Burgen in Westfalen: Wehranlagen, Herrschaftssitze, Wirtschaftskerne 3402150522, 9783402150528

Burgen waren im Mittelalter nicht nur befestigte Wohnorte. Über die primäre Funktion als Wehranlage hinaus konnten sie a

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German Pages 254 [257] Year 2012

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Title
Inhalt
Vorwort
Sektion A: Burgenforschungin Deutschland und Westfalen
Thomas Zotz: Mediävistische Burgenforschung in Deutschland
Werner Freitag: Burgen in der westfälischen Landesgeschichte des Mittelalters
Sektion B: Burgen, Montanwirtschaft und Siedlung im südlichen Westfalen
Wilfried Reininghaus: Hemer, Menden und Iserlohn vor 1300
Andreas Bingener Territorialentwicklung, Bergbau und Burgenbau in der Grafschaft Nassau
Jens Friedhoff: Burg, Talsiedlung, Stadt und Territorienbildung
Reinhard Köhne: Burgen und Bergbau im Sauerland
Hans Ludwig Knau: Die Technologie der Eisenverarbeitung im Umfeld der Burg Altena im hohen und späten Mittelalter
Sektion C: Burgen, Landwirtschaft und Siedlungim nördlichen Westfalen
Stefan Pätzold: Rittersitze nördlich der Ruhr
Cornelia Kneppe: Die Entwicklung der Horneburg vom adligen Herrschaftszentrum zum erzbischöflich-kölnischen Verwaltungsmittelpunkt
Volker Tschuschke: Burg und Herrschaft Ahaus
Autorenverzeichnis
Personenregister
Verzeichnis der Burgen, Schlösser, Pfalzen und festen Häuser
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Burgen in Westfalen: Wehranlagen, Herrschaftssitze, Wirtschaftskerne
 3402150522, 9783402150528

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WV 12 Burgen waren im Mittelalter nicht nur befestigte Wohnorte, sie übernahmen vielfältige weitere Aufgaben. Über die primäre Funktion als Wehranlage hinaus konnten sie als Herrschaftssitze sowie als Wirtschafts- und Siedlungsmittelpunkte dienen. Sie sicherten die entstehenden Territorien, aber auch landwirtschaftliche Betriebsstätten und Bergbaureviere. Ländliche und städtische Siedlungen richteten sich ebenso auf Burgen aus, deren Bewohner die Nachfrage nach gewerblichen und agrarischen Produkten steigerten.

Burgen in Westfalen

Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte

Freitag/Reininghaus

Diese verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden Bedeutungen sind in der westfälischen Landesgeschichtsforschung bisher noch nicht in einer Zusammenschau untersucht worden. Dieser Aufgabe hat sich im September 2010 eine Tagung in Hemer angenommen, die solchen Wechselwirkungen zwischen Burg, Wirtschaft und Siedlung nachgegangen ist. Die in diesem Band zusammengestellten Beiträge widmen sich dem Zusammenhang von Burgenbau und Territorialbildung einerseits und der Bedeutung von Burgen für die südwestfälischen Bergbauregionen andererseits. Durch die Betrachtung sowohl von Höhen- als auch von Niederungsburgen wird zudem der geographischen Differenzierung Westfalens Rechnung getragen.

ISBN 978-3-402-15052-8

Westfalen in der Vormoderne

Band 12

Werner Freitag, Wilfried Reininghaus (Hg.)

Burgen in Westfalen Wehranlagen, Herrschaftssitze, Wirtschaftskerne (12.–14. Jahrhundert)

Freitag/Reininghaus Burgen in Westfalen

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Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen Neue Folge 4

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Werner Freitag Wilfried Reininghaus (Hg.)

Burgen in Westfalen Wehranlagen, Herrschaftssitze, Wirtschaftskerne (12.–14. Jahrhundert)

Beiträge der Tagung am 10. und 11. September 2010 in Hemer

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Westfalen in der Vormoderne Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte Herausgegeben von Werner Freitag, Stefan Gorißen, Thomas Schilp, Eva-Maria Seng und Siegrid Westphal Geschäftsführender Herausgeber: Werner Freitag Band 12

© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster

Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ISBN 978-3-402-15052-8

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Inhalt

Vorwort

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Sektion A: Burgenforschung in Deutschland und Westfalen Thomas Zotz Mediävistische Burgenforschung in Deutschland ................................................

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Werner Freitag Burgen in der westfälischen Landesgeschichte des Mittelalters ..........................

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Sektion B: Burgen, Montanwirtschaft und Siedlung im südlichen Westfalen (Höhenburgen) Wilfried Reininghaus Hemer, Menden und Iserlohn vor 1300. Überlegungen zum Verhältnis von Landesherr, Bergbau und Metallgewerbe ...................................................................................

47

Andreas Bingener Territorialentwicklung, Bergbau und Burgenbau in der Grafschaft Nassau ........................................................................................

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Jens Friedhoff Burg, Talsiedlung, Stadt und Territorienbildung. Fallbeispiele aus dem südwestfälischen Raum ......................................................

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Inhalt

Reinhard Köhne Burgen und Bergbau im Sauerland. Ein Überblick .............................................. 133

Hans Ludwig Knau Die Technologie der Eisenverarbeitung im Umfeld der Burg Altena im hohen und späten Mittelalter ............................................................................ 139

Sektion C: Burgen, Landwirtschaft und Siedlung im nördlichen Westfalen (Niederungsburgen) Stefan Pätzold Rittersitze nördlich der Ruhr. Befestigte Häuser im märkischen Amt Bochum während des späten Mittelalters ............................................................................. 163

Cornelia Kneppe Die Entwicklung der Horneburg vom adligen Herrschaftszentrum zum erzbischöflich-kölnischen Verwaltungsmittelpunkt ................................... 195

Volker Tschuschke Burg und Herrschaft Ahaus ................................................................................... 213

Autorenverzeichnis ................................................................................................. 243 Personenregister ...................................................................................................... 246 Register der Burgen, Schlösser, Pfalzen und festen Häuser ................................ 251

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Vorwort Burgen stehen nicht von ungefähr im Blickpunkt des öffentlichen Interesses an Geschichte. Von der Romantik bis in die heutige Zeit verbanden und verbinden sich mit Burgen mehr oder minder realistische Vorstellungen vom Mittelalter. Gerade deswegen lässt sich mittelalterliche Geschichte am Beispiel von Burgen besonders gut erklären. Die Historische Kommission für Westfalen hat aus diesem Grund und wegen der Vernetzung mit der Ausstellung Ritter, Burgen und Intrigen. Aufruhr 1225 im LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum in Herne die Burgen in Westfalen zum Gegenstand ihrer Jahrestagung 2010 in Hemer gemacht. In der Historischen Kommission ist die Tagung im Vorfeld lebhaft diskutiert worden. Aus dem Arbeitskreis „Bergbau im Sauerland“ kam 2007 die Anregung, den Zusammenhang zwischen Burgen, Bergbau und Herrschaft im Mittelalter im überregionalen Vergleich zwischen Westfalen und anderen Regionen zu thematisieren. Im Vorstand begegnete dieser Vorschlag dem berechtigten Einwand, dass es Burgen in Westfalen nicht nur im Bergland, sondern auch in der Ebene gebe oder gegeben habe. Beide Burgtypen, Höhen- und Niederungsburgen, wurden in unterschiedlicher Weise von den Herrschaftsträgern ihrer Umgebung beeinflusst. Der Vorstand der Kommission kam zu der Überzeugung, dass es lohnender sei, der Vielfalt des Burgenbaus in Westfalen vom 12. bis in das 14. Jahrhundert hinein nachzugehen als den überregionalen Vergleich anzustreben. Dabei war sich die Historische Kommission bewusst, dass mit dem Ende des Hoch- und dem Beginn des Spätmittelalters ein Betrachtungszeitraum angesprochen ist, über welchen die Schriftquellen kaum Auskünfte bieten. Gegenüber dem Oberrhein, sicher einem Zentrum der deutschen Burgenforschung, weist Westfalen einen Rückstand an Schriftlichkeit auf, der sowohl Fallstudien und als auch eine Gesamtschau erschwert. Umso wichtiger erschien es den Ausrichtern der Tagung, den Kreis der Referentinnen und Referenten nicht nur unter Historikern zu suchen. Wir sind daher sehr froh, dass es gelungen ist, ausgewiesene Mitglieder vor allem der Altertumskommission für Westfalen zu gewinnen, die mit ihrer Reihe „Frühe Burgen in Westfalen“ ein Markenzeichen für die Forschung und die historisch interessierten Laien geschaffen hat. Hoch- und spätmittelalterliche Burgen sind, wie es Ausstellungen und frühere Tagungen zeigen, immer nur interdisziplinär zu behandeln. Die Vernetzung der landeskundlichen Kommissionen in Westfalen bietet der Burgenforschung eine hervorragende Basis. Die Tagung hat einen landesgeschichtlichen Ausgangspunkt, nämlich die Auseinandersetzung und die Weiterführung mit dem zweibändigen Werk Die Burg im deutschen Sprachraum, 1976 herausgegeben von Hans Patze. Diese damals unter dem Etikett Rechts- und Verfassungsgeschichte publizierten Bände enthalten keinen eigenen Beitrag über Westfalen, so dass unsere Tagung einerseits die Beiträge zum Katalog der Herner Ausstellung AufRuhr 1225 weiterführt und andererseits neue Themenfelder erschließt. Wenn wir auf die Themenliste des Patze-Bandes sehen, erkennen wir zugleich, dass mit dem Burgenbau die Herausbildung von Grund-

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Vorwort

strukturen westfälischer Geschichte verbunden sind: Burgen als Voraussetzung für die sich entwickelnden Territorialstaaten und Städte, Burgen als zentrale Orte zur Einziehung von Steuern, zur Verteidigung, zur Gliederung von Kirchenbezirken und Gerichten, zum Schutz der Wirtschaft, ob nun Montan- oder Agrarwirtschaft. Spätestens jetzt, bei der Nennung dieser umfassenden Themenkomplexe, wird deutlich, wie spannend und ertragreich es ist, Westfalen als Burgenlandschaft zu thematisieren. Als Tagungsort wurde Hemer ausgesucht, 2010 zugleich Austragungsort der Landesgartenschau. Die Stadt, einst an der Grenze zwischen dem Herzogtum Westfalen und der Grafschaft Mark gelegen, ist Standort mehrerer Burgen und bietet mit dem Felsenmeer ein altes Bergbaurevier von überregionalem Rang. Abschließend gilt es Dank abzustatten: Dr. Barbara Rüschoff-Thale hat nicht nur in ihrer Eigenschaft als Landesrätin, sondern auch und gerade als Archäologin unsere Tagungsvorbereitung mit großem Interesse begleitet und wichtige Anregungen gegeben. Ferner möchten wir uns bei Frank Huismann (Horn-Bad Meinberg) und Hans-Werner Peine (Münster) bedanken, die unsere Tagung mit Referaten zu den Burgen der Edelherren zur Lippe und zur Burg Horst im Emscherbruch bereicherten, ihre Beiträge aber mit guten Gründen nicht publizieren konnten. Unser Dank gilt auch der Stadt Hemer für die Hilfe bei der Organisation sowie den Herren Wolfgang Hänisch (Hemer), Götz Bettge (Iserlohn) und Hans Ludwig Knau (Kierspe) für die sachkundigen Führungen durch das Felsenmeer, Iserlohn und auf die Burg Altena. Dr. Christian Helbich (Münster) übernahm mit gewohnter Umsicht und Sachkenntnis die Redaktion des Tagungsbandes. Münster, im März 2012 Werner Freitag

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Wilfried Reininghaus

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Sektion A: Burgenforschung in Deutschland und Westfalen

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Thomas Zotz

Mediävistische Burgenforschung in Deutschland Wenn es zu Beginn der Tagung über Burgen in Westfalen – Wehranlagen, Herrschaftssitze, Wirtschaftskerne (12.–14. Jahrhundert) darum gehen soll, einen Überblick über die mediävistische Burgenforschung in Deutschland zu geben, so mag es sich anbieten, mit einem schriftlichen Burgen-Zeugnis vom Beginn des genannten Zeitraums einzusetzen, das sowohl zum Thema ‚Burg und Herrschaft‘ als auch zum Thema ‚Mythos Burg‘ hinführt. Beide Themen spiegeln sich in den aktuellsten Beispielen mediävistischer Burgenforschung in Deutschland, nämlich den Ausstellungen des Deutschen Historischen Museums in Berlin und des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg im Jahre 2010.1 Gemeint ist die Schilderung, welche der Chronist Otto von Freising (gest. 1158) in seinem Werk Gesta Friderici imperatoris um die Mitte des 12. Jahrhunderts von der raumgreifenden Politik Herzog Friedrichs II. von Schwaben (reg. 1105–1147), des Vaters Kaiser Friedrich Barbarossas (reg. 1152/55–1190), am Oberrhein gibt:2 „Nachdem er den Rhein überschritten und von Deutschland nach Gallien gegangen war, beugte er allmählich das ganze Gebiet von Basel bis Mainz, in dem bekanntlich die Hauptstärke des Reichs liegt, unter seinen Willen.“ Wie gelang dies Herzog Friedrich? Dazu Otto von Freising weiter: „Denn immer den Rhein hinabziehend, errichtete er bald an einem geeigneten Platz eine Burg und unterwarf die Umgebung, bald verließ er die bisherige Burg und errichtete eine neue, so dass über ihn das Sprichwort kursierte ‚Herzog Friedrich zieht stets am Schwanz seines Pferdes eine Burg hinter sich her‘.“3 Ein weitläufiges Gebiet wie die linksrheinische Gegend zwischen Basel und Mainz sich seinem Willen beugen, dort eine Vielzahl von Burgen errichten und von ihnen aus die jeweils nahe Umgebung unterwerfen – das ist eine zeitgenössische Umschreibung von Burg und Herrschaft. Überdies wurde der Burgenbau, den der 1 2

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Rainer Atzbach u. a. (Hg.), Burg und Herrschaft, Dresden 2010; Georg Ulrich Großmann (Hg.), Mythos Burg, Dresden 2010. „Ipse enim de Alemannia in Galliam transmisso Rheno se recipiens totam provinciam a Basilea usque Mogontiam, ubi maxima vis regni noscitur, paulatim ad suam inclinavit voluntatem.“ Georg Waitz und Bernhard von Simson (Hg.), Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, 3. Aufl. Hannover 1912, I/12, S. 27 f.; Franz-Josef Schmale (Hg.), Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica. Otto Bischof von Freising und Rahewin, übersetzt von Adolf Schmidt, Darmstadt 1965, S. 152 f. „Nam semper secundum alveum Rheni descendens, nunc castrum in aliquo apto loco edificans vicina queque coegit, nunc iterum procedens, relicto priore, aliud munivit, ut de ipso in proverbio diceretur: ‚Dux Fredericus in cauda equi sui semper trahit castrum‘.“ Ebd. Zu dieser oft zitierten Quellenpassage vgl. Thomas Zotz, Der Südwesten des Reiches auf dem Weg zur staufischen Königslandschaft, in: Caspar Ehlers (Hg.), Orte der Herrschaft. Mittelalterliche Königspfalzen, Göttingen 2002, S. 85–105.

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Thomas Zotz

Staufer im frühen 12. Jahrhundert entlang des Oberrheins betrieben hat,4 bereits in seiner Zeit zum Mythos, verdichtet in der landläufigen Rede, dass der Herzog eine Burg am Schwanz seines Pferdes hinter sich herziehe. Zwar gibt der Chronist keine Hinweise auf konkrete Burgbauten Friedrichs  II., worauf jüngst Erik Beck noch einmal hingewiesen hat,5 doch hat das Zeugnis seinen Wert als Spiegel der realen wie der wahrgenommenen Rolle der Burg als Instrument der Herrschaft, nicht nur als „Symbol der Macht“, um den Titel des bekannten Buches von Joachim Zeune zu zitieren.6 Die beiden Ausstellungen in Berlin und in Nürnberg wurden von zwei prächtig gestalteten Katalogbänden und einem wissenschaftlichen Begleitband, der die Beiträge des Burgensymposiums auf der Wartburg vom März 2009 wiedergibt,7 flankiert. Diese bieten im chronologischen Durchgang einen facettenreichen Querschnitt zur modernen Burgenforschung in Deutschland, so zum Beispiel von den frühmittelalterlichen Wehranlagen der Karolinger- und Ottonenzeit8 über die – allerdings nur gestreiften – Anfänge der ‚Adelsburg‘9 als herrschaftlicher Sitz bis in das Spätmittelalter mit seiner dichten Überlieferung zum Thema ‚Burg und Recht‘10 sowie zum Alltag auf Burgen, greifbar etwa in Burginventaren,11 und schließlich zu den Ursprüngen des modernen Burgenbildes bis hin zum Mythos Burg.12 Daneben finden sich baugeschichtliche Beiträge zum Bergfried als wehrhaftem Statussymbol der Burgherren,13

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Vgl. Hansmartin Schwarzmaier, Die Heimat der Staufer. Bilder und Dokumente aus einhundert Jahren staufischer Geschichte in Südwestdeutschland, 2. Aufl. Sigmaringen 1977, S. 30 ff., und neuerdings zur Territorialpolitik Herzog Friedrichs II. im Elsass Thomas Seiler, Die frühstaufische Territorialpolitik im Elsass, Hamburg 1995, S. 121 ff. Erik Beck, Neue Forschungen zu alten Burgen. Der Oberrhein als heißes Feld der Burgenforschung, in: Momente. Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg 3 (2010), S. 2–7, hier S. 4. Joachim Zeune, Burgen – Symbole der Macht. Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Regensburg 1996. Georg Ulrich Großmann und Hans Ottomeyer (Hg.), Die Burg. Wissenschaftlicher Begleitband zu den Ausstellungen Burg und Herrschaft und Mythos Burg, Dresden 2010. Peter Ettel, Burgenbau unter den Franken, Karolingern und Ottonen, in: ebd., S. 34–49; Christian Frey, Burgen König Heinrichs I – „urbes ad salutem regni“, in: ebd., S. 50–55. Werner Meyer, Burg und Herrschaft – Beherrschter Raum und Herrschaftsanspruch, in: ebd., S. 16–25. Zum Typus der ‚Adelsburg‘ vgl. Thomas Biller, Die Adelsburg in Deutschland. Entstehung, Gestaltung, Bedeutung, 2. Aufl. München 1998. Vgl. auch die knappe Sektion ‚Adelsburg‘ in Atzbach u. a., Burg und Herrschaft, S. 67–84. Hans-Wilhelm Heine, Burg und Recht – Zum Burgenbaurecht im „Sachsenspiegel“, in: Großmann/Ottomeyer, Burg, S. 56–63; Volker Rödel, Burg und Recht – Ein Bereich vielfältiger Gestaltungs- und Wirkungsmöglichkeiten, in: ebd., S. 64–71. Jens Friedhoff, Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Burginventare, in: ebd., S. 188– 195. Anja Grebe, Mythos Burg – Zu den Ursprüngen des modernen Burgenbildes in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: ebd., S. 236–253. Reinhard Schmitt, Der Bergfried – Ein wehrhaftes Statussymbol des Burgherren, in: ebd., S. 158–167.

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Mediävistische Burgenforschung in Deutschland

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zu Wohnräumen im Burgenbau des 12. und 13.  Jahrhunderts14 sowie zu funktionalen Raumdifferenzierungen (Hofstube-Tafelstube) in Spätmittelalter und Früher Neuzeit.15 Während die beiden publikumswirksamen Großereignisse in Berlin und Nürnberg in einem eher strukturgeschichtlichen Zugriff thematisch auf die Burg fokussiert waren, präsentierte das LWL-Museum für Archäologie in Herne gleichfalls im Jahr 2010 die Ausstellung Ritter, Burgen und Intrigen – AufRuhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr.16 Hier ist das Thema ‚Burgen‘ in die bunte und bisweilen auch blutige Welt von Rittern und Intrigen, fixiert am Ereignis der Ermordung des Kölner Erzbischofs Engelbert I. von Berg (reg. 1216–1225) im November 1225, eingebunden. Auch in solchem Kontext findet die Burgenforschung ihren Platz, wenn hier die Burgenlandschaft Dortmunds17 oder die mittelalterlichen Befestigungsanlagen in der Chronik der Grafen von Mark18 behandelt werden. Das weite Spektrum von Burg und Burgenforschung, wie es in den drei erwähnten Ausstellungen in Deutschland sichtbar wird, bündelt schließlich auch das Juliheft 2010 des Magazins für Geschichte Damals mit dem Außentitel Mythos Burg. Bauen und leben, belagern und verteidigen und mit dem Innentitel Burgen – Mythos, Herrschaftssitz und Wirtschaftszentrum.19 Im Folgenden ist nun zunächst ein kurzer Blick auf die mediävistische Burgenforschung in Deutschland bis zu ihrem beträchtlichen Aufschwung seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu werfen, um dann in einem zweiten Abschnitt die Wege und Schnittpunkte der Burgenforschung in ebendiesen letzten vier Jahrzehnten aus historischem wie baugeschichtlich-archäologischem Blickwinkel zu skizzieren und einige thematische Schwerpunkte zu benennen. Zum Schluss soll die regionale Burgenforschung an ausgesuchten Beispielen näher vorgestellt werden.

1. Die deutsche mediävistische Burgenforschung von Piper bis Maurer Wenn sich heutzutage mediävistische Burgenforschung in Deutschland (und nicht nur hier) im facettenreichen Schnittfeld von Disziplinen wie Geschichte, Bau- und Kunstgeschichte und Archäologie, ergänzt eventuell durch naturwissenschaftliche Methoden oder auch durch die Literaturwissenschaft, bewegt, so stellen sich ihre 14 15 16 17 18 19

Georg Ulrich Großmann, Wohnräume im Burgenbau des 12. und 13. Jahrhunderts, in: ebd., S. 176–187. Stephan Hoppe, Hofstube und Tafelstube – Funktionale Raumdifferenzierungen auf mitteleuropäischen Adelssitzen seit dem Hochmittelalter, in: ebd., S. 196–207. LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum Herne (Hg.), Ritter, Burgen und Intrigen – AufRuhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr, Mainz 2010. Henriette Brink-Kloke und Dieter Lammers, Die Burgenlandschaft Dortmunds mit besonderem Fokus auf die Hörder Burg, in: ebd., S. 185–194. Stefan Pätzold, Levold und die Burgen – Mittelalterliche Befestigungsanlagen in der Chronik der Grafen von der Mark, in: ebd., S. 211–226. Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur 42.7 (2010), S. 14–77.

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Thomas Zotz

Anfänge in der Zeit um 1900 wesentlich eindimensionaler dar: als Beschäftigung mit der Burgenarchitektur, orientiert an den zahlreichen noch vorhandenen Burgruinen, die im Zuge der Rückbesinnung auf das Mittelalter im 19.  Jahrhundert und einer damit einhergehenden, bisweilen ganz konkret auf Wiederaufbau aus Ruinen zielenden Burgenromantik immer stärker in den Blick, auch in den burgenkundlichen Blick gerieten.20 Damit ist bereits auf den Titel eines Standardwerkes angespielt, auf Otto Pipers erstmals 1895 erschienene Burgenkunde, die bis weit in das 20. Jahrhundert hinein mehrfach neu aufgelegt wurde.21 Wenn man Piper nennt, muss auch sein ‚Gegenspieler‘ Bodo Ebhardt mit seinem Werk Deutsche Burgen (1908)22 erwähnt werden und vor allem dessen restaurierende Tätigkeit an der Hohkönigsburg,23 weshalb er von dem für bloße Sicherung des Bestandes eintretenden Piper kritisiert wurde. Die „feindlichen Brüder“ hat Joachim Zeune ausführlich abgehandelt;24 zudem widmete sich eine Ausstellung des Europäischen Burgeninstituts 1999 dem Thema Burgenromantik und Burgenrestaurierung um 1900: der Architekt und Burgenforscher Bodo Ebhardt in seiner Zeit.25 Die Ansichten über den Stellenwert dieser Pioniere in der deutschen Burgenforschung, die nicht ‚vom Fach‘ waren,26 gehen auseinander, und in der Tat dauerte es noch eine Weile, bis eine disziplinär ausgerichtete wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema ‚Burgen‘ einsetzte. Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts mögen das Werk des Prähistorikers Carl Schuchhardt über Die Burg im Wandel der Weltgeschichte (1931)27 und die größeren baugeschichtlich-archäologischen Monographien

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Vgl. Ulrich Klein, Die Erforschung der Burgen in Deutschland, in: Großmann/Ottomeyer, Burg, S. 274–291; Ursula Rathke, Preußische Burgenromantik am Rhein. Studien zum Wiederaufbau von Rheinstein, Stolzenfels und Sooneck, München 1979. Vgl. die Sektion ‚Mythos und Mystifizierung‘ in Großmann, Mythos Burg, S. 318 ff., hier bes. ‚Bauprojekt Burg‘, S. 337 ff., und ‚Rheintourismus‘, S. 382 ff. Otto Piper, Burgenkunde. Forschungen über gesammtes Bauwesen und Geschichte der Burgen innerhalb des deutschen Sprachgebietes, München 1895. Bodo Ebhardt, Deutsche Burgen, Berlin 1908. Zu erwähnen ist weiter ders., Der Wehrbau Europas im Mittelalter, 2 Bde., Berlin 1939/58. Vgl. Bodo Ebhardt, Die Hohkönigsburg im Elsass. Baugeschichtliche Untersuchungen und Bericht über die Wiederherstellung, Berlin 1908 (als Supplementheft zu Ebhardt, Deutsche Burgen). Zeune, Burgen, S. 27 ff. Angelika Gause und Martina Holdorf (Bearb.), Burgenromantik und Burgenrestaurierung um 1900. Der Architekt und Burgenforscher Bodo Ebhardt in seiner Zeit, Braubach 1999. Vgl. dazu Ulrich Großmann und Hans Ottomeyer, Die Burg – Einführung zum Begleitband, in: Großmann/Ottomeyer, Burg, S. 8–15, hier S. 11 f.; Thomas Biller, Perspektiven der Burgenforschung – Objektstudie, regionale Analyse und versuchte Gesamtschau, in: ebd., S. 324–335, hier S. 324 ff. Carl Schuchhardt, Die Burg im Wandel der Weltgeschichte, Potsdam 1931; vgl. dazu Joachim Zeune, Rezeptions- und Forschungsgeschichte, in: Deutsche Burgenvereinigung (Hg.), Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch, 2 Bde., Stuttgart 1999, Bd. 1, S. 16–37, hier S. 31.

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Mediävistische Burgenforschung in Deutschland

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zu den Kaiserpfalzen Goslar28 und Eger29 aus der Feder von Uvo Hölscher bzw. Oskar Schürer genannt werden; Schürer befasste sich auch mit den doppelgeschossigen Burgkapellen in Nürnberg und andernorts.30 Das mehrbändige Lexikon der deutschen Burgen und Schlösser von Curt Tillmann (1958/61) blieb ohne wissenschaftlichen Anspruch,31 doch fallen in dieselbe Zeit eine Reihe von Burggrabungen im nördlichen Rheinland (Husterknupp, Holtrop, Haus Meer), wodurch die Mittelalterarchäologie der Burgenforschung kräftige und solide Impulse gab.32 Wenig später legte der Mittelalterhistoriker und Stuttgarter Archivar Hans-Martin Maurer zwei wegweisende Abhandlungen zum Thema ‚Burg‘ in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins vor: Bauformen der hochmittelalterlichen Adelsburg in Südwestdeutschland (1967) und Entstehung der hochmittelalterlichen Adelsburg in Südwestdeutschland (1969).33 Von beiden Aufsätzen gingen wichtige Impulse für die Burgenforschung aus bis hin zu dem mittlerweile zum Standardwerk gewordenen Buch von Thomas Biller über Die Adelsburg in Deutschland (1993, 21998).34 Auch wurde damit sprachlich statt des früher gebräuchlichen Begriffs ‚Ritterburg‘35 nun der Terminus ‚Adelsburg‘ üblich.36

2. Die Burgenforschung seit den 1970er Jahren In der doppelten Spur von Hans-Martin Maurers Abhandlungen sind nun für die vier Jahrzehnte von 1970 bis heute zunächst die historisch ausgerichtete Burgenforschung und danach der baugeschichtlich-archäologische Zugang nachzuzeichnen, 28 29 30 31 32

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Uvo Hoelscher, Die Kaiserpfalz Goslar, Berlin 1927. Oskar Schürer, Die Kaiserpfalz Eger, Berlin 1934. Ders., Romanische Doppelkapellen. Eine typengeschichtliche Untersuchung, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 5 (1929), S. 99–192. Curt Tillmann, Lexikon der deutschen Burgen und Schlösser, 4 Bde., Stuttgart 1958– 1961. Adolf Herrnbrodt, Der Husterknupp. Eine rheinische Burganlage des frühen Mittelalters, Köln und Graz 1958; Walter Janssen und Karl-Heinz Knörzer, Die frühmittelalterliche Niederungsburg bei Haus Meer, Neuss 1972; Walter Janssen, Niederungsburgen im Rheinland. Vom Holzbau zum Steinbau, in: Burgen aus Holz und Stein, Olten und Freiburg i.  Br. 1979, S. 11–41. Vgl. auch im größeren Überblick Zeune, Rezeptionsund Forschungsgeschichte, S.  31  f.; Horst Wolfgang Böhme, Der hochmittelalterliche Burgenbau. Burgen vom 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Deutsche Burgenvereinigung, Burgen in Mitteleuropa, Bd. 1, S. 54–77, hier S. 57 f. Hans-Martin Maurer, Bauformen der hochmittelalterlichen Adelsburg in Südwestdeutschland, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 115 (1967), S. 61–116; ders., Die Entstehung der hochmittelalterlichen Adelsburg in Südwestdeutschland, in: ebd. 117 (1969), S. 295–332. Biller, Adelsburg. Vgl. Kaspar Friedrich Gottschalck, Die Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands, 9 Bde., Halle 1815–1835; Maximilian de Ring, Malerische Ansichten der Ritterburgen Deutschlands, 2 Bde.: Das Großherzogtum Baden, Strasbourg 1829. Vgl. dazu unten S. 16.

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Thomas Zotz

wobei es durchaus immer wieder Überschneidungen zwischen beiden Disziplinen gibt. Zunächst sei noch eine Anmerkung zu Hans-Martin Maurers historischer Studie von 1969 gemacht: Die hier vertretene Ansicht, dass die Anfänge der Adelsburg in Deutschland um die Mitte des 11. Jahrhunderts zu suchen seien, wird, worauf noch einzugehen ist,37 vor allem seitens der archäologischen Forschung mehr und mehr infrage gestellt.38 Von großem Gewicht für die mediävistische Burgenforschung im deutschsprachigen Raum war dann wenig später die von Hans Patze 1972/73 organisierte Reichenauer Tagung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte über Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung.39 In einem allgemeinen Teil wurden Themen wie die Reichsburgen,40 die Burgkapellen,41 die Zuordnung von Burg, Kloster und Stift,42 aber auch die Funktion der Burg (und der Stadt) in der mittelhochdeutschen Epik um 120043 angesprochen, bevor die nördlichen und südlichen Territorien des deutschen Sprachraums im landesgeschichtlichen Zugriff auf ihre Burgenlandschaften hin beleuchtet wurden. Besonders hervorzuheben ist der systematisierende Einleitungsbeitrag von Herwig Ebner über die Burg als Forschungsproblem mittelalterlicher Verfassungsgeschichte, wurden hier doch viele der auch heute noch diskutierten Aspekte der Burgengeschichte angerissen.44 Hierunter sei neben dem von Ulrich Stevens (1978, 2003)45 und Gerhard Streich (1984)46 baugeschichtlich wie historisch behandelten Komplex ‚Burg und Kirche‘ vor allem das Themenfeld ‚Burg und Recht‘ hervorgehoben, wie es beispielsweise von Volker Rödel in seiner Arbeit von 1979 über Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel behandelt wurde 47 bis hin zu seinen jüngsten Bei37 38

39 40 41 42 43 44 45 46 47

Vgl. unten S. 18. Vgl. Horst Wolfgang Böhme, Burgen der Salierzeit. Von den Anfängen adligen Burgenbaus bis ins 11./12. Jahrhundert, in: Jörg Jarnut und Matthias Wemhoff (Hg.), Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert – Positionen der Forschung, München 2006, S. 379–401. Hans Patze (Hg.), Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung, 2 Bde., Sigmaringen 1976. Fred Schwind, Zur Verfassung und Bedeutung der Reichsburgen, vornehmlich im 12. und 13. Jahrhundert, in: ebd., Bd. 1, S. 85–122. Johanna Naendrup-Reimann, Weltliche und kirchliche Rechtsverhältnisse der mittelalterlichen Burgkapellen, in: ebd., Bd. 1, S. 123–153. Ursula Lewald, Burg, Kloster, Stift, in: ebd., Bd. 1, S. 155–180. Peter Wiesinger, Die Funktion der Burg und der Stadt in der mittelhochdeutschen Epik um 1200, in: ebd., Bd. 1, S. 211–264. Herwig Ebner, Die Burg als Forschungsproblem mittelalterlicher Verfassungsgeschichte, in: ebd., Bd. 1, S. 11–82. Ulrich Stevens, Burgkapellen im deutschen Sprachraum, Köln 1978; ders., Burgkapellen: Andacht, Repräsentation und Wehrhaftigkeit im Mittelalter, Darmstadt 2003. Gerhard Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchungen zur Sakraltopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen, 2 Bde., Sigmaringen 1984. Volker Rödel, Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel. Studien zur Rechts- und Sozialgeschichte des Adels in den Mittel- und Oberrheinlanden während des 13. und 14. Jahrhunderts, Marburg 1979.

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trägen über Die Burg als Gemeinschaft. Burgmannen und Ganerben48 oder zu Burg und Recht in dem wissenschaftlichen Begleitband zu den Ausstellungen in Berlin und Nürnberg.49 Karl-Heinz Spieß hat 1998 Burgfrieden, die vertragliche Regelung zwischen mehreren Besitzern einer Burg, als Quelle für die politische und soziale Lage des spätmittelalterlichen Adels ausgewertet; der Beitrag befindet sich in dem Tagungsband der Arbeitsgemeinschaft für Geschichtliche Landeskunde am Oberrhein mit dem programmatischen Titel Burgen im Spiegel der historischen Überlieferung.50 Dementsprechend enthält der Band auch Beiträge zu Burginventaren in Süddeutschland und Tirol,51 zu Schadensinventaren fränkischer Burgen52 und nicht zuletzt zu spätmittelalterlichen Rechnungen als Quellen zur südwestdeutschen Burgengeschichte.53 Die Linie der Auswertung schriftlicher Quellen durch die Burgenforschung ließe sich beliebig fortsetzen bis in die jüngste Zeit; hier seien nur die bereits erwähnten Beiträge von Hans-Wilhelm Heine zum Burgenbaurecht im Sachsenspiegel54 und von Jens Friedhoff über Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Burgeninventare55 sowie der Aufsatz von Trude Ehlert zur Burgküche des Hoch- und Spätmittelalters im Spiegel literarischer Quellen56 genannt. Wenn man nun, gleichsam in der Spur des anderen Aufsatzes von Hans-Martin Maurer, den Blick auf die baugeschichtlich-archäologische Burgenforschung der letzten Jahrzehnte richtet, so ist zunächst das große Burgenprojekt von Cord Meckseper aus der Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu nennen, mit dem ein Inventar für die Burgenlandschaften Deutschlands angestrebt wurde;57 es blieb zwar in den Anfängen stecken, gilt aber als wertvoller methodischer Markstein, wie Thomas Biller jüngst noch einmal in seinen Perspektiven der Burgenforschung hervorgehoben hat.58 Daneben verdienen die zahlreichen Arbeiten und Initiativen von Horst Wolfgang Böhme Erwähnung und Würdigung: Hier ist vor allem das 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58

Ders., Die Burg als Gemeinschaft. Burgmannen und Ganerben, in: Lukas Clemens und Sigrid Schmitt (Hg.), Zur Sozial- und Kulturgeschichte der mittelalterlichen Burg. Archäologie und Geschichte, Trier 2009, S. 109–139. Rödel, Burg und Recht. Karl-Heinz Spieß, Burgfrieden als Quellen für die politische und soziale Lage des spätmittelalterlichen Adels, in: Hermann Ehmer (Hg.), Burgen im Spiegel der historischen Überlieferung, Sigmaringen 1998, S. 183–201. Christofer Herrmann, Burginventare in Süddeutschland und Tirol vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, in: ebd., S. 77–104. Hermann Ehmer, Schadensinventare fränkischer Burgen aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: ebd., S. 105–122. Mark Mersiowsky, Spätmittelalterliche Rechnungen als Quellen zur südwestdeutschen Burgengeschichte, in: ebd., S. 123–162. Heine, Burg und Recht. Friedhoff, Burgeninventare. Trude Ehlert, Die Burgküche des Hoch- und Spätmittelalters im Spiegel literarischer Quellen, in: Großmann/Ottomeyer, Burg, S. 144–157. Cord Meckseper u.  a., Bestandsaufnahme mittelalterlicher Adelssitze (Burgen) in der Bundesrepublik Deutschland – Voruntersuchungen, Hannover 1979. Biller, Perspektiven, S. 329.

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große, von ihm herausgegebene zweibändige Werk Burgen der Salierzeit (1991) zu nennen,59 Begleitpublikation zu der damaligen Salier-Ausstellung in Speyer. In ihm wird ein Querschnitt durch die archäologische Burgenforschung in den nördlichen und südlichen Landschaften des Reiches geboten; als dort nicht vertretenes Beispiel burgenarchäologischer Aktivität sei ergänzend die Tätigkeit des allzu früh verstorbenen Karlsruher Mittelalterarchäologen Dietrich Lutz erwähnt, der sich um die Erforschung früher Adelsburgen am Oberrhein verdient gemacht hat.60 Damit ist das wichtige Thema der Entstehungszeit der Adelsburg berührt, die von Hans-Martin Maurer in die Mitte des 11.  Jahrhunderts gesetzt wird.61 Archäologische Befunde haben hier seit längerem schon zu einer Korrektur des Bildes geführt; zu erwähnen sind beispielsweise für Hessen die Grabungen auf der Burg Weißenstein bei Marburg-Wehrda62 oder die von Thomas Biller und Bernhard Metz herausgearbeiteten Befunde zur Burg Girbaden im Elsass.63 Horst Wolfgang Böhme hat in seinem Überblick Burgen der Salierzeit. Von den Anfängen adligen Burgenbaus bis ins 11./12. Jahrhundert in dem die Paderborner Canossa-Ausstellung von 2006 begleitenden Tagungsband die Ergebnisse der ‚Spatenforschung‘ gebündelt,64 und dies taten jüngst erneut Böhme und Reinhard Friedrich in ihrem Beitrag Zum Stand der hochmittelalterlichen Burgenforschung in West- und Süddeutschland (2008).65 Es bleibt noch zu erwähnen, dass sich, parallel zu der bislang angesprochenen Burgenforschung in der Bundesrepublik Deutschland, auch die Mediävistik in der Deutschen Demokratischen Republik damit intensiv befasst hat. Bereits in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts traten hier Hermann Wäscher66 und Gerhard Billig67 mit wichtigen Arbeiten hervor; die jüngere Burgenforschung in die59 60

61 62

63 64 65 66 67

Horst Wolfgang Böhme (Hg.), Burgen der Salierzeit, 2 Bde., Sigmaringen 1991. Vgl. Dietrich Lutz, Turmburgen in Südwestdeutschland, in: Michel Bur (Hg.), La maison forte au moyen âge, Paris 1986, S. 137–152. Für weitere Beiträge von Lutz vgl. Mareike Andrae-Rau, Bibliographie zu den Burgen im deutschen Sprachraum, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 21 (1993), S. 185–234, und 22 (1994), S. 187–234 (Nr. 523 f., 526 f. und 708–718). Zuletzt Dietrich Lutz, Baden-Württemberg. Frühe Burgen, in: Deutsche Burgenvereinigung, Burgen in Mitteleuropa, Bd. 2, S. 171–175. Vgl. oben S. 16. Christa Meiborg, Die Burg Weißenstein bei Marburg-Wehrda. Bericht über die Ausgrabungen der Jahre 1987 und 1988, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 39 (1989), S. 381–407; Ulrich Reuling, Burg Weißenstein in landesgeschichtlicher Sicht, in: ebd., S. 409–422. Thomas Biller und Wolfgang Metz, Die Anfänge der Adelsburg im Elsass in ottonischer, salischer und frühstaufischer Zeit, in: Böhme, Burgen der Salierzeit (1991), Bd. 2, S. 245– 284. Böhme, Burgen der Salierzeit (2006). Horst Wolfgang Böhme und Reinhard Friedrich, Zum Stand der hochmittelalterlichen Burgenforschung in West- und Süddeutschland, in: Peter Ettel u. a. (Hg.), Bilan des recherches en castellologie, Caen 2008, S. 45–59. Hermann Wäscher, Die Baugeschichte der Moritzburg in Halle, Halle 1954; ders., Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, 2 Bde., Berlin 1962. Gerhard Billig, Mittelalterliche Wehranlagen am Elsterknie zwischen Plauen und Oelsnitz im Vogtland, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Denkmalpflege 11/12 (1963), S. 173–362.

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sen Räumen, auch über die politische Zäsur von 1989/90 hinaus, ist – ebenso wie die Burgenforschung auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik – übersichtlich im Handbuch der Burgen in Mitteleuropa dargestellt und gewürdigt;68 stellvertretend mögen die Beiträge von Reinhard Schmitt über Burgen des hohen Mittelalters an der unteren Unstrut und um Naumburg (1996)69 und über die Burg Querfurt (2002)70 genannt werden. Bei diesen Bemerkungen zur baugeschichtlich-archäologischen Burgenforschung sei es belassen; die Fülle der 3.855 Titel in der von Mareike Andrae-Rau 1993/1994 publizierten Bibliographie zu den Burgen im deutschen Sprachraum spricht für sich und gebietet Zurückhaltung.71 Man könnte als jüngere Fortsetzung noch die von Bernd Päffgen und Tanja Potthoff erstellte und „vornehmlich knapp kommentierte“ Bibliographie zur Pfalzen- und Burgenforschung in Deutschland zwischen 1992 und 2007 nennen.72 Da hier die bereits oben erwähnten73 Pfalzen aufgeführt sind, sei an dieser Stelle auf das seit 1983 laufende, bis 2006 vom Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen getragene Unternehmen Die deutschen Königspfalzen74 ebenso wie auf das bilanzierende Werk des Bau- und Kunsthistorikers Günther Binding über Deutsche Königspfalzen aus dem Jahre 199675 verwiesen.

3. Schwerpunkte der aktuellen Burgenforschung Nach den Anmerkungen zur mediävistischen Burgenforschung in Deutschland aus historischer bzw. aus baugeschichtlich-archäologischer Perspektive soll nun von 68 69 70 71 72 73 74

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Deutsche Burgenvereinigung, Burgen in Mitteleuropa, Bd. 2: Burgenlandschaften, S. 110 ff. Reinhard Schmitt, Burgen des hohen Mittelalters an der unteren Unstrut und um Naumburg. Zum Stand der Forschung, in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Sonderheft (1996), S. 6–48. Ders., Burg Querfurt. Beiträge zur Baugeschichte – Baubefunde und archivalische Quellen, Querfurt 2002. Andrae-Rau, Bibliographie. Vgl. auch die Literaturverzeichnisse in: Deutsche Burgenvereinigung, Burgen in Mitteleuropa, Bd. 2, S. 291–322, und jüngst in: Atzbach u.  a., Burg und Herrschaft, S. 290–311. Bernhard Päffgen und Tanja Potthoff, Pfalzen- und Burgenforschung in Deutschland 1992–2007, vornehmlich knapp kommentierte bibliographische Angaben, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 13 (2008), S. 89–105. Vgl. oben S. 15. Vgl. Thomas Zotz, Vorbemerkungen zum Repertorium der deutschen Königspfalzen, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 118 (1982), S. 177–203; zuletzt Caspar Ehlers, Pfalzenforschung Heute. Eine Einführung in das Repertorium der deutschen Königspfalzen, in: ders., Orte der Herrschaft, S. 25–53. Zum Stand des Repertoriums 2002 vgl. Thomas Zotz u.  a., Bibliographie, in: ebd., S. 219–235, hier S. 232  f. Zu ergänzen ist Helmut Maurer (Bearb.), Die deutschen Königspfalzen, Bd. 3,1: Baden-Württemberg 1, Göttingen 2004. Günther Binding, Deutsche Königspfalzen von Karl dem Großen bis Friedrich II. (765– 1240), Darmstadt 1996.

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spezifischen Frageansätzen in der jüngeren Burgenforschung die Rede sein, bevor dann im letzten Teil auf Beispiele regionaler Burgenprojekte einzugehen sein wird. Zu den Aspekten moderner Burgenforschung zählt etwa die gewiss von dem breiteren Trend der Alltagsgeschichte76 angeregte Thematik ‚Alltag auf mittelalterlichen Burgen‘, die 2005 Gegenstand einer Tagung der Deutschen Burgenvereinigung in Passau war.77 Hier gibt Christof Krauskopf eine kritische Analyse zur Erforschung des Alltagslebens im Spiegel schriftlicher und archäologischer Zeugnisse;78 er plädiert – als Archäologe – für den Primat der Realien bei der Beschreibung des Alltagslebens, schreibt aber auch manchen Schriftzeugnissen wie Inventaren, Rechnungsbüchern oder auch Briefen einen gewissen Aussagewert zu. Eine Klassifizierung des diversen Quellenmaterials im historisch-archäologischen Gespräch ist in der Tat notwendig. Bestimmte Einzelelemente des Alltags auf Burgen wie die Wasserversorgung, im erwähnten Band von Klaus Grewe dargestellt,79 wurden aber auch eigenständige Themen der Burgenforschung, so in dem Sammelband Wasser auf Burgen im Mittelalter (2007).80 Während hier konkrete Befunde vorgestellt und erläutert werden, ordnet ein anderer Band der Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung die Burgenthematik eher in den Zusammenhang von Strukturen und Netzwerken ein, wenn es um Zentrale Funktionen der Burg geht.81 Klaus Fehn weist in seinem Einleitungsbeitrag darauf hin, dass Zentralität nicht dem Phänomen Stadt vorbehalten bleiben dürfe.82 Hier könnte man den Gesichtspunkt anschließen, dass das Verhältnis von Burg und Stadt ohnehin der genaueren Untersuchung bedarf, auch die Verwandtschaft beider Siedlungsformen. Diese Nähe spiegelt sich bereits im sprachlichen Befund, wonach „burc“ bis etwa 1200 Burg wie Stadt bedeuten konnte; erst danach kam es zur eindeutigen Ausdifferenzierung von „burc“ und „stat“.83 Überhaupt verdient die Begriffsgeschichte in der Burgenforschung weit mehr Aufmerksamkeit; Großmann und Ottomeyer haben in ihrem Einleitungsbeitrag zum Ausstellungsbegleitband mit Recht darauf hingewiesen.84

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84

Vgl. hierzu Gerhard Jaritz, Zwischen Augenblick und Ewigkeit. Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien 1989; Hans-Werner Goetz, Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, S. 299 ff. Joachim Zeune (Hg.), Alltag auf Burgen im Mittelalter, Braubach 2006. Christof Krauskopf, Das Alltagsleben im Spiegel schriftlicher und archäologischer Zeugnisse – eine kritische Anlayse, in: ebd., S. 35–40. Klaus Grewe, Die Wasserversorgung auf mittelalterlichen Burgen, in: ebd., S. 165–170. Frontinus-Gesellschaft und Landschaftsverband Rheinland: Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege (Hg.), Wasser auf Burgen im Mittelalter, Mainz 2007. Barbara Schock-Werner (Hg.), Zentrale Funktionen der Burg, Braubach 2001. Klaus Fehn, Burgen und zentrale Funktionen, in: ebd., S. 7–12. Vgl. Walter Schlesinger, Burg und Stadt, in: Heinrich Büttner (Red.), Aus Verfassungsund Landesgeschichte. Festschrift für Theodor Mayer, Bd. 1, Lindau 1954, S. 97–150, hier S. 108 f., wieder in: ders., Beiträge zur deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 2, Göttingen 1963, S. 92–147, hier S. 103 f. Großmann/Ottomeyer, Einführung, S. 15. Vgl. auch Grebe, Mythos Burg, S. 241.

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Die Erwähnung der Stadt gibt Anlass, noch den Blick auf die Forschung zum Themenfeld ‚Burg und Stadt‘ zu werfen. Dabei geht es sowohl um die Frage, welche Rolle Burgen (oder Pfalzen) bei der Genese von Städten gespielt haben, als auch um den Typ der Burg in der Stadt, womit das Gegenüber bzw. Gegeneinander von Stadtherr und Bürgerschaft angesprochen ist. Zu beiden Aspekten gibt es eine Fülle von Literatur; hier sei nur auf den von Hansjürgen Brachmann herausgegebenen Band Burg, Burgstadt, Stadt (1995),85 auf Studien zum herrschaftlichen Sitz in der Stadt (1999)86 sowie auf eine Tagung der Wartburg-Gesellschaft zum Thema ‚Burg und Stadt‘ (2008)87 verwiesen. Zu den Anliegen der modernen Burgenforschung zählt nicht zuletzt die ökonomische Seite des Phänomens Burg, auf die diese Tagung mit dem Stichwort ‚Wirtschaftskerne‘ zu sprechen kommt. Hier hat sich der Basler Historiker und Mittelalterarchäologe Werner Meyer als Pionier große Verdienste erworben. Schon 1980 auf einer Tagung des Kremser Instituts für mittelalterliche Realienkunde lieferte er einen Beitrag zum Thema ‚Landwirtschaftsbetriebe auf mittelalterlichen Burgen‘,88 und im selben Kreis sprach er einige Jahre später über die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen auf der im Kanton Solothurn gelegenen Frohburg;89 die Ausgrabung dieser Burg durch Werner Meyer in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gehört zu den Paradebeispielen archäologischer Burgenforschung.90 Im Jahre 1987 erschien ein Aufsatz von Werner Meyer zu mittelalterlichen Burgen als Wirtschaftszentren.91 2004 schrieb Thomas Kühtreiber einen Beitrag über Wirtschaft im Schatten der Burg.92 Erst jüngst hat Werner Meyer in Damals seine wirtschaftsorientierten Burgenforschungen zusammengefasst.93 Das Feld der für diese Thematik einschlägigen Arbeiten ließe sich noch weiter abstecken: Bereits 1983 hat Walter Janssen die Bedeutung von Burgen für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters

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Hansjürgen Brachmann (Hg.), Burg, Burgstadt, Stadt. Zur Genese nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, Berlin 1995. Vgl. Thomas Zotz, In den Mauern, vor den Mauern: Der Sitz des Herrn, in: Abgrenzungen – Ausgrenzungen in der Stadt und um die Stadt, Zürich 1999, S. 63–70. Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern (Hg.), Burg und Stadt, München 2008. Werner Meyer, Landwirtschaftsbetriebe auf mittelalterlichen Burgen, in: Heinrich Appelt (Hg.), Adelige Sachkultur des Spätmittelalters, Wien 1982, S. 377–386. Ders., Gewinnung und Verarbeitung von Eisen auf der Frohburg, in: Gertrud Blaschitz (Red.), Handwerk und Sachkultur im Spätmittelalter, Wien 1988, S. 95–101. Vgl. ders., Die Frohburg. Ausgrabungen 1973–1977, Zürich 1989. Ders., Die mittelalterliche Burg als Wirtschaftszentrum, in: Château Gaillard, Bd. 13: Actes du Colloque International tenu à Wageningen (Pays-Bas), Caen 1987, S. 127–142. Thomas Kühtreiber, Wirtschaft im Schatten der Burg. Zur Bedeutung herrschaftlicher Strukturen im unmittelbaren topographischen Kontext mittelalterlicher Burgen, in: Peter Ettel u. a. (Hg.), Château Gaillard, Bd. 21: La Basse-cour. Actes du colloque international de Maynooth (Irlande), Caen 2004, S. 163–177. Werner Meyer, Die Burg als Herrschafts- und Wirtschaftszentrum: „Kühe und Schweine, so der Junker auf der Schloss hat“, in: Damals. Das Magazin für Geschichte und Kultur 42.7 (2010), S. 16–21.

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gewürdigt,94 und neuerdings ist im Rahmen der Alltagsgeschichte auf Burgen auch Michael Herdick auf die dortige handwerklich-gewerbliche Produktion eingegangen.95 Einen Sonderaspekt der Thematik ‚Burg und Ökonomie‘ sei noch erwähnt, nämlich die Verbindung von ‚Burg und Bergbau‘. Was von der italienischen Forschung mit Rocca San Silvestro schon seit längerem intensiv untersucht wird,96 findet nun auch hierzulande größere Aufmerksamkeit.97 So ist eine solche Konstellation von Silbergewinnung und Burgenbau im Rahmen des Freiburger Forschungsverbunds Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland seit einigen Jahren Gegenstand archäologischer wie historischer Forschung. Es handelt sich um die Burg am Birkenberg im Möhlintal südlich von Freiburg, die inmitten eines bedeutsamen Silberbergbaureviers stand.98 Die gerade angesprochene Verbindung von archäologischer und historischer Wissenschaft spielt in der mediävistischen Burgenforschung in Deutschland erfreulicherweise zunehmend eine Rolle. Zeugnis dafür gibt die auf Schloss Dhaun 2005 von Lukas Clemens und Sigrid Schmitt veranstaltete Tagung Zur Sozial- und Kulturgeschichte der mittelalterlichen Burg. Archäologie und Geschichte, deren Beiträge 2009 im Druck erschienen sind.99 Zu nennen ist auch die vom Historischen Seminar, Abteilung Landesgeschichte, der Universität Freiburg, dem Historischen Institut der Technischen Universität Dortmund und dem Alemannischen Institut organi94

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Walter Janssen, Die Bedeutung der mittelalterlichen Burg für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, in: Herbert Jankuhn u. a. (Hg.), Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Teil 2: Archäologische und philologische Beiträge, Göttingen 1983, S. 261–316. Michael Herdick, Herrschaftssitze und handwerklich-gewerbliche Produktion, in: Zeune, Alltag, S. 177–184. Riccardo Francovich, Mining and metallurgical activity in the Campiglia Marittima region (Tuscany) and the archaeological excavation at Rocca San Silvestro, in: Heiko Steuer und Ulrich Zimmermann (Hg.), Montanarchäologie in Europa, Sigmaringen 1993, S. 429–442. Vgl. Wolfgang Schwabenicky, Beziehungen zwischen mittelalterlichen Burgen und Bergbau im sächsischen Erzgebirge, in: Burgenforschung aus Sachsen 9 (1996), S. 9–29. Matthias Fröhlich, Burg und Bergbau im südlichen Schwarzwald. Die Ausgrabungen in der Burg am Birkenberg (Gde. Bollschweil-St. Ulrich), Diss. phil. Freiburg i. Br. 2010; ders. und Heiko Steuer, Burgen und Bergbau – zum Abschluss der Grabungen an der „Birchiburg“ in Bollschweil-St. Ulrich, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, in: Jörg Biel (Hg.), Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2002, Stuttgart 2003, S. 238–243; Alfons Zettler, Überlegungen zur Burg am Fuß des Birkenbergs bei St. Ulrich, Gemeinde Bollschweil, in: Sebastian Brather und Michael Hoeper (Hg.), Archäologie als Sozialgeschichte. Studien zu Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im frühmittelalterlichen Europa. Festschrift für Heiko Steuer zum 60. Geburtstag, Rahden/Westf. 1999, S. 209–212; ders., Burg und Erzbergbau im Schwarzwald. Das Beispiel der Birkenburg bei St. Ulrich, in: Peter Ettel (Hg.), Château Gaillard, Bd. 20: Actes du colloque international de Gwatt (Suisse), Caen 2002, S. 283–287; künftig Heiko Steuer, Burg und Bergbau – Herrschaft durch Wirtschaft, in: Erik Beck u. a. (Hg.), Burgen im Breisgau. Aspekte von Burg und Herrschaft im überregionalen Vergleich, Ostfildern [2012]. Clemens/Schmitt, Sozial- und Kulturgeschichte.

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sierte Tagung Burgen im mittelalterlichen Breisgau. Aspekte von Burg und Herrschaft im interdisziplinären und überregionalen Vergleich, die 2009 in BollschweilSt. Ulrich, also unweit der erwähnten Burg Birchiburg im Silberbergbaurevier des südlichen Schwarzwalds, stattfand.100 Die fünf Sektionen der Tagung galten den Themen ‚Antike Grundlagen und mittelalterliche Traditionen‘, ‚Burgenbau – Die Anfänge‘, ‚Burgenpolitik als Herrschaftsaufbau‘, ‚Aspekte der Burgenarchitektur‘ und ‚Burgentypen und ihre Nutzung‘. Auf der Dhauner Tagung ging es unter anderem um den Burgenbau von Ministerialen im Hochmittelalter, worin neben dem Zweck des Herrschaftsaufbaus und der Herrschaftssicherung auch die Markierung des sozialen Aufstiegs und die soziale Distinktion gegenüber den bisherigen Standesgenossen eine Rolle spielte.101 Wenn die Autorin Sigrid Schmitt hier das verfeinerte Instrumentarium des Vergleichs für ein größeres, im Schnittfeld von Archäologie und Geschichte angelegtes Forschungsprojekt fordert, so spricht sie ein wichtiges Desiderat der modernen Burgenforschung an. Damit kommt die Methode der über das prominente oder weniger prominente Einzelbeispiel einer Burg und ihrer monographischen Behandlung hinausgehenden Zusammenschau ins Spiel. Sie erscheint auf mehreren Ebenen, der burgentypologischen ebenso wie der burgenpolitischen, als wichtiges Anliegen der Burgenforschung, ob früher oder heutzutage. Die Burgenpolitik ist eine schon seit längerem recht fruchtbar traktierte Thematik. Zu erinnern ist an die Gießener, von Hans Patze betreute Dissertation von Wolf-Rüdiger Berns von 1980 über die Burgenpolitik und Herrschaft des Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg (1307–1354),102 an Christoph Bachmanns Arbeit zum Öffnungsrecht und zur herzoglichen Burgenpolitik in Bayern im Spätmittelalter (1997),103 eine bei Wilhelm Störmer entstandene Münchener Dissertation, oder an die unter der Ägide von Alois Gerlich erarbeitete Mainzer Dissertation von Stefan Grathoff (1996) über die Mainzer Erzbischofsburgen, in welcher der Erwerb und die Funktion von Burgherrschaft am Beispiel der Erzbischöfe von Mainz im Hoch- und Spätmittelalter analysiert werden.104 Während in diesen Arbeiten die Rolle der Burgen in einem Herrschaftsraum für den Territorialherrn und in der Steuerung durch ihn untersucht werden, geht es Alfons Zettler in seinem im Rahmen der Freiburger Zähringer-Ausstellung von 1986 entstandenen Beitrag über die Zähringerburgen darum, eine landesgeschichtliche und burgenkundliche Beschreibung der wichtigsten Monumente im Herrschaftsgebiet der Herzöge von Zähringen in Deutschland und in der Schweiz vorzuneh100 101 102 103 104

Beck u. a., Burgen im Breisgau. Sigrid Schmitt, Symbole der Macht? Beobachtungen zum Burgenbau von Ministerialen im Hochmittelalter, in: Clemens/Schmitt, Sozial- und Kulturgeschichte, S. 59–70. Wolf-Rüdiger Berns, Burgenpolitik und Herrschaft des Erzbischofs Balduin von Trier (1307–1354), Sigmaringen 1980. Christoph Bachmann, Öffnungsrecht und herzogliche Burgenpolitik in Bayern im späten Mittelalter, München 1997. Stefan Grathoff, Mainzer Erzbischofsburgen. Erwerb und Funktion von Burgherrschaft am Beispiel der Mainzer Erzbischöfe im Hoch- und Spätmittelalter, Stuttgart 2005.

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men.105 Hier kommt, vor dem Hintergrund der 120jährigen Geschichte einer weltlichen Fürstendynastie, der typologische Aspekt zum Tragen, wenn der Typus der mächtigen und wuchtigen ‚Donjon-Burg‘ quasi als Markenzeichen der Zähringerherrschaft im Raum beschrieben wird.

4. Beispiele der regionalen Burgenforschung Damit lässt sich zum letzten Teil dieses Beitrags mit einigen Beispielen regionaler Burgenforschung überleiten, eines methodischen Zugriffs, der von Thomas Biller in seinen Perspektiven am Ende des Ausstellungsbegleitbands Die Burg als vielversprechend, ja notwendig erachtet wurde.106 Es erscheint signifikant, dass gerade in den frühen siebziger Jahren, als die mediävistische Burgenforschung im deutschen Sprachraum ihren spürbaren Aufschwung nahm, das erste große – und nach Ansicht des Leipziger Landeshistorikers Enno Bünz bedeutendste107 – regionale Burgenprojekt, nämlich das von Oswald Trapp begründete Tiroler Burgenbuch, begonnen wurde.108 Mit beharrlicher Konstanz sind bis heute neun Bände erschienen, der letzte 2003 über das Pustertal. Doch nicht von diesem Unternehmen soll die Rede sein, sondern von drei regionalen Burgenprojekten am Oberrhein, also von jener Gegend zwischen Basel und Mainz, die eingangs mit dem Quellenbeleg aus Otto von Freisings Gesta Friderici imperatoris berührt worden ist. Alle drei Projekte haben zum Ziel, die ‚Burgenlandschaft‘ des betreffenden Raumes aus historischem wie baugeschichtlich-archäologischem Blickwinkel gründlich aufzuarbeiten. Es sei mit dem Pfälzer Burgenlexikon begonnen, das im Auftrag des Instituts für Pfälzische Geschichte und Volkskunde von Jürgen Keddigkeit und anderen herausgegeben wird.109 In erstaunlich kurzer Zeit (1999–2007) sind die zahlreichen Burgen der Pfalz in vier Bänden und einem der Burg Trifels gewidmeten Sonderband bearbeitet worden.110 Gewiss hat der anfangs 20köpfige, zuletzt 30köpfige Mitarbeiterstab zu diesem zügigen Erscheinen beigetragen. Die Burgenartikel sind alphabetisch angeordnet und über alle Bände verteilt; jeder Artikel ist in die Abschnitte Topographie, Namenbelege, Geschichte und Baubeschreibung gegliedert, mitunter kommen noch Extraabschnitte wie Burgfrieden oder Burgkapelle hinzu. Das abgeschlossene Werk kann als hervorragendes Arbeitsinstrument gelten; man wünschte sich nun angesichts der Registrierung von ca. 600 Anlagen eine ver105

106 107 108 109 110

Alfons Zettler, Zähringerburgen. Versuch einer landesgeschichtlichen und burgenkundlichen Beschreibung der wichtigsten Monumente in Deutschland und in der Schweiz, in: Karl Schmid (Hg.), Die Zähringer. Schweizer Vorträge und neue Forschungen, Sigmaringen 1990, S. 95–176. Biller, Perspektiven, S. 330 ff. Enno Bünz, Burgenforschung als Aufgabe der Landesgeschichte, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 67 (2004), S. 35–45, hier S. 38 f. Oswald Trapp (Begr.), Tiroler Burgenbuch, 9 Bde., Bozen 1972–2003. Jürgen Keddigkeit (Hg.), Pfälzer Burgenlexikon, 4 Bde., Kaiserslautern 1999–2007. Bernhard Meyer, Burg Trifels. Die mittelalterliche Baugeschichte, Kaiserslautern 2001.

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Mediävistische Burgenforschung in Deutschland

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gleichende burgenkundliche Auswertung, etwa in der Art, wie dies Charles-Laurent Salch im Dictionnaire des châteaux de l’Alsace médiévale von 1976 mit seiner „Conclusion“ unternommen hat, die übrigens im Nouveau dictionnaire von 1991 fehlt.111 Das Stichwort Elsass leitet zum nächsten regionalen Burgenprojekt entlang des Oberrheins über, dem Gemeinschaftsunternehmen des Architekturhistorikers Thomas Biller und des Mittelalterhistorikers und Straßburger Archivars Bernhard Metz. Ihr Werk Die elsässischen Burgen. Architektur und Geschichte ist auf vier Bände angelegt, die in chronologischer Reihenfolge vorgehen. Die Bände über den spätromanischen Burgenbau der Jahre 1200 bis 1250 und über den frühen gotischen Burgenbau zwischen 1250 und 1300 sind 1995 bzw. 2007 erschienen.112 Dabei gliedern sich die Bände jeweils in einen historischen und bauhistorischen Überblick sowie einen Katalog der entsprechenden Burgen. Das Werk hat seinen deutlichen Schwerpunkt auf der baugeschichtlichen Seite, wie auch schon an der an Stilepochen orientierten Gliederung erkennbar wird. Ein großer Vorzug liegt in der jedem Band eingefügten Übersichtsdarstellung, weil damit die einzelnen Burgen in einen größeren vergleichenden Kontext gestellt werden. Zuletzt ist auf das von Alfons Zettler und Thomas Zotz herausgegebene Werk Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau einzugehen. Es handelt sich um einen gleichfalls auf vier Bände angelegten Katalog der insgesamt etwa 300 Burgen des mittelalterlichen Breisgaus, der eine weitaus größere Ausdehnung als der spätere habsburgische Breisgau hatte und sich auch ein Stück entlang des Hochrheins bis zum angrenzenden Albgau (etwa auf die Höhe von Murg östlich von Bad Säckingen) erstreckte.113 Von dem Freiburger Mittelalterhistoriker Karl Schmid im größeren Rahmen des Forschungsverbunds Archäologie und Geschichte in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts angeregt,114 wird das Projekt mit anfangs 20, mittlerweile etwa 30 Mitarbeitern durchgeführt; drei Bände, zwei zum nördlichen, einer zum südlichen Breisgau, sind bisher in den Jahren 2003, 2006 und 2009 erschienen.115 Jeder Band enthält in alphabetischer Reihenfolge Ortsartikel mit einer oder mehreren Burgen mit Baubeschreibung und geschichtlichem Überblick. Anliegen des Werkes 111 112 113 114

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Charles-Laurent Salch, Dictionnaire des châteaux de l’Alsace médiévale, Strasbourg 1976; ders., Nouveau dictionnaire des châteaux forts de l’Alsace, o. O. 1991. Thomas Biller und Bernhard Metz, Der frühe gotische Burgenbau im Elsass (1250– 1300), München 1995; dies., Der spätromanische Burgenbau im Elsass (1200–1250), München 2007. Thomas Zotz, Art. „Breisgau“, in: Lexikon des Mittelalters 2 (1983), Sp. 601 f. Vgl. Sebastian Brather u. a. (Bearb.), 25 Jahre Forschungsverbund 1984–2009 „Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland“ an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rahden/Westf. 2010; Alfons Zettler, Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau. Ein Forschungsprojekt der Abteilung Landesgeschichte am Historischen Seminar, in: Hans Ulrich Nuber (Hg.), Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends, Sigmaringen 1990, S. 219–256. Alfons Zettler und Thomas Zotz (Hg.), Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau, Bd. 1: Nördlicher Teil, Halbband A–K, Ostfildern 2003; Bd. 1: Nördlicher Teil, Halbband L–Z, Ostfildern 2006; Bd. 2: Südlicher Teil, Halbband A–K, Ostfildern 2009.

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ist es, ein möglichst flächendeckendes Bild von der Burgenlandschaft des Breisgaus im Hoch- und Spätmittelalter zu erhalten. Zu diesem Zweck werden nicht nur die noch in Ruinen erhaltenen Baulichkeiten von Burgen registriert, sondern auch befestigte Anlagen, die nur in der schriftlichen Überlieferung oder in Flurnamen belegt sind. Der historischen Einordnung der Burgen des Breisgaus in die südwestdeutsche Landes- und Adelsgeschichte wird bei alldem ein hoher Stellenwert zugemessen.116

Zusammenfassung Der Überblick über die mediävistische Burgenforschung in Deutschland dürfte gezeigt haben, wie intensiv und thematisch, aber auch methodisch vielfältig sie insbesondere in den letzten vier Jahrzehnten betrieben wurde und wird. Entsprechend dem nach vielen Seiten hin offenen und auswertbaren Phänomen ‚Burg‘ sind die Forschungsansätze das eine Mal stärker historisch, das andere Mal stärker bauhistorisch-archäologisch ausgerichtet, wobei es immer wieder auch zu fruchtbarem Austausch kommt. Wie immer in der Forschung, gibt es bei noch so intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung offene Fragen und Desiderate, von denen hier nur wenige zu benennen sind: Wie auch Großmann und Ottomeyer jüngst betonten, bleibt die Begriffsgeschichte weiterhin ein Desiderat; denn neben dem Wort Burg waren und sind andere Bezeichnungen wie ‚festes Haus‘ oder ‚Schloss‘ gebräuchlich, die es abzugleichen gilt. Dies trifft auch auf die Definitionsfrage zu, die Anja Grebe mit Recht kürzlich aufgeworfen hat. Wie steht es um die Reichweite des Begriffs ‚Adelsburg‘, werden doch damit andere Funktionen der Burg ausgeblendet? Die von archäologischer Seite früher angesetzte Entstehung der ‚Adelsburg‘ ist nun auch von der historischen Warte aus zu überdenken. Welche Rolle spielte dabei die Wahrnehmung eines Amts, als Graf, als Vogt?117 Schließlich sei auch hier, wie Thomas Biller dies schon getan hat,118 für die „Notwendigkeit regionaler Aufarbeitung“ plädiert. Die von mir zuletzt angesprochenen Unternehmungen dieser Art zeigen wohl in aller Deutlichkeit die Vorzüge dieses Wegs der mediävistischen Burgenforschung, ob in Deutschland oder in anderen Ländern.

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Vgl. dies., Einleitung, in: ebd., Bd. 1: Nördlicher Teil, Halbband A–K, S. IX ff. Vgl. hierzu demnächst Thomas Zotz, Burg und Amt. Zur Legitimation des Burgenbaus im frühen und hohen Mittelalter, in: Beck u. a., Burgen im Breisgau; Heinz Krieg, Adel und frühe Burgen im Breisgau, in: ebd. Biller, Perspektiven, S. 330.

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Burgen in der westfälischen Landesgeschichte des Mittelalters1 Eine Zusammenschau über die westfälische Burgenforschung aus Sicht der Landesgeschichte zu erstellen, ist kein leichtes Unterfangen: Westfalen ist – wie andere Geschichtslandschaften – burgenreich, doch ein zusammenhängender, zeitspezifische Wandlungen aufnehmender Forschungsüberblick zu Funktion und Gestalt der Burgen im Mittelalter ist meines Wissens vonseiten der Historiker noch nicht verfasst worden. Immerhin, es gibt Darstellungen und Auflistungen aus Sicht der Archäologie – zu erwähnen ist der Sammelband Hinter Schloß und Riegel mit den Aufsätzen von Philipp Hömberg zum frühen Mittelalter und von Hans-Werner Peine zum hohen und späten Mittelalter.2 Ein Grund für diese fehlende Zusammenschau aus Sicht der Historiker ist möglicherweise, dass Westfalen eher dem Typus der königsfernen Landschaft zuzurechnen ist und deshalb nur wenige Königspfalzen und keine Reichsburgen3 aufzuweisen hatte; Gerhard Streich brauchte für seine große Zusammenschau Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters kaum ins Westfälische zu schauen.4 Demzufolge war, ist und bleibt die westfälische Landesgeschichtsschreibung in Bezug auf die Burgen zu einem großen Teil auf die Vielfalt der Territorien fixiert: Das Schicksal der Burgen, konkret also Funktionen, Profil der Bewohner und Baugestalt, war mit dem Aufstieg und Fall der Territorien verbunden. Daher bietet die zahlreiche territorialspezifische Literatur viele Lesefrüchte zu den Burgen, beginnend bei der Grafschaft Arnsberg bis hin zum Herzogtum Westfalen. Auch sind territorien- und das gesamte Mittelalter übergreifende Über-

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Leicht modifizierte Wiedergabe meines Vortrags vom 10. September 2010. Zentrale Belege sind angefügt worden. Philipp R. Hömberg, Die Burgen des frühen Mittelalters in Westfalen, in: Westfälisches Museum für Archäologie (Hg.), Zwischen Schloss und Riegel. Burgen und Befestigungen in Westfalen, Münster 1998, S. 120–159; Hans-Werner Peine, Dodiko, Rütger von der Horst und Simon zur Lippe: Adelige Herren des Mittelalters und der frühen Neuzeit auf Burg, Schloß und Festung, in: ebd., S. 160–223. Damit ist nicht gesagt, dass die Reichsburgen, die unter dem Salier Heinrich IV. ihre charakteristische Ausprägung erfuhren, nicht auf Westfalen ausstrahlten. Zu erinnern ist etwa an die Burg auf dem Desenberg, welche ihrem Vorbild, der Harzburg, nahe kam. Erbauer war einer der Gegenspieler Heinrichs IV, Graf Otto von Nordheim. Gerhard Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters, 2 Bde., Sigmaringen 1984. Genannt werden die Pfalzorte der karolingischen, ottonischen und frühen salischen Zeit: Dortmund, Minden, Münster, Paderborn, Soest und Wiedenbrück.

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blicke zu einzelnen Regionen vorhanden, so die zahlreichen Katalogbeiträge zu den Burgen im Ruhrgebiet im Ausstellungskatalog AufRuhr 1225.5 Im Folgenden werden meine Ausführungen auf der Basis dieser regionalen und territorialen Zugriffe Erträge der Forschung benennen und einige Desiderate aufzeigen. Allerdings ist es notwendig, den zeitlichen Rahmen unserer Tagung zu erweitern, das heißt zum Einstieg auch kurz auf die Zeit vom späten 8. bis zum Ende des 11.  Jahrhunderts einzugehen. Stichwort ist hier die Pfalz.6 Am Schluss meines Beitrages wird die Zeit um 1500 zu betrachten sein, als auch in Westfalen der Übergang von der Burg zum Schloss bzw. zur Zitadelle seinen Anfang nahm. Diese beiden zeitlichen Erweiterungen sind für einen Überblick notwendig, denn nicht nur ‚Ritter‘- und Dynastenburgen sind unter Burg zu fassen, sondern – folgt man den Definitionen von Günther Binding im Lexikon des Mittelalters – jeglicher „bewohnbare Wehrbau, den eine Person oder eine Gemeinschaft zu ihrem Schutz als ständigen oder zeitweiligen Wohnsitz errichtet“.7 Dabei ist es klar, dass das äußere Erscheinungsbild differieren konnte und weitere Funktionen hinzukamen. Hans K. Schulze zählt auf: „Nach Lage und baulicher Gestalt werden Höhen- und Niederungsburg, Wasserburg und Höhlenburg, Turmhügelburg, Motte, Rundwall und Burgwall unterschieden. Funktionale Aspekte werden in Begriffen wie Fluchtburg, Wohnburg, Grenzburg, Zollburg, Amtsburg, Zwingburg zum Ausdruck gebracht, während in Benennungen wie Volksburg, Stammesburg, Reichsburg, Landesburg, Grafenburg, Ritterburg, Adelsburg, Ministerialenburg oder Ganerbenburg sowohl sozialgeschichtliche als auch verfassungs- und besitzrechtliche Kriterien anklingen. Kirchliche Bezirke, die zu wehrhaften Anlagen ausgebaut wurden, sind Domburg, Klosterburg, Wehrkirche und Kirchenburg.“8 Insofern spiegeln sich in der Burgengeschichte spezifische Strukturen und Entwicklungen der mittelalterlichen Geschichte. Meistererzählungen der Landesgeschichte, immer verwoben mit denen der allgemeinen Mediävistik, leiten folglich die Analyse. Noch zwei Punkte vorweg: Burgengeschichte ist ein interdisziplinäres Un5

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Henriette Brink-Kloke und Dieter Lammers, Die Burgenlandschaft Dortmunds mit besonderem Fokus auf die Hörder Burg, in: LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum Herne (Hg.), Ritter, Burgen und Intrigen – AufRuhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr, Mainz 2010, S. 185–194; Stefan Leenen, Burgen der Ruhrregion, in: ebd., S. 227–248; Reinhard Friedrich, Die Entwicklung der Burgen am Niederrhein, in: ebd., S. 249–262. Einen Band Westfalen im Repertorium der deutschen Königspfalzen gibt es noch nicht. Ein solcher Band würde die Stätten der Herrscheraufenthalte bis 1198 erfassen. Manfred Balzer und Peter Johanek, beide Münster, konzipieren derzeit ein diesbezügliches Projekt, das am Institut für vergleichende Städtegeschichte angesiedelt ist. Günther Binding, Art. „Burg, Allg. Überblick“, in: Lexikon des Mittelalters 2 (1999), Sp. 957–962, hier Sp. 957. Hans K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 2: Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Hof, Dorf und Mark, Burg, Pfalz und Königshof, Stadt, 3. Aufl. Stuttgart 2000, S. 83. Vgl. zur Typologie auch Hans-Joachim Mrusek, Burgen in Europa, Leipzig 1973; Joachim Zeune u. a. (Hg.), Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch, Bd. 1: Bauformen und Entwicklung, Darmstadt 1999.

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terfangen. Erstens: Die Zusammenarbeit zwischen Historikern, Kunsthistorikern und Archäologen ist durchweg gut. Höhepunkte der intensiven Zusammenarbeit waren sicherlich die Jubiläumsausstellungen 1999 in Paderborn, 2005 in Münster und die AufRuhr-Ausstellung 2010 in Herne.9 Zweitens: Burgenforschung zum Spätmittelalter ist territorial orientiert. Aus dem Mangel an Reichsburgen und pittoresken Höhenburgen machten die westfälischen Historiker eine Tugend. Hören wir dazu Gustav Engel in seinem Büchlein Landesburg und Landesherrschaft an Osning, Wiehen und Weser: „Richtig ist auch, dass Westfalen den großen mittelalterlichen Burgen an Rhein, Main und Mosel, den Trifels, Friesach, Landsberg, Ehrenfels, Eltz u. a., von französischen Burgen, den Burgen der Hohenstaufen in Italien, der Kreuzfahrer und der Ritterorden nicht zu sprechen, nichts Gleichwertiges an die Stelle zu setzen hat.“10 Statt also der romantischen Burgenbegeisterung zu frönen, war die westfälische Burgengeschichte eher an der Sache, und das war die Territorialgeschichte, orientiert.

1. Die Burgen des Früh- und Hochmittelalters Es waren die Archäologen, die sich seit der Gründung der westfälischen Altertumskommission 1897 mit den sächsischen Volksburgen/Fluchtburgen auseinander gesetzt haben. Dieser Burgentypus gab zunächst den Schwerpunkt der Forschungsarbeit ab. Ziel war es, nach niedersächsischem Vorbild die einzelnen Burgen exakt zu beschreiben und die Frage zu beantworten, ob man es mit einer ‚Römerburg‘ oder einem ‚sächsischen Ringwall‘ zu tun hat. Das Vorhaben mündete in den drei Lieferungen des Werkes Atlas vor- und frühgeschichtlicher Befestigungen in Westfalen.11 Die neueren Forschungen – ich verweise hier auf das Ouevre von Philipp Hömberg – machen den Funktionswandel von den sächsischen Volks- und Fluchtburgen hin zu karolingischen Militärstationen anhand der Hohensyburg bei Dortmund und der Eresburg bei Obermarsberg deutlich. Ferner war es die Erkenntnis der Archäologen, dass diese Burgen nur die Spitze des Eisbergs waren. Es gab eine größere Zahl sächsischer Burgen. Hömberg benennt zwei Typen: Die großen Ringwälle, die sich durch die Größe der Wallanlage und die ausgeprägten Kastentore auszeichnen – dazu gehörten die Hohensyburg, die Oldenburg bei Laer und die Babilonie bei Minden –, sowie eine Gruppe kleinerer Burgen.12

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Christoph Stiegemann und Matthias Wemhoff (Hg.), 799: Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn, Mainz 1999; Gabriele Isenberg und Barbara Rommé (Hg.), 805: Liudger wird Bischof. Spuren eines Heiligen zwischen York, Rom und Münster, Mainz 2005; LWL-Museum, AufRuhr 1225!. Gustav Engel, Landesburg und Landesherrschaft an Osning, Wiehen und Weser, Bielefeld 1979, S. 92. Johann Heinrich Schmedding und Franz Biermann (Hg.), Atlas vor- und frühgeschichtlicher Befestigungen in Westfalen, Münster 1920. Hömberg, Burgen, S. 122–145 und 152–155.

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Das Interesse an einer dritten Gruppe verband und verbindet Historiker und Archäologen. Um 800 entstanden Domburgen und erste Kaiserpfalzen. Diesen befestigten oder vermeintlich befestigten Bischofssitzen mit Residenzfunktion für den Herrscher wird im Folgenden nachzugehen sein. Für die Historiker standen und stehen erstmals schriftliche Quellen zur Verfügung. Als besonders fruchtbar haben sich für diese interdisziplinäre Burgen- und Pfalzenforschung die Überlegungen zu Paderborn erwiesen: Im Vorfeld der großen Ausstellung 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit (1999) wurden die Grabungen der Jahre von 1964 bis 1971 und von 1974 bis 1977 erneut betrachtet, etwa von Sveva Gai.13 Auch die Paderborner Stadtgeschichte enthält mit dem Aufsatz von Manfred Balzer eine Zusammenschau alter und neuer Befunde. Dabei knüpft Balzer an seine Überlegungen im dritten Band der Deutschen Königspfalzen an.14 Die karolingische Burg – belegt ist hierfür die Reichsversammlung 777 mitten im Feindesland – erhielt eine Kirche und eine aula regis. Die Ausbauten nach der Zerstörung 778 waren, so das Fazit, im Vergleich mit Ingelheim und Aachen eher spartanisch konzipiert – die Gebäude waren funktional bestimmt. Nach einer ersten Ummauerung von Pfalz und Dom im 9. Jahrhundert war es wohl Bischof Meinwerk (reg. 1009–1036), der mit einer neuen Steinmauer das befestigte Areal wesentlich erweiterte.15 Somit kann am Beispiel der Domburg von Paderborn deutlich gemacht werden, dass die Königsgastung die Wehrfunktion der Domburg im 10. und 11. Jahrhundert beeinflusste.16 Auch die münsterische Domburg ist ein Zeugnis dafür, wie gut Historiker und Archäologen zusammengearbeitet haben, um einen Burgentypus zu konturieren. Auf die Kontroverse, was vor 799/805 vorhanden war – ein leerer Domplatz oder eine unbefestigte Sachsensiedlung – ist nicht einzugehen. Archäologen und Historiker machen deutlich, dass nach 800 eine Bebauung mit monasterium, einem zweiten Gotteshaus und einer Siedlung vorhanden war. Allerdings haben sich beide Fächer auch daran abgearbeitet, ob das Areal von Anfang an befestigt war oder erst im Verlaufe des späten 9. oder zu Beginn des 10. Jahrhunderts. Einschlägig ist vor allem 13 14

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Sveva Gai, Die Pfalz Karls des Großen in Paderborn. Ihre Entwicklung von 777 bis zum Ende des 10. Jahrhunderts, in: Stiegemann/Wemhoff, 799, S. 183–196. Manfred Balzer, Paderborn im frühen Mittelalter (776–1050): Sächsische Siedlung – karolingischer Pfalzort – ottonisch-salische Bischofsstadt, in: Jörg Jarnut (Hg.), Paderborn. Geschichte der Stadt in ihrer Region, Bd. 1: Das Mittelalter. Bischofsherrschaft und Stadtgemeinde, Paderborn u.  a. 1999, S. 3–118 und 475–485, hier S. 13–59; ders., Paderborn als karolingischer Pfalzort, in: Deutsche Königspfalzen: Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung, Bd. 3, Göttingen 1979, S. 9–85. Errichtung und Verlauf dieser zweiten Mauer diskutiert Matthias Becher, Die Pfarreinteilung in Paderborn bis zur Pfarrteilung von 1231 und die frühe Entwicklung der Stadt, in: Westfälische Zeitschrift 148 (1998), S. 261–294. Vgl. zur Domburg in Minden Klaus Günther, Die Ausgrabungen auf dem Domhof in Minden 1974–1977, in: Hans Nordsiek (Hg.), Zwischen Dom und Rathaus. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Minden, Minden 1977, S. 21–35, hier S. 27– 29. Vgl. auch Fred Kaspar, Auswertung und zusammenfassende Darstellung, in: ders. (Bearb.), Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Bd. 50: Stadt Minden, Teil 1: Einführungen und Darstellung der prägenden Strukturen, Teilband 1, Essen 2003, S. 124–689, hier S. 166–175.

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Joseph Prinz’ Studie, die zu Beginn der 1960er Jahre erschien. Prinz betont, dass eine karolingische Befestigung aus Annalenwerken nicht zu belegen sei; auch eine militärische Anlage werde für Münster nicht genannt. Eigentlich müsste eine Immunität im Sinne der Befreiung von Abgaben und Lasten vorhanden gewesen sein, aber es habe sich kein königliches Privileg erhalten. Unter Einbeziehung der Ausgrabungsergebnisse, aufgrund von Rückschlüssen aus archivalischen Belegen der Folgezeit und unter Zuhilfenahme topographischer Beobachtungen kann er den Verlauf der Mauer rekonstruieren, um dann zu konstatieren, dass diese „spätestens in die ottonische Zeit gesetzt werden muß“.17 Damit gibt er aus historischer Sicht die Interpretation vor, die auch heute gängig ist, wenn man die Aufsätze liest, die im Umfeld des Bistumsjubiläums 2005 entstanden sind. Auch hier wird die älteste Palisade/Mauer um 900 datiert, eine Steinmauer ersetzte diese um 1000 oder in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts.18 Allerdings bedürfen die Beziehungen zwischen Immunität und Schutzmauer weiterer Recherchen. In Bezug auf mögliche befestigte Plätze des inzwischen christianisierten sächsischen Adels wird von der Forschung für das 9. und 10.  Jahrhundert vor allem auf den Zusammenhang von Herrenhof, zugeordneter Fluchtburg mit Ringwall und Frauenstift, Kanonikerstift bzw. Kirchengründung hingewiesen. Beispiele sind Enger, Freckenhorst, Herzfeld, Meschede, Nottuln, Stapelage, Vreden und Wildeshausen.19 Hingegen kann die westfälische Landesgeschichtsforschung zur Adelsburg des 11. und frühen 12. Jahrhunderts nur wenige Aussagen treffen. Zwar sind zahlreiche Burgen nachzuweisen20 – hier hat die Archäologie viel ans Licht gebracht –, doch weiß man über die Erbauer, Daten der Burgengeschichte und Funktionen kaum etwas. Archäologischer Befund und schriftliche Quellen stehen in einem krassen Missverhältnis. Deshalb, so meine Lesefrucht, fungieren für Historiker die Burgen des 11. und frühen 12. Jahrhunderts eher als ein Argument neben anderen, um Adelsgruppen zu erkennen, die aus dem Dunkel des 10. Jahrhunderts auftauchten. Man sucht bestimmte Adelsfamilien anhand von Leitnamen festzumachen und bringt diese mit Burgen zusammen. Sicher ist jedoch, dass die Funktion der Burg sich veränderte: Sie wurde zum Zentrum für eine Dynastenfamilie. Denn die Adligen verließen ihre Siedlungen und großen Höfe, um sich Wohntürme zu errichten, die – so die Archäologen – entweder in das Innere der großen, überkommenen Wallanlagen gestellt wurden oder komplette Neubauten waren. Besonderes Interesse gilt der Hellwegregion und dem Sauerland: Hier schaut man sich die Zeit vom 11. bis zum beginnenden 12. Jahrhundert an, ob westfälische 17 18 19 20

Joseph Prinz, Mimigernaford – Münster. Die Entstehungsgeschichte einer Stadt, Münster 1960, S. 105–110 (Die Domburg – Die karolingische Anlage), Zitat S. 110. Martin Kroker, Die Siedlung Mimigernaford und die „Domburg“ im 9. und 10. Jahrhundert, in: Isenberg/Rommé, 805, S. 229–240, hier S. 233–238. Uwe Lobbedey, Zur archäologischen Erforschung westfälischer Frauenklöster des 9. Jahrhunderts, in: Frühmittelalterliche Studien 4 (1970), S. 320–340; Streich, Burg und Kirche, Bd. 1, S. 126–128. Auf die Höhenburg auf dem Desenberg ist exemplarisch zu verweisen.

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Dynasten in der Lage waren, einen Großraum herrschaftlich zu durchdringen und den Kölner Erzbischöfen Paroli zu bieten. Hierzu eignen sich besonders die Grafen von Werl, die sich ja auch gelegentlich als Grafen von Westfalen bezeichneten. Mit ihnen und ihren Nachfolgern, den Grafen von Arnsberg, haben sich Albert K. Hömberg in den 1950er Jahren, Paul Leidinger von 1965 bis heute sowie Michael Gosmann sehr intensiv auseinander gesetzt.21 In diesem Zusammenhang spielen die Alte Burg (Rüdenburg) am Zusammenfluss von Ruhr und Walpke sowie die nach 1100 erbaute und 1166 erstmals zerstörte Burg Arnsberg eine Rolle.22 Als zentral gilt der Forschung auch der Verkauf der arnsbergischen Burg Altena an den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel (reg. 1159–1167), denn damit gingen nicht nur die Lehnshoheit auf die Kölner über, sondern auch viele weitere Herrschaftsrechte im Westen der Grafschaft Arnsberg.23 Der mit der Burg belehnte Graf Eberhard von Berg (gest. 1180) nannte sich fortan Graf von Altena; er war der Ahnherr der Grafen von der Mark.

2. Von 1180 bis 1350/1400: Burgen und der Aufbau der Landesherrschaft Die westfälische Landesgeschichtsforschung zur Burg des 13. und 14. Jahrhunderts bewegt sich auf bewährtem Forschungsterrain. Ich verweise auf die 1976 von Hans Patze herausgegebenen zwei Bände der Reihe „Vorträge und Forschungen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte“, betitelt: Burgen im deutschen Sprachraum. Herwig Ebner skizziert in der Einführung die leitende Überlegung: „Der Erwerb von Burgen und Herrschaftsrechten diente dem Ansatz, der Vergrößerung und Arrondierung von Herrschaftsbereichen, zeugte aber gleicherweise vom dynastischen Machtstreben wie vom Landhunger.“ Und wenige Zeilen weiter formuliert Ebner: „Zeiten des Burgenbaues fallen mit Zeiten gesteigerter Machtund Herrschaftskonzentration zusammen. Burg und topographische Stabilität der Herrschaft bedingen einander dort, wo machtvolle Herrschaft weitere Burgen zur Sicherung und Festigung dieser Macht errichtete. Die Burgen waren – ursprünglich Zentralorte der Herrschaft und deshalb häufig namensgebend für den Herrschafts21

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Albert K. Hömberg, Geschichte der Comitate des Werler Grafenhauses, in: Westfälische Zeitschrift 100 (1950), S. 9–133; ders., Die Grafen von Arnsberg, in: ders., Zwischen Rhein und Weser. Aufsätze und Vorträge zur Geschichte Westfalens, Münster 1967, S. 47–61; Paul Leidinger, Die Grafen von Werl und Werl-Arnsberg (ca. 980–1124): Genealogie und Aspekte ihrer politischen Geschichte in ottonischer und salischer Zeit, in: Harm Klueting (Hg.), Das Herzogtum Westfalen, Bd. 1: Das kurkölnische Herzogtum Westfalen von den Anfängen bis zur Säkularisation 1803, Münster 2009, S. 119–170, Anm. 6 und 8 mit weiteren Arbeiten Leidingers; Michael Gosmann, Die Grafen von Arnsberg und ihre Grafschaft: Auf dem Weg zur Landesherrschaft (1180–1371), in: ebd., S. 171–202. Expl. Hömberg, Grafen, S. 55. Expl. ders., Geschichte, S. 79 f. Vgl. auch Johannes Bauermann, Altena – von Rainald von Dassel erworben? Zu den Güterlisten Philipps von Heinsberg, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 67 (1971), S. 229–252.

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bereich – Stützen der herrschaftlichen Ordnung.“24 Diese Überlegungen finden sich in den westfälischen Territorialgeschichten wieder. Zu nennen sind für die geistlichen Territorien die Studie von Joseph Prinz zu Osnabrück (1934),25 für Minden das Werk von Dieter Scriverius (1966) und die leider noch nicht publizierte Dissertation von Matthias Christian Kuck (2000),26 sowie für Münster in Bezug auf das Niederstift die Arbeit von Wolfgang Bockhorst (1985) und auf das Oberstift diverse Studien zu einzelnen Bischofsgestalten, etwa zu Hermann II. von Katzenelnbogen (reg. 1174– 1203) von Franz-Josef Jakobi (2005).27 Für die weltlichen Dynasten ist die 2003 erschienene Studie Adel in Westfalen von Diana Zunker anzuführen, in welcher für die Edelherren von Lippe, die Grafen von Everstein, Schwalenberg, Tecklenburg und Ravensberg die Burgenpolitik neben der Städte-, Heirats-, Bündnis- und Kirchenpolitik als Moment des Herrschaftsaufbaues betrachtet wird.28 Die Burgenpolitik der verschiedenen Territorialherren in ihren Wechselbezügen untersuchten jüngst Friedhelm Biermann für den Weserraum und Cornelia Kneppe für die Vorläuferterritorien des Herzogtum Westfalens.29 Auch in den zahlreichen Einzelstudien zu westfälischen Dynasten und ihren Territorien wird Burgenpolitik als Teilaspekt betont. Dabei fällt auf, dass westfälische Territorialgeschichte nicht nur diejenigen Herrschaften, die im 13. und 14. Jahrhundert Bestand hatten oder expandierten, erfasst, sondern auch stagnierende oder aussterbende Herrschaften betrachtet. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind anzuführen zu den Edelherren von Ahaus die Studie von Volker Tschuschke (2007), zu Arnsberg von Michael Gosmann (Zusammenschau 2009), zu Bentheim von Peter Veddeler (1970), zu den Edelherren von Büren von Reinhard Oberschelp (1965), zu Lippe von Frank Huismann (2002), zur Grafschaft Mark von Ute Vahrenhold-Huland (1968), zu Ravensberg (bis 1346) von Reinhard Vogelsang (2006) und Gustav Engel (1934), zu Schwalenberg von Fried-

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Herwig Ebner, Die Burg als Forschungsproblem, in: Hans Patze (Hg.), Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung, Sigmaringen 1976, S. 11–84, hier S. 57 f. Joseph Prinz, Das Territorium des Bistums Osnabrück, Göttingen 1934, S. 108–127 (Kap. VI: Osnabrücker Landesburgen). Dieter Scriverius, Die weltliche Regierung des Mindener Stifts von 1140 bis 1397, phil. Diss. Hamburg 1966, Druck in 2 Bden. Marburg 1966/74 (Burgenpolitik nach Bischöfen aufgelistet); Matthias Christian Kuck, Burg und bischöfliche Herrschaft im Stift Minden, phil. Diss. Münster 2000. Wolfgang Bockhorst, Geschichte des Niederstifts Münster bis 1400, Münster 1985; Franz-Josef Jakobi, Zur Bedeutung Bischof Hermanns II. (1174–1203) für Bistum und Stadt Münster, in: Westfalen 83 (2005), S. 21–32. Diana Zunker, Adel in Westfalen. Strukturen und Konzepte von Herrschaft, Husum 2003. Friedhelm Biermann, Der Weserraum im hohen und späten Mittelalter. Adelsherrschaften zwischen welfischer Hausmacht und geistlichen Territorien, Bielefeld 2007, S. 212–227; Cornelia Kneppe, Burgen und Städte als Kristallisationspunkte von Herrschaft zwischen 1100 und 1300, in: Klueting, Herzogtum Westfalen, S. 203–234.

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helm Forwick (1963), zur Burggrafschaft Stromberg von Helga Böke (1960) und zu Tecklenburg von Bernhard Gertzen (1939).30 Was sind nun die konkreten Erträge bezüglich der Burgenpolitik in diesen Studien? Ausgangspunkt für viele Arbeiten ist 1180, das Jahr der Ächtung des sächsischen Herzogs Heinrich des Löwen (reg. 1142–1180) und damit der Beginn der massiven Interventionen der Kölner in den westfälischen Raum. Burgenpolitik wird daher als eine der Erfolgsbedingungen zum Herrschaftsausbau beschrieben. Gezeigt werden die Burg im Kernraum der Herrschaft, die Burg in den Grenzräumen und die Burg als Neuerwerbung. Sicherlich bekannt ist die konsequente Burgenpolitik der münsterischen und Osnabrücker Bischöfe. Erwähnen möchte ich die Burgenpolitik des münsterischen Bischofs Hermann  II. von Katzenelnbogen, der sich nicht nur auf die vorhandenen Landesburgen Dülmen, Wolbeck und Lüdinghausen verlies, sondern gegen die Dynasten in Ahaus, Bentheim, Horstmar, Lohn und Steinfurt Burgen baute und Städte gründete. Das 1198 errichtete „novum castrum“ (Nienborg) ist ein Beispiel für diese Strategie zur Sicherung des Herrschaftsgebiets.31 Auch der Erwerb bzw. die Eroberung von Burgen anderer Dynasten, die Bedeutung der ‚Offenhauspolitik‘ für die Sicherung der terra und als Instrument, die Landsässigkeit kleinerer Dynasten und des Ministerialadels zu beschleunigen, werden beschrieben. Dabei nimmt die Schilderung der Organisation der Verteidigung einen breiten Raum ein. Das Institut der Burgmänner wird in vielen Studien betrachtet, das heißt ihre Pflicht, die Burg zu verteidigen und dort zu leben, wofür sie im Gegenzug ein Burglehen erhielten. Hierzu ist auch eine Dissertationsschrift von Friedrich Wilhelm Merten 1911 entstanden.32 Auf Adel und Burgmannen wird noch zurückzukommen sein.

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Helga Böke, Die Burggrafen von Stromberg-Rüdenberg und ihr Versuch zur Bildung eines Territoriums in Westfalen, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 61 (1959), S. 60–107; Gustav Engel, Die ravensbergischen Landesburgen, Bielefeld 1934; Friedhelm Forwick, Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, Münster 1963; Bernhard Gertzen, Die alte Grafschaft Tecklenburg bis zum Jahre 1400, Gütersloh 1939, S. 50–58; Gosmann, Die Grafen von Arnsberg, S. 188–192; Frank Huismann, Mittelalterliche Burgen im östlichen Westfalen. Ein Überblick, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 71 (2002), S. 9–60; Reinhard Oberschelp, Die Edelherren von Büren bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, Münster 1963, S. 34–54 (Wewelsburg); Volker Tschuschke, Die Edelherren von Ahaus. Ein Beitrag zur Geschichte des westfälischen Adels im Mittelalter, Vreden 2007, S. 306–323 und 432–450 (Die Burgen der Edelherren von Ahaus); Ute VahrenholdHuland, Grundlagen und Entstehung des Territoriums der Grafschaft Mark, Dortmund 1968, S. 140–150; Peter Veddeler, Die territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, Göttingen 1970; Reinhard Vogelsang, Grundlagen der ravensbergischen Landesherrschaft, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 91 (2006), S. 21–44, hier S. 29 f. Tschuschke, Edelherren von Ahaus, S. 333–341; Josef Wermert, Nienborg, in: Cornelia Kneppe und Mechthild Siekmann (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung X, Nr. 4, Altenbeken 2008. Friedrich Wilhelm Merten, Entstehungs- und Rechtsgeschichte der Burgmannschaften in Westfalen, Bonn 1911.

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Zwei weitere Überlegungen werden in den Studien immer wieder angesprochen, erstens: die Ambivalenz der Verpfändung. Burgengeschichte ist oftmals verwirrend, denn die Abfolge der Verpfändungen und der Auslösungen erscheint unübersichtlich, und nicht immer wurde die ganze Burg zum Pfand gesetzt. Auch die Funktion der Verpfändung bleibt gelegentlich offen: War sie ein Zeichen für die ständige Geldnot des Herrn? Die Forschung nimmt die Kreditgeber in den Blick, etwa den Adel, der damit aber auch strategisch an das Gebiet gebunden wurde. War sie andererseits auch ein Instrument zur Sicherung der Übereignung gekaufter oder getauschter Landesteile? Hier ist ein systematischer Vergleich vonnöten. Zweitens – und damit verbunden – werden Stärken und Schwächen des Lehnswesens für den Erwerb von Burgen thematisiert.33 So entwickelten sich die Dienstlehen der Burgmannen zu Erblehen und später zu Allodialgütern. Zu diesem Bedeutungsverlust des Lehnswesens später mehr. Noch wichtiger aber ist der von der westfälischen Forschung gerichtete Blick nach Köln. Von Albert K. Hömberg, Johannes Bauermann und Joseph Prinz wurde wiederholt auf die gescheiterte Lehnspolitik Philipp von Heinsbergs (reg. 1167–1191) und seiner Nachfolger hingewiesen.34 Tatsächlich lässt sich zeigen, dass die westfälischen Dynasten zwar ihre Burgen und andere Güter den Kölnern verkauften und als Lehen zurückerhielten, doch wird festgehalten, dass diese Lehen letztlich keine Bindekraft entwickelten. Anhand der lippischen Edelherren kann man einige Punkte deutlich machen: Der Stammsitz der Edelherren befand sich auf dem Hermelinghof an der Lippe; in der Nähe befand sich wohl eine weitere Burg, die Lippborg. Der eigentliche Begründer der Herrschaft Lippe, Bernhard  II. (reg. 1168–1196), agierte zunächst als Parteigänger Heinrichs des Löwen, unter anderem als militärischer Präfekt in Neu-Haldensleben, dann orientierte er sich im Gefolge der Ächtung Heinrichs nach Köln. In diesem Zusammenhang verkaufte er vor 1186 seine Burg an der Lippe Philipp von Heinsberg für 300 Mark, um sie als Lehen zurückzuerhalten. Anstatt aber nur als Gefolgsmann Philipps zu gelten, baute er eine neue Siedlung Lippstadt auf35 und errichtete nördlich

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Das Lehnswesen war „nicht Motor der Territorienbildung, bot vielmehr die rechtliche Form, in welche Erwerbungen verschiedenster Art und verschiedensten Ursprungs sich fügten“. Gerhard Theuerkauf, Das Lehnswesen in Westfalen, in: Westfälische Forschungen 17 (1964), S. 15–27. Albert K. Hömberg, Die Entstehung des Herzogtums Westfalen (1962), in: ders., Zwischen Rhein und Weser, S. 19–35. Vgl. die auf Burgen- und Städtepolitik Philipps abzielende Karte „Das Herzogtum Westfalen um 1190“ im Anhang. Bauermann, Altena (dort auch die Güterlisten Philipps); Joseph Prinz, Westfalen und Köln vor 1180, in: Peter Berghaus und Siegfried Kessemeier (Hg.), Köln – Westfalen 1180–1980. Landesgeschichte zwischen Rhein und Weser, Lengerich 1980, S. 31–41, hier S. 39–41, Karte S. 40. Immer noch mustergültig Wilfried Ehbrecht, Stadtentwicklung bis 1324, in: ders. (Hg.), Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Lippstadt 1985, S. 19–45; ders., Gestalt, Verfassung und Recht lippischer Städte – ein Modell?, in: Jutta Prieur (Hg.), Lippe und Livland. Mittelalterliche Herrschaftsbildung im Zeichen der Rose, Bielefeld 2006, S. 66–90.

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des Teutoburger Waldes, in einer quasi noch nicht herrschaftlich durchdrungenen Zone, die Falkenburg. 36 Welche möglichen Ansatzpunkte für die weitere Forschung gilt es aufzuzeigen? 1. Manchmal stößt bei den älteren Studien die Darstellungsweise auf: Es ist eine sehr personengeschichtliche, das heißt auf den Territorialherrn bezogene heroische Geschichtsschreibung. Und wir ahnen, dass vieles, was als gezielte Burgenstrategie und Machtpolitik beschrieben wird, dem Zufall geschuldet war, oder es Motive gab, die wir mit unseren Fragen und Methoden gar nicht aufzuspüren vermögen. 2. Die Zusammenarbeit von Historikern und Archäologen könnte für bestimmte Themenfelder besser sein. Doch es gibt Vorzeigeprojekte, etwa die Ausgrabungen zur Falkenburg37 sowie zur Sparrenburg und zur Burg Limberg in der Grafschaft Ravensberg.38 Die intensivere Kooperation könnte ein Defizit der historischen Forschung beseitigen, nämlich dass bisher die tatsächliche Gestalt der Burg und das Alltagsleben kaum in den Blick geraten sind. Die Burg war zunächst Wohnsitz eines Dynasten, also Residenz, und/oder seines Personals und der Burgmannen. Diese Wohnnutzung und die burgherrliche und burgfrauliche Sachkultur sind zu ermitteln. Die zunehmende Versteinerung der Burgen, die Ersetzung des Wohnturmes (Donjon) durch Wohnhäuser, die neuen Nebengebäude – das sind einige der Themen, welche die bauliche Entwicklung der Dynasten- und frühen Territorialburg konturieren helfen. Zwei Beispiele können hier angeführt werden: die Wewelsburg und die Nienborg. Die vor 1301 wieder errichtete Wewelsburg, so die Studie von Oberschelp,39 diente der Bürener Linie der Edelherren von Büren zum Schutz ihrer Vogtei über das Kloster Böddeken. Infolge eines Konflikts mit dem Paderborner Bischof musste die neue Burg 1393 zwischen dem Bischof und dem Edelherrn Berthold d.  J. geteilt werden: Ergebnis war, dass sich beide Vertragspartner verpflichteten, den Wach- und Tordienst gemeinsam zu besorgen. Die Edelherren, die sich nun von Büren und Wewelsburg nannten, und ihre Burgmänner bewohnten die eine Hälfte der Burg, die Burgmannen des Bischofs von Paderborn die andere. In einer Teilungsurkunde wurde von den zwei dafür vorgesehenen Steinhäusern gesprochen. Außerdem wird ein „Backhues“ erwähnt.40 Die Archäologie bestätigt die Angaben Oberschelps von den zwei Häusern – ich verweise hier auf die Auswertung der Grabungen von Walter Melzer und dessen Rekonstruktion.41 Für die Nienborg ist die Kartierung der Burganlage aufschlussreich: Josef Wermert hat das Blatt Nienborg 36 37 38

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Hans-Werner Peine u. a., Die Falkenburg bei Detmold-Berlebeck, in: ebd., S. 91–102. Ebd. Vgl. die Beiträge von Besserer, Ellger und Kneppe in: Verein zur Erhaltung der Burgruine Limburg e.V. (Hg.), Die Burg Limberg. Mittelpunkt einer Region. Beiträge in Geschichte und Gegenwart, Preußisch Oldendorf 2007; Andreas Kamm, Sparrenburg. Burg – Festung – Wahrzeichen, Bielefeld 2007, hier S. 7–31. Reinhard Oberschelp, Die Wewelsburg als Sitz der Edelherren von Büren im 14. Jahrhundert, in: Westfälische Zeitschrift 113 (1963), S. 377–383. Ebd., S. 380. Walter Melzer, Die Wewelsburg im Mittelalter – Ergebnisse einer archäologischen Grabung, o.O. 1998.

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für die zehnte Lieferung des Westfälischen Städteatlas konzipiert. Er beschreibt im Text die bauliche Gestalt, doch erst durch die Karte wird deutlich, welche Gebäude sich im Burgareal befanden, etwa Burgkapelle, Turm, Steinhaus und vor allem die Häuser der Burgmannen, die sich an der acht bis zehn Meter hohen Sandsteinmauer anlehnten. Zudem macht die Wachstumsphasenkarte den Siedlungsausbau vor den Toren der Burg deutlich. Auch für das Ende 15. Jahrhunderts wird der weitere Ausbau der Anlage beschrieben.42 3. Mehrfach angesprochen wurde bereits die Gruppe der Burgmannen, in den Quellen „castrenses“ oder „castellani“ genannt. Hier tun sich spannende Fragen für das 13. und 14. Jahrhundert auf. Die Herkunft dieser Gruppe wird entlang der Zeitachse unterschiedlich sein. Es wird sich wohl um Ministeriale, die schon einen ritterlichen Lebensstil angenommen hatten, aber auch um Mitglieder des schon vorhandenen niederen Adels gehandelt haben. Für Nienborg trifft ersteres zu: denn Bischof Hermann II. von Katzenelnbogen wird in der münsterischen Bischofschronik nachgesagt, er habe diese Burg den „pauperibus vasallis et ministerialibus ecclesie“ zu ihrem Schutz zur Verfügung gestellt, da sie „proprias munitiones non habuerunt“.43 Aber gleichzeitig bedeutete die Bindung der Burgmannen an den Herrn der Burg, dass diese sich allmählich als ein Teil des landsässigen Adels, der Ritter, etablieren konnten.44 Ja, teilweise tauchen exponierte Burgmannen schon im 14. Jahrhundert als Pfandnehmer von Burgen auf. So erhielten die von Brenken als Ministeriale des Bischofs von Paderborn zunächst 1303 ein Burglehen auf der Wewelsburg, 1379 finanzierte die Familie dem Bischof die Auslösung der Burg und erhielt diese zum Pfand gesetzt, so Oberschelp.45 Es werden also in der Geschichte der Burgmänner Schichtungen des nun auf die Landesherren bezogenen Adels deutlich. Mit der Studie von Friedrich Wilhelm Merten sowie den zahlreichen edierten Lehnsregistern wird man die Aufstiegsprozesse dieser Gruppe fassen können. Abstiegsprozesse können ebenfalls thematisiert werden: Regina Görner hat mit ihrer Studie zu den sogenannten Raubrittern im südlichen Westfalen diejenigen zu beschreiben gesucht, die im 14. Jahrhundert zwar wie andere dem Mediatisierungsdruck des Landesherrn ausgesetzt waren, aber eben nicht mit Ämtern und Lehen versorgt wurden.46

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Wermert, Nienborg. Chronik des Florenz von Wevelinghofen (vor 1379), in: Julius Ficker (Hg.), Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster, S. 27 sowie 111 (mittelniederdeutsche Fassung). Darauf weist Christine van den Heuvel für die Burgmänner von Quakenbrück zu Beginn des 14. Jahrhunderts hin: „Da der Burgmann zum ‚Schilde‘ geboren sein musste, somit zum Ritterstand gehörte, bildete die Burgmannschaft bereits zu diesem Zeitpunkt eine sozial geschlossene Körperschaft.“ Christine van den Heuvel, Burgmannen und Rat. Die politische Entwicklung Quakenbrücks von 1235 bis 1802, in: Horst-Rüdiger Jarck (Hg.), Quakenbrück. Von der Grenzfestung zum Gewerbezentrum, Quakenbrück 1985, S. 69–90, hier S. 73. Oberschelp, Wewelsburg, S. 382 f. Regina Görner, Raubritter. Untersuchungen zur Lage des spätmittelalterlichen Niederadels, besonders im südlichen Westfalen, Münster 1987.

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4. Ein weiteres Problem in Bezug auf die Burgmänner sei an dieser Stelle angesprochen: Welche Mechanismen der Gruppenbildung führten dazu, dass die Burgmannschaft als Korporation im späten 14. Jahrhundert tätig wurde? Offensichtlich waren Burgmänner, einst im Auftrag des Dynasten tätig, nun dessen gleichberechtigte Partner und Gegenüber. Und tatsächlich können wir an verschiedenen Indizien die Burgmannen als eine auf das Territorium bezogene Gruppe erkennen, die den Übergang in die Landstandschaft im 15. Jahrhundert erlebte. 1343 gelobten der osnabrückische Bischof Gottfried von Arnsberg (reg. 1321–1348) mit dem Kapitel, „die gemeinen Dienstleute und Burgmannen zu Osnabrück, Quakenbrück, Wiedenbrück, Iburg, Grönenberg, Hunteburg und Wittlage […] und der Rat zu Osnabrück, sich gegenseitig bei Recht und Gewohnheit zu lassen, gegen Widerspenstige aber Gewalt zu gebrauchen“.47 In der Grafschaft Tecklenburg waren die Burgmannen schon 1356, dann nochmals 1469 belegt diejenigen, die dem Grafen eine Schatzung ihrer Leute und Güter erlaubten.48 In Ravensberg rekrutierte sich vor 1346 der „Rat der Grafen“ aus den Burgmannen vom Ravensberg, in Arnsberg wird von 1272 bis 1300 kontinuierlich ein „consilium castellanorum“ genannt, doch ob diese Formulierung auf ein festes Gremium hindeutet, lässt Merten offen.49 Demzufolge kann auch vonseiten der Burgenforschung die Debatte um die Rolle der Stände im Territorialstaat konturiert werden. 5. Damit sei ein letztes systematisches Problem angedeutet: Die westfälische Landesgeschichte hat die Burgen, die von den geistlichen und weltlichen Territorialherren errichtet wurden, ins Zentrum ihrer Überlegungen gerückt. Doch aus dem Verweis der Münsterischen Bischofschronik auf die armen Vasallen, die keine eigenen Befestigungen besäßen, können wir im Umkehrschluss betonen, dass es Ministeriale und Adlige gab, die Burgenbesitzer waren. Ein Zeitzeuge für diesen Burgentypus ist Levold von Northof, der den Plural „castra“ ausschließlich für die märkischen Burgen gebrauchte, „fortalicia“ für die befestigten Bauwerke der adligen Landsassen. Ich verweise hier auf den Aufsatz von Stefan Pätzold im Katalog Aufruhr 1225.50 Aus drei Gründen sind diese Burgen für die Territorialgeschichte wichtig und sollten mehr beachtet werden: Zum Ersten sind es diejenigen Rittersitze, welche der Dynast als sogenanntes Offenhaus nutzte (dazu gibt es noch die meisten Informationen). Zum Zweiten stehen diese Burgen für den freiwilligen Weg in die Ministerialität und in die Burgmannschaft. Für diese Übergänge ist ein Ereignis im Stift Münster im Jahr 1271 anzufügen: Die Ritter Hermann und Bernhard Wolf von Lüdinghausen leisteten dem Bischof von Münster einen Treueid („vice sive loco ministerialium“) und machten ihm ihre Burg zum Offenhaus. Der Bischof war so zum Lehnsherrn der Lüdinghausener geworden und gewann die Nutzungsrechte an der 47 48 49 50

Zit. n. Hermann Hartmann, Das fürstliche Amtshaus Wittlage, in: Osnabrücker Mitteilungen 20 (1895), S. 143–207, hier S. 180. Gertzen, Tecklenburg, S. 46; Merten, Burgmannschaften, S. 89. Ebd., S. 91–94. Stefan Pätzold, Levold und die Burgen – Mittelalterliche Befestigungsanlagen in der Chronik der Grafen von der Mark, in: LWL-Museum, AufRuhr 1225!, S. 211–226, hier S. 221.

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Burg.51 1323 verkauften die Ritter Statius und Heinrich von Varenholte ihre Burg Varenholz mit dem Gogericht Langenholzhausen dem Edelherrn Simon I. zur Lippe (reg. 1275–1344) unter Vorbehalt zweier Burgsitze zu Lehen.52 Auch die Burggrafen von Stromberg waren zunächst edelfrei, dann sanken sie in die münsterische Ministerialität ab.53 Zum Dritten bauten die Ritter im 13. Jahrhundert eigene Grundherrschaften auf, zum Teil auch aus dem Burglehen. Der Blick in die einschlägigen Ortsgeschichten, die Inventare von Karl Adolf Freiherr von der Horst zu den Rittersitzen in Minden und Ravensberg54 oder etwa die Reihe „Frühe Burgen in Westfalen“ der Altertumskommission für Westfalen ist aufschlussreich. So thematisiert etwa in Band 18 dieser Reihe Vera Brieske die Wallburg Haskenau bei Handorf-Dorbaum. Die Autorin stellt fest, dass diese Burg – wie auch die Burg Schöneflieth bei Greven – von einer „sich verselbständigenden Ritterfamilie“ errichtet wurde.55 Möglicherweise sei es das Interesse des Bischofs und des Domkapitels gewesen, den Einfluss der Ritter einzuschränken. Jedenfalls wurde dem Ritter Hermann 1315 ein Burglehen bei Selm übertragen; 1324 kaufte das Domkapitel die Burg, die in der Folgezeit verfiel.

3. Die Burg im gefestigten Territorialstaat Damit möchte ich zum letzten Punkt meiner Ausführungen kommen, der allerdings chronologisch nicht scharf von der Burg im Kampf der Dynasten untereinander um den Ausbau der Herrschaft zu trennen ist: Es geht mir nun um die Burg im Territorialstaat des 14. und 15. Jahrhunderts. Bischöfe und Dynasten mussten, wenn sie ihre Landesherrschaft ausbauen und ihre Verwaltung auf vom Lehnswesen unabhängige Amtsträger stützen wollten, die alte Dynastenburg/Bischofsburg und die Grenzen und Handelswege absichernden Territorialburgen zu Verwaltungsburgen umwandeln.56 Die Funktionen änderten sich folglich, wobei natürlich auch die fortifikatorischen Anforderungen an die Burg aufgrund der sich weiter entwickelnden Waffentechnik stiegen.57 Für den westfälischen Zusammenhang ist zu betonen, dass 51 52

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Theuerkauf, Lehnswesen, S. 21. Otto Preuß und August Falkmann (Bearb.), Lippische Regesten, Bd. 2: 1301–1400, Lemgo und Detmold 1863, Nr. 686, S. 106. Zur Burgenpolitik des Edelherren Simon vgl. Ulrich Meier, „Der Eckstein ist gekommen…“. Die Konsolidierung der Herrschaft Lippe im 13. Jahrhundert, in: Prieur, Lippe und Livland, S. 20–64, hier S. 49. Boke, Burggrafen. Karl Adolf Freiherr von der Horst, Die Rittersitze der Grafschaft Ravensberg und des Fürstentums Minden, Berlin 1894 (ND Osnabrück 1970). Vera Brieske, Die Haskenau bei Handorf-Dorbaum. Kreisfreie Stadt Münster, Münster 2001, hier S. 17. Diesen Aspekt betont für das Rheinland Wilhelm Janssen, Burg und Territorium am Niederrhein im späten Mittelalter, in: Patze, Burg, S. 282–324. Karl-Heinz Spieß, Burg und Herrschaft im 15. und 16. Jahrhundert, in: Wilfried Dotzauer u. a. (Hg.), Landesgeschichte und Reichsgeschichte. Festschrift für Alois Gerlich zum 70. Geburtstag, Stuttgart 1995, S. 195–212.

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die landesherrliche Residenzburg und der territoriale Amtssitz für die Herrschaftsverdichtung von zentraler Bedeutung waren. Allerdings werden genau diese Aufgabenbereiche in der westfälischen Landesgeschichte nur am Rande behandelt.

Die Burg als Verwaltungssitz Die günstige Lage der Burgen war die Ursache dafür, dass die Burgen zu natürlichen Mittelpunkten eines Amtes, also eines Bezirkes, wurden. Dies ist meines Erachtens eine anders gelagerte Entwicklung als im Rheinland, wo – auch chronologisch früher – Städte zu Verwaltungszentren wurden.58 Im Distrikt, im Amt, der in der Regel den Namen der Burg übernahm, beanspruchte der Landesherr die Gerichtsrechte, erhob am Ende des Betrachtungszeitraums die „Bede“, zog Wegegeld und Zölle ein, machte Patronatsrechte geltend, verwaltete seinen Allodialbesitz, bestimmte auch über seine Eigenbehörigen, und er übte den Mühlenbann aus. 59 In Bezug auf die Ursprungsfunktion, die der Sicherung und Verteidigung, kam es zu einschneidenden Wandlungen: Hinzuweisen ist vor allem auf das allmähliche Verschwinden der Burgmänner. Einige beispielhafte Studien zur Burg als Verwaltungssitz sind für Westfalen vorhanden: Hinzuweisen ist etwa auf die Arbeit von Wolfgang Bockhorst zum Niederstift, der unter anderem die Amtsburgen um 1400 (Cloppenburg, Vechta und Landegge bei Meppen) betrachtet.60 Ich möchte aber auf das bisher in diesem Aufsatz nur an einer Stelle angesprochene Hochstift Osnabrück eingehen. Bereits 1895 publizierte Hermann Hartmann zu den sieben Amtsburgen des Stifts, Joseph Prinz folgte 1934; Fallstudien, die auch die jeweilige Amtsburg thematisieren, gibt es von Otto Merker zum Amt Grönenberg 1967 und von Thomas Vogtherr zum Amt Hunteburg 1985.61 Hartmann betont, dass der adlige Drost, im 15. Jahrhundert noch Amtmann genannt, und der um 1500 nachzuweisende bürgerliche Rentmeister als Gerichts- und Verwaltungsbeamte auf der nun häufiger als zuvor „Schloss“ („schlot“) genannten Burg agierten. Weiterhin waren dort Richter, Vogt, Pförtner, Schreiber sowie die Knechte und Mägde tätig. In den größeren Amtshäusern gab es zudem noch den Burggrafen oder Schlossverwalter. Hartmann weist auf die Mühle in der Nähe der Burg hin und stellt für die Hunteburg den Fischzoll heraus.

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Janssen, Burg und Territorium, S. 309 f. Dies sind die zentralen Argumente von Wilhelm Janssen, Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert. Zu einer Veröffentlichung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte, in: Der Staat 13 (1974), S. 415–426. Bockhorst, Geschichte des Niederstifts Münster, S. 106–127. Hermann Hartmann, Das fürstbischöfliche Amtshaus Wittlage, in: Osnabrücker Mitteilungen 20 (1895), S. 143–207; Otto Merker, Das Werden des Territorialstaates am Beispiel des Amtes Grönenberg, in: Osnabrücker Mitteilungen 74 (1967), S. 1–36; Thomas Vogtherr, Die ältesten Hunteburger Amtsrechnungen. Edition und Auswertung, in: Osnabrücker Mitteilungen 90 (1985), S. 47–96.

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In Bezug auf die Architektur und die Funktionalität der Gesamtanlage arbeitet Hartmann den ‚Patchwork-Charakter‘ der Amtsburg des späten 15.  Jahrhunderts heraus: Es war das Amtshaus, das Gericht und Verwaltung beherbergte; die Kemenate wurde zur Wohnung der Drosten umfunktioniert; der alte Bergfried diente als Gefängnis. Ferner mussten Räumlichkeiten für das Dienstpersonal und Ställe für die Pferde der Beamten und Diener vorhanden sein. Auch Scheunen für Futter und für die Naturalabgaben existierten. Oft befand sich das Ökonomiegebäude auf dem Terrain der Vorburg.62 Die von Thomas Vogtherr edierten Rechnungen des Amtes Hunteburg aus den 1440er und 1450er Jahren lassen anhand der Ausgaben für die Entlohnung einen Turmhüter, einen Torhüter, einen Schließer, aber auch einen Müller, die Kuhmagd, einen Ölschläger und zwei Schweinehirten als Burgpersonal erkennen.63 Genannt wird auch die Reparatur an Armbrüsten und an den Mauern. Damit ist die Verteidigungsfunktion angesprochen: Sowohl Hartmann als auch Vogtherr machen deutlich, dass die Amtshäuser mit den Burgen des 13. Jahrhunderts diese Aufgabe gemein hatten. Von der Burg aus wurde durch den Amtmann/Drost die Verteidigung des Distrikts organisiert; der Vogt kontrollierte Straßen, Landwehren und Schlagbäume. Doch die Personen, welche konkret die Verteidigung zu übernehmen hatten, waren im Gegensatz zum 14. Jahrhundert nicht mehr die Burgmannen. Im 15. Jahrhundert ist von Landsknechten die Rede. Halten wir fest, dass die Überlegungen Janssens zur Distriktbildung als einem zentralen Moment der Territorialstaatsbildung anhand der Burgen verdeutlicht werden kann.64 Hier ist weitere Forschung vonnöten.

Die Burg als Residenz Der Wandel von der Burg zum Schloss, das heißt der Aufstieg einer Burg hin zum Sitz von Fürst, Hof und Verwaltung,65 ist ein wichtiges Signum der großen, aufstrebenden Territorien um 1500, etwa im Rheinland und in Mitteldeutschland, doch weist Janssen anhand des Rheinlandes darauf hin, dass die Konzentration auf eine Burg im 14. und 15. Jahrhundert noch nicht die Regel war. Er spricht von „polyzentraler“ Struktur des spätmittelalterlichen Territorialstaates; es gab nicht eine, sondern mehrere Amtsburgen, die zu „Residenzburgen“ aufstiegen.66 Diesen Aufstieg können wir auch für Westfalen an Hartmanns Aufsatz aus dem Jahr 1895 verdeutlichen: Der Ausbau der Burg Fürstenau zur osnabrückischen Residenz unter Konrad IV. von Rietberg (reg. 1482–1508) und seinen Nachfolgern Erich von Grubenhagen (reg. 1508–1532) und Franz von Waldeck (reg. 1532–1553) ging mit dem Ausbau 62 63 64 65 66

Hartmann, Amtshaus Wittlage, S. 169–177. Vogtherr, Hunteburger Amtsrechnungen, S. 57–59. Janssen, Territorialstaat. Klaus Neitmann, Was ist eine Residenz? Methodische Überlegungen zur Erforschung der spätmittelalterlichen Residenzbildung, in: Peter Johanek (Hg.), Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage, Sigmaringen 1990, S. 11–44. Janssen, Burg und Territorium, S. 299 f.

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der Stadt einher. Auch die zweite Residenzburg, Iburg, wird von Hartmann vorgestellt. Er referiert den Ausbau der Fürstengemächer, den Bau eines neuen Turms, die Vergrößerung der Küche und des Gartens sowie die Anweisungen für das Personal, wenn der Bischof residierte.67 Diese Überlegungen nehmen die Aufsätze von Gudrun Tscherpel zu Fürstenau und Iburg im Handbuch der Residenzenkommission auf, doch stellt man nach der Lektüre fest, dass, bezogen auf das 15. Jahrhundert, auch nach über einhundert Jahren kaum Neues zu vermelden ist.68 Nötig wären also für die Burgenforschung der Blick in die Amtsrechnungen und gegebenenfalls die Erstellung von Karten nach dem Vorbild des Blattes Ahaus in der zehnten Lieferung des Westfälischen Städteatlasses, welche den Zusammenhang von Burg und Siedlung deutlich machen.69 Auch für die anderen westfälischen Hochstifte ist die Forschungslage nicht befriedigend. Die Residenzburgen des Stifts Münster müssten für das 15.  Jahrhundert bezüglich der Burgen Ahaus, Sassenberg, Wolbeck und anderer in einer vergleichenden Studie untersucht werden. Auch über Neuhaus im Stift Paderborn und Petershagen im Stift Minden wissen wir zum späten 14. und 15.  Jahrhundert vergleichsweise wenig.70 Das Haus Spiegel in Neuhaus im Nordwesten der Anlage wurde 1370 erbaut, doch hat sich die Forschung auf den Beginn der Frühen Neuzeit, also auf die Rezeption der mittel- und oberdeutschen Residenzarchitektur in Westfalen konzentriert. Es gilt also in Zukunft nicht ausschließlich auf die Zwerchhäuser und Treppentürme zu schauen. Dass für die Territorien der westfälischen Grafen und Edelfreien des 15. Jahrhunderts Erträge möglich sind, zeigt beispielhaft der Aufstieg von Brake und Blomberg zu Residenzburgen der lippischen Edelherren im 14. Jahrhundert. Hier stehen die Untersuchungen des Weserrenaissance-Museums, Studien von Mark Mersiowsky und einige edierte Rechnungen zur Verfügung. Die Präsenz der Edelherren in Brake, die Rechnungslegung, die Existenz von Hof- und Verwaltungspersonal, der Aufbau einer „Aktenkanzlei“, Repräsentationsausgaben, das heißt die Bewirtung von Gästen, und die Pferdezucht sind einige der Indizien für den Wandel zur Residenz. Belegt ist für beide Burgen der beheizbare Saal.71 Wichtig ist, dass bereits diese frühen weltlichen Residenzen eines kleinen Territorialherrn zum sakralen Zentrum gerieten. Die Burgkapelle in Brake sowie die Grablege und Memorialstif67 68 69 70 71

Hartmann, Amtshaus Wittlage, S. 150 f. und 157 f. Gudrun Tscherpel, Art. „Fürstenau“ und „Iburg“, in: Werner Paravicini (Hg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teilband 2: Residenzen, Sigmaringen 2003, S. 200–202 und 276 f. Volker Tschuschke, Ahaus, in: Kneppe/Siekmann, Städteatlas, Lieferung X, Nr. 1, Tafel 2: Wachstumsphasen der Stadt Ahaus. Siehe auch seinen Beitrag in diesem Band. Walter Becker, Schloß Neuhaus. Das ehemalige Wohngebäude der Paderborner Bischöfe, Paderborn 1970; Gudrun Tscherpel, Art. „Petershagen“, in: Paravicini, Höfe und Residenzen, Teilband 2, S. 443–445. Huismann, Mittelalterliche Burgen, S. 42–46; Mark Mersiowsky, Landesherrliche Bauausgaben im Spiegel der ältesten lippischen Rechnungen, in: Ulf Dirlmeier u. a. (Hg.), Öffentliches Bauen in Mittelalter und Früher Neuzeit, St. Katharinen 1991, S. 116–171.

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Burgen in der westfälischen Landesgeschichte des Mittelalters

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tungen in der Marienkirche der Dominikanerinnen in der unmittelbar benachbarten Stadt Lemgo sind zu nennen.72 Bezüglich des Übergangs der Residenzfunktion von Brake auf Blomberg kann auf die fortifikatorischen Vorteile der Blomberger Burg in der Eversteinischen Fehde verwiesen werden.73 Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts wurde dann Blomberg ausgebaut. Ein starkes Indiz für die Verlagerung des lippischen Herrschaftszentrums war die Errichtung der „Kloster- und Wallfahrtskirche“ der Windesheimer zu Blomberg 1462, die auch als Grablege diente. Doch auch für Blomberg gilt das, was für die geistlichen Territorien festgehalten worden ist – zu Baugestalt und Burgbewohnern wären sicherlich noch mehr Informationen vonnöten. Warten wir auf das von Ulrich Meier erstellte Blatt zu Blomberg im Westfälischen Städteatlas!

Schlussbetrachtung Mein Beitrag ist weder eine konzise Zusammenfassung der westfälischen Burgengeschichte noch ein alle Erträge und Defizite bilanzierender Forschungsüberblick. Stattdessen habe ich einen ‚gemischten Strauß‘ angeboten. Eine westfälische Burgenforschung bedarf einer genauen, und das heißt auch zeitraubenden Kenntnis der gesamten, äußerst umfangreichen, an den Einzelterritorien orientierten Literatur; sie bedarf ferner der Zusammenarbeit mit den Nachbarwissenschaften, zunächst der Archäologie, sodann auch der Kunstgeschichte. Allerdings ist in diesen Ausführungen die kunstgeschichtliche Forschung nur angedeutet worden. Möglich wäre es auch, andere Tendenzen der Forschung einzubeziehen, etwa die Repräsentation bestimmter Herrschaftskonzepte – Gerhard Streich hat dies ja an den Stauferburgen deutlich gemacht. Hierauf genauer einzugehen wurde in diesem kurzen Überblick verzichtet, aber unsere Burgen sind auch westfälisch schlicht; zu erinnern ist an das Eingangszitat von Gustav Engel. Wie dem auch sei: Unsere Tagung soll ein Impuls sein, einige der Stränge der Burgenforschung zusammenzuführen. Dazu sollen diese Überlegungen einen Beitrag leisten.

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Reinhard Karrenbrock, Das Grabmal des Edlen Otto zur Lippe und seiner Frau Ermgard von der Mark, in: Jutta Prieur (Hg.), Wie Engel Gottes. 700 Jahre St. Marien Lemgo, Bielefeld 2006, S. 114–125. Frank Huismann, Die Eversteinsche Fehde, in: Wiard Hinrichs u. a. (Hg.), Stupor Saxoniae Inferioris – Festschrift für Ernst Schubert, Göttingen 2001, S. 59–81.

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Sektion B: Burgen, Montanwirtschaft und Siedlung im südlichen Westfalen (Höhenburgen)

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Hemer, Menden und Iserlohn vor 1300 Überlegungen zum Verhältnis von Landesherr, Bergbau und Metallgewerbe Wer durch das Felsenmeer wandert und es nicht als ein Naturwunder, sondern als Relikt mittelalterlichen Bergbaus begreift, dem stellen sich viele Fragen: Wer arbeitete hier, wohin gingen die Erze? Welche Folgen hatte der hier in Bodendenkmälern dokumentierte Montanbetrieb für Siedlung und Herrschaft rund um Hemer? Einzubeziehen sind die beiden Nachbarstädte Menden und Iserlohn, die Hemer gewissermaßen in die Mitte nehmen. Die Antwort auf unsere Fragen fällt nicht leicht, denn sie ist nicht aus Akten oder Urkunden abzulesen. Vielmehr ist eine Art Indizienprozess zu führen, der die Befunde mehrerer Wissenschaften miteinander verzahnt, Analogieschlüsse zieht und neben der Landesgeschichte Ergebnisse der Geologie, Archäologie, Patrozinienkunde, Kunst- und Technikgeschichte berücksichtigt. Zunächst wird die Ortsgeschichte von Hemer, Menden und Iserlohn bis ins frühe 14. Jahrhundert nach Grundherrschaft, kirchlicher und territorialstaatlicher Organisation skizziert. Es folgen zweitens Bausteine zu einer Geschichte des Bergbaus und der Metallverarbeitung dieses Gebiets vor 1300. Abschließend werden die Wechselwirkungen zwischen der allgemeinen Orts- und der Wirtschaftsgeschichte dieses Raumes in den Blick genommen und im Sinne dieser Tagung gefragt, ob und in welcher Weise die Landesherrn im 13. Jahrhundert auf Bergbau, Metallgewerbe und die Stadtentwicklung eingewirkt haben.

1. Die Ortsgeschichte von Hemer, Menden und Iserlohn bis 1300 Wenn im Folgenden von Hemer die Rede ist, ist das gesamte heutige Stadtgebiet gemeint, das im Laufe von 150 Jahren bis zur Gebietsreform von 1975 zusammenwuchs.1 Hemer selbst wurde erstmals in einer Urkunde erwähnt, in der Erzbischof Anno von Köln das Kloster Grafschaft mit umfangreichem Besitz im südlichen Westfalen ausstattete. Sie datiert auf das Jahr 1072, ist aber tatsächlich eine Fälschung des 12. Jahrhunderts nach einer echten Vorlage.2 An der Zugehörigkeit der beiden darin erwähnten Höfe zu „Hademare“, also Hemer, zu Kloster Grafschaft besteht schon deshalb kein Zweifel, weil um 1125 dieser Sachverhalt bestätigt wurde, als eine 1 2

Grundlegend: Bürger- und Heimatverein Hemer e.V. (Hg.), Hemer. Beiträge zur Heimatkunde, 2. Aufl. Hemer 1980. Manfred Wolf (Bearb.), Das Archiv des ehemaligen Klosters Grafschaft. Urkunden und Akten, Arnsberg 1972, S. 1 f., Nr. 1 (zu 1072), ebd., S. 2, Nr. 2 (zu 1123–1126).

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Pfarrgemeinde Hemer konstituiert und von den meisten Verpflichtungen gegenüber der Mendener Kirche befreit wurde. Die Kirche selbst ist älter; die archäologischen Befunde und das Vitus-Patrozinium verweisen in das 9. bzw. 10. Jahrhundert,3 der Name „Hademar“ wohl in eine noch ältere Zeit. Der Raum Hemer war auf mehrere Grundherrschaften verteilt. Kölner Besitz oder Rechte ergeben sich aus der Grafschafter Urkunde; belegbar ist Werdener Besitz bei Deilinghofen, der 1036 an die Grafen von Werl überging.4 Die territoriale Zugehörigkeit zur Grafschaft Mark entschied sich erst im 14. Jahrhundert, nachdem die Burg Klusenstein 1353 angelegt worden war und die Kriege mit Köln zu einem Abschluss gekommen waren.5 Die damals gefundene Grenze trennt noch heute das Stadtgebiet zwischen Hemer und Menden und trennte bis 1815 auch Territorien. Die Grenzlage von Hemer schlägt sich nieder in einem zum Teil heute noch vorhandenen System von insgesamt sieben Burgen sowie Landwehren bei Apricke. Neben der (jüngeren) Burg Klusenstein verdient unser besonderes Interesse Brelen oder historisch Bredenol, weil diese Burg wie später Klusenstein nahezu direkt auf der Grenze zwischen märkischem und kölnischem Gebiet lag und Sitz einer bedeutenden Ministerialenfamilie war. Insbesondere Erenfried (I.) von Bredenol tat sich nach 1275 hervor.6 Er fungierte 1276 bei den Auseinandersetzungen um den Soester Hof Calle als kölnischer Marschall und war 1282 Burgmann in Menden. Sein Besitz lag um 1300 im gesamten südwestfälischen Raum von der Soester Börde über Herscheid und Attendorn bis nach Siegen verstreut. Er verkehrte nicht nur in Kreisen des niederen Adels, sondern hatte auch Kontakte zu den städtischen Oberschichten in Soest und Attendorn. 1310 wurde Erenfrieds gleichnamiger Sohn von Kloster Grafschaft mit acht Höfen in Iserlohn, Wermingsen, Calle, Westig sowie in der Wüstung Amelinchusen belehnt.7 Die Geschichte von Menden ist eng mit dem Kölner Besitz in Westfalen verbunden.8 Im Dekanat Attendorn des Erzbistums Köln erstreckte sich der große Sprengel 3 4 5 6

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Peter Ilisch und Christoph Kösters (Bearb.), Die Patrozinien Westfalens von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Münster 1992, S. 714–720 (S. 714 zu Hemer). Leopold Schütte, Die Ersterwähnung Deilinghofens, in: Kultur- und Heimatverein Deilinghofen (Hg.), Von der Insel zum Felsenmeer. 700 Jahre Deilinghofen, Deilinghofen 2005, S. 10–14. Ulrich Barth u. a. (Bearb.), Kunst- und Geschichtsdenkmäler im Märkischen Kreis. Beschreibungen und Bilder, 2. Aufl. Altena 1984, S. 149–169. Ebd., S. 155–157, sowie zu Hemer S. 134–136; Robert Frese, Das Geschlecht derer „von Bredenol“, in: Der Schlüssel 16.2 (1971), S. 14–20, und 16.3 (1971), S. 8–15; Stefan Alberts, Burg Brelen. Geschichte und Geschichten der Burg, des Ortsteils und seiner Bewohner, Hemer 2009. Belege: Westfälisches Urkundenbuch (im Folgenden WUB), Bd. 7: Die Urkunden des kölnischen Westfalens vom J. 1200–1300, bearb. vom Staatsarchiv Münster, Münster 1908 (ND Osnabrück 1980), Nr. 1571, 1780, 1787, 1818, 1902, 1909, 1919, 1939, 1062, 2324, 2354; WUB, Bd. 11: Die Urkunden des kölnischen Westfalens 1301–1325, bearb. von Manfred Wolf, Münster 1997–2005, Nr. 471, 685, 759, 1031. Vgl. Gisbert Kranz, Zur Geschichte der Stadt Menden, Menden 1926 (ND Menden 1987); Robert Frese und Josef Fellenberg, Die Rodenberger und ihre Stammburg zu Menden. Ein Beitrag zur westfälischen Geschichte, Menden 1959; Paul Koch (Bearb.),

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der Mendener Kirche St. Vinzenz und St. Walburgis anfangs von der mittleren Hönne einschließlich von Hemer bis nördlich der Ruhr mit Dellwig, Langschede und Bausenhagen, bevor die Kirchen dieser Dörfer abgepfarrt wurden. Die Pfarrei Menden und ihre Einkünfte waren Eigenbesitz der Kölner Erzbischöfe; 1243 übertrug sie Erzbischof Konrad von Hochstaden (reg. 1238–1261) dem Domkapitel. Neben der Pfarrkirche gehörte Köln ansehnlicher Grundbesitz im Raum Menden. Die um 1027 an Heinrich von Soest übertragenen zehn Hufe fielen an das Kloster Grafschaft. Erzbischof Anno II. (reg. 1056–1075) und sein Nachfolger Sigewin (reg. 1078–1089) statteten St. Georg in Köln mit dem Zehnt und weiteren Gütern in Menden aus.9 Um 1100 dienten Mendener Ländereien zum Unterhalt der Priester der Lupuskapelle am Kölner Dom; bei der Aufzählung der Verbindlichkeiten gegenüber der Lupuskapelle erfahren wir von einem „villicus“ zu Menden, dem Schulten, welcher der Kölner „curtis“ vorstand. Das Schultenamt bekleideten Ministeriale, von denen einer zur Mitte des 13. Jahrhunderts zu einem Mächtigen in der Region aufstieg. Goswin von Menden (gest. nach 1276) nannte sich seit 1249 Goswin von Rodenberg, nach der von ihm östlich oberhalb von Menden erbauten Rodenburg.10 Wurde diese Burg sicher mit Zustimmung des Erzbischofs erbaut, so gestaltete sich das Verhältnis zwischen Goswin und Köln auf Dauer alles andere als harmonisch. 1272 kaufte Goswin von Graf Gottfried III. von Arnsberg (reg. ca. 1238–1284/87) die Vogtei über Hof und Kirche von Menden, die dieser 1238 erworben hatte. Die genauen Ursachen des darauffolgenden Zerwürfnisses zwischen den Rodenbergern und dem Erzbischof liegen im Dunkeln. Jedenfalls übertrug Goswin 1276 die Rodenburg und die Vogtei an Erzbischof Siegfried von Westerburg (reg. 1275–1297), welcher die Rodenberger mit Renten in Soest abfand. Noch im gleichen Jahr soll Menden Stadtrechte nach Attendorner Vorbild erhalten haben,11 während die Rodenburg zum Sitz des Amtes Menden wurde. 1290 ist dort ein Amtmann („officiatus“) belegt. Zu diesem Zeitpunkt war die Rodenburg als Ergebnis der Schlacht von Worringen 1288 dem Graf von der Mark verpfändet, der sie bis 1298 behielt, dann 1301 belagerte und zerstörte. Die Burg wurde nie wieder aufgebaut, sondern ins Tal verlegt und als Schloss, zugleich Amtssitz, mit der Mendener Stadtbefestigung verbunden. Als Ergebnis der andauernden Grenzstreitigkeit zwischen den Grafen von der Mark und Köln wurde Menden bis 1344 mehrfach belagert und nach Zerstörungen weiter befestigt. Das Datum der Stadterhebung ist nur theoretisch zu erschließen, jedenfalls wurde die „villa“ Menden 1276 innerhalb weniger Wochen nach dem Verzicht der Rodenberger auf ihre Burg zum „oppidum“. Bereits vorher muss Menden aber urbane

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Menden (Sauerland). Eine Stadt in ihrem Raum, Menden 1973; Jutta Törnig-Struck, Aus Fachwerk, Bruchstein und Beton. Stadtgeschichte in Kunst- und Bauwerken, Menden 1995, S. 12–67. WUB, Bd. 1: Regesta historiae Westfaliae. Von den ältesten geschichtlichen Nachrichten bis zum Jahre 1125, bearb. v. Heinrich August Erhard, Münster 1847 (ND Osnabrück 1972), S. 188, Nr. 1106, und 197, Nr. 1189. Neben Frese/Fellenberg, Rodenberger, vgl. Barth u. a., Kunst- und Geschichtsdenkmäler, S. 487–492. Carl Haase, Die Entstehung der westfälischen Städte, 4. Aufl. Münster 1984, S. 78.

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Qualität gehabt haben. Der Ort war seit 1226 Sitz eines Gerichts und besaß 1266 eine Schule mit einem Rektor. 1266 hieß ein Einwohner „civis“. Für ein intensives Markt- und Gewerbeleben spricht die Existenz einer Großen Gilde, die Kaufleute und Tuchmacher umfasste. Sie wies strukturelle Ähnlichkeiten mit anderen niederdeutschen Kaufgilden des späten 13. Jahrhunderts auf.12 Wenn man die Geschichte der Mendener Zünfte mit jener der Iserlohner vergleicht, dann fällt die Abhängigkeit der Mendener Handwerker von den Kaufleuten auf. In Iserlohn dominierten die produzierenden Gewerbe, vor allem die Schmiede und Panzermacher.13 Aus ihren Reihen und aus der Tuchmacherzunft entwickelte sich das kaufmännische Potential der Stadt, das bis in das 18. Jahrhundert der Produktion eng verbunden war. Dieser Unterschied resultierte wahrscheinlich aus einer sehr viel stärkeren innerstädtischen Position der Gewerbe in Iserlohn schon im 13. und 14. Jahrhundert.14 Bereits der Name Iserlohn gibt einige Rätsel auf.15 Bis in das 14. Jahrhundert schwankte er zwischen „Lo(h)n“ und „Iserlo(h)n“, bevor sich endgültig Iserlohn durchsetzte. Die Bedeutung beider Namensbestandteile ist weitgehend unstrittig. „Lo(h)n“ steht für Wald, der auch im heutigen Stadtgebiet noch reichlich vorhanden ist, „Iser-“ steht für Eisen. Ob Iserlohn zur Unterscheidung von dem erstmals 1137 erwähnten bedeutenden Hofgericht zu (Stadt-)Lohn im westlichen Münsterland seinen späteren Namen erhielt, muss offen bleiben. Immerhin erwarben die Grafen von der Mark 1305 einen Rechtsanspruch auf die Burg zu Loon, dem späteren Stadtlohn.16 Der Name (Iser-)Lohn bezog sich zunächst auf das Kirchspiel im kölnischen Archidiakonat Attendorn, das sich südwestlich an das Kirchspiel Menden anschloss. Es umfasste bis 1804 neben dem Siedlungskern um die Kirche die Bauerschaften Evingsen, Ihmert, Kalle, Kesbern und Lössel; selbst der entlegene Ort Evingsen wurde erst 1804 abgepfarrt.17 Zentrum des Kirchspiels war die später sogenann12

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Karl Wilhelm Nitzsch, Die niederdeutsche Kaufgilde, in: Zeitschrift des Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 13 (1892), S. 1–94, zu Menden S.  39  ff.; Wilfried Reininghaus, Die Zünfte im Herzogtum Westfalen, in: Westfälische Zeitschrift 157 (2007), S. 233–285. Wilfried Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark. Einleitung und Regesten von Texten des 14. bis 19. Jahrhunderts, Münster 1989, S. 123–148. Ders., Die Stadt Iserlohn und ihre Kaufleute (1700–1815), Dortmund 1995. Zu Iserlohn ist trotz zahlreicher notwendiger Korrekturen im Einzelnen immer noch unentbehrlich: Wilhelm Schulte, Iserlohn. Die Geschichte einer Stadt, 2 Bde., Iserlohn 1937/38. Die jüngere Stadtgeschichtsforschung dokumentieren: Götz Bettge (Hg.), Iserlohn-Lexikon, Iserlohn 1987; Dieter Stievermann, Städtewesen in Südwestfalen. Die Städte des Märkischen Sauerlandes im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1978; Rainer Josef Hachmann, Überlegungen zur frühen Iserlohner Stadtgeschichte, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 109 (2009), S. 72–109. Uta Vahrenhold-Huland, Grundlagen und Entstehung des Territoriums der Grafschaft Mark, Dortmund 1968, S. 273, Nr. 505, nach WUB, Bd. 8: Die Urkunden des Bistums Münster von 1301 bis 1325, bearb. v. Robert Krumbholtz, Münster 1913 (ND Osnabrück 1980), Nr. 253; vgl. Manfred Groten u. a. (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. Stuttgart 2006, S. 980 f. Hans-Joachim Behr, Die kirchliche Reform im Großherzogtum Berg und die kartographische Aufnahme der Munizipalität Iserlohn, in: Der Märker 36 (1987), S. 261–267.

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te Bauernkirche mit dem Pankratius-Patrozinium, das auf eine Gründungszeit im späten 10. Jahrhundert verweist.18 Der erhaltene Baukörper stammt aus der Zeit um 1200 und lässt keine Rückschlüsse auf eine noch ältere Zeit zu. Die Kollation stand den Kölner Kirchen St. Andreas und St. Georg zu.19 Um Iserlohn hielt sich bis in das späte Mittelalter Werdener Grundbesitz. Bedeutendster Grundherr in der Frühneuzeit (und früher) war jedoch der Landesherr, dessen Rentei sich weitgehend über das Amt Iserlohn erstreckte, das neben dem Kirchspiel der Bauernkirche auch Güter in Hemer und Deilinghofen umschloss.20 Die früheste Nachricht über diesen Grundbesitz dürfen wir in jenen Gütern vermuten, die 1124 erstmals erwähnt wurden. Damals bestätigte eine Papsturkunde, dass 1059 ein gewisser Huno seinen vom Kaiser (Heinrich IV., reg. 1056–1105/06) ihm geschenkten Besitz dem Kloster Rastede bei Oldenburg übertragen hatte. Die Urkunde nannte auch „Yslo“. Eine Rasteder Chronik des 15. Jahrhunderts identifizierte diesen Besitz als bei Soest gelegenes Reichsgut („bona sita iuxta civitatem Zosaciensem ad imperium pertinentia“).21 Seit Johann Diederich von Steinen (1699– 1759) hat diese Nachricht die Iserlohner Stadtgeschichte immer wieder beflügelt.22 Eine Brücke zwischen der älteren Rasteder Überlieferung und dem ausgedehnten Renteibesitz im Amt Iserlohn schlägt die Notiz in den Märkischen Registern von 1414. Damals wurde Heinrich von Aplerbeck, im Übrigen Nachfahre des Goswin von Rodenburg, aus dem Verbund des Reichshofs zu Lohn entlassen, der nun dem Grafen von der Mark gehörte („toe Loen in onsen Rykeshoff“).23 Iserlohns Oberbürgermeister Johann Caspar Lecke (1694–1785) vermutete einen Abspliss von der Hohensyburg bzw. vom Reichshof Westhofen, wofür immerhin die Existenz eines Syberger Wegs 1448 spricht.24 Wichtiger als über Reichsgut bei Iserlohn zu spekulieren, ist es, die Dimension der Siedlung um die Bauernkirche zu besprechen. Leopold Schütte bezeichnet sie für das Jahr 1214 als ein bedeutendes Dorf.25 Nur auf diese Siedlung kann sich die bereits im 11.  Jahrhundert erwähnte Münze beziehen, nur hierhin konnten einige Zuwanderer aus dem Werdener Oberhof Altendorf im 12. 18 19 20 21

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Vgl. Ilisch/Kösters, Patrozinien, S. 562–566. Schulte, Iserlohn, Bd. 2, S. 19, Nr. 35. Ebd., S. 216–220. Historia monasterii Rastedensis, in: Monumenta Germaniae historica. Scriptores (in folio), Bd. 25: Gesta saec. XIII, Hannover 1880 (ND Stuttgart 1974), S. 495–511, hier S. 499; Schulte, Iserlohn, Bd. 2, S. 581 f. Anm. 19 (ebd. muss es statt 495 korrekt 499 heißen!). Zu dieser „Chronik, die ziemlich viel Verwirrung geschaffen hat“, vgl. Paul Derks, Die Siedlungsnamen der Stadt Lüdenscheid, Lüdenscheid 2004, S. 188 f. mit Anm. 1551; ders., Beiträge zur Wort- und Namenkunde der Oldenburger Chroniken des späten Mittelalters, in: Oldenburger Jahrbuch 103 (2003), S. 31–52. Johann Diederich von Steinen, Westphälische Geschichte, 5 Teile, Lemgo 1755–1801, hier Tl. 1, S. 887–889. Jürgen Kloosterhuis, Iserlohn im Spiegel der Märkischen Register, in: Der Märker 36 (1987), S. 225–242, hier S. 236, Nr. 21 (Abb. 237); zu Heinrich von Aplerbeck vgl. Frese/ Fellenberg, Rodenberger, Tafel 13. Schulte, Iserlohn, Bd. 2, S. 53. Leopold Schütte, Art. „Gründung“, in: Bettge, Iserlohn-Lexikon, S. 67–69.

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Jahrhundert gelangen26 und wahrscheinlich stammte der in Köln zugewanderte und dort 1235 im Judenschreinsbuch nachgewiesene „Samuel de Iserlo“ von hier. Die Umsiedlung der Bewohner aus dem Baarbachtal auf die oberhalb gelegene Kalkklippe, den Bilstein, in die dort befindliche neue städtische Siedlung Iserlohn, muss ein Akt von dramatischen Ausmaßen gewesen sein. Sie ist nicht genau zu datieren, obgleich feststeht, dass die Grafen von Altena, die späteren Grafen von der Mark, die treibenden Kräfte waren. Graf Otto von Altena (reg. 1249–1262) ließ während seiner Herrschaft Münzen mit der Aufschrift „LON[ensis] CIVITAS“ prägen. 1265 sicherte sein Nachfolger nach Abschluss der Fehde dem Kölner Erzbischof zu, ohne seine Zustimmung Iserlohn, Kamen und Unna nicht weiter zu befestigen. Iserlohn wurde in der Urkunde noch neutral „villa“ genannt. 1278 verlangte der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg die Entfestung von Iserlohn.27 Ein Jahr später – und dies kann nur als Widerspruch zum Kölner Verlangen interpretiert werden – stattete Graf Eberhard II. (reg. 1277–1308) Iserlohn mit einem ersten im Wortlaut erhaltenen Privileg aus.28 Iserlohn hatte inzwischen in den Auseinandersetzungen des Märkers mit dem Kölner Erzbischof als Grenzfeste eine herausragende Stellung gewonnen.29 Die mit städtischen Freiheiten versehene Siedlung auf dem Bilstein schloss wohl von Anfang an Burgmannenhäuser und jene für sie errichtete Kapelle ein, aus der im frühen 14. Jahrhundert die heutige Oberste Stadtkirche entstand. Der Gesamtvorgang der Iserlohner Stadtgründung auf dem Bilstein unter Beibehaltung der Alten Stadt am Baarbach erinnert an vergleichbare Situationen in Rüthen und Marsberg. In Rüthen legte im Jahr 1200 Adolf von Altena als Erzbischof von Köln (reg. 1193–1205 und 1212–1216) eine befestigte Stadt an, die bis 1217 um eine Burg erweitert wurde.30 Die neue Stadt Rüthen übernahm die Funktionen des strategisch ungünstiger gelegenen Platzes Altenrüthen, das wie Hemer in der Grafschafter Gründungsurkunde aus dem späten 11.  Jahrhundert vorkam und dessen Bewohner wahrscheinlich die Kupfervorkommen im Kumpf und das Eisenerz unterhalb des späteren Burgbergs erschlossen. Die neue Stadt auf dem Berg erfüllte sowohl die Funktion, diese und andere Bergwerke zu schützen als auch das kölnische Herrschaftsgebiet gegen den Grafen von Arnsberg und die Paderborner Bischöfe zu sichern. Um 1220 wurde auf dem Eresberg die neue Stadt Obermarsberg gegrün26 27 28 29 30

Rudolf Kötzschke (Hg.), Rheinische Urbare, Bd. 2: Die Urbare der Abtei Werden a.d. Ruhr. A. Die Urbare vom 9.–13. Jahrhundert, Bonn 1906 (ND Düsseldorf 1978), S. 169; vgl. auch ebd., S. 290 (Christina vom Oberhof Schöpplenberg „iuxta Lon“). WUB, Bd. 7, Nr. 1648; Schulte, Iserlohn, Bd. 2, S. 2 f., Nr. 3. Ebd., S. 2, Nr. 2 nach von Steinen, Geschichte, Tl. 1, S. 1013 (das in der Urkunde genannte Datum ist wegen der Osterzählung auf den 9. März 1279 zu ändern). Deshalb erscheint mir die Vermutung, dass die Alte Stadt um die Bauernkirche wegen der Arnsberger Vogtei eine konkurrierende Siedlung gewesen sei (so Hachmann, Überlegungen, S. 106), nicht plausibel. Wolfgang Bockhorst, Die Entstehung der Stadt Rüthen, in: ders. und Wolfgang Maron (Hg.), Geschichte der Stadt Rüthen, Paderborn 2000, S. 65–82; zum Rüthener Bergbau vgl. Wilfried Reininghaus und Reinhard Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Münster 2008, S. 365– 370.

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det, welche die Herrschaft über die Talsiedlung gewann. Diese – das alte und seit 899 nachzuweisende Horhusen – war von den Kupfer- und Eisenvorkommen auf den Bergen der Nachbarschaft schon seit dem 10. und 11. Jahrhundert vom Metallgewerbe geprägt.31 Horhusen oder Niedermarsberg stand bis zum Ende des Alten Reiches unter der oft angefochtenen Herrschaft der oberen Stadt, in der die kaufmännische Oberschicht saß. Vergleichsweise dichte Nachrichten liegen aus dem 13. Jahrhundert über die Siedlung Calle (auch Kalle) vor, heute im Osten des Iserlohner Stadtgebiets gelegen.32 1257 befanden sich der Adelshof und der dazugehörige Besitz („cum suis mansis et attinentis“) im Besitz des Patroklistifts in Soest. Neun Jahre später wurde dieser Besitz Ritter Adolf Allant im Beisein unter anderem des Grafen Engelbert von der Mark (reg. 1249–1277) und seines Marschalls Heidenreich von Plettenberg (ca. 1235–1290) übertragen. Zwischen Adolf Allant und dem Patroklistift kam es zu Streitigkeiten wegen rückständiger Pacht. In die Schlichtung der Auseinandersetzungen waren 1284 sowohl der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg als auch Graf Eberhard II. von der Mark eingeschaltet. 1292 fiel die gesamte Villikation des Hofes Calle an Allants Sohn. Der umfängliche Besitz des Soester Oberhofs Calle erstreckte sich nach einem Heberegister des 13. Jahrhunderts auf Dröschede, Hemer, Sundwig, Westig und Deilinghofen.33 Er könnte – wie die anfängliche Ausstattung von St. Patrokli im 10. Jahrhundert – aus ursprünglichem Kölner Besitz stammen.

2. Bergbau und Metallverarbeitung im Raum zwischen Iserlohn und Menden vor 1300 In welcher Weise beeinflusste die Gewinnung und die Weiterverarbeitung der Erze die Geschichte der Orte Hemer, Menden und Iserlohn vor 1300? Zur Beantwortung dieser Frage ist es erforderlich, Geologie, Bodendenkmäler und die Technologie der früh- und hochmittelalterlichen Metallverarbeitung im Zusammenhang zu sehen.34 Das Datum 1300 hängt nicht nur mit dem zeitlichen Schwerpunkt unserer Tagung zusammen. Vielmehr hat es auch technikgeschichtliche Relevanz. Im späten 13.  Jahrhundert hielten im Rheinisch-Westfälischen Schiefergebirge bei der Verarbeitung der Rohstoffe wassergetriebene Anlagen Einzug, wurden in unserem Raum 31 32 33

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Marsberger Heimatbund e.V. (Hg.), Marsberg – Horhusen. Stadtgeschichte aus 11 Jahrhunderten, Marsberg 2000; Reininghaus/Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke, S. 281–315. WUB, Bd. 7, Nr. 952 (1257), 1235 (1266), 1571 (1276), 1919 (1284) und 2223 (1292). Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Westfalen, MSc II 157, fol. 47v; vgl. Dietwald Mawick, Zur Wirtschaftsgeschichte des Soester Patroklustiftes im Mittelalter, Gütersloh 1936, S. 3 f.; Wilfried Reininghaus, Bergbaustädte im kölnischen Sauerland. Brilon, Hagen, Endorf und Silbach im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Karl Heinrich Kaufhold und Wilfried Reininghaus (Hg.), Stadt und Bergbau, Köln u. a. 2004, S. 39–72, hier S. 54. Vgl. Reininghaus/Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke, S. 8 f.

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aber wohl erst nach 1320 verwendet. Ausgehend vom Siegerland kamen die neuen Techniken bei Floßöfen und Frischhütten sowie (nach 1350) Drahtrollen zum Einsatz.35 Im folgenden Abschnitt ist also eine Epoche zu behandeln, in der das direkte Verfahren der Eisengewinnung – nachweisbar an den Schlackenhalden der Rennfeuer – angewendet wurde und die weitere Verarbeitung der Metalle per Hand und ohne Wasserkraft geschah. Der Raum zwischen Iserlohn und Menden ist wie das übrige Rheinisch-Westfälische Schiefergebirge reich an Eisenerzen und Buntmetallen.36 Als primäres Erz weist der Hämatit (Roteisenstein) bis zu 70 Prozent Eisengehalt auf. Vor allem im Gebiet des devonischen Massenkalks ist er anzutreffen und bildet die wichtigste Grundlage des Abbaus im Felsenmeer. Brauneisenstein findet sich oft oberflächennah als sekundäres, durch Verwitterung entstandenes Erz in Flözen, Gängen und Nestern. Im Unterschied zu Hämatit enthält Brauneisenstein einen bis zu sechsprozentigen Anteil von Mangan, der sich positiv auf den Schmelzprozess des Eisens auswirkt. Die Eisenerze werden begleitet von anderen Metallen. Der Raum Iserlohn ist bekannt wegen seiner Zinkerzlagerstätten, die Galmei und Bleiglanz führen. Das Zinkkarbonat Galmei (ZnCO3) galt bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als unverzichtbar für die Herstellung von Messing; es wurde direkt als Zuschlagstoff dem Stückkupfer beigegeben. Eingesprengt in die Zinkerzlagerstätten im Kalkstein ist häufig Bleiglanz, das durch Rösten zum Werkblei verarbeitet werden konnte. Seltener sind im Raum Iserlohn Kupferkiesvorkommen. In welcher Weise und vor allem ab wann wurden die Bodenschätze unseres Raums erschlossen? C  14-Untersuchungen an untertage gefundener Holzkohle führten zu Messdaten aus der Zeit von 999 bis 1155.37 Da es sich um Proben aus mutmaßlich jüngeren Abbaugebieten handelt, darf als sicher gelten, dass bereits früher im Felsenmeer in großem Stil von fachkundigen Bergleuten Eisenerz abgebaut wurde. Vor allem der hochwertige Hämatit machte das Vorkommen bei Hemer für die Zeitgenossen im frühen und hohen Mittelalter wertvoll. Wann der Abbau der übrigen Eisenstein-Vorkommen zwischen Iserlohn und Menden und in den südlich vorgelagerten Bergen begann, ist nicht zu datieren. Mehrere gewichtige Argumente 35

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Wolfgang von Stromer, Innovation und Wachstum im Spätmittelalter: Die Erfindung der Drahtmühle als Stimulator, in: Technikgeschichte 44 (1977), S. 89–120; zusammenfassend: Thomas Kreft, Das mittelalterliche Eisengewerbe im Herzogtum Berg und in der südlichen Grafschaft Mark, Aachen 2002. Volker Haller, Die Eisenerze und ihre Lagerstätten im Märkischen Sauerland, in: Der Märker 57 (2008), S. 90–123; ders., Die Erzlagerstätten des postvariscischen Mineralisation im Raum Deilinghofen und ihre montangeschichtliche Bedeutung. Teil 1, in: Der Schlüssel 55.1 (2010), S. 13–38; Reinhard Schaeffer, Die postvariszischen Mineralisation im nördlichen [nordöstlichen] Rheinischen Schiefergebirge, Diss. Braunschweig 1984, S. 160 f.; Alex Fuchs (Bearb.), Erläuterungen zur Geologischen Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten, Lieferung 163: Blatt Iserlohn (Neue Nr. 4612), Berlin 1911. Wolfgang Hänisch, Tausendjähriger Eisenerzbergbau im Nordsauerland, in: Der Anschnitt 42 (1990), S. 204–206; ders., Zur Bergbauforschung im Felsenmeer, in: Hohenlimburger Heimatblätter 51 (1990), S. 101–116; ders., Faszination Felsenmeer, Menden 2010 (populär, mit Ankündigung einer Monographie).

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sprechen dafür, den Abbau auch außerhalb des Felsenmeers eher im früheren als im späteren Mittelalter beginnen zu lassen. Die großen Bezirke der Rennfeuerverhüttung im Balver Wald verweisen zurück auf eine systematische Erschließung des Eisens dieser Region. Aufgrund der im Bäingser Bezirk geborgenen Holzkohle lässt sich die Verhüttung dort auf die Zeit zwischen 974 und 1074 eingrenzen.38 In seiner um 1760 verfassten Chronik der Stadt Iserlohn berichtete Oberbürgermeister Lecke von Pingen und Halden, die geradezu zu einem prägenden Merkmal des gesamten Landstrichs geworden sind. Sehr genau und kundig wusste Lecke – der sich an mehreren Montanunternehmen seiner Zeit beteiligte – nicht nur die Plätze der aktuellen, sondern auch des vergangenen Bergbaus zu beschreiben. Über die ‚Helle‘, das heißt das Felsenmeer, bemerkte er: „… die daselbst übereinander gestürzten Kalcksteine-Felsen, bewahrheiten eine Bergarbeit von mehr als tausend Jahren“.39 Wegen der erst im 20.  Jahrhundert möglichen naturwissenschaftlichen Nachweise klingt diese Einschätzung Leckes beinahe prophetisch. Ein genauer Abgleich der von Lecke genannten Abbauplätze mit der gegenwärtigen Topographie zeigt, dass viele Stellen überbaut und an der Oberfläche nicht mehr als montanwirtschaftliches Gelände zu erkennen sind. An der Validität seiner Beschreibung auch für das frühere Mittelalter ist aber nicht zu zweifeln. Auf die vielen Kleinreviere, die er benannte, kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Zusammenfassend zitiert sei aber eine Marginalbemerkung seiner Chronik: „Ja, ich möchte nicht irren, wen ich dafür halte, daß fast alle unserere umliegenden Berge Eysenstein führen, selbsten von dem Berge, worauf Iserlohn gebauet, zeiget die nahe von der Stadt gelegene bey meiner Zeit mit Erde ausgefüllte bebaute und zu Gärten aptirte Eysen- und Galmeybingen.“ Mit Galmei sprach Lecke jenes Metall an, das die Grundlage für die Iserlohner Messing- und Bronzeindustrie des 18. und 19. Jahrhunderts bildete. Die Förderung von Galmei in älterer Zeit kann schriftlich bis in das Jahr 1478 zurückverfolgt werden. In einem damals ausgetragenen Rechtsstreit zwischen Kleve-Mark und der Grafschaft Limburg wird Galmei erwähnt: „kalamye, die men vur unser stait Iserenlon gravet“. Rentmeister Spedinghausen verwies in diesem Zusammenhang auf weitere Vorkommen bei Iserlohn, von denen eines nahe bei der Stadt auch Blei enthalten habe („dar wirt ock bly gefunden“), von dem erhofft wurde, dass es der Stadtbevölkerung Beschäftigung gebe und für den Landesherrn Zehnt abwerfe.40 Schriftliche Zeugnisse für die Gewinnung von Galmei und Blei vor 1478 gibt es nicht, allerdings einen indirekten Beleg. Der ziemlich genau auf die 1390er Jahre zu 38

39 40

Manfred Sönnecken, Die mittelalterliche Rennfeuerverhüttung im märkischen Sauerland, Münster 1971, S. 51; Hans Ludwig Knau, Die historische Eisenverhüttung im Hönnegebiet, in: Der Märker 57 (2008), S. 124–143; Gerd Herchenröder, Mittelalterliche Eisenverhüttungsanlage bei Brockhausen-Bäingsen, in: Der Schlüssel 12.4 (1967), S. 1–5; ders., Neue Erkenntnisse über die Eisenverhüttung und -verarbeitung im Raume Sundwig-Deilinghofen, in: ebd. 43.4 (1998), S. 183 f. Alle Zitate nach Stadtarchiv Iserlohn, Kleine Erw. B 97 (eine Edition der Chronik durch Götz Bettge und den Verfasser ist in Vorbereitung). Zitate: Schulte, Iserlohn, Bd. 2, S. 79 f., Nr. 137 und 138.

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datierende und heute in England befindliche Panzer aus der Iserlohner Werkstatt des Bertold von der Porten enthält einzelne Messingringe.41 Es ist angesichts vorindustrieller Transportprobleme sehr wahrscheinlich, dass die Zutaten aus Buntmetall nicht auf Galmei- und Kupferimporten aus Stolberg, Brilon, Marsberg oder von der Rhonard bei Olpe basierten, sondern auf einheimischen Vorkommen. Ähnliche Befunde gelten für die Erzeugnisse der Marsberger Panzermacher. Sie verwendeten, wie sich durch Prospektionen in Obermarsberg aus Abfallprodukten erschließen ließ, Kupferlegierungen für die Ringe der Kettenpanzer.42 Über die Panzermacher aus Marsberg gibt es eine schriftliche Nachricht, die für die Iserlohner Parallelentwicklung bemerkenswert ist und bisher nicht beachtet wurde: Der Corveyer Abt Wedekind (gest. 1203) erhielt aus der Talsiedlung Horhusen Rüststrümpfe als Teil eines Kettenpanzers.43 Wie Stefan Krabath nachwies, wurde in Marsberg also jene Technik angewendet, die bei Theophilus Presbyter in seiner Schedula Diversarum Artium um 1100 beschrieben wurde. Ketten wurden aus Kupfer- oder Silberdrähten in Handarbeit ohne Wassereinsatz erzeugt. Des Weiteren wird in Rechnung zu stellen sein, dass das Schmieden von Ketten für landwirtschaftliche Zwecke im Hochmittelalter in Westfalen verbreitet war.44 Was bedeutet dies für Iserlohn? Lange bevor im späten 14. Jahrhundert die Wasserkraft des Baarbachs die Produktion von Draht und Kettenringen für Panzerhemden erleichterte, dürfte es wie in Marsberg wahrscheinlich in Iserlohn Panzermacher gegeben haben, die um 1200 auf die Buntmetallvorkommen in ihrer Nähe zurückgriffen. Zeitlich noch weiter zurückzugehen, bis in die Karolingerzeit, bedeutet keine Spekulation, 45 sondern wird durch die jüngste archäologische Forschung unterstützt. Danach basierte das „lebhafte Buntmetallhandwerk im karolingischen Westfalen […] mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Rohstoffreichtum des Landes“ und war „vermutlich von überregionaler Bedeutung“.46 Die Herkunft des verwendeten Galmeis wird unter anderem in Iserlohn gesucht. Vor allem könnten die ergrabenen 41 42 43 44 45 46

William Reid und E. Martin Burgess, A Habergeon of Westwale, in: The Antiquaries Journal 40.1/2 (1960), S. 46–57. Stefan Krabath, Bergbau und Metallurgie im Raum Marsberg aus archäologischer Sicht mit einem Exkurs zu der mittelalterlichen Produktion von Ringpanzern in Marsberg, in: Marsberger Heimatbund, Marsberg, S. 417–448. Hans Dieter Tönsmeyer, Die Marsberger Schützen in kurkölnischer Zeit. Festschrift zum 550jährigen Jubiläum der St.-Peter-und-Paul-Schützenbruderschaft Obermarsberg 1448 e.V., Marsberg 1998, S. 38; Krabath, Bergbau, S. 427. Rudolf Bergmann und Bendix Trier (Hg.), Zwischen Pflug und Fessel. Mittelalterliches Landleben im Spiegel der Wüstungsforschung, Münster 1993, Bd. 1, S. 192 f., Nr. 42, und S. 137, Nr. 259. Rolf Sprandel, Die Eisenerzeugung im märkischen Sauerland während des frühen und hohen Mittelalters, in: Der Märker 29 (1980), S. 107–115, bezieht die Buntmetalle nicht mit ein und kommt daher zu Ergebnissen, die zu revidieren sind. Stefan Krabath u. a., Die Herstellung und Verarbeitung von Buntmetall im karolingerzeitlichen Westfalen, in: Christoph Stiegemann und Matthias Wemhoff (Hg.), 799: Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn, Mainz 1999, Bd. 1, S. 430–437, hier 435 f.

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Werkstätten am Dortmunder Adlerturm und in Kückshausen bei Syburg mit Galmei aus dem nahen Iserlohner Raum beliefert worden sein. Der noch im 15. Jahrhundert und später bekannte Syburger Weg nördlich von Iserlohn datiert eventuell aus dieser Zeit. Auch wird man den noch im 15. Jahrhundert evidenten Reichsbesitz bei Iserlohn mit der Sicherung der Erzvorkommen im südlichen Vorland des Stützpunkts Dortmund seit der Karolingerzeit zusammenbringen dürfen. Hinzu kommt das Blei, das man in Soest und anderen Salinenorten des Hellwegs brauchte. Susanne Jülich hat nachgewiesen, dass seit dem 6. Jahrhundert dort Pfannen aus Blei für die Salzproduktion erforderlich waren.47 Der Besitz des Soester Patroklistifts bei Brilon und in Calle bei Iserlohn dürfte den Bleibedarf der Saline zusätzlich gesichert haben, denn an beiden Orten lassen sich Bleivorkommen nachweisen. Wenn wir eine Zwischenbilanz ziehen wollen, so bleibt zunächst auf Lücken in der Überlieferung zu verweisen. Während der Abbau von Eisen für die Zeit um 1000 und wohl noch früher belegt und der von Galmei und Blei im Raum Iserlohn-Hemer wahrscheinlich ist, wissen wir kaum etwas über die Beziehungen von Menden – und der nahe gelegenen Klöster Fröndenberg und Oelinghausen – zum älteren Bergbau. Zu fragen ist nach der Zeitstellung der direkt neben der Rodenburg liegenden großen Pingen;48 zu prüfen ist auch, ob die Mutungen und Versuche des 18. und 19. Jahrhunderts im heutigen Mendener Stadtgebiet ältere Vorläufer hatten49 – zumindest im Rodungsgebiet um Böingsen und Hüingsen, dort in unmittelbarer Nachbarschaft zur Burg Brelen (Bredenol), ist das wahrscheinlich.50 Denkbar ist ebenso, dass Menden Einfluss auf den Bergbau bei Balve nahm und auch deshalb eine so dominante Kaufmannschaft besaß. Trotz solcher offener Fragen lässt sich die ältere Montangeschichte im Raum Iserlohn-Hemer-Menden wie folgt zusammenfassen: Die karolingische Expansion Westfalens rief eine Nachfrage nach den metallischen Rohstoffen in den Gebirgen hervor, die dem Hellweg südlich vorgelagert sind. Ob diese Vorkommen durch ältere sächsische Siedler bereits erschlossen worden waren, ist nicht gesichert. Eisen wurde oberflächennah abgebaut und in einer Entfernung von bis zu 15 Kilometern verhüttet. Neben dem Eisen blieben auch die Vorkommen von Galmei, Kupfer und Blei nicht unentdeckt, sondern wurden ebenfalls abgebaut, möglicherweise weniger kontinuierlich als Eisen. Mit dem allmählichen Anwachsen der Bevölkerung nach dem Jahr 1000 wuchs der Bedarf an den Metallwaren, die aus Eisen auch für den Fernhandel zu erzeugen waren. Ob und seit wann außerhalb von Köln, Dortmund oder Soest qualifizierte Drahtzieher und Schmiede im Gebiet des heutigen Iserlohn

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Susanne Jülich, Die frühmittelalterliche Saline von Soest im europäischen Kontext, 2 Bde., Mainz 2007. Prospektion durch Reinhard Köhne. Schriftlich ist die Pinge erst um 1800 erwähnt, allem Anschein nach aber älter. Hugo Banniza, Mendener Bergbau, Menden 1977 (vor allem zum 19. Jahrhundert). Vgl. die Nachweise der alten Eisenverarbeitung bei Jürgen Hinzpeter, Vom Einödhof zum Industriestandort. Ein Beitrag zur Dorfgeschichte Hüingsens mit dem Schwerpunkt der Industrialisierung, Balve 2009.

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arbeiteten, ist offen. Spätestens im 12. Jahrhundert dürfte es hier wie in Marsberg Panzer- und Harnischmacher gegeben haben. Ursache waren die Impulse, die von der Nachfrage der entstehenden Ritterschaft auf die Eisenproduktion ausgingen.51 Die Kämpfe des Feudaladels erhöhten den Bedarf an Gebrauchsgütern aus Eisen, die militärischen Zwecken dienten. Bekanntlich waren die Reiterheere des 12. und 13. Jahrhunderts mit Ringpanzern ausgestattet, wie Bildquellen aus diesem zeitlichen Umfeld, etwa der Teppich von Bayeux (um 1080) oder illuminierte Handschriften, ausweisen.52 Die Ganz-Körper-Panzerung, die wir unter anderem durch die Rüststrümpfe aus Marsberg auch regional verankert wissen, vergrößerte noch einmal die Zahl der benötigten Ringe. Erst die Einführung von Platten, die über dem Kettenhemd getragen wurden, und die weitere Ausdifferenzierung von Einzelteilen veränderten im späten 13. und 14. Jahrhundert langsam die Rüstung. Eine Vorstellung, wie sich um 1300 ein hoher Adliger als Krieger darstellen ließ, liefert als herausragendes Beispiel das Grabdenkmal von Graf Eberhard II. von der Mark – einer der Sieger und Profiteure der Schlacht von Worringen 1288 – in der Fröndenberger Stiftskirche: Er trägt unter einem Prunkkleid einen enganliegenden Kettenpanzer einschließlich der Handschuhe, Strümpfe und Fußbekleidung.53 Gerade bei Eberhard II., in dessen Dynastie der Ritterheilige Pankratius besonders verehrt wurde, dürfen wir ein Bewusstsein von der Bedeutung des Panzermacherhandwerks und des vorgeschalteten Drahtgewerbes in und bei Iserlohn unterstellen. Schließlich schützte der Hl. Pankratius auch die Bauernkirche bei Iserlohn, in deren Schatten man die ältesten Werkstätten der Panzermacher vermutet. Leopold Schütte hat erwogen, ob nicht die Gründung dieser Kirche von „einer Genossenschaft von ansässigen freien Bergbauinteressierten“ initiiert worden sei.54 Wegen der überwiegenden Montantätigkeit im Bereich kirchlicher oder weltlicher Grundherrschaften ist diese anregende These wohl zu falsifizieren. Wahrscheinlicher ist eine enge Verbindung von Panzermachern, Bauernkirche und PankratiusPatrozinium, denn auf der ältesten erhaltenen Darstellung in der Kirche von Mark bei Hamm wurde der Ritterheilige mit jener Rüstung dargestellt, deren Typus auch in Iserlohn produziert wurde.

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Rolf Sprandel, Das Eisengewerbe im Mittelalter, Stuttgart 1968, S. 53 f. Vgl. Ulrich Lehnart, Kampfweise und Bewaffnung zur Zeit der Schlacht von Worringen, in: Werner Schäfke (Hg.), Der Name der Freiheit 1288–1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute, Köln 1988, S. 155–163; Dirk Breiding, Harnisch und Waffen des Hoch- und Spätmittelalters, in: LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum Herne (Hg.), Ritter, Burgen und Intrigen – AufRuhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr, Mainz 2010, S. 129–146 (weitere Literatur in beiden Aufsätzen); Hans-Henning Kortüm, Kriege und Krieger 500–1500, Stuttgart 2010, S. 150–160. Jürgen Reißner u.  a., Die Stiftskirche Fröndenberg, Fröndenberg 2005, S. 65; Jürgen Kloosterhuis, Köln, Mark und Sankt Pankratius. Die politischen Beziehungen zwischen den Kölner Erzbischöfen und den Grafen von der Mark aus sakraler Sicht, in: Ferdinand Seibt u. a. (Hg.), Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, 2 Bde., Essen 1990, hier Bd. 2, S. 44–50; vgl. Ilisch/Kösters, Patrozinien, S. 562–567. Schütte, Gründung, S. 68.

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3. Landesherrschaft, Montanwirtschaft und Metallgewerbe im 13. Jahrhundert Die landesgeschichtliche Forschung setzt die Durchsetzung der Landesherrschaft im 13. Jahrhundert an.55 Für unseren Raum ist wegen seiner offensichtlichen montanwirtschaftlichen Ausprägung zwingend die Frage zu klären, ob und seit wann Aktionen der Landesherren Einfluss auf den Bergbau und die metallgewerbliche Verarbeitung nahmen oder von ihm angeregt wurden und ob sie deshalb Städte gründeten oder Burgen bauen ließen. Rolf Sprandel, immerhin Verfasser einer Geschichte des Eisengewerbes im mittelalterlichen Europa, hat 1979 in einem Vortrag vor den Freunden der Burg Altena energisch bestritten, dass die Handlungen des Feudaladels jener Zeit wirtschaftlich motiviert gewesen seien. Seine Zielsetzungen „waren militärisch und religiös, auf Bewährung im ritterlichen Kampf und auf Bewährung gegenüber kirchlich-religiösen Normen und Institutionen gerichtet. Man strebte nach Vermehrung von Herrschaft über Land und Leute. Die Interessen waren nicht fiskalisch und merkantilistisch im späteren Sinn.“56 Deshalb wurden, so Sprandel, die Städte „von den Fürsten nicht aus wirtschaftlichen Gründen errichtet oder gefördert, sondern in Fortsetzung ihrer bisherigen Politik der Sicherung und Erweiterung der Herrschaft über Land und Leute“. Dazu hätten sie, so Sprandel, nicht mehr nur Burgen, sondern auch Städte gebaut. Eine ausgesprochen konträre Position vertritt Peter Johanek, der auch wegen der archäologischen Befunde auf der Isenburg die Eisenproduktion um 1200 herrschaftlich gebunden und deshalb in den Grafen von Altena Schutzherren des Eisenhandels sieht. Johanek mahnt an, detailliert danach zu fragen, „ob und gegebenenfalls seit wann der Landesherr mit seinen Privilegierungen [von Städten] auf wirtschaftliche Entwicklungen innerhalb der Eisenindustrie jenes Gebiets reagierte“.57 Er weist eine gezielte Förderung der Plätze des märkischen Eisengewerbes im 14. und 15. Jahrhundert nach. Selbst aus dieser späten Zeit, die schon unter anderen technischen Bedingungen stand, fällt es aber schwer, direkte Belege für wirtschaftliche Motive im landesherrlichen Handeln zu finden. Wir müssen daher für das 13. Jahrhundert oder die Zeit davor Umwege einschlagen und stellen dazu folgende Überlegungen an: 1. Im Laufe des 12. Jahrhunderts bildete sich während des Investiturstreits das Bergregal als königliches Hoheitsrecht aus. Der König überließ geistlichen oder weltlichen Würdenträgern die auf ihrem Grund und Boden vorkommenden Edelmetalle zum Abbau, zum Beispiel dem Abt von Corvey 1150 und 1192. Er musste aber auch erleben, dass sich Landesherren dieses Recht anmaßten.58 1189 belehrte König Heinrich VI. (reg. 1169/91–1197) die Bischöfe von Minden, Paderborn und 55 56 57 58

Ernst Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, München 1996. Sprandel, Eisenerzeugung, S. 110; folgendes Zitat 112 f. Peter Johanek, Eisenproduktion, Eisengewerbe und Städtebildung, in: Ferdinand Opll (Hg.), Stadt und Eisen, Linz 1992, S. 15–36, hier S. 24 ff., Zitat S. 28. Dieter Hägermann, Deutsches Königtum und Bergregal im Spiegel der Urkunden. Eine Dokumentation bis zum Jahre 1272, in: Werner Kroker und Ekkehard Westermann (Bearb.),

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Osnabrück darüber, dass die neuerdings im Bistum Minden gefundenen Silbergruben zu den Regalien zu zählen seien; niemandem sei erlaubt, sich in den Besitz der Gruben zu setzen, wenn er dieses Recht nicht vom König erwirkt habe. Noch am gleichen Tag überließ er dem Mindener Bischof zwei Drittel aller Erträge aus Silberadern und behielt sich nur das letzte Drittel vor. Im 13. Jahrhundert wird man in Westfalen mit weiterer landesherrlicher Beanspruchung des Eigentums der Bergwerke zu rechnen haben – es gibt dazu aber nach bisherigem Wissensstand keine einzige Urkunde aus dieser Zeit. Im späteren 14. Jahrhundert begegnen uns in zwei Fällen Landesherren als Verleiher von Berg- bzw. Hüttenwerken: 1364 Gottfried IV. von Arnsberg (reg. 1338–1368) und 1390 der Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden (reg. 1370–1414). Für den Bereich der Grafschaft Mark lassen sich erste Verleihungen von Bergwerken auf solcher Rechtsgrundlage erst im späten 15. Jahrhundert nachweisen.59 2. Eine andere Quelle des landesherrlichen Zugriffs auf Bodenschätze war der Wildbann, die Hoheit über Jagd- und Forstbezirke. Im 14. Jahrhundert galt der süderländische Wildbann einschließlich der darin befindlichen bäuerlichen Marken als märkisches Hoheitsrecht. 1400 und 1440 mussten die Erben der Geverner Mark und der Herscheider Mark ein Drittel bzw. ein Zehntel ihrer Bergbauerträge an den Landesherrn abführen.60 3. Abbau und Verhüttung der Erze geschahen im 13. und 14. Jahrhundert wohl kaum in Fiskalbetrieben des Landesherrn, sondern vorwiegend im Dienst von geistlichen und weltlichen Grundherrn. Jedenfalls gibt es gute Gründe, im niederen Adel des südlichen Westfalens wichtige Bergbauunternehmer zu sehen. Eine singuläre Quelle aus dem Jahr 1237 weist im Raum Marsberg die Ritterfamilien Tregel und von Esbecke als Rivalen aus, die mit Kloster Bredelar wegen des Eisens am Arnstein aneinandergerieten.61 Später trat die Familie von Neheim als Bergwerksbetreiber im Raum Stockum-Bönkhausen (heute Sundern) auf, die sich mit dem Kölner Erzbischof sogar um den Zehnten stritt. Die Einsetzung des Adolf Allant als Verwalter des Soester Oberhofs Calle 1292 mit zugehörigen Besitzungen in den Kalkgebieten rund um Iserlohn legt die Ausstattung des Hofs mit Gruben nahe, in denen unter anderem Blei für den Salinenbetrieb abgebaut wurde. Auch Erenfried von Bredenol dürfte sich zur gleichen Zeit der Vorkommen in der Nähe seiner Burg bedient haben. Da er in Diensten zunächst des Kölner Erzbischofs und dann des märkischen

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Montanwirtschaft Mitteleuropas vom 12. bis 17. Jahrhundert. Stand, Wege und Aufgaben der Forschung, Bochum 1984, S. 13–23, Nr. 5, 29, 30 und 32. Vgl. Wilfried Reininghaus, Zwei Strategien? Ein Vergleich der territorialen Montanpolitik in der Grafschaft Mark und im Herzogtum Westfalen vom späten Mittelalter bis zum Ende des Alten Reiches, in: Manfred Rasch und Dietmar Bleidick (Hg.), Technikgeschichte im Ruhrgebiet – Technikgeschichte für das Ruhrgebiet, Essen 2004, S. 491–509. Vahrenhold-Huland, Grundlagen, S. 111–115; Susanne Thomas, Montanwesen und Metallgewerbe als Siedlungsimpuls im märkischen Grenzraum Plettenberg im Spätmittelalter, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 101 (2001), S. 37–81, hier S. 51. WUB, Bd. 4: Die Urkunden des Bisthums Paderborn vom J. 1201–1300, bearb. v. Roger Wilmans u. a., Münster 1894 (ND Osnabrück 1973), Nr. 1298; Reininghaus/Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke, passim.

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Grafen stand, geschah dies wohl nicht ohne deren Wissen. Wenig spricht gegen die Vermutung, dass im 13.  Jahrhundert weitere Angehörige des niederen Adels am Bergbau im Sauerland beteiligt waren, auch wenn die Quellen schweigen. 4. In welchem Maße die späteren Auseinandersetzungen um Bergwerke auf der Grenze zwischen Territorien bis in das hohe Mittelalter rückprojiziert werden können, bleibt methodisch umstritten. Wir wissen jedoch, dass rund um das Herzogtum Westfalen im 15. und 16.  Jahrhundert Kämpfe um einzelne Kleinreviere mit den Mitteln der Fehde ausgetragen wurden. Das mag einem Bewusstsein vom Nutzen des Montansektors geschuldet gewesen sein.62 5. Aus Sicht der Archäologie ist der Zusammenhang von Burgenbau und Montanwirtschaft inzwischen für andere Regionen außerhalb Westfalens gut zu belegen.63 Beispiele aus dem Schwarzwald und aus Sachsen zeigen, dass im 12. und 13. Jahrhundert oft Adelsburgen inmitten von Revieren standen, wobei die Funktion der Burgen selbst noch nicht hinreichend geklärt ist. Burgen konnten selbst Wirtschaftsstandort sein, wie der Verhüttungsplatz auf der Isenburg bei Hattingen belegt. Die Menge der vergleichsweise kleinen Burgen oder burgähnlichen Anlagen im heutigen Stadtgebiet von Hemer könnte durch den Bergbau erklärt werden. Burgen im heutigen Stadtgebiet von Iserlohn waren seit dem 18. Jahrhundert Gegenstand historischer Überlegungen. Der Frömerner Pfarrer Johann Diederich von Steinen und Oberbürgermeister Lecke tauschten ihre Theorien über den Anteil der adligen Burgmänner an der Stadtwerdung Iserlohns aus;64 Wilhelm Schulte hat sie in seiner Stadtgeschichte von 1937/38 wieder aufgegriffen. Von Steinen, Lecke und Schulte verbinden die Stadtgründung mit der Verlagerung der Burgen in die Stadt: „Weil nun diese Herren hieselbst eine veste Burg gehabt, haben sich verschiedene Ritter dahin begeben und nach erhaltenen Burglehnen Schlösser gebaut, davon noch […] viele Ueberbleibsel vorhanden sind“ (Lecke). In andere Worte gekleidet, lautet der Kern der Theorie zum Zusammenhang von Burgen und Stadtgründung von Iserlohn: Die Bewohner der um Iserlohn liegenden Burgen zogen vor 1265 in die neue Stadt auf dem Bilstein und legten dort Burgmannenhäuser an, die in die Festungsanlage einbezogen wurden. Sie dienten so dem Landesherrn bei der Verteidigung einer für sein Territorium wichtigen Anlage und halfen ihm, die montanwirtschaftlichen

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Ebd., S. 69 ff. Michael Herdick, Handwerk auf der Burg – Gewerbe auf dem Lande. Wirtschaftsstandorte jenseits der Städte im Blickfeld der Mittelalterarchäologie, in: Mark Häberlein und Christof Jeggle (Hg.), Vorindustrielles Gewerbe. Handwerkliche Produktion und Arbeitsbeziehungen in Mittelalter und früher Neuzeit, Konstanz 2004, S. 37–61, hier S. 56  f.; Gert Goldenberg und Heiko Steuer, Mittelalterlicher Silberbergbau im Südschwarzwald, in: Gregor Markl und Sönke Lorenz (Hg.), Silber, Kupfer, Kobalt. Bergbau im Schwarzwald, Filderstadt 2004, S. 45–80; Wolfgang Schwabenicky, Der mittelalterliche Silberbergbau im Erzgebirgsvorland und im westlichen Erzgebirge unter besonderer Berücksichtigung der Ausgrabungen in der wüsten Bergstadt Bleiberg bei Frankenberg, Chemnitz 2009, S. 216–223. von Steinen, Geschichte, Tl. 1, S. 891 (folgendes Zitat ebd.), 896, und 935 f.

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Anlagen in der Nähe und die Weiterverarbeitung der Metalle zu schützen.65 Für diese Theorie gibt es in Form von Burgen und Burgmannenhäuser nicht wenige Belege, auch aus Bodenfunden, die allerdings heute größerenteils verschwunden sind. Von Steinen und Lecke kannten sie noch. Die Rede ist von den adligen Häusern Kalle, Wermingsen, Stünenburg oder Ortlohn. In der Kernstadt Iserlohn auf dem Bilstein sind mindestens fünf befestigte Häuser in der Stadtmauer überliefert: die Häuser Rump, Küling, Klepping, Werminghausen und Ense.66 Eine Sonderrolle nimmt der sogenannte Dicke Turm ein, der außerhalb der ältesten Stadtmauern lag. Die Theorie klingt in der Gesamtheit plausibel, steht aber auf schwachen Füßen, solange nicht datierbare Zeugnisse für das 13. Jahrhundert vorliegen. Die Belege für die Burgmannenhäuser stammen aus jüngerer Zeit, während wir von den Burgen außerhalb der Stadt wissen, dass sie noch bis in das 14. Jahrhundert bewohnt wurden. Verfügten die Burgmannen gleichzeitig über Burgen außerhalb der Stadt und über befestigte Häuser in Iserlohn? Am Beispiel des Erenfried von Bredenol lässt sich das demonstrieren, denn er hatte 1310 mit Sicherheit noch seinen Hauptsitz auf der namengebenden Burg Brelen, verfügte aber über zwei Mansen „in oppido Lon“, die ihm Kloster Grafschaft zu Lehen gegeben hatte. Was konnten Burgmannenhäuser auf dem Bilstein einer territorial protektionierten Montanwirtschaft nützen? Erstens liegen direkt unterhalb der heutigen Iserlohner Stadtmitte Erzgänge, vor allem auf Galmei, die bis zu den spektakulären Bergschadensfällen in den 1870er Jahren genutzt wurden.67 Falls sie im 13. Jahrhundert bearbeitet worden sein sollten, machte es Sinn, sie zu schützen. Der Dicke Turm, auch nahe bei den Galmei- und Bleivorkommen in Kalle und Wermingsen, könnte eine ähnliche Rolle gespielt haben wie die Warttürme rund um Brilon in der Nähe der dortigen Blei- und Galmeivorkommen.68 Zweitens wohnten, lebten und arbeiteten vermutlich Drahtzieher und Panzermacher im Gebiet auf dem Bilstein, also in der neuen ummauerten Stadt Iserlohn nach etwa 1260. Hilfreich ist der Verweis auf Obermarsberg, wo Kettenringe als Hinterlassenschaft der dortigen Panzermacher als mittelalterliche Bodenfunde nachzuweisen sind. Ob ähnliche Nachweise auch in der Iserlohner Stadtarchäologie möglich sind, ist fraglich, denn im Gegensatz zu Obermarsberg ist Iserlohn seit dem 14. Jahrhundert vielfach baulich überformt worden. Man wird auch die Drahtherstellung als notwendige Vorstufe zur Kettenfertigung vor dem Einsatz der Wasserkraft in Wohnhäusern und kleinen Schmieden und nicht am Wasser lokalisieren müssen. Die bisherigen Forschungen zur Iserlohner Stadtgeschichte sind stillschweigend von einer jüngeren technikgeschichtlichen Stufe ausgegangen, nämlich von wasserkraftgestützten Drahtrollen. Diese sind aber 65

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Eine jüngere zusammenfassende Geschichte der Burgmannschaften in Westfalen fehlt; vgl. Friedrich Wilhelm Merten, Entstehungs- und Rechtsgeschichte der Burgmannschaft in Westfalen, Bonn 1911. Zur kaufmännischen Betätigung der Burgmannen Hachmann, Überlegungen, S. 94 (allerdings ohne Belege). Schulte, Iserlohn, Bd. 1, S. 7 f. Rolf Klostermann, Der Bergbau in Iserlohn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Schacht-Audorf 1996. Diesen Vorschlag verdanke ich Reinhard Köhne.

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erst im späteren 14.  Jahrhundert eingeführt worden. Am älteren Iserlohner Siedlungsplatz rund um die Bauernkirche dürfte eine solche, vom Baarbach unterstützte Produktion im 12. und 13. Jahrhundert noch nicht stattgefunden haben. Wohl saßen dort Drahtzieher und Panzermacher, deren Werkstätten aber in dieser Lage offen und ungeschützt waren. Angesichts der stetig wachsenden Nachfrage nach Draht und Panzern lag es im Eigeninteresse eines kriegführenden Landesherrn, diesen Produktionszweig durch Stadtmauern abzusichern und für sich nutzbar zu machen. Einen schriftlichen Beleg dürfen wir dafür aber nicht erwarten, mehr als Theorien durch interdisziplinär genutzte Befunde plausibel zu machen, ist bei dem bekannten Quellenstand nicht möglich. Dennoch darf als gesichert gelten, dass spätestens seit dem 12. Jahrhundert im Raum Iserlohn der Bergbau und die Weiterverarbeitung der Metalle zu Fertigprodukten wie Kettenpanzern positive Impulse für die Siedlungs- und Stadtentwicklung einschließlich der Erbauung von Befestigungsanlagen auslösten.

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Territorialentwicklung, Bergbau und Burgenbau in der Grafschaft Nassau Die territoriale Entwicklung der Grafschaft Nassau, insbesondere des Siegerlandes, war Thema zahlreicher regional- und landesgeschichtlicher Untersuchungen. Die Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert gestaltete sich für den Ausbau einer eigenständigen Landesherrschaft der Grafen von Nassau im Raum Siegen als überaus schwierig. Widerstände des landsässigen Niederadels und von einflussreichen Territorialherren – wie den Landgrafen von Hessen, den Erzbischöfen von Mainz, von Trier und vor allem von Köln – waren zu überwinden. Das Kölner Erzstift bediente sich im Verlauf des 13. und 14. Jahrhunderts vielfach der alteingesessenen Niederadelsfamilien, um eigene territorialpolitische Ziele zu verfolgen. Die ‚Dernbacher Fehde‘ war eine der langwierigsten Auseinandersetzungen, in welche die nassauischen Grafen bei der Durchsetzung ihrer Landesherrschaft auf dem Westerwald und im Siegerland verwickelt waren. Die Niederadligen fühlten sich in ihren Besitzansprüchen und alten Rechten durch die nassauischen Grafen bedrängt. Neben den Herren von Dernbach waren zahlreiche Siegerländer und Westerwälder Adelsgeschlechter, unter anderem die Herren von Bicken, vom Hain, von Wilnsdorf, von Molsberg und von Seelbach, in die Streitigkeiten verwickelt oder suchten im Gefolge der Fehde eigene Ansprüche durchzusetzen.1 Angesichts des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials – erst seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert wird die Überlieferung dichter – verwundert es nicht, dass sich die Forschung auf eine Beschreibung der Zusammenhänge von Herrschaft, Verwaltung, Burgenpolitik sowie Gründung und Förderung von Städten als den wesentlichen Elementen der Territorialpolitik konzentriert hat. Die Burg gilt dabei als Ausgangspunkt für die Entstehung von Herrschaft und Verwaltung. Zu einer umfassenden Definition von ‚Burg‘ gehört heute, die Befestigungen nicht nur als Sitz eines Adligen, das heißt als Herrschaftsmittelpunkt zu interpretieren. Neben einer militärstrategischen Bedeutung spricht man den Burgen 1

Aus der Fülle der Literatur: Johannes von Arnoldi, Geschichte der Oranien-Nassauischen Länder und ihrer Regenten, 3 Bde., Hadamar 1799–1819 (ND Kreuztal 1985– 1988); Ludwig Bald, Das Fürstentum Nassau-Siegen. Territorialgeschichte des Siegerlandes, Marburg 1939; Hellmuth Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, 3. Aufl. Wiesbaden 1987. Zur Dernbacher Fehde siehe Arnoldi, Geschichte, Bd. 1, S. 187–197; Willi Görich, Die Dernbacher Fehde und ihre Burgen, in: Heimatblätter zur Pflege und Förderung des Heimatgedankens. Beilage zur Dill-Zeitung 20. Jg. (1952), Nrn. 2 und 3; Karl Nebe, Burgfahrten an der alten Grenze von Hessen und Nassau, Bergebersbach 1914 (ND Dietzhölztal 1983); zuletzt dazu: Hans-Joachim Becker, Neue Untersuchungen zur Dernbacher Fehde, in: Nassauische Annalen 119 (2008), S. 49–74.

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auch wichtige Funktionen als Zentren von Wirtschaft und Verwaltung einer Region zu. Für die Herrschaft Siegen konnte zum Beispiel letzteres am Beispiel von Burg und Flecken Freudenberg gezeigt werden. Die Anlage bildete einen Herrschaftsmittelpunkt im Nordwesten der Herrschaft Siegen und richtete sich gegen die Herren von Wildenburg, die sich um ihre Burgen Crottorf und Wildenburg ein eigenständiges Territorium aufbauten. Freudenberg stieg im 15. und 16. Jahrhundert zum Zentrum eines stark von der nassauischen Landesherrschaft kontrollierten und geprägten Montangewerbes mit Hütten und Hammerwerken auf. Daneben diente die Burg als Verwaltungszentrum des Amtes Freudenberg sowie als Wirtschaftshof mit einer eigenen Viehwirtschaft. Ebenso lagerte man hier die selbst erzeugten agrarischen Produkte bzw. die Naturalabgaben der Untertanen ein. Aus den Renteirechnungen des 15. Jahrhunderts geht hervor, dass die Burg Freudenberg in Friedenszeiten nur über eine zahlenmäßig geringe Besatzung verfügte. Neben einigen Mägden wohnten und arbeiteten hier ein Torhüter, ein Turmhüter, ein Knecht und ein Schäfer, während ein Junge die Aufsicht über die Schweine hatte. Im Raum Freudenberg lag noch eine weitere Anlage, die zur Zeit der Erbauung bzw. Erstnennung bereits ruinös geworden sein muss. Es ist die nur unter einem Notnamen bekannte ‚Übachs-‘ oder ‚Silberburg‘ im Übachtal bei Niederndorf. Ihre Gründung dürfte auf das 12. Jahrhundert zurückgehen. Sie befand sich inmitten eines umfangreichen Montanreviers zwischen Niederndorf, Oberschelden und dem Giebelwald, in dem bereits in der Latène-Zeit Eisen produziert worden war. Auch für das spätere Mittelalter lassen sich hier Bergbau und der Betrieb von Hüttenanlagen nachweisen, so in Niederndorf (Übachtal, Käsbachtal), im Trüllesseifen bei Oberschelden und im Amt Freusburg.2 Einen ersten territorialpolitischen Erfolg konnten die Erzbischöfe von Köln in Siegen erringen, als sie 1224 den nassauischen Grafen ihre Mitherrschaft aufzwingen konnten. Im Verlauf des 13. und 14. Jahrhunderts vermochte das Erzstift seinen 2

Jens Friedhoff, Beobachtungen zur Territorial- und Burgenpolitik im Raum Wetzlar, in: Nassauische Annalen 109 (1998), S. 91–116, hier S. 91 f. mit weiterer Literatur; Andreas Bingener, Die Burg Freudenberg und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Grafen von Nassau im späteren Mittelalter, in: Siegerland 83 (2006), S. 77–84; ders., Das Eisen- und Stahlgewerbe im Amt Freudenberg vom 15. bis zum beginnenden 17. Jahrhundert, in: ebd., S. 85–95. Zur Burg im Übachstal bei Niederndorf und zum dortigen Montanrevier vgl. Heinz Behaghel, Die Alte Burg bei Niederndorf, in: ebd. 12 (1930), S. 112. Zu den Montanaktivitäten im Raum Niederndorf vgl. Westfälisches Museum für Archäologie u. a. (Hg.), Neujahrsgruß 2004. Jahresbericht für 2003, Münster 2003, S. 43 f., mit Berichten über archäologische Untersuchungen im Käsbachtal bei Freudenberg-Niederndorf. Hier fand sich ein Verhüttungsplatz mit Öfen des späten 13. oder beginnenden 14. Jahrhunderts. Im Trüllesseifen bei Siegen-Oberschelden stellte Otto Krasa bereits 1934 einen Verhüttungsplatz mit einem mittelalterlichen Abstichofen sowie vorgeschichtliche Verhüttung fest. Zum Trüllesseifen vgl. dies. (Hg.), Neujahrsgruß 2005. Jahresbericht für 2004, Münster 2005, S. 43 f., und dies. (Hg.), Neujahrsgruß 2006. Jahresbericht für 2005, Münster 2006, S. 53–56. Zu Niederfischbach vgl. Rudolf Alt, Erzbergbau und Hüttenwesen im Raum Niederfischbach. Die Nutzung der Bodenschätze zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz, die soziale Lage und die Geschichte des „Fischbacher Ausbeutethalers“, Siegen 2002, S. 11–19.

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Einfluss im südlichen Teil des Herzogtums Westfalens zu verstärken, auch wenn die Erzbischöfe nach der Schlacht von Worringen 1288 einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen mussten. Im Folgenden wird auf die territorialpolitischen Entwicklungen im westlichen und nördlichen Teil des Siegerlandes und auf die Auseinandersetzungen der nassauischen Grafen mit den Erzbischöfen von Köln und den mit ihnen verbundenen Niederadligen im 13. und 14. Jahrhundert einzugehen sein. Eine Quelle aus dem Jahre 1353, die bislang noch kaum für die nassauische Territorialgeschichte ausgewertet worden ist, lässt neue, interessante Zusammenhänge von Territorialpolitik, Burgenbau und Montanwesen in dieser Region deutlich werden.

1. Das Kölner-Nassauer Kondominat über Siegen im Jahr 1224 und seine Folgen Eine in Köln ausgestellte Urkunde, der die Tagesangabe fehlt und die nach dem Aufenthalt des Kölner Erzbischofs Engelbert I. von Berg (reg. 1216–1225) nur in der Zeit vom 7.  Juni bis 1.  Juli oder im August 1224 in Köln ausgestellt worden sein kann, markiert für die nassauische wie Siegerländer Territorialgeschichte ein überaus wichtiges Ereignis. Der Aussteller, Erzbischof Engelbert, quittierte sich selbst dafür, dass ihm Graf Heinrich II. von Nassau (reg. 1198–um 1247) die Hälfte der neu erbauten Stadt Siegen („opidi Sige de novo constructi“) mit der Münze, dem Zoll und weiteren Rechten übertragen hatte.3 Darüber hinaus wurde vereinbart, dass keine der beiden Parteien einen Bürger oder Burgmann ohne Zustimmung des anderen aufnehmen durfte. Die Urkunde behandelt den nassauischen Grafen nicht als Vertragspartner oder Mitaussteller, sondern teilt den Sachverhalt lediglich mit. Graf Heinrich  II. stellte für die Gültigkeit des Rechtsinhaltes allerdings sein Siegel zur Verfügung, während das Siegel des Erzbischofs, das ehemals an der Urkunde befestigt war, wie am Pergamentstreifen zu ersehen ist, heute fehlt. Die Urkunde dokumentiert die verstärkten territorialpolitischen Bemühungen der Erzbischöfe von Köln nach der Mitte des 12. Jahrhunderts im Rheinland und in Westfalen. Siegen wurde von den Grafen zu Laurenburg-Nassau spätestens in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf dem Siegberg planmäßig angelegt. Auf dem Gipfel des Siegberges hatten sie bereits ihre Burg errichtet, zu der auch ein eigener Rechtsbezirk, die Burgfreiheit, gehörte, die noch heute im Siegener Straßenbild erkennbar ist. Auch die von den nassauischen Grafen bis zum 16. Jahrhundert eingeforderten Geldzinsen für die Hausplätze der Einwohner, die sogenannten ‚Wortpfennige‘ („census arealis“), die erstmals 1404 in einem Boden- oder Wortzinsregister überliefert sind, sprechen für eine von den nassauischen Grafen ausgehende neue Besiedlung des Siegberges unterhalb ihrer Burg.4 Die am Fuße des Siegberges liegende 3 4

Manfred Wolf, Überlegungen zur Urkunde vom Jahre 1224 und zur Entwicklung der Stadt Siegen, in: Siegener Beiträge. Jahrbuch für Regionalgeschichte 5 (2000), S. 9–32, hier S. 9 f. Friedrich Philippi (Hg.), Siegener Urkundenbuch (im Folgenden SUB), 2 Bde., Siegen 1887 und 1927 (ND Osnabrück 1975), hier Bd. II, Nr. 78, S. 79–88.

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Vorgängersiedlung Altsiegen wird erstmals in einer Urkunde aus den Jahren 1079 bis 1089 genannt. Datiert ist sie nach den Regierungsjahren des Kölner Erzbischofs Sigewin, der die Schenkungen von Gütern in den Siegerländer Ortschaften Holzklau („Holzeclaen“), Müsen („Mutzhena“), Ruckersfeld („Rucershagen“), Klafeld („Clahvelde“), Holdinghausen („Haldenghusen“) und Heiminghausen („Henninghausen“)5 bei Littfeld und Siegen durch die beiden Brüder Heribert und Gerung an das Kloster Deutz unter seinen besonderen Schutz stellte. Während die beiden sehr wahrscheinlich aus dem niederen Adel stammenden Brüder in Holzklau, Müsen, Klafeld und Holdinghausen dem Deutzer Konvent jeweils einen Hof („manus“) übertrugen, waren es in Siegen („in Sigena“) immerhin 30 Tagewerk („iurnales“) Ackerland und fünf Anteile an einem Wald („forestis“).6 Die Urkunde von 1079/89 stellt die älteste Erwähnung von Siegen überhaupt dar, wobei noch nicht von einem städtischen Charakter der Ansiedlung auszugehen ist. In der Zeugenreihe der Urkunde taucht als erster laikaler Zeuge ein Rupertus auf. Da der Name Rupert oder Ruprecht in der Familie der Grafen von LaurenburgNassau mehrfach auftritt (Leitname), hat man die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich bei dem 1079/89 genannten Rupert um jenen Grafen Rupert handelte, der bei einer weiteren Schenkung von Besitzungen im Rheinland an das Kloster Deutz in den Jahren 1073/75 sein Siegel zur Verfügung stellte.7 In seiner Territorialgeschichte des Oberlahnkreises vermutet Karl Hermann May, dass es sich bei dem in der Urkunde von 1079/89 erwähnten Rupert um ein Mitglied der Familie der Grafen von Laurenburg-Nassau handeln könnte. Nach Otto Renkhoff und Hellmuth Gensicke wurde Graf Rupert vom Mainzer Erzbischof als erster Vogt für das Siegerland eingesetzt. Ihre Vermutung, der sich Karl E. Demandt in seiner Geschichte des Landes Hessen anschließt, als er den Rupert aus der Urkunde von 1079/89 als Vogt des Mainzer Erzbischofs bezeichnet,8 stützt sich auf Einlassungen in einer Urkunde aus dem Jahr 1361, in der erstmals belegt wird, dass die Grafen von Nassau die Vogtei und das Gericht zu Siegen von den Erzbischöfen von Mainz zu Lehen trugen.9 Erz5

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Zu Heiminghausen vgl. Hermann Böttger, Die Wüstungen des Kreises Siegen, in: Siegerland 11.2 (1929), S. 41–48, hier S. 43. Die Ortschaft lag an der Grenze der Gemarkungen von Burgholdinghausen und Littfeld zwischen den Gruben Heinrichssegen und Altenberg. Zur Urkunde von 1079/89 vgl. Norbert Andernach u. a. (Bearb.), Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter (im Folgenden REK), 12 Bde., Bonn bzw. Düsseldorf 1901–2001, hier Bd. I, Nr. 1182, S. 355; SUB I, Nr. 3, S. 6; Wilhelm Güthling (Hg.), Geschichte der Stadt Siegen im Abriss, Siegen 1955, S. 6 f. Zum Begriff ‚iurnales‘ (Tagewerk) im Zusammenhang mit der Schenkung von 1079/89 vgl. Walter Schlesinger, Die Hufe im Frankenreich, in: Heinrich Beck u. a. (Hg.), Untersuchungen zur eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Flur in Mitteleuropa und ihrer Nutzung. Bericht über die Kolloquien der Kommission für Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1975 und 1976, Teil 1, Göttingen 1979, S. 41–70, hier bes. S. 56 f. Wolf, Überlegungen, S. 16. Karl E. Demandt, Geschichte des Landes Hessen, 2. Aufl. Kassel und Basel 1972 (ND Kassel 1980), S. 367. Karl Hermann May, Territorialgeschichte des Oberlahnkreises (Weilburg), Marburg 1939, S. 24–26; Gensicke, Landesgeschichte, S. 157; ders., Untersuchungen über Besitz

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bischof Gerlach von Nassau (reg. 1346–1371) bestätigte in der Urkunde von 1361 Graf Johann I. von Nassau-Dillenburg (reg. 1351–1416), dass dieser „dy fadyge und gerychte zu Siegen im lande und nyt dy sloz von ym und von synm stiffte zu lene han“. Genannt werden Burg und Stadt Siegen sowie die Burg Hainchen im östlichen Teil der Herrschaft Siegen (Netphen-Hainchen, Kreis Siegen-Wittgenstein). Während das Gelände von Burg und Stadt Siegen sehr wahrscheinlich älterer nassauischer Allodialbesitz war, erwarben die nassauischen Grafen die Burg Hainchen erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts.10 Die Besitzrechte der Deutzer Abtei lassen sich aber auch in späterer Zeit noch nachweisen; sie wurden nicht dem Erzstift Köln übertragen, das im späteren Mittelalter eigene Rechte und Güter im nördlichen Siegerland erwerben konnte, worauf später noch einzugehen sein wird. Papst Eugen III. (reg. 1145–1153) bestätigte der Abtei Deutz in einer Urkunde vom 17. Juni 1147 Besitzungen in großem Umfang, darunter auch in einer Siegerländer Ortschaft, in der die Abtei einen Hof besaß, auf dem man eine Kapelle errichtet hatte. Da in der Urkunde von 1079/89 die Abtei in mehreren Siegerländer Ortschaften mit Besitz vertreten war, so darf man schließen, dass es sich bei dem angeführten „Horzcla“ um (Ober-) Holzklau handelt.11 Um 1170 hatte Graf Rupert (Ruprecht)  III. von Laurenburg-Nassau, genannt der Kreuzfahrer (reg. 1159–1191), in Siegen eigene Münzen schlagen lassen. Die in der Siegener Münze geprägten Denare und Obole waren exakte Nachprägungen der sogenannten ‚Hitarc-Pfennige‘ des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg (reg. 1167–1191), die jener kurz nach seiner Wahl zum Erzbischof zwischen 1170 und 1174 in Köln herstellen ließ. Siegen wird auf den Münzen als „civitas“ angesprochen, womit sehr wahrscheinlich die Ansiedlung auf dem Siegberg gemeint ist, die durch den Grundherrn, den nassauischen Grafen, mit städtischen Rechten ausgestattet worden war. Die Prägung dieser Münzen wirft allerdings eine Reihe von Fragen auf. Ungeklärt ist zum Beispiel, ob die Prägung der beiden Münzsorten mit Einverständnis des Kölner Erzbischofs erfolgte. Unbekannt bleibt auch die

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und Rechtsstellung der Herren von Lipporn und Grafen von Laurenburg, in: Nassauische Annalen 65 (1954), S. 62–80, hier S. 62. Die Urkunde von 1361 wurde in der Vergangenheit nicht korrekt wiedergegeben. Bald, Fürstentum, S. 110, zitiert fälschlich: „[…] want ich dy fadyge und gerychte zu Siegen im lande und dy sloz von ym und von synm stiffte zu lene han“. Die wortgetreue Übertragung findet sich im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 1008a, Nr. 29 (Nachlass des Justizrates Jakob Friedrich Eberhard [1722–1791]). Das Urkundenoriginal wird im Koninklijk Huisarchief Den Haag aufbewahrt. Dazu Wolf, Überlegungen, S. 17 f.; Andreas Bingener und Erich Schmidt, Krombach. Geschichte eines Siegerländer Dorfes, Kreuztal 2001, S. 17. Zu Hainchen vgl. SUB II, Nr. 130–132, S. 80–83. Andreas Bingener, Siegen und das Siegerland im Mittelalter. Ein Beitrag zur territorialen Entwicklung im südwestfälischen Raum, in: Siegerland 77 (2000), S. 11–34, hier S. 22. Zum Alter der Kapelle in Oberholzklau siehe auch Albert Ludorff (Bearb.), Die Bauund Kunstdenkmäler des Kreises Siegen. Mit einer geschichtlichen Einleitung von Jakob Heinzerling, Münster 1903, S. 63–65.

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Herkunft des Silbers, das man zur Herstellung der Münzen benötigte.12 Möglich wäre eine Nutzung der Lagerstätte auf dem Altenberg bei Müsen, wobei der dortige Abbau von reichen silberhaltigen Erzen, auf den noch einzugehen sein wird, nachweislich erst mehrere Jahrzehnte später erfolgte. Die erste urkundliche Nennung eines Siegerländer Bergwerkes erfolgte im Jahr 1298. König Adolf von Nassau (reg. 1292–1298) ernannte seine beiden Vettern aus der ottonischen Linie, Heinrich  I. von Nassau-Dillenburg (reg. 1303–1343) und Emicho I. von Nassau-Hadamar (reg. 1303–1334), zu Reichslehnsleuten. Dies geschah aus Dankbarkeit für die Unterstützung, die ihm die beiden Verwandten bei der Wahl zum deutschen König gewährt hatten. Nach der Urkunde vom 26. Februar 1298 setzte der König den beiden nassauischen Grafen ein Manngeld von 1.000 Mark Kölner Pfennigen aus, die er aber wegen Geldmangels nicht auszahlen konnte. Daher verpfändete er seinen beiden Verwandten das Bergwerk am Ratzenscheid bei Wilnsdorf mit allen Rechten. Ferner übertrug er ihnen noch andere Gruben in diesem Gebiet, wo man silberhaltige Erze fördern konnte. Den nassauischen Grafen der ottonischen Linie wurden damit erstmals nachweisbar die Regalrechte auf Edelmetalle verliehen. Der Name der Grube Silberkaute, die innerhalb der Siegener Stadtmauern lag, deutet darauf hin, dass hier möglicherweise silberhaltige Erze gefördert wurden. Auch der Bergbau in den Gemarkungen der Ortschaften Niederndorf (Grube Silberburg), Oberfischbach (Krautgarten, Fischbacherwerk) sowie Oberasdorf mit ihren polymetallischen Lagerstätten – neben Kupfererzen, Zinkblende, Eisenstein förderte man hier noch im 19. und 20. Jahrhundert auch silberhaltige Bleierze (Bleiglanz) – käme als Lieferant infrage.13 Da mit einer Stadtgründung zumeist auch das Marktrecht verbunden war, könnten Münzen, die durch den Handel nach Siegen gelangten, als Grundlage für eine Prägestätte in Siegen gedient haben. Siegen wird einige Zeit später in den Mirakelberichten zu den Wunderheilungen, die sich am Grabe des Kölner Erzbischofs Anno II. (reg. 1056–1075) ereignet haben sollen, erneut genannt. Die Aufzeichnungen entstanden in Siegburg in der Zeit von 1183 bis 1186. Vier der Wunderheilungen betrafen Siegener Einwohner, wobei auch ein Mann namens Gozwinus seine Gesundheit wiedererlangte, der aus Altsiegen 12

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Zum Münzwesen unter den frühen nassauischen Grafen vgl. Bingener, Siegen, S. 22; B[usso] Peus, Die Münzen von Siegen, in: Siegerland 9.1 (1927), S. 2–10, hier S. 6  f.; Bernd Fuhrmann, Das Münzbild von Siegen. Münzwesen gründet auf Silberwährung – Als Münzstätte nachweisbar, in: Siegerland 70.3/4 (1993), S. 75–83, hier bes. S. 75 f. Nach Andreas Folie besaßen die Grafen von Laurenburg-Nassau bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts in Siegen ein eigenes Münzrecht, was jedoch nicht quellenmäßig belegbar ist. Vgl. dazu Andreas Folie, Kurköln und das Siegerland. Die Beziehungen zwischen dem westfälisch-kurkölnischen Raum und dem Siegerland während der Mittelalters bis zum Ende der kurkölnisch-nassauischen Doppelherrschaft in der Stadt Siegen im Jahr 1421, Diss. Innsbruck 1966, S. 246. SUB I, Nr. 74, S. 45 f. Zum Bergbau in Niederndorf, Oberfischbach und Oberasdorf vgl. Alt, Erzbergbau, S. 21–47; Theodor Hundt u. a., Beschreibung der Bergreviere Siegen I, Siegen II, Burbach und Müsen, Bonn 1887 (ND Kreuztal 1988), S. 144; Alfred Rippentrop, Beschreibung des Bergreviers Daaden-Kirchen, Bonn 1882 (ND Kreuztal 1982), S. 62–65.

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(„Altsigin“) stammte. Daraus darf man folgern, dass es neben einer älteren auch eine neue Ansiedlung gab.14 Zu Altsiegen gehörte ein größeres dreischiffiges Kirchengebäude, die Martinikirche, die vermutlich im 12. Jahrhundert errichtet worden war und ursprünglich fünf Türme besessen haben könnte. Noch Güthling vermutete, dass die Martinikirche, die erstmals 1311 urkundlich belegt ist, und die darunterliegende Siedlung von einer Befestigungsanlage auf dem Siegbergsporn geschützt waren.15 Spuren einer solchen Anlage haben sich freilich nicht erhalten. Archäologische Sondierungen in den 1950er und 1960er Jahren förderten im Bereich der Vorgängersiedlung im Gebiet zwischen Weißufer und Siegberghang 15 Grubenhäuser zutage, die von Regionalhistorikern in das frühe Mittelalter datiert wurden. Diese zeitliche Einordnung ist allerdings nicht zu belegen, da datierbare Keramik nicht gefunden wurde. Bei Ausgrabungen unter wissenschaftlicher Leitung im Jahr 1979 untersuchte man das aus Trockenmauerwerk errichtete Kellergeschoss eines Gebäudes. Man fand Schlackenstücke, Brauneisenstein, Ofenmantelteile eines Rennfeuerofens sowie Holzkohlenstücke. Die entdeckte Keramik stammt aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Die Funde deuten auf ein bereits im hohen Mittelalter in Siegen betriebenes Montangewerbe hin. Zusammen mit der Kreuzung wichtiger Handelswege in Siegen – etwa des ‚Kriegerweges‘ von Soest über Siegen nach Limburg, der ‚Brüder-‘ oder ‚Hessenstraße‘ von Brabant über Köln, Siegen, Marburg und Alsfeld nach Leipzig oder der ‚Märkischen Eisenstraße‘ von Siegen über Olpe, Meinerzhagen und Lüdenscheid nach Hagen – bildeten das Berg- und Hüttenwesen eine Grundlage für die Entstehung und Entwicklung einer der wichtigsten nassauischen Landstädte.16 Die für eine Rennfeuerverhüttung benötigten Erze konnten in unmittelbarer Umgebung von Altsiegen gewonnen werden. Johann Philipp Becher (1752–1831) berichtet 1789 über Abraumhalden am ‚Häusling‘, einem Berg, welcher der Siedlung im Mündungsbereich des Weißbaches unmittelbar gegenüberliegt. Noch 1553 förderte man hier Eisenstein bester Qualität, für den man 17 bis 20 Albus pro Wagen bezahlen musste. Die Erzgänge erreichten am Häusling eine Länge von bis zu 400 Metern, wobei die Gangmächtigkeit selten zwei Meter und mehr betrug. Die Bergwerke führten in oberen Teufen bis zur Talsohle des Weißtales „vorzüglichen“ Brauneisenstein und in größeren Teufen Spateisen von bester Beschaffenheit.17 Ei14 15 16

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Wolf, Überlegungen, S. 21; Bingener, Siegen, S. 22. Zur Martinikirche vgl. SUB I, Nr. 125, S. 76–79; Hans Thümmler, Neue Forschungen zur romanischen Baukunst in Westfalen, in: Westfalen 43.1/2 (1965), S. 3–56, hier S. 30– 38; Güthling, Geschichte, S. 7; Bingener, Siegen, S. 17 f. Ebd., S. 16–18; Helmut G. Vitt, In urbe Sigeni. Die Martinistadt Siegen vor dem Jahre 1224. Zur Grabung Oranienstraße, in: Siegerland 56 (1979), S. 113–124; Westfälisches Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte Münster, Neujahrsgruß 1980, Münster 1980, S. 50–54 (hier: Jan Derk Boosen über die Ausgrabung in der Oranienstraße in Siegen). Zu den historischen Fernwegen vgl. Herbert Nicke, Vergessene Wege. Das historische Fernwegenetz zwischen Rhein, Weser, Hellweg und Westerwald, seine Schutzanlagen und Knotenpunkte, Nümbrecht 2001. Johann Philipp Becher, Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten- und Hammerwesens, Marburg 1789

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senstein wurde auch im Hitschelbachtal unweit von Siegen bereits seit Jahrhunderten gefördert. Die Grube St.  Mathias, die hier bis zum Jahr 1870 abbaute, erreichte lediglich eine Teufe von 42 Metern, da zusetzende Wässer den Abbau stark behinderten. 18 Die Förderung in der Grube Alte Silberkaute auf dem Siegberg, die zu den Erzgängen des Häuslings gerechnet werden muss, erfolgte vermutlich durch einen Schacht am östlichen Ende der Hundgasse. Im Jahr 2004 entdeckte man bei Sicherungsarbeiten im Schaubergwerk des Oberen Schlosses in Siegen einen alten Schacht und einen davon abzweigenden Stollen, der in Richtung Stadt verläuft. Er soll nach Aussagen früherer Anwohner zu den Grundstücken zwischen der Gasse ‚In der Hees‘ (ehemaliger Burgfreiheitsbezirk) und der Weberstraße (heute Höhstraße) verlaufen sein. Unterhalb der Höhstraße verläuft die Hundgasse.19 Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass der Stollen, den man offenbar Ende der 1930er Jahre bei der Anlage des Schaubergwerks angeschnitten hat, zu einem frühen Bergwerk gehört. Am Aehlberg setzt sich der Gilberger Gangzug von Eiserfeld in Richtung Siegen fort. Hier lagen unter anderem die Gruben Pützhorn und Hohe Grete, die in der Revierbeschreibung von 1887 als sehr alt bezeichnet werden, ohne dass nähere Angaben gemacht werden. Beide waren nachweislich im 18. Jahrhundert bereits mit Kunsträdern für den Tiefbau ausgerüstet. Diese dienten wegen der starken Zuflüsse von Grubenwässern vermutlich auch zur Sümpfung.20 Eine Reihe von Gruben in unmittelbarer Nähe von Siegen wird bereits in der Renteirechnung von 1465/66 genannt. Der nassauische Bergmeister in Siegen, Heintze Brune, nahm von folgenden Eisensteinbergwerken den Zehnten ein:

18 19 20

(ND Kreuztal 1984), S. 419 f.; Hundt u. a., Beschreibung, S. 103 (Zitat). Ebd., S. 115. Siegener Zeitung vom 24. und 25. Mai 2004. Hundt u. a., Beschreibung, S. 94 und 101 f.; Rainer Slotta, Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5: Der Eisenerzbergbau, Teil 1, Bochum 1986, S. 490 f.

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Tabelle: Zehnteinnahmen des nassauischen Bergmeisters in Siegen21 Grube Grube Ähl Grube Tiefe Ähl Grube Helmax Grube bei Agnesenhof Gruben am Hamberg

Lage zwischen Eiserfeld und Siegen zwischen Eiserfeld und Siegen oberhalb der Gruben auf der Ähl südlich von Siegen am Hamberg südlich von Siegen

Höhe des Zehnten 2 Fuder zu je 10 Albus; 6 Fuder zu je 6 Albus 4 Fuder zu je 8 Albus 9 Fuder zu je 5 Albus 1 Fuder zu je 9 Albus 10 Fuder zu je 9 Albus; 2 Fuder zu je 6 Albus 2 Fuder zu je 8 Albus

Gruben auf dem „Heydenberg“ bei Siegen Heidenberg Grube auf dem „Rusterberg“/„Rüsterberge“ 2 Fuder zu je 7 Albus Rosterberg bei Siegen Eine weitere Grube auf dem Heidenberg stand nicht in Förderung und zahlte deshalb keinen Eisensteinzehnten an den nassauischen Bergmeister.

Ein weiterer früher Hinweis auf das Montanwesen in unmittelbarer Nähe von Siegen fand sich in der oberen Fludersbach bei Siegen. Anhand von Keramikfunden konnte die freigelegte Waldschmiedewerkstatt in das frühe Mittelalter (8./9.  Jahrhundert) datiert werden. Neben Schlacken fanden sich auch zahlreiche Erzstücke: Brauneisenstein, Eisenglanz und Bleiglanz. Hausgrundrisse konnten wegen fehlender Pfostenlöcher oder Fundamentmauern nicht festgestellt werden. Allerdings hat man auch nur einen kleinen Teil der Siedlung archäologisch untersucht. Zahlreiche Streufunde deuten darauf hin, dass Waldschmiede noch bis ins Hochmittelalter in der Fludersbach tätig waren. Man fand neben Klingen, Hufeisen, Nägeln, Haken und Ösen einen Bratspieß und einige Armbrustbolzen.22 Die Verwendung der Armbrust als Kriegswaffe ist im Mittelalter in Europa frühestens seit der Schlacht bei Hastings 1066 bekannt, als die Normannen diese Fernwaffen einsetzten. Erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts lassen sich konkrete Angaben über die Siegerländer Hütten und Hammerwerke aus den Abrechnungen der nassauischen Rentmeister ermitteln. Danach zahlten die teilweise schon gewerkschaftlich organisierten Besitzer Hüttenzinsen in Form von Geld, Öl und Wachs: 1417 – 19 Hütten

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Andreas Bingener (Bearb.), Territoriale Rechnungsüberlieferung im Spätmittelalter. Die Siegener Renteirechnungen von 1463/64 bis 1471/72, St. Katharinen 1998, S. 101–103; zu den Einnahmen des Bergmeisters 1466/67: S. 175 f.; 1467/68: S. 257–259; dazu auch: Hans Schubert (Bearb.), Geschichte der nassauischen Eisenindustrie von den Anfängen bis zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges, Marburg 1937, Nr. 107, S. 266 f. Manfred Sönnecken und Paul Theis, Frühmittelalterliche Waldschmiedesiedlung in der oberen Fludersbach bei Siegen, in: Siegerland 40 (1963), S. 61–64.

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und ein Hammerwerk (zusammen 20);23 1423 treten fünf Hüttenbetriebe im Raum Freudenberg hinzu, die 1417 noch nicht aufgeführt waren;24 1444/45 – 26 Hütten, zwei Blashütten und sechs Hammerhütten (zusammen 34);25 1463/64 – 24 Hütten, vier Blashütten und zwölf Hammerhütten (zusammen 40);26 1491/92 – 22 Hütten, sieben Blashütten und 10 Hammerhütten (zusammen 39),27 sowie 1505/06 – 17 Hütten, zehn Blashütten und 15 Hammerhütten (zusammen 42),28 wobei davon auszugehen ist, dass es sich bei den lediglich als Hütten bezeichneten Anlagen ebenfalls um Blashütten handelte.29 Einige der Montanbetriebe lagen im unmittelbaren Einzugsbereich der Stadt Siegen, eine Hammerhütte befand sich unterhalb der Stadt. Der Besitzer Greten zahlte 1417 immerhin 14 Gulden Hüttenzins, wobei ihm zwei Zahlungstermine gesetzt waren, je einer zu Pfingsten und auf Martini. Die Nennung einer Hammerhütte macht deutlich, dass sich der Prozess der kontinuierlichen Herstellung von Rohbzw. Gusseisen in den Hütten des Siegerlandes bereits durchgesetzt hatte. Eine Massenhütte am Weißbach bei Siegen wird erstmals 1311 in den Quellen genannt. Hüttenanlagen dieser Art stellten mit ihren wasserradbetriebenen Blasebälgen in bis zu fünf Meter hohen Floßöfen kontinuierlich Roheisen her, während in den Rennöfen und in den Stücköfen der Prozess zur Entnahme des schmiedbaren Eisens unterbrochen werden musste. Man spricht deshalb von einem ‚absätzigen Prozess‘.30 Weitere 23 24 25 26

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SUB II, Nr. 87, S. 97–108. Ebd., Nr. 98, S. 121 f. Schubert, Geschichte, Nr. 104, S. 258 f. Ebd., Nr. 107, S. 265 f.; Paul Fickeler nennt für 1463/64 ebenfalls 40 Anlagen, doch führt er nur 13 Blashütten auf. Diese Angabe stimmt insofern, als er die Angaben von Schubert in den Anmerkungen zu den Betrieben für die Jahre 1465/66–1471/72 mit einbezieht; vgl. Paul Fickeler, Das Siegerland als Beispiel wirtschaftsgeschichtlicher und wirtschaftsgeographischer Harmonie, in: Erdkunde 8 (1954), S. 15–51, hier S. 20. Schubert, Geschichte, Nr. 107, S. 281 f. Abweichend zu 1492: Alfred Lück, Vom Eisen. Der Weg des Siegerländer Eisens durch zweieinhalb Jahrtausende, Siegen 1956, S. 43: 18 Hütten, elf Blashütten, neun Hammerhütten. Schubert, Geschichte, Nr. 107, S. 285 f.; zu 1505 abweichend Lück, Eisen, S. 43: 16 Hütten, 13 Blashütten, 15 Hammerhütten, zusammen 44 Anlagen. Bernd D. Plaum, Zur Wirtschaftsgeschichte von Siegerland und Wittgenstein. Hütten und Hammerwerke, in: Der Kreis Siegen-Wittgenstein (im Folgenden Kreis SiegenWittgenstein), bearb. v. Westfälischen Museum für Archäologie, Amt für Bodendenkmalpflege Münster, Außenstelle Olpe, Stuttgart 1993, S. 79–83, hier S. 79. Zu weiteren Zahlenangaben vgl. Hans Joachim Breidenbach, Die Eisengewinnung an Sieg, Heller und Daade, in: Hans Dietrich Gleichmann, Bergbaumuseum des Kreises Altenkirchen, Herdorf-Sassenroth, Speyer 1990, S. 117–153, hier S. 122. Schubert, Geschichte, Nr. 4, S. 132 (1417); SUB II, Nr. 125, S. 76–78, hier S. 77 (1311 Juni 3) Allgemein dazu Andreas Bingener, Art. „Eisen“, in: Enzyklopädie der Neuzeit 3 (2006), Sp. 140–152, hier Sp. 144; vgl. dazu Albrecht Jockenhövel, Der Weg zum Hochofen – Die Zeit der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Massenhütten, in: Bernhard Pinsker (Hg.), Eisenland – zu den Wurzeln der nassauischen Eisenindustrie, Wiesbaden 1995, S. 83–98, bes. S. 92 f.; Thomas Kreft, Das mittelalterliche Eisengewerbe im Herzogtum Berg und in der südlichen Grafschaft Mark, Aachen 2002, S. 27 f. und 68–81. Für die Rennofenverhüttung war hochwertiges Eisenerz (z. B. Hämatit oder Limonit)

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Anlagen in Stadtnähe lagen am Weißbach, vor der Siegbrücke und bei St. Jost, einer Kapelle in der Hermelsbach (Stadtteil von Siegen). Überdies stand in der Nähe der Siegbrücke eine Silberschmelzhütte. Diese muss vor 1497 abgebrochen worden sein, da die Stadt Siegen von Heiderich Busch und seinem Bruder Ewert eine Hofstatt erwarb, „unden in der Siegebrocken zur zyt die silber hütte uff gestanden heit“.31 Zu Recht stellt sich nun die Frage, was den nassauischen Grafen Heinrich  II. dazu bewogen haben könnte, dem Kölner Erzbischof Engelbert solch weitreichende Rechte wie die Teilhabe an seinen Einkünften aus Münze und Zoll und die Aufnahme von Burgmannen und Bürgern in der für seine Grafschaft strategisch und wirtschaftlich so bedeutenden Stadt Siegen zu gewähren. Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, die hier kurz diskutiert werden sollen. Manfred Wolf geht davon aus, dass das Amt des Herzogs von Westfalen und Engern nicht als Druckmittel gegenüber den nassauischen Grafen gedient haben kann, da das Siegerland nicht zum Herrschaftsbereich des westfälischen Herzogs gehörte. Stattdessen verweist er darauf, dass der Kölner Erzbischof Arnold II. von Wied (reg. 1151–1156) durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa (reg. 1152/55–1190) als Rechtsnachfolger der Pfalzgrafen mit der Wahrung des Landfriedens im Rheinland beauftragt wurde. Dazu übertrug der Kaiser dem Kölner Erzbischof das zum Einflussbereich der Herzöge von Ober- und Niederlothringen gehörende Herzogtum Ripuarien. Dessen flächenmäßige Ausdehnung war aber nicht konkret festgelegt worden, so dass der Geltungsbereich bei dem damals noch vorherrschenden Denken in Personenverbänden von den Kölner Erzbischöfen möglicherweise auf alle in ihrem Lehnsverband stehenden Vasallen bezogen wurde.32 Bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts lassen sich lehnrechtliche und persönliche Beziehungen zwischen den Kölner Erzbischöfen und den Grafen zu Laurenburg-Nassau belegen. Die Grafen gehörten zum engen Gefolge der Erzbischöfe. Graf Ruprecht III. von Laurenburg-Nassau trat häufig als Zeuge in Urkunden Erzbischofs Philipp von Heinsberg in Erscheinung.33 Im 13. Jahrhundert trugen die nassauischen Grafen wichtige kölnische Lehen und Erbämter zu Lehen, wie das Marschallamt und das Schenkenamt.34 Sie nahmen als Lehnsleute der Erzbischöfe an der Schlacht bei Worringen 1288 teil, wobei Graf Adolf von Nassau, der spätere deutsche König, dem Erzbischof Siegfried von Westerburg (reg. 1275–1297) als Bannerträger zur Verfügung stand. Das Schenken- und das Bannerträgeramt übten die

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notwendig, das im Siegerland verfügbar war. Zur Eisenverhüttung vgl. auch den Beitrag von Hans Ludwig Knau in diesem Band. Heinrich von Achenbach, Geschichte der Stadt Siegen, 2 Bde., Siegen 1894 (ND Kreuztal 1983), hier Bd. 1, S. 9 (Zitat). Wolf, Überlegungen, S. 12 und 15. REK II, Nr. 1038, 1047, 1145, 1148, 1150, 1191, 1224 und 1365; Bingener, Siegen, S. 24. Otto Renkhoff, Die Grundlagen der nassau-dillenburgischen Territorialentwicklung. Ein Beitrag zur älteren westdeutschen Landesgeschichte, in: Korrespondenzblatt der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 80 (1932), Sp. 73–109, hier Sp. 103; Paul Wagner, Untersuchungen zur älteren Geschichte Nassaus und des nassauischen Grafenhauses, in: Nassauische Annalen 46 (1920/25), S. 112–188, hier S. 125.

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nassauischen Grafen nachweislich seit 1252 aus, doch dürften sie bereits im 12. Jahrhundert höhere Ämter am Hof der Kölner Erzbischöfe innegehabt haben, wie der Rangstreit zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Abt von Fulda 1184 auf dem Reichstag zu Mainz zeigt, wo der nassauische Graf Ruprecht III. vor den Großen des Reichs leidenschaftlich für seinen Kölner Lehnsherrn eingetreten war.35 Die Ansprüche der Kölner Erzbischöfe an einer Teilhabe der Macht in Siegen liegen sehr wahrscheinlich nicht nur im Lehnverhältnis der Grafen von Nassau gegenüber Köln begründet. Günther Wrede sieht vielmehr einen Zusammenhang mit einer Territorialpolitik großen Stils, ausgehend von der Erlangung der Herzogswürde in Westfalen und Engern durch Erzbischof Philipp von Heinsberg.36 Ziel dieser Politik war die Verbindung der rheinischen und der westfälischen Besitzungen zu einem geschlossenen Territorium. Zwischen Heinrich dem Löwen, Herzog von Sachsen und Bayern (reg. 1142/56–1180), und dem Kölner Erzbischof kam es wiederholt zu schwerwiegenden Konflikten um die Vorherrschaft im östlichen Teil Westfalens. Der Erzbischof gehörte deshalb zu den entschiedenen Gegnern des Welfenherzogs. Nach der Verhängung der Reichsacht über Heinrich den Löwen wurde das sächsische Herzogtum aufgeteilt und der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg erhielt das Herzogtum Westfalen und Engern zu Lehen. In der am 13. April 1180 ausgestellten Urkunde befindet sich auch Graf Ruprecht III. von Nassau als Gefolgsmann des Erzbischofs unter den Zeugen.37 Der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg und seine Nachfolger verstanden es, die neue Herzogswürde für ihre Territorialpolitik nutzbar zu machen. Auch wenn Siegen und das Siegerland offiziell nicht zum Bereich des Herzogtums West-

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Zu den Amtslehen der nassauischen Grafen für die Erzbischöfe von Köln siehe Karl Hermann May, Die kölnischen Lehen des Hauses Nassau und die niederrheinische Herkunft der Ruperte von Laurenburg-Nassau, in: Nassauische Annalen 91 (1980), S. 10– 67, bes. 30–35. Neben Graf Adolf von Nassau aus der walramschen Linie – der spätere römisch-deutsche König – nahm auch Heinrich I. von Nassau-Dillenburg aus der ottonischen Linie des nassauischen Grafenhauses aufseiten des Erzbischofs an der Schlacht bei Worringen teil. Vgl. Ulrich Lehnart, Die Wappen der Teilnehmer der Schlacht bei Worringen, in: Werner Schäfke (Hg.), Der Name der Freiheit 1288–1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute, 2. Aufl. Köln 1988, S. 179–193, hier S. 184. Günther Wrede, Herzogsgewalt und kölnische Territorialpolitik in Westfalen, in: Westfalen 16 (1931), S. 139–151, bes. S. 143. Hermann Rothert, Westfälische Geschichte, Bd. 1: Das Mittelalter, 4. Aufl. Gütersloh 1981, S. 182–187; Odilo Engels, Zur Entmachtung Heinrichs des Löwen, in: Pankraz Fried (Hg.), Festschrift für Andreas Kraus zum 60. Geburtstag, Kallmünz 1982, S. 45–59 (wiederabgedruckt unter dem Titel Zur Entmachtung Heinrichs des Löwen. Die Entstehung des kölnischen Ducats von Westfalen und Engern 1180, in: Harm Klueting [Hg.], Das Herzogtum Westfalen, Bd. 1: Das kurkölnische Herzogtum Westfalen von den Anfängen der kölnischen Herrschaft im südlichen Westfalen bis zur Säkularisation 1803, Münster 2009, S. 101–118); zur Zeugenliste vgl. den MGH-Band Heinrich Appelt (Hg.), Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 10.3: Die Urkunden Friedrichs I. 1168–1180, München 1986, Nr. 795, S. 360–363.

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falen gerechnet wurden,38 ist es möglich, dass der Kölner Erzbischof Engelbert  I. damit seinen Anspruch auf die Oberhoheit gegenüber den Grafen von Nassau durchsetzte. Mit der Herzogsgewalt und der davon ausgehenden Gerichtshoheit war die Wahrung des Landfriedens verbunden. Den Herzögen stand deshalb das Geleitsrecht, ferner das Recht, Truppen aufzustellen und das Recht zur Bewilligung von Befestigungen aller Art zu. Vom Befestigungsrecht des Herzogs, ursprünglich ein königliches Vorrecht, war gleichfalls die Errichtung von Burgen und Städten auf Eigenbesitz betroffen. Auch wenn man es für Siegen nicht ausdrücklich belegen kann, so lässt sich nicht ausschließen, dass Erzbischof Engelbert I. unter Hinweis auf das Befestigungsrecht die Mitherrschaft über Siegen erlangte. Den Erzbischöfen von Köln gelang es im 13. Jahrhundert auf diese Weise, in zahlreichen anderen Burgen und Städten Fuß zu fassen.39 Im Jahr 1224 setzte sich Erzbischof Engelbert I. in den Mitbesitz der Neustadt von Herford. Die dortige Äbtissin hatte diesen Teil der Stadt erst kurz zuvor befestigen lassen. Unter dem Nachfolger Engelberts I. begab sich 1230 das Kloster Corvey mit seinen sämtlichen Besitzungen unter den Schutz des Erzstifts. Man überließ dem Erzbischof Heinrich I. von Molenark (reg. 1225–1238) dafür die Hälfte der Stadt Marsberg und der Burg Lichtenfels. Im Jahr 1241 übertrug der Abt von Helmarshausen die Hälfte der Stadt Helmarshausen und der Burg Krukenberg dem Kölner Erzstift. Ansprüche auf Mitbesitz konnten die Erzbischöfe von Köln unter anderem auch in den Städten Geseke, Salzkotten und Nieheim durchsetzen.40 Konflikte kamen seit etwa 1250 zwischen dem Kölner Erzstift und den Grafen von der Mark auf. Den Grafen war bewusst, dass ohne ein eigenständiges Befestigungsrecht der Aufbau einer unabhängigen Landesherrschaft nur schwer durchzusetzen sein würde. Die Grafen von der Mark hatten von den Erzbischöfen von Köln in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Burgen Altena, Mark, Nienbrügge und Isenberg zu Lehen erhalten. Die Burgen schützten die Grafschaft gegenüber den Bischöfen von Münster und gegenüber den Grafen von Arnsberg. Als sich eine von Köln unabhängigere Politik der Grafen von der Mark abzuzeichnen begann, kam es zu Auseinandersetzungen mit Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg (reg. 1261– 1274) und dessen Nachfolger Erzbischof Siegfried von Westerburg. Im Jahr 1265 zwang Erzbischof Engelbert  II. den Grafen von der Mark, das kölnische Befestigungsrecht anzuerkennen, und untersagte den weiteren Ausbau der Verteidigungseinrichtungen der märkischen Städte Unna, Kamen und Iserlohn. Erzbischof Siegfried verlangte 1278 die Niederlegung der Stadtmauern von Iserlohn und Kamen. Im Fall von Lüdenscheid kam der Graf einer Schleifung der Stadtmauern zuvor und 38

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Das Herzogtum Westfalen und Engern umfasste Teile des Erzstiftes Köln, das Bistum Paderborn, den Raum südlich der Lippe bis zur Weser mit den Abteien Essen, Herford, Corvey und Helmarshausen, die Grafschaften Arnsberg, Altena, Everstein, Schwalenberg und Waldeck, die Herrschaften Lippe und Büren sowie die Reichsstadt Dortmund. Friedrich W. Schulte, Der Streit um Südwestfalen im Spätmittelalter. Die Grafen von der Mark – Die Erzbischöfe von Köln. Im Blickpunkt: Die Burg Schwarzenberg, Iserlohn 1997, S. 27–29. Folie, Kurköln, S. 181.

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trug 1279 dem Kölner Erzbischof die Stadt zu Lehen auf. Die für Köln ungünstig verlaufene Schlacht von Worringen im Jahr 1288 ermöglichte den Territorialherren in Westfalen zunächst eine eigenständige Politik. Erst mit Hilfe Johann von Plettenbergs (vor 1270–nach 1314), den die Erzbischöfe von Köln zwischen 1294 und 1312 mit einer kurzen Unterbrechung zum Marschall von Westfalen bestellten, gelang die Absicherung der Herrschaft und des Territoriums.41

2. Der Einfluss der Erzbischöfe von Köln im südlichen Westfalen im 13. und 14. Jahrhundert Bereits während der Amtszeit des Erzbischofs Anno II. sind erste Anzeichen für eine aktive Territorialpolitik des Kölner Erzbistums zu erkennen. Im Jahr 1064 gründete der Erzbischof das Kloster Siegburg mit dem gleichnamigen Dekanat. Zum Dekanat Siegburg gehörten nach einem Register, das in den Jahren 1274 bis 1308 aufgestellt wurde, nicht weniger als 56 Kirchen im Bereich der unteren Sieg, der Agger, Bröl, Sülz und Wied.42 Kurz vor seinem Tod stiftete er 1072 das Kloster Grafschaft bei Wormbach, das er mit Benediktinern aus Siegburg besetzen ließ. Das Kloster Grafschaft wurde reich mit Besitz ausgestattet. Insgesamt waren zwölf Pfarreien – die Kirchen in Attendorn, Bödefeld, Brunskappel, Hemer, Herscheid, Lüdenscheid, Österfeld, Plettenberg, Rüden, Valbert, Velmede und Wormbach – von ihm abhängig und hatten Abgaben zu leisten, die den Unterhalt der Mönche sicherstellen sollten. In Lüdenscheid, Herscheid, Plettenberg und Valbert besaß der Abt überdies das Recht, die Pfarrer einzusetzen.43 Im Siegerland selbst hatte die Siegburger Abtei Einkünfte und Güter inne, die in der Nähe der Stadt Siegen lagen. Abt Theoderich von Siegburg veräußerte den Besitz des Klosters im Jahr 1309 an Graf Heinrich I. von Nassau-Dillenburg zu erblichem Eigentum.44 Erzbischof Philipp von Heinsberg gelang während seiner langen Regierungszeit mit Hilfe der Herzogswürde in Westfalen und Engern der Erwerb einer Reihe von Lehnshoheiten, die dem Erzstift eine Vormachtstellung gegenüber dem rheinischen und westfälischen Adel einräumten. Mit Hilfe des Ankaufs von Besitzungen, Rechten und Stützpunkten gab er dem Erzstift die Mittel zur Sicherung einer eigenständigen Territorialherrschaft an die Hand.45 Im heutigen Kreis Olpe erwarb Erzbischof Philipp den Haupthof Bilstein, den Heinrich II. von Gevore (gest. nach 1220)

41 42 43 44 45

Schulte, Streit, S. 19–23 und 27–29. Gabriel Busch (Hg.), Alte Kirchen um den Michaelsberg. Das alte Dekanat Siegburg, Bd. 2, Siegburg, 1986, S. 10 f. Schulte, Streit, S. 13, 43 und 46. SUB I, Nr. 115, S. 71. Bernd Isphording, Olpe im Mittelalter, in: Klueting, Herzogtum Westfalen, Bd.  1, S. 131–168, hier S. 137.

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ihm zu Lehen auftrug. Um 1220 erbaute Dietrich von Gevore (gest. nach 1255) auf einem steilen Felsvorsprung die Burg Bilstein.46 Zu den Erwerbungen des Erzbischofs für das Kölner Erzstift gehörte auch das „allodium de Waldenburg“, wobei nach der Quellenlage offen bleiben muss, aus welchem Besitz Burg und Herrschaft Waldenburg ursprünglich stammten.47 Die Burg lag über dem Biggetal (heute über dem Biggestausee) und ist bis auf Teile des Hauptturmes und einige Mauerreste abgetragen worden (Abb. 1). Die Anlage soll in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts durch einen rheinischen Pfalzgrafen Ezzo (gest. 1034) erbaut worden sein. Archäologisch ist das hohe Alter jedoch nicht gesichert, und bauhistorisch lassen sich wegen der geringen Reste kaum Aussagen treffen. Schriftliche Hinweise, die Auskunft über eine konkrete Erbauungszeit geben könnten, sind nicht überliefert. Die Burg befand sich 1176 im Besitz der ravensbergischen Grafen, wie man aus einer Urkunde des Abtes Uffo von Grafschaft schließen kann, der 1176 den Attendorner Einwohnern das Recht zur Wahl ihres Pfarrers überließ. Bezeugt wurde dieser Rechtsakt durch Graf Hermann II. von Ravensberg (reg. ca. 1170–1221) und sechs seiner Ministerialen, die später als Burgmannen auf der Waldenburg in Erscheinung traten.48 Nördlich der Waldenburg lag in geringer Entfernung das alte Kirchdorf Attendorn, das um 1200 Marktrecht erhielt. Zwischen 1208 und 1212 lassen sich in Attendorn bereits Münzprägungen nachweisen. Der Stadtherr, Erzbischof Engelbert I. von Berg, verlieh Attendorn 1222 das Soester Stadtrecht. Die Marktsiedlung wurde wenig später mit Mauern und Gräben umgeben. Ebenfalls um 1200 ließ das Erzstift südöstlich von Attendorn die Burg Schnellenberg (Abb. 2) errichten, welche die Stellung der Erzbischöfe in diesem Gebiet weiter absichern sollte. Vermutlich um Graf Adolf von der Mark-Altena (reg. 1198/99–1249) zu beruhigen, der in dieser Region eigene territoriale Interessen verfolgte, übertrug ihm Erzbischof Engelbert von Berg 1222 zwei Burglehen auf Burg Schnellenberg. Ein weiterer Gegner Kölns, Graf Gottfried II. von Arnsberg (reg. 1185–1235), wurde gleichfalls an der Burg beteiligt.49 Attendorn mit Burg Schnellenberg einerseits und die Waldenburg andererseits sind strategisch deutlich gegeneinander gerichtet. Bei den Erzbischöfen von Köln musste sich die Erkenntnis durchsetzen, dass sich allein mit lehnrechtlichen Bindungen an das Erzstift und einer Politik unter Hinweis auf das Amt des Herzogs in Westfalen keine dauerhafte Absicherung der territorialen Ansprüche erreichen ließen. Mit der Gründung neuer Städte gelang es Erzbischof Engelbert in kurzer Zeit, neue Stützpunkte der kölnischen 46 47 48 49

Günther Becker, Art. „Bilstein“, in: Manfred Groten u. a. (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. Stuttgart 2006, S. 657. Isphording, Olpe, S. 145; vgl. auch Johannes Bauermann, Altena – von Rainald von Dassel erworben? Zu den Güterlisten Philipps von Heinsberg, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 67 (1971), S. 228–252, hier S. 241. Albert K. Hömberg, Heimatchronik des Kreises Olpe, Köln 1958, S. 38; Günther Becker, Art. „Waldenburg“, in: Franz Petri u. a. (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. Stuttgart 1970, S. 747 f. Jens Friedhoff, Art. „Burg Schnellenberg“, in: ders., Theiss-Burgenführer: Sauerland und Siegerland, Stuttgart 2002, S. 124–127, hier S. 124.

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Abb. 1: Burg Waldenburg (Foto: A. Bingener)

Macht im südlichen Westfalen zu etablieren. 1217 erhielten Brilon und Marsberg durch den Kölner Erzbischof das Soester Stadtrecht. Das an der Heidenstraße liegende unbefestigte Schmallenberg bestand vermutlich bereits vor 1228. Nach einer Vereinbarung zwischen Erzbischof Konrad von Hochstaden (reg. 1238–1261) und dem Abt von Kloster Grafschaft im Jahr 1244 wurde die dort existierende Burg, die 1243 bereits als zerstört bezeichnet wird, nicht wieder aufgebaut, sondern stattdessen die Stadt mit einer Befestigung umgeben.50 Erzbischof Konrad erwarb schließlich im Jahr 1248 weitere ausgedehnte Besitzungen in der südwestfälischen Region für das Kölner Erzstift. Für 2.000 Mark Silber veräußerte die Witwe Graf Heinrichs III. von Sayn (reg. 1202–1246/47), Gräfin Mechthild von Sayn, geborene Gräfin von Landsberg (gest. 1285), die Burg und das Amt Waldenburg, Güter in Drolshagen und Meinerzhagen sowie den Ebbe50

Hömberg, Heimatchronik, S. 52; Engelhart Freiherr von Weichs, Schmallenberg, in: Petri u. a., Handbuch, S. 672 f.

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Abb. 2: Burg Schnellenberg bei Attendorn, Turm der Hauptburg (Foto: A. Bingener)

Wald. Ausdrücklich nahm die Gräfin das von ihrem Mann und ihr 1235 gegründete Frauenkloster zu Drolshagen von der Besitzübertragung aus.51 Zum Amtsbereich der Herrschaft und Burg Waldenburg gehörte nach dem Verzeichnis Johann von Plettenbergs 1306/08 auch der Haupthof Hünsborn, der in unmittelbarer Nähe der Grenze zur nassauischen Grafschaft lag.52 Durch die verlorene Schlacht von Worringen 1288 wurde es notwendig, das Kölner Erzstift auch im Süden Westfalens gegen Begehrlichkeiten anderer Territorialherren zu schützen und abzusichern. Der gefangene Erzbischof Siegfried von Westerburg war gezwungen, die Waldenburg zunächst 1289 Graf Adolf V. von Berg 51 52

Joachim J. Halbekann: Die älteren Grafen von Sayn. Personen-, Verfassungs- und Besitzgeschichte eines rheinischen Grafengeschlechts 1139–1426/27, Wiesbaden 1997, S. 127f., 327 f. und 367 f.; Isphording, Olpe, S. 137–144. Johann Suibert Seibertz (Bearb.), Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, 3 Bde., Arnsberg 1839–1854, hier: Bd. 1, Nr. 484, S. 603.

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(reg. 1259–1296) und etwas später Graf Eberhard II. von der Mark (reg. 1277–1308) pfandweise zu überlassen, um das stattliche Lösegeld für seine Freilassung aufzubringen. Der vom Erzbischof eingesetzte Marschall von Westfalen, Johann von Plettenberg, erhielt daraufhin den Auftrag, die Burg Schnellenberg auszubauen, was zwischen 1289 und 1294 erfolgte. Erzbischof Wigbold von Holte (reg. 1297–1304) löste die verpfändete Waldenburg von den Grafen von der Mark im Frühjahr 1300 wieder ein. Die Grafen von der Mark reagierten daraufhin mit dem Bau der Landesburg Schwarzenberg bei Plettenberg.53 Das im Jahr 1220 erstmals urkundlich erwähnte Olpe dürfte bereits im 13. Jahrhundert kein „kleines, rein agrarisches Bauerndorf“ mehr gewesen sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Olpe sich zum Mittelpunkt eines regionalen Marktes entwickelte, auf dem auch gewerbliche Güter angeboten wurden. Dafür spricht das seit dem 11.  Jahrhundert im Raum Olpe nachweisbare Montangewerbe mit Erzbergbau und Rennfeuerverhüttung unter anderem bei Hünsborn, Altenhof und Möllmicke, bei Altenkleusheim, Rehringhausen und Oberneger, bei Kirchhundem (Silberg), bei Altenkleusheim (Elpertshagen) sowie bei Oberveischede (Apollmicke) und Olpe (Rhonard). Der Fernabsatz der heimischen Metallproduktion, des Eisens und Stahls dürfte über den Attendorner Markt abgewickelt worden sein.54 Vermutlich auf Drängen Johann von Plettenbergs und nach eingehender Beratung im Domkapitel entschloss sich Erzbischof Heinrich II. von Virneburg (reg. 1304–1332), das Dorf Olpe 1311 befestigen zu lassen und zur Stadt zu erheben. Er begründete diesen Schritt damit, dass „nämlich Unser Ort Olepe […], zur Zeit Unserer Vorgänger durch so viele Brände und Plünderungen durch die Verfolger und Feinde der kölnischen Kirche zerstört und von unablässigen Übergriffen heimgesucht wurde […]“.55 Olpe erhielt zunächst eine Befestigung mit Wall, Gräben und Palisaden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt errichtete man eine Stadtmauer aus Stein und befestigte die Pforten entsprechend. Die Sicherung eines der Olper Stadttore, der Obersten Pforte, wurde nicht den Olper Bürgern übertragen, sondern der kölnischen Besatzung der Waldenburg. Olpe wurde ferner mit allen Rechten und Freiheiten der Stadt Attendorn ausgestattet, wobei die Bürger, ähnlich wie in Siegen, von ihren Hausgrundstücken den „census arealis“, den sogenannten Wortzins, zahlen mussten, ein Anerkenntniszins, der das Obereigentum des Kölner Erzbischofs als Stadtherr dokumentierte.

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55

Jens Friedhoff, Art. „Waldenburg“, in: ders., Theiss-Burgenführer, S. 143–145, hier S. 143; ders., Art. „Burg Schwarzenberg“, in: ebd., S. 133–135, hier S. 133 f.; ders., Burg Schwarzenberg, Nümbrecht-Elsenroth 2001, S. 9–14. Isphording, Olpe, S. 145 f. Zu Bergbau und Verhüttungswesens vgl. Manfred Sönnecken, Forschungen zur mittelalterlichen Rennfeuerverhüttung im Kreis Olpe. Ergebnisse von Geländebegehungen und Grabungen, Olpe 1982; Franz Sondermann, Geschichte der Eisenindustrie im Kreis Olpe, Siegen und Münster 1907 (ND Olpe 1992), S. 10–18; Wilfried Reininghaus und Reinhard Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Münster 2008, S. 329–343. Isphording, Olpe, S. 150. Zum Folgenden siehe ebd., S. 150–152.

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Die Streitigkeiten zwischen den Grafen von der Mark und den Erzbischöfen von Köln setzten sich in der ersten Dekade des 14. Jahrhunderts fort. Das Erzstift griff deshalb auf die Unterstützung seiner Lehnsleute im südlichen Westfalen bzw. in der Grafschaft Nassau zurück. Am 19. Oktober 1303 versprach Erzbischof Wigbold von Holte dem Grafen Heinrich I. von Nassau-Dillenburg eine Entschädigung in Höhe von 600 Mark für seinen Rat und seine Unterstützung gegen die Grafen Eberhard II. und Engelbert II. von der Mark (reg. 1308–1328). Zur Erstattung des Betrages – 100 Mark sollten gleich, die übrigen 500 Mark aus jährlichen Rentenerträgen in Höhe von 50 Mark aus Siegen, Attendorn und Drolshagen gezahlt werden – seitens Wigbolds scheint es indessen nicht mehr gekommen zu sein.56 Sein Nachfolger, Erzbischof Heinrich II. von Virneburg, ließ am 12. September 1308 vor der Burg Schönstein, die Köln 1281 als erledigtes Lehen eingezogen hatte, im Beisein wichtiger Kölner Lehnsleute eine weitere Urkunde ausstellen. Danach sollten den nassauischen Grafen für die ausstehenden 600 Mark bis auf Wiedereinlösung die Hörigen, die das Kölner Erzstift im Amt Waldenburg (Gericht Siegen) besaß, zustehen. Eine Ausnahme bildeten die Ritterbürtigen und Freigeborenen. Unter den Zeugen der Urkunde befanden sich offenbar weitere Helfer des Kölner Erzbischofs, etwa die Grafen Johann I. (gest. 1324) und Engelbert (gest. 1336) von Sayn, Salentin II. von Isenburg (gest. um 1325), Johann von Plettenberg sowie Friedrich von Hain (erw. 1306/07–1313).57 Die zuvor genannte Urkunde von 1308 lässt für die territorialen Verhältnisse im nördlichen Siegerland den Schluss zu, dass die Kölner Kirche in diesem Bereich der Grafschaft Nassau einen wesentlich größeren Einfluss besaß, als man bislang annahm. Zum Amt Waldenburg gehörten demnach zahlreiche Hörige im nördlichen Siegerland. Deutlicher geht dies aus der Urkunde vom 17. Juli 1344 hervor.58 Friedrich Daube von Seelbach war von Erzbischof Walram von Jülich (reg. 1332–1349) zum Amtmann über Siegen ernannt worden. Der Adlige von Seelbach verwaltete damit sowohl die kölnische als auch die nassauische Hälfte von Siegen, da Graf Otto II. Nassau-Dillenburg (reg. 1343–1350/51) und seine Frau Adelheid, geborene Gräfin von Vianden (gest. 1376), im Jahr 1343 ihren Anteil an Burg und Stadt Siegen für 2.000 Schildgulden an Köln verpfändet hatten.59 Ferner oblag Friedrich Daube von Seelbach die Verwaltung der ehemals zum kölnischen Amt Waldenburg gehörigen Ortschaften Krombach, Ferndorf, (Ober-)Holzklau und Hilchenbach mit allem Zubehör.60 Bei den genannten Ortschaften handelt es sich um Kirchspielorte, die in der sich entwickelnden nassauischen Verwaltungsorganisation als Amtssitz der Schultheißen die unterste Ebene bildeten. Zwei Jahre später, am 13.  Februar 1345, verpfändete Graf Otto dem Kölner Erzstift seine Teile der bereits genannten Kirchspiele Krombach, Oberholzklau, Ferndorf und Hilchenbach, ferner die Hälfte 56 57 58 59 60

SUB I, Nr. 92, S. 56 f. Ebd., Nr. 112, S. 68–70. Ebd., Nr. 281, S. 172 f. Ebd., Nr. 267–269, S. 163–168. Isphording, Olpe, S. 139.

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der Burg und seine Rechte zum Ginsberg, das Kirchspiel Oberfischbach und Teile des Kirchspiels Siegen rechts von Sieg und Ferndorf. Damit kontrollierten die Erzbischöfe von Köln nicht unwesentliche Teile des nördlichen Siegerlandes.61

3. Territorialpolitik und Bergbau im nördlichen Siegerland im späteren Mittelalter Die Durchsetzung der nassauischen Landesherrschaft im Siegerland, insbesondere in seinen nördlichen Teilen, war in der zweiten Hälfte des 13.  Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert vom Dualismus zwischen den Erzbischöfen von Köln und den nassauischen Grafen geprägt. Das Erzstift und der mit ihm verbündete Adel konnte für lange Zeit wichtige herrschaftliche Rechtstitel, aber auch Eigenbesitz gegenüber den nassauischen Grafen behaupten. Erst in der zweiten Hälfte des 14.  Jahrhunderts gelang es den Grafen, ihre Landesherrschaft weitestgehend durchzusetzen. Das nördliche Siegerland blieb bis dahin ein Spielball machtpolitischer Interessen des Kölner Erzstuhls und der mit ihm verbündeten Kirchen, Stifte und weltlichen Lehnsleute wie den Herren von Wildenburg, den Herren von Holdinghausen oder den Herren von Hain. Es stellt sich die Frage, ob die Erzbischöfe von Köln in diesem Teil der Grafschaft Nassau nur territorialpolitische Interessen verfolgten, oder ob sie auch wirtschaftlich an dieser vom Montanwesen geprägten Landschaft partizipieren wollten und deren Wert schon frühzeitig erkannten. Bergbauliche Aktivitäten lassen sich im Revier zwischen Littfeld und Müsen mit Kindelsberg und Martinshardt bereits seit dem hohen Mittelalter belegen. Eine erste urkundliche Erwähnung des Bergbaus auf Eisenstein in diesem Gebiet erfolgte allerdings erst am 4. Mai 1313. Die Adligen Friedrich und Gottfried vom Hain gewährten Graf Heinrich I. von Nassau-Dillenburg und seiner Gattin Adelheid von Heinsberg und Blankenberg (gest. 1343) das Recht zur Wiedereinlösung der Pfandschaft über den Zoll „uf deme Stenberge“ zu Müsen. Der Zoll auf Eisenstein, der von außerhalb ins Siegerland gelangte oder ausgeführt wurde, war neben dem Bergzehnten und den in Geld zu entrichtenden Strafen des Berggerichts eine der Einnahmequellen des Landesherrn aus dem Bergbau. Der Eisensteinzoll zu Müsen war den beiden Niederadligen anstelle eines Erbburglehens zu Siegen in Höhe von fünf Mark Pfennigen verschrieben worden. Die Urkunde belegt außerdem, dass die Grafen von Nassau bereits kurze Zeit nach der Übertragung des Bergregals im Jahr 1298 ihre Rechte im nördlichen Siegerland durchzusetzen suchten.62 In die Zeit des hohen Mittelalters fällt die Errichtung einer Befestigung, mit der ganz offensichtlich wirtschaftliche Interessen im Revier von Kindelsberg und Martinshardt abgesichert werden sollten. Im Jahr 1933 fanden im Bereich des Kindels61 62

SUB I, Nr. 288, S. 176–179. Dazu auch Bald, Fürstentum, S. 125 f. SUB I, Nr. 132, S. 82 f.; Philippi identifiziert den „Stenberg“ (‚Steinberg‘; gemeint ist der Eisenstein) mit dem Stahlberg bei Müsen. Diese Herleitung ist wortgeschichtlich problematisch. Der Müsener Stahlberg erhielt seinen Namen nach dem wertvollen weißen Eisenspat, den man umgangssprachlich auch als ‚Weißen Stahlstein‘ bezeichnete.

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Abb. 3: Kindelsberg, Teil der Wallanlage (Foto: A. Bingener) berges erste archäologische Ausgrabungen statt. Das heute noch im Gelände sichtbare Erdwerk mit einer zwei Meter breiten Kastentoranlage auf dem Kindelsberg stammt nicht aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit, wie noch Gerhard Scholl und andere vermuteten.63 Dafür spricht vor allem die Größe der Anlage; sie weist lediglich einen Umfang von 270 Metern im Oval auf, wobei die Länge 120 Meter und die Breite 60 Meter beträgt. Die Umwallung (Abb. 3) bestand aus einer steilen Böschung. Dahinter erhob sich eine eineinhalb bis zwei Meter hohe Trockenmauer, die aus zwei sorgfältig gesetzten Mauerschalen mit einer innen liegenden SteinLehmfüllung gebildet wurde. Vor dem Wall befand sich ein Graben, dessen Spuren im Gelände heute kaum mehr erkennbar sind. Für die Trockenmauer verwendete man teilweise zentnerschwere Bruchsteine. Eine Datierung aufgrund von Funden ist nicht möglich, da bei den Ausgrabungen 1933 und 1989/90 keine entsprechenden Objekte sichergestellt werden konnten. Vergleicht man die Burg auf dem Kindelsberg mit ähnlichen Befestigungsanlagen, so erscheint eine Errichtung im hohen Mittelalter am wahrscheinlichsten zu sein. Die Anlage kam aber offenbar über erste Anfänge nicht hinaus; die Bauarbeiten an der Befestigung wurden wahrscheinlich noch vor der Vollendung eingestellt.64 63 64

Gerhard Scholl, Von Burgen und Schlössern im Siegerland, Kreuztal 1971; Heinz Behaghel, Die Ausgrabungen auf dem Kindelsberg, in: Heimatland 8 (1933), S. 139–142. Behaghel, Ausgrabungen, S. 140 f.; Philipp R. Hömberg, Der Kindelsberg, in: Kreis Siegen-Wittgenstein, S. 139–141; vgl. zusammenfassend Erhard Krämer, Der Kindelsberg.

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Es stellt sich nun die Frage, warum plante man auf dem Kindelsberg eine Befestigungsanlage, wer errichtete sie und warum wurde sie nicht fertiggestellt? Nach einer weiteren Untersuchung des Burggeländes auf dem Kindelsberg 1989/90 kam Philipp R. Hömberg zu dem Schluss, dass die Anlage eine frühe Burg der Erzbischöfe von Köln zur Absicherung ihrer Herrschaftsrechte sein könnte.65 Die Burg zum Schutz der Besitzungen des Kölner Erzstiftes im nördlichen Siegerland könnte überflüssig geworden sein, als der Erzbischof Engelbert I. von Berg im Jahr 1224 eine Übereinkunft mit dem nassauischen Grafen Heinrich II. über die Teilung von Burg und Stadt Siegen erzielen konnte. Unterstützung erfährt diese These Hömbergs durch eine bislang von der Siegerländer Regional- und Landesgeschichte nicht beachtete Quelle. In einem Kartular (= Kopialbuch) der Kölner Erzbischöfe finden sich eine Reihe von Verzeichnissen, die Dieter Tröps in die Zeit vom ersten Viertel bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts datiert, welche die erzbischöflichen Besitzungen und Einkünfte im südlichen Westfalen betreffen. Zu den Gütern der Kölner Kirche im Amt Waldenburg („officiu Waldenburg“) gehörten zu diesem Zeitpunkt auch Einnahmen aus kölnischen Gütern und Rechtstiteln in der Herrschaft Siegen („redditus […] in Segen“), darunter der Wald am Kindelsberg („nemus de Kindelsberg“).66 Auf das Kartular wird im Verlauf des Beitrages noch weiter einzugehen sein. Die nicht vollendete Burg auf dem Kindelsberg steht möglicherweise in einem Zusammenhang mit der Bergbausiedlung auf dem Altenberg (Abb. 4). Diese lag auf einer Passhöhe zwischen dem Kindelsberg im Süden und dem Ziegenberg im Norden. Ein Weg über den 486 Meter über NN hohen Sattel verbindet die beiden im nördlichen Siegerland gelegenen Gemeinden Müsen und Littfeld miteinander. Im Bereich des Altenbergs ist der Abbau von Bleiglanz für das 13. Jahrhundert archäologisch nachzuweisen. Chemische, mineralogische und isotopische Untersuchungen der im Bereich der Siedlung Altenberg aufgefundenen Erze, Schlacken und Metallfunde legen allerdings den Schluss nahe, dass es hier zwei Arten der Metallproduktion gab: die Bleiherstellung und die Produktion von Silber aufgrund reicher Silbererze; man dürfte hier vor allem hochsilberhaltige Fahlerze gefördert haben. Bei Sondierungen und Ausgrabungen von 1970 bis 1980 stellte man in zwei Schächten Holzteile sicher, die man dendrochronologisch bestimmen konnte. Die Holzverschalung des Schachtes 2 war auf das Jahr 1212 zu datieren. Die Bergbausiedlung auf dem Altenberg wird demnach bereits um 1212/13 bestanden haben. Weitere Holzproben, die man dem Schacht 1 entnehmen konnte, deuten in die Jahre 1224 bzw. in die Zeit um 1243. Ende des 13. Jahrhunderts wurde der Ort von seinen Bewohnern

65 66

Bergmassiv und Wallburg, in: SGV-Bezirk Siegerland (Hg.), 100 Jahre Kindelsbergturm, Siegen 2006, S. 18–31. Philipp R. Hömberg, Der Kindelsberg – Stadt Kreuztal, Kreis Siegen-Wittgenstein, Münster 1998, S. 12–14. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Rheinland (im Folgenden LAV NRW R), Kurköln, Kartular 2, S. 44–46. Dieter Tröps, der die Quelle in Düsseldorf aufgefunden hat, und Reinhard Gämlich, Stadtarchiv Hilchenbach, ist für ihre freundliche Unterstützung zu danken.

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Abb. 4: Altenberg bei Müsen, Pingengelände (Foto: A. Bingener) aufgegeben. Brandspuren sprechen dafür, dass die Siedlung ein gewaltsames Ende fand, möglicherweise infolge einer militärischen Auseinandersetzung. Der Zeitpunkt ihres Unterganges ist mit Hilfe eines Münzschatzes näher einzugrenzen. Kurz vor der Zerstörung des Ortes müssen die Münzen im Boden deponiert worden sein und konnten von ihrem Besitzer nicht mehr geborgen werden. Die aufgefundenen Silbermünzen deuten auf eine Aufgabe des Ortes im Zeitraum von 1285 (frühester Termin) bis 1297/98 (spätester Termin) hin; die Jahre 1297/98 sind aber am wahrscheinlichsten.67 Inmitten der Siedlung auf der Passhöhe zwischen Littfeld und Müsen stand ein größeres zentrales Gebäude. Dieses Bauwerk, von den Archäologen als Turmhaus angesprochen, diente möglicherweise einem hier residierenden herrschaftlichen Funktionsträger als Wohnsitz. Das Bauwerk besaß ein massives Steinfundament und verfügte wahrscheinlich über zwei oder mehr Geschosse. Befestigungen konn67

Uwe Lobbedey, Zeitstellung, Struktur und Bedeutung der Bergbausiedlung Altenberg, in: Claus Dahm u. a. (Hg.), Der Altenberg. Bergwerk und Siedlung aus dem 13. Jahrhundert, 2 Bde., Bonn 1998, hier Bd. 1, S. 21–31, bes. S. 21 f. Zu den Hinweisen auf eine Produktion von Silber aus Reichsilbererzen vgl. Thilo Rehren u. a., Medieval lead-silver smelting in the Siegerland, West Germany, in: The Journal of the Historical Metallurgy Society 33.2 (1999), S. 73–84, bes. S. 82 f.; dazu auch Jens Schneider, Die Herkunft des Siegerländer Münzsilbers, in: Dahm u.  a., Altenberg, Bd. 2, S. 202–215, mit weiterer Literatur.

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ten nicht nachgewiesen werden. Es ist vorstellbar, dass ein Bergmeister die Erzförderung auf dem Altenberg beaufsichtigte. Er ließ wahrscheinlich die silberhaltigen Erze vor dem Transport zur weiteren Verarbeitung in dem turmartigen Gebäude sicherstellen.68 Die Siedlung Altenberg wird urkundlich erst spät und nur indirekt genannt. Im Jahr 1290 veräußerte Ritter Konrad von Hain seine Einkünfte in drei Siegerländer Ortschaften, unter anderem in Herzhausen, an das Kloster Keppel. Bezeugt wird die Besitzübertragung unter anderem auch durch den Siegener Bürger Heinmann „de Aldinberg“.69 Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Angehörigen der Ministerialenfamilie von Altenberg. Nachkommen der Familie von Altenberg finden sich noch in einem Wortzinsregister aus dem Jahr 1404. Das Verzeichnis nennt diejenigen Siegener Bürger, die den beiden Stadtherren, dem Erzbischof von Köln und dem nassauischen Grafen, die Zahlung eines Geldzinses für ihre Hausplätze schuldig waren. Damals besaß ein „Heynman vom Aldenberge“ ein Grundstück in der Webergasse (heute Höhstraße), für das er eine Abgabe in Höhe von drei Heller sowie ein Huhn zu entrichten hatte. Möglicherweise ist der genannte Heinmann ein Nachfahre der Dienstmannenfamilie von Altenberg.70 Einen weiteren Hinweis auf die ehemaligen Bewohner Altenbergs und deren Rechtsstellung enthält das Register des Marschalls von Westfalen, Johann von Plettenberg, das er 1306/08 anlegen ließ. Dem Kölner Erzbischof standen nach Ausweis des Verzeichnisses im Siegerland zahlreiche Einkünfte zu. In Siegen besaß das Erzstift zwei Mühlen, die zusammen 44 Malter Getreide im Jahr zu liefern hatten. Von diesen Einkünften erhielten die Dienstmannen vom Altenberg, die „famuli dicti de Antiquo Monte“, für ihr kölnisches Burglehen in Siegen zwölf Malter Roggen. Weitere zwölf Malter Roggen standen als Burglehen dem Adligen Hermann von Holdinghausen zu.71 Die Herren von Holdinghausen unterhielten ebenfalls enge Beziehungen zum Kölner Erzstift. Ebenso wie die erzbischöflichen Ministerialen von Altenberg unterstützten die von Holdinghausen als Helfer oder Diener die Interessen des kölnischen Erzbistums im nördlichen Siegerland. Bereits ein Verzeichnis von Zinspflichtigen der Abtei Deutz aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts – es ist sehr wahrscheinlich in die Jahre zwischen 1200 und 1220 zu datieren – nennt Abgaben, welche die Abtei unter anderem aus (Burg-)Holdinghausen, Heiminghausen – es handelt sich hierbei um die später wüst gefallene Waldschmiedesiedlung –, Müsen, Siegen, Bottenberg und Nieder- oder Oberschelden bezog.72

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Lobbedey, Zeitstellung, S. 27 f. SUB I, Nr. 61, S. 38. SUB II, Nr. 78, S. 79–88, hier S. 82; vgl. Peter Johanek, Die Bergbausiedlung Altenberg – Herrschaftliche Verhältnisse im 13. Jahrhundert, in: Dahm u. a., Altenberg, Bd. 1, S. 15–20, bes. S. 18 mit Anm. 154. SUB I, Nr. 104, S. 64–66, hier S. 65; siehe auch Johanek, Bergbausiedlung, S. 18. Vgl. Hugo Stehkämper, Eine Deutzer Zinspflichtigenrolle des 13. Jahrhunderts, in: Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Köln 46 (1962), S. 79–120, hier S. 92 f.; dazu auch Wilhelm

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Ein weiterer Eintrag in dieser Quelle, der zeitlich den beiden ersten Dekaden des 14. Jahrhunderts zuzuordnen ist, nennt Hermann von Holdinghausen, der von seinen Gütern dem Kloster Abgaben zahlte. Er besaß zu jener Zeit bereits das Hofgut in (Burg-)Holdinghausen, zwei Hufen in Heiminghausen, eine Hufe in Müsen sowie weitere Güter in Siegen, in Bottenberg und in Nieder- oder Oberschelden.73 Im Mannbuch des Klosters Deutz von 1318 finden sich Eintragungen, die mehrere Mitglieder der Familie von Holdinghausen als Lehnsleute des Klosters Deutz bestätigen: Hermann von Holdinghausen und sein Sohn Johannes hatten danach eine Hälfte des Hofgutes zu Holdinghausen (Pfarrei Krombach) mit Zubehör zu Lehen, während sich die andere Hälfte die Brüder Franko und Bruno von Holdinghausen und Johannes, der Sohn des Hunoldus, als Lehen teilten. Bestätigung finden diese Angaben in Unterlagen aus dem 17. Jahrhundert, die anlässlich einer Erbauseinandersetzung in der Familie erstellt wurden. Danach ging das Hofgut zu (Burg-) Holdinghausen vom Deutzer Kloster zu Lehen.74 Im Jahr 1281 lässt sich der Aufenthalt des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg in (Burg-)Holdinghausen nachweisen. Erzbischof Siegfried ließ eine Urkunde ausfertigen, in der dem Kloster Drolshagen die Schenkungen der Gräfin Mechthild von Sayn bestätigt wurden. Außerdem stellte er das Kloster unter seinen besonderen Schutz.75 Das oben im Zusammenhang mit dem Kindelsberg bereits erwähnte Kartular beinhaltet weitere interessante Einträge zu den territorialen Verhältnissen im nördlichen Siegerland. Die Entstehung dieses Verzeichnisses zu Beginn der 1350er Jahre kommt nicht von ungefähr. Graf Heinrich I. und sein Sohn und Nachfolger Otto II. von Nassau-Dillenburg führten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zahlreiche Fehden mit dem umliegenden Adel zur Durchsetzung der Landesherrschaft. Die hohen Aufwendungen für die kriegerischen Auseinandersetzungen überstiegen den durch die laufenden Einnahmen finanzierten Haushalt der Grafen bei Weitem. Die nassauischen Grafen sahen sich deshalb gezwungen, zwischen 1341 und 1350 zahlreiche Kredite aufzunehmen. Unter anderem versetzten diese 1343 die Hälfte der Stadt Siegen an den Kölner Erzbischof Walram von Jülich. 1345 stellte man Pfandschaftsurkunden über die Hälfte der Burg Ginsberg sowie die Kirchspiele Oberfischbach, (Ober-)Holzklau, Krombach, Ferndorf und Hilchenbach für den Kölner Erzbischof Walram aus und verpfändete 1349 Land und Leute zu Siegen für eine

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Güthling, Zur Geschichte von Burgholdinghausen, in: Siegerland 41 (1964), S. 65–68, hier S. 66. Ebd., S. 66. Nicht eindeutig definiert ist der Begriff Hufe („mansus“). In früherer Zeit verstand man unter der Hufe den Besitz an Grund und Boden einschließlich der Hofstelle. Später wurde er nur noch für das Ackermaß verwendet. Vgl. dazu Schlesinger, Hufe, S. 52–59. Heinrich von Achenbach, Aus des Siegerlandes Vergangenheit, 2 Bde., Siegen 1895/98 (ND Kreuztal 1981/82), hier Bd. 2, S. 7 f. Das Original des Deutzer Mannbuches von 1318 liegt/lag im Historischen Archiv der Stadt Köln, Abt. Deutz, Akten Nr. 28, fol. 32r. Dazu Güthling, Geschichte, S. 65; Johanek, Bergbausiedlung, S. 18. REK III, Nr. 2893, S. 118. Dazu Güthling, Geschichte, S. 66 und 68. Zum Rittersitz Burgholdinghausen vgl. Jens Friedhoff, Eine Bestandsaufnahme des Rittersitzes Burgholdinghausen im Jahre 1766, in: Siegerland 83 (2006), S. 13–26, bes. S. 14 f.

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Summe von 1.980 Mark Pfennigen Siegener Währung an Gobel von der Hees und Eberhard von Seelbach-Lohe genannt Daube sowie an zwei Siegener Bürger. Aus weiteren Urkunden geht hervor, dass den Herren von Hatzfeldt im Jahr 1349 die Dörfer Eiershausen, Hirzenhain, Uebernthal sowie Nanzenbach versetzt wurden, und 1350 verpfändete man die Stadt Herborn an Graf Johann I. von Nassau-Weilburg (reg. 1344/55–1371).76 Graf Otto II. von Nassau-Dillenburg überlebte seinen Vater Graf Heinrich  I. nur um wenige Jahre. Er starb im Dezember 1350 oder Januar 1351 an den tödlichen Verletzungen, die er sich in einer Fehde mit den Brüdern Gotthard und Wilderich von Walderdorff zugezogen hatte.77 Nach dem Tod ihres Mannes übernahm die Gräfin Adelheid von Vianden die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Johann. In dieser Situation schien es den Erzbischöfen angezeigt – wohl auch angesichts der zahlreichen Verpfändungen seitens der nassauischen Grafen –, sich durch ihre Amtleute mit Hilfe eines Abgabenverzeichnisses eine Übersicht über die Güter und Rechte der Kölner Kirche in der Herrschaft Siegen zu verschaffen. Angelegt wurde das Kartular, wie aus zwei Einträgen zu ersehen ist, im Jahr 1353. Die Erzbischöfe verfügten – neben zahlreichen Naturaleinkünften in verschiedenen Ortschaften, unter anderem Hühner, Getreide oder Ölsaat, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann – neben dem Wald Kindelsberg über eine Burg in Hilchenbach. Es handelt sich dabei zweifelsfrei nicht um die drei Kilometer südöstlich von Hilchenbach gelegene Burg Ginsberg. In dem Kartular wird über die Anlage wenig mehr als das Vorhandensein der Burg mitgeteilt. Doch zur Burg gehörten zwei Teiche, aus denen der Erzbischof von Köln immerhin 100 Fische jährlich bezog. Da die Anlage von Teichen bei der Burg Ginsberg eher unwahrscheinlich ist – das Wasser hätte über weite Strecken zugeführt werden müssen und der vorhandene Burggraben ist zur Fischzucht eher ungeeignet –, dürfte sich der Eintrag im Kartular auf eine Burg im Tal beziehen, die durch zwei Teiche als Annäherungshindernisse zusätzlich geschützt wurde.78 Der Kölner Erzbischof verfügte über eine Reihe weiterer Einkünfte und Güter im Kirchspiel Hilchenbach, von denen er sich nur wenige mit den nassauischen Grafen teilen musste. Letzteres wird in den Eintragungen des Verzeichnisses von 1353 immer ausdrücklich vermerkt. Hilchenbach war vermutlich bereits seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Mittelpunkt einer neuen, von Netphen unabhängigen Pfarrei.79 Aus dem Kirchspiel standen dem Erzbischof und der „comitisse de Nassauwe“, der Gräfin von Nassau, elf Malter Korn zu. Das Erzstift bezog weitere 76

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SUB I, Nr. 267, S. 163–165 (1343); Nr. 279, S. 171 (1344); Nr. 284, S. 174 (1344); Nr. 288, S. 176–179 (1345); Nr. 300, S. 185 (1347); Nr. 318, S. 195 (1349); Nr. 319, S. 195 (1349); Nr. 324, S. 199 f. (1349); Nr. 326, S. 200 (1350); Nr. 334, S. 204 f. (1350). Dazu von Arnoldi, Geschichte, Bd. 1, S. 187–190. Zu den Verpfändungen an den nassauischen Adel siehe ebenso von Achenbach, Vergangenheit, S. 4 f. und 58 f. Hellmuth Gensicke, Zur Geschichte des nassauischen Adels. Die von Walderdorff, in: Nassauische Annalen 106 (1995), S. 241–264, hier S. 245 f. LAV NRW R, Kurköln, Kartular 2, S. 44. SUB I, Anhang, S. 206–209, hier S. 207.

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Abb. 5: Hilchenbach, Wilhelmsburg (Foto: A. Bingener) 16 Malter Hafer aus dem Kirchspiel. Aus einer Mühle in Hilchenbach erhielt der Erzbischof acht Malter Korn und zwölf Mesten (?) Öl. Weiterhin standen beiden Landesherrschaften 15  ½ Malter Hafer und 300 Hühner aus dem Kirchspiel Hilchenbach zu. Der Kölner Erzbischof betrieb in Hilchenbach eine nicht näher bezeichnete Metall- oder Eisenhütte, aus der ihm acht Albus und zwei Pfennige Zins sowie 14 Hühner zustanden. Aus den herrschaftlichen Höfen Weiden, im Bruch und Merklinghausen bei Müsen erhielt er weitere zwölf Malter Roggen und zwölf Malter Hafer. Die bischöflichen Vogteirechte über Hilchenbach brachten zusätzliche zwei Malter Hafer ein.80 Diese umfangreichen und nicht unbeträchtlichen Einkünfte lassen den Schluss zu, dass die Kölner Erzbischöfe im 14. Jahrhundert großen Einfluss in Hilchenbach besaßen und dass ihnen zudem möglicherweise die Burg in Hilchenbach (Abb. 5) gehörte. Reinhard Gämlich geht davon aus, dass es sich bei dem am 20. Juli 1365 genannten Haus und Hof zu Hilchenbach – die von Johann von Holdinghausen und seiner Frau Else an Heidenreich von Haiger verkauft wurden – um einen adligen Burgsitz der Burg zu Hilchenbach handelt. Von wem der Burgsitz zu Lehen ging, wird in der Urkunde von 1365 nicht mitgeteilt.81 Erst in einem Lehnsrevers des Wilhelm Wischel zu Langenau aus dem Jahr 1489 geht hervor, dass sich die 80 81

LAV NRW R, Kurköln, Kartular 2, S. 44. SUB II, Nr. 77, S. 29 f.; Reinhard Gämlich, Geschichte der Wilhelmsburg. Die Burg zu Hilchenbach, Hilchenbach 2003, S. 7.

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Abb. 6: Burgruine Ginsberg, Gesamtanlage (Foto: A. Bingener) Burg in Hilchenbach und damit auch der Burgsitz in den Händen der nassauischen Grafen befanden, wie aus dem eingefügten Lehnsbrief Graf Johanns V. von NassauDillenburg (reg. 1475–1516) zu ersehen ist. 82 Zu überdenken ist nunmehr auch die Einbindung der Burg Ginsberg – die erstmals in dem Teilungsvertrag der nassauischen Grafenbrüder Otto und Walram im Jahr 1255 als „novum castrum“ genannt wird – in die Territorialpolitik (Abb. 6). Unter ihrem Namen ‚Ginsberg‘ wird sie erstmals 1292 in einer Urkunde König Adolfs von Nassau erwähnt. Anlässlich seiner Wahl zum Deutschen König verpfändete Adolf neben Dillenburg, Siegen und Nassau auch die Ginsburg an den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg, falls ihm dieser seine Stimme gebe.83 Die Burg liegt auf einem etwa 590 Meter hohen Sporn, der nur durch einen niedrigen Sattel von der Ginsberger Heide getrennt ist. Archäologisch ist eine kleinere Vor82 83

SUB II, Nr. 279, S. 377 f.; Gämlich, Geschichte, S. 7. SUB I, Nr. 19, S. 14–17, bes. S. 15 (1255 Dezember 15), und Nr. 62, S. 38 f. (1292 April 27).

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gängeranlage nachgewiesen, die ins ausgehende 11. oder 12. Jahrhundert zu datieren ist. Eine Ringmauer schützte einen quadratischen Wohnturm mit einer Seitenlänge von acht Metern. Die Vorgängeranlage könnte von den Herren von Wegebach, die 1144 urkundlich genannt werden, errichtet worden sein. Wahrscheinlich zwischen 1220 und 1240 erwarben die nassauischen Grafen die Burg Ginsberg und bauten sie für ihre Ziele entsprechend aus. So entstand auch der mächtige runde Bergfried mit einem Durchmesser von zwölf Metern. Die Lage der Burg gab bislang Rätsel auf, richtete sie sich im Westen und Süden doch scheinbar gegen das eigene Territorium. Zieht man nun eine Burganlage unter kölnischer Kontrolle in Hilchenbach und die starke kölnische Stellung im Ferndorftal und im Tal der Littphe in Betracht, wird verständlich, dass ein Kauf und der anschließende Ausbau der Burg Ginsberg für Nassau territorialpolitisch sinnvoll und notwendig war. Unweit der Ginsburg liegt eine weitere Anlage, die ebenso wie die bereits genannte Silberburg bei Niederndorf und die Alte Burg bei Dreis-Tiefenbach wohl aus dem 12. Jahrhundert stammt und nur über einen Notnamen verfügt. Es handelt sich um die ‚Graf-Gerlachs-Burg‘, die unweit der Eisenstraße zwischen der Siedlung Lützel und dem Dorf Sohlbach bei Netphen in einem steilen Seitental auf einem Ausläufer des ‚Dicken Rücken‘ liegt. Über ihre Funktion lässt sich nur spekulieren. Eine wirksame Kontrolle des Warenverkehrs auf der Eisenstraße nach Wittgenstein lässt sich aufgrund der wenig strategischen Lage kaum bewerkstelligen. Allerdings führte unterhalb des Burghügels durch das enge, feuchte Seifen ein Weg, der zum Transport von Holzkohle genutzt wurde. Zahlreiche Meilerplätze in unmittelbarer Nähe der Anlage lassen sich noch heute nachweisen.84

Ausblick Erst ab den 1380er Jahren gelang es den nassauischen Grafen, das Erzstift aus dem nördlichen Siegerland hinauszudrängen. Zunächst zahlten Gräfin Adelheid und ihr Sohn Graf Johann I. von Nassau-Dillenburg einige der aufgenommenen Kredite zurück und lösten die verpfändeten Burgen, Kirchspiele, Güter und Rechte wieder aus. Durch die rasche Wiedereinlösung verpfändeten Besitzes konnten negative Folgen für die nassauische Territorialpolitik, insbesondere im Siegerland, vermieden werden. So befahl der Kölner Erzbischof am 19. März 1352 seinem Siegener Amtmann, das Geld zur Wiedereinlösung der nassauischen Hälfte von Burg und Stadt Siegen

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Jens Friedhoff, Art. „Ginsburg“, in: ders., Theiss-Burgenführer, S. 72 f.; Gerhard Scholl, Burg Ginsberg. Aus der Vergangenheit und Gegenwart einer Siegerländer Wehranlage, Siegen 1964, S. 5–9. Lothar Irle, Das Siegerland und Westfalen, Siegen 1967, S. 18 f., geht davon aus, dass es sich bei der Ginsburg um eine kölnische Anlage handelte, die Nassau von den Erzbischöfen zu Lehen nahm. Zur ‚Graf-Gerlachs-Burg‘ vgl. Jens Friedhoff, Art. „Graf-Gerlachs-Burg“, in: ders., Theiss-Burgenführer, S. 74; Hans-Wilhelm Heine, Die Ausgrabungen auf der Graf-Gerlachs-Burg bei Netphen-Sohlbach im Jahr 1974, in: Siegerland 52 (1975), S. 63–72.

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von Gräfin Adelheid entgegenzunehmen.85 Nach seinem Regierungsantritt bemühte sich Graf Johann I. intensiv um die Belehnung mit der Grafschaft Arnsberg, für die er Erbansprüche geltend machte. 1369, 1371 und 1379 belehnten ihn Kaiser Karl IV. (reg. 1346/55–1378) und König Wenzel (reg. 1378–1400) mit der Grafschaft. Nach dem Tod des letzten Arnsberger Grafen 1371 kam es zu einer Fehde mit dem Erzstift, das die nassauischen Erbansprüche nicht anerkannte und sich bereits frühzeitig in den Besitz der Grafschaft gesetzt hatte. Über den Verlauf der Auseinandersetzung schweigen die Quellen.86 Der Trierer Erzbischof Kuno II. von Falkenstein (reg. 1362–1388) vermittelte schließlich zwischen dem Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden (reg. 1370–1414) und dem Grafen Johann I. In einem Vertrag, der am 14. Februar 1381 geschlossen wurde, kam es schließlich zu einer Einigung der beiden Parteien. Erzbischof Friedrich erklärte sich bereit, auf seine Pfandschaft über die Hälfte der Burg Ginsberg mit allem Zubehör zu verzichten. Des Weiteren verständigte man sich darauf, dass Graf Johann  I. und seine Erben die kölnische Hälfte der Stadt Siegen und das Amt Siegen mit allen Rechten amtsweise innehaben sollten, „alslange unsers egenanten herren von Colne lebetage“, also zu Lebzeiten Friedrichs.87 Sehr wahrscheinlich verzichtete Graf Johann I. später auf alle nassauischen Ansprüche an der Grafschaft Arnsberg. Aus dem Jahr 1404 ist allerdings ein weiterer Sühnevertrag zwischen beiden Territorialmächten überliefert. Ohne auf die Hintergründe der Streitigkeiten einzugehen, teilt die Urkunde den Austausch von Sühnebriefen wegen Schloss, Burg und Stadt Siegen mit.88 Das Kondominat über Siegen blieb auch in der ersten und wohl auch zu Beginn der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts bestehen, wie das Wortzinsregister von 1404 und eine Privilegienurkunde König Ruprechts (reg. 1400–1410) vom 19. April 1408 belegen, in der beiden Stadtherrn nochmals eingeschärft wurde, die Freiheiten der Stadt Siegen zu beachten.89 Noch am 25. Februar 1409 erhielt Eberhard Kolbe von Wilnsdorf vom Kölner Erzbischof Friedrich ein Erbburglehen in Siegen. 1411 belehnte auch der nassauische Graf Johann I. Eberhard Kolbe und dessen Bruder Johann mit einem Burglehen in Siegen.90 Die Mitherrschaft Kölns an der Stadt Siegen dürfte dann vor 1421 beendet gewesen sein. Erzbischof Friedrichs Nachfolger erhob offenbar keine Ansprüche mehr auf die Hälfte von Burg und Stadt Siegen, denn im Januar 1421 huldigten Bürgermeister, Schöffen, Rat und die gesamte Gemeinde den nassauischen Grafen als „iren rechten erbherren“.91

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HHStAW, Abt. 170, Urkunde vom 19. März 1352. Arnoldi, Geschichte, Bd. 1, S. 214–216. SUB II, Nr. 49 f., S. 46–52. Vgl. von Achenbach, Geschichte, Bd. 1, S. 73; Folie, Kurköln, S. 261 f.; Bald, Fürstentum, S. 131 f. SUB II, Nr. 78, S. 79–88 (1404), und Nr. 82, S. 90 f. Ebd., Nr. 83 f., S. 91–94. Ebd., Nr. 91, S. 111–113; Wolf, Überlegungen, S. 30.

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Burg, Talsiedlung, Stadt und Territorienbildung Fallbeispiele aus dem südwestfälischen Raum In dem als Fürstenspiegel konzipierten ersten Teil seiner 1358 oder kurz zuvor abgeschlossenen Chronica comitium de Marka berichtet der Lütticher Domkanoniker Levold von Northof (1278–1359) unter anderem von herausragenden Funktionsträgern der Grafen von der Mark, die sich nicht nur durch ihre vorbildliche Amtsführung ausgezeichnet hätten, sondern, wie im Fall von Levolds Zeitgenossen, des märkischen Truchsessen Rutger von Altena, als „treue und eifrige Förderer der Ehre und des Vorteils“ ihrer Herren agierten: „Er [Rutger von Altena] hat unter dem Grafen Eberhard im Kriege gegen den Erzbischof von Köln Burg und Herrschaft Waldenburg auf seine Kosten zu Gunsten des Grafen und Herrn Hunold von Plettenberg gekauft und gesichert. Er hat auch die Stadt Neustadt gegründet und befestigt. Ebenso hat er die Burg Schwarzenberg angelegt und dort einen starken Turm errichtet.“1 Von Gerhard von Plettenberg, der wie Rutger von Altena das Hofamt eines Truchsessen bekleidete, heißt es, dass er 1353 die 1301 angelegte Burg Schwarzenberg weiter ausbaute, sich um die Fertigstellung der ebenfalls 1301 gegründeten Neustadt bemühte, dort eine Burg errichten ließ und darüber hinaus „die Burg Rade mit der dabei liegenden Stadt von Grund aus erbaut und befestigt“ habe.2 Weitere burgenbauliche bzw. burgenpolitische Aktivitäten entfaltete Gerhard von Plettenberg, indem er 1352 das Burghaus der Grafen von Arnsberg in der Burg Schwarzenberg niederlegen, 1353 Burg Klusenstein aufführen ließ und 1355 die gegen das märkische Neuenrade gegründete arnsbergische Burg Gevern zerstörte.3 Die hier angeführten Textstellen dokumentieren eindrucksvoll die Bedeutung von Burg- und

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3

Levold von Northof, Chronica comitium de Marka = Die Chronik der Grafen von der Mark, hg. v. Fritz Zschaeck, Berlin 1929, S. 6 f. – Übersetzung: ders., Die Chronik der Grafen von der Mark, übers. und erl. v. Hermann Flebbe, Münster und Köln 1955, S. 51 f. Zu Levold von Northofs Werk: Dieter Scheler, Levold von Northof. Fürstenerzieher und Geschichtsschreiber, in: Heinz-Dieter Heimann (Hg.), Von Soest – Aus Westfalen. Wege und Wirkung abgewanderter Westfalen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Paderborn 1986, S. 181–196. Ebd. Zur Wahrnehmung und Darstellungen von Burgen im Werk des Chronisten Levold von Northof vgl. Stefan Petzold, Levold und seine Burgen. Mittelalterliche Befestigungsanlagen in der Chronik der Grafen von der Mark, in: LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum Herne (Hg.), Ritter, Burgen und Intrigen – AufRuhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr, Mainz 2010, S. 211–226. Northof, Chronik, S. 146 f.

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Stadtgründung sowie der Zerstörung von Burgen im Zuge der Festigung der Landesherrschaft in Südwestfalen durch die Grafen von der Mark.4 Eine Gesamtdarstellung, welche die burgen- und territorialpolitischen Aktivitäten der verschiedenen ‚domini terrae‘ des südwestfälischen Raumes im Hoch- und Spätmittelalter thematisiert, hat nach wie vor als Desiderat der landesgeschichtlichen Forschung zu gelten. Neben den zahlreichen Überblicksdarstellungen, die mehr oder weniger ausführlich die Entwicklung der südwestfälischen Territorien skizzieren, existieren bislang nur wenige Untersuchungen, in denen die Bedeutung von Städten und Burgen im Kontext des Ausbaus und der Konsolidierung der Landesherrschaften thematisiert wird.5 Im Fokus der nachfolgenden Ausführungen stehen Burgen, Talsiedlungen und Städte in ihrer Bedeutung für den Auf- und Ausbau von Territorien im südwestfälischen Raum. Exemplarisch werden landesherrliche Burg- und Stadtgründungen der Grafen von Nassau und der von der Mark einer näheren Betrachtung unterzogen.

1. Der Raum Südwestfalen Bereits ein flüchtiger Blick auf die Übersichtskarte der für den Westfälischen Städteatlas zur Bearbeitung vorgesehenen Orte lässt deutlich die Vielzahl von Objekten erkennen, die sich für eine nähere Untersuchung des südwestfälischen Raumes anbieten würden. Wie andere Regionen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher 4

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Zu den Grafen von der Mark und zur Territorienbildung Stephanie Marra, Art. „Mark, Grafen von der“, in: Werner Paravicini (Hg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teilbd. 1: Dynastien und Höfe, Ostflidern 2003, S. 160–166; Christel Maria von Graevenitz, Die Grafen von der Mark im 13. Jahrhundert und ihr Verhältnis zum kölnischen Herzogtum Westfalen, in: Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark 89 (1991), S. 7–138; Wilhelm Marre, Die Entwicklung der Landeshoheit in der Grafschaft Mark bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Rostock 1907; Norbert Reimann, Die Grafen von der Mark und die geistlichen Territorien der Kölner Kirchenprovinz (1313–1368), Dortmund 1973; Wilhelm Ribhegge, Die Grafen von der Mark und die Geschichte der Stadt Hamm im Mittelalter, Münster 2002; Uta Varenhold-Huland, Grundlagen und Entstehung des Territoriums der Grafschaft Mark, Dortmund 1968. Zu nennen ist hier u. a. die ältere, aber noch immer wegweisende Untersuchung von Dieter Stievermann, Städtewesen in Südwestfalen. Die Städte des Märkischen Sauerlandes im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1978. Thomas Kreft thematisiert in seiner 2002 erschienenen Dissertation den Zusammenhang von Eisengewerbe und Stadtentwicklung im Herzogtum Berg und in der südlichen Grafschaft Mark: Thomas Kreft, Das mittelalterliche Eisengewerbe im Herzogtum Berg und in der südlichen Grafschaft Mark, Herzogenrath 2002, S. 193–353, hier bes. S. 265–281 (Iserlohn), 281–302 (Altena), 302–329 (Breckerfeld), 336–341 (Lüdenscheid), 341–346 (Plettenberg) und 346–349 (Bergneustadt und Neuenrade), sowie Cornelia Kneppe, Burgen und Städte als Kristallisationspunkte von Herrschaft zwischen 1100 und 1300, in: Harm Klueting (Hg.), Das Herzogtum Westfalen, Bd. 1: Das kurkölnische Herzogtum Westfalen von den Anfängen bis zur Säkularisation 1803, Münster 2009, S. 203–234.

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Nation, so zeichnete sich auch Südwestfalen durch eine Gemengelage unterschiedlicher Herrschaftsrechte weltlicher und geistlicher Territorialgewalten aus. Zu den herausragenden Akteuren, die sich des Burgenbaus, der Stadtgründung bzw. -erhebung bedienten, um ihre verstreuten Herrschaftsrechte zu mehr oder weniger geschlossenen Territorien zu verdichten, gehörten das Erzstift Köln, die Grafen von der Mark, Nassau, Arnsberg und Wittgenstein sowie – diesen geistlichen und weltlichen Gewalten in der Bedeutungshierarchie nachgeordnet – verschiedene edelfreie Familien, von denen hier lediglich die Herren von Ardey und Gevore-Bilstein genannt seien. Bereits vor dem Verkauf der Grafschaft Arnsberg an das Erzstift Köln 1368 avancierten die Grafen von der Mark und das Erzstift Köln zu den Hegemonialmächten in Südwestfalen. Vor 1300 verfügten die Grafen von der Mark mit Hamm, Unna und Kamen über drei Städte im Norden ihres Machtbereichs sowie mit Iserlohn und Lüdenscheid über zwei weitere Städte südlich des Hellwegs.6 Nach dem Übergang der Befestigungshoheit an die Grafen von der Mark im Gefolge der Niederlage des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg (reg. 1275–1297) in der Schlacht bei Worringen 1288 entstand während der Regentschaft Eberhards II. von der Mark (reg. 1277–1308) 1301 die Gründungsstadt Bergneustadt, während Engelbert III. (reg. 1346–1391) 1353 die Stadt Neuenrade anlegen ließ. Den Ort Lünen, der bereits im 13. Jahrhundert über zentralörtliche Funktionen verfügte und 1279 als Stadt bezeichnet wurde, ließ Graf Adolf  II. von der Mark (reg. 1328–1346) 1336 an das Südufer der Lippe verlegen und erteilte der neuen Stadt 1341 das Stadtrecht von Hamm.7 Die letzen Stadterhebungen auf märkischem Gebiet datieren in das ausgehende 14. Jahrhundert. Graf Dietrich II. von der Mark (reg. 1393–1398) erteilte 1396 Breckerfeld und 1397 den Orten Plettenberg und Schwerte8 Stadtrechte. Die Freiheit Schwelm wurde erst 1496 durch Herzog Johann II. von Kleve-Mark (reg. 1481–1521) zur Stadt erhoben, verlor jedoch bereits 1501 ihre städtischen Privilegien.9 In Bochum setzte der Stadtwerdungsprozess, wie jüngst Stefan Pätzold dargelegt hat, 1321 ein; nach 1392 wird der Ort in den Schriftquellen durchgehend als Stadt bezeichnet.10 Als ‚Minderstädte‘ sind in der Grafschaft Mark die hinsichtlich ihrer Siedlungsgenese auf die Landesburgen bezogenen 1355 bzw. 1367 mit Privilegienbriefen ausgestatteten Orte Blankenstein, 6 7

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Zu den Städten im Territorium der Grafen von der Mark im 13. Jahrhundert vgl. Roman Mensing, Das arnsbergische und märkische Städtenetz im 13. Jahrhundert, in: Herbert Zink (Hg.), 750 Jahre Stadt Hamm, Hamm 1976, S. 23–39. Zur Stadtentwicklung Lünens: Wolfgang Bockhorst und Fredy Niklowitz, Art. „Lünen“, in: Manfred Groten u. a. (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. Stuttgart 2006, S. 697–699; Wingolf Lehnemann und Adolf Reiss, Kleine Geschichte der Stadt Lünen, Lünen 1992. Zur Stadtentwicklung von Schwerte: Wilfried Reininghaus, Art. „Schwerte“, in: Groten u. a., Handbuch, S. 947 f.; Gerhard Hallen und Leopold Schütte (Bearb.), Schwerte, in: Heinz Stoob (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung, III, Nr. 9, Altenbeken 1990. Zur Stadtwerdung von Schwelm: Gerd Helbeck, Art. „Schwelm“, in: Groten u.  a., Handbuch, S. 946 f. Stefan Pätzold, Bochums Anfänge im Mittelalter, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 108 (2008), S. 7–26.

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Wetter und Altena zu klassifizieren.11 Dieser Gruppe ist auch die Burg-Talsiedlung Hörde zuzurechnen, die 1340 zur Stadt erhoben wurde, jedoch in der Folgezeit in den Schriftquellen durchgehend als „Freiheit“ bezeichnet wird.12 Einen Sonderfall bildete Fredeburg. Im Vorfeld der um 1330 von dem Edelherrn Dietrich III. von Bilstein (1291–1335) gegründeten Fredeburg entstand eine Talsiedlung. Burg und Ort Fredeburg gelangten 1353 an Graf Gottfried IV. von Arnsberg (reg. 1338–1368) und 1366 schließlich an Graf Engelbert III. von der Mark, der 1369 mit Burg und Herrschaft Bilstein die beiden Kernzonen des umfangreichen Besitzes der Herren von Gevore-Bilstein in seiner Hand vereinigen konnte.13 Der 1414 von Graf Adolf II./IV. von Kleve-Mark (reg. 1398–1437/48) mit Stadtrechten ausgestattete Ort Fredeburg fiel ebenso wie Bilstein nach der Soester Fehde 1449 an das rheinische Erzstift. Im Südteil der Grafschaft Mark verfügte Graf Adolf zu Beginn des 15. Jahrhunderts über die befestigten Plätze Schwarzenberg, Plettenberg, Lüdenscheid, Bergneustadt, Breckerfeld, Neuenrade und Altena, die er mit Ausnahme von Burg und Freiheit Altena („uitgeschieden dat huys ind vryheidt tot Altena“) mit dem dazugehörenden Kelleramt sowie den Orten Dresen und Mühlenrahmede am 27. Juni 1413 im Zuge einer Teilung seinem Bruder Gerhard (reg. 1437–1461) überließ.14 Das Siegerland mit seinem wirtschaftlichen und politischen Zentrum, der Stadt Siegen, bildete im Spätmittelalter eine Kernzone des nassau-ottonischen Territoriums, dessen geographischer Schwerpunkt jenseits der Kalteiche im Lahn-Dill-Gebiet lag.15 1255 hatten die Brüder Otto I. (gest. 1289) und Walram von Nassau (gest. nach 1265) eine Teilung des umfangreichen nassauischen Herrschaftsgebiets vollzogen, das sich vom nördlichen Siegerland in breiter Streulage über Westerwald und 11

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Vgl. Stefan Leenen und Stefan Pätzold, „Dat Huys tot Blanckensteine“. Die Burg Blankenstein an der Ruhr aus historischer und archäologischer Sicht, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 108 (2008), S. 57–106; Heinrich Schoppmeyer, Die märkischen Freiheiten Blankenstein und Wetter, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte 103 (2003), 31–62, hier S. 37 f.; Stievermann, Städtewesen, S. 41–44, 82–87, 219 und 225 f. (Altena). Zur Problematik der Minderstädte vgl. Wilfried Ehbrecht, „Minderstadt“ – ein tauglicher Begriff der vergleichenden historischen Städteforschung? in: Herbert Knittler (Hg.), Minderstädte – Kümmerformen – Gefreite Dörfer. Stufen zur Urbanität und das Märkteproblem, Linz 2006, S. 1–50. Zu Hörde vgl. Thomas Schilp (Bearb.), Hörde, in: Wilfried Ehbrecht (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung VII, Nr. 3, Altenbeken 2001. Zur Herrschaft Bilstein unter märkischer Landeshoheit: Hans Mieles, Das märkischklevische Zwischenspiel, in: Bilstein. Land, Burg und Ort. Beiträge zur Geschichte des Raumes Lennestadt und der ehemaligen Herrschaft Bilstein, Lennestadt 1975, S. 67–70. Hermann Flebbe (Bearb.), Quellen und Urkunden zur Geschichte der Stadt Altena (Westf.), Bd. 1: Von den Anfängen bis 1609, dem Aussterben der männlichen Linie der klevisch-märkischen Herzöge, Altena 1967, Nr. 86 (1413 Juni 27). Eine neuere Darstellung zur Geschichte des Siegerlandes steht noch aus. Grundlegend: Ludwig Bald, Das Fürstentum Nassau-Siegen. Territorialgeschichte des Siegerlandes, Marburg 1939. Zum Stand der regionalen Geschichtsforschung im Siegerland vgl. Jens Friedhoff, Das Siegerland und seine Nachbarregionen im Fokus landes- und regionalgeschichtlicher Forschung, in: Siegener Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte 16 (2011), S. 7–40.

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Taunus bis in dem Raum Wiesbaden erstreckte. Vor der nassauischen Hausteilung bildete die Ginsburg bei Hilchenbach16 das nördlichste und die Burg Sonnenberg bei Wiesbaden17 das südlichste Glied einer Kette von befestigten Plätzen. Die neue Grenze zwischen den ottonischen Besitzungen im Norden und den walramischen im Süden bildete die Lahn. In der Frühphase nassauischer Städtepolitik bis zur Erbteilung 1255 entstanden nördlich der Lahn Herborn (1251) und Siegen (1224).18 Einer zweiten Welle von Stadtgründungen bzw. -erhebungen zwischen 1300 und 1350 gehörten im nassau-ottonischen Gebiet Driedorf (1303), Beilstein, Heimau (Löhnberg), Mengerskirchen (alle 1321) und Dillenburg (1344) an. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts trat der Ort Liebenscheid hinzu, für den Graf Heinrich I. von Nassau-Beilstein (gest. 1378/80) 1360 von Kaiser Karl IV. (reg. 1346/55–1378) Stadtrechte erwirkte. Als nassauische Burg-Talsiedlungen entstanden zwischen 1350 und 1400 Tringenstein (Murstein) und Freudenberg. Die Burgen Wallenfels19 und Hainchen verfügten bereits vor ihrem Übergang an die Grafen von Nassau in den Jahren 1334 bzw. 1313 über Talsiedlungen.

2. Die Grafen von Nassau Burgen- und Territorialpolitik der Grafen von Nassau im Siegerland Zuverlässige Angaben zu den Ursprüngen des nassauischen Grafenhauses sind aufgrund der lückenhaften Überlieferungen nur ansatzweise möglich.20 Nach derzei16

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Zur Ginsburg vgl. Andreas Bingener, „… als sii zom Gintzberg gemurt hant“. Alltag auf der nassauischen Burg Ginsberg im 15. und 16. Jahrhundert, in: Siegerland 78.1 (2001), S. 3–25; Jens Friedhoff, Theiss-Burgenführer. Sauerland und Siegerland, Stuttgart 2002, S. 72 f. (Ginsburg). Zur Geschichte der Burg Sonnenberg vgl. zuletzt Jens Friedhoff, Bauunterhaltung von Burgen im Westerwald und im Taunus in herzoglich-nassauischer Zeit, in: Nassauische Annalen 120 (2009), S. 355–383, hier S. 356–359. Zu Burg- und Stadtgründungen der Grafen von Nassau nördlich der Lahn siehe Jens Friedhoff, Burg – Talsiedlung – Stadt. Stadtrechtsorte und Burgstädte im nassau-ottonischen Territorium nördlich der Lahn, in: Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern (Hg.), Burg und Stadt, München 2008, S. 59–73; ders., Burg und Stadt an Sieg, Lahn und Dill, Die Wechselbeziehungen von Burg und Siedlung im Hochund Spätmittelalter, in: Siegener Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte 11 (2006), S. 9–35. Bei der Burg Wallenfels handelt es sich um eine Gründung der Landgrafen von Hessen. Die Burg gelangte offenbar bereits 1328 an Nassau und erscheint in den Schriftquellen ab 1334 als hessisches Lehen der Grafen von Nassau. Zu Wallenfels: Jens Friedhoff, Hessen contra Mainz. Burg- und Stadtgründungen als Instrumente hessischer und mainzischer Territorialpolitik im Hinterland, in: Hinterländer Geschichtsverein e.V. (Hg.), Region und Geschichte. Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Hinterländer Geschichtsvereins, Biedenkopf 2008, S. 108–132, hier insb. S. 119. Zu den Grafen von Nassau und zur Territorienbildung: Alois Gerlich, Art. „Nassau (-Weilburg)“, in. Paravicini, Höfe, Teilbd. 1, S. 168–170; Hellmuth Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, 2. Aufl. Wiesbaden 1987, S. 155–165, 278–289 und 346–

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tigem Forschungsstand, traten die Grafen von Nassau, als deren Ahnherr ein 991 erstmals belegter Graf Drutwin aus dem Hause der Grafen von Lipporn gilt, im Lahngebiet und im vorderen Taunus die Nachfolge der Grafen von Arnstein und Laurenburg an. Erst ab 1152 benannte sich das Dynastengeschlecht nach der Burg Nassau an der Lahn, welche die Laurenburg als Herrschaftsmittelpunkt ablöste. Lehen und Vogteirechte vom Reich, den rheinischen Erzstiften Mainz, Trier und Köln, dem Hochstift Worms und den Pfalzgrafen bei Rhein bildeten die Grundlage des nassauischen Besitzes. Zu Beginn des Interregnums nahmen die Grafen Walram und Otto von Nassau in einem Vertrag vom 16. Dezember 1255 eine Teilung ihres Besitzes vor.21 Das Gebiet südlich der Lahn mit den Vogteirechten über Idstein, Weilburg und Bleidenstadt fiel an Walram, während sein Bruder Otto den Besitz nördlich der Lahn mit Siegen, Herborn, Dillenburg und der Herrschaft auf dem Westerwald erhielt. Gemeinsam blieben der ottonischen und der walramischen Linie die Herrschaft über die seit 1159 unter der Lehnshoheit des Erzstifts Trier stehende Burg Nassau mit den dazu gehörenden Gebieten, die Laurenburg mit den Besitzungen auf dem Einrich sowie einige Lehen und Pfandschaften. In den Besitz des Gebietes um Siegen waren die Grafen von Laurenburg-Nassau als Vögte der Mainzer Kirche bereits im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts gelangt.22 Sehr wahrscheinlich waren es die Grafen von Nassau, die zur Festigung ihrer Position im Siegerland bereits vor 1200 drei Burgen errichten, zu denen nach bisherigem Kenntnisstand keine Schriftquellen überliefert sind, die näheren Aufschluss über ihre Gründung oder ihren Namen geben könnten. Nordöstlich von Siegen entstand auf einem Bergsporn oberhalb des Ortes Dreis-Tiefenbach die aus Vorund Hauptburg bestehende Alte Burg.23 Die Gründung einer weiteren, ebenfalls in steiler Spornlage erbauten hochmittelalterlichen Burg, der ‚Graf-Gerlachs-Burg‘ bei Netphen-Sohlbach, könnte unter anderem der Sicherung der nahe an der Burgstelle

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350; Alois Gerlich, Nassau in den politischen Konstellationen am Mittelrhein von König Adolf von Nassau bis Erzbischof Gerlach (1292–1346), in: Nassauische Annalen 95 (1984), S. 1–37; Paul Wagner, Untersuchungen zur älteren Geschichte Nassaus und des nassauischen Grafenhauses, in: ebd. 46 (1920/25), S. 112–188; ders., Neue Untersuchungen zur älteren Geschichte Nassaus und des nassauischen Grafenhauses, in: ebd. 54 (1935), S. 185–232; Hellmuth Gensicke, Untersuchungen über Besitz- und Rechtsstellung der Herren von Lipporn und Grafen von Nassau, in: ebd. 65 (1954), S. 62–80; ders., Untersuchungen über die Anfänge des Hauses Laurenburg-Nassau, in: ebd. 69 (1958), S. 67–86. Wolf-Heino Struck, Ein mittelalterlicher Patronatsprozess als Quelle zur nassauischen Landesteilung von 1255, in: ebd. 66 (1955), S. 30–92. Zu den Grundlagen nassauischer Herrschaft im Siegerland und im Dillgebiet: Rüdiger Störkel, Zur Durchsetzung der nassauischen Landesherrschaft an Sieg und Dill im 13. und 14. Jahrhundert, in: Bernhard Pinsker (Hg.), Eisenland. Zu den Wurzeln der nassauischen Eisenindustrie, Wiesbaden 1995, S. 179–206. Philipp R. Hömberg, Die Alte Burg bei Dreis-Tiefenbach, in: Der Kreis Siegen-Wittgenstein (im Folgenden Kreis Siegen-Wittgenstein), bearb. v. Westfälischen Museum für Archäologie, Amt für Bodendenkmalpflege Münster, Außenstelle Olpe, Stuttgart 1993, S. 151 f.; Friedhoff, Theiss-Burgenführer, S. 21.

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vorbeiführenden Eisenstraße gedient haben.24 In welchem Zusammenhang die bereits vor 1200 aufgelassene Anlage zu der zwischen 1220 und 1240 durch die Grafen von Nassau wohl von den Herren von Wegebach erworbenen Ginsburg gestanden hat, bedarf noch einer eingehenden Klärung.25 Im westlichen Siegerland befindet sich im Gebiet des Giebelwaldes die ebenfalls auf einem Bergsporn angelegte im Volksmund als ‚Silberburg‘ bezeichnete Alte Burg bei Niederndorf.26 Unklar ist, welche Rolle der Höhenburg Mitte des 13. Jahrhunderts in der sogenannten ‚Wildbannfehde‘ zwischen den Grafen von Nassau und Sayn zufiel, in deren Verlauf Graf Johann von Sayn (gest. 1266) 1259 die Einnahme der nassauischen Stadt Siegen gelang.27 Erfolgte die Gründung der Alten Burg im Uebachtal im Zusammenhang mit dieser Fehde? Wurde die Anlage im Verlauf der Fehde zerstört oder nach der Beilegung des Konflikts aufgegeben? Diente sie den Grafen von Nassau oder ihren Konkurrenten als militärischer Stützpunkt? Die Position der im Siegerland reich begüterten edelfreien Herren von Wilnsdorf, die 1185 mit Hermann von Wilnsdorf erstmals urkundlich in Erscheinung treten, wurde bereits vor der Mitte des 13. Jahrhunderts durch die Zerstörung ihrer Namen gebenden Stammburg empfindlich geschwächt.28 Konrad von Marburg (gest. 1233) ließ, wie der Chronist Wigand Gerstenberg (1457–1522) berichtet, 1233 im Zuge seines Vorgehens gegen verschiedene ‚Ketzerschulen‘ die Niederungsburg Wilnsdorf abbrechen. Zur Haltung der Grafen von Nassau bezüglich dieses aufsehenerregenden Ereignisses schweigen die Quellen. Dass die Herren von Wilnsdorf, die sich als Ersatz für ihre verloren gegangene Stammburg außerhalb des Ortes Wilnsdorf „auf dem Teichstück“ eine neue Burg errichteten, von den Grafen von Nassau weiterhin als starke Gegner eingeschätzt wurden, belegt ein Passus in der am 16. Dezember 1255 ausgestellten Teilungsurkunde des Hauses Nassau. Dort wurde unter anderem festgelegt, dass Walram, der Stifter der walramischen Linie des 24

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Hans-Wilhelm Heine und Uwe Lobbedey, Bericht über die Ausgrabungen auf der GrafGerlachs-Burg bei Netphen-Sohlbach, Kreis Siegen, in: Walter Bauer (Bearb.), Beiträge zur archäologischen Burgenforschung und Keramik des Mittelalters in Westfalen, Bonn 1979, S. 79–99; Friedhoff, Theiss-Burgenführer, S. 74. Das Ringen der Grafen von Nassau mit den Erzbischöfen von Köln um die Vormachtstellung im nördlichen Siegerland ist Gegenstand des Beitrags von Andreas Bingener in diesem Band. Jens Friedhoff, Burgenbau und Landesherrschaft. Hoch- und spätmittelalterliche Burggründungen im Wildenburger Land und im angrenzenden Siegerland, in: Siegerland 78.2 (2001), S. 103–121, hier S. 113 f. Der Konflikt wurde am 2. September 1259 durch einen Sühnevertrag beigelegt: Friedrich Philippi (Hg.), Siegener Urkundenbuch (im Folgenden SUB), 2 Bde., Siegen 1887 und 1927 (ND Osnabrück 1975), hier Bd. I, Nr. 28 (1259 September 2). Zur Wildbannfehde: Jens Friedhoff, Die Freusburg bei Kirchen an der Sieg. Notizen zur Geschichte und Baugeschichte einer saynischen Landesburg, in: Siegerland 78.1 (2001), S. 25–44, hier bes. S. 31 f. Zu den Burgen der Herren von Wilnsdorf ders., Burgen im südlichen Siegerland. Handreichungen zu einem Inventar der mittelalterlichen Wehr-und Wohnbauten im südlichen Teil des Kreises Siegen-Wittgenstein, in: Siegerland 82 (2005), S. 85–104, hier insb. S. 88 f (Burg Wilnsdorf) und S. 90 (Wilnsdorf, Burg auf dem Teichstück).

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Hauses Nassau, seinem Bruder Otto in der Auseinandersetzung mit den Adligen von Dernbach und Wilnsdorf Unterstützung gewähren sollte.29 Hauptschauplatz der sich mit Unterbrechungen über einen Zeitraum von einhundert Jahren erstreckenden ‚Dernbacher Fehde‘, die die Grafen von Nassau schließlich zu ihren Gunsten entscheiden konnten, war die östlich der Haincher Höhe gelegene Herborner Mark.30 Im südlichen Siegerland, dem Freien Grund, bemühten sich die Ganerben von Seelbach, unterstützt von den Grafen von Sayn eine kleine eigenständige Adelsherrschaft zu etablieren. Der strategisch günstige und exponiert auf dem Basaltkegel des Hohenseelbachskopfes gelegene, vermutlich im zweiten Viertel des 14.  Jahrhunderts errichtete Burgenbau der Ganerbschaft, die Burg Hohenseelbach, wurde nachträglich von Graf Johann II. von Sayn (gest. 1359) durch eine am 24. Juni 1350 ausgestellte Urkunde legitimiert.31 Bereits zwei Jahre später wurde Burg Hohenseelbach durch ein Aufgebot des Landfriedensbündnisses unter der Führung des Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg (reg. 1307–1354) eingenommen und zerstört.32 Nach dem Verlust der bedeutenden Gipfelburg entstand als neues Zentrum der Ganerben von Seelbach die Niederungsburg Zeppenfeld.33 Die ebenfalls von einem Zweig der Seelbacher errichtete Snorrenburg, auf einem lang gezogenen Bergrücken im Hellertal inmitten des Ortes Burbach gelegen, wurde 1367 von dem Trierer Erzbischof Kuno II. von Falkenstein (reg. 1362–1388) zerstört.34 Vier Jahre zuvor hatte Hepe von Achenbach, Gemeiner der Burg Gilsbach im Freien Grund, seinen Teil des Hauses Gilsbach nach einer Sühne dem Grafen Johann I. von Nassau-Dillenburg (reg. 1351–1416) geöffnet.35 Die Herrschaft über den Freien Grund teilten sich im Spätmittelalter schließlich die Grafen von Nassau mit den Grafen von Sayn. Sowohl die Grafen von Nassau als auch das Erzstift Köln versuchten ihre Herrschaftsansprüche im Siegerland durch die lehnsrechtliche Bindung von Burgen des niederen Adels oftmals in Verbindung mit dem Erwerb des Öffnungsrechtes zu festigen. Exemplarisch sei hier auf die im Besitz der Herren von Holdinghausen befindliche Burg Kruberg („castrum Crutpracht“), die 1340 dem Kölner Erzbischof 29 30

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SUB I, Nr. 19 (1255 Dezember 16, Nassau). Im Zuge der ‚Dernbacher Fehde‘ kam es im Grenzgebiet zwischen den Territorien der Grafen von Nassau und der Landgrafen von Hessen zu zahlreichen Burggründungen (etwa Hessenwalt, Tringenstein und Neu-Dernbach). Zu den burgenpolitischen Aktivitäten in diesem Raum: Friedhoff, Hessen contra Mainz, S. 108–132. SUB I, Nr. 332 (1350 Juni 24). Zur Burg Hohenseelbach: Friedhoff, Burgen, S. 91–94. Jens Friedhoff, „… daz nuwe Hus … wollen und sullen helfin brechen“. Der Kampf um Burgen im mittleren Lahngebiet im Spiegel der schriftlichen Überlieferung, in: Olaf Wagener und Heiko Laß (Hg.), „… wurfen hin in steine / groze und niht kleine“. Belagerungen und Belagerungsanlagen im Mittelalter, Frankfurt a. M. u. a. 2006, S. 89–109, hier S. 100 f. Zur Burg Zeppenfeld Friedhoff, Burgen, S. 94–97; ders., Die ehemalige Wasserburg Haus Zeppenfeld. Geschichte des Stammsitzes der Herren von Seelbach-Zeppenfeld, in: Siegener Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte 15 (2010), S. 7–47. Zur Snorrenburg Friedhoff, Burgen, S. 97 f. Druck der Urkunde bei Heinrich von Achenbach, Aus des Siegerlandes Vergangenheit, 2 Bde., Siegen 1895/98 (ND Kreuztal 1981/82), hier Bd. 2, S. 380, Nr. 5 (1364). Zur Burg Gilsbach: Friedhoff, Burgen, S. 94.

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Walram von Jülich (reg. 1332–1349) geöffnet wurde, oder das 1372 den Grafen von Nassau als Offenhaus zur Verfügung gestellte „hus zur hese“, die Stammburg der Herren von der Hees, verwiesen.36

Siegen als spätmittelalterlicher Residenzort der Grafen von Nassau Der Ort Siegen, verkehrsgünstig an einem Kreuzungspunkt mehrerer Straßen in einem wirtschaftlich bedeutsamen Erzbergbaugebiet gelegen, war vermutlich bereits in karolingischer Zeit besiedelt.37 Die sogenannte „Alde statt“,38 der früheste Siedlungskern Siegens, gruppierte sich um einen über der Mündung des Weisbaches in die Sieg gelegenen Bergsporn, auf dem sich die Pfarrkirche St. Martini erhebt,39 deren Ursprünge vermutlich in das 8. Jahrhundert zurückreichen (Abb. 1). Als Initiatoren der Kirchengründung gelten die Erzbischöfe von Mainz. Für die Existenz einer stadtähnlichen Siedlung im 12.  Jahrhundert spricht die Tatsache, dass Graf Ruprecht III. von Laurenburg-Nassau (reg. 1159–1191) dort bereits Münzen mit der Legende „SIGENNSIS CIV[ITAS]“ prägen ließ. Zwischen 1170 und 1220 dürfte auf Initiative der Grafen von Nassau jene planmäßige Neuanlage auf dem Siegberg zwischen der Martinikirche und dem späteren Oberen Schloss entstanden sein, die 1224 erstmals als Stadt („oppidum“) bezeichnet wird und an der der Kölner Erzbischof Engelbert I. von Berg (reg. 1216–1225) seine Ansprüche als Herzog von Westfalen geltend machte.40 Mit dem Grafen Heinrich  II. von Nassau (reg. 1198–um 1247) teilte sich der Metropolit die Hälfte der Rechte und Einkünfte, insbesondere Zoll und Münze zu Siegen. Zwischen 1409 und 1421 gelang es den Grafen von Nassau, sich als alleinige Stadtherren durchzusetzen und die Doppelherrschaft über Burg und Stadt Siegen zu beenden. Einen ersten, wenn auch indirekten Hinweis auf die 36 37 38

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SUB I, Nr. 231 (1340 Mai 7); SUB II, Nr. 39 (1372 Juni 20). Zusammenfassend zu den Anfängen der Stadt Siegen: Andreas Bingener, Zur Entwicklung der Stadt Siegen im Hoch- und Spätmittelalter, in: Nassauische Annalen 111 (2000), S. 29–51. Die Bezeichnung „Alde statt“ findet sich in zahlreichen spätmittelalterlichen Schriftquellen. Vermutlich ist die an der Furt über die Sieg entstandene Siedlung mit dem Ort „Altsigin“ identisch, der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Wunderheilungen im Siegburger Mirakelbuch erwähnt wird. Vgl. Mauritius Mittler (Hg.), Libellus de translatione Sancti Annonis Archiepiscopi et Miracula Sancti Annonis – Bericht über die Translation des hl. Erzbischof Anno und Annonische Mirakelberichte (Siegburger Mirakelbuch), Siegburg 1966–1968, S. 146  f., 162  f. und 170–173; Alfred Lück, Alt-Sigin im Jahr 1184, in: Siegerland 51 (1974), S. 123–125. Zur Topographie der Stadt Siegen: Andreas Bingener (Bearb.), Siegen, in: Wilfried Ehbrecht (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung VIII, Nr. 4, Altenbeken 2004; Cornelia Kneppe, Geschichte der Stadt Siegen, in: Kreis Siegen-Wittgenstein, S. 94–103. SUB I, Nr. 8 (1224); Manfred Wolf, Überlegungen zur Urkunde vom Jahre 1224 und zur Entwicklung der Stadt Siegen, in: Siegener Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte 5 (2000), S. 9–32. Grundlegend zur Mitherrschaft des Kölner Erzbischofs in Siegen: Josef Lothmann, Erzbischof Engelbert I. von Köln (1216–1225). Graf von Berg, Erzbischof und Herzog, Reichsverweser, Köln 1993, S. 180–185.

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Existenz einer Burg (Oberes Schloss) auf der Spitze des 307 Meter hohen Siegberg bietet der Hinweis auf Burgmannen in der Urkunde von 1224.41 Die Hauptachse der Stadt Siegen bildet der quer über den Siegberg führende Straßenverlauf des mittelalterlichen Fernverkehrsweges von Köln nach Marburg. Zwischen der landesherrlichen Burg und der Stadt erstreckte sich die Burgmannensiedlung, die mit der Hainpforte über einen eigenen von der Stadt unabhängigen Zugang verfügte.42 Einige wenige Informationen zum Baubestand der 1259 explizit erwähnten Burg43 bietet ein zwischen den Grafenbrüdern Heinrich I. von Nassau-Beilstein und Otto  II. von Nassau-Dillenburg (reg. 1343–1350/51) und dem Kölner Erzbischof Walram von Jülich 1343 geschlossener Teilungsvertrag über Burg und Stadt Siegen.44 Hinsichtlich der Nutzungsrechte an der Burg vereinbarten beide Parteien, dass die beiden Tore zur Burg (Abb. 2), der Turm (Hauptturm) sowie der Innenhof mit dem Brunnen in gemeinschaftlichem Besitz verbleiben sollten. Die Burggebäude auf der Siegseite behielt sich der Erzbischof vor, während die beiden Grafen die zur Weiß hin gelegenen Bauten beanspruchten. Wertvolle Hinweise auf die Bedeutung der Burg zu Siegen als Residenz der Grafen von Nassau bieten zwei Urkunden von 1425 und 1427. Im Jahr 1425 teilten Johann II. (reg. 1416–1443), Johann III. (gest. um 1429/30 oder 1433) und Engelbert I. 41 42 43 44

SUB I, Nr. 8 (1224). Zur Geschichte des Oberen Schlosses: Ursula Blanchebarbe, Kleine Geschichte des Oberen Schlosses in Siegen, Siegen 2005; Friedhoff, Theiss-Burgenführer, S. 136–139. Eine grundlegende Untersuchung zu den Burgmannen der nassauischen Landesburg Siegen steht noch aus. SUB I, Nr. 28 (1259 September 2). Ebd., Nr. 260 (1343 Juni 24).

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Abb. 1: Stadtansicht von Siegen (Georg Braun und Frans Hogenberg, Civitates orbis terrarum, Bd. 6, Köln 1617, Nr. 12)

(reg. 1416–1442) von Nassau-Dillenburg das Familienerbe aus den Stammlanden im Dillgebiet und im Siegerland, den Anteil an Hadamar und Diez sowie der Grafschaft Vianden untereinander auf. Die Ausübung der Lehnsherrschaft in den Stammlanden und in Hadamar behielt sich Johann II. vor, die in Diez oblag Johann III. und die in Vianden Engelbert I.45 Letzterer hatte zudem bedeutenden Besitz im Herzogtum Brabant erheiratet, so dass es durchaus sinnvoll erschien, ihm die Ausübung der Landesherrschaft in Vianden zu übertragen. Ungeachtet der Aufteilung der Territorialherrschaften wurden den Brüdern Sitze in den Landesburgen im Dillgebiet zugewiesen: Johann III. erhielt Haiger, Johann II. Dillenburg und Engelbert I. Herborn. Zwei Jahre später, 1427,46 erfolgte eine entscheidende Veränderung des Vertrags von 1425. Bezüglich der Residenz Johanns III. wurde festgelegt, dass er fortan auf Burg Siegen seinen Wohnsitz nehmen sollte. Seine beiden Brüder reservierten sich dort genau bezeichnete Räume, so dass der Eindruck einer Ganerbschaft entsteht. Offenbar war Siegen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die einzig ‚residenzfähige‘ Burg, die drei gräflichen Haushaltungen Platz bot, und die im Vorfeld gelegene Stadt sicherte eine standesgemäße Versorgung des Hofes. Die übrigen drei Burgen des Dillgebietes verfügten folglich nicht über die geeigneten Voraussetzungen zur Aufnahme der Hofhaltung der drei gräflichen Brüder. In Dillenburg waren die umfangreichen Baumaßnahmen noch nicht erfolgt, die es 1567 Johann VI. von NassauDillenburg (reg. 1559–1606) ermöglichten, seinen älteren Bruder Wilhelm von Oranien (1533–1584) dort aufzunehmen.47 45 46 47

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (im Folgenden HHStAW), Abt. 170, Nr. 1055. Ebd., Nr. 1079 und 1080, Regest im Findbuch. Emil Becker, Schloss und Stadt Dillenburg, Dillenburg o. J. (1950), S. 76–80.

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Abb. 2: Oberes Schloss in Siegen, Torbau der Hauptburg mit dem sog. Bischofshaus (Foto: J. Friedhoff)

Burg-Talsiedlungen: Freudenberg und Hainchen Abgesehen von Siegen verfügten die Grafen von Nassau im Spätmittelalter im Siegerland über die Landesburgen Ginsberg im Norden und Freudenberg im Nordwesten sowie über die Burg Hainchen im Südosten, vor der Haincher Höhe gelegen. Die 1290 erstmals in den Schriftquellen erwähnte Burg Hainchen48 bildete die Keimzelle der gleichnamigen Siedlung. Bei der Wasserburg (Abb. 3) handelt es sich um den Stammsitz der seit 1215 nachweisbaren Herren von Hain (de Indagine).49 Am 48 49

SUB I, Nr. 60 (1290 April 23). Ebd., Nr. 5 (1215 April 3) und Nr. 60 (1290 April 23). Zur Burg Hainchen: Alfred Lück, Zur Geschichte der Burg Hainchen und ihrer Bewohner, in: Hermann Böttger u.  a. (Bearb.), Geschichte des Netpherlandes, Netphen 1967, S. 279–351; Friedhoff, TheissBurgenführer, S. 78, und ders., Die Wasserburg Hainchen unter Johann Friedrich von Bicken (gest. 1673). Ein Beitrag zur Baugeschichte und Ausstattung des Schlosses in der Barockzeit, in: Siegerland 83.2 (2006), S. 96–111.

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Abb. 3: Wasserburg Hainchen (Foto: J. Friedhoff) 4. Mai 1313 veräußerten Friedrich und Gottfried von Hain ihre Burg zum Hain an den Grafen Heinrich I. von Nassau-Dillenburg (reg. 1303–1343).50 Bei ihrer Burg sollten die Herren von Hain zwei Hofstätten sowie fünf Mark Geldes als erbliches nassauisches Burglehen erhalten. Darüber hinaus wurden die beiden Adligen als Erbburgmannen in Siegen aufgenommen. Zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Grafen von Nassau verfügten die Herren von Hain – wie der Verkaufsurkunde zu entnehmen ist – bereits über eine Talsiedlung vor der Burg, „[…] den dail der vor der burg lit“. Im Hinblick auf die durch die Grafen von Nassau anzulegende „veste“ (fester Platz)51 wurde unter anderem festgelegt, dass die außerhalb von Hainchen lebenden Untertanen der Herren von Hain nach Hainchen ziehen und unter der Regentschaft der Grafen von Nassau in der „veste wonen“ sollten. Unklar ist, ob die hier forcierte Umsiedlung der Untertanen der Herren von Hain in die Talsiedlung Hainchen als gezielte Peuplierungsmaßnahme zu verstehen und von einer geplanten ‚Stadtgründung‘ der Grafen von Nassau auszugehen ist.52 Der Erwerb von Burg und 50 51

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SUB I, Nr. 130. Zu den terminologischen Problemen bezüglich des in den spätmittelalterlichen Urkunden verwendeten Begriffs „veste“ zur Beschreibung eines „befestigten Platzes“: Rüdiger Störkel, Zur Geschichte von Schloss Herborn, in: Nassauische Annalen 110 (1999), S. 100–144. Auf der von Leopold Schütte entworfenen Übersichtskarte der vor 1750 in Westfalen entstandenen ‚Wigbolde‘, ‚Freiheiten‘ und kleinen Städte findet die Talsiedlung Hain-

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Tal Hainchen durch die Grafen von Nassau festigte deren Landeshoheit im östlichen Siegerland. Die bereits in den 1430er Jahren offenbar als entbehrlich angesehene Landesburg Hainchen wurde 1443 an Philipp von Bicken als erbliches Lehen ausgegeben.53 Hainchen entwickelte sich in der Folgezeit bis zum 18. Jahrhundert zum Zentrum einer kleinen Adelsherrschaft der späteren Reichsfreiherren von Bicken.54 Handelt es sich bei Hainchen um eine Niederungsburg, an die sich von ihr getrennt durch Wassergraben, Garten und Baumhof die aus wenigen Häusern bestehende Talsiedlung anschloss, so entwickelte sich in Freudenberg die Burgsiedlung im unmittelbarem Anschluss an die auf dem Gipfel des Schlossberges gelegene Höhenburg.55 Als Initiator der offensichtlich zwischen 1350 und 1389 erfolgten Burggründung, die das entstehende nassauische Territorium gegen expansive Bestrebungen der Edelherren von Wildenburg und der Grafen von Sayn schützen sollte, gilt Graf Johann I., ein Sohn Graf Ottos II. von Nassau-Dillenburg. Gustav Siebel behandelt die erstmals 1389 in den Schriftquellen erwähnte Burg Freudenberg im Zusammenhang mit einer 1350/51 datierten Fehde zwischen den Grafen von Nassau einer- und den Herren von Bicken mit ihren Verbündeten, den Herren von Wildenburg und Elkerhausen, andererseits.56 Der Konflikt wurde 1352 beigelegt.57 1389 wurde die Landesburg Freudenberg für 2.300 Gulden an Robin und Johann von Bicken sowie an Siegfried von Seelbach versetzt. Der nassauische Landesherr räumte den Pfandnehmern das Recht ein, an der Burg 600 Gulden zu verbauen. Ob die Burg – wie Heinrich von Achenbach und ihm folgend Ludwig Bald, Gustav Siebel und zuletzt Rüdiger Störkel vermuten58 – zu diesem Zeitpunkt noch unvollendet war oder ob es sich um eine Erweiterung der bestehenden Anlage handelte, ist unklar. Spätestens im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts bildete Freudenberg zusammen mit den Kirchspielen Oberholzklau und Oberfischbach einen nassauischen Amtsbezirk. Graf Johann IV. von Nassau-Dillenburg (reg. 1442/51–1475) bestätigte 1456 den Bewohnern der Talsiedlung Freudenberg ihre bereits bestehenden Privilegien. In einer am 25.  Februar 1472 ausgestellten Urkunde wird Freudenberg ausdrücklich als „oppidum“

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chen keine Berücksichtigung. Vgl. Leopold Schütte, „Wigbolde“, „Freiheiten“, kleine Städte in Westfalen vor 1750, in: Wilfried Ehbrecht (Hg.), Westfälischer Städtetatlas, Lieferung VII, Einleitung, Altenbeken 2001. HHStAW, Abt. 171, B 952, Bl. 6, Umwandlung des widerruflichen Lehens von 1429 in ein erbliches Lehen für Bicken, vgl. Bald, Fürstentum, S. 154. Ebd., S. 153–157. Zur Burg Freudenberg: Friedhoff, Burgenbau, S. 114; Andreas Bingener, Die Burg Freudenberg und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Grafen von Nassau im späteren Mittelalter, in: Siegerland 83.2 (2006), S. 77–84. Gustav Siebel, Zur Geschichte der Stadt Freudenberg, in: Wilhelm Güthling (Hg.), Freudenberg in Vergangenheit und Gegenwart. Festbuch zur 500. Wiederkehr der Bestätigung städtischer Rechte für Freudenberg, Freudenberg 1965, S. 25–99, hier S. 25. Zur Fehde der von Bicken und ihrer Verbündeten gegen Nassau: Karl Nebe, Burgenfahrten an der alten Grenze von Hessen und Nassau, Bergebersbach 1914 (ND Dietzhölztal 1983), S. 24–29. Vgl. von Achenbach, Vergangenheit, Bd. 1, S. 112; Bald, Fürstentum, S. 141; Siebel, Geschichte, S. 26; Störkel, Schloss Herborn, S. 112.

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bezeichnet.59 Über Grundriss und Baugestalt der Burg sowie die Bebauung der sich anschließenden Talsiedlung sind wir nur unzureichend informiert. Etwa einhundert Meter westlich der evangelischen Kirche gelegen, nahm die Hauptburg das Plateau des nach Westen steil abfallenden Schlossbergs ein.60 Von der spätmittelalterlichen Befestigung Freudenbergs blieb lediglich der zu Beginn des 17. Jahrhunderts beim Bau der neuen Stadtpfarrkirche als Glockenturm integrierte Rundturm erhalten. In einem zwischen 1570 und 1610 entstandenen gräflich-nassauischen Güterverzeichnis wird die 1540 durch Brand zerstörte Talsiedlung als Annex zum landesherrlichen Schloss bezeichnet: „Zum Freudenberg hatt der wohlgeborn mein gnediger her ein eigen Schloß, rings herumb mit einer Mauern vorn mit einer Zugbrücken, hindenrumb mit einem Wahl [Wall; J. F.] befestigt. Vorm Schloß ist ein geräumiger Hof, auch mit einer Mauern umbringt, in welchem Bezirk vor Jaren die Burge[r] zum Freudenberg ihre Wohnungen gehabt, derhalben sie auch der Zeitt dieselb Mauer in baw und wesen [in gutem Zustand; J. F.] halten, das Schloss […] verwahren helfen.“61 Neben der oberen Pforte des Schlosses Freudenberg verfügten die Herren von Seelbach über einen 1406 erwähnten nassauischen Burgmannenhof.62 Vermutlich gehörten zur Ausstattung der nassauischen Landesburg Freudenberg mehrere Burglehen. In einem 1575 datierten Bericht des Schultheißen des Amtes Netphen findet sich der Hinweis auf ein im Schlossbezirk gelegenes Haus (Burgsitz?) der Herren von Bicken: „Was nun die hofstat zu Freudenberg anlangen thut, wirdt von den eltisten daselbst dieser bericht gegeben, das die von Bicken ein haus daselbst in des schlosses bezirck gehapt und nunmehr ein hofstat haben.“63 Nach einem verheerenden Brand, der am 23.  Juli 1540 Schloss und Talsiedlung Freudenberg zerstörte, wies Graf Wilhelm der Reiche von Nassau-Dillenburg (reg. 1516–1559) den Bewohnern neue Parzellen außerhalb der ehemaligen in das Befestigungssystem des Schlosses einbezogenen Talsiedlung zur Bebauung an.

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SUB II, Nr. 212 (1472 Februar 25). Hier befindet sich ein rundlich-ovales Plateau. Scherbenfunde im Bereich des Schlossberges datieren in das 12. und 13. Jahrhundert und belegen eine Besiedlung vor der Errichtung der nassauischen Landesburg. Vgl. Philipp R. Hömberg, Freudenberg, in: Kreis Siegen-Wittgenstein, S. 123 f. Zitiert nach von Achenbach, Vergangenheit, Bd. 2, S. 114. Unter dem Datum des 8. September 1406 versetzte Arnold von Seelbach einen Garten mit dem sonstigen Zubehör seines Burgsitzes zu Freudenberg an Johann von Odendorf. Jost Kloft (Bearb.), Inventar des Urkundenarchivs der Fürsten von Hatzfeldt-Wildenburg zu Schönstein/Sieg, Bd. 1: 1217–1467, Bonn 1975, Nr. 184. In einer am 1. Mai 1434 ausgestellten Urkunde ist von zwei zu dem nassauischen Burglehen gehörenden Häusern der Herren von Seelbach in Freudenberg die Rede. Ebd., Nr. 267. Zitiert nach Bald, Fürstentum, S. 356.

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3. Die Grafen von der Mark Burg, Stadt und Territorium an Ruhr und Lenne bis 1300 Die bislang nur unzureichend erforschten Anfänge der exponiert auf einem lang gezogenen Bergrücken über dem Lennetal errichteten Burg Altena liegen im Dunkeln und sind eng mit der Geschichte der Grafen von der Mark verknüpft. Levold von Northof berichtet in seiner Chronik der Grafen von der Mark von der legendären Gründung der Burg Altena. Um das Jahr 1000 seien zwei Brüder aus dem römischen Geschlecht der Orsini mit Kaiser Otto  III. (reg. 983/96–1002) nach Deutschland gezogen und hätten zur Sicherung ihrer Herrschaftsansprüche im südwestfälischen Raum auf der Wulfsegge eine Burg erbaut.64 Der westfälische Geschichtsschreiber Johann Diederich von Steinen (1699–1759) verlegt die Burggründung in das Jahr 1108.65 Nach bisherigem Kenntnisstand ist unklar, ob der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel (reg. 1159–1167) Burg Altena samt den dazugehörigen Besitzungen von den Grafen von Arnsberg gekauft und 1161 dem Grafen Eberhard I. von BergAltena (reg. 1160–1174/80) als Lehen übertragen hat oder sich die Anlage nicht von Beginn an in bergischem Besitz befand und erst von Eberhards Söhnen dem Erzstifts Köln zu Lehen aufgetragen wurde.66 Um 1120 hatte Graf Adolf II. von Berg („de monte“; reg. 1115–1160) Adelheid von Arnsberg (gest. 1131) geheiratet und dadurch seine bergische Herrschaft um Besitzungen im östlichen Ruhrgebiet und in Westfalen vermehrt. Ein administratives Zentrum des neuen Herrschaftsbereiches bildete Burg Altena. Bald nach dem Eintritt Adolfs II. in das von ihm in seiner Burg Berge im Dhünntal gegründete Zisterzienserkloster Altenberg67 erfolgte wohl um 1160 die Teilung des umfangreichen

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Northof, Chronica, S. 58, lat. Johann Diederich von Steinen, Westphälische Geschichte, 5 Teile, Lemgo 1755–1801, hier Tl. 1, S. 91. Für die ältere Forschung vgl. Theodor Ilgen, Die ältesten Grafen von Berg und deren Abkömmlinge, die Grafen von Altena (Isenberg-Limburg und Mark), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 36 (1903), S.  14–62; die neuere These nach der textkritischen Studie von Johannes Bauermann, Altena – von Rainald von Dassel erworben? Zu den Güterlisten Philipp von Heinsberg, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 67 (1971), S. 227–252. Adolf II. tritt als Graf von Berg letztmalig in einer Urkunde des Jahres 1160 in Erscheinung. Hieraus ist zu schließen, dass sein Eintritt in die von ihm gegründete Zisterzienserabtei Altenberg wohl kurz danach erfolgte und er die Regierungsgeschäfte seinen Söhnen Eberhard und Engelbert übertragen hat. Norbert Andernach u. a. (Bearb.), Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter (im Folgenden REK), 12 Bde., Bonn bzw. Düsseldorf 1901–2001, hier Bd. II, Nr. 651; Josef Theodor Lacomblet (Bearb.), Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins oder des Erzstifts Cöln, der Fürstenthümer Jülich und Berg, Geldern, Meurs, Cleve und Mark und der Reichsstifte Elten, Essen und Werden (zit. NRhUB), 4 Bde., Düsseldorf 1840–1858 (ND Aalen 1966), Bd. I, Nr. 401 (1160).

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niederrheinisch-westfälischen Besitzes.68 Während sein Sohn Eberhard den westfälischen Besitz erhielt, fiel der rheinische an dessen älteren Bruder Engelbert (reg. 1160–1189).69 Die seit der Erbteilung in Altena ansässige, von Eberhard begründete Linie des Dynastengeschlechts führte den Titel der Grafen von Altena,70 der seit 1202 durch die Bezeichnung Grafen von der Mark71 – benannt nach der um 1198 von Friedrich von Altena (reg. 1174/80–1198/99) erworbenen Burg Mark an der Lippe, nahe der späteren Stadt Hamm – abgelöst wurde. Von entscheidender Bedeutung für die weitere territoriale Entwicklung der Grafschaft Mark erwies sich der Totschlag des Kölner Erzbischofs Engelbert I. von Berg am 7. November 1225 bei Gevelsberg durch Graf Friedrich I. von (Altena-) Isenberg (reg. ca. 1209–1225/26), Regent der 1175 entstandenen, nach Burg Isenberg bei Hattingen an der Ruhr benannten jüngeren Linie.72 Als Parteigänger der Kölner Erzbischöfe gelang es Graf Adolf I. von der Mark (reg. 1198/99–1249), sich unmittelbar nach der Tat einen Großteil des Territorialbesitzes seines im November 1226 in Köln hingerichteten Verwandten anzueignen. Dietrich I. von Isenberg-Limburg (um 1215–1301), dem Sohn Graf Friedrichs I. von (Altena-)Isenberg, verblieb nach der 1243 erfolgten Beendigung der Fehde um das Erbe seines Vaters lediglich die kleine Herrschaft Hohenlimburg. Unweit der Burg Mark gründete Graf Adolf von der Mark 1226 – offensichtlich vom Kölner Erzbischof Heinrich I. von Molenark (reg. 1225–1238) als Inhaber der Herzogsgewalt in Westfalen gebilligt – die Stadt Hamm.73 Etwa zur gleichen Zeit entstand ebenfalls ohne Intervention des rheinischen Kirchenfürsten in der Nachbarschaft der 1225 geschleiften Isenburg die märkische Landesburg Blankenstein. 68 69 70 71

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Zu Erbteilung des Bergischen Hauses: Thomas R. Kraus, Entstehung der Landesherrschaft der Grafen von Berg bis zum Jahre 1225, Neustadt a. d. Aisch 1981, S. 30, 39 f. und 78. Engelbert ist urkundlich 1165 als Graf von Berg bezeugt. REK II, Nr. 820 (1165). Eberhard erscheint erstmals in einer Urkunde des Jahres 1161, ohne den Vater Adolf II. und mit dem Titel eines Grafen von Altena. REK II, Nr. 705. Graf Adolf I. tritt 1202 erstmals als „Adolfus puer comes de Marka“ in Erscheinung. Westfälisches Urkundenbuch (im Folgenden WUB), Bd. 7: Die Urkunden des kölnischen Westfalens vom J. 1200–1300, bearb. vom Staatsarchiv Münster, Münster 1908 (ND Osnabrück 1980), Nr. 14 (1202 Sept.). Zu den Ereignissen im Vorfeld des Attentats: Heinz Finger, Der gewaltsame Tod des Kölner Erzbischofs Engelbert und die Vorgeschichte, in: LWL-Museum, Aufruhr 1225!, S. 21–34. Zu den Herrschaftsverhältnissen und politischen Entwicklungen zwischen Ruhr und Lippe im ausgehenden 12. und 13.  Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Herzogsgewalt der Erzbischöfe von Köln: Wilhelm Janssen, Adelsherrschaft und Herzogsgewalt. Politische Strukturen und Entwicklungen zwischen Ruhr und Lippe 1180–1300, in: ebd., S. 47–58. Daneben Odilo Engels, Zur Entmachtung Heinrichs des Löwen, in: Pankraz Fried (Hg.), Festschrift für Andreas Kraus zum 60. Geburtstag, Kallmünz 1982, S. 45–59 (wiederabgedruckt unter dem Titel: Zur Entmachtung Heinrichs des Löwen. Die Entstehung des kölnischen Ducats von Westfalen und Engern 1180, in: Klueting, Herzogtum Westfalen, Bd. 1, S. 101–118). Zu dem Kölner Erzbischof Heinrich I. von Molenark und Graf Adolf I. von der Mark: Michael Matscha, Heinrich I. von Müllenark. Erzbischof von Köln (1225–1238), Siegburg 1992, S. 230–235.

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Iserlohn wurde bereits zwischen 1240 und 1265 von den Grafen von der Mark zur Stadt erhoben und befestigt.74 Durch die verkehrsgünstige Lage im Winkel zwischen Ruhr und Lenne stellte der Ort einen strategisch wichtigen Stützpunkt gegen die Grafen von Limburg und Arnsberg sowie gegen die kölnischen Besitzungen zwischen Menden und Werl dar.75 Um 1250/65 ließ Graf Engelbert  I. von der Mark (reg. 1249–1277) zwischen Hamm und Iserlohn die Orte Unna und Kamen mit Befestigungsanlagen versehen. So zeichnete sich – wie Jürgen Kloosterhuis resümiert – „gleichsam eine territorialstrategische Linie von der Lippe bis zu Ruhr und Lenne ab, die er [Graf Engelbert I.; J. F.] wahrscheinlich mit der Befestigung Lüdenscheids im Süderland fortzuführen versuchte“.76 Die Gefangennahme von Bürgern aus dem kölnischen Soest und die Zerstörung des Dorfes Menden boten dem Kölner Erzbischof Engelbert  II. von Falkenburg (reg. 1261–1274) einen willkommenen Anlass, dem expansiven Vorstoß des Märkers ein Ende zu bereiten. Abgesehen von Unna wurde auch der Ort Kamen zerstört; der unterlegene Graf Engelbert von der Mark musste 1265 in einem Sühnevertrag dem Kirchenfürsten zusichern, die Befestigungsanlagen von Unna, Kamen und Iserlohn nicht mehr auszubauen.77 Ein erneuter Versuch, sich der Oberhoheit des rheinischen Kurfürsten zu entziehen und die eigene Landesherrschaft zu stärken, scheiterte 1278. Zwei Jahre zuvor hatte sich Graf Engelbert mit dem Bischof von Münster, dem Landgrafen von Hessen und den Grafen von Jülich, Berg, Tecklenburg und Waldeck gegen den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg verbündet. Er fiel jedoch in die Hände eines erzbischöflichen Parteigängers und starb noch in der Gefangenschaft. Sein Nachfolger Graf Eberhard II. von der Mark musste sich den von dem rheinischen Metropoliten diktierten Bestimmungen des Sühnevertrags vom 15.  Juni 1278 unterwerfen.78 Ein weiteres Mal wurden die märkischen Souveränitätsbestrebungen, soweit sie die Befestigungshoheit betrafen, unterbunden. Graf Eberhard II. verpflichtete sich, die Palisaden und Wehranlagen zu Iserlohn und Kamen binnen Monatsfrist niederzulegen bzw. die Gräben in zehn Wochen zuschütten zu lassen. Ferner hatte er das Holz für seine Umzäunung, Turm- und Torbauten von einem der beiden Orte dem kölnischen Marschall für Westfalen auszuliefern. Die Mauern und Wehranlagen von Lüdenscheid sollten noch fünf Monate stehen bleiben, doch dann geschleift werden, sofern der Erzbischof nicht anders entscheiden sollte. 74 75 76

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Zur Stadtwerdung Iserlohns: Heinz Stoob (Bearb.), Iserlohn, in: ders. (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung  I, Nr. 9, Altenbeken 1975; Stievermann, Städtewesen, S. 29–33; Thomas Kreft, Eisengewerbe, S. 265–268. Götz Bettge (Hg.), Iserlohn-Lexikon, Iserlohn 1987, S. 26 ff. und 69 f. Jürgen Kloosterhuis, „terra et dominio de Marka“, in: Werner Schäfke (Hg.), Der Name der Freiheit 1288–1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute, Köln 1988, S. 267–174, hier S. 278. Zur Stadtentwicklung Lüdenscheids: Stievermann, Städtewesen, insbes. S. 33–37. WUB, Bd. 7, Nr. 1184 (1265 Mai 1). Ebd., Nr. 1648 (1278 Juni 15).

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Eine weitere wichtige Gebietserweiterung im Südteil der Grafschaft Mark bildete die 1273 erfolgte Verpfändung des Gerichts Gummersbach mit allen dazugehörenden Leuten, Einkünften und Rechten durch Graf Adolf V. von Berg (reg. 1259– 1296) an Graf Engelbert I. von der Mark. Die Pfandschaft, die im Zusammenhang der Eheschließung von Adolfs Schwester Irmgard (gest. 1294) mit Engelberts Sohn Eberhard erfolgte, verblieb in märkischem Besitz und wurde nicht wieder eingelöst. Gefestigt wurde die Position der Grafen von der Mark im östlichen Teil des oberbergischen Landes durch die Pfandnahme des saynischen Gerichts Lützinghausen westlich von Gummersbach im Jahr 1287.79 Mit den Pfandschaften im Oberbergischen hatten die Grafen von der Mark in einem Gebiet Fuß gefasst, in dem eine beachtliche Anzahl von Eisenhütten existierte. Der Tod Herzog Walrams  V. von Limburg (reg. 1247–1279/80) an der Maas80 steht am Beginn der Ereignisse des ‚Limburgischen Erbfolgestreites‘, dessen Höhepunkt mit der Schlacht von Worringen am 5.  Juni 128881 den endgültigen Niedergang der hegemonialen Stellung der Kölner Erbischöfe „super alios dominos terre“82 besiegeln sollte. Der antierzbischöflichen Koalition, die verschiedene rheinische Fürsten, unter anderem Brabant, Jülich, Berg und Kleve mit der Stadt Köln vereinte, schlossen sich in Westfalen Eberhard II. von der Mark und der Edelherr Simon I. zur Lippe (reg. 1275–1344) an. In unmittelbarem Zusammenhang mit der Niederlage des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg in der Schlacht stehen neben der Stadterhebung Düsseldorfs am 14. August 1288 durch Graf Adolf V. von Berg83 auch jene Aktionen der Grafen von Jülich und von der Mark sowie der Stadt Köln, die sich gegen erzbischöfliche Befestigungen richteten. Als erstes wurde die Burg zu Worringen geschleift, deren Steine beim Ausbau der Kölner Stadtmauer Verwendung fanden.84 Auf linksrheinischem Gebiet wurden die erzbischöflichen Burgen Zons und Neuenberg (Neu-Hochstaden im Kirchspiel Frimmersdorf) zer79 80

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Günter Aders (Bearb.), Quellen zur Geschichte der Stadt Bergneustadt und des alten Amtes Neustadt von 1109–1630 (im Folgenden UB Bergneustadt), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 71 (1951), S. 7–268, hier S. 20 f. Nach dem Tod Herzog Heinrichs IV. von Limburg, Graf von Berg (reg. 1225–1246), erfolgte die Teilung der seit 1225 in Personalunion regierten Territorien Berg und Limburg. Adolf IV. (reg. 1246–1259), ältester Sohn Heinrichs, erhielt die Grafschaft Berg, während das Herzogtum Limburg an dessen Bruder Walram V. fiel (NrhUB II, Nr. 312; REK III, Nr. 1342). Zur Schlacht bei Worringen: Wilhelm Janssen u. a. (Hg.), Der Tag bei Worringen 5. Juni 1288, Köln und Wien 1988. NrhUB II, Nr. 892 (1290 Juli 5): Protokoll über das Verhör von 20 geistlichen und sechs weiteren Zeugen über das Verhalten der Kölner Bürger gegenüber dem Kölner Erzbischof und der Kölner Kirche in den Vorbereitungen zu ihrem Bündnis mit Herzog Johann von Brabant bis zur Entlassung des Erzbischofs aus der Gefangenschaft. Die hier zitierte Textstelle entstammt der Aussage des Johann Herr von Löwenberg. Zur vor- und frühstädtischen Entwicklung Düsseldorfs und zur Stadterhebung: Jens Friedhoff, Territorium und Stadt zwischen Ruhr und Sieg (1200–1350). Untersuchungen zur Stadterhebungs- und Territorialpolitik der Grafen von Berg im Hoch- und Spätmittelalter, in: Düsseldorfer Jahrbuch 69 (1998), S. 11–126, hier S. 87–101. NrhUB II, Nr. 892 (1. Zeugenaussage).

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stört.85 Dem Grafen von Jülich gelang mit märkischer Unterstützung die Einnahme von Burg und Stadt Zülpich,86 während sich Graf Eberhard II. von der Mark gegen die erzstiftische Stadt Werl wandte, die er zusammen mit Truppenkontingenten der Stadt Köln einnahm und entfestigte. Ähnlich verfuhr der Graf mit der Stadt Menden und den erzbischöflichen Burgen Neu-Isenburg an der Ruhr, Volmarstein, Raffenburg (bei Hohenlimburg),87 Neu-Limburg (Hohenlimburg)88 und Fürstenberg (Ense-Höingen bei Neheim). Aus den Monaten seiner Gefangenschaft auf Schloss Burg an der Wupper liegen kaum Nachrichten über den Kölner Erzbischof vor. Urkundlich ist Siegfried von Westerburg erst am 14. März 1289, neun Monate nach seiner Niederlage, wieder fassbar.89 Am 19. Mai 1289 erfolgte die Ausstellung der Sühneverträge des rheinischen Kirchenfürsten mit den Grafen von Berg, Jülich, von der Mark und dem Herzog von Brabant.90 Der Vertrag mit Graf Eberhard II. von der Mark lief auf eine vollständige Revision der zwischen beiden Kontrahenten 1278 vereinbarten Sühne hinaus und garantierte dem Grafen von der Mark zukünftig das alleinige Befestigungs- und Burgenbaurecht in seinem Territorium. In dem Vertrag mit Graf Adolf V. von Berg und dessen Bruder Heinrich von Windeck (gest. um 1298) bekräftigten diese ihren Anspruch auf das Befestigungsregal innerhalb der Grafschaft Berg. Ferner erkannte Siegfried von Westerburg den Besitzstand der beiden Brüder an und verpflichtete sich nach seiner Freilassung zu einer Zahlung von 12.000 Mark kölnischer Pfennige. Für die pünktliche, sich über siebeneinhalb Jahre erstreckende Ratenzahlung überließ er dem bergischen Grafen die Stadt Deutz und die strategisch günstig an den Grenzen der ‚terra Coloniensis‘ gelegenen Burgen Aspel bei Rees, Rodenberg ober-

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REK III, Nr. 3195. Ebd., Nr. 3196. Die Kampfhandlungen zwischen dem Grafen von der Mark und dem Erzstift begannen bereits im Dezember 1287 mit einem Raubzug eines Aufgebots des Erzbischofs Siegfried von Westerburg in den Raum Lünen, den Eberhard II. von Kamen aus abwehren konnte. Vgl. ebd., Nr. 3178 (1280 März 30). Anfang Mai „bekämpfte [Eberhard II. von der Mark; J. F.] die Burg Raffenberg, die ihm in zu bedrohlicher Nähe lag […] mit Belagerungswerkzeugen und Wurfmaschinen“, und nötigte dadurch die erzbischöfliche Besatzung zu einem Waffenstillstand, den er dazu nutzte, seine Vorbereitungen zur Schlacht bei Worringen zu treffen. Die Zerstörung der Raffenburg erfolgte nach der Niederlage Siegfrieds bis Ende 1288. Vgl. Northof, Chronica, S. 97–100; Aussagen des Domscholasters Wigbold von Holte über die Ereignisse vor und nach der Schlacht bei Worringen, in: NrhUB II, Nr. 892 (1290 Juli 5). Die Zerstörung der Neu-Limburg (Hohenlimburg) an der Lenne, der Burg des Grafen Dietrich von Isenburg-Limburg, eines Parteigängers des Kölner Erzbischofs, erfolgte wohl in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kampfhandlungen um die benachbarte erzstiftische Raffenburg. REK III, Nr. 3206. Berg (NrhUB II, Nr. 865); Jülich (NrhUB II, Nr. 866); Mark (NrhUB II, Nr. 867); Brabant (NrhUB II, Nr. 868). Die Sühne des Erzbischofs mit der Stadt Köln erfolgte am 18. Juni 1289 (NrhUB II, Nr. 870).

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halb von Menden, die Waldenburg sowie Altenwied im nördlichen Westerwald91 als Unterpfand. Mit Burg und Stadt Lechenich gelangte 1291 ein weiterer bedeutender erzbischöflicher Stützpunkt als Pfandbesitz in die Verfügungsgewalt Graf Adolfs V. von Berg.92 Ungeachtet der bereits 1290 einsetzenden Bemühungen Siegfried von Westerburgs zur Wiedereinlösung der an verpfändeten Burgen und Städte erfolgte die Rückgabe der in Pfandbesitz befindlichen Orte – mit Ausnahme von Lechenich – jedoch erst während des Pontifikats seines Amtsnachfolgers Wigbold von Holte (reg. 1297–1304). Lechenich wurde offenbar noch zu Lebzeiten Siegfried von Westerburgs eingelöst,93 Altenwied gelangte vor dem 9. Mai 1298 und Aspel am 30. Juni 1299 erneut in den Besitz des Erzstifts Köln.94 Altenwied und Aspel blieben bis zur Wiedereinlösung in bergischem Besitz, während die Waldenburg und Burg Rodenberg vor dem 19. Mai 1298 von Graf Wilhelm I. von Berg (reg. 1296–1308) an Graf Eberhard II. von der Mark weiterverpfändet wurden.95 Dabei fiel die Burg Rodenberg bis zur Wiederinbesitznahme durch das Erzstift Köln 1299 an den märkischen Ministerialen Anton von Scheidungen.96

Siedlungsferne Höhenburg und Stadtrechtsort: Burg Schwarzenberg und Plettenberg Im Wechselspiel der politischen Kräfte im südwestfälischen Raum spielten nach 1288 die Grafen von Limburg und Arnsberg nur noch eine untergeordnete Rolle. Die territorialpolitischen Vorstöße der Grafen von der Mark richteten sich nach 1300 vornehmlich gegen die Erzbischöfe von Köln. Nachdem der Kölner Erzbischof 1289 durch den erzwungenen Verzicht auf die Waldenburg einer strategisch wichtigen Befestigungsanlage beraubt worden war, entfaltete er in den Jahren 1291 bis 1294 erneut burgenbauliche Aktivitäten im südlichen Sauerland, indem er Johann  I. von Plettenberg (vor 1270–nach 1314), der von 1294 bis 1312 mit kurzen 91

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Die Waldenburg bei Attendorn und Burg Altenwied gehörten zu jenen wichtigen territorialen Neuerwerbungen, die Erzbischof Konrad von Hochstaden durch Kauf von Mechthild von Sayn (gest. 1285), der Witwe des 1246/47 verstorbenen Grafen Heinrich  III. von Sayn, in den Jahren 1248 und 1250 dem Erzstift hinzufügen konnte. Zu den Gebietsabtretungen Mechthilds an die Kölner Erzbischöfe und das Domkapitel: Thomas Bohn, Gräfin Mechthild von Sayn (1202/03–1285). Eine Studie zur rheinischen Geschichte und Kultur, Köln u. a. 2002, S. 196–250, und Joachim J. Halbekann, Die älteren Grafen von Sayn. Personen-, Verfassungs- und Besitzgeschichte eines rheinischen Grafengeschlechts 1139–1246/47, Wiesbaden 1997, S. 124–131. Zur Pfandnahme erzbischöflicher Burgen durch die Grafen von Berg 1289: Friedhoff, Territorium und Stadt, S. 101–107. Für die Annahme, dass Burg und Stadt Lechenich noch während der Regentschaft Siegfrieds in die Verfügungsgewalt des Erzstifts Köln gelangte, spricht die urkundliche Erwähnung eines erzbischöflichen Amtmanns vor der päpstlichen Ernennung Wigbold von Holtes zum Erzbischof am 22. August 1297. REK III, Nr. 3545. Ebd., Nr. 3545 (Altenwied), und Nr. 3574 (Aspel). Ebd., Nr. 3577. Die Wiedereinlösung der Waldenburg durch Köln erfolgte am 15. Dezember 1300 (ebd., Nr. 3777). Zur Inbesitznahme der Burg Rodenberg durch die Kölner Kirche: REK IV, Nr. 255.

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Unterbrechungen das Marschallamt von Westfalen innehatte, mit dem Ausbau der um 1222 im Zusammenhang mit der Stadterhebung von Attendorn gegründeten Burg Schnellenberg beauftragte.97 Zu den Baumaßnahmen wurden unter anderem die Bürger von Attendorn herangezogen, denen im Gegenzug versichert wurde, ihnen von der Burg aus keinen Schaden zuzufügen.98 Von Schnellenberg aus unternahm Johann von Plettenberg Streifzüge ins Lennetal und befehdete Graf Eberhard II. von der Mark. Um die südliche Flanke seines Herrschaftsgebietes vor Übergriffen des Kölner Erzstifts zu schützen, versuchte Eberhard  II., Ansprüche auf zwei Burghäuser zu Schnellenberg durchzusetzen.99 Eine deutliche Stärkung der kurkölnischen Position in Südwestfalen und eine akute Bedrohung märkischer Interessen stellte die am 15. Dezember 1300 erfolgte Wiedereinlösung der seit 1298 an Eberhard II. verpfändeten Waldenburg durch Siegfrieds Amtsnachfolger, Erzbischof Wigbold von Holte, dar.100 Zur Sicherung des bergisch-märkischen Grenzraumes und zur Demonstration seiner Machtansprüche gegenüber dem Erzstift Köln sowie den Grafen von Sayn, Inhabern der Homburg und des Gerichts Nümbrecht, beauftragte Eberhard II. von der Mark seinen Drosten Rutger von Altena am 13.  Mai 1301 mit der Gründung der Stadt (Berg-)Neustadt im Kirchspiel Wiedenest (Oberbergischer Kreis).101 Am 11. Juli 1301 schloss Eberhard II. ein Bündnis mit Graf Ludwig von Arnsberg (reg. ca. 1281–1313) und dessen Sohn Wilhelm (reg. 1313–1338).102 In diesem Zusammenhang versicherte er sich vermutlich der Zustimmung der Grafen von Arnsberg zur geplanten Errichtung der unweit von Plettenberg über dem Lennetal gelegenen Burg Schwarzenberg,103 deren Bau, wie der Chronist Levold von Northof berichtet, am 2. Oktober 1301 – ebenfalls unter der Leitung des Rutger von Altena – begonnen wurde. Graf Engelbert  III., Eberhards Urenkel, setzte dem Mitbesitz der Grafen von Arnsberg an der Burg Schwarzenberg ein Ende, indem er im Zuge einer Fehde gegen den Grafen Gottfried  IV. von Arnsberg 1352 dessen Burghaus zu Schwarzenberg zerstören ließ und sich somit die alleinige Verfügungsgewalt über die Anlage sicherte.104 1353 wies der märkische Landesherr seinen Drosten Gerhard von Plettenberg 97 98 99 100 101 102 103 104

Johann Suibert Seibertz (Bearb.), Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen (im Folgenden Seibertz, UB), 3 Bde., Arnsberg 1839– 1854, Nr. 671, Anm. 366. REK III, Nr. 3443. Ferdinand Schmidt, Die ältesten märkischen Urkundenverzeichnisse, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 38 (1930), S. 191–261, hier Nr. 53. REK III, Nr. 3777. Northof, Chronica, S. 37. Zur Stadtentwicklung von Bergneustadt: Margret Wensky (Bearb.), Bergneustadt, in: Georg Droege u. a. (Hg.), Rheinischer Städteatlas, Lieferung III, Nr. 16, Köln 1976. REK III, Nr. 3833 (1301 Juni 11). Zur Geschichte und baulichen Entwicklung der Burg Schwarzenberg: Jens Friedhoff, Burg Schwarzenberg, Nümbrecht-Elsenroth 2001. Northof, Chronica, S. 146, berichtet über die Zerstörung des Arnsberger Burghauses zu Schwarzenberg.

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Abb. 4: Hauptburg der Burg Schwarzenberg (Foto: J. Friedhoff) an, die vornehmlich aus einem „starken Turm“ (Wohnturm) und einer kompakten Kernanlage bestehende Hauptburg Schwarzenberg auszubauen und zu verstärken (Abb. 4).105 Die von Engelbert III. 1353 initiierte Erweiterung und Verstärkung der Landesburg Schwarzenberg erfolgte im Kontext umfangreicher burgen- und städtebaulicher Aktivitäten. Zur Festigung der märkischen Position im Grenzgebiet zur Grafschaft Arnsberg legte Gerhard von Plettenberg Burg und Stadt Neuenrade an und errichtete Burg Klusenstein.106 Im Südwesten des märkischen Territoriums ließ Engelbert III. die Befestigung von (Berg-)Neustadt verstärken und die dortige Burganlage vollenden. Dass Burg Schwarzenberg für den Landesherrn nicht nur als militärischer Stützpunkt von Bedeutung war, sondern auch als zeitweiliger Aufenthaltsort des Grafen eine nicht unerhebliche Rolle spielte, belegt die am 1. Mai 1385 erfolgte Übertragung von Gütern bei Gevern zur Ausstattung der bereits existierenden Burgkapelle.107 105 106 107

Ebd. Ebd. Rolf Diether Kohl, Eine Stiftung Graf Engelberts III. von der Mark für die Kapelle auf Burg Schwarzenberg (bei Plettenberg) im Jahre 1385, in: Der Märker 30.1/2 (1981), S. 47–49.

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Erbburglehen sind für Burg Schwarzenberg erstmals 1345 und 1348 nachweisbar.108 Die damals belehnten Familien von Hanxlede und von Plettenberg treten erneut in den Registern von 1392/93 als Inhaber von Burglehen in Erscheinung.109 Damals war Schwarzenberg mit vier Burglehen ausgestattet, von denen sich je eins im Besitz des Godert von Hanxlede und des Hennike Stotere (von Dudenscheid) befanden, während die zwei verbleibenden Lehen Angehörige der Familie von Plettenberg innehatten. Im Südteil der Grafschaft Mark gehörte die nach Anzahl, Alter und Bedeutung wichtigste Burgmannschaft zur Burg Altena. 1243 war die Stammburg mit fünf Burglehen ausgestattet, rangierte jedoch deutlich hinter der Burg Mark mit zwölf Burgmannen. Burg Blankenstein verfügte 1243 über sechs und Hohenlimburg über sieben Burgmannen.110 In den 1392/93 erstellten Lehnsregistern lassen sich für die Grafschaft Mark neben 79 Burglehen 281 Mann- und 64 Dienstmannlehen nachweisen.111 Befestigte, als Burglehen ausgegebene Burgmannensitze im Umfeld landesherrlicher Burgen sind im Südteil der Grafschaft Mark sowohl für Altena als auch für Schwarzenberg bekannt. Innerhalb der Freiheit Altena wird 1393 ein Burgmannenhof bezeugt. Es handelte sich um den Hof des Pilgrim von Altena.112 Am 5. Juni 1395 verpachtete Graf Dietrich II. von der Mark an seinen Gefolgsmann Diderich van dem Bomgaden ein Haus mit Garten als Burglehen. Das Anwesen befand sich zuvor im Besitz der Familie von Letmathe.113 Hunold von Letmathe hatte am 20. Juli 1349 sein Haus zu Letmathe („myn huess ind wonnynge to Lethmete“) Graf Engelbert III. von der Mark als Offenhaus übertragen und im Gegenzug ein erbliches Burglehen zu Altena erhalten.114 Zum infrastrukturellen Umfeld der Burg Schwarzenberg zählten im Spätmittelalter mehrere Burghäuser. Im Unterschied zu den vollständig abgegangenen Anlagen Sysal und Wibbecke blieben von Bomgaden noch bescheidene bauliche Reste erhalten, die mit aller zu Gebote stehenden Vorsicht eine Rekonstruktion erlauben: Bei dem Burghaus Bomgaden handelte es sich um einen mehrgeschossigen, auf einem künstlichen Plateau gelegenen quadratischen Baukörper von 13 Meter Seitenlänge, der durch einen von der Lenne gespeisten Wassergraben geschützt wurde. 1346 befand sich Bomgaden als märkisches Lehen im Besitz des Heinrich von Plettenberg.115 Erste Hinweise auf den Ort Plettenberg liegen aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts vor. In einem Verzeichnis der dem Kloster Grafschaft zugehörigen Kirchen

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Flebbe, Quellen, Nr. 19, S. 30; Albrecht von Schwartzen, Plettenberg. Industriestadt im märkischen Sauerland, Altena 1962, S. 82; Peter Dietrich Frommann, Aus der Geschichte der Gemeinden Plettenberg, Ohle und Herscheid, Lüdenscheid 1927, S. 10. Margret Westerburg-Frisch (Hg.), Die ältesten Lehnbücher der Grafen von der Mark (1392–1393), Münster 1967, Nr. 164 und 170 sowie 25–27. WUB, Bd. 7, Nr. 546. Westerburg-Frisch, Lehnbücher, S. XXXIV. Flebbe, Quellen, Nr. 40 (1393). Ebd., Nr. 55 (1395 Juni 5). Ebd., Nr. 20 (1349 Juli 20). Westerburg-Frisch, Lehnbücher, S. 135.

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erscheint der Ort 1072 unter dem Namen „Heslipho“.116 Etwa einhundert Jahre später begegnen in der schriftlichen Überlieferung 1187 und 1189 mit „Heidolphus“ und „Heidenricus de Plattenbrath“ die ersten Mitglieder der niederadligen Familie von Plettenberg.117 Der befestigte Adelssitz, der im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts vornehmlich den als Lehnsleuten der Kölner Kirche auftretenden Herren von Plettenberg übertragen wurde,118 war vermutlich mit der an Oester und Else gelegenen Niederungsburg identisch. An ihrer Stelle trat in nachmittelalterlicher Zeit ein schlichtes, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert vollständig abgegangenes Herrenhaus. Johann Diederich von Steinen bezeichnete 1775 „die so genannte Burg, welche wegen der dabey gelegenen Mühle, das Haus oder die Burg bey der Mühlen genennt wird“, als das „rechte Stammhaus der Ritter-Familie von Plettenberg“. Unklar ist, ob es sich bei dem „Steinhof“ in der Nähe des Friedhofs ebenfalls um einen befestigten Adelssitz gehandelt hat, der ursprünglich von den Grafen von Arnsberg als Lehen ausgegeben wurde und der sich 1369 als erzstiftisch-kölnisches Lehen in der Hand einer Familie „vom Steinhove“ befand. Die sogenannte „Burg bey der Mühlen“, die Graf Engelbert III. von den Herren von Plettenberg erworben hatte und die in einer Urkunde vom 27. Juni 1395 als sein „hus tho plettenbergh“ bezeichnet wurde, überließ er einem seiner Burgmänner zu Plettenberg, Johann dem Stotterer, mit dem er unter anderem Absprachen bezüglich des Ausbaus des Plettenberger Burghauses und der Mühle traf.119 Während des 14. Jahrhunderts gelang es den Grafen von der Mark, den Plettenberger Raum aus dem kölnischen Gogerichtsbezirk Attendorn zu lösen und das Gebiet mit einem eigenen Blutbann auszustatten, den Köln jedoch endgültig erst im folgenden Jahrhundert aufgab, wie man auch noch 1422 einen kölnischen Amtmann für kurkölnische Untertanen im Amt Plettenberg einsetzte.120 Der weiteren Einbeziehung des umstrittenen Grenzgebietes zu Kurköln und Attendorn diente der Erwerb der Plettenberger Vogteirechte durch die Grafen von der Mark. 1350 gelangten als erste Hälfte von Heinrich von Plettenberg und seinem Sohn sowie aus 116

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Vgl. Schwartzen, Plettenberg, S. 11. Zur Diskussion um die Ersterwähnung Plettenbergs in den Schriftquellen des 11. Jahrhunderts: Stadt Plettenberg (Hg.), Plettenberger Stadtgeschichte, 7 Bde., Plettenberg 1993–1998, hier Bd. 5: Plettenberg vom Dorf zur Stadt. Aspekte Plettenberger Geschichte im Mittelalter und der frühen Neuzeit bis zum Stadtbrand 1725, bearb. v. Bernd Fuhrmann, S. 44–46. Zur Entwicklung des Ortes Plettenberg ferner: Stievermann, Städtewesen, S. 48–52; Kreft, Eisengewerbe, S. 341–346. REK II, Nr. 1299 (1187); WUB, Bd. 7, Nr. 104 (1189). Nach einem Güterverzeichnis des Grafen Ludwig von Arnsberg befanden sich das feste Haus in „Plettenbracht“ sowie eine Mühle um 1300 in der Hand des Hermann von Plettenberg. Seibertz, UB, Nr. 551. Emil Dösseler (Hg.), Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, 4 Bde., Düsseldorf 1954–1968, hier Bd. 4: Quellen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des mittleren Lennegebietes, Tl. 1, S. 91. Jürgen Goebel, Die Gerichtsverfassung des märkischen Süderlandes von der Entstehung der Grafschaft Mark bis zu den Reformen von 1753, in: Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark 63 (1962), S. 1–267, hier S. 48.

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dem Besitz des Gerhard von Plettenberg „Dorp und Luide to Plettenbracht“ und damit wohl sämtliche Rechte durch Kauf an Graf Engelbert  III. von der Mark.121 1385 ging schließlich auch die zweite Hälfe der Vogtei an den Grafen über.122 Unklar ist, ob es sich um eine Vogtei über die Besitzungen des Kölner St. Andreasstiftes123 oder des Klosters Grafschaft124 handelte, da beide geistliche Institutionen im Raum Plettenberg begütert waren. Eine entscheidende Zäsur hinsichtlich des Aufstiegs der Grafen von der Mark in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stellte die 1328 zwischen Adolf II. von der Mark – dem Vater Engelberts III. – und Margarethe (gest. um 1347), der Erbtochter des Grafen Dietrich VII./IX. von Kleve (reg. 1310–1347) geschlossene Ehe dar. Nach dem Ableben von Margarethes Onkel, Graf Johann (reg. 1347–1368), gelangte die Grafschaft Kleve 1368 an Adolf I./III. von der Mark (um 1334–1394), der nach dem Tod seines Bruders Engelbert 1391 auch dessen Nachfolge in der Grafschaft Mark antrat. Die letzten Jahre des 14. Jahrhunderts waren erneut von kriegerischen Ereignissen geprägt: Adolf I./III. von Kleve-Mark war mit Margarethe von Jülich (gest. 1425) vermählt. Seine Söhne Adolf II./IV., Dietrich II. und Gerhard waren mit ihrem Verwandten, dem 1380 zum Herzog erhobenen Grafen Wilhelm II. von (Jülich-)BergRavensberg (reg. 1360/80–1408), in Erbauseinandersetzungen verwickelt. Zwar gelang es Dietrich II. von der Mark, den Herzog im Sommer 1397 in der Schlacht bei Kleverhamm zu schlagen, er konnte jedoch nicht verhindern, dass im selben Jahr Graf Dietrich IV. von Limburg (reg. 1364–1400), ein Bündnispartner Wilhelms II. von (Jülich-)Berg-Ravensberg, Burg Schwarzenberg einnahm und besetzte. Als Ersatz für die 1397 an seinen Gegner verloren gegangene Burg Schwarzenberg erhob Graf Dietrich II. von der Mark die Siedlung Plettenberg zur Stadt125 und ließ das bereits 1386 und 1387 mit verschiedenen Privilegien126 ausgestattete „Dorpe to Plettenbracht“ befestigen. Everhard von Wickede, den Graf Adolf von der Mark zum Amtmann von Altena, Iserlohn und Plettenberg bestellte, befahl er am 11. Juni 121 122 123 124 125

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Vgl. Schwarzten, Plettenberg; Stievermann, Städtewesen, S. 48. Goebel, Gerichtsverfassung, S. 48; Schmidt, Urkundenverzeichnisse, S. 220. Eberhard Fricke, Zur frühen Landeskunde, insbesondere zur Entstehung der Gerichtsverfassung im Süderland, Altena 1970, S. 164. Varenhold-Huland, Grundlagen, S. 77, Anm. 328. Der am 1. April 1397 für Plettenberg ausgestellte Privilegienbrief ist in Abschriften aus den Jahren 1510 und 1755 überliefert. Martin Lipka, Graf Dietrich von der Mark. Plettenberger Freiheitsbrief (1. April 1397), in: Heimatbund Märkischer Kreis (Hg.), Plettenberg. Beiträge zur Heimat- und Landeskunde, Altena 1994, S. 45–49. In einem Privileg vom 2. Oktober 1386 verbriefte Graf Engelbert von der Mark dem Dorf und dem Kirchspiel Plettenberg die Zollfreiheit in seinem Territorium. Am 14. April 1387 erteilte Graf Engelbert von der Mark den Bewohnern des Dorfes Plettenberg das Recht, im Dorfbereich näher an die Straßen heran zu bauen und Zäune zu errichten sowie über Behinderungen der Viehtrift im Außenbereich selbst zu entscheiden. In einer weiteren, am 1. Juni 1387 ausgestellten Urkunde erhielten die Einwohner das Recht, für ihre Holzmarken einen Holzrichter und Holzknecht zu bestimmen. Zu den Privilegien von 1386 und 1387 vgl. Fuhrmann, Plettenberg, S. 55–58.

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1398 im „slot Plettenbragth“ 15 Gewappnete mit Gefolge (Gleven) zur Verteidigung bereit zu halten.127 Gegenüber dem Kölner Erzbischof Friedrich  III. von Saarwerden (reg. 1370– 1414), der gegen diese Maßnahme Einspruch erhob, versicherte Graf Dietrich  II. am 6. März 1398, die Fortifikation Plettenbergs richte sich lediglich gegen feindliche Übergriffe des Grafen Dietrich von Limburg aus der von diesem besetzten Landesburg Schwarzenberg. Dietrich II. von der Mark gelobte dem rheinischen Kirchenfürsten, keine weiteren Arbeiten an der Befestigung vorzunehmen und binnen zwei Jahren nach dem Rückerwerb der Burg Schwarzenberg die bereits errichteten Befestigungsanlagen zu Plettenberg verfallen zu lassen.128 Am 3. November 1399 söhnten sich beide Parteien aus, und zu Beginn des Jahres 1400 gelangte Schwarzenberg wieder in märkischen Besitz.129 Die 1.700 Gulden für die Auslösung der Burg brachte Wennemar Dücker für seinen Lehnsherrn, Graf Adolf II./IV. von Kleve-Mark, auf. Im Gegenzug erhielt der Ritter die Burg Schwarzenberg, Lüdenscheid und (Berg-) Neustadt als Pfand.130 Mit Blick auf die weitere Entwicklung Plettenbergs zur Stadt hat sich die erzbischöfliche Intervention von 1398 gegen eine Ummauerung wohl nachteilig ausgewirkt. Eine Stadtvergrößerung erfolgte erst um 1500 im Zusammenhang mit dem Mauerbau.131 Vor 1500 wurde der Ort vermutlich lediglich durch Wall und Graben geschützt. Die These des Bedeutungsverlusts des 1397 mit Stadtrechten begabten Ortes im 15. Jahrhundert wird durch die in den Schriftquellen verwendete Terminologie untermauert. Während lediglich in zwei um 1400 bzw. 1422 ausgestellte Urkunden Plettenberg als Stadt („opidum“) bezeichnet wird,132 finden sich in neun zwischen 1411 und 1510 ausgestellten Urkunden die Termini ‚Freiheit‘ bzw. ‚Dorf‘.133

Burg und Stadt als fortifikatorische Einheit: Bergneustadt, Neuenrade und Breckerfeld Im Frühjahr 1301 begann, wie der Chronist Levold von Northof berichtet, der Amtmann Rutger von Altena im Auftrag des Grafen Eberhard  II. von der Mark mit dem Bau der Befestigung zu (Berg-)Neustadt.134 Der Höhenrücken, auf dem 127 128 129 130 131 132 133

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Flebbe, Quellen, Nr. 62, S. 66. NRhUB III, Nr. 1043. Flebbe, Quellen, Nr. 76 (1400). UB Bergneustadt, Nr. 41 (1400 Mai 25). Stievermann, Städtewesen, S. 50; Fuhrmann, Plettenberg, S. 82; Schwarzten, Plettenberg, S. 12 f. Flebbe, Quellen, Nr. 70 (um 1400). Dösseler, Geschichtsquellen, Bd. 1, S. 11 (1456) u. 38 (nach 1480); Flebbe, Quellen, S. 91 (1423), 106 (1450) und 110 f. (1456); Emil Dösseler (Bearb.), Toversichtsbriefe für Soest. Schreiben in Nachlassangelegenheiten an die Stadt Soest von 1325–1639, Münster 1969, S. 65 (1492); Carl Haase, Die Entstehung der westfälischen Städte, 3. Aufl. Münster 1976, S. 148 (1411); Frommann, Geschichte, S. 28 (1462). Northof, Chronica, S. 109 f.

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Rutger von Altena die neue Stadt anlegen ließ, lag in der Gemarkung Wiedenau, die ihrerseits einen Teil des Kirchspiels Wiedenest bildete. Ursprünglich führte die Neugründung des Grafen wohl den Namen „Wiedenau“, wie ein undatiertes, vermutlich zwischen Frühjahr und Herbst 1301 von König Albrecht von Habsburg (reg. 1298–1308) ausgestelltes Diplom belegt, in dem das Reichsoberhaupt genehmigte, dass die „vestunge van Wydenoywe“ die gleiche Freiheit erhalten sollte wie Lüdenscheid.135 Ein weiterer Beleg ist das noch 1351 verwendete Stadtsiegel mit der Umschrift „[S. CIVIT]ATIS DE WIDENAVWE“.136 Als Levold von Northof 1357 seine Chronik der Grafen von der Mark verfasste, war ihm offenbar lediglich der Name „Nystat“ bekannt. Die Tatsache, dass Graf Eberhard II. von der Mark seine Stadtrechtsverleihung vom Reichsoberhaupt bestätigen ließ und die Veste Wiedenau mit Lüdenscheider Recht bewidmet wurde, lässt erkennen, dass der Stadtherr bestrebt war, die Neugründung dauerhaft an seine Stammlande zu binden sowie durch „die Einholung der königlichen Zustimmung ein Rechtsfaktum zu schaffen, und so einen möglichen späteren Einspruch von bergischer Seite vorzubeugen“,137 da Neustadt auf bergischem, wenn auch verpfändeten Grund und Boden entstanden war. Im östlichen Aggerbergland gelegen, nahm die neu gegründete Stadt einen 215 bis 260 Meter über NN hoch gelegenen Bergsporn ein, der nach Norden hin senkrecht zum Wiesental der Dörpe hin abfiel. Die städtische Entwicklung verlief in den ersten Jahrzehnten offenbar noch schleppend; erst 1330 stellte Graf Adolf II. von der Mark anlässlich eines Aufenthalts in Neustadt ein weiteres Stadtprivileg aus, in dem unter anderem drei bereits bewilligte Märkte und ein Rat erwähnt werden.138 Bei der 1301 genannten Befestigung des Ortes dürfte es sich um eine Wall-Graben-Anlage mit Palisaden gehandelt haben. Von einer landesherrlichen Burg („castrum“) ist erstmals 1353 in der Chronik des Levold von Northof im Zusammenhang mit dem Ausbau der Burg Schwarzenberg bei Plettenberg durch den märkischen Drosten Gerhard von Plettenberg die Rede.139 Unklar ist, ob sich die 1330 verwendete Bezeichnung „uf me hauß“ für ein Haus des Grafen Adolf II. von der Mark bereits auf die landesherrliche Burg zu (Berg-)Neustadt bezieht, so dass wir bereits vor 1330 mit der Existenz einer landesherrlichen Burg zu rechnen haben.140 Folgt man dem am 10. Oktober 1548 abgefassten Bericht des Amtmanns Hermann von Ense genannt Varnhagen über den ‚Großen Brand‘ 135

136 137 138 139 140

Das Original ist verloren gegangen. Nach einem am 7. September 1410 angefertigten Verzeichnis befand es sich damals unter den Dokumenten, die im Archiv der Burg Altena aufbewahrt wurden. Vgl. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, Grafschaft Mark, Urk. Nr. 16. Druck: Schmidt, Urkundenverzeichnisse, S. 202; UB Bergneustadt, Nr. 18. Druck: Friedrich von Sybel, Chronik und Urkundenbuch der Herrschaft GimbornNeustadt, Grafschaft Mark, im Kreise Gummersbach Reg.-Bez. Köln, Gummersbach 1880, S. 74. UB Bergneustadt, S. 23. Ebd., Nr. 19 (1330). Northof, Chronica, S. 51 f. UB Bergneustadt, Nr. 19 (1330): Aders geht davon aus, dass in der Urkunde von 1330 das Rathaus gemeint sei.

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Abb. 5: Ansicht von Stadt und Burg Bergneustadt auf einer Augenscheinkarte des Jahres 1570 (Quelle: LAV NRW R, Kleve-Mark XX, Nr. 23)

der Stadt, so bestand die in Stadtrandlage errichtete landesherrliche Burg im Wesentlichen aus einem mehrgeschossigen Turm, Wohnhaus zwei Ställen und anderen nicht näher beschriebenen Gebäuden (Abb. 5). Von der Zerstörung verschont blieben ein kleiner Turm, Küche, Backhaus und Brauhaus.141 Zum infrastrukturellen Umfeld der Landesburg zählte die vor den Mauern der Stadt gelegene Mühle, die – ebenso wie bei der Burg Bilstein –, wie aus dem am 24. April 1395 für Wennemar Dücker ausgestellten Amtsbrief hervorgeht, unter anderem der Versorgung der Burgbesatzungen diente.142 Mit 23 Personen entsprach die Burgbesatzung zu Bergneustadt durchaus der für märkische Landesburgen üblichen Personalstärke. In einem am 1. Februar 1432 mit Dietrich von Hetterscheid geschlossenen Vertrag den Unterhalt des Hauses Neustadt betreffend legte Herzog Adolf  I./II. von Jülich-Berg (reg. 1408/23–1437), Pfandherr von Bergneustadt und der Burg Schwarzenberg, fest, dass der Amtmann auf der landesherrlichen Burg zu Bergneustadt 23 Personen, darunter sechs Bewaffnete, verköstigen und entlohnen sollte.143 Als der Herzog 1423 Wilhelm von Nesselrode zum Amtmann auf Burg Schwarzenberg berief, wies er ihn an, dort 20 „Brotesser“ zu beköstigen. Die Burgbesatzung von Schwarzenberg setze sich unter anderem

141 142 143

Ebd., Nr. 332. Eine flüchtige Skizze der Burg bietet eine 1570 angefertigte Grenzkarte (Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Rheinland, Kleve-Mark XX, Nr. 23). Flebbe, Quellen, Nr. 47 (1395 April 24). UB Bergneustadt, Nr. 76.

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aus sechs Wächtern und jeweils einem Turmhüter, einem Pförtner, einem Koch und einem Kellner zusammen.144 In dem am 13. Mai 1456 für Johann von Altenbochum ausgestellten Amtsbrief wird die Zahl der auf seine Kosten zu versorgenden Personen auf der Burg Altena auf 18 festgesetzt. Abgesehen von den 15 Bewaffneten, zu denen unter anderem zwei Pförtner, zwei Turmhüter, zwei Wächter für das neue Haus und drei weitere Wächter zählten, hatte der Amtmann für die Versorgung von einem Burgkaplan, einem Gaukler und der Küchenmagd aufzukommen.145 In unmittelbarer Nachbarschaft zur landesherrlichen Burg Bergneustadt lag eine 1424 in den Schriftquellen erstmals erwähnte Kapelle, die 1427 ausdrücklich als „unser capellen […] in dem kirspell van Wiedenest“ bezeichnet wurde.146 Bis ins 18. Jahrhundert war die Kapelle kirchenrechtlich der Mutterpfarre zu Wiedenest unterstellt. Wie in zahlreichen Städten und Freiheiten im Südteil der Grafschaft Mark, so lässt sich auch in Bergneustadt im Spätmittelalter eisenverarbeitendes Gewerbe in der Stadt nachweisen.147 Am 12. Januar 1470 führte der Stahlschmied Henne aus Breckerfeld bei Herzog Johann I. von Kleve-Mark (reg. 1448/61–1481) Klage, dass sein Zeichen, das ihm der Amtmann von Altena verliehene habe, um es auf seinen Stahl und Schmiedegerät zu schlagen, von einigen Leuten aus Neustadt mit Genehmigung des dortigen Drosten gebraucht werde.148 Am 29. Januar 1482 verschrieb der Herzog dem in Bergneustadt ansässigen Harnischmacher Johann Schor eine jährliche Rente von drei Malter Roggen aus der dortigen Mühle.149 Zwei Tage später, am 31. Januar, nahm der Landesherr Tilman Hont als seinen Büchsenmeister zu Bergneustadt an und sicherte ihm eine jährliche Rente von neun Malter Hafer aus der Mühle sowie ein Kleidungsdeputat zu.150 In Bergneustadt hergestellte Hakenbüchsen wurden unter anderem auf Märkten in Russland vertrieben.151 Von einem Amt (Berg-)Neustadt ist in den Schriftquellen erstmals 1392 die Rede.152 Bei dieser Bezeichnung handelt es sich jedoch zu diesem Zeitpunkt keineswegs um einen feststehenden Begriff, denn ebenso oft wird der bereits 1392 nachweisbare Amtsinhaber, Wennemar Dücker, in den nachfolgenden Jahren – so zum Beispiel 1395, 1397, 1400 – als Amtmann zu Gummersbach bezeichnet.153 Wie unter dem Ritter Wennemar Dücker, so waren auch unter seinem Nachfolger, Rutger von Neu144 145 146 147

148 149 150 151 152 153

Dösseler, Geschichtsquellen, Bd. 1, S. 9. Flebbe, Quellen, Nr. 138 (1456 Mai 13). UB Bergneustadt, Nr. 66 (1424) und 70 (1427). Grundlegend zu den Eisen- und Stahlerzeugnissen aus den Territorien Berg und Mark sowie deren Verbreitung: Kreft, Eisengewerbe, hier insb. zu Schwertern und Messern (S. 173–175), Panzern (Kettenhemden) und Harnischen (S. 175–184) und zu Feuerwaffen (S. 184–188). UB Bergneustadt, Nr. 181 (1470 Januar 12). Ebd., Nr. 210 (1482 Januar 29). Ebd., Nr. 211 (1482 Januar 31). Ebd., Nr. 264 (1506 Oktober 2). Ebd., Nr. 31 (1392 Mai 2). Ebd., Nr. 36 (1395 Dezember 12), 37 (1397 Februar 10), 39 (1400 April 22) und 40 (1400 April 27).

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hoff genannt Duve, die beiden märkischen Ämter Gummersbach und Lüdenscheid in einer Hand vereinigt. Bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts bildete nicht die 1301 gegründete Stadt Bergneustadt, sondern der Ort Gummersbach das administrative Zentrum des märkischen Besitzes im Oberbergischen Land. Erst 1419 verlegte Graf Gerhard zur Mark das Hochgericht der Veste Gummersbach nach Neustadt.154 Als geschlossene Verwaltungsbezirke bestanden im Südteil der Grafschaft Mark im 14. Jahrhundert die Ämter Lüdenscheid und Iserlohn, später kamen Breckerfeld, Neuenrade und Gummersbach/Bergneustadt hinzu. Verwaltungsmittelpunkt des Gebiets um Plettenberg bildete die Burg Schwarzenberg. Auf Burg Altena war, wie Levold von Northof in seiner Chronik zum Jahr 1301 berichtet, in landesherrlichen Diensten Rutger von Altena tätig, der das Amt eines Truchsess („dapifer“) bekleidete. 1484 setze Herzog Johann II. von Kleve-Mark einen gemeinsamen Amtmann für Altena, Lüdenscheid und Breckerfeld mit Sitz in Altena ein.155 Die zu Beginn des 14. Jahrhunderts angelegte Stadt Neuenrade in breiter Quellmulde des oberen Hönnetals zeichnet sich durch ihre verkehrsferne Lage abseits der wichtigen Handelswege aus.156 Entscheidende Motive für die Neugründung mögen die Absicherung der Grenze des entstehenden märkischen Territoriums gegen den Herrschaftsbereich der Grafen von Arnsberg und der Erzbischöfe von Köln, die in der sogenannten Geverner Mark vermutlich seit dem Mittelalter abgebauten Bodenschätze (Kupfer, Zinn, Eisen) und der Holzreichtum der Gegend gewesen sein. Charakteristisch für die Neuenrader Hochfläche war die Gemengelage von Besitzungen und Herrschaftsrechten verschiedener geistlicher und weltlicher Grundherren. Die seit dem Hochmittelalter nachweisbaren Vogteirechte, welche die Grafen von Arnsberg über den zum Streubesitz der Kölner Abtei St.  Severin gehörenden Hof Blintrop ausübten, konnte 1266 der Ritter Dietrich von Altena mit Unterstützung seines Lehnsherrn, des Grafen Engelbert I. von der Mark, erwerben. Ferner verfügte die Abtei Essen über Besitz und Rechte im Raum Neuenrade. In Berentrop entstand vor 1190 auf dem Beisitz des Klosters Flechtorf die Prämonstratenserpropstei Marienwald, als deren Stifter eventuell der dem Niederadel angehörende Reinhard von Berentrop in Frage kommt. Ein frühes Herrschaftszentrum im oberen Hönnetal bildete die in unmittelbarer Nachbarschaft der späteren Stadt Neuenrade gelegene Niederungsburg, die sogenannte ‚Alte Burg‘, zu deren Gründung die Quellen schweigen. Unklar ist, ob die Burg von den Grafen von der Mark, ihrem Gefolgsmann Dietrich von Altena, dem 1193 bis 1237 belegten Wilhelm von Ohle – einem arnsbergischen Ministerialen im Auftrag des Erzbischofs von Trier – 154 155

156

Ebd., Nr. 54 (1419). Flebbe, Quellen, Nr. 177, S. 156–158 (1484 Oktober 6); Stievermann, Städtewesen, S. 196 f.; Anton Meier, Geschichte und Urkundenbuch des Amtes Breckerfeld (im Folgenden UB Breckerfeld), 2 Teile, Breckerfeld 1900 (ND Breckerfeld 1979), hier Teil II, S. 106. Zur Stadtgeschichte von Neuenrade: Dieter Stievermann. Neuenrade. Die Geschichte einer sauerländischen Stadt von den Anfängen bis zur Gegenwart, Neuenrade 1990; Heinz Stoob (Bearb.), Neuenrade, in: ders. (Hg.), Westfälischer Städteatlas, Lieferung I, Nr. 11, Altenbeken 1975.

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oder von dem Stift Essen zum Schutz des Hofes Ostendorf angelegt wurde.157 Als Graf Engelbert  III. von der Mark 1353 seinen Drosten Gerhard von Plettenberg mit der Anlage von Neuenrade beauftragte, war die ‚Alte Burg‘ offenbar bereits seit geraumer Zeit wüst gefallen. Die Gründung von Burg und Stadt Neuenrade erfolgte 1353 im Kontext einer Fehde gegen den Grafen Gottfried IV. von Arnsberg, dessen Burghaus auf Schwarzenberg bereits im Vorjahr von dem Grafen von der Mark zerstört worden war. 1355 eroberte Engelbert  III. von der Mark die von seinem Kontrahenten Gottfried IV. gegen Neuenrade errichtete Niederungsburg Gevern158 und verlieh Neuenrade einen Stadtrechtsbrief, dessen umfangreicher Katalog an Privilegien die Bedeutung erkennen lassen, die der Stadtherr seiner Neugründung beimaß.159 1366 tätigte das Grafenpaar eine umfangreiche Stiftung für die Kapelle zu Neuenrade, die kirchenrechtlich der Pfarrei Werdohl zugeordnet war. Vor 1367 erfolgte offenbar auch der Bau einer steinernen Stadtmauer, die wohl eine ältere Befestigung, bestehend aus Wall, Graben und Palisaden, ersetzte.160 Am 24. März 1474 verlieh Herzog Johann I. von Kleve-Mark Neustadt das Recht, auf sechs Jahre eine Weinakzise zu erheben, deren Ertrag den baulichen Unterhalt der Stadtmauer gewährleisten sollte.161 Zumindest im Bereich der zeitgleich mit der Stadtgründung 1351 angelegten Burg muss – wie der archäologische Befund nahe legt162 – schon von Beginn an eine steinerne Befestigung existiert haben. Die Burg (Abb. 6, S. 129), die im Wesentlichen aus einem bescheidenen Wohnturm von 9,20 mal 8,60 Meter Seitenlänge bestand, sicherte die Nordwestecke der Altstadt und bildete neben der 1373 erwähnten Pfarrkirche Unser Lieben Frau die zweite städtebauliche Dominante von Neuenrade. Vermutlich hatte der 1363 als „Amptmann tho Rode“ bezeichnete Gerhard von Altena auf der Burg seinen Sitz. Im Zusammenhang mit dem Übergang des Drostenamts an die Familie von Neuhoff, die dieses Amt in der Folgezeit über mehrere Jahrzehnte an sich ziehen konnte, erfolgte 1481 der Ausbau der Burg. Unmittel157 158

159

160 161 162

Vgl. Stievermann, Neuenrade, S. 29–31. Gemäß den Bestimmungen einer durch den Kölner Erzbischof herbeigeführten Sühne zwischen den Grafen von Arnsberg und von der Mark vom 5. September 1354 hatte Graf Gottfried IV. von Arnsberg sein Haus Gevern dem rheinischen Kirchenfürsten übergeben und sich bereit erklärt, sich der durch den Kölner nach zwei Monaten darüber zu treffenden Verfügung zu unterwerfen. NrhUB III, Anm. zu Nr.  537. Zum Arnsberger Besitz von Gevern vgl. das Güterverzeichnis Graf Ludwigs, gedruckt bei Seibertz, UB III, Nr. 551, 22 f., 89 und 92 sowie S. 113 und Nr. 132. Weniger umfangreich waren die Bestimmungen der Privilegienbriefe, die 1355 von Graf Engelbert III. für die Freiheiten Wetter und Blankenstein sowie 1367 für die Freiheit Altena ausgestellt wurde. Vgl. Flebbe, Quellen, Nr. 22 (1355 Januar 5) und Nr. 34 (1367 Dezember 20). Stoob, Neuenrade. UB Bergneustadt, Nr. 195 (1474 März 24). Das Fehlen einer Baunaht zwischen dem Mauerwerk des Wohnturmes und der sich anschließenden Stadtmauer legt nahe, dass die beiden Bauteile einer Bauphase angehören. Zu den Ergebnissen der archäologischen Untersuchung der Stadtburg Neuenrade: Sven Spiong, Verschwundene Herrensitze – neu erforscht. Aktuelle Einzeluntersuchungen zu festen Häusern und Schlössern des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Westfalen 78 (2000), S. 183–200, hier insbesondere S. 188–197.

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bar neben dem Wohnturm entstand ein steinerner Wohnbau. Von der Stadt war das Burggelände durch einen wasserführenden Graben und eine Ringmauer getrennt. Zum infrastrukturellen Umfeld der Burg gehörten zwei Stallungen in der Stadt. Die bescheidene Burganlage verfiel nicht, wie von Gerhard Schrader und Ludwig Kappe angenommen, nach dem Stadtbrand 1521, sondern wurde wohl zwischen 1636 und 1643 aufgegeben, da die Familie von Neuhoff ihren Wohnsitz auf die Burg Pungelscheid verlegte.163 1650 berichten die Quellen von dem mit der Burg identischen unbewohnten und „ruinirten“ Amtshaus zu Neuenrade. Gemeinsam mit Plettenberg gehört Breckerfeld zu den vergleichsweise spät mit Stadtrechten ausgestatteten Orten im Südteil der Grafschaft Mark. Am 1.  August 1396 verlieh Graf Dietrich II. von der Mark dem Ort Breckerfeld einen Privilegienbrief, in dem unter anderem von der Einsetzung von zwei Bürgermeistern und acht Ratsleuten die Rede ist.164 Ungeachtet der Tatsache, dass in dem Privileg Hinweise auf eine Befestigung der Siedlung fehlen, wird man bald nach oder sogar vor der Stadterhebung von einer Umwehrung des Ortes ausgehen können.165 Den ältesten Hinweis auf die Existenz einer Befestigungsanlage bietet das 1405 von Graf Adolf II./IV. von Kleve-Mark dem Ort verliehene Privileg, eine Akzise zu erheben, um Breckerfeld „to beterne und vo vestene“ (zu verbessern und zu befestigen).166 In den Stadtrechnungen von 1449/50 werden keine Ausgaben für Bau oder Unterhaltung von Stadtmauern verbucht. Stattdessen erscheinen neben Toren und Türmen „ein strakeltuen“ und „planken“.167 In einem 1476 zwischen dem Magistrat der Stadt Breckerfeld und dem Stift Essen vereinbarten Vertrag ist von einem „bolwerck off der stat vestinge“ die Rede, dessen Bau den Essener Besitz zu Breckerfeld berührte.168 Über die Armierung der städtischen Befestigungsanlagen erfahren wir 1450 aus der Rechungsüberlieferung von diversen Büchsen.169 Darüber hinaus findet sich dort ein Hinweis auf eine landesherrliche Burg, deren Standort südlich der ringförmigen Bebauung um die Kirche vermutet wird und deren Hauptturm hinter dem Hauptgebäude („berchfrede achte den borchhuse“) 1449/50 niedergelegt wurde.170 Offenbar fiel die Burg zu Breckerfeld 1520 einem Brand zum Opfer und wurde – wie in Lüdenscheid – infolge des Verlustes ihrer Funktion als Amtssitz in der Folgezeit nicht wiederhergestellt. Eine wichtige Quelle zur Topographie der Stadt stellt der 1727 von Johann Michael Moser gezeichnete Plan und Abriss von der abgebrandten Stadt Breckerfelde 163 164 165 166 167 168 169 170

Gerhard Schrader und Ludwig Kappe, Art. „Neuenrade“, in: Erich Keyser (Hg.), Westfälisches Städtebuch, Stuttgart 1954, S. 266–268, hier S. 267. UB Breckerfeld II, Nr. 2. Zur vor- und frühstädtischen Entwicklung Breckerfelds: Stievermann, Städtewesen, S. 44–47; Kreft, Eisengewerbe, S. 303–311. Stievermann, Städtewesen, S. 89, geht von baulichen Aktivitäten an der Befestigung aus, die bald nach der Ausstellung des Privilegienbrief einsetzten. UB Breckerfeld II, Nr. 3. Ebd., Nr. 28. Ebd. Ebd., Nr. 15. Ebd.

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dar.171 Deutlich erkennbar sind die von einem Graben umzogene Stadtbefestigung mit vier Toren sowie die zentrale Lage der Pfarrkirche, die den Mittelpunkt der 1252 erstmals erwähnten Pfarrei Breckerfeld bildete.172 Der wie Neuenrade auf einer Hochfläche gelegene Ort lag unmittelbar an der wichtigen Fernverkehrsstraße, die von Dortmund über Hagen und Siegen nach Frankfurt führte und von der südlich eine Verkehrsverbindung über das bergische Radevormwald nach Köln abzweigte. Als Vorgängersiedlung des Ortes ist das ebenfalls südlich gelegene Altbreckerfeld anzusprechen. Bereits in vorstädtischer Zeit existierten im Umfeld des Ortes Rennfeuerstellen, die Zeugnis von dem dort blühenden Eisengewerbe ablegen. Für das 13. und für das 15.  Jahrhundert lässt sich eine Münzprägung der Grafen von der Mark zu Breckerfeld nachweisen.173 Die Lage des Ortes am Jakobsweg174 war von entscheidender Relevanz für die wirtschaftliche Entwicklung, die im Spätmittelalter vornehmlich durch den Stahlhandel175 geprägt war. Unter den verschiedenen Faktoren, welche die Stadtwerdung begünstigten, dürfte die Rolle Breckerfelds als befestigter Stützpunkt im Grenzsaum zwischen den Territorien Berg und Mark von wesentlicher Bedeutung gewesen sein.176 Sofern sich Graf Dietrich II. von der Mark bereits im Zusammenhang mit seinem Kriegszug gegen die bergischen Städte Radevormwald und Lennep177 1397 des Ortes Breckerfeld als Stützpunkt bedient hat, ist davon auszugehen, dass die Befestigung Breckerfelds sowie die Anlage einer Burg möglicherweise bereits vor der Erteilung des Stadtrechts am 1. August 1396 erfolgten.

Ergebnisse Die Bedeutung der Burg als administratives Zentrum der Herrschaft, als Sammelstelle für Abgaben der Untertanen und als Gerichtssitz findet ihren sichtbaren Ausdruck unter anderem darin, dass bei der Burg, das heißt am Zentrum der Macht, häufig Ansiedlungen unterschiedlicher Größe und Funktion entweder entstanden oder ausgebaut wurden. Betrachtet man die hoch- und spätmittelalterliche Burgenlandschaft Südwestfalens, so fällt auf, dass neben dem Typ der siedlungsfernen Höhenburg eine beachtliche Anzahl von Burgen nachweisbar ist, die mit Städten oder stadtähnlichen 171 172 173 174 175

176 177

Von Johann Michael Moser stammen ferner die Pläne der abgebrannten Orte Hagen, Lüdenscheid, Plettenberg, Schwelm und Unna. UB Breckerfeld II, Nr. 1. UB Breckerfeld I, S. 92; Stievermann, Städtewesen, S. 153. Für das 15. Jahrhundert ist in den Schriftquellen die Jakobskirmes zu Breckerfeld bezeugt: ebd., S. 46. Zur Bedeutung Breckerfelds für den Stahlexport des bergisch-märkischen Raumes: Kreft, Eisengewerbe, S. 302–305 und 311–335, sowie Dieter Scheler, Zunftkauf und Gewerbeentwicklung. Das Breckerfelder Stahlschmiedehandwerk im 15. und 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 88 (1979), S. 100–152. So Stievermann, Städtewesen, S. 44. Zu den bergischen Städtegründungen Lennep und Radevormwald: Friedhoff, Territorium und Stadt, S. 56–63 (Lennep) und 107–112 (Radevormwald).

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Abb. 6: Rekonstruktionsvorschlag für die spätmittelalterliche Stadtburg Neuenrade (Quelle: maßwerke GbR, Münster)

Siedlungen verbunden waren. Zuverlässige Angaben zum quantitativen Verhältnis der beiden Gruppen sind auf der Grundlage des derzeitigen Forschungsstandes zu den mittelalterlichen Burgen im südwestfälischen Raum nicht möglich. Der topographisch-siedlungsgeschichtliche Zusammenhang von Burg und angeschlossener Siedlung wurde bislang – wenn überhaupt – in der Burgenforschung nur am Rande thematisiert. Immerhin besteht in der neueren Forschung Konsens darüber, dass Burg- und Stadtgründungen nicht ausschließlich aus militärstrategischen Überlegungen erfolgten, sondern dass in der Regel mehrere Faktoren für die Anlage eines ‚festen Platzes‘ im Mittelalter ausschlaggebend waren. In Südwestfalen und seinen Nachbarregionen spielten die dort vorhanden Eisenerzvorkommen sowie das damit verbundene Eisengewerbe eine nicht zu unterschätzende Rolle hinsichtlich der Territorial- und Stadtentwicklung.178 Stadt- und Burgnamen wie Iserlohn, Isenburg (bei Hattingen), Isengarten (Oberbergischer Kreis) verweisen auf die in der Nähe der befestigten Plätze vorhandenen Eisenerzvorkommen bzw. die damit verbundenen 178

Vgl. Kreft, Eisengewerbe, S. 35–56 und 193–355.

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Gewerbe. Vereinzelt bieten sogar volkstümliche Bezeichnungen nicht namentlich bekannter Burgen Hinweise auf Rohstoffvorkommen. Ein solches Beispiel ist die auch als ‚Silberburg‘ bezeichnete hochmittelalterliche Alte Burg bei FreudenbergNiederndorf, die im Grenzgebiet zwischen Nassau und Sayn errichtet wurde. Die Beantwortung zahlreicher Fragen bezüglich der weit gefächerten Thematik ‚Burg und Stadt‘ bedarf des interdisziplinären Dialogs von Archäologie, Bauforschung und Geschichtswissenschaft. Wie die hier vorgestellten Beispiele aus dem südwestfälischen Raum eindrucksvoll gezeigt haben, wirft bereits die Frage nach der Genese von Burg und Stadt erhebliche Probleme auf. Erfolgten Burgund Stadtgründung gleichzeitig, wie im Fall von Neuenrade, oder lassen sich zur Abfolge von Burggründung und Stadtentwicklung, wie zum Beispiel in Breckerfeld, keine sicheren Aussagen treffen? Für Neuenrade bestätigen die Ergebnisse der 1998 erfolgten archäologischen Untersuchung des Areals der Stadtburg, dass Burg und Stadtbefestigung zur gleichen Zeit angelegt wurden. Der Schriftquellenbefund erlaubt schließlich die Datierung des Baubeginns von Stadtmauer und Burg in das Jahr 1353. Unklar bleibt die zeitliche Einordnung der vollständig abgegangenen, auf frühneuzeitlichen Ansichten und Plänen noch deutlich erkennbaren ‚Alten Burg‘, die sich durch ihre Lage unmittelbar vor den Mauern von Neuenrade auszeichnet und deren Namen wir ebenso wenig kennen wie den Initiator des Burgenbaus. Mit Blick auf die märkische Stadtgründung (Berg-)Neustadt ist zu konstatieren, dass – sofern wir den Ausführungen des Chronisten Levold von Northof Glauben schenken – die Stadterhebung (1301) der Fertigstellung der Burg (1353) um mehrere Jahrzehnte vorausging. Bei den hier nicht näher behandelten Beispielen Lüdenscheid und Altena waren die Burgen siedlungskonstituierend. Plettenberg entzieht sich insofern einer Einordnung in das Schema der siedlungsfolgenden bzw. siedlungskonstituierenden Burggründungen, als es sich bei der 1395 als Lehen der Grafen von der Mark ausgegebenen Burg ursprünglich um ein festes Haus der Familie von Plettenberg gehandelt hat und die von Graf Engelbert III. 1397 initiierte Stadterhebung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als sich die 1301 erbaute märkische Landesburg Schwarzenberg in der Hand eines territorialpolitischen Kontrahenten befand. Der offenbar lediglich mit Wall und Graben befestigte Ort Plettenberg fungierte gewissermaßen als Gegengründung zu Schwarzenberg. Eine auffallende, wenn auch zeitlich früher anzusetzende Parallele bieten Neuenrade und Gevern. Die arnsbergische Burg Gevern, die sich ab 1354 in der Verfügungsgewalt des Erzstifts Köln befand, diente als militärische Operationsbasis gegen die märkische Stadt Neuenrade, wurde jedoch bereits 1355 von Graf Engelbert III. eingenommen und zerstört. In dem nördlichen Teil des nassau-ottonischen Territoriums bildete die zwischen 1170 und 1220 auf dem Siegberg angelegte Stadt Siegen einen Herrschaftsmittelpunkt. Der früheste indirekte Hinweis auf die landesherrliche Burg datiert in das Jahr 1224. Die günstige verkehrsgeographische Lage verbunden mit der Wirtschaftskraft der Stadt Siegen mag die Grafen von Nassau im 15. Jahrhundert nach Beendigung ihrer Doppelherrschaft mit den Erzbischöfen von Köln bewogen haben, die

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dortige Burg zeitweise als Residenz zu nutzen.179 In dem Ort Hainchen bildete ebenso wie in Freudenberg eine Burg die Keimzelle einer als Tal (Hainchen) bzw. Freiheit (Freudenberg) bezeichneten Siedlung. Auffallend ist das Fehlen von stadtähnlichen Siedlungen im südlichen und im nördlichen Siegerland. Während die Grafen von Nassau im Norden ihres Herrschaftsgebietes mit der Ginsburg über eine wichtige Landesburg verfügten, begnügten sie sich in dem mit ihren Konkurrenten, den Grafen von Sayn, umstrittenen Freien Grund mit dem Öffnungsrecht an Burgen des dort anässigen Niederadels (zum Beispiel Gilsbach). Die in den mittelalterlichen Schriftquellen verwendete Terminologie spiegelt vielfach den Entwicklungsstand der hier näher untersuchten urbanisierten Orte. In Siegen verweist zum Beispiel die Umschrift „SIGENNSIS CIV[ITAS]“ der unter Graf Ruprecht III. von Laurenburg-Nassau in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts geprägten Münzen auf einen zu diesem Zeitpunkt bereits im Gange befindlichen Stadtwerdungsprozess. In Hainchen bestand schon vor dem Verkauf an die Grafen von Nassau 1313 eine vor der Burg gelegene Talsiedlung. Ob die von den neuen Burgherren verordnete Umsiedlung der im Umfeld der Burg lebenden Untertanen in die neu anzulegende „veste“ als Hinweis auf eine geplante Stadtgründung zu interpretieren ist, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. In Freudenberg behielt die 1472 als „oppidum“ bezeichnete bescheidene Siedlung unterhalb der landesherrlichen Burg den Charakter einer räumlich begrenzten Talsiedlung. Eine beträchtliche Erweiterung der Siedlungsfläche erfolgte erst nach einem verheerenden Brand im Jahr 1540. In dem 1397 mit städtischen Privilegien begabten märkischen Plettenberg wirkte sich ein 1399 zwischen Graf Engelbert III. von der Mark und dem Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden vereinbarter Vertrag bezüglich der Einstellung der Arbeiten an der wohl nur aus Wall und Graben bestehenden Ortsbefestigung Plettenbergs im Falle des Rückgewinns der besetzten Burg Schwarzenberg entwicklungshemmend für die weitere städtische Entwicklung aus. Im Zeitraum von 1411 bis 1510 wird der Ort Plettenberg lediglich zweimal als ‚Stadt‘ („opidum“), jedoch neunmal als ‚Freiheit‘ bzw. ‚Dorf‘ bezeichnet. Interpretationsbedarf besteht ferner hinsichtlich der in den spätmittelalterlichen Schriftquellen gelegentlich verwendete Bezeichnung ‚Schloss‘ („slot“) im Zusammenhang mit Städten bzw. Stadtrechtsor179

Die Beschäftigung mit der Frage nach ersten Ansätzen der Residenzbildung im Spätmittelalter im westfälischen, nord- und mittelrheinischen Raum hat ungeachtet einiger vorliegender Untersuchungen zu verschiedenen geistlichen und weltlichen ‚domini terrae‘ noch als Desiderat zu gelten. Zu nennen sind hier etwa Clemens von LoozCorswarem, Wo residierte der Fürst? Überlegungen zu den Aufenthaltsorten der Herzöge von Jülich-Berg bzw. Jülich-Kleve-Berg und ihres Hofes im 15. und 16. Jahrhundert, in: Klaus Flink und Wilhelm Janssen (Hg.), Territorium und Residenz am Niederrhein. Referate der 7. Niederrhein-Tagung des Arbeitskreises Niederrheinischer Kommunalarchive für Regionalgeschichte (25.–26. September 1992 in Kleve), Kleve 1993, S. 189–209, und Jens Friedhoff, Burg – Residenz – Stadt. Die Residenzorte der Grafen von Sayn und Berg im Hoch- und Spätmittelalter, in: Joachim Zeune (Hg.), Von der Burg zur Residenz. Kolloquium des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung in Trier 2007, Braubach 2009, S. 47–57.

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Jens Friedhoff

ten: Wenn Graf Adolf II./IV. von der Mark 1398 seinen Amtmann Everhard von Wickede anweist, im „slot Pletenbraghth“ 15 Gewappnete mit Gefolge für den Kriegsfall bereitzuhalten, so bezieht sich der Terminus „slot“ sicherlich nicht – wie in der Literatur immer wieder zu lesen ist180 – auf das klein dimensionierte ‚feste Haus‘, den vormaligen Adelssitz der niederadligen Herren von Plettenberg, sondern auf die Stadt Plettenberg als befestigten Platz.181 In der am 27. Juni 1413 ausgestellten Urkunde über die Aufteilung des Territorialkomplexes Kleve-Mark zwischen Adolf von Kleve und seinem Bruder Gerhard werden die befestigten Plätze Schwarzenberg, Plettenberg, Lüdenscheid, Bergneustadt, Breckerfeld und Neuenrade unterschiedslos als ‚Schlösser‘ („slaite“) bezeichnet.182

180 181

182

So z. B. Stievermann, Städtewesen, S. 62, und zuletzt Friedrich W. Schulte, Der Streit um Südwestfalen im Spätmittelalter, Plettenberg 1997, S. 107. Eine Parallele für den oftmals unkritischen Umgang mit der Terminologie spätmittelalterlicher Schriftquellen bietet die Ortschronik von Erndtebrück im Kreis SiegenWittgenstein. Die 1429 mit Privilegien ausgestattete Freiheit Erndtebrück wird in zwei 1421 und 1424 ausgestellten Pfandurkunden als ‚Schloss‘ bezeichnet. Der dort verwendete Terminus bezieht sich wohl kaum auf den Sitz des in den Schriftquellen von 1256 bis 1283 nachweisbaren wittgensteinischen Ministerialen Konrad von Erndtebrück, sondern auf den Ort als befestigten Platz. Vgl. Joachim Völkel, Gründungszeiten. Erndtebrücks erste Erwähnung, in: Adolf Laues u.  a. (Hg.), 750 Jahre Erndtebrück, Erndtebrück 2006, S. 23 f, hier S. 24. Zu den urkundlichen Nachweisen des sich nach dem Ort benennenden Ministerialen und zur Verpfändung des Ortes: Günther Wrede, Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, Marburg 1927, S. 148 f. Flebbe, Quellen, Nr. 86 (1413 Juni 27).

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Reinhard Köhne

Burgen und Bergbau im Sauerland Ein Überblick Seit den Anfängen der Burgenforschung im Sauerland wird versucht, Standortfaktoren für die Errichtung von Burganlagen zu finden. In der Mittelgebirgsregion wurden die Höhenburgen meistens mit der Nähe zu vor- oder frühgeschichtlichen Siedlungskammern oder Fernwegen in Verbindung gebracht. Die naturräumlichen Voraussetzungen des Sauerlandes erlaubten für die Grundherren allerdings nur in den wenigen Kalkmulden und Tonschiefersenken eine ertragreiche Landwirtschaft. In den landwirtschaftlich benachteiligten Höhengebieten bot allenfalls die Viehwirtschaft eine Existenzgrundlage. Die Dokumentation des Berg- und Hüttenwesens im Herzogtum Westfalen durch den Arbeitskreis „Bergbau im Sauerland“ ermöglicht nunmehr, Zusammenhänge von Burgenbau und Montanwirtschaft genauer zu untersuchen.1 In der wissenschaftlichen Diskussion finden sich kontroverse Ansichten. Hermann Böttger (1931)2 für die eisenzeitlichen Burgen im Siegerland und Hans Beck (1951)3 sahen direkte Lagebeziehungen von Burgen und Erzlagerstätten im Umland. Philipp R. Hömberg (1998)4 hielt indessen diese These für „wenig überzeugend“. Die Erweiterung der Quellenbasis durch die Verortung der zahlreichen Bergbaurelikte im Gelände5 erlaubt die Betrachtung des montanwirtschaftlichen Potenzials im Umfeld der Burgen. Bergbauspuren sind fast nur noch unter Wald zu kartieren, im Offenland sind die Kleinstrukturen meistens eingeebnet worden. Die Erzlagerstätten finden sich überwiegend als ‚Gangvererzungen‘ in den Klüften und Spalten der devonisch-karbonischen Sedimentgesteine. Die von Faltungen und Hebungen tektonisch aufgearbeiteten Gebirgsstrukturen wurden durch heiße, metallhaltige Lösungen durchdrungen, die in den Gesteinsfugen Erzbänder ausbildeten. Nur im Rüthener Grünsandstein entstand Brauneisenstein durch Metamorphose des Glaukonits. An der Oberfläche ausstreichende Erzgänge werden durch ‚Schachtpingen‘ erschlossen, die bei linearer Anordnung dem Verlauf des Erzganges 1 2 3 4 5

Wilfried Reininghaus und Reinhard Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Münster 2008. Hermann Böttger, Wallburgen, Wege und älteste Eisenindustrie in Südwestfalen, in: Westfalen 16 (1931), S. 117–225, hier S. 213 f. Hans Beck, Zur vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung Südwestfalens, in: Westfalen 29 (1951), S. 9–26, hier S. 9 f. Philipp R. Hömberg, Burgen des frühen Mittelalters in Westfalen, in: Westfälischen Museum für Archäologie (Hg.), Hinter Schloss und Riegel. Burgen und Befestigungen in Westfalen, Münster 1997, S. 120–159, hier S. 155 f. Reininghaus/Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke.

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Reinhard Köhne

Abb. 1: Venetianerstollen am Bastenberg bei Bestwig-Ramsbeck (Foto: R. Köhne)

folgen. Erst wenn die Gesteinsformation der ‚Kuhle‘, wie es mundartlich heißt, einen weiteren Abbau wegen eindringendem Grundwassers oder Einsturz nicht mehr möglich machte, wurden ertragreiche Erzvorkommen vom Unterhang her durch Stollenbau auf einem tieferen Niveau erneut angefahren. Die Stollen dienten dem Materialtransport und der Entwässerung. Im Gelände erkennt man sie an dem Hangeinschnitt und der vorgelagerten Halde. Die frühmittelalterlichen Stollen sind niedrig und haben ein eiförmiges Profil (Abb. 1). Spätmittelalterliche Grubengebäude wurden durch mannshohe, trapezförmige Stollen erschlossen. Erzreiche Lagerstätten sind daher anfänglich mit Schachtpingen am Oberhang und danach durch Stollenbau im Unterhang ausgebeutet worden. Der Beginn des Erzbergbaus datiert in die frühe vorrömische Eisenzeit. In einer Siedlung bei Brilon-Madfeld wurde aus den Klüften des Massenkalks in einfachen, etwa zwei Meter tiefen Schächten Roteisenstein gewonnen und an Ort und Stelle verhüttet.6 Die Grabung Twiste im Diemeltal bei Niedermarsberg erschloss 6

Westfälisches Museum für Archäologie u. a. (Hg.), Neujahrsgruß 2007. Jahresbericht für 2006, Münster 2007, S. 88.

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Burgen und Bergbau im Sauerland

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eine Hüttensiedlung aus merowingischer Zeit, deren Kupfererz im benachbarten Buchenberg in zahlreichen ‚Pingenfeldern‘ gewonnen wurde.7 C  14-Datierungen lieferten für das Buchholz bei Brilon-Madfeld8 und den Abbaubereich des Venetianerstollens am Bastenberg bei Bestwig-Ramsbeck Betriebszeiten des Bleibergbaus um das Jahr 1000.9 Die Bodenschätze in Verbindung mit der Wärmeenergie aus dem Holzreichtum und die Antriebsenergie des dichten Gewässernetzes ermöglichten montanwirtschaftliche Entwicklungen. Während anfangs die Verhüttung an der Lagerstätte stattfand, verlagerte sich die Produktion seit dem 13. Jahrhundert infolge einer technischen Innovation zu den Flossöfen mit hydraulischem Gebläseantrieb an den Flüssen. Die Verteilung der Erzlagerstätten zeigt einen westlichen und einen östlichen Verdichtungsraum (Abb. 2). Der westliche erstreckt sich bandförmig von Olpe nach Norden über Sundern, Balve bis Arnsberg. Konzentrationspunkte sind die Rhonard bei Olpe mit Eisen, Blei und Kupfer, Silberg mit Eisen und Blei, Sundern mit Eisen, Blei und Kupfer, Balve mit Eisen und Arnsberg mit Eisen und Antimon. Im östlichen Städtedreieck Warstein – Winterberg – Marsberg liegt wiederum überwiegend Eisen, im Ramsbecker Bergland und auf der Briloner Hochfläche Blei mit geringen Silbergehalten, bei Marsberg schwerpunktmäßig Kupfer. Von den eisenzeitlichen Burgen haben die Hünengräben bei Balve und die Bruchhauser Steine bei Olsberg-Bruchausen eine zentrale Lage in den beiden großen Lagerstättenarealen. Vier Wallburgen im Olper Revier und zwei auf den Randhöhen des Mescheder Ruhrtals liegen in einer geringer mit Erzvorkommen ausgestatteten Übergangszone, tangieren aber die agrarisch besser ausgestatteten Gunsträume der Attendorn-Elsper Kalkmulde und der Ruhrtalung mit ihren lössüberwehten Flussterrassen. Im direkten Umfeld des Ringwalls auf dem Wilzenberg bei Schmallenberg-Grafschaft fehlen Bodenschätze. Die strategische Lage der Befestigung auf der überragenden Bergkuppe erklärt sich vielmehr aus der Nähe des zum Rothaarkamm aufsteigenden Fernweges ‚Heidenstraße‘. Hier können auch andere Mittelpunktfunktionen eine Rolle gespielt haben. Im Frühmittelalter verdoppelte sich die Zahl der Höhenburgen. Sie verdanken ihre Entstehung der fränkisch-sächsischen Herrschaftsbildung;10 Rohstoff- und Energiepotenziale begünstigen diese Entwicklung. Die Einführung der Münzwirtschaft schaffte einen erhöhten Silberbedarf, der aber im Sauerland kaum zu decken war. Das an Bleiglanz gebundene Silber erbrachte 1680 von den Gruben der Briloner Hochfläche einen eher geringen Ertrag zwischen sieben und 16 Gramm je Zentner.11 Eine Mittelpunktlage im östlichen Bergrevier hat die Ringwallanlage ‚Borbergs 7 8 9 10 11

Dies. (Hg.), Neujahrsgruß 2001. Jahresbericht für 2000, Münster 2001, S. 103. Freundliche Mitteilung von M. Baales, Westfälisches Museum für Archäologie, Außenstelle Olpe. Für diesen Hinweis danke ich Chr. Bartels vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum. Hömberg, Burgen, S. 155. Bergberichte des Bergmeisters Christoph Frantze an den kurkölnischen Berghauptmann Raban Gaudenz von Weichs und Ferdinand von Wrede: Archiv von Wrede zu Melschede, Nr. 1433.

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Kreis Unna

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., Oberbergischer Kreis

Kreis SiegenWiltgenslein

Abb. 2

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Kreis Paderborn

• Bergbau und Burgen im Herzogtum Westfalen vor 1800

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Kartographie: Hochsauerlandkreis, Geoservice, Toblas Schmitz

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Legende

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Kreis WaldeckFrankenberg

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Burg eisenzeitfich Burg frO hmittelalterlich Burg hoch- u. spatmittelalt. Antimon Blei Eisen Gold Kupfer



Silber



Steinkohlemutung Zinkspat

~ Historische Fernwegetrasse

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Herzogtum Westfalen

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Reinhard Köhne

Abb. 3: Das Pingenfeld Eiserkaulen östlich der Hünenburg in Meschede mit Blick auf Eversberg (Foto: R. Köhne) Kirchhof‘ in unmittelbarer Nachbarschaft zum ergiebigen Roteisenvorkommen auf dem Eisenberg bei Olsberg. Auch die Wocklumer Burg ist in die Eisenerzvorkommen des Balver Waldes eingebunden. Eine ausgesprochene Wegeposition besetzt die Hünenburg Meschede am Verkehrsknoten des Ruhrübergangs. Die Einbindung in das Fernwegenetz erklärt auch den erneuten Ausbau des Wilzenbergs und weist auf die Konstanz zentraler oder strategischer Funktionen hin. Die Kupfervorkommen auf dem Bergsporn Obermarsberg und die Kreuzung von Fernwegen beförderten den mittelalterlichen Burgenbau der Eresburg und später der Arnsberger Landesburg. Im Hoch- und Spätmittelalter verdoppelte sich die Anzahl der Burgen, ein Indiz für die zunehmende Territorialisierung. Der Übergang des Bergregals auf regionale Grundherren erforderte Kontrolle und Schutz der Produktion, da Erzvorkommen in Grenzräumen für Spannungen sorgen. Auf der Hünenburg Meschede und der Alten Burg Arnsberg wurden Verhüttungsanlagen des 11. Jahrhunderts ergraben. Ob sie der Eigenversorgung einer Elite mit Eisen dienten oder dem Technologietransfer, muss angesichts des Forschungsstandes Spekulation bleiben. Die Erschließung der Täler durch Hütten- und Hammerwerke schaffte ein dichtes Netz von neuen Montansiedlungen, die das protoindustrielle Industriegebiet des Sauerlandes komplettierten. Die Kerngebiete mit hoher Lagerstättenverdichtung wurden konstant mit Burganlagen und Fernwegen überzogen, die überregionale Handelsbeziehungen ermöglichten. Der Zugriff auf Erzlagerstätten entwickelte sich zu einem Machtfaktor, welcher der politischen Herrschaftsbildung förderlich war.

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Hans Ludwig Knau

Die Technologie der Eisenverarbeitung im Umfeld der Burg Altena im hohen und späten Mittelalter „Es waren einmal zwei Brüder, die dem Kaiser Otto III. besonders lieb waren, sie stammten aus einem edlen und berühmten Geschlecht, den Orsini, die bis zum heutigen Tage zu den Vornehmsten und Mächtigsten in ihrer Stadt Rom zählten. Diese beiden Brüder kamen mit dem Kaiser über die Alpen nach Deutschland. Da sie durch die Fürsorge ihrer Eltern reichlich Geld hatten, kauften sie im Vertrauen auf die Macht und die Gunst des Kaisers ein Herrschaftsgebiet, und in dem Wunsche, sich einen festen und sicheren Wohnsitz zu beschaffen, begannen sie, einen Berg zu befestigen, den die Eingesessenen Wolfseck nannten, in einer unkultivierten, bergigen, waldreichen und menschenleeren Gegend. Zuerst fällten sie die Bäume im Umkreis und ebneten den Gipfel des Berges ein, dann umschanzten und schirmten sie den Berg mit den ringsum abgehauenen Bäumen. Während dieser Arbeiten gab ihnen ein Vogel, der auf Deutsch Haselhuhn heißt, ein Vorzeichen guten Gelingens. Das Tier wurde nämlich durch den Lärm der Arbeiter und Holzfäller aufgescheucht und flog schutzsuchend dem einen Herrn in den Schoß. Der umhüllte es mit seinem Mantel, den die Adligen nach der Sitte jener Zeit trugen und rief den Arbeitern zu: ‚Mit Gottes Hilfe wird uns das Werk gelingen. Macht weiter in eurer Arbeit und vertraut auf Gottes Gnade! Dann wird dieser Bau glücklich vonstatten gehen!‘ Inzwischen hörte davon der Graf von Arnsberg, dessen Grafschaft sich an Umfang und Macht damals weit und breit erstreckte; es gab auch zu der Zeit keinen anderen Grafen in diesem Landstrich. Der meinte nun, ihm geschehe Unrecht, es sei auch von Nachteil für ihn, wenn jener Berg befestigt und von Fremden besetzt werde; darum schickte er zu ihnen und forderte, sie sollten mit dem Bau aufhören, da er ihnen allzu nah sei. Darnach gaben sie ihrer Burg den Namen und nannten sie Altena (al-te-na), d. h. allzu nahe [nimis prope]. Der Graf von Arnsberg aber wollte sie verjagen und versuchte, den Berg, auf dem sie die Burg begonnen hatten, zu belagern; als er jedoch sah, daß der Platz fest und uneinnehmbar war, zog er unverrichteter Dinge wieder ab.“1 Levold von Northof (1278–1359) – ein Mann von ritterlicher Abkunft,2 Mitglied des Lütticher Domkapitels, Berater der Lütticher Fürstbischöfe Adolf II. (reg. 1313– 1344) und Engelbert (reg. 1345–1368) von der Mark und Erzieher der Söhne Graf Adolfs II. von der Mark (reg. 1328–1346) – gilt als bester Kenner des märkischen 1 2

Levold von Northof, Die Chronik der Grafen von der Mark, übers. und erl. v. Hermann Flebbe, Münster und Köln 1955, S. 58  f.; ders., Chronica comitium de Marka = Die Chronik der Grafen von der Mark, hg. v. Fritz Zschaeck, Berlin 1929, S. 13 f. Northof, Chronik, S. 1–11.

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Grafengeschlechtes. Er war nach heutigen Maßstäben kein objektiver Berichterstatter, sondern „Parteigänger“,3 der sich zwar durchweg als zuverlässig und glaubwürdig erweist, wo er auf sein eigenes Erleben oder zuverlässige Quellen zurückgreifen kann, doch mit zunehmender zeitlicher Entfernung bietet er immer weniger nachprüfbare Fakten. Nach neuestem Urteil wird daher die zitierte Gründungssage als ‚Legende‘ abgetan, die „sämtlichen sonstigen historischen, bauhistorischen, archäologischen und genealogischen Erkenntnissen widerspricht“.4 Die übrigen historischen Quellen fließen nicht gerade reichlich. Mit dem Jahre 1122 ist die älteste urkundliche Erwähnung Altenas5 in der Gründungsurkunde des Klosters Cappenberg fixiert; Eberhard  I. (reg. 1160–1174/80) ist der erste aus dem Hause Berg, der sich permanent Graf von Altena nannte.6 Im Jahre 1200 erlangten die Kölner Erzbischöfe die Lehnsherrschaft über die Burg,7 die etwas mehr als 100 Jahre später schon ihre Funktion als Herrschaftssitz verlor. Adolf I. von Altena (reg. 1198/99–1249) urkundete 1243 erstmalig als Adolf von der Mark,8 einer Burg bei Hamm an der Lippe, nach der das Territorium seinen endgültigen Namen erhielt.9 Die Burg Altena wurde Amtssitz. Von der gleichnamigen Siedlung gibt es in früherer Zeit ebenfalls nur dürftige Nachrichten, 1318 findet der erste Pfarrer Erwähnung.10 1367 verlieh Engelbert III. von der Mark (reg. 1346–1391) der Siedlung 3 4 5 6 7 8 9 10

Northof, Cronica, S. XXXV. Stefan Eismann, Die Burg Altena in Altena, Märkischer Kreis, Münster 2009, S. 4. Hermann Flebbe, Quellen und Urkunden zur Geschichte der Stadt Altena (Westf.), Bd. 1: Von den Anfängen bis 1609, dem Aussterben der männlichen Linie der klevisch-märkischen Herzöge, Altena 1967, Nr. 3, S. 17. Ebd., S. 18. Ebd., Nr. 6, S. 19. Ebd., Nr. 9, S. 20 f. Wilfried Reininghaus, Art. „Altena“, in: Manfred Groten u. a. (Hg.), Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. Stuttgart 2006, S. 29 f. Flebbe, Quellen, Nr. 15, S. 23 f.

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Abb. 1: Burg und Freiheit Altena (lavierte Federzeichnung von Abraham Begeyn 1696) die Rechte einer Freiheit.11 1394 gibt es erste Hinweise auf die Drahtzieherei in Iserlohn,12 1395 auf Bergbau, Verhüttung und Drahtzieherei in Altena.13 Gleichwohl muss es den Historiker reizen, den Ursprüngen des Grafengeschlechts und ihrer Burg nachzugehen, die in der um 1350 verfassten Levold’schen Chronik der Grafen von der Mark gleichsam als „konstituierendes Element“ und „zentraler Ort des Grafengeschlechtes wie seines Gebotsbereiches“ hervorgehoben wird14 – umso mehr, als die Baubeobachtungen bei der umfassenden Sanierung der Burgmauern und Burghöfe in den Jahren 2007/08 keine Hinweise auf die genaue Anfangsdatierung der Burg, wohl aber auf bisher unbekannte Bauten auf den Burghöfen erbracht haben.15 Die archäometallurgische und montanhistorische Forschung hat dagegen eine Fülle von Fakten geliefert, die geeignet sind, die Erbauung der Burg Altena und die nachfolgende Entwicklung von der Dynasten- zur Amtsburg als Instrument zur Sicherung der Herrschaft über ein bedeutendes mittelalterliches Montanrevier zu interpretieren.16 Schon seit der Wende zum 20.  Jahrhundert hat die landesgeschichtliche Forschung im Bergischen Land und im Märkischen Sauerland auf die zahlreichen Schlackenhalden aufmerksam gemacht, die Zeugnisse einer umfangreichen Eisenerzeugung und -bearbeitung sind, nur zu dieser Zeit weder in einen technischen noch zeitlichen Zusammenhang gebracht werden konnten. Lediglich einige keramische Beifunde ließen erste Datierungen zu.17 Auch die Orts- und Flurnamenkunde konn11 12 13 14

15 16

17

Ebd., Nr. 24, S. 38–41. Wilhelm Schulte, Iserlohn. Die Geschichte einer Stadt, 2 Bde., Iserlohn 1937/38, hier Bd. 2: Iserlohner Urkundenbuch, Nr. 48 f., S. 24 f. Flebbe, Quellen, Nr. 56 und 58, S. 64 f. Stefan Pätzold, Levold und die Burgen – Mittelalterliche Befestigungsanlagen in der Chronik der Grafen von der Mark, in: LWL-Museum für Archäologie – Westfälisches Landesmuseum Herne (Hg.), Ritter, Burgen und Intrigen – AufRuhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr, Mainz 2010, S. 211–226, hier S. 217. Eismann, Burg Altena, S. 20. Ein solcher Bezug wurde erstmalig von Wilhelm Quincke in einem Wanderführer der Jugendherberge Altena hergestellt; dieser wurde von Paul Rump, Alter und Name Altenas. Ein Beitrag zu seiner Geschichte, in: Der Märker 16 (1967), S. 179–183, hier S. 181, aufgenommen. Aloys Meister, Die Anfänge der Eisenindustrie in der Grafschaft Mark, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 17 (1909), S. 117–216, hier S. 127; Ernst Voye, Die Industrie im südlichen Teile der Grafschaft Mark, in: Aloys Meister (Hg.), Die Grafschaft Mark. Festschrift zum Gedächtnis der 300jährigen Vereinigung mit Brandenburg-Preußen, Bd. 1, Dortmund 1909, S.  463–534, hier S. 463  f.; Edmund Strutz, Bergische Wirtschaftsgeschichte, in: Justus Hashagen u. a. (Hg.), Bergische Geschichte, Remscheid-Lennep 1958, S. 297–446, hier S. 309.

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te keine wesentlichen Erkenntnisse liefern.18 Die einzig aussagekräftigen Quellen bildeten die Schlackenhaufen,19 zu deren Auffindung die zahlreich vorhandenen Flurnamen20 beitrugen. Es blieb dem Lüdenscheider Lehrer Manfred Sönnecken vorbehalten, durch langjährige, systematische Geländebegehungen und Grabungen seit 1957 historische Erkenntnisse zu erzielen.21 Durch den Autor des vorliegenden Beitrags selbst und Dietrich Horstmann vom Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf wurden die Forschungen weiter vorangetrieben und fanden mit dem Projekt „Eisen- und Stahlerzeugung im Märkischen Sauerland“22 ihren vorläufigen Abschluss. Kartiert wurden auf dem Gebiet des heutigen Märkischen Kreises und einigen angrenzenden Gebieten insgesamt rund 1.800 Schlackenhalden (Abb. 2),23 die vom Typ der Schlacken her der Periode der direkten Eisenerzeugung angehören. Zu einer Halde können mehrere Öfen gehören, so dass sich die Zahl der Schmelzöfen bei etwa 2.000 und mehr bewegen dürfte.24 Die Dichte der Halden war mit rund 500 im Umkreis von sieben Kilometern um die Burg Altena auffällig groß. Ihre Zeitstellung vom 8. bis zum 13. Jahrhundert – wobei die weitaus größte Zahl in das 11. bis 13. Jahrhundert zu datieren sein dürfte25 – bietet den Ansatz, die Burg und ihre Erbauung in die historische Interpretation einzubeziehen.26

1. Verfahren der Eisenerzeugung im Märkischen Sauerland In der Geschichte der Eisenerzeugung werden zwei Perioden unterschieden, die der ‚direkten‘ und der ‚indirekten‘ Eisenerzeugung. Bei der direkten Eisenerzeugung, die im bergisch-märkischen Sauerland bis ins 13. Jahrhundert üblich war, wurde in 18 19

20 21 22

23 24 25 26

Ferdinand Schmidt, Das Osemund-Gewerbe im Süderland bis zur Gründung des Altenaer Eisendrahtstapels (1744), Altena 1949, S. 3 f. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Resthalden, die noch mehr oder weniger sichtbare Spuren hinterlassen haben. Die Schlacken bildeten schon seit dem Spätmittelalter eine wegen ihres Eisengehaltes wichtige Rohstoffbasis, auf die systematisch zurückgegriffen wurde. Voye, Industrie, S. 463 f.; Meister, Anfänge, S. 421–423. Manfred Sönnecken, Die mittelalterliche Rennfeuerverhüttung im märkischen Sauerland. Ergebnisse von Geländeuntersuchungen und Grabungen, Münster 1971. Ein Gemeinschaftsprojekt des Westfälischen Museums für Archäologie (Bendix Trier), des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Westfälischen Wihelms-Universität Münster (Albrecht Jockenhövel) und des MPI Eisenforschung Düsseldorf (Dietrich Horstmann). Vgl. die Karte als Beilage zu Sönnecken, Rennfeuerverhüttung. Hans Ludwig Knau, Grundlagen zur Geschichte von Eisenerzeugung und -verarbeitung im Märkischen Sauerland zur Zeit der Renn- und Floßofenverhüttung, in: Siegerland 87.2 (2010), S. 241–263, mit weiterführender Literatur. Sönnecken, Rennfeuerverhüttung, S. 122–125. Paul Rump, Die Bedeutung der frühmittelalterlichen Eisengewinnung für die Entstehung der Burg Altena, in: Der Märker 19 (1970), S. 55–58, mit weiterführender Literatur.

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Abb. 2: Regionen der Verhüttung im Umkreis von Altena (Entwurf: Manfred Sönnecken) Rennfeuern Eisen geschmolzen. Der Begriff ‚Rennfeuer‘ lässt sich von der Schlacke her erklären, die beim Schmelzvorgang in flüssiger Form abgeleitet wurde, während das reduzierte Eisen in fester Form anfiel.27 ‚Direkt‘ heißt dabei, dass das Eisen in einem Schmelzprozess aus dem Erz reduziert und anschließend durch Schmieden weiterverarbeitet werden konnte, während beim heute noch angewendeten ‚indirekten‘ Verfahren schmiedbares Eisen und Stahl in zwei Verarbeitungsstufen produziert werden. Zunächst wird dabei im Hochofen Roheisen geschmolzen, welches nur zu Gusseisen verwendet werden kann, während die Verarbeitung zu schmiedbaren Eisen- und Stahlqualitäten in einer zweiten Schmelze, die man ‚Frischen‘ nennt, erfolgt. ‚Frischen‘ heißt dabei, mit Hilfe von Sauerstoff den Kohlenstoffgehalt des Roheisens so weit zu senken, dass die erwünschten Verformungseigenschaften erreicht werden.

27

Vgl. Radomir Pleiner, Iron In Archaeology. The European Bloomery Smelters, Praha 2000, S. 131, und Bernhard Osann, Rennverfahren und Anfänge der Roheisenerzeugung. Zur Metallurgie der Wärmetechnik und der alten Eisengewinnung, Textteil, Düsseldorf 1971, S. 6.

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Hans Ludwig Knau

Man unterscheidet in den jeweiligen Regionen eine Reihe verschiedener Typen von Rennfeuern und Rennöfen.28 Im Märkischen Sauerland kamen davon zwei zur Anwendung: der Rennofen und der flache Rennfeuerherd, beide mit außen liegender Schlacken-Abstichgrube.29 Die Gründe hierfür waren zunächst nicht bekannt, liegen aber nach neuesten Erkenntnissen in der Zusammensetzung der Erze. Solche mit Mangangehalt wurden im flachen Rennfeuerherd, andere ohne Mangan, wie der Roteisenstein (Hämatit) des Felsenmeeres, wurden im Rennofen verhüttet.

Der historische Bergbau und die Bedeutung von Holz und Wasser Die historische Eisenverhüttung im Märkischen Sauerland basiert auf lokalen Erzvorkommen.30 Der preußische Fabrikenkommissar Eversmann hat schon 1804 mit dem Felsenmeer bei Hemer und dem Ebbegebirge bei Valbert die wohl wichtigsten märkischen Bergbaugebiete benannt.31 Alfred Nehls hat die Geschichte des Bergbaus im Oberbergischen Kreis geschrieben,32 der im ehemals bergisch-märkischen Grenzbezirk am Kaltenbach33 für die Weiterverarbeitung in den Osemundhämmern34 des Amtes Altena von einiger Bedeutung war. Schon zur Zeit der direkten Eisenerzeugung ist im Felsenmeer bei Hemer der Erzabbau in Schächten nachweisbar.35 Im Siegerland hat Uwe Lobbedey den Nachweis des Schachtbaus mit abgehenden Stre28 29 30

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Pleiner, Iron, S. 145–195. Sönnecken, Rennfeuerverhüttung, S. 117–119. Volker Haller, Erzlagerstätten, Bergbau und Verhüttung in der Lüdenscheider Mulde (Märkisches Sauerland), in: Der Sauerländer Naturbeobachter 31 (2010), S. 11–81; ders., Die Erzlagerstätten der postvariscischen Mineralisation im Raum Deilinghofen und ihre montangeschichtliche Bedeutung, in: Der Schlüssel 55 (2010), S. 13–39; Karsten Binczyk u. a., Dahle. Alter Bergbau vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Erdgeschichte vom devonischen Meeresboden zur Giebelhochfläche, Altena-Dahle 2004; Wilfried Reininghaus und Reinhard Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Münster 2008. Friedrich August Alexander Eversmann, Uebersicht der Eisen- und Stahl-Erzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe, Dortmund 1804, S. 197. Alfred Nehls, Aller Reichtum lag in der Erde. Die Geschichte des Bergbaus im Oberbergischen Kreis, Gummersbach 1993. Ebd., S. 139–150. Das Kaltenbacher Erz war manganreich und daher für die Drahterzeugung im Amt Altena begehrt. „Osemund“ ist die spezielle Bezeichnung eines Frischverfahrens, für das in Deutschland das Amt Altena bekannt war. Bei diesem Verfahren wurde aus Roheisen ein schmiedbares und zur anschließenden Weiterverarbeitung zu Draht besonders geeignetes Halbprodukt erzeugt. In der Literatur unterscheidet man das schwedische und deutsche oder märkische Verfahren, Osemund zu schmieden. Vgl. dazu: Johann Georg Ludolph Blumhof, Versuch einer Encyklopädie der Eisenhüttenkunde und der davon abhängenden Künste und Handwerke, oder alphabetische Erklärung der bey der Schmelzung, Verfeinerung und Bearbeitung des Eisens vorkommenden Arbeiten, Begriffe und Kunstwörter, 4 Bde., Gießen 1816–1822, hier Bd. 3, S. 401–411. Wolfgang Hänisch, Zur Bergbauforschung im Felsenmeer. Die Wiederentdeckung des alten Felsenmeer-Bergbaues um das Jahr 1000 n.  Chr. in Hemer/ Sundwig, in: Ho-

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Abb. 3: Rennverhüttungsbezirke und Erzimporte aus Hämatitlagerstätten im Märkischen Sauerland (Entwurf: V. Haller, Zeichnung: E. M. Habbel)

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