Frühe Schriften I 9783787333813, 3787333819

Inhaltsverzeichnis: VORWORT TAGEBUCH 1785-1787 Text 1: Tagebuch ARBEITEN AUS DER GYMNASIALZEIT – EIN AUFSATZ AUS DEM TÜB

103 76 142MB

German Pages 674 Year 1989

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
COVER
VORWORT. Von Heinz Heimsoeth
Nachtrag 1986. Von Wolfgang Kluxen
INHALTSVERZEICHNIS
TAGEBUCH 1785-1787
Text 1: Tagebuch
ARBEITEN AUS DER GYMNASIALZEIT. Ein Aufsatz aus dem Tübinger Stift 1785-1788
Text 2: Unterredung zwischen Dreien
Text 3: Einige Bemerkungen über die Vorstellung von Grösse
Text 4: Ueber die Religion der Griechen und Römer
Text 5: Ueber einige charakteristische Unterschiede der alten Dichter.
Text 6: Aus einer Rede beim Abgang vom Gymnasium
Text 7: Über einige Vortheile, welche uns die Lektüre der alten klassischen Griechischen und Römischen Schriftsteller gewährt
VIER PREDIGTEN 1792-1793
Text 8: [Erste Predigt]
Text 9: [Zweite Predigt]
Text 10: [Dritte Predigt]
Text 11: [Vierte Predigt]
STUDIEN 1792/93-94
Text 12: wiefern ist Religion ...
Text 13: Aber die Hauptmasse ...
Text 14: Unsre Tradition ...
Text 15: Schon in der Bauart
Text 16: Religion ist eine der wichtigsten Angelegenheiten
Text 17: Ausser dem mündlichen Unterricht ...
Text 18: Nicht zu leugnen ...
Text 19: Die StaatsVerfassung ...
Text 20: Wie wenig die objektive Religion ...
Text 21: öffentliche Gewalt ...
Text 22: Über den Unterschied der Szene des Todtes -
Text 23: Unter objektiver Religion ...
Text 24: Es sollte eine schwere Aufgabe ...
Text 25: Wenn man von der christlichen Religion ...
Text 26: Jetzt braucht die Menge ...
EIN MANUSKRIPT ZUR PSYCHOLOGIE UND TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE 1794
Text 27: [Zur Psychologie und Transzendentalphilosophie]
STUDIEN 1795
Text 28: Die transcendentale Idee ...
Text 29: Unkunde der Geschichte ...
Text 30: In einer Republik ...
DAS LEBEN JESU 1795
Text 31: [Das Leben Jesu]
STUDIEN 1795-1796
Text 32: Man mag die widersprechendste Betrachtungen ...
Text 33: Ein postiver Glauben ...
Text 34: Jedes Volk ...
BERICHT ÜBER EINE ALPENWANDERUNG. ELEUSIS (an Hölderin) 1796
Text 35: Bericht über eine Alpenwanderung
Text 36: Eleusis
NICHT NÄHER DATIERBARES
Text 37: Ueber Lessing's Briefwechsel mit seiner Frau
Text 38: Menschen, frühe ...
Text 39: Der Streit über ...
NACHRICHTEN ÜBER VERSCHOLLENES
De utilitate poeseos
Bakkalaureats-Rede
Magister-Specimina
Predigt zum Konistorial-Examen
Schemata zu einer Evangelienharmonie
Analyse von Schillers Fiesko
Übersetzungen
Präparationen zu alten Autoren
Schul- und Kollegienhefte
ANAHNG
Editionsprinzipien der Gesammelten Werke
Schrifttypen, Zeichen, Abkürzungen, Siglen
Editorischer Bericht
Allgemeine Hinweise
Zur Datierung der Texte
Zu den einzelnen Werken
Anmerkungen
Personenverzeichnis
Recommend Papers

Frühe Schriften I
 9783787333813, 3787333819

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

H E G E L • G E SA M M E LTE W E R K E 1

G E OR G W I L H E L M FR IED R IC H H E G E L

G ESA M M ELT E W E R K E

IN VERBINDUNG MIT DER

D E U T S C H E N F O R S C H U N G S G E M E IN S C H A F T HERAUSGEGEBEN VON DER

R H E IN ISC H -W E ST F Ä L ISC H E N AK ADEM IE D ER W ISSE N SC H A FT E N BA N D 1

FELIX M E I N E R VERLAG H A M B U R G

G E O R G W I L H E L M F R IE D R IC H H E G E L

FRÜHE SCHRIFTEN I

HERAUSGEGEBEN VON

FR IED H EL M N IC O L IN UND

GISELA SC H Ü L E R

FELIX M E I N E R VERLAG H A M B U R G

In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und dem Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hegel, Georg Wilhelm Friedrich Gesammelte Werke / Georg Wilhelm Friedrich Hegel. In Verbindung mit d. Dt. Forschungsgemeinschaft hrsg. von d. Rhein-Westfäl. Akad. d. Wiss. [In Verbindung mit d. Hegel-Komm. d. Rhein.-Westfäl. Akad. d. Wiss. u. d. Hegel-Archiv d. Ruhr-Univ. Bochum]. - Hamburg : Meiner. NE: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: [Sammlung] Bd. 1. Frühe Schriften I hrsg. von Friedhelm Nicolin und Gisela Schüler. - 1989. ISBN eBook: 978-3-7873-3381-3

© Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaf ten, Düsseldorf 1989

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, Vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht § § 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Schrift: Bembo. Herstellung: Fränkische Gesellschaftsdruckerei, Echter Verlag GmbH, Würzburg Printed in Germany

VORWORT Die Aufgabe, das Lebenswerk Hegels in einer vollständigen und zu­ gleich historisch-kritischen Fassung nach einheitlichem Plane vorzulegen, ist unserem Zeitalter gestellt seit jenem denkwürdigen Vorgang, da W il­ helm Dilthey in die nach mehr als einem Jahrhundert noch still lagernden Handschriften des jungen Hegel Einsicht nahm, aus ihrem Studium her­ aus erstmalig eine geistig-philosophische Jugendgeschichte des Denkers entwarf und zur Erstpublikation der Dokumente den Anstoß gab. Leitend war schon die Überzeugung, daß zum Begreifen eines großen Philosophen in allen seinen Äußerungen und auch zum Begreifen eines geschlossen auftretenden Systems Vertiefung in Ursprung und Keim der Konzeptionen von ganz wesentlicher Bedeutung ist. Ein neuer W eg ent­ wicklungsgeschichtlichen Verstehens hatte sich aufgetan. Was Hegel einst für die Gestaltung des Geistes in der Menschheitsgeschichte wegweisend gelehrt hatte, mit so gewaltiger und weiter Auswirkung, das setzte sich nun fort im nachvollziehenden und prüfenden Durchdenken der Werke schöpferischer Persönlichkeiten. Auch das große Unternehmen der Akademie-Ausgabe von Kants Gesammelten Schriften, aus der Planung Diltheys erwachsen, stand unter dem gleichen Signum; im Vorwort hat der Initiator eindrucksvoll die neue Sicht mit ihren Aufgaben als Grund­ satz ausgesprochen. Als Dilthey im Jahre 1900 - in einer Rezension der damals maßgeben­ den Hegeldarstellung Kuno Fischers - die Forderung erhob, Hegels Ent­ wicklungsgeschichte »aus den Papieren« zu schreiben, konnte er selbst das Ausmaß dessen, was er da verlangte, noch nicht übersehen. Seine eigene Deutung der Frühzeit (1905) und die Edition der Texte durch seinen Schüler Herman Nohl (1907) standen am Anfang einer Arbeit, die dann während der folgenden Jahrzehnte immer weiter ausgreifend das ganze Corpus der Schriften Hegels ans Licht gezogen oder in neuer Gestalt vermittelt hat. Früher und großzügiger als wohl bei irgendeinem anderen Philosophen waren einst Hegels Werke zu einer großen Ausgabe zusammengefügt worden, gleich nach dem Tode des Urhebers, »durch einen Verein von Freunden des Verewigten«; - eine Leistung und Tat, durch welche sich

VI

HEGEL • GESAMMELTE WERKE

die Schülerschaft als des Meisters würdig erwies. Besonders wertvoll war und wurde dieses Gemeinschaftsunternehmen dadurch, daß die nicht zu Druckwerken gediehenen Entwürfe und Gedankenmassen der Vor­ lesungsreihen, welche Hegels Geschichtsphilosophie, seine Ästhetik und Religionsphilosophie sowie die Geschichte der Philosophie enthielten, aus den originalen Kollegienheften mit Heranziehung von Schülernachschrif­ ten zu Teilbeständen des Gesamtwerks ausgeformt wurden. - Freilich geschah jene Arbeit am Nachlaß vielfach ohne die dazu nötige, heute nun aber als selbstverständlich vorauszusetzende Editionserfahrung und philologische Schulung. Auch ward das so verdienstlich rasch Unter­ nommene zu schnell und vielfach nebenbei gefertigt; die beiden starken Bände der Religionsphilosophie etwa erschienen schon 1832, ein knappes Jahr nach Hegels Tode, bearbeitet aus Vorlesungsniederschriften durch Marheineke, der nicht bloß akademischer Lehrer und Prediger, sondern in ebendieser Zeit auch Rektor der Berliner Universität war. Von philo­ logischer Treue und Unterscheidung konnte bei dem ganzen Unter­ nehmen nicht die Rede sein. Es ging den auf Ausbreitung und Anwendung bedachten Schülern nicht um den »Buchstaben«, sondern allein um das Systemganze, samt den Bewährungen in den verschiedenen Feldern: in diesem Sinne um den »Geist« von Hegels Philosophie. In diesen Geist glaubten sie sich so eingeführt und in ihm so verwurzelt, daß sie sich auch das Recht nahmen, mit Worten Hegels frei zu schalten. Sie meinten, die Sache nur zu verbessern, wenn sie redigierend sogar an den im Druck vom Meister selbst veröffentlichten Texten änderten. Was damals groß gelang, war, Hegels Werk in einer wirkensmächtigen Form in die Zeit zu stellen. Die Ausgabe hat ihre. Mission erfüllt. Das neunzehnte Jahrhundert - auch Kierkegaard und Marx - hat Hegel in dieser und keiner anderen Ausgabe gelesen; von ihr ging die weltweite Wirkung des Philosophen aus. Dabei war faktisch nur ein Teilbestand gegeben, und dies unter sehr bestimmter Perspektive: die Schüler wollten das vollendete Werk als ein in sich Geschlossenes und in den Hauptmaßen Abschließendes zur Geltung bringen. Sie nahmen und gaben ein System­ werk als sicheres Fundament für weitere Durchführung und Anwendung wie für die Wahrheitskämpfe gegen andere Systeme und Zeitströmungen. Dieser Position und Zielsetzung zufolge blieben alle jene Dokumente, welche uns heute so eindringlich zu Ursprüngen und Entwicklungsgängen der Hegelschen Gedanken führen, in ihrem Eigen-Sinn verschlossen; sie wurden daher gar nicht mit aufgenommen. Hegel selbst war mitten im Werken gestorben; wie er in den Berliner Jahren zu den frühen Nieder-

VORWORT

VII

Schriften seiner Frankfurter und Jenenser Zeit gestanden hat, wissen wir nicht. Er hat sich nie dazu geäußert, obwohl er jene Papiere sorgfältig aufhob, an allen Orten seines Wirkens mit sich führte und sie dadurch der Nachwelt erhielt. Meistens erkennen ja auch erst spätere Zeiten das Gewicht der Ursprünge und Wandlungen. Niemand wird heute mehr die Formulierungen, welche Hegel in den verschiedenen Phasen seines gedanklichen Ringens ausarbeitete, allein am Maßstab der späten Systemdarlegung messen, wie es die Hegelschüler taten. Die einzelnen Stufen des Denkweges und die Spannungen, durch welche Hegel, bei aller Kontinuität des Fortschreitens, gegangen war, konnten ihrer Über­ zeugung von der Ganzen Wahrheit nichts Eigenes bedeuten - sehr anders als uns heute. Damals also wurde das in die Werkausgabe wirklich Aufgenommene so angeordnet und selbst beschnitten, daß es sich in das Fächerwerk fer­ tiger Systematik einfügte. Die Systematik selbst wurde durch dieses Gemeinschaftswerk der ersten Anhänger vielleicht erst so recht verfestigt. Diese frühe Gesamtausgabe ist nicht nur unvollständig sowie nach gegen­ wärtigen Maßstäben der Genauigkeit unzulänglich; sondern als von bestimmtem Standort aus freizügig vorgehende Auswahl- und Ordnungs­ redaktion hat sie das Denken Hegels, indem sie es weit sichtbar machte, doch auch in seinem Eigenzug verdeckt. Die alte Ausgabe hat, wie es in unseren Tagen Johannes Hoffmeister bei der Arbeit an der Neuedition der Vorlesungen formuliert hat, »Mitschuld daran, daß die Hegelsche Philosophie das Ärgernis wurde, als das sie immer wieder lebendigen Geistern erschien, das Ärgernis am Abgeschlossenen und Festgewordenen, Erstarrten, das nicht mehr in die Bewegung des Lebens eingeht, das Ärgernis an den eisigen Firnen eines Gebirgsmassivs, in das sich mancher verstieg, aus dem so mancher nur kraftlos und voller Haß gegen das Große zurückkam. Sie hat dazu beigetragen, daß [mit Hölderlins Wor­ ten] >die Liebesbande zu Stricken verderbt Autographa< eingegliedert (acc. ms. 1915. 45). Heute liegt es mit anderen Beständen dieser Sammlung in der Biblioteka Jagiellonska, Krakow. Für die Überlassung einer Fotokopie und die Erlaubnis zum Druck (erteilt an Herrn Dr. Helmut Schneider, Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum) ist den zuständigen Behörden der Volks­ republik Polen auch an dieser Stelle zu danken. Das Ms besteht aus einem Doppelblatt, Seitengröße ca. 21 x 17,7. Durch Längsknick ist ein Außen­ rand von etwa einem Drittel der Seitenbreite markiert, der bei der Niederschrift freigeblieben ist. Der Text des Aufsatzes verteilt sich auf drei Seiten, wobei oben und unten jeweils einige cm freigelassen sind. Auf der vierten Seite steht nur die Stelle aus Meiners Briefe über d. Schweiz (41,8—ll). Die Überschrift ist in drei Zeilen angeordnet: Einige Bemerkungen / über / die Vorstellung von Grösse. Sie ist ganz unterstrichen. Auf dem Rand steht in der rechten oberen Ecke, etwas kleiner geschrieben, das Datum; darunter, ein wenig mehr zur Mitte hin, der Verfassername. Beides befindet sich noch oberhalb der Überschrift. Entstehungsgeschichte Das Datum den 14 May 1787 bezeichnet wohl den Tag der Niederschrift. Hegel war damals Schüler im ersten Jahrgang der Klasse VII. - Da dem Datum der Name beigefügt ist, liegt zunächst die Vermutung nahe, daß es sich um einen für die Schule angefertigten Aufsatz handelt. Andererseits fällt auf, daß das Ms - im Unterschied zu den von Rosenkranz überlieferten Arbeiten, die wir als Text 2, 4 und 5 edieren —keine Beurteilung durch einen Lehrer oder auch nur Anzeichen einer Durchsicht auf­ weist. Es besteht daher auch die Möglichkeit, daß das Ms eine Arbeit im Sinne der PrivatAufsäze ist, die Hegel in seinem Tagebucheintrag vom 1. Januar 1787 erwähnt (siehe oben 30,27/) und für die er in der dort beigeschriebenen StundenEintheilung wöchentlich drei Stunden vorsieht (siehe 31, Fußnote 1). Z ur E dition Zusätzlich verglichen, jedoch nicht für textkritische Einzelmitteilungen herangezogen wurde der Erstdruck: Eine Schülerarbeit Hegels. In: Hegel-Archiv. Hrsg. von Georg Lasson. Bd 3, Heft 2. Leipzig 1916. 40-42.

Text 4 U e b e r d ie R e l ig io n d e r G r ie c h e n u n d R ö m e r

Überlieferung R: Karl Rosenkranz: Hegel’s Leben. 454-458. Für die Überlieferung dieser Arbeit gilt in allen Punkten das oben zu Text 2 Dargelegte. Zu bemerken ist, daß Rosenkranz dazu neigt, in den Hegelschen Texten, die er wiedergibt, thema­

458

ANHANG

tisch wichtige Ausdrücke und Sätze von sich aus im Druck hervorzuheben.21 Es ist daher unsicher, ob die Hervorhebungen in diesem Aufsatz von Hegel stammen. Entstehungsgeschichte Rosenkranz berichtet im Anschluß an seine oben 456 zitierten Ausführungen über Text 2: Dann

findet sich erst wieder vom Jahr 1787 den 10. August ein Aufsatz: von der Religion der Griechen und Römer...22 Der hier mitgeteilte Wortlaut der Überschrift weicht geringfügig ab von

der im \Jrhunden- Anhang abgedruckten, die unser Text wiedergibt. Das Datum ist unter den gleichen Gesichtspunkten zu lesen, die wir zur Entstehung von Text 2 angeführt haben. Der Bericht von Rosenkranz enthält auch wieder ein Lehrer-Urteil, aus dem diesmal unmittelbar hervorgeht, daß Hegel den Text mündlich in der Klasse vorgetragen hat: Der Lehrer war mit der

Sache selbst ganz wohl zufrieden, aber der Vortrag mußte sich tadeln lassen: »si ad elocutionem accesserit eloquentia corporis et vocis firmitas, non male steteris pro cathedra.« Zur Edition Abdruck von R, einschließlich der Überschrift und des Datums sowie der Hervorhebungen im Text, die wahrscheinlich von Rosenkranz vorgenommen wurden. Vgl. auch das zu Text 2 Gesagte.

Text 5

U e b e r e in ig e c h a r a k t e r is t is c h e U n t e r s c h ie d e d e r a l t en D ic h t e r

Überlieferung R: Karl Rosenkranz: HegeFs Leben. 458-461. Für die Überlieferung dieser Arbeit gilt, wie für Text 4, in allen Punkten das oben zu Text 2 Dargelegte. Gemäß dem weiter unten zur Entstehungsgeschichte zitierten Bericht ist davon auszugehen, daß die Überschrift von Hegel selbst gesetzt wurde. Ob die im Text enthaltenen Hervorhebungen von Hegel oder von Rosenkranz stammen, muß offenbleiben (vgl. die diesbezügliche Bemerkung zur Überlie­ ferung von Text 4). R gibt den Text von Hegels Ms nicht vollständig wieder. Im Unterschied zu den Arbeiten Nr 2 und 4, bei denen R keinerlei Anzeichen von Auslassungen aufweist, ist hier das wörtlich Abgedruckte

21 Dies läßt sich nachweisen in den Fällen, in denen Texte Hegels, die Rosenkranz zum Abdruck gebracht hat, noch im handschriftlichen Original erhalten sind - beispielsweise im Gymnasialtagebuch (Text 1 dieses Bandes) oder in dem Gedicht Eleusis ( Text 36), in dem Rosenkranz die Zeilen 399,22-23 unserer Edition durch Sperrung hervorgehoben hat (siehe HegeFs Leben. 78). 22 Siehe HegeFs Leben. 18. Ebenso zum folgenden.

EDITORISCHER BERICHT

459

(d. i. unser Text 46,4-48,22) in Anführungszeichen eingefaßt und von referierenden Bemerkungen umrahmt, die Hegels Einleitungs- und Schlußgedanken ersetzen. Dem ersten wiedergegebenen Satz (46,4) vorangestellt ist der Hinweis23: Die Einleitung, welche

damals allgemein gewordene culturgeschichtliche Ansichten darstellt, kann übergangen wer­ den, der Rest aber ist als erste umfassendere Aeußerung Hegel’s über einen ästhetischen Gegenstand nicht nur für die Geschichte seiner Bildung, sondern auch an und für sich merk­ würdig. Nachdem Hegel von der Vereinigung des allgemeinen Interesses der Menschheit mit dem Localinteresse bei den Alten und von der für den Dichter daher entstehenden Begünsti­ gung gesprochen hat, fährt er fort: (Esfolgt der Text.) Auf die letzte Zeile des mitgeteilten Textstücks (48,22) folgt noch der Satz 24: Der Schluß, der sich zu einer Lobrede auf die Vollkommenheit der Griechen ausrundet, kann hier wegbleiben. Entstehungsgeschichte Rosenkranz berichtet25: Am 7. August 1788 trug Hegel eine Abhandlung vor:

über einige charakteristische Unterschiede der alten Dichter, nämlich, müßte hinzugesetzt werden, von unseren jetzigen. Diese Formulierung, die auf Vorgefundenes verweist, belegt die

Authentizität der von R vermittelten Überschrift. Das dem Ms entnommene Datum deutet Rosenkranz hier als Tag des Vortrags; genauso gut kann es indessen den Tag der Niederschrift bezeichnen. Der Bericht von Rosenkranz schließt: Auch mit dieser Arbeit war Professor Hopf sehr zu­

frieden, nannte sie »proprii Martis specimen et felix futurorum omen«, unterließ aber nicht, die alte Beschwerde hinzuzufügen: »vide, ut declamatio commentationi respondeat.« Zur Edition Hier gilt das Gleiche wie für Text 4. - Die Anführungszeichen, die in R das Stück einfassen, wurden weggelassen.

Text 6 Aus e i n e r R e d e b e i m A b g a n g v o m G y m n a s i u m

Überlieferung R: Karl Rosenkranz: Hegel’s Leben. 19-21. Das Ms der Rede ist verschollen. Ob es Rosenkranz vollständig im Original Vorgelegen hat, ist seinem Bericht nicht zu entnehmen. Er druckt den Auszug aus der Rede nicht wie die vorhergehenden

23 Siehe Hegel’s Leben. 458f. 24 Siehe ebd. 461. 25 Siehe ebd. 18. Dort auch das anschließend zitierte Lehrer-Urteil.

460

ANHANG

Arbeiten (Texte 2 , 4 und 5) im \Jrk\m&zn-Anhang der Biographie ab, sondern als Zitat innerhalb der Lebensdarstellung. Eine Überschrift fehlt daher bei ihm. Er erwähnt, daß Hegel den verküm­ merten Zustand der Künste und Wissenschaften unter den Türken schilderte, und stellt dem von ihm mitgeteilten Schluß der Rede folgende Bemerkung voran:

Nachdem er hier gezeigt, daß der elende Zustand der Künste und Wissenschaften bei den Türken nicht in dem Mangel an Talent, sondern in dem an Interesse für dessen Bildung von Seiten des Staates liege, schloß er: ...

Entstehungsgeschichte Im Unterschied zu den vorigen Texten aus der Gymnasialzeit ist hier am Fundort selbst kein genaues Datum überliefert. Rosenkranz sagt nur: Bei seinem Abgang vom Gymnasium, Herbst

1788, hielt Hegel in der öffentlichen Versammlung der Lehrer und Schüler eine Abschiedsrede... Die Abgangsfeierfand statt am 25. September 1788. Wir erfahren dies aus gedruckten Nachrichten, die zugleich die näheren Umstände erkennen lassen, unter denen Hegel seine Rede gehalten hat. Auch das behandelte Thema, das bei Rosenkranz als ein individueller Einfall Hegels erscheint, wird durch

diese Nachrichten in einen offiziell vorgezeichneten Rahmen hineingestellt. Die Zeitung Schwäbische Chronik26 enthält in Nr 118 vom 1. Oktober 1788folgenden Bericht:

Stuttgart, den 25. Sept. In dem Gimnasio allhier ist heute bei dem Beschluß des Studienlaufs der gewöhnliche Actus Oratorius in Gegenwart des Herzogl. Konsistoriums und weiterer zahlreichen Versammlung beiderlei Geschlechts unter dem Vorsiz des Professors Theologiae et Eloquentiae Haug gehalten worden. Dieser hat darzu mit einem lat. Programm, einen Bogen stark in 4. eingeladen, und darinnen Turciam Sacram abgehandelt: Fünfe seiner Zu­ hörer aber, die nun auf die Universität gehen27, Märklin, Autenrieth, Faber, Braun, Hegel, redeten nach vorgehender vollständigen Musik, theils deutsch, theils lateinisch von der Geschichte, den Sitten, der Handlung, der politischen, militärischen und wissenschaftlichen Verfassung des Türkischen Reichs, wo der leztere im Namen seiner Mitbrüder von dem Gimnasio Abschied nahm, den Obern für die Beförderung, den Lehrern für ihren Unterricht, dem Auditorio aber für seine Gegenwart und Aufmerksamkeit dankte, und sofort der feier­ liche Aktus abermal mit Musik beschlossen wurde. Die Programmschrift28, mit der Rector et professores Gymnasii illustris Stuttgardiani zu der Feier einladen, läßt ihren Verfasser Balthasar Haug ungenannt. Im Eingangsabschnitt wird die Wahl des Rahmenthemas begründet mit einer Bezugnahme auf den damals (seit 1787) herrschenden Krieg

26Das Folgende nach: Schwäbische Chronik auf das Jahr 1788. Eine wöchentlich 3mal erscheinende Zeitschrift. Verfaßt von M. Christian Gottfried Elben, Professor an der CarlsHohen-Schule in Stuttgart. Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttgart. 27 Vgl. dazu den in Anm. zu 49,24-25 zitierten Beschluß des Konsistoriums zur Überweisung von vier Gymnasiasten auf das Tübinger Stift. Der dort nicht genannte, hier aber vor Hegel auftretende

Abiturient Braun intendierte ein Jurastudium; für dieses hat er sich im Mai 1789 an der Universität Tübingen eingeschrieben. 28 Für das Folgende wurde ein in der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttgart, aufbewahrtes Exemplar der Einladungsschrift benutzt.

EDITORISCHER BERICHT

461

zwischen Rußland und Österreich einerseits, der Türkei andererseits: . .. meditantibus autem nobis,

de quo potissimum verba essent facienda, non alienum videbatur, postquam tarn grave tamque luctuosum exarsit inter très Europae Imperatores bellum, Memorabilia Imperii Turcici, de quo hodie tarn communis tamque varius in ore omnium est sermo, oratoribus nostris excutienda, commendare, et remotiora hac vice notioribus praeferre. Das Programm kündigt im übrigen nichtfünf, sondern sechs Abiturienten als Redner an29 und weist ihnen die Teilaufgaben zu , ut Jac. Frid. Maerklin, Stuttgardianus, Theol. consecraneus, post indictionem Thematis, breviculam Turcarum historiam praemittat, idiomate vernaculo, / Christ. Frid. Autenrieth, Stuttg. item Theol. cons, vitam communem moresque populi inquirat, latine, / Jon. Heinr. Faber, Gaisburg. Theol. cons, rem Osmanorum mercatoriam, in vernacula, / Georg. Frid. Wullen, Cannstad. Theol. cons, rem eorum militarem, poesi latina, / Carl. Aug. Braun, Gügling. Jur. Stud, politicam, vernacule, / Georg. Wilh. Frid. Hegel autem, Stuttg. Theol. cons. Rem Turciae litterariam tractet, item germanice, et in valedictionem cum gratiarum actione desinat. Anschließend behandelt Haug, den Reden vorgreifend und das Themenspektrum ergänzend,

Turciam sacram. Den Beschluß des Ganzen bildet die Aufforderung: Ornate LL. BB. actum hunc oratorium, die 25. h. m. hora a meridie secunda in auditorio majori habendum: ornate, si Musas amatis, si res ipsa est tanti, si meremur, vestra, o cives, frequentia. Script, d. 20. Septemb. MDCCLXXXVIII. Zur Edition Abdruck von R, wobei die das Ganze einfassenden Anführungszeichen weggelassen wurden.

Text 7

Ü b e r e in ig e V o r t h e il e , w e l c h e u n s d ie L e k t ü r e DER ALTEN KLASSISCHEN G R I E C H I S C H E N U N D R Ö M I S C H E N S c h r if t s t e l l e r g e w ä h r t

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Kassette 15, Mappe I, Nr 1 (acc. ms. 1935. 181). Drei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 21,8 x 17,5. Papierfarbe: chamois. Außen ist durch Längsfalzung ein Rand markiert, der bei der Niederschrift freigeblieben ist. Acht Seiten sind beschrieben; auf der folgenden Seite stehen nur noch drei Zeilen . Auf den ganz beschriebenen Seiten sind oben und unten jeweils einige cmfreigelassen.

29 Für den imfolgenden noch zusätzlich aufgeführten G. F. Wullen hatte (nach Ausweis der Konsistorialprotokolle) dessen Vater ebenfalls die Aufnahme in das Stift beantragt, was aber nicht genehmigt wurde.

462

ANHANG

Auf der ersten Seite stehen rechts oben am Rand, noch höher als die Überschrift, Datum und Name. Die Überschrift ist in vier Zeilen angeordnet: Über einige Vortheile, / welche uns die Lektüre der alten klassischen / Griechischen und Römischen Schriftsteller / gewährt. Alle Zeilen sind unter­ strichen. Verteilt durch das ganze Ms finden sich auf dem Rand Zeichen und Bemerkungen sowie innerhalb der Zeilen Überschreibungen und Unterstreichungen von der Hand eines Korrektors. Entstehungsgeschichte Das von Hegel selber geschriebene Datum Decemb. 1788 läßt sich nicht weiter präzisieren. Zu erinnern ist an die Tatsache, daß Hegel und die Mitstudenten seines Jahrgangs am 3. Dezember 1788 die Bakkalaureatswürde erhielten.30 Dieser Verleihung des niederen akademischen Grades scheinen, trotz formalistischer Erstarrung, auch zu Hegels Studienzeit noch gewisse allgemeine Prü­ fungen vorausgegangen zu sein. Es fehlt uns aber an Unterlagen, um eine etwa bestehende Verbindung zwischen dem Bakkalaureatsexamen und der vorliegenden Arbeit nachzuweisen. KDie Namenseintragung und die Korrekturen von fremder Hand zeigen indessen, daß es sich hier um eine von dem Studenten abzuliefernde Pflichtarbeit handelt. Es liegt nahe zu vermuten, daß die Korrekturen von einem Repetenten am Tübinger Stift vorgenommen wurden; doch gelang es den Herausgebern nicht, aufgrund der Handschrift im Vergleich mit einschlägigen Stiftsakten zu ermitteln, von welchem der damals amtierenden Repetenten31 die Bemerkungen stammen könnten. Andere Manuskripte dieser Art aus Hegels Tübinger Zeit sind nicht erhalten geblieben. Schon Rosenkranz erwähnt, daß ihm nur dieser eine Aufsatz - aus dem er den Passus 53,22-54,7 zitiert Vorgelegen habe. Der Wortlaut seiner Mitteilung verdient Aufmerksamkeit. Er hebt hervor, daß im Stift auch andere [als theologische] Arbeiten gemacht wurden, undfährt dann fort: allein es hat

sich von diesen [Aufsätzen], mit den Correkturen des Repetenten, nur der erste freier Wahl, vom December 1788 erhalten . . . 32 Ob die in dieser Aussage vereinten Momente (nämlich: Repe­

tentenkorrektur; erster Aufsatz einer Folge; freie Themenwahl) von Rosenkranz nur erschlossen wurden oder ob er sich auf eine zusätzliche Auskunft zu dem ihm von der Familie Hegels überlassenen Nachlaßmaterial stützen konnte, muß für uns offenbleiben. Auf eine eigene Themenwahl Hegels könnte allerdings der Umstand hindeuten, daß die Arbeit eng an Text 5 anknüpft, den er vier Monate zuvor in Stuttgart verfaßt und am Gymnasium vorgetragen hatte. Z ur Edition Die am Rande stehenden Korrekturbemerkungen haben wir dem Text in Fußnoten zu denjeweiligen Stellen beigegeben. Dabei bezeichnen wir den Urheber dieser Bemerkungen - weil die Vermutung, daß sie von einem Repetenten stammen, nicht verifiziert werden konnte - neutral als Korrektor.

30 Vgl. dazu in diesem Band 413,5-7 und die zugehörigen Ausführungen im editorischen Bericht, unten 512f. 31 Vgl. die Zusammenstellung der Repetenten, die während der Studienzeit Hegels im Stift tätig waren, bei Martin Brecht und Jörg Sandberger: Hegels Begegnung mit der Theologie im Tübinger Stift. In: Hegel-Studien. Bd 5. Bonn 1969. 47-81; dort 58-61. 32Rosenkranz: Hegel’s Leben. 27.

EDITORISCHER BERICHT

463

VIER PREDIGTEN 1792-1793 Die Texte 8 bis 11 bilden innerhalb der Arbeiten des jungen Hegel eine gesonderte Gruppe. Es handelt sich um Niederschriften für Übungspredigten, wie sie die Theologiestudenten im Tübinger Stift zu halten hatten. Die äußere Form dieser praktischen Ausbildung hat sich mit den im Mai 1793 in Kraft tretenden neuen Statuten, also gegen Ende von Hegels Studienzeit geändert. Gemäß den Statuten des Theologischen Stipendii von 1752zzfanden die Predigten in der Communität, d. i. im Speise­ saal während des Essens statt. Bevor die Predigten gehalten wurden, mußten sie denen Repetenten in die Censur gegeben werden. Es mußte jeweils einer der Magister predigen. Sobald aber die Spei­

sung vorbei, ... solle derjenige so gepredigt, sogleich dem sogenannten Herren-Trippel zu­ gehen und sich denen Inspectoribus darstellen, um zu vernehmen was sie seiner abgelegten Predigt halber zu sagen haben. Die erneuerten Statuten von 1793z4 bestimmten folgendes: Zu den Predigt-Uebungen des Sommers in der Klosterkapelle und des Winters auf dem Speisesal sind wöchentlich drey Stunden ausgesezt, nämlich am Sonntage Nachmittags von 2 bis halb 4 Uhr, und am Don­ nerstage Vormittags von halb 10 bis 11 Uhr; hiezu kommen noch an jedem Festtage Nach­ mittags die anderthalb Stunden von 2 bis halb 4 Uhr. Jedesmal predigen fünf nacheinander. Einer von der neuen, zwey von der mittlern, und zwey von der ältesten Magisterpromotion. Der Anfang und Beschluß wird mit Anstimmung einiger Strophen aus dem eingeführten Gesangbuche gemacht, welche der anwesende Vorsteher oder Wochenrepetent angibt. Alle Magister, Kandidaten und Novizen erscheinen dabey. - Dem folgt ein eigener Paragraph über Censur und Korrectur der Predigten. Er lautet: Sein Predigt-Concept samt einer Disposition übergibt jeder seinem Repetenten, unter dessen Abtheilung er ist, zwey Tage vor dem Ablegen zur Censur. Ist die Predigt abgelegt, so kommt sie noch einmal in die Hände des Repetenten, und zuletzt des Inspektorats, um dem Redner die weiteren homiletischen Belehrungen darüber zu ertheilen.

Die heute noch erhaltenen Predigtmanuskripte Hegels stimmen überein mit denen, die Rosenkranz in der Biographie beschreibt.3Ö Man kann also davon ausgehen, daß im Hegel-Nachlaß von Anfang an nur diese vier Stücke vorhanden waren. Die Frage, ob dies alle Predigten sind, die Hegel im Tübinger Stift gehalten hat, ist damit nicht beantwortet. Es ist aber in der Tat denkbar, daß die sehr ordentliche Niederschrift vom 10. Januar 1792 ( = Text 8) Hegels erste Übungspredigt betrifft. Was den chronologischen Ort der Predigten im Gesamtschrifttum des jungen Hegel angeht, so ist zu beachten, daß zumindest die dritte und vierte Predigt, vielleicht auch schon die zweite , zeitlich parallel liegen zu den ersten Stücken der folgenden Textgruppe.

33 Die Statuten sind abgedruckt in: Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Samm­ lung der württembergischen Gesetze. Hrsg. von A. L. Reyscher. Bd 11, Abt. 2. Tübingen 1847.

211-237. Zum folgenden vgl. ebd. 228. 34Abgedruckt in: Sammlung der württembergischen Gesetze. Bd 11, Abt. 2. 310-333. Zum folgenden vgl. ebd. 316. 35 Vgl. Hegel’s Leben. 26.

464

ANHANG

Text 8

[E rste P re d ig t]

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Kassette 15, Mappe I, Nr 2 (acc. ms. 1935. 181). Zwei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 21 x 17. Papierfarbe: chamois. Mit großen, gleichmäßigen Schriftzügen sind Seiten beschrieben, wobei außen ein durch Längsfalzung entstandener Rand von ca. 5,5 cm Breite freigelassen ist. Außerdem sind jeiveils oben und unten ca. 3 cm frei. Das äußere Bild des Ms gleicht eher dem der Texte 3 und 7 (Aufsätze) als den nachfolgenden Predig tn iederschriften. Auf der ersten Seite steht in gleicher Höhe mit der als Überschrift in die Mitte gesetzten Schriftstelle am Rand das Datum. Entstehungsgeschichte Von den uns vorliegenden Predigtmanuskripten ist dies das einzige, das Hegel kalendermäßig (also nicht nach der Ordnung des Kirchenjahres) datiert hat. Der 10. Januar 1792, der am Kopf des Ms ausgewiesen ist, war ein Dienstag. Obwohl die im engeren Sinne theologische Ausbildung Hegels nach dem Magisterexamen, also mit dem Wintersemester 1790j91 begann und statutengemäß auch die neue Magistri zu den homiletischen Übungen herangezogen wurden36, ist es nicht auszuschließen, daß dieses Ms der ersten von Hegel gehaltenen Predigt zugrundegelegen hat. Zumindest dürften von ihm nicht mehrere Predigten aus dem Jahre 1791 verlorengegangen sein. Sein Mitstudent und Jahrgangsgefährte Hölderlin berichtet brieflich im Februar und März 1791 von seinen ersten Predigten,37 Damals war Hegel erkrankt; ab 14. Februar war er aus dem Stift abwesend und durfte eine Cur zu Haus gebrauchen.38 Die Kurzeit wurde im gleichen Jahr mehrfach verlängert, die Beurlaubungen Hegels zogen sich bis in die zweite August­ hälfte hin,39

36 Vgl. Statuten 1752. Kapitel 4 ,§ 6. In: Sammlung der württembergischen Gesetze. Bd 11, Abt. 2. 228. Die erste aktive Beteiligung des jüngsten MagisterJahrgangs geschah wohl mit einem gewissen Aufschub: Die neue Magistri sollen zu diesen Predigten, wozu ihnen die leichteste Texte zu geben sind, erst nach vollendetem Circul angehalten werden... 37 Vgl. Hölderlin: Sämtliche Werke. Stuttgarter Ausgabe. Bd 6. 62, 63, 66 (Brief 40, Z.

34-36; Brief 41, Z. 10-12; Brief 43, Z. 36-38). 38 Vgl. Konsistorialprotokolle. Nr 60: 1791. 100. (Landeskirchliches Archiv, Stuttgart.) 39 Vgl. die diesbezüglichen Eintragungen im sogenannten Carenten-Gatter des Tübinger Stifts und in den Konsistorialprotokollen, abgedruckt in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 44 und 47f Vielleicht muß man diese Dokumente in Zusammenhang bringen mit einer nach Hegels Tod brieflich aufgezeichneten Erinnerung seiner Schwester Christiane: Während sr. Studienjahre hatte

er lange das tertian Fieber u. brachte deßwegen einige Monathe im väterlichen Hause zu ...

(Christiane Hegel an Marie Hegel, 7. Januar 1832. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Hegel-Nachlaß, Kassette 15, Mappe IV, 1, Nr 4.)

EDITORISCHER BERICHT

465

Der in der Predigt behandelte alttestamentliche Schrifttext ist nicht in der Perikopenreihe vorge­ schrieben40, etwa für einen der benachbarten Sonn- oder Feiertage, sondern beliebig gewählt. Gesichts­ punkte für diefreie Textauswahl werden in den Statuten von 1793 ausdrücklich angeführt: Die Pre-

digttexte müssen nicht blos nach der Ordnung der biblischen Bücher vorgeschrieben, son­ dern solche ausgewählt werden, welche die wichtigsten Glaubens- Sitten- Natur- und Ge­ schichtswahrheiten enthalten, und den Kräften des Redners nicht unangemessen sind.41 Eine individuelle Auswahl von Predigttexten ist auch für die vorhergehende Zeit anzunehmen.

Text 9 [Z w eite P re d ig t]

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Kassette 15, Mappe I, Nr 5 (acc. ms. 1935. 181). Zwei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 17x10,5. Papierfarbe: chamois. 62/3 Seiten sind mit kleiner Schrift sehr dicht und ohne Rand beschrieben. A uf der achten Seite stehen, mit größerer Schrift, die beiden den Abschluß bildenden Liedstrophen. Entstehungsgeschichte Der Text weist weder ein Datum noch eine Angabe der behandelten Bibelstelle auf. So konnte es sogarfraglich erscheinen, ob hier überhaupt die Niederschrift einer Predigt vorliege; die alte Bibliotheks­ eintragung auf der zugehörigen Nachlaßmappe, in der die Predigtniederschriften mit dem Ms zu Text 7 und einem Exzerpt als Jugendarbeiten zusammengefaßt sind, lautet: 5. Predigt (?) über die Ver­ söhnlichkeit. Doch belegt eine nähere Betrachtung von Inhalt und Aufbau des Textes, daß ein solcher Zweifel unbegründet ist. Bisher wurde angenommen, daß wir es hier mit der spätesten der vier überlieferten Predigten zu tun haben. Diese Vermutung stützte sich auf die Tatsache, daß in diesem Manuskript erstmals ein Buch­ stabe in der zweiten, der Berner Periode zuzuordnenden Formstufe auftaucht, nämlich zweimal s2 am Wortanfang. Indessen zeigt sich bei Berücksichtigung des gesamten Materials, daß s2 aus der gerad­ linigfortschreitenden Entwicklung der Buchstaben der zweiten Phase herausfällt und noch in der ganzen ersten Hälfte der Berner Zeit Hegels nur in Verbindung mit anderen Indizien für die Datierung heran­ gezogen werden kann. Damit verliert das isolierte Vorkommen von s2 in der Tübinger Predigt seine Beweiskraft. Die chronologische Bestimmung muß daher von inhaltlichen und biographischen Anhalts­ punkten ausgehen.

40 Vgl. Chr. Kolb: Die Geschichte des Gottesdienstes in der evangelischen Kirche Würt­ tembergs. Stuttgart 1913. Beilage, 419-422. 41 Statuten 1793. In: Sammlung der württembergischen Gesetze. Bd 11, Abt. 2. 305.

466

ANHANG

Orientieren wir uns an der offiziellen Textordnung des Kirchenjahres, so ergibt sich folgendes: Hegel spricht eingangs der Predigt von der Anleitung des heutigen Evangeliums (60,16) und bezieht sich im weiteren deutlich auf das GleichnisJesu vom unbarmherzigen Knecht (vgl Matthäus 18,23-35). Dieses Evangelium wurde nach der seit langem bestehenden Perikopenordnung in Württemberg am 22. Sonntag nach Trinitatis gelesen. Die neue, am 31. März 1192 eingeführte Ordnung42 übernahm die Perikope, erweiterte sie aber um die vorangehenden Verse 21 und 22, die das kurze Gespräch zwischen Petrus und Jesus wiedergeben43, das Hegel 63,35-64,2 zitiert. Im Jahre 1193 fiel der 22. Sonntag nach Trinitatis auf den 21. Oktober. Hegel legte aber schon am 19./20. September in Stuttgart das Konsistorialexamen ab44, zu dem er vorzeitig zugelassen wurde, damit er eine ihm angetragene Parastatur bei dem Hauptmann von Steiger in Bern sogleich antreten könne45. Für Anfang Oktober kündigte Hegel seine Ankunft in Bern an.46 Falls also die Predigt tatsächlich an dem Sonntag des Kirchenjahres gehalten wurde, dessen Evangelium sie behandelt, kann sie nicht 1193 entstanden sein. Wir müssen sie dann nach 1192 datieren, in welchem Jahre der 22. Sonntag nach Trinitatis am 4. November war. Andere Folgerungen sind möglich, wenn wir annehmen, daß der erörterte Bibeltext unabhängig vom Predigttag als Vorlage gewählt wurde. Dann läßt sich die Predigt auch in das Jahr 1193 verweisen. Aber auch in diesem Fall müßte sie wohlfrüher angesetzt werden als die beiden datierten Predigten aus demselben Jahre. Am 13. Mai wurden die reformierten Statuten des Tübinger Stifts daselbst in An­ wesenheit des Herzogs Carl Eugen publiziert, und wie den Aufzeichnungen des Repetentenkollegiums zu entnehmen ist, wurde die neue Ordnung der Dinge durchaus, soweit es möglich war, gleich von diesem Tage an eingeführt.47 Wenn nach den neuen Statuten an jedem Übungstag nur zwei Studierende einer Promotion zu predigen hatten, so konnte Hegel - der damaligen Stärke seines Jahr­ gangs entsprechend - frühestens nach fün f Wochen wieder an die Reihe kommen. Daraus ergibt sich einerseits, daß bei regulärem Abstand Hegel zwischen dem 1. Mai (Text 10) und dem 16. Juni (Text 11) nicht noch ein weiteres Mal zur Übungspredigt herangezogen wurde. Andererseits läßt sich mit gutem Grund vermuten, daß Hegel nach dem 16. Juni überhaupt nicht mehr in Tübingen gepredigt hat. Nach einer Eintragung in den Annotationstabellen des Stifts war er ab 10. Juli von dort abwesend48; es muß angenommen werden, daß er bis zu seinem Examen am 20. September nicht mehr oder höchstens zu einem kurzen Besuch nach Tübingen zurückgekehrt ist. Am 24. August jedenfalls schreibt er aus Stuttgart an v. Rütte in Bern, am 11. September wiederum 49 Außerdem ist in diesem Zusammenhang eine briefliche Äußerung des Stiftsephorus Prof. Schnurrer zu vergleichen; dieser schreibt am 10. September: Hr M. Hegel wird nun dieses Spätjahr examinirt... Er ist beynahe diesen ganzen

42 Vgl. Chr. Kolb: Die Geschichte des Gottesdienstes ... 91. 43 V gl ebd. 422. 44 Vgl. die einschlägigen Dokumente in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 52-54. 45 Siehe das Reskript des Konsistoriums an die Vorsteher des Stifts vom 13. September 1193.

(Archiv des Evangelischen Stifts, Tübingen.) Abgedruckt: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 53. 46 Hegel an v. Rütte, 11. September 1193. Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 5fi 47 Siehe die sogenannten Repetentenannalen, die handschriftlich im Archiv des Evangelischen Stifts aufbewahrt werden: Memorabilien. Bd 1: 1767-1804. Zitat: 220 . 48 Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 44. 49 Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 4-6.

467 Sommer, unter dem Vorwande einer Cur, aus dem Stipendium abwesend, und sein langer Aufenthalt zu Hauß ... möchte keine eigentliche Vorbereitung auf das nicht eben zwanglose Leben eines Hofmeisters seyn.50 Angesichts dieser Dokumente scheint es ausgeschlossen, daß die EDITORISCHER BERICHT

fragliche Predigtniederschrift den Monaten Juli/August 1793 zugehört. Endlich ist auch die Vermutung zurückzuweisen, daß sie mit Hegels theologischer Prüfung in Verbindung gebracht werden könne51; aus der diesbezüglichen Eintragung im Zeugnisbuch des Konsistoriums wissen wir, daß Hegel hier über eine Stelle aus dem 1. Korintherbrief zu predigen hatte (vgl. in diesem Bande 413,14-16). Zusammenfassend ist zu sagen, daß Text 9 mit einiger Wahrscheinlichkeit zum 22. Sonntag nach Trinitatis (d. i. zum 4. November) 1792 niedergeschrieben worden ist, daß aber auch bei angenom­ mener Unabhängigkeit von einem festen Termin im Kirchenjahr alle ermittelbaren Anhaltspunkte dafür sprechen, den Text an die zweite Stelle der vier erhaltenen Übungspredigten zu setzen. Zur E dition Besondere, in der Edition stillschweigend aufgelöste Abkürzungen dieses Textes: Besch. = Beschaffenheit (neben dem ausgeschriebenen Wort); Xus, Xi = Christus, Christi; G’s = Gottes; HE. = Herr bzw. Herrn; J. = Jesus, Jesu, Jesum; Jerus. = Jerusalem; P. =

Paulus; Rel. = Religion.

Text 10 [D ritte P redigt]

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Kassette 15, Mappe I, Nr 4 (acc. ms. 1935. 181). Ein Blatt, ca. 17,3x10,7. Papierfarbe: chamois. Mit kleiner Schrift sehr eng und ohne Rand beiderseits beschrieben. Das untere Drittel der zweiten Seite ist leer. Datierung Gemäß Überschrift ist dieses Konzept 1793für den Feiertag der Apostel Philippus und Jakobus, d. i. den 1. Mai, niedergeschrieben. Die behandelte Textstelle ist nicht ausdrücklich genannt, doch nehmen die Ausführungen deutlich Bezug auf den Text des Apostelfeiertags52: Johannes 14,1-14.

50 Chr. F. Schnurrer an J. E. H. Scholl, 10. September 1793. Handschriftlich. Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart. Cod. Hist. Nr 295. 51 Vgl. die dies noch in Betracht ziehenden Erwägungen bei G. Schüler: Zur Chronologie von Hegels Jugendschriften. 137. 52 Vgl. Kolb: Die Geschichte des Gottesdienstes... 425.

468

ANHANG

Z u r Edition Besondere, in der Edition aufgelöste Abkürzungen dieses Textes:

Besch. = Beschaffenheit; G., G’s = Gott, Gottes; Rel. = Religion; Xus (mit verschiedenen Flexionsendungen) — Christus: alle wie schon in Text 9. Außerdem: App. = Apostel bzw. Aposteln; gegr. = gegründet; Pharis. = Pharisäer; Xstentums = Christentums. Text 11

[V ierte P re d ig t]

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Kassette 15, Mappe I, Nr 3 (acc. ms. 1935. 181). Ein Doppelblatt. Seitenformat: ca. 17,3 x 10,8. Papierfarbe: chamois. Mit kleiner Schrift sind etwas mehr als 21/2 Seiten eng und ohne Rand beschrieben. A u f der vierten Seite steht, mit größerer Schrift, die abschließende Liedstrophe. Datierung Die Überschrift gibt Thema und Tag der Predigt, für die dieses Konzept niedergeschrieben wurde, genau an, nämlich Matth. 5,1-16 und 3ten Trinit. 1793. Die genannte Textstelle entspricht dem Evangelium, das nach der seit 1792 gültigen Perikopenordnung für den 3. Sonntag nach Trinitatis vorgesehen war.53 Dieser Sonntagfiel im Jahre 1793 auf den 16. Juni.5* Zur Edition Besondere, in der Edition aufgelöste Abkürzungen dieses Textes: Außer]. = Jesus, G’s = Gottes, Xus = Christus (wie in den beiden vorigen Texten): Ew. =

Evangelien; Maj. = Majestät.

53 Vgl. Kolb. 421. - Zuvor wurden an den ersten fü n f Sonntagen nach Trinitatis Abschnitte aus dem Lukas-Evangelium gelesen: siehe ebd. 54 Nohl beginnt seine Tabelle zur Chronologie der Manuskripte mit der Angabe:»Predigt (9. 6.93)«. Es kann sich dabei nur um die vorliegende Predigt vom 3. Sonntag nach Trinitatis handeln. Nohl muß das Ms falsch gedeutet undfür seine Datumsangabe den 2. Sonntag zugrundegelegt haben; er hat offen­ bar übersehen, daß in Hegels Überschrift die Ziffer 2 in eine 3 korrigiert ist (vgl. unseren textkritischen Apparat zu 70,2). - Auch Hoffmeister, der später die Predigten erstmals ediert hat, liest: 2. Trinit. (vgl. Dokumente zu Hegels Entwicklung. 179).

EDITORISCHER BERICHT

469

STUD IEN 1792/93-1794 Diese Textgruppe unterscheidet sich von den beiden vorhergehenden zunächst dadurch, daß sie nicht mehr Bearbeitungen von Aufgaben umfaßt, die Hegel im Rahmen seiner Ausbildung an Schule und Hochschule gestellt wurden (»Deklamationen«, Aufsätze, Predigten), sondern eigenständige Studien. Darunter fallen Blätter mit kurzen, z. T. an bestimmte Lektüre anknüpfenden Notizen ebenso wie größere Entwürfe und Ausarbeitungen. Die Gruppe beginnt mit Niederschriften, deren Buchstabenformen noch ganz der ersten Datierungs­ phase zugehören. Ab Text 17 ist das A uf tauchen und langsame Anwachsen der Schriftcharaktere zu beobachten, die für Hegels Berner Zeit bestimmend sind. Dieser Formenbefund der Handschrift wird dadurch unterstützt, daß uns genau von diesem Punkte ab Papiere mit einem Berner Wasserzeichen vorliegen. Es wurde bewußt vermieden, die Texte 12 bis 16 editorisch zu einer separaten Gruppe zusammen­ zufassen und als deren Entstehungsort Tübingen zu nominieren. So sicher wir ab Stück 17 von Schwei­ zer Manuskripten sprechen können, so wenig sind wir imstande, zu fixieren , wie lange Hegel die Handschrift seiner Tübinger Studentenzeit in Bern noch beibehalten hat. Außerdem sollte berück­ sichtigt werden, daß die Texte 12 bis 26 gedanklich insgesamt einem Problemkreis zuzuordnen sind (- H. Nohl hat ihn unter das Thema » Volksreligion und Christentum«gestellt). Der begründete Verzicht auf eine zusätzliche Zäsur in der äußeren Anordnung der Stücke darf jedoch nicht gleichgesetzt werden mit der Annahme, der Beginn dieser Studien sei erst nach Antritt der Hauslehrertätigkeit Hegels (Oktober 1793) anzusetzen. Vielmehr macht das Zusammentreffen der beiden Gegebenheiten, daß bis einschließlich Text 16 die Handschrift noch keinerlei Veränderungen aufweist und daß alle bis dahin benutzten Papiere Tübinger Herkunft sind, es sogar wahrscheinlich, daß diese Manuskripte vor der Übersiedlung nach Bern entstanden sind. Die Angabe 1792/93 signalisiert die früheste Abfassungsmöglichkeit der ersten Notizen, zumindest von Text 12, in dem auf Fichtes Versuch einer Critik aller Offenbarung verwiesen wird. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet Text 16; für ihn ist-wie für die Predigt vom 16. Juni 1793 (= Text 11)- die Bekanntschaft mit der Ostern 1793 erschienenen Religionsschrift Kants vorauszusetzen. Von Text 17 ab läuft die Entwicklung der Handschrift auf den Status zu , wie er in den Briefen von Dezember 1794 und Januar 1795 dokumentiert ist. Damit ist der Zeitpunkt bezeichnet, bis zu dem die mit Stück 26 endende Gruppe von Texten entstanden sein dürfte.

Text 12

W IE F E RN IST R E L I G I O N . . .

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 1-2. Ein Doppelblatt. Seitenformat: ca. 21,5 x 17,3. Papierfarbe: chamois. Durch einen Längsknick in

470

ANHANG

der Mitte sind die Seiten geteilt. Jeweils die linke Hälfte ist beschrieben, auf der letzten Seite nur bis zur Mitte; rechts sind nur einzelne Notizen hinzugefügt. A u f der dritten Seite beginnt der Text fragmentarisch (vgl. 77,1). Es fehlt also offenbar das innere Doppelblatt des ursprünglich aus zwei ineinandergelegten Doppelblättern bestehenden Ms. Entstehungsgeschichte Die Niederschrift reiht kurze Notizen und Reflexionen aneinander. Es ist deutlich erkennbar, daß das Ganze nicht in einem Zuge geschrieben ist. Der erste Teil ist offensichtlich während einer Be­ schäftigung mit dem Buch Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum von Moses Mendels­ sohn entstanden. Der Notizencharakter ist dem vorliegenden Manuskript gemeinsam mit den Texten 13 bis 15. Man muß diese Blätter zusammengreifen als Vorarbeiten zu dem nachfolgenden größeren Entwurf (Text 16). Über ihre Entstehungsfolge läßt sich im einzelnen nichts sagen. Alle gehören den Buchstabenformen nach eindeutig zur ersten Periode, die in sich keine Veränderungen aufweist, und sind auf Papieren mit Tübinger Wasserzeichen geschrieben. In Text 12 findet sich ein inhaltlicher Anhaltspunkt für die Datierung. Die erste Notiz (vgl. 75,3-6) enthält eine Verweisung aufFichtes Buch Versuch einer Critik aller Offenbarung.55 Diese Erstlingsschrift Fichtes erschien zur Ostermesse 1792 zunächst anonym. Im Intelligenzblatt der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 30. Juni 1792 wurde die Meinung geäußert, der Phi­ losoph von Königsberg sei unschwer als Verfasser jenes Werkes zu erkennen. Auch der einige Wochen später in der A.L.Z. erscheinenden Rezension von Gottlieb Hufeland konnte man noch ent­ nehmen, daß das Buch Kant zugeschrieben wurde. Kant selbst korrigierte in einer Erklärung, die in das Intelligenzblatt der A.L.Z. vom 22. August eingerückt wurde, die irrtümliche Annahme und nannte den richtigen Verfasser. Vor Ende August 1792 konnte also Hegel, der in seinem Ms den Autornamen nennt, nicht wissen, daß der Versuch einer Critik von Fichte war. Die Selbstverständlichkeit, mit der er notiert: s[iehe] Fichte Einleitung, setzt aber eher voraus, daß die Kenntnis von der Verfasser­ schaft Fichtes sich allgemein durchgesetzt hat. Man möchte sogar vermuten, daß Hegel ein Exemplar des Buches vor sich hatte, das den Namen des Verfassers auf dem Titelblatt nannte; das könnte etwa ab Oktober 1792 der Fall gewesen sein. Wollte man weitergehen und annehmen, Hegel habe Fichtes Versuch von Anfang an in der 2. Auf­ lage56 benutzt, auf die er sich in Text 28 nachweislich bezieht (vgl. 196,1 mit Anm.), so würde sich das Grenzdatum, von dem ab das vorliegende Notizenblatt entstanden sein könnte, um ein halbes Jahr verschieben: die Neuauflage kam im Frühjahr (April?) 1793 heraus. Damit würde sich die ohnehin naheliegende zeitliche Nachbarschaft zwischen Text 16 und den hier erörterten Vorarbeiten schon durch den möglichen Terminus a quo ergeben. Die Wahrscheinlichkeit sprichtfür ein Entstehen der Texte 12 bis 16 im Jahre 1793 (vgl. auch das unten zu Stück 16 Gesagte). Das Notizenblatt 12 kann nicht vor Herbst 1792geschrieben sein.

55 Zum folgenden vgl. J. G. Fichte: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissen­ schaften. Reihe 2, B dl. Vorwort der Herausgeber, bes. 1 und 10f. 56Johann Gottlieb Fichte: Versuch einer Kritik aller Offenbarung. Zweite, vermehrte, und verbesserte Auflage. Königsberg 1793.

EDI TORI SCHER BERICHT

471

Dagegen bezeugt eine kurze Randnotiz auf der ersten Seite des Ms (vgl. im Text: 75,26-27) die spätere Wiedervornahme dieser Notizen: der in diesem Satz viermal vorkommende Buchstabe w erscheint ausschließlich in der späteren Form w2, die ab Text 17 auftritt (siehe dort: Datierung). Zur Edition Besondere, in der Edition gemäß dem Kontext aufgelöste Abkürzungen dieses Textes:

Reform. = Reformatoren; myst. = mystica; heutz. = heutzutage; Komp. = Kompen­ dien; Despot. = Despotismus.

T e x t 13 A b er die H a u p tm a s se ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 3. Ein Blatt, Format ca. 21,5 x 17,5, Papierfarbe: chamois; durch Längsfalzung in der Mitte geteilt. A uf beiden Seiten istjeweils die linke Spalte und in der unteren Hälfte auch die rechte Spalte beschrieben. Der inhaltlich fragmentarische Anfang Aber die Hauptmasse weist auf den Verlust eines voraus­ gehenden Textstücks. Im zweiten Abschnitt bricht die Niederschrift mitten im Satz ab. Danach folgt ein Querstrich über die ganze Breite der Spalte und darunter sogleich: Atheisterei... (78,8g). Die zweite Seite beginnt: Die christliche Religion (78,20). Datierung Wahrscheinlich 1793; vgl. das zu Text 12 Ausgeführte.

T e x t 14 U n s r e T r a d i t i o n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7; Notiz auf der Vorderseite von Blatt 50 (siehe die Beschreibung unter Text 18, unten 476). Die wenigen Sätze stellen kein selbständig überliefertes Ms dar, sondern finden sich zu Anfang eines Notizenblattes, dessen weiterer Text eindeutig später entstanden ist (vgl. 121,3$); aus diesem Grunde sind sie als gesondertes Fragment zu behandeln.

472

ANHANG

Datierung Wahrscheinlich 1793; vgl. die Ausführungen unter Text 12.

Text 15 S c h o n in d e r B a u a r t . . .

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 3a; ursprünglich ohne Blattzählung eingefügt zwischen Blatt 3 (= Text 13) und Blatt 4 (= Anfang von Text 16). Ein Blatt, Format ca. 17,4 x 10,7, entstanden durch Halbierung eines Quartblattes. Papierfarbe: chamois. Beide Seiten sind ganz und ohne Rand beschrieben. Äußerlich ist nicht erkennbar, welche Seite zuerst beschrieben wurde und damit eindeutig als Vorderseite des Ms zu gelten hätte. A uf einer Seite (Rißkante links) steht der Text: 81,2-16; auf der anderen (unregelmäßiger Büttenrand links): 81,17-82,3. D atierung Vermutlich 1793; vgl. das unter Text 12 Ausgeführte. Zur Edition H. Nohl hat bei der Erstveröffentlichung des Textes die beiden Seiten (s. o.) in umgekehrter Reihen­ folge wiedergegeben57, so daß das Stück mit den Worten beginnt: Die Formen der ändern Bilder... Dieser Textanfang setzt gedanklich noch etwas voraus. Äußere Indizien dafür, daß ein vorangegan­ genes Blatt gleicher Größe verloren wäre, liegen nicht vor. Dagegen kann der Seitenanfang die Formen der ändern Bilder (81,17) zurückbezogen werden auf die Worte: die gröste Werke der Kunst (81,13), die sich im unteren Abschnitt der Rückseitefinden. Diesführt zu der editorischen Entscheidung, den Text von dieser Seite her zu lesen und mit dem Satz zu beginnen: Schon in der Bauart zeigt

sich...

Auch äußerlich betrachtet erscheint diese Textfolge plausibel, weil so der Anfang der Niederschrift an der geraden Rißkante des halben Blattes steht58 (siehe oben die Beschreibung des Blattes).

57 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. 358f 58 Ebendieser Umstand verbietet umgekehrt die Annahme, links neben den Worten die Formen der ändern Bilder sei die Hälfte des Blattes (gegebenenfalls mit Textverlust) weggerissen.

EDITORISCHER BERICHT

473

Text 16 R e l i g i o n is t e i n e d e r w i c h t i g s t e n A n g e l e g e n h e i t e n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 4-41. Insgesamt 38 Blatt: zuerst zwei aufeinanderfolgende Doppelblätter, dann acht Lagen aus jeweils zwei ineinandergelegten Doppelblättern, dann nochmals ein Doppelblatt. Blattgrößen: Blatt 4-5: ca. 21,5x17; Blatt 6-7: ca. 21,5x17,3; Blatt 8-11: ca. 21,3x17,5; Blatt 12-41: ca. 20x17. Es finden sich drei verschiedene, an ihren Wasserzeichen zu überprüfende Papiersorten, und zwar in folgender, den Angaben der Formate korrespondierender Gruppierung: 1) Blatt 4-7; 2) Blatt 8-11; 3) Blatt 12-41. Papierfarbe insgesamt chamois. Alle Blätter sind durch einen Längsknick in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sind durchgängig beschrieben; auf den rechten Spalten stehen nur gelegentlich Ergänzungen oder Korrekturen. Die beiden Schlußseiten des letzten Doppelblattes sind leer. Die Zusammengehörigkeit der Blätter und ihre Reihenfolge hat Hegel selbst bezeichnet: die einzel­ nen Lagen sind jeweils in der unteren rechten Ecke der letzten Seite mit einem kleinen lateinischen Buchstaben versehen, beginnend mit a und weiterlaufend bis 1. Das erste Doppelblatt (= aj ist Über­ bleibsel einer vierblättrigen Lage, deren Mittelstück fehlt: hier ist im Text eine Lücke (vgl. 84,7). In dem Text, der auf dem mit b bezeichneten Doppelblatt steht, ist keine Lücke anzunehmen (Seiten­ bruch 86,17 nach: Nation —); hier war also schon bei der Niederschrift ausnahmsweise kein weiteres Doppelblatt eingelegt. Die Lage e fehlt ganz. Das letzte Doppelblatt (d. i. Blatt 40/41, davon be­ schrieben nur 40) ist nicht mehr von Hegel mit einem Buchstaben bezeichnet, muß aber von seinem Text her, der eine Neufassung der letzten Seiten der Lage 1 darstellt, zum Ganzen hinzugenommen werden. In der Abfolge des Gesamtmanuskripts seien hier die Textanfänge der einzelnen Lagen, besondere Zwischenräume in der Niederschrift und die beiden Überlieferungslücken zu einer Übersicht zusam­ mengestellt: Lagenbezeichnung Blätter des Ms Textanfang und Sonstiges a Bl. 4-5 beginnt (83,2):

A. 1) Religion ist eine ...

b

Bl. 6-7

c

Bl. 8-11

d

Bl. 12-15

nach 84,7 Lücke (fehlendes Doppelblatt) beginnt (85,14): A. 1) Es liegt in dem Begrif ... letzte Seite von b (Text: 87,4-15) nicht ganz vollgeschrieben beginnt (87,16):

Auseinandersezung des Unterschieds... beginnt (90,26):

Wenn Theologie ...

474

ANHANG

B l 16-19

(davor noch einige gestrichene Zeilen, vgl. den textkritischen Apparat!) nach 93,27 Lücke (fehlende Lage e) beginnt (94,1):

B l 20-23

nach 94,30 einige Zeilen frei (Seite nicht ganz vollgeschrieben) beginnt (96,25):

h

B l 24-27

nach 99,2 einige Zeilen frei (Seite nicht ganz vollgeschrieben) beginnt (99,29):

i

B l 28-31

beginnt (103,2):

f g

k

B l 32-35

1

B l 36-39

unbez.

B l 40/41

Aufklärung -

daß ich aber doch ...

Wenn zwischen reiner ...

[Un-]terricht, bringt es... zweite Seite von i (Text: 103,14-27) nicht ganz vollge-

geschrieben beginnt (106,7):

Was geschehen ...

beginnt (109,29):

III. Sobald eine ... nach 112,13 das untere Drittel der Seite freigelassen letzte Seite von 1 (Text: 113,1-7) nur knapp zur Hälfte be­ schrieben, wieder gestrichen beginnt (114,1):

Ach! aus fernen Tagen ...

Entstehungsgeschichte Ebensowenig, wie die Texte 12 bis 15 chronologisch gegeneinander abgehoben werden können, ist die Frage nach der Entstehungsfolge der einzelnen Partien des vorliegenden Ms zu beantworten, da Hegels Handschrift innerhalb der ersten, bis etwa Ende 1793 reichenden Phase noch keine Differen­ zierungen ermöglicht. Der Tatbestand, daß das ganze Ms ausschließlich »alte« Buchstabenformen aufweist, zusammen mit dem Sachverhalt, daß drei verschiedene Papiersorten mit Tübinger Wasserzeichen benutzt wurden, stützt die Annahme, daß diese Arbeit vor Hegels Übersiedlung nach Bern niedergeschrieben ist. Ein wichtiger zusätzlicher Anhaltspunkt für die Datierung ist damit gegeben, daß für den 99,29 beginnenden Text des Bogens h mit Sicherheit die Lektüre von Kants Buch Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft vorausgesetzt werden muß. Das Werk erschien 1793 zur Oster­ messe, also im Monat April (Osterdatum: 31. März). Daß Hegel das Buch sehr bald nach Erscheinen

EDITORISCHER BERICHT

475

gelesen haben muß, ergibt sich daraus, daß dessen Kenntnis auch für die Predigt vom 16. Juni 1793 (— Text 11) anzunehmen ist (vgl. die Anmerkungen zu dieser Predigt ab 70,9). Faßt man die äußeren und die inneren Indizien zusammen, so ergibt sich als wahrscheinliche Ent­ stehungszeit dieses Ms der Sommer 1793. Dabei ist dann weiter zu beachten, daß Hegel ab 10. Juli 1793 mehr als zwei Monate zu Hause in Stuttgart verbrachte59 und ihm damit ein von den Tübinger Bindungen freier Zeitraum für eigene Arbeiten zur Verfügung stand. Zur Edition A u f der vierten bis siebten Seite der Lage 1 (d. i. Blatt 37r-39r) lassen sich die Ergänzungen in den rechten Spalten zusammen mit den Streichungen und kleinen Korrekturen innerhalb der ursprünglichen Niederschrift als eine durchgängige Überarbeitung erkennen. Die Edition gibt hier beide Textfassungen zusammenhängend wieder: vgl. 111,1-112,7 (= überarbeiteter Text) und Fußnote 112,15-113,23 (= erste Fassung). Die gestrichene Partie auf der letzten Seite der Lage 1wird als weiterer Ansatz zu einer Neufassung nicht in den Apparat verwiesen, sondern im Rahmen des Haupttextes wiedergegeben: vgl. 113,1—7. Besondere Abkürzungen in Text 16, die editorisch aufgelöst werden: App. = Apostel; Empf. =

Empfindung; Ev. = Evangelium; gem. = gemeinen; G’s = Gottes; Rel. = Religion; Verh. = Verhältnis; vern. = vernünftige; Vern. = Vernunft. Text 17 A u s s e r d e m m ü n d l i c h e n U n t e r r i c h t ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 42-49. Zwei Lagen von je zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Seitenformat: ca. 21 x 16,8. Papier­ farbe: chamois. Durch einen Längsknick in der Mitte sind die Blätter geteilt. Die linken Seitenhälften sind beschrieben, in den rechten Spalten finden sich gelegentliche Ergänzungen. A u f der fünften Seite der zweiten Lage (= Blatt 48r), etwa in der Mitte, bricht der Text ab. Die folgende Seite enthält ein Exzerpt (Lit. Zeitung n. 117. 92 - vgl. Band 3 dieser Ausgabe), die beiden restlichen Seiten sind leer. Entstehungsgeschichte Das Ms ist - wie die in der Edition folgenden - in Bern geschrieben. Konnte dies schon aufgrund der hier zu beobachtenden ersten neuen Buchstabenformen konstatiert werden60, so gewinnt der Befund

59 Vgl. die Mitteilungen und Nachweise hierzu im Zusammenhang mit der Datierung von Text 9 (zweite Predigt), oben 466. 60 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. Anhang B, 404. G. Schüler: Zur Chronologie von Hegels Jugendschriften. 139f.

476

ANHANG

Unumstößlichkeit durch die Erkenntnis, daß von hier ab Papiere mit Berner Wasserzeichen vorliegen. Das Stück ist offensichtlich nicht in einem Zuge niedergeschrieben. A u f der ersten Seite des dritten Blattes, etwa in halber Höhe (d. i. Blatt 44r, bei unserer Textstelle 117,19: Christus hatte 12 Apo­ stel ...J setzt die Niederschrift erkennbar neu an. Vor dieser Zäsur zeigen sich zwar schon die neuen Formen w2 bzw. W 2 und k2, aber noch ist überwiegend wx und ein recht hoher Anteil kx vor­ handen, nach der Zäsur indessen überall w2 bzw. W2und (mit nur 2 Ausnahmen) k2. Derfeststellbare relative Fortschritt in der Entwicklung der Schriftformen läßt sich nicht umsetzen in sichere Datumsannahmen für die Entstehung dieses Textes. Es fehlt uns jeder Anhaltspunkt, um Nähe oder Abstand dieser und der folgenden Niederschriften zu dem Zeitpunkt der Übersiedlung Hegels nach Bern zu bestimmen. Vielleicht ist es am angemessensten, die mögliche Abfassungszeit durch die Annahme Winterhalbjahr 1793/94 zu umgrenzen.

Text 18

N ic h t zu le u g n en ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-NachlaJ3, Band 7, Blatt 50-51. Ein Doppelblatt. Seitenformat: ca. 22x17. Papierfarbe: chamois. Durch Längsfalzung in der Mitte sind die Seiten geteilt. A u f der oberen Hälfte der ersten Seite stehen Notizen, die früher entstanden sind und darum als gesondertes Fragment ediert wurden (siehe oben Text 14). Bei der Wiederbenutzung des Blattes setzt nach einem kleinen freigelassenen Zwischenraum - die Niederschrift in der Mitte der linken Spalte ein. Diese ist zunächst bis unten vollgeschrieben (121,3-11: Nicht zu leugnen bis abgenommen hat -). Offenbar später, wahrscheinlich nachdem die beiden folgenden Seiten - jeweils auf der linken Spaltebeschrieben waren (121,23-122,32), wurde die erste Notiz in der rechten Spalte (von der Mitte ab) fortgeführt bis zum unteren Seitenrand (121,11-21), zum Schluß äußerst gedrängt in sehr kleiner Schrift. Dann geht der Text in der gleichen Spalte oberhalb der Mitte weiter, doch bricht der dort begonnene Satz (121,22: Wie viele Dinge...) sogleich wieder ab. Der untere Papierrand ist be­ schädigt, mit Textverlust in den beiden letzten Zeilen (vgl. 121,20). - Die vierte Seite des Doppel­ blattes ist leer. D atierung Die Buchstabenformen w2 (W2) und k2 haben sich ganz durchgesetzt. Damit gleicht der Schrift­ befund dem von Text 17 nach der Zäsur. Die beiden Texte sindgeiviß um dieselbe Zeit entstanden. Zur Edition Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden:

Xus = Christus; Xums — Christentums; Rel.Begr. = Religions-Begriffen.

EDITORISCHER BERICHT

477

Text 19

D i e St a a t s v e r f a s s u n g e n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 52-55. Zwei ineinandergelegte Doppelblätter, das äußere jetzt in zwei Blätter getrennt. Blattgröße: ca. 21 x 16,8. Papierfarbe: blaugrau. Die Blätter sind durch einen Längsknick in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sind durchgängig und voll beschrieben; rechts stehen einzelne Ergänzungen. Datierung Der Schriftbefund ist der gleiche wie bei Text 18; es muß dieselbe Entstehungszeit angenommen werden.

Text 20

W i e w e n i g d i e o b j e k t i v e R e l i g i o n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 56-59. Zwei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 21x17. Papierfarbe: blaugrau (gleiche Papiersorte wie Text 19). Die Blätter sind durch einen Längsknick in der Mitte geteilt. Die linken Spalten sind durchgängig beschrieben; rechts stehen nur wenige Ergänzungen. Die untere Hälfte der letzten Seite istfreigeblieben. Datierung Dem Schriftbefund nachfällt dieser Text in die gleiche Zeit wie die beiden vorhergehenden. Zur Edition Die innere Zusammengehörigkeit der in unserer Ausgabe als Text 19 und 20 präsentierten Frag­ mente hat H. Nohl dadurch betont, daß er beide unter einer Nummer bringt und sie nur durch eine Leerzeile voneinander abhebt (innerhalb Stück 3 der von ihm »Volksreligion und Christentum« ge­ nannten Manuskriptfolge61). Da Hegel selbst keine Anbindung vorgenommen hat, edieren wir die Texte als selbständige Fragmente.

61 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. 36-42; die Zäsur dort 39.

478

ANHANG

Text 21 ö f f e n t l i c h e G e w a l t ...

Ü berlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 60-65 . Die Niederschrift, deren Anfang fehlt, steht auf zwei ineinandergelegten Doppelblättern (60-63) und den ersten drei Seiten einer weiteren Lage von zwei Doppelblättern (64-67). Seitenformat: ca. 21 x 17. Papierfarbe: blaugrau (wie Text 19/20). Durch einen Längsknick sind die Blätter in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sindfortlaufend beschrieben, in den rechten Spalten finden sich nur wenige Ergänzungen oder Korrekturen. Die Zusammengehörigkeit und Aufeinanderfolge der beiden Lagen ist durch Hegel selbst bezeichnet: A u f der letzten Seite des vollgeschriebenen Bogens (also 63v) steht der hebräische Buchstabe 3, auf der des nächsten Bogens (67v) der Buchstabe 1, jeweils unten rechts. Da es sich um den zweiten und dritten Buchstaben des hebräischen Alphabets handelt, ist daraus zugleich zu erschließen, daß ursprünglich noch ein Bogen (von vermutlich ebenfalls zwei Doppelblättern) vorausging. Textbeginn auf der Lage 1: So kan in einem Staate (134,5). A u f der dritten Seite dieser Lage (65r) bricht die Niederschrift ab. Es bleibt unten noch ein Raum von der Höhe einiger Zeilen frei. Die folgende Seite ist leer. Danach beginnt der von uns separat dargebotene Text 22. D atierung Der Befund der Handschrift entspricht dem der Texte 18 bis 20, so daß von der gleichen Entste­ hungszeit auszugehen ist. Z u r Edition Daß derfragmentarisch beginnende Text eine gesonderte Einheit darstellt, ergibt sich aus der hebräi­ schen Bogenbezeichnung. Weder das Ende des auf Bogen 2 Geschriebenen noch die ersten Worte auf dem sich anschließenden Bogen y (134,5: So kan in einem Staate) lassen an dieser Stelle einen Absatz erkennen. Unsere Wiedergabe fährt daher hier innerhalb derselben Zeile fort, was auch durch den Inhalt gestützt wird. Nohl, der das auf den beiden Bogen Niedergeschriebene mit unseren Texten 19 und 20 zu dem Ab­ schnitt 3 seiner Textgruppe »Volksreligion und Christentum« zusammenfaßt, markiert vor dem An­ fang des Bogens 1 wieder durch Einfügung einer Leerzeile eine größere Zäsur.62 Zu den Gründenfür die editorische Verselbständigung von Text 22 vgl. das dort Ausgeführte.

62 Vgl. Hegels theologischeJugendschriften. 42-47; die Zäsur dort 44. Dazu auch die begrün­ dende Bemerkung ebd. 36, Fußnote.

EDITORISCHER BERICHT

479

Text 22 Ü b e r d e n U n t e r s c h ie d d e r Sz e n e d e s T o d t e s -

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 66-67. Das Ms steht auf der zweiten Hälfte (— 5. bis 8. Seite) einer aus zwei ineinandergelegten Doppel­ blättern bestehenden Lage, die Hegel am Schluß mit dem hebräischen Buchstaben } bezeichnet hat. Auf den ersten drei Seiten dieser Lage steht das Ende von Text 21 (siehe unter diesem die nähere Beschrei­ bung des ganzen Bogens); die vierte Seite ist leer. Die Überschrift ist in zwei Zeilen angeordnet: Über den Unterschied / der Szene des Todtes Die linken Hälften der genannten vier Seiten sind ganz beschrieben. Auf der letzten Seite hat, trotz kleiner und enger werdender Handschrift, der Platz nicht ausgereicht; der Text ist unten in der rechten Spalte mit acht klein und gedrängt geschriebenen Zeilen zu Ende geführt. Dabei wurde der offenbar schon vorher dort stehende Buchstabe J vom Text überdeckt und darum etwas tiefer in der äußersten Ecke der Seite noch einmal gesetzt. D atierung Die Schriftformen stimmen überein mit denen der Texte 18 bis 21; gleiche Entstehungszeit. Zur Edition Das oben beschriebene, für Hegel ganz ungewöhnliche Überspringen einer Seite innerhalb eines Bogens berechtigt zu der Annahme, daß die vorliegende Niederschrift nicht als fortführender Teil der vorhergehenden gemeint ist, sondern daß mit der Überschrift etwas Neues beginnt. Wir edieren darum dieses Stück als eigenen Text.

Text 23 U n t e r o b j e k t i v e r R e l i g i o n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß. Band 7, Blatt 68-69. Ein Doppelblatt. Seitenformat: ca. 21 x 16,8. Papierfarbe: blaugrau (wie Text 19-21). Durch einen Längsknick in der Mitte sind die Blätter geteilt. Die linken Seitenhälften sind ganz beschrieben; in den rechten Spalten stehen Gliederungen und am Schluß größere Ergänzungen. Der Text ist nach erfolgter Niederschrift durch an den Rand gesetzte griechische Buchstaben in der

480

ANHANG

Reihenfolge seiner Abschnitte teilweise umgeordnet worden. (Die ursprüngliche Reihenfolge sowie Einzelangaben über die Ordnungsbuchstaben sind zu entnehmen dem textkritischen Apparat zu 138,2ff). D atierung Das Ms hat alle Schriftindizien wie die vorhergehenden Fragmente und ist deren Entstehungszeit (1794) zuzuordnen. Z ur E dition Die neben die einzelnen Abschnitte gesetzten griechischen Buchstaben, denen eine bloße Ordnungs­ funktion eignet, dürfen selbstverständlich nicht in den Text einbezogen werden (wie Nohl dies - in Verkennung der Absichten Hegels - getan hat63). Die Unkorrektheiten in den Gliederungen, die Hegel teils mit Stichworten auf den freien Rand gesetzt (vgl. 138,18-22 und 139,29-33), teils in seinen Entwurf eingearbeitet hat, geben wir ohne Konjekturen wieder, um das Unfertige des Hegelschen Versuches nicht zu überdecken. Anscheinend konkurrieren eine Dreierfolge und eine Viererfolge miteinander, ohne daß dies zum Ausgleich gebracht worden ist. Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden: Xi = Christi; G’s = Gottes; mor. = moralisch (mit verschiedenen Flexionsendungen); Mor. = Moralität; obj. = objektiv (mit verschiedenen Endungen); Rel., Relig. = Religion; Unsterbl.

= Unsterblichkeit.

Es

Text 24 s o llte eine s c h w e re A u fg a b e ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek PreuJJischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 70-80, 80a, 81-84.** 16 Blätter in vier Lagen ausje zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Seitenformat: ca. 21 x 16,8. Papierfarbe: blaugrau. Die Blätter sind durch einen Längsknick in der Mitte geteilt. Die linken Seiten­ hälften sind beschrieben, rechts stehen gelegentlich Ergänzungen oder Korrekturen. Auf der vorletzten Seite der dritten Lage blieb das untere Drittel frei (d. i. im Text nach 150,10); auf der letzten Seite dieser Lage steht oben die kurze Notiz 150,11-13 - der Rest istfrei. Der Text endet auf der drittletzten

63 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. 48-50. 64Hinweis: Bei Blatt 80a handelt es sich nicht etwa um ein nachträgliches Einschiebsel in das Ms,

sondern um das letzte Blatt des mit Bl. 78 beginnenden Bogens 3, das bei der neueren, seit Nohls editorischer Arbeit gültigen Foliierung durch die Bibliothek irrtümlich nicht beziffert worden war.

EDITORISCHER BERICHT

481

Seite der Lage 4; das untere Drittel dieser Seite sowie Vorder- und Rückseite des letzten Blattes (84) sind unbeschrieben. Die vier Lagen sind von Hegel selbst jeweils rechts oben auf der ersten Seite beziffert und von 1 bis 4 durchgezählt. (Es schließen sich drei Lagen mit den Ziffern 5 bis 7 an; vgl. dazu unsere Ausfüh­ rungen unter Text 25.) Datierung Mit diesem Ms ist die Entwicklung der Handschrift gegenüber den vorhergehenden Texten deutlich in Bewegung gekommen. Neben den bisher schon maßgebenden Buchstaben k2 und w2finden sich jetzt auch die neuen Formen A2 (überwiegend), B2 (noch zögernd, ca. 30% ), T2 (fast ausschließlich) undW z (mehr als 80% ). Gewiß später geschrieben als die Texte bis Nr 23, wird das Ms wohl 1794 entstanden sein. Eine genauere zeitliche Eingrenzung ist nicht möglich. Zur Edition Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden: App. — Apostel (mit verschiedenen Flexionsendungen); Beg. = Begeisterung (nach dem aus­ geschriebenen Wort); Xi = Christi; Ged. = Gedanke (nach dem ausgeschriebenen Wort); posit. =

positive; Rel. = Religion.

Text 25 W e n n m a n v o n d e r c h r i s t l i c h e n R e l i g i o n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 85-96. 12 Blätter in drei Lagen von je zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Seitenformat: ca. 22,2 x 17,8. Papierfarbe: chamois. Durch einen Längsknick in der Mitte geteilt, sind die Seiten jeweils in der linken Hälfte sehr regelmäßig beschrieben; rechts stehen nur ganz gelegentlich kleine Ergänzungen. Auf der fünften Seite der ersten Lage ist das untere Drittel freigelassen (d. i. im Text nach 154,29). Die Niederschrift endet auf der letzten Seite des dritten Bogens; hier blieb ebenfalls noch ein größeres Stück der Seite frei. Die Bogen tragen jeweils auf der ersten Seite rechts oben eine arabische Ziffer von Hegels Hand, und zwar von 5 bis 7. Diese Zählung schließt an den vorigen Text an. Die Ziffern sind jedoch ver­ bessert aus einer ursprünglichen Bezeichnung mit a, ß, y. D atierung Die Entwicklung der Schrift ist gegenüber Text 24 noch weiter fortgeschritten. Die Formen A2, B2, T2 und W3 haben die älteren Formen fast ganz verdrängt. Der Prozentsatz von s2 hat etwas

482

ANHANG

zugenommen, bleibt aber im ganzen noch gering (13-14% ). Das Ms ist sicherlich nach Text 24, aber nicht in einer größeren zeitlichen Distanz zu ihm entstanden. Z ur Edition Die fortlaufende Zählung von 1 bis 7, durch die Hegel die vier Bogen des vorigen und die drei Bogen des vorliegenden Textes unserer Edition miteinander verbunden hat, stellt nicht ein größeres Ms mit einem Gesamtgedankengang her, sondern bezeichnet nachträglich die sachliche Zusammengehörigkeit zweier Niederschriften. Nicht unzutreffend hat H. Nohl hier von »erstem Entwurf« und »reiferer Fassung« gesprochen65 und auf diese Weise Verbindung und Eigenständigkeit beider Manuskripte zum Ausdruck gebracht. Im Rahmen unserer Ausgabe muß für die Textpräsentation die ursprüngliche Selb­ ständigkeit des mit a, ß, y bezeichneten Drei-Bogen-Manuskripts maßgeblich sein. Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden: Chr. = Christum; Eigensch. = Eigenschaften (neben dem ausgeschriebenen Wort); Komp. = Kompendien; mor. = moralisch (mit verschiedenen Endungen); Moral. = Moralität; Prs. =

Person; Vern. = Vernunft; Vorst. = Vorstellung.

Text 26 J e z t b r a u c h t d i e M e n g e ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 97-100. Zwei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 21 x 16,8. Papierfarbe: blaugrau (wie Text 19-23). Die Blätter sind durch Längsknick in der Mitte geteilt. Nur die linken Spalten sind be­ schrieben, und zwar bis zurfünften Seite (99r), oberes Drittel; alles übrige bliebfrei. Der Bogen ist auf der ersten Seite rechts oben von Hegels Hand mit dem Buchstaben b bezeichnet; esfehlt also eine voraufgegangene Lage. D atierung Bei dem geringen Umfang dieses Fragments im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Stücken reicht das Buchstabenmaterial nicht aus, um die Entstehungsfolge sicher bestimmen zu können. Der auszählbare Befund (immer k2, w2, A2, T2, W3, überwiegend B2, kleiner Anteil von s2) läßt eine Abfassung des vorliegenden Ms in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zu den Texten 24 und 25 vermuten.

65 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. 48, Fußnote.

EDITORISCHER BERICHT

483

EIN MANUSKRIPT ZUR PSYCHOLOGIE U ND TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE 1794 Das hierfolgende Ms läßt sich mit keiner der zeitlich benachbarten Niederschriften zu einer Gruppe zusammenfassen. Es nimmt ebenso in seiner Thematik wie hinsichtlich der äußeren Form eine Sonder­ stellung unter den Berner Texten ein. Im ganzen stellt es ein eigentümliches Ineinander von exzerpt­ haften Übernahmen und systematischem Entwurf dar. Chronologisch muß dieses Ms, wie im folgenden erläutert, zwischen die letzten Texte der vorigen Gruppe eingeordnet werden.

Text 27

[Zu r P s y c h o l o g ie u n d T r a n s z e n d e n t a l p h il o s o ph ie ]

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin-Hegel-Nachlaß, Band 12, Blatt 1-8. 8 Blatt: zwei Lagen von je zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Seitenformat: ca. 22 x 17,8. Papierfarbe: chamois. Die Blätter sind durch Längsfalzung in der Mitte geteilt. In der ersten Lage (d. i. Text von 167,1 bis 178,16) sind in gewohnter Weise die linken Spalten ganz, die rechten nur mit gelegentlichen Ergänzungen beschrieben. Die ersten drei Seiten der zweiten Lage (Textanfänge: 178,17; 181,7; 184,16) sind dagegen ungeachtet des Mittelknicks mit teilweise sehr kleiner Schrift in voller Breite beschrieben (Text bis 186,15). Danach bleiben 6 cm frei. Auf den folgenden drei Seiten ist jeweils nur die linke Spalte beschrieben (Text von 186,16 bis 190,10). Auch der letzte Teil des Ms (ab 190,11) beginnt - auf der vorletzten Seite (8r) - in der linken Spalte, doch ist vom zweiten Satz ab (190,14) wieder die volle Seitenbreite ausgenutzt. Auf der ersten Seite des Ms finden sich, im freien Raum der rechten Spalte, quer zur normalen Schreibrichtung einige mit Bleistift notierte Rechenoperationen. Sie sind teilweise ausgewischt oder verblaßt. Erkennbar ist noch die folgende Multiplikation:

6735 192/5 60615 6735 2694 130659

2694

Mit dem Endbetrag ist eine nicht mehr voll entzifferbare Division (: 5) vorgenommen.

484

ANHANG

E ntstehungsgeschichte Das Ms weist folgende Schriftformen auf: immer k2, w2, T 2, ferner A2, B2 und W3 noch im Wechsel mit A l9 Bx und W2, jedoch mit deutlichem Überwiegen der späteren Form. Im einzelnen läßt sich ein schubweises Anwachsen der schließlichfür die Berner Periode charakteristischen Schriftzüge beobachten (so bei A und W ). s2 ist noch sehr selten und kommt erst gegen Ende mehrmals vor. Dieser Befund führt zu einer zeitlichen Einordnung des Ms zwischen die Texte 23 und 24 oder parallel zu 24; früher als Nr 23 ist es gewiß nicht entstanden. Wird schon mit dieser relativen Datierung anhand der Schriftindizien das Ms aufjeden Fall den in der Schweiz verfaßten Arbeiten zugerechnet, so findet dies neuerdings eine sichere Stütze in der Er­ kenntnis des Faktums, daß Hegel eine Papiersorte mit Berner Wasserzeichen benutzt hat. Der sichere Ausschluß von Tübingen als Entstehungsort des hier erörterten Ms ist insofern von besonderer Bedeutung, als der eigentümliche Charakter desselben immer wieder dazu veranlaßt hat, es mit Hegels Universitätsstudium in Verbindung zu bringen. Schon Hoffmeister, dem die Erstveröffent­ lichung und eine weitere Edition dieses Textes zu verdanken sind66, hielt es für eine naheliegende Vermutung, »daß dieses Manuskript die N otizen enthält, die Hegel sich bei einer Vorlesung über empirische Psychologie aus dem Abel'sehen Kreis in Tübingen gemacht hat«67. Er verwies dabei, obzwar nur auf eine sekundäre Mitteilung (von W. Betzendörfer) gestützt, auf eine Vorlesungsankündigung von Flatt. Diese Vermutung wurde, was die Entstehungszeit und die dem Ms zugesprochene Funktion einer direkten Vorlesungsnachschrift angeht, durch die obige Datierung widerlegt; sie hat sich aber hinsichtlich des Sachgehalts überraschend bestätigt. Um 1964 entdeckte Dieter Henrich68 in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Tübingen ein Heft mit der Aufschrift: Psychologische Vorlesungen / von Prof. Flatt / im Winter 1790 / gehalten. / Klüpfel. Der Schreiber dieser Kollegnachschrift ist Hegels Mitstudent August Friedrich Klüpfel (vgl. über ihn in diesem Band die Anm. zu 10,18). Die von ihm reproduzierte Flattsche Vorlesung deckt sich über weite Passagen inhaltlich und vielfach wörtlich mit Hegels Ms69. Es läßt sich nun auch zeigen, daß Hegel und Klüpfel derselben akademischen Veranstaltung als Hörer beigewohnt haben müssen. Im Vorlesungsverzeichnis der Universität Tübingen kündigte Flatt für das Sommersemester 1789 mehrere Themen nach Maßgabe des Hörerinteresses an, darunter auch »Empirische Psychologie«: IOANNES FRIDERICUS FLATT Ciceronis libros de natura

deorum, et, si tempus permiserit, etiam librum de fato interpretabitur, paratus quoque ad tradendam empiricam psychologiam . . . 70 In dem lateinischen Magisterprogramm der Philo­

66 Hx: Hegels erster Entwurf einer Philosophie des subjektiven Geistes (Bern 1796). In: Logos. 20 (1931), 141-168. - H2: Materialien zu einer Philosophie des subjektiven Geistes (1793-1794). In: Dokumente zu Hegels Entwicklung. Hrsg. von J. Hoffmeister. Stuttgart 1936. 195-217 (dazu: 448-454).

67Dokumente zu Hegels Entwicklung. 453. 68 Vgl. dessen erste Mitteilung in seinem Beitrag: Leutwein über Hegel. Ein Dokument zu Hegels Biographie. In: Hegel-Studien. Bd 3. Bonn 1965. 39-77; dort: 70f (Fußnote 31). 69 An dieser Stelle ist der Universitätsbibliothek Tübingen für die Erlaubnis zur Benutzung der

Nachschrift und zum Abdruck ausgedehnter Partien (in unseren Anmerkungen) sowie Herrn Henrich für seine kollegiale Vermittlung besonders zu danken.

70Ordo praelectionum ... in ... Universitate Tubingensi ... habendarum per semestre

485 sophischen Fakultät von September 1790 ist in der Notiz über Hegels Bildungsgang vermerkt: Praeter consueta audiit... Dn. Prof. Flatt libros de natura deorum et Psych. empiricam explicantem.. .71 EDITORISCHER BERICHT

Eine gleich oder ähnlich lautende Mitteilung findet sich bei allen Kompromotionalen Hegels (woraus man schließen kann, daß der Besuch dieser Lektionen nicht allein aus individuellem Interesse erfolgte). Eine Angabe darüber, in welchem Semester die erwähnten Vorlesungen gehalten und besucht wurden, ist in den Viten des Magisterprogramms nicht enthalten. Klüpfels Nachschrift bezieht sich auf Winter 1790 (s. o.). Dies ist, da der Besuch des Psychologie-Kollegs schon im September 1790 innerhalb des Magisterprogramms dokumentiert wird, zu präzisieren auf: Winter 1789/90. Daraus erhellt zugleich, daß Flatt seinefür das Sommersemester 1789 annoncierte Bereitschaft zur Behandlung des PsychologieThemas erst im darauffolgenden Semester verwirklicht haben muß. Vielleicht spiegelt sich dies in der Ankündigung zum Winter 1789/90: JOHANNES FRIDERICUS FLATT una hora Logicam,

altera Psychologiamet philosophiae de Deo initia tradet .. .72

Hegels eigene Kollegnachschriften sind nicht erhalten. Rosenkranz, dem die um 1840 noch vorhan­ denen Hefte Vorgelegen haben, nennt zwei Nachschriften zu Vorlesungen von Flatt, jedoch nicht zu einem Kolleg über »Empirische Psychologie« (vgl. die Nachrichten über Verschollenes in diesem Band 415,i6ff). Im Zusammenhang mit der Reduzierung des Nachlasses, die von den Söhnen Hegels nach dem Tod ihrer Mutter (1855) vorgenommen wurde, erwähnt Immanuel Hegel brieflich die Vernichtung der nachgeschriebenen Hefte der Universitätsvorlesungen (siehe 415,29f); er nennt dabei u. a. den Namen Flatts, aber kein Vorlesungsthema. Es ist so zwar wahrscheinlich, daß Hegel 1794/95 in der Schweiz eine fünf Jahre zuvor von ihm selbst angefertigte Nachschrift der Psychologievorlesung zur Hand hatte. Da aber unter den Nachrichten über die von ihm aufbewahrten Hefte ein Hinweis gerade auf diese Thematik fehlt, muß die Möglich­ keit, daß er bei der Abfassung des hier edierten Textes eine fremde Vorlesungsmitschrift zugrundelegte, zumindest auch mit erwogen werden. Die gleichzeitige Anwesenheit von Hegels Kompromotionalen Friedrich Heinrich Wolfgang Mögling als Hauslehrer in Bern73 könnte unschwer die Gelegenheit zu solchem Austausch geboten haben. Hegels Beschäftigung mit dem Problemkreis der Psychologie hat, wie es scheint, einen indirekten Niederschlag in seiner zum Jahresende 1794 eröffneten Korrespondenz mit Schelling gefunden. In einem Postskript seines Briefes vom 24. Dezember 1794 fragt er an: Noch eine Bitte —ob mir Süskind

nicht d[ie] Blätter [au]s der oberdeutschen Zeitung schiken könnte, worin Maucharts Reper­ torium recensirt ist? —natürlich [au]£ meine Kosten er sollte sie bald wieder erhalten; ich wüste sie hier nicht aufzutreiben.74 Der Titel der von Imm. David Mauchart, einem der Repetenten aestivum ... MDCCLXXXIX. 7. - Vgl. den Abdruck der Vorlesungsankündigungen 1788/89 bis 1790, in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 23-25. 71 Zitiert nach dem Originaldruck (Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart). Vgl. den auszugsweisen Abdruck des Programms mit der Vita Hegels in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 33f.

72 Ordo praelectionum ... per semestre hibernum [1789/90]. 7. 73 Mögling wird mehrfach erwähnt in Hegels damaligem Briefwechsel mit Hölderlin und Schelling. Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 10, 13, 29, 34, 36. 74 Zitiert nach einer Fotokopie des Originals in der Biblioteka Jagiellonska, Krakow. In den Ab­ drucken des Briefes bei Rosenkranz (Hegel’s Leben. 66), bei Karl Hegel (Briefe von und an Hegel.

486

ANHANG

Hegels im Stift, 1792/93 herausgegebenen Zeitschrift lautet: Allgemeines Repertorium für die empirische Psychologie, und verwandte Wissenschaften. Die Bände 1-3 sind einzeln besprochen innerhalb der Jahrgänge 1792 und 1793 der genannten Litteraturzeitung.75 Es ist nicht ersichtlich, ob Hegel (wie man vermuten kann) den Inhalt der erbetenen Blätter von Tübingen her kannte und in Erinnerung hatte, oder ob er einem neuen Hinweis folgte. (Als Quelle einer solchen Anregung könnte wiederum der Gesprächskontakt mit Mögling in Betracht gezogen werden, zumal Hegels Bitte an Süskind gerichtet ist und er in einer zweiten Randnotiz des Briefes eine Äußerung Süskinds erwähnt, die ihm durch Mögling übermittelt wurde.) In den beiden ersten Rezensionen findet sich u. a. eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem in zwei Teilen unter der Rubrik Psychologische Sitten­ lehre erschienenen Aufsatz von Rapp Ueber moralische Triebfedern, besonders die der christ­ lichen Religion. Diese Erörterung läßt sich Hegels zu damaligen theologischen Studien in Beziehung setzen, und vielleicht galt ihr Hegels besonderes Interesse. Aber auch der gegebene Bezug zur allge­ meineren psychologischen Thematik verdient Aufmerksamkeit. Ein weiteres Dokument, das hierhergehört, ist ein Exzerpt Hegels aus einer 1792 in der Allge­ meine« Literatur-Zeitung erschienenen Rezension des Buches Empirische Psychologie von Carl Christian Erhard Schmid (vgl. Band 3 dieser Ausgabe). Das Exzerpt fällt dem Schriftbild nach ungefähr in die Entstehungszeit des hier edierten Textes; es ist eher etwas später niedergeschrieben worden. Die einleitenden Passagen derselben Rezension hat Hegel wahrscheinlich für den vorliegenden Text herangezogen (vgl. Anm. zu 167,1-3; 167,15; 167,16). M it der erneuten Vergegenwärtigung von Fragestellungen, Hypothesen und Erkenntnissen der empirischen Psychologie verbindet Hegel im vorliegenden Ms eine Aneignung des transzendental­ philosophischen Ansatzes von Kant. Auch dieses Interesse hat Ausdruck gefunden in dem damaligen Briefwechsel mit Schelling. In dem undatierten Brief, der im Kontext der Korrespondenz aufJanuar 1795 zu bestimmen ist, schreibt Hegel: Seit einiger Zeit habe ich das Studium der Kant[ischen]

Philosophie wieder hervorgenommen, um sfeine] wichtige Resultate [au]f manche uns noch gäng u[nd] gäbe Idee anwenden zu lernen, od[er] diese nach jenen zu bearbeiten-.76 Schon in

der Eingangspartie des hier edierten Textes (vgl. 168,7g) übernimmt Hegel Gedanken und Formu­ lierungen aus der 2. Auflage von Kants Critik der reinen Vernunft; später (ab 186,16) folgt er vor allem den Erläuterungen über des Herrn Professor Kant Critik der reinen Vernunft von Johann Schulze11, einer vereinfachenden Wiedergabe des Werkes nach der Erstauflage, zieht aber darüber hinaus die 2. Auflage und schließlich die Critik der Urtheilskraft im Original heran. T .l. Leipzig 1887. 9) und bei Hoffmeister (Briefe von und an Hegel. Bd 1.13) fehlt der Zwischen­ satz: natürlich ... erhalten. Gerade diese Bemerkung spiegelt aber auf ihre Weise die Dringlichkeit von Hegels Interesse. - Zum Kontext vgl. weiterhin Briefe von und an Hegel. Bd 1.11-13. 75 Siehe Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung. Salzburg. Jg. 5 (1792), 2. Hälfte (Stück 86 v. 20. Juli), 135-142; ebd. (Stück 139 v. 21. November), 975-987; Jg. 6 (1793), 2. Hälfte (Stück 76 v. 26. Juni), 1254-1255. 76 Zitiert nach einer Fotokopie des Originals (wie Fußnote 74). Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 16. 77 D. i. Kants Königsberger Kollege Johann Schultz. Wir behalten hier und später die Form des Namens bei, wie er auf dem Titelblatt des Buches erscheint.

EDITORISCHER BERICHT

487

Zur Edition Das Ms unterscheidet sich von den anderen Stücken dieses Bandes in seinem äußeren Charakter sehr stark. Das betrifft zunächst die Schreibweise: Hegel verwendet hier in außerordentlicher Häufung Wortkontraktionen und -abkürzungen. Die Notierung ist oft so karg, daß eindeutige Auflösungen sich nicht ergeben. Die Schwierigkeiten der Sinnentzifferung werden noch dadurch erheblich vergrößert, daß die von Hegel aufgezeichneten Stichwortreihen und Satzfragmente nur z. T. die Vorlagetexte syste­ matisch repräsentieren; viel öfter gehen sie gleichsam memorierend dem Wortlaut des zu Erinnernden nach und werden erst von diesem selbst her transparent. Diese Gegebenheiten führten zu zwei editorischen Entscheidungen: 1) Der textkritische Apparat ist nicht - wie sonst - in der Form von Einzelmitteilungen angelegt, sondern als fortlaufende und voll­ ständige Wiedergabe der Vorgefundenen Niederschrift. Die Anordnung ist folgende: Auf jeder Seite findet sich unter dem lesbar aufgelösten Text, abgetrennt durch eine Querlinie, das korrespondierende Stück von Hegels Ms. Die Parallelität ist dabei so weitgehend gewahrt, wie es ohne das Einfügen will­ kürlicher Zäsuren am Seitenbruch möglich war. 2) Die Auflösung der Kontraktionen und Abkür­ zungen, die im oberen Text vorgenommen wurde, ist vielfach nur legitimiert durch Rückgriff auf Hegels Vorlagen. Die Anmerkungen zum gesamten Stück 27 haben daher nicht nur die Funktion des Quellennachweises, sondern zugleich die der Rechtfertigung und der Verständnishilfe zu dem in unserer Edition präsentierten Text. Diesem Umstand Rechnung tragend, geben die einzelnen Anmerkungen zu möglichst kleinen Sinneinheiten des Hegelschen Textes die entsprechenden Passagen der zugrunde­ liegenden Quellentexte so extensiv wie nötig wieder. Bei den Auszügen aus dem von Klüpfel ver­ faßten Kollegheft, das wir als »Nachschrift Flatt« zitieren, muß der Leser zusätzlich stets berücksich­ tigen, daß wir hier nur eine mittelbare Quelle vor uns haben, die auf eine Tübinger Vorlesung zurück­ verweist, deren Gedanken Hegel seinerseits aufgrund einer eigenen oder einer von einem Dritten ver­ fertigten Nachschrift im vorliegenden Ms verwertet (s. o.). Ausdrücklich sei noch vermerkt: Da der Apparattext alle Abkürzungen (mit Punkt) und Auslassungen von Buchstaben getreu wie­ dergibt, ist zu beachten, daß solche Silben, für die Hegel Kürzel verwendet, ausgeschrieben werden. Es sind dies die Endungen -en, -ung, -ungen, -lieh (dasselbe Kürzel auch gebrauchtfür die Buchstaben­ folge leichj, sowie die Wörter ein, einen. Konjekturen der Herausgeber sind dem unmittelbaren Vergleich des Haupttextes mit dem zugrunde­ liegenden Apparattext zu entnehmen. Sie sind in der Regel, genau wie manche Auflösungen abge­ kürzter Wörter, veranlaßt durch den Wortlaut der Flatt-Nachschrift oder der anderen von Hegel be­ nutzten Quellen. Inkorrektheiten in der Abfolge der zahlreichen Gliederungsziffern und -buchstaben, die sich in Hegels Msfinden, werden editorisch nicht berichtigt. Auch sie lassen sich zumeist von den Anmerkungen her auflösen. Die beiden in Fußnote 66 angeführten Editionen des Textes, die J. Hoffmeister besorgte, wurden als Entzifferungshilfe benutzt; zur kritischen Textsicherung bieten sie keine Grundlage mehr. Die Edition der Nachschrift Flatt im Anmerkungsteil folgt in einfacher Weise dem Ms. Schreibung und Interpunktion des Originals werden beibehalten. Korrekturen und Streichungen werden nicht wiedergegeben. Offensichtliche Schreibversehen werden stillschweigend berichtigt.

488

ANHANG

STUDIEN 1795 Die sehr kleine Gruppe der Texte 28 bis 30 ergibt sich daraus, daß sich die Entstehung dieser kurzen Niederschriften mit Hilfe der Briefe Hegels an Schelling und des datierten Ms des Leben Jesu (Text 31) in die erste Hälfte des Jahres 1795 verweisen läßt. Alle drei Manuskripte haben den Charakter von Vorstudien zu größeren Arbeiten. Sie lassen engeren oder loseren Anschluß an gelesene Literatur erkennen, bei Text 28 zugleich mit deutlich systematisierender Absicht.

Text 28 D i e t r a n s c e n d e n t a l e I d e e ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 102-105. Zwei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 21x17. Papierfarbe: graublau. Die Blätter sind durch Längsknick in der Mitte geteilt. Nur die linken Spalten sind beschrieben. Die Nieder­ schrift endet auf der vierten Seite (103 v)t etwas unterhalb der Mitte. Alles übrige istfreigelassen. E n tsteh u n g sg esch ich te

Hegel zitiert in diesem Ms Schellings Buch Ueber die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt, das im Herbst 1794 - mit derJahreszahl 1795 - in Tübingen erschienen war: vgl. 195, 15-19 mit Anm. Aus dem Briefwechsel zwischen Hegel und Schelling läßt sich rekonstruieren, wann Hegel dieses Buch in Bern erhalten und gelesen hat. Im Januar 1795 schreibt er an Schelling: Aber daß Du

mir d[ie] Bogen, die Du drukken liesest n[ich]t mitgetheilt hast - davon hätte Dich d[ie] Besorgnis wegen des Portos doch n[ich]t abhalten sollen —gib sie nur [aujf den Postwagen nicht [au]f d[ie] Briefpost, sie werden mir höchst schäzbar seyn.78 Am 4. Februar 1795 ant­ wortet Schelling: Die verlangten Bogen schicke ich Dir und erwarte Dein aufrichtiges, strenges Urteil darüber.79 Etwas verzögert, am 16. April 1795, dankt Hegel für die ihm zugeschikte Schrift; er beklagt, daß er zu einem gründlichen Studium derselben ... nicht Zeit gehabt habe, nimmt aber zu den Hauptideen Stellung.80 Bieten diese brieflichen Zeugnisse sicheren Anhalt für die frühestmögliche Datierung des Ms, so

zeigen die Buchstabenformen einen weiteren Fortgang über den mit Text 24 (siehe dort) erreichten

78 Zitiert nach einer Fotokopie des Originals (wie Fußnote 74). Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 16. 79 Ebd. 23. 80 Vgl. ebd.

EDITORISCHER BERICHT

489

Stand hinaus; außer k2 und w2 haben sich A2 und T2 durchgesetzt, neben B2 und W3findet sich nur noch je einmal die frühere Form Bj bzw. W2. Darüber hinaus wird eine Zunahme von s2 bemerkbar. Der gesamte Befund gleicht dem des zuletzt angeführten Briefes vom 16. April, die Häufigkeit von s2 ist gegenüber diesem noch etwas größer. Das Ms ist etwa gleichzeitig mit diesem Brief anzusetzen. Zur Edition Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden:

Vern., Vrn. = Vernunft; spekulat. = spekulativen; Eigensch. = Eigenschaften.

Text 29 U n k u n d e d e r G e s c h i c h t e .. .

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 7, Blatt 106-109. Zwei ineinandergelegte Doppelblätter. Seitenformat: ca. 21 x 16,7. Papierfarbe: chamois. Die Blätter sind durch Längsknick in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sind beschrieben, rechts stehen Ergänzungen und einzelne Randbemerkungen. Über die Stellung der letzten Notiz vgl. den textkritischen Apparat zu 202,17-19. Entstehungsgeschichte Die Notizen sind zu einem größeren Teil bei der Lektüre der Zeitschrift Neues theologisches Journal entstanden, worauf Hegel selbst einen Hinweis gibt (siehe die Marginalie 197,3). Die nach­ weisbare Bezugnahme auf Textstellen der 1793 und 1794 erschienenen Bände ergibtfür sich genommen zwar einen Terminus a quo; dieser bleibt aber ohne Aussagewert, weil wir nicht wissen, auf welchem Wege und wann Hegel zur Benutzung der Zeitschriftenbände gelangt ist, und weil bereits die relative Chronologie, die wir von den Buchstabenformen her gewinnen, dieses Stück in das Jahr 1795 verweist. Gegenüber den vorausgehenden Manuskripten ist eine deutliche Zunahme von s2 festzustellen. Der Anteil dieser spät sich durchsetzenden Form beträgt mehr als 40%. Diesführt in die Nähe von Text 31, dem sog. Leben Jesu. Die Notizen müssen wenig vorher oder etwa gleichzeitig mit dem (von Hegel selbst datierten) Beginn der Niederschrift dieses umfangreichen Textes entstanden sein, also im April oder Mai 1795. (Diese auf das ganze Ms bezogene Aussage läßt sich nicht weiter differenzieren, weil die einzelnen Notizen für eine verwertbare Auszählung der Buchstaben zu kleine Einheiten dar­ stellen.) Zur Edition Die Zwischenräume, durch die in unserer Textedition die einzelnen Notizen voneinander abgehoben sind, finden sich im Ms nicht. Dort folgen die Absätze jeweils ohne Abstand aufeinander. Die Zwi-

490

ANHANG

schenräume rechtfertigen sich durch die aus den Quellentexten belegbare Selbständigkeit einzelner Notizen und/oder durch Neueinsätze im Ms, die am Schriftduktus erkennbar sind. Der Abschnitt 199,20-22 unseres Textes, der im Ms sechs Zeilen umfaßt, ist dort mit zwei senk­ rechten Strichen im ganzen gestrichen. Da er eine selbständige kleine Einheit bildet, wurde er editorisch nicht in den Apparat verwiesen, sondern an seiner Stelle in der Textfolge belassen, dort aber durch die üblichen Winkel-Klammern als gestrichen ausgewiesen. Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden:

allg. = allgemeinen; Xsten = Christen; Conseq. = Consequenz; G’s = Gottes; Grunds. = Grundsaz; Objekt. = Objektivität; Phant. = Phantasie; posit. = positive; Rel. = Religion; Vem. = Vernunft.

In

Text 30 ein er R ep u b lik ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 8, Blatt 197. Einzelblatt, graublau, Format 20,8 x 16,7. Die Vorderseite ist breitzeilig ohne Rand beschrieben, die Rückseite istfrei. D atierung Der Anteil von s2 steigt in diesem Ms auf etwas über 50 % . Der geringe Textumfang erlaubt keine stringente Zuweisung einer Stelle in der Entstehungsfolge der Manuskripte. Doch wird man begrün­ deterweise sagen dürfen, daß die Notizen in die Zeit fallen, in der das Leben Jesu niedergeschrieben wurde (Mai bis Juli 1795), oder allenfalls kurz danach aufgezeichnet wurden. Zur E dition Die Leerzeile nach 203,17 ist im Ms nicht enthalten; sie wurde zur deutlicheren Abgrenzung der beiden aufeinanderfolgenden Notizen eingefügt. In der Edition aufgelöste Abkürzung: Republ. = Republik, Republikaner.

DAS LEBEN JESU 1795 Das umfangreiche Ms, das durch den nicht von Hegel selbst stammenden, aber seit Karl Rosenkranz gebräuchlichen Titel Das Leben Jesu bezeichnet wird, ist eine in sich fertiggestellte, lückenlos über-

EDITORISCHER BERICHT

491

lieferte und zudem am Anfang und am Schluß der Niederschrift datierte Arbeit. Sie gehört dem Jahr 1795 an. Direkte Vorarbeiten, die mit diesem Ms zu einer Gruppe zusammenzufassen wären, sind nicht erhalten.

Text 31 [Das L e b e n Jesu]

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 8, Blatt 2-77. Das vollständig erhaltene Ms umfaßt 19 Lagen mit je zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Seitenformat: ca. 21,5x17; Papierfarbe: chamois. Abweichende Papiersorte, mit anderem Wasser­ zeichen: Blatt 26-29 (d. i. der 7. Bogen des Ms); Format hier ca. 22 x 18, Farbe ebenfalls chamois; diese Blätter wurden bei der Restaurierung 1962geringfügig beschnitten. Die Reihenfolge der Bogen ist durch Hegel selbst bezeichnet: Durchlaufend von a bis t findet sich jeweils auf der ersten Seite des Bogens oben rechts ein kleiner deutscher Buchstabe. Der im Papier abweichende Bogen g hatte seine Stelle von vornherein inne, wie sich aus dem bruchlos weiterführenden Text der Niederschrift erkennen läßt; die ersten Worte auf Blatt 26 sind: mehr, ihn gesund (vgl. 232,12). Die Blätter sind durch Längsfalzung in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sind fortlaufend beschrieben, die rechten Hälften für Marginalien (Schriftstellen), Korrekturen und Ergänzungen be­ nutzt. In dieser Weise sind alle Seiten ganz beschrieben. Einige freigelassene Stellen - in einer Höhe von etwa 3 bis 6 Schreibzeilen - finden sich dort, wo ein Absatzende mit dem Seitenende zusammen­ fällt; so in unserem Text nach: 238,9; 238,18; 240,11; 243,17; 244,12. An einer Stelle bricht die Niederschrift wenige Zeilen oberhalb des Seitenendes ab und läßt einen angefangenen Satz unvoll­ endet: vgl. 216,17. Auf der ersten Seite des ganzen Ms steht oben rechts: den 9 May 95.; auf der letzten Seite rechts unten: den 24 Jul. 95. Das Ms beginnt ohne Überschrift. Die Titulierung als Leben Jesu findet sich auf einem Um­ schlagblatt aus blauem Karton, das im Nachlaß dem Ms vorangeht undfolgende von Karl Rosenkranz stammende Aufschrift trägt: Hegel / Leben Jesu / - / Harmonie der / Evangelien / nach / eigener

Übersetzung.

Entstehungsgeschichte Die beiden von Hegel gesetzten Daten umschließen die ganze Zeitspanne der Niederschrift: elf Wochen. Hegel lebte währenddessen, zumindest aber in der zweiten Hälfte der angegebenen Zeit, in Tschugg, dem »am Fuß des Lolimont, zwischen Bieler und Neuenburger See malerisch gelegenen Landgut« des Carl Friedrich von Steiger.81 Der Brief vom 9. Juli 1795, der bereits unter den für die

81 Vgl. Hans Strahm: Aus Hegels Berner Zeit (siehe Fußnote 8). Zitat: 523. Nach Strahm ver-

492

ANHANG

Handschriftendatierung wichtigen Dokumenten aufgeführt wurde, bezeugt seinen dortigen Aufenthalt.82 Wann Hegel sich dem mit diesem Ms realisierten Vorhaben zugewandt hat und ob er Veröffent­ lichungspläne verfolgte, ist nicht bekannt. Wenige Wochen vor Beginn der Niederschrift, am 16. April 1795, schreibt er aus Bern an Schelling, er wolle im bevorstehenden Sommer Fichte studieren, undfügt hinzu: wo ich überhaupt mehr Muße haben werde, einige Ideen auszuführen, mit denen ich schon lange umgehe...83 In seinem nächsten Brief an Schelling, vom 30. August aus Tschugg, bleibt das inzwischen fertiggestellte Leben Jesu unerwähnt; es heißt dort lapidar: Von meinen Arbeiten

ist nicht der Mühe werth, zu reden .. .84

Beachtung verdient, daß Rosenkranz auf dem von ihm angelegten Umschlagblatt Hegels Ms als eine Evangelienharmonie nach eigener Übersetzung bezeichnet. Ob Rosenkranz hier nur von seinem unmittelbaren Eindruck ausgeht und insgesamt die freie Auslegung meint, die Hegel den neutestamentlichen Berichten gab, oder ob er weitere Unterlagen bzw. Informationen zu Hegels sprach­ licher Übertragungsarbeit im engeren Sinne hatte, ist nicht ersichtlich. Er berichtet noch über eine die äußere Textorganisation betreffende Vorarbeit, die sich heute nicht mehr im Nachlaß befindet: Schemata zur Harmonisierung der differierenden Inhalte der Evangelien (vgl. die Nachrichten über Verschollenes in diesem Band: 413,11g). Z ur E dition Die in der Literatur gängig gewordene Überschrift Leben Jesu wurde übernommen, jedoch auf den vorangestellten Zwischentitel beschränkt und somit außerhalb des Textes belassen. Ergänzungen »am Rande«, die sich nicht bruchlos in den Text einfügen lassen, erscheinen wie bei anderen Texten als Fußnoten. Dagegen sind die Schriftstellen, die im Ms ebenfalls in der rechten Spalte stehen, gemäß der ihnen zugedachten Funktion von Marginalien, auch im Druck am Rand wiederge­ geben, und zwar jeweils außen. - Im textkritischen Apparat werden Mitteilungen zu den Marginalien gegebenenfalls am Schluß der betreffenden Seite aufgeführt. Auf einigen Seiten (Blatt 58v-59v) des Ms ist die erste Niederschrift durch Korrekturen und Erwei­ terungen, die in der rechten Spalte notiert sind, durchgängig überarbeitet. Es handelt sich um den Passus, der den Inhalt von Matth. 24 wiedergibt. Die Edition teilt hier beide Textfassungen zusammen­ hängend mit: vgl. 260,30 bis 263,5. Besondere Abkürzungen in Text 31, die editorisch aufgelöst werden: J. = Jesus, Jesu, Jesum (im ganzen Ms gebraucht, aber gelegentlich wechselnd mit den ausge­ schriebenen Formen). - Andere Namen (teilweise nach und neben den ausgeschriebenen): Abr. =

Abraham; Chr. = Christus; Her. = Herodes; Isr. = Israel; Jak. = Jakobus; Joh. d. T. = Johannes der Täufer; Nik. = Nikodemus; P. = Petrus; Pil. = Pilatus; Sim. bzw. S. = Simon.

brachte Carl Friedrich von Steiger »nur die Wintermonate mit seiner Familie in der Stadt Bern, wo er das prächtige Haus an der Junkerngasse (Nr. 51) besaß« (ebd.). 82 Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 26. 83 Vgl. ebd. 25. 84 Ebd. 33 (hier zitiert nach Fotokopie des Originals, wie Fujhote 74).

EDITORISCHER BERICHT

493

Sonstiges: antw.

= antwortete; Empf. = Empfindung; Erk. = Erkenntnis; G’s = Gottes; heil. = heilige(n); Pf. = Pfund; Phar. = Pharisäer; Proph. = Propheten; Vern. = Vernunft.

Fehlende Interpunktion zwischen berichtenden Sätzen und wörtlicher Rede wurde regelmäßig ergänzt. Beispiel (212,12-13): Wie, sagte Jesus, du bist ... Ms: Wie sagte J. du bist ... (In den meisten Fällen fehlt nur das Satzzeichen nach dem Punkt des abgekürzten Namens.)

STUDIEN 1795-1796 ln dieser Gruppe sind die restlichen Ausarbeitungen aus Hegels Berner Hauslehrerzeit vereinigt. Das erste, große Ms (Text 32), das den gleichen Umfang hat wie Das Leben Jesu, wurde gewiß bald nach dessen Niederschrift begonnen, aber mit Unterbrechungen fortgeführt und erst Ende April 1796 abgeschlossen. Vor diesem Zeitpunkt muß auch Text 33 entstanden sein, während das dritte Fragment in die darauffolgenden Monate fällt. Die Stücke bilden auch einen thematischen Zusammenhang; H. Nohl hat ihn durch den Titel »Die Positivität der christlichen Religion« bezeichnet.

Text 32 MAN MAG DIE W ID E R S P R E C H E N D S T E B E T R A C H T U N G E N . . .

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 8, Blatt 90-164. 75 Blatt: meist Lagen von je zwei ineinandergclegtcn Doppelblättern (vom äußeren Doppelblatt des ersten Bogens ist nur noch das hintere Blatt vorhanden); nach der dritten Lage zwei einzelne Dop­ pelblätter. Mehrere Papiersorten, durch Format und/oder Wasserzeichen unterschieden, in folgender Gruppierung: 1) Blatt 90-102: Blattgröße ca. 20,8 x 16,7; z. T. bei der Restaurierung 1962 be­ schnitten. 2) Blatt 103-104: ca. 21,5 x 17. 3) Blatt 105-108: ca. 22 x 18; z. T. bei der Restaurierung beschnitten. 4) Blatt 109-164: ca. 22 x 18. Papierfarbe insgesamt chamois. Die Reihenfolge der Lagen ist von Hegel bezeichnet, und zwar durch kleine lateinische Buchstaben jeweils auf der letzten Seite der Lage unten rechts (jetzt z. T. durch Buchbinderfalze überklebt), fort­ laufend von a bis t. Der Buchstabe i gilt ausnahmsweise für acht Doppelblätter (vgl. die Lagenbe­ schreibung in der unten folgenden Übersicht). Die Blätter sind durch einen von oben nach unten gehenden Knick in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sind fortlaufend beschrieben, die rechten Spalten für Verbesserungen und Ergänzungen sowie für Marginalüberschriften benutzt. Von Bogen afehlt das erste Blatt, so daß der Textfragmentarisch beginnt. Auf der dritten Seite von

494

ANHANG

Bogen r steht in der rechten Spalte das Datum den 2 Nov. (vgl. im Text 341,23), auf der dritten Seite des Schlußbogens t, ebenfalls am rechten Rand, das Datum den 29 Apr. 96 (siehe 349,20). Die folgende Übersicht stellt die Textanfänge der einzelnen Lagen, Angaben über deren Umfang (Blattzählung) und Hinweise auf Besonderheiten des Ms (Fehlendes, Zwischenräume, Plazierung der erwähnten Daten) zusammen. Lagenbezeichnung Blätter des Ms Textanfang und Sonstiges a Bl. 90-92 beginnt (281,2): (davor 1Bl. fehlend) man mag die widersprechendste ... b Bl. 93-96 beginnt (283,21):

würdigte nach denselben ...

c

Bl. 97-100

d

Bl. 101/102 Bl. 103/104 Bl. 105-108 Bl. 109-112 Bl. 113-116 Bl. 117-124

beginnt (287,3f):

Edle und Grosse ... beginnt (290,19):

Wie sehr seine Jünger ... beginnt (292,14):

Wer auf diesem Umweg ...

beginnt (294,8):

Die Jünger Jesu hatten ... beginnt (298,1):

Einer Sekte ...

beginnt (301,18):

die Pflicht, das Andenken ... beginnt (305,11):

Ungeachtet die schnelle ...

auf Bl. 117v (im Text nach 306,3) eine halbe Seite frei; danach ein ganzer, aus 2 Doppelblättern bestehender Bogen eingelegt (Bl. 118-121); der Neueinsatz auf Bl. 118r (d. i. im Text 306,4: In einer bürgerlichen Ver­ fassung .. .) zeigt anderen Schriftduktus; nach dem einge­ legten Bogen Fortsetzung der Niederschrift auf dem zwei­ ten Blatt des äußeren Bogens (122r), im Text 310,10:

eignen gestund, ...

Bl. 125-128 Bl. 129-132

beginnt (313,9):

Lage machte sie dazu ... beginnt (317,9):

Mit diesem reinen Kirchenrecht...

EDITORISCHER BERICHT

BL 133-136 Bl. 137-140 Bl. 141-144

495

beginnt (321,3):

Die erst Boden gewinnende ... beginnt (324,25):

sondern die Vorstellungen ... beginnt (329,1):

der Meinungen jeder einzelen ...

Bl. 145-148

beginnt (332,29):

Bl. 149-152

beginnt (336,19J):

B l 153-156

beginnt (340,15):

B l 157-160

auf B l 154r (Textbeginn 341,13: wenn eigne Zwei­ fel...) das Datum: den 2 Nov. Über den damit ver­ bundenen Neueinsatz der Niederschrift vgl den text­ kritischen Apparat zu 341,14-16. beginnt (344,12):

B l 161-164

Überzeugung zu ändern ... Staate zurük, denn ...

daß sie einen rechtschaffenen...

und wenn er sich vor Gott. beginnt (348,19):

Am weitesten sind diese ... auf Blatt 162r (Textbeginn 349,17: wurden wieder neue Sekten ...) das Datum: den 29 Apr. 96. In Höhe des Datums neuer Einsatz der Niederschrift: Der Grund­

fehler ...

die letzte Seite ist frei. Der vorstehend beschriebene Manuskriptbefund ist durch folgenden Hinweis zu ergänzen: Im September 1800 hat Hegel eine Überarbeitung seiner Niederschrift begonnen. Er fügte drei Bogen hinzu, die mit ax, a2, a3 bezeichnet und dem ursprünglichen Ms vorangestellt sind ( = Nachlaß, Band 8y Blatt 78-89). Im weiteren greift die Überarbeitung auf den alten Text über, der teilweise mit einbezogen wird. Die neuformulierten Passagen stehen in den rechten Spalten der Bogen a bis c des alten Ms; sie enden auf der zweiten Seite des Bogens c ( = B l 97v). - Die ganze Neufassung wird, der Chronologie gemäß, in Band 2 dieser Ausgabe ediert; für die genaue Beschreibung des Überlieferungsbefundes vgl den dortigen editorischen Bericht. An mehreren Stellen des Ms finden sich - meist im freien Raum der rechten Spalte, aber auch als Einfügung in denfortlaufend geschriebenen Text auf der linken Seitenhälfte - Eintragungen vonfremder Hand, teilweise mit Bleistift. Die Herkunft dieser Notizen konnte noch nicht aufgeklärt werden. Sie korrigieren tatsächliche oder vermeintliche Fehler der Hegelschen Niederschrift. Im einzelnen sind, be­ zogen auf den Text unserer Edition, folgende Fremdeintragungen ( = F) zu verzeichnen:

ANHANG

496

Falle] so Ms; F schreibt darüber: Sinne seyn kan] Ms: seyn seyn F durchstreicht das zweite seyn und schreibt auf den Rand: kann 309,24 den Geist] Ms: mit dem Geiste F korrigiert, mit teilweiser Durchstreichung: den Geist 310.27 übernahm] so Ms; danach von F eingefügt: er 313.1 selbst] so Ms; danach von F eingefügt: muß 317,3 Herz] Ms: Weg F klammert das Wort ein und setzt auf den Rand: (?) 318,19 dadurch] danach im Ms: man F durchstreicht dieses Wort mehrfach mit Bleistift 319.2 die] so Ms; zuerst: das Paar F durchstreicht den von Hegel undeutlich korrigierten Artikel nochmals und setzt davor (mit Bleistift): die 319.14 bestimmen)] danach im Ms: sich von F mit Bleistift gestrichen; am Rande (ebenfalls Bleistift): nicht 319.15 nicht] Ms: sich F durchstreicht dieses Wort mit Bleistift und setzt auf den Rand: nicht 319.28 Beamten] danach im Ms: nachher F durchstreicht dieses Wort 336,8 sich] so Ms; danach von F eingefügt, am Rande: nicht 350,2-3 christlichen Kirche] so Ms; F am Rande: griech. Rel. 303,28 308.26

Entstehungsgeschichte Wie die beiden im Verlauf des Ms vorfindlichen Daten belegen, hat sich die Abfassung über einen längeren Zeitraum erstreckt. Der größte Teil der Arbeit ist vor dem 2. November 1795 geschrieben worden. Daß das Datum des (am Schriftduktus erkennbaren) Neueinsatzes von Hegel festgehalten wurde, ist sicher ein Anzeichen dafür, daß eine gewisse zeitliche Unterbrechung voraufgegangen war. Von diesem Datum aus gesehen, trat nach der Niederschrift von 16 Seiten eine neue, größere Pause ein. Dem dann eingefügten Datum 29. April 1796folgt nur noch ein Schluß von weniger als fünf hand­ schriftlichen Seiten. Ist damit der Abschluß der Arbeit zeitlich fixiert, so bleibt esfür uns offen, wann Hegel sie begonnen hat. Die erste Seite des Ms, die vermutlich das Anfangsdatum trug, ist verloren.85 Die statistische Untersuchung der Handschrift bestätigt aber die naheliegende Annahme, daß die für uns undatierten Bogen des Ms im Anschluß an Text 31 (Schlußdatum: 24. Juli 1795) entstanden sind. Dieser Text, das Leben Jesu, weist in seinen letzten Partien einen Anteil von über 60% s2 auf. Im vorliegenden Ms einschließlich des November-Stücks steigt der Anteil auf bis zu 70% an, ohne daß dieser Prozentsatz ganz durchgehalten würde und ohne daß irgendwo ein größerer Schub bemerkbar wäre. Eine deutliche Differenz zeigt sich dagegen ab 29. April 1796; im Schlußstück des Ms beträgt der Anteil von s2 90% . Dieser quantitative Sprung kommt dadurch zustande, daß die Buchstabenform s2, die lange Zeit fast nur am Anfang des Wortes steht, sich jetzt auch im Wortinnern weitgehend durchgesetzt hat. In die hier geschilderte Entwicklung fügt sich auch das Schriftbild von Hegels Brief an Schelling vom 30. August 1795; auch dort steht innerhalb der Wörter noch sl9 während sonst s2 beherrschend ist.

85 Es kann vermutet werden, daß dieser Verlust mit der späteren Vorschaltung eines neuen Anfangs zusammenhängt.

EDITORISCHER BERICHT

497

Die aufweisbare Stimmigkeit in der Schriftformentwicklung ist noch mehr als für den vorliegenden Text von Wichtigkeit für die nachfolgenden Texte 33 und 34, deren zeitliche Einordnung nur mit Hilfe der Buchstabenstatistik und in Relation zu Text 32 zu gewinnen ist. Der genannte Brief an Schelling ist jener, in dem Hegel es (wie schon zu Text 31 zitiert) für nicht der Mühe werth erachtet, von seinen damals entstehenden Arbeiten zu berichten. Weiter schreibt er dort: ... vieleicht schike ich Dir in einiger Zeit den Plan von etwas zu, das ich auszuarbeiten

gedenke; wobei ich mit der Zeit Dich besonders auch um freundschaftliche Hülfe - auch im kirchenhistorischen Fache, wo ich sehr schwach bin, u. wo ich mich am besten bei Dir Raths erhohlen kan - ansprechen werde.86 Ungeachtet dessen, daß es zu solchem Austausch nicht gekommen ist, beleuchtet diese Selbstreflexion den Entstehungsprozeß von Text 32, mit dessen Niederschrift Hegel damals beschäftigt war oder den er kurz darauf begonnen haben muß.

Zur Edition Eine Besonderheit dieses Ms sind die neben dem fortlaufenden Text in der rechten Spalte notierten Marginalien, die den Stellenwert von Überschriften haben. Sie werden in der Edition am Außenrand der Seiten wiedergegeben, jeweils in der Höhe der Textstelle, neben der sie in der Handschrift stehen. Der Zeilenfall, der sich im Druck ergibt, entspricht nicht dem Original. Die meisten dieser Marginalien sind im Ms unterstrichen. Diese Hervorhebung, wohl nur versehentlich von Hegel einigemal unter­ lassen, entfällt im Druck. (Nicht unterstrichen sind die in unserer Edition auf den Seiten 294, 295 , 298, 317, 342 wiedergegebenen Randüberschriften.) Folgende besondere Abkürzungen, die - vereinzelt oder öfter - in Text 32 Vorkommen, werden in der Edition aufgelöst, wobei die Flexionsform jeweils durch den Kontext bestimmt wird:

Abh. = Abhandlung; absol. = absolute; allg. = allgemeine; Autor. = Autorität; Beisp. — Beispiel; Bew. = Beweis; brandeb. = brandeburgischen; Xi = Christi; Xstenthums = Christentums; ehr. —christliche; empf. = empfinden; Gl. = Glauben; G’s = Gottes; Grunds. = Grundsätze; heil. = heiligen; herrsch. = herrschenden; Id. = Ideal; Individ. = Indivi­ duum; J. = Jesus; Joh. = Johannes; jüd. = jüdische; kath. = katholische; luther. = lutheri­ sche; Mess. = Messias; mor. = moralische; Moral. = Moralität; nothw. = nothwendig; philos. = philosophische; pos., posit. = positive; prakt. = praktische; prot. = protestanti­ sche; reform. = reformirte; Rel. = Religion; Sokr. = Sokrates; Sokrat. = Sokratische. symb. = symbolische; Synag. = Synagoge; theor. = theoretische; Vern., Vrn. = Vernunft; Verst. = Verstand; versch. = verschiedene; Vollkomm. = Vollkommenheit.

86 Briefe von und an Hegel. Bd 1. 33 (zitiert nach Fotokopie des in Krakow befindlichen Ori­

ginals).

498

ANHANG

Text 33 E in p o sitiv e r G la u b e n ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 8, Blatt 189-196. Zwei Lagen von je zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Seitenformat: ca. 21 x 16,8. Papier­ farbe: chamois. Die Blätter sind durch Längsknick in der Mitte geteilt. Die linken Seitenhälften sind durchgängig beschrieben, in den rechten Spalten stehen nur sporadisch Textkorrekturen oder -ergänzungen. Die beiden Bogen sind von Hegel nicht bezeichnet. Jeweils auf der ersten Seite findet sich rechts oben von fremder Hand die Bezeichnung a bzw. b. Die so fixierte Zusammengehörigkeit und Reihen­ folge ist gesichert durch den Fortgang des Textes; er beginnt auf dem jetzt mit b bezeichneten Bogen mit den Worten: daß es wirklich Erfahrungen warfen] (vgl. 355,14). Auch die letzte Seite des zweiten Bogens ist ganz vollgeschrieben. Der Text endet dort mit einem Komma, so daß eine verlorengegangene Fortsetzung vermutet werden könnte. D atierung Das Ms weist mit 70% s2fast denselben Anteil dieser Buchstabenform auf, der den bis zum No­ vember 1795 niedergeschriebenen Großteil von Text 32 charakterisiert. Es dürfte um die gleiche Zeit oder im unmittelbaren Anschluß daran entstanden sein. Auf jeden Fall liegt die Niederschrift - wie aus dem Befund der Schlußpartie von Text 32 erhellt (s. o.) - vor dem 29. April 1796. Hiermit harmoniert es, daß Hegel im vorliegenden Ms, wie unsere Anm. zu 354,1 wahrscheinlich macht, Bezug nimmt auf Schellings Briefe über Dogmatismus und Kriticismus, deren erster Teil ( = Brief 1-4) im Herbst 1795 erschien: vgl. Philosophisches Journal. Hrsg. von Niethammer. Bd 2, Heft 3. Neu-Strelitz 1795. Hegel, der die Zeitschrift damals bezog, schrieb am 30. August 1795 an Schelling: Niethfammers] Journ[al] hoffe ich alle Tage zu erhalten. Wann genau das Heft mit Schellings Beitrag herausgekommen ist und Hegel vorlag, wissen wir nicht. Schelling unterstellt in einem Schreiben vom Januar 1796 (undatiert) die Möglichkeit, daß Hegel die philosophischen Briefe gelesen hat.87 Z ur E dition Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden:

Autor. = Autorität; Gl. = Glauben; Glüks. = Glükseeligkeit; mor. = moralische; pos. = positive; relig. = religiöse; Unverm. = Unvermögen; Vern. = Vernunft. 87 Siehe Briefe von und an Hegel. Bd 1. 33 (Hegel an Schelling, 30. 8. 1795); ebd. 36 (Schel­ ling an Hegel, Jan. 1796).

EDITORISCHER BERICHT

499

Text 34 J e d e s V o l k ...

Überlieferung Manuskript: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin - Hegel-Nachlaß, Band 8, Blatt 165-188. 24 Blatt: sechs Lagen von je zwei ineinandergelegten Doppelblättern. Zwei verschiedene Blatt­ größen: 1) Blatt 165-180: ca. 21,5x17,5. 2) Blatt 181-188: ca. 21 x 16,8 (Blatt 188 bei der Re­ staurierung 1962 beschnitten). Papierfarbe: chamois. Die Blätter sind in der Mitte längs gefalzt. Die linken Spalten sind fortlaufend beschrieben, die rechten für gelegentliche Korrekturen und kleine Ergänzungen benutzt. Die Reihenfolge der Lagen ist - wie bei Text 32 und an diesen anschließend - von Hegel durch kleine lateinische Buchstaben bezeichnet, die jeweils auf der letzten Seite ganz unten rechts plaziert sind: u, x, y, z, aa, bb. (Zwischen u und x ist keine Lücke anzunehmen; Hegel folgt der damals üblichen, auf das lateinische Alphabet zurückgehenden Bogenbezeichnung im Buchdruck.) Im einzelnen ist zur Beschreibung des Ms nochfolgendesfestzuhalten: Lagenbezeichnung Blätter des Ms u Bl. 165-168

x

Textanfang und Sonstiges beginnt (359,2):

Jedes Volk hat...

Bl. 169-172

beginnt (362,11):

y

Bl. 173-176

auf der vorletzten Seite (172r) waren zunächst unten, 6 cmfreigelassen, d. i. in unserem Text nach 365,7; nach­ dem, offensichtlich später, der Abschnitt 365,8-10 einge­ fügt wurde, blieb noch immer ein Freiraum am unteren Seitenende; Fortsetzung auf der folgenden Seite mit der Überschrift: Unterschied zwischen ... beginnt ( 365,25):

z

Bl. 177-180

beginnt (368,25):

aa

Bl. 181-184

beginnt (372,13f):

bb

Bl. 185-188

beginnt (375,26):

Als sich der Geschmak...

Die Verdrängung ...

gut oder bös seyn ... mit einem Reichthume ... Strafer dieses Verbrechen ...

auf der zweiten Seite (185v) sind unten 5 cmfreigelassen, d. i. in unserem Text nach 376,16; Fortsetzung auf der folgenden Seite: In der Lage ...

500

ANHANG

auf der fünften Seite (187r) endet der Text unten mit einem gestrichenen, vielleicht noch nicht vollständigen Satz (vgl. 377,21 mit textkritischem Apparat); der Ge­ dankengang bricht ab; Fortsetzung auf derfolgenden Seite:

Mit dem Bedürfniß ...

die letzte Seite ist ganz vollgeschrieben, der Text endet mitten im Satz. Der zuletzt angeführte Sachverhalt deutet darauf hin, daß Weiteres verlorengegangen ist. Wie bei Text 32 finden sich in diesem Ms Eintragungen von fremder Hand ( = F), und zwar an folgenden Stellen der Edition: 359,7 Vaterlandes,] so Ms; F verändert (mit Bleistift) das Komma zum Strichpunkt 360,10 von den wenigen] diese Worte des Ms von F mit Bleistift eingeklammert; am Rande:

die einzige

D atierung Aufgrund der Buchstabenformen (mehr als 90% s2) ist das Ms mit Sicherheit nach dem 29. April 1796, dem Datum der letzten Seiten von Text 32, anzusetzen. Die nochmals deutlich fortgeschrittene Entwicklung der Schriftform in Text 36, dem von Hegel selbst auf August 1796 datierten Gedicht Eleusis (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen weiter unten), begrenzt zur anderen Seite hin den Zeit­ raum, innerhalb dessen das vorliegende Fragment niedergeschrieben sein muß: Mai bisJuli/August 1796. Mit diesem Ansatz steht folgendes in Einklang: Im Juni 1796 beurteilte Hegel in einem Brief an Schelling dessen Philosophische Briefe über Dogmatismus und Kriticismus. Der zweite und abschließende Teil dieser Publikation ( = Brief 5-10) ist enthalten in dem 11. Heft (d. i. Bd 2, Heft 3) des Jahrgangs 1795 von Niethammers Zeitschrift Philosophisches Journal, erschien aber erst 1796; Schelling übersandte das Manuskript am 22. Januar 1796 zur Drucklegung - vgl. sein Schreiben an Niethammer von diesem Tage.*1* Der 10. Brief aus Schellings Schrift ist in dem hier besprochenen Text Hegels benutzt - siehe die Anm. zu 375,5 und 378,28. Zur Edition Obwohl die von Hegels Hand stammende Bezeichnung der sechs Bogen diejenige von Text 32 unmittelbar fortführt, sind diese Bogen nicht als Teil jenes Textes, sondern als gesondert zu edierendes Stück zu fassen. Die freigelassene Seite am Ende von Text 32 (vgl. das dort zur Überlieferung Mitge­ teilte) macht eine deutliche Zäsur sichtbar. Dem entspricht der gedankliche Neueinsatz auf Bogen u. Äußerlich unterscheidet sich das damit beginnende Ms gegenüber Text 32 auch durch das Fehlen von

87a F. W. J. Schelling: Briefe und Dokumente. Hrsg. von H. Fuhrmans. Bd 1. Bonn 1962. 59. - Der erwähnte Brief Hegels an Schelling vom Juni 1796 ist nicht erhalten, doch bezieht sich auf ihn Schellings mit umgehender Post auf den Weg gebrachte Antwort vom 20. Juni 1796; vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 36f.

EDITORISCHER BERICHT

501

Marginalüberschriften. Die Anbindung der sechs Bogen an das vorausliegende Ms, die Hegel mittels der Lagenbezeichnung durch Buchstaben vorgenommen hat, signalisiert also nicht eine unmittelbar weiterlaufende Darstellung, sondern ist nur Hinweis auf die Zugehörigkeit zum gleichen Gedanken­ komplex. Der Sachverhalt ist ein ähnlicher wie bei der Verbindung der Texte 24 und 25 (siehe oben 482). Auch dort mußtefür die Edition von getrennten Fragmenten ausgegangen werden. Die beschriebenen Zwischenräume im vorliegenden Ms, die sich jeweils an einem Seitenende, jedoch innerhalb des Bogens befinden, werden in der Edition durch Einfügung mehrerer Leerzeilen berück­ sichtigt: vgl. im Text nach 365,10; 376,16; 377,21. Besondere Abkürzungen dieses Textes, die in der Edition aufgelöst werden: Eurip. = Euripides; gebild., ungebild. = gebildeter(n), ungebildeter(n) (neben den ausge­ schriebenen Formen); G’s = Gottes; heil. = heiligen; Phant. = Phantasie; pos. = positiver;

protest. = protestantischen; Rel. = Religion; relig. = religiöse; Rep., Republ. = Republika­ ner; Revol. = Revolution; Röm. = Römischen; subjekt., objekt. = subjektive(n), objek­ tive^); Vern. = Vernunft; Vorst. = Vorstellung. BERICHT ÜBER EINE ALPENWANDERUNG UND ELEUSIS (AN HÖLDERLIN) 1796 Die beiden hier zusammengestellten Stücke, die schon ihrem literarischen Charakter nach von den vorausgegangenen theoretischen Arbeiten abzuheben sind, sind fast gleichzeitig entstanden, im August 1796. Sie bilden für uns den Abschluß dessen, was Hegel in der Schweiz geschrieben hat. Spätere Niederschriften aus diesem Jahr sind nicht erhalten.

Text 35 B e r ic h t ü b e r e in e A l pe n w a n d e r u n g

Überlieferung R: Karl Rosenkranz: Hegel’s Leben. 470-490. Das Ms dieses Berichts über eine Alpenwanderung hat Rosenkranz 1840für seine Arbeit an der Hegel-Biographie in Königsberg Vorgelegen. Wie aus seinen noch erhaltenen Briefen hervorgeht, gehörte es zu den ersten Stücken, um deren Übersendung er bat, nachdem er eine Übersicht über das vorhandene Nachlaßmaterial erhalten hatte.88 Der spätere Weg des Ms läßt sich nicht mehr verfolgen. Es befindet sich nicht mehr im Hegel-Nachlaß.

88 Karl Rosenkranz an Karl Hegel, 11. Januar 1840: ... die Reise in das Berner O berland ...

502

ANHANG

Der oben angegebene Erstdruck, der unsere Quelle bildet, steht innerhalb des Urkunden-Anhangs des Buches, und zwar unter der Überschrift: Reisetagebuch Hegel’s durch die Berner Oberalpen / 1796. Es ist evident, daß Rosenkranz diese Überschrift von sich aus formuliert (wobei er ähnlich ver­ fährt wie bei seinem gekürzten Abdruck des Schülertagebuchs, dem er die Titelzeile voranstellt: Hegel’s Tagebuch aus der GymnasialzeitJ. Ob irgendwelche Worte der Überschrift einem von Hegel selbst gesetzten Titel entnommen sind, ist nicht erkennbar. Rosenkranz gibt weder in den erwähnten Briefen noch in der Biographie eine Beschreibung des Ms. In der Lebensdarstellung sagt er lediglich (auf den ersten Satz des Textes zurückgreifend): 1796 Ende Juli machte er [sc. Hegel] mit drei Sächsischen

Hofmeistern, Thomas, Stolde und Hohenbaum, eine Fußreise nach den Berner Ober­ alpen, über welche er ein sehr genaues, noch erhaltenes Tagebuch führte.89

Die Sperrungen im Text sind gewiß zum größten Teil, wenn nicht insgesamt auf den redaktionellen Eingriff von Rosenkranz zurückzuführen (vgl. das in dieser Hinsicht zu Text 4 Gesagte, oben 457f). Als originäre Betonung erscheint die Sperrung 392,6. Denkbar ist, daß die Hervorhebung der Per­ sonen- und Ortsnamen von Hegel selbst stammt und in seinem Ms durch Unterstreichung oder durch Verwendung lateinischer Schrift ausgewiesen war. Am Anfang und am Schluß des ganzen Textes stehen Anführungszeichen. Zu erwägen ist, ob dies vielleicht darauf hindeutet, daß dem von Rosenkranz Wiedergegebenen im Ms noch etwas vorausging undfolgte. Entstehungsgeschichte Mit dem eindeutigen Datum, das der Text eingangs enthält, ist nicht zugleich belegt, wann das Ganze tatsächlich niedergeschrieben wurde. Der Stil ist nicht der eines täglich weitergeführten Tage­ buchs, sondern der eines nachträglichen, zusammenfassenden Berichts. Auch bei gelegentlicher Ver­ wendung des Wortes heute wird im Fortgang der Habitus rückblickenden Erzählens beibehalten.90 Es muß angenommen werden, daß Hegel den gesamten Bericht erst nach Abschluß der Wanderung ausge­ arbeitet hat. Vermutliche Abfassungszeit wäre dann der August 1796. Sofern Hegel sich auf sofort gemachte Erinnerungsnotizen stützen konnte, wäre auch eine etwas spätere Niederschrift vorstellbar. Zur Edition Mit Rücksicht auf die ungesicherte Grundlage der Rosenkranzschen Überschrift zu diesem Text wählen wir eine eigene Überschrift mit sachlichem Hinweischarakter. Der Text bietet einen genauen Abdruck von R, ausgenommen die im Apparat nachgewiesenen Korrekturen von Namen, die Rosenkranz offensichtlich falsch gelesen hat, und die das Ganze einfas­ senden Anführungszeichen.

[und andere Stücke] bitte ich auf meine Kosten per Post an mich zu senden. Ich kann sie nicht früh genug kennen lernen. (Handschriftlich, Privatbesitz.) 89 Hegel’s Leben. 43f. - Zur Überschrift vgl. auch ebd. 431. 90 Vgl. etwa innerhalb der Darstellung des Mittwochs die beiden folgenden Stellen: 386,35f begegneten uns ... zwei Küher, die ihre heut gemachten Käse nach Hause trugen. 389,10/ Allein da das Wetter am ändern Morgen sich völlig aufheiterte ...

EDITORISCHER BERICHT

503

Text 36 E leusis

Überlieferung Manuskript: Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Tübingen - Signatur: Mi 1/11134,3. Ein Doppelblatt (Folio). Blattgröße ca. 36x21 (-22). Papierfarbe: chamois. Dreieinhalb Seiten sind in unterschiedlich langen Verszeilen ohne Rand beschrieben. Auf der ersten Seite sind unten (d. i. im Text nach 399,27) einige cm mehrfreigelassen als auf den beidenfolgenden Seiten. Textbeginn 2. Seite: Mein Aug erhebt... (399,28) Textbeginn 3. Seite: Geflohn von der... (400,26) Textbeginn 4. Seite: die er obolenweiß... (401,28) An der linken unteren Ecke des Doppelblattes ist ein kleines Stück ausgerissen, so daß beide Blätter dort an der Innenseite beschädigt sind. Am Anfang der letzten Zeile von Seite 3 hat dies einen geringen Textverlust bewirkt (vgl. den textkritischen Apparat zu 401,27). Die Blätter sind längs und querjeweils in der Mitte gefalzt. In dem querlaufenden Knick ist teilweise das Papier durchgetrennt. Die doppelte Faltung gleicht der von Papieren, die brieflich verschickt worden sind. Dies wirft Fragen zur Überlieferungsgeschichte auf, die hier zu erörtern sind. Das Ms Eleusis befand sich in Hegels Nachlaß, als dieser Karl Rosenkranz zur Benutzung für die Arbeit an der Biographie zugänglich gemacht wurde. Rosenkranz bezieht sich im Frühjahr 1840 erstmals auf eine ihm durch die Familie Hegels zugekommene Nachricht, die auch einen Hinweis auf dieses Gedicht enthalten haben muß91; im Januar 1841 verweist er ausdrücklich auf die eingetroffene Sendung der Eleusis92. Rosenkranz hat den Text zweimal abgedruckt: zuerst in seiner Vorveröffent­ lichung zur Biographie im Literarhistorischen Taschenbuch 1843, dann in Hegel’s Leben innerhalb des Kapitels: Briefwechsel Hegel’s mit Hölderlin.93 Unterstellt man, daß Hegel das vorliegende Ms, gemäß der Bestimmung des Gedichts, 1796 aus der Schweiz an Hölderlin geschickt hat, so muß man zugleich annehmen, daß entweder er selbst es während der gemeinsamen Frankfurter Zeit von Hölderlin zurückerhalten hat, oder daß das Gedicht nach Hegels Tod im Zuge der Recherchen für die Gesamtausgabe in die Hand der Familie oder des Herausgebervereins gekommen ist. Ersteres ist ganz unwahrscheinlich, letzteres kaum denkbar. Gehen wir statt dessen, wie es die Streichungen und Korrek­ turen ohnehin nahelegen, davon aus, daß das vorhandene Eleusis-Ms nur ein Entwurf ist, den Hegel als solchen aufbewahrte, so bleibt wiederum offen, ob es eine an Hölderlin abgesandte Reinschrift gegeben hat oder nicht. Zu beachten ist, daß in Hölderlins sehr persönlich gehaltenen Briefen an Hegel

91 Rosenkranz an Karl Hegel, 14. April 1840: Wegen des Materials wünschte ich nur gele­ gentlich ...die Gedichte an H ölderlin... (Handschriftlich, Privatbesitz.) Unzutreffend ver­ wendet Rosenkranz hier noch den Plural Gedichte. 92 Rosenkranz an Karl Hegel, 23. Januar 1841: Die Sendung der Eleusis kam recht ä propos ...

(Handschriftlich, Privatbesitz.) Ob das auf eine gesonderte Übermittlung des Gedichts deutet oder ob dieses schon in dem Paket enthalten war, dessen Eintreffen Rosenkranz am 2. Dezember 1840 be­ stätigt, ist aus dem Kontext des Briefes nicht zu entnehmen. 93 Vgl. die Angaben zu R x und R2 weiter unten.

50 4

ANHANG

vom 24. Oktober und 20. November 1796 das Gedicht keinerlei Erwähnung findet9* und daß Hegel selbst in dem wohl dazwischenliegenden Brief an Hölderlin schreibt: Wie viel Antheil an meiner geschwinden Entschließung [ergänze: nach Frankfurt zu kommen] die Sehnsucht nach Dir

habe, wie mir das Bild unseres Wiedersehens, der frohen Zukunft, mit Dir zu sein, diese Zwi­ schenzeit vor Augen schweben würde - davon nichts95. So liegt doch wohl der Schluß nahe, daß Hegel Eleusis damals nicht an Hölderlin geschickt hat.

Die beschriebene doppelte Faltung der Blätter kann auch von späterer Aufbewahrung (durch Hegel selbst oder nach seinem Tode) wie von dem Versand an Rosenkranz herrühren. Im Berliner HegelNachlaß (Band 13, vor Blatt 63) befindet sich noch ein Karton-Umschlagblatt, das der Sohn des Philosophen, Karl Hegel, im Zusammenhang der Übergabe des Nachlasses an die Bibliothek (1889) mit der Aufschrift versehen hat: C. Über die neuesten Verhältnisse Wirtembergs 1798 (Fragment) und Gedicht Eleusis an Hölderlin. Das Blatt hat Quartformat (21,8 x 17,5). Ein Mäppchen dieser Größe konnte das Folio-Ms nur aufnehmen, wenn es einmal quergefaltet war. Das Ms wurde hier wieder entnommen und von Karl Hegel nicht nach Berlin, sondern (zusammen mit Hegels Stammbuch) an die Universitätsbibliothek Tübingen gegeben.96 Einige Jahre früher tritt das Gedicht im Rahmen der Nachlaßgeschichte noch einmal hervor. 1885, während Karl Hegel seine 1887 erschienene Ausgabe der Briefe von und an Hegel vorbereitet, erwähnt Immanuel Hegel in einem Schreiben an seinen Bruder: Das Gedicht: »Eleusis« findet sich in dem von mir verwahrten Konvolut...97 Entstehungsgeschichte Nach der von Hegel der Überschrift beigejügten Angabe ist das Gedicht im August 1796geschrieben. Dies läßt sich nicht näher präzisieren. Vorausgegangen war ein Brief, in dem Hölderlin seinem Freund Hegel zu Anfang des Sommers von einer äußerst vorteilhaften Stelle schrieb, die er in Frankfurt antreten könnte. Dieser Brief ist nicht erhalten; wir wissen um ihn aus dem hier wiedergegebenen Rückbezug Hölderlins in seinem nächsten Brief vom 24. Oktober 1796 98 Hegel muß jene Mitteilung aber empfangen haben, denn seine Rede von des Wiedersehens süssern Hofnungen und der lang­

94 Vgl. Hölderlin: Sämtliche Werke. Bd 6. 219-221, 221-223 (Briefe 127 und 128). 95Hölderlin: Sämtliche Werke. Bd 7, T. 1. 45. 96 Dem Stammbuch (vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 135-164) liegt eine Biblio­ theksnotiz bei: Dieses Stammbuch ... wurde d. Univ. Bibi, geschenkt von Prof. Karl Hegel in Erlangen. Febr. 1889. Es muß angenommen werden, daß gleichzeitig das Eleusis-Ms nach Tübingen

gelangte. In der Berliner Staatsbibliothek sind daher auf dem erwähnten blauen Kartonblatt die Worte und Gedicht Eleusis an Hölderlin mit Rotstift eingeklammert worden. Herman Nohl blieb das für das Datierungsgerüst wichtige Ms unbekannt; er registriert alsfehlend »alle [ von Rosenkranz] erwähn­ ten Gedichte«. Theodor Haering sagt im Begleittext zu der Edition von Eleusis, die er an den Anfang des 1929 erschienenen ersten Bandes seines Hegel-Werks stellt, daß das Gedicht seit der Veröffent­ lichung durch Rosenkranz »im Original als verschollen«galt und »sich erst neuerdings in der Tübinger Universitätsbibliothek wiederfand«. 97Zitiert nach dem handschriftlichen Original (Privatbesitz). Vgl. den Kontext bei Willi Ferdinand Becker: Hegels hinterlassene Schriften im Briefwechsel seines Sohnes Immanuel. In: Zeit­ schrift für philosophische Forschung. 35 (1981), 592-614; dort: 610. 98 Hölderlin: Sämtliche Werke. Bd 6. 219.

EDITORISCHER BERICHT

505

ersehnten, feurigen Umarmung Scene (399,14-16) ist nur als Antwortreaktion verständlich. In­ zwischen hatte Hegel noch seine Wanderung durch die Berner Alpen gemacht (letzte Juli-Woche,

vgl. Text 35). Geschrieben ist das Gedicht wohl nicht in Bern, sondern in Tschugg b. Erlach, dem Steigerschen Landgut, auf dem die Familie und Hegel mit ihr den ganzen Sommer verbrachte (siehe dazu die Ent­ stehungsgeschichte von Text 31). Der Satz: freundlich blinkt / der helle Streif des Sees herüber (399,8f) dürfte auf den nahen Bieler See bezogen sein. Im Hinblick auf die relative chronologische Einordnung anderer Texte sei hier als wichtigster Be­ fund der Buchstabenstatistik angeführt, daß in Eleusis zum erstenmal s2 alleinherrschend ist. Erwäh­ nenswert auch das Sichtbarwerden von A3 (d. i. Wiederaufnahme der ersten Form des Buchstabens A), hier dreimal vorkommend gegenüber 14mal A2. Zur Edition Zur Textherstellung wurden (mit besonderer Rücksicht auf die mit Textverlust beschädigten Stellen des Ms) folgende Editionen herangezogen: R 1: Karl Rosenkranz: Aus Hegels Leben. In: Literarhistorisches Taschenbuch. Hrsg. von R. E. Prutz.Jg 1. Leipzig 1843. 89-200; dort: 94-102. R2: Karl Rosenkranz: Hegel’s Leben. Berlin 1844. 78-80. Haering: Theodor L. Haering: Hegel. Sein Wollen und sein Werk. Bd 1. Leipzig, Berlin 1929. III-VI. Die drei Verszeilen 399,8-10 sind, wie der textkritische Apparat wiedergibt, von Hegel in zwei Zeilen niedergeschrieben. Die editorische Anordnung in drei Zeilen realisiert die Intention, die im Ms durch Einfügung senkrechter Striche nach den Wörtern blinkt und herüber angezeigt ist. Die durch einen senkrechten Strich im ganzen getilgten Zeilen 400,2-10 sind nicht in den Apparat verwiesen, sondern innerhalb des Textzusammenhangs als gestrichen ausgewiesen.

NICHT NÄHER DATIERBARES Die drei Texte, die hier folgen, sind nicht handschriftlich, sondern durch frühere Herausgeber im Druck überliefert, und zwar ohne Datum und ohne sonstige Herausgeberhinweise zur Datierung. Es ist aber andererseits möglich, ihre Entstehungszeit so weit einzugrenzen, daß eine Aufnahme in den Band mit Texten bis 1796 gerechtfertigt erscheint. Dies wird bei jedem der drei Stücke im einzelnen dargelegt.

506

ANHANG

Text 37 U e b e r L e s s i n g ’s B r i e f w e c h s e l m i t s e i n e r F r a u

Überlieferung W: Hegel’s Werke. Bd 17: Hegel’s vermischte Schriften. Hrsg. von Friedrich Förster und Ludwig Boumann. Zweiter Band. Berlin 1835. 406-410. Der hier angegebene Erstdruck hat in der zweibändigen Ausgabe der Vermischten Schriften seine Stelle innerhalb der Abteilung: VIII. Aufsätze vermischten Inhalts." Diese Textgruppe umfaßt folgende Titel: 1. Maximen des Journals der deutschen Literatur; 2. Wer denkt abstrakt? 3. Ueber Lessing’s Briefwechsel mit seiner Frau; 4. Ueber Wallenstein; 5. Ueber die Bekehr­ ten; 6. Ueber die englische Reform-Bill. Dem ersten Text dieser Reihe ist das Datum 1806 bei­ gegeben, den beiden letzten ein Hinweis auf Fundort und Jahr ihres Drucks (1826 und 1831). Die Texte 2, 3 und 4 haben wederJahresdatum noch Druckvermerk. Von diesen drei Arbeiten ist die Ueber Lessing’s Briefwechsel die einzige, deren Ms nicht erhalten ist. Ob dies bedeutet, daß den Heraus­ gebern keine Handschrift, sondern ein gedruckter Text vorlag (den sie dann in diesem Fall nicht nach­ gewiesen hätten), oder ob das Ms nach der editorischen Benutzung aus dem Hegel-Nachlaß abhanden gekommen und wann ggf. dieser Verlust eingetreten ist, konnte bisher nicht aufgehellt werden. Der Text ist in der Schreibweise der von den Freunden des Verewigten veranstalteten Ausgabe der Werke normalisiert und möglicherweise auch in Einzelheiten redaktionell verändert worden. Ob die Überschrift von Hegel oder von den Herausgebern stammt, muß offenbleiben. Z ur zeitlich en Einordnung Der Erstdruck W , der mit keinerlei chronologischem Hinweis verbunden ist, präjudiziert auch durch die Stelle, die ihm innerhalb der Edition angewiesen ist, nicht die Annahme einer bestimmten Entstehungszeit; schon die drei in der Gruppe Aufsätze vermischten Inhalts vorkommenden Daten (s. o.) umspannen einen Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren. Demgegenüber hat H. Glöckner, der die alte Ausgabe der Werke photomechanisch reproduzierte, aber die Texte z. T. anders anordnete, den Lessing-Aufsatz in den von ihm geschaffenen Band Vermischte Schriften aus der Berliner Zeit (zuerst 1930) aufgenommen.100 Er steht dort an zweiter Stelle einer Gruppe Kleine Aufsätze, die außerdem die Texte Wer denkt abstrakt?, Ueber Wallenstein und Ueber die Bekehrten umfaßt. Die ganze Gruppe rechnete Glöckner der späteren Berliner Zeit zu.101 J. Hoffmeister hat in seine Ausgabe der Berliner Schriften Hegels (1956) von den vier Aufsätzen nur noch die Antikritik zu Raupachs Die Bekehrten übernommen.102 In seinem Vorwort wird die Ausscheidung des Wallenstem-Aufsatzes und des Feuilletons Wer denkt abstrakt ? mit Hinweisen auf handschriftliche Indizien

99Hegel: Werke. Bd 17. 391-470. 100 Hegel: Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe. Hrsg. von H. Glöckner. Bd 20. Stuttgart 1930.

451-455. 101 Vgl. ebd. X IX (Vorwort).

102 Hegel: Berliner Schriften 1818-1831. Hrsg. von J. Hoffmeister. Hamburg 1956. (Philo­ sophische Bibliothek. Bd 240.) 451-460. - Zum folgenden vgl. ebd. XIII (Fußnote).

EDITORISCHER BERICHT

507

für einefrühere Datierung begründet; dagegen bleiben die ebenfallsfortgelassenen Betrachtungen Ueber Lessing’s Briefwechsel ganz unerwähnt. H. Glöckner wiederum hat in einer späteren Auflage des Bandes Vermischte Schriften aus der Berliner Zeit (1958) die Textanordnung bestehen lassen, aber in einem neugefaßten Vorwort seine Aussage zur Datierung relativiert. Er räumt eine viel frühere Entstehung des Wollenstem-Aufsatzes ein und schreibt im übrigen, die Frage der Chronologie um­ gehend: ob und wo Wer denkt abstrakt ? und Über Lessings Briefwechsel mit seiner Frau ge­ druckt erschienen seien, sei ihm nicht bekannt.103 O. Pöggeler hat als erster die Aufmerksamkeit daraufgelenkt, daß der Lessing-Aufsatz »sicherlich eine Niederschrift aus Hegels Studienzeit« ist und allenfalls »noch in Hegels erstes Berner Jahr ge­ höretn« könnte,104 Zu dieser Annahme, der die vorliegende Edition folgt, veranlassen inhaltliche Kriterien. Der Schlußteil des Aufsatzes (ab 407,6), in dem Hegels Betrachtungen sich von dem engeren Anschluß an das gelesene Buch lösen, ist unübersehbar bestimmt durch Begriffe und gedankliche Motive, die in den Texten 16 bis 22 ebenso deutlich hervortreten, in späterer Zeit jedoch zurückgelassen werden. Erwähnt sei noch, daß Hegels frühes Interesse für Lessing nicht nur durch Zitate in den genannten Texten belegt ist, sondern auch dadurch, daß sein Studienfreund Schelling ihn in einem nach Bern gerichteten Brief einen Vertrauten Lessings nennt.105 Obwohl ohne die Hilfe äußerer Indizien eine genauere Datierung des Stücks nicht möglich ist, darf es als sicher gelten, daß es in Hegels Tübinger Zeit oder zu Anfang seines Berner Aufenthalts ent­ standen ist.

Text 38

M enschen, frü h e...

Überlieferung R: Karl Rosenkranz: HegePs Leben. 467. Der kleine Textsplitter ist nur an dieser Stelle überliefert. Der Satz steht hier ohne besonderen Hinweis eingebettet in Texte, die alle noch im Ms erhalten sind. Im U rkunden- Anhang der Biographie bringt Rosenkranz, im Anschluß an einen Abschnitt mit Arbeiten aus Hegels Gymnasialzeit (darunter unsere Texte 2, 4 und 5), Fragmente zur Kritik der Theologie aus der Tübinger Periode.106 Er reiht hier - mit Kürzungen und kleinen redaktionellen Eingriffen in den Wortlaut - folgende Textpassagen unserer Edition aneinander: 96,28-98,27 [aus Text 16] 136,1-137,28 [= Text 22] 99,8-100,12 [aus Text 16]

103Hegel: Sämtliche W erke. Jubiläumsausgabe. Bd 20. 3. Aufl. Stuttgart 1958. XVI . 104 Vgl. Otto Pöggeler: Hegel, der Verfasser des ältesten Systemprogramms des deutschen Idealismus. In: Hegel-Tage Urbino 1965. Bonn 1969. (Hegel-Studien. Beiheft 4.) 17-32; dort: 28. 105 Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 1. 21 (Brief vom 4. Februar 1795). 106 Vgl. HegePs Leben. 462-469.

508

ANHANG

101.1-103,1 [aus Text 16] 134,17-23; 135,7-10 [aus Text 21] 127.2-128,23 [aus Text 20] 129,23-130,6 [aus Text 20] Der Einschub ist in dieser Weise vorgenommen: Rosenkranz teilt in verkürzter Form die Ausfüh­ rungen Hegels über den Unterschied zwischen Volksreligion und Privatreligion mit (bei uns beginnend 102,10). Er beendet diesen Gedankengang vorzeitig mit folgendem Satz, der nur geringfügig vom Original abweicht (vgl. 102,27-103,1): Wenn die Tugend kein Product der Lehre und des Ge­

schwätzes ist, sondern eine Pflanze, die, obzwar mit gehöriger Pflege, doch aus eignem Trieb und eigner Kraft gebildet wird, so verderben die vielen Künste, die man erfunden haben will, sie wie im Treibhaus zu ziehen, wo es gleichsam nicht soll fehlen können, mehr am Menschen, als wenn man ihn verwildern läßt. Hiernach setzt Rosenkranz einen Gedankenstrich (was bei ihm

auch sonst öfter ein Zeichen für Textmontagen ist) und läßt den für uns nicht mehr nachweisbaren Satz folgen. Es ist offensichtlich, daß er sich dabei von der Parallelität der Gedanken hat leiten lassen. Die Herbeiziehung der Stelle von anderswoher mag durch den Umstand erleichtert worden sein, daß der zuvor zitierte Satz Wenn die Tugend ... verwildern läßt im Hegelschen Ms in der letzten Zeile eines Bogens endet. Woher der angefügte Satz stammt, ob Rosenkranz ihn als aphoristische Notiz auf einem losen Blatt vorgefunden oder ihn aus einem größeren Textzusammenhang herausgelöst hat - darüber fehlt uns jeder Anhaltspunkt. Nohl druckt den Satz in einer Fußnote zu der Rosenkranz korrespondierenden Stelle (d. i. in unserem Text 103,l) ab. Zur zeitlich en Einordnung Rosenkranz hat, wie oben angeführt, die von ihm veröffentlichte Fragmentengruppe der Tübinger Periode Hegels zugeordnet und damit durchaus zutreffend geurteilt: der größte Teil des Ganzen ist in der Tat den Manuskripten zu Text 16 dieses Bandes entnommen, die übrigen Abschnitte gehören zu den frühesten Berner Texten. Vielleicht darf man annehmen, daß Rosenkranz sich für die Anbindung des isolierten Satzes an ein Tübinger Textstück auf äußere Indizien stützen konnte. Auch vom Inhalt her liegt es nahe, das nicht genau datierbare Splitterfragment den in Tübingen oder Bern entstandenen Niederschriften Hegels zuzurechnen.

Text 39 D e r S t r e i t ü b e r ...

Überlieferung Rt : Karl Rosenkranz: Aus Hegels Leben. In: Literarhistorisches Taschenbuch. Hrsg. von R. E. Prutz. Bd 1. Leipzig 1843. 89-200; dort: 156-158. R2: Karl Rosenkranz: Hegel’s Leben. 510-512.

EDITORISCHER BERICHT

509

Das Ms dieses Fragments ist verschollen. Unserem Text liegt der zweite der beiden vorstehend genannten Abdrucke durch Rosenkranz zugrunde (R2). Er findet sich in dem der Hegel-Biographie beigegebenen Anhang von Urkunden, und zwar in dem Abschnitt: Fragmente theologischer Stu­ dien. Unter den dort mitgeteilten sieben Stücken nimmt dieses die sechste Stelle ein; es trägt die Über­ schrift: Das Wunder. Von allen übrigen Stücken sind die Manuskripte noch erhalten. Da Rosenkranz seinem Abdruck weder eine Ms-Beschreibung noch irgendwelche Angaben über die Weise seiner Textauswahl beigibt, kann hierzu nur von den vorhandenen Stücken her etwas gesagt werden, das eine analoge Anwendung auf das Fragment erlaubt, dessen Msfür uns verloren ist. Die wichtigste Einsicht ist die, daß Rosenkranz in keinem Falle eine vollständige, in sich geschlossene Niederschrift Hegels wiedergibt. Er hat vielmehr aus größeren Manuskripten Partien herausgenommen, die sich inhaltlich und formal verselbständigen lassen, und ihnen jeweils eine entsprechende thematische Überschrift vorangestellt. Weiter finden wir belegt, daß Schreibung und Interpunktion normalisiert sowie Hervorhebungen einzelner Wörter, Satz­ teile und Sätze durch Sperrdruck vorgenommen worden sind. Darüber hinaus zeigt sich, daß Rosenkranz an manchen Stellen den Text stilistisch überformt, Satzgefüge verändert, Auslassungen und Umstel­ lungen vorgenommen und im Zusammenhang mit letzterem gedankliche Übergänge geschaffen hat. Alle diese Maßnahmen folgen offensichtlich der Intention, selbständig lesbare Fragmente zu gestalten. Es läßt sich vermuten, daß eine ähnliche herausgeberische Verfahrensweise auch auf das hier erörterte Fragment Anwendung gefunden hat. Wenn diese Vermutung zutrifft, so bedeutet dies zugleich, daß ein Ms von größerem Umfang als das hier überlieferte Textstück verlorengegangen sein kann, - etwa ein Bogen, der seinerseits auch Anschluß gehabt haben könnte an andere Manuskripte, die unvollständig erhalten sind. Derfrühere Abdruck R ± unterscheidet sich nur in wenigen Wörtern hinsichtlich der Schreibung. Da dies inhaltlich ohne Belang ist und eher interessiert im Hinblick auf die Normalisierungen, die in alle Rosenkranzschen Textwiedergaben eingegangen sind, seien die Varianten nicht in einem Apparat unter dem Text, sondern hier zusammen verzeichnet: 409,15 Außen] R x: außen 409,27 bisherige] R ±: bisherigen 409,33 Standpunct] R x: Standpunkt 410,7 Punct] R x: Punkt 410,21 Standpunct] R x: Standpunkt Im übrigen lassen sich dem von R 2 abweichenden Kontext, in dem R± präsentiert wird, bestimmte Aspekte zu einer ungefähren zeitlichen Einordnung des Fragments entnehmen; sie werden imfolgenden berücksichtigt. Zur zeitlich en Einordnung Mit dem Ms selbst fehlen auch hier die Anhaltspunkte für eine genauere Datierung. Die editorische Entscheidung, den Text in diesen Band aufzunehmen, setzt gleichwohl eine Abfassungszeit bis 1796 voraus. Mit dem Ort, den Rosenkranz dem Stück bei dem Abdruck in Hegel’s Leben ( = R 2) ange­ wiesen hat, ist dies zunächst nicht in Einklang zu bringen: die Fragmente theologischer Studien,

510

ANHANG

innerhalb derer es dort erscheint107, sind alle aus Manuskripten extrahiert, die Hegels Frankfurter Zeit zuzuordnen sind. Nun hat aber Rosenkranz diese Texte zu früh datiert; er nahm an, daß sie 1794 entstanden seien. Noch unmittelbarer als die Biographie, in deren vom Lebensbericht abgetrenntem Urkundenteil die Fragmente immerhin zwischen das Berner Tagebuch vom Sommer 1796 und den Begriff der Positivität von 1800 gerückt sind, verdeutlicht dies die Vor-Veröffentlichung Aus Hegels Leben im Literarhistorische« Taschenbuch. Dort bilden die ersten fünf jener Fragmente, durch berichtende Zwischentexte verbunden und betitelt als Rhapsodien aus dem Studium der Kirchen­ geschichte, Dogmatik und Exegese, den Abschnitt I des Kapitels Theologische Studien Hegels in der Schweiz; dieser Abschnitt wird in der vorangeschickten Disposition dem Jahre 1794 zugeord­ net.108 Der Text über das Problem der Wunder findet sich nicht hier, sondern in dem Abschnitt: II. Hegels Leben Jesu; er wird dort durch die Bemerkung eingeleitet: Hegel hat es sich übrigens mit

dem Fortlassen der Wunder aus dem LebenJesu nicht blos als mit einem genialen Griffbequem machen wollen, sondern er hat sich auch vielfach Rechenschaft über das Verhältniß der Speculation zu dem Wunderbegriff abgelegt und es sei erlaubt, eine Hauptstelle aus den damals von ihm niedergeschriebenen Äußerungen hierüber beizubringen.109 Es ergibt sich also, daß die

kommentarlose Einfügung unseres Textes in die Reihe der tatsächlich nach Frankfurt gehörenden Stücke, die in der Biographie ins Auge springt, von Rosenkranz erst nachträglich (und vielleicht nur aus Gründen der Vereinfachung beim Aufbau des Textanhangs) vorgenommen wurde. Dies muß weil wir keine Manuskriptbeschreibung haben - beachtet werden. Inhaltlich läßt sich das Fragment sehr gut zu Berner Texten in Beziehung setzen. Das Motiv der Möglichkeit und Wirklichkeit der Wunder taucht schon in den Notizen zum Neutn theologi­ sche« Journal ( = Text 29) auf: vgl. oben 199,11-19. Eine besondere Nähe besteht zu Text 34, genauer zu den Abschnitten 363,16ff (vgl. besonders 363,28-29) und 377,22g. Dies mag Nohl veran­ laßt haben, das von Rosenkranz mitgeteilte Fragment im direkten Anschluß an unseren Text 34 abzu­ drucken.110 Angesichts der oben geäußerten Vermutung, daß hier ein ganzer Bogen oder mehr verloren sein könnte, ist nicht auszuschließen, daß Nohls Vorschlag die Stelle des fehlenden Ms genau getroffen hat. Jedenfalls berechtigen uns die aufgezeigten inhaltlichen Parallelen, den hier untersuchten Text 39 in die Berner Epoche Hegels einzubeziehen. Zur Edition Die Überschrift Das Wunder, die mit Sicherheit nicht von Hegel selbst, sondern von Rosenkranz stammt, ist weggelassen worden. Außerdem wurde auf die das Ganze als Zitat ausweisenden Anfüh­ rungszeichen verzichtet. Ansonsten geben wir den Text von R 2genau wieder.

107 Vgl. Hegel’s Leben. 490-514. 108 Vgl. Literarhistorisches Taschenbuch. Bd 1. 110-150. Die erwähnte Disposition ebd. 108. 109 Ebd. 156. - In der Biographie kehrt der zitierte Satz wieder, jedoch ohne den am Schluß aus­ gesprochenen Zeitbezug: siehe Hegel’s Leben. 52. 110 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. 231f.

EDITORISCHER BERICHT

511

N A C H R IC H T EN ÜBER VERSCHO LLENES

Die hier gesammelten Mitteilungen beziehen sich auf Manuskripte Hegels, die heute nicht mehr vorhanden sind und deren Text nirgendwo im Druck überliefert ist. Berücksichtigt werden auch einige Fälle, in denen ein Ms nicht bezeugt, aber zu erschließen ist. Die Zeitgrenze, die hier gezogen wird, entspricht derjenigen, die auch bei der Präsentation von Texten den vorliegenden Band begrenzt: Ende 1796. Nachrichten über verlorene Arbeiten Hegels aus seiner Frankfurter Zeit wird Band 2 dieser Ausgabe bringen. Alles, was verschollene Exzerpte aus den Jahren 1785 bis 1800 betrifft, findet sich am Schluß von Band 3. Die eigenen Arbeiten des jungen Hegel, über die in diesem Bande berichtet wird, sind sehr verschie­ dener Art: Rhetorische Übungen, Reden und Predigten, Aufsätze, Vorstudien zu großen Arbeiten, Übersetzungen, schriftliche Präparationen zur Lektüre antiker Texte, Schulhefte und Kollegnach­ schriften.

De

[i-]

u t il it a t e po e s e o s

Die Nachricht über diese Arbeit Hegels ist entnommen aus K. Rosenkranz: Hegel’s Leben. 16. Demnach hat das Ms Rosenkranz mit dem Nachlaß Vorgelegen, als er an der Biographie arbeitete (1840-1843). Über das weitere Schicksal des Ms sind keine Zeugnisse bekannt. Im lateinischen Teil von Hegels Tagebuch (Text 1) findet sich eine längere, am 15. Februar 1786 einsetzende und an mehreren Tagen fortgeführte Passage, in der er sich auf die üblichen Redeübungen (exercitationes eloquentiae promovendae) bezieht und sich inhaltlich auf die nächste Veranstaltung dieser Art vorbereitet: vgl. 22,2-24,20. Rosenkranz, der das Tagebuch in gekürzter Form wiedergibt, nimmt diese Partie referierend auf; er spricht von dem Brouillon zu einer Lateinischen Rede über die Geselligkeit, welche er

[sc. Hegel] auf dem Gymnasium im Lauf des Sommers halten wollte, wenn die Reihe solcher rhetorischen Uebung an ihn käme.111 Diese Stelle ist zu beachten, weil sie wahrscheinlich macht, daß Rosenkranz seine Kenntnis von den am Stuttgarter Gymnasium bestehenden Redeübungen in Lateinischer Sprache Hegels eigenen Tagebuchaufzeichnungen verdankt. Über die institutionell geregelten öffentlichen Redeakte am Gymnasium, von denen die sommerliche exercitatio nur einer war,

vgl. im übrigen Anm. zu 22,2. Rosenkranz erwähnt, daß das ihm noch vorliegende Ms ohne Jahreszahl war. Da aus Hegels Notizen hervorgeht, daß die Wahl des Themas den Schülern freistand (vgl. 22,3) und er sich 1786 dafür entschied, über den geselligen Umgang zu sprechen, ist dieses Jahr für das verlorene Ms wohl auszuschließen. Man darf annehmen, daß die Übungsrede de utilitate poeseos in einem der beiden letzten Schuljahre Hegels, 1787 oder 1788, niedergeschrieben und gehalten worden ist.

111Hegel’s Leben. 443.

512

ANHANG

[2.]

Ba kka l a ur ea t s-R ede

Über ein Ms dieser Rede und seinen Verbleib ist nichts bekannt. Schon Rosenkranz scheint ein solches Ms nicht Vorgelegen zu haben; Anlaß zu dieser Vermutung bietet das Faktum, daß er in seiner Darstellung von Hegel’s Leben den Vorgang der Verleihung des Bakkalaureats gar nicht erwähnt. Es ist aber unvorstellbar, daß Hegel eine öffentliche Rede gehalten hat, ohne sie vorher niederzu­ schreiben. Die Nachricht über Hegels Rede in actu Baccalaureatus entnehmen wir dem gedruckten lateini­ schen Programm, mit dem DECANUS ET COLLEGIUM FACULTATIS PHILOSOPHICAE IN UNIVERSITATE EBERHARDINA CAROLINA unter dem Datum XXI. Sept. MDCCXC zur feierlichen Magister-Promotion einladen.112 Die Schriftführt nach einem kurzen Text alle Promovenden auf Jedem Namen ist eine kurze Vita beigefügt, die insbesondere Data des Bildungsgangs festhält. Hier findet sich der zitierte Satz. Zu Hegels Zeit war bei den herzoglichen Stipendiaten in Tübingen die Verleihung des ersten akademischen Grades, laureae primae, noch eine feste Einrichtung. Nach Auskunft der zeitgenössi­ schen Literatur fast völlig zu einem Formalismus erstarrt, fand sie schon ivenige Wochen nach Beginn des Studiums statt. Hegels Bakkalaureatspromotion ist - außer in dem späteren Magisterprogramm - in zwei unmittel­ bar zugehörigen Dokumenten bezeugt: 1) Am 2. Dezember 1788, dem Tag vor der Verleihung, trugen sich die Kandidaten eigenhändig in das Album Facultatis Philosophicae Tubingensis, das sog. Doktorandenregister, ein113 Zuerst steht hier die Gruppe der vier Promoti e gymnasio Stuttgardiano, darin Hegel an erster Stelle; dann folgen - ebenfalls streng nach der leistungsbestimmten Rangfolge geordnet, die Stipendiaten, die e monasterio Mulifontano, d. i. aus dem Kloster Maulbronn kamen. 2) Die Fakultät lud - wie zur Magisterpromotion - mit einer lateinischen Programmschrift zu derfeierlichen Verleihung ein.11* Auf der letzten Seite der Einladung sind die NOMINA CANDIDATORUM LAUREAE PRIMAE verzeichnet, in der gleichen Gruppierung und Reihenfolge wie bei der Eintragung in das Album Facultatis. Dem Programm sind auch Zeit und Ort des Ver­ leihungsaktes zu entnehmen. Am Schluß des (mit offengelassenem Tagesdatum) a. d. Decembr. A. MDCCLXXXVIII Unterzeichneten Einladungstextes heißt es: Instituetur vero haec solemnitas die hujus mensis III in auditorio juridico hora X... Der hier genannte juristische Hörsaal befand sich im sogenannten Fakultätshaus in der Münzgasse. Aus den bezeichneten Dokumenten läßt sich auch Näheres erschließen über die Aufgabe, die Hegel im Rahmen der Feierlichkeit wahrzunehmen hatte. Den Hinweis Orationem habuit in actu Bacca-

112 Benutzt wurde ein Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttgart. - Vgl. auch oben Fußnote 71. 113Das Album befindet sich im Universitäts-Archiv Tübingen. - Zum folgenden vgl. auch Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 25f. 114 Benutzt wurde ein Originalexemplar dieser Druckschrift im Universitäts-Archiv Tübingen. Vgl. zum folgenden auch den auszugsweisen Abdruck in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 25 (mit 274f).

EDITORISCHER BERICHT

513

laureatus enthalten im Magisterprogramm (wörtlich oder dem Sinne nach) auch die Viten von Hegels

Kompromotionalen Karl Christoph Renz und Ernst Friedrich Hesler. Dieser Sachverhalt findet Auf­ klärung durch die Eintragungen im Fakultätsalbum. Leider fehlt dort gerade im Jahre 1788 ein Ver­ merk über den Vollzug des Promotionsaktes, wie er sonst regelmäßig im Anschluß an die Namen der Kandidaten zu finden ist. Aber in den vorausgehenden wie in den nachfolgenden Jahren sind die Ein­ tragungen (von Hand des jeweiligen Dekans) immer nach einem gleichbleibenden Muster verfaßt, für das hier beispielhaft der Wortlaut von 1787 zitiert sei: Celebratus est Actus die VII. Dec. Promo­

tore Decano. Themata recitarunt Leutwein et Burk. Gratiarum actionem instituit Maier e gymnasio Stuttgard. Sumtus, ut alias. Hieraus ergibt sich zweierlei: 1) Es wurden jeweils von zwei

Promovenden wissenschaftliche Themen vorgetragen, während ein drittereine Dankrede zu halten hatte. 2) Vergleicht man in den einzelnen Jahren die namentlich genannten Studenten nach Herkunft und Lokation, so ist zu erkennen, daß die thematischen Reden stets von den beiden Erstplazierten der aus den Klosterschulen (also wechselweise aus Bebenhausen oder Maulbronn) nach Tübingen gekommenen Alumnen gehalten wurden und daß dem Primus der viel kleineren Gruppe der ins Stift aufgenommenen Stuttgarter Gymnasiasten die Danksagung oblag. Tatsächlich waren 1788 die beiden im Magister­ programm genannten Redner Renz und Hesler die ersten des Maulbronner Jahrgangs, so daß sie bei der Bakkalaureatsverleihung die Themata zu behandeln hatten; Hegel dagegen mußte als Stuttgarter Primus die abschließende Dankrede halten.

[3-] M a g is t e r -S pe c im in a

Die Manuskripte dieser Prüfungsarbeiten (oder etwaige Entwürfe dazu) sind nie bekannt geworden. Einzige Quelle für die beiden Themen ist die hier wiedergegebene Stelle aus dem schon als Belegfür die Bakkalaureats-Rede herangezogenen Curriculum vitae im gedruckten Magister-Programm der Philosophischen Fakultät Tübingen vom September 1790: vgl. dessen Beschreibung im vorangegan­ genen Bericht. Die Einlieferung solcher selbstverfaßter Arbeiten gehörte zu den Pflichtleistungen, die von den Tübinger Stiftlern vor dem Erwerb der Magisterwürde am Ende des viersemestrigen Cursus philosophicus erbracht werden mußten. Im Magister-Programm 1790 sind bei jedem Kandidaten am Schluß der Vita zwei oder drei Specimina aufgeführt, mit teils deutschen, teils lateinischen Titeln. (Dagegen ist bei weniger als der Hälfte der Promovenden vermerkt, daß sie - wie Hegel - die Dissertation eines Professors verteidigt haben; diese Leistung war nicht obligatorisch.) Beispiele für Art und Anspruch dieser Magisterarbeiten sind die noch erhaltenen Specimina Höl­ derlins.115 Mit den Examensdaten ist ein direkter Hinweis auf die Entstehungszeit der beiden Schriften ge­ geben. Die letzte Prüfungsleistung war das Examen rigorosum. Ihm ging voraus die Verteidigung von

115 Vgl. Hölderlin: Sämtliche Werke. Bd 4. 176-188; 189-206.

514

ANHANG

Inauguralthesen aus den fünf von den Professoren der Philosophischen Fakultät vertretenen Fächern.116 Nach den noch erhaltenen Unterlagen erstreckten sich diese Disputationen vom August in den Sep­ tember hinein; die Tagesdaten kennen wir nicht. Auch die Verteidigung einer Dissertation von A. F. Bök, die Hegel zusammen mit drei anderen Kandidaten (Fink, Autenrieth, Hölderlin) vornahm, fand im August statt.111 Die Einreichung der Specimina scheint den Anfang des Verfahrens gebildet zu haben. So wird man die Abfassung der beiden Abhandlungen Hegels im Juli 1790 oder noch etwas früher anzusetzen haben.

[4-] P r e d ig t z u m K o n s is t o r ia l -E x a m e n

Ob Hegel die Predigt, die er über ein ihm aufgegebenes Schriftwort beim theologischen Abschluß­ examen in Stuttgart zu halten hatte, in irgendeiner Form schriftlich präpariert hat, ist nicht bezeugt. Da es aber vermutet werden kann und der von ihm behandelte Text in dem vorliegenden Dokument genau bezeichnet wird, soll letzteres unter die Hinweise auf verschollene Texte Hegels eingereiht werden. Das Zitat stammt aus Hegels Abschlußzeugnis; es ist wiedergegeben nach dem handschriftlich geführten Zeugnisbuch (Bd 4: 1781-1820. 389), das im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart aufbe­ wahrt wird.118

[5.]

Sc h e m a t a z u e in e r Ev a n g e l ie n - H a r m o n ie

Der Hinweis auf diese Schemata findet sich nur bei K. Rosenkranz: Hegel’s Leben. 51. Die Aufzeichnungen, die man sich als tabellarische Zuordnungen bzw. Gegenüberstellungen von inhaltlich übereinstimmenden oder abweichenden Berichten der vier Evangelien vorstellen muß, haben demnach Rosenkranz bei der Abfassung der Hegel-Biographie in den Jahren 1840-1843 zur Verfügung ge­ standen. Danach verliert sich die Spur dieser heute nicht mehr erhaltenen Manuskripte.

116Die Inauguralthesen des Jahres 1790 sind - nach den in der Universitätsbibliothek Tübingen aufbewahrten Originaldrucken - auszugsweise wiedergegeben in: Briefe von und an Hegel. Bd 4 , Teil 1. 30-32. 117 Ein Originalexemplar der Dissertation von Bök mit den auf dem Titelblatt eingedruckten Namen der Defendenten in der Universitätsbibliothek Tübingen. Vgl. Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 29f. 118 Der vollständige Wortlaut von Hegels Zeugnis in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 54.

EDITORISCHER BERICHT

515

[6.]

A n a l y s e v o n S c h il l e r s Fie s k o

Die Nachricht über dieses Fragment ist wiedergegeben nach K. Rosenkranz: Hegel’s Leben. 13. Sie findet sich dort, in Gedankenstriche eingefaßt und insofern auch abgegrenzt, innerhalb einer Aufzählung von Exzerpten aus dem Gebiet der Aesthetik. Dieser thematische Anhaltspunkt scheint den Grundfür die Einfügung an dieser Stelle geboten zu haben. Der von Rosenkranz gewählte Aus­ druck Analyse und die zu einem Exzerpt nicht passende Bezeichnung Fragment veranlassen uns, diese Mitteilung aus dem äußeren Kontext zu lösen und sie den Nachrichten über verschollene eigene Arbeiten Hegels zuzuordnen. Nach dem bei Rosenkranz erscheinenden Zusammenhang gehörte das Ms zu den Papieren aus Hegels Gymnasialzeit. Vielleicht war dies für den Biographen auch durch ein Datum im Ms abge­ sichert. Wenn andererseits gemäß der vorstehend geäußerten Vermutung Rosenkranz den Kontext selber hergestellt hat, muß die Entstehungszeit dieser Analyse für uns offenbleiben; sie könnte auch in Hegels Tübinger Jahren niedergeschrieben worden sein.

[?] Ü ber set zungen

Die hier zusammengestellten Nachrichten sind alle wiedergegeben nach K. Rosenkranz: Hegel’s Leben. (Die Seitenzahlen sind jeweils dem Text hinzugefügt.) Demnach lagen Rosenkranz, als er die Biographie verfaßte (1840JJ), mehrere Übersetzungsarbeiten Hegels handschriftlich vor, die seither verschollen sind. In einem Falle (siehe 414,22-23) bezog Rosen­ kranz selber sich bereits auf ein verlorenes Ms. Im einzelnen läßt sich zu den erwähnten Stücken folgendes sagen:

[a.]

Zu 414,2-4: Der Privatunterricht, in dem Hegel als Sechzehnjähriger eine Übersetzung des Longinus erarbeitete, wird von ihm in seinem Tagebuch erwähnt: vgl. 30,25. Wahrscheinlich

basiert die Mitteilung, die Rosenkranz über die Entstehung des Ms macht, vor allem auf dieser Notiz Hegels. Zumindest den Hinweis auf den Abschluß der Arbeit im September 1787 muß er aber dem Ms selbst entnommen haben; das Tagebuch reicht nicht bis in diese Zeit. —Über die damalige Organi­ sation und Funktion des Privat-Unterricht am Stuttgarter Gymnasium vgl. die Anm. zu 1,26 und 30,24-25. Über eine in Hegels Besitz befindliche Ausgabe der Schrift des Longinus unterrichtet Anm. zu 30,25. (Das Problem der Verfasserschaft, das die Altphilologie lange beschäftigt hat, ist hier nicht von Belang.)

516

ANHANG

[b.] Zu 414,5-11: Die Mitteilung, die Lectüre des Sophokles sei von Hegel einige Jahre ununter­ brochen fortgesetzt worden, gewinnt an chronologischer Bestimmtheit im Zusammenhang mit einer Angabe, die in Rosenkranz* Bericht über die von ihm eingesehenen Tbrt-Präparationen Hegels auf­ taucht; danach läßt sich 1788 ... vom 29. Juli ab die Arbeit an der zweiten Oedipus-Tragödie des Sophokles nachweisen (vgl. 415,8). Die kontinuierliche Sophokles-Lektüre erstreckte sich also von den letzten Monaten der Schulzeit Hegels119 vielleicht bis in die Mitte oder die zweite Hälfte der Tübinger Jahre. Es ist nicht erkennbar, ob sich Rosenkranz für seine Aussage auf direkte Anzeichen (fortlaufende oder gelegentliche Datierungen Hegels) stützen konnte. Jedenfalls unterscheidet er von den schriftlichen Vorarbeiten für die Lektüre mehrere ausgeführte Übertragungsversuche„ darunter späterhin auch metrische. Ob letzteres sich auf die Tübinger Zeit bezieht oder sogar noch über die einige Jahre währende erste Beschäftigung Hegels mit Sophokles hinausweist, kann aus dieser Nach­ richt allein nicht entnommen werden. - Über Sophokles-Editionen, die Hegel benutzte bzw. besaß, vgl. die Anm. zu 48,4 und 414,5.

[C .]

Zu 414,12-15: Zu der Übersetzung des epiktetischen Encheiridion haben wir keine eigene Äußerung Hegels. Sie fällt nach dem von Rosenkranz mitgeteilten Anfangsdatum in eine Zeit, für die Hegels Tagebuch eine Lücke aufweist. Das griechische Original ist im Katalog von Hegels Bibliothek nicht nachgewiesen. Vielleicht ist die von Rosenkranz besonders erwähnte Tatsache, daß Hegel auch den griechischen Text abgeschrieben hat, ein Hinweis darauf, daß er ihn nicht selbst besaß. Im Lehrplan des Stuttgarter Gymnasiums war während der Schulzeit Hegels Epiktet als Autor nicht vorgesehen. Dennoch ist es möglich, daß Hegel die Anregung zu dieser Übersetzung von seiten der Schule erhalten hat. Sein Lehrer Professor Hopf hat einige Jahre später, im Schuljahr 1791/92, nachweislich Epiktet in einem Privatkolleg behandelt.120

[A] Zu 414,16-21: Es fällt auf, daß Rosenkranz die Fragmente einer UeberSetzung des Thukydides zweimal erwähnt: Zuerst nennt er sie, unmittelbar anschließend an die EpiktetÜbertragung, in dem Abschnitt Lectüre und Methode derselben. Dort wird vorwiegend auf die Gymnasialzeit ver­ wiesen, und deswegen hebt Rosenkranz an dieser Stelle unterscheidend hervor, daß das Ms aller Wahr­

119 In diesen Wochen entstand auch Text 5, der eine Stelle enthält, die Hegels Sophokles-Kenntnis belegt: vgl. 48,4 mit Anm. Gerade dies könnte aber auf eine schon vorausliegende Beschäftigung mit dem griechischen Klassiker hindeuten. Im Lehrplan des Gymnasiums war Sophokles, soweit sich aus Lang (vgl. oben Fußnote 19) ersehen läßt, nicht vertreten. 120 Vgl. Lang. 287, Fußnote 5.

EDITORISCHER BERICHT

517

scheinlichkeit nach in die Berner Zeit falle. Die zweite Erwähnung findet sich dann, ohne den Vor­ behalt solch hypothetischer Sprechweise, in dem Kapitel: Theologische und historische Studien der Schweizer Periode. Rosenkranz hatte offenbar ein undatiertes Ms vor Augen. Nach eigener Bekundung

versuchte er, Schrift und Papier der Hegelschen Manuskripte zu unterscheiden im Hinblick auf ihre Entstehungszeit.121 Bekanntlich führte dies nicht zu sicheren chronologischen Bestimmungen; doch dürfte Rosenkranz unschwer die Niederschriften des Gymnasiasten und spätere Arbeiten voneinander abgegrenzt haben. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß seiner Mitteilung als zuverlässiger Kern die Nichtzugehörigkeit der Thukydides-Übersetzung zu den frühen Stuttgarter Manuskripten entnommen werden kann. Die positive Zuordnung zur Schweizer Periode ist vielleicht nur motiviert durch das mehrfache Vorkommen des Thukydides in jenen historischen Studien122, die ihrerseits von Rosenkranz nach Bern datiert werden, ohne daß wir seine Anhaltspunkte hierfür überprüfen können. Über eine Thukydides-Ausgabe in Hegels Bibliothek vgl. Anm. zu 414,16.

[e.] Zu 414,22-23: Woher Rosenkranz Kenntnis hatte von der Tzcitus-Übersetzung, die ihm selber schon nicht mehr vorlag, teilt er nicht mit. Als Quelle käme in Frage ein uns nicht mehr erhaltenes (beiläufiges) Selbstzeugnis Hegels, eine im Zusammenhang mit der Übersendung des Nachlasses ge­ schehene Mitteilung durch Karl Hegel oder eine anderweitige Auskunft, die Rosenkranz als Biograph erhielt. - Vermutungen über die Entstehungszeit der Übersetzung erübrigen sich. Wir belassen die Nachricht in dem Kontext, den Rosenkranz ihr gegeben hat und der im Anschluß an datierte Präpara­ tionen aus der Gymnasialzeit die Übersetzungen aus Sophokles, Epiktet, Thukydides und Tacitus aneinanderreiht (Hegel’s Leben, llf).

[f-] Zu 414,24-26: Diese Nachricht bezieht sich auf Hegels im Tübinger Stift verbrachte Studienzeit. Über sie hatte Rosenkranz 1841 von einem der hier Genannten, dem damals noch lebenden Pfarrer Joh. Christ. Friedr. Fink, auf Anregung von David Friedrich Strauß und durch Vermittlung von Gustav Binder eine Relation erhalten, die er in der Biographie unter seinen authentischen Quellen aufführt123 Die gemeinsame Platon-Lektüre der Freunde dürfte hierdurch verbürgt sein. Ob die Über­ setzungsversuche aus Platon, die Rosenkranz Vorlagen, ein Tübinger Datum trugen oder von ihm selbst in diesen Zusammenhang gerückt wurden, muß wiederum offenbleiben. - Über Platonausgaben in Hegels Besitz vgl. Anm. zu 414,25.

121 Siehe die oben 444 zitierten Stellen aus Briefen von Rosenkranz. 122 Vgl. HegeFs Leben. 515-532. 123 Vgl. HegeFs Leben. 29.

518

ANHANG

[8.]

P r ä pa r a t io n e n z u a l t e n A u t o r e n

Der ganze Passus ist wiedergegeben nach K. Rosenkranz: Hegel’s Leben. 11. Erfindet sich dort - wie die zuvor zitierten Nachrichten zu Übersetzungen ins Deutsche - in dem Kapitel: Lectüre und Methode derselben. Die schriftlichen Präparationen zur Lectüre betreffen aber durchweg nicht dieselben Texte, die Hegel übersetzt hat. Eine nähere Beschreibung, wie Hegel die Präparationen angelegt hat, gibt Rosenkranz nicht. Von allen Arbeiten, die noch in Hegels Schulzeit fallen, ist das genaue Datum des Beginns angegeben. Die nicht datierten Präparationen nennt Rosenkranz auch nicht ihrem Thema nach - mit der einen Aus­ nahme des Theokrit. Über Editionen der präparierten Texte, die sich möglicherweise schon damals in Hegels Bibliothek befanden, vgl. die Anm. zu 415,5 bis 415,10. Das Anfangsdatum der Fszlmen-Präparation, der 31. Oktober 1785, ist bemerkenswert. An diesem Tag kehrte Hegel, nachdem er wegen einer Operation einen ganzen Monat fehlen mußte, wieder in die Schule zurück; vgl. seinen eigenen Bericht im Tagebuch, oben 17,27-28. Die bloße Aufzählung von Rosenkranz läßt nicht erkennen, ob die Vorbereitung dem hebräischen oder dem griechischen Text der Psalmen galt; zu vermuten ist, daß das Besondere des Hebräischen die Erwäh­ nung des Biographen gefunden hätte. Eine rückblickende Tagebuchnotiz (vgl. 7,32) hält fest, daß Hegel in einem Privatunterricht schon 1783 etwas Hebr. Psalmen erarbeitete. Die Vokabelliste zu Tyrtäos, die Hegel gegen Ende seines zweiten Jahres in der 6. Klasse an­ legte (Beginn: 3. Juli 1786), läßt sich nach unseren Kenntnissen nicht zu dem planmäßigen Unterricht in Beziehung setzen. Die am 10. Juli 1786 begonnene Beschäftigung mit der Ilias hat Hegel im Winterhalbjahr 86-87 fortgesetzt: vgl. 31,31. Bei Cicero’s Briefen ad Familiares handelt es sich um eine Textsammlung, die in der 6. und 7. Klasse des Gymnasiums im ordentlichen Unterricht (den lectiones publicae) behandelt wurde.12* Bei Beginn der Präparationen, am 14. November 1786, war Hegel seit kurzem Schüler im ersten Jahrgang der 7. Klasse. Euripides, Aristoteles und Sophokles sind als Schulautoren nicht bezeugt. Da Hegels Tagebuch Anfang 1787 abbricht, besitzen wir keinerlei Notizen, die die in den Jahren 1787 und 1788 angefertigten Präparationen zu diesen Texten einem Privatkollegium zuordnen oder als ganz persönliche Arbeit ausweisen könnten. Warum die sehr ausführliche Präparation zu Theokrit von Rosenkranz vermutungsweise in die spätere Zeit des Tübinger Studiums verlegt wird, istfür uns nicht ersichtlich.

124 Vgl. Lang. 267 .

EDITORISCHER BERICHT

519

[9-] Sc h u l - u n d K o l l e g ie n h e f t e

M Die Mitteilung über die Schulhefte ist wiedergegeben nach K. Rosenkranz: Hegels Leben. 14. Sie findet sich dort assoziativ eingefügt in die Nachrichten, die der Biograph von den ihm noch vorliegenden Exzerpten Hegels zu den Fächern Mathematik und Physik gibt. Dieser Umstand läßt es ungewiß erscheinen, ob die aufgeführten Hefte von der Geometrie, Mechanik und Optik die einzigen gewesen sind, die sich erhalten hatten, oder ob Rosenkranz weitere Schulhefte unerwähnt gelassen hat. Nach unserer Kenntnis über den Unterricht, an dem Hegel als Gymnasiast teilgenommen hat, muß es sich bei den genannten Heften um solche aus dem Unterricht des Professors Hopf gehandelt haben.125

[b.] Die Nachrichten über die Kollegnachschriften, die Hegel in Tübingen angefertigt hat, sind wieder­ gegeben nach K. Rosenkranz: Hegel’s Leben. 25. Sie finden sich in dem kurzen Kapitel Die Uni­ versität Tübingen. Ob Rosenkranz die Hefte selbst in Königsberg zur Hand hatte oder ob er sich auf eine briefliche Mitteilung von Karl Hegel stützt, ist für uns nicht entscheidbar. Im Mai 1840 schrieb er seinerseits an den Sohn des Philosophen: Vor der Hand vermiße ich Kleinigkeiten aus­

genommen, weiter nichts, als ein Verzeichniß der Vorlesungen, die Hegel in Tuebingen gehört hat. Und noch in einem Brief vom 31. August 1840 heißt es ausdrücklich: Die Vorlesungshefte v. Tübingen ... glaube ich entbehren zu können.126 Trotzdem könnte Rosenkranz die Nach­ schriften später noch erhalten haben. Seine Äußerung, daß die Hefte sehr gut nachgeschrieben seien,

kann immerhin den Eindruck eigener Einsichtnahme erwecken. Andernfalls wäre auch für diese Qua­ litätsaussage Karl Hegel der eigentliche Gewährsmann. Die Einzelmitteilungen sind von Rosenkranz chronologisch nach Hegels Studiengang geordnet. Für die Ankündigungen aus dem lateinischen Tübinger Vorlesungsverzeichnis, die den einzelnen Nachschriften entsprechen, vgl. die Anm. zu 415,16-22 und 415,22-25. Aus den vier ersten, an der Philosophischen Fakultät studierten Semestern sind in Hegels Curriculum vitae im Magisterprogramm 1790 zwei weitere von ihm gehörte Vorlesungen genannt, darunter auch Flatts Kolleg über »Empirische Psychologie«, auf das letztlich große Teile von Text 27 dieses Bandes zurückgehen (siehe dort).

125 Vgl. Lang. 267f; ferner über Hopf Anm. zu 10,7 sowie den Tagebucheintrag Hegels vom 6. Januar 1787 (32,26-33,2). 126 Rosenkranz an Karl Hegel, Mai 1840 (von Schreiberhand, Unterschrift: K. Rosenkranz/ Datum erschlossen) und 31. August 1840. Handschriftlich, Privatbesitz.

520

ANHANG

[c-1

Die Nachricht von der späteren Vernichtung der Vorlesungsnachschriften durch die Söhne des Philosophen ist wiedergegeben nach einem handschriftlich erhaltenen Brief von Immanuel Hegel an seinen Bruder Karl, Berlin 7. August 1855 (im Privatbesitz von Nachkommen Immanuels).127 - Die hier genannten Hefte sind sicherlich dieselben, von denen Rosenkranz berichtet. ★

Die Arbeiten an dem vorliegenden Band mußten nach Abschluß des Textteils für eine Reihe von Jahren unterbrochen werden. Bei der Fertigstellung wurde die Verantwortung für den editorischen Bericht ganz von dem erstgenannten Herausgeber übernommen. Viele Bibliotheken, Archive und Personen haben die Herausgeber unterstützt - durch die Bereit­ stellung von Handschriften und Literatur, durch Ratschläge und Hinweise zur Textedition und zu den Anmerkungen, durch Hilfen beim Schreiben der Druckmanuskripte und beim Korrekturlesen. Ohne hier Namen nennen zu können, sprechen die Herausgeber allen Beteiligten ihren nachdrück­ lichen Dank aus.

127 VgL auch den Erstdruck, der diese Quelle erst bekanntmachte, freilich die schwer lesbare Stelle nicht ganz entzifferte, bei Willi Ferdinand Becker (oben Fußnote 97). 606.

ANHANG

521

ANMERKUNGEN Die Anmerkungen dienen, den Grundsätzen dieser Ausgabe gemäß, dem Nachweis der im Text vorkommenden Zitate und Bezugnahmen sowie der Identifizierung historischer Personen und Ereig­ nisse und sonstiger Realien. Da in den Texten dieses Bandes die historischen Bezüge sehr zahlreich sind, werden um der Einheitlichkeit willen auch bekanntere oder leicht zu erschließende Personen und Sachverhalte mit Nachweisen versehen, die jedoch sehr knapp gehalten sind. Die Anmerkungen ver­ stehen sich nicht als Kommentar zu Hegels Text. Der Sondercharakter zweier Stücke dieses Bandes findet auch im Anmerkungsteil seinen Nieder­ schlag: 1) Das aus Hegels Gymnasialzeit stammende Tagebuch (— T ext 1) verlangt, unbeschadet des Verzichts auf einen begleitenden Kommentar, detaillierte biographische, lokalhistorische, schulgeschichtliche u. ä. Anmerkungen; ohne sie wären die faktenreichen Notizen zu großen Teilen nicht oder nur unzureichend auffaßbar. - Die biographischen Angaben zu Personen aus Hegels Lebensumkreis konnten nicht im einzelnen mit Quellenvermerken versehen werden. Sie sind zusammengestellt teils auf der Grundlage allgemeiner bio-bibliographischer Nachschlagewerke, teils unter Benutzung spezifischer, auch ungedruckter Hilfsmittel zur schwäbischen Personengeschichte. Von den letzteren sind insbe­ sondere zu nennen: a) Gedrucktes Kirchenregister der Stadt Stuttgart, Exemplar des Stadtarchivs Stuttgart; b) Familienbuch Stuttgart von 1700 bis 1820. Bearbeitet von Paul Nägele. Maschinenschriftl. Exemplar (Fotokopie) im Stadtarchiv Stuttgart; c) Neues Württembergisches Dienerbuch. Bearbeitet von Walther Pfeilsticker. Bd 1-3. Stuttgart 1957-1974; d) Die Württembergischen Familien-Stiftungen. Hrsg. von Ferd. Friedr. Faber. H. 1-24. Stuttgart 1853-1858. Neudr. 1940/41; e) Das evangelische Württemberg. Bd 10-14 (= Hauptteil 2): Generalmagisterbuch. Bearbeitet von Christian Sigel. Maschinenschriftl. Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. - Topographische Angaben stützen sich, soweit nicht einzeln nachgewiesen, aufgedruckte und ungedruckte Unterlagen im Archiv der Stadt Stuttgart. 2) T ext 27 ist niedergeschrieben unter Benutzung einer Vorlesung von Johann Friedrich Flatt, die Hegel einige Jahre zuvor gehört hatte (vgl. oben 484f). Die Nachweise zu diesem Text, d. i. zu den Seiten 167 bis 192 des vorliegenden Bandes, die mehr als ein Drittel des ganzen Anmerkungsteils umfassen, geben ausführliche Passagen aus einer erhaltenen Nachschrift der betreffenden Vorlesung Flatts wieder und stellen insoweit selber eine Edition dar, über deren Verfahren der editorische Bericht (oben 487) Auskunft erteilt. - Wegen der außergewöhnlich stark abkürzenden Schreibweise Hegels in Text 27 werden auch die anderen Quellen, die hier zugrundeliegen (vor allem Kant und Johann Schulze), extensiv abgedruckt. Die hervorgehobenen Ziffern am Anfang jeder Anmerkung bezeichnen Seiten- und Zeilenzahl der zugehörigen Textstelle; die Zeilenzahl steht nach dem Komma und ist in kleinerem Schriftgrad gesetzt. Zitiert und nachgewiesen werden bei literarischen Quellen jeweils von Hegel benutzte oder, falls dies nicht möglich ist, maßgebende zeitgenössische Ausgaben. Bei Fichte, Goethe, Herder, Hölderlin, Kant, Lessing, Schiller, Wieland werden für die betreffenden Stellen zusätzlich Band und Seite der heute gebräuchlichen Gesamtausgaben angegeben. Öfter herangezogene Titel werden in folgender Weise abgekürzt:

522 Briefe von und an Hegel. Fichte: Gesamtausgabe. Fichte: Versuch einer Critik. Fischer. Goethe: Werke.

ANHANG

Briefe von und an Hegel. Dritte Auflage. Bd 1-3. Her­ ausgegeben von Johannes Hoffmeister. Hamburg 1969. Bd 4 , Teil 1 und 2. Herausgegeben von Friedhelm Nicolin. Hamburg 1977-1981. J. G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Herausgegeben von Reinhard Lauth [w. a.]. Stuttgart-Bad Cannstatt 1962ff. Johann Gottlieb Fichte: Versuch einer Critik [2. Aufl.: Kritik] aller Offenbarung. Königsberg 1792. Zweite, ver­ mehrte, und verbesserte Auflage. Königsberg 1793. Schwäbisches Wörterbuch. Bearbeitet von Hermann Fischer. Tübingen 1904ff. [Johann Wolfgang] Goethes Werke. Herausgegeben im Aufträge der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimar 1888ff.

Haug.

Herder: Werke. Hölderlin: Werke.

Balthasar Haug: Historia litteraria Gymnasii Illustris Stuttgardiani, a solenni illius initiatione ... usque ad ejusdem jubileum saeculare... Stuttgart 1786. [Zuerst in 4 Teilen unter dem Titel Amoenitates Gymnasticae. Stuttgart 1780-1786.] - Zitate aus: Pars IV. [Johann Gottfried] Herders Sämmtliche Werke. Her­ ausgegeben von Bernhard Suphan. Berlin 1877ff. [Friedrich] Hölderlin: Sämtliche Werke. (Große Stutt­ garter Ausgabe.) Herausgegeben von Friedrich Beißner. Stuttgart 1943ff.

Kant: Critik der practischen Vernunft. Kant: Critik der reinen Vernunft. Kant: Critik der Urtheilskraft. Kant: Die Religion. Kant: Werke.

Immanuel Kant: Critik der practischen Vernunft. Riga 1788.

Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft. Riga 1781 wieder verbesserte Auf­

(zitiert: A ). Zweyte hin und lage. Riga 1787 (zitiert: B).

Immanuel Kant: Critik der Urtheilskraft. Libau 1790.

Berlin ,

Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Königsberg 1793. [Immanuel] Kant’s gesammelte Schriften. Herausgege­ ben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Abt. 1: Werke. Bd 1-9. Berlin 1902 bis 1923.

Katalog.

Verzeichniß der von dem Professor Herrn Dr. Hegel und dem Dr. Herrn Seebeck hinterlassenen BücherSammlungen... Berlin 1832. - Die angegebenen Num­ mern beziehen sich auf die laufende Numerierung der Sectio I. Bücher-Sammlung des Prof. Dr. Hegel. Die dort bibliographisch verkürzt und z . T. fehlerhaft aufgeführten

ANMERKUNGEN

Klopstock: Der Messias.

Konsistorialprotokolle.

Lang.

Lessing: Schriften. Mendelssohn: Jerusalem. Mendelssohn: Phädon. Nachschrift Flatt.

Reyscher.

Sartorius: Compendium. Schiller: Werke.

Schulze.

523

Titel wurden verifiziert, die Angaben vervollständigt bzw. berichtigt. Der Messias. Bd 1-4. Reutlingen 1776. (Sammlung der

poetischen und prosaischen Schriften der schönen Geister in Teutschland. Enthaltend die Schriften Klopstoks.) - Zitate nach dieser Ausgabe; die beigefügten Verszahlen nach Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. Werke, Bd 4: Der Messias. Berlin , N ew York 1974. Protokolle des Konsistoriums. Paginierte Handschriften­ bände im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart.

Geschichte des humanistischen Schulwesens in Würt­ temberg. Hrsg. von der Württembergischen Kommis­ sion für Landesgeschichte. Bd 3: Geschichte des altwürttembergischen Gelehrtenschulwesens. Halbbd 2 , Teil 1: Geschichte der Stuttgarter Gelehrtenschule von ihren ersten Anfängen bis zum Jahre 1806. ("Von Gustav Lang.) Stuttgart 1928. Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Heraus­ gegeben von Karl Lachmann. Dritte Auflage besorgt durch Franz Muncker. Stuttgart 1886jf. Moses Mendelssohn: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum. Berlin 1783. Moses Mendelssohn: Phädon oder über die Unsterb­ lichkeit der Seele, in drey Gesprächen. Dritte vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin, Stettin 1769. Psychologische Vorlesungen von Prof. Flatt im Winter 1790 gehalten. [Nachgeschrieben von] Klüpfel. Hand­

schrift in der Universitätsbibliothek Tübingen. - Vgl. dazu den editorischen Bericht, oben 484.

Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Samm­ lung der württembergischen Geseze [später: Gesetze]. Herausgegeben von A. L. Reyscher. Bd 8: KirchenGeseze, Teil 1. Tübingen 1834. Bd 11, Abt. 2: Gesetze für die Mittel- und Fachschulen. Tübingen 1847. Compendium Theologiae dogmaticae. Iteratis curis usui publico accomodavit Christoph. Fridericus Sartorius [= 2. Aufl.]. Stuttgart 1782. [Friedrich] Schillers Werke. Nationalausgabe. Im Auf­ trag des Goethe- und Schiller-Archivs [später: der Na­ tionalen Forschungsstätten ... in Weimar] und des Schiller-Nationalmuseums herausgegeben von Julius Petersen [u. a.]. Weimar 1943ff. Johann Schulze [d. i. Schultz]: Erläuterungen über des Herrn Professor Kant Critik der reinen Vernunft.

524

ANHANG

Königsberg 1784. [.N euausgabe, nicht als solche bezeichnet:] Königsberg 1791. [Nachdruck t bez. als:] Neue und ver­ besserte Auflage. Frankfurt, Leipzig 1791. - Alle Aus­ gaben fast seitenidentisch; unsere Zitate nach der letztge­ nannten.

Wagner.

Heinrich Wagner: Geschichte der Hohen Carls-Schule. Bd 1: Die Carls-Schüler nach archivalischen Quellen. Würzburg 1856.

Wander.

Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Herausgeben von Karl Friedrich Wilhelm Wander. Bd 1-5. Leipzig 1868-1880.

Wieland: Schriften.

[Christoph Martin] Wielands Gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Deutschen Kommission der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1909g.

ANMERKUNGEN

525

3.3 Rieger] Karl Heinrich Rieger ( 1726-1791 ), stud. am Tübinger Stift, 1744 Magister, 1750 Repetent in Tübingen, 1754 Diakon in Ludwigsburg, 1757 H of kaplan in Stuttgart, 1779 Hofprediger, 77SJ Stiftsprediger und Konsistorialrat. Vertreter des Pietismus und der Orthodoxie. 3,3-4 er verlaß die Augspurgische Confession] Seit 1739 wurde in Württemberg das Gedächt­ nis an die Übergabe der Augsburgischen Confession jedes Jahr feierlich begangen. In der hierzu erlas­ senen Anordnung heißt es, daß alljährlich, und zwar den nächsten Sonntag nach dem 25. Junii,

(als an welchem Tag die Augspurgische Confeßion vormals übergeben worden ist) an statt der gewöhnlichen Predigt, die ungeänderte Augspurgische Confeßion mit einem kurzen der Sache gemässen Theologisch- und bescheidenen Vorbericht öffentlich verlesen, und solches denen Gemeinden, um mehrerer Erscheinung willen, acht Tage zuvor verkündet werden solle. Vgl. Würtembergisches Kirchen-Buch, enthaltend Die Augspurgische Confeßion, und was wegen derselben Verlesung ... auf den Gedächtniß-Tag der übergebenen Confeßion, verord­ net ist. Stuttgart 1739 u. öfter. (W ir zitieren nach der Ausgabe von 1772.) Dieses spezielle Kirchen­

buch enthält 1) den Wortlaut des General-Rescripts vom 9. 5. 1739 (darin die zitierte Anordnung), 2) die Verkündigungs-Formul, den Sonntag vor dem 25. Jun. zu gebrauchen; 3) den in der Anordnung erwähnten Vorbericht; 4) den Text der Confessio; 5) ein Gebet, nach Verlesung der

Augspurgischen Confeßion zu sprechen. 3.4 Eingang in dieselbe] Gemeint ist der zuerst zu verlesende Vorbericht (vgl. Würtember­ gisches Kirchen-Buch. 12-36). In diesem Stück kommen auch die historischen Ereignisse zur Spra­

che, die Hegel anschließend erwähnt: siehe die folgenden Anmerkungen. 3.6-7 daß ... überreicht wurde] Vgl. den Vorbericht, 17ff: Und dieses ist der berühmte

Reichs-Tag, welchen der glorwürdigste Kaiser Carolus der Fünfte Anno 1530. in der freyen Reichs-Stadt Augspurg persönlich gehalten... Dazumal geschähe es, daß die oben gemeldte protestirende Chur-Fürsten, Fürsten und Städte von Kaiserlicher Majestät Erlaubniß erhielten, ihr Glaubens-Bekanntniß öffentlich, mündlich und in teutscher Sprache abzulegen, wie es denn auch würklich den 25. Jun. in der Capell-Stube des BischöfFlichen Pallasts in Augspurg vor den Augen und Ohren einer grossen Menge des Volks geschehen ist usw. (es folgt eine

nähere Beschreibung des Akts der Übergabe der Confession durch den Kursächsischen Kanzler Pontanus). 3.7-8 daß ... reformirt wurde] Vorbericht. 25f: Nur müssen wir hiebey unsers lieben

Vaterlands vomemlich mit gedenken. Es war nemlich Würtemberg nicht von den ersten, die sich zu solcher Augspurgischen Confeßion hielten. Denn es stunde dazumalen unter Oesterreichischer Regierung. Sobalden aber sein angebohmer Landes-Fürst, Herzog Ulrich, der inzwischen an dem Chur-Sächsischen und Heßischen Hof sich aufgehalten, und dem Evangelio sein Herz ergeben hatte, wieder in das Land gekommen, hat er diß sein erstes Werk seyn lassen, die von ihm selbst bereits angenommene Evangelische Religion auch in seinen Landen auszubreiten, wie denn in der Residenz-Stadt Stuttgart den 2. Februar. 1535. in dasiger Stifts-Kirche anstatt der päbstlichen Meß das heilige Abendmahl am ersten unter beyderley Gestalt nach der Stiftung Christi ist gehalten worden. 3.8-9 daß Anno 1599 durch den Prager Vertrag die evangelische Religion bestätigt wurde] Vorbericht. 28: . .. Bey welch angerichtetem Religions-Wesen es auch beständiglich bleiben, solches ohne männlichs Hindernis exercirt, auch keine andere Religion Kraft des Pragerischen Vertrags de Ao. 1599. inskünftige eingeführet werden solle. - Der nach zäher

Verhandlung geschlossene Prager Vertrag vom 24. 1. 1599 bestätigte, daß auch fü r den Fall einer öster­ reichischen Nachfolge in Württemberg dem Land die evangelische Religion erhalten bleiben solle (vgl.

Christian Friderich Sattler: Geschichte des Herzogthums Würtenberg unter der Regierung der Herzogen. T. 5. Tübingen 1772. 221). 3.9-10 den Namen Protestanten ...] Vorbericht. 16f: Es beruften sich aber die damals schon gutgesinnete Churfürsten, Fürsten und Städte auf ihre habende Freyheit, und protestirten

ANHANG 526 wider schon gemeldten Speyerischen Reichs-Schluß, appellirten auch an den damals abwesen­ den und in Spanien sich befindenden Kaiser, und an ein allgemeines freyes Concilium, mit Vermelden, daß sie sich ein vor allemal nicht könnten befehlen lassen, von derjenigen Meynung abzuweichen, welche sie Gewissens halber erwählet hätten. Ueber welcher Protestation ihnen von dar an der Name der Protestanten beygeleget worden. 3,10-12 Noch fällt mir ein ...] Diese beiden historischen Daten kommen im Vorbericht zur

Augsburgischen Confession nicht vor: Hegel notiert sie offenbar aus dem Gedächtnis. Der Todestag Luthers ist richtig angegeben. Das zweite Datum bezieht sich auf die Schlacht bei Mühlberg an der Elbe, durch die der sogenannte Schmalkaldische Krieg zwischen Kaiser Karl V. und den Protestanten beendet wurde. Der hier erwähnte Churfürst von Sachsen trug nicht den Namen Johann der Weise, wie Hegel (vielleicht aufgrund einer Verwechslung mit Friedrich dem Weisen, dem 1525 verstorbenen Beschützer Luthers) schreibt, sondern Johann Friedrich der Großmütige (1503-1554); nach der Schlacht bei Mühlberg wurde dieser, als einer der Führer des Schmalkaldischen Bundes, auf der Flucht von kaiserlichen Truppen gefangengenommen und mußte wenig später auf die Kurwürde verzichten.

3,14 Weltgeschichte ... Schröks] Johann Matthias Schröckh: Lehrbuch der allgemeinen Weltgeschichte zum Gebrauche bey dem ersten Unterrichte der Jugend. Berlin und Stettin 1774. 4. verb. u. verm. Aufl. Berlin und Stettin 1784. J. M. Schröckh: Allgemeine Weltgeschichte für Kinder. T. 1-4. Leipzig 1779-1784. - Welches dieser beiden Werke Hegel hier meint, kann von

dem abgekürzten Titel her nicht entschieden werden. Die folgenden Ausführungen Hegels (Zeile 14-19) lassen sich ebenfalls auf beide Publikationen beziehen, treffen aber in einem konkreten Sinne eher auf das mehrbändige Werk zu als auf den knappen Abriß des Lehrbuches, das zudem für die Hand der Lehrer bestimmt war (vgl. dort die vorangestellte Anleitung zum Gebrauch). 3.20 Convent] Haug. 120: Conventus professorum apud Rectorem menstrui res

auditorum tractant, mores, scientias, normam studiorum, methodum etc. 3.20 Gymnasio] Hegel besuchte das »Gymnasium illustre« zu Stuttgart (heute: Eberhard-

Ludwigs-Gymnasium). Die Anstalt wurde —aufbauend auf dem schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts bestehenden, zunächst fünf-, dann sechsklassigen Pädagogium — 1686 gegründet. Über die äußere und innere Entwicklung berichtet Lang in seiner Geschichte der Stuttgarter Gelehrtenschule von ihren ersten Anfängen bis zum Jahre 1806. Vgl. auch die einschlägigen Erläuterungen in: Briefe von und an Hegel. 3. Aufl. Bd 4, Teil 1: Dokumente und Materialien zur Biographie. Hrsg. von F. Nicolin. Hamburg 1977. - Zu Hegels Zeit lag das Schulgebäude an der Ecke Gymnasiums­ gasse/Hoffmännische Gasse (heute: Kronprinzenstraße), ganz in der Nähe der Langen Gasse, wo Hegel wohnte. 3,22 6te und 7 Classe] Das Gymnasium bestand zu Hegels Schulzeit nominell aus 7 Klassen. Die unterste Klasse (1) umfaßte drei Jahrgänge, die als Prima infima, media und suprema bezeichnet wurden. Die Klassen V, VI und VII zerfielen in je zwei Jahreskurse; die Schüler der jeweils unteren Jahrgänge hießen hier Novizen, die der oberen Veteranen. Insgesamt hatte die Anstalt also 12 Jahr­ gänge. Die Klassen I bis V bildeten das Untergymnasium (für das sich auch der herkömmliche Name Paedagogium erhielt), die Klassen VI und VII das Obergymnasium. Am Untergymnasium waren Präzeptoren tätig; sie unterrichteten nicht als Fachlehrer, sondern mußten als Klassenlehrer sämtliche Stunden in ihrer jeweiligen Klasse geben. Die drei Abteilungen der Prima hatten je einen eigenen Lehrer. Die Präzeptorenstellen bildeten, von der Quinta abwärts, eine Rangfolge; jeder Präzeptor behielt die ihm zugeteilte Klassenstufe so lange, bis er durch Freiwerden einer höheren Stelle aufrücken konnte. Am Obergymnasium lehrten, mehr in der Art akademischer Vorlesungen, Profes­ sorenfür die einzelnen Fächer. 3,22-23 Gymnastischen Geseze] Gemeint sind die in den Statuten des Gymnasiums enthalte­ nen Leges pro duabus Classibus Gymnasticis (Reyscher. B d ll, Abt. 2. 160-162), denen für das Untergymnasium die Leges pro quinque Classibus Inferioribus (ebd. 162—164) entsprachen. Die erstmals 1686 in der Fundation Und Ordnung Deß Neu auffgerichteten Fürstlichen Gymnasii

527 zu Stuttgart gedruckten Gesetze mußte der Rektor alle halbe Jahr in Gegenwart aller und jeder docentium et discentium in Gymnasio verlesen lassen, und jederzeit dabey eine nachdrück­ liche Erinnerung thun, daß denenselben gebührend nachgelebet werde (ebd. 150). 3.23 Promotion bezeichnet 1. den Vorgang der Versetzung in die folgende Klasse, 2. (wie ANMERKUNGEN

hier) den gemeinsam versetzten Altersjahrgang. 3.23 Rector] Johann Andreas Taßnger (1728-1804), stud. am Tübinger Stift, 1746 Magister, 1749 Vikar in Breitenholz, 1750 Repetent in Tübingen, 1753 Prof der Religion und der alten Spra­ chen am Gymnasium zu Stuttgart, 1783 Rektor daselbst und Pädagogarch, 1796 Abt in Hirsau; Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 3.26 Cammerer] Johann Gottlob Cammerer (1769-1821), Sohn des Stuttgarter Hofmedikus Johann Gottfried Cammerer (1726-1793); Ende 1785 Übergang zum Medizinstudium an die Hohe Karlsschule, später Arzt in Großbottwar. 3.26 Proveteran.] Wann und in welchem präzisen Sinne diese Bezeichnung gebraucht wurde, konnte nicht ermittelt bzw. durch einen klaren Beleg gestützt werden. Lang, der die Aufteilung der Zweijahrgangsklassen in Veteranen und Novizen mehrfach erwähnt, berichtet nur einmal (ohne Erläuterung), daß im Frühjahr 1783 die 21 Schüler der Klasse VII »zerfallen in 2 proveterani (von denen einer im Lauf des Sommers valediziert), 7 veterani und 12 novitii« (Lang. 269). Auch in dem nur noch in fotografischer Abbildung erhaltenen Sammelzeugnis der Klasse V vom Frühjahr 1784 (s. Festschrift des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums 1686-1936. Stuttgart 1937. Abb. vor Seite 113; vgl. den kommentierten Abdruck in: Briefe von und an Hegel. Bd4, Teil 1. 14, 257ff) sind vor den Veterani, unter denen Hegel die erste Stelle einnimmt, zwei Proveterani aufge­ führt. Die so benannten Schüler scheinen also noch über das zweite Jahr hinaus in der Klasse verblieben zu sein. 3.27 Duttenhofer] Jakob Friedrich Duttenhofer (1768-1823), ab Herbst 1785 Stiftler in Tübingen (vgl. Hegels Eintragung vom 10. 12. 1785 - unten 18,3f), 1787 Magister, 1792 Pfarrverweser in Bebenhausen, 1793 Repetent in Tübingen, 1798 Diakon in Vaihingen/Enz., 1806 Diakon an St. Leonhard in Stuttgart, 1814 an der Hospitalkirche daselbst, 1823 Stadtdekan. Sein Vater Georg Jakob Duttenhofer (1729-1780) war zuletzt in Wildberg (nicht, wie Hegel schreibt, in WildbadJ Dekan.

3.27 Veter.] Lies: Veteranorum, also der Schüler des zweiten, höheren Jahrgangs der Dop­ pelklasse (vgl. Anm. zu 3,22).

3.27 Specials] »Spezial« ist die im älteren protestantischen Schwaben übliche Abkürzung für Spezial-Superintendent, Synonym für Dekan. 3.28 Vischer] Christian Friedrich Benjamin Vischer (1768-1814), ab 1786 Studium am Tübinger Stift, 1788 Magister, 1793 Repetent in Tübingen, 1799 Diakon in Weinsberg, 1806 zwei­ ter Diakon in Ludwigsburg, 1810 Archidiakon daselbst. Sein Vater: Stephan Ludwig Vischer (17361803), seit 1766 Rentkammersekretär. - Ein Sohn Chr. Fr. B . Vischers war der Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer (1807—1887). 3.28 Novit.] Lies: Novitiorum, d. i. der Schüler des ersten Jahrgangs der Klasse (vgl. Anm.

zu 3,22).

4.2 Boger] Carl Friedrich Boger (1769-1827), Sohn des Oberstleutnants und Kriegskommissars Johann Jakob Boger (1725-1812); ging im Herbst 1787 als stud.jur. nach Tübingen, später Regie­ rungsrat in Reutlingen. 4.3 Primus] Diesen Platz hatte Hegel in den jeweiligen Schuljahrgängen auch bereits im Früh­ jahr 1784 und später bei der 100-Jahr-Feier des Gymnasiums im September 1786 sowie bei seinem Abgang im Herbst 1788 inne; vgl. die Nennungen in den einschlägigen Dokumenten, abgedr. in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 14, 15, 16f. 4,5-9 Über die hier geschilderten Schü/er-GesellschafFten ließ sich aus den noch erhaltenen Akten nichts Näheres ermitteln.

528 ANHANG 4.10 Gymnasisten] Schüler des Obergymnasiums. 4.11 Vischer] Christian Friedrich Benjamin Vischer (siehe Anm. zu 3,28). 4.11 Neuffer] Unter den Schülern der 7. Klasse waren damals zwei Träger dieses Namens: 1) Christoph Friedrich Ludwig Neuffer a (1768-1836), 1786 Stiftler in Tübingen, 1788 Magister,

1795 Repetent, 1801 Pfarrer in Benningen, 1816 Pfarrer in Bernhausen. 2) Christian Ludwig Neuffer ß (1769-1839), der spätere Freund Hölderlins; 1786 Stiftler, 1788 Magister, 1791 Vikar am Waisenhaus in Stuttgart, 1803 Diakon in Weilheim, 1808 Pfarrer in Zell (Aichelberg), 1819 zweiter Stadtpfarrer am Münster in Ulm. 4.12 Staeudlin] Christian Friedrich Stäudlin (1769-1814), Bruder des Dichters Gotthold Friedrich Stäudlin (1758-1796) und des Göttinger Theologieprofessors Karl Friedrich Stäudlin (1761-1826); ab Mai 1789 auf der Hohen Karlsschule zum Studium der Kameralwissenschaft, 1800 Kirchenratskammerrat. 4.13 Academisten] Studierende der Hohen Karlsschule (siehe Anm. zu 21,26-27). Bei den im folgenden von Hegel genannten Vischer, Haselmayer, Georgii handelt es sich gemäß den aus Wag­ ner entnommenen Nachweisen um »Oppidaner«, d. h. um Studierende, die aus Stuttgart stammten und weiterhin in der Stadt wohnten, (also nicht um interne Zöglinge). 4.14 Vischer] Wohl der bei Wagner aufgeführte: Vischer, d. 2te, Benjamin Friedr., 16 J. alt, Regierungs-Sekretärssohn, Aufnahme] 18. April 1785, Jura. Sein Vater: Johann Jakob Vischer (1722-1804), Sekretär beim Herzoglichen Konsistorium. Ab Herbst 1786 studierte B. F. Vischer in Tübingen. 4.14 Haselmayer] Wahrscheinlich Christian Karl Gottfried Haselmayer (1768-1808), Regierungsratssohn, in die Karlsschule aufgenommen am 18. 4. 1785; später Jurist. 4.14 Georgii] Nach dem Verzeichnis von Wagner kann hier nur gemeint sein der erst wenige Tage zuvor, am 21. 6. 1785, in die Karlsschule aufgenommene Karl August Friedrich Georgii, Regierungsratssohn aus Mömpelgard, 17Jahre alt; später Obertribunalpräsident. 4,18 M. V.] Vermutlich aufzulösen: Mein Vater (Hegels Vater war seit 1783 Witwer). 4.30 daß einem das Maul ... darnach wässere] Sprichwörtliche Redewendung, auch außer­ halb Schwabens gebräuchlich. Vgl. Wander. Bd 3. 513.

5,4-6 Hohenheim, ein als Wohnung bevorzugter Landsitz des Herzogs Karl Eugen, »eine Stunde von Stuttgart«. Das Schlößchen Schamhausen bei Hohenheim wurde 1784 (von R. F. H. Fischer) erbaut. - Über die hier von Hegel vermerkte Begebenheit konnte nichts ermittelt werden.

5.7 Feiertag] Der 29. Juni ist der Feiertag der Apostel Petrus und Paulus. An allen Aposteltagen war in Württemberg, seit der Großen Kirchenordnung von 1559, schulfrei (vgl. Lang. 130f; Reyscher. Bd 8. 212). 5,7-8 Duttenhofer] Siehe Anm. zu 3,27. 5.8 Autenriet] Wahrscheinlich Hegels Mitschüler Johann Christ. Friedrich Autenrieth (17701792), der auch mit Hegel zusammen 1788 ins Stift nach Tübingen ging und 1790 die Magister­ prüfung ablegte; im April 1792 wechselte er zum Studium der Kameralwissenschaft in die Karls­ schule über, starb aber noch im gleichen Jahre. 5*8 Bopser Wald] Waldhöhe südlich/südöstlich von Stuttgart. 5.31 Socrates vor seinem Ende] Vgl. Platon: Phaidon. 118a. - Aesculapius] gr. Askle­ pios, Sohn Apollos und der Nymphe Koronis; Gott der Heilkunde. - Zu vorliegender Eintragung Hegels siehe auch das Exzerpt Hahn des Sokrates in Band 3. 5.32 Offterdinger] Philipp August Offterdinger (1749-1792), geb. in Göppingen, nach Besuch der Klosterschulen Studium am Stift in Tübingen, 1769 Magister, 1772 Lehrer für Geogra­ phie, Geschichte und Latein an der Karlsschule, 1779 Prof. der Poesie am Gymnasium in Stuttgart. 5.32 hebdomadario] Als Hebdomadarium wird in der traditionellen württembergischen Schulspräche die wöchentliche Hausarbeit zum Übersetzen ins Lateinische oder Griechische (vgl. Fischer. Bd 3. 1306) bezeichnet. - Nach dem Stundenschema vom Dezember 1783 (Lang. 267) war in der

ANMERKUNGEN

529

VI. Klasse am Samstag die erste, von Prof. Offterdinger zu haltende Stunde dem Hebdomadarium gewidmet. 6,15 Cleß] Heinrich David Cleß (1741-1820), geb. in Stuttgart, stud, am Stift in Tübingen, 1761 Magister, ab 1763 Prinzenerzieher in Treptow und Mömpelgard, 1773 ao. Prof. am Gymna­ sium in Stuttgart, 1775-95 ordentl. Prof für Theologie und Philosophie daselbst, ab 1777 zugleich Religionslehrer an der Karlsschule; später Abt in Blaubeuren und Generalsuperintendent in Adel­ berg und Urach. 6.29 Löeflers] Johann Jakob Löffler (1750—1785), geb. in Stuttgart, stud, am Stift in Tübingen, 1769 Magister, seit 1772 Präzeptor am Untergymnasium in Stuttgart, starb im März 1785. 6.30 Bücher] Die bloße Aufzählung der Autoren, die hier folgt, läßt nicht erkennen, welche Ausgaben der betreffenden Werke Hegel erworben hat. In einigen Fällen sind die Schriften im Katalog der nach Hegels Tod versteigerten Bibliothek enthalten. Parallelbeispiele (vgl. etwa Anm. zu 13,19-20) sichern der Vermutung, daß diese Editionen bei dem hier mitgeteilten Kauf erworben wurden, einige Wahrscheinlichkeit. Leider nicht mehr erhalten ist ein schon damals von Hegel angelegtes Verzeichnis, über das Rosenkranz ("Hegel’s Leben. 11) berichtet: Die alten Autoren hielt er sehr hoch und

legte sich eigends einen noch vorhandenen Katalog von denjenigen an, welche in seinem Besitz waren. Nicht nur die bedeutenderen sind darin verzeichnet, sondern auch solche, die nicht gerade im Horizont des Schülers zu liegen pflegen. Recht bibliothekarisch gab er in ver­ schiedenen Rubriken erst den vollständigen Titel der Ausgabe, hierauf den Druckort und die Jahreszahl, endlich den Preis an, den ihm das Buch gekostet. 7.2 Aristoteles de moribus] Aristoteles: Nikomachische Ethik. In zahlreichen Ausgaben unter dem Titel ediert: De moribus ad Nicomachum libri decem. - In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 385) befand sich folgende Ausgabe: Aristotelis Ethicorum Nicomachiorum libri decem ex Dion. Lambini interpretatione Graecolatini. Theod. Zvingeri Argumentis atque Scholiis, ... Theophrasti item Eressij Morum Characteres, interprete Cl. Auberio Triuncuriano. Pythagoreorum veterum fragmenta Ethica, ä Gul. Cantero Ultraiectense conversa et emendata.

Basileae: Eusebii Episcopii opera ac impensa 1582., 7.3 Demosthenis oratio de corona] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 433) befand sich folgende Ausgabe der berühmten Rede: Demosthenis Oratio de corona quam e recensione Ioannis

Taylori Angli cum eiusdem et Wolfii Marklandi Palmerii I. I. Reiskii suisque animadversionibus edidit Theophilus Christophorus Harles. Altenburgi: ex officina Richteria 1769. 7.4 Isocratis ... opera omnia] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 445) befand sich folgende Ausgabe: ISOKPAT OYS AIIANTA. Isocratis scripta, quae quidem nunc extant, omnia, Graecolatina, postremo recognita: Hieronymo Wolfio Oetingensi interprete. Cum Rerum et verborum accurato Indice. Basileae: Typis Conradi Waldkirchii 1613. (Auch mit der Jahreszahl 1614 erschienen.)

7.7 Ciceronis opera philosophica] Von Ciceros philosophischen Schriften erschien im 16. bis 18. Jahrhundert eine Anzahl zusammenfassender Ausgaben unter dem von Hegel angegebenen Titel. Im Katalog der Bibliothek Hegels ist keine Ausgabe dieser Werke aufgeführt. 7.8 Gellii noctes Atticas] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 596) befand sich folgende Aus­ gabe: A. Gellii luculentissimi scriptoris, noctes Atticae. Coloniae 1533. 7.9 Vellejus Paterculus] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 607) befand sich folgende Aus­ gabe: P. [sic!] Vellei Paterculi Historiae Romanae ad M. Vinicium Cos. libri II. Iacobus Iac. N. Scheckius recensuit; et Notis illustravit. Addita Aldi Manutii, Paulli F. Aldi N. Scholia. Cum rerum et verborum Indice longe locupletiss. Francofurdi: Ex officina typographica Ioannis Wecheli 1589.

7.10 Diodorus Siculus] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 577) befand sich folgende Aus­ gabe: Diodori Siculi Bibliothecae Historicae libri XVII. Apud Seb. Gryphium Lugd. [Bat.] 1552.

530 7,12

ANHANG

Plautus] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, welche Ausgabe der Komödien des Titus Maccius Plautus (ca. 250-184 v. Chr.) Hegel hier erwarb. 7,13-14 Die herkömmlicherweise meist zusammen edierten Werke der Dichter Catullus, Tibullus und Propertiusfinden sich in vielen Ausgaben auch vereinigt mit den Fragmenta des Cornelius Gallus. Eine Edition, die darüber hinaus Gedichte von Claudius Claudianus und Ausonius enthält, konnte nicht nachgcwiesen werden. Hegel scheint ein Exemplar, in dem Verschiedenes zusammengebunden war, oder mehrere äußerlich zusammengehörige (etwa im gleichen Verlag erschienene) Bände erwor­ ben zu haben. —Im Katalog der Bibliothek Hegelsfehlen alle genannten Autoren, mit Ausnahme einer wesentlich späteren Ausgabe der Mosella des Ausonius. 7.15 Hieronymus Vida] Marcus Hieronymus Vida (ca. 1480-1566), italienischer Dichter, ahmte in seinen lateinisch verfaßten Dichtungen vor allem Vergil nach, erhielt von Papst Leo X. den Auftrag, das Leben Jesu in einem epischen Gedicht darzustellen; 1532 Bischof von Alba. Die Christiados libri sex erschienen zum erstenmal Cremona 1535. Welche Ausgabe des Werkes Hegel gehabt hat, ist nicht zu ermitteln; im Katalog seiner Bibliothek kommt der Titel nicht vor. 7.16 Virgil. Christianus] Vermutlich das auch in Deutschland nachgedruckte Werk des in Paris wirkenden Jesuiten und Predigers Laurentius le Brun (1607—1663): Virgilius Christianus. Eclogae XII. Psycurgicon sive De cultura animi Solom. Eccl. cap. XII. Ignatiados libri XII. Opuscula selecta XII. Parisiis 1661. Es handelt sich dabei, wie bei dem zuvor genannten Hierony­ mus Vida, um eine Nachahmung Vergib. - Allein vom Titel her könnte Hegels Eintragung auch bezogen werden auf Joh. Andreae Virgilius Christianus s. Novum Jesu Christi Testamentum ad imitationem Virgilii carminice redditum. Coloniae 1595. Dieses Werk ist keine Nachdichtung,

sondern ein sogenanntes Cento, also aus originalen Versen des Vergil zusammengestellt. 7.17 Sannazarius] Jacopo Sannazaro (1458-1533), dichtete in italienischer und lateinischer Sprache; lateinisches Hauptwerk: De partu virginis libri tres; außerdem Elegien, Eklogen und Epigramme. - Die von Hegel erworbene Ausgabe ist nicht zu ermitteln; im Katalog fehlt der Autor. 7.19 Löffler] Siehe Anm. zu 6,29. 7.20 unterGymnasio] Siehe Anm. zu 3,22. 7,22 Schäffner] Christoph David Schäffner (auch: Seheffher), geboren 1737, seit 1763 Präzep­ tor am Untergymnasium, gestorben am 28. 7. 1779. —Angesichts dieses nachweislichen Todesdatums sind Hegels Ausführungen Zeile 20—24 zu korrigieren. Hegel irrt, wenn er aus der Erinnerung den Tod Schäffners und das dadurch bedingte Auf rücken Löfflers zum Präzeptor der nächsthöheren Klasse in das Jahr 1778 verlegt. Löffler hat im Herbst 1777 die I suprema (nicht, wie Hegel schreibt: infima!) und im Herbst 1779 die II übernommen. Wenn Hegel —wie er detailliert schildert —zwei Jahre nach­ einander in verschiedenen Klassen bei Lößler Unterricht hatte, so kann er erst 1778 zu ihm in die I suprema gekommen sein, stieg dann mit ihm 1779 in die II, aus der er 1780 zu Göriz in die III kam. Leider bleibt hier die auch nicht durch anderweitige Unterlagen zu klärende Frage offen, wann Hegel in das Untergymnasium eingetreten ist und wielange er in den ersten Klassen verblieb. - Übrigens scheint Hegels Gedächtnisfehler hinsichtlich der bei Löffler verbrachten Schuljahre in der Eintragung desfolgenden Tages weiterzuwirken: vgl. 8,13-14 mit Anm. 7.25 Görizen] Christian Friedrich Göriz (1738-1793), geb. in Stuttgart als Sohn des damaligen Gymnasialrektors Georg Adam Göriz, stud. am Stift in Tübingen, 1757 Magister, 1759 Vicarius in Gerlingen, seit 1760 Präzeptor am Untergymnasium in Stuttgart. Seine Frau Maria Rosina Dorothea geb. Fromm war eine Schwester von Hegels Mutter. 7.26 Privat-Unterricht] Seit Bestehen des Gymnasiums war der Privatunterricht eine offizielle, auch im Stundenplan berücksichtigte Einrichtung, doch war der Besuch freiwillig. Zu Hegels Zeiten gab es täglich zwei Privatstunden, je eine am Morgen und am Nachmittag bzw. Abend. Zum Jahr 1781 berichtet Lang (261f), daß die sogenannte Morgenprivat etwa von der Hälfte der Schüler besucht wird, die Abendprivat dagegen gewöhnlich nur von denen, die studieren wollen. Die Privat­ stunden wurden den Präzeptoren gesondert bezahlt, garantierten diesen gering besoldeten Lehrkräften

ANMERKUNGEN

531

also eine wichtige Nebeneinnahme. - Über die Privatkollegs der Professoren siehe unten Anm. zu 30,24-25. 7.26 im Jahr 1783] d. i. genauer: vom Herbst 1782 bis Herbst 1783. 7.27 Nast] Johannes Nast (1722-1807), geb. in Leonberg, stud. am Stift in Tübingen, 1742 Magister, 1750 Präzeptor am Untergymnasium in Stuttgart, seit 1778 mit Professortitel; 1789 Pfarrer in Plochingen. 7.28 Lehret] Christian Immanuel Lehret (1770—1843), Sohn des Professors Johann Friedrich Lehret (seit 1782 Kanzler der Karlsschule, ab 1786 Kanzler der Universität Tübingen und Prof. der Theologie daselbst); stud.jur. an der Universität Tübingen, 1799 Kirchenratsregistrator, später Regie­ rungsrat in Stuttgart. - Andere Schreibung des Namens: Le Bret. 7.28 Autenrieth] Siehe Anm. zu 5,8. 7.29 exponirten] Exponieren heißt in der württembergischen Schulsprache: »aus der fremden in die eigene Sprache übersetzen« (Fischer. Bd 2. 902), während der umgekehrte Weg der Übertragung als Komponieren bezeichnet wird: vgl. unten 26,19 mit Anm. 7.29 Curtius] Unter der Lektüre aus lateinischen Klassikern, die in den sich wandelnden Lehr­ plänen vorgeschrieben sind, wird Curtius (d. i. Q. Curtius Rufus: De rebus gestis Alexandri Magni libri)für das Ohergymnasium (Kl. VII.) fast immer genannt, scheint aber ivährend Hegels Schulzeit aus dem öffentlichen Unterricht verdrängt zu sein (vgl. Lang. 261f). Bemerkenswert ist, daß Hegel nach seiner Aussage diesen Autor schon so früh in der Unterstufe mit Löffler durchgenommen hat. 7.29 Aesop] Die Fabeln des Aesop hatten seit je ihre Stelle im Lehrplan des Untergymnasiums, und zwar für die niederen Klassen in lateinischer Version (die auch zum Prüfungsstoff der untersten Stufe des Landexamens gehörte, vgl. Lang. 226), später im griechischen Originaltext. In dem hier erwähnten ersten Privatunterricht Hegels (1779/80, oder gemäß der Berichtigung in Anm. zu 7,22: 1780/81) hat es sich wohl noch um den Aesopus latinus gehandelt. Vgl. dazu die im Katalog von Hegels Bibliothek u. a. aufgeführte lateinische Ausgabe (Nr 558): Historia vitae fortunaeque

Aesopi, cum fabulis illius pluribus quingentis, et alijs quibusdam narrationibus, compositis studio et diligentia Ioachimi Camerarii Pab. ... Lipsiae: ex ofßcina recente Valentini Papae 1744. 7.29 Neuen Testament] Auch hierbei ist an die lateinische Fassung zu denken. 7.31 Ciceros Schriften De senectute, Somnium Scipionis und Laelius sive de amicitia wurden nach dem Lehrplan auch in den öffentlichen Stunden (und zwar in Klasse VI) behandelt. —

Über eine in Hegels Besitz befindliche Ausgabe dieser Texte vgl. Anm. zu 13,19-20. 7.31 neuen Testament] Im Griechisch-Unterricht des Gymnasiums bildete den Lehrplänen gemäß das N. T. die wichtigste, zeitweise sogar die alleinige Textlektüre. 7.32 Hebr. Psalmen] Der offizielle Hebräischunterricht begann, soweit wir feststellen können, in Klasse V (vgl. Lang. 229f). 7.33 Vida’s Christiade] Siehe Anm. zu 7,15. In den Lehrplänen des Gymnasiums kommt dieses Werk, auch zu früheren Zeiten, nicht vor. 8,2-12 Diesem Urteil Hegels über seinen Lehrer seien einige amtliche Äußerungen über Löffler gegenübergestellt. 1776 wurden er und Göriz »ernstlich ermahnt, ihr Amt besser zu versehen; es fehle weniger an Gaben und Geschicklichkeit als an Lust und Liebe« (Lang. 255). 1783 heißt es in einer sonst sehr lobend gehaltenen Charakteristik der Lehrer: Löffler, praeceptor II. classis, discipulos

regit diligenter methodoque recentiori nimia memoriae otia facienti patrocinari impensius videtur (Lang. 269). Nach Löfflers Tod spricht man aber im Konsistorium bei Beratungen über eine Unterstützung seiner Witwe davon, daß der verstorbene Präzeptor in allweg seine meriten habe, man müsse ihm nachrühmen, daß er sich das ihm anvertraute SchulAmt jederzeit aus allen Kräften habe angelegen seyn laßen (Konsistorialprotokolle. Nr 54: 1785. 163f, 193). 8,13-14 Welche Shakespeare-Ausgabe Hegel von seinem Lehrer erhalten hat, ergibt sich aus

seiner Notiz nicht unmittelbar. Im Katalog der nach Hegels Tod versteigerten Bibliothek ist keine deutsche Shakespeare-Gesamtausgabe aufgeführt. Grundsätzlich kämen vor 1780 folgende Ausgaben

532

ANHANG

in Betracht: 1) Shakespear: Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersetzt von Herrn Wieland. Bd 1-8. Zürich 1762-1766. 2) William Shakespear’s Schauspiele. Neue Ausgabe. Von Joh. Joach. Eschenburg. Bd 1-12. Zürich 1775-1777. (Ein angehängter Band 13 erschien 1782.) 3) Willhelm Shakespears Schauspiele. Von Joh. Joach. Eschenburg. Neue verbesserte Auflage. Bd 1-22. Straßburg 1778 - Mannheim 1783. Die Züricher Ausgabe der Übersetzung

Eschenburgs enthält den vervollständigten und revidierten Text von Wieland, der die notwendig ge­ wordene Neuauflage und Überarbeitung nicht selbst übernehmen wollte. Die an dritter Stelle genannte verbesserte Auflage von Eschenburg ist in Wirklichkeit ein unberechtigter Nachdruck, für den aller­ dings der Mannheimer Professor Gabriel Eckert eine große Zahl von Textverbesserungen beigesteuert hat. (Vgl. H. Uhde-Bernays: Der Mannheimer Shakespeare. Berlin 1902.) - Es ist zu bemerken, daß in Hegels Eintragung der Werktitel Eschenburgs aufgenommen wird, der von dem Wielandschen deutlich differiert. Im übrigen stimmen die beiden Originalausgaben von Wieland und Eschenburg hinsichtlich ihrer Bandzahl nicht mit Hegels Angabe überein. So verbleibt nur der Straßburg-Mannheimer Nachdruck. Dazu paßt auch Hegels Ausdrucksweise XVIII. Bände von Shakespeare’s Schauspiele, die festzuhalten scheint, daß nicht das komplette Werk gemeint ist. Allerdings kann das von Hegel angeführte Jahr des Geschenks nicht stimmen. Etwa die Hälfte der Bände 1 bis 18 dieser Ausgabe, die 1778 zu erscheinen begann, kam erst 1779 heraus. Vermutlich ist Hegel hier mit der Angabe schon 1778 die gleiche Zeitverschiebung um ein Jahr unterlaufen, die in Anm. zu 7,22 erörtert wurde. In dem brieflichen Bericht, den Hegels Schwester Christiane im Januar 1832 an seine Witwe sandte (Hegel-Nachlaß der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Kassette 15; abgedruckt in: Der junge Hegel in Stuttgart. Hrsg. von F. Nicolin. 83) heißt es: Im Alter von 8. Jahren schenkte

ihm sein Lehrer, Löffler, ... Shakespears, von Eschenburg übersetzte, dramatische Werke ...

Die Altersangabe würde fast für das ganze Schuljahr von Herbst 1778 bis Herbst 1779 zutreffen. Abgesehen von diesem chronologischen Hinweis fällt auf daß Christiane ganz zweifelsfrei den Autor­ namen Eschenburg nennt. Eine abweichende Mitteilung findet sich in Hegel’s Leben von Karl Rosenkranz. In seinem Abdruck aus Hegels Tagebuch ändert Rosenkranz im vorliegenden Zusammen­ hang den Text; er setzt 8 Bände statt XVIII Bände (ebd. 434). Im Lebensbericht schreibt er: Löffler ... schenkte ihm ... 1778 die Wieland’sche Uebersetzung Shakespeare’s (ebd. 7). Da indessen im Kontext an mehreren Einzelheiten zu erkennen ist, daß Rosenkranz sich gerade hier auf den Brief von Christiane Hegel stützt (der ihm mit anderem biographischen Quellenmaterial von der Familie Hegels überlassen wurde), müssen die zitierten Abänderungen als willkürlich gelten. - Insgesamt ergibt sich so, daß Hegel die Shakespear^Übersetzung Eschenburgs besessen hat, und zwar in dem Mannheimer Nachdruck. Einige nachweisbare Zitierungen bestätigen Hegels Benutzung des Eschenburgschen Textes, wobei allerdings keine Sonderformen des »verbesserten« Nachdrucks begegnen; vgl. Anm. zu: 37,3; 37,17-18; 38,10; 38,22. 8,19-21 Horaz: Carmina. Buch 2, Nr 10. Vers 13-15. —Hegel hat Horaz wohl in der folgen­ den, im Katalog seiner Bibliothek (Nr 501) aufgeführten Ausgabe gelesen: Q. Horatii Flacci Eclogae

cum scholiis veteribus castigavit et notis illustravit Gulielmus Baxterus. Varias lectiones et observationes addidit Io. Matthias Gesnerus. Editio secunda emendatior. Lipsiae 1772. - Nach dem Plan der Stundenverteilung am Obergymnasium vom Dezember 1783 (Lang. 267f ) muß ange­

nommen werden, daß gerade in dem Schuljahr, da Hegel diese Partien des Tagebuches schrieb, Horaz durchgenommen wurde. 8,24 Muthes Heer] auch Mutesher, Mutisheer, Muetes Heer, Motes Heer; mundartlich um­ gestaltete Bezeichnung für »Wuotans Heer«. Das Auftreten dieses Wilden Heeres wird vom Volks­ glauben meist in die Zwölf Nächte (24. Dezember bis 6. Januar) verlegt. —Zum Wort siehe Fischer. Bd 4. 1843f; zur Sache vgl. Volkstümliche Überlieferungen in Württemberg. Bearb. v. Karl Bohnenberger. 1904, Nachdruck Stuttgart 1961. (Schwäbische Volkskunde. N. F. 14.) 2f. 9,6 von Türkheim] Gewiß Karl Ludwig Ekbrecht Freiherr von Dürckheim (auch geschrieben: Türkheim), herzoglicher Reisemarschall und Kammerherr (1740/41-1789).

ANMERKUNGEN

533

9,9 O tempora ! o mores !] Dieser Ausrufgeht auf Cicero zurück und findet sich bei ihm öfter, B.: In C. Verrem actio secunda. Buch 4 , Kap. 25, § 56; Oratio in Catilinam prima. Kap. 1, § 2 . - Sprichwörtlich gebraucht, auch in deutscher Übersetzung. 9,20 ChausséeHaus] ein (heute nicht mehr bestehendes) Gasthaus am Treffpunkt der beiden Landstraßen von Stuttgart und Cannstatt nach Ludwigsburg und Heilbronn. 9,32 Herzoglichen Bibliothek] Die Bibliothek wurde von Herzog Karl Eugen 1765 in Ludwigsburg gegründet; nachdem 1775 die Residenz nach Stuttgart zurückverlegt worden war, wurde die Bibliothek im Herrenhaus auf der südlichen Seite des Marktplatzes in Stuttgart unterge­ bracht, wo sie sich zur Zeit Hegels noch befand. Das herzogliche Stiftungsdiplom bestimmte, daß diese errichtete Bibliothec jedermänniglich ohne Unterschied des Rangs oder Standes, mit alleiniger Ausnahm der Livrée-Bedienten, offen seyn wird, und die in dem HauptCatalogo verzeichnete Bücher sich allda allezeit ohnmangelhaft vorfmden sollen; während der Öffnungs­ zeit sollen die Bibliothecarii, an denen die Ordnung ist, nebst dem ihnen untergebenen Buch­ binder beständig anwesend seyn, um die Bücher, so verlangt werden, hervor zu langen, und wer was extrahiren will, mit dem was dazu nöthig, an Hand zu gehen. (Vgl. Stiftung einer öffentlichen Bibliotheck durch Seine Herzogliche Durchlaucht den Regierenden Herrn Her­ zog zu Wurtemberg und Teck etc. etc. den 11 Februar 1765. an Höchstdero Geburts-Fest. Stuttgart: C. F. Cotta. 12-14.) Die Bibliothek war anfangs dreimal wöchentlich, seit dem Übergang nach Stuttgart nur noch am Mittwoch- und Samstagnachmittag geöffnet. - Über Bestand, Ausbau, Bedeutung und Benutzung der Bibliothek zu Hegels Zeit berichtet ausführlich Karl Löffler: Ge­ schichte der Württembergischen Landesbibliothek. Leipzig 1923. (Zentralblatt für Bibliotheks­ wesen. Beiheft 50.) 9-51.

10.4 Batteux] Einleitung in die Schönen Wissenschaften. Nach dem Französischen des Herrn [Charles] Batteux, mit Zusätzen vermehret von Karl Wilhelm Ramier. 3. u. verb.

Auflage. Bd 1-4. Leipzig 1769. - Die Herzogl. Bibliothek besaß zu Hegels Zeit nach Ausweis des heutigen Katalogs der Württembergischen Landesbibliothek von dem Werk den Nachdruck Wien 1770. 10.5 Epopée] Vgl. Batteux (vorige Anm.). Leipzig 1769. Bd 2. 3-210: Von dem epischen

Gedichte. 10.7 Abel] Jakob Friedrich Abel (1751-1829), geb. in VaihingenfEnz, stud. am Stift in Tü­ bingen, 1770 Magister, 1772 Prof. an der Karlsschule, wo er als Philosophielehrer einen großen

Einfluß ausübte; Lehrer und Freund Schillers; 1790 o. Prof. der Philosophie in Tübingen, 1811 Generalsuperintendent in Öhringen, später von Reutlingen und Urach. 10.7 Hopf] Philipp Heinrich Hopf (1747-1804), geb. in Balingen, besuchte das Stuttgarter Gymnasium, stud. am Stift in Tübingen, 1766 Magister, 1769 Hofmeister in Wien, 1783 Prof der Physik und Mathematik am Gymnasium in Stuttgart, zugleich Bibliothekar, erteilte auch Unterricht in den alten Sprachen, 1801 Rektor der Anstalt. 10,11 Cleß] Siehe Anm. zu 6,15.

10,11-13 Wir lasen ... Carakter des Sokrates] Moses Mendelssohn: Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele, in drey Gesprächen. Berlin 1767 u. ö. Die 3. Auflage des Buches, Berlin u. Stettin 1769, befand sich in Hegels persönlicher Bibliothek (siehe Katalog, Nr 165). Vgl, ebd. 1-52: Leben und Charakter des Sokrates. 10,13 Anytus, Miletus, und Krito] Den zweiten dieser Namen hat Hegel falsch wiedergegeben, den dritten verwechselt. Vgl. Mendelssohn: Phädon. 3. Aufl. Berlin u. Stettin 1769. 35f: Anytus, Melitus und Lykon, sind die drey zu ihrer Schmach unvergeßliche Namen derer, die sich zur Ausführung dieses schändlichen Vorhabens haben brauchen lassen. - Siehe auch Platon: Apologia. 23 e. Dort nennt Sokrates selbst seine drei Ankläger, an erster Stelle Meletos (sic!). 10,16 Klüpfel] Jacob Friedrich Klüpfei, geb. 1718, gest. am 16. 7. 1785 als Stadt- und Amts­ schreiberin Stuttgart. - Aus den biographischen Daten (vgl. auch die beiden folgenden Anmerkungen)

534

ANHANG

ergibt sich eindeutig, daß der von Hegel entstellt wiedergegebene Name (siehe den textkritischen Apparat zu 10,15) als Klüpfel zu lesen ist. 10.17 ein Sohn] Christian Friedrich Klüpfel (1760-1816), ältester Sohn des Vorigen, wird seit Juli 1785 als Stadt- und Amtsschreiber geführt. 10.18 der eine] August Friedrich Klüpfel (1769—1841), Sohn des Stadtschreibers Jac. Friedr. Klüpfel, Mitschüler Hegels auf dem Untergymnasium bis Herbst 1784, ging dann an die Klosterschulen (Denkendorf und Maulbronn, dort Kompromotionale Hölderlins), studierte später wieder zusammen mit Hegel am Stift in Tübingen, 1790 Magister, 1802 Pfarrer in Darmsheim, 1814 in Großheppach. 10.21 Schmidlin] Philipp Friedrich Schmidlin (1719—1785), seit 1767/68 Geheimer Regie­ rungsrat und Kabinettssekretär in Stuttgart. 10.22 Leypold] Wahrscheinlich Daniel Friedrich Leypold (geb. 1.1. 1772); besuchte bis 1786 das Gymnasium, ging am 2. 5. 1786 zur Hohen Karlsschule, studierte Philosophie und Jurisprudenz und wurde später (1797) Geheimsekretär in Stuttgart. Weniger in Betracht kommt, wegen des größeren Altersunterschieds zu Hegel, Wolfgang Wilhelm Leypold (geb. 27. 5. 1773), ebenfalls am 2. 5. 1786 in die Karlsschule aufgenommen, später Kanzleiadvokat. Die Mutter der beiden Brüder war Dorothea Friederika geb. Schmidlin, Tochter des Philipp Friedrich Schmidlin (siehe vorige Anm.). - Ein neuer­ dings bekanntgewordener Eintrag Hegels im Stammbuch von Daniel Friedrich Leypold bestätigt die vorstehend geäußerte Vermutung; vgl. Volker Schäfer: Neue Stammbuchblätter von Hölderlin und Hegel. In: In Wahrheit und Freiheit. 450 Jahre Evangelisches Stift in Tübingen. Hrsg. von F. Hertel. Stuttgart 1986. 186f.

10,24 Dusch] [Johann Jakob Dusch :] Briefe zur Bildung des Geschmacks an einen jungen Herrn von Stande. T. 1-6. Leipzig und Breslau 1764-1773. - Noch im April 1786 hat Hegel

aus diesem Buch exzerpiert: vgl. Band 3 dieser Ausgabe. 10.26 Rammler] d. i. die deutsche Ausgabe von Batteux (siehe Anm. zu 10,4). 10.26 Riederer] Da nähere Angaben fehlen (und auch die Lesung des Namens unsicher ist - vgl. den textkritischen Apparat), kann R. nicht identifiziert werden. Vielleicht Philipp Jakob Riederer, seit 1776 Kirchenratskammerrat, gestorben 1806. 10,29 Ich ging mit Herrn Cleß spazieren.] Siehe Anm. zu 6,15. - Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Art der Darstellung desfolgenden Erlebnisses beeinflußt sein könnte durch das Vorbild Rousseaus. Dieser schildert in Buch 3 der Confessions einen Spaziergang, auf dem er - u. a. durch den Klang der Glocken - ganz eigentümlich ergriffen und beeindruckt wurde. Vgl. die Parallelisierung der beiden Texte, die]. M. Ripalda in seinem Buch The divided nation (Assen, Amsterdam 1977) durchgeführt hat, ebd. 182f. Die in Frage stehende Textstelle aus den Confessions findet sich in Rousseau: Oeuvres complètes. T. 1. Paris 1959. (Bibliothèque de la Pléiade.) 107f. 10.29 Graben] d. i. die heutige Königstraße. 10.30 grosse Gloke] Die sogenannte große Glocke hing im großen Turm der Stiftskirche (siehe Anm. zu 11,1). Sie hieß auch Guldenglocke, weil das Läuten einen Gulden kostete. (Vgl. Karl PfafF: Geschichte der Stadt Stuttgart. T. 1. Stuttgart 1845. 69.) 10.30 Schmidlins] Siehe Anm. zu 10,21. 11,1 Stadtturm] d. i. der große Turm der Stiftskirche. 11,1-2 moles ... arduis] Vgl. Horaz: Carmina. Buch 3, Nr 29. Vers 9-10: Fastidiosam desere copiam, et / Molem propinquam nubibus arduis. (Vgl. die in Anm. zu 8,19-21 ge­ nannte Ausgabe von Baxter-Gesner. 202.) 11,7-8 Prof. Cleß, der am Gymnasium den Unterricht in Philosophie und Religionslehre zu erteilen hatte (s. Anm. zu 6,15), war nach der uns bekannten Stundentafel für die Oberklasse u. a. Vertreterfür Prof. Hopf in Mathematik und Physik. So erklärt sich die Prüfung in den Körpern, die den Inhalt seines Gesprächs mit Hegel bildete und die dieser zum Anlaß nahm, hier und in denfolgenden Niederschriften des Tagebuches die Körperlehre nochmals zu rekapitulieren. 13-29 Um die lateinisch verfaßten Teile des Tagebuchs leichter überschaubar zu machen,

ANMERKUNGEN

535

geben wir hier in kurzer Form den Inhalt der einzelnen Eintragungen wieder, bevor die Anmerkungen zum Text (mit 13,19-20) fortgesetzt werden. - Eine vollständige deutsche Übersetzung der lateini­ schen Partien findet sich in: Der junge Hegel in Stuttgart. Aufsätze und Tagebuchaufzeichnun­ gen 1785-1788. Hrsg. von F. Nicolin. [Stuttgart] 1970. (Marbacher Schriften. 3.) 90-105. 29. 7. (1785). - Um seinen Stil zu üben, will H. eine bekannte Geschichte in lateinischer Sprache niederschreiben. Er durchläuft in aller Kürze die Geschichte Roms (Gründung, Könige, Konsuln, Volksaufstände, Korruption, Erschlaffung, Einbruch der Barbaren). 30. 7. - Anläßlich eines vor über 200 Jahren (1582) gedruckten Buches von Cicero meditiert H. darüber, wie die Erinnerung an Leben und Werk bestimmter Menschen bei der Nachwelt verblaßt. 31. 7. - Mangels eines anderen Themas: Nacherzählung der unglücklichen Geschichte von Adrastus und Atys. 1.8. —Fortsetzung der Geschichte von Adrastus. 2. 8. - Versuch, die Gründe für die Schwierigkeit der griechischen Sprache darzulegen. Die große Vielfalt des Griechischen erwachse daraus, daß das gebildete Griechenvolk wenig Umgang mit den Barbarenstämmen gepflegt, vielmehr die eigene Sprache ausgebildet habe. 3. 8. — (Fortsetzung.) Weitere Bereicherung der Sprache aufgrund der demokratischen Struktur des politischen Lebens. 4. 8. —(Fortsetzung.) Vielzahl und Eleganz der Partikeln. Unmöglichkeit, den griechischen Sprachrhythmus heute nachzuahmen. 7. 8. - H. hat zum erstenmal Gottesdienst und Predigt der Katholiken besucht. Die Messe mißfiel ihm, während ihn die den konfessionellen Zwiespalt überbrückende Toleranz der Predigt Werkmei­ sters sehr beeindruckte. 8. 8. —Heute in der Schule Beginn der Lektüre des >ausgezeichneten Geschichtswerkes< von Livius. 9. 8.- H . rekapituliert aus dem Unterricht ein Beispiel für die Wertschätzung, die Livius schon unter seinen Zeitgenossen auch außerhalb Roms genoß. 2 1 . 8 . - Erneuter Besuch des katholischen Gottesdienstes mit einer gebildeten und sehr klaren Katechismus-Auslegung durch den Hofkaplan Mayr. 22. 8. - H . stellt sich die Frage, welche Leidenschaft (perturbatio animij die meisten Mißge­ schicke über die Menschen gebracht habe; er will die Auswirkungen der einzelnen Leidenschaften analysieren. 23. 8. - Zweifellos habe die Ehrsucht, in Verbindung mit Machtgier, das meiste Unglück ver­ ursacht. Beispiele: die Kriege des Altertums, die Zweikämpfe unter Akademikern. 24. 8. - (Fortsetzung.) Unter den ungebildeten Völkern gebe es keinen anderen Ansporn zur Tugend als die Ehre. Von unseren germanischen Vorfahren sei bekannt, daß sie große Gebiete ver­ wüstet hätten, um zu Ansehen zu gelangen. 9. 12. 1785.-N ach längerer Unterbrechung beschließt H., das Tagebuch fortzuführen und so auch die Übung des lateinischen Stils wieder aufzunehmen. Rückblick auf die vergangenen Monate: Trotz Unwohlseins Teilnahme an den Prüfungen in der Schule (4./5. September). Unmittelbar danach schwere Krankheit. Am 2. Oktober mußte ein großes Geschwür im Nacken aufgeschnitten werden (Ärzte: Mohrstatt und Consbruch). Heilung der Wunde in ca. 30 Tagen. Ab 31. Oktober wieder regelmäßiger Besuch der Schule. 10. 12. 1785. - Andere Ereignisse während dieser Zeit: Freund Duttenhofer ging nach Tübingen. Es starben der berühmte Moser, Hochstetter und v. Herzberg. 11. 12. 1785. - Inzwischen auch Vermehrung von Hegels kleiner Privatbibliothek um Bücher von Livius, Ernesti, Cicero, Campe, Home und Seneca. 12. 12. 1785. - Es stellt sich die Frage, ob beim privaten Studium Wiederholung des Gelernten oder Vorbereitung des Neuen besser sei. H. bevorzugt die erstere, weil so der unter Anleitung des Lehrers erfaßte richtige Sinn des Ganzen sich einpräge, während aus eigener Vorbereitung vielfach Falsches hängenbleibe. - Abends ein öffentliches Konzert in Anwesenheit fremder Adeliger.

536

ANHANG

13. 12. 1785. —Heute feierliche Prüfung der Sitten und Kenntnisse, sogenannter Durchgang, in Klasse VI, am Vortag in Klasse VII. 14. 12. 1785. —Gestern Beginn des Weihnachtsjahrmarktes. Schilderung des Trubels in der Stadt. Aufzählung der Beschäftigungen an den zwei Ferientagen. — Ausblick auf die bevorstehende Pflicht, den Professoren zum Neujahrstag Glück zu wünschen. 15. 12. 1785. - Entschlossenheit, in diesem Winter besondere Anstrengung auf das Lateinische zu verwenden; Förderung dieses Bemühens durch den Lehrer Hopf Bericht über den Beginn einer deut­ schen Übersetzung und Erklärung von Ciceros >Tusculanen< — ein Vorhaben, das jedoch aus jugend­ licher Unbeständigkeit< schon bald wieder aufgegeben wird. 16. 12. 1785. —Beschreibung eines nächtlichen Brandes in der Nachbarschaft, bei dem H. mit seinem Vater zu helfen suchte. 17. 12. 1785. —(Fortsetzung.) Verschiedene Meinungen über die Ursache des Brandes. Wahr­ scheinlich habe eine unvorsichtige Tochter des Präzeptors das Feuer ausgelöst. 21. 12. 1785.-Wintersonnenwende und Fest des hl. Thomas. Tröstlich, daß die Tage wieder länger werden. Kleines Konzert im Hegelschen Hause; Anwesenheit des Oberst Rau, der den oberen Teil des Hauses bewohnt; andere Besucher. 22. 12. 1785. —Wiederaufnahme der vor der langen Krankheit behandelten Frage nach den Aus­ wirkungen der Leidenschaften (vgl. 22.-24. 8.). Nachtrag zu der schon damals betrachteten Ehr­ sucht. 23. 12. 1785. - Fortsetzung des Themas mit der Erörterung von Geldgier und Habsucht, mit der sich andere Laster — Treulosigkeit, Hartherzigkeit, Betrug — verbinden. 25. 12. 1785. - Festtag unseres Erlösers. Von den Geschenken, die H. erhielt, findet er Schellers lateinisches Lexikon am erfreulichsten. I.1. 1786. —Mit Gottes Segen Beginn des neuen Jahres. In diesen Tagen Kauf von Schellers >Anleitungen zum guten lateinischen Stih. II.2. 1786.-59. Geburtstag des Herzogs. Die Morgenpredigt hat H. nicht besucht. Nähere Schilderung der Festrede Prof Schmidlins im Gymnasium über die Verdienste des Herzogs um Wissen­ schift und Bildungswesen in Württemberg. 15.2. 1786. - Zur Vorbereitung der im Sommer stattfindenden Redeübungen will H. hier im Tagebuch bereits ein Konzeptfür seinen Vortrag ausarbeiten: Prolog über Einrichtung und Gegenstand dieser Übungen, Hauptteil über Nutzen und Nachteil des geselligen Umgangs, Nachwort mit Danksagung an die Lehrer und Lob der Beredsamkeit. 16. 2. 1786. - Ausarbeitung des Konzepts im einzelnen. Über den notwendigen Zusammenklang von Stimme, Gestik, Sprachform und Inhalt des Vorgetragenen. Die Wahl des Themas seifreigestellt, 18. 2. 1786.—(Fortsetzung:) doch solle letzteres möglichst aus einem dem Schulleben benachbarten Gebiet entnommen werden. Darum sei es wohl passend, über den geselligen Umgang zu sprechen. Der Zug zur Geselligkeit sei uns von Natur mitgegeben. Zwar lobten erfahrene Leute und besonders Denker die Zurückgezogenheit, doch gebe es nur wenige, die ganz abgesondert lebten. Einsamkeit und Geselligkeit: beides habe seine Zeit und sein Maß. 21. 2. 1786. — Von Vorteil sei vor allem der Umgang mit älteren und mit gebildeten Menschen. Aus übermäßigem und verkehrtem Umgang mit anderen aber entspringe Übles: Zerstreutheit, Zeit­ verlust usw. Besondere Verpflichtungen hätten Vorgesetzte im Verkehr mit Untergebenen. Durch den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht seien schon viele zugrunde gegangen. Dennoch müsse man ihn pflegen. Wer unter den Menschen glücklich werden möchte, müsse seine Schlacken abstoßen; das könne nirgends besser geschehen als in Gesellschaft der Frauen... Ansatz zur Schlußformel der Rede. (Nach dem auf deutsch abgefaßten und vom 6. 3. bis 21. 3. 1786 niedergeschriebenen Aufsatz Uber das Exzipiren (24,21-27,33) folgen nochmals einige lateinische Eintragungen aus dem gleichen Zeit­ raum:) 11. 3. 1786. - H. stößt sich daran, daß man über die Irrtümer der Heiden und die religiösen Vor-

ANMERKUNGEN

537

Stellungen der Alten spotte. Der ihnen zugeschriebene Aberglaube, daß die Welt von einem guten und einem bösen Geist regiert werde, finde sich bei näherem Zusehen auch in unserem Zeitalter. 15. 3. 1786. - Wenn man glaube, daß rechtschaffene Menschen von Engeln behütet seien, die sich von schlechten Menschen zurückzögen, oder sage, daß Gottes Hilfe von denen, die Unrecht täten, gewichen sei, so widerspreche das der göttlichen Vorsehung: diese habe zwischen die unfreien Tiere und die nur auf das Gute gerichteten Engel den Menschen stellen wollen, der frei zwischen Gutem und Bösem wähle. - Der Irrtum der Heiden, die den Zorn der Götter durch Fasten und Opfer zu beschwich­ tigen suchten, finde sich auch bei vielen Christen, Lutheranern wie Katholiken. 18. 3. 1786. —Aus einem kleinen Buch notiert H. die Feststellung, derjenige sei in der Schule der Erfahrung weit fortgeschritten, der sich angewöhnt habe, über nichts in Zorn zu geraten. Unbe­ schadet dieses kostbaren Rates sei es aber keine Tugend, über schändliche Vergehen nicht aufgebracht zu sein. 13,19-20 Ciceronis officia et dialogi...] Das hier geschilderte Buch ist im Katalog von Hegels Bibliothek (Nr 498) noch verzeichnet: M. T. Ciceronis de officiis lib. III. Cato maior, sive de

senectute. Laelius, sive de amicitia. Somnium Scipionis. Paradoxa. Sylloge lib. de Repub. Post postremam Naugerianam et Victorianam correctionem. Emendata ä Ioanne Sturmio. Cum Indice locuplettissimo. Additae etiam sunt Erasmi Roterodami, etPhilippiMelanchthonis, et Bartholomaei Latomi annotationes in eosdem libros. Omnia, quam antehac, et locupletiora et emendatiora. (Argentorati: excudebat Iosias Richelius) 1582. 14.2 Die im folgenden von Hegel wiedergegebene Erzählung von Adrastus, dem Sohn des Phrygerkönigs Gordios, geht zurück auf Herodot: Historiae. Buch 1, Kap. 34-45. Trotz der Zu-

sammendrängung des Ganzen auf eine Inhaltsangabe enthält Hegels Text noch eine Reihe wörtlicher Anklänge an das griechische Original. 14.3 Croesum] Kroisos, (letzter) König von Lydien ca. 560-546, gest. um 525 v. Chr. 15.19 Daß Hegel den katholischen Gottesdienst besuchte, war offenbar nichts Singuläres. Siehe Posselts Wissenschaftliches Magazin für Aufklärung. Bd 2. Leipzig 1786. 377f: Seitdem das katholische Ministerium des Landesherm in erwähnten beyden Residenzen [d. i. Stuttgart und Ludwigsburg] aus Männern besteht, die um Litteratur und Kanzelwohlredenheit entschiedenes

Verdienst haben; seitdem die Katholiken daselbst eine bessere Liturgie und ein geschmack­ volleres Gesangbuch haben, als die evangelische Gemeinden, seitdem werden die katholische Hofkapellen von Protestanten so fleißig besucht, daß ihre Geistlichen schon öffentlich dawider zu eifern, Ursach hatten. ... Den Kanzelvortrag der Protestanten findet man fade, trokken und geschmacklos, und die Predigten der katholischen Geistlichen so schön, so erbaulich, daß man nicht weiß, ob man einem katholischen oder protestantischen Gottesdienst beywohnt. Solche Urtheile hört man allenthalben, und man würde sichs zur Schande rechnen, wenn man nicht zuweilen die so berühmte katholische Kanzelredner hörte, um solche Ur­ theile mit seinem eigenen Urtheil unterstützen zu können. Vgl. auch Friedrich Nicolai: Be­ schreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz, im Jahre 1781. Bd 10. Berlin und Stettin 1795. 117f.

15.20 Werkmeister] Benedikt Maria Werkmeister (1745—1823), katholischer Theologe, Benediktiner der Abtei Neresheim, 1784—93 Hofprediger in Stuttgart; 1795 Pfarrer in Steinbach b. Eßlingen, 1807 Geistlicher Rat, Mitverfasser der königlichen Schulordnung von 1808, 1816 Mitglied der Oberstudiendirektion, 1817 Oberkirchenrat. - Vertreter des aufgeklärten Katholizismus. Als Hof­ prediger reformierte er im Aufträge des Herzogs Karl Eugen den katholischen Gottesdienst in der Stuttgarter Hofkapelle undführte eine deutsche Liturgie ein. 16.3 in Collegio] Zur Unterscheidung von Collegia und Lectiones im Unterricht des Ober­ gymnasiums siehe Anm. zu 30,24-25. 16.3 Prof. Clessii] Siehe Anm. zu 6,15. 16.3 Livii historias] Die Historiae ab urbe condita des Livius finden sich während der Schul-

538

ANHANG

zeit Hegels noch nicht im Plan des öffentlichen Unterrichts. (Erst 1791 wird angeordnet, daß anstelle von Cornelius Nepos am Obergymnasium künftig Livius behandelt werden solle.) — Vgl. auch unten Anm. zu 18,11; dabei ist zu beachten, daß die dort genannte Ausgabe nach Hegels Aussage am 10. Dezember schon lange (jam dudum 18,10) in seinem Besitz ist. 16,8 Livius ... floruit] Titus Livius Patavinus, 59 v. Chr. - 17 n. Chr.; schrieb ab etwa 28 v. Chr. an seinem Geschichtswerk Ab urbe condita libri. Regierungszeit des ersten römischen Kaisers Augustus: 27. v. Chr.-14. n. Chr. 16.9-10 in praefatione operis...] Hegel scheint sich zu beziehen auf Livius: Ab urbe condita libri. Vorrede, § 5. 16.10-15 Die hier geschilderte Begebenheit ist überliefert bei Plinius: Epistolae. Buch 2, Nr 3,

$ 8.

16,17 Majer] Ulrich Mayr (1741-1811), katholischer Theologe, Zisterzienser aus dem Reichs­ stift Kaisersheim b. Donauwörth, seit 1785 Hofprediger; »ein Mann von großer Belesenheit, von freier, unabhängiger Denkkraft, von menschenfreundlichem und offenem Charakter« (]. B. Sägmüller: Die kirchliche Aufklärung am Hofe des Herzogs Karl Eugen von Württemberg. Freiburg 1906. 119). 16.30 Alexander der Große, 356-323 v. Chr., seit 336 König von Makedonien, kämpfte gegen Dareios III. (336 König von Persien, 330 ermordet), besiegte ihn 333 und durchzog das ganze Perser­ reich. 16.31 Timurem] Timur, mongolischer Eroberer, 1336-1405, beherrschte ganz Mittelasien (Hauptsitz: Samarkand), unterwarf auf grausamen Kriegszügen Persien, Kaukasien, Syrien, Teile Indiens. - Schröckhs Allgemeine Weltgeschichte (siehe Anm. zu 3,14) geht in der Darstellung der Geschichte der Mogolen ausführlich auf die Persönlichkeit und die Eroberungszüge Timurs ein (vgl. Bd 2. 400-403). 17,13-14 examen nostrum ...] Über die Prüfungen am Gymnasium berichtet Haug in seiner Jubiläumsschrift von 1786: Visitatio Consistorii ipsius, quae vocatur, tantum non annua, examen maxime est solemne, ubi ne unus quidem naevus Gymnasii, cujuscunque generis sit, tot oculos vel fugere potest, vel medela caret. ... Obtinet porro apud nos annua quaedam supellectilis litterariae, adversariorumque, quae vocamus, a discipulis curandorum, lustratio, a Rectore cum professoribus viritim instituenda. Sequuntur alia duo examina sub finem cujusque semestris a Rectore et seniore collegii hic illic habenda: solis vero thematum elaborationibus sacra, et futurae locationis, Consistorio exhibendae, materia. (Haug. 119f; vol. auch Lang. 272.) Bei der von Hegel erwähnten Prüfung vom 4.f5. September handelt es sich also um das Schlußexamen des Sommerhalbjahres, das am 29. September (Michaelis) endete. Aus den Konsistorialprotokollen (Sitzungen vom 27. 9. 1785 und 10. 1. 1786) geht hervor, daß dieses Examen mit einer Visitation verbunden war. 17.23 Mohrstadtii] Johann Heinrich Morstatt (1736-1801), geb. in Lahr/Breisgau, seit 1757 als Feldscher in württembergischen Diensten, 1781 Dr. med. in Tübingen, dann Lehrerfür Osteologie und Anatomie an der Hohen Karlsschule, 1782 Regimentsmedikus (Nachfolger Schillers). 17.24 Conspruchii] Johann Friedrich Consbruch (1736-1810), besuchte das Stuttgarter Gymna­ sium, stud. Medizin in Tübingen, 1759-71 Physikus in VaihingenjEnz, 1772 Dr. med., 1776 Prof an der Militärakademie, 1782 Prorektor der Hohen Karlsschule, seit 1780 Herzoglicher Leibarzt; als Arzt in Stuttgart sehr beliebt. 18.4 Duttenhoferum] Siehe Anm. zu 3,27. 18.5 Moser] Johann Jakob Moser (1701-1785), Staatsrechtslehrer, fruchtbarer Publizist, 17511770 Landschaftskonsulent in Württemberg, Verfechter der verfassungsmäßigen Rechte der Unter­ tanen gegenüber dem Herzog, 1759-64 Haft auf dem Hohentwiel. — Vgl. Schwäbischer Merkur. Stuttgart. Jg. 1785 (Oktober-Dezember), Nr 1: Zu Stuttgart starb den 30. September Nachts

um halb zwölf Uhr an einem Schlagfluß, ohne vorher krank zu seyn, der berühmte Johann

ANMERKUNGEN

539

Jakob von Moser, Königlich Dänischer Etats-Rath; ein Mann, der in Allem ausserordentlich war, ausserordentliche Gesundheit und Geistes-Kräften besas, ausserordentliche Schicksale erlebte, ausserordentlich Vieles arbeitete, dessen Fähigkeiten sich früher entwickelten als bei Ändern, und gleichwohl bis in sein 83stes Jahr ununterbrochen wirkten. 18.7 Hochsteter] Christian Friedrich Hochstetter, geb. 1707 in Tübingen, Kirchenratsdirektor, 1779 von Joseph II. geadelt, gest. 2. November 1785 in Stuttgart. 18.8 de Herzberel Ludwig (Friedrich) Christian von Herzberv, Herzoglicher Kammerherr,

geb. 1730, gest. 20. Nov. 1785. 18.11 Livium] Es handelt sich wohl um folgende Ausgabe, aus der Hegel einige Wochen später exzerpiert hat (vgl. Band 3 unserer Ausgabe): T. Livii historiarum libri qui supersunt ex

editione et cum notis Ioannis Clerici. Adiecta est diversitas lectionis Gronovianae. Cum Praefatione Io. Matthiae Gesneri. T. 1-3. Lipsiae 1735. Indirekt wird die Edition auch erwähnt in dem am 14. 3. 1786 niedergeschriebenen Passus der Abhandlung Uber das Exzipiren: vgl. 27,1-7 mit Anm.

18.11 Emesti Clavim] Io. Aug. Ernesti: Clavis Ciceroniana sive indices rerum et verborum philologico-critici in opera Ciceronis... Lipsiae 1739. - Editio quarta: Halae 1777. Im

Katalog von Hegels Bibliothek fehlt das Buch; doch ist es nachgewiesen in einem privaten Verzeichnis der Bücher, die sein ältester Sohn, der Historiker Karl Hegel, bei seinem Tode hinterließ, und zwar in der 3. Ausgabe (Halae 1769). 18.12 Ciceronis Epistolas] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 608) befand sich folgende Aus­ gabe: M. Tullii Ciceronis epistolae ad Atticum, Brutum, et Q. fratrem. Amsterdami 1632.

18.12-13 Theophronem Campei] Joachim Heinrich Campe: Theophron, oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahme Jugend. Ein Vermächtniß für seine gewesenen Pflegesöhne, und für alle erwachsnere junge Leute, welche Gebrauch davon machen wollen. 2 Teile. Ham­

burg 1783. - Eine andere Ausgabe erschien in Tübingen 1783, ferner im gleichen Jahr ein Nachdruck in Frankfurt und Leipzig. Da das Buch im Katalog von Hegels Bibliothek nicht aufgeführt ist, muß offenbleiben, welche der genannten Ausgaben er besessen hat. Spätere Ausgaben kommen nicht mehr in Frage. 18.13-14 Homei artem Criticam] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 678f) befand sichfolgende Ausgabe: Heinrich Home: Grundsätze der Kritik. Aus dem Englischen übersetzt von Joh. Nikolaus Meinhard. Bd 1. 2. Leipzig 1772. 18.15 LoefFleri] Siehe Anm. zu 6,29. 18.15 Senecae opera] In Hegels Bibliothek (Katalog, Nr 605) befand sich folgende Ausgabe: Lucii Annei Senecae Cordubensis Hispani opera philosophica. Halae 1762. 18,26-27 Vgl. Schwäbischer Merkur. 1785, Nr 22 (16. Dezember): Stuttgart, den 13. Dec.

Gestern Abends geruheten Se. Herzogl. Durchl. einem in dem grossen Hörsaal der Herzogl. Hohen Carls-Schule abgehaltenen Concert anzuwohnen. Die Königl. Französisch- und Preußische Herren Gesandte und der ganze Hof waren dabei versammelt, auch andere Perso­ nen von Stand beiderlei Geschlechts hatten den Zutritt. Sr. Herzogl. Durchl. wurde allda der Kaiser!. Königl. Obrist und Commendant des würklich auf dem Marsch in den Herzogl. Landen befindlichen Migazzischen Regiments, Graf von Wolkenstein nebst dessen Gemalin, durch des Herzogl. Obrist-Kammerherm Graf von Picklern Excell. präsentirt. 19,2-4 Der hier geschilderte Prüfungsvorgang läßt sich nach den uns bekannten Satzungen und Vorschriften nicht klar einordnen. Das Wort Durchgang bezeichnet in der schwäbischen Amtssprache »bei den höheren Beamten die nach Visitationen erfolgende Besprechung der Leistungen, in den Seminarien auch die semesterliche Zeugnisverteilung durch den zuständigen Professor« (Fischer. Bd 2. 484). In der ersten Bedeutung findet sich das Wort auch bei Lang ( 153, 157) belegt als Durchgang der Professoren und Präzeptoren anläßlich der jährlichen Visitation. Eine solche Visitation ist aber hier, obgleich Hegel von sollemnis perlustratio spricht, nicht anzunehmen, da das Gymnasium erst

540

ANHANG

im September visitiert worden war (vgl. Anm. zu 17,13-14). Zudem gebraucht Hegel das Wort im Hinblick auf die Schüler, in einem der oben zitierten zweiten Bedeutung ähnlichen Sinne. Dabei ist der ungewöhnliche Termin zu beachten. Allerdings wurde nach Ausweis der Konsistorialprotokolle Rektor Tafinger am 18. November 1785 ermahnt, die im Herbst fälligen, noch nicht vorgenommenen Lokationen der beiden Oberklassen binnen 14 Tagen einzuschicken. Erst in der Sitzung am 10. 1. 1786 behandelte das Konsistorium die inzwischen vorgelegten Lokationen. Vielleicht hängt der Durch­ gang vom 12.113. Dezember hiermit zusammen. Oder ist auch an die von Haug erwähnte lustratio (Anm. zu 17,13-14) zu denken? 19,11 Feriae] Die Ferienpraxis am Gymnasium hielt sich offenbar nicht streng an die diesbezügzüglichen Verordnungen. Die Statuten von 1686 sahen vor, daß es regulär nur jährlich in dem Herbst 14. Tag zusammenhängende Ferien gab und außerdem in zweyen Jahrmärkten, jedesmal 2. Tag, erlaubt seyn (5 . Reyscher. Bd 11, Abt. 2. 147). Lang berichtet aber von einem Visitations­ rezeß des Jahres 1781, der zur Beruhigung des Publikums, welchem es bedenklich fället, daß von

den Tagen des Jahrs über 100 Tage abgehen, in denen der öffentliche Unterricht stillesteht,

eine Beschränkung der zur Gewohnheit gewordenen Ferien anordnete. Danach sollte es während des Frühlings- und Herbstmarktes weiterhin je zwei schulfreie Tage geben, nicht aber zum Weihnachts­ markt (vgl. Lang. 262). Das von Hegel hier notierte Faktum widerspricht dieser Regelung. Unklar bleibt im übrigen in seiner Niedersehrijt, wie sich der am 13. Dezember in der 6. Klasse vorgenommene Durchgang zu der Tatsache der Feriae an diesem und demfolgenden Tag verhält. 19,18 Hopfio] Siehe Anm. zu 10,7. 19,20-21 quaestiones Tusculanae] d. i. M. Tullius Cicero: Tusculanae disputationes. In den älteren Ausgaben trägt das Werk meist den Titel: Tusculanae quaestiones. 19,26-20,5 Vgl. hierzu K. Pfaff: Geschichte der Stadt Stuttgart. T. 2. Stuttgart 1846. 328:

Am 15. December [1785] um 11 Uhr Nachts entstand in dem Hause des Präceptors Faber auf dem Graben eine Feuersbrunst, welche den Dachstuhl und einen Theil des obern Stocks ver­ heerte ; nur dem Eifer der schnell herbeieilenden Löschmannschaft gelang es, größeres Unglück zu verhüten... 20,9 filiae Domini Praeceptoris] Tobias Friedrich Faber (1734—1804), 1756 Magister, seit 1759 Präzeptor am Untergymnasium zu Stuttgart. Hegel muß bei ihm im Schuljahr 1781/82 die Klasse IV durchlaufen haben. - Faber hatte zwei Töchter (geb. 1761 und 1763). 20,15 S. Thomae] Ein Apostelfest, daher schulfrei (vgl. Anm. zu 5,7). 20.17 nostra domo] Seit 1776 wohnte die Familie in einem damals von Hegels Vater erworbenen Haus in der Röderschen Gasse (später Lange Gasse, heute Lange Straße), unweit des Großen Gra­ bens, d. i. der heutigen Königstraße, und des Gymnasiums, das Hegel besuchte (siehe Anm. zu 3,20). Eine kurze, das Haus beschreibende Aktennotiz aus den Erbschaftsverhandlungen von 1799 ist abge­ druckt in: Briefe von und an Hegel. Bd 4, Teil 1. 13. Das Gebäude ist nicht erhalten. Eine frühere Fotografie ist wiedergegeben in dem Ausstellungskatalog von F. Nicolin: Hegel 1770-1970. Stuttgart 1970. (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart. Sonderband 2.) Neben S. 30. 20.18 Oberst de Rau] Otto Wilhelm Alexander Rau von und zu Holzhausen (1735—1825), seit 1773 Obrist, Kommandeur des Regiments von Auge, in dem Schiller als Regimentsmedikus angestellt war. 20.19 Moser] Wolfgang Jakob Moser (1744-1810), 1777 Supernumerarius, 1794 Wirklicher Geheimer Sekretär; seit 1768 verheiratet mit Christiane Friederike Zorer (1748-1818), Tochter des Rentkammer-Expeditionsrats Matthäus Philipp Zorer. 20.20 Günzler] Johann Ghristoph Günzler (1748-1803), seit 1774 Kirchenrats-Sekretär, 1796 Expeditionsrat im Kirchenrat, verheiratet mit Johanna Dorothea Zorer (1750-1818), Schwester der Christiane Friederike Zorer (siehe vorige Anm.); Stiefbruder von Hegels Vater. 20.20 Zorer] Benjamin Friedrich Zorer (1752-1791), Kanzleiadvokat, ab 1786 Kirchenratssekretär, ein Bruder der in den beiden vorigen Anmerkungen genannten Schwestern Zorer.

ANMERKUNGEN

541

21,12 Schelleri Lexicon] Imman. Joh. Gerhard Scheller: Ausführliches und möglichst vollständiges lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Lexicon oder Wörterbuch, zum Behufe der Erklärung der Alten und Uebung in der lateinischen Sprache. 2 Teile. Leipzig 1783-84. —Wohl kaum gemeint ist Schellers kleines lateinisches Wörterbuch, worin die bekann­ testen Wörter verzeichnet ... sind. Leipzig 1780. 2. Aufl. Leipzig 1781. 21,16 Schelleri praecepta] Imman. Io. Gerh. Schelleri praecepta stili bene Latini in primis Ciceroniani seu eloquentiae Romanae... P. 1.2. Lipsiae 1779. Editio altera auctior et emendatior Lipsiae 1784.

21.19 nostri ducisj Karl Eugen (1728-1793), Herzog von Württemberg und Teck, Graf zu Mömpelgard, Herr zu Heidenheim, regierte seit 1744. Sein Geburtstag wurde an den Bildungsanstalten des Landes stets festlich begangen. 21.20 concionem] Vgl. Schwäbischer Merkur. 1786, Nr 14 (17. Februar): Den 11. Febr.

wurde der Höchsterfreuliche GeburtsTag des Durchlauchtigsten regierenden Herzogs von Wirtemberg in dem ganzen Lande gefeiert, und in allen Kirchen über die Worte aus dem Buch der Weisheit Cap. 9, V[ers] 1-7 und 9-12 geprediget. 21.21 orationem in Gymnasio] Vgl. Schwäbischer Merkur, a. a. O.: In der Hohen KarlsSchule hielt der Professor Drück und im Gymnasium der Professor Schmidlin, öffent­ liche Reden. - Zu dem Redeakt lud Schmidlin (über ihn siehe die folgende Anm.), wie es Brauch war,

mit einer gedruckten lateinischen Programmschrift ein. Darin behandelt er in kurzen Zügen die Ge­ schichte der Künste und Wissenschaften in Württemberg. Gegen Ende verweist er darauf daß trotz der Kriegswirren zu Beginn des 18. Jahrhunderts der hohe Stand des Bildungswesens erhalten blieb, und schließt: Idemque porro sub auspiciis Caroli Alexandri mansit ad tempus usque Serenissimi

Ducis nostri Caroli, cuius de re scholastica merita quamvis apud omnes sint pervulgata, totique Wirtenbergiae, quid ? quod universo orbi literario nota, non tarnen abs re erit, ea singulatim, licet in compendio, recensere. Atque hoc argumentum esto orationis, futuro die XI. Februarii, eidem Clementissimo Principi nostro natali, hora post meridiem secunda in Auditorio maiori illustris huius Gymnasii publice habendae, quam ut Patroni, Fautores, Amici nostri dementer, benevole ac patienter audire velint, submisse, reverenter et officiose rogamus. 21.21 Schmidlii] Johann Christoph Schmidlin (1745-1800), 1765 Magister, seit 1776 Profes­

sorfür Geschichte und Geographie am Gymnasium in Stuttgart, 1796 Rektor daselbst. 21.23 Tubingensi ... Universitate] Seit 1767 war Karl Eugen Rektor der Universität Tübin­ gen. 1769 fügte er der Benennung der Universität, die bisher nach ihrem Stifter »Eberhardina« hieß, seinen eigenen Namen hinzu; sie hieß fortan »Eberhardino-Carolina«. Das Interesse des Herzogs an der Universität erlosch jedoch nach Gründung der Karlsschule in Stuttgart. 21.24 nostro Gymnasio] Siehe Anm. zu 3,20. 21.24 scholis claustralibus] Im 18. Jahrhundert gab es in Württemberg vier Klosterschulen: Be­ benhausen, Maulbronn, Blaubeuren, Denkendorf. Diese Schulen bildeten für die zur Theologie Be­ stimmten den Übergang von der Lateinschule zum Tübinger Stift, entsprachen also etwa der Oberstufe des Gymnasiums. In jährlichem Wechsel wurden ausgesuchte Lateinschüler als herzogliche Alumnen in Denkendorf oder Blaubeuren aufgenommen. Nach zwei Studienjahren setzten sie ihre Ausbildung fort in Maulbronn bzw. Bebenhausen, von wo sie - wieder jahrgangsweise wechselnd - nach Tübingen kamen. (Vgl. Röder: Geographie und Statistik Wirtembergs. Laybach 1787. 104.) 21.25 scholae triviales latinae] In mehr als 50 Landstädten Altwürttembergs gab es, meist seit dem 16. Jahrhundert, Lateinschulen (auch Particular- oder Trivialschulen genannt). Sie waren zusam­ mengefaßt zu den Bezirken »ob der Steig« und »unter der Steig«; den ersten Bezirk beaufsichtigte der Pädagogarch in Tübingen, den zweiten der Pädagogarch in Stuttgart, d. i. der Rektor des dortigen Gymnasiums. Die Schulen umfaßten je nach örtlichen Verhältnissen bis zu vier Klassen und ent­ sprachen nach Lehrstoff und Methode etwa der Unterstufe des Gymnasiums. Vgl. Geschichte des humanistischen Schulwesens in Württemberg. Hrsg. von der Württembergischen Kommission

542

ANHANG

für Landesgeschichte. Band 3: Geschichte des altwürttembergischen Gelehrtenschulwesens. Halbband 1: Geschichte der Lateinschulen. Stuttgart 1927. 21,25 quas vocant Germanae] Die Organisation der (dreiklassigen) deutschen Schulen wurde in Württemberg schon durch die Große Kirchenordnung von 1559 in ihren Grundlinien geregelt, später dann vor allem durch die Schulordnung von 1729 differenziert. In jedem Dorf war eine deutsche Schule zu unterhalten. 21.26-27 institutio Academiae ...] Die auf den Vorstufen eines »militärischen Waisenhauses« und einer »militärischen Pßanzschule« aufbauende »Militärakademie« wurde 1773 auf der Solitude bei Stuttgart eingerichtet, 1775 nach Stuttgart verlegt (Nebengebäude zum Schloß). Nach und nach mit einer juristischen, medizinischen und philosophischen Abteilung ausgestattet, wurde sie 1781 vom Kaiser zur Hochschule mit Universitätsrang ernannt; offizieller Name seit 1782: »Herzogliche CarlsHohe-Schule«. Nicht durch Landesverfassung bestätigt, wurde sie nach dem Tode von Karl Eugen 1794 wieder aufgehoben. 21.28 ecole] Als Gegenstück zur militärischen Pßanzschule wurde 1773 in Ludwigsburg eine Ecole des Demoiselles (kurz »Ecole« genannt) eröffnet, die 1775 ebenfalls nach Stuttgart verlegt wurde. Der Unterricht entsprach in seiner Gestaltung dem der Akademie und wurde von deren Lehr­ kräften erteilt. Eine nähere Beschreibung der Schule gibt Balthasar Haug in: Zustand der Wissen­ schaften und Künste in Schwaben. Erstes Stück. Augsburg 1781. 124f. Schon 1790 wurde das Institut wieder aufgehoben. 21.29 peregrinantium] Herzog Karl Eugen und seine Gattin machten vom 3. Februar bis 9. März 1786 eine Reise nach Helmstedt, Hamburg und Schwerin. Vgl. Schwäbische Chronick auf das Jahr 1786. 15f, 23. 22,2 exercitationes] Die im Sommer stattfindende Redeübung gehörte zu den institutionellen öffentlichen Redeakten des Gymnasiums. Vgl. Haug. 122: Actus publici et oratorii nostra tem-

pestate plerumque celebrantur tres: sub natales S. Principis, sub finem cursus annui, qui valedictorius dicitur, et deinde exercitatio declamatoria publica, omnibus nostris auditoribus aestivo tempore communis. K. Rosenkranz hat noch eine Niederschrift Hegels für eine solche Redeübung

in der Hand gehabt: vgl. die Nachrichten über Verschollenes am Schluß dieses Bandes (413,3f). 23,11-12 vid. Zimmerm. Berol. Bibi.] Vgl. Allgemeine deutsche Bibliothek. Bd 61. Berlin u. Stettin 1785. 141-157: Rezension der beiden ersten Teile von Johann Georg Zimmer­ mann: Ueber die Einsamkeit (Leipzig 1784). - Siehe auch Anm. zu 32,17. 24,4-6 Venio jam ad consuetudinem sexus sequioris...] Vgl. Campe: Theophron (Anm. zu 18,12-13). Tübingen 1783. T. 1. 207 (= Frankfurt u. Leipzig. 209): Endlich ... laß mich

noch zuletzt einen Punkt berühren, der die Klippe ist, an welcher die Wohlfahrt der meisten jungen Leute zu scheitern pflegt. Ich meine den Umgang mit dem Frauenzimmer. 24,13-14 Habent ... monopolium] Vgl. Campe: Theophron. Tübingen 1783. T. 1. 208 (= Frankfurt u. Leipzig. 210): Sie [die Frauen] sind es endlich, welche sich das Monopolium des Lobes und des Tadels, des guten und bösen Rufes in der Geselschaft angemaßt haben... 24,24 Exzipiren] Dazu das Substantiv Exzeption (25,10), »in der württembergischen Gymna­ sialsprache dasselbe, was anderswo Extemporale heisst« (Fischer. Bd 2. 903f); in den Lehr- und Stundenplänen meist ausgewiesen als Extemporaneum (vgl. Lang. 286: »Exception eines Externporanei«) —so zu Hegels Zeit in der 6. und 7. Klasse wöchentlich mit je einer Stunde (Lang. 267). 25.27-31 Livii historiarum libri. Buch 4, Kap. 3, § 1—3: Quum maxime haec in senatu agerentur, Canuleius pro legibus suis et adversus consules ita disseruit: Quantopere vos, Quirites, contemnerent Patres, quam indignos ducerent, qui una secum urbe intra eadem moenia viveretis, saepe equidem et ante videor animadvertisse: nunc tarnen maxime, quod adeo atroces in has rogationes nostras coorti sunt, quibus quid aliud quam admonemus cives nos eorum esse, et si non easdem opes habere, eandem tarnen patriam incolere? (Zitiert nach der in Anm. zu 18,11 genannten Ausgabe. 258). - Canuleius, römischer Volkstribun 445 v. Chr.,

ANMERKUNGEN

543

brachte das nach ihm benannte Gesetz (lex Canuleia) ein, mit dem das conubium zwischen Patriziern und Plebejern gewährt wurde. 25,32-26,2 lucis... indignantur] Ebd. Kap. 3, § 8. Wörtliches Zitat. Vgl. die zu 18,11 ge­ nannte Ausgabe. 259. 26,19 Komponiren] »in der württembergischen Schulsprache: aus der Muttersprache in eine fremde übersetzen« (Fischer. Bd 4. 599). 27,1-7 Gesners Erklärung von der Kritik ...] Gemeint ist Gesners Praefatio zu seiner LiviusAusgabe (siehe Anm. zu 18,11), § 30: Inter haec crescit notitia cum magnis illis viris, et producta

aliquantum continuataque consuetudine, ius quasi ciuitatis Romanae paratus, eorumque, quae disci possunt ex antiquitate, vel notitia, vel requirendi certe idoneis locis facultas; tanta denique cum Tullio, Liuio, reliquisque, familiaritas, vt quemadmodum amicos, et familiares non intelligimus modo loquentes, sed vultu, habitu corporis, incessu, vocis denique sono etiam non visos agnoscimus, et ab aliis distinguimus, ita et intelligere quidam possint non tantum quid sibi verba antiquorum velint, sed etiam iudicare, sitne ille liber, illa formula, vox illa, eius viri, cuius nomen praefert, vel inter cuius verba legitur ? a qua iudicanti facultate Critici appellantur. Vgl. Hegels Exzerpt vom Februar 1786 (Band 3 dieser Ausgabe), das den latei­

nischen Originaltext Gesners zusammenfaßt und umstilisiert. 27.24 exponiren] Siehe Anm. zu 7,29. 30,21 erste Jahr in der siebenden Klasse] Hegel wurde zu Michaelis 1786 in die Klasse VII versetzt. 30,24-25 Ausser den öffentlichen Lektionen ...] Der Unterricht am Gymnasium gliederte sich folgendermaßen: Von 8—11 Uhr, im Sommer von 7-10, und nachmittags von 2—4 fanden die ordentlichen Unterrichtsstunden statt, die am Obergymnasium als lectiones publicae bezeichnet wurden. »Von ihnen wurden unterschieden und besonders bezahlt die teils zu Nachhilfstunden dienenden, teils den Unterrichtsstoff erweiternden collegia publica in den Stunden von 11—12 resp. 10—11 und von 4—5 Uhr (im Gymnasialgebäude) und die privata oder privatissima (in den Wohnungen der Profes­ soren).« (Otto Schanzenbach: Aus der Geschichte des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums. In: Festschrift zur Jubelfeier des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums in Stuttgart. Stuttgart 1886. 31.) - Da Hegel für das Kollegium bei Herrn Prof. Hopf (vgl. über ihn Anm. zu 10,7) in seiner StundenEintheilung die Zeit von 5 bis 6 Uhr angibt, scheint es sich dabei um ein Privatum gehandelt zu haben. 30.25 Longin] Im Katalog von Hegels Bibliothek (Nr 449) befand sich folgende Ausgabe, die Hegel möglicherweise für diesen Privatunterricht benutzte: Dionysius Longinus de sublimitate

ex recensione Zachariae Pearcii. Animadversiones interpretum excerpsit suas et novam versionem adiecit Sam. Fr. Nathan. Morus. Lipsiae 1769. - Rosenkranz hat noch eine von Hegel

verfertigte Übersetzung der Schrift Longins in Händen gehabt, vgl. unten 414,2-4. Im ordentlichen Lehrplan des Gymnasiums war Longin nicht vertreten. 30.26 Pflichten des Ciceros] Vgl. Anm. zu 13,19-20. — Die Lektüre von De officiis war, neben anderen Werken Ciceros, seit je auch lehrplanmäßig vorgesehen. 31,3 Exkurse Heyne’s] Vgl. P. Virgilii Maronis opera varietate lectionis et perpetua adnotatione illustrata a Chr. Gottl. Heyne. Accedit index uberrimus. T. 1-4. Lipsiae 1767-1775. Die mit Exkursen des Herausgebers versehenen 12 Bücher der Aeneis stehen in Band 2 und 3 (1771, 1775). - Die Exzerpte Hegels haben sich nicht erhalten. Auch Rosenkranz erwähnt sie nicht.

31,6 Lorenzens Mathematik] Johann Friedrich Lorenz: Die Elemente der Mathematik in sechs Büchern. T. 1: Die Arithmetik, Geometrie und Analysis. Leipzig 1785. 265-284: Von der Berechnung körperlicher Triangel, oder die sphärische Trigonometrie. 31,9 Sophiens Reise] [Joh. Tim. Hermes:] Sophiens Reise von Memel nach Sachsen. T. 1-5. Leipzig 1770-72. 2., stark vermehrte Ausg. T. 1-6. Leipzig 1774-76. 31,11-13 Deputirte von Eßlingen ...] 1764 hatte Herzog Karl Eugen einen aus früheren

544

ANHANG

Jahrhunderten herrührenden Schutz- und Schirmvertrag zwischen Württemberg und der Stadt Eßlin­ gen erneuert. Das in dem Vertrag festgelegte Schirmgeld wurde alljährlich am Neujahrstag von einer Eßlinger Deputation dem Herzog überreicht. (Vgl. K. Pfaff: Geschichte der Reichsstadt Eßlingen. Eßlingen 1840. 874ff). -D en Verlauf des 1. Januar 1787 schildert eine Zeitungsnotiz (Schwäbischer Merkur.^. 1787, Nr 3) folgendermaßen: Stuttgard, den 2. Jan. Gestern kamen Seine Herzogliche

Durchlaucht von Hohenheim aus hieher, und geruheten den von einer löbl. Landschaft und der unter Herzog]. Schuz stehenden löblichen Reichsstadt Eßlingen abgeordneten Deputirten die auf den Neujahrs-Tag gewöhnliche Audienz bei Hof zu ertheilen, ... Abends um 6 Uhr nahm das in dem grosen Hör-Saal der Herzogl. Carls-Hohen-Schule angeordnete Koncert seinen Anfang, wobei ausser dem ganzen Hof auch Honoratiores von beederley Geschlecht anwesend waren. Bei der Herzogl. Nacht-Tafel, welche nach dem Speisen der Zöglinge in dem Gebäude der Herzogl. CarlsHohenSchule abgehalten wurde, hatten neben den auswärti­ gen und einheimischen Herren A4inisters, einigen Dames, Generals und Kavaliers, auch obbemeldte Deputirte und einige Officiers und Professoren dieser HohenSchule die Gnade, mit beigezogen zu werden. 31,19-35 Diese Übersicht verzeichnet Hegels Arbeitsstunden außerhalb der Öffentlichen Lek­ tionen (siehe Anm. zu 30,24-25). Mittwochs- und Samstagsnachmittags fanden keine Lektionen statt,

so daß Hegel hier schon um 2 Uhr mit seinen privaten Arbeiten anfängt. Abgesehen von dem an fünf Nachmittagen vorgesehenen Kollegium bei Herrn Prof. Hopf (30,25) scheint es sich nur um Stun­ den der Eigenbeschäftigung zu handeln, von denen ein großer Teil wiederum den Gegenständen des Collegiums (Longin, Cicero) gewidmet ist. 31.20 Longin.] Siehe Anm. zu 30,25. 31.21 Repet. der Physik] Nach der im Dezember 1783 genehmigten Stundentafel (Lang. 267) hatte die 7. Klasse montags von 2—3 Uhr Physik bei Prof. Hopf. 31.21 Hebdomad.] Siehe Anm. zu 5,32. Das Stundenschema verzeichnet für Klasse VII das Hebdomadarium dienstags um 2 Uhr bei Prof. Kielmann. Die beiden Stunden am Donnerstagnach­ mittag, die Hegel für das Hebdomad [arium] reserviert, sind offenbar der Ausarbeitung der schrift­ lichen Hausaufgabe gewidmet; diese mußte vermutlich am folgenden Tag abgeliefert werden. 31.22 Cicer. offic.] Siehe Anm. zu 30,26. 31.30 Virgils Übersezung] Laut Stundenplan von 1783 (Lang. 267) hatte die Klasse VII am Mittwoch in der dritten Stunde unter Prof. Offterdinger Virgil zu behandeln; somit würde Hegels hier angesetzte private Beschäftigung mit Virgil der Vorbereitung für die Lektion am folgenden Tage dienen. 31.31 Homeri Iliad.] Unter den offiziellen Lehrgegenständen finden wir die Ilias nicht auf­ geführt. Jedoch erwähnt einige Jahre später ein Tagebuch von Hopf (vgl. Lang. 287) Privatkollegien über das Werk Homers; daraus kann geschlossen werden, daß Hegels Homerlektüre - die übrigens nach Rosenkranz (Hegel’s Leben. 11) schon im Juli 1786 einsetzte - nicht völlig eigener Initiative entsprang. Vgl. Anm. zu 415,6. 31.32 Griech. Chrest.] Gemeint ist: XPHZTOMA0EIAI. Chrestomathia graeca sive

loci illustres ex optimis scriptoribus dilecti quam potuit emendate editi notulis brevibus et indice copioso illustrati a Io. Matthia Gesnero. Lipsiae 1731 (und öfter). — Das Buch erscheint seit 1774 in den Lehrplänen neben dem Neuen Testament als Textgrundlage für den Griechisch­ unterricht in Klasse VII (vgl. Lang. 251). 32,2 Heyne’s Exkursen] Siehe Anm. zu 31,3. 32,4 Hopf] Siehe Anm. zu 10,7. 32,5-6 neuen Apparat der Instrumente] Der Kirchenrat hatte 1785 für 2000 Gulden die

private Instrumentensammlung des Prof. Gottlieb Friedrich Rößler (1740-1790, Amtsvorgänger und Schwiegervater von Prof. Hopf) gekauft. Aus Anlaß des hundertjährigen Jubiläums (1786) erhielt das Gymnasium diese als vortrefflich gerühmte Sammlung zum Geschenk; sie wurde in einem

ANMERKUNGEN

545

eigens dazu erbauten schönen Saal, nebst der kleinen Bibliothek, und einem Kabinete, meistens vaterländischer Naturalien aufgestellt (Röder: Geographie und Statistik Wirtembergs. Lay­ bach 1782 . 202). Vgl. Lang. 266 , 272. 32,7 Rektor] Siehe Anm. zu 3,23. Der als Sohn eines Hofpredigers und späteren Konsistorialrats

Geborene hatte selbst das Stuttgarter Gymnasium besucht. 32,13 Haugen] Entweder Johann Friedrich Gottlob Haug ( 1769-1856 ), der im Oktober 1786 vom Gymnasium auf die Hohe Karlsschule übergegangen war (nicht als Zögling , sondern als »Oppidaner«, Stadtstudierender), später Lehrer an der Realabteilung des Gymnasiums; oder dessen jüngerer Bruder Theodor Christoph Friedrich (1771—1847), später H of instrumentenmacher. Ihr Vater, Johann Friedrich Haug (1730-1793), war als Instrumentenmacher am H of in Ludwigsburg und Stuttgart tätig. 32,15 Heynes Item Exkurs, ad Aen. II.] Vgl. die in Anm. zu 31,3 genannte Ausgabe, Bd 2. 220-236: Excursus I. ad Aen. II. princ. 32.17 Allgem. deutschen Bibliothek] Siehe hierzu die schon von J. Hoffmeister (in: Doku­ mente zu Hegels Entwicklung. Stuttgart 1936. 398) erwähnte, nach Hegels Tod verfaßte anonyme Nachricht, die heute in der Biblioteka Jagiellonska, Krakow, auf bewahrt wird (Überschrift: Einige Notizen über Hegel besonders in Beziehung auf seine Bildungslaufbahn); darin heißt es:

... sein Vater besaß die bei Nikolai in Berlin herausgekommene allgemeine deutsche Biblio­ thek. 32.18 Editionen des Demosthenes] Vgl. Allgemeine deutsche Bibliothek. Bd 15. Berlin u. Stettin 1771. 40-58: Rezension der folgenden Ausgabe: Oratorum Graecorum, quorum princeps est Demosthenes, quae supersunt, monumenta ingenii, e bonis libris a se emendata, materia critica, commentariis integris Hieron. Wolfii, Io. Taylori, Ierem. Marklandi, aliorum, et suis, Indicibus denique instructa edidit loan. Iac. Reiske. Volumen primum, partem priorem dimidiam Demosthenis tenens. Lipsiae, typis Sommeri, 1770. - Volumen secundum, partem posteriorem dimidiam Demosthenis tenens, una cum scholiis graecis e codice Bavarico nunc primum editis, aliisque ex Augustano fidelius redditis. Ib. eod. 8vo maj. - Auch diese Exzerpte

sind weder im Original erhalten noch von Thaulow überliefert. 32.18 Griesingem] Christoph Friedrich Griesinger (1771-1795), Mitschüler Hegels, ging im Frühjahr 1788 zum Jurastudium auf die Hohe Karlsschule, 1794 Regierungsratssekretär. 32.19 KonsistorialRaths] Georg Friedrich Griesinger (1734-1828), 1755 Magister, 1761-66 Repetent am Tübinger Stift, ab 1766 Diakon an verschiedenen Stuttgarter Kirchen, 1784-86 Pfarrer an St. Leonhard, 1786 Konsistorialrat; im Konsistorium Hauptvertreter des Rationalismus. - Hegel besuchte nach dem (oben Anm. zu 8,13-14 genannten) Bericht seiner Schwester Christiane bei Grie­ singer den Konfirmationsunterricht.

32.19 Atlas coelestis vom DoppelMayer] Atlas novus coelestis in quo mundus spectabilis, et in eodem tarn errantium quam inerrantium stellarum phoenomena notabilia, circa ipsarum lumen, figuram, faciem, motum, eclipses, occultationes, transitus, magnitudines, distantias, aliaque secundum Nie. Copemici et ex parte Tychonis de Brahe hipothesin, nostri intuitu, specialiter, respectu vero ad apparentias planetarum indagatu possibiles, e planetis primariis, et e luna habito, generaliter, e celeberrimorum astronomorum observationibus graphice descripta exhibentur a loh. Gabriele Doppelmaiero. Norimbergae 1742. 32.21 2ten Theil von Kästners Mathematik] Abraham Gotthelf Kästner: Mathematische Anfangsgründe. T. 2: Anfangsgründe der angewandten Mathematik. 2. verb. Aufl. Göttingen 1765. (Die Auflage ergibt sich aus Hegels Eintragung vom folgenden Tage: siehe 32,28). 32.22 neuen Theil der allgem. d. Bibliothek] Siehe Anm. zu 32,17. 32.22 Kollegium im Longin] Vgl. die StundenEintheilung 31,33 (rechte Spalte).

32.23 Feyertag] Der 6. Januar ist das Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphanias). An diesem Tag war schulfrei. 32,26 Trigonometrie] Vgl. oben 31,6 mit Anm.

546 ANHANG 32.27 Hopf] Siehe Anm. zu 10,7. 32.27 dunkeln Stelle] Der Begriff der Pole eines Kraises,

der Hegel hier Schwierigkeiten bereitet, kommt an der angeführten Stelle in folgendem Zusammenhang vor: 14. Aufg[abe]. Wenn

die Lagen der Mittelpuncte A; B; 4. Fig. zwoer Kugeln, von denen eine leuchtend, die andere dunkel ist, und ihre Halbmesser AC = p; BD = q; gegeben sind, zu finden, wie groß das erleuchtende und das erleuchtete Stück ist. / Auflösung]. Auf der Linie AB = a; beschreibe man mit den gegebenen Halbmessern die halben Kreise FCH, KDG; und ziehe eine Tangente CD welche beyde berühret. Wenn sich nun die ganze Figur, wie sie auf dem Papiere stehet, um HE als eine Axe drehet, so beschreiben die Halbkreise Kugeln, und die Tangente einen Kegel. Ist nun die Kugel um A die helle und die um B die dunkle, so werden der erleuchtende Theil und der erleuchtete zwey Stücken der beschriebenen Kugelflächen seyn, da das erste von F an bis an einen Kreis gehet, der F zum Pole hat, und um den Bogen FC von F abstehet, das andere aber von G bis an einen Kreis gehet, der G zum Pole hat, und um den Bogen GD von G abstehet. Verwechselt man die leuchtende und die dunkele Kugel, so verwechseln sich auch diese Stücken; von keinem Puncte des Bogens FCnähmlich kann Licht anders wohin auf den ändern Halbkreis fallen, als auf Puncte des Bogens GD, und so umgekehrt. Die in der Aufgabe erwähnte 4. Fig[ur] findet sich auf einer der am Schluß des Bandes eingefügten Falttafeln (Tab. VIII):

33.4 Steinkopf] Johann Friedrich Steinkopf (1771-1852), Mitschüler Hegels; kam schon als Kind in das Haus seines Großvaters Betulius (siehe folgende Anm.) und wurde früh zur Mitarbeit in dessen Antiquariat herangezogen, übernahm beim Tode von Betulius 1791 die Leitung der Ge­ schäfte. 1792 erwarb er das Unternehmen und wurde damit zum Begründer der Verlagshandlung J. F. Steinkopf. 33.4 Betulius] Johann Christoph Betulius (1728-1791), Buchbinder, 1769 durch ein förm­ liches Privilegium exclusivum Herzoglicher Antiquarius. M it dem Privileg war die Auflage ver­ bunden, alle antiquarischen Werke vor dem Verkauf zuerst der Herzoglichen Bibliothek zu offerieren. Vgl. Alfred Druckenmüller: Der Buchhandel in Stuttgart seit Erfindung der Buchdrucker­ kunst bis zur Gegenwart. Stuttgart 1908. 39f , 257. 33,6-8 Aus Hegels Angaben geht hervor, daß es sich um ein geographisches Kartenspiel mit französischen Farben handelt. Das französische Tarock-Spiel, wie es seit Mitte des 18. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet benutzt wurde, besteht aus einem vollständigen Vierfarbenspiel und 22 Trümpfen. In einer zeitgenössischen Beschreibung (Die Kunst die Welt erlaubt mitzunehmen in den verschiedenen Arten der Spiele, so in Gesellschaften hohem Standes ... üblich sind. Teil 1. Wien und Nürnberg 1756. 343 ff: Das Taroc-Spiel) heißt es: Seit ohngefehr 5 Jahren hat das

Taroc-Spiel in Deutschland sich neben den ändern üblichen GesellschafFts-Spielen eingefunden. Man kan von ihm mit Grunde sagen, daß es einen so glücklichen Fortgang sogleich bey seinem ersten Eintritt in die grosse Welt erhalten, daß auch die vornehmsten Männer solches zu dem schönsten Mode-Spiel gemacht. (344) Im einzelnen wird zum Aufbau des Spiels gesagt: Der Carten sind 78 Blätter. Ein und zwanzig sind davon besonders zu merken, die den Nahmen Tarocques führen. Sie gehen nach der natürlichen Ordnung in einer Reihe von Zahlen biß

547 21 fort. Der mit n. 1 oben bezeichnete Brief, der einen aufgeweckten lustigen Bruder vorstellet, heisset der Pacat [an anderer Stelle der gleichen Publikation auch geschrieben: Pagat] ... Ausser diesen 21 Taroc zeigt sich noch ein Brief, welcher einen Pickelhering verstellet, und Schkis [an anderer Stelle auch geschrieben: Sckis oder Skis] heisset. (344f ) - Die geographischen Karten­ ANMERKUNGEN

spiele zählen zu den damals in mancherlei thematischen Abwandlungen vorkommenden Lehrspielen; auf den einzelnen Karten befinden sich geographische Beschreibungen und Angaben oder kartographi­ sche Darstellungen , z. T. in der Weise , daß man aus mehreren Spielkarten größere Landkarten zusam­ menfügen kann. 33,16 Leypolden] Siehe Anm. zu 10,22. - Akademie] d. i. die Hohe Karlsschule (siehe Anm. zu 21,26-27). 37,3 D ie Teilnehmer des folgenden Gespräches sind die Römer Marcus Antonius (82—30 v. Chr.), Gaius Octavius gen. Octavianus (63 v. Chr. — 14 n. Chr.), der spätere Kaiser Augustus, und M . Aemilius Lepidus (ca. 90-12 v. Chr.); historische Situation: nach dem Zusammenschluß dieser Männer zum sogenannten 2. Triumvirat im Jahre 43 v. Chr. —Shakespeares Schauspiel Julius Caesar hat mit der ersten Szene des 4. Aufzugs als unmittelbares Vorbild gedient. Im Hinblick auf die enge Anlehnung an diese Szene in der zweiten Hälfte von Hegels Text (siehe Anm. zu 38,IO) sei sie hier vollständig wiedergegeben, und zwar in der Übersetzung von Eschenburg, deren sprachlicher Ein­ fluß sich aufweisen läßt. (Über die damals vorliegenden deutschen Ausgaben informiert die Anm. zu 8,13-14. Hegel muß danach den als Neue verbesserte Auflage bezeichneten Mannheimer Nachdruck besessen haben. Vgl. dort Bd 11. Mannheim 1779. 327-331. Der Text stimmt wörtlich überein mit der Originalausgabe von Eschenburg. Siehe Bd 9. Zürich 1777. 404-407.)

Vierter Aufzug. Erster Auftritt.

Antonius, Oktavius, Lepidus Antonius. Es sollen also alle die sterben, deren Namen hier aufgeschrieben sind. Oktavius. Dein Bruder muß auch sterben; willigst du darein, Lepidus? Lepidus. Ich bins zufrieden. Oktavius. Schreib’ ihn mit auf, Antonius. Lepidus. Mit der Bedingung, daß Publius, dein Schwestersohn, Antonius, auch nicht leben soll. Antonius. Er soll nicht leben. Sieh, mit Einem Federzuge verurtheil* ich ihn zum Tode. Aber, Lepidus, geh du in Cäsars Haus, hole das Testament her, damit wir Abrede nehmen, wie wir uns einiger beschwerlichen Artikel darin entledigen können. Lepidus. Werd’ ich euch denn hier wieder antrefFen? Oktavius. Hier, oder auf dem Kapitol. (Lepidus geht ab.) Antonius. Das ist ein schlechter, verdienstloser Mann, zu nichts brauchbar, als Gewerbe zu bestellen. Ist es wohl erlaubt, daß er, bey der Theilung der dreyfachen Welt, ein Drittheil bekommen soll ? Oktavius. So urtheiltest du von ihm; und liessest doch bey unsrer Achtserklärung, wer sterben sollte, seine Stimme eben so viel gelten, als die unsrige. Antonius. Oktavius, ich habe länger in der Welt gelebt, als du; und wenn wir gleich, um uns einiger verläumdrischer Vorwürfe zu überheben, diesem Manne solch eine Ehre anthun, so soll er sie doch nur tragen, wie der Esel Gold trägt; er soll unter ihrer Last keuchen und schwitzen, bald geführt, bald getrieben, wie wir ihm den Weg weisen; und wenn er unsem Schatz dahin gebracht, wohin wir ihn haben wollen, dann nehmen wir ihm seine Bürde wieder ab, und jagen ihn fort, gleich dem entladnen Esel, seine Ohren zu schütteln, und auf der Weide zu grasen. Oktavius. Du kannst thun, was du willst; aber er ist doch ein tapfrer und erfahrner Soldat.

ANHANG 548 Antonius. Das ist mein Pferd auch, Oktavius; und dafür geb’ ich ihm Futter, so viel es will. Es ist ein Geschöpf, das ich streiten, sich umdrehen, stillstehn, und gerade fortlaufen lehre, indem mein Geist seine körperliche Bewegung regiert. Gewissermassen ist Lepidus eben das; man muß ihn abrichten, ziehen, und fortgehn heissen; ein Mensch von unfruchtbarem Geiste, der sich mit Wissenschaften, Künsten, und Nachahmungen abgiebt; bey dem das erst anfängt, Mode zu werden, was ändern verbraucht und abgenutzt scheint. Sprich nie anders von ihm, als von einer Maschine. Und nun, Oktavius, vernimm grosse Entwürfe - Brutus und Kaßius bringen Kriegsheere zusammen; wir müssen sogleich auf Gegenwehr denken. Laß uns also unsre Kräfte vereinigen, unsre besten Freunde und unsre besten Mittel aufbieten, und sogleich eine Versammlung anstellen, um zu sehen, wie geheime Anschläge am besten entdeckt, und offenbare Gefahren am sichersten abgekehrt werden können. Oktavius. Das wollen wir thun. Wir sind am Rand* eines Abgrundes, und von allen Seiten mit Feinden umgeben. Manche, die itzt lächeln, fürcht ich, haben Millionen verderb­ licher Anschläge in ihren Herzen. (Sie gehn ab.) 37.14 Brutus, ... Cassius] Marcus Junius Brutus ( 85—42 v. Chr.) und Gaius Cassius Longinus

(gest. 42 v. Chr.), die Mörder Caesars. 37.15 Sextus Pompejus] Sohn des 48 v. Chr. ermordeten Caesargegners Gnaeus Pompeius, ca. 70-35 v. Chr., Gegner des Triumvirats. 37,17-18 Octavius ... ich habe länger in der Welt gelebt... als du.] Wörtliche Übernahme aus Eschenburgs deutschem Shakespeare-Text; vgl. in Anm. zu 37,3 den zweiten Gesprächsbeitrag des Antonius nach dem Abgang von Lepidus. In Wielands Übersetzung lautet die Stelle: Octavius, ich habe mehr Tage gesehen als ihr (Wieland: Schriften. Abt. 2: Übersetzungen. Bd 2. 251). 37.21 Cäsars Mord] Gaius Julius Caesar, geb. 100, wurde am 15. 3. 44 v. Chr. ermordet. 37,24 wie viel Beredsamkeit] Anspielung auf die Leichenrede des Antonius, die Shakespeare in seinem Schauspiel Julius Caesar (3. Aufzug, 2. Auftritt) meisterhaft ausgestaltet hat; die Rede war schon im Altertum berühmt - vgl. Plutarch: Antonius. Kapitel 14. 38,10 Ab hier schließt Hegel sich im gedanklichen Aufbau und in inhaltlichen Einzelheiten eng an die Shakespearesche Szene an. Die Textabhängigkeit von Eschenburg (soweit dieser sich von der zugrundeliegenden Version Wielands unterscheidet) zeigt sich an mehreren Stellen im Wortmaterial so etwa 39,8-9: entladen wir ihn (dazu Eschenburg: entladnen Esel; Wieland: verächtlichen Esel) oder 39,13: Entwürfe (dazu Eschenburg: grosse Entwürfe; Wieland: grossen Dingen). 38,14 Cicero] Marcus Tullius Cicero, Staatsmann und Schriftsteller, geb. 106 v. Chr., ermordet am 7. Dezember 4 3 .- In der Shakespeareschen Szene (Anm. zu 37,3) wird Cicero nicht genannt; vgl. aber Plutarch: Antonius. Kapitel 19, sowie Plutarch: Cicero. Kapitel 46. 38,18 seinen Bruder] Lucius Aemilius Paulus, Konsul des Jahres 50 v. Chr. Vgl. Plutarch: Antonius. Kapitel 19. Paulus konnte sich der geplanten Verhaftung entziehen. 38.22 Mein Oheim] Lucius Julius Caesar, Bruder von Antonius9 Mutter Julia, Konsul 64 v. Chr. Vgl. Plutarch: Antonius. Kapitel 19. Entgegen dem Vorhaben wurde Lucius schließlich begnadigt. - Hegels Text weist hier eine sachliche Differenz zu Shakespeare auf. Bei diesem fordert Lepidus als Gegenleistung für die Zustimmung zur Ermordung seines Bruders, daß Publius, dein Schwestersohn, Antonius, auch nicht leben soll (Übersetzung von Eschenburg, siehe oben in Anm. zu 37,3; ähnlich lautend die Fassung Wielands). Eschenburg merkt jedoch in einer Fußnote an:

Eigentlich sollt es, wie Upton zeigt, nicht Publius, sondern Lucius heissen, ein Oheim des Markus Antonius von mütterlicher Seite, dessen Schwestersohn folglich Antonius selbst war. (Shakespears Schauspiele. Neue verbesserte Auflage. Bd 11. Mannheim 1779. 328.) 38.31 ihren Provinzen] Makedonien und Syrien. 39.31 aut Caesar, aut nihil] Wahlspruch von Cesare Borgia (1478-1507), unter einem Kopfe Caesars angebracht. ( Vgl. Büchmann: Geflügelte Worte. 30. Aufl. Berlin 1961. 605.) Für Hegels

ANMERKUNGEN

549

eventuelle Kenntnis dieser Inschriftfehlen Anhaltspunkte. Von Herder wird das Dictum (ohne Quellen­ hinweis) in der Form zitiert: Aut Caesar aut nihil: aut nunc aut nunquam! Vgl. J. G. Herder: Ueber die Seelenwandrung. Drittes Gespräch. In: Zerstreute Blätter. Erste Sammlung. Gotha 1785. 274-308; Zitat: 302. Dasselbe zuvor in: Teutscher Merkur. Hornung 1782. 97-123; Zitat: 119. (Herder: Werke. Bd 15. 300.) 41,8-11 Christoph Meiners: Briefe über die Schweiz. T. 1. Frankfurt u. Leipzig 1785. 371: Bald nachher wurden auch die Füße der höchsten Gebirge und ihrer kleinern Nachbaren

in tiefe Nacht gehüllt; deren Finsterniß den rosenfarbenen Glanz erhöhte, womit die Häupter der erstem umstrahlt waren. In diesen Augenblicken, in welchen außer den erhabensten Spitzen, das ganze übrige Land mit Nacht bedeckt war, schienen mir die erleuchteten Gipfel einige mal viel tiefer, als sonst, und zugleich so nahe zu seyn, als wenn sie das nächste Thal begränzt hätten. —Die von Hegel angeführte Seitenzahl stimmt nur mit dieser Ausgabe (offenbar einem

Nachdruck) des zuerst in Berlin 1784 erschienenen Bandes überein. 42.1 Man möchte annehmen, daß Hegel für diesen Schulaufsatz oder für wesentliche Teile des­ selben - ähnlich wie bei den Texten 2 und 5 - Anregungen aus einer literarischen Vorlage aufgenommen hat; doch konnte eine solche bisher nicht nachgewiesen werden. 42,4-5 Der Gedanke an eine Gottheit...] Vgl. Anm. zu 304,20. 46.1 Für den Hauptteil dieses Textes ist auf eine Abhandlung von Christian Garve als Quelle zu verweisen: Betrachtung einiger Verschiedenheiten in den Werken der ältesten und neuem Schriftsteller, insbesondre der Dichter. In: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. Bd 10. Leipzig 1770. 1—37, 189—210. Wiederabgedruckt in Garve: Samm­ lung einiger Abhandlungen. Leipzig 1779. 116—197. Hegel hat nicht nur die Grundzüge der Gesamtanschauung übernommen, sondern auch viele Detailgedanken, Begriffe und Wendungen, so daß die unmittelbare Abhängigkeit zweifelsfrei ist. — Im einzelnen vgl. besonders: Zu 46,4ff: Man sehe nur, wie genau die ganzen Formen unserer poetischen Werke zu der

Lage und Verfassung und Geschichte von Griechenland, und wie wenig sie zu der unsrigen passen! ... Ihre Epopee enthielt ihre älteste Geschichte, den Ursprung ihrer Städte und ihrer großen Geschlechter. Was der Dichter dort in eine zusammenhängende Erzählung brachte, das hörte stückweise schon das Kind an der Brust seiner Mutter, das besang der Jüngling an den Festen der Götter und Helden, davon redete der Sachwalter vor Gerichte, der Patriot im Rathe, der Heerführer im Felde. Ihre Oden, ihre Schauspiele, der Stoff und die Form derselben, waren in die besondem Ceremonien ihres Gottesdienstes, oder in die besondem Feyerlichkeiten ihrer Zusammenkünfte, oder in die Verfassungen ihrer Regierungsformen so eingewebt, daß sie nur unter diesen auf alle Weise ihre Veranlassung, ihre Beziehung, ihre volle Wirkung hatten. (Sammlung einiger Abhandlungen. 163f.) Zu 46,9-11: Dieser Satz Hegels wendet im Hinblick auf die Gegenwart ins Negative, was Garve von den Alten sagt: Alles, was ihre Dichter von ihren Göttern und Helden erzählen, so unwahr­

scheinlich es auch seyn mag, wenn es mit der Natur der Dinge und des Menschen überhaupt verglichen wird, bekömmt doch eine Art von Glaubwürdigkeit, wenn man es mit der Natur und der besondern Geschichte des Landes vergleicht. Das System ihrer politischen und gottes­ dienstlichen Einrichtungen, viele unläugbare Facta der folgenden Zeiten, viele fortdauernde Spuren der ältesten Periode hängen auf gewisse Weise mit den Fabeln der Dichter zusammen, und scheinen dieselben vorauszusetzen. Zwischen der wirklichen und der mythologischen Geschichte war doch ein gewisses Band... (Ebd. 180f) Zu 46,22-27: Aus dem, was wir bisher gesagt haben, wird sich erklären lassen, was die Simplicität heiße, die man den ältesten Schriftstellern als einen ihnen eignen Charakter zuschreibt... Diese Simplicität ist nichts anders, als die zusammengefaßte unentwickelte Empfin­ dung aller der Verschiedenheiten zwischen der Art, wie wir die Sachen sehen und ausdrücken, und zwischen der ihrigen. ... Sie gehn mit ihrer ganzen Absicht niemals weiter, als uns das

550 ANHANG Bild der Sache, von der sie reden, zu überliefern... Sie suchten geringscheinende Gegenstände, wenn sie ihnen auf ihrem Wege aufstießen, nicht durch feine Nebenzüge, durch veranlaßte Anwendungen derselben, durch bewirkte kleine Verhältnisse mit erheblichem, wichtig zu machen: bey uns wird der gute Schriftsteller in diesem Falle immer eine Art von Kunstgriff gebrauchen, uns noch an etwas anders denken zu lassen, als was er geradezu sagt. (Ebd. 176178.) Zu 46,27-29: Sie fassen in ihrem Ausdrucke alles das in Eins zusammen, was in der Empfin­

dung der Seele nur als einfach vorkömmt: wir sondern das alles von einander ab, und drücken es einzeln aus, was der Verstand Mannichfaltiges in dieser Empfindung wahmimmt. (Ebd. 179.) Unsere Dichter ... zergliedern die Empfindung, die der Alte ganz einfach durch ein Wort ausgedrückt hätte... Sie sagen uns nicht bloß die Gedanken, die der wirklich hatte, welcher in der vorgestellten Verfassung war, sondern auch die, welche bloß dunkel in seiner Seele zum Grunde lagen... (Ebd. 170.) Zu 47,1-2: Erstlich muß in den alten Schriftstellern nothwendig mehr Originelles seyn. ... Diejenigen Gedanken sind original, die dem Menschen, der sie hat, ganz eigen, aus der indivi­ duellen Natur seines Geistes und seiner Verfassung entsprungen sind... Jeder Mensch hat seine eigenthümliche Form des Geistes, so wie seine Gestalt. (Ebd. 151.) Zu 47,2-8: Nur in denjenigen Begriffen eigentlich kann es eine vollkommene Uebereinstimmung unter mehrem Menschen geben, die sie sich einander schon unter einer abstrakten Form mit Wörtern ausgedrückt, überliefert haben. Diese Wörter und Ausdrücke sind in unsrer itzigen Welt für die Bedürfnisse und die Güter des Geistes, das heißt für die Ideen, ungefähr eben das geworden, was das Geld in Absicht der äußern Güter und Bedürfnisse ist; eine Art von conventionellen Zeichen, die man im gesellschaftlichen Verkehr an die Stelle der Sache selbst sezt... Diese Wörter ruhen eben so oft ungebraucht in dem Gedächtnisse des Gelehrten, als das Geld im Kasten des Reichen, und befriedigen ihre Besitzer nur mit der bloßen Möglichkeit, sich die Vorstellungen oder die Vergnügungen zu verschaffen, deren Symbole sie sind. Mit beiden lassen wir unsere Kinder lange vor der Zeit spielen, ehe sie be­ greifen können, wozu das eine angewendet werden könne, und was die ändern bedeuten. Nämlich eine solche allgemeine Idee ... muß, wenn sie bey ihm eine wirkliche Idee werden soll, erst mit den Erfahrungen zusammengehalten ... werden. ... wenn er unter den Factis, die ihm Vorkommen, das Muster entdeckt, wovon die Wahrheit, die er zuvor den Worten nach gefaßt hatte, der Ausdruck seyn soll; dann ist es erst wahrhaftig sein Begriff, und sein Verstand weiß, was die Worte sagen wollen. (Ebd. 153f.) Izt bekömmt jeder Mensch durch Ueberlieferung und Unterricht schon ein ganzes Gewebe von Ideen in die Hand, das er selbst noch nicht übersehen kann, das er indeß als einen unbekannten Schatz verwahret, bis er es nach und nach bey Gelegenheit aus einander wickelt. (Ebd. 168.) Die Sprachen sind für den einzelnen Menschen, der durch die Geburt in eine schon civilisirte Gesellschaft eintritt, eben so viel schon zubereitete Formen, nach welchen er seine Begriffe zu modelliren genöthigt ist... (Ebd. 139.) Zu 47,15-20: Was erstlich die sichtbare körperliche Natur betrifft, so weit sie durch den Anblick erkannt werden kann: so kannten sie sie in der That besser, als wir... (Ebd. 121.) Aber freylich zeigen uns jene auch nur die Erscheinungen, ... nur das Resultat von dem ge­ heimen Spiele der natürlichen Triebfedern; dahingegen uns diese zugleich daran gewöhnen, den innem Bau der Dinge und die Ursachen von den Begebenheiten zu erforschen. Wir wissen izt vielleicht weniger, wie die Dinge aussehen, aber wir wissen besser, was sie sind. (Ebd. 131 f.) Aus der großem Vereinigung der Menschen folgte eine gewisse allgemeinere Bekanntschaft mit ihren Verrichtungen... die Arbeiten jedes Standes waren weniger schwer zu erlernen, wurden von dem Theile, der sie nicht trieb, noch nicht verachtet, und machten ein Stück der allgemeinen Kenntniß aus, die sich jeder erwarb, ohne darnach gestrebt zu haben. (Ebd. 130f.)

551 Zu 47,21-23: Wir finden ... die Sprache, in Absicht der natürlichen Dinge und ihrer sicht­ baren V erän d eru n gen , reicher als die unsrige. Sie hatte für Pflanzen, für Thiere, für die gewöhn­ lichsten Erscheinungen und Handlungen derselben, und für die Arbeiten, die der Mensch mit ihnen vomimmt, mehr Namen der allgemeinen Sprache, die bekannt, und an Würde und Deutlichkeit allen ändern Wörtern der Sprache gleich waren. Unsere Sprache ist an solchen Wörtern arm. Nicht als ob die Personen, die mit jedem dieser Dinge als mit ihrem Geschäfte umgehen, sie nicht auch zu benennen wüßten. Aber diese Namen sind nur bloß den Leuten dieses Standes und dieser Beschäftigung bekannt. Eben deswegen wechseln sie auch von Provinz zu Provinz, von Stadt zu Stadt ab. (Ebd. 139f.) Es giebt in jeder Sprache Wörter, die von einer Sache oder Handlung gerade nur den sinnlichsten Theil ausdrücken, und den­ selben ... ohne allen Nebenbegriff vorstellen... Die alten Sprachen hatten einen Ueberfluß von derartigen V^örtern und Redensarten. Die unsrigen haben auch noch einige, aber fast die meisten derselben sind in dem Munde des Pöbels. Es giebt bey uns eine Menge solcher niedrig gewordner Ausdrücke, die kein Mann von guter Lebensart, und noch weniger ein Schriftsteller brauchen darf, und die doch die Sache weit sinnlicher bezeichnen, sie so zu sa­ gen weit mehr vor Augen stellen, als die edlem Ausdrücke. (Ebd. i49f.) ANMERKUNGEN

Zu 47,23-28 vgl. bei Garve die einleitenden Seiten 117-120, wo sich eine längere Reflexion dar­ überfindet, daß die Werke, die man für das Publikum schon bestimmt, indem man sie verfer­ tiget, Zurückbleiben hinter denen, deren Begriffe eine ganz unwillkürliche Beobachtung, ein unbefan­ gener Blick auf die Sache aus der Reihe sich selbst darbietender Vorstellungen aufgefaßt hat; von letzterer Art seien die Werke der ältesten Schriftsteller, während die Schriftsteller der neueren Zeit ihre Ideen in der Absicht mittheilen, sich Beyfall und Ruhm zu erwerben. 46,7 Geschichtbüchern ... fremder Nationen] Hegel dürfte hier vor allem an die Darstellung der Germanen durch Cornelius Tacitus (ca. 55-115) denken. W ieweit er diesen Autor aus eigener Lektüre im Schulunterricht kannte, ließ sich nicht ermitteln. Im Katalog seiner Bibliothek ist Tacitus

nicht verzeichnet. Vgl. aber 414,22 mit Anm.

46,13 Dichter] Friedrich Gottlieb Klopstock (1724—1803); die folgenden Zeilen beziehen sich auf dessen episches Gedicht Der Messias. - Welche der zahlreichen Ausgaben dieses Werkes, an dem Klopstock seit dem Erscheinen der ersten drei Gesänge im Jahre 1748 bis zu seinem Lebensende immer wieder gearbeitet hat, Hegel benutzte, läßt sich nicht ermitteln. (Vgl. auch Anm. zu 273,25-26.) 46.32-35 Lessing: Nathan der Weise. 5. Aufzug, 6. Auftritt. Recha. Nun, Bücher wird mir wahrlich schwer zu lesen! — / Sittah. Im Emst? Recha. In ganzem Emst. Mein Vater liebt / Die kalte Buchgelehrsamkeit, die sich / Mit todten Zeichen ins Gehirn nur drückt, / Zu wenig. Sittah. Ey, was sagst du! Hat indeß / V/ohl nicht sehr Unrecht! —Und so manches, was / Du weißt.. ? Recha. Weiß ich allein aus seinem Munde, / Und könnte bey dem Meisten dir noch sagen, / Wie? wo? warum? er michs gelehrt. (Vgl. Lessing: Schriften. B d3. 161.)

47,33 Tibull: Carmina. Buch 2, N r 1. Vers 51-58: Agricola adsiduo primum satiatus aratro / Cantavit certo rustica verba pede / Et satur arenti primum est modulatus avena / Carmen, ut omatos diceret ante deos; / Agricola et minio subfusus, Bacche, rubenti / Primus inexperta duxit ab arte choros. / Huic datus a pleno, memorabile munus, ovili / Dux pecoris hircus auxerat hircus oves. (Zitiert nach: Albii Tibulli aliorumque carminum libri tres. Ed. Fridericus Waltharius Lenz. Leiden 1959. 94.)

47.33-34 Horaz: De arte poetica. Vers 220-222: Carmine qui tragico vilem certavit ob hircum, / Mox etiam agrestes Satyros nudavit, et asper / Incolumi gravitate iocum tentavit,...

Zitiert nach der Horaz-Ausgabe von Baxter-Gesner (vgl. Anm. zu 8,19-21), die sich in Hegels Bibliothek befand; siehe ebd. 618. 47,35 Aeschylus] griech. Aischylos, der älteste der großen attischen Tragödiendichter, 525-456 v. Chr.

552 48,4

ANHANG

In dem Trauerspiel Ajas (lat. AjaxJ des griechischen Dichters Sophokles (ca. 495-406 v. Chr.) ist bis Vers 814 das am Meeresstrand gelegene Zeltlager des Ajax Ort der Handlung. Mit Vers 815, auf den Hegel hinweist, tritt Ajax allein an einem abseits gelegenen Ort auf wo er sich schließlich selbst mit seinem Schwert den Tod gibt. - Zu Vers 814 macht Brunck in seiner SophoklesEdition (die Hegel nach Ausweis des Versteigerungskatalogs, Nr 41 l f in einer breitrandigen Pracht­ ausgabe besaß und aus der er sich nach dem Bericht von Rosenkranz - vgl. in Band 3 unserer Ausgabe die Nachrichten über Verschollenes - als Gymnasiast die Noten vollständig abschrieb) folgende An­ merkung: Postquam Chorus abiit, scena mutatur, et Ajax solus in loco deserto conspicitur-

Vitium hoc est oeconomiae, quod vitari nulla ratione poterat, siquidem Ajax coram spectatoribus mortem sibi consciscere debebat. In ceteris omnibus Tragici nostri fabulis Chorus numquam e scena abscedit, nisi absoluta actione. (Siehe: Sophoclis Tragoediae septem ad optimorum exemplarium fidem emendatae cum versione et notis ex editione Rieh. Franc. Phil. Brunck. T. 2. Argentorati 1786. 465.) 48.12-13 Aristot. ars poet. Cap. II, xecp. 4.] Die von Hegel zitierte doppelte Einteilung in Capita und xecpaXaia läßt vermuten, daß er die Poetik des Aristoteles in der Ausgabe von F. W. Reiz benutzt hat, die als einzige die in der Zählung voneinander abweichende lateinische und griechische Einteilung vereint: AplcttotsXouct 7repi 7ronr)Tix7)