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German Pages 280 Year 2015
Gundolf S. Freyermuth Games | Game Design | Game Studies
Edition Medienwissenschaft
2015-01-27 11-39-56 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 019a388758076694|(S.
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Gundolf S. Freyermuth (Prof. Dr. phil.) ist Gründungsdirektor des Cologne Game Lab. Er lehrt dort Media and Game Studies sowie an der internationalen filmschule Köln Comparative Media Studies. Seine Forschungsschwerpunkte sind Audiovisualität, Digitale Spiele, Transmedialität und Netzwerkkultur. www.freyermuth.com
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Gundolf S. Freyermuth
Games | Game Design | Game Studies Eine Einführung
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Inhalt PROLOG Spiele(n), Spiele machen, Spiele denken | 11
Spiele(n) – Games | Spiele machen – Game Design | Spiele denken – Game Studies
I GAMES Einleitung | 33 1 Was ist ein Spiel? Systematische vs. historische Ansätze | 37
Versuche systematischer Definition | Scheitern systematischer Definition | Historische Definition: Die Alterität digitaler Spiele 2 Spiele in der Neuzeit. Eine kurze Mediengeschichte | 45
Spiele | Primäre, sekundäre und tertiäre Medialität | Beispiel Fußball: Der Weg eines Spiels durch die Medialitäten | Quartäre Medialität: Vom Zuschauer zum Spieler 3 Prozedurale Wende (seit den 1950er Jahren) | 61
Vierfacher Ursprung digitaler Spiele | Digitale Technik | Künstliche Intelligenz | Flugsimulation | Virtualisierung analoger Spiele | Spielerische Nutzung digitaler Technologie | Prozeduralität 4 Hyperepische Wende (seit den 1970er Jahren) | 71
Von Mainframe- und Arkaden- zu Konsolen- und PC-Spielen | Das innovative Genre der Text-Adventures | Die Evolution audiovisuellen Erzählens | Hyperepik 5 Hyperrealistische Wende (seit den 1990er Jahren) | 83
Digitale Technik | Vom Vorbild des Romans zum Vorbild des Spielfilms | Hyperrealismus | Authentizität und Operativität | Das innovative Genre der First-Person Shooter
6 Die doppelte Alterität digitaler Spiele | 95
Die Evolution des Spiels zum audiovisuellen Medium | Digitale Spiele vs. analoge Spiele und lineare Audiovisionen | Leitmedium digitaler Kultur 7 Ausblick: Hyperimmersive Wende? | 101
Zur Entwicklung digitaler Spiele | Alltagsähnliches Handeln in Spielen | Utopie Holodeck | Spieleähnliches Handeln im Alltag | Potential zur hyperimmersiven Wende
INTERMEZZO : SPIEL // FILM Einleitung | 117 1 Das Verhältnis von Spiel und Film | 121
Konkurrenz | Kollaboration | Konvergenz 2 Audiovisuelle Rivalitäten | 131
Mediengeschichte | Medientheorie 3 Modi audiovisuellen Erzählens | 139
Erzählen in Raum und Zeit | Vorindustrielle Audiovisionen: Theater | Industrielle Audiovisionen: Kino und Fernsehen | Digitale Audiovisionen: Spiele | Komplementarität | Resümee: Die vier ›K‹s
II GAME DESIGN Einleitung | 151 1 Analoges Design | 155
Die Evolution der industriellen Designpraxis | Die Evolution des industriellen Designdenkens 2 Digitales Design | 161
Die Digitalisierung der Designpraxis | Die Digitalisierung des Designdenkens 3 Kurze Geschichte des Game Designs | 169
Die ersten 40 Jahre | Gegenwart und Zukunft
4 Arbeitsfelder des Game Designs | 173
Die Rolle des Game Designers | Triade, Tetrade und die Funktion der Narration 5 Praktiken des Game Designs | 179
Ablauf der Spieleentwicklung | Prinzip Weltenbau
III GAME STUDIES Einleitung | 189 1 Von den Theorien analoger zu den Theorien digitaler Spiele | 193
Vorindustrielle Theorien des Spiels und des Spielens | Industrielle Theorien des Spiels und des Spielens 2 Die Schismen der Game Studies | 203
Sedimentative Ansätze: Game-Design-Theorien | Exaptative Ansätze 1: Sozialwissenschaftliche Theorien | Exaptative Ansätze 2: Geisteswissenschaftliche Theorien 3 Desiderat: Die Überwindung der Schismen | 213
Sehnsucht nach Synthese | Adaptative Ansätze 4 Forschungsperspektiven 1: Digitale Spiele | 221
Mechanics | Story | Aesthetics | Technology | Transmedia 5 Forschungsperspektiven 2: Serious Games | 229
Mechanics, Story, Aesthetics, Technology, Transmedia | Gamifikation | Opposition zum Industrialismus
EPILOG Akademisierung und ästhetische Produktion | 239
Games-Ausbildung in Deutschland | Struktur einer grundständigen Ausbildung | Konsequenzen der Akademisierung Quellen | 251
Prolog
Spiele(n), Spiele machen, Spiele denken
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erleben wir – als Zeitzeugen wie als Protagonisten – die ästhetische Ausbildung und den kulturellen Aufstieg digitaler Spiele. Wie die früheren audiovisuellen Leitmedien Theater, Film und Fernsehen prägen sie nun als zentrale audiovisuelle Ausdrucks- und Erzählform digitaler Kultur unsere Welt- und Selbstwahrnehmung. Parallel zu diesem Wandel und in direktem Zusammenhang mit digitalen Spielen bilden sich zwei weitere neue Bereiche und Praktiken aus: In der Produktion von Software entwickeln sich neue teils handwerkliche, teils künstlerische Verfahren. Sie werden unter den Begriffen Mediendesign und speziell Game Design gefasst. Wie sich digitale Spiele von Spielfilmen durch Dramaturgien und Darstellungsweisen unterscheiden, die der Tendenz nach nonlinear und iterativ sind, so unterscheiden sich ebenfalls die Design-Praktiken der Spieleproduktion von den linearen Abläufen zumindest der analogen Filmproduktion. Gleichzeitig entsteht eine neue akademische Disziplin, die analytisch-kritische Auseinandersetzung mit digitalen Spielen. In Anlehnung an die englischsprachigen Termini für die Wissenschaften von Medien und Künsten – etwa Literary Studies, Film Studies, Design Studies – sprechen wir von Game Studies. Der vorliegende Band versucht daher eine sowohl historische wie theoretische Einführung in Dreierlei: in die Entstehung und Geschichte des neuen Mediums digitaler Spiele, in die innovativen Verfahren ihrer Produktion sowie in die sich ausbildende Disziplin ihrer wissenschaftlichen Erforschung. Im Zentrum stehen die grundlegenden Fragen: • •
Wie entstanden digitale Spiele und wie stiegen sie zur zentralen audiovisuellen Ausdrucks- und Erzählform digitaler Kultur auf? Wie entwickelten sich die Verfahren der handwerklich-künstlerischen Produktion und wie sieht die gegenwärtige Praxis des Game Designs aus?
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•
Wie formierte sich die wissenschaftliche Analyse der sozialen Wirkung und kulturellen Bedeutung digitaler Spiele, wo stehen die Game Studies heute und in welche Richtungen entwickeln sie sich?
Skizzieren werde ich in drei Hauptkapiteln die mediengeschichtlichen Entwicklungsphasen analoger und digitaler Spiele (I Games), die Geschichte und künstlerischen Praktiken ihrer Herstellung im Kontext analogen und digitalen Designs (II Game Design) sowie die wichtigsten Ansätze und Forschungsfragen ihrer Analyse aus den unterschiedlichen Perspektiven der Game-Design-Theorie, der Sozial- und der Geisteswissenschaften (III Game Studies). Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem wechselseitigen Verhältnis von Game Design und Game Studies in der künstlerisch-wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung. Vorweg sind zwei Begriffe zu klären, die dieser Band bereits in seinem Titel trägt: Games und Game Design. In den Game Studies gibt es einige Diskussionen, welcher Terminus ihren Gegenstand am besten beschreibe – Computerspiel, Videogame, Game, digitales Spiel. Dabei konnotiert Computerspiel im Deutschen primär PC-Spiele und kaum solche, die auf Konsolen oder Smartphones gespielt werden. Videogame konnotiert alle Spiele, die mit bewegten Bildern arbeiten, also auch vordigitale Spiele wie TENNIS FOR TWO (1958) oder analoge Arkadenspiele der sechziger und siebziger Jahre. Entsprechende Überlegungen finden sich z.B. bei Jesper Juul und Tristan Donovan.1 Beide Autoren haben sich aus unterschiedlichen Gründen für den im Englischen eingeführten Begriff Videogame entschieden. Ich werde dagegen, um die Konzentration auf Spiele zu betonen, die auf digitaler Technologie basieren, primär von digitalen Spielen sprechen und parallel dazu den Begriff Game synonym benutzen, da er sich im Deutschen (anders als im Englischen) nur auf digitale Spiele bezieht. Nicht minder ungeklärt ist der Gebrauch des Terminus Game Design. Eine wesentliche Ursache dafür ist der Umstand, dass es zu einer gänzlichen Kodifizierung der arbeitsteiligen Rollen, wie sie in Theater, Film und Fernsehen existieren, in der Herstellung von Games noch nicht gekommen ist. Game Design wird daher doppeldeutig verwendet: als Bezeichnung für den gesamten Produktionsprozess im Sinne von Spieleentwicklung, oft aber auch als Bezeichnung für das spezifische Arbeitsfeld der Spielekonzeption neben anderen Gebieten, etwa der Game Arts oder der Informatik.2 1
Juul, Jesper: Half-Real: Video Games Between Real Rules and Fictional Worlds, Cambridge, Mass.: MIT Press (Kindle Edition) 2005, loc. 26 und Donovan, Tristan: Replay: The History of Video Games, Lewes, East Sussex: Yellow Ant (Kindle Edition) 2010, loc. 74.
2
Für eine Definition dieser Arbeitsfelder s.u. S. 154.
S PIELE ( N ), S PIELE MACHEN , S PIELE DENKEN | 13
Der Titel dieser Einführung verwendet den Begriff deutlich im ersten, dem synekdochischen Sinne: Es geht um digitale Spiele, ihre Produktion und ihre Analyse. Ein zentraler Aspekt dieser Herstellung ist freilich Game Design im engeren zweiten Sinne. Von ihm wird auch wesentlich im Kapitel II Game Design die Rede sein.
S PIELE ( N ) – G AMES In seinem »Manifesto for a Ludic Century« stellt der Game Designer und GameDesign-Theoretiker Eric Zimmerman die These auf, zwischen den fundamentalen Eigenschaften digitaler Technologie und den fundamentalen Eigenschaften analoger wie digitaler Spiele bestehe eine strukturelle Affinität: »Games like Chess, Go, and Parcheesi are much like digital computers, machines for creating and storing numerical states. In this sense, computers didn’t create games; games created computers.«3 Darüber hinaus befördere digitale Vernetzung die Etablierung immer komplexerer Informationssysteme. Für eine solchermaßen von Systemen geprägte digitale Kultur seien Spiele daher das ideale, weil ebenfalls systemische Medium: »[G]ames are dynamic systems […] While every poem or every song is certainly a system, games are dynamic systems in a much more literal sense. From Poker to Pac-Man to Warcraft, games are machines of inputs and outputs that are inhabited, manipulated, and explored.«4
Film und Fernsehen, die Leitmedien des 20. Jahrhunderts, schreibt Zimmerman, entsprachen in der Linearität ihrer passiv zu rezipierenden Audiovisionen den Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen industrieller Arbeit und Kultur. Mit der Digitalisierung sei es jedoch zu einer kategorialen Wandlung gekommen: »In the last few decades, information has taken a playful turn. […] When
3
Zimmerman, Eric: »Manifesto for a Ludic Century«, Kotaku, 9. September 2013, http://kotaku.com/manifesto-the-21st-century-will-be-defined-by-games-1275355204. Deutsche Fassung: Zimmerman, Eric: »Manifest für ein ludisches Jahrhundert«, in: Beil, Benjamin/Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), New Game Plus: Perspektiven der Game Studies. Genres – Künste – Diskurse, Bielefeld: transcript 2015, S. 13-23.
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information is put at play, game-like experiences replace linear media.«5 Games würden daher zum wichtigsten Medium des 21., des ludischen Jahrhunderts: »Increasingly, the ways that people spend their leisure time and consume art, design, and entertainment will be games – or experiences very much like games.«6 Verstehen lässt sich Zimmermans »ludisches Manifest« als konzise Darstellung von Perspektiven und Ansichten, die in der Gegenwartskultur kursieren. Denn in der Tat vollzieht sich vor unseren Augen ein nachhaltiger medialer Umbruch, der insbesondere die audiovisuellen Ausdrucks- und Darstellungsformen betrifft. Deren Wandel resultiert – und wie schon zweimal zuvor in der Neuzeit – aus technologischem Fortschritt: Die Mechanisierung brachte zwischen Renaissance und Aufklärung das Illusionstheater und am Ende die moderne Guckkastenbühne hervor, auf- und ausgerüstet mit den jeweils modernsten technischen Mitteln. Beispielsweise kamen Apparaturen und Verfahren, die im Schiffsbau entwickelt wurden, um schwerere Gegenstände schnell zu bewegen, binnen kurzem im Theater zum Transport von Kulissen wie Schauspielern zum Einsatz. Dank seiner mechanischen Mittel, Raum und Zeit zu manipulieren, wurden das Illusionstheater – die Bretter, die die Welt bedeuteten7 – und seine vorrangige Form, das Drama, zur genuinen audiovisuellen Erzählform der vorindustriellen Epoche. Mit dem nächsten technologischen Schub, dem industriellen, entstanden zwischen Aufklärung und Postmoderne erst die Fotografie, dann das auf ihr technisch basierende Kino und schließlich das Fernsehen. Mittels gespeicherter, montierter und zum Laufen gebrachter Bilder und Töne ließen sich Raum und Zeit wie nie zuvor manipulieren und damit audiovisuell gänzlich andere Geschichten erzählen. Diese kategoriale Leistungssteigerung gegenüber dem Theater – das Potential zu einer sukzessiven Episierung audiovisueller Darstellung – verdankten Kino und Fernsehen fortgeschrittenen industriellen Aufzeichnungs-, Speicherungs-, Bearbeitungs-, Distributions- und Übertragungstechniken. Im Medium linearer Audiovisualität formten sich denn auch mit dem Spielfilm und der Fernsehserie die genuinen und dominierenden Erzählformen industrieller Kultur. Seit dem frühen 20. Jahrhunderts prägten so erst der stumme, dann der tönende Film und schließlich das Fernsehen die audiovisuelle Konstruktion von Realität und deren Wahrnehmung.
5
Ebd.
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7
»Sehn wir doch das Große aller Zeiten / Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, / Sinnvoll still an uns vorübergehn.« Schiller, Friedrich: »An die Freunde«, 1803, http://www.literaturwelt.com/werke/schiller/an-die-freunde.html
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Vor diesem medienhistorischen Hintergrund kann es nicht überraschen, dass sich auch mit dem aktuellen technologischen Schub, der Digitalisierung, unmittelbare mediale und ästhetische Konsequenzen verbinden. Digitale Software erlaubt, Texte wie Töne, stehende wie laufende Bilder zu generieren und aufzuzeichnen, zu speichern und zu bearbeiten, zu distribuieren und interaktiv zu nutzen. Dabei unterscheidet sich Software als Produktionsmittel und Speichermedium durch zwei einzigartige Eigenschaften von allen analogen Medien. Zum einen ist Software transmedial. In ihr unifiziert sich die analoge Vielfalt spezifischer Medien und Werkzeuge – Papier und Schreibmaschine, Zelluloid, Kamera und Schneideraum, Vinyl, Magnetband, Mikrofon und Mischpult etc. – im Universalmedium gespeicherter Bits und der Softwareprogramme, mit denen sie sich bearbeiten lassen. Zum zweiten verfügt das digitale Transmedium über eine ›Flüssigkeit‹, die in Verbindung mit Feedback-Systemen weitgehend den Zeitpfeil aufhebt, der analoge Medialität charakterisiert.8 In dieser Qualität liegt die prinzipielle Interaktivität des Transmediums Software beschlossen. Ästhetisch realisiert wird dieses Potential zu Transmedialität und Fluidität vor allem in digitalen Spielen. Einst gestaltete der Film die Erfahrungen industrieller Kultur und übte zugleich in sie ein – nicht zuletzt in die industrielle Arbeitswelt hierarchischer und linearer Prozesse. Kaum anders drücken sich heute in Games die Erfahrungen digitaler Kultur aus und kaum anders üben sie nun in eine postindustrielle Arbeitswelt ein, die von Wissensarbeit, d.h. vernetzter Manipulation digitaler Symbole geprägt wird. An die Stelle der Maschine als dominierender Metapher industrieller Kultur tritt das Spiel als Metapher digitaler Kultur.9 Die Gesellschaft, meinte Niklas Luhmann, schaffe sich Medien zur Selbstbeobachtung.10 Games sind das jüngste Mittel – Medium – solcher Realitätskonstruktion und damit Weltwahrnehmung und Selbsterkenntnis. Besser als lineare Audiovisionen erlauben sie, wie Noah Wardrop-Fruin schreibt, »to understand our evolving society, in which (often hidden) software models structure much of how we live now.«11 Im interaktiven Spiegel digitaler Spiele erfahren wir uns und suchen zu verstehen, was lebensweltlich im Begriff ist zu entstehen – eine digitale Gesell8
Siehe dazu unten die drei Rahmenbedingungen digitalen Designs S. 164.
9
Vgl. Chaplin, Heather: »Will The 21st Century Be Defined By Games?«, Kotaku, 12. September 2013, http://www.kotaku.com.au/2013/09/will-the-21st-century-be-definedby-games/
10 Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1995, S. 173. 11 Wardrip-Fruin, Noah: Expressive Processing: Digital Fictions, Computer Games, and Software Studies, Cambridge, MA: The MIT Press 2009, S. 19.
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schaft und Kultur, die von den Gesellschaften und der industriellen Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts so verschieden sein dürfte, wie es diese einst von denen der vorindustriellen Epoche waren. Der erste Teil dieser Einführung (I Games) beschreibt, wie digitale Spiele aus ihren audiovisuell wie narrativ beschränkten Anfängen um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts zu dem gleichermaßen narrativen wie hyperrealistischen Medium wurden, das heute mit Film und Fernsehen zu konkurrieren vermag. Den Ausgangspunkt bildet eine Analyse der vielfältigen Versuche, analoge wie digitale Spiele zu definieren (I-1 Was ist ein Spiel? Systematische vs. historische Ansätze). Der Überblick mündet in die Einsicht, dass sich wie alle Medien und Künste auch digitale Spiele nur in ihrer historischen Entwicklung treffend begreifen lassen. Das zweite Kapitel skizziert daher die Geschichte des Spiels im Kontext der neuzeitlichen Entwicklung der Medien und Künste (I-2 Spiele in der Neuzeit: Eine kurze Mediengeschichte). Der weitere Fokus liegt dann auf den drei künstlerisch-technischen Schüben, in denen sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts digitale Spiele entwickelten (I-3 Prozedurale Wende, seit den 1950er Jahren; I-4 Hyperepische Wende, seit den 1970er Jahren; I-5 Hyperrealistische Wende, seit den 1990er Jahren). Am vorläufigen Ende dieser Entwicklung charakterisiert digitale Spiele ihre Andersheit sowohl im Verhältnis zu analogen Spielen wie zu linearen Audiovisionen. Sie suche ich im sechsten Kapitel zu bestimmen (I-6 Die doppelte Alterität digitaler Spiele). Eine weitere Wende, die sich seit einigen Jahren abzeichnet, führt zur Durchsetzung von Natural User Interfaces (NUIs) und ›natürlichen‹ Interaktionsweisen mit virtuellen Welten und Non-Player-Charakteren (NPCs). Dieser Wandel dürfte die kategoriale Andersheit digitaler Spiele noch verstärken (I-7 Ausblick: Hyperimmersive Wende?). In ihrer Entwicklung fiel dem Verhältnis zum Spielfilm seit den 1980er Jahren eine besondere Bedeutung zu. Seitdem stehen beide audiovisuellen Medien in einem engen technischen, ökonomischen und ästhetischen Austausch und zugleich auch in Konkurrenz um Käufer wie Talente. Nicht wenige Künstler und Theoretiker haben gar ein Verschmelzen beider audiovisuellen Medien ins Auge gefasst. Das Intermezzo: Spiel // Film zieht zunächst eine Bilanz (Intermezzo-1 Das Verhältnis von Spiel und Film), um dann im Rückblick auf die früheren audiovisuellen Rivalitäten zwischen Theater und Film sowie Film und Fernsehen zu einer Einschätzung zu kommen, nach welchem der beiden historischen Modelle sich das Verhältnis von Spiel und Film zueinander stabilisieren könnte (Intermezzo-2 Audiovisuelle Rivalitäten). Grundlegend für die ästhetische Beziehung zwischen den audiovisuellen Medien generell und zwischen Spielen und Filmen im besonderen erweist sich dabei ihre höchst unterschiedliche Befähi-
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gung, in der Darstellung narrativer Verläufe Raum und Zeit zu manipulieren (Intermezzo-3 Modi audiovisuellen Erzählens).
S PIELE
MACHEN
– G AME D ESIGN
Wer heute digitale Spiele entwickelt, ist historisch privilegiert: Ihr und ihm bieten sich wie nur wenigen Generationen zuvor die Gelegenheit, in der Frühzeit dieses radikal neuen Mediums entscheidende Weichen zu stellen und wichtige Anfänge aktiv mitzugestalten. Zu diesen Chancen trägt wesentlich bei, dass kein anderes Medium seit der Wende zum 21. Jahrhundert eine vergleichbar rasante Entwicklung durchmachte – sowohl in ökonomischer wie in technisch-ästhetischer Hinsicht. 2013 betrugen die weltweiten Umsatzzahlen digitaler Spiele rund 75 Milliarden Dollar.12 Davon entfielen allein auf die USA knapp 22 Milliarden Dollar.13 In der Bundesrepublik wurden im gleichen Jahr rund 2,66 Milliarden Euro mit digitalen Spielen umgesetzt.14 »Deutschland ist somit größter Einzelmarkt innerhalb Europas und mit einem Anteil von 5,5% am Weltmarkt einer der wichtigsten Märkte überhaupt.«15 Allerdings werden 75% des inländischen Umsatzes von ausländischen Firmen erzielt. Umgekehrt liegt der Anteil deutscher Spiele auf dem Weltmarkt bei drei Prozent.16 Deutschland, als fünfgrößte Wirtschafts-
12 N.N.: »Global Games Market Will Reach $102.9 Billion in 2017«, newzoo: Games Market Research, 15. Mai 2014, http://www.newzoo.com/insights/global-games-marketwill-reach-102-9-billion-2017-2/#H778PRVRTcsr5wy1.99 13 Ebd. 14 N.N.: »Mit 2,66 Milliarden Euro ist Deutschland größter Gamesmarkt in Europa – Newzoo und G.A.M.E Bundesverband legen Marktzahlen für 2013 vor«, 17. März 2014, http://game-bundesverband.de/de/mit-266-milliarden-euro-ist-deutschland-gros ter-gamesmarkt-in-europa-newzoo-und-g-a-m-e-bundesverband-legen-marktzahlen-fur -2013-vor/. Geringere Zahlen finden sich bei N.N.: »Die deutsche Gamesbranche 2013«, 2014, http://www.biu-online.de/de/fakten/marktzahlen-2013/die-deutsche-games branche-2013.html 15 N.N.: »Deutschland größter Gamesmarkt in Europa«. 16 N.N.: »Hintergrund: Computer- und Videospiele in Deutschland: Kreativbranche mit Wachstum- und Innovationspotential«, BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware, 2014, http://www.biu-online.de/de/presse/newsroom/themendossiercomputer-und-videospiele-in-deutschland.html
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nation und in anderen Branchen immer wieder ›Exportweltmeister‹, konsumiert zwar Spiele, produziert und exportiert sie aber bislang kaum. Das weltweit erfolgreichste Spiel war 2013 GRAND THEFT AUTO V. Allein am ersten Verkaufstag spielte es 800 Millionen Dollar ein: »In 24 hours, GTA V took in more money than any movie – TITANIC or AVATAR or THE AVENGERS – has made in its entire run in North American theaters. And given the game’s $270 million budget, it may also have cost more than any movie.«17
AAA-Games – also Spiele, die mit hohem Budget produziert und mit viel Werbung auf den Markt gebracht werden – sind mehr noch als literarische Bestseller und filmische Blockbuster globale Phänomene. Kulturelle Differenzen unter den meistverkauften Spielen lassen sich primär im Bereich der jeweils beliebten Sportarten feststellen. In den USA gehörte zum Beispiel 2013 MADDEN NFL 25 mit 2,7 Millionen verkauften Exemplaren zu den fünf Top-Sellern.18 An die Stelle des Footballsimulators trat in Deutschland der Fußballsimulator FIFA 14 mit rund 870 000 verkauften Exemplaren.19 Gewisse Unterschiede zeigen sich auch in der Beliebtheit von Plattformen und Genres: In den USA machen Spiele, die am Computer gespielt werden, nur einen Bruchteil des Gesamtumsatzes aus – 220 Millionen der 15,4 Milliarden Dollar, die Spielesoftware 2013 insgesamt einspielte.20 In Deutschland dagegen sitzen 76% aller Spieler regelmäßig am PC.21 Gleichermaßen beliebt als Spieleplattform sind derweil aber Smartphones (USA wie Deutschland 44%).22 Auch die demographischen Daten gleichen sich im langjährigen Vergleich zunehmend an. 2013 nutzten 59% aller Amerikaner digitale Spiele, von ihnen 17 Corliss, Richard: »Prisoners Wins the Weekend, But It’s No ›Grand Theft Auto V‹«, Time, 22. September 2013, http://entertainment.time.com/2013/09/22/prisoners-winsthe-weekend-but-its-no-grand-theft-auto-v/ 18 N., N.: »USA Yearly Chart: The Year's Top-Selling Game at Retail Ranked by Unit Sales – 2013«, VGChartz 2014, http://www.vgchartz.com/yearly/2013/USA/. 19 N., N.: »Germany Yearly Chart: The Year’s Top-Selling Game at Retail Ranked by Unit Sales – 2013«, VGChartz 2014, http://www.vgchartz.com/yearly/2013/Germany/ 20 ESA, Entertainment Software Association: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«, April 2014 2014, S. 12 http://www.theesa.com/facts/pdfs/ ESA_EF_2014.pdf. 21 Illek, Christian P.: »Gaming in Deutschland«, Bitkom, 13. August 2013, http://www. bitkom.org/files/documents/BITKOM_Praesentation_Gaming_PK_130813(1).pdf 22 ESA: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«, S. 5; Illek: »Gaming in Deutschland«.
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waren 52% Männer, 48% Frauen.23 29% waren unter 18 Jahre alt, 39% über 36 Jahre. In Deutschland spielte immerhin bereits fast jeder zweite regelmäßig – die Zahlen schwanken zwischen 34,2 Millionen 24 und 39,8 Millionen deutschen Spielern.25 Der Anteil der Frauen liegt bei 44%. Unter 18 Jahren sind 29% der Spieler, über 50 Jahre 20%.26 Das stete Wachstum – mehr Spieler, mehr Spiele, höhere Umsätze –, von dem die kulturelle Durchsetzung digitaler Spiele seit den 1970er Jahren gekennzeichnet ist, geschah im Kontext konstanter Veränderung der Bedingungen von Produktion, Distribution und Nutzung. Das Fundament für den gegenwärtigen Umbruch legte die Durchsetzung stationärer und dann auch mobiler Breitbandvernetzung. Mit ihr virtualisierte sich seit Ende der 1990er Jahre einerseits die Distribution und Nutzung von AAA-Konsolen- und PC-Titeln, andererseits führte sie seit der Mitte der Nullerjahre zum Entstehen gänzlich neuer Distributionsplattformen (u.a. Valves Steam, AppStores von Apple und Android). In den USA stieg der Anteil digitaler Distribution zuletzt zwischen 2010 und 2013 von 29% auf 53%.27 In Deutschland betrug er 2013 zwar erst 19%, die ersten Zahlen, die für 2014 vorliegen, deuten jedoch eine Verdopplung auf 38% an.28 Die Einführung von Smartphones, beginnend 2007 mit Apples iPhone, und von TouchTablets, beginnend 2010 mit Apples iPad, popularisierte zudem die neuen Genres der Mobile und Casual Games. Dieser Umwälzung der Distributionswege für digitale Spiele korrelierten im vergangenen Jahrzehnt ebenso starke Veränderungen im Bereich ihrer Finanzierung. Befördert gleichfalls durch ubiquitäre digitale Vernetzung kamen eine Vielzahl alternativer wirtschaftlicher Ansätze, Handlungsweisen und Finanzie23 ESA: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«, S. 2-3. 24 BIU, Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware: »Spieler in Deutschland«, 2014, http://www.biu-online.de/de/fakten/reichweiten/spieler-in-deutschland.html. BIU unterscheidet dabei noch zwischen 29,3 Millionen Menschen, die regelmäßig digitale Spiele spielen, und 34,2 Millionen, die generell spielen. Insofern weichen die Zahlen noch erheblicher von Newzoos ab; s.u. 25 N., N.: »Infographic: The German Games Market«, Newzoo: Games Market Research, 6. Januar 2014, http://www.newzoo.com/infographics/infographic-german-games-market/ 26 BIU, Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware: »Altersverteilung«, 2014, http://www.biu-online.de/de/fakten/reichweiten/altersverteilung.html. 27 ESA: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«, S. 13. 28 BIU, Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware: »Mehr als jedes dritte Spiel wird als Download gekauft«, 20. Oktober 2014, http://www.biu-online.de/de/presse/ newsroom/newsroom-detail/datum/2014/10/20/mehr-als-jedes-dritte-spiel-wird-als-do wnload-gekauft.html
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rungsmodelle auf. Disruptiv wirkten zum einen Free-to-Play- (F2P) und Freemium-Modelle, basierend auf Micropayments in zunächst gratis angebotenen Spielen, zum anderen die Vorfinanzierung durch so genanntes Crowdfunding, d.h. das Einsammeln einer Vielzahl kleinerer Beträge von zukünftigen Nutzern für technische oder mediale Produkte, die allererst hergestellt werden sollen. Zu den gegenwärtig erfolgreichsten F2P-Online-Spielen zählen LEAGUE OF LEGENDS, das allein 2014 weltweit knapp eine Milliarde Dollar einspielte, sowie CROSSFIRE und DUNGEON FIGHTER ONLINE (beide knapp 900 Millionen Dollar).29 Im Bereich der F2P-Casual Games setzten vor allem drei Spiele Maßstäbe: FARMVILLE (2009), das nach seinem Launch auf Facebook mit zeitweise über 80 Millionen Usern pro Monat30 für zwei Jahre dort das populärste Spiel blieb und, allen kritischen Attacken zum Trotz,31 bis Anfang 2013 für über eine Milliarde Dollar Umsatz sorgte;32 ANGRY BIRDS (seit 2009), das bis Anfang 2014 in der Vielzahl seiner Varianten über zwei Milliarden mal heruntergeladen wurde;33 sowie CANDY CRUSH SAGA (2012), das 2013 täglich von 93 Millionen Menschen über eine Milliarde mal gespielt wurde, wobei rund 4% der Spieler auch In-Game-Käufe tätigten:34 »Free-to-play works because it eliminates any barrier for entry, and allows developers to penetrate markets that otherwise might be unable to play traditional console video games.
29 Campbell, Colin: »How League of Legends is Upending the Video Game Business«, 24. Oktober 2014, http://www.polygon.com/2014/10/24/7061573/how-league-of-leg ends-is-upending-the-video-game-business 30 Cashmore, Pete: »FarmVille Surpasses 80 Million Users«, Mashable, 20. Februar 2010, http://mashable.com/2010/02/20/farmville-80-million-users/ 31 Zur Kontroverse um FARMVILLE und Ian Bogosts Satire-Spiel COW CLICKER (2010) vgl. Tanz, Jason: »The Curse of Cow Clicker: How a Cheeky Satire Became a Videogame Hit«, Wired, 20. Dezember 2011, http://archive.wired.com/magazine/2011/12/ ff_cowclicker/all/ 32 Vgl. Ha, Anthony: »Zynga’s Pincus Says FarmVille Has Passed $1B In Total Player Purchases«, TechCrunch, 5. Februar 2013, http://techcrunch.com/2013/02/05/farm ville-1-billion/ 33 Long, Neil: »Two Billion Downloads? We’re Just Getting Started, Says Angry Birds Creator Rovio«, 23. Januar 2014, http://www.edge-online.com/features/two-billiondownloads-were-just-getting-started-says-angry-birds-creator-rovio/. 34 Grubb, Jeff: »King: 93M Daily Candy Crush Saga Players, 500M installs, and $568M Profit in 2013«, VentureBeat, 18. Februar 2014, http://venturebeat.com/2014/02/18/ candy-crush-saga-publisher-king-by-the-numbers-inforgraphic/
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[…] By having millions upon millions of players, even a small percentage of players paying money regularly can add up big time.«35
Nicht minder einflussreich für die Games-Entwicklung war die Etablierung virtualisierter und globalisierter Subskriptionsmodelle, wie sie ähnlich in der frühen Neuzeit schon am Anfang der Herstellung gedruckter Bücher standen. Auf Plattformen wie Indiegogo (gegründet 2008), Kickstarter (2009) oder in Deutschland Startnext (2010) können Games finanziert werden, die auf den tradierten Kanälen keine Geldgeber finden. Kickstarter allein hat nach eigenen Angaben bis Ende 2014 für 75 000 Projekte knapp 1,5 Milliarden Dollar aus über 220 Ländern eingesammelt, darunter eine Viertelmilliarde Dollar für mehr als 4000 digitale Spiele.36 Zu den erfolgreichsten Spieleprojekten auf Kickstarter gehören bislang TORMENT: TIDES OF NUMENERA, das 2013 knapp 4,2 Millionen Dollar erhielt, PROJECT ETERNITY (späterer Titel: PILLARS OF ETERNITY), das 2012 auf knapp 4 Millionen kam, sowie MIGHT NO. 9, das 2013 3,8 Millionen einzog.37 Dem »space trading and combat simulator« STAR CITIZEN, des Game-DesignVeteranen Chris Roberts (WING COMMANDER, seit 1990) 38 gelang es gar, in der Kombination von üblicher Kickstarter-Kampagne und eigener Dauer-Crowdfunding-Website zwischen 2012 und 2014 über 63 Millionen Dollar zu akkumulieren.39 Wie in den älteren audiovisuellen Medien Theater, Film und Fernsehen basieren nun aber auch die ökonomischen Potentiale digitaler Spiele darauf, dass mediale Produkte von einiger technischer und vor allem künstlerischer Qualität entstehen. Eine zentrale Rahmenbedingung dafür stellte sich erst im vergangenen Jahrzehnt durch die Steigerung der technischen Optionen her: Insbesondere verfügen nunmehr kleine Gruppen und sogar Individuen über Produktionsmittel, 35 Koch, Cameron: »Free-to-Play Games Continue to Dominate the MMO Game Marketplace«, Techtimes, 24. Oktober 2014, http://www.techtimes.com/articles/18666/20 141024/free-to-play-games-continue-to-dominate-the-digital-video-game-marketplace .htm 36 N., N.: »Stats«, Kickstarter, 28. November 2014, https://www.kickstarter.com/help/ stats?ref=footer 37 N., N.: »Most Successful Crowdfunding Campaigns«, CrowdfundingBlog, 29. Oktober 2014, http://www.crowdfundingblog.com/most-successful-crowdfunding-projects/ 38 N., N.: Star Citizen Wiki, November 2014, http://starcitizen.wikia.com/wiki/Star_Citi zen 39 Roberts, Chris: »Letter from the Chairman«, Roberts Space Industries, November 2014, https://robertsspaceindustries.com/comm-link/transmission/14336-Letter-FromThe-Chairman
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wie sie vor zwei Jahrzehnten noch das Privileg großer Firmen und Konzerne und in ihnen wiederum hochspezialisierter Experten waren. Freilich verbindet sich mit diesen neuen technischen Mitteln die Herausforderung, ihnen in der künstlerischen Arbeit auf angemessene und kreative Weise Rechnung zu tragen. Das Game Design beeinflussten im vergangenen Jahrzehnt denn auch viererlei Entwicklungen: • •
• •
eine schwelende Stagnation und ästhetische Krise der hochgradig arbeitsteilig gefertigten AAA-Titel; der Aufstieg einer so genannten Indie-Szene, deren eher ›kleine‹ Spiele jenseits des kommerziellen Mainstreams angesiedelt sind und zum Ausbruch aus tradierten Schemata und zu künstlerisch-experimenteller Erprobung neigen; eine wuchernde Ausdifferenzierung in immer spezifischere Sub-Genres bei einem starken Zuwachs der Zahl produzierter Titel; das Eindringen von Praktiken und Mechanismen der Spieleentwicklung in andere Produktions-und Dienstleistungsbereiche.40
Letzteres beweist die herausragende Stellung, die digitale Spiele im sich herausbildenden digitalen Mediendispositiv einnehmen. Einst beeinflusste der aufstrebende Film die anderen, älteren Künste: Theater und Roman, Malerei und Musik entwickelten ›filmische‹ Qualitäten. Nicht anders prägen heute digitale Spiele – ihre ästhetischen Qualitäten wie die massenhafte Erfahrung ihrer interaktiven Rezeption – Medienproduktion und Medienkonsum, insbesondere im Bereich der audiovisuellen Konkurrenzmedien Film und Fernsehen. Parallel dazu werden auch die Verfahren des Game Designs als neue Produktionsweise für audiovisuelle Medien zu einer zentralen Praktik digitaler Kultur – von der Übernahme des ›Weltenbaus‹41, wie es im Game Design ein übliches Verfahren ist, in die avancierte Filmproduktion oder in die vielfältigen Visualisierungsanstrengungen in Wissenschaft und Wirtschaft bis zur ›gamifizierenden‹ Anwendung von GameDesign-Prinzipien in Marketing oder Wissensvermittlung.42 Als Grundtendenz lässt sich somit eine ›Demokratisierung des Game Designs‹ erkennen: eine stete 40 Vgl. unten zur Gamifikation S. 222. 41 Vgl. z.B. Freyermuth, Gundolf S.: »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit: Zwölf Thesen und zwei Fragen«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), Bildwerte: Visualität in der digitalen Medienkultur, Bielefeld: transcript 2013, S. 287-333, hier S. 293ff. 42 Vgl. z.B. Zichermann, Gabe/Cunningham, Christopher: Gamification by Design: Implementing Game Mechanics in Web and Mobile Apps, Sebastopol, Calif.: O’Reilly Media 2011.
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Verbilligung und Vereinfachung der Finanzierung, der Konzeption und Herstellung, des globalen Vertriebs und der Nutzung digitaler Spiele.43 In dem Kapitel II Game Design analysiere ich zunächst die doppelte Herkunft des Game Designs: einerseits aus Praktiken analogen Designs, insbesondere dessen Prinzipien des Prototyping und der Iteration, die seit Beginn der Industrialisierung im Kontext der Gestaltung von Hardware-Artefakten entstanden (II-1 Analoges Design); andererseits aus Praktiken digitalen Designs, die sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts im Kontext der Herstellung von Software und visueller Gestaltung ausbildeten (II-2 Digitales Design). Auf dieser Basis kam es innerhalb des vergangenen halben Jahrhunderts in der Gestaltung digitaler Spiele zur Entwicklung höchst unterschiedlicher Prozeduren – von den non-kommerziellen Anfängen in der akademischen Hackerkultur der 1960er und 1970er Jahre über die Professionalisierung der Gamesbranche nach dem industriellen, hochgradig arbeitsteiligen Vorbild der Filmproduktion und insbesondere Hollywoods hin zu der jüngsten Ausbildung einer Indie-Szene, die sich in ihren Arbeitsweisen an den eher künstlerischen Indie-Vorbildern von Musik und Film orientiert (II-3 Game Design). Beobachten lässt sich, dass Game Design zu einer zentralen Disziplin kreativer Produktion in der digitalen Kultur wird. Seine Vorbild-Wirkung – World Building, Gamification – verändert das Design von Soft- wie Hardware, von Prozessen wie Erfahrungen.
S PIELE
DENKEN
– G AME S TUDIES
Quer zu der zentralen und immer noch wachsenden Bedeutung von Games wie Game Design in der digitalen Kultur steht noch die Rolle der Game Studies sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung wie im akademischen Gefüge. Erste bahnbrechende Studien, die Games als ein neues Medium und eine neue Ausdrucksform begriffen und interpretierten, erschienen im letzten Jahrzehnt des 20.
43 Auf die Frage nach der spannendsten Entwicklungstendenz im Bereich der Spieleindustrie antworteten z.B. die Spieleentwickler Randy Smith und Josh Holmes mit »the democratization of game development« bzw. »the ›democratization‹ of game development and the rise of the indie developer« (zitiert nach Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 1800 und loc. 5148). Ebenso spricht der Marktanalytiker Christian Schmidt von einer »Demokratisierung der Spieleentwicklung« (zitiert nach: Metzger, Nils: »Können Pixel Kunst sein?«, Neue Zürcher Zeitung, 19. April 2013, http://www. nzz.ch/aktuell/feuilleton/literatur-und-kunst/koennen-pixel-kunst-sein-1.18067546
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Jahrhunderts, also rund vierzig Jahre, nachdem in Forschungslaboren Vorformen digitaler Spiele entstanden waren. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahm dann – parallel zur Einrichtung erster künstlerisch-handwerklicher Ausbildungsgänge für Game Design – die institutionelle Etablierung der Game Studies als wissenschaftliches Fachgebiet ihren Anfang. Vorreiter waren dabei angelsächsische und skandinavische Universitäten. Im deutschen Sprachbereich steht eine solche Etablierung gegenwärtig noch weitgehend aus: »Zwar setzen einzelne Professuren und Juniorprofessuren inzwischen einen deutlichen Schwerpunkt auf Game Studies, wenn sich dies auch (noch?) nicht in den Denominationen widerspiegelt (z.B. an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, der Universität Paderborn und der Universität zu Köln). Darüber hinaus sind kleinere und größere Drittmittelprojekte sowie (virtuelle) Institute zur Computerspielforschung und zum Game Design entstanden (z.B. am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, an der Hochschule für Medien in Stuttgart oder der Zürcher Hochschule der Künste). Schließlich wurde am Cologne Game Lab der Fachhochschule Köln im Kontext eines künstlerischwissenschaftlichen Bachelors ›Digital Games‹ Anfang 2014 eine erste Professur für Game Studies eingerichtet. Von einer grundlegenden Etablierung des Fachs im deutschen Sprachraum aber kann bislang noch nicht die Rede sein.«44
Das Entstehen neuer Disziplinen ist nun per se nichts Außerordentliches. Seit die Wissenschaften im Zuge der Industrialisierung arbeitsteilig wurden, seit sie sich sozusagen taylorisierten, führten konstante Prozesse der Ausdifferenzierung zu Hunderten neuer Arbeitsfelder und Disziplinen. Vergleichsweise selten allerdings konnten Disziplinen begründet werden, die zu ihrem Gegenstand ein kulturelles Leitmedium hatten, ein Medium also, welches das Bewusstsein der Mehrheit der Menschen prägt, beeinflusst, verändert – ihre Sicht auf die Welt, ihr Verständnis vom Leben, ihre Identität. Den Anfang machte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die akademische Analyse und Reflexion von Sprache und Literatur. Vor allem im deutschen Sprachraum sollte Literarisches seit der Aufklärung stiften, was anders sich nicht herstellen wollte: kulturelle Identität und politische Einigung. Folgerichtig zerfiel die Literatur, die während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mehr als jedes andere Medium das Bewusstsein der Zeitgenossen in den fortgeschrittenen Regionen prägte, bei allem kulturellen Austausch deutlich in nationale Einheiten, die Nationalliteraturen. Nicht anders entstanden die Literaturwissenschaften – 44 Beil, Benjamin/Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa: »Vorwort«, in: Beil, Benjamin/ Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), New Game Plus: Perspektiven der Game Studies. Genres – Künste – Diskurse, Bielefeld: transcript 2015, S. 7-24, hier S. 8.
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nicht nur die Germanistik, sie aber in besonderem Maße – als nationale Wissenschaften, operierend im Kontext nationaler Selbstvergewisserungen.45 Im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts – rund 60 Jahre, nachdem der Siegeszug des (Spiel-)Films begonnen hatte – organisierte und institutionalisierte sich dann die akademische Beschäftigung mit dem neuen audiovisuellen Leitmedium, das wie keine andere Kunst die industrielle Mentalität künstlerisch ausdrückte und beförderte.46 Nicht nur die Filmproduktion musste dabei – schon aus ökonomischen Gründen – über nationale Grenzen hinaus denken und handeln.47 Auch die Filmwissenschaft entfaltete sich, der übernationalen Prägung, Distribution und Rezeption ihres Gegenstands entsprechend, überwiegend jenseits allzu enger nationaler Separierungen und Spezialisierungen. Seit bald zwei Jahrzehnten formieren sich nun die Game Studies.48 Als audiovisuelle Darstellungs- und Erzählform werden digitale Spiele nicht mehr national und auch nicht mehr nur international, das heißt innerhalb größerer Kulturräume, sondern global produziert, distribuiert und genutzt. In der digitalen Kultur prägen sie über alle Grenzen hinaus – also transnational – die Welt- und Selbstwahrnehmung. Als jüngste der Disziplinen, die sich mit einzelnen Medien und Künsten beschäftigen, stehen die Game Studies freilich erst an ihren bescheidenen, auch geographisch isolierten Anfängen und haben diese Globalisierung in ihrer inhaltlichen Ausrichtung wie in ihrer institutionellen Organisation erst noch nachzuvollziehen.49 45 Vgl. Lämmert, Eberhard: »Germanistik – eine deutsche Wissenschaft«, in: Lämmert, Eberhard/Killy Walther/Conrady, Karl Otto/Polenz, Peter von (Hg.), Germanistik – eine deutsche Wissenschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag 1967, S. 7-41. 46 Vgl. Benjamin, Walter: »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Erste Fassung«, in: Tiedemann, Rolf/Schweppenhäuser, Hermann (Hg.), Gesammelte Schriften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991, S. 431-469, hier S. 464. 47 Vgl. Hauser, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München: Beck 1967 (*1951), S. 1019. 48 Siehe z.B. Egenfeldt-Nielsen, Simon/Smith, Jonas Heide/Tosca, Susana Pajares: Understanding Video Games: The Essential Introduction, New York: Routledge (Kindle Edition) 2008; Mäyrä, Frans: An Introduction to Game Studies, London: SAGE (Kindle Edition) 2008. 49 Für die deutschsprachige Forschung seien beispielhaft drei jüngere Publikationen genannt: Beil, Benjamin: Game Studies: Eine Einführung, Red guide, Berlin: Lit 2013; GamesCoop: Theorien des Computerspiels zur Einführung, Hamburg: Junius 2012; Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.): Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bild und Bit (Bielefeld: Transcript, 2013).
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Ihren Status quo kennzeichnet allerdings nicht nur das geringe Maß der institutionellen Etablierung, sondern gleichermaßen eine extreme inhaltliche Diversität. Praxisorientierte Game-Design-Theorien, formuliert seit den frühen achtziger Jahren, stehen gegen sozial- oder geisteswissenschaftlich orientierte Ansätze, deren Ursprünge auf die neunziger Jahre datieren: eine bunte Mischung von Theorien älterer Disziplinen, u.a. der Bildungsforschung, Medienpädagogik, Psychologie, Designtheorie, Sport-, Sozial-, Literatur-, Kunst und Medienwissenschaften. Positiv kann diese Vielfalt als scheinbar naturwüchsige Interdisziplinarität wahrgenommen werden, negativ als ein Mangel an theoretischer Kohärenz und damit an einer Disziplinarität, wie sie als gemeinsame Plattform allererst die Voraussetzung für interdisziplinäres Forschen herzustellen hätte. Was etwa Mark Butler vor einigen Jahren konstatierte: »Die bisherigen Arbeiten über Computerspiele leiden größtenteils an zu engen Fachhorizonten«, stimmt weitgehend noch: »Die Computerspiele fallen in die Zuständigkeitsbereiche einer Vielzahl von Disziplinen, die entweder gar nichts mit ihnen zu tun haben wollen oder sie für sich zu vereinnahmen suchen.«50 Butlers institutionelle Perspektive – in welchen Disziplinen sind die Wissenschaftler verortet, die sich mit digitalen Spielen beschäftigen –, korreliert Frans Mäyräs inhaltlich orientierter Blick: dass »scholars [...] bring with them the methodologies typical for their original disciplines«.51 Ebenso stellen Simon Egenfeldt-Nielsen, Jonas Heide Smith und Susana Pajares Tosca fest: »[G]ame researchers are an eclectic bunch with a multidisciplinary background. Humanist scholars with film or literature backgrounds constitute the largest single group, but game research conferences are also attended by social scientists (mostly sociologists) and, very importantly, game designers. [...] Most researchers, at least at present, choose to adopt methods and approaches from their primary fields. Ethnographers tend to observe players. Those trained in film studies tend to analyze the games themselves and communication scholars tend to analyze interactions between players.«52
Daraus ergibt sich einerseits die Notwendigkeit, einen common ground der Game Studies zu definieren: den Gegenstand und die Grenzen der Disziplin, ihre spezifischen Ansätze und Methoden. Andererseits stellt sich aber auch die Frage, inwieweit in einer Zeit transmedialer Medientechnologie und auch transmedialer Medienproduktion reine Einzelwissenschaften von den Medien – insbesondere 50 Butler, Mark: Would you like to play a game? Die Kultur des Computerspielens, Berlin: Kulturverlag Kadmos 2007, S. 8. 51 Mäyrä: Game Studies, loc. 2333. 52 Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 351 und loc. 360.
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von den audiovisuellen Medien Film, Fernsehen, Webvideo, Games – die transmediale Entwicklung und Einbettung ihrer jeweiligen Medien noch angemessen begreifen können oder ob es dafür nicht auch, parallel zu den Einzelwissenschaften, einer allgemeinen und vergleichenden Medienwissenschaft bedarf. Teil III Game Studies stellt die Entwicklung und die zentralen Positionen der verschiedenen Ansätze in der theoretischen und – mehr oder weniger – akademischen Beschäftigung mit digitalen Spielen dar. Den Ausgangspunkt bilden philosophische und einzelwissenschaftliche Untersuchungen zu analogen Spielen, von Gottfried Wilhelm Leibniz über Johan Huizinga bis zu Marshall McLuhan (III-1 Von den Theorien analoger zu den Theorien digitaler Spiele). Dieser Vorgeschichte der Game Studies schließt sich eine Skizze der drei großen Forschungsrichtungen an: Game-Design-Theorie, sozial- und geisteswissenschaftliche Ansätze (III-2 Die Schismen der Game Studies). Die Beobachtung und Beschreibung von deren Mit- und häufiger noch Nebeneinander führt zu der Einsicht in die Notwendigkeit, die existierenden Schismen der Game Studies in eine Auseinandersetzung zu überführen, die nicht länger mit importierten Ansätzen operiert, sondern in der direkten Analyse digitaler Spiele eigene Methoden und Erkenntnis entwickelt (III-3 Desiderat: Die Überwindung der Schismen). Ausblickend werden Forschungsperspektiven entworfen, die einer solchen Entwicklung der Game Studies dienlich sein könnten (III-4 Forschungsperspektiven 1: Digitale Spiele; III-5 Forschungsperspektiven 2: Serious Games). Wesentlich für eine solche erfolgreiche Adaptation der Game Studies an ihren Gegenstand wäre nicht zuletzt die Anstrengung, jene Kluft gar nicht erst entstehen zu lassen, die in den älteren Medien die künstlerische Praxis von der wissenschaftlichen Analyse trennt. Der Epilog reflektiert daher, wie Game Design und Game Studies in der künstlerisch-wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung in jedem Sinne zu vermitteln sind (Epilog: Ästhetische Produktion und Akademisierung).
D ANKSAGUNGEN Diese Einführung hat viele Ko-Autoren. Ich möchte sie in der Reihenfolge ihres Erscheinens erwähnen. Vor allen anderen habe ich meinen Söhnen Leon und George Freyermuth dafür zu danken, dass sie mich nach einer längeren Pause in den neunziger Jahren wieder zum Spielen brachten – wenn ich ihnen natürlich auch an Konsolen nie ein ebenbürtiger Gegner sein konnte. Und ich danke meinem Direktoren-Kollegen Björn Bartholdy dafür, dass er vor bald einem Jahrzehnt den ersten Anstoß gab, das Cologne Game Lab zu gründen und eine eigen-
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ständige Games-Ausbildung zu entwickeln – wenn es auch ein langer, mühsamer Weg werden sollte, der sich zwischendurch vor unseren Augen mehr als einmal in eine Sackgasse zu verwandeln schien. Zu den Unterstützern, ohne die wir nie am Ziel angelangt wären und ohne die daher auch dieses Buch nie geschrieben worden wäre, zählten bereits um 2010 in der Gründungsphase Rainer Weiland und Joachim Metzner. Mehr Helfer, als ich hier zu nennen vermag, kamen später hinzu. Anregungen, Informationen und immer wieder Inspiration habe ich seit über einem Jahrzehnt von den Studierenden der ifs internationale filmschule köln erhalten, seit 2010 auch von den Studierenden des Cologne Game Labs. Zu danken habe ich für so manche Diskussion vor allem Marcus Bösch, Achim Fell, Linda Kruse, Katharina Tillmanns sowie meinen ehemaligen Mitarbeitern Tobias Kopka und Fabian Wallenfels. Tiefgehend beeinflusst wurde mein Nachdenken über digitale Audiovisualität und digitale Spiele durch den Austausch mit meiner ifs-Kollegin Lisa Gotto, mit der ich die Schriftenreihe Bild und Bit zur digitalen Medienkultur herausgebe, sowie durch Vorträge und Begegnungen mit vielen der Gastdozenten, die wir an das Cologne Game Lab einladen konnten, insbesondere Espen Aarseth, Georg Backer, Csongor Baranyai, Benjamin Beil, Chris Crawford, Tracy Fullerton, Martin Ganteföhr, Stephan Günzel, Thomas Hensel, Jörg Müller-Lietzkow, Jan-Noël Thon und Eric Zimmerman. Wichtige Gedanken und auch Formulierungen dieses Textes sind bereits – auf Deutsch und Englisch – in Sammelbänden erschienen. Auch deren Herausgebern habe ich für mancherlei Hilfestellung zu danken.53 53 »Spiel // Film. Prolegomena zu einer Theorie digitaler Audiovisualität«, in: Kaminski, Winfred/Lorber, Martin (Hg.), Clash of Realities 2010: Computerspiele: Medien und mehr…, München: kopaed 2010, S. 27-46; »Movies and Games: Audiovisual Storytelling in the Digital Age«, in: Enyedi, Ildiko (Hg.), New Skills for New Jobs / New Skills for Old Jobs: Film and Media Schools in the Digital Revolution, Budapest: University of Theatre and Film Art 2012, S. 21-39; »Ursprünge der Indie-Praxis. Zur Prähistorie unabhängigen Game Designs«, in: Kaminski, Winfred/Lorber, Martin (Hg.), Gamebased Learning. Clash of Realities 2012, München: kopaed Verlag 2012, S. 313-326; »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit«; »Angewandte Medienwissenschaften. Integration künstlerischer und wissenschaftlicher Perspektiven in Lehre und Forschung«, in: Ottersbach, Beatrice/Schadt, Thomas (Hg.), Filmlehren. Ein undogmatischer Leitfaden für Studierende, Berlin: Bertz + Fischer 2013, S. 263-278; »Serious Game(s) Studies. Schismen und Desiderate«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.), Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bielefeld: Transcript 2013, S. 421-464; »Vom Drama zum Game. Elemente einer historischen Theorie audiovisu-
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Entscheidend geholfen, das vermeintlich fertige Manuskript zu korrigieren und zu verbessern, haben mit vielfachen Vorschlägen und Korrekturen meine Game-Lab-Kollegen Björn Bartholdy, André Czauderna, Katharina Tillmanns und Carmen Schneidereit sowie mein Bruder Ortwin Freyermuth – was natürlich nichts daran ändert, dass alle noch bestehenden Mängel einzig und allein in meiner Verantwortung liegen. Carmen Schneidereit besorgte auch das Layout, die Fachhochschule Köln förderte freundlicherweise die Veröffentlichung mit einem Druckkostenzuschuss. Last but not least hat Elke Freyermuth, die den langwierigen Entstehungsprozess mit viel Geduld begleitete, mich nun, da dieses Manuskript abgeschlossen ist, ermuntert, keine Zeit verstreichen zu lassen und gleich das nächste zu beginnen. Ihnen und Euch allen: Danke! Gewidmet ist dieses Buch meinem akademischen Lehrer Eberhard Lämmert. Ihm verdanke ich mehr, als sich in Worte fassen lässt.
ellen Erzählens«, in: Kaminski, Winfred/Lorber, Martin (Hg.), Clash of Realities 2014: Computerspiele: Spielwelt-Weltspiel: Narration, Interaktion und Kooperation im Computerspiel München: kopaed 2014, S. 29-37; »Der Weg in die Alterität. Skizze einer historischen Theorie digitaler Spiele«, in: Beil, Benjamin/Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), New Game Plus: Perspektiven der Game Studies. Genres – Künste – Diskurse, Bielefeld: transcript 2015, S. 303-355; »Game Design und Game Studies«, in: Klaus Sachs-Hombach/Jan-Noël Thon (Hg.), Game Studies. Aktuelle Ansätze der Computerspielforschung, Köln: Herbert von Halem [im Erscheinen 2015]; »From Analog to Digital Image Space: Towards a Historical Theory of Immersion«, in: Burcu Dogramaci/Fabienne Liptay (Hg.), Immersion in the Arts and Media, Amsterdam: Rodopi [im Erscheinen 2015].
I Games
Einleitung
Den Games Studies will es nicht gelingen, ihren zentralen Gegenstand zulänglich zu definieren. Dieses Problem teilen sie allerdings mit einigen akademischen Forschungsfeldern und Disziplinen. Beides ist oft bemerkt worden, etwa in Understanding Games, einer der ersten Einführungen in die Game Studies: Wie die Soziologie sich nicht wirklich auf einen Begriff von Gesellschaft und die Medienwissenschaft sich nicht wirklich auf einen Begriff von Medium einigen könne, so seien auch die Game Studies weitgehend unfähig, einen Begriff von dem zu gewinnen, was ein Spiel sei.1 An Versuchen, zu solchen Definitionen zu kommen, mangelt es freilich nicht. Im Gegenteil, ihre Zahl ist schier unüberschaubar und scheint getrieben von vor allem dreierlei Interessen: medienpraktischen, medientheoretischen sowie kultur- und wissenschaftspolitischen. Game Designer und Game-Design-Theoretiker Jesse Schell zum Beispiel hat die ambivalente Haltung der Medienpraktiker gegenüber der unvermeidlich auch theoretischen Anstrengung einer exakten Beschreibung wie folgt formuliert: Einerseits seien diejenigen, die am lautstärksten den Mangel an »standardized definitions« beklagen, »farthest removed from the actual design and development of games« und »mostly academics«.2 Andererseits leide auch die Arbeit vieler Praktiker unter einem Mangel an Einsicht in das eigene Tun und seine Bedingungen: »[G]ame designers follow their gut instincts and feelings about what makes a good or a bad game, and sometimes have difficulty articulating what exactly it is about a certain design that is good or bad.«3 Erst die Anstren-
1
Vgl. Ebd., loc. 281.
2
Schell, Jesse: The Art of Game Design: A Book of Lenses, Amsterdam und Boston:
3
Ebd., loc. 866.
Elsevier/Morgan Kaufmann (Kindle Edition) 2008, loc. 849.
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gung, eindeutig zu definieren, was Spiele ausmache, zwinge die Praktiker »to think about them clearly, concisely, and analytically«.4 Diese Game-Design-Perspektive ist jener medientheoretischen nicht fern, die auch im Kontext der Game Studies »both the necessary and sufficient features of games and play« systematisch erfassen und beschreiben möchte, wie Frans Mäyrä bemerkt: »Such careful formulations are particularly instrumental to any formalist study of games.«5 Auch diese Bemühungen sind jedoch nicht immer frei von praktischen, in diesem Falle wissenschafts- und kulturpolitischen Interessen. Denn je nachdem, wie die Definitionen angelegt sind – indem Spiele etwa als ästhetische Artefakte oder soziale Phänomene beschrieben werden –, verbinden sie sich mit unterschiedlichen existierenden Disziplinen oder kulturellen Praktiken: »Defining anything is a highly political project. Define games as narrative and the research grants are likely to end up with departments devoted to film or literature studies. Define games as a subcultural teenage phenomenon and studies of games are less likely to be funded by ministries of culture, to reach the pages of the ›serious‹ press, or to be available in public or research libraries.«6
Ü BERSICHT Dieser erste Teil der Einführung entwirft eine theoretisch strukturierte Geschichte digitaler Spiele und zugleich auch eine historisch orientierte Theorie, die ihr Verhältnis einerseits zu analogen Spielen und andererseits zu den linearen Audiovisionen von Film und Fernsehen zu bestimmen sucht. Im ersten Kapitel mündet ein Überblick über die bisherigen Versuche, systematisch zu definieren, was Spiele seien, in die Einsicht, dass eine solche Definition nur im Kontext einer Geschichte digitaler Spiele gelingen kann (1 Was ist ein Spiel? Systematische vs. historische Ansätze). Die medialen Charakteristika und Qualitäten analoger wie digitaler Spiele werden im zweiten Kapitel im Rahmen einer kurzen Mediengeschichte des Spiels in der Neuzeit demonstriert und differenziert (2 Spiele in der Neuzeit. Eine kurze Mediengeschichte).
4
Ebd., loc. 879. Vgl. auch Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1103.
5
Mäyrä: Game Studies, loc. 543.
6
Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 738.
E INLEITUNG | 35
Die Kapitel drei bis fünf verfolgen dann die Entwicklung digitaler Spiele seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bis in die Gegenwart und erkennen dabei drei fundamentale Entwicklungsschübe, die in ihrer Summe erst konstituierten, was digitale Spiele heute sind (3 Prozedurale Wende, 4 Hyperepische Wende, 5 Hyperrealistische Wende). Das sechste Kapitel summiert diese historischen Ergebnisse in einer theoretischen Bestimmung der spezifischen Andersheit digitaler Spiele (6 Die doppelte Alterität digitaler Spiele). Das siebte Kapitel wagt einen Blick auf Tendenzen, die sich in der weiteren Entwicklung digitaler Spiele abzeichnen (7 Ausblick: Hyperimmersive Wende?).
1 Was ist ein Spiel? Systematische vs. historische Ansätze
Parallel zum kulturellen Aufstieg digitaler Spiele entstand eine kaum überschaubare Vielzahl konkurrierender und sich auch widersprechender Bestimmungen, wie Spiele – als Gegenstand des Game Designs wie der Game Studies – zu definieren seien.
V ERSUCHE
SYSTEMATISCHER
D EFINITION
Beispielhaft seien hier lediglich drei der wichtigeren Beispiele aus dem Bereich des Game Designs genannt: •
•
•
»A game is a form of art in which participants, termed players, make decisions in order to manage resources through game tokens in the pursuit of a goal.« (Greg Costikyan)1 »A game is: a closed, formal system, that engages players in structured conflict, and resolves in an unequal outcome.« (Tracy Fullerton, Chris Swain, Steven Hoffman)2 »All games share four defining traits: a goal, rules, a feedback system, and voluntary participation [...] Everything else is an effort to reinforce and enhance these four core elements.« (Jane McGonigal)3
1
Zitiert nach Salen, Katie/Zimmerman, Eric: The Game Design Reader: A Rules of
2
Fullerton, Tracy/Swain, Christopher/Hoffman, Steven/Books24x7 Inc.: Game Design
Play Anthology, Cambridge, Mass.: MIT Press 2006, S. 78. Workshop: Designing, Prototyping and Playtesting Games, San Francisco, Calif.: CMP 2004, S. 46. (In der Rechtschreibung angepasst, da im Original Bullet Points.)
38 | I G AMES
Die stete Akkumulation von Definitionen wiederum führte im vergangenen Jahrzehnt mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu Versuchen der Synthese und damit zu Meta-Definitionen. Katie Salen und Eric Zimmerman etwa analysierten in ihrem Game-Design-Standardwerk Rules of Play eine Reihe existierender Versuche, Spielen (Play) und Spiel (Game) zu definieren, u.a. von Johan Huizinga4, Roger Caillois5 und Brian Sutton-Smith6. Dabei isolierten sie übereinstimmende Elemente, u.a. Regelbestimmtheit, Zielorientierheit, Freiwilligkeit, Kunstcharakter, um aus ihnen eigene Definitionen zu destillieren. Zum einen: »Play is free movement within a more rigid structure.«7 Und zum anderen: »A game is a system in which players engage in an artificial conflict, defined by rules, that results in a quantifiable outcome.«8 Vergleichbar ging zwei Jahre später Jesper Juul vor, indem er in Half-Real: Video Games between Real Rules and Fictional Worlds (2005) aus sieben Definitionen sein »classic game model«9 destillierte: »A game is a rule-based system with a variable and quantifiable outcome, where different outcomes are assigned different values, the player exerts effort in order to influence the outcome, the player feels emotionally attached to the outcome, and the consequences of the activity are negotiable.«10
Dieses Modell habe, meint Juul, für »at least a 5,000-year history of games«11 deren mediale Grundlage gestellt: »It corresponds to the celluloid of movies; it is like the canvas of painting or the words of the novel.«12 Erst im letzten Drittel 3
McGonigal, Jane: Reality Is Broken: Why Games Make Us Better and How They Can
4
Huizinga, Johan: Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Reinbek: Ro-
Change the World, New York: Penguin Press (Kindle Edition) 2011, loc. 375-389. wohlt Taschenbuch Verlag 2013 (*1938). 5
Caillois, Roger: Die Spiele und die Menschen: Maske und Rausch, Frankfurt a.M.:
6
Avedon, Elliott M./Sutton-Smith, Brian: The Study of Games, New York,: J. Wiley
Ullstein 1982 (*1958). 1971; Sutton-Smith, Brian: The Ambiguity of Play, Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1997. 7
Salen, Katie/Zimmerman, Eric: Rules of Play: Game Design Fundamentals, Cam-
8
Ebd., loc. 1281.
9
Juul: Half-Real, loc. 293.
bridge, Mass.: MIT Press (Kindle Edition) 2003, loc. 934.
10 Ebd., loc. 400. 11 Ebd., loc. 293. 12 Ebd., loc. 98.
1 W AS IST EIN S PIEL ? | 39
des 20. Jahrhunderts sei es durch das neue Genre analoger Rollenspiele und deren Institution des Game Masters sowie einen Teil digitaler Spiele in Frage gestellt worden.13 Ähnlich sichtete auch Jesse Schell in The Art of Game Design (2008) diverse Definitionen und abstrahierte zehn Qualitäten, die Spielen zugeschrieben werden: »Q1. Games are entered willfully. Q2. Games have goals. Q3. Games have conflict. Q4. Games have rules. Q5. Games can be won and lost. Q6. Games are interactive. Q7. Games have challenge. Q8. Games can create their own internal value. Q9. Games engage players. Q10. Games are closed, formal systems.«
Aus ihnen gewann er eine eigene Definition: »A game is a problem-solving activity, approached with a playful attitude.«14
S CHEITERN
SYSTEMATISCHER
D EFINITION
Gemeinsam ist diesen durchaus divergierenden Anstrengungen, einen systematischen Begriff des Gegenstands von Game-Design-Theorie und Game Studies zu gewinnen, dass sie gleichermaßen vor der Realität digitaler Spiele und dem Stand ästhetischer Theorie versagen. Frans Mäyrä wie Egenfeldt-Nielsen et al. haben darauf hingewiesen, in welch hohem Maße das Gros der kursierenden Definitionen neuere Spielformen wie Simulationen, MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games) oder Open-World- und Sandbox-
13 Ebd., loc. 311 sowie loc. 578. 14 Schell: The Art of Game Design, loc. 1149. – Zum wissenschaftlichen Projekt wurden derartige Bemühungen um Synthese im Kontext der so genannten »Game Ontology«. Vgl. Zagal, José P./Bruckman, Amy: »The Game Ontology Project: Supporting Learning While Contributing Authentically to Game Studies«, CLS ‘08 Proceedings of the 8th International Conference for the Learning Sciences 2014, 499-506 http:// www.fi.uu.nl/en/icls2008/283/paper283.pdf
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Games im Interesse definitorischer Kohärenz missachten muss. 15 Theoriegeschichtlich zeigen sich zudem die meisten ontologisch orientierten Anstrengungen in ihrer utilitaristischen Suche deutlich der Normativität vormodernen Poetiken verpflichtet. Aus der Perspektive ästhetischer Theorie erweisen sie sich damit gleichermaßen als rückständig und vergeblich. Denn insofern analoge wie digitale Spiele ästhetische Konstruktionen sind, deren Inhalte sozialem und deren Formen kulturellem Wandel unterliegen, scheinen alle Anstrengungen zu einer ahistorischen und systematisch-normativer Definition von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Avancierte künstlerische Produktion in der Moderne stellt sich, nachdem sie die Fesseln von Religion und Tradition abgeworfen hat, den gewandelten Lebensweisen, Themen und Widersprüchen ihrer Zeit immer wieder neu. Sie kennt daher kaum mustergültige Regeln, die sich zeitlos ermitteln ließen. Wie Werke der Literatur oder der Bildenden Kunst, wie Bühnenspiele oder Spielfilme sind daher auch Spiele einzig unter historischer Perspektive auf ihren theoretischen Begriff zu bringen.16 Eine solche historische Analyse hat gegenwärtig vor allem anderen auf den Nachvollzug der kategorialen Differenz analoger und digitaler Medien zu konzentrieren. Aus ihm ergibt sich die Notwendigkeit, begrifflich auch zwischen analogen und digitalen Spielen zu unterscheiden. Eine solche Differenzierung aber ziehen die meisten Versuche systematischer Definition kaum in Betracht.17 Jesper Juul erkennt zwar eine historische Entwicklung – dass seit den 1970er Jahren Spiele aufkommen, die sich unter seinem »classic game model« nicht mehr fassen lassen.18 In der Analyse trennt er jedoch bewusst nicht zwischen analogen und digitalen Spielen. Vielmehr versteht er letztere schlicht als »continuations of a history of games that predate these [video games] by millennia«.19 Noch direkter treffen Salen und Zimmermann diese Nicht-Unterscheidung:
15 Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1095; Mäyrä: Game Studies, loc. 580. 16 Die Notwendigkeit der historischen Analyse gegenüber ahistorisch-systematischen Definitionsversuchen betont auch Mäyrä: Game Studies, loc. 550. 17 Vgl. z.B. Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 465 oder loc. 535 sowie Jesse Schell, »The Two Great Myths of Interactive Storytelling«, in ebd., loc. 3165. 18 Vgl. z.B. Juul: Half-Real, loc. 103.«[T]he history of video games is partly about breaking with the classic game model«. 19 Ebd., loc. 63. Explizit sieht Juul digitale Spiele auch nicht in der Tradition von »cinema, print literature, or new media«. (Ebd.)
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»The definition of ›game‹ that we proposed in the previous chapter makes no distinction between digital and non-digital games – the qualities that define a game in one media also define it in another.«
20
H ISTORISCHE D EFINITION : D IE A LTERITÄT DIGITALER S PIELE Dagegen behaupte ich eine doppelte Alterität digitaler Spiele. Diese Andersheit zielt auf mehr als die offensichtlichen technischen wie ästhetischen Unterschiede zwischen, sagen wir, einem Brettspiel wie MENSCH ÄRGERE DICH NICHT und einem First-Person Shooter wie TITANFALL (2014). Denn dass schon sie den Versuch einer gemeinsamen Definition fragwürdig erscheinen lassen, wäre kaum eine neue Ansicht. Frans Mäyrä spricht z.B. von den »specific forms into which digital games and their playing have evolved during the last decades«21: »As games have moved from streets and living room tables into various computer systems, the associated activity has also altered its character, or, at least, gained different dimensions.« 22 Seine Argumentation für die »specificity of digital games« richtet sich dabei insbesondere auf das Moment der Abhängigkeit digitaler Spiele von audiovisueller Technologie: »The absolute majority of digital games is based on screens of various kinds.«23 Anderen hingegen erscheint eine solche Perspektive eher vordergründigen Ähnlichkeiten verhaftet, da analoge und digitale Inhalte, auch wenn sie auf denselben Monitoren erscheinen, dennoch von gänzlich unterschiedlicher Medialität sind. Dieter Mersch schreibt beispielsweise: »Vorderhand haben wir es zwar scheinbar mit audiovisuellen Phänomenen zu tun, die jedoch von Film oder Video dadurch scharf abzugrenzen sind, dass sie sich von diesen nicht nur technisch und vor allem mathematisch unterscheiden, sondern eigentlich ‚in Allem‹«.24 Merschs »Medientheorie des digitalen Spiels« definiert als deren Spezifität vielmehr ihre Abhängigkeit von der Entscheidungslogik: »Sie determiniert das Fundament der Spiele und stellt den mathematischen Rahmen ihrer Pro-
20 Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 1358. 21 Mäyrä: Game Studies, loc. 715. 22 Ebd., loc. 691. 23 Ebd., loc. 812. 24 Mersch, Dieter: »Logik und Medialität des Computerspiels. Eine medientheoretische Analyse«, in: Distelmeyer, Jan/Hanke, Christine/Mersch, Dieter (Hg.), Game over!?: Perspektiven des Computerspiels, Bielefeld: transcript 2008, S. 19-41, hier S. 20.
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gramme«25 – und indiziert damit eine Differenz vor allem zu den älteren audiovisuellen Medien.26 Der Begriff der Alterität aber zielt auf mehr als beziehungslose, d.h. arbiträre Differenzen, wie peripher oder auch grundsätzlich sie sein mögen. Das lateinische ›alter‹ bezeichnet – etwa in der Wendung Alter Ego oder in Worten wie Alternative und alternierend – ein bestimmtes Anderes: ein Anderes, das in einem besonderen und beschreibbaren Verhältnis zu einem Ersten, also einem bezogenen Anderen steht. Insofern ›alter‹ eine binäre Relation impliziert, konzentrierte sich philosophiegeschichtlich die Auseinandersetzung mit dem Begriff Alterität zum einen auf das Verhältnis des Individuums oder Subjekts zu jeweils einem anderen Individuum oder Subjekt, zum zweiten auf das Verhältnis der Rassen (wesentlich im Kontext des modernen Verhältnisses von Juden und Nicht-Juden sowie des postkolonialen Verhältnisses von Weißen und NichtWeißen) und zum dritten auf das Verhältnis der Geschlechter. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte so ein wesentlicher Strang des AlteritätsDenkens von Emmanuel Levinas Überlegungen zur radikalen Alterität des Todes, der immer als das Sterben des Anderen erfahren wird 27, zu den Reflexionen seines Freundes Jacques Derrida über Erinnerung und Trauer als Zerstörung der Alterität des Anderen durch dessen Verinnerlichung.28 An sie knüpften Gedankengänge zur postmodernen Verfasstheit der Medien an, insbesondere Jean Baudrillards Befürchtungen, mediale und vor allem vernetzte audiovisuelle Kommu25 Ebd., S. 35. 26 Im Hinblick auf analoge Spiele räumt Mersch ein: »Zwar können auch klassische Spielformen auf entscheidungslogische Operatoren zurückgeführt und damit mathematisiert werden, wie Schachcomputer beweisen, dennoch ist die Logik der Entscheidung für viele Spielsituationen – erinnert sei an Kinderspiele, Wettkämpfe, rituelle Spielformen, Sport usw. – nicht konstitutiv.« (Ebd., S. 37.) Offen bleibt dabei freilich, welches Verhältnis sich aus diesen Überlegungen zwischen digitalen und analogen Spielen beziehungsweise den beiden ›Sorten‹ analoger Spiele ergeben soll: jenen, die wie digitale Spiele »entscheidungslogischen Operatoren« unterliegen, und jenen, die von ihnen unberührt bleiben. 27 Vgl. Bergo, Bettina: »Emmanuel Levinas«, Stanford Encyclopedia of Philosophy, 3. August 2011, http://plato.stanford.edu/entries/levinas/.Vgl. auch Lévinas, Emmanuel: »The Philosopher and Death«, in: Ders., Alterity and Transcendence, New York: Columbia University Press 1999, S. 153-168. 28 Vgl. Reynolds, Jack: »Jacques Derrida (1930-2004)«, Internet Encyclopedia of Philosophy – A Peer-Reviewed Academic Source O. J., http://www.iep.utm.edu/derrida/; Derrida, Jacques: Mémoires: for Paul de Man, New York: Columbia University Press 1986.
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nikation – vom Fernsehen bis zum World Wide Web – zerstöre die Erfahrung der Andersheit von Subjekten wie Kulturen.29 Diese Schriften wiederum beeinflussten die moderne Gendertheorie. Judith Butler etwa versteht Alterität als notwendige Bezogenheit auf eine »constitutive outside«30, ein »konstitutives Außen«, an dem sich das jeweilige Innen orientiere und dadurch erst seine eigene Identität gewinne. Indem ich den Begriff der Alterität übernehme, um die Struktur dessen, was er birgt, für die historische Theorie der Medien fruchtbar zu machen, besagt die erste Hälfte meiner These, dass digitale Spiele weder dasselbe noch etwas ganz anderes seien als analoge Spiele, sondern dass sie deren spezifisches Anderes sind – dass sie sich als Medium also über ihre unabdingbare intermediale Relation zu dem Medium analoger Spiele formen und über diese Erfahrungen von Alterität im Laufe der Jahrzehnte erst zu sich selbst finden. Die zweite Hälfte der These behauptet dann dasselbe Verhältnis – die dichotomische Bezogenheit der Erfahrung von Alterität und Identität – zwischen digitalen Spielen und den linearen Audiovisionen von Bühne, Film und Fernsehen: dass digitale Spiele weder dasselbe noch etwas ganz anderes seien als lineare Audiovisionen, sondern dass sie deren spezifisches Anderes sind.
29 Vgl. Baudrillard, Jean/Lotringer, Sylváere: The Ecstasy of Communication, Brooklyn N.Y.: Autonomedia 1988. Als das »radikal Andere« bleiben für Baudrillard am Ende nur die Objekte und vor allem Maschinen: »the inhuman alterity of an intelligent device [...] artificial alterity« (Baudrillard, Jean/Guillaume, Marc: Radical Alterity, Los Angeles, CA; Cambridge, Mass.; London: Semiotext(e); Distributed by the MIT Press 2008, S. 110. 30 Butler, Judith: Bodies that Matter: On the Discursive Limits of ›Sex‹, Abingdon, Oxon / New York, NY: Routledge 2011 (*1993). »The exclusionary matrix by which subjects are formed thus requires the simultaneous production of a domain of abject beings, those who are not yet ›subjects,‹ but who form the constitutive outside to the domain of the subject.« Ebd., S. xiii.
2 Spiele in der Neuzeit. Eine kurze Mediengeschichte
Spiele sind Medien, das scheint unbestritten. Dennoch wird es selten unternommen, analoge oder digitale Spiele im Kontext der Geschichte und Theorie der Medien zu situieren. Gerade die deutsche Sprache verrät dabei deutlich die gemeinsame Herkunft und fortdauernde ästhetische Nähe des Spiels zu den wichtigsten anderen Varianten audiovisueller Darstellung, die in der Neuzeit aufkamen: Vom Bühnenspiel mit seinen Untergattungen Lustspiel, Trauerspiel, Singspiel oder Festspiel führt eine klare Linie zum Lichtspiel, das um 1900 mit den beiden Varianten Spiel- und Dokumentarfilm entstand, und von dort weiter über das Fernsehspiel zum Video- und Computerspiel.
S PIELE Moritz Lazarus bemerkte bereits 1883, »dass die sprachgeschichtliche Herkunft des deutschen Wortes ›Spiel‹ auf eine leichte, ziellos schwebende, in sich zurücklaufende Bewegung verweise [...,] also auf eine Bewegung, die nicht in einem Aktionstunnel gefangen, die nicht auf einen Zweck hin fortschreitend gerichtet ist, sondern die sich auf Hin und Her, ein Vor und Zurück zwischen polaren Positionen bezieht.«1 Eine bis heute im Deutschen verbreitete Bedeutung von ›Spiel‹, die solch zielloses Hin und Her zum Kern hat, richtet sich auf eine meist unbeabsichtigte Bewegungsfreiheit innerhalb ineinandergreifender Maschinen1
Lazarus, Moritz, »Das Leben der Seele in Monographien über seine Erscheinungen und Gesetze«, (1883). Zitiert nach Krämer, Sybille: »Ist Schillers Spielkonzept unzeitgemäß? Zum Zusammenhang von Spiel und Differenz in den Briefen ›Über die ästhetische Erziehung des Menschen‹«, in: Bürger, Jan (Hg.), Friedrich Schiller: Dichter, Denker, Vor- und Gegenbild, Göttingen: Wallstein-Verl. 2007, S. 158-171.
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teile: ›Die Lenkung hat zu viel Spiel.‹ Nicht anders definieren Katie Salen und Eric Zimmerman, wie bereits zitiert, menschliches Spielen: »Play is free movement within a more rigid structure.«2 Dass also die wichtigsten audiovisuellen Medien der Neuzeit im Deutschen denselben ›Nachnamen‹ tragen, der seine Wurzel in solcher Bewegung hat, zeigt an, was sie bei aller Verschiedenheit verbindet: das Prinzip des ästhetischen Spiels. Nach Friedrich Schlegel besitzt es stets auch narrativ-repräsentierende Züge und besteht darin, mit künstlerischen Mitteln den »Schein von Handlungen« zu erzeugen.3 Die digitalen Spiele der Gegenwart stehen so deutlich in der Kontinuität neuzeitlicher Audiovisualität. Insbesondere setzt sich mit ihnen der in der Renaissance begonnene Prozess steter Rationalisierung – Beschleunigung, Vereinfachung, Verbilligung – einer auf perspektivischem Realismus beziehungsweise später auf Fotorealismus und Hyperrealismus zielenden Bild- und Tonproduktion fort: von Albertis perspektivischem Fensterblick – »una finestra aperta«4 –, der mühsam manuell konstruiert werden musste, zur echtzeitigen Bildkonstruktion mittels Real-Time 3D Engines. Wie einst die industriellen Medien Film und Fernsehen keinen radikalen Bruch mit dem vorindustriellen Medium Theater bedeuteten, sondern auf vielfältige Weise dessen ästhetische Interessen auf höherem technologischen Niveau fortsetzten – etwa die optische Funktionalisierung des Blicks oder das Jahrhunderte lange Streben nach einem audiovisuellen Ge2
Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 4730.
3
Diese Definition, die Schlegel in den Athäneums-Fragmenten gibt (Schlegel, Friedrich von/Behler, Ernst/Anstett, Jean Jacques/Eichner, Hans: Kritische Friedrich-SchlegelAusgabe: Erste Abteilung: Kritische Neuausgabe, Band 2, München, Paderborn, Wien: F. Schöningh 1967, S. 180), hat gegenüber vielen späteren Versuchen – von Johan Huizinga bis zu Game-Theoretikern der Gegenwart wie Jesse Schell – den Vorteil einer Offenheit, die ihr über die Grenzen der Künste (und Medien) hinweg Gültigkeit verleiht. Indem sie die Gemeinsamkeiten etwa von Bühnenspiel und digitalem Spiel erfasst, entgehen ihr freilich zwangsläufig deren Differenzen. Denn die enge Verwandtschaft der audiovisuellen Medien besagt wenig über die Qualität ihrer je aktuellen Beziehungen. Kain erschlug Abel und jeder mag in der eigenen Familie Beispiele für die Dialektik von Anziehung und Abstoßung finden, für wechselndes Miteinander ebenso wie Neben- und Gegeneinander. Insbesondere die verschiedenen – ästhetischen, künstlerisch-praktischen, technologischen, wirtschaftlichen – Aspekte des kulturellen Verhältnisses von Spiel und Film bedürfen daher einer genaueren historischen Klärung. S.u. S. 117ff.
4
Alberti, Leon Battista: On Painting.Translated with Introduction and Notes by John R. Spencer., New Haven: Yale University Press 1970, *1956, 19. Kapitel, http://www. noteaccess.com/Texts/Alberti/
2 S PIELE IN DER N EUZEIT | 47
samtkunstwerk –, so sind nun die digitalen Spielformen der Gegenwart den älteren Medien Theater, Film und Fernsehen mehr als von Ferne verwandt. Historisch freilich geht das Spielen allen audiovisuellen Repräsentationen voraus. Denn es ist wie Chris Crawford in seiner »Phylogeny of Play« argumentiert, älter als die Menschheit:5 Spielerisch simulieren bereits viele Tierarten realweltliche Bewegungsabläufe, etwa die Jagd, um sie in einiger Sicherheit einzuüben. Auf solche Weise zu spielen und darüber hinaus kompliziertere regelbestimmte Spiele zu entwickeln, erscheint auch als ein Grundbedürfnis des Homo sapiens. Zu den frühesten Zeugnissen menschlicher Kultur gehören Brettspiele wie das SENET (Ägypten, 3100 v. Chr.) oder das KÖNIGLICHE SPIEL VON UR (Sumer, 2600 v. Chr.). Im fünften Jahrhundert vor Christus beschrieb der griechische Historiker Herodot gar, wie es angeblich 700 Jahre zuvor die kleinasiatischen Lyder, denen auch die Erfindung des Gelds zugeschrieben wird, durch Brett-, Würfel- und andere Spiele vermochten, eine langwährende Hungersnot erst über Jahre hinweg zu ertragen und dann mit einem letzten Spiel auch einer Lösung zuzuführen, die dem Überleben des Gemeinwesens diente.6 Die Game-Design-Theoretikerin Jane McGonigal vermutet in dieser historischen Funktion analoger Spiele auch die Zukunft digitaler: »When Herodotus looked back, he saw games that were large-scale systems, designed to organize masses of people and make an entire civilization more resilient. I look forward to a future in which massively multiplayer games are once again designed in order to reorganize society in better ways, and to get seemingly miraculous things done.«7
Der positiven Nutzung wie Bewertung von Spielen korrelieren freilich ebenso durchgehend fundamentale Kritik und wiederkehrende Verbotsanstrengungen. Frans Mäyrä spricht von der »continuous history of bans or restrictions on games playing«.8 In der westlichen und christlich geprägten Neuzeit reichen sie von den 5
Crawford, Chris: »The Phylogeny of Play«, (2010), http://www.erasmatazz.com/libra ry/science/the-phylogeny-of-play.html. Deutsch: Ders., »Die Phylogenese des Spielens. Zur evolutionären Verbindung von Lernen und spielerischer Motorik«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.), Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bielefeld: transcript 2013, S. 75-90.
6
Herodotus/Macaulay, G. C.: The History of Herodotus, 2 vols., London ; New York: Macmillan and Co. 1890, hier Buch 1 Clio, 94, http://www.sacred-texts.com/cla/ hh/index.htm
7
McGonigal: Reality Is Broken, loc. 242.
8
Mäyrä: Game Studies, loc. 621.
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vielfachen Anstrengungen britischer Könige, zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert Vorformen des modernen Fußballs zu verbieten,9 über den Bann von Flipper-Automaten, der in New York zwischen den 1930er und 1970er Jahren galt,10 bis zu den in der Gegenwart immer wieder aufflackernden Verbotsrufen für so genannte »Killerspiele«. In historischer Sicht, schreibt Jesper Juul, sei »the current preoccupation with the assumed dangers of video games […] a clear continuation of a long history of regulation of games as such …«11 Der Kulturkampf ums Spielen und einzelne Spielformen bildet so den sozialen Rahmen für die theoretisch orientierte Mediengeschichte des Spiels in der Neuzeit, die dieses Kapitel skizzieren will. Ihr kategoriales Gerüst geht auf Harry Pross’ Studie zur Medienforschung zurück.12 In ihr unterscheidet Pross verschiedene Medialitäten nach »der Apparatur des Mitteilungssystems«,13 d.h. nach dem Maß des jeweiligen Technikeinsatzes. Da jedoch stetem Wandel unterliegt, welche Technologien und Techniken kulturell zur Verfügung stehen, besitzt Pross’ Ansatz den Vorteil, zugleich systematisch und historisch zu operieren. Damit erlaubt seine Theorie der Medialitäten die Geschichte der Medien als einen Prozess progressiver Akkumulation und Ausdifferenzierung zu verstehen.
9
Goldblatt, David: The Ball is Round: A Global History of Football, New York: Riverhead Books (Kindle Edition) 2008, loc. 515. – Vgl. ebenso das Verbot des Golfspiels, das 1457 in Schottland verhängt wurde: Avedon/Sutton-Smith: The Study of Games, S. 24. Zitiert nach Juul: Half-Real, loc. 272.
10 Kent, Steve L.: The Ultimate History of Video Games: From Pong to Pokémon and Beyond: The Story Behind the Craze That Touched Our Lives and Changed the World, Roseville, Calif.: Prima Pub. 2001, S. 72. Vgl. ebenso die »Verteufelung« von Rollenspielen in den siebziger und achtziger Jahren als blasphemisch: Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1409. 11 Juul: Half-Real, loc. 272. 12 Pross, Harry: Medienforschung: Film, Funk, Presse, Fernsehen, Darmstadt: Habel 1972. Vgl. auch die zusammenfassende Darstellung Ludes, Peter/Hörisch, Jochen: Einführung in die Medienwissenschaft – Entwicklungen und Theorien, Berlin: Erich Schmidt Verlag 2003, S. 64ff. 13 Pross: Medienforschung, S. 119.
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P RIMÄRE ,
SEKUNDÄRE UND TERTIÄRE
M EDIALITÄT
Primäre Medien erfordern noch keinerlei Technik. Bei ihnen »kommt es darauf an, spezielle Kenntnisse in einer Person zu verschmelzen.«14 Pross nennt für die Kommunikation z.B. Gestik, Mimik sowie vorsprachliche und sprachliche Geräusche. Zu den Formen, die Ästhetisches vermitteln, gehören u.a. Rituale und Zeremonien. »Gemeinsam ist ihnen allen, daß kein Gerät zwischen den Sender und den Empfänger geschaltet ist und die Sinne der Menschen zur Produktion, zum Transport und zum Konsum der Botschaft ausreichen.«15 Von primärer Medialität sind nach Pross’ Kriterien – auch wenn er sie nicht nennt – vortechnische Varianten des Theaters wie etwa Improvisations- und Straßentheater sowie Spiele, die ohne Technikeinsatz auskommen: etwa physische Bewegungsspiele wie FANGEN oder VERSTECKEN oder Geschicklichkeitsspiele wie SCHERE, STEIN, PAPIER. Für sekundäre Medien gilt dann: »Der Kommunikator braucht ein Gerät.«16 Gemeint ist: um die jeweiligen Medien zu verfertigen – Bilder wie Zeichnungen, Gemälde, Karikaturen oder Fotografien, auch Münzen und Geldscheine, ebenso Schriftstücke wie Briefe, Handzettel, Flugblätter, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften. Sekundäre Medien existierten selbstverständlich Jahrtausende vor der Renaissance. In der Neuzeit erhielten sie jedoch einen dreifachen Entwicklungsschub: • • •
zum einen im Bereich der Schrift durch den Buchdruck, der erstmals eine standardisierte Vervielfältigung in zudem höheren Stückzahlen ermöglichte; zum zweiten im Bereich des Bildes durch die mathematisch basierte Perspektivtechnik, die zu einem zuvor unbekannten visuellen Realismus führte; zum dritten im Bereich audiovisueller Darstellung durch die Akkumulation einer Vielzahl mechanischer Techniken in eigens errichteten Theaterbauten – u.a. perspektivisch gezeichnete und perspektivisch arrangierte Kulissen, Hebebühnen, Vorhänge, Zurichtung des Blicks durch die Sistierung des Publikums –, aus denen in der Summe ein neuer audiovisueller Realismus resultierte.
Als Gegenstück zum Kirchenschiff, dem öffentlichen Sakralraum der agrarischen Epoche, bildeten das Theater und seine Guckkastenbühne am Ende der
14 Ebd., S. 68. 15 Ebd., S. 78. 16 Ebd.
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von allmählicher Säkularisierung geprägten mechanischen Epoche den fantasmatischen Profanraum individueller Sammlung, Erziehung und Selbstverständigung. Der neue Horizont, den die audiovisuelle Nachahmung des Lebens eröffnete, ließ die Bühne zum Leitmedium werden: »In der glänzenden Reihe von Shakespeare über Calderon bis Racine beherrschte das Drama die Dichtkunst des Zeitalters. Ein Dichter nach dem anderen verglich die Welt mit einer Schaubühne, auf der ein jeder seine Rolle spielt.«17
Spiele sekundärer Medialität – insbesondere Brett- und Kartenspiele wie SCHACH oder BLACKJACK – durchlebten zwischen Renaissance und Aufklärung einen kontinuierlichen Prozess der Standardisierung. Er gelang in Parallele zu der Fertigung der Spiele durch Druck und andere mechanische Verfahren und der Durchsetzung ihrer lokalen, regionalen, nationalen und schließlich internationalen Distribution. Vor allem in der industriellen Epoche kam es dann auch zur Erfindung einer Vielzahl neuer Spiele sekundärer Medialität – von dem sehr preußischen KRIEGSSPIEL (1824) über das sehr amerikanische MONOPOLY (seit 1933) bis zu DUNGEONS AND DRAGONS (1974). Die meisten dieser Neuschöpfungen waren zwar deutlich als Ausdruck spezifischer nationaler (Sub-)Kulturen zu erkennen, fanden aber massenhafte und interkulturelle Verbreitung. Zugleich entstanden mittels industrieller Technologie gänzlich neue tertiäre Medien, »bei deren Gebrauch sowohl Sender wie Empfänger Geräte benötigen«.18 Als erstes tertiäres Medium nennt Harry Pross den elektrischen Telegrafen. Ihm folgten u.a. Telefon, Schallplatte, Zeichentrick- und Spielfilm, Tonband und Video. Insbesondere die industriellen Broadcast-Medien Radio und Fernsehen veränderten nachhaltig, wie und was die Zeitgenossen spielten. Durch LiveÜbertragung verwandelten sie Sport- und Wettbewerbsspiele erster und zweiter Medialität wie FUSSBALL oder WETTLAUFEN, BLACK JACK oder SCHACH aus lokalen Ereignissen, in denen Teilnehmer und Publikum noch in einem direkten Verhältnis standen, in nationale und internationale Ereignisse, die von Millionen Menschen passiv erlebt wurden. Darüber hinaus kreierten sie eine Vielzahl neuer Zuschauerspiele, die eigens für ihre Radio- und Fernsehübertragung inszeniert wurden. Nicht wenige dieser Radio- und TV-Shows versuchten einzelne Repräsentanten des ›abwesenden‹ und passiv gestellten Radio- und Fernsehpublikums durch medial vermittelte Partizipation zu involvieren. Ein besonders interessantes Beispiel gab etwa in der Bundesrepublik die Spielshow DER GOLDENE SCHUSS 17 Huizinga: Homo Ludens, S. 13. 18 Pross: Medienforschung, S. 69.
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(1964-1970). In ihr konnten Anrufer durch Sprachkommandos eine Apparatur, die eine Kamera und eine Armbrust verband, fernsteuern und schließlich zum Abschuss bringen. Die innovative Kombination von visueller Perspektive und Interaktivität lässt sich heute als eigentümliche Antizipation von Erfahrungen erkennen, die ein paar Jahrzehnte später Online-First-Person-Shooter vermitteln sollten. Mit Übertragungen von Sportveranstaltungen oder Quiz- und Spielshows, deren mediale Zurichtung sie von Spielen zweiter in Spiele dritter Medialität transformierte, gelang es den Broadcast-Medien über Jahrzehnte hinweg, die größten Gemeinschaftserlebnisse industrieller Kultur zu stiften. Die mediale Differenz von Spielen lässt sich somit im Hinblick auf ihre Repräsentationsweise bestimmen: • • •
Spiele primärer Medialität wie FANGEN basieren auf einer realen Simulation des Realen; Spiele sekundärer Medialität wie SCHACH basieren auf einer symbolischen Repräsentation des Realen; Spiele tertiärer Medialität wie Radio- und Fernseh-Übertragungen von Sportveranstaltungen oder Quizshows basieren auf der medialen Repräsentation und Zurichtung von Spielen primärer und sekundärer Medialität, d.h. sie erlauben eine tele-auditive oder tele-audiovisuelle Teilhabe – überwiegend passiv und von Ferne – an montierten Simulationen des Realen sowie montierten symbolischen Repräsentationen des Realen.
Radikal differiert dabei die Rolle der Spieler beziehungsweise des Publikums: Spiele primärer und sekundärer Medialität erlauben Spielern wie den physisch anwesenden Zuschauern teils selbstbestimmte Interaktion, teils fremdbestimmte Partizipation, wobei das Verhältnis von Spielenden wie Zuschauenden bis ins frühe 20. Jahrhundert relativ ausgewogen blieb. Spiele tertiärer Medialität hingegen führen nicht nur dazu, dass ein Publikum aus Millionen wenigen Spielern zuschaut. Sie unterwerfen auch die winzige Minderheit der Mitspielenden diversen medialen Regimes – von der Selektion des zu übertragenden Sportspiels wie der Akteure in Spielshows nach massenmedialen Kriterien bis hin zur Live-Regie mehrerer Kameras und ihrer Perspektiven, durch die jeder Spielfluss audiovisuell fragmentiert und zugerichtet wird.
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B EISPIEL F USSBALL : D ER W EG EINES S PIELS
DURCH DIE
M EDIALITÄTEN
Der historische Prozess, in dem einzelne Spielformen mediale Formen akkumulieren, lässt sich am Beispiel des Fußballs demonstrieren, dem »most universal cultural phenomenon in the world«19 und zugleich einem zentralen »sector of the global entertainment industry«.20 Schätzungen des internationalen Fußballverbands FIFA besagen, dass es zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Milliarde aktiver Fußballer sowie 50 Millionen Schiedsrichter gebe und die Gesamtlänge der weißen Linien auf sämtlichen Fußballfeldern dieser Welt 25 Millionen Kilometer umfasse – »enough to circle the earth over a thousand times«.21 Die Anfänge des Spiels waren unspektakulärer. Vortechnische und auch größtenteils ungeregelte Varianten lassen sich noch heute beobachten, wenn Steine oder runde Früchte wie Äpfel, Orangen, Melonen oder Kürbisse getreten oder zwischen Spielern hin und her gespielt werden. Von der primären zur sekundären Medialität schritt der Sport vor rund 4000 Jahren mit der handwerklichen Fertigung erster, zunächst noch massiver Bälle aus verschiedenen Materialien, etwa Leder und Gummi, und der Ausbildung von Regelwerken fort.22 Dabei blieben die unterschiedlichen Ballspiele von Asien bis Mittelamerika eingebunden in religiöse Riten und auch kriegerische Konflikte: »Sometimes a substitute for war, the game could also provide its denouement as defeated opponents first played the game before being sacrificed – their heads cut off or their hearts torn out.«23
19 Goldblatt: The Ball is Round: A Global History of Football, loc. 217. Die nachstehende Skizze der Fußballgeschichte folgt Goldblatts Schilderung. 20 Ebd., loc. 239. – Eine wichtige Ausnahme bildet die US-Kultur. In ihr setzte sich mit dem American Football eine Mischung aus Rugby und Fußball durch, für die zum einen die ovale Gestalt des Balls charakteristisch ist, zum zweiten der Umstand, dass sowohl Hände wie Füße den Ball spielen können, zum dritten ein gänzlich anderes Spielerlebnis für Spieler wie Zuschauer: »Perhaps most fundamentally of all, soccer offers modes of storytelling and narrative structures that the American sporting public finds unsatisfactory.« (Ebd., loc. 133.) 21 Ebd., loc. 182. 22 Vgl. Ebd., loc. 269. 23 Ebd., loc. 422.
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Aus Vorzeit und Antike in die europäische Neuzeit kam die Vorliebe, Bälle nicht mit der Hand, sondern mit dem Fuß zu spielen, über die keltischen Kulturen, da sie im christlichen und eher spielefeindlichen Mittelalter einige Unabhängigkeit bewahrten: »All appear to have played large-scale and often riotous ball games in large open spaces with innumerable participants divided into two teams trying to get the ball to a particular place with few formalities or restrictions.24 […] Often the games were played between two parishes or villages, the ball carried across the open fields between them.25 […] It was certainly violent enough for deaths and injuries to be recorded.«26
Der Prozess, in dem der Fußball schließlich seine moderne Gestalt fand, nahm seinen Ausgang in den britischen Public Schools des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, insbesondere Rugby und Eton. Sportliche Betätigungen und vor allem Fußball gewannen sowohl in ihrem Curriculum wie auch für ihr Selbstverständnis eine wesentliche Rolle. Erst innerschulisch, später zwischen den Schulen kam es, um Turniere zu ermöglichen, zu einer sukzessiven Kodifizierung und Standardisierung von Regeln. In einem zweiten Schritt drang dann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts das Fußballspiel aus der Oberschicht- und ObereMittelklasse-Welt dieser Schulen in breitere Bevölkerungsgruppen: »Almost from the moment of its codification football was colonized by the British working classes as both players and spectators.«27 Diese Popularisierung des Fußballs folgte im Mutterland der Industrialisierung und in deren Zentren weitgehend dem Vorbild bereits etablierter, in der aristokratischen und bürgerlichen Kultur verwurzelter Sportarten wie Pferderennen, Rudern, Boxen oder Kricket: Einigung verschiedener regionaler Clubs auf gemeinsame Regeln und Prozeduren, Bildung von Ligen und Ausrichtung regionaler und nationaler Meisterschaften. Die dafür wichtige Standardisierung des Balls im Hinblick auf Größe und Beschaffenheit gelang 1872. 28 Die Rolle des Feldschiedsrichters wurde 1881 eingeführt, wenn er seine heutige Funktion auch erst 1898 gewann.29 1882 erhielt das Tor eine Latte, 1892 ein Netz.30 Um die Mitte der 1880er Jahre setzte dann – trotz bestehender Verbote – die Verdrän24 Ebd., loc. 490. 25 Ebd., loc. 492. 26 Ebd., loc. 516. 27 Ebd., loc. 1119. 28 Ebd., loc. 818. 29 Ebd., loc. 822-824. 30 Ebd., loc. 809.
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gung von Amateuren durch bezahlte Berufsspieler ein. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs bestritten in England um die 5000 Profis ihren Lebensunterhalt mit Fußball.31 Im Kontext dieser Professionalisierung des neuen Volkssports industrieller Kultur vollzog sich auch seine Medialisierung. Ein erster Schritt bestand – wie schon in der neuzeitlichen Medialisierung des Schauspiels – in der Errichtung spezialisierter Gebäude, die es immer mehr Menschen erlaubten, dem Spiel aus zumindest erträglichen Perspektiven zu folgen. Binnen weniger Jahrzehnte wuchsen diese neuartigen Fußballstadien in Großbritannien auf Kapazitäten, die das römische Kolosseum als bis dahin größten Vergnügungsbau der Geschichte mit seinen 50-80 000 Sitzplätzen erreichten und übertrafen. So fasste das 1907 fertiggestellte Stadium in Glasgow, damals für einige Zeit das größte der Welt, über 120 000 Zuschauer.32 Parallel dazu begannen vielfältige Anstrengungen, Fußballspiele und ihre Ergebnisse zumindest post festum auch denjenigen zugänglich zu machen, die an ihnen nicht persönlich teilnehmen konnten. Seit den 1880er Jahren wurden die Ergebnisse wichtiger Begegnungen per Telegraph in entfernte Städte übertragen, um sie in Postämtern und Lokalen zu verkünden.33 Zeitschriften und Zeitungen rund um den Fußball entstanden und erreichten immer höhere Auflagen. Die Wochenzeitung Scottish Referee, gegründet 1888, wurde beispielsweise im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, als Schottland fünf Millionen Einwohner zählte, in einer Auflage von 500 000 Exemplaren vertrieben.34 1907 veröffentlichte die britische Daily Mail die ersten Fotos von Fußballspielen.35 Der entscheidende nächste Schritt dieser Medialisierung bestand dann darin, Spiele live zu übertragen. Im Radio geschah dies zum ersten Mal im Januar 1927, drei Wochen nach der Gründung der BBC.36 Damit war Fußball in der tertiären Medialität angekommen. Die erste Fernsehübertragung, wiederum durch die BBC im noch experimentellen Sendebetrieb, wurde bereits ein Jahrzehnt später ausgestrahlt, im September 1937.37 In den Gründerjahren des Fernsehens, den 31 Ebd., loc. 1394. 32 Ebd., loc. 1436. 33 Ebd., loc. 1344. 34 Ebd., loc. 1442. 35 Ebd., loc. 1355. 36 Grieves, Kevin: »On This Day in History: First Live Radio Broadcast of a Soccer Match, 1927«, The Modern Historian, 22. Januar 2009, http://modernhistorian.blog spot.de/2009/01/on-this-day-in-history-first-live-radio.html 37 N., N.: »Happened on This Day – 16 September«, news.BBC, 16. September 2002, http://news.bbc.co.uk/sport2/hi/funny_old_game/2260280.stm
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fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, gingen – zumindest in Großbritannien und Kontinentaleuropa – Fußball und Fernsehen eine symbiotische Beziehung ein: Neben der Übertragung von Spiel- und Unterhaltungsshows sowie der Ausstrahlung von Spielfilmen trug Fußball entscheidend dazu bei, dass die Television zum neuen Leitmedium der Epoche aufstieg. Umgekehrt sorgte die Integrierung des Sports ins tertiäre Massenmedium durch Live-Übertragungen, Meldungen in den Nachrichtensendungen und eigene Sportschauen dafür, dass Fußball von einem proletarischen Mitmachspiel britischer Provenienz zu einem globalen, alle Klassen begeisternden Spiel wurde, das die Mehrheit der Menschen primär als Zuschauer erlebte. Mit dem Aufkommen analog-elektronischer und dann digitaler Spiele seit den 1960er Jahren migrierte Fußball unmittelbar auch in diese neuen Medien. Das erste elektro-mechanische Fußballspiel CROWN SOCCER SPECIAL erschien 1967.38 Viele andere Arkaden- und PC-Spiele folgten. Der entscheidende Durchbruch gelang jedoch erst mit Fußballmanager-Spielen seit Anfang der neunziger Jahre. Erfolgreich waren vor allem ANSTOSS – DER FUßBALLMANAGER (19932006), FIFA INTERNATIONAL SOCCER und FIFA (seit 1993) sowie PRO EVOLUTION SOCCER (seit 2001). Allein von den diversen Inkarnationen der FIFA-Serie verkaufte Electronic Arts bis 2010 nach eigener Auskunft 100 Millionen Exemplare.39 Digitale Fußballspiele leiten so eine neue Phase massenhaft aktiver, allerdings nun nicht mehr realer, sondern virtueller Teilhabe ein. Fußball scheint erneut von einem Zuschauer- zu einem Spielersport zu werden. Wer heute einen Raum betritt und Menschen vor einem HD-Bildschirm sitzen sieht, kann sich – zumindest aus einiger Entfernung – auf Anhieb nicht mehr ganz sicher sein, ob dort ein Match ›läuft‹ und ›geschaut‹ wird oder ob die vermeintlichen Zuschauer nicht doch das Spiel selbst spielen.
Q UARTÄRE M EDIALITÄT : V OM Z USCHAUER
ZUM
S PIELER
Als Harry Pross vor einem halben Jahrhundert seine Taxonomie der Medialitäten vorlegte, war die Entwicklung des digitalen Transmediums – vor allem im Kontext europäischer Kultur – kaum absehbar. Insofern muss sie aus heutiger Sicht
38 N., N.: »Crown Soccer Special«, The International Arcade Museum at Museum of the Game o.J., http://www.arcade-museum.com/game_detail.php?game_id=16047 39 N., N.: »EA SPORTS FIFA Soccer Franchise Sales Top 100 Million Units Lifetime«, Business Wire, 4. November 2010, http://www.businesswire.com/news/home/201011 04006782/en#.VH8zdIs2JVo
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ergänzt und auch partiell korrigiert werden. Zwar erforderten die tertiären Medien, wie Pross erkannte, auf beiden Seiten des Kommunikationsprozesses Technik. Mit Blick auf die Digitalisierung ist diese Sende- und Empfangstechnik jedoch näher zu bestimmen. Denn die analogen Massenmedien Radio und Fernsehen erlaubten lediglich die Übermittlung fixierter und standardisierter Werke in eine Richtung: von wenigen Produzenten beziehungsweise Sendern zu vielen Konsumenten beziehungsweise Empfängern. Die Zuhörer und Zuschauer konnten nicht ›zurücksenden‹. Sie vermochten also weder mit den Anbietern der Programme oder mit dem Programmangebot selbst noch untereinander zu interagieren. Insofern lässt sich Pross’ Definition tertiärer Medialität aus gegenwärtiger Sicht dahingehend ergänzen, dass es sich bei der Technik, die bei den BroadcastMedien zum Einsatz kommt, prinzipiell um Einweg-Technik handelt: Sie ermöglicht dem Empfänger kein Rücksenden und verhindert umgekehrt, dass die Sender wie die gesendeten Werke Rückmeldungen empfangen können.40 Im Zuge der Digitalisierung entstand dann eine weitere Medialität, die wiederum auf beiden Seiten des Kommunikationsprozesses Technik einsetzt, jedoch prinzipiell über Rückkanäle verfügt – ob dieses Potential zur Interaktion den Nutzern nun zur Verfügung gestellt wird oder nicht. Denn auch unter digitalen Produktions- und Distributionsbedingungen folgen die Hersteller linearer Audiovisionen in der Regel der Tradition des Kinofilms und den künstlerischen Prärogativen, die sich mit ihr verbinden. Unabhängig davon, ob sie in der Tat weiterhin im Kontext der tradierten Offline-Medien Kino und Fernsehen arbeiten oder bereits für Online-Medien, präsentieren sie ihrem Publikum eine Final-CutVersion als geschlossenes Werk. Sie reservieren also die dem Transmedium inhärenten Interaktionsmöglichkeiten für sich selbst und ihren kreativen Umgang mit den Software-Dateien. Game Designer hingegen integrieren die Befähigung, mit Elementen der jeweiligen Audiovisionen zu interagieren, in das Interface der Spiele und offerieren darüber hinaus häufig auch einen Zugang, der tiefergehende Veränderungen des Spiels erlaubt, so genannte Mods, also Modifizierungen. Mediengeschichtlich verbinden sich daher mit quartärer Medialität41 – dem Übergang zum digitalen Transmedium und seiner technisch fundierten Mehr40 Ein gutes Beispiel für den industriellen Weg von der Aktivität zur Passivität gibt das Radio, das ursprünglich als Medium mit Rückkanal (Radio = Funkgerät) entstand und erst nach dem Ersten Weltkrieg im Prozess seiner Popularisierung zu einem reinen Empfangsgerät mutierte. Zum Entstehen des Broadcast-Mediums Radio aus der Amateurfunker-Bewegung vgl. Campbell-Kelly, Martin/Aspray, William: Computer: A History of the Information Machine, New York: Basic Books 1996, S. 234ff. 41 Von dem digitalen als quartärem Medium spricht ansatzweise bereits Fassler, Manfred: Was ist Kommunikation?, München: Wilhelm Fink Verlag 1997, S. 117.
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weg-Kommunikation – Konsequenzen sowohl für die Produktion wie die Rezeption von Audiovisionen. Zum einen kommt es zu einer Verschmelzung gestalterischer Souveränität, wie sie handwerklicher Bildlichkeit eignet, mit den Qualitäten industrieller Reproduktion. Während die technische und ästhetische Entwicklung hyperrealistischer Audiovisualität in den 1970er bis 1980er Jahren noch primär im Kontext des – amerikanischen – Spielfilms und auf der Basis von PreRendering geschah, realisieren seit den 1990er Jahren so genannte Game Engines, also Software-Entwicklungsumgebungen für digitale Spiele, das Potential quartärer Medialität zur echtzeitigen Erzeugung virtueller Bilder und Töne in – nahezu – ›fotorealistischer‹, d.h. lebensechter Qualität.42 Zum zweiten gelang auf Seiten der Rezeption eine Integration und drastische Steigerung der Rezeptionsweisen, die sich mit primärer, sekundärer und tertiärer Medialität verbinden. In der Virtualität lässt sich so erstmals dem Prinzip nach arbiträr zwischen fremdbestimmter, selbstbestimmter und interaktiver Nutzung medialer Artefakte wählen beziehungsweise wechseln. Damit scheint das digitale Transmedium einen historischen Um- oder auch Rückschwung im Hinblick auf das kulturell dominierende Verhalten gegenüber ästhetischen Artefakten einzuleiten. Die weitgehende Stillstellung des Publikums – im Theater, im Museum, im Kino, vor Radio und Fernseher – war bekanntlich eine Leistung industrieller Kultur. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden Theatersäle zum Beispiel nicht abgedunkelt. Zeitgenössische Darstellungen und Beschreibungen dokumentieren, in welch hohem Maße das Publikum, das sich sehen und beobachten konnte und den Theaterbesuch als soziales Ereignis begriff, untereinander und auch mit den Schauspielern interagierte, etwa durch anfeuernde oder schmähende Zwischenrufe. Den kollektiven Tunnelblick, der vom lichtlosen Zuschauerraum auf die Bühne fallen muss, führte erst Richard Wagner in Bayreuth ein. Das Arrangement nahm als proto-cinematische Rezeptionsform so aus Gründen ästhetischer Sammlung die Abdunkelung vorweg, die wenig später der Film aus technischen Gründen erfordern sollte. Das frühe Kino hatte dann ebenfalls einige Mühe, das – nun eher Unter- und Mittelschichtspublikum – von allzu viel Unruhe und Unmutsäußerungen abzuhalten, insbesondere vom Bewerfen der Akteure beziehungsweise der Leinwände mit Gegenständen, wie man es von Live-Veranstaltungen her gewohnt war. Der offensichtliche Zusammenhang zwischen dem, was die neuen industriellen Medien ihrem Publikum abverlangten, und dem, was die industrielle Lebenswei42 Von besonderer Bedeutung waren und sind für die Spielegeschichte die Unreal Engine (Epic Games, seit 1998), die CryEngine (Crytek, seit 2004) und die Unity Engine (Unitys , seit 2005).
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se generell erforderte, ist vielfach bemerkt worden.43 Von der Dressur zum physisch und kommunikativ passiven, aber äußerst aufmerksamen Verfolgen immer schneller wechselnder Situationen in Kunst und Unterhaltung führt eine relativ direkte Linie zum einen zu den Erfahrungen, welche die neuen Verkehrsmittel Eisenbahn und dann Automobil vermittelten, und zum zweiten zu den Anforderungen industrieller Arbeit, die auf einem standardisierten passiven Verhalten beruhte, das wie fremdgesteuert wirkte, aber eben selbstgesteuert sein musste. Digitale Wissensarbeit kennzeichnet dagegen selbständiges Handeln in kreativer und durchaus auch forschender, ausprobierender, also spielerischer Manipulation von Software-Programmen und Software-Dateien und ihren virtuellen Symbolen.44 Unter dieser Perspektive verwundert es nicht, dass im selben Maße, in dem diese digital ermächtigte Wissensarbeit – insbesondere in den so genannten ›creative industries‹ – zur wichtigsten Quelle ökonomischer Wertschöpfung wird, sich auch Veränderungen im kulturellen Verhalten gegenüber ästhetischen Artefakten einstellen. Das Spielerische, das vorindustriell viel galt, drängte der Industrialismus – angesichts der Gewalt und Gefahr, die von industriellen Maschinen und Prozessen ausgeht, auch mit einigem Grund – ins Private und dort auch an die Ränder der Hochkultur. Harry Pross etwa schrieb, das Spiel gegen das Buch absetzend: »Im zweiten Sektor, dem der Freizeit und der Inkompetenz, ist das Spiel in seinen zahllosen Formen zu Hause.«45 Von dort allerdings kehrt es nun – im Zuge eines »movement from a culture of calculation to a culture of simulation«46 – ins Zentrum postindustrieller Zivilisation zurück. Der Widerspruch zwischen Arbeitsethik und Spielethik, den industrielle Rationalität behauptete und der in Fabriken wie Verwaltungen bestand, hebt sich sukzessive auf. Mit einiger Konsequenz findet sich daher der fantasmatische Profanraum, in dem digitale Wissensarbeiter ihre ästhetischen Erfahrungen sammeln, nicht länger in der materiellen Realität, sondern in der Virtualität. Dort vollendet sich der Prozess entmaterialisierender Entortung, der mit dem Film begann: Wo auf der Bühne noch Menschen aus Fleisch und Blut stehen, zeigt das Kino Lichtbilder. 43 Vgl. z.B. Friedberg, Anne: Window Shopping: Cinema and the Postmodern, Berkeley: University of California Press 1993. 44 Vgl. zu dem Begriff Wissensarbeiter bzw. Knowledge Worker: Drucker, Peter F.: Post-Capitalist Society, New York NY: HarperBusiness 1993. Und zu dem Begriff Symbolic Analyst: Reich, Robert B.: The Work of Nations: Preparing Ourselves for 21st-century Capitalism, New York: A.A. Knopf 1991. 45 Pross: Medienforschung, S. 104. 46 Turkle, Sherry: Life on the Screen: Identity in the Age of the Internet, New York: Simon & Schuster 1995, S. 22.
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Online streifen nun nach den Darstellern auch die Zuschauer, indem sie zu virtuellen Mitspielern werden, ihre Körperlichkeit zugunsten mediatisierter Präsenz ab. Digitale Spiele profitieren so von der sich mit der gesellschaftlich notwendigen Arbeit verändernden Haltung des Publikums. Die Bereitschaft, sich über längere Zeiträume hinweg ausschließlich passiv unterhalten zu lassen, nimmt ab und umgekehrt steigt die Bereitschaft zu interaktiver Partizipation. Die Notwendigkeit zur eigenen Entscheidung, wie sie die meisten analogen und digitalen Spiele erfordern, nehmen Spieler eben nicht als Last wahr, sondern erleben sie lustvoll. Zu differenzieren ist daher heute – im Doppelsinne: nach Harry Pross – zwischen Spielen primärer, sekundärer, tertiärer und quartärer Medialität. Basieren Spiele primärer Medialität auf realen Simulationen des Realen, Spiele sekundärer Medialität auf symbolischen Repräsentationen des Realen und Spiele tertiärer Medialität auf tele-auditiven oder tele-audiovisuellen Teilhaben an realen Simulationen des Realen wie symbolischen Repräsentationen des Realen, so ermöglichen digitale Spiele erstmals eine interaktive Teilhabe nicht nur an virtuellechtzeitigen Simulationen symbolischer Repräsentationen des Realen, sondern vor allem auch an virtuell-echtzeitigen und hyperrealistischen Simulationen des Imaginären. Auf Grund dieser einzigartigen medialen Eigenschaften scheinen digitale Spiele besser als andere Darstellungs- und Erzählformen den Erfahrungen kultureller Digitalisierung zu entsprechen: den sich wandelnden Wahrnehmungsweisen von Zeit und Raum und neuen Auffassungen, wie unter den Bedingungen digitaler Produktion und Kommunikation Menschen zu sein und zu handeln haben. Wie das neue Medium zwischen der Mitte des 20. und dem Beginn des 21. Jahrhunderts sukzessive in drei Entwicklungsschüben, die Eigenschaften gewann, die es heute auszeichnen, schildern die nächsten Kapitel.
3 Prozedurale Wende (seit den 1950er Jahren)
»In the historical blink of an eye, video games have colonized our minds and invaded our screens.« SIMON EGENFELDT-NIELSEN ET AL.1
V IERFACHER U RSPRUNG
DIGITALER
S PIELE
Eine Affinität zwischen Spielen und digitalen Rechenmaschinen ist schon vielfach vor Eric Zimmermans ludischem Manifest behauptet worden.2 Jesper Juul zum Beispiel begründet sie in der Kombination von Transmedialität und Regelhaftigkeit: »[G]ames are not tied to a specific set of material devices, but to the processing of rules.«3 Der Einsatz von Computern zur Exekution dieser Regeln ermögliche dann allerdings Spiele mit »rules more complex than humans can handle«.4 Genau diese Beobachtung stand – zunächst noch als Hoffnung – wesentlich auch am Anfang digitaler Spiele. An ihrem Ursprung um die Mitte des 20. Jahrhunderts verbanden sich konkret vier konvergierende Interessen:
1
Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 213. – Meine Darstellung der Geschichte digitaler Spiele stützt sich auf Donovan: Replay: The History of Video Games; Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games; Kent: The Ultimate History of Video Games: From Pong to Pokémon and Beyond: The Story Behind the Craze That Touched Our Lives and Changed the World; Mäyrä: Game Studies; Wolf, Mark J. P.: The Medium of the Video Game, Austin: University of Texas Press 2002.
2
Vgl. oben S. 15.
3
Juul: Half-Real, loc. 575.
4
Ebd., loc. 580.
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zum einen das wissenschaftliche Streben nach der Erforschung künstlicher Intelligenz; zum zweiten ein militärisch-ökonomisches Verlangen nach der Simulation realer Abläufe zu gefahrlosem und kostengünstigem Training, insbesondere in der Luft- und Raumfahrt; zum dritten der spielpraktische Wunsch nach einer Beschleunigung und Erleichterung komplizierter und langwieriger Abläufe analoger Spiele, insbesondere so genannter War Games und anderer Strategiespiele; zum vierten der Wunsch, die neue Universalmaschine Computer spielerisch zu nutzen, d.h. originäre Spielformen zu erschaffen, die in keinem der älteren analogen Medien möglich waren.
Der gemeinsame Weg, den diese vier unterschiedlichen Bemühungen einschlugen, verlief über die Virtualisierung und algorithmische Automatisierung von Prozessen, die zuvor realweltlich und materiell abzulaufen hatten. Die theoretischen Grundlagen solcher Virtualisierung als Basisinnovation digitaler Technologie wurden in drei Schritten gelegt: Alan Turing konzipierte 1936 das theoretische Modell eines digitalen Computers als Universalmaschine.5 John von Neumann entwarf 1945 das bis heute gültige technische Modell einer solchen Universalmaschine.6 Neu an ihr war die kategoriale Trennung von materieller Apparatur und Steuerung. Damit entstand, was heute Hard- und Software heißt, genauer: die Software, die wir Programme nennen.7 Die dritte Basisinnovation gelang 1948, als Claude Elwood Shannon ein Verfahren zur Digitalisierung aller kommunikativen Prozesse und zivilisatorischen Artefakte vorschlug: die adäquate Übertragung analoger Qualitäten und Funktionen in mathematische Werte.8 Damit lieferte er der digitalen Universalmaschine ihr universelles BitMaterial: Texte, Töne, Bilder usf., jene Software also, die wir Dateien nennen. 5
Turing, Alan: »On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem«, Proceedings of the London Mathematical Society ser. 2. vol. 42(1936-7). http://www.abelard.org/turpap2/tp2-ie.asp
6
Neumann, John von: »First Draft of a Report on the EDVAC«, (1945). http://www.vir
7
Der Begriff der Software selbst wurde allerdings erst 13 Jahre später geprägt. Vgl.
tualtravelog.net/wp/wp-content/media/2003-08-TheFirstDraft.pdf Leonhardt, David: »John Tukey, 85, Statistician; Coined the Word ›Software‹«, The New York Times, 28. Juli 2000, loc. 941 http://www.nytimes.com/2000/07/28/us/johntukey-85-statistician-coined-the-word-software.html 8
Shannon, Claude Elwood: »A Mathematical Theory of Communication«, The Bell System Technical Journal Vol. 27 Juli / Oktober (1948), Online reprinted with corrections from The Bell System Technical Journal http://cm.bell-labs.com/cm/ms/
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D IGITALE T ECHNIK Die technische Realisierung dieser Konzeptionen verlief dann während der Frühzeit der Digitalisierung in zwei Phasen. Bis Mitte der fünfziger Jahre wurde weltweit ein halbes Tausend digitaler Mainframe-Rechner gebaut. Sie nutzten Kathodenröhren, benötigten größere Teams zu ihrer Wartung und Bedienung und verfügten von wenigen experimentellen Ausnahmen abgesehen über keinerlei interaktive Ein- und Ausgabemöglichkeiten wie Tastaturen oder Bildschirme. Ende der fünfziger Jahre begann mit dem Aufkommen von Mikrocomputern, die mittels Transistoren und ab Anfang der sechziger Jahre auch mittels Halbleiter rechneten, die zweite Phase. In ihr wurden im Umfeld von Telefonie, Fernsehen sowie Luft- und Raumfahrt Verfahren zur digitalen Ton- und Bildproduktion entwickelt. Gleichzeitig regte sich erster theoretischer wie praktischer Widerstand gegen die industriell-arbeitsteilige Nutzung digitaler Rechenkraft. J.C.R. Licklider entwickelte 1960 unter dem Schlagwort der »Man-Computer-Symbiosis« das Konzept eines interaktiven Umgangs mit digitalen Computern.9 Ein Jahr später, als weltweit knapp über 9000 Computer liefen, darunter rund 1000 der mittelgroßen, von Individuen zu bedienenden Mikrocomputer,10 machten MIT-Studenten die rebellische Probe aufs Exempel, indem sie das Spiel SPACEWAR! programmierten. Mit ihrer demonstrativen Verschwendung teurer Rechenzeit ersetzten die jugendlichen Hacker, wie Allucquere Stone schreibt, im Umgang mit Computern die Arbeitsethik durch eine Spielethik: das ökonomische Effizienzprinzip der kollektiven Organisationen durch das luxurierende Lustprinzip des Individuums.11
what/shannonday/paper.html. – Auch die technische Basisinnovation der Digitalisierung, Bill Shockleys Transistor, datiert auf 1948. Mit ihm begann der stete Prozess von Leistungssteigerung, Miniaturisierung und Verbilligung, der den Computer, als Großtechnik noch Teil des Industrialismus, erst in eine private Maschine verwandelte und damit in ein Mittel individueller Ermächtigung. 9
Licklider, J. C. R.: »Man-Computer Symbiosis«, IRE Transactions on Human Factors in Electronics HFE-1 (1960), http://www.memex.org/licklider.pdf
10 Vgl. Friedewald, Michael: Der Computer als Werkzeug und Medium: Die geistigen und technischen Wurzeln des Personal Computers, Berlin: GNT-Verlag 1999, S. 16 sowie Carlson, David E.: »David Carlson’s Virtual World, The Online Timeline«, http://iml.jou.ufl.edu/carlson/timeline.shtml 11 Stone, Allucquere Rosanne: The War of Desire and Technology at the Close of the Mechanical Age, Cambridge, Mass.: MIT Press 1995, S. 13f.
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K ÜNSTLICHE I NTELLIGENZ SPACEWAR! war allerdings keineswegs das erste digitale Spiel. Bereits seit Mitte der vierziger Jahre kursierte, ausgehend von Alan Turings und Claude Elwood Shannons Überlegungen, in den Kreisen der Spitzenforschung der Gedanke, dass digitale Spiele und insbesondere Computer-Versionen von Schach, die mit menschlichen Spielern konkurrierten, die Bestrebungen nach künstlicher Intelligenz erfolgreich demonstrieren könnten. Shannon schrieb 1950: »Although perhaps of no practical importance, the question [of computer Chess] is of theoretical interest, and it is hoped that a satisfactory solution of this problem will act as a wedge in attacking other problems of a similar nature and of greater significance.«
12
Zunächst erwies sich Schach mit seinem Potential möglicher Züge für eine algorithmische Repräsentation, die ja stets auf dekontextualisierender Abstraktion beruht, als zu kompliziert.13 Einfacher ließen sich die Regeln und Züge des Streichholzspiels NIM mit dem speziellen Nimrod-Computer algorithmisieren.14 Wie Shannon verband auch dessen Programmierer John Bennett mit seinem digitalen Spiel größere Hoffnungen: »It may appear that, in trying to make machines play games, we are wasting our time. This is not true as the theory of games is extremely complex and a machine that can play a complex game can also be programmed to carry out very complex practical problems.«15
1952 programmierte dann A. S. Douglas im Rahmen seiner Doktorarbeit zur Mensch-Computer-Interaktion mit NOUGHTS AND CROSSES eine digitale Version von TIC TAC TOE. Im selben Jahr wurde von IBM auch ein erstes digitales Schachspiel vorgestellt. 1955 war das Programm bereits so weit fortgeschritten, dass es aus eigenen Fehlern lernte. In den sechziger Jahren gewannen SchachProgramme gegen Amateure. Doch es brauchte drei weitere Jahrzehnte, bis schließlich 1997 IBMs Big Blue den amtierenden Weltmeister Garry Kasparow besiegte.
12 Zitiert nach Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 112. 13 Vgl. die Beschreibung der notwendigen Qualitäten bei Juul: Half-Real, loc. 681-704. 14 Der 1951 vorgestellte Nimrod-Computer schlug u.a. pressewirksam den deutschen Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard. 15 Zitiert nach Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 136.
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F LUGSIMULATION Der zweite Forschungsbereich, der zu digitalen Spielen führte, waren militärische und zivile Flugsimulatoren, die unter großem Kapitaleinsatz zu Trainingszwecken entwickelt wurden. Analoge Simulatoren mit beschränkter Funktionalität existierten seit dem Ersten Weltkrieg. Ihre Digitalisierung begann in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs, als das Servomechanisms Labaratory des MIT den Auftrag erhielt, einen »universal flight trainer« zu entwickeln, einen Echtzeit-Flugsimulator also, der anders als die bis dahin existierenden nicht nur jeweils ein bestimmtes Flugzeugmodell simulieren konnte.16 Geplant war das Project Whirlwind als Zweijahres-Unternehmen. Die Konstruktion des – erst analog, dann digital konzipierten – Computers zur Echtzeit-Steuerung von Simulationen wollte jedoch nicht gelingen. Erst in den sechziger Jahren wurden reguläre Mainframe- und Mikrocomputer für solche Aufgaben leistungsfähig genug. Als treibende Kraft wirkte dabei die NASA. Denn Flugtraining durch Simulation versprach militärischen wie zivilen Finanziers bei kurzfristig hohen Investitionen lediglich langfristig Ersparnisse. Im Falle der geplanten Mondmission aber stellte eine realistische Simulation schlicht die einzige Trainingsmöglichkeit dar.17 Bereits 1967 lieferte General Electric den ersten elektronischen 3D-Echtzeit-Simulator an das Johnson Space Center in Houston, Texas. Einen weiteren digitalen Prototyp konstruierte unabhängig davon 1968 David Evans in Zusammenarbeit mit dem Computergrafik-Pionier Ivan Sutherland. Ihre Kombination aus optimierter Hard- und innovativer Software errechnete aus digitalisierten Aufnahmen realer Szenen neue Bilder, die perspektivisch den Piloten- bzw. Astronautenbefehlen entsprachen. Damit war die für digitale Spiele entscheidende Basisinnovation einer virtuellen perspektivischen Modellierung von 3D-Bildern in Echtzeit gelungen. Der erste kommerzielle Flugsimulator mit solchen noch recht abstrakt-graphischen Echtzeit-Bildern kam 1971 auf den Markt. Gleichzeitig begann, nachdem Intel 1970 den Mikroprozessor eingeführt hatte, in der Hackerszene der USWestküste die soziale wie technische Konstruktion des Personal Computers. Am erfolgreichsten erwiesen sich dabei zwei Sorten von Programmen, weil sie Bedürfnisse befriedigten, die beim reglementierten Umgang mit den Großrechnern an Universitäten, in der Verwaltung und in Konzernen unterdrückt wurden: das
16 Vgl. Campbell-Kelly/Aspray: Computer, S. 157ff. 17 Vgl. Rolfe, J. M./Staples, K. J.: Flight Simulation, Cambridge [Cambridgeshire]; New York: Cambridge University Press 1986, S. 234: »The Mercury, Gemini and Apollo missions were supported by a wide variety of training simulators.«
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nach persönlicher Produktivität und Kreativität sowie das nach Unterhaltung. Die höchsten Software-Verkaufszahlen erzielten schon in den siebziger Jahren Spiele. Sie liefen teils auf den Hobbyisten-PCs, teils auf speziellen, mit Mikroprozessoren bestückten Konsolen. Digitale Spiele und darunter wesentlich Flugsimulatoren dienten insofern als ›Einstiegsdroge‹ für eine neue Generation von Computerfans.18 Die ersten Flugsimulatoren für Heimcomputer wie den Apple II und den Tandy TRS-80 erschienen um 1980. 1981 war FLIGHT SIMULATION der später von Microsoft erworbenen Firma SubLogic eines der populärsten Apple-Programme. 2001 wurde der MS FLIGHT SIMULATOR mit 21 Millionen verkauften Kopien in das Guinness Buch der Rekorde aufgenommen.19 Parallel dazu entstanden seit den achtziger Jahren andere, nicht minder erfolgreiche digitale Spiel-Simulationen, insbesondere Will Wrights SIM CITY (1989) und Peter Molyneuxs POPULOUS (1989), die jeweils aus vergleichsweise einfachen Regeln komplexe Situation und Verhaltensweisen und damit Erfahrungen offenen Spielens generierten.
V IRTUALISIERUNG
ANALOGER
S PIELE
Gemeinsam war und ist all diesen spielbaren Simulationen, dass sie realweltliche Prozesse und Prozeduren virtualisieren und algorithmisch automatisieren. Nicht anders gelang auch die Digitalisierung analoger Spiele. Sie betraf in der Frühzeit gleichermaßen Brettspiele und sportliche Spiele. Anders als bei den Virtualisierungen, die im Umkreis der KI-Forschung programmiert wurden und die unter dem Vorzeichen wissenschaftlicher Erkenntnis standen, richtete sich das Interesse, das zu dieser dritten Gruppe früher digitaler Spiele führte, auf die Herstellung beziehungsweise Steigerung von Spielbarkeit und Spielspaß. Vorreiter waren War Games in der Tradition des klassischen preußischen Kriegsspiels und andere Strategiespiele. Was in ihrem Verlauf im Kopf oder per Hand, mit Rechenschiebern, Tisch- und Taschenrechnern nur mühsam und zeitraubend zu kalkulieren beziehungsweise durchzuspielen war, konnte mittels digitaler Computer drastisch beschleunigt werden; dem Prinzip nach auf Echtzeit. In den fünfziger und sechziger Jahren beschränkte sich solche Digitalisierung angesichts der Kosten digitaler Technik weitgehend auf militärisches Training. Doch mit dem Aufkommen erschwinglicher Heimcomputer wurden digitale
18 Vgl. Campbell-Kelly/Aspray: Computer, S. 249. 19 Guinness Buch der Rekorde, Hamburg: Guinness Verlag GmbH 2001, S. 113. Verwendet wurden die Verkaufszahlen des Jahres 1999.
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Adaptationen analoger Spiele zu einem der erfolgreichsten Bereiche der Spieleproduktion. Entscheidend für ihren Erfolg waren nicht zuletzt die Leistungssteigerungen, die mit der Virtualisierung und Algorithmisierung einhergingen. Sie motivierten z.B. Chris Crawford bereits 1977, an seinem universitären IBMMainframe mit TANKTICS ein solches digitales War Game zu realisieren: »I was playing board war games and I was acutely aware of the absence of the fog of war, which I consider to be crucial to simulation of warfare […] I considered that computers could solve the problem. I don’t think people fully appreciated just how big a leap this was.«
20
Die ersten kommerziellen War Games für PCs erschienen in den achtziger Jahren, überwiegend als Adaptationen von Brettspielen.21 Ebenfalls im Umfeld wissenschaftlicher Forschung begann um 1960 die Algorithmisierung von Spielsituationen, wie sie aus dem Sport bekannt waren. Bereits 1958 entstand mittels eines analogen Computers am Brookhaven National Laboratory TENNIS FOR TWO, gespielt auf dem Schirm eines Oszilloskopen. Über ein Jahrzehnt später lag der ersten digitalen Spielkonsole, als sie 1972 auf den Markt kam, auch ein Tischtennisspiel bei.22 Atari-Gründer Nolan Bushnell testete einen Prototypen, ließ ein ähnliches Spiel programmieren und brachte 1972 mit PONG das erste digitale Sportspiel in die Arkaden und drei Jahre später mit der Atari-Konsole auch in die Wohnzimmer. Damit begann eine lange Tradition von digitalen Sportspielen zur Heimunterhaltung. Heute dürfte kaum eine Sportart existieren, die nicht ihr virtuelles Äquivalent gefunden hat. Insbesondere lizenzierte Ligen-Spiele wie FIFA oder MADDEN FOOTBALL gehören zu den populärsten und lukrativsten Spielgenres. Für das Gros der frühen digitalen Spiele stimmt somit, wie Frans Mäyrä schreibt, dass sie »in fact remediated, or ›disguised‹ versions of non-digital ones«23 waren beziehungsweise dass sie »activities or forms of representation that have originally appeared elsewhere« remediatisierten.24
20 Zitiert nach Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 1372. – Mit EASTERN FRONT 1941
(1981) schrieb Chris Crawford später für Atari das erste War Game,
dessen Konflikte sich in Echtzeit austrugen. 21 Vgl. Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1812. 22 Es handelte sich um die von Ralph Baer konzipierte Magnavox Odyssee; s.u. S. 72f. 23 Mäyrä: Game Studies, loc. 811. 24 Ebd., loc. 539.
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S PIELERISCHE N UTZUNG
DIGITALER
T ECHNOLOGIE
Eine seltene Ausnahme bildete in den sechziger Jahren SPACEWAR! Sein Designer und Programmierer Steve Russell ließ sich nicht von Brettspielen oder Sport, sondern von Science-Fiction-Romanen und Science-Fiction-Filmen inspirieren, insbesondere von der Lensman-Serie Edward Elmer Smiths.25 In seiner rudimentär narrativen Ausrichtung wies SPACEWAR! daher auf die hyperepische Zukunft, in seiner graphischen Gestalt auf die hyperrealistische Zukunft des neuen Mediums voraus: Der avancierte Vektorgraphik-Monitor zeigte vor dem Hintergrund eines astronomisch recht exakten Nachthimmels zwei Raumschiffe, die sich mit Torpedos beschossen, einander per Hyperspace-Sprung auswichen, sich aber gleichzeitig hüten mussten, nicht in tödliche Schwerkraftfelder zu geraten. Das von MIT-Studenten programmierte Spiel verbreitete sich im Laufe der sechziger Jahre über die Computerlabore der US-Universitäten und wurde schließlich von dem Computerhersteller DEC allen 120 000-Dollar-teuren PDP1-Rechnern beigegeben, weil sich mit ihm deren Leistungsfähigkeit hervorragend demonstrieren ließ. Zu den Tausenden von Informatikstudenten, die so von SPACEWAR! nachhaltig geprägt wurden, gehörte auch der spätere Atari-Gründer Nolan Bushnell. 1971 produzierte er COMPUTER SPACE, eine Arkaden-Adaptation von SPACEWAR!, und begründete damit den Übergang von mechano-elektronischen zu digitalen Arkadenspielen. Eine weitere Adaptation für die digitale Heimkonsole Atari 2600 folgte 1978 unter dem Titel SPACE WAR.
P ROZEDURALITÄT In der Frühzeit der Digitalisierung Spiele wurde so über die virtualisierende Adaptation von Brett- und Sportspielen, aber auch über die Simulation anderer Abläufe eine kategoriale Wende zur Prozeduralität vollzogen. Janet H. Murray erkannte diese besondere Qualität digitaler Narrationen, die sie noch »cyberdrama« nannte, bereits Ende der 1990er Jahre: »The most important element the new medium adds to our repertoire of representational powers is its procedural
25 Smith, E. E.: First Lensman, Reading, Pa.: Fantasy Press 1950; Smith, E. E.: Gray Lensman, Reading, Pa.,: Fantasy Press 1951; Smith, E. E.: Second Stage Lensmen, Reading, Pa.: Fantasy Press 1953; Smith, E. E.: Children of the Lens, Reading, Pa.: Fantasy Press 1954.– Die Romane erschienen ursprünglich in Fortsetzungen zwischen 1934 und 1948.
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nature, its ability to capture experience as systems of interrelated actions.«26 In die Game Studies führte Ian Bogost den Begriff 2008 ein – als Bezeichnung für die mediale Affordanz zur Konstruktion dynamischer Modelle realweltlicher Prozesse: »This ability to execute a series of rules fundamentally separates computers from other media.«27 Digitale Spiele nutzen Prozeduralität als ihren »core representational mode«.28 Sie verfügen damit im Gegensatz sowohl zu ihren analogen Vorläufern als auch zu den linearen audiovisuellen Medien über einen neuen, weil systemischen Modus der Repräsentation. Dank ihrer medialen Eigenschaften vermögen sie Systeme jedweder Art nicht nur – wie die Literatur – zu beschreiben und sie vermögen sie auch nicht nur – wie Bildende Kunst und Fotografie, Theater, Film und Fernsehen – visuell oder audiovisuell darzustellen. Sie können vielmehr ihr Funktionieren virtuell simulieren und damit erfahrbar machen. Bislang resultierte die Prozeduralität digitaler Spiele freilich primär aus individuellem Design und menschlicher Programmierung. Sie wurde und wird gewissermaßen von Kopf und Hand hergestellt. Erst in jüngster Zeit kommt es zu Versuchen der Automatisierung – also zu einer prozeduralen Generierung von Prozeduralität; zum Beispiel in der automatisierten Produktion wesentlicher Elemente von Spielwelten wie den Galaxien von ELITE: DANGEROUS (2014), den Planeten von NO MAN’S SKY (2015, in Entwicklung) und STAR CITIZEN (2015, in Entwicklung) oder den prozedural generierten Quests in MMOs wie EVERQUEST NEXT (2015, in Entwicklung).29 Solche Automatisierung scheint das Telos prozeduraler Narrativität. Aus einfachen Regeln lassen Algorithmisierungen komplexere Spiel- und Handlungssituationen in Echtzeit entstehen und kontrollieren, als es menschlichem Kalkulieren und Kombinieren möglich wäre. Daraus ergeben sich in weit höherem Maße
26 Murray, Janet Horowitz: Hamlet on the Holodeck: The Future of Narrative in Cyberspace, New York: Free Press 1997, S. 274. 27 Bogost, Ian: Persuasive Games: The Expressive Power of Videogames, Cambridge, MA: MIT Press 2007, loc. 125. 28 Ebd., loc. 36. 29 Vgl. z.B. Lauro, Christina: »MMO Mechanics: Procedural Generation is the Future«, in: Massively by joystiq, 26. Februar 2014, http://massively.joystiq.com/2014/02/26/ mmo-mechanics-procedural-generation-is-the-future/30
Vgl.: »Emergent gameplay
is usually taken to be situations where a game is played in a way that the game designer did not predict«. (Juul: Half-Real, loc. 837.)
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als in analogen Spielen – von linearen Audiovisionen ganz zu schweigen – emergente, also überraschende, weil ungeplante und unvorhergesehene Abläufe.30 Schaut man sich allerdings die digitalen Spiele dieser Frühzeit an – selbst das zukunftsweisende SPACEWAR! –, so scheint es kaum vorstellbar, dass ihre Nachfahren nur wenige Jahrzehnte später Kino und Fernsehen herausfordern sollten. Diese Konkurrenz ergab sich erst aus zwei weiteren qualitativen Entwicklungsschüben, die das Medium digitaler Spiele erneut kategorial veränderten.
30 Vgl.: »Emergent gameplay is usually taken to be situations where a game is played in a way that the game designer did not predict«. (Juul: Half-Real, loc. 837.)
4 Hyperepische Wende (seit den 1970er Jahren) »[A] video game is a set of rules as well as a fictional world.« JESPER JUUL
1
Im Laufe der siebziger Jahre verließen digitale Spiele das geschützte Umfeld der Universitäten und Forschungseinrichtungen, in dem sie seit den fünfziger Jahren primär entstanden waren. In Herstellung und Vertrieb bildeten sich – dem Vorbild der Arkaden-Branche folgend – allmählich manufakturelle Organisationsweisen aus, in den frühen achtziger Jahren auch industrielle Organisationsweisen nach dem Studiomodell Hollywoods. Der Aufstieg Ataris, des zeitgenössisch einflussreichsten Game Studios, verdeutlicht diesen Prozess. 1972 gegründet, machte die Firma 1973 bereits 3 Millionen Dollar Umsatz, 1975 40 Millionen. 1976 erwarb Warner Brothers das Games Studio, und 1979, nach einer langen Reihe erfolgreicher digitaler Spiele, die gleichermaßen für Arkaden- und Heimunterhaltung veröffentlich wurden – u.a. ASTEROIDS, BAT2 TLEZONE, BREAKOUT –, erzielte Atari 200 Millionen Dollar Umsatz. 1982 schließlich, kurz vor dem großen Videogame-Crash, sorgten Atari-Spiele für 70 Prozent des Konzerngewinns und übertrafen damit bei weitem die Einnahmen, die Warner Bros. aus dem Musik- und Filmgeschäft erzielte.3 In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre setzte dann u.a. die 1982 gegründete Firma Electronic Arts die Spieleproduktion nach dem Modell Hollywoods mit dem erklärten Ziel fort, »the traditional distinctions between art and entertainment and education
1
Ebd., loc. 43.
2
Vgl. Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1530ff.
3
Vgl. Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 2198.
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and fantasy« aufzuheben.4 Diese Orientierung der Game Studios an der Filmproduktion steigerte sich um 1990 noch einmal, als es möglich wurde, in digitalen Spielen mit gefilmtem Material zu arbeiten. Über das einflussreiche Game Studio Cinemaware schreibt Donovan etwa: »Cinemaware’s movie influences ran deeper than just surface presentation and storytelling however. Hollywood’s movie development processes would also inform its approach to game development.«5
V ON M AINFRAME - UND A RKADEN ZU K ONSOLEN - UND PC-S PIELEN Dem ökonomischen Erfolg korrelierte die soziale und kulturelle Durchsetzung digitaler Spiele, zunächst vor allem in den USA.6 Die Conditio sine qua non dafür war der Weg aus der Arkade in die Wohnzimmer. Gelingen konnte er, noch bevor der PC konstruiert war, durch eine zweite Entwicklung. Sie begann unabhängig von der Digitalisierung in der analogen TV-Industrie als Versuch, Fernsehgeräte für mehr als das übliche Programm zu verwenden. Der TV-Ingenieur Ralph Baer, der 1966 eine solche interaktive Nutzung zuerst imaginierte, besaß von digitalen Spielen wie SPACEWAR! keine Kenntnis.7 In mehrjähriger Entwicklungsarbeit gelang es ihm, eine TV-Konsole herzustellen, die von Mag-
4
Ebd., loc. 3259. Dem Vorbild Hollywoods folgte EA auch darin, dass es seine Game Designer in der Öffentlichkeit darstellte »as if they were movie directors – artistic visionaries of the new era of interactive entertainment.« (Ebd.)
5
Ebd., loc. 4260.
6
Zur Situation außerhalb der USA vgl.: »While the Americans were enjoying a steady stream of variously innovative or derivative games […], there were many parts of the world which were still waiting for their first electronic game to appear.« (Mäyrä: Game Studies, loc. 941.) Ebenso: »At the time the whole of Europe was lagging behind the US in the rise of home computers and video games. While the US and Japan forged ahead building a new entertainment industry on the back of the digital revolution, Europeans had largely settled into the role of consumers rather than producers of video games.« (Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 2638.)
7
Vgl. Baers Erinnerung: »I knew nothing about Steve Russell’s or Nolan Bushnell’s work. I was just a guy with a TV engineering degree who wanted to do something with all those 60 million TV sets out there besides tuning in Channel 2, 4, or 7. And I did.« (Baer, Ralph H.: »Foreword«, in: Wolf, Mark J. P. (Hg.), The Medium of the Video Game, Austin: University of Texas Press 2002, S. ix-xvi, hier S. xv.)
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navox unter der Bezeichnung Odyssee zur gleichen Zeit auf den Markt gebracht wurde, als Nolan Bushnell PONG in die Arkaden stellte: »It was the only way to approximate the Pong experience at home«, sagte Baer. »Nearly 100,000 Odyssey units wound up in people’s homes […] The home video game industry was launched.«8 Mit den frühen Konsolen begann so die Einübung in einen nicht passiven Umgang mit den Audiovisionen, die TV-Schirme zeigen konnten. Spielen, sagte Nolan Bushnell, »gives you a sense of control, whereas before all you could do was sit and watch channels.«9 Die wichtigsten digitalen Spiele der siebziger Jahre hatten ihren Ursprung zwar weiterhin in universitären Mainframes oder in den Spielmaschinen der Arkaden, sie wurden jedoch seit der zweiten Hälfte des Jahrzehnts meist zügig auf Konsolen und Heimcomputer portiert. Damit gelangten sie nicht nur massenhaft in die Haushalte, sondern bald auch in die Medien, auf die Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften, in Spielfilme und Fernsehserien.10 Mitte der achtziger Jahre besaß jeder vierte US-Haushalt eine Spielkonsole und jeder achte einen PC. Parallel dazu formten sich mit den populären digitalen Spielen, die im ersten Jahrzehnt digitaler Konsolen und Heimcomputer entstanden – u.a. COLOSSAL CAVE ADVENTURE (1972), ZORK (1977), SPACE INVADERS (1978), FLIGHT SIMULATOR (1978), MYSTERY HOUSE (1979), BATTLEZONE (1980), PAC-MAN (1980), DONKEY KONG (1981), MARIO BROS. (1983), SUPER MARIO (1985) –, auch viele der bis heute existierenden Spiel-Genres, vor allem Plattformer, Simulation Game, Action Game und als zeitgenössisch wichtigstes Genre das Adventure Game.
D AS
INNOVATIVE
G ENRE
DER
T EXT -A DVENTURES
Sein Prototyp COLOSSAL CAVE ADVENTURE entstand als reines Text-Spiel in den frühen siebziger Jahren auf einem Timesharing-Computer. Nach mehreren Überarbeitungen, die der Höhlenerkundung u.a. Fantasy-Elemente in der Tolkien-
8
Ebd., S. xv.
9
Zitiert nach Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 801.
10 Time z.B. brachte 1982 eine Titelgeschichte: N.N.: »Gronk! Flash! Zap! Video Games Are Blitzing The World«, Time, 18. Januar 1982, http://content.time.com/time/cov ers/0,16641,19820118,00.html. – Videospiele figurierten Anfang der achtziger Jahre prominent in mehreren Hollywoodfilmen, insbesondere TRON (1982) und THE LAST STARFIGHTER (1984). Beide Filme arbeiteten wie die Spiele, von denen sie handelten, in hohem Maße bereits mit digital generierten Bildern.
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Tradition hinzufügten, erreichte es ab 1976 über das ARPAnet einige Popularität; jedenfalls in den Kreisen der wenigen, die bereits Zugang zu einem vernetzten Computer hatten. Ende der siebziger Jahre setzte dann der kommerzielle Vertrieb von PC-Versionen dieses Spiels wie auch anderer Adventures ein, die von ihm beeinflusst waren, etwa ZORK und ADVENTURELAND (1978). Schnell stiegen Textspiele, oft auch als interactive fiction bezeichnet, zum populärsten zeitgenössischen Genre auf.11 Ihr Reiz bestand vor allem darin, dass die Spieler sich verzweigende Handlungsstränge über Texteingaben, später auch über Hyperlinks navigieren konnten. Mit dem Adventure-Genre formten digitale Spiele so einen gänzlich eigenen Modus der Narration aus, der zunächst von literarischer Welterzeugung geprägt war. Sie steigerten die textbasierten Adventures jedoch auf eine Art und Weise, wie es kein Werk analoger Literatur vermochte, indem sie die spezifische Befähigung digitaler Schriftlichkeit zur Multilinearität einsetzten. Mit ihr trat an die Stelle temporaler Linearität eine Räumlichkeit, deren zeitliche Dimension sich erst in jeder Durchwanderung neu realisierte. Wer sich durch diese Gewebe portionierter Textpassagen einen je eigenen Weg las, schrieb und klickte, dem vermittelten sich ungekannte Erfahrungen von Entscheidungszwang und Eigenständigkeit, von Immersion und Kalkül. Insbesondere die 1979 im Umkreis des MIT gegründete Firma Infocom wollte ihre Produktionen durch literarische Qualität vom Gros der zeitgenössischen Spiele absetzen. In einer ihrer Anzeigen hieß es: »Expect the unexpected the first time you experience Infocom’s interactive fiction. Because you won’t be booting up a computer game. You’ll be stepping into a story. [ ... ] For the first time, you can be more than a passive reader – you can become the story’s main character and driving force.«12
Eins der besten Text-Adventures war denn auch die 1984 bei Infocom erschienene Adaptation von Douglas Adams’ Roman THE HITCHHIKER’S GUIDE TO THE GALAXY. Als das Spiel auf den Markt kam, hatten rein textbasierte Adventures den Zenit ihres Erfolgs allerdings überschritten. Seit Ende der siebziger Jahre richtete sich das Bemühen, anspruchsvolle und berührende Geschichten zu erzählen, immer stärker darauf, die Beschränkungen vorgegebener und rein schrift11 Vgl. Mäyrä: Game Studies, loc. 1194. 12 Zitiert nach Furtwängler, Frank: »Im Spiel unbegrenzter Möglichkeiten. Zu den Ambiguitäten der Videospielforschung und -industrie«, in: Distelmeyer, Jan/Hanke, Christine/Mersch, Dieter (Hg.), Game over!?: Perspektiven des Computerspiels, Bielefeld: transcript 2008, S. 59-72, hier S. 70. – Online findet sich die Anzeige unter http://arch eogaming.blogspot.com/2012/11/infocom-advertising-real-trick-is.html
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licher Darstellungen zu überwinden. Die Möglichkeiten von Interaktion und die Effekte der Immersion zu steigern wurde auf dreierlei Weise versucht.
D IE E VOLUTION
AUDIOVISUELLEN
E RZÄHLENS
Mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Heimcomputer – vor allem durch verbesserte Grafik-Chips und Datenspeicher für die Distribution (Diskette, CDROM) – traten zum einen im Genre der Adventures neben die Erzähltexte Illustrationen, Animationen und auch Töne. Diese Entwicklung nahm um 1980 ihren Anfang mit MYSTERY HOUSE13, das Roberta und Ken Williams mit noch recht einfachen Grafiken für den Apple II publizierten. Sie kulminierte Anfang der neunziger Jahre schließlich in Robyn und Rand Millers erzählerisch wie graphisch aufwändigem Meisterwerk MYST.14 Das CD-ROM-Spiel erlaubte seinen Spielern aus subjektiver Perspektive die recht eigenständige interaktive Erkundung einer multimedial gestalteten Inselwelt. Das faszinierende Zusammenwirken von selbständigem Handeln und Rätsellösen, textuellem und nonverbalem Geschichtenerzählen, Musik und interaktiven Grafiken, die sich je nach Blickrichtung wie eine First-Person-Dia-Show aufbauten, sorgten dafür, dass MYST mit insgesamt rund sechs Millionen verkauften Exemplaren zum erfolgreichsten Spiel in der Geschichte des jungen Mediums wurde.15 Die Anstrengung, die Limitierungen von Text-Adventures zu überwinden, richtete sich zum zweiten dagegen, dass die Texte, in denen sich die Geschichten und damit die narrativen Erfahrungen entfalteten, vorgegeben waren und daher
13 Inspiriert wurden die Game Designer von dem Brettspiel CLUEDO und Agatha Christies Roman And Then There Were None (1939). Vgl. Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 1314. 14 Der Titel ist eine Anspielung auf Jules Vernes Roman L’Île mystérieuse (1874/75). 15 MYST verkaufte bis 1999 4,2 Millionen Kopien, gefolgt vom MS FLIGHT SIMULATOR mit 2,8 Millionen und DOOM II mit 1,5 Millionen Exemplaren. Vgl. Dunnigan, James F.: The Complete Wargames Handbook: How to Play, Design, and Find Them, New York, N.Y.: Morrow 1992, Online: http://www.strategypage.com/wargames-handbook /chapter/contents.aspx. Die Zahlenangaben finden sich in der Einleitung: http://www. strategypage.com/wargames-handbook/chapter/Introduc.aspx – Abgelöst wurde MYST erst 2002, als es rund 6 Millionen mal verkauft worden war, durch THE SIMS. Vgl. Walker, Trey: »The Sims Overtakes Myst«, Gamespot 2002, http://www.gamespot .com/articles/the-sims-overtakes-myst/1100-2857556/
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echte Interaktion nicht möglich war.16 Sie ließ sich jedoch herstellen, wenn menschliche Akteure nicht mehr gegen ein vorprogrammiertes Spiel, sondern in dem Handlungsraum eines Spiels gegeneinander antraten. Die ersten so genannten MUDs – Multi-User Dungeons –, in denen eine Vielzahl von (Rollen-)Spielern in Echtzeit textuell kommunizieren konnte, kamen während der zweiten Hälfte der siebziger Jahre in lokalen Netzen und speziellen Einwahl-Systemen auf. Historisch haben sie zwei Wurzeln: erstens die textbasierten Online-Spiele, die seit den frühen siebziger Jahren von Studierenden und Lehrenden für universitäre Mainframe-Computer programmiert worden waren, z.B. STAR TREK (1971), MAZE WAR (1974) oder AVATAR (1977); zweitens das analoge Rollenspiel DUNGEONS AND DRAGONS, eine Kombination der Elemente von War Games, Amateur-Theater und Fantasy-Erzählungen, wie sie zur selben Zeit auch die Text-Adventures beeinflussten. 1973 erschienen, begründete DUNGEONS AND DRAGONS die moderne Rollenspiel-Bewegung. Gleichzeitig legten seine komplizierten statistischen Regeln und Abläufe eine virtuelle Automatisierung nahe. Den ersten – unlizenzierten – Versuch unternahm der damalige Student Don Daglow für einen MainframeComputer (DUNGEON, 1975/76).17 Ende des Jahrzehnts programmierten dann die britischen Studenten Roy Trubshaw und Richard Bartle MUD. Mit dem Anschluss des universitären Mainframe-Computers, auf dem das Spiel gehostet wurde, an das ARPAnet im Jahre 1981 verwandelte sich MUD von einem lokalen zum ersten international vernetzten Online-Spiel und damit zum Vorläufer aller späteren Multiplayer-Online-Spiele in Internet und WWW.18 Bis in die Gegenwart adaptieren digitale Spiele die Mechaniken des analogen Rollenspielklassikers.19 Eine weitere Bemühung, die erzählerische Wirkung digitaler Spiele zu verbessern, richtete sich zum dritten auf ein Element, das Text-Adventures weitge16 Vgl. dazu Schell, Jesse: »Die Zukunft des Erzählens: Wie das Medium die Geschichten formt«, in: Beil, Benjamin/Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), New Game Plus: Perspektiven der Game Studies. Genres – Künste – Diskurse, Bielefeld: transcript 2015, S. 357-374, hier S. 365. 17 Vgl. Daglows Bemerkung: »It was so well suited to simulate on a computer.« Zitiert nach Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 1195. 18 Mit HABITAT (1985) vollzogen MUDs auch den Übergang vom reinen Textspiel zu grafisch gestalteten Welten. 19 »The systems for digital role-playing games such as DIABLO III, BALDUR’S GATE, EVERQUEST, ASHERON’S CALL, and WORLD OF WARCRAFT are derived from the paper-based system of DUNGEONS & DRAGONS.« (Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 5274.)
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hend fehlte, aber neben Handlungsräumen und Handlungen für die Wirksamkeit von Geschichten essentiell ist: starke und identifikationsträchtige Charaktere. Deren Ursprung im Medium digitaler Spiele datiert ebenfalls auf die achtziger Jahre. Allerdings entstanden sie weniger in Adventures als in Plattformern und Action Games. Vorreiter dieses (Seiten-)Wegs in die Narration war Pac-Man, der Held des 1980 veröffentlichten gleichnamigen Arkadenspiels.20 Über unzählige Adaptionen – u.a. Spiele für Konsolen und PCs, eine animierte Fernsehserie, Hitsingle, Spielzeugfiguren – wurde Pac-Man in der zeitgenössischen Massenkultur zur ersten ikonischen Videospiel-Gestalt und damit zum »precursor for later gaming icons like Mario, Sonic the Hedgehog and Lara Croft«.21 Deren audiovisuelle Darstellung und Charakterisierung entwickelte sich parallel zu den ersten Ansätzen, Spielen technisch wie ästhetisch fotorealistische Qualitäten zu verleihen: von kurzen animierten Sequenzen in eher statisch-theatralisch organisierten Bildräumen, die in den frühen achtziger Jahren möglich wurden (z.B. MARIO BROS., 1983), zu filmisch produzierten und gestalteten Szenen, wie sie um 1990 aufkamen (z.B. IT CAME FROM THE DESERT, 1989).22 Damit aber setzte ein folgenschwerer Wandel ein: Der Film begann, die Literatur, aus der die meisten Adventures bislang ihre Inspiration bezogen hatten, als mediales Modell für das angestrebte nicht-lineare Geschichtenerzählen abzulösen. In der Konsequenz führte dieser Prozess zur Ausbildung einer neuen, sowohl hyperepischen wie hyperrealistischen Ästhetik.23
H YPEREPIK Nach und neben der prozeduralen Wende gelang so zunächst in dieser zweiten Phase digitaler Spiele zwischen Anfang der siebziger und Anfang der neunziger
20 »Unlike all previous game hits, this one had an identifiable main character.« (Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1729.) PAC-MAN ist bis heute das Arkadenspiel mit dem höchsten Einspielergebnis, vgl. Wikipedia: »Stichwort ›Arcade game‹«, (2014), http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_highest-grossing_arcade _games#List_of_highest-grossing_arcade_video_games 21 Mäyrä: Game Studies, loc. 1103. 22 Diese Entwicklungsphase digitaler Spiele zeigt gewisse Parallelen zur Frühgeschichte des Trickfilms, die ebenfalls wesentlich von der Ausprägung einerseits kurioser, andererseits identifikationsträchtiger Charaktere geprägt war; beginnend mit Winsor McCays GERTIE THE DINOSAUR (1914). 23 S.u. S. 83ff.
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Jahre die Ausbildung immer verwobenerer multilinearer Erzählungen bis hin zur Eröffnung vergleichsweise offener Handlungsräume, die sich in einem Vorläufer heutiger Sandbox-Spiele wie MYST auch bereits mehr oder weniger frei erkunden ließen. »The guiding principle«, schreibt Frans Mäyrä, »was to incorporate the storyline into the playable structures of interactive game levels, thereby creating a unified, highly playable story-world.«24 Diese Etablierung komplexer Erzählstrukturen im Medium digitaler Spiele – ausgehend von Text-Adventures, aber bald nicht mehr auf dieses Genre beschränkt25 – lässt sich als hyperepische Wende beschreiben. Das Präfix ›hyper‹ bezeichnet dabei nichts anderes als in dem von Ted Nelson Mitte der 1960er Jahre gebildeten Kompositum ›Hyperlink‹: eine direkte Referenz, die sich interaktiv realisieren lässt und damit das Navigieren zwischen Datenkomplexen erlaubt, ob es sich bei ihnen nun um Texte, Bilder oder 3D-Welten handelt. Mit der Entwicklung solch hyperepischer Strukturen und Qualitäten entwickelten digitale Spiele Qualitäten, mit denen weder analoge Spiele noch lineare Audiovisionen konkurrieren konnten (und können). Die mediale Leistungsfähigkeit gerade gegenüber den Begrenzungen, denen das audiovisuelle Geschichtenerzählen in den älteren mechanischen und industriellen Medien unterliegt, lässt sich am zentralen Moment der medial möglichen Gestaltung von Zeit und Raum demonstrieren. Denn während literarisches Erzählen in beider Manipulation weitgehend frei ist, unterliegen die Audiovisionen von Bühne, Film und Fernsehen starken Restriktionen, die folgerichtig jeweils die Spezifik der jeweiligen audiovisuellen Medien ausmachen:26 •
•
Die Mechanisierung und ihre Kultur produzierten die Guckkastenbühne mit ihrem perspektivischen Illusionsraum, dem Vorhang und einer Vielzahl anderer Hilfsmittel, die eine bessere, die Möglichkeiten von Realität oder Straßentheater übersteigende Manipulation von Raum und Zeit ermöglichten. Mit der Industrialisierung und ihrer Kultur entstanden dann Film und Fernsehen. In ihnen traten Schnitt und Montage medientechnisch an die Stelle des Vorhangs. Indem sie räumliche und zeitliche Wechsel in großer Zahl und nahezu spurenlos verschalteten, erschlossen sich dem audiovisuellen Erzählen radikal neue Raum-Zeit-Verhältnisse.
24 Mäyrä: Game Studies, loc. 1138. 25 Bereits 1983 erschien z.B. mit ULTIMA III: EXODUS ein Versuch, Rollenspiel und Geschichtenerzählen miteinander zu verbinden. Vgl. Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 3430. 26 Vgl. zum Folgenden die ausführlichere Diskussion in Freyermuth: »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit«.
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Mit dem Transmedium digitaler Software entwickeln sich nun wiederum neue Möglichkeiten, Raum und Zeit in audiovisuellen Narrationen zu kontrollieren. Sie basieren darauf, dass die vorgängige Manipulation von Hardware – etwa Holzbühne, Kulissen und Vorhang oder Zelluloid – durch eine interaktive echtzeitige Manipulation von Software ersetzt wird. Lokale und vernetzte Virtualität wird zum Handlungsraum und Spielplatz. Damit stellt sich ein zweifacher ästhetischer Effekt ein: Raum- und Zeitverhältnisse werden virtualisiert und zugleich verräumlicht und verzeitlicht sich das virtuelle Reich der Daten.
Hyperepische Narrationen unterscheiden sich daher von den linearen Spielarten literarischen wie audiovisuellen Erzählens medientechnologisch kategorial – und sind zugleich deren Anderes. Denn sie bleiben auf sie bezogen und nehmen sich vor allem Romane und Spielfilme unentwegt zu Vorbildern, um deren ästhetische Qualitäten durch Adaptationen im und an das virtuelle Transmedium nachhaltig zu modifizieren. Im Gegensatz zu diesen linearen Vorbildern aber, die von realisierten Handlungen in fiktiven Welten erzählen, bieten Spiele – wie schon Hans-Georg Gadamer mit Blick auf analoge, d.h. nicht-hyperepische Spiele analysierte – fiktive regelbestimmte Welten für mögliches Handeln.27 In Fortführung dieser Beobachtung können die Überlegungen, die Lev Manovich zum Verhältnis von (analogen) Narrationen und (digitalen) Datenbanken angestellt hat, die Alterität der Geschichten erläutern, die sich in digitalen Spielen erfahren lassen.28 Manovich beschreibt Datenbanken und Erzählen als »natural enemies«, da beide den Anspruch erheben, Bedeutungen zu konstituieren, die in Widerspruch zueinander stehen. Der arbiträre Echtzeit-Zugriff, den Algorithmen auf das Gros digitaler Datensammlungen ermöglichen – von E-Commerce-Websites wie Ebay oder Amazon bis zu Plattformen des Social Web wie Flickr oder Facebook –, sei grundsätzlich anti-narrativ, da er weder einen notwendigen Anfang noch ein notwendiges Ende kenne, keine zwingende Sequenz, keine wie immer geartete Entwicklung. Im Gegensatz etwa zu der Lektüre eines Romans oder dem Betrachten eines Films füge sich in der Befragung von Datenbanken die Welt nie zu einem ästhetischen oder sinnhaften Ganzen. 27 Gadamer, Hans-Georg: »Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest« (*1974), in: (Hg.), Ästhetik und Poetik I. Kunst als Aussage. Gesammelte Werke Band 9, Tübingen: Mohr 1985 S. 95-142. 28 Manovich, Lev: »Database as a Symbolic Form«, Millenium Film Journal, Herbst 1999, http://www.mfj-online.org/journalPages/MFJ34/Manovich_Database_FrameSet .html
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Auch digitale Spiele bestehen zwar in ihrem Kern aus Datenbanken. Doch ihre gänzlich anders gearteten Algorithmen erlauben aus zweierlei Gründen, die gespeicherten Daten als Narrationen zu erleben. Zum einen steuern sie über die Stellung spezifischer Aufgaben – Quests, Puzzles usf. – das Erleben: »Everything which happens to her [the player] in a game, all the characters and objects she encounters either take her closer to achieving the goal or further away from it.«29 Zum zweiten und grundsätzlicher noch ist die aus Datenbanken erschaffene Welt digitaler Spiele selbst durch Algorithmen konstruiert und erfordert daher im Spiel deren Rekonstruktion: »As the player proceeds through the game, she gradually discovers the rules which operate in the universe constructed by this game. She learns its hidden logic, in short its algorithm. Therefore, in games where the game play departs from following an algorithm, the player is still engaged with an algorithm, albeit in another way: she is discovering the algorithm of the game itself.«30
Hyperepisches Erzählen ist insofern einerseits datenbankbasiert, andererseits durch (proto-)narrative Algorithmen strukturiert. Seine zunächst textuellen, später audiovisuellen Geschichten kennzeichnet, dass ihr Ablauf, aus dem sich Narration ergibt, nicht exakt vorgegeben ist. Vielmehr realisieren ihn die Spielenden auf ihrem Weg durchs Spiel über Interaktion mit dem strukturellen Handlungspotential – der Kombinatorik von Daten und Algorithmen – in einem virtuellen, ebenfalls algorithmisch konstruierten Erzählraum. Im Hinblick auf die Strukturierung und Funktion von Narration unterscheidet Jesper Juul dabei zwei archetypische Pole, die am Anfang digitaler Spiele standen: »[T]here is a general scale from the highly replayable multiplayer game (the emergence game) where the player can gradually begin to ignore the fiction to, at the other extreme, the ›complete-once‹ adventure game (the progression game), where the player only faces each setting once and is therefore more likely to take the fictional world at face value.31
29 Ebd. 30 Ebd. – Derweil gestalten auch Datenbank-Webseiten ihre Algorithmen proto-narrativ: ›Viele, die wie du danach gesucht haben, haben auch danach gesucht‹; ›dieses Bild, das du gerade gefunden hast, ist diesem ähnlich‹; ›dein Freund empfiehlt diesen Artikel ... ‹ usf. 31 Juul: Half-Real, loc. 87.
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[...] The history of video games can be seen as the product of two basic game structures, the emergence structure of PONG and the progression structure of adventure games.«32
Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts hat sich freilich mit dem Aufkommen von Open-World- und Sandbox-Games der thetische Gegensatz von Emergenz und Progression in einer Art Synthese aufgehoben. In ihnen ist Narration eher räumlich als zeitlich und privilegiert, wie Henry Jenkins schreibt, »spatial exploration over plot development.«33 In den multi- oder nonlinearen Handlungsräumen, die Hyperepen als »environmental storytelling«34 eröffnen, werden Spieler so zu leidlich autonomen Akteuren. Das jeweilige ästhetische Erlebnis ist damit nicht länger wie in den klassischen Adventures vollständig gesetzt, sondern emergiert aus dem inhärenten Spannungsverhältnis von hyperepischer Konstruktion und je möglicher Interaktion. Genauer: Erst in der Fusion des – programmierten und designten – narrativen Potentials virtueller Welten mit der Vielzahl individueller Vorlieben und Entscheidungen, Reaktionen und Interaktionen der Nutzer formen sich im Raumzeit-Dazwischen – Medium – des Spiels die einzigartigen Erfahrungen hyperepischer Narrationen. Ihr ästhetischer Reiz wie ihre andauernde Popularität aber resultieren wesentlich daraus, dass sie lange schon nicht mehr textbasiert sind.
32 Ebd., loc. 799. Vgl. auch: »The progression structure yields strong control to the game designer: Since the designer controls the sequence of events, this is also where we find the games with cinematic or storytelling ambitions.« (Ebd., loc. 822.) 33 Jenkins, Henry: »Game Design as Narrative Architecture«, in: Wardrip-Fruin, Noah/ Harrigan, Pat (Hg.), First Person: New Media as Story, Performance, and Game, Cambridge, Mass.: MIT Press 2004, S. 119-129. Zitiert nach: http://web.mit.edu/21 fms/People/henry3/games&narrative.html 34 Ebd.
5 Hyperrealistische Wende (seit den 1990er Jahren)
Zu Beginn der dritten Phase digitaler Spiele gingen die nachhaltigsten Veränderungen nicht mehr von Arkaden- und auch nur in geringerem Maße von Konsolenspielen aus. Technische wie ästhetische Schrittmacher wurden in den frühen neunziger Jahren Spiele, die – zumindest ursprünglich – für Multimedia-PCs designt wurden.
D IGITALE T ECHNIK Um 1980 existierten weltweit allenfalls zwei Millionen PCs, die zudem wenig leistungsfähig waren. Um 1990 war die Zahl der PCs auf über 50 Millionen von erheblich höherer Rechenkraft angewachsen. Wiederum zehn Jahre später, kurz nach der Wende zum 21. Jahrhundert, sollte bereits eine Milliarde PCs in Betrieb sein. 1 Diesem exponentiellen Wachstum korrelierte ein qualitativer Wandel: Statistisch wurde der persönliche Rechner von einem unvernetzten Büro- und Arbeitsgerät, das typischerweise für Textverarbeitung, Datenverwaltung und Buchführung genutzt wurde, zu einer multimedialen und – mit der Einführung der ersten Browser für das World Wide Web nach 1993 – vernetzten Kommunikations- und Kulturmaschine. Deren Video- und Audiosubsysteme steigerten ihre Leistungsfähigkeit im Laufe der neunziger Jahre ebenfalls exponentiell. Die 1
Vgl. http://www.intel.com/intel/intelis/museum/exhibits/hist_micro/hof/index.htm sowie N.N.: »Milliardster PC verkauft«, Heise Newsticker, 1. Juli 2002, http://www.heise.de/ newsticker/meldung/Milliardster-PC-verkauft-67490.html; Jusko, Jill: »Milestone Reached«, Industry Week, August 2002, http://www.industryweek.com/; Rupley, Sebastian: »One Billion PCs Shipped«, PC Magazine, 3. Juli 2002, http://www.pcmag. com/article2/0,4149,340368,00.asphttp://www.pcmag.com/article2/0,4149,340368,00.asp
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Nutzung verlagerte sich zunehmend auf mediale Kommunikation und Produktion sowie die Rezeption von Kunst und Unterhaltung, von Spielen, Musik, Fotografien, Videos und – nach der Markteinführung von DVDs im Jahre 1996 – auch von Filmen und Fernsehserien.2 Den ersten Anstoß zur multimedialen Aufrüstung der PCs mit schnelleren Prozessoren, stärkeren Grafikkarten und größeren Datenspeichern aber gaben digitale Spiele. Denn viele Game Designer wie Spieler strebten nach einem immer höheren, dem Prinzip nach fotografischen Realismus. In den siebziger Jahren besaßen selbst Arkadenspiele lediglich einfache Schwarzweiß-Grafiken.3 Dasselbe galt für die frühen Konsolen- und PC-Spiele. Zu Beginn der achtziger Jahre kamen dann Arkadenspiele mit farbigen Monitoren auf den Markt. Konsolen- und PC-Spiele eiferten diesem Vorbild nach. Vor allem PC-Spiele waren jedoch zunächst doppelt gehandicapt: einerseits durch den Mangel an farbigen Computerschirmen beziehungsweise durch deren hohen Preis, andererseits durch die Begrenzung der Datenmengen, die Disketten speichern konnten. Wenn das von Chris Crawford beklagte »nasty arms race over graphics«4 auch bereits Mitte der achtziger Jahre einsetzte, so waren dem Wettrüsten doch bei PC-Spielen durch den Mangel an Speicher- und Distributionsmedien enge Grenzen gesetzt. Ende der achtziger Jahre mussten nicht wenige Spiele auf einem halben Dutzend und mehr Disketten ausgeliefert und umständlich installiert werden. Erst die Durchsetzung der CD-ROM in Verbindung mit Multimedia-Normen ermöglichte ab 1991 aufwändigeres Grafik- und realistisches Sounddesign sowie die Integration von Animationen und Realfilmaufnahmen. Mitte der neunziger Jahre boten PCs dann 3D-Ton- und Bildwelten wie zuvor nur die um ein Vielfaches teureren Installationen in den Arkaden. Mit der Privatisierung der Verfügung verband sich zudem das Potential zu einer ästhetischen Personalisierung, wie sie öffentlichen Angeboten wegen ihrer kollektiven und zeitlich limitierten
2
Digitale Technik trat damit in unmittelbare Konkurrenz zur bis dahin dominierenden analogen elektronischen Heimunterhaltung. Vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »Freizeitpark im Fernsehsessel«, c’t – magazin für computertechnik, 13. September 1999, http: //www.heise.de/kiosk/
3
Farbeffekte wurden für Arkaden- wie Konsolenspiele dadurch hergestellt, dass für einzelne Spiele – z.B. BREAKOUT und SPACE INVADERS – transparente Farbfolien über die schwarzweißen Bildschirme gelegt wurden.
4
Zitiert nach Parkin, Simon: »30 Years Later, One Man Is Still Trying To Fix Video Games«, kotaku.com, 27. Dezember 2013, http://kotaku.com/30-years-later-one-mansstill-trying-to-fix-video-gam-1490377821
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Nutzung verwehrt bleibt. Nach 1995 wurden digitale Spiele daher erneut zur dominierenden Software-Sparte.5
V OM V ORBILD DES R OMANS ZUM V ORBILD DES S PIELFILMS Die medienästhetische Realisierung ihrer technisch immer aufwändigeren Bildund Tonwelten trieb nun ein neues Ideal: War für die erfolgreichsten Spiele der siebziger und frühen achtziger Jahre noch der Roman das vorrangige Vorbild gewesen, so übernahm seit Mitte der achtziger Jahre diese Rolle der Film und zwar in der Ausprägung, die er in Hollywood gefunden hatte. Indem digitale Spiele allmählich von einem schrift- und grafikbasierten zu einem genuin audiovisuellen Medium wurden, begann die Phase der gegenseitigen produktionellen wie ästhetischen Beeinflussung der beiden audiovisuellen Medien. Sie zeigte sich zunächst darin, dass einerseits Filmfirmen und Filmemacher auf den Spielemarkt drängten, andererseits Game Studios Techniken und Methoden der Filmproduktion übernahmen.6 George Lucas z.B. gründete 1982 Lucasfilm Games – später umbenannt in LucasArts – und begann eine Reihe einflussreicher Spiele zu produzieren, sowohl Adaptationen der STAR WARS- und INDIANA-JONES-Spielfilmserien als auch grafische Adventure-Spiele, u.a. LABYRINTH (1986), MANIC MANSION (1987), INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE: THE GRAPHIC ADVENTURE (1989), THE SECRET OF MONKEY ISLAND (1990). In der steten visuellen Fortentwicklung des Adventure-Genres zeigten sich deutlich die filmischen Wurzeln des Game Studios. »Lucasfilm [sic] became more and more interested in applying the techniques of cinematography, moving from the largely static scenes of MANIAC MANSION to the panning cameras and close ups of THE SECRET OF MONKEY ISLAND.«7 Einen ersten Höhepunkt erreichte die Verschmelzung von Games- und Filmästhetik 1993 mit STAR WARS: REBEL ASSAULT. Das Spiel, dessen Erfolg wesentlich zur Durchsetzung des CD-ROM-Formats beitrug, integrierte digitalisierte Realfilm-Ausschnitte aus STAR WARS-Filmen, eigens insze-
5
Vgl. z.B.: »For the third consecutive year, PCs are being used more to run entertainment software than for any other function, including word processing, online activities and business applications.« (Tucker, Greg: »Interactive Entertainment Industry Matures«, Patriot News-Harrisburg PA, 7. Juni 1998, www.nexis.com.).
6
Vgl. dazu Freyermuth: »Spiel // Film«.
7
Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 4319.
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nierte Realfilm-Bilder, vorgerenderte 3D-CGI-Szenen von höchster Qualität sowie Originalfilmmusik. Denselben Weg in Richtung einer Kombination von Spielerlebnis und filmischer Ästhetik gingen – nur in umgekehrter Richtung: vom Spiel kommend – Game Studios wie Cinemaware und Sierra Online. Cinemaware veröffentlichte u.a. das vom amerikanischen Gangsterfilm der dreißiger Jahre inspirierte THEKING OF CHICAGO (1986) und das von B-Movies der fünfziger Jahre inspirierte IT CAME FROM THE DESERT (1989). Sierra Online baute gar ein komplettes Filmstudio für seine Game-Produktionen. »It was a true studio with all that goes with it: sound rooms; blue-screen stage; editing bays«, erinnert sich Firmengründer Ken Williams.8 Während die Übernahme filmästhetischer Elemente – etwa der Mise en Scène, der Kameraführung, der Dialogführung, des Sound Designs usf. – die audiovisuelle Gestalt digitaler Spiele und damit auch das Spielerlebnis veränderte, erwies sich die Integration von Realfilm-Sequenzen mittelfristig als Irrweg. Denn diese mit realen Schauspielern gefilmten Sequenzen in Form noninteraktiver cinematischer Cutscenes störten doppelt die spielerische Immersion: zum einen, weil sie zur Aussetzung des Spiels führten; zum zweiten und wichtiger noch, weil die augenfällige Differenz zwischen ihrer fotorealistischen Qualität und den im Vergleich abfallenden animierten Spielszenen die ästhetische Einheit des Spiels gefährdete. Prominente Game Designer wie Chris Crawford beschuldigten denn auch um 1990 die Game Industrie – in Anspielung auf den Freudschen Penisneid –, sie leide unter einem unglücklichen »movie envy«, einem Filmneid.9 Anlass für Crawfords Klage war mit Chris Roberts’ PC-Weltraum-Flugsimulation WING COMMANDER (1990) allerdings ein Spiel, das seine im Kontext der Zeit sehr filmisch anmutende Visualität im Gegensatz zu zeitgenössischen CDSpielen – und auch im Gegensatz zu späteren Folgen des WING COMMANDERFranchise10 – nicht über Realfilm-Material, sondern über eine Grafik-Engine produzierte. Neben vorgerenderten Animationsszenen, in denen die Charaktere sogar lippensynchron sprachen, vermochte sie auch im Spiel selbst den Eindruck perspektivisch korrekter 3D-Welten zu erzeugen. Seine fortgeschrittenen ästheti8
Zitiert nach ebd., loc. 5623.
9
Vgl. Mäyrä: Game Studies, loc. 1402.
10 WING COMMANDER II: VENGEANCE OF THE KILRATHI (1991), WING COMMANDER: ACADEMY (1993), WING COMMANDER: PRIVATEER (1993), SUPER WING COMMANDER
(1994), WING COMMANDER: ARMADA (1994), WING COMMANDER III:
HEART OF THE TIGER (1994), WING COMMANDER IV: THE PRICE OF FREEDOM (1996), PRIVATEER 2: THE DARKENING (1996), WING COMMANDER V: PROPHECY (1997), WING COMMANDER: SECRET OPS (1998).
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schen Qualitäten wie sein großer zeitgenössischer Erfolg machten WING COMzu einem der Meilensteine, die in den frühen neunziger Jahren dem Medium den Weg in eine neuartige cinematisch-fotorealistische Audiovisualität wiesen. Die Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit des Wandels zeigt sich z.B. im Vergleich der im Rückblick noch gezeichnet anmutenden Grafiken von WING COMMANDER oder DOOM mit dem gesteigerten Realismus von Spielen wie MAX PAYNE (2001), die um die Jahrhundertwende erschienen, und schließlich mit der nahezu lebensecht anmutenden Visualität aktueller Spiele wie CRYSIS 3 (2013). Mit digitaler Bildlichkeit und speziell mit den nach fotorealistischer Anmutung strebenden hyperrealistischen Bildern digitaler Spiele kehrt, wie Lev Manovich wohl zuerst erkannte, eine durch den analogen Film verdrängte, Jahrtausende alte Tradition von den Rändern der Kultur in ihr Zentrum zurück: die Erzeugung bewegter Bilder nicht durch Realitätsabdruck, sondern durch Animation.11 MANDER
H YPERREALISMUS Jene Animationen allerdings, die am bisherigen Ende der Entwicklung wie fotografiert erscheinen, stellen eine gänzlich neue Variante realistischer Bildproduktion dar: Nach der Durchsetzung des perspektivischen 2D-Realismus im Gefolge der Renaissance und des 2D- und 3D-Fotorealismus im 19. und 20. Jahrhundert entstanden mit der Digitalisierung stehende und laufende Bilder, die Eigenschaften des malerischen Realismus – dass sie keinen Index benötigen – mit denen des kameraproduzierten Fotorealismus verbinden: dass sie dessen Anmutung besitzen. Eine solche Bildlichkeit wurde seit den sechziger Jahren in der Malerei erprobt und Anfang der siebziger Jahre von der Kunstkritik als Hyperrealismus bezeichnet. 12 Ähnlich beschrieben Umberto Eco 13 und Jean Baudrillard 14 die
11 Vgl. Manovich, Lev: The Language of New Media, Cambridge Mass.: MIT Press 2000. 12 Rückblickend erweisen sich der malerische Hyperrealismus der 1960er und 1970er Jahre wie auch weite Teile der analogen Special-Effects-Technik als ästhetische Antizipation digitaler Medientechnologie und ihrer Effekte. Zum malerischen Hyperrealismus vgl. z.B. Chase, Linda: Hyperrealism, London: Academy Editions 1975. – Zur Antizipation des filmischen Hyperrealismus vgl. Brinkemper, Peter V.: »Paradoxien der Enträumlichung Zur Philosophie des 3-D-Films«, Glanz und Elend. Literatur und Zeitkritik (2012), http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/s/starwars.htm. – Zur historischen und ästhetischen Ausdifferenzierung von Realismus, Fotorealismus und Hyperrealismus vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »Cinema Revisited. Vor und nach dem
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Imitation von Kunstwerken und den kompletten Nachbau von Gebäuden, wie er nach Disney in US-Themenparks und der Unterhaltungsarchitektur üblich wurde, als ein Zuviel an Realität; eine Über-Wirklichkeit. Diese Hyperrealität entthrone die bescheidenere ›originale‹ Realität und betreibe Entwirklichung. Was in Malerei und Architektur analog antizipiert wurde – eine Bildlichkeit, die fotografisch anmutet, deren Bildinhalte aber auf keine Realität verweisen, beziehungsweise betretbare 3D-Welten, die in ihrer ›Virtualität‹ wirklicher als die Wirklichkeit wirken –, fand dann im mathematisch fundierten Transmedium Software und im Kontext vor allem der amerikanischen Filmproduktion eine medientechnische Realisierung.15 Bereits in den frühen achtziger Jahren ließen sich analoge Spezialeffekte und Animationen durch digital bearbeitete und auch gänzlich generierte Bilder ersetzen. Immer mehr Spielfilme und Fernsehserien zeichneten sich durch eine hybride, weil teils fotorealistisch produzierte, teils virtuell bearbeitete oder generierte Bildlichkeit aus, bis dann George Lucas mit STAR WARS: EPISODE I: THE PHANTOM MENACE (1999) den ersten komplett digital gerenderten Spielfilm in die Kinos brachte.16 In der Spieleproduktion verlief die Entwicklung jedoch langwieriger, da digitale Spiele ihre hyperrealistischen Welten im Gegensatz zum Film nicht vorrendern können, sondern dem Prinzip nach – außerhalb von Cutscenes – in Echtzeit generieren müssen. Im Laufe der 2000er Jahre wichen jedoch auch diese vorproduzierten linearen Sequenzen echtzeitigen Bildern von immer fotorealistischerer Qualität. In der audiovisuellen Produktion der Gegenwart – Film, Fernsehen, Games, Visualisierungen und Simulationen – koexistieren nun drei Varianten, hyperrealistische Bildlichkeit herzustellen:
Kino – Audiovisualität in der Neuzeit«, in: Kloock, Daniela (Hg.), Zukunft Kino, Marburg: Schüren 2007, S. 15-40. 13 Vgl. Eco, Umberto: »Reise ins Reich der Hyperrealität (*1975)«, in: (Hg.), Über Gott und die Welt, München: Hanser 1985, S. 36-99. 14 Baudrillard, Jean: Simulacra and Simulation, Ann Arbor: University of Michigan Press 1994 (*1981). 15 Vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »Die Zukunft des Kinos: Synthetische Realitäten / The Future of Cinema: Synthetic Realities«, in: Wolfgang Jacobsen, Hans Helmut Prinzler, Werner Sudendorf (Hg.), Filmmuseum Berlin, Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung 2000, S. 315-382 (englisch / deutsch). 16 Freyermuth, Gundolf S.: »Der Tod des Tonfilms – Revisited«, in: Polzer, Joachim (Hg.), Weltwunder der Kinematographie – Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Filmtechnik. Aufstieg und Untergang des Tonfilms / Die Zukunft des Kinos: 24p?, Potsdam: Polzer 2002, S. 17-33.
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virtuelle Erzeugung in der Tradition analoger Animation, d.h. eine digitale Produktion ex nihilo, etwa mittels Keyframe-Animation, Motion- oder Performance-Capturing und Pre-Rendering; hybride Erzeugung in der Tradition analoger Spielfilm- und Fernsehproduktion, d.h. die hyperrealistische Modifikation und auch Montage zuvor aufgenommenen Live-Action-Bildmaterials oder die Mischung solcher Aufnahmen mit virtuell animierten Szenen, in beiden Fällen ebenfalls über Pre-Rendering; prozedurale Erzeugung in der Tradition digitaler Spiele, d.h. die algorithmisch automatisierte Bildgenerierung in direkter Abhängigkeit von den (Inter-)Aktionen der Spielenden durch Real-Time-Rendering der zuvor virtuell erzeugten Szenen mittels Game Engines.17
Allen drei Varianten des digitalen Hyperrealismus ist eine Gestaltungsfreiheit gemeinsam, die sich der von Literatur und Bildender Kunst annähert: Während analoge Fotografie und analoger Film zwangsläufig dadurch an Grenzen stoßen, dass sie nur zu zeigen vermögen, was irgendwo für einen Augenblick – wie sehr auch getrickst – einmal existierte und geschah, können hyperrealistische Bilder und Audiovisionen darstellen, was immer ihre Erzeuger in der Lage sind zu imaginieren, handwerklich-künstlerisch zu visualisieren und schließlich technisch zu realisieren.
A UTHENTIZITÄT
UND
O PERATIVITÄT
Aus dem Umstand universeller Manipulierbarkeit resultiert zugleich auch der Verlust jener medial garantierten Authentizität, die sich im Fotorealismus aus dem Basisverfahren des auditiven und visuellen Realitätsabdrucks ergibt. Denn hyperrealistische Bilder dokumentieren selbst dort nicht, wo sie Reales zeigen. Das Abbildparadigma der industriellen Medien wird so als historisches Intermezzo erkennbar. Im digitalen Transmedium stellt sich die Frage nach der Authentizität der Gehalte wieder wie zu vorindustriellen Zeiten: als etwas, das sich
17 Diese Variante kommt dabei derweil nicht nur in digitalen Spielen, sondern auch in der Produktion von Spielfilmen zum Einsatz, dient dort bislang jedoch lediglich der Prävisualisierung in der Herstellung und Fixierung linearer Audiovisionen. Vgl. z.B. Freyermuth, Gundolf S.: »Prinzip Weltenbau. Digitale Spiele & Film: Konkurrenz, Kooperation, Komplementarität«, Film-Dienst, 7. Mai 2009, S. 6-10.
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nicht an mediale Garantien, sondern an Autorenschaft und deren Autorität bindet.18 Über diesen Verlust medialer Authentifizierung hinaus charakterisiert die dritte, prozedurale Variante der hyperrealistischen Bildproduktion eine Eigenschaft, die in genuinem Zusammenhang mit Fragen von Authentizität und Autorenschaft steht: Operativität.19 Denn als Gebrauch ist hyperrealistischen Spielwelten nicht länger – wie im Falle von Malerei und Fotografie, Film und Fernsehen – passive Betrachtung, sondern aktive Nutzung einbeschrieben: »Als wohl einer der ersten sprach Kevin Kelly davon, dass Bildschirme und ihre Inhalte, die Bilder, zu ›Portalen‹ würden. Thomas Elsaesser hat diesen Wandel in der Auffassung und dem Gebrauch perspektivischer Bilder konkretisiert: von Albertis Fenster, durch das wir passiv auf die Welt draußen – dahinter – schauen, zum Portal, das uns Eingang in die Bildwelten nehmen lässt oder zumindest interaktive Einflussnahme auf die mehr oder minder hyperrealistisch präsentierten Virtualitäten ermöglicht: ›Bilder auf einem Computerbildschirm also nicht [als] etwas, auf das man blickt, sondern etwas, worauf man klickt ...‹«20 18 Dieser Umstand betrifft vor allem all jene Spiele, sogenannte Serious Games, die in der Tradition von Sachbuch oder Dokumentarfilm mehr als nur unterhalten wollen. 19 Zum Begriff des operativen Bildes vgl. Krämer, Sybille: »Operative Bildlichkeit. Von der ›Grammatologie‹ zu einer ›Diagrammatologie‹? Reflexionen über erkennendes ›Sehen‹«, in: Hessler, Martina/Mersch, Dieter (Hg.), Logik des Bildlichen: zur Kritik der ikonischen Vernunft, Bielefeld: transcript 2009, S. S. 94-123. – Für die Analyse digitaler Spiele sind freilich zwei Adaptationen der dort präsentierten Gedanken vor zu nehmen. Zum einen muss selbstredend die Exklusion jener digitalen Bilder aufgehoben werden, die »ein ferngesteuertes Bildhandeln in Medizin, Militär, Forschung und Computerspiel eröffnen« (ebd., S. 95). Die Begründung, die zu ihrer Ausschließung führte: bei ihnen gebe es »[d]iese Verschwisterung von Bild- und Sprachcharakter« (ebd., S. 94) nicht, die analoge operative Bildlichkeit auszeichne, verschlägt bei der operativen Bildlichkeit digitaler Spiele ohnehin nicht. Und zum zweiten muss bedacht werden, welche Veränderungen die sechs Aspekte analoger operativer Bildlichkeit, die Krämer analysiert – Flächigkeit, Gerichtetheit, Graphismus, Syntaktizität, Referenzialität, Operativität –, im Prozess ihrer Virtualisierung und Prozeduralisierung durchlaufen. 20 Freyermuth: »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit«, hier S. 298. Zitat Kelly: Kevin Kelly, »Window on the World«, in: N.N., »13 of the Brightest Tech Minds Sound Off on the Rise of the Tablet«, Wired, April 2010, http://www.wired.com/magazine/2010/ 03/ff_tablet_essays/all/1; Zitat Elsaesser: Elsaesser, Thomas: »Die ›Rückkehr‹ der 3D-Bilder. Zur Logik und Genealogie des Bildes im 21. Jahrhundert«, in: Gundolf S.
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Diese Qualität der Operativität prägt die spezifische Bildlichkeit digitaler Spiele, gerade gegenüber Film und Fernsehen. 21 Denn neben den – mehr oder weniger fotorealistisch anmutenden – Spielszenen bestimmt ihre Wirkung eine Vielzahl von direkten und indirekten Handlungsanweisungen, welche die ›eigentlichen‹ Szenen überlagern. Benjamin Beil schreibt über das »Computerspielbild«: »Oft ist es überzogen mit Interface-Anzeigen, meist in Form von Piktogrammen oder Texteinblendungen, die Auskunft über Lebensenergie, Munitionsvorrat oder Missionsziele geben; hinzu kommt mitunter noch ein Kartenausschnitt zur Positionsbestimmung oder in Multiplayer-Spielen ein Chatfenster zur Kommunikation mit anderen Spielern. Viele dieser Elemente sind animiert, manche sind interaktiv.«22
Freyermuth/Lisa Gotto (Hg.), Bildwerte: Visualität in der digitalen Medienkultur, Bielefeld: transcript 2013, S. 25-67, hier S. 54. 21 In den Game Studies bestehe eine »relative Blindheit [...] gegenüber dem Computerspielbild«, konstatieren Benjamin Beil, Marc Bonner und Thomas Hensel. Sie resultiere u.a. aus der Herkunft vieler einschlägiger Untersuchungen aus entweder den Literatur- und Medien- oder aber den Ingenieurswissenschaften (Beil, Benjamin/Bonner, Marc/Hensel, Thomas (Hg.): Computer | Spiel | Bilder, Glückstadt: vwh Verlag Werner Hülsbusch 2014, S. 8.) – Mit den spezifischen Eigenschaften der Bilder beziehungsweise Bildwelten digitaler Spiele haben sich in jüngster Zeit vor allem auseinandergesetzt: Benjamin Beil (Avatarbilder: Zur Bildlichkeit des zeitgenössischen Computerspiels, Bielefeld: transcript 2012), Stephan Günzel (»Spiel-bildliche Abhandlung: Tractatus ludico-imaginarius«, in: Beil, Benjamin/Bonner, Marc/Hensel, Thomas (Hg.), Computer | Spiel | Bilder, S. 21-24; Egoshooter: Das Raumbild des Computerspiels, Frankfurt a.M.: Campus 2012), Thomas Hensel (»Uncharted. Überlegungen zur Bildlichkeit des Computerspiels«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), Bildwerte, S. 209-235; »Das Computerspiel als Bildmedium«, in: GamesCoop (Hg.), Theorien des Computerspiels zur Einführung, Hamburg: Junius 2012, S. 128146) und Stefan Schwingeler (»It’s All About Connecting the Dots: Raum und Perspektive im Computerspiel«, in: Beil, Benjamin/Bonner, Marc/Hensel, Thomas (Hg.), Computer | Spiel | Bilder, S. 25-58; Kunstwerk Computerspiel – digitale Spiele als künstlerisches Material: Eine bildwissenschaftliche und medientheoretische Analyse, Bielefeld: transcript 2014). 22 Beil: Game Studies, S. 55/56.
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D AS
INNOVATIVE
G ENRE
DER
F IRST -P ERSON S HOOTER
Visuell zu sich selbst kommt diese spezifische Befähigung prozedural generierter hyperrealistischer Bilder zur Operativität in der Ich-Perspektive, wie sie im Medium digitaler Spiele vor allem First-Person Shooter inszenieren.23 Eine rudimentäre perspektivisch-immersive Sicht findet sich bereits in Online- und Arkaden-Spielen der siebziger Jahre, u.a. in SPASIM (1974), MAZE WAR (1974), NIGHT DRIVER (1976) und BATTLEZONE (1980). Ihre ästhetischen Anfänge jedoch datieren auf den Anfang des 20. Jahrhunderts, den frühen Film und die ersten Flugsimulatoren, die aus der Ich-Perspektive aufgenommene Stummfilme einsetzten. Während der narrative Spielfilm von wenigen Ausnahmen abgesehen – die berühmteste ist wohl der Film Noir LADY IN THE LAKE (1947) – die IchPerspektive vermied, fand sie ihre technische Weiterentwicklung zunächst in den analogen Flugsimulatoren der fünfziger und sechziger Jahre, die mit Modelllandschaften und ferngesteuerten TV-Kameras operierten. Seit den späten sechziger Jahren generierten digitale Simulatoren dann sowohl im professionellen Einsatz wie im Bereich digitaler Spiele in Echtzeit 2D- und später 3D-PolygonGrafiken. Besonders wirksam wurde die Ich-Perspektive schließlich in den Virtual-Reality-Experimenten, die seit Mitte der achtziger Jahre von 3D-Simulatoren spezifischer Funktionalität fortschritten zu universellen Simulatoren wie dem 1991 erstmals demonstrierten CAVE (Cave Automatic Virtual Environment). Um dieselbe Zeit kam es – mit ULTIMA UNDERWORLD: THE STYGIAN ABYSS (1992), WOLFENSTEIN 3D (1992), DOOM (1993), QUAKE (1996), HALF-LIFE (1998) – zum ästhetischen wie kommerziellen Durchbruch der 3D-First-Person Shooter (FPS). Vor allem DOOM »would prove to be a landmark release that would shake up the entire video game industry.«24 Jenseits aller inhaltlichen – in der Regel gewalttätigen – Elemente, die sich mit FPS verbinden, besteht ihr besonderer formaler Reiz in der Kombination dreier Elemente.
23 Dieter Mersch trifft eine ähnliche Feststellung, begründet sie jedoch nicht medienästhetisch, sondern in einer Mischung aus inhaltlicher (Simulation von Subjektivität) und rezeptionslogischer Argumentation (Konstitution des spielenden Selbstbewusstseins): »Es gehört zu den hier vertretenen Thesen, dass mit der ›Ersten Person Perspektive‹ die besondere Medialität digitaler Spiele gleichsam ›zu sich‹ kommt, weil sie Subjektivität simuliert und einen ausgezeichneten Status in der Konstitution des spielenden Selbstbewusstseins besitzt.« Mersch: »Logik und Medialität des Computerspiels«, S. 11. 24 Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 6045.
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Erstens kommt es zur Ausschaltung von Distanz. Dieses Moment ist vielfach bemerkt worden. Frans Mäyrä etwa schreibt: »When playing an FPS like Doom, the player gets a strong sense of ›being there‹ herself, as no mediating character is brought to the centre of attention.«25 Zweitens radikalisieren FPS unsere an der Linearperspektive geschulte und damit immer ich-bezogene Weltsicht. Von Anfang an wurde, wie die Perspektive den Blick richtet, als Gewalt empfunden – Andrea Mantegnas Gemälde Archers Shooting at Saint Christopher (1451-55) inszeniert das, indem der Pfeil der Linearperspektive in ein menschliches Auge trifft. Im FPS wird dieses implizite Gewaltverhältnis ausdrücklich: Der Blick des Spielers auf die Welt erfolgt über den Lauf von Gewehren, die Klingen von Schwertern und Messern und natürlich auch über die Schäfte jener Pfeile, die Mantegnas Gemälde zum Sinnbild der verletzenden Wirkung der Zentralperspektive wählt.26 Drittens aber wird die Welt, auf die so der Blick eines Menschen fällt, der unentwegt tut – eines Täters also –, als ein grundsätzlich operativer Raum präsentiert, als etwas, das gefährlich-gefahrlos ›behandelt‹ und erobert werden kann. Umgekehrt allerdings kann mich, den agierenden Ego-Shooter, jeder andere ebenfalls nur über den Lauf einer Waffe wahrnehmen. Das Resultat ist eine Angstlust an der aggressiven Blick-Vermessung und gewaltsamen Kolonialisierung der Welt. Seit ihrer Befähigung zum prozeduraler Hyperrealismus verfügen digitale Spiele so über einen gänzlich neuen Modus der Bildproduktion: die Möglichkeit zur non-indexikalischen Echtzeit-Generierung fotorealistisch anmutender Bilder und filmisch inszenierter 3D-Handlungsräume, die sich von ihren Nutzern, indem sie unter multiplen prozeduralen Abläufe selektieren, ebenso ›betreten‹ und interaktiv navigieren lassen wie schon die nur imaginierbaren fiktionalen Erzählräume der textbasierten Adventures.27 Gerade in seiner Andersheit bleibt dieser 25 Mäyrä: Game Studies, loc. 1584. 26 Vgl. auch: »Auf die Verbindung zwischen Zielen und Zeichnen sowie damit zwischen Sehen und Schießen, durch die der Egoshooter zur konsequentesten Umsetzung der Zentralperspektive wird, hatte bereits 1646 der Jesuit Athanasius Kircher in seiner Schrift über Licht und Schatten, der Ars Magna Lucis et Umbrae, hingewiesen.« (Günzel, Stefan: »Von der Zeit zum Raum. Geschichte und Ästhetik des Computerspielmediums«, Rabbiteye – Zeitschrift für Filmforschung 2010, 90-108 http://www. rabbiteye.de/2010/2/guenzel_computerspielmedium.pdf.) 27 Benjamin Beil bemerkt richtig, dass mit der Etablierung der techno-ästhetischen Möglichkeit zu prozeduralem Hyperrealismus ältere Bildformen keineswegs verschwinden. »Doch so bemerkenswert dieser Wandel auch ausfallen mag, noch bemerkenswerter ist, dass trotz fortgeschrittener Technik und dem Siegeszug der 3D-Grafik seit
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prozedurale und operative Hyperrealismus jedoch ästhetisch auf die Bild- und Tonwelten der älteren visuellen, auditiven und audiovisuellen Medien bezogen.
Anfang der 1990er Jahre immer noch nahezu alle Darstellungsmodi in aktuellen Spielen Verwendung finden. [...] Computerspielbilder werden nicht in erster Linie realistischer, sie werden vor allem vielfältiger. Die technische Entwicklung strebt nicht zielgerichtet einer ›Simulation von Realitätseindrücken‹ entgegen, sie erweitert vielmehr stetig das Darstellungsrepertoire des Computerspiels.« (Beil: Game Studies, S. 57.)
6 Die doppelte Alterität digitaler Spiele
Die Entwicklung digitaler Spiele vollzog sich somit bislang in drei großen Entwicklungsschüben: •
•
•
In der ersten Phase gelang seit den 1950er Jahren die Transformation hardwarebasierter in softwarebasierte Artefakte und Prozesse. Im Zuge dieser prozeduralen Wende wurden analoge Gesellschaftsspiele wie Schach, sportliche Spiele wie (Tisch-)Tennis und analoge (Flug-)Simulationen virtualisiert und algorithmisiert. Mit SPACEWAR!, dessen Design von literarischer und filmischer Science Fiction beeinflusst war, kündigten sich allerdings bereits in den sechziger Jahren weiterreichende ästhetische Interessen an Narration und audiovisueller Darstellung an. In der zweiten Phase erwarben digitale Spiele seit den 1970er Jahren die Fähigkeit, multilineare und zunehmend komplexe Geschichten interaktiv erlebbar zu machen. Diese hyperepische Wende vollzog sich zunächst im Genre textbasierter Adventures. In der Kombination von Datenbanken und Algorithmen wurde ein interaktives Erzählen realisiert, das die medialen Möglichkeiten des Vorbilds analoger Literatur überschritt. Um 1980 bewirkte dann wachsendes Ungenügen an den Limitierungen vorprogrammierten textuellen Erzählens zweierlei: zum einen den Übergang von Off- zu Online-Narrationen, in denen die Spieler nicht mehr allein gegen das Spiel, sondern auch gegeneinander antraten; zum zweiten einen steten Prozess visueller und auditiver ›Aufrüstung‹. In ihm äußerte sich auf Seiten der Game Designer wie der Spieler das Verlangen, in der Gestaltung digitaler Spiele vom Vorbild der Literatur und vor allem des Romans zu einer Orientierung am Spielfilm fortzuschreiten. In der dritten Phase partizipierten digitale Spiele seit den 1990er Jahren an der Ausbildung einer neuen Form (audio-)visueller Repräsentation, dem virtuell produzierten Hyperrealismus. Medientechnisch wie medienästhetisch
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hebt er den manuell-mechanisch hergestellten Realismus und den industriellautomatisch produzierten Fotorealismus gewissermaßen in sich auf. Mit ihrer hyperrealistischen Wende gewannen digitale Spiele das technische wie ästhetische Potential, zunehmend fotorealistisch anmutende und operative 3DBildwelten non-indexikalisch, d.h. arbiträr und in Echtzeit zu generieren. Die damit ins Visier genommene subjektive Konstruktion radikalisiert die Linearperspektive, an der sich das Subjekt der Moderne schulte. Virtuelle Wirklichkeiten werden einem perspektivischen Blick unterworfen, der seit Beginn der Neuzeit mit der subjektiven Sicht immer auch eine gewaltsame Aneignung von Welt und Welten verbindet. Seine erfolgreichste medienästhetische Realisierung fand das neue, nur unter den Bedingungen eines prozeduralen Hyperrealismus mögliche Blickregime im Genre des First-Person Shooter.
D IE E VOLUTION
DES S PIELS ZUM AUDIOVISUELLEN M EDIUM Dieser Prozess einer kumulativen Komplettierung des neuen Mediums nonlinearer Audiovisualität zwischen den fünfziger Jahren des 20. und den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts lässt sich medienhistorisch vergleichen mit der ebenfalls allmählichen, über ein halbes Jahrhundert währenden Komplettierung des Mediums linearer Audiovisualität. Sie vollzog sich zwischen den 1870er und 1930er Jahren im Übergang von der Chronofotografie zu Stumm-, Ton- und Farbfilm. In der Geschichte des Films wird diese Entwicklung sowohl als kontinuierliche Verbesserung – etwa vom schwarzweißen zum farbigen Film – wie als radikaler techno-ästhetischer Bruch wahrgenommen, insbesondere mit Blick auf die Wende vom stummen zum tönenden Film. Gleiches gilt für den Weg von analogen zu digitalen Spielen. So heißt es etwa in Understanding Games: »But it should be clear that video games are a result of the evolution and reconstitution of various elements of games going back several thousand years.«1 Auch Jesse Schell meint: »Videogames are just a natural growth of traditional games into a new medium.«2 Tom Chatfield hingegen versteht digitale Spiele als ein neues Medium, weil es gänzlich neue Ausdrucksformen und Erfahrungen ermögliche. Dabei richtet sich seine Wahrnehmung allerdings weniger auf den Vergleich zu analogen Spielen als auf das Verhältnis zu tradierten Fiktionen. Denn Games offerieren, schreibt er,
1
Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1438.
2
Schell: The Art of Game Design, loc. 317.
6 D IE DOPPELTE A LTERITÄT DIGITALER S PIELE | 97
»a portal to a new destination in human experience, a space where people could interact in real time within an entirely simulated environment – as if a work of fiction had suddenly become real.«3 Deutlich spricht Chatfield von digitalen Spielen, wie sie im Zuge der hyperrealistischen Wende möglich wurden. Erst dieser Entwicklungssprung – der Übergang zu einem Realismus, der fotografisch anmutet, dem aber kein Index entspricht – führte Games von den Rändern der industriellen Kultur ins Zentrum der digitalen. Denn er betrieb ihre Verwandlung von einem Medium in der Tradition analoger Spiele oder auch des Sports zum dritten großen audiovisuellen Darstellungs- und damit auch Leitmedium der Neuzeit – nach dem live aufgeführten Illusionstheater, das vorindustriell entstand, und den durch Realitätsabdruck gespeicherten linearen Audiovisionen der industriellen Medien Film und Fernsehen.
D IGITALE S PIELE VS . ANALOGE S PIELE UND
LINEARE
A UDIOVISIONEN
Als Konsequenz dieses Wandels zerfällt die Geschichte des Spiels in zwei distinkte Phasen, die analoge und die digitale. Auch für eine solche kategoriale Scheidung verwandter Medien gibt es historische Vorbilder, insbesondere den industriellen Übergang visueller Repräsentation von Malerei zu Fotografie oder den audiovisueller Darstellung vom Theater zu Film. Folgerichtig teilte sich bald auch die theoretische Auseinandersetzung: in Kunst- und Fototheorie, in Theater- und Filmwissenschaft. Da digitale Spiele von analogen nicht minder radikal differieren, sollten aus medientheoretischer Perspektive auch Theorien analoger Spiele für digitale so wenig oder so viel Gültigkeit haben wie etwa Theorien des Theaters für den Film.4 Dasselbe gilt vice versa für das Verhältnis von Filmen und Spielen. In der Summe kennzeichnet digitale Spiele daher eine doppelte Alterität, das heißt eine bezogene Andersheit im Verhältnis zu den beiden zentralen Medien, denen sie historisch entwuchsen und im Verhältnis zu denen sie ihre spezifische
3
Chatfield, Tom: Fun Inc.: Why Games are the Twenty-First Century’s Most Serious Business, London: Virgin (Kindle Edition) 2010, loc. 321-323.
4
Im Falle des historischen Beispiels besteht bei aller Differenz allerdings einige Gültigkeit der Theorien des Theaters für den Film; vor allem im Bereich der Theorien der Praktiker – von den Spuren aristotelischer Poetik in den Theorien des Drehbuchschreibens bis zu den Lehren der Inszenierung und der Schauspielführung.
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eigene Identität ausbilden. Von analogen Spielen trennt sie bei aller Gemeinsamkeit eben das, was sie im Laufe der drei Entwicklungsschübe hinzugewannen und was allererst ihre ästhetische Konkurrenz zu den älteren und ursprünglich analogen Kommunikations- und Ausdrucksmedien Theater, Film und Fernsehen etablierte: die Befähigung erstens zu prozeduraler Simulation inklusive virtualisiertem Feedback, zweitens zu hyperepischer multi- oder nonlinearer Narration und drittens zu einer hyperrealistischen Repräsentation, die perspektivische Blicke in Echtzeit zu generieren vermag. Von den älteren audiovisuellen Medien wiederum unterscheiden sich digitale Spiele vor allem durch jene Qualitäten, die ursprünglich aus analogen Spielen rühren und die im Prozess ihrer Virtualisierung eine quantitativ wie qualitative Steigerung erfuhren: ihr mittels Spielmechaniken zu realisierendes Potential arbiträrer Interaktionen. Medientechnologisch resultiert die Alterität digitaler Spiele gegenüber den älteren audiovisuellen Medien daher aus deren unterschiedlichen Affordanzen: •
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•
5
Die Bühne erlaubt als nichtspeicherndes Medium ausgewählten Mitspielern originale und von Vorstellung zu Vorstellung variierende Performanz, d.h. sie präsentiert ihrem Publikum im Hinblick auf die Darstellung und Manipulation von Raum und Zeit in hohem Maße kontinuierliche Live-Handlungsabläufe, die linear in und als Echtzeit erfahren werden. Film und Fernsehen erlauben als speichernde Medien ausgewählten Mitspielern kopiert-selektierte und damit von Vorstellung zu Vorstellung invariante Performanz, d.h. sie präsentieren ihrem Publikum im Hinblick auf die Darstellung und Manipulation von Raum und Zeit diskontinuierlich montierte Handlungsabläufe, die linear in und als Fremdzeit erfahren werden. Digitale Spiele hingegen ermöglichen personell nicht beschränkte Partizipation an potentiellen und von Iteration zu Iteration variierenden Performanzen, d.h. sie kennen dem Prinzip nach kein Publikum mehr und involvieren ihre Nutzer in regelbestimmte und im Hinblick auf die Darstellung und Manipulation von Raum und Zeit sowohl kontinuierliche wie iterative Handlungsabläufe, die multi- oder nonlinear in und als Echtzeit (und nur gelegentlich auch in und als Fremdzeit) erfahren werden. Dabei ist nach Spielen zu unterscheiden, die Interaktionen zwischen Spielenden und Software ermöglichen und solchen, die Software gestützte Interaktionen zwischen Spielenden organisieren.5 Dieser theoretischen Trennung wird in der Praxis natürlich nicht gefolgt. Tennis oder Schach etwa kann man meist mit denselben Programmen sowohl gegen ›den Computer‹ wie gegen menschliche Partner spielen; wobei der Vorteil des virtuellen zwi-
6 D IE DOPPELTE A LTERITÄT DIGITALER S PIELE | 99
L EITMEDIUM
DIGITALER
K ULTUR
Der theoretische Blick auf die Geschichte digitaler Spiele zeigt letztlich die enge Verknüpfung ihrer dreiphasigen Entwicklung mit der Entfaltung und Durchsetzung digitaler Kultur. Wesentlich wirkten sie als deren Wegbereiter. Spiele erlaubten seit den 1960er Jahren mehreren Generationen von Studierenden eine eigenständige und spielerische Nutzung universitärer Mainframe-Computer. In den 1970er Jahren ließen digitale Arkadenspiele, Heimkonsolen und gegen Ende des Jahrzehnts auch PCs zum ersten Mal Durchschnittsbürger interaktiv mit digitaler Hard- und Software umgehen. Spiele vermittelten, stellte Mark J. P. Wolf fest, »a positive, fun, and user-friendly image of the computer, which helped to usher in the era of the home computer only a few years later.«6 Während der achtziger und neunziger Jahre wurde dann wiederum die Popularisierung des PC wie auch seine Evolution von einem Gerät zur Verarbeitung von Zahlen und Texten zu einer transmedialen Unterhaltungsmaschine von dem Wunsch nach und den Anforderungen von digitalen Spielen getrieben. Im Prozess der Digitalisierung fiel und fällt digitalen Spielen damit eine vergleichbare Rolle zu, wie sie in der zweiten Phase der Industrialisierung nach Benjamins Feststellung der Film erfüllte: Einübung in eine neue, zunehmend von Virtualisierung geprägte Lebenswelt. »The games gave us mass training in how to ›live‹ inside the pure, weightless, scientific space of the Computer«, behauptete einmal Rochelle Slovin.7 Als ein audiovisuelles Medium, dessen Produktionen nicht mehr tayloristisch reproduziert und endmontiert werden, sondern sich virtuell, weil softwaregestützt, interaktiv und in Echtzeit entfalten, scheint das digitale Spiel besser als ältere Ausdrucksformen den Erfahrungen kultureller Digita-
schenmenschlichen Spiels dann unter den Bedingungen digitaler Vernetzung vor allem darin besteht, dass der Partner sich an einem beliebigen Ort des Planeten aufhalten kann. – Ebenso pflegt in Spielen, die primär auf zwischenmenschliche Interaktion ausgelegt sind, die virtuelle Umwelt durchaus zu intervenieren; durch simuliertes Wetter etwa oder mittels NPCs, die sich unter die Spielenden mischen. 6
Wolf, Mark J. P.: »The Video Game as a Medium«, in: Wolf, Mark J. P. (Hg.), The Medium of the Video Game, Austin: University of Texas Press 2002, S. 13-33, hier S. 5. Ebenso: »Many people at the time wondered if they really needed a Computer, or what they would use it for, since typewriters, board games, calculators, ledgers, and other technology already served their needs. Games made the Computer a recreational device instead of merely a utilitarian one.« (Ebd.)
7
Slovin, Rochelle: »Hot Circuits: Reflections on the 1989 Video Game Exhibition of the American Museum of the Moving Image«, in: ebd., S. 137-154, hier S. 146.
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lisierung zu entsprechen: den Anforderungen digitaler Wissensarbeit, den sich wandelnden Wahrnehmungsweisen von Zeit und Raum, den neuen Auffassungen, wie unter den Bedingungen digitaler Produktion und Kommunikation Menschen zu sein und zu handeln haben. Damit stellt sich abschließend die Frage, inwieweit der hier skizzierte Weg in die doppelte Alterität, d.h. die Ausbildung einer distinkten medialen Identität digitaler Spiele abgeschlossen ist oder ob und wie er sich in der näheren Zukunft fortsetzen mag.
7 Ausblick: Hyperimmersive Wende?
Über die Zukunft wie auch die Gegenwart lässt sich einerseits bekanntlich am sichersten sprechen, wenn beide Vergangenheit geworden sind. Andererseits leben wir, wie William Gibson einmal sagte, immer schon partiell in der Zukunft: »[T]he future is already here — it’s just not very evenly distributed.«1Aus einer solchen Perspektive grundsätzlicher »Ungleichzeitigkeit«, wie sie zuerst Ernst Bloch diagnostizierte,2 scheinen immerhin drei Tendenzen deutlich.
Z UR E NTWICKLUNG
DIGITALER
S PIELE
Zum einen brachte das vergangene Jahrzehnt eine weitreichende Ausdifferenzierung. Um die Mitte der 2010er Jahre stehen digitale Spiele daher den älteren audiovisuellen Medien an inhaltlicher und künstlerischer Mannigfaltigkeit kaum mehr nach: »Analog etwa zu der Opposition von Spiel- und Dokumentarfilm florieren neben den unterhaltenden Spielen sogenannte Serious Games, die sich auf Wissensvermittlung und Aufklärung spezialisieren, und analog zur Opposition von millionenteuren Blockbuster-
1
Gibson, William »Talk of the Nation, The Science in Science Fiction (Interview with William Gibson, [Zitat um Minute 11:50])«, National Public Radio, 30. November 1999, http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=1067220. William Gibson hat diese Ansicht seit Beginn der 1990er Jahre in zahlreichen Interviews geäußert. Für die Details vgl. N.N.: »The Future Has Arrived — It’s Just Not Evenly Distributed Yet. William Gibson? Anonymous? Apocryphal?«, Quote Investigator, 24. Januar 2012, http://quoteinvestigator.com/2012/01/24/future-has-arrived/
2
Vgl. »Nicht alle sind im selben Jetzt da«. (Bloch, Ernst: Erbschaft dieser Zeit, Werkausgabe Bd. 4, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1985 (*1935), S. 104.
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und billiger produzierten Independent- oder Art-House-Filmen gibt es AAA-Games und Indie-Games. Die Vielfalt umfasst weiterhin Art Games, die ihren Platz in Galerien und Museen finden, Mobile Games und hybride Spielformen, etwa Mischungen zwischen Brett- und Computerspielen oder Alternate Reality Games (ARG), die das Spielen in Realität und Virtualität miteinander verbinden.«3
Eine zweite Tendenz ist die Durchsetzung einer neuen Kategorie von Games, sogenannter Social oder Casual Games, die ›einfacher‹ zu spielen sind. Angelegt vor allem für das Spielen im Browser und auf tragbaren Geräten, fordern sie von potenziellen Konsumenten weniger Einsatz an Geld und Zeit und senken damit die Einstiegsschwelle. Diese Demokratisierung des Spielens – im Sinne von ökonomischer Ermöglichung und praktischer Vereinfachung – hat seine Ausbreitung in soziale Schichten und Altersgruppen befördert, die zuvor dem neuen Medium digitaler Spiele eher fern standen: »In the short history of video games, casual games are something of a revolution—a cultural reinvention of what a video game can be, a reimagining of who can be a video game player.« 4 Zur Popularisierung digitaler Spiele trägt zum dritten entscheidend bei, dass sie an der allgemeinen Mobilisierung von Kommunikation und medialer Konsumtion partizipieren. Wie etwa Telefonieren oder Fernsehen war auch das Spielen während des 20. Jahrhunderts weitgehend an spezifische Orte gebunden: Brettspieler etwa saßen in der Regel am Ess- oder Couchtisch, Konsolenspieler vor dem Fernseher, PC-Spieler am Schreibtisch usf. Erst zwei Innovationen der jüngeren Zeit leiteten eine potentielle Entortung des digitalen Spielens ein: erstens das Aufkommen leistungsstarker digitaler Kleingeräte wie PDAs und Handys, mobiler Konsolen wie der PlayStation Portable (2004) und der Nintendo DS (2004), Smartphones und Tablets wie iPhone (2007) und iPad (2010); zweitens die Verbreitung drahtloser Breitbandvernetzung in lokalen Netzen (WLAN), im Mobilfunk sowie über GPS. Von Entortung des Spielens lässt sich dabei sowohl im Hinblick darauf sprechen, wo wir inner- und außerhalb unserer Wohnungen spielen, als auch im Hinblick darauf, wo sich unsere Mitspieler aufhalten und finden lassen. Ausdifferenzierung, Demokratisierung, Entortung: Trotz dieser rapiden ökonomischen, medientechnischen und medienästhetischen Entwicklungen haben in der jüngeren Zeit Game Designer gelegentlich die Vermutung geäußert, dass digitale Spiele in ihrer medialen und auch ästhetischen Entwicklung eher noch an ihren Anfängen stünden. Jesse Schell etwa meinte in einem Vortrag bei der 3
Metzger: »Können Pixel Kunst sein?«.
4
Juul, Jesper: A Casual Revolution: Reinventing Video Games and Their Players, Cambridge, MA: MIT Press 2009, S. 5-7.
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Games Developer Conference 2013 in San Francisco – unter Berufung auf seinen Kollegen Chris Swain –, Spiele hätten bislang erst einen medialen Stand erreicht, der dem des Films um die Mitte der 1920er Jahre vergleichbar sei: Beeindruckende medienästhetische Leistungen stünden einer medientechnischen Unterentwicklung gegenüber, die eine nachhaltige künstlerische Entwicklung behindere. 5 Dementsprechend sah Schell digitale Spiele vor einem Entwicklungsschub, den er in seiner Bedeutung mit dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm verglich. Als Äquivalent zur Sprache, die einst dem Film fehlte, identifizierte er das Zuhören im weitesten Sinne, d.h. die bislang kaum gegebene Fähigkeit von digitalen Spielen, menschliche (Mit-)Spieler innerhalb des vorgegebenen narrativen und situativen Rahmens erkennen und verstehen zu können; ihre Worte, ihre Gestik und Mimik. Wie der Film dadurch, dass seine Charaktere das Sprechen lernten, psychologische Tiefe und künstlerischen Rang gewonnen habe, könnte digitalen Spielen nun ein vergleichbarer Entwicklungssprung dadurch gelingen, dass ihre KI-Charaktere – NPCs und Avatare – über Verfahren der Sprach-, Gesten- und Gesichtserkennung das Zuhören, Zusehen und Verstehen lernen. Ob wir Schells Hoffnungen im Einzelnen teilen oder nicht: Es lässt sich kaum übersehen, dass sich gerade im Bereich digitaler Medientechnik größere Veränderungen abzeichnen. Was sich über die Jahrzehnte als prozedurales, potentiell hyperepisches und potentiell hyperrealistisches Spielerlebnis entwickelt hat, wandelt sich seit ein paar Jahren erneut auf eine Art und Weise, die sowohl die ästhetische Gestalt digitaler Spiele wie auch ihre interaktive Nutzung betrifft. Dabei scheint sich eine komplementäre Doppeltendenz abzuzeichnen: das Streben zum einen nach alltagsähnlichen, also ›natürlich‹ erscheinenden Handlungsmöglichkeiten in Games, zum anderen nach spielähnlichen, also ›gamish‹ erscheinenden Handlungsmöglichkeiten im Alltag.6
5
Schell: »Die Zukunft des Erzählens «. – Der Aufsatz beruht auf Jesse Schells Vortrag: »The Future of Storytelling: How Medium Shapes Story«, gehalten am 26. März 2013 auf der Game Developer Conference, San Francisco (25.-29. März 2013). Eine Tondatei des Vortrags findet sich unter https://soundcloud.com/schell-gamesmarketing/gdc13-future-of-story-telling. Die Folien des Vortrags finden sich unter http://de.slide share.net/jesseschell/the-future-of-storytelling-17730400
6
Diese Doppeltendenz deckt sich zum Teil mit den Beobachtungen, die Jesse Schell in seinem oben zitierten Vortrag machte, übertrifft sie jedoch (vgl. ebd.).
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A LLTAGSÄHNLICHES H ANDELN
IN
S PIELEN
Die medientechnische Basis allen menschlichen Umgangs mit digitaler Technologie sind Hard- und Software-Interfaces. Sie lassen in der Nutzung die unterschiedlichen Feedback-Kanäle erfahren und ermöglichen damit eine erfolgreiche Manipulation und Kontrolle der virtuellen Programme und Daten. Seit den 1940er Jahren bestimmten höchst unterschiedliche Interfaces den Umgang mit digitalen Computern: von Lochkarten, die Interaktivität eher verhinderten als ermöglichten, über schwer zu erlernende Kommandozeilen-Befehle hin zum in den sechziger und siebziger Jahren entwickelten und seit den neunziger Jahren dominierenden GUI (Graphical User Interface) samt Tastatur, Maus und ähnlichen Steuergeräten. Seine Fortsetzung fand dieser Langzeittrend zu intuitiverer Interaktion mit Experimenten vor allem in den Bereichen digitaler Spiele und digitaler (Installations-)Kunst. Die Suche nach Steuerungsmöglichkeiten jenseits der Abstraktion, die alle bisherigen Interfaces zwischen Mensch und Datenwelt schieben – insbesondere das Verlangen nach einer Überwindung der »tyranny of the keyboard«7 –, begann bereits in den Arkaden der 1970er Jahre.8 Bis in die Gegenwart führte sie einerseits zur Integration alltagsweltlicher Gegenstände in die Interface-Gestaltung: Lenkräder und Steuerknüppel, Handschuhe, Pistolen, Gewehre und andere Waffen, Tanzmatten usf. Andererseits kam es zur Entwicklung ›physischerer‹ Interface-Apparaturen wie z.B. Joysticks, Gamepads, Balanceboards oder Head Mounted Displays (HMDs) beziehungsweise Datenbrillen. Gänzlich andere Antizipationen in dieselbe Richtung eines weniger abstrakten und eher körperlichen Umgangs mit Datenwelten unternahmen künstlerische Mixed-Reality-Experimente.9 Sie versuchten ebenfalls seit den siebziger Jahren, visuelle, akustische, taktile, gestische und geographische Daten zu erfassen (Blick, Sprache, Berührung und Gleichgewicht, Körperbewegungen, Position im Raum), um auf deren Basis handlungsorientierte Transformationen sinnlicher Aktionen und synästhetische Interaktionen im medialen Raum zu erproben. Auf der Basis dieser Experimente sollten Natural User Interfaces im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu Industriestandards werden, etwa in Nintendos
7
Kelly, Kevin: »Window on the World«.
8
Vgl. z.B. Mäyrä: Game Studies, loc. 2116.
9
Fleischmann, Monika: »Die Spur des Betrachters im Bild«, in: Weibel, Peter/Zentrum für Kunst und Medientechnologie (Karlsruhe) (Hg.), Vom Tafelbild zum globalen Datenraum: neue Möglichkeiten der Bildproduktion und bildgebenden Verfahren, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Edition ZKM 2001, S. 138-149.
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Wii (2006), Apples iOS (2007), Googles Android (2008), Sonys Move (2009) oder Microsofts Kinect (2010).10 Besonders folgenreich war dabei – nicht nur, aber auch für digitales Spielen – die Steuerung durch direktes Berühren. Einst bewirkte die Einführung von Maus und GUI eine dramatische Vereinfachung der Computernutzung und brachte so seit Mitte der achtziger Jahre Desktop- und Laptop-PCs in die Mehrzahl aller Haushalte der entwickelten Welt. Nun löst die jüngste Infragestellung der Dominanz von Maus und GUI durch Touch-Screens in Verbindung mit einer natürlichen, weil gestengesteuerten Nutzeroberfläche einen weiteren Vereinfachungsschub aus und damit eine Eskalation der zunehmend symbiotischen Beziehung zwischen der Menschheit und ihren digitalen Maschinen.11 Neben der biologischen Natürlichkeit der Nutzeroberfläche trug zur Popularisierung digitaler Touch-Tablets die kulturelle Vertrautheit ihrer physischen Gestalt bei. Denn einfach zu handhabende Text- und Bildtafeln prägen seit Jahrtausenden – von den Stein- und Tontafeln der Antike bis zum modernen Buch oder Notizblock – den Wissenstransfer und die schriftliche Alltagskommunikation. Darüber hinaus war die Tafel als mediale Form stets nicht nur ein Ort von Schrift und Bild, sondern auch ein Spielfeld.12 In Touch-Tafeln fanden all diese vertrauten Nutzungsformen ihre ›natürliche‹ digitale Gestalt. Mit ihnen dringen digitale Medien daher seit ein paar Jahren in neue Bereiche der Nutzung vor: zum einen in solche, die zuvor noch weitgehend Reservate analoger Medialität waren – wie etwa die Distribution und Rezeption von Texten; zum anderen in solche, die einem großen Teil der Bevölkerung noch zu technisch, d.h. zu kompliziert erschienen – wie etwa digitales Spielen.13 In einer relativ kurzen Zeitspanne hat berührungssensitive Steuerung so die Art und Weise verändert, in der audiovisuelle Produkte und insbesondere Spiele wahrgenommen und genutzt werden. Flankiert wird dieser Wandel durch die Durchsetzung weiterer NUIs. Monitore erhalten nicht nur Touch-Screens, damit 10 Systematisch lassen sich unterscheiden: Gestensteuerung (z.B. Nintendos Wii, Sonys Move, Microsofts Kinect), Touchsteuerung (z.B. Apples iOs, Googles Android) und Sprachsteuerung (z.B. Apples Siri als Teil des iOS). 11 Vgl. Licklider: »Man-Computer Symbiosis«. 12 Das Spiel Tavli etwa – die griechische Variante von Backgammon – bewahrt noch in seinem Namen diese Herkunft von der tabula, der Tafel. 13 Sehr zur Überraschung der Spieleindustrie: »Als das iPhone 2007 auf den Markt kam, erkannte keine der etablierten Spielefabriken das Potenzial der neuen Plattform. Sie konzentrierten sich weiterhin auf den Konsolenmarkt, während Studenten, Hobbyentwickler und Startups begannen, einfache Möglichkeiten zum Zeitvertreib für Apples Kassenschlager zu programmieren.« (Metzger: »Können Pixel Kunst sein?«)
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sie ihre Nutzer fühlen können. Sie erhalten ebenso Kameras, damit sie Gesten und Gesichter sehen, sowie Mikrophone, damit sie Geräusche und Sprache hören können. Verstärkt wird diese ›natürliche‹, weil multisensorische Aneignung von Daten noch durch Datenbrillen, die eine Navigation durch 3D-Bild- und Spielwelten mittels Kopfbewegungen erlauben.14 Die Konsequenzen dieser Durchsetzung von NUIs für digitales Spielen reichen allerdings weit über die Erleichterung und Vertiefung existierender Spielweisen und Spielerlebnisse hinaus. Unverkennbar arbeitet die Entwicklung einer der wohl ältesten Sehnsüchte zu, von denen Medien und Künste getrieben werden: Immersion.
U TOPIE H OLODECK Das Bestreben, fiktionale Welten möglichst intensiv zu erleben, begleitete bereits die Entwicklung vernetzten Spielens, von den textbasierten MUDs der siebziger und frühen achtziger Jahre über die First-Person Shooter »death matches«, die in den neunziger Jahren mit DOOM aufkamen, hin zu den weitläufigen virtuellen 3D-Welten von MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games) wie ULTIMA ONLINE (1997), EVERQUEST (1999) oder WORLD OF WARCRAFT (2004). Deren Mitspieler zählten bereits in den neunziger Jahren nach Zehn- und Hunderttausenden, in den 2000er Jahren dann nach Millionen. Parallel zu ihrem Aufstieg popularisierte sich – in Abkehr von der anti-immersiven Haltung postmoderner Kunst und Literatur und auch poststrukturalistischer Theorie15 – erneut das Ideal des Eintauchens in Fiktionen.16 Seine ästhetische Utopie figurierte sich allerdings nicht mehr wie in früheren Zeiten in der Hochkultur,17
14 Von der Stärke des Bedürfnisses nach solchen natürlichen Interfaces zeugen sowohl der spektakuläre Verlauf der Kickstarter-Kampagne, bei der Oculus Rift 2012 2,4 Millionen Dollar einwarb, als auch der Erwerb der Firma, die nicht mehr als Prototypen vorzuweisen hatte, zwei Jahre später durch Facebook für über zwei Milliarden Dollar. Siehe dazu Rubin, Peter: »The Inside Story of Oculus Rift and How Virtual Reality Became Reality«, Wired 2014, http://www.wired.com/2014/05/oculus-rift-4/ 15 Ryan, Marie-Laure: Narrative as Virtual Reality: Immersion and Interactivity in Literature and Electronic Media, Baltimore: Johns Hopkins University Press 2001, S. 2. 16 Zum Folgenden vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »From Analog to Digital Image Space: Towards a Historical Theory of Immersion«. 17 Vgl. z.B. das Ideal des Gesamtkunstwerks als vorindustrielles Leitbild audiovisueller Produktion oder die Multimedia-Utopien der Avantgarden des 20. Jahrhunderts.
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sondern in der populären Unterhaltung: ENCOUNTER AT FARPOINT (1987), die Pilotfolge der Science-Fiction-TV-Serie STAR TREK: THE NEXT GENERATION (1987-1994), entwarf als Teil ihrer fiktionalen Welt ein »Holodeck«, eine immersive holographisch-interaktive Unterhaltungsumgebung, deren Nutzer in interaktive Fiktionen physisch eintreten und deren Handlung spielend mitgestalten können. Binnen kurzem wurde diese Vision zum Modell für die digitale Zukunft von Kunst und Unterhaltung; nicht nur für Millionen von STAR-TREK-Fans, sondern ebenso für Wissenschaftler und Künstler, vor allem Filmemacher und Game Designer. Drei Beispiele aus jüngerer Zeit mögen den unverändert starken Einfluss dieser populären Utopie auf die digitale Praxis demonstrieren: • •
•
2011 bekannte Stevie Bathiche, Forschungsdirektor von Microsofts Edison Lab, seine Forschung strebe danach »to create a holodeck-like experience«18; seit 2012 experimentiert das »Project Holodeck« der School of Cinematic Arts an der University of Southern California in Los Angeles mit interaktivimmersiven audiovisuellen Erfahrungen, u.a. unter Einsatz der Oculus-RiftDatenbrille;19 2013 verkündete Jeff Norris vom Jet Propulsion Laboratory der NASA – passender Weise während der Game Developer Conference in San Francisco –, die Raumfahrtagentur plane, Millionen von Erdenbürgern über ein immersives System die Erfahrung von Weltraumreisen zu vermitteln: »Everyone exploring the universe through robotic avatars, not just peering at numbers or pictures on a screen, but stepping inside a holodeck and standing on those distant worlds.«20
18 T. C. Sottek, »To Build a Holodeck: an Exclusive Look at Microsoft’s Edison Lab,« The Verge, December 29, 2011, http://www.theverge.com/2011/12/28/2665794/micro soft-edison-lab-holodeck-tour 19 Tim Stevens, »Project Holodeck and Oculus Rift Hope to Kickstart Every Gamers’ VR dream for $500,« Engadget, July 23, http://www.engadget.com/2012/07/23/pro ject-holodeck-and-oculus-rift/ 20 Samuel Claiborn, »NASA Wants to Design a Holodeck. At GDC 2013, NASA presentation claims ›We are the Space Invaders.‹,« IGN (2013), http://www.ign.com/artic les/2013/03/28/nasa-wants-to-design-a-holodeck
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S PIELEÄHNLICHES H ANDELN
IM
A LLTAG
Diesem Verlangen nach Immersion und Interaktion in und mit fiktiven Welten korreliert die umgekehrte Anstrengung, die Realität nach dem Vorbild digitaler Spiele zu virtualisieren beziehungsweise mit virtuellen Strukturen so zu überlagern, dass spieleähnliches (Inter-)Agieren möglich wird. Lag der Ursprung immersiven virtuellen Handelns in stationär vernetzten Spielen, so begann immersives Alltags-Handeln primär in mobil vernetzten Spielen. Neue Hardware aber erlaubte nicht nur, existierende Spiele im öffentlichen Raum zu nutzen, sie generierte auch neue Spielformen, insbesondere nach der Freigabe von GPS für zivile Zwecke so genannte Pervasive und Augmented Reality Games, von THE BEAST (2001) und MAJESTIC (2001) bis INGRESS (2012) und ENDGAME (2015, in Entwicklung). Im vergangenen Jahrzehnt kam es so zu einer Überlagerung der analogen Realität durch digitale Medien – Texte, Töne, Bilder –, die neben der geografischen auch die soziale, kulturelle und spielerische Navigation im großstädtischen Raum erleichterten.21 Was unter analogen Bedingungen eine metaphorische Rede bleiben musste – dass die Medien, etwa die Bilder von Spielfilm und Fernsehen, die Realitätswahrnehmung überformen –, wurde nun virtuelle beziehungsweise hybride Wirklichkeit. Mobile Von-Neumann-Maschinen, immer schon Intelligenz- und Talentverstärker, avancieren zu Mitteln der Realitätsverbesserung. »The real world is way too boring for many people«, meint zum Beispiel der spanische Augmented-Reality-Spieleentwickler Daniel Sánchez-Crespo: »By making the real world a playground for the virtual world, we can make the real world much more interesting.«22
21 Die Entwicklung lässt sich vergleichen mit der Beschriftung bzw. Beschilderung der Städte in der industriellen Frühzeit durch Straßennamen, Hausnummern, Wegweiser, Verkehrsschilder und Reklamen. Legte sich damals über die Lebenswelt eine neue analoge, so heute eine neue digitale Medialität. Die materielle Medialisierung der Realität, die dem Kollektiv standardisierte Zeichen setzte, wird so ergänzt durch eine virtuelle Medialisierung, die dem Individuum personalisierte Zeichen setzt. Vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »Der große Kommunikator. Soziale Konsequenzen von ›media merging‹ und Transmedialisierung«, in: Siever, Torsten/Schlobinski, Peter/ Runkehl, Jens (Hg.), Websprache.net. Sprache und Kommunikation im Internet, Berlin, New York: Walter de Gruyter 2005, S. 15-45, hier S. 33ff. 22 Zitiert nach Berlin, Leslie: »Kicking Reality of a Notch«, The New York Times 12. Juli (2009), http://www.nytimes.com/2009/07/12/business/12proto.html?_r=1&partne r=rss&emc=rss
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Damit erscheint eine nächste Stufe der Verbindung von Bildlichkeit und Operativität erreicht. Wurden zunächst im Verlauf der Digitalisierung die Bilder so operativ wie einst die Realität – gewissermaßen von Fenstern, durch die sich passiv auf Welten blicken lässt, zu Portalen, durch die sich aktiv in sie eintreten lässt –, so scheint nun die Realität so operativ zu werden, wie es bislang nur virtuelle Bildwelten waren. Bestes Beispiel und zugleich Symbol für diese Verschmelzung von Realität und Virtualität sind zivile und militärische Drohnen, ausgestattet in der Regel mit Systemen zur Echtzeit-Fernübertragung von Bildern wie auch mit ferngesteuerten Waffensystemen. Die Praktiken ihrer softwarebasierten Navigation durch virtuelle Welten oder die Realität lassen sich jedenfalls nur mehr graduell unterscheiden. Auch solche realweltliche Immersion wurde utopisch oder auch dystopisch antizipiert. Bereits 1946, in den Pionierjahren der Digitalisierung, skizzierte Jorge Luis Borges in seiner Kurz-Kurzgeschichte »On Rigor in Science« ein fiktives Reich, dessen Kartographen um die Perfektion der Erfassung ihrer Welt bemüht waren: »In time, […] the Colleges of Cartographers set up a Map of the Empire which had the size of the Empire itself and coincided with it point by point.«23
Borges literarische Fälschung war freilich bereits die Adaptation einer Geschichte, die Lewis Carroll 1893 veröffentlichte. In ihr kommt es zu einem Dialog zwischen dem Ich-Erzähler und einer Person die »Mein Herr« heißt. Er fragt: »What do you consider the largest map that would be really useful?« »About six inches to the mile.« »Only six inches!« exclaimed Mein Herr. »We very soon got to six yards to the mile. Then we tried a hundred yards to the mile. And then came the grandest idea of all! We actually made a map of the country, on the scale of a mile to the mile!« »Have you used it much?« I enquired. »It has never been spread out, yet,« said Mein Herr: »the farmers objected: they said it would cover the whole country, and shut out the sunlight! So we now use the country itself, as its own map, and I assure you it does nearly as well.«24 23 Borges, Jorge Luis: »On Exactitude in Science«, in: Borges, Jorge Luis/Hurley, Andrew (Hg.), Collected Fictions, London und New York: Allen Lane The Penguin Press 1999, S. 325. 24 Vgl. Carroll, Lewis: Sylvia and Bruno Concluded, 2 vols., London, New York,: Macmillan 1893, http://archive.org/stream/sylviebrunoconcl00carriala/sylviebrunoconcl00 carriala_djvu.txt. (Hervorhebung GSF)
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Unter vergleichbaren Umständen beginnen wir zu leben. Denn im Zuge ihrer digitalen Augmentierung und in Verbindung mit mobiler Hardware sowie Natural User Interfaces verwandelt sich die Realität sukzessive. Von einem allein realen Handlungsraum wird sie zu einem auch virtuellen beziehungsweise hybriden Spielfeld, wie es Lewis Carroll und Jorge Luis Borges einst imaginierten: zu einem operativen Abbild ihrer selbst, aus dessen Elementen wir in Echtzeit Informationen gewinnen und mit dem wir in Spiel und Ernst interagieren und verschmelzen können.
P OTENTIAL
ZUR HYPERIMMERSIVEN
W ENDE
Digitale Spiele scheinen daher nunmehr, nach der Ausbildung von Prozeduralität, Hyperepik und Hyperrealismus, auf ein höheres und vor allem auch anderes Maß an Immersion zu zielen, als es sich in anderen Medien herstellen lässt. Bereits der Titel von Janet H. Murrays bahnbrechender Studie Hamlet on the Holodeck indizierte ihren Focus auf das »enchantment of immersion« als einzigartige ästhetische Qualität des digitalen Transmediums.25 Zwei Jahre später beschrieb Murray gemeinsam mit Henry Jenkins Immersion als eine der beiden wichtigsten »aesthetic pleasures that emerge most immediately from the intrinsic properties of the computer medium«.26 Seitdem gewann die Frage der Immersion einige Prominenz, sowohl im theoretischen Diskurs insbesondere von Filmwissenschaft und Game Studies als auch in populäreren Debatten um die Qualitäten digitaler Medien und Kultur. Frank Rose zum Beispiel interviewte um 2010 führende Filmemacher und Game Designer und kam in The Art of Immersion (2011) zu dem Ergebnis, das Eintauchen in Fiktionen sei so etwas wie eine Sehnsucht der Epoche, die wesentlich auch die Ausformung neuer digitaler Erzählweisen antreibe: »We can see the outlines of a new art form, but its grammar is as tenuous and elusive as the grammar of cinema a century ago. We know this much: people want to be immersed.
25 Murray: Hamlet on the Holodeck, S. 125. 26 Bei der zweiten handelt es sich um Interaktivität. Vgl. Murray, Janet H./Jenkins, Henry: »Before the Holodeck: Translating Star Trek into Digital Media«, in: Smith, Greg M. (Hg.), On a Silver Platter: CD-ROMs and the Promises of a New Technology, New York: New York University Press 1999, S. 35-57.
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They want to get involved in a story, to carve out a role for themselves, to make it their own.«27
Freilich ist der Begriff der Immersion kaum weniger geklärt als der des Spiels. Vor allem besteht einige Uneinigkeit darüber, welche medialen Umstände Immersion auslösen und befördern beziehungsweise, welche Varianten von Immersion existieren. Ernest Adams beispielsweise unterschied 2004 taktile Immersion, die aus Bedienungsabläufen resultiere, von strategischer Immersion, die aus mentaler Involvierung, und narrative Immersion, die aus dem Eintauchen in erzählerische Abläufe resultiere.28 Ein Jahr später differenzierten Laura Ermi und Frans Mäyrä zwischen sensorischer Immersion sowie Immersion durch Interaktion und Imagination.29 Recht ähnlich kategorisierten auch Staffan Björk und Jussi Holopainen Immersion in sensorisch-motorische, kognitive und emotionale Elemente. Sie fügten allerdings noch als viertes Element räumliche Immersion hinzu, das Eintauchen in glaubwürdig gestaltete virtuelle Welten.30 Besonders umstritten ist in diesen Überlegungen das Verhältnis von Interaktion und Immersion. Henry Jenkins und Janet Murray zum Beispiel stellen fest, »immersion and interactive agency reinforce each other.«31 Marie-Laure Ryan argumentiert dagegen, Interaktivität widerspreche dem Wunsch nach Immersion, da sie ersetzt werde »by an aesthetics of play and self-reflexivity that eventually produced the
27 Rose, Frank: The Art of Immersion: How the Digital Generation is Remaking Hollywood, Madison Avenue, and the Way We Tell Stories, New York: W.W. Norton & Co. (Kindle Edition) 2011, loc. 166. – Nicht ganz zufällig weckte die Befähigung zu besonderer Immersion bei den traditionellen Medien, etwa in der Literatur und vor allem im Film, Angstlust. Der weitgehend positiven Holodeck-Utopie der STAR-TREK-Serie stehen zum Beispiel Dutzende von dystopischen Hollywoodfilmen gegenüber, in denen die versklavenden Gefahren digitaler Immersion ausgemalt werden, darunter TRON (1982), ARCADE (1993), STRANGE DAYS (1995), THE THIRTEENTH FLOOR (1999), EXISTENZ (1999), THE MATRIX (1999), GAMER (2009), INCEPTION (2010). 28 Adams, Ernest: »Postmodernism and the Three Types of Immersion«, Gamasutra, 9. Juli 2004, http://www.designersnotebook.com/Columns/063_Postmodernism/063_post modernism.htm 29 Ermi, Laura/Mäyrä, Frans: »Fundamental Components of the Gameplay Experience. Analysing Immersion«, DiGRA Conference 2005, 7-8 http://www.digra.org/dl/db/ 06276.41516.pdf 30 Bjork, Staffan/Holopainen, Jussi: Patterns in Game Design, Hingham, Mass.: Charles River Media 2005. 31 Murray/Jenkins: »Before the Holodeck: Translating Star Trek into Digital Media«.
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ideal of an active participation of the appreciator – reader, spectator, user – in the production of the text«.32 Wie in der Frage, was ein Spiel sei, scheint es auch angesichts der divergierenden Versuche, die Arten und Qualitäten ästhetischer Immersion systematisch beziehungsweise ontologisch zu differenzieren, erheblich erfolgversprechender, historisch und medienspezifisch vorzugehen. Ein Begriff der Immersion in audiovisuellen Medien lässt sich so in Parallele zu den oben dargestellten vier Medialitäten entwerfen:33 •
•
•
•
Primäre Audiovisualität erlaubt Immersion in Reales: sich in Echtzeit in gegenwärtigen Ereignissen zu verlieren, die einfach geschehen oder inszeniert werden. Die Beteiligten werden in Zeiten und an Orte versetzt, in und an denen sie nicht leben (was sie aber vielleicht gerne täten), und die es ihnen erlauben, sich zu verhalten wie Wesen, die sie sein können (und gerne öfter wären). Sekundäre Audiovisualität erlaubt Immersion in Realistisches: sich in Eigenzeit in Artefakten zu verlieren – Gemälden, Dramen etc. Die Betrachter werden in Zeiten und an Orte versetzt, in und an denen sie nicht leben (was sie aber vielleicht gerne täten) und in und an denen sie sich mit Wesen identifizieren können, die sie nicht sind (aber vielleicht gerne wären). Tertiäre Audiovisualität erlaubt Immersion in Fotorealistisches: sich in Fremdzeit in Artefakte zu verlieren – Filme, Fernsehserien usf. Die Zuschauer werden in Zeiten und an Orte versetzt, in und an denen sie nicht leben (was sie aber vielleicht gerne täten) und in und an denen sie sich mit Wesen identifizieren können, die sie nicht sind (aber vielleicht gerne wären). Quartäre Audiovisualität schließlich erlaubt Immersion in Hyperrealistisches: sich in Echt-, Eigen- oder Fremdzeit in Artefakte oder programmierte Prozeduren zu verlieren – digitale Spiele oder andere nonlineare Audiovisionen. Die Nutzer werden dazu ermächtigt, Zeiten und Orte zu erkunden und zu erfahren, in und an denen sie nicht leben (was sie aber vielleicht gerne täten) und an denen sie sich wie Wesen verhalten können, die sie vielleicht gerne wären (aber nicht sind).
Indem quartäre Audiovisualität die Qualitäten primärer, sekundärer und tertiärer Audiovisualität virtualisiert und damit über die Kombination hinaus steigert, vermag sie auch ein Eintauchen in ihre virtuellen Welten zu ermöglichen, wie es die älteren audiovisuellen Medien nicht erlauben. In Analogie zu den Begriffen 32 Ryan: Narrative as Virtual Reality, S. 2. 33 S.u. S. 48ff.
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Hyperepik und Hyperrealismus kann diese neue Erfahrung einer Verschmelzung mit Datenwelten, da sie wesentlich aus der interaktiven Navigation verlinkter hyperepisch-hyperrealistischer Prozeduren resultiert, als Hyperimmersion bezeichnet werden. Mit ihr kündigt sich eine weitere Wende in der Geschichte digitaler Spiele an. Einmal mehr dürfte sie deren Alterität im Verhältnis sowohl zu analogen Spielen wie zu analogen Audiovisionen verstärken.
Intermezzo: Spiel // Film
Einleitung
Medien haben sich stets aufeinander bezogen, einander inspiriert oder abgestoßen und sich so oder so gegenseitig beeinflusst. Innerhalb der historisch wechselnden medialen Geflechte bedeuteten freilich nie alle Beziehungen gleich viel. Privilegiert wirkte stets der Austausch zwischen so genannten Leitmedien beziehungsweise den auf ihnen basierenden Künsten. In seiner Schrift Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie (1766) analysierte Gotthold Ephraim Lessing neuzeitlich wohl zum ersten Mal eine solche Spannung von Nähe und Ferne zwischen den zentralen Darstellungs- und Erzählweisen einer Epoche – als auszuhaltende und auszugestaltende Differenz zwischen dem malerischen Erzählen im Raum, das lediglich Verhältnisse in ihrem Nebeneinander darzustellen vermag – bestenfalls also Schlüsselszenen von Geschehnissen –, und dem literarischen Erzählen in der Zeit, das in der Lage ist, komplexe Handlungsgeflechte in ihrem Mit- und vor allem Nacheinander zu entfalten.1 Ein Vierteljahrtausend später, in unserer Gegenwart, sind die beiden einflussreichsten Darstellungs- und Erzählweisen audiovisuell: Film und Spiel. Gerade in ihrem spannungsreichen Zueinander prägen sie den epochalen Umbruch von der industriellen zur digitalen Kultur. Spielfilme, Fernsehspiele, TV-Serien – audiovisuelle Narrationen also, die nicht mehr wie noch das Theater live und in Echtzeit durchgespielt, sondern tayloristisch reproduziert und endmontiert werden – entsprachen wie keine andere Erzählform der industriellen Lebensweise, ihrer Wahrnehmung von Zeit und Raum, ihrem Weltbild, der industriellen Ansicht, wie Menschen zu sein und zu handeln haben; oder richtiger: hatten. Nun allerdings entwickelt sich vor unseren Augen eine neue audiovisuelle Kultur. Neue Medien, schrieb Marshall McLuhan einst, »institute new ratios, not
1
Lessing, Gotthold Ephraim: Laokoon – oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie. Mit beiläufigen Erläuterungen verschiedener Punkte der alten Kunstgeschichte, (1766), http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1617&kapitel=1#gb_found
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only among our private senses, but among themselves, when they interact among themselves.«2 Das tradierte industrielle Mediendispositiv löst sich daher in zweierlei Hinsicht auf. Zum einen vollzieht sich eine digitale Neuerfindung sowohl des Kinos wie des Fernsehens. Wheeler Winston Dixon hält diesen Prozess für »every bit as revolutionary as the dawn of cinema itself«3, denn mit ihm verbinde sich »the dawn of a new grammar, a new technological delivery and production system, with a new set of plots, tropes, iconic conventions, and stars.«4 Dasselbe gilt mehr oder weniger für das Fernsehen. In der Konsequenz schwinden langsam aber unaufhaltsam die medialen Unterschiede, die einst das analoge Kino und das analoge Fernsehen voneinander trennten. Schon heute macht es kaum noch theoretischen Sinn, Spielfilme nach den Medien zu kategorisieren, in denen sie zuerst veröffentlicht werden: ob im Kino oder im Fernsehen, auf DVD oder im Web. Im Kontext digitaler Kultur handelt es sich in allen Fällen einfach um Filme. Die zweite fundamentale Veränderung ist der kulturelle wie ökonomische Aufstieg non-linearer Audiovisualität beziehungsweise des Erzählens multi- oder nicht-so-linearer audiovisueller Geschichten. Die Varianten digitaler Spiele – audiovisuelle Narrationen also, die nicht mehr wie der Film tayloristisch reproduziert und endmontiert werden, sondern sich virtuell, weil softwaregestützt, interaktiv und in Echtzeit entfalten – scheinen besser als andere Erzählformen den Erfahrungen kultureller Digitalisierung zu entsprechen, den sich wandelnden Wahrnehmungsweisen von Zeit und Raum, neuen Auffassungen, wie unter den Bedingungen digitaler Produktion und Kommunikation Menschen zu sein und zu handeln haben. Gemessen an der Komplexität der Erzählkonventionen des Films und auch des Fernsehens sind digitale Spiele allerdings bis heute verhältnismäßig unterentwickelt. Als Regisseur mehrerer filmischer Adaptationen digitaler Spiele (MORTAL KOMBAT, 1995; RESIDENT EVIL, 2002, 2004, 2007) meinte Paul W. S. Anderson vor nicht allzu langer Zeit: »Games are now at the stage that movies
2
McLuhan, Marshall: Understanding Media: The Extensions of Man, Berkeley: Ging-
3
Dixon, Wheeler Winston: »Vanishing Point: The Last Days of Film«, Senses of
4
Dixon, Wheeler Winston: »Twenty-Five Reasons Why It’s All Over«, in: Lewis, Jon
ko Press (Kindle Edition) 2013 (*1964), S. 64. Cinema 2007, http://www.sensesofcinema.com/2007/feature-articles/last-days-film (Hg.), The End of Cinema as We Know It: American Film in the Nineties, New York: New York University Press. 2001, S. 356-366, hier S. 366.
E INLEITUNG | 119
were when Talkies were introduced.«5 Dennoch sind multi-linear erzählte interaktive Narrationen in so hohem Maße populär und erfolgreich, dass sie für die traditionellen Modi des audiovisuellen Erzählens eine ernstzunehmende Konkurrenz darstellen, sowohl in wirtschaftlicher wie in künstlerischer Hinsicht. »The cultural impact of digital games has grown to rival television and films as the industry has matured over the past three decades.«6 Kino und Fernsehen sehen sich insofern zunehmend als kulturelle Leitmedien in Frage gestellt. Damit geraten ihre linearen Produkte unter ästhetischen Innovationsdruck – ihre visuelle Gestaltung wie die ihrer Geschichten.
Ü BERSICHT In diesem Kapitel werde ich das gegenwärtige und sich erst herausbildende Verhältnis dieser beiden aktuellen Leitmedien untersuchen. Mein Hauptinteresse gilt den sich abzeichnenden Veränderungen audiovisuellen Erzählens. Thematisch beschränke ich mich deshalb auf das Verhältnis narrativer linearer wie nonlinearer Audiovisionen. Wenn also in der Folge vom Film die Rede ist, soll einzig dessen dominierende Form gemeint sein, der fiktionale Live-Action-Film. Ebenso betrifft die Rede vom Spiel lediglich dessen narrative Varianten. Nicht berücksichtigt werden also auf Seiten linearer Audiovisualität Zeichentrick- und Dokumentarfilme, Reportagen, Videoblogs etc., auf Seiten nonlinearer Audiovisualität Serious Games, Pervasive Games, Augmented Reality Games sowie rein ludische Geschicklichkeits- und Sportspiele. Vorgehen werde ich in drei Schritten: • •
•
5
Erstens beschreibe ich den Status Quo der Beziehung von Spielen und Filmen (1 Das Verhältnis von Spiel und Film). Zweitens werfe ich einen Blick zurück und analysiere zwei frühere Beispiele für vergleichbare audiovisuelle Rivalitäten – den Aufstieg des Films und sein Verhältnis zum Theater, den Aufstieg des Fernsehens und sein Verhältnis zum Film (2 Audiovisuelle Rivalitäten). Drittens versuche ich, ein Stück weit in die nahe Zukunft zu schauen und auf der Basis der Ergebnisse meiner historischen Untersuchung das sich allmäh-
ESA, Entertainment Software Association: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«, 10. August 2011 2011, http://www.theesa.com/facts/pdfs/ESA _EF_2011.pdf
6
Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 471.
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lich ausbildende Verhältnis zwischen digitalen Spielen und digitalen Filmen zu erkunden (3 Modi audiovisuellen Erzählens).
1 Das Verhältnis von Spiel und Film »In the last two decades, with accelerating speed, the media-specific distinctions between cinematic, televisual and computer media have been eroded beyond recognition ...« ANNE FRIEDBERG1
K ONKURRENZ Primär scheinen Spiele und Filme in der zeitgenössischen Medienlandschaft miteinander zu konkurrieren – um die Aufmerksamkeit und das Geld der Nutzer und um künstlerisches Talent. Dabei befinden sich die linearen AV-Medien deutlich auf dem Rückzug. Während sie stagnieren oder gar an Publikum verlieren, erleben digitale Off- und Online-Spiele ein rasantes Wachstum. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts stieg ihr Anteil am Medienbudget der entwickelten Nationen konstant, der Anteil für Kinobesuche hingegen fiel prozentual.2 Dabei geht die wachsende Beliebtheit digitaler Spiele vor allem zu Lasten des Filmkonsums: Amerikanische Spieler, die 2013 mehr spielten als drei Jahre zuvor, gaben an, dass sie, um die Zeit dafür zu gewinnen, auf Kinobesuche (47%), heimischen Filmkonsum (47%) sowie Fernsehangebote (48%) verzichteten.3
1
Friedberg, Anne: The Virtual Window: From Alberti to Microsoft, Cambridge, Mass.:
2
In Deutschland etwa erhöhte sich – der Unternehmungsdokumentation von Electronic
MIT Press 2006, S. 3. Arts zufolge – der Anteil des Spielens am Medienbudget zwischen 1999 und 2008 von 9 auf 16 Prozent. Demgegenüber gingen die Ausgaben für Kinobesuche von 9 auf 8 Prozent zurück. Arts, Electronic, »Unternehmenspräsentation 12.9«, http://www.pres se.electronic-arts.de/publish/page204218419835234.php3?1=1&aid=41&spieleid= 3
Vgl. ESA: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«.
122 | I NTERMEZZO : S PIEL // F ILM
In der Konsequenz erzielt eine Vielzahl von AAA-Games höhere Einnahmen als Blockbuster-Filme. CALL OF DUTY: MODERN WARFARE 2 (2009) zum Beispiel nahm am ersten Tag 401 Millionen Dollar ein und übertraf damit – dem Guinness World Book of Records zufolge – jedes vorherige Produkt der Massenunterhaltung.4 Der Erfolg war ungewöhnlich, aber keineswegs einzigartig. Ein Jahr später kam CALL OF DUTY: BLACK OPS am ersten Tag auf 360 Millionen Dollar und in 2013 GRAND THEFT AUTO V auf 800 Millionen Dollar5 – samt und sonders Zahlen, denen gegenüber die Kasseneinnahmen von Spielfilmen verblassen. Kino-Spitzenreiter HARRY POTTER AND THE DEATHLY HALLOWS PART 2 (2010) spielte am ersten Tag knapp 92 Millionen Dollar ein, gefolgt von MARVEL’S THE AVENGERS (2012) mit 81 Millionen und THE DARK KNIGHT RISES (2012) mit 76 Millionen.6 Der Aufstieg nonlinearer Medialität und die damit verbundene Marginalisierung linearer Audiovisualität zeigen sich ebenfalls in sozialem und kulturellem Wandel. Ein Indiz geben demographische Daten: Das Publikum von Kino und Fernsehen wird zunehmend älter, digitale Spiele hingegen sind in der Mitte der Bevölkerung angelangt. Da immer mehr Erwachsene als Kinder und Jugendliche spielen, pendelte sich zum Beispiel in den USA das Durchschnittsalter der Spieler auf Mitte dreißig ein.7 Mehrere Erhebungen zeigen darüber hinaus, dass in den meisten Ländern der entwickelten Welt der prozentuale Anteil männlicher und weiblicher Spieler dem an der Gesamtbevölkerung entspricht.8 Dem erfolgreichen Wettbewerb um Geld und Zeit der Kunden korreliert der um künstlerische Talente. Auf jeden prominenten Filmemacher, der derweil auch für die Spiele-Industrie arbeitet – Regisseure wie Steven Spielberg, Peter Jackson oder John Woo, Produzenten wie Jerry Bruckheimer, Autoren wie Jordan Mechner – kommen Hunderte junger Nachwuchskünstler, darunter nicht wenige Filmschulabsolventen, die von der zahlungskräftigen Spielebranche an- und damit dem Film vermutlich auf Dauer abgeworben werden. »Now, instead of look-
4
N.N.: »Modern Warfare 2 Biggest Entertainment Launch Ever«, Guiness World Records 2010, Sichtung am 10. August 2011, nicht mehr online: http://community .guinnessworldrecords.com/_Call-of-Duty-Modern-Warfare-2-Most-Successful-Ent ertainment-Launch-of-All-Time/BLOG/2308082/7691.html
5 6
Vgl. o. S. 19. Mojo, Box Office, »Top Single Day Grosses«, http://boxofficemojo.com/alltime/day s/?page=open&p=.htm
7
ESA: »Essential Facts about the Computer and Video Game Industry«
8
Vgl. o. S. 20.
1 D AS V ERHÄLTNIS VON S PIEL UND F ILM | 123
ing to Hollywood and dreaming of writing the next blockbuster, many creative people are turning to games as a new form of expression.«9 Gleichzeitig streben aber auch erfolgreiche Game-Produzenten zum Film, etwa Chris Roberts (WING COMMANDER, Games seit 1990, Film 1999) oder Hironobu Sakaguchi (FINAL FANTASY, Games seit 1987, Film 2001). Dieses Pendeln der künstlerischen Kräfte zwischen Games- und Filmindustrie weist daraufhin, dass neben der auffälligen Konkurrenz vielfältige Kollaboration und gegenseitige ästhetische Beeinflussung existiert.
K OLLABORATION Der Austausch betrifft zum einen die Stoffe. Seit den achtziger Jahren werden aus immer mehr Filmen Spiele und aus immer mehr Spielen Filme. Die Adaptation von Game-Franchises zu Filmen reicht von SUPER MARIO BROS (Games seit 1985, Film 1993) und FINAL FANTASY (Games seit 1987, Film 2001) über TOMB RAIDER (Games seit 1996, Filme seit 2001) und RESIDENT EVIL (Games seit 1996, Filme seit 2002) zu MAX PAYNE (Games seit 2001, Film 2008) oder umgekehrt von Literatur- und Film-Franchises zu Games von JAMES BOND (Romane seit 1953, Filme seit 1962, Games seit 1983) und LORD OF THE RINGS (Romane seit 1954, Filme seit 1978, Games seit 1982) über STAR WARS (Romane seit 1976, Filme seit 1977, Games seit 1978/79) zu HARRY POTTER (Romane seit 1997, Filme und Games seit 2001) und THE MATRIX (Filme seit 1999, Games seit 2003). Bei diesen Adaptationsprozessen kamen mit Blick auf den Stoffwechsel zwischen Spiel und Film primär mittelmäßige Filme und fast ausnahmslos schlechte Spiele heraus. In den Schwierigkeiten der Umsetzung beweist sich die kategorial andere ästhetische Qualität beider audiovisueller Gattungen. Jüngere Erfolge der Game- und Filmindustrien zeugen jedoch von Lernprozessen zumindest bei der Remedialisierung zentraler Elemente spielerischer Narrationen. Partiell verdanken sie sich der produktionstechnischen Optimierung der bewährten Praxis medienübergreifender Auswertung von Stoffen: Film- und Games-Versionen entstehen immer häufiger nicht mehr nacheinander, sondern parallel und in enger Kollaboration von Filmemachern und Spieleentwicklern. Von größerer und langfristiger Bedeutung – zumindest aus künstlerischer wie wissenschaftlicher Sicht – scheint die extensive Adaptation ästhetischer Elemente zwischen Spielen und Filmen. Avancierte Produktionen wie BIOSHOCK
9
Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 550.
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(2007), ASSASSIN’S CREED (2008), GTA4 (2008), HEAVY RAIN (2010), ALAN WAKE (2010), CRYSIS 2 (2011), UNCHARTED 3: DRAKES DECEPTION (2011), CRYSIS 3 (2013) oder BEYOND: TWO SOULS (2013) muten nahezu fotorealistisch an.10 Im Gegenzug experimentiert der Film seit der Wende zum 21. Jahrhundert mit einem Hyperrealismus, einer verfremdenden Mischung aus Fotografie und Computergrafik, deren Bezugspunkt deutlich die Bildwelten digitaler Spiele sind, wie sie immer bessere Game Engines generieren. Herausragende Beispiele gaben in den Nullerjahren Richard Linklaters WAKING LIFE (2001), Robert Zemeckis THE POLAR EXPRESS (2004), Robert Rodriguez und Frank Millers SIN CITY (2005), Linklaters A SCANNER DARKLY (2006), Christian Volckmans RENAISSANCE (2006), Zemeckis BEOWULF (2008) – »looks like a 120-minute video game cut scene«11 –, SPEED RACER (2008) von den Wachowski-Geschwistern und natürlich James Camerons AVATAR (2009). In auffälliger Weise unterminiert so die visuelle Prägung des Films durch eine digitale Bildgestaltung, wie sie hyperrealistische Spiele popularisiert haben, die kulturelle Dominanz des reproduzierenden Fotorealismus. Dieser Prozess ästhetischer Innovation erinnert an die Durchsetzung des Fotorealismus selbst. Als vor anderthalb Jahrhunderten Kamerabilder – erzeugt nicht mehr wie zuvor Gemälde von menschlicher Hand, sondern durch automatisierten Realitätsabdruck – in den Alltag drangen, reagierte die Malerei auf diese ästhetische Konkurrenz bekanntlich zunächst mit einer Kombination aus Mimikry und Betonung der eigenen Stärken. Insbesondere die Bildwelten des Impressionismus verbanden visuelle Effekte, wie sie erst die Kamera sichtbar gemacht hatte, mit gesteigerten Farbkontrasten, zu der die Fotografie eben (noch) nicht imstande war. Einer vergleichbaren Kombination von Adaptation an den digitalen Hyperrealismus und der Anstrengung, dessen zeitgenössische Möglichkeiten ästhetisch noch zu übertreffen, verdankt sich der Postrealismus von Filmen wie A SCANNER DARKLY (2006), der auf Basis von Realfilmszenen mittels interpolierter Rotoskopie entstand, oder BEOWULF (2007), der über die digitale Erfassung von Bewegungen im dreidimensionalen Raum animiert wurde. Die gegenseitige Beeinflussung beschränkt sich freilich keineswegs auf den visuellen Eindruck. Spiele wie Filme übernehmen voneinander auch Schlüsselelemente der Mise-en-Scene, der Choreographie und des Geschichtenerzählens. Seit ihren audiovisuellen Anfängen in den frühen 1980er Jahren haben sich digitale Spiele zudem an den narrativen Konventionen des Films orientiert, deren 10 Vgl. dazu oben S. 77ff. 11 Kohler, Chris: »What Beowulf Means For The Convergence Of Movies And Games«, Wired, 19. November 2007, http://www.wired.com/gamelife/2007/11/what-beowulfme/
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Komplexität sie zunehmend näher kommen. Inzwischen zeigt sich die Kinematographizität digitaler Spiele auf vielen Ebenen: in dem Gebrauch von CutScenes bis zu Split-Scenes oder in der Appropriation ›klassischer‹ Kameraeinstellungen und etablierter Techniken wie flashback und flash forward, die das Auge durch Zeit und Raum transportieren. Nicht zuletzt haben Spiele auch narrative Grundstrukturen wie die Heldenreise oder Genre-Konventionen absorbiert. Spürbar ist ebenso der Einfluss des Fernsehens, etwa in den Praktiken der audiovisuellen Aufzeichnung von Spielhandlungen und der automatischen Wiederholung von gelungenen Schlüsselaktionen, wie sie bei Sportübertragungen üblich sind.12 Die Adaptation ästhetischer Elemente verlief jedoch keineswegs einseitig vom älterem Medium Film zum neuen Medium Spiel. Die kulturelle Erfahrung mit den spezifischen Erzählformen nonlinearer Audiovisionen war nachhaltig genug, um auch die ältere Filmkunst und das Fernsehen zu beeinflussen. Seit Tony Scotts ENEMY OF THE STATE (1998), Andy und Lana Wachowskis THE MATRIX (1999) oder Steven Spielbergs MINORITY REPORT (2002) nutzen Spielfilme radikal-simulatorische Ich-Perspektiven oder ›gottgleiche‹ ÜbersichtsFahrten, die filmische Handlungsräume nach dem Muster von Spiele-Levels dekonstruieren. Bo Kampmann Walther z.B. beschrieb den innovativen Umgang mit dem Erzählraum für THE MATRIX (1999): »[T]he spatial gestalt of a potential game is reconfigured into a cinematographic level design«.13 Ein vergleichbarer Prozess von Adoption und Adaptation lässt sich in der Entwicklung von Narration beobachten, insbesondere bei den Anstrengungen vieler Filme, etwas zu erreichen, was dem Medium per definitionem verschlossen ist: Nonlinearität. Während des vergangenen Vierteljahrhunderts kam es zu einer beträchtlichen Anzahl von Experimenten mit nonlinearen Erzählweisen auch in populären Unterhaltungsfilmen, etwa in Harold Ramis’ GROUNDHOG DAY (1993), Quentin Tarrantinos PULP FICTION (1994), Peter Howitts SLIDING DOORS (1998), Tom Tykwers LOLA RENNT (1998), David Cronenbergs EXISTENZ (1999), Christopher Nolans MEMENTO (2000), Mike Figgis’ TIMECODE 12 Das erste Spiel, das »action viewed from TV-inspired angles« bot, war 1983 WORLD SERIES BASEBALL von Intellivision: »The following year Cinemaware took the union of TV coverage with sports games to its logical conclusion with TV SPORTS FOOTBALL,
a title that offered all the razzmatazz associated with broadcasts of American
football matches.« (Donovan: Replay: The History of Video Games, loc. 5051 und loc. 5120.) 13 Walther, Bo Kampmann: »Cinematography and Ludology: In Search of a Lucidography«, 2004, http://www.brown.edu/Research/dichtung-digital/2004/1/Walther/in dex.htm
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(2000), David Lynchs MULHOLLAND DR. (2001), Gaspar Noés IRRÉVERSIBLE (2002), Alejandro González Iñárritus’ BABEL (2006), Christopher Nolans INCEPTION (2010) oder Doug Limans EDGE OF TOMORROW (2014). Inzwischen haben Experimente mit Parallelismen und Asynchronizität – mit der Simulation von Nonlinearität in einem linearen Medium – selbst das Fernsehen erreicht, von 24 und LOST bis zu einzelnen Episoden traditionell erzählter Serien.14 Solche Versuche, die prinzipiell chronologisch-naturalistische Drei-AktStruktur des fotorealistischen Hollywood-Erzählens hyperrealistisch zu dekonstruieren, indem die Gewohnheiten von Erzählzeit und Erzählraum aufgelöst und beispielsweise Handlungen in zahlreichen Varianten durchgespielt wurden, stehen natürlich einerseits im Kontext modernistischer Anstrengungen, wie sie etwa Luis Buñuel, Akira Kurosawa oder Jean-Luc Godard unternahmen. Andererseits aber unterscheiden sich die cinematischen Experimente des vergangenen Vierteljahrhunderts von diesen modernistischen Klassikern deutlich sowohl in ihrer Ästhetik wie in ihrer populären Ausrichtung. Nicht nur ihr breiter Erfolg weist darauf, wie ›gamish‹ sie sind. Insbesondere wirkt ihr Spielen mit Asynchronizitäten und Loops, Real-Time-Modi und zeitlichen Wiederholungen zutiefst von digitalen Spielen inspiriert.
K ONVERGENZ Diese wachsende ästhetische und ökonomische Wechselbeziehung von Spielen und Filmen führte in den vergangenen Jahren dazu, dass Künstler wie Theoretiker eine Konvergenz von Spiel und Film ins Auge fassten. John Gaeta, SpecialEffects-Supervisor der MATRIX-Trilogie, etwa prophezeite 2006 die Entwicklung einer Art Mitspielfilm, »a movie that preserves the singular vision of the creator that also allows the viewer-player to observe it, to play it and go into a hybrid exploratory mode. That’s the most exciting format I can possibly think of. … You can’t call it filmmaking, you can’t call it games.«15 In dieselbe Richtung gingen die Überlegungen des Regisseurs Guillermo del Toro (HELLBOY, 2004; PAN’S LABYRINTH; 2006): »I believe, that the future of storytelling is on an interactive level and that it will more or less arise out of a marriage of films, vide-
14 Vgl. z.B. HOW I MET YOUR MOTHER (2009, S04E13: »Three Days of Snow«). 15 Crabtree, Sheigh: »Video Games Grow Up«, The Hollywood Reporter 2006, 7. April S. http://www.allbusiness.com/services/motion-pictures/4899000-1.html
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ogames and television. All platforms will mix with each other …«16 Und angesichts von Robert Zemeckis BEOWULF klagte Chris Kohler in Wired: »Game industry watchers who have long predicted that the revolution in video games would be about games evolving and becoming movies, as it turns out, had it all backwards. It'll be because movies are becoming video games.«17 In der Tat lässt sich ein Zusammenwachsen, wenn nicht Verschmelzen von linearer und nonlinearer Audiovisualität in den technologischen Verfahren der Produktion und den techno-kulturellen Praktiken der Distribution beziehungsweise Rezeption beobachten. George Lucas zum Beispiel verband seine Filmfirma Industrial Light & Magic schon 2006 mit seiner Spielefirma LucasArts organisatorisch, räumlich und medientechnisch – auf der internen Softwareplattform Zeno. Das doppelte Ziel war, für die Herstellung von Spielen entwickelte Praktiken der Echtzeit-Visualisierung zur Filmproduktion zu nutzen und gleichzeitig den Spielemachern hochauflösende Filmszenen als Ausgangsmaterial zur Verfügung zu stellen. 18 Ebenso forderte bereits 2007 der Spieleproduzent Guillaume de Fondaumiere von Quantic Dreams (FAHRENHEIT, 2005; HEAVY RAIN, 2010; BEYOND: TWO SOULS, 2013) auf dem Filmfestival Berlinale eine engere Kooperation zwischen europäischen Film- und Spielemachern, den Austausch von Stoffen und Schauspielern, technischem wie künstlerischem Talent und vor allem Know-how: »There is a number of technologies that we’re using in the games industry that when I show [them] to film people [they say]: Well, I want this, I want this.«19 Wo solcher Austausch bereits stattfindet, wird nicht nur die medienübergreifende Auswertung von Stoffen optimiert. Vielmehr verändert sich die praktische 16 Brown, Scott: »Q&A: Hobbit Director Guillermo del Toro on the Future of Film«, Wired Magazine 2009, http://www.wired.com/entertainment/hollywood/magazine/1706/mf_deltoro?currentPage=all. Vgl. ebenfalls diese Äußerung de Toros: »Ich glaube, dass die Zukunft des Geschichtenerzählens auf interaktiver Ebene liegt und dass sie mehr oder weniger aus einer Ehe von Filmen, Videospielen und Fernsehen entspringt. Ich denke, es wird in den nächsten fünf Jahren losgehen: Alle Plattformen werden miteinander verschmelzen ...« (Allgaier, Joachim: »Verschmelzen Computerspiel und Film? Perspektiven der Medienkonvergenz am Beispiel digitaler Spiele«, Telepolis 2009, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29536/1.html) 17 Kohler, Chris: »What Beowulf Means For The Convergence Of Movies And Games«. 18 Sullivan, Steve/Williams, Chris: »The New Force at Lucasfilm«, BusinessWeek, 30. August 2010 2006, http://www.businessweek.com/print/innovate/content/mar2006/id 20060327_719255.htm 19 Fondaumière, Guillaume de: »Berlinale Keynotes: Rethinking Content«, 30. August 2010 2007, http://www.youtube.com/watch?v=zEQrQb7cSrc&hd=1
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Arbeit in der Spiele- wie der Filmproduktion. Beide nähern sich einander an. Der digitale Film, schrieb Lev Manovich 2001 hellsichtig, werde als Interface dienen »to play out events in 3D«.20 In den vergangenen Jahren haben führende Filmemacher denn auch versucht, vom Drehbuch – als der gedanklichen (schriftlichen) Konstruktion einzelner Wirklichkeitsausschnitte – zur Konstruktion kompletter audiovisueller Welten fortzuschreiten, in denen beliebige Handlungen inszeniert und durchgespielt werden können. Darin folgen Produktionen wie Zack Snyders WATCHMEN (2009) oder James Camerons AVATAR (2009) deutlich dem Weltenbau-Vorbild der Herstellung digitaler Spiele.21 »Constructing worlds is the main idea«, sagt WATCHMEN-Produktionsdesigner Alex McDowell. »By creating a 3D virtual production space, you can work with your fellow filmmakers in a very descriptive, data-rich, virtual representation of the film before you even start making it.«22 Und James Cameron spricht davon, seine Produktion habe anstelle von Sets erstmals eine Art »movie-scape« erzeugt, eine virtuelle Filmlandschaft, in der Akteure wie Kameras sich frei bewegen können: »It’s like a big, powerful game engine. If I want to fly through space, or change my perspective, I can. I can turn the whole scene into a living miniature.«23 Dieser Konvergenz in der technischen Produktion von Filmen und Spielen, dem Trend zum Einschleifen der tradierten medientechnologischen Differenzen, entsprechen spätestens seit der Jahrhundertwende Tendenzen zur Kombination auf Seiten der Rezeption. Im Alltag – zumal von Jugendlichen – schwinden länger schon die Grenzen zwischen dem Konsum linearer und nonlinearer Audiovisionen; nicht zuletzt, weil beide Unterhaltungsformen an demselben Desktopoder Laptop-Computer, derselben Konsole, demselben Tablet oder Smartphone (ab-)gespielt werden können und daher schneller Wechsel vergleichbar dem Channel-Surfing naheliegt. Eine Verbindung auch im kommerziellen Angebot ist insofern wohl nur eine Frage der Zeit. »The way that we see the future is that the movie and the game are placed on the same disc«, verkündete zum Beispiel 2009 John Koller, Sonys Marketing-Chef für die Playstation 3.24 20 Manovich: The Language of New Media, S. 326-327. 21 Zum Weltenbau in digitalen Spielen vgl. unten S. 168ff. 22 Hart, Hugh: »Virtual Sets Move Hollywood Closer to Holodeck«, Wired, 27. März 2009, http://www.wired.com/underwire/2009/03/filmmakers-use/ 23 Chatfield: Fun Inc., loc. 623-625. 24 Ault, Susanne: »Blu-ray/videogame discs to be released for PS3«, Video Business, 3. März 2009 2009, http://www.videobusiness.com/article/CA6636623.html?desc=top story. – Ein frühes Beispiel ist John Woos Playstation-3-Spiel STRANGLEHOLD (2007), das auf derselben DVD auch den zugrunde liegenden Film aus dem Jahre 1992 zur Verfügung stellt.
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Mit der Identität des Speichermediums, ob nun auf Disk oder online distribuiert, ist wiederum medientechnisch das Potenzial zum ästhetisch fließenden Übergang zwischen Spiel und Film gesetzt. Vereinzelt wurde solche rezeptionelle Annäherung schon antizipiert – wenn etwa in STAR-WARS-Filmen Sequenzen so gestaltet sind, dass sie den Ausgangspunkt von Spiele-Produktionen bilden können. Einen Schritt weiter ging die interaktive DVD TOMB RAIDER: THE ACTION ADVENTURE als Teil der TOMB RAIDER-Serie THE ANGEL OF DARKNESS (2006). Das Spiel bietet nicht nur eine Auswahl cinematografischer Effekte (etwa Perspektiv- und Kamerawechsel, Splitscreens), der Spieler kann auch vom interaktiven in einen automatisierten Modus wechseln, bei dem das Programm alles Geschehen steuert und das Spiel so zum Spielfilm wird.25 Diesen verschiedenen Ansätze zu einer Konvergenz – in Produktion, Distribution und Rezeption – entspricht schließlich ökonomische Konvergenz: Zunehmend sind es dieselben Medienkonglomerate, die lineare und nonlineare audiovisuelle Unterhaltung finanzieren, produzieren und distribuieren. In der Gesamtschau spricht daher einiges dafür, dass in Zukunft Film und Spiel organisatorisch, technisch und künstlerisch noch stärker als bislang kooperieren werden. Nicht alle Künstler und Theoretiker teilen allerdings diese Visionen kommender und vollständiger, also auch ästhetischer Konvergenz. Der Spiele-Filmmacher Paul W. S. Anderson etwa meinte: »I love movies and I love videogames, but I don’t think there is some kind of a hybrid art form between the two [...] the process of playing and interacting with a game make it necessarily different from the movies. I wouldn’t know why you would want to combine the two.«26 Bo Kampmann Walther beschrieb aus medienwissenschaftlicher Sicht die Unvereinbarkeit von Spiel und Film: »The film – at least in its traditional form, i.e. as non-interactive materiality – is a realized action (or string of actions); whereas gaming means to ›frame‹ actions. [...] The film may thematize the potential of interactivity [...], but it can never materialize this potential.«27 Das aktuelle Verhältnis von Film und Spiel scheint so widersprüchlich: Ökonomischer Konkurrenz und dem Wettbewerb um künstlerisches Talent stehen künstlerische Annäherung und ästhetische Beeinflussung sowie Konvergenz in 25 Höltgen, Stefan: »Phallische Heldin in Paris. Das sieht nach seltsamen Experimenten aus: ›Tomb Raider‹ als Hybrid zwischen Spiel und Film«, Telepolis, 3. September 2010 2006, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24090/1.html 26 Crecente, Brian: »Convergence, Smergence... Hollywood Director Paul W.S. Anderson Believes Games and Movies Should Remain Separate«, Kotaku, 3. September 2010, http://kotaku.com/327820/convergence-smergencehollywood-director-paul-wsanderson-believes-games-and-movies-should-remain-separate 27 Walther: »Cinematography and Ludology: In Search of a Lucidography«.
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Produktion, Distribution und Rezeption gegenüber. Offen ist damit weiterhin die Frage, wo die Grenzen dieser Annäherung liegen mögen – inwieweit also der digitale Film und das digitale Spiel angesichts der eskalierenden Nähe ihre ästhetische Autonomie werden bewahren können.
2 Audiovisuelle Rivalitäten
Das Wider- und Nebeneinander von Film und Spiel sowie das Potenzial zukünftiger Entwicklung entwirren sich freilich unter historischer Perspektive. Denn die jüngere Geschichte der audiovisuellen Medien kennt zwei vergleichbare, wenn auch in wichtigen Details abweichende Situationen: zu Beginn des 20. Jahrhunderts das problematische Verhältnis zwischen Theater und Kino, um seine Mitte das zwischen Film und Fernsehen.
M EDIENGESCHICHTE Als das Kino um 1900 seinen Siegeszug antrat, konkurrierte es mit den Brettern, die bis dahin die Welt bedeuteten. Dabei hatte das Theater dem neuen Opponenten wenig entgegenzusetzen, da der Film ein genuin industrielles Medium war, dessen visuelle Narrationen – am Ende der standardisierenden Entwicklung – mit 24 Bildern pro Sekunde in einer zeitlichen und räumlichen Segmentation fortschritten, die der Logik industrieller Arbeit folgte und technisch die Rhythmen des Fließbandes antizipierte. Im direkten Vergleich zur Kinoleinwand erschien die Theaterbühne plötzlich veraltet, theatralisch. Das übermächtige neue Medium dominierte sehr bald ökonomisch. Ein großes Theatersterben begann, während die Filmindustrie massive Talentabwerbung betrieb – von D. W. Griffith bis zu Ernst Lubitsch. Gleichzeitig begannen beide audiovisuellen Künste zu kollaborieren und sich gegenseitig zu beeinflussen. Viele Künstler, Autoren und Schauspieler, Regisseure, Bühnen- und Maskenbildner, Beleuchter und Musiker, pendelten zwischen Theater und Film. Auf der Suche nach Stoffen wie nach Reputation, begann die Filmindustrie sehr früh, Dramen und andere theatralische Formen erst abzufilmen und dann auch für den Film zu adaptieren. Umgekehrt entwickelte das Theater filmische Züge – von Max Reinhardts und Erwin Piscators berühm-
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ten Berliner Produktionen der 1920er Jahre bis zu den Stücken Bertolt Brechts und Arthur Millers. Das Langzeit-Genre des Theaterfilms freilich blieb ein Nischenprodukt. Zu einer institutionalisierten Kooperation zwischen Theater und Film kam es ebenfalls nicht. Das mag kaum mehr verwundern, da dieser Zustand einer entfernten und reservierten Beziehung zwischen beiden Medien doch seit Jahrzehnten als gegeben gilt. Gleichwohl bedarf er einer medientheoretischen Erklärung; nicht nur, aber auch weil die historisch nächste audiovisuelle Rivalität, die Konkurrenz zwischen Film und Fernsehen, einen ganz anderen Ausgang nehmen sollte. An deren Anfang stand zwar ebenfalls schlicht Konkurrenz. Wie einst das Theater dem Film hatte nun der Film dem neuen elektronischen Medium Fernsehen wenig entgegenzusetzen. Die rapide Durchsetzung des so genannten Heimkinos in den fünfziger und sechziger Jahren entsprach dem neuzeitlichen Langzeittrend einer steten Privatisierung der Verfügung über Kunst und Unterhaltung wie auch die Mittel zur Fernkommunikation. Binnen kurzem machte das Fernsehen dem Kino einen Großteil seines Publikums abspenstig und stieg zum ökonomisch erfolgreichsten und kulturell wichtigsten audiovisuellen Medium auf. In Deutschland zum Beispiel vernichtete ein großes Kinosterben zwischen Mitte der fünfziger und Mitte der siebziger Jahre fast die Hälfte der Abspielstätten.1 Die Zahl der jährlichen Kinobesuche fiel von rund 800 Millionen auf unter 140 Millionen.2 In der Konsequenz wanderte viel Filmtalent zum Fernsehen ab.3 Den Verdrängungswettbewerb begleiteten wiederum Prozesse ästhetischer Annäherung. Um die Nachteile der kleinen Bildschirme der Frühzeit auszugleichen, suchten TV-Sendungen Zuflucht zu häufigen Schnitten zwischen Großaufnahmen. Bald übernahm der Kinofilm diese Praxis und andere Elemente der Fernsehästhetik. »There’s so much cutting and so many close-ups being shot today I think directly as an influence from television«, klagte zum Beispiel 1990 Steven Spielberg: »That has carried over indelibly into motion picture of the late twentieth centu-
1
Filminstitut, Deutsches: »50 Jahre Kino in Deutschland«, 2000, http://www.deutsch es-filminstitut.de/hdf/cont_k_12.html. 1959 gab es in der Bundesrepublik 7085 Kinos, 1969 noch 3739.
2
Filmwirtschaft, Spitzenorganisation der: »Filmbesuch 1925-2009«, 2010, http://www
3
In der Bundesrepublik etwa Regisseure wie Bernhard Wicki, Autoren wie Wolfgang
.spio.de/index.asp?SeitID=381 Menge, Schauspieler und Schauspielerinnen wie Heinz Drache, Joachim Fuchsberger, Hans-Joachim Kulenkampff oder Vera Tschechowa.
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ry.«4 Und Wim Wenders bedauerte noch 2001, dass »television has eliminated the long-shot, which so beautifully conforms to the human eye, and replaced it with the tedium of close-ups.«5 Umgekehrt strebte das Fernsehen nach filmischen Qualitäten. Da die meisten Hollywood Studios ihre neuen Produktionen der Fernsehkonkurrenz für einige Zeit vorenthielten, kauften die Fernsehanstalten massenhaft alte Spielfilme ein und verwandelten das junge Medium damit in ein populäres Filmmuseum: Zehntausende von Werken aus dem ersten halben Jahrhundert des Films, die nach ein paar Wochen Laufzeit in Archiven lagerten, machte das Programm der Sender seit den fünfziger Jahren einem neuen Massenpublikum wieder (und wieder) zugänglich. Zu Beginn der 1960er Jahre, auf dem Höhepunkt der WiederholungsÄra, als schwarzweiße Stumm- und Tonfilme das ideale Sendematerial für das schwarzweiße Fernsehen darstellten, schrieb Marshall McLuhan »that the ›content‹ of any medium is always another medium.«6 Um dieselbe Zeit begannen Fernsehsender, die Produktion neuer Kino- und TV-Spielfilme mit zu finanzieren. Konkurrenz wich langsam institutionalisierter Kooperation. In den USA kam es zur partiellen vertikalen Integration beider audiovisuellen Medien innerhalb nationaler und multinationaler Medienkonzerne. Das westeuropäische System öffentlich-rechtlicher Sender führte auf anderem Weg zu ähnlichen Resultaten – zu Partnerschaften zwischen Fernsehen und Film, die von Regulierungsbehörden erzwungen und kontrolliert wurden. Schon in den späten sechziger Jahren gedieh der Junge Deutsche Film durch die Unterstützung des Fernsehens, seit 1974 regelt das Film-Fernseh-Abkommen solche – finanzielle – Kooperation über Filmförderungsinstitutionen. Diese Umstände ließen eine neue ästhetische Form entstehen: Seit den achtziger Jahren, seit Wolfgang Petersens DAS BOOT (1981), gab es die Praxis so genannter amphibischer Fernseh-Kino-Filmproduktionen und ihrer medienspezifischen Auswertung in differierenden Schnittfassungen.7 Augenfällig mündete so die audiovisuelle Rivalität zwischen Kino und Fernsehen in ein gänzlich anderes Verhältnis als die ältere Rivalität zwischen Theater und Kino. Broadway-Theater kauften keine Hollywood-Studios, und auch umgekehrt versuchten Filmfirmen nie ernsthaft, sich in den Broadway einzukaufen. 4
Ebert, Roger/Siskel, Gene/Scorsese, Martin/Spielberg, Steven/Lucas, George: The
5
Zitiert nach Ostrowska, Dorota/Roberts, Graham: European Cinemas in the Television
6
McLuhan: Understanding Media, S. 10.
7
Freyermuth, Gundolf S.: »Das Boot. Ein Meilenstein der Film- und Fernsehgeschich-
Future of the Movies, Kansas City Mo.: Andrews and McMeel 1991, S. 73. Age: Edinburgh University Press 2007, S. 75.
te«, Schnitt. Das Filmmagazin, Juli 2011, http://www.schnitt.de/211,0063,01
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Dagegen gelang es Kino und Fernsehen, ökonomische und produktionspraktische Partnerschaften zu entwickeln, die – mehr oder weniger freiwillig – über Wettbewerb und sporadische Kollaboration hinaus zu organisierter Kooperation und partieller ökonomischer und institutioneller Integration führten. Nach einer Erklärung verlangt damit weiterhin die Frage, wie sich diese höchst unterschiedlichen Verläufe medientheoretisch erklären lassen und was sich aus ihnen für die Zukunft von Spielfilmen und digitalen Spielen, d.h. von linearen und nicht-so-linearen Audiovisionen lernen lässt – ob also deren Beziehung einem dieser beiden historischen Modelle folgen könnte.
M EDIENTHEORIE Eine Antwort lässt sich im Rekurs auf das oben vorgestellte systematisch-historische Modell der Medialitäten nach Harry Pross finden.8 Im Kontext seiner auf Technikeinsatz fokussierenden Taxonomie stellen sich die Rivalitäten zwischen Theater und Film einerseits, Film und Fernsehen andererseits als höchst verschieden dar. Die Guckkastenbühne nutzte, seit sie im 16. Jahrhundert als konstruiertes Mediensystem entstand, zu ihrer Bild- und Blickproduktion mechanische, später auch industrielle Technik. Anders als etwa religiöse Riten, Karneval oder Straßentheater, die Audiovisuelles ohne Zwischenschaltung von Technik präsentieren, ist die Bühne ein Sekundärmedium. Der Film hingegen benötigt avancierte Technik nicht nur zur Produktion, sondern auch zur Speicherung, Distribution und Rezeption seiner auf Zelluloid konservierten Audiovisionen. Als ein Tertiärmedium ist er mit dem älteren Medium Theater technologisch inkompatibel. Theater und Film operieren so auf unterschiedlichen medialen Entwicklungsstufen, sie sind sozusagen generationell geschieden. Das Kino konnte daher – allen frühen Versuchen zum Trotz, die Inhalte der Bühne zu appropriieren – nicht zu einem Theatermuseum werden. Denn beim Abfilmen, beim Transfer von sekundärer (live) zu tertiärer (abgespeicherter) Audiovisualität, büßen Bühnenspiele ihre medienspezifischen Qualitäten und damit ihren zentralen Reiz ein. Dem nachrückenden Fernsehen jedoch ist der Film technologisch in hohem Maße ähnlich. Denn beide gehören derselben Generation audiovisueller Medien an und unterschieden sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur durch Details der techno-sozialen Organisation, insbesondere durch die Differenz der analogen Speicher (Zelluloid / Magnetband), die Vertriebskanäle (physischer
8
Vgl. oben S. 42ff.
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Verleih / immaterielles Versenden), die soziale Kontrolle über Produktion und Distribution (un- oder selbstregulierte Filmstudios / staatlich lizensierte Privatsender oder öffentlich-rechtliche Anstalten) sowie die soziale Kontrolle der zur Rezeption notwendigen Apparaturen (Bedienung durch Vorführer / Selbstbedienung durch Heimzuschauer). Dementsprechend mussten Fernsehsender Kinofilme nicht erst abfilmen oder adaptieren, sie konnten sie ohne essentielle Beschädigungen einfach senden. In der Frühzeit des Fernsehens bedeutete es selbstverständlich einen großen Unterschied, ob man einen Film auf einer Kinoleinwand oder auf einem TV-Monitor rezipierte. Diese Qualitätsdifferenz, die von Zeitgenossen reflektiert und bedauert wurde, schuldete sich freilich technischer Unterentwicklung – der verhältnismäßig geringen Größe der Bildschirme, ihrer geringen Auflösung, dem Fehlen von Farbe, der unterschiedlichen Seitenverhältnisse (aspect ratios), der schlechten Tonqualität. Aus heutiger Perspektive handelte es sich dabei nicht, wie viele einst meinten, um essentielle, sondern lediglich um akzidentielle Differenzen. Der einzige Unterschied, der sich technisch nicht aufheben ließ – jedenfalls unter den Bedingungen analoger Elektronik –, resultierte aus dem Ortswechsel der Rezeption von halböffentlichen Kinosälen zu privaten Wohnzimmern: Einen Spielfilm zuhause auf einem Fernseher zu schauen bot keine anonym-gemeinschaftliche Erfahrungen mehr. In der Summe lässt sich der unterschiedliche Ausgang beider audiovisuellen Rivalitäten erklären: Der technologische Abstand zwischen sekundärer und tertiärer Audiovisualität zeichnet für die Distanz verantwortlich, in der Theater und Kino zueinander verharrten, während die technologische Ähnlichkeit zwischen den beiden Varianten tertiärer Audiovisualität eine vergleichsweise enge Kollaboration und partielle Integration erlaubte, wie sie sich schließlich auch zwischen Kino und Fernsehen herstellte. Aber welches Licht werfen diese beiden historischen Modelle auf das gegenwärtige und zukünftige Verhältnis zwischen Spielfilmen und digitalen Spielen? Vereinfacht gefragt: Sind die beiden audiovisuellen Leitmedien der Gegenwart auf Grund ihrer Medientechnologien miteinander inkompatibel wie Theater und Kino oder sind sie vergleichsweise kompatibel wie Kino und Fernsehen? Auf den ersten Blick scheint das Theater-Film-Modell treffender. Denn digitale Spiele setzen nicht nur wie Film und Fernsehen Technik auf Seiten von Produktion wie Rezeption ein, sie erfordern auch die flüssige Verbindung zwischen beiden Polen – den Rückkanal, der die kategoriale Trennung von Produktion und Rezeption aufhebt und zu interaktivem Spiel befähigt. Damit gehören digitale Spiele einer neuen quartären Medialität an und sind dem analogen Film als tertiärem Medium ebenso inkompatibel wie der dem Theater. Auf den zweiten Blick
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erweist sich diese Analyse allerdings als zu kurzsichtig. Denn sie übersieht, dass der Film während der vergangenen drei Jahrzehnte sukzessive seine industriellen Ursprünge und Techniken abgestreift hat. Parallel mit dem Entstehen von digitalen Spielen – die immer schon Software waren – wandelte er sich von einem Hardware- zu einem Software-Medium. Die Filmindustrie war es sogar, die dank ihrer Finanzkraft die Digitalisierung der audiovisuellen Produktion in den achtziger und frühen neunziger Jahren entscheidend vorantrieb (– während narrative Games zu dieser Zeit noch primär textbasiert waren oder mit einfachen Grafiken operierten). Medienhistorisch verbindet sich mit der Softwarewerdung des Films der Übergang filmischen Erzählens – also digitaler linearer Audiovisualität – von der tertiären zur quartären Medialität. Werden sie als Software kreiert – durch digitale Aufnahme, Computeranimation oder Einscannen von Filmmaterial in der Postproduktion –, stehen auch Spielfilme arbiträrer Manipulation offen, sei es durch ihre Produzenten oder auch durch ihre Zuschauer beziehungsweise Nutzer.9 Als lineare audiovisuelle Erzählungen zielen Spielfilme lediglich auf einen anderen Gebrauch derselben Technologie, der sich auch nonlineare audiovisuelle Narrationen bedienen.10 Insofern gehören der digitale Film und das digitale Fernsehen derweil derselben – quartären – Mediengeneration wie digitale Spiele an. In beider Produktion und Distribution deuten sich folgerichtig Wege vom Gegen- und Nebeneinander zum Miteinander an, von der Konkurrenz und gelegentlichen Kooperation zu einer weitergehenden medialen Integration. Einst vereinnahmte die Television nicht nur den Film, sondern nahezu alle existierenden Medien: Literatur, Malerei, Musik und insbesondere das Radio samt seiner diversen Inhalte, u.a. Hörspiel, Spielshow, Nachrichten, Live-Übertragungen aus Theatern, Sportarenen und Parlamenten. Im digitalen Mediendispositiv des 21. Jahrhunderts könnte nonlineare Audiovisualität, meint Jesse Schell, ähnlich integrativ wirken: »As technology advances, more and more aspects of human life and expression will be integrated into games. There is nothing that cannot be part of a game. You can put a painting, a radio broadcast, or a movie into a game, but you cannot put a game into these other things. [...] At their technological limit, games will subsume all other media.«11 9
Ein Beispiel für die partizipative Nutzung auch von Spielfilmen geben Fan-Cuts. Vgl. z.B. Rojas, Peter: »Hollywood: the People’s Cut. The Fans are Now Editing Hollywood Blockbusters«, The Guardian, 24. Juli 2002, http://www.theguardian.com/film/ 2002/jul/25/internet.technology
10 Vgl. zu dem unterschiedlichen Umgang mit dem Rückkanal im digitalen Film und in digitalen Spielen oben S. 58. 11 Schell: The Art of Game Design, loc. 1326-29.
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Ob man Schells Vision folgen mag oder nicht, es kann wohl wenig Zweifel daran bestehen, dass sich Herstellung und Konsum von Spielen und Filmen zunehmend miteinander verbinden – organisatorisch, technisch und auch künstlerisch. Ungeachtet dieses Potentials zur Konvergenz, steht allerdings weiterhin eine Frage im Raum und zwar die wichtigste von allen: Werden, wie es die Visionen von John Gaeta und Guillermo del Toro wollen, tatsächlich Spiele wie Filme und Filme wie Spiele? Steht auch eine ästhetische Konvergenz bevor?
3 Modi audiovisuellen Erzählens
Seit Spiele im Prozess ihrer Digitalisierung begannen, narrativ zu werden, will die Debatte um die Vereinbarkeit von Spielen und Erzählen nicht abreißen. Zunächst wurde sie primär im Kontext des Game Designs geführt, seit den späten neunziger Jahren auch in den Game Studies.1 Inhaltlich konzentrierte sie sich in den siebziger und frühen achtziger Jahren auf das Verhältnis von Spielen zur Literatur, speziell zum Roman, seit Mitte der achtziger Jahre auf das Verhältnis zum Spielfilm. Wenn allerdings über Jahrzehnte hinweg dieselben Fragen immer wieder neu gestellt werden, indiziert das in der Regel, dass keine der existierenden Antworten zu befriedigen vermag. Ein wesentlicher Grund für dieses Ungenügen dürfte in der weitgehenden Konzentration auf den Versuch liegen, das Verhältnis von Spiel und Erzählung systematisch zu bestimmen.2 Der Frage nach den spezifischen ästhetischen Effekten der einzelnen audiovisuellen Medien und ihrer zentralen Darstellungs- und Erzählweisen – Bühnendrama, Spielfilm, Game – geht dieses Kapitel daher historisch nach. Dabei wird die Entwicklung audiovisuellen Erzählens in der – westlichen – Neuzeit und damit auch die Vorgeschichte und Genese narrativer digitaler Spiele skizziert, um als Resümee die Emergenz einer neuen audiovisuellen Erzählform zu behaupten, die gerade auf einer Verbindung von Spiel und Erzählen beruht und sich gerade in ihrer ästhetischen Bezogenheit auf den Film komplementär zu ihm verhält.
E RZÄHLEN
IN
R AUM
UND
Z EIT
Gemeinsam ist allem audiovisuellen Erzählen seine Differenz zu literarischem: Während Literatur imaginieren kann, was sich aufschreiben lässt, vermögen
1
Siehe unten S. 200f.
2
Vgl. oben S. 39ff.
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analoge Audiovisionen – auf der Bühne oder im analogen Film – nur Handlungen zu imaginieren, die sich auch in Szene(n) setzen lassen. Damit ist audiovisuelles Erzählen immer an eine Manipulation von Raum und Zeit gebunden. Wie dies geschieht, determiniert in einem hohen Maße die ästhetische Gestalt und Wirkung audiovisueller Narrationen auf Zuschauer oder Nutzer. Jedes audiovisuelle Medium wird daher – im Gegensatz zur Literatur – in seinem Inneren limitiert durch seine Basistechnologie, die innere Grenzen im Hinblick auf die Konstruktion und Manipulation von Raum und Zeit festlegt. Mag also auch eine gewisse Unvereinbarkeit von analogem Spiel und analogem literarischen oder gar filmischen Erzählen bestehen, mit den neuen Mitteln digitaler Bild- und Tonproduktion scheint ein neues Medium zu entstehen, das wesentliche Begrenzungen überwindet, denen audiovisuelles Erzählen unter den Bedingungen mechanischer und industrieller Technologie unterlag, und sich damit nonlinearen Erzählweisen öffnet. Eine solche neue audiovisuelle Erzählform hat freilich, um erfolgreich zu sein, nicht minder als die älteren audiovisuellen Medien Bühne, Film und Fernsehen jenen Grundbedürfnissen zu entsprechen, die Erzählen in jedwedem Medium seit Jahrtausenden in der menschlichen Kultur erfüllt. Was narrativ vermittelt wird, begreifen wir schneller und memorieren wir besser. Erzählen dient so dem Management und Transfer von Wissen, von Normen und Werten, Verhaltens- und Handlungsweisen. Es hilft, die Welt zu verstehen, indem es rationalen wie emotionalen Sinn stiftet. Dabei scheint es gewissen Grundmustern zu folgen, zumindest in der westlichen Kultur: der Gewohnheit von Anfang, Mitte und Ende, wenn auch nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge, wie Jean-Luc Godard einmal bemerkte; den Stationen der Heldenreise, die mit einer Herausforderung beginnt, ihre Helden und Heldinnen vor eine Wahl stellt und mit einer Lösung der Herausforderung, des Konfliktes endet – der Erfüllung des zentralen Wunsches also, dass Geschichten Konsequenzen haben mögen, dass die Welt an ihrem Ende eine andere sei, als sie es an ihrem Anfang war.
V ORINDUSTRIELLE A UDIOVISIONEN : T HEATER Vor dem Film dominierten drei erzählerische Gattungen: das Lyrische, das Epische und das Dramatische, d.h. Poesie, Prosa und Theaterstücke. Die Illusionsoder Guckkastenbühne als einziges audiovisuelles Medium aber war – etwa im Vergleich zum Roman – in ihrer Befähigung, Geschichten zu erzählen, wesentlich dadurch eingeschränkt, dass sie ihre Fiktionen im Realraum und über Echtzeit-Aktionen mit Schauspielern inszenieren musste, die mit dem Publikum physisch denselben Raum teilen. Gleich vormodernen Handwerkern, die im Gegen-
3 M ODI AUDIOVISUELLEN E RZÄHLENS | 141
satz zu Fabrikarbeitern vollständige Produkte herstellten, spielen Bühnenschauspieler im Gegensatz zu Filmschauspielern ›ganze‹ Rollen von Anfang bis Ende. Darin verraten das Theater – und das Drama als seine vorherrschende narrative Form – ihre Herkunft aus der mechanischen Kultur. Für die Zeitgenossen drückte sich in der Einheit und Sequentialität der Bühnenhandlung überzeugend der vorindustrielle Alltag aus, ihre Wahrnehmung von Raum und Zeit, ihre Mentalität, ihr Menschen- und Weltbild – dass »all the world’s a stage«.3 Auf ihr steht dem Drama zur Manipulation von Erzählraum und Erzählzeit primär der Vorhang zur Verfügung. Wie die Brücke in der vorindustriellen Vernetzung von Transport und Kommunikation, ›überbrückt‹ er räumliche und zeitliche Distanzen, indem er sie verdeckt.4 Aus der späteren Perspektive des Films betrachtet, entspricht seine narrative Funktion der von Schnitt und Montage, i.e. er erweist sich als deren recht rudimentärer Vorläufer. Die Aufrüstung des Theaters in der mechanischen Epoche mit fortgeschrittenster Technik, die vor allem bessere Zeit- und Ortswechsel ermöglichen sollte – eigene Theaterbauten u.a. mit verschiebbaren Kulissen, Hebebühnen, künstlichem Licht, Vorhängen etc. –, vermochte diese Behinderung nur unwesentlich zu mindern. Zum dramatischen Ideal wurden insofern die berühmt-berüchtigte Einheit von Raum, Zeit und Handlung: eine lineare Kompression, die in direktem Gegensatz zum epischen Erzählen stand, dessen Reiz gerade die Ausdehnung über Zeit und Raum ausmacht, eine Ausdehnung, die zwar gewöhnlich chronologisch erfolgt, aber keineswegs auf solche Linearität verpflichtet ist. Vor der Industrialisierung der Medien war audiovisuelles Erzählen daher medientechnisch real, d.h. an die echtzeitige Manipulation des Realraums gebunden, und tendierte daher medienästhetisch zur Dramatik.
I NDUSTRIELLE A UDIOVISIONEN : K INO
UND
F ERNSEHEN
Mit dem Film, das heißt der medientechnischen Befähigung zur Fixierung raumzeitlicher Handlungen und zu ihrer nachgängigen Manipulation durch Schnitt
3
»All the world’s a stage, / And all the me man in his time plays many parts …« (Shakespeare, William: »As You Like It«, in: Shakespeare, William (Hg.), First Folio, 1623).
4
Vgl. zum Folgenden Freyermuth, Gundolf S.: »NetzWerke. Kommunikative Vernetzung als Basis audiovisuellen Erzählens«, in: Wolf, Philipp (Hg.), Medieninnovationen: Internet, Serious Games, TV, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2013, S. 105-150.
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und Montage, erlangte audiovisuelles Erzählen gesteigerte Möglichkeiten zur Manipulation von Zeit und Raum. Denn seine Schauspieler mussten ihre Rollen nicht mehr live und sequentiell spielen. Filmische Handlungen konnten vielmehr nach dem Muster tayloristischer Arbeitsorganisation in einer Vielzahl von Einzelszenen aufgenommen werden, um dann nicht anders als die meisten industriellen Waren endmontiert (final cut) und in identischen Kopien physisch distribuiert zu werden. Gleich den Arbeitern am Fließband liefern die Schauspieler des analogen Films Apparaturen fragmentierte Handlungen zu. Darin verraten das Kino – und der Spielfilm als seine vorherrschende narrative Form – ihre Herkunft aus der industriellen Kultur. Für die Zeitgenossen drückte der Spielfilm wie kein anderes Medium den industriellen Alltag aus, die Epoche der Massenproduktion und der Massenmenschheit, ihre Wahrnehmung von Raum und Zeit, ihre Mentalität, ihr Menschen- und Weltbild. Dazu trug wesentlich bei, dass im Film räumliche und zeitliche Distanzen in der Narration nicht länger ver- und überdeckt, sondern durch Schnitt eliminiert werden. So wird ein beschleunigtes und stetes Wechseln zwischen entfernten Orten oder Zeiten möglich und damit zum Beispiel die Darstellung paralleler Handlungsverläufe an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. Diese neue Freiheit erlaubte es dem Film nahezu vom Zeitpunkt seines Entstehens an, mit allen drei tradierten Modi des Erzählens, dem Lyrischen, Epischen und Dramatischen zu experimentieren. Spätestens aber seit der Einführung des Tons konzentrierte sich filmisches Erzählen wiederum auf dramatische Erzählstrukturen – nicht zuletzt aus produktionstechnischen Gründen wie auch auf Grund der Bedingungen von Distribution und Rezeption, die, nachdem in der Anfangszeit des Films durchaus mit anderen Modellen experimentiert worden war, bald nahezu ausschließlich dem klassischen ›Vorstellungen‹-Modell des Theaters folgten. Erst seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, wesentlich im Gefolge der Einführung von Fernsehen, Videokassetten, DVDs und digitalem Streaming – d.h. als Resultat einer zunehmenden Privatisierung der Verfügung über Audiovisionen –, entwickelten einzelne Spielfilme sowie Spielfilm- und vor allem Fernsehserien epische Strukturen, wie sie dem Theater und auch dem Kino, so lange es dem theatralischen Vorbild verpflichtet bleibt, weitgehend verschlossen sind: von der so genannten ›sequel mania‹, die um 1980 einsetzte, bis zu den wahrhaft epischen Film- und TV-Serien der vergangenen fünfzehn Jahre. Inzwischen kennen wir erstmals in der Medien- und Kulturgeschichte audiovisuelle Erzählungen, deren komplexe narrative Strukturen sich in Umfang wie Qualität durchaus mit modernen literarischen Epen wie Honoré de Balzacs Menschliche Komödie,
3 M ODI AUDIOVISUELLEN E RZÄHLENS | 143
Marcel Prousts Suche nach der verlorenen Zeit oder J.J.R. Tolkiens Herr der Ringe vergleichen lassen.5 Mit der Industrialisierung der Medien – mit Film und Fernsehen – wurde audiovisuelles Erzählen medientechnisch fotorealistisch, d.h. an eine im Hinblick auf die Produktion nachgängige und im Hinblick auf die Rezeption vorgängige Manipulation des gespeicherten Lichts und Tons gebunden, und konnte daher im Verein mit der Privatisierung der Rezeption sukzessive epische Qualitäten und Strukturen ausbilden.
D IGITALE A UDIOVISIONEN : S PIELE Parallel zu diesem Prozess audiovisueller Episierung entstand im Transmedium digitaler Software mit digitalen Spielen eine neue audiovisuelle Erzählform. Einerseits ist sie wiederum medientechnisch zu einer gesteigerten Manipulation von Zeit und Raum befähigt, andererseits aber wird ihre Freiheit zur Narration durch die ebenfalls medial gesetzte Partizipation des Spielers beschränkt. Nicht anders als einst der Vorhang des Theaters einen Vorschein filmischen Schnitts bot, kündigte sich auch dieser neue Handlungsraum des digitalen Spiels bereits im älteren Medium des Films an. Denn dessen zelluloidbasierte Aufzeichnungstechnik schuf eine mediale Raumzeit-Distanz, die dem Theater unbekannt war (und ist): zwischen den Aktionen der konservierten Schatten im ›unwirklichen‹ Bildraum der Leinwand und dem Live-Publikum im ›wirklichen‹ Zuschauerraum. »Darkness is to space what silence is to sound, the ›interval‹«, schrieb Marshall McLuhan.6 Von diesem medialen Niemandsland zwischen filmischer Fiktion und Kinopublikum führt der Weg zu dem virtuellen Handlungsraum, der im digitalen Transmedium und in digitalen Netzwerken Spiele und die Handlungen ihrer Nutzer über Raum und Zeit hinweg verbindet. Die Manipulation von Erzählraum und Erzählzeit geschieht somit im Gegensatz zu den älteren Hardware-basierten audiovisuellen Medien Bühne, Film und Fernsehen in digitalen Spielen über Software-Funktionen. Sie sind das Resultat von Mathematisierung, des adäquaten Transfers analoger Qualitäten und Funktionen in mathematische Werte. Anders als alle Hardware kann Software daher arbiträr manipuliert werden. Entsprechende Funktionalität in den Interfaces von Off- oder Online-Spielen ermöglicht Interaktivität und sorgt für konstantes
5
Vgl. unten zum Weltenbau S. 184.
6
Zitiert nach Coupland, Douglas: Marshall McLuhan: You Know Nothing of My Work!, New York: Atlas (Kindle Edition) 2010, loc. 2047.
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Feedback zwischen den audiovisuellen Inhalten und ihren Nutzern (– und ebenfalls zwischen den Nutzern derselben audiovisuellen Inhalte). In der Konsequenz kennzeichnen digitale Spiele, wie in Kapitel I Games dargestellt, drei – gegenüber analogen Medien und vor allem gegenüber analogen Spielen neue – Qualitäten: zum einen Prozeduralität und die Befähigung zu systemischer Repräsentation7, zum zweiten arbiträre echtzeitige Manipulation narrativer Algorithmen und damit die Ermächtigung der Nutzer zur Interaktion in und mit multi- oder nonlinearen, d.h. hyperepischen Erzählungen8, zum dritten echtzeitige Generierung fotorealistisch anmutender Bilder und filmisch inszenierter 3D-Handlungsräume und damit die Ermächtigung der Nutzer, sie unter multiplen prozeduralen Abläufen zu selektieren, zu ›betreten‹ und interaktiv zu navigieren9. Daraus folgt, dass die Audiovisionen digitaler Spiele nicht mehr tayloristisch vorproduziert und endmontiert werden. Ihre quartäre Medialität ermöglicht es, non- oder zumindest multilineare Geschichten und Handlungsräume interaktiv zu erkunden und miterzählend zu erfahren. In Games agieren Spieler gleich digitalen Wissensarbeitern: Sie handeln recht eigenständig in Echtzeit, virtueller Sequenzialität und an Orten, die sie relativ frei auswählen. Darin verraten nonlineare Audiovisionen ihre Herkunft aus der digitalen Kultur, als deren audiovisuelles Leitmedium sie sich gegenwärtig etablieren, indem sie neue Wahrnehmungen von Raum und Zeit ästhetisch gestalten, neue Menschen- und Weltbilder, die sich unter den Bedingungen der Virtualität, d.h. softwarebasierter Produktion und Kommunikation ausbilden. Die besonderen ästhetischen Konsequenzen werden im Vergleich mit den älteren Technologien zur Manipulation von Raum und Zeit deutlich: Während das Theater Distanzen in Raum und Zeit überbrückt und Film wie Fernsehen sie per Schaltung bzw. Schnitt und Montage eliminieren, dabei jedoch eine neue Raumzeit-Distanz zwischen den aufgezeichneten Fiktionen und ihre Live-Rezipienten kreiert, nutzen digitale Spiele als virtuellen Handlungsraum das interaktive Reich der Daten, das sich zwischen den audiovisuellen Software-Gehalten und ihren Nutzern auftut und ursprünglich für Kommunikation und virtuellen Transport geschaffen wurde. Daraus resultiert ein doppelter ästhetischer Effekt: eine Virtualisierung von Raum und Zeit sowie eine Verräumlichung und Verzeitlichung von Virtualität. In diesem neuen Raumzeitkontinuum entstehen die einzigartigen ästhetischen Erfahrungen, die digitale Spiele vermitteln – in der Vermischung der Qualitäten und des narrativen Potentials ihrer formbaren audiovi-
7
Vgl. o. S. 61ff.
8
Vgl. o. S. 71ff.
9
Vgl. o. S. 83ff.
3 M ODI AUDIOVISUELLEN E RZÄHLENS | 145
suellen Welten mit der Vielzahl individueller Entscheidungen, Reaktionen und Interaktionen ihrer Nutzer. Audiovisueller Ausdruck kennt somit bislang drei Varianten: • •
•
In der vorindustriellen Kultur entstand mit der Bühne ein audiovisuelles Erzählen, das real ist und dem Ideal des Dramatischen folgt. In der industriellen Kultur traten mit den gespeicherten linearen Audiovisionen von Film und Fernsehen Erzählformen hinzu, die fotorealistisch sind und vom Dramatischen zum Epischen streben. In der digitalen Kultur nun entsteht mit digitalen Spielen ein prozedural ermächtigtes audiovisuelles Erzählen, basierend auf der Kombinatorik von Datenbanken und Algorithmen, das systemisch und hyperrealistisch repräsentiert und zu multi- oder nonlinearer Hyperepik befähigt ist, die sich in spielerischer Interaktion realisiert.
K OMPLEMENTARITÄT Der historische Vergleich demonstriert, dass die audiovisuellen Medien Theater, Kino und Fernsehen sowie das Transmedium Software über jeweils einzigartige Fähigkeiten zur Manipulation von Raum und Zeit verfügen. Ihre zentralen ästhetischen Formen – Drama, Spielfilm, TV-Serie, interaktives Spiel – unterscheiden sich daher grundsätzlich in ihrer Manipulation von Erzählraum und Erzählzeit. Visionen ästhetischer Konvergenz, insbesondere von Spiel und Film, sehen von diesen einzigartigen Qualitäten ab. Zwar wandelt sich der Spielfilm unter den Bedingungen digitaler Produktion wie unter den Einflüssen digitaler Kultur. Einige dieser Veränderungen scheinen ihn zu ›gamifizieren‹. Medienästhetisch erinnert diese Beeinflussung durchaus an die starke Wirkung, die der Film selbst einst auf ältere Medien hatte, vor allem auf das Theater und die Literatur. So wenig allerdings noch die ›filmischsten‹ Inszenierungen – etwa die Erwin Piscators in den 1920er Jahren – oder die ›filmischsten‹ Romane – etwa John Dos Passos Manhattan Transfer (1925) 10 , James M. Cains The Postman Always Rings Twice (1934)11 oder Raymond Chandlers The Big Sleep (1939)12 – die ästhetische Erfahrung von Filmen zu ersetzen vermochten oder auch nur sich
10 Dos Passos, John: Manhattan Transfer, Boston: Houghton Mifflin Co. 2000 (*1925). 11 Cain, James M.: The Postman Always Rings Twice, New York,: A. A. Knopf 1934. 12 Chandler, Raymond: The Big Sleep, New York: Alfred A. Knopf 1939.
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eins zu eins verfilmen ließen, so wenig können hyperrealistische Filme die Erfahrungen tatsächlichen game plays ersetzen. Die fundamentalen Unterschiede zwischen Spielen und Filmen, nicht zuletzt in der Konstruktion ihrer Narrationen, lassen sich insofern kaum aufheben. Nonlineare Audiovisionen kennzeichnet, dass der Ablauf ihrer Narrationen nicht exakt vorgegeben ist, sondern erst vom Nutzer in Interaktion mit den strukturellen und inhaltlichen Vorgaben eines fiktiven Erzählraums realisiert wird. Das ästhetische Erlebnis ist – idealiter – nicht gesetzt, sondern emergiert. Der Verlauf individuellen Erlebens bleibt innerhalb solch interaktiv-narrativer Strukturen zumindest partiell offen. Damit aber ist die Rezeption, die eine fixierte audiovisuelle Fiktion zur Realisierung ihres ästhetischen Potenzials erfordert, unvereinbar mit regelgeleitetem Nutzer-Handeln in einem fiktionalen Raum. Bei aller visuellen wie narrativen Nähe von Spiel und Film verhindert das inhärente Spannungsverhältnis zwischen Narration und Interaktion in nonlinearen Audiovisionen, dass sich die ökonomische und technologische Konvergenz beider Erzählformen auch ästhetisch fort- und durchsetzt. Deutlich stoßen denn auch Filme, wenn sie Erzählweisen von Spielen simulieren, und auch Spiele, wenn sie Erzählweisen von Filmen simulieren, an ihre medialen Grenzen und inszenieren gerade, indem sie das jeweils andere Medium ästhetisch evozieren, die Unmöglichkeit vollständiger Konvergenz. Jordan Mechner, Autor von Spielen wie von Filmen (PRINCE OF PERSIA: THE SANDS OF TIME, Spiel 2003, Film 2010) beschreibt die Erfahrung: »Whereas in a film it’s better to show than to tell, in a video game it’s better to do than to watch. Give the story’s best moments to the player, and he’ll never forget them. Put them in a cutscene, and he’ll yawn ... Do It, Don’t View It.«13
Neben diesen Differenzen und Spannungen aber existieren zwischen beiden Modi audiovisueller Darstellung und audiovisuellen Erzählens sowie den Erfahrungen, die sie vermitteln, einige Überschneidungen: Konvergenz in der Produktion, Distribution und Rezeption, ästhetische Qualitäten, in die beide Medien sich teilen – Geschichten und Charaktere, Elemente des visuellen Designs, der Mise en Scene, der Choreographie. Die Beziehung zwischen Spiel und Film charakterisiert daher, was man – etwa in der Mengenlehre oder Physik – als Komplementarität bezeichnet: dass bei aller Überlappung und inneren Zusammengehörigkeit ein räumliches und zeitliches Zusammentreffen sämtlicher Elemente und Eigen13 Mechner, Jordan: »The Sands of Time: Crafting a Video Game Story«, Electronic Book Review 2008, http://www.electronicbookreview.com/thread/firstperson/pop-frie ndly
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schaften ausgeschlossen ist. Wo die Fläche des Spiels ist, kann die des Films nicht komplett sein. Und umgekehrt. Diese Beziehung lässt sich in Gestalt von zwei gleichgroßen Kreisflächen vorstellen – Spiel und Film –, die einander im mittleren Bereich überschneiden. Das ist der common ground, das beiden Erzählformen gemeinsame künstlerische Feld. Außerhalb aber liegt, was ihnen jeweils spezifisch ist.
R ESÜMEE : D IE
VIER
›K‹ S
Das Verhältnis zwischen digitalen Spielen und digitalen Filmen kann daher unter vier ›K‹s gefasst werden: Konkurrenz, Kollaboration, Konvergenz und Komplementarität. Gegenwärtig dominieren noch Konkurrenz um Kunden und Talent sowie Kollaborationen durch Praktiken der Adaptation. Allmählich gewinnen demgegenüber technologische und ökonomische Integration oder gar Konvergenz in Produktion, Distribution und Rezeption an Gewicht. Das ästhetische Verhältnis linearer Spielfilme und multi-linearer Spiele jedoch charakterisiert Komplementarität. Denn beide, Spiele und Filme, verfügen über einzigartige Mittel künstlerischen Ausdrucks und vermitteln so radikal unterschiedliche ästhetische Erfahrungen, dass schwerlich ein Medium das andere zu ersetzen vermag. Die oft avisierte auch ästhetische Konvergenz von Spielen und Filmen scheint daher unwahrscheinlich. Die beschriebene ästhetische Komplementarität von Spiel und Film dürfte allerdings in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung beider Medien vorantreiben und dabei die Ausbildung eines neuen digitalen Mediendispositivs wesentlich mitbestimmen – nicht zuletzt, da das enge Verhältnis von Spiel und Film ein weites Feld intermedialer Einflussnahmen und neuer Modi cross- und transmedialen Geschichtenerzählens eröffnet.
II Game Design
Einleitung
Die neuzeitliche Entfaltung der audiovisuellen Medien – von Theater über Film und Fernsehen zu Games und Transmedia – kennzeichnet konstante Ausdifferenzierung und ansteigende Komplexität. Die Herstellung digitaler Spiele steht daher in deutlicher Relation und ebenso deutlicher Distanz zu denen der älteren audiovisuellen Medien und Künste. Jene Kenntnisse, Talente und Gewerke, die das Theater als audiovisuelles Leitmedium vorindustrieller Kultur hervorbrachte – etwa Autoren, Regisseure, Produzenten, Schauspieler, Kostüm- und Maskenbildner, Kulissenbauer – benötigte auch die analoge Filmproduktion. Nicht nur aber erforderte die Arbeit für den Film, das audiovisuelle Leitmedium industrieller Kultur, von diesen Gewerken des Theaters entscheidende Anpassungsleistungen – ein Drehbuch ist kein Drama, Filmschauspieler müssen für die Kamera spielen usf. Hinzu traten auch neue Gewerke, die für den analogen Film spezifisch sind – Kameraleute, Cutter beziehungsweise Editoren sowie Spezialisten für optische Effekte und später für Tonaufnahmen und Geräuscheffekte.1 Vergleichbar stellt sich nun die Herstellung digitaler Spiele als Ausdifferenzierung und Steigerung der Komplexität dar: Game Development erfordert all jene Kenntnisse und Talente, die bereits Theater und Film ausbildeten. Darüber hinaus verlangt es von den Spezialisten nachhaltige Anpassungsleistungen, beispielsweise an die Virtualisierung der Schauspielkunst, des Kulissenbaus und der Kamera oder an die Multi- und Nonlinearität von Dialog- und Tongestaltung. Hinzu treten aber gänzlich neue Anforderungen, von der Entwicklung der Spielmechaniken und multilinearen Narrationen über die Gestaltung interaktiv
1
Varianten linearer Audiovisualität, die dem Film folgten, vor allem das analog-elektronische Fernsehen sowie der digitale Film und das digitale Fernsehen, fügten jeweils weitere Spezialisierungen hinzu, etwa die Live-Regie oder das so genannte »data wrangling«.
152 | II G AME D ESIGN
navigierbarer Handlungsräume bis zur Programmierung der prozeduralen Abläufe. Mit digitalen Spielen entstehen so Spezialisierungen, die weder Theater noch Film und Fernsehen kannten – u.a. Game Design,2 Game Arts3 und die informatische Realisierung.4 Entscheidend für den arbeitsteiligen Prozess der Herstellung digitaler Spiele ist dabei seine kategoriale Differenz zur Produktion linearer Audiovisionen. Theaterstücke werden geschrieben und dem zeitlichen Ablauf ihrer Narrationen entsprechend aufgeführt, vergleichbar dem Prozess ganzheitlicher handwerklicher Produktion. Filme werden ebenfalls geschrieben, aber unabhängig von dem zeitlichen Ablauf ihrer Narrationen gedreht und schließlich endmontiert wie andere industrielle Produkte auch. Für digitale Spiele schließlich werden keine Dramen oder Drehbücher geschrieben, sie werden wie alle Software designed. Dieser Prozess wird zwar schriftlich konzipiert und festgehalten. Das Game-Design-Dokument enthält jedoch keine fixierten Handlungsabläufe, sondern die physikalischen, funktionalen und ästhetischen Details von Handlungsräumen sowie die Regeln und Konditionen möglichen Handelns. An die Stelle (schriftlicher) Beschreibungen einzelner Wirklichkeitsausschnitte und der spezifischen Handlungen, die in ihnen stattfinden sollen und die später inszeniert und aufgezeichnet werden, treten so in der Entwicklung digitaler Spiele die virtuelle Gestaltung und prozedurale Konstruktion kompletter hyperrealistischer audiovisueller Welten. In ihnen lässt sich eine Vielzahl von Handlungen durchspielen – sowohl während des immersiven Designprozesses selbst als auch später im fertigen Produkt von den Spielern.5 2
Game Designer verantworten die ludisch-narrative Gestaltung digitaler Spiele. Subspezialisierungen sind u.a. Author/Content Developer, Concept Author, Level Designer, Stage Director, Game Director.
3
Game Artists begleiten den gesamten Produktionsprozess digitaler Spiele von der Erstellung von Objekten (Modeling, Texturing) über Layout und Animation bis zur Erstellung von Bewegtbild-Sequenzen (Rendering). Subspezialisierungen sind u.a. Concept Artist, Character/World Designer, 2D Animation Artist, 3D Designer, 3D Animation Artist, Level Artist, Storyboard Artist, Art Director.
4
Game Informatiker operieren an der Schnittstelle von Game Design, Game Arts und Technologie und verantworten die prozedurale Realisierung von Game Design wie Game Arts. Subspezialisierungen sind u.a. Gameplay Programmer, Frontend Developer, Backend Developer, User Interface Developer, Tools Developer.
5
Siehe zu diesem Prinzip des ›Weltenbaus‹ u. S. 168ff. – Daneben gibt es selbstverständlich auch Spiele, bei denen lineare Narrationen den Ausgangspunkt der nonlinearen Gestaltung bilden; nicht zuletzt Adaptationen von linearen Werken der Literatur sowie von Film und Fernsehen.
E INLEITUNG | 153
Mit diesem Wechsel von schriftbasierter Konzeption und linearen Produktionsweisen zu einem Herstellungsprozess, in dessen Zentrum eine zyklische Iteration von Prototypen steht, verbinden sich vielerlei Konsequenzen, insbesondere für die Arbeitsteilung unter den Beteiligten. Dem Game Designer fällt dabei eine zentrale und integrative Rolle zu. In ihrer Bedeutung ist sie mit der des Regisseurs in den älteren audiovisuellen Medien vergleichbar,6 unterscheidet sich aber wesentlich in ihren Inhalten, Vorgehensweisen und der Kooperation mit den anderen Beiträgern wie Grafikern, Animatoren und Informatikern. Denn einerseits ist Game Design als Gewerk zwar wie Regie der »act of deciding what a game should be«7, andererseits sind digitale Spiele keine fertigen audiovisuellen Erzählungen, sondern »systems of interaction«.8 Game Designer entwerfen und gestalten diese Systeme und präfigurieren ihren Gebrauch in einem Maß, das nicht zuletzt von Genre zu Genre variiert. Stets jedoch zielt Game Design nicht auf die audiovisuelle Darstellung von Handlungen in ihren zeitlichen Abläufen, sondern auf die Bereitstellung von Prozeduren und Elementen, die allererst im Akt des Spielens zu realisieren sind: »The game designer only indirectly designs the player's experience, by directly designing the rules.«9
Ü BERSICHT Als ästhetische Praxis steht Game Design in der doppelten Tradition des analogen Designs materieller Artefakte und des digitalen Designs von Software. Verfahren und Prinzipien aus beiden Bereichen prägen den Entwurf und die Realisierung digitaler Spiele. Dieses Kapitel schildert daher die doppelte Vorgeschichte des Game Designs: zum einen die Evolution der Praktiken und Theorien industriellen Designs (II-1 Analoges Design), dann die Digitalisierung der Designpraxis wie des Designdenkens (II-2 Digitales Design). Auf dieser Grundlage werden die Geschichte des Game Designs und seine wichtigsten Arbeitsfelder dargestellt (II-3 Game Design).
6
Vgl. Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 687.
7
Schell: The Art of Game Design, loc. 265.
8
Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 651.
9
Ebd., loc. 4940.
1 Analoges Design »Design is half of game design.« KATIE SALEN UND ERIC ZIMMERMAN1
Das lateinische Verb designare bedeutet bestimmen, das italienische Substantiv disegno Zeichnung.2 Dessins hießen im 19. Jahrhundert die gezeichneten Vorlagen für Stoffmuster. Wer sie herstellte oder Vorlagen für andere Produkte entwarf, den nannte man in Deutschland einen Mustermacher, später – im Kontext des Anfang des 20. Jahrhunderts gegründeten Werkbundes – einen Formmeister und Gestalter. Seine britischen oder amerikanischen Berufskollegen bezeichneten sich als Designer. In die deutsche Sprache gelangte dieser Begriff nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs,3 als die Tätigkeit des Designens sich längst von einer spezifischen Fähigkeit, Muster und andere gestaltende Vorlagen zu entwerfen, hin zu einer allgemeineren Kompetenz der Problemlösung und Bedeutungsproduktion entwickelt hatte.4
1
Ebd., loc. 608.
2
»Die ›anschauliche Gestaltung und Klarlegung‹ erfolgt durch die Zeichnung, die Federico Zuccari etwas später als disegno esterno, als realisierende Zeichnung, vom disegno interno, vom geistigen Entwurf, unterscheidet. Die Übernahme des Wortes ins Englische führt dann erst einmal für viele Jahrhunderte zu einer Begriffsverengung. Design bedeutet Zeichnung, Plan, Entwurf und kommt vor allem in architektonischen Zusammenhängen vor ...« (Berents, Catharina: Kleine Geschichte des Design: Von Gottfried Semper bis Philippe Starck, München: C.H. Beck 2011, S. 12f.)
3
»Erst 1959 bekannte sich eine Berufsorganisation zum ersten Mal zu dem neuen Wort ›Designer‹ ...« (Ebd., S. 19.)
4
Vgl. z.B. im Kontext des Game Designs: »The purpose of design is to solve problems.« (Schell: The Art of Game Design, loc. 1579.) Und: »Design is the process by which a designer creates a context to be encountered by a participant, from which meaning emerges.« (Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 634.)
156 | II G AME D ESIGN
D IE E VOLUTION
DER INDUSTRIELLEN
D ESIGNPRAXIS
Die Ursprünge dessen, was wir heute als Design kennen, wie auch die Anfänge einer theoretischen Reflektion von handwerklich-künstlerischen Gestaltungsprozessen datieren auf die Frühzeit der Industrialisierung, genauer: auf das Aufkommen massenhafter Warenproduktion. Verstehen lassen sie sich wesentlich als bewusste Reflektion, Professionalisierung und Kodifizierung jahrtausendealter Praktiken im Entwurf von Artefakten und sozialen Organisationen. Wenn, wie Walter Benjamin schrieb, die Fotografie um die Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals das optisch Unbewusste vor Augen führte, sichtbar und bewusst machte,5 dann begann mit der Durchsetzung industrieller Massenproduktion ein vergleichbarer Prozess: die Bewusstwerdung bis dato unbewusster Praktiken in der Gestaltung von Objekten und Prozessen. Mit der Industrialisierung, schrieb Georg Simmel in seiner Philosophie des Geldes, verbinde sich ein »Aufstand der Sachen«, resultierend aus »der unübersehbaren Fülle, wunderbaren Zweckmäßigkeit, komplizierten Feinheit der Maschinen, der Produkte, der überindividuellen Organisationen der jetzigen Kultur«.6 Deren Grundlage war fortschreitende Arbeitsteilung, schließlich Taylorisierung. Sie wiederum führte in der Konsequenz zur Separierung der Gestaltung von der eigentlichen (Massen-)Produktion: »[D]er Vorgang von Entwurf und Herstellung fand«, schreibt Catharina Berents, »anders als beim traditionellen Handwerk nun in getrennten Arbeitsschritten statt.«7 In den Varianten analogen Designs – insbesondere den einander opponierenden Verfahren des rationalen und des agilen Designs8 – bildeten sich zwei grundlegende Praktiken heraus, die bis heute analoge wie digitale Designprozesse bestimmen. Zum einen kam es zur Rationalisierung des seit den Anfängen menschlicher Kultur praktizierten Verfahrens des Prototyping, das heißt der Herstellung von Formstudien oder funktionalen (Teil-)Modellen, mit deren Hilfe sich Elemente des Gesamtkonzepts realisieren, in der Herstellung wie im Gebrauch tes-
5
Benjamin, Walter: »Kleine Geschichte der Fotografie«, in: Tiedemann, Rolf/ Schweppenhäuser, Hermann (Hg.), Gesammelte Schriften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1977, S. 368-385, hier S. 371.
6
Simmel, Georg: Philosophie des Geldes, Leipzig: Duncker & Humblot 1900. Zitiert nach Projekt Gutenberg: http://gutenberg.spiegel.de/buch/6/19. Berents erwähnt Simmels Formulierung vom »Aufstand der Sachen« ebenfalls, kontextualisiert sie jedoch anders. Vgl. Berents: Kleine Geschichte des Design, S. 345.
7
Berents: Kleine Geschichte des Design, S. 32.
8
Vgl. zum rationalen Design u. S. 163 und zum agilen Design u. S. 165.
1 A NALOGES D ESIGN | 157
ten und experimentell weiterentwickeln lassen.9 Diese Designpraxis kennzeichnen Partialität und Impermanenz. Die vier wichtigsten Varianten prototypischer Partialität, also Unvollständigkeit, die sich im Laufe der Zeit heraus schälten, sind: •
• •
•
erstens die Konzentration auf Horizontalität; die Prototypen bilden zwar das gesamte Produkt oder den gesamten Prozess ab, freilich zum Preis mangelnder Detailtreue im Hinblick auf die ästhetische Gestalt und Funktionalität; zweitens die Konzentration auf Vertikalität; die Prototypen stellen bestimmte Teile des Produkts oder Prozesses so detailliert wie möglich dar; drittens die Konzentration auf Funktionalität; die Prototypen simulieren das Produkt oder den Prozess als proof of concept, ohne deren äußere Gestalt zu berücksichtigen; viertens die Konzentration auf Ästhetik; die Prototypen realisieren allein die äußere Anmutung oder Gestalt des zukünftigen Produkts oder Prozesses.
Aus den Tests der jeweiligen Prototypen ergibt sich deren Modifikation. Diese Impermanenz aller Prototypen indiziert das zweite Charakteristikum des Designprozesses: das Verfahren der inkrementellen Iteration, das heißt der schrittweisen Korrektur und verfeinernden Wiederholung der Entwurfs- und Gestaltungsprozesse. Indem Design sich in Zyklen vollzieht, gewährleistet es in allen Phasen – Konzeption, Prototypenbau, interaktive Tests, Analyse, Um- oder Neukonzeption, Prototypenbau, interaktive Tests usf. – über Feedbackschleifen offene Prozesshaftigkeit und damit emergente Ergebnisse. Design setzt so zumindest teilweise jene exakte Vorausplanung und Linearität außer Kraft, die sonst industrielle Fertigung auszeichnet, von der Stahl- bis zur Filmproduktion.10
D IE E VOLUTION
DES INDUSTRIELLEN
D ESIGNDENKENS
Die erfolgreichsten Versuche, die je gültigen Designpraktiken theoretisch zu begreifen, wiederum verfuhren und verfahren bis heute kaum weniger nach dem
9
Vgl. Guggenheim, Michael: »The Long History of Prototypes«, limn Number Zero: Prototyping Prototyping (o. J.), http://limn.it/the-long-history-of-prototypes/
10 Die Parallelen der sich ausbildenden ›Trial-and-Error‹-Designpraxis zu den Prozessen von Mutation und »natürlicher Selektion«, die Charles Darwin 1859 in etwa zeitgleich zu den Ursprüngen industriellen Designs und der kritischen Reflektion der innovativen Gestaltungsprozesse beschrieb, scheinen insofern kaum zufällig.
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Prinzip von Versuch und Irrtum. Kennzeichen der Designtheorie ist nicht nur die vergleichsweise enge Verschränkung mit der je zeitgenössischen Designpraxis. Ebenso betreibt sie seit ihren Anfängen – seit Gottfried Sempers11 und Christopher Dressers12 ersten Überlegungen zum Design, lange also, bevor Interdisziplinarität zum Gebot der Stunde wurde – die Appropriation und Exaptation von Theorien zu Kunst, Kommunikation und Medien, die in der Auseinandersetzung mit anderen Gegenständen entwickelt wurden.13 Die Geschichte der Designtheorie kann daher über ein gutes Jahrhundert hinweg als ein Prozess von selektierender Akkumulation und Ausdifferenzierung beschrieben werden. In seinem Verlauf wurden die um die Mitte des 19. Jahrhunderts existierenden und von der Designtheorie aufgenommenen klassischen Ansätze von Poetik und Ästhetik sukzessive um neu aufkommende Forschungsperspektiven erweitert, unter anderem um die kunstwissenschaftliche Bildtheorie und die vorstrukturalistische Semiotik, die Foto- und Filmtheorie, Kommunikations- und Informationstheorie, strukturalistische Semiotik und dekonstruktivistische Diskursanalyse. Parallel dazu kam es zur Formulierung eigener erst moderner, dann postmoderner Designtheorien. Diese Auflistung bedeutet freilich mehr als eine reine Chronologie. Denn sie zeigt an, wie sich die Entstehungsphasen der jeweiligen Ansätze und Theorien, die für unser Verständnis des Designs relevant sind, recht eindeutig mit bestimmten Phasen von Entwurf, Gestaltung und Produktion verbinden. Diese Korrelation zwischen Phasen des Designs und der Appropriation ›passender‹ Theorien setzt bereits im 19. Jahrhundert ein: Ausgehend von der tradierten Poetik und Ästhetik, die noch dem Erfahrungshorizont handwerklicher Produktion entstammen, werden Ansätze kunstwissenschaftlicher Bildtheorien und der vorstrukturalistischen Semiotik integriert. Während der zweiten, der elektrischen Phase der Industrialisierung und im Kontext des wachsenden Bewusstseins von der Differenz industrieller Materialien, Maschinen und Medien folgt im moder11 Semper, Gottfried: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, oder, Praktische Aesthetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde, Frankfurt a.M.: Verlag für Kunst und Wissenschaft 1860, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ semper1863/0001 12 Dresser, Christopher: Principles of Decorative Design, London und New York: Cassell, Petter 1873, http://www.gutenberg.org/ebooks/39749 13 Vgl. Fallan, Kjetil: Design History: Understanding Theory and Method, New York: Berg Publishers 2010, S. 203. »Design history has a long tradition of appropriating theoretical perspectives and methodological approaches from other disciplines, from the heritage from art history, via the more recent romance with material culture studies.«
1 A NALOGES D ESIGN | 159
nen Designdenken die – selektive – Auseinandersetzung mit den neuen Massenmedien und ihren Theorien, insbesondere Massendruck und Publizistik, Fotografie und Fototheorie, Film und Filmtheorie. In Reaktion auf die dritte, elektronische Phase der Industrialisierung wendet sich die Reflektion des Designs dann dem Fernsehen und der Kommunikationstheorie, der Informationstheorie sowie der strukturalistischen Semiotik zu und entwickelt gleichzeitig eigene postmoderne Theorien. Mit der Durchsetzung digitaler Apparaturen und Vernetzung schließlich beginnt in den siebziger und achtziger Jahren die Beeinflussung des Designdenkens durch die dekonstruktivistische Diskursanalyse, die Actor-Network-Theory und die Medienwissenschaften in ihren geistes- und sozialwissenschaftlichen Ausprägungen. Charakteristisch für die theoretische Reflektion der industriellen Designpraktiken ist weiterhin von der Mitte des 19. bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ihr weitgehend ›vorwissenschaftlicher‹ Charakter. »[D]esign history as a distinct, academic field of study in its own right […] did not emerge until the 1970s.« 14 Bestimmt wurde die Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Praktiken des Designs in ihrem ersten Jahrhundert vielmehr von einer Vielzahl künstlerisch-handwerklicher ›Bewegungen‹ und ihren jeweiligen theoretischen Unterfütterungen, u.a. Arts and Craft, Jugendstil, L’Art Nouveau, Lebensreform, Werkbund, Bauhaus, Modernismus, Art Deco, Streamline Moderne, International Style, Gute Form. Im Widerstreit von einerseits Regression, etwa in mittelalterliche Produktionsverhältnisse, andererseits Progression, etwa in futuristischen Funktionalismus, gruppierte sich dabei über die Jahrzehnte eine Reihe gegensätzlicher Elemente immer wieder neu, insbesondere die Oppositionen von Funktion und Ornament, Geschichte und Natur, Typisierung und Individualisierung. In diesem Wechselspiel der Positionen, wie sich mittels Design lebensweltliche Bedeutung konstruieren ließe, akkumulierten sich so zwischen der Mitte des 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts die diversen Doktrinen anti-industrieller Dekoration und industrieller Funktion. Zu seinem Ende kam der Staffellauf der Bewegungen im Kontext des modernen Designs erst mit dem Übergang in postmoderne Verhältnisse, nicht zuletzt initiiert von der Durchsetzung analoger, später digitaler Elektronik. Die relative Einheitlichkeit der Stile zerfiel zum postmodernen ›anything goes‹, die Entgrenzung des Designs setzte ein. Sie führte von der Ding-Gestaltung zu generalistischen Ansprüchen und zu der Praxis, wie bislang Artefakte nun auch Prozesse und Erfahrungen zu gestalten; u.a. im Corporate Design, Kommunikationsdesign, Service Design, User-Experience-Design, Design Thinking, Sustain14 Ebd., S. 23.
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able Design. Gleichzeitig und nachhaltiger noch sahen sich die tradierten Designpraktiken wie Designtheorien durch das scheinbare ›Verschwinden‹ materieller Artefakte im Prozess ihrer Virtualisierung in Frage gestellt, das heißt durch eine sukzessive Überführung von Hardware- in Software-Funktionen und damit einhergehend eine stete Medialisierung der Designprozesse. Industrielles Design hatte von Anbeginn an auf technische Potentiale reagiert, sie zu gestalten und auch voranzutreiben gesucht. Insofern geriet es im Übergang von der industriellen zur digitalen Kultur mit einer gewissen Zwangsläufigkeit in eine tiefgehende Krise. Sie betraf sowohl etablierte Designpraktiken wie das theoretische Selbstverständnis.
2 Digitales Design
Am Anfang digitalen Designs stand um die Mitte des 20. Jahrhunderts die Entwicklung kommerzieller Software. Um Ungewissheiten und Zufälle auszuschalten, versuchte man, sie bewährten industriellen Mustern rationalen Designs anzupassen, also einem sequentiellen Ablauf, der in etwa der Reihenfolge von Auftrag, Konzept, Kostenberechnung, Bedarfsanalyse, Entwurf, Entwicklung, Test und Implementierung folgte. Ein solches Vorgehen nach dem ›Waterfall Development Model‹, bei dem jeweils eine Phase abgeschlossen sein muss, bevor die nächste angegangen wird, setzt freilich zweierlei voraus, um erfolgreich sein zu können: erstens, dass die Auftraggeber ihre eigenen Bedürfnisse kennen, und zweitens, dass die Entwickler über ausreichend Erfahrungen mit dem herzustellenden (Software-)Produkt verfügen. Im Gegensatz zu den Arbeitsfeldern, aus denen dieses Modell adaptiert wurde – etwa die reguläre Fabrikproduktion oder die Abwicklung von Bauprojekten –, pflegten bei der Entwicklung von Software beide Voraussetzungen meist nicht gegeben zu sein, da sie ja etablierte materielle Prozesse gänzlich neuartig in virtuelle reorganisieren sollte. Zur Erfahrung des häufigen Scheiterns sequentieller Software-Entwicklungen trat zudem bald die Einsicht, dass im Falle von digitalen Programmen keineswegs mehr die Notwendigkeit bestand, einzelne Entwicklungsphasen voneinander abzugrenzen, da in mathematischen Prozessen der Zeitpfeil nur begrenzt wirkt. Während die handwerkliche wie die industrielle Produktion aufgrund ihrer Materialität nach einer linearen Ordnung verlangen, in der die iterativen Prozesse des Designs nur eine frühe Phase darstellen, kann die Herstellung von Software durchweg nach dem Vorbild iterativer Designphasen organisiert werden.
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D IE D IGITALISIERUNG
DER
D ESIGNPRAXIS
Diese Differenz der Anforderungen an analoge und digitale Produkte und damit an ihre Designer ergibt sich aus der Basisinnovation digitaler Technologie, der Trennung von Hard- und Software. Materielle Produktion ist an spezifische Materialien und Werkzeuge gebunden. Virtualisierung hebt diese analoge Vielfalt durch die adäquate Konversion analoger Qualitäten und Funktionen in mathematische Werte auf.1 Was seine ästhetische Gestalt mittels diverser Apparaturen auf inkompatiblen analogen Medien fand, kann seitdem im Transmedium Software virtuell produziert und digital gespeichert werden. Mehr und mehr Gebrauchsgegenstände wurden und werden so Von-Neumann-Maschinen, hybride Hard- und Software-Konfigurationen. Daraus ergeben sich für das Design in der digitalen Kultur drei Rahmenbedingungen. Erstens kann digitales Design im Vergleich zu analogem auf Grund globaler Vernetzung seine Prototypen in viel höherem Maße Beta-Testen und mittels der dabei anfallenden Daten detailliert die jeweiligen Nutzungsweisen verfolgen. Diese Steigerung der Exaktheit des Prototypen-Testens beziehungsweise des Gewinnens von Feedback lässt sich als Rationalisierung verstehen. Insbesondere Game Designer können sehr viel genauer als Autoren oder Filmemacher in Erfahrung bringen, wie ihre Nutzer reagieren. Jane McGonigal meint daher enthusiastisch: »Game designers and developers are actively transforming what once was an intuitive art of optimizing human experience into an applied science. And as a result, they are becoming the most talented and powerful happiness engineers on the planet.«2
Zweitens resultiert aus der Virtualisierung der Gehalte und Funktionen die Arbitrarität aller Hardware, ihre beliebige Ersetzbarkeit. Ausschlaggebend sind einzig die gespeicherten Daten.3 Der materielle Bedeutungsverlust der Hardware, unvorstellbar unter analogen Bedingungen, mindert freilich nicht deren ökonomi-
1
Siehe dazu oben S. 64f.
2
McGonigal: Reality Is Broken, loc. 657.
3
Diesen Schritt vermag jeder nachvollziehen, dem einmal der Laptop abhanden kam. Die Höhe des Schadens hängt nicht vom Ersatz der standardisierten Hardware ab; sie ist versicherbar und kann jederzeit an nahezu jedem Ort der entwickelten Welt nachgekauft werden. Dasselbe gilt für die ebenso standardisierten Software-Programme. Im Zentrum steht vielmehr die Frage der Rückgewinnung der persönlichen SoftwareDateien.
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schen oder gar ästhetischen Rang. Vielmehr steigert diese Arbitrarität – weil sich prinzipiell etwa jeder Laptop durch einen anderen ersetzen lässt – bei Kaufentscheidungen die Bedeutung der Gestalt, des funktionalen wie optischen Designs. Drittens folgert aus der Virtualisierung der Gehalte das Ende fester Werkformen. Produkte, ob nun Text-, Ton- oder Bilddokumente, wandeln sich vom analogen Artefakt mit seiner Einheit von Inhalt und Speichermedium zur flüssigen Software. Sie aber ist unendlich interaktiv veränderbar, von ihren Produzenten wie, jedenfalls dem Prinzip nach, von späteren Nutzern. Aus diesen drei Rahmenbedingungen virtueller Kultur – Verdatung, Hardware-Arbitrarität und Software-Fluidität – ergeben sich für digitale Designprozesse prinzipielle Konsequenzen. Vor allem resultiert aus der Fluidität der Software die tendenzielle Aufhebung des Zeitpfeils, der analoge Produktion kennzeichnet und daher im analogen Design allen zyklischen Iterationen zum Trotz die Radikalität der Manipulationen limitiert. Software-Dateien hingegen bleiben dauerhaft und arbiträr manipulierbar. Ihre Herstellung unterliegt nicht mehr den Zwängen linearer Abläufe, die sich analog nicht zuletzt aus den Qualitäten der Materialien ergeben. Was in der Realität sequentiell zu geschehen hat, kann in der Virtualität vorzeitig, parallel oder nachzeitig erledigt werden. Obwohl digitales Design analoger Hardware bereits seit den späten fünfziger Jahren möglich wurde – zunächst in den Auto-, Luft- und Raumfahrtindustrien –, vergingen Jahrzehnte, bis sein Potential konzeptionell erfasst und in der Praxis realisiert wurde. Den vielleicht deutlichsten Ausdruck fand das Software-Designdenken 2001 im »Manifesto for Agile Software Development« und seinen Prinzipien, die in Opposition zum klassischen ›Waterfall Development Model‹ auf Spontaneität und nonlineare Prozessualität setzen.4 Parallel zu diesem Wandel übernahm digitales Design die beiden überkommenen Basispraktiken des analogen: Prototyping und inkrementelle Iteration, radikalisierte sie allerdings durch Virtualisierung. In den späten achtziger Jahren setzte dieser Prozess mit CAD-Programmen ein. Gegenüber materieller Herstellung bewirkten sie Beschleunigung (rapid prototyping), unter anderem durch Modifizierbarkeit und damit Wiederverwendbarkeit wesentlicher Elemente für weitere Prototypen oder gar das Endprodukt (evolutionary prototyping). Ebenso wurden die Test- und Feedback-Phasen durch Verdatung beschleunigt und präzisiert. Am bisherigen Ende dieser Entwicklung stehen sowohl die komplette Vir4
Beedle, Kent Beck Mike/Bennekum, Arie van/Cockburn, Alistair/Cunningham, Ward/ Fowler, Martin/Grenning, James/Highsmith, Jim/Hunt, Andrew/Jeffries, Ron/Kern, Jon/Marick, Brian/Martin, Robert C./Mellor, Steve/Schwaber, Ken/Sutherland, Jeff/ Thomas, Dave: »Manifesto for Agile Software Development«, (2001), http://agilema nifesto.org
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tualisierung von Designprozessen selbst komplexer Hardware wie etwa der Boeing 787 »in which the first full sized physical realization is made on the series production line«5, als auch das Aufkommen gänzlich neuer digitaler Designfelder, u.a. von Sounddesign, Interface Design, Webdesign und natürlich Game Design.
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DES
D ESIGNDENKENS
Seit industriellen Zeiten haben die Krise des Alten und den Anbruch des Neuen theoretisch-künstlerische Manifeste und Zukunftsvisionen begleitet. Typischerweise mischen sich in ihnen Re- und Progression, also rück- und vorwärtsgewandte Perspektiven. Insofern pflegen diese Manifeste in ihrer Reaktion auf die stete Beschleunigung medialer wie ästhetischer Innovation gleichermaßen noch Teil der Krise wie schon Teil ihrer Lösung zu sein. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ließ sich eine auffällige Häufung solcher Manifeste und Entwürfe beobachten. Für den Bereich des Designs scheinen – primär als Indikatoren der Krise und nur sekundär auch schon als Lösungsansätze – drei Personen und Positionen von besonderem Interesse. Bruce Sterling, bekannt eher als Science-Fiction-Autor, schrieb im Jahre 2005 während seiner Lehrtätigkeit am Art Center College of Design im kalifornischen Pasadena Shaping Things.6 Darin verfolgte er die Geschichte der Werkzeuge und Dinge von der agrarischen über die industrielle in die digitale Epoche und prophezeite in der Konsequenz die Heraufkunft einer gänzlich neuen, weil erstmals digital informierten und dauervernetzten Sorte von Dingen. Für sie prägte er den Kunstbegriff Spime7 und definierte als besonderes Kennzeichen den Umstand, dass Spimes dank ihrer zusätzlichen Software-Anteile die eigene Geschichte – den ihrer Fertigung wie ihrer Nutzung – über Raum und Zeit zu transportieren vermögen: »This means that in a spime world, designers must design, not just for objects or for people, but for the technosocial interactions that unite people and objects: designing for opportunity costs and cognitive load.«8
5
https://en.wikipedia.org/wiki/Prototype
6
Sterling, Bruce: Shaping Things, Cambridge, Mass.: MIT Press 2005.
7
Ebd., S. 11ff.
8
Ebd., S. 22.
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Ein Jahr später publizierte der Berliner Kulturwissenschaftler Norbert Bolz Bang Design9, eine kleine Schrift, die er ausdrücklich als »Design-Manifest für das 21. Jahrhundert« deklarierte. ›Bang‹ ist kein Neologismus wie Spime, sondern ein Akronym und steht für ›Bit / Atom / Nano / Gen‹. Bolz’ Grundthese verkündet das Ende des industriellen Designs. Ein Paradigmenwechsel vollziehe sich. Auf ›Dekoration‹, ›Funktion‹ und ›Emotion‹ folge nun als zentrale Designaufgabe ›Evolution‹. In der digitalen Kultur gestalte der Mensch die Natur, die Umwelt und seine eigene Leiblichkeit: »Der Vorstoß in den Kern von Zelle und Atom verleiht dem Menschen eine demiurgische Freiheit, die alteuropäische Normen und Menschenbilder außer Kraft setzt [...] Die Kunden des BANG_designs entwickeln die Normalerwartung eines permanenten nanotechnologischen Upgrading von Körper und Gehirn.«10
Der Designer werde damit, in Martin Heideggers Worten, zum »Hirten des Seins«.11 Wiederum ein Jahr später, im Dezember 2007, gab Kevin Kelly, Ex-WiredChefredakteur und einflussreicher US-Digerati, einen TED-Talk, in dem er die Zukunft des Internets entwarf – als eine »single global machine«.12 In ihr veräußerliche sich zum einen unser Wissen und Denken, zum anderen bilde sie einen universellen Nexus, in dem wir uns mit unseren Artefakten verweben: »Every thing will be part of the web. So every item, every artifact that we make, will have embedded in it some little sliver of web-ness and connection. [...] And it will be part of this machine, so that our environment – kind of in that ubiquitous-computing sense – becomes the web.«13
Die Details der Zukunft, die diese drei Visionäre entwerfen – das Ding mit Geschichte und damit Selbstbewusstsein (Sterling), die Natur und damit der Mensch als Designobjekt (Bolz), die Vernetzung der Dinge und damit die Virtualisierung oder zumindest Hybridisierung unserer Lebenswelt (Kelly) –, mag man skeptisch betrachten. Doch allein schon ihre schlichte Existenz, die Häu9
Bolz, Norbert: Bang Design: Design-Manifest des 21. Jahrhunderts, Hamburg: Trendbüro 2006.
10 Ebd., S. 201 und S. 205. 11 Ebd., S. 207. 12 Kelly, Kevin: »The Next 5,000 Days of the Web«, Dezember 2007, http://www.ted.com /talks/kevin_kelly_on_the_next_5_000_days_of_the_web/transcript?language=en 13 Ebd., Minute 7 im interaktiven Transcript.
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fung von Manifesten und Zukunftsentwürfen, indiziert das wachsende Bewusstsein von der Krise industrieller Kultur und ihrer Designpraktiken. Was gegenwärtig an ihre Stelle tritt, beeinflusst auch Game Design nachhaltig – sowohl in seinen Praktiken wie in seiner kulturellen Bedeutung. Zum einen verkehrt sich – davon gab Bruce Sterlings Spime-Utopie eine Vorahnung – das tradierte Verhältnis von Ding- und Mediendesign. Unter analogen Umständen dominierte Hardware. Buchdesign etwa betraf im Hinblick auf seine sukzessive entwickelten Elemente (Satzspiegel, Cover, Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Index, Klappentext usf.) primär Fixierungen im Sinne von Hegels »äußerer Form«, der Form des Seins. Das Design der Dinge präfigurierte das Design der Medien. Die Arbitrarität digitaler Hardware rückt nun die Gehalte – Texte, Töne, stehende und laufende Bilder, den so genannten ›Content‹ – ins Zentrum der Designanstrengungen. Darüber hinaus medialisiert der Prozess der Virtualisierung eine Vielzahl von Artefakten, die zuvor nicht als Medien, sondern als Dinge wahrgenommen wurden. Ein frühes und kulturell instruktives Beispiel gibt die seit der Jahrhundertwende populäre und kommerziell recht erfolgreiche Trennung von Telefon (Hardware) und Klingelton (Software). Wurden also unter den Bedingungen analoger Kultur Medien wie Dinge entworfen, weil die Gestalt der Dinge das Maß für die Gestalt der Medien war, so werden unter den Bedingungen digitaler Kultur Dinge wie Medien entworfen, weil die Gestalt der – virtualisierten – Medien zum Leitbild der Dinge wird: Mediendesign überformt zunehmend das Dingdesign. Digitale Spiele sind dabei das Medium, von dem gegenwärtig besondere Impulse für das Design von Artefakten, Prozessen und Erfahrungen und auch der Lebenswelt ausgeht. Eine zweite Konsequenz ergibt sich aus der Fluidität des digitalen Transmediums: Da Software nicht nur den Produzenten selbst, sondern auch jedem späteren Nutzer die Möglichkeit zur interaktiven Modifikation offenhält, kann Gestaltung prinzipiell partizipatorisch werden. Mit der Durchsetzung von Wissensarbeit und digitaler Kultur wächst zudem auf Seiten derer, die industriell primär Konsumenten waren, das Interesse an und die Bereitschaft zu solcher Partizipation, nicht zuletzt im Interesse der Personalisierung von Waren wie Dienstleistungen. Wie zu industriellen Zeiten Taylorisierung und damit Passivität der einzelnen das Muster von Arbeit und Unterhaltung auch in jenen Bereichen vorgab, die sich hierarchischer Arbeitsteilung nicht unmittelbar anboten, so liefert gegenwärtig beispielsweise die Open-Source-Praxis mit ihren Software-Architekturen zu entorteter interaktiver Partizipation und Kollaboration sowie virtualisierten Feedback-Strukturen ein universelles Vorbild für das Design von Soft-
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wie auch von Hardware.14 Digitales Design jedenfalls ist interaktiv und kollaborativ. Dabei können nicht nur andere Profis, sondern auch Nutzer zu Ko-Designern werden. Zum user centered design tritt das user driven design oder gar user generated design. Begründet liegt die Bereitschaft zukünftiger Kunden und Nutzer, sich bereits im Designprozess zu engagieren, wesentlich in dem Umstand, dass Design in der digitalen Kultur nicht mehr allein die Gestaltung von Artefakten, sondern die Formung und Steigerung von Erfahrungen betrifft, die wir im Realwie im Datenraum machen;15 also das Design des Lebens beziehungsweise des Seins selbst, wenn auch – noch – nicht in dem Sinne, den Norbert Bolz in seinem Design-Manifest avisierte. Die seit Jahren währenden Debatten um die Rolle der Gamification in so wichtigen Lebensbereichen wie Lernen, Arbeiten und Konsum indizieren dabei die wichtige Rolle, die Game Design weit über die Herstellung digitaler Spiele hinaus in der digitalen Kultur zukommen mag.16 Eine dritte Konsequenz ergibt sich aus dem Umstand, dass – wie Kevin Kelly prophezeite – die Grenze zwischen Real- und Datenraum zunehmend durchlässig wird. Damit entsteht als Design-Aufgabe die Integration von Real- und Datenraum. Produktdesign, Architektur und Stadtplanung verschmelzen mit dem Infodesign virtueller Strukturen und simulierter Räume. Mit mobiler Breitbandvernetzung schiebt sich Mediales über die Realität beziehungsweise über unsere Wahrnehmung von ihr. War es eine zentrale Herausforderung industriellen Designs, Massenwaren und einen standardisierten öffentlichen Raum zu gestalten, so dominiert in der digitalen Kultur die Personalisierung auch informationeller Wahrnehmung. Orts- und zeitabhängige Informationen werden nach Bedarf abrufbar. Wie man Radiosender wechselt oder wie sich Webseiten je nach Betrachter personalisieren, etablieren sich im öffentlichen Zwischenreich von Real- und Datenraum individualisierbare Leitsysteme. Bewirkt wird damit eine vollständig gewandelte Erfahrung der Alltagswelt: Sozial oder geografisch Fremde verwandeln sich in Instant-Insider, die sich in 14 Vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »Offene Geheimnisse – Die Ausbildung der OpenSource-Praxis im 20. Jahrhundert«, in: Lutterbeck, Bernd/Bärwolff, Matthias/Gehring, Robert A. (Hg.), Open Source Jahrbuch 20: Zwischen freier Software und Gesellschaftsmodell, Berlin: Lehmanns Media 2007, S. 17-57. 15 Vgl. z.B. Norman, Donald A.: Emotional Design: Why We Love (Or Hate) Everyday Things, New York: Basic Books 2004. 16 Definiert z.B. als »the use of game design elements in non-game contexts« (Deterding, Sebastian/Dixon, Dan/Khaled, Rilla/Nacke, Lennart E.: »Gamification: Toward a Definition«, CHI 2011 Gamification Workshop Proceedings 2011, http://hci.usask.ca /publications/view.php?id=219). Zu Gamification s.u. S. 222ff.
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fremden Gegenden so souverän bewegen und Konsumangebote so gezielt selektieren, wie es unter analogen Bedingungen nur nach langjähriger Erfahrung möglich war. Im Zentrum digitalen Designs steht daher die Gestaltung einer hybriden, weil virtuell – i. e. durch Software – augmentierten Realität. Auch für diesen Bereich spielt Game Design seit Beginn des 21. Jahrhunderts, seit den ersten Pervasive Games und Augmented Reality Games, die Rolle eines entscheidenden Schrittmachers.
3 Kurze Geschichte des Game Designs »Game design isn’t just a technological craft. It’s a twenty-first-century way of thinking and leading.« JANE MCGONIGAL1
D IE
ERSTEN
40 J AHRE
Historisch lassen sich in der Herstellung von digitalen Spielen bislang vier Phasen unterscheiden. Seinen Ursprung hatte Game Design in der akademischen Hackerkultur der fünfziger und sechziger Jahre.2 Spacewar!, das erste digitale Spiel,3 entstand organisatorisch auf dem Niveau handwerklicher Fertigung, bei der einzelne oder wenige das ganze Produkt fertigstellen. Gleichzeitig blieb der Quellcode technisch wie rechtlich offen. Das Spiel wurde nicht nur – nach akademischem Brauch – kostenlos zur Verfügung gestellt, es ließ sich auch von jedem Spieler erweitern und verbessern: »Thus Spacewar was, in effect, the first open-source video game. And it was the first piece of freeware as well; no one responsible for the game’s creation profited from it. Ultimately, the code for the game was distributed by DEC for free with every PDP-1 system they sold.«4
Darin unterschied das erste digitale Spiel sich nicht von anderen SoftwareInnovationen, die damals im universitären Milieu gelangen. Die Infrastruktur der
1
McGonigal: Reality Is Broken, loc. 298.
2
Vgl. Freyermuth, Gundolf S.: »Ursprünge der Indie-Praxis«.
3
S.o. S. 70.
4
N.N.: »Spacewar!«, in: Parish, Jeremy (Hg.), The Essential 50 Archives, 1UP.com, o.J., http://www.1up.com/features/essential-50-part-1-spacewar
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globalen Vernetzung etwa wurde von Tausenden technisch begeisterter Männer (und wenigen Frauen) nach den Prinzipien wissenschaftlicher Forschung produziert und frei von Patenten oder Copyright publiziert: TCP/IP, Sendmail, Usenet, IRC, Gopher, Bind, HTTP, Apache, Perl, Python, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Während jedoch der Aufbau globaler Vernetzung bis in die neunziger Jahre hinein akademischen Gepflogenheiten verhaftet und verpflichtet blieb – Verhaltensweisen, die wir seit Ende der 1990er Jahre mit dem Begriff Open-Source in Verbindung bringen5 –, suchte sich die Entwicklung von digitalen Spielen seit den siebziger Jahren andere organisatorische und vor allem ökonomische Vorbilder, zunächst in der analogen Unterhaltungselektronik und der Branche der Arkadenspiele. Mit diesem Übergang von akademischen zu kommerziellen Zielen begann die zweite Phase des Game Designs. Erhalten blieb dabei noch die handwerkliche Produktionsweise, da die erste Generation professioneller Game Designer weiterhin allein oder in sehr kleinen Teams Spiele entwarf, gestaltete und programmierte. Praktisch orientierte sich Game Design in dieser Phase einerseits am Vorbild analogen Designs, etwa den einander opponierenden Verfahren des rationalen und des agilen Designs mit ihren zentralen Elementen des Prototyping und der inkrementellen Iteration,6 andererseits an den – selbst allenfalls leidlich etablierten – Verfahren des Software Designs. Mit der wachsenden medialen Komplexität digitaler Spiele, insbesondere in ihrer narrativen und audiovisuellen Gestaltung, trat das Game Design dann in seine dritte Phase. In ihr bildete sich während der vergangenen drei Jahrzehnte eine Vielzahl von Spezialisierungen aus, die sich auf einzelne künstlerische, technische, organisatorische und ökonomische Aspekte der Herstellung digitaler Spiele konzentrieren.7 Dabei vollzog die Spielebranche – wie einst der Film – in 5
Der Begriff ›Open Source‹ wurde erst Ende der 1990er Jahre geprägt, wesentliche Elemente der Open-Source-Praxis gehen jedoch auf die Anfänge der Digitalisierung zurück. Vgl. dazu und zur nachfolgenden historischen Darstellung Freyermuth: »Offene Geheimnisse – Die Ausbildung der Open-Source-Praxis im 20. Jahrhundert«.
6
Programmierung im engeren Sinne erfordert Game Design zumindest in seinen ersten Phasen denn auch bis heute nicht. Vgl. z.B. »Both the initial game concept document and the first experiments in core game mechanics can be designed with pen and paper.« (Mäyrä: Game Studies, loc. 2457.)
7
Z.B. Lead Designer, Level Designer, Character Designer, Technical Designer, Sound Designer, Game Economy Designer, Game Director, Game Art Director, Game Artist, Concept Artist, 3D-Modeller, Asset Artist, Texture Artist, User Interface Artist, 2D or 3D Animator, Facial Animator, Technical Animator, Engine Programmer, Gameplay
3 K URZE G ESCHICHTE DES G AME D ESIGNS | 171
schnellen Schritten die Entwicklung von handwerklichen zu industriellen Organisationsformen.8 Große Produktionsstudios und Publisher entstanden, die sich nicht nur in ihrer hochgradigen Arbeitsteiligkeit, sondern auch in ihren ökonomischen Praktiken am Modell Hollywoods orientierten und seit den neunziger Jahren dessen radikalen Wandel im Prozess der Digitalisierung nachvollzogen.9
G EGENWART
UND
Z UKUNFT
Die stete Demokratisierung der Mittel sowohl zur ästhetischen Produktion als auch zur globalen Distribution medialer Produkte10 bewirkte im vergangenen Jahrzehnt allerdings eine Gegenbewegung: das Aufkommen von Indie-Games.11 Ihr überraschender Erfolg versteht sich dabei wesentlich im Kontext der schwelenden Krise der AAA-Games, d.h. der Kommerzialisierung digitaler Spiele und der aus ihr resultierenden künstlerischen Beschränkungen. Dem Idealbild nach folgen die Designer von Indie-Games weniger dem Interesse an Profitmaximierung und mehr ihren künstlerischen Neigungen oder sozialen Anliegen. Als Einzelkämpfer oder in kleinen Teams operieren sie außerhalb großer Konzerne und deren etablierter Denk- und Arbeitsweisen. Damit allerdings verharren die Indies aller Popularität ihrer Games zum Trotz wesentlich in einem vorindustriell anmutenden Kleinunternehmertum, wie es etwa in der Literatur, der Bildenden Kunst oder der Musik üblich ist. Größere Projekte – vergleichbar nicht nur AAA-Titeln wie GRAND THEFT AUTO oder MMOGs wie WORLD OF WARCRAFT, sondern auch populären Software- und Wissensprojekten wie Linux oder Wikipedia – lassen sich unter diesen Bedingungen kaum angehen und bewältigen. Insofern liegt die Hoffnung nahe, dass Indie-Game-Design durch die gegenwärtige erneute Annäherung an die Open-Source-Praxis, aus der ja die Anfänge des Games Designs rührten, jene Kompetenzen (zurück-)gewinnen könnte, die ihr in der Selbstbeschränkung auf Kleinkunst bislang noch weitgehend versagt
Programmer, Graphics Programmer, Tools Programmer, Data Analyst, Software Tester, Quality Assurance Engineer, Localization Manager, Community Manager, Project Manager, Producer. 8
Vgl. z.B. die Beschreibung der Arbeitsprozesse in Egenfeldt-Nielsen et al.: Under-
9
Zum Modell Hollywood s.o. S. 73.
standing Video Games, loc. 665. 10 Zur Demokratisierung des Game Design s.o. S. 24. 11 Vgl. Freyermuth: »Ursprünge der Indie-Praxis«.
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bleiben. Die Open-Source-Praxis jedenfalls demonstriert seit Jahrzehnten, wie sich Großprojekte in vernetzter Wissensarbeit über Selbstselektion, egalitäre Kollaboration, meritokratische Kontrolle und Nutzerpartizipation nicht nur erfolgreich bewältigen, sondern auch in der Dialektik von globaler Kooperation und lokaler Konkurrenz durchaus monetarisieren lassen. Indie-Game-Designer könnten daher, so scheint es, von einer – wie immer selektiven – Übernahme dieser Praktiken profitieren; in Aufhebung sozusagen des Rückfalls hinter den Stand der arbeitsteiligen Ausdifferenzierung der GameDesign-Praktiken in den großen Studios.
4 Arbeitsfelder des Game Designs
Gegenwärtig vollzieht sich Game Design, verstanden als die mehr oder weniger arbeitsteilige Umsetzung ludischer und narrativer Konzeptionen, auf höchst unterschiedliche Art und Weisen in den getrennten Welten der AAA-Games, der Indie Games und auch der so genannten Serious Games. Meine Darstellung lässt diese Differenzen weitgehend außer Acht und konzentriert sich auf die Gemeinsamkeiten. Sie betreffen zunächst die Rolle derjenigen, die für das Game Design verantwortlich zeichnen.
D IE R OLLE
DES
G AME D ESIGNERS
Wie die Produktionen von Theater, Film und Fernsehen die Integration höchst unterschiedlicher Talente erfordern, deren ästhetische Verschmelzung und praktische Koordination der Regie zufällt, so verlangt auch das Design digitaler Spiele, um die künstlerischen Zielsetzungen definieren und vermitteln zu können, nach einer solchen steuernden und integrativen Funktion: »Anyone who makes decisions about how the game should be is a game designer«, schreibt Jesse Schell: »Designer is a role, not a person.«1 Diese Rolle definiert Tracy Fullerton als »part engineer, part entertainer, part mathematician, and part social director«2 und vor allem als „universal translator«,3 der oder die das gemeinsame künstlerische Ziel in die Fachsprachen der verschiedenen Beiträger beziehungsweise Gewerke übersetzt. Die Geschichte digitaler Spiele hat bislang ein knappes Hundert herausragender – primär männlicher – Game Designer hervorgebracht. Ein gutes Dut-
1
Vgl. Schell: The Art of Game Design, loc. 290.
2
Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 467.
3
Ibid., loc. 649.
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zend scheinen mir von besonderer Bedeutung: zum einen die Klassiker Roberta Williams (MYSTERY HOUSE 1980, KING’S QUEST-Serie, 1984-1998), Shigeru Miyamoto (DONKEY KONG, 1981; SUPER MARIO BROS., 1985; THE LEGEND OF ZELDA, 1986), Chris Crawford (EASTERN FRONT 1941, 1981; BALANCE OF POWER, 1985), Richard Garriott aka Lord British (ULTIMA-Serie, seit 1981), Sid Meier (PIRATES!, 1987; CIVILIZATION, 1991), Will Wright (SIMCITY, 1989; THE SIMS, 2000), Peter Molyneux (POPULOUS, 1989; BLACK & WHITE, 2001; FABLE, 2004), Chris Roberts (WING COMMANDER-Serie, 1990-2007), Warren Spector (WING COMMANDER, 1990; Deus Ex, 2000), David Cage (FAHRENHEIT, 2005; HEAVY RAIN, 2010; BEYOND: TWO SOULS, 2014), zum anderen die Indies Jenova Chen (FLOW, 2006; FLOWER, 2009; JOURNEY, 2012), Jason Rohrer (PASSAGE, 2007) und Jonathan Blow (BRAID, 2008). Wirken Game Designer im Prozess des Game Developments nach innen als Wahrer der künstlerischen Vision des jeweiligen Spiels, so nach außen als Vertreter der Spieler. Dies beginnt bereits bei den Grundsatzentscheidungen, welche Spielertypen primär angesprochen werden und wie viele von ihnen gegen wen antreten sollen: einzelne oder mehrere Spieler gegen das Spiel, ein Spieler oder eine Gruppe von Spielern gegen einen anderen Spieler oder eine andere Gruppe von Spielern usf.4 Indem Games Spielende dazu bewegen, sich auf Situationen einzulassen, die sie außerhalb des Spiels eher vermeiden, und Dinge zu tun, die sie sonst im Guten wie im Schlechten nicht tun würden, sind Game Designer – im Gegensatz zu Autoren oder Regisseuren, die fixierte Bedeutungszusammenhänge erschaffen – »metacreators of meaning«.5
T RIADE , T ETRADE
UND DIE
F UNKTION
DER
N ARRATION
Zur Beschreibung der Arbeitsfelder, auf denen Game Design operiert, haben sich bislang vor allem drei Ansätze herausgeschält. Ein verbreitetes Zwei-SchichtenModell unterscheidet zwischen ›core‹ und ›shell‹, dem inneren Spielsystem und dem äußeren Repräsentationssystem. 6 Demgegenüber teilt das so genannte »MDA«-Modell digitale Spiele und damit ihre Herstellung in die Dreieinigkeit
4
Vgl. zum Beispiel die Auflistung der Spielertypen ibid., loc. 2911: Competitor, Explorer, Collector, Achiever, Joker, Artist, Director, Storyteller, Performer, Craftsman; sowie die Auflistung der Spielervariationen ibid., loc. 1930-1983.
5
Ibid., loc. 289.
6
Vgl. Mäyrä: Game Studies, loc. 309.
4 A RBEITSFELDER DES G AME D ESIGNS | 175
von Mechanics, Dynamics, Aesthetics7. Jesse Schell schließlich fasst Game Design in einer Tetrade von Mechanics, Story, Aesthetics, Technology.8 Den letzten beiden Ansätzen sind die Elemente Aesthetics und Mechanics gemeinsam. Ersteres meint schlicht die äußere Gestalt – »This is how your game looks, sounds, smells, tastes, and feels«9 – und damit weitgehend dasselbe, was das ZweiSchichten-Modell als ›shell‹ bezeichnet. Die Mechanics hingegen sind wesentlicher Teil der ›core‹, des Spielsystems, wie Robin Hunicke, MarcLeBlanc und Robert Zubek schreiben: »Mechanics are the various actions, behaviors and control mechanisms afforded to the player within a game context.«10 Medientechnisch betrachtet ist dieses Element digitaler Spiele einerseits das, was sie mit analogen Spielen verbindet – die Mechanics virtualisieren analoge Spielmechaniken und steigern damit deren Leistungsfähigkeit im Hinblick auf Geschwindigkeit und Komplexität der Abläufe wie des Feedbacks. Andererseits sind die Mechanics aber auch das, was digitale Spiele am nachhaltigsten von linearer Audiovisualität trennt, von Film und Fernsehen – den Medien, mit denen sie jedoch gleichzeitig wesentliche Elemente der Aesthetics teilen.11 Die nach Aesthetics und Mechanics verbleibende Restmenge digitaler Spiele charakterisiert das triadische Modell als Dynamics, als »forces or motions that characterize a system«.12 Das tetradische Modell hingegen differenziert dieselbe Restmenge in Technology und Story. Technologie – inklusive des zentralen Elements der Game Engine – wird dabei als Medium der Ermöglichung begriffen: »The technology is essentially the medium in which the aesthetics take place, in which the mechanics will occur, and through which the story will be told.«13
7
Vgl. Hunicke, Robin/Leblanc, Marc/Zubek, Robert: »MDA: A Formal Approach to Game Design and Game Research«, Proceedings of the Challenges in Games AI Workshop, Nineteenth National Conference of Artificial Intelligence (2004), http:// www.zubek.net/robert//publications/MDA.pdf
8
Vgl. Schell: The Art of Game Design, loc. 1200ff.
9
Ebd., loc. 1217.
10 Hunicke et al.: »MDA: A Formal Approach to Game Design and Game Research«. 11 Vgl. Schell: The Art of Game Design, loc. 1206. 12 Mäyrä: Game Studies, loc. 356. 13 Schell: The Art of Game Design, loc. 1225. Vgl. auch Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 644. »Thus, a game engine is loosely comparable to a word processor which enables an author to write words of her choosing or to a theatre with props which enable a director to stage plays without building everything from scratch.«
176 | II G AME D ESIGN
Story hingegen, den kontroversesten Begriff der Tetrade14, definiert Schell lediglich vage als »the sequence of events that unfolds in your game. It may be linear and pre-scripted, or it may be branching and emergent.«15 Die Aufnahme von Story als viertes wesentliches Element des Game Designs verwundert ohnehin, beinhaltet doch weder Schells eigene Definition des Spiels ein narratives Element noch die Katie Salens und Eric Zimmermans oder die Jane McGonigals. 16 Dass Jesse Schell dennoch Story – neben Aesthetics, Mechanics und Technology – als viertes Aufgaben- und Arbeitsfeld des Game Designs behauptet, zeichnet sein tetradisches Modell aus. Entgegen seiner eigenen Definition, was ein Spiel ausmache, erkennt er hier aus der praktischen Game-Design-Erfahrung heraus die zentrale Bedeutung von Narration für digitale Spiele. Erst in ihrer erzählerischen Gestalt wecken Spielmechaniken Interesse und Emotionen: »Imagine playing a game in which you are a set of data. Your objective is to change your data to increase its values. To do this, you engage other sets of data according to complex interaction algorithms. If your data wins the analysis, you win. This all sounds pretty intangible and rather boring, but it is a description of how a typical combat system might work from a formal perspective. To connect players to the game emotionally, the game designer creates a dramatic premise for the interaction that overlays the formal system. [...] let’s imagine you play a dwarf named Gregor rather than a set of data. You engage an evil wizard, rather than an opposing set of data, and you attack him with your broadsword, rather than initiating that complex interaction algorithm. Suddenly, the interaction between these two sets of data takes on a dramatic context over and above its formal aspects.«17
Umgekehrt verbindet sich mit diesem Verhältnis zwischen Narration und Mechanik im Game Design die Notwendigkeit, für die Geschichten, die digitale Spiele erzählen wollen oder sollen, besondere Mechaniken zu entwickeln, die den erzählerischen Absichten korrelieren. In diesem Abhängigkeitsverhältnis besteht die Besonderheit von Narration in digitalen Spielen. Sie zeigt sich auch in der Gestaltung der Charaktere. Als zentrales Moment jeder Erzählung dienen sie wesentlich der Identifikation der Lesenden, Zuschauenden, Spielenden. Zum Beispiel können sie als Typen demographische Gruppen, ihre Werte und Lebensweisen verkörpern oder als Individuen für bestimmte Qualitäten, Sehnsüchte, Ängste stehen, die mehr oder weniger identifikations14 Vgl. zum Konflikt Ludologie und Narratologie u. S. 200f. 15 Schell: The Art of Game Design, loc. 1210. 16 Zu den Definitionen s.o. S. 47ff. 17 Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 2947.
4 A RBEITSFELDER DES G AME D ESIGNS | 177
trächtig sind. Im Hinblick auf ihre Funktion innerhalb der Erzählungen sind vor allem die Protagonistin oder der Protagonist mit ihren Sehnsüchten und Bedürfnissen sowie ihr oder sein Gegenspieler bzw. ihre oder seine Gegenspielerin mit wiederum deren Sehnsüchten und Bedürfnissen zu unterscheiden. Diese diegetische Beziehung, die für die Narrationen von Roman, Theater, Film und Fernsehen konstitutiv ist, wird in digitalen Spielen jedoch von einer zweiten überformt: dem Verhältnis zwischen dem Protagonisten der Narration und seinem Spieler. Kategorisieren lässt es sich nach dem Maß der Kontrolle – der so genannten ›agency‹ –, die Spielende über ›ihre‹ Charaktere haben. Game Design hat daher im Hinblick auf Handlungen und Charaktere vor allem zweierlei zu entscheiden: •
•
zum einen, wie weitgehend Charaktere in ihrem Äußeren, ihren Eigenschaften, ihrem Lebenslauf und Zielen definiert werden beziehungsweise in welchem Maße sie durch die Spielenden weiter ausgestaltet und verändert werden können; zum zweiten, ob die Charaktere in ihren Handlungen gänzlich der Kontrolle der Spielenden unterliegen oder ob sie eine gewisse Selbständigkeit erhalten sollen, d.h. ein ›Eigenleben‹ durch Programmierung entsprechender künstlicher Intelligenz.
Diese Spezifika nonlinear-interaktiver Narrationen machen deutlich, dass sich mit digitalen Spielen grundsätzlich neuartige Formen des Erzählens ausbilden. Nicht mehr einzelne Geschichten werden formuliert, sondern Handlungsräume für mögliche Geschichten prozedural, hyperepisch und hyperrealistisch entworfen: in Echtzeit navigier- und manipulierbar, multilinear und zugleich räumlich offen angelegt, zunehmend fotorealistisch repräsentiert und dennoch ohne indexikalischen Bezug.
5 Praktiken des Game Designs
Die Entwicklung digitaler Spiele lässt sich idealtypisch in drei Phasen gliedern: Konzeption, Design, Produktion. In der Praxis existiert eine solche strikte Trennung selbstverständlich selten.
A BLAUF
DER
S PIELEENTWICKLUNG
Am Anfang steht immer eine Idee. Die Frage, wo sie herkommen mag, lässt sich kaum und wenn wohl nur individuell beantworten. Game Designer berichten nicht anders als Bildende Künstler und Musiker, Literaten und Filmemacher von zweierlei Umständen – plötzlichen Eingebungen und gezielter Suche, meist im Team (brainstorming). Die einschlägigen Game-Design-Handbücher offerieren für beides, die individuelle Öffnung für neue Perspektiven wie die kollektive Organisation kreativer Prozesse, mehr oder weniger hilfreich erscheinende Handreichungen. Zweierlei Quellen für Spieleideen werden dabei immer wieder genannt. Zum einen gleicht die Kreation von Spielen insbesondere der literarischen oder filmischen darin, dass – wie bekanntlich viele Gedichte aus Gedichten und viele Filme aus Filmen gemacht werden – ältere Spiele häufig das Rohmaterial für neue bieten. Insbesondere gilt das für die Genre-Produktion. Insofern muss, wer Spiele designen will, vor allem anderen Spiele spielen. Zum zweiten aber rühren gerade die Ideen für innovative Spiele aus gänzlich anderen Einflüsse, aus dem Kontakt mit Werken anderer Künste und aus Erfahrungen, die in der Realität gemacht werden. »Ideas can come from anywhere – books, movies, television, and of course other games are frequent sources«, sagt der Entwickler Noah Falstein, der seit über 30 Jahren in der Gamesindustrie arbeitet, »but I’ve had ideas spawned from personal relationships, from dreams, from scientific principles, from art, from music theory, and from children’s
180 | II G AME D ESIGN
toys.«1 Insofern sollte sich, wer originelle Spiele designen will, einer Vielzahl möglichst diverser kultureller Einflüsse aussetzen. Auf die Phase der Konzeption folgen die aus dem analogen wie digitalen Design bekannten iterativen Prozesse der Herstellung von horizontalen, vertikalen, funktionalen und ästhetischen Prototypen.2 Eine herausragende Bedeutung fällt dabei dem Testen und Verbessern der Spielemechaniken zu. Ihre Elemente kategorisiert die einschlägige Game-Design-Literatur noch höchst unterschiedlich. Jesse Schell nennt etwa:3 • • • •
•
den Handlungsraum des Spiels – seine Grenzen, Dimensionen, Eigenschaften usf.; die Objekte, die sich in diesem Handlungsraum befinden – ihre Attribute, ihren Status, ihre Dynamik usf.; die Aktionen, die in diesem Raum möglich sind – die Möglichkeiten zu navigieren, zu handeln, zu kommunizieren, Objekte zu manipulieren usf.; die Regeln des Spiels, die übergeordnet Raum, Objekte und Aktionen ›regeln‹ – etwa die Zeitverhältnisse des Handelns oder das Verhältnis von Geschicklichkeit und Glück im Verlauf und Ausgang von Spielhandlungen; die Ziele des Spiels – ihre Klarheit, ihre Erreichbarkeit, das Belohnungssystem usf.
Die Objekte versteht Schell als die Substantive der Spielemechanik, ihre Attribute als Adjektive4 und die Aktionen schließlich als Verben: »A game without actions is like a sentence without verbs — nothing happens.«5 Den künstlerischen Mangel digitaler Spiele sieht Schell dabei vor allem in dem eklatanten Mangel an Verben: Die Charaktere besitzen zwar herausragende körperliche Fähigkeiten wie laufen, springen, schießen, sind jedoch psychisch wie intellektuell noch wenig entwickelt, d.h. es ist ihnen bislang kaum möglich, zu fühlen, zu reflektieren oder zu argumentieren: »Videogame characters are severely limited in their ability to do anything that requires something to happen above the neck.«6 Tracy Fullerton gliedert und benennt die Elemente der Spielemechaniken, die es in Prototypen zu testen gilt, nach anderen Kriterien. So differenziert sie etwa zwischen Regeln und computergesteuerten Prozeduren und definiert pro1
Zitiert nach Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 4909.
2
Siehe zum Prototyping oben S. 159.
3
Schell: The Art of Game Design, loc. 2900-3500.
4
Ibid., loc. 3027-3036.
5
Ibid., loc. 3213.
6
Ibid., loc. 5606. Siehe auch Schell: »Die Zukunft des Erzählens«.
5 P RAKTIKEN DES G AME D ESIGNS | 181
zessualer statt Objekte vielfältige Ressourcen, zu denen dann neben Objekten auch die Zahl der ›Leben‹, Gesundheit, Rohstoffe oder Währungen gehören. Ebenso spricht sie von Charakteren statt von Aktionen, erwähnt Narration als ein wesentliches Element und räumt Konflikten – Hindernissen und Widerständen, Opponenten und Dilemmas – eine besondere Stellung ein: »Traditional dramatic conflict can be broken down into categories such as character versus character, character versus nature, character versus machine, character versus self, character versus society, or character versus fate. As game designers, we might overlay another group of categories, which are player versus player, player versus game system, player versus multiple players, team versus team, etc.«7
Dieses Moment weist auf den spezifischen Ablauf der iterativen Prozesse des Prototyping im Design digitaler Spiele: Im Zentrum stehen Varianten des Playtesting – durch die Designer beziehungsweise das Team selbst, durch ausgewählte Individuen und diverse Fokusgruppen.8 Dabei betonen die meisten Handbücher des Game Designs zum einen die Notwendigkeit klarer Fragestellungen – »You should be able to state the questions clearly. If you can’t, your prototype is in real danger of becoming a time-wasting boondoggle, instead of the timesaving experiment it is supposed to be.«9 – und zum zweiten die Notwendigkeit, zunächst mit analogen Prototypen zu arbeiten: »[I]t allows you to focus on gameplay rather than technology.«10 Gegenüber dem Design analoger Objekte, in deren Kontext das Verfahren des Prototyping ja entwickelt wurde, kommt ihm – in Verbindung mit Playtesting – im Game Design eine gesteigerte Bedeutung zu: »The behavior of complex, interactive systems – like games – is incredibly difficult to predict. You generally cannot know exactly what players are going to do once they start playing your game.«11 Damit ist auch die Differenz zu linearen Audiovisionen beschlossen. Anders als Theaterstücke, Spielfilme oder Fernsehserien werden Spiele nicht geschrieben: »No one, no matter how smart they are, can conceive and 7 8
Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 3206f. Vgl. Zimmerman, Eric: »How I Teach Game Design. Lesson 1: The Game Design Process«, Gamasutra, 19. Oktober 2013, http://www.gamasutra.com/blogs/EricZim merman/20131019/202710/How_I_Teach_Game_Design_Lesson_1_The_Game_Desi gn_Process.php. – Detailliertere Gliederungen geben Schell: The Art of Game Design, loc. 3213, und Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc 873.
9
Schell: The Art of Game Design, loc. 2104.
10 Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 5218. 11 Zimmerman: »How I Teach Game Design. Lesson 1.«
182 | II G AME D ESIGN
produce a sophisticated game from a blank sheet of paper and perfect it without going through this process«, i.e. des Prototyping und Playtesting.12
P RINZIP W ELTENBAU Im Kontrast zu analogen audiovisuellen Produktionen ist ein zentrales Prinzip des Game Designs daher der Weltenbau. Game Designer David Jones berichtet etwa von der Arbeit an GTA: »Grand Theft Auto was not designed as Grand Theft Auto. It was designed as a medium. It was designed to be a living, breathing city that was fun to play.«13 Erst als diese ›game-scape‹ geschaffen war und man mit ihr in jedem Sinne spielen konnte, entwickelten sich die hyperepischen Narrationen, die sich heute mit GTA verbinden. Tom Chatfield bezeichnet denn auch die »aesthetics of world-building« als zentrales Moment digitaler Kultur.14 Eine gänzlich neue Praxis in der Geschichte der Künste ist Weltenbau freilich nicht. Episches Erzählen strebte vielmehr stets danach, vergehende Welten fiktional zu fixieren, wie es etwa Honoré de Balzac mit der Comédie Humaine unternahm, oder fiktionale Welten gänzlich neu zu entwerfen, wie es zum Beispiel J. J. R. Tolkien mit Lord of the Rings anstrebte. Dramatischem Erzählen, gebunden an audiovisuelle Darstellung in Zeit und Raum, blieb solcher Weltenbau zwischen Renaissance und Postmoderne allerdings weitgehend verschlossen – wesentlich aus medientechnischen Gründen, die in Theater und Kino sowohl die Bedingungen der Produktion wie die Umstände der Rezeption betrafen.15 Erst mit dem Übergang zu virtueller, das heißt softwarebasierter Audiovisualität rückte auch die Konstruktion und Rezeption kompletter audiovisueller Welten in den Bereich des Möglichen.
12 Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 603. Siehe auch Freyermuth, Gundolf S.: »›Lesen wird in vielen Computerspielen zu einer Überlebensfähigkeit‹«, in: Böhm, Thomas (Hg.), New Level: Computerspiele und Literatur, Berlin: Metrolit 2014, S. 115-144. 13 Schell: The Art of Game Design, loc. 2188-92. 14 Chatfield, Tom: »Bridging the Gap«, Prospect 2011, http://www.prospectmagazine.co .uk/arts-and-books/bridging-the-gap 15 Zu den Anfängen des audiovisuellen Weltenbaus kam es erst im Kontext der Episierung audiovisuellen Erzählens. Vgl. dazu Freyermuth: »Vom Drama zum Game.« und ders. »Transmedia-Welten. Zehn Thesen«, in: Jochen Hörisch/Uwe Kammann (Hg.), Organisierte Phantasie: Medienwelten im 21. Jahrhundert – 30 Positionen, Paderborn: Fink u.a. 2014, S. 137-147.
5 P RAKTIKEN DES G AME D ESIGNS | 183
In audiovisuellen ›story worlds‹ oder ›story universes‹ treten wenn nicht an die Stelle, dann doch an die Seite linearer Handlungsverläufe dreidimensionale Handlungsräume, die weniger zu beschreiben als zu designen sind. Henry Jenkins spricht denn auch von der »story architecture« transmedialer Erzählwelten. Game Designer, die solches ›environmental storytelling‹ entwerfen, arbeiten als ›narrative Architekten‹: »privileging spatial exploration over plot development«.16 Ästhetisch folgt der Bau dieser virtuellen Welten dem Verfahren des ›theming‹.17 Entwickelt wurde es seit den 1950er Jahren im Kontext von Disneys Themenparks, die sich in vielerlei Hinsicht als analoge Antizipationen virtueller Welten begreifen lassen. ›Themierung‹ bezeichnet dabei Design-Prozesse der Selektion, Kompression und vereinheitlichenden Stilisierung – der Filterung des audiovisuellen ›Lärms‹ komplexer Wirklichkeiten oder Fiktionen – zum Zweck gesteuerter Erfahrungsproduktion. Gestalten Themenparks Fiktionen, in die sich eintreten lässt, so werden beim virtuellen Weltenbau die digitalen Bilder von gerahmten Fenstern, durch die sich wie in Theater und Kino oder beim Fernsehen auf andere Wirklichkeiten schauen lässt, zu interaktiven Portalen. Sie erlauben nicht nur wie Themenparks den Eintritt in Fiktionen, sondern auch interaktive Teilhabe an ihnen und damit neue audiovisuelle Erfahrungen. Denn den audiovisuellen Weltenbau digitaler Spiele unterscheidet von allen vorgängigen analogen Anstrengungen, dass es sich bei seinen Welten um prozedurale Systeme handelt: »a group of interacting, interrelated, or interdependent elements forming a complex whole.«18 Wie alle Systeme enthalten die audiovisuellen Spielewelten Objekte mit spezifischen Eigenschaften und potentiellen Verhaltensweisen, die untereinander in Beziehung stehen. Virtuelle Systeme, wie sie die Grundlage des audiovisuellen Weltenbaus bilden, simulieren so biologische und soziale, kulturelle und ökonomische Verhältnisse und ermöglichen Interaktion in und mit ihnen. Durch diese Interaktion wiederum vermögen die Spieler im Verlauf des Spiels mentale Modelle dieser Welten zu bilden: »The computer is just an incremental step«, sagt Will Wright, »an intermediate model to the model in the player’s head.«19 Für systemische Simulationen gilt dabei grundsätzlich, dass es sich bei ihnen – unabhängig von dem Grad ihres Realismus – um vereinfachende Abstraktionen der realweltlichen Vorbilder handelt: »A simulation does not attempt to sim16 Jenkins: »Game Design as Narrative Architecture«. 17 Vgl. z.B. Gottdiener, Mark: The Theming of America: Dreams, Visions, and Commercial Spaces, Boulder Colo.: Westview Press 1997. 18 Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 785. 19 Zitiert nach Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 4092.
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ulate every aspect of its referent, but instead focuses on those elements necessary to the game.«20 Den Abstraktionen können verschiedene Prinzipien zu Grunde liegen, von der Produktion spezifischer Erfahrungen bis zur lehrenden oder schulenden Vermittlung einzelner Befähigungen: »Ultimately, of course, we don’t care about creating either stories or games – we care about creating experiences. Stories and games can each be thought of as machines that help create experiences.«21 In der Mechanik dieser Systeme – dem Resultat der Abstraktionsprozesse – liegt freilich nicht nur die Funktionalität der Simulationen, sondern auch ihre Aussage – ihre Ideologie – beschlossen. Ian Bogost spricht daher von der »inherent subjectivity« der Welt-Modelle, die digitale Spiele offerieren.22 Frans Mäyrä hat diesen Umstand am Beispiel von Sid Meiers CIVILIZATION demonstriert: »[T]he rules of the simulation are built on a particular vision of history, crystallized by historian Arnold J. Toynbee in A Study of History (1934-1961, 12 volumes). According to this view, civilizations can be seen as units with life cycles, similar to those that organisms have (a view influenced by the German philosopher Oswald Spengler).«23
Das stete Wechselspiel zwischen den audiovisuellen Systemen, die von Game Designern erschaffen werden und in denen sich Weltbilder wie Intentionen und Erwartungen ausdrücken, wie diese Welten genutzt werden sollten, und der tatsächlichen Realisierung der potentiellen Handlungsmöglichkeiten durch die Spielenden, Individuen wie Gruppen, stellt nicht zuletzt eine neuzeitliche Dauerfrage gänzlich neu: Wie kreative Autorenschaft und damit auch Urheberschaft zu definieren sei.24 Mit digitalen Spielen sind jedenfalls Bedingungen und Möglichkeiten einer mehr oder weniger kontrollierten Produktion von Bedeutung entstanden, die zuvor so nicht existierten: Autorenschaft nicht nur von Produzierenden, sondern auch von Nutzenden, d.h. Spielenden – von Individuen, kollaborierenden Grup20 Ebd., loc. 7218. 21 Schell: The Art of Game Design, loc. 5474. Ebenso: »A good game is a unique way of structuring experience and provoking positive emotion.« (McGonigal: Reality Is Broken, loc. 595.) 22 Zitiert nach Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 2020. 23 Mäyrä: Game Studies, loc. 1454. – Vgl. ebenso: »Games are systems of meaning«. (Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 5525.) 24 Vgl. z. B.: »Most of all, the procedural medium will challenge our notions of authorship.« (Murray, Hamlet on the Holodeck, S. 275)
5 P RAKTIKEN DES G AME D ESIGNS | 185
pen, aber auch von Beiträgern in distribuierten Netzwerken, die dem Prinzip nach einander kaum bekannt sind. Mag das Maß an Autorenschaft, das sich auf Seiten der Spielenden herstellt, auch von Genre zu Genre und Spiel zu Spiel differieren – selbst einfachstes Spielen in virtuellen Welten generiert Mitautorenschaft und zwar unabhängig davon, ob die Spielenden ihre Aktionen wie etwa in Let’s-Play-Videos zusätzlich medial dokumentieren oder über Mods sogar noch im überkommenen Sinne zu Mitschöpfern ihrer Erfahrungen werden.
III Game Studies
Einleitung
Nicht nur Medien und Künste entwickeln sich im Laufe der Zeit, auch die theoretische Auseinandersetzung mit ihnen hat ihre Geschichte. Insofern differiert ihre Bedeutung in Genesis und Geltung. Historisch entstand, jedenfalls in der westlichen Moderne, die theoretische Reflexion der Künste – von Leon Battista Albertis De Pictura (1435) 1 bis zur jüngsten Videogametheorie, etwa Jesse Schells einflussreicher Schrift The Art of Game Design (2008)2 – wesentlich als Niederschlag von Praxen, das heißt als deren Analyse und kodifizierende Verschriftlichung in ansteigenden Graden der Abstraktion. Diesen Umstand, dass kunsttheoretisches Denken als sedimentierte Praxis beginnt, um sich von praktisch orientierten Theorien zu theoretisch orientierten Theorien fortzuentwickeln, demonstriert zum Beispiel die Filmtheorie, die Auseinandersetzung also mit dem audiovisuellen Leitmedium industrieller Kultur. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert setzte sie mit Theorien der Praktiker ein, etwa mit Schriften von Filmemachern wie Sergei Eisenstein oder Vsevolod Pudovkin, die wesentlich Verfahren und Zielsetzungen des Filmemachens reflektierten – unter der Perspektive: »Wie lässt sich der Film als Kunst entwickeln?«3
1
Alberti, Leon Battista/Bätschmann, Oskar: Über die Malkunst, Darmstadt: WBG 2010.
2
Schell: The Art of Game Design.
3
Vgl. z.B. die deutschen Ausgaben: Ėjzenštejn, Sergej Michajlovič/Gotto, Lisa: Eisenstein-Reader: Die wichtigsten Schriften zum Film, Leipzig: Henschel 2011; Pudovkin, Vsevolod Illarionovič: Die Zeit in Grossaufnahme: Aufsätze, Erinnerungen, Werkstattnotizen, Berlin [-Ost]: Henschel 1983. Beide Autoren standen in Verbindung mit der weltweit ersten Filmhochschule, 1919 in Moskau gegründet; Pudovkin studierte dort ab 1920, Eisenstein wurde 1928 Professor. (Für diesen Hinweis habe ich Lisa Gotto zu danken.)
190 | III G AME S TUDIES
Ihnen erst folgten die Theorien der Theoretiker nach. Deren frühe Protagonisten rekrutierten sich – nicht anders als zuvor in der Auseinandersetzung mit der Fotografie und heute wieder in der Auseinandersetzung mit digitalen Spielen – zunächst aus den älteren etablierten Wissenschaften, etwa aus Philosophie, Kunstwissenschaft, Literaturwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Pädagogik. Diese Schriften blieben denn auch den Perspektiven der Herkunftsdisziplinen in hohem Maße verpflichtet. Die beiden dafür in jeder Hinsicht besten Beispiele gaben in den 1930er-Jahren Rudolf Arnheims Film als Kunst4 und Walter Benjamins Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«.5 Jene erste Phase theoretisch orientierter Reflexion des Films aus gewissermaßen externen Perspektiven lässt sich – mit einem Begriff der Evolutionstheorie – als Exaptation begreifen: als Zweckentfremdung und Umfunktionierung von theoretischen Denkweisen und Praktiken, die ursprünglich in einem anderen Kontext und für andere Forschungsgegenstände entwickelt wurden.6 In einem nächsten Schritt formte sich dann nach der Jahrhundertmitte und vor allem von der Filmkritik ausgehend eine genuine Filmtheorie – hier ist vor allem an André Bazins Qu’est-ce que le cinéma?7 und Siegfried Kracauers Theory of Film: The Redemption of Physical Reality8 zu denken. Im Gefolge der Theorien der Filmtheoretiker etablierte sich dann im letzten Jahrhundertdrittel die akademisierte Filmwissenschaft. Diese dritte Phase theoretisch orientierter Reflexion des Films aus gewissermaßen internen Perspektiven lässt sich wiederum mit einem Begriff aus der Evolutionstheorie verstehen: als erfolgreiche Adaptation theoretischer Denkweisen und Praktiken an ihren neuen Gegenstand, das heißt an Film als ein Medium ästhetischen Ausdrucks. 4
Arnheim, Rudolf: Film als Kunst, München: Hanser 1975 (*1932).
5
Benjamin, Walter: »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Erste Fassung«, in: Tiedemann, Rolf/Schweppenhäuser, Hermann (Hg.), Gesammelte Schriften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991 (*1936), S. 431-469, hier S. 136.
6
Diesen Begriff hat Stephen Jay Gould vor rund 30 Jahren in die Theorie der Evolution eingeführt. Er beschreibt Prozesse der Appropriation und Konversion, in der bestimmte biologische Eigenschaften eine neue Funktion gewinnen. Vgl. Gould, Stephen Jay/ Vrba, Elizabeth S.: »Exaptation: A Missing Term in the Science of Form«, Paleobiology 6, 1 (1982).
7
Bazin, André/Gray, Hugh: What Is Cinema?, Berkeley: University of California Press 1967. Deutschsprachige Ausgabe: Bazin, André/Fischer, Robert: Was ist Film? , Berlin: Alexander Verlag 2009 (*1958-1962).
8
Kracauer, Siegfried: Theory of Film: The Redemption of Physical Reality, New York: Oxford University Press 1960. Deutschsprachige Ausgabe: Kracauer, Siegried: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, Frankfurt a.M. 1973 (*1960).
E INLEITUNG | 191
Der Prozess, in dem neue Medien und Künste theoretisch erfasst und erforscht wurden, pflegte sich somit in drei qualitative Stufen zu teilen: •
•
•
Zunächst kam es in theoretisch orientierten Schriften erfahrener Praktiker zu einer Sedimentierung, zu einem abstrahierenden Niederschlag der neuen künstlerischen Verfahren. Bei diesen Theorien der Praktiker handelte es sich um Abstraktionen erster Ordnung, welche die künstlerische Arbeit systematisch begreifen und damit zuverlässiger anleiten wollten. Die zweite Stufe bildete das Fortschreiten zu Theorien, die nicht länger nur die künstlerische Praxis ins Auge fassten. Es gelang zunächst durch den Import existierender Theorien und wissenschaftlicher Praktiken älterer Disziplinen. Diese Theorien der anderen Theoretiker, das heißt die Reflexion des neuen Mediums oder Feldes ästhetischer Produktion aus gewissermaßen externen Perspektiven, lassen sich als Abstraktionen zweiter Ordnung verstehen und als Exaptation bezeichnen. Ihre Schriften initiierten eine wissenschaftliche Analyse des jeweils neuen Gegenstands, blieben aber den Perspektiven der Disziplinen ihrer Herkunft in hohem Maße verpflichtet. Auf diese theoretischen Exaptationen folgten schließlich in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den neuen Medien und künstlerischen Praktiken Theorien der Fach-Theoretiker, also genuine Foto-, Film- oder Designtheorien. Bei ihnen handelte es sich um Abstraktionen dritter Ordnung, theoretisch orientierte Reflexionen aus gewissermaßen internen Perspektiven. Diese dritte Phase lässt sich wiederum mit einem Begriff aus der Evolutionstheorie verstehen: als erfolgreiche Adaptation theoretischer Denkweisen und Praktiken an ihren neuen Gegenstand. Mit ihnen erst gelang jeweils die Etablierung der neuen wissenschaftlichen Disziplin.
Sedimentierung, Exaptation, Adaptation – diesem dreistufigen Prozess, in dem seit Beginn der Industrialisierung neue Medien und ästhetische Praktiken theoretisch erfasst und erforscht werden, folgte bislang auch die Entwicklung der Game Studies: •
•
Bei den existierenden Theorien des Game Designs handelt es sich um Abstraktionen erster Ordnung, um Theorien der Praktiker, welche die künstlerische Arbeit systematisch begreifen und damit zuverlässiger anleiten wollen. Die Game Studies proper hingegen operieren gegenwärtig noch primär mit Abstraktionen zweiter Ordnung, mit aus anderen Disziplinen exaptierten Theorien der Theoretiker, welche eine wissenschaftliche Analyse des neuen Gegenstands digitaler Spiele initiieren.
192 | III G AME S TUDIES
•
Die Ausbildung adaptativer Abstraktionen dritter Ordnung, Theorien der Game-Theoretiker also, welche in der historisch-theoretischen Auseinandersetzung mit digitalen Spielen entstehen und sie sui generis beschreiben und begreifen, steht weitgehend noch aus.
Ü BERSICHT Die Rahmenbedingungen für einen solchen Übergang von exaptiven zu adaptativen Theorien zu beschreiben, ist daher eine wesentliche Absicht dieser Einführung in die Game Studies als Wissenschaft digitaler Spiele. Zunächst skizziere ich deren Vorgeschichte, die wichtigsten Ansätze in der theoretischen und – mehr oder weniger – akademischen Beschäftigung mit analogen Spielen (III-1 Von den Theorien analoger zu den Theorien digitaler Spiele). Im zweiten Schritt stelle ich die dominierenden Positionen dar, die sich in den drei gegenwärtigen Varianten der Game Studies herausgebildet haben (III-2 Die Schismen der Game Studies). Die Beobachtung und Beschreibung des Mit- und häufiger noch Nebeneinanders dieser Ansätze führt zu dem Schluss, dass die existierenden Schismen der Game Studies in eine Auseinandersetzung zu überführen und damit zu überwinden wären, die ihren Ausgangspunkt nicht länger in importierten Ansätzen, sondern in Erkenntnisinteressen und Methoden hat, die in der direkten Untersuchung digitaler Spiele entwickelt werden (III-3 Desiderat: Die Überwindung der Schismen). Abschließend entwerfe ich Perspektiven für eine Forschung, welche die Ausbildung solch adaptativer, genuiner Theorien befördern könnte; sowohl generell für Forschung zu digitalen Spielen (III-4 Forschungsperspektiven 1: Digitale Spiele) als auch speziell für das wichtige Subsegment der Serious Games (III-5 Forschungsperspektiven 2: Serious Games).
1 Von den Theorien analoger zu den Theorien digitaler Spiele »As the history of the video game invokes a history of non-electronic games, video game studies must admit a debt to the study of nonelectronic games.« JESPER JUUL1
V ORINDUSTRIELLE T HEORIEN DES S PIELS UND DES S PIELENS Eine Geschichte der Game Studies als neue wissenschaftliche Disziplin, deren Gegenstand digitale Spiele sind, hat mit ihrer Vorgeschichte zu beginnen. Dass Spiele bei ihrer Digitalisierung einen kategorialen Medienwechsel durchlaufen – vergleichbar dem industriellen Übergang visueller Repräsentation von Malerei zu Fotografie oder audiovisueller Darstellung vom Theater zu Film, habe ich als die »doppelte Alterität digitaler Spiele« beschrieben.2 In der Konsequenz teilt sich auch die theoretische Auseinandersetzung mit ihnen – dem Vorbild etwa von Theater- und Filmwissenschaft folgend – in die Erforschung analoger und digitaler Spiele.3 Theoretische Analysen der menschlichen Neigung zu Spielen finden sich in der westlichen Kultur seit der Antike. »In fact, it seems that almost every well1
Juul: Half-Real, loc. 106.
2
Vgl. oben S. 95ff.
3
Zur philosophisch-theoretischen Vorgeschichte digitaler Spiele gehört auch die Auseinandersetzung mit verwandten populären Formen spielerischer Unterhaltung, wie sie etwa in der Neuzeit Jahrmärkte – Fahr- und Schießvergnügen, Spiegelkabinette etc. –, Panoramen und Dioramen, Spielautomatenhallen und Themenparks boten.
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known philosopher has theorized on play.4 Aus der Perspektive der Game Studies scheinen drei neuzeitliche Autoren und ihre philosophischen Ansätze, analoge Spiele zu verstehen, von besonderer Bedeutung: Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), Friedrich Schiller (1759-1805) und Friedrich Nietzsche (18441900). Leibniz verstand Spiele im Kontext der Aufklärung »as an expression of the free inventive spirit under regulated conditions«.5 Als Mathematiker und Philosoph legte er in gleich mehreren Bereichen wissenschaftliche Grundlagen, die digitales Spielen betreffen. Theoretische wie praktische Forschungen zu mechanischen Rechenmaschinen ließen ihn, wie George Dyson schreibt, 270 Jahre vor der technischen Realisierung das binäre Schieberegister als zentrales Element digitaler Computer entwerfen.6 Sein Interesse an der mathematischen Berechnung von Wahrscheinlichkeiten und damit seine Beschäftigung mit Glücksspielen machte ihn, wie Gilles Deleuze formulierte, zu »one of the great founders of game theory«.7 Vor allem aber verstand Leibniz analoge Spiele als zentrales Mittel sowohl zur Erkenntnisgewinnung wie zur Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten. So befürwortete er den Einsatz von Kriegsspielen – mit denen z.B. geschlagene Schlachten nachgespielt werden konnten – in der Offiziers-Ausbildung8 und begründete ganz allgemein die Ansicht, »daß viele neue Spiele ausgedacht werden könnten, um die Fähigkeiten der Seele zu vergrößern und auch selbst die Tugenden zu üben.«9 Sein 1675 in Paris geschriebener Text »Drôle de
4
Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 935.
5
Loemker, Leroy E.: »Introduction: Leibniz as Philosopher«, in: Leibniz, Gottfried Wilhelm/Loemker, Leroy E. (Hg.), Philosophical Papers and Letters, Dordrecht, Holland ; Boston: D. Reidel Pub. Co. 1976, S. 1-69, hier S. 61, Anmerkung 39.
6
»In the shift register at the heart of [...] all processors and microprocessors [...] voltage gradients and pulses of electrons haven taken the place of gravity and marbles, but otherwise they operate as Leibniz envisioned in 1679.« (Dyson, George: Turing’s Cathedral: The Origins of the Digital Universe, New York: Vintage Books (Kindle Edition) 2012, loc. 2378.)
7
Deleuze, Gilles: »Leibniz«, Les Cours de Gilles Deleuze – webdeleuze.com, 15. April
8
Vgl. Hilgers, Philipp von: »Vom Einbruch des Spiels in der Epoche der Vernunft«, in:
1980, http://www.webdeleuze.com/php/texte.php?cle=50&groupe=Leibniz&langue=2 Bredekamp, Horst/Schneider, Pablo (Hg.), Visuelle Argumentationen: die Mysterien der Repräsentation und die Berechenbarkeit der Welt, München: Fink 2006, S. 205-224. 9
Leibniz, Gottfried Wilhelm: »Zufällige Gedanken von der Erfindung nützlicher Spiele aus dessen mündlicher Unterredung aufgezeichnet von F. F. F.«, in: Leibniz, Gottfried
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Pensée, touchant une nouvelle sort de REPRESENTATION« entwarf gar einen zukünftigen »Spielpalast«, der in mancherlei Hinsicht an moderne Arkaden gemahnt, den Leibniz jedoch nicht nur als Ort des Vergnügens und des Geschäfts erdachte, sondern zugleich auch als Ort – panoptischer – Erkenntnis: »Leibniz nennt zunächst die in- und ausländischen Spiele, die in den einzelnen Räumen des Spielpalastes ausgeübt werden sollen, um dann in Bezug auf die intern gültige Währung zu erläutern, daß der Besucher am Eingang Spielgeld eintauschen müsse. [...] Leibniz schließt diesen Abschnitt mit einem Loblied auf seine Akademie der Spiele, die den Gewinn steigern, aus den Nähten platzen und eine gefährliche Leidenschaft in ein nützliches Gedanken- und Imaginationstraining verwandeln würde.«10
Setzte Leibniz unter aufklärerischer Perspektive sich mit Spielen als Mittel zur Produktion von Wissen und auch zu dessen Vermittlung auseinander, so verstand Friedrich Schiller das Spiel beziehungsweise den von ihm behaupteten menschlichen »Spieltrieb« gerade als zentrales Gegengift zu Rationalität und Naturbeherrschung. Das Spiel versprach ihm Heilung der Schäden, die aus seiner Sicht aufklärerische Rationalität in der Moderne zu verantworten hatte: die Fragmentierung von Leben, Arbeit und damit auch Persönlichkeit. Insofern verlagerte Schiller den Schwerpunkt der Auseinandersetzung von der Philosophie der Erkenntnis, um die es Leibniz und auch noch Immanuel Kant primär ging, zu einer Philosophie ganzheitlicher menschlicher Bildung: »Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«11 Seine Briefe »Über die ästhetische Erziehung des Menschen« schrieb Schiller 1793/94 unter dem Eindruck der Französischen Revolution, die er als politische Realisierung aufklärerischer Bestrebungen begriff. Die Enttäuschung über ihren Verlauf prägten deutlich seine Überlegungen. In die Weltgeschichte projizierte er ein stetes Widerspiel zweier Triebe: Ein sinnlich-äußerer Stofftrieb – menschliches Begehren und andere Irrationalitäten – stehe einem rational-inneren Formtrieb gegenüber, u.a. moralischen Normen und rationalem Handeln. Wilhelm/Guhrauer, Gottschalk E. (Hg.), Leibnitz’s deutsche Schriften, Berlin: Veit 1840, S. 491-493, hier S. 493. 10 Bredekamp, Horst: »Kunstkammer, Spielpalast, Schattentheater: Drei Denkorte von Gottfried Wilhelm Leibniz«, in: Schramm, Helmar/Schwarte, Ludger/Lazardzig, Jan (Hg.), Kunstkammer – Laboratorium – Bühne: Schauplätze des Wissens im 17. Jahrhundert, Berlin, New York: de Gruyter 2003, S. 265-281, hier S. 268. 11 Schiller, Friedrich: »Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen«, (1795), http://gutenberg.spiegel.de/buch/3355/1
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Zwischen ihnen versöhne ein dritter Trieb, der Spieltrieb, in dem Triebbefriedigung und Moral zueinander kommen und der so zu dynamischem Verhalten zwischen beiden Polen führe: »Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er dem Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im Physischen als im Moralischen entbindet.«12
Einerseits verlieh Schiller mit dieser Konstruktion »seinem Spielkonzept eine anthropologische Dimension, indem er das spielerische Verhalten genealogisch auf kreatürlich-tierisches Überschussverhalten zurückführt.« 13 Gleichzeitig jedoch positionierte er das Spiel als ein durchaus subversives Korrektiv zu aufklärerischer Rationalität und der sich aus ihr ergebenden Logik zweckgerichteter Naturbeherrschung. »Die Freiheit von instrumentellen Zielsetzungen [...] soll dem Menschen die Möglichkeit eröffnen, endlich zu dem zu werden, was er seiner eigenen Natur nach sein soll.«14 Dieser Gedanke, menschliches Spiel als Mittel zur Befreiung aus entfremdeten Verhältnissen zu begreifen, erhielt anderthalb Jahrhunderte später eine neue Aktualität durch Herbert Marcuses Schiller-Rezeption – kaum zufällig um die Zeit, als sich im Kontext der Digitalisierung eine neue Ethik des Spiels ausbildete: »In einer wahrhaft menschlichen Kultur wird das Dasein viel mehr Spiel als Mühe sein, und der Mensch wird in der spielerischen Entfaltung statt im Mangel leben.«15 Eine Eskalation dieser Perspektive betreibt Friedrich Nietzsches Verständnis des Spiels: Als Ausdruck und Praxis kindlicher Ungebundenheit und Freiheit stellt es für ihn eine disruptive Kraft dar, die etablierte Verhaltensweisen, Verfahren und Hierarchien zu untergraben vermag. Die griechische Tragödie etwa beschreibt Nietzsche als Spiel apollinischer und dionysischer Kräfte.16 Darüber hinaus erblickt er im Spiel und seiner Mechanik der »ewigen Wiederkehr des 12 Ebd. 13 Krämer: »Ist Schillers Spielkonzept unzeitgemäß?«, S. 158. 14 Neuenfeld, Jörg: Alles ist Spiel: zur Geschichte der Auseinandersetzung mit einer Utopie der Moderne, Würzburg: Königshausen & Neumann 2005, S. 41. 15 Marcuse, Herbert: Triebstruktur und Gesellschaft: ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1965, S. 186. 16 Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, Leipzig: Fritzsch 1872, http://www.deutschestextarchiv.de/book/show/nietzsche_tragoedie_1872.
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Gleichen«17 das fundamentale Prinzip, um den Lauf der Welt beziehungsweise das göttliche Weltspiel zu begreifen: »[T]he doctrine of the eternal recurrence of the same expresses the play-character of the world. […] This does not mean that the content of each and every moment must be the same, but rather that the structure of each moment is the same insofar as each moment is a moment of play.«18
Spielen – das in Unschuld, also jenseits aller Moral geschieht – versteht Nietzsche so gleichermaßen als Movens der Welt und des werdend-vergehenden Lebens wie auch als Ursprung aller Kunst. Zugleich markiert seine Philosophie den Punkt, an dem die Spezialwissenschaften, die sich im Zuge von Aufklärung und Industrialisierung von der Philosophie abspalten, das Phänomen des Spiels und des Spielens entdecken.
I NDUSTRIELLE T HEORIEN
DES
S PIELS
UND DES
S PIELENS
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden bahnbrechende Arbeiten in den neuen Forschungsfeldern von Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Ethnologie und Anthropologie. Jesper Juul teilt sie in zwei Gruppen: Theorien, die sich mit Spielen lediglich für die spezifischen Erkenntniszwecke ihrer jeweiligen Disziplinen auseinandersetzten, und solche Theorien, denen es um Spiele und das Phänomen des Spielens selbst ging.19 Zur ersten Gruppe lassen sich vor allem vier einflussreiche Arbeiten rechnen. Herbert Spencer verstand in The Principles of Psychology (1855-1880) Spielen als Abfuhr überschüssiger Energien, die nicht unmittelbar für den Überlebenskampf notwendig seien.20 George Herbert Mead analysierte in Mind, Self,
17 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft, Leipzig: Verlag von E. W. Fritzsch. 1887, http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/FW; Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra: ein Buch für Alle und Keinen, [Erstausgabe] ed., Chemnitz: Schmeitzner 1883, http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/Za-I.Zarathustra 18 Hinman, Lawrence M.: »Nietzsche’s Philosophy of Play«, Philosophy Today 18, Summer (1974), S. 119-120. 19 Juul: Half-Real, loc. 108. 20 Spencer, Herbert: The Principles of Psychology, London etc.: Williams and Norgate 1855-1880, http://archive.org/details/principlesofpsyc022412mbp. Deutschsprachige
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and Society From the Standpoint of a Social Behaviorist (1934) die Bedeutung des Spielens für die Identitätsbildung.21 Dabei unterschied er zwischen offenem Spiel (play) und insbesondere Rollenspiel (role-play), das er als erste Phase kindlicher Identitätsbildung bezeichnete, und regelgeleitetem Spielen (games), bei dem das Kind nicht mehr nur eine andere Person als das »signifikante Andere« begreift, sondern die Gruppe wie auch das Regelwerk als das »generalisierte Andere«.22 Spielen fällt laut Mead daher eine zentrale Rolle bei der Internalisierung sozialer Kontrolle und vor allem bei der Ausbildung von Selbstbewusstsein zu. Unter soziologischer Perspektive interpretierte dann Erving Goffman in The Presentation of Self in Everyday Life (1956) soziales Verhalten als Spielen von Rollen nach dem Theatermodell (Bühne, Darsteller, Masken, Requisiten, Zuschauer).23 Ebenso untersuchte Gregory Bateson in A Theory of Play and Fantasy (1972) soziale Kommunikation und insbesondere deren Rahmung (framing) als Spiel oder Nicht-Spiel.24 Weitere Forschung, die analoges Spielen streifte, wurde zudem seit den 1920er Jahren im Umkreis von Kybernetik und mathematischer Spieltheorie geleistet,25 seit den 1950er Jahren im Umkreis der von Clau-
Ausgabe: Spencer, Herbert: Die Principien der Psychologie, System der synthetischen Philosophie, Stuttgart: Schweizerbart’sche Verlagshaus 1882. 21 Mead, George Herbert/Morris, Charles W.: Mind, Self & Society From the Standpoint of a Social Behaviorist, Chicago, Ill.,: The University of Chicago Press 1934, https:// www.brocku.ca/MeadProject/Mead/pubs2/mindself/Mead_1934_toc.html. Deutschsprachige Ausgabe: Mead, George Herbert/Morris, Charles William: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000. 22 »The organized community or social group which gives to the individual his unity of self may be called ›the generalized‹ other.« (Mead/Morris: Mind, Self & Society.) 23 Goffman, Erving: The Presentation of Self in Everyday Life, Edinburgh: University of Edinburgh 1956. Deutschsprachige Ausgabe: Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater: Die Selbstdarstellung im Alltag, München: Piper 2008. 24 Bateson, Gregory: »A Theory of Play and Fantasy«, in: Bateson, Gregory (Hg.), Steps to an Ecology of Mind: Collected Essays in Anthropology, Psychiatry, Evolution, and Epistemology, San Francisco,: Chandler Pub. Co. 1972, S. 138-148. Deutschsprachige Ausgabe: Bateson, Gregory: »Eine Theorie des Spiels und der Phantasie«, in: Ders.: (Hg.), Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981, S. 241-261. 25 Siehe vor allem Von Neumann, John/Morgenstern, Oskar: Theory of Games and Economic Behavior, Princeton: Princeton University Press 1944, https://archive.org/details /theoryofgamesand030098mbp
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de Elwood Shannon initiierten Forschung zur künstlichen Intelligenz26 und seit den 1960er Jahren im Kontext erst analoger, dann digitaler Simulation. 27 Eine zweite, allerdings kleinere Gruppe wissenschaftlicher Arbeiten widmete sich im 20. Jahrhundert analogen Spielen um ihrer selbst willen. Von herausragender Bedeutung waren die Publikationen von drei Autoren. Johan Huizinga stellte in Homo Ludens (1938)28 unter kulturhistorischer Perspektive den spielenden Menschen dem von Max Scheler beschriebenen Typus des Homo Faber, des schaffenden Menschen entgegen.29 Spielen bestimmte Huizinga als ein Phänomen der Freiheit, das vor aller menschlichen Kultur entstand und zugleich auch deren wesentliche Ursache sei.30 Die Aktivität des Spielens kennzeichne Freiwilligkeit, Regelhaftigkeit und damit Ordnung sowie der Umstand, dass sie vom Alltags- und Erwerbsleben getrennt stattfinde: »Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel also zusammenfassend eine freie Handlung nennen, die als ›nicht so gemeint‹ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung sich als anders von der gewöhnlichen Welt abheben.«31
Damit führte Huizinga das – in der Folge und auch für die Game Studies einflussreiche – Konzept des »magischen Kreises« ein: eines getrennten Reichs des Spiels, markiert durch die Etablierung separierter Spielräume (Bühne, Spielplatz, Spieltisch, Spielbrett, Leinwand usf.):
26 Siehe oben S. 64ff. 27 Vgl. Rolfe/Staples: Flight Simulation. 28 Huizinga: Homo Ludens. 29 Vgl. Scheler, Max: Die Stellung des Menschen im Kosmos, München: Nymphenburger Verl.-Handlung 1947 (*1928), http://issuu.com/ernestocassir/docs/max_scheler__die_stellung_des_menschen_im_kosmos_ 30 »Wer den Blick auf die Funktion des Spiels richtet, […] findet das Spiel in der Kultur als eine gegebene Größe vor, die vor der Kultur selbst da ist und sie von Anbeginn an bis zu der Phase, die er selbst erlebt, begleitet und durchzieht.« (Huizinga: Homo Ludens, S. 12.) 31 Ebd., S. 22.
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»Unter den formalen Kennzeichen des Spiels war die räumliche Heraushebung der Handlung aus dem gewöhnlichen Leben die wichtigste. Ein geschlossener Raum wird materiell oder ideell abgesondert von der täglichen Umgebung abgesteckt. Dort drinnen vollzieht sich das Spiel, dort gelten seine Regeln.«32
Als die beiden grundsätzlichen Manifestationen des Spiels erkannte Huizinga den Wettbewerb und die repräsentative Darstellung: »Das Spiel ist ein Kampf um etwas oder eine Darstellung von etwas.«33 Mit der ausdrücklichen Absicht, Huizingas Gedanken weiterzuführen, untersuchte Roger Caillois zwei Jahrzehnte später nun in soziologischer Hinsicht Les jeux et les homes (1958).34 Seine sechs fundamentalen Regeln des Spiels unterschieden sich von Huizingas nur graduell (Freiwilligkeit, Unproduktivität, räumliche und zeitliche Begrenzung, Regelhaftigkeit, andere Wirklichkeit, i.e. magischer Kreis). Neu allerdings waren zwei Einsichten. Zum einen die Unterscheidung zwischen ungeregeltem, eher triebhaftem Spielen (Paidia) des Individuums und regelbestimmten kodifizierten (Gesellschafts-)Spielen, die Geschicklichkeit oder Übung erfordern (Ludus).35 Im Fortschreiten von Paidia zu Ludus sah Caillois einen zivilisatorischen Prozess, d.h. sowohl individuelle wie soziale Entwicklung. Spielformen entschieden damit für ihn über Gesellschaftsformen. Zum zweiten unterschied Caillois vier Grundlagen des Spiels. Die ersten zwei betreffen den Charakter der Interaktion: Wettkampf (Agon) vs. Glücksspiel (Alea). Die anderen beiden charakterisieren die Erfahrung der Spielenden: Verstellung durch Rollenspiel und Maskierung (Mimikry) vs. Rausch durch physische Bewegungssensationen (Ilinx).36 Caillois’ Gedanken, dass der Entwicklungsstand von Spielen und Gesellschaft korreliere, nahm Brian Sutton-Smith in The Study of Games (1971) und The Ambiguity of Play (1997) auf .37 »[T]he more complex a social system, the more advanced its games«, resümieren Egenfeldt-Nielsen et al. Sutton-Smiths Einsichten.38 Historisch unterschied er antike und moderne Rhetoriken, d.h. Art 32 Ebd., S. 29. 33 Ebd., S.22. – In dieser Differenz scheint die spätere Debatte in den Game Studies zwischen Ludologen und Narratologen bereits geborgen. 34 Caillois, Roger: Man, Play and Games, Urbana: University of Illinois Press 2001 (*1958). Deutschsprachige Ausgabe: Caillois: Die Spiele und die Menschen: Maske und Rausch. 35 Vgl. Caillois: Man, Play and Games, S. 27. 36 Vgl. Ebd., S. 71ff. 37 Avedon/Sutton-Smith: The Study of Games; Sutton-Smith: The Ambiguity of Play. 38 Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 926.
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und Weisen, wie gesellschaftlich über Spiele gesprochen und gedacht wird. In der Antike dominierten Diskurse vom Spiel als Repräsentation von Schicksal (Glück, Wille der Götter) und Macht (Kriegsspiel, Sport), als Ausdruck gemeinschaftlicher Identität und von Frivolität (Subversion der nicht-spielerischen Ordnung). In der Moderne dagegen dominieren Diskurse vom Spiel als Fortschritt (Lernen), als Ausdruck des Imaginären (Kunst) und als Realisierung des Selbst (Spaß, Selbstverwirklichung).39 Was allerdings die industriellen Theorien des Spiels und des Spielens von ihren vorindustriellen Vorläufern unterscheidet, ist das hohe Maß der Missachtung ästhetischer Qualitäten. Ein früher Ansatz zu einer Theorie des Spiels als mediale Form findet sich bei Marshall McLuhan. In Understanding Media (1964) begriff er wie alle Medien auch Spiele als Erweiterungen menschlicher Sinne und Fähigkeiten: »Any game, like any medium of information, is an extension of the individual or the group.«40 Nicht anders als Kunst, meinte McLuhan, opponieren Spiele ästhetisch dem Industrialismus: »[A] man or society without games is one sunk in the zombie trance of the automation. Art and games enable us to stand aside from the material pressures of routing and convention [...] In games we devise means of non-specialized participation in the larger drama of our time.«41
Diese Funktion könnten Spiele freilich nur erfüllen, wenn sie der Realität dicht genug auf den Spuren bleiben: »For fun or games to be welcome, they must convey an echo of workaday life.«42 In der Konsequenz sah McLuhan Spiele als historische Indikatoren: »When cultures change, so do games.«43 Die Spiele, auf die sich McLuhan Anfang der 1960er Jahre beziehen konnte, waren noch durchweg analog. Ein Jahrzehnt später begann jedoch die Popularisierung digitaler Spiele. Von ihr zeugten zuerst essayistische und journalistische Reflektionen wie Stewart Brands derweil klassischer Rolling-Stone-Artikel »Spacewar: Fanatic Life and Symbolic Death Among the Computer Bums« (1972).44 39 Vgl. die Übersicht in Sutton-Smith: The Ambiguity of Play, S. 7-12. 40 McLuhan: Understanding Media, loc. 3459. 41 Ebd., loc. 3388-3393. 42 Ebd., loc. 3388. 43 Ebd., loc. 3412. 44 Brand, Stewart: »Spacewar: Fanatic Life and Symbolic Death Among the Computer Bums«, Rolling Stone, 7. Dezember 1972, http://www.wheels.org/spacewar/stone/ rolling_stone.html
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Zu Beginn der 1980er Jahre erschienen dann die ersten Schriften, die sich direkt und ausschließlich mit digitalen Spielen beschäftigten und damit bereits in den Kontext der Game Studies gehören.
2 Die Schismen der Game Studies
Bis heute lassen sich die theoretischen Auseinandersetzungen mit digitalen Spielen in die drei Perspektiven teilen, die Katie Salen und Eric Zimmerman 2003 darlegten: »Rules, Play, Culture«, wobei der Blick auf die ›Regeln‹ die »organization of the designed system« meint, der Blick auf das ›Spiel‹ die »human experience of that system« und ›Kultur‹ die »larger contexts engaged with and inhabited by the system«.1 Die Dreiteilung weist auf das gegenwärtige Schisma der Game Studies, wenn sie sich auch mit dem Verlauf der aktuellen Trennungslinien nicht exakt deckt. Mit ›Kultur‹, das heißt den »weiteren Kontexten«, beschäftigt sich weitgehend die geisteswissenschaftliche Forschung, auf ›Spiel‹, das heißt die menschliche Erfahrung, konzentrieren sich die sozialwissenschaftlichen Ansätze, und ›Regeln‹, das heißt die Organisationsprinzipien von Spielen, sind die Domäne der Game-Design-theoretischen Schriften. Mit ihnen setzte auch um 1980 ein, was heute Game Studies heißt.
S EDIMENTATIVE A NSÄTZE : G AME -D ESIGN -T HEORIEN Ausgangs- wie Zielpunkt aller Game-Design-theoretischen Ansätze war und ist die künstlerische Praxis, das heißt die Doppelfrage: »Was macht ein gutes Spiel aus?« und »Wie macht man ein gutes Spiel?« In der Geschichte der GameDesign-Theorie fielen die Antworten im Detail selbstredend unterschiedlich aus – von der ersten bedeutenden Publikation, Chris Crawfords The Art of Computer Game Design (1984)2, bis zu dem Trio der gegenwärtig in der Game-Design-
1
Salen/Zimmerman: Rules of Play, loc. 186.
2
Crawford, Chris: The Art of Computer Game Design, Berkeley, Calif.: Osborne/ McGraw-Hill 1984.
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Ausbildung maßgeblichen Schriften, Katie Salens und Eric Zimmermans Rules of Play: Game Design Fundamentals (2003)3, Jesse Schells The Art of Game Design: A Book of Lenses (2008)4 und Tracy Fullertons Game Design Workshop: A Playcentric Approach to Creating Innovative Games (2008)5. Jenseits der Unterschiede ihrer Analysen und der aus ihnen abgeleiteten Design-Verfahren und Regeln ist aller Game-Design-Theorie allerdings gemeinsam, dass sie als Theorie erster Ordnung nicht primär auf ihre eigene Verbesserung zielt: also nicht auf wissenschaftliche oder auch künstlerisch-wissenschaftliche Forschung: »[T]he main emphasis in game design is on producing games rather than research papers.«6 Entscheidend für die Optimierung ihres Gegenstands durch Kodifizierung von Game-Design-Praktiken scheint den meisten Autoren zweierlei: •
•
eine systematisierende Analyse und Begründung der Vorgehensweisen, die sich in der gestalterischen Arbeit ungeplant und weitgehend unreflektiert hergestellt haben; die Entwicklung einer möglichst klaren und verbindlichen Begrifflichkeit, einer zuverlässigen Fachsprache für eine künstlerische oder kommerzielle Praxis, die vor diesen Anstrengungen in Produktion wie Rezeption und Kritik weitgehend sprachlos operierte.7
Die Conditio sine qua non solch abstrahierender Tradierung der Game-DesignPraxis in dem Interesse, sie durch Systematisierung und verbindliche Definitionen zu optimieren, ist Theoretisierung, eine abstrahierende Transzendierung der konkreten Praktiken. Sie jedoch wollen die praxisorientierten Autoren und erst recht die meisten Leser von Handbüchern des Game Designs gerade vermeiden. Von daher stellt sich Game-Design-Theorie in großen Teilen als akzidentielle
3
Salen/Zimmerman: Rules of Play.
4
Schell: The Art of Game Design.
5
Fullerton et al.: Game Design Workshop.
6
Mäyrä: Game Studies, loc. 2430.
7
Diese Sprachlosigkeit dauert weitgehend bis heute an. Vgl. z.B.: »The lack of a single vocabulary is one of the largest problems facing the game industry today.« (Fullerton et al.: Game Design Workshop) Und: »In the past 30 years, video games have become more beautiful, more intricate and more intense – but we still lack a critical language to evaluate them.« (Lewis, Helen: »Why Are We still so Bad at Talking about Video Games?«, New Statesman, 20. November 2012, http://www.newstatesman.com/cultu re/2012/11/why-are-we-still-so-bad-talking-about-video-games)
2 D IE S CHISMEN DER G AME S TUDIES | 205
Theorie dar, die in vielerlei Hinsicht weder ihren eigenen Ansprüchen noch denen etablierter Wissenschaft genügen kann. Aus der Perspektive ästhetischer Theorie etwa tendieren noch die besten Game-Design-theoretischen Schriften, insofern sie die Antworten auf ihre doppelte Fragestellung unter der Perspektive praktischer Handreichung suchen – im Sinne rezeptartiger ›Vorschriften‹ oder zumindest Faustregeln –, zu einer Kombination von Deskriptivität und Normativität. Beide Perspektiven etablierte einst Aristoteles wirkungsmächtig in seiner Poetik. Spätestens aber seit Hegel und seiner Begründung historischer Ästhetik sind sie in Frage gestellt: »Es kann niemand seine Zeit überspringen, der Geist seiner Zeit ist auch sein Geist ...«8 Diese Einsicht in die Historizität aller Kunst wie ihrer Analyse bewahren bei all ihrer Verschiedenheit die avancierten ästhetischen Theorien der Moderne – von George Lukács über Walter Benjamin, Theodor W. Adorno, Peter Szondi und Marshall McLuhan bis zu Michel Foucault oder Roland Barthes. Um die Komplexität und Fluidität ästhetischer Artefakte und Prozesse zu begreifen, das heißt auf einen Begriff bringen zu können, muss ästhetische Theorie vom Normativen und Systematischen zum Historischen fortschreiten. Denn avancierte künstlerische Produktion in der Moderne hat sich, nachdem sie die Fesseln von Religion und Tradition abgeworfen hat, den Widersprüchen ihrer Zeit immer wieder neu zu stellen und kennt daher kaum mustergültige Regeln und Rezepte. Während dieser theoretische ›Rückstand‹ der Game-Design-Theorie aufgrund ihres Erkenntnisziels, Praxis zu kodifizieren, von prinzipieller Natur und daher kaum aufhebbar scheint, resultieren andere Defizite, beispielsweise in der Analyse individueller wie sozialer Nutzung, aus einer allenfalls eklektischen Aufarbeitung der jeweiligen Forschungsstände, d.h. aus unzureichendem Kontakt mit anderen Bereichen der Game Studies. Jesse Schell etwa erkennt diesen Mangel, wenn er schreibt, »there is no ›unified theory of game design‹«.9 Da er jedoch von der Suche nach einer »simple formula that shows us how to make good games«10 nicht abrücken mag, setzt er seine Hoffnungen nicht auf geistesoder sozialwissenschaftliche Forschung, wie sie andere Bereiche der Game Studies unternehmen, sondern auf die Entdeckung einer idealiter zeitlosen Regelhaftigkeit, wie sie einzig die Naturwissenschaften zu leisten vermögen: »Game designers await their Mendeleev. At this point we have no periodic table. We
8
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Werke, Vollständige Ausgabe, Vierzehnter Band. Hg. von D. Karl Ludwig Michelet, Berlin: Verlag von Duncker und Humblot 1833, S. 275.
9
Schell: The Art of Game Design, loc. 298.
10 Ebd.
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have our own patchwork of principles and rules, which, less than perfect, allows us to get the job done.«11 Diese deutliche Distanz zwischen den Game-Design-Theorien als Theorien der Praktiker und dem Rest der Game Studies als Theorien der (anderen) Theoretiker scheint zwar – noch? – gering im Vergleich zu vielen älteren Medien und Künsten, etwa der Ferne zwischen Literatur und Literaturwissenschaft oder Film und Filmwissenschaft, wo »the distance between scholars and practitioners can loom large, and it seems at times that the two groups barely speak the same language.«12 Dennoch markiert die Separierung der Game-Design-Theorie das erste Schisma der Game Studies. Ein zweites, nicht minder tiefes besteht, darauf hat bereits vor einigen Jahren Dmitri Williams hingewiesen, zwischen den aus den sozial- und Geisteswissenschaften importierten und exaptatierten Ansätzen.13
E XAPTATIVE A NSÄTZE 1: S OZIALWISSENSCHAFTLICHE T HEORIEN Im Zentrum der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit digitalen Spielen steht die Frage: »Welche Wirkung(en) haben Games?«14 – auf die einzelnen Spieler wie auf die Gesellschaft, in der sie zu einem wichtigen Medium, wenn nicht zum audiovisuellen Leitmedium werden. Aus der thematischen Ausrichtung ergibt sich als generelle Forschungsperspektive für diesen Teil der Game Studies die Untersuchung möglicher Transfers zwischen Spielsituation und Realität. Thematisch stehen seit vielen Jahren im Zentrum des Forschungsinteresses einerseits befürchtete Wirkungen auf sozial unerwünschtes Verhalten – insbesondere Gewalttätigkeit –, andererseits erhoffte Wirkungen auf sozial erwünschtes Verhalten – insbesondere Lernen. Im ersten Bereich hat eine Vielzahl von Untersuchungen, die psychologische, soziologische, (medien-)pädagogische, ethnographische, anthropologische und ökonomische Methoden in die Game Studies importierten, zu konkurrierenden, wenn nicht einander widersprechenden Theorien der Inhibition oder Stimu-
11 Ebd., loc. 302. 12 Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 355.Vgl. dazu auch meinen Erfahrungsbericht Freyermuth: »Angewandte Medienwissenschaften«, S. 263f. 13 Williams, Dmitri: »Bridging the Methodological Divide in Game Research«, Simulation and Gaming 36, 4 (2005). http://www.dmitriwilliams.com/GameMethods.pdf 14 Ebd., S. 1.
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lation, Habitualisierung oder Katharsis geführt.15 Als aktuelle Tendenz lässt sich eine allmähliche Abkehr von allzu einfachen Ursache-Wirkungs-Schemata erkennen, die einen wie auch immer direkten Bezug zwischen medialem und Alltagsverhalten herstellen wollen – ein Wandel, der zwangsläufig Konsequenzen auch für den zweiten Bereich der Transfer-Forschung zeitigt. Zu den wichtigsten Publikationen, die sich mit ›Digital Game-Based Learning‹ oder ›Digital Media Learning‹ auseinandersetzten, zählten in den vergangenen Jahren Marc Prenskys Digital Game-Based Learning (2001) und Don’t Bother Me Mom – I’m Learning (2006)16 sowie James Paul Gees What Video Games Have to Teach Us About Learning and Literacy (2003).17 Dass sie, vereinfacht formuliert, bei (Lern-)Spielen relativ direkte Transfereffekte unterstellen, die anderen Untersuchungen zufolge bei anderen Spielen – oder anderem Spielen – sich so direkt nicht einstellen sollen, gehört zu den ungelösten Widersprüchen der sozialwissenschaftlich orientierten Game Studies. Eine Ursache ihrer widerstreitenden Ergebnisse liegt wesentlich in den Methoden begründet, die sie importieren: quantitative und in geringerem Maße auch qualitative Datenerhebung durch mehr oder weniger strukturierte Interviews sowie direkte, bisweilen auch partizipative Beobachtung, in der Regel unter laborähnlichen Bedingungen. Die Problematik solch empirischer Forschung ist spätestens seit dem Positivismusstreit der 1960er Jahre bekannt und reicht von der notorischen Unzuverlässigkeit erhobener Auskünfte bis zur kaum gesicherten Verallgemeinerung von Ergebnissen, die in kontrollierten Kleingruppenexperimenten gewonnen wurden.18 Die immer stärkere Verknüpfung von quantitativen mit qualitativen Methoden scheint durchaus hilfreich, vermag jedoch die grundsätzliche Problematik beider Ansätze nicht wirklich aufzulösen.19 15 Für einen Überblick vgl. z.B. Hartmann, Tilo: »Gewaltspiele und Aggression. Aktuelle Forschung und Implikationen«, in: Kaminski, Winfred/Lorber, Martin (Hg.), Computerspiele und soziale Wirklichkeit, München: kopaed 2006, S. 81-99. 16 Prensky, Marc: »Don’t Bother Me Mom, I’m Learning!«: How Computer and Video Games Are Preparing Your Kids for Twenty-First Century Success and How You Can Help!, St. Paul, Minn.: Paragon House 2006; Prensky, Marc: Digital Game-Based Learning, New York: McGraw-Hill 2001. 17 Gee, James Paul: What Video Games Have to Teach Us About Learning and Literacy, New York: Palgrave Macmillan 2003. 18 Vgl. Adorno, Theodor Wiesengrund/Dahrendorf, Ralf/Habermas, Jürgen/Popper, Karl R.: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Sammlung Luchterhand, Darmstadt: Luchterhand 1976. 19 Die Unzulänglichkeit der vorliegenden Forschung ist den meisten Autoren bewusst. Ganguin und Hoblitz schreiben etwa: »Demnach sind Serious Games bzw. die Unter-
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Einen weiteren wichtigen Bereich der sozialwissenschaftlichen Erforschung von Games bilden ethnographisch orientierte Studien. Der Tradition dieser Disziplin folgend operieren sie mit anteilnehmender Selbsterfahrung und biographischer Dokumentation. Die Maßstäbe dafür setzte Sherry Turkles Life on the Screen: Identity in the Age of the Internet (1995).20 Um 2000 begann auch die sozioökonomische Erforschung digitaler Spielwelten, vor allem durch Arbeiten von Edward Castronova.21 Darüber hinaus beschäftigen sich kommunikationswissenschaftliche Studien mit der Frage, woraus Spielspaß und die Faszination resultieren, die von digitalen Spielen ausgehen.22
suchung der Verbindung von Spielen und Lernen im Bereich formaler Bildung weiter ein Forschungsdesiderat« (Ganguin, Sonja/Hoblitz, Anna: »Serious Games – Ernstes Spielen. Über das Problem von Spielen, Lernen und Wissenstransfer«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.), Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bielefeld: transcript 2013, S. 165-183, hier S. 179f.). – Eine Begründung für die unterschiedlichen Lern-Effekte bietet Egenfeldt-Nielsen an: »[E]s gibt viele Studien, die belegen, dass der Lerneffekt viel kleiner ist, wenn man den Fokus bei Spielen nicht auf den Lernprozess selbst setzt. Es ist also wichtig, ganz deutlich ein Lernziel zu setzen.« (Egenfeldt-Nielsen, Simon: »Die ersten zehn Jahre der Serious Games-Bewegung. Zehn Lektionen«, in: ebd., S. 145-163, hier S. 150.) Ebenso sei eine Nachbesprechung notwendig, um das Lernergebnis abzusichern. (Ebd., S. 151.) – Empirische Erkenntnisse zur Wirkung von Serious Games versammeln Ritterfeld, Ute/Cody, Michael J./ Vorderer, Peter: Serious Games: Mechanisms and Effects, New York: Routledge 2009. 20 Turkle: Life on the Screen: Identity in the Age of the Internet. Vgl. auch Turkle, Sherry: Alone Together: Why We Expect More From Technology and Less From Each Other, New York: Basic Books 2011. In einem Blurb zu dem Buch nennt MIT-Kollege Mitchel Resnick sie »the Margaret Mead of digital culture«. Vgl. z.B. http:// www.amazon.de/Alone-Together-Sherry-Turkle/dp/0465010210?tag=651998669-21 21 Castronova, Edward: »Virtual Worlds: A First-Hand Account of Market and Society on the Cyberian Frontier«, CESifo Working Paper Series 618 (2001). http://papers.ss rn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=294828 Vgl. auch Castronova, Edward: Synthetic Worlds: The Business and Culture of Online Games, Chicago: University of Chicago Press 2005; Castronova, Edward: Exodus to the Virtual World: How Online Fun is Changing Reality, New York: Palgrave Macmillan 2007. 22 Vgl. z.B. Klimmt, Christoph: Computerspielen als Handlung: Dimensionen und Determinanten des Erlebens interaktiver Unterhaltungsangebote, Köln: Halem 2006, Zugl. Hannover, Hochsch. für Musik und Theater, Diss., 2004.
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Insofern die sozialwissenschaftlichen Game Studies in Übernahme der Zielsetzungen und Verfahren der Herkunftsdisziplinen – Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Ethnologie, Ökonomie – sich überwiegend auf die Spieler als Individuen oder Kollektive konzentrieren, auf beobachtbare Verhaltensmuster und Erfahrungen, geben ihre Studien kaum Auskunft über die Spiele selbst. Deren Inhalte und Formen sind das Forschungsfeld der zweiten Gruppe importierter Theorien.
E XAPTATIVE A NSÄTZE 2: G EISTESWISSENSCHAFTLICHE T HEORIEN Im Zentrum der geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Games steht ihr Charakter als ästhetische und kulturelle Artefakte und damit die Doppelfrage: »Welche ästhetische(n) Bedeutung(en) besitzen und transportieren digitale Spiele?« und »Welche kulturelle(n) Bedeutung(en) besitzen und erzeugen digitale Spiele?«23 Vorrangiges Ziel der Forschung sind Studien in den – exaptatierten – Traditionen von Literatur-, Kunst- und Filmwissenschaft, die Games als expressive (Medien-)Texte begreifen und sie im Kontext anderer Medientexte sowie ihrer kulturellen Nutzung zu verorten suchen. Zwei Methoden dominieren dabei: •
•
Zum einen befragen hermeneutische Auslegungen einzelne digitale Spiele oder Spielgenres auf ihre innere ästhetische Gestalt, indem sie konstitutive Elemente und die Regeln ihrer Kombination zu ermitteln suchen. Zum zweiten untersuchen kritische Analysen einzelne Spiele oder Spielgenres auf ihre kulturelle Bedeutung, indem sie aus diversen Perspektiven – u.a. der Ideologiekritik, der Psychoanalyse, des (Post-)Strukturalismus, der Diskurstheorie, der Gendertheorie, der Rezeptionsästhetik – die Verbindungen zwischen der inneren Gestalt der Artefakte, ihrer Entstehung, ihrer sozialen Nutzung sowie die kulturellen Situationen zu erfassen suchen, in denen Spiele und Genres entstehen, die sie repräsentieren und auf die sie gewollt oder ungewollt einwirken.
Die ersten Schlüsseltexte der geisteswissenschaftlichen Game Studies erschienen im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Von nachhaltiger Wirkung waren vor
23 Vgl. Williams: »Bridging the Methodological Divide in Game Research«.
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allem Brenda Laurels Computer as Theatre (1991)24, Espen Aarseths Cybertext: Perspectives of Ergodic Literature (1997)25 und Janet H. Murrays Hamlet on the Holodeck: The Future of Narrative in Cyberspace (1998)26. Deutlich orientieren sich diese Werke bei ihrer Analyse digitaler Spiele noch am Vorbild älterer Medien, an Theater, Film und Fernsehen, aber auch an (hyper-)textueller Narration und natürlich an analogen Spielen. Aarseth entwickelt eine »typology of cybertexts«, die erzählerische Medien wie Literatur, Theater oder Film, die Interpretation erfordern, kategorial von digitalen Spielen trennt, da sie Konfiguration erfordern.27 Murray dagegen begreift den Computer – das digitale Transmedium – dank seiner vier besonderen Eigenschaften, prozedural, partizipatorisch, räumlich und enzyklopädisch zu sein, als ein genuin repräsentierendes und erzählerisches Medium.28 Diesen Gegensatz, der sich 1997/98 in der Auseinandersetzung mit digitalen Spielen charakteristischerweise zwischen zwei Literaturwissenschaftlern auftat, hat Frans Mäyrä als Urkonstellation der Ludologie-Narratologie-Debatte beschrieben. 29 Entfalten sollte sie sich dann als weiteres, sozusagen internes Schisma der geisteswissenschaftlichen Game Studies, nachdem Gonzalo Frasca 1999 den Terminus »Ludologie« für »the yet non-existent ›discipline that studies game and play activities‹« vorschlug30 und Jesper Juul in seiner Masterarbeit A Clash Between Game and Narrative die weitgehende Unvereinbarkeit von Spiel und Narration behauptete: »Computer games are not narratives, but phenomena whose qualities are in exploration and repeatability.«31 Wenn die weitere Entwicklung digitaler Spiele im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts auch deutlich machen sollte, dass Spiel und Narration so unvereinbar nicht sind, wie die Ludologen zunächst meinten, so zeigt das ludologische Konzept im Rückblick jedoch, wie Egenfeldt-Nielsen et al. schreiben, seine his24 Laurel, Brenda: Computers as Theatre, Reading Mass.: Addison-Wesley Pub. Co. 1993. 25 Aarseth, Espen J.: Cybertext: Perspectives on Ergodic Literature, Baltimore Md.: Johns Hopkins University Press 1997. 26 Murray: Hamlet on the Holodeck. 27 Aarseth: Cybertext, S. 62-65. 28 Murray: Hamlet on the Holodeck, S. 71ff. 29 Mäyrä: Game Studies, loc. 180. 30 Frasca, Gonzalo: »Ludology Meets Narratology: Similitude and Differences Between (Video) Games and Narrative«, ludology.org (o. J., *1999), http://www.ludology.org/ articles/ludology.htm 31 Juul, Jesper: »A Clash Between Game and Narrative: A Thesis on Computer Games and Interactive Fiction«, (1999), http://www.jesperjuul.net/thesis/
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torische Funktion »to define the new discipline of game studies, beyond the dominant paradigms – the hypertextual (Landow, 1992) and the cinematic (Manovich, 2001)«.32 Der Konflikt einer Perspektive, die primär in der Auseinandersetzung mit analogen Spielen wurzelte, mit einer Perspektive, die primär in der Auseinandersetzung mit analogen Erzählmedien wurzelte, leitete so die Einsicht in die Alterität des digitalen Transmediums und vor allem digitaler Spiele ein. Die Jahre nach der Jahrhundertwende können denn auch als die Entstehungszeit der geisteswissenschaftlichen Game Studies gelten.33 Neben einer steigenden Zahl von Buch- und Zeitschriften-Publikationen34, die von der zunehmenden Breite der Forschung zeugen, setzte an den Universitäten – zunächst den angelsächsischen und skandinavischen – die institutionelle Etablierung in Gestalt von Studiengängen, Promotionsmöglichkeiten und Game-Studies-Professuren ein.35 Parallel dazu entschärfte sich der Konflikt zwischen Ludologen und Narratologen, nicht zuletzt unter dem Einfluss von Henry Jenkins’ diversen Konzeptionen narrativer Architektur und transmedialen Geschichtenerzählens.36 2005 bezeichnete dann auch Jesper Juul »the denial of fiction« als eine »alluring position that I have also previously taken«37 und korrigierte seine Sicht digitaler Spiele:
32 Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 4965. Der Verweis auf Landow bezieht sich auf Landow, George P.: Hypertext: The Convergence of Contemporary Critical Theory and Technology, Baltimore: Johns Hopkins University Press 1992. Der Verweis auf Manovich bezieht sich auf Manovich: The Language of New Media.– Vgl. ebenso: »Ludology as a novel concept also helped to highlight how games, when considered in their own terms as forms of art and culture, were in some sense unique, and in need of their own theories and methodologies of research.« (Mäyrä: Game Studies, loc. 192.) 33 Vgl. z.B. S. Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 340 und Juul: Half-Real, loc. 148. 34 Die Digital Games Research Association (DIGRA, http://www.digra.org/) wurde 2003 gegründet, die Game Studies publizieren seit 2001 (http://gamestudies.org), Games and Culture seit 2006 (http://gac.sagepub.com/) 35 Zur Situation in Deutschland s.u. S. 230ff. 36 Vgl. Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc 4811 und Jenkins: »Game Design as Narrative Architecture«; Jenkins, Henry: »Transmedia Storytelling: Moving Characters From Books to Films to Video Games Can Make Them Stronger and More Compelling«, Technology Review, 15. Januar 2003, http://www.technology review.com/news/401760/transmedia-storytelling/ 37 Juul: Half-Real, loc. 178.
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»To play a video game is therefore to interact with real rules while imagining a fictional world […] The interaction between game rules and game fiction is one of the most important features of video games«38
38 Ebd., loc. 43-51.
3 Desiderat: Die Überwindung der Schismen
Ungeachtet dieser Fortschritte und Erfolge der Game Studies bleibt als Ungenügen ihr doppeltes Schisma bestehen: zum einen die weitgehende Separation der sozialwissenschaftlich orientierten Forschung von der geisteswissenschaftlichen sowie zum zweiten – und vielleicht wesentlicher noch – die wachsende Separation dieser diversen Theorien zweiter Ordnung von den praxisorientierten Theorien erster Ordnung, den Theorien des Game Designs. Als erster wohl machte Dmitri Williams bereits 2005 den Vorschlag einer Versöhnung durch Interdisziplinarität: »There is a solution: social science needs context, and humanists need generalizability. Modern scholarship is filled with calls for interdisciplinary work, with moderate success. We are scholars of a new medium and we need to think differently.«1
S EHNSUCHT
NACH
S YNTHESE
Aufgenommen wurde dieser Vorschlag kaum, und ohnehin galt er ja nur den Theorien zweiter Ordnung. Im selben Jahr unternahm Jesper Juul einen ersten Versuch, »to integrate these disparate perspectives into a coherent theory of video games«.2 Wenig später wiederholten die beiden wichtigsten Übersichtsdarstellungen der Game Studies – Understanding Video Games (2008) von Egenfeldt-Nielsen et al. und An Introduction to Game Studies (2008) von Frans Mäyrä – die Hoffnung auf eine multidisziplinäre Synthese. Mäyrä etwa schreibt:
1
Williams: »Bridging the Methodological Divide in Game Research«, S. 10.
2
Juul: Half-Real, loc. 59.
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»The vision of game studies informing this book can be described as multidisciplinary and dialectical; if and when we understand anything, it is by making connections that open up new directions for thinking about games. Bringing into contact existing but previously separate ideas, concepts, and frames of thought, we can proceed to create a synthesis of them, and see our grasp of things evolve.«3
Der erste entsprechende deutsche Forschungsbeitrag hingegen verzweifelte eher an der Synthese. So heißt es in der Einleitung zu den 2012 erschienenen Theorien des Computerspiels: »Doch macht gerade die ausstehende Konsolidierung des Feldes eine nach Vollständigkeit strebende Einführung unmöglich ...«4 Vor der Überlegung, ob ein solches »synthesizing the work that has been done so far in game studies«5 möglich ist, stellt sich freilich die Frage, ob es sich bei dieser Absicht überhaupt um ein sinnvolles Unternehmen und wünschenswertes Ziel handelt. Vor allem zwischen den Theorien erster und zweiter Ordnung beziehungsweise ihren Vertretern liegt eine Kluft von Missachtung und Misstrauen. Sozialwie geisteswissenschaftlich orientierte Forscher betrachten die Theorien des Game Designs aufgrund ihres geringen Abstraktionsgrads nicht selten mit einer gewissen Herablassung. Umgekehrt ist aus der Sicht vieler Game Designer und Game-Design-Theoretiker der ›Wert‹ beziehungsweise ›Nutzwert‹ der Theorien der Theoretiker keineswegs ausgemacht. Mag die Distanz zwischen beiden Gruppen in Deutschland auch noch etwas größer sein als in anderen Ländern, deren Bildungssysteme wie etwa in den USA keine so strikte Trennung zwischen wissenschaftlicher-theoretischer und künstlerisch-praktischer Instruktion kennen6 – spürbar ist sie weltweit. Denn sie liegt wesentlich in den unterschiedlichen Erkenntnisinteressen der Theorien erster und zweiter Ordnung begründet. Während die Theorien der Praktiker, wie der Begriff anzeigt, von der künstlerischen Praxis ausgehen, dicht an ihr entlang operieren und sie letztlich direkt beeinflussen, in sie eingreifen wollen, setzt mit den Theorien der Theoretiker ein steter Prozess der Abstraktion ein. Er entfernt einerseits die theoretische Reflexion von der künstlerischen Praxis und insbesondere von ihrem jeweiligen Stand 3 4
Mäyrä: Game Studies, loc. 86. GamesCoop: Theorien des Computerspiels zur Einführung, S. 11. Dieselbe Feststellung wiederholte Benjamin Beil, ein Autor der GamesCoop, noch einmal ein Jahr später; vgl. Beil: Game Studies, S. 2.
5
Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 310.
6
Die Autoren der genannten drei ›kanonischen‹ Game-Design-Theorien (s. S. 193) lehren Game Design nicht an Kunst- oder Fachhochschulen, wie es in Deutschland allein möglich wäre, sondern an regulären Universitäten. Siehe dazu unten S. 230ff.
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und ihren tagesaktuellen Problemen. Darin liegen andererseits aber auch die Vorteile ›theoretischer Theorien‹ beschlossen, ihre besondere Leistungsfähigkeit. Denn die Lösung von den unmittelbaren Anforderungen künstlerischer Praxis erlaubt weiterreichende Einsichten. Die unmittelbare Gegenwart des jeweiligen Mediums lässt sich so mit seiner wie generell der Vergangenheit aller künstlerischen Produktion verbinden. Darüber hinaus erlaubt die Entfernung von der Praxis auch, die Grenzen des Mediums wie des Medialen überhaupt zu transzendieren – also das Wissen über einzelne Medien und Künste mit anderen Wissensbereichen zu verbinden, etwa von den anderen Medien und Künsten, von eigenen und anderen Kulturen, von Psychologie oder Pädagogik, von Gesellschaft, Wirtschaft oder Natur. Beides aber, die historische Verortung wie der Anschluss an andere Felder theoretischer Reflexion, ist für avancierte ästhetische Produktion, für ein künstlerisches Schaffen, das über die gewerbliche Wiederholung des Bekannten und leidlich Erfolgreichen hinausgehen will, spätestens seit dem Eintritt in postmoderne Verhältnisse unabdingbar. Gerade im Prozess der Digitalisierung, beim Übergang von überkommenen zu neuen Praxen, die allererst ›just in time‹ zu erfinden und erproben sind, kommen theoretischer Reflexion und historischem Wissen besondere Bedeutung zu. Erforderlich ist eine Vertrautheit mit den Erzähl-, Darstellungs- und Ausdrucksweisen, die sich in Literatur, Bildender Kunst, Theater, Film, Fernsehen, Video und vor allem in analogen und digitalen Spielen historisch ausgebildet haben. Denn erst eine gründliche Kenntnis der Verfahren und Strukturen tradierter visueller, auditiver und audiovisueller Narrationen erlaubt die eigene souveräne künstlerische Produktion im Bewusstsein von überkommenen Mustern und in der Absicht, sie unter den gewandelten Bedingungen und gesteigerten Möglichkeiten digitaler und zunehmend transmedialer Medienproduktion kreativ zu modifizieren. Insofern lassen sich ›Wert‹ wie ›Nutzwert‹ theoretischen Wissens für die kreative Praxis zureichend demonstrieren. Umgekehrt bedarf allerdings auch jede Theorie, die sich mit ästhetischen Artefakten und Prozessen auseinandersetzt, wesentlich der Information durch die künstlerische Praxis. In der Distanz der sozialwissenschaftlichen wie der geisteswissenschaftlichen Erforschung digitaler Spiele zur Game-Design-Theorie, so ist zu vermuten, liegt ein Grund dafür, dass viele der bisherigen Resultate nicht immer zu überzeugen vermögen. Darüber hinaus dürfte der Abstand zur ästhetischen Praxis auch den vielfach beklagten Mangel an Synthese zwischen den verschiedenen, aus anderen Disziplinen importierten theoretischen Ansätzen mitverantworten. »[R]elying too heavily on existing theories will make us forget what makes games games«, schrieb Jesper Juul vor über einem Jahrzehnt: »It is the unique
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parts that we need to study now.«7 Juul ging es dabei um eine Begründung der ludologischen Perspektive. Dennoch hat seine Insistenz auf einer Lösung von importierten Theorien bis heute Gültigkeit: Die Game Studies müssen, um digitale Spiele gültig begreifen und damit zur selbständigen Disziplin werden zu können, von Theorien zweiter Ordnung zu solchen dritter Ordnung fortschreiten – von exaptativen zu adaptativen Abstraktionen, Theorien der Theoretiker digitaler Spiele. Vorrangiges Ziel muss es dabei sein, einen disziplinären ›common ground‹ zu legen, das heißt eine verbindliche Begrifflichkeit, akzeptierte Methoden der Forschung und eine leidlich verbindliche Perspektive auf den eigenen Gegenstand zu entwickeln, um digitale Spiele sui generis beschreiben und begreifen zu können. Dafür ist das in der Game-Design-Theorie geborgene Wissen unerlässlich, denn genuine Theorien ästhetischer Artefakte – das demonstriert die Geschichte der Literatur-, Kunst- und Filmwissenschaften – lassen sich nur in der intensiven Auseinandersetzung mit den jeweiligen Medien und Werken selbst gewinnen.
A DAPTATIVE A NSÄTZE Während die gegenwärtige Situation – das tendenzielle Nebeneinander von Game-Design-Theorien erster Ordnung sowie sozialwissenschaftlich und geisteswissenschaftlich geprägten Theorien zweiter Ordnung – es nahelegt, von den Game Studies als einem sich konturierenden Forschungsfeld zu sprechen, sollte der Übergang zu Theorien dritter Ordnung es erlauben, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit digitalen Spielen als eigene Disziplin zu definieren und zu etablieren. Ein historisches Vorbild für die Ausbildung einer Disziplin im Gefolge der Durchsetzung eines neuen Mediums gibt, wie oben erwähnt, die Filmwissenschaft: Im Gefolge der ersten Theorien dritter Ordnung gelang seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Begründung einer verbindlichen Begrifflichkeit, akzeptierter Methoden der Forschung und einer leidlich verbindlichen Perspektive auf den eigenen Gegenstand. Eine vergleichbare Kohärenz durch die – zwangsläufig immer neu zu treffende – Bestimmung dessen,
7
Juul, Jesper: »Games Telling Stories? A Brief Note on Games and Narratives«, Game Studies 1 Juli (2001), http://www.gamestudies.org/0101/juul-gts/
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was innerhalb und was außerhalb der Disziplin liegt, muss auch die Game Studies in ihrer nächsten Phase auszeichnen.8 Die Orientierung an den Wissenschaften von den älteren – analogen – Medien sollte freilich ihre Grenzen an zweierlei Umständen finden. Zum einen geben die etablierten Disziplinen ein eher schlechtes Beispiel für die Verbindung und Vermittlung von wissenschaftlicher Forschung und Lehre mit künstlerischer Praxis. Die Begriffe und Denkweisen, die Perspektiven und das Herangehen sind nicht nur äußerst verschieden, sie verhalten sich zueinander bisweilen geradezu gegensätzlich und feindlich.9 Als junge, sich gerade erst ausbildende Wissenschaft haben die Game Studies die Chance, diesen Fehler zu vermeiden. Ausgehend von der Game-Design-Theorie können und sollten sie die wünschenswerte Integration künstlerischer Perspektiven von Anfang an als Teil der neuen Disziplin konzipieren und insofern in der Auseinandersetzung mit digitalen Spielen neben der »Logik ihres Produziertseins«10 auch stets die »Logik ihres Produziertwerdens« mit bedenken. Die zweite Chance, den alten Disziplinen nicht zu folgen, sondern stattdessen in Forschung und Lehre in andere Richtungen zu führen, ergibt sich aus dem Umstand, dass sich mit der Digitalisierung gänzlich neue Potenziale für wissenschaftliches Arbeiten erschließen. Frans Mäyrä hat bemerkt, dass »deep down, science and scholarship are much like games«11. Allerdings: »[R]ather than just playing a ready-made game, the work of a scholar is actually much more like that of a game designer, who must develop and implement a systematic structure for new ideas and then see how the creation is ›played with‹ by members of the academic community.«12
8
Die Bildung von Schulen, wie sie in den Game Studies noch weitgehend aussteht – vgl. Mäyrä: Game Studies, loc. 206 –, wäre solcher Kohärenz keineswegs abträglich.
9
Vgl. Freyermuth: »Angewandte Medienwissenschaften«.
10 Adorno, Theodor W.: »Valerys Abweichungen« (*1960), in: Adorno, Theodor W./ Tiedemann, Rolf (Hg.), Noten zur Literatur, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981, S. 158-202, hier S. 159. 11 Mäyrä: Game Studies, loc. 100. Vgl. ebenso Henry Jenkins: »Games follow something akin to the scientific process.« (Jenkins, Henry: Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st Century, The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation Reports on Digital Media and Learning, Cambridge, MA: The MIT Press 2009, S. 24, http://mitpress.mit.edu/sites/default/files/titles/free_down load/9780262513623_Confronting_the_Challenges.pdf) 12 Mäyrä: Game Studies, loc. 106.
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Jenseits des Einsatzes digitaler Spiele für den Wissenstransfer, den in der eigenen Lehre einzuführen die Game Studies geradezu die Verpflichtung haben, stellt sich die Aufgabe, die beobachtete Parallelität zwischen Game Design und wissenschaftlicher Forschung für die Game Studies nutzbar zu machen. James Paul Gee hat für das emergierende Gebiet des New Digital Media Learning (NDML) vorgeschlagen, das Entstehen sogenannter »worked examples« – also mustergültiger Forschungsarbeiten, um die herum sich Disziplinen zu gruppieren pflegen – spielerisch zu forcieren: »Rather than waiting for the natural process to take its course, we could create ›play exemplars‹ that we could use as tools for thought and debate.13 […] Thus, it would be like a game.14 […] Maybe this game would work to accelerate the growth of a new area, but it would be a fine enough outcome if it merely served to create collaboration and the emergence of common ground through interaction and debate, and not just through the fiats of funders and established disciplinary journals.«15
Gees Vorschlag, wissenschaftliche Forschung als eine Art Pervasive Game oder Alternate Reality Game zu simulieren und damit voranzutreiben, könnte den Game Studies den Weg weisen – und dies umso mehr, wenn sie sich nicht allein als wissenschaftliche, sondern über die Integration der Game-Design-Theorie als künstlerisch-wissenschaftliche Disziplin begreifen. Denn während sich seit dem 19. Jahrhundert gesicherte Prozeduren und Praktiken wissenschaftlicher Forschung durchsetzten, wurde künstlerische Forschung – wie sie in der frühen Neuzeit florierte – zunehmend marginalisiert. Der doppelte Grund dafür liegt im Nachhinein auf der Hand. Zum einen versagte sich künstlerische Forschung zwischen Renaissance und Aufklärung wesentlich ihrer Veröffentlichung und damit dem Kriterium der Nachprüfbarkeit. Ihr Raison d’Être war nicht diese Forschung selbst, sondern die ästhetische Produktion, die auf ihr basierte und die durchaus ›veröffentlicht‹ wurde. Zum zweiten und wesentlicher aber entsprach künstlerische Forschung ihrer Natur nach nicht den industriellen Standards, die sich mit der Industrialisierung der wissenschaftlichen und kommerziellen Forschung etablierten: detaillierte Vorplanung,
13 Gee, James Paul: New Digital Media and Learning as an Emerging Area and ›Worked Examples‹ as One way Forward, The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation Reports on Digital Media and Learning, Cambridge, Mass.: The MIT Press 2010, loc. 385. 14 Ebd., loc. 422. 15 Ebd., loc. 438.
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Taylorisierung in der Durchführung und zuverlässige Standardisierung in der Vermittlung. Kennzeichen künstlerischer Forschung waren und sind dagegen unkonventionelle und eigensinnige Versuchsanordnungen, die den Zufall zulassen, Experimente also mit offenem Ausgang, kreatives Stochern im Unbekannten. Zu guter Letzt verlangt sie nach einer Präsentation der Resultate, die nicht nur wissenschaftlich-funktionalen, sondern auch künstlerisch-ästhetischen Kriterien genüge tut – die sinnliches Vergnügen bereitet. Zahlreiche Parallelen zum Spielen liegen auf der Hand. Tracy Fullerton hat sie aus der Sicht der Game-Design-Theorie herausgearbeitet: »Play as a process of experimentation – pushing boundaries and trying new things – is an area of common ground for artists and scientists, as well as children. […] Play is recognized as a way of achieving innovation and creativity because it helps us see things differently or achieve unexpected results.«16
Aus heutiger Sicht verlangt daher künstlerisch-wissenschaftliche Forschung generell geradezu nach ›Gamification‹, ob nun im Sinne von Gees Vorschlag oder in anderen Varianten. Wer aber wenn nicht die Game Studies wäre dazu berufen, die Probe aufs Exempel zu machen und die Integration wissenschaftlicher und künstlerischer, theoretischer und praktischer Methoden und Verfahren, Perspektiven und Ziele zu realisieren? Die sozial- und geisteswissenschaftlich geprägten Game Studies sollten daher aktiv daran arbeiten, ihre Distanz zur Praxis des Game Designs und deren Theorien zu überwinden, indem sie in Lehre und Forschung stets die Perspektive künstlerischer Produktion mitbedenken und insbesondere die Einsichten der Game-Design-Theorie auch für die Forschung nutzbar machen. Insofern ist noch immer aktuell, was Egenfeldt-Nielsen et al. vor einigen Jahren feststellten: »At present, video game studies may have more questions than answers, more doubts than certainties. The rules are still being formed; the orthodoxies have not yet been established. And for the curious researcher, there are many worlds in need of exploration. Of course, this is part of why the field is so thrilling. In other words, the discipline welcomes you; there is much to be done.«17
16 Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 2887 17 Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 311.
4 Forschungsperspektiven 1: Digitale Spiele
Für die Entwicklung von Theorien dritter Ordnung wie für die Konstitution der Game Studies als institutionelle Disziplin scheinen fünf Forschungsfelder von besonderer Bedeutung, in denen sich die künstlerisch-technische Praxis der Entwicklung digitaler Spiele mit medienhistorischer und medienästhetischer Reflexion verbindet. Sie skizziere ich in diesem Kapitel. Dabei folge ich der von Jesse Schell beschriebenen Tetrade des Game Designs1 und komme dann fünftens zum übergreifenden Problem der Positionierung von Games im Kontext des sich ausbildenden digitalen Mediendispositivs.
M ECHANICS Die Mechanics eines digitalen Spiels markieren inhärente Grenzen: das, was in ihm handlungs- und auch erzähltechnisch möglich ist. Aus medientechnologischer Sicht tun sich Parallelen zu Betriebssystemen auf, aus medienästhetischer Sicht zu den Genrekonventionen anderer Medien. Ein erstes vielversprechendes Forschungsfeld der Game Studies stellt daher das Verhältnis der Mechanics, wie sie häufig in Engines kodiert sind, zu Game-Genres dar. Die in den populären Medien kursierenden Genre-Abgrenzungen sind widersprüchlich und offenbaren darin ihre Arbitrarität. Auch die Game Studies sind bislang zu keiner überzeugenden Definition von Genres gelangt.2
1
Zu Jesse Schells Tetrade vgl. o. S. 172.
2
Eine Übersicht der zahlreichen bereits um das Jahr 2000 konkurrierenden und zugleich wenig schlüssigen Genre-Bestimmungen gibt Pias, Claus: Computer-Spiel-Welten, München: Sequenzia 2002, Zugl. Weimar, Bauhausuniv., Diss., 2000, S. 4, Anm. 4. An der Situation hat sich wenig geändert. – In ihrer Einführung in die Game Studies schlagen Egenfeldt-Nielsen et al. etwa eine Genre-Einteilung nach den Qualitäten der
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Aus der Auseinandersetzung mit Literatur- und Filmgenres wissen wir aber, dass ein entscheidendes Maß künstlerischer Qualität die Freiheit und Originalität sind, mit der Genre-Konventionen und die Erwartungen, die sich seitens der Leser oder Zuschauer auf sie richten, selektiert, kombiniert, modifiziert, adaptiert oder eben exaptatiert, zerschlagen und neu zusammengesetzt, parodiert, destruiert werden. Anders als in Literatur oder Film, deren Genres primär ästhetische Konstrukte sind, basieren Games-Genres allerdings wesentlich auf kodierten Mechanics. Beider Interdependenz ist für digitale Spiele medienspezifisch. Marshall McLuhan konkretisierte einst seine Behauptung, dass jedes Medium seine eigene Botschaft vermittle, mit der Bemerkung, Medien unterschieden sich primär durch »scale or pace or pattern«.3 Die Mechanics eines Spiels bergen genau diese Qualitäten – sie vermitteln seine ›Botschaft‹, wie Brenda Romero schreibt: »Why is it important to make games with meaning in their mechanics? Why is the mechanic the message? For me, pure mechanic is pure player. There is nothing else – no story, no cut scene, no text, no outside influence – to accept responsibility for what has happened. The player followed the rules, and the result and resultant meaning is theirs alone.«4
Eine Genre-Theorie der Game Studies hat Mechanics daher nicht nur als eine zentrale Kategorie für das Verständnis sowohl der Produktion wie der Rezeption von digitalen Spielen zu verstehen, sondern darüber hinaus auch ihre spezifische Überdeterminiertheit im Spannungsfeld zwischen Medienästhetik und Medientechnik zu reflektieren.
geforderten Spieler-Interaktionen vor und kommen so zu der Vierteilung in Action Games (motorische Fähigkeiten, Hand-Augen-Kombination), Adventure Games (logisches Nachdenken, Geduld), Strategy Games (Kalkulieren einer Vielzahl von Variablen wie des Verhaltens anderer Spieler, im Falle von continuous-time strategy games kombiniert mit Reaktionsschnelligkeit) sowie Process-Oriented Games (Verständnis von Systemen und deren Manipulation). Siehe Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 1229ff. – Vgl. auch Rauscher, Andreas: »Filmische Spielräume. Genre-Settings in Videospielen«, in: Benjamin Beil, et al. (Hg.), Computer | Spiel | Bilder, Glückstadt: vwh Verlag Werner Hülsbusch 2014, S. 179-197, hier S. 179f. 3
»For the ›message‹ of any medium or technology is the change of scale or pace or
4
Zitiert nach Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc 2548.
pattern that it introduces into human affairs.« (McLuhan: Understanding Media, S. 8.)
4 F ORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 1: D IGITALE S PIELE | 223
S TORY Henry Jenkins hat darauf hingewiesen, dass der Streit um das Erzählen in Spielen wesentlich auf einem Mangel an Differenzierung des medienübergreifenden Begriffs der Narration beruht.5 Denn Erzählen vollzieht sich bereits in den analog-linearen Medien radikal unterschiedlich, etwa in Literatur, Theater, Film, und wiederum auch in jeder der medienspezifischen Gattungen, etwa in Roman oder Kurzgeschichte, Mehr- oder Einakter, Lang- oder Kurzfilm. Mit der Erweiterung des Erzählens von analoger Linearität zu digitaler Non- oder Nicht-soLinearität stellen sich erneut andere narrative Qualitäten her. Um sie zu begreifen, verweist Jenkins auf den für spielerisches Erzählen zentralen Aspekt der Räumlichkeit: Nicht Geschichten entwerfen Game Designer, sondern Welten mit alternativen Handlungsmöglichkeiten.6 Forschung zu einer notwendigen Theorie interaktiv-nonlinearen Erzählens hat daher auf die spezifischen Möglichkeiten zu fokussieren, in multilinearen Narrationen Zeit und Raum zu manipulieren, das heißt einerseits auf die besonderen Strukturen räumlicher Narration – wie sie schon analog in Themenpark-Installationen und den Erlebnisräumen der Unterhaltungsarchitektur erprobt wurden –,7 andererseits auf die strukturellen Qualitäten alternativ organisierter Erzähl- und Interaktionsstränge.8
A ESTHETICS Seit der Frühzeit industrieller Medialität wird das Verhältnis (audio-)visueller Darstellungen zur Realität diskutiert. Im Kontext des imitativen malerischen Realismus, wie er mit der Perspektivtechnik aufkam, meint Authentizität die Echtheit der Herkunft, also Autorenschaft. Im technisch reproduzierenden Foto-
5
Jenkins: »Game Design as Narrative Architecture«.
6
Ebd., S. 121.
7
Vgl. z.B. Freyermuth, Gundolf S.: »Holodeck heute«, c’t – magazin für computertechnik, 30. August 1999, 72-77 http://freyermuth.com/reprints/archiv2008/reprintJMar20 08/Holodeck_heute.html; Freyermuth, Gundolf S.: »Vegas, Virtuelle Stadt«, Telepolis, 9. März 2000, http://freyermuth.com/reprints/Archiv2011/reprint_Sep_Dez_20 11.html/vegas.html
8
Vgl. auch: »What does it mean, for instance, when a person’s self-expression moves away from linear representations, such as books and films, and they find more meaning in interactive, non-linear systems where outcomes depend on player choices?« Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 327.
224 | III G AME S TUDIES
realismus, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, bezieht sich Authentizität dagegen jenseits von Autorenschaft auf die Echtheit der Bildinhalte. Mit digitalen Spielen rekonfiguriert sich die Problemkonstellation nun erneut. Verantwortlich dafür ist zweierlei: zum einen, dass Spiele zunehmend ›fotorealistischer‹ werden, zum zweiten, dass sie in immer engere Beziehung zur ›Realität‹ treten. Das erste Moment verdanken sie ihren besonderen audiovisuellen Qualitäten. Ein zentrales Element des emergierenden digitalen Mediendispositivs ist eine hyperrealistische – also non-indexikalische – Bildproduktion, von deren drei Varianten Hybridisierung, Animation und Echtzeit-Generierung letztere das besondere Potenzial digitaler Spiele zu Simulation und 3D-Weltenbau ausmacht.9 Gegenwärtig steigern sich unablässig die zur Verfügung stehenden Mittel und damit die Gestaltungs- und Ausdrucksmöglichkeiten. Ihnen in der künstlerischen Arbeit auf angemessene und kreative Weise Rechnung zu tragen, stellte eine besondere ästhetische Herausforderung dar, die nach experimenteller Erprobung und interdisziplinärer Forschung verlangt – und dies umso mehr, als eine Vielzahl interdisziplinärer Schnittstellen zu anderen Bereichen der künstlerischen Produktion (insbesondere zum Film) sowie zu vielfältigen Visualisierungsanstrengungen in Wissenschaft und Wirtschaft bestehen. Digitale Spiele können aber nicht nur seit einigen Jahren in Echtzeit fotorealistisch anmutende Welten und Lebewesen produzieren, denen kein Äquivalent in der Realität korreliert. Sie dringen auch immer tiefer in die Alltagswirklichkeit ein. Während analoge und auch digitale Spiele traditionell jenseits des Alltags zu existieren schienen – in Huizingas »magischem Kreis«10 –, schicken sie sich mit ihrer digitalen Vernetzung und Mobilisierung an, die Realität selbst zum magischen Kreis zu machen. Insbesondere mit mobilen Games, Alternate Reality Games und Augmented Reality Games tritt an die Stelle der einst strikten Trennung von Spiel und Wirklichkeit, wie Edward Castronova schreibt, eine »membrane [that] is actually quite porous«.11 Eine Theorie der Authentizität digitaler Spiele, wie sie die Game Studies zu entwickeln haben, muss daher den Fokus auf diesen doppelten ›Realismuseffekt‹ richten: einerseits die Durchsetzung eines simulativen Hyperrealismus in den Spielen, andererseits die Überlagerung und 9
Vgl. oben S. 89 sowie Freyermuth: »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit«, S. 294. – Parallel zu dieser steten Qualitätssteigerung kommt es in der Spieleproduktion seit einem guten Jahrzehnt freilich auch zu einer Vielzahl von Experimenten mit gerade nicht-realistischer Bildlichkeit, etwa in den Traditionen der Avantgarden des 19. und 20. Jahrhunderts (Impressionismus, Kubismus, Futurismus, Surrealismus, abstrake Kunst) oder der populären Kultur (Comics). Vgl. dazu auch oben S. 95, Fußnote 27.
10 Vgl. Huizinga: Homo Ludens. 11 Castronova: Synthetic Worlds: The Business and Culture of Online Games, S. 147.
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Augmentierung der Realität durch digitale Spiele, ihre Mechaniken, ihre Narrationen, ihre Ästhetik und ihre technologischen Interfaces.
T ECHNOLOGY Innerhalb Schells Tetrade meint Technology »any materials and interactions that make your game possible« – von den Figuren oder Würfeln analoger Brettspiele bis zur High-Technology digitaler Spiele.12 Für ihr Design wie für ihre Nutzung waren stets schon die technischen Interfaces zentral, da sich über sie die spielerischen Interaktionen vermitteln.13 Chris Crawford hat digitale Interaktivität – die Kommunikation zwischen Spieler und Spiel – einmal mit einem Dauergespräch verglichen, das in distinkten zyklischen Schritten verlaufe, nachvollziehbar am Beispiel einer Konversation zwischen Fred und Joe: »Step One: Fred listens to what Joe has to say. […] Step Two: Fred thinks about what Joe said. […] Step Three: Fred expresses his response back to Joe. […] Now the tables are turned; the ball is in Joe’s court. Joe must listen to what Fred says; Joe must think about it and develop a reaction; then he must express his reaction back to Fred.This process goes back and forth until the participants terminate it.«14
Bis in die Gegenwart war Zuhören und Antworten auf Seiten des Spiels rein metaphorisch zu verstehen. Gegenwärtig vollzieht sich jedoch eine erneute Interface-Wende – dem überkommenen Graphical User Interface (GUI) treten sogenannte Natural User Interfaces (NUIs) zur Seite. Mit dieser Implementierung einfacherer, weil im weitesten Sinne ›natürlicher‹ Interaktionsweisen – durch Gesten- und Berührungssteuerung, aber eben auch durch Sprachsteuerung – er-
12 Schell: The Art of Game Design, loc. 123. 13 Vgl. z.B. Ian Bogosts Geschichte der Exergames-Interfaces in: Bogost, Ian: »Exergames: Rhetoriken und soziale Rituale«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.), Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bielefeld: Transcript 2013, S. 233-264. 14 Die Grundidee präsentierte Chris Crawford zuerst 1989 bei der von ihm begründeten Games Developers Conference; siehe den Videomitschnitt unter: http://www.erasma tazz.com/personal/videos/fundamentals-of-interactivi.html. Die hier zitierte Druckfassung erschien vier Jahre später: Crawford, Chris: »Fundamentals of Interactivity«, The Journal of Computer Game Design 7 (1993/94), http://www.erasmatazz.com/library/ the-journal-of-computer/jcgd-volume-7/fundamentals-of-interactivi.html
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öffnet sich ein neuer, noch immersiverer Umgang mit digitalen Spielen.15 Eine Theorie der Interaktion in und mit digitalen Spielen als ein zentrales Desiderat der Game Studies muss die Beziehung zwischen Interface und Agency in ihrer je historischen Bedingtheit von gleichermaßen medienästhetischen Interessen und medientechnologischen Vorgaben erkennen.
T RANSMEDIA Im Übergang von der industriellen zur digitalen Kultur schwinden die zuvor technisch gesetzten Grenzen zwischen den Medien.16 Was analog schon durch die Inkompatibilität der Speicher- und Distributionsmedien getrennt war – Film, Fernsehen, Rundfunk sowie Print mit seinen medialen Varianten Buch, Zeitung, Magazin – verschmilzt digital in Produktion, Distribution und Rezeption, sowohl untereinander als auch mit neuen digitalen Ausdrucks- und Darstellungsformen, die – wie vor allem Games – in sich selbst bereits genuin transmedial strukturiert sind.17 Dabei entstehen sowohl innerhalb einzelner Werke wie auch zwischen ihnen transmediale fiktionale ›Welten‹.18 Insofern lassen sich grundsätzlich, aber auch im Hinblick auf digitale Spiele zwei Arten von Transmedialität unterscheiden: •
intensive Transmedialität, die Herstellung eines fiktionalen oder non-fiktionalen Containers, der mehrere Medien enthält, also in seinem Inneren die tradierten Mediengrenzen transzendiert – etwa in digitalen Spielen der GTASerie (seit 1997) oder WORLD OF WARCRAFT (seit 2004); und
15 Zur Immersion im digitalen Transmedium vgl. Freyermuth: »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit«, S. 319ff. – Rolf F. Nohr begreift Immersion gar »als Effekt des Dispositivs Computerspiel [...] – ein Effekt, der weniger auf das Narrative oder Repräsentationale des Spiels abzielt, sondern eher das Selbst-Management am Arbeitsgerät Computer im und durch das Spiel betont«. (Nohr, Rolf. F.: »›Rhythmusarbeit‹: Revisited«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.), Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, Bielefeld: transcript 2013, S. 351-386, hier S. 353.) 16 Vgl. zum Folgenden Freyermuth: »Der Big Bang digitaler Bildlichkeit«, S. 312ff. 17 Vgl. dazu: »[G]ames are therefore transmedial in the same way that storytelling is transmedial.« Juul: Half-Real, loc. 99. 18 Vgl. oben zum Weltenbau S. 176.
4 F ORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 1: D IGITALE S PIELE | 227
•
extensive Transmedialität, das variantenreiche Darstellen ein und desselben Stoffes über eine Vielzahl von Medien hinweg – etwa in den Science-Fiction-Franchises von STAR TREK (seit 1965/66) und STAR WARS (seit 1977).
Digitale Spiele operieren nun in sich selbst transmedial, indem sie sowohl eine Vielzahl von Medien zu ihrer eigenen Gestaltung einsetzen – auffällig ist im Vergleich zum Spielfilm insbesondere die Rolle der Schrift – als auch komplette Werke anderer Medien in sich bergen können, von Gemälden über Radiosendungen bis zu Spielfilmen.19 Darüber hinaus sind digitale Spiele aber auch vielfältig – künstlerisch, ökonomisch – in extensive transmediale Kontexte eingebunden.20 Insofern ist es für die Game Studies zentral, einerseits einen theoretischen Begriff von digitalen Spielen als ›transmediale Gesamtkunstwerke‹ zu gewinnen und andererseits ihre Position innerhalb des sich ausbildenden digitalen Mediendispositiv zwischen den Polen intensiver und extensiver Transmedialität zu bestimmen. In der Summe scheinen somit für genuine Game-Studies-Theorie fünf Themenfelder von besonderem Rang: • • • • •
die Interdependenz zwischen Genre und Mechaniken; die Frage der narrativen Manipulation von Zeit und Raum; das Problem audiovisueller Authentizität; die Beziehung zwischen Interface und Agency; die Position digitaler Spiele im digitalen Mediendispositiv.
19 Vgl. Schell: The Art of Game Design, loc. 1326-29. 20 Einen wesentlichen Aspekt bildet das ›Weiterspielen‹ in Foren, Wikis, Videoportalen etc., das sowohl Gemeinschaften stiftet wie Paratexte generiert. Eine Beispieluntersuchung solchen ›Weiterspielens‹ mit Fokus auf Lerneffekte im Internet liefert Czauderna, André: Lernen als soziale Praxis im Internet: Objektiv hermeneutische Rekonstruktionen aus einem Forum zum Videospiel Pokémon, Wiesbaden: Springer 2014, http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-04661-3
5 Forschungsperspektiven 2: Serious Games
Seit ihren Anfängen kreist die Auseinandersetzung mit digitalen Spielen um Versuche zu definieren, was ein Spiel sei.1 Auch Spiele, die nicht – nur – unterhalten, sondern dabei oder darüber hinaus auch Wissen oder Fähigkeiten vermitteln wollen, blieben von diesen Anstrengungen nicht ausgenommen. Allerdings ging es in ihrem Fall nicht nur darum, den Begriff Serious Games selbst zu bestimmen. Vielmehr wurden ihm wiederholt andere entgegengestellt, etwa ›persuasive games‹2, ›applied games‹3 oder ›games for change‹4. So wichtig und folgenreich solche Versuche der Definition oder Umdefinition unter kultur- wie wissenschaftspolitischen Gesichtspunkten sind5, aus der Perspektive ästhetischer Theorie, das wurde oben dargelegt, scheinen sie in ihrer utilitaristischen Suche nach ahistorischer Normativität vormodernen Poetiken verpflichtet und insofern gleichermaßen rückständig wie vergeblich.6 Fruchtbarer für die Erforschung des Wissenstransfers in digitalen Spielen scheint mir zweierlei: •
zum einen die Spezifizierung der im vorigen Kapitel beschriebenen Forschungsfelder Mechanics, Story, Aesthetics, Technology, Transmedia im Hinblick auf Serious Games;
1
Vgl. oben S. 31ff.
2
Bogost: Persuasive Games.
3
Breitlauch, Linda: »Spielfreude als erfolgreiche Lern- und Therapiemethode«, in: Inderst, Rudolf Thomas/Just, Peter (Hg.), Build’ em Up – Shoot ‘em Down: Körperlichkeit in digitalen Spielen, Glückstadt: Hülsbusch 2013, S. 179-191.
4
Vgl. http://www.gamesforchange.org sowie http://www.g4ceurope.eu
5
Vgl. z.B. Egenfeldt-Nielsen et al.: Understanding Video Games, loc. 738.
6
Vgl. dazu oben 39ff.
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•
zum zweiten eine Verortung der Serious Games sowohl in der Geschichte digitaler Spiele wie in der Kultur- und Mediengeschichte.
M ECHANICS , S TORY , A ESTHETICS , T ECHNOLOGY , T RANSMEDIA Erstens: Mechanics. Im Rahmen einer Genre-Theorie der Game Studies, die der Interdependenz von Genre-Ästhetik und Mechanics nachgeht, ergibt sich mit Blick auf Serious Games – jenseits der Überlegung, welche Genres sie ausbilden oder ob es sich bei ihnen selbst um ein Genre handelt7 – vor allem die Forschungsfrage, welche Mechaniken und Genres sich für die ›message‹ des geplanten Spiels besonders eignen beziehungsweise umgekehrt, inwieweit die ›message‹ der jeweiligen Mechanics, die ja nicht selten Unterhaltungsspielen entstammen, die Ausdrucksmöglichkeiten limitieren, vielleicht präfigurieren, vielleicht konterkarieren. Zweitens: Story. Einer Erzähl-Theorie der Game Studies, in deren Fokus die Doppelstruktur aus Räumlichkeit und Gleichzeitigkeit alternativer Handlungsund Erzählstränge steht, stellt sich für Serious Games die wichtige Forschungsfrage, welches spezifische Wissen bzw. welche spezifischen Wissensformen räumlich-alternativ strukturiertes Erzählen besonders gut oder überhaupt aufzubereiten und zu vermitteln vermag – gerade auch im Vergleich zur traditionellen linearer textuellen oder audiovisuellen Gestaltung konstruktiver Lernprozesse. Drittens: Aesthetics. Serious Games, die ja anders als das Gros der Unterhaltungsspiele in einer simulativen oder auch repräsentierenden Beziehung zur Realität stehen und reales Verhalten beeinflussen wollen, bilden den Kernbereich einer Theorie der Authentizität digitaler Spiele. Im Hinblick auf deren doppelten ›Realismuseffekt‹ ist – auch im Vergleich zu verwandten didaktischen oder dokumentarischen Ausdrucksformen in Literatur, Theater und Film – zu klären, was an und in ihnen noch Fakt und Fiktion ist, was Dokument und was Kon-
7
Ian Bogost schlägt etwa für Exergames diverse »Rhetoriken« vor (des Laufens, der Agilität, des Reflexes, des Trainings, des Ansporns); vgl. Bogost: »Exergames: Rhetoriken und soziale Rituale«, S. 233ff. – Tobias Kopka hingegen identifiziert Exergames als ein Meta-Genre, das sich prinzipiell der Konventionen aller Spielgenres bedienen kann, vgl. Kopka, Tobias: »Interface Control Meaning: Eine typologische Gegenstandssichtung des Phänomens Exergames«, in: Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa/Wallenfels, Fabian (Hg.): Serious Games, Exergames, Exerlearning: Zur Transmedialisierung und Gamification des Wissenstransfers, S. 265-288, hier S. 265ff.
5 F ORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 2: S ERIOUS G AMES | 231
struktion. Denn grundsätzlich bergen sie, wie Lisa Gotto schreibt, den historischen Stand des Verhältnisses von audiovisueller Medialität und Realität in ihrem Inneren: »Serious Games sind auch deshalb ernste Spiele, weil sie zwischen Medien und Realität nicht kategorial unterscheiden. Sie produzieren und transferieren Wissen jenseits einer feststehenden Ordnung oder unveränderlichen Vorgabe. Genau darin besteht ihr medienpraktisches und medientheoretisches Potenzial: Keimzelle einer neuen Dynamik der Wissensgenerierung zu sein.« 8
Die genauen Mechanismen freilich sowohl der Wissensvermittlung wie Wissensproduktion im Kontext von Serious Games und ihrer doppelt vermittelten Beziehung zur Realität sind allererst noch zu erforschen. Verschiedene Ansätze existieren. Benjamin Beil etwa untersucht die »tiefgehende ›Verschachtelung‹ aus Unterhaltungsspiel und Serious Game«,9 und Dominik Wessely geht in einer Fallstudie den »unterschiedlichen Strategien der Wissensvermittlung bei Developern von (Serious) Games wie bei Dokumentarfilmern nach, um zu befinden: »Einem vergleichbaren Legitimationsdruck wie die der (historischen) Wahrheit verpflichteten Dokumentarfilmer waren und sind Game-Designer und Developer in ihren Produktionen bislang nicht ausgesetzt«.10 Viertens: Technology. Insofern Wissensvermittlung und Lernen von der Reduzierung der »extrinsic load«11 abhängen, leistet das Design der über Interfaces vermittelten Interaktionsmöglichkeiten einen wesentlichen Beitrag zum Lernerfolg. Eine Theorie der Interaktion im Spannungsfeld zwischen Medienästhetik und Medientechnologie muss darauf gerichtet sein, die ästhetischen wie praktischen Konsequenzen der in jeder Simulation notwendigen Reduzierung dessen, was Benjamin Beil »Handlungsrealismus«12 nennt, für den Wissenstransfer beziehungsweise den Transfer des Erfahrenen, Erlernten oder Geübten in die Realität zu bestimmen.
8
Gotto, Lisa: »Einleitung zum Kapitel ›Serious Games‹«, in: ebd., S. 139-143, hier S. 143.
9
Beil, Benjamin: »Zwischen Planspiel und Trainingssimulator. Oder: Was man von Computerspielen (nicht) über den Krieg lernen kann«, in: ebd., S. 91-121, hier S. 93.
10 Wessely, Dominik: »Fallstudie 1: New Horizon – Das Spiel mit der Geschichte. Historische Narration im Dokumentarfilm und Game«, in: ebd., S. 123-136, hier S. 128. 11 Zorn, Isabel: »Lernen mit digitalen Medien. Zur Gestaltung der Lernszenarien«, in: ebd., S. 49-74, hier S. 60. 12 Vgl. Beil: »Zwischen Planspiel und Trainingssimulator«, S. 104.
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Fünftens: Transmedialität. Serious Games sind direkter als Unterhaltungsspiele in soziale und kulturelle Prozesse eingebunden – des Lernens und Trainierens, aber auch des Konsumverhaltens oder der politischen Meinungsbildung. Ihr Design wie ihre Erforschung erfordern die Reflexion der Strukturen extensiver Transmedialität sowie die Integration von medienpraktischen und medientheoretischen Kenntnissen. In diesem Bereich könnten die Game Studies daher mehr noch als in anderen ein Beispiel setzen für die Überwindung der Schismen zwischen Game Design, sozial- und geisteswissenschaftlichen Expertisen mit dem Ziel einer Verschmelzung künstlerisch-praktischer und wissenschaftlich-theoretischer Arbeit.
G AMIFIKATION Ein Schlüsselbegriff in diesem Spannungsfeld von Game Design und Game Studies, digitalen Spielen, Serious Games und Wissenstransfer ist seit einem Jahrzehnt die so genannte Gamification, die Spielefizierung oder Gamifikation. Der Begriff ist freilich doppelt problematisch. Zum einen belasten ihn das hohe Maß von ›Hype‹ und die übertriebenen Ansprüche und Erwartungen, die Proponenten der Gamification wie etwa Jesse Schell13 oder Gabe Zichermann und Christopher Cunningham geweckt haben.14 Und zum zweiten und wesentlicher noch leidet er unter einem verengenden Gebrauch, der unter Gamification lediglich die gezielte Applikation von Elementen digitaler Spiele – etwa von Feedback-Mechanismen, Wettbewerbs- und Belohnungssystemen – in Bereichen wie Marketing oder Ausbildung meint, die zuvor keine Spiele-Affinität aufwiesen. Älter und nachhaltiger jedoch als die professionalisierte ›Zweckentfremdung‹ von Spielelementen ist der historische Prozess ungesteuerter und weitgehend unintentionaler Ersetzung industrieller Verfahren und Werte durch ›spielerische‹ und ganz konkret durch Spiele. Nicht zufällig begann dieser Wandel im Kontext von Lernen und Lehren: als MIT-Studenten 1962 SPACEWAR! realisierten, das erste und für lange Zeit einzige Spiel, das in Computern gespielt wurde.15 Pointiert formuliert: Wo zuvor industrielle Rationalität und Drill herrschten, begann der Einzug des Spielerischen in Gestalt von Spielen – und das keineswegs auf den Einsatz digitaler Medien beschränkt. Allein die Veränderungen,
13 Vgl. Jesse Schells populäre Rede bei dem Dice-2010-Kongress: http://www.gamifica tion.org/wiki/Jesse_Schell_DICE 14 Zichermann/Cunningham: Gamification by Design. 15 Vgl. oben S. 68.
5 F ORSCHUNGSPERSPEKTIVEN 2: S ERIOUS G AMES | 233
die im vergangenen halben Jahrhundert wenn nicht die Ausbildung, so doch zumindest deren Ideale in den fortgeschrittenen westlichen Ländern betrafen, bezeugen diesen Prozess einer steten Spielefizierung durch den Einsatz von Spielen. Mit ihm verändert sich sowohl die Produktion von Wissen wie auch vor allem seine zivilisatorische Kommunikation und Tradierung, der Transfer zwischen Individuen und Generationen. Insofern scheint es sinnvoll, zwischen Gamification erster und zweiter Ordnung zu unterscheiden: •
•
einer invasiven Gamification, die seit den 1960er Jahren von einer weitgehend ›naturwüchsigen‹ Popularisierung analoger wie digitaler Spiele und ihrem Eindringen in Lebensbereiche getrieben wird, die zuvor anderen Medien und Verhaltensweisen vorbehalten waren; und einer pervasiven Gamification, die seit einem knappen Jahrzehnt gezielt und zunehmender professionalisiert versucht, Elemente digitaler Spiele für gänzlich spielfremde (Arbeits-)Bereiche und Zwecke zu exaptatieren.
O PPOSITION
ZUM I NDUSTRIALISMUS
Als zentraler Forschungsschwerpunkt der Game Studies empfehlen sich Serious Games in ihren verschiedenen Varianten aber auch deshalb, weil ihr Aufkommen während des vergangenen Jahrzehnts einen nachhaltigen Wandel in der Geschichte digitaler Spiele wie in der Kulturgeschichte der Digitalisierung insgesamt markiert. Denn seit der Frühzeit technischer wie kultureller Digitalisierung schien sich mit ihrem Grundprinzip der Virtualisierung, das heißt der Ersetzung von Hard- durch Software, einerseits ein schleichender Verlust an ›Realem‹ zu verbinden – The Murder of the Real16 –, andererseits eine nicht minder nachhaltige Aufgabe von Körperlichkeit, verhandelt im sogenannten »disembodiment discourse«.17 Für beide, primär negativ empfundenen Tendenzen standen in besonderem Maße digitale Spiele am Pranger. Sie beförderten vor allem bei Kin-
16 Baudrillard, Jean: »The Murder of the Real«, in: Baudrillard, Jean/Witwer, Julia (Hg.), The Vital Illusion, New York: Columbia University Press 2000, S. 59-83. Vgl. ebenso die dromologische Begründung des Verschwindens von Realität: Virilio, Paul/ Beitchman, Philip: The Aesthetics of Disappearance, New York N.Y.: Semiotext(e) 1991. 17 Vgl. z.B. Hayles, N. Katherine: How We Became Posthuman: Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics, Chicago Ill.: University of Chicago Press 1999.
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dern und Jugendlichen – so der Vorwurf, erhoben häufig im Vergleich zum ›natürlichen‹ Spielen im Freien – den Rückzug aus Natur und Öffentlichkeit in Privatheit und Phantasiewelten und behinderten zudem durch ihren sedentären Charakter die Ausbildung altersgemäßer körperlicher Kompetenzen bis hin zur Auslösung von Fettleibigkeit.18 Serious Games und vor allem ihre Subgenres Exergames und Exerlearning Games zielen nun gerade auf das Gegenteil. Damit scheinen sie diese beiden Gewissheiten der Digitalisierung, die Realitätsferne des Virtuellen und den Prozess der Entkörperlichung im Umgang mit der Welt der Daten, gewissermaßen vom Kopf auf die Füße zu stellen. In ihren unterschiedlichen Varianten wollen Serious Games der Realität nicht entkommen, sondern sie über die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen positiv verändern – von Spielen, die schulisches Wissen vermitteln, bis zu Spielen, die politische Aufklärung betreiben oder bestrebt sind, die ästhetische Wahrnehmung zu verändern. Was beim mehr oder minder realitätsfernen Spielen, wie es traditionell unter dem Generalverdacht des Eskapismus steht, erlebt, eingeübt und gelernt wird, soll aus dem ›magischen Kreis‹ der Spiele in die Realität transferiert werden. Ebenso schicken sich Exergames und Exerlearning Games an, digitales Spielen von etwas, das Bewegungsabläufe virtualisiert und im Sitzen mit ein paar Fingern gesteuert wird, über NUIs zu einer Angelegenheit des ganzen Körpers zu machen. Dieser Prozess wird gelegentlich kritisch in sozialhistorischen beziehungsweise ideologischen Kontexten positioniert. Ian Bogost zum Beispiel demonstriert, dass Exergames »die Unvereinbarkeit von Arbeit und körperlicher Bewegung oder Freizeit [enthüllen] wie auch die Dominanz der ideologischen Strukturen, die uns drängen, mehr zu arbeiten und uns weniger zu bewegen«.19 Tobias Kopka verweist auf die Quantified-Self-Bewegung und auf die Rolle von Exergames »bei der täglichen spielerischen Selbststeuerung, Selbstoptimierung und Selbstdisziplinierung«.20 Rolf F. Nohr schließlich erkennt das Moment der Verkörperlichung digitaler Spiele als Fortsetzung einer in der Frühzeit der Industria-
18 Die wissenschaftliche wie die öffentliche Diskussion ist zu vielfältig und widersprüchlich, um sie hier nachzuvollziehen. Einen populären und leidlich aktuellen Überblick über die Obesity-Diskussion gibt z.B. Sanghavi, Darshak: »Are TV and Video Games Making Kids Fat? The Effects of ›Screen Time‹ on Childhood Obesity«, Slate, 13. April 2012, http://www.slate.com/articles/health_and_science/medical_ examiner/2012/04/are_video_games_making_kids_fat_screen_time_and_childhood_ obesity_.html 19 Bogost: »Exergames: Rhetoriken und soziale Rituale«, S. 258. 20 Kopka, Tobias: »Interface Control Meaning«, in: ebd., S. 265-288, hier S. 268.
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lisierung einsetzenden »Akkommodation, Assimilation oder Immersion der Technik als Arbeitsgerät an den Körper und die Wahrnehmung des Subjekts«.21 Diesen Analysen ist, denke ich, eine nur scheinbar gegenteilige Beobachtung ergänzend beizustellen: dass mit Games und gerade auch der Konzeption von utopisch-kritischen Spielen, die helfen wollten, die Welt zu verbessern, vor einem halben Jahrhundert der Übergang von der industriellen in die postindustrielle beziehungsweise digitale Kultur begann. Das allmähliche Aufbrechen der Fixierung auf industrielle Arbeit und ihre Ethik zeigt sich in der Kultur der sechziger Jahre vielfach als Popularisierung des Spielerischen, von Eric Bernes Bestseller Games People Play: The Psychology of Human Relationships (1964)22 über Joe South’ davon inspiriertem Pop-Hit Games People Play (1968) und Clark C. Abts Buch Serious Games (1970)23 zum populären New-Games-Movement, das Stewart Brand in den späten sechziger Jahren im Dunstkreis der Hippie-Kultur San Franciscos initiierte.24 Neben der Traditionslinie, die Games mit der Logik des (Post-)Industrialismus verbindet, begann damals eine zweite, die ebenfalls bis heute fortwirkt und die digitale Spiele und vor allem Serious Games – Spiele, die Wissen vermitteln und Bewusstsein bilden wollen – in gleichsam spielerische Opposition stellt zu eben diesem Industrialismus, seiner Logik wie seiner Ethik.
21 Nohr: »›Rhythmusarbeit‹: Revisited«, S. 379. 22 Berne, Eric: Games People Play: The Psychology of Human Relationships, New York: Grove Press 1964. 23 Abt, Clark C.: Serious Games, New York: Viking Press 1970. 24 Vgl. dazu Berlinger, Yehuda: »The History of the New Games Foundatio: Play Hard. Play Fair. Nobody Hurt.«, Yehuda: Gaming, Technology, Philosophy, and Life 2008, http://jergames.blogspot.com/2008/02/history-of-new-games-foundation.html. Siehe auch Foundation, New Games/Fluegelman, Andrew: The New Games Book, Garden City, N.Y.: Dolphin Books 1976.
Epilog
Akademisierung und ästhetische Produktion
Medien und Künste gewinnen ihr Gewicht in den Diskursen zeitgenössischer Kultur nur mit starker Verzögerung. Im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts übertraf beispielsweise der Film schon seit Jahrzehnten die Literatur an Einfluss, ohne dass dieser Tatsache an den Universitäten, Schulen oder auch nur in den Feuilletons Rechnung getragen worden wäre. Nicht anders verhält es sich heute mit der Rolle digitaler Spiele. Seit zwei Jahrzehnten wächst die Branche weltweit schneller als alle anderen Sparten audiovisueller Kunst und Unterhaltung.1 Digitale Spiele sind längst umsatzstärker als Spielfilme2 und zumindest bei den jüngeren Generationen auch kulturell einflussreicher. Doch nur sehr allmählich realisieren das zeitgenössische Bewusstsein und die Institutionen diesen Umstand. Der Prozess kultureller Wahrnehmung folgt dabei deutlich dem Vorbild der einst ›neuen‹ industriellen Medien Kino und Fernsehen: Primär bewirken ökonomischer und sozialer Erfolg nach anfänglicher Abwehr und im Kern kulturkonservativer Kritik eine allmähliche kulturelle Akzeptanz. Sie drückt sich nicht zuletzt in institutioneller Integration aus:
1
Zum jüngsten Wachstum (2014) vgl. z.B. N., N.: »Deutscher Markt für digitale Spiele wächst um sechs Prozent«, BIU – Bundesverband interaktive Unterhaltungssoftware, 7. August 2014, http://www.biu-online.de/de/presse/newsroom/newsroom-detail/datum /2014/08/07/deutscher-markt-fuer-digitale-spiele-waechst-um-sechs-prozent.html
2
In Deutschland seit 2010. Vgl. Probst, Maximilian: »Ballern ist nicht alles«, Die Zeit, 8. Dezember 2012, http://www.zeit.de/2012/50/Computerspiele-Medium-Zukunft/kom plettansicht: »Mit einem Umsatz von 1,86 Milliarden Euro zog die Computerbranche 2010 in Deutschland an der Musik- und Filmindustrie vorbei.«
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Aufnahme in den Kanon – etwa ›Games als Kulturgut‹, wie der deutsche Kulturrat 2008 beschloss;3 Auslobung von Preisen – zum Beispiel der 2009 eingerichtete »Deutsche Computerspielpreis«, gemeinsam getragen vom Deutschen Bundestag, der Bundesregierung und der Gamesbranche;4 Einrichtung einschlägiger staatlicher Ausbildungsgänge – z.B. das BachelorProgramm seit 2009 an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft und das Weiterbildungs-Master-Programm seit 2010 am Cologne Game Lab der FH Köln.5
Insofern die institutionelle Etablierung von Game Design und Game Studies an staatlichen Hochschulen fortschreitet, stellt sich die Frage nach dem Verlauf und den Konsequenzen dieser sukzessiven Akademisierung. In diesem Epilog werde ich zunächst den deutschen Status quo skizzieren und dann am Beispiel des Bachelor-Studiengangs »Digital Games«, wie er seit 2014 am Cologne Game Lab angeboten wird, die Strukturen grundständiger künstlerisch-wissenschaftlicher Ausbildung darstellen. Abschließend reflektiere ich, was die Akademisierung der Ausbildung für die Produktion digitaler Spiele und damit für deren ästhetische Entwicklung bedeuten könnte.
G AMES -A USBILDUNG
IN
D EUTSCHLAND
Charakteristisch für den gegenwärtigen Umgang mit digitalen Spielen an deutschen Universitäten, Fach- und Kunsthochschulen ist zweierlei: zum einen der starke zeitliche Abstand von einem guten Jahrzehnt in der Einrichtung von Studiengängen im Verhältnis nicht nur zu den angelsächsischen, sondern auch zu vielen skandinavischen und asiatischen Ländern; zum zweiten die strikte Zweiteilung zwischen theoretisch-wissenschaftlichen Studiengängen, die an den Universitäten angesiedelt sind, und künstlerisch-handwerklichen Ausbildungsgängen, wie sie von den Kunst- und Fachhochschulen angeboten werden. In den USA finden sich dagegen sowohl die wissenschaftlichen Game-Studies-Kurse
3
Vgl. Zimmermann, Olaf/Schulz, Gabriele: Streitfall Computerspiele: Computerspiele zwischen kultureller Bildung, Kunstfreiheit und Jugendschutz, Berlin: Deutscher Kulturrat 2008, http://www.kulturrat.de/dokumente/streitfall-computerspiele.pdf
4
Vgl. http://www.deutscher-computerspielpreis.de/5.0.html und http://www.colognega
5
Siehe http://gd-bachelor.htw-berlin.de und http://www.colognegamelab.de
melab.de
A KADEMISIERUNG UND ÄSTHETISCHE P RODUKTION | 241
als auch die wichtigsten künstlerischen Game-Design-Kurse sowie einflussreichsten Game-Studies- und Game-Design-Professuren an führenden Universitäten wie der Carnegie Mellon University (CMU, Jesse Schell),6 der New York University (NYU, Eric Zimmerman)7 oder der University of Southern California (USC, Tracy Fullerton).8 Forschung und wissenschaftliche Ausbildung geschehen in Deutschland zudem an den staatlichen und auch den wenigen privaten Hochschulen, die überhaupt theoretische Instruktion bieten, bislang primär ›nebenbei‹, d.h. Wissenschaftler anderer Disziplinen forschen und lehren auch über digitale Spiele – zum Beispiel der Medienwissenschaftler Benjamin Beil (Universität zu Köln),9 der Erziehungswissenschaftler Johannes Fromme (Otto von Guericke Universität Magdeburg),10 die Filmwissenschaftlerin Lisa Gotto (ifs internationale filmschule köln),11 der Medienwissenschaftler Stephan Günzel (btk – Hochschule für Gestaltung Berlin), 12 der Kunstwissenschaftler Thomas Hensel (Hochschule Pforzheim), 13 der Kommunikationswissenschaftler Christoph Klimmt (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover),14 der Medienökonom Jörg 6
Vgl. http://www.etc.cmu.edu/blog/author/jschell/ und z.B. Schell: The Art of Game
7
Vgl. http://gamecenter.nyu.edu/faculty/eric-zimmerman/ und z.B. Salen/Zimmerman:
8
Vgl. http://cinema.usc.edu/directories/profile.cfm?id=6513&first=&last=&title=&did
Design. Rules of Play. =18&referer=%2Finteractive%2Ffaculty.cfm&startpage=1&startrow=1 und z.B. Fullerton et al.: Game Design Workshop. 9
Vgl. http://mekuwi.phil-fak.uni-koeln.de/12429.html?&L=1 und z.B. Beil: Game Studies.
10 Vgl. https://www.meb.ovgu.de/mitarbeiter/prof-dr-johannes-fromme/ und z.B. Fromme, Johannes/Unger, Alexander (Hg.): Computer Games and New Media Cultures: A Handbook of Digital Games Studies, New York: Springer 2012. 11 Vgl. http://www.filmschule.de/seiten/lehrende-prof-gotto.aspx und z.B. Gotto, Lisa: »›Type Rider‹: Typenspiel und digitale Graphie«, in: Beil, Benjamin/Freyermuth, Gundolf S./Gotto, Lisa (Hg.), New Game Plus: Perspektiven der Game Studies. Genres – Künste – Diskurse, Bielefeld: transcript 2015, S. 115-142. 12 Vgl. http://www.btk-fh.de/stephan-günzel und z.B. Günzel: Egoshooter: Das Raumbild des Computerspiels. 13 Vgl. https://www.hs-pforzheim.de/De-de/Gestaltung/Studienuebergreifende-Fachgebie te/Designwissenschaften/personen/Seiten/Inhaltseite.aspx und z.B. Hensel: »Das Computerspiel als Bildmedium«. 14 Vgl. http://www.ijk.hmtm-hannover.de/de/institut/personen/prof-dr-christoph-klimmtdirektor/ und z.B. Klimmt: Computerspielen als Handlung.
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Müller-Lietzkow (Universität Paderborn),15 die Medienwissenschaftler Rolf F. Nohr (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig)16 und Claus Pias (Leuphana Universität Lüneburg)17 sowie die Kommunikationswissenschaftler Peter Vorderer (Universität Mannheim)18 und Jeffrey Wimmer (TU Ilmenau).19 Dieser Situation des Nebenbei korreliert die geringe Zahl fachwissenschaftlicher Game-Studies-Konferenzen. Nennenswert sind nur die »Clash of Realities«, die seit 2006 zweijährlich an der Fachhochschule Köln stattfindet und seit 2010 versucht, Vertreter von Game Studies und Game Design in Kontakt zu bringen,20 sowie zwei Serious-Games-Konferenzen in Darmstadt und Hannover.21 Erheblich größere Öffentlichkeitswirkung erzielen dagegen Game-Design-Konferenzen, etwa die Berliner Entwickler-Konferenz »Quo Vadis«22 und insbesondere die »Game Developers Conference Europe« (GDCE) und die »Gamescom«, die jährlich in Köln stattfinden und weit über 300 000 Besucher anziehen.23 Diese Zahlen indizieren das eklatante Missverhältnis zwischen einerseits der Faszination, die digitale Spiele auf große Teile der Bevölkerung ausüben – und natürlich 15 Vgl. https://kw.uni-paderborn.de/institute-einrichtungen/mewi/arbeitsschwerpunkte/ prof-dr-joerg-mueller-lietzkow/ und z.B. Müller-Lietzkow, Jörg/Seufert, Wolfgang/ Bouncken, Ricarda B.: Gegenwart und Zukunft der Computer- und Videospielindustrie in Deutschland, Dornach: Entertainment Media Verlag 2006. 16 Vgl. http://www.hbk-bs.de/hochschule/personen/rolf-f-nohr/ und z.B. Nohr, Rolf F.: Strategie Spielen: Medialität, Geschichte und Politik des Strategiespiels, Medien' Welten, Münster u.a.: Lit 2008. 17 Vgl. http://www.leuphana.de/claus-pias.html und z.B. Claus Pias: Computer-SpielWelten. 18 Vgl. http://mkw.uni-mannheim.de/prof_dr_peter_vorderer/prof_dr_peter_vorderer/ind ex.html und z.B. Vorderer, Peter: Playing Video Games: Motives, Responses, and Consequences, Mahwah, NJ. u.a.: Erlbaum 2006. 19 Vgl. http://www.tu-ilmenau.de/vwds/team/ehemalige-mitarbeiter/jeffrey-wimmer/ und z.B. Wimmer, Jeffrey: Massenphänomen Computerspiele: soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2013. 20 Siehe http://www.clashofrealities.com. Ab 2015 findet die Konferenz jährlich statt. 21 Siehe http://www.serious-games.tu-darmstadt.de/gamedays/index.de.jsp und http:// www.nordmedia.de/pages/veranstaltungen/serious_games_conference/ 22 Siehe http://qvconf.com 23 Vgl. den Abschlussbericht 2014: »Rund 335.000 Besucher aus 88 Ländern, darunter 31.500 Fachbesucher« (http://www.gamescom.de/de/gamescom/presse/presseinforma tionen/gc_pressinformationen.php?aktion=pfach&p1id=kmpresse_gamescom_d&for mat=html&base=&tp=k3content&search=&pmid=kmeigen.kmpresse_1408282149&s tart=0&anzahl=10&channel=kmeigen&language=d)
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auch ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung – und andererseits dem Mangel an staatlichen Ausbildungsangeboten.24 Das Interesse vieler junger Menschen, im Bereich der Produktion digitaler Spiele tätig zu werden, haben zunächst primär private Anbieter bedient, insbesondere die Games Academy (seit 2000, Standorte Berlin und Frankfurt), seit 2014 auch die Games Academy Hochschule (Berlin),25 die Mediadesign Hochschule (seit 2004, Standorte Berlin, München, Düsseldorf),26 das QANTM Institute (seit 2004 im Besitz von SAE, in Deutschland seit 2005, Standorte u.a. in Berlin, Köln, Hamburg, international u.a. in Australien, Singapur, Großbritannien, Holland, Österreich)27 sowie die Macromedia Hochschule (seit 2006, Standort für Game Design: Stuttgart). 28 Diese privaten Anbieter reagierten vergleichsweise früh auf das Fehlen staatlicher Ausbildungsangebote und schlossen eine wichtige Lücke. Ein gemeinsames Kennzeichen ist allerdings nicht nur der Umstand, dass sie kostenpflichtig sind – ein Bachelor-Studium kostet mehrere zehntausend Euro –, sondern auch, dass sie kurzfristig profitabel sein müssen und sich daher in der Regel bemühen, den unmittelbaren Marktbedürfnissen ihrer Kunden mit einer eher handwerklich orientierten Schulung zu entsprechen. Staatliche Ausbildung kann dagegen langfristiger operieren und auf wissenschaftliche Fundierung und Reflexion, künstlerische Ambitionen und ökonomischen Weitblick setzen. Essentiell dafür sind die theoretisch-historische Anleitung zum wissenschaftlich-künstlerischen Experiment und damit eine Ermutigung sowohl zum intellektuellen wie ästhetischen Wagnis. Ziel sollte es sein, den Studierenden nicht allein den Status quo zu vermitteln, sondern sie zu befähigen, auf zukünftige technische wie ästhetische Veränderungen eigenständig reagieren zu können. Doch als sich im vergangenen Jahrzehnt in Deutschland endlich staatliche Ausbildung in Game Design und Development formierte, folgte sie zunächst ebenfalls dem Nebenbei-Prinzip: Versucht wurde vielfach, Game Design als Subspezialisierung in existierende Studiengänge wie Informatik, Medieninformatik, Medienökonomie, Film oder Design – Interface Design, Interaction Design – zu integrieren. 24 Vgl. z.B.: »Zudem empfiehlt der BIU dringend die Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsangeboten an deutschen Hochschulen, um dem steigenden Fachkräftebedarf gerecht werden zu können.« (N.N.: »Hintergrund: Computer- und Videospiele in Deutschland: Kreativbranche mit Wachstum- und Innovationspotential«. ) 25 Siehe http://www.games-academy.de und http://www.games-academy.de/studium/gahochschule.html 26 Siehe http://www.mediadesign.de 27 Siehe http://de.sae.edu/de/home/ 28 Siehe http://www.macromedia-fachhochschule.de
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Zu den wenigen grundständigen staatlichen Angeboten, die sich auf digitale Spiele konzentrieren, gehören gegenwärtig u.a. der Bachelor-Studiengang »Game Design« an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft29 sowie der Bachelor-Studiengang »Digital Games« am Cologne Game Lab (CGL).30 Am Beispiel des CGL-Bachelors will ich skizzieren, wie ein Hochschulstudium künstlerisch-wissenschaftliche und handwerklich-praktische Kenntnisse und Fähigkeiten zur Konzeption, Entwicklung und Produktion digitaler Spiele sowie anderer nonlinearer interaktiver Audiovisionen vermitteln kann.31
S TRUKTUR
EINER GRUNDSTÄNDIGEN
A USBILDUNG
Aufgenommen werden – nach einem künstlerisch-wissenschaftlichen Eignungstest – jedes Jahr 35-40 Studierende. Betreut werden sie von sieben Professoren mit den Fachrichtungen 3D Animation and Computer Graphics Art for Games, Economics and Entrepreneurship for Games, Game Design, Game Informatics, Media and Game Studies, Media Design und Sound Design for Games. Ergänzt wird die professorale Lehre durch erfahrene Dozenten aus der internationalen Gamesbranche. Der Studiengang zeichnet sich so durch seine Verschränkung wissenschaftlicher und künstlerischer Lehre und in der Konsequenz durch eine
29 Vgl. http://gd-bachelor.htw-berlin.de 30 Vgl. http://www.colognegamelab.de 31 Das Cologne Game Lab ist ein Institut der Fakultät für Kulturwissenschaften an der Fachhochschule Köln. Der BA-Studiengang wurde von Björn Bartholdy, André Czauderna, Katharina Tillmans und mir entwickelt. Ein wesentlicher Teil des Prozesses waren Experten-Workshops mit Vertretern von Wissenschaft und Wirtschaft. Neben den Studieninhalten und möglichen Spezialisierungen wurden dabei insbesondere auch die Perspektiven einer späteren Beschäftigung oder Existenzgründung erörtert. Ein Resultat dieser Workshops war die Entscheidung, die Lehre ausschließlich auf Englisch durchzuführen: Games werden wesentlich global und online produziert, global und online distribuiert und global und online rezipiert. Game Development erfordert daher in einem höheren Maße noch als die anderen audiovisuellen Medien und Künste interkulturelle Kompetenzen. Zudem ist die Arbeitssprache weltweit Englisch, auch in den größeren deutschen Gamesfirmen. Englischsprachiger Unterricht erhöht so nicht nur die Attraktion des Studiengangs für Bewerber aus anderen Kulturen, die für heterogene Teams unbedingt notwendig sind, sie bereitet auch optimal auf die spätere Berufspraxis vor.
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enge Verbindung der Herstellung, Anwendung und Erforschung interaktiver Inhalte aus. Die Lernziele lassen sich in wissenschaftliche Kenntnisse, berufsfeldbezogene künstlerisch-handwerkliche Fähigkeiten sowie (inter-)kulturelle und ethische Kompetenzen gliedern. Besonderer Wert wird dabei auf die Entwicklung einer engagierten Haltung zu dem eigenen künstlerisch-wissenschaftlichen Handeln gelegt, d.h. auf die Ausbildung kritischer Urteilskraft im Hinblick auf die kulturellen und sozialen Wirkungen, die von der eigenen Arbeit ausgehen. Zudem sollen die Studierenden sich der ökonomischen Potenziale bewusst werden und auch in diesem Bereich innovative Ansätze und Modelle entwickeln. Inhaltlich werden drei Spezialisierungen angeboten: •
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Game Arts. Die Fachveranstaltungen dieses Schwerpunkts vermitteln die Grundlagen der Gestaltung der visuellen und auditiven Bestandteile eines digitalen Spiels. Dazu gehören die visuellen Darstellungen in der Frühphase der Projektentwicklung (Concept Art), der Entwurf der Spielfiguren, Objekte und kompletten Welten (Character Design, Asset Design, visuelles und auditives World Design), die Animation zweidimensionaler und dreidimensionaler grafischer Elemente (2D-, 3D-Animation, Sound Design) sowie die Entwicklung von GUIs und NUIs nach gestalterischen und ergonomischen Parametern (Interface Design). Game Design. Die Fachveranstaltungen dieses Schwerpunkts vermitteln die Grundlagen des ludischen und narrativen Entwurfs, also von Spielmechaniken sowie multi- und nonlinearer audiovisueller Narration. Zu den Schwerpunkten zählen darüber hinaus das Design von Systemen, die Bedingungen emergenten Spiels, das Design der Interaktion, insbesondere User Interface Design, die Anlage und das Führen von Game-Design-Dokumenten, die Analyse des Spielerlebnisses und das Playtesting, die Differenzen von AAAund Indie-Spielherstellung, die besonderen Qualitäten von Serious Games und Game-Based Learning. Game Informatics. Die Fachveranstaltungen dieses Schwerpunkts vermitteln die informationstechnische Basis digitaler Spiele, wie also über die Exekution von Algorithmen Welten und in ihnen Handlungen simuliert werden. Erlernt werden Grundkonzepte der Computer-Architektur und deren Funktionen, Programmiersprachen, grundlegende Mathematik (Trigonometrie, lineare Algebra), Informatik (Algorithmen, AI), Grafik-Technologien, FrontendTechnologien (2D/3D-Grafik, Browser) und Backend-Technologien (Netzwerk, Datenbanken, Client/Server) sowie Betriebssysteme und Softwaremanagement. Dabei werden nicht Informatiker im klassischen Sinne ausgebil-
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det, sondern Gameplay Programmer – kreativ und gestalterisch geschulte Programmierer, die an der Schnittstelle von Ästhetik, Design und Technologie arbeiten. Die Studierenden der drei Fachrichtungen erhalten zudem gemeinsamen Unterricht in Medienwissenschaften und Game Studies sowie Medienökonomie und Medienmanagement. Die Lehrveranstaltungen der Media and Game Studies führen in das akademische Arbeiten ein und vermitteln Grundlagen der neuzeitlichen Mediengeschichte. Die Studierenden werden mit zentralen Aspekten aktueller wissenschaftlicher Fragestellungen zur Produktion, Nutzung und Wirkung nonlinearer Audiovisionen vertraut gemacht. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf der Geschichte und den Theorien des Spiels, der Geschichte der audiovisuellen Medien und Künste (Theater, Film, Fernsehen, Games, Transmedia) und vor allem auf den kulturellen Aspekten der Digitalisierung. Innerhalb des Fachgebiets adressiert der gesonderte Themenkomplex Media Economy Aspekte wirtschaftlichen Handelns im Bereich digitaler Medienproduktion und Distribution, insbesondere Entrepreneurship und Projektmanagement. In der Vermittlung von historisch-theoretischem Reflexions- und Orientierungswissen strebt der wissenschaftliche Unterricht dabei nach einer Konvergenz von Medientheorie und Medienpraxis. Kunst-, kultur- und medienhistorisches Wissen sowie theoretische Einsichten, die in Vorlesungen und Seminaren erworben wurden, werden unmittelbar in Übungen für mediale Produktion einund umgesetzt. Hauptmerkmale der Lehre sind insofern zum einen die transdisziplinäre historisch-theoretische Unterrichtung, zum anderen ein hoher Anteil an praktischer Projektarbeit. Angestrebt wird ein Gleichgewicht künstlerisch-wissenschaftlicher und technisch-kommerzieller Orientierung. Dieser Balance dient auch die Zweiteilung der Semester: Die erste Hälfte kombiniert theoretische Seminare mit praktischen Übungen und kleineren Projekten, welche die theoretisch vermittelten Inhalte praktisch anwenden. Das dabei erlernte theoretische und praktische Wissen erfährt dann in der zweiten Hälfte der Semester seine erneute Anwendung im Kontext größerer kollaborativer Projekte.32 Deren inhaltliche Aufgabenstellungen richten sich jeweils auf strukturelle Archetypen digitaler Spiele (ludisches Game, narratives Game, Adaptation, Casual Game, Serious Game usf.). Ziel ist es, spielbare Prototypen oder ein ›vertical slice‹ – eine hochwertig umgesetzte Momentaufnahme eines Spiels – zu konzeptionieren und zu realisieren. Dabei festigen die Studierenden die im Fachunterricht gelernten Fertigkeiten und Kenntnisse und erhalten die Gelegenheit, unterschiedliche Ideen, Ansätze und Vorgehensweisen in kurzen, iterativen Zyklen 32 Eine Ausnahme bilden das vierte und siebte Semester, s.u.
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experimentell zu erproben und individuelle Strategien zur Problemlösung zu entwickeln. Nicht zuletzt spiegelt diese Arbeitsweise die der Spielebranche selbst wieder und macht die Studierenden so mit ihrem angestrebten Arbeitsumfeld vertraut. Die sieben Semester des Studiums teilen sich in drei Phasen: •
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In den ersten beiden Semestern erwerben die Studierenden unabhängig von ihren Spezialisierungen in gemeinsamem Unterricht Grundlagenwissen und Basisfähigkeiten, d.h. Game Artists nehmen auch an den Einführungsveranstaltungen der Game Designer und Game Informatiker teil und vice versa. Dementsprechend sind in den kollaborativen Projekten die einzelnen Rollen auch noch nicht festgelegt, so dass die Studierenden verschiedene Aufgaben innerhalb der Spielentwicklung erproben können. Dieses Studium Generale soll einen ›common ground‹ als Voraussetzung interdisziplinärer Kollaboration legen. Zwischen dem dritten und sechsten Semester konzentrieren sich die Studierenden auf ihre Spezialisierungen und nehmen in den gemeinsamen Projekten der zweiten Semesterhälfte – die sukzessive komplexer und anspruchsvoller werden – die ihrer Spezialisierung entsprechenden Rollen ein. In diese zweite Phase des Studiums fällt auch das ›Mobilitätsfenster‹. Um ihren kulturellen Horizont zu erweitern, ihr Fachwissen zu vertiefen und selbständig medienpraktische Erfahrungen zu erwerben, haben die Studierenden im vierten Semester drei Optionen: Sie können ein Auslandssemester einlegen, ein Industriepraktikum im In- und Ausland ableisten oder aber ein selbstinitiiertes größeres Projekt durchführen. Im siebten Semester beschließt die Bachelor-Thesis das Studium. Dieses Projekt kann in Einzel- oder arbeitsteiliger Gruppenarbeit erstellt werden. In seinem Verlauf entstehen ein Spiel beziehungsweise ein spielfähiger Prototyp und eine wissenschaftliche Studie. Der quantitative Anteil der künstlerisch-praktischen Leistung muss dabei zwischen 20 und 80 Prozent liegen.
Nach ihrem Bachelor-Abschluss stehen die Studierenden vor der Wahl, ihre Ausbildung fortzusetzen oder in den Beruf einzusteigen. Im ersten Fall können sie sich beispielsweise um einen Platz in dem konsekutiven Master »Digital Games« des CGL bewerben oder – der englischsprachige Unterricht hat sie darauf gut vorbereitet – auch im Ausland weiterstudieren. Im zweiten Fall existieren drei Möglichkeiten: zum einen natürlich die Bewerbung in der deutschen und internationalen Gamesindustrie, zum zweiten die Bewerbung in einer der zahlreichen anderen Branchen, die digitale Spiele und
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insbesondere Serious Games oder Elemente digitaler Spiele im Kontext der Gamifizierung einsetzen. In Frage kommen u.a. die staatliche und private Ausund Weiterbildung, natur- und geisteswissenschaftliche Forschung, Lehrmittelgestaltung, Werbung und Marketing, Film-, Fernseh- und Transmediaproduktionen, Presse, Bildende Kunst und Museen, Auto-, Luft- und Raumfahrtindustrie sowie das Militär. Zum dritten bietet sich – nicht zuletzt angesichts der sich fortsetzenden Erfolge der Indie-Games-Szene wie der beginnenden staatlichen Games-Förderung – für die Absolventen auch eine Existenzgründung im Bereich digitaler Spiele an.
K ONSEQUENZEN
DER
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Ob sie es beabsichtigen oder nicht, die künstlerisch-wissenschaftlichen Ausbildungsgänge, die gegenwärtig entstehen, werden die ästhetische Produktion verändern. Denn sie formen künstlerische Persönlichkeiten, die ohne diese Ausbildung entweder keine Spiele oder eben andere Spiele produziert hätten. Jenova Chen, Absolvent des Game-Design-Programms an der University of Southern California, Mitbegründer von thatgamecompany und Designer u.a. der vielfach preisgekrönten Spiele FLOWER (2009) und JOURNEY (2012), beschreibt diese Wirkung akademischer Schulung: »[...] I was able to read and speak about game design in an academic way. This design vocabulary is going to replace ›fun‹ and ›cool,‹ allowing you to see deeper into video games. Video games are so new that the theories and rules applied in this field usually come from elsewhere. I learned theories from film, screenwriting, and psychology, and I came up with my own rules out of them. If I hadn’t gone to grad school, I probably would have never touched those areas.«33
Um die mittel- und langfristigen Konsequenzen zu erahnen, die aus dieser Akademisierung der Spieleentwicklung resultieren, bietet sich wiederum als historisches Modell der Bereich des Films an, das heißt das Verhältnis kommerzieller Filmproduktion, akademischer Filmwissenschaft an Universitäten und künstlerisch-wissenschaftlicher Instruktion an Filmhochschulen. In den zentralen Filmländern der westlichen und demokratischen Welt entstanden sowohl die akademische Filmwissenschaft wie auch die ersten künstlerischen Ausbildungsgänge an Filmhochschulen erst seit den sechziger Jahren des
33 Zitiert nach Fullerton et al.: Game Design Workshop, loc. 5066.
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20. Jahrhunderts, als der Film bereits über ein halbes Jahrhundert alt war.34 Die Folgen für den Film als Kunst wie als Branche waren drastisch und von langfristiger Wirkung. Die so genannte film school generation, die erste Kohorte von Absolventen amerikanischer Filmhochschulen – u.a. George Lucas, Francis Ford Coppola, Paul Schrader, Martin Scorcese, Robert Zemeckis –, begründete das New Hollywood-Kino und revolutionierte damit die alte Traumfabrik; zunächst in den sechziger und siebziger Jahren durch künstlerische Erneuerung, in den achtziger Jahren dann mit dem Blockbuster-Kino – wie fragwürdig es ästhetisch sein mag – durch ökonomische Erneuerung. Vergleichbares geschah in der Bundesrepublik. Zu den ersten Absolventen der ersten beiden westdeutschen Filmhochschulen gehörten in München Wim Wenders und Bernd Eichinger, in Berlin Wolfgang Petersen. Auch ihr Werk steht für einen künstlerischen wie wirtschaftlichen Entwicklungsschub, der nicht nur den deutschen Film ein halbes Jahrhundert mitbestimmte. Ein wesentlicher Grund für den filmhistorischen Bruch, den die ersten akademisch ausgebildeten Filmemacher verantworteten, dürfte in der fortgeschrittenen film literacy liegen, die sie – im Gegensatz zu den älteren Generationen, primär handwerklich geprägten Filmemacher – während ihres Studiums erwarben. Der englische Terminus ›literacy‹ wird häufig mit ›Alphabetisierung‹ oder auch allgemeiner mit ›Bildung‹ übersetzt. Er meint jedoch mehr: die Befähigung, innerhalb eines komplexen und kulturell geprägten medialen Systems souverän navigieren und durch kritische Analyse und Interpretation eigenständig Bedeutungszusammenhänge erkennen zu können. Ursprünglich bezog sich diese Fähigkeit auf Sprach- und Schriftsysteme. Inzwischen fasst der Begriff der ›literacy‹ alle symbolisch-medialen Systeme, die Kulturen ausbilden, ob sie nun auf Buchstaben, Zahlen, stehenden oder laufenden Bildern basieren – also auch digitale Spiele. Ziel der künstlerisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Games und einer auf ihr beruhenden Lehre und Ausbildung muss daher die Erzeugung und Vermittlung von game literacy sein: des notwendigen historisch-theoretischen Grundlagenwissens und entwickelter hermeneutischer Fähigkeiten, um Spiele sowohl in ihrem kulturhistorischen Kontext wie in ihrer zeitgenössischen ästhetischen Wirkung begreifen zu können. Wenn dies gelingt, sind im Zuge des Übergangs von handwerklicher, industrieinterner Schulung zu künstlerisch-wissen34 Bald 40 Jahre nach dem Tonfilm, gut 70 Jahre nach dem Stummfilm. – Wo weniger ökonomische und mehr politische Interessen die Entwicklung bestimmten, kam es früher zur Gründung von Filmhochschulen: etwa in den kommunistischen UDSSR der 1920er Jahre, im faschistischen Italien der 1930er Jahre, im von den Nationalsozialisten besetzten Frankreich der 1940er Jahre, in der DDR der frühen 1950er Jahre.
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schaftlicher Hochschul-Ausbildung – wiederum über fünfzig Jahre nach den Anfängen des neuen Mediums – ähnliche Auswirkungen zu erhoffen, wie sie einst den Film betrafen: ein künstlerischer wie wirtschaftlicher Entwicklungsschub und damit verbunden eine Reifung des Mediums. Sie hätte sich auch in einem neuen Selbstbewusstsein niederzuschlagen, einer gewandelten Selbsteinschätzung und Selbstschätzung aller, die sich mit Games beschäftigen. Mitentscheidend für den zukünftigen Verlauf dieser Entwicklung werden die drei Momente sein, die ich in den Hauptkapiteln dieser Einführung zu betonen suchte: •
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zum einen die historisch-theoretische Einsicht in die doppelte Alterität digitaler Spiele und zugleich ein künstlerisch-praktisches Bewusstsein von dieser bezogenen Andersheit einerseits im Verhältnis zu analogen Spielen, andererseits im Verhältnis zu den älteren audiovisuellen Medien; zum zweiten die Notwendigkeit der technischen und ästhetischen Weiterentwicklung virtuellen Designs und insbesondere Game Designs zu einer zentralen Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts, die weit über Spiele hinaus wirken kann, etwa vom Design auch linearer Audiovisionen bis zum Design sozialer und politischer Prozesse; zum dritten die Notwendigkeit einer Überwindung der Schismen der Game Studies, insbesondere durch die Integration wissenschaftlich-theoretischer und künstlerisch-praktischer Perspektiven in Lehre wie Forschung.
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Filmographie A SCANNER DARKLY (USA 2006, R: Richard Linklater) ARCADE (USA 1993, R: Albert Pyun) AVATAR (USA/UK 2009, R: James Cameron) BABEL (USA/FR/MEX 2006, R: Alejandro González Iñárritus) BEOWULF (USA 2007, R: Robert Zemeckis) DAS BOOT (D 1981, R: Wolfgang Petersen) EDGE OF TOMORROW (USA 2014, R: Doug Liman) ENCOUNTER AT FARPOINT (USA 1987, R: Corey Allen) ENEMY OF THE STATE (USA 1998, R: Tony Scott) EXISTENZ (USA 1999, R: David Cronenberg)
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FINAL FANTASY: THE SPIRITS WITHIN (USA 2001, R: Hironobu Sakaguchi) GAMER (USA 2009, R: Mark Neveldine/Brian Taylor) GERTIE THE DINOSAUR (USA 1914, R: Winsor McCay) GROUNDHOG DAY (USA 1993, R: Harold Ramis) HARRY POTTER AND THE DEATHLY HALLOWS PART 2 (UK/USA 2011, R: David Yates) HELLBOY (USA 2004, R: Guillermo del Toro) HOW I MET YOUR MOTHER (USA 2005-2014, P: Carter Bays/Craig Thomas) INCEPTION (USA 2010, R: Christopher Nolan) INDIANA JONES (USA 1981, R: Steven Spielberg) IRRÉVERSIBLE (FR 2002, R: Gaspar Noé) JAMES BOND FILM DR. NO (UK 1962, R: Terence Young) LADY IN THE LAKE (USA 1947, R: Robert Montgomery) LOLA RENNT (D 1998, R: Tom Tykwer) MARVEL’S THE AVENGERS (USA 2012, R: Joss Whedon) MAX PAYNE (USA/CA 2008, R: John Moore) MEMENTO (USA 2000, R: Christopher Nolan) MINORITY REPORT (USA 2002, R: Steven Spielberg) MULHOLLAND DRIVE (USA 2001, R: David Lynch) PAN’S LABYRINTH (ESP/MEX 2006, R: Guillermo del Toro) PULP FICTION (USA 1994, R: Quentin Tarantino) RENAISSANCE (FR 2006, R: Christian Volckmann) RESIDENT EVIL (D, UK, FR 2002, R: Paul W. S. Anderson) SIN CITY (USA 2005, R: Frank Miller/Robert Rodriguez) SLIDING DOORS (UK/USA 1998, R: Peter Howitt) SPEED RACER (USA 2008, R: Andy and Lana Wachowski) STAR TREK: THE NEXT GENERATION (USA 1987-1994, P: Gene Roddenberry) STAR WARS (USA 1977, R: George Lucas) STAR WARS: EPISODE I: THE PHANTOM MENACE (USA 1999, R: George Lucas) STRANGE DAYS (USA 1995, R: Kathryn Bigelow) SUPER MARIO BROS. (USA 1993, R: Rocky Morton/Annabel Jankel) THE DARK KNIGHT RISES (UK/USA 2012, R: Christopher Nolan) THE LAST STARFIGHTER (USA 1984, R: Nick Castle) THE MATRIX (USA 1999, R: Andy and Lana Wachowski) THE POLAR EXPRESS (USA 2004, R: Robert Zemeckis) THE THIRTEENTH FLOOR (USA 1999, R: Josef Rusnak) TIMECODE (USA 2000, R: Mike Figgis) TRON (USA 1982, R: Steven Lisberger)
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WAKING LIFE (USA 2001, R: Richard Linklater) WATCHMEN (USA/UK/CA 2009, R: Zack Snyder)) WING COMMANDER (USA/LUX 1999, R: Chris Roberts)
Gamographie ADVENTURELAND (Adventure International 1978, O: Adventure International) ALAN WAKE (Microsoft Game Studios 2010, O: Remedy Entertainment) ANGRY BIRDS (Chillingo 2009, O: Rovio Entertainment) ANSTOSS – DER FUßBALLMANAGER (Ascaron 1993-2006, O: Ascaron) ASSASSIN’S CREED (Ubisoft 2008, O: Ubisoft Montreal) ASHERON’S CALL (Microsoft 1998, O: Turbine Entertainment) ASTEROIDS (Atari 1979, O: Atari) AVATAR (Plato 1977, O: Jim Schwaiger) BALDUR’S GATE (BioWare 1998, O: Interplay Entertainment) BALANCE OF POWER (Mindscape 1985, O: Chris Crawford) BATTLEZONE (Atari 1980, O: Atari) BEYOND: TWO SOULS (Sony Computer Entertainment 2013, O: Quantic Dream) BIOSHOCK (2K Games 2007, O: 2K Boston/2K Australia/2K Marin) BLACK & WHITE (EA Games 2001, O: Lionhead Studios) BRAID (Valve 2008, O: Number None, Inc./Microsoft Game Studios) BREAKOUT (Atari 1976, O: Atari) CALL OF DUTY: BLACK OPS (Activision 2010, O: Treyarch) CALL OF DUTY: MODERN WARFARE 2 (Activision 2009, O: Infinity Ward) CANDY CRUSH SAGA (King 2012) CIVILIZATION (MicroProse 1991, O: MicroProse) COLOSSAL CAVE ADVENTURE (CRL 1972, O: William Crowther/Don Woods) COMPUTER SPACE (Nutting Associates 1971, O: Nutting Associates) COW CLICKER (Ian Bogost 2010) CROSSFIRE (Neowiz Games 2007, O: SmileGate) CROWN SOCCER SPECIAL (Taito 1967) CRYSIS 2 (Electronic Arts 2011, O: Crytek/Crytek UK) CRYSIS 3 (Electronic Arts 2013, O: Crytek) DEUS EX (Eidos Interactive 2000, O: Ion Storm) DIABLO III (Blizzard Entertainment 2012, O: Blizzard Entertainment) DONKEY KONG (Nintendo 1981, O: Nintendo) DOOM (id Software 1993, O: id Software) DOOM II (GT Interactive 1994, O: id Software)
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DUNGEON (Don Daglow 1975/76) DUNGEON FIGHTER Online (Neople 2005, O: Neople) EASTERN FRONT (1941) (APX/Atari inc. 1981, O: Chris Crawford) ELITE: DANGEROUS (Frontier Developments 2014, O: David Braben) ENDGAME (Google Niantic Labs 2015, in Entwicklung) EVERQUEST (SonyOnline 1999) EVERQUEST NEXT (Sony Online 2015, in Entwicklung) FABLE (Microsoft Game Studios 2004, O: Big Blue Box/Lionhead Studios) FAHRENHEIT (Atari SA 2005, O: Quantic Dream) FARMVILLE (Zynga 2009) FIFA (Electronic Arts seit 1993, O: Electronic Arts) FIFA 14 (Electronic Arts 2013, O: EA Canada) FINAL FANTASY (Squaresoft/Squareenix seit 1987, O:Squaresoft/Squareenix) FLIGHT SIMULATOR (SubLogic 1978, O: SubLogic) FLOW (Sony Computer Entertainment 2006, O: thatgamecompany) FLOWER (Sony Computer Entertainment 2009, O: Thatgamecompany/Bluepoint Games) GRAND THEFT AUTO V (Rockstar Games 2013, O: Rockstar North) HABITAT (Quantum Link/Fujitsu 1985, O: Lucasfilm Games) HALF-LIFE (Sierra Entertainment 1998, O: Valve) HARRY POTTER AND THE PHILOSOPHER’S STONE (Electronic Arts 2001, O: KnowWonder) HEAVY RAIN (Sony Computer Entertainment 2010, O: Quantic Dream) INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE: THE GRAPHIC ADVENTURE (Lucasfilm Games 1989, O: Lucasfilm Games) INGRESS (Niantic Labs 2012) IT CAME FROM THE DESERT (Cinemaware 1989, O: Cinemaware) JOURNEY (Sony Computer Entertainment 2012, O: Thatgamecompany) KING’S QUEST-Serie (Sierra Entertainment 1984-1998, O: Sierra Entertainment) LABYRINTH (Activision 1986, O: Lucasfilm Games) LEAGUE OF LEGENDS (Riot Games seit 2009, O: Riot Games) MADDEN FOOTBALL (Electronic Arts seit 1988, O: Electronic Arts) MADDEN NFL 25 (EA Sports 2013, O: EA Tiburon) MAJESTIC (Electronic Arts 2001) MANIAC MANSION (Lucasfilm Games 1987, O: Lucasfilm Games) MARIO BROS. (Nintendo 1983, O: Nintendo) MAX PAYNE (Gathering of Developers 2001, O: Remedy Entertainment) MAZE WAR (Steve Colley 1974) MICROSOFT FLIGHT SIMULATOR (Microsoft seit 1982, O: SubLogic)
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MIGHTY NO. 9 (Comcept 2015, in Entwicklung) MYST (Brøderbund 1993, O: Cyan) MYSTERY HOUSE (On-Line Systems 1979/80, O: Roberta und Ken Williams) NIGHT DRIVER (Micronetics 1976, O: Atari) NIM (Herbert Koppel, Eugene Grant and Howard Bailer 1952) NO MAN’S SKY (Hello Games 2015, in Entwicklung) NOUGHTS AND CROSSES (A. S. Douglas 1952) PAC-MAN (Midway Games 1980, O: Namco) PIRATES! (MicroProse 1987, O: Sid Meier/MicroProse) PONG (Atari 1972, O: Atari) POPULOUS (Electronic Arts 1989, O: Bullfrog Productions) PRINCE OF PERSIA: THE SANDS OF TIME (Ubisoft, SCEJ 2003, O: Ubisoft Montreal) PRO EVOLUTION SOCCER (Konami 2001, O: Konami Computer Entertainment Tokyo) PROJECT ETERNITY (Paradox Interactive 2015, in Entwicklung. O: Obsidian Entertainment) QUAKE (GT Interactive 1996, O: id Software) SIM CITY (Electronic Arts 1989, O: Maxis) SPACE INVADERS (Midway Games 1978, O: Taito) SPACE WAR (Atari 1978, O: Atari) SPACEWAR! (Steve Russell 1961) SPASIM (Jim Bowery 1974) STAR CITIZEN (Cloud Imperium Games 2015, in Entwicklung) STAR TREK (Mike Mayfield 1971) STAR WARS: REBEL ASSAULT (LucasArts 1993, O: LucasArts) STRANGLEHOLD (Midway Games 2007, O: Midway Chicago/Tiger Hill Entertainment) SUPER MARIO BROS. (Nintendo 1985, O: Nintendo) TANKTICS (Chris Crawford 1978) TENNIS FOR TWO (William Higinbotham 1958) THE BEAST (Microsoft 2001, O: Sean Stewart/Elan Lee/Pete Fenlon) THE HITCHHIKER’S GUIDE TO THE GALAXY (Infocom 1984, O: Infocom) THE KING OF CHICAGO (Cinemaware 1986, O: Cinemaware) THE LEGEND OF ZELDA (Nintendo 1986, O: Nintendo EAD) THE SECRET OF MONKEY ISLAND (LucasArts 1990, O: Lucasfilm Games) THE SIMS (Electronic Arts 2000, O: Maxis) TITANFALL (Electronic Arts 2014, O: Respawn Entertainment)
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TOMB RAIDER: THE ACTION ADVENTURE (Eidos Interactive/Bright Entertainment 2008, O: Little Worlds Studio) TORMENT: TIDES OF NUMENERA (inXile Entertainment 2015, in Entwicklung) TV SPORTS: FOOTBALL (Cinemaware 1989, O: Cinemaware) ULTIMA ONLINE (Electronic Arts 1997, O: Origen) ULTIMA III: EXODUS (Origin Systems 1983, O: Richard Garriott) ULTIMA UNDERWORLD: THE STYGIAN ABYSS (Origin Systems 1992, O: Blue Sky Productions) UNCHARTED 3: DRAKES DECEPTION (Sony Computer Entertainment 2011, O: Naughty Dog) WING COMMANDER (Origin Systems 1990, O: Origin Systems) WING COMMANDER II: VENGEANCE OF THE KILRATHI (Origin Systems 1991, O: Origin Systems) WING COMMANDER III: HEART OF THE TIGER (Origin Systems 1994, O: Origin Systems) WING COMMANDER IV: THE PRICE OF FREEDOM (Electronic Arts 1996, O: Origin Systems) WING COMMANDER V: PROPHECY (Electronic Arts 1997, O: Origin Systems) WING COMMANDER: ACADEMY (Origin Systems 1993, O: Origin Systems) WING COMMANDER: ARMADA (Electronic Arts 1994, O: Origin Systems) WING COMMANDER: PRIVATEER (Electronic Arts 1993, O: Origin Systems) WING COMMANDER: SECRET OPS (Electronic Arts 1998, O: Origin Systems) WOLFENSTEIN 3D (Apogee Software 1992, O: id Software) WORLD OF WARCRAFT (Blizzard 2004) WORLD SERIES BASEBALL (Sega 1994, O: Blue Sky Software) ZORK (Infocom 1977, O: Infocom)
Edition Medienwissenschaft Vincent Fröhlich Der Cliffhanger und die serielle Narration Analyse einer transmedialen Erzähltechnik April 2015, ca. 420 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-2976-7
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