Funktionale-Rollen-Semantik: Bedeutung zwischen Externalismus und Holismus 9783110319910, 9783110319378

Was ist Bedeutung? Eine dem Internalismus zuzurechnende Antwort besagt, die Bedeutung einer Repräsentation sei deren fun

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German Pages 184 [186] Year 2011

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Table of contents :
Vorwort
I. Einführende Bemerkungen
1. Eine rationale Rekonstruktion philosophischer Praxis
2. Überwindung einer praktischen Schwierigkeit
3. Die Hauptthese der Funktionalen-Rollen-Semantik
4. Konsequenzen der Funktionalen-Rollen-Semantik
II. Methodische Bemerkungen
1. Begriffsanalyse
2. Eine Kritik?
3. Der Bedeutungsbegriff als explanatorischer Begriff
4. Das Problem wahrer Identitätsaussagen
5. Bedeutung und Verhaltenserklärung
6. Eine erste Bestimmung von Bedeutung
7. Eliminativismus
8. Daten der Semantik
III. Bedeutung, Theorie und Extension
1. Schwache Determination
2. Realismus und Antirealismus
3. Cartesianismus
4. Zwei antirealistische Versionen
5. Wesentliche Unvollständigkeit
6. Wesen und Extension atomarer Begriffe
7. Antirealismus ohne atomare Begriffe
8. Die Unabhängigkeit der Extension von der Theorie
9. Funktionale Rollen und Unabhängigkeit
10. Brandoms Inferentialismus
11. Eine schnelle Erwiderung?
12. Ist die antirealistische Auffassung widerlegt?
13. Eine starke realistische Version
14. Eine gemäßigte realistische Version
15. Oberflächeneigenschaften und semantische Marker
16. Eine weitere antirealistische Lehre?
17. Konsequenzen
IV. Zwei-Faktoren-Semantik und enge Bedeutung
1. Zwei-Faktoren-Semantik
2. Methodologischer Solipsismus
3. Über gleiches Verhalten
4. Lokale Verursachung
5. Funktionale Rollen als enge Bedeutungen
6. Praktische Fehler
V. Holismus
1. Atomismus, Molekularismus, Holismus
2. Das Hauptargument
3. Einwand 1: Holismus
4. Einwand 2: Quines Kritik an (a-s)
5. Analytizität als Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung
6. Analytizität und implizite Definitionen
7. Einwand 3: Boghossians epistemische Analytizität
8. Zwei Einwände gegen epistemische Analytizität
9. Analytizität, Notwendigkeit, Apriorität
10. Apriorität
11. Impliziert Notwendigkeit Apriorität?
12. Kitchers Argument
13. Impliziert Apriorität Notwendigkeit?
14. Die explanatorische Stellung der Analytizität
15. Einwand 4: Devitts Unterscheidung
16. Konsequenzen
VI. Literatur
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Funktionale-Rollen-Semantik: Bedeutung zwischen Externalismus und Holismus
 9783110319910, 9783110319378

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Silvère Schutkowski Funktionale-Rollen-Semantik Bedeutung zwischen Externalismus und Holismus

Silvère Schutkowski

Funktionale-Rollen-Semantik Bedeutung zwischen Externalismus und Holismus

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2011 ontos verlag P.O. Box 15 41, D-63133 Heusenstamm www.ontosverlag.com ISBN 978-3-86838-121-4 2011 No part of this book may be reproduced, stored in retrieval systems or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, microfilming, recording or otherwise without written permission from the Publisher, with the exception of any material supplied specifically for the purpose of being entered and executed on a computer system, for exclusive use of the purchaser of the work. Printed on acid-free paper ISO-Norm 970-6 FSC-certified (Forest Stewardship Council) This hardcover binding meets the International Library standard Printed in Germany by CPI buch bücher.de

Inhalt Vorwort ........................................................................................................ 7 I. Einführende Bemerkungen ..................................................................... 15 1. Eine rationale Rekonstruktion philosophischer Praxis ................. 15 2. Überwindung einer praktischen Schwierigkeit............................. 16 3. Die Hauptthese der Funktionalen-Rollen-Semantik ..................... 18 4. Konsequenzen der Funktionalen-Rollen-Semantik ...................... 20 II. Methodische Bemerkungen................................................................... 23 1. Begriffsanalyse ............................................................................. 26 2. Eine Kritik? .................................................................................. 30 3. Der Bedeutungsbegriff als explanatorischer Begriff .................... 34 4. Das Problem wahrer Identitätsaussagen ....................................... 38 5. Bedeutung und Verhaltenserklärung ............................................. 40 6. Eine erste Bestimmung von Bedeutung ....................................... 44 7. Eliminativismus ............................................................................ 47 8. Daten der Semantik ...................................................................... 49 III. Bedeutung, Theorie und Extension ...................................................... 55 1. Schwache Determination .............................................................. 56 2. Realismus und Antirealismus ....................................................... 57 3. Cartesianismus ............................................................................. 59 4. Zwei antirealistische Versionen .................................................... 62 5. Wesentliche Unvollständigkeit ..................................................... 63 6. Wesen und Extension atomarer Begriffe ...................................... 66 7. Antirealismus ohne atomare Begriffe .......................................... 67 8. Die Unabhängigkeit der Extension von der Theorie .................... 68 9. Funktionale Rollen und Unabhängigkeit ...................................... 73 10. Brandoms Inferentialismus......................................................... 74 11. Eine schnelle Erwiderung? ......................................................... 77 12. Ist die antirealistische Auffassung widerlegt? ............................ 79 13. Eine starke realistische Version .................................................. 82 14. Eine gemäßigte realistische Version ........................................... 87

15. Oberflächeneigenschaften und semantische Marker ...................90 16. Eine weitere antirealistische Lehre? ...........................................92 17. Konsequenzen .............................................................................94 IV. Zwei-Faktoren-Semantik und enge Bedeutung ....................................95 1. Zwei-Faktoren-Semantik ..............................................................95 2. Methodologischer Solipsismus .....................................................97 3. Über gleiches Verhalten ................................................................99 4. Lokale Verursachung ..................................................................103 5. Funktionale Rollen als enge Bedeutungen ..................................107 6. Praktische Fehler.........................................................................109 V. Holismus .............................................................................................. 113 1. Atomismus, Molekularismus, Holismus ..................................... 113 2. Das Hauptargument .................................................................... 116 3. Einwand 1: Holismus .................................................................. 119 4. Einwand 2: Quines Kritik an (a-s) ..............................................126 5. Analytizität als Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung............128 6. Analytizität und implizite Definitionen.......................................132 7. Einwand 3: Boghossians epistemische Analytizität ....................140 8. Zwei Einwände gegen epistemische Analytizität ........................147 9. Analytizität, Notwendigkeit, Apriorität .......................................153 10. Apriorität ...................................................................................154 11. Impliziert Notwendigkeit Apriorität? ........................................156 12. Kitchers Argument ....................................................................160 13. Impliziert Apriorität Notwendigkeit? ........................................167 14. Die explanatorische Stellung der Analytizität ...........................169 15. Einwand 4: Devitts Unterscheidung .........................................171 16. Konsequenzen ...........................................................................177 VI. Literatur .............................................................................................181

Diese Arbeit ist eine leicht veränderte Fassung meiner Dissertation, die an der Universität Erfurt angenommen wurde. Bedanken möchte ich mich vor allem bei meinem Betreuer und Erstgutachter Alex Burri sowie meinem Zweitgutachter Guido Löhrer für unzählige wertvolle Hinweise, Ergänzungen und Kritiken, für die großzügige Unterstützung und die investierte Zeit. Darüber hinaus hat diese Arbeit von Diskussionen mit Andrea Bianchi, Peter Brössel, Dörte Ernst, Marco Santambrogio und Marc Staudacher sowie verschiedenen Teilnehmern des Philosophischen Kolloquiums in Erfurt, der GAP-Doktorandentagung in Regensburg (September 2008) und des Seminario del Venerdì an der Universität Parma (März 2010) profitiert. Die noch vorhandenen Fehler sind selbstverständlich die meinigen.

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Vorwort Verbale und schriftliche Äußerungen besitzen Bedeutung. Sätze haben Bedeutung. Auch unseren Gedanken kommen Bedeutungen zu. Aber was sind das eigentlich, diese Bedeutungen? Und aufgrund welcher Tatsachen kommen Repräsentationen diejenigen Bedeutungen zu, die sie faktisch besitzen? Diese Fragen sind paradigmatische philosophische Fragen. Ich beginne diese Arbeit mit einer rationalen Rekonstruktion philosophischer Praxis (Kapitel I.). Philosophie, so die Behauptung, ist der Versuch philosophische Fragen begründet zu beantworten. Hierfür wird aus einer Menge möglicher Antworten die richtige ausgesondert, indem diese Antwort direkt begründet wird oder indem alle anderen möglichen Antworten auf dieselbe Frage diskreditiert werden. Das Hauptaugenmerk liegt in beiden Fällen auf der Begründung von Antwortmöglichkeiten. Philosophische Begründung besteht in der Argumentation. Es werden zunächst Voraussetzungen und Konsequenzen einer Antwort ausgearbeitet und mittels weiterer Annahmen wird versucht, den Wahrheitswert der Antwort festzustellen. Die Stärke der philosophischen Begründung, die ein Argument auf eine Antwort überträgt, steht und fällt daher mit den Gründen, die für oder gegen diese Annahmen sprechen. Das philosophische Geschäft verlagert sich daher zwangsläufig auf eine epistemische Bewertung dieser Annahmen sowie der Gründe, die für oder gegen sie sprechen. Diese Arbeit dreht sich um die philosophische Frage, was Bedeutung ist. Es soll eine Antwort auf diese Frage epistemisch bewertet werden, nämlich die Funktionale-Rollen-Semantik. Sie besagt, dass die funktionalen Rollen von Repräsentationen ihre Bedeutungen bestimmen. Die Bewertung dieser Antwort muss über eine Bewertung ihrer Voraussetzungen und Konsequenzen erfolgen. Doch bevor ich mit der Bewertung einiger Konsequenzen überhaupt beginnen kann, ist ein wenig Vorarbeit nötig (Kapitel II.). Denn die philosophische Bewertung von Thesen ist weit schwieriger als sie auf dem ersten Blick zu sein scheint. Ein erstes Problem besteht in dem drohenden Begründungsregress. Ein Argument kann nur dann Begründung auf eine These übertragen, wenn die Prämissen des Argumentes selbst begründet

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sind. Die Prämissen wiederum erlangen nur dadurch Begründung, dass sie selbst Konklusionen von anderen Argumenten mit weiteren Prämissen sind. Usw. Es ist nicht ersichtlich, wie dieser Begründungsregress gestoppt zu werden vermag. Philosophische Argumentation schwebt daher scheinbar unweigerlich ohne Verankerung. Ein zweites Problem besteht in der Wahl zulässiger Annahmen. Im Zusammenhang der Bewertung verschiedener Antwortmöglichkeiten auf ein und dieselbe Frage ist es nämlich nötig, dass sich die Vertreter der möglichen Antworten über die Zulässigkeit der Annahmen einig sind. Andernfalls droht immer der Vorwurf der petitio principii. D.h. eine Annahme, die scheinbar gegen eine Antwort spricht, wird als falsch oder unzulässig abgewiesen, gerade weil ihre Wahrheit die Falschheit der Antwort zur Konsequenz hätte. Der Rückgriff auf philosophische Methoden vermag zumindest das Problem der zulässigen Annahmen ansatzweise einzudämmen. Denn für diejenigen, die sich auf eine Methode geeinigt haben, steht die Zulässigkeit bestimmter Annahmen außer Frage. Und für alle anderen ist zumindest ersichtlich, weshalb man sich in der Argumentation auf bestimmte Annahmen stützt. Kapitel II. dieser Untersuchung der Funktionalen-RollenSemantik soll daher in der Darstellung einer bestimmten semantischen Methode und der Erläuterung der entsprechend dieser Methode zulässigen Annahmen bestehen. Ich beginne Kapitel II. mit einer Diskussion der Begriffsanalyse. Die Begriffsanalyse würde vorschlagen, die Frage, was Bedeutung ist, durch eine Analyse des Bedeutungsbegriffs zu beantworten. Zwar stelle ich dar, dass die Begriffsanalyse ihre Probleme im Bereich der Erkenntnistheorie hat. Zugleich mache ich aber darauf aufmerksam, dass sich diese Probleme nicht ohne Weiteres in den Bereich der Semantik übertragen lassen. Man könnte also erwarten, dass die Begriffsanalyse die vorherrschende Methode in der Semantik wäre. Diese Erwartung wird jedoch enttäuscht. Ich gehe deshalb der Frage nach, warum sich die Begriffsanalyse in der Semantik nicht durchzusetzen vermochte und komme zu dem Ergebnis, dass explanatorische Begriffe unangemessene Objekte für die Begriffsanalyse sind und der Bedeutungsbegriff eben ein explanatorischer Begriff ist. Gottlob Frege postulierte Bedeutungen, um ein Phänomen zu erklären. Wahre Identitätsaussagen der Form „a = a“ unterscheiden sich nämlich

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epistemisch von wahren Identitätsaussagen der Form „a = b“, selbst wenn a wirklich b ist. Wären die Referenzobjekte der Satzteile sowie die daraus resultierenden Wahrheitsbedingungen bzw. Wahrheitswerte der Sätze ihr einziger semantischer Aspekt, dürfte es diesen Unterschied indessen nicht geben. Also muss es einen weiteren semantischen Aspekt der Satzteile geben, der auch in die Wahrheitsbedingungen Eingang findet: Bedeutungen. Das Problem der wahren Identitätsaussagen, so stelle ich im Rekurs auf Gottlob Frege und Michael Devitt weiter dar, ist jedoch nur ein Spezialfall eines umfassenderen Problembereichs, nämlich desjenigen der angemessenen Verhaltenserklärung. Verhalten wird durch Zuschreibungen propositionaler Einstellungen, durch Zuschreibungen von Wünschen und Überzeugungen erklärt. In der Zuschreibung propositionaler Einstellungen schreibt man u.a. auch durch die Dass-Sätze spezifizierte Eigenschaften zu. Selbst wenn a mit b identisch ist, kann sich das Verhalten einer Person gegenüber a beträchtlich von ihrem Verhalten gegenüber b unterscheiden. Dieser Unterschied muss sich darin ausdrücken, dass verschiedene Wünsche bzw. Überzeugungen zugeschrieben werden. D.h. dieser Unterschied muss sich darin ausdrücken, dass verschiedene durch die Dass-Sätze spezifizierte Eigenschaften, also verschiedene Propositionen (Bedeutungen) zugeschrieben werden. Angemessene Verhaltenserklärungen führen uns mithin zur Annahme von Bedeutungen. Bedeutungen sind genau diejenigen Eigenschaften, die durch Dass-Sätze spezifiziert und daher zugeschrieben werden können und durch die propositionale Einstellungen Verhalten angemessen erklären können. Ausgehend von dieser einführenden Charakterisierung gehe ich auf die Daten der Semantik ein, also auf diejenigen Annahmen, die in der semantischen Argumentation als zulässig erachtet werden sollten. Da nun eine semantische Methode motiviert ist, wende ich mich der ersten Konsequenz der Funktionalen-Rollen-Semantik zu (Kapitel III.). Repräsentationen beziehen sich auf Dinge in der Welt. Sie handeln von etwas. Sie besitzen einen referentiellen Aspekt. Und es wird angenommen, dass die Bedeutungen der Repräsentationen ihre Referenzobjekte bzw. ihre Wahrheitswerte bestimmen.1 Weil die Bedeutungen laut der Funktionalen1

Referenzobjekte im Falle subsententieller Repräsentationen; Wahrheitswerte im Falle sententieller Repräsentationen.

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Rollen-Semantik wiederum durch die funktionalen Rollen der Repräsentationen bestimmt sind, erhalten wir die erste Konsequenz: Die funktionalen Rollen von Repräsentationen bestimmen ihre Referenzobjekte bzw. ihre Wahrheitswerte. Ich beginne die epistemische Bewertung der ersten Konsequenz mit einer Unterscheidung zweier Bedeutungsauffassungen: der realistischen und der antirealistischen. Laut der realistischen Bedeutungsauffassung sind die Bedeutungen zumindest einiger unserer Repräsentationen teilweise unabhängig von unseren derzeitigen Theorien über die Referenzobjekte der Repräsentationen. Die antirealistische Bedeutungsauffassung besagt hingegen, dass die Bedeutungen aller unserer Repräsentationen vollständig abhängig von unseren Theorien über die Referenzobjekte sind. Ein erstes Problem für die antirealistische Bedeutungsauffassung ist das Problem der atomaren Begriffe. Zwei antirealistische Versionen, die Definitions- und die Prototypentheorie besagen nämlich, dass Begriffe durch Begriffsmerkmale konstituiert sind, wobei sich diese Konstitutionsbeziehung unseren Theorien verdankt. Die Extension eines Begriffs ist wiederum durch die Extensionen seiner Begriffsmerkmale festgelegt. Aber wodurch sind die Extensionen der Begriffsmerkmale festgelegt? Hier droht ein Trilemma, das scheinbar nur durch die Annahme atomarer Begriffe gelöst werden kann, d.h. durch den Rekurs auf Begriffe, die selbst nicht durch Begriffsmerkmale konstituiert sind, deren Extensionen dennoch festgelegt sind. Aber weder die Definitions- noch die Prototypentheorie können Semantiken atomarer Begriffe sein. Die Lehre aus diesem ersten Problem scheint zu sein, dass die antirealistische Bedeutungsauffassung besser ohne die Festlegung auf atomare Begriffe ausgestaltet werden sollte. Und genau hier kommt die Funktionale-Rollen-Semantik ins Spiel. Denn entsprechend der Funktionalen-RollenSemantik haben Begriffe keine konstitutiven Begriffsmerkmale. Vielmehr sind ihnen ihre konstitutiven inferentiellen Relationen zu anderen Begriffen wesentlich. Nun gibt es jedoch ein zweites Problem für die antirealistische Bedeutungsauffassung, das nicht nur die Definitions- und die Prototypentheorie, sondern auch die Funktionale-Rollen-Semantik trifft. Einerseits gibt es nämlich Fälle von Ignoranz, Fälle, in denen die Theorien derart mager sind, so dass gilt: Würden die Theorien vollständig die Bedeutungen be-

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stimmen, dann hätten Repräsentationen dieselben Bedeutungen und daher auch dieselbe Extension, obgleich sie nicht koextensional zu sein scheinen. Andererseits gibt es Fälle von Fehlern, Fälle also, in denen die Theorien etwas Falsches enthalten, so dass gilt: Würden die Theorien vollständig die Bedeutungen bestimmen, dann würden Objekte nicht mit zur Extension gehören, obgleich sie zur Extension zu gehören scheinen, bzw. würden Objekte mit zur Extension gehören, obgleich sie nicht zur Extension zu gehören scheinen. Im Lichte der beiden Probleme muss konstatiert werden, dass die antirealistische Bedeutungsauffassung und mit ihr die Funktionale-RollenSemantik für einige Ausdrücke falsch ist. Ich gehe anschließend zwei Einwänden gegen diese Schlussfolgerung nach. Als erstes wurde eingewendet, dass die antirealistische Bedeutungsauffassung vielleicht mit Problemen konfrontiert ist, die realistische aber noch schlechter dasteht. Ich betrachte daher zwei realistische Versionen. Es zeigt sich, dass die realistische Bedeutungsauffassung wirklich radikal unvollständig ist, weil sie Ausdrücke voraussetzt, deren Bedeutungen antirealistisch verstanden werden müssen und deren Extensionen daher vollständig theorieabhängig festgelegt sind. Denn nur mittels solcher Ausdrücke scheint eine realistische Semantik im Stande zu erklären, wie die Bedeutungen und Extensionen von Ausdrücken natürlicher Arten festgelegt sein könnten. Dieser Einwand vermag indessen nicht zu zeigen, dass die Bedeutungen und Extensionen von Ausdrücken natürlicher Arten nicht doch realistisch sind. Zweitens wurde eingewendet, dass es mehr über Bedeutung zu sagen gäbe, als eine Theorie über das Verhältnis von Bedeutung und Extension zu sagen vermag (Kapitel IV.). Entsprechend der sogenannten Zwei-FaktorenTheorien gibt es nämlich Bedeutungen, enge Bedeutungen, die (direkt) nichts mit der Bestimmung der Extension zu tun haben und die antirealistisch verstanden werden müssen. Die Funktionale-Rollen-Semantik wiederum hat ihren eigentlichen Platz als Semantik dieser engen Bedeutungen. Die Prüfung dieses zweiten Einwandes zeigt, dass die antirealistische Bedeutungsauffassung hier vermutlich einen Punkt hat. Es scheint nämlich Fälle von Verhalten zu geben, die nicht angemessen durch die Zuschreibung weiter Bedeutungen erklärt zu werden vermögen, sondern lediglich

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durch die Zuschreibungen von engen Bedeutungen. Ist die FunktionaleRollen-Semantik also eine gute Semantik enger Bedeutungen? Um diese Frage zu beantworten, widme ich mich einer zweiten Konsequenz der Funktionalen-Rollen-Semantik, einer Konsequenz, die ihr sowohl als Semantik weiter als auch als Semantik enger Bedeutung zukommt (Kapitel V.). Erweist sich diese Konsequenz als falsch, dann ist die Funktionale-Rollen-Semantik weder eine gute Semantik weiter noch eine gute Semantik enger Bedeutungen. Wenn die funktionalen Rollen von Repräsentationen ihre Bedeutungen bestimmen und zumindest einige inferentielle Relationen zwischen Repräsentationen Teil der funktionalen Rollen sind, dann erhalten wir die folgende Konsequenz: Zumindest einige inferentielle Relationen zwischen Repräsentationen sind bedeutungsbestimmend. Nun wurde jedoch eingewendet, dass diese Behauptung falsch sein muss. Wären alle inferentiellen Relationen, in der eine Repräsentation zu anderen Repräsentationen steht, bedeutungsbestimmend, dann wären Bedeutungen holistischer Natur. Gegen den Holismus spricht aber, dass er mit vertrauten und alltäglichen Phänomenen wie Meinungsverschiedenheiten und Meinungsänderungen unverträglich ist. Also können anscheinend nicht alle inferentiellen Relationen bedeutungsbestimmend sein. Aber welche sind es? Und warum genau diese? Der Einwand besagt, dass lediglich die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung der Unterscheidung bedeutungsbestimmender von nicht bestimmenden inferentiellen Relationen objektive Substanz verleihen kann. Die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung wurde jedoch selbst überzeugend kritisiert. Mithin scheint zu gelten: Sind einige inferentielle Relationen bedeutungsbestimmend, dann sind es alle. Denn es gibt keinen semantisch relevanten Unterschied zwischen den Relationen. Wir hätten wieder den semantischen Holismus als Konsequenz. Also müssen wir anscheinend die Schlussfolgerung ziehen, dass gar keine inferentiellen Relationen bedeutungsbestimmend sind. Die zweite Konsequenz und mit ihr die Funktionale-Rollen-Semantik müssen falsch sein. Dieser Einwand hat eine Schwachstelle. Wie Michael Devitt zu zeigen vermochte, kann nämlich überzeugend behauptet werden, dass genau diejenigen inferentiellen Relationen bedeutungsbestimmend sind, die auch extensionsbestimmend sind. Der Funktionalen-Rollen-Semantik als Semantik enger Bedeutungen steht diese Erwiderung jedoch nicht offen. Es

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kann nicht behauptet werden, dass genau diejenigen inferentiellen Relationen die engen Bedeutungen bestimmen, die auch die Extensionen bestimmen. Denn enge Bedeutungen haben nichts mit dem referentiellen Aspekt von Repräsentationen zu tun. Ich beende diese Untersuchung daher mit dem Ergebnis, dass die Funktionale-Rollen-Semantik weder eine gute Semantik weiter noch eine gute Semantik enger Bedeutungen ist.

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I. Einführende Bemerkungen 1. Eine rationale Rekonstruktion philosophischer Praxis Philosophen sind bestrebt, bestimmte Fragen zu beantworten. Zu den paradigmatischen Beispielen philosophischer Fragen zählen: „Was gibt es?“, „Wie verhält sich der Geist zum Körper?“, „Was ist Erkenntnis?“. Bestünde das Ziel der Philosophen lediglich darin, philosophische Fragen zu beantworten, dann sähe die philosophische Praxis allerdings anders aus als sie ist. Philosophen sind nämlich nicht an irgendwelchen Antworten auf philosophische Fragen interessiert, sondern an den richtigen Antworten. Ob eine Antwort wahr ist oder nicht, sieht man dieser jedoch normalerweise nicht an.2 Hinweise auf den Wahrheitswert einer Antwort lassen sich indessen den Gründen entnehmen, die für bzw. gegen sie sprechen. Philosophen sind daher an der begründeten Beantwortung philosophischer Fragen interessiert. Ein erster Schritt hin zur begründeten Beantwortung philosophischer Fragen besteht in einem Schritt zurück. Statt direkt zu versuchen, eine Frage zu beantworten, wird zumeist die allgemeine Frage nach den Antwortmöglichkeiten gestellt: „Welche Verhältnisse zwischen zwei Entitäten kommen überhaupt in Frage?“. Es wird der logische Raum möglicher Antworten ausgelotet und beschrieben: „Der Geist und der Körper könnten abhängig oder unabhängig voneinander sein. Wenn sie abhängig voneinander sind, könnte eines lediglich auf dem anderen supervenieren. Vielleicht ist auch eines auf das andere reduzierbar ...“. Die Beschreibung des logischen Raumes ist nicht immer trivial und daher zuweilen umstritten. Denn nicht alles, das wie eine mögliche Beantwortung erscheint, ist auch wirklich eine Antwort auf die Ausgangsfrage. In solchen Fällen werden Kriterien aufgestellt, die eine jede Antwortmöglichkeit erfüllen muss, um wirklich eine Antwort auf die Ausgangsfrage zu sein. Der zweite Schritt hin zu einer begründeten Antwort besteht in der begründeten Auswahl einer dieser möglichen Antworten. Diese kann ent2

Ausnahmen sind Antworten, die offensichtlich kontradiktorisch (bspw. „p & ~p“) oder offensichtlich tautologisch (bspw. „p → p“) sind.

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weder direkt ausgewählt werden, d.h. durch die direkte Begründung derselben, oder vermittels eines Ausschlussverfahrens, d.h. durch das begründete Diskreditieren aller anderen Antwortmöglichkeiten. In beiden Fällen liegt das Hauptaugenmerk auf der Begründung. Philosophische Begründung ist jedoch wesentlich auf Annahmen angewiesen, besteht doch die Begründung in der Argumentation. Zunächst werden die Voraussetzungen und Konsequenzen einer Antwort ausgearbeitet. Anschließend wird versucht, diese Voraussetzungen und Konsequenzen als wahr oder falsch zu erweisen. Ihre Wahrheit oder Falschheit lässt Rückschlüsse auf den Wahrheitswert der Antwort zu: „Ließe sich der Geist nicht auf den Körper reduzieren, dann wäre p der Fall. Doch p ist nicht der Fall. Also muss sich der Geist auf den Körper reduzieren lassen“. Dass die Argumentformen Modus tollendo tollens und Modus ponendo ponens in der Philosophie derart verbreitet sind, liegt an der Begründung von Antwortmöglichkeiten über ihre Voraussetzungen, Konsequenzen sowie weiterer Annahmen. Die Stärke der Begründung, die ein Argument von den Prämissen auf seine Konklusion überträgt, ist jedoch maximal so stark wie die Gründe, die für die Prämissen des Argumentes sprechen: „Warum ist es falsch, dass p?“. Entsprechend werden wieder Voraussetzungen und Konsequenzen dieser These ausgearbeitet und anschließend epistemisch bewertet: „Wenn q der Fall ist, dann ist p nicht der Fall. Und q ist wirklich der Fall. Also ist es falsch, dass p.“ – „Und warum ist q der Fall?“ usw. 2. Überwindung einer praktischen Schwierigkeit In dieser Arbeit geht es im Kern um die philosophische Frage, was Bedeutung ist. Eine ausführliche Beschreibung des logischen Raumes werde ich übergehen. Vielmehr werde ich mich auf einen kleinen Ausschnitt des zweiten Schrittes, d.h. auf die epistemische Bewertung einer bestimmten Antwortmöglichkeit, konzentrieren: Funktionale Rollen konstituieren Bedeutungen.3 3

Diese Antwortmöglichkeit geht mindestens bis auf Wilfrid Sellars 1953 zurück. Anschließend ist sie in der einen oder anderen Form unter den Bezeichnungen „Funktionalismus“ und „conceptual-role-semantics“ in der Philosophie des Geistes verhandelt

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Beim zweiten Schritt hin zu einer begründeten Antwort geht es um die Begründung selbst: Welche Gründe sprechen für diese Antwort, welche gegen sie? D.h. auf welchen Voraussetzungen beruht die Antwort, welches sind ihre Konsequenzen? Anschließend muss gefragt werden: Welche Gründe sprechen für die Voraussetzungen und Konsequenzen? Welche Gründe sprechen gegen sie? Und wie gut sind die jeweiligen Gründe eigentlich? Die Begründung der Antwort, dass Bedeutungen durch funktionale Rollen bestimmt sind, muss sich also zwangsläufig auf die epistemische Bewertung der Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Antwort verlagern und daher unweigerlich auch auf den epistemischen Status der Annahmen, die in eben diese Bewertung eingehen. Nun hat jede These im Prinzip unendlich viele Voraussetzungen und Konsequenzen. Daher ist es praktisch unmöglich, alle Voraussetzungen und Konsequenzen zu bewerten. Eine Auswahl muss getroffen werden. Wenn der Zweck des zweiten Schrittes berücksichtigt wird, ist indes eine begründete Auswahl bestimmter Voraussetzungen und Konsequenzen möglich. Denn der Zweck der Bewertung der Voraussetzungen und Konsequenzen innerhalb der philosophischen Praxis besteht darin, im Idealfall genau eine der möglichen Antworten auf eine Frage als die richtige auszuzeichnen. Hinsichtlich dieses Zweckes sind diejenigen Voraussetzungen und Konsequenzen, die alle oder viele der konkurrierenden Antwortmöglichkeiten ebenfalls aufweisen, impotent und daher begründet zu ignorieren. So hat bspw. jede mögliche Antwort die Wahrheit von „p → p“ zur Folge und ist gleichzeitig eine Konsequenz aus „p & ~p“. Eine epistemische Bewertung dieser Voraussetzung und dieser Konsequenz bricht mithin kein philosophisches Eis. Weil verschiedene mögliche Antworten auf dieselbe Frage jedoch wirklich konkurrieren, muss es auch solche Voraussetzungen und Konsequenzen geben, die von allen oder zumindest von vielen konkurrierenden Antwortmöglichkeiten nicht geteilt werden. Eine epistemische Bewertung dieser Voraussetzungen und Konsequenzen ist in der Lage, mögliche Antworten als falsch auszuschließen und die philosophische Praxis voranzubringen. Ja, zuweilen ist es sogar möglich, nachträglich herauszufinden, dass eine Antwort gar keine mögliche Antwort war. Daher worden. Vgl. u.a. Harman 1982 und Block 1987. In jüngster Zeit ist sie durch Robert Brandom 2000 wieder auf der Agenda der Sprachphilosophie.

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sind diese Voraussetzungen und Konsequenzen begründet zu berücksichtigen. Wie lassen sich die potenten Voraussetzungen und Konsequenzen isolieren? In jedem philosophischen Disput über die richtige Beantwortung einer Frage wird zumeist jede mögliche Antwort ihre Vertreter finden. Treffen Vertreter konkurrierender Antwortmöglichkeiten aufeinander, dann konzentrieren sich ihre Anstrengungen recht schnell bewusst und explizit auf genau diejenigen Voraussetzungen und Konsequenzen, die im Widerspruch zu den Voraussetzungen und Konsequenzen anderer Antwortmöglichkeiten stehen. D.h. ihre Aufmerksamkeit gilt schnell den potenten Voraussetzungen und Konsequenzen. Die viel diskutierten Voraussetzungen und Konsequenzen in der philosophischen Literatur sind daher mit hoher Wahrscheinlichkeit die gesuchten potenten Voraussetzungen und Konsequenzen. 3. Die Hauptthese der Funktionalen-Rollen-Semantik Bedeutungen sind Eigenschaften von Repräsentationen. Äußerungen, Sätzen und Gedanken kommen Bedeutungen zu. Bspw. bedeutet die Äußerung „Fido ist ein Hund“, dass Fido ein Hund ist. Verschiedene Repräsentationen stehen miteinander in bestimmten inferentiellen Relationen. Wenn bspw. der Satz „Fido ist ein Hund“ wahr ist, dann ist auch der Satz „Fido ist ein Säugetier“ wahr. Die Äußerung „Fido ist ein Roboter“ wäre unter diesem Umstand falsch und die Äußerung „Fido kann bellen“ wäre wahrscheinlich wahr. Es ist offensichtlich, dass diese inferentiellen Relationen zwischen den Repräsentationen etwas mit ihren Bedeutungen zu tun haben. Es ist nur nicht so offensichtlich, wie genau die inferentiellen Relationen mit den Bedeutungen zusammenhängen. Einige Philosophen sind geneigt zu sagen: Die Bedeutungen bestimmen die inferentiellen Relationen zwischen Repräsentationen. D.h. diese Relationen bestehen u.a. aufgrund der Bedeutungen der Sätze. Denn, so wird argumentiert, hätten die Sätze andere Bedeutungen, dann könnten4 andere inferentielle Relationen zwischen den 4

Wenn Bedeutungen inferentielle Relationen bestimmen, dann folgt: Wenn die inferentiellen Relationen verschieden sind, dann sind notwendigerweise auch die Bedeu-

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Sätzen bestehen. Würde „Fido ist ein Hund“ bspw. bedeuten, dass Fury ein Pferd ist, und „Fido ist ein Säugetier“ bedeuten, dass Fury ein Reptil ist, dann würde die Wahrheit von „Fido ist ein Hund“ nicht die Wahrheit von „Fido ist ein Säugetier“ implizieren. Die Funktionale-Rollen-Semantik (FRS) fasst die inferentiellen Relationen, in der eine Repräsentation zu anderen Repräsentationen steht, in einem ersten Schritt zusammen und bezeichnet sie als die funktionale Rolle der Repräsentation.5 In einem zweiten Schritt wird das soeben erläuterte Abhängigkeitsverhältnis umgekehrt. Nicht die Bedeutungen der Repräsentationen bestimmen, in welchen inferentiellen Relationen sie zueinander stehen, sondern die Relationen zwischen den Repräsentationen bestimmen, welche Bedeutungen den Repräsentationen zukommen. Es wird also behauptet, dass die Repräsentationen aufgrund der inferentiellen Relationen zwischen ihnen diejenigen Bedeutungen haben, die sie haben. Bestünden andere inferentielle Relationen zwischen ihnen, dann hätten die Repräsentationen in vielen Fällen andere Bedeutungen. In diesem Sinn besagt die Hauptthese der Funktionalen-Rollen-Semantik: (Hauptthese) Die funktionalen Rollen von Repräsentationen bestimmen ihre Bedeutungen. Diese These soll im Folgenden kritisch untersucht werden. Wie die vorherigen Überlegungen verdeutlichen, muss sich der Fokus der Untersuchung auf eine epistemische Bewertung der Voraussetzungen und Konsequenzen dieser These sowie der Annahmen, die in diese Bewertung einfließen, verlagern.

tungen verschieden. Es folgt jedoch nicht: Wenn die Bedeutungen verschieden sind, dann sind notwendigerweise auch die inferentiellen Relationen verschieden. 5 Strenggenommen gehören zur funktionalen Rolle vieler Repräsentationen auch noch Relationen zu Tatsachen/Erfahrungen oder zu Verhalten. Dies wird jedoch erst später relevant.

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4. Konsequenzen der Funktionalen-Rollen-Semantik Welches sind die potenten Voraussetzungen und Konsequenzen der Funktionalen-Rollen-Semantik (FRS)? Vor allem zwei Konsequenzen drängen sich durch die einschlägige philosophische Literatur auf. Neben ihren Bedeutungen besitzen viele Repräsentationen auch einen referentiellen Aspekt. Der Satz „Fido ist ein Hund“ handelt bspw. von Fido. Dass dieser Satz überhaupt von etwas handelt und darüber hinaus von Fido und nicht etwa von Fury, ist offensichtlich ebenfalls etwas, das mit der Bedeutung des Satzes zusammenhängt. Erneut ist es jedoch weniger offensichtlich, wie genau Bedeutung und Referenz zusammenhängen. Viele Philosophen sind geneigt zu sagen, der Satz handelt aufgrund seiner Bedeutung von Fido. Hätte der Satz eine andere Bedeutung, so das Argument, dann könnte er von etwas Anderem handeln. Wenn die Bedeutung einer Repräsentation in diesem Sinn ihr Referenzobjekt bzw. ihren Wahrheitswert bestimmt, dann besitzt (FRS) aufgrund der Hauptthese die folgende Konsequenz: (Konsequenz 1) Die funktionalen Rollen von Repräsentationen bestimmen ihre Referenzobjekte bzw. ihre Wahrheitswerte. Mit dem Verhältnis von Bedeutung und Referenz haben sich spätestens seit Gottlob Frege 1994b einige Philosophen beschäftigt. Vor allem die Ergebnisse von Hilary Putnam 1975b sowie Saul Kripke 1980 legen nahe, dass die Konsequenz 1 falsch ist. Würden funktionale Rollen qua Bedeutungen die Referenzobjekte bzw. Wahrheitswerte von Repräsentationen bestimmen, dann hätten einige Repräsentationen andere Referenzobjekte bzw. Wahrheitswerte als sie zu haben scheinen. Zudem würde sich Referenz weit weniger stabil verhalten als angenommen. Wenn die Bedeutungen von Repräsentationen nicht deren inferentielle Relationen bestimmen, die Bedeutungen vielmehr durch die inferentiellen Relationen bestimmt sind, dann folgt eine zweite Konsequenz: (Konsequenz 2) Zumindest einige inferentielle Relationen sind bedeutungskonstitutiv.

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Nun scheint es, dass bestimmte inferentielle Relationen zwischen Repräsentationen allein etwas mit ihren Bedeutungen, andere inferentielle Relationen auch etwas mit der Welt bzw. unseren Theorien über die Welt zu tun haben, mit dem, was wir sonst noch zu glauben geneigt sind. Die inferentielle Relation zwischen „a ist ein Junggeselle“ und „a ist männlich“ scheint bspw. allein etwas mit den Bedeutungen der Sätze zu tun zu haben; die inferentielle Relation zwischen „diese Flüssigkeit ist Wasser“ und „diese Flüssigkeit siedet bei 100°C“ hingegen nicht. Es scheint also, als gäbe es einen Unterschied zwischen bedeutungskonstitutiven Relationen einerseits und Relationen zwischen Repräsentationen, die nichts mit der Bestimmung der Bedeutung zu tun haben andererseits. Daher ist es naheliegend, nicht nur zu behaupten, dass zumindest einige inferentielle Relationen bedeutungskonstitutiv sind, sondern zusätzlich zu behaupten, dass nicht alle inferentiellen Relationen bedeutungskonstitutiv sind. Beide Thesen zusammen werden als Molekularismus bezeichnet. Der Molekularismus wurde jedoch mit einem ernstzunehmenden Dilemma konfrontiert.6 Entweder gibt es eine Unterscheidung zwischen inferentiellen Relationen, die bedeutungskonstitutiv sind, und inferentiellen Relationen, die irrelevant für die Bedeutungen sind, oder es drohen die desaströsen Konsequenzen des Holismus, der These, dass die Bedeutung einer Repräsentation von allen ihren inferentiellen Relationen abhängt. Weil es laut Fodor und Lepore jedoch erstens keine Unterscheidung zwischen bedeutungskonstitutiven und nicht-konstitutiven inferentiellen Relationen gibt, der Holismus sich zweitens aufgrund seiner Konsequenzen selbst widerlegt, muss der Molekularismus und daher jede Theorie, die den Molekularismus zur Konsequenz hat, falsch sein.

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Vgl. u.a. Fodor; Lepore 1992.

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II. Methodische Bemerkungen Philosophische Fragen begründet zu beantworten, ist zumindest aus zwei Gründen ein überaus schwieriges Unterfangen, weit schwieriger, als es die einführenden Bemerkungen vermuten lassen. Erstens ist philosophische Begründung wesentlich argumentativ. In die Begründungen müssen daher stets diverse Prämissen eingehen. Die Begründung, die ein Argument auf seine Konklusion überträgt, steht und fällt jedoch mit der Begründung dieser Prämissen. Ist diese schlecht, so können sie auch keine Glaubwürdigkeit auf eine etwaige Antwort übertragen. Selbst wenn man also überzeugend begründen könnte, dass eine mögliche Antwort p die Konsequenz q hat, so ist damit noch nichts gewonnen. Denn nur relativ zu der zusätzlichen Prämisse, dass q nicht der Fall ist, ließe sich ein Rückschluss auf den Wahrheitswert der Antwort ziehen. Diese zusätzliche Prämisse ist selbst jedoch noch nicht begründet. Nun könnte man weitere Annahmen bemühen, um die Begründung der Prämisse, dass q nicht der Fall ist, nachzureichen, würde damit das Problem der Begründung jedoch nur auf diese weiteren Annahmen verschieben. Dieser Begründungsregress lässt sich scheinbar nur durch ein Fundament selbstevidenter, sich selbst begründender Annahmen stoppen. Nun gibt es zwar wirklich solche Annahmen, „p → p“ ist eine solche, diese selbstevidenten Annahmen sind jedoch nahezu gehaltlos, zumeist tautologischer Natur und daher nicht in der Lage, substantielle philosophische Thesen zu begründen. Ein weiterer, bloß vermeintlicher Ausweg besteht in der Konditionalisierung. Es wird bspw. nicht mehr behauptet: „Das Geistige lässt sich auf das Körperliche reduzieren“, sondern lediglich: „Wenn die Annahme p wahr sei, dann lasse sich das Geistige auf das Körperliche reduzieren“. Strenggenommen hat man damit aber erstens nicht die Ausgangsfrage beantwortet. Zweitens beruht selbst die Begründung dieser schwächeren, konditionalisierten Behauptung auf Annahmen. Zumeist wird das Konditional nämlich nicht von der günstigen Form „p → p“, sondern von der epistemisch ungünstigen Form „p → q“ sein. Es ist also nichts gewonnen. Ein

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erstes Problem der Beantwortung philosophischer Fragen ist also das Problem der Letztbegründung. Die begründete Beantwortung einer philosophischen Frage steht immer im Kontext einer begründeten Auswahl aus Antwortmöglichkeiten. Die Begründung soll es ermöglichen, direkt oder indirekt zwischen konkurrierenden möglichen Antworten zu entscheiden, philosophischen Fortschritt zu erzielen. Wenn jedoch relativ zu einer Antwort „p“ bestimmte Annahmen nicht zulässig sind, die von Vertretern einer konkurrierenden Antwort „q“ gegen die erste ins Feld geführt werden, dann kommt die begründete Auswahl nicht vom Fleck. Denn die Vertreter der Antwort „p“ werden diese Argumentation als verfehlt zurückweisen, weil sie auf unzulässigen Annahmen beruht. Sie werden den Vertretern der Antwort „q“ das Begehen einer petitio principii vorwerfen. Durch eine Argumentation, die auf unzulässigen, zumindest umstrittenen Annahmen beruht, kann kein philosophischer Fortschritt erzielt werden. Das zweite Problem der Beantwortung philosophischer Fragen ist daher das Problem der zulässigen Annahmen. Der Vergleich mit der naturwissenschaftlichen Begründung ist hier erhellend. Eine naturwissenschaftliche Gesetzeshypothese epistemisch zu bewerten bzw. eine begründete Auswahl zwischen konkurrierenden Gesetzeshypothesen zu treffen, erfordert ebenfalls weitere Annahmen. Bspw. kann man eine Hypothese bewerten, indem man mithilfe von Randbedingungen Vorhersagen ableitet und überprüft, ob diese eintreten. Hier bestehen die zusätzlichen Annahmen in den Behauptungen, dass bestimmte Randbedingungen vorlagen und dass bestimmte Vorhersagen eintraten. Die Randbedingungen und die eingetretenen Vorhersagen zählen im Rahmen der Naturwissenschaften zu den Daten und entsprechen zulässigen Annahmen. Ein Fortschritt kommt zustande, weil sich selbst konkurrierende Naturwissenschaftler normalerweise über ihre Daten einig sind. Ihnen steht ein für beide Seiten zulässiges Fundament zur Verfügung, relativ zu dem sie ihre Gesetzeshypothesen epistemisch bewerten und eine Entscheidung herbeiführen können. Lediglich in außergewöhnlichen Fällen stehen die Daten in den Naturwissenschaften selbst zur Diskussion. Innerhalb der Philosophie ist es hingegen eher der übliche Fall, dass die Zulässigkeit vieler Annahmen umstritten ist. Im Streit konkurrierender Antwortmöglichkeiten wird der Modus tollendo tollens des einen, d.h. die

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Zurückweisung der Antwort als falsch, schnell zum Modus ponendo ponens des anderen, d.h. zur Zurückweisung der verwendeten Annahme als falsch. Während die einen also behaupten, eine Antwortmöglichkeit besitze eine Konsequenz und im Lichte der Falschheit dieser Konsequenz sei auch die Antwortmöglichkeit als falsch erwiesen, behaupten die Gegner, dass die Antwortmöglichkeit zwar wirklich diese Konsequenz besitze, im Lichte der Wahrheit der Antwortmöglichkeit die Konsequenz daher aber als wahr erwiesen sei. Im Gegensatz zum ersten Problem, dem Problem der Letztbegründung, scheint es, als ließe sich das zweite Problem, das Problem der zulässigen Annahmen, zumindest ansatzweise in den Griff bekommen. Philosophische Methoden äußern sich nämlich zur Zulässigkeit bestimmter Annahmen. Setzt sich eine philosophische Methode durch, dann steht die Zulässigkeit bestimmter Annahmen wie im naturwissenschaftlichen Fall selbst zwischen Vertretern konkurrierender Antwortmöglichkeiten zumeist nicht mehr zur Diskussion. Der Rekurs auf philosophische Methoden führt jedoch nur für diejenigen zu einer, mit der naturwissenschaftlichen Situation vergleichbaren Ausgangslage, die die jeweilige Methode akzeptieren. Da in der Philosophie jedoch relativ zu einer Frage zumeist mehrere philosophische Methoden propagiert werden, darüber hinaus die philosophischen Methoden selbst substantielle, philosophische Behauptungen sind, die nach einer Begründung verlangen, lässt sich das Problem nicht endgültig lösen. Denn es gibt im Streit zwischen Methoden bzw. in der Kritik an einer Methode einfach keinen Rückzugsort mehr, von dem aus der Streit für alle einvernehmlich und ohne petitio entschieden werden könnte. Zudem hält das erste Problem, dasjenige der Letztbegründung, in den Disputen zwischen philosophischen Methoden erneut Einzug. Ich möchte der folgenden Untersuchung dennoch einige Bemerkungen zur Methode in der Semantik voranstellen, um zumindest zu versuchen, das Wenige, welches zu erreichen in Aussicht steht, auch zu erreichen. Ich werde zunächst auf eine im 20. Jahrhundert sehr einflussreiche philosophische Methode zu sprechen kommen: die Begriffsanalyse. Man könnte nämlich meinen, die Frage, was Bedeutung sei, ließe sich durch eine Analyse des Bedeutungsbegriffs beantworten. Dem ist jedoch nicht so. Um die Begriffsanalyse adäquat einzuführen und kritisch zu untersuchen,

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werde ich den semantischen Bereich vorübergehend verlassen und auf die epistemische Frage, was Wissen ist, eingehen. Es wird sich zeigen, dass die Begriffsanalyse immanent mit einer ernstzunehmenden Herausforderung kämpft. Gegen eine Begriffsanalyse des Bedeutungsbegriffs spricht aber vielmehr, dass der Bedeutungsbegriff ein explanatorischer Begriff ist und explanatorische Begriffe keine geeigneten Objekte der Begriffsanalyse sind. Es ist daher auch wenig überraschend, dass die Begriffsanalyse in der Semantik keine große Rolle gespielt hat. Anschließend werde ich der explanatorischen Einführung des Bedeutungsbegriffs durch Gottlob Frege nachgehen und seine Ideen mit neuen Arbeiten von Michael Devitt in Zusammenhang bringen. Am Ende dieses Kapitels umreiße ich die resultierende Methode hinreichend genau und erläutere die entsprechend dieser Methode zulässigen Annahmen. 1. Begriffsanalyse In der Erkenntnistheorie lautet eine der zentralen Fragen: „Was ist Wissen?“. Und die Begriffsanalyse war eine Zeit lang die vorherrschende Methode, die beim Versuch der Beantwortung solcher „Was ist …?“-Fragen zum Einsatz kam. Als philosophische Methode bestimmt und begründet sie, welche Annahmen in der begründeten Auswahl zwischen philosophischen Antworten auf diese Fragen zulässig sind. Wie funktioniert die Begriffsanalyse? Und worin bestehen die zulässigen Annahmen? Die Begriffsanalyse erscheint auf dem ersten Blick überraschend, um nicht zu sagen, wenig plausibel. Wir wollen bspw. in Erfahrung bringen, was Wissen ist. Die Begriffsanalyse schlägt uns nun vor, nach der Antwort zu suchen, indem wir unseren Wissensbegriff7 untersuchen, und nicht etwa, wie man vermuten könnte, Wissen selbst. Hier stellen sich augenblicklich zwei Fragen: Warum dieser Umweg? Und wie kann uns eine Untersuchung des Wissensbegriffs das Wesen des Wissens erhellen?

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Hier wie im Folgenden verstehe ich unter Begriffen die Bedeutungen von Repräsentationen.

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Der Grund für diesen Umweg dürfte darin bestehen, dass wir gar nicht wüssten, wo wir nachschauen, was wir untersuchen sollten, würden wir uns dem Wissen selbst zuwenden wollen. Wissen ist nämlich kein Körper, der klar unterschieden von seiner Umgebung physisch untersucht werden könnte. Da wir jedoch über den Wissensbegriff verfügen und weil dieser Begriff einer Untersuchung besser zugänglich zu sein scheint als Wissen selbst, sollten wir uns dem Wissensbegriff zuwenden. Aber wie kann uns eine Untersuchung des Wissensbegriffs erkennen helfen, was Wissen ist? Die folgende Idee scheint der Begriffsanalyse zugrunde zu liegen: Das Wesen des Wissens steckt verschlüsselt in dem Wissensbegriff.8 Damit ist folgendes gemeint: Der Ausdruck „Wissen“ besitzt eine bestimmte Bedeutung, er drückt einen bestimmten Begriff aus, nämlich den Begriff WISSEN9. Und dieser Begriff enthält in einer noch näher zu bestimmenden Form das Wesen des Wissens. Um zu verstehen, was Wissen ist, worin das Wesen des Wissens besteht, müssen wir uns dem Begriff zuwenden und das Wesen extrahieren. Viele Begriffe sind komplex. Der Begriff STIER bspw. ist ein komplexer Begriff. Komplexe Begriffe lassen sich in andere Begriffe, ihre Merkmale, analysieren. Der Begriff STIER bspw. ist zusammengesetzt aus den Begriffen MÄNNLICH und RIND. Etwas ist genau dann ein Stier, wenn es unter die beiden Begriffe MÄNNLICH und RIND fällt. Auch der Wissensbegriff ist anscheinend ein komplexer Begriff.10 In welche Merkmale lässt er sich zerlegen? Im Gegensatz zum Begriff STIER ist diese Frage schwer zu beantworten, die richtige Antwort wäre jedoch ungleich informativer. Dass die Analyse des Wissensbegriffs schwieriger ist als die Analyse des Begriffs STIER, dass das Ergebnis jedoch informativer wäre, sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Unterschiede in der Leichtigkeit der Analyse sowie in der Informativität des Analysans reflektieren anscheinend einen Unterschied im Erwerb der Ausdrücke. Während wir im Verlauf des Spracherwerbs mit dem Ausdruck „Stier“ wahrscheinlich durch explizite Erklärungen der Art 8

Vgl. McGinn 1996: 25. Hier wie im Folgenden schließe ich mich der Konvention an, „„f““ als Name einer Repräsentation und „F“ als Name der entsprechenden Bedeutung zu verwenden. 10 Williamson 2000: 185 behauptet hingegen: „The concept knows is fundamental, the primary implement of epistemological inquiry“. 9

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„Stiere sind männlich“ und „Nein, dies ist kein Stier, es ist doch kein Rind“ vertraut gemacht werden, die Analyse also letztlich explizit neben unserer sprachlichen Kompetenz mit erwerben, verhält es sich bei dem Ausdruck „Wissen“ anders. Wir erhalten keine expliziten Erklärungen des Ausdrucks „Wissen“, die uns seine Begriffsanalyse mit auf den Weg geben würden. Wir erhalten keine Erklärungen der Form „Wissen ist …“. Vielmehr erleben wir den Ausdruck „Wissen“ bzw. seine grammatischen Formen in Aktion. Wir hören und lesen Äußerungen der Art „ich weiß es“, „das weiß ich nicht“, „das kannst du gar nicht wissen“, „vielleicht weiß er das“ usw.11 Wir beginnen ähnliche Äußerungen zu produzieren, werden korrigiert, gelobt und erwerben letztlich die Fähigkeit, den Ausdruck richtig zu gebrauchen. „Richtig“ heißt hier wohlgemerkt nicht, richtig entsprechend des objektiven Wesens des Wissens, sondern richtig entsprechend den Gebrauchsregeln unserer Sprachgemeinschaft für diesen Ausdruck! Aber wo steckt nun das Wesen des Wissens? Wenn wir einen Begriff erwerben, dann lernen wir in vielen Fällen zwei Arten von Gebrauchsregeln. Erstens lernen wir, den Ausdruck richtig anzuwenden, dass wir von bestimmten Situationen, Ereignissen oder Erfahrungen auf entsprechende Repräsentationen übergehen dürfen. Diese Gebrauchsregeln sind Spracheingangsregeln. Zweitens lernen wir, den Ausdruck innerhalb der Sprache richtig zu gebrauchen, dass wir von Repräsentationen, die den Ausdruck enthalten respektive nicht enthalten, auf andere Repräsentationen, die den Ausdruck nicht enthalten respektive enthalten, übergehen dürfen. Diese Regeln sind innersprachliche Regeln. Das Wesen steckt, wenn überhaupt, in den innersprachlichen Regeln. Da wir die Regeln des Ausdrucks „wissen“ implizit erwerben, erwerben wir mithin auch die Kenntnis über das Wesen des Wissens implizit, nämlich mittels der impliziten Kenntnis der innersprachlichen Regeln. Ziel der Begriffsanalyse ist es, unsere implizite Kenntnis der innersprachlichen Regeln und mithin das Wesen des Wissens explizit zu machen. Anders im Falle des Ausdrucks „Stier“. Hier erwerben wir die innersprachlichen Regeln und mithin Kenntnis über das Wesen explizit. Wir lernen, dass wir von „a ist ein Stier“ zu „a ist männlich“ und zu „a ist ein Rind“ übergehen dürfen. Wir lernen auch, dass wir von „a ist ein männliches Rind“ zu „a ist ein 11

Vgl. Craig 1993: 12.

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Stier“ übergehen dürfen. Weil uns die Begriffsanalyse im Falle des Ausdrucks „Wissen“ explizit vor Augen führen würde, was wir vor der Begriffsanalyse bloß implizit beherrschen, wäre eine Analyse des Wissensbegriffs im Gegensatz zu einer Analyse des Begriffs STIER informativ. Aber wie finden wir die richtige Analyse, mithin das wirkliche Wesen des Wissens? Wie macht man die implizite Kenntnis innersprachlicher Regeln ohne Fehler explizit? Laut der Begriffsanalyse gilt zunächst: Wir besitzen die Fähigkeit, den Ausdruck entsprechend den Regeln richtig anzuwenden.12 Diese Gebrauchsregeln sind Spracheingangsregeln. Die Klassifikation von Situationen entsprechend der Spracheingangsregeln in solche, die Wissenssituationen sind, und solche, die keine Wissenssituationen sind, stellen die Daten der Begriffsanalyse dar, die für die Argumentation zulässigen Annahmen. D.h. gegen einen bestimmten Analysevorschlag kann bspw. eingewendet werden: Wäre der Analysevorschlag richtig, dann wäre die Situation p eine Wissenssituation. Entsprechend der Daten ist sie es aber nicht. Also ist die Analyse falsch. Auf diese Weise können wir Analysevorschläge mithilfe der zulässigen Daten testen und kritisieren. So gelangen wir, im Idealfall, zur richtigen Analyse des Begriffs. Dass wir eine Sprache sprechen und dass wir die Fähigkeit besitzen, den Ausdruck entsprechend unserer Gebrauchsregeln richtig zu anzuwenden, kommt der Begriffsanalyse entgegen. Aufgrund unseres Sprechens einer Sprache können wir nämlich beliebige Situationen beschreiben. Wir müssen nicht erst auf das tatsächliche Eintreten vieler verschiedener Situationen warten, vielmehr können wir diese sprachlich repräsentieren. Zudem können wir uns auf die Beschreibung ganz bestimmter Situationen konzentrieren, nämlich auf solche Situationen, die bestimmte Eigenschaften aufweisen, von denen wir vermuten, ahnen, dass sie in einem engen Zusammenhang mit dem Wesen des Wissens stehen. Und unsere Fähigkeit ermöglicht es qua Disposition, dass wir den Ausdruck auch auf sprachlich repräsentierte Situationen anwenden können. Wir stellen

12

Diese Behauptung ist nicht unumstritten. So wirft Ludwig Wittgenstein bspw. George Edward Moore vor, den Ausdruck „wissen“ in einigen Fällen falsch anzuwenden.

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questions of the form ‘What would we say if …?’ where the blank is filled by a description, more or less circumstantial, of a state of affairs in which some philosophically interesting word might get used.13

2. Eine Kritik? Nun mag es jedoch überraschen, dass eine Methode, die ihre Daten vermittels der impliziten Spracheingangsregeln gewinnt, etwas über das Wesen, über die innersprachlichen Regeln herausfinden kann. Denn die Daten scheinen doch maximal Rückschlüsse über die Spracheingangsregeln zu erlauben. (Die Frage, wie das Wesen überhaupt in die innersprachlichen Regeln kommt, werde ich im nächsten Kapitel unter der Bezeichnung „antirealistische Bedeutungsauffassung“ diskutieren.) Die Frage nach dem Verhältnis von Spracheingangs- und innersprachlichen Regeln eines Ausdrucks ist wichtig. Denn an diesem Verhältnis setzt eine Kritik an der Begriffsanalyse an, die ich hier kurz erörtern möchte. Alle Situationen, auf die wir aufgrund der impliziten Spracheingangsregeln den Ausdruck „Wissen“ anwenden dürfen, bilden den intuitiven Umfang des Ausdrucks „Wissen“. Zum intuitiven Umfang gehören also, salopp formuliert, all die Situationen, die wir korrekt entsprechend der Spracheingangsregeln als Wissenssituationen klassifizieren. Weil wir die Fähigkeit besitzen, den Ausdruck „Wissen“ korrekt anzuwenden und weil diese Fähigkeit den intuitiven Umfang bestimmt, kann die Begriffsanalyse den intuitiven Umfang als gegeben, als Datum voraussetzen. So weit, so gut. Vermutungen bzw. Ahnungen, warum bestimmte Situationen zum intuitiven Umfang des Ausdrucks gehören, andere Situationen hingegen nicht, verdanken sich ebenfalls den Spracheingangsregeln. Im Besitz einer solchen Ahnung zu sein ist praktisch, weil die Ahnung die Suche nach Situationen, die laut eines Analysevorschlages Wissenssituationen wären, es entsprechend der Spracheingangsregeln jedoch nicht sind, beschleunigt und vereinfacht. Begriffsanalytiker warten ja nicht erst auf das Eintreten bestimmter Situationen. Vielmehr beschreiben sie diese und wenden ihre 13

Fodor 1964: 198.

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Fähigkeit auf die beschriebenen Situationen an. Sie werden jedoch nicht beliebige Situationen beschreiben, sondern ganz bestimmte Situationen, Situationen, in denen bestimmte Eigenschaften fehlen, die sie für die Anwendung des Wissensausdruck intuitiv als nötig erachten, oder Situationen, in denen Eigenschaften vorhanden sind, die sie intuitiv für unverträglich mit der Anwendung des Wissensausdrucks halten. Die Beschreibungen werden absichtlich konstruiert, es sind nicht beliebige Variationen von alltäglichen Situationen. Es werden aus unzähligen möglichen Situationen gezielt bestimmte ausgewählt. Von den Vermutungen, Ahnungen und Intuitionen, die sich den Spracheingangsregeln verdanken, die also den intuitiven Umfang betreffen, müssen solche unterschieden werden, die sich den innersprachlichen Regeln verdanken, die also den intuitiven Inhalt betreffen. Die Existenz dieser Regeln zeigt sich zunächst an innersprachlichen Übergängen und dem Umstand, dass wir auch hier Intuitionen haben. Bspw. scheint es intuitiv falsch, wenn wir von falschem Wissen sprechen. Die Existenz dieser Regeln zeigt sich auch an bestimmten intuitiven Prinzipien, denen Wissen unterliegt, bspw. am Abgeschlossenheitsprinzip des Wissens unter gewusster Implikation.14 Am deutlichsten jedoch tritt die Existenz des intuitiven Inhalts mit dem Skeptizismus zu Tage. Denn wir verstehen, dass der Skeptizismus die Korrektheit unserer Wissensansprüche und Wissensklassifikationen betrifft, d.h. dass der Skeptizismus eben etwas mit Wissen zu tun hat. Wir verstehen, dass der Skeptizismus mit dem intuitiven Umfang des Ausdrucks in Konflikt steht. Dieser Umstand lässt sich nur dadurch erklären, dass sich der Skeptizismus irgendwie aus den innersprachlichen Regeln des Wissensbegriffs, aus dem intuitiven Inhalt ergibt. Denn der Skeptizismus kann sich nicht aus dem Spracheingangsregeln des Ausdrucks „Wissen“ ergeben. Er besagt ja gerade, dass der intuitive Umfang nicht der wirkliche Umfang des Ausdrucks ist, dass die Situationen, auf die wir entsprechend unserer Spracheingangsregeln den Wissensausdruck korrekt anwenden dürfen, keine Situationen sind, die auch den innersprachlichen Regeln genügen: 14

Das Abgeschlossenheitsprinzip des Wissens unter gewusster Implikation besagt, dass wenn jemand weiß, dass p, und zudem weiß, dass (wenn p, dann q), dann weiß derjenige auch, dass q.

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Da der skeptische Gedankengang in krassem Konflikt steht mit dem intuitiven Umfang, muss er irgendwie an irgendeinem obskuren halbbewussten intuitiven Inhalt anknüpfen; denn sonst müssten wir nicht bloß den Eindruck haben, der Skeptiker habe Unrecht, sondern dass er nicht einmal im Entferntesten zur Sache rede.15

Wie können wir nun etwas über das Wesen von Wissen, über die innersprachlichen Regeln des Wissensausdrucks in Erfahrung bringen, wenn wir uns laut der Begriffsanalyse lediglich auf die intuitiven Klassifizierungen, die sich den Spracheingangsregeln verdanken, stützen dürfen? Hier scheint es zwei mögliche Antworten zu geben: Erstens könnte man sich gänzlich auf den intuitiven Umfang stützen. Es wurden hinreichend viele Situationen, die wir entsprechend unserer Spracheingangsregeln als Wissenssituationen klassifizieren, und hinreichend viele Situationen, die wir als Unwissenheitssituationen klassifizieren, beschrieben. Nun betrachten wir die Wissenssituationen genauer. Eigenschaften, die jede der Wissenssituationen aufweist, haben eine gute Chance, notwendige Bedingungen für Wissen zu sein. Und eine Konjunktion solcher notwendigen Eigenschaften, die von keiner Unwissenheitssituation erfüllt wird, hat eine gute Chance, eine hinreichende Bedingung zu sein. Entsprechend dieser Antwort ist jedoch fraglich, ob das Ergebnis überhaupt irgendetwas mit dem Explizieren der innersprachlichen Regeln, also mit dem Wesen des Wissens zu tun hat. Hier scheint nämlich lediglich eine Analyse der Spracheingangsregeln als Ergebnis möglich. Das Wesen des Wissens jedoch, so die Annahme, steckt, wenn überhaupt, in den innersprachlichen Regeln. Diese Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von innersprachlichen- und Spracheingangsregeln scheint für die Begriffsanalyse daher unangemessen. Eine zweite Antwort besagt, dass wir uns beim Aufstellen von Analysevorschlägen gänzlich auf den intuitiven Inhalt verlassen. Die Analysevorschläge werden anschließend jedoch mithilfe unserer Klassifikationen getestet. Wenn die Merkmale des Analysevorschlages durch eine bestimmte Situation erfüllt sind, die laut unseren Spracheingangsregeln keine Wis15

Craig 1993: 19.

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senssituation ist, dann ist der Analysevorschlag verfehlt. Diese zweite Antwort scheint die von Begriffsanalytikern vertretene Antwort zu sein. Sie setzt jedoch voraus, dass die Spracheingangsregeln mit den innersprachlichen Regeln harmonieren, dass sie zueinander passen! Dass man jedoch nicht einfach voraussetzen darf, dass intuitiver Inhalt und intuitiver Umfang eines Ausdrucks zueinander passen, verdeutlicht gerade der Skeptizismus. Der epistemische Skeptiker behauptet nämlich, dass diejenigen Situationen, die wir entsprechend der Spracheingangsregeln korrekt als Wissenssituationen klassifizieren, gar keine Wissenssituationen entsprechend der innersprachlichen Regeln sind. Die beiden Arten von Regeln harmonieren im Falle des Wissensausdrucks einfach nicht miteinander, man könnte sagen, sie bilden einen inkohärenten Begriff. Wir haben nun jedoch gesehen, dass die Begriffsanalyse das Wesen des Wissens in Erfahrung bringen will, in dem sie explizite Analysevorschläge, die sie den innersprachlichen Regeln entnimmt, gegen Klassifikationen, die sich den Spracheingangsregeln verdanken, testet. Die Begriffsanalyse ist somit wesentlich auf die Harmonie von intuitivem Umfang und intuitivem Inhalt angewiesen. Der Begriffsanalytiker kann nun zumindest zwei Erwiderungen auf diesen Einwand vorbringen. Erstens: Wenn sich die Situation derart gestaltet, wie ich sie gerade dargestellt habe, dann ist der Begriffsanalytiker gezwungen, eine Art Begriffskritik bzw. Begriffsrevision durchzuführen. Er hat eben entdeckt, dass wir über einen inkohärenten Wissensbegriff verfügen. Wir sollten daher einen neuen Begriff einführen, innersprachliche Regeln finden, die zu unseren Wissensklassifikationen, also unseren bisherigen Spracheingangsregeln passen. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass nun strenggenommen nicht mehr das Wesen des Wissens (entsprechend der innersprachlichen Regeln unseres bisherigen Begriffs) analysiert wird. Der Skeptizismus hat daher auch nichts mehr mit dem neuen Wissensbegriff zu tun. Diese Begriffskritik würde daher nicht zur Folge haben, dass der Skeptizismus falsch ist. Mir geht es nun jedoch nicht um eine Analyse des Wissensbegriffs, sondern um eine Beantwortung der Frage, was Bedeutung ist. Der Begriffsanalytiker könnte daher zweitens erwidern, dass sich das Problem des Verhältnisses von Spracheingangs- zu innersprachlichen Regeln vielleicht

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für den Wissensbegriff stellt, und zwar nicht aufgrund einer schlechten Methode, sondern aufgrund eines inkohärenten Analyseobjektes, nämlich des Wissensbegriffs. Und dafür darf man die Begriffsanalyse nicht tadeln. Der Begriffsanalyse stehe deshalb in anderen Bereichen der Philosophie, also bspw. in der Bedeutungstheorie nichts im Wege, insofern die Analyseobjekte dort kohärent sind. Nun könnte eingewendet werden, dass es hinsichtlich anderer „Was ist …?“-Fragen in anderen Bereichen der Philosophie jedoch nahezu immer Positionen gibt, die die Rolle des Skeptizismus einnehmen. Der Skeptizismus behauptet, dass es kein Wissen über die Außenwelt gibt bzw. geben kann; der Skeptizismus ist in diesem Sinne eine eliminative Position im Rahmen der Erkenntnistheorie. Hinsichtlich anderer „Was ist f?“Fragen würden Positionen, die besagen, dass es keine fs gibt bzw. geben kann, dieselbe Rolle einnehmen. Auch sie würden in Frage stellen, ob in diesen Fällen die innersprachlichen Regeln zu den Spracheingangsregeln (insofern es denn solche in den jeweiligen Fällen gibt) passen. Dieser Einwand vermag aber nicht zu überzeugen. Zwar finden sich wirklich in vielen Gebieten der Philosophie eliminative Positionen, doch muss man zu Gunsten der Begriffsanalyse darauf hinweisen, dass sich diese zumeist nicht dem intuitiven Inhalt, mithin den innersprachlichen Regeln verdanken, sondern vielmehr zusätzlicher und von den Regeln unabhängiger empirischer oder metaphysischer Überlegungen. Daher hat die Existenz dieser eliminativen Positionen nicht dieselbe Konsequenz hinsichtlich der Kohärenz der entsprechenden Begriffe wie der epistemische Skeptizismus hinsichtlich der Kohärenz des Wissensbegriffs. Mithin bedroht die Existenz dieser eliminativen Positionen nicht per se die Anwendbarkeit der Begriffsanalyse in anderen Bereichen der Philosophie. 3. Der Bedeutungsbegriff als explanatorischer Begriff Sollten wir also mittels Begriffsanalyse untersuchen, was Bedeutung ist? Bislang scheint nichts gegen die Begriffsanalyse in der Bedeutungstheorie zu sprechen, insofern der Bedeutungsbegriff ein kohärenter Begriff ist. Im Gegensatz zur Erkenntnistheorie hat die Begriffsanalyse in der Semantik aber faktisch keine vergleichbare Rolle gespielt. Es kann kaum behauptet werden, die Begriffsanalyse wäre zu irgendeinem Zeitpunkt die vorherr-

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schende und von der Mehrheit akzeptierte semantische Methode gewesen. Während die Erkenntnistheorie im 20. Jahrhundert seit dem Erscheinen von Edmund Gettiers berühmten Aufsatz 1963 in der Zeitschrift Analysis durch eine Flut von Analysevorschlägen und Widerlegungen gekennzeichnet war, gab es einfach kein vergleichbares „Analysisfieber“16 in der Sprachphilosophie. Mithin kann nicht behauptet werden, in der Semantik hätte man unsere Klassifikationen bestimmter Situationen als die zulässigen Annahmen der Semantik aufgefasst. Es mag scheinen, dass diese Behauptung historisch schlicht falsch ist. Denn in einem Sinn von „Analyse“, der interpretatorischen Analyse, ist gerade die Semantik seit Gottlob Frege und Bertrand Russell von vielen Analysen geprägt. Die Begriffsanalyse ist jedoch keine interpretatorische, sondern eine dekompositionale Analyse.17 Die interpretatorische Analyse analysiert Sätze bzw. Ausdrücke „x“, in dem sie diese durch andere Sätze bzw. Ausdrücke „y“ interpretiert, bspw. um die wirkliche logische Form von „x“ darzustellen und einhergehend damit bestimmte Probleme zu analysieren bzw. aufzulösen. Frege bspw. löst das Problem negativer Existenzaussagen wie „Es gibt keine Einhörner“, indem er diesen Satz durch einen anderen interpretiert, der die wirkliche logische Form der Existenzaussage darstellen soll: „Der Begriff Einhorn18 ist leer“. Mithin muss Frege nicht annehmen, dass es Einhörner gäbe, von denen die Nicht-Existenz ausgesagt würde, so dass der erste Satz wahr sein kann. Vielmehr benötigt er nur die Existenzannahme des Begriffs Einhorn.19 Wir finden also eine Reihe interpretatorischer Analysen in der Semantik. Begriffsanalyse im dekompositionalen Sinn jedoch ist innerhalb der Semantik wirklich so gut wie gar nicht anzutreffen. Wenn es also historisch zutreffend ist, dass die Sprachphilosophie im 20. Jahrhundert nicht durch Begriffsanalyse gekennzeichnet ist, wie lässt sich dieser Sachverhalt erklären? Zu Beginn dieses Kapitels kam ein Unterschied im Spracherwerb der Ausdrücke „Stier“ und „Wissen“ zur Sprache. Wir erhalten keine explizite 16

Dieser Ausdruck geht auf Edward Craig zurück. Vgl. Beaney 2009: Kap. 6. 18 Begriffe sind bei Frege die Referenzobjekte bestimmter Prädikate. Sie werden daher nicht durch Großbuchstaben bezeichnet. 19 Vgl. Frege 1994c: 73. 17

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Erklärung des Ausdrucks „Wissen“, so die Behauptung. Vielmehr erleben wir viele Äußerungen des Ausdrucks in Äußerungskontexten und erwerben Schritt für Schritt die Fähigkeit, den Ausdruck entsprechend den Regeln richtig zu gebrauchen. Der Ausdruck „Bedeutung“ steht hinsichtlich dieses Unterschiedes mit Sicherheit nicht auf der Seite des Ausdrucks „Stier“, sondern eher auf der Seite des Ausdrucks „Wissen“. Denn wir erhalten im Verlauf des Spracherwerbes auch keine explizite Erklärung des Ausdrucks „Bedeutung“. Die Klasse der Ausdrücke, deren Gebrauchsregeln wir implizit erwerben, ist jedoch selbst sehr uneinheitlich. Ich möchte mich hier auf zwei Unterschiede zwischen den Ausdrücken „Wissen“ und „Bedeutung“ beschränken. Denn von jedem dieser beiden Unterschiede könnte man vermuten, dass er die gesuchte Erklärung liefern würde. Erstens: Der Ausdruck „Wissen“ wird im Alltag sehr häufig und von nahezu allen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft verwendet: Kind und Greis, Mann und Frau, Wissenschaftler und Nichtwissenschaftler, Köche und Kirchenväter, alle reden manchmal vom Wissen und Nichtwissen, von dem, was sie kennen, und von dem, was ihnen unbekannt ist. Wer überhaupt redet, gebraucht recht häufig diese Vokabel.20

Der Ausdruck „Bedeutung“ (im hier relevanten Sinn, also bspw. nicht im Sinn von „Relevanz“ oder „Wichtigkeit“21) findet im Alltag hingegen selten Verwendung. Zudem scheint er im Gegensatz zu dem Ausdruck „Wissen“ kein Ausdruck „für alle Lebenslagen“22 zu sein. Die Verwendung des Ausdrucks „Bedeutung“ erstreckt sich nämlich nicht gleichermaßen über die gesamte Sprachgemeinschaft. Könnte dieser erste Unterschied dafür verantwortlich sein, dass sich die Begriffsanalyse in der Semantik nicht als Methode durchgesetzt hat? Welche Konsequenzen hätte denn ein solcher Unterschied für die Begriffsanalyse? Dass der Ausdruck „Bedeutung“ kein Ausdruck für alle Lebenslagen ist, verunmöglicht Begriffsanalyse nicht. Die einzige Konsequenz für die 20

Craig 1993: 22 Vgl. Waismann 1976: 228. 22 Craig 1993: 22. 21

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Begriffsanalyse bestünde darin, dass man Was-würden-wir-sagen-wenn-pFragen nicht allen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft stellen würde. Zumindest sollte man nicht von allen Mitgliedern eine, entsprechend den Regeln, korrekte Antwort erwarten. Die für die Begriffsanalyse nötigen Daten könnten jedoch durch die Antworten der Bedeutungsexperten gesammelt werden. Der Begriffsanalyse stünde somit prinzipiell nichts im Wege. Auch die weniger häufige Verwendung verunmöglicht Begriffsanalyse nicht. Solange es implizite Regeln der Verwendung des Ausdrucks gibt und diejenigen, die den Ausdruck verwenden, seinen Gebrauch beherrschen, ist im Prinzip ein intuitiver Umfang des Ausdrucks bestimmt (insofern der Ausdruck überhaupt auf etwas angewendet wird). Dass der Ausdruck selten verwendet wird, heißt ja nicht, dass der Ausdruck keine Bedeutung besitzt. Und solange er eine Bedeutung besitzt, steht der Begriffsanalyse auch hierdurch nichts im Wege. Dass der Ausdruck „Bedeutung“ im Gegensatz zum Ausdruck „Wissen“ nur selten und nur von einigen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft verwendet wird, kann also nicht erklären, weshalb sich die Begriffsanalyse nicht als Methode in der Semantik durchgesetzt hat. Ein zweiter Unterschied besteht in den Arten von Begriffen, zu denen der Wissens- und der Bedeutungsbegriff zählen. Die folgende Hypothese drängt sich mit einem Blick in die Literatur auf: Der Bedeutungsbegriff ist im Gegensatz zum Wissensbegriff ein explanatorischer Begriff. Qua explanatorischer Begriff ist ihm seine Rolle in Erklärungen bestimmter Phänomene wesentlich.23 Will man einen explanatorischen Begriff verstehen, muss man daher seine explanatorische Rolle verstehen und dafür ist die Begriffsanalyse schlicht ungeeignet. Deshalb hat sie sich in der Sprachphilosophie nicht durchgesetzt. Die Hypothese, dass der Bedeutungsbegriff im Gegensatz zum Wissensbegriff ein explanatorischer Begriff ist, möchte ich zunächst durch einen Exkurs in die Bedeutungstheorie Gottlob Freges erhärten.24 Anschließend möchte ich die explanatorische Einführung des Bedeutungsbegriffs, 23

Vgl. u.a. Devitt 1996: 57. Für Frege sind Begriffe eigentlich spezielle Funktionen, nämlich Funktionen, die Argumente auf Wahrheitswerte abbilden, und die zu den Extensionen von Prädikaten zählen. Vgl. Frege 1994a: 28. Ich bleibe bei meiner Verwendung von „Begriff“. 24

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die Frege vornimmt, durch einige weitere Gedanken Freges sowie durch neuere Arbeiten Michael Devitts verallgemeinern. Dies wird uns zu einer angemessenen Methode für die Semantik führen. Zum Schluss gehe ich auf die Daten, also auf die zulässigen Annahmen dieser Methode ein und erläutere ihre Rolle innerhalb semantischer Argumentationen. 4. Das Problem wahrer Identitätsaussagen Die Idee, dass es Bedeutungen gibt und dass sie in bestimmten Zusammenhängen eine bestimmte Rolle spielen, drängt sich nicht direkt auf. Bedeutungen sind nämlich nicht Teil unserer sinnlichen Welt: Well, meaning is something peculiar: it is nothing given; it is not tangible; it is not there, waiting to be discovered; you cannot point to it and say: “That looks fascinating, let’s investigate it and see what essential properties it has!”25

Wir sehen daher auch nicht, dass und wie Bedeutungen mit anderen Sachverhalten zusammenhängen. (Ich komme darauf zurück.) Gottlob Frege war einer der ersten, der Bedeutungen einführte, um ein bestimmtes Phänomen zu erklären. Zunächst spielten Bedeutungen in Freges Sprachphilosophie keine Rolle. Und das Phänomen, das ihn später zur Annahme von Bedeutungen führte, versuchte er zunächst ohne diese Annahme zu erklären. Die Idee, dass es Bedeutungen gibt bzw. geben muss, drängte sich ihm also nicht direkt auf, sondern indirekt durch die Existenz eines Phänomens, dessen Erklärung einfach die Annahme von Bedeutungen zu erfordern scheint. Und entsprechend ist, was Bedeutungen sind, dadurch bestimmt, was sie sein müssen, um eben dieses Phänomen zu erklären. Das Phänomen, welches Frege beschäftigte, ist der epistemische Unterschied zwischen wahren Identitätsaussagen der Form „a = a“ und wahren Identitätsaussagen der Form „a = b“.26 Betrachten wir zwei Instanzen dieser Satzschemata: Die Sätze „Superman ist Superman“ und „Superman ist Clark Kent“. Dass sich beide Sätze epistemisch unterscheiden, ist offenkundig. Der erste Satz ist a priori. Jeder, der den Identitätsausdruck versteht, weiß anscheinend, dass die25 26

Burri 2009: 4. Vgl. Frege 1994b: 41.

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ser Satz wahr ist. Er muss Superman nicht untersuchen, ja, er muss überhaupt keinen Ausschnitt der Wirklichkeit untersuchen, er muss nicht einmal wissen, wer Superman ist, um zu wissen, dass Superman mit sich identisch ist. Der Satz ist zudem notwendig wahr, er kann nicht falsch sein. Und der Satz ist analytisch, trivial und wenig informativ. Der zweite Satz hingegen ist nicht a priori, obgleich er, wenn er wahr ist, ebenfalls notwendig wahr ist. Es scheint aposteriorisches Wissen über, es scheint Erfahrung von einigen Ausschnitten der Wirklichkeit nötig, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass der Satz wahr ist. Zudem ist der zweite Satz augenscheinlich nicht analytisch, sondern synthetisch, informativ und alles andere als trivial: „a = a“ und „a = b“ sind offenbar Sätze von verschiedenem Erkenntniswert: „a = a“ gilt a priori und ist nach Kant analytisch zu nennen, während Sätze der Form „a = b“ oft sehr wertvolle Erweiterungen unserer Erkenntnis enthalten und a priori nicht immer zu begründen sind.27

Aber warum gibt es hier eigentlich ein Erklärungsproblem? Und vor allem: Weshalb verlangt eine Erklärung dieses Phänomens die Existenzannahme von Bedeutungen? Das Problem besteht darin, dass unter bestimmten semantischen Annahmen eigentlich gar kein Unterschied im Erkenntniswert bestehen kann. Um den faktisch jedoch bestehenden Unterschied erklären zu können, muss daher eine dieser semantischen Annahmen zurückgewiesen werden. Die Zurückweisung dieser semantischen Annahme wiederum fasst Frege als äquivalent auf mit der Existenzannahme von Bedeutungen. Nehmen wir einmal an, der einzige semantische Aspekt eines Satzes seien die Referenzobjekte seiner Teile sowie die daraus resultierende Wahrheitsbedingung28 des Satzes. Wäre dies der einzige semantische Aspekt, dann könnten sich die Sätze „Superman ist Clark Kent“ und „Superman ist Superman“ gar nicht in ihrem Erkenntniswert unterscheiden, wenn Superman Clark Kent ist. Denn beide Sätze würden dieselbe Wahrheitsbedingung bzw. denselben Wahrheitswert bezeichnen. Weil die Sätze jedoch verschiedenen Erkenntniswert besitzen, können die Referenzobjekte der Satzteile nicht ihr einziger semantischer As27 28

Ebenda: 40. Bei Frege: Der daraus resultierende Wahrheitswert.

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pekt sein. Diese semantische Annahme muss also zurückgewiesen werden. Das Verwerfen dieser semantischen Annahme ist für Frege jedoch äquivalent mit der semantischen These, dass es außer den Referenzobjekten noch mindestens einen zweiten semantischen Aspekt der Sätze und Satzteile geben muss bzw. dass die Wahrheitsbedingungen der Sätze verschieden sein müssen. Dies führte Frege dazu einen zweiten semantischen Aspekt zu postulieren: Bedeutungen bzw., in seinen Worten, Arten des Gegebenseins: Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustande kommen, dass der Unterschied des Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht.29

Die Ausdrücke „Superman“ und „Clark Kent“ referieren zwar, wenn Superman wirklich Clark Kent ist, auf dieselbe Person, sie haben also dasselbe Referenzobjekt, sie drücken jedoch verschiedene Arten des Gegebenseins derselben Person aus, sie besitzen verschiedene Bedeutungen: „Superman“ stellt die Person als einen mit einem Kostüm bekleideten, mutigen, attraktiven Helden dar, während „Clark Kent“ dieselbe Person als einen mit einer Brille bekleideten, ängstlichen, eher unattraktiven Zeitungsmitarbeiter darstellt. Dieser Unterschied wiederum sorgt dafür, dass der Satz „Superman ist Clark Kent“ eine andere Wahrheitsbedingung ausdrückt als der Satz „Superman ist Superman“. Daher verfügen beide Sätze über verschiedenen Erkenntniswert, selbst wenn Superman Clark Kent ist. 5. Bedeutung und Verhaltenserklärung Ich möchte diese Überlegungen Gottlob Freges mit seiner Hilfe sowie Arbeiten neueren Datums vom Michael Devitt verallgemeinern. Das Problem wahrer Identitätsaussagen, so scheint Frege nämlich zu behaupten, ist nur ein Spezialfall eines umfassenderen, alltäglicheren Problembereichs, nämlich desjenigen der angemessenen Verhaltenserklärung. Wenn dies stimmt, dann ist die Einführung von Bedeutung nicht nur nötig, um das eher spezielle Problem wahrer Identitätsaussagen in den Griff zu bekommen. Vielmehr wird die Einführung von Bedeutung durch alltägliche Phänomene 29

Ebenda: 41. Vgl. auch Frege 1994a: 20.

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verlangt. Die Argumentation bleibt dieselbe: (i) Es liegen Phänomene vor. (ii) Wäre eine bestimmte semantische Annahme korrekt, könnten wir diese Phänomene nicht erklären. (iii) Also müssen wir die semantische Annahme aufgeben, was in diesem Fall äquivalent ist mit der Einführung von Bedeutungen. Wahre Identitätsaussagen der Form „a = a“ unterscheiden sich von wahren Identitätsaussagen der Form „a = b“ in ihrem Erkenntniswert. Dass sie sich in ihrem Erkenntniswert unterscheiden, erklärt Frege durch die Einführung von Bedeutungen, also letztlich dadurch, dass er einen semantischen Unterschied ins Spiel bringt, der nicht bestehen würde, wenn die Referenzobjekte der Satzteile ihr einziger semantischer Aspekt wären. Das Problem wahrer Identitätsaussagen scheint nun jedoch ein Spezialfall des Problems der angemessenen Verhaltenserklärungen zu sein. Selbst wenn Superman wirklich Clark Kent ist, kann sich das Verhalten von Lois Lane gegenüber Superman beträchtlich von ihrem Verhalten gegenüber Clark Kent unterscheiden. So mag sich Lois Lane zwar freuen, Superman zu sehen, jedoch nicht freuen, Clark Kent zu sehen, und sie mag Superman, aber nicht Clark Kent lieben, selbst wenn Superman Clark Kent ist. Sie mag dem Heiratsantrag von Superman zustimmen, denjenigen von Clark Kent ablehnen usw. Verhalten wird gemeinhin durch die Zuschreibung propositionaler Einstellungen erklärt. Man schreibt einer Person Wünsche und Überzeugungen zu, die der Grund für ihr Verhalten sind. Wünsche und Überzeugungen wiederum können als Einstellungen zu Propositionen, zu Wahrheitsbedingungen verstanden werden.30 Erneut gilt: Würde man lediglich von einem referentiellen Aspekt der Wünsche und Überzeugungen ausgehen, wäre es nicht möglich, Lois Lanes Verhalten angemessen zu erklären. Denn wenn lediglich die Referenzobjekte relevant sind, Clark Kent jedoch wirklich Superman ist, dann wäre der Wunsch, Superman zu heiraten, identisch mit dem Wunsch, Clark Kent zu heiraten. Weil das Verhalten Lois Lanes jedoch beträchtliche Unterschiede aufweisen kann, muss ein 30

Hier wie im Folgenden werde ich propositionale Einstellungen als Einstellungen zu Propositionen verstehen, nicht als mentale Sätze, die in der „belief box“ oder „desire box“ abgelegt sind. Vgl. Fodor 1987: 17. Es hilft daher nicht, den unterschiedlichen Erkenntniswert dadurch zu erklären, dass die linguistischen bzw. mentalen Sätze verschieden sind.

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weiterer semantischer Aspekt der propositionalen Einstellungen, die in die angemessene Verhaltenserklärung eingehen, eingeführt werden. Die Unterschiede in ihrem Verhalten lassen sich allem Anschein nach nur durch die Zuschreibung von Einstellungen zu verschiedenen Propositionen, zu verschiedenen Wahrheitsbedingungen erklären. Damit hat sich ein umfassenderer Problembereich geöffnet, nämlich derjenige der angemessenen Verhaltenserklärung. Die angemessene Erklärung von Verhalten erfordert neben einem referentiellen Aspekt der zugeschriebenen Wünsche und Überzeugungen einen weiteren semantischen Aspekt. Letztlich ist es also der Umstand, dass die Zuschreibung der Überzeugung, dass a = b, anderes Verhalten erklären kann als die Zuschreibung der Überzeugung, dass a = a, der erklärt, dass sich wahre Identitätsaussagen der Form „a = b“ von wahren Identitätsaussagen der Form „a = a“ unterscheiden. Aber wie kommt man von der Zuschreibung von Überzeugungen mit verschiedenen Bedeutungen zu einem semantischen Unterschied der entsprechenden Sätze? Man muss nicht viel von propositionalen Einstellungen und den Wahrheitsbedingungen von Zuschreibungen propositionaler Einstellungen verstehen, um zu wissen, dass bestimmte Veränderungen innerhalb der Dass-Sätze der Zuschreibungen das Prinzip der Substitution salva veritate verletzen. In Hauptsätzen lassen sich Ausdrücke durch koextensionale Ausdrücke, also durch Ausdrücke, die sich auf dasselbe Referenzobjekt beziehen, ersetzen, ohne dass sich der Wahrheitswert des Satzes ändert, ja ändern kann. Vorausgesetzt Superman ist Clark Kent, lässt sich das zweite Vorkommnis des Ausdrucks „Superman“ in dem Satz „Superman ist Superman“ durch den Ausdruck „Clark Kent“ salva veritate ersetzen. Diese Ersetzung kann nicht zu einer Veränderung des Wahrheitswertes des Satzes führen, wenn die Voraussetzung richtig ist. In Zuschreibungen propositionaler Einstellungen gilt das Prinzip der Substitution salva veritate jedoch nicht mehr. Denn innerhalb des DassSatzes einer Zuschreibung kann eine Ersetzung eines Ausdrucks durch einen koextensionalen Ausdruck zur Folge haben, dass die Zuschreibung als ganze ihren Wahrheitswert ändert (kann, muss aber nicht). Selbst wenn Superman Clark Kent ist, kann Lois Lane bspw. glauben, dass Superman Su-

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perman ist, jedoch nicht glauben, ja sogar bezweifeln, dass Superman Clark Kent ist. Interessanterweise lässt sich jedoch ein verwandtes Prinzip aufrecht erhalten: Innerhalb der Dass-Sätze von Zuschreibungen propositionaler Einstellungen lassen sich Ausdrücke durch bedeutungsgleiche31 Ausdrücke ersetzen, ohne dass sich der Wahrheitswert der Zuschreibung ändern kann. Frege hebt dieses Prinzips klar hervor: In diesen Fällen ist es nicht erlaubt, in dem Nebensatze [dem Dass-Satz] einen Ausdruck durch einen anderen zu ersetzen, der dieselbe gewöhnliche Bedeutung [dasselbe Referenzobjekt] hat, sondern nur durch einen solchen, welcher dieselbe ungerade Bedeutung, d.h. denselben gewöhnlichen Sinn [dieselbe Bedeutung] hat.32

Dies zeigt, dass Ausdrücke innerhalb der Dass-Sätze semantisch anders funktionieren als in Hauptsätzen. Bei einem Ausdruck innerhalb eines Dass-Satzes ist für die Wahrheit des ganzen Satzes die Bedeutung des Ausdrucks ausschlaggebend, nicht sein Referenzobjekt. Und diese Entdeckung Freges stellt den Zusammenhang her zwischen Zuschreibung von Überzeugungen mit verschiedenen Bedeutungen und dem semantischen Unterschied der entsprechenden Sätze. Frege erläutert diesen Zusammenhang wie folgt: Zu den mit „dass“ eingeleiteten abstrakten Nennsätzen gehört auch die ungerade Rede, von der wir gesehen haben, dass in ihr die Wörter ihre ungerade Bedeutung haben, welche mit dem übereinstimmt, was gewöhnlich ihr Sinn ist. In diesem Fall hat also der Nebensatz als Bedeutung [Referenzobjekt] einen Gedanken [eine Proposition], keinen Wahrheitswert […]. Dies kommt vor nach „sagen“, „hören“, „meinen“, „überzeugt sein“, „schließen“ und ähnlichen Wörtern.33 31

Bei Frege: sinngleiche. Frege 1994b: 52. 33 Ebenda: 51. Es erfordert zusätzliche Annahmen für Freges Behauptung, der DassSatz einer Zuschreibung habe eine Bedeutung als Referenzobjekt. Hier wird daher die etwas vorsichtigere und neutralere Formulierung verwendet, dass der Dass-Satz einer Zuschreibung eine Bedeutung spezifiziert, und zwar die Bedeutung des entsprechenden Hauptsatzes sowie der entsprechenden Überzeugung. 32

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Wir gelangen also von angemessenen Verhaltenserklärung zu der Einsicht, dass Lois Lanes Überzeugung, dass Superman Superman ist, nicht dieselbe ist wie ihre Überzeugung, dass Superman Clark Kent ist, selbst wenn Superman wirklich Clark Kent ist. Insofern Überzeugungen Einstellungen zu Propositionen, zu Wahrheitsbedingungen sind, dann muss die Proposition, dass Superman Superman ist, folglich verschieden sein von der Proposition, dass Superman Clark Kent ist. Diese Propositionen werden jedoch auch durch die Sätze „Superman ist Superman“ und „Superman ist Clark Kent“ ausgedrückt. Die Sätze drücken also auch verschiedene Propositionen aus, besitzen verschiedene Wahrheitsbedingungen. Daher können sich beide Sätze auch in ihrem Erkenntniswert unterscheiden. Kurz um: Wir gelangen von angemessenen Verhaltenserklärung zu einer Lösung des Problems wahrer Identitätsaussagen. Die Existenzannahme von Bedeutungen wird im Allgemeinen also durch die angemessene Erklärung von Verhalten nötig. 6. Eine erste Bestimmung von Bedeutung Aber genau welche Rolle spielen Bedeutungen in Verhaltenserklärungen? Welchen Beitrag leisten sie eigentlich? Verhaltenserklärungen haben die Form des praktischen Syllogismus: Lois Lane winkt, weil sie die Aufmerksamkeit von Superman auf sich ziehen will und glaubt, dies nicht zu erreichen, wenn sie nicht winkt. Die Prämissen der praktischen Syllogismen sind Zuschreibungen propositionaler Einstellungen. Die relevanten propositionalen Einstellungen wiederum sind nichts anderes als Einstellungen, nämlich Wünsche und Überzeugungen, zu Propositionen, zu Bedeutungen. Die Bedeutungen werden durch die Dass-Sätze der Zuschreibungen spezifiziert. Wenn wir Verhalten erklären, dann schreiben wir also propositionale Einstellungen zu. Und wenn wir propositionale Einstellungen zuschreiben, dann schreiben wir unter anderem bestimmte, durch die jeweiligen Dass-Sätze spezifizierte Bedeutung zu.34 Bedeutungen sind nun wiederum ein wesentliches Element der Verhaltenserklärung. Denn erstens können Überzeugungen und Wünsche an34

Vgl. Devitt 1996: 56.

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scheinend nur aufgrund des Umstandes, dass sie überhaupt bedeutungsvoll sind, Verhalten erklären. D.h. es ist dieser semantische Aspekt von Überzeugungen und Wünschen, der sie überhaupt erst zu Gründen für Verhalten macht; bedeutungslose Entitäten wie Steine oder Bäume können keine Verhaltensgründe sein. Zweitens sind bestimmte Bedeutungen ein wesentliches Element bestimmter Verhaltenserklärung, anderer nicht. Denn Überzeugungen und Wünsche können nur aufgrund des Umstandes, dass sie bestimmte Bedeutungen haben, bestimmtes Verhalten erklären, anderes nicht. Frege illustriert beide Behauptungen an einem Beispiel: Wenn Wellington sich gegen Ende der Schlacht bei Belle-Alliance freute, dass die Preußen kämen, so war der Grund seiner Freude eine Überzeugung. Wenn er sich getäuscht hätte, so würde er sich, solange sein Wahn dauerte, nicht minder gefreut haben, und bevor er die Überzeugung gewann, dass die Preußen kämen, konnte er sich nicht darüber freuen, obwohl sie in der Tat schon anrückten.35

Der Grund für Wellingtons Freude (wem es Unbehagen bereitet, Freude als Verhalten zu bezeichnen, der ersetze Wellingtons Freude durch Wellingtons Freudentanz) war eine Überzeugung mit einer ganz bestimmten Bedeutung (zuzüglich eines bestimmten Wunsches). Es ist diese Überzeugung mit dieser bestimmten Bedeutung, die in der angemessenen Erklärung seines Verhaltens fungiert. Und Frege weist darauf hin, dass bedeutungslose Sachverhalte bzw. Ereignisse gar keine angemessene Erklärung für Verhalten liefern, prinzipiell nicht als Gründe infrage kommen. Der bloße Umstand bspw., dass die Preußen anrückten, erklärt Wellingtons Freude nicht. Denn sie rückten bereits an, als er sich noch nicht freute. Für die Angemessenheit der Erklärung ist die Bedeutung der Überzeugung wiederum relevant, nicht jedoch, ob Wellingtons Überzeugung wahr oder falsch war, ob die Preußen also wirklich anrückten oder nicht. Denn selbst wenn die Preußen nicht angerückt wären, hätte sich Wellington gefreut, solange er dieser Überzeugung gewesen wäre. Überzeugungen mit anderen Bedeutungen, so könnte man ergänzen, hätten Wellingtons Freude ebenfalls nicht angemessen erklärt. Bspw. ist die Überzeugung, dass Superman Clark Kent ist, kein angemessener Grund für Wellingtons Verhalten. 35

Frege 1994b: 52f.

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Obgleich Bedeutungen also nicht Teil unserer sinnlichen Welt sind, haben wir einen gewissen alltäglichen Zugang zu ihnen, einen alltäglichen Umgang mit ihnen. Wir sind mit Bedeutungen vertraut. In Verhaltenserklärungen schreiben wir nämlich täglich Überzeugungen und Wünsche mit ganz bestimmten Bedeutungen zu, mit Bedeutungen, die durch die entsprechenden Dass-Sätze der Zuschreibungen spezifiziert sind. Diese Entdeckungen Freges können nun dazu verwendet werden, Bedeutungen für den Anfang einer semantischen Untersuchung hinreichend genau zu bestimmen. Eine solche Bestimmung ist nötig, weil Bedeutungen, wie zuvor erläutert, nicht Teil unserer sinnlichen Welt sind: We start the semantic task [saying what meanings are] in rather worse shape than we do its analogues. With them, the subject matter of investigation is already identified relatively uncontroversially. This reflects the fact that we have clear and familiar theoretical and practical purposes for which we identify the subject matter. Semantics does not start out like that. It is far from clear what counts as meaning that needs explaining.36

Mit den Ergebnissen der letzten Abschnitte können wir nun sagen: Wir haben einen indirekten Zugang zu Bedeutungen im Rahmen von Verhaltenserklärungen. Genauer: Im Rahmen von Verhaltenserklärungen schreiben wir propositionale Zustände zu und einhergehend damit durch die DassSätze der Zuschreibungen spezifizierte Bedeutungen. Wie Michael Devitt gezeigt hat, können wir Bedeutungen jetzt wie folgt bestimmen:37 Bedeutungen sind (i) Eigenschaften, die (ii) durch Dass-Sätze spezifizierbar sind38. Bedeutungen kommen (iii) u.a. propositionalen Einstellungen zu, die (iv) aufgrund dieses Umstandes in angemessenen Verhaltenserklärungen fungieren können. Anders formuliert: Eine Eigenschaft ist genau dann eine Bedeutung, wenn sie eine semantische Rolle innehat. Und eine Eigenschaft hat genau dann eine semantische Rolle inne, wenn sich diese Eigenschaft mithilfe eines Dass-Satzes spezifizieren und daher zuschreiben 36

Devitt 2009: 1. Vgl. Devitt 1996: 24f sowie Devitt 2009: 2. 38 Hierbei sind nicht nur Bedeutungen wie DASS DAS RAD RUND IST gemeint, sondern auch Teile dieser komplexen Bedeutung, also bspw. DASS (…) RAD (…). Vgl. Devitt 1996: 114. 37

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lässt und wenn gilt: Aufgrund des Umstandes, dass eine propositionale Einstellung diese Eigenschaft besitzt, erklärt sie bestimmtes Verhalten.39 7. Eliminativismus Bevor ich abschließend auf die Daten dieser semantischen Methode und die Rolle dieser Daten in der semantischen Argumentation eingehen werde, muss zuvor noch ein Einwand zurückgewiesen werden. Die Methode scheint nämlich zu besagen, dass wir in Zuschreibungen propositionaler Einstellungen wirklich Bedeutungen zuschreiben. Und wenn wir sie wirklich zuschreiben, dann muss es Bedeutungen geben. Es scheint daher, dass die Methode einfach voraussetzt, dass eine eliminative Position im Rahmen der Semantik falsch ist; die Methode wäre eine petitio gegenüber einem semantischen Eliminativismus. Doch kein Ansatz sollte diese Voraussetzung haben, so der Einwand. Die Situation wäre vergleichbar mit derjenigen in der Erkenntnistheorie. Auch dort sollte keine Methode von vornherein voraussetzen, dass der Skeptizismus falsch ist. Nun gibt es jedoch zumindest zwei Gründe, weshalb dieser Einwand in der Semantik fehlschlägt. Erstens kann die Methode derart entwickelt werden, dass sie den Eliminativismus als möglicherweise wahr zulässt, also keine petitio darstellt. Hierzu muss der Ansatz die Möglichkeit offenlassen, dass wir zwar propositionale Einstellungen zu semantischen Zwecken, d.h. zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben, dabei jedoch nicht wirklich Bedeutungen, sondern nur mutmaßliche Bedeutungen zuschreiben. Was ist damit gemeint? Bedeutungen wurden wie folgt bestimmt: Bedeutungen sind Eigenschaften, deren Zuschreibung wirklich Verhalten erklärt. Michael Devitt hat darauf aufmerksam gemacht, dass jedoch zwei Aufgaben der Semantik unterschieden werden können und sollten: eine deskriptive und eine normative Aufgabe. 39

Mit dieser Bestimmung von Bedeutung wird nicht behauptet, dass Bedeutungen zuallererst durch die Zuschreibung von Wünschen und Überzeugungen entstehen. Ganz im Gegenteil: Eine solche Zuschreibung setzt bereits Bedeutung voraus. Es ist vielmehr gemeint, dass Bedeutungen durch diesen Zusammenhang entdeckt und bestimmt werden können und dass dies kein Zufall ist.

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The descriptive task […] is the task of explaining the natures of the properties we do ascribe in attitude ascriptions for semantic purposes; the task of explaining the semantic status quo.40

Wir schreiben de facto propositionale Einstellungen zum Zweck der Verhaltenserklärung zu und spezifizieren dabei de facto Eigenschaften vermittels der Dass-Sätze. Diese Eigenschaften sind zunächst mutmaßliche Bedeutungen. Die deskriptive Aufgabe besteht darin, das Wesen dieser Eigenschaften anzugeben. Aber diese Eigenschaften müssen nicht notwendigerweise Bedeutungen sein. Denn the properties […] are meanings only if ascribing them really does serve our semantic purposes; only if they really play semantic roles.41

Die mutmaßlichen Bedeutungen sind also nur dann Bedeutungen, wenn sie das Verhalten wirklich erklären. Die zugeschriebenen Eigenschaften sind also nicht schon deshalb Bedeutungen, weil sie Eigenschaften sind, die wir zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben und wir implizit davon ausgehen, dass sie das Verhalten wirklich erklären. Die normative Aufgabe besteht somit darin, das Wesen derjenigen Eigenschaften zu spezifizieren, die wir zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben sollten.42 Die Unterscheidung zwischen der deskriptiven und der normativen Aufgabe lässt nun Raum für die Möglichkeit, dass die tatsächlich zugeschriebenen Eigenschaften nicht diejenigen Eigenschaften sind, die wir zuschreiben sollten, dass die tatsächlich zugeschriebenen Eigenschaften also keine Bedeutungen, sondern bloß mutmaßliche Bedeutungen sind. Und Raum für diese Möglichkeit zu lassen, heißt Raum für die mögliche Wahrheit des semantischen Eliminativismus zu lassen. Zweitens: Mit der Unterscheidung der deskriptiven von der normativen Aufgabe der Semantik wurde zunächst die Möglichkeit eröffnet, dass der semantische Eliminativismus wahr ist. Mit dieser Unterscheidung lässt sich in einem zweiten Schritt zusätzlich indessen gegen den semantischen Eliminativismus argumentieren. Er wird nicht als falsch vorausgesetzt, 40

Devitt 1994: 554. Ebenda: 554. 42 Vgl. ebenda: 553. 41

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sondern er wird zunächst als möglicherweise wahr zugelassen, jedoch anschließend als wahrscheinlich bzw. faktisch falsch zurückgewiesen. In Zuschreibungen propositionaler Einstellungen schreiben wir Eigenschaften zum Zweck der Verhaltenserklärung zu. Wenn diese Eigenschaften keine Bedeutungen, sondern bloß mutmaßliche Bedeutungen wären, hätten sie keine semantische Rolle inne, sie würden also nicht wirklich das Verhalten erklären. Es wäre daher zu erwarten, dass sich dies offenbart, dass unsere Verhaltenserklärungen massiv fehlschlagen. Aber sie schlagen de facto nicht massiv fehl, ganz im Gegenteil, sie sind äußerst erfolgreich. Entsprechend argumentiert Devitt: „given the apparent success of the ascriptions it is likely that these putative meanings are real ones“43. 8. Daten der Semantik Die methodischen Bemerkungen dieses Kapitels wurden durch das Problem der zulässigen Annahmen motiviert. Ich möchte daher abschließend auf die Daten dieser Methode und auf ihre Rolle in der Argumentation zu sprechen kommen. Die Methode ermöglicht die Datenerhebung durch die Verknüpfung von Bedeutungen mit angemessenen Verhaltenserklärungen. Verhaltenserklärungen nehmen wir alltäglich vor. Daher wissen wir sehr gut, in welchen Situationen wir welche Eigenschaften zuschreiben bzw. nicht zuschreiben. Wir können daher stets mit einigen, relativ unstrittigen Zuschreibungssituationen aufwarten.44 Die so gewonnenen Daten können mithilfe der Unterscheidung der deskriptiven von der normativen Aufgabe dann wie folgt für die Argumentation verwendet werden: Nehmen wir einmal an, eine semantische These besage, dass Bedeutungen die Eigenschaft f haben, dass Bedeutungen f sind. Mögliche Thesen sind hier beispielsweise, dass Bedeutungen Referenzobjekte bestimmen oder dass sie holistisch sind usw. Als erstes kann man nun die deskriptive Aufgabe in Angriff nehmen: Haben die Eigenschaften, die wir tatsächlich zum Zweck der Verhaltenser-

43 44

Ebenda: 570. Vgl. Devitt 1996: 77.

50

klärung zuschreiben, die Eigenschaft f? Hier ist relativ zu den Daten eine von zwei Antworten möglich: Ja oder Nein. Anschließend muss man sich nun der normativen Aufgabe widmen. Denn die Eigenschaften, die wir zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben, müssen nicht notwendigerweise Bedeutungen sein. Hier wird eine weitere Art von Daten relevant, nämlich ob die jeweiligen Verhaltenserklärungen erfolgreich sind, ob die Zuschreibungen also wirklich der Verhaltenserklärung dienlich sind oder nicht. Die normative Aufgabe kann in zwei verschiedene Richtungen verlaufen: Die Eigenschaften, die wir tatsächlich zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben, haben die Eigenschaft f. (deskriptiv: Ja) Aber sollten wir sie überhaupt zuschreiben? Die Eigenschaften, die wir tatsächlich zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben, haben nicht die Eigenschaft f. (deskriptiv: Nein) Aber sollten wir sie nicht doch zuschreiben? Im Falle von (deskriptiv: Ja) kann einerseits argumentiert werden, dass unsere Zuschreibungspraxis von Eigenschaften, die f sind, dem Zweck der Verhaltenserklärung aufgrund ihres f-Seins nicht wirklich dient, diese Eigenschaften daher zu diesem Zweck45 nicht zugeschrieben werden sollten, Bedeutungen also nicht f sind. Wir haben hier dann den Fall von (deskriptiv: Ja) und (normativ: Nein). Es kann aber andererseits auch argumentiert werden, dass unsere Zuschreibungspraxis von Eigenschaften, die f sind, dem Zweck der Verhaltenserklärung wirklich dient, diese Eigenschaften daher im Rahmen von Verhaltenserklärungen zu diesem Zweck zugeschrieben werden sollten, zumindest einige Bedeutungen also f sind. Wir haben hier dann den Fall von (deskriptiv: Ja) und (normativ: Ja). Es ist hier noch nicht ausgeschlossen, dass Eigenschaften, die nicht f sind, nicht auch dem Zweck der Verhaltenserklärung dienen können. 45

Wer einer Reisegruppe bspw. die Eigenschaft zuschreibt, kleiner als zwanzig Mann zu sein, schreibt der Reisegruppe automatisch auch die Eigenschaft zu, kleiner als einhundert Mann zu sein. Aber nur die erste Zuschreibung erklärt, warum die Reiseleitung nur einen Reisebus bestellt hat. Daher sollte auch nur die erste Eigenschaft zu diesem Zweck zugeschrieben werden. Ich danke Alex Burri für diesen wichtigen Hinweis.

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Im Falle von (deskriptiv: Nein) kann einerseits argumentiert werden, dass unsere Zuschreibungspraxis von Eigenschaften, die nicht f sind, dem Zweck der Verhaltenserklärung aufgrund ihres Nicht-f-Seins nicht wirklich dient, diese Eigenschaften daher im Rahmen von Verhaltenserklärungen zu diesem Zweck nicht zugeschrieben werden sollten. Eigenschaften, die nicht f sind, wären mithin keine Bedeutungen. Wir haben hier dann den Fall von (deskriptiv: Nein) und (normativ: Nein). Es kann aber andererseits auch argumentiert werden, dass unsere Zuschreibungspraxis dem Zweck der Verhaltenserklärung wirklich dient, Eigenschaften, die nicht f sind, daher im Rahmen von Verhaltenserklärungen zu diesem Zweck zugeschrieben werden sollten, mithin zumindest einige Bedeutungen nicht-f sind. Wir haben hier dann den Fall von (deskriptiv: Nein) und (normativ: Ja). Es ist hier noch nicht ausgeschlossen, dass Eigenschaften, die f sind, nicht auch dem Zweck der Verhaltenserklärung dienen können.

Normativ: Sollten wir die Eigenschaften, die wir de facto zuschreiben, zuschreiben?

ja

nein

Deskriptiv: Sind die zugeschriebenen Eigenschaften f? ja nein Zumindest ei- Zumindest einige Benige Bedeu- deutungen sind nicht f. tungen sind f. Keine Bedeu- Alle Bedeutungen sind tung ist f. f.

Die Daten und ihre Rolle in der Argumentation, die soeben recht abstrakt dargelegt wurden, möchte ich noch kurz durch ein Beispiel Michael Devitts veranschaulichen. Dieses Beispiel, der semantische Holismus, wird uns später noch eingehend beschäftigen. Devitt beginnt mit der deskriptiven Aufgabe. Der semantische Holismus behauptet, dass alle inferentiellen Eigenschaften einer Repräsentation ihre Bedeutung konstituieren, dass zwei Repräsentationen, die sich in ihren inferentiellen Eigenschaften unterscheiden, also nicht dieselbe Bedeutung haben können. Relativ zu unserer Zuschreibungspraxis im Rahmen von Verhaltenserklärungen geben die Daten zu erkennen, dass wir auch dann Personen dieselbe Eigenschaft, dieselbe Überzeugung zuschrei-

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ben, wenn sich die inferentiellen Eigenschaften der Überzeugungen zwischen den Personen unterscheiden. Bspw. schreiben wir verschiedenen Personen Ulmenüberzeugungen zu, auch wenn zwei Personen verschiedene Überzeugungen über Ulmen haben. Die eine Person mag im Gegensatz zur anderen bspw. glauben, dass Ulmen keine natürliche Baumart, sondern eine Züchtung ist. The evidence against semantic holism as a descriptive doctrine will be decisive. Consider any putative meaning. We shall find that the folk are prepared to ascribe it to tokens that differ enormously in their inferential properties. So, few if any inferential properties could constitute the ascribed property.46

Relativ zu unserer Zuschreibungspraxis im Rahmen von Verhaltenserklärungen geben die Daten zusätzlich zu erkennen, dass wir auch dann Personen verschiedene Eigenschaften, verschiedene Überzeugung zuschreiben, wenn sich die inferentiellen Eigenschaften der Überzeugungen gar nicht unterscheiden. Bspw. schreiben wir einer Person, die Ulmen und Buchen nicht unterscheiden kann, dennoch in einigen Umständen Ulmenüberzeugungen, in anderen hingegen Buchenüberzeugungen zu, obgleich die Überzeugungen letztlich ein und dieselbe inferentielle Eigenschaft für diese Person haben, bspw. die inferentielle Relation zu „Baum“. Die Eigenschaften, die wir tatsächlich zuschreiben, sind mithin nicht holistisch; der Holismus ist, als deskriptive These verstanden, falsch. Wir haben hier also den Fall (deskriptiv: Nein) exemplifiziert. Devitt geht nun zur normativen Aufgabe über. Denn bisher lassen sich keine Rückschlüsse darüber ziehen, ob denn nun Bedeutungen holistisch sind. Zunächst konstatiert er, dass unsere Zuschreibungspraxis dem Zweck der Verhaltenserklärung wirklich dient; unsere Zuschreibungspraxis ist erfolgreich. Nicht-holistische Eigenschaften sollten daher im Rahmen von Verhaltenserklärungen zugeschrieben werden. Mithin gibt es Bedeutungen, die nicht holistisch sind. Wir haben hier also den Fall (deskriptiv: Nein) und (normativ: Ja).

46

Devitt 1994: 571.

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Normativ: Sollten wir die Eigenschaften, die wir de facto zuschreiben, zuschreiben?

ja

nein

Deskriptiv: Sind die zugeschriebenen Eigenschaften holistisch? ja nein Einige Bedeu- Einige Bedeutungen sind tungen sind holistisch. nicht holistisch. Keine Bedeu- Alle Bedeutung ist holis- tungen sind tisch. holistisch.

Es ist bislang noch nicht ausgeschlossen, dass Eigenschaften, die holistisch sind, nicht auch dem Zweck der Verhaltenserklärung dienen können. Um darüber hinaus behaupten zu können, dass Bedeutungen wesentlich nicht holistisch sind, muss Devitt auf weitere Überlegungen zurückgreifen. Er bleibt jedoch im Rahmen der Methode, d.h. im Rahmen von Zuschreibungen propositionaler Einstellungen zum (semantischen) Zweck der Verhaltenserklärung.47 Given the success of folk ascriptions in serving our semantic purposes, we ought to ascribe such localistic properties. We shall find independent support for this normative conclusion from the fact that only localistic properties have the sort of generality in which we are interested. So holism is wrong not only about putative meanings but about meanings.48

Holistische Bedeutungen wären sehr wahrscheinlich einzigartig für eine bestimmte propositionale Einstellung zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Es wäre mithin völlig offen, welchem semantischen Zweck die Zuschreibung solcher Eigenschaften überhaupt dienen könnte. Denn einem semantischen Zweck zu dienen, scheint eine gewisse Verallgemeinerbarkeit vorauszusetzen und holistische Bedeutungen können diese Verallgemeinerbarkeit anscheinend nicht aufweisen. Es wäre bspw. witzlos, jedes einzelne Verhalten durch Zuschreibungen einer jeweils einzigar47 48

Vgl. Devitt 1996: 123ff. Devitt 1994: 571

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tigen Eigenschaft zu erklären. Wofür soll und kann dies überhaupt nützlich sein? Holistische Eigenschaften jedoch, scheinen, wenn überhaupt, nur in einzelnen Fällen mehrfach exemplifiziert zu sein. Zusammenfassend können wir Hilary Putnams berühmten Slogan, „dass die Bedeutung, sofern dieser Begriff überhaupt etwas besagt, genau das ist, was wir beim Übersetzen zu erhalten trachten“49 umformulieren. Die Methode besagt nämlich, dass die Bedeutung, sofern dieser Begriff überhaupt etwas besagt, genau das ist, was wir in Erklärungen des Verhaltens zuzuschreiben trachten, und, angesichts unseres Erfolges, auch wirklich zuschreiben.

49

Putnam 1991: 70.

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III. Bedeutung, Theorie und Extension Wir können nun mit der eigentlichen epistemischen Bewertung der Funktionalen-Rollen-Semantik beginnen. Bisher habe ich festgesetzt, dass die Bedeutungen von Repräsentationen, seien sie linguistischer oder mentaler Natur, Begriffe sind. Begriffe werden hier also nicht als Teile der Repräsentationen, sondern als die Bedeutungen verstanden. Die Bedeutung von „Hund“ ist bspw. der Begriff HUND. Die Bedeutung des Satzes „Fido ist ein Hund“ ist bspw. die Proposition FIDO IST EIN HUND. Mit dieser Festsetzung ist natürlich nichts über Bedeutungen ausgesagt, lediglich über meine austauschbare Verwendung der Ausdrücke „Bedeutung“ und „Begriff“ (in extensionalen Kontexten) sowie über die Konventionen, „„f““ als Name einer Repräsentation und „F“ als Name einer Bedeutung zu verwenden. Die epistemische Bewertung der Funktionalen-Rollen-Semantik möchte ich mit einer kritischen Diskussion ihrer ersten Konsequenz beginnen. Erinnern wir uns: Entsprechend der Hauptthese der FunktionalenRollen-Semantik bestimmen die funktionalen Rollen von Repräsentationen ihre Bedeutungen. Wenn die Bedeutungen von Repräsentationen zudem ihre Referenzobjekte bzw. ihre Wahrheitswerte bestimmen, in dem Sinn, dass sich bedeutungsgleiche Repräsentationen in ihrem referentiellen Aspekt nicht unterscheiden können, dann besitzt (FRS) die folgende Konsequenz: (Konsequenz 1) Die funktionalen Rollen von Repräsentationen bestimmen ihre Referenzobjekte bzw. ihre Wahrheitswerte. Um diese Konsequenz einer hinreichend genauen Untersuchung zu unterziehen, werde ich zunächst etwas weiter ausholen und ganz allgemein zwei verschiedene Auffassungen über Bedeutungen unterscheiden, nämlich die realistische und die antirealistische. Zwei Versionen der antirealistischen Auffassung werde ich anschließend erörtern und mit einem ersten Problem konfrontieren: dem Problem der atomaren Begriffe. Dieses Problem ist ein Motiv, die Funktionale-Rollen-Semantik, konzipiert als antirealistische

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Bedeutungstheorie, ins Spiel zu bringen. Anschließend werde ich alle drei Versionen der antirealistischen Auffassung mit einem weiteren Problem konfrontieren, dem Problem der Unabhängigkeit der Extension von Theorien.50 Wenn die folgenden Überlegungen richtig sind, dann ist die Konsequenz 1 und mithin die Funktionale-Rollen-Semantik falsch.51 1. Schwache Determination Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Auffassungen über Bedeutung sowie über die Beziehungen zwischen Bedeutung, Theorie und Extension. Diese beiden Auffassungen können die realistische und die antirealistische Auffassung genannt werden.52 Beide Auffassungen werden in diesem Kapitel zunächst derart dargestellt, dass ihnen die folgende minimale Annahme gemeinsam ist: Schwache Determination (SD): Die Bedeutung einer Repräsentation bestimmt das Referenzobjekt der Repräsentation in dem Sinn, dass notwendigerweise bedeutungsgleiche Repräsentationen koextensional sind, dass bedeutungsgleiche Repräsentationen also in allen möglichen Welten dieselbe Extension haben. Die schwache Determination, vor allem ihr modaler Aspekt, hat zwei Konsequenzen, die in der Auseinandersetzung zwischen der realistischen und der antirealistischen Bedeutungsauffassung eine gewichtige Rolle spielen: Wenn zwei Repräsentationen nicht koextensional sind, dann folgt, dass ihre Bedeutungen notwendig verschieden sind. Es gibt mithin keine mögliche Welt, in der sich zwei bedeutungsgleiche Repräsentationen auf verschiedene Referenzobjekte beziehen. Wenn zwei Repräsentationen nicht dieselbe 50

Hinter diesem Problem steckt im Übrigen der eigentliche Einwand gegen die Begriffsanalyse. Denn dieses Problem stellt infrage, dass das Wesen bspw. des Wissens überhaupt versteckt in den innersprachlichen Regeln enthalten ist. Wenn dies stimmt, dann hilft uns nicht einmal ein Explizieren der innersprachlichen Regeln dabei, etwas über das Wesen des Wissens zu lernen. 51 Im Folgenden werde ich deflationäre Theorien der Referenz und der Wahrheit unberücksichtigt lassen. 52 Diese Unterscheidung entnehme ich aus Putnam 1973a sowie Putnam 1991.

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Bedeutung haben, dann folgt, dass sie nicht notwendig dieselbe Extension haben, dass sie aber dieselbe Extension haben können. Die Annahme (SD) ist von einer verwandten, gleichwohl stärkeren Annahme zu unterscheiden. Dass Bedeutung die Extension bestimmt, heißt im Fall von (SD): Aufgrund des semantischen Umstandes, dass „f“ F bedeutet sind „f“s Referenzobjekte die Referenzobjekte von „f“, ist es also eine Tatsache, dass sich „f“ auf diese im Gegensatz zu anderen oder gar keine Referenzobjekte bezieht. Dass die Bedeutung einer Repräsentation ihre Referenz determiniert, wird manchmal aber auch so verstanden, dass aus der Bedeutung ersichtlich wird bzw. herausgelesen werden kann, welches die Extension der Repräsentation ist.53 2. Realismus und Antirealismus Die realistische und die antirealistische Bedeutungsauffassung werden in diesem Kapitel also derart verstanden, dass sie sich über die Beziehung zwischen Bedeutung und Extension in einem gewissen Sinn, dargestellt durch (SD), einig sind. Uneinigkeit besteht hingegen über die Beziehung zwischen Theorie und Bedeutung, und aufgrund der schwachen Determination daher auch über die Beziehung zwischen Theorie und Extension. Die Frage lautet: Welchen Einfluss haben Theorien, haben unsere Überzeugungen auf die Bedeutungen unserer Repräsentationen und welchen Einfluss haben Theorien aufgrund von (SD) daher auf die Extensionen unserer Repräsentationen? Der Ausdruck „Theorie“ wird im Folgenden sehr grob verstanden. Theorien seien einzelne Überzeugungen bzw. Sätze aber auch Überzeugungs- bzw. Satzsysteme. Wichtig ist, dass die Theorien, genauer die Bedeutungen der Repräsentationen, die die Theorie bilden, von vornherein antirealistisch verstanden werden! Was ist damit gemeint? Im Allgemeinen kann der Realismus wie folgt charakterisiert werden: Hinsichtlich eines bestimmten Diskurses Realist zu sein, umfasst die Thesen, (i) dass die Gegenstände, Eigenschaften und Tatsachen des Diskurses existieren und (ii) dass diese Entitäten unabhängig davon existieren, ob oder was irgendjemand irgendwann über sie sagt oder denkt; diese Enti53

Vgl. Putnam 1978: 115 sowie Putnam 1991: 14.

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täten sind in diesem Sinn bewusstseinsunabhängig. Die These der bewusstseinsunabhängigen Existenz und Beschaffenheit von x ist also die realistische These bzgl. x. Übertragen wir diese These in die Semantik: Entsprechend der realistischen Bedeutungsauffassung sind die Bedeutungen zumindest einiger unserer Repräsentationen teilweise unabhängig von unseren derzeitigen Theorien über die Referenzobjekte. Die Theorie umfasst hier all das, was irgendjemand jetzt über die Referenzobjekte sagt oder denkt. Entsprechend der antirealistischen Bedeutungsauffassung sind die Bedeutungen aller unserer Repräsentationen vollständig abhängig von unseren derzeitigen Theorien über die Referenzobjekte. Derart konzipiert, sind die realistische und die antirealistische Auffassung nicht bloß konträre, sondern kontravalente Gegensätze. Beide Bedeutungsauffassungen möchte ich kurz an einem Beispiel von Putnam54 erläutern. Der Zusammenhang zwischen Bedeutung, Theorie und Extension gestaltet sich entsprechend der antirealistischen Auffassung grob wie folgt: Unsere derzeitige Fischtheorie bzw. ein privilegierter Teil55 derselben bestimmt vollständig unseren derzeitigen Begriff FISCH, bestimmt also vollständig die Bedeutung unseres Ausdrucks „Fisch“. Wenn unsere derzeitige Fischtheorie die Überzeugung enthielte, dass alle Fische mittels Kiemen atmen, dann wäre MITTELS KIEMEN ZU ATMEN ein Merkmal des Begriffs FISCH, dann würde FISCH z.B. nicht auf Lungenfische referieren. FISCH würde nicht auf Lungenfische referieren, weil Lungenfische gar keine Fische sind. Denn wenn diese Überzeugung in den Begriff eingeht, ist es analytisch, dass alle Fische mittels Kiemen atmen. Weil Analytizität Notwendigkeit impliziert, folgt, dass es keine Fische geben kann, die nicht mittels Kiemen atmen. Diese Auffassung von Bedeutung ist antirealistisch. Denn unser Begriff FISCH und daher auch das Fischsein ist vollständig abhängig von unserer Fischtheorie, vollständig abhängig davon, was wir über Fische denken und sagen. 54

Vgl. Putnam 1973a: 196. Die antirealistische Auffassung muss nicht die These beinhalten, dass die gesamte Theorie die Bedeutung bestimmt. Es kann lediglich behauptet werden, dass ein gewisser Teil der Theorie, der privilegierte Teil, die Bedeutung bestimmt.

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Entsprechend der realistischen Bedeutungsauffassung bestimmt unsere derzeitige Fischtheorie nicht vollständig unseren Begriff FISCH. Auch wenn unsere Fischtheorie derzeit die Überzeugung enthalten würde, dass alle Fische mittels Kiemen atmen, könnte FISCH auch auf Lungenfische referieren. Selbst wenn unsere derzeitige Fischtheorie besagen würde, dass alle Fische mittels Kiemen atmen, muss es nicht analytisch sein, dass alle Fische mittels Kiemen atmen. Der Begriff FISCH muss den Begriff MITTELS KIEMEN ZU ATMEN nicht „enthalten“. Zusammen mit dem Begriff FISCH ist somit auch das Fischsein mindestens teilweise unabhängig von unserer derzeitigen Fischtheorie. 3. Cartesianismus Die Bewusstseinsunabhängigkeit ist das wesentliche Merkmal des Realismus. Auf ihr gründen sich zwei Konsequenzen, die in der Praxis als Test verwendet werden können, ob es sich jeweils um eine realistische oder um eine antirealistische Bedeutungsauffassung handelt. Die erste Konsequenz ist die Unterscheidung zwischen Schein und Realität. Die zweite Konsequenz ist die mögliche prinzipielle Unerkennbarkeit der Realität. Das Zulassen der Schein-Realität-Unterscheidung sowie die These der möglichen prinzipiellen Unerkennbarkeit hinsichtlich x ist ein hinreichendes Indiz, dass wir es mit einer realistischen Auffassung von x zu tun haben. Die realistische Bedeutungsauffassung lässt die Unterscheidung zwischen dem, was eine Repräsentation wirklich bedeutet und was daher aufgrund von (SD) wirklich zu ihrer Extension gehört, einerseits und dem, was eine Repräsentation für uns derzeit zu bedeuten scheint und was daher für uns derzeit zu ihrer Extension zu gehören scheint, andererseits als sinnvoll zu. Es folgt aus der realistischen Auffassung, dass Bedeutung und Extension Phänomene sind, über die sich prinzipiell alle, selbst die kompetenten Sprecher einer Sprache oder die Experten teilweise täuschen können. Es ist z.B. möglich, dass wir alle ein Tier aufgrund unserer Fischtheorie als Fisch bezeichnen, das in Wirklichkeit kein Fisch ist, oder dass wir alle einem Tier aufgrund unserer Fischtheorie das Fischsein absprechen, obwohl es in Wirklichkeit ein Fisch ist. Daher ist es sinnvoll, die wirklichen Bedeutungen und die wirklichen Extensionen unserer Repräsentationen zu erforschen. Es ist jedoch prinzipiell möglich, dass die wirklichen Bedeu-

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tungen und die wirklichen Extensionen einiger unserer Repräsentationen für uns teilweise nicht erkennbar sind. Die These, dass uns unsere linguistische Kompetenz einen privilegierten Zugang zu Bedeutungen sichert, ist als Cartesianische These bekannt und wird von der realistischen Auffassung zurückgewiesen.56 Die antirealistische Auffassung lässt die Unterscheidung zwischen den wirklichen Bedeutungen und den wirklichen Extensionen einerseits und den scheinbaren Bedeutungen und den scheinbaren Extensionen unserer Repräsentationen andererseits nicht sinnvoll zu. Weil die jeweilige Theorie (selbst antirealistisch verstanden!) unsere derzeitige Theorie ist, wissen wir, was diese Theorie besagt. Weil diese Theorie unseren Begriff FISCH vollständig bestimmt, haben wir einen privilegierten Zugang zu diesem Begriff, zu seinen Merkmalen. Weil der Begriff wiederum die Extension bestimmt, können wir wissen, was Fische wirklich und eigentlich sind. Es ist weder möglich, dass wir alle ein Tier aufgrund unserer Theorie korrekt als Fisch bezeichnen, das in Wirklichkeit kein Fisch ist, noch, dass wir alle aufgrund unserer Theorie einem Tier korrekt das Fischsein absprechen, obwohl es in Wirklichkeit ein Fisch ist. Weder kann sich die gesamte Sprachgemeinschaft über die Bedeutungen und die Extensionen ihrer Repräsentationen irren, noch können die Bedeutungen und die Extensionen ihrer Repräsentationen für sie prinzipiell unerkennbar sein. Die antirealistische Auffassung vertritt mithin die cartesianische These, dass uns unsere linguistische Kompetenz einen privilegierten Zugang zu Bedeutungen sichert. Spätestens mit diesen beiden Konsequenzen vor Augen liegt die Behauptung nahe, dass die realistische Auffassung keine adäquate Auffassung der Bedeutungen aller Ausdrücke ist. Nicht alle Begriffe sind teilweise bewusstseinsunabhängige Begriffe.57 Putnam selbst gibt das folgende Beispiel: Die Bedeutung des Ausdrucks „Stern“ und entsprechend die Frage, ob etwas ein Stern ist oder nicht, hängt vielleicht nicht vollständig von unserer Astronomie ab. Die Bedeutung des Ausdrucks „Großer Wagen“ und entsprechend die Frage, ob ein bestimmter Stern zum Großen Wagen ge-

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Vgl. Devitt 1996: 2. Vgl. Nagel 1997: Kap. 3.

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hört oder nicht, hängt hingegen vollständig von unserer Astrologie ab.58 Im ersten Fall ist es anscheinend sinnvoll zu sagen: „Wir wähnten Jahrhunderte lang, dies sei ein Stern, aber es ist in Wirklichkeit ein Planet“. Im zweiten Fall jedoch ist es alles andere als sinnvoll zu sagen: „Wir wähnten Jahrhunderte lang, dieser Stern gehöre zum Großen Wagen, aber er gehört in Wirklichkeit nicht zum Großen Wagen“. Die entscheidende Frage in dem Disput zwischen der realistischen und der antirealistischen Bedeutungsauffassung besteht also nicht darin, ob die antirealistische Auffassung überhaupt auf die Bedeutungen einiger Ausdrücke zutrifft, sondern darin, ob die realistische Auffassung zumindest für die Bedeutungen einiger Ausdrücke richtig ist und wenn ja, für welche. Ein Philosoph kann mithin kohärent bspw. die realistische Auffassung für Ausdrücke natürlicher Arten vertreten. Jedoch, aufgrund der Überzeugung, dass weder Wissen, noch Kugelschreiber, noch Begrüßungen natürliche Arten sind, die antirealistische Auffassung bezüglich der Bedeutungen WISSEN, KUGELSCHREIBER und BEGRÜSSUNG für richtig halten. Aus diesem Grund gehen Diskussionen, ob bspw. Wissen eine natürliche Art ist, üblicherweise mit Diskussionen einher, ob Erkenntnistheoretiker sich auf die Methode der Begriffsanalyse verlassen sollten.59 Denn wenn Wissen eine natürliche Art ist und die realistische Auffassung auf Ausdrücke natürlicher Arten zutrifft, dann besteht kein Grund, weshalb uns der Wissensbegriff privilegiert zugänglich sein sollte. Die Methode der Begriffsanalyse macht also scheinbar nur relativ zur antirealistischen Auffassung Sinn, relativ zu der Auffassung, dass das Wesen des Wissens durch unseren Wissensbegriff bestimmt und wir einen privilegierten Zugang zu unserem Wissensbegriff besitzen. Ich möchte die beiden Auffassungen im Folgenden etwas genauer betrachten und auf einige Probleme näher eingehen. Die Betrachtung wird sich vornehmlich im Rahmen von Ausdrücken natürlicher Arten abspielen. Denn erstens gibt es einige Ausdrucksarten, für die niemand je eine realistische Bedeutungsauffassung vertreten hat. Zweitens werden beide Bedeutungsauffassungen jedoch für Ausdrücke natürlicher Arten vertreten. Und drittens ist der Zusammenhang zwischen den Bedeutungen und Extensio58 59

Vgl. Putnam 1991: 22. Vgl. Kornblith 2002.

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nen der Repräsentationen einerseits und den entsprechenden Theorien andererseits im Falle von Ausdrücken natürlicher Arten am besten nachvollziehbar und prima facie plausibel. 4. Zwei antirealistische Versionen Die antirealistische Bedeutungsauffassung wurde unterschiedlich ausgestaltet, je nach dem, in welchem Sinn Theorien vollständig die Bedeutungen von Repräsentationen bestimmen. Ich möchte zunächst zwei Versionen erläutern, die Definitions- und die Prototypentheorie. Mit der Funktionalen-Rollen-Semantik, auf eine bestimmte Art konzipiert, werde ich später auf eine dritte Version zu sprechen kommen. Entsprechend der Definitionstheorie lässt sich der Begriff FISCH durch eine Definition aus einzeln notwendigen und zusammen hinreichenden Merkmalen angeben. Diese Definition spiegelt unsere Fischtheorie wider. Wir können uns vorstellen, dass die Theorie eine Reihe von Sätzen der Form „alle Fische sind gs“ enthält, die jeweils einzeln notwendige Merkmale der Bedeutung von „Fisch“ bestimmen. Alle notwendigen Merkmale sind zusammengenommen hinreichend. Die Bedeutung legt die Extension dann nach folgendem Determinationsschema fest: Determinationsschema 1 (DS 1): Für alle Dinge x gilt: Der Ausdruck „f“ referiert genau dann auf x, wenn „f“ F bedeutet und wenn x alle notwendigen Merkmale des Begriffs F erfüllt. Hieraus folgt, dass es analytisch ist, dass Fische gs sind, wenn G ein notwendiges Merkmal von FISCH ist. Welche Merkmale einzeln notwendig und zusammen hinreichend sind, d.h. was bspw. wesentliche Eigenschaften der Fische sind, ist vollständig abhängig von uns, durch unsere Fischtheorie festgelegt. Entsprechend einer zweiten antirealistischen Version, der Prototypentheorie, lässt sich der Begriff FISCH durch eine statistische Verteilung von Merkmalen angeben, die weder einzeln notwendig, noch zusammen hinreichend sind. Diese statistische Verteilung von Merkmalen spiegelt unsere Fischtheorie wider. Wir können uns vorstellen, dass die Theorie eine Reihe von Sätzen der Form „n% aller Fische sind gs“ oder „typische Fische sind

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gs“ enthält, die jeweils einzeln statistische Merkmale von FISCH bestimmen. Die Extension wird durch die Bedeutung nach folgendem Determinationsschema festgelegt: Determinationsschema 2 (DS 2): Für alle Dinge x gilt: Der Ausdruck „f“ referiert genau dann auf x, wenn „f“ F bedeutet und wenn x hinreichend viele der statistisch signifikanten oder typischen Merkmale des Begriffs F erfüllt. Hieraus folgt, dass es analytisch ist, dass typische Fische gs sind, oder, dass Fische typischerweise gs sind. Welche Merkmale typisch sind und in welchem Maße sie typisch sind, ist vollständig abhängig von uns, durch unsere Theorie über die Wirklichkeit festgelegt. 5. Wesentliche Unvollständigkeit Ich möchte zunächst am Beispiel der Definitionstheorie auf ein erstes Problem eingehen. Dieses Problem besteht darin, dass die Definitionstheorie auf die Annahme atomarer Begriffe festgelegt ist. Weil die Definitionstheorie aber weder die Natur, noch die Extension dieser atomaren Begriffe erklären kann, ist sie als Bedeutungstheorie wesentlich unvollständig und daher wesentlich ergänzungsbedürftig! Um zu sehen, dass die Definitionstheorie auf die Annahme atomarer Begriffe festgelegt ist, müssen das Wesen antirealistischer Begriffe sowie die Bestimmung der Extension relativ zu ihrem Wesen genauer betrachtet werden. Begriffe sind entsprechend der Definitionsauffassung wesentlich semantisch strukturiert. Sie konstituieren sich nämlich aus Begriffsmerkmalen und der Art ihrer Zusammensetzung60. Die Begriffsmerkmale bestimmen wiederum die Extension des Begriffs. Für alle Dinge x gilt: Der 60

Der Begriff, unter den etwas genau dann fällt, wenn es ein Eimer ist und nicht rot ist, und der Begriff, unter den etwas genau dann fällt, wenn es kein Eimer ist und rot ist, sind zwei Begriffe, die sich aus denselben Begriffsmerkmalen zusammensetzen, jedoch in der Art ihrer Zusammensetzung unterscheiden. Dieser Zusatz wird im Folgenden vernachlässigt.

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Ausdruck „f“ referiert genau dann auf x, wenn „f“ F bedeutet und wenn x alle notwendigen Merkmale des Begriffs F erfüllt. Aber wie muss die Aussage „wenn x alle notwendigen Merkmale des Begriffs F erfüllt“ verstanden werden? Was heißt hier „erfüllt“? Erstens sind Begriffsmerkmale selbst Begriffe. Die Merkmale eines Begriffs F sind die Begriffe, die den Begriff F konstituieren. Zweitens müssen wir die Aussage, dass x einen Begriff erfüllt, anscheinend durch die Aussage ersetzen, dass x zur Extension des Begriffs gehört. Denn andernfalls würde die Definitionstheorie bei dem Versuch eine semantische Beziehung zwischen Begriffen und der Wirklichkeit zu erklären, nämlich die Referenzbeziehung, lediglich eine andere, gleichsam unerklärte semantische Beziehung zwischen Begriffen und der Wirklichkeit postulieren, nämlich Begriffserfüllung. Oder sie würde einen Ausdruck durch einen anderen ersetzt, der dieselbe semantische Beziehung bezeichnen soll. Es ist auch kein Ausweg zu sagen, dass x einen Begriff genau dann erfüllt, wenn x die Eigenschaft, die der Begriff ausdrückt, exemplifiziert. Unabhängig davon, dass hier einige Relationsausdrücke unüblich gebraucht werden, ersetzt auch dieser Versuch eine semantische Beziehung, nämlich Begriffserfüllung, durch eine andere unerklärte semantische Beziehung, nämlich entweder Eigenschaftsausdruck oder Eigenschaftsexemplifikation. Denn entweder sind die Eigenschaften Teil der Wirklichkeit und die Aussage, der Begriff drücke eine Eigenschaft aus, wäre dann äquivalent mit der Aussage, der Begriff referiere auf eine Eigenschaft, oder die Eigenschaft ist selbst ein Bestandteil des Begriffs oder identisch mit dem Begriff und die Aussage, x exemplifiziere die Eigenschaft, wäre dann äquivalent mit der Aussage, der Begriff referiere auf x. Um die erklärungsbedürftige semantische Beziehung der Referenz zu verstehen, hilft es also nicht weiter, auf (vermeintlich) andere (vermeintlich) semantische Relationen auszuweichen.61 Wir gelangen also zu folgendem Ergebnis: Begriffsmerkmale konstituieren Begriffe. Die Extension eines Begriffs ist durch die Extension sei61

Eine weitere Version lautet, dass der Begriff F auf x zutrifft, wobei ein Begriff F genau dann auf x zutrifft, wenn „x ist f“ wahr ist. Auch diese Formulierung hilft nicht weiter, wenn die Wahrheit des Satzes vermittels der Extension seiner Teile erklärt wird. Bspw. „x“ referiert auf x und „f“ referiert auf die Menge aller fs und „x ist f“ ist genau dann wahr, wenn x Element der Menge aller fs ist.

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ner Konstituenten festgelegt. Wenn die Extension von F somit u.a. durch die Extension der Merkmale von F, die selbst Begriffe sind, nennen wir sie G und H, festgelegt ist, dann müssen wir uns fragen, wie die Extension von G und H bestimmt ist? Der Versuch, diese Frage zu beantworten, führt jedoch in ein Trilemma. Denn die Definitionstheorie kennt nur eine Antwort auf diese Frage. Für alle Dinge x gilt: Der Begriff G referiert genau dann auf x, wenn alle notwendigen Merkmale des Begriffs G auf x referieren. Wenn die Extension von G jedoch durch die Referenz der Merkmale von G, nennen wir sie I und J, festgelegt ist, dann müssen wir uns wieder fragen, wie die Extension von I und J bestimmt ist? Hier ist das Trilemma: Entweder es erfolgt die übliche und einzige Antwort der Definitionstheorie, dann geraten wir in einen unendlichen Regress, mit dem Ergebnis, dass die Extension von F gar nicht festgelegt ist. Oder es erfolgt die übliche und einzige Antwort, wobei irgendwann wieder der Begriff F als Merkmal eines Begriffs auftaucht, mit dem Ergebnis, dass diese Erklärung der Extension zirkulär ist. Oder der Regress wird gestoppt. Doch was ist in der Lage, den Regress zu stoppen? Der Regress kann offensichtlich nur durch solche Begriffsmerkmale gestoppt werden, die erstens nicht selbst aus einzeln notwendigen und zusammen hinreichenden Merkmalen bestehen, die also nicht selbst semantisch strukturiert sind, deren Extension zweitens jedoch festgelegt sein muss. Solche Begriffe sind atomare Begriffe. D.h. die Extension von komplexen Begriffen kann entsprechend der Definitionstheorie nur dann festgelegt sein, wenn es atomare Begriffe gibt und sich alle komplexen Begriffe in letzter Analyse vollständig aus atomaren Begriffen zusammensetzen. Die Extension aller komplexen Begriffe ist dann in letzter Analyse durch die Extension ihrer atomaren Merkmale festgelegt und zu erklären. Wenn die vorherige Überlegung stimmt, dann ist die Definitionstheorie auf die Annahme atomarer Begriffe festgelegt. Doch dann bedarf sie einer Erklärung des Wesens der atomaren Begriffe sowie ihrer Extensionen und dies ist kein nebensächliches Problem. Denn es sind gerade die atomaren Begriffe, die als Konstituenten der komplexen Begriffe fungieren und deren Extensionen bestimmen. Eine Erklärung der atomaren Begriffe und ihrer Extensionen ist daher für die Definitionstheorie zentral. Die Definitionstheorie selbst kann jedoch keine Semantik atomarer Begriffe bereitstel-

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len. Denn sie konzipiert Begriffe wesentlich als semantisch strukturiert, als komplex. Atomare Begriffe sind hingegen wesentlich nicht semantisch strukturiert. Die Definitionstheorie ist deshalb radikal unvollständig. 6. Wesen und Extension atomarer Begriffe Dieses Problem trifft nicht nur die Definitionstheorie, sondern auch die Prototypentheorie. Denn auch sie erklärt die Extension eines Begriffs durch die Extension seiner Merkmale. Dass diese Merkmale nicht einzeln notwendig und zusammen hinreichend sind, spielt dabei keine Rolle. Erneut müssen wir fragen, wie die Extension der Merkmale festgelegt ist und erneut geraten wir in ein Trilemma, welches zeigt, dass auch die Prototypentheorie auf die Annahme atomarer Begriffe festgelegt ist. Erneut kann jedoch weder das Wesen der atomaren Begriffe, noch ihre Extensionen mittels der Prototypentheorie erklärt werden. Denn auch sie versteht Begriffe wesentlich als semantisch strukturiert. Auch sie ist deshalb radikal unvollständig. Wenn dies stimmt, dann ist es für die Definitions- und die Prototypentheorie zwingend, dass das Problem der atomaren Begriffe gelöst wird. Aber es scheint, als könnten die atomaren Begriffe nicht irgendwelche Theorien widerspiegeln. Es scheint, mit anderen Worten, als könnte die Semantik atomarer Begriffe nicht antirealistisch sein. Entsprechend des antirealistischen Bildes der Art und Weise, wie Theorien Bedeutungen bestimmen, wären die Begriffe in diesem Fall nämlich nicht atomar, sondern semantisch strukturiert. Denn es scheint, als würden Theorien nur in dem Sinn Begriffe bestimmen können, als sie die Merkmale der Begriffe bereitstellen bzw. die Relationen zwischen den Merkmalen bestimmen. Doch dann können die Begriffe nicht atomar sein. Neben diesem allgemeinen Grund, an einer antirealistischen Auffassung atomarer Begriffe zu zweifeln, gibt es noch spezielle Gründe gegen eine antirealistische Konzeption atomarer Begriffe. Eines dieser Probleme möchte ich exemplarisch kurz erläutern.

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Die Definitionstheorie62 scheint darauf festgelegt, dass es sich bei den notwendigen Merkmalen komplexer Begriffe um Oberbegriffe und Begriffe der spezifischen Differenz handelt. Jeder Begriff, für den es einen Oberbegriff, jedoch keinen Begriff der spezifischen Differenz gibt, ist atomar, wenn der Oberbegriff nicht eines seiner Merkmale ist. Dies wären die konkretesten Begriffe. Jeder Begriff, für den es einen Begriff der spezifischen Differenz, jedoch keinen Oberbegriff gibt, ist ebenfalls atomar, wenn der Begriff der spezifischen Differenz nicht eines seiner Merkmale ist. Dies wären die allgemeinsten Begriffe. Die atomaren Begriffe müssten sich dementsprechend in den konkretesten und allgemeinsten Begriffen erschöpfen, vielleicht Begriffe wie ROT oder SÜSS einerseits und Begriffe wie EXISTENZ oder ENTITÄT andererseits. Diese Identifizierung der atomaren Begriffe zieht jedoch ein Problem nach sich. Es müsste entsprechend der antirealistischen Auffassung möglich sein, alle Begriffe in konkreteste und allgemeinste Begriffe zu analysieren. Ja, dies sollte nicht nur möglich sein, es sollte uns auch nicht schwer fallen, die entsprechenden Analysen anzugeben. Denn auch die Merkmale bspw. des Begriffs HUND spiegeln entsprechend der antirealistischen Auffassung, insofern es ein komplexer Begriff ist, vollständig unsere derzeitige Theorie wider. Weil uns diese zugänglich ist, sollte uns auch die Analyse zugänglich sein. Dies ist eine Konsequenz aus dem Cartesianismus. Doch es fällt uns gemeinhin schwer, ja es scheint unmöglich, vollständige Analysen, d.h. Analysen, die nur noch atomare Begriffe enthalten, anzugeben.63 7. Antirealismus ohne atomare Begriffe Bisher habe ich die antirealistische Bedeutungsauffassung erläutert, zwei Versionen dieser Auffassung dargestellt und anschließend kritisiert. Diese Kritik deutet an, dass die antirealistische Bedeutungsauffassung besser auf eine Weise ausgestaltet werden sollte, die gänzlich auf atomare Begriffe verzichten kann. 62

Ist hier von der Definitionstheorie die Rede, dann ist die Theorie (DS 1) gemeint und nicht etwa die aristotelische Definitionstheorie. 63 Vgl. Putnam 1975a.

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Eine antirealistische Version, die ohne atomare Begriffe auszukommen versucht, ist die Funktionale-Rollen-Semantik. Das Problem der atomaren Begriffe ist ein Motiv für (FRS). Entsprechend (FRS) ist es für einen Begriff weder wesentlich, dass er sich aus bestimmten Begriffen zusammensetzt, noch ist seine Extension durch die Extension seiner Merkmale festgelegt (es gibt ja keine). Genau diese beiden Annahmen verpflichten die Definitions- und die Prototypentheorie auf die Existenz atomarer Begriffe. Laut der Funktionalen-Rollen-Semantik ist es für einen Begriff vielmehr wesentlich, in bestimmten Relationen zu anderen Begriffen zu stehen. Jeder Begriff steht in ihm eigenen inferentiellen Relationen zu ganz bestimmten anderen Begriffen, hat eine ihm wesentliche funktionale Rolle, ohne deshalb selbst semantisch strukturiert zu sein.64 Dass die Funktionale-Rollen-Semantik antirealistisch konzipiert werden kann und zumeist antirealistisch konzipiert wird, verdankt sich einer Erklärung der für die Begriffe konstitutiven inferentiellen Relationen. Denn hier sind es keine Merkmale eines Begriffs, sondern die Relationen eines Begriffs zu anderen Begriffen, die unsere derzeitige Theorie widerspiegeln; diese Relationen sind vollständig durch unsere derzeitige Theorie festgelegt. Wenn entsprechend unserer derzeitigen Fischtheorie bspw. alle Fische mittels Kiemen haben, dann ist MITTELS KIEMEN ATMEN kein Merkmal des Begriffs FISCH, vielmehr steht FISCH in einer inferentiellen, in einer Folgerungsrelation zu MITTELS KIEMEN ATMEN und diese inferentielle Relation ist für den Begriff FISCH wesentlich. Ich werde im nächsten Abschnitt auf das zweite Hauptproblem der antirealistischen Auffassung eingehen, das die Definitions- und Prototypentheorie in gleicher Weise trifft wie die soeben motivierte Funktionale-Rollen-Semantik. 8. Die Unabhängigkeit der Extension von der Theorie Ein zweites Problem der antirealistischen Auffassung wurde u.a. von Hilary Putnam und Saul Kripke entdeckt und trifft im Gegensatz zu dem Problem atomarer Begriffe auch die Funktionale-Rollen-Semantik. Ich werde 64

In diesem Sinn könnte man auch behaupten, entsprechend (FRS) seien alle Begriffe atomar. Es scheint dem Geist der Theorie jedoch angemessener, die Unterscheidung zwischen atomaren und komplexen Begriffen zurückzuweisen.

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dieses Problem, genauer gesagt, diese Gruppe von Problemen zunächst wieder am Beispiel der Definitionstheorie einführen. Anschließend gehe ich auf die beiden alternativen Versionen der antirealistischen Bedeutungsauffassung ein. Wendet man die Definitionstheorie auf Beispiele an, dann zeigt sich, so der Einwand, dass sie die falschen Ergebnisse liefert. Es lassen sich nämlich erstens Beispiele angeben, in denen Theorien so mager sind, dass gilt: Würden die Theorien vollständig die Bedeutungen unserer Repräsentationen bestimmen, dann hätten Repräsentationen dieselbe Extension, obgleich sie nicht koextensional zu sein scheinen bzw. wären die Extensionen vieler Repräsentationen schlicht umfangreicher als sie zu sein scheinen. Putnam hat das folgende Gedankenexperiment konstruiert, welches zu zeigen beabsichtigt, dass zwei Personen über identische Theorien verfügen, ihre Repräsentationen jedoch unterschiedliche Extension haben können.65 Weil entsprechend der schwachen Determination (SD) Repräsentationen mit unterschiedlichen Extensionen notwendig verschiedene Bedeutungen zukommen, die Theorien jedoch identisch sind, müssen die Bedeutungen dieser Repräsentationen zumindest teilweise unabhängig von den entsprechenden Theorien sein. Wichtig ist, dass die Bedeutungen der Repräsentationen, die die Theorien bilden, antirealistisch verstanden werden! Hier ist Putnams berühmtes Gedankenexperiment: Wir sollen uns einen Planeten Namens „Zwillingserde“ (ZE) vorstellen, der genauso ist wie die Erde (E) bis auf dem Umstand, dass „the oceans and lakes and seas of Twin Earth contain XYZ and not water, that it rains XYZ and not water, etc“66. XYZ und H2O sind hinsichtlich ihrer Oberflächeneigenschaften, d.h. phänomenal nicht zu unterscheiden. Wären 1950 Wissenschaftler von der Erde zur Zwillingserde aufgebrochen, hätten sie zunächst vermutet, dass die Bewohner der Zwillingserde mit „Wasser“ZE genau dasselbe meinen wie wir auf der Erde, nämlich WasserE. Jedoch hätten sie ihre Vermutung aufgrund der wissenschaftlichen Entdeckung, dass WasserZE XYZ und nicht H2O, WasserE hingegen H2O und nicht XYZ ist, korrigiert. Sie hätten vielmehr berichtet, dass die Bewohner der Zwillingserde mit „Wasser“ZE 65 66

Vgl. Putnam 1973b. Ebenda: 701.

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XYZ meinen. Hier die entscheidende Frage: Gegeben dieser Korrektur, wie sollen wir die Bedeutung und Extension von „Wasser“ZE vor dieser Entdeckung beschreiben? Putnam gibt die folgende Antwort: Now let us roll the time back to about 1750. The typical Earthian speaker of English did not know that [waterE] consisted of hydrogen and oxygen, and the typical Twin-Earthian speaker of English did not know that [waterZE] consisted of XYZ. Let Oscar1 be such a typical Earthian speaker, and let Oscar2 be his counterpart on Twin Earth. You may suppose that there is no belief67 that Oscar1 had about [waterE] that Oscar2 did not have about [waterZE]. […] Yet the extension of the term “water” was just as much H2O on Earth in 1750 as in 1950; and the extension of the term “water” was just as much XYZ on Twin Earth in 1750 as in 1950. Oscar1 and Oscar2 understood the term “water” differently in 1750 although they were in the same psychological state, and although, given the state of science at the time, it would have taken their scientific communities about fifty years to discover that they understood the term “water” differently.68

Putnam argumentiert also wie folgt: Erstens entdecken wir manchmal, worauf unsere Ausdrücke derzeit referieren. Genauso, wie wir entdeckt haben, dass „Gold“ nicht auf Pyrit referiert, so entdeckten die Wissenschaftler auf der Zwillingserde 1950, dass unser Ausdruck „Wasser“ nicht auf WasserZE und der Ausdruck „Wasser“ der Bewohner der Zwillingserde nicht auf WasserE referiert. Zweitens sind wir aufgrund solcher Entdeckungen nicht geneigt zu sagen, die Bedeutungen und die Extensionen unserer Ausdrücke hätten sich just mit dieser Entdeckung und der damit einhergehenden Veränderung der entsprechenden Theorien geändert. Vielmehr sind wir geneigt zu sagen, dass wir etwas über die wirklichen Referenzobjekte unserer Ausdrücke gelernt haben. Doch dann hat unser Ausdruck „Wasser“ schon vor dieser Entdeckung nicht auf WasserZE referiert und dann hat der Ausdruck „Wasser“ der Bewohner der Zwillingserde schon vor dieser Entdeckung nicht auf WasserE referiert. Drittens haben Oscar1 und Oscar2 vor der Entdeckung jedoch dieselben Theorien (antirealistisch verstanden!) ihrer Referenzobjekte, weil erst 67

Die Bedeutungen der Überzeugungen müssen hier, wie gesagt, antirealistisch verstanden werden. 68 Ebenda: 701f.

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die Entdeckung zu unterschiedlichen Theorien führt. H2O und XYZ, so die Annahme, unterscheiden sich ja lediglich in ihrer chemischen Struktur, nicht jedoch in ihren Oberflächeneigenschaften. Wenn nun viertens Extensionsverschiedenheit notwendig Bedeutungsverschiedenheit impliziert, dann müssen wir aufgrund des zweiten Punktes davon ausgehen, dass unser Ausdruck „Wasser“ und der Ausdruck „Wasser“ der Bewohner der Zwillingserde bereits vor der Entdeckung verschiedene Bedeutungen hatten. Aufgrund des dritten Punktes hatten Oscar1 und Oscar2 vor der Entdeckung jedoch dieselben Theorien (antirealistisch verstanden!) ihrer Referenzobjekte. Also können die Bedeutungen der Repräsentationen „Wasser“ZE und „Wasser“E nicht vollständig theorieabhängig sein. Putnams Gedankenexperiment ist ein Exemplar einer ganzen Gruppe von Einwänden gegen die antirealistische Bedeutungsauffassung, die als „arguments from ignorance“ bezeichnet werden. Allen diesen Einwänden ist gemeinsam, dass die jeweiligen Theorien zu mager sind, um der Verschiedenheit in den Bedeutungen der entsprechenden Repräsentationen gerecht zu werden. Ein weiteres Beispiel soll den allgemeinen Witz der „arguments from ignorance“ verdeutlichen. Viele Menschen wissen über Ulmen und Buchen lediglich, dass es Laubbäume sind. Ihre Ulmentheorie unterscheidet sich also nicht von ihrer Buchentheorie. Vielleicht wissen viele Menschen auch noch, dass Ulmen keine Buchen sind. Die Begriffe mögen also nicht identisch sein. Aber die Definitionstheorie impliziert zumindest, dass die Begriffe ULMEN und BUCHEN ununterscheidbar sind. Diese Konsequenz scheint aber schlicht falsch zu sein. Um dies zu illustrieren, können wir auf unsere Methode zurückgreifen. Erstens schreiben wir Personen zum Zweck der Verhaltenserklärung auch dann verschiedene Überzeugungen, d.h. verschiedene Bedeutungen zu, wenn sich die entsprechenden Theorien der Personen eigentlich gar nicht unterscheiden.69 Wir berücksichtigen in Verhaltenserklärungen als Unterschiede, die sich nicht in den Theorien der Personen widerspiegeln. Dies trifft bspw. auf die Zuschreibung von Ulmen- und Buchenüberzeugungen zu. Zweitens sind diese Verhaltenserklärungen erfolgreich und daher sollten wir unter diesen Umständen verschie69

Vgl. Devitt 1996: 114f.

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dene Überzeugungen zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben. Wenn dies stimmt, dann sind die verschiedenen zugeschriebenen Eigenschaften Bedeutungen und daher unter diesen Umständen zumindest teilweise theorieunabhängig. Neben den „arguments from ignorance“ gibt es eine zweite Gruppe von Einwänden, die als „arguments from error“ bezeichnet werden. Diesen Einwänden ist gemeinsam, dass die jeweiligen Theorien falsche Sätze bzw. Überzeugungen beinhalten, so dass Gegenstände, die in der Extension des Begriffs enthalten sind, nicht enthalten wären, wäre die Definitionstheorie wahr. Enthielte die Zitronentheorie bspw. den falschen Satz „alle Zitronen sind gelb“, dann wäre gemäß der Definitionstheorie GELB ein notwendiges Merkmal des Begriffs ZITRONE. Weil der Begriff wiederum die Extension bestimmt, wären grüne Zitronen nicht in der Extension des Begriffs enthalten, wären grüne Zitronen keine Zitronen.70 Auch die „arguments from error“ werden durch unsere Methode gestärkt. Denn wir schreiben zum Zweck der Verhaltenserklärung einer Person auch dann eine bestimmte Überzeugung, d.h. eine bestimmte Bedeutung zu, wenn die Theorie der entsprechenden Person falsche Überzeugungen enthält. Erneut gilt, dass wir dies nicht nur faktisch tun, sondern dass wir es im Lichte des Erfolgs der Verhaltenserklärung zu diesem Zweck auch tun sollten. Bspw. schreiben wir einer Person auch dann eine Spinatüberzeugung zu, wenn sie fälschlicherweise glaubt, dass Spinat sehr viel Eisen enthält.71 Zumindest das erste Problem betrifft auch die Prototypentheorie. Denn auch der Prototypentheorie macht es zu schaffen, wenn die Theorie zu mager ist, so dass die Extension der entsprechenden Repräsentation intuitiv zu umfangreich wäre oder zwei Repräsentationen semantisch ununterscheidbar wären, die es nicht sind. Dies zeigt sich u.a. daran, dass es für Putnams Gedankenexperiment keine Rolle spielt, ob wir die Theorien von Oscar1 und Oscar2 entsprechend der Definitions- oder entsprechend der Prototypentheorie konzipieren. Ein Vorteil der Prototypentheorie gegen70

Vgl. Putnam 1975a. Aufgrund eines falsch gesetzten Kommas wurde frischem Spinat ein deutlich zu hoher Eisengehalt zugesprochen. Dass Spinat viel Eisen enthält, wurde und wird in weiten Teilen der Sprachgemeinschaft geglaubt. 71

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über der Definitionstheorie besteht jedoch darin, dass entsprechend der ersten auch grüne Zitronen Zitronen sein können, selbst wenn GELB ein typisches Merkmal des Begriffs ZITRONE ist. Erfüllen grüne Zitronen nämlich hinreichend viele der anderen typischen Merkmale des Begriffs, was sie zweifelsohne tun, dann gehören auch grüne Zitronen zur Extension von ZITRONE. Die Prototypenauffassung entgeht somit zumindest dem zweiten Problem. 9. Funktionale Rollen und Unabhängigkeit Die Funktionale-Rollen-Semantik ist in der oben konzipierten Form mit beiden Problemen konfrontiert. Entsprechend der antirealistischen Auffassung ist die Bedeutung vollständig theorieabhängig. Die Theorie bestimmt zwar nach der Funktionalen-Rollen-Semantik keine notwendigen oder typischen Merkmale der Begriffe, jedoch vollständig ihre funktionalen Rollen. Beginnen wir mit Putnams Gedankenexperiment. Vor der Entdeckung der chemischen Struktur von WasserZE und WasserE verbinden Oscar1 und Oscar2 dieselbe Theorie (antirealistisch verstanden!) mit „Wasser“ZE und „Wasser“E. D.h. den entsprechenden Repräsentationen kommt auch dieselbe funktionale Rolle zu. Vor der Entdeckung sind die Repräsentationen von Oscar1 und Oscar2 jedoch nicht koextensional. Wenn Extensionsverschiedenheit notwendig Bedeutungsverschiedenheit impliziert, kommen den entsprechenden Repräsentationen also verschiedene Bedeutungen zu. Mithin können funktionale Rollen im Falle dieser Repräsentationen nicht ihre Bedeutungen bestimmen. Enthält die Theorie eine falsche Überzeugung, wird sich diese in der funktionalen Rolle des entsprechenden Begriffs widerspiegeln. Die durch die funktionale Rolle bestimmte Extension des Begriffs wäre dann jedoch die falsche. Bspw. würde auch für die Funktionale-Rollen-Semantik gelten, dass grüne Zitronen nicht zur Extension von ZITRONE gehören würden, wenn die Zitronentheorie den Satz enthielte: „Alle Zitronen sind gelb“.

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10. Brandoms Inferentialismus In diesem Zusammenhang ist es erhellend, auf eine bestimmte Ausgestaltung der Funktionalen-Rollen-Semantik einzugehen. In den letzten Jahren unternahm Robert Brandom den Versuch, die Grundzüge der FunktionalenRollen-Semantik mit der realistischen Bedeutungsauffassung zu versöhnen. Nach Brandom sollte (FRS) grob wie folgt ausbuchstabiert werden: Alles beginnt mit Vorfahren in einer natürlichen Welt, die keine Begriffe verwenden, nicht-begrifflich agieren. Erst wenn die Vorfahren sich gegenseitig durch ihr Verhalten als auf anderes verpflichtet, zu anderem berechtigt behandeln, erst wenn sie sich daher auch gegenseitig sanktionieren, erst dann entstehen begriffliche Praktiken, entstehen begriffliche Normen. Die begrifflichen Praktiken sind inferentiell strukturiert, strukturiert durch die inferentiellen Relationen der Verpflichtung, Berechtigung und der Inkompatibilität zwischen verbalem oder non-verbalem Verhalten. Die inferentiellen Praktiken verleihen den eingebundenen Akten daher inferentielle Rollen, sprich: Bedeutung. Brandom fasst sein Programm wie folgt zusammen: Die hier zu verfolgende explanatorische Strategie wird mit einer Darstellung sozialer Praktiken beginnen, sodann die spezifischen Strukturen kenntlich machen, die diese Praktiken haben müssen, um sich als genuin sprachliche Praktiken auszuweisen, um schließlich zu überlegen, welche unterschiedlichen Arten semantischer Gehalte diese Praktiken den darin vorkommenden entsprechenden Zuständen, Akten und Ausdrücken verleihen.72

Wenn die Bedeutung einer Äußerung letztendlich also davon abhängt, auf was korrekterweise festgelegt, zu was korrekterweise berechtigt wir uns gegenseitig behandeln, dann kann die Bedeutung nicht gesellschaftstranszendent sein. Wir haben mit anderen Worten eine Version einer antirealistischen Bedeutungsauffassung vor uns. Brandom sieht diese Konsequenz und er sieht auch die bereits angesprochenen Einwände. Antirealistische Bedeutungsauffassungen scheinen einfach in mehreren Hinsichten nicht die richtigen Referenzobjekte unserer Ausdrücke und daher nicht die richtigen Wahrheitswerte unserer Äußerun72

Brandom 2000: 14.

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gen zu erklären. Brandom scheint zudem überzeugt von den Einwänden. Deshalb ergänzt er sein Programm. Er beabsichtigt, ausgehend von der bis dahin antirealistischen Bedeutungsauffassung durch einen weiteren Schritt die realistische Bedeutungsauffassung zu integrieren. Dafür muss die Korrektheit der bedeutungskonstitutiven Inferenzen, die bis dahin abhängig ist von den Einstellungen der Mitglieder der Sprachgemeinschaft, unabhängig von diesen werden (objektive Normen); muss die Korrektheit der Inferenzen unabhängig werden von dem Als-korrekt-Behandeln. Brandom erläutert den Witz dieses weiteren Schrittes: [Die Erklärung] nimmt die Form einer Spezifizierung jeder besonderen Art inferentieller Struktur an, die soziale Kontoführungspraktiken haben müssen, damit sie objektive Normen instituieren, nach denen die Korrektheit der Anwendung eines Begriffs die Tatsachen über den Gegenstand, auf den er angewendet wird, reflektiert, und zwar so, dass jemand (vielmehr jeder) innerhalb der sprachlichen Gemeinschaft sich darüber irren kann.73

Der Witz dieses letzten Schrittes in Brandoms Programm besteht also darin, dass eine Anwendung eines Prädikates auf einen Gegenstand bzw. eine Inferenz von „fa“ auf „ga“ nur dann korrekt ist, wenn der Gegenstand das Prädikat wirklich erfüllt bzw. wenn das Exemplifizieren der Eigenschaft f wirklich das Exemplifizieren der Eigenschaft g impliziert. Brandoms Auffassung, wie man von einer antirealistischen Bedeutungsauffassung zu einer realistischen gelangt, kann wie folgt grob zusammengefasst werden: Die Bedeutungen der Überzeugungen einer Person hängen zunächst davon ab, als auf was festgelegt, als auf was berechtigt sie sich selbst betrachtet. Diese Bedeutungen lassen sich durch De dictoZuschreibungen propositionaler Einstellungen ausdrücken. Wenn ein Zuschreiber Z einem Sprecher S die Überzeugung zuschreibt, dass fa, dann drückt Z damit aus, wie die Welt von S repräsentiert wird. Daher sind in diesen Kontexten Ausdrücke nur dann salva veritate (d.h. unter Erhaltung der doxastischen Festlegung) wechselseitig substituierbar, wenn [S] eine Festlegung auf die wechselseitige Substituierbarkeit dieser Ausdrücke an-

73

Ebenda: 21.

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erkennt und diese somit als Weisen der Wiedererkennung desselben Gegenstandes behandelt.74

Wenn Lois Lane glaubt, dass Superman mutig ist, dann kann man ihr de dicto die Überzeugung, dass Clark Kent mutig ist, nur dann zuschreiben, wenn Lois Lane die Substitution von „Clark Kent“ für „Superman“ als korrekt erachtet. Wenn jedoch nicht Lois Lane, sondern nur der Zuschreiber Z diese Substitution akzeptiert, dann kann Z die Bedeutung von Lois Lanes Überzeugung nur durch eine De re-Zuschreibung, nicht aber durch eine De dicto-Zuschreibung ausdrücken: Lois Lane glaubt von Clark Kent, dass er mutig ist. Da mit Hilfe dieser Ausdrücke [„von“, „über“ ...] spezifiziert werden soll, was durch eine Überzeugung repräsentiert wird, und nicht, wie es repräsentiert wird, ist jeder singuläre Terminus akzeptabel, der den richtigen Gegenstand herausgreift.75

Mit De re-Zuschreibungen werden nach Brandom mithin diejenigen Teile der Welt spezifiziert, die über die objektive Korrektheit der Anwendung von Prädikaten entscheiden; er redet von den Ausdrücken, die den richtigen Gegenstand herausgreifen. Diese Korrektheit der Anwendung ist nicht mehr davon abhängig, ob der Sprecher S die Anwendung als korrekt erachtet. Nun muss man jedoch strenggenommen sagen, dass für korrekte De re-Zuschreibungen nicht alle koextensionalen Ausdrücke zulässig sind, sondern nur alle von dem Zuschreiber Z als koextensional behandelten Ausdrücke! So wird der Zuschreiber eine De re-Zuschreibung als inkorrekt ablehnen, selbst wenn die entsprechenden Ausdrücke wirklich koextensional sind, weil er selbst die Substitution nicht als korrekt erachtet. Und er wird eine De re-Zuschreibung als korrekt akzeptieren, selbst wenn die entsprechenden Ausdrücke in Wirklichkeit nicht koextensional sind, weil er selbst die Substitution als korrekt erachtet. Eine De re-Zuschreibung spezifiziert somit eigentlich nicht, was durch eine Überzeugung wirklich repräsentiert wird, sondern als was repräsentierend der Zuschreiber die Über74 75

Ebenda: 699, meine Hervorhebung. Ebenda: 699.

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zeugung behandelt. D.h. mit De re-Zuschreibungen werden mithin diejenigen Teile der Welt spezifiziert, die zwar nicht aus der Perspektive des Sprechers, aber aus der Perspektive des Zuschreibers über die Korrektheit der Anwendung von Prädikaten entscheiden. Was dem [Zuschreiber] als der Unterschied zwischen dem objektiv Richtigen und dem nur [vom Sprecher] als richtig Betrachteten oder Behandelten erscheint, ist für uns der Unterschied zwischen dem, was der [Zuschreiber] anerkennt, und dem, was derjenige, dem [eine Überzeugung zugeschrieben wird], anerkennt. Der Unterschied zwischen objektivem normativen Status und subjektiver normativer Einstellung wird als eine sozialperspektivische Unterscheidung zwischen normativen Einstellungen aufgefasst.76

Hier zeigt sich also, dass Brandom letztlich doch nicht wirklich bis zur objektiven Korrektheit durchzudringen vermag, so dass sich prinzipiell jeder innerhalb der Sprachgemeinschaft irren kann. Der objektive normative Status einer Zuschreibung, d.h. das Wirklich-korrekt-Sein, wird noch immer durch eine subjektiv normative Einstellung, d.h. durch das Als-korrektBehandeln, erklärt. Zwar ist in dem Schritt von der subjektiven Perspektive des Sprechers S hin zur Perspektive des Zuschreibers Z durchaus ein Objektivierungsschritt vollzogen, man könnte sagen, dass Brandom eine gewisse intersubjektive Korrektheit erreicht haben könnte. Aber auch die Perspektive von Z bleibt eine subjektive Perspektive. Es hilft auch nicht, dass der Zuschreiber Z für andere Zuschreiber Zi ein Sprecher S ist. Denn auch die Perspektiven von Zi sind und bleiben subjektive Perspektiven; die Korrektheit ihrer Zuschreibungen hängt weiterhin davon ab, als was repräsentierend sie die Überzeugungen behandeln. 11. Eine schnelle Erwiderung? Die Funktionale-Rollen-Semantik ist anscheinend wirklich beiden Gruppen von Einwänden ausgesetzt und vermag die Einwände innerhalb ihres Rahmens nicht befriedigend zu beantworten. Nun gibt es jedoch noch eine zweite, naheliegende Erwiderung auf beide Gruppen von Einwänden und zwar im Rahmen der Funktionalen76

Ebenda: 828.

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Rollen-Semantik. Denn die funktionalen Rollen bzw. ein Aspekt der funktionalen Rollen, so die Erwiderung, kann derart bestimmt werden, dass die Einwände nicht mehr greifen: Functional roles are often taken to stop at the skin (in sense and effector organs), but there is no principled reason to construe conceptual role in this way. Instead, functional roles can be understood as extending into the world of the things we sense and affect. Why not long-arm roles instead of short-arm roles?77

Diese Bestimmung funktionaler Rollen ist ohne Zweifel in der Lage, zumindest die erste Gruppe von Einwänden zu beantworten. Denn wenn die funktionalen Rollen auch Relationen zwischen Repräsentationen und Gegenständen in der Welt enthalten, dann beinhaltet die funktionale Rolle von „Wasser“ZE sprichwörtlich WasserZE, die funktionale Rolle von „Wasser“E hingegen WasserE. Die funktionalen Rollen sind somit verschieden, selbst wenn sie hinsichtlich anderer Aspekte ununterscheidbar sind. Weil die Bedeutungen ebenfalls verschieden sind, ist nicht ausgeschlossen, dass Bedeutungen doch durch funktionale Rollen in diesem Sinn konstituiert sind. Das Problem dieser Erwiderung ist nicht, dass die Erwiderung an der einen oder anderen Stelle fehlschlagen würde, sondern dass die Funktionale-Rollen-Semantik nun offensichtlich keine antirealistische Bedeutungsauffassung mehr ist. Denn entweder sind die funktionalen Rollen, verstanden als „long-arm roles“, vollständig theorieabhängig, dann müssen wir die Theorien selbst jedoch realistisch verstehen, weil sie sprichwörtlich Teile der Welt enthalten, oder wir verstehen die Theorien wie bisher antirealistisch, dann sind die funktionalen Rollen aber nicht mehr in dem relevanten Sinn vollständig theorieabhängig. In beiden Fällen sind „long-arm roles“ keine Bedeutungen entsprechend der antirealistischen Auffassung. Neben dieser Erörterung, die das wesentliche Merkmal des Realismus, die Bewusstseinsunabhängigkeit in Anschlag bringt, können wir hier auch die angesprochenen Tests anwenden. Es zeigt sich, dass „long-arm roles“ die beiden Tests bestehen, mithin also realistisch sind. Nehmen wir an, die Bedeutungen von Repräsentationen wären durch „long-arm roles“ 77

Block 1987: 174f. Block stellt hier nicht seine Meinung dar, sondern diejenige von Gilbert Harman. Vgl. Harman 1982: 249.

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bestimmt. Weder Oscar1 noch Oscar2 konnten vor der Entdeckung der chemischen Struktur die funktionalen Rollen ihrer Repräsentationen unterscheiden. Entsprechend schienen ihre Ausdrücke für sie synonym, auch wenn sie in Wirklichkeit nicht synonym waren, weil die „long-arm roles“ verschieden waren. D.h. auf funktionale Rollen verstanden als „long-arm roles“ lässt sich die Schein-Realität-Unterscheidung sinnvoll anwenden. Wären Oscar1 und Oscar2 zudem prinzipiell nicht imstande, die chemischen Strukturen zu entdecken, wäre der Unterschied der funktionalen Rollen von „Wasser“E und „Wasser“ZE für sie prinzipiell unerkennbar. Funktionale Rollen, verstanden als „long-arm roles“, sind somit offensichtlich funktionale Rollen entsprechend der realistischen Auffassung, sie sind teilweise theorie- (antirealistisch verstanden!) und bewusstseinsunabhängig. 12. Ist die antirealistische Auffassung widerlegt? Aus dem ersten Problem, dem Problem der atomaren Begriffe, haben wir die Konsequenz gezogen, dass die antirealistische Auffassung besser ohne atomare Begriffe auskommen sollte. Die Funktionale-Rollen-Semantik wäre eine mögliche Alternative. Welche Lehre sollten wir aus dem zweiten Problemkomplex ziehen, der nahelegt, dass Bedeutung und Extension zumindest für Ausdrücke natürlicher Arten teilweise theorieunabhängig sind? Die Widerlegung einer philosophischen Auffassung ist, wie anfangs dargestellt, weit komplizierter als die Angabe von einigen Gegenbeispielen oder die Konstruktion eines Gedankenexperiments. Denn die Gegenbeispiele und Gedankenexperimente beruhen stets auf zusätzlichen Annahmen. Und ihren Konsequenzen kommt überhaupt erst relativ zu Hintergrundannahmen ein problematischer Charakter zu. Entsprechend können verschiedene Lehren aus den Beispielen gezogen werden und nicht alle haben die Aufgabe der antirealistischen Bedeutungsauffassung für Ausdrücke natürlicher Arten zur Folge. Ich möchte hier zunächst drei mögliche Lehren hervorheben und kurz erörtern. Auf der einen Seite stehen zwei Lehren, die die Konsequenz, dass die Bedeutungen und Extensionen von Ausdrücken natürlicher Arten teilweise theorieunabhängig sind, nicht akzeptieren. Diese Lehren fassen die Beispiele vielmehr als Widerlegungen bestimmter Annahmen auf, die zu der

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Konsequenz oder ihrem problematischen Charakter führen; sie konzipieren die ganze bisherige Argumentation also als reductio ad absurdum bestimmter Annahmen. Entsprechend der ersten Lehre sollten wir die Beispiele nicht als Probleme sondern als Entdeckungen verstehen. Was die Beispiele eigentlich zeigen ist, dass wir von der falschen Annahme ausgingen, die Bedeutungen und Extensionen unserer Repräsentationen wären relativ stabil.78 Hingegen lehren die Beispiele gerade, dass sich die Bedeutungen und Extensionen unserer Repräsentationen wirklich mit jeder oder zumindest jeder wesentlichen79 Änderung unserer Theorien (antirealistisch verstanden) ändern. So referierte „Gold“ vor der Entdeckung chemischer Strukturen wirklich auch auf Katzengold, nach der Entdeckung jedoch nicht mehr. Zudem war die Extension von „Wasser“ für Oscar1 und Oscar2 vor der Entdeckung der chemischen Strukturen von WasserZE und WasserE gleich. Weil sich die Extensionen ihrer Ausdrücke mit bzw. nach der Entdeckung geändert haben, müssen sich aufgrund der schwachen Determination auch ihre Bedeutungen mit bzw. nach der Entdeckung geändert haben. Diese Änderungen gingen jedoch mit Theorieänderungen einher. Also kann noch immer behauptet werden, Bedeutungen seien vollständig theorieabhängig. Diese erste Lehre ist jedoch zwei gewichtigen Einwänden ausgesetzt. Erstens hat die Behauptung, dass sich die Bedeutungen und Extensionen unserer Repräsentationen mit jeder bzw. wesentlichen Änderungen (oder besser: Ablösungen) unserer Theorien ändern würden, selbst eine falsche Konsequenz: Die Diskontinuität der Wissenschaft.80 Wäre die erste Lehre richtig, könnten Wissenschaftler in vielen Fällen nicht entdecken, dass eine frühere Theorie wirklich falsch war. Die Behauptung, dass Fische mittels Kiemen atmen, vor der Entdeckung der Lungenfische, könnte nämlich der 78

Diese Annahme wird u.a. explizit von Putnam vertreten. Vgl. bspw. Putnam 1991: 50. 79 Wenn nicht die Theorien als ganze, vielmehr ein privilegierter Teil der Theorien bedeutungsbestimmend sind, dann führt auch nur eine Änderung im privilegierten Teil der Theorien zu einer Bedeutungsänderung. Eine solche Änderung nenne ich wesentlich. 80 Dass die Wissenschaftsentwicklung wirklich kontinuierlich verläuft, beruht wiederum auf bestimmten Annahmen, die infrage gestellt werden können und wurden. Vgl. u.a. Kuhn 1996. Eine Verteidigung findet sich bspw. in Putnam 1991: 38ff.

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Behauptung, dass nicht alle Fische mittels Kiemen atmen, nach der Entdeckung der Lungenfische, d.h. nach Ablösung der mit der Bedeutung von „Fisch“ verbundenen Theorie, strenggenommen gar nicht widersprechen, insofern dieser Satz der Theorie Einfluss auf die Bedeutung von „Fisch“ hat. Die Möglichkeit eines Widerspruchs setzt voraus, dass die beiden Vorkommnisse des Ausdrucks „Fisch“ in beiden Behauptungen gleichbedeutend sind. Aufgrund der Ablösung der einen Theorie durch eine andere infolge der Entdeckung hätte sich jedoch die Bedeutung des Ausdrucks „Fisch“ geändert. Diese Lehre scheint daher auf die These verpflichtet, dass wir es hier nicht mit einer Änderung bzw. einem Fortschritt der Fischtheorie, sondern vielmehr mit der Ablösung einer Theorie eines Gegenstandsbereiches durch eine Theorie eines anderen, gleichwohl verwandten Gegenstandsbereiches zu tun haben. Wissenschaftlicher Fortschritt wäre eine Illusion. Zweitens haben wir gesehen, dass die Zuschreibung von verschiedenen Überzeugungen, d.h. von verschiedenen Bedeutungen trotz gleicher Theorien allgemein üblich ist. Und gegeben des Erfolges dieser Zuschreibungspraxis zum Zweck der Verhaltenserklärung muss sich der Vertreter der ersten Lehre die Frage gefallen lassen, ob er überhaupt noch eine Bedeutungstheorie vertritt. Unsere Methode greift an dieser Stelle und unterbindet diesen Ausweg der antirealistischen Auffassung mit dem Hinweis auf die zulässigen Annahmen. Eine zweite antirealistische Lehre bestünde nicht in der Aufgabe der Stabilität der Bedeutungen und Extensionen, sondern in der Aufgabe der schwachen Determination (SD). Es war schon immer bekannt, so die Lehre, dass koextensionale Repräsentationen nicht notwendig bedeutungsgleich sind. Bspw. sind die Ausdruckpaare „Lebewesen mit Herz“ und „Lebewesen mit Niere“, „gleichseitiges Dreieck“ und „gleichwinkliges Dreieck“ sowie „Hesperus“ und „Phosphorus“ koextensional, aber nicht synonym. Die obigen Beispiele zeigen nun, so die Vertreter der zweiten Lehre, dass bedeutungsgleiche Repräsentationen auch nicht notwendig koextensional sind. Bedeutung und Extension, so hätten wir zu folgern, sind wechselseitig unabhängig voneinander. Die Semantik muss daher eine Geschichte über Bedeutung und eine ganz andere, von der ersten unabhängige Geschichte über Referenz und Wahrheit erzählen.

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Auf diese bzw. auf eine Variante dieser Lehre und ihre Konsequenzen werde ich im Kapitel IV näher eingehen. In diesem Kapitel wird sich die gesamte Diskussion, wie eingangs bemerkt, weiterhin im Rahmen der Annahme (SD) abspielen. Neben diesen beiden antirealistischen Lehren gibt es auch eine realistische Lehre. Die vorherigen Probleme legen deutlich nahe, so ihre Vertreter, dass die Bedeutungen und Extensionen einiger Ausdrücke teilweise theorieunabhängig sind. Diese Lehre fasst die Gegenbeispiele und das Gedankenexperiment mithin als genuine Widerlegung der antirealistischen Bedeutungsauffassung dieser Ausdrücke auf. Weil die Funktionale-RollenSemantik wie dargelegt eine antirealistische Bedeutungsauffassung ist, muss sie daher falsch sein. 13. Eine starke realistische Version Es ist diese realistische Lehre, die wir im Rahmen von (SD) aus den Problemen ziehen sollten. Die antirealistische Bedeutungsauffassung von Ausdrücken natürlicher Arten muss durch eine realistische Auffassung über das Verhältnis von Bedeutung, Theorie und Extension ersetzt werden. Von Seiten der antirealistischen Bedeutungsauffassung wurde jedoch eingewendet, dass diese Lehre nicht richtig sein kann. Denn die besten realistischen Bedeutungstheorien stehen vor scheinbar unlösbaren Problemen. Im Rest dieses Kapitels möchte ich daher diesem Einwand gegen die realistische Auffassung nachgehen. Erinnern wir uns: Entsprechend der realistischen Bedeutungsauffassung sind die Bedeutungen zumindest einiger unserer Repräsentationen zumindest teilweise unabhängig von unseren derzeitigen Theorien über die Referenzobjekte. Auch die realistische Auffassung wurde verschieden ausformuliert. Ich möchte hier zwei Versionen erläutern und untersuchen: Entsprechend der gemäßigten Version geht die jeweilige Theorie in den Begriff ein, doch erschöpft sich der Begriff entgegen der antirealistischen Auffassungen nicht in dem Beitrag der Theorie. Vor allem ist nicht der theorieabhängige Teil des Begriffs, sondern ein theorieunabhängiger Teil des Begriffs für die Bestimmung der Extension verantwortlich. Daher ist die Unvollständigkeit oder Falschheit der Theorie irrelevant für die Bestimmung der Extension;

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bloße Änderungen der Theorien führen zwar zu Änderungen der Bedeutung, jedoch nicht automatisch zu Änderungen der Extension und aus der Identität der Theorien (antirealistisch verstanden) von Oscar1 und Oscar2 folgt nicht notwendig, dass ihre Repräsentationen synonym und daher koextensional sind. Die gemäßigte Version besagt also, dass es einige Begriff gibt, die teilweise theorieunabhängig sind. Ein Vertreter dieser gemäßigten Version ist Hilary Putnam.81 Entsprechend der starken Version findet die jeweilige Theorie überhaupt keinen Eingang in den Begriff. Diese Version behauptet, dass es einige Begriffe gibt, die vollständig theorieunabhängig sind, auch wenn Teile der Theorie möglicherweise für die Zuordnung einer Bedeutung zu einem Ausdruck relevant sein mögen. Ich möchte mit der Untersuchung einer starken realistischen Version beginnen, weil die Grundidee der realistischen Bedeutungsauffassung hier klar zutage tritt und die Probleme der starken Version ein Motiv für die Ausgestaltung und die Art und Weise der Ausgestaltung der gemäßigten Version darstellen. Die Idee der starken realistischen Versionen besagt, dass die Extension eines Ausdrucks natürlicher Arten dadurch bestimmt ist, dass der Ausdruck erstens ostensiv in Gegenwart eines Exemplars („sample“) definiert bzw. das Exemplar getauft wird (ostensiver Aspekt) und das wirkliche Wesen des Exemplars zweitens mittels der objektiven, theorie- und bewusstseinsunabhängigen Relation der Wesensidentität bestimmt, was alles zur Extension des Ausdrucks gehört und was nicht (struktureller Aspekt): If we imagine a hypothetical (admittedly somewhat artificial) baptism of the substance, we must imagine it picked out as by some such “definition” as, “Gold is the substance instantiated by the items over there, or at any rate, by almost all of them” […] I believe that in general, terms for natural kinds […] get their referents fixed in this way; the substance is defined as the kind instantiated by (almost all of) a given sample.82

„Hund“ referiert also auf alle und nur auf Hunde, weil ein Hund durch Äußerung von „das ist ein Hund“ getauft wurde und der Gegenstand der Taufe 81 82

Vgl. Putnam 1975b. Kripke 1980: 135f.

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ein Wesen besitzt, welches er mit allen und nur mit Hunden teilt. Die Extension einer Repräsentation ist also durch zwei Aspekte festgelegt, einem ostensiven und einem strukturellen Aspekt: Starker Realismus (SR): Für alle Dinge x gilt: Der Ausdruck „f“ referiert genau dann auf x, wenn x ostensiv als „f“ definiert wurde oder wenn es ein y gibt, wenn y ostensiv als „f“ definiert wurde und wenn x und y wesensidentisch sind. Diese Auffassung von Bedeutung ist realistisch, weil sowohl der Umstand, welches Wesen des getaufte Exemplar besitzt, als auch der Umstand, welche Teile der Wirklichkeit dasselbe Wesen aufweisen, allein durch die Wirklichkeit bestimmt, vollständig unabhängig von unserer jeweiligen Theorie sind. Der ostensive Aspekt des starken Realismus (SR) generiert jedoch ein unangenehmes Problem: We cannot simply annex a term to the unknown real essence of a sample, for any natural object will instantiate many different natural kinds; that is, a sample simply has no unitary unknown inner constitution that will fix the referent of a term introduced by ostending it.83

Dieses sogenannte Qua-Problem besteht darin, dass jedes Exemplar zu vielen natürlichen Arten gehört, d.h. viele verschiedene Wesen besitzt. Bspw. haben Hunde ein Wesen, das sie mit allen und nur mit Hunden teilen, aber auch ein Wesen, das sie mit allen und nur mit Säugetieren teilen und ein Wesen, das sie mit allen und nur mit Tieren teilen usw. Zudem wird man bei der Taufe eines Hundes eine bestimmte Hundeart vor sich haben. Dieser Hund teilt somit auch ein Wesen mit allen und nur mit Hunden dieser Art. Der ostensive Aspekt muss mithin bestimmen, welches dieser vielen Wesen des getauften Exemplars für den strukturellen Aspekt der Bedeutung relevant ist, d.h. hinsichtlich welches Wesens die Elemente der Extension identisch sind. Ohne die Bestimmung genau eines Wesens durch den ostensiven Aspekt kann der strukturelle Aspekt gar nicht greifen und die Extension des Ausdrucks wäre schlicht nicht bestimmt. Der bloße kausale 83

Stanford; Kitcher 2000: 100.

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Kontakt mit einem Exemplar ist jedoch unzureichend, um dieser Anforderung an den ostensiven Aspekt zu genügen. Eine erste Erwiderung auf das Qua-Problem verlangt, den Ausdruck in mehr als einem Exemplar zu verankern. Nicht eine erste und einzige Taufe bestimmt sofort und für immer das relevante Wesen, sondern mehrere Äußerungen von „das ist ein Hund“ in der Gegenwart verschiedener Hunde legen eindeutig ein Wesen fest. Diese mehrfache Verankerung kann erfolgreich verhindern, dass „Hund“ z.B. nur auf Collies referiert. Denn wenn „das ist ein Hund“ ursprünglich in der Gegenwart eines Collies geäußert wurde, anschließend jedoch auch in der Gegenwart von Terriern, dann kann das relevante Wesen nur in einem Wesen bestehen, welches sowohl der Collie als auch der Terrier aufweisen. Die wiederholte Verankerung könnte also vielleicht bewerkstelligen, dass „Hund“ auf alle Hunde und nicht nur auf eine Teilmenge der Hunde referiert. Die mehrfache Verankerung kann jedoch nicht verhindern, dass „Hund“ bspw. auf Säugetiere referiert. Der Ausdruck „Hund“ kann in noch so vielen Hunden verankert werden, weil alle Hunde auch Säugetiere, Tiere, Lebewesen usw. sind, kann die wiederholte Verankerung nicht genau ein Wesen festlegen. Eine zweite Erwiderung auf das Qua-Problem schlägt deshalb vor, den Ausdruck nicht nur in mehr als einem Exemplar, sondern darüber hinaus auch noch in mehreren Gegenstücken („foils“) zu verankern.84 Die zusätzliche Verankerung in Gegenstücken könnte vielleicht bewerkstelligen, dass „Hund“ nicht auf Säugetiere referiert. Denn wenn „das ist kein Hund“ in der Gegenwart einer Katze geäußert wurde, dann kann das relevante Wesen nicht in einem Wesen bestehen, dass die Hundeexemplare mit dem Katzenexemplar teilen. Dass „Hund“ auf alle Säugetiere referiert, könnte damit ausgeschlossen werden. Ist das Qua-Problem damit gelöst? Es existieren Gegenbeispiele85: 84

Der Ausdruck „Gegenstück“ dient mir hier als Übersetzung des englischen Ausdrucks „foil“. Es sind keine Lewischen „counterparts“ sondern Nicht-Hunde gemeint. 85 Stanfords und Kitchers Kritik, die Menge der Exemplare enthalte noch immer mehrere Wesen – bspw. das Hundewesen und das Wesen des festen Aggregatzustandes (2000: 110) – übersieht die Menge der Gegenstücke. Falls diese – bspw. durch Katzen

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Da die Mikrostruktur von Organismen laut Putnam deren DNS ist, haben ganze Tiger und einzelne Tigerzellen dieselbe wesentliche Eigenschaft, [so] dass auch isolierte Tigerzellen zur Extension des Ausdrucks „Tiger“ gezählt werden müssen.86

Wenn das Wesen von Organismen also in deren DNS besteht, dann weisen sowohl Hunde als auch einzelne Hundezellen dasselbe Wesen auf. Selbst die mehrfache Verankerung des Ausdrucks in Exemplaren und in Gegenstücken kann dieser Schwierigkeit nicht habhaft werden. Denn um die einzelnen Hundezellen von der Extension der Hunde auszuschließen, müssten sie in die Gruppe der Gegenstücke aufgenommen werden. D.h. es müsste in der Gegenwart von einzelnen Hundezellen ostensiv festlegt werden: „Das ist kein Hund“. Doch dann kann das relevante Wesen der Hunde nicht in einem Wesen bestehen, das sie mit einzelnen Hundezellen teilen. Also kann das Wesen der Hund nicht in ihrer DNS bestehen. Und nun bleibt scheinbar gar kein Wesen mehr übrig, das allen und nur Hunden eigen ist; der strukturelle Aspekt kann nicht greifen. Nehmen wir die einzelnen Hundezellen hingegen nicht in die Gruppe der Gegenstücke auf, dann sind wir nicht in der Lage, einzelne Hundezellen mittels ostensiver Definitionen aus der Extension der Hunde zu verbannen. Der strukturelle Aspekt würde sie unweigerlich der Extension der Hunde zuweisen. Aber können wir nicht doch unserem Ausdruck „Hund“ eine Menge von Exemplaren und eine Menge von Gegenstücken ostensiv zuweisen, so dass alle potentiellen Wesen auf genau eines reduziert sind? Solche Mengen scheint es zumindest zu geben, nämlich die Menge aller Hunde als Menge der Exemplare und die Menge aller Dinge, die keine Hunde sind, als Menge der Gegenstücke. Die Existenz dieser Mengen rettet (SR) jedoch nicht vor dem Qua-Problem. Bei der ostensiven Zuweisung dieser Mengen zu unserem Ausdruck „Hund“ taucht das Qua-Problem nämlich wieder auf. Erstens ist unklar, wie wir die Menge aller Gegenstücke unserem Ausdruck „Hund“ ostensiv zuweisen können. Weil die Menge vermutlich – ebenfalls das Wesen des festen Aggregatzustandes enthalten, wäre dieses Wesen ausgeschlossen. 86 Burri 1994: 90.

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unendlich ist, kann die Zuweisung nicht in der Ostension jedes einzelnen Gegenstücks als „Nicht-Hund“ bestehen. Also bedarf es der Hilfe des strukturellen Aspekts. Wir definieren einige Gegenstücke ostensiv als „Nicht-Hunde“ und das so festgelegte Wesen der Gegenstücke soll dann zusammen mit dem strukturellen Aspekt die Menge aller Gegenstücke bestimmen. Die Menge aller Nicht-Hunde bildet aber keine natürliche Art. Also kann der strukturelle Aspekt nicht greifen. Vielleicht reicht es aber, die Menge aller Exemplare unserem Ausdruck ostensiv zuzuweisen. Weil aber zweitens auch diese Menge vermutlich unendlich ist, kann diese Zuweisung nicht in der Ostension jedes einzelnen Exemplars als „Hund“ bestehen. Also müsste erneut der strukturelle Aspekt helfen. Wir definieren einige Exemplare ostensiv als „Hunde“ und das so festgelegte Wesen der Exemplare soll dann zusammen mit dem strukturellen Aspekt die Menge aller Hunde bestimmen. Doch nun stehen wir wieder vor der Ausgangsfrage, wie wir ostensiv genau das Hundewesen herausgreifen können. 14. Eine gemäßigte realistische Version Die Konsequenz aus dem Qua-Problem besteht in der (Wieder-) Berücksichtigung eines gemäßigten Einflusses von Theorien auf die Begriffe. So vermuten Devitt und Sterelny: „Something about the mental state of the grounder must determine which putative nature of the sample is the one relevant to the grounding“87. Der Idee der gemäßigten realistischen Version zufolge ist das relevante Wesen genau dasjenige, welches für g verantwortlich ist bzw. welches g bewirkt, wobei „g“ eine Konjunktion von Oberflächeneigenschaften der Exemplare repräsentiert: Normally the ‘important’ properties [das Wesen] of a liquid or solid, etc., are the ones […] that specify what the liquid or solid etc., is ultimately made out of […] and how they are arranged or combined to produce the superficial characteristics.88

87 88

Devitt; Sterelny 1987: 73. Putnam 1975b: 239.

88

Und genau diese Oberflächeneigenschaften g bspw. von Gold werden durch unsere Goldtheorie bereitgestellt. An dieser Stelle kommt die Theorie wieder zum Einsatz. Die Extension ist entsprechend der gemäßigten realistischen Auffassung also nach folgendem Schema festgelegt: Gemäßigter Realismus (GR): Für alle Dinge x gilt: Der Ausdruck „f“ referiert genau dann auf x, wenn x ostensiv als „f“ definiert wurde oder wenn es ein y gibt, wenn y ostensiv als „f“ definiert wurde, wenn y g ist, und wenn x dasjenige Wesen besitzt, welches dafür verantwortlich ist, dass y g ist.89 (GR) scheint noch immer realistisch zu sein. Denn weder der Umstand, welches Wesen tatsächlich für die Oberflächeneigenschaften g der Exemplare verantwortlich ist, noch der Umstand, welche anderen Dinge dasselbe Wesen aufweisen, sind von unserer Theorie abhängig. Der Schein trügt jedoch, weil der Einfluss der Theorie gemäß (GR) antirealistisch ist. Die Oberflächeneigenschaften g kommen nun scheinbar notwendig allen Hunden zu. Denn dass ein Wesen für die Eigenschaft g der Exemplare verantwortlich ist, ist gemäß einer naheliegenden Lesart äquivalent mit der Behauptung: Wenn etwas wesensidentisch mit den Exemplaren ist, dann besitzt es auch die Eigenschaft g.90 Betrachten wir ein Beispiel, um zu sehen, wie (GR) die Extension bestimmt und dabei antirealistische Konsequenzen aufweist. Gegen antirealistische Bedeutungstheorien wurden kontrafaktische Intuitionen ins Feld geführt. Eine Intuition besagt: Wenn wir einen Organismus entdecken würden, der die Hunde-DNS besitzt, jedoch kein Fell hat, dann haben wir einen Hund entdeckt, der kein Fell hat. Ein Fell zu haben, ist eben keine notwendige Eigenschaft von Hunden. Nehmen wir an, ein Fell zu haben, sei eine der Oberflächeneigenschaften g, die durch unsere Hundetheorie bereitgestellt wird. Weil das relevante Wesen von Hunden gemäß (GR) dasjenige ist, was für das Fell der Hundeexemplare verantwortlich ist, weisen Hunde scheinbar notwendig 89

Ich lasse zusätzliche Bedingungen, die durch eine Berücksichtigung der „foils“ enthalten sein müssten, der Einfachheit halber weg. 90 Vgl. Stanford; Kitcher 2000: 102ff.

89

Fell auf. Wir können mithin gar keine Hunde entdecken, die kein Fell haben. Diese antirealistische Konsequenz verdankt (GR), wie Stanford und Kitcher korrekt attestieren, der Lesart von dem für die Eigenschaft g verantwortlichen bzw. die Eigenschaft g bewirkenden Wesen.91 Die naheliegende Lesart besagt: Wenn etwas das fragliche Wesen aufweist, es die Eigenschaft g besitzen muss, weil das Wesen als die vollständige Ursache der Eigenschaft g verstanden wird. Ein Ausweg bestünde laut Stanford und Kitcher darin, diese Lesart der Verantwortlichkeit alltäglicher und damit einhergehend schwächer zu verstehen. Ein Waldbrand wird gewöhnlich nicht durch die Angabe der vollständigen Ursache, sondern durch die Angabe eines Teils der vollständigen Ursache erklärt. Der Wald hat gebrannt, weil jemand eine glühende Zigarette weggeworfen hat. Die weggeworfene, glühende Zigarette ist verantwortlich für den Waldbrand. Andere Teile der vollständigen Ursachen, wie die Anwesenheit von Sauerstoff, werden hingegen in die Rand- bzw. Hintergrundbedingungen verlagert und nicht als verantwortlich für das Ereignis erwähnt. Wenn (GR) derart verstanden werden würde, dass lediglich der gemeinsame Teil der vollständigen Ursache aller Oberflächeneigenschaften aller Exemplare als Wesen gilt, dann könnte die kontrafaktische Intuition vielleicht bewahrt werden: So haben bspw. Hunde nicht notwendig ein Fell, weil die Randbedingungen, die zusammen mit der Hunde-DNS für das Fell verantwortlich sind, nicht notwendig zusammen mit der HundeDNS vorliegen. Die Extension ist dann nach folgendem Schema festgelegt: Verbesserter Realismus (VGR): Für alle Dinge x gilt: Der Ausdruck „Hund“ referiert genau dann auf x, wenn x ostensiv als „Hund“ definiert wurde oder wenn es ein y gibt, wenn y ostensiv als „Hund“ definiert wurde, wenn y g ist und wenn x dasjenige Wesen besitzt, welches gemeinsamer Teil der vollständigen Ursachen der Eigenschaft g von y ist.92

91 92

Ebenda: 105. Ebenda: 114.

90

(VGR) mag zwar berechtigt als realistische Semantik bezeichnet werden, nur ist (VGR) augenscheinlich nicht in der Lage das Qua-Problem zu lösen. Denn das Problem der Hunde und einzelnen Hundezellen bekommt auch (VGR) nicht in den Griff. Wenn die DNS der gemeinsame Teil der vollständigen Ursachen der Oberflächeneigenschaft g von Hundeexemplaren ist, dann sind einzelne Hundezellen Hunde. Einzelne Hundezellen schienen nur keine Hunde zu sein, weil sie keine der Oberflächeneigenschaften der Hunde aufweisen. Um Hunde zu sein, müssen sie das gemäß (VGR) aber auch nicht, weil die hierfür nötigen Hintergrundbedingungen im Falle von einzelnen Hundezellen nicht vorliegen müssen. 15. Oberflächeneigenschaften und semantische Marker Dieses Problem lässt sich augenscheinlich nur dadurch lösen, dass sogenannte semantische Marker in die ostensive Definition aufgenommen werden: „Hunde sind Säugetiere, die…“.93 Weil isolierte Tigerzellen keine Säugetiere sind, wären sie ausgeschlossen, ohne dass damit auch ihre DNS als Wesen der Tiger ausgeschlossen wäre. Mit der Einführung semantischer Marker mag man zwar das lästige Qua-Problem loswerden, doch der Preis ist hoch. Man hat sich nun einen neuen Problembereich eingehandelt. Wir sollten uns nämlich die Bedeutungen und Extensionen dieser semantischen Marker genauer anschauen. Einhergehend damit müssen wir uns auch den Bedeutungen und Extensionen der Prädikate „g“, die in allen gemäßigten realistischen Versionen enthalten sind, zuwenden. Gegen die antirealistische Auffassung wurde im ersten Teil dieses Kapitels eingewendet, dass sie die Erklärung der Referenz stets auf andere Ausdrücke bzw. Begriffe verschiebt, deren Referenz bereits festgelegt sein muss. Diese Kritik trifft nun anscheinend auch die gemäßigte realistische Auffassung. Denn diese muss aufgrund der bisherigen Probleme anscheinend auf semantische Marker und die Prädikate „g“ zurückzugreifen. Mithin kann sie nur dann die Referenz des ostensiv definierten Ausdrucks er-

93

Vgl. Burri 1994: 89f.

91

klären, wenn sie voraussetzt, dass die Bedeutungen und Extensionen der semantischen Marker und der Prädikate „g“ bereits festgelegt sind.94 Fragen wir nun wiederum, wie die Bedeutungen und Extensionen der semantischen Marker und der Prädikate „g“ entsprechend der gemäßigten realistischen Auffassung festgelegt sind, dann führt die Antwort erneut in ein Trilemma. Entweder die Extension bspw. von „g“ ist u.a. durch das Prädikat „h“ festgelegt, wobei die Extension von „h“ wiederum durch das Prädikat „i“ festgelegt ist usw., dann ist die Extension von „g“ gar nicht festgelegt. Oder die Extension von „g“ ist durch das Prädikat „h“ festgelegt, wobei „g“ über kurz oder lang in der Analyse von „h“ enthalten ist, dann ist die Extension von „g“ zirkulär, d.h. gar nicht festgelegt. Oder die Extension von „g“ ist nicht selbst mittels eines Prädikats „h“ festgelegt. Aber wie kann die Extension von „h“ nicht durch semantische Marker und andere Prädikate festgelegt sein, ohne die realistische Bedeutungsauffassung zu verlassen? Nun, anscheinend nur dann, wenn für „h“ die starke realistische Version zutrifft. Doch dann sehen wir uns letztlich wieder mit den Problemen der starken realistischen Version konfrontiert: dem QuaProblem. Die gemäßigten realistischen Versionen können die Extension daher nur dann erklären, wenn die realistische Auffassung im ostensiven Aspekt zumindest einiger Ausdrücke auf den Einfluss der Theorie verzichten kann; nur dann also, wenn die starke realistische Version das Qua-Problem für einige Ausdrücke natürlicher Arten lösen kann. (Dies entspricht der Einführung atomarer Begriffe im Falle der antirealistischen Auffassung.) Wir haben aber bereits gesehen, dass das Qua-Problem der starken Version nur durch den Einfluss der Theorie, d.h. entsprechend der gemäßigten realistischen Version gelöst werden könnte. Die realistischen Versionen sehen sich in diesem Sinn unlösbaren Problemen gegenüber. Auch Stanford und Kitcher bemerken in einem anderen Zusammenhang: Perhaps the descriptions needed for reference-grounding will themselves reduce to primitive terms whose reference can be grounded without any descriptive

94

Vgl. Putnam 1975b: 239.

92

component. To our knowledge, however, no one has been able to make good on this suggestion.95

Das Problem besteht also nicht darin, dass wir möglicherweise nicht wissen, was „g“ wirklich bedeutet und worauf der Ausdruck wirklich referiert, sondern dass die Bedeutungen und Extensionen von „g“ eine notwendige Bedingung dafür sind, dass vermittels einer ostensiven Definition von „f“, welche den Ausdruck „g“ enthält, „f“ überhaupt eine Bedeutung und Extension zugewiesen werden kann. Augenscheinlich können beide Probleme nicht innerhalb des Rahmens der realistischen Auffassung gelöst werden. Der letzte Ausweg besteht deshalb darin, dass die Bedeutungen einiger Ausdrücke, die in das Prädikat „g“ Eingang finden bzw. als semantische Marker innerhalb der ostensiven Definition dienen, antirealistisch aufgefasst werden. Die Konsequenz lautet also, dass auch die realistische Auffassung radikal unvollständig ist, weil sie am Ende auf eine antirealistische Ergänzung ihrer Erklärung angewiesen ist. 16. Eine weitere antirealistische Lehre? Im Lichte dieser Probleme der realistischen Auffassung könnte der Antirealist einen letzten Versuch unternehmen, an der Grundidee festzuhalten, dass die Bedeutungen und daher auch die Extensionen aller Ausdrücke vollständig theorieabhängig sind. Eine Möglichkeit bestünde darin, die bedeutungsrelevanten Theorien ein wenig von uns und daher auch von unserem Für-wahr-Halten abzukoppeln. Die Theorien, die in die Bedeutungen Eingang finden, sind – so die Idee – nicht unsere derzeitigen Theorien, sondern Theorien im idealen Limes der projektierten Fortentwicklung der Wissenschaften. Weil diese Theorien nicht unsere derzeitigen Theorien sein müssen, können unsere derzeitigen Theorien unvollständig sein oder falsche Hypothesen enthalten, ohne dass die Extensionen unserer Ausdrücke dadurch in Mitleidenschaft gezogen wären. Dies könnte dem Antirealisten ermöglichen, den zulässigen Daten gerecht zu werden und diese mit der antirealistischen Auffassung zu versöhnen. 95

Stanford; Kitcher 2000: 106.

93

Die Einführung idealer Theorien als bedeutungs- und extensionsbestimmend hat gleichwohl ein ernstes Problem. Eine solche Auffassung ist nämlich auf die These festgelegt, dass unsere Ausdrücke nicht referieren, insofern es derzeit nicht die idealen Theorien gibt. Unsere derzeitigen Theorien gibt es. Daher ist im Prinzip verständlich, dass sie Einfluss auf die Bedeutungen und daher auf die Extensionen unserer Ausdrücke ausüben könnten. Auch die Welt sowie kausale Relationen zwischen uns und der Welt gibt es. Erneut ist daher im Prinzip verständlich, dass sie Einfluss auf die Bedeutungen und daher auf die Extensionen unserer Ausdrücke ausüben könnten. Ideale Theorien gibt es jedoch sprichwörtlich (noch) nicht. Doch wie könnten sie dann in die derzeitigen Bedeutungen unserer Ausdrücke eingehen und ihre Extensionen festlegen? Die Schlussfolgerung, dass unsere Ausdrücke derzeit nicht referieren, scheint unvermeidlich. Die Frage, ob „Wasser“E und „Wasser“ZE 1750 oder 1950 koextensional sind oder nicht, stellt sich also gar nicht. Sie referieren gar nicht (und sind maximal in diesem minimalen Sinn koextensional). Entgegen dem ersten Anschein zeigt sich also, dass dieser Versuch den zulässigen Daten nicht gerecht wird, nicht weil „Wasser“E 1750 auch auf XYZ referiert, sondern weil „Wasser“E 1750 gar nicht, d.h. auch nicht auf H2O referiert. Der Antirealist kann nicht einfach entgegnen, hier zeige sich eben, dass unsere Ausdrücke derzeit wirklich nicht referieren, wenn wir derzeit nicht im Besitz der idealen Theorien sind. Denn ideale Theorien sind Theorien im idealen Limes der projektierten Fortentwicklung der Wissenschaften. Die Idee der projektierten Fortentwicklung der wissenschaftlichen Theorien setzt jedoch voraus, dass sich ablösende Theorien zumindest grob denselben Gegenstandsbereich haben, dass sich die Theorien lediglich darin unterscheiden, dass die neue Theorie mehr Erkenntnisse oder weniger falsche Aussagen über den Gegenstandsbereich enthält bzw. dass die neue Theorie die alte als Spezialfall enthält. In dem einen oder anderen Sinn setzt die Idee der projektierten Fortentwicklung daher voraus, dass zumindest einige Ausdrücke der früheren Theorien bereits referieren, auch wenn die Theorien keine idealen Theorien sind. Die Alternative, bedeutungs- und extensionsbestimmende Theorien mit den idealen Theorien zu identifizieren, um behaupten zu können, dass die Bedeutungen aller Ausdrücke doch vollständig theorieabhängig sind, entpuppt sich daher als Sackgasse.

94

17. Konsequenzen Dieses Kapitel legt zusammenfassend folgendes Bild nahe: Die realistische Auffassung kommt im Gegensatz zur antirealistischen Auffassung unseren zulässigen Daten hinsichtlich des Verhältnisses von Bedeutung, Theorie und Extension im Fall von Ausdrücken natürlicher Arten entgegen. Es scheint daher unvermeidlich, dass die realistische Auffassung zumindest für einige Bedeutungen, die antirealistische Auffassung also nicht für alle Bedeutungen angemessen ist. Die realistische Auffassung selbst hat jedoch ein hartnäckiges Problem: das Qua-Problem. Damit sie erklären kann, wie die Bedeutungen und Extensionen von Ausdrücken natürlicher Arten festgelegt sind, muss sie allem Anschein nach durch einen antirealistischen Teil erweitert bzw. ergänzt werden. Wir haben zudem gesehen, dass der antirealistische Teil ohne atomare Begriffe auskommen, d.h. bspw. von der Art funktionaler Rollen sein sollte. Der letzte Einwand legt zudem nahe, dass die entsprechenden funktionalen Rollen unsere derzeitigen und nicht etwa ideale Theorien widerspiegeln sollten.

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IV. Zwei-Faktoren-Semantik und enge Bedeutung Das zentrale Ergebnis des letzten Kapitels besagt, dass die realistische Auffassung im Gegensatz zur antirealistischen Auffassung unseren zulässigen Daten hinsichtlich des Verhältnisses von Bedeutung, Theorie und Extension (Wahrheit) entgegenkommt. Dieses Ergebnis ist äquivalent mit der Behauptung, die Bedeutungen zumindest einiger Ausdrücke, allen voran der Ausdrücke natürlicher Arten, können nicht vollständig theorieabhängig sein; ihre Semantik muss realistisch sein. Der kritische Vergleich der realistischen mit der antirealistischen Auffassung verlief bisher stets im Rahmen des schwachen Determinismus (SD), d.h. im Rahmen der Annahme, dass bedeutungsgleiche Repräsentationen notwendig koextensional sind, dass die Bedeutung eines Ausdrucks in diesem Sinn seine Extension bestimmt. Ich bin daraufhin dem Einwand nachgegangen, dass die realistische Bedeutungsauffassung ebenfalls ihre Probleme aufweist. Und wir haben gesehen, dass die realistische Bedeutungsauffassung für einige Ausdrücke nur dann greift, wenn sie durch eine antirealistische Bedeutungsauffassung für andere Ausdrücke ergänzt wird. Denn wir vermögen durch eine Kennzeichnung die Extension von Ausdrücken natürlicher Arten nicht eindeutig festzulegen, wenn alle Ausdrücke der Kennzeichnung eine realistische Semantik haben. Auch die realistische Semantik ist mithin radikal unvollständig. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass die Semantik von Ausdrücken natürlicher Arten realistisch zu sein scheint. Es zeigt lediglich, dass die realistische Bedeutungsauffassung nicht für alle Ausdrücke richtig sein kann. 1. Zwei-Faktoren-Semantik Ein zweiter Einwand gegen die realistische Auffassung besagt, dass es mehr über Bedeutung zu sagen gäbe als eine Theorie über das Verhältnis von Bedeutung und Extension zu sagen vermag. Es gibt nämlich, so die These der Zwei-Faktoren-Theorien, Bedeutungen, die (direkt) nichts mit der Bestimmung der Extension bzw. der Referenzobjekte zu tun haben, so-

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genannte enge Bedeutungen. Und gerade für diese engen Bedeutungen wurde behauptet, dass wir sie zuschreiben sollten, um Verhalten angemessen zu erklären. Die Funktionale-Rollen-Semantik, so das Ergebnis des letzten Kapitels, kann keine angemessene Semantik aller Ausdrücke sein. Die Idee einer Zwei-Faktoren-Semantik eröffnet indessen die Möglichkeit, dass die Funktionale-Rollen-Semantik ihren eigentlichen Platz innerhalb einer Zwei-Faktoren-Semantik, als Semantik des zweiten, nonrepräsentationalen Bedeutungsfaktors hat. Dieser These werde ich im Folgenden nachgehen. Im Abschnitt III.12. wurde eine mögliche Erwiderung auf Putnams Gedankenexperiment erwähnt, nämlich sein Gedankenexperiment als Widerlegung des schwachen Determinismus zu verstehen. Die Unterscheidung zweier Bedeutungsfaktoren ist von diesem Einwand gegen den schwachen Determinismus aber strikt zu unterscheiden. Denn die Unterscheidung zweier Bedeutungsfaktoren gibt der realistischen Bedeutungsauffassung hinsichtlich des einen, repräsentationalen Bedeutungsfaktors recht und akzeptiert hinsichtlich dieses Faktors auch den schwachen Determinismus. Die Unterscheidung gibt jedoch zu bedenken, dass Putnams Argumente im Zusammenhang mit dem zweiten, non-repräsentationalen Bedeutungsfaktor nicht greifen, gerade weil dieser gar nichts mit der Bestimmung der Extension zu tun hat. Für diesen non-repräsentationalen Bedeutungsfaktor gelte nämlich einfach nicht, dass zwei Repräsentationen, die sich in der engen Bedeutung nicht unterscheiden, sich notwendig auch in ihrer Extension nicht unterscheiden. Daher ist die Behauptung, die Funktionale-Rollen-Semantik sei die angemessene Semantik des nonrepräsentationalen Faktors durch die bisherigen Einwände nicht bedroht. Noch ein Hinweis zu dem Ausdruck „Faktor“: Es ist bei einigen Semantiken nicht recht klar, ob sie einer Repräsentation mehrere Bedeutungen als Faktoren zuschreiben oder nur eine Bedeutung mit verschiedenen Faktoren, die selbst jedoch keine Bedeutungen sind. Wie noch deutlich werden wird, sollten die Faktoren als Bedeutungen verstanden werden, da es den Zwei-Faktoren-Semantiken um die Zuschreibung dieser Faktoren zum Zweck der Verhaltenserklärung geht. Daher sind diese Faktoren potentielle Bedeutungen entsprechend unserer Methode.

97

2. Methodologischer Solipsismus Warum sollte überhaupt angenommen werden, dass es nonrepräsentationale Eigenschaften gibt, die semantisch relevant, relevant für angemessene Verhaltenserklärungen sind? Freges Motiv, Bedeutungen zum Zweck der Verhaltenserklärung zu postulieren, scheint einfach keinen Bedarf an weiteren und vor allem keinen Bedarf an non-repräsentationalen Faktoren offen zu lassen. Das Hauptargument für die Existenz enger Bedeutungen ist unter dem Stichwort „Methodologischer Solipsismus“ in die Literatur eingegangen. Putnam bestimmt den Methodologischen Solipsismus als die These, „that no psychological state [required for action explanation] presupposes the existence of any individual other than the subject to whom that state is ascribed“96. Setzt die Zuschreibung eines psychologischen Zustandes a lediglich die Existenz des Subjekts voraus, dem der Zustand zugeschrieben wird, dann ist der Zustand a ein enger („narrow“) psychologischer Zustand. Setzt die Zuschreibung eines psychologischen Zustandes a jedoch mehr als die Existenz des Subjekts voraus, dem der Zustand zugeschrieben wird, dann ist der Zustand a ein weiter („wide“) psychologischer Zustand. Die Existenz weiter psychologischer Zustände ist mit dem Methodologischen Solipsismus unverträglich. Wenn die zugeschriebenen Eigenschaften Bedeutungen sind, dann wird in der Zuschreibung eines engen psychologischen Zustandes u.a. eine enge Bedeutung zugeschrieben; in der Zuschreibung eines weiten psychologischen Zustandes u.a. eine weite Bedeutung. Aber was spricht für die These, dass wir in Verhaltenserklärungen nur enge Eigenschaften, nur enge psychologische Zustände zuschreiben bzw. zuschreiben sollten? Was spricht für den Methodologischen Solipsismus? Interessanterweise wird auch der Methodologische Solipsismus durch Gedankenexperimente der Zwillingserdenart gestützt. Betrachten wir noch einmal ein Zitat von Putnam: Oscar1 and Oscar2 understood the term “water” differently in 1750 although they were in the same psychological state, and although, given the state of sci96

Putnam 1975b: 220.

98

ence at the time, it would have taken their scientific communities about fifty years to discover that they understood the term “water” differently.97

Oscar1 und Oscar2 sprechen 1750 über Verschiedenes, wenn sie „Wasser” äußern; der Ausdruck hat für beide verschiedene weite Bedeutungen. Ihre jeweiligen Behauptungen können verschiedene Wahrheitswerte haben. Laut Putnam verstehen sie sogar ihre „Wasser“-Ausdrücke verschieden. Oscar1 und Oscar2 haben also verschiedene weite Zustände. Ungeachtet dieser Unterschiede sind Oscar1 und Oscar2 Putnam zufolge jedoch psychologisch gleich; sie unterscheiden sich in keinem ihrer psychologischen Zustände; in einem gewissen Sinn sind sie psychologische, funktionale Duplikate. Also können die weiten Zustände keine psychologischen Zustände sein (und auch Verstehen kann laut Putnam kein psychologischer Zustand sein). Verhalten wird nun jedoch im Rückgriff auf die psychologischen Zustände der Akteure erklärt, mithin also im Rückgriff auf die engen, nicht die weiten Zustände der Akteure. Denn wir schreiben psychologische Zustände, Überzeugungen und Wünsche, zu, um Verhalten zu erklären. In dieselbe Kerbe schlägt auch William Lycan. 1750 könnte eine Bedeutungsverschiedenheit einzig auf einer Verschiedenheit der Extensionen der Ausdrücke „Wasser“ZE und „Wasser“E, nämlich auf der Verschiedenheit der chemischen Substanzen XYZ und H2O beruhen. Alles andere ist auf der Erde und der Zwillingserde laut den Voraussetzungen des Gedankenexperiments nämlich gleich. Der Unterschied zwischen den chemischen Substanzen war Oscar1 und Oscar2 1750 jedoch völlig unbekannt (im antirealistischen Sinn). Daher konnte dieser Unterschied anscheinend zu keinem (eng individuierten) Verhaltensunterschied führen. Wenn sich ihr Verhalten in diesem Sinn nicht unterscheiden konnte, dann konnten Oscar1 und Oscar2 auch nicht in verschiedenen psychologischen Zuständen sein. Wir müssen ihnen die gleichen psychologischen Zustände, also die gleichen Bedeutungen zuschreiben. In diesem Sinn haben die Ausdrücke „Wasser“ZE und „Wasser“E für Oscar1 und Oscar2 also dieselbe Bedeutung, ungeachtet dessen, dass sie nicht koextensional sind, ungeachtet dessen, dass sie nicht dieselbe weite Bedeutung haben. Hier wird deutlich, dass die Annahme des schwachen Determinismus für enge Bedeutungen fallengelassen wird. 97

Putnam 1973b: 701f, meine Hervorhebung.

99

Lycan erkennt wie Putnam einen Bedeutungsfaktor an, dessen wesentlicher Aspekt im schwachen Determinismus besteht. Diesen Bedeutungsfaktor nennt Lycan „Intension“. Er betont jedoch, wie Putnam, die Rolle eines anderen Bedeutungsfaktors im Rahmen der Verhaltenserklärung. Was Lycan bezweifelt ist, dass die Verschiedenheit der Extension automatisch eine Verschiedenheit des Bedeutungsfaktors in diesem zweiten Sinn nach sich zieht: Everything else on Twin Earth is the same as here, as regards anything anyone has ever thought was pertinent to meaning: everyday verification condition, inferential role, “use” of various sorts.98

3. Über gleiches Verhalten Es ist schwer sich des Eindrucks zu erwehren, dass Oscar1 und Oscar2 wirklich etwas gemeinsam haben, dass sie sich in einem gewissen Sinn gleich verhalten, dass sie in einem gewissen Sinn psychologisch gleich sind, obwohl Oscar1 üblicherweise mit H2O, Oscar2 üblicherweise mit XYZ in Kontakt steht. Der Methodologische Solipsismus hat hier einfach einen Punkt. Aber muss bzw. sollte man daraus die Konsequenz ziehen, dass es non-repräsentationale Bedeutungen gibt, dass Verhalten mittels der Zuschreibung enger psychologischer Zustände erklärt wird bzw. werden sollte? Laut einigen Philosophen, allen voran Michael Devitt, ist die Antwort auf diese Frage ein klares „Nein“. Denn eine repräsentationale Semantik kann den wahren Kern des Methodologischen Solipsismus bewahren ohne non-repräsentationale Bedeutungen postulieren zu müssen. Betrachten wir eine alltägliche Verhaltenserklärung. Oscar1 trank Wasser, weil er glaubte, dass er durstig ist und dass Wasser Durst löscht.99 Entsprechend der Ergebnisse des letzten Kapitels werden hier weite Bedeu-

98

Lycan 2006: 186. Ich lasse die entsprechenden Wünsche sowie Probleme hinsichtlich der indexikalischen Ausdrücke unberücksichtigt. Sie sind für die Argumentation nicht relevant.

99

100

tungen zugeschrieben.100 Die Überzeugungen von Oscar1 handeln von H2O und nicht von XYZ. Das erklärte Verhalten ist zudem relational, weil es durch einen Grund verursacht ist, der von H2O handelt, der aus weiten Zuständen besteht, weil man sich nur dann so verhalten kann, wenn man H2O trinkt. Diese spezielle Erklärung wird durch diverse Gesetze gestützt. Einige dieser stützenden Gesetze sind allgemeiner und stützen bspw. alle Erklärung der Form „a trank f, weil er glaubte, dass er g ist und dass f g löscht“. Andere dieser Gesetze sind spezieller und stützen bspw. nur Erklärungen der Form „a trank H2O, weil er glaubte, dass er durstig ist und dass H2O Durst löscht“. Einige der allgemeineren Gesetze stützen nun aber auch die entsprechende Erklärung des Verhaltens von Oscar2: „Oscar2 trank Wasser, weil er glaubte, dass er durstig ist und dass Wasser Durst löscht“, nämlich bspw. das Gesetz „Wenn eine Person a glaubt, dass sie durstig ist und dass f Durst löscht, dann wird sie f trinken“.101 Obgleich wir in den beiden Verhaltenserklärungen „Oscar1 trank Wasser, weil er glaubte, dass er durstig ist und dass Wasser Durst löscht“ und „Oscar2 trank Wasser, weil er glaubte, dass er durstig ist und dass Wasser Durst löscht“ laut den Ergebnissen des letzten Kapitels verschiedene Überzeugungen zuschreiben und mithin auch verschiedenes Verhalten erklären, gibt es dennoch allgemeine Gesetze, die beide Verhaltenserklärungen stützen. Genau diese Gesetze stellen dar, in welchem Sinn wir es hier mit dem gleichen Verhalten zu tun haben. Devitts Argument legt nahe, dass sich das Verhalten von Oscar1 und Oscar2 in demselben Sinn gleicht und unterscheidet wie das Verhalten von Oscar1 und einer anderen Person, Petra, die auf der Erde Milch trinkt, weil sie Durst hat und glaubt, dass Milch ihren Durst löscht. In beiden Fällen gibt es wiederum spezielle Gesetze, die die eine Erklärung stützen, die anderen jedoch nicht. In dem durch diese Gesetze dargestellten Sinn unterscheidet sich das Verhalten von Oscar1 genauso von dem Verhalten von Oscar2 wie sich das Verhalten von Oscar1 von demjenigen Petras unter100

Ich gehe von den Ergebnissen des letzten Kapitels aus, weise ihnen also eine gewisse Plausibilität zu. Der Methodologische Solipsismus wird als Kritik an der (allgemeinen) Plausibilität dieser Ergebnisse konzipiert. 101 Vgl. Devitt 1996: 304f.

101

scheidet. In beiden Fällen gibt es jedoch auch allgemeinere Gesetze, die alle diese Erklärungen stützen. In dem durch diese allgemeineren Gesetze dargestellten Sinn ist das Verhalten von Oscar1 das gleiche wie das Verhalten von Oscar2 genauso wie das Verhalten von Oscar1 das gleiche ist wie dasjenige Petras. Repräsentationale Semantiken sind also durchaus im Stande, zu erklären, dass sich Oscar1 und Oscar2 in einem gewissen Sinn gleich verhalten. Sie können darüber hinaus auch noch angeben, worin die Gleichheit ihres Verhaltens besteht. Wenn dies stimmt, dann sind die Überlegungen über gleiches Verhaltes nicht hinreichend um die Annahme enger Bedeutungen zum Zweck der Verhaltenserklärung zu rechtfertigen. Darüber hinaus kann zweitens argumentiert werden, dass selbst wenn Devitts Argument nicht schlüssig wäre, die Annahme enger Bedeutungen nicht einmal das leisten würde, was sie zu leisten beansprucht. Denn die Zuschreibung enger psychologischer Zustände, also enger Bedeutungen, vermag gar nicht das Verhalten zu erklären, welches wir üblicherweise und im Alltag zu erklären beabsichtigen. Wenn im Rahmen von Verhaltenserklärungen lediglich enge psychologische Zustände zugeschrieben werden bzw. werden sollten, dann müssen wir die vorherigen Erklärungen nämlich entsprechend anpassen. Denn in ihnen wurden laut den Ergebnissen des letzten Kapitels weite psychologische Zustände, Zustände, die von H2O oder XYZ handeln, zugeschrieben. In diesem Sinn waren Oscar1 und Oscar2 nicht in dem gleichen psychologischen Zustand. Die Zuschreibung enger psychologischer Zustände können wir mithilfe einer Konvention sicherstellen: Während „a glaubt, dass fb“ der Person a einen weiten psychologischen Zustand zuschreibt, schreibt „a glaubt, *(dass fb)“ derselben Person den entsprechenden engen psychologischen Zustand, also u.a. eine enge Eigenschaft zu. Wir können uns bspw. vorstellen, dass *(fx) eine Funktion spezifiziert, einen sogenannten Charakter, der mögliche Welten auf Extensionen abbildet. Und diese Funktion ist für „Wasser“ dieselbe, gleichgültig, ob Oscar1 diesen Ausdruck auf der Erde oder Oscar2 diesen Ausdruck auf der Zwillingserde verwendet. Die beiden Verhaltenserklärungen lauten dementsprechend: Oscar1 trank Wasser, weil er glaubte, *(dass er durstig ist) und *(dass Wasser Durst löscht). Oscar2

102

trank Wasser, weil er glaubte, *(dass er durstig ist) und *(dass Wasser Durst löscht). Entsprechend dem methodologischen Solipsismus sind die erklärenden psychologischen Zustände von Oscar1 und Osccar2 gleich. Auf der Erde zu glauben, *(dass Wasser Durst löscht), ist die gleiche Überzeugung wie auf der Zwillingserde zu glauben, *(dass Wasser Durst löscht). Wenn dies stimmt, erhalten wir aber offensichtlich inadäquate Verhaltenserklärungen. Denn mittels der gleichen psychologischen Zustände wird hier verschiedenes Verhalten erklärt, nämlich im erstens Fall, dass Oscar1 Wasser trank, wobei „Wasser“ hier auf H2O referiert, und im zweiten Fall, dass Oscar2 Wasser trank, wobei „Wasser“ hier auf XYZ referiert. Das gleiche Explanans kann aber nicht zur angemessenen Erklärung verschiedener Explananda herhalten; es läge überhaupt keine wirkliche Erklärung vor. Dies wäre eine schlechte Kritik, weil die Reparatur der Verhaltenserklärungen für den Zwei-Faktoren-Theoretiker offensichtlich ist: Wenn wir schon die psychologischen Zustände eng individuieren, so müssen wir natürlich auch das zu erklärende Verhalten entsprechend eng individuieren. Erweitern wir also unsere Konvention und nehmen wir an, dass „a *(φt)“ die enge Beschreibung des weiten Verhaltens, dass a φt, ist. Wir erhalten dann als Verhaltenserklärungen: Oscar1 *(trank Wasser), weil er glaubte, *(dass er durstig ist) und *(dass Wasser Durst löscht) sowie Oscar2 *(trank Wasser), weil er glaubte, *(dass er durstig ist) und *(dass Wasser Durst löscht). Weil bei der Individuierung von Verhalten, dargestellt durch *(trank Wasser), von allem abgesehen wird, was nicht mit dem Methodologischen Solipsismus vereinbar ist, also bspw. davon abgesehen wird, in welchen Welten, in welchen Situationen sich die Akteure verhalten und ob sie daher H2O oder XYZ zu sich nehmen, liegt gleiches Verhalten vor. Entsprechend können wir nun von einer angemessenen Erklärung sprechen, weil die Zuschreibung des gleichen Explanans hier auch das gleiche Explanandum erklärt. Wir sehen nun aber deutlich, dass die Überlegungen zur Zwillingserde die These, dass für die Verhaltenserklärungen lediglich enge psychologische Zustände, also enge Bedeutungen benötigt werden, nur insofern begründen, als es um die Erklärung bestimmten, nämlich engen Verhaltens geht. Es ist jedoch weder die These unterminiert worden, dass für die alltäglichen Verhaltenserklärungen weite psychologische Zustände, also wei-

103

ten Bedeutungen nötig sind, d.h. dass alltägliches Verhalten weites Verhalten ist, noch ist deutlich geworden, weshalb wir enges Verhalten überhaupt zu erklären beabsichtigen sollten. Entsprechend weist auch Devitt diese Überlegungen zur Zwillingserde und zum Methodologischen Solipsismus zurück: Psychology does not need to explain only narrow behavior […] neither do I think that […] we should be interested in explaining narrow behavior as well as the wide that we clearly want to explain.102

Der Methodologische Solipsismus selbst bietet kein hinreichendes Argument für die Annahme enger Bedeutungen und daher auch kein hinreichendes Argument für eine Zwei-Faktoren-Theorie. Denn erstens vermag eine repräsentationale Semantik den wahren Kern des Methodologischen Solipsismus zu bewahren, nämlich dass sich Oscar1 und Oscar2 in einem Sinn gleich verhalten. Die repräsentationale Semantik kann zudem angeben, worin die Gleichheit besteht. Zweitens wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass die Zuschreibung enger psychologischer Zustände, also enger Eigenschaften, zwar Verhalten zu erklären vermag, jedoch nur eng individuiertes Verhalten. Es wurde aber nicht gezeigt, dass dasjenige Verhalten, dass wir täglich durch die Zuschreibung psychologischer Zustände zu erklären beabsichtigen, enges Verhalten ist bzw. sein sollte. 4. Lokale Verursachung Ein zweites, einflussreiches Argument versucht jedoch zu zeigen, dass an dieser Zurückweisung des Methodologischen Solipsismus etwas nicht stimmen kann. Denn was auch immer psychologische Zustände sein mögen, sie sind diejenigen Zustände, die im Alltag und der Psychologie zur Erklärung von Verhalten herangezogen werden. Dass auf psychologische Zustände zum Zweck der Verhaltenserklärung rekurriert wird, macht jedoch nur dann Sinn, wenn die psychologischen Zustände die Ursachen des Verhaltens sind. Denn Verhaltenserklärungen sind Kausalerklärungen. Die Ursachen von Verhalten supervenieren jedoch ausschließlich auf Gehirnzu102

Ebenda: 309.

104

ständen. Folglich müssen auch die zugeschriebenen psychologischen Zustände ausschließlich auf Gehirnzuständen supervenieren. Psychologische Zustände, die ausschließlich auf Gehirnzuständen supervenieren, sind aber enge Zustände. Weite Zustände supervenieren nämlich auch auf der Beschaffenheit der Welt. Wenn dem so ist, dann können psychologische Zustände keine weiten Zustände sein.103 Tyler Burge hat darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Argument indessen genauso gut auf den Kopf gestellt werden könnte: Psychologische Zustände sind die Ursachen von Verhalten. Weil psychologische Zustände jedoch weite Zustände sind, können nicht alle Ursachen von Verhalten allein auf Gehirnzuständen supervenieren. Burge isoliert hierdurch die entscheidende Prämisse: Warum sollten wir eigentlich davon ausgehen, dass die Verhaltensursachen einzig auf Gehirnzuständen supervenieren? Warum sollten wir annehmen, dass einzig eine Veränderung der Gehirnzustände zu einer Veränderung in den Verhaltensursachen führen kann?104 Eine Antwort besagt, dass die Verhaltensursachen ausschließlich auf den kausalen Kräften des Gehirns supervenieren. Ohne dass sich die kausalen Kräfte des Gehirns ändern, können sich die Verhaltensursachen nicht ändern. Die kausalen Kräfte des Gehirns supervenieren wiederum ausschließlich auf den kausalen Kräften der Gehirnzustände. Allerdings können sich gleiche Gehirnzustände, d.h. Gehirnzustände desselben Typs nicht in ihren kausalen Kräften unterscheiden. Also gilt: Ohne dass sich die Gehirnzustände ändern, können sich die Verhaltensursachen nicht ändern. Betrachten wir nun Oscar1 und Oscar2, so fällt auf, dass den Voraussetzungen des Gedankenexperiments folgend Oscar1 und Oscar2 physisch gleich sind.105 Also befinden sie sich in Gehirnzustände desselben Typs und können sich aufgrund der Supervenienz nicht in ihren Verhaltensursachen und unter gleichen Umständen nicht in ihrem Verhalten unterscheiden. Weil eine wissenschaftliche Psychologie Entitäten zudem nur dann verschieden klassifiziert, wenn sie sich in ihren kausalen Kräften unterschei103

Dieses Argument wird zumeist Jerry Fodor zugeschrieben. Vgl. Fodor 1981: 228232; 1987: 33f. Vgl. auch Devitt 1996: 300ff und Burge 1986: 13-17. 104 Ich lasse hier Fragen der mentalen Verursachung sowie der Beziehung zwischen den psychologischen Zuständen und den Gehirnzuständen unberücksichtigt. 105 Ich sehe davon ab, dass das menschliche Gehirn auch WasserE, das Gehirn von Oscar2 daher WasserZE enthält.

105

den, müssen die psychologischen Zustände von Oscar1 und Oscar2 wissenschaftlich ebenfalls demselben Typ zugeordnet werden, ganz unabhängig davon, ob wir eine WasserE-Welt oder eine WasserZE-Welt betrachten.106 Die Wasser-Überzeugung von Oscar1 ist also die gleiche wie die WasserÜberzeugung von Oscar2. Doch dann sind die Wasser-Überzeugungen keine weiten Überzeugungen. Im Rahmen der wissenschaftlichen Psychologie sollten wir daher enge und nur enge Bedeutungen zuschreiben. Tyler Burge hat diesen Überlegungen entgegengehalten, dass vergleichbare Supervenienzbeziehungen in anderen Bereichen aber gerade nicht gelten. Bspw. könnte man auf gleiche Weise behaupten, dass Schlachten einzig auf ihrer materialen Realisierung supervenieren. D.h. ohne einen Unterschied in der materialen Realisierung haben wir es stets mit der gleichen Schlacht zu tun. Es lassen sich aber kontrafaktische Umstände denken, in denen zwei material gleich realisierte physikalische Ereignisse verschiedene Schlachten sind: Suppose that we preserve every human body, every piece of turf, every weapon, every physical structure and all the physical interactions among them, from the first confrontation to the last death or withdrawal on the day of the battle. Suppose that, counterfactually, we imagine all these physical events and props placed in California (perhaps at the same time in 1066). Suppose that the physical activity is artificially induced by brilliant scientists transported to earth by Martian film producers. The distal causes of [this] battle have nothing to do with the causes of the Battle of Hastings. I think it plausible (and certainly coherent) to say that in such circumstances, not the Battle of Hastings, but only a physical facsimile would have taken place. […] The battle is individuated partly in terms of its causes.107

Wenn diese Supervenienzbeziehung nicht für Schlachten gilt, warum sollten wir also annehmen, dass sie für Verhaltensursachen gilt? Warum sollten wir also annehmen, dass einzig eine Veränderung in den Gehirnzuständen zu einer Veränderung der Verhaltensursachen führen kann? Burge hält dem Argument entgegen:

106 107

Vgl. Fodor 1987: 43f. Burge 1986: 14.

106

what supervenes on what has at least as much to do with how the relevant entities are individuated as with what they are made of. If a mental event m is individuated partly by reference to normal conditions outside a person’s body, then, regardless of whether m has material composition, m might vary even as the body remains the same.108

Wenn Burge hiermit Recht hat, dann sind für die Individuierung psychologischer Zustände eben nicht nur die Gehirnzustände relevant, sondern bspw. auch in welcher Situation, in welchem Umstand sich der Träger der Gehirnzustände gerade befindet. Doch dann sind die psychologischen Zustände weite Zustände. Diese Überlegungen lassen sich allem Anschein nach auch auf das Verhalten übertragen. Auch beim Verhalten scheint nämlich zu gelten, dass es einen Unterschied im Verhalten auch ohne einen Unterschied in der Körperbewegung geben kann. In einem Sinn kann eine Armbewegung aufgrund externer Faktoren, bspw. aufgrund der Verursachung durch verschiedene psychologische Zustände oder aufgrund verschiedener Situationen verschiedenes Verhalten sein. Nun mag man Burge entgegenhalten, dass psychologische Zustände vielleicht in der Alltagspsychologie auf diese Weise individuiert werden, doch, wie Fodors Überlegungen zu zeigen beabsichtigen, in der wissenschaftlichen Psychologie nicht auf diese Weise individuiert werden sollten. Es ist nicht ganz klar, ob diese Erwiderung greift. Einerseits kann man durchaus behaupten, die weiten psychologischen Zustände von Oscar1 und Oscar2 hätten verschiedene kausale Kräfte und sollten daher auch wissenschaftlich verschieden klassifiziert werden. Weite psychologische Zustände wären mithin nicht unwissenschaftlich. Denn diese psychologischen Zustände werden ja durch verschiedene Umstände (WasserE- oder WasserZE-Umstände) verursacht und verursachen wiederum verschiedenes Verhalten (WasserE- oder WasserZE-Verhalten). Jedoch ist nicht ersichtlich, wie wir uns nun die kausale Verursachung des Verhaltens durch die psychologischen Zustände vorzustellen haben, wo doch die psychologischen Zustände sprichwörtlich einen Teil mit dem Verhalten gemeinsam haben, nämlich bspw. WasserE. Die Zustände und das Verhalten sind nicht distinkt und daher kann hier vielleicht von kausaler Verursachung strenggenommen keine Rede sein. 108

Ebenda: 13.

107

Andererseits könnte man behaupten, die weiten psychologischen Zustände hätten die gleichen kausalen Kräfte, jedoch sei es nicht unwissenschaftlich, Entitäten mit den gleichen kausalen Kräften verschieden zu klassifizieren. Bspw. werden Entitäten in den Wissenschaften auch funktional klassifiziert. Ein Organ, dessen Funktion darin besteht, für den Organismus schädliche Flüssigkeiten abzupumpen, wäre kein Herz, auch wenn es physisch gleich realisiert ist, auch wenn es mithin die gleichen kausalen Kräfte hätte wie ein Herz.109 Wenn dies stimmt, dann erhalten wir das gleiche Ergebnis wie bei der kritischen Diskussion des ersten Argumentes. Es bleibt daher noch immer zu zeigen, weshalb die Erklärung von alltäglichem Verhalten (und nicht nur von engem Verhalten) lediglich enge psychologische Zustände voraussetzt bzw. voraussetzen sollte. Bzw. bleibt noch immer zu zeigen, weshalb nur enges Verhalten Gegenstand der wissenschaftlichen Psychologie sein sollte. 5. Funktionale Rollen als enge Bedeutungen Wir haben bislang gesehen, dass der Methodologische Solipsismus als Argument für die Existenz enger Bedeutungen zu Wünschen übrig lässt. Nicht nur sind repräsentationale Semantiken in der Lage, zu erklären, dass und was Oscar1 und Oscar2 gemeinsam ist, die Zuschreibung enger Bedeutungen vermag zudem maximal enges Verhalten zu erklären. Der Nutzen bzw. der Zweck der Erklärung engen Verhaltens bleibt jedoch unklar. Die Zurückweisung des methodologischen Solipsismus betraf die Idee enger Bedeutungen im Allgemeinen. Diese Zurückweisung lässt sich daher auch auf die spezielle These funktionaler Rollen als enge Bedeutungen anwenden. Wie haben wir uns grob enge Bedeutungen als funktionale Rollen vorzustellen? Entsprechend der Funktionalen-Rollen-Semantik ist die enge Bedeutung einer Repräsentation die Eigenschaft, in bestimmten Relationen (i) zu anderen Repräsentationen, (ii) zu proximalem sensorischen Input und (iii) zu proximalem Verhaltensoutput zu stehen. Dieser Bedeutungsfaktor bestimmt qua non-repräsentationaler Faktor nicht die Extension der Reprä109

Vgl. Beckermann 2001: 379.

108

sentation und bedarf, so die Idee, einer relativ unabhängigen, eigenen Semantik.110 Es ist noch einmal wichtig, hervorzuheben, dass lediglich proximaler sensorischer Input und proximaler Verhaltensoutput in die funktionale Rolle einer Repräsentation eingehen, und nicht etwa distaler sensorischer Input und distaler Verhaltensoutput. Denn als non-repräsentationale Bedeutungen müssen wir die funktionalen Rollen als „short-arm-roles, dürfen sie nicht als „long-arm-roles“ konzipieren; sie müssen eng individuiert sein. Und dies ist nicht möglich, wenn externe Gegenstände, Ereignisse oder Sachverhalte Teil der funktionalen Rollen sind. Funktionale Rollen konzipiert als „long-arm-roles“ sind nicht mit dem Methodologischen Solipsismus vereinbar. Dieselben Überlegungen, die wir zuvor im Allgemeinen erörtert haben, treffen auch auf funktionale Rollen zu. Wenn ein proximaler Verhaltensoutput Teil der funktionalen Rolle einer Repräsentation ist, dann vermag man sich vorzustellen, wie die Zuschreibung einer Überzeugung mit dieser funktionalen Rolle proximales Verhalten dieses Typs prinzipiell zu erklären vermag. Qua proximalem Verhalten handelt es sich hierbei jedoch bspw. nicht um das Aufheben eines Apfels oder das Trinken von Wasser, wobei die Ausdrücke „Apfel“ und „Wasser“ eine realistische Semantik haben müssen, vielmehr muss es sich um bloße Körperbewegungen handeln. Erneut stellt sich daher zunächst die Frage, wie funktionale Rollen gewöhnliches Verhalten erklären können. Und eine Antwort ist nicht ersichtlich: I believe that the only clear, general interpretation of ‘behavior’ that is available […] is ‘bodily movement’. But this construal has almost no relevance to psychology as it is actually practiced. […] The general point is that many relevant specifications of behaviour in psychology are intentional, or relational, or both.111

Neben der Illustrierung der bisherigen Bedenken am Beispiel enger funktionaler Rollen wird ein weiteres Problem, eine zusätzliche Herausforderung deutlich. Letztlich ist nämlich sogar fraglich, ob „short-arm-roles“ im Spe110 111

Vgl. Devitt 1996: 20, 292. Burge 1986: 11.

109

ziellen, ob enge Bedeutungen im Allgemeinen überhaupt Bedeutungen sind. Denn diese Eigenschaften would seem not to play a semantic role and hence would not to be meanings. There are, of course, levels at which brute-physical behaviour is to be explained […]. These other levels are quite compatible with the intentional level: They implement the intentional level […]. But the properties of tokens adverted to at an implementational level explain brute-physical behaviour, not intentional behaviour. They are at the wrong level to be meanings.112

Diese letzte Herausforderung an eine Funktionale-Rollen-Semantik als Semantik enger Bedeutungen basiert natürlich auf unserer Methode. Dennoch ist deutlich, dass nicht einfach vorausgesetzt werden kann, dass funktionale Rollen bzw. enge Bedeutungen wirklich Bedeutungen sind. Was auch immer Bedeutungen sein mögen, funktionale Rollen zählen scheinbar nicht zu den plausiblen Kandidaten entsprechend unserer Methode. 6. Praktische Fehler Aber vielleicht haben wir bislang schlicht die falschen Phänomene betrachtet, Phänomene, deren Erklärungen den Bedarf an engen Bedeutungen einfach nicht offenbaren. Zwar befanden und befinden wir uns im Rahmen von Verhaltenserklärungen sowie im Rahmen von Zuschreibungen von Bedeutungen zum Zweck der Verhaltenserklärung, aber betrachtet haben wir eigentlich nur erfolgreiches Verhalten. Es könnte jedoch behauptet werden, dass der Bedarf an engen Bedeutungen erst dann zum Vorschein kommt, wenn wir die Erklärung eines Verhaltens betrachten, das in einer bestimmten Hinsicht fehlschlägt. Nehmen wir an, Petra befände sich auf einer etwas langatmigen Feier und genehmige sich zur Verbesserung ihrer Laune einen Drink. Kurz darauf sei sie tot. Denn tatsächlich war ihr Glas mit Blausäure gefüllt. Die folgende Erklärung für ihr Verhalten scheint schlicht unangemessen: Petra trank Blausäure, weil sie ihre Laune heben wollte, und glaubte, durch das Trinken von Blausäure würde sich ihre Laune heben.

112

Devitt 1996: 296.

110

Diese Erklärung scheint nicht deshalb unangemessen, weil sie irrational wäre. Ganz im Gegenteil. Wenn Petra wirklich dieser Überzeugung war und diesen Wunsch hatte, dann war ihr Verhalten rational. Diese Erklärung scheint vielmehr unangemessen, weil die zugeschriebene Überzeugung allem Anschein nach einfach nicht Petras Überzeugung war. Wir haben nämlich das starke Gefühl, sie würde nicht glauben, dass das Trinken von Blausäure ihre Laune heben würde, und daher wollte sie eigentlich gar keine Blausäure trinken. Berücksichtigen wir bei der Individuierung ihrer Überzeugung jedoch ausschließlich die weiten Bedeutungen, dann, so der Einwand, ist man darauf festgelegt, dass sie glaubte, das Trinken von Blausäure würde ihre Laune heben, dass sie also wirklich Blausäure trinken wollte. Dass wir das Gefühl haben, die weite Erklärung wäre unangemessen, verdankt sich also vielleicht dem Umstand, dass wir Petra auch die Überzeugung, dass Blausäure unter keinen Umständen ihre Laune hebt, sowie den Wunsch, keine Blausäure zu trinken, zuschreiben. Im Rahmen der weiten Erklärung wäre zwar Petras Verhalten in dem Sinn rational, als es im Lichte ihrer Gründe folgerichtig erscheint, aber Petra selbst wäre in dem Sinn irrational, als sie inkonsistente Überzeugungen hätte. Der Freund der engen Bedeutungen wird nun darauf hinweisen, dass es daher angemessener ist, sowohl Petras Verhalten als auch Petras Überzeugung auf engere Weise zu individuieren. Weder wollte sie Blausäure trinken, noch war sie der Überzeugung, Blausäure würde ihre Laune heben. Angemessener sei es, bei der Individuierung ihres Verhaltens und ihrer Überzeugung davon abzusehen, dass in Wirklichkeit Blausäure in dem Glas war. D.h. es scheint angemessener zu sagen, Petra nahm den Drink zu sich, weil sie ihre Laune heben wollte, und glaubte, der Drink würde ihre Laune heben, wobei es für die Bedeutung der psychologischen Zustände, für die Bedeutung von „Drink“ irrelevant ist, ob sie sich bspw. in einer Blausäure- oder einer Martinisituation befand. D.h. wir schreiben enge Bedeutungen zum Zweck dieser Verhaltenserklärung zu. Beide Erklärungsweisen gleichen sich darin, dass von einem externen Standpunkt aus betrachtet Petras Verhalten ihren Wunsch nicht erfüllt. Weder hebt das Trinken von Blausäure ihre Laune, noch hebt das Zu-sichNehmen dieses Drinks ihre Laune. Und das in einem externen Sinn Petras Verhalten ihren Wunsch nicht erfüllt, liegt in beiden Fällen an einer fal-

111

schen Überzeugung. Weder die weite Überzeugung, dass das Trinken von Blausäure ihre Laune heben würde, noch die enge Überzeugung, dass der Drink ihre Laune heben würde, sind nämlich wahr. Falsche Überzeugungen bedrohen nicht im Allgemeinen, aber in diesen beiden Fällen die Chance, ihren Wunsch zu erfüllen. Besteht also doch Bedarf an engen Bedeutungen zum Zweck der Verhaltenserklärung? Es ist schwer sich des Eindrucks zu erwehren, dass der Freund enger Bedeutung hier einen Bedarf aufgedeckt hat. Zumindest ist nicht ersichtlich, wie dieser Einwand überzeugend zurückgewiesen werden kann, ohne einfach die bittere Pille zu schlucken, dass die weite Erklärung des weiten Verhaltens doch angemessen ist. Folglich könnte behauptet werden, die Funktionale-Rollen-Semantik habe ihren eigentlichen Platz als Semantik enger Bedeutungen. Ich werde an dieser Stelle die Diskussion über den Bedarf enger Bedeutungen offenlassen. In der folgenden Diskussion wird also vorausgesetzt, dass es enge Bedeutungen gibt und dass wir in einigen Fällen enge Bedeutungen zum Zweck der angemessenen Verhaltenserklärung zuschreiben bzw. zuschreiben sollten. Gegen die Funktionale-Rollen-Semantik sei es als Theorie weiter Bedeutungen, sei es als Theorie enger Bedeutungen wurden einige Einwänden erhoben. Der wohl gewichtigste dieser Einwände besagt: Wäre die Funktionale-Rollen-Semantik die richtige Semantik weiter bzw. enger Bedeutungen, dann wären weite bzw. enge Bedeutungen holistischer Natur, was sie schlicht nicht zu sein scheinen. Ungeachtet der Frage, ob es enge Bedeutungen gibt, besagt dieser Einwand also, die Funktionale-RollenSemantik könne weder eine gute Semantik weiter, noch eine gute Semantik enger Bedeutungen sein. Ich werde mich daher im nächsten Kapitel diesem Einwand zuwenden und diesen Einwand gegen die Funktionale-RollenSemantik gleichzeitig für den Fall enger und den Fall weiter Bedeutungen diskutieren.

113

V. Holismus 1. Atomismus, Molekularismus, Holismus Entsprechend der Funktionalen-Rollen-Semantik ist die Bedeutung einer Repräsentation die Eigenschaft, in bestimmten Relationen (i) zu anderen Repräsentationen, (ii) zu sensorischen Input und (iii) zu Verhaltensoutput zu stehen. Betrachten wir (i) etwas genauer: Repräsentationen stehen in vielen inferentiellen Relationen zu vielen anderen Repräsentationen. Sind alle inferentiellen Relationen bedeutungsrelevant? Oder nur einige? Und wenn es nur einige sind, welche dieser Relationen sind bedeutungskonstitutiv? Und warum genau diese? Wären alle inferentiellen Relationen bedeutungskonstitutiv, dann würde die Funktionale-Rollen-Semantik den semantischen Holismus implizieren; eine inakzeptable Konsequenz. Wenn nicht alle inferentiellen Relationen bedeutungskonstitutiv sind, welche Teilmenge konstituiert die Bedeutung? Und warum genau diese? An diese Fragen schließt sich eine einflussreiche Kritik an der Funktionalen-Rollen-Semantik an, eine Kritik, mit der sich dieses Kapitel auseinandersetzt. Sprachliche und mentale Repräsentationen besitzen Bedeutung. Ihre Bedeutungen werden durch Eigenschaften der Repräsentationen konstituiert. Semantischer Atomismus, semantischer Molekularismus und semantischer Holismus sind Thesen bezüglich der bedeutungskonstitutiven Eigenschaften einer Repräsentation. Sie unterscheiden sich darin, ob überhaupt, und wenn ja, wie viele inferentielle Eigenschaften der Repräsentationen zu den bedeutungskonstitutiven Eigenschaften zählen. Der semantische Atomismus behauptet, dass die Bedeutungen aller Repräsentationen vollständig unabhängig von ihren inferentiellen Eigenschaften konstituiert sind. Die Bedeutungen aller Repräsentationen, so könnte man in atomistischer Manier bspw. behaupten, sind vollständig durch Beziehungen zur Welt konstituiert. Inferentielle Relationen zu anderen Repräsentationen spielen für die Bedeutungen überhaupt keine Rolle. Der semantische Molekularismus behauptet hingegen, dass die Bedeutungen von Repräsentationen abhängig von einigen, aber nicht allen ihrer inferentiellen Eigenschaften sind. Bestimmte Relationen zu bestimm-

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ten anderen Repräsentationen sind konstitutiv für die Bedeutungen der Repräsentationen.113 Der semantische Molekularismus trifft somit eine Unterscheidung zwischen bedeutungskonstitutiven inferentiellen Relationen und inferentiellen Relationen, die nicht bedeutungskonstitutiv sind. Bspw. mag es konstitutiv für die Bedeutung von „Junggeselle“ sein, dass die Inferenz von „a ist ein Junggeselle“ auf „a ist männlich“ akzeptiert wird. Hingegen wäre die Inferenz von „a ist ein Junggeselle“ auf „a ist frustriert“ selbst dann nicht konstitutiv für die Bedeutung von „Junggeselle“, wenn diese Inferenz akzeptiert werden würde. Der semantische Holismus wiederum behauptet, dass die Bedeutungen aller Repräsentationen abhängig von allen ihren inferentiellen Relationen sind. Wenn die Inferenz von „a ist ein Junggeselle“ auf „a ist frustriert“ akzeptiert wird, dann ist auch diese inferentielle Beziehung konstitutiv für die Bedeutung von „Junggeselle“ (und für die Bedeutung von „frustriert“). Eine genauere Charakterisierung der drei Thesen erfordert zumindest zwei Unterscheidungen: Erstens gibt es faktische und modale Varianten dieser Thesen.114 Die faktische Variante bspw. des Holismus behauptet lediglich, dass de facto alle inferentiellen Relationen bedeutungskonstitutiv sind, jedoch wird nicht behauptet, dass dies notwendigerweise bzw. wesentlich so ist. Die modale Variante ist sicherlich substantieller als die faktische. Es könnte bspw. behauptet werden, dass Bedeutungen ihrem Wesen nach durch inferentielle Relationen konstituiert sind. Die Behauptung, dass Bedeutungen notwendigerweise auf eine bestimmte Art konstituiert sind, impliziert, dass sie es faktisch sind. Die Argumente, die ich im Folgenden erörtere, zielen implizit oder explizit stets auf die modalen Varianten der Thesen ab. Zweitens gibt es schwache und starke Varianten dieser Thesen.115 Die schwache Variante bspw. des Molekularismus behauptet lediglich, dass die Bedeutungen von Repräsentationen durch einige ihrer inferentiellen Rela113

Das soll nicht heißen, dass sich die Konstitutionsbasis der Bedeutungen in den inferentiellen Relationen erschöpft, sondern lediglich, dass einige inferentielle Relationen zwischen Repräsentationen Teil der Konstitutionsbasis sind. 114 Vgl. Brandl 1993: 3. 115 Vgl. Fodor; Lepore 1992: 28f; Brandl 1993: 6f.

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tionen konstituiert sind, wobei es verschiedene Gruppen inferentieller Relationen geben kann, die dieselbe Bedeutung konstituieren. Die starke Variante des Molekularismus behauptet hingegen, dass die Bedeutungen von Repräsentationen durch ganz bestimmte inferentielle Relationen konstituiert sind. Andere Gruppen inferentieller Relationen könnten dieselbe Bedeutung nicht konstituieren. Die letzte Unterscheidung ist wichtig und soll daher an einem Beispiel kurz erläutert werden. Nehmen wir zum Beispiel an, dass die Bedeutung des logischen Ausdrucks „&“ durch die Akzeptanz bestimmter Inferenzen konstituiert sei: (i) die Inferenz von „p“ und „q“ auf „p & q“, (ii) die Inferenz von „p & q“ auf „q & p“ sowie (iii) die Inferenz von „p & q“ auf „q“. Die These des starken Molekularismus würde dann besagen, dass die durch diese Gruppe von Inferenzen konstituierte Bedeutung nicht durch eine andere Gruppe von Inferenzen konstituiert sein kann. Eine schwache molekularistische Position würde hingegen behaupten, dass dieselbe Bedeutung auch durch andere Gruppen von Inferenzen konstituiert sein kann, nämlich bspw. durch die Inferenzen (i) von „~( ~p v ~q )“ auf „p & q“, (ii) von „p & q“ auf „q & p“ sowie (iii) von „p & q“ auf „q“. Der schwache Molekularismus erinnert in diesem Zusammenhang also daran, dass es mehr als eine Junktorbasis gibt, d.h. mehr als eine Menge aussagenlogischer Junktoren für die gilt, dass zu jeder beliebigen Wahrheitsfunktion f eine aussagenlogische Formel existiert, die erstens nur Junktoren der Basis enthält und zweitens die Wahrheitsfunktion f repräsentiert. Das Beispiel macht sich eine De-Morgan-Basis {~, v} zu nutze. Die These des schwachen Molekularismus ist jedoch explizit nicht auf den Bereich der logischen Ausdrücke beschränkt, in welchem diese These eine gewisse Plausibilität besitzen mag. Der schwache Molekularismus soll analog auch für alle nicht-logischen Ausdrücke gelten. Auch deren Bedeutungen, so die These, seien durch einige ihrer inferentiellen Eigenschaften konstituiert, wobei verschiedene Gruppen solcher Eigenschaften dieselbe Bedeutung konstituieren können.

116

2. Das Hauptargument Wie müssten Bedeutungen beschaffen sein, damit sich eine der nichtatomistischen Behauptungen als richtig erwiese? Die Funktionale-RollenSemantik ist eine nicht-atomistische Semantik. Die funktionale Rolle einer Repräsentation besteht in ihren Relationen zu anderen Repräsentationen, zu sensorischem Input sowie zu Verhaltensoutput. Weil entsprechend (FRS) die funktionalen Rollen die Bedeutungen von Repräsentationen konstituieren und weil die funktionalen Rollen aller Repräsentationen stets inferentielle Relationen zu anderen Repräsentationen enthalten, ist diese Semantik eine nicht-atomistische Semantik. In diesem Kapitel werde ich mich mit einem komplexen Argument gegen (FRS) auseinandersetzen. Dieses Argument beruht wesentlich darauf, dass (FRS) eine nicht-atomistische Semantik ist, dass also, sollte (FRS) wahr sein, entweder der Molekularismus oder der Holismus wahr ist. Weil jedoch der Molekularismus keine stabile Position ist, vielmehr unweigerlich in den Holismus übergeht, und der Holismus falsch ist, so das Argument, muss (FRS) ebenfalls falsch sein. Das Hauptargument hinter dieser Kritik von Jerry Fodor und Ernest Lepore lautet: Hauptargument: (P1) Eine molekularistische Funktionale-Rollen-Semantik (FRS) ist auf die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung (a-s) festgelegt. (P2) (a-s) ist „unprincipled“. (K1) Also muss (FRS) holistisch sein. (P3) Der Holismus ist falsch. (K2) Also ist (FRS) falsch. Obgleich das Argument speziell gegen (FRS) gerichtet ist, bedroht das Argument eigentlich jede Konzeption nicht-atomistischer bedeutungskonstitutiver Eigenschaften. Ich werde das Argument am Beispiel der Funktionale-Rollen-Semantik diskutiert. Die Argumente für die Prämissen lauten:

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Argument für (P1): (P4) Die molekularistische Funktionale-Rollen-Semantik besagt, dass die bedeutungskonstitutiven Eigenschaften inferentielle Rollen sind und dass die inferentiellen Rollen von Repräsentationen zumindest einige inferentiellen Relationen zu anderen Repräsentationen beinhalten. (P5) Laut der molekularistischen Funktionale-Rollen-Semantik sind nicht alle inferentiellen Relationen zwischen Repräsentationen bedeutungskonstitutiv. (K3) Also muss es eine Eigenschaft geben, in welcher sich die bedeutungskonstitutiven inferentiellen Relationen von den nicht-konstitutiven unterscheiden. (P6) Die einzige116 infrage kommende Eigenschaft ist Analytizität, d.h. die bedeutungskonstitutiven inferentiellen Relationen sind die analytischen inferentiellen Relationen. Die nicht-konstitutiven inferentiellen Relationen sind die synthetischen inferentiellen Relationen. (K4) Also ist die molekularistische Funktionale-Rollen-Semantik auf (a-s) festgelegt. Argument für (P2)117: (P7) Quines Argumente gegen (a-s) sind schlüssig. (K5) Also ist (a-s) „unprincipled“. Das Argument für (P1) versucht zu zeigen, dass alle molekularistischen Semantiken letztlich auf die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung festgelegt sind. Denn, so besagt (P6), nur (a-s) kann der Unterscheidung bedeutungskonstitutiver inferentieller Relationen von nicht-konstitutiven eine objektive Basis verleihen. Das Argument für (P2) jedoch erinnert daran, dass es schlecht für eine Semantik ist, wenn sie auf (a-s) festgelegt ist. Denn gegen die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung, so (P7), gibt es überzeugende Einwände. Wenn also eine Semantik inferentielle Relationen als bedeutungskonstitutiv zulässt, dann muss sie alle inferentiellen Relatio116

„If the a/s distinction is infirm, then there is no principled distinction between those aspects of a word’s linguistic role that are relevant to determining its meaning and those that aren’t” Fodor; Lepore 1993a: 638. 117 Vgl. Fodor; Lepore 1993b: 26f.

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nen als bedeutungskonstitutiv zulassen. Denn es gibt keine Eigenschaft, die die bedeutungskonstitutiven von den nicht-konstitutiven objektiv zu unterscheiden vermag. Der Molekularismus ist laut Fodors und Lepores Argument also keine stabile Position und rutscht unweigerlich in Holismus, wenn Quine mit seiner Kritik an (a-s) Recht hat. Entweder ist keine inferentielle Relation bedeutungskonstitutiv, oder alle inferentiellen Relationen sind es; entweder ist der semantische Atomismus richtig, oder der semantische Holismus ist es. Weil der semantische Holismus jedoch unhaltbar ist, so (P3), kann keine inferentielle Relation bedeutungskonstitutiv sein: Der semantische Atomismus macht das Rennen. Die Einwände gegen das Hauptargument sind verschieden. Zunächst gibt es drei Einwände, die jeweils eine der Prämissen des Hauptargumentes als falsch erweisen wollen. Ein erster Einwand richtet sich gegen (P3). Es wird zugestanden, dass der Molekularismus keine stabile Position sei und unweigerlich in den Holismus übergehe. Jedoch, so der Einwand, sei dies kein Argument gegen (FRS). Denn der semantische Holismus sei ohnehin eine überzeugende Position. Ein zweiter Einwand wendet sich gegen (P2), weil (P7) als falsch erachtet wird. Zwar sei (FRS) auf (a-s) festgelegt, jedoch ist Quines Kritik aus diversen Gründen nicht überzeugend. Weil sich die Analytischsynthetisch-Unterscheidung somit vor Quine retten lässt, erweist sich der Molekularismus doch als eine stabile Position und rutscht nicht in den inakzeptablen Holismus. Ein dritter Einwand, u.a. von Michael Devitt vertreten, besagt, dass (P1) falsch ist. (FRS) sei auf keine Unterscheidung „worthy of the name ‘analyticity’“118 festgelegt, obgleich (FRS) wirklich auf eine Unterscheidung bedeutungskonstitutiver inferentieller Relationen von nichtkonstitutiven inferentiellen Relationen festgelegt ist. Devitt argumentiert letztlich also gegen (P6), gegen die Auffassung, es kann nur eine objektive Basis für die Unterscheidung bedeutungskonstitutiver von nichtbedeutungskonstitutiven inferentiellen Relationen geben.

118

Devitt 1993b: 30.

119

Einen vierten Einwand führt Paul Boghossian ins Feld.119 Sein Einwand richtet sich nicht gegen eine der Prämissen des Hauptargumentes. Vielmehr versucht er eine Äquivokation in dem Hauptargument aufzudecken. Er behauptet, dass (FRS) nicht auf diejenige Analytisch-synthetischUnterscheidung festgelegt sei, die durch Quines Kritik in Mitleidenschaft gezogen ist, die sogenannte metaphysische Analytizität. Vielmehr sei (FRS) auf epistemische Analytizität festgelegt. Epistemische Analytizität jedoch, so die Behauptung, ließe sich gegen Quines Kritik verteidigen. Wenn sowohl (P1) als auch (P2) wahr sind, handeln sie laut Boghossian mithin von verschiedenen Analytisch-synthetisch-Unterscheidungen. Aufgrund der Äquivokation folgt indessen nicht (K1). 3. Einwand 1: Holismus Nehmen wir an, zumindest einige inferentielle Eigenschaften von Repräsentationen seien bedeutungskonstitutiv, die Analytisch-synthetischUnterscheidung sei die einzige infrage kommende Basis für eine objektive Unterscheidung bedeutungskonstitutiver von nicht-konstitutiven inferentiellen Eigenschaften und es gäbe keine objektive Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Inferenzen. Wir wollen zudem zugestehen, aus diesen Annahmen folge die Wahrheit des Holismus. Was ist so schlimm am Holismus? Was macht diese Position so inakzeptabel, dass Fodor und Lepore diese Konsequenz als reductio ad absurdum der ersten Annahme auffassen? Beginnen wir die kritische Diskussion des semantischen Holismus mit den Argumenten gegen diese Position. Die Argumente gegen den Holismus beziehen sich auf seine Konsequenzen. Die Konsequenzen, so Fodor und Lepore, sind dermaßen unplausibel, dass die Position einfach falsch sein muss. Entsprechend der holistischen These führt jeder Unterschied in den inferentiellen Eigenschaften zweier Repräsentationen zu einem Bedeutungsunterschied. Fasst man holistische Semantiken individualistisch auf,

119

Vgl. Boghossian 1996 sowie 2003.

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was sie zumeist auch sind, dann erhält man u.a. die folgenden Konsequenzen120: (a) Wenn sich zwei Sprecher darin unterscheiden, welche Inferenzen sie akzeptieren, dann besitzen ihre Repräsentationen verschiedene inferentielle Eigenschaften und können daher nicht dieselben Begriffe ausdrücken. Zwei Personen könnten mithin nicht wirklich eine Meinungsverschiedenheit haben, d.h. dieselbe Proposition für wahr bzw. für falsch halten, sondern maximal eine Verschiedenheit in den Meinungen, d.h. zwei verschiedene Propositionen für wahr bzw. für falsch halten. Es scheint jedoch ein Datum zu sein, dass es Meinungsverschiedenheiten gibt. Wäre der Holismus wahr, könnte es sie aber nicht geben. Also muss der Holismus falsch sein. (b) Wenn sich bei ein und derselben Person über die Zeit hinweg ihre Akzeptanz bestimmter Inferenzen ändert, und so etwas soll vorkommen, dann ändern sich die inferentiellen Eigenschaften der Repräsentationen und sie können nicht dieselben Begriffe ausdrücken. Man kann mithin nicht wirklich seine Meinung in einer Sache ändern. Denn eine Meinungsänderung käme einer Änderung in akzeptierten Inferenzen gleich. Aber eine Änderung in akzeptierten Inferenzen zieht eine Bedeutungsänderung nach sich. Man ändert also nicht wirklich seine Meinung, sondern lässt eine Meinung fallen und erwirbt eine andere Meinung. Es scheint jedoch ein Datum zu sein, dass es Meinungsänderungen gibt. Wäre der Holismus wahr, könnte es sie aber nicht geben. Also muss der Holismus falsch sein. Meinungsverschiedenheiten und Meinungsänderungen sind so alltägliche und vertraute Phänomene, dass es für Fodor und Lepore einer reductio gleichkommt, ihre Existenz zu leugnen. Doch genau dies ist eine Konsequenz der holistischen These. Die Phänomene der Meinungsverschiedenheit und Meinungsänderung sind eng verbunden mit unserer alltäglichen und vertrauten Praxis von Zuschreibungen propositionaler Einstellungen. Es überrascht daher auch nicht, dass der Holismus in krassem Gegensatz zu unserer Zuschreibungspraxis steht. Bspw. schreiben wir verschiedenen Politikern auch dann die Überzeugung, dass das Staatsdefizit verringert werden muss, also auch dieselbe Bedeutung zu, wenn sie sich in der Akzeptanz relevanten Inferenzen unterscheiden. Ein Politiker akzep120

Vgl. Fodor; Lepore 1993a: 638 sowie Fodor; Lepore 1993b: 20.

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tiert bspw. die Inferenz „wenn die Steuern gesenkt werden, dann verringert sich das Staatsdefizit“, während ein anderer diese Inferenz ablehnt, vielmehr die Inferenz „wenn die Steuern erhöht werden, dann verringert sich das Staatsdefizit“ anerkennt. Mithin schreiben wir de facto keine holistischen Eigenschaften zu. Diese Zuschreibungspraxis ist nicht nur in gesellschaftspolitischen, sondern auch in wissenschaftlichen Disputen gängig und erfolgreich. Aufgrund des Erfolgs der gängigen Zuschreibungspraxis besteht kein Grund, die Praxis der Zuschreibung nicht-holistischer Eigenschaften zu revidieren. Es besteht also kein Grund für die Behauptung, dass wir zwar keine holistischen Eigenschaften zuschreiben, aber zuschreiben sollten. Im Rahmen unserer Methode können holistische Eigenschaften daher keine semantische Rolle spielen, also keine Bedeutungen konstituieren. Nun mag eingewendet werden, dass wir soeben die Unterscheidung der starken Varianten von den schwachen Varianten übersehen haben. Die angeführten inakzeptablen Konsequenzen mag der starke Holismus haben, jedoch nicht die schwache Variante. Entsprechend der starken Variante zieht jeder Unterschied in den inferentiellen Eigenschaften einer Repräsentation eine Bedeutungsänderung nach sich. Wird die schwache Variante des Holismus vertreten, ändert sich die Sachlage. Denn nun zieht nicht jede beliebige Änderung in den inferentiellen Eigenschaften eine Änderung der Bedeutung nach sich. Es gibt, so die Behauptung, verschiedene inferentielle Eigenschaften, die dieselbe Bedeutung konstituieren können. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die schwachen Varianten eine gewisse Plausibilität im Bereich der logischen Ausdrücke besitzen mögen. Der schwache Molekularismus macht sich in diesem Bereich bspw. die Definierbarkeit aussagenlogischer Junktoren mittels verschiedener Junktorbasen zu nutze. Jetzt geht es jedoch auch und vornehmlich um nicht-logische Repräsentationen. Und in diesem Bereich besitzt der schwache Holismus weit weniger Plausibilität. Denn nicht-logische Repräsentationen scheinen nicht auf dieselbe Weise funktionell vollständig interdefinierbar zu sein. Zumindest fehlen Beispiele von Gruppen nicht-logischer Ausdrücke, die diese Bedingung nachvollziehbar erfüllen. Es muss zudem beachtet werden, dass die Einwände zwei, drei und vier gegen Fodors und Lepores Hauptargument, wenn sie erfolgreich sind, eine objektive Unterscheidung etablieren zwischen bedeutungskonstituti-

122

ven inferentiellen Eigenschaften und nicht-konstitutiven Eigenschaften. Ist der Einwand zwei erfolgreich, dann ist die Analytisch-synthetischUnterscheidung die objektive Basis für diesen Unterschied. Ist der Einwand drei erfolgreich, dann sind es andere Eigenschaften, die den Unterschied fundieren. Ist schließlich der Einwand vier erfolgreich, dann ist es eine, obgleich nicht jede Analytisch-synthetisch-Unterscheidung, die die konstitutiven von den nicht-konstitutiven Eigenschaften zu trennen vermag. Wenn sich einer dieser Einwände also als erfolgreich herausstellt, dann ist dieser Einwand gegen Fodors und Lepores Argument gleichzeitig ein Einwand gegen den Holismus. Denn diese Unterscheidungen würden gegen die Bedeutungskonstitutivität aller inferentiellen Eigenschaften und mithin gegen den Holismus sprechen. Die Argumente gegen den Holismus sind recht überzeugend. Doch selbst wenn sie sich als unschlüssig erweisen würden, stünde es nicht gut um den Holismus. Denn der Holismus scheint zumindest ungenügend begründet zu sein. Alle Argumente für den Holismus weisen eine auffallende Ähnlichkeit zu Fodors und Lepores Hauptargument auf121: Es wird angenommen, dass zumindest einige inferentielle Eigenschaften von Repräsentationen ihre Bedeutungen konstituieren. Diese Annahme soll bei Fodor und Lepore zu einer inakzeptablen Konsequenz führen, nämlich zum Holismus, und letztlich verworfen werden. Im Rahmen der Argumente für den Holismus wird sie nicht zum Zweck der reductio angenommen, sondern weil sie als wahr erachtet wird. Anschließend wird in beiden Fällen für die holistische Kernthese argumentiert: Kernthese des Holismus: Wenn zumindest einige inferentielle Eigenschaften bedeutungskonstitutiv sind, dann müssen alle inferentiellen Eigenschaften bedeutungskonstitutiv sein. Es folgt der Holismus. Es gibt zumindest zwei Argumente, die für die holistische Kernthese ins Feld geführt werden. Ein erstes Argument basiert auf dem Bestätigungsholismus in Kombination mit einer epistemischen Theorie der Be121

Vgl. Devitt 1993b: 17.

123

deutung. Ein zweites Argument basiert auf Quines Zurückweisung der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung. Ich beginne die Diskussion der Argumente für den Holismus mit dem ersten Argument. Der Bestätigungsatomismus besagt, dass die Bestätigung eines synthetischen Satzes allein von diesem Satz bzw. seiner Bedeutung und der Evidenz abhängt: The notion lingers that to each statement, or each synthetic statement, there is associated a unique range of possible sensory events such that the occurrence of any of them would add to the likelihood of truth of the statement, and that there is associated also another unique range of possible sensory events whose occurrence would detract from that likelihood.122

Dieser These stellt Quine den Bestätigungsholismus entgegen: My countersuggestion [...] is that our statements about the external world face the tribunal of sense experience not individually but only as a corporate body.123

Akzeptiert man den Bestätigungsholismus, dann legt man sich auf eine Reihe substantieller Konsequenzen fest: There is much latitude of choice as to what statements to reevaluate in the light of any single contrary experience. No particular experiences are linked with any particular statements in the interior of the field [the totality of our so-called knowledge or beliefs], except indirectly through considerations of equilibrium affecting the field as a whole [...]. Any statement can be held true come what may, if we make drastic enough adjustments elsewhere in the system.124

Wenn der Bestätigungsholismus wahr ist, dann steht kein Satz für sich genommen im Widerspruch zu einer bestimmten Erfahrung. Ebenso wird kein Satz für sich genommen durch eine bestimmte Erfahrung bestätigt. Vielmehr bedarf es Entscheidungen über die Wahrheitswerte weiterer Sätze. Sind wird bereit, andere Sätze aufzugeben, kann bspw. ein (scheinbarer) Widerspruch zwischen einem Satz und einer Erfahrung aufgehoben 122

Quine 2001: 40f. Ebenda: 41. 124 Ebenda: 42f. 123

124

werden. Mag es zwar zunächst so scheinen, dass der Satz „Fido war gestern ein Hund“ in Isolation im Widerspruch zu dem Satz „Fido ist heute ein Roboter“ steht, zeigt sich, dass dieser Widerspruch zumindest die Wahrheit des zusätzlichen Satzes „Hund sind keine Roboter“ erfordert. Entscheidet man sich, diesen Satz im Lichte der anderen für falsch zu halten, verschwindet der Widerspruch. Man ist jedoch nicht einmal genötigt, einen der drei Sätze aufzugeben, wenn man den zusätzlichen Satz „Hunde können sich zu Robotern transformieren“ für wahr hält. Usw. Welche epistemischen Schlüsse wir also aus der Erfahrung ziehen sollten, wird nicht allein durch die Erfahrung diktiert, sondern nur durch die Erfahrung in Verbindung mit unserem gesamten Weltbild und unseren Entscheidungen. Wird der Bestätigungsholismus mit einer epistemischen Theorie der Bedeutung kombiniert, so ergibt sich laut den Holisten ein Argument für ihre Kernthese. Die Funktionale-Rollen-Semantik kann als eine epistemische Theorie der Bedeutung verstanden werden. Nach diesem Verständnis muss man beachten, dass bspw. die inferentielle Relation zwischen einer Repräsentation und proximalem sensorischen Input mit zur funktionalen Rolle einer Repräsentation gehört, genauso wie inferentielle Relationen zwischen der Repräsentation und anderen Repräsentationen. Zu den Arten inferentieller Relationen werden beim epistemischen Verständnis u.a. Bestätigungsbeziehungen und Widerspruchsbeziehungen gezählt. Nun besagt der Bestätigungsholismus aber gerade, dass zwei Repräsentationen bzw. eine Repräsentation und ein proximaler sensorischer Input für sich betrachtet gar nicht in bestimmten Bestätigungs- oder Widerspruchsrelationen stehen, sondern nur relativ zu einer ganzen Menge anderer Repräsentationen, ja letztlich nur relativ zum gesamten Repräsentationssystem. Hängen nun die inferentiellen Relationen zwischen zwei Repräsentationen nicht nur von diesen Repräsentationen ab, sondern, wie der Bestätigungsholismus behauptet, letztlich von der Gesamtheit aller Repräsentationen, dann hängt auch die konstituierte Bedeutungen nicht nur von den inferentiellen Relationen zwischen diesen beiden Repräsentationen ab, sondern von allen ihren inferentiellen Eigenschaften.125 Also muss die Kernthese des Holismus wahr sein.

125

Vgl. Devitt 1993b: 23.

125

Eine erste Schwierigkeit dieses Argumentes für den Holismus besteht darin, dass der Bestätigungsholismus durch eine epistemische Theorie der Bedeutung ergänzt werden muss. Und epistemische Theorien der Bedeutung sind für sich genommen sehr unplausibel. Ich hatte im Kapitel III. bereits antirealistische Theorien der weiten Bedeutung auf verschiedene Weise kritisiert. Und epistemische Theorien der Bedeutung sind antirealistisch.126 Die Funktionale-Rollen-Semantik als Semantik enger Bedeutungen muss zudem nicht epistemisch verstanden werden. Die bedeutungskonstitutiven inferentiellen Eigenschaften von Repräsentationen müssen keine epistemischen Konsequenzen haben. Selbst wenn die Inferenz von „a ist ein Junggeselle“ auf „a ist unverheiratet“ bedeutungskonstitutiv ist, muss deshalb nicht der Satz „Junggesellen sind unverheiratet“ epistemisch gerechtfertigt oder unrevidierbar oder a priori sein. Ebenso wenig muss allein aufgrund der Bedeutungskonstitutivität der Inferenz der erste Satz den zweiten bestätigen.127 Selbst wenn wir die Funktionale-Rollen-Semantik mithin als Semantik enger Bedeutungen auffassen, müssen die inferentiellen Relationen keinerlei epistemische Konsequenzen besitzen. Zumindest für diese Auslegung fehlt also ein Argument. Fodor und Lepore haben zusätzlich darauf hingewiesen, dass Quines Argument für den Bestätigungsholismus auf der Zurückweisung von Atomismus und Molekularismus beruht.128 Quine setzt in der Argumentation für den Bestätigungsholismus die Falschheit von Atomismus und Molekularismus bereits voraus. Daher kann man den Bestätigungsholismus nicht wiederum, ohne sich dem Vorwurf der Zirkularität einzuhandeln, gegen den Molekularismus ins Feld führen. Wir haben hier somit kein Argument für den Holismus, das auf dem Bestätigungsholismus beruht, sondern eine Konsequenz aus der Falschheit des Atomismus und Molekularismus, nämlich den Bestätigungsholismus. Quine argumentiert also eigentlich, dass der Holismus als Konsequenz den Bestätigungsholismus hat und nicht umgekehrt. Quine selbst ist dem Zirkularitätsvorwurf indessen nicht ausgesetzt. Denn er führt unabhängige 126

Vgl. Ebenda: 23. Vgl. Devitt 1993a: Fußnote 1. 128 Vgl. Fodor; Lepore 1992: 37-58. 127

126

Gründe gegen den Molekularismus und Atomismus ins Feld. Deshalb kann er die Wahrheit des semantischen Holismus voraussetzen und die Konsequenz des Bestätigungsholismus hervorheben. Quines unabhängiges Argument gegen den Molekularismus besteht in seiner Kritik der Analytischsynthetisch-Unterscheidung. 4. Einwand 2: Quines Kritik an (a-s) Ein zweites Argument für die holistische Kernthese basiert also auf der Zurückweisung der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung. Weil die Diskussion der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung gleichzeitig den zweiten Einwand gegen Fodors und Lepores Hauptargument betrifft, gehe ich gleich zu diesem Einwand über. Ich werde in den nächsten drei Abschnitten also gleichzeitig ein Argument gegen Fodors und Lepores Hauptargument sowie ein Argument für den Holismus diskutieren. Diese enge Verbindung zwischen den Argumenten gegen das Hauptargument und den Argumenten für den Holismus verdankt sich dem Umstand, dass in beiden Fällen die holistische Kernthese als Zwischenschritt verwendet wird. Das Verständnis der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung in der zeitgenössischen Philosophie ist vor allem durch Quines Kritik dieser Unterscheidung geprägt. Quine wiederum bezieht sich in seiner Kritik direkt auf eine intendierte Unterscheidung der Logischen Empiristen. Ich werde daher zunächst auf den Gehalt und die theoretische Funktion dieser Unterscheidung im Logischen Empirismus eingehen. Entsprechend der Bedeutungstheorie der Logischen Empiristen besteht die Bedeutung eines Satzes in seiner Verifikationsmethode. Die Bedeutung bzw. die Verifikationsmethode eines Satzes bestimmt, durch welche Erfahrungen der Satz bestätigt und durch welche er geschwächt wird. Ein Satz informiert über die Beschaffenheit der Welt; nämlich, wie die Welt beschaffen ist, wenn der Satz wahr ist, bzw. wie die Welt beschaffen ist, wenn der Satz falsch ist. Die Wahrheit eines Satzes hängt somit erstens von seiner Bedeutung ab, d.h. davon, wie die Welt für die Wahrheit des Satzes beschaffen sein müsste, und zweitens von der wirklichen Beschaffenheit der Welt. Ein Satz ist in diesem Sinn also aufgrund seiner Bedeutung und aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr.

127

Einige Sätze bereiten der verifikationistischen Bedeutungs- und der empiristischen Erkenntnistheorie der Logischen Empiristen erhebliche Probleme. Es sind u.a. die Sätze der Logik und der Mathematik: Die analytischen Sätze.129 Analytisch wahre Sätze stellen einen verifikationistischen Grenzfall in dem Sinn dar, dass sie durch keine mögliche Erfahrung geschwächt werden können: As long as it is taken to be significant in general to speak of the confirmation and infirmation of a statement, it seems significant to speak also of a limiting kind of statement which is vacuously confirmed, ipso facto, come what may; and such a statement is analytic[ly true].130

Und analytisch falsche Sätze stellen einen verifikationistischen Grenzfall in dem Sinne dar, dass sie durch keine möglichen Erfahrungen bestätigt werden können. Analytische Sätze informieren im Gegensatz zu synthetischen Sätzen in diesem Sinn daher nicht über die Beschaffenheit der Welt.131 Dass p, informiert über die Beschaffenheit der Welt; dass ~p, informiert ebenfalls über die Beschaffenheit der Welt. Aber was erfährt man über die Beschaffenheit der Welt, wenn man erkennt, dass p v ~p? Wenn analytische Sätze in diesem Sinn nicht über die Beschaffenheit der Welt informieren, dann scheinen diese Sätze auch nicht u.a. aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr zu sein. Wenn sie wahr sind, dann sind sie laut dem Logischen Empirismus „vacuously or degenerately true“132. Während die Wahrheit eines synthetischen Satzes von seiner Bedeutung und von der wirklichen Beschaffenheit der Welt abhängt, scheint die zweite Abhängigkeit bei analytischen Sätzen zu entfallen: Ein analytisch wahrer Satz, so die Logischen Empiristen, ist allein aufgrund seiner Bedeutung wahr; ein analytisch falscher Satz allein aufgrund seiner Bedeutung falsch.133 129

In der Erörterung des Logischen Empirismus können wir davon absehen, dass nicht alle Philosophen die Meinung teilen, mathematische Sätze seien analytisch. Für die Logischen Empiristen gibt es kein synthetisches A priori. 130 Quine 2001: 41. 131 Vgl. Burge 1992: 4. 132 Ebenda: 4. 133 Vgl. Ebenda: 4.

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Analytische Sätze sind gleichwohl nicht mit metaphysischen Sätzen zu verwechseln. Denn letztere haben für den Logischen Empiristen gar keine Bedeutung. Metaphysische Sätze sind sinnlos und nicht wahrheitswertfähig; analytische Sätze sind hingegen sinnvoll und wahrheitswertfähig. Diese Konsequenz der Verifikationstheorie der Bedeutung soll die epistemischen Schwierigkeiten lösen, die der Empirismus mit analytischen Sätzen hat. Spätestens seit den Klassischen Empiristen wird die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung nämlich in der Erklärung apriorischer Erkenntnis im Rahmen empiristischer Erkenntnistheorien bemüht. 5. Analytizität als Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung Die bisherige Charakterisierung von Analytizität besagt, dass analytisch wahre Sätze allein aufgrund ihrer Bedeutung wahr sind. Die Erklärung apriorischer Erkenntnis lautet dann ungefähr: Das Verstehen analytisch wahrer Sätze, das Erfassen ihrer Bedeutungen ist hinreichend für die Erkenntnis der Wahrheit dieser Sätze, weil diese Sätze eben allein aufgrund ihrer Bedeutungen wahr sind. Bildlich gesprochen erfasst man mit den Bedeutungen dieser Sätze automatisch ihre Wahrmacher bzw. das Vorliegen ihrer Wahrmacher und erkennt dadurch, dass diese Sätze wahr sind. Da diese Erklärung apriorischer Erkenntnis bspw. nicht auf der Annahme rationaler Einsicht in notwendige Merkmale der Welt oder rationaler Einsicht in abstrakte Wesenheiten basiert, ist sie geradezu auf eine empiristische Erkenntnistheorie zugeschnitten. Die Behauptung, dass die Wahrheitswerte analytischer Sätze allein von ihren Bedeutungen abhängen, ist eine erste Charakterisierung der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung. Aber diese Charakterisierung ist entweder falsch, weil kein Satz allein aufgrund seiner Bedeutung wahr bzw. falsch ist, oder die Charakterisierung, wohlwollend verstanden, kann ihre theoretische Funktion nicht erfüllen, ist nicht in der Lage, apriorische Erkenntnis auf empiristisch zulässige Weise zu erklären. Betrachten wir dieses Dilemma ein wenig genauer. Die scheinbar plausible Erklärung, dass der Satz „Junggesellen sind unverheiratet“ wahr ist, weil der Satz bedeutet, dass Junggesellen unverheiratet sind, scheint nämlich nur deshalb eine plausible Erklärung der

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Wahrheit des Satzes, weil wir (implizit) als wahr voraussetzen, dass Junggesellen wirklich unverheiratet sind. Ein Test verdeutlicht diesen Umstand. Im Fall synthetischer Sätze ist die Äußerung: „Es ist völlig egal, ob Junggesellen tatsächlich frustriert sind, dass der Satz ‚Junggesellen sind frustriert‘ wahr ist, ist allein abhängig von seiner Bedeutung“ offensichtlich falsch. Desgleichen gilt jedoch auch für analytische Sätze. Die Äußerung: „Es ist völlig egal, ob Junggesellen tatsächlich unverheiratet sind, dass der Satz ‚Junggesellen sind unverheiratet‘ wahr ist, ist allein abhängig von seiner Bedeutung“ schneidet bei dem Test nicht besser ab.134 Selbst wenn wir uns den analytischen Sätzen der Logik zuwenden, ergibt der Test dasselbe Ergebnis. Auch die Äußerung: „Es ist völlig egal, ob alles mit sich selbst identisch ist, der Satz ‚Alles ist mit sich selbst identisch‘ ist allein aufgrund seiner Bedeutung wahr“ scheint einfach falsch zu sein. Die Wahrheitswerte analytischer Sätze hängen anscheinend doch von der Beschaffenheit der Welt ab und unterscheiden sich in diesem Sinn nicht von synthetischen Sätzen. Dennoch kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Wahrheitswerte analytischer Sätze in einer anderen Weise von der Beschaffenheit der Welt abhängen als die Wahrheitswerte synthetischer Sätze. Die Erklärung der Wahrheitswerte aller Sätze kann durch das folgende Prinzip angegeben werden: Prinzip 1: Für alle Sätze „p“ gilt: Wenn „p“ bedeutet, dass p, und wenn der Sachverhalt, dass p, besteht, dann ist der Satz „p“ wahr. Dieses allgemeine Prinzip ist genau dann wahr, wenn für jeden Satz das Antezedens falsch oder das Konsequens wahr ist. Das Antezedens qua Konjunktion ist genau dann falsch, wenn mindestens eines der Konjunkte falsch ist. Ob der Satz „p“ ein analytischer oder ein synthetischer Satz ist, hat nun offensichtlich Auswirkungen auf die Wahrheitsbedingungen des Konditionals. Nehmen wir an, der Satz „Junggesellen sind unverheiratet“ sei analytisch wahr. Nun impliziert die analytische Wahrheit eines Satzes seine notwendige Wahrheit. Also sind Junggesellen notwendig unverheiratet; das 134

Vgl. Williamson 2007: 58f; Boghossian 1996: 364.

130

zweite Konjunkt im Antezedens des Prinzips 1 ist also notwendig wahr. Weil das Antezedens genau dann falsch ist, wenn eines der Konjunkte falsch ist, das zweite Konjunkt im Fall analytischer Wahrheiten nicht falsch sein kann, gilt offenbar: Das Antezedens ist genau dann falsch, wenn das erste Konjunkt falsch ist. Im Fall analytischer Wahrheiten schrumpft die Wahrheitsbedingung des Prinzips 1 daher auf die folgende Aussage zusammen: Prinzip 2: Für alle analytisch wahren Sätze „p“ gilt: Wenn der Satz „p“ bedeutet, dass p, dann ist der Satz „p“ wahr. Mit anderen Worten: Dass „p“ bedeutet, dass p, ist im Fall analytisch wahrer Sätze hinreichend für die Wahrheit von „p“. Der Satz „Junggesellen sind verheiratet“ ist analytisch falsch. Weil Analytizität Notwendigkeit impliziert, ist das zweite Konjunkt im Antezedens notwendig falsch. Weil das Antezedens genau dann falsch ist, wenn eines der Konjunkte falsch ist, das zweite Konjunkt analytisch falscher Sätze nicht wahr sein kann, gilt: Prinzip 3: Für alle analytisch falschen Sätze „p“ gilt: Wenn der Satz „p“ bedeutet, dass p, dann ist der Satz „p“ falsch. Mit anderen Worten: Dass „p“ bedeutet, dass p, ist im Fall analytisch falscher Sätze hinreichend für die Falschheit von „p“. Für alle analytischen Sätze, ob wahr oder falsch, vereinfacht sich das Prinzip 1 daher wie folgt: Prinzip 4: Für alle analytischen Sätze „p“ gilt: Dass der Satz „p“ bedeutet, dass p, ist hinreichend für den Wahrheitswert von „p“. Mit anderen Worten: Ein Satz ist genau dann analytisch, wenn seine Bedeutung hinreichend für seinen Wahrheitswert ist.135 In diesem wohlwollenden Sinn hängt der Wahrheitswert analytischer Sätze wirklich nicht von der Beschaffenheit der Welt ab. In diesem Sinn kommen analytischen Sät135

Vgl. Williamson 2007: 60f.

131

zen ihre Wahrheitswerte allein aufgrund ihrer Bedeutung zu. Weil jedoch zur Vereinfachung der Wahrheitsbedingungen jeweils vorausgesetzt wurde, dass Analytizität Notwendigkeit impliziert, läuft diese Unabhängigkeit genau genommen auf eine Unabhängigkeit von der kontingenten Beschaffenheit der Welt hinaus. Analytizität hat aber nichts mit einer vollständigen Unabhängigkeit von der Beschaffenheit der Welt zu tun. Unter diesem wohlwollenden Verständnis von „Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung“ steht die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung vor einigen ernstzunehmenden Problemen. Bspw. gibt es einige Philosophen, allen voran Saul Kripke, die behaupten, dass Notwendigkeit nicht Analytizität impliziert.136 Wenn sie Recht haben, dann kann es notwendige Sätze geben, die nicht analytisch, die also synthetisch sind. Aufgrund ihrer Notwendigkeit ist aber auch die Bedeutung dieser Sätze hinreichend für ihren Wahrheitswert. Auch diesen Sätzen kommen ihre Wahrheitswerte im erläuterten Sinn allein aufgrund ihrer Bedeutung zu. Doch diese Sätze sind nicht analytisch. Also wird die intendierte Unterscheidung verfehlt. Zudem vermag Analytizität entsprechend des wohlwollenden Verständnisses ihre theoretische Funktion nicht mehr zu erfüllen. Die Charakterisierung, ein Satz sei genau dann analytisch, wenn die Bedeutung des Satzes hinreichend für den Wahrheitswert des Satzes ist, führt Analytizität genau genommen auf Notwendigkeit zurück. Denn für alle notwendigen Sätze gilt im soeben erläuterten Sinn, dass die Bedeutung hinreichend für den Wahrheitswert ist. Also ist ein Satz genau dann analytisch, wenn er notwendig ist. Doch kann nun mithilfe der Analytizität eines Satzes seine Apriorität nur dann erklärt werden, wenn wir bereits über eine Erklärung von Apriorität mittels Notwendigkeit verfügen. Im Fall der vollständigen Unabhängigkeit analytischer Sätze von der Beschaffenheit der Welt schien im Prinzip verständlich, warum das Verstehen bzw. Erfassen ihrer Bedeutungen hinreichend für apriorische Erkenntnisse sein kann. Im Fall der Unabhängigkeit analytischer Sätze von der kontingenten Beschaffenheit der Welt ist die Bedeutung des Satzes jedoch nicht der Wahrmacher des Satzes. Vielmehr ist die Welt, ist ein notwendiges Merkmal der Welt der Wahrmacher des Satzes. Daher ist nun nicht mehr verständlich, wie in empiristisch zulässiger Weise das Verstehen bzw. 136

Vgl. Kripke 1980.

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Erfassen der Bedeutung eines analytischen Satzes hinreichend für apriorische Erkenntnis sein kann. Ich habe bisher eine erste Charakterisierung der Analytischsynthetisch-Unterscheidung eingeführt und kritisiert, nämlich Analytizität als Wahrheit bzw. Falschheit allein aufgrund der Bedeutung. Entsprechend des wortwörtlichen Verständnisses ist diese Charakterisierung schlicht falsch. Entsprechend des wohlwollenden Verständnisses verfehlt sie die intendierte Unterscheidung und büßt ihre theoretische Funktion ein. 6. Analytizität und implizite Definitionen Eine verwandte Charakterisierung der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung lässt sich mithilfe der Funktionalen-Rollen-Semantik treffen. Im Rahmen dieser Charakterisierung wird zudem deutlich, was genau die Funktionale-Rollen-Semantik bzw. der Molekularismus mit der Analytischsynthetisch-Unterscheidung zu tun hat. Ich werde (FRS) diesbezüglich zunächst auf logische Ausdrücke anwenden und anschließend eine Überlegung rekonstruieren, die beide Themen miteinander verbindet. Nehmen wir an, die Bedeutungen der logischen Ausdrücke seien durch einige ihrer inferentiellen Eigenschaften konstituiert. (FRS) besagt ungefähr, dass die bedeutungskonstitutive Eigenschaft eines Ausdrucks „f“ der wesentliche Beitrag von „f“ zu den inferentiellen Rollen der Sätze ist, in denen „f“ vorkommt. Am Beispiel des Konjunktionsausdrucks „&“ kann diese Behauptung wie folgt verdeutlicht werden: Die inferentielle Rolle des Satzes „Fido ist ein Hund & Lassie ist ein Hund“ beinhaltet die Inferenz auf „Fido ist ein Hund“. Welche Ausdrücke liefern einen wesentlichen Beitrag zu dieser Inferenz? D.h. aufgrund welcher Ausdrücke ist diese Inferenz gültig? Quines Bestimmung des wesentlichen Vorkommens eines Ausdrucks in einer Inferenz ist hier fruchtbar. Ein Ausdruck leistet genau dann einen wesentlichen Beitrag zu einer Inferenz, wenn die uniforme Substitution des Ausdrucks durch einen anderen Ausdruck (derselben grammatikalischen Kategorie) die Gültigkeit dieser Inferenz aufheben kann. Es ergibt sich, dass das Vorkommen von „&“ in unserem Beispiel wesentlich für die Gültigkeit der Inferenz ist. Denn die Substitution dieses Ausdrucks bspw. durch den Disjunktionsausdruck „v“ vermag die Gültigkeit aufzuheben.

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Hingegen kommt „Hund“ unwesentlich vor. Denn die uniforme Substitution dieses Ausdrucks bspw. durch den Ausdruck „Pferd“ hebt die Gültigkeit nicht auf, ja, es gibt keine uniforme Substitution dieses Ausdrucks, welche die Gültigkeit aufheben könnte. Also liefert „Hund“ keinen wesentlichen Beitrag zu dieser Inferenz. Es zeigt sich zudem, dass ausschließlich der Ausdruck „&“ in dem Beispiel wesentlich vorkommt. Den Beitrag von „&“ können wir durch die folgende Aussage verdeutlichen: Die Gültigkeit der Inferenzen von „p & q“ auf „p“ beruht einzig auf dem Beitrag von „&“, ist also eine der bedeutungskonstitutiven Eigenschaften des Ausdrucks „&“. Denn in diesen Inferenzen kommt allein der Konjunktionsausdruck wesentlichen vor. Es gibt weitere Inferenzen, zu denen nur „&“ einen wesentlich Beitrag leistet. Diese lassen sich letztlich auf drei Arten zurückführen: Die bedeutungskonstitutiven Inferenzen des Ausdrucks „&“ sind die Inferenzen von (i) „p“ und „q“ auf „p & q“, (ii) von „p & q“ auf „q & p“, (iii) von „p & q“ auf „p“. In diesem Sinn kann man behaupten, die Bedeutung des Ausdrucks „&“ im Deutschen sei durch diese inferentielle Rolle konstituiert. Auf diese Weise können logische Ausdrücke definiert werden. Sie werden jedoch nicht explizit, also nicht durch Sätze wie „die Konjunktion ist ...“, sondern implizit definiert, durch ihr wesentliches Vorkommen in bestimmten Inferenzen. Durch die implizit definierten logischen Ausdrücke lassen sich alle weiteren logischen Ausdrücke explizit definieren, insofern die implizit definierten Ausdrücke eine Junktorbasis bilden. Und was hat die Funktionale-Rollen-Semantik bzw. der Molekularismus mit der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung zu tun? Nun, es wurde behauptet, dass die Inferenzen, die die Bedeutungen logischer Ausdrücke implizit festlegen, analytisch gültig sind, d.h. gültig allein aufgrund der Bedeutungen der wesentlich vorkommenden logischen Ausdrücke. Diese Verknüpfung der Bedeutungskonstitution logischer Ausdrücke mit Analytizität liefert uns eine zweite Charakterisierung der Analytischsynthetisch-Unterscheidung. Denn was könnte es heißen, dass ein analytisch wahrer Satz allein aufgrund seiner Bedeutung wahr ist? Die Antworten, dass er nicht aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr ist, oder dass er nicht aufgrund der kontingenten Beschaffenheit der Welt wahr ist, wurden bereits zurückgewiesen. Es scheint, als müsse die richtige Antwort auf

134

diese Frage auf eine Eigenart der Bedeutungen analytischer Sätze bzw. der Konstitution dieser Bedeutungen rekurrieren. Und hier kommt (FRS) ins Spiel. Die Bedeutung von „&“ ist implizit durch das wesentliche Vorkommen von „&“ in bestimmten Inferenzen festgelegt. Bezeichnen wir diese Inferenzen mit dem Ausdruck „#&“. „&“ hätte auch eine andere Bedeutung haben können, d.h. die Bedeutung hätte auch implizit durch andere Inferenzen festgelegt werden können. Bezeichnen wir eine Gruppe anderer Inferenzen mit dem Ausdruck „#*&“. Nehmen wir an, „#&“ und „#*&“ unterscheiden sich ausschließlich darin, dass die Inferenz (iii) von „p & q“ auf „p“ in „#*&“ ungültig ist. Wäre die Bedeutung des Ausdrucks „&“ implizit durch „#*&“ festgelegt, dann hätte „&“ eine andere Bedeutung, weil es für die Bedeutung von „&“ im ersten Fall wesentlich ist, dass die Inferenz von „p & q“ auf „p“ gültig ist. In „#*&“ ist „diese“ Inferenz hingegen ungültig. Daher sieht es so aus, als sei es für das implizite Festlegen der Bedeutung eines Ausdrucks nötig, nicht bloß die Inferenzen anzugeben, sondern darüber hinaus anzugeben, ob die jeweiligen Inferenzen gültig sind oder nicht. Dass bestimmte Inferenzen gültig sind, liegt nun aber augenscheinlich nur daran, dass sie als implizite Definierer von Ausdrücken dienen. Ihre Gültigkeit scheint mit den Bedeutungen der Ausdrücke, sozusagen als Nebenprodukt der impliziten Definitionen gleich mit festgelegt zu werden. In diesem Sinn scheint es, dass die Gültigkeit der bedeutungskonstitutiven Inferenzen trivialerweise garantiert ist. Mithilfe der Technik der impliziten Definition kann der Ausdruck „Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung“ daher wie folgt charakterisiert werden: Eine Inferenz ist genau dann allein aufgrund der Bedeutung eines enthaltenen Ausdrucks gültig, wenn sie allein aufgrund ihrer Funktion als bedeutungskonstitutive Inferenz dieses Ausdrucks gültig ist. So ist die Inferenz von „p & q“ auf „p“ allein aufgrund der Bedeutung des Ausdrucks „&“ gültig, weil sie eine der bedeutungskonstitutiven Inferenzen dieses Ausdrucks ist. Und ein Satz ist genau dann allein aufgrund seiner Bedeutung wahr, wenn er eine solche bedeutungskonstitutive Inferenz ausdrückt. So ist der Satz „wenn p & q, dann p“ allein aufgrund seiner Bedeutung wahr, weil er die bedeutungskonstitutive Inferenz von „p & q“ auf „p“ ausdrückt. Dies ist der Zusammenhang zwischen der Funktionalen-Rollen-

135

Semantik und der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung. (Ich werde der Einfachheit halber im Folgenden zwischen „bedeutungskonstitutiven Inferenzen“ und „Sätzen, die bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücken“ wechseln. Der Zusammenhang sollte in diesem Abschnitt deutlich geworden sein.) Darüber hinaus sind es gerade die logischen Ausdrücke, bei denen die Technik der impliziten Definition sehr plausibel anmutet. Selbst einer der wichtigsten Gegner der Funktionalen-Rollen-Semantik, Jerry Fodor, „has flirted with [conceptual role semantics for the logical expressions], and continues to find it attractive on alternate Tuesdays“137. Wenn man also behauptet, dass die Bedeutungen einiger, nämlich der einfachen logischen Ausdrücke durch implizite Definitionen festgelegt sind, dann kann man mit der vorherigen Überlegung zu erklären versuchen, warum diejenigen Sätze, die die bedeutungskonstitutiven Inferenzen dieser logischen Ausdrücke explizieren, allein aufgrund ihrer Bedeutung und damit nicht aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr sind. In einem gewissen Sinn könnte man sagen: Die Technik der impliziten Definition generiert bzw. erschafft138 wahre Sätze. Diese wahren Sätze sind wiederum die elementaren logisch wahren Sätze und daher ein wichtiger Teil der als analytisch wahr erachteten Sätze. Wir haben nun also eine zweite Charakterisierung der Analytischsynthetisch-Unterscheidung. Und es ist diese Charakterisierung, die vornehmlich Gegenstand von Quines Kritik ist. Quine hat gegen die zweite Charakterisierung schlussendlich genau dasselbe Dilemma erhoben, wie wir zuvor gegen die erste Charakterisierung: Sie sei entweder sprichwörtlich falsch oder, wohlwollend verstanden, theoretisch witzlos.139 Paul Horwich verweist auf dasselbe Dilemma, wenn er schreibt, dass einige Charakterisierungen „are indeed defective“, während andere „are of little philosophical interest, since they don’t entail aprioricity – which was, after all, the main point of analyticity. Thus there is indeed no useful distinction between the analytic and the synthetic”140. 137

Fodor; Lepore 2006: 121. Vgl. Quine 1997: 338. 139 Vgl. Quine 1997: 329, 350, 353. 140 Horwich 1998: 152. 138

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Ein erstes Problem der zweiten Charakterisierung besteht laut Quine darin, dass auch vermeintlich synthetische Sätze bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücken können, nämlich u.a. bestimmte Sätze wissenschaftlicher Theorien. So könnte bspw. behauptet werden, dass die Bedeutung des Ausdrucks „Superstring“ durch bestimmte Inferenzen, in denen dieser Ausdruck wesentlich vorkommt, implizit festgelegt ist, und dass bestimmte Sätze der Superstring-Theorie genau diese Inferenzen ausdrücken: The method [of implicit definition] can even be carried beyond mathematics, into the so-called empirical sciences. Having framed a maximum of definitions in the latter realm, we can circumscribe as many of our “empirical” primitives as we like by adding further conventions to the set adopted for logic and mathematics; a corresponding portion of “empirical” science then becomes conventionally true in precisely the manner observed above for [logic].141

Diese theoretischen Sätze wären somit allein aufgrund des Umstandes wahr, dass sie bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücken.142 Nun sind die theoretischen Sätze wissenschaftlicher Theorien jedoch anscheinend synthetisch. Es würde folgen, dass die zweite Charakterisierung genauso wenig wie die erste die richtige, die intendierte Unterscheidung trifft, nämlich die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen. Dem Logischen Empiristen stünde die Erwiderung offen, dass diese scheinbar synthetischen Sätze in Wirklichkeit analytisch sind. D.h. ihr vermeintlich synthetischer Charakter könnte geleugnet werden. Doch selbst wenn man zugestehen würde, dass solche Sätze analytisch sind, ist die Behauptung, dass sie darüber hinaus analytisch wahr sind, wenig plausibel.143 Wissenschaftliche Theorien längst vergangener Zeiten, die sich, so möchte man meinen, als falsch herausgestellt haben, enthielten ebenfalls implizit definierte theoretische Ausdrücke – bspw. „Sphären“, „Phlogiston“ und „Äther“. Doch wie kann man kohärent behaupten, dass diese Theorien einerseits falsch sind, andererseits die entsprechenden Sätze dieser Theorien, die die bedeutungskonstitutiven Inferenzen der theoretischen Ausdrücke explizieren, analytisch wahr sind? 141

Quine 1997: 348. Vgl. Ebenda: 348-350. 143 Vgl. Horwich 1998: 135. 142

137

Diese Kritik deutet an, dass die Behauptung, bedeutungskonstitutive Inferenzen seien im Allgemeinen allein aufgrund ihrer Funktion als implizite Definierer gültig, schlicht falsch ist. Genauso falsch ist es dann, zu behaupten, ein Satz sei allein aufgrund des Umstandes wahr, dass er eine bedeutungskonstitutive Inferenz ausdrückt. Ein weiteres Argument erhärtet diese These sogar für den Fall implizit definierter logischer Ausdrücke. Wir könnten geneigt sein, die Bedeutung von „tonk“ bspw. durch die beiden Inferenzen von „p“ auf „p tonk q“ und von „p tonk q“ auf „q“ implizit festzulegen.144 Wäre eine Inferenz qua bedeutungskonstitutive Inferenz gültig, und wäre ein Satz qua Ausdruck einer solchen Inferenz wahr, dann ließe sich zeigen, dass jeder beliebige Satz wahr wäre. Denn wir könnten für jeden beliebigen Satz „q“ mithilfe der beiden bedeutungskonstitutiven Inferenzen von „tonk“ und zweier logischer Schlussregeln, auf die Wahrheit von „q“ schließen: (i) p → (p tonk q) (ii) (p tonk q) → q (iii) [p → (p tonk q)] → [(p → (p tonk q)) tonk q] (iv) [(p → (p tonk q)) tonk q] → q Also: [p → (p tonk q)] → q Also: q

Ausdruck Inferenz 1 Ausdruck Inferenz 2 Instanz von (i). Instanz von (ii). aus (iii) und (iv). aus (i) und (v).

Wären Sätze qua Ausdruck bedeutungskonstitutiver Inferenzen wahr, dann wären die Prämissen (i)-(iv) des Argumentes wahr, also wäre „q“ wahr – für beliebiges „q“. Eine logisch falsche Konklusion. Sätze können also nicht allein aufgrund des Umstandes, dass sie bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücken, wahr sein; weder im Fall nicht-logischer, noch im Fall logischer Ausdrücke. Und genauso wenig können Inferenzen allein aufgrund ihrer Funktion als implizite Definierer gültig sein. Nun könnte erwidert werden, dass die Inferenzen vielleicht nicht gültig sein müssen, um die Bedeutung des implizit definierten Ausdrucks zu konstituieren. Jedoch müssen die Inferenzen für gültig erachtet bzw. als gültig behandelt werden: Das Für-gültig-Halten der Inferenzen sei notwen-

144

Vgl. Prior 1960.

138

dig, damit die Ausdrücke bestimmte Begriffe ausdrücken, die Inferenzen bestimmte Bedeutungen konstituieren können. Aber auch diese Abschwächung ist anscheinend falsch. Selbst wenn wir zugestehen, dass die Bedeutung des Ausdrucks „Phlogiston“ etwas mit bestimmten Sätzen der Phlogistontheorie zu tun hat, wäre es sicherlich falsch, darüber hinaus zu behaupten, „Phlogiston“ kann nur dann PHLOGISTON ausdrücken, wenn wir diese Sätze der Phlogistontheorie für wahr halten bzw. wenn wir die entsprechenden bedeutungskonstitutiven Inferenzen für gültig erachten. Denn wir glauben gerade nicht, dass es Phlogiston gibt, d.h. wir halten diese Sätze der Phlogistontheorie gerade nicht für wahr. Mithin könnte die Bedeutung von „Phlogiston“ nicht durch unser Für-gültig-Halten der entsprechenden Inferenzen konstituiert sein; mithin müssten wir außerstande sein, mit „Phlogiston“ PHLOGISTON auszudrücken. Aber der Ausdruck „Phlogiston“ hat noch immer eine Bedeutung und noch immer dieselbe Bedeutung für uns wie für die Phlogistontheoretiker des 18. Jahrhunderts, die diese Sätze für wahr hielten. Nun könnte erwidert werden, dass wir zwar die bedeutungskonstitutiven Inferenzen eines Ausdrucks „f“ nicht für gültig halten müssen, dies also auch keine notwendige Bedingung für die Bedeutungskonstitution von „f“ ist. Jedoch müssen wir sicherlich die schwächere Carnap-Inferenz von „ (∃x )(# x ) “ auf „ (# f ) “ für gültig halten bzw. den schwächeren Carnap-Satz „ (∃x )(# x ) → (# f ) “ für wahr halten. Wir müssen doch sicherlich glauben, dass wenn irgendetwas die Sätze der Phlogistontheorie erfüllt, dann ist es Phlogiston. Also, so die Erwiderung, scheint das Für-wahr-Halten des CarnapSatzes notwendig, damit „Phlogiston“ PHLOGISTON ausdrücken kann. (Sätze, die die bedeutungskonstitutiven Inferenzen des Ausdrucks „Phlogiston“ ausdrücken, enthält der Carnap-Satz im Konsequens.) Als erstes müssen wir nun kurz innehalten und darauf achten, wie weit wir uns von einer allgemeinen Charakterisierung analytischer Wahrheit entfernt haben. Selbst wenn diese Erwiderung erfolgreich wäre, könnte sie maximal die analytische Wahrheit dieser Carnap-Sätze erklären. Auf die analytische Wahrheit vieler anderer, vermeintlich analytischer Sätze – u.a. der in den Carnap-Sätzen enthaltenen Sätze „#f“ selbst – hat diese Charakterisierung von Analytizität nämlich gar keine Anwendung. Zweitens scheint nicht einmal das Für-gültig-Halten der CarnapInferenzen notwendig, damit die entsprechenden Ausdrücke „f“ bestimmte

139

Begriffe ausdrücken können. Man muss hier beachten, dass das Für-gültigHalten der Carnap-Inferenz von „ (∃x )(# x ) “ auf „ (# f ) “ für einen Ausdruck „f“ augenscheinlich die Kenntnis der Sätze „#f“ voraussetzt. Wäre das Fürgültig-Halten der Carnap-Inferenz bspw. notwendig dafür, dass „ist Nachfolger von“ den Begriff IST NACHFOLGER VON ausdrücken kann, dann hätte der Ausdruck „ist Nachfolger von“ für Leibniz und Newton gar keine oder zumindest eine andere Bedeutung gehabt als für uns. Nehmen wir an, die bedeutungskonstitutiven Inferenzen des Ausdrucks „ist Nachfolger von“ werden durch die Peano-Axiome ausgedrückt145. Das Für-gültigHalten der entsprechenden Carnap-Inferenz würde dann die Kenntnis der Peano-Axiome „ (# f ) “ verlangen. Denn auf diese wird ja geschlossen. Aber weder Leibniz noch Newton kannten die Peano-Axiome. Also konnten sie die entsprechende Carnap-Inferenz gar nicht für gültig halten. Wenn wir diese Eigenschaften impliziter Definitionen, bedeutungskonstitutiver Inferenzen sowie der Sätze, die solche Inferenzen ausdrücken, beachten, dann scheint die Technik der impliziten Definition relativ nutzlos für eine Charakterisierung der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung und nutzlos zur Lösung der epistemischen Probleme des Logischen Empirismus. Denn hinsichtlich der Charakterisierung analytischer Sätze hat sich gezeigt, dass Sätze nicht allein aufgrund des Umstandes, dass sie bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücken, wahr sind. Zudem müssen diese Sätze nicht einmal für wahr gehalten werden, damit sie die Bedeutung eines Ausdrucks konstituieren und damit wir mit diesem Ausdruck einen bestimmten Begriff ausdrücken können. Entsprechend scheinen Sätze, die bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücken, auch für eine Erklärung apriorischer Erkenntnis in empiristischer Manier unbrauchbar, weil das Verstehen der Bedeutung dieser Sätze in keinem ersichtlichen Sinn mit dem Einsehen ihrer Wahrheitswerte einhergeht. Denn wenn die vorherigen Überlegungen stimmen, dann können diese Sätze falsch sein oder zumindest für falsch gehalten werden. Auch die Erwiderung, dass zumindest die Carnap-Sätze allein aufgrund der Bedeutungen enthaltener Ausdrücke wahr sind, ist in unserem Zusammenhang wenig hilfreich. Denn es waren nicht die Carnap-Sätze, 145

Die entsprechende Inferenz bspw. des dritten Axioms könnte die Inferenz von „a = 1“ auf „es gibt keine natürliche Zahl b, deren Nachfolger a ist“ sein.

140

sondern alle analytischen Sätze, deren Analytizität charakterisiert werden sollte. Und es war nicht die apriorische Erkenntnis der Wahrheit dieser Carnap-Sätze, sondern die apriorische Erkenntnis der Wahrheit aller analytisch wahren Sätze, die erklärt werden sollte.146 D.h. selbst wenn der Logische Empirist mit diesen letzten Behauptungen Recht hätte, wäre seinem eigentlichen Unterfangen wenig gedient. Dass keine plausible und lebensfähige Analytisch-synthetischUnterscheidung getroffen werden kann, wird sowohl in Fodors und Lepores Argument als auch im Argument für den Holismus behauptet. Sowohl der Holist als auch Fodor und Lepore wollen nämlich zunächst für die holistische Kernthese argumentieren. Diese Behauptung scheint im Lichte der bisherigen zwei Charakterisierungen wahr zu sein. Weder vermochte uns Analytizität als Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung zu überzeugen, noch vermochten wir mit Hilfe der Technik der impliziten Definition eine brauchbare Analytisch-synthetisch-Unterscheidung zu treffen. Wir haben bislang also erstens noch keine überzeugende Kritik an Fodors und Lepores Argument gesehen. Zweitens scheint der Holismus noch immer ein Argument zu seinen Gunsten zu besitzen. 7. Einwand 3: Boghossians epistemische Analytizität An dieser Stelle der Auseinandersetzung mit verschiedenen Charakterisierungen der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung setzt Paul Boghossian ein. Boghossian wartet mit einer weiteren Charakterisierung von Analytizität auf, die auf alle bisherigen Einwände eine Antwort zu haben beabsichtigt und dennoch eng verwandt ist mit der Idee impliziter Definitionen. Ich wende mich nun seiner Charakterisierung zu. Zunächst müssen wir laut Boghossian zwei Analytizitätsarten unterscheiden, eine metaphysische und eine epistemische. Analytisch wahre Sätze im metaphysischen Sinn sind allein aufgrund ihrer Bedeutung wahr. Analytisch wahre Sätze im epistemischen Sinn zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass allein das Verstehen bzw. Erfassen ihrer Bedeutungen

146

Vgl. Horwich 1998: 145.

141

hinreichend für eine a priori gerechtfertigte Überzeugung in die Wahrheit der Sätze sein kann.147 Im Logischen Empirismus waren die metaphysische und die epistemische Analytizität in einen Begriff zusammengefasst; sie implizierten sich gegenseitig. Letztlich sollte der Umstand, dass analytisch wahre Sätze allein aufgrund ihrer Bedeutungen wahr sind, erklären, warum das Verstehen bzw. Erfassen ihrer Bedeutungen hinreichend für apriorische Erkenntnis ist. Kurz um: Die metaphysische Analytizität eines Satzes sollte seine epistemische Analytizität erklären. Boghossian hält beide Analytizitätsarten hingegen für unabhängig voneinander in dem Sinn, dass die epistemische Analytizität eines Satzes nicht seine metaphysische Analytizität impliziert!148 Mithin gibt er das Projekt der Logischen Empiristen auf, vermittels Wahrheit allein aufgrund der Bedeutung apriorische Erkenntnisse zu erklären. Dass epistemische Analytizität nicht metaphysische Analytizität impliziert, ist für Boghossian im Lichte der bislang diskutierten Kritik wichtig. Denn er gibt der Kritik am Begriff der metaphysischen Analytizität Recht: Isn’t it in general true – indeed, isn’t it in general a truism – that for any [sentence] S, S is true iff for some p, S means that p and p? How could the mere fact that S means that p make it the case that S is true? Doesn’t it also have to be the case that p?149

Boghossian insistiert, dass jeder Satz sowohl aufgrund seiner Bedeutung als auch aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr oder falsch ist. Und entsprechend scheint es für ihn unverständlich oder falsch, dass ein Satz allein aufgrund der Tatsache, dass er eine bestimmte Bedeutung hat, wahr sein könne. Daher hält Boghossian die Behauptung, es gäbe metaphysisch analytische Sätze entweder für unverständlich oder für falsch. Alle Sätze, 147

Vgl. Boghossian 1996: 363. Boghossian ist sich nicht sicher, ob die Stärke der apriorischen Rechtfertigung hinreichend für apriorisches Wissen ist. Diese Frage ist für die folgende Diskussion jedoch irrelevant. Daher beschränke ich mich auf die apriorische Rechtfertigung. 148 Vgl. Boghossian 2003: 17. 149 Boghossian 1996: 364.

142

auch analytisch wahre Sätze im epistemischen Sinn sind u.a. aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr. Würde epistemische Analytizität nun metaphysische Analytizität implizieren, gäbe es daher auch keine epistemische Analytizität. Deshalb muss Boghossian diese Implikationsbeziehung ablehnen. Nun hat Quine jedoch ein weiteres, sehr grundlegendes Argument gegen die Charakterisierung analytisch wahrer Sätze sowie die Erklärung apriorischer Erkenntnis auf der Basis impliziter Definitionen formuliert; ein Argument, auf das ich bisher nicht eingegangen bin.150 In Boghossians Erwiderung auf dieses Argument wird seine eigene Charakterisierung der epistemischen Analytisch-synthetisch-Unterscheidung deutlich. Betrachten wir als Beispiel den Konditionalausdruck „→“. Entsprechend der Grundidee impliziter Definitionen gilt: Sei „→“ der Konditionalausdruck und sei „#→“ die Axiomatik der Konditionaltheorie, d.h. die Menge der Sätze, die die bedeutungskonstitutiven Inferenzen des Konditionalausdrucks ausdrücken, dann ist das Für-wahr-Halten der Konditionaltheorie „#→“ notwendig, damit ein Sprecher den Konditionalbegriff erfassen und mit „→“ ausdrücken kann. Nun setzt das Für-wahr-Halten der Konditionaltheorie jedoch bereits voraus, dass die Repräsentation „→“ den Konditionalbegriff ausdrückt und dass der Sprecher über den Konditionalbegriff verfügt. Denn um die Konditionaltheorie für wahr zu halten, muss man bspw. das Axiom für wahr halten, dass wenn p und wenn p → q, dann q. Anders formuliert: Man muss bereits für wahr halten, dass [p & (p → q)] → q. Und dies scheint offensichtlich vorauszusetzen, dass man bereits über den Konditionalbegriff verfügt, dass „→“ bereits eine Bedeutung besitzt. Andernfalls würde die Repräsentation „→“ (diejenige mit dem weiten Skopus!) nicht den Konditionalbegriff ausdrücken. Wenn dies stimmt, dann kann das Fürwahr-Halten der Konditionaltheorie nicht konstitutiv für die Bedeutung von „→“ sein: It is supposed that the if-idiom, the not-idiom, the every-idiom, and so on, mean nothing to us initially, and that we adopt the conventions [...] by way of circumscribing their meaning; and the difficulty is that communication of [the conventions] themselves depends upon free use of those very idioms which we are at150

Vgl. Quine 1997: 351-353.

143

tempting to circumscribe, and can succeed only if we are already conversant with the idioms.151

Boghossian zieht nun jedoch eine andere Schlussfolgerung als Quine aus dieser Kritik. Im Gegensatz zu Quine verwirft er nicht die Technik der impliziten Definition und mit dieser das Projekt der Erklärung von Apriorität vermittels einer Art der Analytizität. Vielmehr plädiert er dafür, dass implizite Definitionen in diesem Zusammenhang selbst implizit und nicht, wie ich bisher vermuten ließ, explizit verstanden werden müssen. Während das explizite Verständnis einer impliziten Definition eine bedeutungsvolle Repräsentation verlangt, besteht das implizite Verständnis einer impliziten Definition in einem „know how“, also letztlich in unseren Verhaltensmustern bzw. Verhaltensdispositionen: The only plausible version of ID [implicit definition] is not the explicit one with which we have been working so far, but rather the implicit one. It is rare for a term to be introduced via some explicit stipulation. And in the special case that interests us – the case of the logical constants – it is not only rare but incoherent. [...] Rather, if there is to be anything at all to the idea of ID as applied to logic, it must be that the logical constants have their meaning fixed by our tacitly regarding some of the inferences involving them as valid, or by our tacitly regarding some of the sentences involving them as true.152

Boghossian behauptet also (i), dass unser implizites Für-wahr-Halten bestimmter Sätze notwendig ist, um bestimmte Begriffe erfassen und um bestimmte Begriffe mit unseren Äußerungen ausdrücken zu können. Und genau für diese Sätze könne (ii) gelten, dass die Erkenntnissubjekte aufgrund des semantischen Sachverhaltes (i) a priori gerechtfertigt sind, sie für wahr zu halten. Nun hatten wir jedoch bereits ein Problem dieser Behauptung kennengelernt. Es gibt anscheinend Sätze, die vermeintlich bedeutungskonstitutive Inferenzen ausdrücke, die aber weder wahr sind, noch für wahr gehalten werden müssen, bspw. „p → (p tonk q)“ und „(p tonk q) → q“, sowie bestimmte Sätze der Phlogistontheorie. Auch der Schritt vom expliziten Für-wahr-Halten zum impliziten Für-wahr-Halten hilft hier offen151 152

Ebenda: 352. Boghossian 2003: 23.

144

sichtlich nicht weiter.153 Denn die Sätze bleiben falsch und es ist unplausibel, dass wir bestimmte Sätze der Phlogistontheorie implizit für wahr halten müssen, um mit „Phlogiston“ PHLOGISTON auszudrücken. Mithin scheint die Behauptung (i) falsch zu sein. Doch dann scheint es auch falsch, dass wir a priori gerechtfertigt wären, diese Sätze für wahr zu halten. D.h. aufgrund der Falschheit von (i) ist auch (ii) falsch. Boghossians Antwort auf dieses Problem ist eng verwandt mit der Einführung von Carnap-Sätzen: Even if the [phlogiston] theorist were certain that there is such a property, he should want the concept he expresses by that term to leave it open whether there is. He should allow for the conceptual possibility that he is mistaken; and he should certainly allow others to intelligibly disagree with him about its instantiation. The concept itself should not be designed in such a way that only those who believe a certain creed are allowed to possess it.154

Wäre der Begriff PHLOGISTON derart beschaffen, dass das implizite Fürwahr-Halten bestimmter Sätze der Phlogistontheorie notwendig wäre, um den Begriff erfassen und ausdrücken zu können, dann wäre der Begriff laut Boghossian epistemisch mangelhaft. Sinnvolle Fragen der Instantiierung des Begriffs wären trivialerweise, weil begrifflich ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist das implizite Für-wahr-Halten bestimmter Sätze der Phlogistontheorie laut Boghossian auch nicht a priori gerechtfertigt. Vielmehr müssen Begriffe, wann immer möglich, derart beschaffen sein bzw. eingeführt werden, dass Fragen ihrer Instantiierung nicht begrifflich ausgeschlossen sind. Und dabei hilft das Konditionalisieren nach dem Modell der Carnap-Sätze. Es ist laut Boghossian also das implizite Fürwahr-Halten der Carnap-Sätze „ (∃x )(# x ) → (# f ) “, das notwendig ist, um den Begriff F erfassen und ausdrücken zu können. Und in dem impliziten Fürwahr-Halten der Carnap-Sätze sind Erkenntnissubjekte aufgrund dieses semantischen Sachverhaltes a priori gerechtfertigt.

153

Zudem ist es nicht einmal klar, ob man die beiden Sätze „p → (p tonk q)“ und „(p tonk q) → q“ überhaupt implizit für wahr halten kann. Denn wie sähe ein Verhaltensmuster aus, das im Einklang mit beiden Sätzen stünde? 154 Ebenda: 29f.

145

Ohne eine hinreichende epistemische Begründung von „ (∃x )# x “ sollte man hingegen die Axiome derart konditionalisierter Begriffe nicht Fürwahr-Halten, weder explizit, noch implizit. Denn bei Zuwiderhandlung agiert man epistemisch unverantwortlich und tadelswert. Die epistemische Rechtfertigung von „ (∃x )# x “ ist jedoch wahrscheinlich a posteriori. Entsprechend ist das gerechtfertigte Für-wahr-Halten der Axiome konditionalisierter Begriffe wahrscheinlich ebenfalls a posteriori. Die Axiome konditionalisierter Begriffe liefern daher keine Basis für apriorische Erkenntnis.155 Mit diesem Argument entgeht Boghossian anscheinend dem obigen Einwand, dass weder Leibniz noch Newton die Peano-Axiome kannten und daher den Carnap-Satz von „ist Nachfolger von“ auch nicht für wahr halten konnten. Denn die Kenntnis der Peano-Axiome ist nur dann nötig, wenn gefordert wäre, der Carnap-Satz müsse explizit für wahr gehalten werden. Laut Boghossian ist indessen nur das implizite Für-wahr-Halten des Carnap-Satzes notwendig. Wie man den Carnap-Satz ohne Kenntnis der Peano-Axiome implizit Für-wahr-Halten kann, lässt Boghossian jedoch offen. Bisher sind wir einer Charakterisierung epistemischer Analytizität nur einen kleinen Schritt näher gekommen. Denn wie zuvor muss sich Boghossian den Vorwurf gefallen lassen, bisher maximal eine Erklärung für die apriorische Erkenntnis der Wahrheit der Carnap-Sätze liefern zu können. Nun gilt laut Boghossian aber: Not every meaningful term in a language can be thought of as expressing a concept that conditionalizes on the existence of an appropriate semantic value for it. In particular, a certain number of logical concepts will be presupposed in any 155

David Lewis hat darauf hingewiesen, dass „# f“ auch unabhängig von einer Begründung für die Existenzaussage gerechtfertigt für wahr gehalten werden kann, nämlich dann, wenn es aufgrund diverser epistemischer Kriterien als plausible Theorie erscheint. Dies kann wiederum als abduktive Begründung der Existenzaussage aufgefasst werden. Die Begründung der Theorie ist dann aber wahrscheinlich a posteriori. Bspw. könnte behauptet werden, dass wir berechtigt sind, an die Existenz von fs zu glauben, weil die Theorie viele Phänomene erklären oder besser erklären kann. Sätze qua Ausdruck konstitutiver Inferenzen liefern uns aber keine apriorische Begründung für die Existenz von fs. Vgl. Horwich: 1998: 134.

146

conditionalization and those that are so presupposed will not themselves have conditionalized versions.156

Boghossian zieht also noch eine zweite Konsequenz aus Quines Kritik an der Technik der impliziten Definition: Nicht nur muss das Für-wahr-Halten implizit verstanden werden, auch muss es in jeder Sprache nichtkonditionalisierte Begriffe geben.157 Die Unterscheidung zwischen konditionalisierten Begriffen und nicht-konditionalisierten Begriffen, so Boghossian, ist wesentlich für ein Verständnis des epistemischen Status der Axiome nicht-konditionalisierter Begriffe. Betrachten wir als Beispiel den Konditionalausdruck „→“ und die Konditionaltheorie „#→“. Normalerweise sollte, so Boghossian, der Konditionalbegriff derart beschaffen sein, dass lediglich das implizite Fürwahr-Halten des entsprechenden Carnap-Satzes „ (∃x )(# x ) → (# →) “ notwendig ist, um den Begriff erfassen und ausdrücken zu können. Nun setzt das implizite Für-wahr-Halten des Carnap-Satzes jedoch augenscheinlich voraus, dass man bereits implizit (!) über den Konditionalbegriff verfügt. Andernfalls wäre nicht ersichtlich, wie man sich entsprechend der Wahrheit des Carnap-Satzes, der ja selbst ein Konditionalsatz ist, verhalten könne. Daher, so Boghossian, ist der Konditionalbegriff in diesem Fall ein nichtkonditionalisierter Begriff. Für diese und nur für diese Begriffe gilt: Das implizite Für-wahr-Halten der Axiome „#f“ ist notwendig, um den Begriff F erfassen und ausdrücken zu können. Wenn dies stimmt, so Boghossian, dann kann aber auch keine epistemische Begründung von „ (∃x )# x “ für das implizite Für-wahr-Halten der Axiome „#→“ verlangt werden. Daher gilt anscheinend: Das implizite Fürwahr-Halten der Axiome eines nicht-konditionalisierten Begriffs „couldn‘t be epistemically irresponsible“, „one could hardly be blamed for“158. Denn

156

Boghossian 2003: 32. Streng genommen ist kein logischer Begriff intrinsisch nicht-konditionalisiert. So lassen sich bspw. die Carnap-Sätze auch ohne den Konditionalausdruck mithilfe des Disjunktionsausdrucks, Existenzquantors und des Negationsausdrucks ausdrücken: „ (∃x )(~# x∨ # f ) “. Dann wären allerdings der Disjunktionsbegriff, der Existenzbegriff sowie der Negationsbegriff nicht-konditionalisiert. 158 Ebenda: 33. 157

147

„there is no alternative but to accept ‘conditional theory’“159. Daher, so Boghossian, sind Erkenntnissubjekte a priori gerechtfertigt, die entsprechenden Axiome implizit für wahr zu halten. Boghossian verbindet also implizite Definitionen, Konditionalisierungen sowie implizites Für-wahr-Halten, um die apriorische Rechtfertigung basaler logisch wahrer Sätze zu erklären. Bspw. beabsichtigt er auf diese Weise zu erklären, weshalb wir a priori gerechtfertigt sind, den Modus ponendo ponens für gültig zu erachten. Diese besonderen Axiome nicht-konditionalisierter Begriffe verwendet er in einem zweiten Schritt als Basis für die Erklärung der Apriorität vieler anderer Sätze. Füttert man nämlich einige Argumentschemata mit diesen Axiomen, so ist man in der Lage, auch die Apriorität von Sätzen zu erklären, die selbst keine Axiome nicht-konditionalisierter Begriffe sind. Boghossian akzeptiert also das oben angeführte Argument, dass der Schritt von den Axiomen zu den Carnap-Sätzen die Erklärung der Apriorität aller apriorischen Sätze bedroht, meint aber, diesen Einwand auf die soeben erläuterte Weise entkräften zu können.160 Ich werde im Folgenden dieser letzten Behauptung nicht weiter nachgehen. Denn sowohl die Trennung epistemischer von metaphysischer Analytizität als auch die apriorische Rechtfertigung der Axiome nicht-konditionalisierter Begriffe scheinen bereits problematisch zu sein. 8. Zwei Einwände gegen epistemische Analytizität Die folgenden Einwände sollen zeigen, dass epistemische Analytizität entweder doch nicht von metaphysischer Analytizität unabhängig ist, oder epistemische Analytizität keine epistemische, d.h. wahrheitsindikative Rechtfertigung liefern kann (auch wenn der Namen anderes nahelegt). Ich möchte Boghossians Charakterisierung epistemischer Analytizität also mit einem Dilemma konfrontieren. Das erste Horn des Dilemmas wurde durch Margolis und Laurence erläutert. Sie haben gegen Boghossian eingewendet, dass die Begriffe der metaphysischen und der epistemischen Analytizität doch abhängig vonei159 160

Ebenda: 33. Vgl. Ebenda: 20.

148

nander sind.161 Denn wenn die Wahrheit des Satzes „p“ einerseits durch seine Bedeutung (bedeutet, dass p) und andererseits durch die Beschaffenheit der Welt (der Sachverhalt, dass p) bestimmt ist – was Boghossian selbst vehement verteidigt –, dann kann eine a priori gerechtfertigte Überzeugung, dass „p“ bedeutet, dass p, nicht hinreichend für eine a priori gerechtfertigte Überzeugung, dass „p“ wahr ist, sein. Es ist darüber hinaus nämlich offensichtlich eine a priori gerechtfertigte Überzeugung in das Bestehen des Sachverhaltes, dass p, notwendig. Wenn also die Wahrheit jedes Satzes nicht allein durch seine Bedeutung bestimmt ist, wie könnte das bloße Erfassen der Bedeutung hinreichend für eine a priori gerechtfertigte Überzeugung in die Wahrheit der Sätze sein? Wenn diese Überlegung richtig ist, dann scheint die Koppelung der epistemischen Analytizität an die metaphysische Analytizität, wie sie im Logischen Empirismus behauptet wurde, verständlich und geradezu folgerichtig. Denn wenn behauptet wird, dass einige Sätze ausschließlich eine sprachliche Wahrheitskomponente haben, d.h. allein aufgrund ihrer Bedeutungen wahr sind, dann scheint prinzipiell für diese Sätze das bloße Erfassen ihrer Bedeutungen hinreichend für eine gerechtfertigte Überzeugung in die Wahrheit dieser Sätze sein zu können. D.h. jedoch, die Möglichkeit epistemisch analytischer Sätze scheint nur für Sätze verständlich, die ausschließlich über eine sprachliche Wahrheitskomponente verfügen. Also scheint epistemische Analytizität nur dann verständlich, wenn sie an metaphysische Analytizität gekoppelt ist, so der Einwand von Margolis und Laurence. Boghossians gibt eine Erwiderung auf diesen Einwand. Zunächst versucht er aus dem Argument von Margolis und Laurence ein allgemeines Prinzip, das der Gültigkeit ihres Argumentes zugrunde liegen soll, zu extrahieren. Anschließend präsentiert er eine Instanz des Prinzips, um zu zeigen, dass dieses Prinzip nicht wahr, nicht allgemeingültig ist. Wenn Boghossian Recht hat, dann ist das Argument also nicht schlüssig, zumindest nicht hinreichend als schlüssig begründet. Mithin sieht er keinen Grund, die Abhängigkeit epistemischer Analytizität von metaphysischer Analytizität zu akzeptieren.

161

Margolis; Laurence 2001: 294.

149

Laut Boghossian liegt dem Argument von Margolis und Laurence das folgende Prinzip zugrunde: Wenn „p“ nicht allein aufgrund von q, sondern auch aufgrund von r wahr ist, dann ist die gerechtfertigte Überzeugung, dass q, nur zusammen mit der gerechtfertigten Überzeugung, dass r, hinreichend für die gerechtfertigte Überzeugung, dass „p“ wahr ist. Boghossians Gegenbeispiel ist der Satz „Dies ist Wasser“. Das Antezedens des Prinzips angewendet auf dieses Beispiel lautet laut Boghossian: „Dies ist Wasser“ ist nicht allein aufgrund des Aussehens oder Geruchs dieser Substanz (q) wahr, sondern auch aufgrund der Eigenschaft dieser Substanz, H2O zu sein (r). Wäre das Prinzip wahr, so Boghossian, dann müsste auch das Konsequens gelten: Die gerechtfertigte Überzeugung, dass diese Substanz so-und-so aussieht oder so-und-so riecht (q), ist nur zusammen mit der gerechtfertigten Überzeugung, dass diese Substanz H2O ist (r), hinreichend für die gerechtfertigte Überzeugung, dass der Satz „dies ist Wasser“ wahr ist. Dagegen, d.h. letztlich gegen die allgemeine Wahrheit des Prinzips, wendet Boghossian völlig zu Recht ein: „However, it doesn’t follow that I could never be justified in holding some stuff to be water without my first being justified in believing it to be H2O“162. Obgleich ich Boghossian in der letzten Behauptung nur zustimmen kann, vermag sie mich als Erwiderung auf Margolis und Laurences Argument aus vier Gründen nicht zu überzeugen. Erstens ist die Aussage, der Satz „dies ist Wasser“ sei u.a. aufgrund des Aussehens oder Geruchs der anvisierten Substanz (q) wahr, entweder falsch oder enthält eine ungewöhnliche Verwendung von „wahr aufgrund von“. Jedenfalls ist es nicht diejenige Verwendung, die in der Charakterisierung der metaphysischen Analytizität und in Margolis und Laurences Argument vorkommt. Meines Erachtens ist also das von Boghossian formulierte Antezedens „Der Satz ‚Dies ist Wasser‘ ist nicht allein aufgrund des Aussehens oder Geruchs dieser Substanz wahr, sondern auch aufgrund der Eigenschaft dieser Substanz, H2O zu sein“ falsch. Zweitens, und mit dem ersten Grund zusammenhängend, ist eine gerechtfertigte Überzeugung, dass diese Substanz so-und-so aussieht oder sound-so riecht, durchaus ein guter Grund für die Überzeugung, dass dies 162

Boghossian 2003: 18.

150

Wasser ist, weil es eine gesetzesartige Verbindung zwischen dem Aussehen oder Geruch einer Substanz einerseits und ihrer chemischen Struktur andererseits gibt bzw. weil wir an eine solche Verbindung glauben. Doch besteht keine gesetzesartige Verbindung zwischen der Bedeutung eines Satzes und der Wahrheit dieses Satzes, so dass der Glaube in das Exemplifiziertsein einer Bedeutung uns in dem Glauben rechtfertigt, dass der Satz wahr ist. Vor allem Boghossian, der einerseits die Bedeutungen epistemisch analytischer Sätze als durch implizite Definitionen festgelegt, andererseits die Wahrheit epistemisch analytischer Sätze als u.a. durch die Welt bestimmt auffasst, muss dieser Behauptung zustimmen. Die Bedeutung eines epistemisch analytischen Satzes ist (zumindest im Falle impliziter Definition) kein Indikator für das Vorliegen des Wahrmachers des Satzes (es sei denn, diese Sätze wären auch metaphysisch analytisch, was Boghossian jedoch vehement bestreitet). Drittens scheint das ganze Beispiel in einer Debatte über epistemische Analytizität seltsam gewählt. Denn erstens ist der Satz unbestritten synthetisch und die Wahrheit des Satzes sicher nur a posteriori erkennbar. Zweitens geht es (daher?) in dem Beispiel nicht mehr um die Frage, ob eine gerechtfertigte Überzeugung, dass „dies ist Wasser“ dies ist Wasser bedeutet, hinreichend ist für die gerechtfertigte Überzeugung, dass „dies ist Wasser“ wahr ist. Boghossian scheint in seinem Beispiel für (q) schlicht das Thema zu wechseln. Dieser Themenwechsel könnte sich dem zugrundeliegenden Prinzip verdanken, welches Boghossian zu widerlegen versucht. Dieses Prinzip ist viertens jedoch alles andere als wohlwollend rekonstruiert. Denn letztlich gibt es eine ganze Reihe solcher Prinzipien, die dem Argument zugrunde gelegt werden können, so dass das Argument stets ungültig ist. Diese Prinzipien unterscheiden sich u.a. hinsichtlich ihrer Allgemeinheit und daher hinsichtlich ihrer Plausibilität. Mir scheint, Boghossian hat nun eine Variante gewählt, die unnötig allgemein gehalten und daher wenig plausibel ist. Margolis und Laurences Argument ist jedoch Teil einer Debatte, in der es erstens um eine Erklärung apriorischer Erkenntnis auf der Basis des Erfassens von Bedeutung geht. Entsprechend sollte das Prinzip auf diesen Fall beschränkt und nicht auf Erkenntnis im Allgemeinen, d.h. apriorische oder aposteriorische, bezogen werden. Zweitens geht es im Argument um die Möglichkeit der Abkoppelung epistemischer Analytizität von metaphy-

151

sischer Analytizität. Daher sollte das Prinzip nicht die Abhängigkeit der Wahrheit eines Satzes von zwei weltlichen, sondern von einer weltlichen und einer sprachlichen Wahrheitskomponente berücksichtigen. Ein wohlwollendes Prinzip, das diesen Aspekten Rechnung trägt, ist offensichtlich: Wenn „p“ nicht allein aufgrund seiner Bedeutung (q), sondern auch aufgrund der Welt (r) wahr ist, dann ist die a priori gerechtfertigte Überzeugung, dass (q), nur zusammen mit der a priori gerechtfertigten Überzeugung, dass (r), hinreichend für die a priori gerechtfertigte Überzeugung, dass „p“ wahr ist. Boghossians Beispiel widerlegt dieses Prinzip jedoch nicht. Vielmehr scheint es eine bestätigende Instanz zu sein. Denn „dies ist Wasser“ ist nicht allein aufgrund seiner Bedeutung, sondern auch aufgrund der Welt wahr. D.h. das Antezedens ist erfüllt. Doch auch das Konsequens scheint erfüllt. Denn die a priori gerechtfertigte Überzeugung, dass „dies ist Wasser“ bedeutet, dass dies Wasser ist, ist alleine nicht hinreichend für die a priori gerechtfertigte Überzeugung, dass „dies ist Wasser“ wahr ist. Zudem verdeutlicht dieses Prinzip den allgemeinen Einwand von Margolis und Laurence. Wenn jeder Satz u.a. aufgrund der Beschaffenheit der Welt wahr ist, dann scheint eine a priori gerechtfertigte Überzeugung über die Beschaffenheit der Welt notwendig für eine a priori gerechtfertigte Überzeugung in die Wahrheit des Satzes. Doch wie ist das möglich, wenn die letzte Überzeugung eine Überzeugung über die Beschaffenheit der Welt ist? Eine Möglichkeit, dieses Mysterium aufzulösen, besteht augenscheinlich darin, die weltliche Wahrheitskomponente zu leugnen – so wie es die Logischen Empiristen taten. Margolis und Laurences Bedenken bleiben also allem Anschein nach bestehen. Wenn epistemisch analytische Sätze u.a. aufgrund der Welt wahr sind, wie sind epistemisch analytische Sätze dann überhaupt möglich? Ungeachtet der vorherigen Überlegungen, welche die Möglichkeit einer Trennung der epistemischen von der metaphysischen Analytizität in Frage stellen, scheint Boghossians Charakterisierung epistemischer Analytizität ein weiteres Problem zu haben.

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Es gibt zumindest163 zwei Gründe, an der epistemischen Begründung der Grundsätze zu zweifeln. Der erste Grund ist der Übergang von der Behauptung, es gäbe nichtkonditionalisierte Begriffe zu der Behauptung, die Sätze, die die bedeutungskonstitutiven Inferenzen dieser Begriffe ausdrücken, seien a priori gerechtfertigt. Denn es könnte eingewendet werden, dass wir zwar einerseits nicht umhin können, die Axiome bspw. des Konditionalausdrucks unbegründet bzw. blind und implizit für wahr zu halten, weil der Konditionalbegriff nicht-konditionalisiert ist, doch gerade weil wir keine Gründe für ihre Wahrheit anführen können, ist unser implizites Für-wahr-Halten andererseits auch nicht a priori gerechtfertigt. Anders formuliert: Selbst wenn wir in dem impliziten Für-wahr-Halten der Axiome des Konditionalausdrucks nicht epistemisch unverantwortlich agieren bzw. uns epistemisch tadellos verhalten, weil der Konditionalbegriff nicht-konditionalisiert ist, so agieren wir doch nicht automatisch epistemisch verantwortlich bzw. lobenswert. Nicht getadelt zu werden ist halt nicht dasselbe wie gelobt zu werden. Daher kann hier von apriorischer Rechtfertigung nicht die Rede sein. Zweitens: Nehmen wir an, dass bspw. der Konditionalbegriff nichtkonditionalisiert ist. Entsprechend können wir nicht umhin, um den Begriff zu erfassen und auszudrücken, bspw. den Satz „[p & (p → q)] → q“ implizit für wahr zu halten, d.h. uns im Einklang mit der Wahrheit dieses Satzes zu verhalten. Boghossian hat jedoch zugestanden, dass die Wahrheit dieses Satzes nichtsdestotrotz von der Beschaffenheit der Welt abhängt. Entsprechend eröffnet sich die (epistemische!) Möglichkeit, dass wir einerseits nicht umhin können, diesen Satz implizit für wahr zu halten, dieser Satz andererseits aber falsch ist. Zumindest liefert Boghossian kein weiteres Argument, weshalb aus dem Sachverhalt, dass wir nicht anders können, als diesen Satz implizit für wahr zu halten, folgt, dass die Welt wirklich so beschaffen sein muss, wie der Satz dies darstellt, oder dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass die Welt so beschaffen ist. Doch ohne einem sol163

Es sind zumindest zwei Gründe, weil darüber hinaus völlig unklar bleibt, wie der Schritt vom impliziten Für-wahr-Halten, einem „know-how“, zu apriorischer Erkenntnis, einem „know-that“, vollzogen wird. Boghossian schweigt sich zu diesem Übergang leider aus. Auch ich werde darauf nicht eingehen.

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chen Argument folgt aus der Existenz nicht-konditionalisierter Begriffe nicht per se die apriorische Rechtfertigung der entsprechenden Axiome, schlicht weil die sogenannte Rechtfertigung nicht wahrheitsindikativ und daher gar nicht epistemisch ist. Man kann Boghossian also in einem Sinn Recht geben. Dass wir nicht umhin können, die Axiome bspw. der Konditionaltheorie implizit für wahr zu halten, macht unser Verhalten in einem gewissen Sinn tadellos. Und in diesem Sinn kann man durchaus behaupten, wir seien in unserem impliziten Für-wahr-Halten gerechtfertigt. Nur handelt es sich hier augenscheinlich aber um eine Form der pragmatischen Rechtfertigung und nicht um eine epistemische. Nur wenn der Umstand, dass wir bestimmte Sätze nicht implizit für falsch halten können, ein objektiver Grund dafür wäre, dass diese Sätze wahr oder zumindest wahrscheinlich wahr wären, nur dann läge eine Form epistemischer Rechtfertigung vor. Wir haben nun eine weitere Charakterisierung der Analytischsynthetisch-Unterscheidung erörtert. Auch diese Unterscheidung erweist sich als problematisch. Fodors und Lepores Argument sieht sich daher noch immer keiner Kritik ausgesetzt. Und noch immer kann das Fehlschlagen der Analytisch-synthetisch-Unterscheidung zu Gunsten des Holismus ins Feld geführt werden. 9. Analytizität, Notwendigkeit, Apriorität Bevor ich abschließend auf Devitts Einwand gegen Fodors und Lepores Argument und somit auch gegen den Holismus eingehe, möchte ich an dieser Stelle ganz allgemein auf die Beziehungen zwischen Analytizität, Notwendigkeit und Apriorität zu sprechen kommen. Wir haben bereits gesehen, dass einige der Beziehungen zwischen diesen Eigenschaften in der Diskussion an verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle spielen. Im Logischen Empirismus gelten die Ausdrücke „analytisch“, „notwendig“ und „a priori“ als koextensional. Und der Analytizität wurde insofern eine zentrale Stellung zugesprochen, als diese Eigenschaft die Basis für eine Erklärung der Notwendigkeit und der Apriorität bilden sollte. Aufgrund dieser zentralen Stellung der Analytizität im Rahmen des Logischen Empirismus sind die Charakterisierungen der Analytizität derart anfällig für Quines Kritik.

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Im Lichte der Entwicklung der Bedeutungstheorie sowie der Modallogik im 20. Jahrhundert ist jedoch mehr als fraglich, ob die Ausdrücke „analytisch“, „notwendig“ und „a priori“ wirklich koextensional sind. Und einhergehend damit ist ebenso fraglich, ob der Analytizität wirklich diese zentrale Stellung in der Erklärung der Notwendigkeit und Apriorität zukommen kann. Analytizität, Notwendigkeit und Apriorität sind u.a. Eigenschaften von Propositionen. Zwei Beziehungen zwischen diesen Eigenschaften sind recht unumstritten und werden auch im Folgenden vorausgesetzt. Erstens impliziert die Analytizität einer Proposition ihre Apriorität. Zweitens impliziert die Analytizität einer Proposition ihre Notwendigkeit.164 10. Apriorität Bevor ich auf die weiteren Verhältnisse eingehe, ist es hilfreich, die A priori-a posteriori-Unterscheidung ein wenig genauer zu treffen. Einer ersten Charakterisierung zufolge ist eine Proposition genau dann a priori, wenn wir den Wahrheitswert dieser Proposition unabhängig von Erfahrung erkennen können.165 Und eine Proposition ist genau dann a posteriori, wenn wir ihren Wahrheitswert mittels Erfahrung erkennen können. Ich werde eine Proposition genau dann als hybrid bezeichnen, wenn wir ihren Wahrheitswert sowohl unabhängig von als auch mittels Erfahrung erkennen können. Hybride Propositionen, sofern es welche gibt, sind gemäß der ersten Charakterisierung sowohl a priori als auch a posteriori. Die Unterscheidung wäre somit nicht ausschließend. Paul Boghossian und Christopher Peacocke tragen hybriden Propositionen Rechnung, indem sie die erste Charakterisierung entsprechend anpassen: An a priori proposition is one such that there is a way of coming to know it under which the thinker’s entitlement to accept the proposition does not involve 164

Die Proposition p ist genau dann analytisch, wenn sie analytisch wahr oder analytisch falsch ist. Analytisch zu sein ist ein allgemeiner, analytisch wahr zu sein ein spezifischer semantischer Status. Analog ist notwendig zu sein ein allgemeiner, notwendig wahr zu sein ein spezifischer modaler Status. Vgl. Casullo 2003: 91. 165 Den Wahrheitswert einer Proposition erkennen, heißt wissen, dass p, falls die Proposition p wahr ist, bzw. wissen, dass non-p, falls die Proposition p falsch ist.

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the character of the thinker’s experience. An a posteriori proposition is one such that any way of coming to know it will involve an entitlement which does concern the character of the thinker’s experience.166

Hybride Propositionen werden als a priori klassifiziert: (Def. 1) Eine Proposition ist genau dann a priori, wenn wir ihren Wahrheitswert erkennen können und mindestens eine der Erkenntnisweisen unabhängig von Erfahrung ist. (Def. 2) Eine Proposition ist genau dann a posteriori, wenn wir ihren Wahrheitswert erkennen können und jede Erkenntnisweise Erfahrung einschließt, d.h. wenn wir ihren Wahrheitswert nur mittels Erfahrung erkennen können. Zwei Konsequenzen dieser Definitionen sind hervorzuheben. Erstens sind Propositionen, deren Wahrheitswerte für uns unerkennbar sind, weder a priori noch a posteriori. Diese Eigenschaften kommen per definitionem nur Propositionen zu, deren Wahrheitswerte wir erkennen können. Innerhalb der Klasse aller Propositionen ist diese Unterscheidung also nicht erschöpfend. Zweitens ist innerhalb der Klasse der alethisch erkennbaren Propositionen jedes Element entweder a priori oder a posteriori. Hinsichtlich der alethisch erkennbaren Propositionen ist die Unterscheidung somit ausschließend und erschöpfend.167 166

Boghossian; Peacocke 2000: 2. Es gibt ein Verständnis von „a priori“ und „a posteriori“, in dem diese Ausdrücke auch auf Propositionen zutreffen, deren Wahrheitswerte wir nicht erkannt haben, und zwar unabhängig davon, ob wir sie erkennen können oder nicht. Die Goldbachsche Vermutung ist bspw. eine mathematische Proposition, deren Wahrheitswert uns unbekannt ist. Die Wahrheitswerte mathematischer Propositionen, deren Wahrheitswerte wir erkannt haben, konnten wir unabhängig von der Erfahrung erkennen. Es scheint daher: Wir können den Wahrheitswert der Goldbachschen Vermutung unabhängig von Erfahrung erkennen, wenn wir ihn überhaupt erkennen können. Also ist es vernünftig, nach einer erfahrungsunabhängigen Rechtfertigung (sprich: einem Beweis) dieser Proposition zu suchen. Selbst wenn die Goldbachsche Vermutung eine Proposition sein sollte, deren Wahrheitswert für uns unerkennbar ist, kann sie in diesem Sinne 167

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11. Impliziert Notwendigkeit Apriorität? Wenden wir uns nun weiteren Verhältnissen zwischen den drei Eigenschaften zu. Saul Kripke 1980 behauptet bekanntlich, die Implikationsthese (Impl.) Wenn eine Proposition notwendig ist, dann können wir ihren Wahrheitswert unabhängig von Erfahrung erkennen. sei falsch. Hingegen hält er die Existenzthese (Exist.) Es gibt notwendige Propositionen, deren Wahrheitswerte wir nur mittels Erfahrung erkennen können. für wahr. Die erste Konsequenz der A priori-a posteriori-Unterscheidung legt bereits eine Schwachstelle der Implikationsthese offen und erhärtet somit Kripkes Behauptung. (Impl.) besagt, dass wir den Wahrheitswert jeder notwendigen Proposition unabhängig von Erfahrung erkennen können. Von einem realistischen Standpunkt aus betrachtet, sollten jedoch notwendige Propositionen nicht ausgeschlossen werden, deren Wahrheitswerte für uns gar nicht erkennbar sind. Unter diesen Umständen gibt es notwendige Propositionen, die nicht a priori sind, weil sie gar nicht alethisch erkannt zu werden vermögen. (Impl.) ist falsch. Den Freunden aposteriorischer Notwendigkeit (Exist.) ist damit jedoch nicht gedient. Denn die nicht-erkennbaren, notwendigen Propositionen sind den Definitionen entsprechend auch nicht a posteriori. Der Schluss von der Nicht-Apriorität einer notwendigen Proposition auf ihre Aposteriorität (Exist.) ist blockiert.168 Wenn wir einen realistischen Standpunkt einnehmen, folgt somit die Falschheit der Implikationsthese (Impl.), jedoch nicht ohne Weiteres die Wahrheit der Existenzthese (Exist.). Die

dennoch als a priori klassifiziert werden. Ich werde dieses Verständnis im Folgenden unberücksichtigt lassen. 168 Nicht-Apriorität impliziert nur zusammen mit Erkennbarkeit Aposteriorität.

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These, Notwendigkeit impliziere nicht Apriorität, erweist sich als nicht äquivalent mit der These, es gäbe aposteriorische Notwendigkeiten.169 Während Realisten bezüglich des Nichterkennbaren die Existenz notwendiger, aber alethisch unerkennbarer Propositionen akzeptieren dürften, behaupten Antirealisten bezüglich des Nichterkennbaren, dass es zwar notwendige Propositionen gibt, deren Wahrheitswerte de facto nicht erkannt wurde, jedoch keine, deren Wahrheitswerte prinzipiell nicht erkannt werden können. Von einem antirealistischen Standpunkt aus betrachtet ist die These, Notwendigkeit impliziere nicht Apriorität, äquivalent mit der These, es gäbe aposteriorische Notwendigkeiten. In der folgenden Diskussion der Existenzthese werde ich das Problem der alethisch unerkennbaren Propositionen ausklammern und mich auf die alethisch erkennbaren Propositionen beschränken. Nachdem die Gehalte der umstrittenen Implikations- (Impl.) und Existenzthese (Exist.) präzisiert sind, kann nun das Standardargument für die Existenz aposteriorischer Notwendigkeiten bewertet werden. Es wird sich zeigen: Das Standardargument begründet nicht schlüssig die Existenz aposteriorischer Notwendigkeiten. Das Standardargument lautet wie folgt: (P8) Die Proposition (1) Hesperus ist Phosphorus ist notwendig. (P9) Wir haben den Wahrheitswert der Proposition (1) tatsächlich mittels Erfahrung erkannt.170 (K6) Also gibt es zumindest eine notwendige Proposition a posteriori. 169

Dies gilt nicht für das weite Verständnis von „a priori“ und „a posteriori“. Laut des weiten Verständnisses folgt aus der Nicht-Apriorität einer Proposition ihre Aposteriorität. 170 Wohlgemerkt, es geht nur um die Erkenntnis der Wahrheitswerte von notwendigen Propositionen, d.h. um die Erkenntnis, dass p, falls die Proposition p wahr ist, bzw. dass non-p, falls die Proposition p falsch ist. Es geht nicht um die Erkenntnis, dass es eine notwendige Proposition ist bzw. dass der Proposition ihr Wahrheitswert notwendig zukommt.

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So dargestellt ist das Standardargument jedoch ungültig, falls es hybride Propositionen gibt. Denn es ist möglich, den Wahrheitswert einer hybriden Proposition tatsächlich mittels Erfahrung zu erkennen. Hybride Propositionen sind den Definitionen zufolge jedoch a priori. Dass der Wahrheitswert einer Proposition tatsächlich mittels Erfahrung erkannt wurde, ist also nicht hinreichend für die Aposteriorität der Proposition, sofern es hybride Propositionen gibt. Die Gültigkeit des Standardargumentes kann durch eine weitere Prämisse gesichert werden: (P10) Wir können den Wahrheitswert der Proposition (1) nur mittels Erfahrung erkennen. Wenn die Prämisse (P10) wahr ist, dann ist (1) keine hybride Proposition. Folglich gibt es zumindest eine aposteriorische Notwendigkeit. Die Prämisse (P10) sichert zwar die Gültigkeit des Standardargumentes, doch lässt sich nun die Schlüssigkeit des Arguments bestreiten. Die Prämisse (P10), so wird nämlich behauptet, sei falsch. Es wird eingewendet, wir wären durchaus im Stande den Wahrheitswert der Proposition (1) unabhängig von Erfahrung zu erkennen. Denn die Proposition (1) sei doch identisch mit der Proposition (2) Hesperus ist Hesperus. Und dass Hesperus Hesperus ist, vermögen wir unabhängig von Erfahrung zu erkennen. Beim Versuch, diesen Einwand zu entkräften, sehen sich die Vertreter des Standardarguments mit einem Dilemma konfrontiert: Einerseits können sie nicht die Identität der Proposition (1) mit der Proposition (2) akzeptieren; die Aposteriorität der Erkenntnis wäre verloren. Aber was kann diese Propositionen unterscheiden? Wenn die singulären Terme „Hesperus“ und „Phosphorus“ direkt referieren, dann besteht ihre semantischer Beitrag zur Proposition einzig im bezeichneten Objekt. Und wenn die Proposition (1) wahr ist, dann sind die bezeichneten Objekte identisch und die Propositio-

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nen ununterscheidbar.171 Andererseits könnte der semantische Beitrag der singulären Terme über die bezeichneten Objekte hinausgehen, indem er bspw. auch Arten des Gegebenseins enthält. Doch droht nun die Notwendigkeit der Proposition (1) verloren zu gehen: One could, of course, avoid this conclusion by adopting the assumption (foreign to Kripke) that – in addition to predicating identity of Venus and itself – the proposition [(1)] also predicates the properties of being visible in the evening and being visible in the morning of Venus. But then, the proposition will be contingent.172

Das Dilemma besagt also: Entweder können wir den Wahrheitswert der Proposition (1) auch unabhängig von Erfahrung erkennen, dann wäre (1) nicht a posteriori, oder wir können den Wahrheitswert der Proposition (1) nur mittels Erfahrung erkennen, dann wäre (1) aber kontingent. Der Nachweis aposteriorischer Notwendigkeiten misslingt in beiden Fällen. Die Vertreter des Standardarguments sind jedoch nicht geschlagen. Sie könnten zu Recht einwenden, die Beweislast läge bei ihren Gegnern. Die schwer zu erbringende Rechtfertigung der Prämisse (P10) sei nämlich nur dann nötig, wenn die Existenz hybrider Propositionen angenommen wird. Gibt es keine hybriden Propositionen, dann ist der Umstand, dass der Wahrheitswert einer Proposition tatsächlich mittels Erfahrung erkannt wurde, hinreichend für die Aposteriorität der Proposition. Die Gegner des Standardarguments müssten daher zunächst Gründe für die Existenz hybrider Propositionen vorlegen, bevor die Rechtfertigung der Prämisse (P10) überhaupt relevant würde. Als erste Replik kann der Gegner des Standardarguments darauf hinweisen, dass die Existenz hybrider Propositionen weitgehend angenommen wird. Erstens ist die Existenz hybrider Propositionen in die Definitionen apriorischer und aposteriorischer Propositionen eingeflossen. Boghossian und Peacocke definieren die Aposteriorität einer Proposition als ihre Erkennbarkeit nur mittels Erfahrung.173 Die Anwesenheit des Aus171

Zum selben Ergebnis kommt man auch, wenn man Propositionen mit Mengen möglicher Welten identifiziert. Vgl. Williamson 2007: 67. 172 Soames 2006: 294. 173 Vgl. Boghossian, Peacocke 2000: 2.

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drucks „nur“ in der Definition wäre ohne die Existenz hybrider Propositionen überflüssig. Zweitens wird die Prämisse (P10) auch von den Freunden aposteriorischer Notwendigkeiten als relevant und ihre Begründung als nötig erachtet.174 Dieser Umstand deutet auf ein Anerkennen hybrider Propositionen hin. Als eine zweite Gegenmaßnahme kann der Gegner des Standardarguments die folgende Überlegung ins Feld führen: Einerseits können wir den Wahrheitswert der Proposition, dass 2 + 2 = 4, durch Ableitung aus bestimmten Axiomen und Definitionen erkennen, d.h. unabhängig von Erfahrung. Andererseits können wir den Wahrheitswert dieser Proposition durch Zählexperimente, d.h. mittels Erfahrung erkennen. So schreiben wir Mathematikern der Antike durchaus berechtigt das Wissen zu, dass 2 + 2 = 4, obgleich kein Mathematiker der Antike über eine Ableitung aus den Peanound Identitätsaxiomen verfügte. Unbestritten führen beide Erkenntnisweisen zu verschiedenen Graden an Glaubwürdigkeit. Dennoch scheint es sowohl erfahrungsunabhängige als auch erfahrungsabhängige Weisen zu geben, das Wissen zu erlangen, dass 2 + 2 = 4. Diese Proposition ist mithin hybrid. Nicht nur wird die Existenz hybrider Propositionen also von beiden Seiten anerkannt, die Existenz hybrider Propositionen ist überdies recht plausibel. Die schwer zu erbringende Rechtfertigung der Prämisse (P10) ist daher wesentlich für den Erfolg des Standardarguments und steht aus. 12. Kitchers Argument Die Behauptung, Notwendigkeit impliziere Apriorität, wird jedoch durch ein weiteres Argument bedroht. Dieses Argument von Philip Kitcher175 beruht auf der Verstarrung von Sätzen vermittels des Aktualitätsoperators und scheint unabhängig von Beispielen die Implikationsthese (Impl.) direkt zu widerlegen. (Dass der Schein unter Umständen trügt, wird später noch relevant.)

174 175

Vgl. u.a. Kitcher 1980: 98; Soames 2006: 294. Vgl. Kitcher 1980: 99.

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Kitchers erste Prämisse besagt: (P11) Wenn der f g ist, dann ist es notwendig wahr, dass der aktuale f aktual g ist. Betrachten wir Sätze der Form „Der f ist g“ und ihre erstarrten Varianten „Der aktuale f ist aktual g“. „Der aktuale f“ referiert, so wie wir den Ausdruck verwenden, in jeder Welt auf den Referenten des Ausdrucks „der f“ in der aktualen Welt, sagen wir: b. Die Extension des Ausdrucks „ist aktual g“, so wie wir den Ausdruck verwenden, ist in jeder Welt dieselbe wie die Extension des Ausdrucks „ist g“ in der aktualen Welt, sagen wir: die Menge β. Sätze der Form „Der aktuale f ist aktual g“ sind in einer Welt wi nur dann wahr, wenn b ein Element von β ist. Wenn „Der f ist g“ in der aktualen Welt wahr ist, dann ist b ein Element von β. Also: Wenn „Der f ist g“ wahr ist, dann ist „Der aktuale f ist aktual g“ notwendig wahr. Kitcher nimmt an: (P12) Der f ist g. Aus (P11) und (P12) folgt: (K7) Es ist notwendig wahr, dass der aktuale f aktual g ist. Als Reduktionsannahme fügt Kitcher eine Instanz der Implikationsthese (Impl.) hinzu: (Impl.) Wenn es notwendig wahr ist, dass p, dann können wir unabhängig von Erfahrung wissen, dass p. Aus (K7) und (Impl.) folgt: (K8) Wir können unabhängig von der Erfahrung wissen, dass der aktuale f aktual g ist. Soweit zunächst Kitchers Argument. Inwiefern bedroht die Konklusion

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(K8) die Implikationsthese? Es gibt sicherlich Instanzen von (K8), die wahr sind, bspw.: (K8*) Wir können unabhängig von Erfahrung wissen, dass die aktual kleinste Primzahl aktual gerade ist.176 Wir verfügen über diese apriorische Erkenntnis, weil wir über die beiden folgenden apriorischen Erkenntnisse verfügen: (P11) Wenn der f g ist, dann ist es notwendig wahr, dass der aktuale f aktual g ist und (P12*) Die kleinste Primzahl ist gerade. Wir verfügen also über die apriorische Erkenntnis, dass die aktual kleinste Primzahl aktual gerade ist, weil wir dies aus den beiden apriorischen Erkenntnissen (P11) und (P12*) schließen können. Wenn (Impl.) wahr ist, dann muss (K8) jedoch für alle Instanzen wahr sein, für die gilt, dass der f g ist, nicht nur für diejenigen Instanzen, von denen wir unabhängig von Erfahrung wissen, dass der f g ist. Bspw. muss auch gelten: (K8**) Wir können unabhängig von Erfahrung wissen, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat177 ist. Wäre (Impl.) wahr, dann müssten wir den Wahrheitswert der Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, unabhängig von Erfahrung erkennen können. Dies mutet absurd an, weil es, analog zur

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Dass die kleinste Primzahl gerade ist, ist bereits notwendig. Die Verstarrung ist in diesem Fall also redundant. 177 „Demokrat zu sein“ wird als Abkürzung für „Mitglied der Demokratischen Partei der USA zu sein“ verwendet.

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vorangehenden Überlegung, zu erfordern scheint, dass wir unabhängig von Erfahrung das Folgende müssten wissen können: (P12**) Der 44. Präsident der USA ist Demokrat. Weil nicht ersichtlich ist, wie wir unabhängig von Erfahrung (P12**) wissen können, haben wir laut Kitcher allen Grund (Impl.) zu verwerfen: (K9) (Impl.) ist falsch. Kitchers Argument scheint robuster als das Standardargument. Jedoch setzt Kitchers Argument voraus, dass es nur einen Weg gibt, wie (K8**) wahr sein kann, nämlich nur dann, wenn wir unabhängig von Erfahrung (P12**) wissen können. Wie im Fall des Standardargumentes könnte jedoch eingewendet werden, dass es eine Proposition gibt, die (i) identisch ist mit der Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, deren Wahrheitswert (ii) aber unabhängig von Erfahrung erkannt werden kann. Wenn es eine solche Proposition gibt, dann gibt es einen Weg, wie (K8**) wahr sein kann, ohne dass wir unabhängig von der Erfahrung (P12**) müssten wissen können. Es ist mithin kein absurdes Ergebnis, so der Einwand, wenn mithilfe von (Impl.) abgeleitet zu werden vermag, wir könnten unabhängig von der Erfahrung wissen, dass der aktuale f aktual g ist. Kitchers Argument liefere, so der Einwand, daher keinen Grund, (Impl.) zu verwerfen.178 Die folgende Überlegung könnte diesen Einwand stützen: Betrachten wir den Satz „Der aktuale 44. Präsident der USA ist aktual Demokrat“. Wenn der semantische Beitrag des rigiden Designators „der aktuale 44. Präsident der USA“ zur Proposition einzig im bezeichneten Objekt, Barack Obama, besteht und wenn der semantische Beitrag des Ausdrucks „ist aktual Demokrat“ zur Proposition einzig in der Menge aller Demokraten der 178

Hier wird ersichtlich, dass Kitchers Argument letztlich doch nicht unabhängig von Beispielen aposteriorischer Notwendigkeiten die Implikationsthese angreift, sondern lediglich eine andere Art (vermeintlicher) aposteriorischer Notwendigkeiten ins Feld führt, nämlich dass der aktuale f aktual g ist. Dies ist aber, wie sich noch zeigen wird, unter Umständen ein Vorteil von Kitchers Argument.

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aktualen Welt besteht, also {x | x ist aktual Demokrat}, dann scheint Kitcher recht zu haben. Denn wie sollten wir unabhängig von Erfahrung wissen können, dass Barack Obama ein Element von {x | x ist aktual Demokrat} ist? Es besteht jedoch kein Grund, die Extension von „ist aktual Demokrat“ durch „{x | x ist aktual Demokrat}“ anzugeben. Denn diese Extension ist in der aktualen Welt eindeutig bestimmt, endlich und variiert nicht zwischen möglichen Welten. Die Mengenkennzeichnung „{x | x ist aktual Demokrat}“ muss daher auch nicht von Welt zu Welt neu ausgewertet werden. Wir müssen die betreffende Menge daher nicht durch eine Eigenschaft festlegen, sondern können schlicht ihre Elemente aufzählen. Daher kann die Extension von „ist aktual Demokrat“ auch durch „{Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid}“ angeben werden.179 Wenn der semantische Beitrag des Ausdrucks „ist aktual Demokrat“ zur Proposition also einzig in der Menge {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} besteht, dann resultiert daraus die Proposition, dass Barack Obama ein Element von {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} ist. Die Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, ist, wenn sie wahr ist, diesem Einwand zufolge also identisch mit der Proposition, dass Barack Obama ein Element von {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} ist. Und dass Barack Obama ein Element von {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} ist, können wir unabhängig von Erfahrung wissen. Laut diesem Einwand schien es nur so, als könnten wir nicht unabhängig von Erfahrung wissen, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, weil angenommen wurde, diese apriorische Erkenntnis müsse das Ergebnis eines Schlusses aus apriorischen Erkenntnissen sein, weil also vorausgesetzt wurde, dies sei der einzige Erkenntnisweg. Dem Einwand zufolge ist diese Erkenntnis jedoch nicht zwangsläufig das Ergebnis eines Schlusses, sondern kann auch in der Erkenntnis bestehen, dass

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Der Einfachheit halber tue ich hier so, als hätte die Demokratische Partei der USA lediglich drei Mitglieder. Für Hinweise auf und Diskussionen dieser Möglichkeit bin ich Alex Burri, Marco Santambrogio sowie Andrea Bianchi zu Dank verpflichtet.

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Barack Obama ein Element von {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} ist.180 Soweit die schlechte Nachricht für Kitcher. Nun zur (vermeintlich) guten. Die Vertreter des Standardargumentes wurden mit einem Dilemma konfrontiert: Entweder können wir den Wahrheitswert der Proposition (1) auch unabhängig von Erfahrung erkennen, dann wäre (1) nicht a posteriori, oder wir können den Wahrheitswert der Proposition (1) nur mittels Erfahrung erkennen, dann wäre (1) aber kontingent. Dem Nachweis aposteriorischer Notwendigkeiten war in beiden Fällen nicht gedient. Sind die Vertreter von Kitchers Argument mit einem vergleichbaren Dilemma konfrontiert? Das erste Horn des ursprünglichen Dilemmas lässt sich, wie gerade gezeigt, durchaus übertragen. Wie steht es um das zweite Horn des Dilemmas? Wenn man die Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, von der Proposition, dass Barack Obama ein Element von {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} ist, unterscheidet, dann müsste sich die Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, für ein analoges Dilemma als kontingent erweisen. Es ist nicht ganz einsichtig, ob sich das zweite Horn des Dilemmas übertragen lässt. Um über den modalen Status von „Der f ist g“ zu entscheiden, muss man in jeder möglichen Welt wi überprüfen, ob der Referent von „der f“ in wi ein Element von {x | gx} in wi ist. Um über den modalen Status von „Der aktuale f ist aktual g“ zu entscheiden, muss man nur in der aktualen Welt überprüfen, ob b in der aktualen Welt ein Element von {x | gx} ist. Der Aktualitätsoperator verstarrt die Kennzeichnung und das Prädikat. Weil einer Menge ihre Elemente notwendig zukommen, gilt: Wenn Barack Obama Demokrat ist, dann ist die Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, notwendig wahr. Wenn er kein Demokrat ist, dann ist sie notwendig falsch. Dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, scheint mithin nicht kontingent sein zu können. 180

Die apriorische Erkenntnis, dass die aktual kleinste Primzahl aktual gerade ist, scheint deshalb das Ergebnis eines Schlusses zu sein, weil die Extension von „ist aktual gerade“ nicht durch „{2, 4, 6, ...}“ angegeben werden kann. Denn es gibt unendlich viele gerade Zahlen. Daher muss die Extension von „ist aktual gerade“ durch eine Eigenschaft festgelegt werden: {x | x ist aktual gerade}.

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Der Vertreter von Kitchers Argument scheint daher in einer ungleich besseren Situation als der Vertreter des Standardarguments. Denn das Dilemma lässt sich scheinbar nicht ohne Weiteres übertragen. Er muss folglich lediglich eine Konzeption von Propositionen vertreten, welche die Identität der Proposition, dass der aktuale 44. Präsident der USA aktual Demokrat ist, mit der Proposition, dass Barack Obama ein Element von {Tim Kaine, Barack Obama, Harry Reid} ist, ausschließt. Mit einer solchen Konzeption von Propositionen scheint er sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass diese Erkenntnis zwar nur mittels Erfahrung erlangt werden könne, jedoch eine kontingente Proposition betreffe. Auf der anderen Seite muss es dem Vertreter von Kitchers Argument Unbehagen bereiten, dass wir es hier mit Propositionen zu tun haben, deren modaler Status nicht von der Menge aller möglichen Welten abhängt, sondern lediglich von der aktualen Welt. Diese Propositionen scheinen in einem gewissen Sinn also doch kontingent zu sein. Nun hängt der modale Status der Propositionen, dass Barack Obama ein Mensch ist, in einem gewissen Sinn zwar auch nicht von der Menge aller möglichen Welten ab, sondern nur von der Menge der möglichen Welten, in denen Barack Obama existiert. Doch selbst wenn er nur in der aktualen Welt existieren würde, müsste man, um den modalen Status zu eruieren, dennoch in jeder möglichen Welt wi überprüfen, ob Barack Obama in wi ein Element von {x | x ist ein Mensch} in wi ist. Im Lichte des eigenartigen modalen Status von Propositionen der Art, der aktuale f ist aktual g, ist nicht ganz einsichtig, ob sich das Dilemma nicht doch auf Kitchers Argument übertragen lässt. Wenn es stimmt, dass Analytizität Apriorität impliziert und wenn es stimmt, dass Notwendigkeit nicht Apriorität impliziert, sei es, weil man einen realistischen Standpunkt einnimmt, sei es, weil Kichters Argument vor dem erläuterten Dilemma gerettet zu werden vermag, dann lässt sich zeigen, dass Notwendigkeit nicht Analytizität impliziert. Nehmen wir an, Notwendigkeit würde Analytizität implizieren, dann würde Notwendigkeit Apriorität implizieren, weil Analytizität Apriorität impliziert. Aber Notwendigkeit impliziert nicht Apriorität. Also impliziert Notwendigkeit nicht Analytizität.

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13. Impliziert Apriorität Notwendigkeit? Bisher haben wir vorausgesetzt, dass Analytizität sowohl Apriorität als auch Notwendigkeit impliziert. Und wir haben überprüft, ob Notwendigkeit Apriorität impliziert. Das Ergebnis war, dass diese Behauptung zumindest von einem realistischen Standpunkt aus falsch ist und vielleicht auch unabhängig von diesem Standpunkt fallengelassen werden sollte. Wenn sie falsch ist, lässt sich ein viertes Verhältnis zwischen den drei Eigenschaften ableiten: Notwendigkeit impliziert nicht Analytizität. Ich möchte mich nun einem fünften Verhältnis zuwenden, nämlich der Frage, ob Apriorität Notwendigkeit impliziert. Erneut war es Kripke 1980, der entgegen den Logischen Empiristen behauptete, dass Apriorität nicht Notwendigkeit impliziert. Kripkes Behauptung ist beeindruckend. Selbst wenn wir mit der Fähigkeit apriorischer Erkenntnis ausgestattet sind, so schienen doch stets nur Notwendigkeiten als die Objekte apriorischer Erkenntnis infrage zu kommen. Wenn Kripke jedoch Recht hat, dann gehören zumindest einige kontingente Propositionen zu den apriorischen Propositionen. Weil jedoch andere kontingente Propositionen zu den aposteriorischen gehören, stellt sich die Frage, was einige kontingente Propositionen so besonders macht, dass wir ihre Wahrheitswerte unabhängig von Erfahrung zu erkennen vermögen. Dass Apriorität nicht Notwendigkeit impliziert, wird gewöhnlich ebenfalls durch Beispiele begründet und diese Beispiele scheinen eine Antwort auf die Frage nahezulegen, warum einige kontingente Propositionen im Gegensatz zu anderen unabhängig von Erfahrung zu erkennen sind. Zwei häufig angeführte Beispiele lauten „ich denke jetzt“ und „ich bin jetzt hier“. Dass ich jetzt denke und dass ich jetzt hier bin, weiß ich augenscheinlich a priori. Doch ebenso offensichtlich ist, dass ich jetzt hätte auch woanders sein können bzw. dass ich jetzt hätte auch nicht denken, weil gar nicht existieren können. Die Beispiele legen nahe, dass die Apriorität einiger kontingenter Propositionen etwas mit Indexikalität zu tun hat. Doch gerade der indexikalische Charakter der üblichen Beispiele hat zu einem Einwand geführt: Die Indexikalität bzw. unser unzureichendes Verständnis von Indexikalität ist dafür verantwortlich, dass es uns oberflächlich so scheint, als hätten wir wirklich kontingente Propositionen vor

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uns. In Wirklichkeit sind diese Propositionen jedoch notwendig.181 Timothy Williamson hat daher auf Beispiele kontingenter, gleichwohl apriorischer Propositionen aufmerksam gemacht, die nichts mit Indexikalität zu tun haben, und damit zu bedenken gegeben, dass die Indexikalität doch nicht zu erklären vermag, weshalb einige kontingente Propositionen a priori sind.182 Williamsons Beispiel ist die Proposition (3) Es gibt mindestens einen Überzeugten, einen „believer“. Die Proposition (3) ist sicherlich eine kontingente Wahrheit.183 Nun scheint es zunächst, dass wir nur dann unabhängig von Erfahrung wissen können, dass es mindestens einen Überzeugten gibt, wenn wir diese Erkenntnis mittels Existenzeinführung aus der apriorischen Erkenntnis folgern, dass ich ein Überzeugter bin. Die Proposition, dass ich ein Überzeugter bin, ist jedoch wiederum indexikalisch. Williamson verweist jedoch darauf, dass man über die apriorische Erkenntnis der Wahrheit von (3) auch auf andere Weise verfügen kann, nämlich durch die folgende Überzeugungsbildungsmethode: Wenn es eine gültige Ableitung der Proposition, dass p, aus der Proposition, dass jemand glaubt, dass p, gibt, dann glaube, dass p.184 Ersetzt man nun „p“ durch „es gibt mindestens einen Überzeugten“, dann ist das Antezedens erfüllt. Denn aus dem Umstand, dass jemand glaubt, dass es mindestens einen Überzeugten gibt, folgt, dass es mindestens einen Überzeugten gibt. Also können wir mittels dieser Überzeugungsbildungsmethode unabhängig von Erfahrung wissen, dass (3). Der wesentliche Punkt ist, dass die Apriorität dieser kontingenten Proposition sich offensichtlich nicht ihrer Indexikalität verdanken kann. 181

Vgl. Evans 1979. Vgl. Williamson 1986. 183 Ich setze hier voraus, dass Gott nicht existiert. Wenn man Gott annimmt, dann kann man, wie Williamson zeigt, als Beispiel die folgende Aussage wählen: Es gibt mindestens einen fallibel Überzeugten. 184 Vgl. Ebenda: 114. 182

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Denn (3) ist nicht indexikalisch, noch beruht der Erkenntnisweg auf indexikalischen Propositionen. Wenn es stimmt, dass Analytizität Notwendigkeit impliziert und wenn es stimmt, dass Apriorität nicht Notwendigkeit impliziert, dann lässt sich zeigen, dass Apriorität nicht Analytizität impliziert. Nehmen wir an, Apriorität würde Analytizität implizieren, dann würde Apriorität Notwendigkeit implizieren, weil Analytizität Notwendigkeit impliziert. Aber Apriorität impliziert nicht Notwendigkeit. Also impliziert Apriorität nicht Analytizität. 14. Die explanatorische Stellung der Analytizität Wir haben nun einige Verhältnisse zwischen den Eigenschaften der Analytizität, Apriorität und Notwendigkeit untersucht. Ausgehend von den beiden Verhältnissen: (V 1) Analytizität impliziert Apriorität. (V 2) Analytizität impliziert Notwendigkeit. schien die Annahme viel versprechend, dass Analytizität die theoretische Arbeit der Apriorität und Notwendigkeit verrichten kann. Diese Annahme verträgt sich jedoch nicht mit dem Verhältnis: (V 3) Notwendigkeit impliziert nicht Apriorität. Denn vermittels (V 1) und (V 3) lässt sich zeigen: (V 4) Notwendigkeit impliziert nicht Analytizität. Aufgrund von (V 4) ist nur eine echte Teilmenge des Notwendigen analytisch. Also kann Analytizität nicht die ganze theoretische Arbeit der Notwendigkeit verrichten. Notwendigkeit ist mit anderen Worten nicht auf Analytizität reduzierbar bzw. nicht durch Analytizität erklärbar. Zudem verträgt sich die Annahme auch nicht mit dem Verhältnis (V 5) Apriorität impliziert nicht Notwendigkeit.

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Denn vermittels (V 2) und (V 5) lässt sich zeigen: (V 6) Apriorität impliziert nicht Analytizität. Aufgrund von (V 6) ist nur eine echte Teilmenge des Apriorischen analytisch. Also kann Analytizität auch nicht die theoretische Arbeit der Apriorität verrichten. Apriorität ist mit anderen Worten nicht auf Analytizität reduzierbar bzw. nicht durch Analytizität erklärbar. Im Lichte dieser Verhältnisse bleiben Notwendigkeit und Apriorität theoretisch unverzichtbar. Stattdessen könnte vorgeschlagen werden, Analytizität auf die komplexe Eigenschaft der apriorischen Notwendigkeit zu reduzieren. Daher scheint es, als könne die Philosophie theoretisch gänzlich auf Analytizität verzichten. Doch dieser Schluss wäre übereilt. In der Erkenntnistheorie Kants konnte Apriorität ebenfalls nicht auf Analytizität reduziert werden, weil Kant synthetische Wahrheiten a priori (V6) anerkannte. Dennoch erklärt Kant die Apriorität einiger Sätze185 mittels seiner Konzeption der Analytizität: Es ist analytisch, dass Junggesellen unverheiratet sind, weil der Begriff UNVERHEIRATET im komplexen Begriff JUNGGESELLE enthalten bzw. weil die Behauptung, einige Junggesellen sind verheiratet, logisch widersprüchlich sei.186 Und weil kompetenten Sprechern des Deutschen diese Umstände zugänglich sind, können sie allein aufgrund ihres Verständnisses des Satzes erkennen, dass dieser wahr ist. Entsprechend kann Kant behaupten, dass Analytizität für eine Erklärung der Apriorität einiger Sätze nützlich ist. Nützlichkeit ist jedoch nicht Unverzichtbarkeit. Weil Analytizität laut Kripke eine echte Teilmenge der Apriorität ist, ist prima facie nicht einzusehen, warum die Apriorität einiger Sätze durch Analytizität erklärt werden sollte, wenn die Apriorität anderer Sätze nicht durch Analytizität erklärt werden kann. Es scheint, als sei die Erklärbarkeit der Apriorität auf der Basis von Analytizität ein Trugschluss. Vielmehr sei etwas anderes für Aprio185

Ich konzipiere Kant hier derart, als hätte er die Apriorität als eine Eigenschaft von Sätzen verstanden. 186 Dass diese Behauptung einen logischen Widerspruch einschließt, wird in ihrer Tiefenstruktur ersichtlich.

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rität verantwortlich und wir müssen uns für eine Erklärung der Apriorität von der Analytizität abwenden und auf die Suche nach etwas Anderem machen. Es könnte jedoch auch behauptet werden, dass es verschiedene Weisen des A priori-Seins gibt. Für die theoretische Unverzichtbarkeit der Analytizität wäre dann die Behauptung nötig, dass einigen Sätzen Apriorität und/oder Notwendigkeit aufgrund ihrer Analytizität zukommt, d.h. weil sie analytisch sind. Denn dann können diese Eigenschaften nur mittels Analytizität erklärt werden. 15. Einwand 4: Devitts Unterscheidung Ein genauerer Blick auf die Verhältnisse von Analytizität, Notwendigkeit und Apriorität legt also nahe, dass die drei Eigenschaften gar nicht so innig miteinander verbunden sind, wie lange geglaubt wurde. Entsprechend sollte man die Suche nach einer lebensfähigen Charakterisierung der Analytizität vielleicht besser nicht auf Verbindungen zur Apriorität oder Notwendigkeit aufbauen. An diesem Punkt möchte ich auf Devitts Kritik an Fodors und Lepores Argument eingehen. Genau wie Quine hält er die bisher charakterisierten Analytisch-synthetisch-Unterscheidungen für verfehlt. Devitt macht die Ursache für die Fehlschläge in der theoretischen Einbettung der Unterscheidung fest. Gerade weil die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung apriorische Erkenntnis in empiristisch zulässiger Weise erklären können sollte, musste jegliche Weise, diese Unterscheidung zu treffen, fehlschlagen. Devitt führt zwei Gründe an, die ich nur kurz ansprechen aber nicht diskutieren werde. Erstens hält Devitt als Vertreter der realistischen Bedeutungsauffassung einen privilegierten Zugang zu den Bedeutungen unserer Sätze für einen cartesianischen Mythos.187 Selbst wenn „Junggesellen sind unverheiratet“ allein aufgrund seiner Bedeutung wahr wäre, würde uns dies daher nicht helfen, die Wahrheit des Satzes a priori zu erkennen. Denn wir haben keinen privilegierten, unfehlbaren, apriorischen Zugang zu der Bedeutung des Satzes. Zweitens hält er darüber hinaus apriorische Erkenntnis 187

Vgl. Devitt 1993a: 641.

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generell für einen Mythos.188 Jegliche Analytisch-synthetischUnterscheidung, die eine Erklärung unserer Fähigkeit apriorischer Erkenntnis anstrebt, muss daher falsch sein. Wenn es keine apriorische Erkenntnis gibt, dann gibt es auch keine analytischen Sätze und mithin keine Unterscheidung von analytischen und synthetischen Sätzen (immer vorausgesetzt, Analytizität impliziere Apriorität). Die Lehre, die Devitt aus diesen Überlegungen zieht, besteht jedoch nicht in der Aufgabe des Molekularismus, wie Quine zugunsten des Holismus und Fodor und Lepore zugunsten des Atomismus vorschlagen, sondern in der Aufgabe einer Analytisch-synthetisch-Unterscheidung, die als Basis einer Erklärung apriorischer Erkenntnis dienen soll. Es muss vielmehr eine Unterscheidung getroffen werden, die keinerlei epistemische Konsequenzen und epistemische Unterscheidungen mit sich bringt. Strenggenommen strebt Devitt also eine Unterscheidung zwischen bedeutungskonstitutiven und nicht-konstitutiven Eigenschaften an, die vielleicht besser nicht mehr als Analytisch-synthetisch-Unterscheidung bezeichnet werden sollte. Denn Analytizität im Sinne Devitts würde nicht einmal Apriorität implizieren.189 Nun hatten Fodor und Lepore in ihrem Argument behauptet, dass es nur eine Weise gibt, eine Unterscheidung zwischen bedeutungskonstitutiven Inferenzen und nicht-konstitutiven Inferenzen zu treffen, nämlich die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung: If the a/s distinction is infirm, then there is no principled distinction between those aspects of a word’s linguistic role that are relevant to determining its meaning and those that aren’t.190

Genau genommen gestehen Fodor und Lepore jedoch zwei Weisen zu, wie man diese Unterscheidung treffen könne, nämlich einerseits im Rahmen einer Erklärung apriorischer Erkenntnis und andererseits ohne jegliche epistemische Konsequenzen. Die erste Weise wird sowohl von Fodor und Lepore, als auch von Quine und Devitt verworfen. Gegen die zweite Weise führen Fodor und Lepore ins Feld, dass schlicht nicht zu sehen ist, wie die 188

Vgl. Ebenda: 642. Vgl. Devitt 1993b: 30. 190 Fodor; Lepore 1993a: 638. 189

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Unterscheidung nicht-epistemisch überhaupt getroffen werden könnte. Wenn man einige Unterscheidungen durchspielt, die keine epistemischen Unterscheidungen sind, keine epistemischen Konsequenzen haben, dann sieht das Unterfang laut Fodor und Lepore nämlich äußerst hoffnungslos aus: Color doesn’t seem to work, nor does weight in grams. Perhaps it is the inferences drawn on Tuesday that count. If not, there are all the other days of the week to try. Is it ok if I don’t hold my breath?191

Gegeben irgendeine Eigenschaft, die keinerlei epistemische Konsequenzen hat, und die Eigenschaft einer Inferenz, am Dienstag vollzogen worden zu sein, hat sicherlich keinerlei epistemische Konsequenzen für die Inferenz bzw. die Schlussfolgerung: Warum sollten genau diejenigen Inferenzen, die diese Eigenschaft besitzen, die bedeutungskonstitutiven sein? Was hat Bedeutungskonstitutivität mit dem Besitz dieser Eigenschaft zu tun? Devitts Antwort auf Fodors und Lepores Bedenken wird im Rahmen seiner semantischen Methode gegeben. Zur Erinnerung: Wir schreiben Eigenschaften, die wir durch Dass-Sätze spezifizieren können, u.a. zum Zweck der angemessenen Verhaltenserklärung zu. Diese Eigenschaften sind genau dann Bedeutungen, wenn sie wirklich zur Verhaltenserklärung beitragen, d.h. wenn sie wirklich den semantischen Zweck erfüllen. Der erste Teil von Devitts Antwort besteht in der Zurückweisung eines bestimmten Sinns der Fodorschen Herausforderung: In what respect does the moderate localist [der Molekularist] need a criterion for her distinction? [...] Not to distinguish the inferential properties that constitute the meanings we do as a matter of fact ascribe from the properties that do not constitute those meanings. We no more need a criterion for this than we do to distinguish the properties that constitute being a planet, a capitalist, or whatever. With meanings, as with everything else, some properties are constitutive, some aren’t, and that’s that.192

Zwar mag es laut Devitt Schwierigkeiten für uns geben, die Inferenzen, die tatsächlich konstitutiv für die tatsächlich zugeschriebenen Eigenschaften 191 192

Zitiert nach Devitt 1993a: 643. Ebenda: 643.

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sind, von den nicht-konstitutiven zu unterscheiden, aber dies, so Devitt, hat ja keinen Einfluss darauf, dass einige wirklich konstitutiv sind und andere wirklich nicht. Denn genauso mag es Schwierigkeiten für uns geben, die tatsächlich konstitutiven Eigenschaften von Planeten von den nichtkonstitutiven zu unterscheiden, aber deshalb hören Planeten nicht auf, Planeten zu sein. Und genauso hören die konstitutiven Inferenzen auch nicht auf, konstitutive Inferenzen zu sein. Wohlgemerkt, es kann eine Herausforderung für den Molekularisten sein, die konstitutiven Eigenschaften anzugeben, es kann für viele eine interessante Aufgabe sein und einige mögen bemängeln, dass bislang vielleicht keine Kriterien gefunden wurden. Aber deshalb fließt der Molekularismus nicht in den Holismus, wie es die Argumente nahezulegen scheinen. Denn gleich ob wir ein Kriterium gefunden haben oder nicht, solange es konstitutive Eigenschaften gibt, bleibt der Molekularismus als deskriptive These verstanden, stabil. Der zweite Teil von Devitts Antwort besteht in der sinnvollen Verortung von Fodors und Lepores Herausforderung im Rahmen von Devitts semantischer Methode: What the localist [der Molekularist] does need a criterion for is to distinguish the inferential properties that constitute the meanings we should ascribe for semantic purposes from the inferential properties that we should not ascribe for those purposes.193

Devitt unterscheidet im Rahmen seiner Methode zwischen Eigenschaften, die wir tatsächlich zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben, und solchen, die wir zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben sollten, weil ihre Zuschreibung wirklich zur Verhaltenserklärung beitragen würde. Fodors und Lepores Frage nach einem Unterscheidungskriterium hat laut Devitt ihren eigentlichen Platz in diesem normativen Zusammenhang, im Zusammenhang der Frage, welche Eigenschaften wir zum Zweck der Verhaltenserklärung zuschreiben sollten. Holistische Eigenschaften sind hier laut Devitt keine Kandidaten. Denn Verhaltenserklärungen beanspruchen, wie alle Erklärungen, eine gewisse Verallgemeinerbarkeit. Wir wollen ein bestimmtes Verhalten als In193

Ebenda: 644.

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stanz eines Verhaltenstyps durch Instanzen bestimmter Typen von Gründen erklären. Aber holistische Eigenschaften verhindern gerade diese Verallgemeinerbarkeit: We want to ascribe word meanings that are instantiated in the one person at different times, in different cognitive areas of the one mind, in different minds, and perhaps even in different types of mind. Holistic [properties] are most unlikely to meet any of these wants.194

Fodor selbst zieht atomistische Eigenschaften als Kandidaten in Betracht, nämlich die Eigenschaften einer Repräsentation, zu einem Typ von Repräsentationen zu gehören, deren Instanzen üblicherweise kausal durch bestimmte Ereignisse hervorgerufen werden. Fodors atomistischer Kandidat hat im Gegensatz zum holistischen Kandidaten den Vorteil, dass diese Eigenschaft von Repräsentationen verschiedener Personen zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Umgebungen exemplifiziert sein kann. Nun steht eine Repräsentation jedoch in vielen kausalen Beziehungen zur Welt. Welche dieser kausalen Beziehungen konstituieren die Bedeutung? Und welche sind nicht bedeutungskonstitutiv? Eine Hunderepräsentation kann in der Dämmerung bspw. auch durch einen Fuchs hervorgerufen werden. Warum ist diese kausale Beziehung nicht bedeutungskonstitutiv? Fodor verweist auf eine asymmetrische Abhängigkeit, die die konstitutiven kausalen Relationen von den nicht-konstitutiven unterscheidet. Die Asymmetrie ist nötig, um Fehlrepräsentationen zu erklären. Auch dann, wenn Repräsentationstoken des Typs „Hund“ nicht nur von Hunden sondern auch von einigen Füchsen in der Dämmerung verursacht werden, repräsentiert „Hund“ Hunde und nicht Füchse, erst recht nicht die disjunktive Menge der Hunde oder Füchse. Intuitiv können Füchse in der Dämmerung nämlich nur deshalb „Hund“-Token verursachen, weil Hunde „Hund“-Token verursachen. Hingegen scheint aber nicht zu gelten: Füchse in der Dämmerung könnten „Hund“-Token verursachen, wenn Hunde keine „Hund“-Token verursachen könnten. Aber warum wählt Fodor genau diese nicht-epistemische Eigenschaft? „Not because of its color presumably. It’s because he thinks that 194

Ebenda: 645.

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that relation determines reference.“195 Laut Devitt hat Fodor in seiner eigenen Beantwortung der Herausforderung damit die Antwort für den Molekularisten bereits mitgegeben: Diejenigen inferentiellen Eigenschaften sind bedeutungskonstitutiv, die die Referenz mit determinieren.196 Dieser Kandidat hat genau dieselben Vorteile für den semantischen Zweck der Verhaltenserklärung wie Fodors atomistischer Kandidat. Diese Eigenschaften können von Repräsentationen verschiedener Personen zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Umgebungen exemplifiziert sein. Im Gegensatz zu Fodors atomistischen Eigenschaften sind sie jedoch weniger grob und daher sensibler für die Unterschiede, die wir in Verhaltenserklärung faktisch treffen und in Anbetracht des Erfolgs unserer Erklärungspraxis auch treffen sollten. Bspw. kann Fodor das unterschiedliche Verhalten Lois Lanes nicht erklären, wenn sie im einen Fall glaubt, Superman zu sehen, und im anderen Fall glaubt, Clark Kent zu sehen. „Superman“ und „Clark Kent“ exemplifizieren dieselbe atomistische Referenzeigenschaft. Aber Devitts Antwort auf Fodors und Lepores Herausforderung steht der Funktionalen-Rollen-Semantik als Semantik enger Bedeutungen offensichtlich nicht offen! Im Rahmen einer realistischen Bedeutungsauffassung, die neben anderen Eigenschaften auch einige inferentielle Eigenschaften von Repräsentationen als bedeutungskonstitutiv auffasst, vermag Devitt das Hauptargument von Fodor und Lepore zu entkräften: Nur diejenigen inferentiellen Eigenschaften von Repräsentationen sind auch bedeutungskonstitutiv, die die Referenz mit bestimmen. Devitts Antwort vermag zudem die holistische Kernthese zurückweisen, die besagt, dass alle inferentiellen Eigenschaften bedeutungskonstitutiv sind, weil einige es sind. Diese Antwort steht einer Semantik enger Bedeutungen indes nicht zur Verfügung, weil inferentielle Eigenschaften von Repräsentationen, insofern sie enge Bedeutungen mit konstituieren, gar nicht referenzbestimmend sind. Für einen Semantiker enger Bedeutungen steht daher noch immer Fodors und Lepores Hauptargument im Raum: Enge Bedeutungen sind entweder holistisch oder atomistisch; sie sind entweder durch alle inferen-

195 196

Ebenda: 644f. Vgl. Ebenda: 644.

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tiellen Eigenschaften von Repräsentationen konstituiert oder durch gar keine. Zudem fehlt einer Semantik enger Bedeutungen eine Erwiderung auf das Argument für den Holismus. Weil eine Funktionale-Rollen-Semantik als Semantik enger Bedeutungen ohnehin einige inferentielle Eigenschaften als bedeutungskonstitutiv auffasst, fällt die atomistische Alternative aus. Mithin scheint (FRS) als Semantik enger Bedeutungen auf den Holismus festgelegt. Gegen den Holismus wurden jedoch bereits bedenkenswerte Einwände erhoben und diese Einwände greifen genauso bei einer Semantik enger Bedeutungen wie bei einer Semantik weiter Bedeutungen. Daher liegt der Schluss nahe, dass eine Funktionale-Rollen-Semantik augenscheinlich weder plausibel als Semantik weiter Bedeutungen, noch plausibel als Semantik enger Bedeutungen ist. Selbst wenn es also enge Bedeutungen gibt, selbst wenn wir enge Eigenschaften zum Zweck der angemessenen Verhaltenserklärung zuschreiben sollten, so scheint die Funktionale-Rollen-Semantik keine angemessene Semantik dieser Eigenschaften zu sein. 16. Konsequenzen Betrachten wir noch einmal Fodors und Lepores Hauptargument sowie die Argumente für die Prämissen: Hauptargument: (P1) Eine molekularistische Funktionale-Rollen-Semantik (FRS) ist auf die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung (a-s) festgelegt. (P2) (a-s) ist „unprincipled“. (K1) Also muss (FRS) holistisch sein. (P3) Der Holismus ist falsch. (K2) Also ist (FRS) falsch. Argument für (P1): (P4) Die molekularistische Funktionale-Rollen-Semantik besagt, dass die bedeutungskonstitutiven Eigenschaften inferentielle Rollen sind und dass

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die inferentiellen Rollen zumindest einiger Repräsentationen zumindest einige ihrer inferentiellen Relationen beinhalten. (P5) Laut der molekularistischen Funktionale-Rollen-Semantik sind nicht alle inferentiellen Relationen von Repräsentationen bedeutungskonstitutiv. (K3) Also muss es eine Eigenschaft geben, in welcher sich bedeutungskonstitutive inferentielle Relationen von nicht-konstitutiven unterscheiden. (P6) Die einzige infrage kommende Eigenschaft ist Analytizität, d.h. die bedeutungskonstitutiven inferentiellen Relationen sind die analytischen inferentiellen Relationen. Die nicht konstitutiven inferentiellen Relationen sind die synthetischen inferentiellen Relationen. (K4) Also ist die molekularistische Funktionale-Rollen-Semantik auf (a-s) festgelegt. Argument für (P2): (P7) Quines Argumente gegen (a-s) sind schlüssig. (K5) Also ist (a-s) „unprincipled“. Ein erster Einwand richtete sich gegen (P3). Es wurde zu Gunsten des Argumentes zugestanden, dass der Molekularismus keine stabile Position sei und unweigerlich in den Holismus übergehe. Im Gegensatz zu Fodor und Lepore wurde jedoch behauptet, der Holismus sei ohnehin die richtige Position. Ich hatte diesen ersten Einwand zurückgewiesen. Denn es gibt einige erstzunehmende Einwände gegen den Holismus. Das stärkste Argument für den Holismus beruht auf Quines Kritik der Analytisch-synthetischUnterscheidung. Wie Devitt jedoch zu zeigen vermochte, ist diese Unterscheidung gar nicht nötig, um der Unterscheidung bedeutungskonstitutiver inferentiellen Eigenschaften von nicht-konstitutiven eine objektive Basis zu verleihen. Ein zweiter Einwand wendete sich gegen (P2), weil (P7) als falsch erachtet wurde. Zwar sei (FRS) auf (a-s) festgelegt, so der Einwand, jedoch ist Quines Kritik aus diversen Gründen nicht überzeugend. Würde dies stimmen, dann wäre der Molekularismus eine stabile Position. Auch diesen Einwand hatte ich zurückgewiesen. Quines Einwände gegen die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung sind überzeugend. Solange die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung im Rahmen einer Erklärung apriorischer

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Erkenntnis konzipiert wird, bleibt sie entweder unverständlich bzw. falsch oder vermag ihre theoretische Funktion nicht zu erfüllen. Anschließend bin ich auf den Einwand von Paul Boghossian eingegangen. Er versuchte erstens zwei Analytizitätsbegriffe voneinander zu trennen, die metaphysische Analytizität und die epistemische Analytizität, und zweitens zu zeigen, dass mithilfe des Begriffs der epistemischen Analytizität erklärt zu werden vermag, wie und warum das Erfassen einiger semantischer Tatsachen alleine hinreichend sei für einige a priori gerechtfertigte Überzeugungen. Auf diese Weise wollte er nicht nur Quines Argumenten gegen die Analytisch-synthetisch-Unterscheidung aus dem Weg gehen, sondern auch Fodor und Lepore einen Analytizitätsbegriff entgegenhalten, der eben nicht „unprincipled“ sei. Boghossians Einwand habe ich letztlich mit einem Dilemma konfrontiert. Entweder müsse er die Unabhängigkeit der epistemischen Analytizität von der metaphysischen Analytizität aufgeben. In diesem Fall sähe er sich aber wieder Quines Argumenten gegen die metaphysische Analytizität ausgesetzt, die er selbst verteidigt. Oder es sei nicht ersichtlich, inwiefern das Erfassen einiger semantischer Fakten epistemische, d.h. wahrheitsindikative Rechtfertigung, im Gegensatz zu pragmatischer Rechtfertigung zu liefern vermag. In diesem Fall könnte er zwar behaupten, dass das Erfassen einiger semantischer Tatsachen hinreichend für einige pragmatisch gerechtfertigte Überzeugungen sei, aber eben nicht hinreichend für einige a priori epistemisch gerechtfertigte Überzeugungen. Und um epistemische Rechtfertigung ging es ihm. Dann habe ich mich den Verhältnissen der Eigenschaften der Analytizität, der Notwendigkeit und der Apriorität selbst zugewandt. Es hat sich gezeigt, dass es beachtliche Gründe gibt, nicht von einer innigen Verbindung zwischen einigen oder allen diesen Eigenschaften auszugehen. Entsprechend kann der Analytizität nicht die theoretische Funktion zukommen, die ihr so oft zugeschrieben wird. Und entsprechend sollte Analytizität nicht mit Blick auf eine innige Verbindung zur Apriorität oder Notwendigkeit charakterisiert werden. Abschließend bin ich auf den Einwand Michael Devitts gegen Fodors und Lepores Hauptargument eingegangen. Devitt versucht zu zeigen, dass der Molekularismus in einem gewissen Sinn eine Unterscheidung bedeutungskonstitutiver Eigenschaften von nicht-konstitutiven Eigenschaften

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angeben muss, nämlich in dem Sinn: Welche Eigenschaften sollten wir zu semantischen Zwecken zuschreiben? Und welche inferentiellen Relationen sollten wir dabei berücksichtigen? Doch diese Unterscheidung kann Devitt liefern. Zudem ist er in der Lage, molekularistische Eigenschaften im Rahmen von Verhaltenserklärungen als überlegen im Vergleich mit atomistischen oder holistischen Eigenschaften auszuzeichnen. Es ist also letztlich Devitts Einwand, der die Schwäche von Fodors und Lepores Argument aufzuzeigen und gleichzeitig das stärkste Argument für den Holismus zu entkräften vermag. Ich habe dann jedoch darauf hingewiesen, dass Devitts Einwand einer Semantik enger Bedeutungen nicht offen steht. Eine Funktionale-Rollen-Semantik enger Bedeutungen scheint deshalb auf den Holismus festgelegt. Und das diskreditiert diese mögliche Antwort auf die Frage, was enge Bedeutungen sind.

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