenteste Vertreter eines konsumorientierten Besteuerungskonzeptes ist, lässt sich auf der anderen Seite Adam Smith als kaum weniger bekannter Vertreter einer Einkommensbesteuerung nennen. Nach Adam Smith ist im Einkommen der Ausdruck der Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen zu sehen, wobei er als Einkommensquellen Miete / Pacht („rent“), Gewinn („profit“) und Löhne („wages“) aufzählt234. 230 Siehe hierzu Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 135 ff. 231 Steichen in FS-Fischer, S. 237. 232 Zustimmend bspw. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 137 ff.; Wollny, Sächsische Steuertagung 1996, S. 95; einschränkend Pohmer in FSMeyding, S. 28; Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 100, m. w. N; vor dem Hintergrund einer zuvor bestehenden Einkommensteuerbelastung insoweit ablehnend Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 506; kritisch Wöhe in FS-Rose, S. 297. 233 Dies ändert im Übrigen nichts daran, dass dabei eine Ist-Größe, nämlich das Vermögen, zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung gemacht wird. Lediglich die Begrenzung der Besteuerung erfolgt unter Zuhilfenahme einer Soll-Größe, nämlich des Soll-Ertrags. 234 Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 347.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Im Nachfolgenden sollen nun die Argumente für eine Besteuerung des Einkommens auf der einen und der Besteuerung des Konsums auf der anderen Seite im Hinblick auf die Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips gegenübergestellt werden. Die Unterschiede der einzelnen Einkommensbegriffe zunächst vernachlässigend soll dabei dem Begriff Einkommen zunächst vereinfachend die Definition: „Einkommen = Vermögenszuwachs innerhalb einer Periode“ zugrundegelegt werden. aa) Einkommen versus Konsum Die Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung auf der einen und einkommensorientierter Besteuerung auf der anderen Seite stützen sich im Wesentlichen auf zwei Grundkonzeptionen, das sog. Nutzenkonzept und das sog. Verfügungsmachtkonzept. (1) Das Nutzenkonzept Das insbesondere von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung vertretene Nutzenkonzept bemisst die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach dem tatsächlich erreichten, individuellen Bedürfnisbefriedigungsniveau, dem gezogenen Nutzen235. Das Nutzenkonzept geht davon aus, dass der Erwerb ökonomischer Verfügungsmacht nicht das eigentliche Ziel menschlichen Handelns ist. Der Mensch erwirtschafte nämlich Einkommen, um damit seine Bedürfnisse zu befriedigen236. Dies werde vom Verfügungsmachtkonzept ignoriert, da jenes nur auf den Einkommens- bzw. Reinvermögenszugang abstelle237. Der Steuerpflichtige empfinde aber die den Einkommenserwerb mindernde Steuer – sofern er sie wirtschaftlich trage und wahrnehme – als Verzicht auf mögliche Bedürfnisbefriedigung, als „Opfer“238. Dem entspricht auch der (opfertheoretische) Ansatz Roses, wonach jede Steuer letztlich ein Konsumopfer darstellt. Wenn daher gelten solle, dass als politische Maxime „die Gleichheit der Besteuerung, Gleichheit des Opfers“ bedeute239, dann sei dieses Opfer vom Zweck des Wirtschaftens, also vom Grad der erreichten Bedürfnisbefriedigung bestimmt240. Daher entspreche es auch eher der menschlichen Natur, die persönliche Leistungsfähigkeit mit dem Maß der erreichten Bedürfnisbefriedigung einer Person zu identifizieren241. 235 Vgl. hierzu die Vertreter einer konsumorientierten Besteuerung: Haller, Die Steuern, S. 46 ff.; Moxter, Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, S. 5; Wenger, FinA 1983, S. 210 ff.; Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, S. 85 ff. 236 So Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 310, m. w. N. 237 Bach, WD 1995, S. 394. 238 Bach, WD 1995, S. 394. 239 So Mill, Principles of Political Economy, S. 484: „Equality of taxation ( . . . ) as a maxim of politics, means equality of sacrifice“. 240 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 311; Bach, WD 1995, S. 394. 241 Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 311; Bach, WD 1995, S. 394.

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Innerhalb des Nutzenkonzeptes möchte Haller neben dem Geldeinkommen auch die Güter, allgemeinen Dienste und Nutzungen (Verpflegung, Wohnung) sowie die häuslichen Dienste berücksichtigen, die im Wege der Selbstversorgung erbracht werden242. Weiterhin will er auch den Umfang der Freizeit mitberücksichtigen, da die Freizeit zu den knappen Gütern gehöre, die für den Umfang der Bedürfnisbefriedigung von Bedeutung seien243. Die meisten Anhänger des nutzenorientierten Ansatzes – der entsprechend den oben gemachten Ausführungen auch als opfertheoretischer Ansatz bezeichnet werden kann – möchten diesen hingegen auf seine objektivierbaren Bestandteile beschränken244. Diese innerhalb des Nutzenkonzeptes wohl als herrschend anzusehende Auffassung will aus rechtsstaatlichen und administrativen Gründen die Besteuerung auf die steuertechnisch zu bewältigenden Größen der Einkommensverwendung, also den Konsum, beschränken245. Dabei wird z. B. von Bach246 eingeräumt, dass streng genommen auch nichtmonetäre Nutzenelemente, die im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit stehen, in der Steuerbemessungsgrundlage Berücksichtigung finden müssten. So sei zum einen an die mit einer Arbeit verbundenen besonderen Unannehmlichkeiten wie Arbeitsleid zu denken. Auf der anderen Seite könnten aber auch damit verbundene besondere Annehmlichkeiten und sonstige nichtmonetäre „Erträge“ wie etwa die Möglichkeit, sich in einer Tätigkeit selbst zu entfalten oder das mit einem Berufsbild verbundene Sozialprestige, von Bedeutung sein. Die Einbeziehung solcher allgemeiner Nutzenelemente ist jedoch schon administrativ unmöglich. Des Weiteren würde sie zu einer Soll-Besteuerung der wirtschaftlichen Potentiale führen. Dies würde aber dem Grundsatz der freiheitlichen Ordnung einer Gesellschaft, nach der jeder seine Fähigkeiten nach eigenem Gutdünken wirtschaftlich oder außerökonomisch anwenden kann, zuwiderlaufen. Aus diesen Gründen wird sie selbst von den Vertretern des Nutzenkonzeptes ganz überwiegend abgelehnt247. Wenngleich das Nutzenkonzept als theoretische Verankerung der konsumorientierten Besteuerung angesehen werden kann, ist auch innerhalb dieses Konzeptes 242 Haller, Die Steuern, S. 46. Hierfür sollen nach Ansicht Hallers die Beträge angesetzt werden, die der Steuerpflichtige für den tauschmäßigen Bezug dieser Dienste hätte hingeben müssen. 243 „Wenn von zwei Personen mit gleichem Einkommen die eine nur halb so lange arbeitet wie die andere, so erreicht die erste ein höheres Niveau der Bedürfnisbefriedigung, weil sie mehr von dem Gut Freizeit zur Verfügung hat“, so Haller, Die Steuern, S. 47. 244 Vgl. Schwinger, StuW 1994, S. 44; Wenger, FinA 1983, S. 211. 245 Für viele: Bach, WD 1995, S. 394; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 229 ff. 246 Bach, WD 1995, S. 394. 247 Für viele: Bach, Die Idee der Cash-flow-Steuer, S. 311.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

umstritten, ob die Ersparnisbildung nicht dennoch einen eigenständigen Nutzen bzw. Bedürfnisbefriedigung verschafft und damit eigentlich in der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sein müsste248. Nach der insbesondere von Haller249 vertretenen Ansicht verschafft auch die Ersparnis dem Investor eine analoge Bedürfnisbefriedigung, da er nicht sparen würde, verspräche er sich hiervon keinen Nutzen250. Im Ergebnis kann seiner Auffassung nach auch aus der Sicht der Nutzentheorie nur eine Besteuerung des Einkommens, nicht aber des Konsums, eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende, willkürfreie direkte Besteuerung gewährleisten251. Der Verzicht auf kurzfristigen Konsum verschaffe dem Sparer mehr Bedürfnisbefriedigung als die volle konsumtive Verwendung des Einkommens in dieser Periode252. Würde nämlich das Sparen einen glatten Ausfall von Bedürfnisbefriedigung für ihn bedeuten, dann würde er „keine Sekunde zögern, sein Einkommen in vollem Umfang für Konsumgüter zu verwenden“253. Die Ersparnis führe dazu, dass er Vermögen erlange und hierdurch regelmäßig sein Einkommen in den nächsten Perioden erhöhe. Die Vorteile würden von ihm, der ja versuche, seinen Nutzen (aus seinem Einkommen) zu maximieren, bereits im Augenblick der Entscheidung höher eingeschätzt als ein Konsum dieser Einkommensteile. Der Vermögenszuwachs und das hieraus erwachsende Einkommen seien ihm daher bereits in der Entscheidungsperiode wichtig und verschafften ihm deshalb bereits zu diesem Zeitpunkt Bedürfnisbefriedigung. Somit verlange das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Besteuerung auch des gesparten Einkommens, so dass man mit nutzentheoretischen Überlegungen die Besteuerung des Einkommens, das sich als Summe von Konsum und Ersparnis ergibt, begründen könne254. Gegen eine Beschränkung der Nutzentheorie auf die konsumierten Teile des Einkommens wird weiterhin vorgebracht, dass hierdurch für Geizhälse „paradiesische Zeiten“ anbrächen255. Für diese, die oftmals nur die primitivsten Konsumbedürfnisse befriedigten, bedeute es das oberste Ziel und damit auch das höchste Maß an Bedürfnisbefriedigung, möglichst viel zu sparen und Vermögen anzuhäufen256. Haller in FS-Kolms, S. 216 ff. Haller, Die Steuern, S. 42 ff. 250 Dies gilt nach Haller jedenfalls dann, wenn der Steuerzahler frei über die Einkommensverwendung entscheiden könne, das Sparen also freiwillig erfolge, so Haller, Die Steuern, S. 59; ebenso Haller in FS-Kolms, S. 216. 251 Haller in FS-Kolms, S. 232. 252 Haller, FinA 1977, S. 230. 253 Zur Argumentation im Folgenden vgl. Haller, Die Steuern, 56 ff. 254 Haller, Die Steuern, S. 59, der insoweit seine früher vertretene Auffassung, vgl. Haller, FinA 1959, S. 46 ff., ausdrücklich revidiert. 255 Haller in FS-Kolms, S. 218. 256 Haller in FS-Kolms, S. 218. 248 249

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Würde nun nur der Konsum besteuert, entgingen diese Steuerzahler weitgehend der steuerlichen Belastung. Selbst wenn das Vermögen aber erfassbar wäre, könne eine Vermögensbesteuerung niemals die Vorteile bei laufender Einkommensbesteuerung ausgleichen257. Gegen die Einbeziehung der Ersparnis aus Sicht der Nutzentheorie sprechen sich hingegen Wala und Knoll258 aus. Zwar gestehen sie zu, dass es Nutzenkomponenten des Vermögens, wie beispielsweise Sicherheit, Sozialprestige oder Unabhängigkeit gebe. Diese knüpften jedoch nicht an der Ersparnis direkt, sondern am gesamten Vermögen an259. Sie könnten daher zwar eine eigenständige Vermögensbesteuerung rechtfertigen, nicht aber eine Gleichbehandlung von konsumierten und gesparten Vermögensteilen. Von einer Bedürfnisbefriedigung durch Sparen könne „keine Rede“ sein260. Vielmehr werde zukünftiger Nutzen mit jetzigem verglichen. Diese Abwägung führe gerade dazu, dass der Sparer auf die momentane Bedürfnisbefriedigung zugunsten der zukünftigen verzichte. Die Gleichsetzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit der Bedürfnisbefriedigung wird vielfach kritisiert. So macht Schneider geltend, dass sich menschliche Wünsche auf jedweden Sinn und Unsinn beziehen könnten. Daher könne auch für jede Absicht ein Bedürfnis konstruiert werden261. Die Gleichsetzung steuerlicher Leistungsfähigkeit mit Bedürfnisbefriedigung bewege sich damit wieder auf eine inhaltslose Leerformel zu262. Versuche man diese Problematik dadurch zu vermindern, dass man die Leistungsfähigkeit auf die ökonomische Bedürfnisbefriedigung beschränkt, dann entstehen nach Ansicht von Hackmann263 unlösbare Abgrenzungsprobleme. Gegen eine Nutzenorientierung werden außerdem normative Einwände erhoben. Die Ausrichtung der Steuerverteilungspolitik am Nutzenkonzept vertrage sich nicht mit einem minimalen Verständnis eines liberalen Staates. Zu diesem gehöre, dass jedem Menschen Bereiche von Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zustünden, in welche sich der Staat nicht einzumischen habe264. In welcher Intensität jemand seine Bedürfnisse befriedige, gehe „einen liberalen, die Menschenwürde Haller in FS-Kolms, S. 218. Wala / Knoll, ÖStZ 2001, S. 142 ff. 259 Wala / Knoll, ÖStZ 2001, S. 142; Bach, WD 1995, S. 396. 260 So Bach, WD 1995, S. 396. 261 Schneider, ZfbF 1971, S. 366. 262 Schneider, ZfbF 1971, S. 366. Schneider, damals noch ein überzeugter Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung, gelangte in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass die Steuerpflicht nur an ökonomisch fassbaren Handlungen ausgerichtet sein dürfe. Hierbei schlug er eine Anknüpfung an den Konsum und an den Vermögensbestand vor. Da die Bedürfnisbefriedigung beider Größen nicht vergleichbar sei, sei sie durch zwei verschiedene Steuern zu erfassen. 263 Hackmann, in Staatsfinanzen im Wandel, S. 665. 264 Hackmann, in Staatsfinanzen im Wandel, S. 665. 257 258

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

respektierenden Staat selbst dann nichts an, wenn die Steuerlasten verteilt werden sollen“265. (2) Das Verfügungsmachtkonzept Nach dem bisweilen auch als Lastentragfähigkeitskonzept bezeichneten266 Verfügungsmachtkonzept wird unter der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die individuelle Fähigkeit verstanden, zur Finanzierung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs beitragen zu können267. Neumark268 definiert Leistungsfähigkeit als „ökonomisch-finanzielle Dispositionskraft“. Nach diesem verteilungspolitischen Leistungsfähigkeitsverständnis knüpft die Leistungsfähigkeit an die Mittelentstehung, d. h. das Befriedigungspotential an, und nicht wie nach dem Nutzenkonzept an die Mittelverwendung bzw. die daraus resultierende, tatsächliche Bedürfnisbefriedigung269. Nach dem Verfügungsmachtkonzept ist der Anknüpfungspunkt der Leistungsfähigkeit das in einer Periode erzielte Einkommen, wobei insoweit wohl überwiegend auf den Einkommensbegriff nach der Reinvermögenszugangstheorie abgestellt wird270. Nach Ansicht von Wendt ist der Indikator der Leistungsfähigkeit zugleich ein Indikator für die Fähigkeit, Steuerleistungen erbringen zu können und damit den Staat am ökonomischen Erfolg des Bürgers teilhaben zu lassen. Daher müsse „jedweder Zuwachs an Vermögenswerten bzw. Einnahmen, die durch den Einsatz eigener Arbeitskraft und / oder eigenen Kapitals am Markt erworben worden ist“271 zum Gegenstand der Besteuerung gemacht werden. Auch das zu Investitionszwecken verwendete, zugeflossene Einkommen verkörpere steuerliche Leistungsfähigkeit, da es sich dabei um „den sichtbaren Ausdruck des ökonomischen Erfolges des Bürgers und damit um steuerliches Einkommen“ handele. Der Ansatz, nur das für den (Privat-)Konsum eingesetzte Einkommen als Indikator der Leistungsfähigkeit zu verwenden, greife deshalb zu kurz272. Für einen Ansatz des Indikators „Bedürfnisbefriedigungspotential“ (und damit gegen den Ansatz der „tatsächlich erzielten Bedürfnisbefriedigung“) plädiert auch Jachmann, wobei dieser Indikator ihrer Meinung nach seine adäquate Maßgröße im disponiblen Markteinkommen, das weder den notwendigen Erwerbsaufwand noch den notwendigen Lebensbedarf des Steuerpflichtigen umfasst, finde273. Hackmann, in: Staatsfinanzen im Wandel, S. 665. Vgl. hierzu bspw. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, S. 40. 267 Dementsprechend wird insoweit auch von einem verteilungspolitischen Ansatzpunkt gesprochen, vgl. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuer-Kommentar, § 2 A 355. 268 Vgl. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 121 ff. 269 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, S. 40. 270 Vgl. Mitschke, Einkommen, Konsum und Vermögen, S. 171. 271 Wendt, StuW 1992, S. 71. 272 Wendt, StuW 1992, S. 71. 265 266

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(3) Vermittelnde Auffassung Insbesondere im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird gegen die nutzenbzw. opfertheoretische Begründung des Leistungsfähigkeitsprinzips der Vorwurf erhoben, dieses sei einem (falschen) Wirklichkeitsbild verpflichtet, welches für die Zwecke der Steuerauslegung ungeeignet sei274. Der opfertheoretische Blickwinkel der Finanzwissenschaft lege den Nachdruck darauf, dass dem Bürger etwas, was er zur Verwendung im privaten Bereich erworben habe, aufgebe und damit dem privatwirtschaftlichen Sektor entziehe275. Bei der Steuerrechtsauslegung müsse der Schwerpunkt aber auf der rechtlichen Grundlage der hoheitlichen Inanspruchnahme liegen. Diese sei die qualitativ gleiche Verantwortung für das Gemeinwohl. Der Steuereingriff stelle kein Opfer dar, weil die Steuer weder „Verzicht noch kultische Handlung, sondern eine auf die Solidarität der Bürger gegründete demokratische Grundpflicht zur Finanzierung des Gemeinwesens“ sei276. Die Bezeichnung als Opfer verkenne, dass der Steuerpflichtige selbst dort, wo die Steuer als Mittel der Umverteilung eingesetzt werde, von der Steuerzahlung profitiere277. Durch die Umverteilung zur Versorgung sozial Bedürftiger werde nämlich der soziale Frieden gesichert. Dieser komme aber letztlich auch dem Steuerpflichtigen zugute. Da im Übrigen die Steuern erst die Voraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben schufen, sei die Steuer „nicht bloß ein Opfer“278. Dementsprechend sind die oben dargestellten Theorien im Zusammenhang mit der verfassungskonformen Bestimmung von Leistungsfähigkeitsindikatoren im steuerrechtswissenschaftlichen Schrifttum kaum zu finden. Die Diskussion setzt insoweit unmittelbar bei der Frage an, ob Konsum, Einkommen oder Vermögen die Steuerbemessungsgrundlage darstellen sollten, ohne hierbei den „Umweg“ über diese Theorien zu gehen. Es fällt dabei auf, dass im steuerrechtswissenschaftlichen Schrifttum zwar Favorisierungen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage Konsum, Einkommen oder Vermögen bestehen. Gleichwohl sind Aussagen, wonach einer dieser Indikatoren aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen werden müsse, kaum zu finden. Als einer der wenigen Vertreter der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur, der sich insoweit auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte bezieht, lässt sich Kirchhof nennen. Nach seiner Auffassung stehe es dem Gesetzgeber nicht zu, Konsum und 273 Jachmann, StuW 1998, S. 293. Gleichwohl vertritt Jachmann insoweit die Ansicht, dass dem Gesetzgeber die Wahl zwischen den Indikatoren Einkommen und Konsum obliege, vgl. Jachmann, StuW 1998, S. 199. 274 Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 163; zustimmend auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 480. 275 Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 163 (FN 23); vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 480. 276 Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 7. 277 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 4. 278 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 4.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Sparen zu gewichten279. Sparen und Konsumieren seien „Ausdruck privatnütziger Eigentumsentscheidung“, weshalb sich der Gesetzgeber einer Gewichtung zu enthalten habe. Die Ansicht, thesaurierte Gewinne seien besser als konsumierte, enthalte eine „die Freiheitsrechte zurückdrängende Wertung“280. Damit argumentiert Kirchhof gegen den Indikator Konsum und für eine Besteuerung des Einkommens. Zu den weiteren Befürwortern einer an das Einkommen anknüpfenden Steuerbemessungsgrundlage kann z. B. Tipke gezählt werden. Gegen den konsumorientierten Ansatz wendet er ein, dass dieser zu einer Benachteiligung der Familien mit kleinen Einkommen führe281. Diese müssten durchschnittlich einen größeren Teil ihres Einkommens konsumieren als Familien mit hohem Einkommen, da Konsumausgaben, gemessen in Prozenten des Einkommens, mit zunehmendem Einkommen tendenziell fielen282. Gleichwohl ist nach der von Tipke283 vertretenen, insoweit als vermittelnd zu bezeichnenden Auffassung, die Bestimmung der Leistungsfähigkeit und seiner Indikatoren nicht festgelegt. Ausgehend von seinem Verständnis, nach welchem steuerliche Leistungsfähigkeit als die „Fähigkeit, Steuern aus dem Einkommen zu zahlen“284, zu verstehen ist, hält Tipke eine Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf konsumiertes Einkommen zwar nicht für einsichtig, da auch das ersparte Einkommen disponibel sei285. Wenn das Leistungsfähigkeitsprinzip aber ein mehr oder minder unbestimmtes Prinzip sei, dann gebe es bei seiner Ausfüllung gleichwohl einen gewissen Wertungsspielraum für den Gesetzgeber286. Es ließen sich sowohl für den Ansatz des gesamten (konsumierbaren) Einkommens wie auch für Kirchhof, Stbg 2000, S. 555. Kirchhof, Stbg 2000, S. 555. 281 Insoweit deutet sich bei Tipke allerdings ein Sinneswandel an. Während Tipke der konsumorientierten Besteuerung – wie hier dargestellt – früher eher kritisch gegenüberstand, vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 570 ff., hebt er in der 2. Aufl. desselben Buches (nunmehr) hervor, dass „idealiter das Lebenseinkommen zu versteuern sei“, was „durch die Erfassung des Lebenskonsums (bestehend aus der Summe des Konsums der einzelnen Jahre) und des Lebensendvermögens“ ereicht werden könne, Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 644. Die ehemals kritischen Töne sind einer wohlwollenderen Bewertung der Konsumsteuermodelle gewichen. Soweit nachfolgend auf Tipke Bezug genommen wird, bezieht sich dies daher explizit auf die ursprüngliche, in der 1. Aufl. seines Werkes „Die Steuerrechtsordnung“, Band II, dargestellte Auffassung bzw. Kritik. 282 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 572. 283 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 572. Auch Lang als Verfechter einer konsumorientierten Besteuerung möchte dem Gesetzgeber insoweit einen Freiraum gewähren, vgl. Lang in FS-Kruse, S. 326 ff., sowie Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 96 ff. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Lang als (überzeugter) Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung bezeichnet werden kann. 284 Nach Tipke existiert nur eine Quelle der Steuerzahlung, nämlich das (gespeicherte) Einkommen, vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 500. 285 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 572. 286 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 573. 279 280

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den Ansatz nur des konsumierten Einkommens gute Gründe finden287. Wenn sogar prominente Steuerrechtswissenschaftler sich nicht darüber einigen könnten, für welche Version die besseren Gründe sprechen, dann sei es dem Gesetzgeber erlaubt, sich sowohl für die eine als auch für andere Variante zu entscheiden288. Ähnlich äußert sich auch Kruse, der ausführt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip nichts darüber aussage, worin sich Leistungsfähigkeit äußere und mit welchen Maßstäben sie zu messen sei289. Da sich das Leistungsfähigkeitsprinzip daher als besonders konkretisierungsbedürftig erweise, gebe es auch keine „axiomatischen“ Leistungsfähigkeitsindikatoren. Die Leistungsfähigkeit sei vielmehr im „Umfeld der jeweiligen, in einem bestimmten Wertesystem eingebundenen Steuerrechtsordnung zu entfalten“290. Lang verweist darauf, dass die üblicherweise unterschiedenen Leistungsfähigkeitsindikatoren Einkommen, Vermögen und Konsum ohnehin eng verbunden seien291: Wer Einkommen erziele, der verwende dies entweder für den Konsum oder er bilde daraus Vermögen. Daher belaste im wirtschaftlichen Ablauf der Einkommenserzielung, Bildung von Vermögen und des Konsumierens jede Steuer jeden Leistungsfähigkeitsindikator 292. So vermindere eine Steuer auf das Einkommen nicht nur das Einkommen, sondern reduziere auch den Konsum und die Vermögensbildung, während eine Steuer auf das Vermögen nicht nur die Bildung des Vermögens, sondern im Nachhinein auch die Verwendungsmöglichkeit des Einkommens und des Konsums vermindere. Schließlich belaste eine Konsumsteuer auch die Verwendung von Vermögen und Einkommen293. Diese intertemporale Belastung aller Leistungsfähigkeitsindikatoren führe zur Erkenntnis, dass die Leistungsfähigkeitsqualität einer Steuer nicht allein nach den drei genannten Kategorien zu beurteilen sei294. Da das Grundgesetz keine beson287 So auch Steichen in FS-Tipke, S. 240 ff., der allerdings ausführt, dass „eine totale und radikale Ausrichtung des Steuersystems auf eine konsumsorientierte Besteuerung zu Zuständen führen würde, die weder erwünscht, noch mit unserer Verfassung, insbesondere mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar wären“. 288 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl, S. 573. 289 Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 52; ähnlich auch Mössner, DStJG 17 (1994), S. 236, der ausführt, dass der Gesetzgeber zwar nur Sachverhalte zur Anknüpfung nehmen dürfe, die in diesem Sinne vermögensbezogen sind. Innerhalb dieses Bereiches könne er jedoch frei wählen, ob er den Konsum, den Zuwachs von Konsumfähigkeit, vorhandene Konsumfähigkeit oder eine Kombination hieraus zur Bemessungsgrundlage machen möchte. 290 Lang in FS-Kruse, S. 326; Peffekoven in Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II, S. 429, bezeichnet das Leistungsfähigkeitsprinzip als eine Leerformel, die unterschiedliche Interpretationen zulasse. Es sei daher nicht grundsätzlich abzulehnen, wenn man statt der potentiellen die tatsächliche Bedürfnisbefriedigung der Besteuerung zugrunde lege. 291 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 96. 292 Vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 96. 293 Lang in FS-Kruse; S. 327. 294 Lang in FS-Kruse; S. 327; Walzer, StuW 1986, S. 206.

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dere Wirtschaftsverfassung vorschreibe, habe der Steuergesetzgeber einen großen Spielraum bei der Auswahl der Leistungsfähigkeitsindikatoren und könne somit (neben dem Vermögen) sowohl das Einkommen als auch den Konsum zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung machen295. Lege der Steuergesetzgeber großen Wert auf soziale Umverteilung, dann müsse der Staat möglichst früh, möglichst vor dem Konsum, also zu einem Zeitpunkt zugreifen, in welchem Vermögen entstehe oder noch nicht verwendet worden sei (kapitalorientierte Besteuerung). Solle die Gesellschaft jedoch möglichst freiheitlich und individualistisch konzipiert werden, dann dürfe die Besteuerung erst sehr spät zum Zeitpunkt des Konsums einsetzen (konsumorientierte Besteuerung)296. Der Gesetzgeber habe insoweit nur das Sozialstaatsprinzip zu beachten. Dieses gebe aber zu den Alternativen kapital- oder konsumorientiertes Steuersystem keine konkreten Direktiven, weil beide gewichtige Argumente für sich anführen könnten, sozial gerecht zu sein297. Wenngleich Lang als Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung der Meinung ist, dass eine „konsumorientierte Definition von Einkommen“ Leistungsfähigkeit am besten quantifiziere298, hält er dies aus den genannten Gründen dennoch nicht für aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Nach der vermittelnden Auffassung stellen demnach sowohl der Konsum als auch das Einkommen taugliche Leistungsfähigkeitsindikatoren dar. bb) Eigene Auffassung Für den hier gegebenen verfassungsrechtlichen Untersuchungskontext spielt es keine Rolle, ob der Indikator „Konsum“ dem Indikator „Einkommen“ aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht vorzuziehen ist. Daher sind Argumente, die betonen, dass eine konsumorientierte Besteuerung im Gegensatz zur einkommensorientierten leistungsfördernd sei, weil sie „die ökonomische Tüchtigkeit belohne und den Tüchtigen reicher werden lässt als andere“299, zwar von ökonomischem Gehalt, im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Prüfungsgegenstand kommt ihnen jedoch allenfalls eine sehr eingeschränkte Bedeutung zu. Nach der hier vertretenen Auffassung dient der Leistungsfähigkeitsindikator vor allem als Vergleichsmaßstab und damit als Mittel zur Erreichung von Abgabenbzw. Lastengleichheit. Damit spielen bei der Frage einer Auswahl dieses Indikators Gerechtigkeitserwägungen i. S. d. Art. 3 GG ebenso eine Rolle wie andere Normen Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 98. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 97; vgl. auch Steichen in FS-Fischer, S. 240. 297 Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 98. 298 Lang in FS-Kruse, S. 327. 299 Steichen in FS-Tipke, S. 240. 295 296

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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des Grundgesetzes Einfluss auf diese Auswahl haben. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist insoweit ein übergreifendes Prinzip, das auch die anderen Wertungen der Verfassung in sich aufnimmt300. Den Vertretern eines nutzenorientierten Ansatzes, die sich auf das Einkommen als Maß des Bedürfnisbefriedigungsniveaus stützen wollen301, ist zunächst entgegenzuhalten, dass ihr Modell widersprüchlich ist. Geht man nämlich mit ihnen davon aus, dass sowohl der Konsum als auch die Ersparnis gleichermaßen zu einem Zuwachs des Bedürfnisbefriedigungspotentials führen, dann müsste die Auflösung von Ersparnissen zu Konsumzwecken ergebnisneutral sein, da einerseits die nutzenbringende Ersparnis gemindert wird und andererseits der nutzenstiftende Konsum um denselben Betrag erhöht wird. Betrachtet man aber nun insbesondere den „Zwecksparer“, der spart, um sich eine Anschaffung leisten zu können, dann wird deutlich, dass in seinem Fall diese Argumentation versagt. Der Zwecksparer verspricht sich nämlich von dieser Anschaffung regelmäßig einen (deutlich) höheren Nutzen als vom betragsmäßig gleichen Sparguthaben, andernfalls gäbe es keinen Grund für ihn, den Kauf zu tätigen. Würde man beide Handlungsalternativen im Sinne der Nutzentheorie betragsmäßig gleichsetzen, würde man diese individuellen Prioritäten willkürlich ignorieren. Das von Hackmann angeführte normative Argument gegen das Nutzenkonzept, ein liberaler Staat habe sich nicht in die Bedürfnisbefriedigung seiner Bürger einzumischen, überzeugt nicht. Berücksichtigt man nämlich, was in concreto Anknüpfungspunkt einer nutzenorientierten Bestimmung der Leistungsfähigkeit wäre, dann gelangte man zu den Bestimmungsgrößen Einkommen und Ersparnis302. Da innerhalb des Lastentragfähigkeitskonzeptes ebenfalls auf die Größe Einkommen zugegriffen wird, stellt sich die Frage, ob die insofern hinzukommende Ermittlung der Ersparnis ein derart unzulässiger Eingriff sein kann. Finanzbehörden haben bereits im jetzigen kapitalorientierten Besteuerungssystem gewisse Zugriffs- und Einblicksmöglichkeiten – z. B. im Rahmen der Kapitalertragsteuer – in Bezug auf die Feststellung der Ersparnis der Steuerpflichtigen. In der Unternehmensbesteuerung besteht ohnehin aufgrund der Bilanzierungspflicht weitgehende Transparenz. Mit der Einführung einer konsumorientierten Besteuerung wäre deshalb insoweit kaum eine materiell bedeutende Veränderung verbunden. Hingegen spricht unter normativen Gesichtspunkten die Undefinierbarkeit des durch die Steuer bewirkten Verlustes an Bedürfnisbefriedigung und damit die 300 Vgl. Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 164, der hierzu ausführt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip „sämtliche Wertungen“ der Verfassung aufnehme. 301 Vgl. Haller in FS-Kolms, S. 215 ff. 302 Wobei – wie oben ausgeführt – innerhalb der Nutzentheorie eigentlich zwei Ansätze bestehen, bei welchen entweder auf die Differenz Einkommen – Ersparnis = Konsum oder (nach dem Ansatz von Haller) nur auf das Einkommen abgestellt wird.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Unbestimmbarkeit des „Opfers“ gegen den nutzentheoretischen Ansatz. Die Beschränkung auf die sich im Konsum ausdrückende Bedürfnisbefriedigung bestätigt die Unmöglichkeit, das theoretische Modell, nach welchem eigentlich die erreichte Bedürfnisbefriedigung insgesamt erfasst werden müsste, ins praktisch Verwertbare zu übertragen. Wie von den Kritikern bemängelt kann sich die Bedürfnisbefriedigung nämlich auf materielle wie immaterielle Dinge beziehen. Beschränkt man sich aber auf die ökonomisch erfassbaren Gegenstände, entwertet man die Nutzentheorie und beraubt sie ihres normativen Korsetts. Die Nichteinbeziehung der Ersparnis führt bereits dort zu unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten, wo die Ersparnis nicht in Geld-, sondern in Sachvermögen erfolgt. Wer sich einen „Vorrat“ an Gold zulegt (oder ein Haus kauft), der tut dies möglicherweise aus den gleichen Motiven heraus, aus denen der andere sein Geld (unmittelbar) spart. Daher müsste die Güterersparnis unter dem Aspekt der Bedürfnisbefriedigung ebenso behandelt werden wie die Geldersparnis. Beide müssten von der Steuer freigestellt werden303. Aus Praktikabilitätsgründen wäre dies jedoch kaum möglich. Man müsste nämlich bei jedem Kauf feststellen, ob dieser nicht subjektiv als Ersparnis gedacht war. Geht man entsprechend den bisher gemachten Aussagen davon aus, dass die Vertreter dieses Ansatzes, also vor allem die Vertreter einer konsumorientierten Besteuerung Sparen und Investieren gleichsetzen wollen, dann ergeben sich weitere Abgrenzungsschwierigkeiten bzw. Plausibilitätslücken. Selbst wenn man unterstellt, dass eine Geldanlage an sich keine Steigerung an Bedürfnisbefriedigung verschafft, kann dies bei Investitionen nicht ohne weiteres unterstellt werden. So macht es insoweit für den Unternehmer durchaus einen Unterschied, ob der neue Firmenwagen der unteren oder der oberen Preisklasse zuzurechnen ist. Insoweit ist dann aber auch nicht einzusehen, weshalb der ausschließlich aus Prestigegründen privat gekaufte Pkw der Oberklasse die Steuerbemessungsgrundlage in vollem Maße erhöhen soll (bzw. nicht mindert), während der nur dienstlich genutzte dies nicht tut, weil es sich dabei um eine Investition handelt. Argumentierte man nun beispielsweise in den Fällen der gemischten Nutzung, man könne die Kosten für den Pkw entsprechend der Nutzungszeit aufteilen und nur den auf die Privatnutzung entfallenden Teil als Konsum betrachten und dementsprechend versteuern, ergäbe sich eine groteske Situation. Ausgehend von der nutzentheoretischen Begründung dieses Ansatzes würde dies nämlich bedeuten, dass das Fahren des Pkw der Bedürfnisbefriedigung nur dann dient, wenn dies privat erfolgt. Ein und dieselbe Tätigkeit (das Autofahren) würde demnach in ihrer steuerlichen Auswirkung ausschließlich davon abhängen, weshalb sie erfolgte (dienstlich oder privat). Dieser Ansatz entspricht zwar auch dem geltenden Steuerrecht. Er lässt sich aber nicht mit einer nutzentheoretischen Argumentation rechtfertigen, da bezüglich des gezogenen Nutzens gerade kein Unterschied besteht. 303

So auch Haller in FS-Kolms, S. 232.

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Dass der nutzentheoretische Ansatz – jedenfalls soweit er sich auf die Bemessungsgrundlage Konsum bezieht – aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel nicht überzeugt, zeigt sich in den Fällen, in welchen die Konsumausgaben einer Periode die Höhe des Einkommens übersteigen. In einem solchen Fall müsste das Maß der Bedürfnisbefriedigung und damit auch die Steuerbemessungsgrundlage eigentlich größer sein als das Einkommen304. Da der Steuerpflichtige in diesen Fällen in der Regel weder Vermögen besitzt, noch Mittel für Ersparnisse zur Verfügung hat, müsste dann die Steuerlast im Grunde genommen durch eine weitere Verschuldung bewältigt werden. Ein Steuersystem mit einer solchen Bemessungsgrundlage würde demnach dazu führen, das Maß an Verschuldung der Privathaushalte zu intensivieren. Ein unter sozialstaatlichen Aspekten höchst bedenklicher Befund. Hiergegen lässt sich nun nicht argumentieren, dass die Bemessungsgrundlage ermittelt wird, indem vom erzielten Einkommen die Ersparnis bzw. Investition abgezogen wird, weshalb die Höhe des Einkommens jedenfalls eine obere Grenze darstelle. Eine solche Argumentation würde nämlich die abstrakte Grundidee, die Zielgröße Konsum zu besteuern, zur Disposition stellen und diese damit letztlich entwerten. Das in Art. 20 GG enthaltene Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Gesetzgeber dazu, ein Mindestmaß an Grundversorgung zu gewähren, weshalb das Existenzminimum steuerfrei zu stellen ist305. Insoweit würde aber ein Steuersystem, das gleichsam systemimmanent die Gefahr in sich trägt, dies zu ignorieren, dem Sozialstaatsprinzip zuwiderlaufen306. Während das Verfügungsmachtkonzept insoweit dogmatisch auf die Größe „disponibles Einkommen“ zurückgreifen kann, fehlt insofern ein nutzentheoretisches Pendant. In dem genannten Fall würde daher von der dogmatischen Grundidee der Nutzentheorie aus gesehen dem Steuerpflichtigen etwas abverlangt, zu dem er jedenfalls in dieser Periode nicht in der Lage wäre. Durch eine nutzentheoretisch begründete Steuerbemessungsgrundlage, die an den Konsum anknüpft, würde der das gesamte öffentliche Recht überlagernde und bereits den „alten Römern“ bekannte Grundsatz ultra posse nemo obligatur307 quasi systemimmanent unterlaufen. Soweit in der vermittelnden Auffassung davon gesprochen wird, dass es (neben dem Vermögen) zwei weitere mögliche Leistungsfähigkeitsindikatoren gebe, näm304 Dass dies keinesfalls ein völlig unrealistisches Szenario darstellt, zeigt der Blick auf die wachsende Anzahl von Verbraucherinsolvenzen, die insbesondere auch durch die Möglichkeit kreditfinanzierter Käufe im Versandhandel begünstigt werden. 305 BVerfGE 87, 153. 306 Schön, StuW 2002, S. 35, spricht in diesem Zusammenhang (zustimmend) vom „vielgebrauchten Vorwurf einer unsozialen Struktur“. 307 „Mehr zu tun als er kann, ist niemand verpflichtet“, vgl. Link, Wörterbuch der Antike. Dieser alt-römische Rechtsgrundsatz geht zurück auf den römischen Juristen Celsus (vgl. Dig. 50,17, 185). In seiner ursprünglichen Version lautete der Rechtssatz „impossibilium nulla obligatio“ („keine Verpflichtung zu Unmöglichem“).

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

lich Einkommensentstehung und Einkommensverwendung, zeigt sich hierin ein systematischer Denkfehler. Einkommensverwendung und Konsum bezeichnen nämlich eigentlich unterschiedliche Größen, die zwar zahlenmäßig regelmäßig identisch sein mögen, inhaltlich aber voneinander abweichen. So verfügt der Sozialhilfeempfänger nur dann über steuerrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen, wenn man im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie jeden Mittelzugang als Einkommen erfasst. Konsum hingegen tätigt er – soweit ihm der Staat oder Dritte hierzu Mittel zur Verfügung stellen – in jedem Fall. Knüpft man nun an die Einkommensverwendung an, dann orientiert man sich schon rein begrifflich am Einkommen und macht einen Teil hiervon zum Gegenstand der Leistungsfähigkeit. Greift man aber letztlich doch auf das Einkommen zurück, dann leuchtet es nicht ein, warum dies nicht von vornherein der umfassende Anküpfungspunkt der Besteuerung sein soll. Eine gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – also nach den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips – kann nämlich grundsätzlich nur dann erreicht werden, wenn die Leistungsfähigkeit des Einzelnen auch vollständig erfasst wird. Sieht man des Weiteren ausgehend von der neuen Formel des Art. 3 GG Freiheitsschutz und Gleichheitsschutz als eng verknüpft an308, dann sprechen auch freiheitsrechtliche Wertungen gegen die Steuerbemessungsgrundlage Konsum und für die Steuerbemessungsgrundlage Einkommen. Art. 14 GG schützt nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich vor unverhältnismäßigen Eingriffen in das Eigentum durch die Besteuerung. Art. 3 GG gewährleistet in diesem Zusammenhang, dass der Schutz des Eigentums vor Besteuerung auch im Verhältnis zu anderen Steuerpflichtigen durch gleichmäßige Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Steuerlast und damit gleichmäßigen Eingriff in die geschützten Rechtsgüter aus Art. 14 GG erfolgt. Dieser Zusammenhang erfordert nun, dass auch das Leistungsfähigkeitsprinzip auf das Schutzgut Eigentum in irgendeiner Weise Bezug nimmt. Sofern man in der Maßgröße Einkommen den sachgerechten Leistungsfähigkeitsindikator sieht, ist dieser Zusammenhang deutlich erkennbar. Das Einkommen, also Mittelentstehung oder Mittelzufluss, lässt sich unmittelbar durch die Werte konkreter Rechtspositionen, d. h. Vermögenswerte darstellen. Die Einkommensteuer macht daher nach Art. 14 GG geschützte Rechtspositionen zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung. Dabei kann insoweit dahinstehen, ob man die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG als das „eigentliche Eingriffsobjekt der Einkommensteuer“309 ansehen möchte. Der Leistungsfähigkeitsindikator „Einkommen“ gewährleistet jedenfalls in sachgerechter Weise eine adäquate Verknüpfung der Freiheits- und Gleichheitsrechte. Demgegenüber fehlt es an einem solchen Zusammenhang, wenn man die Besteuerung des Konsums favorisiert. Zwar fällt auch die eigennützige Verfügung, 308 309

Huster, Rechte und Ziele, S. 238 ff. So Söhn, FinA 1988, S. 165.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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also die Eigentumsverwendung, unter den Schutzbereich des Art. 14 GG. Der Konsum als solcher ist insoweit aber kein von Art. 14 GG geschützter Gegenstand. Insofern gilt das soeben Ausgeführte, wonach Eigentumsverwendung und Konsum ihrem Wesen nach gerade keine identischen Begriffe darstellen. Der eigentliche Anknüpfungspunkt der konsumorientierten Besteuerung unterliegt somit nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG. Daher besteht in diesem Falle auch keine adäquate Verzahnung von Gleichheitsschutz und Freiheitsschutz. Mithin spricht auch der grundrechtsdogmatische Zusammenhang mit Art. 14 GG gegen den Leistungsfähigkeitsindikator Konsum. Schließlich spricht das in Art. 20 GG verankerte Sozialstaatsprinzip noch aus einem weiteren Grund gegen den Leistungsfähigkeitsindikator Konsum. Aufgrund des Sozialstaatsprinzips hat der Staat dafür Sorge zu tragen, unverschuldete soziale Unterschiede im Interesse einer verbesserten Chancengleichheit auszugleichen. Der Staat muss für den Schutz der wirtschaftlich Schwachen sorgen310. Es kann dabei an dieser Stelle offen bleiben, ob durch das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Umverteilung, etwa durch Festlegung einer Progression, geboten ist. Jedenfalls darf das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht dazu führen, dass soziale Unterschiede durch die Wahl entsprechender Indikatoren verschärft werden. Es lässt sich jedoch kaum bestreiten, dass genau dieses bei einer konsumorientierten Besteuerung die Folge wäre. Der sozial Schwächere muss aufgrund seines geringeren Einkommens prozentual einen wesentlich größeren Teil seines Einkommens versteuern als der Vermögende, der sich den „Luxus“ der Ersparnis leisten kann. Eine konsumorientierte Besteuerung führt daher letztlich zu einer Umverteilung „von unten nach oben“. Im Übrigen sei an dieser Stelle noch auf einen weiteren systematischen Widerspruch in der Argumentation der Anhänger der Konsumsteuern hingewiesen. Im Zusammenhang der Investitionsförderung wird von ihnen zuweilen das Argument angeführt, dass durch die Besteuerung der Gewinne im herkömmlichen Steuersystem die Motivation zur Investition beeinträchtigt werde, weil der Staat den erzielten Gewinn abschöpfe311. Umgekehrt – so die zwingende Folge – würde ein Investitionsanreiz dadurch entstehen, dass die Investitionen im Falle der Konsumsteuern steuerbefreit würden. Diese Argumentation setzt aber voraus, dass das Ziel des handelnden Unternehmers überhaupt in der Gewinnmaximierung begründet ist, was offenbar an dieser Stelle auch von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung unterstellt wird. Genau dies wird von denselben Befürwortern an anderer Stelle aber wieder bestritten, indem diese ausführen, dass jede Steuer letztlich ein Konsumopfer darstelle und das Ziel menschlichen Handels der Konsum (und eben nicht der Gewinn) sei. Uelner, JbFSt 1990 / 1991, S. 51. So Rose in Rose, S. 27, für den sog. Unternehmergewinn und den Bereich von Innovationsgewinnen. 310 311

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Es lässt sich somit festhalten, dass gewichtige verfassungsrechtliche Gründe gegen den nutzentheoretischen Ansatz und für das Verfügungsmachtkonzept sprechen. Auch wenn dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips ein gewisser Freiraum zugesprochen werden muss, kann deshalb ein am Indikator Konsum orientiertes Steuersystem nicht als leistungsfähigkeitsadäquat angesehen werden. Daher ist auf einen am Verfügungsmachtkonzept und damit am Einkommen im Sinne eines Vermögenszuwachses ausgerichteten Leistungsfähigkeitsbegriff abzustellen. Leistungsfähigkeit ist somit die individuelle Fähigkeit, zur Finanzierung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs beitragen zu können. Sie orientiert sich am Bedürfnisbefriedigungspotential, dem Einkommen, und nicht an der durch Konsum tatsächlich erreichten Befriedigung der individuellen Bedürfnisse. 2. Leistungsfähigkeitsadäquate Ausgestaltung des Indikators „Einkommen“ Nachdem nunmehr entschieden ist, dass eine Besteuerung des Konsums den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht entspricht, die Besteuerung des Einkommens hingegen schon, stellt sich die Frage, inwieweit der Begriff Einkommen durch die Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips eingegrenzt und konkretisiert wird. Bislang wurde der Begriff Einkommen vereinfachend als Vermögenszuwachs innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts dargestellt. Dies soll nun präzisiert werden. In diesem Zusammenhang wird nachfolgend überprüft, ob die in den zu untersuchenden Besteuerungssystemen enthaltenen Zielgrößen „Cash-flow“ und „zinsbereinigter“ Gewinn möglicherweise als leistungsfähigkeitsadäquate Ausprägungen des Indikators „Einkommen“ verstanden werden können. Ungeachtet dieser Frage kann dabei die von Fisher gewählte Definition des Einkommens ausgeschlossen werden312. Nach Fisher wird das Einkommen eines Wirtschaftssubjektes durch die Summe seiner Konsumausgaben bestimmt313. Damit hebt Fisher den begrifflichen Unterschied zwischen Einkommen und Konsum auf. Die von ihm als Einkommensteuer bezeichnete Steuer ist letztlich eine Konsumsteuer. Bevor nun die Bemessungsgrundlagen „Cash-flow“ und „zinsbereinigter Gewinn“ aus dem Blickwinkel des Leistungsfähigkeitsprinzips beleuchtet werden, soll der Vollständigkeit halber zunächst kurz auf die oben bereits angesprochenen, herkömmlichen steuerrechtlichen Einkommensbegriffe314, die das Einkommen Zu den Vorschlägen von Fisher vgl. Mitschke, FinA 1980, S. 293 ff. Fisher in Mayer, S. 22 ff. Nach Fisher bezeichnet Einkommen nicht einen irgendwie gearteten Vermögenszuwachs, sondern nur den aus dem Vermögen gezogenen unmittelbaren Nutzen. 314 Siehe hierzu die Ausführungen im Zweiten Teil, B. 312 313

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quellentheoretisch, nach der Reinvermögenszugangstheorie oder nach der Markteinkommenstheorie ableiten, eingegangen und ihre Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip untersucht werden. Auch das im Vergleich zu diesen Steuermodellen unbekanntere, kapitaltheoretische Einkommenskonzept315 soll bei dieser Überprüfung nicht völlig ausgeblendet werden. a) Quellentheoretischer und kapitaltheoretischer Einkommensbegriff Der quellentheoretische Einkommensbegriff sowie das kapitaltheoretische Einkommenskonzept sind von vornherein als Maß für die Leistungsfähigkeit abzulehnen, weil sie nur Teile der wirtschaftlichen Dispositionskraft erfassen316 und daher nicht mit dem hier favorisierten Verfügungsmachtkonzept übereinstimmen. So spricht gegen die Quellentheorie, dass auch unregelmäßige Einkommenselemente wie z. B. Veräußerungsgewinne, die nach dieser Theorie nicht als Einkommen zu erfassen sind, die finanzielle Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen erhöhen317. Des Weiteren führt die Frage, wann eine dauernde Quelle und damit Regelmäßigkeit gegeben ist, zu Abgrenzungsschwierigkeiten und birgt deshalb die Gefahr einer ungleichmäßigen Besteuerung318. Wenngleich die Quellentheorie in ihrer Reinform somit grundsätzlich nicht als leistungsfähigkeitsadäquate Besteuerung anzusehen ist, können quellentheoretische Elemente in einer Besteuerung dennoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dies soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden. Auch das Konzept des kapitaltheoretischen Gewinns lässt sich schwerlich mit den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips in Einklang bringen. Wie bereits gezeigt319 stellt sich beim kapitaltheoretischen Gewinn die Reinvermögensänderung als Differenz der Ertragswerte des Vermögens zu Beginn und zu Ende der Periode dar. Es wurde oben320 ebenfalls darauf hingewiesen, dass für die Berechnung des kapitaltheoretischen Gewinns bestimmte Annahmen getroffen werden müssen, die nicht der Realität entsprechen. Dadurch, dass sich auch erst später erwartete Zahlungsüberschüsse schon in früheren Perioden in einem ökonomischen Gewinn niederschlagen, wird die Leistungsfähigkeit zu einem Zeitpunkt ausgewiesen, zu dem tatsächlich noch keine ökonomische Verfügungsmacht erlangt worden ist321. Unter den tatsächlichen Gegebenheiten des unvollkommenen Marktes kann dies nun ent315

Zum kapitaltheoretischen Einkommenskonzept siehe die Darstellung im Vierten Teil,

A. VI. 316 317 318 319 320 321

16 Reis

Mitschke, Einkommen, Konsum und Vermögen, S. 165. Andel, Finanzwissenschaft, S. 315 ff.; Schanz, FinA 1896, S. 23. Vgl. Schanz, FinA 1896, S. 11 ff. Siehe hierzu Vierter Teil, A. VI. Vierter Teil, A. VI. Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, S. 50.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

gegen der Modellannahme dazu führen, dass sich massive Liquiditätsprobleme ergeben322. Letztlich verbietet sich die Anknüpfung an den kapitaltheoretischen Gewinnbegriff bereits aus Gründen der Rechtssicherheit: Zur Bestimmung der Ertragswerte ist auf unsichere zukünftige Zahlungsströme abzustellen, die nicht sicher ermittelt, sondern nur geschätzt werden können323. Die Anknüpfung an unsichere, subjektive Schätzgrößen widerspricht aber dem aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 GG abzuleitenden Bestimmtheitsgebot324. b) Einkommensbegriff nach Reinvermögenszugangstheorie und Markteinkommenstheorie Sieht man Leistungsfähigkeit im Einkommen im Sinne eines Vermögenszuwachses verkörpert und klammert Wertsteigerungen aufgrund erlangter Nutzungswerte insoweit einmal aus325, dann können an der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Reinvermögenszugangstheorie mit dem Systemprinzip der Leistungsfähigkeit kaum Zweifel bestehen. Lediglich dann, wenn Wertsteigerungen nicht realisiert werden können, bestehen Zweifel. Dies stellt sich jedoch eher als Problem der objektiv richtigen Bewertung denn als grundsätzliches Problem der Reinvermögenszugangstheorie dar. Indem die Bewertung auf den im konkreten Fall (z. B. durch Verkauf) realisierbaren Wert abstellt, lassen sich aber solche Bedenken aus dem Weg räumen. Die grundsätzliche Vereinbarkeit der Reinvermögenszugangstheorie mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist daher zu bejahen. Man könnte in ihr sogar die reinste Form der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sehen. Problematischer erscheint in diesem Zusammenhang jedoch die Markteinkommenstheorie. Da nach dieser Theorie nur Teile des Vermögenszuwachses erfasst werden und sog. „windfall profits“ ebenso wie Erbschaften und Schenkungen überhaupt keine Berücksichtigung finden, erscheint dieser Ansatz unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten bedenklich. Daher stellt sich die Frage, ob der Einkommensbegriff der Markteinkommenstheorie den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips entspricht. Kirchhof sieht den i. S. d. Markteinkommenstheorie definierten Einkommensbegriff verfassungsrechtlich in Art. 14 GG verankert326. Die Einkommensteuer sei eine nur durch Marktteilhabe gerechtfertigte Erwerbseinnahmensteuer. Deren Tat322 Vgl. Müller, Verwirklichung von Gerechtigkeit und Entscheidungsneutralität in den Einkommen- und Körperschaftsteuersystemen der EU-Mitgliedstaaten, S. 40. 323 Vgl. Müller, Verwirklichung von Gerechtigkeit und Entscheidungsneutralität in den Einkommen- und Körperschaftsteuersystemen der EU-Mitgliedstaaten, S. 40. 324 Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, S. 50. 325 Anzumerken ist insofern aber, dass das BVerfG die früher bestehende Nutzungswertbesteuerung ausdrücklich für verfassungsmäßig erachtet hat, vgl. BVerfG, BStBl. II 1959, 68 (69 ff.). 326 Vgl. Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 16 ff.

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bestand und Rechtfertigung sei die Herleitung des Vermögenszuwachses aus dem Marktgeschehen327. Einkommen sei nämlich „gleichermaßen von einer Individualleistung und vom Markt“ abhängig, weil „die Rechtsgemeinschaft an seinem Entstehen mitgewirkt“ habe328. Daher sei solches Markteinkommen begriffsimmanent sozial gebunden und somit gleichzeitig von Verfassungs wegen für den einkommensteuerlichen Zugriff prädestiniert329. Aus der Sozialpflichtigkeit der mit Hilfe der Allgemeinheit bzw. des Marktes erworbenen Einnahmen folge umgekehrt, dass eine „Besteuerung bloßer Einnahmen“ ausscheide. Die Einkommensteuer sei nämlich keine allgemeine Bereicherungssteuer, sondern die Teilhabe des Staates am Erfolg des individuellen, marktabhängigen Wirtschaftens und realisiere damit „den Anteil des Staates am individuellen Erwerb“330. Entgegen der Auffassung Kirchhofs wird die verfassungsrechtliche Festschreibung der Markteinkommenstheorie in der übrigen steuerrechtswissenschaftlichen Theorie weitestgehend abgelehnt331. Dabei wird insbesondere angeführt, dass Art. 14 GG ein staatsgerichtetes Abwehrrecht sei, das Besteuerungsmaßstäbe und damit auch die Grenzen der Besteuerung liefere. Daher könne es nicht (zugleich) in eine Besteuerungsgrundlage „umqualifiziert“ werden332. Des Weiteren wird geltend gemacht, dass der Markt zwar der übliche, nicht aber der aus Verfassungs- oder Systemgründen allein mögliche Ort der Einkommenserzielung sei333. Man könne und dürfe die Institution „Markt“ nicht als „öffentliche Veranstaltung“ verstehen, für dessen Nutzung vom Steuerzahler eine „Teilnahmegebühr“ zu entrichten sei334. Der auf dem Markt stattfindende wirtschaftliche Austausch sei eine gesellschaftliche und keine staatliche Einrichtung335. Gegen eine verfassungsrechtliche Ableitung der Markteinkommenstheorie aus Art. 14 GG spricht neben den genannten Argumenten insbesondere auch, dass im Fall der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit mangels zuvor auf dem Markt eingesetzten Einkommens eine derartige Sozialpflicht nur bezogen auf den Entstehungsprozess von Einkommen verstanden werden kann336. Betrachtet man aber Vgl. Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 16 ff. So Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag,1988, S. F 20 ff. 329 So Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 20 ff. 330 So Kirchhof, Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. F 17. 331 Vgl. Isensee, Referat auf dem 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. N 32 ff.; Söhn in FS-Tipke, S. 349. Auch der BFH folgt insbesondere bei der steuerrechtlichen Behandlung von öffentlichen Zuschüssen wie gezeigt (Zweiter Teil, B. III.) nicht der Markteinkommenstheorie, vgl. BFH, BStBl. II 1986, 806 (808); BStBl. II 1988, 324 (327); BStBl. II 1997, 125 (126); BStBl. II 2002, 697 (699). 332 Vgl. Isensee, Referat auf dem 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. N 32. 333 Vgl. Isensee, Referat auf dem 57. Deutschen Juristentag, 1988, S. N 32. 334 Vgl. Schön in FS-Offerhaus, S. 395. 335 Vgl. Schön in FS-Offerhaus, S. 395. 336 Zur Argumentation im Weiteren vgl. Wittmann, Das Markteinkommen, S. 115 ff. 327 328

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das Markteinkommen wegen der nach Kirchhof Art. 14 GG entnommenen Legitimationsgrundlage – das Zur-Verfügung-Stellen der Rechtsordnung und ihre tatsächliche Inanspruchnahme – als schon bei der Entstehung mit der Steuerpflicht belastet, dann müsste aus dem gleichen Grunde im Sinne eines „umfassenden Legitimationsmodells“ auch bei nicht markterzeugten Vermögensmehrungen eine Besteuerung des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung einsetzen337. In all diesen Fällen stellt der Staat nämlich ebenso seine Einrichtungen zur Verfügung, so dass der gleiche Verpflichtungsgrund gegeben sein müsste. Diese Konsequenz, die sich äquivalenztheoretischen Überlegungen annähert338, würde jedoch dem heute vorherrschenden Verständnis des budgetären Nonaffektationsprinzips, nach welchem Verwaltungszwecke und ihre Finanzierung grundsätzlich entkoppelt sind, zuwiderlaufen339. Im Übrigen gelten gegen den Kirchhofschen Ansatz auch in diesem Zusammenhang die bereits oben340 geltend gemachten Bedenken. Art. 14 GG ist somit zwar keine verfassungsrechtliche Festlegung auf das Markteinkommen zu entnehmen341. Damit ist aber noch nicht zugleich geklärt, ob die Markteinkommenstheorie (trotzdem) mit den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips zu vereinbaren ist. Ausgangspunkt ist dabei zunächst, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als offenes Prinzip dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zubilligt. Nach Tipke sind der Ermittlung eines jeglichen Vermögenszuwachses i. S. d. Reinvermögenszugangstheorie allein schon durch den damit verbundenen, außerordentlich großen Ermittlungsaufwand Grenzen gesetzt342. Da eine leistungsfähigkeitsadäquate Besteuerung auch Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg verlange, trage das Leistungsfähigkeitsprinzip die Frage der Durchsetzbarkeit gleichsam inzident in sich. Dies bedeute, dass Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ausgehend von der Reinvermögenszugangstheorie „auf das Praktische“ zurückgeschnitten werden könne und sich dementsprechend dann (möglicherweise) der Markteinkommenstheorie nähere343. Allein mit Praktikabilitätsgründen lässt sich die Nichterfassung von Einnahmen aus staatlichen und privaten Transfers sowie Erbschaften und Schenkungen nicht Vgl. Wittmann, Das Markteinkommen, S. 119. Nach der im Steuerrecht „überholten“, im Gebührenrecht allerdings immer noch aktuellen Äquivalenztheorie wird die Steuer als Äquivalent (Gegenwert) zu den Leistungen des Staates (auch als Ausgleich für die staatlichen Kosten) aufgefasst, vgl. Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 87. 339 Vgl. Wittmann, Das Markteinkommen, S. 119. 340 Siebter Teil, C. I. 2. b) bb) sowie c). 341 Zur Argumentation im Weiteren siehe Söhn in FS-Tipke, S. 350 ff. 342 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 502. 343 Tipke, Diskussionsbeitrag auf dem 57. Deutschen Juristentag, 1988, Sitzungsberichte, S. N 79. 337 338

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erklären. Dementsprechend spricht vieles dafür, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip vor dem Hintergrund des Verfügungsmachtkonzepts grundsätzlich auch eine Erfassung dieser Größen verlangt, wie dies im geltenden Recht erfolgt. Für die hier zu untersuchende steuerrechtliche Behandlung unternehmerischer Tätigkeit spielt die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen jedoch allenfalls eine untergeordnete Rolle. Daher kann ihre Erfassung im hier gegebenen Untersuchungskontext dahinstehen. Auf die Besteuerung staatlicher Transfers kann im Übrigen bereits unter logischen Gesichtspunkten verzichtet werden („die eine Hand gibt’s, die andere nimmt’s“), soweit diese dem Sozialrecht zuzurechnen sind. Andere Transfers der öffentlichen Hand erhöhen nach dem Verfügungsmachtkonzept grundsätzlich die Leistungsfähigkeit und müssen daher auch versteuert werden, wie dies beispielsweise im geltenden Recht im Fall der Subventionen erfolgt344. Auch wenn somit vieles für eine Orientierung des Leistungsfähigkeitsprinzips an der Reinvermögenszugangstheorie und gegen die Markteinkommenstheorie sprechen mag, kann diese Problematik für die hier im Vordergrund stehende Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit dahinstehen. In der Markteinkommenstheorie kann nämlich für diesen Bereich ein leistungsfähigkeitsadäquater Ausschnitt der Reinvermögenszugangstheorie gesehen werden. Nach der Reinvermögenszugangstheorie345 ist der Reinertrag, also die Differenz zwischen dem Erlös aus der entgeltlichen Verwertung von Gütern und Leistungen am Markt und den Aufwendungen, die zur Erzielung der Erträge getätigt wurden, ein zentraler Bestandteil des Einkommens. Dieser Reinertrag stimmt aber im Wesentlichen mit dem Einkommen nach der Markteinkommenstheorie überein. Ob und wodurch daneben die übrigen Bestandteile des Reinvermögenszugangs, wie beispielsweise Zuwendungen Dritter, im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips ebenfalls steuerlich zu erfassen sind, kann im Rahmen dieser Arbeit offen bleiben. Es ist jedenfalls nicht erforderlich, dass die Erfassung von Leistungsfähigkeit in einer „Alleinsteuer“ erfolgt. Wie bereits oben zur Umsatzsteuer ausgeführt, lassen sich nämlich sachliche Gründe für die Verteilung auf mehrere Steuerarten finden. Selbst wenn jedoch eine vollständige Erfassung der Leistungsfähigkeit in einem Gesamtsteuersystem nicht verwirklicht werden würde, gewährleistet die Markteinkommenstheorie, für den von ihr abgedeckten Bereich, eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende Einkommensbesteuerung. Die sich in diesem Zusammenhang aufdrängende Frage, ob und inwieweit das geltende Gesamtsteuersystem dem Leistungsfähigkeitsprinzip insgesamt entspricht, soll und kann hier nicht abschließend entschieden werden. 344 Vgl. BFH, BStBl. II 1986, 806 (808); BStBl. II 1988, 324 (327); BStBl. II 1997, 125 (126); BStBl. II 2002, 697 (699). 345 Vgl. hierzu die Darstellung im Zweiten Teil, B. II.

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c) Zahlungsstromorientierter Einkommensbegriff Von den Anhängern einer konsumorientierten Besteuerung wird gefordert, das Einkommen zahlungsstromorientiert im Sinne des finanzwirtschaftlichen Cashflows zu definieren346. Entsprechend der oben347 dargestellten Definition des Cash-flows wird das Einkommen nach dieser Ansicht durch bloße Gegenüberstellung von Ein- und Auszahlungen in einer Periode ermittelt348. Nachfolgend soll nun überprüft werden, ob eine solche Besteuerung des Cashflows dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht. Für größere Unternehmen, die ihre Steuerbemessungsgrundlage auf der Grundlage der Handelsbilanz ermitteln, würde eine solche Besteuerung eine Abkehr von zentralen methodischen Vorgaben der bilanziellen Gewinnermittlung bedeuten. Durch die Einführung einer Cash-flow-Steuer würden zentrale Bestimmungen des Handelsbilanzrechts bei der Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage wegfallen. Daher soll nachfolgend die verfassungsrechtliche Bedeutung des Maßgeblichkeitsprinzips und der mit ihm verbundenen handelsrechtlichen Regelungen für die Besteuerung untersucht werden. Ergibt sich hierbei, dass diese aus dem Blickwinkel des Leistungsfähigkeitsprinzips unverzichtbar sind, dann bestünde für die Einführung einer Cash-flow-Steuer insoweit kaum Raum als sie dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen würde. Es käme dann allenfalls die Rechtfertigung eines solchen Verstoßes in Betracht. Die handelsbilanzielle Gewinnermittlung basiert auf dem Grundgedanken der periodisch „richtigen“ Zuordnung des Gewinnes. Dazu dienen zahlreiche Buchführungs- und Bilanzierungsregeln: So werden die Anschaffungskosten einer Maschine über Abschreibungen mehreren Perioden als Aufwand zugeordnet. Mithin ist der Gewinn periodenabhängig bzw. der einzelnen Periode direkt zuzuordnen. Genau diese periodische Zuordnung wird aber von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung nachhaltig kritisiert. Daher soll nachfolgend zunächst überprüft werden, inwieweit das Periodisierungsprinzip verfassungsrechtlich geboten ist. aa) Lebenseinkommensprinzip versus Periodeneinkommensprinzip Gerade von den Anhängern einer konsumorientierten Besteuerung wird vertreten, die Besteuerung habe sich an dem Lebenseinkommen auszurichten. Ausgehend von einem nutzentheoretischen Verständnis sei über die Konsumbesteue346 Richter / Wiegard, StuW 1990, S. 40 ff.; Weisflog, StuW 1983, S. 337 ff.; Meade Committee, S. 150 ff. 347 Vierter Teil, B. III. 348 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, S. 52.

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rung eine gleichmäßige Besteuerung des Lebenseinkommens anzustreben349. Der Periodenschnitt sei mit einer lebenszeitlich angelegten Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit unvereinbar350. Nach Lang widerspricht die traditionelle Periodenbesteuerung dem Leistungsfähigkeitsprinzip, welches auf eine lebenszeitliche oder überperiodische Gleichmäßigkeit angelegt sei351. Das Periodizitätsprinzip sei nur ein technisch-budgetäres Prinzip, das den in einer Finanzperiode gegebenen Finanzbedarf zu sichern habe352. Das Lebenseinkommen sei der ideale Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit. Dies zeigten die Fälle, in welchen das Lebenszeiteinkommen in relativ kurzer Zeit erzielt werde, wie dies vor allem bei Künstlern und Berufssportlern, aber auch bei Akademikern, die erst relativ spät in das Berufsleben eintreten, der Fall sei353. So würde beispielsweise der Profifußballer, der in nur wenigen Jahren seine Lebensexistenz erwerbe, nicht nur durch den progressiven Einkommensteuertarif überproportional besteuert. Die überproportionale Besteuerung erfolge auch durch eine ungerechte Einkommensteuerbemessungsgrundlage: Ausgaben, die für die Erwerbstätigkeit geleistet würden, wie beispielsweise die Kosten der Berufsausbildung, könnten in Perioden ohne Einkommen nicht berücksichtigt werden. Des Weiteren könnten in diesen Perioden auch der Lebens- und Familienbedarf, also die Maßgröße subjektiver Leistungsfähigkeit, nicht berücksichtigt werden. Eine gerechte Einkommensbesteuerung belaste die gesamte objektive und subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und mithin das Lebenseinkommen. Ein anderer Zeitraum sei stets „irgendwie willkürlich“354. Moderatere Stimmen gehen davon aus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Antwort auf die Frage gebe, ob das Einkommen periodisch zu erfassen ist oder ob es auf das Lebenseinkommen ankomme355. Aus Praktikabilitätserwägungen lasse sich das Lebenseinkommensprinzip aber schwerlich durchsetzen. Demgegenüber wird in der Literatur auch die Ansicht vertreten, das Periodizitätsprinzip sei zentraler Bestandteil einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit356. Gleichheit setze nämlich nicht nur Vergleichbarkeit in der Sache, sondern auch in 349 Vgl. Wenger, FinA 1983, S. 210 ff.; Nguyen-Tanh / Rose / Thalmeier, StuW 2003, S. 170 ff. 350 So Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rdnr. 33. 351 So Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rdnr. 33. 352 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 187. 353 Vgl. zur Argumentation im Folgenden Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 187 ff. 354 So Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 189, der aus diesen Überlegungen ableitet, dass „ein periodisches Einkommensteuerobjekt, ohne jeden Ausgleichstatbestand der interperiodischen Einkünfteverteilung verfassungswidrig wäre“. 355 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 503; in diesem Sinne ist wohl auch Dorenkamp, DStJG Sonderband (2001), S. 65 ff., zu verstehen. 356 Vgl. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuer-Kommentar, § 2 A 362; Schick, Der Verlustrücktrag, S. 12 ff.

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der Zeit voraus357. Nach Kirchhof ist das Prinzip der periodenbezogenen Besteuerung kein technisches, sondern vielmehr ein „materielles Prinzip“ des Einkommensteuerrechts, das auch im verfassungsrechtlichen Legitimationsgrund der Einkommensteuer zum Ausdruck komme358. Dadurch, dass die Besteuerung periodisch, sukzessiv erfolge, werde die regelmäßige Teilhabe am Erwerbseinkommen sichergestellt und eine gegenwartsgerechte Besteuerung erreicht359. Sonderregelungen wie z. B. die Verteilung von Einkünften aus langjähriger Tätigkeit auf mehrere Jahre sowie das Zusammenwirken von Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten würden die zeitgerechte Zuordnung von Einkommen sichern und stellten daher keine Durchbrechung dieses Prinzips dar. Gegen das Lebenseinkommenskonzept wird außerdem eingewandt, dieses gehe von der unrealistischen Hypothese aus, dass ein gleichbleibender Kapitalmarkt vorliege, zudem dürften sich bei diesem Konzept weder Steuersatz noch Rechtslage ändern360. Weiterhin wird gegen das Lebenseinkommenskonzept geltend gemacht, es ignoriere willkürlich den Einwand, dass es sehr wohl darauf ankomme, in welchem Zeitraum das Lebenseinkommen erzielt worden ist, mithin wie alt der Steuerpflichtige geworden ist361. Bereits die jährlich anzusetzenden Freibeträge in Höhe des Existenzminimums geböten es nämlich, insoweit zu unterscheiden362. Nach der hier vertretenen Auffassung363 ist das an der Nutzentheorie orientierte Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips abzulehnen. Daher ist das Periodizitätsprinzip aus der Sicht des Verfügungsmachtskonzeptes zu bewerten. Betrachtet man die insbesondere von Lang gegen das Periodizitätsprinzip vorgetragenen Argumente genauer, dann fällt auf, dass diese sich vor allem gegen die Steuerprogression richten. Die von ihm bemängelte Ungerechtigkeit der Besteuerung beispielsweise im Fall des Profifußballers, der in wenigen Jahren sein gesamtes Lebenseinkommen erzielt, relativiert sich nämlich, wäre sein Einkommen proportional mit einem gleichbleibenden Steuersatz zu versteuern. Hieraus lässt sich jedoch kein Argument gegen das Periodizitätsprinzip herleiten. Richtig ist, dass in Perioden ohne Einkommen die Kosten der Lebenshaltung nicht berücksichtigt werden und insofern eine überproportionale Besteuerung er-

Schick, Der Verlustrücktrag, S. 13. Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuer-Kommentar, § 2 A 362. 359 Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuer-Kommentar, § 2 A 362. 360 Schneider, StuW 1974, S. 370 ff. 361 Schneider, Steuerbilanzen, S. 51 f. 362 Schneider, Steuerbilanzen, S. 51, der zudem zurecht die Frage aufwirft, ob es angesichts der Inflation überhaupt sinnvoll sei, Einkommensbeträge der letzten 50 – 80 Jahre zu addieren. 363 Siehe hierzu die Ausführungen im Achten Teil, A. II 3. a) bb) (2). 357 358

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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folgt. Dem steht aber gegenüber, dass in diesen Phasen vielfach ein Anspruch auf verschiedene Sozialtransfers (Hilfe zum Lebensunterhalt, Bafög etc.) besteht. Argumentiert man insoweit aber mit Gerechtigkeitserwägungen, dann müsste man diese Sozialtransfers wie dies namentlich Birk364 vorschlägt, ebenfalls berücksichtigen. Dem Akademiker, der erst spät in das Berufsleben eintritt und dann eine hohe progressive Besteuerung seiner Einkünfte erfährt, könnte weiter entgegengehalten werden, dass auch seine Universitätsausbildung ein solcher, sehr teurer Vermögenstransfer ist, der im Sinne einer umfassenden Belastungsgleichheit gleichfalls einzubeziehen wäre. Eine solche umfassende Transfergerechtigkeit zu gewährleisten wäre aber praktisch kaum möglich, da auch wertmäßig kaum ermittelbare Vermögenstransfers wie die Kosten für Schul- und Universitätsausbildung berücksichtigt werden müssten. Würde man solche Transfers – unterstellt, sie seien kostenmäßig erfassbar – einbeziehen, dann würde das Leistungsfähigkeitsprinzip zudem sehr stark von äquivalenztheoretischen Überlegungen durchsetzt. Letztlich würde hierdurch die Berechtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips selbst in Zweifel gezogen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt eine Steuerverteilungsregel dar, die nicht eine umfassende Zu- und Verteilungsgerechtigkeit aller Abgaben und Sozialtransfers gewährleisten kann und soll. Das Ziel einer Steuerverteilungsregel ist es, die zu zahlenden Steuern gleichmäßig zu verteilen. Für den Betrag der steuerlichen Abgaben, die alle Steuerpflichtigen und damit mittelbar und anteilig der einzelne Steuerzahler innerhalb einer Periode zu zahlen hat, ist aber vor allem der Finanzbedarf des Staates in eben dieser Haushaltsperiode maßgebend. Diesen gilt es gleichmäßig zu verteilen. Der Finanzbedarf des Staates ist jedoch nicht intertemporal gleichbleibend. Unterschiedliche konjunkturelle Rahmenbedingungen sowie die sich entwickelnden unterschiedlichen Bevölkerungsstrukturen, wie z. B. die Altersstruktur der Bevölkerung, führen dazu, dass dieser Finanzbedarf massiven Schwankungen unterliegt. Dies führt dazu, dass auch ein proportionaler Steuersatz Änderungen erfahren kann und muss365. Eine intertemporale Gleichmäßigkeit, wie sie von den Anhängern einer Lebenseinkommensbesteuerung gefordert wird, vernachlässigt nun unzulässigerweise diese Zusammenhänge. Da eine intertemporale Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu erreichen ist, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass die Verteilungsgerechtigkeit sich auf eine Periode beziehen muss und das Periodenprinzip somit ein materielles Prinzip innerhalb des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt. Die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage hat deshalb darauf abzustellen, welches Einkommen in einer bestimmten Periode erzielt worden ist. Einige Vertreter des Lebenseinkommensprinzips wollen die Besteuerung des gesamten Lebenseinkommens dadurch erreichen, dass sie neben einer jährlichen 364 365

Vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 87 ff. Vgl. hierzu auch Schneider, FinA 1983, S. 408 ff.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Besteuerung des Konsums das am Lebensende angesammelte Vermögen einer Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterwerfen366. Hierdurch könne ein allzu großes Auseinanderdriften unterschiedlicher Vermögensentwicklungen verhindert werden367. Dagegen lässt sich aber einwenden, dass die Erbschaftsteuer nicht den ursprünglich Steuerpflichtigen, sondern dessen Erben trifft. Nur dessen Leistungsfähigkeit wächst nämlich durch die Erbschaft. Somit werden bei diesem Lebenseinkommenskonzept die Leistungsfähigkeiten unterschiedlicher Steuersubjekte unzulässigerweise miteinander vermengt. bb) Das Maßgeblichkeitsprinzip in Gestalt der GoB als verfassungskonkretisierender Grundsatz Nachdem nunmehr festgestellt worden ist, dass das Periodenprinzip materiellrechtlich geboten ist, soll nachfolgend untersucht werden, inwieweit neben diesem auch die (weiteren) Grundsätze der handelsbilanziellen Gewinnermittlung, die nachfolgend unter dem Oberbegriff „Maßgeblichkeitsprinzip“ zusammengefasst werden sollen, für das Steuerrecht von Verfassungs wegen verbindlich sind. (1) Grundzüge des Maßgeblichkeitsprinzips Gegenstand des gegenwärtigen Unternehmensbesteuerungssystems ist das in § 5 I S. 1 EStG festgelegte Maßgeblichkeitsprinzip, wonach bei den bilanzierungspflichtigen Gewerbetreibenden „das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 I S. 1) ist, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist“. Insoweit besteht Unklarheit, ob aus § 5 I S. 1 EStG hervorgeht, dass auf sämtliche geschriebenen und ungeschriebenen Gewinnermittlungsregelungen Bezug genommen wird, wie dies von der wohl h. M. verstanden wird, oder ob nur diejenigen handelsrechtlichen Normen gemeint sind, bei welchen es sich um „echte“ Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung handelt.368. Da mit einer Einführung der Cash-flow-Besteuerung die Schaffung eines völlig neuen (Einkommensteuer-)Gesetzes einherginge, kann diese Auslegungsfrage jedoch dahinstehen. Einigkeit besteht insoweit über den Inhalt des Grundsatzes der Maßgeblichkeit, wonach der in der Handelsbilanz nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisende Gewinn grundsätzlich auch für den sich aus der Steuer366 So bspw. Mitschke, Einkommen, Konsum und Vermögen, S. 163, m. w. N.; Schön, StuW 2002, S. 34, spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Konsumorientierung zu sog. „Ballooning-Effekten“, einer Aufblähung latenter Steuerlasten, führe. 367 Vgl. hierzu Mitschke, Einkommen, Konsum und Vermögen, S. 199 ff. 368 Nach wohl überwiegender Ansicht werden sämtliche Vorschriften über die Handelsbilanz durch diese Vorschrift in die steuerliche Gewinnermittlung inkorporiert, vgl. Schön, StuW 1995, S. 374; Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 303, jeweils m. w. N.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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bilanz ergebenden Gewinn ausschlaggebend ist. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sind daher auch für die Ermittlung des steuerbilanziellen Gewinns grundsätzlich maßgeblich. Unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes stellt das Vorsichtsprinzip das oberste Prinzip der GoB dar369. Zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung werden in materieller Hinsicht neben dem Vorsichtsprinzip auch die hier nicht näher zu behandelnden Einzelgrundsätze wie das Prinzip der Wahrheit und Vollständigkeit, das Prinzip der Bilanzidentität und Bilanzkontinuität sowie das Nominalwertprinzip gezählt370. Das Maßgeblichkeitsprinzip ist in der Realität von zahlreichen steuerlichen Sonderregelungen sowie steuerlichen Vorbehalten371 „durchlöchert“372. Des Weiteren bestehen auch ungeschriebene Ausnahmen vom Grundsatz der Maßgeblichkeit. So sind handelsrechtliche Wahlrechte nach h. M. steuerrechtlich nicht maßgeblich. Handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte führen steuerrechtlich zu einer Bilanzierungspflicht, handelsrechtliche Passivierungswahlrechte führen zu einem steuerlichen Bilanzierungsverbot373. Das Maßgeblichkeitsprinzip gilt somit jedenfalls nicht in Reinform. Außerdem wird das Maßgeblichkeitsprinzip im Zuge des neuen, international geprägten Gewinnermittlungsrechts (§ 292a HGB) immer mehr zur Disposition gestellt374. 369 Vgl. Beisse, BB 1999, S. 2182; bisweilen wird auch behauptet, oberstes Prinzip der GoB sei der Grundsatz des „True and Fair View“ (§ 264 II HGB), so bspw. v. Hulle in FS-Budde, S. 313 ff. und Großfeld, AG 1997, S. 439. Da dieses „Einblicksgebot“ jedoch nicht für alle Kaufleute, sondern nur für Kapitalgesellschaften und Konzerne gilt, handelt es sich dabei nach hier vertretener Ansicht überhaupt nicht um GoB. 370 Vgl. Hey in Tipke / Lang, § 17 Rdnr. 60 ff. Daneben bestehen noch die formellen Grundsätze nach § 238 I 2, 3 HGB, wonach die Buchungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen sind, sowie der Grundsatz der Übersichtlichkeit der Bilanz (§ 243 II HGB). 371 Zu nennen sind hier insbesondere die in § 5 II – VI EStG getroffenenen Regelungen. Die Vorschriften hinsichtlich der Bildung von Rückstellungen, wie z. B. § 5 IVa EStG, nach welchen die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste steuerlich nicht mehr zulässig ist, fallen hierbei in besonderer Weise ins Gewicht. Weiterhin stellt der in § 5 VI EStG normierte Bewertungsvorbehalt, nach welchem für die Bewertung vorrangig die steuerlichen Vorschriften (§§ 6 ff. EStG) zu beachten sind, eine bedeutende Abweichung vom Maßgeblichkeitsgrundsatz dar. Einen guten Überblick über diese „Aushöhlungstendenzen“ gibt Himmelreich in FS-Müller, S. 617 ff. 372 So Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 303. 373 Vgl. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 304, m. w. N. 374 Zur Bedeutung und Problematik des neuen Gewinnermittlungsrechts (§ 292 a HGB), nach welchem deutsche Konzernobergesellschaften, die ausländische Kapitalmärkte in Anspruch nehmen, ihren deutschen Konzernabschluss nach internationalem oder ausländischem Recht, erstellen können, siehe Groh in FS-Börner, S. 179 ff. Ab dem 1. 1. 2005 wird diese Kann-Regelung zu einer Muss-Regelung. Mit dem am 29. 10. 2004 verabschiedeten Bilanzrechtsreformgesetz (BT-Drucks. 15 / 4054) und dem damit verbundenen Wegfall des § 292 a HGB haben kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 2005 nämlich die Pflicht, konsolidierte Abschlüsse für Geschäftsjahre, die am 1. 1. 2005 oder später beginnen, nach den IAS auf-

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Bei der Einführung einer Cash-flow-Steuer wäre die Steuerbilanz nun gänzlich unabhängig von dem handelsbilanziell, d. h. auf der Grundlage eines Vermögensvergleiches ermittelten Gewinns. Damit verlören aber auch zentrale Elemente einer handelsrechtlichen Gewinnermittlung wie beispielsweise die Bildung von Rückstellungen oder das in § 253 III HGB normierte strenge Niederstwertprinzip ihre Bedeutung für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage. Bevor die Frage zu klären ist, inwieweit das Maßgeblichkeitsprinzip einen verfassungskonkretisierenden Maßstab darstellt, sollen zunächst seine weiteren Ausprägungen vorgestellt werden. (2) Das Vorsichtsprinzip als Subprinzip des Maßgeblichkeitsprinzips Eine Ausprägung des Maßgeblichkeitsprinzips ist das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip, nach welchem der Kaufmann sein Vermögen im Zweifel eher zu niedrig als zu hoch ausweisen muss375, sowie seine Unterprinzipien Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip. Das Vorsichtsprinzip wird auch vom Gesetzgeber als Ausprägung bzw. „Subprinzip“ des Maßgeblichkeitsprinzips benannt376. (a) Das Realisationsprinzip Nach dem Realisationsprinzip, das ausdrücklich in § 252 I Nr. 4 2. HS HGB normiert ist, dürfen nur solche Gewinne ausgewiesen werden, die auch (durch Umsatz) realisiert worden sind. Eine derartige Realisierung wird beispielsweise darin gesehen, dass der Unternehmer seine Lieferung oder Leistung bereits erbracht hat und damit seine Forderung bereits geltend machen kann377, nicht aber bereits bei Abschluss eines Vertrages (und sei er wirtschaftlich auch als noch so günstig und sicher anzusehen)378. Als richtiger Buchungs- und Bilanzierungszeitpunkt wird dabei allgemein der Zeitpunkt der Leistung durch das Unternehmen angesehen, weil zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht des Unternehmens alles Erforderliche für den Vollzug des Geschäfts getan worden ist. Der Anspruch auf die Gegenleistung ist nicht mehr mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB behaftet, sondern ist zu einem durchsetzbaren Forderungsrecht, einem vollwertigen Wirtschaftsgut erstarkt379. Typischerweise wird das Realisationsprinzip nur auf Erträge zustellen. Auf die Änderungen, die mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) im Einzelnen einhergehen, soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden. 375 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 47. 376 Vgl. BT-Drucks. 13 / 7141, S. 8, in der Begründung des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes (KapAEG). 377 Vgl. Hey in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 17 Rdnr. 68. 378 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 49. 379 Von den anderen theoretisch denkbaren Zeitpunkten wird der Zeitpunkt des Vertragsschlusses als zu früh angesehen, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher sei, ob der Vertrag tatsächlich durchgeführt wird, der Zeitpunkt der Bezahlung liege hingegen zu spät, vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 22.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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angewandt. Jedoch wird in letzter Zeit verstärkt vertreten, diesen Grundsatz auch auf Aufwendungen zu beziehen. Nach dieser Ansicht wird durch das Realisationsprinzip festgelegt, zu welchem Zeitpunkt die durch die Aufwendungen verursachte Vermögensminderung eingetreten ist380. Nach dem Realisationsprinzip wäre dann der Aufwand dem jeweiligen Geschäftsjahresumsatz konkret zuzuordnen381. Gegen eine Anwendung des Realisationsprinzips auch auf Aufwendungen spricht jedoch, dass im Realisationsprinzip ein Unterprinzip des Vorsichtsprinzips zu sehen ist382. Vorsichtiges Bilanzieren erfordert aber, jeglichen Aufwand sehr früh, also regelmäßig bereits vor dem Zeitpunkt der (tatsächlichen) Realisierung zu berücksichtigen. Demgegenüber spricht das Vorsichtsprinzip im Falle eines Ertrages eher für einen späteren Ansatz. Das Realisationsprinzip wird bilanztechnisch vom Anschaffungskostenprinzip ergänzt, wonach die Unternehmensleistungen höchstens in Höhe der Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten zu bilanzieren sind. (b) Das Imparitätsprinzip Nach dem Imparitätsprinzip (Imparität = Ungleichheit) sind vorhersehbare Risiken und Verluste383 im Gegensatz zu Erträgen auch dann bilanziell zu berücksichtigen, wenn sie noch nicht realisiert, aber bereits vorhersehbar sind384. Das Niederstwertprinzip, nach welchem bei der Bewertung eines Vermögensgegenstandes von mehreren in Betracht kommenden Werten stets der niedrigste anzusetzen ist (§ 253 II S. 3, III HGB), stellt einen Anwendungsfall des Imparitätsprinzips dar385. Das Niederstwertprinzip modifiziert dabei über das Maßgeblichkeitsprinzip den ebenfalls dem Imparitätsprinzip entsprechenden, steuerrechtlich optionalen Ansatz des niedrigeren Teilwerts (§ 6 I Nr. 1 u. Nr. 2 EStG) und macht diesen verbindlich386. Vgl. Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 72. Vgl. insbesondere Moxter in FS-Wysocki, S. 17 ff. 382 Ablehnend insoweit auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 49, mit Hinweis auf das insoweit dominierende Vollständigkeitsprinzip des § 246 I HGB, das einen vollständigen Ausweis aller Schulden verlange; vgl. auch Siegel, BB 1993, S. 334. 383 Insofern handelt es sich um zwei Komponenten, die nicht immer deutlich auseinandergehalten werden. 384 Normiert ist das Imparitätsprinzip in § 252 I Nr. 4 HGB; vgl. auch Hey in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 17 Rdnr. 69. 385 Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens gilt insoweit das sog. strenge Niederstwertprinzip, bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens ein gemildertes Niederstwertprinzip. Bei nur vorübergehenden Wertminderungen dürfen auch die um Abschreibungen geminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten fortgeführt werden, eine Pflicht besteht nur bei voraussichtlich dauerhaften Wertminderungen, vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 23 ff. 386 Vgl. Hey in Tipke / Lang, § 17 Rdnr. 70. 380 381

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Ein weiterer Anwendungsfall des Niederstwertprinzips ist die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften387. Hält man sich vor Augen, dass die wesentlichen Unterschiede, die mit der Einführung einer Cash-flow-Steuer einhergingen, wie z. B. Abschaffung von Rückstellungen, untrennbar mit der Frage nach einer steuerlichen Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips verbunden sind, lautet die „Kernfrage“, welche Vorgaben die Verfassung im Hinblick auf dieses Prinzip macht388. (3) Verfassungsrechtliche Verankerung des Maßgeblichkeitsprinzips Das BVerfG hat sich – soweit ersichtlich – noch nicht unmittelbar mit der Frage befasst, ob der Maßgeblichkeitsgrundsatz bzw. das Vorsichtsprinzip mit der Verfassung zu vereinbaren ist. Die Frage, welche Leitlinien der Verfassung hinsichtlich der Gestaltung von Steuer- und Handelsbilanz zu entnehmen sind, ist daher höchstrichterlich noch nicht beantwortet. Vor dem Hintergrund, dass mit dem Vorsichtsprinzip das Ziel verfolgt wird, dass sich ein Unternehmen nie reicher, höchstens ärmer darstellt, erscheint es fraglich, ob dieser Ansatz mit dem Ziel der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Übereinstimmung gebracht werden kann389. In der Literatur ist insoweit streitig, welche Vorgaben die Verfassung im Hinblick auf das Maßgeblichkeitsprinzip und damit auch auf das Vorsichtsprinzip macht. (a) „Vorrangtheorie“ sowie „Widerspruchstheorie“390 Ausgehend von der gegenwärtigen Rechtslage besteht nach einer Ansicht im Konfliktfalle immer ein Vorrangverhältnis des steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips gegenüber dem Maßgeblichkeitsgrundsatz391. Dies ergebe sich daraus, dass der Handelsbilanz und der Steuerbilanz unterschiedliche Ziel- und Blickrichtungen zugrunde lägen. Während das Einkommensteuerrecht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand des erwirtschafteten Reinvermögenszugangs bestimmen wolle, verfolge das Handelsrecht „ein ganzes Bündel verschiedener 387 Vgl. Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 72. Nach § 5 IV a EStG sind diese aber steuerrechtlich nicht mehr zulässig, weshalb das Maßgeblichkeitsprinzip insoweit durchbrochen ist. 388 Ohnehin konzentrieren sich die Einwände gegen das Maßgeblichkeitsprinzip auf das Vorsichtsprinzip, vgl. Hennrichs, DStJG 24, (2001), S. 313. 389 Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 21. 390 Hier jeweils so genannt, weil nach einer Ansicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip (bezogen auf bestimmte Fälle) der Vorrang einzuräumen ist, während nach der anderen Auffassung das Maßgeblichkeitsprinzip grundsätzlich im Widerspruch zur Verfassung steht, vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 17 ff., sowie Weber-Grellet, BB 1999, S. 2659 ff., und ders., DB 2000, S. 385 ff. 391 Vgl. zur Argumentation im Folgenden Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 17 ff.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Zwecke“392. Die Anknüpfung an die Handelsbilanz sei ursprünglich lediglich als Vereinfachung gedacht gewesen, um dem Steuerpflichtigen eine eigene steuerrechtliche Gewinnermittlung zu ersparen. Daraus folge, dass dieses Praktikabilitätsargument nicht die gleiche Wertigkeit wie die ethischen Prinzipien des Steuerrechts, insbesondere das Leistungsfähigkeitsprinzip haben könne393. Aus dieser Argumentation schließt Pezzer394 als Vertreter der sog. Vorrangtheorie im Gegensatz zu Weber-Grellet395 jedoch nicht, dass die handelsbilanziellen Grundsätze von Vorsicht und seine speziellen Ausprägungen Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip keine Bedeutung für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns hätten. So hält er das Realisationsprinzip für eine Konkretisierung des Markteinkommensprinzips, nach welchem nur am Markt erzielte Einkünfte erfasst werden dürften.396 Realisiert heiße nämlich durch Umsatzakt ausgewiesen. Die bloße Wertsteigerung von im Betriebsvermögen ruhenden Wirtschaftsgütern werde nicht erfasst. Das am Markt erzielte Einkommen stelle aber zu diesem Zeitpunkt wieder einen zuverlässigen Indikator der steuerlichen Leistungsfähigkeit dar, weil ein Zugriff auf nichtrealisierte Vermögenswerte und damit Substanz verhindert und somit die Gefahr einer übermäßigen Besteuerung vermieden werde. Auch das Imparitätsprinzip als weiteres Unterprinzip des Vorsichtsprinzips sei mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar. Berücksichtige man nämlich, dass es die grundsätzliche Aufgabe der steuerlichen Gewinnermittlung sei, durch Betriebsvermögensvergleich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch Messung des am Markt erzielten Vermögenszuwachses zu bestimmen, dann ergebe sich hieraus, dass dieser Zuwachs nur dann bestimmt werden könne, wenn er gesichert erscheine. Ein mit „Unsicherheiten und Zweifeln behafteter Vermögenszuwachs“ sei jedoch kein sicherer Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit und scheide damit als ungeeignet aus. Hieraus ergebe sich, dass bei der Gewinnermittlung zweifelhaftes Vermögen auszusondern sei. Dies führe zwangsläufig zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung von positiven Erfolgsbeiträgen auf der einen und negativen auf der anderen Seite. Eine am Leistungsfähigkeitsprinzip gemessene Systemwidrigkeit ergebe sich nur dann, wenn die Verlustantizipation so weit gehe, dass sie bewusst zur Bildung stiller Reserven missbraucht werde und somit eine „zweckwidrige Überdehnung“ vorliege. Dem könne jedoch auf der Ebene von Beweisregelungen begegnet werden. Insgesamt stelle sich das Vorsichtsprinzip als sachgerechtes Instrumentarium zur Erfassung steuerlicher und damit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit dar. 392 393 394 395 396

So Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 17. So Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 18. Siehe Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 20 ff. Vgl. Weber-Grellet, BB 1999, S. 2659 ff., und DB 2000, S. 385 ff. Zur Argumentation im Weiteren vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 22 ff.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Seine Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip konzentriert Pezzer ganz auf die seiner Meinung nach mit dem Gleichheitssatz unvereinbaren handelsrechtlichen (sowie steuerrechtlichen) Wahlrechte, so dass bezogen auf das Vorsichtsprinzip und die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung kaum verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Maßgeblichkeitsprinzip selbst blieben. Insoweit stimmt seine Kritik im Wesentlichen auch mit der Ansicht des Großen Senats des BFH überein, der bereits in seinem Beschluss von 1969397 festgestellt hat, dass Bilanzierungswahlrechte schwerlich mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung aus Art. 3 GG in Einklang gebracht werden könnten. Bezogen auf das von der Einführung einer Cash-flow-Besteuerung betroffene Vorsichtsprinzip und hierbei insbesondere das Imparitätsprinzip als Teilbereich, stellt sich Pezzer hingegen eher als argumentationsstarker Unterstützer des Maßgeblichkeitsprinzips dar. Weber-Grellet hingegen macht im Hinblick auf dessen Unbestimmtheit grundsätzliche „verfassungsrechtliche Bedenken“ gegen das Maßgeblichkeitsprinzip geltend398. Es sei unbefriedigend und zweifelhaft, ob die Verweisung auf die handelsrechtlichen GoB insoweit dem Legalitätsanspruch genügten, zumal diese nicht einmal in den handelsrechtlichen Vorschriften definiert seien. Neben der Unbestimmtheit wird von ihm ein Verstoß gegen Art. 3 GG wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit aus der handelsrechtlichen Unübersichtlichkeit sowie (ebenfalls) wegen der bestehenden Gestaltungsspielräume und Wahlrechte gerügt399. Weiterhin führt Weber-Grellet an, dass eine funktionale Differenz und Inkompatibilität zwischen Handels- und Steuerbilanz bestehe400. Auf der einen Seite (Handelsbilanz) stünden Vorsicht und Spielräume, während auf der anderen Seite Gleichmäßigkeit und Objektivierung vorherrschten. Das imparitätische Realisationsprinzip des Handelsbilanzrechts solle den „entziehbaren“, die Steuerbilanz hingegen den „richtigen“ Gewinn bestimmen. Die der Handelsbilanz zugrundeliegenden Kriterien der Ausschüttungsbestimmung, der Feststellung der Schuldendeckungsfähigkeit sowie die Vergleichbarkeit der Gewinnermittlung seien für die Steuerbilanz, bei welcher es ausschließlich darum gehe, eine systemgerechte und dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende Bemessungsgrundlage zu bestimmen, irrelevant. Während die Handelsbilanz eine „Zwischenrechnung“ darstelle, sei die Steuerbilanz eine „Endrechnung“. Die Anlehnung an eine andere Rechtsordnung sei unzulässig, wenn dadurch die für die Besteuerung maßgeblichen Grundsätze vernachlässigt würden. Bei InkonVgl. BFH vom 3. 2. 1969 – GrS 2 / 68, BFHE 95, 31 = BStBl. II 1969, 291. Zur Argumentation im Weiteren vgl. Weber-Grellet, DB 1997, S. 385 ff., sowie ders., BB 1999, S. 2659 ff. 399 Vgl. Weber-Grellet, DB 1997, 389 ff., sowie ders., DB 1994, 289 ff. 400 So bspw. in BB 1999, S. 2659 ff. 397 398

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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gruenz der Zwecke (die sich nach Weber-Grellet unter anderem aus dem oben Ausgeführten ergibt) sei eine Anlehnung daher unzulässig. Auch das Argument der „Einheit der Rechtsordnung“ wird von ihm mit dem Argument abgelehnt, dass hierdurch (bestehende) strukturelle Unterschiede nicht verwischt werden dürften. Dem auch von ihm dem Maßgeblichkeitsprinzip zugeordneten Vorsichtsprinzip räumt er geringe Chancen im Wettbewerb um das internationale Kapital ein. Hierdurch würde der deutsche Kapitalmarkt, der seit 1990 ein Importmarkt sei, „künstlich verknappt“. Aus diesen Überlegungen folgert Weber-Grellet, dass eine Abkehr vom Maßgeblichkeitsgrundsatz erfolgen solle. Im Maßgeblichkeitsprinzip sieht er kein Verfassungsgebot, vielmehr werde durch die Abkehr von ihm der „Durchbruch zu einem eigenständigen, an den Vorgaben des Verfassungsrechts orientierten Bilanzrecht erreicht werden“.401 Ohne den Begriff der „Cash-flow-Besteuerung“ ausdrücklich zu verwenden, gibt Weber-Grellet zu bedenken, ob nicht eine Überschussrechnung wegen der Unbestimmtheit der Bilanzierungsgrundsätze de lege ferenda zu bevorzugen sei402. Ausdrücklich bezogen auf das Imparitätsprinzip wird in der Literatur weiterhin kritisch angemerkt, dass hierdurch im Jahr der Berücksichtigung des künftigen negativen Erfolgsbeitrages ein zu niedriger Gewinn ausgewiesen werde, obwohl eine Vermögensminderung noch gar nicht eingetreten sei, wohingegen sich dieser Erfolgsbeitrag im Jahr seines tatsächlichen Eintritts erfolgsneutral auswirke403. Eine solche Folge sei aber kaum mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar404. Die Bildung von Rückstellungen, die das Vorsichtsprinzip in der Handelsbilanz erfordere, fände in der Steuerbilanz keine entsprechende Begründung, da die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen noch nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern erst später im Zeitpunkt des Verlusteintritts verringert sei405. Das Imparitätsprinzip verstoße aber auch schon deswegen gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil insoweit für Verluste unzulässigerweise etwas anderes gelte als für Gewinne. Während nämlich Gewinne nur ausgewiesen werden dürften, wenn sie realisiert sind, bestünde eine „über-“vorsichtige Verlustantizipation 406. Weber-Grellet, DB 2002, S. 9 ff.. So Weber-Grellet, StuW 1999, S. 315. Allerdings hält er dabei periodisierungsbedingte Korrekturen durch Abschreibungen für erforderlich, vgl. Weber-Grellet, BB 1999, S. 2666. 403 Vgl. Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 75. 404 Vgl. Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 75. 405 So Siegel, BB 1994, S. 2245. 406 Vgl. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 56; so auch Wagner, DB 1998, S. 2075. 401 402

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Doralt führt an, dass durch die Bildung von Rückstellungen das Leistungsfähigkeitsprinzip in „auffallender Weise“ verletzt werde407. Es sei durch nichts gerechtfertigt, dass Unternehmen mit Hilfe von langfristigen Rückstellungen (z. B. für zukünftig zu leistende Pensionszahlungen) und den damit verbundenen Steuerstundungseffekten, ihre Liquidität und Finanzkraft stärkten und daraus einen geldwerten Vorteil zögen. Das Steuerrecht habe nämlich sein eigenes Rechtsinstitut um den drohenden Aufwand einer späteren Periode zu berücksichtigen, den Verlustrücktrag, so dass die Rückstellungsbildung unnötig sei408. Das Leistungsfähigkeitsprinzip müsse daher Vorrang vor dem Maßgeblichkeitsprinzip haben, so dass die Bildung von Rückstellungen in der Handelsbilanz, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprächen, nicht auf die Steuerbilanz durchschlagen dürften. In diesem Sinne argumentiert auch Siegel 409, der dem Vorsichtsprinzip insgesamt Unvereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unterstellt. Während nämlich Gewinne im Falle ihrer Ausschüttung und anschließendem Verlust nicht zurückgefordert werden könnten, sei in diesem Fall vom Fiskus die Rückzahlung von Gewinnsteuern zu erwarten. Daher sei die Rolle von Anteilseignern und Fiskus nicht vergleichbar. Der nach dem Vorsichtsprinzip ermittelte Gewinn entspreche nicht dem nach den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips ermittelten Gewinn. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kritiker des Maßgeblichkeitsgrundsatzes sich in unterschiedliche Teilauffassungen untergliedern lassen. Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Maßgeblichkeitsprinzips lassen sich zwei Meinungen herausheben. Nach der einen Auffassung bestehen massive Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Maßgeblichkeitsprinzips selbst, so dass dieses als Grundprinzip für die Steuerbilanz nicht anerkannt wird. Dementsprechend wäre nach dieser Ansicht eine Abkehr hiervon nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern sogar geboten. Nach der anderen Auffassung wird das Maßgeblichkeitsprinzip als Grundprinzip anerkannt. Jedoch wird in Teilbereichen ein Widerspruch zur Verfassung gesehen, so dass dort das Maßgeblichkeitsprinzip verfassungskonform einzuschränken sei. Nicht weiter untersucht werden soll in diesem Zusammenhang hingegen die Auffassung, die das Maßgeblichkeitsprinzip aus sachlichen Gründen ablehnt, ohne zugleich seine Verfassungswidrigkeit zu beanstanden410. So Doralt, DB 1998, S. 1357. So Doralt, DB 1998, S. 1358. 409 Vgl. Siegel, StuB 1999, S. 196. 410 Vgl. Groh in FS-Börner, S. 188 f., der darauf verweist, dass das Maßgeblichkeitsprinzip auch in vielen Nachbarländern gilt, ohne dass dort zugleich verfassungsrechtliche Bedenken geäußert würden. Für eine grundsätzliche Beibehaltung mit gewichtigen Argumenten Moxter, BB 1997, S. 195, sowie ders., BB 2000, Heft 8, S. I; ferner Wagner, DB 1998, S. 2073 ff., der auf die Anreizwirkung für ausländische Investoren verweist. 407 408

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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(b) Gegenansicht Nach der Gegenansicht kommt dem Maßgeblichkeitsprinzip auch eine verfassungsrechtliche Bedeutung zu, allerdings nicht im Sinne eines Vorrangverhältnisses411, sondern als ein eigenständiges, verfassungskonkretisierendes Gebot. Die Verfassungswidrigkeit des Maßgeblichkeitsgrundsatzes will diese Auffassung demnach nicht feststellen. Vielmehr sei das Maßgeblichkeitsprinzip und hierbei insbesondere das in diesem inkorporierte Vorsichtsprinzip unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips von besonderer Bedeutung412. Dem Vorwurf, das Maßgeblichkeitsprinzip stelle einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar, wird entgegengehalten, dass sich das Maßgeblichkeitsprinzip auf den kompletten Normentatbestand der §§ 238 ff. HGB beziehe und insoweit inhaltlich ausgefüllt sei413. Dies Auffassung attestiert nicht nur dem Realisationsprinzip, sondern auch dem Imparitätsprinzip, dem Leistungsfähigkeitsprinzip Rechnung zu tragen414. So wird entsprechend der oben ausgeführten Argumentation von Pezzer hinsichtlich des Realisationsprinzips vorgebracht, dass gerade die Berücksichtigung von bloßen Gewinnerwartungen in der Steuerbilanz einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip darstelle415. Auch das Imparitätsprinzip entspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 GG. So führt Lang aus, dass es unrichtig sei, wenn man das Imparitätsprinzip als Konkretisierung des Vorsichtsprinzips so interpretiere, dass hierdurch ein unrichtiger Vermögensansatz erlaubt werde416. Vielmehr gebiete dieses nur, zweifelhaftes Vermögen nicht auszuweisen417. Insofern sei es inhaltlich mit dem Verbot der Übermaßbesteuerung vergleichbar. Das tatsächlich vorhandene Vermögen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit dürfe aber keinesfalls zu hoch bewertet werden, es müsse „sicher“ sein418. Daher sei der „vorsichtige“ Vermögensansatz zugleich auch der „sichere“ Vermögensansatz, der zugleich die Gefahr der ÜberVgl. Himmelreich in FS-Müller, S. 625 ff.; Schön, StuW 1995, S. 372 ff. Vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 368. 413 So Schön, StuW 1995, S. 375. 414 Vgl. Ernsting, StuB 1999, S. 461; insoweit einschränkend auf das Realisationsprinzip, Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 71. 415 Vgl. Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 71. 416 Vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 368. 417 Zur Argumentation im Folgenden vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 368 ff. 418 Ähnlich auch Moxter, BB 2000, Heft 8, S. I, der ausführt, dass es der Grundgedanke des Maßgeblichkeitsprinzips sei, den rechtssicher ermittelten, vollen Reinvermögenszugang zu begrenzen. Für den Fiskus müsse die Maxime der Gewinnquellenerhaltung gelten; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit manifestiere sich im „realisierten, nicht im potentiellen Zugriff“ (was seiner Ansicht nach im Übrigen für eine zinsbereinigte Einkommensbesteuerung spreche). 411 412

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

maßbesteuerung banne. Sowohl der dem Vorsichtsprinzip inhärente Zweckpessimismus als auch das steuerrechtliche Gerechtigkeitspostulat orientierten sich an dem Ziel, das zweifelhafte Vermögen auszuklammern. Dieser Grundgedanke, zweifelhaftes Vermögen aus der Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu eliminieren, führe zwangsläufig zu Unterschieden bei der Erfassung der Gewinne auf der einen und der Erfassung der Verluste auf der anderen Seite. Hierbei konzentriere sich der Unterschied darauf, dass das zu gewinnende Vermögen erst durch Beendigung der Gewinnvorgänge ein „sicheres“ Vermögen werde, wohingegen das zu verlierende Vermögen bereits zu Beginn ein „unsicheres“ bzw. „zweifelhaftes“ Vermögen darstelle. Daher erfordere diese Vorsichtszone eine möglichst frühzeitige Erfassung der Verluste und eine möglichst späte Gewinnrealisierung. Während Lang nur der Auswirkung von handelsrechtlichen Wahlrechten kritisch gegenübertritt, da diese ein sowohl dem Leistungsfähigkeitsprinzip als auch dem Verbot der Übermaßbesteuerung fremdes fiskalisches Element beinhalteten 419, kann seiner Ansicht nach die Bildung von Rückstellungen auch aus dem allgemeinen Gewinnbegriff abgeleitet werden. Eine Rückstellung sei nämlich „statisch als Wirtschaftslast, als eine am Bilanzstichtag real vorhandene Vermögensminderung“ aufzufassen. Dadurch würde in systemgerechter Weise der Teilwertgedanke auf der Passivseite fortgeführt und die Rückstellung als Wirtschaftslast für die Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit relevant. Während Lang das Vorsichtsprinzip und hierbei insbesondere die Bildung von Rückstellungen aus dem Art. 3 GG entspringenden Leistungsfähigkeitsprinzip sowie aus dem rechtsstaatlichen Verbot der Übermaßbesteuerung (wohl) aus Art. 20 GG herleitet420, begründet Schön421 das Maßgeblichkeitsprinzip zusätzlich aus Art. 14 GG. Art. 14 I und II GG setzten dem steuerlichen Zugriff dort eine Grenze, wo die Substanz angegriffen werde, wohingegen der Staat an den Erträgen kraft der Sozialpflichtigkeit des Eigentums teilhabe dürfe. Diese Vorstellung, dass Erträge gleichermaßen dem Wohl der Allgemeinheit als auch unter Schonung der Substanz dem einzelnen Steuerpflichtigen dienten, werde durch das Maßgeblichkeitsprinzip „vorzüglich aufgegriffen“422. Die Handelsbilanz sei nämlich genau darauf gerichtet, den entziehbaren Gewinn auszuweisen, der den Gesellschaftern ausgeschüttet werden könne, ohne dadurch die Interessen der Gläubiger durch Gefährdung des Kapitals zu beeinträchtigen. Dadurch, dass das Maßgeblichkeitsprinzip diesen entziehbaren Gewinn als auch für das Steuerrecht maßgeblich festlege, werde die 419 Ausdrücklich bezieht sich Lang dabei auf das Wahlrecht zwischen Teilwertansatz und einem (nicht mehr zutreffenden) höheren Wert, vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 369; zur Problematik der Wahlrechte ausführlich auch Schön, StuW 1995, S. 376 f. 420 So auch Hey, BB 2000, S. 1454. 421 Zum Folgenden vgl. Schön, StuW 1995, S. 376. 422 Schön, StuW 1995, S. 377.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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gleichmäßige Teilhabe des Steuerpflichtigen und des Fiskus gewährleistet. Somit würde die Figur des Staates als „stiller Teilhaber“423, worin die rechtspolitische Grundlage des Maßgeblichkeitsprinzips zu sehen sei, zugleich in Art. 14 II GG ihre verfassungsrechtliche Legitimation erfahren424. Nach der Gegenansicht entspringt das Maßgeblichkeitsprinzip und hierbei insbesondere die Ausprägungen des Vorsichtsprinzips also der Verfassung selbst. Es handelt sich dieser Auffassung nach somit um einen verfassungskonkretisierenden Grundsatz. Die mit der Einführung einer Cash-flow-Besteuerung verbundene Abschaffung von Rückstellung und Teilwertabschreibung wäre daher vor dem Hintergrund dieser Auffassung aus verfassungsrechtlicher Sicht eher kritisch zu beurteilen. (c) Vermittelnde Auffassung Nach einer namentlich von Hennrichs vertretenen vermittelnden Auffassung handelt es sich beim Steuerbilanzrecht um ein bewegliches System, bei welchem der Gesetzgeber einen weiten Spielraum habe425. Aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nach Art. 3 GG lasse sich weder herauslesen, worin sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit äußere noch wie sie gemessen werden könne426. Es sei ein Zirkelschluss, anzunehmen, dass eine bestimmte Bilanzierungsregel durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gefordert sei. Zwar sei das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht unbestimmbar oder beliebig, es sei aber unbestimmt und konkretisierungsbedürftig427. Verfassungsrechtlich vorgegeben sei dabei nur, dass der Gesetzgeber einen einmal eingeschlagenen Weg konsequent zu gehen habe. Widersprüche dürften insoweit nicht auftreten. Der Gesetzgeber habe sich in § 4 I EStG für eine bilanzielle Gewinnermittlung entschieden. Systemprägendes Merkmal dieser Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich sei die Periodisierung. Bilanzieren heiße deshalb periodisieren, so dass Zahlungsgrößen in Ertrag und Aufwand umzuqualifizieren seien. An einer solchen Folgerichtigkeit fehle es daher beispielsweise dann, wenn der Gesetzgeber die Steuerbilanz gleichsam halbieren und auf der Aktivseite periodisieren würde, während er auf der Passivseite die Ausgaben nach dem Zuflussprinzip erfassen würde. 423 Die Figur des Fiskus’ als stiller Teilhaber geht zurück auf Döllerer, BB 1971, S. 1333 ff.; gegen diese „Teilhabertheorie“ wendet sich Wagner, DB 1998, S. 2075, der anführt, dass steuerliche Gleichbehandlung nicht die Gleichstellung von Aktionär und Fiskus, sondern die Gleichstellung von Unternehmensgewinnen mit anderen Einkunftsarten anzustreben habe. 424 In diesem Zusammenhang führt Schön, StuW 1995, S. 377, aus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip, in dem Begriff des „disponiblen Einkommens“ angelegt sei. Der Staat dürfe nur auf den Gewinn zugreifen, auf den auch der Steuerpflichtige zugreifen könne. 425 So Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 314. 426 Zur Argumentation im Weiteren vgl. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 307 ff. 427 So auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 492 ff.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Verfassungsrechtlich sei durch die Gebote der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit das Prinzip der Verlässlichkeit vorgegeben. Nach diesem müssten die auf der Grundlage einer Steuerbilanz ermittelten Werte nachprüfbar und willkürfrei sein. Die steuerliche Rechnungslegung müsse demnach „wirtschaftlich und praktikabel, d. h. einfach, verständlich und möglichst eindeutig sein“428. Das Übermaßverbot und das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung ließen sich zu dem Prinzip der Unternehmensschonung konkretisieren. Dabei sei eine Substanzbesteuerung zu vermeiden, zu besteuern seien vielmehr möglichst sichere Werte. Aus dem Gesagten ergebe sich, dass das Steuerbilanzrecht durch das Verfassungsrecht eher negativ abgegrenzt werde, als dass es positiv bestimmt sei. So habe die Steuerbilanz nicht die Aufgabe, „nützliche Informationen“ für Geldgeber oder Gläubiger bzgl. künftiger „Cash-flows“ oder eine „Schuldendeckungskontrolle“ zu präsentieren. Nach Hennrichs entspricht das Realisationsprinzip insoweit den Geboten der Verlässlichkeit als auch der Unternehmensschonung, als nur realisierte Wertsteigerungen erfasst werden. An unverlässliche Wertsteigerungen solle die Besteuerung nämlich nicht „ohne Not“ anknüpfen, da diese als unverlässliche Werte die Vergleichbarkeit des Gewinns beeinträchtigten und daher die Gefahr der Ungleichbehandlung durch Ungleichbewertung von Einkommen erhöhten. Aufweichungen des Realisationsprinzips aus der Handelsbilanz seien vielmehr steuerrechtlich zu ignorieren. Hinsichtlich des Imparitätsprinzips gelte, dass die Bildung von Rückstellungen systemkonform (und damit verfassungsgemäß) seien, wenn die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich erfolge. Das Prinzip der Periodenabgrenzung verlange geradezu die Bildung von Rückstellungen. Dies zeige sich auch nach dem sog. „Teilwerttest“, wonach ein gedachter Erwerber des Unternehmens die Rückstellung als Last und damit als Abzugsposten berücksichtigt429. Des Weiteren entspreche die Bildung von Rückstellungen auch dem Prinzip der Unternehmensschonung. Danach dürfe die Besteuerung nämlich nur an einen möglichst sicheren Vermögenszuwachs anknüpfen. Wirtschaftslasten (wie Rückstellungen) seien hingegen abzusetzen, da andernfalls eine unsichere Nettogröße besteuert würde. Bedenken gegenüber einem Rückstellungsansatz sieht Hennrichs (vor dem Hintergrund des geltenden Steuersystems) nur unter dem Gesichtspunkt des Verlässlichkeitsprinzips. Jedoch sei es unter diesem Aspekt nicht geboten, auf den Ansatz von Rückstellungen ganz zu verzichten. Den Erfordernissen der Objektivierung sollte bei der Konkretisierung einzelner Ansatz- und Bewertungskriterien Rechnung getragen werden430. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 313. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 319 f., bezieht sich dabei auf die Bildung von Verlustrückstellungen. 428 429

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Entsprechend den Ausführungen zu den Rückstellungen befürwortet er aus systematischer Sicht auch den Ansatz von Teilwertabschreibungen. Diese seien ebenfalls durch die Prinzipien der periodengerechten Erfolgsermittlung und der Unternehmensschonung gerechtfertigt. Hierdurch würden nicht zukünftige Verluste antizipiert, sondern gegenwärtige in Gestalt von Wertminderungen der Wirtschaftsgüter abgebildet. In einem System, in dem die steuerliche Leistungsfähigkeit durch Betriebsvermögensvergleich erfolge, müssten Wertminderungen „zur Kenntnis genommen“ werden. Andernfalls würden relevante Nettogrößen verfälscht und der Besteuerung ein nicht der tatsächlichen Vermögenslage entsprechendes Ergebnis zugrunde gelegt. Im bestehenden System seien Teilwertabschreibungen daher systemkonform. Während Hennrichs im bestehenden Rechtssystem aus den genannten Gründen ausdrücklich die Berechtigung des Realisiations- und Imparitätsprinzips hervorhebt und dies verfassungsrechtlich stützt, hält er das diese beiden Prinzipen eigentlich umfassende Vorsichtsprinzip als dominierendes Leitprinzip eines Steuerbilanzrechts für nicht überzeugend. Da der verfassungsrechtliche Rahmen auf eine folgerichtige, eigentumsschonende und rechtsstaatliche Messung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gerichtet sei, könne das Vorsichtsprinzip nicht so verstanden werden, dass einseitig nur Risiken zu berücksichtigen seien. Vielmehr seien alle bewertungsrelevanten Tatsachen, wozu auch die Risiken gehörten, in die Gewinnermittlung einzubeziehen. Das Vorsichtsprinzip und das Prinzip der Periodenabgrenzung durchdrängen einander, wodurch Übertreibungen in die eine oder andere Richtung vermieden würden. Aus diesen Überlegungen zieht Hennrichs vor allem im Hinblick auf die Bewertung von Rückstellungen Folgerungen, ohne jedoch zugleich ihren Ansatz selbst in Frage zu stellen431. Nach Hennrichs sähe ein von der Handelsbilanz unabhängiges, eigenständiges Steuerrecht kaum anders aus als unter Geltung des Maßgeblichkeitsprinzips. Hennrichs geht bei seiner Untersuchung des Maßgeblichkeitsprinzips nicht ausdrücklich auf eine Steuersystemänderung hin zu einer Cash-flow-Steuer ein. Gleichwohl lässt sich aus seinen Ausführungen schließen, dass er dies dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen will. Betrachtet man die von einer dahingehenden Änderung besonders betroffenen Bereiche der Bildung von Rückstellungen sowie der Teilwertabschreibungen, dann finden sich in seinen Ausführungen keine Hinweise, die gegen eine verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Systemänderung sprechen. Dass das Prinzip der Periodenbegrenzung seiner Ansicht nach die Bil430 Insoweit erwähnt er zustimmend das sog. 51 %-Urteil des BFH, nach dem eine Rückstellung nur passiviert werden darf, wenn mehr Gründe für das Bestehen einer Verbindlichkeit als dagegen sprechen. 431 So kommt bspw. Hennrichs zu dem Schluss, dass Rückstellungen entgegen der Regelung in § 6 I Nr. 3a. Buchst. e) EStG grundsätzlich nicht abgezinst werden sollten, wobei dem Gesetzgeber hierbei ein Spielraum verbleibe, vgl. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 327 f.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

dung von Rückstellungen verlangt, widerspricht dem nicht, weil der Auffassung Hennrichs folgend das Prinzip der Folgerichtigkeit diesem Grundsatz vorausgeht. Bei Einführung einer Cash-flow-Besteuerung würde aber die Steuerbemessungsgrundlage nicht auf der Basis von periodisierten Vermögensveränderungen, sondern aufgrund von (einfachen) Zahlungsströmen ermittelt. Daher entfiele dann das Prinzip der Periodisierung (auch) unter dem Blickwinkel der Folgerichtigkeit der Besteuerung. Aus dem gleichen Grund gäbe es ferner bei einer Besteuerung des Cash-flows auch keine ,unsicheren Nettogrößen“, so dass sich auch unter dem Gesichtspunkt einer unternehmensschonenden Besteuerung für ihn nichts anderes ergeben dürfte. Die gleichen Überlegungen lassen sich auch hinsichtlich der Teilwertabschreibungen anstellen. Das Verlässlichkeitsprinzip dürfte aus seiner Sicht sogar eher für eine Besteuerung des Cash-flows sprechen. Insgesamt ergibt sich demnach für diese vermittelnde Auffassung, überträgt man die von Hennrichs ausgeführten Gedanken zur verfassungsmäßigen Verankerung des Maßgeblichkeitsprinzips auf eine Cash-flow-Besteuerung, dass deren Einführung insoweit nicht den dem Gesetzgeber eingeräumten Spielraum verlassen würde. Mithin würde das Maßgeblichkeitsprinzip bzw. seine Unterprinzipien insoweit auch keine verfassungskonkretisierende Wirkung entfalten. (d) Eigene Auffassung Sieht man im Leistungsfähigkeitsprinzip ein offenes Prinzip, bei dessen Ausgestaltung (andere) verfassungsrechtliche Grundsätze und Wertungen zu berücksichtigen sind, dann kann insoweit kein Zweifel daran bestehen, dass eine gegen Art. 20 GG verstoßende Übermaßbesteuerung zugleich auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen würde. Zu folgen ist daher Lang insofern, als der unsichere Gewinn kein tauglicher Anknüpfungspunkt sein kann. Wann aber ein Gewinn „sicher“ oder „unsicher“ ist, kann dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht entnommen werden. Es hieße dieses Prinzip überzustrapazieren, wollte man Derartiges aus ihm ableiten. Dem Gesetzgeber muss daher ein gewisser Freiraum eingeräumt werden, was er als sicher wertet und was nicht. Betrachtet man ein einfaches Warenaustauschgeschäft aus der Sicht des Verkäufers, dann bieten sich grundsätzlich drei Zeitpunkte für die Buchung und damit auch für die Gewinnrealisierung an: Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der Zeitpunkt der Lieferung und der Zeitpunkt der Bezahlung432. Nach den GoB erfolgt die Buchung zum Zeitpunkt der Warenlieferung. Dem Vorsichtsprinzip würde wohl eher entsprochen, wenn man 432 Hierbei ließe sich noch danach unterscheiden, ob eine Warenlieferung bereits erfolgt ist oder nicht.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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auf den Zahlungszeitpunkt abstellte. Selbst dann bestünde jedoch noch die Möglichkeit, dass durch Anfechtung oder Rücktritt das Rechtsgeschäft wieder zunichte gemacht werden würde und der „sichere“ Gewinn wieder entfiele. Zudem gilt: Je weiter man den Buchungszeitpunkt nach hinten verschiebt, desto größer wird die damit verbundene Zeit der Rechtsunsicherheit. Eine „Überdehnung“ dieses Zeitraums zwischen Vertragsschluss und Buchungszeitpunkt würde daher dem Gebot der Rechtssicherheit und damit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III 2. HS zuwiderlaufen433. Diese Problematik verdeutlicht, dass sich ein wirklich „sicherer“ Zeitpunkt der Vermögens- bzw. Gewinnrealisierung bei solch schwebenden Geschäften kaum finden lässt. Wenn dem aber so ist, dann ist dem Gesetzgeber insoweit ein Freiraum zuzubilligen. Für die Fragen der Rückstellungsbildung und des Niederstwertprinzips, also der Teilwertabschreibungen, kann letztlich jedenfalls solange nichts anderes gelten, solange ein Vermögenszuwachs nicht durch eine Wertaufholung als gesichert angesehen werden muss. Das Vorsichtsprinzip in seiner Ausprägung als Realisationsprinzip gibt daher grundsätzlich weder für den Anwendungsbereich noch für die nähere Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips konkrete, insbesondere begrenzende Vorgaben. Demnach kann das Maßgeblichkeitsprinzip allenfalls in Ausnahmefällen der Besteuerung eine verfassungsrechtliche Beschränkung aufbürden. Dem Gesetzgeber steht somit insoweit ein Ermessensspielraum zu, den er – in gleichsam typisierender Weise – ausnutzen kann. cc) Vereinbarkeit einer Cash-flow-Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Damit ist aber noch nicht entschieden, ob der Gesetzgeber generell auf die Einkommensermittlung durch Vermögensvergleich verzichten und zu einer reinen Überschussrechnung übergehen könnte. Das gegenwärtige Unternehmenssteuerrecht ist, wie oben434 bereits ausgeführt, zweigeteilt. Für kleinere Unternehmen gilt die Überschussrechnung bereits, während größere Unternehmen ihren Gewinn über den handelsbilanziellen Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln haben. Gleichwohl hat sich das BVerfG soweit ersichtlich noch nicht dazu durchringen können, einem Verfahren im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip ausdrücklich den Vorzug zu geben. Gerade vor dem Hintergrund dieser beiden bestehenden Systeme stellt sich die Frage, ob dem Gesetzgeber der Weg für einen Umbau des Steuersystems hin zu 433 Zur Rechtssicherheit gehört nämlich insbesondere die Verlässlichkeit des Rechts, siehe hierzu Sachs in Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 122. 434 Zweiter Teil, C:.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

einer reinen Überschussrechnung für alle Unternehmen durch das Leistungsfähigkeitsprinzip verwehrt ist. In diesem Zusammenhang – im Gegensatz zur Rückstellungsbildung und zum Problem der Teilwertabschreibungen – geht es nicht unmittelbar um die Einhaltung einer „Vorsicht“. Vielmehr geht es darum, ob das Einkommen überhaupt durch eine Überschussrechnung ermittelt werden soll, selbst wenn ein als „sicher“ zu geltendes Vermögen unterstellt wird. Für eine solche Gewinnermittlung spricht sich beispielsweise Tipke435 aus. Seiner Ansicht nach ist eine Überschussrechnung – den Begriff Cash-flow verwendet Tipke nicht – die ideale Methode, um das Leistungsfähigkeitsprinzip umzusetzen, da Leistungsfähigkeit in Zahlungsfähigkeit bestehe. Der Überschuss sei eine reale Größe für die Messung von Zahlungsfähigkeit, da sie auf unsichere Bewertungsansätze fast völlig verzichten könne. Hierin sei sie allen Verobjektivierungsversuchen des Steuerbilanzrechts überlegen436. Tipke setzt demnach Leistungsfähigkeit und Zahlungsfähigkeit insoweit gleich, wobei er Zahlungsfähigkeit idealiter im Überschuss und somit im Zuwachs an liquiden Mitteln messen möchte. Zweifelhaft erscheint aber, ob in einem durch Cash-flow-Rechnung ermittelten Gewinn tatsächlich Leistungsfähigkeit im Sinne des hier vertretenen Verfügungsmachtkonzepts zu sehen ist. Es stellt sich dabei auch die Frage, ob nur die Wertsteigerungen, die man zu Geld gemacht hat, oder auch diejenigen, die man ohne Mühe zu Geld machen könnte, die Leistungsfähigkeit erhöhen437. Wird der Gewinn als Cash-flow, also durch Überschussrechung ermittelt, dann unterscheidet sich dieser Ansatz vom Ansatz einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entgegen Tipkes Ausführungen weniger unter dem Aspekt der „Sicherheit“. Dies soll das nachfolgende Beispiel verdeutlichen: Ein Unternehmen (oder ein Unternehmer) hat in einer Periode durch Warenverkäufe einen Gewinn von 1 Mio Euro erzielt. Kurz vor dem steuerrechtlich relevanten Stichtag tätigt das Unternehmen eine risikolose Alternativinvestition438 und kauft Goldbestände im selben Wert. Die hierdurch abfließenden Finanzmittel „absorbieren“ im Rahmen einer reinen Überschussrechnung den gesamten zuvor erzielten Gewinn, weshalb bei einer Cash-flowBesteuerung kein Gewinn ausgewiesen würde und deshalb keine Steuern zu zahlen wären. Nach den in dieser Arbeit vorgestellten Cash-flow-Besteuerungsmodellen439 müsste der Steuerpflichtige nicht einmal die Alternativinvestition tätigen. Die Kassenbuchhaltung, 435 Tipke in FS-Kruse, S. 220; a. A. bspw. Wendt in FS Friauf, S. 867. Im Zusammenhang der Frage nach dem Verhältnis von Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz führt er aus, dass es „unerträglich“ wäre, wenn der Gesetzgeber nur die ausgeschütteten Gewinne besteuern würde und die einbehaltenen dagegen steuerfrei beließe. 436 Tipke in FS-Kruse, S. 220; so auch Weber-Grellet, DStR 1998, S. 1348. 437 Vgl. Döring, DStR 1977, S. 273. 438 Dies soll hier unterstellt werden. 439 Zu den einzelnen Cash-flow-Besteuerungsmodellen siehe Vierter Teil, B. IV.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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also die im Unternehmen belassenen Geldbestände, würden nämlich als gewinnmindernde Investition behandelt und daher ebenfalls den Gewinn reduzieren. Es wäre also ausreichend, wenn der Unternehmer die Geldbestände in der Betriebskasse belassen würde, um hierdurch „steuermindernd zu investieren“.

Im letztgenannten Fall, in welchem keine Alternativinvestition getätigt wurde, käme vermutlich auch Tipke zu dem Ergebnis, dass hier eine erhöhte Leistungsfähigkeit vorliegt. Da dort unmittelbar Zahlungsfähigkeit gegeben ist, ist der Steuerpflichtige auch leistungsfähig im Sinne des Verfügungsmachtkonzepts. Sein Bedürfnisbefriedigungspotential ist durch den Zuwachs an liquiden Mitteln gesteigert. Daher wird man für die R-Basis-Cash-flow-Steuer und die R+F-Basis-Cashflow-Steuer feststellen müssen, dass diese nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen. Aber auch im ersten Fall, in welchem eine risikolose Sachinvestition vorgenommen worden ist, muss aus Sicht des Verfügungsmachtkonzepts von einer Steigerung der Leistungsfähigkeit ausgegangen werden. Der Steuerpflichtige könnte nämlich durch Verkauf seines Goldvermögens unmittelbar zur Finanzierung des allgemeinen Staatsbedarfs beitragen, so dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in diesem Falle gegeben ist. Würde man dies anders sehen, dann könnte sich der Steuerpflichtige sehr leicht seiner Steuerpflicht entziehen. Durch entsprechend risikoarme Geschäfte unmittelbar vor dem steuertechnischen Stichtag könnte er die Besteuerung bis zum „SanktNimmerleins-Tag“ verschieben. Durch die Cash-flow-Besteuerung würde der bereits vorhandene Zuwachs erst sehr viel später erfasst, wobei der Steuerpflichtige durch entsprechende Vermögensdispositionen, also das Hinauszögern der Ausschüttung, selbst entscheiden könnte, wann dies der Fall sein soll. Eine derartige Besteuerung, die es zuvorderst dem Steuerpflichtigen überlässt, wann und damit letztlich auch ob er Steuern zahlen möchte oder nicht, steht aber ganz offensichtlich im Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip. Gleichzeitig wäre eine solche Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip als periodischem Prinzip unvereinbar. Auch der von Tipke angeführte „Sicherheitsaspekt“ überzeugt nicht. Zwar mag die Bewertung von Sachanlagen sich im Einzelfall als sehr schwierig gestalten. Dies spricht jedoch nur dafür, zum Schutze des Steuerpflichtigen insbesondere in unsicheren Fällen vorsichtig zu bewerten. Diese Schwierigkeiten rechtfertigen es aber nicht, auf eine Bewertung völlig zu verzichten und daher auch in relativ sicheren Fällen die Steuerbemessungsgrundlage mittels Cash-flow-Rechnung zu ermitteln. Ein solcher Schluss stünde im Widerspruch zur Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Eine Cash-flow-Besteuerung aller Unternehmen nach den im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Modellen verstößt somit gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Es ist daher im weiteren Verlauf zu prüfen, ob der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt werden kann.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Die Überschussrechnungen des geltenden Rechts stehen im Übrigen nicht im zwingenden Widerspruch hierzu. Zum einen werden auch bei ihnen durch den Ansatz von Abschreibungen Elemente des Vermögensvergleiches berücksichtigt. Zum anderen wird man feststellen können, dass die Ungenauigkeiten, die bei Anwendung der Überschussrechnung gegenüber einem Vermögensvergleich bestehen, mit sinkendem Einkommen abnehmen, weil dort weniger Spielraum für Manipulationen besteht. Da das herkömmliche Unternehmenssteuerrecht aber auf die Größe des Einkommens abstellt und nur die kleineren Unternehmen vereinfachend einer Einnahme-Überschussrechnung unterwirft, sind diese Ungenauigkeiten hinnehmbar. d) Zinsbereinigte Bestimmung des Einkommens Nachdem festgestellt worden ist, dass eine Cash-flow-Besteuerung dem Leistungsfähigkeitsprinzip widerspricht, stellt sich des Weiteren die Frage, ob das nach der Zinsbereinigungsmethode ermittelte Einkommen den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips entspricht. aa) Das Nominalwertprinzip In diesem Zusammenhang soll zunächst auf die Bedeutung und besondere Problematik des Nominalwertprinzips im herkömmlichen Steuerrecht eingegangen werden. Zinseinkünfte aber auch sonstige Gewinne werden gegenwärtig ohne Rücksicht auf möglicherweise bestehende Inflationsverluste nach ihrem Nenn- bzw. Nominalwert besteuert. Demgemäß ist in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur umstritten, inwieweit das Nominalwertprinzip mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und damit auch mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit zu vereinbaren ist440. Es wird dabei kritisiert, dass das Nominalwertprinzip bei Inflation zu einem Auseinanderklaffen der ursprünglichen Relation zwischen Währungseinheit und Kaufkraft führe, so dass der nominale Wert als eine vom realen Wert unabhängige numerische Größe nicht tauglicher Maßstab der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne441. Die Kaufkraft sei diejenige wirtschaftliche Größe, die am besten zur Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geeignet sei. Daher müsse die Veränderung der wirtschaftlichen Kaufkraft, also die Inflation, bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, andernfalls sei eine Besteuerung verfassungswidrig442. 440 Zur Geldentwertung allgemein sowie insbesondere zum Unterschied „Scheingewinnbesteuerung“ und „kalte Progression“, vgl. Seicht in FS-Fischer, S. 208 ff. 441 Völlmin, Grundrechtsschutz bei inflationsverzerrtem Steuerrecht, S. 193. 442 Völlmin, Grundrechtsschutz bei inflationsverzerrtem Steuerrecht, S. 194, ist dabei der Ansicht, eine solche Berücksichtigung könne sogar ohne Gesetzesänderung im Wege einer verfassungskonformen Auslegung erfolgen.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Insbesondere bei der Zinsbesteuerung führe eine Nichtberücksichtigung der Inflation zu einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Da die Zinserträge aufgrund der Inflation nicht in voller Höhe Realeinkommen seien, führe die Besteuerung der Nominalzinsen zu einer Substanzbesteuerung in Höhe der Inflationsrate443. Soweit der Inflationsausgleich von der Besteuerung betroffen sei, verstoße dies gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, da in dieser Höhe nur ein inflationsverursachter Scheingewinn und somit keine Leistungsfähigkeit vorliege444. Auch die Gewährung von Freibeträgen könne diesen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht rechtfertigen. Freibeträge begünstigten kleinere Zinseinkünfte, während sie den bei größeren Zinseinkünften entstehenden Inflationsverlusten nicht gerecht würden445. Daher seien diese strukturell nicht geeignet, eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung durchzusetzen446. Gleichwohl könne sich in Zeiten niedriger Inflationsraten das Festhalten am Nominalwertprinzip aus Praktikabilitätsgründen rechtfertigen lassen, da eine Inflationsbereinigung kompliziert sei447. Das BVerfG hat zwar grundsätzlich das Nominalwertprinzip für verfassungsgemäß erachtet, es aber zugleich auch als unbedenklich erachtet, „die Geldwertabhängigkeit und damit die gesteigerte Inflationsanfälligkeit der Einkunftsart „Kapitalvermögen“ bei der Besteuerung zu berücksichtigen“448. Legt man bei der Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage den Einkommensbegriff der Reinvermögenszugangstheorie oder der Markteinkommenstheorie zugrunde, dann führt eine Inflationsbereinigung nicht notwendigerweise zu einem größeren Maß an Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit Steuergerechtigkeit. Die Inflationsrate bestimmt sich aus der Preissteigerungsrate einer nach Möglichkeit idealtypisch herausgegriffenen Güterkombination449. Da sich unterschiedliche Vermögensgegenstände – sofern es sich nicht um Geld handelt – im einen Fall inflationsabhängiger, im anderen Fall jedoch inflationsresistenter zeigen, kommt es durch Inflation regelmäßig zu Inflationsgewinnern und Inflationsverlierern. Durch eine pauschalierende Inflationsbereinigung der Bemessungsgrundlage, die diesen Zusammenhang vernachlässigt, wird dieses Ungleichgewicht somit nicht (völlig) beseitigt. Gleichwohl wird man einer Inflationsbereinigung, die sich am Regelfall orientiert, einen erhöhten Gerechtigkeitswert im Sinne der Besteuerung nach der LeisSteichen in FS-Tipke, S. 242. Steichen in FS-Tipke, S. 242. 445 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 514. 446 Steichen in FS-Tipke, S. 242. 447 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 515. 448 BVerfGE 84, 239 II (282). 449 Maßgebend hierfür sind die vom Statistischen Bundesamt berechneten Preisindizes für die Lebenshaltung, die von einem für einzelne Indexhaushalte typischen „Warenkorb“ ausgehen. 443 444

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

tungsfähigkeit nicht absprechen können. Eine Inflationsbereinigung der Gewinne wäre daher grundsätzlich mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. Andererseits ist mit Tipke davon auszugehen, dass das Nominalwertprinzip jedenfalls in Zeiten niedriger Inflationsraten aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt ist, selbst wenn man in ihm einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip sehen möchte. Auch wenn eine Inflationsbereinigung des Einkommens mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich vereinbar ist und diese möglicherweise sogar zu fordern wäre, ist hiervon – auch wenn beide Problemkreise häufig miteinander verbunden werden – die Frage der Zinsbereinigung zu trennen, da beide unterschiedliche Aspekte behandeln. bb) Die Besteuerung des zinsbereinigten Gewinns Insbesondere von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung wird die Zinsbereinigung damit verteidigt, dass Zinseinkommen kein echtes Einkommen sei, sondern lediglich einen Ausgleich für den Verzicht auf den gegenwärtigen Konsum darstelle450. Insofern wird, wie bereits ausgeführt451, oftmals das Argument der „Doppelbesteuerung“ der Ersparnis herangezogen. Träfe es nun tatsächlich zu, dass die Ersparnis im herkömmlichen Steuerrecht doppelt besteuert wird, dann wäre dies ein kaum von der Hand zu weisender Einwand gegen die Zinsbesteuerung. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten wäre eine „Doppelbesteuerung“ nämlich in besonderem Maße als kritisch zu erachten452. Es stellt sich daher die Frage, ob ausgehend von diesem Vorwurf gegen die Zinsbesteuerung eine Freistellung der Zinsen leistungsfähigkeitsadäquat wäre453. Mit der Zinsbesteuerung hat sich das BVerfG in seinem Urteil vom 27. 6. 1991454 beschäftigt. Erstaunlicherweise zieht Rose aus diesem Urteil den Schluss, das BVerfG habe gegen die Freistellung marktüblicher Zinsen „keine rechtlichen Bedenken“455. Tatsächlich findet sich in dem benannten Urteil kein Beleg für diese Aussage. Das BVerfG führt in diesem Urteil neben der oben zitierten Aussage zur So z. B. Rose, Sächsische Steuertagung 1996, S. 13. Siehe hierzu Dritter Teil, C. II. 1. 452 Zur These der „Unmöglichkeit“, eine „gerechte“ Zinsbesteuerung zu erreichen, siehe Hellwig in FS-Offerhaus, S. 1113 ff.; Hellwig, a. a. O., S. 1119, führt dabei zur Thematik der völligen Steuerfreiheit von Zinsen aus, dass die „Verfassungswidrigkeit dieses Planspiels evident zu sein scheint“. 453 Zur Verfassungsmäßigkeit einer Abgeltungssteuer, bei welcher Zinsen mit einem niedrigeren, konstanten Steuersatz besteuert werden, vgl. Jachmann in Schick, S. 15 ff., die die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Steuer (auch im geltenden Steuersystem) ausdrücklich bejaht; ablehnend allerdings Möstl, StuW 2003, S. 722 ff.; Steichen in FS-Fischer, S. 254. 454 BVerfGE 84 II, 239 ff. 455 Rose, Sächsische Steuertagung 1996, S. 13. 450 451

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Zulässigkeit eines Inflationsausgleichs lediglich aus, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich wäre, wenn die „Kapitalbildung als Quelle der Altersversorgung oder als sonstige existenzsichernde Versorgungsgrundlage gesondert gewürdigt“ würde456. So bliebe es auch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens, wenn Kapitaleinkünfte an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer linear belastet würden, wenn dieser lineare Tarif den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert darstellen würde457. Jedoch entspricht eine solche Besteuerung nach Ansicht des BVerfG nur dann dem Gebot der Folgerichtigkeit, wenn dem „vermutlich unterdurchschnittlichen Steuersatz der Kleinsparer durch beachtliche Freibeträge Rechnung“ getragen wird458. Die zuletzt genannten Ausführungen zeigen, dass das BVerfG die Besteuerung von Zinsen im Gegensatz zu Roses Schlussfolgerungen gerade für grundsätzlich geboten hält. Nach dem hier vertretenen Verfügungsmachtkonzept, nach welchem sich die Leistungsfähigkeit in der ökonomisch-finanziellen Dispositionskraft eines Steuerpflichtigen ausdrückt, ist auch in dem Zuwachs an Vermögen durch die Einnahme von Zinsen eine Zunahme an Leistungsfähigkeit zu sehen. Dem Argument Roses, der Kapitalmarktzins stelle kein „echtes“ Einkommen dar, weil insoweit nur ein Ausgleich für Konsumverzicht vorliege, kann daher mit Blick auf die Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht gefolgt werden. Diese Aussage basiert offenbar auf opfertheoretischen Überlegungen. Diese Theorie ist jedoch aus den bereits oben459 genannten Gründen abzulehnen. Auch das Argument der „Doppelbesteuerung“ vermag nicht zu überzeugen. In den Zinsen ist nämlich ein neuer Vermögenszuwachs und damit neuer Zugang an Leistungsfähigkeit zu sehen. Dieser Vermögenszuwachs wird aber nur einmal besteuert. Die Besteuerung des zinsbereinigten Gewinns bzw. zinsbereinigt ermittelten Einkommens entspricht somit nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip, da so nur ein Teil der tatsächlich gegebenen Leistungsfähigkeit erfasst wird. Insofern kann auch nicht auf die grundsätzlich zulässige Inflationsbereinigung abgestellt werden. Zum einen divergieren Inflationsrate und Schutzzinssatz regelmäßig, wobei die Inflationsrate üblicherweise deutlich unterhalb des Kapitalmarktzinses (und damit auch des Schutzzinssatzes) liegt. Zum anderen liegt dem zinsbereinigten Ansatz eine andere Zielrichtung zugrunde. Die Verminderung inflationsbedingter Belastungsunterschiede wäre allenfalls ein untergeordneter Nebenzweck. Im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips dürfen diese Gesichtspunkte aber nicht vermischt werden. Zwar soll nicht bestritten werden, dass durch 456 457 458 459

BVerfGE 84 II, 239 (282). BVerfGE 84 II, 239 (282 ff.). BVerfGE 84 II, 239 (283). Achter Teil, A. II. 2. d).

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

eine Zinsbereinigung (auch) die Problematik inflationsbedingter Scheingewinnbesteuerung beseitigt oder doch zumindest abgeschwächt wird. Die Methode der Zinsbereinigung „schießt dabei aber über das Ziel hinaus“ und verstößt, soweit der Kapitalmarktzins die Inflationsrate übersteigt, gegen die Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips. Will der Gesetzgeber einen Ausgleich für Inflationsverluste schaffen, dann kann er dies nicht, indem er sich am Kapitalmarktzins orientiert und das Einkommen bzw. den Gewinn zinsbereinigt ermittelt. Die Zinsbereinigungsmethode entspricht daher nicht den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips. 3. Vereinbarkeit von Leistungsfähigkeit und Steuervereinfachung / Typisierung Es wurde nunmehr festgestellt, dass ein am Cash-flow orientierter Einkommensbegriff grundsätzlich ebenso wenig den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips entspricht wie ein zinsbereinigt ermitteltes Einkommen. Da die Anhänger der in dieser Arbeit vorgestellten konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle insbesondere die Einfachheit ihrer Modelle hervorheben, soll nachfolgend zunächst der Frage nachgegangen werden, inwieweit bereits bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit Steuervereinfachungszwecke und Typisierungen mit einzubeziehen sind. Möglicherweise hat diese Problematik auch Einfluss auf die Vereinbarkeit der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle mit den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips und führt daher zu einer differenzierteren Betrachtungsweise. Da Typisierungen regelmäßig der Steuervereinfachung dienen, sollen beide Begriffe in diesem Zusammenhang synonym verwendet werden. Würde der Gesetzgeber eine optimale Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips verfolgen, dann müsste nahezu jedes Detail des Steuerpflichtigen erfasst werden460. Eine solche Vorgehensweise wäre jedoch praktisch nicht durchsetzbar und würde im Ergebnis dazu führen, dass Vollzugsdefizite sich in Belastungsungleichheiten ausdrücken würden461. Eine umfassende Ausdifferenzierung von Steuergesetzen würde daher nur scheinbar zu einer gerechteren Besteuerung führen462. Die Zielsetzung einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist die Schaffung von Steuergerechtigkeit durch Gleichheit der Belastung. Belastungsgleichheit meint jedoch nicht nur Gleichheit im Belastungsgrund, sondern auch im Belastungserfolg. Daher werden Rechtssetzungs- und Rechtsanwendungsgleichheit verlangt463. 460 461 462 463

Vgl. Jachmann, StuW 1998, S. 203. Vgl. Jachmann, StuW 1998, S. 203. So Jachmann, StuW 1998, S. 203. BVerfGE 84, 239 (271 ff.).

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Im Falle des Steuerrechts sind aus den genannten Gründen Typisierungen und Steuervereinfachungen, die sich am Regelfall orientieren, erforderlich. Andernfalls würde die Gleichheit (auch) im Belastungserfolg nicht gewährleistet464. Eine „Überdifferenzierung“, welche das eigentlich angestrebte Ziel der Belastungsgleichheit wegen ihrer Kompliziertheit und praktischen Undurchführbarkeit sogar konterkarrieren würde, wäre demgegenüber gleichheitswidrig465. Eine Besteuerung, die durch Typisierung und Steuervereinfachung darauf abstellt, derartige Belastungserfolgsunterschiede zu vermeiden, muss im Ergebnis mit dem Grundsatz der Steuergleichheit und damit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit übereinstimmen466. In Literatur und Rechtsprechung besteht dahingehend Einigkeit, dass die generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung auch nicht wegen der damit verbundenen unvermeidlichen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt467. Jede gesetzliche Regelung muss nämlich notwendigerweise verallgemeinern. Dies gilt in besonderem Maße bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie beispielsweise im Steuerrecht, wo der Gesetzgeber eine „Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen“ hat, „das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt“468. In diesem Zusammenhang wird jedoch gefordert, dass die durch Typisierung entstehenden Ungleichheiten und Härten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der „Verstoß gegen den Gleichheitssatz“ nicht sehr intensiv sein dürfe469. Der vermeintliche Widerspruch „Steuergerechtigkeit versus Steuervereinfachung“ wird regelmäßig umformuliert in die Forderung „Steuergerechtigkeit durch Steuervereinfachung“470. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Dummensteuereffekt“ als Ausdruck eines komplizierten und überdifferenzierenden Steuerrechts geprägt worden. Die sog. „Dummensteuern“ sind die Steuerlasten, die vermieden worden wären, wenn der Steuerpflichtige die vorhandenen steuerrechtVgl. BVerfGE 96, 1 (9 ff.). Vgl. auch Kirchhof in FS-Meyding, S. 11. 466 Zur Verwirklichung von Steuergleichheit durch Vereinfachung siehe auch Kirchhof in FS-Meyding, S. 3 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsrechtsordnung, Bd. I, S. 371; Lang in FS-Meyding, S. 33 ff.; Möstl, DStR 2003, S. 723. 467 Vgl. BVerfGE 71, 148 (157); BVerfGE 84, 348 (360). 468 BVerfGE 99, 280 II (290). 469 BVerfGE 82, 159 (186); 84, 348 (360); vgl. Kirchhof in FS-Meyding, S. 10, der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass dies nicht etwa bedeute, dass hierdurch die Gleichheitswidrigkeit im Einzelfall hingenommen werde. Vielmehr werde durch den Hinweis auf die Tolerierung kleiner Zahlen der Gesetzgeber grundsätzlich zu einer möglichst weiten, alle betroffenen Gruppen einschließenden Betrachtungsweise verpflichtet. 470 Vgl. hierzu bspw. Lang in FS-Meyding, S. 36 ff. 464 465

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

lichen Gestaltungsmöglichkeiten „klug“ ausgenutzt hätte, um sein wirtschaftliches Ziel zu erreichen471. Aus der Tatsache, dass der steuerrechtlich Unversierte in einem solchen Steuersystem bei gleicher Ausgangslage regelmäßig mehr Steuern zahlt als der steuerrechtlich Versierte, ergibt sich die Forderung nach Steuervereinfachung, um hierdurch Steuergerechtigkeit zu erreichen. Auch wenn in diesem Sinne eine Zielkonformität zwischen Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit besteht, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit grundsätzlich auf die Gegebenheiten des Einzelfalles abstellen muss, da die Leistungsfähigkeit des Einzelnen die Zielgröße darstellt. Es ist somit zu unterscheiden zwischen der Typisierung bzw. Steuervereinfachung, die zur Abbildung der Leistungsfähigkeit unvermeidbar ist („leistungsfähigkeitskonstituierende Typisierung“) und der Steuervereinfachung, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderläuft, aber möglicherweise gerechtfertigt ist („leistungsfähigkeitsinadäquate Typisierung“). Macht der Gesetzgeber einen wirtschaftlichen Sachverhalt zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung, weil er in diesem typischerweise wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erblickt, so ist diese Besteuerung per se dann leistungsfähigkeitsadäquat, wenn sich in dem vorliegenden Sachverhalt tatsächlich typischerweise wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ausdrückt. Andernfalls läuft die Besteuerung dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwider und es ist danach zu fragen, ob dieser Verstoß gerechtfertigt ist. Entscheidend muss demnach zunächst sein, ob die Typisierung der (typisierenden) Erfassung / Bestimmung der Leistungsfähigkeit dienen soll oder ob mit der Typisierung der Verstoß gegen ein als gegeben erachteter Leistungsfähigkeitsunterschied gerechtfertigt wird. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, auf die sog. „Willkürformel“ in modifizierter Form zurückzugreifen. Es ist daher darauf abzustellen, ob es insoweit sachliche und vernünftige Gründe dafür gibt, in einem Sachverhalt typischerweise einen Ausdruck von Leistungsfähigkeit zu sehen. Aufgrund des weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers kommt es dabei nicht darauf an, ob dies auch anders beurteilt werden könnte. Erst wenn es willkürlich und sachfremd wäre, in einem Umstand typischerweise einen Ausdruck von Leistungsfähigkeit zu erkennen, wird dieser Freiraum überschritten und der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip bedarf einer Rechtfertigung. Dies soll anhand des nachfolgenden Beispiels verdeutlicht werden. Beispiel: Der Gesetzgeber hat sich im Zusammenhang mit dem oben dargestellten Maßgeblichkeitsprinzip dazu entschieden, den Gewinn eines schwebenden Geschäftes als zu dem Zeitpunkt als realisiert anzusehen, in welchem der Unternehmer die ihm obliegende Gegenleistung, wie beispielsweise eine Warenlieferung, erbracht hat. Eine „genaue“ Be471

Vgl. zur „Dummensteuer“ ausführlich G. Rose in FS-Tipke, S. 153 ff.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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stimmung des Zeitpunktes, ab welchem die Leistungsfähigkeit des Unternehmers infolge dieses Geschäftes gesteigert wurde, ist aus den oben ausgeführten Gründen472 nicht möglich. Somit kann in der Wahl des Zeitpunktes der Erbringung der Gegenleistung als Anknüpfungspunkt für die Buchung und den damit zugleich unterstellten Gewinnrealisierungszeitpunkt eine „leistungsfähigkeitskonstituierende Typisierung“ gesehen werden. Ob das Geschäft letztlich (beidseitig) durchgeführt wird und zu einem realen Gewinn führt, ist insoweit dann nicht entscheidend. Allein die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Vermögenszuwachses wird typisierend als ausreichend erachtet, um von einer erhöhten Leistungsfähigkeit auszugehen. Ein pauschalierter Werbungskostenansatz dient demgegenüber lediglich der Vereinfachung. Da die Werbungskosten im Einzelfall konkret berechenbar sind, kann im einen Fall eine höhere Leistungsfähigkeit und im anderen Fall eine niedrigere gegeben sein. Die typisierend unterstellte Werbungskostenpauschale soll einen als gegeben erachteten Leistungsfähigkeitsunterschied außer Betracht lassen. Der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip wird dabei im konkreten Fall aus Vereinfachungsgründen billigend in Kauf genommen. Es handelt sich somit um eine leistungsfähigkeitsinadäquate (aber gerechtfertigte) Typisierung / Vereinfachung.

Gelangt man wie im zweiten Beispielsfall zu dem Ergebnis, dass in einem Tatbestand nicht typischerweise Leistungsfähigkeit gesehen werden kann, insbesondere weil die tatsächliche Leistungsfähigkeit, würde man sie denn realitätsgerecht ermitteln, deutlich von der zugrundegelegten Bemessungsgrundlage abweichen würde, dann bedeutet dies nicht, dass die entsprechende Regelung verfassungswidrig sein muss. In einem solchen Fall ist nach hier vertretener Auffassung jedoch eine Rechtfertigung der Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erforderlich. In manchen Fällen lässt sich jedoch eine nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips grundsätzlich gebotene Besteuerung entweder gar nicht oder nur mit nicht mehr vertretbarem Aufwand herbeiführen. In diesen Ausnahmefällen kann die Typisierung / Vereinfachung (bereits) auf Tatbestandsebene durch das Ziel gerechtfertigt sein, im tatsächlichen Belastungserfolg eine Minimierung der Abweichung von der leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung zu erreichen. Einer weiteren Rechtfertigung bedarf es dann nicht. Mit dem Ziel, Unterschiede im tatsächlichen Belastungserfolg zu minimieren, ist entsprechend den oben gemachten Ausführungen zum Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung zugleich inzident auch eine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt473. Art. 3 I GG fordert nämlich, wie oben474 ausgeführt, nicht nur Gleichheit im Belastungsgrund, sondern auch im tatsächlichen Belastungserfolg. Achter Teil, A. III. 2. c) bb) (2) (d). Möstl, StuW 2003, S. 723, führt hierzu aus, dass ein entscheidender Grund für eine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip aus dem Gleichheitssatz selbst folge, da dieser insoweit nicht nur materielle Steuergerechtigkeit, sondern ebenso tatsächliche Belastungsgleichheit durch gleichmäßigen Vollzug verlange. 474 Achter Teil, A. II. 2. a). 472 473

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Im Regelfall steht bei der Typisierung / Vereinfachung jedoch nicht das Ziel im Vordergrund, eine annähernde Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg herbeizuführen, vielmehr dient die Typisierung / Vereinfachung zumeist und hauptsächlich dem Zweck, die Erhebung aus Kostengründen zu vereinfachen. In diesen Fällen ist dann – wie gezeigt – eine Rechtfertigung erforderlich. Man wird bei den hier untersuchten Unternehmensbesteuerungsmodellen schwerlich annehmen können, dass die von ihren Anhängern propagierte Einfachheit dieser Steuersysteme hauptsächlich dazu dienen soll, durch Vereinfachung zur Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg zu gelangen. Es fehlt somit an dem soeben dargestellten Zweck-Mittel-Verhältnis zwischen Einfachheit und tatsächlichem Belastungserfolg. Des Weiteren handelt es sich bei diesen Modellen jedenfalls nicht um leistungsfähigkeitskonstituierende Typisierungen / Vereinfachungen, so dass insoweit jedenfalls eine Rechtfertigung erforderlich wäre bzw. ist.

IV. Leistungsfähigkeitsprinzip und Steuerprogression Es wurde nunmehr festgestellt, dass die in dieser Arbeit vorgestellten konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle grundsätzlich nicht mit den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips zu vereinbaren sind. Daher ist genauer zu untersuchen, welches materielle Gewicht der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip hat, bevor anschließend die Frage zu klären ist, ob dieser Verstoß dennoch (aus anderen Gründen) gerechtfertigt und die Konsumsteuermodelle damit (trotzdem) im Sinne von Art. 3 I GG verfassungskonform sind. Für die Frage des materiellen Gewichts des Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip kommt es für die im Rahmen dieser Arbeit dargestellten Cash-flowBesteuerungsmodelle475 auch darauf an, ob die im herkömmlichen Steuersystem etablierte Steuerprogression insoweit von verfassungsmäßiger Bedeutung ist. Im Vordergrund steht dabei nachfolgend die Beantwortung der Frage, ob der herkömmliche progressive Einkommensteuertarif das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt, wie dies von den Anhängern der Konsumsteuermodelle oft behauptet wird. Möglicherweise würde eine solche Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips nämlich durch die Einführung der konsumorientierten Steuermodelle mit Blick auf deren proportionalen Tarif (zumindest teilweise) kompensiert. a) Zum Meinungsstreit in der Literatur Im vorigen Abschnitt wurden einige Argumente gegen das Periodizitätsprinzip angeführt476, die sich dem Grunde nach gegen die Steuerprogression richten. Dem475 476

Vierter Teil, B. II. und IV. Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen im Achten Teil, 3. b) cc) (1).

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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entsprechend geben die Grundmodelle der konsumorientierten Steuersysteme einer proportionalen Besteuerung („flat rate“) den Vorzug gegenüber einer progressiven Besteuerung, auf welche einige der hier vorgestellten Besteuerungsmodelle bewusst verzichten. Daher stellt sich die Frage, ob die Steuerprogression mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbaren ist bzw. ob diese möglicherweise sogar von Verfassungs wegen geboten ist. In diesem Zusammenhang ist zunächst zwischen der indirekten und der direkten Progression zu unterscheiden. Wird nämlich das Existenzminimum aufgrund des subjektiven Nettoprinzips steuerfrei gestellt, dann ergibt sich auch bei einem proportionalen Steuersatz mit wachsender Bemessungsgrundlage eine steigende durchschnittliche Steuerbelastung, die sog. indirekte Progression477. Untersuchungsgegenstand soll hier jedoch nur die direkte Progression sein, bei welcher der Steuersatz progressiv steigt. Während im 19. Jahrhundert heftig um die Berechtigung der Steuerprogression gestritten wurde478, stellt diese heute „fast ein Sakrileg“479 dar, an deren Grundsätzen außerhalb der konsumorientierten Steuertheorie kaum gerüttelt wird. In der Literatur herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass ein progressiver Steuerverlauf grundsätzlich verfassungskonform ist480. Der progressive Steuertarif als Mittel der Umverteilung von den wohlhabenden Bevölkerungsschichten auf die ärmeren hat sich weltweit durchgesetzt481. Fraglich und insoweit umstritten ist jedoch, ob sich die Progression als Ausfluss und Folge des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt. Aufbauend auf der Opfertheorie versteht beispielsweise Haller die Steuerprogression als Konsequenz des Leistungsfähigkeitsprinzips482. Da das (Grenz-) Opfer des Steuerpflichtigen mit steigendem Einkommen abnehme, sei der progressive Steuerverlauf die logische Folge einer i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips gleichmäßigen Besteuerung483.

Vgl. hierzu Walzer, StuW 1986, S. 203. Zum historischen Streit vgl. Gerloff, Die öffentliche Finanzwirtschaft, Bd. I, S. 197 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 34 ff. Dass der Streit zugunsten der Progression entschieden wurde, beruhte im Wesentlichen auf zwei Gesichtspunkten. Zum einen war das 19. Jahrhundert das Jahrhundert der Klassenkämpfe und in der Progression wurde ein Ausgleich zu den das Steueraufkommen prägenden indirekten Konsumsteuern gesehen, die naturgemäß niedrige Einkommen stark belasten. Zum anderen wurde die Steuerprogression vor allem mit der sog. „Grenznutzentheorie“, auf die in dieser Arbeit allerdings nicht näher eingegangen werden soll, begründet, vgl. hierzu Becker in FS-Klein, S. 382 ff. 479 Wöhe in FS-Rose, S. 298. 480 Siehe hierzu Jachmann, StuW 1998, S. 296; Kirchhof, StuW 1985, S. 325; Hüttemann, DStJG 23 (2000), S. 126 ff.; Lang in FS-Kruse, S. 322 ff., jeweils m. w. N. 481 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1. Aufl., S. 712. 482 Vgl. Haller, Die Steuern, S. 74 ff. 477 478

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Hiergegen sprechen zum einen die bereits oben484 dargelegten Gründe gegen die Opfertheorie, zum anderen zeigen sich gerade bei der Steuerprogression die strukturellen Schwächen dieser Theorie. Mit der Opfertheorie lässt sich nämlich möglicherweise das „Ob“ einer Steuerprogression erklären, das „Wie“, d. h. einen genauen Progressionsverlauf, vermag auch die Opfertheorie nicht zu begründen485. Auch das BVerfG hat den progressiven Tarif in einer frühen Entscheidung aus dem Prinzip gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit abgeleitet486. Dabei führte das BVerfG aus, dass die Gerechtigkeit im Sinne einer verhältnismäßigen Gleichheit einen progressiven Steuersatz verlange487. Heute besteht in der steuerrechtlichen Literatur weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Progression keine Folge, sondern eher eine durch das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigte Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt488. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlange nur, dass der Leistungsfähigere mehr zahle als der Leistungsschwächere, es verlange aber nicht, dass er progressiv mehr zahle489. Der Steuertarif entziehe sich weitestgehend einer juristischen Bewertung. Welcher Tarif gerecht sei, lasse sich daher auch verfassungsrechtlich nicht ableiten490. Tipke führt in diesem Zusammenhang aus, dass sich die Wahl des Steuertarifs zum einen am Finanzbedarf orientieren müsse. Zum anderen müssten aber auch die Wirtschaftslage und die Steuerpsychologie berücksichtigt werden491. Gegen die Berücksichtigung einer auf Umverteilung ausgerichteten Progression im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips spricht sich auch Kirchhof aus, wobei er einer Umverteilung durch Steuern insgesamt eher kritisch gegenübersteht492. Leistungsfähigkeit sei als Zahlungsfähigkeit zu verstehen. Aus dem Verzicht des Steuerrechts, Vorgänge der privaten Lebensführung zu ermitteln, folge, dass im 483 Zur historischen Entwicklung der Diskussion über eine aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abgeleitete Progression vgl. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 33 ff. 484 Siehe hierzu Achter Teil, A. III. 1. b) bb). 485 Eher opfertheoretisch argumentiert auch Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 171, der ausführt, die Progression sei ein Gebot der Steuergerechtigkeit, welches „gleiche Opfer“ nach Maßgabe der „Steuerfähigkeit“ verlange. 486 BVerfGE 8, 51 (68 ff.). 487 BVerfGE 8, 51 (68 ff.). 488 Tipke in FS-Zeidler, S. 722; Starck in v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. I, Art. 3 Rdnr. 113; Lang in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 187; Jachmann, StuW 1998, S. 293. 489 So Tipke in FS-Zeidler, S. 722. 490 Tipke in FS-Zeidler, S. 722. 491 Daher ist nach Ansicht Tipkes ein progressiver Tarif, welcher den Leistungswillen schwäche oder Steuerhinterziehung bzw. Steuerflucht in ökonomisch unsinnige Steuersparmodelle fördere, so dass an die nicht oder weniger Leistungsfähigen weniger statt mehr umverteilt werden könne, verfehlt, so Tipke in FS-Zeidler, S. 722. „Verfehlt“ meint in diesem Zusammenhang wohl finanz- und wirtschaftspolitisch verfehlt, nicht jedoch verfassungswidrig. 492 Vgl. zur Argumentation im Weiteren vgl. Kirchhof, StuW 1985, S. 325.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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Rahmen der Besteuerung der Steuerpflichtige nur das Erworbene zu offenbaren habe. Die Entscheidung für oder gegen das Erwerben habe er hingegen nicht zu rechtfertigen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip achte nun diese Vorgabe und beobachte lediglich, wem welche Wirtschaftsgüter gehörten oder zugewachsen seien. Die Umverteilungsfrage müsse jedoch auch auf die Beweggründe, also die Ursachen der Verschiedenheit der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen abstellen. Sie müsse danach fragen, ob der Grund des unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnisses zweier Personen unverschuldet (z. B. durch Krankheit) oder verschuldet (z. B. durch Müßiggang) sei. Im ersten Fall sei die Verschiedenheit ungerechtfertigt und müsse ausgeglichen werden, wobei dies seiner Ansicht nach nicht durch das Steuerrecht, sondern durch andere Mittel wie beispielsweise Arbeitsmarktpolitik zu erfolgen habe. Eine Umverteilungssteuer verkürze die Perspektive des Umverteilens und verfehle den Verteilungsgegenstand. Sie sei deshalb durch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu rechtfertigen, sondern allenfalls durch andere Rechtsprinzipien493. Ein generelles Umverteilungsanliegen kann nach Kirchhof daher einen progressiven Steuertarif nicht rechtfertigen. Da die Höhe des Einkommens jedoch nicht nur von der eigenen Leistung, sondern auch von den Marktbedingungen, rechtlichen Vorgaben und Zufälligkeiten abhänge, kompensiert nach Ansicht von Kirchhof der progressive Steuertarif real vorgefundene Verschiedenheiten und rechtfertige sich so aus der Abhängigkeit des Einkommens von der Marktteilhabe494. Die Umverteilungsfrage verlagere sich somit vom Steuerrecht zum sozialen Leistungsrecht495. Eine solche Rechtfertigung der Progression aus dem Teilhabegedanken – wie ihn Kirchhof sehen möchte – setzt aber voraus, dass insoweit überhaupt eine derartige „Progressionswirkung“ des Marktes vorliegt. Eine solche Annahme wäre jedoch ebenso willkürlich wie der daraus abgeleitete Progressionsverlauf. Jachmann496 sieht im progressiven Tarif eine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips, die in der demokratisch fundierten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers liege. Dieser könne frei entscheiden, ob er die soziale Verantwortung des Steuerpflichtigen als mit steigendem Einkommen nicht nur proportional, sondern darüber hinaus als progressiv wachsend ansehen wolle, und dementsprechend einen progressiven Steuerverlauf wählen497. Demgegenüber führt nach Ansicht von Lang die gleichmäßige Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips zur Proportion, im Ergebnis sogar zu einer „flat rate“ da die vollständige Erfassung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit („comprehensive 493 494 495 496 497

Ähnlich auch Lang in FS-Kruse, S. 322. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rdnr. 78. Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rdnr. 78. Jachmann, StuW 1998, S. 295. Jachmann, StuW 1998, S. 295.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

tax base“) einen niedrigeren Steuersatz ermögliche und dieser den unterschiedlichen Ausweichmöglichkeiten der Steuerpflichtigen hinsichtlich der Progression das Wasser abgrabe. b) Stellungnahme Wie bereits mehrfach ausgeführt sind bei der Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips alle Wertungen des Grundgesetzes und hierbei insbesondere auch das Sozialstaatsprinzip zu berücksichtigen. So würde es beispielsweise dem Sozialstaatsprinzip und mithin auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen, wenn niedrige Einkommensgruppen höher besteuert würden als höhere. Dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als „ethische Regel“, als „Regel der Solidarität“ unmittelbar vom Sozialstaatsprinzip beeinflusst wird, zeigt sich auch in einer ökonomisch verstandenen Umverteilung498. Bezieher geringerer Einkommen müssen nämlich auch bei einem proportionalen Tarif weniger Steuern zahlen, während die Bezieher größerer Einkommen mehr zahlen. Das in Art. 20 I GG verankerte Sozialstaatsprinzip soll dazu dienen, dass der Staat neben einer formellen Rechtsstaatlichkeit auch soziale Gerechtigkeit verwirklicht499. Angesichts der Unbestimmtheit des Sozialstaatsprinzips lässt sich hieraus aber nur ableiten, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen hat500. Das Sozialstaatsprinzip stellt sich somit als Gestaltungsprinzip dar, das dem Gesetzgeber die Entscheidung darüber überlässt, wie er das angestrebte Ziel der sozialen Gerechtigkeit erreichen will. Insoweit wird lediglich das „Was“, nicht jedoch das „Wie“ festgelegt501. Gerechtigkeit im Sinne der Leistungsfähigkeit meint hingegen Gleichmäßigkeit im Belastungserfolg. Insofern ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ein Verteilungsund kein Gestaltungsprinzip502. Durch eine Progression soll aber gerade eine Gestaltung im Sinne einer Umverteilung erreicht werden, was gegen eine Begründung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip spricht. Gleichzeitig bedeutet dies aber nicht, dass eine progressive Besteuerung dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechen muss. Denn dieses verlangt nur, dass gleich leistungsfähige Personen gleich und ungleich leistungsfähige unterschiedlich besteuert werden. All dies wird aber auch durch eine progressive Besteuerung gewährleistet. Über das Maß der aus gegebener unterschiedlicher Leistungsfähigkeit folgenden steuerlichen Differenzierung verrät das Leistungsfähigkeitsprinzip hingegen nichts. Eine dahingehende Inter498 Eine rein ökonomisch wertneutral verstandene Umverteilung findet immer dann statt, wenn sich der „Input“ des Bürgers in den Staat nicht mit seinem vom Staat empfangenen „Output“ deckt, vgl. Jachmann, StuW 1998, S. 294. 499 Hofmann in Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 20 Rdnr. 29. 500 Hofmann in Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 20 Rdnr. 29. 501 BVerfGE 22, 204. 502 Kirchhof, StuW 1985, S. 325.

A. Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Unternehmensbesteuerung

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pretation des Leistungsfähigkeitsprinzips hieße seinen Anwendungsbereich zu überdehnen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gibt somit keine Vorgabe hinsichtlich des Steuertarifes. Daher stellen weder die progressive Besteuerung noch die proportionale Besteuerung hierzu einen Widerspruch dar. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass in einer progressiven Besteuerung nicht möglicherweise trotzdem ein Verstoß gegen Art. 3 GG zu sehen ist. Man könnte nämlich den mit einem progressiven Steuersatz verbundenen höheren Durchschnittssteuersatz503 als eine Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 GG verstehen, so dass diese eine Rechtfertigung erforderte. Sieht man die steuerrechtliche Konkretisierung von Art. 3 GG in dem Ziel der steuerlichen Gerechtigkeit, dann könnte gegen die Progression weiterhin angeführt werden, dass diese insbesondere bei unterschiedlich langen Arbeitszeiten zu „ungerechten“ Ergebnissen führen kann. So wird z. B. die gegenüber der Normalarbeitszeit oftmals deutlich längere Arbeitszeit von Angehörigen freier Berufe infolge der Progression „steuerlich bestraft“504. Sieht man also ungeachtet ihrer Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in der Steuerprogression eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 I GG, dann stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung wird gemeinhin im Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 I GG gesehen505. Der Gesetzgeber hat insoweit einen gewissen Gestaltungsfreiraum, welches Maß an Umverteilung er durch die Steuerprogression verwirklichen will. Daher verstößt die progressive Besteuerung selbst dann nicht gegen Art. 3 GG, wenn man in dieser eine grundsätzliche Ungleichbehandlung sehen möchte. Über diesen im Ergebnis wohl unstreitigen Befund hinaus, stellt sich des Weiteren die Frage, ob das Sozialstaatsgebot nach Art. 20 GG über die mögliche Rechtfertigungswirkung eine progressive Besteuerung sogar (zwingend) verlangt. Ein solcher Ansatz lässt sich jedoch der Verfassung nicht entnehmen. Die von Art. 20 GG angestrebte Herstellung eines sozialen Ausgleiches durch Umverteilung kann nämlich nicht nur durch Besteuerung, sondern auch durch staatliche Transferleistungen wie z. B. direkte Subventionen erreicht werden. Wenn aber Art. 20 I GG dem Gesetzgeber die Wahl der Mittel überlässt, kann hieraus zugleich geschlossen werden, dass das Sozialstaatsprinzip keine Umverteilung durch das Steuerrecht und daher auch keine Steuerprogression verlangt. Auch ein 503 Gemeint ist insoweit eine über die Wirkungen der indirekten Progression hinausgehende Erhöhung des Durchschnittssteuersatzes, vgl. Walzer, StuW 1986, S. 203. 504 Vgl. Wöhe in FS-Rose, S. 301; Becker in FS-Klein, S. 385, der anführt, es würde bereits dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl widersprechen, das wirtschaftliche Ergebnis einer längeren Arbeitszeit durch eine überproportionale Besteuerung zu benachteiligen. 505 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 838.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

völliger Verzicht auf eine steuerliche Umverteilung durch proportionale Besteuerung wäre mithin grundsätzlich zulässig506. Eine proportionale Besteuerung, wie dies von den Anhängern der konsumorientierten Besteuerung gefordert wird, wäre somit verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip ein Steuertarif im Sinne einer Progression weder dem Grunde noch der Höhe nach entnommen werden kann. Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine progressive Besteuerung, dann verlangt die durch die unterschiedlichen Durchschnittssteuersätze hervorgerufene Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 I GG nach einer Rechtfertigung, die in Art. 20 I GG, dem Sozialstaatsprinzip, zu sehen ist. Mit der Aussage, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Festlegung hinsichtlich einer Steuerprogression trifft, ist zugleich ein wesentliches Argument der Anhänger einer konsumorientierten Besteuerung entwertet. Diese begründen eine konsumorientierte Besteuerung vor dem Hintergrund eines Lebenseinkommenskonzeptes damit, dass die herkömmliche Besteuerung des Einkommens infolge der Progression gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoße. Wie gezeigt, ist die Progression ihrerseits jedoch rechtfertigungsbedürftig, allerdings auch rechtfertigungsfähig. Daher müsste sich die Argumentation insoweit eigentlich vor allem gegen die Progression als solche und nicht gegen die Besteuerung des Leistungsfähigkeitsindikators Einkommen richten.

B. Überprüfung der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG I. Ausgangspunkt der Prüfung Im letzten Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass sämtliche im Rahmen dieser Arbeit untersuchten konsumorientierten Besteuerungssysteme im Widerspruch zu den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips stehen. Dies bedeutet jedoch noch nicht zwingend, dass damit zugleich auch ein Verstoß gegen Art. 3 I GG feststeht. Es dürfte insoweit heute Einigkeit darüber bestehen, dass der Staat Ungleichbehandlungen im Sinne von Art. 3 GG in Kauf nehmen darf, um hierdurch übergeordnete Ziele zu verfolgen. Für das Steuerrecht heißt dies, dass auch Abweichungen von einer leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung hinzunehmen sind, wenn eine Rechtfertigung hierfür besteht507. 506

Vgl. Lang in Tipke / Lang, § 9 Rdnr. 801 ff.

B. Überprüfung auf Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG

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Entsprechend der hier favorisierten „neuen Formel“ des BVerfG ist eine Ungleichbehandlung dann gerechtfertigt, wenn die Unterschiede der Normadressaten von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können508. Dies bedeutet entsprechend den oben gemachten Ausführungen509 gegenüber einer bloßen Willkürprüfung, dass auch das Ausmaß des Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip materiell gewichtet und im Rahmen der Abwägung quasi als „Kontergewicht“510 zu den Gründen, welche die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen sollen, Berücksichtigung finden muss. Die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips als „tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene“ erfordert mithin, dass die Anforderungen an die in Betracht kommenden Rechtfertigungsbzw. Differenzierungsgründe umso höher sind, je weiter sich die Besteuerung von den Vorgaben dieses Besteuerungsprinzips entfernt.

II. In Betracht kommende Rechtfertigungsgründe 1. Allgemeine Vorgaben Bevor nachfolgend (im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung) untersucht wird, welches materielle Gewicht der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip bei einer Umsetzung der in dieser Arbeit vorgestellten Besteuerungsmodelle besitzt, soll zunächst der Frage nachgegangen werden, welche Gründe generell eine Durchbrechung dieses Grundsatzes rechtfertigen können. In der Literatur besteht insoweit Uneinigkeit. Nach der Auffassung von Birk ist hierzu erforderlich, dass mit der steuerrechtlichen Ungleichbehandlung ein von der Verfassung gebotener Zweck (Gemeinwohlwert) verfolgt wird511. Demgegenüber hält die wohl h. M. diese Auffassung für zu restriktiv, da es auch gewichtige Gemeinwohlwerte gebe, die nicht von der Verfassung geboten seien512. In der praktischen Auswirkung bestehen allerdings regelmäßig keine großen Unterschiede zwischen diesen beiden Auffassungen, da den insoweit diskutierten Rechtfertigungsgründen regelmäßig auch ein verfassungsrechtliches Gewicht zukommt. 507 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 330 ff., m. w. N. insbesondere auch zur kaum vertretbaren Mindermeinung, nach welcher z. B. Steuervergünstigungen stets unzulässig sind (S. 337); Huster, Rechte und Ziele, S. 366 ff. 508 Vgl. BVerfGE 55, 72 (82). 509 Siehe hierzu die Ausführungen im Achten Teil, A. II. 2. d) dd). 510 Den Begriff „Kontergewicht“ verwendet Austrup, Zinsbesteuerung, S. 75 f., ohne dabei allerdings näher auf die Frage der materiellen Gewichtung des Verstoßes einzugehen. 511 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 245. 512 So fügt Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 333, in diesem Zusammenhang an: „Die Verfassung hält eben nicht auf alles eine Antwort parat“.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Vor dem Hintergrund, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nach Art. 3 GG umso größer sind, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf grundrechtlich geschützte Freiheiten auswirkt513, ergibt sich für das Steuerrecht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis. Geht man nämlich davon aus, dass der Bedarf an Steuereinnahmen durch den Staatshaushalt innerhalb einer Haushaltsperiode betragsmäßig feststeht, dann müssen Steuermindereinnahmen, aufgrund der Besserstellung bestimmter Personengruppen, durch Steuermehreinnahmen bei den anderen ausgeglichen werden. Die Besserstellung des einen hat also im Steuerrecht zwingend eine zusätzliche Schlechterstellung des anderen zur Folge. Eine solche immanente „Potenzierung der Belastungsintensität“ und damit verbundene Intensivierung der Ungleichbehandlung weisen dem Steuerrecht in der Gleichheitsprüfung eine Sonderstellung zu514. Da jede Steuerzahlung nach der hier vertretenen Meinung einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Steuerpflichtigen nach Art. 14 GG darstellt, bedeutet dies, dass dieser Eingriff in Art. 14 GG mit der Ungleichbehandlung automatisch an materiellem Gewicht zunimmt515. Hält man sich daher vor Augen, dass bei der Prüfung der Gleichheitsfrage „Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte eine innige Verbindung eingehen“516, kann diese besondere Belastung im freiheitsrechtlichen Bereich für die Anforderung an den Differenzierungsgrund bzw. Rechtfertigungsgrund im Steuerrecht nicht unberücksichtigt bleiben. Dies spricht dafür, dass nur verfassungsrechtlich legitimierte Gründe einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip rechtfertigen können. Als Differenzierungsgründe kommen dabei in dem hier zu untersuchenden Kontext insbesondere die Aspekte der Wirtschaftsförderung, Gründe die im Zusammenhang mit Vereinfachung und Typisierung (wie z. B. Kostenersparnis etc.) stehen sowie die Ziele der Ressourcenschonung und des Umweltschutzes in Betracht. 2. Rechtfertigung durch wirtschaftslenkende Ziele Nach Art. 109 II – IV GG sind Bund und Länder verpflichtet, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Vor dem Hintergrund, dass ein Markt wirtschaftlich nicht aus sich selbst heraus einen Interessenausgleich unter den Marktteilnehmern herbeiführen kann, überträgt Art. 109 II GG dem Gesetzgeber die Verantwortung, durch BVerfGE 91, 346 (363). Dabei handelt es sich im Übrigen nicht um Marginalien, denn ausweislich der Subventionsberichte betragen die Steuervergünstigungen regelmäßig jährlich etwa 50 Mrd., vgl. hierzu die Darstellung bei Osterloh, DStJG 24 (2001), S. 390 ff. 515 Folgt man der Ansicht, die der Besteuerung die Eingriffsqualität hinsichtlich des Freiheitsgrundrechtes aus Art. 14 GG abspricht, lässt sich diese Argumentation entsprechend auf den Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 I GG übertragen. 516 Osterloh, DStJG 24 (2001), S. 397. 513 514

B. Überprüfung auf Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG

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gesetzliche Maßnahmen für ein gesamtwirtschaftliches Marktgleichgewicht zu sorgen. Zwar nennt Art. 109 GG insoweit ausdrücklich nur den Begriff der Haushaltswirtschaft. Haushaltswirtschaft und sonstige Wirtschafts- und Finanzpolitik lassen sich aber nicht voneinander trennen. Daher wird diese Vorschrift überwiegend als verbindliche Anordnung für den gesamten wirtschaftlichen Bereich verstanden517. In Art. 109 GG ist somit zugleich der Auftrag und die Berechtigung enthalten, durch Interventions- und Lenkungsmaßnahmen das Wirtschaftsgeschehen zu beeinflussen518. Da in der Steuergesetzgebung aufgrund ihrer sehr differenzierten Ausgestaltungsmöglichkeiten ein sehr effektives Gestaltungsmittel gesehen werden muss, wird ihr insofern ein verfassungsrechtlich „hoher Rang“ zugeschrieben519. 3. Rechtfertigung durch „Typisierung“ und „Steuervereinfachung“ Ungeachtet der oben dargestellten „leistungsfähigkeitskonstituierenden Typisierung“520, bei welcher von vornherein kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorliegt, sowie den (eher seltenen) Fällen, in welchen eine Typisierung vorrangig erfolgt, um eine annähernde Gleichheit im Belastungserfolg zu gewährleisten, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Gesetzgeber auch im Übrigen Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip bei Typisierung / Vereinfachung verfassungsrechtlich rechtfertigen kann. Wie oben bereits dargelegt521 ist dabei gemeinhin anerkannt, dass der Gesetzgeber sich bei der Gesetzesgestaltung an den Zielen der Praktikabilität orientieren darf. Daher können auch Typisierungen und Vereinfachungen nach wohl ganz h. M. grundsätzlich gerechtfertigt sein522. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung kann dabei im Falle von Steuervereinfachungsmaßnahmen und Typisierungen im Wirtschaftlichkeitsprinzip gem. Art. 114 II S. 1 GG gesehen werden. Zwar ist diesem Siekmann in Sachs, Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 16. Die Einführung des Art. 109 II und die damit verbundene Neufassung des Art. 109 GG im Jahre 1969 brachte insoweit keine Neuerung der schon zuvor als zulässig angesehenen und durch die Grundrechte begrenzten wirtschaftspolitischen Lenkungsbefugnisse des Staates; allerdings wurde hierdurch eine klare verfassungsrechtliche Gewichtung sowie eine diesbezügliche inhaltliche Ausrichtung festgelegt, siehe hierzu Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 246. 519 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 247 ff., entnimmt dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates „eine verfassungsrechtliche Relevanz ( . . . ),welche in aller Regel Verstöße der Belastungswirkungen gegen den Verteilungsmaßstab rechtfertigen müsse“. Dem ist in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zuzustimmen. Auch hier wird man dem Ausmaß der Abweichung das Ausmaß der Wirtschaftsförderung entgegensetzen müssen. Ausführlich zur Problematik der Steuervereinfachung auch Schön, StuW 2002, S. 23 ff. 520 Siehe hierzu die Ausführungen im Achten Teil, A. III. 3. 521 Siehe hierzu die Ausführungen im Achten Teil, A. III. 3. 522 Siehe hierzu Osterloh in Sachs, Grundgesetz, Art. 3 Rdnrn. 104 ff. 517 518

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

nicht unmittelbar der Auftrag zur Wirtschaftlichkeit zu entnehmen, gleichwohl zielt Art. 114 II S. 1 GG auf die „Vermeidung eines durch die Zwecksetzung staatlichen Handelns nicht gerechtfertigten Aufwands“523. 4. Rechtfertigung durch Umweltschutz und Ressourcenschonung Soweit es um die Themengebiete Ressourcenschonung und Umweltschutz geht, greift als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt die Staatszielbestimmung nach Art. 20a GG, dessen Schutzobjekt die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen sind524. 5. Entscheidungsneutralität als eigenständiger Rechtfertigungsgrund Es wurde bereits geklärt, dass das Postulat der Entscheidungsneutralität kein geeignetes Steuerverteilungskriterium darstellt525. Fraglich ist aber, ob das Kriterium der Entscheidungsneutralität ein tauglicher Rechtfertigungsgrund bzw. Differenzierungsziel sein kann. Schneider hat bezüglich des Verhältnisses von Entscheidungsneutralität zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung aus betriebswirtschaftlicher Sicht ausgeführt, dass im Falle von Konflikten (aus ökonomischer Sicht) ein Vorrang der Entscheidungsneutralität in der Reihenfolge „Effizienz vor Gleichmäßigkeit und diese beiden vor Einfachheit der Besteuerung“ bestehe526. Begründet hat er dies mit folgender Argumentationskette: „Erst muss über eine Wettbewerbsordnung der Kuchen des Volkseinkommens möglichst groß gemacht werden, ehe Verteilungskonflikte zwischen Steuerzahlern, Steuerbefreiten und dem Fiskus als Sachwalter der sich von ihm Nährenden hinsichtlich dieser oder jener ethischen Vorstellungen zu einer gerechten Gesellschaftsordnung gemildert oder gar gelöst werden können“527. Schneider räumt dabei gleichzeitig ein, dass dieser Vorrang der Effizienz vor der Verteilungsgerechtigkeit nur die betriebswirtschaftliche Sicht betreffe. Diese unterscheide sich von der steuerjuristischen Sichtweise, bei welcher die eigentliche Aufgabe die Verwirklichung gerechter Besteuerung, also die Verteilungsgerechtigkeit sei528. Jachmann in FS-Offerhaus, S. 1075. Sannwald in Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 20a Rdnr. 17. 525 Siehe hierzu die Ausführungen im Achten Teil, A. II. 2. b) bb). 526 Schneider, StuW 1989, S. 329. 527 Schneider, StuW 1989, S. 330. 528 Schneider, StuW 1989, S. 330; zustimmend Löhr, StuW 2000, S. 36, mit dem Hinweis, dass sich der Vorrang der Entscheidungsneutralität als ein Schritt zu höherer Pareto-Effizienz auf der Grundlage der neoklassischen Wohlfahrtstheorie begründen lasse. 523 524

B. Überprüfung auf Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG

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Gleichwohl stellt sich die Frage, ob der Verfassung ein Rechtfertigungsgrund „Entscheidungsneutralität“ zu entnehmen ist. Kirchhof sieht den gemeinsamen Anknüpfungspunkt der wirtschaftswissenschaftlichen Zielsetzungen wie Knappheit und Effizienz auf der einen und den rechtswissenschaftlichen Grundsätzen von Gleichheit und Gerechtigkeit auf der anderen Seite in dem gemeinsamen Ausgangspunkt der Freiheit529. Der zentralen Rolle des Freiheitsschutzes im Hinblick auf das Postulat der Entscheidungsneutralität ist insbesondere von wirtschaftswissenschaftlicher Seite entgegengehalten worden, dass die makroökonomische Zielsetzung der Entscheidungsneutralität nichts mit Freiheitsschutz zu tun habe. Zudem ziele die wirtschaftliche Vernunft des Steuerpflichtigen immer auf das Ergebnis nach Steuern, so dass die Freiheit zu wirtschaftlich vernünftigem Handeln dem Steuerpflichtigen auch nicht durch eine neutrale Besteuerung zurückgegeben werden müsse530. Osterloh weist außerdem zu Recht darauf hin, dass die Aussage, das ökonomische Neutralitätspostulat treffe sich mit dem Freiheitsschutz bzw. – wie dies wohl überwiegend geäußert wird – mit dem Gleichheitsgebot531, bedenklich sei, da die Gefahr bestehe, dass wesentliche Unterschiede zwischen ökonomischen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu Unrecht eingeebnet würden532. Das wirtschaftswissenschaftliche Postulat der Entscheidungsneutralität sei kein eigenständiges (verfassungsrechtliches) Prinzip und könne daher auch nicht als eigenständiger Wert in die jeweils erforderliche grundrechtliche Abwägung einfließen, allenfalls komme der mangelnden Neutralität eine indizielle Bedeutung für eine über die bloße Zahllast hinausgehende, zusätzliche Belastungswirkung zu533. Der Grundsatz der Entscheidungsneutralität besitze keinen Verfassungsrang, wäre dies anders, dann müsste dies auch für den Satz „Weniger Staat – mehr Markt“ gelten534. Das Postulat der Entscheidungsneutralität ist als Steuerverteilungskriterium ungeeignet, weil die Ziele „gleiche Belastung“ und „Entscheidungsneutralität“ nicht notwendigerweise übereinstimmen535. Hält man sich weiterhin vor Augen, Kirchhof in Kirchhof / Neumann, S. 13. Wagner, StuW 2001, S. 355 f. Zustimmend hinsichtlich des zweiten Kritikpunktes insbesondere Osterloh in FS-Selmer, S. 885 f., die hervorhebt, dass der stetige Widerstand gegen den Abbau verzerrender Subventionen zeige, dass die Freiheit zu marktwirtschaftlich vernünftigem Handeln – ohne Verzerrungswirkungen des Steuerrechts – tatsächlich von vielen Steuerpflichtigen ganz offensichtlich als nicht so wichtig angesehen werde. 531 Vgl. beispielsweise Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 60; Schön, StuW 2002, S. 26, m. w. N. 532 Osterloh in FS-Selmer, S. 886, betont in diesem Zusammenhang, dass insbesondere die notwendigen verfassungsrechtlichen Relativierungen des Neutralitätspostulates von der Gefahr dieser Einebnung betroffen sind. 533 Osterloh in FS-Selmer, S. 886. 534 Osterloh in FS-Selmer, S. 887. 535 Siehe hierzu Achter Teil, A. II. 2. b) bb). 529 530

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

dass Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte in ihrem Zusammenspiel Maßstab für die belastenden Wirkungen sowohl neutraler als auch nicht neutraler Besteuerung sind536, dann zeigt sich hierin zugleich, dass weder Freiheits- noch Gleichheitsgrundrechte dem Postulat der Entscheidungsneutralität ein besonderes verfassungsrechtliches Gewicht verleihen können. Es soll deshalb nachfolgend geprüft werden, ob gleichwohl in den Vorschriften der Art. 109 II – IV GG eine verfassungsrechtliche Stütze für eine entscheidungsneutrale Besteuerung gesehen werden kann. Die Vorschrift des Art. 109 GG strebt ebenso wie § 1 StabG ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht an. Volkswirtschaftlich lag ihr die Theorie von Keynes537 zugrunde, wonach es wirtschaftspolitisch geboten sei, die staatliche Haushaltspolitik auf eine antizyklische Konjunkturpolitik auszurichten, um hierdurch eine Konjunkturstabilisierung zu erreichen538. Durch Art. 109 GG sollten dem Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grundlagen für das notwendige Instrumentarium an die Hand gegeben werden539. Während sich also Art. 109 GG auf der Grundlage von Keynes Lehren darauf stützt, dass der Markt nicht eigenständig dazu in der Lage ist, ein für die wirtschaftliche Entwicklung sinnvolles gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zu schaffen, basiert das Kriterium der Entscheidungsneutralität auf einem diametral entgegengesetzten ökonomischen Ansatz. Diesem liegt nämlich wie oben540 bereits ausgeführt der eher klassische Konjunkturansatz zugrunde, wonach dem Markt stabilisierende „Selbstheilungskräfte“ innewohnen, so dass bei wirtschaftspolitischen Eingriffen des Staates grundsätzlich Zurückhaltung geboten sein solle. Das Kriterium der Entscheidungsneutralität steht damit (eher) im Widerspruch zum Ansatz des Art. 109 GG, so dass eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung insoweit ausscheidet. Daraus lässt sich im Übrigen nicht schließen, dass Art. 109 GG dem Gesetzgeber die Möglichkeiten entzöge, aufgrund inzwischen geänderter wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse der Lehre von Keynes mit Skepsis zu begegnen und die Wirtschaftspolitik eher angebotstheoretisch auszurichten541. Jedenfalls steht aber ein solcher Eingriff im Widerspruch zu dem auf staatliche Enthaltung ausgerichteten Neutralitätspostulat. Da auch Art. 109 GG somit eine Ausrichtung am Gebot der Entscheidungsneutralität nicht rechtfertigen kann, kommt als Rechtfertigung nur das Gebot der Osterloh in FS-Selmer, S. 886. Zur Keynesianischen Theorie siehe Peters, Wirtschaftspolitik, S. 203 ff. 538 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 109 Rdnr. 1a; BVerfGE 79, 311 (331). 539 Siekmann in Sachs, Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 2. 540 Vierter Teil, D. IV. 541 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 109 Rdnr. 1a; so auch BVerfGE 79, 311 (331 ff.). 536 537

B. Überprüfung auf Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG

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Wirtschaftlichkeit nach Art. 114 II GG in Betracht. Letztlich knüpft aber auch Art. 114 II GG nicht unmittelbar an die Entscheidungsneutralität an. Vielmehr steht dabei die Frage der Effizienz staatlichen Handels im Vordergrund. Ein Gebot entscheidungsneutraler Besteuerung lässt sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Aus den genannten Gründen ist somit festzustellen, dass der „Entscheidungsneutralität“ kein verfassungsrechtlicher Wert an sich zukommt. Daher scheidet dieses Kriterium als Rechtfertigungsgrund aus. Die Anhänger der konsumorientierten Besteuerungsmodelle verbinden ihre Forderung nach entscheidungsneutraler Besteuerung damit, dass eine solche Besteuerung positive gesamtwirtschaftliche Auswirkungen wie beispielsweise wirtschaftliche Effizienz sowie Einfachheit habe. Derartige Gründe können aber – im Gegensatz zum Postulat der Entscheidungsneutralität – sehr wohl als wirtschaftslenkende Ziele eigenständige Differenzierungsgründe darstellen. Ob dies hier der Fall ist, soll nachfolgend geprüft werden.

III. Verfassungsmäßigkeit der konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle 1. Zum Prüfungsablauf Es wurde festgestellt, dass die in dieser Arbeit zu untersuchenden, konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als dem Gebot einer verfassungsrechtlichen Sach- und Systemgerechtigkeit widersprechen. Es ist daher zu überprüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Abweichung von dieser grundsätzlichen Belastungsentscheidung bei den konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodellen hinreichend begründet ist542. Hierzu ist zunächst das materielle Gewicht, also die Dimension der Abweichung vom Belastungsmaßstab der Leistungsfähigkeit für die konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle festzustellen, um sodann im nächsten Schritt zu überprüfen, ob die mit diesen Modellen verfolgten Ziele (Differenzierungsziele) es ermöglichen, eine praktische Konkordanz der gegenläufigen Verfassungsgüter bzw. -prinzipien herzustellen. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob man diese Prüfung begrifflich der Problematik der „Folgerichtigkeit“ zuordnen möchte. Das BVerfG spricht vom steuerrechtlichen Gebot der Folgerichtigkeit vor allem im Zusammenhang mit der „Umsetzung einmal getroffener Belastungsentscheidungen“543. Vor dem Hintergrund des hier zu untersuchenden steuerrechtlichen Systemwechsels zu 542 Nach Osterloh ist danach zu fragen, „ob eine erkennbare gesetzgeberische Entscheidung Grund und Wirkung der Abweichung trägt“, so Osterloh in FS-Selmer, S. 87. 543 Vgl. beispielsweise BVerfGE 23, 242 (256); 84, 239 (271).

19 Reis

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

einem konsumorientierten Besteuerungsmodell scheint die Problematik der Folgerichtigkeit insoweit möglicherweise nicht im Vordergrund zu stehen, wenn man in einer konsequenten Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung zugunsten des Konsums (und damit gegen die Belastung des Einkommens) eine „Folgerichtigkeit“ dieses (konsumorientierten) Systems sieht. Bezieht man den Begriff der Folgerichtigkeit hingegen auf die Umsetzung des verfassungsrechtlich gebotenen Systemprinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Verwirklichung steuerlicher Belastungsgleichheit, dann kann man hier sehr wohl von einem Problem der Folgerichtigkeit sprechen. In diesem Fall wäre nämlich in der Etablierung eines nicht leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerungssystems gleichzeitig eine nicht folgerichtige Umsetzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sehen. Ungeachtet dieser eher begrifflichen Problemanknüpfung ist letztlich jedoch allein entscheidend, ob der hier vorliegende Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Eine gegen Art. 3 I GG verstoßende Ungleichbehandlung zweier Gruppen von Normadressaten ist nach der neuen Formel dann gegeben, wenn zwischen den Gruppen keine Unterschiede „von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können“. Dies lässt sich im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung am Maßstab der Leistungsfähigkeit (als tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene) ausgerichteten Prüfung auf den folgenden Nenner bringen: Verstößt ein Steuersystem gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, indem es nicht auf die gegebenen, unterschiedlichen Leistungsfähigkeitsunterschiede der Steuerpflichtigen Rücksicht nimmt, dann ist diese Durchbrechung nur dann gerechtfertigt, wenn die mit dem Steuersystem verfolgten Ziele im Hinblick auf das Maß der Belastungsungleichheit geeignet, erforderlich und angemessen sind. Hiervon ausgehend soll zunächst das materielle Gewicht dieses Belastungsungleichgewichts hinsichtlich beider in dieser Arbeit vorgestellten Unternehmenssteuermodelle, nämlich der Cash-flow-Steuer sowie der zinsbereinigten Einkommen- bzw. Gewinnsteuer untersucht werden.

2. Zum materiellen Gewicht der Abweichung von der Belastungsgrundentscheidung a) Bei Einführung einer Cash-flow-Steuer Nachfolgend soll nun geprüft werden, inwieweit die Cash-flow-Besteuerungssysteme den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips zuwiderlaufen. Da die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen wie gezeigt von der ökonomisch-finanziellen Verfügungsmacht bestimmt wird, ist das Maß der Abweichung

B. Überprüfung auf Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG

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von der (eigentlich gebotenen) leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung davon abhängig, inwieweit der Steuerpflichtige im jeweiligen Fall investiert bzw. spart. In der Freistellung der jeweils getätigten Investitionen bzw. der Ersparnis bei der Cash-flow-Besteuerung offenbart sich nämlich auch eine Freistellung des in den Investitionen enthaltenen Zuwachses an Verfügungsmacht, so dass die Abweichung hierdurch sogar grundsätzlich quantifizierbar erscheint. Je größer der Anteil der Investitionen am erzielten Einkommen desto gewichtiger ist die Abweichung vom Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Bei den Cash-flow-Steuermodellen besteht damit auch in Fällen besonders ausgeprägter Leistungsfähigkeit die grundsätzliche Möglichkeit, der Besteuerung sogar vollumfänglich zu entgehen. Ein gewichtigerer Verstoß gegen das Systemprinzip der belastungsgleichen (leistungsfähigkeitsadäquaten) Besteuerung lässt sich schwerlich vorstellen. Darüber hinaus sind die verschiedenen Auswirkungen der Cash-flow-Steuermodelle auf unterschiedlich hohe Einkommen in besonderem Maße problematisch, da hierdurch Personengruppen mit geringerem Einkommen möglicherweise in verfassungswidriger Weise benachteiligt werden, weil diese nicht in gleicher Weise Einfluss auf die Besteuerung nehmen können. Je geringer das Einkommen des Steuerpflichtigen ist, desto höher wird der prozentuale Anteil des Einkommens sein, den der Steuerpflichtige konsumiert bzw. konsumieren muss. Je geringer also die ökonomisch-finanzielle Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen, desto weniger besteht für diesen die Möglichkeit, durch Sparen bzw. Investieren eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung zu vermeiden. Es bleibt Geringverdienern demnach de facto kaum Raum, einer leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung zu entgehen. Umgekehrt nimmt das materielle Gewicht der Abweichung typischerweise mit Zunahme des Einkommens und damit der Leistungsfähigkeit zu. Der Steuerpflichtige kann sich mit Ausnahme seines Grundbedarfs – insoweit käme es jedoch vermutlich ohnehin nur teilweise zu einer Besteuerung – durch Investieren bzw. Sparen der (in dieser Periode eigentlich gebotenen) leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung in beträchtlichem Umfang entziehen. Mit der Einführung der Cash-flow-Steuern ist somit zugleich eine systemimmante Benachteiligung geringerer Einkommen verbunden. Die Normadressatengruppe „Steuerpflichtige mit geringerem Einkommen“ wird demnach gegenüber der Normadressatengruppe „Steuerpflichtige mit hohem Einkommen“ benachteiligt und damit i. S. v. Art. 3 I GG ungleich behandelt. Zugleich ist im Falle der Cash-flow-Besteuerungsmodelle eine (weitere) Benachteiligung einer steuerrechtlichen Normadressatengruppe zu verzeichnen. Die nichtselbständig Tätigen werden nämlich gegenüber den selbständig Tätigen diskrimiert. Auf Ebene der Haushalte erfolgt die Besteuerung sparbereinigt544. Dies bedeutet, dass die Arbeitseinkommen im Gegensatz zu Einkommen der selbständig 544

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Siehe hierzu Vierter Teil, B. V.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

Tätigen grundsätzlich i. S. d. Verfügungsmachtskonzepts vollumfänglich und damit leistungsfähigkeitsadäquat besteuert werden. Zwar könnte man hiergegen argumentieren, dass nichtselbständig Tätige de facto ebenfalls die Möglichkeit besitzen, durch Sparen bzw. Investieren ihre Steuerbemessungsgrundlage (also ihr Arbeitseinkommen) „sparbereinigt“ zu mindern und damit gleichfalls einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung „entgehen“ könnten. Allerdings ändert dies nichts an der systemimmanenten Benachteiligung der Arbeitseinkommen. Während nämlich bei einem Unternehmer regelmäßig von vornherein keine leistungsfähigkeitsadäquate Besteuerung erfolgt, ist dies beim nichtselbständig Tätigen nur dann der Fall, wenn er sein grundsätzlich voll zu versteuerndes Einkommen (nachträglich) in der vom Gesetzgeber vorgegebenen Form investiert. Wird er nicht aktiv, bleibt es bei der leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung seines (gesamten) Arbeitseinkommens. Es bedarf also jedenfalls eines weiteren Zwischenschrittes des nichtselbständig Tätigen, der beim selbständig Tätigen regelmäßig entfällt. Zudem stellt sich die Situation für den selbständig Tätigen deutlich vorteilhafter dar. Während dieser nämlich beispielsweise allein durch Erhöhung der betrieblichen Kassenhaltung „investieren“ und damit einer leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung entgehen kann, ist der nichtselbständig Tätige darauf angewiesen, sein Geld auf „qualifizierten“ Konten anzulegen. Die tendenzielle Benachteiligung geringerer Einkommen durch die Cash-flowSteuersysteme sowie die systemimmanente Benachteiligung der Arbeitseinkommen treten demnach zu dem grundsätzlichen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip hinzu und stellen somit zusätzliche rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen i. S. v. Art. 3 I GG dar. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob es sich dabei um eine R-Basis-Cash-flow-Steuer oder um eine R+F-Basis-Cash-flow-Steuer handelt, da für selbständig Tätige bei beiden Modellen die Möglichkeit besteht, allein durch Erhöhung der betrieblichen Kassenhaltung die Steuerbemessungsgrundlage zu mindern. Auf eine dahingehende Differenzierung kann deshalb verzichtet werden. b) Bei Einführung einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer Im Falle einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer zeigt sich ein ähnliches Bild545. In der Höhe der Zinsbereinigung liegt bei dieser ein (quantifizierbarer) Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vor, da – wie oben gezeigt546 – auch der zinsbereinigte Anteil des Gewinns grundsätzlich leistungsfähigkeitserhöhend ist. Be545 Zu den unterschiedlichen zinsbereinigten Unternehmensbesteuerungsmodellen siehe Vierter Teil, C. 546 Achter Teil, A. III. 2. d) bb).

B. Überprüfung auf Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG

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sonders anschaulich zeigt sich das Ausmaß dieser Abweichung beim kroatischen Modell am Beispiel der Kapitaleinkünfte. Für diese entfällt die Steuerpflicht bei grundsätzlich bestehender Leistungsfähigkeit komplett547. Hingegen werden Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit grundsätzlich leistungsfähigkeitsadäquat besteuert. Auch bei den zinsbereinigten Besteuerungssystemen ist somit das besondere materielle Gewicht der Abweichung vom grundsätzlich gebotenen Belastungsmaßstab evident. Zugleich tritt auch hier die zusätzliche Benachteiligung der steuerrechtlichen Normadressatengruppe der nichtselbständig Tätigen und damit eine weitere rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 I GG hervor. Während nämlich nach den Vorgaben der zinsbereinigten Besteuerungssysteme alle Arbeitseinkommen grundsätzlich entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden, gilt dies wie soeben gezeigt gerade nicht für die selbständige unternehmerische Tätigkeit, bei welcher in der Höhe des Zinsfreibetrages keine leistungsfähigkeitsadäquate Besteuerung erfolgt. Nach dem auf Einkommensteuerebene sparbereinigten Modell von Lang548 kann zwar ein nichtselbständig tätiger Steuerpflichtiger eine Besteuerung vermeiden (bzw. mindern), indem er sein Geld in sog. qualifizierte Vermögensanlagen investiert. Wie soeben im Zusammenhang der Cash-flow-Steuern gezeigt ändert dies aber nichts an der strukturellen Benachteiligung der Arbeitseinkommen. Des Weiteren offenbart sich auch bei den zinsbereinigten Besteuerungsmodellen – wenn auch weniger deutlich – die soeben bei der Cash-flow-Besteuerung geschilderte Problematik der grundsätzlichen systemimmanenten Benachteiligung niedrigerer Einkommen. Der materiell beträchtliche Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip sowie die strukturelle Benachteiligung der Arbeitseinkommen lässt sich in beiden, in dieser Arbeit dargestellten zinsbereinigten Unternehmensbesteuerungsmodellen feststellen, so dass im weiteren Verlauf auf eine dahingehende Differenzierung verzichtet werden soll. 3. Die Rechtfertigung der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip Nachfolgend ist nun zu prüfen, ob das festgestellte Ausmaß der mit den konsumorientierten Besteuerungssystemen verbundenen Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip rechtfertigt werden kann. Auf die Frage der ebenfalls rechtfertigungs547 Dies gilt im Modell von Lang allerdings nur für auf Unternehmer- bzw. Unternehmensebene erzielte Kapitaleinkünfte. Insofern unterscheidet sich nämlich das Modell von Lang vom kroatischen Steuersystem, da die Besteuerung der Kapitalerträge nur in seinem Modell auf Einkommensteuerebene dem sparbereinigten Ansatz folgt, siehe hierzu die Darstellung im Vierten Teil, C. I. und II. 548 Zum Modell von Lang siehe Vierter Teil, C. II.

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

bedürftigen Benachteiligung der Arbeitseinkommen (sowie der niedrigeren Einkommen) soll dabei nur inzident eingegangen werden. Die hierbei durchzuführende Abwägung kann naturgemäß kein mathematisch exakter Prozess sein. Dementsprechend ist auch das Ausmaß der Abweichung, also der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht mathematisch genau zu ermitteln. Entsprechend den oben dargestellten Überlegungen muss aber bei allen Konsumsteuermodellen von einem materiell bedeutsamen Ausmaß der Abweichung, nachfolgend auch als „Differenzierung“ bezeichnet, ausgegangen werden549. Sowohl bei Einführung einer Cash-flow-Steuer als auch bei Einführung einer zinsbereinigten Einkommen- oder Gewinnsteuer stellt sich daher die Frage, ob diese Differenzierung durch besondere Differenzierungsgründe gerechtfertigt werden kann. Die Ausgestaltung der konsumorientierten Besteuerungsmodelle (also deren Anknüpfungspunkte bzw. Tatbestandsmerkmale) stellt in diesem Zusammenhang das „Differenzierungsmittel“ dar, welches zur Erreichung der mit diesen Steuersystemen beabsichtigten Ziele, die nachfolgend als Differenzierungsziele oder -gründe bezeichnet werden sollen, eingesetzt wird. Da beide in dieser Arbeit behandelten konsumorientierten Grundmodelle der Unternehmensbesteuerung identische Ziele verfolgen, werden sie in der nachfolgenden Prüfung zusammengefasst. Lediglich dort, wo sich beide Grundkonzepte unterscheiden, werden die Besonderheiten einzeln betrachtet. Zu untersuchen ist nachfolgend, ob Differenzierungsziele bzw. -gründe bestehen, die im Hinblick auf das materielle Gewicht dieser Abweichung geeignet, erforderlich und angemessen sind. Wie bereits im Vierten Teil (unter D.) ausgeführt wären mit der Einführung der Konsumsteuermodelle mehrere Zwecke verbunden. Daher ist es sinnvoll, diese Differenzierungsgründe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung grundsätzlich als ein „Paket“ zu verstehen und dieses mit einem materiellen „Gesamtgewicht“ zu versehen. Fehlt es jedoch an der Geeignetheit oder Erforderlichkeit einzelner Komponenten, können diese zuvor ausgeschieden werden. a) Zur Eignung der Differenzierungsmittel Die Eignung einer Maßnahme oder eines Gesetzes ist dann gegeben, wenn mit diesem die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, den angestrebten Zweck zu erreichen, wobei dem Gesetzgeber insoweit ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen ist550. Im Sinne eines „judicial self-restraint“ ist daher nur zu prüfen, 549 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 254, führt dabei die Prüfung in umgekehrter Reihenfolge durch. Danach ist zuerst der steuerliche Gestaltungszweck materiell zu gewichten und anschließend muss geprüft werden, ob die Abweichungen der Belastungswirkungen infolge des Gestaltungszwecks hinzunehmen sind. 550 BVerfGE 50, 290 (332 ff.); 73, 40 (92).

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ob ein Gesetz evident ungeeignet bzw. ob die Prognose des Gesetzgebers noch vertretbar ist551. Mit der Einführung der Konsumsteuern würde vor allem Wirtschaftswachstum durch Schaffung von Investitionsanreizen sowie Effizienzsteigerung durch Vereinfachung des Steuerrechts bezweckt. Ein weiteres Ziel ist darin zu sehen, durch eine Besteuerung des Konsums zum Umweltschutz sowie zur Ressourcenschonung beizutragen. Dass insofern eine grundsätzliche Eignung im oben genannten Sinne bejaht werden muss, wurde bereits dargelegt. b) Zur Erforderlichkeit der Differenzierungsmittel Des Weiteren müssten die Differenzierungsmittel erforderlich sein. Erforderlichkeit liegt dann vor, wenn zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes kein milderes Mittel existiert, mit dem dieser Zweck in gleich wirksamer Weise erreicht werden kann552. Analog dem Eignungsbegriff wird hierfür dieselbe Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit gefordert553. Das BVerfG verlangt insoweit sogar eine „eindeutig gleichwertige Alternative“554. Sachs schlägt in diesem Zusammenhang vor, die Aspekte der Wirksamkeit und der Beeinträchtigungsintensität gemeinsam zu gewichten555. Berücksichtigt man jedoch, dass im Fall von Zielbündeln eine Zuordnung von Eignung und Wirksamkeit zu einzelnen Zielen nur sehr schwer möglich ist, erscheint es sinnvoller, dem BVerfG folgend, insoweit nur die Fälle eindeutig fehlender Erforderlichkeit auszuscheiden556. Damit kommt dem Gesetzgeber auch bei diesem Kriterium ein grundsätzlich weitreichender Spielraum zu. Betrachtet man nun die in Frage kommenden Differenzierungsgründe unter diesem Aspekt, dann lässt sich bezüglich des mit den Modellen angestrebten Wirtschaftswachstums durch Freistellung bzw. Begünstigung der Investitionen557 unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Ermessens jedenfalls keine offensichtlich gleichwertige Alternative finden. Hinsichtlich des mit den konsumorientierten Besteuerungsmodellen verfolgten Zieles der Inflationsneutralität bestehen allerdings Bedenken. Zwar wurde oben BVerfGE 77, 84 (108) Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 285, die dies unter dem ebenfalls gebräuchlichen terminus „Notwendigkeit“ feststellen. 553 Sachs in Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 152. 554 BVerfGE 77, 84 (109); 81 70 (91); kritisch Sachs in Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 152, der dies als zu „starr“ erachtet. 555 Sachs in Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 152. 556 BVerfGE 53, 135 (145); 81, 70 (91). 557 Während man bei der Cash-flow-Steuer von einer unmittelbaren Freistellung in voller Höhe sprechen kann, erfolgt bei der zinsbereinigten Besteuerung, wie oben gezeigt, die Begünstigung der Investition durch Freistellung in Höhe des marktüblichen Zinssatzes. 551 552

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nicht im Detail überprüft, ob ein Inflationsschutz verfassungsrechtlich geboten ist, dies kann jedoch an dieser Stelle offen bleiben558, da insoweit ein gleich geeignetes milderes Mittel vorliegt. Der Gesetzgeber hätte nämlich die Möglichkeit, ex post die Gewinne inflationsbereinigt zu versteuern, indem er beispielsweise einen Inflationsabschlag als Abschreibung auf das eingesetzte Kapital zulässt. Da mithin ein milderes, insoweit aber gleich geeignetes Mittel ersichtlich ist, liegt keine Erforderlichkeit vor. Auch bezüglich des Differenzierungsziels „Verbesserung des Umweltschutzes“ stellt sich die Frage, ob insoweit nicht mildere und (zumindest) gleich geeignete Mittel zur Verfügung stehen. Das Beispiel „Öko-Steuer“ legt nahe, insofern indirekte Steuern oder andere Abgaben als solche Mittel zu erachten. Im Rahmen der direkten Konsumsteuern würde nämlich im Ergebnis jeglicher Konsum grundsätzlich gleichermaßen belastet. Nicht jeder Konsum ist aber (gleich) umweltschädlich oder stellt eine Ressourcenverschwendung dar. Dies gilt umso mehr als in einer Dienstleistungsgesellschaft mancher Konsum fast gänzlich ohne Einsatz von Rohstoffen getätigt wird. Der Gang zur Änderungsschneiderei soll insoweit als Beispiel dienen. Durch eine undifferenzierte Schlechterstellung des Konsums würde nun aber sogar der umweltschonende Konsum belastet. Wer beispielsweise eine Solaranlage erwirbt, erfährt grundsätzlich eine höhere steuerliche Belastung (als im Falle der Ersparnis oder Investition), obwohl er die Umwelt durch diesen Kauf letztlich schont. Wollte man diese unerwünschte Folge verhindern, müsste man nun wieder komplizierte Ausnahmeregelungen schaffen. Wählt man aber den Weg über indirekte Steuern, dann ist es möglich, auch das Maß der Umweltverschmutzung oder der Ressourcenverschwendung bei einer auf solche Produkte speziell zugeschnittenen rechtlichen Gestaltung unmittelbar zu berücksichtigen. Zugleich wirkt der Einsatz einer solchen indirekten Besteuerung schonender, da der Steuerpflichtige diese durch entsprechendes (Konsum-)Verhalten leichter vermeiden kann und diese im Hinblick auf das Differenzierungsziel „dosierter“ und damit milder einzusetzen ist. Bei einer solch gezielten Steuer könnte die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip deutlich gemindert werden, trotzdem wäre es möglich, eine sogar noch größere Anreizwirkung im Hinblick auf das gewünschte umweltschonende Verhalten des Steuerpflichtigen zu erhalten. Somit bleibt festzuhalten, dass im Hinblick auf die Ziele Ressourcenschonung und Umweltschonung wenigstens gleich geeignete Differenzierungsmittel vorliegen, die schonender wirken. Diese Ziele können mithin die Konsumsteuermodelle nicht rechtfertigen.

558 Da Art. 109 GG das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anstrebt und zu diesem nach § 1 StabG auch das Kriterium der Geldwertstabilität gehört, ist dies wohl zu bejahen.

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c) Zur Angemessenheit der Differenzierungsmittel Nunmehr ist zu prüfen, ob die Differenzierungsmittel im Hinblick auf das Maß der Abweichung angemessen im engeren Sinne sind. Dazu müssten die Differenzierungsziele, also die Gestaltungswirkungen, die von den Konsumsteuern ausgehen würden, von solcher Art und solchem Gewicht sein, dass sie die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip als Verteilungsmaßstab als angemessen rechtfertigen559. Bei den Kriterien Eignung und Erforderlichkeit ist dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum einzuräumen. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung können Risiken bei der in diesem Zusammenhang durchzuführenden Abwägung aber nicht unberücksichtigt bleiben. Zudem gilt: Je unwahrscheinlicher ein vom Gesetzgeber bezweckter Erfolg ist, desto geringer ist das materielle Gewicht, welches diesem im Rahmen der Abwägung zukommt. Hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer konsumorientierten Unternehmenssteuer soll nun nachfolgend Bezug genommen werden auf die im Dritten Teil dargestellten Überlegungen. Aufgrund der Steuerbefreiung durch Investitionen wäre es sehr wahrscheinlich, dass die hier dargestellten Konsumsteuermodelle verstärkt Investitionen hervorrufen würden, wodurch ein Wachstumseffekt entstünde. Ebenfalls positiv würde sich vermutlich die Stärkung der Eigenkapitalquoten auswirken. Eine verminderte Krisenanfälligkeit wäre vermutlich die Folge. Weiterhin kann aufgrund der im Vergleich zum herkömmlichen Steuersystem vereinfachten Gewinnermittlung im Falle der Cash-flow-Steuern davon ausgegangen werden, dass Effizienzgewinne, insbesondere durch Vermeidung gesamtwirtschaftlicher Zusatzkosten („excess burden“) eintreten würden. Im Falle der Zinsbereinigung ist Letzteres allerdings nicht zu erwarten. Zum einen knüpft diese an die herkömmliche Gewinnermittlung an, weshalb die mit dieser Gewinnermittlung verbundenen Gestaltungs- und Bewertungsspielräume in der Realität nicht völlig beseitigt würden. Zum anderen kann dieses Besteuerungssystem in der Realität – insbesondere unter Berücksichtigung von Unsicherheit – keine Entscheidungsneutralität gewährleisten. Daher können auch die mit der Entscheidungsneutralität propagierten gesamtwirtschaftlichen Effizienzgewinne jedenfalls bei der zinsbereinigten Besteuerung nicht ins Gewicht fallen. Den Chancen dieser Steuermodelle steht jedoch selbst aus dem Blickwinkel eines angebotsorientierten Ansatzes heraus betrachtet ein Bündel wirtschaftlicher Risiken gegenüber. Wie oben560 ausgeführt würden die Wachstumseffekte, die 559 560

Vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 254. Vierter Teil, D. V.

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durch die Konsumsteuern entstünden, kaum die durch die Steuerfreistellung bzw. -begünstigung der Investitionen verursachten Steuerausfälle in voller Höhe ausgleichen können. Daher wäre zu vermuten, dass es hierdurch – jedenfalls im Ergebnis – zu einer Verlagerung der Steuerlast von den Kapitaleinkommen auf die Arbeitseinkommen käme. Eine Folge dieser Umverteilung könnte sein, dass „Schwarzarbeit“ (noch) attraktiver würde, was schon aufgrund der dadurch zu befürchtenden Steuerausfälle wirtschaftspolitisch sehr bedenklich wäre. Wollte man nun eine Ausweitung der Schwarzarbeit verhindern, wären hierfür umfangreiche Kontrollmaßnahmen erforderlich, die wiederum zu zusätzlichen Kosten führen und dementsprechend das Differenzierungsziel der Effizienz konterkarrieren würden. Gelänge eine Kontrolle aber nicht, dann bestünde die Gefahr massiver Steuermindereinnahmen. Die oben bereits angesprochenen561 weiteren Verzerrungswirkungen zu Lasten der Angebotsentscheidung der Arbeit wären ebenfalls äußerst bedenklich. Hiervon wäre nämlich auch die Qualität der Ausbildung betroffen. Da hochqualifizierte Arbeit regelmäßig besser bezahlt wird, könnte durch die Besteuerung ein weiterer nachteiliger Effekt hervorgerufen werden. Möglicherweise würde nämlich die Nachfrage nach einerseits hochqualifizierten, andererseits aber mit hohen Steuern belasteten nichtselbständigen Tätigkeiten hierdurch verringert. Jedenfalls stünde zu befürchten, dass der Anreiz, durch Qualifizierung zu höherem Einkommen zu gelangen, gemindert würde. Da der Erfolg unserer hochtechnisierten Industriegesellschaft aber in besonderem Maße von der Qualifizierung der Arbeitnehmer abhängt, wäre dies ein bedeutender Nachteil. Die Einführung der Konsumsteuern würde insoweit einem Vabanquespiel gleichen. Ebenfalls als sehr risikoreich wäre ein nationaler Alleingang bei der Einführung der Konsumsteuern anzusehen. Neben den bereits geschilderten Gefahren (wie z. B. dem sog. „Steueroaseneffekt“) bestünde die Gefahr, einen „Steuervergünstigungswettbewerb“ mit anderen Ländern zu beginnen, dessen Ausgang nicht absehbar wäre und welcher sich im Nachhinein für alle beteiligten Länder als negativ darstellen könnte. Betrachtet man nun die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen als „Bündel“, dann zeigt sich, dass das materielle Gewicht der geltend gemachten Differenzierungsgründe zugunsten der konsumorientierten Besteuerungsmodelle keineswegs sehr groß ist. Diese Gründe müssten aber ihrem materiellen Gewicht nach auch die Abweichung von einer Besteuerung nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips rechtfertigen562. 561 562

Vierter Teil, D. V. Osterloh, DStJG 24 (2001), S. 401.

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Wie oben ausgeführt repräsentieren die von der konsumorientierten Besteuerung ausgenommenen Investitionen bzw. die von der Zinsbereinigung erfassten Einkommensbestandteile in vollem Umfang Leistungsfähigkeit des Unternehmens563. Das Maß der Abweichung von der eigentlich gebotenen leistungsfähigkeitsadäquaten Besteuerung ist daher bei allen hier dargestellten Konsumsteuermodellen als beträchtlich anzusehen. In der Abwägung sind zudem noch weitere Wertungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen, die gleichfalls den Differenzierungszielen als „Kontergewicht“ gegenüberstehen. Wie ausgeführt stellt die tendenzielle Benachteiligung niedrigerer Einkommen ebenso wie die Benachteiligung der Arbeitseinkommen eine (zusätzlich zu rechtfertigende) Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 I GG dar. In dieser Diskriminierung der Arbeitseinkommen, also der nichtselbständig Tätigen gegenüber den selbständig Tätigen, könnte man nun möglicherweise zugleich auch einen Verstoß gegen Art. 12 GG sehen. Insoweit spricht jedenfalls die Wertung von Art. 12 GG gegen einen steuerrechtlichen Systemwechsel. Auch die Wertung von Art. 14 GG spricht gegen die Verfassungsmäßigkeit der konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle. Es wurde oben dargelegt, dass jeder Steuerbelastung ein grundsätzlich rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in Art. 14 GG innewohnt. Durch die nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang stehende Besteuerung wird nun dieser Eingriff bei dem einen Steuerpflichtigen intensiviert, während er beim anderen gleichzeitig vermindert wird. Mithin spricht auch Art. 14 GG gegen den konsumorientierten Ansatz. Des Weiteren spricht auch die Wertung von Art. 6 I GG als objektivrechtliche „Grundsatznorm“564, aus welcher sich eine Pflicht zum Schutze und zur Förderung von Ehe und Familie ergibt, grundsätzlich gegen die konsumorientierten Unternehmenssteuermodelle. Geht man nämlich davon aus, dass Familien, insbesondere solche mit niedrigem Einkommen, pro Familienmitglied einen überdurchschnittlich hohen Teil des (Familien-)Einkommens konsumieren565, dann wird deutlich, dass hierdurch zumindest mittelbar die Gefahr der Benachteiligung von Familien durch die Konsumsteuermodelle besteht. Damit würden diese Besteuerungsmodelle dem („spiegelbildlich“ zur Förderungspflicht des Staates gehörenden) „Benachteiligungsverbot“566 für Ehe und Familie im Verhältnis zu Nicht-Verheirateten und Nicht-Familien zumindest dann zuwiderlaufen, wenn der Gesetzgeber nicht entsprechend großzügige Ausgleichstatbestände (z. B. entsprechend hohe Freibeträge 563

Man denke etwa an das oben (Achter Teil, A. III. 2. c)) beschriebene Beispiel des Gold-

kaufs. Siehe hierzu Schmitt-Kammler in Sachs, Grundgesetz, Art. 6 Rdnr. 30. Vgl. hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 572, der zu Recht davon ausgeht, dass Konsumausgaben mit zunehmendem Einkommen fallen. 566 BVerfGE 9, 237 (247); 75, 361 (366). 564 565

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8. Teil: Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz

für alle Familienangehörige) schafft, wie dies ja auch bei den hier vorgestellten zinsbereinigten Besteuerungsmodellen jedenfalls im Ansatz vorgesehen ist567. Schließlich steht auch das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 I GG einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zumindest der Cash-flow-Besteuerungsmodelle entgegen. Wenn nämlich das Sozialstaatsprinzip als Rechtfertigungsgrund für eine Umverteilung des Vermögens „von oben nach unten“ aufzufassen ist, dann spricht dies im Umkehrschluss deutlich gegen eine tendenzielle Umverteilung von „unten nach oben“. Genau dies wäre aber bei einer Begünstigung höherer Einkommensgruppen, die mit allen konsumorientierten Besteuerungssystemen – jedenfalls tendenziell – verbunden wäre, die Folge. Im Rahmen der Abwägung zeigt sich somit ein deutliches materielles Übergewicht der Gründe, die aus verfassungsrechtlicher Sicht gegen die konsumorientierten Unternehmensbesteuerungsmodelle sprechen. Die mit diesen Besteuerungssystemen verfolgten Differenzierungsziele können den damit einhergehenden Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip mithin nicht rechtfertigen.

IV. Ergebnis Die Einführung sowohl der Cash-flow-Steuern als auch der zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer würde gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 I GG verstoßen und wäre daher verfassungswidrig. Auf eine ausführliche verfassungsrechtliche Überprüfung anhand von Art. 12 GG und Art. 14 GG wird daher verzichtet. Im Ergebnis hätten jedoch die oben angeführten Gründe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dieser Normen auch eine Verletzung jener Freiheitsgrundrechte zur Folge.

C. Ergebnis zum Achten Teil Der Konsum stellt keinen tauglichen Leistungsfähigkeitsindikator dar. Leistungsfähigkeit drückt sich vielmehr im Zuwachs an ökonomisch-finanzieller Verfügungsmacht aus, weshalb die Besteuerung des Einkommens leistungsfähigkeitskonform ist. Die konsumorientierten Unternehmenssteuern weichen deutlich von den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips ab. Die mit ihrer Einführung verbundenen Ziele können mangels ausreichender verfassungsrechtlicher Relevanz diese Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip nicht rechtfertigen. 567 Welche Ausgleichsregelungen im jeweiligen Fall dazu geeignet sind, eine Benachteiligung zu verhindern, ist letztlich „Tatfrage“ und braucht hier nicht entschieden zu werden. Es soll in diesem Zusammenhang genügen, dass die Konsumsteuermodelle grundsätzlich die Gefahr der Benachteiligung von Ehe und Familie in sich tragen.

C. Ergebnis zum Achten Teil

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Die konsumorientierten Unternehmenssteuersysteme verstoßen deshalb gegen Art. 3 I GG und stellen daher keine verfassungskonforme Alternative für das herkömmliche Steuersystem dar.

Neunter Teil

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 1. Mit Einführung einer konsumorientierten Unternehmensbesteuerung durch Einführung einer Cash-flow-Unternehmenssteuer oder einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer wären gleichermaßen gesamtwirtschaftliche Chancen und Risiken verbunden. Diese können zum jetzigen Zeitpunkt in ihren Auswirkungen nicht abschließend beurteilt werden. Die Ergebnisse, die mit der Einführung einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer in Kroatien verbunden waren, lassen sich nicht ohne weiteres auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen, da die Voraussetzungen in beiden Ländern völlig unterschiedlich sind. Während in Kroatien mit der Einführung quasi zeitgleich die Abkehr von einer sozialistischen Gesellschaftsordnung vollzogen wurde, würde der steuerrechtliche Systemwechsel in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems mit insoweit „eingetretenen Pfaden“ erfolgen. Die mit der Einführung der Konsumsteuern verbundene steuerliche Freistellung bzw. Begünstigung von Investitionen spricht dafür, dass hierdurch Wachstum angeregt werden könnte. Da die Folge einer solchen Einführung aller Voraussicht nach eine Verlagerung der Steuerlast von den Kapitaleinkommen auf die Arbeitseinkommen wäre, bestünden demgegenüber Risiken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Weitestgehend ungeklärt ist auch, ob und inwieweit ein nationaler Alleingang in Bezug auf internationale Wirtschaftsverflechtungen zu gesamtwirtschaftlichen Nachteilen oder Vorteilen führen würde. Gewarnt werden muss insoweit vor einem Steuerwettbewerb der Nationalstaaten. Während die Cash-flow-Steuern in der Lage sind, weitestgehend dem wirtschaftswissenschaftlichen Postulat der Entscheidungsneutralität gerecht zu werden, bleibt dies im Falle der Zinsbereinigung ein „modelltheoretischer Wunschtraum“. Die dem mathematischen Ansatz zugrundliegenden Annahmen sind in der Realität niemals anzutreffen. Gerade bei Unsicherheit ist eine Entscheidungsneutralität nicht gegeben. 2. Das Europarecht trifft zahlreiche Regelungen und Bestimmungen für die indirekte Besteuerung. Demgegenüber besteht ein weiter Spielraum der Mitgliedstaaten der EU bei der Gestaltung der direkten nationalen Besteuerungssysteme. Dementsprechend stünde das Europarecht der Einführung einer konsumorientierten Unternehmensbesteuerung nicht entgegen.

9. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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3. Auch das Finanzverfassungsrecht ließe eine konsumorientierte Besteuerung zu. Dem Steuergesetzgeber steht im Rahmen des Art. 106 GG ein „Steuerersetzungsrecht“ zu. Nach diesem kann er die Einkommen- und Körperschaftsteuer herkömmlicher Prägung durch die Konsumsteuern, die an deren Stelle treten sollen, ersetzen. 4. Der Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst nicht das Vermögen als solches. Die Erhebung von Steuern greift gleichwohl mittelbar in Art. 14 GG ein, weil zur Erfüllung der Steuerpflicht stets konkrete, ihrerseits von Art. 14 GG geschützte Vermögenspositionen aufgegeben werden müssen. Die Besteuerung stellt auch bzgl. Art. 12 GG einen mittelbaren Eingriff dar. Die Bedeutung von Art. 12 GG und Art. 14 GG für das Steuerrecht entfaltet sich (auch) als bedeutender Wertungsmaßstab, insbesondere im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG. 5. Steuern erhalten ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung aus der gleichmäßigen Steuerlastverteilung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist dabei der (alleinige) grundsätzliche Steuerlastverteilungsmaßstab. Es ist jedenfalls bei direkten Steuern auch bei der Wahl des Steuergegenstandes und nicht nur bei der Ausgestaltung der Steuern maßgebend. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt damit auch bei nicht leistungsfähigkeitsadäquater Besteuerung als „tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene“ im Rahmen des Art. 3 GG eine besondere Bedeutung zu. Das Kriterium der Entscheidungsneutralität ist demgegenüber kein tauglicher Steuerverteilungsmaßstab. Auch als Rechtfertigungsgrund scheidet es aus, da ihm kein verfassungsrechtlicher Wert zukommt. 6. Bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeitsindikatoren hat der Gesetzgeber zwar einen weiten Gestaltungsfreiraum, der nutzentheoretische Ansatz ist aber – jedenfalls soweit er sich auf die steuerliche Bemessungsgrundlage „Konsum“ bezieht – aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Konsum stellt daher keinen tauglichen Indikator der Leistungsfähigkeit dar. Leistungsfähigkeit drückt sich vielmehr im Zuwachs an ökonomisch-finanzieller Verfügungsmacht aus, weshalb die Besteuerung des Einkommens leistungsfähigkeitskonform ist. Durch den Leistungsfähigkeitsindikator „Einkommen“ wird eine adäquate Verzahnung der Freiheits- und Gleichheitsrechte gewährleistet. Demgegenüber fehlt es an einer solchen Verzahnung, wenn man den Konsum zum Anküpfungspunkt der Besteuerung macht. Auch spricht das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 GG gegen den Leistungsfähigkeitsindikator „Konsum“. 7. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist auch bei der Besteuerung von juristischen Personen maßgeblich, da es als „tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene“ auch dort unverzichtbar ist und eine Überprüfung am Maßstab des Art. 3 GG andernfalls leer laufen würde.

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9. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

8. Da die Steuereinnahmen die im jeweiligen Haushaltsjahr anstehenden Ausgaben (jedenfalls zu einem großen Teil) decken sollen, muss dies auch bei einer am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Besteuerung berücksichtigt werden. Die Periodisierung ist somit ein materieller Grundsatz und daher im Leistungsfähigkeitsprinzip inkorporiert. 9. Das Maßgeblichkeitsprinzip ist weder verfassungsrechtlich geboten noch verfassungsrechtlich bedenklich. 10. Inflationsbereinigung und Zinsbereinigung haben unterschiedliche Zielrichtungen und dürfen daher nicht gleichgesetzt werden. Zinsen stellen einen Zuwachs an Verfügungsmacht dar, den eine leistungsfähigkeitsadäquate Besteuerung erfassen muss. Gleiches gilt für die Freistellung der Investitionen bei der Cash-flowBesteuerung, da auch Investitionen die Leistungsfähigkeit erhöhen. 11. Die Prüfung eines Steuertatbestands am Maßstab des Art. 3 GG vollzieht sich nach dem folgenden Schema: Zunächst ist zu überprüfen, ob der der Besteuerung zugrunde gelegte Tatbestand als Ausdruck von Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen anzusehen ist. Kann dies bejaht werden, dann entspricht die Besteuerung dem aus Art. 3 GG folgenden Grundsatz der Leistungsfähigkeit und die Steuernorm ist verfassungsgemäß. Erscheint es willkürlich, in diesem Tatbestand einen Ausdruck von Leistungsfähigkeit zu erblicken, dann entspricht die Besteuerung nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip und die Abweichung bedarf einer sachlichen Rechtfertigung. Dabei sind das Ausmaß der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip und die in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist danach zu fragen, ob die mit der Besteuerung verfolgten Ziele im Hinblick auf das Maß der Abweichung geeignet, erforderlich und angemessen sind. 12. Die konsumorientierten Unternehmenssteuern verstoßen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Die mit ihrer Einführung verbundenen Ziele können jedoch mangels ausreichender verfassungsrechtlicher Relevanz diese Durchbrechung der grundsätzlichen Belastungsentscheidung nicht rechtfertigen. Den (unsicheren) Zwecken einer solchen Besteuerung steht nämlich insbesondere eine große Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip gegenüber, deren materielles Gewicht durch die zu erwartende Umverteilung der Steuern von den Kapital- auf die Arbeitseinkommen noch gesteigert wird. Bei gleichbleibendem, durch die Steuererhebung zu deckendem Finanzbedarf führt die Senkung der Steuerlast bei einer Gruppe von Steuerpflichtigen zudem zwangsläufig zur Erhöhung der Steuerbelastung für eine andere Gruppe, wodurch der Eingriff in Art. 14 GG gleichsam systemimmanent intensiviert wird. Die konsumorientierten Unternehmenssteuersysteme verstoßen gegen Art. 3 I GG und stellen daher keine verfassungskonforme Alternative für das herkömmliche Steuersystem dar.

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Sachwortverzeichnis Abschreibung(en) 31, 49, 66 f., 78, 81 f., 92, 95, 118 f., 121, 133, 246, 253, 257, 268 Abschreibungslösung 87 ACE-Konzept 103 AfA siehe Abschreibung(en) Äquivalenzprinzip 201 f. Arbeitseinkommen 42, 47, 53, 130 f., 291 ff., 302 ff. Arbeitseinkommensteuer 102 Assekuranztheorie(n) 201 Aufwandsteuer(n) 142 Ausschüttungssteuer 96 ff., 114, 117 Bedürfnisbefriedigung 206, 214, 216, 226 ff., 233, 235 ff. Bedürfnisprinzip 210, 212 Beihilfenverbot 136 ff. Belastungsgleichheit 199, 205, 209, 218 ff., 249, 268, 272 f., 275, 290 Belastungsgrund 145, 156, 272, 275 Belastungslösung 86 f. Berufsfreiheit 171 f., 177 ff., 200 Betriebsgrößenneutralität 73 Betriebsteuer 71 ff., 85 Betriebsteuermodell 71 ff., 109 Buchführungspflicht 37 CAPM 122 Cash-flow 44, 49, 51, 80 ff., 107, 111 ff., 130 ff., 141 ff., 153 f., 240, 246, 250, 252, 254, 256 f., 261, 263 ff., 272, 276, 290 ff., 300 ff. – betriebswirtschaftlicher Cash-flow-Begriff 80 ff. Cash-flow-Besteuerung siehe Cash-flowSteuer Cash-flow-Steuer 80, 82 ff., 111 ff., 132 f., 143 ff., 267, 290 ff. – als Betriebsteuer 85

– Gundprinzipien der Cash-flow-Besteuerung 82 ff. – rechentechnische Varianten der 88 ff. Causa der steuerlichen Belastung 221 f. Differenzierungsgrund / -gründe 184, 186, 221 ff., 283 ff. Differenzierungsmittel 294 ff. Diskriminierungsverbot(e) 137, 196 Doppelbesteuerung 52 f., 97, 104 f., 127 f., 270 f. – der Ersparnis 52 f. Dummensteuereffekt 273 Edinburgher Regel 203 EG-Vertrag 134 ff. Eigentumsgarantie 156, 158 ff., 200 Eigentumsgrundrecht 158 ff., 284 Eingriff(s) 156, 159 ff., 170 ff., 178 ff., 189, 194, 221, 235, 284, 288, 299, 303 f. – mittelbarer 170 ff. – Rechtfertigung des 174 ff. Eingriffsbegriff – klassischer 172 Einheitswertbeschluss 162 Einkommensbegriff 27 ff., 142 ff., 230, 241 ff., 269, 272 – kapitalorientierter 144 ff. – kapitaltheoretischer 241 f. – konsumorientierter 144 ff. – nach der Markteinkommenstheorie 33, 35, 242 ff. – nach der Reinvermögenszugangstheorie 29, 70, 230, 242 ff., 269 – quellentheoretischer 27, 241 f. – zahlungsstromorientierter 246 Einkommensteuer 27 f., 31, 33 ff., 70, 72, 84 f., 98, 103 ff., 118 ff., 125, 127, 142 ff.,

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Sachwortverzeichnis

153, 156, 200, 206, 208 f., 215, 227, 230, 240, 242, 247 f., 250 – sparbereinigte 42 ff. – zinsbereinigte 45 ff. Einkommensteuerrecht 27, 40, 49, 120, 143, 221, 254 Einnahmeüberschussrechnung 78 Enteignung 159, 170 f. Entlastungslösung 87 Entscheidungsfixe Besteuerung 76 Entscheidungsfreiraum – des Gesetzgebers 208, 218, 220 Entscheidungsneutralität 24 f., 51, 57 f., 67, 73 ff., 77, 79, 112, 116 ff., 122, 124, 131, 201, 203 ff., 242, 286 ff., 297, 302 f. – als Desideratum von Steuersystemen 74 – als eigenständiger Rechtfertigungsgrund 286 ff. – als Steuerverteilungskriterium 203 ff. – Arten der 68 ff. – Begriff der 57 – einer konsumorientierten Unternehmensbesteuerung 116 ff. Ertragswert 77 f., 86, 205 Ertragswertabschreibung 78 Erweiterte Ausschüttungssteuer 100 f. Europarechtliche Vorgaben – der Unternehmensbesteuerung 134 ff. Finanzierungsneutralität 68 f., 105, 124 f. Finanzordnung – des Grundgesetzes 152 Finanzverfassung 141 ff. Fiskalzwecknorm(en) 179, 204, 210 ff. Flat rate 277 ff. Folgerichtigkeit 192, 197, 219 f., 261, 264, 271, 289 Freiheitsgrundrecht(e) 155 ff., 189, 216, 300 Freiheitsgrundrechtliche Grenzen – der Besteuerung 158 ff. Freiheitsgrundrechtliche Vorgaben – der Unternehmensbesteuerung 155 ff. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen – der Einführung einer konsumorientierten Unternehmenssteuer 127 ff. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 284, 288

Gestaltungsfreiheit 197, 220 Gestaltungswirkung(en) siehe Lenkungswirkung(en) Gestaltungszweck siehe Lenkungszweck Gewinnsteuer siehe Zinsbereinigte Gewinnsteuer Gewinnverwendungsneutralität 69 Gleichbehandlung 69, 117, 138 f., 184, 191, 194, 198, 204 f., 229, 261 Gleichheit der Lastenzuteilung siehe Belastungsgleichheit Gleichheitsrecht(e) 158, 182 ff. Gleichheitssatz – allgemeiner 25, 73, 137, 146, 155 f., 160, 183 ff. – als Willkürverbot 184 f. Gleichnis vom Opfer der Witwe 198 GoB siehe Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundfreiheiten 136 ff. Grundrechtsfähigkeit 158 Grundrechtsträger 157, 218 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 251 ff. Halbteilungsgrundsatz 163 ff. Harmonisierung – der direkten Steuern 134 f. – der indirekten Steuern 135 f. Harmonisierungsbefugnis 135 f. Haushaltsebene 40, 44, 47 f., 51, 57, 98, 101 f., 108 – Besteuerung auf 40, 44, 48, 50 f., 57, 101 f., 108 Imparitätsprinzip 252 ff. Inflation 115, 248, 268 f. Inflationsneutralität 115, 295 – der Konsumsteuersysteme 115, 295 Inflationsrate 105, 115, 269, 271 f. Inhabersteuer 109 Inhalts- und Schrankenbestimmung 159 f. Investitionsneutralität 68, 74, 78, 116 f., 119 ff. Kalkulationszinsfuß siehe Kalkulationszinssatz Kalkulationszinssatz 47, 59 f., 79, 119 ff., 132 f.

Sachwortverzeichnis Kapitaleinkommen 130, 298, 302 Kapitaleinkommensteuer 166 Kapitaleinkommenstheorie(n) 36 Kapitalorientiertes Besteuerungsmodell 36, 62, 76, 109, 152, 225, 234 f. Kapitalorientiertes Steuersystem siehe Kapitalorientiertes Besteuerungsmodell Kapitaltheoretischer Gewinn(s) 76 ff., 241 f. – Besteuerung des 76 ff. Kapitalwert 58 ff. Kapitalwertmethode 59 ff. KNS-Steuerreformgruppe 103, 108 Konsum-Sparentscheidung 53, 130 Konsumausgabensteuer 102, 142 Konsumbesteuerung – Prinzipien der 40 ff. Konsumeinkommensteuer – sparbereinigte 42 ff. – zinsbereinigte 45 ff. Konsumneutralität 51 ff., 116, 118 Konsumsteuertypen 141 ff. Kopfsteuer 76 Körperschaftsteuer 25, 27, 45, 50, 70 ff., 83, 109, 129, 139, 142 ff., 151 ff., 179, 215, 303 krEStG 106 ff. krGwStG 105 f. Kroatien siehe Kroatisches Steuersystem Kroatisches Steuersystem 24, 103 ff., 110, 127 f., 170, 199, 302 Lastentragfähigkeitskonzept siehe Verfügungsmachtkonzept Lastenverteilungsmaßstab 198, 212 Lebenseinkommen 47, 246 ff. Lebenseinkommensbesteuerung siehe Lebenseinkommensprinzip Lebenseinkommenskonzept siehe Lebenseinkommensprinzip Lebenseinkommensprinzip 246 ff., 282 Lebenskonsum 45 Leistungsfähigkeit 158, 167, 175, 179, 189 f., 197 ff. Leistungsfähigkeitsindikator(en) 25, 218, 224 ff., 282, 300, 303 Leistungsfähigkeitsindikators – Ausgestaltung des 240 ff. – Wahl des 224 ff.

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Leistungsfähigkeitskonstituierende Typisierung 274 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip(s) 28, 35, 71, 76, 168, 180, 183, 197 ff. – allgemeine Vorgaben des 200 f. – als bereichsspezifische Vorgabe für das Steuerrecht 197 ff. – als fundamentaler Wertungsmaßstab 206 f. – als Gestaltungsprinzip 280 – Anwendungsbereich des 207 ff. – Idee und dogmatischer Hintergrund des 198 ff. – Konkretisierung des 200 ff. – und Entscheidungsfreiraum des Gesetzgebers 218 ff. Lenkungsnorm(en) 179, 204, 210 ff. Lenkungswirkung(en) 75, 180, 204 f., 210 ff. Lenkungszweck 180, 211, 294 Leviathan 50 Markteinkommen 34 f., 230, 243 ff. Markteinkommenstheorie 29, 33 ff., 242 ff., 269 Marktteilhabe 242, 279 Marktzins 47 f., 54 Maßgeblichkeitsgrundsatz siehe Maßgeblichkeitsprinzip Maßgeblichkeitsprinzip 38, 115, 167, 213, 216, 250 ff., 274, 304 Meade Committee 84, 88 ff., 246 Mischsystem nach Sinn 98 ff. Neoklassische Theorie 125 f., 286 Neue Formel 185 f., 197 Niederstwertprinzip 252 ff., 265 Nominalgewinn 115 Nominalwertprinzip 251, 268 ff. Normadressatengruppe(n) 186, 291, 293 Normalverzinsung 45, 84, 126 Nutzenkonzept 226 ff. Nutzenorientierter Ansatz siehe Nutzenkonzept Nutzenorientierung 229 Ökonomischer Gewinn siehe Kapitaltheoretischer Gewinn Opferprinzip siehe Opfertheorie Opfertheorie 206, 216, 277 f.

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Sachwortverzeichnis

Opportunitätskosten 59, 119 f., 126 Optimal Taxation siehe Optimalsteuertheorie Optimalsteuertheorie 24, 203 Periodeneinkommensprinzip 246 ff., 276 Periodizitätsprinzip siehe Periodeneinkommensprinzip Praktikabilität der Cash-flow-Steuer 93, 98, 112 ff. PrEStG 28 Progression siehe Progressive Besteuerung Progressive Besteuerung 102, 126, 198, 213, 248 f., 276 ff. Prüfungsintensität 187, 189, 192, 223 Quellenabzugsverfahren 85, 102, 107 Quellensteuer 99 f. Quellentheorie 28 ff., 36, 38, 241 R-Basis-Cash-flow-Steuer 90 ff., 101, 114, 132 f., 267, 292 R+F-Basis-Cash-flow-Steuer 94 ff., 133, 267, 292 Realisationsprinzip 31, 115, 252 f., 255 f., 259, 262, 265 Realwirtschaftliche Produktionssphäre 89 Rechtfertigungsgrund / -gründe 205, 222, 283 ff. Rechtsanwendungsgleichheit 183, 272 Rechtsformneutralität 69 ff. Rechtsstaatlichkeit, Grundsatz der siehe Rechtsstaatsprinzip Rechtsstaatsprinzip 169, 200, 207, 242, 265, 280 Reinvermögenszugangstheorie 29 ff., 38, 55, 70, 111, 230, 238, 242 ff., 269 Ressourcenschonung 51, 284, 286, 295 f. S-Basis-Cash-flow-Steuer siehe Ausschüttungssteuer Sachgerechtigkeit 191 Schanz-Haig-Simons-System 29 Scheingewinnproblematik 115 Schutzbereich 158 ff., 178 ff., 182, 189, 191, 204, 284, 303 – des Art. 14 GG 158 ff. Schutzzinssatz 118 ff., 123, 125, 271 Schutzzwecktheorie 172

Schweretheorie 159, 172 Sicherheit der Gewinnerwartung 44, 118 Sozialstaatsprinzip 76, 167, 170, 200 f., 233 ff., 278, 280 ff., 300, 303 Sozialzwecknorm(en) 210, 213 Sparbereinigte Einkommensteuer 42 ff., 144 Staatszielbestimmung(en) 286 Standortneutralität 73 Steuerausländerneutralität 73 Steuererfindungsrecht 146 ff. Steuerersetzungsrecht 154, 303 Steuergerechtigkeit – Grundsatz der 27, 183, 198 ff., 213 f., 230 f., 241 f., 246, 269, 272 ff. Steueroaseneffekt 128, 298 Steuerprogression siehe Progressive Besteuerung Steuerquelle(n) 219, 221, 223 Steuervereinfachung 38, 272 ff., 285 Steuerverteilungskriterien – alternative 201 ff. Steuerverteilungssystem 149, 154, 207 Steuervorauszahlungsansatz 44 Superrevisionsinstanz 177 Systemgerechtigkeit 191 ff., 289 Teilhabersteuer 70 f. Tertium comparationis 184, 198, 222 ff., 283, 290, 303 Tertium comparationis auf Rechtfertigungsebene 222 f., 283, 290, 303 Typenzwang 146 ff. Typisierung 272 ff., 284 f. Umsatzsteuer 24, 41, 142, 203, 208 f., 245 Umverteilung 231, 234, 239, 277 ff., 298, 300, 304 Umweltschutz 51, 210, 286, 295 Ungleichbehandlung 38, 114, 183 ff., 212, 222 f., 262, 281 ff., 290, 293, 299 Unsicherheit der Gewinnerwartung 122 Verbrauchsteuer(n) 23, 41, 48, 141 f., 145 Verdienstprinzip 210, 212 Verfassungsrechtliche Legitimation – des Steuereingriffs 155 ff., 261 Verfügungsmachtkonzept 226, 230 ff., 240 f., 245, 267, 271

Sachwortverzeichnis Vergleichsmaßstab 139, 198 f., 212, 217 f., 224, 234 Verhältnismäßigkeitsprinzip 160, 174 ff., 180, 186 ff. Verhältnismäßigkeitsprüfung 174 ff., 187, 189 ff., 223, 283, 294, 300, 304 Vermögensbestand(s) – Besteuerung des 162, 165, 229, 244 Vermögenserwerb(s) – Besteuerung des 162 Vermögensteuer 151, 162 f., 166, 175 Vermögensverwendung – Besteuerung der 162, 244 Verteilungsmaßstab 180, 212, 217, 285, 297 Verzerrung – der Konsum-Sparentscheidung 53 ff. Verzerrungswirkung 52 ff., 298 Vorsichtsprinzip 140, 251 ff.

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Wettbewerbsneutralität 136, 203, 208 Willkürformel 184 f., 283 Willkürkontrolle 185 Willkürprüfung 186 ff., 223, 283 Windfall profits 30, 242 Wirtschaftslenkende Ziele 284, 289 Wirtschaftsordnung 151 Zahlungsfähigkeit 43, 145, 200, 205, 208, 266 f., 278 Zeitpräferenzrate 54 Zinsbereinigte Einkommensteuer 45 ff., 76, 84, 103 f., 111 ff., 122, 124 f., 127, 131 ff., 138 ff. Zinsbereinigte Gewinnsteuer 45 ff., 76, 103 ff., 127 ff., 290 ff. Zinsbereinigung 45 ff., 103 ff., 127 ff., 268 ff., 292, 297, 299, 302, 304 Zinseinkommen 46, 54, 100, 270