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German Pages 278 [282] Year 1955
D E U T S C H E AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N ZU BERLIN S C H R I F T E N DER S E K T I O N FÜR VOR- UND F R Ü H G E S C H I C H T E BAND 2
FRÜHE BURGEN UND STÄDTE BEITRÄGE ZUR BURGENUND S T A D T K E R N F O R S C H U N G
mit 26 Tafeln und 67 Abbildungen
im Text
19 5 4
AKADEMIE-VERLAG
- BERLIN
Erschienen im Akademie-Verlag, Berlin W 8, Motivenstraße 39 Lizenz-Nr. 202 • 100/61/53 Kartengenehmigung: Mdl. Nr. 1116 Satz und Druck: C. G. Röder, Leipzig III/18/2 - 40128 Bestell- und Verlagsnummer: 2044/2 Preis: 28.— DM Printed in Germany
WILHELM U N V E R Z A G T ZUM 60.GEBURTSTAG DARGEBRACHT AM 21.MAI 1952
Inhalt Sieben Gleichbergburgen nach dem Forschungsstande von 1962
7
von G. NEUMANN, J e n a
Die geschichtliche Bedeutung der jungsteinzeitlichen Befestigungsanlagen
17
von F . SCHLETTE, H a l l e
Burgen und Höhensiedlungen der Lausitzer Kultur in Sachsen
22
von G. BIERBAUM, Dresden
Burgenprobleme zwischen Elbe und Oder
29
v o n K . H . MARSCHALLECK, J e v e r
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Spandau Zur Stellung des Spandauer Bronzefundes I. Grabungsberioht von M. MUTH, Langerwisch bei Berlin II. Bemerkungen zum Spandauer Waffenfund
44 44 54
von W. A . v . BRUNN, Berlin
Die Überlieferung von dem römischen Ursprünge mitteldeutscher Orte
66
von W. SCHULZ, Halle
Ein Burgwall aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts in Mecklenburg
70
von E . SCHULDT, Schwerin
Der Burgwall auf der Insel im Teterower See und die Dänenzüge nach Circipanien 1171 und 1184.
76
von A . HOFMEISTER, Greifswald
Der Paß von Nehringen
81
von W. FRICKE, Greifswald
Zu den slawischen Wallanlagen des Gaues Nisan
85
von W. COBLENZ, Dresden
Die altthüringische und frühmittelalterliche Siedlung Weimar — Ergebnisse der Stadtkernforschung 1947 bis 1949
95
von G. BEHM — BLANKE, Weimar
Zur frühdeutschen Keramik des Landes Thüringen
131
von H . REMPEL, Magdeburg
Frühe Burgen und Städte im Saale-Mulde-Gebiet
137
von P . GRIMM, Berlin
Die mittelalterlichen Bodenfunde im Bereich der Leipziger Altstadt
143
von G. MILDENBERGER, Leipzig
Ein mittelalterlicher Brunnen in Berlin-Spandau
149
von E . REINBACHER, Berlin
Ein mittelalterlicher Brunnen in Magdeburg von E . NICKEL, Magdeburg
158
6
Inhalt
Ein romanisches Pilgerzeichen aus dem mittelalterlichen Magdeburg — Ein Beitrag zur Pilgerzeichenforschung 167 v o n 0 . F . G ÄNDERT, Berlin
Typen mittelalterlichen Holzgeschirrs aus Lübeck
174
v o n W . NEUGEBAUEK, L ü b e c k
Der sog. Venusberg in Wackerow bei Greifswald — Ein historisch-topographischer Beitrag
191
v o n J . SCHMIDT, Berlin
Sind die meißnischen Burgbrakteaten wahrheitsgetreue Darstellungen mittelalterlicher Burgen?
195
v o n A. SUHLE, Berlin
Burgenarchäologie und Landesgeschichte — Ein Beitrag zur Burgenkunde und Städtetopographie Sachsens 198 von W . RADIG, Berlin
Der Beitrag der Archäologie zur Erforschung des frühmittelalterlichen Städtewesens im 7. bis 11. Jahrhundert 213 v o n H . JANKUHN, K i e l
Abb. 1. Kleiner und Großer Gleichberg von Westen 1 Rentmauer — Refuglum 2 Steinsburg — Fürstensitz
3/4 Steinsburg 5 Altenburg
Im Mittelgründe das Städtchen Römhild
— Stadt/Oppldum — Curtla
6 Hartenburg — 7 Glücksburg —
Dynastenburg Wasserschloß
Sieben Gleichbergburgen nach dem Forschungsstande von 1952 Von G . NEUMANN,
Jena
Mit 5 Textabbildungen und Tafel I - I V
Wer die Gleichberge bei Römhild im Grabfelde nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus der leichter zugänglichen Fachliteratur 1 ) kennt, kann sich nur schwer eine Vorstellung davon machen, wie viel Aufschlüsse für die Geschichte des Wehrbaues und damit für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Vergangenheit ihrer Wälder bergen. Gewiß die Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberge, welche seit mehr als zwei Menschenaltern vor allem durch die Arbeiten von G. J A C O B (1826-1896) 2 ) und A. G Ö T Z E (1865-1948)3) einige Berühmtheit erlangt hat, ist schon für sich genommen bedeutsam genug, allein sie offenbart ihre ganze Eigenart und Größe eigentlich erst dann, wenn wir sie mit den übrigen Burgen der Gleichberge und ihrer näheren Umgebung zusammenstellen und in einen Längsschnitt durch den gesamten Burgenbau unseres Gebietes einordnen, der bei der „Rentmauer" auf dem Großen Gleichberge beginnt, Altenburg und Hartenburg auf zwei benachbarten westlichen Ausläufern des Großen Gleichberges einbegreift und mit der Glücksburg in Römhild schließt. Freilich bildet ein solcher Versuch heute noch ein Wagnis. Denn umfassendere wissenschaft') Vgl. A. GÖTZE, Steinsburg (Sachsen-Meiningen) in M. EBERT, Reallexikon der Vorgeschichte, Bd. XII, Berlin 1928, S. 4 0 9 ^ 1 2 , Tafel 102—104, Lit. a ) Vgl. C. KADE, Hofrat Dr. Jacobs wissenschaftliche Arbeiten, Mitteilungen der Gemeinde der Steinsburgfreunde ( = MGST.), Bd. 2, H. 3, Hildburghausen 1935, S. 36—38. ') Vgl. H. MÖTEFINDT, Veröffentlichungen von Alfred Götze 1890—1925, Studien zur vorgeschichtlichen Archäologie, Alfred Götze zu seinem 60. Geburtstage dargebracht, Leipzig 1925, S. X l l f . dazu: A. GÖTZE, Zweck und Ausbau des Steinsburg-Museums, MGST., Bd. 1, H. 1, Hildburghausen 1927, S. 16—23. — Derselbe, Führer auf die Steinsburg bei Römhild, 2 . - 5 . Aufl., Hildburgliausen 1928, 1934, 1936, 1940. — Derselbe, Die Ausgrabung der Michaelskapelle auf der Steinsburg bei Römhild, Thüringer Monatsblätter, Jg. 44, Nr. 12, Eisenach 1936, S. 211 bis 213, 3 Abb. und etwa 20 Zeitungsartikel.
Abb. 1. Kleiner und Großer Gleichberg von Westen 1 Rentmauer — Refuglum 2 Steinsburg — Fürstensitz
3/4 Steinsburg 5 Altenburg
Im Mittelgründe das Städtchen Römhild
— Stadt/Oppldum — Curtla
6 Hartenburg — 7 Glücksburg —
Dynastenburg Wasserschloß
Sieben Gleichbergburgen nach dem Forschungsstande von 1952 Von G . NEUMANN,
Jena
Mit 5 Textabbildungen und Tafel I - I V
Wer die Gleichberge bei Römhild im Grabfelde nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus der leichter zugänglichen Fachliteratur 1 ) kennt, kann sich nur schwer eine Vorstellung davon machen, wie viel Aufschlüsse für die Geschichte des Wehrbaues und damit für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Vergangenheit ihrer Wälder bergen. Gewiß die Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberge, welche seit mehr als zwei Menschenaltern vor allem durch die Arbeiten von G. J A C O B (1826-1896) 2 ) und A. G Ö T Z E (1865-1948)3) einige Berühmtheit erlangt hat, ist schon für sich genommen bedeutsam genug, allein sie offenbart ihre ganze Eigenart und Größe eigentlich erst dann, wenn wir sie mit den übrigen Burgen der Gleichberge und ihrer näheren Umgebung zusammenstellen und in einen Längsschnitt durch den gesamten Burgenbau unseres Gebietes einordnen, der bei der „Rentmauer" auf dem Großen Gleichberge beginnt, Altenburg und Hartenburg auf zwei benachbarten westlichen Ausläufern des Großen Gleichberges einbegreift und mit der Glücksburg in Römhild schließt. Freilich bildet ein solcher Versuch heute noch ein Wagnis. Denn umfassendere wissenschaft') Vgl. A. GÖTZE, Steinsburg (Sachsen-Meiningen) in M. EBERT, Reallexikon der Vorgeschichte, Bd. XII, Berlin 1928, S. 4 0 9 ^ 1 2 , Tafel 102—104, Lit. a ) Vgl. C. KADE, Hofrat Dr. Jacobs wissenschaftliche Arbeiten, Mitteilungen der Gemeinde der Steinsburgfreunde ( = MGST.), Bd. 2, H. 3, Hildburghausen 1935, S. 36—38. ') Vgl. H. MÖTEFINDT, Veröffentlichungen von Alfred Götze 1890—1925, Studien zur vorgeschichtlichen Archäologie, Alfred Götze zu seinem 60. Geburtstage dargebracht, Leipzig 1925, S. X l l f . dazu: A. GÖTZE, Zweck und Ausbau des Steinsburg-Museums, MGST., Bd. 1, H. 1, Hildburghausen 1927, S. 16—23. — Derselbe, Führer auf die Steinsburg bei Römhild, 2 . - 5 . Aufl., Hildburgliausen 1928, 1934, 1936, 1940. — Derselbe, Die Ausgrabung der Michaelskapelle auf der Steinsburg bei Römhild, Thüringer Monatsblätter, Jg. 44, Nr. 12, Eisenach 1936, S. 211 bis 213, 3 Abb. und etwa 20 Zeitungsartikel.
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G . NEUMANN
liehe Vorarbeiten liegen bisher eigentlich nur für die Steinsburg vor. Doch sei er um der großen Linie der Gleichbergforschung willen im Rahmen dieses Bandes einmal unternommen. Die Gipfelflächen beider Gleichberge haben charakteristische Zeugen einer Benutzung durch das endneolithische Volk der Glockenzonenbecherleute erbracht4). Doch fehlt bis jetzt jeder Hinweis, der uns das Recht geben könnte, Teile der Steinsburgbefestigungen oder der Rentmauer für eine so frühe Zeit in Anspruch zu nehmen. Dem gegenwärtigen Forschungsstande entspricht viel eher die Annahme, daß das landfremde Volk der Glockenbecherleute bei seinem Vordringen von Mainfranken nach Thüringen die beiden Berge als Warten und Stützpunkte benutzt hat, deren natürliche Sicherungen ausreichend erschienen oder doch nur durch Gebücke, von denen uns naturgemäß nichts erhalten blieb, vervollständigt zu werden brauchten. Die Rentmauer5) auf dem Großen Gleichberge (Tf. I, 1) ist nach den Untersuchungen des Sommers 19514) den Urnenfelderleuten zuzuweisen. Ihre Erbauer gehören jedoch nicht zu einer der jedenfalls von Südböhmen ausgegangenen östlichen HA-Wellen, sondern zu jener Gruppe der Stufe HB, die dem Bereiche der Schweizer Pfahlbauten zu entstammen scheint und durch MÜLLER-KARPE6) als „Frühhallstattgruppe" von den Urnenfeldergruppen im engeren Sinne geschieden wird. Deren Bewegungen werden offenbar von dem Horizonte reicher HB-Hortfunde begleitet, den E. VOGT7) 1930 zum ersten Male deutlich herausgestellt hat. Dementsprechend hat sich am Nordfuße des Großen Gleichberges, d. h. also im Sattel zwischen beiden Gleichbergen, denn auch ein solcher Hort von 3 Fußringen nachweisen lassen4). Die Rentmauer als solche besteht heute in einem einfachen Steinwall von 5 m Breite und 0,5 m Höhe der das zu 679,1 m aufsteigende Gipfelplateau des Großen Gleichberges auf der Süd- (Tf. I, 2), West- (Tf. I, 3) und Nordseite bis zum Steilabfall der Ostseite hin umzieht. Früher, bevor der Basaltbruch der Stadt Römhild seine heutige Ausdehnung erreicht hatte, besaß die Rentmauer noch einen Vorwall, der sich auf der Nordseite sichelförmig gekrümmt ein Stück den Hang hinabzog und jedenfalls ehedem einen Zugang vom Sattel her zu decken bestimmt gewesen war. Heute ist dieser nur im Nordwesten noch eine Strecke weit erhalten. Der von der Rentmauer eingeschlossene Raum umfaßt etwa 21 + 6 ha. Daß sie selbst in älterer Zeit noch Mauercharakter getragen hat, scheint der Name anzudeuten. GÖTZE stellte in ihr 1904 zwei Tore (TF. I, 4) und ein senkrechtes Pfostenloch fest. Doch steht eine einigermaßen gründliche Untersuchung mit dem Spaten noch aus. Fast alle Funde, welche uns die Anlage zu datieren gestatten, kamen bei den Abraumarbeiten in den Basaltbrüchen der Stadt Römhild (Nordseite) und der Gemeinde Gleichamberg (Südostseite) zum Vorscheine, vor allem aber in diesem. Versuchen wir den Charakter der Befestigung zu bestimmen, so scheinen alle bis heute bekannten Umstände dafür zu sprechen, daß wir es mit einem Refugium zu tun haben. Wir verstehen darunter eine Anlage, die in friedlichen Zeiten bloß eine geringe Besatzung beherbergte, um im Notfalle der Bevölkerung des flachen Landes mit ihrer lebenden und toten Habe als Zufluchtsstätte zu dienen. Problematisch bleibt dabei, wen unsere HB-Leute zu fürchten hatten. In Frage kommen eigentlich nur ihresgleichen oder die unterworfene Vorbevölkerung, d. h. noch lebende Hügelgräber — und HA-Leute. Jedenfalls müssen nach Ausweis der zahlreichen HB-Hortfunde, insbesondere auch unseres HB-Hortfundes, Notfälle gerade in jener Zeit gar nicht so selten gewesen sein. 4 ) Vgl. 6. NEUMANN, Die Besiedlung der Gleichberge bei Römhild in Thüringen bis zum Beginn der Hallstattzeit, Sprockhoff-Festschrift, München 1954. 6 ) Vgl. G. JACOB, Vorgeschichtliche Wälle und Wohnplätze in den fränkischen Gebietsteilen der Herzogtümer Sachsen-Meiningen und Coburg, Archiv für Anthropologie, Bd. X X I I I , Braunschweig 1895, S. 80f. — A. GÖTZE, Vorgeschichtlicher Ringwall auf dem Großen Gleichberge bei Römhild, Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, H. X X X I , Jena 1904, S. 471f., Abb. 12,13. — C. KADE, Die vorgeschichtlichen Anlagen und Funde des Großen Gleichberges, MGST., Bd. 2, H 3, Hildburghausen 1935, S. 17—27, 5 Abb.
•) Vgl. H. MÜLLEB-KAHPE, Die Urnenfelderkultur im Hanauer Land, Marburg 1948, S. 60. ') Die spätbronzezeitliche Keramik der Schweiz und ihre Chronologie, Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, Bd. LXVI, Abh. 1, Zürich 1930, S. 28.
Sieben Gleichbergburgen
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Vergleichsweise derselben Zeit scheint auch der von GÖTZE1) ermittelte älteste Gipfelring der (Abb. 2a) mit seinem nördlichen Vorwalle anzugehören. Freilich wird man sich fragen, ob zwei Refugien der gleichen Zeit so nahe beieinander sehr wahrscheinlich sind. Dagegen läßt sich einwenden, daß die Gleichzeitigkeit weder eine totale gewesen zu sein braucht, die eine Anlage vielmehr die andere im Rahmen der Stufe HB abgelöst haben könnte, noch von vornherein sicher steht, daß den beiden die gleiche Funktion zugefallen ist. Der älteste Gipfelring der Steinsburg umschloß nämlich nicht die ganze Ebene auf dem Kleinen Gleichberge, sondern bloß deren größeren nördlichen Teil und faßte damit nur etwa 3 + 1 ha Fläche in sich. Er war also wesentlich kleiner als die Anlage auf dem Großen Gleichberge. So wäre wohl denkbar, daß er relativ jünger als jene sei, oder aber kein Refugium wie diese gebildet habe, vielmehr einen Fürstensitz (mit Heiligtum) oder dergleichen78). Steinsburg
Abb. 2. Die Entwicklung der Befestigungsanlagen auf dem kleinen Gleichberge
Die nächst jüngere Befestigungsanlage der Steinsburg (Abb. 2b) wird nach GÖTZE1 vom jüngeren Gipfelring (Tf. II, 1), der älteren Hauptmauer (Tf. II, 2) und dem älteren Außenring gebildet (46 ha). Diese werden etwa der Stufe HD zuzuschreiben sein, sind aber natürlich nicht in einem Tage erbaut worden. Auch sie stellen im Grunde genommen mehrere Burgen verschiedener Funktion dar. Nur liegen diese nicht mehr nebeneinander auf zwei benachbarten Berggipfeln, sondern sind mediterranen Vorbildern entsprechend konzentrisch vereint als Polis und Akropolis. Hinzu tritt, daß beide nunmehr dauernd bewohnt erscheinen. Denn die Zahl der Funde nimmt seit der Stufe HD derartig zu, daß wir zu diesem Schlüsse gedrängt werden. Ihre Fazies ist nach W. KERSTEN 8 ) nordostbayrisch, d. h. möglicherweise veneto-illyrisch, auf jeden Fall aber unter Beeinflussung vom östlichen Oberitalien her erwachsen. Mediterrane Verbindungen sind also gewiß. Warum sollten sie sich auf den äußeren Habitus der Kultur beschränkt haben? Wir halten es deshalb nicht für zu kühn, in dieser Befestigungsanlage der Steinsburg ein erstes mitteldeutsches Städtchen anzuerkennen. Es hat mit W. KERSTEN 8 ) eine ungebrochene Entwicklung bis in die Stufe LC genommen. Diese wurde seit LA zunehmend durch den Einfluß des in Südwestdeutschland mächtig emporblühenden Keltentums bestimmt, das seine LB-Fazies bis ins Werratal bei Gerstungen9) vor,a ) Vgl. E. PETERSEN, Schlesien von der Eiszeit bis ins Mittelalter, Langensalza 1935, S. 95; H. UHTENWOLDT, Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und Geschichte Schlesiens, Breslau 1938, S. 22ff. (Freundlicher Hinweis von M. Jahn). 8 ) Der Beginn der La-TOne-Zeit in Nordostbayern, P.Z., Bd. XXVI, Berlin 1933, S. 166. 9 ) Grabfund von Fembreitenbach, Ldkr. Eisenacli, Börners Scheune am Mühlwege. Der Rest, ein reich verzierter, geschlossener Armring, Nr. 1276 im Museum Geretungen. (Freundliche Mitteilung von A Volland).
2
F r ü h e Burgen
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G . NEUMANN
schob, zunächst ohne selbst zu Stadtgründungen zu schreiten. Erst als seine Expansionskraft durch den Gegenstoß des germanischen Suebenvolkes aus dem nördlichen Thüringen zum Stehen gekommen war, schritt es zur Fusion mit den Trägern der ohnehin stark assimilierten LA-Fazies und übernahm die Führung auch in deren Städten, erweiterte diese, ja errichtete selbst neue Oppida (in Südthüringen z.B. das Oppidum auf dem Herrenberg bei Truckenthal Lkr. Sonneberg). So möchten wir auch den Ausbau der Steinsburg (Abb. 2c) erklären, der nach GÖTZE1) in der Spätlat&nezeit, eher jedoch etwas früher erfolgte und die ältere durch die jüngere Hauptmauer (Tf. III, 2), den älteren durch den jüngeren Außenring (Tf. III, 1) ersetzte. Mit einem Flächengehalt von etwa 66 ha stellt diese keltische Anlage dann ein gewaltiges Oppidum, dar, das mit seiner großzügigen Wasserversorgung wie mit seinen Werkstätten mannigfaltiger Art nunmehr einen wirklich städtischen Eindruck macht (Tf. I, 5). Denn es hat gewiß auch einen Markt gebildet, auf dem der Überschuß seiner Erzeugnisse
Abb. 3. Ango vom Ostfuß der Steinsburg %
umgesetzt wurde, wenngleich wir über seine Verfassung kaum etwas aussagen können. Das Ende dieser Stadt hängt ohne Zweifel mit der Überwindung der Kelten durch die Germanen zusammen, die sich im letzten Jahrhundert vor Christus vollzogen h a t und historisch an die Persönlichkeit des Heerkönigs Ariowist 10 ) anknüpft. Doch haben wir keinen Anlaß an eine Zerstörung der Steinsburg durch die Germanen zu denken. Dagegen könnte die Tatsache, daß die Funde im Anfange des letzten Jahrhunderts immer seltener werden, um schließlich ganz auszubleiben, dafür sprechen, daß die Stadt allmählich verlassen wurde. Die Germanen haben sie nicht bewohnt, wie denn bei uns zu Lande germanische Befestigungen überhaupt zu fehlen scheinen, bis die Franken sich des Grabfeldes bemächtigt hatten. Dies mag im Zusammenhang mit der Niederwerfung des Königreiches Thüringen, d . h . vor Mitte des 6.Jahrh. geschehen sein. Dafür zeugt am deutlichsten ein Ango (Abb. 3), der auf dem Hirtenrasen am Ostfuße der Steinsburg gefunden worden ist und nach R. STAMPFUSS11) der Zeit vor 550 angehört, während eine Anzahl eiserner Tüllenpfeilspitzen (zwei mit Widerhaken, die dritte blattförmig) und eine profilierte Bronzenadel (diese im Museum Meiningen) von beiden Gleichbergen 12 ) eher in Zusammenhang mit der Altenburg stehen werden. Diese 13 ) liegt zwischen Lungenheilstätte und Hartenburg im Forstbezirk A 7 bei der Jägersruhe (Tf. I, 6) und bedeckt das obere Ende einer westlichen Zunge des Großen Gleichberges, die sich 80—100 m über die Talaue (319,2) erhebt und besonders auf der Nordseite steil abfällt. Ihr Kern setzt sich aus zwei annähernd rechteckigen Bäumen von 34,3 und 31,2 a Flächeninhalt mit abgerundeten Ecken zusammen. Der obere Raum ist auf der Ost-, Süd(Tf. IV, 1) und Westseite durch einen mäßig hohen (Br. 4,5—5,5; H. 2,5—3 m) Steinerdewall eingeschlossen, vor den sich im Osten (Tf. IV, 2) und Westen je ein (Spitz-?) Graben legt, auf der Nordseite durch den Steilabfall natürlich geschützt. Der untere Raum schließt mit einer gleichartigen Umwallung im Süden, Westen und Norden an den oberen an und zeigt ") Vgl. W. CAPELLE, Das alte Germanien, Jena 1929, S. 50ff., 77, 79, 185, 475A., 496A., 602A. 11 ) Die Pranken in H . R E I N E R T H , Vorgeschichte der Deutschen Stämme, Bd. 1, Leipzig-Berlin 1 9 4 0 , S. la
227.
) V g l . C. K A D E , a . a . O . , S . 2 2 A b b .
") Vgl. G. J A C O B , Das Dorf Milz bei Römhild in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Beziehung nebst einem Anhang: Die Altenburg am großen Gleichberg bei Römhild mit dem Grundriß derselben, Römhild 1883, S. 37 bis 48, Plan. - Derselbe, Archiv für Anthropologie, Bd. XXIII, Braunschweig 1875, S. 81-87, Plan auf S. 82. C. KADE, Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer des Amtsgerichtsbezirkes Römhild, Studien zur vorgeschichtlichen Archäologie, Alfred Götze zu seinem 60. Geburtstage dargebracht, Leipzig 1925, S. 6. - Derselbe, MGST, Bd. 2, H . 3, S. 17-27, JACOBS Plan auf S. 20; Mbl. 3285 (Römhild).
Sieben Gleichbergburgen
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einen vorgelegten Graben nur an der Nordseite. Ein dritter Raum hängt sich dem unteren an. Er verbreitert sich trapezförmig nach Westen bis zu einem tiefen Graben und ist auf allen Seiten umwallt gewesen. Von seinen Ecken aus laufen längere Wallschenkel noch ein Stück den Berg hinab, so daß sich möglicherweise hier in alter Zeit noch ein vierter Raum angegliedert hat. Die ganze Folge der Räume durchquert von Osten nach Westen ein Weg, der aus der Mittelachse leicht nach Süden verschoben mit der südlichen Begrenzung der Burg parallel läuft. Er scheint alt zu sein, da er alle Gräben auf Erdbrücken überschreitet und setzt also zwei Außen- und mindestens ebenso viele Binnentore voraus. Bevor er sich von Osten her der Burg nähert, muß er bereits einen allerersten Graben überschreiten, der als Halsgraben den schmalen Grat durchschneidet, welcher allein das Burggelände mit dem Massiv des Großen Gleichberges verbindet. Ein zweiter älterer Weg scheint Raum 3 von Norden her aus der „alten Pfanne" erreicht zu haben. Die Wasserversorgung der Anlage war gesichert
Abb. 4. Kreuzfibel von der Altenburg, Eisen, '/i
durch den sogenannten Eselsbrunnen am Nord- und den sogenannten Kochsbrunnen am Westfuße des Berges. Im Innern des Raumes 1 fallen zwei kleinere sogenannte Mardellen südlich und eine größere (Dm. 7; T. 3 m) nördlich des Weges auf. Während derartige Gruben in Raum 2 und 3 fehlen, wurden sie früher wiederholt auch außerhalb der Burg beobachtet. Ausgrabungen auf der Altenburg wurden, von einigen Schürfungen J A C O B S , G Ö T Z E S und des Verfassers abgesehen, bisher nicht unternommen, Funde nur selten gemacht. Betrachtet man sich den Grundriß der Altenburg, so fühlt man sich unmittelbar an die Grundrisse von karolingischen Königshöfen erinnert, die C . SCHUCHHAEDT 14 ) in Niedersachsen ergraben hat. Besonders nahe stehen Anlagen, die auf ähnlich abfallenden, schmalen Bergzungen angelegt sind, wie unsere Altenburg, so die Schanze auf den Klippen bei Eberschütz, Kr. und Oberförsterei Hofgeismar, vor allem aber die Wittekindsburg bei Rulle, Kr. Osnabrück. Dazu stimmen die wenigen bisher vorliegenden Funde von der Altenburg. Es handelt sich um einige Scherben von vorgeschichtlichem Habitus, andere von hartgebrannten, hellgrauen, dünnwandigen Drehscheibengefäßen, wie wir sie aus dem fränkischen Kastell Büraberg bei Fritzlar, von Fulda und Hersfeld15) kennen und um eine Kreuzfibel (Abb. 4) ähnlich dem Typus Woltwiesche, Kr. Wolfenbüttel 16 ) (von zwei älteren Feuerstein") Vgl. A. v. OPPERMANN und C. SCHUCHHABDT, Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen, Hannover 1888-1916, S. 9 - 1 3 . - C. SCHUCHHABDT, Königshöfe in J. HOOPS, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 3, Straßburg 1915-16, S. 80-86. - Derselbe, Die frühgeschichtlichen Befestigungen in Niedersachsen, Bad Salzuflen 1924, S. 64-74, Abb. 28-37. - Derselbe, Die Burg im Wandel der Weltgeschichte, Wildpark-Potsdam 1931, S. 180-187, Abb. 165-173. - Derselbe, Vorgeschichte von Deutschland, 2. Aufl., München-Berlin 1934, S. 314-317, Abb. 280-282. 16 ) Vgl. J. VONDBBAU, Die Ausgrabungen am Büraberg 1926/31, Fulda 1934, S. 5 7 - 5 9 , Tafel VIII, IX. 16 ) Vgl. 0 . KRONE, Die Skelettgräber vom Mühlenberge bei Woltwiesche, Mannus, Bd. X X , Leipzig 1928, S. 425-428, Abb. 1 und 2.
12
G.NEUMANN
pfeilspitzen zu schweigen). Diese wäre nach G. KOSSINNA17) ins 8., wo nicht 9., nach W. SCHULZ18) ins 9. bzw. ausgehende 8.Jahrh. n.Chr. zu setzen184). Und warum sollte ein karolingischer Königshof am Fuße der Gleichberge überraschen, nachdem W. SCHLESINGER 1 9 ) nachgewiesen hat, daß im Grabfeld eine umfangreiche fränkische Staatskolonisation stattgefunden hat. Ist doch in der Traditio Adalolti an Kloster Fulda vom 23. 7. 867®°) von „capturae partem iacentem inter montes qui a quibusdam similes a quibusdam uero Steinberg et Bernberg uocantur" die Rede. Kleiner und Großer Gleichberg lagen also im 9. Jahrh. keineswegs abseits des fränkischen Interesses! Entscheidend sind endlich folgende Überlegungen : Die Altenburg hieß im vorigen Jahrhundert noch die Milzer Altenburg 21 ). Das ist auffällig, weil sie heute zum Staatsforstrevier Römhild gehört und in der Luftlinie 3 km nordostwärts des Dorfes Milz liegt. Allein der Name hielt in der Tat einen älteren Rechtszustand fest. Denn die Altenburg war nach G. JACOB5) in älterer Zeit Milzer Gemeindeeigentum. Milz aber wird in einer Urkunde vom 25. 3. 78322) als vicus publicus et villa, d. h. als königlicher Hof und Dorf, bezeichnet, als die Äbtissin Emhilt ihrem dem Heiland und der Maria geweihten Benediktiner-Nonnenkloster in Milz ihre Besitzungen am Orte (qui priscorum vocabulo dicitur Milize) und in der Umgegend übereignete. In einer der Urkunde angehängten Notiz wird Milz als villa basilica, d. h. königliche Domäne, bezeichnet und festgestellt, daß die Grafen Eboracar und Roggo, sowie zwei andere Männer namens Hruodharto und Job ihren Anteil an Milz (Länder und Mancipien) der Emhilt ebenfalls für ihr Kloster überlassen haben. Auch als Emhilt ihr Kloster am 3. 2. 800 der Abtei Fulda anvertraut 23 ), wird Milz wieder vicus publicus genannt und noch am 28. 4. [906]24) tauscht Kloster Fulda vom Grafen Adalbert gegen andere Güter ein „quidquid in villa . . . in regis potestate habuit in termino Milizicensis". Königsgut ist also für die Zeit, die uns hier angeht, in Milz einwandfrei und reichlich bezeugt und so stehen wir nicht an die Altenburg für eine karolingische curtis, eben jenen vicus publicus von 783 anzusprechen. Vielleicht hat sie sogar den Verwaltungssitz eines der genannten Amtsgrafen Eboracar und Roggo gebildet. Jedenfalls wird sie [906] mit dem übrigen Königsgute an Kloster Fulda und spätestens gelegentlich der Teilung des Rittergutes Milz, das aus der fuldischen Vogtei hervorgegangen war25), 17 96 an die Gemeinde gekommen sein. Verweilen wir noch einen Augenblick bei der Altenburg, so müssen wir sagen, daß sie fast in jeder Beziehung dem entspricht, was C. SCHTTCHHARDT14) für einen fränkischen Königshof postuliert hat. Sie liegt nicht auf dem Gipfel des Großen Gleichberges, sondern auf einer seiner tieferen Stufen (Tf. IV, 3). Sie hat mit wenig mehr als 1 ha Flächeninhalt die übliche Größe. Sie gliedert sich in curtis, curticula und pomerium. Sie zeigt in der curtis die bekannten Mardellen, die sich wiederholt als einräumige Häuser mit versenktem Boden erwiesen haben. Sie liegt nur 2,25 km von einer Mühle, der Geiersmühle, entfernt und hat die Stiftung eines Klosters gesehen, wenn dieses auch kaum mehr als 20 Jahre Bestand gehabt hat. Im 10. Jahrh. traten nach C. SCHUCHHABDT 11 ), wenigstens in Niedersachsen, an Stelle der Königshöfe die ältesten Dynastenburgen. [906] entäußerte sich Graf Adalbert der könig") Vgl. Zum Kreuz von Woltwiesche, a. a. O., S. 428. ) Vgl. Die Begräbnisstätte der Karolingerzeit an der Boxhornschanze, Stdtkr. Quedlinburg, Mannus, Erg.Bd. IV, Leipzig 1925, S. 157-169, Abb. 1 - 1 5 . 18a ) Vgl. auch K. DINKLAGE, Frühdeutsche Volkskultur der Ostmark im Spiegel der Bodenfunde von Untersteiermark und Krain, M. A. G. W., Bd. LXXI, Berlin 1941, S. 245, Tafel III, 1, 2, 4. 19 ) Vgl. Die Entstehung der Landesherrschaft, Teil 1, Dresden 1941, S. 60ff. 20 ) Vgl. E. F. J. DRONKE, Codex diplomaticus Fuldensis, Kassel 1850, S. 277f., Nr. 596. - O. DOBENECKER, Begesta diplomatica necnon epistolaria Historiae Thuringiae, Bd. I, Jena 1895, Nr. 238. 21 ) Vgl. P. LEHFELDT und 6 . Voss, Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, H. X X X I , S. 464. 18
22
) V g l . O. D O B E N E C K E R , a . a . 0 . , N r . 4 8 .
23
) V g l . E . F. J . DRONKE, a. a. 0 . , S. 88f., N r . 157. -
O. DOBENECKER, a. a. 0 . , Nr. 66.
21
) Vgl. E . F . J . DRONKE, a. a. 0 . , S. 300, N r . 651. -
O. DOBENECKER, a. a. O., N r . 309.
2S
) Vgl. P . LEHFELDT u n d 6 . V o s s , a. a. O., S. 3 9 5 .
Sieben Gleichbergburgen
13
liehen Altenburg. Diese hat ihren Namen alte Burg vom Volke zweifellos nur im Hinblick auf ihre nächste Nachbarin, die Hartenburg™), erhalten. Denn Rentmauer und Steinsburg waren ja ihrerseits viel älter als sie. Sollte die Altenburg auch buchstäblich durch die Hartenburg abgelöst worden und eine Schöpfung jenes Grafen Adalbert sein? Der Gedanke ist verführerisch. Prüfen wir also die Quellen genau! Graf Adalbert war ein Babenberger, und zwar entweder der älteste Sohn Graf Heinrichs I.M) oder aber der ältere Sohn Poppos II.®7), Markgrafen der Sorbenmark. Gehörte er der älteren Linie an, so ist er noch im Jahre 906 als Reichsächter hingerichtet worden26) und könnte also die Hartenburg nur vorher gegründet haben. Gehörte er jedoch der jüngeren Linie an, so könnte er ein Vorfahre der Henneberger gewesen sein28). Der Name Hartenberc erscheint zum ersten Male in einer Urkunde des Bischofs Reginhard von Würzburg, die 0 . DOBENECKER 30 ) zum Jahre [1176] datiert. Dort tritt als edelfreier Zeuge im Gefolge eines Grafen Poppo von Henneberg ein Adalbert von Hartenberc auf. Derselbe begegnet weiter 1 1 7 8 3 1 ) und 1187 3 2 ). 1 1 8 9 erscheint als Zeuge in einer Urkunde Barbarossas33) ein Markward von Hartenberc, wohl ein Sohn Alberts. Ob dieser personengleich mit einem Marowald von Hertenberg war, der 1203 auftritt 34 ), mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls erscheint er aber noch 1209 3 6 ), 1216 3 6 ) und 1227 3 7 ) (falls es sich nicht hier schon wieder um einen Sohn handelt). Da die Zeugen in den Urkunden von [1176] bis 1 1 8 7 , soweit wir nachkommen können, nur Abkömmlinge des Hauses Henneberg umfassen, liegt es nach unserer Ansicht nahe, auch in den beiden Hartenbergern Henneberger zu erblicken. Stimmt diese Annahme, so beruht vielleicht nicht einmal auf einem Zufall, daß der erste Hartenberger noch den Namen seines Ahnen Adalbert trägt. Denn wir dürfen darauf hinweisen, wie fest andere Namen (POPPO, GODEBOLD, BERTHOLD) im Hause Babenberg-Henneberg gewesen sind38). Die uns zur Verfügung stehenden Quellen sind also etwas dürftig. Doch widersprechen sie, soweit wir sehen, unserer Vermutung auch nicht. Kehren wir zur Hartenburg als solcher zurück, so finden wir, daß diese auf einem ovalen Berge liegt, der einen letzten nordwestlichen Ausläufer des Großen Gleichberges bildet, sich zu 404,2 m Höhe erhebt, nach allen Seiten ziemlich gleichmäßig steil abfällt und von der Altenburg nur durch ein Tal getrennt wird (Abb. 5). In dieser Gestalt verkörperte er das Ideal eines mittelalterlichen Burgberges erster Ordnung. Dementsprechend ist sein Gipfel (3316,22 m2) in altertümlicher Weise durch einen einfachen, aber 10—15 m tiefen Ringgraben von 310 m L. befestigt, dessen Aushub auf der Außenseite zu einem schwachen Walle aufgeworfen ist (Tf. IV, 4, 5). Der Zugang kann nur von der Westseite her über eine Zugbrücke erfolgt sein. Die Gebäude der Burg sind heute von der Oberfläche verschwunden, doch sind noch Reste des alten gepflasterten Burgweges und die ErdÖffnung einer Zisterne (Turm?) erkennbar. Auch erinnern eine Anzahl Flurnamen an das Leben auf einer mittelalterlichen 25») Vgl. P. KÖHLER, Die Residenzen der Henneberger Grafen der Römhilder Linie, Jahrbuch 1938 des Hennebergisch-fränkischen Geschichtsvereins, Meiningen 1938, S. l f f . 28
) Vgl. E. ZICKGRAF, Die geforstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, Marburg 1944, S. 54, Anm. 44. ') Vgl. a. a. O., S. 53f., Anm. 43. Nach 0 . DOBENECKER, a. a. O., Nr. 270 hatte Adalbraht eine Grafschaft im Grabfelde! Dazu W. SCHLESINGER, a. a. O., S. 59, 161, Anm. 207. a
28
) V g l . E . ZICKGRAF, a . a. 0 . , S. 5 4 .
2
») Vgl. a. a. O., S. 79. 30 ) Vgl. a. a. O., Bd. II, 1, Jena 1898, Nr. 513. 31 ) Vgl. a. a. O., Nr. 545. 32 ) Vgl. a. a. 0., Nr. 765. ") Vgl. a. a 0., Nr. 826. 3< ) Vgl. a. a. O., Nr. 1243. 3fi ) Vgl. a. a. O-, Nr. 1440. Vgl. a. a. 0., Nr. 1683. »') Vgl. a. a. O., Nr. 2471. S8
) V g l . W . SCHLESINGER, a. a . O., S. 1 6 1 i f . . -
E . ZICKGRAF, a. a . O . , S . 79.
14
G. NEUMANN
Burg39). Wissenschaftliche Ausgrabungen haben auf der Hartenburg noch nicht stattgefunden. Trotzdem kann kein Zweifel sein, daß ihre Befestigungsanlagen rein mittelalterlich sind, selbst wenn sich im Bereiche der Burg ein paar vorgeschichtliche Gefäßscherben gezeigt haben. Im Rahmen des Mittelalters aber sind sie ihrem Charakter nach alt40) und können durchaus dem 11., ja dem 10. Jahrh. angehören. Deshalb bestehen gegen unsere oben geäußerte Vermutung auch von der archäologischen Seite her kaum unüberwindliche Bedenken. Seit der vierten großen Teilung der Henneberger Lande im Jahre 1274 wurde die Hartenburg Sitz einer eigenen Grafenlinie Henneberg-Hartenberg 41 ). Von ihr aus muß Graf Heinrich IV. vor 1317 auch die Stadt Römhild gegründet haben42). Deren Namen entlehnte er der villa Rotemulte = rote Erde, die seit 800 urkundlich bezeugt ist43) und heute im Ortsteil
6
2 3
5
Abb. 5. Altenburg (5) und Hartenburg (6) von Westen. Dahinter (2-4) Steinaburg
Altenrömhild44) fortlebt. Bis gegen Ende des 15. Jahrh. blieb die Hartenburg Regierungssitz45). Dann hielt es Graf Friedrich II. (1465—1488) für angemessener, seine Residenz in die Stadt zu verlegen, und begann mit dem Bau eines Wasserschlosses, der Glücksburg46) in Römhild. Sein Sohn Hermann VIII. (1488—1535) dürfte den Bau im Jahre 1491 vollendet haben. Er war mit Elisabeth, einer Tochter des Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg, verheiratet und der Vorletzte seines Geschlechtes. Die Stiftskirche Römhild bewahrt das Grab dieses edlen Paares, von der Meisterhand Peter Vischers in Erz gegossen, als das herrlichste ihrer Kleinodien bis heute47). Die Glücksburg ist ein umfangreicher, massiger Renaissancebau, der sich um zwei Höfe gruppiert und in jüngerer Zeit mancherlei bauliche Veränderungen erfahren hat. S9 ) Vgl. P. LEHFELDT und 6 . Voss, a. a. 0., S. 464f. - A. GÖTZE, Führer auf die Steinsburg bei Bömhild, Hildburghausen 1940, S. 29. — P. KÖHLER, Römhild, Ein Führer durch die Stadt, ihre Umgebung und ihre Geschichte, Bömhild 1940, S. 17-20, Abb. 22. 40 ) Vgl. B. EBHARDT, Der Wehrbau Europa« im Mittelalter, Bd. I, Berlin 1939, S. 23. 41 ) Vgl. E. ZICKGRAF, a. a. O., S. 86-91, Karte V.
« ) V g l . P . KÖHLER, a. a . O., S . 3 3 f . " ) V g l . 0 . DOBENECKER, a. a . 0 . , B d . I , 1, N r . 66, 94, 97, 2 3 8 .
") Vgl. P. LEHFELDT und G. Voss, a. a. 0., S. 463f. " ) V g l . P . KÖHLER, a . a. 0 . , S. 13. " ) V g l . P . LEHFELDT u n d G. V o s s , a. a. 0 . , S. 4 4 5 - 4 5 8 , A b b . - P . KÖHLER, a. a. 0 . , S. 1 3 - 1 4 , A b b . 1 , 2 , 21C.
- Derselbe, Jahrbuch 1938, S. 21 ff. ") Vgl. P. LEHFELDT und G. Voss, a. a. 0., S. 399-442,11 Abb. - TH. DEMMLER, Deutsche Bitterdenkmäler in Römhild, Königstein i. T. o. J. S. 1-32.
Sieben Gleichbergburgen
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Überschauen wir die Reihe der sieben Gleichbergburgen, so erkennen wir, wie vielseitig und wandelbar sich der Begriff Burg im Verlaufe von 4000 Jahren auf engstem Räume darstellt. Getreulich spiegelt er den Wechsel der Gesittungen, der wirtschaftlichen und sozialenVerhältnisse über Völker und Zeiten hinweg wider, schließt in sich ebenso die Naturfestung aus der Zeit um 2000, das Refugium des 9.Jahrh. und die Anfänge einer mitteldeutschen Stadtbildung im 6. bis l.Jahrh. vor Chr., wie den Wirtschaftshof der Karolingerzeit, den Dynastensitz des Mittelalters und das Wasserschloß beginnender Neuzeit. Und es wäre uns ein leichtes, am Beispiel der Altstadt Römhild noch eine mittelalterliche Stadtbefestigung, am Beispiel der Kirche Milz eine Kirchburg, am Beispiel der Römhilder Landwehr eine Landesbefestigung der Neuzeit zu erläutern, wenn wir es darauf abgesehen hätten, einen vollständigen Überblick über alle Formen von Befestigungen der Vergangenheit unseres Gebietes zu versuchen. Allein das liegt uns hier ferne. Wichtig ist dagegen die Feststellung, daß unsere Burgen im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr von der Höhe der Gleichberge hinab ins Tal steigen (Rentmauer 679,1, Steinsburg I, 641,5; II, etwa 540; III, etwa 500, Altenburg 420, Hartenburg 404,2 und Glücksburg etwa 300 m über NN). In dieser Erscheinung drückt sich das mit wachsender Differenzierung der Zivilisation immer zunehmende Verlangen nach bequemerer Wirtschaftsweise aus und der Verlust an natürlichem Schutz wurde durch ein Mehr an technischem Aufwand ausgeglichen. Wichtig erscheint ferner, darauf hinzuweisen, daß unsere sieben Gleichbergburgen augenscheinlich zwei Ketten bilden, zwischen denen ein Glied fehlt, sie zu einer zusammenzuschließen. Deutlich reihen sich aus inneren Gründen die Burgen 1—4 und 5—7 aneinander, jene durch eine gewisse Hallstatt-Latene-(Illyrer[?]-Kelten-) Tradition, diese möglicherweise sogar durch personelle Deszendenz miteinander verbunden. Die Lücke zwischen beiden Gruppen geht zu Lasten des älteren Germanentums. Es scheint, wie wir oben schon sagten, in Südwestthüringen Burgen nicht gebaut zu haben. Allein darauf kommt es im letzten Grande nicht einmal an. Denn wir besitzen aus dem Gebiete der Gleichberge wie aus dem oberen Werratale überhaupt nicht ein zwingend germanisches Fundstück der Zeit von Chr. Geburt bis 500 nach Chr.! Das heißt unser Gebiet bildete seit dem Ausgang des Oppidums Steinsburg einen Teil der sogenannten Helvetiereinöde48). Es wurde zur Buchonia und ist der Kultur erst durch die Rodungstätigkeit des Frankenstammes wiedergewonnen worden49). Daher der Name Grabfeld50). Endlich haben wir noch eine letzte Frage zu beantworten: Wie erklärt sich das Beieinander so vieler Burgen der verschiedensten Epochen auf den Gleichbergen und insbesondere auf deren Westseite? Sie ist gewiß nicht allein dadurch zu beantworten, daß wir auf beherrschende Lage und vielseitige Eignung der beiden Zwillingsgipfel samt ihren Ausläufern für den Burgenbau aller Zeiten hinweisen. Diese Eigenschaften bilden lediglich eine wichtige Voraussetzung. Entscheidend scheint uns vielmehr die Tatsache zu sein, daß sich am westlichen Fuße der Gleichberge die kürzeste Straße51) entlang zog, die Mainfranken mit Thüringen verband, die sogenannte Weinstraße. Denn sie hat nachweislich schon den Glockenbecher" ) V g l . W . CAPELLE, a . a . O . , S . 4 4 7 . « ) V g l . W . SCHLESINGER, a . a . O . , S . 1 5 6 . 50
) Vgl. a. a. O. — E. ZICKGRAP, a. a. O., S. 3, Anm. 18 und E. Frhr. VON GUTTENBERG, Stammesgrenzen und Volkstum im Gebiet der Bednitz und Altmühl, Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 8-9, Erlangen 1943, S. 30ff., 48ff. ") Vgl. G. JACOB, Die Gleichberge bei Römhild (Herzogtum Meiningen) und ihre prähistorische Bedeutung, Archiv für Anthropologie, Bd. X, Braunschweig 1878, S. 270. - Derselbe, Die Gleichberge bei Römhild als Kulturstätten der La-Töne-Zeit Mitteldeutschlands, VAPS., H. V-VIII, Halle 1887, S. 10. - Derselbe, Anm. 5. - Derselbe, Die Gleichberge bei ßömhild im Herzogtum Meiningen und ihre vorgeschichtliche Bedeutung, 2. Auflage, Hildburghausen 1895, S. 2f. - G. N E U M A N N , a. a. O . . - E . ZIOKORAF, a. a. O , S. 14. - P. KÖHLER, Jahrbuch 1938, S. 6f.
16
G . NEUMANN
leuten52) als Richtlinie gedient und vom ausgehenden Neolithikum bis zum Dreißigjährigen Kriege 63 ) ununterbrochen in Benutzung gestanden, sogar während der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends nach Christus54). Ihr Trakt ist im Gelände zum Teil noch deutlich erhalten und führt von Königshofen (899) über Herbstadt (800), Milz, unterhalb von Altenburg, Hartenburg (Tf. IV, 6) und Steinsburg vorüber nach der Wüstung Schwabhausen (883), St. Bernhardt ([vor 956]) und Trostadt (795 usw.), wo sie die Werra überschreitet. Diese bedeutende Verkehrsader galt es Jahrtausende hindurch immer wieder zu nützen und zu schützen, bis sie von anderen Straßen entwertet und abgelöst wurde. ,a
) Vgl. C. KADE, Ein bemerkenswerter jungsteinzeitlicher Fund von Simmershausen, MGSt., Bd. 3, H. 1, Hild-
burghausen 1938, S. 24. H
G. NEUMANN, a. a. 0 .
) V g l . G . JACOB, A n m . 5 , S . 8 4 .
" ) Dafür zeugen Funde römischer Münzen von Milz (vgl. C. KADE, Götze-Festschrift,, S. 12f.) und Trostadt ( vgl. C. KADE, Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer des Amtsgerichtsbezirkes Themar, MGSt., Bd. 2, H. 5, Hildburghaiisen 1937, S. 16f.).
Die geschichtliche Bedeutung der jungsteinzeitlichen Befestigungsanlagen Von FRIEDRICH SCHLETTE,
Halle
E s ist ein gutes halbes Jahrhundert her, daß erstmalig eine Burganlage als jungsteinzeitlich angesehen wurde, nämlich 1899 durch A. BONNET1) die Befestigung auf dem Michelsberg. Angeregt durch die Bauten vor allem von Urmitz und Mayen, behandelte elf Jahre später 2 H . LEHNER die damals bekannten jungsteinzeitlichen Befestigungen in einer Gesamtschau ) 3 und stellte sie in Parallele zu der kurz vorher bekannt gewordenen Burg von Dimini ) und dem homerischen Schiffslager von Troja. In C. SCHUCHARDT erwuchs der Burgenforschung ein großer Förderer, ohne daß es aber durch ihn zu größeren Grabungen von jungsteinzeitlichen Anlagen oder wesentlich neuen Erkenntnissen kam. Dagegen haben die Grabungen auf dem Goldberg durch G. B E R S U eine große Bedeutung, so daß das Fehlen einer eigentlichen Veröffentlichung um so bedauerlicher ist 4 ). Eine erneute, wenn auch nur theoretische Anregung erhielt die jungsteinzeitliche Burgenforschung durch die kritische Betrachtung 0 . PARETS. der Befestigungen für diese frühe Zeit ablehnen möchte 5 ). Trotz vieler Mitarbeit und mancher wertvoller Anregung ist der Erforschung jungsteinzeitlicher Burgen nicht ein gleicher Initiator erwachsen, wie ihn die frühgeschichtliche Burgwallforschung in W. UNVERZAGT gefunden hat. Das ist um so schmerzlicher, als wir ja in den jungsteinzeitlichen Bauten die ersten derartigen Anlagen der Menschheit besitzen und somit auf ein bedeutsames gesellschaftliches Ereignis schließen dürfen. Verfasser hat in einer noch unveröffentlichten Arbeit 6 ) die bisher bekannten sicheren und auch teilweise unsicheren jungsteinzeitlichen Befestigungsanlagen, insbesondere aus Mitteleuropa, aber darüber hinaus auch anderen Teilen Europas zusammengestellt. Dabei ergab sich, wie wenig gut gegrabene Anlagen wir besitzen, wie wir vielmehr in den meisten Fällen uns mit den noch oberflächlich erkennbaren Spuren und Einzelfunden, vielleicht noch mit einem Probeschnitt begnügen müssen. Immerhin lassen sich eine Anzahl Unterschiede in Lage, Gestaltung, Stärke, Ausdehnung und manchen Einzelheiten zwischen den in den einzelnen Kulturgebieten auftretenden Anlagen herausstellen, die nicht zufälliger Natur sind, sondern ihren Grund in der Aufgabe, den die Bauten erfüllen sollen, und damit in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur ihrer Erbauer finden. ') A. BONNET, Die steinzeitliche Ansiedlung auf dem Mioheiaberg bei Untergrombach, in: Karlsruher Veröffentlichungen XI, 1899, S. 39 ff. 2 ) H. LEHNEK, Der Befestigungsbau der jüngeren Steinzeit, in: Prähistorische Zeitschrift 2, 1910, S. 1 ff. 3 ) TSOUNTAS, Die vorgeschichtlichen Akropolen von Dimini und Sesklon, Athen 1908. 4 ) Am ausführlichsten noch: G. BERSU, in Rodenwaldt, Neue deutsche Ausgrabungen. Deutschtum im Ausland 23./24.Heft, 1930, S. 130ff. — Die Hausformen sind dagegen eingehender behandelt: d e r s e l b e , in: Germania 20, 1936, S . 2 2 9 f f . und 21, 1937, S. 149ff. 6 ) O. PABET, Das neue Bild der Vorgeschichte, Stuttgart 1946. e
3
) F. SCHLETTE, Jungsteinzeitlicher Befestigungsbau in Mitteleuropa, Dissertation Halle 1948.
Frühe Burgen
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FRIEDRICH SOHLETTE
Halten wir kurz Rückschau auf die davorliegenden Zeiten! Das Bedürfnis, sich zu schützen, ist bereits als Instinkt beim Tier vorhanden und dürfte deshalb von Anfang an dem Menschen eigen gewesen sein. Schon der altsteinzeitliche Jäger hat sicherlich Höhlen nicht nur gern aufgesucht, um Schutz vor den Unbilden der Witterung, sondern auch vor Mensch und Tier zu haben. Ein Höhleneingang konnte leicht durch einen großen Stein oder durch Astwerk geschlossen werden. Auch die folgende Stufe der Fischer und Jäger in der mittleren Steinzeit kennt noch keine Befestigungen. Aus den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen heraus ergab sich dafür keine Notwendigkeit. Die Art der Produktionsweise gestattete keine Anreicherung von materiellen Gütern und verlangte deswegen auch keine dementsprechenden Sicherungsmaßnahmen. Das wird in der jüngeren Steinzeit anders, als Ackerbau und Viehhaltung zur herrschenden Produktionsweise des Menschen in großen Gebieten des eurasiatischen Raumes werden. Beide Wirtschaftsformen schaffen Werte, die aus Existenzgründen vor Verlust durch R a u b geschützt werden müssen. Hinzu kommt, daß nun verschiedene Wirtschaftsformen nebeneinander bestehen, daß sich die gesellschaftliche Entwicklung dementsprechend in verschiedenen Bahnen bewegt und damit auch diese Gegensätze zu Auseinandersetzungen führen. Von der Gefahr, die dem Menschen durch Tiere drohte, hatte er sich durch Verbesserung seiner Waffen immer mehr freigemacht. Dagegen nahm nun der Kampf der Menschen untereinander im Laufe der weiteren Menschheitsentwicklung an Heftigkeit zu. J e mehr sich die Urgemeinschaft auflöste und einer Klassengesellschaft den Platz überlassen mußte, um so größere Bedeutung gewann die kriegerische Auseinandersetzung. Durch den Krieg konnten nicht nur die materiellen Güter und damit die Macht und das Ansehen des einzelnen in der Gesellschaft vergrößert werden, sondern es wurden auch Arbeitskräfte auf billige Weise erworben. Wir erwähnten bereits, wie die jungsteinzeitlichen Anlagen verschiedenen Charakters sind. Eine führende Stellung nimmt der Westische Kulturkreis ein, der auf deutschem Boden vor allem durch die Michelsberger Kultur vertreten ist. Ansehnliche, vor allem für damalige Verhältnisse imponierende Bauten treten uns hier entgegen. Die größte Anlage ist bisher von Urmitz mit 80 ha bekannt, der möglicherweise eine gleichwertige von Schierstein im Stadtbezirk Wiesbaden zur Seite zu stellen ist'). Neben einzelnen Anlagen auf französischem Gebiet von 10—30 ha ist der Michelsberg 8 ) mit etwa 20 ha und die Beusterburg bei Nordstemmen, Kr. Alfeld, mit etwa 17 ha, die erst kürzlich durch TACKENBERG9) eine entsprechende Würdigung erhalten hat, zu nennen. Außer diesen großräumigen Bauten kennen wir weitere von 10 bis zu 1ha Größe und einigen wenigen sogar unter 1 ha. Als bevorzugte Plätze gelten Berghöhen und besonders Bergnasen, die durch steile Abhänge an drei Seiten einen weiteren natürlichen Schutz bieten. Von allen Seiten unzugängliche, felsige Höhen werden im allgemeinen nicht aufgesucht. Dagegen wird mehrmals ein Flußufer gewählt. Die Befestigungsform ist in der Mehrzahl die Ringanlage, sogar mitunter auf Bergnasen, wo eine Abschnittsbefestigung genügt hätte. Auf dem Goldberg beispielsweise ist aber wieder diese Art der Befestigung bekannt. Der Grundriß weist keine bestimmte Form auf; wenn nicht das Gelände einen gewissen Einfluß auf die Linienführung hat, wählte man eine ovale Grundrißgestalt. Auf jeden Fall sind eine mathematisch genaue Form oder scharfe Ecken unbekannt. Eine Ausnahme bilden die kreisförmigen Anlagen der Windmill-Hill-Kultur in Südengland 10 ). Ein hervorragendes Merkmal aller Anlagen ist der breite Sohlgraben von 3,5—6,5 m oberer und 1 —2 m unterer Breite. Nur ganz vereinzelt treffen wir einen schmaleren Sohlgraben oder ') Nassauiache Annalen 43, 1914/16, S. 376ff.; 48, 1927, S. 5ff. ) Zuletzt: A. DAUBER, in: Germania 29, 1951, S. 132ff. •) K . TACKENBERG, Die Beusterburg, ein jüngste inzeitliehes'^Erdwerk Niedersachsens, Hildesheim 1951. 10 ) C. OUR WEN, Neolithic eamps, in: Antiquity 4, 1930, S. 22ff. 8
Die geschichtliche Bedeutung der jungsteinzeitlichen Befestigungsanlagen
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gar einen Spitzgraben an. Naturgemäß — schon allein um das ausgeworfene Erdreich aufzunehmen — gehört zu jedem Graben ein Wall, der aber in seltensten Fällen noch zu erkennen und manchmal noch nicht einmal sicher aus der Einschwemmung im Graben zu erschließen ist. Wenn der Wall auch in den meisten Fällen hinter dem Graben liegt, so finden wir ihn mitunter auch davor (z. B. bei der Beusterburg). Irgendeine Versteifung durch Holz oder Steine wurde in der Jungsteinzeit noch nicht eingebaut. Dagegen legte man häufig entweder unmittelbar oder auch bis 25 m dahinter eine Palisade aus mitunter sehr kräftigen Pfosten an. In einigen Fällen mag sie auch dem Wall als Stirnwand gedient haben. Die Palisade hatte m. E. zwei Aufgaben zu erfüllen. Neben dem eigentlichen Verteidigungszwecke sollte sie auch das Vieh zusammenhalten, was durch einen Wall kaum möglich gewesen wäre; der Graben selbst hätte zudem noch eine Gefahr für das Vieh dargestellt. Die Zugänge ins Innere sind im allgemeinen einfach in Form einer stehengelassenen Erdbrücke und. eines aussetzenden Walles (bzw. Palisade) geschaffen. Auf die Möglichkeiten aber auch eines Torbaues — wie etwa in Urmitz — sei an dieser Stelle nur hingewiesen. Auffallend ist die Vielzahl der Durchgänge, so daß durchschnittlich nicht nur etwa alle 50 m, sondern sogar alle 25 m und noch häufiger (in der Windmill-Hill-Kultur?) ein Eingang kommt. Die Besiedlung im Innern ist mitunter ganz gering, so daß kaum mit einer stets vollständigen Belegung gerechnet werden dürfte. Daneben kennen wir aber auch dorfähnliche Ansiedlungen. Die Verbreitung der Befestigungsanlagen im Verhältnis zum Siedlungsgebiet der Michelsberger Kultur — um nur diese aus dem Westischen Kulturkreis einmal herauszustellen — zeigt keine besonderen Schwerpunkte. Die Gebiete zahlreicher Michelsberger Funde weisen auch die meisten Befestigungsbauten auf. Nur aus dem saalischen und böhmischen Raum sind uns bisher keine bekannt. Auf den Zweck und die Bedeutung der Bauten kommen wir später zu sprechen. Betrachten wir nun die Bauten in der Bandheramik, die ja als die älteste Kultur mit Ackerbau in Mitteleuropa gilt. Schon in der Wahl des Platzes zeigt sich ein Unterschied gegenüber dem Westischen Kulturkreis. Die geschützten Siedlungen liegen ebenso wie die ungeschützten in der Ebene, am flachen Hang oder auf einer niedrigen Hochebene. Im allgemeinen wird die Nähe eines Wassers angestrebt. In der Größe bleiben die bandkeramischen Anlagen hinter denen des Westischen Kreises zurück. Außer einigen noch sehr fraglichen Bauten von 20 bis 30 ha sind sie im allgemeinen erheblich geringeren Umfanges von 2—5 ha Größe. Im Grundriß wird ebenfalls keine bestimmte Form bevorzugt. Der überraschendste Unterschied gegenüber den Westischen Anlagen bildet aber die Bauart selbst. Das Vorherrschende ist hier die Palisade, die für uns in Form eines schmalen Spitzgrabens zu erkennen ist. Die obere Breite beträgt im Durchschnitt 2 m. Sohlgräben bilden eine Ausnahme. Neben einigen nur kurzen Stücken und einigen unsicheren Beobachtungen kennen wir eigentliche Sohlgräben nur aus Köln-Lindenthal mit einem 5—6 m breiten Graben und dem jüngeren Cucuteni11) mit einem 5 - 9 m breiten Graben. In Köln-Lindenthal verlief außerdem nach Michelsberger Art 6—12 m dahinter eine Palisade mit Wall. Die Bauten, sowohl die einfachen Palisaden als auch das Wallgrabensystem, gehören im Bereich der mitteleuropäischen Bandkeramik durchweg der jüngsten Stufe der Linearbandkeramik und in Einzelfällen der Stichband keramik an. Ähnlich sind auch die wenigen aus der Rössener Kultur bekannten Anlagen gebaut. Nur befinden sich diese, besonders in Süddeutschland und der Schweiz, auf Höhen. Sofern ein Graben um die Siedlung festgestellt werden konnte, handelte es sich ebenfalls um einen Spitzgraben. Ganz im Gegensatz zu den: meisten Michelsberger Anlagen haben wir sowohl in der Bandkeramik wie der Rössener Kultur im Innern starke Siedlungsspuren, die auf eine ständige Besiedlung hinweisen. ") H. SCHMIDT, Cucuteni, Berlin 1932.
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FRIEDRICH SCHLETTE
Als dritter Kulturkreis ist der Nordeuropäische (nordische) zu nennen. Wir kennen bei ihm befestigte Ansiedlungen nur aus dem Elb-Saalegebiet. Die Größe schwankt v o n 1—20 ha, sie sind im Durchschnitt größer als die der Bandkeramik. Die Befestigung selbst besteht aus Spitz- wie aus Sohlgräben mit entsprechend verschiedenen Breiten. Die Linienführung ist auf langen Strecken hin auffallend geradlinig und zeigt verhältnismäßig scharf ausgebildete Ecken. D i e reichhaltigen Siedlungsfunde sprechen für eine ständig bewohnte Ansiedlung 1 2 ). Diese in aller Kürze und unter Weglassung vieler Einzelheiten gegebene bauliche Charakterisierung der jungsteinzeitlichen Befestigungsanlagen nach den bisher uns bekannten Anlagen sollte nur dazu dienen, auf die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit hinweisen zu können. Ein wesentlicher Unterschied innerhalb sämtlicher Anlagen liegt in der Stärke des Baues. Die einfachen Palisadenbauten dürfte man kaum als eigentliche Befestigungen ansprechen, sondern mehr als „Umfriedung". Weiter lassen sich die Anlagen in solche mit geringer Besiedlung und andere mit zahlreichen Siedlungsspuren gliedern. Daraus ergeben sich verschiedene T y p e n : 1. Fluchtburg mit geringer Besiedlung, geschützt durch Wall, Graben und meistens Palisade, verhältnismäßig großflächig angelegt. 2. Befestigte Siedlung mit dorfartiger Bebauung, sonst in ähnlicher Weise geschützt. 3. Umfriedete Siedlung, ebenfalls dorfartig angelegt, aber nur v o n einem Palisadenzaun umgeben. 4. Farm, Einzelhof, geschützt durch Palisade. Aus der Bandkeramik kennen wir in der Mehrzahl nur umfriedete und einige befestigte Siedlungen, während Fluchtburgen bisher unbekannt sind. Vergegenwärtigen wir uns das Bild der bandkeramischen Wirtschaft, wie sie sich aus der übrigen archäologischen Hinterlassenschaft zu erkennen gibt, dann ist das verständlich. D e n n einer überwiegend auf Pflanzenanbau eingestellten Bevölkerung ist nur durch einen Schutz des Dorfes selbst geholfen und nicht durch eine für ein großes Gebiet vorgesehene Fluehtburg, wohin ja die landwirtschaftlichen Vorräte nur unter Schwierigkeiten mitgenommen werden könnten. Anders dagegen bei viehhaltenden- und züchtenden Stämmen, die mit ihren Herden über ein größeres Gebiet verteilt sind und ein mehr oder weniger unstetes Leben führen. So wird für diese häufig eine Fluchtburg vorteilhafter gewesen sein, u m vor allem die Viehherden im Falle drohender Gefahr aufnehmen zu können. Diesen Bau t y p finden wir nun wiederum in der Michelsberger Kultur vertreten, bei der neben einem Pflanzenanbau doch die führende Rolle die Viehhaltung spielte. E s sei an dieser Stelle ganz kurz auf die bekannten Einwände P A R E T S eingegangen. A u s allgemeinen und unter — teilweise den Grabungsberichten nicht entsprechenden — Auslegungen bautechnischer Eigenarten möchte P A R E T in diesen Bauten keine Befestigungen, sondern Viehkraale sehen. Man fragt sich nur, warum man sich dann nicht zum Zusammenhalten des Viehes wie heute mit einfachen Zäunen begnügte. Berücksichtigt man aber die gewaltigen Arbeitsleistungen (s.u.), dann k o m m t man — wie nebenbei auch P A R K T selbst — nur zu dem Schluß, daß derartige Bauten dem Schutze des Viehes gedient haben müssen. D a s dürfte in dem Ausdruck „Viehkraal" m. E. nicht genügend zur Geltung kommen. Selbstverständlich sollte man bei Verwendung des Begriffes „Befestigungen" nicht mittelalterliche oder gar neuzeitliche Maßstäbe anlegen. So spiegeln auch gerade die verschiedenen Typen der Schutzbauten die entsprechende wirtschaftliche Struktur wider. Aber auch zur Klärung der gesellschaftlichen Verhältnisse trägt eine Betrachtung in dieser Hinsicht bei. Nach den bisherigen Erkenntnissen dürfte die Bandkeramik als die älteste Bauernkultur Mitteleuropas gelten. Aus ihren ältesten Stufen 12
) Vgl. zu diesen Anlagen F. SCHLETTE, Aunjetitzer Gräber und jungsteinzeitliehe Befestigungsanlage von Stemmern, Kreis Wanzleben, in: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 37, 1953, S. 161 ff.
Die geschichtliche Bedeutung der jungsteinzeitlichen Befestigungsanlagen
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sind uns keine Schutzbauten bekannt, sondern erst in der jüngeren Linearbandkeramik und der Stichbandkeramik treffen wir auf derartige Anlagen. Das gleiche gilt im nordeuropäischen Kulturkreis für ältere Stufen, die ebenfalls keine Schutzbauten aufweisen. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß Stämme im Anfangsstadium des Ackerbaues keiner Schutzbauten bedurften. E s mag dahingestellt bleiben, ob vielleicht die Bevorratung noch zu gering war (Unterstützung durch Jagd und Fischfang) oder die einzelnen bäuerlichen Sippen und Stämme weit auseinander siedelten und genügend Raum zum Anbau besaßen. Meines Erachtens aber dürfte die einheitliche wirtschaftliche Struktur weiter Gebiete der Grund gewesen sein. Das wird anders, als Hirten- (und Jäger- ?) Stämme erscheinen. Mag auch vielfach ein friedlicher Austausch ihrer Produkte erfolgt sein, so dürfte gerade den patriarchalisch-organisierten und kriegerisch veranlagten Stämmen der Raub als die einträglichere Form des Erwerbes erschienen sein. Daß der Raub nicht einseitig zwischen Viehzüchtern und Bauern sich abspielte, sondern auch unter den Hirtenstämmen selbst eine bedeutende Rolle einnahm, liegt auf der Hand. Diese die Unruhe am Ende der jüngeren Steinzeit hervorrufenden Stämme treton uns archäologisch als verschiedene „Becher"-Kulturen im gesamten Europa entgegen 13 ). So war aus der Möglichkeit, durch Wachsen der Produktivkräfte sich Reichtum anzueignen, eine Geißel der Menschheit geboren: der Krieg. Noch wird überall die Gentilordnung maßgebend gewesen sein. Trotzdem dürfte sich, besonders unter den Hirtenstämmen, bereits eine Art Führerschicht abzeichnen, denn ohne diese sind wohl die großen Gemeinschaftsleistungen, wie sie beispielsweise in Urmitz uns doch so imponierend entgegentreten, kaum denkbar. Man darf in Urmitz allein für das Ausschachten der Gräben und die Herrichtung der Palisadenwand mindestens 45000 Tagewerke veranschlagen, mußten doch gut 45000 cbm Erde bewegt und über 11000 laufende Meter Holz zubereitet werden. Das kann nicht die Leistung einer lose zusammenlebenden Hirtenbevölkerung gewesen sein, sondern setzte bereits eine straffe Führung voraus. Im Mittelmeergebiet ist der Zerfall der Urgesellschaft schon weiter fortgeschritten: Hier haben wir als Befestigungstyp bereits die Palastburg als den Sitz einer sich aus der Gesellschaft heraushebenden Persönlichkeit. Die Befestigungsbauten der jüngeren Steinzeit muten uns wie ein Wetterleuchten einer neuen Zeit an, in der dann die Verwendung der Bronze zu einer bedeutenden gesellschaftlichen Differenzierung führte. Und ein Jahrtausend später kündet wieder eine Epoche zahlreicher Befestigungen die bedeutende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderung durch das Auftreten des Eisens an. Diese Erscheinung läßt sich bis in unsere Tage verfolgen. So liefern uns gerade die Befestigungsbauten wertvolle Beiträge für die Geschichte der Menschheit und stellen uns damit eine Aufgabe, der W . UNVERZAGT einen Großteil seines bisherigen Lebenswerkes gewidmet hat. So soll auch dieser kleine, ihm zugeeignete Aufsatz schließen in der Hoffnung, daß seine Arbeit noch viele Jahre unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse bereichern möge. 1 3 ) Vgl. dazu: G. CHILDB, Prehistoric Migrations in Europe, Oslo 1950, Abschnitt:The late neolithiccrisis, S. 106 ff.
Burgen und Höhensiedlungen der Lausitzer Kultur in Sachsen*) Von G . B I E R B A U M F.
Dresden
Mit 1 Textabbildung und Tafel V
In seiner Vorgeschichte von Deutschland gab C . SCHUCHHARDT 1 9 2 8 in der Abbildung auch eine Karte der „Burgen der Lausitzer Kultur". Er verzeichnet dort die Burgen von Ostro Tai. V, Abb. 2, Bautzen (Proitschenberg), Görlitz (Landeskrone), Löbau (Schafberg)1). Jeder, der auch nur einigermaßen mit den Verhältnissen in Sachsen vertraut war, konnte sofort feststellen, daß die Zusammenstellung in keiner Weise erschöpfend war. Das wußte auch G. NEUMANN, der das SCHUCHHARDT sehe Buch in Band 5 0 des Neuen Archivs für Sächsische Geschichte ( 1 9 2 9 ) , S. 2 4 8 — 2 5 0 als „Ideenbuch" sehr geschickt besprochen hat, wie der Verfasser in oft genug erfolgter Aussprache mit G. NEUMANN, der damals sein Mitarbeiter war, feststellen konnte. Aus welchen Gründen G. NEUMANN eine Vervollständigung der Liste SCHUCHHARDTS schließlich doch unterlassen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Als dann K . TACKENBERG in Leipzig tätig war, hat er immer die Absicht gehabt, die SCHUCHHARDT sehe Liste zu vervollständigen. Leider ist es dazu nicht gekommen, da mein Freund T A C K E N B E R G dann nach Bonn ging, wo ihn ganz andere Interessengebiete in Anspruch nahmen. Ich hoffe daher auch in seinem Sinne zu handeln, wenn ich nun von mir aus in diesen Zeilen die notwendige Ergänzung gebe, die dem verehrten Jubilar als Festgabe, zugleich als dem Amtsnachfolger von SCHUCHHARDT, zu seinem 6 0 . Geburtstag gewidmet sein sollen. SCHUCHHARDT beendet die Kartierung seiner Burgen, ehe er Sachsen berücksichtigt, etwa mit Lossow 2 ) s ), südlich Frankfurt (Oder) also ungefähr der südlichsten großen Burg aus dem Grabungsbereich unseres Jubilars, der mit Zantoch a. d. Warthe beginnt 4 ) 5 ). Schon im Bereich von Groß-Dresden, und zwar in der Heidenschanze von Dresden Coschütz, stoßen wir auf die erste Ergänzung zu SCHÜCHHARDTS Karte, die allerdings bereits R . V I R C H O W (Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 2 4 . 6 . 1 8 7 1 , *) Zu dem hier von G. BIEBBATJM behandelten Thema sei auf. den inzwischen erschienenen Aufsatz von E . TACKENBERG, „Burgen der Lausitzer Kultur" (Prähistorische Zeitschrift 34/35, 1949/50, 2. Hälfte, S. 18FF.) hingewiesen, den der Verfasser nicht mehr benutzen konnte. CARL SCHUCHHARDT, Vorgeschichte von Deutschland, München und Berlin 1928 (R. Oldenbourg). 2 ) WILHELM UNVERZAGT, Der Burgwall von Lossow (Frankfurt/Oder) in: Neue deutsche Ausgrabungen, Deutschtum und Ausland 23/24 (Münster 1930), S. 159-164, mit 1 Tafel. 3 ) WILHELM UNVERZAGT, Congressus secundus Archaeologorum Balticorum, Riga 1931, S. 2 3 9 - 2 4 7 , mit 1 Tafel und 2 Abb. 4 ) WILHELM UNVERZAGT, Die Ausgrabungen auf der Zantocher Schanze (Vortragsbericht), Prähist. Ztschr. 23, 1932, S. 333f., besondere aber S ) ALBERT BRACKMANN und WILHELM UNVERZAGT, Zantoch, eine Burg im deutschen Osten, I . Teil: Zantoch in der schriftlichen Überlieferung und die Ausgrabungen 1932/33 in: Deutschland und der Osten, Quellen und Forschungen zur Geschichte und ihren Beziehungen, Bd. 1, 1936.
Burgen und Höhensiedlungen der Lausitzer Kultur in Sachsen
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S. 107—109) bekannt gewesen ist, wo er über den dortigen „Brandwall" geschrieben hat. Auf meine Veranlassung als Leiter der „Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der nord- und ostdeutschen vor- und frühgeschichtlichen Wall- und Wehranlagen" für das sächsische Gebiet wurden dort die großen Ausgrabungen 1933 durch W. K ERSTEN 8 ) und 1934 durch 0 . K L E E M A N N durchgeführt'), nachdem bereits mein Beitrag .,Von Schanze zu Schanze" erschienen war8). Damals interessierte sich F B . W I E G E B S für die Schlacken von Coschütz, die er vergleichsweise mit anderen Schlacken (z. B. Löbauer Berg und Stromberg u. a.) untersuchen lassen wollte. Leider habe ich nie erfahren, was daraus geworden ist, so daß man wohl damit rechnen muß, daß das Material wahrscheinlich ein Opfer des Krieges wurde. Sicher ist es das gesamte Ausgrabungsmaterial von Coschütz geworden, genau wie das von Köllmichen und dem Radisch von Kleinsaubernitz. Noch eine zweite Anlage, die ebenfalls, wenn auch nur vereinzelte lausitzer Scherben geliefert hat, befindet sich auf Dresdener Flur, und zwar in Dresden-Omsewitz3). Es handelt sich um einen frühdeutschen Ringwall in der Form des bekannten Turmhügels, wobei man wohl die lausitzer Funde sich so zu erklären hat, daß sie bei Errichtung des Turmhügels durch Zerstörung irgendeiner lausitzer Anlage mit in den Untergrund geraten sind, aus dem sie gelegentlich wieder zutage kommen. Zu beachten ist übrigens auch für die Zeitstellung dieser Anlage, daß die Nachbarflur „Burgstädtel" heißt. Dresden-Coschütz hat uns schon dicht an die Elbe herangebracht. Über die Verhältnisse an der Elbe und deren Umgebung geben meine Ausführungen 10 ) wie die von W. R A D I G 1 1 ) hinreichend Unterlagen. Bereits von 0 . S C H U S T E R in seinen „Heidenschanzen" 186911"), ebenso von R. B E H L A in seinen „Rundwällen" 188812) bekannt, ist der Burgberg Zehren. Er befindet sich an der Stelle, wo sich an seinem Westabhang die Straße aus dem Elbtal hinaufzieht. Nicht sehr weit unterhalb von Zehren liegt dann der Burgenkranz, der sich an die Umgebung der sogenannten „rauhen F u r t von Diesbar" anschließt. Zunächst handelt es sich um die beiden Wächter der „rauhen F u r t " , den „Gohrisch,}eisen" und den „Burgberg von Diesbar". Gleich die Nachbarfluren bringen weitere Anlagen zur Ergänzung der Karte. Der auf der Flur Diesbar liegende Burgberg (= die Burgkuppe) von Löbsal war auch bereits S C H U S T E R bekannt. Die Flur Seußlitz enthält gleich zwei Anlagen. Die eine ist die große Heinrichsburg, eine bronzezeitliche Volksburg, die andere ist die sogenannte Goldkuppe, beide ebenfalls schon von S C H U S T E R und B E H L A genannt. Elbaufwärts von Meißen liegt auf der sogenannten „Deutschen Bösel" oberhalb von Sörnewitz eine Anlage, die sowohl ihrer Lage wie ihren Funden nach eine lausitzer Burg sein dürfte, auch wenn sie in sehr viel jüngerer Zeit ein spätslawischer Abschnittswall gewesen sein mag. PREUSKEB13) erwähnt die Anlage meines Wissens erstmalig. •) GEORG BIERBAUM, Tätigkeitsbericht des Landespflegers für Bodenaltertümer in Sachsen für die Zeit vom 1. April 1933 bis 31. März 1934 (Nachrbl. f. d. Vorz. 10, 1934, S. 61f.). 7 ) OTTO KLEEMANN, Burgwallgrabung in Dresden-Coschütz im Jahr 1934 (Nachrbl. f. d. Vorz. 11, 1935, S. 1 4 8 - 1 5 3 , m i t 1 Tafel). 8
) GEORG BIERBAUM, Von Schanze zu Schanze, Geschichtliche Wanderfahrten Nr. 24, Dresden-N. 1932. ') OTTO TRAUTMANN, Zur Geschichte der Besiedelung der Dresdner Gegend. Mittl.d. Ver. f. Gesch. Dresdens 22, 1912 S. 84f. und 56 (Plan). 10 ) GEORG BIERBAUM, Vorgeschichtlicher Überblick in: Nordsächs. Wanderbuch (mittleres Noidsachsen), Dresden-Wachwitz 1925, S. 237-252, mit Tafel. ") WERNER RADIG, Wälle im östlichen Daleminzien. Mittl. d. Landesyereins Sächs. Heimatschutz, 18, 1929, S. 208-213, dasselbe auch Mittl. a. d. Museum f. Min., Geol. u. Vorgesch. Dresden 1929, Vorgesch. Reihe 6,1929, vergleiche übrigens auch LLA ) OSKAR SCHUSTER, Die alten Heidenschanzen Deutschlands mit spezieller Beschreibung des Oberlausitzer Schanzensystems, Dresden 1869. 12 ) ROBERT BEHLA, Die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland, Berlin 1888. 13 ) KARL PREUSKER, Blicke in die vaterländische Vorzeit 3, 1844, S. 6.
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G. BIERBAUM
Die erste Burg elbabwärts, die zur Lausitzer Kultur gehört, ist der Burgberg Meißen. Hier wurden im Jahre 1910 bei Renovierungsarbeiten im Dominnern Scherben der Billendorfer Kultur gefunden 14 ), 15 ), l6). Nicht sehr weit südlich vom Burgberg Meißen befindet sich in der Abteilung 16 des Forstreviers Siebeneichen die sogenannte „Hohe Eifer". Es ist das ein mit einem Ringwall verbundener Abschnittswall, der seinen Funden nach auch hierher gehört. Elbaufwärts von Dresden liegt in der Abteilung 104 des Staatsforstreviers Lohmen auf der Flur Krieschendorf eine stark veränderte Anlage, die gemeinsam mit dem benachbarten sogenannten „Kanapee" eine Burg der Lausitzer Kultur gewesen ist17). Die letzte Burg in Elbnähe ist der sogenannte Burgberg in der Flur Riesa-Poppitz. Dabei handelt es sich vermutlich um einen Abschnittswall mit spätlausitzer und slawischer Schicht, der von A. MIBTSCHIN bekannt gegeben worden ist18). Aus dem Bereich der Elbe bzw. deren unmittelbarer Nachbarschaft hinaus führt uns der Pfaffenstein in der Flur Pfaffendorf, Kreis Pirna. Es ist zugleich die erste Höhensiedlung, die auch bereits R . BEHLA bekannt gewesen ist. Ausführlich über sie hat sich vor allen Dingen J . V . DEICHMÜLLER 1 9 ) verbreitet. Nicht allzu weit entfernt vom Pfaffenstein liegt die Anlage auf dem sogenannten „Raupscher" im Müglitztal bei Dohna, Kreis Pirna 20 ). A. SCHIFFNER hat sie meines Wissens zum ersten Male erwähnt. Bronzezeitliche Funde sind erst in den letzten Jahren hin und wieder herausgekommen. Nach meiner Überzeugung dürfte es sich um eine Höhensiedlung handeln. Ungefähr seit dem Jahr 1898 war die Höhensiedlung auf dem landschaftlich so reizvollen Oybin bekannt, dem W . COBLEXZ im vorigen Jahr eine Untersuchung gewidmet hat. Als besonders interessant mag hier noch erwähnt sein, daß die Siedlungen mehrere Gußformen ergeben haben, wie das ja bereits auch für die Heidenschanze von Dresden-Coschütz zutraf. Das mag darauf zurückzuführen sein, daß der Bronzegießer anscheinend abgelegene Orte für seine doch wohl mit allerhand Geheimnissen umgebene Arbeit bevorzugt hat. Das gilt für Coschütz mit seiner Abgelegenheit von großen Straßen ebensogut wie für das damals sicher waldreiche Gebiet von Oybin. Im übrigen vergleiche dazu auch die Angaben von W . WILISCH 2 1 ) u n d R . MÜLLER 2 2 ).
Die jüngstbekannte Höhensiedlung dieser Zeit verdanken wir erst den Beobachtungen und Untersuchungen meines langjährigen Vertrauensmannes für Bodenaltertümer und Museumskonservators A. HAASE 2 3 ). E S handelt sich um den Kulm bei Zwoschwitz, Kreis Plauen. Er hat zwar bisher nur erst spärliches Fundmaterial ergeben, was jedoch ausgereicht hat, die Zeit festzulegen. Den Gegensatz zu den Höhensiedlungen bilden die Sumpfburgen der Lausitzer Kultur. Davon gibt es bisher nur zwei Stück. Die eine ist der Radisch von Kleinsaubernitz, Kreis U ) JOHANNES VIKTOR DEICHMÜLLER, Vorgeschichtliche Funde im Untergrund des Meißner Doms, Neues Archiv für Sachs. Gesch. 31, 1910, S. 377f. 15
) JOHANNES VIKTOR DEICHMDLLER, Sitzber. Isis Dresden 1910, S. 28.
L«) WERNER BADIG, Der Burgberg Meißen und der Slawengau Daleminzien. Führer zur Urgeschichte 8, (Augsburg 1929). " ) ERICH WILISCH, Ortsakten u n d Burgwallkarteikarte. 18 ) ALFRED MIRTSCHIN, Bedeutende Vorgeschichtsfunde im Elbgebiet, Wissenschaftl. Beilage (Dresdener Anzeiger) 15, 1925, S. 59. 19
) JOHANNES VIKTOR DEICHMÜLLER, D e r P f a f f e n s t e i n i n : MEICHE, A . , D i e B u r g e n u n d v o r g e s c h i c h t l i c h e n
Wohnstätten der Sächsischen Schweiz, Dresden 1907, S. 8 - 1 4 , mit Abb. 20
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) ALBERT SCHIFFNEB, Beschreibung von Sachsen 1840, S. 401.
) ERICH WILISCH, Zur Vorgeschichte des Oybin. Der Gebirgsfreund 10, 1898, S. 17-20, mit 2 Tafeln. 2Z ) REINHARD MÜLLER, Die vor- und frühgeschichtlichen Funde und Fundstätten der Amtshauptmannschaft Zittau, Mittl. d. Zitt. Geschichts- u. Museumsvereins 10, 1927, S. 22-25. 23 ) AMANDUS HAASE, Eine bronzezeitliche Höhensiedlung auf dem Kulm bei Zwoschwitz, Kreis Plauen, Sachsens Vorzeit 5, 1941, S. 70-72, mit 1 Abb.
Burgen und Höhensiedlungen der Lausitzer Kultur in Sachsen
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Bautzen, wo Hofrat DEICHMÜLLEK mehrere Jahre hindurch gegraben hat, ohne daß bisher leider eine Veröffentlichung vorliegt. Im Bereich des Radisch befindet sich übrigens auch ein frühdeutscher Turmhügel, ähnlich der kleinen slawischen Anlage der Burg Lossow. Vergleiche dazu die Ausführungen von W. F B E N Z E L 2 4 ) . Die zweite ist der erstmals von mir selbst am 6. Juli 1934 festgestellte Sumpf wall von Biehla26) 26), Kreis Kamenz, dicht am Biehlaer Großteich. Die Anlage ergab sich auf Grund einer Unterredung mit den Herren Reich, besonders Walter Reich, und alter Karten durch eine besondere Wegeführung, die der ursprünglichen oberen Wallkrone entsprach. Die die Zugehörigkeit der Anlage zur Lausitzer Kultur belegenden Scherben fand ich am gleichen Tage sehr zum Erstaunen der Herren Reich, doch sie restlos überzeugend, in den Seitenwänden mehrerer frischer Drainagegräben durch das Wallinnere, die am Tage meines Besuches offen lagen. Wir hatten oben die Burgen von Diesbar und Göhrisch als die Wächter der sog. „rauhen F u r t " von Diesbar während der Bronzezeit kennengelernt. Ganz ähnliche Verhältnisse finden sich an der Spree, wo in den Burgen vom Proitschenberg und der Ortenburg die Wächter einer zeitgleichen Furt durch die Spree auf deren linkem und rechtem Ufer vorliegen. Davon war der Proitschenberg ja bereits auf der SCHUCHHABDT sehen Karte verzeichnet. Zu Bautzen (Ortenburg) haben sich R . NEEDON27) und W. FRENZEL28) geäußert.
Aus der Bautzener Gegend ist als weitere Anlage dieser Zeit die sog. Schmoritz in der Flur Mehltheuer (Ortsteil Großpostwitz) zu nennen. Es handelt sich um eine sog. Gipfelburg, die auch in slawisch-frühdeutscher Zeit viel benutzt worden ist28). W. F B E N Z E L hat als Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der nord- und ostdeutschen vor- und frühgeschichtUchen Wall- und Wehranlagen für sein Arbeitsbereich Oberlausitz in den von ihm aufgenommenen Karteikarten sich dahin geäußert, daß auch die folgenden 3 Anlagen der Lausitzer Kultur angehörten: die sog. Zschornaer Schanze im Kreise Löbau, die Rackeler Schanze im Kreis Bautzen und der Burgberg von Prietitz, Kreis Kamenz. Von der Schanze von Zschorna, die allerdings bisher nur slawische Funde geliefert hat, nahm F B E N Z E L an, daß diese slawische Herrenburg möglicherweise auf einer Gauburg der Lausitzer Kultur gelegen sei. Bei der Schanze von Rackel, die übrigens bereits bei Behla, allerdings unter „Cannewitz" aufgeführt worden ist, stützt er sich auf einen bronzezeitlichen Hortfund 30 ) vom Fuße der Anlage. Für die Anlage von Prietitz sind die bisher vorliegenden bronzezeitlichen Funde sehr dürftig. Dazu ist im einzelnen folgendes zu bemerken: Solange in Zschorna keine Grabung erfolgt ist, die wenigstens auch Funde der Lausitzer Kultur erbringen müßte, halte ich die F B E N Z E L sehe Annahme für sehr gewagt. Auch bei Rackel überzeugt mich die Lage des Hortfundes nicht von einer Zugehörigkeit der Schanze zur Lausitzer Kultur. Bei dem Burgberg Prietitz handelt es sich meiner Ansieht nach keinesfalls um eine Lausitzer Gauburg, sondern eben nur um eine rein slawische Burg mit frühdeutscher Nachbesiedlung. 24
) WALTER FRENZEL, B a u t z e n e r Geschichtshefte 3, 1925, S. 1 - 1 5 .
-
WALTER FRENZEL, Der zerstörte
Burgwall von Kleinsaubernitz, Bautzener Geschichtshefte 4, 1926, S. 10-15. Oberlausitzer Heimatzeitung 4, 1923, S. 1 - 3 , mit 1 Plan. 2I ) GEORG BIEBBAUM, Ortsakten Biehla. 26 ) GERHABD STEPHAN, Wiederentdeckung eines Illyrischen Burgwalles. Die Fundpflege 3, 1935, S. 16 (hier ohne mein Wissen bekanntgegeben auf Grund einer amtlichen Mitteilung yon mir als Landespfleger an STEPHAN als damals zuständigen Vertrauensmann). I7 ) RICHARD NEEDON, Der Burgwall auf der Schloßhöhe zu Bautzen, Jahreshefte d. Ges. f. Anthropologie u. Urgesch. d. Oberlausitz 2, 1909, S. 244-251, mit 1 Abb. S8 ) WALTER FRENZEL, Auf den Spuren der alten Lausitzer hohen Straße, Jahrb. d. Ges. f. Vorgesch. u. Gesch. d. Oberlausitz 1927, S. 52-61, besonders S. 55. 2I ) RICHABD NEEDON, Der Steinwall auf der Schmoritz. Eine frühgeschichtliche Eisenschmelzstätte, Jahreshefte d. Ges. f. Anthropologie u. Urgeschichte d. Oberlausitz 2, 1906, S. 125-131. 30 ) WALTER GRÜNBERG, Der Bronzefund von Rackel, Kreis Bautzen, Sachsens Vorzeit 5, 1941, S. 5 - 1 2 , mit 11 Abb. 4 Frühe Burgen
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G . BIEBBATJM
Seit meiner großen Ausgrabung in den Jahren 1926—1929 auf der Slawenburg Köllmichen-, Kreis Grimma, habe ich gelernt, mich dadurch nicht mehr irre führen zu lassen, daß in einer rein slawischen Anlage auch einmal Lausitzer Funde auftreten können. E s hängt das nämlich ganz davon ab, an welcher Stelle und unter welchen Umständen diese Gegenstände geborgen werden. So fand ich in Köllmichen bronzezeitliche Funde schon 1926 im Bereich der alten Oberfläche, auf der dann in viel späterer Zeit die slawische Burg errichtet worden ist. Desgleichen ergab der Graben des Jahres 1929 eine ausgesprochene Lausitzer Siedlungsgrube mit reichlichem Material. Das war zwar ein sehr deutlicher Beweis dafür, daß man Köllmichen ohne weiteres in die Reihe der bronzezeitlichen Höhensiedlungen zu stellen hat, daß es aber doch als rein slawische Burg angesehen werden muß, die als Burg in Lausitzer Zeit noch nicht bestanden hat. Ganz ähnlich dürften auch die Verhältnisse auf dem Großen Schloßberg bei Schaddel, Kreis Grimma, zu beurteilen sein, der zwar auch bronzezeitliche Funde ergeben hat, aber doch ein rein spätslawisches Wallsystem darstellt. Eine der in ihrer Art markantesten Anlagen für Sachsen ist die sog. ,,Schwedenschanze" in der Flur Rosenthal bei Alt-Oschatz (Tafel V, Abb. 1). Es handelt sich, wie die Abbildung recht gut erkennen läßt, um einen dreifachen Abschnittswall, der ebenfalls bereits SCHUSTER und BEHLA bekannt gewesen ist. Nicht sehr weit entfernt davon liegt der ebenfalls bei SCHUSTER und BEHLA genannte Burgberg in der Flur Zschaitz, Kreis Döbeln, in dem man neuerdings die Stelle — „ad ganam" nach der Chronik von THIETMAR —, d. h. die Stelle der Schlacht an der Jehna sehen möchte, die eigentlich erst die Gründung der Burg Meißen (929) möglich gemacht hat 31 ). Der Nachbarkreis Leisnig enthält bereits die nächste hier in Frage kommende Anlage auf der Flur Fischendorf unterhalb Leisnig. Es handelt sich um den sog. Dreihüg(b)elsberg, ebenfalls schon SCHUSTER und BEHLA bekannt. Eine Grabung dort dürfte wohl zeigen, ob es sich in der Tat um eine Art Ringwall gehandelt hat, in den ein Erdturm einbezogen worden war. Die gesamte Anlage sicherte offenbar den Muldenübergang an dieser Stelle. Nicht weit davon entfernt, also unterhalb von Leisnig, verläuft die Mulde durch das Staatsforstrevier Seidewitz mit den beiden Forstgebieten des Wendishainer- und des Thümmlitz-Waldes. Im Wendishainer Wald, d. h. links der Mulde, liegt die große spätlausitzer Volksburg „Staufen" bzw. Staupenberg bei Westewitz. Auch sie ist schon von SCHUSTER und BEHLA aufgeführt worden. Im Thümmlitz-Wald, also rechts der Mulde, befindet sich mitten im Nadelwald in den Abteilungen 47/48 eine ziemlich umfangreiche „Heiden- oder Schwedenschanze", auf dem Meßtischblatt als „slawischer Wall" bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich dabei nach den Funden um eine Zufluchtsstätte aus dem Mittelalter. Wir verlassen jetzt die Gegend um Leisnig, wobei wir zum Schluß noch auf den Reichtum des Thümmlitz-Waldes an bronzezeitlichen Hügelgräbern hinweisen wollen. Das Vogtland hat in dem Schlackenwall ,,Eisenberg" in der Flur Pohl im Kreis Plauen seine bedeutendste Anlage aus vorgeschichtlicher Zeit. Am meisten um ihn bemüht war U. OTTO 3 2 ). Nicht unerwähnt sei, daß sich auch L. FEYERABEND einmal über den Eisenberg bei Pohl geäußert hat (Vogtl. Anz. 1912, Nr. 77). Über die Beziehungen des Eisenberges zu einer wichtigen an ihm vorbeiführenden Straße zur Zeit des Aufbaues seiner Wehranlage habe ich mich selber einmal geäußert 33 ). S1
) JOHANNES LEIPOLDT, Tausend Jahre Geschichte Jahnas und seiner Umgebung, Mittl. d. Landesvereins Sachs. Heimatschutz 21, 1932, S. 9 - 3 5 . 32 ) ULRICH OTTO, Nachtragsbericht über die Grabungen auf dem Eisenberg im Jahre 1911, Mittl. d. Ver. f. vogtl. Gesch. u. Altertümer in Plauen 34, 1925, S. 17-23, mit 3 Tafeln und 2 Beilagen (Profile und Lageplan). 33 ) GEORG BIERBATTM, Kalenderberg-Keramik im Freistaat Sachsen, Sitzber. u. Abhdl. d. Naturwiss. Ges. Isis 1929 (Dresden 1930), S. 96-100, mit 1 Tafel und 1 Abb. im Text. - Dasselbe auch Mittl. a. d. Museum f. Min., Geol. u. Vorgesch. zu Dresden (Zwinger) 1930, S. 96-100, besonders S. 99f.
Burgen und Höhensiedlungen der Lausitzer Kultur in Sachsen
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Von der Oberpfalz und von Mittelfranken aus führte der Weg durch das Fichtelgebirge und den Frankenwald damals zur Zeit der Knowiser Kultur der jüngeren Bronzezeit nach Norden zum sächsischen Vogtland und von da aus weiter an die Nordgrenze des Landes, an die Fundstellen von Weinböhla, Kreis Meißen (Etagengefäß der von Knowis her beeinflußten Kultur) bzw. Zeithain, Kreis Großenhain (reliefverzierte Keramik der Kalenderberg-Kultur).
Verzeichnis der Burgen und Höhensiedlungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Burgen Dresden-Coschütz Zehren Göhrischfelsen Burgberg von Diesbar Deutsche Bösel bei Sörnewitz Heinrichsburg Goldkuppe Burgberg Meißen Hohe Eifer Krieschendorf Riesa-Poppitz Radisch
13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Biehla Bautzen (Ortenburg) Schmoritz ? Zschornaer Schanze ? Rackeler Schanze ? Burgberg von Prietitz Rosenthal bei Alt-Oschatz Burgberg Zschaitz Dreihügelsberg bei Fischendorf Staupen Eisenberg bei Pohl Niederneundorf
25 26 27 28
Bei Schuchhardt genannt Ostro Bautzen (Proitschenberg) Görlitz (Landeskrone) Löbau (Schafberg)
29 30 31 32 33
Höhensiedlungen Pfaffenstein Raupscher Oybin Kulm bei Zwoschwitz Köllmichen
Die Richtigkeit dieses Weges bestätigen auch die jüngsten Funde aus dem Vogtlande, die A. H A A S E zum Teil schon vor dem Kriege gehoben hat, so z. B . die Funde von Dobeneck (Fundstellen: Hoher Stein, Nasser Acker) für die von Knowis her beeinflußte Keramik und Taltitz, Kreis Plauen (Fundstelle Göse) für die Kalenderberg-Kultur. Es war das besondere Verdienst von A. HAASE, durch den prachtvollen Fund aus dem Grabhügel des Knorr-Pöhl in der Flur Liebau, Kreis Plauen, festgelegt zu haben, daß der genannte Weg auch noch während der Stufe A von La-Tene weiter benutzt worden ist. H A A S E fand überdies noch
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G. BIEBBAUM
die dazu gehörige Siedlung. Sie liegt auf dem Schaf-Pohl in der Flur Liebau mit der ganz gleichen Keramik wie sie der Grabhügel geführt hat. (Vergleiche dazu die gleiche Keramik von Burggailenreuth !)31) Damit ist erwiesen, daß das sächsische Vogtland in der FrühLa-T6ne-Zeit einfach die Fortsetzung der von W. K E R S T E N 3 5 ) aufgestellten Früh-La* Tene-Ostgruppe gewesen ist. Aus dem Ostabschnitt des Landes soll noch eine Anlage verzeichnet werden. Diese Anlage ist „die früheisenzeitliche Burgwallsiedlung Nieder-Neundorf im Kreise Rothenburg, Oberlausitz36), die O . - F R . G A N D E B T und H.-A. S C H U L T Z ab 1932 sehr gründlich untersucht haben. Die Anlage heißt im Volksmunde der „Vaterunserberg". Ich bin der Meinung, daß sich diese „Nachlese" doch wohl gelohnt hat, ja daß sie ganz einfach notwendig war, und hoffe, daß sie nicht nur dem verehrten Jubilar, sondern auch allen sonstigen Lesern etwas Interesse abgewinnen wird. A4 ) A D A M S T U H X F A T J T H , Der keltische Ringwaü am Schloßberg zu Burggeilenreuth (Fränkische Schweiz). Eine befestigte Höhensiedlung der Früh-La-Tene-Zeit, Bayreuth 1938. " ) W A L T E R K E B S T E N , Der Beginn der La-Tene-Zeit in Nordostbayern, Prähist. Ztschr. 2 4 , 1 9 3 3 , S . 9 6 - 1 7 3 (besonders Abb. 11: Verbreitung der Hügelgräber). * 6 ) H A U S - A D O L F S C H U L T Z , Die früheisenzeitliche Burgwallsiedlung Nieder-Neundorf im Kreise Rothenburg Oberlaus. Jahreshefte . .. Görlitz 4:1, 1937, S. 6-14, mit 9 Abb.
Burgenprobleme zwischen Elbe und Oder Von K A R L H . MABSCHALLECK,
Jever i. 0 .
Nur in zwei Zeitperioden der Vor- und Frühgeschichte des Raumes nördlich der Sudeten, während der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit (etwa 1 0 0 0 — 5 0 0 v. Chr.) und der Zeit der slawischen Besiedlung vom 8. —12. Jahrhundert n. Chr., sind von der Bevölkerung dieses Gebietes Befestigungsanlagen errichtet worden. Schon recht früh haben diese Wehranlagen, meist als „Burgwälle" 1 ), im Volksmunde auch vielfach mit ,,Schanze (Sehwedenschanze, Räuberschanze), Schloßberg" u. ä. bezeichnet, das Interesse von Forschern und Laien auf sich gezogen. R. VIRCHOW2) blieb es vorbehalten, sie 1872 auf Grund der in ihnen zutage gekommenen Keramik in slawische und vorslawische Burgen zu trennen. Nicht lange danach ( 1 8 8 6 ) hat es R. B E H L A 3 ) unternommen, eine Zusammenstellung der damals aus dem Schrifttum bekannten vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle im mittel- und ostdeutschen Raum zu geben, eine Arbeit, die trotz ihrer Unvollständigkeit und der in ihr enthaltenen unrichtigen Schlüsse für die damalige Zeit Beachtung verdient. Zehn Jahre nach dem ersten Weltkriege konnte dank der Initiative von C . SCHCTCHHAEDT und W . UNVERZAGT eine großangelegte Aufnahme aller vor- und frühgeschichtlichen Wall- und Wehranlagen östlich von Elbe und Saale mit Hilfe der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft in Gang gesetzt und von 1 9 2 9 — 1 9 3 1 durchgeführt werden, wobei der Verfasser das Gebiet der Mark Brandenburg übernahm. Das damals gewonnene Material ist glücklicherweise in Berlin erhalten geblieben und bildet heute einen der wertvollsten Bestände des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Planmäßige Burgengrabungen mit wissenschaftlichem Rüstzeug sind auf dem Gebiet zwischen Elbe und Oder, das von Süden nach Norden den Lausitzer R a u m im weiteren Sinne, die Mark Brandenburg, Mecklenburg und Vorpommern umfaßt, erst seit Beginn unseres Jahrhunderts durchgeführt worden. Hier war es CARL SCHUCHHARDT, der auf den Burgwällen der Lausitzer Kultur, in der „Römerschanze" bei Potsdam, im „Schloßberg" bei Witzen (Kreis Sorau, jetzt Wicina Zarski), im „Heiligen Stadtberg" von Schöningen {Oder) (Kreis Randow, jetzt Kamieniec Szczecinski Wiejski Pom.) und im „Baalshebbel" bei Starzeddel (Kreis Guben, jetzt Starosiedle Gubinski), sowie auf den slawischen Wällen von Rethra (?) bei Feldberg in Mecklenburg, Arkona und Gartz auf Rügen ausgrub, während A L F R E D GÖTZE den „Schloßberg" bei Burg im Spreewald, das „Heilige L a n d " bei Niemitzsch (Kreis Guben) und zuletzt das „Alte Schloß" bei Senftenberg untersuchte. Aber die Ergebnisse dieser Ausgrabungen — so wichtig sie für die damalige Zeit und ihren Forschungsstand waren — Die Bezeichnung „Burgwall" für solche Anlagen scheint schon in der Kolonisationszeit üblich gewesen zu sein. Im Landbuch Karls IV. von 1375 wird zum Ringwall von Naugarten (Kreis Prenzlau, früher Templin) berichtet: „De uno loco, qui dicitur borchwal." 2 ) Verhandl. der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte IV, 1872, S. 234. 3 ) R. BEHLA, Die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland, Berlin 1886.
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befriedigen heute nicht mehr, weder hinsichtlich ihrer Technik, noch bezüglich der aus den Befunden gezogenen Schlüsse. Neue Wege in der Burgenforschung wurden erst von W I L H E L M UNVERZAGT beschritten, der seine grundlegenden Ergebnisse in verschiedenen Veröffentlichungen vorgelegt 4 ) hat. E r begann 1926 mit der Ausgrabung des Burgwalles von Lossow bei Frankfurt a. 0., einer doppelschichtigen Anlage, wobei es neben einer genauen Feststellung der Wallkonstruktion gelang, mehrere der eigenartigen und in ihrer Art einzig dastehenden „Opferschächte" zu untersuchen. Daran schloß sich 1930 die Grabung auf dem mittelslawischen Burgwall von Reitwein an der Oder. 1932 folgte die mehrere Jahre währende Ausgrabung der deutsch-slawischen Burg Zantoch bei Landsberg (Warthe) und im Anschluß daran die der kleinen, rein militärischen Befestigung aus mittelslawischer Zeit bei Kliestow nördlich Frankfurt a. 0 . Schließlich wurde von 1938 bis in die ersten Jahre des Weltkrieges hinein die für die deutsch-polnischen Beziehungen vom 10. —13. Jahrhundert bedeutsame Burg Lebus an der Oder ausgegraben, bei der u . a . auch eine ältere Befestigung aus der Zeit der Lausitzer Kultur festgestellt werden konnte. Zu diesen großen und umfangreichen Ausgrabungen gesellten sich gleichzeitig kleinere Untersuchungen von Wallanlagen, so 1933 der „Wenzelsburg" bei Neuzelle an der Oder, einer militärischen Anlage aus dem 10. Jahrhundert, 1935 des „Heidenberges" bei Drosselt (Kreis Weststernberg; heute Osno Lubuskie Rzepinski), aus der Zeit der jüngeren Lausitzer Kultur und 1939 der mittelslawischen und frühdeutschen Burg auf dem „Grünen Berg" bei Gehren (Kreis Luckau) in der westlichen Niederlausitz. W a s bei den Ausgrabungen W. UNVERZAGT« an vielfachen Erfahrungen methodischer Art, sei es hinsichtlich der Grabungstechnik, sei es bezüglich der Auswahl und der Art der Inangriffnahme eines Objektes überhaupt gewonnen wurde, kann hier nicht im einzelnen gewürdigt werden, auch soll einer Veröffentlichung der Ergebnisse in keiner Weise vorgegriffen werden. Zweck der folgenden Zeilen ist lediglich, die Probleme aufzuzeigen, die sich an die Burgen zwischen mittlerer Elbe und Oder knüpfen, und ihnen einen zusammenfassenden knappen Rahmen zu geben. Betrachten wir zunächst die Burgen aus vorslawischer Zeit, die etwa die erste Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends ausfüllen. Mit CARL SCHTTCHHARDT ist der letzte Vertreter der Theorie vom germanischen Charakter der Lausitzer Kultur zu Grabe gegangen. Obwohl A. GÖTZE und G . KOSSINNA schon um die Jahrhundertwende erkannt hatten, daß die Hinterlassenschaft der Lausitzer Gräberfelder etwas völlig anders Geartetes darstellte als die des germanischen Nordens und sie dem donauländischen illyrischen Kulturkreise zuschrieben, beharrte SCHUCHHARDT auf seinem Standpunkt und begründete ihn im wesentlichen mit der anfechtbaren Voraussetzung, daß die Lausitzer Kultur, d. h. ihre charakteristischen Gefäße, aus Formen des „nordischen" Walternienburger Typus der Jungsteinzeit Mitteldeutschlands herzuleiten seien. Auffallend wenig 4
) a) W. UNVERZAGT, Neue Ausgrabungen an vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen in Nord- und Ostdeutschland. IN: G. RODENWALDT, Neue deutsche Ausgrabungen, Münster 1930, S. 158ff. b) Derselbe, Die Begründung der Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Vor- und Frühgeschichte des deutschen Ostens, Prähist. Ztschr. X X I I I 1932 S. 317. c) Derselbe und W. VON JENNY, Zehn Jahre Museum für Vor- und Frühgeschichte 1924—1934, Berliner Museen 66, 1936, S. 2ff. d) Derselbe und A. BRACKMANN, Zantoch, eine Burg im deutschen Osten. Deutschland und der Osten I, Leipzig 1936. e) Derselbe, Der Burgwall von Kliestow, Kreis Lebus. ScirucHHARDT-Festschrift, Berlin 1940, S. 73ff. f) Derselbe, Zusammenfassender Bericht über die Tätigkeit des Staatl. Museums für Vor- und Frühgeschichte in der Provinz Mark Brandenburg während der Jahre 1938-1940. Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 17, 1941, S. 254ff. g) Derselbe, Landschaft, Burgen und Bodenfunde als Quellen nordostdeutscher Frühgeschichte. Deutsche Ostforschung I, herausg. yon H. ATJBIN, O. BRUNNER usw., Leipzig 1942, S. 267ff.
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sind in diesem lange wogenden Streit die Burgen herangezogen worden, obwohl gerade diese eines der auffallendsten Merkmale der Lausitzer Kultur darstellen. Eine Verbreitungskarte dieser Kultur auf Grund der Keramik würde sich — von wenigen noch zu erwähnenden Ausnahmen abgesehen — im Räume zwischen Elbe und Oder mit einer solchen der Burgwälle aus der späten Bronze- und frühen Eisenzeit fast genau decken. Der gesamte von der Lausitzer Kultur eingenommene Raum dieses Gebietes und weit darüber hinaus ist bedeckt mit zahlreichen Burgwällen, die größtenteils während der jüngeren Bronzezeit (Periode Montelius V) angelegt worden sind und etwa am Schluß der frühen Eisenzeit (Per. M. VI) ihr Ende gefunden haben. Daß während der mittleren Bronzezeit (Per. M. III/IV), also in den letzten Jahrhunderten des zweiten Jahrtausends, noch keine Burgen vorhanden waren, wird u. a. eindeutig durch das Vorkommen von Urnengräbern auf den Plätzen der späteren Wehranlagen bezeugt. So fanden sich beispielsweise auf dem bekannten „Schloßberg" bei Burg im Spreewald Graburnen aus der Zeit der älteren Lausitzer Kultur. Auch die aus den Siedlungsschichten der Burgen stammende Keramik ist niemals älter als jungbronzezeitlich. Ihre Erscheinungsformen gehören im Odergebiet dem „Aurither" Typus, weiter westlich der spätbronzezeitlichen Riefenkeramik an. Ersterer findet seine natürliche Weiterentwicklung im Typus „Göritz I", der auf den Oderburgen in großer Menge vertreten ist, letzterer im „Billendorfer" Typus, dem charakteristischen Kennzeichen der westlichen Lausitzer Kultur im sächsisch lausitzischen Raum 5 ). Betrachtet man die Keramik aus denjenigen Burgwällen, die durch Ausgrabungen oder ständige Absammlung der Oberfläche größere Mengen an Scherbenfunden geliefert haben, so zeigt sich, daß die Burgen nicht alle gleichzeitig angelegt sein können. Es sind einige Anlagen bekannt, in denen lediglich Keramik des früheisenzeitlichen Billendorfer Typus gefunden wird, während die jungbronzezeitliche Keramik völlig fehlt. Diese Beobachtung hat Verfasser z. B. bei den Burgwällen „Altes Schloß" bei Senftenberg, bei dem „Burgwall" zwischen Schlieben und Malitschkendorf (Kreis Herzberg, früher Schweinitz) und bei der fast ganz zerstörten Anlage von Goßmar (Kreis Luckau)6) machen können. Dies sind also zweifellos Burgen, die erst am Beginn oder während der frühen Eisenzeit angelegt worden sind. Leider besitzen wir aus den meisten Burgwällen nicht so viel keramisches Material, um jeweilig eine genaue Zeitstellung geben zu können. Eine Verbreitungskarte der Lausitzer Kultur im engeren Sinne, d. h. der charakteristischen ledergelben bis rotbraunen Keramik mit den bekannten, heute schon fast klassisch zu nennenden Gefäßformen und dem gleichzeitigen Formenschatz der Bronzen würde sich, wie schon gesagt, ungefähr mit einer Verbreitungskarte der vorslawischen Burgen zwischen Elbe und Oder decken. Uns interessiert dabei besonders die Nordgrenze dieses Gebietes, nach allgemeiner Annahme also die Grenze zwischen dem lausitzisch-illyrischen und dem nordischgermanischen Kulturkreis. Die Nordgrenze der Burgen verläuft von der Elbe zur Oder in einer fast genau in Richtung Südwest-Nordost verlaufenden Linie. Dank der 1929/30 erfolgten Aufnahme der Wall- und Wehranlagen Ost- und Mitteldeutschlands sind einige bisher ganz unbekannte, zeitlich noch nicht bestimmte oder nur flüchtig im Schrifttum erwähnte Burgwälle zu den bisher bekannten hinzugekommen, so daß eine zwar noch nicht geschlossene und mit großen Lücken versehene Burgenkette sich schon jetzt deutlich heraushebt. Sie beginnt im Südosten unweit der Elbe mit dem „Burgstallberg" bei Krakau (Kreis Roßlau, früher Zerbst) und endet im Nordosten mit dem „Heiligen Stadtberg" bei Schöningen an der Oder. 5 ) Vor kurzem hat K. TACKENBERG wertvolle Bemerkungen über die Burgen der Lausitzer Kultur, besonders in Schlesien und Sachsen gemacht (Prähistor. Ztschr. XXXIV/V 1949/50 2. Hälfte S. 18ff.), eine Arbeit, die mir leider nicht zugänglich ist, und die daher nicht berücksichtigt werden konnte. 6 ) K. H. MARSCH ALLECK, Urgeschichte des Kreises Luckau (Nd.-Lausitz), Kirchhain 1944, S. 254.
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Wir geben zunächst eine Aufstellung dieser Burgen in der angegebenen Reihenfolge: 1. Krakau (Kreis Roßlau, früher Zerbst). „Burgstallberg". Nordwestlich vom Dorfe Ragösen im Zerbster Stadtwald. Ovaler Ringwall im Durchmesser von etwa 200 X100 m auf einem Horst in sumpfiger Niederung. Der Wall ist nur noch im westlichen Teil leidlich erhalten (etwa 1 m hoch), sonst stark eingeebnet. Die innere Fläche besteht aus einem leicht gewölbten, sandigen Hügel, der heute stellenweise den Wall überragt. In einem Aufschluß im südlichen Teil ist eine deutliche Kulturschicht erkennbar. Aus ihr stammen zahlreiche Scherben der späten Bronze- und frühen Eisenzeit, jedoch keine slawischen. Dort wurde auch ein kleiner Hortfund der Periode MV geborgen, fünf dünne Armringe, davon einer mit Ornament des Lausitzer Kulturkreises. Anhaltische Geschichtsblätter 10,1934, S. 200 und 12,1936, S. 122, G. VOIGT, Die vorgeschichtliche Besiedlung des Flämings, Halle 1942, S. 18, 19 und 65. — Freundl. Mitteilung W. A. v. BRUNN-Berlin,
2. Beizig (Kreis Beizig, früher Zauch-Beizig). Friedhof um die Briccius-Kapelle. In einem tief eingeschnittenen Tal am Rande der Stadt erhebt sich ein ovaler Horst von etwa 90 X75 m Durchmesser und 5—6 m Höhe, dessen Steilränder wahrscheinlich künstlich abgeböscht sind. Auf seiner ebenen Oberfläche, die jetzt als Friedhof genutzt wird, steht die Briccius-Kapelle des 15. Jahrhunderts. Auf und zwischen den Gräbern, besonders in den frisch aufgeworfenen Hügeln Scherben der Lausitzer Kultur, während slawische nicht vorhanden sind. In einer Grube war deutlich eine Kulturschicht erkennbar (1933). Der Horst selbst ist natürlicher Entstehung, seine Böschungsränder und die tischebene Oberfläche sind aber künstlich hergestellt. Wenn auch keine Wallreste vorhanden sind und bisher an den Rändern keine Befestigungsspuren haben nachgewiesen werden können, ist wohl als sicher anzunehmen, daß hier eine Wehranlage vorliegt. G. VOIGT, a . a . O., 1942, S. 65.
3. Schlalach (Kreis Beizig, früher Zauch-Beizig). „Burgwall" oder „Burgstall". Ovaler Ringwall 900—1000 m westsüdwestlich von Ortsmitte in der Niederung (Urstromtal). Der nur noch im Südosten gut erkennbare Wall wird seit Jahrhunderten beackert und ist stark verschliffen. Durchmesser etwa 220x180 m. Auf der Oberfläche zahlreiche Siedlungsscherben der Lausitzer Kultur. 4. Potsdam (Stadtkreis). „Römerschanze". Name entstellt aus „Räuberschanze". Älterer Name: „Königswall". Hoher, annähernd ovaler Ringwall in der Staatsforst Potsdam am Ostufer des Lehnitz-Sees auf einer natürlichen Erhöhung. Sehr gut erhalten, da niemals beackert, sondern immer mit Wald bestanden. Durchmesser etwa 175 x125 m. Im Süden zwei Vorwälle. An der Südseite auch der Zugang mit Tor. Die beiden anderen als Walleinschnitte erkennbaren „Tore" müssen jüngeren Datums sein. Durch die Ausgrabungen S C H U C H H A R D T S 1908 und 1909 wurden wichtige Ergebnisse erzielt: Feststellung von zwei Besiedlungsperioden, eine ältere der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit und eine jüngere slawische. Mengen von Keramik der Lausitzer Kultur. Im Museum Potsdam ein gut erhaltenes Kännchen vom Billendorfer Typus mit breitem Bandhenkel. Die slawische Keramik ausschließlich Stil II. Späte Ware fehlt so gut wie ganz. Grundriß eines Vorhallenhauses der Lausitzer Kultur. Zahlreiches Schrifttum. Die beste Zusammenfassung: C. SCHUCHHARDT, Die Römerschanze bei Potsdam nach den Ausgrabungen 1908 und 1909; Prähistorische Zeitschrift, 1. Band, Berlin 1909, S. 209ff.
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5. Alt-Landsberg (Kreis Straußberg, früher Niederbarnim). Runder Ringwall in dem Stadtforst. Durchmesser etwa 75 m. Stark verschliffen und anscheinend zeitweise beackert gewesen. Heute mit Wald bestanden. Aus der ausgeworfenen Erde eines Fuchsbaues und aus Maulwurfshügeln stammen einige unverzierte Scherben mit ausgesprochen bronzezeitlich-früheisenzeitlichem Gepräge. Bisher keine slawischen Scherben, auch keine Funde dieser Zeit in der näheren Umgebung. 6. Stolzenhagen (Kreis Angermünde). „Burgwall". Ovales Plateau mit Steilhängen auf allen Seiten am westlichen Höhenrande des Odertales, unmittelbar südlich vom Dorf. Durchmesser etwa 130 X 80 m. Oben eine völlig ebene Fläche, heute als Garten und Obstplantage genutzt. Spuren eines Walles sind nur an der Südwestseite vorhanden, wo sich auch der Zugang befand. Auf der beackerten Ober* fläche nur Scherben der späten Lausitzer Kultur. Bisher keine slawische Keramik. Dagegen befindet sich eine spätslawische Siedlung am Nordwestfuße des Burgwalles dicht am Dorf. v . LEDEBUR, Die heidnischen Altertümer, S. 93. -
TELLE, Märkische Forschungen 9, S. 135. -
BEHLA,
Rundwälle, S. 125.
7. Schöningen (Kreis Randow, jetzt Kamieniec Szczecinski Wiejski Pom.). „Der Heilige Stadtberg", 1 km ostsüdöstlich vom Dorf auf dem Höhenrande des Odertales. Ein fast ebenes, etwa 7 ha großes, an den Rändern stark ausgezacktes Plateau mit Steilrändern. Arn Nordrande ist ein etwa 100 rn langer Wallrest erhalten. Östlich von diesem befindet sich heute der einzige Zufahrtsweg zum Plateau, wahrscheinlich das alte Tor. Im Süden ist eine vorspringende Nase dieses Plateaus durch einen sehr tiefen und breiten Graben abgeschnitten und zu einer gesonderten kleinen Burg mit ovaler, 50 X15 m im Durchmesser haltenden Fläche umgestaltet. Auf der größeren Burgfläche, die als Acker genutzt wird, viele vorslawische und slawische Scherben (nach S C H U C H H A R D T zahlenmäßig im Verhältnis 10 : 1), erstere mit den kennzeichnenden Merkmalen der Lausitzer Kultur (jüngere Bronzezeit und Typus Göritz I). Auf der kleinen Burg ausschließlich slawische Scherben, und zwar nach der Abbildung mittel- und spätslawische. Durch SCHUCHHARDTS Ausgrabung 1 9 1 0 konnte festgestellt werden, daß der erhaltene Wallrest am Nordrande zur alten Besiedlungsperiode gehört, das große Plateau also die Besiedlungsfläche einer großen Burg der Lausitzer Kultur bildet, während die kleine Burg erst in slawischer Zeit angelegt wurde. Zusammenfassender Bericht: C. SCHUCHHARDT, Der Heilige Stadtberg bei Schöningen, südlich Stettin; Prähistorische Zeitschrift, 3. Band, Leipzig 1911, S. 323ff.
Von diesen sieben aufgeführten Burgen haben sechs einwandfreie Keramik der Lausitzer Kultur geliefert. Die spärlichen Scherben von Alt-Landsberg zeigen wenigstens deutlich spätbronzezeitliches oder früheisenzeitliches Gepräge. Da sich diese Burgenkette ungefähr mit der Nordgrenze der Lausitzer Kultur, wie sie auf Grund von Keramik und Bronzen gewonnen werden kann, deckt, liegt es nahe, in ihr die markanteste Grenzlinie gegenüber dem nordisch-germanischen Kreise zu erblicken. Allerdings ist die allgemeine Annahme, die Germanen seien überhaupt keine Burgenbauer gewesen, durch neuere Beobachtungen in Zweifel gerückt worden. Auch im nördlichen Brandenburg und in Mecklenburg haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten Burgen gezeigt, die höchstwahrscheinlich vorslawischer Herkunft sind. E s sind dies in Brandenburg die Burgwälle von Wolfshagen (Kreis Perleberg, früher Westprignitz) und an der Boltenmühle in der Staatsforst Altruppin (Kreis Neuruppin, früher Ruppin). Bei ersterem handelt es sich um einen gut 5 Frühe Burgen
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erhaltenen Ringwall 7 ), bei letzterem um eine Plateauburg ganz ähnlich wie Stolzenhagen 8 ). Beide haben bisher vorwiegend vorslawische Keramik geliefert, Wolfshagen einwandfrei solche aus der jüngeren Bronzezeit. R O B E R T BELTZ hat eine bei Basedow auf der Ostseite des Malchiner Sees gelegene, anscheinend befestigte Höhensiedlung ausgegraben, in der nur vorslawische spätbronzezeitliche Scherben zutage traten 9 ). Bei Kratzeburg (Kreis Neustrelitz) befindet sich eine Plateauburg mit anscheinend künstlich abgeböschten Steilrändern, die ausschließlich Keramik spätbronzezeitlichen Charakters geliefert hat, ebenso wie eine umfangreiche Höhenbefestigung bei Wittenborn (Kreis Neubrandenburg, früher Friedland), über deren Struktur nähere Angaben noch fehlen 10 ). Dagegen muß eine andere Wehranlage, die bisher des öfteren für vorslawisch gehalten wurde, aus der Reihe dieser Burgen ausscheiden. E s ist der Burgwall von Fergitz (Kreis Templin) auf einer Insel im oberen Ückersee. Bei seiner Ausgrabung durch O . v. d. H A G E N 1 1 ) wurden unter der mächtigen slawischen Kulturschicht auch bronzezeitliche und jungsteinzeitliche Scherben gefunden. Sie lagen jedoch teilweise unter dem Wall, sind also älter als die aus slawischer Zeit stammende Befestigung. Die neuen Erkenntnisse vom Vorhandensein vorslawischer Burgen im nordisch-germanischen Gebiet bergen vielfache neue Probleme in sich, die erst dann ihrer Lösung entgegengeführt werden können, wenn solche Burgwälle planmäßig ausgegraben worden sind. Sollte es sich herausstellen, daß sowohl Wallkonstruktion wie auch Zeitstellung genau die gleichen sind wie bei den Lausitzer Burgen, so könnte der Burgenbau bei der Lausitzer Kultur kaum noch als eine diesem Kulturkreis eigene Erscheinung herausgestellt werden. E s würde in diesem Falle eine mächtige Stütze der Theorie vom ungermanischen Charakter der Lausitzer Kultur fallen müssen. E s wäre aber auch möglich, daß die germanischen Burgwälle ganz andere Erscheinungen — beispielsweise hinsichtlich ihrer Wallkonstruktion — aufweisen wie wir sie aus dem südlichen und östlichen Gebiet kennen. Persönlich glaube ich jedenfalls nicht an eine Erschütterung der Theorie vom lau sitzisch-germanischen Gegensatz. Bleibt doch die große Anzahl und die im allgemeinen gleichmäßige Verteilung der Burgen auf dem lausitzischen Gebiet sowie ihre markante Grenzlinie im Nordwesten immer eine auffällige Sondererscheinung. Man braucht dabei nicht unbedingt an eine fortifikatorische Verteidigungslinie zu denken wie etwa bei der Reihe keltischer Burgen am Südrande des Thüringer Waldes und in der Rhön. Nicht nur die vielfach zwischen den Burgen liegenden weiten Zwischenräume, sondern auch die geringe Größe mancher Anlagen (z. B. Beizig und Alt-Landsberg) sprechen nicht unbedingt für Glieder eines Verteidigungssystems, während man andererseits solchen Burgen wie der „Römerschanze" bei Potsdam und den Burgwällen von Stolzenhagen und Schöningen unbedingt ebensolche strategische Bedeutung zusprechen möchte wie beispielsweise den Anlagen von Lossow und Lebus an der Oder. In der zweiten Burgenperiode unseres Gebietes, der Zeit der slawischen Besiedlung, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Hier erstreckt sich die Verbreitung der Burgwälle, zwar nicht gleichmäßig verteilt, aber doch im ganzen gesehen, ein gleichartiges Kartenbild ergebend, von der Ostseeküste bis in das Vorland der Sudeten. Überall da sind Burgwälle vorhanden, wo das Land überhaupt eine slawische Besiedlung aufwies, d. h. in Gegenden mit guten oder 7 ) Die jahrelange Bearbeiterin und gute Kennerin der Prignitz, Dr. WAJLDTRAUT BÖHM, hat nach Erscheinen ihrer Kreisaufnahme (Vorgeschichte des Kreises Westprignitz) 1938 in der „Schwedenschanze" von Wolfshagen gegraben und mir mehrfach persönlich versichert, daß der später von den Slawen ausgebaute Burgwall in seiner Anlage bereits jungbronzezeitlieh oder früheisenzeitlich sei. 8 ) Freundl. Mitteilung von Prof. Dr. WEISKER-Neuruppin und Dr. F. NiQUET-Halle (jetzt Braunschweig) sowie eigens Besichtigung 1931. 9 ) ROBERT BELTZ, Der Burgwall Langer Berg bei Basedow, Mecklenburg. Zeitschrift des Heimatbundes Mecklenburg 18, 1923, S. 26-30. 10 ) Freundl. Mitteilung von E. ScHULDT-Schwerin und A. HoiXNAGEL-Neustrelitz. n ) Mitteilungen des Uckermärkischen Museums- und Geschiehtsvereins zuPrenzlau IV, 4,1911, S. 19öff., Abb.
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leidlichen Ackerböden und gleichzeitigem Vorhandensein von Sumpf und Wasser. Die bei KNORB13) abgebildete Karte des Landes Brandenburg mit der Eintragung aller ihm bekannten slawischen Burgwälle, Siedlungen, Gräber-, Münz- und Schatzfunde, die von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus der Zeit vom 9. —12. Jahrhundert stammen, zeigt, daß sich in bestimmten Gebieten die Fundstellen zusammenballen, während dazwischenliegende Landstriche ganz oder fast völlig fundleer bleiben Die dicht besiedelten Gebiete sind solche, die die oben genannten landschaftlichen Bedingungen erfüllen, günstige Ackerböden aufweisen und die erforderlichen Wasserverhältnisse besitzen. Bei den nicht oder nur sporadisch besiedelten Gegenden handelt es sich entweder um wasserarme Hochflächen oder um größere Waldgebiete auf sandigen Böden. Zu ersteren gehören beispielsweise der Fläming, die Barnimhochfläche sowie die Endmoränenzüge beiderseits des Schlaubetales südlich von Frankfurt, zu letzteren u. a. der lange Streifen des ,.Lausitzer Grenzwalles" und das Gebiet der Schorfheide. Diese ungleichmäßige Verteilung der slawischen Besiedlung im Gelände legt es nahe, aus den Dichtezentren des Kartenbildes die einzelnen aus der historischen Überlieferung bekannten Slawengaue herauszuschälen. K N O R B hat in seiner erwähnten Arbeit einen entsprechenden Versuch unternommen. Ob und mit welchem Erfolg wird ein späterer Aufsatz zu zeigen versuchen. Auf der Verbreitungskarte slawischer Fundstellen spielen die Burgwälle eine maßgebende Rolle, ja sie sind sogar als leicht auffällige und im Gelände unschwer erkennbare Denkmäler stets die ersten Anzeichen der Besiedlung einer Landschaft in slawischer Zeit gewesen. Erst später treten die Siedlungen hinzu, deren Auffindung und Registrierung schon eine intensivere Forschungstätigkeit voraussetzt. Die Burgen bilden also gewissermaßen das Rückgrat des slawischen Denkmälerbestandes, der sich schon dadurch von den älteren Perioden stark unterscheidet, daß deren Kenntnis zur Hauptsache den Grabfunden verdankt wird. Nach dem äußeren Aufbau der Anlagen kann man zunächst zwei Typen von Burgen unterscheiden : Ringwälle und Abschnittswälle. Diese Gliederung ist jedoch durch die Form des Geländes bedingt — wir finden sie ja schon in vorchristlicher Zeit — und hat weder mit dem Verwendungszweck, noch mit der Zeitstellung etwas zu tun. In einer flachen Landschaft, besonders in der Niederung, können nur Burgwälle angelegt werden, wenn es darauf ankommt, eine bestimmte Fläche zu schützen. In gegliedertem, bergigem Gelände wird vielfach ein Bergvorsprung (Bergnase), der schon von zwei Seiten durch natürliche Einschnitte (Flußtäler, Schmelzwasserrinnen) geschützt war, durch Anlage eines Walles an der ungeschützten Seite von seinem Massiv abgeschnitten und so zu einer Burg ausgestaltet. Solche Abschnittswälle sind — dem Charakter unserer Landschaft entsprechend — längst nicht so häufig wie Ringwälle und finden sich besonders an den Höhenrändern der Flußtäler und im Oberlausitzer Bergland. In der Mark Brandenburg ist es der stark zergliederte westliche Höhenrand des Odertales, auf dem sich zahlreiche Abschnittswälle befinden, die später noch genannt werden. Auch in der mit natürlichen Einschnitten versehenen Moränenlandschaft kommen sie vor, z. B. Gehren (Kreis Luckau), Niedert (Kreis Pasewalk, früher Prenzlau). Sogar in flacher Landschaft finden wir Abschnittswälle, nämlich, wenn eine Halbinsel im See oder in sumpfiger Niederung befestigt werden sollte, wie z. B. bei Röddelin (Kreis Templin), Liebenberg (Kreis Gransee, früher Niederbarnim), Schmölln (Kreis Prenzlau) und Trebbus (Kreis Finsterwalde, früher Luckau). Daß die alten Burgwälle der Lausitzer Kultur wieder von den Slawen in Benutzung genommen und erneut ausgebaut worden sind, ist eine überall angetroffene Erscheinung. In Gegenden, wo das nicht der Fall war, wie z. B. in den weiten Heidegebieten zwischen Ober12
) H. A. KNORB, Die slawische Keramik zwischen Elbe und Oder, Leipzig 1937, S. 34, Abb. 27.
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und Niederlausitz, bezeugen sogar die einschichtigen vorslawischen Burgwälle, wie z. B. Senftenberg (Kreis Senftenberg, früher Calau), Nieder-Neundorf (Kreis Niesky, früher Görlitz) mit Sicherheit das Fehlen jeglicher slawischer Besiedlung13). Die Gliederung der Burgen in Ring- und Abschnittswälle ist also, wie erwähnt, rein geländernäßig bedingt und für ihre Zeitstellung und ihren Verwendungszweck ohne Bedeutung. Nach den Ergebnissen mannigfacher Untersuchungen in den letzten beiden Jahrzehnten, bei denen die Lage im Gelände, Größe, Zeitstellung und eventuelle historische Erwähnung Berücksichtigung fanden, haben sich hinsichtlich des Verwendungszweckes drei Gruppen von Burgwällen unterscheiden lassen: 1.
Herrensitze
2. Militärische 3.
Anlagen
Volksburgen.
Die erste Gruppe umfaßt vorwiegend die zahlreichen kleinen, runden oder ovalen Ringzumeist in der Niederung gelegen, ferner auch Abschnittswälle auf Halbinseln in Niederungen oder Seen, in kupiertem Gelände auch solche in Höhenlagen. Selbst auf die Gefahr hin, vieles längst Bekannte zu wiederholen, sei zunächst eine kurze Beschreibung dieser Art von Burgwällen vorausgeschickt, von denen leider noch nicht ein einziger planmäßig und vollständig ausgegraben worden ist, so daß noch kein ganz genaues Bild gegeben werden kann. Schon aus dem bekannten Bericht des Ibrahim ibn Jakub von 96514) wissen wir, daß die Sumpfringwälle auf einem Pfahlrost errichtet waren. Diese Roste haben sich bei allen in der Niederung angelegten Ringwällen stets gefunden und sind — um nur einige wenige Beispiele herauszugreifen — in der Mark Brandenburg u. a. auf der Zantocher Schanze, auf dem „Pennigsberg" bei Mittenwalde (Kreis Königswusterhausen, früher Teltow), dem „Räuberberg" bei Phöben (Landkreis Potsdam, früher Zauch-Beizig), dem Burgwall unter der Heiliggeistkirche in Potsdam,, in Sachsen u. a. neuerdings unter der „Schanze" von Brohna (Oberlausitz) zutage gekommen16). Über diesem Rost aus waagerecht liegenden Balken befindet sich die Wallschüttung, zu welcher die in der Umgebung anstehende Erde benutzt wurde. Lehm, Mergel, Sand, Ton, Moorerde und Wiesenkalk, häufig auch durcheinandergemischt oder nebeneinander verwandt, bilden das Material. Größere und kleinere Feldsteine finden sich öfters zur besseren Befestigung in der Wallschüttung eingelagert. Auch wurde oft ein umlaufender Sockel aus großen Feldsteinen zum besonderen Schutze an der äußeren Seite des Wallfußes angebracht. Seinen inneren Halt erhielt der Erdwall durch Holzversteifungen, die vielfach noch in Form von rechteckigen Kästen in den Wallprofilen erkennbar sind. Die Innenfläche dieser Burgen war mit dicht zusammenliegenden Häusern besetzt, deren Reste sich durch zahlreiche Herdsteine und massenhafte Scherbenfunde schon oberflächlich erkennen lassen. Über Art und Anordnung der Häuser sind wir leider noch kaum unterrichtet. Nach den bisherigen Befunden waren es kleine einfache Blockhäuser ebenso wie in den entsprechenden Siedlungen. Der einzige, schon bei Ibrahim erwähnte Zugang zur Burg, das „Tor", ist bei den gut erhaltenen Anlagen noch stets als Einsenkung zu erkennen, und zwar bei Burgwällen in der Niederung stets an der dem festen Lande am nächsten gelegenen Seite. Hier befanden sich auch wälle,
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) Das Vorhandensein eines siedlungsleeren Gürtels in slawischer Zeit zwischen Ober- und Niederlausitz hat in einer ausgezeichneten Arbeit O. F. GÄNDERT nachgewiesen. Niederlausitzer Mitteilungen 22, 1934, S. 107ff., Karte S-109. 14 ) G. JACOB, Arabische Berichte von Gesandten an germanischen Fürstenhöfen aus dem 9. und 10. Jahrhundert, Berlin und Leipzig 1927. 15 ) W. COBLENZ, Die Sumpfschanze von Brohna bei Bautzen. Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalspflege 1945-1950, Dresden 1951, S. 65ff.
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häufig zur besonderen Sicherung ein oder zwei halbkreisförmige Vorwälle, die sich bogenförmig an den Hauptwall anlehnten. Als Verbindung mit dem festen Lande diente ein hölzerner Bohlweg, der noch heute vielfach als leichte Erhöhung im Wiesengelände erkennbar ist16). Fast alle diese kleineren Ring- und Abschnittswälle weisen Spuren einer gewaltsamen Zerstörung durch Feuer auf. Etwa die obere Hälfte der zusammengesunkenen Wallruauer besteht aus einem wirren Durcheinander von Holzasche, angekohlten Holzbalken und verschlackter Füllerde. War als solche Lehm verwandt worden, so bildeten sich durch die starke Verbrennungshitze sogenannte „Luft- oder Schwimmsteine", wie sie u. a. in großen Mengen in don Burgwällen von Luckau (Freesdorfer Borchelt)17) und Fergitz (Kreis Templin)18) vorhanden sind. Über den Zeitpunkt dieser Zerstörung, der kein Wiederaufbau folgte, und der ungefähr zur gleichen Zeit erfolgt sein muß, gibt uns ein anderer Umstand wichtige Anhaltspunkte. Nach Ausweis der in ihnen gefundenen Keramik, die ausschließlich der mittelslawischen Periode (Stil II) angehört, wareil die kleinen Ringwälle nur bis um die Wende des 10. zum 11. Jahrhunderts, etwa bis um 1000 n. Chr. in Benutzung. Um diese Zeit muß also die Zerstörung dieser Anlagen durch große Brandkatastrophen erfolgt sein19). Bei der Frage nach Bedeutung und Verwendungszweck der kleinen Ringwälle ist zunächst sicher, daß diese Burgen, deren Innenfläche oft nur wenig über 1000 qm umfaßt, keine Wehranlagen im Sinne militärischer Verwendung gewesen sein können. Dies erhellt schon daraus, daß sie fast niemals an strategisch besonders wichtigen Stellen im Gelände angelegt sind, sondern sich regellos verstreut nur da vorfinden, wo überhaupt eine slawische Besiedlung vorhanden war. Irgendeine strategische Linienführung ist nirgends zu erkennen20). Auch sind in diesen Burgen niemals Waffen oder kasemattenartige Einbauten vorgefunden worden. Nachdem eine alte Theorie, die kleinen Ringwälle seien Kultstätten und Opferplätze gewesen, längst widerlegt ist21), erblicken wir heute in ihnen Herrensitze für verhältnismäßig kleine Gebiete, können sie mit dem slawischen Burgwardsystem in Beziehung bringen und werden kaum fehl gehen, in ihnen Burgwardmittelpunkte zu sehen22). Kann es ein Zufall sein, daß in der westlichen Niederlausitz, also im alten Slawengau Lusici, vom sogenannten Bayrischen Geographen zum Ende des 9. Jahrhunderts „XX civitates" erwähnt werden und die Zahl der in diesem Gebiet festgestellten Ring wälle 19 beträgt? Für den in Ostsachsen mit dem Mittelpunkt Bautzen belegenen Gau Milzane werden 30 civitates angegeben. Nach Abzug der vorslawischen, spätslawischen und frühdeutschen Burgen sowie der rein militärischen Anlagen wird man bei den etwa 90 Wehranlagen dieses Gebietes vermutlich auf 16
) So z. B. besonders deutlich erkennbar und in erstklassiger Erhaltung ausgegraben am Inselburgwall von Teterow in Mecklenburg (Ausgrabung W. UNVERZAGT 1951), ferner am (jetzt abgetragenen) Burgwall von Krossen (Kreis Luckau). MAKSCHALLECK, a. a. O., S. 271. 17 ) Ebenda, S. 173 und 281. ls ) Vgl. Anm. 11. 19 ) Einige Ausnahmen bestätigen die Regel. So fand sich u. a. spätslawische Keramik in dem kleinen Ringwall von Riewend (Kreis Brandenburg (Havel), früher Westhavelland), und zwar bezeichnenderweise über dem Brandschutt des Walles. Ausgrabung A. GÖTZE 1912/13. Wahrscheinlich sind einige dieser Burgen als Siedlungen weiterbenutzt worden. Geschäftsberichte der Brandenburg. Provinzialkommission für Denkmalpflege 1914, S. 87ff., Abb. 20 ) Eine solche ist öfters versucht worden nachzuweisen, so z. B. von SCHUMANN für das Randowtal, das er irrtümlich für die liutizisch-pomoranische Grenze hielt. H. SCHUMANN, Die Burgwälle des Randowtales. Baltische Studien 37, 1887, S. 84-f. — Derselbe, Slawische und germanische Burgwälle. Pommersche Monatsblätter, Stettin 1899, S. 25. 21 ) Zum Beispiel BEHLA, Rundwälle (s. Anm. 3). Widerlegt schon von H. SÖHNEL, Die Rundwälle der Niederlausitz, Guben 1888. 22 ) B. KNÜLL, Die Burgwarde, Tübinger Dissertation 1895. — H. ÜTHENWOLDT, Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und Geschichte Schlesiens, S. 54ff. Breslauer Historische Forschungen 1938.
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eine Anzahl von 30 mittelslawischen Ringwällen kommen. Daß übrigens der Begriff „civitas" mit „Burg" zu übersetzen ist, beweist auch die Chronik des Thietmar von Merseburg, in der die Bezeichnungen urbs, civitas, oppidum und castellum alle den Begriff einer Burganlage in sich bergen23). Wenn die Zerstörung dieser Burgen am Ende des 10. Jahrhunderts erfolgt ist, so erhebt sich die Frage, ob nicht einige von ihnen in den deutsch-slawischen Machtkämpfen dieser Zeit eine gewisse Rolle gespielt haben. Es wird auch nicht von der Hand zu weisen sein, daß sie bei den zahlreichen Durchzügen deutscher Heere und Heeresteile gelegentlich als Fluchtburgen Verwendung gefunden haben, und daß ihre Zerstörung mit diesen Kämpfen in mittelbarem oder unmittelbarem Zusammenhang steht. Von dem mutmaßlichen Hauptgrund des Aufgebens der kleinen Herrensitze in der Zeit um 1000 wird später noch die Rede sein. Den zweiten Burgentypus slawischer Zeit, die militärischen Anlagen, hat W. UNVERZAGT auf Grund seiner Ausgrabung des Burgwalles von Kliestow (Stadtkreis Frankfurt (Oder), früher Kreis Lebus) erstmalig herausgestellt24). Hier handelt es sich um kleine regelrechte Wehrburyen, die zur Verteidigung gegen einen andrängenden Feind errichtet und allein durch ihre hervorragende Lage im Gelände von vornherein als solche gekennzeichnet sind. Eine von zwei oder drei Seiten durch natürliche Abhänge geschützte Fläche (Bergnase) wird durch Wall und Graben an der ungeschützten Seite zu einem ringsum gesicherten Platz ausgestaltet. Burgen dieser Art können — wie schon weiter oben ausgeführt — nur in stärker zergliedertem Gelände angelegt werden. Besonders an den Höhenrändern der Flußtäler sind die erforderlichen Bedingungen der Oberflächengestaltung gegeben, nämlich die Möglichkeit der Herausarbeitung von Bergzungen durch Ausnutzung von Seitentälern. Hier kann eine hervorragende Lage in der Nähe eines immer wieder benutzten Überganges über das Flußtal durch die Anlage einer Befestigung zu einer wichtigen strategischen Position ausgestaltet werden, die außerdem noch den Vorteil eines umfassenden Freiblickes über ein weites Landschaftsgebiet besitzt. In solchen Gegenden, denen eine Zergliederung des Geländes durch Flußeinschnitte und Seitentäler fehlt, wurden einzelne hervorragende Bergkuppen, die schon durch ihre natürliche Lage einen gewissen Schutz gewährleisteten, als Befestigungen ausgebaut. Hier hat man häufig durch den Bau eines Ringwalles um die Kuppe nachgeholfen oder wenigstens durch Planierung der Kuppe eine ebene Fläche geschaffen. Solche kleinen militärischen Anlagen sind im brandenburgischen Odergebiet außer Kliestow die in der Niederlausitz am Westrande des Odertales gelegene „Wenzelsburg" bei Neuzelle (Kreis Fürstenberg, früher Guben), eine im späten Mittelalter durch Anlage eines klösterlichen Weinberges stark veränderte Bergnase mit Abschnittswall, ferner östlich der Oder der „Burgberg" von Ötscher (Kreis Weststernberg, heute Owczary Rzepinski), eine hohe Bergkuppe mit künstlich planierter Fläche ohne erkennbare Umwallung. Der Zugang wird durch einen in den Steilhang hineingearbeiteten serpentinenartigen Aufgang gebildet. Eine befestigte Bergkuppe scheint auch im „Tobbenberg" bei Freienwalde vorhanden zu sein, sowie östlich der Oder oberhalb der Stadt Zehden, dem alten Cedini (heute Cedynia Chojenski), wo es nach Thietmar von Merseburg 972 zu einem Zusammenstoß zwischen Markgraf Hodo und dem Polenkönig Miesko I. kam. Auch im Flußgebiet der Havel sind kleine Höhenburgen rein strategischen Verwendungszwecks nachgewiesen, und zwar bisher südlich des mittleren Havellaufes bei Deetz (Kreis Brandenburg (Havel), früher Zauch-Belzig), nördlich davon bei Knoblauch (Kreis Nauen, früher Osthavelland). Bei dem Deetzer „Eichelberg", in beherrschender Lage am Haveltal A3
) F. GEPPERT, Die Burgen und Städte bei Thietmar von Merseburg. Thüringisch-sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 16, 1927. ") Vgl. Anm. 4e.
Burgenprobleme zwischen Elbe und Oder
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zwischen Brandenburg und Potsdam gelegen, ist die Kuppe mit Wall und Graben umgeben gewesen. Auf der Innenfläche fand sich ein Hausgrundriß aus mittelslawischer Zeit 26 ). Die „Schanze" von Knoblauch besteht aus einem kleinen, gut erhaltenen Ringwall auf einer steilen Bergkuppe mitten im Havelland26). In der westlichen Niederlausitz, am Ostrande des „Lausitzer GrenzwalleB" liegt der „Grüne Berg" bei Gehren (Kreis Luckau), eine durch einen großen und gut erhaltenen Abschnittswall in Verteidigungszustand versetzte, von drei Seiten durch natürliche Steilhänge geschützte Bergnase 27 ). In der Oberlausitz, besonders in dem bergigen südlichen Teil, sind slawische in Verteidigungszustand versetzte, von drei Seiten durch natürliche Steilhänge geschützte Höhenburgen recht häufig. Als besonders charakteristisch heben wir hier nur den „Burgberg" von Priedlanz (Kreis Lauban) am Hochufer der Wittig hervor 28 ). Was den Aufbau der Wälle bei diesen rein militärischen Anlagen betrifft, so geben uns die Grabungen von Kliestow und Gehren gute Aufschlüsse: Ihre Wallkonstruktion unterscheidet sich nicht von der der kleinen Ring- und Abschnittswälle, die wir als Herrensitze ansprechen konnten. Ein Schnitt durch den verhältnismäßig gut erhaltenen Wall und den davorliegenden Graben auf der Burg Gehren ergab, daß der Wall aus einer an der Sohle 5,50 m breiten, sich nach oben verjüngenden Holzerdemauer aufgebaut war29). Die Füllung zwischen den doppelten Palisadenreihen bestand aus übereinanderliegenden sand- und lehmgefüllten Holzkästen 30 ). Eine 8,5 m breite Berme mit davorliegendem tiefen Graben betonte noch den Charakter einer wehrhaften Burg. In Kliestow war die Anlage der Gebäude besonders gut zu erkennen. Die kleinen Häuser waren sämtlich kasemattenartig an die Innenseite des Walles angelehnt und bildeten so einen Ring, der einen freien Platz in der Mitte umschloß. Damit sind die wesentlichsten Kennzeichen dieses Burgentypus umrissen, und es wird klar, daß eine solche Anlage den damaligen Anforderungen an die Verteidigungskraft einer Burg durchaus genügen konnte. Was nun die zeitliche Ansetzung dieser militärischen Burgen betrifft, so gleichen sie in dieser Beziehung völlig den kleinen Herrensitzen. Auch auf ihnen ist bisher nur mittelslawische Keramik (Stil I I ) zutage gekommen, der im wesentlichen das 10. Jahrhundert ausfüllt. Auch sie sind alle nach Ausweis der im Feuer zusammengesunkenen Wälle und verbrannten Häuser um die Jahrtausendwende in großen Brandkatastrophen zugrunde gegangen. Da es sich hier um ausgesprochen militärische Anlagen, um regelrechte Wehrburgen handelt, liegt es sehr nahe, ihre Errichtung und ihre Zerstörung mit den aus dem 10. und dem Beginn des 11. Jahrhunderts historisch überlieferten Kämpfen der Slawen zwischen Elbe und Oder gegen äußere Feinde in Zusammenhang zu bringen. Neben diesen kleineren Anlagen muß noch ein dritter slawischer Burgentypus herausgestellt werden, nämlich die großen Volksburgen des 9. bis 12. Jahrhunderts. E s sind dies stets sehr umfangreiche Anlagen mit dicht besiedelter Innenfläche, die vielfach nicht nur mittelslawische, sondern auch spätslawische Keramik in sich bergen. In die größere Burg ist öfters noch eine kleinere kastellartig hineingesetzt worden, wie z. B . bisher in Lossow, Zantoeh und Schöningen festgestellt werden konnte. Diese Großburgen waren imstande, in " ) K. H. MABSCHALLECK:, Der Eichelberg bei Deetz (Havel); Prähistor. Ztschr. 28/29,1937/38, S. 338ff., Abb. und Plan. 26 ) L. v. LEDEBUB, Die heidnischen Altertümer des Regierungsbezirks Potsdam, 1852, S. 43. - Der Wall wurde öfters für vorslawisch gehalten. Verfasser fand dort einige slawische Scherben. " ) Vgl. Anm. 4f. 2S ) W. FRENZEL, Bilderhandbuch zur Vorgeschichte der Oberlausitz, Bautzen 1929, S. 135, Abb. a ") Vgl. Rekonstruktionszeichnung von W. UNVERZAGT in: K. H. MABSCHALLECK, Urgeschichte des Kreises Luckau, S. 174, Abb. 61. 30 ) Dies ist nicht so zu verstehen, als ob die Holzkästen eigens hergestellt und mit Erdfüllung von der Entnahmesteile auf den Wall gebracht wurden, sondern die „Kästen" sind zwischen den Palisadenreihen in die Wallkonstruktion eingearbeitet gewesen.
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Kriegszeiten einem beträchtlichen Teile der Bevölkerung Zuflucht zu bieten. Sie sind in erster Linie als Mittelpunkte der einzelnen Gaue und Residenzen der Gaufürsten anzusehen. So war die heutige Dominsel von Brandenburg die Gauburg der Heveller im Gau Heveldun, Bautzen die des Gaues Milzane, Lebus die der Leubuzzen, Meißen die des Gaues Daleminzien, Liubusua-Lübben die des Gaues Lusici. Die meisten dieser spätslawischen Volksbargen verbergen sich jetzt unter den heutigen Städten, d. h. die deutschen Städtegründungen des 13. Jahrhunderts sind vielfach in Anlehnung an die alten slawischen Gauburgen erfolgt. Im Gebiet der mittleren und unteren Oder scheinen einige Burgwälle erst in später Zeit angelegt worden zu sein. Sie körjnen nicht ohne weiteres als große Volksburgen bezeichnet werden. Sie bergen ausschließlich Keramik des 11. und 12. Jahrhunderts und sind nach W . TJNVEKZAGT von den Polen errichtet worden31). Wohl sicher hierher gehören die Niederungswälle von Oderberg und Schwedt (Kreis Angermünde), ersterer unter der späteren Steinburg „Bärenkasten", letzterer mitten in der Oderniederung am Schwedter Übergang. Um zu erkennen, welche Rolle die slawischen Burgen in den Kämpfen des 10. und 11. Jahrhunderts gespielt haben, müssen wir uns ganz kurz die historischen und politischen Verhältnisse der damaligen Zeit vergegenwärtigen. Der langgestreckte Raum zwischen der Ostsee und den Sudeten, zwischen Elbe-Saale und der Oder wird spätestens seit dem 8. Jahrhundert von drei großen slawischen Völkern bewohnt: In Ostholstein sowie im westlichen und mittleren Mecklenburg sitzen die Obotriten. Die nördliche Mark Brandenburg, Ostmecklenburg und Vorpommern wird von den Liutizen oder Wilzen bewohnt, während in der südlichen Mark (Niederlausitz)32) und im sächsischen Räume zwischen Saale und Bober die Sorben ansässig waren. Diese drei Gebiete waren in zahlreiche Gaue unterteilt, die auf Grund ihrer historischen Erwähnung im Verein mit der Siedlungsforschung größtenteils im Gelände mehr oder weniger genau festgelegt werden können. Lassen wir die politischen Ereignisse des 8. und 9. Jahrhunderts, für die wir das Bestehen von Burgen noch nicht sicher nachweisen können, außer acht, so beginnt in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts der erste wirklich erfolgreiche Vorstoß der deutschen Macht in das ostelbische Gebiet mit den Kriegszügen des Sachsenkönigs Heinrich I. Sein erster Zug richtete sich auf die Hauptburg des Hevellergaues, der das Flußgebiet der mittleren Havel umfaßte, auf die Veste Brandenburg. Nach ihrer Eroberung im Winter 928/29 blieb Brandenburg allerdings nicht lange in deutscher Hand; denn 939 erfolgte eine zweite Besetzung durch Verrat des Wendenfürsten Tugumir33). Diesmal wird von einer Unterwerfung der Slawen — gemeint sind allerdings nur liutizische Gaue — bis zur Oder berichtet. Die Herrschaft über das neu gewonnene Gebiet, befestigt durch die 948 erfolgte Gründung der Bistümer Brandenburg und Havelberg, erlitt durch den großen Slawenaufstand von 983 einen herben Rückschlag. Zwar konnte Otto III. 991 mit polnischer Unterstützung Brandenburg zurückerobern, aber noch im gleichen Jahre ging der Ort wieder verloren. 992 und 993 abermals belagert und erobert, wurde der Ort zum dritten Male durch Verrat verloren und blieb nun das ganze 11. Jahrhundert hindurch fest in slawischer Hand. Obwohl Otto III. 995 in Mecklenburg und Pommern, 997 noch einmal im Havellande kämpfte, gelang es ihm nicht, die deutsche Herrschaft im Gebiete der Liutizen wiederherzustellen. Sein Nachfolger Heinrich II. war genötigt, 1002 ein Bündnis mit den Liutizen zu schließen, um teilweise mit ihrer Hilfe die der deutschen Oberhoheit noch nicht entzogene und beim Slawenaufstand von 983 nicht mitgerissene Mark Meißen vor dem Zugriff der Polen zu schützen. 31
) Vgl. Anm. 4g, S. 386f. ) Die sorbisch-liutizisehe Grenze verläuft etwa auf einer Linie Magdeburg - Frankfurt a. O. 33 ) Widukind von Corvey II, 21. 32
Burgenprobleme zwischen E l b e und Oder
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Es ist gewiß kein Zufall, daß die beiden einzigen Höhenbefesfcigungen militärischen Charakters der westlichen Mark im Havellande liegen: Deetz und Knoblauch. War doch der Gau Heveldun der größte und volkreichste im Liutizenlande, um dessen Besitz immer am hartnäckigsten gekämpft werden mußte. Es ist daher sicher, daß die Burgen von Deetz und Knoblauch gegen das Vordringen der Deutschen im 10. Jahrhundert angelegt worden sind und in den Kämpfen Heinrichs I . und Ottos I I I . um Brandenburg und das Havelland eine Rolle gespielt haben. Mit der Begründung des polnischen Staates durch Miesko I. und seiner Christianisierung um die Mitte des 10. Jahrhunderts war den heidnischen Liutizen und Sorben im Osten ein neuer Feind entstanden. Zwar wissen wir aus historischen Quellen nur wenig über die K ä m p f e , die mit dem Ausgriff des starken polnischen Staatswesens nach Westen gegen die Slawenvölker jenseits der Oder dem deutsch-polnischen Zusammenstoß vorausgegangen sind, aber die spärlichen Nachrichten werden bestätigt durch die militärischen Wehranlagen an der Oder, die von Seiten der Liutizen mit der Blickrichtung nach Osten angelegt worden sind. In den Brennpunkten der polnischen Ausdehnungsbestrebungen an der Oder lagen das Odermündungsgebiet einerseits, das Land Lebus andererseits, letzteres dicht besiedelt von dem liutizischen Stamm der Leubuzzen. Auf einem nur kleinen Oderabschnitt im Räume von Frankfurt und Küstrin finden wir hier im 10. Jahrhundert fünf Burgen angelegt oder in Verteidigungszustand versetzt: Ötscher, Reitwein, Lebus, Kliestow und Lossow. Als bedeutendste von ihnen muß Lebus selbst angesprochen werden, das später von den Polen als Volksburg beibehalten wurde und als Hauptort und Bischofssitz den wichtigsten polnischen Brückenkopf und Stützpunkt westlich der Oder bildete. Auch das Gebiet der unteren Oder, von der Einmündung der Warthe bis zur Ostsee bildete nach der Eroberung Pommerns durch Miesko I . polnisches Angriffsziel. So finden wir auch in diesem Oderabschnitt Wehrburgen, die dem polnischen Vordringen Einhalt gebieten sollten. Es sind dies u. a. auf dem linken Oderufer: Freienwalde „Mühlenberg", Stolpe (Kreis Angermünde), der „Heilige Stadtberg"von Schöningen (KreisRandow, jetzt Kamieniec Szczecinski Wiejski Pom.) und wahrscheinlich auch Garz (Kreis Angermünde, früher Randow), dessen Name und Lage schon auf eine Befestigung hindeuten. Auf dem östlichen Oderufer sind in erster Linie Zehden und Raduhn (Kreis Königsberg, heute Radun Chojenski) 34 ) zu nennen, zwei Ringwälle in beherrschender Höhenlage. Auch der 20 km landeinwärts gelegene Ringwall von Wildenbruch (Kreis Greifenhagen, heute Swobnica Gryfinski) auf hoher Bergkuppe 86 ) mit ausschließlich mittelslawischer Keramik dürfte in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt haben. Die meisten dieser Burgen sind nach der Eroberung durch die Polen nicht wieder aufgebaut worden und verödeten. Sicher ist dies bei Kliestow, Reitwein, Ötscher, ZehdenFreienwalde und Wildenbruch der Fall gewesen. Lebus blieb Volksburg, wahrscheinlich auch Stolpe bei Schwedt a. 0., eine große, auch in spätslawischer Zeit dicht besiedelte Anlage. A n der unteren Oder muß der große Burgwall von Schöningen als spätslawische Volksburg angesprochen werden. Werfen wir noch kurz einen Blick auf die Verhältnisse an der mittleren Oder, soweit der Fluß an das sorbische Gebiet grenzte. Hier wurde augenscheinlich von den Sorben selbst die „Wenzelsburg" bei Neuzelle am Hochufer der Oder gegen das Vordringen der Polen angelegt. Diese Höhenbefestigung mit Keramik des 10. Jahrhunderts liegt am Nordrande des sorbisehen Gaues Selpoli, der das Flußgebiet der unteren Neiße umfaßte. Es liegt nahe, daß seine Gewinnung in den Rahmen der Ausdehnungsbestrebungen Polens auf die Landstriche jenseits
34)
Zehden - das alte Cidini. Markgraf H o d o erlitt hier eine Niederlage gegen die Polen 972 „in loco qui yocatur
C i d i n i " (Thietmar I I , 29). 36)
V g l . A n m . 9.
6 Frühe Burgen
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der Oder fallen mußte, und schon 963 finden hier Kämpfe zwischen Markgraf Gero und Miesko statt, die zur Eingliederung der Gaue Selpoli und Lusici in den deutschen Herrschaftsbereich und sogar zur Tributpflichtigmachung Mieskos führten36). Bis zur Jahrtausend wende — in der Zwischenzeit bestand ein Bündnisverhältnis zwischen Polen und Deutschen gegen die seit 983 wieder befreiten Liutizenstämme — unterblieben polnische Angriffe auf die Niederlausitz, doch nach dem Ableben des jungen Sachsenkaisers Otto III. 1002 begann Boleslaw Chrobry, der große Sohn Mieskos, seinen ersten Vorstoß in die Mark Meißen und eroberte das Land bis zur Elbe. 1004 und 1005 gewann Kaiser Heinrich II. in zwei Kriegszügen das Land zurück, um es aber 1007 schon wieder an Boleslaw zu verlieren. Bei einem erneuten Vorstoß 1010 stießen Heinrichs Streitkräfte an der Grenze des Gaues Lusici auf die Veste Jarina, unsere Burg Gehren (Kreis Luckau)37). Von ihrer Zerstörung wird nichts berichtet, doch zeigen die Grabungsbefunde, daß die Burg um diese Zeit in Flammen aufgegangen sein muß. Sie war also, gelegen an der alten Straße von Westen her in die Lausitz, von den Sorben gegen die Angriffe der Deutschen angelegt worden. Als größte und bedeutendste Burg des Gaues Lusici wird in Thietmar von Merseburgs Beschreibung der Kriegszüge Heinrichs II. Liubusua erwähnt. Daß sie nicht bei dem Dorfe Lebusa (Kreis Herzberg, früher Schweinitz) oder gar bei Hohenleipisch (Kreis Liebenwerda) gesucht werden darf, sondern sich unter der heutigen Stadt Lübben verbirgt, hat Verfasser schon 1940 wahrscheinlich zu machen versucht38). Der Platz besitzt insofern eine hervorragende strategische Lage als er auf einer Spreeinsel an der Stelle liegt, wo die beiderseitigen Höhenränder am dichtesten zusammenstoßen. Nachdem Liubusua schon 932 von Heinrich I. nach langer Belagerung erobert und zerstört worden war, ließ Heinrich II. die Burg im Februar 1012 in überstürzter Weise gegen die Polen in Verteidigungszustand setzen, doch schon im August desselben Jahres wurde sie von Boleslaw erobert, in dessen Hand das Land nun bis zu seinem 1025 erfolgten Tode verblieb. Erst sein Sohn Miesko II. mußte die Lausitz 1031 für dauernd der deutschen Herrschaft überlassen. Dagegen blieben die nördlicher gelegenen liutizischen Gaue noch weit über hundert Jahre länger selbständig und wurden — soweit sie nicht wie Lebus und das Odermündungsgebiet in polnischer Hand waren — erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts durch die askanischen Markgrafen allmählich der deutschen Herrschaft einverleibt. In dieser Spätzeit hatten lediglich noch die großen Volks- und Gauburgen Bedeutung, während sowohl die Herrensitze wie auch die militärischen Anlagen schon um die Jahrtausendwende aufgegeben worden waren. Bei den kleinen Wehrburgen ist der Grund ihrer Aufgabe eindeutig: Sie spielten lediglich in den Kämpfen des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts eine Rolle, sind in diesen Kämpfen größtenteils zerstört worden und hatten in der an Kampfhandlungen armen Folgezeit keine Bedeutung mehr. Was das Verschwinden der kleinen Herrensitze um dieselbe Zeit angeht, so hat H. UTHENWOLDT 39 ) für Schlesien einen Wechsel der Verwaltungsorganisation wahrscheinlich gemacht, nämlich das Aufgeben der alten Burgwardverfassung zugunsten der polnischen Kastellaneiverfassung, was eine Aufgabe der kleinen Herrensitze, der Burg ward mittelpunkte, und ein Übrigbleiben der wenigen großen Volks- und Gauburgen zur Folge hatte. Ähnliche Verhältnisse müssen dem Befund nach auch für das Gebiet zwischen mittlerer Elbe und Oder angenommen werden. Daß dieser Wechsel in der Verwaltungsorganisation durch die Schaffung stärkerer Machtzentren den deutschen Ostbestrebungen ungünstig sein mußte, liegt auf der Hand. So nimmt es nicht wunder, daß das Land im 11. Jahrhundert wieder in das geschichtliche Dämmerdunkol ") ") 3S ) 39) 3
Thietmar I I , 14. Ebenda. K . H. MARSCHALLECK, Liubusua. Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 17, 1941, S. 257ff. Vgl. Anm. 22.
Burgenprobleme zwischen Oder und Elbe
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zurücksinkt, aus dem es die wechselvollen Ereignisse des 10. Jahrhunderts bereits herausgeführt hatten. In den obigen Zeilen konnten aus Mangel an Raum, Zeit und einschlägigem Schrifttum nur einige der vielen Probleme aufgezeigt werden, die sich an die vor- und frühgeschichtlichen Burgen des behandelten Gebietes anknüpfen. Die in den letzten 25 Jahren gewonnenen Neuerkenntnisse sind in erster Linie der Tätigkeit von W . UNVERZAGT zu verdanken, dem es glücklicherweise vergönnt war, nach dem Zusammenbruch die Arbeit auf seinem alten Forschungsgebiet wiederaufnehmen zu können.
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — Zur Stellung des Spandauer Bronzefundes — I. Grabungsbericht Von M. MUTH, Langerwisch bei Berlin Mit 4 Textabbildungen
Die Möglichkeit zur Durchführung der im folgenden zu besprechenden Versuchsgrabung wird dem in Spandau beheimateten Archäologen und Bauforscher Prof. Dr. ERNST HEINRICH, Ordinarius für Baugeschichte an der Technischen Universität in Berlin, verdankt. Im Herbst 1951 setzte er die ihm für eine Lehrgrabung zur Verfügung stehenden Mittel, der Anregung Prof. UNVEKZAGTS folgend, für eine Probegrabung auf dem Stresow, nahe der alten Fundstelle, ein. Im Einvernehmen mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte wurde diese Grabung im Laufe des Monats Oktober desselben Jahres durchgeführt. Unter der Oberleitung von Prof. HEINBICH wurde der Verfasser mit der örtlichen Leitung unter Mitarbeit von Dr. REINBACHER betraut; zehn Studenten des Lehrstuhls für Baugeschichte führten die zeitweilig recht schwierigen Erdarbeiten aus und wurden gleichzeitig im Vermessen und Zeichnen unterwiesen. Der südlichste Stadtteil Spandaus, auf dem der Stadt gegenüber liegenden Havelufer entstanden, ist der Stresow, an dessen südöstlichem Rande im Jahre 1881 bei der Fundamentierung eines Heeresbaues, des Pulvermagazins, der bekannte große Bronzefund zutage gefördert wurde. Mit dem Fund auf dem Stresow ist eines der interessantesten Probleme der älteren Bronzezeit in der Mark Brandenburg verbunden; ist doch der Sinn und Zweck jenes Bauwerks, zwischen dessen Pfostenresten im Torf die Bronzen damals gefunden wurden, noch ungeklärt. Im Laufe vieler Jahre ist von UNVERZAGT immer wieder auf diese Fundstelle als auf eines der wichtigsten, durch erneute Ausgrabung zu lösenden, Probleme hingewiesen worden. Der Stadtteil Stresow liegt, wie das alte Kartenbild aus der Zeit um 1800, also bevor die Heeresbauten an seinem Ost- und Südostrande aufgeführt wurden, zeigt, auf einer großen Insel im Haveltal,' im Norden von der Spree, im Osten und Südosten von einem Spreearm, im Westen und Südwesten von der Havel begrenzt; im Norden liegt der Zusammenfluß von Spree und Havel, im Süden die Einmündung des Spreearms in die Havel. Von den früheren Flußlaufbegrenzungen sind heute nur noch die Spree im Norden und die Havel im Westen und Südwesten übrig geblieben; der Oberhafen und ein sich östlich daran anschließender Wiesenstreifen zeigen, wo zuletzt der Spreearm, bis zur fast völligen Einschüttung Schlangengraben genannt, verlief (Abb. 1). Häufige, sogar grundlegende Veränderungen der Läufe von Flußarmen in den breiten Flußtälern in verhältnismäßig kurzen Zeiträumen sind bekannt. FRIEDEL1) glaubt begründen zu können, daß dieser Spreearm zur Zeit der AufERNST PRIEDEL, Der Bronzepfahlbau in Spandau, Arch. f. Anthr. 14, 1882, S. 379.
Eine Probegrabung auf d e m Stresow bei Berlin-Spandau — I. Grabungsbericht
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führung des Bronzezeitbauwerks bereits ein Altwasser gewesen sei. Daß das ganze Gelände in breitem Streifen von der modernen Bebauungsgrenze ostwärts zum tiefliegenden nordsüdlich verlaufenden Bett eines Spreearms gehört, das langsam vertorfte, geht aus den Berichten über die Bodenverhältnisse bei der Aufführung der mannigfachen Heeresbauten hervor, die besagen, daß hier Wiesenland mit Torfuntergrund bebaut wurde, das den größten
Abb. 1. A u s s c h n i t t aus d e m modernen P l a n Spandaus Mit gekreuzter Schraffur ist die heutige Bebauung mit Wohnhäusern auf dem Stresow bezeichnet. Die Kreuze in den Laubengärten und auf der Plantage geben die Stellen der während der Ausgrabung vorgenommenen Versuchsbohrungen an.
Teil des Jahres unter Wasser stand. Die militärische Bebauung erfaßte im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den ganzen, den Stresow im Osten zwischen Spree und Havel umgebenden Wiesenstreifen. Als 1881 die Funde gemacht wurden, bestand hier nur noch ein kleiner Rest dieses breiten Wiesenstreifens hinter bastionartigen Wallanschüttungen, Saillants, die das Südende des Stresows mit der Burg wallschanze nach außen zu abschlössen; jüngste Außenwerke der Festung Spandau, mit der Frontrichtung wesentlich nach Süden hinüber in das Gelände, in dem jenseits der Havel die alte slawische Anlage, der Burgwall,
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M.MUTH
liegt. Dieser Name „Burgwallschanze", der auf einem Fortifikationsplan aus der Zeit um 18102) zu finden ist, mag wesentlich dazu beigetragen haben, daß die Bezeichnung „Burgwall" auch für den Stresow angewendet wurde (Abb. 2). Als 1951 hier mit den Grabungsarbeiten begonnen wurde, war vom Wiesenlande und vom Sumpf weithin nichts mehr zu sehen, ebensowenig von den nicht unerheblichen Befestigungs-Wallanschüttungen. Inmitten von Laubengärten, auf
Abb. 2. Planausschnitt vom Ende des 19. Jahrhunderts Der Südrand des Stresows ist durch den modernen Feötungsbau geformt. (Der Plan wurde nach einem Entwurf A. Ludewigs, der auf Unterlagen des ehemaligen Heeresarchivs fußt, gezeichnet.)
heute immer hoch wasserfreiem Gelände, steht, privatwirtschaftlich genutzt, das Kasematten gebäude der Burgwallschanze und, in geringer Entfernung nördlich davon, nun nicht mehr mit Erde überdeckt, das ehemalige Pulvermagazin. Die Aufschüttungen der Festungswälle sind im Jahre 1919 abgetragen worden, und ihr Aufschüttungsmaterial diente zur Einebnung des Wiesengeländes und seiner Anhöhung bis über den Hochwasserstand der Havel. ') Den Hinweis auf diesen Plan verdanke ich dem langjährigen verdienten Bezirkspfleger Spandaus, Albert Ludewig.
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — I. Grabungsbericht
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Der Name Stresow ist, wie so viele unserer slawischen Orts- und Flurnamen, nicht eindeutig zu übersetzen. In den Akten des Museums für Vor- und Frühgeschichte 3 ) befindet sich die Zusammenstellung von P O E T T E R S vom Jahre 1 9 2 0 , die seine Bemühungen um die Deutung des Namens zeigt. Daraus geht hervor, daß er ebensogut Burgplatz heißen kann, wie er auch mit Schafhaltung und Schafhütung zusammenhängen mag. Mit dem Namen Stresow also ist der Charakter dieser Spandauer Flur als Burgstelle nicht erwiesen. Auf dem Laubengartengelände des Stresows, dem Pachtgrundstück Uhlandstraße 7, das unmittelbar südöstlich neben dem ehemaligen Pulvermagazin liegt, wurde am 4. Oktober 1951 mit dem Ausheben eines Suchgrabens begonnen. Verlauf und Lage dieses Grabens wurden ebenso der Lage des alten Magazingebäudes wie den Gegebenheiten der Obstpflanzung angepaßt : er wurde so weit entfernt von dem Südostgiebel des Gebäudes geplant, daß erwartet werden durfte, in den tieferen Schichten möglichst nicht mehr die Einschüttung der Fundamentgrube von 1881 anzuschneiden, die sicherlich wohl über die durch die Wände dargestellte Gebäudegrenze hinaus ausgehoben gewesen ist (Abb. 3); zwischen zwei Obstbäumen hindurch konnte der Graben in zwei Meter Breite ausgeschachtet werden, ohne daß diesen Bäumen großer Schaden zugefügt werden würde. So verlief der Suchgraben in einer durchschnittlichen Entfernung von 8 m fast parallel zur südöstlichen Giebelwand des Magazins in nordöstlich-südwestlicher Richtung. Da das Niveau der Gartenoberfläche bei rund 32,5 m ü. N. N. liegt, nach dem Ausweis der alten Fundakten jedoch zur Erreichung der damaligen Fundtiefe mindestens bis zu 5 m in die Erde hineingegraben werden mußte, so stand die Bewältigung einer erheblichen Erdmenge bevor. Die sorgfältig gepflegte Gartenanpflanzung jedoch mußte nach Möglichkeit geschont werden, daher wurde es notwendig, den Suchgrabenaushub außerhalb des Grundstücks auf die Straße zu karren. Das Wiesenniveau wurde für 1881 mit rund 30 m ü.N.N. angegeben; da die Gärten heute 2% m höher liegen, wurde demnach 1919 nur ein Teil der früheren, rund 10 m hohen Wall- und Magazinüberschüttung fortgeräumt. So hatten wir in den ersten Tagen beim Ausheben des Suchgrabens zunächst den übriggebliebenen Teil der Aufschüttung von 1881 zu bewältigen. Wir fanden das Schuttmaterial in Schichten von unterschiedlicher Fall- und Streichrichtung vor, wie solche bei derartigen Schüttungen regellos und zufällig entstehen. Es bestand im oberen Teil von rund 1,5 m aus Sand und lehmigem Sand, in den ein unregelmäßiges Band von etwa 4 m Länge und bis zu 20 cm Dicke an Trümmerschutt einer spätmittelalterlichen Siedlungsstelle eingelagert war — Schutt, der offenbar mit den Sandmassen unbeachtet hertransportiert worden ist. In fast waagerechter Lagerung zeigte sich in rund 1,4 m bis 1,6 m Tiefe als krümelige, rostrote, reichlich weißgesprenkelte Schicht ein Teil des hier aufgeworfenen Aushubes aus der Baugrube, nämlich zerkrümelter Raseneisenstein, vermischt mit Muschelschalen, Schneckengehäusen und Torf. Unter einer weiteren Schicht hertransportierten Sandes folgten fest zusammengepreßte Ziegelsplitter, die hier in großer Menge aufgeschüttet waren, ein Zeichen, daß der Suchgraben nahe bei der Baugrube von 1881 gezogen war; diese große Menge an Ziegelsplittern war beim Bau des Magazingewölbes dadurch entstanden, daß die Mauersteine abgeschrägt zugeschlagen worden waren. Unter diesem Bauschutt lag bis zur Grabentiefe von durchschnittlich 3,6 m weiterer Aushub aus der alten Fundamentgrube in der Gestalt von Torfbrocken und bläulichem, hellem Sand. In dieser Tiefe, bei der absoluten Höhe von durchschnittlich 28,9 m ü.N.N. zeigte sich als fast schwarze, feste Torfschicht von rund 5 cm Dicke und nicht ganz regelmäßig waagerecht ebenem Verlauf die alte Wiesenoberfläche von 1881. Es muß angenommen werden, der Unterschied von rund 1 m zwischen der in den alten Akten angegebenen absoluten Höhe der Oberfläche und der heutigen Höhe der Oberflächentorflage sei dadurch zustande gekommen, daß der Druck der riesigen darübergeschütteten Sandmenge im Laufe der rund 40 Jahre von 3 ) „Special Fascikel, betr. den aui dem Stresow bei Spandau im Jahre 1881 entdeckten Pfahlbau der Bronzezeit. Angelegt durch E. FBIEDEL."
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seiner Aufschüttung beim Bau des Magazins bis zur teil weisen Abtragung im Jahre 1919 das Zusammensinken des Torflagers in diesem Ausmaße bewirkt hat. Die alte Oberflächenschicht lag auf unberührtem, gewachsenem Torf von rund 1 m Mächtigkeit. Der Wasserspiegel der Havel lag gemäß der Einmessung am 6. Oktober bei 29,05 m ü. N. N. Das Torfband der alten Wiesenoberfläche von 1881 lag also schon unter dem Havelspiegel, der zu dieser Zeit den tiefsten Wasserstand des Jahres 1951 nach lang anhaltender Trockenheit dargestellt haben dürfte. Es war also damit zu rechnen, daß uns das Wasser noch Schwierigkeiten bereiten würde, da wir ja erheblich tiefer in den anstehenden Torf hineingraben mußten, um die Tiefe zu erreichen, in der die Funde im Jahre 1881 zutage kamen. Die Tiefe
Abb. 3. Die Baugrube von 1881 mit den Fundstellen der Pfosten, der Begrenzungslinie des Pulvermagazinfundaments und der Lage des Suchgrabens von 1951
der Ausschachtung brachte es mit sich, daß das Wasser, wie erwartet, aus den Wänden quellend, dauernd zufloß und die Weiterarbeit ohne Wasserpumpe unmöglich machte. Eine kleine Pumpe, die sogleich nach dem Beginn des Wasserzuflusses eingesetzt wurde, erwies sich bald als nicht leistungsfähig genug, so daß eine größere, die von der Feuerwehr ausgeliehen werden konnte, betätigt wurde und täglich mehr als zehn Kubikmeter dauernd zufließenden Wassers bewältigt wurden, wodurch es überhaupt erst möglich war, bis in die erforderliche Tiefe hineinzugraben. Die untersten Schichten des gewachsenen Torfes wurden im Wasser zu weichem Schlamm, der die Arbeiten in dieser Tiefe weiter erschwerte, ja, sie ohne Benutzung von Gummistiefeln und das Packen von Bohlen auf den Torfbrei unmöglich machte. Eine weitere technische Schwierigkeit machte sich bemerkbar, als schon an einem der ersten Tage aus den oberen Sandschichten ein großes Stück der einen Grabenwand einstürzte. So waren wir gezwungen, die Grabenwände abzusteifen, was in der Weise erfolgte, daß auf eine Länge von 3 m der obere Teil bis auf die hart liegende Schicht zerkrümelten
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und im Laufe der Jahrzehnte fest zusammengepreßten Raseneisensteins, also bis zur Tiefe von 1,4 m unter der Gartenoberfläche abgestützt wurde, mit der Erwartung, daß die darunterliegenden Massen zwar einmal bewegten, nun aber wieder zusammengepreßten Torfes und der unter dieser Mischung liegende, foste, nasse, gewachsene Torf genügende Sicherheit böten und eine weitere Abstützung nach unten hin überflüssig machten. Bis zur Beendigung der Grabung erwies sich diese Teilabsteifung der Grabenwände als ausreichend, trotz dauernder Erschütterung des Erdbodens durch den lebhaften Verkehr auf der in unmittelbarer Nähe vorüberführenden Hauptverkehrsstraße und durch die Arbeit mit Brechstange und Vorschlaghammer in der Tiefe des Grabens.
Abb. 4. Lage der Gegenstände in der Baugrube von 1881 Nach Originalplan in den „Acta" betreffend die Erwerbung prähistorischer Gegenstände. Vol.: 21. vom 1. September 1881 bis 31. März 1882. Pars IA. ad No. 407 de 82". Abschrift des Fundberichtes des OberstLieutenants und Ingenieure vom Platz Luedecke. (Erwerbungsakten der Königlichen Museen, im Ehemals Staatl. Mus. für Vor- u. Frühgeschichte in Berlin).
Das Torflager muß in langer Zeit stetig gewachsen sein; in seinem oberen Teile sind Einzelheiten der Pflanzen, die zum Entstehen des Torfs wesentlich beigetragen haben, in großer Menge voneinander zu unterscheiden; diese Einzelheiten verlieren sich nach unten zu allmählich mehr und mehr, bis der Torf in seinem untersten Teil als gleichförmige Masse das typische Bild alten Torfes darstellt. Aufgeweicht ergibt dieser alte Torf einen schmierigen Bei, der die Veranlassung dazu war, daß im Bericht von 1881 gesagt wird, unter dem Torf liege eine Schlammschicht. Die Untersuchung des Torfs auf pollenanalytische Einzelheiten ist noch nicht erfolgt; außer einzelnen Proben aus allen Höhenlagen ist für den Zweck der Untersuchung eine größere Probe in der Weise entnommen worden, daß, fest in einem 1 m langen, 15 cm breiten und 15 cm tiefen Blechkasten eingepreßt, eine Torf säule senkrecht aus der Profil wand des Hauptprofils, wie in der Profilzeichnung angegeben, herausgeschnitten wurde (Abb. 5). An einigen Stellen fanden sich im Torf Holzstücke in waagerechter Lage, die sich als Zweig-, Ast- und Baumwurzelstücke verschiedener Länge und Stärke erwiesen. Die meisten dieser 7 Frühe Burgen
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Hölzer lagen unmittelbar unter der alten Oberflächenschicht. An einer Stelle bei minus 0,2 m bis minus 1,3 m fanden sich unter den obersten Holzresten auffallend viele weitere Zweige und Äste; im weiteren Verlaufe der Grabung zeigte sich noch an einer anderen Stelle zwischen
Abb. 5. Schichtenabfolge der beiden Wände des Suchgrabena Die Schichten 1 bis 16, mit senkrechter Schraffur versehen, bestehen aus dem Aufschüttungserdreich der modernen Anlage. Mit schräger Schraffur sind die älteren Schichten gekennzeichnet: a — Wiesenoberfiäche von 1881; b = Torf mit eingelagerten unbearbeiteten Hölzern beiH.; c = Sand; d = Raseneisenstein; e = Sand; P=Stelle der Brd Probenentnahme; K=Stelle, an der der Eisenkasten eingetrieben wurde.
plus 2 m und plus 3 m eine ähnliche Anhäufung von Hölzern. Diese Anhäufungen veranlaßten uns, an den betreffenden beiden Stellen den Suchgraben jeweils so weit zu verbreitern, daß die angetroffenen Hölzer vollkommen freilagen und in ihrer Lagerung zueinander genau beobachtet werden konnten. Diese Maßnahme war nicht nur eine Selbstverständlichkeit in
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der Verfolgung aller dem Ausgräber begegnenden Erscheinungen, die hier nicht besonders betont werden würde, sondern sie hatte noch einen Grund in der Lage der beiden Häufungsstellen der Hölzer. Schnitten doch die Linien der beiden südwestlichen Pfostenreihen des Plans von 1881, zeichnerisch nach Südosten verlängert, den Suchgraben mit unbedeutendem Spielraum gerade an den Stellen, an denen die Hölzer lagen. Es konnte die Möglichkeit erwogen werden, daß diese Hölzer in irgendeinem Zusammenhang mit dem Bauwerk gestanden haben könnten, zumal da im alten Bericht von faschinenähnlicher Verwendung schwacher Hölzer außer den starken Pfosten gesprochen wird. Einwandfrei jedoch erwies es sich, daß die Hölzer für ihre Zugehörigkeit zum alten Bauwerk zu hoch, nämlich im jüngsten Torf, bei der absoluten Höhe von durchschnittlich 28,8 m ü.N.N. um etwa 0,8 m über der Auffindungshöhe der Baureste von 1881 lagen. Ferner lag unter den Hölzern noch 0,7 m ungestörter fundleerer Torf, 0,25 m Sand und der Raseneisenstein. Die Hölzer setzten sich nicht weiter nach unten fort, sie konnten keine Verbindung mit eventuell auftretenden Bauresten an Pfosten, Jochträgern usw. in tieferen Schichten haben. Der Torf wurde so sorgfältig herausgegraben und zerkleinert, daß die Annahme berechtigt erscheint, uns seien keine eventuell vorhandenen Funde entgangen. Es wurde mit besonderer Aufmerksamkeit auf das Erscheinen von senkrechten Hölzern geachtet, da ja nach dem alten Bericht die Pfosten von unten her durch den Raseneisenstein hindurch in den Torf hinaufragen und in diesem schwer erkennbar sein sollten. Schon an der ersten Stelle, an der durch die dicke Torfschicht hindurchgegraben wurde, zeigte sich die dritte technische Schwierigkeit dieser Grabung. Sie ergab sich aus dem Vorhandensein einer 0,25 m starken Schicht feinen Sandes unter dem Torf im Zusammenhang mit dem in dauernder Bewegung befindlichen zufließenden Wasser. Schon weit über dieser Schicht, im bewegten Torf über der alten Wiesenoberfläche, war in wenigen Tagen in den Profilwänden eine nicht unerhebliche Höhlung dadurch entstanden, daß der mit dem Torf zusammen aufgeschüttete feine Sand allmählich aus den Wänden herausgespült worden war. Ohne ein Aufhalten des dauernd aus der Wand herausfließenden Sandes konnte nicht tiefer unter das Torflager und durch die Sandschicht darunter hindurchgegraben werden. Mit Hilfe einer Spundwand wäre der Bewegung dieses Sandes ein Ende zu machen gewesen; dies jedoch überstieg bei weitem die für die kleine Versuchsgrabung vorhandenen Mittel und würde außerdem zu viel Zeit im Aufbau erfordert haben. Um wenigstens an einer der beiden Stellen, an denen möglicherweise Pfostenreste zu erwarten gewesen wären, in die erforderliche Tiefe dringen zu können, wurde ein Eisenblechkasten in den Ausmaßen von etwa 80 cm mal 100 cm und etwa 80 cm Höhe, dem der Boden fehlte, an der in der Profilzeichnung angegebenen Stelle versenkt; er erlaubte durch seine Maße, daß ein Mann in ihm stehen und die zur Ausräumungsarbeit notwendigen Bewegungen mit Schaufel, Brechstange und Vorschlaghammer ungehindert ausführen konnte, während gleichzeitig der Saugkopf der Pumpenleitung am Grunde des Kastens lag und mit Hilfe der leistungsfähigen Wasserpumpe dieser kleine Raum innerhalb der Blechwand für die Arbeit dauernd leer gehalten werden konnte. Mit fortschreitender Ausräumung konnte die Wand tiefer eingetrieben werden und so an dieser Stelle die Sandschicht unter dem Torf bewältigt und die darunterliegende Raseneisensteinschicht stückweise losgeschlagen und herausgehoben werden. Der Sand unter dem gewachsenen Torf, natürlich abgelagerter Schwemmsand, war ebenso fundleer wie der Torf. Auch die Raseneisensteinschicht und der darunterliegende Schwemmsand ergaben keine Funde. Pfostenreste oder Pfostenspuren fanden sich bis in die erreichte Tiefe bei 27 m ü.N.N. nicht. Der Graben wurde in seiner ganzen Länge und Breite bis auf die Raseneisensteinschicht ausgehoben und diese gleichmäßig harte Erzschicht sorgfältigst untersucht, damit kein Anzeichen für das Vorhandensein eines Pfostens übersehen würde, dessen Kopf etwa durch die Eisenschicht heraufragte. Es ergab sich jedoch, daß, nachdem dieselben Schichten, die
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1881 beobachtet worden sind, durchgraben worden waren, bis auf dieselbe Tiefe wie dies damals geschehen war, hier weder Spuren von Holzpfostenbauresten, Faschinenwerk oder sonstigen künstlichen Anlagen noch von Einzelfunden an menschlicher Hinterlassenschaft beobachtet werden konnten. Im Laufe der Grabung, bevor es sich erwies, ob die Astwerkanhäufungen im Suchgraben zu einer Brückenkonstruktion oder einer Bohlwegpackung oder einem anderen Bauwerk gehören konnten, wurde beschlossen, das benachbarte Gelände näher zu betrachten. Im Gelände des alten, vertorften, in moderner Zeit vollkommen zugeschütteten Wasserlaufes sind wohl dieselben Untergrundverhältnisse anzutreffen wie hier im Suchgraben; alte Fundberichte sprechen von Funden im Sumpf. Der nordwestlich gelegene Stresow selber jedoch ist eingehender Untersuchung wert. Die heutige Bebauung mit Mietshäusern könnte einen Hinweis auf die Untergrundverhältnisse geben, denn es ist anzunehmen, daß diese nur über gutem, festem Baugrund errichtet worden sind; im Gegensatz zu den militärischen Bauten, die dorthin gestellt wurden, wo dies der Gesamtplan der Befestigungsanlagen ungeachtet aller Schwierigkeiten und Unkosten bei der Fundamentierung erforderte. So kann die Begrenzung der privaten Bebauung in der Nachbarschaft der Festungsbauten die ursprüngliche Ursache darin haben, daß sie zusammenfällt mit der Grenze des sandigen Baugrundes gegen den Sumpf. Es besteht die Möglichkeit, daß die bronzezeitliche Anlage, ob Plattform als Versammlungsplatz, ob Häuser oder Brücke, nicht weit vom Ufer gebaut gewesen sein mag. Ebenso liegt der Gedanke nahe, daß jenseits des Ufers westwärts auf einem Sandhorst, vielleicht nicht weit von der Anlage der Pfostenbauten, eine Siedlung gelegen haben mag, bewohnt von den Altbronzezeitmenschen, von deren Hinterlassenschaft uns der Torf im Jahre 1881 einiges wiedergab. Diese Überlegung veranlaßte uns, einige Bohrungen in der Nähe des Ausgrabungsplatzes vorzunehmen. In der Verlaufsrichtung des alten Wasserlaufes fanden sich im Laubengartengelände dieselben Schuttsande, wie wir sie im Suchgraben hatten. In etwa 30 m Entfernung vom Pulvermagazingebäude in nordwestlicher Richtung dagegen, also in der Richtung auf die Wohnhäuser zu, an einer Stelle, wo die alte Oberfläche im Verlaufe der Festungserweiterung nicht überschüttet worden ist, ergab sich, daß bis zu 2 m Tiefe kein Schutt oder Torf erbohrt wurde, sondern Ufersand. Da die Anschüttung von 1881 dicht bei dieser Bohrstelle beginnt, und da die Hauptzufahrtsstraße zu den Laubengärten ebenfalls sehr nahe zwischen der Bohrstelle und dem Magazin vorüberführt, so war es nicht möglich, von der Bohrstelle an in der Richtung auf das Magazin zu weitere Bohrungen vorzunehmen, um so eventuell die Uferlinie zwischen Sand und Torf festzulegen. Dies muß späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, die mit leistungsfähigerem Bohrgerät ausgerüstet arbeiten müßten; uns stand nur ein Kastenbohrer von 1 m und ein solcher von 2 m Länge zur Verfügung. Die höchstgelegene Stelle der näheren Nachbarschaft beim Pulvermagazin ist die Plantage, etwa 250 m entfernt nordwestlich der bronzezeitlichen Pfosten. Hier wurden auf dem dortigen freien Platz einige weitere Bohrungen durchgeführt. Grunewaldstraße und rasenbewachsener Teil des Schmuckplatzes dicht an dieser Verkehrsstraße sind wohl erheblich angeschüttet, der Bohrer erbrachte Bauschutt, Kalkreste usw. In einiger Entfernung von der Hauptverkehrsstraße jedoch, neben dem etwas höher gelegenen heutigen Kinderspielplatz ergab schon der kurze Bohrer reinen Sand, und bis zu 2 m Tiefe ging dieser feine Sand allmählich in scharfen „Mauersand" über, ein sicheres Zeichen dafür, daß wir hier den gewachsenen Boden vor uns haben. Reste einer Kulturschicht kamen an keiner Stelle der Bohrungen zutage. Die Bohrungen jedoch bestätigten die Annahme, daß die Pfostenbauanlage nahe an dem Südostufer einer Sandinsel gelegen hat. Der Stresow ist also ein sandiges, in seinem wesentlichen Teil wohl immer hochwasserfrei gewesenes Stück Land, ein Sandhorst im Haveltal, auf dem die Möglichkeit zur Anlage einer Siedlung in vorgeschichtlicher Zeit gegeben war.
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Es sind nahe bei der alten Fundstelle sowie noch anderwärts auf dem Stresow genügend Plätze vorhanden, an denen es keine allzu großen Schwierigkeiten machen dürfte, im Zuge größerer Untersuchungen zunächst durch Bohrungen und später durch Grabungen der Frage nach dem Vorhandensein von Siedlungsspuren auf diesem Sandhorst nachzugehen. Es wurde beschlossen, daß alle bisher von den zuständigen städtischen Dienststellen erbohrten Profile des Stresows und seiner Nachbarschaft zusammengestellt werden sollen, woraus sich möglicherweise ein Hinweis auf das Ansetzen weiterer Untersuchungen ergeben könnte. Es kann zusammenfassend gesagt werden, daß, unter der Voraussetzung ungefährer Genauigkeit des Planes von 1881, die damals beobachteten Pfostenreste eines oder mehrerer vorgeschichtlicher Bauwerke tatsächlich wohl nicht in südwestlicher Richtung über die Fläche der Baugrube hinaus reichten. Wenn die Pfostenreste auch nicht in so genau aufgereihter Ordnung gestanden haben, wie sie in der alten Publikation gezeichnet sind, müßten sonst im Suchgraben von 1951 einer oder einige davon angetroffen worden sein. Es kann sich bei dem alten Bauwerk nicht um die Außenpfostenreihen einer Burgwallbefestigung gehandelt haben, denn außer der Fortsetzung der Pfostenreihen müßten sonst noch Spuren von Wallanschüttungen zwischen den Pfosten oder in ihrer unmittelbaren Nähe sichtbar gewesen sein. Es kann sich auch nicht um die Reste einer Brücke handeln, sonst hätte sich nicht tiefgehender Sumpf auf der Südwestseite, sondern eine Brückenwange oder ein Knüppeldamm als Fortsetzung auf flacher werdendem Sumpfuntergrund, wiederum mit Sandschüttung, finden müssen. Um ein größeres Maß an Klarheit über die Untergrundverhältnisse der Umgebung der alten Fundstelle zu erhalten, müßte mit erheblich größeren Mitteln, als sie der kleinen Versuchsgrabung zur Verfügung standen, eine Fläche, mindestens von der Größe einer ganzen Gartenparzelle, in der Nachbarschaft des Magazingebäudes, bis in die vom Suchgraben erreichte Tiefe ausgegraben werden. Dieses, wie aus den Erfahrungen bei der Durchführung des kleinen Suchgrabens bereits ersichtlich, technisch außerordentlich schwierige und daher mit sehr großen Kosten verknüpfte Unternehmen stellt aber nur einen Teil der Untersuchungen dar, die im Zusammenhang mit dem Stresow-Problem durchzuführen wünschenswert wäre. Schon aus der Bemerkung des Ausgräbers von 1881, des Oberleutnants Ecke, er habe faschinenähnliche Verwendung von Zweigwerk beobachtet, jedoch nicht genauer aufzeichnen oder einmessen können wegen der Einsturzgefahr des Bahndammes der Lehrter Bahn, deren ehemaliger Bahndamm die heutige Uhlandstraße ist, könnte sich entnehmen lassen, daß die beiden unmittelbar der Längswand des Pulvermagazins benachbarten Gartengrundstücke und der jetzige Weg Uhlandstraße den geeigneten Platz für eine erste künftige Grabung darstellen dürften. Ebenso die Zufahrtsstraße zum Laubengelände und die nordwestlich daran grenzenden Gärten, die 1881 nicht vom Wallschutt überdeckt worden sind. Diese kleine, mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln in der Zeit von vier Wochen durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, welche Probleme um die Stresowfunde noch zu klären sind, ebenso hat sie die Möglichkeiten erkennen lassen, daß nach gründlichen Vorarbeiten und unter Einsatz erheblicher Mittel wohl Antwort auf einige der vorhandenen Fragen zu erwarten ist. So kann sich bei gründlicher Erforschung des Spandauer Stadtgebietes, dessen deutscher mittelalterlicher Kern um die Nikolaikirche zu suchen ist, ein alter Kern aus viel weiter zurückliegender Zeit wohl noch auf dem Stresow auffinden lassen und die Bedeutung des Wohnplatzes an diesem wichtigen Flußübergang erweisen.
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W
A. v. BRUNN
II. Bemerkungen zum Waffenfund von Spandau Von W.A.
V.BBUNN,
Berlin
Mit 1 Textabbildung und Tafel VI
Beim Spandauer Fund 1 ) (Tafel VI) blieb die Frage nach den Fundumständen und damit der Deutung des Fundes lange Zeit mehr oder minder offen. Man kann auf Grund der letzten Untersuchung der Stelle wenigstens zwei ehedem erwogene Möglichkeiten ausschließen: Eine Siedlung (Pfahlbau) kommt schwerlich und ein Burgwall gar nicht in Frage. Um den Fund im Rahmen der gewöhnlichen Klassifizierung einer der bekannten Fundarten zuzuweisen, möchte man nunmehr an einen Hortfund im weiteren Sinne denken. Hortfunde wurden, soweit Nachrichten über ihre Fundumstände vorliegen, in, öfter außerhalb von Siedlungen vergraben. Im östlichen Mitteleuropa zeigt eine Übersicht über die bronzezeitlichen Hortfunde bald2), daß ihre große Menge nach dem Inhalt zeitlichen Schichtungen und, je nach Zeitstellung und Zusammensetzung, örtlichen Gruppierungen unterliegt. Deutlich glaubt man auch nach den Fundumständen Untergruppen zu erkennen, die zur Kennzeichnung der ganzen Fundkategorie einiges beitragen möchten. So gehören die Spandauer Bronzen nach ihren Fundumständen zu den in Wasser und Moor gefundenen Schätzen. Unter diesen läßt sich wieder eine kleine Untergruppe ausscheiden, bei der nicht ganz klar ist, ob wir sie überhaupt zu den Hortfunden rechnen können, weil ihre einzelnen Teile nicht auf einer Stelle vereint, sondern verstreut gefunden wurden. Hinzu kommt dabei öfter, daß Fundstücke anderer Art mitgefunden wurden, die gegen den einfachen Schatzcharakter der Bronzen sprechen. Zwar kennen wir auch aus Siedlungen sowie Burgwällen und ihrer Umgebung Fundkomplexe, die nicht an der gleichen Stelle lagen. Dort fand man die Gegenstände aber doch meistens gruppenweise zusammenliegend. Mehrere Horte in einer Siedlung lassen auf eine gemeinsame Ursache schließen, die sie in Vergessenheit geraten ließ3). Die Geschlossenheit wenigstens der einzelnen Fundkomplexe steht bei den genannten Beispielen außer Frage. *) Vgl. zur Auffindung des Fundes, Beschreibung der Fundumstände und Funde sowie zu den ersten Diskussionen Korr.-Bl. f. Anthr. 6,1881, S. 104ff.; ZfE. 14, 1882, S. (112) ff. (Fundbericht des Oberstleutn. LCDECKE, Bemerkungen von VATER, SCHAAFHAUSEN und Voss), 371ff. (Bemerkungen von VIRCHOW); Arch. f. Anthr. 14, 1882, S. 373f. (Fundbericht des Leutnants ECKE und Bemerkungen von FHIEDEL). - E. SPROCKHOF? bei M. EBERT, Reallexikon 12, S. 333ff. - Abbildungen der Funde befinden sich ZfE. 14, 1882, Tafel X I I und X I I I (im Text Größenangabe der Gegenstände). - Arch. f. Anthr. 14, 1882, Tafel a. a. 0 . - E. SPROCKHOFS, Die germanischen Griffzungenschwerter (Berlin und Leipzig 1931), Tafel 6. — W. BÖHM, Die ältere Bronzezeit in der Mark Brandenburg (Berlin 1935), Tafel 13. - 0 . F. GÄNDERT in: Geschichte der Stadt Berlin (Sammelwerk; Berlin 1937), Tafel 4 und 5. a ) Die Aufteilung der bronzezeitlichen Depotfunde durch G. WILKE bei M. EBERT, Reallexikon 2, S. 362f. dürfte heute nur noch forschungsgeschichtliche Bedeutung haben. 3 ) Mitteleuropäische Beispiele: Buckow, Kreis Lebus (7 Hortfunde; Mannus 15, 1923, S. 95ff.). — Schloßberg von Burg, Kreis Kottbus (3 Hortfunde; Niederlaus. Mitt. 1, 1890, S. 349f. - Hamms 8, 1916, S. 40. - Niederlaus. Mitt. 22, 1934, S. 77). - Tharandt, Kreis Dresden (5 Fundgruppen; Mannus 24, 1932, S. 91 ff.). - Dresden-Laubegast (5 Hortfunde; Sachsens Vorzeit 2, 1938, S. 134f.; Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege, Bd. 2, 1952, S. 153ff.; Bd. 3, 1953, S. 102ff.). - Der Jenzig bei Jena (5 Gruppen = Kunitz, Kreis Stadtroda; der Spatenforscher 2, 1937, S. 5ff.). — Schwedenschanze bei Günserode, Kreis Sondershausen (2 Depotfunde; Vorgesch. Altert, der Prov. Sachsen 11,1892, S. 21f.) - Der Haimberg bei Fulda (verschiedene Gruppen; 20. Veröff. des Fuldaer Geschichtsver., 1929, Tafel I V - V I I ) . - Bad Homburg v. d. H. (2 Hortfunde; Die Altertümer unserer heidnischen Vorzeit 5, 1911, Textbd., S. 133). — Braunsbedra, Kreis Merseburg (2 Hortfunde; Mus. Halle). — Simonshagen, Kreis Perleberg (2 Hortfunde; E. SFR0CKH0FF, Hortfunde Per. 4, S. 20). Der Pleäivec bei Jinec unweit Horovic im südwestlichen Böhmen (wenigstens 3 Funde; die erwähnten Funde in den Mitt. d. Zentr. Komm. NF. 14,1888, S. 6ff. und Mitt. d. Anthr. Ges. Wien 26, 1896, S. 200ff. lassen sich nach ihrem Inhalt nicht miteinander identifizieren). - Die Funde stammen meist aus Siedlungen, die teilweise wohl schon zur Zeit der Niederlegung befestigt waren.
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau •— II. Bemerkungen zum Waffenfund von Spandau
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Ihre Gleichzeitigkeit wirkt aber wahrscheinlicher, wenn man den kulturgeschichtlichen Hintergrund ihrer Niederlegung in Erwägung zieht. Das chronologische Gerüst, das wir den geschlossenen Funden verdanken, kann somit durch rechtzeitige Berücksichtigung kulturgeschichtlicher Einzelheiten an Stärke nur gewinnen. Daß die Spandauer Bronzen gleichzeitig wären, schien z.B. bisher genauso zweifelhaft4) wie die nunmehr widerlegte Annahme, daß in ihrer Fundstelle eine Siedlung vorläge. Zu ihrer Zeitstellung und Deutung verlohnt es sich daher, eine Betrachtung ihrer Umwelt mit der Behandlung ihrer Fundart zu vereinigen. Die im nordisch-norddeutschen Kreis der Bronzezeit zahlreichen Moorfunde stellen dort, wie es scheint, schon nach der Art der Fundumstände eine zusätzliche Quellenart dar, die man seit langem mit einem Opferbrauch in Verbindung bringt, von dem angenommen wird, daß er bereits in sehr alte Zeiten zurückgeht6). Dem widerspricht aber, daß die bronzezeitlichen Hortfunde zumeist der jüngeren Bronzezeit angehören, einer Periode, die wenigstens teilweise zeitlich dem sogenannten Grenzhorizont der Moorprofile entspricht. Zu dieser Zeit trockneten nach unserem Wissen die Moore ein und konnten vielfach begangen werden6). Einen bestimmten Brauch, der mit Moor und Wasser in unmittelbarer Verbindung stand, kann man also nicht ohne weiteres voraussetzen. Hinzu kommt, daß Bronzehortfunde zur gleichen Zeit eine über den größten Teil unseres Erdteils verbreitete Erscheinung darstellen und sich nicht nur in moor- und wasserreichen Gebieten häufen'). Der Opferbrauch bezog sich somit möglicherweise nur auf einen beschränkten Teil der Moorfunde, dem das westliche Ostseegebiet8) dann seine Stellung als eins der Kerngebiete bronzezeitlicher Hortfunde zu danken hätte. Dort müßten sich verschiedene kulturgeschichtliche Niederschläge zu einer heute nicht aufteilbaren, aber nur scheinbar einheitlichen Quellengattung vereinigt haben. Damit steht im Einklang, daß die verschiedenen Angaben über die Fundumstände von Hortfunden, obgleich sie sich sehr oft wiederholen, auch sonst zu keiner Abtrennung bestimmter Fundgruppen und zu keiner Aufgliederung des Materials nach den Fundumständen führen. So etwa finden wir im baltischen Gebiet Hortfunde außerhalb der Moore oft unter großen Steinblöcken oder in Gefäßen. Beide Erscheinungen treten aber auch in Moorfunden auf9). 4
) E. SPROCKHOFS bei M. EBERT, Reallexikon a. a. 0., S. 334, berichtigt durch E. SPROCKHOF!1, Griffzungenschwerter, S. 5 u. 22. - V. G. CHILDE, Prehistorie migrations in Europe (Oslo 1950), S. 203 m. Anm. 54, glaubt in Spandau an einen Pfahlbau mit Funden aus verschiedenen Zeiten. Die Datierung des Vollgriffschwertes ins 8. Jahrh. nach einer recht zweifelhaften iberischen Parallele ist mindestens methodisch schwierig. 6 ) 0 . MENGHIN, Weltgeschichte der Steinzeit (Wien 1931), S. 426: „Das Mooropfer darf als Eigentümlichkeit des Knochenkulturkreises gelten." - Die Votivtheorie wurde am ausführlichsten ausgebaut von J. BR0NDSTED, Danmarks Oldtid II, S. 115ff. usw. unter den einzelnen Perioden. - Der dänische Volkskundler H. P. HANSEN (Sprog og Kultur 5,1947, S. 44ff.) hat sie als eine von der Romantik vererbte Hypothese bezeichnet, die möglichst bald fallen gelassen werden sollte. •) F. FIRBAS, Waldgeschichte Mitteleuropas, Jena 1949, S. 66. Als pollenanalytisch belegtes Beispiel darf der Fund von Dramino Kamienski (Drammin, Kreis Kammin) gelten (Baltische Studien 37, 1935, S. 327f.). Seine Bronzen hatten außen einen braunen Moorüberzug, darunter aber eine grüne Patina. Sie lagen unterhalb des Grenzhorizontes und scheinen auch nach dem angegebenen Pollendiagramm in einer Trockenperiode niedergelegt zu sein, der eine feuchte Periode folgte. Der Fund stammt übrigens aus der Periode 6. - Gegen Niederlegung in vollkommen trockenen Mooren spricht aber bis zu einem gewissen Grade die genaue Lage der Moorfunde, die sich meist am Rande, an erhöhten Stellen oder in besonders kleinen Mooren fanden, so daß man annehmen muß, daß zwar die Verbergungsstellen selbst, nicht aber das ganze Moor zugänglich waren. ') Vgl. die reichen Fundprovinzen Nordwestfrankreichs und des mittleren Donaugebietes. Die annähernde Gleichzeitigkeit und der Mangel an gänzlich fundfreien Zwischengebieten lassen an der Einheitlichkeit des ganzen Phänomens meines Erachtens keine quellenkritischen Zweifel zu. 8 ) Zu dem Moorfundgebiet gehört auch die Niederlausitz, wo sich zahlreiche Horte in moorigem und feuchtem Wiesengelände fanden. ») Unter oder bei großen Steinen im Moor z. B. Witkowo Slupski (Vietkow, Kr. Stolp) (Balt. Studien NF. 4,1900, S. 137ff.), Pluckow (Mitt. a. d. Sammlung vorgesch. Altert, d. Univ. Greifswald 6, 1933, S. lf.). Die Verbergung unter großen Findlingen, charakteristisch für das gesamte Ostseegebiet, ist auch sehr häufig in Nordwestfrankreich. Zahlreiche Beispiele bei J. DÉCHELETTE, Manuel d'Archéologie II, Appendices (Paris 1910). - In Gefäßen im Moor, z.B. Witkowo Slupski (a. a. O.), Rzedziny Szczecinski (Nassenheide, Kr. Randow) (Balt. Studien NF. 6,1902,67) usw.
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Zum gleichen Ergebnis würde man gelangen, wollte man die Fundumstände mit dem Inhalt vergleichen. Zum Beispiel begegnen Brucherzfunde, die im südlichen Mitteleuropa häufig sind, gleichfalls in norddeutschen Mooren10). Läßt sich so zeigen, daß ein äußerst umfangreiches Material nicht ohne weiteres nach klaren Gesichtspunkten der äußeren Kritik aufteilbar ist, so gibt der Spandauer Bericht im Verein mit anderen wenigstens Hinweise, daß Funde solcher Art als geschlossen gelten und im weitesten Sinne auch den Hortfunden zugezählt werden können. Zur Fundstelle in Spandau ist nach dem leider nicht völlig abgedruckten Bericht LTJEDECKES11) zu sagen, daß sie begangen und bebaut werden konnte. Die Pfahlreihen lassen auf größere Bauten schließen. Unbekannt bleibt, ob ein Oberbau oder nur ein primitiver Pfahlrost vorhanden war. Möglicherweise war zur Zeit, als die Funde absanken, noch offenes Wasser an der Stelle. Über einen auf dem Plan verzeichneten Baumstumpf wird leider nichts Genaueres mitgeteilt. Die Funde bestehen aus 19 bronzenen Waffen und Beilen, 5 Hirschgeweihäxten, 1 Harpunenspitze, 1 durchbohrten Knochenplatte, 1 durchbohrten Steinkugel, 2 Mahlsteinen aus Granit und 1 Reibeschale12), 5 Tonscherben, 1 Rehgehörn, 1 menschlichen Schädel und Knochen von Mensch, Hirsch, Reh, Hase, Bär, Rind, Pferd, Schwein, Hund, schließlich Einbaumresten und einigen mittelalterlichen oder rezenten Dingen (Eisentülle, Scherben, Schleuderkugel, Netzsenker). Die letzteren zeigen, daß die Gegenstände nicht alle gleichzeitig in den Sumpf gelangten, daß aber auch keine größere zeitliche Aufteilung möglieh ist. Die Pfahlreihen sind nach dem geschilderten Befund als sehr alt anzusehen. Gegen eine Siedlung spricht die fast fehlende Keramik, die geringe Anzahl der (später nicht ersetzten) Pfähle, von denen einige angeblich Brandspuren zeigten, dann auch die Auswahl der Waffen und Geräte aus Metall und Geweih. Gegen einen alten Wasserübergang spricht gleichfalls die kurze Zeit der Benutzung auf Grund der Pfahlreihen und der Funde. Kennzeichnend f-ür den Fund ist also die nicht ganz gesicherte Vergesellschaftung einer Anzahl bestimmter Waffen und Geräte, die nicht zusammenlagen, mit Holzbauten, Tier- und Menschenknochen sowie wenig Keramik und Geräten, die vielleicht auf Siedlungsnähe schließen lassen. Ganz ähnliche Fundumstände wurden in gewisser Anzahl, wenn auch nicht genau beobachtet, nur aus Mecklenburg bekannt 13 ), wo sie auf das Neolithikum beschränkt blieben, und R. BELTZ in seiner Zusammenstellung nur eine unsichere Fundstelle erwähnt, die außer neolithischen auch Bronzefunde ergeben haben soll (Pfahlbau von Wismar an der Wolfsburg). Die ausführliche Vorlage des dänischen Materials14) hat gezeigt, daß Moorfunde solcher Art im ganzen auf die Trichterbecherkultur beschränkt sind und daß ähnliche Erscheinungen erst wieder in der jüngeren Bronzezeit auftauchen 15 ). Daß dieser Zeitabstand zu überbrücken ist, kann sich erst herausstellen, wenn mehrere solcher Funde wie in Spandau vorliegen. Immerhin lassen sich auch unter den jungbronzezeitlichen Moorfunden Norddeutschlands nicht allzu schwer manche Momente herausstellen, die an den Befund in Spandau erinnern. Hat doch das Moor eben nicht nur Gegenstände bewahrt, sondern mehr als anderswo blieben hier in gewissem Umfang auch Spuren des Vorgangs erhalten, der sie unter die Erde brachte. Man muß dabei berücksichtigen, daß die Funde zumeist zur Zeit der großen Torfabbauten im vorigen Jahrhundert durch Zufall zum Vorschein kamen, und systematische Beobachtungen nicht gemacht wurden. Immerhin wurden doch in manchen Mooren zu wiederholten Malen I0 ) Zum Beispiel Ruthen bei Lübz und Holzendorf bei Sternberg (R. BELTZ, Die vorgesch. Altert, d. Großherzogtums Meckl.-Schwerin, Schwerin 1910, S. 267). ») ZfE. 14, 1882, S. 121 f. 12 ) Aich. f. Anthr. 14, 1882, a. a. 0., seheinen Mahlsteine und Reibeschalen verwechselt zu sein. < 3 )R. BELTZ, a . a . O . , S. 119ff. ») C. J. BECKEB, Aarbeger 1947, S. 270ff. 15 ) Ebenda S. 277.
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — II. Bemerkungen zum Waffenfund von Spandau
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Bronzen geborgen16), was also auf einen größeren räumlichen Abstand zwischen den Funden deutet. Kleinere Abstände bei Depotfunden im Moor wurden gleichfalls gemeldet, teilweise in dem Sinne, daß der Zusammenhang nicht restlos geklärt blieb17), teilweise wurden die Bronzen zu mehreren in Zwischenräumen niedergelegt18) oder sorgfältig nebeneinander gepackt19). Wo die Funde auf kleinerer Fläche verstreut waren, hat man gelegentlich auch Holzreste und Tierknochen gefunden20), wogegen Holz sonst mehr zur besseren Sicherung der Metallgegenstände diente. Außer dem bekannten „Musterkoffer" von Kopaniewo Leborski (Koppenow, Kr. Lauenburg)21) kennen wir noch ein zweifelhaftes Beispiel aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Spandauer Fundes, wo Bronzen in einem Einbaum gefunden sein sollen22), während Holz in Bohlen oder Stämmen öfter über den Funden aufgehäuft war23). Einmal wird auch eine Steinkiste24), ein anderes Mal eine gut ausgestochene Grube25) erwähnt. Zeugen diese Beobachtungen mehr von der sorgfältigen Verbergung der Funde im Moor, so läßt das Auftreten von Tier-26) und Menschenknochen27), verstreuten Scherben28) und mehreren ganzen Gefäßen29) auf Vorgänge schließen, die mit der Sicherung eines Bronze" ) Zum Beispiel Alt-Kenzlin, Kreis Demmin (0. KUNKEL, Urgeschichtliches aus dem Kreise Demmin, 1927, S. 22, neben zahlreichen anderen Beispielen); Murchim, Kreis Anklam (ZfE.20, 1888, S. 591);Dargun (R. BELTZ, a. a. O., S. 232f.); Bredow, Kreis Osthavelland (A. BASTIAN U. A. VOSS, Die Bronzeschwerter d. Königl. Mus. zu Berlin, S. 47f.). An dänischen Beispielen wären etwa hinzuzufügen: Lommelev, Ksp. Nörre Kirkeby (H. C. BROHOLM, Danmarks Bronzealder III, Kopenhagen 1946, S. 170f.); Ksp. Seden (ebenda S. 185); Magtenbölle Ksp. Vissenbjerg (ebenda S. 245). ") Zum Beispiel Piasczyna Miastecki (Reinwasser, Kr. Rummelsburg) (Mannus 24, 1932, S. 276f.). 18 ) Roggow bei Neubukow (Meckl. Jahrb. 8B, 1843, S. 55). Hier wurden die Ringe auf dem Grunde des 7 bis 8 Fuß tiefen ehemaligen Sees gefunden, einzeln einige Fuß auseinander und 25 Ruthen vom Ufer entfernt. Dubrauke, Kreis Bautzen (Bautzener Geschichtshefte 6,1928, S. 165f.). — Lausitz, Kreis Liebenwerda (Mus. Halle; auf einem immerhin kleinen Flächenraum von 40 cm Durchmesser). - Plaggenburg, Kreis Aurich (E. SPROCKHOFF, Niedersächs. Depotfunde der jüngeren Bronzezeit, Hildesheim u. Leipzig 1932, S. 27; der Bericht deutet nicht auf nächsten Zusammenhang). - Mennewitz, Kreis Calbe (ZfE. 18, 1886, S. 717ff.). - Krampnitz, Kreis Osthavelland (Mus. Potsdam, nach freundlicher Mitteilung von R. HOFFMANN). - Aus Dänemark käme hinzu der Fund von Hammersievgaard, Ksp. Tostrup (H. C. BROHOLM, a. a. 0., S. 210). 19 ) Holtum Geest, Kreis Verden (E. SPROCKHOFF, Niedersächs. Depotfunde, 21), vielleicht auch Mielecin Mysliborski (Mellentin, Kreis Soldin) (ZfE. 20, 1888 S. 199f.; die Perlen sollen „in unmittelbarer Nähe" gelegen haben). - Siem (H. C. BROHOLM, a. a. 0., S. 200). 20 ) Tierknochen und Holzreste: Mennewitz (s. o.), Hinzenhagen, Kreis Güstrow (Meckl. Jahrb. 40,1875, S. 150). 21 ) R. v. USLAR, Präh. Ztschr. 34/35, 1949/50, S. 147ff. S2 ) Arch. f. Anthr. 14, 1882, S. 385. - Auch in Mennewitz wird eine „Brunnenröhre" erwähnt. Leider ist der Bericht zu unklar. 2S ) Lübberstorf, Kreis Friedland (Meckl. Jahrb. 14,1849, S. 324). - Herzfelde,Kreis Templin (W. BÖHM, a. a. O., S. 135). - Herzsprung, Kreis Ostprignitz (Jahresschrift Halle 7, 1908, S. 12). - Sophienhof, Kreis Demmin (O. KUNKEL, a. a. O., S. 24f.). - Vgl. die Funde von Mennewitz und Hinzenhagen, denen sich auch ein Fund aus dem Weichselgebiet anschließt (20. amtl. Ber. d. westpr. Mus., 1899, S. 29f.). Teilweise werden auch Laub (Sophienhof), Holzkohle (Mennewitz) und Haselnüsse (Chwarznau) gemeldet. 24 ) Lübberstorf (s. o.). 2i ) Pluckow (s. o.). 2 °) Alt-Kenzlin, Bredow, Hinzenhagen, Krampnitz, Mennewitz (s.o.). - Aus Dänemark käme hinzu der bekannte „Opferbrunnen" von Budsene auf Möen (Aarbpger 1920, S. 63ff.), die drei Funde von Nordenbro auf Langeland, Aasö (Ksp. Glumsö) und Godsted Mose auf Laaland (Fra Nationalmuseets Arbejdsmark 1934, S. 23ff.), schließlich Radbjerg Mose, Ksp. Veggerlöse auf Falster (H. C. BROHOLM, a. a. O., S. 171ff.). 2 ') Bredow, Mennewitz und die vier zuletzt genannten dänischen Funde, ferner Kjettinge (H. C. BROHOLM, a. a. 0., S. 220). 28 ) Krampnitz, Mennewitz. 25 ) Krampnitz, Sophienhof. Ganz sonderbar lautet der Bericht zu diesem letztgenannten Funde: „Ein 1822 ausgemoderter Wasserpfuhl zeigte in Dreilußtiefe unter dem Moder blaufarbige harte Erde. Darunter war wieder 5 Fuß tiefer schwarzer Moder mit verwestem Laub, verdorrtem Birken-, Hasel- und wenig Eichenholz. Hiervon bedeckt lag etwa 4 Fuß tief im Moder ein großes bronzenes Hängegefäß vom jüngsten Typus, mit grauer, erdiger Masse gefüllt. Ringsum standen an 20 leider verschollene Tongefäße. Etwa 6 Fuß vom Hängegefäß entfernt fand sich ein goldener Halsschmuck . . . Außerdem ergaben sich noch einige Golddrähte, Spinnwirtel usw. . . ." (0. KUNKEL, a. a. 0.). 8 Frühe Burgen
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schatzes weniger zu erklären, von seiner Niederlegung aber wohl auch nicht einfach zu trennen sind. Schatzfunde aus Pfahlbauten wurden in Norddeutschland nicht bekannt. In einer Hinsicht stimmen alle angeführten Funde überein: Die an derselben Stelle geborgenen Bronzen gehören ausnahmslos auch der gleichen Zeit an. Es kann sich also jeweils nur um Funde handeln, die gleichzeitig oder in kürzestem Abstand unter dieErde kamen. Möglicherweise geschah dies im Gefolge kultischer Handlungen. Jedenfalls scheinen die neolithischen wie die bronzezeitlichen Funde die einmalige kurz andauernde Benutzung einer Stelle nahezulegen30). Hierin unterscheidet sich die ganze Erscheinung klar von Zeugen antiker Kulthandlungen, deren Vorkommen immer auf oft wiederholte Zeremonien an bestimmten Heiligtümern oder Stätten in der Natur schließen läßt. Im Norden dagegen ermöglichen die Quellen nicht einmal, nach der geographischen Lage, den Fundumständen und dem Inhalt „Opferfunde" von Schatzverstecken zu unterscheiden. Obgleich eine solche Scheidung für die Klärung der Phänomene versucht werden muß, wird man damit rechnen müssen, daß die Trennung magischer und ganz materieller Vorstellungen den Menschen jener Zeit nicht geläufig war und darum auch an den Quellen nicht durchgeführt werden kann. Für die bisherige Betrachtung stellten sich aus Norddeutschland nur Funde zur Verfügung, deren Inhalt in zeitlicher Beziehung als einheitlich gelten darf. Die Beispiele in Maßstab: i 200Km 50 100 150 ihrer Gesamtheit gehören zwar verschiedenen Zeitstufen an, sie zeigen Abb. 1. Altbronzezeitliche Fundgruppen zwischen Oder (Neiße) und Elbe (Saale). Vgl. Anm. 32 aber, daß der Spandauer Bericht + H o r t f u n d e des Odermündungsgebietes nicht alleinsteht, und daß durch 0 G r a b f u n d e des Nordischen Kreises © G r a b f u n d e der Ltineburger K u l t u r p r o v i n z seine Einzelheiten wenigstens die GeO G r a b f u n d e des Saalegebietes schlossenheit des Fundes in hohem • G r a b f u n d e des Vorlausitzer Kreises Grade wahrscheinlich wird. Aller$ Spandau dings stammten die norddeutschen und dänischen Beispiele aus der jüngeren Bronzezeit. In der älteren Bronzezeit steht das Beispiel von Spandau als großer Moorfund mit Knochen, Scherben usw. allein. Nach dem Inhalt reiht sich der Spandauer Fund dänischen Beispielen einer Zeitstufe an, aus der im nordischen Kreis bereits eine erhebliche Anzahl von Sammeldepots vorliegt. ») Vgl. auch C. J. BECKER, Aarboger 1947, S. 272f.
3
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — II. Bemerkungen zum Waffenfund von Spandau
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Kennzeichnend für diese „Funde aus Feld und Moor" ist eine auffallende Trennung in Funde aus männlichem und solche aus weiblichem Wirkungsbereich31). Die ersten enthalten Waffen, die letzteren in der Hauptsache Schmuck (und Dolche). Bei näherem Zusehen lassen sich die Funde noch weiter aufteilen, denn von den „männlichen" Attributen sind es nur Schwerter und nordische Absatzbeile, die sich mit „weiblichen" Attributen (auch Dolchen) ganz ausschließen, wogegen Lanzenspitzen und noch öfter norddeutsche Absatzbeile mit ihnen zusammenliegen. Innerhalb der „männlichen" Hortfunde kommen Schwerter in einem Funde zu mehreren stets ohne Beifunde, einzeln dagegen oft mit anderen kleineren Gegenständen vereint vor. Lanzenspitzen und norddeutsche Absatzbeile schließen einander in der Regel aus bzw. einer von beiden Typen ist nur in der Einzahl vorhanden. Man sieht, wie der Inhalt dieser Schätze nicht aus dem Vollen geschöpft, sondern wohl unter bestimmten Gesichtspunkten allmählich gesammelt wurde. Der Spandauer Fund würde zu den „männlichen" Horten gehören, nur daß er Schwerter und Dolche in der Mehrzahl enthält. Darin schließt er sich wohl mitteleuropäischer Bewaffnung an. Sein Inhalt steht aber, wie der Vergleich zu den dänischen Funden andeutet, im Gebiet zwischen Elbe und Oder sonst wiederum singulär dar, zumal da er am Südufer der Havel gehoben wurde. In dem Gebietsstreifen zwischen Elbe-(Saale) und Oder-(Neiße), der gleichsam im Winkel zwischen nordwestdeutscher und donauländischer Hügelgräberkultur liegt, lassen sich für die Zeit der Spandauer Bronzen hauptsächlich vier Fundgruppen erkennen (Abb. l) 3a ): 1. Die Landschaft südlich Berlins zwischen Elbe und Neiße, später ein Gebiet reichster Entfaltung des Lausitzer Kreises, fällt fast vollkommen aus, da die früheste Periode der Lausitzer Kultur, deren Inhalt durch die Fundzusammenstellung B. v. RICHTHOFENS 3 3 ) bekannt wurde, oderabwärts eine Verbreitung im wesentlichen östlich des Stromes gefunden zu haben scheint. Diese Kulturgruppe zeichnet sich durch den Besitz von Keramik aus. Durch Bronzen datierte Funde westlich der Neiße gibt es nur vereinzelt. Anhand der Keramik läßt der derzeitige Materialbestand eine Erweiterung über die von W. B Ö H M vorgelegten teilweise auch nicht gesicherten Funde nur in geringem Umfange für Sachsen erwarten34). Etwas reicher fließen drei andere Quellen: 2. Die Depotfundgruppe an der unteren Oder, 3. die Gruppe reicher ausgestatteter Gräber in Mecklenburg, im Havelviereck und auf Rügen, 4. eine Gruppe ärmlicher ausgestatteter Gräber im Saalegebiet, die bereits zum Hügelgräberkreis gehört und, wie das Material der Lausitz, gleichfalls im Mißverhältnis zur Folgezeit steht. Aus allen drei letztgenannten Gruppen liegt fast überhaupt keine datierte Keramik vor. Die genannten Denkmäler der drei Landschaften stellen unter anderen mehr sporadischen 31
) Vgl. die Aufzählung bei H. 0. BROHOLM, Danmarks Bronzealder II (1943), S. 213ff. ) Die Karte soll einen Eindruck der Fundgruppen zwischen Oder-(Neiße) und Elbe-(Saale) vermitteln und enthält darum nur eine Auswahl der Funde: Grabfunde mit mindestens zwei Bronzen und die reicheren Depotfunde des unteren Odergebietes. Odermündungsgruppe: Angermünde; Arnimshain, Kreis Templin; Blankenburg, Kreis Angermünde; Klempenow, Kreis Deinmin; Lemmersdorf, Kreis Prenzlau; Rülow, Kreis Stargard i. M.; Vorland, Kreis Grimmen. Nordischer Kreis: Alt-Sammit, Kreis Güstrow; Bobzin, Kreis Hagenow; Ferchesar, Kreis Westhavelland; Genzkow, Kreis Stargard; Klein-Berge, Kreis Westprignitz; Klein-Wolde, Kreis Hagenow; Kremmen, Kreis Osthavelland; Maulbeerwalde, Kreis Ostprignitz; Mölln, Kreis Malehin; Mönchgut, Rügen; Neuensien, Rügen; Retzow, Kreis Parchim; Schulenberg, Kreis Rostock; Schwosdorf, Kreis Malchin; Vorder-Bollhagen, Kreis Rostock; Wolfsdorf, Rügen (Nbl. 9, 1933, S. 120). Kulturprovinz Lüneburg: Havemark, Kreis Genthin; Leitzkau, Kreis Burg. Saalegebiet: Beesen, Saalkreis; Naumburg; Osmünde, Saalkreis; Peißen, Saalkreis; Thierschneck, Kreis Stadtroda; Zöllschen, Kreis Merseburg. Vorlausitzer Kreis: Bautzen-Strehlen; Biegen, Kreis Lebus; Dresden-Fiedlerplatz; Forst, Kreis Kottbus (2 Fundstellen); Medingen, Kreis Großenhain; Zehren, Kreis Meißen. 32
Z u r L i t . v g l . R . BELTZ, a. a . 0 . , W . BÖHM, a . a . 0 . , E . SPROCKHOFF, a . a . 0 . ( G r i f f z u n g e n s c h w e r t e r u . B e r .
d. RKG. 31, 1941) und die unten angeführten Einzelnachweise. 33 ) B. v. RICHTHOFEN, Die ältere Bronzezeit in Schlesien, Berlin 1926. 34 ) W. BÖHM, Die ältere Bronzezeit in der Mark Brandenburg, Berlin u. Leipzig 1935, S. 35ff. u. 112ff.
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Zeugnissen die bemerkenswertesten Quellengruppen dar. Um in diesen Zeugen bestimmter Kulturgebiete zu sehen, dazu fließen die Quellen zu gering. Als Maßstab einer Besiedlung reichen sie nicht aus, denn vereinzelte reicher ausgestattete Grabfunde und zahlreiche Einzelfunde lassen wohl ahnen, daß Brandenburg damals nicht menschenleer gewesen ist35). Nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich geben die Fundgruppen bisher kein ausreichendes Zeugnis. In dem großen zur Verfügung stehenden Zeitraum zwischen der Frühbronzezeit und Zeugen älterer Urnenfeldereinflüsse in Norddeutschland brauchen die vier Fundgruppen einander zeitlich nicht genau zu entsprechen. Wenigstens ist ihr Inhalt so verschieden, daß man ihn nur oberflächlich miteinander vergleichen kann. Am wahrscheinlichsten dürfte die Vorlausitzer Gruppe östlich der Oder den Zeitraum zwischen der Aunjetitzer Kultur und den Urnenfeldern des Lausitzer Kreises ausfüllen. Man hat ihre Funde der „Periode I I " im Sinne von Montelius' Zeiteinteilung zugewiesen. Diese nordische Periode folgt aber nicht der Frühbronzezeit, sondern entspricht erst dem jüngeren Teil der süddeutschen Hügelgräberkultur36), und die Vorlage der dänischen Funde37) hat gezeigt, daß dort den Importstücken des Aunjetitzer Kreises noch kein eigener Metallstil entsprach, vielmehr im Sinne von S. M Ü L L E R eine neu zu fassende „Periode I " jünger anzusetzen ist, als etwa die frühbronzezeitlichen Hortfunde Mitteleuropas. Die Vorlausitzer Gruppe wird daher einen längeren Zeitraum umfassen als die Periode II. In einen altertümlichen Zusammenhang der Vorlausitzer Gruppe gehört das Grab vom Nauendorfer Weg in Forst, Kreis Kottbus 38 ), dessen frühes böhmisches Absatzbeil durch die Hortfunde von Regensburg und Kyäice39) in einen nachfrühbronzezeitlichen Horizont datiert wird, der wohl J . B Ö H M S Stufe Krtenov-Smedrova entspricht 40 ). Der Dolch und die Tasse aus dem Forster Grabe weisen gleichfalls in Aunjetitzer Zusammenhang. Der Periode II des nordischen Kreises geht der Fund zeitlich voraus41). Andere Gräber42) dürften jünger sein. Ihre Keramik weist Buckel auf oder kommt noch mit Buckelkeramik zusammen vor. Beziehungen zu nordischen Zeitstufen lassen sich nicht herstellen. Auch östlich der Oder, im Bereiche der älteren östlichen Fußbergen, reichverzierten rundstabigen Armringe, Dolche, ostdeutschen Ösennadeln und Spindelnadeln kann man keine durchgehenden zeitlichen Unterteilungen der Typen vornehmen, da diese sich nordwärts einer Einteilung zunehmend widersetzen43). Aus dem Spandauer Fund würden dort nur das Randbeil vom norddeutschen Typus mit an der Schneide verhämmerten Randleisten und die beiden Dolchklingen mit etwas verbreiterter halbrunder Heftplatte Entsprechungen finden. In den reichen Gräbern von Klepicz Chojenski (Klemzow) und Lubiatowo Pyrzycki (Lübtow)44) begegnen die beiden Typen in der gleichen Anzahl 3i
) W. BÖHM, passim. - E. STEPHAN, Die ältere Bronzezeit in der Altmark, masch.-schriftl. Diss. Halle 1941.
3I
) P . BEINECKE, Z. B . S t u d i e n zur v o r g e s c h i c h t l i c h e n A r c h ä o l o g i e , ALFRED GÖTZE d a r g e b r a c h t (Leipzig 1925),
S. 135; Germania 20, 1936, S. 284 usw. •") H. C. BROHOLM, a. a. 0 . , Bd. II (1944), passim, vgl. J. E. FORSSANDER, Der ostskandinavische Norden während der ältesten Metallzeit Europas, Lund 1936, S. 188ff. 38
) W . BÖHM, a. a. 0 . , S. 7 4 u . T a i . 22, 5, 8, 14, 15.
3
») Germania 22, 1938, Taf. 3, 2, 9 u. 11. - H. RICHLY, Die Bronzezeit in Böhmen (Wien 1884), Taf. 15, 2. ä0 ) J. BÖHM, Zaklädy Hallstattske periody v Cechäch (Prag 1937) 11. - Vgl. A. STOCKY, La Boheme ä L'age du bronce (Prag 1928), Taf. X X X , XXXII. 41 ) In den gleichen Zusammenhang gehören wohl die Hortfunde von Nadelwitz, Kreis Bautzen (Bautzener Geschichtshefte 5, 1927, S. 58ff.; Mannus 19, 1927, S. 26, Abb. 14); Kriele, Kreis Westhavelland (W. BÖHM, a. a. 0 . , S. 102 u. Taf. 7, 3, 10, 11, 14); Lindenberg, Kreis Ostprignitz (ebenda S. 134; Originale Märk. Mus. Berlin); die beiden letzteren irrig in die erste und dritte Periode gesetzt. 42 ) Zwei Gräber von Forst (W. BÖHM, a. a. 0., S. 112f.). - Biegen, Kreis Lebus (ebenda S. 114). - BautzenStrehlen (Bautzener Geschichtshefte 4,1926, S. 96). - Dresden-Fiedlerplatz (B. v. RICHTHOFEN, a. a. 0., Taf. 6a). - Medingen, Kreis Großenhain (Isis-Festschrift, Dresden 1934, S. 183ff.). 43
44
) W . LA BAUME U. K . KERSTEN, N a c h r i c h t e n b l a t t 12, 1936, S. 6 0 f f .
) Klepicz Chojenski (Klemzow, Kreis Königsberg): K. H. MARSCHALLECK, Königsberger Kreiskalender 1938, S. 3ff. mit Abb. - Lubiatowo Pyrzycki (Lübtow, Kreis Pyritz): G. DORKA, Urgeschichte des Weizackerkreises Pyritz (Stettin 1939), Taf. 39.
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — II. Bemerkungen zum Waflenfund von Spandau
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wie in Spandau. Es handelt sich dort um reich ausgestattete Gräber, wie man sie später nicht mehr kennt, so daß man über die Lebensdauer der in ihnen auftretenden Formen im Lausitzer Kreis nicht unterrichtet ist. Deshalb läßt sich der Spandauer Fund in keinen chronologischen Zusammenhang mit einer Stufe der Lausitzer Keramik bringen. Meist in der Einzahl vorkommende norddeutsche Randbeile der erwähnten Art sind auch für mehrere Hortfunde im Odermündungsgebiet, die zweite unserer Fundgruppen, bezeugt46), wo sie sich in Herzfelde, Kreis Templin, noch mit Urnenfelderbronzen zusammenfanden46) und somit zeitlich nicht bindend sind. Die altbtonzezeitlichen Hortfunde der Gruppe enthalten weiblichen Schmuck, seltener vereinigt mit einzelnen Sicheln, norddeutschen Absatzbeilen, Dolchklingen oder Lanzenspitzen. Typen östlicher und nordwestlicher Herkunft geben gemeinsam der Gruppe ihr Gepräge. Nach Ausweis der Funde des Odermündungsgebietes setzt E. S P R O C J K H O F F dort die ältesten nordischen Halskragen an, da die auftretenden nordwestdeutschen Absatzbeile nach seiner Annahme gestatten, einen älteren Horizont abzutrennen47). Sie bedeuten, „einen Zusatz zu dem jüngeren Teil des Sögeler Horizontes"48), wogegen in Spandau nur eigentlich norddeutsche Absatzbeile mit stark längsgeripptem Schneidenteil auftreten. Naturgemäß beschränkt sich diese chronologische Einteilung nur auf einen Teil der Funde, weil die Menge der Typen eine lange Lebensdauer besessen hat49). Da die Quellen nur aus den paar einseitig und oft recht ähnlich zusammengesetzten Hortfunden bestehen, muß man fragen, ob sie sich wirklich über einen so langen Zeitraum erstrecken oder ob die altertümlichen Typen mancher Funde nicht täuschen50). Indessen rechtfertigen die langlebigen Typen im unteren Odergebiet — im Gegensatz zu weiter östlich gelegenen Gruppen — nicht, die Grenze zwischen Funden mit ausgesprochen frühbronzezeitlicher Bindung und solchen etwa mit Halskragen der Periode III für verwischt anzusehen. Man würde den Spandauer Schatz trotz seiner geringen Beziehungen dahin auch im Rahmen dieser Funde ziemlich jung ansetzen. Er hat mit ihnen das Auftreten von Formen des nordischen Kreises gemein, die im Falle der Halskragen sich in der peripher gelegenen Oderlandschaft sogar erstmalig nachweisen lassen. Auf die jüngere Ansetzung von Spandau könnte auch der geschweifte Umriß der kleineren Lanzeuspitzen deuten. Er erinnerte an Uraenfelderprofile, wenn der scharfe Mittelgrad nicht schon in älterem Zusammenhang begegnete51). Aber Lanzenspitzen der Form sind dem nordischen Kreis in Holstein durchaus geläufig82), womit wir zur dritten Fundgruppe kommen. In Mecklenburg läßt sich die zeitliche Gruppierung der Hortfunde des Odermündungsgebietes weiterhin z. B. an den beiden Depots von Rülow und Wieck verfolgen53). Die kleineren Funde dieser Art lassen sich mit den kleinen nordwestbrandenburgischen Horten 45 ) Hortfunde von Angermünde, Lemmersdorf, Arnimshain (W. BÖHM, a. a. 0 . , S. 114ff.), um nur einige zu nennen.
« ) W . BÖHM, a . a . 0 . , T a f . 2 3 , 2 , 4 ,
5-7.
") E. SPROCKHOFF, Studien zur Vor- und Frühgeschichte, CARL SCHUCHIIABDT dargebracht (Berlin 1940), S. 25ff. - Ber. d. RGK. 31, II, 1941, S. 76. «) Ebenda S. 72. Da die bandförmigen Beinspiralen und die reichverzierten Hals- und Armringe als zeitlich indifferent gelten dürfen, müssen bei E. SPKOCKHOFF ebenda S. 76 aus der Liste der nachweisbar älteren Funde meines Erachtens Klempenow, aus der Liste der jüngeren RoSciecino (Rossentin) gestrichen werden. Zu den älteren gehört dagegen Lemmersdorf (Lanzenspitze!) und Rossentin. Hierbei lagen (nach mir vorhegendem Lichtbild) auch ganz frühbronzezeitlich anmutende schwere ostdeutsche Fußringe. 50 ) Außer den Typen des unteren Odergebietes sei auch auf die niedersächsischen Zierscheiben hingewiesen (E. SPKOCKHOFF, ScHtrcHHARDT-Festschrift, a. a. 0., S. 29ff.), von denen zwei typologisch „alte" in ausgesprochen junger Umgebung begegnen: Heegermühle (C. SCHUCHHARDT, Der Goldfund vom Messingwerk bei Eberswalde, Berlin 1914, S. 11, Abb. 2) und Lubsko Krosnienski (Sommerfeld Kreis Krossen), (GöTZE-Festschrift, a. a. 0 . , Taf. IX). 61
) E. SPKOCKHOFF, Ber. R G K . , a. a. 0 . , S. 79ff.
52 M
) K. KERSTEN, Zur älteren nordischen Bronzezeit (Neumünster o. J.), Taf. 14, 4; 17, 4. ) Rülow (älter): E. SPROCKHOFF, a. a. O., Taf. 27; Wiek (jünger): PZ. 24, 1933, S. 11, Abb. 7.
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leicht in Waffen- und Schmuckdepots aufteilen64), was außer den Typen schon zu einer Zusammenfassung des Gebietes berechtigt. Aber das Schwergewicht liegt in Mecklenburg und auf Rügen trotz der allgemeinen Fundarmut bereits auf den Gräbern, die dem nordischen Kreis angehören. Schwerter und Absatzbeile lassen in der Mehrzahl Männergräber erkennen55). Die Beziehungen des Spandauer Fundes verlaufen vorwiegend in nordwestlicher Richtung über diese Gruppe zum nordischen Kreis, denn außer dem Schwert mit gebauchter Griffzunge, dem Schwert mit genieteter Heftplatte und Knauf sowie den Absatzbeilen binden auch der Vollgriffdolch, die größere Lanzenspitse und das Tüllenbeil unseren Fund dorthin56). Eine genauere zeitliche Einstufung wird bei einigen Hortfunden künftig vielleicht noch mit Hilfe von Import aus dem Hügelgräberkreis und dem Donaugebiet im weiteren Sinne möglich werden. Die nordische Formenfolge versagt, da wir uns schon in der Außenzone des Nordkreises befinden. Seine Peripherie von der Gruppe an der Odermündung über Spandau weiter zu verfolgen, fällt heute nicht leicht. Denn seit E. SPROCKHOF!" zeigte, daß die Lüneburger Gruppe mindestens in ihren Anfängen als selbständiges Gebiet aufgefaßt werden muß57), schwebten eine Anzahl Funde an der Mittelelbe scheinbar in der Luft. Indessen hat die Vorlage des altmärkischen Fundstoffes durch E. STEPHAN 58 ) E. S P R O C K HOF!«58) Vermutung einer westlichen Zugehörigkeit bestätigt. Fügt man eine Anzahl Funde aus der Gegend von Magdeburg hinzu, dann zeigt sich: Vor dem Aufblühen der Kulturprovinz Mecklenburg wird der Einflußbereich der Lüneburger Gruppe bis in die Gegend von Magdeburg durch das Vorkommen von Halskragen, Lüneburger Armringen mit Ovalbogenmuster, Lüneburger Radnadeln und wahrscheinlich Lüneburger Urfibeln deutlich bezeugt60). Seltene Schwerter und Dolche mit Vollgriff, teilweise von etwas verwildertem Geschmack61), weisen auf selbständige Werkstätten. Das Hügelgräberfeld Havemark, Kreis Genthin (östlich der Elbe)62), enthält keine Radnadeln vom Lüneburger Typus mehr, wohl aber Fibeln. Diese bisher größte Nekropole jener Zeit in der Altmark und der Mittelmark zwischen Elbe und Oder verrät zum Spandauer Fund keine Beziehungen, da sich dessen Inhalt mit ihren spärlichen (meist weiblichen) Beigaben ziemlich ausschließt. Somit bedingt der Quellenmangel eine Isolierung des Spandauer Fundes auch im Rahmen des gleichen Kulturkreises, und die Betrachtung seiner Beziehungen zur Grabgruppe an der Saale wird nicht mehr enttäuschen. Trotzdem muß man auf sie genauer eingehen, weil sie nach ihrer Lage als ein nordöstlicher Außenposten süddeutsch-böhmischer Hügelgräberkultur dem Spandauer Fund am weitesten entgegenkommen müßte. Sie betont zwischen dem Norden und der Donau scheinbar einen mittleren Verbindungsweg, wie ihn weiter östlich nur Einzelfunde belegen. Ein Grab von Leitzkau bei Magdeburg, zur nördlichen Gruppe **) Waffenfunde aus Brandenburg (vgl. W. BÖHM, a. a. O., S. 114ff.): Stüdenitz, Groß-Kienitz, Mittenwalde, Lünow; aus Mecklenburg (vgl. R. BELTZ, a. a. 0., S. 159f. mit irrtümlicher Datierung): Wiek, Woosten, Glasin, Langsdorf. - Schmuckfunde aus Brandenburg: Lichterfelde II, Neuruppin, Gollwitz; aus Mecklenburg (R. BELTZ, a. a. 0. u. S. 232f.): Rülow, Greven, Klink, Mölln, Retzow, Ventschow, Sophienhof, Mistorf (E. SJPROCKHOFF, ScHtrcHHARDT-Festschrift, S. 25 u. Anm. 4). «•) R. BELTZ, a. a. 0., S. 218f. - Für Rügen vgl. E. SPROCKHOF*, Acta Archaeologica 4, 1933, S. 36ff. (Grab von Mönchgut). *•) E. SPROOKHOFF bei EBERT, Reallex. a. a. 0. u. Griffzungenschwerter, a. a. O. - Zum Tüllenbeil vgl. H. C. BROHOLM, Danmarks Bronzealter I, 52, Abb.Gr. 312; 214, Abb.M. 11; II, PI. 16, 7-9. •«) PZ. 21, 1930, S. 219ff. 5S
) E . STEPHAN, a. a. 0 . , passim.
5
») Ber. RGK. 31, II, 1941, S. 7 (Zum Gräberfeld Havemark). $0 ) E. STEPHAN, a. a. 0., passim. Für das Gräberfeld von Havemark, Kreis Genthin, vgl. G. KOSSINNA, Festschrift Magdeburg, 1928, S. 265ff. Vgl. Anm. 64. el ) Außer dem Schwert von Havemark vgl. die Dolche von Fienerode (BASTIAN-Voss, Bronzeschwerter, Taf. II, 11), Quedlinburg (Album 1880, Sektion VI, Taf. I; Jahresschrift Halle 35, 1951, Taf. 13, 2). Zu älteren altmärkischen Vollgriffdolchen E. STEPHAN, a. a. 0., S. 38f. •2) G. KOSSINNA, a. a. 0 .
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — II. Bemerkungen zum Waffenfund von Spandau
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gehörig, e n t h i e l t zwei d o n a u l ä n d i s c h e d r e i k a n t i g e reichverzierte A r m r i n g e m i t O v a l b o g e n m u s t e r , ein Grab v o n P e i ß e n bei H a l l e zwei L ü n e b u r g e r R a d n a d e l n . D e r Ü b e r g a n g ist also fließend. — N a c h der K a t a s t r o p h e d e s A u n j e t i t z e r K r e i s e s ging d a s S a a l e g e b i e t z u n ä c h s t e i n e n e i g e n e n W e g . Gräber m i t Sögeler S c h w e r t e r n u n d g e k n i c k t e n Randbeilen 6 3 ) b e t o n e n bis n a c h T h ü r i n g e n hinein d i e V e r b u n d e n h e i t m i t Niedersachsen, die weiter auch in zahlreichen n o r d d e u t s c h e n R a n d - u n d A b s a t z b e i l e n z u m A u s d r u c k k o m m t . D a n n aber zeigt sich der speziell L ü n e b u r g e r Charakter in d e n a u f t r e t e n d e n H a l s k r a g e n , R a d n a d e l n , S c h e i b e n nadeln, A r m r i n g e n m i t O v a l b o g e n m u s t e r u n d — v i e l l e i c h t — l ä n g s g e r i p p t e n Armringen 6 4 ). E i n U n t e r s c h i e d zu d e n Gräbern der Magdeburger G e g e n d b e s t e h t i m h ä u f i g e r e n A u f t r e t e n v o n F o r m e n der h e s s i s c h e n O s t g r u p p e : H a l s k r a g e n , D o p p e l r a d n a d e l n (z. T . Netraer V a riante), p a a r w e i s e a u f t r e t e n d e n e i n f a c h e n ( S p e i c h e n s c h e m a A u n d E n a c h H o l s t e ) u n d osth e s s i s c h e n R a d n a d e l n sowie „ h e s s i s c h e n " N a d e l n m i t g e s c h w o l l e n e m , u n d u r c h l o c h t e m H a l s v o n zylindrischer F o r m , schließlich — v i e l l e i c h t — v i e r k a n t i g e n Armringen 6 5 ). L ü n e b u r g e r u n d hessische, jedenfalls w e s t e l b i s c h e T y p e n , t r e f f e n sich also in d e n F r a u e n g r ä b e r n d e s Saalegebietes. D i e Männergräber w a r e n ärmlicher a u s g e s t a t t e t , s o w e i t sie ü b e r h a u p t n a c h g e w i e s e n w u r d e n . D o l c h e m i t trapezförmiger H e f t p l a t t e scheinen b e z e i c h n e n d zu sein. E i n e genauere zeitliche U n t e r t e i l u n g aller dieser F u n d e ist natürlich n i c h t möglich. D e r M a n g e l an E i g e n s c h ö p f u n g e n t r i t t in der E i n f l u ß n a h m e der N a c h b a r g e b i e t o z u t a g e . I h m e n t s p r e c h e n aber w e n i g N a c h w e i s e für weiterreichende N o r d - S ü d - B e z i e h u n g e n . A l s „ d o n a u l ä n d i s c h " lassen sich d u r c h b o h r t e u n d u n d u r c h b o h r t e N a d e l n m i t k a n t i g e n S c h a f t u n d verzierter K o p f scheibe, S t a c h e l s c h e i b e n u n d w e n i g e H e r z a n h ä n g e r einer Sonderform 6 6 ) n a c h w e i s e n , sofern m a n i m S a a l e g e b i e t d i e d o n a u l ä n d i s c h e H e r k u n f t nur für d e n b e s c h r ä n k t e n T y p e n k r e i s an•3) Sögelklingen: Mahndorf, Kreis Wernigerode (BASTIAN-Voss, a . a . O . , Taf. XVI, 7); Sachsenburg, Kreis Kölleda (PZ. 18, 1927, S. 131, Abb. 5b; zweite Klinge Mus. Halle); Thierschneck, Kreis Stadtroda (Ztschr. f. Thür. Gesch. 25, NF. 17, 120 Abb.); Hainichen, Kreis Stadtroda (zwei Klingen, Mus. Jena); Halberstadt (Nachrichtenblatt 14, 1938, Taf. 21, 3); Neuenhofe, Kreis Haldensleben (Stendaler Beiträge III, 74 Abb.); Eßleben, Kreis Weimar (H. PETSCH, Die ältere Bronzezeit in Mitteldeutschland, Diss. Leipzig 1940, Taf. 5, 4). - Geknicktes Randbeil aus Grab: Thierschneck, a. a. 0 . "*) 9- und 10-rippige Halskragen: Eichholz, Kreis Zerbst (Anhalt. Gesch.-Bl. 2, 1926, S. 96); Gegend von Dönstedt, Kreis Haldensleben (Mus. Haldensleben); Flechtingen, Kreis Haldensleben (Mus. Haldensleben); Haldensleben (Mus. Haldensleben); Hillersleben, Kreis Haldensleben (Mus. Haldensleben); Hillersleben (Sonderform nach hess. Vorbild; 0 . KRONE, Vorgesch. d. Landes Braunschweig, 88 Abb.); Leitzkau, Kreis Burg (Nachrichten über deutsche Altertumsfunde 1895, S. 78, Abb. 9); Genthin (W. SCHULTZ, Vor- u. Frühgeschichte Mitteldeutschlands, S. 117, Abb. 137B; Original Mus. Magdeburg); Havemark, Kreis Genthin (Jahresschrift 8, 1909, S. 137, Fig. 3); Groß-Kayna, Kreis Merseburg (Mus. Halle); Graitschen, Kreis Stadtroda (GOTZE-HÖFERZSCRIESCHE, S. 333). - R a d n a d e l n : Zu K.TACKENBERG ( N a c h r i c h t e n a u s N i e d e r s a c h s e n s U r g e s c h i c h t e 1 8 , 1 9 4 9 ,
S. 5ff.) darf bei Leitzkau und Göbel, gleicher Fundort („Leitzkau-Göbel") angenommen werden (2 Stück Mus. Burg); weiter Schönebeck (einösig, Radkreuz mit Innenring, Mus. Schönebeck); Gußform von Groß-Schwabhausen als rezent erkannt von G. NEUMANN (Der Spatenforscher 2, S. 45f.). - Norddeutsche Scheibennadeln (zu K. TACKENBERG, a. a. 0., S. 34): Zörbig, Kreis Bitterfeld (Mus. Zörbig); Döllnitz, Saalkreis (nach Arch. Mus. Halle). M ) Zu den Halskragen einer Sonderform V. TOEPFER, Germania 21, 1937, S. 160. - F. HOLSTE, Bronzezeit, S. 72 und 133, Anm. 1. — Datierung nach Periode 3 scheint mir noch nicht gesichert. — Doppelradnadeln: Ziesar, Kreis Burg (ehemals Mark. Mus. Berlin); Groß-Rosenburg, Kreis Schönbeck (Mus. Haldensleben); Welbsleben, Kreis Hettstedt (C. D. F. LEHMANN, Beyträge zur Untersuchung der Alterthümer usw., Halle 1789, Taf. II, 47); Rothenschirmbach, Kreis Querfurt (Jahresschrift Halle 1, 1902, Taf. XXII); Döllnitz, Saalkreis (nach Arch. Mus. Halle); Groß-Kayna, Kreis Merseburg (Mus. Halle). — Einfache Radnadeln: Goseck, Kreis Querfurt (Jahresschrift Halle 1,1902, Taf. VII, 16); Groß-Kayna, Kreis Merseburg (Mus. Halle); Mülverstedt, Kreis Langensalza (Privatbes.). Osthessische Radnadel: Beesen, Saalkreis (F. HOLSTE, a. a. 0., S. 58). — „Hessische" Nadeln mit geschwollenem Schaft (F. HOISTE, a. a. 0., S. 48): Tüngeda, Kreis Gotha (Mus. Erfurt); Beichlingen, Kreis Kölleda (Mus. Halle); Liebstedt, Kreis Weimar (Mus. Jena); Wetzendorf, Kreis Querfurt (Mus. Freyburg). 6i ) Nadeln mit kantigem Schaft bzw. verzierter Kopfplatte: Thierschneck, Kreis Stadtroda (a.a.O.); Zöllschen, Kreis Merseburg (Mus. Halle); Eisleben (Mus. Eisleben); Eckolstädt, Kreis Stadtroda (Ztschr. f. Thür. Gesch. 22, S. 127, Fig. 52). - Herzanhänger: Schönburg, Kreis Weißenfels (Mus. Halle); Naumburg (Privatbes.). Vgl. Pamätky 20, Taf. 16, 9.
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W . A . v . BBUNN
erkennen will, der nicht in den osthessischen und Lüneburger Gruppen seinen Ausgang nahm, sondern über Böhmen und Franken vermittelt wurde67). Schon bei der weiten Verbreitung der Stachelscheiben dürfte nämlich der Wanderweg im einzelnen bereits fraglich sein. Schwerter mit achtkantigem Griff, alte Griff zungensch werter und importiertes Gut aus Ungarn fehlen jedenfalls, reichverzierte Armringe mit Ovalbogenmuster wurden außer dem Leitzkauer Fund nicht bekannt. Ob die Träger der Saalegruppe nun achtkantige Schwerter vermittelt haben oder nicht (ihr Anschluß an Hessen und das Ilmenau-Gebiet mögen dagegen sprechen): Der Quellenmangel versperrt einen Einblick in ihr Verhältnis zu Spandau, wo man Vollgriffschwerter vom Donautypus hätte erwarten können, geschweige denn, daß er weitere Perspektiven zuließe. Wie wenig der Typenbestand einer Landschaft durch die vorhandenen Quellen erfaßt wird, selbst wenn man ihn ausgiebig aus der Nachbarschaft zu ergänzen sucht, wird durch den Spandauer Fund selbst bezeugt, indem er Typen enthält, die auch in seinen Nachbargruppen nicht oder selten begegnen: Der Dolch mit Griffangel, das Griffzungenschwert mit Zungenfortsatz südlicher Herkunft, das Vollgriffschwert und der ungarische Kommandostab 68 ). Es ist hier nicht der Ort, ihrer Herkunft und Zeitstellung weiter nachzugehen, denn die in der nordostdeutsch-polnischen Tiefebene gefundenen Importstücke stellen nur einen Sektor aus jenem gewaltigen Strom dar, der vom mittleren Donaugebiet seinen Ausgang nahm. Immerhin lassen sich ältere und jüngere Importstücke unterscheiden, wodurch, wie schon mit Hilfe der Absatzbeile, für den Hort von Krüssow ein älterer69), für den von Spandau ein jüngerer70) Zeitansatz gefunden wurde. Der Mangel an Waffenhortfunden im nördlichen Hügelgräberkreis hindert den Vergleich einiger Spandauer Typen mit solchen aus ähnlichen Funden von ihrem mutmaßlichen Wanderweg. Wenn man von dem zeitlich schwankend ansetzbaren Inhalt der Brucherzdepots im mitteldonauländischen Heimatgebiet, wie Rimaszombat und Ker, auf die F. H O L S T E beim Vergleich mit Spandau hinwies, absieht, lassen sich im südöstlichen Böhmen und Mähren einige Schatzfunde namhaft machen, die vor den großen frühurnenfelderzeitlichen Funden in die Erde kamen, weniger Brucherz aufweisen und wohl der jüngeren Hügelgräberzeit angehören. Sie enthalten in der Hauptsache Schmuck und zeigen daher Beziehungen zur Odermündung. Der Fund von Hulin71) mit seiner „nordischen" *') Die „böhmischen" Scheibenkopfnadeln aus Thüringen (J. BÖHM, Germania 20, 1936, S. 10, Abb. 1) gehören meines Eraehtens in einen jüngeren Zusammenhang (Bronzezeit D, vgl. P. REINECKE, Germania 19,1935, S. 209), wie an anderer Stelle zu zeigen sein wird. •8) E. SPROCKHOFS, Griffzungenschwerter, a. a. 0 . - Zur irrigen Datierung des Vollgriffschwertes durch V . G. CHILDE v g l . A n m . 4.
"») Zur Lochaxt von Krüssow (Variante B 1) vgl. J. NESTOB, Marburger Studien, 1938, S. 189 ff. mit Literatur. Ein neueres Stück aus Norddeutschland: Sachsens Vorzeit 1937, S. 82, Abb. 1. 70 ) Zum Schwert mit Griffzungenfortsatz E. SPROCKHOFS, Griffzungenschwerter, S. 22; zum Kommandostab F . HOLSTE, Bronzezeit, S. 119, Anm. 1. n ) Casopis Vlasteneckeho spolku musejniho v Olomouci 125, 1920, Taf. nach S. 16. - Zur Datierung J. BÖHM, Zaklädy, a . a . O . , S. 39. - Zum frühen Auftreten der Zungensichel vgl. auch den frühen märkischen Brucherzfund von Seelow, Kreis Lebus (zuletzt E. SPROCKHOFS, Ber. BGK. 31, 1941, Taf. 28, 12). — Nach Fertigstellung dieser Zeilen erschien der wichtige Aufsatz von W. MILOICIC, Zur Frage der Lausitzer Wanderung (Germania 30, 1952, S. 318 ff.). Sein Ergebnis wird kaum mehr ernsthaft bezweifelt werden, doch kann man nicht allen Gedankengängen des Verfassers ohne Widerspruch folgen, was freilich an der Kürze ihrer Ausführungen liegen wird. Da MILOICIC auch den Fund von Spandau und seine Bedeutung für die vergleichende Chronologie erwähnt, sei hier nur darauf hingewiesen, daß man Funde des (vomdonauländischen Standpunkt aus) abgelegenen Nordischen Kreises nicht ohne weiteres für die vergleichende Chronologie von Lausitzer und Donauländischer Urnenfelderkultur heranziehen kann, denn die Moteliusperioden sind als Grundlage für die Einteilung der Lausitzer Kultur in Schlesien nicht verwendbar. So nahe es liegt, den Fund von Spandau für die vergleichende Chronologie (Überschneidungen von Montelius 2 und ßeinecke D) anzuführen, so wenig Gewicht kann man gerade ihm hierfür beimessen angesichts seiner isolierten Lage. Diese ermöglicht nicht einmal eine klare Zuweisung in den von den Nachbargruppen gestellten Bahmen, was doch vor einer allgemeinen Würdigung primäre Aufgabe sein müßte. Ihr zu dienen war Zweck unserer Ausführungen.
Eine Probegrabung auf dem Stresow bei Berlin-Spandau — II. Bemerkungen zum Waffenfund von Spandau
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Lanzenspitze und seinem ungarischen Kommandostab vermittelt noch am ehesten das zeitliche Milieu von Spandau und Mönchgut. Zudem fand er sich in einer Gegend, die auch später zur Zeit der Spindlersfelder Fibeln starke Beziehungen zur Mittelmark unterhalten hat. Zusammenfassend kann man während der (norddeutschen) älteren Bronzezeit im Gebiete zwischen Elbe-Saale und Oder-Neiße vier Fundgruppen feststellen, deren Abstand voneinander teilweise größer ist als das von ihnen eingenommene Gebiet. Die Fundarmut geht in erster Linie auf die kärglich gehaltenen Grabausstattungen zurück, so daß der Fund von Spandau, der im toten Winkel liegt, eine überraschende und willkommene Ergänzung bietet, zumal da er nach Fundumständen und Inhalt als geschlossen angesehen werden kann. Da seine Typen in der Hauptsache Beziehungen zum Nordwesten anzeigen, und ihr Gebrauch im südlichen Elb-Oder-Gebiet nicht weiter bezeugt wird, läßt sich die Bedeutung des Fundes für die Nachbargruppen noch nicht recht ausdrücken. Insbesondere muß das zeitliche und kulturelle Verhältnis zum Lausitzer Kreis vorerst offenbleiben, obgleich der Fund andeutet, daß über die älteste Westgruppe der Lausitz frühe Beziehungen zwischen dem Norden und der Donau verlaufen sind.
9 Frühe Burgen
Die Römer als Gründer mitteldeutscher Orte Herkunft und Entwicklung einer Überlieferung aus dem Mittelalter Von WALTHEB SCHULZ,
Halle
S.
Mit Tafel VII
Der Bischof THIETMAR VON MERSEBURG berichtet in seiner zwischen 1012 und 1018 geschriebenen Chronik B. I, 21) „Vernimm, aufmerksamer Leser, daß die erste Gründung und Erbauung Merseburgs samt der Urbarmachung des Landes von des Romulus Volke sich herschreibt, welches dem allgewaltigen, mit vorzüglichen Eigenschaften des Körpers und der Seele ausgestatteten Julius Caesar, dem Schwiegersöhne des Pompejus, einst hierher folgte. Und weil die junge Stadt damals gar kriegerisch und in allen Schlachten siegreich war, so wurde sie nach altrömischer Sitte nach Mars, dem Kriegsgotte, benannt." Ferner B. I, 18 (10) „König Heinrich ließ das altrömische Werk (antiquum opus Romanorum) in Merseburg mit einer steinernen Mauer umgeben und innerhalb derselben eben die Kirche, die jetzt die Mutterkirche der übrigen ist, aus Steinen aufführen und am 19. Mai einweihen." Anzureihen ist noch eine weitere Angabe von Thietmar, die sich nicht auf Merseburg, sondern auf die stark bewehrte zwölftorige Slawenstadt Liubusua bezieht, B. VI, 59: „Als ich diese sorgfältig in Augenschein nahm, erkannte ich in ihr durch die Erinnerung an Lucan ein Werk Julius Caesars und einen großen römischen Bau." Wir besitzen also in dieser Angabe des Thietmar ein recht frühes Zeugnis für eine archäologische Beobachtung auf mitteldeutschem Boden, gestützt auf die Schilderung in Lucans Pharsalia VI, 29ff., daß Caesar bei Djrrhachium einen mit Felsblöcken und Trümmern von Häusern und Mauern verstärkten Erdwall errichtete 2 ). Nach GEORG W E D D I N G , dem verdienten Merseburger Historiker, hat Thietmar die Beobachtung über Liubusua auch auf die Befestigung von Merseburg, die von ihm als opus Romanorum bezeichnet wird, übertragen 3 ). In dieser zufälligen Beobachtung kann aber nicht allein der Anlaß zu der Auffassung liegen, daß Julius Caesar die Stadt Merseburg gegründet habe, die Thietmar im 2. Kap. seiner Chronik vertritt, denn sie hat in der sächsischen Geschichtsschreibung eine tiefere Begründung. W I D U K I N D VON CORVEY hebt in seinem Werke: res gestae Saxonicae II, 1 bei der Wahl von Aachen als Krönungsort für Otto I. die Nähe der Stadt Jülich als eine Gründung von Julius Caesar hervor. CARL ERDMANN weist bereits darauf hin4), daß hiermit eine eigenartige Brücke vom Königtum Ottos des I. zum antiken Kaisertum geschlagen wurde, die Hochachtung vor der römischen Antike wurde somit bestimmend für die Kaiseridee. Die mittel') Nach der Übertragung von ROBERT HOLTZMAUN 1939, Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 2. Gesamtausgabe, Bd. 39. 2 ) In der in ANM. 3 genannten Arbeit von G. WEDDING ist Lucans Angabe in Urtext und Übersetzung wiedergegeben. 3 ) Vom sogenannten Heinrichsturm und dem opus Romanorum. In Ztschr.: Das Merseburger Land, Merseburg, 2. H. 17/20, 1926, S. 3f. 4 ) Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters. Berlin, Akademie-Verlag, 1951, Abschnitt I, 4: Das ottonische Kaisertum, S. 48f.
Die Römer als Gründer mitteldeutscher Orte
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alterliche Auffassung von der translatio imperii 5 ) macht sich meiner Meinung nach auch in den Angaben des Thietmar bemerkbar. Der Bischof steht dem sächsischen Königshause nahe, das den Anschluß an die antike Tradition erstrebte. Merseburg, die Stadt Heinrichs I . und Bischofssitz des Thietmar, konnte bereits durch ihren Namen, der v o m römischen Kriegsgott abgeleitet wurde, einer solchen Tradition günstig sein. W a r die Stadt eine römische Gründung, so war Julius Caesar als Urbild der Kaiser ihr Gründer. Diese Auffassung mag wohl auch für Thietmar maßgeblich gewesen sein, römischen Bauwerken, die mit Caesar in Verbindung gebracht werden konnten, nachzugehen. E s wird dann aber auch kein Zufall sein, daß die zweite Stadt, die der Sage nach von Julius Caesar gegründet wurde, die Stadt Ottos I . Magdeburg Der Verfasser der Magdeburger
Jahrbücher
ist.
aus der zweiten H ä l f t e des 12. Jahrhunderts
erzählt nach einer nicht mehr erhaltenen Quelle die Gründung 6 ): „Julius Caesar gründete an passenden Orten mehrere Städte, v o n denen er einige mit einem W a l l e von Erde und Holz, die meisten sogar mit umfassenden Mauern zu befestigen sich bestrebte . . . Unter diesen gründete er nicht die unbedeutendste zur Ehre der Diana, parthena ist Diana, Parthenopolis ist die Stadt der parthena. Das bezeugt auch der barbarische Name, weil Magdeburg etwa Mädchenstadt heißt. Derselbe Caesar errichtete noch in der Stadt, wie erzählt wird, am U f e r des Elbflusses einen Tempel oder besser Götzenhaus (ydolium) derselben Diana,
wo er
mehrere Mädchen zur Erfüllung des Aberglaubens weihte und Opfer für die Göttin bestimmte, welche die Nachwelt abgehalten h a t . " Weiter berichten die Jahrbücher, K a r l der Große habe die Altäre dieses Götzenhauses zerstört und daselbst ein Bethaus (oratorium) des ersten Märtyrers Stephan weihen lassen, das später aber dem Hochwasser des Elbstronis zum Opfer fiel. V o n armen Leuten wäre an dessen Stelle eine kleine Kirche errichtet worden 7 ). D a nun die Gründung Magdeburgs von Julius Caesar nach den Jahrbüchern im 12. Jahrhundert als alte Tradition bezeichnet wird (penes traditionem veterum) und, wie angenommen werden kann, aus der erwähnten älteren Quelle stammt, ist eine Überlieferung der Ottonenzeit nicht von der Hand zu weisen. W i e Merseburg wird auch Magdeburg mit einer Tempelgründung in Verbindung gebracht, die der Stadt ihren Namen gegeben hat. Die frühestens um 1360 geschriebene Magdeburger
Schöppenchronik,
die auch ihrer Zeit-
stellung nach noch dem mittelalterlichen Schrifttum angeschlossen werden kann, setzt diese Tradition fort 8 ), nennt aber noch weitere Orte, die als Caesars Gründungen gelten, wobei in den meisten Ortsnamen die gelehrte Konstruktion der Zeit sich geltend macht, daß die Gründungen den römischen Planetengöttern geweiht waren. Diese Auffassung kennt auch CONRAD BOTHE, der Verfasser des Chronicon Brunsvicensium picturatum v o m Ende des 15. Jahrhunderts 9 ). Bei ihm ist ein die Folgezeit beherrschender Schritt getan, er nennt zwar noch Diana als Stadtgöttin von Magdeburg, aber er führt auch die Planetengöttin Venus ein, der nun, dem Stadtnamen Magdeburg zuliebe, die drei Grazien beigegeben werden. BOTHE schildert nicht nur das Bild der Göttin mit ihren Begleiterinnen auf dem von Tauben und s)
Siehe auch PAUL JOACHIMSEN, Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem
Einfluß des Humanismus. Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, 6, 1910. Er bezeichnet S. 9 die Idee als einen Gedanken, „der wohl einen Faden durch die Geschichte des römisch-deutschen Kaisertums geben könnte". •) Annales Magdeburgenses. Monumenta Germaniae histórica SS X V I . Mit geringen Abweichungen angeführt nach der Übersetzung von ED. WINKELMANN, Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, X I I . Jahrh. Bd. 12: Jahrbücher von Magdeburg. Berlin 1863. Angaben zum Jahre 938. - Die Annalen sind nach der Einleitung S. V f . aus dem Kloster Bergen bei Magdeburg hervorgegangen; mit der Mitte des 12. Jahrhunderts tritt der Autor in sein eigenes Zeitalter. ' ) Sie lag zwischen der Stephanusbrüeke und dem Tannenberge und wurde 1565 abgebrochen (Angabe bei K A B L JANIOKE, siehe folgende Anmerkung). 8)
Ausgabe von K A B L JANICKE, Bd. 1 der Chronica der niedersächsischen Städte. Magdeburg 1869.
9)
CONTTADUS BOTHONTJS, Chronicon Brunsvicensium picturatum dialecto saxonica conscriptum. Ausgabe:
G. W . LEIBNIZ, Seriptorum Brunsvicensia illustrantium T o m I I I , Hannover 1711, S. 278f., 287f.
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WALTHER SCHULZ
Schwänen gezogenen Wagen, sondern er gibt es auch in einem Holzschnitt wieder (Taf.VII, 1). Die Humanisten des 16. Jahrhunderts, die auf die römischen Quellen selbst zurückgingen, erkannten aber, daß Julius Caesar nicht Gründungen im Inneren Deutschlands zugeschrieben werden konnten, sie machten sich jedoch nicht frei von der Überlieferung des römischen Ursprungs der Orte. Ihnen bot sich dagegen F L O B U S an mit seinem Berichte, daß Drusus Kastelle zwischen Rhein und Elbe errichtet habe 10 ). Seitdem tritt Drusus an Stelle des Caesar, die ottonische Tradition ist erloschen. Die Vorstellung aber, daß die Römer im mittleren Deutschland Burgen und Städte gegründet hätten, bleibt weiter erhalten, ja die Literatur läßt erkennen, daß die Anzahl der angeblich römischen Gründungen noch gern vermehrt wurde (siehe Anmerk. 19). Wir wenden uns zunächst wieder Merseburg zu. Für E R N S T B R O T U F F ist in seiner 1556 erschienenen Chronik 11 ) Claudius Drusus Nero Germanicus der Gründer der Stadt. Mit der älteren Überlieferung setzt er sich nicht auseinander, die translatio imperii ist ihm aber selbstverständlich: Römische und deutsche Kaiser bilden eine Reihe, römische Kaiser hätten hier Besatzungen gehalten und bis auf die Zeit Friedrichs I. ihre Reichstage in die Stadt gelegt (S. 309), die Antoninus Pius zu einem Kaiserlichen Hof gemacht, und deren älteren Wall er durch eine Mauer ersetzt habe (S. 30 u. 33). Die schon von Thietmar herangezogene Archäologie wartet mit Römerresten auf, von denen noch ein altes Haus, Ruinen und ein Ziehbrunnen erhalten seien (S. 24). — Aber bereits 50 Jahre danach wird für Merseburg der römische Ursprung von G E O R G H A H N , dem Herausgeber der Chroniken von Thietmar und Brotuff, im Jahre 1606 angezweifelt 12 ). (S. 683): „Denn daß solche erbawung Druso und den Römern zugeschrieben wird, scheinet by etlichen der Warheit gantz ungemäß zu seyn." Er bezieht sich dabei auf die Ausländerei der Deutschen (S. 685): „auch daß noch diese Vanitet nicht seltzam ist, daß man was ausländisch ist, bißweilen nicht unbillich, bißweilen aber aus einem gefasten wahn höher achtet, also was inländisch ist." Den gleichen Weg nimmt im 16. Jahrhundert auch die Geschichtsschreibung von Magde-. bürg. G E O R G TORQTJATTTS18) und J O H A N N POMARITTS14) ersetzen Julius Caesar durch Drusus. Eine selbständige Auffassung dagegen vertritt A L B E R T KRANTZIUS 1 6 ) (S. 22). Der Erbauer sei eher ein germanischer Fürst gewesen, der bei den Römern Kriegsdienste geleistet und römische Sitte in die Heimat übertragen habe. Diesem Übergang zu der Auffassung, daß die Gründung Magdeburgs überhaupt nichts mit den Römern zu tun habe, haftete noch die Überlieferung an, daß sich in Magdeburg ein Venustempel befinde. Ferner war jetzt auch hier, wie in Merseburg, die Archäologie mitbeteiligt. Die Burg hat nach der damaligen Meinung an der Stelle des späteren Markgrafenschlosses gelegen, nach Krantzius bei dem Friedhofe 10 ) L u c i u s ANNAEUS FLOBUS, Berum Romanorum libri IV. Lib. IV, oap. 12. Daß man sich römische Castella als Schlösser vorstellte, zeigt eine deutsche Ausgabe: Der Teutsch redende Florus. Gotha, Salomon Beyber, 1679: Im übrigen legte er zum Schutz der überwundenen Länder hin und wieder Besatzungen und bauete Schlösser, an der Maaß, Elbe und Weser herumb. Nur an dem Ufer des Rheins richtete er über fünffzig Schlösser auf. 11 ) Chronica. Von den Antiquitäten des Keiserlichen Stiffts der Römischen Burg und Stadt Marsburg an der Salah bei Thüringen . . . Baudissin 1556, S. 23f. 12 ) Historia Martisburgica darinnen Chronica Ditmari, Bischoff zu Marsburg... beschrieben . . .Ingleichen Merseburgische Chronica und Antiquitates... durch Ernestum ßrotufium in zwey Bücher abgetheilet... Leipzig 1606. 13 ) Annales Magdeburgensis et Halberstadensis dioecesium. Vorr. 1574, lib. III, cap. 5. Ausgabe von FRIEDK. EBERH. BOYSEN, Monumenta inedita rerum Germanicarum praecipue Magdeburgicarum et Halberstadensium. Tom. I. Leipzig u. Quedlinburg, Vorr. 1761, S. 138 ff. 14 ) Summarischer Begriff der Magdeburgischen Stadt Chronicken, darinnen angezeigt wird, wann dieselbige Stadt ohngefähr zu bauen angefangen . . . Magdeburg 1587. Abb. - Chronica der Sachsen und Niedersachsen . . . Wittenberg 1589, Abb. lc ) Metropolis sive Historia ecclesiastica Saxoniae. Köln 1574, lib. I, cap. 3. - Saxonia. De Saxonicae gentis vetusta origine, longinquis expeditionibus suseeptis, et bellis domi pro libertate diu fortiterque gestis. hb. II, cap. 12. - Zu der Bedeutung dieses Geschichtsschreibers siehe neuerdings R. SCHINDLEB, Ein gefälschter Hamburger Bodenfund des 17. Jahrhunderts. Hammaburg (Zeitschrift) 2, 1949, S. 145ff.
Die Börner als Gründer mitteldeutscher Orte
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St. Petri, wo das Kloster der Maria Magdalena steht. Für die Lage des Tempels bestanden zwei Auffassungen, die älterüberlieferte sucht ihn am Ufer der Elbe, an dessen Stelle die Stephanskirche gebaut wurde, später wird auch der 1693 abgebrochene Hünenturm als Venustempel angegeben. Auf jeden Fall waren Bauwerke vorhanden, die als römisch angesprochen wurden, dazu gehört der genannte aus Ziegelsteinen errichtete Hünenturm 16 ), der nach Torquatos allgemein als Rest des römischen Kastells angesehen wurde. Pomarius bezeichnet den Hünenturm als Venustempel und fügt ihn auch der Abbildung bei, die er von Bothe übernahm (Taf.VII, 2)1'). Noch eine weitere auffallende Abänderung zeigt der Holzschnitt bei Pomarius gegenüber dem bei Bothe. Der Venuswagen ist als Schiffswagen ausgestaltet. Diese Änderung dürfte mit der bei Torquatos angeführten Ableitung der Venusverehrung in Magdeburg von einer vorhergehenden Verehrung der ägyptischen Isis in Verbindung stehen, die auch Pomarius übernahm. — Wie verfällt nun Torquatos auf die Isis? In der Germania des Tacitus fand er die Angabe, daß ein Teil der Sweben die Isis in Gestalt einer Liburne, also eines Schiffes, verehrte. Er überträgt diese Angaben auf die Schwaben an der Elbe, deren Isisdienst durch den der Venus Myrtia ersetzt worden sei. Auf der Abbildung steht nun die Venus mit ihren Begleiterinnen auf dem Schiffswagen der Isis. Noch bis in das 18. Jahrhundert hinein hat sich die Meinung, Magdeburg sei eine Römergründung, erhalten. Das bezeugt 1725 der Magdeburger Geschichtschreiber SAMUEL WALTEB18), der aber zugleich in eingehenden Fragestellungen und Begründungen mit dieser Vorstellung aufräumt, denn „das sind Gedanken derjenigen, die den römischen Scribenten alles zu Gefallen glauben". Damit sind wir auch hier zu dem Standpunkt gekommen, den Hahn bereits 1606 für Merseburg vertrat. Aber auch in der archäologisch-religionsgeschichtlichen Auffassung erkennen wir bei Walter einen Fortschritt gegenüber älteren Vorstellungen über germanische Götterverehrung. Diesem Wust von römischen Gottheiten mit ihren Tempeln und den erfundenen heimischen Götzen gegenüber will uns der Hinweis auf archäologische Denkmäler, die nun wirklich der heidnischen Zeit angehören, gar nicht so uneben erscheinen, wenn wir auch heute die Unhaltbarkeit der Deutung (S. 48) wissen: „Sollte ich aber sagen, wo der vornehmste Platz der Abgötterey unserer Gegend gewesen: so fällt meine Muthmaßung auf das Stein-Monument von Westerhusen auf einen Hügel liegend, welches die Bauren den Hünenkeller heißen", er erwähnt dabei viele Urnen, die dort von der Elbe freigespült wurden. Zugleich mit kritischer eingestelltem Denken tragen auch nationale Empfindungen allmählich dazu bei, von der Sucht, deutsche Orte von den Römern abzuleiten und etwa darin einen Vorzug zu sehen, abzugehen. Was hier für Merseburg und Magdeburg mit ihren besonders weit zurückreichenden Überlieferungen ausgeführt worden ist, gilt, wenn auch nicht in der Klarheit einer längeren Geschichte der Entwicklung dieser Vorstellung, noch für weitere mitteldeutsche Orte und Burgen, die sich im Laufe der Zeit anschließen, und deren römische Herkunft zum Teil bis in das 19. Jahrhundert hinein Glauben fand19). 16 ) Der Hünenturm erhob sieh als runder Oberbau auf einem vierseitigen Unterbau (so bei WALTEB, siehe Anm. 18, beschrieben). Vgl. auch EBICH WOLFBOM, Die Baugeschichte der Stadt und Festung Magdeburg. Magdeburger Kultur- und Wirtschaftsleben Nr. 10, 1937, S . 8 f f .
" ) I n der Abbildung bei Pomarius ist offensichtlich dieser Hünenturm gemeint, allerdings ist er als Venustempel stark verbreitert und durch zahlreiche Fenster belebt. 18 ) Monumentum Magdeburgicum. Das ist Nachricht von denen Antiquitäten in Magdeburg, welche den Ursprung der Stadt betreffen. Magdeburg und Leipzig 1725. 19 ) So Salzwedel seit 14. Jahrhundert, abgeleitet von Sol (Sonne), nach späterer Überlieferung Schloßtürme römisch; Gardelegen, Schloßtürme röm.; Calvörde, Turm „Rote Heinrich" röm.; Arneburg, Burg röm.; Giebichenstein bei Halle, Burg röm., bis 19. Jahrhundert; Petersberg bei Halle, Tempel röm., bis Anfang des 19. Jahrhunderts; Weißenfels, Kastell röm.; Eilenburg (Julburg), 14. Jahrhundert, zunächst abgeleitet von Julius Caesar, noch 1861 Turm röm.; Kyffhäuser, abgeleitet von confusio, seit 14. Jahrhundert, ältere Annahme erbaut von Julius Caesar, dann von Drusus, vertreten bis Anfang des 19. Jahrhunderts; Schloß Beichlingen, ältere Annahme (15. Jahrhundert) erbaut von Julius Caesar, spätere von Drusus, entsprechende Inschrift am Toreingang.
Ein Burgwall aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts in Mecklenburg Von EWALD SCHULDT,
Schwerin
Mit 2 Textabbildungen und Tafel VIII, 1
Die Suche nach den geschichtlich bedeutenden Burgwällen des Landes Mecklenburg führte den Schweriner Archivar FRIEDRICH LISCH im Jahre 1860 auf eine Burganlage in der Gemarkung Menkendorf, Krs. Ludwigslust. In dem Jahrbuch 1861 des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde hat er diese Besichtigung eingehend beschrieben und die Anlage mit der im Jahre 809 durch den Obotritenfürsten Thrasiko im Verein mit den Sachsen zerstörten Burg der damals zum Stammesverband der Liutizen gehörenden Smeldinger in Verbindung gebracht. Diese Identifizierung haben sich nicht alle Historiker zu eigen gemacht. Das Für und Wider hat besonders eingehend WIGGER dargestellt1). In neuerer Zeit erfolgte eine kritische Stellungnahme in der Zeitschrift Sachsen-Anhalt, Jahrgang 19402). Eine Untersuchung der Burganlage mit den Mitteln der vor- und frühgeschichtlichen Forschung ist bisher nicht erfolgt. Das Mecklenburgische Landesamt für Denkmalspflege hat diese Untersuchung nunmehr im Februar 1952 durchgeführt. Das Ergebnis soll im folgenden bekanntgegeben werden. Der seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts zur Gemarkung Menkendorf gehörende Burgwall liegt in einem weiten Wiesengelände, das mit zahlreichen sandigen Horsten durchsetzt ist. Ein Nebenfluß der Sude, die Rögnitz, durchfließt diese Landschaft, die im Südosten durch das Braunkohlen- und SaJzgebiet um Mallis und Conow und im Westen durch die ausgedehnte Jabeler Heide begrenzt wird. Das in früheren Jahren sehr unzugängliche Gebiet ist durch die Anlage zahlreicher Entwässerungsgräben mehr und mehr der Ackerwirtschaft erschlossen worden. Von Conow führt über Grebs und Menkendorf ein alter Weg auf den am Nordrande eines sandigen Horstes gelegenen Burgwall (Taf. VIII, Abb. 1). Ein dichter Bestand junger und älterer Kiefern läßt die eindrucksvolle und geräumige Anlage fast verschwinden. Der Wall ist sehr gut erhalten und hat lediglich durch Schanzarbeiten im letzten Kriege einigen Schaden genommen. Er ist im Durchschnitt drei Meter hoch und aus dem an Ort und Stelle vorhandenen kiesigen Material gebaut. Eine Berme ist an einigen Stellen des fast kreisrunden Walles zu erkennen, an anderen ist sie durch den Absturz der Holzerdemauer überschüttet. Der Eingang zur Burg liegt im Westen am offenen Wiesengelände, er ist deutlich ausgeprägt und der alte Weg führt von Süden im Schutze des Walles an ihn heran. Die Torwangen sind gegenüber der Wallböschung verstärkt und die Wallkrone am Tor plateauartig verbreitert. Die Eintiefung im Wall im Südteil der Anlage ist nicht erst in neuerer Zeit entstanden, in ihrem Zweck ist sie nicht ohne weiteres zu bestimmen. Dagegen ist der im F. WIGGER, Mecklenburgische Annalen bis zum Jahre 1066. Schwerin 1860, S. 111. *) M. BATHE, Die Sicherung der Reichsgrenze an der Mittelelbe durch Karl den Großen, Sachsen und Anhalt 16, 1940, S. lOf.
Ein Burgwall aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts in Mecklenburg
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Süd- und Ostteil vor dem Wall liegende flache Graben nicht alt, sondern zur Entwässerung der im Nordosten gelegenen Sumpffläche angelegt« Die Untersuchung wurde an vier Stellen des ebenen zum Osten etwas abfallenden Burginnern durchgeführt. Dabei wurden die Suchschnitte so angelegt, daß sie, von der inneren
Burgwall bei Klenkendorf Kreis Ludwigslust Ludwigslust
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Abb. 1. Grundriß und Profil des Burgwalles bei Menkendorf Etwa 1:1500
Wallbasis ausgehend, verschiedene Teile der Fläche erfaßten. Es zeigte sich, daß eine Kulturschicht, die durch das lange Wohnen an derselben Stelle entsteht, nur am Rande im Schutze des Walles vorhanden war. Im weiten Innenraum fehlte diese Kulturschicht und nur an einzelnen Stellen war eine geringfügige Anreicherung von verkohlten Holzsubstanzen zu erkennen. Durch die Beackerung der Burg im vorigen Jahrhundert war die stark ausgeprägte Kulturschicht am Innenrande an einigen Stellen gestört und der aus kleineren Feldsteinen geschaffene Untergrund aufgepflügt. An den nicht gestörten Stellen konnten über dem Stein-
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EWALD SCHULD T
pflaster zahlreiche verkohlte Eichenholzteile festgestellt werden, die offenbar von Holzbauten herrühren. In dieser Brandschicht und darüber wurden zahlreiche keramische Funde gemacht, die aus der slawischen Siedlungsperiode stammen. In der Nähe der Wallbasis war die Kulturschicht von einer starken Brandschicht überdeckt, in der noch größere angekohlte Balken und Bohlenteile erhalten waren. Die etwa einen Meter starke Aufhöhung war deutlich als Sturzschicht zu erkennen, sie kann nur durch das Abrutschen der vom Feuer zerstörten Holzerdemauer des Walles entstanden sein. Für die Untersuchung des Walls wurde kein Wallschnitt angelegt, sondern eine auf der Wallkrone eingetiefte ehemalige Stellung zu einem Profil hergerichtet. Dabei zeigte sich, daß über einem aufgeschütteten grobkiesigen Unterbau eine 0,5 Meter starke Brandschicht lagerte, die mit zahlreichen Holzkohlestücken durchsetzt ist. An den Innen- und Außenböschungen des Walles verstärkt sich diese Schicht und ist teilweise 1,5 Meter mächtig. Sie enthält slawische Keramik. In der ganzen Ausdehnung des Walles ist die Brandschicht durch die von den Kaninchen und Maulwürfen ausgeworfene tiefschwarze Branderde zu verfolgen. Bei einer Begehung des Vorgeländes der Burg konnte auf einem nördlich gelegenen sandigen Horst zahlreiche slawische Keramik gesammelt werden, die der in der Burg gefundenen völlig gleicht. Auch im Südteil des größeren Burgwallhorstes wurden an drei Plätzen gleichartige Funde gemacht. Übersieht man diese Untersuchungsergebnisse, so zeigen sie uns den am Nordrand des Elburstromtales gelegenen Burgwall von Menkendorf als eine auffallende Anlage in einem weiten Siedlungsgebiet. Die starken Wälle und die Größe der Anlage — 80 Meter im Durchmesser — lassen die Bedeutung des Platzes in slawischer Zeit erkennen. Von einer einfachen Fluchtburg für wenige umhegende Siedlungen kann hier keine Rede sein. Auch die Aufgliederung des Burginnern — ein freier Mittelplatz und Wohnbauten an den Rändern — unterstreicht diese Feststellung. Die Burg wurde durch Feuer zerstört. Dies geschah so gründlich, daß ein Wiederaufbau in späterer Zeit unterbüeb. Der Zeitpunkt dieser Zerstörung kann mit Hilfe der Funde näher bestimmt werden. Hierbei sind besonders wichtig die Tonscherben, die sehr einheitlich sind, und von denen hier eine kleine Auswahl vorgelegt wird. Die Randscherben lassen überwiegend steilwandige Gefäße erkennen, an denen der Rand nur wenig ausbiegt. Vereinzelt kommen auch doppelkonische Gefäße vor. Bei der Verzierung, die meist dicht an den Rand herangezogen ist, besteht eine Vorliebe für die mehrlinige Welle, die häufig von Horizontallinien eingefaßt wird. Bei einzelnen Scherben ist die Randlippe mit Einstichen versehen (Abb. 2). Diese Tonware gehört ohne Ausnahme zur sogenannten mittelslawischen Keramik. Das Ende der Entwicklung dieser Gruppe können wir mit ziemlicher Sicherheit an Hand münzdatierter Gefäße in den Ausgang des 10. Jahrhunderts setzen. Über den Beginn der Gruppe haben wir wenig Anhaltspunkte. Man hat sich aber daran gewöhnt, sie mit dem 9. Jahrhundert beginnen zu lassen. Die auf unserem Burgwall gefundene Keramik läßt auf eine kürzere und frühe Besiedlung schließen. Wir besitzen aus dem 25 Kilometer von Menkendorf entfernten Kastell Hohbouki, das auf dem Westufer der Elbe gegenüber Lenzen liegt, einige Randscherben, die unseren nahe verwandt sind. SCHUCHHABDT hat diese Scherben in den Anfang des 9. Jahrhunderts datiert und angenommen, daß sie bei der Zerstörung des Kastells durch die Wilzen im Jahre 810 dorthin gekommen seien3). Unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieses Ansatzes wäre die Vernichtung unserer Anlage im Anfang des 9. Jahrhunderts erfolgt. Mit dieser Feststellung ist ein wichtiger Anhalt für die geschichtliche Einordnung des Menkendorfer Burgwalles gegeben. Es sei daher dem Ausgräber gestattet, auch einige Aussagen zu dieser Einordnung zu machen. 3
) C. SCHUCHHABDT, Slawische Scherben aus d e m Jahre 810 n. Chr. Festschrift für BEZZENBERQER 1921,
S. 140f.
Ein BurgwaU aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts in Mecklenburg
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Dem Historiker stehen insbesondere zwei geschichtliche Quellen zur Verfügung, in denen die Zerstörung einer Burg im Gebiete der Smeldinger im Jahre 8 0 9 beglaubigt wird. EINHABD, der Schreiber Karls des Großen, berichtet hierzu: Thrasko, der Fürst der Obotriten, habe im Jahre 809 mit Hilfe der Sachsen seine Nachbarn, die Wilzen, angegriffen, ihre Äcker mit Feuer und Schwert verwüstet und große Beute heimgeführt. Darauf habe er, nachdem er noch einmal kräftigere Hilfe von den Sachsen erhalten habe, die größte Burg der Smeldinger erobert. Die zweite Quelle, das Chronicon Moissicense erzählt: Der Kaiser Karl habe seine
Abb. 2. Randprofile und Ziermotive der Keramik des Menkendorfer Burgwalles
Scharen in die Marken geschickt und die Sachsen seien über die Elbe gegangen und hätten mit den ihm zugetanenen Wenden ein Burg gebrochen, welche Smeldino-Connoburg heiße4). Es ist zunächst notwendig, die Lage des Gebietes der Smeldinger näher zu bestimmen. Aus den wenigen Stellen, wo sie genannt werden, geht mit Sicherheit hervor, daß sie neben den Linonen wohnten, einige Forscher sehen in ihnen sogar eine Abteilung dieses Stammes. Sicher ist auch, daß sie 808 zum Reiche Thraskos gehörten und nach einem Aufstande gezwungen wurden, im Jahre 809 unter dessen Botmäßigkeit zurückzutreten. Da wir das Siedlungsgebiet der Linonen mit ziemlicher Sicherheit zwischen Eide und Elbe begrenzen können und wissen, daß Putlitz und Lenzen feste Plätze dieses Stammes waren, *) Wiedergabe durch F. LISCH, Jahrbuch für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, 1861, S. 209 und F. WIGGER, a. a. O., S. 8 und 9. 10 Frühe Burgen
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E W A L D SCHULD T
müssen wir die Smeldinger westlich der Eide vermuten. Hierbei leistet das Chronicon Moissicense wertvolle Hilfe, da es von der Zerstörung der Smeldino-Connoburg berichtet. LKDBTJR6) und WIGGER 4 ) haben diese Connoburg bei dem Dorf Conow bei Dömitz vermutet und L I S C H hat den Menkendorfer Wall, der von Conow etwa 5 Kilometer entfernt liegt, als Connoburg bezeichnet. Andere Historiker haben diese Einordnung übernommen. Unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Identifizierung wäre das Gebiet der Smeldinger durch die Eide, Sude und Elbe zu begrenzen. In diesem Streifen sind die slawischen Länder Wehningen und Jabel bekannt, auf deren Grenze der Menkendorfer Burgwall liegt. Weitere feste Plätze sind in Kummer, 7 Kilometer von Menkendorf entfernt und Broda an der Elbe, 14 Kilometer von Menkendorf entfernt, bekanntgeworden. Der erstere ist wenig eindrucksvoll, der letztere fast ganz unter Dünen verschwunden. Für eine abgetragene Burganlage östlich Glaisin, die zahlreiche mittelalterliche Funde enthielt, wurde die slawische Grundlage von L I S C H abgelehnt7). Den Smeldingern können mit Sicherheit also nur drei feste Plätze zugewiesen werden. Unter diesen ist der bedeutendste der Burgwall von Menkendorf, der im Anfang des 9. Jahrhunderts weitgehend zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. 6
) v. LEDEBUR, Die Feldzüge Karls des Großen. Berlin 1829.
«) F . WIGGER, a. a. O., S. 111.
') F. LISCH, Die Burg Glaisin. Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, 1861, S. 195.
Der Burgwall auf der Insel im Teterower See und die Dänenzüge nach Circipanien 1171 und 1184 Von A.
HOFMEISTEE,
Greifswald
Die seit 1950 auf der Insel im Teterower See durch die Deutsche Akademie der Wissenschaften in Berlin (Prof. Dr. UNVERZAGT) in Verbindung mit dem Mecklenburgischen Landesamt für Denkmalspflege in Schwerin (örtlicher Grabungsleiter E. SCHULDT, Mitarbeiter W. BASTIAN, A. HOLLNAGEL) begonnenen Grabungen haben schon jetzt neben zahlreichen Einzelfunden verschiedenster Art, meist vom 9.—11. Jahrhundert, besonders durch die Aufdeckung einer ausgedehnten Brückenanlage von etwa 670 m Länge, die durch einen langen Zeitraum bis in die spötwendische Zeit benutzt wurde, sehr bemerkenswerte Ergebnisse gezeitigt, obwohl es zu der Untersuchung der Hauptburg erst in dem laufenden Jahre kommen wird. Als ich in den vorbereitenden Besprechungen im Kreise des Historischen Instituts des Landes Mecklenburg im Sommer 1948 und 1949 die Aufmerksamkeit auf den Teterower Burgwall lenkte, war dafür — abgesehen von der eindrucksvollen Anlage an sich — auch der Umstand maßgebend, daß sie seit langem, wenn auch nicht unbestritten, für den Schauplatz einer dänischen Angriffsunternehmung des Jahres 1171 gilt, die uns besonders der zeitgenössische dänische Geschichtschreiber SAXO GRAMMATICUS mit anschaulichen Einzelheiten geschildert hat. Mit welchem Recht das geschieht, soll hier einer kurzen Überprüfung unterzogen werden. Dieses Unternehmen König Waldemars I. gegen Circipanien gehört in das Frühjahr 11711). Von Strela2) (der Insel Dänholm beim heutigen Stralsund, deren Name noch an die Dänenzeit vor 800 Jahren erinnert), wo die Schiffe zurückblieben, zog man südwestlich in das Innere des Landes. Die Schwierigkeiten, die dabei in einem unwegsamen Sumpf- und Moorgebiet von großer Ausdehnung und bei den folgenden Kämpfen zu überwinden waren, werden von Saxo — offenbar nach Augenzeugenberichten3) — in lebhaften Farben geschildert4). Vor die Zusammenkunft Waldemars mit Heinrich dem Löwen an der Eider, 24. Juni 1171; J. HEYDEL, Das Itinerar Heinrichs des Löwen. Diss. Grejfswald 1929, S. 73. — Zu den Verhältnissen um Teterow eingehend zuletzt R. ASMUS, Der Burgwall von Teterow und seine Eroberung durch die Dänen im Jahre 1171: Mecklenburg, Zeitschrift des Heimatbundes, Mecklenburg 22,1927, S. 120—133; derselbe, Spuren wendiBcher Siedelung und wendischen Kultes in den Flurnamen der Feldmark Teterow und ihrer nächsten Umgebung: ebenda 24, 1929, S. 5 - 1 4 , 55-67, 104-110, 122-129. 2 ) Knytlinga-saga (= Ktl.) c. 124 Ende, MG. SS. X X I X , 316; deutsch von W. BAETKE (Thüle XIX, Jena 1924), S. 383. SAXO, B u c h X I V , S. 883 MÜLLER-VELSCHOW (I. OLRIK u n d H . RAEDER, K o p e n h a g e n
1931,
c. 47, S. 497) nennt nur Rügen. 3 ) JORGEN OLRIK, Studier over Sakses historiske Kilder, Kopenhagen 1933 (SA. aus Hist. Tidsskr. 10 R. II), S. 126, der vor allem mit ABSALONS und unter Umständen SAXOS eigenen Erinnerungen rechnet. 4
) SAXO, B . X I V ,
S. 8 8 3 - 8 8 6 M . - V .
(OLRIK-RAEDER, c. 47,
S. 4 9 7 - 4 9 9 ) .
O. EGGERT, D i e
Wendenzüge
Waldemars I. und Knuts VI. nach Pommern und Mecklenburg: Balt. Stud. N. F. X X I X , 1927, S. 153ff. (auch Diss. Greifswald 1927), = EGGERT I; derselbe, Dänisch-wendische Kämpfe in Pommern und Mecklenburg (1157 bis 1200): Balt. Stud. X X X , 2, 1928, S. l f f . (»EGGERT II).
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A. HOFMEISTER
Durch große Wälder vordringend, kommen die Dänen dann zu einer Burg mit einer Siedlung („vicus") auf einer Insel in einem schiffbaren Gewässer („palus", später „stagnum"), die angegriffen und in eingehend beschriebenen Kampfhandlungen eingenommen wird. Die Männer werden niedergemacht, die Frauen fortgeschleppt. Der Burgherr Otimar selber wird verschont und bei dem Abzug der Sieger in Freiheit zurückgelassen. Wo haben sich diese Vorgänge abgespielt? Ortsangaben — außer dem allgemeinen „Circipanien" bei SAXO und bei HELMOLD — hat nur der ganz knappe Berioht der Knytlingasaga, die, obwohl gegen zwei Menschenalter jünger als SAXO, doch wiederholt diesen aus einer offenbar ausgezeichneten alten Überlieferung ergänzt. Die Ktl. spricht hier nur kurz von Sengen und Brennen im Lande, von Einnahme von Burgen, von Erschlagenen und Beute, nennt dabei aber ausdrücklich „Tribuzis" und „Tripiden" 5 ). Tribsees ist die bekannte Grenzburg im oberen Bogen der Trebel, die dort bis auf wenige Kilometer an die aus der Südwest-Nordost-Richtung nach Südost-Nordwest umbiegende Recknitz herankommt, an der Hauptübergangsstelle von Vorpommern nach (Alt.-) Mecklenburg zwischen den Übergängen von Damgarten nach Ribnitz an der Recknitz-Mündung und von Demmin. an der Vereinigung von Peene, Trebel und Tollense, nach Dargun. Tripiden, Tribeden „ist" in erster Linie „der Name für den östlichen Theil des Landes Circipene, so weit es in dem jetzigen Meklenburg liegt, das spätere Land Gnoyen"6), von Osten aus jenseits des großen (Trebel-)Moores. Im Westen grenzt es zum Teil an das (nicht mehr circipanische) Land Bützow und an das Land Bisdede, den westlichsten Teil Circipaniens (bis Güstrow). „Da jedoch die Namen Bisdede und Tribedne häufig zur Bezeichnung e i n e s Landes gebraucht werden, so ist es „nach LISCH" auch möglich, daß das im jetzigen Mecklenburg liegende Circipene im Allgemeinen Land Tribedne genannt ward, dessen westlicher Theil den besonderen Namen Bisdede führte." Auch WIGGER sieht in dem Land Tribeden einen Oberbegriff, der außer Bisdede u. a. auch die Gegend von Teterow einschloß. Um die 1171 durch Waldemar und Absalon eroberte Inselburg mit Teterow gleichsetzen zu können, muß man entweder sich dieser Auffassung von LISCH und WIGGER anschließen oder die Worte der Ktl. nicht ängstlich pressen. Keines von beiden wird man grundsätzlich ausschließen dürfen, um so weniger als unter allen Umständen der Feldzug durch ein engeres Tribeden mindestens hindurchging. Es wäre daher kaum berechtigt, Teterow grundsätzlich aus dem Spiel zu lassen. Anderseits ist der Bericht SAXOS doch nicht so eindeutig individuell, wie es zunächst scheint, um bis auf weiteres mit voller Sicherheit nur eine einzige Deutung zuzulassen. Von Wasser umgebene Burgen oder Siedelungen sind ja nicht so ganz selten, und bei jeder solchen Anlage von einiger Bedeutung ist ohne weiteres mit einer Brücke zum Festlande zu rechnen, auch wenn heute nicht mehr so eindrucksvolle Reste wie in Teterow zu finden sind. Vermutungen über die Sippe des Burgherrn Otimar als eines möglichen Vorfahren der Moltke und eine etwaige Beziehung zwischen den Birkhähnen des Moltke-Wappens und dem wendischen Namen der Stadt Teterow sind freilich zu vage, um etwas beweisen oder auch ') Siehe oben A. 2. Vgl. Ktl. c. 129 die entstellte Namensform „Tripipen" (Feldzug von 1184), EGGERT I, S. 125. Zu den Namen Tribeden und Bisdede jetzt R. TRAUTMANN, Die slawischen Ortsnamen Mecklenburgs und Holsteins, Berlin 1950 (Abhandl. d. Sachs. Akad. d. Wiss. Leipzig, Phil.-Hist. Kl. 45, 3), S. 155 und 27. Zum Folgenden G. C. F. LISCH, Über die Länder Bisdede und Tribeden: Meckl. Jb. XII, 1847, S. 24-35, 453-455; F. WIGGER, Mecklenburgische Annalen, Schwerin 1860, S. 126f.; EGGERT I, S. 125-127. Über die 1247 und 1260 endgültig festgelegte Grenze der Bistümer Schwerin und Kammin s. H. GROTEFEND, Meckl. Jb. 68,1903, S. 219ff. (vgl.66, 1901, S. l f f . ; Karte bei K. SCHMALTZ, Die Begründung und Entwicklung der kirchlichen Organisation Mecklenburgs im Mittelalter: Meckl. Jb. 73, 1908). - Ganz ohne Einzelheiten nur 2 Zeilen Helm. II, 13 (c. 209), S. 216, Z. 5 f . ( h r s g . v o n B E R N H . S C H M E I D L E R
1937).
') Gnoien etwa 25 km von Teterow; etwa halbwegs zwischen Tessin und Dargun. - Vgl. hierzu (und sonst) jetzt auch W. BRÜSKE, Geschichte des Lutizenbundes. Dissertation Greifswald 1952.
Der Burgwall auf der Insel im Teterower See und die Dänenzöge nach Circipanien 1171 und 1184
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nur hilfsweise stützen zu können7). Und wenn, was durchaus möglich, ja nicht einmal unwahrscheinlich ist, Otimar einer der 3 Brüder Miregrow, Monic und Cotimar, der Stifter des zunächst mit dänischen Mönchen aus Esrom besetzten Klosters Dargun ist8), so wird damit letzten Endes für seine Verbindung gerade mit Teterow doch nichts entschieden. Sind andere Orte bekannt, die mit Teterow für 1 1 7 1 konkurrieren können? L I S C H dachte, als er, wovon er später abkam, die Vorgänge von 1171 (ohne dieses Jahr zu nennen) und 1184 irrig vermischte, für die Otimars-Burg an den Bölkower Burgwall auf einer von Osten in den Gutower oder Insel-See (südlich Güstrow) vorspringenden Landzunge, die zusammen mit der Schöninsel diesen See in zwei Teile trennt. Der Insel-See gehört, wie schon sein Name („stagnuni Bisdede")9) zeigt, in das Land Bisdede. Dessen Name wird anscheinend auch, wenigstens gelegentlich (1197), für die Burg gebraucht10). Aber der Einwand, der hin und wieder — und da schwerlich stichhaltig — gegen Teterow geltend gemacht ist, ob die Dänen damals wirklich so weit in das innere Mecklenburg hätten eindringen können11), würde viel stärker die Güstrower Gegend treffen, ganz abgesehen davon, daß es sich dort gar nicht um eine wirkliche Insel handelt. Noch weniger ist mit dem „Castrum Bridder cum terra attinenti videi. Tribedne vocata" anzufangen, das man gelegentlich auf Teterow und 1171 bezogen hat. „Bridder" kommt lediglich in einer — nach J O R D A N im 1. Drittel des 13. Jahrhunderts, etwa 1229/30 — verfälschten Fassung des Schweriner Bistumsprivilegs Heinrichs des Löwen vom 9. Sept. 1171 vor12). Es will hier offenbar nichts anderes sein als das „Castrum Bizdet" in Tribeden in der um dieselbe Zeit interpolierten Papsturkunde von 1197. Der sonst nie wiederkehrende Name „Bridder" hängt vermutlich mit einer entstellten Form von „Bisdede" zusammen, das z. B. (für den See) in der Camminer Bischofsurkunde von 1233 in später Überlieferung als „Birdede" erscheint13). „Bridder" sollte also aus der Erörterung ganz ausscheiden. ') Vgl TRAUTMANN, S. 153 (Teterow); F. WIGGER, Berno, der erste Bisohof von Schwerin: Meckl. Jb. 28, 1863, S. 241 ff.; W. VON SOMMERFELD, Beiträge zur Geschichte der Germanisierung des Herzogtums Pommern oder Slavien, Leipzig 1896, S. 75 ; G. C. F. LISCH. Der Burgwall von Teterow und die Stiftung des Klosters Dargun : Meckl. Jb. 26, 1861, S. 195; H. H. LANGHORN, Historiske Efterretninger om de danske Moltker, Kopenhagen 1866, S. 1; SOHL IE ( u n t e n A n m . 8 ) , P , S. 535, A n m . 2. 8 ) Bestätigung durch Bischof Berno von Schwerin 30. NOT. 1173, Meckl. J b . I, Nr. 111; vgl. Nr. 114 („Cotimarus", Bestätigung durch Fürst Kasimar I. von Demmin und Pommern 1174); Nr. 247 („Kotimarus", Bestätigung durch Fürst Kasimar II. von Demmin und Pommern 1219). Offizielles Datum für den Einzug des Konvents 25. Juni 1172; L. JANAUSCHEK, Orig. Cisterc. I, Wien 1877, S. 165f. ; Meckl. Ub. I, Nr. 104. F. SCHLIE, Die Kunstund Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin I 8 , Schwerin i. M. 1898, S. 534ff. e ) 1. Juni 1229, Meckl. Ub. I, Nr. 369; in gleicher Angelegenheit 1233, Nr. 411: „solitudinem. . ., que tali nomine Bisdede nominatur", und weiterhin „magnum stagnum Birdede", was sicherlich nur eine Entstellung in der späten Überlieferung (15. Jahrhundert) aus Bisdede ist. 10 ) In der ebenfalls spät (18. Jahrhundert) überlieferten päpstlichen Bestätigung für das Bistum Schwerin vom 5. August 1197, Meckl. Ub. I, Nr. 162, erscheint ein „Castrum Bizdet", das doch wohl sicher auch hierher zu ziehen ist, obwohl es zu der terra Tribeden genannt ist („ipsam terram Tribeden cum castro Bizdet", eine terra Bisdede kommt hier nicht vor). TKAUTMANN, S. 27. Die Urkunde von 1197 ist nach K. JORDAN, Die Bistumsgründungen Heinrichs des Löwen, Leipzig 1939, S. 64f., im wesentlichen echt, aber im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts gleichzeitig mit einer verfälschten Fassung des Schweriner Bistumsprivilegs Heinrichs des Löwen vom 9. Sept. 1171 „etwa 1229/30" interpoliert worden. - Vgl. LISCH, oben Anm 5; SCHLIE, IV, 1901, S 115.
" ) Vgl. EGGERT, II, S. 52, Anm. 2. - Der Borgwall-See bei Stralsund, an den L. QUANDT, Balt. Stud. 10, 2 (1844), S. 162, dachte — sozusagen ein entgegengesetztes Extrem — kann in keiner Weise in Betracht gezogen werden. E r ist völlig unvereinbar mit allen alten Nachrichten, mit Ktl. ebenso wie mit SAXO und schließlich auch mit Helm. I I 13 (c. 209), S. 216, Z. 5f. la ) Heute zu benutzen in der Ausgabe von K. JORDAN, MG., Die Urkunden Heinrichs des Löwen (Leipzig 1941, Weimar 1949), Nr. 90, S. 135ff. (überliefert nur in 3 Abschriften vom Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts und dem Druck Lindenbrogs von 1609). Eine der Abschriften und Lindenbrog haben „Bartk" bzw. „Barth" wohl nur ein weit abirrender Versuch, das unverständliche „Bridder" zu deuten, der durch die gleich folgende „terra Pytne" angeregt wurde. Vgl. JORDAN, oben Anm. 10. 13 ) Meckl. Ub. I, Nr. 411, oben Anm. 9. Daran dachte schon LISCH, Meckl. Jb. XII, 1847, S. 27.
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Ernsthafter ist die Konkurrenz mit einem der Orte namens Lübchin-in dem Bereich zwischen Gnoien, Sülze und Tessin, im Nordosten Circipaniens näher der Grenze gegen Tribsees. Einer von diesen muß die ,,urbs Lubekinca" sein, an der König Knut (VI.) vorbeimarschierte, als er im Herbst 1184 von Strela aus die dänische Provinz Tribsees und den Circipaner Sumpf, den Spuren seines Vaters (von 1171) folgend, durchzog, mit dem Ziel, weiterhin Demmin zu erreichen14). Meist wird dabei an Lübchin (erst seit 1877 BehrenLübchin) zwischen Gnoien und Sülze, mit sehr alter Kirche, gedacht. Hier ist in dem seit geraumer Zeit verlandeten Lübchiner See, dem sog. „großen See", die Stelle eines ansehnlichen Burgwalls aus spätslawischer Zeit nachgewiesen mit Brückenresten, der mit einer zweiten etwa 600 m entfernten Anlage in Verbindung stand. In neuerer Zeit haben sich dagegen besonders R . BELTZ und F . SCIILIE für das etwa 10—11 km südsüdwestlich davon gelegene Holz-Lübchin ausgesprochen, das früher (sicher schon 1273) auch einfach Lübchin hieß. Einen Kilometer entfernt davon (1 km südöstlich von Neu-Nieköhr) liegt auf der Scheide der Gemarkungen Walkendorf und Neu-Nieköhr ebenfalls ein sehr bedeutender Burgwall mit zahlreichen Kulturresten, die in ihrer Mehrzahl auf die letzte Heidenzeit weisen16). Gegen SCHLIE ist wieder K. SCHMALTZ mit beachtlicher Begründung für BehrenLübchin eingetreten16). Doch muß die Frage, um welches Lübchin es sich 1184 handelt, wohl auch heute noch offen bleiben. Bei der nicht allzu großen Entfernung zwischen beiden Orten macht das auch für das Gesamtbild nicht allzuviel aus. 1184 überfällt und verbrennt dann Absalon (jetzt Erzbischof von Lund) eine behäbige, nichtsahnende Ortschaft („abundantem potione vicum") und verbrennt weiter, als bereits der Rückzug eingeleitet war, noch eine reiche Siedlung („opimam villam"), die beide wohl nicht allzu weit entfernt, genauer aber weder der Lage noch dem Namen nach zu bestimmen sind17). Ebensowenig läßt sich über das gleichfalls in der weiteren Nachbarschaft zu suchende „Lubyna" sagen, wo damals der König übernachtete, als sich Absalon wieder mit ihm vereinigte (bzw. vereinigt hatte)18). Den Weitermarsch nach Demmin hatte Knut inzwischen " ) SAXO, B. XVI, S. 981ff. M. V. (c. VII O.-R.): „Tribusanam provinciam ditioni suae parentem . . . Post haec Cyrcipanensium devexam paludem paternae miliciae aemulatione permensus, ad urbem Lubekincam perv e n i t . . . " ; Ktl. c. 129, MG. SS. X X I X , 320, Z. 12ff.: . . . ok for jjadan til Tribudiz ok sva upp a Tripipen, ok herjadi [iar ok brendi landit allt; hann reiti til kaupstadar fieira ok brendi hann, J a moettiz f a r allt lid K n u t z konungs, ok lagu J>ar 3 naetr., en skip fieira lagu vid Straelu . . ." Zur Zeit: SAXO: „Autumno domi peracto . . . ; Ktl.: „fietta h a u s t . . . 7 nottum fyra Mikjalsmessu; EGGERT, II, S. 67. 15 ) R. BELTZ: Meckl. J b . 58, 1893, S. 206f. („Ansiedlung und Burgwall von Behren-Lübchin"). S. 207-214 („Der Burgwall von Neu-Nieköhr (Walkendorf)"). - SCHLIE, Kunstdenk. I 2 , 1898, S. 520, Anm. 1. " ) K . SCHMALTZ: Meckl. J b . 72, 1907, S. 181. Aber ganz sicher ist es trotzdem wohl nicht, ob d i e Burg L u b i c h i n mit ihren „castrenses", auf der Johann I. von Mecklenburg am I.März 1238 für Dargun urkundete (mit doch wohl deutschen Zeugen, wie „Theodericus capellanus in L.", „Bertoldus advocatus in L.", Meckl. Ub. I, Nr. 479), gerade die Wendenburg von 1184 und Behren-Lübchin war. Das „ L u b e c h i n " in der Grenzbeschreibung von 1273, Meckl. Ub. II, Nr. 1266, kann in der T a t n u r Holz-Lübchin sein, aber ob die Burg von 1238? Ehe man Holz-Lübchin für 1171 in Betracht ziehen könnte, müßte vor allem geklärt sein, ob es damals in genügendem Ausmaß von Wasser umgeben gewesen sein kann. 17 ) Den zweiten Ort meint wohl Ktl. mit „kaupstadar J>eira", aber ebenfalls ohne Namen. Man hat an Gnoien (zuerst erwähnt 1257, Meckl. Ub. I I , Nr. 799) gedacht, was immerhin denkbar wäre (aber meist schwankend wie LISCH u n d WIGGER, u n e n t s c h i e d e n n e u e r d i n g s R . BELTZ: Meckl. J b . 9 1 , 1 9 2 7 , S. 254; s c h w a n k e n d a u c h EGGERT,
I I , S. 67). Unzulässig und abwegig sind andere Vermutungen, wie Demmin (BAETKE mit G. KOMBST, Balt. Stud. I , 1832, S. 84), A n k l a m (G. MOHNIKE bei EGGERT, I I , S. 67; EGGERT l e h n t sowohl D . wie A . m i t R e c h t ab).
Alle Örtlichkeiten von 1184 (außer Strela, Tribsees, Demmin u. dgl.) liegen deutlich westlich von Recknitz u n d Trebel. 18 ) Vgl. EGGERT, I, S. 127f. Doch scheint mir die Gegend von Grimmen ebensowenig annehmbar (vgl. oben Anm. 17) wie ältere Vermutungen, die u. a. an die Gegend von Stralsund, Greifswald oder Loitz dachten. Wenn Ktl. im Anschluß an die Wiedervereinigung der verschiedenen dänischen Abteilungen (ABSALON bei SAXO) mit dem Könige und einen dreitägigen Aufenthalt (offenbar bei dem „ L u b y n a " SAXOS) die Dänen schon am folgenden Morgen („. . . um morgininn eptir") mit ihren Schiffen von Strela nach Zicker aufbrechen läßt, so wird hier am ersten eine Verstümmelung des Ktl.-Textes oder ein fehlerhaft verkürzter Auszug aus der alten Quelle anzunehmen
Der Burgwall auf der Insel im Teterower See und die Dänenzüge nach Ciroipanien 1171 und 1184
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wegen der weiten Entfernung aufgegeben — er wird also höchstens etwa bis in die Gnoiener Gegend vorgedrungen sein — und den Rückweg zu den Schiffen bei Strela angetreten. Dieser ging ohne besondere Schwierigkeiten vonstatten, da der König den Sumpf, der ihm auf dem Hinwege so beschwerlich gewesen war, durch seine rügischen Bundesgenossen überbrücken ließ. Nur im Rahmen dieser Vorgänge vom Herbst 1 1 8 4 ist bei SAXO, ein einziges Mal, von Lübchin die Rede. Nichts berechtigt dazu, mit diesem Lübchin auch die Otimars-Burg von 1171 in Verbindung zu bringen; nichts in den Quellen deutet positiv darauf hin. Gewiß ist Lübchin ein Platz, der für einen Angreifer von dem Übergang bei Tribsees her als einer der ersten sich darbot, den er aber, wie Knut 1184, zu weiterem Vordringen auch ohne Angriff seitwärts liegen lassen konnte. Die ähnliche Lage, auf einer Insel in einem See, eine Brücke zum Festlande, das genügt allein nicht, beide Plätze einander gleichzusetzen19). Vielleicht ist man ursprünglich dazu nur durch nicht genügendes Auseinanderhalten der Züge von 1171 und 1184 gekommen20). Ist man nun auch nicht berechtigt, (ein) Lübchin mit dem Feldzug von 1171 zu verbinden, so ist es darum doch nicht weniger mit seiner weiteren Umgebung auch ein sehr bemerkenswerter Platz, dessen genauere Untersuchung sowohl für Behren Lübchin wie für Holz-Lübchin nicht nutzlos sein dürfte. Zumal wäre von nicht geringem Interesse, die 1238 belegte landesherrliche Burg mit Burgleuten unter einem Vogt deutschen Namens näher auch im Boden festzustellen. Das Interesse an Bodenuntersuchungen in dem alten Circipanien erschöpft sich nicht mit den Jahrzehnten des endgültigen Zusammenbruches der alten Verhältnisse im späteren 12. Jahrhundert. Ebenso wichtige und bei dem weit größeren Mangel an schriftlichen Quellen eher noch wichtigere Aufschlüsse könnten vielleicht für die Zeit Godeskalks (etwa 1043 bis 1066) und den lutizischen Bruderkampf in^den 50 er Jahren des 11. Jahrhunderts erwartet werden; ob freilich dabei u. a. auch Teterow und Lübchin eine Rolle gespielt haben könnten, bleibe vorläufig ganz dahingestellt21). Und ob etwa die große Schlacht an der ,,Raxa" von 955 einmal mit Hilfe des Spatens eine greifbarere Gestalt gewinnen möchte, dazu läßt sich zur Zeit ebensowenig Bestimmtes sagen. Eine volle Sicherheit für die Teterower Burgwall-Insel als Schauplatz des Vorganges von 1171 ist freilich bisher nicht erreicht worden. Es bleibt abzuwarten, ob der Fortgang der Grabung, für die hier besonders günstige Verhältnisse vorliegen, uns darin weiterbringen wird. Aber Teterow ist auf alle Fälle kein beliebiger Burgwall gewöhnlicher Art, sondern eine bedeutende Anlage, ein wichtiger Häuptlingssitz, und wenn nicht die, so doch eine sein, Liepen, etwa 8 km nordöstlich Tessin, rechts der oberen Recknitz, führt, wie EGGERT mit Recht hervorhebt, zu weit von der Marschrichtung der Dünen ab. Es ist zudem ein ganz anderer Name und wird auch von TRATTTMANN, S. 98 (bzw. 94), trotz des Hinweises auf LISCH doch wohl kaum ernstlich in Betracht gezogen. Wenn „Lubyna" (vgl. LUI AV. GIESEBRECHT, Balt. Stud. 11,2,1845, S. 165) gleich Lübchin, etwa „das andere" Lübchin, sein sollte, so müßte man wohl bei SAXO eine Verderbnis in der Überlieferung der Namensform voraussetzen. Aber ein Name wie Lubyna ist im ostseewendischen Gebiet und anderswo mehr als einmal bezeugt. ") Bei Holz-Lübchin müßte, wie schon bemerkt (Anm. 16) gegebenenfalls zuvor die Möglichkeit einer ursprünglichen Insellage geklärt werden. eo ) Zum Beispiel LISCH, 1847 (s. oben Anm. 1), S. 27. Sehr unklar und unsicher LUDW. GIESEBRECHT, Liutizische Landwehre: Balt. Stud. 11, 2, 1845, S. 165 (im Bärnimm Lübchin-Lubekinka, nicht weit davon im Lübchiner See „vielleicht" die Feste des Otimar, die dann „ v e r m u t l i c h " die Burg Lubyn). Später ist aber LISCH davon ganz zurückgekommen und hat scharf zwischen Otimar und Teterow 1171 (Meckl. Jb. 26, 1861, S. 181ff., oben Anm. 7) und Lübchin 1184 (Meckl. Jb. 23, 1858, S. 300ff.) unterschieden. Für Lübchin als Otimarsburg wieder EGGERT H , S. 52, A n m . 1. 21 ) Was bisher an Funden bekannt geworden ist, gibt dafür keinen Anhalt. Insbesondere der Hauptwall der Teterower Inselburg ist nach den bei dem Schnitt im Spätsommer 1952 gemachten Funden anscheinend frühestens im Laufe des 11. Jahrhunderts und wohl eher erst gegen dessen Ausgang angelegt worden. Von einer Zerstörung unter Mitwirkung von Feuer sind erst 1952/53 bei dem „Seetor" sehr bemerkenswerte Spuren herausgekommen. Die unter dem Wall zutage getretene Siedlung hat anscheinend mindestens bis gegen 1000 bestanden.
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Hauptburg in einem zentralen Unterbezirk Circipaniens. Es läßt sieh bisher auch nichts Entscheidendes gegen die Verbindung mit Otimar und 1171 geltend machen, und vorläufig ist unter den bekannten Burgwällen in dem in Betracht kommenden Bereich wohl keiner, der mit mehr Recht SAXOS Bericht für sich in Anspruch nehmen könnte. Dazu ein weiterer Hinweis. SAXO unterscheidet zu 1171 a) die Schwierigkeiten in Sumpf und Moor, ehe man Circipanien erreicht22), und b) in Circipanien den Weitermarsch durch Wälder von gewaltiger Ausdehnung („Ingentes deinde sylvas emensus") bis zu dieser Inselburg. Diese Schilderung paßt nicht recht auf Lübchin (Behren-Lübchin nur 8 km, Holz-Lübchin, allerdings über doppelt so weit von Tribsees), zeigt aber deutlich, daß Waldemar tiefer in das Innere eindrang, und verstärkt damit die Indizien für Teterow oder doch die weitere Umgebung von Teterow, wie mir scheint, nicht unwesentlich23). Anhangsweise eine kurze Bemerkung zu der Frage nach dem dänischen Anmarschwege 1171 und 1184. Man muß in erster Linie an den Übergang bei Tribsees denken. SAXO (zu 1184) und Ktl. (zu 1171 und 1184) nennen diesen Namen, ohne freilich ausdrücklich zu sagen, ob sie damit genau den Ort selber oder allgemeiner die Landschaft dieses Namens meinen. Die Schilderung der ungeheuren Schwierigkeiten könnte, was ich freilich nicht behaupten will, dazu verleiten, an einen der kleineren Nebenpässe zu denken, die zwischen den 3 Hauptübergängen (Damgarten-Ribnitz, Triebsees, Demmin-Dargun) auch in früheren Zeiten nicht ganz unbenutzt gewesen sind. Es würde sich auf alle Fälle lohnen, genauer den Nachrichten über sie nachzugehen. Die Straßen Semlow-Plennin-Marlow und Kavelsdorf-Sülze zwischen Damgarten-Ribnitz und Tribsees scheiden hier als zu weit nördlich aus; über FäsekowBasendorf-Quitzenow fehlt es uns vorläufig an Material. Aber über Nehringen, das ziemlich genau in der geraden Linie zwischen Strela und Teterow liegt, mag hier eine kurze Darlegung von cand. WEENER FEICKE in Greifswald angeschlossen werden, die methodisch nicht geringes Interesse bietet. Angeregt wurde sie durch Erörterungen, an denen auch Herr Bastian teilnahm, auf einer Exkursion meines Seminars nach Teterow im Sommer 1951. Nehringen gehörte zur Vogtei Tribsees und kirchlich zum Bistum Schwerin, lag aber hart an der Grenze gegen Loitz; 1498 wurde es an Stelle des benachbarten Dorow zum Kirchort erhoben (H. GEOTEEEND, Meckl. Jb. 68, 1903, S. 225)24). 22
) SAXO, 883f.: „Circipanensem statuit attentare provinciam. Quam d u m p e t e r e t . . . " Zu 1184 (982) scheint er freilich das Sumpf- und Moorgebiet zu Circipanien zu rechnen: „Tribusanam provinciam . . . peragrat. P o s t h a e c Circipanensium devexam paludem paternae miliciae aemulatione permensus . . ." Aber auch hier liegt für ihn - das zeigt doch die Bezugnahme auf 1171 - unzweifelhaft dieser „palus" im wesentlichen östlich der Recknitz-Trebel- Linie". 23 ) HELMOLDS „percussit partem modicam Circipanae regionis" kann nicht ernstlich dagegen ins Feld gefühlt werden. ") H. GROTEFEND (oben Anm. 5), S. 225.
Der Paß von Nehringen Von W . FRICKE,
Greifewald
Mit 1 Textabbildung und Tafel VIII, 2 und IX
Das Dorf Nehringen liegt auf dem östlichen Trebelufer südlich von Tribsees und somit fast auf der Luftlinie Teterow—Stralsund, dem Landungsplatz der Dänen1). Das Gelände ist hier für einen Übergang über die etwa 1 km breite, sumpfige Trebelniederung günstig. Die mäandrierende Trebel fließt bei Nehringen ganz dicht an die diluvialen Uferhöhen heran, während auf der westlichen Seite ein flacher Sandrücken, der „Holm" genannt, sich an den Fluß bis auf etwa 100 m heranschiebt. „Holm" ist in den nordischen Sprachen die Bezeichnung für „Insel", und dieser Sandhügel in nächster Nähe des Flusses ist um 0,55 bis 1,80 m höher als das übrige Ufer der Trebel. Mit dem bloßen Auge ist er kaum wahrnehmbar, aber für die Begehbarkeit des sonst moorigen Geländes ist diese geringe Höhe mit dem festen Untergrund von großer Bedeutung und eine der wenigen von der Natur begünstigten Übergangsstellen der rund 30 km langen Strecke Demmin-Tribsees. Mehrere tiefe Einschnitte ermöglichen dann den bequemen Anstieg auf die mehr als 20 m höher gelegenen Uferhöhen bei Kl. Methling. Heute führt eine Klappbrücke etwa 500 m westlich von Nehringen über die Trebel. Nur von der Nehringer Seite läuft eine feste Anfahrtsstraße zur Brücke, die sich auf der anderen Seite dann als schmaler Wiesenweg auf den „Hinterholm" zu fortsetzt. Aus der HeimatJiteratur 2 ) und den Aussagen alteingesessener Nehringer konnte ich entnehmen, daß die Brücke im Jahre 1913 erbaut worden ist. Nach Aussage der Küstersfrau hat vor dem Bau der Brücke der Fischer, welcher in dem „Fischerhus" vor der Brücke dem Dorfe zu gewohnt haben soll, einen Fährbetrieb unterhalten. Da eine Fähre in dem Meßtischblatt 2042 der Landesaufnahme von 1884 mit Nachträgen von 1911, ebenso auch in der ersten Aufnahme 1: 100000 vom Jahre 1860, Blatt 119, nicht verzeichnet ist, muß es sich nur um einen unbedeutenden Personenverkehr gehandelt haben, der hier zwischen Preußen und Mecklenburg stattfand. Dagegen wird der Übergang der damals wichtigen Landstraße Tribsees-Demmin über den Rothen-Brücken-Graben zwischen Nehringen und Camper von F. v. H A G E N O W in seiner „Karte von Neuvorpommern und Rügen". 1. Auflage 1839 und die vorher genannte Karte 1: 100000 besonders deutlich gekennzeichnet. Auch W. D E E C K E weist in seinem Aufsatz über „Die alten vorpommerschen Verkehrswege in ihrer Abhängigkeit vom Terrain" 3 ) auf diesen einstmals nicht unbedeutenden Paß hin, ohne einen Trebelübergang überhaupt zu erwähnen. Im vergangenen Jahrhundert war also ein Übergang über die Trebel kaum in Gebrauch. Aber ein Hinweis in der obengenannten Heimatliteratur und die mächtige Ruine des alten Bergfriedes, der sich als Überrest der einstigen Nehringer Burg am Rande des Trebeltals er') Vgl. SAXO 884 und Knytlinga-Saga MG. SS. XXIX, S. 316. *) Vgl. R. FISCHER in: F. KOHLS, Unsere Heimat, Grimmen 1931, S. 69. a ) Vgl. Pomm. Jb. 7. Bd., 1906, S. 182r. 11 Frühe Burgen
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W. Fbicke
hebt, gaben infolge der Ausgrabungen bei Teterow Veranlassung, in noch älteren Kartenwerken nach Belegen für einen Übergang und nach der Lage desselben in diesem, durch moderne Kulturarbeiten bereits veränderten Wiesengelände zu suchen. Dabei stellte es sich heraus, daß noch die Karte des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin aus dem Jahre 1788 von
Abb. 1. Umgebung von Nehringen in heutiger Zeit nach den Meßtischblättern: 589/1942, 590/1943, 673/2042, 674/2043
dem Grafen von Schmettau eine für jene Zeit und diese Gegend vollwertige Landstraße zeigt, die von Kl.-Methling an die Trebel auf Nehringen zu führt. Auf der pommerschen Seite ist diese Straße dann nur punktiert angedeutet. Der Wandel in der Bedeutung dieses Nehringer Passes muß meines Erachtens durch die Entwicklung der Verkehrsmittel, in diesem Falle durch die Chaussierung Norddeutschlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervorgerufen worden sein. Auf Grund der Vorteile, die die Chausseen dem Fuhrverkehr boten, geriet manche alte Landstraße in Vergessenheit 4 ). Außerdem grenzten hier zwei Territorien, 4 ) Vgl. E. Rtjbow, Die alten Poststraßen in Neuvorpommern, im Heimatkalender für die Kreise Qreifswald und Grimmen, 1929, S. 76-80.
Der Paß von Nehringen
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seit 1815 das Königreich Preußen und das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin aneinander, und der Verkehr war infolge der strengen Zollaufsicht nur auf wenige Hauptübergangsstellen beschränkt. Bei einem Vergleich der Schmettauschen Karte mit dem Meßtischblatt ergibt sich folgende durch Begehung bestätigte interessante Tatsache: Ebenso geradlinig wie Graf von Schmettau es gezeichnet hat, führt beute noch ein Weg von Kl. Methling aus zur Trebel. Den sonstigen Geländemerkmalen nach zu urteilen, müssen beide abgebildeten Wege identisch sein, jedoch führt dieser Weg auf dem Meßtischblatt nicht, wie Schmettau es gezeichnet hat, auf Nehringen, sondern auf Camper zu. Einen Schritt weiter zur Klärung dieses Problems bringt uns die schwedische Matrikelkarte von 1697. Auf ihr sind zwei Wege, die auf der pommer schen Seite zur Trebel führen, verzeichnet. Der eine führt unterhalb der Nehringer Burg und der andere, von Camper aus diesseits des Roten-Brücken-Grabens bleibend, zum Fluß. Auf den Meßtischblättern ist hier — im Gegensatz zu der mecklenburgischen Seite — kein Weg mehr zu entdecken. Nun ist aber in dem der Matrikelkarte zugehörigen Ausrechnungsbuch (Fol. 426) bemerkt, daß die Dämme, welche zur Trebel führen, mit tiefen Gräben an beiden Seiten (wohl wegen der Feuchtigkeit) versehen seien. Heute noch läuft ein Graben südlich der Burg zur Trebel und am gegenüberliegenden Ufer endet ein Wiesenweg, während westlich Camper ein Weg in den Trebelwiesen in einen Graben ausläuft, diesem wieder liegt der von Kl. Methling auf Camper zuführende Weg auf dem westlichen Ufer gegenüber. Im Ausrechnungsbuch (Fol. 419) wird die Wiese, über die der westlich von Camper zur Trebel führende Weg geht, als „Dammwisch" bezeichnet. Noch heute verläuft streckenweise neben dem von Camper zur Trebel führenden Weg ein mächtiger Wall aus Findlingen und Erde bis an die Dammwisch heran. Es handelt sich also hier um zwei Übergänge. Es ist anzunehmen, daß Graf von Schmettau diese in seinem Kartenwerk verwechselt hat und den gradlinigen Anfahrtsweg — wohl weil es sich um den N e h r i n g e r Paß handelte — nicht wie in der Wirklichkeit auf Camper, sondern auf Nehringen zu führte. Dieses Ergebnis der Kartenkritik müßte sich durch Spatenforschung belegen lassen. Da R. FISCHER uns von langen Reihen alter Eichenpfähle berichtet, die bei der Anlage eines Bewässerungsgrabens gefunden worden sind6), liegt die Möglichkeit nicht fern, daß hier einstmals ähnliche Brückendammbauten betätigt wurden, wie wir sie bei den Ausgrabungen in Teterow sehen können, ohne daß damit gesagt sein soll, daß sie aus der gleichen Zeit, wie diese stammen. Es kann hier noch bemerkt werden, daß der Damm von Nehringen nach Camper nicht erst ,,vor gut einhundert Jahren" angelegt worden ist, wie P. FISCHER irrtümlich berichtet6), sondern schon auf der Matrikelkarte von 1697 verzeichnet ist, und damals bereits der alte etwa 950 m östlich davon gelegene Damm im Verfall begriffen war und nur noch kleine Strecken von ihm auf der Karte verzeichnet sind. Den Nehringer Trebelübergang halten die Heimatforscher P. und R. FISCHER für gleichaltrig mit der Burg, also für mittelalterlich. Sicherlich wird in jener Zeit der Paß von Nehringen eine bedeutende Rolle gespielt haben, wurde doch 1327 der Friede in dem dicht benachbarten Brudersdorf zwischen Pommern und Mecklenburg abgeschlossen, und das Vorhandensein der auf dem Mecklenburgischen Ufer liegenden Burg Wasdow unterstreicht noch die strategische Bedeutung dieses Gebietes in früherer Zeit7). Aber in den Urkunden des Mittelalters scheint uns nichts über Nehringen und Camper überliefert worden zu sein. Die benachbarten Dörfer Bauersdorf (heute Keffenbrink), Grammendorf und Zarnekow werden dagegen im Jahre 1291 genannt8). Auch in den zusammenfassenden Arbeiten von ») Vgl. S. 70. «) Vgl. Unsere Heimat, S. 62. ') Vgl. A.-L. KOCH, Jb. d. Vereins f. meckl. Gesch., 4. Jahrg., 1838, S. 186 und J. BITTER, ebenda 9.Jahrg. 1844, S. 357. ») Vgl. Pomm. Ub. III, Nr. 1574, 8. März 1291.
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W . FRICKE
und BOLLNOW wird die Burg nicht erwähnt"). Da nur die vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen von ihnen bearbeitet wurden, muß man hieraus schließen, daß auch bei ihnen die Burg Nehringen alB jüngere Anlage galt. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, daß die Bedeutung dieses Platzes bis in die slawische Zeit zurückreicht, denn auch der schwedische Landmesser verzeichnet in der Karte nördlich Camper einen „Wendscharkhoff". Zwar sind solche volkstümlichen Bezeichnungen bekanntlich mit größter Vorsicht aufzunehmen, aber sie enthalten oftmals einen wahren Kern. Es käme darauf an, einmal dieses Gelände mit prähistorischer Methode zu erforschen. Eine seltene Drachenfibel, wohl wikingischer Herkunft (eine ähnliche wurde in Öland und eine auf Gotland gefunden) aus dem Beginn des 7. Jahrhunderts, wurde 1935 bei Nehringen aus der Trebel gebaggert10), und kann die frühgeschichtliche Bedeutung Nehringens, ohne eine bestimmte Aussage zu machen, unterstreichen. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist, daß wir zwei alte Übergänge im Nehringer Raum gefunden haben, jedoch liegen sie an ganz anderen Stellen, als an der, wo heute die Brücke steht. Diese Übergänge waren zur Zeit der schwedischen Landesaufnahme beide im Besitz des Nehringer Herrn. Dies wird wohl kaum von vornherein der Fall gewesen sein. Da nämlich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß beide Übergänge zu gleicher Zeit in Benutzung waren, liegt der Gedanke nahe, daß an dem Graben zwischen Nehringen und Camper zwei verschiedene Machtbereiche aneinander grenzten, und somit in jedem sich ein Damm befand. Denn wozu legt man etwa 1000 m voneinander entfernt zwei so mühsam zu errichtende Dämme an? Die Annahme einer Grenzlinie in diesem Raum ist nicht ganz so unwahrscheinlich wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Schon C. G. FABRICIUS legte hierher die Grenze zwischen dem Fürstentum Rügen und dem Herzogtum Pommern, und zwar in der Annahme, daß diese Gebietseinteilung schon aus slawischer Zeit stammen könnte, bestärkt durch das Vorhandensein der merkwürdigen langen Steinwälle zwischen Loitz und Mehringen (richtiger bis westlich von Camper)11). L. GIESEBRECHT hat diesen Gedanken in seiner Abhandlung über die luitizischen Landwehre nur flüchtig aufgenommen12). Aber aus dem von F. CURSCHMANN veröffentlichten Bederegister des Landes Loitz von 1343 geht gleichfalls hervor, daß noch zu jener Zeit hier die Grenze zwischen den Vogteien Loitz und Tribsees verlief13). KTJNKEL
Es kann also mit der Methode des Vergleichs der Kartenquellen nicht nur der frühhistorischen Feldforschung ein Fingerzeig gegeben werden, sondern diese kann evtl. wieder, wenn sie die Frage nach dem Alter dieser beiden Dämme beantwortet haben wird, bei der möglichen Gleichaltrigkeit derselben auch für die Umgrenzung der frühmittelalterlichen Landschaften einen Anhaltspunkt bieten. ") Vgl. O.KUNKEL, Burgwallforschung in Pommern, Pomm. Heiinatpflege 3. Jahrg., 1932, S. 81 ff. und H. BOLLNOW, Burg und Stadt in Pommern . . . Balt. Stud. N. F. 38, S. 48-96. l0 ) Vgl. W. PETZSCH in: Mitt. aus der Sammlung des vorgesch. Sem. Greifswald, VIII, 1935, S. 34ff. u ) Vgl. Urkunden zur Geschichte des Fürstentums Rügen, 2. Bd., 2. Teil neubearb., Berlin 1859, S. 34. 12 ) Vgl. Balt. Studien, 11. Jahrg., 1845, 2. Heft, S. 167. 13 ) Vgl. Pomm. Jb., 34. Bd., 1940, S. 7.
Zu den slawischen Wallanlagen des Gaues Nisan Von WEBNER COBLENZ, D r e s d e n Mit 3 Textabbildungen
Durch seine große Zahl von slawischen Anlagen und die verhältnismäßig frühe Verknüpfung des Meißner Gebietes mit der Geschichte istder Gau Daleminzien 1 ) besserund schneller bekannt geworden als sein östlicher Nachbar, der Gau Nisan. Dieser nimmt die Elbtal wanne von Pirna bis kurz vor Meißen ein und bietet das Bild einer langgestreckten Siedlungsfläche, deren räumliche Begrenzung durch die das Elbtal einschließenden Höhen gegeben wird. E s entsteht damit vor unseren Augen ein ähnliches Bild wie in anderen slawischen Siedlungseinheiten, bzw. für vorgeschichtliche Besiedlungsvorgänge im allgemeinen. Eine Kartierung sämtlicher zur Zeit bekannten Siedlungs- und Grabfunde aus slawischer Zeit zeigt, daß sich alle diese Hinterlassenschaften im Elbbecken sammeln, daß dabei im wesentlichen das Gelände über dem Flußbett der damaligen Elbe bis zu 140 m—160 m bevorzugt wurde und die 200 m-Linie nur in den seltensten Fällen überschritten wird — auch dann liegen die Funde relativ eng bei dieser Höhe selbst (die Elbe fließt heute in der Gegend von Pirna in einer Höhe von 115 m—112 m über NN, bei Meißen in etwa 100 m über NN). Die Karte veranschaulicht uns, daß selbstverständlich nicht nur das heutige Elbtal, die alten Elbarme und die Gebiete des uns bekannten größten Hochwassers (1845) fundfrei bleiben, sondern auch das Becken im Südosten von Dresden mit Einschluß der inneren Stadt. E s handelt sich dabei um ein ebenfalls sehr flaches Gelände, das erst kurz vor dem auf der Karte deutlich hervortretenden Kreis slawischer Fundstellen leicht ansteigt. Von den 4Fund stellen außerhalb des umschriebenen Siedlungsraumes des Gaues Nisan ist die Lage über Bächen hervorzuheben, während ein Fund (27 ?) zeitlich überhaupt so scharf nicht einzugliedern ist, handelt es sich doch um einen Schlittknochen, der genauso auch aus frühdeutscher Zeit stammen könnte. Die jetzige Funddichte kann kein Anhalt für die Besiedlungsdichte der Slawenzeit, sein, da das Auffinden der Kulturreste zum größten Teil im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben und Stadterweiterungen der letzten fünfzig Jahre steht, womit sich die relative Häufung im Vorstadtgebiet von Dresden (besonders nach Südosten) erklärt, womit aber gleichzeitig die Begrenzung des zur Siedlung bevorzugten Gebietes klarer und sicherer wird. Der gesamte Gau Nisan ist nun mit Burgwällen ziemlich gleichmäßig durchsetzt. Ihre Vorlage muß hier nochmals kurz erfolgen, da einmal zu viele Irrtümer bestehen, und zum anderen durch die Entdeckung zweier Anlagen in jüngster Zeit doch einiges Licht in die bisher immer so unklaren rechtselbischen Verhältnisse zu kommen scheint, wenn auch die isolierte und vorgeschobene Stellung des Seifersdorfer Burgberges heute noch nicht restlos zu klären ') Bei der Vorlage der Wallanlagen kann jeweils nur ein Teil der vorhandenen Quellen angegeben werden, da deren Gesamtaufzählung ein Vielfaches an Umfang einnehmen würde und außerdem aus den angeführten Werken zu ergänzen ist. — Als Unterlagen dienten ferner Archiv und Kartei des Lan'desmuseums für Vorgeschichte Dresden mit den vielen Abänderungen, die sich nach Auswertung der Geländebesichtigungen des Verfassers ergaben. - W. BADIG, Der Burgberg Meißen und der Slawengau Daleminzien, 1929.
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W E R N E R COBLENZ
Abb. 1. Der Burgberg Seifersdorf
(nach cand. geod. LüCK, 1951)
Zu den slawischen Wallanlagen des Gaues Nisan
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sein dürfte. Im einzelnen ist zu den slawischen Anlagen des Gaues Nisan heute folgendes zu sagen: 1. Seiferadorf bei Radeberg: Der Burgberg. Meßtischblatt ( = M b l . ) 51 (4849) N 21,2
W 15,0
Geländezunge über der Röder mit Abschnitts wall. Ehemalige Länge des Walles etwa 100 m, erhaltene Länge 40 m, Höhe 3 m. Länge der geschützten Zunge 150 m. Der Lehmwall ist mit Platten abgedeckt. (Abb. 1) Wiederentdeckung durch A L F R E D N E U G E B A U E R , Dresden. Bronzezeitliehe, slawische und mittelalterliche Funde im Landesmuseum. 2. Pillnitz (Gelände des Forstreviers Lohmen): Wallanlage „Kanapee". Mbl. 67 (4949) S 7,5 W 13,5
Abb. 2. Das „Kanapee" bei Pillnitz (nach cand. geod. RODIG, 1 9 5 1 )
Auf einem längsovalen Plateau von 260 m X 65 m zwischen dem Vogel- und Friedrichsgrund zwei Stirnwälle mit Längen von etwa 45 m und 80 m— 90 m bei maximalen Höhen von 1,50 m und 3 m. Wälle etwas verschliffen. (Abb. 2) Wiederentdeckung durch Baurat O S K A R P Ü S C H , Dresden. Lausitzische, besonders Billendorfer, und slawische Keramik im Landesmuseum. Die Wallanlage selbst dürfte bereits von den Lausitzern erbaut worden sein (Wiederbenutzung durch die Slawen, wie z. B. in Dresden-Coschütz). 3. Dohna: Robsch, Raupscher, Raubbusch 2 ). Mbl. 83 (5049) N 15,8 W 6,1 Über dem Müglitztal auf einer Geländezunge zwischen zwei Nebenbächen ein Abschnittswall mit drei Abschnittsgräben davor. Länge des Abschnittswalles 50 m—60 m, Höhe etwa 6 m, Länge des geschützten Abschnittes 120 m. s ) Unter anderen E . WALTHER, Vorgeschichte der Sächsischen Schweiz, 1931, S. 3 3 - 3 5 (Abb. S. 34, Fundverzeichnis S. 95, Nr. 2). - Derselbe, Die Wall- und Wehranlagen der Sächsischen Schweiz, 1930, S. 9—12. — W. RADIG, in W. HÜLLE, Westausbreitung und Wehranlagen der Slawen in Mitteldeutschland, 1940, S. 149.
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WERNER COBLENZ
An der Spitze des geschützten Plateaus ist eine spätere turmartige Anlage mit Vermauerung sichtbar. Die drei dem Abschnittswall weit vorgelagerten Abschnittsgräben gehören wahrscheinlich zu dieser jüngeren Anlage. Funde stammen ebenfalls aus verschiedenen Zeiten: Junglausitzische Scherben deuten auf eine Höhensiedlung dieser Zeit, die Hauptmasse, die auch im Wallbereich besonders häufig auftritt, stammt aus mittel- bis spätslawischer Zeit, für die Zeitansetzung der gemauerten Anlage und vielleicht auch der drei Abschnittsgräben sprechen die frühdeutschen und mittelalterlichen Scherben. Funde im Landesmuseum, im ehemaligen Völkerkundemuseum Leipzig, Museen Pirna und Dohna, Sammlung N E U G E B A U E R . 4. Dohna-, Burgberg (Schloßberg) 3 ). Mbl. 83 (5049) N 20,0 W 6,2 Auf einer Felszunge über einer Flußschlinge der Müglitz eine Randbefestigung (150 m x 40 m bis 50 m) mit Abschnittsgraben. Die heute erkennbaren Reste stammen von der mittelalterlichen Burg (Sitz der Burggrafen von Dohna). Wahrscheinlich vorher slawische Befestigung (Abschnittswall mit Graben?). Das Plateau war schon in junglausitzischer Zeit besiedelt. Lausitzische, slawische, frühdeutsche und mittelalterliche Funde im Landesmuseum, ehemaligen Völkerkundemuseum Leipzig, Museen Pirna und Dohna, Sammlung N E U G E B A U E R und andere Privatsammlungen. 5. Kleinborthen (Burgstädtel) 1 ): Burgberg, Burgschanze. Mbl. 82 (5048) N 15,0 O 13,5 Auf einer Geländezunge über der Lockwitz ein slawischer Abschnittswall mit einer erhaltenen Länge von knapp 20 m bei einer Höhe von mehr als 4 m. Länge der geschützten Zunge 100 m—150 m. Slawische und frühdeutsche Scherben im Landesmuseum. 6. Dresden-Lockwitz: Burgberg 5 ). Mbl. 82 (5048) N 6,5 O 9,0 Abschnittswall auf einem Geländevorsprung über dem Lockwitztal. Sehr verflacht und durch Steinbruchsbetrieb zum Teil zerstört. Länge des geschützten Plateaus etwa 70 m. Slawische Funde im Landesmuseum, Museen Pirna und Dohna, ehemaliges Museum Lockwitz, Sammlung B A M B E R G . 7.
Dresden-Briesnitz*). Mbl. 66 (4948) N 13,7 W 2,5 Südlich vom Borngraben (nicht nördlich wie bei RADIG) an der Elbe Reste einer alten slawischen Wehranlage mit Trocken- und Holzerde-Mauer.
s ) Unter anderen K. PREUSKER, Blicke in die vaterländische Vorzeit, Bd. II, 1843, S. 239; III, 1844, S. 134. E. WALTHER, Die Wall- und Wehranlagen, S. 12ff., 114. - Derselbe, Vorgeschichte, S. 35-39, S. 96, Nr. 3. O. TRAUTMANN, Zur Geschichte der Besiedlung der Dresdner Gegend, Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, 22. Heft, 1912, S. 9, 23, 74 (auch der Robsch jeweils erwähnt). - G. SCHLAUCH, Dohna, in A. MEICHE, Die Burgen und Wohnstätten der Sächsischen Schweiz, 1907, S. 67-87. - W. RADIO, in HÜLLE, a. a. O., S. 149. 4 ) Unter anderen W. RADIO, in HÜLLE, a. a. O., S. 149. - P. WERKMEISTER in Sachsens Vorzeit, 1938, S. 67 (Vermessungsplan). 5
) U n t e r a n d e r e n O. TRAUTMANN, a. a. O., S. 8 u n d 82. -
W . RADIG, in HÜLLE, a. a. O., S. 141, 142.
•) Unter anderen O. TRAUTMANN, a. a. O., S. 8 und 72. - 0 . MÖRTZSCH, Vom Burgward Briesnitz bis zum Burgberg Niederwartha. Geschichtliche Wanderfahrten 4, 1930, S. 3ff. - W. RADIG, in HÜLLE, a. a. 0 . , S. 141. K . PREUSKER, a. a. 0 . , III, 1844, S. 1 - 3 , 16, 134. -
G. BIERBAUM, Vorgeschichte in Erläuterungen zur Geo-
logischen Karte von Sachsen im Maßstab 1: 25000, Nr. 66, Blatt Dresden, III. Auflage, 1934, S. 187 (Nr. 84). H. PETSCH, Sachsens Vorzeit 1940, S. 58.ff - K. GÜNTHER, a. a. 0., S. 67ff. (Münzbearbeitung von Briesnitz).
Zu den slawischen Wallanlagen des Gaues Nisan
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Funde des 10. Jahrhunderts im Landesmuseum und in der Schule Dresden-Briesnitz. Aus der nächsten Umgebung des Walles weitere slawische und frühdeutsche Scherben. 8. Niederwartha III: Böhmenwall, Böhmerwall7). Mbl. 65 (4947) N 5,6 0 17,8 Geländezunge über dem Tännichtgrund mit Abschnittswall. Länge des geschützten Plateaus 80 m—100 m, Breite bis 40 m, Wallänge etwa 15 m, Höhe 3 m—4 m. Spätslawische und frühdeutsche Funde im Landesmuseum. 9. Niederwartha I: Burgberg8). Mbl. 65 (4947) N 4,0 O 18,0 Über einem Talsporn über dem Tännichtgrund Gipfelwall mit betontem Frontwall und Vorwall. Größe des geschützten oberen Plateaus etwa 100 m x 50 m bis 60 m. Vorwall stark verschliffen. Spätere Benutzung als Burgward. Slawische und frühdeutsche Scherben in großer Zahl im Landesmuseum, den anderen Museen der Dresdner Umgebung und ungezählten Privatsammlungen. 10. Dresden-Coschütz: Heidenschanze11). Mbl. 66 (4948) S 9,5 W 6,5 Ursprünglich spätlausitzischer Ringwall über dem Plauenschen Grunde. Der Wall nach der Hochfläche zu (nach dem Ort Coschütz) besonders erhöht, da von hier aus Angriffe am ehesten zu erwarten waren. Vom Gesamtplateau des ursprünglichen Wallbezirkes sind durch Steinbruchsarbeiten an den drei Steilhangseiten wesentliche Teile der Randbefestigung und des besiedelten Innenraumes vernichtet worden. Heutiger Plateaudurchmesser etwa 150 m. Der Hauptwall nach dem Ort zu macht heute den Eindruck eines Abschnittswalles. Dieses Südoststück allein scheint auch in slawischer Zeit wieder befestigt worden zu sein. Viele Funde der jüngeren Lausitzischen Kultur, der mittel- und spätslawischen Zeit und frühdeutsche Ware im Landesmuseum, in vielen Schul- und Privatsammlungen sowie in- und ausländischen Museen. 11. Weistropp: Kirchberg10). Mbl. 65 (4947) N 5,0 O 22,3 Unter Umständen slawischer Wall gewesen, der allerdings heute restlos überbaut ist. Funde liegen von dem angegebenen Gelände ebenfalls nicht vor. 12. Sörnewitz: Die Bösel (Deutsche Bösel)11). Mbl. 49 (4847) S 17,8 W 4,0 Auf einer Felszunge über der Elbe Abschnittewall mit Abschnittsgraben, beides verflacht. Dieser Wall wird oft als Westgrenze des Gaues Nisan angegeben (RADIG), was auch rein räumlich durchaus möglich wäre, nur fehlen leider bisher noch immer ') 0 . MÖBTSCH, a . a . O . , S. 18. 8
) U n t e r a n d e r e n K . P B E U S K E B , a . a . O., ITI, 1 8 4 4 , S. 3 f f . , 1 6 f f . , 1 3 4 . -
O . MÖRTSCH, a . a. 0 . , S. 1 6 f f .
-
W . R A D I G , i n H Ü L L E , a . a . O., S. 1 4 6 . 9
) Unter anderen G. BIEEBATJM, Von Schanze zu Schanze, 1932, S. 14ff. - Derselbe, Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 10, 1934, S. 61/62. - O. KLEEMAUN, Burgwallgrabung in Dresden-Coschütz im Jahre 1934, Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 11, 1935, S. 148ff. - W. RADIO, in HÜLLE, a. a. O., S. 141. 10 ) Unter anderen K. PBETJSKEB, III, 1844, S. 4. u
) U n t e r a n d e r e n K . P B E U S K E B , I I I , 1 8 4 4 , S. 6 . - G . BIEBBAUM, i n P B Ü F E B , N o r d s ä c h s i s c h e s W a n d e r b u c h ,
1925, S. 251. - W. RADIO, Der Burgberg Meißen und der Slawengau Daleminzien, 1929, S. 19/20, Tafel VII und VIII. - Derselbe, in HÜLLE, a.a. O., S. 147. - P. WERKMEISTEB, Sachsens Vorzeit 1938, S. 69 (Plan). 1 2 Frühe Burgen
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W E E N E R COBLENZ
die Funde (trotz verschiedener kleinerer „Versuchsgrabungen"). Dabei sind bisher lediglich spätlausitzische Scherben geborgen worden. 13. Dresden-Loschwitz-. Der Burgberg. Mbl. 66 (4948) N 19,0 0 4,5 Auf einer vorgeschobenen Hochterrasse über dem Elbtal vermutlich spätslawischer Abschnittswall. Überbaut. Ohne slawische Bodenfunde. Von den bei R A D I G (1940) weiter für den Gau Nisan genannten Anlagen ist der Wall von Dresden-Omsewitz durch Funde als slawisch nicht belegt, wohl aber stammen von dort bronzezeitliche Scherben und solche aus frühdeutscher Zeit. Der Kingwall dürfte eher eine frühdeutsche Warte gewesen sein. Der Burgwartsberg von Pesterwitz dürfte dieselbe Einstufung erfahren müssen, wie die von dort bekannten Funde vermuten lassen. Auch R A D I G neigt sicher zu dieser Ansicht, wie die Kennzeichnung als fraglich glauben läßt. Die meisten der aufgeführten Anlagen des Gaues Nisan sind ausgesprochene Abschnittswälle (Seifersdorf, Dohna-Robsch, Kleinborthen, Dresden-Lock witz, Niederwartha-Böhmerwall, Dresden-Coschütz in der slawischen Periode, Sörnewitz), lediglich der Plateauwall von Pillnitz (Kanapee) trägt je einen Schutzwall nach Osten und Westen, und der Burgberg Niederwartha zeigt hinter einem Abschnittswall eine Art,,Oberburg" als geschlossenen Ring. Ähnlich sind unter Umständen die Befestigungsverhältnisse beim Dohnaer Burgberg gewesen. Die Wälle halten sich fast ausschließlich an den Terrassenrändern der Elbe oder deren Nebenflüsse. Aus dem geschlossenen, eng an die Elbe geschmiegten Rahmen fällt lediglichder Seifersdorfer Burgberg. Er könnte vielleicht als Verbindung zur Oberlausitz gedeutet werden, andernfalls aber auch als Außenposten vor die in slawischer Zeit unbesiedelten Gebiete der Heiden um Dresden, die im Gegensatz dazu z. B. aus der Bronzezeit viele und reiche Funde lieferten, gedacht werden. Während die Wälle das Besiedlungsgebiet nach Norden, Westen und Süden nahezu abschließen, ist nach dem Elbsandsteingebirge kein besonderer Schutz mehr gegeben. Auch die slawischen Funde ergänzen das gewonnene Bild ganz bedeutend. Liste der slawischen Funde im Qau
Nisan
Oraber
(14 = Nummer der Karte) Pirna, Sandgasse: Slawisches Körpergrab von 1935. Das Skelett lag gestreckt in Richtung WSW—ONO mit dem Blick nach ONO. Humöse Verfärbungen in der Brustgegend lassen auf Holz- oder Lederreste schließen. Ein doppelkegliges Gefäß stand zwischen den Füßen. An derselben Stelle wurden schon 1898 Skelette gefunden, so daß man auf einen slawischen Friedhof schließen kann. — Landesmuseum, unveröffentlicht. (15) Heidenau, Ring-Bahnhofstraße: 8 Skelettgräber, dabei ein Grab mit ähnlichem Topf wie Pirna. Skelette in gestreckter Rückenlage. Gefunden 1929 und 1930. — Knochen und keramisches Material im Landesmuseum12). (16) Dresden-Niedersedlitz, an der Straße nach Dresden-Prohlis: Spätslawisches Skelettgräberfeld (1900). — Funde im Landesmuseum13). (17) Sobrigau, südlich vom Ort: Spätslawisches Skelettgräberfeld mit Grabsteinen und eingearbeiteten Kreuzen (10.—11. Jahrhundert) (1889 und 1890). — Funde im Landesmuseum, dabei auch Grabsteine (einer weiterhin in Pirna, einer in Gaustritz, einer in Berlin)14). 12 13
) E. WAI/THER, Vorgeschichte der Sächsischen Schweiz, 1931, S. 32 und 98.
) E . WALTHEB, a. a. O., S. 3 2 u n d A b b . S. 33, S. 95. -
J . V. DEICHMÜLLER, S p ä t s l a w i s c h e s S k e l e t t g r ä b e r -
feld bei Niedersedlitz, Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden, 1900, S. 22ff. FRENZEL, RADIG, RECHE, G r u n d r i ß d e r V o r g e s c h i c h t e S a c h s e n s , 1935, S. 164—165.
") FRENZEL, RADIG, RECHE, Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, 1935, S. 164, 343ff., dort auch die weitere Literatur! Dazu Abb.332—334. — Weiteres wahrscheinlich slawisches Skelett 1939. Nachrichtenblatt für deutsche V o r z e i t 18, 1942, S. 2 2 5 (G. BIERBAUM) .
Zu den slawischen Wallanlagen des Gaues Nisan
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(18) Dresden-Omsewitz, Omsewitzer Höhe (1938): Grab mit Schläfenring (wahrscheinlich Brandgrab). — Funde im Landesmuseum 15 ). (19) Dresden-Stetzsch, Gohliser Straße: Brandgrab mit unverziertem eiförmigem Topf, dreiflügeliger Eisenpfeilspitze und Wetzsteinanhänger (1926). „Awarengrab". —Landesmuseum 16 ). (20) Radebeul-Kötzschenbroda, Fabrikstraße: Reihengräberfeld mit drei Skeletten, wovon eines zwei Schläfenringe barg (zwei Gräber W—0, ein Grab NW—SO orientiert). Gefunden 1925, bereits 1920/21 waren weitere Schädel gefunden worden 17 ). (21) Radebeul, Friedhof: Gestörtes Skelett mit Blick nach Osten. — Ohne Funde. (22) Gauernitz, bei der Ziegelei Neu-Gauernitz: Skelettgräberfeld mit Keramik (1871 ff.). Latidesmuseum 18 ). Siedlungen und andere slawische Kulturreste (23) Zatschke bei Pirna, an der „Weißen Taube": Scherben mit Bodenkreuz (slawisch oder frühdeutsch, 1940). — Landesmuseum 19 ). (24) Mockethal, Mockethaler Grund: Slawische (?) und mittelalterliche Scherben (1937). — Landesmuseum 20 ). (25) Birkwitz, Westausgang des Ortes: Gruben mit einem Gefäß und Resten eines zweiten (1939). — Landesmuseum 21 ). (26) Dresden-Söbrigen, am Hang oberhalb der Dampfer-Anlegestelle: Slawische Scherben. — Landesmuseum 22 ). (27) Gönsdorf bei Dresden, an der ehemaligen Windmühle: Schlittknochen (um 1930). Zeitstellung? — Landesmuseum. (28) Dresden-Niedersedlitz (Großluga), Umspannwerk: Slawische und frühdeutsche Scherben (1929). — Landesmuseum. (29) Dresden-Niedersedlitz, Straße nach Kleinluga: Spätslawische Scherben (1914). — Landesmuseum. (30) Dresden-Leuben, Parzelle 95: Slawische Siedlung mit Mühle (1927). — Landesmuseum 23 ). (31) Dresden-Prohlis, L u f t b a d : Spätslawische Siedlung (1900). — Landesmuseum 24 ). (32) Dresden-Lockuiitz, Pfarrhaus: Mahlstein und spätslawischer Topf (1903). — Landesmuseum 25 ). (33) Dresden-Lockwitz, Einschnitt an der Straße nach Nickern: Slawische Siedlung mit Scherben und Lehmbewurf (1911). — Landesmuseum 26 ). ") J. HOFI-MANN, Sachsens Vorzeit, 1939, S. 164 und Abb. auf S. 163. LE
) FRENZEL, EADIG, BECKE,
Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, 1935, S. 164, S. 427, Abb. 322.
-
W. FRENZEL, Bautzener Geschichtehefte VII, 1929, S. 163 ff. 17
) FRENZEL, RADIG, RECHE, Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, 1935, S. 163.
18
) 0 . TRAUTMANN, a. a. O., S. 10 und 75. - Sitzungsberichte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden, 1871, S. 94 und 126. -Korrespondenzblatt der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft, 1872, S. 7. FBENZEL, RADIG, RECHE, Grundriß
der Vorgeschichte
Sachsens, S. 164ff., 175 mit Abb. auf S. 174.
-
G. BIERBAUM, Slawische Totenbestattung, Bautzener Geschichtshefte III, 1925, S. 243ff. — Die jetzige Gemeindekiesgrube Gauernitz lieferte 1946 und 1947 Reste von drei Skeletten. Beigaben sind nicht erhalten, trotzdem in einem Falle von einem mitgegebenen Topf die Rede war. '») (S.: 246/40). Im Tätigkeitsbericht nicht erwähnt. 20 ) Erwähnt im Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 15, 1939, S. 157 (W. GRÜNBERG). 21 ) Erwähnt im Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 18, 1942, S. 225 (G. BIERBAUM). 2ä ) Lesefunde von 1946. 23 ) G. BIERBAUM, Vorgeschichte in Erläuterungen zur Geologischen Karte von Sachsen im Maßstab 1: 25000, Nr. 66, Blatt Dresden, S. 153 (Nr. 19). u
) G. BIERBAUM, a. a. 0 . , S. 157, N r . 79.
!S
) 0 . TRAUTMANN, a. a. O., S. 10 u n d
28
82.
) Sitzungsberichte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden, 1911, S. 9. - O. TRAUTMANN, a. a. 0., S. 82.
92
W E E N E R COBLENZ
(34) Dresden-Torna, Goldener Stiefel — Tornaer Ring: Slawische Siedlung (1938/39). — Landesmuseum 27 ). (35) Dresden-Leubnitz-Neuostra, Altleubnitz 13: Siedlung mit slawischen und frühdeutschen Funden (1934). - Privatbesitz 28 ). (36) Dresden-Leubnitz-Neuostra, Friebelstraße: Slawische Siedlung (1890 und 1933). — Privatbesitz 89 ). (37) Dresden-Leubnitz-Neuostra, Kauschaer Straße: Slawische Siedlung (1930). — Landesmuseum80). (38) Dresden-Leubnitz-Neuostra, Osthang des Heiligen Grundes: Slawische Siedlung (1935). Landesmuseum. (39) Dresden-Mockritz, Stadtrandsiedlung Bozener Weg: Herdstelle mit Scherben (1934) und slawisches Haus (1938). — Landesmuseum 31 ). (40) Dresden-Zschertnitz, Ziegelei-Lehmgrube: Slawische Siedlung (1935—1938). — Landesmuseum 32 ). (41) Dresden-Südvorstadt, NO der Lukaskirche: Slawische Siedlung (nach 1900). — Ehemals Schulmuseum Dresden 33 ). (42) Dresden-Plauen, Am Forsthaus: Slawische Siedlung (1922). — Landesmuseum 34 ). (43) Banneivitz, Südweg 6: Slawische Scherben (1939). — Landesmuseum 35 ). (44) Freital-Großburgk, Burgker Straße: Slawische Scherben (1937). — Landesmuseum36). (45) Dresden-Dölzschen (Roßthal): Mit Einstichen verzierte Randscherbe (Übergang spätslawisch /frühdeutsch) (1931?). — Landesmuseum. (46) Dresden-Löbtau, Dorfplatz (bei Friedenskirche): Slawischer Topf (1900). — Landesmuseum37). (47) Dresden-Löbtau, Annenfriedhof: Silberner Schläfenring (1920). — Landesmuseum38). (48) Dresden-Kemnitz, Autobahn am Kirchberg: Slawische Scherben (1933—1935). — Landesmuseum. (49) Merbitz (zu Brabschütz), Gärtnerei Hofmann (Nr. 4): Slawische Herdgrube mit Scherben (1925). — Landesmuseum. (50) Cossebaude, Neue Schule gegenüber dem Bahnhof: Slawische Herdstellen (1894). — Landesmuseum 39 ). (51) Niederwartha, Wasserschloß bei Höhe 237,4: Unverzierte slawische Scherben (1936). — Landesmuseum. (52) Radebeul III (Oberlößnitz), am Brandweg: Mühlstein (slawisch?). — Museum Radebeul-Hoflößnitz. " ) Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 1 5 , 1 9 3 9 , S. 157 (W. GRÜNBERG) u n d 18, 1942, S. 225 (G. BIERBAUM). 28
) Dazu weitere reiche Keramikfunde 1944 (Privatbesitz Dresden-Leubnitz-Neuostra). ) G. BIERBAUM, Vorgeschichte . .., S. 157 (Nr. 76).
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) G. BIERBAUM, a. a. 0 . , S. 157 (Nr. 77).
) Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 15, 1939, S. 157 (W. GRÜNBERG). 32 ) A. a. 0. 33 ) G. BIERBAUM, Vorgeschichte . .., S. 157 (Nr. 75). 31 ) A.a.O., S. 152 (Nr. 1). ") Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 18, 1942, S. 225 (G. BIERBAUM). 3 «) A. a. 0., 15, 1939, S. 157. ") G. BIERBAUM, Vorgeschichte . . ., S. 157 (Nr. 78). 38 ) Erst 1940 gemeldet, so daß die Veröffentlichung bei J. HOFFMAHN (S. oben) noch nicht erfolgen konnte. Unter Umständen sekundäre Fundstelle (doch aus unmittelbarer Nähe des angegebenen Platzes). 39 ) 0. TRAUTMANK, a. a. O., S. 10 und 73 j Sitzungsberichte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS 1894, S. 12; von derselben Siedlung stammt auch eine Ringperle aus blauem Glas.
Zu den slawischen Wallanlagen des Gaues Nisan
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Diese Funde40) bringen die „Füllung" des Burgenbezirkes und den Nachweis des Ausgriffs weiter nach Osten zu, genau bis an die Pforte des Elbsandsteingebirges, dessen Hochfläche nach den bisherigen Funden allerdings schon gemieden wurde. Das ist schon deswegen besonders zu betonen, weil ja in vorgeschichtlicher Zeit das obere Elbtal Durchgangsstraße nach dem und vom böhmischen Kessel war (besonders die bronzezeitlichen Hinterlassenschaften beweisen das ganz deutlich!)41). Der Kulm-Nollendorfer Paß, dessen Nordflanke
Abb. 3. Burgwälle, Gräber und Siedlungsreste im Slawengau Nisan
die beiden Dohnaer Anlagen abschirmen, hat danach wahrscheinlich die Verbindung nach dem Süden gebildet. Allerdings fehlen auch hier für den schlüssigen Beweis noch die Funde. Die Benutzung des genannten Paßweges ist aber für die folgende Zeit der Burggrafen von Dohna geschichtlich bewiesen. Auf der anderen Seite ist die Möglichkeit der Elbverbindung doch nicht ganz absurd, da wohl von Pirna bis Bodenbach elbaufwärts slawische Funde zu fehlen scheinen, in der Latenezeit aber genau dieselbe Lücke zu beobachten ist. Und gerade in dieser Epoche ist die Zusammengehörigkeit des großen Bodenbacher und des Pirnaer Gräberfeldes zur sogenannten Bodenbacher Gruppe noch von niemandem bestritten worden. Hier gilt es also noch abzuwarten und zu hoffen, daß sich die offenbaren Forschungs40
) Von den nicht genau lokalisierbaren Funden soll wenigstens der spätslawische Scherben aus Dresden-Leutewitz genannt werden. Da das gesamte Ortsgebiet in dem durch die Wälle und die anderen Funde umschriebenen Gebiet liegt, ergeben sich dadurch für die Deutung und Auswertung keine Änderungen. 41 ) W . COBLENZ, Die Stellung der oberen Elbe bei der Ausbreitung der Lausitzischen Kultur, Prähistorische Zeitschrift 34/35, 1950, S. 62ff.
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WEBNER COBLENZ
lücken im Elbsandsteingebirge oder um den Kulm-Nollendorfer Paß schließen, oder sich vielleicht sogar beide Wege als benutzt erweisen. Wichtig ist außerdem die zeitliche Stellung der Funde und Anlagen unseres „Tiefland"Gaues (Nisan). Die Masse der Hinterlassenschatten stammt aus mittel- und spätslawischer Zeit, also ungefähr vom 9. bis zum 12. Jahrhundert 12 ). Die Burgwälle scheinen besonders seit dem beginnenden 10. Jahrhundert nachweisbar zu sein, und für diese Zeit ergibt sich ja auch der Zwang zu ihrer Errichtung durch die Westbedrohung auf der einen Seite und die Herausbildung einer Herrenschicht auf der anderen. Die ältesten Kulturreste der Slawenzeit sind zweifellos die Dresden-Stetzscher Stücke mit der awarisch beeinflußten Pfeilspitze, die ins beginnende 7. Jahrhundert gehören. Es besteht für uns kein Zweifel, daß viele der bisher als mittelslawisch bezeichneten Keramiken die Lücke zwischen Dresden-Stetzsch und der Hauptmasse der Hinterlassenschaften aus dem 10. bis 12. Jahrhundert füllen werden, wenn erst einmal die genaueren chronologischen Mittel auch für eine Feingliederung der slawischen Tonware ausreichen. Bis dahin müssen wir uns mit so absolut festgelegten „Ergebnissen" sehr zurückhalten. Die Bearbeitung der slawischen Funde der Tschechoslowakei, die zur Zeit in großem Umfange durchgeführt wird, soll uns dabei helfen, aber gerade auch die Burgwallforschung wird mehr Licht in das jetzt noch vorhandene Dunkel bringen. So läßt sich heute nur sagen, daß ein Siedlungsnachweis für die Zeit um bald nach 600 erbracht ist, die Stärke und Ausdehnung dieser Ausgangsgruppe jedoch bleibt völlig unklar. 4i)
Wir beobachten häufig gedrehte Ware und Bodenzeichen.
Die altthüringische und frühmittelalterliche Siedlung Weimar Ergebnisse der Stadtkernforschung 1947—49 Von GÜNTER BEHM
— BLANCHE,
Weimar
Mit 26 Textabbildungen
Der Name der ehemaligen thüringischen Landeshauptstadt Weimar hat in der deutschen Urgeschichtsforschung einen guten Klang. Abgesehen von reichen neolithischen und bronzezeitlichen Funden, die aus dem Boden des Stadtbezirkes stammen, sind es zwei größere Bodendenkmalsgruppen, die besonderes Interesse verdienen: 1. Die Kulturreste des Urmenschen aus dem letzten Interglazial (Travertinbrüche Hirsch und Ulle im nördlichen Belvedere-Allee-Teil), 2. Die reich ausgestatteten altthüringischen Körpergräber des 5.—7. Jahrhunderts im sogenannten Nord- bzw. Südfriedhof (Meyer-, Pries- bzw. Cranachstraße). Während durch Zuschüttung der genannten Travertinbrüche die urgeschichtlichen Quellen aus dem Riß-Würm-Interglazial im eigentlichen Stadtgebiet versiegt sind — allein Ehringsdorf, seit 1922 nach Weimar eingemeindet, liefert nach wie vor Funde dieser Epoche — steht der altthüringische, auf insgesamt acht Fundstellen sich verteilende Bodendenkmalskomplex durch die eingeleitete Stadtkernforschung weiterhin im Blickfeld. Die erstaunlich hohe Zahl von sechs einwandfrei zu datierenden Gräberfeldern bzw. Einzelgräbern1) und der Reichtum an Beigaben, vor allem auf dem sogenannten Nordfriedhof, haben zu der berechtigten Annahme geführt, daß Weimar in altthüringischer Zeit ein bedeutender kultureller Mittelpunkt gewesen ist. Bereits G Ö T Z E glaubte, daß sich in Weimar der Sitz des Königs Hermanfried und seiner Gattin Amalaberga befunden habe2). S C H U L Z schloß sich dieser Meinung an3), während N E U M A N N darüber hinaus hier auch noch den Königshof des Bisinus sucht4), den S C H U L Z mit der Bösenburg im Mansfeldischen in Verbindung bringen möchte5). Es wurde wiederholt vermutet, daß die altthüringische Siedlung mit dem Königshof auf dem Gebiete der im Mittelalter als eigener Siedlungskern sich abhebenden Jakobsvorstadt gelegen habe6). Dieser Bezirk erschien durch seine Hochlage zwischen Ilm-Sumpf im Osten >) G. NETTMANN, Das Thüringer Fähnlein, 3. Jahrg., 1934, H. 2, S. 90f. Er erwähnt 10 Fundstellen. Hierbei sind jedoch auch beigabenlose Gräber mit einbezogen, deren merowingische Zeitstellung nur vermutet wird. 2 ) A. GÖTZE, Die altthüringischen Funde von Weimar, Berlin 1912, S. 30. - E. BRENNER, VII. Ber. d. Röm.Germ. Kom., Frankfurt a. M., 1915, S. 923. GÖTZE ging dabei insbesondere von der heute überholten Auffassung aus, daß die Weimarer Fibeln des Nordfriedhofes ostgotisches Gepräge aufweisen, so daß damit eine Verbindung zwischen dem Hof Theoderichs d. Gr. und dem Königssitz von Hermanfried gegeben war. 3 ) W. SCHULZ, Die Thüringer (Vorg. d. deutsch. Stämme, Bd. 1, Leipzig-Berlin, o. J. (1940), S. 446ff.). *) G. NEUMANN, a. a . 0 . , S. 92. 5
) W. SCHULZ, Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, Halle 1939, S. 201 f. v. FRANKE, Ein Streifzug durch das mittelalterliche Weimar, Wartburg-Herold, Weimar 1896, S. 7f.
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G Ü N T E B B E H M — BLANCKE
und dem Asbachtal im Norden und Westen für die Anlage einer frühen Siedlung besonders geeignet.
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so Weimar. Ruthen
Karte 1. Siedlungen und Gräberfelder der spätrömischen Kaiserzeit bis zur frühdeutschen Zeit A Siedlung der spätrömischen Kaiser- bis Altthüringer Zeit EI • Siedlungsstelle und Gräberfeld der Altthüringer- bis Merowinger-Zeit © 9 Siedlungsstelle und Gräberfeld der frühdeutschen Zeit 1 „Nordfriedhof" (Meyer-Fries-Straße) 2 Kohlstraße 3 Brunnenstraße 4 St.-Jakobs-Kirchhof 5, 6 Rollplatz 7, 8 Am Brühl 9 Wagnergasse 10 Am Untergraben 11, 12, 19 Maratallstraße 13—16 Schloß 17 Laasenstraße 18 „Südfriedhof" (Cranachstr.) Die Grundlage der Karte bildet der Stadtplan von Weimar von Giissefeld aus dem Jahre 1784
Die altthüringische und frühmittelalterliche Siedlung Weimar
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Eine Bestätigung dieser Vermutung erbrachte die zufällige Entdeckung einer eingetieften merowingischen Hüttenstelle auf dem Rollplatz, der im westlichen Teil der Jakobsvorstadt liegt7). Durch die ständige Beobachtung der Erdarbeiten im Stadtgebiet, vor allem seit 1947, wissen wir heute, daß auf dem gesamten Areal der späteren Jakobsvorstadt ein großes altthüringisches Dorf gelegen hat, das sich in ostwestlicher Richtung vom Rollplatz bis zum Brühl ausdehnte und sich darüber hinaus längs der Ilm bis zum heutigen Schloßgelände hinzog, dort, wo bereits im 3. Jahrhundert ein wichtiges Kulturzentrum nachweisbar ist8) (Karte 1). Die im letzten Krieg durch Bomben erfolgte Zerstörung eines größeren Hauskomplexes im Gebiete des „Brühl" brachte die Möglichkeit, in beschränktem Umfange systematische Grabungen in der Jakobsvorstadt durchzuführen. Sie fanden in den Jahren 1947—49 statt mit finanzieller Unterstützung der Stadtverwaltung Weimar und der ehem. Landesstelle für Vor- und Frühgeschichte Thüringens sowie unter tatkräftiger Beteiligung zahlreicher Studenten der Bauhochschule Weimar, die sich bei den Grabungs- und Vermessungsarbeiten besonders betätigten. Die Untersuchungen erstreckten sich auf den Ostrand des Höhengeländes der Jakobsvorstadt. Fünf Besiedlungsperioden konnten festgestellt werden, die folgende Zeiten umfassen : A. Neolithikum B. Frühe bis mittlere Latenezeit C. Altthüringisch -merowingische Zeit D. Frühdeutsche Zeit (Karolinger-, Ottonen- und Salierzeit) E. Spätmittelalter In dieser Arbeit sollen nur die Horizonte C—D behandelt werden. Sie sind für das frühmittelalterliche Kulturzentrum Weimar und für die Probleme des frühdeutschen Siedlungswesens und der Keramikforschung von Bedeutung"). D E R A L T T H Ü R I N G I S C H - M E R O W I N G I S C H E S I E D L U N G S H O R I Z O N T ( P E R I O D E C) 1. Die eingetiefte
HüttensteUe
Abgesehen von Streuscherben, die in den mittelalterlichen Kulturschichten auftraten und dort hineingeraten waren durch mittelalterliche Bodenbewegungen, konnte dieser Horizont gut erfaßt werden im Gebiet I. Hier lagen übereinander zwei altthüringisch-merowingische Siedlungsgruben und ein Steinfundamenthaus der Periode D. Eine der Gruben gehört einer eingetieften Hütte an (Abb. 1). Es handelt sich hier um den ersten bekanntgewordenen Hüttengrundriß des 6. bzw. frühen 7. Jahrhunderts im Gebiet der westsaalischen Altthüringer, der erlaubt, Genaues über die Konstruktion der eingetieften Hütten dieser Zeit auszusagen. Er gestattet darüber hinaus den von MÖLLER auf dem Rollplatz untersuchten Hüttengrundriß richtig zu deuten und somit einen neuen germanischen Hüttentyp aus Mitteldeutschland zu beschreiben. Die Hüttengrube hob sich nördlich der Steinmauer (Periode D), an der bis zum gewachsenen Boden herunter gegraben wurde, mit ihrer schwarzbraunen Erdtönung gut vom gewach') A. MÖLLER, Das Thüringer Fähnlein, 3. Jahrg., 1934, H. 4, S. 245ff. 8 ) Beim Schloßneubau in Weimar 1913 wurden neben einer römischen Silbermünze (Trajan Hadrianus), Tonware der Haßlebener Art und tönerne Netzsenker gefunden. Eine Grabung im Schloßhof ist geplant. Von großer Bedeutung für das frühgeschichtliche Weimar ist die Alte Burg als Paßburg am östlichen Ilmufer, gegenüber dem Schloß. Auch hier wird gegraben werden. *) In einer späteren Veröffentlichung werden die Funde der Periode B behandelt. Sie bilden einen Beitrag zu dem Problem Kelto-Illyrer, Kelten und Germanen in der Latenezeit Thüringens. 13 FrUhe Burgen
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GÜNTER B E H M — BLANCHE
1:200 Abb. 1. Stadtkernforschung Weimar, Am Brühl 1947-1948. 1 :200 I II III IV
Abfallgrube; Periode B — Webhütte, Siedlungs- und Abfallgrube; Periode C — Steinfundamenthaus; Periode D Herdhütte, Abfallgrube; Periode D — Töpferei-Abfallgrube; Periode E Rundspeicher; Periode D Lehmgrube; Periode D
senen gelben Lehm ab. An den Grubenrändern zeigten sich drei kleinere Ausbuchtungen und eine größere Ausbauchung, deren Bedeutung als Pfostengruben und eine Abfallgrube bei den weiteren Untersuchungen ersichtlich wurde (Abb. 15). Auf der östlichen Schmalseite war die Hüttengrube durch Bombeneinwirkung zerstört. Nach Abtragung des Steinfundamenthauses zeigte sich die durch Siedlungstätigkeit in späteren Perioden gestörte Westgrenze der Grube (Abb. 2), die somit die Ausmaße von 3,50 m mal 4,70 m besaß. Nach Herstellung eines Querprofils durch die Siedlungsstelle wurde eine wannenförmige, im Durchschnitt 40 cm tiefe Einsenkung erkennbar. Diese Einsenkung ging von einer nach oben nicht abgrenzbaren Kulturschicht aus, die auf einem alten Humusboden 8 auflagerte (Abb. 3). Nachdem die Bodenfüllschichten 10 und 11 vollständig abgetragen waren, hoben sich auf dem gewachsenen Boden die tiefen Pfostengruben 1, 4, 5, 7 und 8 ab (Abb. 2). Pfostengrube 5 war durch das Einschneiden der benachbarten Grube zur Hälfte zerstört. Wenig tief war die Pfostengrube 2. Die Stelle 6 — eine flache Mulde — stand mit einem kleinen Gräbchen in Verbindung und hat möglicherweise mit dem vermutlich an der Westgiebelseite liegenden Eingang etwas zu tun. Das Gräbchen, etwa 5 cm tief, lief von Stelle 6 auf die Mitte der Firstpfostengrube 8 zu und von dort, nach winkeliger Abknickung an der Hüttenecke, zu den Pfostengruben 7 und 4, die es auf der Innenseite berührte. Vor der Zerstörung des Ostteiles der Hütte und der Westlängsseite durch spätere Abgrabungen wird dieses Gräbchen mit sämtlichen Pfostengruben, darunter auch mit der des ergänzbaren zweiten Firstträgers, in Verbindung gestanden haben.
Die altthüringische und frühmittelalterliche Siedlung Weimar
Abb. 2. Mcrowingische Hütte am Brühl. 1:75