Game over!?: Perspektiven des Computerspiels [1. Aufl.] 9783839407905

Das Computerspiel als genuin neues Medium fordert ein Denken fernab der bisherigen disziplinären Einschränkungen. Statt

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German Pages 164 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Next Level. Das Computerspiel als Medium. Eine Einleitung
Logik und Medialität des Computerspiels. Eine medientheoretische Analyse
Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«. Die Gesetze des Videospiels
Im Spiel unbegrenzter Möglichkeiten. Zu den Ambiguitäten der Videospielforschung und -industrie
Die Dispositive des Computerspiels
Medienrezeption und Spiel
Raum, Karte und Weg im Computerspiel
Game-Mentalität. Auf dem Weg zur Räumlichkeit der Film-DVD
Zu den AutorInnen
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Game over!?: Perspektiven des Computerspiels [1. Aufl.]
 9783839407905

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Jan Distelmeyer, Christine Hanke, Dieter Mersch (Hg.) Game over!?

Band 1

2008-02-22 09-52-31 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0302171629422572|(S.

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) T00_01 schmutztitel - 790.p 171629422596

Editorial Medien entfachen kulturelle Dynamiken; sie verändern die Künste ebenso wie diskursive Formationen und kommunikative Prozesse als Grundlagen des Sozialen oder Verfahren der Aufzeichnung als Praktiken kultureller Archive und Gedächtnisse. Die Reihe Metabasis (griech. Veränderung, Übergang) am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam will die medialen, künstlerischen und gesellschaftlichen Umbrüche mit Bezug auf unterschiedliche kulturelle Räume und Epochen untersuchen sowie die Veränderungen in Narration und Fiktionalisierung und deren Rückschlag auf Prozesse der Imagination nachzeichnen. Darüber hinaus werden Übergänge zwischen den Medien und ihren Performanzen thematisiert, seien es Text-Bild-Interferenzen, literarische Figurationen und ihre Auswirkungen auf andere Künste oder auch Übersetzungen zwischen verschiedenen Genres und ihren Darstellungsweisen. Die Reihe widmet sich dem »Inter-Medialen«, den Hybridformen und Grenzverläufen, die die traditionellen Beschreibungsformen außer Kraft setzen und neue Begriffe erfordern. Sie geht zudem auf jene schwer auslotbare Zwischenräumlichkeit ein, worin überlieferte Formen instabil und neue Gestalten produktiv werden können. Mindestens einmal pro Jahr wird die Reihe durch einen weiteren Band ergänzt werden. Das Themenspektrum umfasst Neue Medien, Literatur, Film, Kunst und Bildtheorie und wird auf diese Weise regelmäßig in laufende Debatten der Kultur- und Medienwissenschaften intervenieren. Die Reihe wird herausgegeben von Heiko Christians, Andreas Köstler, Gertrud Lehnert und Dieter Mersch.

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Jan Distelmeyer, Christine Hanke, Dieter Mersch (Hg.)

Game over!? Perspektiven des Computerspiels

2008-02-22 09-52-32 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0302171629422572|(S.

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2008 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Christine Hanke Satz: Jan-Henrik Möller Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-790-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Inhalt Christine Hanke >Next Level. Das Computerspiel als Medium. Eine Einleitung Dieter Mersch Logik und Medialität des Computerspiels. Eine medientheoretische Analyse

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Matthias Bickenbach 43 Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«. Die Gesetze des Videospiels Frank Furtwängler Im Spiel unbegrenzter Möglichkeiten. Zu den Ambiguitäten der Videospielforschung und -industrie

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Michael Liebe Die Dispositive des Computerspiels

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Britta Neitzel Medienrezeption und Spiel

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Stephan Günzel Raum, Karte und Weg im Computerspiel

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Jan Distelmeyer Game-Mentalität. Auf dem Weg zur Räumlichkeit der Film-DVD

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Zu den AutorInnen

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Christine Hanke >Next Level. Das Computerspiel als Medium. Eine Einleitung

Game over?! Ganz im Gegenteil. Ein junges kulturelles Phänomen hat innerhalb weniger Dekaden solchermaßen Verbreitung gefunden, dass es in ökonomischer Hinsicht bereits dem Kartenverkauf an der Kinokasse den Rang abläuft. Ähnlich wie schon bei der Einführung der Kinematografie an der Wende zum 20. Jahrhundert wird auch das massenkulturelle Phänomen Computerspiel begleitet durch kulturpessimistische Debatten über den Zustand der Kultur, über die ›Inhalte‹ der Spiele, über den Einfluss des Spielens v.a. auf die Jugend – Amokläufe an Schulen erscheinen in der öffentlichen Diskussion als Kurzschluss zwischen Game und ›wirklichem Leben‹, vor dem das (junge, in der Regel männliche) Subjekt nur durch Indizierung von ›Killerspielen‹ bewahrt werden könne. Parallel dazu findet eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Computerspielen im deutschen Kontext zunächst in den Bereichen Pädagogik, Soziologie, Psychologie und Medienwirkungsforschung statt, die mit ihren Fragen nach Aggressionspotential, psychologischen Effekten und Identitätsbildung an die gesellschaftspolitischen Diskussionen andocken. Eine Hinwendung der Geistes- und Kulturwissenschaften zu dem neuen kulturellen Phänomen geschieht seit etwa Mitte der 1990er Jahre vorwiegend im angloamerikanischen und skandinavisch-nordischen Raum – im deutschen Kontext beginnt eine Analyse des Feldes Computerspiel erst vor einigen Jahren.1 Wie bei einem neuen wissenschaftlichen Gegenstand nicht verwunderlich, versuchen verschiedene sich an der Diskussion beteiligende Disziplinen das Computerspiel mit ihren Erklärungsansprüchen und Paradigmen zu erfassen. Nicht zuletzt darum ist das Feld sowohl terminologisch als auch theoretisch noch recht

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Vgl. v.a. Neitzel 2000, Lischka 2002 und Pias 2002. Im Jahr 2004 stand die Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Medienwissenschaft unter dem Titel »Das Spiel mit dem Medium – Partizipation, Immersion, Interaktion« und bot damit erstmals einen breiten Rahmen zur Präsentation und Diskussion von Ansätzen zur Computerspielforschung (Neitzel/Nohr 2006). Die Ausstellung »Spielen« im Hygienemuseum Dresden im Jahr 2005 situierte das Computerspiel im größeren Kontext von Spiel und Spielen und warf einen bemerkenswert kritischen Blick auf die genannte öffentliche Verbots-Debatte (vgl. a. den Ausstellungskatalog Deutsches Hygienemuseum Dresden 2005).

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offen.2 Aus dem heterogenen interdisziplinären Feld hat sich mit den (Digital bzw. Computer) Game Studies mittlerweile in den USA und Skandinavien ein neues Studien- und Forschungsfach herausgebildet und beginnt sich zu etablieren. Doch gibt es weiterhin keine kohärente Theoriebildung, werden unterschiedlichste Perspektiven eingeschlagen und Akzente gesetzt. Einerseits macht diese Offenheit gerade die Produktivität der Beschäftigung mit dem Computerspiel aus – das Game könnte im Sinne der WissenschaftshistorikerInnen Susan Leigh Star und James R. Griesemer (1988) als boundary object begriffen werden –, andererseits sind die heterogenen, in einigen zentralen Punkten gegensätzlichen Forschungsansätze bisher kaum systematisch vermittelt. Vor diesem Hintergrund wird mit dem vorliegenden Band vorgeschlagen, das Computerspiel als neues und eigenständiges Medium zu begreifen. Freilich bezieht es sich auf seine Vorgänger und verleibt etwa Elemente von Film und Literatur ein, doch konfiguriert es sie dabei neu und bringt ganz eigene Strukturen, Logiken und Effekte hervor.3 Diese spezifische Medialität des Computerspiels gilt es theoretisch genauer zu umreißen. Ihr ist nicht allein durch Bezugnahme oder Übertragung anderer disziplinärer Ansätze und Theorien beizukommen. Dass diese disziplinären Instrumente hilfreich und produktiv sind, sei unbestritten und angesichts des Neuen ist nur verständlich, dass zunächst begonnen wurde, das Game mittels bereits an anderen Medien entwickelten theoretischen Konzepten zu verstehen. Doch scheint es Zeit innezuhalten und kritisch nach der Reichweite solcher Konzepte, nach der Übertragung ihrer impliziten Vorannahmen und den Effekten für die Konzeption des Computerspiels zu fragen. Wird das Computerspiel auf diese Weise nicht als das schon Bekannte begriffen, statt es (durchaus verwundert) als Neues, in seiner Andersheit erst noch zu Erfassendes zu behandeln? Gleichzeitig hat das neue Medium auch Rückwirkungen auf die alten Medien und verändert auch diese, vgl. etwa die mit Game engines hervorgebrachten machinima-Filme, aber auch Grenzübertritte zwischen Games und Filmen sowohl nach der einen wie der anderen Seite – vom Game zum Film, wie Lara Croft: Tomb Raider (USA 2001, Simon West) zeigt oder auch Lola rennt (D 1998, Tom Tykwer), der Computerspiel-Wiederholungen imitiert, oder andererseits vom Film zum Game, etwa bei spielerischen Filmadaptionen wie etwa Star Wars (1982, Parker Bros.) u.a. Solche gegenseitigen Ansteckungen erfordern auch Revisionen und Aktualisierungen der Theorieansätze zu den Vorgängermedien. Vor diesem Hintergrund soll das Computerspiel hier als Medium mit spezifischer Konfiguration und Effekten gedacht werden, das eine neue Theorienentwicklung und eine Reflexion auf die angesetzten Begriffe erforderlich macht, die nach wie vor noch in ihren Anfängen steht. Dieser Band eröffnet hierzu ausgewählte medientheoretische Perspektiven jenseits der bekannten Wege und Oppositionen der Debatte.

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Aufgrund der zunehmenden Konvergenz von (technik-)historisch unterscheidbarem Video- und Computerspiel haben die HerausgeberInnen dieses Bandes ganz bewusst darauf verzichtet, die AutorInnen vorab auf einen der Begriffe festzulegen. Vgl. hierzu auch den Ansatz der Remediation von Bolter und Grusin (1999).

Next Level. Das Computerspiel als Medium

Zur Situierung der hier versammelten Beiträge soll jedoch zunächst die bisherige medientheoretisch relevante Forschung zum Computerspiel skizziert werden – dies freilich verkürzt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit in einem Feld, das zusehends wächst. Die Forschungslage kann nach verschiedenen Aspekten aufgefächert werden. Betrachtet man die diversen Geschichtsschreibungen von den ersten vektorgesteuerten Spielen wie Pong (1972, Atari) über (zunächst textbasierte) Action/Adventure-Spiele hin zu Multiuser- und Online-Spielen,4 so fällt zunächst auf, dass das Computerspiel auf diese Weise in jeweils spezifische Zusammenhänge gestellt wird – jede Geschichtsschreibung produziert Differenzen und Bedeutungseffekte, die sich auf deren Gegenstand übertragen. Indem das Game etwa in Abgrenzung zum nichtcomputergestützten Spiel positioniert (Lischka 2002, Kohler 2004, Juul 2005) oder seine Genealogie aus der Kriegstechnologie heraus entwickelt wird (Pias 2002), sind systematische Differenzsetzungen jeweils bereits implizit und entwickeln ihre je eigene Produktivität. Auch Beiträge, die sich der Spieletechnologie zuwenden, ziehen jeweils technikhistorische und technologische Differenzen ein, etwa zwischen analogen und digitalen Spielen, zwischen verschiedenen Geräten (Konsolen, Arcade, PC) und weiteren Hard- und Software-Aspekten (Grafikkarten, Spielephysiken, Rechnerleistungen etc.) oder zwischen verschiedenen Grafikund Designentwicklungen.5 Und so begegnen auch im Hinblick auf eine explizite, ausformulierte Taxonomie des Gegenstandes diverse Klassifizierungen, deren Setzungscharakter ins Auge sticht: Chris Crawford unterscheidet zwischen den Haupttypen Skilland-Action Games und Strategy Games (Crawford 1984); Geoff King und Tanja Krzywinska (2002) klassifizieren Genres entlang etablierter Hollywood-Kategorien wie Action, Horror, Science Fiction, Sports; Claus Pias (2002) identifiziert spiellogisch die drei Typen zeitkritische Actionspiele, entscheidungskritische Adventurespiele und konfigurationskritische Strategiespiele; Jesper Juul (2005) setzt die Kategorien iconic games, coherent und incoherent world games bzw. staged games sowie progressive und emergent games an; bei Mark J.P. Wolf (2001) finden wir gar eine Differenzierung nach 42 verschiedenen Spielkategorien. Allein die Klassifikation des Feldes ist – wie hieran zu ersehen ist – bemerkenswert heterogen und umstritten. Angesichts zunehmender Hybridisierungen und Subtypisierungen von Spieltypen betont Barry Atkins (2003) die Flüchtigkeit aller Kategorisierungen, denn nicht zuletzt bleibt die Weiterentwicklung des Marktes und womöglich neuartiger Spieltypen unvorhersehbar. Mögen Taxonomien zur Ordnung der Materialmenge zwar hilfreich sein, so ist mit zu reflektieren, dass diese immer auch von der Perspektive des Ansatzes und seiner Fragestellung abhängig sind.6 Klassifizierungen sollen das Feld überschaubar und handhabbar machen, es für die wissenschaftliche Aufarbeitung in den Griff bekommen – doch scheint sich ›das‹ Game in seinen Vielfältigkeiten und Heterogenitäten dabei immer wieder zu entziehen.

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Vgl. exemplarisch Sullivan 1983, Poole 2000, Kent 2001, Lischka 2002. Technikhistorische Perspektiven finden sich etwa bei Crawford 1984, Faber 1998, Pias 2002, Neitzel 2000, Salen/Zimmerman 2004, Juul 2005. Vgl. hierzu auch Sutton-Smith 1997.

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Andere systematisierende Ansätze, den wuchernden Gegenstand zu bändigen, setzen das Computerspiel in Beziehung zu anderen Medien. Der Blick auf das Neue wird nicht zuletzt geschärft durch Vergleiche und Abgrenzungen zu älteren, gut erforschten Medien. Gleichzeitig werden dabei jedoch die alten Medienmodelle auf das neue Medium übertragen – wird im Neuen das Bekannte (wieder)erkannt. Zunächst etwa diente die Literatur als Modell und führte zu einer Fokussierung des Game unter einer Perspektive von Textualität – allerdings mit der Möglichkeit die Textstruktur zu durchqueren (Aarseth 1994). Im Zuge neuer fotorealistischer Grafik-Oberflächen, In Game Movies und Intros begann die Forschung Computerspiele mit filmanalytischem Instrumentarium zu analysieren und es auf diese Weise dem Medium Film anzunähern (u.a. King/Krywinska 2002). Auf diese Weise wird das neue Medium als schon Vertrautes ›eingemeindet‹ und unter seine Vorläufer subsumiert.7 Wird das Computerspiel dann etwa additiv beschrieben im Sinne von: Text + Bewegtbild + Interaktivität, droht die Spezifität des Mediums Computerspiel dabei potentiell nur als additives Surplus zu erscheinen. In medientheoretischer Hinsicht hingegen durchkreuzt gerade die Konzeption eines Surplus solche Subsumtionsversuche und fordert auf, das Computerspiel als etwas Neuartiges zu denken, das ›mehr‹ ist als seine Teile, und daran neue Theorieansätze zu erproben. Der ›Mehrwert‹ des Computerspiels wird – vor allem in Medienvergleichen – in seiner spezifischen Form von Interaktivität gesehen (die im Rückblick auch gerne auf die Vorgängermedien übertragen wird). Und so beschäftigt sich ein großer Bereich der Forschung mit dem Thema Interaktivität.8 Was auf der Oberfläche wie ein Agieren und Reagieren mit Figuren, Dingen, Landschaften, Ereignissen auf den Spieloberflächen erscheint, kann auf Programmebene beschrieben werden als Operationen mit den databases, Quellcodes, Algorithmen, also den programmierten Logiken des Spiels. Während das Game dabei einerseits zum Inbegriff der mit den Neuen (digitalen) Medien gefeierten Interaktivität erscheint,9 wird andererseits in der Position von Pias (2002) der Gegenpol am deutlichsten: In einer kybernetischen Argumentation wird das strenge/starre Regelsystem akzentuiert, innerhalb dessen sich der/die SpielerIn bewegen kann. Auf diese Regelhaftigkeit hebt auch ein Part der zentralen Theorie-Kontroverse der Game Studies ab: Die ludologische Perspektive betont das regelgeleitete Spiel, während die Narratologie die Erzählstrukturen der Spiele fokussiert. Vor allem im Anschluss an literatur-, aber auch filmwissenschaftliche Ansätze wird im zweitgenannten Ansatz die Struktur des Computerspiels im Hinblick auf seine Narrativität untersucht.10 Als erste Hinweise gelten die Verarbeitung literarischer und 7

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Espen Aarseth (2001) diskreditiert solche Ansätze im Editorial zur ersten Nummer der Computer Game Studies harsch als Kolonisierungsversuche (»colonising attempts«). Sehr früh schon Crawford 1982, es folgen u.a. Murray 1997, Neitzel 2000, Manovich 2001, Ryan 2001a, Wolf 2001, Pias 2002, Juul 2005. Eine kritisch-ironische Analyse des Interaktivitäts-Mythos und seiner Geschichtsschreibung am Beispiel des interaktiven Fernsehens unternimmt Müller 2006. Vgl. u.a. Murray 1997, Wenz 1999, Neitzel 2000, Poole 2000, Ryan 1999, 2001a, Jenkins 2002, Atkins 2003.

Next Level. Das Computerspiel als Medium

historischer Vorlagen (Geschichtsschreibung wird dabei implizit als Narration gefasst), die Unterteiltheit der Spielverläufe in verschiedene Plots und Erzählstränge, aber auch die narrativen Intros, die fiktionale Struktur und die Nähe zum Fantasy-Genre. Im Zuge der theoretischen Ausformulierung werden dann strukturelle Komponenten und Logiken der Narration am Computerspiel identifiziert. In der narratologischen Perspektive wird das Spiel – zugespitzt formuliert – als Interpretation und Aktualisierung der hinter dem Game liegenden Erzählstruktur durch die SpielerInnen theoretisiert. Implizit wird das Computerspiel auf diese Weise dem seit den 1960er Jahren prominenten Textparadigma untergeordnet (in dem letztendlich alles Text ist). Indem es als Text begriffen wird, erscheint es jedoch potentiell als Konfiguration von Linearität und Zielorientiertheit und das Verhältnis der SpielerIn zu ihm primär als eines der Lektüre.11 In direkter Opposition zu dieser Perspektive wird eine Betonung des Ludischen, also des Spielcharakters von Computerspielen, formuliert.12 Espen Aarseth (1997, 2001) gab hierzu die Initialzündung, Jesper Juul (2001) erprobt das Narrativitätsparadigma am Game, um Ähnlichkeiten, aber vor allem auch Differenzen zum Narrativen herauszuarbeiten. Markku Eskelinen (2001) hebt jene Aspekte des Game hervor, welche sich gerade nicht in Kategorien der Narrativität fassen lassen: das Spielerische,13 die Nichtlinearität, die konfigurative, manipulative Praxis des Spielens und den Aspekt des Programms. In der ludischen Perspektive wird das Computerspiel nicht als spielende Realisierung eines plot fokussiert, sondern als Abfolge regelgeleiteter Handlungen, in denen dezidierte Ziele verfolgt und Aufgaben (wie etwa Rätsellösungen, Gegner ausschalten usw.) aktiv bewältigt werden (Juul 2005). Der zentrale Fokus auf das Ludische liegt hier insbesondere auf der Regelhaftigkeit – Pias etwa akzentuiert wie bereits erwähnt den Programmcharakter, insofern er Spiele als kybernetische Regel- und Rückkopplungssysteme beschreibt (Pias 2002), dabei das Spiel aber letztendlich von seinem erfolgreichen Ende her beschreibt (vgl. Butler 2007). Dass aber Spiele generell – und damit mutatis mutandis Computerspiele – im Spannungsfeld zwischen Regel und Rausch situiert werden können, wird v.a. mit Bezugnahme auf die Begriffe »ludus« und »paidaia« bei Roger Callois (1958) reflektiert.14 Das Spielerische im Umgang mit neuen Medien im Allgemeinen betont Natascha Adamowsky (2000), doch ohne dass dabei das Computerspiel ausführlicher in den Blick gerät. Medientheoretisch interessant erscheinen in diesem Zusammenhang jene Aspekte des Spielerischen, welche Regeln außer Kraft zu setzen oder zu umgehen suchen. Die bisherige Beschäftigung mit solchen Phänomenen fokussiert die Kreativität der Fankultur (Jenkins 2001), unterscheidet mit gaming und playing zwei Modalitäten des Umgangs mit Computerspielen (Perron 2003), oder aber verweist demgegenüber auf die ökonomische

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Dies kann auch an Ansätzen mit Bezug auf die Hypertextforschung beobachtet werden, vgl. etwa Ryan 2001b – einem Ansatz, der bereits versuch zwischen Narratologie und Ludologie zu vermitteln. Begriffsbildung im Anschluss an Huizinga 1939. Dies geht Hand in Hand mit einer Konzeption des Computerspiels als »remediated game« – das als Hinweis auf die Produktivität und Effekte spezifischer, nicht zuletzt auch (technik)historischer Klassifikationen. Vgl. etwa Perron 2003, vgl. auch Deutsches Hygienemuseum Dresden 2005.

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Einkalkuliertheit solcher Momente (etwa von cheat codes), um KäuferInnen enger an die Produkte zu binden (Manovich 2001). Über solche Ambivalenzen hinaus kann gerade nicht-regelkonformes Verhalten – wie etwa ein Flanieren im virtuellen Raum unter Vermeidung von Gegner-Kontakt15 oder das Trickjumping, in dem die Bewegungsmöglichkeiten des Avatars und bugs in der ›Physik‹ des Programms für spektakuläre und rasante Navigationen durch das Game eingesetzt werden16 – aber auch unvorhergesehene Momente – wie etwa ein Abgleiten ins ›Außen‹ des Spiels ohne Möglichkeit der Rückkehr – höchst interessante Aufschlüsse in medientheoretischer Hinsicht geben. Ausgehend von Punkten der Irritation, könnte hier nach dem Unvorhergesehenen im Vorhergesehenen gefragt werden, um die je unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Regelhaftigkeit/Programmierung und Lücken/Fehlern/Inkonsistenzen einer genaueren theoretischen Reflexion zu unterziehen. Neben und quer zu dieser Kontroverse zwischen Narratologie und Ludologie ist ein zentrales Paradigma der bisherigen Beschäftigung mit dem Computerspiel die Implikationsreiche Vorstellung von Immersion, einem ›Eintauchen‹ in die virtuelle Realität, in der die Grenzen zwischen ›virtueller‹ und ›realer‹ Realität verschwimmen.17 Auch hier finden sich Ansätze, welche eine Konzeption von Immersion schon bei Theoretisierungen der Vorgängermedien wie etwa dem Kino ansetzen (Schweinitz 2006), doch ist die Rede vom Eintauchen in virtuelle Welten vor allem im Hinblick auf Computerspiele brisant: Sie trifft in der gesellschaftspolitischen Verbots-Debatte um so genannte ›Killerspiele‹ auf eine popularisierte Implikation des Immersionskonzepts, die Spieler könnten nicht mehr zwischen Spiel und Realität unterscheiden. Gerne wird in diesem Zusammenhang auch auf das ›immer realistischer werdende‹ Design der Spiele verwiesen, jedoch ohne den Zusammenhang von fotorealistischem Design und Immersion systematisch zu entwickeln.18 Für diese Frage zeigen sich Ansätze ergiebig, welche Computerspiele als audiovisuelle Medien begreifen und im Rahmen der Visual Studies fokussieren (Wolf 2001, 2003). In einer Fokussierung auf die visuellen Oberflächen von Computerspielen wird meist wiederum an filmtheoretische Überlegungen (King/Krywinska 2002, Keitel/Süß/Gunzenhäuser 2003) oder auch kunsthistorische Beschreibungsweisen (Rötzer 2005) angeschlossen. Die Analyse der auditiven Strukturen von Computerspielen spielt bisher jedoch – ähnlich wie in der Filmwissenschaft – eine eher untergeordnete Rolle. Aus den von Games installierten Blickperspektiven – unterschieden wird zwischen First-Person (v.a. im Egoshooter), Third-Person und God-Perspektive (eine weitere klassifikatorische Differenz!) – kann auf die solcher15

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Martijn Hendriks: »Second Nature (2004). A DVD Project exploring new Images of Nature« (Abstract und Videomitschnitt der Präsentation auf der GfMTagung »Das Spiel mit dem Medium – Partizipation, Immersion, Interaktion« (Braunschweig 2004) unter: http://netzspannung.org/tele-lectures/series/ playing-media/?lang=de#Hendriks. Zuletzt gesehen am 2.10.2007). Oke Maas: Trickjumping. Präsentation auf der GfM-Tagung »Das Spiel mit dem Medium – Partizipation, Immersion, Interaktion« (Braunschweig 2004) und auf der Projektwoche »Game over?! – Theorie und Geschichte des Computerspiels« (Potsdam 2005). Vgl. u.a. Murray 1997, Atkins 2003, Eskelinen/Tronstad 2003, Rötzer 2005. Kürzlich wieder Butler 2007.

Next Level. Das Computerspiel als Medium

maßen instituierten Blickstrukturen und Identifikationspotentiale geschlossen werden. Bearbeitet wurde diese Fragestellung systematisch und über filmtheoretische Ansätze zur subjektiven Kamera hinausgehend bisher vor allem von Noah Wardrip-Fruin und Pat Harrigan (2004) und Britta Neitzel (2007). Eine Beschäftigung mit den (visuell) konzipierten Räumen und deren Beziehung zur Kartografie beginnt gerade (Günzel 2006, Nohr 2007). Mit diesen verschiedenen Facetten ist das bisherige Forschungsfeld zum Computerspiel kurz umrissen, das sich äußerst heterogen gestaltet. Es existieren vielfältige Querbezüge, aber auch viele unvermittelte Ansätze und Kontroversen. Wie bereits in diesem Überblick der geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschung anklingt, erscheint der Gegenstand Computerspiel als boundary object (Star/Griesemer 1988), das zwischen verschiedenen Perspektiven, Schwerpunkten, theoretischen Konzepten und Implikationen flottiert. Das Game geistert als ›unscharfes Objekt‹ durch verschiedene Disziplinen, Modelle (Literatur, Film, Simulation), Erklärungsansätze und Praktiken (SpielerIn, Politik, Wissenschaft). Vermittlungen zwischen konträr erscheinenden Positionen – Ludologie und Narratologie – laufen gerade an, ebenso kritische Befragungen der Immersionskonzeption. Auch das ›Spiel‹ der Computerspielforschung ist also längst noch nicht vorbei – das Feld ist weiter offen und in Bewegung. In dieses Feld wollen die hier versammelten Beiträge medientheoretische Orientierungspunkte einziehen. Damit schließt der vorliegende Band an einen Impuls der 2001 gegründeten Online-Zeitschrift Game Studies. The International Journal of Computer Game Research an: mit den Computer Game Studies ein neues Forschungsfeld zu bilden, in dem die Besonderheit des Computerspiels anvisiert wird. Erste Ansätze hierzu gibt es bereits, doch ist die Forderung immer noch aktuell und soll an dieser Stelle ein weiteres Mal bekräftigt werden. Vor diesem Hintergrund wird das Computerspiel in diesem Band als genuin neues Medium begriffen, das in seiner Andersheit, als Novum und als Faszinosum ernst genommen werden soll. Die Annäherung findet zwar ausgehend von verschiedenen Disziplinen aus statt, aber sucht von da aus jeweils neue theoretische Perspektiven zu entwickeln. Dies erfordert ein Denken, das die bisherigen Begrifflichkeiten kritisch reflektiert und einer Revision unterzieht, um sich dann von disziplinären Einschränkungen abzustoßen und neue, medientheoretische Wege zu beschreiten. Statt das Game also unter bereits erforschte mediale Anordnungen wie Narration, Spiel, Film zu subsumieren, wenden sich die Beiträge dieses Bandes auf einem ›nächsten Level‹ der dem Computerspiel eigenen Rationalität, seiner Involvierung der ›UserInnen‹, seinen spezifischen Effekten und Unentscheidbarkeiten und seinen vielfältigen Wechselspielen mit anderen Medien zu. Dieter Mersch stellt bisherige Ansätze in systematischen Zusammenhang und entwirft eine Medientheorie des digitalen Spiels. Theoretisiert wird der Zusammenhang von Bild- und Raumstruktur, der Status der Erste-Person-Perspektive – in der die Medialität des Computerspiels gleichsam ›zu sich kommt‹ – sowie das Verhältnis von Narrativität, Interaktivität und Performativität als Nahtstelle zwischen Narratologie und Ludologie. Als Grundlage und Zentrum wird dabei die im digitalen Programmcode und der Geschlossenheit mathematischer Systeme angelegte Logik der Entscheidung identifiziert, welche die spezifische Medialität des digitalen Spiels bestimmt und begrenzt.

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Matthias Bickenbach fragt nach dem ›Gesetz‹ des Computerspiels im Verhältnis zwischen Programmierung auf der einen Seite und visueller Oberfläche auf der anderen. Das Spezifische des Game wird in der Feedbackschleife situiert, welche zwischen dem Tastendruck und der Grafikoberfläche, und damit zwischen Hand und Auge des/der SpielerIn aufgespannt ist. Der ›virtuelle Grafikraum‹ scheint auf diese Weise als funktionale Vermittlungsinstanz zwischen Taktilität und Visualität. Auch Frank Furtwänglers Beitrag wendet sich gegen Polarisierungen im Diskurs um das Computerspiel und problematisiert die Verwendung alter Schemata zur Beschreibung eines neuen Gegenstandes. Die mangelnde Einheit des Feldes wird als Unentscheidbarkeit analysiert, die ihr Korrelat im Computerspiel selbst hat. Am Beispiel ökonomischer und wissenschaftlicher in sich jeweils divergierender Debatten um das Computerspiel führt er die Theoretisierung selbst als ›Spiel der unbegrenzten Möglichkeiten‹ vor. Michael Liebe unterzieht die üblichen Klassifizierungen von Computerspielen einer kritischen Revision und problematisiert deren jeweilige Implikationen. Vor dem Hintergrund zu sehr vereinheitlichender Kategorisierungen schlägt er in Anlehnung an Michel Foucaults Dispositiv-Begriff einen neuen, komplexeren Systematisierungsversuch vor, in dem Anordnungen von Geräten (Hardware), Software, Spielgenres/-strukturen, Räume (Orte und Zeit) und kultureller Kontext eng zusammenspielen. Britta Neitzel unternimmt am Exempel des Computerspiels eine kritische Reflexion der Medienwirkungsforschung. Zwischen Immersion, die von einer reinen Passivität des/der RezipientIn ausgeht, und Interaktion, welche demgegenüber Aktivität impliziert, schlägt sie das Konzept der ›Involvierung‹ vor, das die Einbeziehung der SpielerIn auf verschiedenen Ebenen differenzierbar macht. Auf diese Weise eröffnet sie sowohl neue Perspektiven auf die Immersionsdebatte der Game Studies als auch auf die rezeptionstheoretischen Konzeptionen zu digitalen Medien im Allgemeinen. Stephan Günzel visiert das Computerspiel im Hinblick auf seine Bildlichkeit an und fragt nach der sich hieraus ergebenden spezifischen Produktivität. Am Beispiel der First Person-Perspektive im Egoshooter erörtert er die besondere Räumlichkeit im Game. Historisch und systematisch werden die Topographien des Computerspiels in Bezug zu Zentralperspektive und verschiedenen Kartensystemen verortet, die jeweils spezifische Räume und Positionen für die SpielerInnen generieren. Jan Distelmeyers Beitrag untersucht schließlich anhand der Film-DVD – einer noch jungen intermedialen Konfiguration – die vielfältigen Beziehungen von Film und Computerspiel. Insbesondere die auf der DVD ausgestellte Form der Interaktivität – die Navigation – fordert zu einer grundlegenden theoretischen Reflexion auf den Film im digitalen Zeitalter heraus und eröffnet gleichzeitig neue Perspektiven auf das Verhältnis von Game und Film. Statt das Computerspiel also anderen Medien unterzuordnen, wird es in den hier versammelten Beiträgen als Dispositiv mit eigener Logik und spezifischen Effekten gefasst. Mit diesen neuen Perspektiven jenseits bisheriger Dichotomien werden gleichzeitig neue Spannungsfelder eröffnet, etwa zwischen ›Bildlichkeit‹ des Computerspiels und ›virtuellem Grafikraum‹, zwischen ›Visualität‹ und ›Taktilität‹, zwischen Hardware und Software, zwischen Bedienungs- und Rezeptionsbedingungen, zwischen Entscheidungslogik und Unentscheidbarkeiten.

Next Level. Das Computerspiel als Medium

Dank Der vorliegende Band erscheint als erster Band der Schriftenreihe Metabasis. Transkriptionen zwischen Literaturen, Künsten und Medien des Instituts für Künste und Medien (IKM) der Universität Potsdam. Seit einigen Jahren wird am IKM zum Computerspiel geforscht, 2005 wurde mit der Projektwoche »Game Over?!« eine erste Veranstaltungsreihe mit Präsentationen von WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, ProgrammiererInnen und SpielerInnen organisiert, es folgten diverse Gastvorträge zur Diskussion weiterer Positionen. Mittlerweile existiert ein umfassendes Archiv mit Computerspielen und der nötigen Hardware. 2007 wurde zur medientheoretischen Forschung und Bündelung der bisherigen Ansätze am Institut das Digital Games Research Network Digarec gegründet. Weitere Publikationen zum Computerspiel sind in Planung. An der Entwicklung der theoretischen Perspektiven und der Ermöglichung anregender Diskussionen und Spielerfahrungen haben eine Reihe von Personen mitgewirkt, bei denen wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken möchten: Jay Bolter, Nadja Franz, Mattias Ljungström, Oke Maas, Susanne Müller, Vera Schlusmans, Frederic Schröder und die KollegInnen der Europäischen Medienwissenschaft Potsdam. Wir danken darüber hinaus den Studierenden der Europäischen Medienwissenschaft Potsdam, die sich engagiert an den Diskussionen beteiligt haben, und natürlich den in diesem Band vertretenen AutorInnen. Besonderer Dank gilt darüber hinaus Sophie Ehrmanntraut für die Korrekturarbeiten und Jan-Henrik Möller für grafische Gestaltung und Layout des Bandes.

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Literatur

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Spiele Pong (1972, Atari) Star Wars (1982, Parker Bros.)

Filme

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Lara Croft: Tomb Raider (USA 2001, Simon West) Lola rennt (D 1998, Tom Tykwer)

Dieter Mersch Logik und Medialität des Computerspiels. Eine medientheoretische Analyse

Digitale Spiele als ›neue‹ Medien Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht die Analyse der besonderen Logik und Medialität des Computerspiels. Sie geht davon aus, dass es sich bei Computerspielen nicht um eine Unterart schon bekannter Medien handelt, sondern um eine neue Gattung.1 Ihre Einordnung ins Register audiovisueller Medien wie Film, Video oder Fernsehen erscheint darum von vornherein verfehlt. Desgleichen sind Genrediskussionen ausgeschlossen ebenso wie Debatten, die die Beschreibung digitaler Spiele auf das Repertoire bewährter Theorienansätze aus Literatur- oder Filmwissenschaft zurückzuführen versuchen.2 Überdies verzichtet der Beitrag auf eine Differenzierung zwischen Video- und Computerspielen, weil diese bestenfalls 1

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Ebenfalls plädiert Poole dafür, Video- und entsprechend Computerspiele von ihrer eigenen Grundstruktur her zu erforschen (Poole 2000, 11ff., 25ff.). Desgleichen heißt es bei King/Krzywinska, dass »games are very different entities from media such as books or films« (King/Krzywinska 2002, 6). Wolf konstatiert zwar Konvergenzen zwischen Computerspielen und anderen audiovisuellen Medien, gleichwohl wiesen erstere letzteren gegenüber eine Reihe von Überlegenheiten auf, die eine eigenständige Untersuchung notwendig machten (Wolf 2001, 1, 6). Ähnlich argumentiert auch Atkins, der zwar hauptsächlich auf die Differenzierung zwischen Simulation/Wirklichkeit bzw. Spielwelt/Realität abhebt, dennoch feststellt, dass »[t]he player plays the game in the full knowledge that it is a game« (Atkins 2003, 139). Desweiteren bezeichnen Alain und Frédéric Le Diberder (1998) Video- bzw. Computergames als »Zehnte Kunst«. Ausgangspunkt der Untersuchung von »digital games« bildeten ursprünglich einerseits Textanalysen aus dem Bereich der Literaturwissenschaft und der Vergleich zwischen narrativen Strukturen des Romans und von Textadventures, prominent etwa Ryan 1999 und Bolter 1991. Daran anschließend wurden Computerspiele im Rahmen der Visual Studies, Cinema Studies und Screen-Studies im Kontext der Massen- und Unterhaltungskultur verortet, etwa bei Atkins 2003 und King/Krywinska 2002. Weitere Ansätze beschäftigten sich vor allem mit Fragen der Gestaltung und den technischen Grundlagen von digitalen Spielen, so bes. Crawford 1984, Faber 1998 und Salen/Zimmerman 2004. Explizit gegen narratologische Positionen, seien sie literaturwissenschaftlich oder filmwissenschaftlich motiviert, argumentieren Aarseth 1997, ferner Eskelinen 2000 und Juul 2001.

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technischer Art sein kann und schon konvergierende Genealogien aufruft. Kaum ein Videospiel, das nicht gleichzeitig als Computerspiel auf den Markt käme, wie umgekehrt Konsolen, die an Fernsehgeräte angeschlossen werden, spezialisierte Computer darstellen, deren Leistung im Bereich der Grafik Homecomputern nicht selten überlegen sind.3 Beide – Video- und Computerspiele – gründen im selben Schema der Digitalität, sodass im Folgenden hauptsächlich von digitalen Spielen die Rede sein wird. Sie kreieren ein eigenes mediales Universum, das zwar auf Visualität und Auditivität aufbaut, zu denen aber »noch etwas anderes hinzukommen« muss, um ihre Neuheit zu rechtfertigen. Vorderhand haben wir es zwar scheinbar mit audiovisuellen Phänomenen zu tun, die jedoch von Film oder Video dadurch scharf abzugrenzen sind, dass sie sich von diesen nicht nur technisch und vor allem mathematisch unterscheiden, sondern eigentlich »in Allem«: Bilderfahrung, Raumerfahrung, Struktur und Form der Narrativität, Möglichkeiten der »Interaktivität« sowie der zugrunde liegenden Aktionslogik. Sämtliche Merkmale scheinen in gewisser Hinsicht auch schon für klassische audiovisuelle Medien zu gelten: Film und Video eröffnen spezifische Bild- und Raumerfahrungen, sie entwickeln besondere Verfahren der Narration, sie erlauben auch, jedenfalls partiell, über die bloße Rezeption hinaus Beteiligung und aktiven Eingriff – aber das Neue, das bei digitalen Spielen hinzukommt und das verschiedentlich mit dem »Ludischen« in Verbindung gebracht worden ist, besteht vor allem darin, dass jedes dieser Attribute vollkommen neu konzipiert und zusammengesetzt ist, dass es weit über das Bekannte hinausgeht und andere Weisen der Kombination und Synthese aufruft, und zwar so, dass die Verbindung zwischen den einzelnen Aspekten unter das einheitliche Prinzip digitaler Entscheidungslogik gerät. Insbesondere gibt es den Rezipienten in der klassischen Form nicht mehr: der Spieler konsumiert weder das Spiel noch beschränken sich seine Aktivitäten auf Interpretationen oder Imaginationen, die den Sinn und Verlauf einer Fiktion, wie sie etwa der Film bereitstellt, allererst erfinden; vielmehr erzeugt er durch seine Züge und Navigationen jenen Raum, worin sich die buchstäblich »erspielten« Geschichten bewegen können. Nicht notwendig zielen seine Aktionen überhaupt auf die Produktion von Erzählungen; manche erfüllen sich in der Steigerung von Geschicklichkeit oder Reaktionsgeschwindigkeit, aber die für unsere Überlegungen interessanten verweben sich mit Narrationen und Fiktionen, die freilich einen eigenen Status einnehmen. Der Spieler avanciert in ihnen auf ganz neue Weise zum Akteur, zum Produzenten, und zwar nicht nur eines regelgeleiteten Spielgeschehens, sondern eines Narrativs, das er nach seinen Alternativen erkundet und durch seine Interaktionen mit dem Interface performativ gestaltet. In einem bestimmten Sinne befindet er sich dabei beständig in actu, wobei die Ereignisse des Spiels nicht nur Ereignisse der Wahrnehmung sind, sondern auch von Handlungen und »Setzungen«, die wiederum im digitalen Entscheidungsraum des Spiels platziert und aus einer Anzahl von Wahlmöglichkeiten herausgelöst werden müssen. Man könnte

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Bei Super Nintendo, XBox, Sega Dreamcast, PlayStation usw. handelt es sich um spezialisierte Entertainment-Computer, an die ebenfalls DVD, MP3-Player, Kameras usw. angedockt werden können. Sie teilen Schnittstellen und digitale Technik und unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Bedienung und Bilderzeugung von Home-Computern.

Logik und Medialität des Computerspiels

von der sukzessiven Erzeugung eines kartografierten Raumes oder einer Topografie sprechen, worin sich allmählich eine Geschichte abzeichnet – eine Geschichte, die ebenso wohl eine »Spielgeschichte« bildet wie eine erlebte, und deren Konturen nicht minder topologisch zu beschreiben wären, wie die erspielte Verzweigung der »Wegelogik« auch. Kurz: Narration und Performation, Territorium und Karte sowie Bild und Raum fallen im Modus des Spielprozesses in jedem einzelnen Moment immer schon zusammen. Wir sind also mit einem genuin »digitalen« Medium im eigentlichen Sinne des Wortes konfrontiert – ein Medium, das sich allererst der »Logik« und den Potentialitäten des Digitalen verdankt, das ohne den binären Schematismus, seine Algorithmen und Techniken nicht existierte. Bestenfalls findet es seine analogen Vorläufer in unterschiedlichen Spielgenres und -generationen, die seit je besondere Beziehungen zum Mathematischen unterhielten, sowie in spezifischen literarischen und kinematografischen Verfahren, denen sich die Konstruktion und visuelle Erscheinungsform der Spiele entlehnt. Umgekehrt arbeiten Film, Video und auch Fernsehen inzwischen mit mannigfachen digitalen Strategien der Visualisierung wie Morphing oder Compositing, wie sie ebenfalls in naturwissenschaftlichen Bildgebungsverfahren Anwendung finden4 – doch bleibt die Digitalisierung im Sinne von Special Effects zumeist nur ein Supplement, das die Narration in Richtung explosiver Spektakel öffnet, ohne dass im eigentlichen Sinne ein neuer Raum entstehen würde. Demgegenüber behaupten digitale Spiele darin ihre Besonderheit, dass es kein Außerhalb des Digitalen gibt, dass vielmehr jedes Merkmal und Element auf eine digitale »Repräsentation« verweist, wie auch jeder Zug, jede Handlung und Reaktion eine digitale Entsprechung besitzen muss, um möglich zu sein. Auszugehen wäre daher von einer vollständig digitalisierten, d.h. auch mathematisch geordneten Welt. Jedes Spiel erzeugt dabei seinen eigenen Spezialkosmos. Gewiss ist dieser Gedanke nicht neu und liegt im Grunde auch auf der Hand; dennoch wird im Folgenden versucht, das, was zumeist nur gesondert und in Ansehung einzelner Gesichtspunkte wie Narrativität, Interaktivität, Ludik oder Bildlogik untersucht worden ist, in einen systematischen Zusammenhang zu stellen und zu einer einheitlichen »Medientheorie des digitalen Spiels« zu integrieren.5 Sie geht von drei basalen Paradigmen aus: Erstens von der digitalen Erzeugung audiovisueller Raumzeitlichkeit als zugrunde liegender »Welt«, zweitens von der digitalen Verknüpfung zwischen Performativität und Narrativität, wobei die jeweiligen »Erzählungen« spielbare Möglichkeiten darstellen, die durch singuläre Spielschritte oder -handlungen allererst generiert werden, drittens von der durchgängigen, dem digitalen Schema korrespondierenden entscheidungslogischen Grundlage des Spiels, die wiederum die beiden anderen Parameter mitbedingt: die raumzeitliche Welt als binäres Labyrinth oder Netz sowie die Reduktion der Spielzüge auf »hodologische« Navigationen und Wahlalternativen. Hinzu kommt als viertes Paradigma, das zwar nicht für alle Spiele gilt, allerdings in einem entscheidenden Maße für die spezifische Faszination und immersive Kraft vieler sorgt, die First4

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Vgl. dazu bes. Heßler 2006, sowie Mersch 2006a, 405-420, sowie Mersch 2005, 322-344. Zu den wenigen genuin medienwissenschaftlichen Untersuchungen zählen neben Wolf 2001, auch Wolf/Perron 2003, sowie Pias 2002.

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Person Perspektive.6 Sie trifft besonders auf Egoshooter zu, ist jedoch zunehmend auch für andere Genres erprobt; zudem lassen sich eine Reihe von Spielen in der dritten Person als abgeleitete First-Person Spiele verstehen, weil der Blick über die Schulter eines Avatars den eigenen Blick substituiert.7 Es gehört zu den hier vertretenen Thesen, dass mit der »Ersten Person Perspektive« die besondere Medialität digitaler Spiele gleichsam »zu sich« kommt, weil sie Subjektivität simuliert und einen ausgezeichneten Status in der Konstitution des spielenden Selbstbewusstseins besitzt. Die konsequente Verschmelzung von Blickrichtung, Erlebnisform und Identifikationsstruktur ist wiederum nur im digitalen Schema möglich, weil Identifikation »Interaktion« voraussetzt: im Film treten sie auseinander, selbst dort, wo die subjektive Kamera die Szene regiert, insofern das Performative als Bindeglied fehlt: der Held handelt für den Betrachter, der sich mit dessen Blick ausstattet und passiv konsumiert, seine Erlebnisse gleichwohl nicht über seine Entscheidungen steuert. Digital games, so Mark Wolf, »[are] the first medium to combine moving imaginary, sound, and real time interaction in one machine« (Wolf 2001, 5), ja alle vier Momente konstituieren mithin das, was die Einzigartigkeit digitaler Spiele erst ausmacht.

Medienanalyse I: Bild- und Raumstruktur

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Computerspiele zählen spätestens seit Ende der 1980er Jahre zu den digitalen Bildmedien; vorher operierten sie textbasiert oder grafisch. Die Bildtheorie bildet daher einen zentralen Baustein einer medientheoretischen Analyse digitaler Spiele. Legten davor Eingaben über den Texteditor die Adaption von Texttheorien nahe,8 haben erst die Entwicklung leistungsfähiger Grafikprogramme und entsprechender grafischer Oberflächen mit 2-D- und 3-D-Animationen unter Hinzufügung auditiver Elemente die Annäherung an filmische Effekte ermöglicht. Frühe Spiele aus den 1970er und 1980er Jahren wie Adventure, Zork (1980, Infocom) oder Larry (1987, Sierra On-Line) verfügten lediglich über räumlich starre und zumeist zweifarbige Oberflächen, die Figur und Hintergrund trennten, wohingegen seit Mitte der 1990er Jahre eine visuelle Grammatik zur Verfügung steht, die – wie bereits in Monkey Island (1990, LucasArts), Phantasmagoria (1995, Sierra On-Line) oder Half Life (1998, Sierra On-Line) – mit narrativen Intros, »Kamerafahrten«, Schnitt- und Montagetechniken sowie explizitem Einsatz von Filmmaterial geradezu »kinematographisch« arbeitet und für eine Theatralisierung des Spielgesche-

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Siehe Shooter wie DOOM (1993, id), QUAKE I-III (1996, Midway), HALF-LIFE (1998, Sierra On-Line), DARK FORCES (1995, LucasArts), DESCENT (1995, Interplay), WarGames wie BATTLEZONE (1980, Atari), MEDAL OF HONOUR oder Action-Adventureund Fantasy-Spiele wie MYST I-III (1993, Brøderbund), RIVEN (1997, Brøderbund), MORROWIND I,II (2002, Bethesda/Ubisoft). Z.B. die TOMB RAIDER-Serie, MAX PAYNE und die RESIDENT EVIL-Serie. Vgl. zur Geschichte des Computerspiels bes. Sullivan 1983, Mertens/Meißner 2002, Lischka 2002, Kent 2001a sowie Kent 2001b.

Logik und Medialität des Computerspiels

hens mit szenischen Effekten sorgt.9 Übersetzungen von Filmnarrativen ins Format der Spiele oder umgekehrt von Spielen in die Sprache des Films wie z.B. Tomb Raider (UK/D/USA/J 2001, Simon West), Resident Evil (USA 2002, Paul W. S. Anderson) oder House of the Dead (K/USA/D 2003, Uwe Boll) weisen zudem auf eine Konvergenz hin, die den imaginativen Filmraum und den simulativen Spielraum einander annähert und eine zunehmende Verschränkung der Ästhetiken beider Gattungen bewirkt.10 Dennoch ergeben sich jenseits solcher Oberflächenphänomene hinsichtlich der Tiefenstruktur der Bild- und Raumgenerierung im digitalen Spiel charakteristische Unterschiede: Wir haben es mit dynamischen »Raumzeiten« zu tun, deren Grundlage Simulationen sind (Atkins 2003, 138ff.), auch wenn sie einem mimetischen Realismus zu frönen scheinen.11 Simulationen bilden ausschließlich das Resultat von Algorithmen, die jeden Bildpunkt in jedem Augenblick allererst errechnen. Das gilt auch für jede Drehung oder Fortsetzung der Bewegung: Sie werden nicht im Programm gespeichert, sondern »in Echtzeit« erzeugt. Es gibt folglich auch keinen Außenraum, der durch die Bildaufnahme geschnitten würde, sodass jede Trennung zwischen On und Off entfällt, vielmehr ist das, was sichtbar »ist«, die Funktion einer mathematischen Konstruktion. Das hat zunächst zur Folge, dass Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Bild neu verteilt werden müssen. Sind Bilder grundsätzlich auf mehrfache Weise auf Unsichtbarkeit bezogen – als Bedingung ihrer Sichtbarkeit, als Ordnung ihres Zeigens, als »punctum« oder »Blickpunkt«, der das Sehen »anzieht« oder als Alterität, die anblickt (Mersch 2004) –, werden diese im »errechneten« Computerbild systematisch destabilisiert. So zerbricht die für Fotografie und Film kennzeichnende »Indexikalität«, die im Bild dessen Bezugsweise als »Spur« hervorbringt (Dubois 1998). Stattdessen bilden Indexikalität und Simulativität gegensätzliche Operationen: Das simulative Bild ahmt bestenfalls das Indexbild nach: Es zeigt keine »Spuren«, d.h. auch keine Schnitte durch ein entgegenkommendes Reales, 9

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Ohne Zweifel sind digitale Spiele vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten maßgeblich vom Film beeinflusst worden, wie auch umgekehrt in den letzten Jahren das Kino vom Computerspiel beeinflusst wurde. So konstatieren z.B. Designer wie Hideo Kojima, dass sie in Dekor, Stil und Visualisierung sich an das zeitgenössische populäre Kino anlehnen (vgl. Poole 2000, 78, ebenso Wolf 2001, 6). Dazu passt, dass sich das Themenmaterial digitaler Spiele hauptsächlich aus dem Horror-, Fantasy- und Science Fiction-Genre bedient. Es gibt darüber hinaus Games, die im Titel auf Filme anspielen wie STAR WARS (1982, Parker Bros.) und BLAIR WITCH PROJECT (2000, G.O.D.), wie auch umgekehrt die Adaptierung von Spiellogiken im Film wie THE FIFTH ELEMENT (USA 1997, Luc Besson) oder LOLA RENNT (D 1998,Tom Tykwer). Zu beobachten ist, dass inzwischen auch dieselbe Animationssoftware für Special Effects in Filmen und Spielen verwendet werden (vgl. dazu King/Krzywinska 2002, 20). Jüngere Spielproduktionen wie DIE SIMS (2000, Electronic Arts) kehren die Konstellation allerdings auf einer neuen Ebene noch einmal um und versetzen den Spieler in die Rolle des Regisseurs einer imaginären Soap Opera. Poole konstatiert, dass ein mimetischer Realismus gar kein »realistisches« Ziel des Game-Designs sein kann: »The lesson is that even with a whiz-bang maths programming, a video-game in important ways remain defiantly unreal […]. We don’t want absolutely real situations in videogames.« Und: »The physical systems that games can model so accurately, are never totally ›realistic‹.« (Poole 2000, 64)

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das die »Aufnahme« – ein Wort, das bereits die ganze Passivität des fotografischen und kinematografischen Aktes belegt – konserviert. Der Präsenzeffekt, den Bilder aufgrund ihrer »Logik des Zeigens« und des Fehlens der Negation gewöhnlich aufrufen (Mersch 2004, 2006), bleibt darum eigentümlich zweideutig: Wir haben es nicht mit »Gedächtnisbildern«, mit einer Ästhetik der Absenz, die die Gegenwart einer Abwesenheit bezeugt, zu tun, sondern allein mit der Ästhetik eines Gegenwärtigen, das auf nichts Anderes verweist als die Performanz des Spiels selbst. Das Unsichtbare ist dann nicht länger das Andere, Ausgeschlossene, das in Fotografie und Film buchstäblich im Rücken der Kamera bleibt, sondern das Künftige oder Konditionale, welches im Rahmen der Spiellogik allein im Modus ihrer Regelhaftigkeit und des Futur II vorkommt. Es hat den Status bloßer Möglichkeit. Das bedeutet auch, dass die Duplizität von – im phänomenologischen Sinne – »Bildobjekt«, das den Bildinnenraum erfüllt, und »Referentialität«, die den Bezugspunkt markiert, aufgrund der Mathematik der Programmstruktur als Identität besiegelt wird. Weder existiert darum ein nichterscheinender Raum neben oder hinter dem sichtbaren noch ein nicht programmierter, sodass die Totalität des Gegebenen durch die Gegebenheit des Spiels vollständig determiniert wird. Alle Räume sind deshalb Innenräume, auch offene Räume und Landschaften, zu denen immer nur eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten bestehen und begrenzte Richtungen wählbar erscheinen. Die weitere Konsequenz ist, dass Räume im Spiel prinzipiell endlich bestimmt sind – auch die vermeintlich unendlichen: sie bilden eine Funktion digitaler Raumerzeugungen, die in charakteristischer Weise auf Modulen und Ähnlichkeitsreihen aufbauen. Konstruiert werden sie auf der Basis von Repetitionen und »Faltungen«, sodass iterative oder rekursive Räume entstehen, die sich in stereotypen Landschafts- und Innenraumbildungen niederschlagen, einzig abgemildert durch Randomisierung und algorithmische Transformation.12 Offenbar gehört das Prinzip der Wiederholung – wie auch die Steigerung von »Levels« – zum System »Spiel«, das in Filmen kein Korrelat findet, weil es der Ordnung des Ludischen selbst entstammt. Die mediale Differenz folgt so der »logischen«: Digitale Spiele fußen, wie alle Spiele, auf einer inskribierten Dramaturgie des »Fort-da«, welche sich insoweit in der Gestaltung von Innen- und Außenraumstrukturen spiegelt, als diese durchweg klaustrophobische Phantasmen aufzurufen scheinen. Bevorzugt tauchen Schwellenorte wie Gänge, Brücken, Fahrstühle, Treppen, Zwischenräume oder Eingänge und Ausgänge usw. auf, wie die Navigation durch räumliche oder landschaftliche Irrgärten überhaupt ein wesentlicher Anteil der Spiele wie Doom (1993, id), Dark Forces (1995, LucasArts), Stonekeep (1995, Interplay) oder Tomb Raider (1996, Eidos Interactive) u.a. ausmacht. Sie sind mit Verzweigungen als topologische Äquivalente digitaler Entscheidungssituationen assoziiert, insofern Bewegungen im Raum entscheidbaren Formaten folgen müssen, wie sie klassischerweise im Labyrinth vorliegen. Das gilt auch für offene Räume: Labyrinthische Kartierungen bilden das privilegierte Raumschema digitaler Spiele; sie sind allerdings das genuine Produkt von Programmstrukturen, keine Herleitungen 12

Die Form des ›Sequels‹ – der Fortsetzung als Wiedererzählen – zeugt auch im Bereich des Films vom Einbruch des neuen Genres, das mit Techniken des Computerspiels durchaus verwandt ist.

Logik und Medialität des Computerspiels

aus dem Grundtypus des Mazegames. Sie folgen darum auch keinem eingeschriebenen narrativen Schema oder einer symbolischen Ordnung, vielmehr gehorchen sie der binären Logik der Spielabläufe selber, von denen noch zu sprechen sein wird, sofern sie Orte auszeichnen müssen, die Richtungs- und Wahlmöglichkeiten zulassen und worin sich Topologie, Narrativ und Digitalität treffen. Die These ist daher, dass sich im Spiel die Modi der Narration und Performation genau an jenen Stellen berühren, an denen im Spielaufbau die labyrinthischen Verzweigungen und Schwellenorte eine entscheidungslogische Dramatik der Handlung induzieren. Damit hängt, als dritte Konsequenz, zusammen, dass das mathematische Konstruktionsprinzip der Räume im Spiel der Karte entspricht.13 Durchweg dominiert, trotz gelegentlicher Verwendungen von Möbiusschleifen u. Ä., die klassische euklidische Projektionsgeometrie sowie die Gesetze der Zentralperspektive, die, wie die Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, auf Rasterungen aufbauen, denen ein Koordinatensystem implementiert ist, worin jeder Punkt eindeutig bestimmt werden kann. Basierten dabei Spiele der mittleren Generation noch auf einfachen Darstellungen im Guckkastenprinzip oder zyklischen Räumen mittels Euklidischem Torus, werden die Raumbilder neuerer Spiele vor allem »gemapped« und »gemorphed«, wobei hauptsächlich drei Verfahren zur Anwendung kommen: Überlagerung bzw. Schachtelung von Flächen, Raytracing, d.h. der Aufbau von Bildstrukturen durch lineare Treppenfunktionen, sowie Polygon-Modellierungen, deren Grundfiguren approximativ geglättet und »gerendered« werden. Hinzu tritt eine Modellierung von Schattenwürfen zur Gestaltung plastischer Wirkungen.14 Ausschließlich handelt es sich dabei um mathematische Verfahren, die in Oberflächen 3-D-Effekte grafisch eintragen. Sie erweisen sich auf Routen bezogen, sodass die Raummodelle grundsätzlich »hodologisch« geordnet sind,15 deren »Wegeorientierung« Verlauf, Bewegung und Zeitachse der Spiele präjudizieren. Das visuelle Format der Spiele gehorcht demnach einer diskreten Grafik, die ihre Ästhetik zuletzt dem Comic angleicht, das von der Kontur ausgeht und dem Dargestellten etwas Kulissenhaftes verleiht. Virtuelle Welten erscheinen darum der Realität gegenüber stets defizitär: Notwendig bleiben ihre Modellierungen auf grafische Lösungen beschränkt und stehen damit im klassischen Streit zwischen disegno und colore immer schon auf der Seite des disegno. Privilegiert dieses die Form, hat es jenes mit Materialitäten zu tun, die sie zwar nicht erreichen, wohl aber durch Dicke, Farbstrich und Interaktion zwischen Farbton und Material anempfindbar zu machen vermögen. Wir sind demnach mit einem entscheidenden Bruch in der Raumwahrnehmung konfrontiert, der sich medientheoretisch von jeder vorhergehenden Mediatisierung des Räumlichen abhebt. Tatsächlich haben wir es nicht länger mit repräsentationalen Räumen zu tun, auch nicht mit mimetischen, die ihr »Vor-Bild« im Realismus besitzen, sondern mit hypothetischen und experimentellen, deren Verwechslung mit realen Räumen unmöglich ist. Weil in ihnen »alles« denkbar ist und zustoßen kann, fehlen die entsprechenden Relationen, die ihre Lesbarkeit in Richtung des eigenen Körpers sichern. Raumorientierung bedeutet, sich auf »Orte« beziehen zu können, deren Bezugsform in leiblichen Erfahrungen wurzeln; 13 14 15

Vgl. zur Raumkonstruktion im Computerspiel auch Funken/Löw 2002. Vgl. Wolf 2001, 67ff., ferner Baxandell 1998, 47ff., sowie Heintz/Huber 2001. Vgl. dazu insbesondere den Beitrag von Stephan Günzel in diesem Band.

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im Spiel operieren wir stattdessen körperlos – nur der Blick induziert körperliche Effekte wie Schweiß, Schwindel und dergleichen. Der Raum zeigt sich dann nicht in seinen unterschiedlichen Facetten; er wird nicht eigentlich »erfahren«, ist nicht »beseelt«. Entsprechend beziehen wir uns nicht auf eine Versammlung von Orten, sondern auf Karten, deren Lesbarkeit sukzessive mit dem Fortschritt des Spiels entsteht. Das hat umgekehrt zur Folge, dass jede Grenze im Filmischen oder Fotografischen, wie sie durch den Blickpunkt der Kamera terminiert ist, schwindet: Simulationsbilder vermögen mit variablen Augenpunkten zu spielen und damit ganz neue Freiheitsgrade und eine andere Kontrolle über den Raum zuzulassen. Dann erscheint die Raumzeit nicht nur fiktional gegeben, sondern der performativen Aneignung und Beherrschung durch den Spieler übereignet, dessen Entscheidungen mit dem interagieren, was die Programmstruktur gestattet. Blieben frühere Spiele wie Flugsimulatoren und Autorennspiele als formale Vorläufer der Egoshooter wie z.B. die Automatenspiele Pitstop (1983, Epyx) oder Pole Position (1982, Namco/Atari) oder auch das Star Wars-Flugspiel Rebel Assault (1993, LucasArts) einzig auf gerichtete Bewegungen, wie sie filmische Raumerfahrungen und die »subjektive Kamera« lehrten, reduziert, entfallen solche Restriktionen bei neueren Versionen durch die Möglichkeit von nahezu 360°-»Schwenks«.16 Ihnen verdankt sich gleichzeitig der spezifische Aktionscharakter der Spiele sowie jene szenische Bildstruktur, die ein eigenes »raumzeitliches Bilderleben« in »Echtzeit« und der »Ersten-Person-Perspektive« evoziert, von denen im Folgenden zu handeln sein wird. Doch steht dem die vorgeschriebene Handlungslogik entgegen, denn was an Bewegungs- und Blickfreiheit erkämpft wurde, wird durch die Einseitigkeit der Aktionsmöglichkeiten wieder genommen. Denn der Raum kann nur dadurch entdeckt werden, dass er navigierend durchlaufen und erforscht wird. Aktion und Narration konvergieren im Wesentlichen in Navigationen, mehr nicht.

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Dennoch ist der Spieler eines digitalen Spiels ganz anders »im Bild« als der Zuschauer eines Films: Er ist, gerade durch die Chancen einer Modellierung von »Erste-Person-Perspektiven«, mit seinen Handlungen selbst involviert, statt dass er einer Erzählung beiwohnt und sie verfolgt. Ein Großteil der spezifischen Immersivität des Spiels wird auf diese Weise produziert: Nicht so sehr entscheidet die Illusionskraft der Darstellung, auch nicht die Erfüllung der Regeln oder die Lösung gestellter Aufgaben, sondern vor allem die Tatsache der »Blicksouveränität«. Sie unterscheidet sich von anderen Systemen skopischer Kontrolle wie IMAX, Full16

Erst technische Innovationen wie IMAX oder Fulldomes sowie ästhetische Neuerungen in Filmen der 1990er Jahre wie THE MATRIX (USA 1999, Andy Wachowski/ Larry Wachowski) und FIGHT CLUB (USA 1999, David Fincher) brachen mit diesem Prinzip und folgten auf diese Weise den Innovationen des Video- und Computerspiels. Umgekehrt wäre allerdings dem Mythos der Bewegungsfreiheit in Computerspielen entgegenzuhalten, dass sie durch die algorithmischen Vorgaben, etwa der Menge, über die sie definiert sind, begrenzt werden, sodass jedes Spiel »unbetretbare Ränder« aufweist. Vgl. dazu den Schluss dieses Beitrags.

Logik und Medialität des Computerspiels

domes oder Caves, weil sie auf der direkten Steuerung durch den eigenen Blick basiert. Konsequente »Erste-Person-Perspektiven« existieren mit Battlezone (1980, Atari) allerdings erst seit den 1980er Jahren, als Echtzeitspiele seit ca. 1990; nahezu alle Grafikspiele vorher waren in einer Dritten-Person-Perspektive oder, wie das Text-Adventure Zork (1980, Infocom), in einer Zweiten-Person-Perspektive modelliert.17 Kaum ein Action-Adventure-Spiel, das nicht heute wiederum im Modus der Ersten Person oder zumindest eines sublimierten »Blicks über die Schulter« operiert, und was geschieht, hängt, abgesehen von der Programmstruktur des Spiels, in entscheidendem Maße von den Aktionen des Spielers selber, seinen Interventionen und seiner Neugierde ab (Wolf 2001, 3).18 Daher katapultiert ihn die »Erste-Person-Perspektive«, anders als die klassischen audiovisuellen Medien, in eine Sonderwelt des Spiels als Raum seiner Intentionen und macht ihn von Anfang an zu einem Teilnehmer, einem Kollaborateur der Szene und ihrer Ereignisse. Sie erlaubt ihm, den Raum frei zu betreten, sich zu orientieren, Wege zu verfolgen, zu kämpfen, z.T. auch zu kommunizieren. D. h. auch: »Ich« bin zugleich Subjekt und Objekt des Spiels und seiner Welt als »meiner« Welt.19 Deswegen erscheint die »Erste-Person-Perspektive« maßgeblich für die Installation immersiver Effekte: Sie errichtet ein skopisches Regime und bringt damit das hervor, was Jay D. Bolter und Richard Grusin eine »mediatisierte Unmittelbarkeit« genannt haben – eine Second-order presence.20 Diese folgt der von Sigmund Freud analysierten »Skopophilie«, die das Phantasma optischer Herrschaft aufruft. Sie induziert die Illusion, dass wir selbst es sind, die in ein virtuelles Ambiente eintauchen und handeln – ungeachtet der Restriktivität der Handlungen selber, die lediglich dem schmalen Ausschnitt präformierter Regeln gehorchen und nicht Beliebiges zu tun gestatten. Das gilt vor allem für Dialog und Sprache, die in allen Spielen extrem stereotypisiert erscheint, wie auch die Aktionstypen selber, die durch die Rahmenerzählung vor allem auf die Möglichkeiten des Navigierens beschränkt bleiben.21 Nicht also die Identifizierung von actio und Spielzug ist für die Erste-Person-Perspektive wesentlich, sondern Optik und Bildsteuerung im Sinne 17

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Zur Modellierung von First-Person Perspektiven vgl. vor allem Wardrip-Fruin/ Harrigan 2004. Tatsächlich unterscheiden sich beide Perspektiven nur wenig, auch wenn die »Erste-Person-Perspektive« »unmittelbarer«, »eindringlicher« erscheint: »Overthe-shoulder views and first-person perspectives soon brought players down into the action, involving them more in the game visually […].« (Wolf 2001, 111, Anm. 6). Der springende Punkt ist damit, dass »Erste-Person-Perspektiven« gleichsam erlauben, sich selbst als Schauspieler in einer kinematischen Umgebung zu fühlen, d.h. nicht nur Spieler zu sein, sondern vor allem Mitspieler, der eine Rolle in einem Abenteuer einnimmt: »The player can, at one remove, ›become‹ the central figure in a cinematic environment […]« (King/Krzywinska 2002, 4). Vgl. Bolter/Grusin 1999, 98. Kommunikation i.S. echter Reziprozität markiert die wesentliche Grenze der »Erste-Person-Perspektive« im Spiel, weil sie Alterität voraussetzt. Kämpfe sind zu gewissem Grade modellierbar, weil sie auf formalen Dialogzügen, d.h. im wesentlich auf mechanisierbaren Aktionen fußen und damit einen Reduktionismus erlauben. Daher die Auszeichnung des Shooters sowie, in Action-Adventures, des szenischen Kampfes mit wählbaren Waffen.

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des Phantasmas, selbst Handelnder zu sein und ins Geschehen verwickelt zu sein und eingreifen zu können. Doch wird diese Freiheit überall regiert durch den Blick – ja, sie bildet im Grunde nichts anderes als den phantasmatischen Spiegel einer obsessiven Blickfreiheit. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Blickfreiheit stets auf einen Punkt zielt, dass sie – paradigmatisch bei Egoshootern – die Beobachtung der Welt auf jenes Zentrum reduziert, wo sich Fluchtpunkt und Blicklinie mit dem Gewehrlauf verbinden und damit die Gleichung von Sehen und Schießen zieht. Das skopische Phantasma erlaubt keine Streuung, bestenfalls die Ausspielung einer ungehemmten Macht- und Souveränitätsphantasie. Gleichwohl fällt Egoshootern wie auch anderen »First-Person-Games« insofern ein analytischer Sonderstatus zu, als sie philosophisch an die Erfahrung des Selbstbewusstseins rühren.22 Sie wird im Bild als Einheit von Optik, intentionaler Ichhandlung und Spielhandlung imitiert. Spielentscheidungen werden zu »je meinen« Entscheidungen, die gleichzeitig im Spiel »reale« Konsequenzen zeitigen. Sie verweisen damit auf die Reziprozität von Intentionen, auf Korrektur und Reaktion, die insoweit der »Autorität der ersten Person« obliegen, als nur »ich« Auskunft über »meine« Absichten und deren Bedeutung zu erteilen vermag, ebenso wie nur »ich« ihnen im Kontext des Spiels einen Sinn zu geben vermag und Verantwortung für ihre Folgen übernehmen kann.23 Der Zusammenhang schlägt auf das zurück, was in Anlehnung an den allgemeinen Erfahrungsbegriff als spezifische Spielerfahrung bezeichnet werden kann und systematisch mit Lernprozessen sowie der Konstitution »erzählbarer« Geschichten verbunden ist, die immer auch eine Funktion nachträglicher Rekonstruktionen darstellen: »Ich« reagiere auf »mein« Gesehenes wie auf die Spielsituation, entscheide in »meiner« Welt wie auch der Welt des Spiels und vollziehe dadurch buchstäbliche »Er-Fahrungen« durch die »Fahrt« der Ereignisse, die mir den Ariadnefaden rudimentärer Narrative an die Hand liefern, die »ich« Zug um Zug zu einem komplexen Gedächtnisgewebe verdichte und dadurch erst ihre »Erzählung« entstehen lasse. Deshalb genießen »Erste-Person-Perspektiven« in Bezug auf Handlungen sowie die Prozesse der Bedeutungskonstitution einen ausgezeichneten Status: Sie lokalisieren jede Station und jedes Erlebnis im Rahmen von Performativität und spinnen so kontinuierlich am »Text« des Spiels fort. Zwar kann dies in gewisser Hinsicht für jede Praxis der Rezeption, auch für die literarische Lektüre oder Filmsehen, reklamiert werden, doch bleibt gewöhnlich eine Kluft zwischen Geschehen und Bildlichkeit, die hier sukzessive entfällt. Als intentionslogische Konsequenz »Erster-Person-Perspektiven« folgt daher vor allem eine symmetrische Konstruktion, die in Ansehung der Spiele überhaupt nahe legt, auf den Begriff der Rezeption zu verzichten. Denn nicht länger handelt es sich um Zuschreibungen oder Interpretationen, sondern um den Vollzug von Navigationen sowie der Erfüllung von Aufgaben oder Rätsellösen und andere Regelanwendungen, die Verstehen systematisch durch Erlebnis ersetzen. Die sprachanalytische Dis22 23

Vgl. Chisholm 1992, Castañeda 1982. Zum Überblick vgl. Frank 1996. Atkins macht allerdings geltend, dass »Erste-Person-Perspektiven« keine Simulationen von Subjektivität darstellen: »Ich« bin zwar eine Kamera, aber es ist keine Verwechslung mit Realität möglich: Ich bin zugleich im Spiel. Trotz aller realistischen Animation werden wir darum nicht getäuscht (Atkins 2003, 16f., 78ff.).

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kussion der »Autorität der ersten Person« wäre auf diese Weise auf die bildlogische Ebene zu übertragen: Was die Ästhetik des späten 19. Jahrhunderts privilegierte, nämlich das ästhetische Erleben als unmittelbare Anschauung, realisiert sich im Modus von skopischer Handlung, die zugleich im Virtuellen situiert ist. Und soweit Handlung und Reflexion die Tendenz besitzen auseinanderzutreten, hebt sich die ästhetische Differenz, die Erfahrung als Reflexion garantiert, zugunsten des bloßen Subjektivismus der Erlebniskategorie auf. Die meisten Spiele setzen deshalb auf Reaktion und Schnelligkeit: Sie müssen instantan erfolgen und verlangen kein Verständnis der Szenen oder Geschichten. Indem darüber hinaus die Raumzeit vor dem Bild mit der Raumzeit im Bild verschmilzt und der subjektive Erlebnisraum mit dem wahrgenommenen Bildraum in eins fällt, handelt es sich immer um mein Erleben und meine Reaktion. Die »Erste-Person-Perspektive« lässt folglich jeden Abstand schwinden und löscht die Möglichkeit von Reflexivität als Bedingung für Verständnis und »Wissen« aus. Die einzigartige Suggestibilität digitaler Spiele, ihr Sog und »Abrichtungseffekt« wie auch die strukturelle Angleichung des »Players« an die Maschine hat mit diesem egologischen Primat zu tun. Gerade auch deswegen muss von Erlebnissen ohne Emotionen gesprochen werden. Im Gegensatz zur Ästhetik-Diskussion der Jahrhundertwende, für die der Erlebnis-Begriff immer mit dem Gefühls-Begriff verquickt war, spielen Gefühle in Spielen nur eine untergeordnete oder eingeschränkte Rolle: Sie lassen hinsichtlich der Figuren unberührt, binden bestenfalls ans Spiel oder verstärken klaustrophobische Beklemmungen und Angstreaktionen. Anders als Filme, Fotografien oder Literaturen referieren sie nicht auf den Kreis von Sympathie und Empathie; sie rühren nicht zu Tränen, lösen keine Leidenschaften aus, verführen nicht oder zeitigen keine melodramatischen oder kathartischen Effekte.24 Zwar lernt das Design digitaler Spiele zunehmend von den Konventionen der Atmosphärenregie im Kino, doch sind der Funktion von Emotionalität gerade aufgrund der »Logik des Spiels« enge Grenzen auferlegt. Das liegt vor allem daran, dass die Spieler ausschließlich auf programmierte Avatare treffen: Artifizielle Figuren mit extrem reduktiven Charakterzügen, die zwar wie aus dem Musterkatalog eines schwarz-weiß denkenden Fantasy geschnitten scheinen, gerade dadurch aber inflexibel wirken. Charaktere beruhen weder auf differenzierbaren Fähigkeiten, die ihre Funktionen im Spiel erklären, noch auf einem inkorporierten System von Unterscheidungen, vielmehr entwickeln sie sich. Stattdessen erscheinen die Figuren im Spiel durch ein Ensemble wohl definierter Alternativen determiniert, die ihren Aktionskreis festlegen. Sie verhalten sich nicht, sowenig wie sie durch Denken, Empfinden oder Tugenden bestimmt sind. Darum respondieren sie auch nicht, noch agieren sie eigentlich spröde, aufmerksam, faul, begehrend, abweisend, stumpf, zärtlich, neurotisch, offenherzig und großzügig oder alles zusammen – nirgends geben sie sich gelegentlichen Ambiguitäten hin, vielmehr handeln sie ausschließlich logisch.

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Eine ungeklärte Rolle im digitalen Spiel spielt überdies die Funktion des Imaginären. Offenbar ist die Evokation der »Erste-Person-Perspektive« wichtig für die Produktion von Imagination, doch hat diese bestenfalls Platz im Rahmen der Erzeugung des Narrativs und seiner Kohärenz, nicht jedoch in der eigentlichen Logik des Spiels.

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Medienanalyse III: Narrativität, Interaktivität und Performativität Aufbau und Entwicklung von Narrativen erweisen sich daher in digitalen Spielen als äußerst stereotyp – und die Frage ist, ob sie nicht stereotyp sein müssen, um das Spiel als Spiel allererst zu erfüllen. Wird die Konstitution von Narrativen in Literaturen und Filmen maßgeblich durch Bild- und Dialogstrukturen vollzogen, erscheinen diese in den Games vorprogrammiert, gerade weil sie einer Entscheidungssyntax folgen müssen. Dadurch zeichnen sich nichtpathische Narrative ab, die einzig auf der Logik von Spielzügen fußen, die stets Regelzüge sind. Keine Spielfigur eignet sich entsprechend zur Identifikation, wie sie für reziproke Kommunikationshandlungen bestimmend sind: Wir gehen mit Spielfiguren anders um als mit einem Gegenüber, das »Alterität« besitzt, weil wir sie als Figuren setzen. Aus diesem Grunde ist auf das durchgängig »ludische« Format der Games bestanden worden: Weder Beschreibung noch Fiktionalität oder Deigetik sind entscheidend, sondern vor allem die Ausführung teleologischer Handlungen.25 Die Differenz zwischen »Erfolgspraxis« und »Verständigungspraxis« kommt hier zum Tragen:26 Im Unterschied zu narrativen Formaten dominieren denn auch nicht Personen, Szenen und erzählbare Plots, sondern Regeln, Strategien und spielbare Settings. Bekannt sind die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen »Narratologen« und »Ludologen«,27 die die Theorie digitaler Spiele bis zur Feindseligkeit beherrschten und die zwischen textorientierter Lektüre und Analyse der zugrunde liegenden »Story« sowie ihrer quasi-kinematografischen Realisierung einerseits und dem am Lustprinzip orientierten Spiel andererseits oszillierten. Dabei wird die Struktur des digitalen Spiels zumeist unter dem irreführenden Titel der »Interaktivität« diskutiert – irreführend vor allem deswegen, weil ludische wie auch digitale »Interaktionen« nichts anderes als Dialoge mit einer »Maschine«, d.h. mit Programmen

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Ein typisches angelsächsisches Missverständnis in der Diskussion um die Logik von Spielen ist die Unterstellung, dass diese notwendig auf zielorientierten Handlungen beruhten (etwa Wolf 2001, 105ff.). Zwar gilt dies für Gewinnspiele oder auch fürs Rätsellösen, dennoch handelt es sich nicht um ein konstitutives Merkmal, nicht einmal von digital games. Zielorientierung verfehlt vielmehr den Punkt: Viele News-Games im Internet sind beispielsweise nicht zu gewinnen oder zu verlieren, sondern heben auf den sekundären Effekt der Reflexion ab. Darüber hinaus wäre der Zusammenhang zwischen Spielen und Ritualen zu diskutieren, die eher über repetitive Strukturen der Einübung und Initiation verlaufen. Vgl. vor allem Habermas 1976, sowie Habermas 1981. Der Status der Narrativität ist der z.Zt. am heftigsten diskutierte Punkt in Bezug auf die medialen Strukturen des Computer- und Videospiels. Stehen auf der einen Seite jene, die einen mehr oder weniger narratologischen Standpunkt vertreten und digital games als fiktionale Genres bzw. Medien bezeichnen wie Atkins 2003, Murray 1997, stehen auf der anderen Seite radikale Opponenten wie Eskelinen 2001, Juul 1999. Dass digitale Spiele narrative Strukturen aufweisen, beweist allerdings schon die Möglichkeit ihrer Adaptierung durch den Film wie SUPER MARIO BROS. (Game 1985, Film 1993), STREET FIGHTER (Game 1987, Film 1994), MORTAL COMBAT (Game 1992, Film 1995), WING COMMANDER (Game 1990, Film 1999) sowie TOMB RAIDER (Game 1996, Film 2001).

Logik und Medialität des Computerspiels

und Interfaces sein können.28 Jede Kommunikationsmöglichkeit erweist sich als ebenso computergeneriert wie computerkontrolliert und damit auch restringiert. Es handelt sich um Kommunikationen ohne Respons und Wechselseitigkeit, doch muss bedacht werden, dass sie allein in der Syntax des Spiels und seiner präfigurierten Rollen- und Antwortmöglichkeiten fundiert sind (Poole 2000, 120ff.). Darum kann keine Figur in einen Dialog verwickelt werden, weil kreative oder überraschende Reaktionen strukturell nicht implementierbar erscheinen – notwendig bleiben sie unterhalb von Autonomie und Freiheit einem entscheidungslogischen Schematismus verhaften. Das spezifische Profil des Mediums Computerspiel wäre dann von »kommunikativen« bzw. symbolischen Medien wie Literatur und Film zu trennen:29 Das Prinzip des Spiels erscheint nicht inhaltsbezogen in dem Sinne, dass seine »Figuren« und deren Manöver etwas sagten, sondern sie bilden »Spielsteine« (calculi) oder austauschbare Marken, die nicht für etwas stehen, sondern manipuliert werden und darin durchgängig zweckhaft bleiben. Ludwig Wittgenstein hatte zudem am Paradigma des »Sprachspiels« die Regel und das Regelfolgen als Kennzeichen aller Spiele betont, ohne damit allerdings präjudiziert zu haben, dass Regeln nicht auch ad hoc erfunden oder variiert werden können oder dass »alles« am Spiel durch sie festgelegt sei.30 Wo aber nach präzisen Regeln gespielt wird, erweisen diese sich als »strikt« – Fehler oder Abweichungen bedeuten, mit der Systemgrundlage des Spiels zu brechen oder ein anderes Spiel zu spielen. Regeln gleichen daher Präskriptionen; ihre Normativität hängt nicht an inhaltsbezogenen Werten, sondern an der »Unerbittlichkeit« ihres Gebrauchs, der Forderung, nur so und nicht anders zu verfahren. Die gleiche Unerbittlichkeit spiegelt sich in den Programmstrukturen digitaler Spiele wider. Sie erlauben nur bestimmte Züge – Brechungen oder alternative Ausführungen sind – logisch – unmöglich, insofern sie auf mathematischen Algorithmen fußen, die ausschließlich dem Maschinensystem und seinen automatischen Anweisungen folgen. Das bedeutet nicht, dass Spieler als Akteure sie nicht gegenläufig oder regelwidrig gebrauchen können – Trickjumping, Ausnutzung von Programmlücken und -fehlern oder die Produktion von MachinimaFilmen zeugen davon (Wehn 2004). Schließlich geben die Regeln die Weise ihrer Anwendung nicht vor, insbesondere nicht die Weise ihrer Rekursion oder »Hintereinanderausführung«, ihrer Auswahl aus einem Set von Möglichkeiten oder ihre Verwendungsart und dergleichen mehr. Diese bilden vielmehr das Resultat von Strategien und Taktiken, deren Entwicklung der eigentliche Reiz des Spiels aus-

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»Interaktivität« ist tatsächlich die meistgebrauchte Merkmalszuschreibung für digital games (vgl. Wolf 2001, 85, 91, 93ff.). Ausgegangen wird dabei meist von einer Opposition zwischen Narrativität und Interaktivität, wobei üblicherweise die Differenz zwischen »game-playing« und »film-viewing« gezogen wird. Allerdings enthält der Begriff der »Interaktivität« nach Aarseth eine Reihe von problematischen Konnotationen (vgl. Aarseth 1997, 48). Klar ist darüber hinaus, dass die Simulation von Interaktivität im Sinne echter Reziprozität, trotz aller Implementierung von KI, weiterhin unmöglich bleibt. Der Ausdruck »kommunikativ« steht hier für alle Sinn erzeugenden Formate. Dazu gehört auch die Produktion von Metaphern ebenso wie der Gebrauch von Fiktionen. Vgl. Wittgenstein 1971, §§ 54ff., 69ff., 81ff., bes. 84, 100.

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macht, weil sie der Klugheit (phronesis) entspringen, deren Grundzug der »List« sich mit dem klassischen Begriff der techné verbindet. Odysseus wird in dieser Hinsicht von Homer als der »Listenreiche« bezeichnet: Er ist gleichsam der Spieler auf dem Parkett der Kriegsschauplätze, dessen Irrfahrten, dem Labyrinth analog, nur durch »Überlistung«, d.h. der Fortführung des Spiels auf anderem Terrain zu bemeistern ist. Es ist kein Zufall, dass viele Action-Adventure-Spiele einer umgekehrten Odyssee gleichen, die nicht zurückkehrt, sondern fortschreitet: Auch dort die Fabelwesen, die gefährliche Fahrt, der Verlust der Gefährten und die Einsamkeit des Helden, der, vor das endgültige Ziel gestellt, noch einen letzten Sieg zu erringen hat. Kurz: Teleologie, Regelhaftigkeit und Strategie bilden die konstitutiven Merkmale des Spiels, wenn auch nicht notwendig aller Spiele, so doch zumindest der programmierbaren, mathematischen, d.h. auch digitalen. Alle drei Begriffe verweisen dabei auf deren genuinen Aktionscharakter: Die Quintessenz hier ist, dass Spielschritte auf performativen Praktiken beruhen, wie sie John L. Austin mit den Modi der Illokution und Perlokution, des »Indem« (in saying) und »Dadurch-dass« (by saying) diskutiert hat (Austin 1972, 135f.). An Spielen ist freilich eine besondere Art Performativität auffällig: Sie müssen, immer entlang von Entscheidungen, »spielend«, d.h. testend, experimentierend, wiederholend und neu ansetzend usw. vollzogen werden. Ihr Modus ist der der Probehandlung, des »Als ob«, der fiktionalen Virtualität, die von Folgen entlastet bleibt. Anders ausgedrückt: Spiele realisieren sich, indem man spielt, und indem man spielt, handelt man nicht verantwortlich – das Spiel »verspricht (sich) nicht«, sondern ereignet sich im buchstäblichen Sinne »konsequenzlos«. Deswegen haben Espen Aarseth und Jesper Juul auf die mediale Autonomie digitaler Spiele bestanden: »[A]dventure games are not novels at all. The adventure game is an artistic genre of its own, a unique aesthetic field of possibilities, which must be judged on its own terms.«31 Ihre Analyse erfordert folglich einen eigenen Zugang sowie einen abstrakten Formalismus, der die basalen Ordnungsstrukturen der Spiele unabhängig von ihren narrativen Elementen erkundet und deren Kategorien Aarseth und Juul vorzugsweise der strukturalen Linguistik entlehnten. Erneut wird nicht nur die Verwandtschaft zwischen Spiel und Sprache, sondern auch umgekehrt zwischen Sprachprozessen und digitalen Codierungen sichtbar. Doch wird, wo strukturalistische Perspektiven dominieren, der Grundzug des Performativen verfehlt, der vor allem in seinem Setzungscharakter liegt.32 Im Spiel beruht er auf der Setzung von Figuren nach Regeln. Sie folgt wiederum aus der Entscheidung, die der Pragmatik der Regeln und den »phronetischen« Strategien der Regelanwendung gehorcht. Ihr Korrelat ist der Schalter, die Tastatur, der Mouseclick. Tasten, Schalter, Hebel sind überhaupt Signaturen einer elektronischen Macht, die sich im binären Schema von Digitalität wiederholen: »Ich drükke, also geschieht«.33 Erneut wird das Phantasma von Souveränität aufgerufen: Wo 31

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Aarseth 1997, 106f. Ebenso Eskelinen/Tronstad 2003. Eskelinen hält zudem narrative oder kinematische Aspekte digitaler Spiele für strikt sekundär – »just uninteresting elements or gift-wrapping to games« (Eskelinen 2001). Zum Setzungscharakter vgl. Mersch 2002, Mersch 2004. Vgl. in diesem Band auch den Beitrag von Matthias Bickenbach.

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per Klicken oder Tastendruck eine Welt entsteht oder untergeht, regiert der Anspruch technischer Herrschaft. Er aktiviert oder deaktiviert die Programme und schreibt erst damit fort, was Henry Jenkins im Spiel das »embedded narrative« nannte.34 Narrative sind im Spiel Funktionen des entscheidungslogischen Regimes von Performativa, wie es im nächsten Abschnitt genauer untersucht wird, das sich jedoch zugleich als instrumentelles Regime dekuvriert. Es bietet den Schlüssel für die performative Semantik der Spiele – der erspielten Narration wie ebenso der narratologisch relevanten Spielentscheidung als virtueller Handlung.35 Wir sind folglich mit dem konfrontiert, was Geoff King und Tanya Krzywinska »Emergenz« genannt haben, »constructed in the mode of the play itself« (King/Krzywinska 2002, 23). Narrativität im Spiel bedeutet also nichts Vorliegendes, kein rekonstruierbarer Plot, sondern eine Serie von Ereignissen, die je und je aus den performativen Spielzügen und -entscheidungen entstehen, und dabei nirgends ihren Möglichkeitscharakter – die Tatsache, dass sie stets auch anders sein könnten – abzustreifen vermögen . An dieser Stelle ergibt sich die Nahtstelle zwischen Ludik und Narrativik, die den Streit zwischen Ludologen und Narratologen glättet, weil ins Design der Spiele selbst schon narrative Muster einmontiert sind, die der Spieler, den Regeln folgend, potenziell realisiert, wobei freilich immer die spezifische Verkettung zwischen Erzählbarkeit und Spielbarkeit zählt.36 Narrative nehmen somit bereits auf der Stufe der Algorithmen einen wichtigen Platz ein, so jedoch, dass sie durch die individuelle Praxis des Spielers auf ständig neue und andere Weise erzeugt werden, mitunter sogar scheitern.37 Dazu gehört ebenfalls die Verfehlung: Der Spieler kann sich im Kreis bewegen, sich verlieren und damit die Chancen zu einer angemessenen »Geschichte« buchstäblich verspielen; doch was immer er tut – worauf es ankommt, ist gleichsam eine Art »Pfaderzeugung«, wofür Espen Aarseth den Ausdruck »Ergodic« geprägt hat (Aarseth 1997, 4), dessen »Werk« aus der Entdeckung von »Wegen« besteht, worin der Spieler tendenziell selbst zum Autor, zum »Mitschreiber« oder Mitgestalter wird. Digitale Spiele verfahren insofern ergodisch, 34

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Fuller/Jenkins 1995. Dazu passt ebenfalls, dass mittlerweile Literaten und Drehbuchautoren das grundlegende Storyboard von Spielen schreiben. Ähnlich argumentieren darüber hinaus King/Krzywinska 2002, 23. Auch Juul konstatiert: »Many computer games contain narrative elements, and in many cases the player may play to see a cut-scene or realise a narrative sequence« (Juul 2001, 17). Spiele erfordern in diesem Sinne kohärente Abläufe, die den jeweiligen Spielsituationen allererst eine Bedeutung verleihen, vgl. dazu vor allem Murray 1997. Klevjer betont überdies: »Yes, we want to be free, to play, to master and to conquer, but we also want our actions to be meaningful within a mythical fictional univers« (Klevjer 2002, 197). Anders ausgedrückt: Narrative dienen der Rahmung und Kontextuierung der Spielpraxis. So weist der Designer Richard Rouse in seiner praktischen Anleitung darauf hin, dass Narrative, die ins Spiel eingebettet werden, so vorzustrukturieren sind, dass sie als variable ›Player’s stories‹ durch die individuelle Spielerfahrung generiert werden können. Entsprechend sei die Spielstory »the most important story to be found in the game, since it is the story the player will be most involved with, and it is the story in which the player’s decisions have the most impact« (Rouse 2001, 216f.). So versteht Barry Atkins digital games als eine fiktionale Form, wobei jeder Spieler seine eigene narrative Version aus vorprogrammierten Regeln generiert (Atkins 2003, 5).

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als es gilt, zwischen Alternativen einen Weg im Labyrinth der Möglichkeiten zu finden und dadurch erst die Textur der Geschehnisse hervorzubringen. Das Ergodische tritt damit gleichermaßen an die Stelle der problematischen Interaktivität wie der problematischen Narrativität. »Goals and obstacles, choices and their consequences, and the means and ends with which the player is provided«, fügt Mark Wolf hinzu, »these become the tools that shape narrative experience, and the real narrative becomes the player’s own passage through the narrative maze of branching storylines and events« (Wolf 2001, 109). Jede Wahlmöglichkeit eröffnet entsprechend unterschiedliche narrative Pfade. Wir sind so mit einer Multiplizität von Narrativen konfrontiert, die sowohl dezisionistisch entstehen wie sie überall virtuell bleiben. Die Menge der Verzweigungen korrespondiert dann der Komplexität des Spiels. Sie ist ebenso für die Variabilität der Narrationsalternativen verantwortlich wie für die Illusion der aktiven Partizipation und kreativen Mitarbeit. Allerdings verhalten sich Narration und Performation insoweit als komplementär zueinander, als dort, wo gespielt wird, nicht erzählt wird, und wo erzählt wird, nicht gespielt wird. Als oppositionelle Prinzipien operieren sie im gleichen Maße gegeneinander wie ineinander, sodass, wie sich pointieren ließe, das Spezifische digitaler Spiele auf der Verschränkung der Gegensätze beruht. Sie legen »zählbare« Spuren, die sich im nachhinein zu »ErZählungen« synthetisieren, deren »Ent-Faltung« und Ausdifferenzierung einen genuin multilinearen bzw. nichtlinearen Charakter besitzen. Nichtlinearität bildet dann eines der Kennzeichen des Mediums Computerspiel: Seine Dynamik entsteht aus der Forcierung zu ununterbrochener Dezision, die aus der Sicht des Spielers sich als eine Serie von Verwirrungen entpuppt, die sowenig eine Synopsis oder Metaerzählung gestattet, wie ihre Bemeisterung oftmals die zur Verfügung stehende Zeit und Kapazität übersteigt, weil kaum je sämtliche Alternativen begangen noch alle Bereiche ausgeschöpft werden können – ja, »[s]ometimes it is not even clear how many choices a player has, and discovery of alternate narrative paths or hidden features […] is also part of game play« (Wolf 2001, 7). Erneut enthüllt sich damit die Form des Spiels als Labyrinth und seine Praxis als fortlaufender Entscheidungsprozess, wobei die virtuellen Narrative nicht anderes als kohärente Rekonstruktionen jener Arten und Weisen bedeuten, wie der Spieler sich durch das Netz von Wegen manövriert, d.h. welche Entscheidungen er jeweils getroffen und welche Alternativen er angenommen oder liegen gelassen hat. Tatsächlich bietet die Fülle nichtlinearer Möglichkeiten auch ein Abgrenzungskriterium zu anderen narrativen Medien: Denn je weniger Dezision ein Spiel zulässt, desto mehr ähnelt es einer Filmerzählung, und je höher sein Verzweigungsgrad und damit die Komplexität des Programms, desto weiter erscheint es von dieser entfernt. Der Grad der Nichtlinearität entspricht dabei dem Maß der Vernetzung, deren »Kanten« und »Ecken« in unterschiedliche Richtungen mehrfach durchlaufen werden können, um auf diese Weise stets neue Erzählstränge zu erzeugen, deren Reichtum von Level zu Level stetig wächst. Viele Wege münden in Sackgassen, andere kreuzen sich und laufen zusammen; es gibt zudem zahlreiche parallele Verläufe wie auch Enden, sodass kein absolutes Ziel existiert, höchstens relative Abschlüsse.38 Man38

Tatsächlich haben wir es, mathematisch gesehen, bei zunehmender Verzweigung mit einem exponentiellen Wachstum von möglichen Verläufen zu tun; oft

Logik und Medialität des Computerspiels

che Lösungen werden nie erreicht oder bleiben im Latenten, andere erweisen sich als verbohrte Missverständnisse, worin der Spieler bei noch so vielen Versuchen mündet. Digitale Spiele gleichen folglich offenen Systemen, die ihr Vorbild in der Mathematik der Netze, Fraktale und nichtlinearen Gleichungen besitzen. Entsprechend erweisen sie sich als das Produkt eines Denkens, das sich von klassischer Kausalität und Rationalität verabschiedet hat und ein ganz neues Verhältnis zur Plastizität des Realen erprobt. Ausschließlich an Gestaltbarkeit und Transformation interessiert, bildet dessen Status ein mathematischer Konstruktivismus, worin, wie im Märchen, alles auf einen Schlag wünschbar, erfüllbar, machbar oder revidierbar erscheint, solange es nur Konsistenzbedingungen genügt. Und doch begegnet in ihnen trotz des scheinbar unerschöpflichen Reservoirs an Möglichkeiten nichts wirklich Überraschendes, Unwahrscheinliches oder Unberechenbares.

Medienanalyse IV: Entscheidungslogik Bindeglied zwischen den verschiedenen Elementen des Computerspiels und Zentrum sowohl der hodologischen Bild- und Raumordnung als auch der Aktionsund Navigationsstruktur wie der Nichtlinearität der Narration bildet daher die Entscheidungslogik. Sie determiniert das Fundament der Spiele und stellt den mathematischen Rahmen ihrer Programme. Reichweite und Grenzen des Computerspiels verdanken sich daher der vollständigen digitalen Durchdringung, die impliziert, dass, unter Absehung der physikalischen Hardware-Bedingungen, kein »Algorithmus-Anderes«, kein Externes ihrer Mathematik existiert. Entscheidung ist allerdings ein relativer Begriff. Er bezieht sich auf eine Anzahl möglicher Stichproben oder Fragen, die in Bezug auf ein gegebenes Vokabular in endlich vielen Schritten beantwortbar sein müssen. Entscheidbarkeit und Lösbarkeit von Algorithmen koinzidieren deshalb miteinander, denn als »entscheidbar« gilt, wenn es einen endlichen Algorithmus gibt, mit dessen Hilfe für jedes »Wort« einer gegebenen Menge M2 festgestellt werden kann, ob es auch zu einer M1 gehört oder nicht (Hermes 1971, 13). Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit gemahnt an das Entweder-oder des tertium non datur, d.h. auch an die Ja-Nein-Struktur binärer Codierungen. Es lässt sich zudem zeigen, dass das so formulierte Entscheidungsproblem sich auf das Problem der Berechenbarkeit charakteristischer Funktionen applizieren lässt und mit ihm äquivalent ist. Lösungsverfahren für Entscheidungen sind dann selbst Algorithmen, deren allgemeine Form wiederum durch die Turingmaschine abgebildet werden kann. Turingmaschinen als Basismodelle der Computerisierung, berechenbare Funktionen und Entscheidungslogik gehören somit zusammen und kulminieren im digitalen Spiel als formale Signatur seiner Elemente. Ausdrücklich sei hinzugefügt, dass der Konnex zwischen mathematischer Fundierung und Programmstruktur für eine Medientheorie digitaler Spiele relevanter erscheint als der Bezug zur Kybernetik, Informationstheorie und Relaisbündeln sich jedoch verschiedene Stränge zu einem neuen zusammen, sodass sich das Feld der Alternativen reduziert.

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bzw. Schaltungstechnik, weil diese lediglich ein Derivat jener bilden. Darüber hinaus findet die Entscheidungslogik ihren Rückhalt in den klassischen Traditionen der Logik der Unterscheidung, deren Figuren sich durch die gesamte Geschichte des europäischen Denkens verfolgen lassen und von der aristotelischen Diakrisis über den porphyrischen Definitionsbaum bis zu den Differenzsystemen des Konstruktivismus und den Bits und Bytes als logarithmischem Ausdruck von Wahlalternativen reicht. Das bedeutet auch: Sämtliche Parameter im digitalen Spiel werden durch deren Diskursformen modelliert – die grafische Oberfläche genauso wie die hodologische Raumordnung, die Form der Navigation, das nichtlineare Format der Narrationen usw. Sie ergeben einen einzigen Zusammenhang. Um darum Spiele erfolgreich meistern zu können, muss man gleichsam die ›Gedanken des Programms‹ (oder seine Algorithmen) antizipieren und ihnen folgen (vgl. Wolf 2001, 14f., 19). Computerspiele und digitale Spiele im allgemeinen lassen sich daher als »mathematische Spiele« explizieren. Insbesondere verhalten sich die binär strukturierten Labyrinthe als topologische Basis, die ebenfalls binär strukturierten Entscheidungslogiken der Aktionsbasis sowie die Binarität der Programme zueinander korrelativ. Daraus folgt ebenfalls, dass sämtliche Spielfunktionen ausschließlich nach axiomatischen Gesichtspunkten modelliert sind: Nichtimplementierte, durch die Programme nicht gestützte Variationen können entsprechend nicht vollzogen werden. Wenn deshalb nach Wittgenstein nicht »alles« im Spiel durch Regeln festgelegt ist, dann gilt dies für digitale Spiele aufgrund der zugrunde liegenden algorithmischen Struktur nicht – allein Programmfehler, nicht definierte Stellen oder inkohärente Elemente erlauben, wie unmögliche Bewegungen oder Randstellen, die aus dem Spiel katapultieren, deutlich machen, Regelverstöße sowie gegenläufige oder subversive Strategien.39 Der »Realismus« der Spiele, ihre Bild- und Handlungslogik, ist gleichermaßen diesem Gesetz unterworfen. Hinzu kommt, dass sowohl die unendlich anmutenden Labyrinthe iterativ strukturiert sind wie auch die Programmabläufe und Narrative. Unendlichkeit im Spiel erweist sich aus diesem Grunde als eine Funktion der Rekursivität endlicher Algorithmen, wobei wiederum das Prinzip der Rekursion und das Tableau der Turing-Matrizen, das die Programme definieren, miteinander korrespondieren. Dabei handelt es sich, anders als bei der Iterabilität im Symbolischen, um Wiederholungsstrukturen, die auf dem Prinzip der Gleichheit, nicht der Differenz fußen.40 Sie finden ihren Spie-

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Steven Poole unterscheidet insbesondere drei Arten von Inkohärenzen: Inkohärenz der Kausalität, der Funktion und des Raumes (Poole 2000, 65ff.). Inkohärenzen der Kausalität demonstriert das »Rocket-jumping« in QUAKE III (1996, Midway); ferner hinterlassen manchmal Schüsse, Explosionen oder Feuer keine Spuren in der Umgebung. Inkohärenzen der Funktion existieren dann, wenn z.B. Gegenstände, Schlüssel usw. lediglich eine singuläre Rolle spielen; Inkohärenzen des Raumes gibt es dann, wenn nicht beliebige Wege gangbar sind, sondern der Spieler vorgezeichneten, aber unsichtbaren Bahnen folgen muss. Es gibt dann Punkte wie in TOMB RAIDER und anderen Spielen, an denen sich die Spielfigur nicht weiter bewegen lässt oder, wie in RESIDENT EVIL, der Spieler bestimmte Gegenstände nicht greifen kann. Dass Iteration Alteration bedeutet, wie Jacques Derrida mit Bezug auf die »Wieder-Holbarkeit« und damit Verschiebung der Zeichen gesagt hat (Derrida 1999, 333ff.), versagt im Mathematischen, weil die logische Grundlage der Mathema-

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gel sowohl im repetitiven Charakter der verschiedenen Levels, die es zu durchlaufen gilt, als auch der modulhaften Anlage der Architekturen und Landschaften und der immergleichen Kämpfe, die zu bestehen sind, nicht zuletzt aber auch in der Nichtentwicklung der Charaktere, die bestenfalls einen Gewinn an Fähigkeiten zu verzeichnen haben. Der Pluralismus der Gestaltung und die scheinbar grenzenlose Variabilität der Spielzüge, die das Design von Computerspielen zulässt und eine unüberschaubare Verzweigung von Narrativen eröffnet, demaskieren sich in diesem Sinne als eine Serie von Stereotypien. Man könnte sagen: das Beunruhigende an digitalen Spielen ist nicht ihr Gewaltpotential, sondern die implizierte Vorschrift im Denken, die jede Kreativität auf ihr Raster engführt. Man könnte darum – in Analogie zur Sprache – von einer Grammatik des Spiels sprechen, deren Syntax durch die Entscheidungslogik repräsentiert wird und deren Performanz das Produkt möglicher Setzungen innerhalb des Programmschemas darstellt. Das macht zugleich – gegenüber herkömmlichen Spielen – ihre Besonderheit, aber auch die Grenzen digitaler Spiele aus. Zwar können auch klassische Spielformen auf entscheidungslogische Operatoren zurückgeführt und damit mathematisiert werden, wie Schachcomputer beweisen, dennoch ist die Logik der Entscheidung für viele Spielsituationen – erinnert sei an Kinderspiele, Wettkämpfe, rituelle Spielformen, Sport usw. – nicht konstitutiv. Digitale Spiele folgen demgegenüber ausschließlich mathematisierbaren Regeln, d.h. auch einem ebenso formalen wie syntaktischen Schema. Ihr Kennzeichen sind allein Strukturen, die berechenbar sind und der Lösung mathematischer Aufgaben gleichen, weshalb es kein Zufall zu sein scheint, dass auch auf der ludisch-narrativen Ebene dem Rätsellösen eine außerordentliche Bedeutung zukommt. Oberflächenphänomene, mit denen der Spieler konfrontiert ist und die seine Spannung halten, besitzen so ihre unmittelbare Entsprechung in den grammatischen Tiefenstrukturen. Wenn daher von einer »Grammatik« der Spiele die Rede ist, muss hinzugefügt werden, dass diese allein auf eine logische Syntax beschränkt bleibt, aus denen sich alle anderen Ebenen, die Semantik genauso wie die Pragmatik, herleiten. Das impliziert auch, dass narrative oder interaktive Strukturen, die mit der diskreten Ordnung des Mathematischen nicht kompatibel erscheinen, prinzipiell nicht darstellbar sind. Desgleichen folgt Überraschung einzig aus Zufallsgenerierungen, und es ist kein Zufall, dass die mathematische Modellierung des Unvorhersehbaren im Spiel ausschließlich durch Randomisierungen erzeugt werden können. Schließlich entwickelt sich jedes Spielgeschehen zwar zwischen kaum ausschöpfbaren Alternativen, doch bleiben diese als Wahlalternativen innerhalb eines fest gefügten Registers von Verzweigungen, zwischen denen sich entschieden werden muss. Was demnach die vermeintlich innovative Verbindung zwischen Visualität, Narrativität und Performativität im Spiel öffnet, schließt die Entscheidungslogik und die Geschlossenheit des mathematischen Systems wieder aus. Und es sind genau diese Ausschlüsse und Engführungen, die im Sinne einer »negativen Medientheorie« auf die besondere mediale Struktur der Spiele hinweisen und ihre Eigenart zu dechiffrieren gestatten. tik keine Abweichung erlaubt: Der Satz der Identität duldet keine Ausnahme, vielmehr behauptet er schon dadurch seine absolute Gültigkeit, als die Lösung einer Gleichung voraussetzt, dass dasselbe Zeichen »x« in jeder Wiederkehr für dasselbe steht.

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Literatur

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Spiele

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Adventure Battlezone (1980, Atari) Blair Witch Project (2000, G.O.D.) Dark Forces (1995, LucasArts) Descent (1995, Interplay) Doom (1993, id) Half Life (1998, Sierra On-Line) House of the Dead (1996, Sega) Larry (1987, Sierra On-Line) Max Payne (2001, Rockstar) Medal of Honour (1999, Electronic Arts) Monkey Island (1990, LucasArts) Morrowind I,II (2002, Bethesda/Ubisoft) Mortal Combat (1992, Midway) MystI-III (1993, Brøderbund) Phantasmagoria (1995, Sierra On-Line) Pitstop (1983, Epyx) Pole Position (1982, Namco/Atari) Quake I-III (1996, Midway) Rebel Assault (1993, LucasArts) Resident Evil (1996, Capcorn/Virgin Interactive) Riven (1997, Brøderbund) Die Sims (2000, Electronic Arts) Starwars (1982, Parker Bros.) Stonekeep (1995, Interplay) Street fighter (1987, Capcorn) Super Mario Bros. (1985, Nintendo) Tomb Raider (1996, Eidos Interactive)

Logik und Medialität des Computerspiels

Wing Commander (1990, Origin Systems) Zork 1 (1980, Infocom)

Filme The Fifth Element (USA 1997, Luc Besson) Fight Club (USA 1999, David Fincher) House of the Dead (K/USA/D 2003, Uwe Boll) Indiana Jones (USA 1981, Steven Spielberg) Lola rennt (D 1998, Tom Tykwer) The Matrix (USA 1999, Andy Wachowski / Larry Wachowski) Mortal Kombat (USA 1995, Paul W. S. Anderson) Resident Evil (USA 2002, Paul W. S. Anderson) Street fighter (USA 1994, Steven E. de Souza) Super Mario Bros. (USA 1993, Annabel Jankel / Rocky Morton / Roland Joffé / Dean Semler) Tomb Raider (UK/D/USA/J 2001, Simon West) Wing Commander (USA 1999, Chris Roberts)

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Matthias Bickenbach Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«. Die Gesetze des Videospiels

Und wir gleichen der Märchengestalt, der ein Zauberer auf den von ihr geäußerten Wunsch hin in zauberischer Klarheit die Braut erscheinen läßt, wie sie in einem Buch blättert, Tränen vergießt oder Blumen pflückt, ganz dicht neben ihr und dennoch an dem Ort, wo sie sich gerade befindet, sehr fern (Proust 1992, 307).

»It’s not a game«. Was heißt das? Der Werbeslogan des Konzerns mit den vier Buchstaben, der Mitte der 1990er Jahre die Einführung einer Spielkonsole namens »Playstation« begleitet hat, ist ebenso programmatisch wie paradox. Er soll im Folgenden als Rebus dienen, um das Gesetz des Videospiels zu erkunden. Wodurch sind sie Spiele oder Nicht-Spiel? Die Frage wird auf die Frage hinauslaufen, wie sich die Grafik des Videospiels zu dem verhält, was das Spiel selbst ist. »It’s not a game« ist eine Rätselschrift, die einerseits als Slogan an unwahrscheinlichen Orten herumgeisterte (etwa in Fußballstadien) und als das, was die Werbung »Penetration« einer Marke nennt, auftauchte. Andererseits verweist der Slogan auf die programmatische Schrift von Programmen, die Nicht-Programmierer weder schreiben noch lesen können, deren Effekten jedoch alle, User und Programmierer, ausgesetzt sind. Programme sind keine Spiele. Angesichts von Quellcodes und Algorithmen, die das Grafische der Videospiele erst erzeugen, sind die Gesetze dieser Spiele nicht vom Visuellen her zu denken. Ebenso programmatisch wie paradox ist das scheinbar Reale der Computerspiele – ihre Grafik – als virtueller Grafik-Raum zu begreifen. Das Spiel selbst ist nicht seine Grafik. Wie aber hängen Spiel und Grafikraum zusammen?

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Matthias Bickenbach

1. Die Gesetze des Spiels

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Die »Werbebotschaft« des Konzerns ist als Vorschrift seiner anderen, unlesbaren, Schrift, auf die sich jene bezieht, zu lesen, indem sie das Produkt mit der Ortsangabe der Station der Spiele, der »Playstation«, mit dem Slogan »it’s not a game« belegt. Beide Schriften, die allzu gewohnte des phonetischen Alphabets und die allzu ungewohnte der Source Codes (nahezu) namenloser Programm-Hexenmeister,1 haben eine Gemeinsamkeit. Sie sind Eingeweihten oder Alphabetisierten lesbar bis zu einem gewissen Grad. So ist der Werbeslogan seinem Zielpublikum verständlich. Es versteht die Pointe des »it’s not a game« für eine neue Welt von Spielen. Schließlich hatte Sony mit der Markteinführung der Playstation Mitte der 1990er Jahre die Welt der Videospiele erfolgreich vom Markt für Kinder und Jugendliche in die Welt der Erwachsenen transferiert und wirkungsvoll mit dem Wechsel auf die CD als Speichermedium die ausgereifte 3D-Darstellung zur Norm gebracht. Im Kontext der Geschichte der Computerspiele lässt sich der Slogan als Aussage »Dies ist kein Kinderspiel« lesen.2 Doch markiert die Entwicklung grafischer Dreidimensionalität wirklich den Unterschied zwischen Kinderspiel und Erwachsenenwelt? Die Frage führt zu einer Grundsatzfrage über das ›Wesen‹ des Computerspiels, die auch den Streit zwischen Narratologen und Ludisten berührt. Wie definiert man das ›Wesen‹ des Computerspiels, seine Gesetzmäßigkeit als Spiel?3 Durch seine, interdisziplinär zu betrachtende, Art und Weise zu erzählen – vor allem in besonderen Genres (Adventures) oder aber durch eine Spieltheorie, die auf die Regelhaftigkeit und Simulation rekurriert? Die Fragen kulminieren an der Frage des virtuellen Grafik-Raums. Ist der Übergang von 2D zu 3D ein Übergang zu einem ›realistischen‹ Bild? Doch hängt das, was das Spiel selbst ist, von seiner Grafik ab? Könnte man Ersterem noch zustimmen, muss man Letzteres schlechthin verneinen. Grafisch simple und zweidimensionale Computerspiele konnten sowohl durch simple Settings (PacMan [1980, Arcade], Lemmings [1991, Psygnosis]) oder komplexere Geschichten bestechen (Larry Laffer [1987, Sierra On-Line], Monkey Island [1990, Lucasfilm Games], Prince of Persia [1989, Brøderbund]) und erfolgreich werden. Einst konnten Textadventures ganz auf Grafik verzichten. Das Maß des grafischen Aufwands hat zunächst nichts mit dem, was das Spiel am Computerspiel ist, zu tun. Wenn heute historische Kostüme und Waffen oder auch die realen historischen Wetterdaten in aktuelle Kriegsspiele implementiert werden, wenn Autorennspie1

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Vgl. The Giant List of Classic Game Programmers unter: http://dadgum.com/ giantlist/list.html (dieser und alle folgenden hier zitierten Links wurden zuletzt gesehen am 8.6.2006). Zur Geschichte der »coin operated machine industries« vgl. The International Arcade Museum unter http://www.arcade-museum.com/. Zur Computerspielgeschichte Lischka 2002. Online vgl. zur Frühgeschichte http://www.8bit-museum.de/. Vgl. Juul 2001. Auf die recht prominent gewordene Auseinandersetzung zwischen den Positionen von u.a. Janet Murray und vor allem Espen Aarseth kann hier nur am Rande verweisen werden. Weiterführende Literatur unter http:// www.spielkultur.net/links.htm. Der Topos von Realität oder eigener Welt bildet ein zentrales Kriterium. Vgl. Juul 2005; Atkins 2005.

Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«

le die Physik von Fahrverhalten, Straßenzustand, Unfalldeformationen sowie die Streckenabmessungen (u.a. Formel 1 [1996, Sony Computer Entertainment]) von realen Rennstrecken oder deutschen Innenstädten (u.a. Autobahnraser 3 [2000, Davilex]) darstellen, so hat dies nur als Attraktion mit dem Spiel selbst etwas zu tun. Worin liegt das Gesetz des Videospiels, wenn es nicht in seinem Grafik-Raum liegt? Die Vorschrift des Computerspiels ist zunächst unlesbar. Als Programmcode ist es eine Schrift unter den Bildern, die nicht wir, sondern die Maschine namens Zähler (Computer) liest. Programmierern ist sie – weitgehend – lesbar, doch auch hier erweist erst der Test, ob die Effekte der Schrift sich so bewahrheiten wie geplant. Die menschliche Lesbarkeit von Programmen ist begrenzt, denn erst der Lauf der Routinen und das Debugging werden erweisen, ob die Maschinenbefehle sich in die andere, sichtbare Welt umsetzen. Stets und grundsätzlich wird es der Knopfdruck als ein Bündel von Funktionen sein, der die Entscheidung trifft, wenn er die Programme startet. Der Knopfdruck, der Tastenbefehl, ist das Gesetz digitaler Welten.4 Dieses Element der Taktilität kehrt in Computerspielen als Element des Spiels wieder und definiert ihren Charakter als Spiel. Der Spieler ist ein simulierter Hexenmeister, spielend mit dem Unkalkulierbaren des Effekts, der Performanz einer geheimen, programmierten Vor-Schrift. Ein Spiel ist dies im definitorischen Sinne der Spieltheorie, weil das, was in der geschlossenen Welt des Videospiels passiert, folgenlos bleibt – anders etwa als bei einem Systemabsturz, wenn am Computer die falsche Taste gedrückt wurde.5 Das Gesetz des Knopfdrucks führt ein Element des Try and Error ein, das konstitutiv ist für Computerspiele. Indem der Spieler eine Taste drückt, die einen Befehl auslöst, muss er mit dem Folgezustand des Spiels weiter agieren. Gleich ob »Erfahrungspunkte«, Lenk- oder Schlagbewegungen, Schusswaffengebrauch oder Navigation – das Gesetz des Grafik-Raums ist immer dasselbe: Die Vor-Schrift, die der Knopfdruck auslöst. Dieses Gesetz der Taktilität ist zugleich das Gesetz der Visualität, genauer gesagt, der Rückkopplungsschleife von Hand und Sehen, der Hand-Auge-Koordination. Computerspiele sind daher buchstäblich Videospiele (video = ich sehe). Die Grafik ist essenziell als Faktum der Rückkopplung des Sehens. Der visuelle Output des Spiels ist Ergebnis und Belohnung des Knopfdrucks ohne den Nichts ist. Die Grafik ist eine Funktion, die dem Spieler vor Augen führt, was er gerade tat. Der Grafik-Raum ist funktional für das Spiel nur eine Feedbackschleife. Die visuelle Opulenz der Bilder ist nicht für das Spiel, sondern vor allem für die Öffentlichkeit und das Marketing relevant.

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2. Marktspiele. Kurze Geschichte der Grafikevolution »It’s not a game«. Dass der Spielemarkt kein Spiel, sondern hart umkämpftes Geschäft ist, das ist seit langem bekannt, ebenso dass die Umsätze der Computerspiele die der Filmindustrie an der Kinokasse bei weitem übersteigen. Auch dafür stehen Spielkonsolen exemplarisch ein. Die Einführung der Playstation durch Sony bedeutete das Ende aller Konsolenidylle, die sich Sega und 4 5

Vgl. Bickenbach 2000. Für eine ausgeweitete Darstellung von Spielkriterien Juul 2003.

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Nintendo bis dato geteilt hatten. All das ist Computerspielgeschichte. Seitdem herrschen Revierkämpfe an der Rechen- und das heißt immer auch an der Grafikfront. Sie ist die Front, an der Technologie öffentlich wahrgenommen wird, und in der die Entwicklung der Rechenleistung ihren Kampfplatz hat. Nintendo musste Terrain preisgeben, entwickelte den »Gamecube«, Sony ließ 1998 die Playstation 2 folgen, Microsoft trat mit der X-Box in den Markt ein, der bereits in die nächste Runde geht (X-Box 360, Playstation 3). Was hier jedoch interessiert, ist nicht der ökonomische Hype, die Daten- und Geldressourcen, die öffentlich inszeniert werden. Was interessiert, ist die ökonomische und technologische Feedbackschleife zwischen Rechenleistung und Grafikentwicklung. Das Spielegeschäft treibt die Computerentwicklung an. Computerspiele sind die Herausforderung, welche die neuesten Grafikkarten erfordern. Das ist das ökonomische Gesetz des Computerspiels. Wiederum sind es sprechende Namen, die ausdrücken, was die Träume sind: Eine der frühen Grafikkarten hieß »Herkules«, der nächste bedeutende technologische Schritt nannte sich »Voodoo«. Die legendäre Firma 3dfx, später aufgrund von Managementfehlern vom Konkurrenten Nvidia aufgekauft, leitet mit dem neuen Chipsatz, Herzstück einer jeden Grafikkarte, eine neue Ära ein: Von der Herkulesarbeit eines Halbgottes ging es symbolisch ins Magische. Heute teilen sich zwei Firmen mit ihren Chipsätzen den Markt – Nvidia und ATI – und treiben sich zu immer leistungsstärkeren Karten. Die »GeForce 3« der Firma Nvidia kam schon mit 57 Millionen Transistoren daher, mehr als ein Homecomputer bislang hatte. Neben die CPU der Computer trat 1999 die GPU der Grafikkarten. Bis dahin hatten Spielegrafiken die Möglichkeiten der Grafikarten stets voll ausgeschöpft (Doom [1993, id], Tomb Raider [1996, Core Design], wipeOut [1995, Pygnosis]). Das Verhältnis hat sich seit 1999 geändert. Nvidia führt mit der Geforce 256 die erste GPU ein.6 Integrierte Hardwareressourcen »on board«, die GPU (Graphics processor unit) ermöglicht Grafikkarten der neuesten Generationen physikalische Effekte wie Strömungsverhalten und

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Abb. 1: Aktuelle Grafikkarte ATI X1900 XTX 6

Für historische Grafikkarten siehe http://www.3dchip.de/Grafikkartenmodds/ Grafikkartenmuseum.php.

Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«

Lichtbrechungen gleichsam mitzuliefern.7 Die Zaubereffekte müssen nicht mehr aufwändig programmiert werden, sie sind als bereits programmierte Algorithmen Bestandteile des virtuellen Grafik-Raums, der heute als verzierende Grafik auf den Bauteilen selbst wiederkehrt.

Abb. 2: Aktuelle Grafikkarte NVIDIA7900 GT 8

Gerade die Darstellung von 3D-Umgebungen machte immer wieder neue Verfahren notwendig. Neben dem »Raytracing« als eine Grundlagentechnik zur Erzeugung digitaler Grafik ermöglicht »Tesselation« die Zerlegung von Objekten in Polygonen.9 Dies wurde in I, Robot 1983 auf Atari erstmals eingesetzt. Das Spiel hat mit der inzwischen in Hollywood verfilmten Kurzgeschichte Isaac Asimows über einen sich selbst bewussten Roboter nichts zu tun, aber seine Verwendung polygoner Welten steht am Anfang aller späteren Renn-, Schieß- und Prügelspiele in einem 3D-Raum.10 Als Einführung des echten 3D-Raumes gilt allerdings schon sehr viel früher ein anderes Spiel: Starhawk is the first game with true 3D graphics. Previous games mimicked 3D graphics through the use of 2D raster fixed perspective, but Starhawk was the 7 8

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Vgl. etwa Randima 2005. Abb. 1 und 2: Vgl. die TechPowerUp GPU Database http://www.techpowerup. com/gpudb/. »Raytracing« ist ein Abbildungsalgorithmus, der Lichtstrahlen ausgehend von ihrer Projektionsebene berechnet. Dabei werden Oberflächeneffekten und Lichtbrechung auch an transparenten Oberflächen und Reflexion simulierbar. »Tessellation« bedeutet die Zerlegung eines Objekts in eine Vielzahl von Polygonen bzw. Dreiecken, die mittels Koordinaten (x, y und z) beschrieben werden. Die Punkte enthalten auch Informationen über Material und Textur, wodurch sich die zu verarbeitende Datenmenge immens erhöht. Vgl. den informativen Film unter http://www.gametrailers.com/player.php?id= 8959&pl=game&type=mov.

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first to use vector graphics to draw wireframes. This innovation in Starhawk allowed continuous movement in a 3D space, with environments drawn according to the mathematical laws of perspective discovered by the architect Filippo Brunelleschi in the fifteenth century. Objects that were farther away were drawn smaller, and objects that were closer were drawn larger. Other games had achieved this before, but on a discrete scale. In 1978, Speed Freak used this technique to produce sprite-based 3D graphics to represent a car racing along a track. This was followed up in 1980 with Battlezone which applied the technique as way to make a first person version of Atari’s previously successful Tank game. This was followed by the first 3D raster based game I, Robot in 1983, which became the first video game to use filled polygons. In 1992, Wolfenstein 3D used ray casting along with texture mapping and scaled sprites to represent an American soldier trying to escape from a Nazi stronghold. This 3D graphics technology was further refined in Doom (1993). Eventually, the computation required for displaying 3D graphics was pushed off the main CPU and onto specialized graphics cards with the advent of consumer 3d graphics hardware, the Voodoo from 3dfx. Nearly every game released today uses 3D graphics, using texture mapping on polygons (Gameinnovation.org).11

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Die Technik zur Erzeugung dreidimensionaler Grafiken lässt sich grob unter dem Begriff des »Rendering« zusammenfassen. Der Begriff heißt nichts anderes als »Übersetzung« und bezeichnet den Rechenprozess, bei dem Position und Farbe jeden Punktes im Raum bestimmt. Dies geschieht in zwei Schritten (Aufteilen der Objekte in Polygone, Aufbringen der Texturen). Im »Texture Mapping« werden aus 2D-Grafiken Oberflächen auf die erzeugten Gitterräume gelegt, was eine umfangreiche Erweiterung visueller Details ermöglicht, ohne die Anzahl der Polygone und damit den Rechenaufwand drastisch zu erhöhen. Dennoch explodiert der Rechenaufwand. Moderne 3D-Spiele verwenden meist mehre Texture Maps pro Polygon (z.B. Basistextur, Lightmap, Environment Map). Da traditionelles Rendering ein »brute rendering« ist, als brutales Durchrechnen, wird der Rechenaufwand desto höher, je komplexer die Objekte werden. Doch der heutige Stand der Technik zieht sein Selbstbewusstsein schon lange nicht mehr aus der Darstellung spiegelnder Oberflächen, Wasseranimationen und Schattenverteilungen oder diffusionsreichen Objekten wie Pelz oder Haar. State of the art der Grafikfront sind physikalische Eigenschaften der Objekte, die dargestellt werden. Ein Glas soll nicht nur durchsichtig aussehen und realistische Lichtbrechungen zeigen, sondern auch zerbrechen wie Glas. Dies ist der nächste revolutionäre Schritt, der am Horizont der Computerspiele auftaucht und die heute handelsüblichen Grafikkarten an ihre Grenzen bringt. Noch sind die GPU »gems« für Computerspiele nicht zentral. Aber schon werben Autorennspiele mit »neuer Schadensengine«, schon kommen Sportsimulationen wie Tischtennis unter Betonung physikalischer Gesetze auf den Markt. Rockstar Games präsentiert Tischtennis, das Next-Generation-Debut des von der Presse hochgelobten Studios Rockstar San Diego, ist eine völlig neue Spiel11

Vgl. http://www.gameinnovation.org/index.php/First_Use_of_3D_Graphics.

Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«

erfahrung [sic!]. Fühle die unvergleichliche Intensität und Spannung des echten Sports dank einer realistischen Physik-Engine und intuitivem Gameplay (http://www.rockstargames.de/tischtennis). Die virtuelle Welt des Grafik-Raums wird damit scheinbar realistischer.

3. Kritik des digitalen Realismus. Grafik-Raum und Abtastrate Doch digitale Bilder sind in keiner Weise realistisch. Computergrafiken haben hausgemachte Paradoxien und Grenzen, also eigene Gesetze. Die Differenz zwischen Raytracing und Radiosity-Verfahren ist lehrreich. Es sind zwei grundlegende, sich jedoch ausschließende Möglichkeiten digitaler Bildgenerierung. Was der einen gelingt, kann die andere nicht.12 Als visuelle Grenze sehr bekannt ist der Treppeneffekt, der gerade Linien als gezackte erscheinen lässt, weil die Pixel sichtbar werden. Auch die Polygone lassen sich in der Menschendarstellung nur kaschieren. Weniger bekannt ist die absolute Tiefenschärfe. Digitale Bilder sind in jeder Tiefe der Darstellung gleich scharf, was unsere Wahrnehmung als unrealistischen Effekt verbucht. Daher sind Implementierungen digitaler Szenen in Kinofilmen von Jurassic Parc (USA 1993, Steven Spielberg) bis I, Robot (USA 2004, Alex Proyas) aufwändig nachzubearbeiten, um die Gesetzmäßigkeit digitaler Bilder wieder zu verwischen.13 Diesen am Maßstab filmischer und fotografischer Bilder gemessenen Nachteilen digitaler Bilder sind ihre Vorteile gegenüberzustellen. Digitale Bilder sind in allen ihren Elementen oder Pixeln exakt adressierbar und daher manipulierbar. Im Gegensatz zum halbanalogen Fernsehen sind daher nicht nur die Zeilen, sondern auch die Spalten eines Bildes in letzte Elemente aufgelöst. Die Menge dieser sogenannten Pixel bildet also eine zweidimensionale Matrix, die jedem einzelnen Bildpunkt eine numerisch bestimmte Mischung der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau zuordnet (Kittler 2002, 179). Diese »Matrix« besteht vor aller Gestalt und Farbe aus einem Koordinatensystem, in dem das virtuelle Bild erzeugt wird. Das Novum dieser Bildlichkeit gründet daher technikgeschichtlich nicht auf Film und Fernsehen, so Kittler, sondern auf dem Koordinatensystem des Radars, also auf einem Überwachungssystem des dreidimensionalen Raums.14 Es ist dieser den realen Raum überwachende virtuelle Raum, in dem sich das, was wir als Computerspiele kennen, ansiedelt. Doch genau die universale Adressierbarkeit bringt ihre Probleme mit sich. Nicht nur ist es im Farbwertsystem der Computer (RGB, CMYK) nicht möglich, realistische Farben zu erzeugen, sondern die Adressierbarkeit jeden Pixels bringt das Problem der Abtastrate mit sich. Es ist das grundsätzliche Problem des Computers – sein Gesetz: Je mehr Punkte, desto höher der Rechenaufwand. Der Vorteil 12 13 14

Ausführlich Kittler 2002. Vgl. Manovich 1995. Dazu auch Pias 2002.

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distinkter Einheiten ist dem »Treppeneffekt« folglich wesensgleich: »Die Abtastung erzeugt stetige und daher ins Auge fallende Formen vielmehr auch dort, wo der Programmcode gar keine vorgeschrieben hat« (Kittler 2002, 189). Die Möglichkeiten der digitalen Grafik sind zugleich ihre Grenzen. Damit ist das technische Paradox beschrieben, dessen Probleme sich auch nicht durch Polygone und Antialiasing beheben, sondern nur virtuell kaschieren lassen. Doch kommt es darauf – im Computerspiel – wirklich an? Kommt es auf Pelz- oder Haar-, auf Gesichtsanimationen an? Auch Pong (1972, Atari) und Pacman haben als Spiele funktioniert. Was nicht interessiert, sind die Rechenquanten, die Höchstleistungen und Benchmarks aus der Spiele- und Computerindustrie. 10.000 Dollar kostete die Minute der Programmierung Lara Crofts. Für Abe’s Odyssee II (1997, GT Interactive) wurde erstmals ein Budget von rund 32 Millionen Dollar eingesetzt – nicht für das Spiel, sondern für die Intro-Sequenz. Aber dem Spektakel der großen Zahlen fehlt, was im eigentlichen Sinne am Computerspiel und seinem Grafik-Raum interessiert, nämlich das Spiel, d.h. die Frage nach dem, was jetzt noch Spiel oder Nicht-Spiel heißt. Wie steht die Utopie der Grafik zu deren U-Topik, ihrer Ortlosigkeit? Der Eindruck, eine »eigene Welt« zu sein, in die man eintaucht, ergibt sich im Computerspiel nicht durch die opulente Grafik, sondern durch die Illusion, dass der Spieler die Grafik, die er sieht, erzeugt zu haben glaubt.

4. Der Raum hinter dem Bildschirm

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»It’s not a game«. Bei Einführung der Spielkonsole waren Begriff und Sache der Virtual Reality schon rund 30 Jahre Gegenstand von Forschung und Diskurs. Das Kriterium dieser neuen Welt oder Realität computergenerierter Bilder war dabei stets die mit der Manipulierbarkeit gleichzusetzende Interaktivität der visualisierten Räume. Es ist eine »wirkungsvolle« Scheinwelt und die Art, wie hier Schein und Wirkung ineinander durch Interaktion verschaltet sind, ist ihr Novum, das mit Myron Kruegers Wortprägung »artificial reality« 1973 vorgeschrieben und 1975 mit der Installation im Milwaukee Art Center als Ort des Sehens namens »Videoplace« als »erstes öffentliches Videospiel« vorgestellt wurde (Rheingold 1992, 170ff.). Seitdem ist es nicht so, dass neue Spiele und grafische Standards die alten einfach ersetzen oder außer Kraft setzen. Im Gegenteil. Mit den Spiel-Welten der Computerspiele ist eine genauer zu fassende Andersheit des Spiels eingetreten. Diese Andersheit ist im Verhältnis von Visualität und Taktilität als Gesetz des Videospiels aufzuzeigen. Erst die Perspektive auf die Relation von Taktilität und Visualität erklärt, worin das Nicht-Spiel des Computerspiels besteht und warum der Effekt dieser neuen Spiele so mächtig ist. Die Pointe der Feedbackschleife von Hand und Auge liegt darin, dass der Blick des Spielers nicht auf der Oberfläche der Grafik, nicht auf dem Bildschirm, bleibt. Der Effekt ist vielmehr die Schließung eines kybernetischen Regelkreises, der das Computerspiel ist. Dieser verläuft nicht zwischen Auge und Bildschirm oder zwischen ›natürlicher‹ Wahrnehmung und einem Bild derselben in Polygonen. Was

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die Spiel-Welt ausmacht, ist der Regelkreis, der zwischen Auge und Hand des Spielers verläuft. Der Effekt ist, dass der Spieler den Bildschirm vergisst. Während seine Augen beobachten, welche Effekte seine Hände nach den Regeln des jeweiligen Spiels hervorbringen – den Anforderungen, welche Tasten wann zu drücken sind –, imaginiert er eine Spielewelt hinter dem Bildschirm. Es ist dieser utopische Raum, den das Videospiel realisiert: der so genannte Cyberspace. Er hat seinen Ort nicht in realen Bildern, die eine Abbildung der Realität vermuten ließen, sondern in einer Imagination, die weniger mit der alten Kategorie der Einbildungskraft zu tun hat, als mit dem, was Vilém Flusser als Funktion technischer Bilder begreift: Die technischen Bilder sind Wegweiser, nach denen wir uns verhalten. Sie sind Modelle. Und bei Modellen ist nicht zu fragen, ob sie etwas ›Wirkliches‹ bedeuten. Die Unterscheidung zwischen ›wahr‹ und ›falsch‹, ›echt‹ und ›künstlich‹ ist bei technischen Bildern aufzugeben. Das eingebildete Universum ist weder wahr noch falsch, weder echt noch künstlich, sondern es kann und soll konkret erlebt werden (Flusser 1998, 84). So sind Computerspiele nicht nur Simulationen fiktionaler Welten (Spiele), sondern Simulation eines Weltverhältnisses, in dem wir wirklich leben. Die Imagination des Raums hinter dem Bildschirm ist dabei kein Effekt der Computerspiele, sondern ein Effekt des Mediums Computer selbst. Der Begriff Cyberspace wird zurückgeführt auf William Gibsons Roman Neuromancer (1984). Er hatte die Metapher eines Datenraums so schön ausbuchstabiert, dass Grafikpioniere wie John Walker (Auto-CAD) dem Autor Gibson huldigten. Gibsons literarische Fiktion, in der die Bilder auf die Augen projiziert werden, lässt den Datenraum der Matrix namens Cyberspace aus einem Computerspiel hervorgehen. Und Gibson vergisst nicht, die Finger auf der Tatstatur zu notieren: Wie ein Origami-Trick in flüssigem Neon entfaltete sich seine distanzlose Heimat, sein Land, ein transparentes Schachbrett in 3-D, unendlich ausgedehnt. Das innere Auge öffnete sich zur abgestuften, knallroten Pyramide der Eastern Seabord Fission Authority, die leuchtend hinter den grünen Würfeln der Mitsubishi Bank of America aufragte. Hoch oben und sehr weit weg sah er die Spiralarme militärischer Systeme […]. Und irgendwo er, lachend, in einer weiß getünchten Dachkammer, die fernen Finger zärtlich auf dem Deck, das Gesicht mit Freudentränen überströmt (Gibson 1987, 77). Das Gesetz des Videospiels lautet: Du siehst nur, was du drückst. Die »Freudentränen« sind kein Effekt der Bilder, sondern Resultat des Glücks, die rechten Tasten gefunden zu haben, also Effekt der Rückkopplung der Hand-Auge Koordination. Und auch hier schließt sich der weitere Effekt an, an die unabhängige Existenz der Bilder zu glauben. Dieser ist jedoch unabhängig vom technischen Environment, an dem VR-Utopien sich gerne festmachen (Head Mounted Displays, Netzhautscanner etc.). Es ist vielmehr bereits der Effekt des Computerspiels als Nicht-Spiel. Gerade weil William Gibson kein Programmierer ist, hat er genau dies beobachtet und diese Beobachtung hatte zur Metapher vom Cyberspace geführt. Das Wort meint die Substitution des Monitors. Es war die Beobachtung von spielenden Kindern an den Konsolen einer Spielhalle, die Gibson die Metapher Cyberspace hat entdecken lassen:

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F[rage]: Was hat sie darauf gebracht, den Cyberspace zu erfinden? A[ntwort]: Ich kam darauf, als ich Kids bei Videospielen beobachtete. Ich spazierte durch die Granville Street in Vancouver. Ich hatte kaum Videospiele gemacht, und es war mir geradezu peinlich, in eine solche Spielhalle zu gehen, weil dort alle viel jünger waren als ich, aber als ich in eine solche Halle reinschaute, konnte ich den Kids anhand ihrer vertieften Haltung ansehen, wie hin und weg sie waren (McCaffery 1990, 471). Der Effekt wird nicht durch das Bild im Videospiel erzeugt, sondern vom Videospiel. Das »hin und weg« erläutert Gibson folgendermaßen: Es war wie’n geschlossenes System aus einem Pynchon-Roman: da war eine Feedback-Schlinge. Photonen wanderten vom Bildschirm in die Augen, die Neuronen wanderten durch den Körper, die Elektronen wanderten durch den Computer. Und diese Kids glaubten offensichtlich an den Space, den die Spiele projizierten (Ebd.). Die Folgerung ist nicht wenig bedeutend: »Jeder, der mit Computern arbeitet, glaubt intuitiv anscheinend an einen echten Raum hinterm Bildschirm« (Ebd.). Wenn dies wahr ist, bedeutet das, dass Computerspiele einen Effekt zelebrieren, der in der Medialität der Computer selbst angelegt ist. Eine U-Topie des Raumes, auf den sich die Namen von Cyberspace, Virtuelle Welt usw. beziehen, und den auch die Playstation 2 in ihrem Werbeslogan erneut propagiert: »The third place«. Aber ist es wahr? Aus der Perspektive des Programmierers schildert Peter Glaser ebenfalls diesen Raum jenseits des Bildschirms. Auch hier ist es ein Feedback zwischen »hier« und »dort«. Glaser beschreibt anhand seiner ersten »philosophischen Programme«, die nichts anderes taten als selbstreferentielle Algorithmen wie »10 GOTO 20 / 20 GOTO 10« laufen zu lassen, erstaunlicherweise denselben Effekt:

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Wenn man ein solches Programm startet, passiert scheinbar nichts. Alle Endgeräte schweigen still, der Bildschirm bleibt dunkel. Nur ich saß da und wusste: etwas geschieht. Ein aufregendes Gefühl. Es war, als schwirrte der Mikro-Prozeß inmitten meinem Inneren. […]. Bei einem meiner Black-Box-Programme konnte man im ersten Augenblick doch noch etwas sehen: einen Kreis, der vom Mittelpunkt des Bildschirms aus immer größer wurde, bis er schließlich über den Bildschirmrand hinausgewachsen war. Ich wußte, daß das Programm weiterlief. Wie die Emission einer Radarantenne im Trickfilm sah ich den Kreis weiterwachsen. Als flüchtige Figur um den Monitor herum öffnete er sich in mein Zimmer, tauchte mit seinem unteren Bogen in die Erde, ging durch die Wände und über das Haus hinaus als ein strichdünner, weißer Regenbogen über der Stadt auf und schnitt schließlich in den Weiten Raum (Glaser 1992, 21f.).

Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«

5. Wir spielen Die Beobachtung dieser Situation verspricht Aufschlüsse über das Ineinandergreifen von alten und neuen Spielen und über das, was man als ihr Novum anerkennen muss. Sehen wir uns beim Spielen zu: Nach dem Start zum Beispiel der Playstation durch den Druck auf ihren StartKnopf, ertönt ihre Fanfare. Mit ihr beginnt jedes Spiel. Jedes Videospiel beginnt ferner mit den Icons der Hersteller und dem »Intro«, der aufwändiger gerenderten Bildfolge, die Atmosphäre und Spielorte vorstellt. Diese Sequenzen haben eine multiple Funktion. Sie initiieren den Spieler in die »Welt«, die ihn erwartet. Sie schaffen Atmosphäre mit Soundtrack und viel opulenteren Bilder, als es das Spiel wird leisten können. Zugleich gibt das Intro mit dieser Hochstapelei die technischen Standards an. Es stellt vor Augen, wie das Spiel sein könnte, wenn die Technik schon weiter wäre. So sind die Intros selbst Werbebotschaften. Im Jahr 2006 sind diese Differenzen weniger sichtbar geworden. Spielen wir daher einen Klassiker, nämlich Tomb Raider I. Der Übergang zum Spiel ist daher zunächst Desillusion. Farben, Kanten, Brillanz und Schattengebung sind deutlich reduziert, die Figuren eckiger. Nach der actionreichen Intro-Sequenz schließt sich das Tor hinter Lara Croft. Da steht sie nun, blickt in den Raum, der sich zum Monitor und zum Spieler hin erstreckt. Tomb Raider ist ein »third person adventure«, man spielt mit der Figur Lara und bewegt sie durch die Katakomben, die der Titel des Spiels ankündigt. Die GrafikEngine, die das ermöglichte, war 1995 state of the art. Sie erlaubte, die Figur wie eine digitale Marionette zu bewegen, sie gehen, laufen, klettern und springen zu lassen. Sie erlaubte die Fortbewegung durch dreidimensionale Räume. Aber Lara steht noch immer mit dem Rücken zum Tor und bewegt sich nicht. Das Spiel beginnt erst mit dem Knopfdruck. Die Initiation in das Spiel geschieht ad hoc. Jeder kann damit anfangen, ohne die Regeln oder das Programm zu kennen. Im Moment des Knopfdrucks verschränken sich Wissen und Nicht-Wissen, Spiel und NichtSpiel. Knopfdruck links, die Richtungstaste, die Figurine bewegt sich. So beginnt ein Lernprozess, der an die Bilder des Spiels rückgekoppelt ist. Es gilt zu lernen, was passiert, zu kalkulieren, was man drücken muss, damit das Gewünschte passiert. Dieses Gewünschte ist die Fortsetzung des Spiels und dieses setzt sich fort, wenn die Bilder sich wandeln. Zu erlernen ist die Fingerübung der Tastenkombinationen, ohne die nicht nur Lara nicht läuft, sondern generell das Spiel nicht. Das Computerspiel erzieht mittels seiner Grafik zur Virtuosität an der Tastatur.15 Geregelt ist dies in der Programmierung, dem so genannten »gameplay«, das zu den Bewertungsfaktoren der Spielekritiken zählt. Es ist also nichts anderes als eine Einübung in die rechten Tastenfolgen und ihre Kombinationen und Rhythmen, was das Spielen bestimmt. Nicht jedoch das, was das Spiel ist. Weil die Bilder, die es zu sehen gibt, nur und ausschließlich durch die Aktionen des Spielers hervorgerufen werden, erziehen Videospiele ihre Spieler selbsttätig und üben sie in ihre Regeln über den Feedbackmechanismus der Grafik ein. Dieses Versprechen erweist sich dabei als zentraler Punkt der oft beschworenen gefährlichen Attraktion einer Motivation und Bindungsleistung, die Spieler stun15

Dazu Bickenbach 2002.

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den- und nächtelang an den Bildschirm fesselt. Das Gesetz des Videospiels, die Feedbackschleife von Visualität und Taktilität, die das »ich sehe« (video) als Output der Selbsttätigkeit (ich drücke) rückkoppelt, bindet den Spieler endlos, weil sie an keine Grafik und keinen Standard oder Inhalt selbst gekoppelt ist. Ist es dabei unerheblich, dass es sich um vorprogrammierte Bilder handelt? Der Spieler bewegt sich in einem großen, aber nicht unbegrenzten vorgeschriebenen Bilderpool. Aber ist das ein Argument? Indem die Beherrschung der Tasten ein learning by doing darstellt, kann kein Spieler wissen, ob es nicht anders besser ginge. Dieses Moment integrieren die neuen Spiele im Genre Strategie und Adventure aktiv in ihren Spielverlauf und versprechen verschiedene Schlussszenarien oder Ereignisse, je nachdem wie der Spieler sich entscheidet und vorgeht. Mit dem Medienwechsel der Playstation auf die CD als Datenträger wurden Datenmengen möglich, die Spiele so umfangreich werden ließen, dass man sie nicht mehr in einem Zuge ausschöpfen kann. Es gibt immer noch Bilder, die man noch nicht gesehen hat. Es gibt daher Gründe, zumindest werden sie Spielern nahe gelegt, das gespielte Spiel noch einmal zu spielen. Daher gehört auch die Fehlhandlung und der Versuch durch gezielte Fehlhandlungen der Programmierung zu entkommen, zum Spiel. Den Rennwagen entgegen der Streckenführung lenken, Versuche, durch Wände zu brechen. Es sind Versuche, zu unbekannten Bildern zu gelangen. Lara Croft steht in Ecken und vor Wänden, sucht Durchgänge, die es nicht gibt. Ihr Kopf taucht auf der anderen Seite der nun transparent gewordenen Polygone vorgeblicher Felswände wieder auf. Symptomatisch sind es vor allem diese Situationen, in denen der Spieler der Figurine Lara visuell am nächsten kommt. Es sind dies die einzigen Szenen im Spiel, in denen ihr Gesicht im Close up gezeigt wird und jene Nähe aufscheinen lässt, die das öffentliche Bild von Lara Croft als sexiest women geprägt hat. Dass das Videospiel die öffentlichen Bilder von Lara Croft, die auf Titeln von Illustrierten und Postern verbreitet wurden, gerade nicht zeigt, hat dem Erfolg des Spiels keinen Abbruch getan. Im Spiel selbst sieht man Lara fast immer nur von hinten und sehr oft im Schatten. Zum Videospiel gehört die Differenz der erzeugten Bilder im Spiel und der Bilder im Kopf. Nirgends ist diese Differenz deutlicher gewesen als bei Lara Croft. Während das Spiel die Figur visuell geradezu entzieht – auch dafür ist das Intro von Tomb Raider I programmatisch, man sieht zunächst nur ein Stück ihrer Stirn und die Spiegelung in ihrer Sonnenbrille – entwickelte sich jenseits des Spiels ein Bilddiskurs, der aus Lara Croft eine Ikone werden ließ: Internetseiten, Screenshots, Nacktbilder, Wallpapers, Merchandisingprodukte, lebensgroße Gliederpuppen (aus Steckteilen oder zum Aufblasen), Plakate, Cover- und Titelbilder auf Illustrierten, Lookalike-Wettbewerbe und Körperdoubles. Lara Croft besitzt inzwischen alle Features einer realen Person: Geburtsdatum, Hobbies, Lieblingsmusik, eine ganze Biografie. Im Musikvideo der Ärzte (»Männer sind Schweine«) kehrte Lara als Computeranimation ins digitale Rendering zurück, bevor sie schließlich die Fleischwerdung im Kino vollzog: Angelina Jolie im Film Tomb Raider (USA 2001, Simon West). Lara Croft steigerte den Umsatz der Spielefirma mit dem Namen »Eidos« (dem griechischen Begriff für Bild und Trugbild), von jährlich 50 auf über 250 Millionen Dollar. Eine kollektive Lust zum Bild ist hier am Werk, die sich dem Spiel verdankt, aber nicht den Bildern des Spiels. Vielmehr sind es Imagina-

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tionen, die gerade der Entzug der Bilder im Spiel bewirkt haben.16 Nur außerhalb des Spiels erfüllen sich die Versprechen des virtuellen Grafik-Raums. Doch das Gesetz des Videospiels wirkt noch weiter. An den Verfilmungen von Tomb Raider beweist sich, dass die neuen Spiel-Welten tatsächlich eigene, autonome Welten geworden sind, die man spielen muss, wenn man sie kennen lernen will. Ihre Effekte lassen sich nicht in das Medium Film übersetzen. So ist der Film Tomb Raider vielleicht nicht der erste, aber sicher der hoffnungsloseste Fall von Kapitulation Hollywoods vor den Computerwelten. Er zeugt Szene für Szene von der vollständigen Unfähigkeit des Kinos, sich auf die Medien der Zukunft einen eigenen Reim zu machen. In Tomb Raider schaufelt sich eine Industrie ihr eigenes Grab. […] Und die Filme sind dann nur noch Trailer, mit denen DVDs oder Computerspiele beworben werden (Althen 2001, 14). Der Film wird zum Trailer für eine andere Bildlichkeit. Sie verspricht nicht realistische Bewegung, Action, nackte Haut, echte Menschen, echtes Leben. Das Versprechen der Computerspiele ist ein ganz anderes. In ihren Spiel-Welten läuft die Aktion nicht in den Bildern ab, sondern im Engagement des Spielers, der sie nur sieht, wenn er sie erspielt. Und die Rückkopplung von Auge und Hand setzt in ihm jene Emotionen frei, die das Kino nicht bieten kann. Der Effekt jedoch, der kein Spiel ist, besteht nicht darin, dass Lara sich als Pin up im Hirn spielender Jungs einnistet. Er besteht vielmehr in den Räumen, die der Spieler erarbeitet hat. Das Spiel namens Tomb Raider ist nicht, dass Bilder von Lara erspielt werden, sondern es besteht darin, dass mittels dieser Bilder Räume erkundet werden. Diese virtuelle Topografie aber kann mit anderen Spielern geteilt werden, man kann darüber kommunizieren. Der virtuelle Grafik-Raum der Spiele prägt realen Gehirnen Orte ein, die es gar nicht gibt. In diesem Effekt einer inneren Topografie aber schließen Videospiele direkt an die antike Mnemotechnik künstlicher Gedächtnisse an, die darin lag, Bilder Orten zuzuweisen, um sie gut erinnern zu können (Yates 1966). Die Gesetze des Videospiels bilden Erinnerungen aus – und das ist kein Spiel mehr.

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Für eine sehr gute umfassende Analyse Deuber-Mankowsky 2001.

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Abbildungsnachweis Abb. 1: http://www.techpowerup.com/gpudb/147/ATI_X1900_XTX.html. Zuletzt gesehen am 8.6.2006. Abb. 2: http://www.techpowerup.com/gpudb/153/NVIDIA_7900_GT.html. Zuletzt gesehen am 8.6.2006.

Literatur

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Der virtuelle Grafik-Raum oder: »It’s not a game«

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Spiele Abe’s Odyssee II (1997, GT Interactive) Autobahnraser 3 (2000, Davilex) Battlezone (1980, Atari) Doom (1993, id) Formel 1 (1996, Sony Computer Entertainment) I, Robot (1983, Atari) Larry Laffer (1987, Sierra On-Line) Lemmings (1991, Psygnosis) Monkey Island (1990, Lucasfilm Games) PacMan (1980, Arcade) Pong (1972, Atari) Prince of Persia (1989, Brøderbund) Robots (1983, Atari) Speed Freak (1979, Vectorbeam) Starhawk (1977, Cinematronics) Tomb Raider (1996, Core Design) wipeOut (1995, Pygnosis) Tank (1974, Atari) Wolfenstein 3D (1992, Atari u.a.)

Filme I, Robot (2004, Alex Proyas) Jurassic Parc (1993, Steven Spielberg) Tomb Raider (USA 2001, Simon West)

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Frank Furtwängler Im Spiel unbegrenzter Möglichkeiten. Zu den Ambiguitäten der Videospielforschung und -industrie Every culture and every age has its favorite model of perception and knowledge that it is inclined to prescribe for everybody and everything. The mark of our time is its revulsion against imposed patterns. (McLuhan 2003, 6)

Die gegenwärtige Medienwirkungsdebatte konfrontiert uns mit kritischen Fragen, die einem bekannt vorkommen. Sie beinhalten den Hinweis auf einen drohenden Kontrollverlust der Medienkonsumenten über sich selbst, wenn sie sich dem aussetzen, was ihnen die Medien vorsetzen. Die Ohnmacht, eine mögliche geistige und körperliche Degenerierung der Betroffenen aufzuhalten, wird entlang vager Szenarien erörtert. Man fragt sich beispielsweise, ob unsere Kinder durch Videospiele1 und Fernsehen verblöden und ›Killerspiele‹ sie in hinterhältigen Trainingsprogrammen zu Killern ausbilden. Aus Angst vor intelligenten Amokläufern wünscht man sich dabei schon der eigenen Sicherheit wegen, dass die Verblödung vorher eintritt. Es scheint, als gefährden die Aussichten keineswegs nur die Renten. Manfred Spitzers Untertitel zu Vorsicht Bildschirm! muss wohl als Kausalkette für die Schadenswirkung verstanden werden: Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft (Spitzer 2005). Die Befürchtungen über den Selbstkontrollverlust individueller Menschen und einer in der Summe resultierenden Gesellschaft in »Medienverwahrlosung«,2 setzen aber zumindest ein Gefühl 1

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›Videospiel‹ wird hier als Oberbegriff gewählt, der (a)historische Differenzierungen einschließt, die auch durch die Hardware (PC, Homecomputer, stationäre und portable Konsolen etc.) bedingt sind. Der Begriff ›Video‹ lehnt sich dabei eher an die lateinische Bedeutung an und erinnert lediglich an die zentralste Schnittstelle zwischen User und Maschine, ohne dabei Audio und sensomotorische Schnittstellen auszuschließen. Auf Neologismen wie ›EGames‹ (elektronische Spiele) wird hier verzichtet. Ein Begriff, den Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, in verschiedenen kleineren Beiträgen in die Diskussion einbrachte. Beiträge finden sich z.B. auf der website www.mediaculture-online. de oder der website des Instituts direkt www.kfn.de.

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des individuellen und gesellschaftlichen Kontrollverlusts über die Medien selbst voraus, die ihre offenbar bedenkliche Rolle kaum aus sich selbst heraus einnehmen konnten. Die Bitte um Differenzierung ist so alt wie die Diskussionen selbst. Auch die hier, in ihrer ausgestellten Polemik zwar markierte, aber nicht allzu wirklichkeitsferne Zusammenfassung mancher Positionen, schreit selbst nach dem Vorwurf undifferenzierter Darstellung. Mein Beitrag will nicht vermeintlich Unwissende entlarven, indem er deren Argumente noch einmal zusätzlich vereinfacht. Ein solches Vorgehen ist im Umfeld der angesprochenen Diskussionen bedauerlicher Weise allzu gängig. Es herrscht an diesem Ort ein symptomatischer Mangel an Positionen, die die Sache auch sachlich angehen. Die meisten Verfechter bestimmter Positionen befinden sich auf einer Mission. Ein erster sinnvoller Schritt bestünde sicherlich in einer vorsätzlichen Absage an permanent wertende Positionen, die Differenzierungen aufgrund der Polarisierung, die sie nach sich ziehen, unweigerlich hemmen müssen. Die Vermutung, dass wir die ›elektronischen Medien‹ nicht ausreichend verstehen, um sie befriedigend in ihren Wirkungen zu erklären, wird durch manichäistische Zuordnungen zu Licht (z.B. Kunst) oder Finsternis (z.B. Populärkultur) nur zementiert; sie sind häufig noch einfacher strukturiert als die thematischen Inhalte von Videospielen, die den Kritikern an erster Stelle verdächtig sind. Vorherrschende Zuordnungen zu gegebenen Kontexten verweisen jedoch auf einen wichtigen Grund unserer Schwierigkeiten, diese neuen Medien einzuschätzen. Er besteht insbesondere in einer charakteristischen Unüberwindbarkeit festsitzender Schemen in der Beurteilung neuer Phänomene: Zahlreiche Verteidiger der populären Medien glauben fest an die Möglichkeit, durch eine Zuordnung der Videospiele zu etablierten Systemen, wie beispielsweise der Kunst, automatisch ihre Etablierung und breite gesellschaftliche Akzeptanz durchsetzen zu können; ähnlich wie es in der Vergangenheit für den Film mit Einschränkungen möglich war. Viele Kritiker sehen in umgekehrter Entsprechung in Videospielen die große Chance die letztendlich schon früher am Film selbst oder auch Video und Comics letztendlich immer wieder gescheiterten bzw. eingefrorenen Diskussionen um die negativen Wirkungen der populären Medien zu reanimieren. Beide Herangehensweisen basieren auf ähnlichen Voraussetzungen und sieht man von den unterschiedlichen Zielen ab – Akzeptanz und Ablehnung –, so entsprechen sich beide Strategien bis in die Details der Vorgehensweisen. In dem Drang ein homogenes Phänomen zu konstruieren, das in die jeweiligen Schemen passt, verlieren die neuen Qualitäten der Gegenstände oft ihre angemessene Beachtung. Die Verallgemeinerung des berüchtigten Ego-Shooters, synonym zu ›Killerspiel‹, für den Eindruck eines Gesamtszenarios ist besipielsweise nur deshalb möglich, weil bisher niemand das heterogene Feld der Videospiele überzeugend und nachhaltig differenzieren kann – weder Kritiker noch Verteidiger. Sachlich betrachtet ist der Ego-Shooter lediglich ein erfolgreicher visueller Typus dieser Spiele, dessen Form allerdings zusammen mit einem Inhalt systematisiert wird, z.B. indem dieser Typus als Genre begriffen wird. Nun ist ein Genresystem zwar ein Differenzierungsversuch, im Fall Videospiel allerdings weder verlässlich noch aussagekräftig. Es ist teilweise Relikt tradierter Systeme und damit eher Symptom

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von Orientierungslosigkeit als ein Instrument zur Orientierung, da es sich nicht an einheitlichen Merkmalen von Videospielen orientiert.3 Doch gerade die Frage nach einheitlichen Merkmalen von Videospielen ist die Basis der meisten Schwierigkeiten. Wohin der Blick auf sie auch fällt: Einheit ist nicht das dominante Feature in diesem Bereich. Die Praktiken des Umgangs mit Videospielen all jener, die beispielsweise an den eben erwähnten Diskussionen teilnehmen, können hier als Indikator für die Eigenschaften der Spiele selbst gelesen werden. Dazu muss man bei eingehender Betrachtung der Meinungsgruppen feststellen, dass es immer mehr als zwei Positionen gibt, wenn man bereit ist zu differenzieren und sich von den gröberen binären Ordnungsschemata distanzieren mag. Schon ein gemäßigter Rückzug aus den öffentlichen Diskussionen, in die magischen Kreise relativ ernsthafter Spielforschung selbst, offenbart beliebig viele Oppositionen, die fähig sind, den Streit um Details in jeder beliebigen Auflösung auszutragen. Der schon gut durch sich selbst dokumentierte Grundlagenstreit zwischen Ludologen und Narratologen fand eher im Bereich gröberer Auflösung, globaler Einstellungen und Zuständigkeiten statt.4 Doch auch im Mikrokosmos des Begriffspektrums ist man sich uneins: Zwischen Kernbegriffen wie Immersion, Interaktion, Partizipation, den weniger populären Begriffen, wie dem der ergodic literature, und nicht zuletzt dem Spielbegriff selbst ist ausreichend Platz für Differenzen. Man darf sich damit trösten, dass es hier vielleicht nur um die Klärung von Begriffen ginge, doch die definitorische Notsituation oder gar Depression verweist über sich hinaus auf die fehlende Einheit in der Auseinandersetzung mit Videospielen. Eine Einheitsstiftung würde gerade jenen Differenzierungsmangel auf verschiedenen Ebenen voraussetzen, den man eigentlich auflösen müsste, um zu spezifischeren Einsichten zu gelangen. Die Situation wirkt paradox, doch dies mag durchaus mit dem Gegenstand selbst zusammenhängen. Ich bleibe in diesem Beitrag bei der Frage nach den Gründen einer fehlenden Einheit in den Game Studies, da sie Voraussetzung ist, die grundlegenden Eigenschaften der Spiele selbst und der sie herstellenden Medienindustrie zu verstehen. Aus solchen Erkenntnissen sind die Aufgaben jener Disziplin erst abzuleiten, die sich als Game Studies explizit der Erforschung von Videospielen widmen wollen und damit auch lernen müssen, mit Paradoxien oder Widersprüchen umzugehen. Akzeptiert man die im herrschenden Mangel an Klarheit steckende Ambiguität, so nähert man sich dem Kern dessen, was wir als Spiel verstehen müssen. Diese Einsicht behindert oder verhindert nicht die Möglichkeit, durch spezifische Redukti3

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Eine konsistent logische Einteilung in Genres liegt nicht vor: Es gibt Verweise auf strukturelle Merkmale, z.B. zeitliche (Aufbaustrategie und Rollenspiele, rundenbasiert und Echtzeit); die schon erwähnten Verweise auf visuelle Typen (Ego-Shooter); medienhistorische Verweise auf apparative Typen (Arcade), auch Mischungen aus medienhistorischen Verweisen und Verweisen auf narrative Eigenschaften (Adventure) etc. Durch die Verweise auf unterschiedlichen Qualitäten sind Mischformen jederzeit möglich, die beliebig selektiv sind und auch direkt auf bekannte Vorläufer Bezug nehmen (z.B. Action-Adventure im Stil von TOMB RAIDER (1996, Core Design) oder ähnliches). Konsistente logische Einteilungen in Typologien verlieren durch die Vielzahl an kategoriellen Bausteinen, die die komplexen Merkmale der Spiele reflektieren könnten, schnell ihren pragmatischen Wert und setzen sich nicht durch, vgl. Aarseth/Smedstad/Sunnanå 2003. Eine gute Einführung von Seiten der Ludology findet sich in Frasca 2003.

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on der komplexen Merkmale von Videospielen in differenzierten Untersuchungen spezifische Klarheit zu erlangen. Niemand sollte aber gleichzeitig vom Anspruch allgemeingültiger Modelle ausgehen, die fähig wären, dem gesamten Gegenstandsbereich der Videospiele eine einheitliche Ordnung zu bescheren, die die Verteilung der Prädikate »gut« oder »schlecht« übersteigt. Dass die Unentscheidbarkeit über die Eigenschaften von Videospielen durch ihre Eigenschaften als Spiel vorgegeben sind, muss in der Forschung (selbst)reflektiert werden. Dies ist eine der herausragenden und besonderen Aufgaben der sog. Game Studies, die von dieser neuen Disziplin in einem vergleichbar aufrichtigen Bekenntnis oder Eingeständnis noch nicht akzeptiert wurde. Zu akzeptieren wäre, dass Differenzierung zumindest hier nicht zu einem einheitlichen Verständnis des Gegenstands führt, sondern zu diversen Betrachtungen, die gegenseitig nicht zu konkurrieren haben, sondern vielmehr als komplementär zu begreifen sind, auch und gerade wenn sie kein konsistentes Gesamtbild entwerfen. Einsichten der einen Betrachtung müssen nicht den Einsichten der anderen zwanghaft widersprechen oder sie entkräften, nur weil beide auf Videospiele blicken. Der Blick ist selten der gleiche. Differenzierungen durch unterschiedliche Zugriffsoptionen sind als legitim und als Teil des Spiels zu begreifen. Man muss diese Aufgabe als Teil der Arbeit am Selbstverständnis der Game Studies verstehen, das der Ambiguität des Spiels gerecht wird.5 Spezifische Zugriffsoptionen auf Videospiele müssen sich also stets selbst reflektieren. Steven Johnson hat hierzu in seiner gelungenen Streitschrift Everything Bad is Good for You (2006) zunächst die heikle Kommunikationssituation zwischen den beteiligten Parteien unter anderem auf deren unterschiedliche Erfahrungsdimensionen zurückgeführt. Damit hat er grundlegend eine mögliche, plausible Differenzierung von Videospielen geliefert. Gelungen ist diese schon deshalb, weil Johnson den gängigen, medienkritischen Positionen widerspricht und dabei einen hohen Grad an Differenzierung beibehält. Damit relativiert er in seiner Praxis die Prädikate »good« und »bad« im Titel seines Buchs, auch wenn er sich prinzipiell auf einer Mission befindet, die das ›Gute‹ in den elektronischen Medien herausstellen will: »I worry about the experiential gap between people who have immersed themselves in games, and people who have only heard secondhand reports, because the gap makes it difficult to discuss the meaning of games in a coherent way« (Johnson 2006, 25). Die Kohärenzproblematik, die Johnson hier anspricht, entspringt einer wahrhaft medientheoretischen Grundfrage: Was ist der Inhalt eines Mediums? Der Unterschied in der Erfahrung, die Johnson hier beobachtet, entsteht aus zwei unterschiedlichen Zugriffsoptionen, die zwei unterschiedliche Blikke auf ein und denselben thematischen Inhalt freisetzen. Sie unterscheiden sich an der nächsten medientheoretischen Grundfrage: Gibt es thematische, vom Medium selbst abgekoppelte Inhalte, die man verhandeln könnte? Die erste Zugriffsoption besteht in einer Beurteilung der thematischen, audiovisuellen Inhalte von außen, die abgekoppelt sind von ihren Funktionen im medialen Kontext des Videospiels. Sie ermöglicht die traditionelle Rezeption von Videospielen als Zuschauer, die durchaus legitim ist, sofern sie als solche verstanden und markiert wird. Johnson versteht diesen Blick auf Videospiele und andere 5

Vgl. hierzu Sutton-Smiths Erörterungen zum ›Spielcharakter‹, z.B. in SuttonSmith 1997.

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populäre Medienformen im Sinne symbolischer Interpretationen im Gegensatz zu systemischen Interprationen, wobei letztere in engerem Zusammenhang zu einem Handeln des Spielers in einem Spiel stehen. Der in hundert »blutende« Polygone zerschossene Körper eines Polygongegners im schon angesprochenen Ego-Shooter wird (symbolisch) interpretiert, ohne die Funktion des Ereignisses selbst im Kontext eines komplexen spielerischen Handelns zu sehen. Es braucht uns angesichts der von Johnson angeführten Behauptungen nicht weiter zu interessieren, was er unter symbolisch nun genau in diesem Kontext verstehen will. Johnson führt dies selbst nicht weiter aus. Für seine Betrachtungen spielen symbolische Betrachtungen auch keine primäre Rolle: »The approach followed in this book is more systemic than symbolic, more about causal relationships than metaphors. It is closer, in a sense, to physics than to poetry« (Johnson 2006, 10). Entscheidend ist für uns hier nur die Unterscheidung, die er trifft – zwischen symbolisch und systemisch oder vergleichbaren Begriffen, die der Unterscheidung dienen. Die symbolische Interpretation des Ereignisses von außen hat für Aussagen über dessen Wirkung nur Gültigkeit auf einer, mit der Beobachterposition von außen korrespondierenden Ebene der Rezeption, also auf der Ebene ebenfalls nicht spielender Beobachter. Auch wenn die Betrachtungen legitim sind, müssen sich diese Beobachtungen gegebenenfalls damit abfinden, dass sie lediglich Wirkungen auf eine Gruppe beschreiben, die nicht interessiert, weil sie vielleicht nicht nur irrelevant ist, sondern gegebenenfalls überhaupt nicht existiert. Es muss von vornherein die jeweilige, Videospiele auf die eine oder andere Art rezipierende Gruppe bestimmt und entschieden werden, ob sie postuliert und manchmal auch nur konstruiert ist, ›objektiv‹ nicht existiert oder nur als Modell spezifischer Betrachtungen.6 Differenzierungen der Diskussionen müssen sich also zuallererst den verschieden möglichen Ebenen der Beobachtung und des Zugriffs widmen. In verschieden möglichen Differenzierungen der Beobachtungsebenen entscheiden sich disziplinäre Zuständigkeitsbereiche und es wird entschieden, ob (wie im Beispiel der Betrachtung ›von außen‹) noch Game Studies betrieben werden können, oder ob Wissenschaft zu einem assoziativen Spiel mit fiktionalen Möglichkeiten wird, die präzise am Gegenstand vorbeizielen. Wie Johnson zunächst zwischen systemischen und symbolischen Betrachtungen zu differenzieren, ist angesichts der Konfusionen verschiedener Betrachtungsebenen im Wert kaum zu verachten. Allein schon diese Unterscheidung deutet auf

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Auch dies ist Gegenstand von Diskussionen. Die Frage ist, ob sich Sequenzen, die nicht von aktiver Partizipation des Spielers dominiert werden, für Untersuchungen dieser Art legitimieren lassen. Newman konzipiert hier z.B. Spielmodi, die er On-Line und Off-Line nennt (und damit durchaus zu begrifflichen Konfusionen beiträgt): »Broadly, On-Line refers to the state of ergodic participation that we would, in a commonsense manner, think of as ›playing the game‹. […] Off-Line describes periods where no registered input control is received from the player. In this terminology, I refer to players’ On-Line or Off-Line engagement with games and also On-Line or Off-Line sequences or sections within games« (Newman 2002). Newman will hier andere ›Spielertypen‹ erschließen, die sich aus den Aktivitäten im Spiel zurückziehen und in Kollaboration mit Anderen Spiele bewältigen und oft eher Zuschauern gleichen (sekundäre Spieler, co-pilots). Man sollte hier jedoch keinesfalls von einheitlichen Rezeptionsmodi ausgehen.

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einen Medienumbruch hin, der sich (wie oft schon unterstellt) in der Realität der Massenmedien vollzogen hat, bevor er wirksam in deskriptive, wissenschaftliche Reflexionen einzieht. Im konkreten Fall ist dies mehr als ein besserwisserischer Vorwurf: Videospiele aktivieren in ihren maßlosen Selektionen aus allen nur erdenklichen Medienbereichen Assoziationen im Betrachter, die doch alle irgendwie legitim erscheinen. Es sind diese verständlichen, oft genug plausiblen Assoziationen, die den Gegenstand und die Gruppen, die sich zu ihm in Bezug setzen, konstruieren. Mit den Gruppen konstruieren diese Assoziationen auch deren Probleme. Dazu gehört auch die Frage nach der Wirkung von Inhalten. Hat die Öffentlichkeit den Horrorfilm der 1970er Jahre mittlerweile akzeptiert, so kann seine visuelle Wiederholung im interaktiven Medium erneut verstörend wirken und die eingesetzte Kettensäge erlangt in ihren eventuell neuen Wirkungsdimensionen einen neuen Grad der Beunruhigung, wenn sie rein symbolisch interpretiert wird. Vermarktet eine Firma wie Capcom ihr Spiel Resident Evil 4 (1996) dabei noch mit einer limitierten Auflage eines Controllers in Form einer Kettensäge, so wird deren symbolischer Gebrauch für viele über seine noch akzeptablen Grenzen hinausgeführt. Bleibt man bei den von Johnson gebrauchten Begriffen systemisch und symbolisch, so muss man feststellen, dass die systemische Betrachtung kaum die Spuren der möglichen symbolischen Betrachtungen tilgt, da diese ebenfalls eine entscheidende Funktion für diese Spiele besitzen. Man muss jedoch stets in Betracht ziehen, dass symbolische Interpretationen trotz ihres Zugriffs auf Formen und Inhalte traditioneller Ausdrucksrepertoires im Bereich unserer Medien eventuell aber doch auch anders zu verstehen sind, und v.a. auch vom Spieler anders verstanden, interpetiert und umgesetzt werden. Nicht nur bezüglich der bisher angesprochenen thematisch-inhaltlichen Betrachtungen – oder in Johnsons Begriffswahl symbolischen Betrachtungen und Interpretationen – stellen sich Berührungen beispielsweise zwischen Film und Videospielen her. Auch strukturelle Analogien fordern die Forschung heraus. So erkannte die Narratologie in den neuen Möglichkeiten nichtlinearer Erzählung neue Herausforderungen für ihre Beschreibungsmodelle. Entdeckt wurde ein frisches Betätigungsfeld, das über den Bereich der gedruckten Buchstaben hinaus der bisherigen Forschung neue Relevanz geben konnte. In beiden genannten Fällen wird das neue Medium wiederum durch ›retroaktive‹ Blicke auf thematisch-inhaltliche oder strukturelle Merkmale älterer Medien und die Erfahrungen mit diesen bestimmt und interpretiert. Diese Dynamik beschrieb McLuhan in Understanding Media schon für die Medienwissenschaft als typisch zu einer Zeit, in der es sie selbst noch gar nicht gab und er sich auch nicht mit den interaktiven elektronischen Unterhaltungsmedien konfrontiert sah. Spiele verglich er in ihrer gesellschaftlichen Stellung noch eher mit Drogen (McLuhan 2003, 254). Johnson greift McLuhan als frühen Zeugen für Medien(kultur)kritik auf: »But as McLuhan famously observed, the problem with judging new cultural systems on their own terms is that the presence of the recent past inevitably colors your vision of the emerging form, highlighting the flaws and imperfections« (Johnson 2006, 18). Der Blick zurück auf das Neue erzeugt jedoch keineswegs nur skeptische Ansichten; affirmative Haltungen sind ebenso üblich, wie im Beispiel der Narratologie deutlich wird, die auch eine nicht-wissenschaftliche Spielart in der bekannten Euphorie besitzt, dass Videospiele nun die aktive Partizipation an

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filmisch erzählten Geschichten ermöglichen. Diese Euphorie hatte einen ganz maßgeblichen Impuls auf die bisherige Behandlung von Videospielen, der jedoch kritisch zu beurteilen ist. Nun muss man nicht unbedingt McLuhan, den man hin und wieder gerne wie einen Nostradamus liest, als Kronzeugen aufrufen, um sich klarzumachen, dass Gegenwärtiges stets mit Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Kollision gebracht wird. Dies ist nur allzu menschlich. Die schon erwähnten Assoziationen sind nur ein mögliches Symptom solcher Kollisionen. Bei Videospielen verschärft sich die Situation der Beurteilung des Neuen anhand des Alten jedoch, da (medien)kulturelle Prägungen nicht lediglich passiv auf die Beurteilung von Videospielen wirken, sondern besonders aktiv durch die konkrete Identifizierung bekannter audiovisueller Formenrepertoires von Medienseite tatsächlich abgerufen werden. Die Bestimmbarkeit eigener medialer Merkmale der hybridmedialen Spiele ist dabei durch die leichte Identifizierbarkeit ihrer auftretenden Formen behindert. Dieser Umstand belastet nicht nur die hier an den Anfang gestellten Wirkungsdebatten, sondern gleichermaßen die Game Studies als forciert einheitlichen, disziplinären Zugang. Letztendlich – und dies ist entscheidend – ist dadurch die konzeptionelle Basis der sog. interactive entertainment industry selbst eine sehr fragile. Die Videospielentwickler können ihre Möglichkeiten kaum kontrollieren. In allen angesprochenen Bereichen ist damit der schon erwähnte, langsame Identitätsbildungsprozess verbunden, der nicht durch theoretische Fragestellungen behindert wird, sondern vielmehr aus der Geschichte der Videospiele und den Entwicklungspotentialen der zugehörigen Branche selbst erklärbar ist. Um es zunächst noch einmal auf den Punkt zu bringen: Die ungeklärte Frage, die die meisten Diskussionen über Videospiele belastet, betrifft vor allem die Bedeutung von Inhalten und deren Funktion. Die Rolle des symbolischen, visuellen Gehalts dieser Spiele im Kontext systemischer Betrachtungen, wie Johnson die Unterscheidung spezifiziert, ist vielleicht weniger ungeklärt als vielmehr nicht entschieden, da unterschiedliche Interessen einheitliche Entscheidungen verhindern. Dabei ist content ein Kernbegriff der Industrie. Das Verständnis oder gegebenenfalls die Funktion von content unterscheidet sich aber auch hier deutlich in den jeweiligen Auffassungen. Dies lässt sich im Bereich der Industrie am Beispiel der Konzerne Microsoft, Sony und Nintendo transparent machen, die derzeit die industrielle Entwicklung vorwiegend bestimmen und steuern. Sie begreifen den Zusammenhang von content und gameplay denkbar unterschiedlich. Microsoft und Sony mit den Plänen für ihre Spielkonsolen der nächsten Generation auf der einen Seite (XBox 360 und Playstation 3) und Nintendo auf der anderen (wii) besitzen keine einheitliche konzeptionelle Basis ihrer Entwicklungen und Entwicklungspotenziale. Dies ist in einer Situation starker Konkurrenz zunächst vielleicht verständlich, in den unterschiedlichen Konsequenzen ihrer Designrichtlinien jedoch erstaunlich deutlich ablesbar. Zu den Begriffen: Content entspricht, ohne weitere Differenzierung, die eigentlich nötig wäre, in direkter Übersetzung unserem Begriff ›Inhalt‹; gameplay im Zusammenhang mit content betrifft Fragen der Funktionen des Inhalts für Spielabläufe oder -prozesse. Schon dies setzt aber Prioritäten voraus: gameplay vor content oder umgekehrt, oder begreift man gameplay gar als content. Larry Probst, Chairman & CEO von Electronic Arts, führte im Rahmen einer Sony-Pressekonferenz auf der Electronic Entertainment Expo (E3) 2006 die

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Präsentation zukünftiger Entwicklungen für die Playstation 3 zunächst als Fortschritt in Sachen Technology and Innovation ein; George Borshukov, der von der Visualization Group bei Electronic Arts aufgrund seiner Erfahrung in image-based rendering virtual cinematography aus der Filmbranche rekrutiert wurde, vollzog danach den Kurzschluss zwischen visuellen Inhalten und gameplay, indem er ausführte: »As you can tell U-CAP7 improves gameplay because the personalities in the game have never been more real. Now you will be able to see what it feels to sink a 20-footer« (Herv. F.F).8 Borshukov referierte die Möglichkeiten extrem nuancierter Gesichtsanimationen, in diesem Fall an einer Tiger Woods-Figur aus Electronic Arts’ populärer Golfspiel-Serie. Eine solche Aussage ist bezeichnend für die Wachstumskonzepte sowohl von Sony als auch von Microsoft, die beide gleichermaßen Innovation auf so genanntem high definition content aufbauen und somit einen Schwerpunkt auf die Verbesserung visueller Inhalte legen. Ebenfalls bezeichnend ist, dass Borshukov die Spielentwicklung aus der Filmbranche heraus kommentiert und dies seine Perspektive bestimmt. Gleich welche Innovationen in den Spielmechanismen erkennbar sein werden, bleibt ein (Photo)Realismus der Inhalte die stabilste Brücke zum Spieler, der hier als ein Rezipient des Spektakels begriffen wird, dessen spielerische Bedürfnisse aber ein Geheimnis bleiben. Ablesbar ist dies auch in den gängigen Präsentationen der Software-Prototypen sowohl bei Sony als auch bei Microsoft: Sie bestehen oft aus intros und cut-scenes und sind damit nicht den interaktiven Grafiken der Spiele selbst zuzuordnen. Es geht hier um Immersion, die auf der Modellierung virtueller Welten nach dem Bild einer (hyper)realen Welt aufbaut. Diese Innovationsform führte zu einem Punkt, an dem die Hardware so maßgeblich subventioniert wurde, dass sie vielfach unter den Produktionskosten verkauft werden konnte. Nintendo kündigte an, einen anderen Weg in den eigenen NextGen-Konzepten einzuschlagen und verzichtete in frühen Werbekampagnen von wii – ihrer neuesten stationären Konsole, die damals noch den Arbeitsnamen »Revolution« trug – gänzlich auf die Präsentation visueller Inhalte der Spiele selbst. Stattdessen wurde der Blick aus dem Bildschirm inszeniert auf Spieler vor dem Bildschirm, die mit dem ›revolutionären‹ Controller des neuen Geräts ein Phantom im doppelten Sinne bespielten: das Gerät selbst und die Spiele, die zu jenem Zeitpunkt nicht einmal als Prototypen existierten. In einem radikalen Verzicht auf das Visuelle der Spiele und damit auf alles, worauf der Großteil der Industrie aufbaute, allein durch die Töne des unsichtbaren Spiels und die Bewegungen der Spieler mit einem Eingabegerät, das Positionen im Raum abfragen konnte, war es möglich, auf die Art der Spiele zu schließen. Dass dies funktionieren konnte, ist einerseits ein Kommentar zur Popularität bestimmter Spieltypen und der Stereotypie von Inhalten selbst. Andererseits transportierte Nintendo damit aber auch ein neuartiges Selbstbewusstsein, das durch den vorangegangenen Erfolg ihrer portablen Konsole Ninentdo DS 7

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Abkürzung für die Technologie zur Herstellung z.B. von realistischen Animationen (Playable Universal Capture). Die hier und im Folgenden wiedergegebenen Zitate beruhen auf eigenen Transkriptionen der Pressekonferenzen der E3. Sie sind deshalb nur durch die Reden selbst, bzw. Videodokumentationen belegbar.

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entstanden war. Mit ihrem Double Screen führte Nintendo der Industrie 2005 die Möglichkeit vor, wie mit einem ausdrücklichen Fokus auf gameplay Innovationsformen erschlossen werden konnten, die einerseits von einem zunehmend opulenterem visuellen Inhalt trennbar waren und andererseits wieder zum eigentlichen Spielerlebenis zurückführen konnten. Nintendo konzentrierte sich folgerichtig auf interface design und schuf im Falle des Double Screens, dessen unterer Bildschirm ein Touchscreen ist, eine Möglichkeit die Potenziale in dieser Richtung zu veranschaulichen. Die radikale Abkehr von den gängigen Innovationsstrategien, die von vielen wohl zurecht als limitiert betrachtet wird, birgt dabei nun die Gefahr, dass das Interface in inhaltsleere Räume greift und die Spieler in ein Vakuum zwischen den Polen unterschiedlicher Entwicklungsentscheidungen der beteiligten Firmen geworfen werden. Ebenfalls auf der E3 2006 sprach Reggie Fils-Aime, Executive Vice President of Sales and Marketing Nintendo of America, davon, dass Nintendo den »next leap in gaming« (re)präsentierte. Wohin dieser nächste Sprung führen soll, machte er durch eine Absage an die Dominanz des high definition content als Entwicklungspotenzial seiner Industrie deutlich: What we are unveiling is the next leap in gaming. To a place where playing is no longer just about looks, it’s about the feel. Where it’s no longer confined to just a few – it’s about everyone. And most of all, the next leap is not just about what you see, because what you see, is not always what you get. […] Today you will see and tomorrow you’ll start to feel (Herv. F. F.). Die Konsequenzen, die diese Entscheidung bei Nintendo nach sich ziehen soll, skizzieren diesen kommenden Schritt noch deutlicher: What’s hot is the feel of the game – the look is secondary. What’s hot is the leap not just the next step. It’s hot if it is disruptive – it’s not if it is predictable. The future of our industry is inclusion not exclusion. It’s about the heat of emotion not the chill of technology. We know that the future is right here. Wii and the DS represent the same thing: risk. Risk allows progress. We’re a company that doesn’t run from progress, we run to it. Change is good. We were the disruptor 20 years ago and we still are today. DS is only the latest example – Wii will come next. Every year we hope you’ll walk out of our media briefing saying »yeah these guys are the hot story of the show«. But you know what? Today we’re not asking that. Of course we hope you like what you’ve seen so far. But in reality we also know that seeing is just an impression – playing is believing. Der visuelle Inhalt und dessen grafische Darstellung sind vom Aufmerksamkeitszentrum in die Voraussetzung für game design gerückt. Der Ort hat sich lediglich in der Tiefe verändert, in der diese Voraussetzung einsinken muss – glaubt man der von Nintendo propagierten Strategie. Diese Beispiele aus der Industrie führen uns eine weitere Facette der fehlenden Einheit vor Augen, und der Zusammenhang von content und gameplay führt uns zurück zu Johnsons Unterscheidung von symbolischen und systemischen Betrachtungen. Die Differenz in Borshukovs und Fils-Aimes Aussagen verdeutlicht die Unterschiede hinter der drastischen Rhetorik eines media briefing eher subtil: Borshukov ist den (symbolischen) Interpretation aus der Rezeption traditioneller Bildmedien verhaftet. Gameplay ist hier durch Vermittlungsprozesse über Inhal-

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te nicht unmittelbar, und in der Zwischenschaltung der visuellen Wahrnehmung, »see what it feels«, kennzeichnet Borshukov seine Orientierung an traditionellen visuellen Bildmedien. Fils-Aime repräsentiert die bei Nintendo vertretene Auffassung in neuem Selbstbewusstsein der Industrie: »Today you will see and tomorrow you’ll start to feel«. Er trennt hier sogar verschiedene Arten der Vermittlung und stellt sie als evolutionäre Abfolge dar. Die unterschiedlichen Konzepte von Sony und Nintendo sind nicht mit ›falsch‹ oder ›richtig‹ bewertbar; die Existenz beider ist lediglich Ausdruck der bezeichnenden Mehrdeutigkeit der Merkmale von Videospielen, die man nicht mit ›richtig‹ und ›falsch‹ bewerten kann. Der Appell an das Sensorische und Emotionale zugleich, das in feel zum Ausdruck kommt, bleibt bei beiden eine unspezifische Variable für das große Mysterium des Spiels, das medial (noch) unbestimmbar bleibt. Spiel wird zum okkulten Medium, das die Kommunikation mit Spielern weitestgehend im Dunkeln läßt, auch wenn es die Kommunikationsmittel doch scheinbar so explizit ausstellt. Welche Strategie der Spielereinbindung stellt ›bessere‹ Partizipation her – ein Realismus der visuellen Inhalte oder ein Realismus der Prozesse mit Inhalten umzugehen, die sich durchaus auch rein aus Imaginationen der Spieler ziehen lassen? Eine Trennung der Strategien ist künstlich, auch wenn uns das Beispiel aus der Industrie solch eine konzeptionelle vorführt, die eigentlich mehr einer Akzentuierung entspricht, die nicht zuletzt durch marktwirtschaftliche Entscheidungen gesteuert wird. Eine direkte Zuordnung der Partizipation zu den Inhalten ist so irreführend wie die unmögliche Annahme, es wäre direkte, unvermittelte Partizipation ohne vermittelnde Inhalte möglich. Die Frage nach Partizipation des Mediennutzers oder Spielers entscheidet über das meiste, das hier bereits diskutiert wurde. Sie hat entscheidenden Einfluss auf die Diskussionen über den Wirkungseinfluß auf die Spieler, die hier anfangs angesprochen wurden. Sie entscheidet auch maßgeblich darüber, wer letztendlich kompetent genug ist, solche Fragen auch zu beantworten. Kann eine Außenperspektive richtige Einschätzungen liefern oder erhält man die richtigen Antworten erst, wenn man sich auch der Wirkung einer Partizipation aussetzt? Ist im letzteren Fall dann überhaupt noch eine, für die Beurteilung nötige Distanz gewährleistet? Im Rückbezug auf traditionelle Bildmedien und in Verlängerung der Euphorie über die ermöglichte Partizipation an Erzählungen, die man aus diesen traditionellen Bildmedien kennt, wird Partizipation als Verstärkungsfaktor für das Wirkungspotential der Spiele verstanden, das hauptsächlich von den Inhalten ausgeht. Verbunden sind derartige Auffassungen mit dem problematischen Begriff der Immersion, der dem mysteriösen »feel« recht nahe kommen kann. Problematisch und irreführend ist der Begriff, weil eine Unmittelbarkeit der Partizipation suggeriert oder impliziert wird, die weder zum Verständnis von Medien noch zum Verständnis von Spiel passt: Beide, Medien und Spiel, sind vermittelnde Instanzen in (meta) kommunikativen Situationen, die permanent auf ihre eigenen Voraussetzungen und Rahmungen verweisen. Auch wenn Gregory Bateson in A Theory of Play and Fantasy (1972) unmittelbare Einbindungsprozesse in Medien nicht ausschließt,9 die 9

Er beschreibt eine Situation im Kino, in der der Zuschauer zusammenzuckt, wenn im Film ein Speer Richtung Leinwand geworfen wird. Den Effekt kom-

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den Vorstellungen von Immersion ähneln, so sind Spiele in seinem Verständnis stets von metakommunikativen Situationen bestimmt.10 Immersion beinhaltet jene Paradoxie, die auch Spiele kennzeichnet. Spiele inszenieren eine Situation als ›echt‹ unter der Voraussetzung, dass die am Spiel Beteiligten sie grundlegend als ›unecht‹ begreifen. Das Entscheidende dabei ist, dass Spieler dies gerade nicht entscheiden. Immersion bezeichnet zwar die (nicht immer nur symbolisch verstandene) Absorption des Rezipienten oder Spielers im Kontext eines Spiels oder Mediums, der Körper des Spielers jedoch bleibt stets zurück – ein Grund, warum alle radikalen Fantasien über die Technologie virtueller Welten auch mit einer Transformation oder Absorption des Körpers operieren müssen, um sich über diese Paradoxie hinwegzusetzen. Der Körper und dessen Aufenthaltsort diesseits des Bildschirms, mit einem Eingabegerät in den Händen, wird Spieler stets an eine ganz wesentliche Rahmung von Videospielen erinnern. Die Versicherung darüber ermöglicht im Spiel die notwendige Sicherheitszone. Spielern die Kompetenz abzusprechen, sich in jedem Augenblick auf den vom Spiel oder Medium abgekoppelten Körper zurückziehen zu können, ist eine Entmündigung, die wissenschaftlich nicht belegt ist. Für die Skeptiker, die z.B. Gewaltdarstellungen in Videospielen mit Sorge betrachten, scheinen die Inhalte und deren Funktion unhintergehbar zu sein. Die Beobachtung, an den Inhalten, den audiovisuellen Repräsentationen, direkt teilhaben zu können, verunsichert zunächst – Partizipation konkreten Inhalten zuzuordnen, die von je her dubios waren, polarisiert jedoch. Unser Beispiel aus der Industrie bestätigt die Unentscheidbarkeit über eine Situation, die logisch nicht befriedigend auflösbar erscheint und die unter anderem aus der Frage nach der Funktion der Inhalte für die Spielprozesse entsteht. Die Betrachtungsarten von Inhalten, besonders im Umfeld des Immersionsbegriffs, unterschlagen Möglichkeiten eines grundlegenderen medialen Wandels und setzen eine ganz zentrale, aber zu selten thematisierte Annahme voraus: Mediale Inhalte, die in ihrer Präsentation, ihren audiovisuellen Repräsentationen identisch erscheinen, erfüllen auch identische Funktionen in verschiedenen medialen Kontexten. Die Annahme, die man auf McLuhans schon angesprochene Beobachtung zurückführen kann, ist jedoch folgenschwer: Dass Inhalte hinsichtlich unterschiedlicher Funktionen in unterschiedlichen medialen Kontexten nicht ausreichend reflektiert werden und damit Funktionswechsel oder -verschiebungen ins Abseits der Betrachtungen geraten, ist als Wurzel des Verständigungsproblems unter Verdacht. Differenzierungsversuche, die sich gemäß unserer Erfahrung mit traditionellen Medien auf thematisch-inhaltliche Merkmale dieser Spiele konzentrieren, sind problematisch bzw. müssen zunächst erst einmal als problematisch akzeptiert werden. Die Gründe des Verständigungsproblems sind jedoch keinesfalls nur in wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Diskursen über Videospiele zu suchen. Die Gründe entspringen der historischen Entwicklung der Videospiele selbst, aus den konzeptionellen Grundlagen einer Entwicklungsindustrie, die sich

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mentiert Bateson: »At the moment of terror there was no questioning of ›reality‹« (Bateson 1972, 183). Zum Begriff der Immersion in Zusammenhang mit Batesons Spieltheorie vgl. Furtwängler 2006.

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derzeit wie eben geschildert präsentiert. Schon bevor die Produktion von Videospielen als industriell gelten konnte und einzelne Entwickler tatsächlich dem Klischee des nerd in Garage oder Hobbykeller entsprachen, waren Videospiele medial nie voraussetzungslos. Die ersten Telespiele am heimischen Fernsehgerät waren begleitet von den Fragen mancher Spieler, wie die zahllosen Eingabeaufforderungen ›Schläger nach oben‹ und ›Schläger nach unten‹ so schnell vom Fernsehsender bearbeitet werden und zurück auf den Bildschirm gelangen konnten. Man mag solchen Ursprungsmythen der Medien glauben oder nicht, die sich leicht mit Berichten über das vor dem ›einfahrenden Zug‹ flüchtende frühe Kinopublikum vergleichen ließen: Schon sie sind Ausdruck der tiefen Eingebundenheit von Videospielen in Systeme traditioneller Medien und Wahrnehmungen. Dies gilt nicht nur für Pong (1972, Atari) als populärem Begründer der audiovisuellen, am Fernseher spielbaren Entwicklungslinie der Videospiele, sondern ebenso für die so genannte interactive fiction bzw. die Textadventures der 1980er Jahre, für die Werbekampagnen in deutlicher Abgrenzung zu den Telespielen entwickelt wurden. In einer ihrer Werbeanzeigen erklärte die Firma Infocom: Expect the unexpected the first time you experience Infocom’s interactive fiction. Because you won’t be booting up a computer game. You’ll be stepping into a story. […] For the first time, you can be more than a passive reader – you can become the story’s main character and driving force. […] In fact, an Infocom interactive story is roughly the length of a short novel in content, but because you take an active role in the plot, your adventure can last for weeks and months.11

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Was den Telespielen das Fernsehen, war den Textadventures das Buch – in der Werbeanzeige noch verdeutlicht – durch die beim Wort genommene Metaphorik eines Buchs mit Einstiegsluke in den aufgeschlagenen Seiten. Akzeptiert man McLuhans hier schon erwähnte Beobachtung zur Beurteilung neuer kultureller Systeme unter unausweichlicher Voraussetzungen alter, so darf man Videospiele bedenkenlos zum ersten medialen System zählen, das diesen Umstand von Beginn nicht nur kompromisslos annahm, sondern derart forcierte, dass es sich hieraus scheinbar selbst in einer Auflösung befindlich definierte. Korrespondierend mit McLuhans noch bekannterer Bemerkung, ein neues Medium beinhalte stets ein altes, integrierten Videospiele parallel zum technologischen Fortschritt nach und nach alle möglichen Ausdrucksrepertoires traditioneller Medien, die mit den darstellerischen Mitteln ihrer jeweiligen Entwicklungsstufe integrierbar waren. Sie äußerten damit ein für die Mediengeschichte kompromissloses Statement und lösten in Folge ihre eigenen medialen Konturen in ihren überdeutlichen Bezugnahmen auf andere Medien scheinbar weitgehend auf – eine Auflösung, die es unmöglich erscheinen lässt, sie als Medium ontologisch zu bestimmen. Wenn die Beliebigkeit ihrer Bezugnahmen auf die anderen Medien auch symptomatisch sind, so sind sie letztendlich vielleicht nicht entscheidend: Die kleinste, allgemeinste definitorische Einheit von play und game wurde Anfang 11

Diese Textstelle ist einer Werbeanzeige der Firma Infocom mit dem Titel ›The real trick is getting out‹ entnommen. Sie war Teil einer Werbekampagne in den 1980er Jahren.

Im Spiel unbegrenzter Möglichkeiten

der 1970er Jahre von Avedon und Sutton-Smith auf »exercise of voluntary control systems« (Avedon/Sutton-Smith 1971, 6) eingegrenzt. Eine Differenzierung von Spieltypen muss sich zuallererst fragen, wie diese Kontrollsysteme funktionieren, wie sie das kontrollieren, was sie kontrollieren. Inhalte ordnen sich in einen komplexen Zusammenhang verschiedenster funktionsfähiger Elemente eines solchen Kontrollsystems ein. Innerhalb dieses Kontextes müssen jegliche Inhalte beurteilt werden. Spiele übertragen sich als exercise of voluntary control systems auf jeglichen, mit ihnen zusammenhängenden Umgang, und die Bitte um Differenzierung richtet sich an den Versuch, dies in allen Bereichen, die sich um das Verständnis oder die Produktion von Spielen bemühen, konsequent als ein Spiel der unbegrenzten Möglichkeiten zu bedenken – auch wenn dadurch eine verlässliche Beantwortung der Fragen, die permanent an diese Spiele gestellt werden, unmöglich erscheint. Spiele müssen letztendlich ausgetragen werden.

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Frank Furtwängler

Literatur Aarseth, Espen / Smedstad, Solveig Marie / Sunnanå, Lise (2003) A multi-dimensional typology of games. In: Level Up. Digital Games Research Conference 2003 Proceedings. Hrsg. v. Marinka Copier & Joost Raessens. Utrecht: Digra, S. 48-53. Avedon, Elliott M. / Sutton-Smith, Brian (Hrsg.) (1971) The Study of Games. New York: John Wiley & Sons. Bateson, Gregory (1972) A Theory of Play and Fantasy. In: Steps to an Ecology of Mind. New York: Balantine Books, S. 177-193. Frasca, Gonzalo (2003) Ludologists sove stories, too: Notes from a debate that never took place. In: Level Up. Digital Games Research Conference 2003 Proceedings. Hrsg. v. Marinka Copier & Joost Raessens. Utrecht: Digra, S. 92-99. Furtwängler, Frank (2006) Spiele am Rande des metakommunikativen Zusammenbruchs. In: Das Spiel mit dem Medium. Partizipation – Immersion – Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel. Hrsg. v. Britta Neitzel & Rolf F. Nohr. Marburg: Schüren, S. 154-169. Johnson, Stephen (2006) Everything Bad is Good for You. How Popular Culture is Making Us Smarter. London: Penguin. McLuhan, Marshall (2003) Understanding Media. The extensions of man. London: Routledge. Newman, James (2002) The Myth of the Ergodic Videogame. Some thoughts on player-character relationships in videogames. In: Game Studies. The international journal of computer game research 2, 1, Juli 2002, http://www. gamestudies.org/0102/newman. Zuletzt gesehen am 23.9.2006. Spitzer, Manfred (2005) Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. Stuttgart: Ernst Klett Verlag. Sutton-Smith, Brian (1997) The Ambiguity of Play. Cambridge: Harvard University Press.

Spiele 72

Resident Evil (1996, Capcom) Tomb Raider (1996, Core Design)

Michael Liebe Die Dispositive des Computerspiels

Im Metzler Lexikon Medientheorie Medienwissenschaft werden »Computerspiele« unter dem Begriff »Bildschirmspiele« mit den Arcade-, Video-, Online- bzw. Handheldspielen als »Spiele auf digitaler Basis, deren Spielverlauf am Bildschirm – Computermonitor, Fernsehbildschirm oder integriertes Display – verfolgt werden«, zusammengefasst (Schanze 2002, 33). Diese Beschreibung ist zunächst einsichtig. Immerhin ist offensichtlich, dass all diese Spiele als wesentliches Ausgabemedium einen Bildschirm benötigen. Doch wenn man genauer hinschaut, lassen sich wesentliche Unterschiede zwischen diesen Geräten erkennen. Allein die unterschiedliche Rolle des Tons bei Tetris (1989, Nintendo) auf dem Gameboy und Doom 3 (2004, Activision) auf dem PC offenbart schon große Differenzen. Auch die Namensgeschichte von Pong (1972, Atari) zeugt von der Bedeutung akustischer Signale. Der durch ein extrem verstärktes Knacken im vertikalen Zeilenzähler des TTL-Chips1 hervorgerufene charakteristische Sound beim Aufprall des »Balls« auf den »Schläger« war der Namensgeber für dieses wohl wichtigste Spiel in der »Videospielgeschichte« (vgl. Pias 1999, 84). So verwundert es nicht, dass eine Designerin aus Berlin gerade dieses Spiel dazu benutzt hat, zu testen, ob ein Computerspiel auch ohne jeglichen visuellen Output zu beherrschen sei (Das Hörspiel [2005, Julia Soergel]). Ich will mit diesen Beispielen nicht behaupten, dass der zitierte Lexikon-Eintrag falsch sei. Im Gegenteil. Die zentrale Rolle des Bildschirms – beziehungsweise des Visuellen generell – bei Computerspielen kann nicht bestritten werden. Ebenso richtig ist jedoch, dass mit einer Konzentration auf das Bildliche allein zu viele wichtige Elemente in den Hintergrund gedrängt werden. Aus diesem Grund möchte ich für die von mir betrachteten Spiele den Oberbegriff »Computerspiel« verwenden. Zwar gerate ich damit in Konflikt mit der umgangssprachlichen Bezeichnung für PC-Spiele, doch scheint dieses Vorgehen zwei entscheidende Stärken gegenüber den Alternativen Bildschirm- oder Videospiel zu 1

TTL ist die Abkürzung für »transistor-transistor logic« und beschreibt die Technik der Schaltungen auf dem Chip. In den 1960/1970er Jahren war dieser Chip von Texas Instruments weit verbreitet und wurde sehr oft in Fernsehern oder Pinball-Maschinen verbaut (Vgl. Kuhlmann 1997).

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haben: Zum einen existieren auch Spiele, die nicht zu der obigen Aufzählung aus dem Metzler-Lexikon gehören, aber dennoch einen Bildschirm als zentrales Medium besitzen. Beispielsweise TV-Quizspiele, bei denen der Zuschauer per Telefon am Spielgeschehen teilnimmt. Ein Computer spielt in einer solchen Variante nur eine mittelbare Rolle. Zwar wird in dem Metzler-Lexikonartikel der Zusatz »[Spiele] auf digitaler Basis« gemacht, doch fokussiert der dort verwendete Begriff den Bildschirm als wesentliches Merkmal, und nicht den Computer. Und das ist die zweite Stärke der hier verwendeten Bezeichnung: Der Computer und seine Digitalität ist das wesentliche Element dieser Art von Spielen – denn ohne Computer auch kein Bildschirmspiel. Aber ohne Bildschirm potentiell sehr wohl Computerspiel.2 Und auch wenn es gerade in den Anfangsjahren nicht wirklich offensichtlich war, liegt sowohl den Arcade- als auch den Handheld- oder Konsolenspielen Computertechnik zugrunde.3 Computerspiele lassen sich zudem auf zwei Ebenen differenzieren. Zum einen über die Hardware, also das zum Spielen verwendete Gerät, und zum anderen über die Software, also dem spielerischen Inhalt des Programms. Anhand der unterschiedlichen Geräte können unterschieden werden:4 – PC-Spiele: Spiele, die auf einem Personalcomputer gespielt werden (seien es Apple-, IBM-kompatible oder andere Systeme). Zu den PCs gehören auch Laptops. – Konsolen-Spiele: Computerspiele, die auf einer Videospielkonsole gespielt werden, die an einen Fernseher angeschlossen ist. – Arcade-Spiele: Spielautomatenspiele, die nicht dem reinen Glücksspiel zuzuordnen sind. – Handheld-Spiele: Spiele, die auf mobilen Spielkonsolen gespielt werden. Eine Unterklasse davon sind Handy-Spiele, welche jedoch bis auf die Mobilität nur wenige Eigenschaften mit den klassischen Handhelds teilen, da Handys eher einem mobilen Computer gleichen, als einem mobilen Telefonier- bzw. Spielapparat.

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Vgl. bspw. das Kunstprojekt: PONG MECHANIK (2004) von Niklas Roy; http://www. cyberniklas.de/pongmechanik/index.html. Zuletzt gesehen am 30.08.2006. Pias schlägt in diesem Zusammenhang eine interessante Unterscheidung von Maschinen und Computern vor: Maschinen seien auf einen bestimmten Zweck ausgerichtete Arbeitsgeräte, die eben nur diesen einen oder in manchen Fällen auch eine begrenzte Anzahl von Aufgaben erfüllen können. Dem gegenüber seien Computer universell. Im Prinzip ließe sich mit ihnen alles machen. Aus diesem Grund wurde an dieser Stelle auf Computertechnik verwiesen. Denn frühere Videospielkonsolen – und die meisten Arcadegeräte noch heute – konnten nur ein oder wenige bestimmte Spiele leisten. Damit sind sie einer Maschine ähnlich. Aber auf der anderen Seite hängt selbst diese rudimentäre Leistung von Computertechnologie ab (siehe Pias 1999, 82). Es scheint bei der immer auffälliger werdenden Medien-, genauer Technikkonvergenz, schon fast überflüssig zu bemerken, dass diese Einteilung nur der Orientierung und Begriffsklärung dient. Schon die Spielkonsole Playstation 2 konnte viel mehr, als nur als Spielkonsole genutzt werden. Auch sind beispielsweise PDA‘s schon als Mischformen konzipiert. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Die Dispositive des Computerspiels

Dagegen wird die Unterteilung auf Software-Ebene um einiges schwieriger. Eine wesentliche Hürde für eine brauchbare Differenzierung ist die Vielschichtigkeit der Computerspiele. Wie Jesper Juul verdeutlicht, umfassen sie zumindest die zwei Ebenen »rules« und »fiction«, also handlungseinschränkende Rahmenbedingungen und bedeutungsgeladenen Inhalt. Allein diese Zweiteilung macht den Gegenstand äußerst komplex. Schon ein Blick in die 421 Seiten starke Arbeit von Mustern im Gamedesign von Stefan Björk und Jussi Holopainen offenbart welche Dimensionen allein eine Beschreibung der möglichen Regelprinzipien annehmen kann (Björk/Holopainen 2005). Auf der anderen Seite kommt mit dem fiktionalen Aspekt ein mindestens ebenso umfassender Pool an Möglichkeiten mit sich – zumal dadurch auch Narrativität mit ins Spiel kommt. An dieser Stelle schlagen Geoff King und Tanya Krzywinska eine Gliederung in Genre und Milieu vor. Mit Genre würden Spiele dann auf Basis der Regeln sowie Handlungsmöglichkeiten gruppiert werden und mit Milieu aufgrund ihres Stils, der Atmosphäre oder des Themas des fiktionale Kontexts (King/Krzywinska 2002a, 27). Auf der Ebene des Milieus lässt sich auch der narrative Aspekt des Spiels einbinden. Das Genre, oder treffender: die Gattung,5 umfasst dagegen die weit verbreitete und von Pias ausführlich analysierte Unterscheidung zwischen »zeitkritischen« (Action), »konfigurationskritischen« (Strategie) und »entscheidungskritischen« (Adventure) Spielprinzipien (Pias 1999, 4). Soll dieses System jedoch auch gängige Mischformen wie Action-Adventures (bspw. Half-Life [1998, Sierra On-Line]) oder Echtzeit-Strategie (bspw. Command & Conquer [1995, Virgin Interactive]) greifbar machen, dann macht es Sinn, das Element der Spiel- und Handlungsgeschwindigkeit auszugliedern. Denn wie Crawford feststellt, sind alle Spiele entweder »mehr Konfliktintensiv« oder »weniger Konfliktintensiv« (Crawford 2003, 61). Das heißt, ähnliche Spieltypen können je nach eingebauter Spielgeschwindigkeit schon rein quantitativ mehr oder weniger Handlungsanforderungen pro Zeiteinheit an den Spieler stellen und somit die Konfliktintensität bestimmen. Wie schon an den obigen Beispielen ersichtlich, können sowohl entscheidungs- als auch konfigurationskritische Spielprinzipien durch das zeitkritische Moment der Action erweitert werden. Strategie und Adventure repräsentieren demgegenüber gegensätzliche Regelstrukturen bzw. Spielgattungen. Denn in Computerspielen, bei denen der Spieler im Wesentlichen die Funktion der Konfiguration erfüllt, ist das Regelwerk nach Möglichkeiten der Emergenz strukturiert: Wenige, interdependente Regeln ergeben viele unterschiedliche Spielverläufe. Entscheidungskritische Adventurespiele sind dagegen nach dem Prinzip der Progression aufgebaut: Viele, nachfolgende Regeln begünstigen einen ähnlichen Spielverlauf. Demgemäß unterschiedet Juul zwischen »reinen emergenten Spielen«, »emergenten Spielen mit progressiven Anteilen«, »progressiven Spielen mit emergenten Anteilen« und »reinen progressiven Spielen«, um eine Differenzierung auf Basis der Regeln vorzunehmen (Juul 2005, 71f). Zu guter letzt müssen Computerspiele noch nach ihrer Perspektive auf das Spielgeschehen unterschieden werden. Allein die Unterschiede bei einer Partie 5

Der Begriff ist der Fernsehanalyse Volker Gehraus entlehnt und wird von King/ Krzywinska in den Kontext Computerspielgenre gebracht. Er klassifiziert Fernsehangebote aufgrund ihrer formalen Eigenschaften als Gattungen und aufgrund ihres Inhalts als Genres (siehe Gehrau 2001).

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Tennis for Two (1958, William Higinbotham), Pong oder Virtua Tennis (2000, Sega) verdeutlichen dessen Relevanz. Ein Spieltitel kann diesem Modell zufolge über die Aspekte: Gattung, Milieu, Perspektive, Intensität und Narrativität exakt beschrieben werden, wobei an dieser Stelle aus Platzgründen auf eine ausführlichere Analyse verzichtet werden muss.6

Abb. 1a-e: Spielgattungen und Perspektiven: Dasselbe Thema (bspw. Waffenkonflikt in HALF-LIFE [o.l.] bzw. COMMAND & CONQUER [o.r.], oder Tennis in TENNIS FOR TWO [m.l.], PONG [m.r.], VIRTUA TENNIS [u.l.]) kann auf sehr unterschiedliche Weise präsentiert werden.

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Im Sinne dieser Komplexität möchte ich eine erste These formulieren: Computerspiel ist nicht gleich Computerspiel. Das klingt vorderhand tautologisch, doch ist diese Erkenntnis eine wesentliche Voraussetzung für ein sinnvolles Herangehen an Computerspiele. Es gibt ganz offensichtlich wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Spieltiteln, die zudem nicht nur für eine formale Einteilung relevant sind. Vielmehr spielen unterschiedliche Spiele auf unterschiedlichen Geräten durchaus auch unterschiedliche Rollen im kulturellen und sozialen Umfeld. Die 6

Siehe dazu ausführlicher Liebe 2006, 61-75.

Die Dispositive des Computerspiels

Existenz von Tetris für den Gameboy bedeutet nicht dasselbe wie die Existenz von Tetris für einen DOS-PC. Ferner – und das ist hier besonders hervorzuheben – kann dasselbe Spiel auf unterschiedlichen Plattformen ganz unterschiedliche Zwecke beim Spieler erfüllen.7 So kann Tetris für den einen Spieler der schnelle Zeitvertreib in der U-Bahn sein (Gameboy), während der andere auf seinem selbst installierten Computer seine Technikfaszination ausleben will (DOS-PC). Dies gibt einen ersten Hinweis auf die Verzahnung von Hard- und Software und deren Nutzung. An diesem Punkt will dieser Text ansetzen: Es geht um die Verknüpfung von Spiel und Plattform, Software und Hardware, Programm und Interface und um die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Spielbedingungen. Jedoch soll keine technikzentrierte Analyse im Vordergrund stehen, die behaupten würde, die Gerätschaft determiniere das Spiel. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die Technik-Entwicklung in einem kulturellen Kontext zu verankern ist.8 Diesen Kontext will ich mit den Worten Foucaults als »Dispositiv« beschreiben. Die Hypothese lautet also, dass es eine gegenseitige Beeinflussung von Spielinhalt, Spielsteuerung, Spielplattform und Plattformkontext gibt. Und diese Wechselwirkung ist mit der Idee des Dispositivs erklärbar.

Vier Dispositive Aus Foucaults Schriften lässt sich schwerlich eine »harte« Definition, eine abschließende Festschreibung des Dispositivbegriffs entnehmen. In seinem Spätwerk: Der Wille zum Wissen – Sexualität und Wahrheit 1 beginnt Foucault gleichwohl, diesen Begriff zu konkretisieren. Etwa in der Mitte von Sexualität und Wahrheit 1 deutet Foucault an, dass das Dispositiv netzartige Strukturen aufweise: »[Beim Sexualitäts-Dispositiv] handelt es sich um ein feines Netz von Diskursen, Wissen, Lüsten, Mächten« (Foucault 1978, 92). Vor diesem Hintergrund lassen sich aus seinen älteren Werken noch weitere Bestandteile des Dispositivs herauslesen. Jäger beschreibt auf dieser Basis das Dispositiv als ein »Dreieck« aus »diskursiven Praxen«, wie die Wissensvermittlung, »nicht-diskursiven Praxen«, wie professionelles Handeln, und »Sichtbarkeiten/Vergegenständlichungen«, wie Architektur oder Räume (Jäger 2001, 107). Jedoch lassen sich die konkreten Elemente nicht exakt bestimmen, denn das Dispositiv sei nach Foucault »ein Mechanismus, der so märchenhaft ist, dass er sich selber unsichtbar macht« (Jäger 2001, 97). Das besondere Merkmal ist nun, dass es die darin vorhandenen Elemente verwebt und in eine gemeinsame Struktur mit Interdependenzen bringt, dies aber unmerklich geschieht: »Was ich unter diesem Titel [Dispositiv, M.L.] festzumachen versuche, ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architek7

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Zu einer Annäherung an ein Verhältnis von Bedürfnissen und Mediennutzung bietet sich der in der empirischen Medienforschung gut bekannte Uses & Gratifications-Ansatz an (vgl. beispielsweise Schenk 2002, 627-641). Vgl. zur generellen Notwendigkeit einer »wechselseitigen Ergänzung« von »technikzentrierter« und »anthropologischer« Medienanalyse Winkler 2000, 9-22.

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turale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philantropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes umfaßt« (Foucault 1978, 119f.). Das Dispositiv selbst sei dabei das Netz, welches zwischen diesen Elementen geknüpft werden könne. Dann führt er weiter aus, dass es zwischen diesen Elementen ein ständiges »Spiel von Positionswechseln und Funktionsveränderungen« gebe (ebd.). Ich verstehe hier Dispositive somit als ein sich ständig wandelndes Gespann aus sehr unterschiedlichen Elementen, die sich ziemlich direkt – obwohl nicht immer offensichtlich – gegenseitig beeinflussen. In einem Kulturraum lassen sich in der Regel etliche verschiedene Dispositive mit je eigenem Charakter ausmachen. Ferner ist es durchaus möglich, abhängig von der eingenommenen Perspektive, gänzlich unterschiedliche Dispositive in derselben Gesellschaft zu finden. Die einzelnen Elemente eines Dispositivs können außerdem durchaus zu anderen Dispositiven gehören, denn die Dispositive überlappen sich und sind über ihre Elemente wiederum miteinander verwoben.9 Gegenstand dieser Analyse sollen nun die Dispositive des Computerspiels sein. Das heißt, dass die gesuchten Dispositive darüber identifiziert werden, wo Computerspiele besonders deutlich in Erscheinung treten. Dazu werde ich mich an den Sichtbarkeiten orientieren. Die Leitfrage lautet dementsprechend: In welchem Rahmen werden die verschiedenen Plattformen, beziehungsweise Spiel-Geräte typischerweise benutzt? Erst im zweiten Schritt werden die Spielinhalte in die Analyse mit einbezogen. Personalcomputer sind im Grunde direkte Verwandte von Großrechnern oder »Supercomputern«. Also jenen Geräten, die komplexe Arbeitsprozesse vereinfachen oder teilweise gar erst ermöglichen sollen. Und tatsächlich stehen die meisten PCs heute in Büros und auf Schreibtischen. Ich möchte diese und auch die PCs, die vornehmlich zum Spielen gekauft wurden, dem Dispositiv Arbeit zuordnen. Arcade-Geräte stehen dagegen in einer Tradition von Unterhaltungsautomaten, wie beispielsweise Pinball-Maschinen. Zudem sind sie groß, schwer und sperrig und können nach der Installation nur unter erhöhtem Aufwand fortbewegt werden. Ihre Anschaffung ist äußerst teuer.10 Somit werden sie typischerweise nicht in privaten Haushalten installiert, sondern von kommerziellen Anbietern gekauft, um deren Nutzung an öffentlich zugänglichen Orten zu vermieten. Sie möchte ich also in einem Dispositiv ansiedeln, dass ich Freizeit11 nenne.

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Diese Auffassung widerspricht gezielt der Interpretation des Dispositiv-Begriffs im Rahmen der Apparatus-Theorie. Letztere nährt sich eher aus der Analyse des Gefängnis-Dispositivs in Überwachen und Strafen (Foucault 1976), in welchem ein zentraler Punkt auszumachen ist. Somit wäre beispielsweise das Kino ein typisches Dispositiv. Einen recht guten Vergleich dieser beiden Interpretationsweisen bietet Stauff 2001. Eine neu aufgelegte Pac-Man Arcade-Maschine kostet derzeit um die 3000 USD. BMI Gaming; http://www.bmigaming.com/pacman-mspacman-galaga-home. htm. Zuletzt gesehen am 10.05.2007. Offensichtlich ist hier nur ein sehr kleiner Bereich von Freizeit gemeint. Doch dazu mehr im entsprechenden Kapitel.

Die Dispositive des Computerspiels

Spielkonsolen stehen in engem Zusammenhang mit dem Fernsehgerät. Sie geben Bild und Tonsignale aus, die über ein Kabel zumeist an einen Fernseher geleitet werden und erst von dort aus sicht- und hörbar werden. Der Fernseher wiederum ist ein traditionell häusliches Gerät. Somit wird die Spielkonsole dem Dispositiv Wohnen zugeordnet. Handheld-Systeme aller Art sind für den Gebrauch unterwegs konzipiert. Sie sind Batteriebetrieben und weitgehend ortsunabhängig. Außerdem sind sie relativ klein und leicht. Sie möchte ich in einem Mobilitäts-Dispositiv ansiedeln.

Dispositiv Arbeit (Personalcomputer) Während es bei Foucaults Sexualitäts-Dispositiv um den Sexualakt, den Diskurs zu Sex, die Geschlechterverhältnisse, Mode, Psychiatrie und Ehe – schlicht um das ganze Spiel um und mit Sex geht, stehen beim Arbeits-Dispositiv Hierarchie, Produktionsabläufe, Ordnung, Zeit und Arbeitskraft im Fokus. Arbeit ist aber auch Einkauf, Verkauf, Logistik, Kommunikation und Vertragswesen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, festzuhalten bleibt gleichwohl, dass sich das Dispositiv Arbeit nicht auf ein handwerkliches Verständnis von Arbeit reduzieren lässt. Es geht demnach nicht um das manuelle Erschaffen eines Gegenstandes, sondern um die Machtverhältnisse und Diskurse, die um und mit der Arbeit für Geld herumschwirren.12 Wesentliche Vergegenständlichung dieses Dispositivs ist der Arbeitsplatz. Am interessantesten erscheint dabei der büroartige Arbeitsplatz. Also ein Raum mit Stuhl, Telefon, Schreibtisch und Computer. Bezeichnenderweise eben das Desk mit seinem Desktop-PC. Analog dazu heißt bei dem am weitesten verbreiteten Betriebssystem für Büro-, also Office-Programme, Microsoft Windows, schon die Oberfläche, auf der alle anderen Elemente des Systems liegen, Desktop; zu deutsch: Schreibtischplatte. Die Begrifflichkeit, aber auch die innere Logik des für das Office entwikkelten Betriebssystems Windows, bleibt dicht an seinen nicht-computerisierten Abb. 2: Der virtuelle (Windows) Vorgängern. Aber der Office-CompuDesktop spiegelt den traditionellen ter ist kein Ersatz des Büros. Vielmehr Büroarbeitsplatz. kann der virtuelle Desktop in dem PC auf dem realen Desktop als Spiegelung des Büros interpretiert werden. Denn die Ordner im Regal bleiben weiterhin erhalten. Die Folge ist, dass der Nutzer eines solchen PCs immer der Begriffswelt aus der Arbeitswelt ausgesetzt ist – und die dahinter liegenden Systemelemente ständig nutzt. Folglich ist es unerheblich, zu welchem Zweck der Windows-PC und seine 12

Zu den Konzepten von Macht und Diskurs bei Foucault vgl. etwa Breuer/Leusch/ Mersch 1996.

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Programme gebraucht werden, die Vokabeln aus dem Arbeits-Dispositiv bleiben dominierend. »Desktop« ist auch das einzige Verzeichnis das nicht umbenannt werden kann. Die intendierte Zugehörigkeit eines solchen PCs (also auch des Laptops mit MS-Windows) zur Arbeitswelt, ist ständig präsent und offensichtlich.13 Auf der Hardware-Ebene verfügt ein Desktop PC heute über einen Bildschirm und Lautsprecher als wesentliche Ausgabegeräte sowie über eine Tastatur und eine Maus als Eingabegeräte. Tastaturen waren von Anfang an das Haupteingabegerät, erst Mitte der 1980er Jahre wurde die Maus populär.14 Heute ist letztere wegen der grafischen Benutzeroberfläche der meisten Betriebssysteme unerlässlich geworden. Das macht sie auch zum typischen Element von PCs – Tastaturen basieren auf Schreibmaschinen,15 doch die Maus wurde speziell für Computer entwickelt. Die These lautet hier, dass die typischen PC-Spiele nicht nur vom Gerät und dessen Hardware-Interface bedingt sind,16 sondern auch und vor allem vom Dispositiv, in das sie eingebettet sind. Abb. 3: Zum Vergleich das Ikea Büro Denn ein PC-Spieler ist stets eng mit »Mikael«. dem Dispositiv Arbeit verbunden: Er arbeitet mit einem Desktop-PC, dessen Programme vom Arbeitsplatz aus aufgerufen werden. Seine (Spiel-)Dateien sind in Ordnern aufbewahrt und werden als Prozesse ausgeführt. Über den Task-Manager kann er sehen, welche Prozesse gerade ausgeführt werden. Diese gehören alle zu einem System, das über die Systemsteuerung genauer eingesehen werden kann. Hierüber hat der Spieler auch Zugriff auf den Geräte-Manager, mit welchem er seine Geräte und Ressourcen verwalten kann. Dazu gehören der Prozessor oder die Grafikkarte, aber auch die Tastatur, die Maus und der Game-Controller. Interessant ist nun, dass sich diese Verbindung zur Arbeitswelt auch in den typischen17 PC-Spielen widerspiegelt. Dies lässt sich schon aus der vorderhand offensichtlichsten Referenz für die Verbreitung von Spielen herauslesen: Den deutschen Verkaufscharts. Als Diskussionsgrundlage sollen hier die Media Control Jahres13

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Da Apple Computer noch heute nicht in dem Maße für Computerspiele genutzt werden, wie Microsoft Systeme, habe ich mich hier auf dieses Betriebssystem beschränkt – auch wenn Microsoft viele Konzepte von Apple adaptiert hat. Der erste IBM-PC wurde 1981 veröffentlicht. Der erste populäre Personal Computer erschien allerdings schon 1977 und hieß Apple II. Doch wie gesagt, sind Apple-Computer für Spieler eher uninteressant. Tastaturen verschiedenster Art gab es allerdings schon vor den Personalcomputern. Und auf diesen Maschinen zum Schreiben wurde wohl kaum gespielt, höchstens verspielt geschrieben. Eine Vermutung, die allein schon die Plattformzentrierte Differenzierung nahe legen könnte. Typisch, weil mustergültig für die Plattform.

Die Dispositive des Computerspiels

charts 2006, die von der Fachzeitschrift GamesMarkt veröffentlicht wurden, dienen: Jahrescharts PC-Vollpreistitel 2006 (GfK MediaControl 2007): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Anno 1701 Die Sims 2: Haustiere World of Warcraft Counter Strike: Source The Elder Scrolls IV – Oblivion Gothic III Guild Wars: Factions Fussball Manager 07 Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II 10. Die Sims 2: Open for Business

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FIFA 07 Need for Speed: Carbon Die Sims 2 Battlefield 2142 Guild Wars: Nightfall Die Sims 2: Nightlife Die Siedler II – Die nächste Generation 18. Battlefield 2 19. Titan Quest 20. Age of Empires III

Wie anhand der Auflistung ersichtlich wird, verkaufen sich für den PC vermehrt Spiele, in denen arbeitsähnliche Prozesse abgehandelt werden müssen: Es gibt fünf Strategie-Spiele – Anno 1701 (2006, Sunflowers), Fussball Manager 07 (2006, EA), Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II (2006, EA) , Die Siedler II – Die nächste Generation (2006, Ubisoft), Age of Empires III (2005, Microsoft) – drei Team-orientierte, kooperative taktische Shooter Spiele – Counter Strike: Source (2004, Valve), Battlefield 2142 (2004, EA), Battlefield 2 (2005, EA) – drei Massively Multiplayer Online Rollenspiele (MMORPG) – World of Warcraft (2004, Blizzard Entertainment), Guild Wars: Factions (2006, NCsoft), Guild Wars: Nightfall (2006, NCsoft) – drei Einzelspieler Rollenspiele – The Elder Scrolls IV – Oblivion (2006, 2K Games), Gothic III (2006, JoWood), Titan Quest (2006, THQ) – drei Versionen der Alltagssimulation Die Sims – Die Sims 2: Open for Business (2006, EA), Die Sims 2 (2004, EA), Die Sims 2: Nightlife (2005, EA) – ein Team-orientiertes Sportspiel – FIFA 07 (2006, EA) – und ein Autorennspiel – Need for Speed: Carbon (2006, EA). Aber es sind nicht nur Strategie-Spiele, bei denen Arbeiten ein dominantes Feature darstellt. Im Grunde entfaltet das Dispositiv Arbeit in jedem Spiel, bei dem mit anderen Spielern kooperiert werden muss, seine Kraft. Bei den taktischen Shootern haben die Teams normalerweise einen Anführer. Es gibt also eine gewisse Hierarchie, eine Eigenschaft, die insbesondere in den Gildensystemen der MMORPG’s präsent ist. Generell müssen die Spieler in Rollenspielen eine Menge »arbeiten«. Figuren der Spielwelt geben ihm Aufgaben, die er bewältigen soll, er muss ständig an seinen Fähigkeiten, wie Handwerk, Kampf oder auch seinen Soft Skills arbeiten, er muss Gesetze und Regeln beachten, seine Finanzen managen, Waren oder Dienstleistungen kaufen und verkaufen, an seiner Karriere in der Gilde oder Allianz feilen und vieles mehr. Selbst in den Sporttiteln – FIFA und NFS – gibt es Arbeit. Beide Sportarten werden in organisierten Wettkämpfen gespielt – sowohl virtuell als auch real. Für Einige bilden sie sogar die Einkommensbasis als professioneller Spieler. Auf Turnieren, wie den World Cyber Games, oder in der Deutschen E-Sport Liga sind die Preisgelder und das Sponsoring mittlerweile so hoch, dass es schon als Job gelten kann (Conrad 2007). Aber E-Sport ist ein Kapitel

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für sich, dass ich weiter unten kurz anreißen werde. Zudem sind diese beiden Titel nicht mustergültig für PC-Spiele, sondern eher für die Konsole, auf die ich im Dispositiv Wohnen näher eingehen werde. Auf der anderen Seite sind Die Sims wiederum typisch für den PC. Sie werden nicht für die Konsolen vertrieben. Doch ihren Inhalt als Arbeit zu beschreiben, wäre zu viel, da ich so das Alltagsleben generell als Arbeit deklarieren müsste – und das ist ja nicht der Fall. Nichtsdestotrotz muss in der Simulation der Haushalt und das Leben eines virtuellen Charakters verwaltet werden – es gibt also durchaus eine Menge Arbeit im Gameplay. Ganz eindeutig arbeitslastige Spiele sind Anno 1701, Fussball Manager 07, Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II, Die Siedler II – Die nächste Generation und Age of Empires III. Bei allen drei Titeln muss langfristig geplant werden, und der Verwaltungsaufwand der zahlreichen Einheiten ist erheblich. Ferner spielt wirtschaftliches Handeln eine große Rolle. Die Ressourcen sind knapp und müssen so effizient wie möglich verwendet werden. Um zu gewinnen, müssen schließlich sowohl kurzfristige taktische Entscheidungen getroffen werden als auch langfristige strategische Ziele im Hinterkopf behalten werden. Genau wie in einer Führungsrolle in einem großen Unternehmen. Der Unterschied zwischen diesen Spielen liegt in der Konfliktintensität (vgl. Crawford 2003, 61). Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II ist im Wesentlichen ein Kriegsspiel, bei dem der Spieler ständig durch die gegnerische KI (Künstliche Intelligenz) bedroht wird. Ein Nicht-Agieren bedeutet immer Gefahr, von seinem Gegner überrannt zu werden. Hektische und stressige Momente sind ein integraler Bestandteil des Gamedesigns. Dies ist ähnlich in Age of Empires III, nur in einer langsameren Geschwindigkeit. Dagegen ist Fussball Manager 07 rundenbasiert, wodurch die Spielgeschwindigkeit rein von der Entscheidungsgeschwindigkeit des Spielers abhängt. Hier ist der Unterschied zwischen realer Arbeit und virtuellem Spiel nahezu nur über die fehlenden Konsequenzen von Erfolg oder Misserfolg für das reale Leben manifestiert (vgl. zu Konsequenzen und Spiel Juul 2005, 36). Anno 1701 und Die Siedler II – Die nächste Generation sind beides Aufbaustrategiespiele mit Kriegsgeschehen. Insbesondere die Anno Serie ist bekannt für ihr arbeitslastiges Gameplay. Wie in Sim City (1989, Infogrames) wird dort die Virtuelle Welt lediglich indirekt manipuliert,18 doch erhöhen die KI-Gegner die Konfliktintensität und geben der Simulation ein konkretes Spielziel. Um hier zu bestehen, reicht es nicht, die Ressourcen ökonomisch effizient zu verwalten, sondern es muss alles auch sehr schnell geschehen. Wichtig ist ferner die Spieldauer dieser Titel. Sie sind allesamt nicht in ein paar Stunden zu schaffen. Vielmehr kann sich eine Partie über mehrere Monate hinziehen. Auch das erinnert an Arbeitszusammenhänge: Der Spieler setzt sich in – mehr oder weniger – regelmäßigen Abständen an seinen Schreibtisch und setzt die Verwaltung an dem Punkt fort, an welchem er bei der letzten Sitzung aufgehört hatte. Insbesondere dieses letzte Prinzip wird in einer, über solche Verkaufscharts nicht auffindbaren, PC-typischen Spielform noch radikalisiert. Bei so genannten 18

Vgl. zum Verhältnis von direktem und indirektem Aktionspunkt des Spielers im Computerspiel Neitzel 2005, S. 238f.

Die Dispositive des Computerspiels

Browser-Games – also Massive Multiplayer Online Games (MMOG),19 die sich ohne zusätzliche Software über den Internet-Browser steuern lassen – geht es um reine Strategie.20 Es gibt keine computergesteuerten Mitspieler, stattdessen wirtschaften und kämpfen teilweise Tausende von Spielern parallel in einem fiktiven Universum. So ist das Interessante an diesen Spielen, dass sie auch dann weiterlaufen, wenn man selbst gerade nicht spielt – wer also »Überstunden« macht, ist klar im Vorteil. Außerdem wird es nötig, sich regelmäßig einzuloggen, also regelmäßig am »Arbeitsplatz« zu erscheinen. In manchen Spielen kann man sogar eine Funktion abonnieren, durch welche der Spieler per SMS über wichtige Geschehnisse informiert wird, damit er zur Arbeit erscheinen kann und die Gefahr abwenden oder die gebotene Chance ad hoc nutzen kann. Bei dem in dieser Szene recht bekannten SpacePioneers (o.J., Bogatz Medientechnik) beispielsweise, verliert man sogar seinen Account, wenn man zu lange fernbleibt. Wer für eine gewisse Periode keine Möglichkeit hat, sich in das Geschehen einzuklinken, hat deswegen die Möglichkeit Urlaub zu beantragen. In dieser Phase kann man nicht angegriffen werden und die Produktion verlangsamt sich stetig, bis sie nach 30 Tagen einfriert. Die Analogien zur Wirtschaftswelt werden von vielen Spielern explizit artikuliert, denn zahlreiche Individuen schließen sich zu straff organisierten Unternehmen oder Allianzen zusammen.21 Von hier aus ist die Brücke zu Spielen wie Moorhuhn (1999, Phenomedia) zu schlagen. Diese sind zwar rein actionorientiert und haben inhaltlich nicht viel mit Arbeit zu tun, dennoch bestätigen auch sie die Verknüpfung von Umgebung und Spieltyp. Wie die bei MS-Windows mitgelieferten Spiele Minesweeper (1991, Microsoft) oder Solitär (1990, Microsoft) auch, zeichnet sich Moorhuhn dadurch aus, dass es in dieselbe Oberfläche wie das Betriebsystem beziehungsweise des Browsers eingebunden ist. In Kombination mit der, bei solchen Spielen typischen, schnellen Ein- und Ausstiegsmöglichkeit, ist das Risiko, vom Chef beim Spielen erwischt zu werden, stark verringert.22 Wie gesehen, spinnt das Dispositiv Arbeit sein Netz um viele verschiedene Aspekte der PC-Spiele. Typische PC-Spiele werden nicht nur insbesondere durch Maus und Tastatur bedient, sondern sind auch inhaltlich und in ihrer äußeren Form eng mit der Arbeitsumgebung verbunden.

Dispositiv Freizeit (Arcade) Nach dem Duden ist »Freizeit« die »Zeit, in der jmd. nicht zu arbeiten braucht, keine besonderen Verpflichtungen hat«. Somit umschreibt der Begriff zunächst nur

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Wohlgemerkt handelt es sich hierbei nicht um explizite Online-Rollenspiele. Eine gute Übersicht über solche Spiele bietet die Website Galaxy-News: http://www.galaxy-news.de/. Zuletzt gesehen am 17.02.2006. Solche Vereinigungen zu bilden, ist übrigens auch bei MMORPGs, wie WORLD OF WARCRAFT oder EVERQUEST, weit verbreitet. Im Rahmen dieser Fantasywelten werden sie eher als Gilden bezeichnet. Bei einigen alten DOS-Programmen gab es sogar eine so genannte Chef-Taste, mit welcher das Spiel sofort beendet wurde.

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das, was nicht Arbeit ist – also ein zu weites Feld, um einem einzelnen Computerspiel-Dispositiv seinen Titel zu geben. Insbesondere weil Spielen lediglich bei professionellen Sportlern nicht als Freizeit, sondern als Arbeit gilt, würde ein umfassendes Dispositiv »Freizeit« alle anderen Dispositive in sich aufnehmen. Deswegen soll an dieser Stelle der Bereich der Freizeit eingeschränkt werden. In Abgrenzung zu den anderen identifizierten Dispositiven und im Hinblick auf die historische Entwicklung von Computerspielen soll Freizeit hier für den arbeitsfreien Aufenthalt in öffentlichen Räumen stehen. Dabei sind besonders solche Orte interessant, an denen Geld für Spiele ausgegeben wird. Somit sind die Gaststätte und natürlich die Spielhalle für dieses Dispositiv zentral. Bei genauem Hinsehen fällt etwas Paradoxes an der Gaststätte auf: Sie vereint auf scheinbar ungezwungene Weise Öffentlichkeit mit Privatheit. Scheinbar ähnelt eine Gaststätte dem Wohnzimmer. Denn Gemütlichkeit und Beisammensein spielen hier ebenfalls eine große Rolle. Und spätestens wenn »Fußball läuft«, wird auch in der Gaststätte der Fernseher so wie im idealtypischen Wohnzimmer zum zentralen Bezugspunkt.23 Ferner hat so ziemlich jeder öffentliche Verein sein Stammlokal. Die Kneipe wird so zum Wohnzimmer der »Vereinsfamilie«. Doch der entscheidende Unterschied ist die nicht vermeidbare Öffentlichkeit dieses Ortes. Die Gaststätte ist nie das »zu Hause«. Sie kann höchstens ein »zweites Heim« werden. Es herrscht immer eine größere – teilweise zwar nur potentielle – Fluktuation unter den Gästen, und es dominiert eine andere Form der Beobachtung. Selbst der überzeugteste Stammgast wird sich anziehen, bevor er in die Kneipe geht. Beobachten und Beobachtet Werden, also einer Öffentlichkeit ausgeliefert zu sein, ist der Faktor, welcher das Freizeit-Verhalten im Wesentlichen mit entscheidet. Und ist gleichzeitig einer der Gründe, warum so gerne ausgegangen wird. Auf die Spielgeräte in diesen Räumen haben diese Einflüsse große Auswirkung. Zum einen müssen sie um Aufmerksamkeit buhlen. Zum anderen müssen sie gänzlich intuitiv sein. Und zum dritten müssen sie öffentliche Bestätigung ermöglichen. Letzteres geschieht unter anderem dadurch, dass andere dem Spieler zusehen können – und erkennen können, ob jemand gut oder schlecht spielt. Doch bei Computerspielen funktioniert dies zudem über High-Scores. Gute Spieler können am Ende der Partie ihre Initialen neben die erreichte Punktzahl setzen. So kann jeder, der sich ebenfalls an dem Spiel versucht, sehen, wer welchen Rang erreicht hat; oder schlicht zu viel Geld hat. Denn das ist die vierte und wohl wichtigste Eigenschaft dieser Art von Spielen: Sie funktionieren nur nach Bezahlung. Das heißt zunächst, sie müssen leicht – wie gesagt: intuitiv – zu bedienen sein. Niemand will viel Geld bezahlen, um erst lange herauszufinden, wie ein Spiel funktioniert. Zum anderen müssen sie ständig den Anreiz bieten, weiterspielen zu wollen, also nach dem Verlust aller »Leben« wieder neue »Credits« zu kaufen. Somit müssen für finanziell lukrative Automaten Lust und Frust optimal ausgeglichen sein.24 Die Erfolgserlebnisse dürfen zum einen nicht zu leicht zu erreichen sein, und zum anderen muss eindeutig erkennbar sein, warum man an einer bestimmten Stelle gescheitert ist. Die Möglichkeit der Lösung muss im Moment des Scheiterns erkenn23

24

Vgl. zum idealtypischen Wohnzimmer und der Rolle des Fernsehens darin Ellis 2001, insb. 45. Vgl. Fritz 1997.

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bar sein, denn erst dann probiert man es noch einmal. Nach einer gewissen Übung bekommt man für dasselbe Geld mehr Spiel.25 Das Kosten-Prinzip erfordert jedoch noch mehr: Arcade-Automaten müssen etwas bieten, das zu Hause nicht so ohne weiteres zu erleben ist. Und gleichzeitig stehen sie in Konkurrenz zu anderen Automaten oder analogen Spielen, wie Flipper, Tischfußball oder Billard. Sie bieten deshalb ein attraktives Interface und lokken durch aufwendige Licht- und Tonspiele. Sie müssen ein Erlebnis versprechen, für das sich die Investition lohnt. Typische Arcade-Automaten sind darum solche Spiele, die ein außergewöhnliches Ein- und Ausgabegerät besitzen, wie DanceDance Revolution (2002, Konami), bei welchem eine Berührungssensible Bodenplatte das Rhythmus-Gefühl des Spielers misst, oder die zahlreichen Autorennspiele mit Fahrkabine. Die größte Auswahl solcher Spiele findet sich allerdings in einer Spielhalle. Sie könnte – aus der hier eingenommenen Perspektive heraus – als spezialisierte Form der Gaststätte angesehen werden. Hier treffen sich Kinder und Abb. 4: Spielhallen bieten den BesuJugendliche, um zusammen Spaß zu chern eine Erfahrung, die sie so zu haben, und um sich zu messen. Es do- Hause nicht erleben können. minieren Spiele, die gegen- oder miteinander gespielt werden können. Ganz im Zeichen von Pong – dem ersten kommerziell erfolgreichen Computerspiel – das ganz ohne computergesteuertem Spieler auskommen musste. Es konnte nur zu zweit im Wettkampf gespielt werden. Ein weiterer Einflussfaktor des Dispositivs auf Arcade-Geräte ist der Umgang der Spieler mit den Maschinen. Sie müssen einer viel härteren Eingabe standhalten als beispielsweise Heimkonsolen. Der ständige Spielerwechsel, die Vielzahl an Laien und das geldbedingte Frustpotential machen ein robusteres Interface nötig. Dies wird durch ihre Maschinenhaftigkeit begünstigt: Es steht immer nur ein Spiel pro Apparat zur Verfügung, wodurch im Gegensatz zum PC beispielsweise die Bedienelemente nicht auf multiple Spielprinzipien ausgelegt sind und so spezieller und stabiler gebaut werden können. Ihre ganze Erscheinung ist also durch das Dispositiv Freizeit begünstigt.

Dispositiv Wohnen (Konsole) Das Dispositiv Wohnen ist zwar eng an das vorhergehend skizzierte Dispositiv Freizeit gebunden, bringt aber ganz eigene Qualitäten mit sich. Wie der Arbeits25

So hat beispielsweise Bill Mitchell, der einzige Mensch, der je PAC MAN »durchgespielt« hat, irgendwann die Bewegungsalgorithmen der gegnerischen Geister erkannt und verinnerlicht, so dass er stets einen Schritt voraus war. Bis es soweit war, musste er natürlich zunächst erheblich investieren (vgl. Pias 1999, 87).

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platz im Dispositiv Arbeit, nimmt hier das Wohnzimmer eine zentrale Rolle ein. Es ist das traditionelle Sinnbild für Gemütlichkeit, Familientreff, Beisammensein und Häuslichkeit. Dabei hat es viele Entwicklungen durchgemacht. Über lange Zeit war es Teil der Küche, die über Jahrhunderte der zentrale Ort im Familienheim war.26 Spätestens seit den 1960er Jahren ist das Wohnzimmer sehr eng mit dem Fernseher verknüpft (vgl. Ellis 2001, 46). In ihm vereinigen sich Unterhaltung und Information. So ist es möglich, sich gleichzeitig zu entspannen und zu beschäftigen. Dementsprechend ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil des typischen Wohnzimmers die Couch. Hier finden Familie und Freunde Platz, hier hat man es gemütlich, es lässt sich ganz gut einschlafen oder zu Abend essen. Im Wohnzimmer wird eben gewohnt. Just diese Umgebung betritt die Spielkonsole. Sie wird an den Fernseher angeschlossen und die Joystick-Kabel sind ausreichend lang, um in angenehmer Entfernung von der Couch aus spielen zu können. Bei den Konsolen der nächsten Generation sollen kabellose Gamepads27 für noch mehr Komfort sorgen. Die Ähnlichkeit mit der Fernbedienung ist offensichtlich. Zudem stehen Gemütlichkeit und leichte Unterhaltung im Vordergrund. Keine aufwendigen Installationen auf dem Desktop, keine Programme, die gestartet werden müssen, und vor allem kein Schreibtisch. Die gewohnte Wohnumgebung Abb. 5: Stereotypes Wohnzimmer aus wird einfach um die Spielkonsole erwei- der spielerischen Alltagssimulation tert. Passend dazu, die gemeinschaftli- SINGLES 2. che Ausrichtung vieler Spieltitel. Besonders deutlich wird dies bei Sportspielen. Statt zusammen die Live-Übertragung eines Fußballspiels zu schauen, vereinen sich Freunde des Konsolenspiels vor dem Fernseher, um eine eigene Partie auszutragen. Aber auch in anderen Themenfeldern gibt es kaum ein Konsolenspiel, das ohne Multiplayer-Funktion auskommt. Aber nicht nur die Steuerung und die Spielsituation verweben sich mit den traditionellen Gewohnheiten in diesem Dispositiv. Auch die Geräte an sich gliedern sich spätestens seit der Playstation 2, mit ihrer Funktionalität als DVD-Player für Filme oder CD-Player für Musik, nahtlos in die Umgebung eines multimedialen Wohnzimmers ein. Wie bei den PC-Spielen, unterstützen auch bei den Konsolenspielen Verkaufscharts meine These. Ein Problem bei der Analyse von Konsolen stellen jedoch die unterschiedlichen technischen Standards und insbesondere die strengen Distributionsrechte dar. So gibt es zwar einige Spiele, die auf den Plattformen der drei den Markt beherrschenden Konsolenherstellern (Sony [Playstation], Nintendo [Ga-

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Natürlich ist bei Einigen – vor allem in Wohngemeinschaften – dieses Modell noch heute sehr beliebt. Statt von Game Controller (PC) ist es bei Konsolen eher üblich von Joysticks, Joypads oder Gamepads zu sprechen.

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mecube/Wii etc.] und Microsoft [X-Box]) zu haben sind, doch sind die meisten Titel vertraglich an eine Marke gebunden. Playstation 2

Playstation 2 Platinum

1. 2. 3. 4. 5.

1. Gran Turismo 4 2. Grand Theft Auto: San Andreas 3. Tekken 5 4. ProEvolution Soccer 5 5. Need for Speed: Underground 2 6. FIFA 06 7. FIFA Street 8. WWE Smackdown! vs. Raw 2006 9. Die Sims 2 10. Resident Evil 4

6. 7. 8. 9. 10.

FIFA 07 Need for Speed: Carbon SingStar: Deutsch Rock-Pop SingStar Rocks! Grand Theft Auto: Liberty City Stories Sing Star: The Dome FIFA Fussball Weltmeisterschaft 2006 Pro Evolution Soccer 6 SingStar 80‘s SingStar: Legends

Xbox 360

GameCube

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1. The Legend of Zelda: Twilight Princess 2. FIFA 07 3. Need for Speed: Carbon 4. Super Smash Bros. Melee 5. Mario Smash Football 6. FIFA Fussball Weltmeisterschaft 2006 7. FIFA Street 2 8. Cars 9. Need for Speed: Most Wanted 10. Mario Party 5

Need for Speed: Carbon The Elder Scrolls IV: Oblivion Call of Duty 3 FIFA 07 Splinter Cell: Double Agent Dead or Alive 4 Ghost Recon: Advanced Warfighter 8. Saints Row 9. FIFA Fussball Weltmeisterschaft 2006 10. Pro Evolution Soccer 6

Auffällig an dieser Liste sind zunächst die zahlreichen Sportspiele. Die Fußballspiele der FIFA (EA) und Pro Evolution Soccer (Konami) Serie gehören auf allen drei Plattformen zu den Top 10 der Verkaufscharts. Bei diesen Titeln ist hervorzuheben, dass ihre Ästhetik deutlich an Fernseh-(Live)-Übertragungen großer Sport-Events angelehnt ist. Es gibt einen Kommentator, nach spannenden Szenen werden Wiederholungen gezeigt und die erfolgreichen Sportler jubeln in die »Kamera«. Hinzu kommen Mario Smash Football (2005, Nintendo), das Wrestling Spiel WWE Smackdown! Vs. Raw 2006 (2004, THQ) und die zahlreichen Autorennspiele (Need for Speed (EA), Cars (2006, THQ), deren Fokus allerdings nicht so sehr auf einem realistischen Erlebnis eines Sport-Events liegt. Auch die SingStar-Reihe (Sony Computer Entertainment) ist stark an das Fernseh-Erlebnis gekoppelt. Bei ihnen handelt es sich um Adaptionen bekannter Fernsehformate wie TV-Show und Musikvideo – Do it yourself-Fernsehen sozusagen. (Zudem widerspricht SingStar schlichtweg dem ernsthaften Umfeld des PCs.)

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Dispositiv Mobilität (Handheld) Im Gegensatz zu den bisher betrachteten Dispositiven, lässt sich im Dispositiv Mobilität kein typischer Ort ausmachen. Im Gegenteil ist ja hier gerade die Ortlosigkeit das wesentliche Merkmal. Mobilität heißt Bewegung, heißt Strom aus der Batterie, heißt Spontanität. Da kann ein Spielzeug weder groß noch schwer sein. Es muss in die Tasche passen und darf nicht zu sehr stören. Auch ist es von Zusatzgeräten, wie Fernseher oder PC oder ähnliches unabhängig einsetzbar. Entsprechend klein sind auch die Benutzerschnittstellen solcher Geräte. Winziges Display und winzige Bedienelemente. Mit wenigen Tasten soll möglichst viel Funktion möglich sein. Und die Spiele selbst bieten einen schnellen Ein- und Ausstieg aus dem Geschehen. Recht beliebt sind hier Spiele für kleine Kinder und Sportspiele. Ein aktueller Trend ist zudem die Neuauflage alter Klassiker aus frühren Konsolen-Generationen. Häufig finden sich auch Geschicklichkeitsspiele in Tetris-Manier. Auf der anderen Seite werden auch Rollenspiele und Adventures und teilweise sogar Strategiespiele angeboten. Leider gibt es hierzu keine aggregierte Liste der Verkaufscharts. GamesMarkt hat lediglich die Charts für die Nintendo Geräte GameBoy Advance und DS veröffentlicht. Exemplarisch sollen hier daher die Charts der derzeit populärsten Plattform Nintendo DS gelistet werden. 1. 2. 3. 4.

Dr. Kawashimas Gehirn Jogging Animal Crossing: Wild World Super Mario Bros. Nintendogs: Dalmatiner und Freunde 5. Pokémon Mystery Dungeon: TeamBlau

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6. Nintendogs: Labrador und Freunde 7. Die Sims 2: Haustiere 8. Big Brain Academy 9. English Training: Spielend Englisch lernen 10. Mario Kart DS

Weitere Informationen lassen sich aus dem Angebot in den Online-Verkaufsportalen, wie Jamba! oder E-Plus Unlimited, oder den großen Elektronikfachmärkten, wie Saturn oder Mediamarkt beziehen.28 Zunächst ist schon der Unterschied der Hardware zwischen einem Gameboy und beispielsweise einem Handy gewaltig. Und selbst zwischen den Gerätetypen sind die Differenzen enorm. Die Bandbreite beim Handy reicht vom MultimediaGerät mit recht großem Display und teilweise sogar spielgerätetypischen Tasten, Kamera und gutem Sound, über Laptop-Ersatz bis hin zum einfachen Telefonierapparat. Zudem ist das Handy erst in zweiter oder dritter Instanz ein Spielgerät. Viel wesentlicher ist sein Gebrauch für zwischenmenschliche Kommunikation. Auch bei den reinen Spielgeräten sind die technischen Unterschiede groß: Der Nintendo DS mit seinen zwei Bildschirmen, inklusive Touchscreen, erlaubt ganz andere Spiele, als der Gameboy Advance. Und die Playstation Portable (PSP) hat sogar mehr Knöpfe als ein Gamepad für die Playstation 2. Auf diese Weise sind erheblich komplexere Tastenkombinationen und Steuerungsmöglichkeiten möglich als bei anderen Handhelds. Dementsprechend sind zwar definitiv Minigames – die 28

Jamba!: http://www.jamba.de/; E-Plus: http://www.eplus-unlimited.de/2_ gamezone/index.jsp. Beide zuletzt gesehen am 14.10.2007.

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Popularität der aktuellen Gehirn-Trainings-Spiele verdeutlicht dies – in diesem Dispositiv weit verbreitet, doch scheint das wirklich typische eher die Vielfältigkeit zu sein. Mobilität heißt nämlich nicht nur, den Weg zur Arbeit spielend zu verkürzen, sondern auch, im Bett zu liegen und mal etwas länger zu spielen oder am See, auf dem Schulhof oder in der Kneipe mit Freunden einen spontanen Wettbewerb auszufechten. Und mit den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Geräte korrespondiert die vielfältige Palette an Spielen. Denn Flexibilität ist das zentrale Merkmal der Mobilität – und dementsprechend mobil ist auch das dazugehörige Dispositiv, das an vielen Stellen in die anderen Dispositive hineinragt.

Fazit Mit diesem Text habe ich den Versuch unternommen, Foucaults Idee des Dispositivs für die Untersuchung von Computerspielen nutzbar zu machen. Eine erste Analyse der Dispositive Arbeit, Freizeit, Wohnen und Mobilität aus der Perspektive Computerspiel, hat gezeigt, dass in allen Fällen eine deutliche Verwebung von Spielinhalt, Spielsteuerung, Spielplattform und Plattformkontext festgestellt werden kann. Mit dieser Adaption des Dispositiv-Begriffs werden Computerspiele in einen größeren kulturellen Kontext gesetzt, und die Anwendbarkeit dieses Konzeptes auf Computerspiele zeigt, dass zu umfassenden Game Studies mehr gehört als die formale Ebene von Spielen. Das interdependente Verhältnis zwischen dem Computerspiel und seiner Umwelt widerspricht somit der Vorstellung von Spiel als unabhängiger, »magische[r] Kreis« (vgl. Salen/Zimmerman 2004, 95). Durch die Verwebung in Dispositive sind Spiel, Spieler, Spielgerät und Spielumgebung zahlreichen »Mächten« ausgesetzt, die sowohl den unmittelbaren Spielmoment als auch die langfristige Entwicklung der verschiedenen Orte und deren typische Computerspiele beeinflussen. Der Verkaufstart der Spielkonsolen der nächsten Generation, wie Playstation 3 (Sony) und Wii (Nintendo) bieten einen guten Einblick in diese langfristige Wechselwirkung: Sie können noch mehr Medienformate abspielen als ihre Vorgänger, die Fernbedienung der Nintendo-Konsole hat gänzlich die Form einer TV-Fernbedienung angenommen und die Online- und Streaming-Angebote (bspw. Xbox Live, Sony Home, Wii Online) machen selbst den Datenträgerwechsel unnötig und erhöhen die Nähe zum Empfangsprinzip des Fernsehens. Auch die derzeit verstärkt auftretenden Kooperationen zwischen der Game- und der TV-Branche, wie beispielsweise zwischen EA und Endemol (Ziel: Interaktives Fernsehen) sowie zwischen 10tacle und MTV (Ziel: Virtuelle Welt), wird diese Entwicklung sicher noch weiter vorantreiben. Ferner kann über die identifizierten Dispositive die historische Entwicklung der verschiedenen Computerspielplattformen nachvollzogen werden. Denn ähnlich wie die Dispositive zwar nebeneinander stehen, sich aber erheblich überlappen und gegenseitig beeinflussen, verlief die Geschichte des Computerspiels über mehrere Stränge, die zwar relativ parallel verliefen, aber gleichzeitig miteinander verwoben sind. Wie Pias feststellt, ist die Vorgeschichte aktueller PC-Spiele zum einen an die Prinzipien der ersten Computernetze und zum anderen an die Experimentierfreudigkeit der

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Ingenieure, beziehungsweise Hacker, gebunden (vgl. Pias 2004). Die Entwicklung der Arcades dagegen steht im Zeichen der Kultur der Attraktionen und war eher an dem einfachen Erleben des Fernsehens orientiert als an komplexer Computertechnologie (vgl. Lischka 2003). Dementsprechend stellte Pong 1972 als das erste erfolgreiche Arcadespiel auch die erste erfolgreiche Heimkonsole dar. Und das zu einer Zeit, in welcher Computer noch nicht in den Wohnungen verbreitet waren, sondern noch als Großrechner an Universitäten und Forschungszentren standen. Der digitale Rechner ist in den 1970ern erst über ein »Computerspiel, das aussah wie ein Videospiel« in die Haushalte eingezogen (Pias 2004). Die ersten mobilen Computerspiele wurden dagegen von dem Spielzeughersteller Mattel produziert. Die Geschichte des Mobilitätsdispositivs beginnt in Bezug auf Computerspiele demzufolge zwar zur selben Zeit (1975), doch liegt sein Ursprung in Actionfiguren, Spielzeugautos und anderem mobilen Spielzeug. Ferner verankert die Spielfunktionalität von Handys dieses Dispositiv zusätzlich im Bereich der mobilen Kommunikation und verwebt ein entsprechend komplexes Umfeld. Aktuelle Entwicklungen im Computerspielumfeld lassen mindestens noch zwei weitere Dispositive erkennen: Vernetztes Spiel und elektronischer Sport. Sowohl Massively Multiplayer Online Spiele (MMOGs) und Electronic Sports (E-Sport) existieren beide zwar schon länger, haben aber durch den Erfolg von World of Warcraft auf der einen Seite, und durch die Professionalisierung der Sportligen, wie unter anderem durch die internationale Games »Olympiade« World Cyber Games, auf der anderen Seite in den vergangenen Jahren erheblichen Auftrieb erhalten.29 Eine Analyse dieser beiden jüngeren Phänomene kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Zumal insbesondere Onlinerollenspiele sich schwierig als Spiel, beziehungsweise Game definieren lassen, denn die von Salen/Zimmerman (2004) und Juul (2005) geforderte Zielgerichtetheit fehlt zumeist.30 Womöglich muss für solche »Spiele« ein neues, eigenes Dispositiv ausfindig gemacht werden. Ein Arbeitstitel dafür könnte »Vernetzung« lauten. Die E-Sports wurzeln dagegen in einer langen Tradition des professionellen Sports. Hier offenbaren sich zahlreiche Parallelen zu den Strukturen in z.B. nationalen Fußball-Ligen, internationalen Meisterschaften sowie der Olympiade. Hier wie dort regieren Vereine (Clans), Verbände und Komitees, trainieren Spieler täglich, zieht der Sport (insbesondere in Asien) zahlreiche Fans in seinen Bann und fungiert als Werbeträger. In dieser Richtung nach Gemeinsamkeiten und Differenzen zu fragen, ein weiteres Dispositiv im Hinblick auf Games zu untersuchen, muss einer eigenständigen Arbeit vorbehalten bleiben.

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WORLD OF WARCRAFT ist seit 2004 auf dem Markt; bei den ersten WCG wurden im Jahre 2000 insgesamt 200.000 USD ausgeschüttet während es 2006 schon 462.000 USD waren. Allerdings wird das Ziel, bei WORLD OF WARCRAFT möglichst Level 60 zu erreichen, durchaus durch die Spielregeln impliziert. Aber dadurch, dass das Spiel selbst bei Erreichen dieses Ziels weitergeht, fehlt eine Siegbedingung.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1a: Screenshot aus Half-Life (2001, Sierra On-Line) (http://www. mobygames.com/game/windows/half-life/screenshots/gameShotId,193285/. Zuletzt gesehen am 31.07.2007 Abb. 1b: Screenshot aus Command & Conquer: Generals (2003, Electronic Arts) (http://www.mobygames.com/game/windows/commandconquer-generals/screenshots/gameShotId,37938/. Zuletzt gesehen am 31.07.2007. Abb. 1c: Screenshot aus Tennis for two Simulator (2005, Gamesquarter) (http://www.mobygames.com/game/windows/tennis-for-two-simulator/ screenshots/gameShotId,225592/. Zuletzt gesehen am 31.07.2007. Abb. 1d: Screenshot aus PONG (1972, Atari) (http://inventiveapproach.files. wordpress.com/2007/02/pong.gif. Zuletzt gesehen am 16.06.2007) Abb. 1e: Screenshot aus Virtua Tennis (2000, Sega) (http://www.mobygames. com/game/dreamcast/virtua-tennis/screenshots/gameShotId,23400/. Zuletzt gesehen am 31.07.2007) Abb. 2: Screenshot des Windows 2000-Desktop (Microsoft) (aus dem Archiv des Autors) Abb. 3: Büro »Mikael« (Ikea-Katalog 2007 http://www.ikea.com/webapp/wcs/ stores/servlet/CategoryDisplay?catalogId=10101&storeId=5&categoryId= 10392&langId=-3&parentCats=10121*10392&cattype=sub. Zuletzt gesehen am 31.07.2007) Abb. 4: Mr. Do’s Arcade (http://www.mameworld.net/mrdo/caex2004/Cocktail_ Row_2.jpg. Zuletzt gesehen am 16.07.2007) Abb. 5: Screenshot aus Singles 2: Wilde Zeiten (2005, Deep Silver) (http://www. singles2.com/englisch/screenshots.html. Zuletzt gesehen am 16.07.2007) Abb. 6: Michael Slade: Connor With Gameboy (2003 Tawayama Safaris Inc.) (http://www.tawayama.com/webportfolio/portraitportfolio/pages/Connor%20 With%20Gameboy.htm. Zuletzt gesehen am 31.07.2007)

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Die Dispositive des Computerspiels

Winkler, Hartmut (2000) Die prekäre Rolle der Technik. Technikzentrierte versus ›anthropologische‹ Mediengeschichtsschreibung. In: Über Bilder Sprechen – Positionen und Perspektiven der Medienwissenschaft. Hrsg. v. Heinz B. Heller u.a. Marburg: Schüren, S. 9-22.

Webportale Galaxy-News. http://www.galaxy-news.de. Zuletzt gesehen am 17.02.2006. E-Plus Unlimited. http://www.eplus-unlimited.de/2_gamezone/index.jsp. Zuletzt gesehen am 26.02.2006. Deutscher eSport Bund. http://www.e-sb.de/. Zuletzt gesehen am 27.02.2006. Jamba!. http://www.jamba.de/. Zuletzt gesehen am 26.02.2006.

Spiele Age of Empires III (2005, Microsoft) Anno 1701 (2006, Sunflowers) Battlefield 2142 (2004, EA) Battlefield 2 (2005, EA) Cars (2006, THQ) Command & Conquer (1995, Virgin Interactive) Counter Strike: Source (2004, Valve) Dance-Dance Revolution (2002, Konami) Doom 3 (2004, Activision) The Elder Scrolls IV – Oblivion (2006, 2K Games) FIFA 07 (2006, EA) Fussball Manager 07 (2006, EA) Gothic III (2006, JoWood) Guild Wars: Factions (2006, NCsoft) Guild Wars: Nightfall (2006, NCsoft) Half-Life (1998, Sierra On-Line) Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II (2006, EA) Das Hörspiel (2005, Julia Soergel); http://www.julia-soergel.de/pong_de.html. Zuletzt gesehen am 20.01.2006 Mario Smash Football (2005, Nintendo) Minesweeper (1991, Microsoft) Moorhuhn (1999, Phenomedia) Need for Speed: Carbon (2006, EA) Pac Man (1981, Atari) Pong (1972, Atari) Pong Mechanik (2004, Niklas Roy) http://www.cyberniklas.de/pongmechanik/ index.html. Zuletzt gesehen am 30.08.2006 Die Siedler II – Die nächste Generation (2006, Ubisoft)

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Michael Liebe

Sim City (1989, Infogrames) Die Sims 2 (2004, EA) Die Sims 2: Nightlife (2005, EA) Die Sims 2: Open for Business (2006, EA) SpacePioneers (o.J., Bogatz Medientechnik) http://www.spacepioneers.de/home. shtml. Zuletzt gesehen am 17.02.2006 Solitär (1990, Microsoft) Tennis for Two (1958, William Higinbotham) Tetris (1989, Nintendo) Titan Quest (2006, THQ) Virtua Tennis (2000, Sega) World of Warcraft (2004, Blizzard Entertainment) WWE Smackdown! Vs. Raw 2006 (2004, THQ)

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Britta Neitzel Medienrezeption und Spiel

Nach wie vor ruft der Eingang von digitalen und elektronischen Repräsentationsund Kommunikationstechniken in die Kunst, die populäre Kultur, den Bereich der Erziehung und der Ökonomie heftige und widerstreitende Reaktionen hervor, die sich vor allem auf den möglichen Umgang mit den Medien beziehen. Einerseits werden die Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen Medien begrüßt und die »Emanzipation« des Rezipienten hervorgehoben: Während der traditionelle Rezipient die fertigen Produkte, wie Bücher, Gemälde oder Filme, lediglich interpretierte, eröffneten interaktive digitale Artefakte, wie Websites oder CD-Roms den Benutzern die Möglichkeiten des Eintretens, der Exploration, des Mitspielens und Möglichkeiten, ihre eigenen Inhalte zu schaffen. Andererseits wird ein eher kritischer Standpunkt vertreten: Durch die hoch entwickelten Techniken der multi-medialen Simulation, die zu einer besonders starken Immersion führten, würden die Konsumenten in eine virtuelle Welt gezogen und den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Diese Techniken führten zur Vereinzelung und ersetzten die kreative Imagination sowie distanzierte und kritische Reflektion durch die Produktion von Affekten. Die Divergenz der Meinungen weist darauf hin, dass die digitalen Technologien einen grundlegenden Wandel im Umgang mit kulturellen Artefakten hervorbringen, der bisher – immer noch – nur unzureichend eingeordnet werden kann und der auch die nicht originär digitalen Medien berührt. So hat im Film der Einsatz der digitalen Techniken dazu geführt, dass neben der Narration inzwischen auch das Spektakel mit seiner der Stimulation der Sinne (wieder) zu einem wichtigen Teil der kinematographischen Imagination geworden ist (vgl. z.B. Blanchet 2003). Digitale Technologien lassen neue Formen von Kunst und Unterhaltung entstehen: von interaktiven Videoinstallationen und Simulationen, in denen die Umgebungen auf die Bewegungen der Besucher reagieren bis zu Computerspielen. Selbst in klassischen Umgebungen, wie dem Museum z.B. wird zunehmend darauf geachtet, dass die Besucher auch etwas tun und entdecken können, statt nur zu betrachten und zu lesen. Neben diesen (Re)Präsentationsformen stehen Kommunikationsformen, wie E-Mail, Chats und das Internet, die neben der Kommunikation über vernetzte Computer auch eine Echtzeitteilnahme an z.B.

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Fernsehprogrammen ermöglichen. Das »neuartige TV-Event Global Player«1 , das das ZDF im Anschluss an die WM-Spiele zeigte, wäre ein neueres Beispiel für die Konvergenz der Medien. Bei diesem Fußballquiz waren die Teilnehmer nicht mehr im Studio körperlich anwesend, sondern aus verschiedenen Ländern über Webcams dem Studio zugeschaltet. Der sich wandelnde Umgang mit den digitalen Medien betrifft die Medienrezeption im weiteren Sinne, hieran entzünden sich die Gemüter und hier liegt die Forschungsrelevanz, denn einerseits wird von einer Überwältigung und damit dem Passivieren der Rezipienten und Benutzer durch mediale Techniken ausgegangen, andererseits das emanzipatorische Potenzial der »neuen Medien« hervorgehoben, das zu einer Aktivierung führe. Der Wandel im Umgang mit den Medien betrifft also die Möglichkeiten der Partizipation im Prozess des Mediengebrauchs. Zum einen wird ein Distanzverlust durch Immersion, zum anderen verstärkte Distanz durch Interaktivität konstatiert. Jedoch treten Immersion und Interaktivität niemals getrennt auf, sondern wirken zusammen: Kaum ein digitales Medium passiviert den Benutzer vollkommen, ist also nur immersiv – immer sind auch Aktivitäten gefordert. Und kaum ein Medium fordert Aktivität ohne auch den Benutzer an sich zu binden. Da jedoch der Begriff »Immersion« lediglich die passive Komponente betont, während »Interaktivität« nur auf Aktivität abzielt, möchte ich einen neuen Begriff vorschlagen, um die Beteiligung der Benutzer zu beschreiben, den Begriff der Involvierung. Involvierung beinhaltet sowohl die Konnotation der Aktivität als auch der Passivität. In diesem Beitrag möchte ich die Involvierung der Benutzer sowie die medialen Techniken der Involvierung beschreiben und dabei auf den Begriff des Spiels und insbesondere auf das Beispiel des Computerspiels zurückgreifen. Computerspiele in den Mittelpunkt zu stellen, erscheint sinnvoll, 1. weil man einen großen Korpus hat, da sie derzeit das massenwirksamste neue Medium darstellen. Die Umsatzzahlen für Spiele Hard- und Software können mit denen der Filmindustrie (inklusive Video und DVD Verleih und Verkauf) verglichen werden (vgl. Kerr 2006) und sie wachsen noch weiter; 2. weil die Beteiligung der Spieler und Spielerinnen am Spielgeschehen sowie die Ansiedlung des Spielgeschehens in einer Fiktion die Verschränkung von Immersion und Interaktivität besonders deutlich machen; 3. weil Computerspiele als dezidiert hybride Form am Schnittpunkt zu anderen medialen Formen liegen, so dass anzunehmen ist, dass sich Erkenntnisse übertragen lassen. Und zwar sowohl in Hinblick auf ästhetische oder strukturelle Muster, als auch in Hinblick auf den Umgang mit digitalen Medien. Das Spiel und das Spielerische, so wird angenommen, könnte ein Grundmuster der Benutzung von digitalen Medien und der von digitalen Medien geprägten Kultur sein. Dass der digitalen Kultur zunehmend häufiger ein ludisches Potenzial attestiert wird (z.B. Flusser 1985, Rötzer 1998, Krämer 1995, 1997, Adamowsky 2000), deutet darauf hin, dass dies ein fruchtbares Unterfangen sein kann.

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Vgl. http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/1/0,1872,3930369,00.html. Zuletzt gesehen am 1.9.2006.

Medienrezeption und Spiel

Rezeptionsforschung Warum der Begriff des Spiels? Rezeptionsforschung gibt es schließlich seit längerem in verschiedenen Ausprägungsformen und sie kam bisher gut ohne das Spiel aus. Jedoch, so die hier vertretene These, reichen die in Literatur-, Film- und Fernsehwissenschaft, in den Cultural Studies oder der Kommunikationswissenschaft entwickelten Methodologien zur Rezeptionsforschung nicht aus, um die Rezeption bzw. den Umgang mit digitalen Medien angemessen zu beschreiben. Unter den Bedingungen der Interaktivität stellt sich die Rezeption verändert dar. Ein erster Hinweis darauf ist die Bezeichnung »Users« – »Benutzer« für diejenigen, die mit digitalen Medien umgehen. Hier ist nicht mehr von Rezipienten die Rede. Recipere bedeutet hin- oder annehmen, aufnehmen, übernehmen. Ein Rezeptor ist etwas, das etwas anderes empfängt und aufnimmt. Die Idee eines Medienrezipienten war also eigentlich schon immer falsch, insofern sie dem klassischen informationstheoretischen Kommunikationsmodell verbunden ist, das keinen aktiven Empfänger vorsieht, sondern eben einen, der die Information so aufnimmt, wie sie durch den Kanal übertragen werden. Rezeptionstheorien sind inzwischen differenzierter. Das Modell vom passiven Rezipienten, der Informationen so aufnimmt, wie er sie vorgesetzt bekommt, oder, wie Günther Anders es formuliert, der mit geöffnetem Mund die »gebratenen Tauben«, die ihm die Massenmedien liefern, empfängt und sie sich einverleibt, verzehrt und assimiliert (Anders 1956, 195), ist inzwischen ad acta gelegt. Jedoch konzentrieren sich Beschreibungen von Rezeptionshandlungen vor allem auf kognitive Verarbeitungsmechanismen, wobei ein besonderer Fokus auf medialen Identitätskonstruktionen liegt. »Im Mittelpunkt des aktuellen Interesses stehen die wirklichkeitskonstruktiven, Sinn und Bedeutung zuweisenden Aktivitäten des Publikums bzw. des einzelnen Rezipienten« (Göttlich 1997, 105). Rezeptionstheorien lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen. Die in den 1970er Jahren vor allem durch Jauß und Iser aus der Literaturwissenschaft hervorgegangene Rezeptions- oder Wirkungsästhetik konzentriert sich auf die Untersuchung der Medien und die Möglichkeiten, die die Medien zur Rezeption anbieten. »[Der] Text [...] [ist] eine ›Rezeptionsvorgabe‹ und damit ein Wirkungspotential, dessen Strukturen Verarbeitungen in Gang setzen und bis zu einem gewissen Grade kontrollieren« (Iser 1994, I). Ästhetische Wirkung entfalte sich weder im Text noch im Leser allein, sondern erst im Zusammenspiel von beiden im Prozess des Lesens.2 Iser legt Wert darauf, seinen Ansatz als wirkungstheoretischen und nicht als rezeptionstheoretischen zu verstehen (ebd. 8). D.h. er untersucht den Text und dessen mögliche Wirkungen. Um dieses Wirkungspotential zu untersuchen, arbeitet die Wirkungsästhetik mit dem Modell eines impliziten Lesers, der aus dem Text heraus konstruiert wird. Sie sagt demnach nichts über das, was reale Rezipienten tatsächlich im Prozess der Rezeption mit einem literarischen Text, dem Fernsehen oder einem Film tun, sondern spricht über die Möglichkeiten, die der Text anbietet. Dieses Verfahren ist durchaus Gewinn bringend, solange man die 2

Wenn auch implizit, verfährt Bordwell (1985) nach eben diesem Ansatz, wenn er die Möglichkeiten der Konstruktion einer Geschichte durch die Zuschauer in einem erzählenden Spielfilm beschreibt.

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Möglichkeiten des Textes nicht mit der tatsächlichen Rezeption verwechselt und einen Kurzschluss zwischen dem impliziten Rezipienten und dem realen Rezipienten herstellt. Als problematisch ist dabei der Begriff »Wirkungsforschung« zu betrachten, da er genau diese Differenz verwischt, da schließlich keine Wirkungen untersucht werden, sondern nur Potenziale. Denn ein Text bietet lediglich Möglichkeiten an; darüber, wie diese tatsächlich im Prozess der Rezeption genutzt werden, könnte nur die empirische Rezeptionsforschung etwas sagen. Mehr oder weniger implizit jedoch geht das von der ästhetischen Wirkungsforschung entwikkelte Verfahren jeder empirischen Rezeptionsforschung voraus. Denn auch wenn man das Verhalten von Rezipienten untersucht, so werden doch Vorannahmen über die Struktur der Medien getroffen, mit denen sie umgehen. Eine Explikation dieser Vorannahmen über die medialen Eigenschaften kann dabei nur von Vorteil sein, da sie die Ergebnisse vergleichbarer macht und auch auf Spezifika der Medien eingehen kann. Die so genannte empirische Rezeptionsforschung beschäftigt sich vorrangig mit den Rezipienten und nicht mit den Medien. Quantitative oder qualitative Studien untersuchen die Rezeption von oder den Umgang mit Medien durch (reale) Personen. Insbesondere quantitative Studien sagen damit immer noch nichts über den tatsächlichen Umgang mit Medien, sondern ermitteln statistische Werte zu Umgangsweisen und Gruppen, die durch das Untersuchungsdesign bestimmt werden. D.h. im Ergebnis wird auch hier der tatsächliche Umgang mit Medien nicht beschrieben, sondern lediglich gemittelte Tendenzen. An den tatsächlichen Mediengebrauch nähern sich qualitative Untersuchungen am weitesten an. So beschreiben zum Beispiel die Cultural Studies den Umgang und die Verarbeitung von Medien durch reale Personen. Taylor (2006) hat eine solche Untersuchung für das Massive Multiplayer Online Roleplaying Game Everquest vorgelegt. Beispiele zu anderen Medien wären das Weiterschreiben von Filmen in Fan-Fiction (z.B. Jenkins 1992) oder gegenläufige bzw. nicht dominanthegemoniale (Hall 1999) Interpretationen. So sind zum Beispiel Western wie Red River (USA 1948, Howard Hawks) aus einer schwulen Perspektive interpretiert worden, und Doris Day als Calamity Jane im gleichnamigen Film (USA 1953, David Butler) steht auch einer lesbischen Lesart offen. Metaphorisch ließe sich Rezeption im Anschluss an solche Umdeutungen als ein Spiel mit Bedeutungen bezeichnen. – Doch darum soll es hier nicht gehen, da dem metaphorischen Gebrauch des Begriffs Spiel die Spezifika der digitalen Medien entgehen. Das interpretatorische Spiel ist immer am Werk, wie Espen Aarseth (1997) schreibt, nicht nur bei digitalen Medien, hinzuzufügen ist: und nicht nur bei Medien. Diese verschiedenen Ansätze zur Untersuchung von Rezeption fokussieren zwar unterschiedliche Bereiche der Rezeption, reichen aber für die Beschreibung von möglichen Umgangsformen mit digitalen Medien nicht aus. Denn betrachtet werden vor allem mögliche Interpretationen und Bedeutungskonstruktionen durch die Rezipienten. Zum einen ausgehend von den Möglichkeiten, die ein medialer Text bietet, also eher Aspekte des medialen Textes beschreibend, zum anderen als ethnographische Forschung, die die Rezipientinnen und Rezipienten in den Mittelpunkt stellt.

Medienrezeption und Spiel

So konzentrieren sich die Rezeptionstheorien vor allem auf kognitive Verarbeitungsmechanismen. Die implizit oder explizit auf der Semiotik beruhende Rezeptionsforschung vernachlässigt Umgangsweisen mit den Medien, die nicht Zeichen basiert sind oder nicht auf Interpretation abzielen. Dies wären z.B. Aspekte der Handlung oder des prozessualen Einbezugs der Benutzer. Die medialen Produkte werden als mediale Texte verstanden, die man auf je spezifische Weise ›lesen‹ und interpretieren kann. D.h. implizit arbeitet die Rezeptionstheorie – wenn auch mit den oben beschriebenen wichtigen Modifikationen – mit den Kategorien des Senders, des Textes und des Empfängers.

Das Dispositiv Computerspiel: Handlung und Interpretation Ein Ausgangspunkt, der es ermöglicht, der veränderten Rezeptionssituation Rechnung zu tragen und auch Aspekte der Handlung und des prozessualen Einbezugs von Benutzern zu berücksichtigen, kann im Konzept des medialen Dispositivs gefunden werden, das gemeinhin in der Rezeptionsforschung wenig Beachtung findet. Baudry (1970) beschreibt das kinematographische Dispositiv als eines, das sich verunsichtbart und das dem Zuschauer das Gefühl gibt, das aktive Zentrum der Bedeutungsgebung zu sein. Hier schließen – implizit – die oben erwähnten Rezeptionstheorien an. Das Dispositiv des Computer- oder Videospiels nun gibt dem Spieler/der Spielerin nicht nur das Gefühl, das aktive Zentrum der Bedeutungsgebung zu sein, sondern vor allem das aktive Zentrum der Handlungsführung. Spielt jemand ein Computerspiel, so schaut er keinem Spiel zu und interpretiert es, vielmehr handelt er nach bestimmten vorgegebenen Regeln im Spiel. Als SpielerIn erlebt man ein Geschehen nicht nur von außen mit, sondern wirkt an ihm mit, ist also in doppelter Weise in das Spiel involviert. Krämer (1995, 233) spricht beim Umgang mit virtuellen Realitäten generell von einer Doppelrolle von Beobachtung und Teilnahme. So wird das Spielerische in phänomenologischen Theorien des Spiels (z.B. Scheuerl 1994, Buytendijk 1958) immer wieder als Bewegung und konkreter als Handlung beschrieben: Ein Spiel muss gespielt werden, um ein Spiel zu sein. Und es ist nur so lange Spiel, wie es gespielt wird, ansonsten verbleibt es ein Regelwerk oder eine Handlungsanweisung. Schon der Begriff Handlungsanweisung verweist auf den performativen Aspekt, denn das Regelwerk hat Aufforderungscharakter, es lädt zum Spielen ein. Die Partizipation eines Spielers oder einer Spielerin ist der Definition des Spiels inhärent und stellt damit der Rezeptionstheorie ein Modell zur Seite, das das Moment der Partizipation im Umgang mit den digitalen Medien besser zu beschreiben scheint. Der Vermittlungs- oder Übertragungsaspekt tritt in Theorien des Spiels in den Hintergrund, das Spielen als Handlung innerhalb vorgegebener Strukturen wird hervorgehoben. »Spielen als Handlung innerhalb vorgegebener Strukturen« nun deutet schon an, dass das Spielen keineswegs eine absolute Handlungsfreiheit gewährt, sondern nur Handlungen innerhalb von Begrenzungen zulässt. Die spielerischen Hand-

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lungen werden medial geleitet. Das Dispositiv des Computerspiels schreibt dem Spieler/der Spielerin die Position eines Handelnden zu, beschneidet die Handlungsmöglichkeiten jedoch zugleich. Die Möglichkeiten, die ein Computerspiel und auch andere digitale Medien anbieten, oszillieren also zwischen Freiheit und Einschränkung. Zum einen werden die Handlungen eines Spielers oder einer Spielerin im Spiel in dem Sinne eingeschränkt, dass nur bestimmte Handlungen ausgeführt werden können. Die Art dieser Einschränkung wird sowohl durch die Spielregeln als auch durch die Materialität des Spiels bestimmt. Zum anderen wird dem Spieler oder der Spielerin im Computerspiel noch eine Position zugeschrieben, von der aus er oder sie in der Spielwelt handeln kann; diese Position nenne ich – analog zum Point of View (POV), von dem aus die visuelle Spielwelt betrachtet werden kann, den Point of Action (Neitzel 2000, 2007). Im durch das Computerspiel geregelten Handlungsgefüge kann ein Spieler oder eine Spielerin nicht an beliebiger Stelle ins Spiel eingreifen. Die Involvierung über die Spielhandlungen ist verwoben mit der Involvierung über die Interpretation. Denn Interpretation findet, wie oben gesagt, natürlich auch beim Spielen statt. Sie kann, wie jede andere Interpretation eines Medium auch, auf eine generelle Bedeutungsentschlüsselung abzielen. Sie muss – um spielen zu können – jedoch immer auf das Ziel gerichtet sein, weitere Spielhandlungen anschließen zu können. Neben einer allgemeinen Interpretation ist für den Prozess des Spielens also noch eine Zweck gebundene Interpretation der Situation notwendig. Im Folgenden wird es um die medialen Strategien dieser doppelten Involvierung gehen. D.h. ich werde nicht über Menschen und ihren Umgang mit den Medien sprechen, sondern von den Medien und ihren Angeboten. Thema sind mediale Techniken des Einbezugs von Benutzern in interaktive digitale Medien, d.h. Rezeptions- und Handlungsangebote und die technischen, ästhetischen und textuellen Strategien der Benutzeranbindung.

Immersion & Involvierung 100

Kritisch anschließen lässt sich die Fragestellung nach der Involvierung von Rezipienten an Untersuchungen zur Immersion, d.h. des Hineingezogen-Werdens in einen Text, ein Bild oder ein anderes Medium. In den letzten Jahrzehnten wurde das Phänomen der Immersion in der Literatur-, Film- und Medienwissenschaft wie auch in der Kunstwissenschaft eher vernachlässigt. Als Phänomen, das scheinbar unreflektierte Rezeption und/oder Eskapismus kennzeichnet, steht es im Gegensatz zu distanzierter Rezeption und Distanzierungsstrategien der Medien, wie sie in postmodernen Lektürestrategien und -angeboten im Vordergrund stehen. Durch digitale Medien sowie insbesondere durch Theorien zu und Experimente mit der virtuellen Realität bekam das Phänomen jedoch neue Aufmerksamkeit und wird wieder verstärkt diskutiert. Zu nennen sind insbesondere die Studien von Ryan (2001), die vor allem textbasierte Medien fokussiert, und Grau (2000), die visuelle Strategien vom Panorama bis zur Virtuellen Realität – mit einem be-

Medienrezeption und Spiel

sonderen Augenmerk auf die Kunst – untersucht. Weitere Untersuchungslinien wären die vor allem technologisch fundierte Vorstellung von Immersion, wie sie in Hinblick auf die VR-Forschung existiert (z.B. Heim 1998, McMahan 2003) und Ansätze, die Immersion medienhistorisch in der Geschichte von Vergnügung- und Themenparks verorten (z.B. Balides 2003, Huhtamo 1995, Ndalianis 2003). Auch wenn Immersion erst in neuerer Zeit wieder in den Fokus medienwissenschaftlicher Betrachtungen rückte, so machen doch gerade diese Arbeiten auf Vorläufer und eine historische Komponente aufmerksam. So wird Mediengeschichte von verschiedenen Autoren als Versuch der Herstellung von immer perfekteren Illusionen und Immersionsstrategien betrachtet. Grau (2005, 80) konstatiert, dass sich in der europäischen Kunst- und Mediengeschichte seit dem ausgehenden Mittelalter mit Brüchen und Umwegen immer wieder ein Wettstreit zwischen neuen Illusionsmedien und Distanzierungskräften manifestiert. In einer Vielzahl von unterschiedlichen Medien zeige sich die Suche nach einer illusionären, letztlich unmerklichen Verbindung zum Bild (Ebd., 98). Schmidt geht so weit zu sagen, dass »[d]er Wunsch nach parallelen Realitäten [...] sich als Grundmotiv durch die menschliche Kulturgeschichte [zieht]« (Schmidt 2005, 194). Auch Bolter und Grusin (2000) sehen in der Mediengeschichte den Versuch der Medien, sich – mit medialen Mitteln – zu verunsichtbaren und scheinbare Unmittelbarkeit herzustellen. In der Logik, dass die perfekteste Illusion diejenige ist, die man nicht bemerkt, wäre dies der erstrebenswerte Endpunkt. Aussagen zur VR-Technologie prophezeien, dass dieser Endpunkt nun endlich erreicht ist. Nun entsprechen die Visionen von Apologeten neuer Technologien zumeist nicht den realen Gegebenheiten, sondern sind eben Visionen, die mit Bezug auf die je neuen Medien immer wieder auftauchen; schon 1946 sprach Bazin vom »totalen Film« (Bazin 2005, Schweinitz 2006). Wünschenswert wäre es, solche Visionen an reale Gegenstände rückzubinden, um die Strategien, die zur Involvierung der Benutzer verwendet werden, zu untersuchen. Der Begriff der Immersion wird keineswegs einheitlich verwandt. Während Grau (2000) strikt nur visuelle Strategien untersucht und implizit einen 360° Bildraum als den Endpunkt der Immersionstechnik annimmt, spricht Ryan zwar visuelle Strategien der Immersion an, geht aber nur auf verbale Strategien ein. Die unscharfe Beschreibung von Immersion, wie sie zum Beispiel bei Murray zu finden ist, befördert solche Uneinheitlichkeiten in der Benutzung des Begriffes: Immersion is a metaphorical term derived from the physical experience of being submerged in water. We seek the same feeling from a psychologically immersive experience that we do from a plunge in the ocean or swimming pool: the sensation of being surrounded by a completely other reality, as different as water is from air, that takes over all of our attention, our whole perceptual apparatus. We enjoy the movement out of our familiar world, the feeling of alertness that comes from being in this new place, and the delight that comes from learning to move within it (Murray 1999, 98f.). In dieser begeisterten Beschreibung der Immersion, die nicht zufällig in einem Buch zu finden ist, das Hamlet on the Holodeck heißt, fällt, wenn wir etwas genauer hinsehen, ein fataler – genauer letaler – Fehler auf: Wenn wir »submerged in water«, also untergetaucht sind, dann ertrinken wir.

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Die totale Immersion, auf die Murray hier abzielt, ist ein Mythos und muss auch ein solcher bleiben. Er sich kann auf einen mythischen Anfangspunkt des EinsSeins mit der Welt, den wir (oder zumindest die Männer) durch den Sündenfall verloren haben, oder auch auf einen mythischen, unerreichbaren Endpunkt der Mediengeschichte, der sich – in negativer Ausprägung – in Visionen vom totalen Realitätsverslust z.B. in der Matrix im gleichnamigen Film (USA 1999, Andy Wachowski, Larry Wachowski) zeigt. Ich möchte also nicht von Immersion sprechen, sondern von Involvierung. Wenn ich über Involvierung spreche, so spreche ich nicht von der totalen Immersion, vom Verschmelzen eines Spielers oder einer Spielerin mit dem Spiel, sondern von einem spielerischen Gleichgewicht von Nähe und Distanz. Involvierung oder involvement beinhaltet immer auch eine aktive Komponente der Beteiligung, die mit dem Spielen korrespondiert. Techniken der Involvierung von Benutzern beschäftigen sich damit, dieses prekäre Gleichgewicht im Spiel zu halten, denn einerseits muss ein Spiel fesselnd genug sein, damit es auch gespielt wird, auf der anderen Seite besteht immer die Gefahr während des Spiels die Realität stark abzublenden.

Nähe und Distanz

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Das Spiel von Nähe und Distanz korrespondiert im Spiel mit einer Reihe von Doppelungen. Oben wurde schon der Point of View und der Point of Action angesprochen, die nicht identisch sind, im Spiel jedoch miteinander interagieren. Ein Spieler oder eine Spielerin handelt im Computerspiel und sieht die Effekte dieser Handlungen auf einem Monitor abgebildet.3 Computerspielen kann als Selbstbeobachtung unter ständiger Rückkopplung bezeichnet werden. Diese Interaktion von Point of View und Point of Action in Form der Selbstbeobachtung korrespondiert mit einer Form der Selbstreferenz, die Gregory Bateson (1955) als metakommunikatives Paradox bezeichnet. Bateson geht davon aus, dass jede spielerische Handlung auf sich selbst referiert, indem sie sich selbst als spielerische Handlung kennzeichnet. D.h. ein spielerischer Biss bedeutet einerseits innerhalb des Spiels einen Biss, jedoch gleichzeitig auch, dass es nur ein gespielter Biss ist. »These actions in which we now engage do not denote what those actions for which they stand would denote« (Bateson 1955, 41). Ein Spieler/eine Spielerin befindet sich innerhalb eines Spiels, führt dort Handlungen aus, gleichzeitig ist er/sie sich dessen auch bewusst, womit er/sie auch außerhalb des Spiels ist, sich beim Spielen beobachtet. Spielen ist das Paradox von gleichzeitigem »To be and not to be.« Um zu spielen, muss man sich also bewusst sein, dass man spielt, was bedeutet, dass man gleichzeitig innerhalb als auch außerhalb des Spiels ist. Diese Gleichzeitigkeit von innerhalb und außerhalb macht noch einmal deutlich, dass beim Computerspiel weder ausschließlich eine distanzierende Interaktivität noch eine überwältigende Immersion am Werke sind. 3

Zur genaueren Ausarbeitung dieses Punktes s. Neitzel 2004, 2007.

Medienrezeption und Spiel

Techniken der Involvierung Angeschlossen an diese theoretischen Überlegungen sei eine – in der Breite wie auch in der Tiefe unvollständige – Skizze der unterschiedlichen Techniken der Involvierung, wobei ich bewusst auf die Erläuterung einer Involvierung über Bedeutungskonstruktion oder Narration verzichte. An dieser Stelle sei auf die Narration nur insofern eingegangen, als dass viele Computerspiele durch einen Vorspann und Exposition zumindest ein Versprechen auf kinematographische oder narrative Involvierung machen (zur Narration in Computerspielen s. Neitzel 2000). Um einen Ausgangspunkt für die Analyse zu finden, schließe ich – mit den gebotenen Einschränkungen – an die Analyse von immersiven Techniken bei Ryan (2001) an und erweitere sie. Ryan identifiziert die Bereiche von räumlicher Immersion, temporaler Immersion und emotionaler Immersion. Dem hinzuzufügen wären die Punkte der sensomotorischen und visuellen Involvierung, sowie die soziale Involvierung (in Multiplayer-Spielen und Web-Communites) und die ökonomische Involvierung (das Belohnungssystem) auf die Ryan nicht eingeht, da sie sich vor allem mit Texten beschäftigt. Als Ausgangspunkt seien also folgende Bereiche von Techniken der Involvierung, die in digitalen Medien zusammenwirken, genannt: 1. Sensomotorische Involvierung 2. Visuelle Involvierung 3. Räumliche Involvierung 4. Emotionale Involvierung 5. Temporale Involvierung 6. Soziale Involvierung (in Multiplayer-Spielen und Web-Communities) 7. Ökonomische Involvierung (Belohnungssystem) Sensomotorische, visuelle und räumliche Involvierung stellen dabei ein enges Geflecht dar, in dem die einzelnen Punkte nur schwer voneinander zu trennen sind. Ich werde es trotzdem versuchen. Auf die Punkte 6. und 7. werde ich hier nicht eingehen können.

1. Sensomotorische Involvierung Sensomotorische Techniken der Involvierung werden klassischerweise in der VRForschung untersucht. Diese Techniken und Strategien werden hier vor allem als die direkte Rückkopplung von Hardware und »Wetware« verstanden. D.h. die Forschungen betreffen die Taktilität und einen möglichst unvermittelten Zugang zu den Sinnen, wie z.B. durch das Auslesen von Augenbewegungen. Hierzu werden unterschiedliche materielle Interfaces entwickelt, die die Schnittstelle zum Rechner bilden. Datenhandschuhe, -brillen und Anzüge, aber auch Tanzmatten gehören dazu. Benutzer scheinen sich sehr schnell an materielle Extensionen ihrer Sinne zu gewöhnen, da der Fokus der Aufmerksamkeit auf dem Inhalt liegt und nicht auf dem Hilfsmittel oder dem Medium (vgl. auch Schmidt 2005). Damit zielt die VR-Forschung weniger auf Distanz als auf visuelle Überwältigung und taktilen

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Anschluss ab und hat letztendlich die totale Immersion im Blick. Es geht darum, den Besucher vollkommen in einer virtuellen Realität aufgehen zu lassen. Vorläufer der sensorischen Involvierung sind in Themenparks zu finden, in denen die »Attraktionen« immer auch auf den Körper wirken. Sensomotorische Rückkopplung und Immersion des Körpers findet jedoch nicht nur in der Virtuellen Realität statt, sondern ist auch notwendiger Bestandteil von Computerspielen. Sensomotorische Rückkopplung bei der Hand-Auge-Koordination, wie sie schon in jeder Computeranwendung, die mit einer Maus arbeitet, vorkommt, ist besonders in Geschicklichkeitsspielen wie Jump’n Runs und Shootern ausgeprägt. Der Cursor, eine auf dem Monitor abgebildete Waffe, ein anderes Werkzeug oder ein Avatar bilden auf je spezifische Art und Weise Extensionen des Spielers oder der Spielerin, mit denen er oder sie spielerische Gesten ausführt.4 Hier kann man von einer symbolisch vermittelten sensomotorischen Rückkopplung sprechen, die vor allem über Techniken der audiovisuellen Darstellung hergestellt wird.

2. Visuelle Involvierung Eine Technik, Distanz und Nähe zum Spiel zu regeln, ist die Perspektive, unter der das Spielfeld, die Werkzeuge und der Avatar auf dem Monitor dargestellt werden. So schafft die so genannte First-Person Perspective (deutsch: Ego-Perspektive), die die Funktionen der Zentralperspektive ausnutzt, ein anderes Distanzverhältnis und ein anderes Körpergefühl als eine Außensicht oder die so genannte ThirdPerson Perspective. 5 4

5

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Siehe dazu Neitzel 2004, zur Theorie der Geste: Flusser 1994, Leroi-Gourhan 1988, Gebauer/Wulff 1998. First-person Perspective und Third-Person Perspective sind Begriffe, die aus der Literaturwissenschaft zur Beschreibung von digitalen Spielen übernommen wurden. Sie wurden vor allem als Genre-Bezeichnungen gängig (z.B. für den First Person Shooter). Leider sind sie jedoch ungeeignet, die verschiedenen Points of View in digitalen Spielen angemessen zu beschreiben. »Erste Person« und »dritte Person« beziehen sich auf sprachliche Ausdrücke die deutlich unterscheiden ob ein »Ich« oder er/sie/es der Handelnde ist. Visuelle Präsentationen können damit jedoch nicht beschrieben werden, da hier eben diese Eindeutigkeit nicht gegeben ist (vgl. auch die Diskussion um die filmische Erzählweise in Stam/Burgone/Flitterman-Lewis 1996, 87ff.). So erlauben diese Begriffe zum Beispiel nicht, adäquat zwischen dem Point of View in HALF LIFE 1&2 (1998, 2004, Valve) und den TOMB RAIDER Spielen (1996-2006, Core Design) zu unterscheiden. Lahti (2003, 161) zum Beispiel schreibt TOMB RAIDER einen First Person POV zu. Oder aber – wenn man davon ausgeht, dass TOMB RAIDER vor allem den Third Person POV benutzt – kann man nicht zwischen diesem und z.B. dem POV in TOMB RAIDER und den SILENT HILL-Spielen (1999-2004, Konami) unterscheiden. Jedoch finden wir hier unterschiedliche Points of View: InTOMB RAIDER (und anderen 3D Action-Adventures) folgt die virtuelle Kamera dem Avatar und ist an ihn gebunden, was ein »Mitsehen« mit dem Avatar induziert, während in Adventures die »Kamera« den Avatar von außen in dem Raum, der durch ihn manipuliert werden kann, zeigt. Deshalb habe ich (Neitzel 2000) in Anlehnung an Mitry (2000) vorgeschlagen, zwischen dem subjektiven

Medienrezeption und Spiel

So sind Techniken, die oft genannt werden, um einen erhöhten Grad von Immersion zu beschreiben, dreidimensionales Design und die First Person Perspective (z.B. McMahan 2003, Heim 1998, Lahti 2003). Dies soll nicht bedeuten, dass ein Spieler/eine Spielerin sich nicht auch in einem 2D-Spiel »verlieren« könne, sondern dass das Gefühl, an einem anderen Ort zu sein, durch diese Techniken verstärkt wird. Frühe Spiele benutzten eine plane 2D-Oberfläche um ein Spiel zu visualisieren, entweder als Aufsicht oder Ansicht. Alles, was im Spiel geschah, war auf dem Bildschirm abgebildet. Bolter und Grusin beschreiben diese Technik der Visualisierung als opak (Bolter/Grusin 2000, 91). Sie vermittelt nicht den Eindruck, dass man mit einer Welt hinter dem Monitor spielt, sondern mit dem Interface und den Objekten auf der Oberfläche. Der Eindruck, mit einer anderen Welt zu spielen, entstand langsam durch den Einsatz von Off-Screen-Raum, verschiedenen Tiefenebenen, die Imitation von Kamarabewegungen sowie durch die 3D-Grafik.6 Hierdurch wurden die Interfaces, um noch einmal auf die Terminologie von Bolter und Grusin zurückzugreifen, transparent (Ebd., 94). 3D-Grafik lässt eine Tiefenwirkung durch den Einsatz der Zentralperspektive entstehen, die seit der Renaissance in der »realistischen« Malerei und später in technischen visuellen Medien wie der Photographie und dem Film benutzt wurde, um den Eindruck einer dreidimensionalen Welt auf einer zweidimensionalen Ebene zu vermitteln. Diese Perspektive wurde so gängig, dass wir sie normalerweise als die »natürliche« Art, Objekte wahrzunehmen, betrachten. Die Zentralperspektive, so kann man sagen, ist also eines der gängigsten Schemata im graphischen Design. Die Zentralperspektive hat zwei wichtige Punkte. Dies ist zum einen der Fluchtpunkt, auf den alle Linien zulaufen, und zum zweiten der Blickpunkt eines Betrachters, mit dem der Fluchtpunkt korrespondiert. D. h. die Zentralperspektive ist eine Technik, die den Betrachter im Bild als Betrachter verankert. In 3D-Spielen, die die First-Person-Perspektive benutzen, verschmilzt der Blickpunkt (Point of View) des Betrachters mit dem Point of Action des Spielers/ der Spielerin. In diesen Spielen wird kein Avatar visualisiert. Der Point of Action in der Spielwelt wird lediglich durch eine Hand oder eine Waffe an der Unterseite des Bildschirms repräsentiert. Es gibt keine Visualisierung des Körpers, der zu dieser Hand gehört. Das Bild insinuiert vielmehr, dass sich der Köper, der zur Hand gehört, vor dem Monitor auf der Seite des Spielers/der Spielerin, also in der realen Welt befindet. Der Ort, an dem der Körper, imaginiert wird, der zur abgebildeten Hand gehört, ist gleichzeitig der Ort, an dem sich Point of View situiert ist: Vor dem Monitor, wo sich der Spieler/die Spielerin befindet. Dieses Verschmelzen von Point of View und Point of Action stellt ein Kontinuum zwischen virtuellem und realem Raum her. Es gibt keine vierte Wand, die die Diegese schließt. Stattdessen arbeitet diese Technik der Visualisierung an der Ausweitung der Diegese in den realen Raum.

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POV (in First Person Shootern), dem semi-subjektiven POV (in Action-Adventures) und einem objektiven POV zu unterscheiden (in Spielen, in denen kein Charakter innerhalb der Spielwelt die Fähigkeit zu sehen hat und alles von einem POV, der außerhalb der Diegese liegt, gezeigt wird). Zur Entwicklung der (Re)präsentation des Raumes im Computerspiel siehe Wolf 2001.

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Diese Art der Integration von Beobachter und Akteur imitiert das Wahrnehmungsschema des Menschen im realen Leben. Auch hier sind der Point of View (die Augen) mit dem Point of Action (zum Beispiel die Hände) eng beieinander, da sie zum gleichen Körper gehören. Durch diese visuelle Technik der Involvierung wird eine körperliche Anbindung ans Spiel hergestellt. Manchmal wird davon ausgegangen, dass das Monitorbild das Sichtfeld des Avatars repräsentiert und dass der Spieler/die Spielerin durch die Augen des Avatars sieht. Ich tendiere jedoch zur umgekehrten Sichtweise, denn in Spielen mit der First-Person Perspektive gibt es keinen Avatar. Sie bestärken die SpielerInnen jedoch darin, einen Avatar zu imaginieren. Kein Anderer, der sieht oder handelt, ist abgebildet. D.h. der Spieler/die Spielerin weiß nicht, wie der Avatar sieht, so dass ihm/ihr keine andere Wahl bleibt, als die eigene Sicht auf den Avatar zu projizieren. Der Spieler/die Spielerin leiht also dem Avatar seinen/ihren Blick, der durch die Perspektive in die fiktive Spielwelt integriert wird. Da körperloses Sehen für Menschen nicht möglicht ist und der Spieler/die Spielerin der/die einzige ist, der/die sieht, entsteht der Eindruck, dass auch der Körper des Spielers/ der Spielerin in die Diegese einbezogen wird. Und da ein Spieler/eine Spielerin seinen/ihren Rücken nicht sehen, jedoch fühlen kann, kann in First-Person-Shootern, in denen man in Bedrohungsszenarien handelt, das unangenehme Gefühl entstehen, auch von hinten angegriffen werden zu können. Der Spieler/die Spielerin transferiert nicht nur seine Sehfähigkeit auf den Avatar, sondern auch Teile seiner/ihrer Körperwahrnehmung. Ein imaginierter Avatar in Spielen mit First-Person-Perspektive ist weniger autonom als ein Avatar, der vollständig abgebildet wird. Der imaginierte Avatar ist abhängiger von den Vorstellungen eines Spielers/einer Spielerin. Ein abgebildeter Avatar hat zumindest ein Aussehen und kann allein deshalb in gewisser Weise als ein Anderer angesehen werden (auch wenn dieser Andere nicht komplett autonom ist). In Spielen mit der Third-Person-Perspektive ist die Diegese zumindest visuell geschlossen.7 Die Distanz zur virtuellen Welt wäre somit bei diesen Spielen größer.

3. Räumliche Involvierung 106 Der Kategorie der räumlichen Involvierung haben wir uns schon über die Perspektive genähert. Es wurde deutlich, dass die Involvierung des Körpers eng mit der räumlichen Involvierung verknüpft ist, denn in je unterschiedlichen Ausprägungsformen wird der Körper in die virtuelle Realität oder die Spiele einbezogen. Dies reicht von einem Icon auf dem Monitor, das als Extension eines Benutzers zur Manipulation der digitalen Abbildungen benutzt wird, bis zu VR-Experimenten, die den Eindruck erwecken, dass sich der ganze Körper innerhalb der Virtuellen Realität befindet. In diesem Fall sind Vorläufer möglicherweise im Jahrmarkt und in Vergnügungsparks zu finden. 7

Natürlich gibt es auch bei diesen Spielen Techniken, die die Diegese öffnen, wie zum Beispiel selbstreferenzielle Verweise auf die Spielsituation.

Medienrezeption und Spiel

Ryan untersucht räumliche Immersion nur in Bezug auf die Literatur. Sie geht also nicht auf visuelle Techniken des Einbezugs ein. Allerdings lässt sich ihr Ansatz zu unterschiedlichen Darstellungsweisen des Raumes auch für digitale Medien übernehmen. Sie spricht zum einen vom »gelebten Raum« und zum anderen vom rationalen Raum der Karte. Der gelebte Raum sei gekennzeichnet durch eine dichte Beschreibung sowie das Gefühl, dass dieser Raum bewohnbar ist, der Körper sich in diesem Raum befindet. Der Raum der Karte sei rational und ortlos, durch relationale Beschreibungen gekennzeichnet (Ryan 2001, 121-130). Computerspiele, wie auch andere digitale Medien, sind gekennzeichnet durch die Kombination und durch Mischformen der beiden Arten von Räumlichkeit. So ist der Hypertext des Internets strukturell gekennzeichnet durch ein Netzwerk mit Knoten, also durch Wege, die auf einer Karte verzeichnet werden können. Es finden sich aber auch immer wieder Knoten, an denen sich Orte etablieren, wie z.B. auf privaten Homepages, oder auch verschiedene Angebote, die mit der Metapher von Orten arbeiten, wie z.B. einer Bibliothek oder einem Spielzimmer. Diese Websites versuchen, innerhalb des rein relationalen Netzwerkes Orte zu etablieren, an denen spezifische Tätigkeiten stattfinden oder bestimmte soziale Beziehungen entstehen können. Zur räumlichen Organisation von Computerspielen werden sowohl Orte als auch Karten benutzt. Unterschiede lassen sich auch in verschiedenen Spiel-Genres feststellen. So bewegt sich der Spieler/die Spielerin in dreidimensionalen Spielen durch eine Spielwelt mit verschiedenen Orten, an denen je spezifische Handlungen ausgeführt werden, orientiert sich jedoch an einer Karte. In Strategiespielen hingegen behandelt ein Spieler/eine Spielerin vorrangig eine Welt als Karte, auf die eine Außensicht vorliegt. Die räumliche Organisation der Welt sowie das Zusammenspiel von Ort und Karte wären hier zu untersuchen, da anzunehmen ist, dass die räumliche Organisation der Spiele als Welt mit Orten bzw. als Karte auch Rückwirkungen auf die Distanz zum Spiel haben wird. Räumliche Involvierung betrifft nicht nur die Raumorganisation der virtuellen Welt sondern auch die Verschränkung von realer und virtueller Welt. Über den Avatar oder einen Cursor mit der Virtualität des Spiels verbunden, kann ein Spieler/eine Spielerin die Spielwelt als Ausweitung seines/ihres Handlungsraums verstehen, so dass hier eine Verschränkung stattfindet (s.o.). Eine Auswirkung auf den Spielraum hat auch die Tatsache, dass Spiele online gespielt werden können. Der Spielraum verbindet hier tatsächliche Spieler und Spielerinnen miteinander, so dass sich die Differenz von Realität und Virtualität wiederum anders darstellt. Mobile Games, die zum Teil über GPS reale Orte einbeziehen und Handlungen an diesen Orten fordern, verschränken Virtualität und Realität, indem sie nicht mehr – wie in den meisten Spielen – die Manipulation der Virtualität zum Spielprinzip machen, sondern die Manipulation der Realität. Zur Frage der Involvierung in räumlichen Strukturen sind insbesondere Erkenntnisse aus der Sozialgeographie von Bedeutung, die Räume nicht in metrischen Parametern begreift, sondern vielmehr von Orten ausgeht, die durch soziale Handlungen und Interaktionen ihre Bedeutung gewinnen (z.B de Certeau 1980, Lefebvre 1974, Soja 1996).

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4. Emotionale Involvierung Sensomotorik, Visualität sowie Räumlichkeit bzw. Örtlichkeit betreffen vor allem den Status des Körpers des Spielers/der Spielerin – über die verschiedenen Techniken wird ein Gefühl der körperlichen Anbindung ans Spiel hergestellt. Emotionale Involvierung hingegen wird traditionell eher als von der Imagination abhängig verstanden. Ryan (2001) beschreibt emotionale Immersion als ein empathisches Mitfühlen mit dem Protagonisten eines Romans oder eines Films. Damit verwandt sind verschiedene Arten der Identifikation, wie sie z.B. Dyer als emotional affinity, selfidentification, imitation, und projection beschreibt (Dyer 1998 18f; vgl. auch Schmid 2006). Empathie oder Identifikation mit dem Protagonisten eines Computerspiels finden sich, so meine Arbeitsthese, nicht während des tatsächlichen Spiels, sondern vor allem in Aktivitäten, die ein Spiel rahmen, wie zum Beispiel auf Fansites, in Chats oder auch Lookalike-Contests. Denn Empathie oder Identifikation mit dem Protagonisten eines Computerspiels, der zumeist auch als Avatar des Spielers/der Spielerin dient, kann nicht auf die gleiche Weise vor sich gehen, wie im Film oder der Literatur, denn im Spiel dient der Avatar immer als Werkzeug zur Behandlung der Spielwelt. Ein Mitleiden oder Mitfühlen jedoch ist vor allem möglich durch die Unmöglichkeit des Eingreifens in das Geschehen in nicht-interaktiven Medien. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Avatar im Spiel »stirbt« – und jeweils wieder aufersteht – lässt ebenfalls auf eine andere Beziehung zum Avatar schließen als zum Protagonisten eines Filmes (vgl. auch Neitzel 2004). Emotionale Involvierung im Spiel würde danach nicht über den Handlungsträger stattfinden, sondern z.B. über so genannte NPCs (Non Player Characters), die vom Spieler/von der Spielerin eben nicht gesteuert werden können.

5. Temporale Involvierung

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Temporale Involvierung lässt sich mit Ryan (2001) vor allem auf die durch die Narration hergestellte Spannung beziehen. Sie betrifft damit Strategien der einem Spiel zugrunde liegenden Narration (wenn dem Spiel eine zugrunde liegt), durch die sich Fragen wie »Wie geht es weiter?« oder »Wie geht es aus?« stellen. Auch wenn ein Teil der Computerspiele narrativ organisiert ist, so reicht dies nicht, um alle Formen temporaler Involvierung im Computerspiel und anderen digitalen Medien zu beschreiben. Denn neben der narrativ organisierten Zeit des Spiels gibt es immer noch die Zielsetzung des Spielers/der Spielerin, die zum Teil mit den narrativen Zwängen kollidiert. So sollte temporale Involvierung auch in Hinblick auf die Zielsetzung einer Spielerin/eines Spielers betrachtet werden, d. h. auf durch seine oder ihre Motivation gerichtete Zeit. Ein Beispiel für solche, der »eigentlichen« Spiel-Zeit entgegen gesetzten Spielstrategien, sind die so genannten Speed-Runs, bei dem es nur darauf ankommt, das Spiel so schnell wie möglich durchzuspielen. Neben diesen chronologischen und Ziel gerichteten temporalen Strategien, finden sich auch nicht-gerichtete oder zirkuläre Zeitformen in Spielangeboten und

Medienrezeption und Spiel

-stilen. Das Spiel Grand Theft Auto – Vice City (2002, Rock Star) z.B. hatte auch dadurch Erfolg, dass es den Spielern und Spielerinnen unterschiedliche temporale Möglichkeiten gab. Einerseits konnte man den Missionen folgen – also auf ein Ende abzielen –, andererseits auch herumwandern und schauen, was sich so tut und was man noch so tun kann in der virtuellen Welt. Diese Haltung erinnert an den Flaneur, der die Zeit vergisst. Ein Verlust des Zeitgefühls beim Surfen im Internet mag einer ähnlichen temporalen Involvierung unterliegen (vgl. auch Manovich 2000, 195-200). Eine Involvierung über Wiederholungen in eine zirkuläre Zeit wäre eine weitere Art des temporalen Zeitbezugs. Denn in Spielen finden sich oftmals Wiederholungen, wie auch ein ganzes Spiel wiederholbar ist. Am Schluss sei noch die Geschwindigkeit des Spiels genannt. Bewegt sich mein Avatar schnell oder langsam? Erscheinen Gegner plötzlich oder kündigen sie sich an? Ist das Spiel zeitkritisch oder rundenbasiert?

Schluss Die hier analytisch getrennt voneinander vorgestellten Bereiche der Involvierung, interagieren im tatsächlichen Spiel natürlich miteinander. - Immersive (Überwältigungs)Strategien und Handlungsanforderungen greifen ineinander, - audio-visuelle Darstellungsmuster korrespondieren mit einem behandelund begehbaren Raum, - die Nähe-Distanz-Relation zwischen digitalen Benutzerrepräsentationen, virtuellen Charakteren und dem Spieler/der Spielerin wird durch visuelle und auditive Strategien hergestellt und ist ebenfalls mit den Handlungsanforderungen verbunden. Das Verhältnis eines Spieler oder einer Spielerin zum Spiel kann also – statt bipolar als Immersion oder Interaktivität – als ein Spiel von Nähe und Distanz aufgefasst werden. Dieses Spannungsfeld, das sich insbesondere in digitalen Spielen zeigt, wirkt jedoch – und das mögen die eingestreuten Beispiele gezeigt haben – auch in nicht primär spielerischen Anwendungen. Eine Untersuchung dieses Feldes kann dazu beitragen, die Funktionsweise von Computerspielen besser einschätzen zu können, was neben dem Erkenntnisgewinn über das Medium auch zu genaueren Parametern im Design wirkungsorientierter Forschung beitragen und Anregungen zum Design geben kann. Zum anderen können darüber auch Erkenntnisse über andere digitale Medien erhalten werden, sowie historische und intermediale Beziehungen zwischen verschiedenen medialen Formen aufgezeigt werden. Denn spielerische Formen schreiben sich zunehmend auch in andere Medien ein, so zum Beispiel in die DVD, die die Audiovisualität des Films durch die Kombination mit Menüs zunehmend zu Spielen macht – prinzipiell, so könnte man zugespitzt formulieren, unterscheiden sich die Film- und die Spiel-DVDs nur noch durch die Länge der Cut-Scenes – bei den Film-DVDs sind sie etwas länger (vgl. Distelmeyer 2007). Doch natürlich betrifft dies nicht nur die Film-DVDs – Interaktivität und

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die Partizipation von Benutzern ist notwendig für den Umgang mit allen digitalen Medien, seien es Geldautomaten, Handys, Textverarbeitungsprogramme oder das Internet. Partizipation kann nicht einfach quantitativ gemessen werden, sondern wird durch spezifische mediale Techniken auch beeinflusst. Computerspiele können als multimediale Anwendungssysteme bezeichnet werden – und die Spielerinnen und Spieler und ihre Handlungen sind integraler Teil dieses Systems. Die Untersuchung der medialen Techniken der Involvierung hat zum Ziel, das Zusammenwirken der Systemkomponenten zu fokussieren. Interaktivität ist nicht nur irgendeine Zugabe zu einem audiovisuellen Geschehen, sondern wird bestimmt durch die Absichten, Vorlieben und Fähigkeiten der Spielerinnen und Spieler einerseits und die Vorgaben, Angebote und ästhetischen Strategien der Spiele andererseits. Player Research, d.h. empirische Untersuchungen der Computerspieler und -spielerinnen wird derzeit intensiv von der soziologisch orientierten Games-Forschung betrieben. Der Blick auf die Vorgaben, Angebote und ästhetischen Strategien der Medien ist jedoch ein Desiderat der Computerspielforschung. Eine medienwissenschaftliche Erforschung der Techniken der Involvierung sollte deshalb an dieser Stelle ansetzen.

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Filme Red River (USA 1948, Howard Hawks) Calamity Jane (USA 1953, David Butler) The Matrix (USA 1999, Andy Wachowski, Larry Wachowski)

Stephan Günzel Raum, Karte und Weg im Computerspiel

Elephant… Herbst – rotbraune Blätter rahmen die Straßen einer Kleinstadt, durch die ein weißer Mercedes fährt, der wie ein Autoskooter mal rechts, mal links an die Bordsteinkante stößt, um von dort wieder in seine Bahn zu gleiten. Nichts scheint den Fahrer zu drängen. Der Wagen ist in Rückansicht zu sehen, aus einem Blickwinkel, der nicht bodenständig und doch nicht entrückt ist. Geduldig bleibt die Kamera hinter dem Auto und folgt seinem Weg. Das Auto schiebt sich auf den Gehweg, streift einen anderen Wagen und bleibt am Straßenrand liegen. Es ist der Morgen am Tag eines Schulmassakers. Der Ort hat keinen Namen. Das Ereignis ist fiktiv und findet doch statt. Die Kamera begleitet sie alle: Den Jungen, dessen angetrunkener Vater ihn wieder einmal zu spät zur Schule fährt. Das Abb. 1: Screenshot aus ELEPHANT Mädchen, das sich nicht traut, nach dem Sportunterricht vor den Augen der Cheerleader die Kleidung zu wechseln. Den Freund des Jungen, der seine Mitschüler für ein Schulprojekt mit der Kamera portraitiert. Dann ein Junge in der letzten Reihe des Klassenzimmers, der von seinen Mitschülern mit Papierkugeln beworfen wird und dies geduldig erträgt. Zusammen mit seinem Freund hat er sich Waffen besorgt und wird die Schule nach einem vorher angefertigten Plan Raum um Raum absuchen, Flur um Flur durchlaufen, Mensch um Abb. 2: Screenshot aus ELEPHANT Mensch töten. Die Kamera bleibt die ganze Zeit hinter jedem der Opfer, hinter jedem der Täter, so wie sie schon hinter dem Wagen blieb. Auch zu Opfer und Täter wird der

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Stephan Günzel

Abstand gewahrt, der wie durch ein nicht allzu elastisches Gummiband definiert scheint. Gezeigt werden die letzten Minuten vor dem Attentat. Immer wieder springt das Bild zurück und setzt zu einem anderen Zeitpunkt, bei einer anderen Person, an einem anderen Ort im Wegesystem der Schule ein. Der Film, dessen erzählte Zeit kaum eine Viertelstunde beträgt, vermittelt die Geschichte nichtlinear: Stabilisiert wird die Handlung einzig durch das Kontinuum der Korridore. – Ohne führende Dialoge und fast ohne Musikuntermalung, nur mit Gesprächsfetzen und Umgebungsgeräuschen, sind es allein diese Gänge, welche einen Zusammenhang aufzufassen ermöglichen. Abb. 3: Screenshot aus ELEPHANT

…und die Phänomenologie des Computerspiels

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Der Film Elephant (USA 2003) von Gus Van Sant verläuft entlang des schmalsten Grates, auf dem ein Schulattentat thematisiert werden kann: Denkbare Motive wie Rassismus, Homophobie, Frustration werden angerissen, aber stets durch eine Szene konterkariert, welche die jeweilige Erklärung ins Leere laufen lässt. Statt die Ursachen eines Verhaltens zu deuten, wird es durch Van Sants Film beschrieben: Elephant beschreibt aber weniger den Tathergang, als in erster Linie selbst wiederum einen besonderen Typ des Bildes: Der Film zeigt das Geschehen wie ein Videospiel. Dies jedoch nicht, indem die Bluttat als Spiel dargestellt würde, sondern indem durch die Darstellungsweise vorgeführt wird, wodurch sich ein Computerspiel als Bild auszeichnet. – Mit dem schnittfreien Bewegungsbild des cinema verité führt Abb. 4: Screenshot aus ELEPHANT Van Sant eine Bildansicht vor, wie sie ansonsten in 3D-Simulationen eines besonderen Typs gegeben ist: Das Geschehen wird als ein kontinuierlicher Ablauf in Echtzeit und aus Augenhöhe präsentiert. Nur an einer Stelle demonstriert der Film ganz offenkundig seine Verwandtschaft mit dem Computerspielbild: Für einen Moment ist am unteren Bildrand der vordere Lauf einer Maschinenpistole zu sehen, die in den Abb. 5: Screenshot aus COUNTERSTRIKE Raum hineinzielt.

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

Es ist eine Ansicht, die in fast allen Computerspielen vom Typ »First Person Shooter« anzutreffen ist und deren Spielprinzip darin besteht, den Fluchtpunkt des Bildes entsprechend auftauchender Objekte im Bild zu manipulieren. Der Fluchtpunkt ist zugleich der Zielpunkt einer virtuellen Waffe, der auf sie ausgerichtet werden muss. Kommen Objekt und Ziel- bzw. Fluchtpunkt zur Deckung, muss dies durch den Spieler mittels Mausklick bestätigt werden, woraufhin die Visualisierung eines Schusses aus der Waffe in Richtung Bildmittelpunkt erfolgt. Van Sant setzt die subjektive Kamera jedoch nur an dieser einen Stelle ein. Zumeist werden die Figuren in der Rückansicht gezeigt. – Es handelt sich dabei um die in Computerspielen sogenannte ›Dritte Person Perspektive‹. Sie ist dem Spielprinzip nach keine wirklich eigenständige Perspektive, sondern eine Ableitung der Ersten Person Perspektive: In ihrem Erscheinungsbild divergieren beide zwar, insofern die im Spiel gesteuerte (virtuelle) Figur nicht mehr vor dem Bild auf Seiten des Spielers platziert ist, sondern nun selbst im Bild erscheint – die Tätigkeit des Anvisierens mittels Manipulation der Bildperspektive bleibt jedoch bestehen. Einzig der Aktionsmittelpunkt Abb. 6: Screenshot aus ELEPHANT wird vom Augpunkt der Bildkonstruktion im First Person Shooter in das Bild hineinverlegt, so dass die Manipulation der Blickperspektive nun wie die Bewegung eines Auslegearms anmutet, auf dem eine Kamera montiert ist und dessen Aufhängung sich in der handelnden Figur befände. In der Perspektive der dritten Person filmt Van Sant das System der Korridore des Schulgebäudes, die den Rahmen der Filmhandlung abgeben. Hierin be- Abb. 7: Screenshot aus MAX PAYNE 2 steht nun eine weitere strukturelle Verwandtschaft des Films mit einem Computerspiel: Wegesysteme dieser Art liegen vielen Shooterspielen zugrunde und sind ebenso spielnotwendig wie die perspektivische Bildansicht, da das Wegesystem zugleich für die Übersichtlichkeit des einzelnen Raumabschnitts sowie für die Unübersichtlichkeit der Gesamtanlage eines Spiellevels sorgt. – Darüber wird es möglich, den Weg, den der Spieler mit seiner Figur zurücklegt, zu ›kanalisieren‹ und Begegnung mit anderen Spielfiguren vorzugeben. Van Sants Film kann selbst als theoretischer Zugang zum Computerspiel eingestuft werden, insofern er mit bildlichen Mitteln das Bild reflektiert. Genauer gesagt, ist Van Sants Film eine Phänomenologie des Computerspiels: Elephant erkundet die Struktur eines Phänomens unter Einklammerung der Bedeutungsebene. (Mit dem klassischen Methodenbegriff der Phänomenologie gesprochen, ›übt‹ der Film epoché.) – Und ebenso wie Van Sant zur Beschreibung des Computerspielbildes kein digital generiertes Bild einsetzt, sondern vor allem die Erscheinungsweise thematisiert, so geht auch der phänomenologische Ansatz davon aus, dass die Be-

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sonderheit von Bildern nicht allein in der zugrunde liegenden Technik zu suchen ist, sondern vielmehr in der durch sie ermöglichten Bilderscheinung und ihrer Struktur. Wenn im Folgenden vom Bild des Computerspiels die Rede ist, so wird darunter also das erscheinende Aktionsbild und des Weiteren das Interaktionsbild im Ganzen verstanden: Ebenso wie das Tafelbild oder die Fotografie ein Bild ist, ist auch der Film ein Bild: Gesehen und technisch zur Verfügung gestellt werden zwar vierundzwanzig Einzelbilder pro Sekunde, wahrgenommen aber wird ein bewegtes Bild.1 Gleiches gilt für das Simulationsbild: Auch dieses besteht aus einzelnen frames, die in der Betrachtung jedoch als ein kontinuierliches Bild wahrgenommen werden. Im Unterschied zum Film ist das Bild des Computerspiels aber nicht nur ein Bild, welches eine Bewegung wiedergibt, sondern es ist ein interaktives Bild, das selbst bewegt werden kann.

I. Raum: Egoshooter als Bildform Eine an der Bilderscheinung orientierte Reflexion von Computerspielen unterscheidet sich von medienhistorischen und auch soziologisch-psychologischen oder kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen: Im Vordergrund der vorliegenden Analyse steht mit dem Phänomenologen Edmund Husserl gesprochen das Bild als sichtbares Bildobjekt (Husserl 1904/05). Während medienhistorische Arbeiten oftmals die programmiertechnischen und kybernetischen Grundlagen der Spiele in den Blick nehmen (vgl. Pias 2002), also das materielle Bild oder den Bildträger, interessiert in verhaltens- wie auch kommunikationswissenschaftlicher Hinsicht (vgl. Klimmt 2006) zumeist das Thema des Computerspiels oder das nach Husserl sogenannte Bildsujet. Da sehr viele Spiele explizite Gewaltdarstellungen enthalten, ist die Forschung hier besonders auf den Verweisaspekt des Bildes konzentriert: Das Bild wird als eine eineindeutige Darstellung von Gewalt verstanden. Diese sozialen sowie auch die technischen Aspekte sind wichtig, müssen aber um eine Reflexion des sichtbaren Bildes ergänzt werden,2 ohne die Computerspiele nicht vollständig beschrieben wären.3 Dass der Fokus hierbei auf dem im Deutschen mit dem Scheinanglizismus »Egoshooter« bezeichneten Spielgenre liegt, hat seinen Grund darin, dass an diesem die Essenz des Computerspielbildes besonders

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Für die Unterscheidung von Sehbild und Bildwahrnehmung siehe skizzenhaft Gombrich 1988 sowie ausführlich Rehkämper 2002. Für einen chronologischen Überblick über die Ästhetik von Computerspielen siehe etwa Lischka 2002 und zur Medientechnik Korn 2005. Eine Diskussion der Debatte in den jüngeren Game Studies soll hier nicht erfolgen. Gegenüber film- und literaturwissenschaftlich informierten, narratologischen Ansätzen, die vor allem die Diegese des Spiels in den Blick nehmen, fordern die sogenannten ›Ludologen‹ eine originär spieletheoretische Analyse ein. Für einen Einblick in die Debatte siehe Wardrip-Fruin/Harrigan 2004. – Für einen umfassenden, deutschsprachigen Entwurf seitens der Narratologie siehe Neitzel 2005; und für einen aufschlussreichen Beitrag des Namensgebers der Ludology siehe Frasca 2003.

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

deutlich vor Augen geführt werden kann:4 Denn die Form der Bilddarstellung ist hier nicht allein eine Möglichkeit der Bilddarstellung, zu der es Alternativen gäbe, sondern unabdingbare Voraussetzung für die Interaktion.5 Hierbei können drei Ebenen der Bildbeschreibung differenziert werden: Die Ebene der Bildlichkeit (1.) als solche, die Ebene unterschiedlicher Bildarten und ihrer Beziehung untereinander (2.) sowie schließlich die interne Ausdifferenzierung des Bildes (3.). – Diese drei Ebenen lassen sich zusammenfassen in einer strukturellen Bestimmungen der besonderen Bildform (4.). 1. Die Grundlage der Bildinteraktion im Egoshooter ist das (zentralperspektivisch organisierte) Erscheinungsbild: Computerspiele diesen Typs nutzen damit eine Eigenschaft, welche Bilder erst von anderen Dingen unterscheidbar macht: mittels eines zweidimensionalen Bildträgers ein räumliches Bildobjekt zu präsentieren. Dieser Zusammenhang kann als »ikonische Differenz« (Boehm 1994) des Bildes oder als bildkonstitutiver Widerstreit von gesehenem Träger und wahrgenommenem Objekt (Wiesing 2000) bezeichnet werden: Bilder geben demnach etwas zu sehen, das über ihre Materialität hinausgeht. – Nirgends ist dies so augenfällig wie bei Simulationsbildern: Denn diese zeigen nicht nur Bildobjekte, sondern der Betrachter kann die erscheinenden Objekte selbst bewegen. 2. Das interaktive Bild unterscheidet sich dabei vom Tafelbild, dem Film und auch der Fotografie (Wiesing 2005), weist aber zugleich Gemeinsamkeiten mit diesen Bildarten auf: Mit dem zentralperspektivischen Tafelbild teilt das Computerspielbild vom Typ Egoshooter die Gemeinsamkeit, einen geometrischen Raum zur Erscheinung zu bringen. Vom Film wiederum übernimmt das Computerspiel die Bewegtheit der Bilderscheinung, die in ihrem Ablauf vorgegeben ist, und wandelt sie in eine freie Bewegung um. Mit der Fotografie schließlich verbindet das interaktive Computerspielbild (wie schon der Film) der Eindruck einer Teilhabe am dargestellten Geschehen: Denn aufgrund der fotorealistischen Präsentationsweise kann der Benutzer eines Simulationsbildes wie der Betrachter einer Fotografie der Auffassung sein, ein Ereignis zu betrachten, das tatsächlich stattgefunden hat (Bazin 1945);6 der Benutzer einer Simulation kann jedoch zudem der Auffassung sein, das Geschehen ereigne sich momentan und am gezeigten Ort (Steuer 1992). Marginalie: Neben der Übernahme anderer Bildformen oder ihrer besonderen Eigenschaften sind auch Hybridbildungen in Computerspielen anzutreffen: Wie etwa die sogenannten In-Game-Movies, die in Egoshooterspielen häufig anzutreffen sind. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Filmsequenzen, durch die das Simulationsbild kurzfristig seiner Interaktivität beraubt wird und durch

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Siehe hierfür auch die Vorstudie vom Verf. (Günzel 2006). Auch andere Spielgenres können bestimmte Ansichten zur Voraussetzung der Interaktion haben, nur wird dort meist eine Figur innerhalb des Bildes bewegt und nur selten das Bild selbst. – Zur Bildräumlichkeit in Computerspielen sowie besonders im First Person Shooter siehe die Arbeiten von Poole 2000, Wolf 2001, Aarseth 2001, Funken/Löw 2002 oder Rumbke 2005. Mit Peirce gesprochen, ist das Bildobjekt einer Fotografie nicht nur ein ikonisches Zeichen, das wie ein realistisches Gemälde Ähnlichkeit mit seinem Bildsujet hat, sondern auch ein Index: Die Spur eines äußeren Ereignisses, durch welches das Bildobjekt verursacht wurde.

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die der Spieler gezwungen ist, einer Narration oder einem vorgefertigten Ablauf beizuwohnen. – Bedeutet dies zunächst einen Entwicklungsschritt zurück vor die Stufe des manipulierbaren Bildes, so werden bei jüngeren Spielen wieder Freiheitsgrade eingebracht: So etwa im Spiel Call of Duty (2003, Activision), das Gefechte des Zweiten Weltkriegs aus Sicht alliierter Soldaten nachspielbar werden lässt. Die Filmsequenzen dieses Spiels sind in doppelter Hinwicht bemerkenswert: Zum einen, da sie auf Schauplätze und Abläufe rekurrieren, wie

Abb. 8: Screenshot aus ENEMY AT THE GATES

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sie in Kriegsfilmen dargestellt wurden; besonders einschlägig ist die Adaption der Eingangsequenz von Enemy at the Gates (USA/E/D 2001, Jean-Jacques Annaud) im Spiellevel »Stalingrad«: Zum anderen, da sie dem Spieler die Möglichkeit geben, seinen Blick innerhalb der Szene zu variieren, ohne jedoch den Körper bewegen zu können. Erst sukzessive, mit dem Auslaufen der filmischen Narration werden der Figur Abb. 9: Screenshot aus CALL OF DUTY die Interaktionsmöglichkeiten mit den Objekten im Bildraum zurückgegeben und diese sodann in den filmisch etablierten Ort des vermeintlich historischen Bildraumes hinein entlassen.7 3. Neben der Interaktion mit der Bildperspektive besteht die auffälligste stilistische Besonderheit klassischer Egoshooter darin, dass jede Tiefenebene des Bildes deutlich fokussiert ist: Anders als im optisch generierten Film und der Fotografie ist die Simulation (wie wiederum schon das Tafelbild) nicht darauf festgelegt, einige Bildbereiche zwangsläufig unscharf darzustellen. Stattdessen weist der Bildraum eine durchgängige Tiefenschärfe auf. Dies wirkt sich bei Egoshootern inso-

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Dies ist jedoch nur eine Möglichkeit, die in Egoshootern anzutreffen ist. – Sie ist für die Bestimmung des Bildtyps jedoch nicht hinreichend und wird vor allem dort interessant werden, wo die gleichzeitige Vermarktung von Film und Spiel zum Film oder auch Spiel und Film zum Spiel eine Rolle spielt (siehe hierzu etwa Hartmann 2004).

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

fern spielunterstützend aus, als jeder Bereich gleichermaßen gewichtet ist und vom Spieler abgesucht werden muss.8 Nicht nur tastet sich also der Schütze durch den Raum des Spiels, sondern bereits der Spieler tastet die Oberfläche der gegebenen Bildansicht des perspektivisch konstruierten Raumes ab. Waren es zu Anfang der Egoshooterentwicklung noch Kapazitätsgründe, welche eine Umsetzung dynamischer Unschärfe auf Heimrechnern verhinderte, so liegt der Vorzug nichtfokussierter Darstellung auf der Hand: Eine solche Ansicht erzeugt Angst, nicht nur weil in ihm feindselige Monster und militante Gegner auftauchen, sondern: weil der Bildtyp unter rein formalen Gesichtspunkten beurteilt einem ›paranoischen‹ Eindruck Vorschub leistet. Um perspektivische Randverzerrungen zu vermeiden, vor allem aber, um die potentielle Bedrohung der eigenen Position im virtuellen Bildraum herauszukehren, ist der Sehwinkel zudem auf etwa 90° begrenzt. Ungeachtet der Szenerie, die vor allem von düsteren Abb. 10: Screenshot aus COUNTERSTRIKE Lichtverhältnissen bestimmt sind und durch eine dumpfe Klangkulisse unterstützt werden, ist die Situation also bereits in formaler Hinsicht bedrohlich: Der Bildausschnitt erfordert die permanente Bewegung des Schützen, um jeden Winkel des Raumes, in dem er sich befindet, einsehen zu können. Marginalie: Weitere Elemente, die Egoshooterspiele auszeichnen, sind Symbolismen und Stilelemente, die ein Erleben bzw. Erleiden exemplifizieren: Sowohl das Bildformat als auch die innerbildliche Organisation variieren etwa mit dem Atemrhythmus oder wenn die Spielfigur vom Gegner angeschossen wird. Wenn die Figur schließlich stirbt oder dem Tod nahe ist, färbt sich die Bilderscheinung rot ein. Bombeneinschläge werden dadurch indiziert, dass die Darstellung sich vom Linearen ins Malerische wandelt und die Flächenbegrenzungen verschwimmen. Diese Darstellungsaspekte sind allenfalls indirekt spielnotwendig, insofern sie die Spielbarkeit hierdurch beeinträchtigen und damit den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Als Einschränkungen zeigen sie solcherart wiederum auf, worin die Besonderheit des Spielbildes besteht.9 8

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Hingegen ist im Filmbild oder Foto durch den Schärfenbereich ein Aufmerksamkeitsschwerpunkt vorgegeben. – Dieses Spannungsverhältnis zwischen Simulationsbild und fotografischem Bild findet sich ebenfalls in ELEPHANT thematisiert: Van Sant muss nicht nur aufgrund der Medieneigenschaften des Films darauf verzichten, jede Bildebene deutlich darzustellen, sondern er überbetont diese Unschärfe noch, indem er vor allem die Figuren im Vordergrund fokussiert und den Hintergrund verschwimmen lässt. Das fällt insbesondere bei den Szenen ins Gewicht, welche das Töten zeigen oder vielmehr: es gerade nicht mehr zeigen. Mit zunehmender ›Filmisierung‹ der Computerspiele wird in der jüngsten Generation von Egoshootern auch ein dynamisches Schärfe/Unschärfe-Verhältnis zur Anwendung gebracht, wodurch es zu einer weiteren Einschränkung des Spielprinzips und einer Erhöhung des Schwierigkeitsgrades kommt.

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4. Für Johann Gottlieb Fichte gründete sich die Struktur von Bewusstsein darauf, dass der »menschliche Geist« sich »seine eigene Existenz« schafft: »Setzet, das Ich sei der höchste Begriff, und dem Ich werde ein Nicht-Ich entgegen gesetzt, so ist klar, daß das letztere nicht entgegengesetzt werden könne, ohne gesetzt zu seyn«; und zwar im »Ich« (Fichte 1784). – Was in diesem ›egologischen‹ Modell zum Ausdruck kommt, Abb. 11: Screenshot aus CALL OF DUTY ist die Beschreibung einer Konfiguration, welche als die vielleicht wichtigste Folge der Etablierung zentralperspektivischer Bilddarstellung als objektivierende Präsentation von Welt aus einem Standpunkt heraus anzusehen ist. Wenn Fichte dazu bemüht werden kann, so deshalb, weil er gut 350 Jahre nach Brunelleschi und Alberti die Konsequenz zieht, dass der Ort, von dem aus die Welt gesehen und gewusst wird, zugleich der Grund ihres Erscheinens ist.10 Abb. 12: Screenshot aus DOOM 3 Die von Fichte beschriebene Situation findet sich radikalisiert im Simulationsbild des Egoshooters: Die Waffe des Schützen, welche am unteren Bildrand zu sehen ist, steht in den Bildraum hinein und wird auf Objekte im Fokus gerichtet. Die intentio ist damit unmittelbar gekoppelt an die jeweilige Konstruktion des sichtbaren Raumes gemäß dem Fluchtpunkt: Mittels eines Interface (zumeist der Computermaus) wird in ein und dem selben Moment der Blick- und der Zielpunkt verändert.11 Raumsehen ist die unmittelbare Voraussetzung des virtuellen Tötens, und umgekehrt: Das Töten – oder neutral gesprochen das ›Erkennen‹ – ist der Zweck dieser Raumansicht. Es ist letztlich dieser Umstand, an dem festgemacht werden kann, dass Egoshooterspiele die Essenz von Computerspielen zum Ausdruck bringen und worin auch deren Eigenständigkeit als eigenes Medium besteht: Auch wenn heute nahezu alle Spiele als 3D-Grafik programmiert sind, kommt jeder andere Spieltyp ohne die tiefenräumliche Darstellung aus – nur der Egoshooter nicht: Denn das Interaktionsprinzip leitet sich aus der besonderen Erscheinungsweise ab.12 10

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Es sei dahingestellt, ob Fichte, der die Blütezeit der Guckkästen miterlebte, dabei an die ›Prospects‹ und ›Peepshows‹ dachte, die den Blick in »neue Welten« ermöglichten; fest steht, dass seine Beschreibung eine strukturelle ist, welche angewendet werden kann auf einen Beobachter, der vor dem Bild im Bild ist – oder auch: im Bild vor dem Bild. In manchen Spielen fallen beide Punkte direkt zusammen, oft sind Seh- und Zielpunkt als Zugeständnis an die Rechtshändigkeit der virtuellen Spielfigur leicht versetzt zueinander. Stets werden sie aber parallel verändert. Hieran kann letztlich festgemacht werden, dass Computerspiele trotz der Verwandtschaft zu anderen Bildarten ein eigenständiges Medium sind oder sein können.

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

Marginalie: Die Diagnose, dass die perspektivische Raumkonstruktion im Bild konstitutiv für das vorliegende Computerspielgenre ist, ist keineswegs gleichbedeutend mit dem Immersionsbefund:13 Immersion liegt dann vor, wenn es über die optische Illusion hinaus auch zu einer Verwechslung des Bildes mit der außerbildlichen Wirklichkeit kommt, also die ikonische Differenz selbst nicht wahrgenommen werden kann.14 Computerspiele sind jedoch nur bedingt mir Panoramen oder begehbare Cyberspacesimulationen zu vergleichen, bei denen es in Ermangelung einer Bildbegrenzung zur Immersion kommen kann. Immersivität im Computerspiel kann allenfalls dann vorliegen, wenn mit Unterstützung eines Head Mounted Displays gespielt würde, welches die Wahrnehmung der Bildbegrenzung verhindert. Die Präsentation von Computerspielen erfolgt jedoch vorrangig auf Bildschirmen. Dass die exzeptionelle Stellung der Egoshooter zunächst von Spielern und Programmierern bemerkt wurde, macht die Arbeit des Theoretikers und Softwareentwicklers Julian Oliver (2006) deutlich: Er hat sich die Aufgabe gestellt, von der zunächst nur denkbaren grammatischen Möglichkeit der Zweiten Person aus ein Shooterspiel zu entwickeln. Sein ›Second Person Shooter‹ funktioniert derart, dass der Punkt, von dem aus gesehen wird, das Auge des Gegners ist (dessen Waffe mit »YOU« gekennzeichnet wird). Der Spieler sieht also, wie sein Gegner versucht, ihn zu töten. Gleichzeitig sieht der Spieler (gekennzeichnet durch »ME«), wie er auf seinen Gegner schießt, aber: aus dessen Perspektive. Wendet sich der Gegner ab, kann der Spieler nurmehr blind operieren: Er sieht sich selbst nicht mehr. Oliver hat damit die Funktion eines Egoshooters herausgestellt, in dem er sein Grundprinzip umkehrt. Die Struktur der primären Bildansicht im Computerspiel in der Perspektive der Ersten Person kann von daher zusammenfassend wie folgt beschrieben werden: Was im Bild zu sehen ist, ist das, was man sehen könnte, wenn Abb. 13: Screenshot aus 2NDPS-MISSINGman sich innerhalb der simulierten Welt INACTION an eben derjenigen Stelle befände, an welcher die zumeist selbst nicht sichtbare Spielfigur lokalisiert ist, deren Blick der Spieler steuert, um zu schießen. – Und eben genau das ist zu sehen; mit Fichte gesprochen: Im Bildraum des Computerspiels wird dem Ego ein Anderes gesetzt,15 das als Ver13

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Vgl. dazu allgemein bildgeschichtlich Grau 2001 sowie bezüglich 3D-Computerspielen McMahan 2003. Es ist mithin auch nicht auszumachen, wann ein Spieler tatsächlich in das Bildgeschehen dermaßen eintaucht, so dass er oder sie den Kontakt mit der außerbildlichen Umwelt verliert oder gar völlig verdrängt hat. In philosophischer Hinsicht kommt dem die aufschlussreiche Schilderung Sartres (1939) nahe, der den Intentionalitätsgedanken Husserls als Transzendenz des Egos dekliniert, also als das Auftreten oder ›Hineinstehen‹ des Subjektes in das Feld des Erlebens.

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hältnis wiederum für einen Beobachter gegeben ist (in diesem Fall: der Spieler, der das Interface bedient) – das Ego im Bild und das (reflexive) Selbst vor dem Bild.16

II. Karte: Topographie des Spielraums Die Prämisse, dass ein Computerspiel als ein Bild aufzufassen ist, bezieht sich zunächst auf die durch das Bild präsentierte Bewegung. Über deren Wahrnehmung hinaus, kommt beim Simulationsbild jedoch noch ein weiterer Aspekt hinzu, der eng mit der Bildinteraktion verbunden ist: Eine Interaktion findet in Computerspielen nämlich nicht nur mit der Bilderscheinung statt, sondern kann auch zwischen Bildansichten erfolgen. – So ist es dem Benutzer eines Egoshooters oftmals möglich, mittels einer einfachen Tastenkombination beliebig oft zwischen zwei Bildansichten hin- und herwechseln; und zwar zwischen der zentralperspektivischen Subjektsicht und der Draufsicht auf die Gesamtspielfläche (map). Diese Ansicht kann entweder ein festes Element innerhalb der Primäransicht sein, womit diese dann zum Display wird: Eine solche Ansicht gab es erstmals bereits in dem Egoshooter-Vorläuferspiel Battlezone (1980, Atari), wo die Karte in Form eines Radars am oberen Bildrand zu sehen war. Die Karte kann aber auch als transparen-

Abb. 14: Screenshot aus BATTLEZONE

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Abb. 15: Screenshot aus DOOM

ter Overlay in das Bild eingeblendet werden oder als ganz eigenständige Ansicht umgesetzt sein: Als solche wurde sie in einem Egoshooter erstmals in Doom (1993, id) realisiert. Alle Fälle sind jedoch graduelle Abstufungen ein- und desselben Teilphänomens des Computerspielbildes vom Typ Egoshooter, dem die Kartenansicht als Modus zugehört. Der Betrachterstandpunkt in einer topographischen Darstellung ist dabei demjenigen der zentralperspektivischen Bildansicht direkt entgegengesetzt: Der Platz, den die Karte ihrem Benutzer als Bild zuweist, ist gerade nicht der Ort, von dem aus in der Primäransicht gesehen wird. Beide Ansichten bedienen daher unterschiedliche Aktionsmodi: Ist die Bildansicht in der Ichperspektive auf die Objekterken-

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Lacan (1964) hat für diese Zwiefalt eine begriffliche Unterscheidung von image und tableau vorgeschlagen: Während image das auf der Oberfläche des Bildträgers erscheinende Bild bezeichnet, meint tableau den durch das (perspektivische) Bild eröffneten Raum. In diesem wird der Betrachter eines Bildes – weitgehend unabhängig von seiner Position vor dem Bild – durch das Bild verortet.

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

nung festgelegt, so dient die Erkundung des Bildraumes aus der Vogelperspektive zu Zwecken der Orientierung.17 Marginalie: Eine unmittelbare Mischform der beiden Ansichten ist in Strategiespielen anzutreffen, die sich der Militärperspektive bedient: Bei dieser Form einer schrägen Parallelenprojektion bleibt der Grundriss unverzerrt und alle Seiten sind zueinander maßstäblich. Dem Operationsraum wird darüber eine Pla- Abb. 16: Screenshot aus GHOST RECON stizität gegeben, welche ansonsten die zentralperspektivische Ansicht besitzt. Bisweilen ist die Militärprojektion, wie in Warcraft III (2002, Blizzard Entertainment), auch leicht ›subjektiviert‹.

125 Abb. 17: Screenshot aus WARCRAFT III

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Historisch sind Perspektivpräsentation und kartographische Repräsentation dennoch verwandt, insofern beide auf dem Projektionsverfahren des Ptolemäus beruhen (Edgerton 1975): Wie in der perspektivischen Raumdarstellung ist das wichtige Kennzeichen der planemetrischen Konstruktion die Bestimmung der Verhältnisse im Bild aus einem Augenpunkt. – Nur geht in der Kartendarstellung die Entfernung zwischen Augpunkt und Bildfläche gegen ›unendlich‹, so dass die Zentralprojektion in eine Parallelprojektion übergeht.

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III. Weg: Hodologie des Computerspiels

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Wie oder vielmehr wo erfolgt nun der Übergang angesichts dieser diametralen Entgegensetzung? Hierfür gibt es wiederum zwei Möglichkeiten. – Einmal als kontinuierliche Bildbewegung: Wie Christine Buci-Glucksmann herausgearbeitet hat, ist der Übergang zwischen den beiden disjunkten Betrachterstandpunkten selbst Thema der bildenden Kunst gewesen. Vor allem das Ikarus-Motiv scheint ihr hierfür einschlägig, wenn auch negativ: als Inszenierung eines Scheiterns, die Position des kartographischen Blicks durchzuhalten. Wie sie in Der kartographische Blick der Kunst (1997) über diese Sichtweise schreibt, wird im Sturz des Ikarus (1558, Pieter Bruegel der Ältere) die Ikarusfigur vor allem deshalb in ein Landschaftsbild eingebracht, weil jene Unmöglichkeit dargestellt werden soll, den Ort erreichen zu können, von dem aus der Blick über die Welt erfolgen kann. Die Ikone eines modernen Ikarus, dem die Verbindung zu gelingen scheint, hat dagegen der italienische Futurist Tullio Crali mit dem ›Aeropittura‹ Sturzflug auf die Stadt (1939) geschaffen: Die Distanz zwischen den beiden Betrachtungspunkten wird im Bild überbrückt durch den Sturzflug in das zuvor überflogene Territorium. Die plane Topographie bäumt sich darin auf und Abb. 18: STURZFLUG AUF DIE STADT (Crali 1939) erscheint nicht nur wieder tiefenräumlich, sondern umfängt in geradezu hyperbolischer Weise den Flieger. Egoshooter sind spielgeschichtlich unmittelbare Nachfolger von Flugsimulationen und zudem mit Autorennspielen verwandt, welche eine Cockpitsituation zeigen. In wenigen Egoshootern wie Black Hawk Down (2003, Nova Logic) ist der Wechsel zwischen Flug- und Bodensituation als kontinuierlichen Übergang realisiert. – Doch Abb. 19: Screenshot aus BLACK HAWK DOWN bleibt dies ein Sonderfall; der Regelfall ist vielmehr die Wechselbeziehung beider Bildmodi: Perspektivische und topographische Raumansicht sind im Computerspiel nicht nur aufeinander bezogen, insofern die Karte den Zusammenhang der Einzelräume des Spielverlaufs darstellt, sondern spieltechnisch miteinander verschränkt, insofern der Spieler beliebig zwischen den beiden Bildansichten je nach Erfordernis wechseln kann. Durchaus vergleichbar ist dies mit dem Szenenwechsel oder auch einem Schnitt im Filmbild: Auch hierbei erfolgt eine Synthese der einzelnen Einstellungen auf

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

Seiten des Zuschauers.18 Ebenso wie dieser nicht eine Abfolge einzelner Standbilder sieht, sieht er trotz unterschiedlicher Einstellungen nicht mehrere Filme. Entgegen dem Film, bei dem diese Wechsel ebenso vorgegeben sind wie der Ablauf als solcher, kann der Wechsel zwischen den Bildansichten im Computerspiel vom ›aktiven Betrachter‹ selbst vollzogen werden – und nicht nur der Wechsel kann aktiv vollzogen werden, oftmals ist auch eine Selbststeuerung der Spielfigur im Kartenmodus möglich.

Abb. 20: Screenshot aus GHOST RECON

Abb. 21: Screenshot aus GHOST RECON

Das Simulationsbild kann in seiner Gesamtkonfiguration als ›topologisch‹ charakterisiert werden: Der Unterschied zwischen dem Kartenmodus als Option und dem interaktiv erlebten Gesamtbild ist dabei der gleiche, der sachlich zwischen ›Topographie‹ und ›Topologie‹ besteht: Eine Topographie bildet idealtypisch alle örtlich vorhandenen physischen Gegebenheiten, seien sie natürlichen oder kulturellen Ursprungs, in planer Ansicht ab: also Flüsse, Berge, Täler, Straßen, Grenzen, ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Verwendung durch einen Benutzer. Eine Topologie oder die topologische Beschreibung räumlicher Gegebenheiten hingegen besteht in den wesentlichen Merkmalen und Relationen, deren Relevanz nicht von der Topographie determiniert sein muss. Was in der Interaktion mit dem Computerspielbild erlebt wird, ist jedoch nicht die reine topologische Struktur, sondern immer eine Konkretion derselben. Der Psychologe Kurt Lewin hat diesbezüglich von einem »hodologischen Raum« (Lewin 1934) besprochen: einem ›Wegeraum‹, der sich in der Benutzung konstituiert. Bildgeschichtlich finden sich bereits früh Annäherungen an den hoAbb. 22: JERICHO, FARHI-BIBEL dologischen Raum, wie etwa eine Bibel-

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Sobchack (1992) führt diese Syntheseleistung in der Filmwahrnehmung auf die Leiberfahrung zurück.

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illustration der Stadt Jericho aus dem 14. Jahrhundert, als Einwege-Labyrinth zeigt.19 Viele Egoshooter beruhen genau auf jener Topologie des Einwege-Labyrinths. Sie existiert jedoch – und das ist entscheidend – selbst nicht als Bildansicht im Spiel. Eine Ansicht, die selbst wieder topologische Strukturen ins Bild setzt, ist in Computerspielen nur sehr selten zu finden und wird nur dann eingesetzt, um den Spielverlauf zu resümieren. Das heißt, diese Ansicht ist erst nach Ende des Spiels zu sehen und gehört bereits nicht mehr zum interaktiven Bild. Ein seltenes Beispiel für eine derartige Darstellung findet sich etwa im Bereich der Automatenspiele bei The House of the Dead (1997, Sega).

Abb. 23: Screenshot aus THE HOUSE OF THE DEAD

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Aber die zusätzliche Visualisierung der Topologie respektive des hodologischen Raums ist auch gar nicht nötig: Denn zwischen zwei Bildansichten wird die Räumlichkeit des Spielbildes erlebt – in der Reziprozität zwischen Kartenansicht und tiefenräumlichem Sehen. Der Spieler muss nicht nur jeden Moment damit rechnen, dass sich etwas in seinem Sichtfeld ereignet, er kann jeder Zeit die Lage im Ganzen betrachten und seinen Weg in die eine oder andere Richtung fortsetzen. Dies geschieht aber nicht wie beim herkömmlichen Kartengebrauch in Beziehung auf einen existierenden Ort, sondern bildimmanent – in der Simulation.

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Bis ins Mittelalter hinein waren Labyrinthe ein Weg der Besinnung; erst im Barock kamen verzweigte Systeme als ›Irrgärten‹ auf (siehe hierfür Kern 1982).

Raum, Karte und Weg im Computerspiel

Abbildungsverzeichnis Abb. 1-4 und 6: Standbild aus Elephant (USA 2003, Gus Van Sant) Abb. 5 und 10: Screenshot aus Counterstrike (1999, EA Games) Abb. 7: Screenshot aus Max Payne 2: The Fall of Max Payne (2003, Remedy Entertainment) Abb. 8: Standbild aus Enemy at the Gates (USA/E/D 2001, Jean-Jacques Annaud) Abb. 9 und 11: Screenshot aus Call of Duty (2003, Infinity Ward/Activision) Abb. 12: Screenshot aus Doom 3 (2004, id) Abb. 13: Screenshot aus 2ndPS-Missing-Inaction (2005, http://www.selectparks.net/modules.php?name=Downloads&d_op=getit&lid=47) Abb. 14: Screenshot aus Battlezone (1980, Atari) Abb. 15: Screenshot aus Doom (1993, id) Abb. 16, 20 und 21: Screenshot aus Tom Clancy’s Ghost Recon (2001, Red Storm Entertainment/Ubisoft) Abb. 17: Screenshot aus WarCraft III: Reign of Chaos (2002, Blizzard Entertainment) Abb. 18: Im Sturz auf die Stadt (1939, Tullio Crali) (aus: Prometheus Bilddatenbank. http://www.prometheus-bildarchiv.de/) Abb. 19: Screenshot aus Delta Force: Black Hawk Down (2003, Nova Logic) Abb. 22: Jericho, Farhi-Bibel (aus: Virilio 1984, 148) Abb. 23: Screenshot aus The House of the Dead (1996, AM1/Sega)

Literatur Aarseth, Espen (2001) Allegorien des Raums: Räumlichkeit in Computerspielen. In: Zeitschrift für Semiotik 23, 1, S. 301-318. Bazin, André (1945) Ontologie des photographischen Bildes. In: Was ist Film? Hrsg. v. Robert Fischer. Berlin: Alexander 2004, S. 33-42. Boehm, Gottfried (1994) Die Wiederkehr der Bilder. In: Was ist ein Bild? Hrsg. v. Gottfried Boehm. München: Fink 2001, S. 11-38. Buci-Glucksmann, Christine (1966) Der kartographische Blick der Kunst. Berlin: Merve 1997. Edgerton, Samuel Y. (1975) Die Entdeckung der Perspektive. München: Fink 2002. Fichte, Johann Gottlieb (1794) Über den Begriff der Wissenschaftslehre. Stuttgart: Reclam 1972. Frasca, Gonzalo (2003) Simulation versus Narrative. Introduction to Ludology. In: The Video Game Theory Reader. Hrsg. v. Mark J. P. Wolf & Bernard Perron. New York / London: Routledge, S. 231-235. Funken, Christiane / Löw, Martina (2002): Ego-Shooters Container. Raumkonstitution im elektronischen Netz. In: Raum – Wissen – Macht. Hrsg. v. Rudolf Maresch & Niels Werber. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 69-91.

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Filme Elephant (USA 2003, Gus Van Sant) Enemy at the Gates (USA/E/D 2001, Jean-Jacques Annaud)

Gemälde Sturz des Ikarus (1558, Pieter Bruegel der Ältere) Sturzflug auf die Stadt (1939, Tullio Crali)

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Jan Distelmeyer Game-Mentalität. Auf dem Weg zur Räumlichkeit der Film-DVD

Der Aufstieg der Videospielbranche zu einer der weltweit erfolgreichsten Sparten der Unterhaltungsindustrie ist bislang immer wieder mit der Entwicklung der Filmindustrie verglichen worden. Als audiovisuelle Konkurrenz (und Ergänzung) dient der Film auch zur theoretischen Bestimmung der Games – in der Genese der Game Studies seit 2001 vornehmlich im Rahmen von Differenzierung und Abgrenzung: Im Editorial der ersten Ausgabe des online-Journals Game Studies – »the first academic, peer-reviewed journal dedicated to computer game studies« – zählte der Chefredakteur Espen Aarseth die Filmwissenschaft ausdrücklich zu jenen Disziplinen, mit denen das akademisch neu zu begründende Feld der Game Studies nicht besetzt werden dürfe (vgl. Aarseth 2001). »Film theory perhaps comes the closest as areas of it deal with the diegetic world and its construction, but it too falls short« (Wolf 2006, 117), bemerkt Mark Wolf, und Henry Jenkins unterstützt die Skepsis gegenüber einer Fokussierung auf filmwissenschaftliche und -theoretische Parameter und Traditionen: »The application of film theory to games can seem heavy-handed and literal minded, often failing to recognize the profound differences between the two media.« (Jenkins 2002) Film und Filmwissenschaft indes blieben Referenzgrößen, Vergleichs- und Reibungspunkte in der Entwicklung der Videospiele1 wie der Game Studies. Die zunehmenden reziproken Annäherungen zwischen Film und Game – nicht nur sichtbar in der stetig steigenden Zahl von Games zu Kinofilmen und Filmadaptionen von Videospielen – sollten auch das Interesse an einer grundlegenden Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der beiden Medien steigern. In welche Richtung eine sol1

Ich benutze den Ausdruck Videospiel hier nicht in technischer Hinsicht als Abgrenzung zum Computerspiel, sondern möchte – im Rückgriff auf den im englisch- und deutschsprachigen Raum üblichen Sprachgebrauch der Game Studies – das Videospiel (video game oder videogame) als Oberbegriff verwenden. Mit diesem Begriff steht, wie Britta Neitzel ausgeführt hat, »das Wahrnehmungs-, Darstellungs- und Handlungsdispositiv der Videospiele« im Vordergrund: »Und dies besteht – verkürzt dargestellt – darin, dass der Spieler handelt, indem er Knöpfe drückt und die Auswirkungen und Ergebnisse seiner Handlungen, die auf einem Monitor dargestellt werden, in eben diesem Monitor sieht. Der Ausdruck Videospiel beschreibt damit am genauesten die Spiele mit einer visuellen Darstellungsebene« (Neitzel 2000, 165).

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Jan Distelmeyer

che Untersuchung vor allem aus Perspektive der Game Studies laufen könnte, hat die von Geoff King und Tanya Krzywinska 2002 vorgelegte Anthologie ScreenPlay. Cinema/videogames/interfaces gezeigt. Die Untersuchungen der, wie es King und Krzywinska formulieren, permeablen Grenze zwischen Film und Game haben indes Mühe, mit den Entwicklungen am Markt Schritt zu halten. Das gilt besonders für die in diesem Diskurs noch zu wenig engagierten Filmwissenschaften. Film und Videospiel sind durch eine komplexe, vielfältige und gegenseitige Einflussnahme miteinander verbunden, und ich möchte im Folgenden Spuren untersuchen, die zu diesem Verhältnis auf der Film-DVD2 zu entdecken sind. Ein Ziel meiner Überlegungen wird sein, auf dieser Grundlage einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit diesem, gemessen an der Geschichte des Films, jungen Medium zu leisten. Gerade die Beziehungen zwischen Film und Game eignen sich als Ausgangspunkt zur Annäherung an die Ästhetik der Film-DVD – an das also, was die Film-DVD zeigt und wie sich dies zeigt: an den Zusammenhang vom audiovisuellen Leinwand-/Bildschirm- und Lautsprechergeschehen, den (daraus resultierenden) Rezeptions- oder Nutzungsangeboten, den ihnen zugrunde liegenden Anordnungen von Publikum/Nutzerinnen/Nutzern und Apparaten sowie den diskursiven Elementen des DVD-Dispositivs. Es geht sowohl darum, was durch die DVD erscheint, als auch um die Bedingungen dieses Erscheinens.3 Auf dem Wege dorthin begegnet man unweigerlich einer seit einigen Jahren in unterschiedlichsten Publikationen kursierenden Einschätzung zum ökonomischen Kräfteverhältnis zwischen Film- und Game-Industrie. Der Tenor lautet in etwa, dass – so eine Bilanz von 2004 – »die Spielebranche weltweit mehr Umsatz als die Filmindustrie« (Dammbeck 2004) erwirtschafte. Weltweit, erklärte ein Fazit zu 2005, erziele »die Industrie mit Spielen mehr Umsatz als Hollywood mit Filmen« (Anonym 2006b). Der Bericht »Dynamics of Games« des britischen Markt-

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Entgegen der gebräuchlichen Begriffe Video-DVD oder DVD-Video, womit die DVD als Speichermedium für Filme gemeint ist, die im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in wissenschaftlichen Abhandlungen zumeist schlicht als DVD verhandelt wird, möchte ich hier von der Film-DVD sprechen, um diese gegen andere Video-DVD- oder DVD-Video-Sparten (wie z.B. Editionen zu TV-Serien, Sportereignissen und Konzertaufzeichnungen) abzugrenzen. FilmDVD meint hier Kino- und Film-Produktionen, die auf DVD ausgewertet und so bisweilen auch direct to DVD erscheinen. Ich beziehe mich damit auf jenen Ursprung der DVD im September 1994, als sich Columbia Pictures (Sony), Disney, MCA/Universal (Matsushita), MGM/UA, Paramount, Viacom, und Warner Bros. (Time Warner) zusammenschlossen und die Hollywood Digital Video Disc Advisory Group formierten – ihr Ziel war ein neues Video-Format, um nicht nur neue Filme, sondern auch und vor allem ihre Klassiker und Archiv-Titel auf digitalen Trägern auszuwerten. Im Dezember 1996 erreichten die ersten Film-DVDs von Warner Home Video den japanischen Markt, im März 1997 folgte die Markteinführung in den USA. Das – allein bezogen auf den US-amerikanischen und deutschen Markt, von dem ich hier ausgehe – äußerst heterogene Angebot an Film-DVDs soll hier keineswegs vereinheitlicht werden. Angesichts der unterschiedlichen Ausführungen, von der Deluxe Edition bis zur kostenlosen DVD-Beilage in Magazinen und Zeitschriften, will ich deshalb von existierenden und populären Angebotsoptionen sprechen, vom Potential dessen, wie Filme auf DVD seit 1996/97 ihre Aus- und Aufwertung erfahren haben.

Game-Mentalität

forschers Informa Telecoms & Media, der den Umsatz der internationalen GameBranche im Jahr 2005 auf weltweit rund 35 Milliarden Dollar (etwa 29,5 Milliarden Euro) bezifferte, schien dieser Einschätzung Recht zu geben. Diese »Phantasiewelten« seien nun endgültig »erfolgreicher als die Filmbranche« – da könne »Hollywood mit einem Umsatz von 21 Milliarden Dollar weltweit und 745 Millionen Euro in Deutschland nicht mithalten« (Kempf 2006). Die »einst marginale Industrie der Computerspiele wuchs unaufhörlich«, bilanzierte Georg Seeßlen bereits 2003, »zog in den Jahren um 1997 ökonomisch sogar mit der Filmindustrie gleich und dominierte sie schließlich« (Seeßlen 2003, 179). Tatsächlich aber kann bis heute keine Rede davon sein, dass die Game-Industrie »die Filmindustrie« mit welchem Abstand auch immer hinter sich gelassen hätte. Allein für die Motion Picture Industry der USA – die ja auch nur einen, wenn auch dominanten Teil der weltweiten Filmindustrie bildet – stimmt das nur teilweise. Laut MPA Theatrical Market Report lagen die Umsätze an den US-amerikanischen Kinokassen 2005 bei knapp 9 Milliarden Dollar, der Boxoffice-Umsatz von US-Filmen weltweit belief sich auf ca. 23 Milliarden. Zu dieser Summe kommt jedoch – neben den Einnahmen aus den Verkäufen von Fernseh- und Merchandisingrechten – vor allem die Auswertung der Filme auf DVD hinzu. Laut DVD Statistical Report wurden am »Home-Video Sell-Through Market« der USA 2005 knapp 20 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Ähnlich ist das Kräfteverhältnis in Deutschland, dem weltweit drittgrößten Absatzmarkt für Games: 2005 standen dem Kino-Jahresumsatz von ca. 700 Millionen Euro ein Ertrag von 1,2 Milliarden für die GameBranche gegenüber, welcher wiederum von 1,6 Milliarden Euro, die durch DVDs erzielt wurden, übertrumpft wird.4 Der DVD Statistical Report für 2005 bezifferte den weltweiten DVD »Sell-Through Market« auf 45,5 Milliarden Dollar und prognostizierte für 2008 einen Anstieg auf 58,3 Milliarden Dollar. Diese Zahlen illustrieren zweierlei: die immens anwachsende Bedeutung der Videospiele, aber vor allem auch den außerordentlichen Stellenwert der Film-DVD nicht einmal zehn Jahre nach ihrer Markteinführung 1996/97. Die Überbetonung des Videospiel-Erfolges im Vergleich zum Filmgeschäft belebt den Eindruck, dass der Entwicklung der Games derzeit sehr große Aufmerksamkeit zuteil wird – dies und jenseits der Game-Community. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum eben nicht nur das Videospiel in seiner Entwicklung sich u.a. an Attraktionen und Prinzipien des narrativen Spielfilms orientierte, sondern auch die Filmindustrie die Attraktionen des jüngeren Mediums seit langem zur Kenntnis und Inspiration genommen hat.5 »Jeder Wandel der Filmgeschichte«, hat Tom Gunning betont, »bedeutet zugleich eine neue Art, sich dem Zuschauer zuzuwenden, und jede Periode konstruiert sich den Zuschauer anders« (Gunning 1996, 34).

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1,3 Milliarden Euro durch DVD-Verkäufe, 315 Millionen durch den DVD-Verleih (Vgl. FFA-Studie 2005; Bundesverband Audiovisuelle Medien 2005). Leon Hunt hat darauf hingewiesen, dass die Austauschbeziehung zwischen Film und Videospiel im Bereich Martial Arts schon immer einseitig zugunsten der Spiele ausgefallen ist: »In terms of adaptation, the martial arts film/game crossover has been almost entirely one-way: from game to film (and TV) rather than the other way around« (Hunt 2002, 196).

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Spiel-Filme – some virtual reality assistance

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Zweifellos hat vor allem das Hollywood-Kino immer schon sorgsam auf Präferenzen seiner Adressatinnen und Adressaten geachtet. Schon die über 70-jährige Geschichte der institutionalisierten Test-Screenings erzählt davon, und steigende Ausgaben für ein Produkt mit proportional steigendem Risiko haben diese Aufmerksamkeit alles andere als gesenkt: Im Zeitalter des Blockbuster-Films, der mit immens wachsenden Kosten auf dem Weltmarkt funktionieren muss,6 ist der populäre Film mehr denn je darauf angewiesen, nicht an der Entwicklung seines Publikums vorbei zu produzieren – an dessen Seh- und Freizeitgewohnheiten, Medienerfahrungen und Erwartungen.7 Wie das vor sich gehen kann, ist z.B. in John Beltons großartiger Studie Widescreen Cinema von 1992 nachzuvollziehen, in der Belton die Breitwand-Entwicklung der 1950er u.a. in Verbindung mit dem demographischen Wandel und den veränderten Freizeitgestaltungen des US-Publikums infolge der suburbanization untersucht hat (Belton 1992). Die Strategie, Zuschauer zu »konstruieren«, meint vor allem, sie über eine Auseinandersetzung mit konkurrierenden oder schlichtweg anderen Freizeitangeboten und Mediennutzungen als Zuschauer (zurück-)gewinnen zu wollen. Die ökonomische und kulturelle Bedeutung der Videospiele schlug sich im Hollywoodfilm bereits in den frühen 1980ern Jahren in Filmen wie Tron (1982, Steven Lisberger), Joysticks (1983, Greydon Clark), The Last Starfighter (1984, Nick Castle), War Games (1983, John Badham), Superman III (1983, Richard Lester) und in James Bonds Videospielsieg in Never Say Never Again (1983, Irvin Kershner) nieder, um in den 1990er Jahren bis heute sichtlich anzusteigen. Bereits Anfang des vergangen Jahrzehnts war die Aufmerksamkeit der US-Filmindustrie dem Erfolg der Games gegenüber unübersehbar geworden: »Seit Nintendo das Geschäft mit Videospielen Mitte der 80er Jahre geradezu neu erfunden hat«, berichtete Franz Everschor 1993, »haben sich die Umsätze auf diesem Sektor in Regionen gesteigert, die Hollywood aufmerken lassen« (Everschor 1993, 41). Es wäre eine eigene Arbeit wert, diese Aufmerksamkeit der Filmindustrie gegenüber dem Videospiel und ihre Konsequenzen in Kinoproduktionen der letzten gut zwanzig Jahre historisch nachzuvollziehen. Sie zeigen sich nicht nur in der wachsenden Zahl verfilmter Videospiele, sondern auch in zwei weiteren Konsequenzen der Aufmerksamkeit. Zum einen wäre da die Annäherung an Games auf der Plot-Ebene, indem Filme von (fiktiven) Videospielen erzählen oder von virtuellen Realitäten handeln, von Welten, deren Gestaltung und Zugangsmöglichkeit durch Video- und Virtual Reality-Games inspiriert sind. Die zweite, damit teils verbundene und doch wesentlich vielfältiger und weiter verbreitete Folge besteht darin, Situationen, Perspektiven und Abläufe zu präsentieren, die aus Videospielen vertraut sind und als solche wiederum Teil eines Videospiels sein/werden könnten. 6

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2003 stiegen die Durchschnittsausgaben für »making and marketing a U.S. theatrical feature« erstmals auf über 100 Millionen Dollar (vgl. Bordwell 2006, 240). Dies ist der Grund, weshalb ich mich hier in erster Linie auf US-amerikanische (Co-)Produktionen konzentrieren werde, die auch jenseits der USA ausgewertet wurden. Sofern daher im Folgenden bei Filmtiteln die Produktionsländer nicht explizit angegeben werden, handelt es sich um US-Produktionen.

Game-Mentalität

Hier ist eine intensive Beschäftigung gefordert, das Nachgehen einer bestimmten Spur der pulp fiction, bei dem z.B. eine Auseinandersetzung mit der von Warren Buckland beschriebenen »video game logic« (Buckland 2002, 146-167) so unterschiedliche Produktionen wie z.B. Live Free or Die Hard (2007, Len Wiseman), Pirates of the Caribbean 2 (2006, Gore Verbinski), Aeon Flux (2005, Karyn Kusama), A Knight’s Tale (2001, Brian Helgeland) und vor allem der zu Unrecht in Vergessenheit geratene Flop The Avengers (1998, Jeremiah S. Chechik) genauer in Augenschein nehmen müsste. Ich möchte mich an dieser Stelle indes mit einer vierten Konsequenz beschäftigen – mit dem Medien- und Ortswechsel vom Kino zum Heim- oder mobilen (Laptop-)Kino, mit der Auswertung von Kinofilmen auf DVD. Bereits auf den ersten Blick scheinen hier Film und Game näher zusammenzurücken, und zwar vor allem in jenen Materialien, die uns als Extras, Bonus oder Special Features in den – so die Beschreibung auf zahllosen DVD-Covern – »interaktiven Menüs« oder »interactive menus« begegnen. Sprach-, Ton- und Bildauswahl, Audiokommentare, Interviews, Making Of-Dokumentationen, Zusatzszenen und alternative Enden, Trailer, Storyboards, Musikvideos, Bildergalerien und etliche weitere Angebote bilden den Korpus dieser Features, deren annähernd komplette Katalogisierung, wie Aaron Barlow 2005 bemerkt hat, wohl noch Jahre werde warten müssen (Barlow 2005, 78f.). Erschwerend hinzu kommt dabei, dass Angebote dieser Art nicht nur auf Special Edition-DVDs zu finden sind, auf die sich Barlow bezieht, sondern nicht selten auch auf jenen DVDs, die nicht durch Zusätze wie »Special Editon«, »2-Disc-Editon«, »Collector’s Edition«, »Limited Edition« oder »Deluxe Edition« ausgezeichnet sind. Extensives Bonusmaterial ist kein Privileg der Special EditionDVDs, und längst ist die wachsende Vielfalt jener audiovisuellen Inhalte, die in Menüs auszuwählen oder – wie die »Eastereggs«, die in den Menüs »versteckten« Links zu weiteren Inhalten – erst noch aufzuspüren sind, innerhalb der Filmindustrie als wesentliches Kriterium für den Verkauf der Film-DVD anerkannt: »Trade association DVD Entertainment Group reports that after the superior quality of its picture and sound, DVD extras are now a major drawing card for consumers« (Klinger 2006, 70). Zum Verständnis dieser Etablierung von Bonusmaterialien der Film-DVD scheint mir zudem der Hinweis wichtig, dass dieses den Kinofilm ergänzende Angebot sich, erstens, historisch aus den Zusatzangeboten der Laserdisc (weiter-) entwickelt hat und dabei, zweitens, keineswegs ein spätes oder überraschendes Phänomen in der DVD-Geschichte darstellt. Vielmehr sind die Special Features bereits vor der Einführung der Film-DVD auf dem US-amerikanischen Markt ein zentraler Aspekt der Werbung bzw. Ankündigung des neuen Mediums gewesen. Sie waren früh Teil des Versprechens von Versatilität. Zwei Monate bevor Warner Bros. im März 1997 die ersten DVD-Titel auf dem US-Markt präsentierte, wurde Warren Lieberfarb, der Präsident von Warner Home Video, mit der Zuversicht zitiert, die Konsumenten werden von »DVD’s superior quality and features« beeindruckt sein: An interactive, on-screen menu system allows DVD users to switch between multiple language tracks and/or subtitles. Viewers can also choose to watch the original theatrical trailer, as well as explore material about the cast, director

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and making of the film. Upcoming disc content may carry other additional features including: running director commentary, behind-the-scenes footage, storyboards, Internet browser capability, director’s cut versions, screen tests and interviews with cast and crew (Lieberfarb zitiert nach Anonym 1997). Was nun die damit ermöglichte Verbindung von Film und Game angeht, so finden sich auf Film-DVDs nicht nur Trailer zu den kommenden Videospielen zum Film8 und spielbare Demo-Versionen eigenständig vermarkteter Games.9 Auch die Methode, die Vollversion eines solchen Games als Extra mitzuliefern, zeigt nur einen bestimmten Ausschnitt dieser vierten Folge.10 Der – sofern es sich um eine auf dem PC spielbare Game-Version auf der Film-DVD handelt – notwendige technischapparative Übergang vom DVD-Player zum Computer, um überhaupt spielen zu können, markiert als industriell vorgesehener Konsolenwechsel die zu überbrükkende Kluft zweier eng kooperierender Märkte. Wer beispielsweise The Mummy. Collector’s Edition (1999, Universal Studios) mit einem DVD-Player abspielt, kann unter dem Feature »DVD-ROM-Materials« folgende Information abrufen: »This DVD contains interactive DVD-ROM materials for use on your personal computer You will need to be running Windows ’95 or later and have a DVD-ROM drive. The DVD-ROM materials include The Mummy Game, Screensavers, enhanced information about the movie and more.« Allein die damit angesprochene Materialität dieser transmedialen Brücke, das Trägermedium DVD als Disc, zeugt von einer technischen Verbindung, auf die ich noch zurückkommen werde. Anders und für das kooperative Nebeneinander zwischen Game und Film noch interessanter sieht es jedoch bei den Spielen aus, die allein als Bonusmaterial zu einem bestimmten Kinofilm produziert werden: Film-DVD-Games, auch bekannt als Set Top Games, die bislang bislang sowohl in den Game Studies als auch in den Film- und Medienwissenschaften kaum diskutiert worden sind.11 Für sie scheint sich niemand so recht verantwortlich zu fühlen, obwohl sie erstens alles andere als wenig verbreitet und zweitens sowohl für das Verhältnis zwischen Film und Game wie auch für die Beschäftigung mit der Film-DVD von großer Bedeutung sind. Diese Spiele sind nur auf der Film-DVD zu haben und bedürfen keines Konsolenwechsels; stattdessen sind sie – denn der DVD-Player wird hier zumeist als technisch-apparativer Teil des Dispositivs der Film-DVD angenommen – als Special Feature mit der DVD-Fernbedienung zu spielen.12 Typisch hier-

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So z.B. auf DER HERR DER RINGE – DIE GEFÄHRTEN (2002, New Line Home Entertainment) oder SPIDER-MAN. COLLECTOR ’S EDITION (2004, Columbia Tristar Home Entertainment). So z.B. auf der 2005 von Kinowelt Home Entertainment edierten DVD zu David Cronenbergs EXISTENZ oder auf 7 ZWERGE – MÄNNER ALLEIN IM WALD (2005, Universal Pictures Germany). So z.B. auf LARA CROFT: TOMB RAIDER. CINE COLLECTION (2002, Concorde Home Entertainment) und DER SCHATZPLANET. MULTIMEDIA-PACK (2003, Buena Vista Home Entertainment). Vgl. dazu Distelmeyer 2006, 198-205; Brown 2007, 174-181; Distelmeyer 2007. Dass hier von Seiten der Produzenten eben diese Anordnung in der Tat vorgesehen ist, obwohl die Spiele selbstverständlich auch bei Computernutzung (mit der Maus oder den Pfeiltasten der Tastatur) funktionieren, äußert sich auf unter-

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für sind Spiele im Point & Click-Stil wie »Boo’s Door Game« auf Monsters, Inc. Collector’s Edition (2002, Buena Vista Home Entertainment) sowie die »Tour durch Hogwarths« auf Harry Potter und der Stein der Weisen (2002, Warner Home Video), bei der Filmschauplätze zu begehen und kleinere Aufgaben wie z.B. Quiz-Fragen im Multiple-Choice-Verfahren zu bewältigen sind. Im Rahmen der als »Aktivitäten« angebotenen Menüpunkte auf Harry Potter und die Kammer des Schreckens (2003, Warner Home Video) kann darüber hinaus unter »Der verbotene Wald« ein Auto gesteuert werden, auf Bärenbrüder (2004, Buena Vista Home Entertainment) bietet sich u.a. ein »Knochen-Puzzle« an, mit dem »Mega Race Set Top Game« ist auf Spy Kids 3-D: Game Over – 2 Disc Collector’s Edition (2004, Buena Vista Home Entertainment) eine der zentralen Attraktionen des Films als Racing Game nachzuspielen, nachdem wir von unserem Avatar, dem Held des Films, um Hilfe in der virtuelle Welt gebeten worden sind: »Juni Cortez here, in need of some virtual reality assistance. In this race simulation, you get to control the cyberbike by using your DVD-remote control.« Exemplarisch für die Häufung solcher exklusiv für die Film-DVD produzierten Games stehen die drei Spiele auf der 2006 von Warner Home Video zu Tim Burtons Charlie und die Schokoladenfabrik (2006) produzierten DVD, die vier Spiele auf Wallace & Gromit – Jagd nach dem Riesenkaninchen (2006, DreamWorks Home Entertainment) und Madagascar (DreamWorks Home Entertainment, 2006) mit fünf unter »Spiele und Aktivitäten« abgelegten Angeboten, auf dem DVD-Cover der deutschen Ausgabe beworben mit dem Versprechen »Stundenlanges interaktives Spielvergnügen für die ganze Familie«. Seit 2001 ist die Verbreitung solcher Spiele auf DVD-Editionen zu Animationsfilmen und ausgewiesener Familienunterhaltung stark angestiegen. Und die hier genannten Beispiele müssen den Eindruck verstärken, das Phänomen der FilmDVD-Games habe es ausschließlich auf die Zielgruppe Kinder und Familie abgesehen – ein Eindruck, für den sich leicht weitere Gründe finden lassen: Im Rahmen von DVD ’99, einer Konferenz im Sommer 1999 der damals noch jungen DVDSparte Hollywoods, hatte sich Janet Wheeler von Columbia TriStar für eine neue Ausrichtung auf »games for children in order to make DVD more appealing to the masses« stark gemacht (Henkel 1999). Andy Siditsky von Buena Vista Home Entertainment hob 2004 deutlich hervor, dass die Investitionen des Disney-Konzerns in Film-DVD-Games genau in diese Richtung zielen: We’ve created within our Disney DVD brand an expectation that you’ll get all these games and encyclopedia kinds of features or educational kinds of features, schiedliche Weise und an verschiedenen Orten. Dazu gehören Hinweise wie »zu spielen mit der DVD-Fernbedienung« auf dem DVD-Cover (z.B. bei FINDET NEMO. 2-DISC-DVD-SET [2004, Buena Vista Home Entertainment]) oder Aufforderungen zu Handlungen »über die DVD-Fernbedienung (Richtungsknopf)« im Booklet (z.B. bei HOOK. COLLECTOR ’S EDITION [2000, Sony Pictures Home Entertainment]) und vor allem Anweisungen in Intro-Sequenzen und Texttafeln, mit denen die Spiele eingeleitet werden: Man spiele »mit den Pfeiltasten auf deiner Fernbedienung« (so bei »Buh’s Türen Spiel« auf DIE MONSTERS AG [2002, Buena Vista Home Entertainment ]), »by using your DVD-remote control« (so bei »Mega Race Set Top Game« auf SPY KIDS 3-D: GAME OVER – 2 DISC COLLECTOR ’S EDITION [2004, Buena Vista Home Entertainment]).

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and families have come to expect that of our brand. It does help us because it builds up the added value of a Disney DVD, and that makes people feel good about their purchase. Because families are getting much more involved in DVD, it definitely helps in people’s choices that they make when they’re choosing between two titles (zitiert nach Hullfish 2004).

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Ohne Zweifel ist die Mehrzahl bislang produzierter Film-DVD-Games für Editionen produziert, die auf jenen »family market« zielen, den Peter Krämer als so zentral für die Genese des Blockbuster-Kinos seit Star Wars (1977, Lucas) beschrieben hat (vgl. Krämer 2001). Daraus aber zu folgern, die Spiele ließen sich auf diesen konkreten Bereich reduzieren, wäre ein Irrtum. Als sich New Line Home Entertainment im Frühjahr 1999 »interested in custom-creating games for inclusion on the DVD« (DeLancie 1999) zeigte, hatte das Studio bereits Alex Proyas’ düsteren Science Fiction Dark City (1998) auf DVD ausgewertet. Dark City. New Line Platinum Series erschien am 29 Juli 1998, realisiert durch den DVD-Producer Mark Rance und ausgestattet mit dem Feature »to shell beach...«, hinter dem sich nichts anderes als das erste mir bekannte Film-DVD-Game überhaupt verbirgt: eine Suche nach Symbolen, zentralen Motiven der Filmerzählung. »To uncover the secrets of Dark City«, setzt uns die Einführung auf die Spur, »you must find the symbols that represent John Murdoch’s memories. After collecting them you will find your way to shell beach and be rewarded.« Zu finden sind diese Symbole in unterschiedlichen Bereichen der unter Special Features abgelegten DVD-Inhalte; sie sind als graphische Elemente in Textbildern wie »cast and crew« oder »neil gaiman on dark city« zu entdecken oder als Teile der Galerie »set designs« auszuwählen. Sechs dieser Symbole müssen mit den Pfeiltasten ausgewählt und mit Play oder Enter bestätigt werden, erst dann zeigt sich die versprochene Belohnung: Eine animierte Sequenz von ca. 35 Sekunden, die das Ende des Films zusammenfasst. Ein Messer im Schurkenkopf macht den Weg frei ins Licht. Bereits der Beginn der Film-DVD-Games widerspricht einer eindeutigen Zielgruppen- und Genre-Zuordnung, und zahlreiche weitere Beispiele sind bis heute gefolgt. Die mit Spielen unterschiedlicher Gestaltung und Komplexität bestückten Editionen wie The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy. Widescreen Edition (2005, Buena Vista Home Entertainment), Codename: Wildgeese / Geheimcode: Wildgänse (2003, Elite DVD/Frame Eleven), Der weisse Hai. Special Edition (2004, Universal Studios), Final Destination (2005, Kinowelt Home Entertainment), Final Destination II (2003, New Line Home Entertainment), Anger Management (2003, Sony Pictures Home Entertainment), American Pie (2004, Warner Home Video), Rounders. Collector’s Edition (2004, Miramax), Ghost Ship (2003, Warner Home Video), Saw II – Special Edition (2006, Lions Gate) und Die Brücke am Kwai. Collector’s Edition (2000, Columbia Tristar Home Entertainment) weisen die Film-DVD-Spiele als ein User-, aber auch Genregrenzen überschreitendes Phänomen aus: Sie finden auch auf Editionen zu Thrillern, Horrorfilmen, Science Fiction, Dramen, Komödien und Kriegsfilmen Platz.

Game-Mentalität

Navigation (1) – bitte hier drücken Das all diesen Spielen gemeinsame Element besteht in dem Versprechen von Interaktivität – jenem viel gepriesenen und (nicht nur hinsichtlich der Film-DVD) aggressiv beworbenen Phänomen, das »oft eher vage eine spezifische Eigenschaft der ›Neuen Medien‹« (Schröter/Spies 2006, 104) bezeichnen soll, um das Mythen sich ranken (Manovich 2001, 55-62) und das hier genauer bestimmt werden muss: Die mit den Film-DVD-Spielen angebotene Form von Interaktivität beruht auf Navigation in einem (zumeist verschleierten) Menü, das sich als Oberfläche z.B. eines Rennspiels »tarnt«. Mit dem Steuerkreuz der Fernbedienung des DVD-Players (auch bekannt als Pfeiltasten, Arrow Buttons und Navigation Buttons) muss – in need of some virtual reality assistance – in dem medial gegebenen Raum navigiert werden, als der das Menü erscheint. In der Betonung dieser bestimmten Form von Interaktivität zeigt sich pointiert ein Moment der Medialität der Film-DVD, deren Benutzung auf das Navigieren angewiesen ist: auf die Wahl zwischen den auf dem Steuerkreuz der (in der Mitte, im Herzen der) DVD-Fernbedienung vorgegebenen vier Himmelsrichtungen. Das Design der Hardware stellt anschaulich den Akt der Navigation als eine buchstäblich zentrale Bewegung aus, die in der Tat keineswegs nur mit Spielen zu tun hat, sondern generell die Rezeption/Nutzung der Film-DVD begleitet und ermöglicht. In den Menüs der Film-DVD muss navigiert und ausgewählt werden, um zu weiteren Menü-Unterpunkten und letztlich zu Inhalten zu gelangen, z.B. zu jenem »Hauptfilm«, welcher der DVD-Edition ihren Namen gibt. Navigiert wird, um jenen Kinofilm in Puncto Bild, Ton und Sprache zu konfigurieren; navigiert wird, um spezifische »Kapitel« des Films auszuwählen; navigiert wird, um unter den Bonus-Angeboten wählen und z.B. zu Spielen gelangen zu können. Und navigiert werden muss nicht selten, um überhaupt Zugang zu den Menüs zu erhalten, über die ich durch weitere Navigation zum »Hauptfilm« oder zu Extras vordringen könnte. Beispielhaft dafür steht die Aufforderung, sich mit dem Start der Stirb langsam – Jetzt erst recht. Special Edition (2002, Buena Vista Entertainmemt) zwischen »To View this Disc in English Please Press here« und »Bitte hier drücken, um diese DVD in Deutsch zu erleben« entscheiden zu müssen. So sehr die Film-DVD also mit ihren unterschiedlichen technisch-apparativen Abspielmöglichkeiten (vom DVD-Player bis zur PlayStation), Nutzungsoptionen (von der Filmrezeption bis zum Agieren im Videospiel) und Projektions-/Präsentationsräumen (vom [Heim-]Kino mit Dolby Surround System bis zum Laptop im Zugabteil) eine Bestimmung des Dispositivs der Film-DVD erschwert, so wesentlich scheint mir für eine Annäherung daran jenes Prinzip von (eingeforderter, ausgestellter, beworbener und eingeschränkter) Partizipation zu sein: Navigation. Nicht nur qua Hardware, auch im Design der DVD-Menüs und der über sie zu erreichenden Inhalte wird der Stellenwert von Navigation hervorgehoben – und dies verstärkt seit 2000, jenem Jahr, indem der Erfolg der Film-DVD unübersehbar geworden war, The Matrix (1999, Warner Home Video) als erste DVD Verkaufszahlen über drei Millionen Einheiten erreichte und die Playstation2 mit integriertem DVD-Player am Markt reüssierte. Navigation als Bewegung tritt im Interfacedesign zum einen in den Vordergrund, indem Menüs als 3-D-Animationen präsentiert werden, als digital animierte Räume, erschlossen durch subjekti-

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ve (virtuelle) Kameraperspektiven.13 Dieses Bewegungs- und Raumdesign erfährt seine Exponierung in Materialien wie dem computeranimierten Feature »Gallery of the Gods« der Troja. 2-Disc Edition (2004, Warner Bros Entertainment), angepriesen auf dem Cover der deutschen Ausgabe als »animierte 3D-Führung in die griechischen Mythen«: Die virtuelle Kamera führt in einen Tempel, in dem wir diese vor und zurück steuern sowie wählen können zwischen elf Götterstatuten, deren Anwahl eine perspektivische Annäherung an die jeweilige Statue und ein Voice Over-Kommentar von ca. einer Minute folgt. Ähnlich, wenngleich aufwändiger gestaltet, sind Angebote wie »Entdecke Draculas Schloss« auf Van Helsing. 2-Disc Collector’s Edition (2004, Universal Studios) oder »Unter Deck: eine interaktive Geschichte der Piraten« auf Fluch der Karibik. 2-Disc Special Edition (2004, Buena Vista Home Entertainment). »Welcome to my home, be our guest – when you see the arrows, click on them to look around«, eröffnet die Stimme des Film-Dracula (Richard Roxburgh) die Raumerschließung »Entdecke Draculas Schloss«, während unter dem Menüpunkt »Unter Deck: eine interaktive Geschichte der Piraten« ein digital animiertes Schiff sich zur Erkundung anbietet. Eine musikalisch unterlegte Informationstafel erklärt hierzu: »Mit Ihrer Fernbedienung können Sie sich auf dem Schiff bewegen, es gibt vier Hauptbereiche. Um schnell in einen anderen Bereich zu wechseln, klicken Sie auf das Steuerrad, damit gelangen Sie nach außen. Wenn Sie in dem gewünschten Bereich sind, markieren Sie mit der Fernbedienung die verschiedenen Gegenstände, um etwas über das Leben als Pirat zu erfahren.« Sämtliche Inhalte der Disc 2 der Saw II. Special Edition können über die Orientierung in einem virtuellen Raum abgerufen werden – »Navigate Through Jigsaw’s House Of Horrors Successfully«. Die zweite Form der Ausstellung von Navigation durch die DVD-Inhalte besteht in Menüangeboten, die Inhalte der Film-DVD über die Bewegung auf Karten abzurufen. Editionen zu Filmen unterschiedlichster Genres, Produktionsjahre und -länder nutzen das Navigationspotential der DVD (und demonstrieren es damit zugleich), indem sie kartographieren: Hauptmenüs in Form von Karten zeigen sich beispielsweise auf In This World (2005, Sunfilm Entertainment) und Groundhog Day. Special Edition (2002, Columbia Tristar Home Entertainment). Die DVD zu Michael Winterbottoms dokumentarischem Spielfilm von 2002 präsentiert das Menü als (Welt-)Karte, auf der entlang der Reiseroute des Protagonisten Jamal vom Flüchtlingslager in Pakistan bis nach England die einzelnen Angebote der DVD (von »Film starten« über »Specials« bis »Weitere DVDs«) abzurufen sind; das Menü zu Harold Ramis Komödie Groundhog Day (1993) hingegen erscheint als karikierter Stadtplan des Spielorts Punxsutawney, in dem das Aufsuchen bestimmter Orte erst zu den Angeboten führt. Hinter dem Verprechen »Auf den Spuren Alexanders des Grossen (sic!)« auf Alexander. Premium Edition (2004, Constantin) verbirgt sich eine Landkarte mit den Stationen und Schlachtfeldern der Eroberungszüge Alexanders 13

Besonders auffällige Beispiele bieten die Menüs aufTHE ABYSS. SPECIAL EDITION (2000, Twentieth Century Fox Home Entertainment), MONSTERS, INC. COLLECTOR ’S EDITION (2002, Disney/Pixar), PANIC ROOM. SPECIAL EDITION (2003, Columbia Tristar Home Entertainment), SAW II. SPECIAL EDITION (2006, Lions Gate), DER EISBÄR (2005, Constantin Video) sowie jede der von Warner Home Video produzierten HARRY POTTER-DVDs.

Game-Mentalität

– von Makedonien bis Indien werden zu einzelnen Orten Informationen vorgehalten, die sich sowohl visuell, als Schrift, als auch akustisch, eingesprochen aus dem Off, präsentieren. Unter dem Menüpunkt »Egyptology« hält The Mummy. Collector’s Edition das Bonusmaterial »Map« vor, eine Karte des alten Ägypten, mit der ähnlich wie bei Alexander. Premium Edition interagiert werden kann. Die Criterion-Edition zu Jean Renoirs Boudu, Sauvé des Eaux aus dem Jahr 1932, Boudu Saved From Drowning. Criterion Collection (2005, Criterion), bietet u.a. eine interaktive Karte zum Paris der 1930er Jahre, Nicolas Roegs Regiedebüt Walkabout von 1971 wird auf der DVD-Edition von Universal aus dem Jahr 2000 durch die Features »Natural Australia interactive map« und »Aborigine Australia interactive map« ergänzt. »Stadt in Eis« auf The Day After Tomorrow. Special Edition (2004, Twentieth Century Fox Home Entertainment) zeigt eine Weltkarte, auf der acht Städte zu besuchen sind, um Auswirkungen einer möglichen Eiszeit zu beobachten. Die Edition zu Norman Jewisons romantischer Komödie Moonstruck (1987), Moonstruck. Deluxe Edition (2006, MGM) bietet unter »Pasta to Pastries: The Art of Fine Italien Food« eine in kulinarischer Hinsicht zu erkundende Karte von Little Italy, Wings of Desire. Special Edition (2003, MGM), die US-amerikanische DVD-Edition zu Wim Wenders, Der Himmel über Berlin (D/F 1986/87), eine interaktive Berlin-Karte, auf der sieben Orte besucht werden können. Alle bisherigen DVD-Editionen zu Harry PotterFilmen bieten Räume und/oder Karten zur Navigation/Bewegung an, »Landkarte und Militärstrategie« heißt ein Feature auf Die Brücke am Kwai. Collector’s Edition, der Edition zu David Leans Kriegsfilm aus dem Jahre 1957. Auf Tränen der Sonne (2004, Sony Pictures Home Entertainment) wird eine »interaktive Afrika-Landkarte« angeboten, »Verfolge das Abenteuer: Die Van-Helsing-Landkarte« verspricht Van Helsing. 2-Disc Collector’s Edition (2004, Universal Studios), auf Hook (2000, Sony Pictures Home Entertainment) beginnt das Spiel »Der verlorene Schatz« mit der Orientierung auf der Karte der Insel Neverland, woraufhin die verzeichneten Orte abzusuchen sind. Das Feature »Karte von Mittelerde« der DVD Der Herr der Ringe – Die Gefährten. Special Extended Edition (2002, New Line Home Entertainment) ermöglicht es, durch das Navigieren innerhalb jener Karte die, wie es die Einleitung verspricht, »Reiseroute der Gefährten zu verfolgen« und über die Auswahl bestimmter Orte animierte Reisebewegungen sowie ihnen zugeordnete Sequenzen des Kinofilms abzurufen. Die Orientierung auf der Karte bestimmt den Ablauf der Ereignisse.

Navigation (2) – durch die Datenbank gehen Dieses so vielgestaltig ausgestellte Navigationsangebot und die darin gegebenen Form von Interaktivität, die mit Lev Manovich als »braching (or menu) interactivity«, als »the simplest kind of interactivity« (Manovich 2001, 40) beschrieben werden kann, verweist auf zwei grundlegende Aspekte der Film-DVD, die eng zusammengehören: Zum einen wird hier eine bislang zu wenig diskutierte Nähe zwischen FilmDVD und Videospiel sichtbar, die durchaus als Versuch der Filmindustrie verstan-

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den werden kann, mit ihrem neuen Produkt, dem Film im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit, an jenen Erfolgen zu partizipieren, die das Videospiel zu einem Musterbeispiel der neuen Medien gemacht hat. 1993 – ein Jahr bevor Columbia Pictures (Sony), Disney, MCA/Universal (Matsushita), MGM/UA, Paramount, Viacom, und Warner Bros. (Time Warner) den ersten Schritt zur Markteinführung der Film-DVD 1996 in Japan und 1997 in den USA setzten, indem sie die Hollywood Digital Video Disc Advisory Group gründeten – hatte das Interesse Hollywoods an der Videospielindustrie und an den neuen Medien einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: »Clearly, interactive entertainment – where pictures, sound and text are merged onto compact disc – is the hottest ticket in town« (Rothman 1993), meldete Variety Ende Juli 1993 und betonte im November nochmals den »›extraordinary hype‹ over interactive product development« (Marx 1993). »Keines der großen amerikanischen Filmstudios«, notierte Franz Everschor im selben Jahr, »ist inzwischen ohne Beteiligung an der zukünftigen Entwicklung des VideospielMarktes« (Everschor 1993, 41). Man könnte es somit konsequent nennen, dass das Menü-Design der FilmDVD und schließlich auch die Möglichkeit, sich in Spielen und Touren (limitiert) zu bewegen und somit in audiovisuelles Geschehen einzugreifen, so sehr an Videospiele erinnert bzw. erinnern soll.14 Exemplarisch zieht der DVD-Produzent Mark Rance, einer der prominenteren Vertreter seines Fachs, hinsichtlich der Entwicklung der DVD-Menüs eindeutige Parallelen zum Design von Videospielen. Er spricht von einer anhaltenden Game-Mentalität: When you have menus with umpteen doors you have to go through to get to a feature, or when you have to sit through some silly prompt spoken on the menu, ›Which door has the tiger? Which door has the lady?‹ or even having to listen to some dreadful audio loop ad nauseam, I mean really, how many times do you want to do that? In the early days of DVD, when sci-fi and action film lovers drove sales, this kind of menu was an extension of their game-playing experience. And I think it is that game’s mentality that lives on today in many menu systems. This kind of menuing is all about the menu vendor and often takes the filmmaking down a peg (Mark Rance, zitiert nach Roberts, 2005).

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Mir scheint die Herausforderung und die Chance durch das Erscheinen und den Erfolg der Film-DVD somit in zwei Film und Game betreffende Richtungen zu führen. Die Film-DVD eignet sich einerseits dazu, innerhalb der Game Studies das Verhältnis von Film und Game zu überdenken. Um sich andererseits systematisch mit der Ästhetik der Film-DVD, dem audiovisuellen Leinwand- oder Bildschirmgeschehen und den ihnen zugrunde liegenden Anordnungen von Nutzern oder Nutzerinnen und Apparaten auseinanderzusetzen, ist es ebenso hilfreich, Diskurse der Game Studies in die Überlegungen mit einzubeziehen. Insbesondere scheint es mir wichtig, im Hinblick auf die Rolle der Navigation jene Prozesse zu berücksichtigen, die Henry Jenkins in »Game Design as Narrative Architecture« diskutiert hat: die Verbindung von Räumlichkeit, dem Erkunden und Durchqueren von 14

Dazu gehören freilich auch noch andere Kontexte – David Prior macht auf einen weiteren aufmerksam: »Web surfing has acclimated people to the notion of menu-style navigation« (Woodward 2001).

Game-Mentalität

Räumen, mit Narration – »the challenges of navigating narrational space« (Jenkins 2002). Eines der besten Beispiele für eine solche Verbindung bietet das bereits erwähnte Feature »Karte von Mittelerde«. Filmszenen werden hier aus ihrer Position im narrativen Ablauf des Kinofilms gelöst und über das Navigieren der User auf der Karte in neue Zusammenhänge gestellt. Der Szenenablauf, die narrative Anordnung, wird über auszuwählende Bewegungen im Raum organisiert, Narration räumlich strukturiert. Der zweite Aspekt der Film-DVD, den die Betonung der Navigation ans Licht bringt und der gleichsam die Grundlage des ersten bildet, betrifft den Übergang der analogen Medien Film und Video zum digitalen Datenträger Film-DVD. Kurz gesagt: Was die Bedeutung der Navigation bei der Nutzung der Film-DVD zur Schau stellt (und zur Anwendung bringt), ist die DVD als Vertreterin der neuen Medien. Entscheidend für diese Perspektive auf die DVD als »(a)n acronym that stands for nothing but is often expanded as Digital Video Disc or Digital Versatile Disc« (Taylor/Johnson/Crawford 2006, G/12), als Nachfolgerin der CD und CDROM, sind die technisch-konzeptionellen Bedingungen, auf deren Grundlage sie zum »ersten erfolgreichen digitalen Abspielmedium für Video« (Slansky 2004, 35) avancieren konnte und welche die Film-DVD – trotz zahlreicher Bezüge und Analogien – vom Film auf Celluloid und Film auf Video und Laserdisc trennt (und, wenn man der Werbung zur DVD folgt, auch trennen soll). Lev Manovichs Beitrag zu dem, was Robert Stam (im Rückgriff auf Henry Jenkins) Digital Theory genannt hat, scheint mir dabei sehr hilfreich zu sein. »In general,« hat Lev Manovich zu digitalen, oder, wie er einschränkt: neuen Medien bemerkt, »creating a work in new media can be understood as the construction of an interface to a database« (Manovich 2001, 227), wobei die prinzipielle Trennung von Interface und Database zwangsläufig zur Folge hat, dass einem Datenbestand, gewissermaßen einem Material, mehrere Interfaces zugeordnet werden können: »The new media object consists of one or more interfaces to a multimedia material. If only one interface is constructed, the result will be similar to a traditional art object, but this is an exception rather than the norm« (ebd.). Genau diese Bestimmung gilt auch für die Film-DVD, wobei der vom Träger Celluloid oder Video zum Trägermedium DVD transferierte Film, der digitalisierte Kinofilm, nur einen Teil der auf der Film-DVD vorgehaltenen Daten ausmacht, zu der ja auch noch andere Video- und AudioDateien gehören, aus denen sich Extras und Menüs zusammensetzen. Der Unterschied zwischen alten und neuen Medien – zwischen z.B. Film auf Celluloid oder Video und Film auf einer DVD – zeigt sich somit in einer neuartigen Trennung: »With new media, the content of the work and the interface are separated. It is therefore possible to create different interfaces to the same material« (Manovich 2001, 227). Für David Prior – wie Mark Rance, Michael Pellerin und Van Ling einer der bekannteren DVD-Produzenten – wird diese technische Grundlage, die Datenbank, als Merkmal und Ziel der Film-DVD erkennbar, die er als lebendes Archiv bezeichnet: »The philosophy behind any successful Special Edition is to create a living archive of the film that is as in-depth and informative as possible« (Woodward 2001). Lebendig wird dieses Archiv der Multimediainhalte über die Menüs mit ihren visualisierten (und akustisch untermalten) Zugangsmöglichkeiten – über das DVDInterface, als das die Menüs in allen Bereichen der Beschäftigung mit dem Medium

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(von Produzenten, Userinnen, in Rezensionen sowie in wissenschaftlichen Schriften15) diskutiert, kritisiert und beworben werden. »The menu interface«, erklärt Matt Kennedy, CEO und Executive Creative Director bei 1K, einem der führenden DVD-Design-Studios, »is going to be where that movie lives« (Hullfish 2004). Die Sorgfalt und der Aufwand bei der Menü-Gestaltung freilich macht ein Problem unübersehbar, ein Paradox: DVD-Menüs sind offenbar immer schon beides. Sie sind sowohl Interfaces, mit dem weitere Inhalte zugänglich werden, als auch »content«, der als Objekt der neuen Medien wiederum selbst mehrere Interfaces gestattet und z.B. auf dem Desktop des Computers als Ordner mit eigenen Index-, Video- und Sicherungs-Dateien angezeigt wird. Die DVD demonstriert somit einerseits die Trennung zwischen Interface und »content« in dem Sinne, dass sie als digitales Speichermedium für Video dort Interfaces einzieht, die Film auf Celluloid und Video auf Magnetbändern schlicht nicht nötig gehabt haben, während sie andererseits anzeigt, dass diese Trennung zwischen Interface und »content« tatsächlich nur vor dem Hintergrund des Vergleichs zu den analogen Medien haltbar ist. Manovichs Unterscheidung von Interface und »content« wäre demnach als Differenzierungsmerkmal, eine relationale Rhetorik zu verstehen, mit dem die (keineswegs ontologische) Differenz zwischen analog und digital oder zwischen ›alten‹ und ›neuen‹ Medien sichtbar werden soll bzw. im Diskurs hergestellt wird. Als solche ist sie für die Auseinandersetzung mit der Film-DVD äußerst fruchtbar, weil die DVD auf ihre Weise genau diese Differenz zu betonen versucht. Der mögliche Wechsel von Interfaces wird dabei für die Film-DVD leicht nachvollziehbar, sobald diese nicht in einem DVD-Player, einer Videospielkonsole oder mithilfe eines Computerprogramms als virtuellem Player gestartet, sondern auf dem »Desktop« des Computers als Datenbestand in Ordnern und Dateisymbolen angezeigt wird. Hinter all diesen Präsentations- und Zugangsformen steht bei den neuen Medien, wie Manovich betont, stets eine Datenbank: »But the interface can also translate the underlying database into a very different user experience. The user may be navigating a virtual three-dimensional city composed from letters, as in Jeffrey Shaw’s interactive installation ›Legible City‹. […] Although each of this works engages the user in a set of behaviors and cognitive activities that are quite distinct from going through a database, all of them are databases« (Manovich 2001, 226). Überraschend sicht- und erfahrbar wird dieses Interface/Database-Verhältnis mit der DVD-Edition Riddick – Chroniken eines Kriegers. Director’s Cut (2005, Universal Studios), die zwei unterschiedliche Menüs für dieselben Inhalte anbietet. Hier müssen sich Nutzerinnen und Nutzer vor dem Eintritt in das Hauptmenü zwischen den Optionen »Kampf« und »Bekehrung« entscheiden (ganz im Sinne des Filmplots, der sich gleichfalls um diese Optionen dreht), die jeweils zu unterschiedlich designten Menüs führen, über welche gleichwohl auf identische weitere Inhalte zugegriffen werden kann. Diese DVD führt somit exemplarisch vor, dass und wie einem Datenbestand mehrere Interfaces zugeordnet werden können, dass Interfaces bedeutender »content« sind und eben dadurch im Sinne Matt Kennedys das Menü zu jenem Ort werden kann, »where that movie lives«.

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Vgl. dazu u.a. Brookey/Westerfelhaus 2005, 118; Kompare 2006, 357; Hight 2005, 9; Brookey/Booth 2006

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Going through a database: Die Bestimmung der neuen Medien, »on the level of material organization, they are all databases«, über die Datenbank, die wir mithilfe von Programmen organisieren und durchgehen, hängt unmittelbar mit der zweiten Schlüsselform bei der Bestimmung der neuen Medien zusammen – mit der Navigation als zentraler Metapher in der Konzeptualisierung der digitalen Medien: »From the 1980s concept of cyberspace to 1990s software such as Netscape Navigator, interacting with computerized data and media has been constantly framed in spatial terms« (Manovich 2001, 228). Raummetaphern wie Cyberspace, Datenautobahnen, Global Village oder Telepolis dominieren die Diskurse um digitale Medien, und Markus Schoer betont hinsichtlich der zum Internet omnipräsenten Metaphern »rund um das Gebiet der Seefahrt« (inklusive Datenmeere, Ströme und Surfen), welch große Rolle das »Navigieren und Steuern (= cyber, von griechisch kybernetike)« im Verständnis und der Gestaltung des Internet spielt (Schoer 2006, 258; Herv.i.O.): »Das Anhängsel space deutet darauf hin, dass man es beim ›Cyberspace‹ mit einem Raum von unbegrenzter Weite (lateinisch spatium) zu tun hat, einem Raum, der noch zu entdecken ist und zu erkunden ist, wie einst das reale Meer, das immer schon als das bevorzugte Gebiet von Abenteurern und Entdekkern galt« (Schoer 2006, 259; Herv.i.O.). Im Rückgriff auf Vilém Flusser spricht Schoer von »Datenmeer und Cyberspace« als einem »Möglichkeitsraum« (ebd; Herv.i.O.). Nachdrücklich plädiert Manovich dafür, dieses Prinzip des navigierbaren Raums (letztlich eine wortgetreue Übersetzung des Begriffs Cyberspace16) als – in Ergänzung zur Database – zweite Schlüsselform der neuen Medien, als »possible form for nearly any computing practice« zu untersuchen: »What has received little attention, however, both in cultural theory and in new media theory, is the particular category of navigation through space. And yet, this category characterizes new media as it actually exists; in other words, new media spaces are always spaces of navigation« (Manovich 2001, 252). Am Beispiel der CD-ROM, als deren Nachfolger die DVD entwickelt worden ist, zeigt Manovich in diesem Sinne, dass Narration – und hier tut sich eine entscheidende Verbindung zu Jenkins’ Untersuchung der Narrative Architecture auf – nur »one method of accessing data among others« darstellt und dabei von der Organisation bzw. Regulierung von Navigation abhängig ist: »Instead of a narrative biography, we are presented with a database of images, sound recordings, video clips, and/or texts that can be navigated in a variety of ways« (Manovich 2001, 220). Freilich vergisst Manovich dabei zu betonen, dass keine noch so exponierte Raummetapher und -erfahrung, sofern sie uns als solche erreichen soll, ohne zeitliche Dimension existiert. Bo Kampmann Walther ergänzt darum: »Graphical game spaces move in time. [...] It takes time to comprehend space – and ›it‹ is in space (or: it is always already spatial). Furthermore, without time there probably wouldn’t be any space to comprehend« (Walther 2007, 16).

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Vgl. dazu Dodge/Kitchin 2001, 1.

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Welten – hier ist nichts da

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Unabhängig davon, ob man Manovich zustimmen mag in seiner Analyse, die Kategorie navigation through space habe in der Theorie wenig Aufmerksamkeit erfahren, beweist die Praxis des DVD-Designs eine enorme Aufmerksamkeit dahin gehend. Indem die Film-DVD den Akt der Navigation auf so unterschiedliche Weise – in Menüs, in den angelegten Kapitelstrukturen und nicht zuletzt in den Spielen – ausstellt und die damit gestattete bzw. geforderte Interaktivität bewirbt, demonstriert sie als Objekt der neuen Medien ihre Differenz zum Kinofilm, zum Videoband wie zur Laserdisc und stellt gleichzeitig ihre Nähe zu anderen Objekten der digitalen Medien, ihre Intermedialität aus. So sehr damit eine diskursive Strategie und ein auf Marktanteile zielender Distinktionsgewinn des neuen Mediums gegenüber Video verbunden war und ist: Es wird nachgerade unmöglich, die FilmDVD schlicht als neues Trägermedium, als weiteren Teil der Verwertungskette zu verstehen, der, so David Bordwell, »the films« und »the schemas of classical story comprehension« weitgehend unberührt ließe (Bordwell 2006, 103). Eine solche Position übersieht die Ästhetik der DVD, die jedoch konstitutiv ist dafür, dass und was man sieht (und hört). Stattdessen müssen wir untersuchen, was das Trägermedium DVD eigentlich trägt, wie diese audiovisuellen Inhalte sich zeigen und wie dabei noch the films auszumachen und festzulegen wären, über die wir uns dann austauschen könnten. Eines ist sicher: Wir können nicht von der Film-DVD und den darauf abzurufenden films sprechen, ohne auch über Interfaces zu sprechen: über Menüs, die – im Gegensatz zur VHS, zur Video-CD und zur Laserdisc – als (zumeist audiovisuelles und zunehmend aufwändiger gestaltetes) Leinwandgeschehen und Aufforderung zur (wenn auch simplen) Interaktivität zum genuinen und beworbenen Bestandteil dessen gehören, was unter dem Titel der DVD angeboten wird, und als solche Voraussetzungen dafür geben, wie und dass sich z.B. ein abendfüllender Spielfilm zeigen kann. Sie ermöglichen das Erscheinen »des Films« und dabei zugleich seine Konfigurationen z.B. im Hinblick auf Ton, Bild, Sprache, Untertitel und Audiokommentar, die unmittelbare Veränderungen »des Films« nach sich ziehen. Was auch immer sich auf der Film-DVD zeigt, zeigt sich in der Regel erst durch Akte der Navigation im DVD-Interface, ist an unterschiedlich gestaltete Angebote des Navigierens gebunden, die ihrerseits die Film-DVD als ein mit Räumlichkeit assoziiertes Medium erfahrbar machen. Verschiedene Menü- und Angebotsebenen können (oder müssen) besucht und ausgewählt, die Tiefe der Menüstrukturen ausgelotet werden, innerhalb bestimmter (zumeist enger) Bedingungen sind virtuelle, nur für die Film-DVD konzipierte Räume zu begehen. »Eastereggs«, jene erwähnte und der Videospiel-Geschichte entlehnte Strategie der versteckten Angebote, appellieren daran, die Räumlichkeit des DVD-Designs ernst zu nehmen. Man muss im medial gegebenen Raum suchen, Menüs mit Steuerkreuz der Fernbedienung des DVD-Players oder mit der Computermaus gleichsam »abtasten«, um die vorgehaltenen Inhalte (genauer: ihre Platzhalter) zu entdecken. Und auch das im Menü sich vermittelnde Versprechen von Versatilität als einer neuen Macht über den Kinofilm, der Zurichtung des Films nach den eigenen Bedürfnissen u.a. hinsichtlich Ton- und Bildeinstellung, Sprachformaten, Kommentarfunktionen und Szenenfolge, stellt dabei sowohl das Prinzip der Navigation aus als auch das

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des zugrundeliegenden Datenbestandes, über den zu verfügen ich aufgerufen bin. So wie auch das »Original«, »der Film«, im Kino niemals verbindlich existiert hat, so wenig wäre also leichthin zu sagen, was »der Film« auf DVD ist – die diskreten Audio- und Videodateien (VOB) aller Angebote warten darauf, auf unseren Befehl hin zusammengesetzt, montiert zu werden. Eine Untersuchung der Ästhetik der Film-DVD – was die Film-DVD zeigt und wie sich dies als Ergebnis der Anordnungen von Nutzern und Apparaten zeigt – muss sich somit auch mit einer Raumkonzeption beschäftigen, die ich als »intermediale Architektur« (Distelmeyer 2007) verstehe. Diese Auseinandersetzung führt dabei zwangsläufig zum Spektrum von Abspiel- und Ausgabeapparaten und deren mannigfaltigen Umgebungen, die eine Diskussion des Dispositivs der FilmDVD so erschweren, sowie zu den damit ermöglichten bzw. versprochenen Positionen des Publikums/der Nutzerinnen und Nutzer, welche wiederum Konsequenzen hat sowohl für den Komplex der Autorschaft als auch nach dem, was seit den 1970er Jahren als filmischer »Text« verhandelt worden ist. Etliche Fragen, die den Film und vor allem sein Verhältnis zu seinem Publikum und Miterzeuger seit jeher begleitet haben, stellen sich mit der Film-DVD neu, und ihnen sollten wir uns stellen. Bereits an dieser Stelle aber mag augenfällig geworden sein, dass die Räumlichkeit der Film-DVD keineswegs nur gewissermaßen unter der Oberfläche zu entdecken ist, sondern in Navigationsräumen sich selbst in den Vordergrund drängt und (Nutzungs-)Oberfläche wird: Die materielle und logische Organisation der Film-DVD, die beschriebene Kooperation von Datenbank und navigierbarem Raum als »key form(s) of new media« (Manovich 2001, 252), findet im Design der Multimediainhalte der Film-DVD ihren Ausdruck.17 »Sämtliche analytisch trennbaren Dimensionen des Gebrauchswerts der Videotechnik und seiner Realisierung durch ihre Benutzer haben ihre herausragende Bedeutung im Zeitbezug« (Zielinski 1994, 232), hat Siegfried Zielinski betont und den Videorecorder als eine »in technischer Hinsicht Zeitmaschine in einem doppelten Sinne« definiert: »Er speichert den Bewegungsfluss von Fernsehsignalen, macht ihn beliebig wiederholbar und damit auch in seiner Zeitstruktur veränderbar« (Zielinski 1992, 92f.; Herv.i.O.). Wenn man heute dieser Bestimmung von Video als Zeitmedium folgen will, zuletzt von Wolfgang Ernst wieder aufgenommen, der Video als »genuin time-based« (Ernst 2002, 27; Herv.i.O.) und »genuin zeitstrukturiert« (Ernst 2006) definiert hat, so muss zur Film-DVD dringend ergänzt werden, dass sie als digitales Speichermedium für Video eben nicht nur zeit-, sondern in hohem Maße space-based und raumstrukturiert ist und diese Räumlichkeit (als Differenz gegenüber VHS) ausstellt. Das englische Verb to enter, festgehalten auf

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Mit den rivalisierenden Nachfolgeformaten für die DVD, Blu-ray und HD-DVD, setzt sich dieses Phänomen fort. Nicht nur, indem frühe High-Definition-Editionen die Features von Standard-Definition-Editionen übernehmen – wie z.B. die Blu-ray-DVD ICE AGE: THE MELTDOWN (2006, Twentieth Century Fox Home Entertainment) und die HD-DVD TROY (2006, Warner Home Video) –, sondern vor allem durch neu entwickelten High-Definition-Extras, zu denen nicht zuletzt Spiele gehören: »Nach Angaben beider HD-Disc-Lager betrachten die Hollywood-Studios Interaktivität als dritten erfolgskritischen Faktor neben HD-Video und -Audio« (Jurran 2007, S. 38). Auch »Eastereggs« sind weiter auf den Nachfolgeformaten zu finden.

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jener Taste, die auf zahlreichen DVD-Fernbedienungen anstelle eines Play-Button die Auswahloption bestätigt und so auch den Film zu »starten« vermag (gleichsam als Inszenierung einer Videorecorder-Nutzung), entspricht diesem Aspekt der Medialität der Film-DVD. Es kann sowohl in einem räumlichen Sinne – als Betreten, Eindringen, Einreisen – verstanden werden wie auch als Verarbeitung von Informationen: Eintragen, Eingeben, Verbuchen. Genau damit spielt das Menü-Design von Being John Malkovich. Special Edition (2000, Columbia Tristar Home Video). Als Navigationsraum erscheint hier der gezeichnete Querschnitt eines menschlichen Kopfes, Bereiche des Gehirns sind zur Auswahl beschriftet, und ein unter »special features« auswählbarer Hirnteil ist mit dem für das Hier/Da-Verhältnis bemerkenswerten Satz »do not enter here, there is nothing here« gekennzeichnet. Wer gleichwohl diese geheimnisvolle Stelle markiert und mit enter bestätigt, wer also – ganz in der Logik der Filmdiegese, in der bekanntlich das Kopfinnere des Schauspielers John Malkovich zu einer Touristenattraktion avanciert – diesen Kopfraum betritt, findet dort eine Schrift auf hellem Grund vor: »there is nothing here, press enter to return«. Ein Fund, der den vorangegangenen Hinweis sowohl bestätigt als ihm auch widerspricht – denn hier, so haben wir entdeckt, ist ja zumindest diese Schrift da. Das Spiel mit der Leere des Hirns, mit dem betretbaren Oberstübchen und dem Hier/Da-Problem ist ein Spiel mit der Räumlichkeit der Film-DVD und den damit verbundenen Erwartungen. Enter here: Es mag eben dieser räumliche Aspekt sein (die DVD als – um Zielinskis Video-Beobachtungen zuspitzend umzukehren – Raummedium), der die Herausforderung durch die DVD besonders deutlich werden lässt. Sowohl die Chance, im Rahmen der game studies das Verhältnis zwischen Film und Game neu zu verhandeln, als auch aus filmwissenschaftlicher Perspektive ähnliches zu versuchen und dabei vor allem über die DVD als bedeutendes Medium aktueller Filmrezeption zu nachzudenken, setzt eine bestimmte Erkenntnis voraus. Sie besteht schlicht darin, die DVD als – wiewohl in ästhetischen wie strategischen Traditionen und intermedialen Prozessen verstricktes – eigenständiges Medium ernst zu nehmen. David Bordwells stets auf bleibende Prinzipien und Stabilität der filmischen Produkte ausgerichtetes Plädoyer, die DVD böte im Wesentlichen nichts Neues, belasse »the films« hingegen »remarkably stable«, kümmert sich exemplarisch allein um das, was als vermeintlich einziger oder zentraler »Inhalt« immer schon vor der Untersuchung feststeht und so letztlich nur bestätigt werden kann – »der Film«: »[T]he DVD serves not as a unique format for the film but as a tool that makes analyzing the plots a lot easier than would several visits to the theatre« (Bordwell 2007). Um die mannigfachen Konsequenzen des Übergangs von VHS und Laserdisc zur DVD zu würdigen und ebenso zu problematisieren (vor allem als Versprechen von Macht und Freiheit der Konsumenten), kommt es darauf an, die jeweilige Medialität und die damit zusammenhängenden Dispositive zu würdigen. Anders gesagt: Es geht darum, aus Aaron Barlows programmatischer Setzung, »[t]odays best film DVDs certainly aren’t merely videotapes in another medium« (Barlow 2005, xii), die ersten zwei Worte zu streichen.

Game-Mentalität

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Filme Aeon Flux (USA 2005, Karyn Kusama) The Avengers (USA 1998, Jeremiah S. Chechik) Boudu, Sauvé des Eaux (F 1932, Jean Renoir) Groundhog Day (USA 1993, Harold Ramis) Der Himmel über Berlin (D/F 1986/87, Wim Wenders) Dark City (USA 1998, Alex Proyas) Joysticks (USA 1983 Greydon Clark) A Knight’s Tale (USA 2001, Brian Helgeland) The Last Starfighter (USA 1984, Nick Castle) Live Free or Die Hard (USA 2007, Len Wiseman) Moonstruck (USA 1987, Norman Jewison) Never Say Never Again (USA 1983, Irvin Kershner) Pirates of the Caribbean 2 (2006 Gore, Verbinski) Star Wars (USA 1977, George Lucas) Superman III (USA 1983, Richard Lester) Tron (USA 1982, Steven Lisberger) Walkabout (USA 1971, Nicolas Roeg) War Games (USA 1983, John Badham)

DVDs

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7 Zwerge – Männer allein im Wald (2005, Universal Pictures Germany) The Abyss. Special Edition (2000, Twentieth Century Fox Home Entertainment) Alexander. Premium Edition (2004, Constantin) American Pie (2004, Warner Home Video) Anger Management (2003, Sony Pictures Home Entertainment) Bärenbrüder (2004, Buena Vista Home Entertainment) Being John Malkovich. Special Edition (2000, Columbia Tristar Home Video) Boudu Saved From Drowning. Criterion Collection (2005, Criterion) Die Brücke am Kwai. Collector’s Edition (2000, Columbia Tristar Home Entertainment) Charlie und die Schokoladenfabrik (2006, Warner Home Video) Codename: Wildgeese / Geheimcode: Wildgänse (2003, Elite DVD/Frame Eleven) Entertainment) Dark City. New Line Platinum Series (1998, New Line Home Entertainment) The Day After Tomorrow. Special Edition (2004, Twentieth Century Fox Home Entertainment) Der Eisbär (2005, Constantin Video) eXistenZ (2005, Kinowelt Home Entertainment) Final Destination (2005, Kinowelt Home Entertainment)

Game-Mentalität

Final Destination II (2003, New Line Home Entertainment) Findet Nemo. 2-Disc-DVD-Set (2004, Buena Vista Home Entertainment) Fluch der Karibik. 2-Disc Special Edition. (2004, Buena Vista Home Entertainment) Ghost Ship (2003, Warner Home Video) Groundhog Day. Special Edition (2002, Columbia Tristar Home Entertainment) Harry Potter und der Stein der Weisen (2002, Warner Home Video) Harry Potter und die Kammer des Schreckens (2003, Warner Home Video) Der Herr der Ringe – Die Gefährten (2002, New Line Home Entertainment) Der Herr der Ringe – Die Gefährten. Special Extended Edition (2002, New Line Home Entertainment) The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy. Widescreen Edition (2005, Buena Vista Home Entertainment) Hook (2000, Sony Pictures Home Entertainment) Ice Age: The Meltdown (2006, Twentieth Century Fox Home Entertainment) In This World (2005, Sunfilm Entertainment) Lara Croft: Tomb Raider. Cine Collection (2002, Concorde Home Entertainment) Madagascar (2006, DreamWorks Home Entertainment) Matrix (1999, Warner Home Video) Die Monster AG (2002, Buena Vista Home Entertainment) Monsters, Inc. Collector’s Edition (2002, Disney/Pixar) Moonstruck. Deluxe Edition (2006, MGM) The Mummy. Collector’s Edition (1999, Universal Studios) Panic Room. Special Edition (2003, Columbia Tristar Home Entertainment) Riddick – Chroniken eines Kriegers. Director’s Cut (2005, Universal Studios) Rounders. Collector’s Edition (2004, Miramax) Saw II –Special Edition (2006, Lions Gate) Der Schatzplanet. Multimedia-Pack (2003, Buena Vista Home Entertainment) Spider-Man. Collector’s Edition (2004, Columbia Tristar Home Entertainment) Spy Kids 3-D: Game Over. 2 Disc Collector’s Edition (2004, Buena Vista Home Entertainment) Stirb langsam – Jetzt erst recht. Special Edition (2002, Buena Vista Entertainmemt) Stirb Langsam (2002, Twentieth Century Fox Home Entertainment) Tränen der Sonne (2004, Sony Pictures Home Entertainment) Troja. 2-Disc Edition (2004, Warner Bros Entertainment) Troy (2006, Warner Home Video) Van Helsing. 2-Disc Collector’s Edition (2004, Universal Studios) Wallace & Gromit – Jagd nach dem Riesenkaninchen (2006, DreamWorks Home Entertainment) Der weisse Hai. Special Edition (2004, Universal Studios) Wings of Desire. Special Edition (MGM, 2003)

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Zu den AutorInnen

Matthias Bickenbach Matthias Bickenbach, Privatdozent für Literatur- und Medienwissenschaft an der Universität Köln und Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität Tübingen. 1999-2004 wissenschftlicher Mitarbeiter am SFB/FK 427 »Medien und kulturelle Kommunikation«. Habilitation 2005 in Köln über historische Intermedialität und Medienevolution der Fotografie. Redakteur des Online-Magazins www. einseitig.info. Publikationen zu Theorie und Geschichte der Literatur und Medien, insbesondere zu intermedialen Wissens- und Kulturtechniken, zuletzt: »Dichterlesung im medientechnischen Zeitalter. Thomas Klings intermediale Poetik der Sprachinstallation« (In: Original / Ton. Zur Mediengeschichte des O-Tons. Hrsg. v. Harun Maye u.a. Kontanz 2007).

Jan Distelmeyer Jan Distelmeyer vertritt derzeit die Professur »Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienästhetik/Medienkultur« an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. 2006-2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studiengang Europäische Medienwissenschaft der Universität Potsdam. Promotion 2002 über Autorschaft im populären Kino, Habilitationsthema ist die Ästhetik der DVD. Jüngste Publikationen (u.a.): »Spielräume. Videospiele, Kino und die intermediale Architektur der Film-DVD« (In: Spielformen im Spielfilm. Hrsg. v. Rainer Leschke / Jochen Venus Bielefeld 2007), Babylon in FilmEuropa. Mehrsprachenversionen der 1930er Jahre [Red.] (München 2006), Autor Macht Geschichte (München 2005).

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Zu den AutorInnen

Frank Furtwängler Frank Furtwängler studierte Physik und Anglistik in Konstanz und lebt dort die meiste Zeit. Als Stipendiat des Graduiertenkollegs »Bild. Körper. Medium. Eine anthropologische Perspektive« an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe arbeitete er von 2004 bis 2007 an seiner Dissertation zum Thema Videospiele im Rahmen der Kunst- und Medienwissenschaft. Mittlerweile konzipiert und produziert er in München als Strategic Creative Director des Publishers plazz entertainment selbst Spiele. Zuletzt erschienene Publikation: »Human Practice. How the problem of ergodicty provokes a re-animation of anthropological perspectives in game studies« (In: The Aesthetics of Net Literature: Writing, Reading and Playing in Programmable Media. Hrsg. v. Peter Gendolla / Jörgen Schäfer. Bielefeld 2007). Publikationsliste und mehr unter www.ffludens.net.

Stephan Günzel Stephan Günzel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt »Zur Medialität des Computerspiels« an der Universität Potsdam, Institut für Künste und Medien, Publikationen: Topologie. Zur Raumbeschreibung in den Kulturund Medienwissenschaften [Hrsg.] (Bielefeld 2007), Maurice Merleau-Ponty. Werk und Wirkung (Wien 2007), Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften [Co-Hrsg. mit J. Dünne] (Frankfurt am Main 2006); lebt in Berlin, www.stephan-guenzel.de.

Christine Hanke

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Christine Hanke, Studium der Film- und Literaturwissenschaften in Erlangen und Berlin, Promotion an der Universität Trier, seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Europäischen Medienwissenschaft der Universität Potsdam. Forschungsschwerpunkte: Unentscheidbarkeiten des Bildes, Science Studies und Medientheorie, Digitalität und Analogizität. Mitbegründerin und Redakteurin des Forschungsforums und Internetmagazins Nach dem Film (www.nachdemfilm.de). Publikationen: Zwischen Auflösung und Fixierung. Zur Konstitution von ›Rasse‹ und ›Geschlecht‹ in der physischen Anthropologie um 1900 (Bielefeld 2007); Co-Hrsg. u.a. von: Überdreht. Spin Doctoring. Politik, Medien (Bremen 2006), Konkursbuch 41: Haut (Tübingen 2003), Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults (Frankfurt am Main 1999).

Zu den AutorInnen

Michael Liebe Michael Liebe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt »Zur Medialität des Computerspiels« an der Universität Potsdam, Institut für Künste und Medien, und PhD-Student im Fach Europäische Medienwissenschaft. Er ist ferner Mitbegründer des Forschungsnetzwerks Computerspiel (Digarec) und Mitglied der interdisziplinären Forschungsgemeinde AG Games. Nach seinem Studienabschluss 2006 arbeitete er als stellvertretender Chefredakteur des Magazins Game Face. Weitere Aktivitäten und Publikationen unter www.michael-liebe.de.

Dieter Mersch Studium der Mathematik und Philosophie in Köln und Bochum. Seit 2004 Lehrstuhl für Medienwissenschaft an der Universität Potsdam. Wichtigste Publikationen: Gespräche über Wittgenstein (Wien 1991), Umberto Eco zur Einführung (Hamburg 1992), Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie [zus. mit Ingeborg Breuer und Peter Leusch] (Hamburg 1996), Zeichen über Zeichen [Hrsg.] (München 1998), Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis (München 2002), Ereignis und Aura. Untersuchungen zur einer Ästhetik des Performativen (Frankfurt am Main 2002), Kunst und Medium (Kiel 2003), Die Medien der Künste. Beiträge zur Theorie des Darstellens, [Hrsg.] (München 2003); Performativität und Praxis, [Co-Hrsg. mit Jens Kertscher] (München 2003), Medientheorien zur Einführung (Hamburg 2006), Kunst und Wissenschaft [Co-Hrsg. mit Michaela Ott] (München 2007).

Britta Neitzel Britta Neitzel, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Mediengeschichte/Visuelle Kultur an der Universität Siegen, Studium der Theater- Film-, und Fernsehwissenschaft, Germanistischen Linguistik und Philosophie, Promotion zur Narrativität von Computerspielen, Publikationen (u.a.): Kursbuch Medienkultur [Co-Hrsg.] (Stuttgart 1999), Gespielte Geschichten. Struktur- und Prozessanalytische Untersuchungen der Narrativität von Videospielen (Weimar 2000), »See, I’m Real ...« Multidisziplinäre Zugänge zum Computerspiel am Beispiel von »Silent Hill« [Co-Hrsg.] (Münster 2004).

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Kultur- und Medientheorie Michael Schetsche, Martin Engelbrecht (Hg.) Von Menschen und Außerirdischen Transterrestrische Begegnungen im Spiegel der Kulturwissenschaft Juni 2008, ca. 250 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-855-1

Uwe Seifert, Jin Hyun Kim, Anthony Moore (eds.) Paradoxes of Interactivity Perspectives for Media Theory, Human-Computer Interaction, and Artistic Investigations Juni 2008, ca. 350 Seiten, kart., ca. 35,80 €, ISBN: 978-3-89942-842-1

Christian Kassung (Hg.) Die Unordnung der Dinge Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls Mai 2008, ca. 400 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 33,80 €, ISBN: 978-3-89942-721-9

Matthias Bruhn, Kai-Uwe Hemken (Hg.) Modernisierung des Sehens Sehweisen zwischen Künsten und Medien Mai 2008, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-912-1

Ulrike Haß, Nikolaus Müller-Schöll (Hg.) Was ist eine Universität? Schlaglichter auf eine ruinierte Institution Mai 2008, ca. 160 Seiten, kart., ca. 12,80 €, ISBN: 978-3-89942-907-7

Michael Dürfeld Das Ornamentale und die architektonische Form Systemtheoretische Irritationen Mai 2008, ca. 166 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-898-8

Kristiane Hasselmann Die Rituale der Freimaurer Performative Grundlegungen eines bürgerlichen Habitus im 18. Jahrhundert Mai 2008, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-803-2

Ines Kappert Der Mann in der Krise oder: Eine konservative Kapitalismuskritik in der Mainstreamkultur Mai 2008, ca. 232 Seiten, kart., ca. 23,80 €, ISBN: 978-3-89942-897-1

Claudia Lillge, Anne-Rose Meyer (Hg.) Interkulturelle Mahlzeiten Kulinarische Begegnungen und Kommunikation in der Literatur Mai 2008, ca. 230 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-881-0

Jan Deck, Angelika Sieburg Paradoxien des Zuschauens Die Rolle des Publikums im zeitgenössischen Theater April 2008, ca. 120 Seiten, kart., ca. 15,80 €, ISBN: 978-3-89942-853-7

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

Kultur- und Medientheorie Susanne Regener Visuelle Gewalt Menschenbilder aus der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts April 2008, ca. 220 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-420-1

Christa Sommerer, Laurent Mignonneau, Dorothée Gestrich (eds.) Interface Cultures Artistic Aspects of Interaction April 2008, 350 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 32,80 €, ISBN: 978-3-89942-884-1

Doris Kolesch, Vito Pinto, Jenny Schrödl (Hg.) Stimm-Welten Philosophische, medientheoretische und ästhetische Perspektiven April 2008, ca. 216 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-904-6

Peter Seibert (Hg.) Samuel Beckett und die Medien Neue Perspektiven auf einen Medienkünstler des 20. Jahrhunderts April 2008, 216 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-843-8

Simone Loleit Wahrheit, Lüge, Fiktion: Das Bad in der deutschsprachigen Literatur des 16. Jahrhunderts April 2008, ca. 320 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN: 978-3-89942-666-3

Geert Lovink

Elemente einer kritischen Internetkultur April 2008, ca. 300 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-804-9

Julia Pfahl Zwischen den Kulturen – zwischen den Künsten Medial hybride Theaterinszenierungen in Québec

York Kautt Image Zur Genealogie eines Kommunikationscodes und zur Entwicklung des Funktionssystems Werbung

April 2008, ca. 350 Seiten, kart., ca. 33,80 €, ISBN: 978-3-89942-909-1

April 2008, 370 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-826-1

Alma-Elisa Kittner Visuelle Autobiographien Sammeln als Selbstentwurf bei Hannah Höch, Sophie Calle und Annette Messager

Dorothee Kimmich, Wolfgang Matzat (Hg.) Der gepflegte Umgang Interkulturelle Aspekte der Höflichkeit in Literatur und Sprache

April 2008, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-872-8

April 2008, ca. 180 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN: 978-3-89942-820-9

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

Kultur- und Medientheorie Hans Dieter Hellige (Hg.) Mensch-Computer-Interface Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung April 2008, 360 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-564-2

Kati Röttger, Alexander Jackob (Hg.) Theater und Bild Inszenierungen des Sehens April 2008, ca. 250 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-706-6

Ronald Kurt, Klaus Näumann (Hg.) Menschliches Handeln als Improvisation Sozial- und musikwissenschaftliche Perspektiven März 2008, 236 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-754-7

Christian Bielefeldt, Udo Dahmen, Rolf Großmann (Hg.) PopMusicology Perspektiven der Popmusikwissenschaft

Bettine Menke Das Trauerspiel-Buch Der Souverän – das Trauerspiel – Konstellationen – Ruinen

Februar 2008, 284 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-603-8

April 2008, ca. 120 Seiten, kart., ca. 14,80 €, ISBN: 978-3-89942-634-2

Cora von Pape Kunstkleider Die Präsenz des Körpers in textilen Kunst-Objekten des 20. Jahrhunderts

Thomas Ernst, Patricia Gozalbez Cantó, Sebastian Richter, Nadja Sennewald, Julia Tieke (Hg.) SUBversionen Zum Verhältnis von Politik und Ästhetik in der Gegenwart März 2008, 406 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-677-9

Derrick de Kerckhove, Martina Leeker, Kerstin Schmidt (Hg.) McLuhan neu lesen Kritische Analysen zu Medien und Kultur im 21. Jahrhundert März 2008, ca. 450 Seiten, kart., zahlr. Abb., inkl. DVD, ca. 39,80 €, ISBN: 978-3-89942-762-2

Februar 2008, 228 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-825-4

Helge Meyer Schmerz als Bild Leiden und Selbstverletzung in der Performance Art Januar 2008, 372 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN: 978-3-89942-868-1

Annett Zinsmeister (Hg.) welt[stadt]raum Mediale Inszenierungen Januar 2008, 172 Seiten, kart., zahlr. Abb., 18,80 €, ISBN: 978-3-89942-419-5

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