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German Pages 275 Year 1997
MICHAEL KUBINK
Fremdenfeindliche Straftaten
Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von Klaus Bernsmann, Hans Joachim Hirsch Günter Kohlmann, Michael Walter Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln
Band 21
Fremdenfeindliche Straftaten Polizeiliche Registrierung und justizielle Erledigung - am Beispiel Köln und Wuppertal
Von Dr. Michael Kubink
DUßcker & Humblot · Berliß
Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kubink, Michael: Fremdenfeindliche Straftaten : polizeiliche Registrierung und justizielle Erledigung - am Beispiel Köln und Wuppertal / von Michael Kubink. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Kölner kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 21) ISBN 3-428-08692-9 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-08692-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 i§J
Zum Geleit Die vorliegende Schrift behandelt ein gesellschaftlich brisantes und zugleich politisch bedruckendes Thema. Spektakuläre Ereignisse, die in unserem Gedächtnis meist mit bestimmten Städtenamen verbunden werden, führen zu einer kurzzeitigen öffentlichen Alarmstinunung, um dann den Vorrang der Aufmerksamkeit alsbald wieder an andere Probleme abzugeben. Indes machen solche scheinbaren Entlastungen längerfristige Analysen nicht überflüssig und heben die Notwendigkeit zuverlässiger Informationen nicht auf. Doch wie verläßlich sind die zur Verfügung stehenden Daten, und welche Aussagen können aus ihnen gewonnen werden? Dieser Frage wendet sich die Untersuchung von Michael Kubink zu, die im Auftrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an der Kriminologischen Forschungsstelle der Universität Köln erstellt worden ist. Die Ergebnisse der Studie sind ernüchternd, aber auch weiterführend. Es zeigt sich einmal mehr, wie sehr insbesondere die polizeilichen Registrierungen von der Befindlichkeit und Sensibilität der Opfer und der Kontrolleure abhängen. Der Reaktionsansatz, der in den 70er Jahren die Kriminologie unter dem Stichwort des labeling approach nachhaltig beeinflußt hat. vermag - obwohl inzwischen alt geworden - gerade in unserem Kontext das Kriminalitätsverständnis zu bereichern, ja überhaupt erst ein überzeugendes Verständnis von "fremdenfeindlichen Straftaten" zu vermitteln. Es sind, wie zu zeigen sein wird, oft nicht die Taten, denen diese Eigenschaft innewohnt, sondern recht freie Interpretationen. die bestimmten Meldungen beigegeben werden, anderen indessen nicht. Die Bedeutung der vorliegenden Untersuchung läßt sich in vier zentralen Punkten zusammenfassen. Sie besteht zum ersten in der exemplarischen Veranschaulichung polizeilicher Interpretationsspielräume. Zum zweiten wird aufgezeigt, wie wenig sich verwaltungstechnisch eingerichtete Datensammlungen, die aktuell als besonders bedrohlich eingestufte Delikte und deren Entwicklung erfassen sollen. als Planungsgrundlage für politische Entscheidungen eignen können. Zum dritten spiegeln die Informationen. welche die Strafverfolgungsbehörden über die betreffenden Delikte sammeln. wieder ein-
6
Zwn Geleit
mal nicht die dramatischen Nachrichten, die von bestimmten Medien herausgegeben werden. Und viertens liefert der gesamte strafrechtliche Umgang mit den als fremdenfeindlich eingestuften Delikten keine rationalen Anhaltspunkte für eine verschärfende Abänderung des geltenden Jugendkriminalrechts. Zu wünschen ist eine breite und lebendige Diskussion der vorgestellten Befunde und Interpretationen. Zu danken habe ich der Ministerin für Jugend und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die finanzielle Förderung sowie Herrn Dr. Kubink für die Durchführung der Untersuchung. Köln, im Februar 1996
Afichael Walter
Vorwort Diese Untersuchung stellt das besondere Thema der Fremdenfeindlichkeit in einen allgemeinen Kontext von Jugendkriminalität. Es ist ein Zeitgeist, der junge Menschen selten einmal auf der gesellschaftlichen Habenseite sieht, welcher zugleich den Blick tUr ihre scheinbar "allgegenwärtigen Untaten" schärft. Solche Taten bilden jedoch weder den Normalfall sogenannter fremdenfeindlicher Kriminalität, noch sind allein Jugendliche und Heranwachsende als Täter beteiligt. Der Auftraggeber, das Bundesministerium tUr Familie, Senioren, Frauen und Jugend, kann sich ermutigt sehen in seinem Bemühen um eine intensivierte Jugendhilfe, ohne begründeten Einwänden der Kriminalpolitik ausgesetzt zu sein. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof Dr. Michael Waller, dessen Gesprächsbereitschaft maßgeblich zur perspektivischen Erweiterung der Arbeit beigetragen hat. Für die datentechnische Aufbereitung war Herr Chrislian Bahß verantwortlich, dem ich ebenso herzlich danken möchte. Die Befunde konnten erlangt werden durch eine freundliche und uneingeschränkte Kooperation der polizeilichen Ermittlungsgruppen tUr fremdenfeindliche Straftaten in Köln und Wuppertal sowie die dortigen Staatsanwaltschaften und nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung der Jugendgerichtshilfe in Wuppertal. Auch ihnen allen gilt mein Dank. Köln, im Februar 1996
Michael Kubink
Inhaltsverzeichnis Ausgangssituation und Fragestellung....... .......................................................
21
A Die Erhebungen bei den Polizeibehörden... .............................................
24
I. Datenbasis wId Stichprobenbildung. ........ .................................. ..........
24
ll. AuswertwIg der BefwIde................... ........... ......... ........... ........ ...........
25
1. Zeitliche Verteilwlg der polizeilichen Enllittlungsvorgänge..........
25
a) BefwIde in Köln und Wuppertal...........................................
25
b) Kontrast mit Bundes- wId Landeswerten im Zeitverlauf........
26
c) Häufigkeitsziffem fremdenfeindlicher Straftaten differenziert nach BWIdesländem... ........................ ..... ......... ........ .....
29
d) Erste ErkläfWlgen für die zeitliche Verteilung der RegistriefWIg fremdenfeindlicher Delikte... ...... .... ..............................
32
2. Die EntdeckwIg der fremdenfeindlichen Straftat.............. .............
34
a) Kategorienbildwlg................................................................
35
b) Kategorienverteilwlg.......... ........... .............. .........................
37
aa) Die Kölner Stichprobe.................................................
37
bb) Die Wuppertaler Verfahren..........................................
39
ce) Das Kölner Gesamtaufkommen....................................
40
dd) Kontrast mit BWIdes- und Landeswerten hinsichtlich der Deliktsverteilwlg...................................................
43
c) Kategorienverteilwlg im Zeitverlauf.....................................
48
d) Zeitliche Verteilung der Kategorien differenziert nach dem Kölner wId Wuppertaler Stadtgebiet wId dem jeweiligen Umfeld........ ....... .............................. ..... ........................... ....
49
3. Die Definition der fremdenfeindlichen Straftat - Motivbewertungen bei den einzelnen Kategorien..................................................
54
a) MolivbewertlUlg im Vergleich der Kölner Stichprobe lUld der Wuppertaler Verfahren...................................................
55
10
hlhaltsverzeichnis b) Motivbewertung bezogen auf das Kölner Gesamtaufkommen......................................................................................
58
c) Veranschaulichung der Motivattribution anhand ausgewählter Beispiele aus Köln wld Wuppertal.... ...............................
64
aa) Definitionskriterien bei verdeckten Taten der Kl wld K2...............................................................................
64
bb) Definitionskriterien bei offen begangenen Taten der K3...............................................................................
71
cc) Definitionskriterien bei Gewaltdelikten der K4 - K6....
74
dd) Definitionskriterien bei Diebstählen der K7.................
83
ee) Gebrauch der Definition bei Taten lmter Ausländem (K8).............................................................................
84
fT) Definitionskriterien im Grenzbereich tremdenfeindli-
eher Taten (KlO).........................................................
87
d) Zusanullenfasscnde Kritik der Definition - praktische Bedeutung fitr die statistische Erfasswlg tremdenfeindlicher Straftaten..............................................................................
89
4. Fremdenfeindliche Stratlaten wld Täterennitthmg........................
92
a) Aufklärwtgsquote.................................................................
93
b) Verhältnis von Täterennittlwlg wld Motivbewertwlg............
101
c) Einzelne Enllittlwlgsstrategien.............................................
105
5. Art der Verfahrenscinleitlmg..................... ...... ... .......... .. ...............
108
6. Tatort und äußere Tatsituation................ .. ........ .................. ..........
115
7. hUlerer Tatralunen - Sozialdaten, EntstehwlgszusanUllenhänge......
120
a) Tätenllerkmale.....................................................................
120
b) Opfenllerkmale....................................................................
129
c) hUlere Tatgenesc..................................................................
137
aa) Täter-Opfer-Beziehungen.............................................
137
bb) Entstehungs- und Thematisierwlgsbedingungen - vom Fremdenhaß zur "Fremdenfeindlichkeit"......................
140
8. Tauglichkeit des Merkmals "fremdenfeindliche" Stratlat..............
144
a) Begritniche Ungenauigkeit...................................................
144
b) Verzicht auf "Fremdenfeindlichkeit" - Einbußen bei der Strafverfolgung?...................................................................
146
c) KooperationsbedOrfnissc.......................................................
147
blllaItsverzeiclUlis
11
B. Die Erhebungen bei den Justizbehörden..................................................
149
1. Aufgabenstellung wld Methodik..........................................................
149
n.
Auswertwlg der Belimdc............................................................ .........
150
1. Ennittlwlgstätigkeit der Staatsanwaltschall - "Werdegang" der Verfahren.....................................................................................
150
2. Staatsanwaltschall als Anklage-lmd Erledigwlgsbchörde..............
155
a) Vertilhrenseinstellwlgen gemäß § 170 Abs. 2 StPo...............
159
b) Verfahrellseinstellungell gemäß § 153 Abs. 1 StPO...............
164
c) VerfahrenseinstelhUlgen gemäß § 153a StPO........................
165
d) Verfahrenseinstellwlgell gemäß § 376 StPO.........................
167
e) Verfahrellseinstellwlgen gemäß §§ 154,205 StPO................
168
f) blfonnelle Sanktionen nach dem Jugendstrafrecht..... ..... .......
169
3. Verurteilwlgen nach dem allgemeinen Strafrecht..........................
171
a) Verurteilungen in Köln.........................................................
171
b) Vemrteilwlgen in Wuppertal................................................
172
4. Verurteilwlgen nach dem Jugelldstratrecht....................................
173
a) Verurteilwlgen in Köln............................ .............................
173
b) Verurteilwlgen in Wuppertal................................................
174
5. Anklageerhebung, ErötTnwlgsbeschluß wld Verfahrensdauer........
178
6. Entscheidungsgründe - Berucksichtigwlg von Täterpersönlichkeit wld Tatmotiv................................................................................
180
7. Anwaltliehe Vertretwlg - Beteiligung der JGH.............................
183
Bestandsaufualune justizieller Sanktionen................ .......... .................
187
C. Dogmatischer Teil.....................................................................................
189
1. Kriminalpolitische Aspekte der Fremdenfeindlichkeit... ......................
189
m.
n. m.
Strafrechtssystematische Aspekte der Fremdenfeindlichkeit... .............
190
Reaktionsmodell fUr fremdellieindliche Straftaten...............................
192
I. Straftaten der K 1 wld K2.......... ......................... ...........................
193
a) hn Zweitel für die eingritTsschwächere staatliche Maßnalune
194
b) Stigmatisierwlg durch Ausgrenzung.......... ........ ....................
196
12
Inhaltsverzeic1mis c) Episodenhathgkcit von Jugendkriminalität........... .................
196
d) Nonllalität von Jugendkriminalität.................. ......................
197
e) Zusanullenfassllllg der Sanktionsvorschläge für leichtere fremdenfeindliche Delikte im Vergleich mit der justiziellen Praxis...................................................................................
198
2. Straftaten der K3 und K5... ........... ...... .......... ................ ................
200
a) Die forensische Praxis - Arbeitsweisl111g gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG............................................................................. 201 b) Täter - Opfer - Ausgleich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG........
202
aa) Zielsetzwlg..................................................................
202
bb) Anwendbarkeit auf tremdenfeindlich motivierte Taten.
203
ce) MitwirklUlgsbedürfnisse von Täter und Opfer..............
204
3. Straftaten der K4 lUld K6..............................................................
208
a) Betreuungsweisllllg gemäß § 10 Abs. I Nr. 5 JGG................
208
aa) AnwendwlgsvoraussetzlUlgen lUld Ziele.......................
208
bb) Chancen der BetreulUlgsweisung..................................
209
b) Sozialer Trainingskurs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 JGG...........
211
aa) AnwendwlgsvoraussetzlUlgen wid Ziele.......................
211
bb) Möglichkeiten gegenüber fremdenfeindlichen Gewalttätenl...........................................................................
212
ce) Elemente pädagogischer Jugendarbeit im einzelnen......
215
c) Zuchtmittel - insbesondere der Jugendarrest.......... ...............
219
aa) Allgemeine Aspekte....................... ...... .... ....................
219
bb) Jugendarrest gemäß § 16 JGG......................................
219
ce) Geldbuße gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 JGG.......................
222
dd) Arbeitsauflage gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 JGG...............
222
ce) Zweckmäßigkeit von Zuchtmitteln bei lremdenfeindliehen Straftaten.............................................................
223
d) Jugendstrafe gemäß § 17 JGG...............................................
223
aa) Jugendstrafe aufgrwld von schädlichen Neigungen gemäß § 17 Abs. 2 I. Alt. JGG................... ..................... 224 bb) Jugendstrafe aufgrwld der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG................................................
226
(I) SchuldbegrifT......................................................
227
(2) "Schwere der Schuld" als Konzept der Generalprävention. ..........................................................
228
InhaltsverzeiclUlis
13
(3) (Jugend-)Stratrechtliche Bedenken gegen das Konzept der Generalprävention. ..........................
231
cc) Gestaltungsmöglichkeiten der Jugendstrafe..................
232
dd) Jugendstrafe lUld kriminalpolitische Forderungen.........
234
( I) Das besondere Stratbedür[nis des "Fremdenteindes"....................................................................
234
(2) Kriminalpolitische Aspekte des Konzepts der Generalprävention - MorahUltemell1l1ertum.........
239
IV. Antworten auf die dogmatischen und rechtspolitischen Fragen.............
241
Gesamtbewertung. ...........................................................................................
244
Literatun'erzeichnis.........................................................................................
253
Tabellenverzeichnis Tabelle la:
Verteilung der Köhler Stichprobe differenziert nach Kategorie wld Monat (im Jahre 1993).............................
48
Tabelle Ib:
Verteilwlg der Wuppertaler Verfahren differenziert nach Kategorie wld Monat (im Jahre 1993).............................
49
Tabelle 2a( 1):
AufklänUlgsquote differenziert nach Kategorie wld Monat in Köln (im Jahre 1993)............................................
97
Tabelle 2a(2):
Aulklärwlgsquote differenziert nach Kategorie und Monat in Wuppertal (im Jahre 1993)....................................
98
Tabelle 2b(1):
Unaufgeklärte Fälle differenziert nach Kategorie wld Monat in Köln (im Jahre 1993).......................................
100
Tabelle 2b(2):
Unaufgeklärte Fälle differenziert nach Kategorie wld Monat in Wuppertal (im Jahre 1993)..............................
100
Tabelle 3a:
Zusallunenhang von Tatmotiv wld Tataulklärung in Köln (im Jahre 1993)......................................................
102
Tabelle 3b:
Zusammenhang von Tatmotiv wld Tataulklärullg in Wuppertal (im Jahre 1993).............................................
102
Tabelle4a:
Enllittlwlgsmaßnalmlen in Köln (im Jahre 1993)............
105
Tabelle4b:
Enllittlungsmaßnalullen in Wuppertal (im Jahre 1993)....
107
Tabelle 5a(l):
VerfallfenseinleittUlgen durch polizeiliche Enllittlungen in Köhl (im Jallfe 1993)..................................................
110
Tabelle 5a(2):
Verfahrenseinleitwlgell durch polizeiliche Enllittlwlgell in Wuppertal (im Jallfe 1993).........................................
111
Tabelle 5b(1):
Verfallfellseinleitungen durch das Opfer in Köln (im Jallfe 1993).....................................................................
111
Tabelle 5b(2):
Verfahrenseinleitwlgen durch das Opfer in Wuppertal (im Jallfe 1993)..............................................................
112
Tabelle 5c(1):
Verfallfenseinleitwlgen durch .Dritte in Köln (im Jallfe 1993)..............................................................................
113
Tabelle 5c(2):
Verfallfenseinleitungen durch Dritte in Wuppertal (im Jallfe 1993).....................................................................
114
Tabelle 6a:
Merkmale der Tatverdächtigen in Köln (im Jallfe 1993)..
126
Tabellenverzeic1U1is
15
Tabelle 6b:
Merkmale der Tatverdächtigen in Wuppertal (im Jahre 1993)..............................................................................
127
Tabelle 7a(I):
Alter wld Geschlecht einzelner Opter in Köln (im Jahre 1993)..............................................................................
130
Tabelle 7a(2):
Alter wld Geschlecht einzelner Opter in Wuppertal (im Jahre 1993).....................................................................
130
Tabelle 7b(1):
Nationalitäten der Opfer wld andere geschädigte Rechtsgüter in Köln (im Jahre 1993)...............................
132
Tabelle 7b(2):
Nationalitäten der Opfer wld andere geschädigte Rechtsgüter in Wuppertal (im Jahre 1993)......................
134
Tabelle 8a:
Justizielle Entscheidungen hinsichtlich fremdenfeindlicher Straftaten in Köh1.......... ...... .... ...................... ..........
156
Tabelle 8b:
Justizielle Entscheidwlgen hinsichtlich fremdenfeindlicher Straftaten in Wuppertal............... .................. .... ......
157
Tabelle 9a:
StrafZwnesswlgsaspekte justizieller Entscheidwlgen in Köbl...............................................................................
181
Tabelle 9b:
StrafZwnesswlgsaspekte justizieller Entscheidwlgen in Wuppertal.......................................................................
182
Tabelle 10a:
Allwaltliche Vertretung bezogen auf Fallgestaltung und Sanktionsart in Köln.......................................................
184
Tabelle lOb:
Anwaltliche Vertretung bezogen auf Fallgestaltung wld Sanktionsart in Wuppertal..............................................
185
Tabelle lOc:
Beteiligwlg der Jugendgerichtshilfe in Wuppertal...........
186
Schaubildverzeichnis Schaubild I:
Zeitliche Verteilwlg der Enllittlwlgsverfahren im Jahre 1993 hinsichtlich des Köhler wld des Wuppertaler Gesamtaulkommens............................................................
25
Schaubild 2a:
Anteil der fremdenfeindlichen Stratlaten des Landes NRW an denen des Bundes (in % - im Jahre 1993).........
27
Schaubild 2b:
Vergleich der fremdenfeindlichen Strattaten in BWld und Land nach absoluten Zahlen (in % - im Jahre 1993).
28
Schaubild 2c:
Monatsanteile fremdenleindlicher Stratlaten in BWld und Land (in % - im Jahre 1993).....................................
29
Schaubild 2d:
Vergleich von Häufigkeitsziffem bei tremdenfeindlichen Stratlaten und Ausländeranteil in den "alten" Blmdesländem (im Jahre 1993)..................................................
30
Schaubild 3a:
Verteilwlg der Enllittlwlgsverfahren auf einzelne Kategorien bei der Köhler Stichprobe lmd dem Wuppertaler Gesamtaufkommen (in % - im Jahre 1993 ).....................
38
Schaubild 3b:
Verteilwlg der Enllitthmgsverfahren auf einzelne Kategorien im Vergleich der Köhler Stichprobe mit dem Kölner GesamtaufkonUllen (in % - im Jahre 1993)..........
42
Schaubild 4a:
Anteile ausgewählter Deliktsgruppen fremdenfeindlicher Stratlaten im Vergleich Kölner wld Wuppertaler Verfallren mit Landes- wld BWldeswerten (in % - im Jalrre 1993)............................................................................. .
Schaubild 4b:
Schaubild 5a:
Schaubild 5b:
Schaubild 6a:
44
Vergleich der Anteile an der Gewaltkriminalität bei der Köhler Stichprobe wld den Wuppertaler Verfalrren mit Landes- lmd BWldeswerten (in % - im Jalrre 1993).........
46
Zeitliche Verteilung aller Enllitthmgsverfalrren ditlerenziert nach dem Kölner Stadtgebiet wld dem Köhler Umleld (im Jalrre 1993 )..................................................
51
Zeitliche Verteilwlg aller Enllittlwlgsverfalrren differenziert nach dem Wuppertaler Stadtgebiet wld dem Wuppertaler Umfeld (im Jalrre 1993)..............................
52
Verteilung der Stichprobe auf einzelne Kategorien differenziert nach dem Kölner Stadtgebiet wld dem Köhler Umfeld (im Jalrre 1993)..................................................
53
Schaubildverzeichnis
17
Schaubild 6b:
Verteilwlg der Ennittlwlgsverfahren auf einzelne Kategorien differenziert nach dem Wuppertaler Stadtgebiet wld dem Wuppertaler Umfeld (im Jahre 1993)................
54
Schaubild 7:
Motivbewertung bei der Köhler Stichprobe wld den Wuppertaler Ennittlungsverfahren differenziert nach dem Stadtgebiet und dem jeweiligen Umfeld (in % - im Jahre 1993).....................................................................
56
Schaubild 8a( I ):
Angaben zur Tatmotivation bei den einzelnen Kategorien bezüglich der Kölner Stichprobe (im Jahre 1993).......
57
Schaubild 8a(2):
Angaben zur Tatmotivation bei den einzelnen Kategorien bezüglich der Wuppertaler EnnitthUlgsverfahren (im Jahre 1993)........................... ...... ....................................
58
VerteihUlg aller Kölner Ennittlungsverfahren differenziert nach fremdenfeindlichen Straftaten und nicht fremdenfeindlichen Vorgängen (im Jahre 1993).....................
60
Verteilwlg der Wuppertaler EnnittlungsverfwlTen differenziert nach fremdenfeindlichen Straflaten und nicht fremdenfeindlichen Vorgängen sowie Fällen olme Angabe zwn Tatmotiv (im JallTe 1993)....................................
61
Bewertwlg einzelner Kategorien aller Kölner EnnittlungsverfallTen differenziert nach fremdenfeindlichen Straftaten, anders motivierten Straftaten wld Nichttaten (im JallTe 1993 )........................... .... ................ ...............
63
Autklärungsquote bezogen auf die Kölner und Wuppertaler Gesamterhebwlg und die Kölner Stichprobe (im JallTe 1993).....................................................................
94
Vergleich der Aufklärwlgsquoten bei der allgemeinen Kriminalität mit denen fremdenfeindlicher Straftaten im Bund lUld in Köln und in Wuppertal (in % - im Jahre 1993)..............................................................................
95
Schaubild 8b(l ):
Schaubild 8b(2):
Schaubild 8c:
Schaubild 9a:
Schaubild 9b:
Schaubild 10:
Art der VerfallTenseinleitwlg bezogen auf das Kölner
wld das Wuppertaler Gesamtautkommen wld die Kölner Stichprobe (im JallTe 1993).............................................
109
Schaubild 11:
Verteilung der Tatorte Iremdenfeindlicher Straflaten bei der Kölner Stichprobe lUld in Wuppertal (im JallTe 1993)
116
Schaubild 12a:
Geschlechtsstruktur Köhler und Wuppertaler Tatverdächtiger im Vergleich zur Landes- wld BWldesstruktur (im .lallTe 1993)..............................................................
121
Altersstruktur Kölner und Wuppertaler Tatverdächtiger im Vergleich zur Landes- lUld BlUldesstruktur (im .lallTe 1993)....................................................................
123
Schaubild 12b:
2 Kuhink
18 Schaubild 12c:
Schaubildverzeichnis Vergleich der Kriminalitätsanteile Jugendlicher und Heranwachsender an der Gesamtkriminalität und an Gewalttaten sowie an fremdenfeindlichen Taten (in % - im Jahre 1993).....................................................................
125
Kontrollinstanzlicher Filterprozeß bei Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen hinsichtlich fremdenfeindlicher Straflaten in Wuppertal (im Jahre 1993)
152
Schaubild 13b:
Justizieller "Werdegang" der polizeilich aufgeklärten Fälle in Wuppertal..........................................................
154
Schaubild 13c:
"Zustiindigkeitsvemeinungen" des Staatsschutzdezemates der Staatsanwaltschaft Wuppertal differenziert nach Kategorien......................................................................
155
Schaubild 14a:
Vertillrrenseinstellwlgen und Aburteilungen differenziert nach Altersgruppen in Wuppertal und in Köln.... ............
159
Schaubild 14b:
VerfaIrrenseinstellungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO diflerenziert nach Altersgruppen in Wuppertal und in Köln.
160
Schaubild 15:
Anteil der Verfalrrenseinstellwlgen differenziert nach Kategorien in Wuppertal und in Köln.............................
163
Schaubild 13a:
Abkürzungsverzeichnis BayObLG
= Bayerisches Oberstes Landesgericht
BewHi
=Bewäluungshil1e
BN
= BWldesamt fiir Verfasswlgsschutz
BGBL
= Bundesgesetzblatt
BGH
= Bundesgerichtshof
BKA
= BWldeskriminalamt
BM!
= BWldesminister des limeren
BMJ
= BWldesministerium der Justiz
BI-Drucks.
= BWldestags-Drucksache
Dn
= Deutsches Jugelldinstitut
DVJJ
= Deutsche Vereinigung der Jugendgerichte wld Jugendgerichtshilfen
EG-FFS
= Ennittlwlgsgruppe fllr 1remdenfeindliche Straftaten
FAZ
= Frankfurter Allgemeine Zeitwlg
FFS
=fremdenfeindliche Strattat
GA
= GoltdanUller's Archiv tUr Stra1recht
JGG
= Jugendgerichtsgesetz
JR
= Juristische Rundschau
JZ
= Juristenzeitwlg
K
= Kategorie
KrimJ
= Kriminologisches Journal
KriU
= Kritische Justiz
KZfSS
= Köhler Zeitschrill tUr Soziologie wld Sozialpsychologie
LG
= Landgericht
LKA
=Landeskriminalamt
MschrKrim
= Monatsschrill tUr Kriminologie und Stratrechtsrelonn
NFFS
= nicht lremdenleilldliche Straltat
2*
20
Abkürzullgsverzeic1Ulis
NJW
= Neue Juristische Wochenschrift
NK
= Neue Kriminalpolitik
NP
= Neue Praxis
NStZ
= Neue Zeitschrift für Strafrecht
OLG
= Oberlandesgericht
PKS
=Polizeiliche Kriminalstatistik
RdJB
= Recht der Jugend und des Bildwlgswesens
Ruf
= Rundfwlk wld Femsehen
RuP
= Recht und Politik
SP StGB
=Soziale Probleme =Strafgesetzbuch
StPO
= Strafprozeßordllwlg
StrVollzG
= Strafvollzugsgesetz
StV
= Strafverteidiger
SZ
= Süddeutsche Zeitung
ZfJ
= Zentral blatt fIlr Jugendrecht wld Jugendwohlfahrt
ZfR
= Zeitschrift fIlr Rechtssoziologie
ZfS
= Zeitschrift für Soziologie
ZfStrVo
= Zeitschrift fIlr Strafvollzug und Straffiilligenhilfe
ZStW
= Zeitschrift fIlr die gesamte Strafrechtswissenschaft
Ausgangssituation und Fragestellung Seit dem Beginn der 90er Jahre werden im öffentlichen Diskurs und in den Medienberichterstattungen "fremdenfeindliche Straftaten" thematisiert. Die betreffenden Erörterungen beziehen sich auf schon länger andauernde Auseinandersetzungen über den Zuzug von Ausländern und über die in Deutschland praktizierte Ausländerpolitik. Von den Medien spektakulär herausgestellte Verbrechen gegen ausländische Mitbürger haben nicht nur die Kontroverse über den Aufenthalt von Ausländern in Deutschland verschärft, sondern vor allem zusätzlich Fragen des Umgangs mit entsprechend gewalttätig handelnden Menschen, vorwiegend jungen Deutschen, aufgeworfen. Die Reaktion auf diese Täter ist zu einem Politikum geworden, nachdem scImell Erinnerungen an die jüngere deutsche Geschichte wachgerufen waren. Bilder von brennenden Asylbewerberunterkünften und Wohnungen von Ausländern gingen um die Welt. Bereits mit der Nennung der Ortsnamen Hoyerswerda (September 1991), Rostock (August 1992), Mölln (November 1992) und Solingen (Mai 1993) werden progromartige An- und Übergriffe zu den angegebenen Zeitpunkten assoziiert. Der Blick auf diese sensationellen Ereignisse läßt die eher alltäglichen Beeinträchtigungen und Übergriffe gegenüber Ausländern leicht in den Hintergrund treten, obwohl auch letztere sehr wohl das gesellschaftliche Mit- und Nebeneinander beeinträchtigen können. In Kenntnis der politischen Brisanz dieses Kontextes werden nunmehr von den Strafverfolgungsbehörden generell "fremdenfeindliche" Straftaten gesondert erfaßt und bearbeitet. Diesem Prozeß ist die vorliegende Studie gewidmet. Sie unternimmt eine Analyse der Separierung und gesonderten Bewältigung entsprechend eingeordneter Delikte. Den theoretischen Rahmen bietet insoweit der kriminologische Etikettierungsansatz. I Danach wird Kriminalität nicht allein aus dem Handeln der "Kriminellen" erklärt, vielmehr die Reaktionsseite in das Verständnis miteinbezogen. Kriminalität - und konkret: "fremdenfeindliche" Delikte - werden in 1 ZlUn sog. labeling approach schon Sack, in: ders. (Hrsg.), Kriminalsoziologit:, 1968, S. 431 ff; auch Blallkellbllrg/Sesscm'Steßell, Die Staatsanwaltschaft im Prozeß strafrechtlicher Sozialkontrolle, 1978; Kllbillk, Verständnis lUld Bedeutung von Ausländerkriminalität, 1993, zur Herstellung von Auslällderkriminalität.
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Ausgangssituation wld Fragestellung
dem Sinne sozial konstituiert oder hergestellt, als eine bestimmte Definition auf ein Geschehnis angewendet wird. 2 Dabei erfährt das Geschehen eine Interpretation, die aus dem Vokabular des gewählten Etiketts stammt. Die Realität erscheint in der Begriffiichkeit des Etiketts. Es interessieren von daher der Inhalt von "Fremdenfeindlichkeit" ebenso wie die Handlungsbedingungen und Interessen, aus denen heraus ein Ereignis mit dieser Qualifikation belegt wird. Die Brauchbarkeit des Etikettierungsansatzes wird sogleich deutlich, wenn man sich die unterschiedlichen Begriffsvarianten von "fremdenfeindlich" vor Augen führt. Es ist möglich, auf den Täter und seine Motivation abzustellen, ebenso kann aber auch auf das Opfer und dessen Beeinträchtigung abgehoben werden. Soll die Tätermotivation maßgeblich sein - wie bei den angloamerikanischen hate-crimes -, steht des weiteren die Abgrenzung zu rechtsextremistischen Verhaltensweisen an. Inzwischen ist eine weitgehende praktische Einigung auf eine BKA-Definition hin erfolgt, die Fremdenfeindlichkeit an der (Täter-)Akzeptanz eines Bleiberechts des ausländischen Opfers (oder der Opfer) festmacht. "Fremdenfeindlich" sind danach Taten, mit oder bei denen ein Täter ein derartiges Bleiberecht in Abrede stellt. Auf diese Weise werden quasi-aufenthaltsrechtliche Überlegungen auf einer anderen Ebene analog angestellt. Zu fragen ist, wie eine solche Definition wirkt und welchen Interessen sie entgegenkommt. Die polizeiliche Einordnung bildet den Beginn, jedoch noch nicht den Abschluß eines Strafverfahrens. Die Bedeutung der separaten Registrierung "fremdenfeindlicher" Straftaten kann deshalb nur erfaßt werden, wenn als nächstes nach der Erledigung seitens der Justiz gefragt wird. Dem ist ein weiterer Abschnitt der Schrift gewidmet. Zu unterscheiden sind zum einen die Analyse des tatsächlichen Procedere in derartigen Fällen, zum anderen die Klärung des normativen jugendkriminalrechtlichen Programms: Inwieweit kann das geltende Jugendkriminalrecht "fremdenfeindliche" Taten in angemessener Weise beantworten? Sind de lege ferenda Änderungen - regelmäßig als Strafverschärfungen gedacht - nötig? Der hiermit angesprochene rechtliche Aspekt wird ebenfalls behandelt.
2 lJaller, Jugendkriminalität, 1995, S. 79 IT. (88 f.), zur Konstruktion von Gewaltverständnissen, insbesondere hinsichtlich jugendlicher Täter; vgl. dazu auch Seherr, KrimJ 1994, S. 162 tT.; ebenso Kilhl/el, in: Heitmeyer (Hrsg.), Das Gewalt-Dilemma, 1994, S. 138 tT. (155 tT.), zu Etikettienmgsprozessen im Ralunen "moralischer Kreuzzüge" gcgcn fremdenfeindliche Täter.
Ausgangssituation lUld Fragestellung
23
Aufgrund dessen gliedern sich die anschließenden Ausfuhrungen wie folgt: - Erfassung und Umschreibung fremdenfeindlicher Straftaten bei den Polizeibehörden - Zahl, Art und Erledigungsweise von Strafverfahren wegen fremdenfeindlicher Straftaten: Wie reagieren Staatsanwaltschaften und Gerichte? - fremdenfeindliche Straftaten vor dem Hintergrund des geltenden Jugendkriminalrechts - Möglichkeiten und Grenzen, insbesondere: Erscheint es notwendig oder empfehlenswert, das Jugendrecht abzuändern? Die Untersuchung ist aus ökonomischen Gründen auf zwei regionale Bereiche, die Landgerichtsbezirke Köln und Wuppertal, begrenzt worden. Diese Kontrollbereiche liegen zwar geographisch nah beieinander, sind aber sowohl vor dem Hintergrund StadtlLand als auch bezüglich der Sanktionspraxis unterschiedlich. Wie wir wissen, herrscht in Köln eine eher zurückhaltende Sanktionspraxis, während der Wuppertaler Bereich durch größere Strenge auffällt. 3 In diesen beiden Bezirken wurden im Wege einer Aktenanalyse die Ermittlungsvorgänge des Jahres 1993 untersucht. Dieser Zeitraum bot sich an, da insoweit vor allem im Hinblick auf den Abschluß der Verfahren eine Vollerhebung möglich war.
3 Siehe Pfeif/er/Strobl zu Vergleichszahlen aus den Jahren 1987 bis 1989. DVJJJournal 3/1992 (Nr. 139), S. 250 ff. (255).
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden I. Datenbasis und Stichprobenbildung Unsere Erhebungen bei den Polizeibehörden zielen darauf ab, die dortige Wahrnehmung und Klassifizierung fremdenfeindlicher Straftaten zu erkunden und zu verstehen. Es geht um die Frage, wann diese Delikte überhaupt "entstehen". Die Polizeibehörden haben den ersten Zugriff auf abweichende Verhaltensweisen, sie sind gleichsam Ausgangspunkt eines Kontrollprozesses, der die späteren staatsanwaltlichen und richterlichen Maßnahmen mitprägt. Daher erscheint es notwendig, auf dieser Stufe mit der Analyse des gesamten Kriminalitäts-Konstitutionsvorgangs zu beginnen. Seit Oktober 1992 bestehen in NR W im Zuständigkeitsbereich der insgesamt 16 Kreispolizeibehörden polizeiliche Sonderdezernate - sog. ErmiUlungsgruppen für fremdenfeindliche Straftaten (EG-FFS). Für den Kölner Bereich ergab sich aus den polizeilichen Unterlagen ein Gesamtaufkommen von 726 Vorgängen, hinsichtlich derer im Jahre 1993 wegen fremdenfeindlicher Taten ermittelt wurde. Diese Sammlung beruht auf kurzen Fallschilderungen (Abstracts). die von den Beamten selbst erstellt und uns zur Verfiigung gestellt wurden. Für unsere Untersuchung haben wir aus den korrespondierenden Ermittlungsakten in einem randomisierten Verfahren jede vierte ausgewählt. Auf diese Weise erhielten wir eine Stichprobe von 199 Fällen. 4 In Wuppertal war angesichts einer deutlich geringeren Fallzahl eine Erhebung aller 301 Ermittlungsvorgänge durchführbar. Soweit möglich, wurden die erlangten Befunde aus Köln und Wuppertal untereinander wie auch mit bundes- und landesweiten Werten verglichen. Zunächst wurde dabei der zeitliche Verlauf fremdenfcindlicher Straftaten betrachtet und die Darstellung dann auch nach dem jeweiligen Stadtgebiet und dem betreffenden Umfeld differenziert. Entsprechende Aufschlüsselungen sollen zeigen, inwieweit die Konstitution fremdenfeindlicher Kriminalität von punktuellen Ereignissen oder regionalen Unterschieden abhängt. 4 Wahrscheinlich wurden nicht alle aktenkundigen Fälle auch computertec1U1isch bei den Abstracts erlaßt, was die Diskrepanz ( 1/4 von 726 = 181, 5) erklärt.
II. Auswertung der Befunde
25
11. Auswertung der Befunde 1. Zeitliche Verteilung der polizeilichen Ermittlungsvorgänge
a) Befunde in Köln und Wuppertal Schaubild 1 zeigt die zeitliche Verteilung aller Ermittlungsvorgänge, also der 726 bzw. 301 Fälle der beiden Sonderdezernate auf das Kalenderjahr 1993. 5 Da hier jedoch noch keine näherc Prüfung im Hinblick auf eine fremdenfeindliche Tendenz dieser Vorgänge vorgenommen wurde, handelt es sich zunächst nur um eine Abbildung der kapazitären Belastungen. Schaubild 1: Zeitliche Verteilung der Ermittlungsverfahren im Jahre 1993 hinsichtlich des Kölner und des Wuppertaler Gesamtaufkommens
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19 2,6 16 5,3
168 106 63 ,54 23,1 14,6 8,7 7,4 76 41 32 17 25,2 13,6 10,6 5,6
61 8,4 19 6,3
59 8,1 22 7,3
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44 6,1 19 6,3
Die Prozent-Werte betreffen die jeweiligen Anteile der einzelnen Monate am Jahresaulkommen.
Insgesamt ist eine recht gleichförmige Verteilung auf die einzelnen Monate zu verzeichnen. Die Anteile an den Gesamtzahlen des Jahres 1993 weichen im Zeitraum von März bis Juli jedoch teilweise erheblich von den Durchschnittswertcn ab. Während von März bis Mai geringe Quoten festzustellen sind (2.6 % - 5,6 % in Köln bzw. 3-5 % in Wuppertal), wird im Juni (23.1/25,2 %) 5
Maßgeblich ist insoweit der Tatzeitpunkt (nicht die Aulimlune der Enllittlungen).
26
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehördel1
und auch im Juli (14,6/13,6 %) eine Spitze erreicht. Der zeitliche Verlauf verrät eine sehr stark übereinstimmende Struktur des Fallaufkommens in Köln und Wuppertal. Mit Ausnahme von April - dort stoßen die Kurven fast aneinander, was angesichts der geringeren Fallzahlen in Wuppertal eine relative Überrepräsentation bedeutet - liegen die monatlichen Prozentquoten nur Bruchteile auseinander. Ob diese Ebenmäßigkeit mit gleichförmigen kriminellen Geschehnissen oder eher mit identischen Ermittlungsstrukturen oder kapazitäten zusammenhängt, ist der Darstellung nicht zu entnehmen. Besonders auffällig ist - wie gezeigt - der Spitzenwert des Juni mit 168/76 Fällen in Köln bzw. Wuppertal. Dieser Anstieg dürfte vor dem Hintergrund des Solingen-Anschlages zu interpretieren sein, der sich am 29.5.1993 ereignete. Aus der Graphik ergibt sich nicht, in welcher Weise dieses Ereignis die Fallzahlen ansteigen ließ. Möglich sind reale Zunahmen beim deliktischen Geschehen. etwa in Gestalt von Anschlußdelikten. 6 Die Zunahmen können auch lediglich auf verstärkten Anzeigen aus der Bevölkerung beruhen, vor allem von Menschen, die sich eher bedroht fuhlen. Schließlich ist denkbar, daß infolge einer größeren Sensibilität fur fremdenfeindliche Taten mehr Delikte diesem Sonderdezernat zugewiesen wurden. b) Kontrast mit Bundes- und Landeswerten im Zeitverlauf Aufschlußreich ist ein Vergleich mit summarischen Häufigkeitsverteilungen auf Landes- und Bundesebene, also einem weiträumigeren regionalen Rahmen. Die korrespondierenden Verteilungsgraphiken belegen, daß die steigenden Fallzahlen in der Jahresmitte eine bundesweite Entwicklung widerspiegeln. Die Initialzündung ging offenbar von den geschilderten Geschehnissen in NRW (Solingen) aus, wo die höchsten Werte erreicht wurden, wirkte aber sodann landes- und bundesweit fort. Das bestätigt Schaubild 2a. Danach machen die 668 in Nordrhein-Westfalen im Juni 1993 registrierten fremdenfeindlichen Delikte mit 42,3 % nahezu die Hälfte des bundesdeutschen Gesamtaufkommens dieses Monats von 1581 Taten aus. Selbst bei einem Bevölkerungsanteil von 21,8 %7 liegt insoweit eine rund doppelte Überbelastung vor. In den Anfangsmonaten - von Januar bis April - liegen die Werte hingegen deutlich niedriger und sind mit 27,6 % bis 28,9 % zudem sehr einheitlich.
6 7
C. Laden/atm, SP 211992, S. 137 fT. (138). Vgl. statistisches Jahrbuch 1994, S. 64.
n. Auswertung der Befunde
27
Schaubild 2a: Anteil der fremden feindlichen Straftaten des Landes NRW an denen des Bundes (in % - im Jahre 1993)
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I Landesanteil in % absolute Zahlen
Erst ab Jahresmiue, beginnend mit einem Anteil im Mai von 37,9 % scheint die "Landesszene" aktiv geworden zu sein. Das Niveau hält sich dann bis August (41,6 %) auf einem fast gleichbleibendem Stand, um ab September deutlich abzusinken und gegen Jahresende die Anfangswerte wieder zu erreichen. Mit einer Steigerung von 37,2 % - von 1711 auf 2347 Taten - im Vergleich des Jahres 1993 zu den Gesamtwerten des Jahres 1992 ist in NRW auch generell die höchste Steigerungsrate zu verzeichnen. 8 Daß die erhöhte Zahl der Registrierungen nicht allein auf der Erhöhung der NRW-Werte beruht - Ansteckungswirkungen vielmehr weiter reichten -, belegt Schaubild 2b, welches die jeweiligen Monatswerte nach absoluten Zahlen abbildet. Aus der Darstellung läßt sich entnehmen, daß auf der einen Seite die Fallzahlen im Land im Juni ganz erheblich anstiegen, zugleich aber auch die Zahlen im restlichen Bundesgebiet stark zunahmen. 9 Während in NRW im Vergleich zum Vormonat Mai eine mehr als dreifache Steigerung zu verzeichnen ist, erhöht sich auch das Aufkommen in den anderen Ländern um nahezu den gleichen Faktor. Im Juli pegeln sich die Werte hingegen in beiden SieheBKA-Lagebericht 1993, S. 6. Zu regionalen Streuungen über alle 16 Bundesländer hinweg vgl. C. Ludemallll/Erzberger, ZfR 2/1994, S. 169 ff.(l73). 8 9
28
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
Schaubild 2b: Vergleich der fremdenfeindlichen Straftaten in Bund und Land nach absoluten Zahlen (im Jahre 1993)
.NRW D Sund ohne NRW
1.800 ! 1.600
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1.400 1.200 1.000 800 600 400 200
Bund ohne NRW NRW Die bundesweiten Gesamtzahlen ergeben sich aus der Addition beider Säulenwerte.
Bereichen fast proportional wieder ungefahr auf dem Mai-Niveau ein. Diese Verteilungen bestätigen sowohl die örtliche Ursache erhöhter Fallregistrierungen als auch die davon ausgehende und darüber hinausgehende Breitenwirkung. Zur weiteren Verdeutlichung dieser Abhängigkeit werden in Schaubild 2c, bezogen auf Bund und Land die jeweiligen prozentualen Monatsanteile am Jahresaufkommen von 1993 berechnet. Die Befunde unterstreichen die insgesamt auffällige Parallelität der Fallentwicklungen auf Bundes- und Landesebene und damit auch die Parallelität zu den hiesigen zeitlichen Verteilungen (vgl. Schaubild 1). Beide Kurven sind fast deckungsgleich, wobei die Anteile der ersten Monate im Land zunächst leicht unter denen des Bundes liegen. Hierfiir mag der am 23.11.1992 verübte Brandanschlag in Mölln (SchleswigHolstein) verantwortlich sein, der die bundesweiten Werte über eine andere "Landesschiene" hochgetrieben und dabei etwas geringer auf die nordrheinwestfalische Region ausgestrahlt hat. Dort tritt der Höhepunkt im Juni allerdings noch deutlicher hervor als im Bund.
II. Auswertung der BelluHle
29
Schaubild 2c: Monatsanteile fremden feindlicher Straftaten in Bund und Land (in % - im Jahre 1993) 30r-----------------------------,-----------~
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Bund Monatsant.% 9,4 8,3 7,5 Bund absol. 633 540 503 Land Monatsant.% 7,7 6,2 5,9 Land absol. ! 180 145 139
5,8 8,9 7,2 5,4 8 123'5 391 536 1.581 598 486 363 4,8 8,6 28,5 10 8,6 5,4 113 2031668 234 202 126
5,1 5,2 5,9 343 349 398 4,8 4,8 4,8 112 112 113
Es wurde auf eine graphische Darstellung der absoluten Zahlen verzichtet. da Insoweit unterschiedliche Maßstäbe nur den Vergleich verzerren würden.
c) Häufigkeitsziffern fremdenfeindlicher Straftaten differenziert nach Bundesländern Induktionswirkungen und Abhängigkeiten von solchen Schlüsselereignissen scheinen in örtlicher wie zeitlicher Hinsicht sehr weitreichend. Dieser Zusammenhang wird noch transparenter und perspektivisch erweitert, wenn man differenziert nach den einzelnen Bundesländern, Häufigkeitsziffern (HZ) bildet lO und damit die Zahl fremdenfeindlicher Straftaten mit der Einwohnerzahl in Bezug setzt, vgl. Schaubild 2d. 11 Serie 1 des Schaubildes 2d zeigt auf, daß in der Bilanz des Jahres 1993 die Bevölkerung von Schleswig-Holstein mit einer HZ von 13,8 und die Einwoh10 Die Häufigkeitsziffer betritll die Zahl der bekatUltgewordenen Fälle insgesamt oder innerhalb einzelner Deliktsarten, erreclmet auf der Basis von 100.000 Einwohnern. 11 Übernonunen aus dem BKA-Lagebericht 1993, S. 6. Die dortigen Werte beruhen auf hlformationen des Statistischen Bundesamtes, Statld: 30.6.1992 bzw. solchen des Bundesverwaltungsruutes, Stand: 31.7.1992.
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Schaubild 2d: Vergleich von Häufigkeitsziffern bei fremdenfeindlichen Straftaten und Ausländeranteil in den "alten" Bundesländern (im Jahre 1993)
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11. Auswertwlg der Befwlde
31
ner von NRW mit einer HZ von 13,4 die höchste Kriminalitätsbelastung im Bereich fremdenfeindlicher Taten aufweisen. Auch bei dieser Verteilung dürften nicht nur Zufalligkeiten im Spiel sein, Rückwirkungen und Reaktionen auf die beiden Anschläge in den betreffenden Regionen liegen näher. Fragt man nach den Grundbedingungen derartiger Belastungsverteilungen, so liegt es auf der Hand, sich zunächst den Opfern - also den Ausländern - als dem Substrat fremdenfeindlicher Aggressionen zuzuwenden. In Serie 2 des Schaubildes 2d sind die ausländischen Bevölkerungsanteile der Bundesländer aufgeschlüsselt. In Hamburg ist der Ausländeranteil mit 13,3 % am höchsten, dort ist mit einer Häufigkeitsziffer von 12,5 auch eine starke Kriminalitätsbelastung zu verzeichnen. Ebenso stellen Ausländer mit 10,0 % einen hohen Bevölkerungsanteil in NRW, dieser wird allerdings von der Kriminalitätsrate noch übertroffen. In fast allen anderen "alten" Bundesländern (vgl. Hamburg, Hessen, Bremen, Rheinland-Pfalz) ist anhand des Schaubildes ein recht deutlicher Zusammenhang der Häufigkeitsziffern zu hohen Ausländeranteilen abzulesen. 12 Das Verhältnis beider Werte ist jeweils sehr ausgeglichen. Zugleich offenbart sich ein spezifisches "Täter-OpferVerhältnis". Zieht man zur Verdeutlichung dessen noch einmal das Beispiel Hamburgs heran, so liegt dieses bei rund 1: 1000, wenn dort auf einen Ausländeranteil von gut 13 % (13 v. 100 der Wohnbevölkerung) ein Anteil fremdenfeindlicher Täter von 12,5 auf 100.000 kommt. Angesichts der bundesweit sehr ähnlichen Relation könnte dies auch auf ein spezifisches KontrolldichteVerhältnis bei der Verfolgung fremdenfeindlicher Taten und entsprechend gelenkte Kontrollstrukturen 13 hindeuten. Ausnahmen bilden Baden-Württemberg und Bayern, wo der Ausländeranteil in Relation zur Anzahl fremdenfeindlicher Straftaten deutlich niedriger liegt. Demgegenüber ist in SchleswigHolstein, das die höchste Kriminalitätsdichte aufweist, umgekehrt nur ein Ausländeranteil von 4,4 % zu verzeichnen. Das Beispiel Schleswig-Holsleins, wo eine erheblich überproportionale Kriminalitätsbelastung zu verzeichnen ist, wie in gewissem Umfang auch die Verteilungen in NRW, deuten auf die Situationsabhängigkeit der Ermittlung fremdenfeindlicher Delikte hin. die die Zahlen nach oben treiben. Demgegenüber tut sich "der Süden" scheinbar recht schwer bei der Registrierung frem12 Die neuen BWldesländer wurden hier nicht einbezogen, da insoweit die politischen wld asylrechtlichen Raluuenbedingungen anders liegen und auch die erst noch zusammenwachsenden Strukturen der polizeilichen Organisation zu Verzerrwlgen fiUlTen. 13 Interessant wäre insoweit sicherlich ein Vergleich steigender Fallzallien mit einem wachsenden Mitarbeiterstab der Polizei. Dieser war hier allerdings nicht zu leisten.
32
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
denfeindlicher Straftaten. Dort werden relativ wenige Taten erfaßt, obwohl die Rahmen- und Entstehungsbedingungen grundsätzlich nicht von anderen kaum von Anschlägen betroffenen Regionen abweichen dürften. Gerade dieses "Nord-Süd-Gefälle" mag man aber auch als Ausdruck unterschiedlicher Kontrollstrukturen und abweichenden rechtspolitischen Vorstellungen werten, was den Konstruktionscharakter der Wahrnehmung fremdenfeindlicher Straftaten erst recht offenbart. Selbst wenn die dargelegten Abhängigkeiten auf den ersten Blick nicht durchgängig erkennbar sind, lassen sich durchaus Rückschlüsse von der Ausländerquote auf die Häufigkeit fremdenfeindlicher Straftaten ziehen. d) Erste Erklärungen für die zeitliche Verteilung der Registrierung fremdenfeindlicher Delikte Auf der Grundlage der bisher herausgearbeiteten Befunde steht die Registrierung fremdenfeindlicher Straftaten in enger Verbindung mit spektakulären Einzelfällen, die sich auf diesem Kriminalitätssektor ereignen. Wie bereits dargelegt, läßt dieser Zusammenhang jedoch verschiedene Interpretationen zu. Die Aktionen haben auf den ersten Blick den Charakter von Nachahmungstaten, die sich an den Vorbildern einzelner Geschehnisse orientieren. 14 Deren Ausgangspunkt sind nach allgemeinem Verständnis in vieler Hinsicht gesamtgesellschaftliche Prozesse - steigende Asylbewerberzahlen und die Probleme im Schatten der deutschen Wiedervereinigung -, die auf die individuellen Einstellungen der Bevölkerung gegenüber Ausländern einwirken und im Einzelfall auch zu deliktischen Aktionen fiihren. 15 Die Empörung der Bevölkerung scheint über alle regionalen und sozialen Grenzen hinweg einen umfassenden Konsens auszudrücken.
14 Diese TIIese wird man mittlerweise als allgemein vorherrschenden Ansatz ftlr den Verlauf fremdenfeindlicher Bewegungen ansehen können, vgl. C. Lüdemal/II, SP 21l992, S. 137 fI. (138). Er spricht von einer sog. IAnsteckwIgswirkung". Willemsl fVilrtziEckert, in: BM! (Hrsg.), Analyse fremdenfeindlicher Straftäter, 1994, S. 16, gehen von "Mobilisienmgswellen" aus. Zu treJUIen ist in diesem Sinne aber deutlich zwischen den ursächlichen Hintergrtinden und den Anlässen des Phänomens. Fraglich bleiben insoweit weiterhin die Venuittlungsprozesse, die sich hinter diesen Wellenbeweglmgen verbergen. Einen umfassenden Überblick über Erklämngsversuche der zugnmdeliegenden Ursachen fremdenfeindlicher Straftaten liefert Wahl, KrimJ 1995, S. 52 fI. 15 Ebenso C. Lüdemalll/lErzberger, ZtR 21l994, S. 169 fr (176).
II. Auswertung der Befunde
33
Allerdings ist die Einheitlichkeit der Fallzahlentwicklungen teilweise so frappant, daß man kaum mehr an eine zufallige Gleichförmigkeit der Tatgeschehnisse zu glauben vermag. Es hat den Anschein, als seien die Ermittlungsbeamten alle auf eine gemeinsame Initiative hin aktiv geworden. Wo neue Kontrollkapazitäten einsetzbar bereitstehen, sind stets auch neue Sünder zu finden. 16 Vor diesem Szenario ist fraglich, ob sich tatsächlich das Verhalten der BevölkerunglDelinquenten - und damit die Zahl der Vorfalle - verändert hat, oder ob lediglich die Kontrolleure zu einer intensivierten Wahrnehmung animiert worden sind. Sind einzelne spektakuläre Fälle tatsächlich Auslöser von Eskalationsprozessen 17 im Sinne einer spontanen Entladung aufgestauter, latenter Spannungen oder helfen die Ermittlungsbeamten durch ihr Kontrollverhalten bei der Hochkonjunktur fremdenfeindlicher Taten mit? Dabei werden die Medien für beide Seiten - Tatverdächtige wie auch Kontrollinstanzen - als Meinungsmacher ins Feld geführt. 18 Gewalttäter würden die Gelegenheit nutzen, sich populär in Szene zu setzen, Kontrollinstanzen demgegenüber Berichterstattungen als Druck der Öffentlichkeit empfinden und auch ihre Ermittlungsstrategien diesem Erfolgszwang unterordnen. 19 Vieles deutet gewissermaßen auf ein "besonderes öffentliches Auftragsverhältnis" bei der Verfolgung fremdenfeindlicher Straftaten hin. In Zeiten des öffentlichen Diskurses ist die Leistung erst mit Häufung einer kapazitären Grenzzahl von Registrierungen erbracht. Insbesondere die auf allen regionalen Ebenen sehr gleichförmige Verteilung der Taten legt es nahe, daß ein äußerer Faktor die Szene mitbelebt hat. Das massenmediale Verbreitungssystem könnte eine solche Funktion erfüllen. Brosius hat nachgewiesen, daß Berichterstattungen über Brandanschläge im Anschluß an die Tat in Solingen 73 % aller Pressebeiträge zum Thema "Ausländer und Asylanten" ausmachten20, obwohl im betreffenden Untersuchungszeitraum keine effektive Steigerung geDazu Walter, Jugendkriminalität, 1995, S. 123. Dazu auch Eckert U.CI., in: SchwindJBaUll1aIUl u.a. (Hrsg.), Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Sondergutachten (Gewaltkonul1ission), Bd. II, 1990, S. 293 ff. (364). 18 ZUlU Kontext von Gewaltanwendung und Medienillhalten Kepplillger/Dahlem, in: SchwindJBaUlUaIUl u.a. (Hrsg.), Ursachen, Prävention lUld Kontrolle von Gewalt, Sondergutachten (Gewa1tkonuuission), Bd. m, 1990, S. 381 ff.; auch Müller-Dietz, in: BuschlMüller-Dietz u.a. (Hrsg.), Zwischen ErziehUl1g und Strafe, 1995, S. 25 ff. (43). 19 Vgl. Eckert lI.a., in: SchwindJBaumalU1 u.a. (Hrsg.), Ursachen, Prävention Ul1d Kontrolle von Gewalt, Sondergutachten (Gewa1tkonul1ission), Bd. II, 1990, S. 293 Ir (352). h1 diesem SüUle auch Willems, Fremdenleindliche Gewalt, 1993, S. 102. 20 Brosius/Eps, Ruf 1993/4, S. 512 ff. (523); Brosills untersuchte dabei Beiträge in der FAZ Ul1d der SZ im Zeitraum von Ende 1990 bis Ende 1993. 16 17
3 Kuhink
34
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
rade dieser Delikte zu verzeichnen war. 2 1 Seine Schlußfolgerung, daß die Struktur der Schlüsselereignisse zu einer Neuorientierung der Journalisten geführt habe, scheint angesichts des sprunghaften Anstiegs fremdenfeindlicher Straftaten auch durchaus anders interpretierbar. Ebenso wird die Berichterstattung über die betreffenden Ereignisse auf die Akteure Einfluß genommen haben. Die Definitionsmacht der Medien dürfte dabei nicht nur auf die Bevölkerung und die Delinquenten, sondern auch auf die Vorstellungen der polizeilichen Kontrolleure eingewirkt haben. 22 Ein derartiges Zusammenspiel von Medien und sozialen Kontrollinstanzen ist der Kriminologie durchaus bekannt. 23 Ausgehend von Berichterstattungen über einzelne spektakuläre Kriminalitätserscheinungen und Delikte werden Problemdefinitionen und öffentliche Interessen gefördert. Für die zunehmende Registrierung fremdenfeindlicher Kriminalität sind insoweit die medialen Berichte und die öffentlichen Stellungnahmen - auch von Politikern - bedeutsamer als sozialstrukturelle Rahmenbedingungen wie der Zuwachs von Ausländern. 24 Ob gesteigerte Fallzahlen objektive (teils selbsterzeugte) Geschehnisse oder nur eine intensivierte Sozialkontrollc widerspiegeln, macht dann aber keinen erheblichen Unterschied. da beide Momente kaum voneinander trennbar sind.
2. Die Entdeckung derjremdenfeindlichen Straftat Über die zeitliche Häufigkcitsvertcilung der Ermiulungsvorgänge hinaus geht es vor allem darum. das Bild der fremdenfeindlichen Straftat und die maßgeblichen Bewertungsmaßstäbe transparent zu machen. Für den Kölner Bereich werden dafür die Stichprobe der 199 Verfahren einer Detailanalyse unterzogen. soweit möglich. wird jedoch auch das Gesamtaufkommen beTÜck21 Vielmehr ist die Zahl der Brandanschläge von 1992 (596) auf 1993 (284) wn meJrr als die Hälfte zurückgegangen, vgl. die Statistik bei Fricke, in: BM! (Hrsg.), Extremismus und Gewalt, Bd. m, 1994, S. 89 (91). 22 SchI/eider, Handwörterbuch der Kriminologie, Bd. 4, 1979, Massemuedien, S. 386. 13 Häufig zitiertes Beispiel sind die ausgeweiteten TätigkeitsfeJder von Kontrollbehörden im Bereich der Drogengesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika, vgl. Dicksol/, Social Problems 16 (1968), S. 143 tT. Ebenso im Hinblick auf die Schatlung sog. "Hate Crime Agencies" in Reaktion auf vomrteilsmotivierte Taten, vgl. Crimil/al Justice [1I[o1771alioll, V.S. Departement 01' Justice (Hrsg.), 1994, S. I. 24 RolillSki, in: KülUlelMiyazawa (Hrsg.), Neue Stratrcchtscntwickhmgen im deutsch-japanischen Vergleich, 1995, S. 379.
II. Auswertwlg der Befwlde
35
sichtigt. Dem stehen die total erhobenen 301 Wuppertaler Ermittlungsvorgänge als Vergleichsgruppe gegenüber. Es soll versucht werden, den Weg der polizeilichen Entdeckung von Fremdenfeindlichkeit nachzuzeichnen. Das praktische Vorgehen der registrierenden Beamten ist daher zunächst gewissermaßen mit deren Augen zu betrachten, um von dort aus Schlußfolgerungen für die Analyse des Herstellungsprozesses ziehen zu können. Wir haben die Fälle zunächst nach phänomenologisch ausgerichteten Kategorien eingeteilt, die im weitesten Sinne etwas mit Konflikten gegenüber Ausländern zu tun haben. Theoriebezogene Vorwertungen haben wir nach Möglichkeit vermieden. Denn die Wahrnehmung eines auffälligen Verhaltens und ebenso die vorläufige Beurteilung eines fremdenfeindlichen Hintergrundes beruhen regelmäßig auf dem ersten Eindruck des Ermittlungspersonals. Erst auf einer zweiten Untersuchungsstufe werden dann - auch in der Ermittlungspraxis - definitorische Maßstäbe näher beleuchtet und überprüft. a) Kategorienbildung Die polizeiliche Kategorienzuordnung beruht auf einer Kombination von gesetzlich-tatbestandlichen und äußerlich-betrachtenden Kriterien, das Beispiel einer "telefonischen Bedrohung" veranschaulicht diesen Kompromiß. Die von uns gebildeten Kategorien orientieren sich weitgehend an diesem Muster, ohne jedoch auf einzelne Veränderungen und Zusammenfassungen zu verzichten. Folgende Einteilungen werden vorgenommen: Kl K2a K2b K3 K4a K4b K5
- Verwendung von Nazi-Parolen. -Symbolen und Schmierereien. - beleidigende oder volksverhetzende Anrufe. Briefe etc., - (telefonische) Drohung mit Anschlägen, - Beleidigungen und Bedrohungen unter Anwesenden, - Körperverletzungsdelikte. - Sachbeschädigungen mit Gewalteinwirkungen, - Streitereien mit Anwendung von Gewalt, - Brandanschläge, K6 K7 - Diebstahlstaten gegenüber Ausländern. - Taten unter Ausländern. K8 K9 - sonstige Taten, K lOa - strafrechtlich irrelevante Vorgänge (aus tatsächlichen Gründen). K lOb - strafrechtlich irrelevante Vorgänge (aus rechtlichen Gründen).
3*
36
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
Unter dem Blickwinkel des äußeren Erscheinungsbildes liegt es beispielsweise nahe, bei der Tatsituation zwischen einem verdeckten und einem offenen Vorgehen zu unterscheiden. Dem tragen Kategorie 1 (Verwendung von Nazi-Parolen, -Symbolen und -Schmierereien - § 86a StGB), K 2a (beleidigende und volksverhetzende Anrufe, Briefe, Flugblätter - §§ 185, 130 StGB) und K 2b (Drohung mit Anschlägen - insbesondere Drohanrufe, §§ 126, 241 StGB) Rechnung. Dabei handelt es sich um Taten, die weitgehend unbeobachtet begangen werden oder jedenfalls eine klare Identifikation des Täters zumeist vermissen lassen; die Zuschreibung von fremdenfeindlichen Tatmotiven gibt in diesen Fällen angesichts des Informationsdefizites bei verdeckt begangenen Taten näheren Aufschluß über die Herstellung subjektiver Tathintergründe. Demgegenüber werden in der Kategorie K 3 Beleidigungen und Bedrohungen unter Anwesenden erfaßt. Auch in diesen Fällen ist beachtlich, wie die Ermittlungsbeamten alltägliche Spannungen und Konflikte zwischen Ausländern und Deutschen bewerten. K 4 nimmt hingegen in eher herkömmlicher Begriffiichkeit auf die Tatausrichtung Bezug, wobei nach Gruppe 4a auf die Gewaltanwendung gegenüber Personen (§§ 223 ff. StGB) und nach Gruppe 4b auf Gewalt gegen Sachen (§ 303 StGB) abgehoben wird. In einer eigenen Kategorie (K 5) sind Körperverletzungen, tätliche Beleidigungen und Sachbeschädigungen zusammenfaßt worden, die aus längerfristigen Konfrontationen zwischen Ausländern und Deutschen - z.B. Nachbarschaftsstreitigkeiten - oder anderen Auseinandersetzungen, wie Konflikten im Straßenverkehr, herrühren. Solche Fälle sind mit verschiedenen Motivationslagen verknüpft und lassen daher unterschiedliche Interpretationen offen. Auf die Intensität und die Angriffsrichtung der Tat rekurriert auch K 6, in der Brandanschläge (§ 306 ff. StGB) - nicht zuletzt wegen der medialen Bedeutung dieser spektakulären Fälle - gesondert aufgelistet werden. Die Kategorien 4-6 umfassen somit den Bereich, der gemeinhin als Gewaltkriminalität bezeichnet wird. K 7 betrifft seltene Fälle von Diebstählen gegenüber Ausländern. Für die spätere Definition der fremdenfeindlichen Straftat sind auch Delikte unter Ausländern bedeutsam (K 8), weil insoweit der Zuschreibungsrahmen näher konkretisiert wird. "Sonstige" strafrechtlich bedeutsame Konstellationen sind in der Sammelkategorie K 9 berücksichtigt. In den Kategorien 1-9 geht es folglich um Fälle, denen ein wie auch immer gearteter "Ausländerbezug" mit strafrechtlicher Relevanz zugrundeliegt. Die Klassifikation einer Straftat als fremdenfeindlich, ergibt sich erst aus den späteren Wertungen der ErmiUlungsbeamten. Schließlich sind zahlreiche Vor-
Ir. Auswerttmg der Beftmde
37
gänge der KlO zuzuordnen. Gemeint sind Geschehnisse, die im Ergebnis aus dem Raster herausfallen, da entweder aus tatsächlichen Gründen (Fehlalarm, Denunziation - K lOa) kein strafrechtlicher Tatvorwurf aufrechtzuerhalten ist oder in rechtlicher Hinsicht keine Straftat vorliegt oder nur eine Identitätsfeststellung vorgenommen wird, ohne daß sich ein konkreter Tatverdacht bestätigen läßt (K lOb). Gleichwohl ist diese Kategorie aufgrund ihrer Abgrenzungsfunktion und häufigen Grenznähe zu deliktischen Verhaltensweisen sehr aussagekräftig. Grenzveränderungen können das Ausmaß der statistisch ausgewiesenen fremdenfeindlichen Kriminalität rasch und erheblich verändern. b) Kategorienverteilung Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Unterteilung in die einzelnen Kategorien auf Fallzählungen und nicht auf einer tatbestandlieh getrennten Deliktszählung beruht. Zähleinheit ist insofern die Tat im Sinne eines bei natürlicher Betrachtung zusammenhängenden Sachverhaltes. Handlungen, die mehrere Tatbestände erfüllen, werden daher nur einfach registriert. Maßgeblich ist dabei das schwerste Delikt oder - wenn ein solches nicht klar bestimmbar ist - dasjenige, welches der Tat ihr äußeres Gepräge verleiht. Beispielsweise geht mit der Schmiererei von Nazi-Parolen, die den Tatbestand des § 86a StGB erfüllen, regelmäßig zugleich eine Sachbeschädigung einher. Gleichwohl werden diese Delikte allein in K I eingeordnet, da hier der uns interessierende Schwerpunkt der Tat liegt. Gewisse Verzerrungen sind mit diesem Ansatz unvermeidbar. aa) Die Kölner Stichprobe Die folgenden Darstellungen beleuchten die Anteile der Kategorien. Zunächst wird in Schaubild 3a die Kölner Stichprobe betrachtet. Die "Nichttaten" der Klüstehen an der Spitze der Detailauswertung in Köln. Die Graphik verdeutlicht, daß 26 Fälle auf einem Fehlalarm ohne tatsächlichen Ansatzpunkt beruhen, während sich in 14 Ermittlungsverfahren das Verhalten aIs jedenfalls nicht strafbar erwiesen hat. Insgesamt machen diese -1-0 Fälle 20.1 % aller Vorgänge aus. Bei den verbleibenden 159 Ereignissen handelt es sich folglich um strafrechtlich relevante Vorfalle. die im weitesten Sinne gegen Ausländer gerichtet sind. Dabei stehen die weniger spektakulären. eher alltäglichen Fälle im Vordergrund. Angeführt wird die Auflistung von K 2a. auf die 25 Taten entfallen, von denen der größte Teil beleidigende Anrufe sind. Zählt man noch
A. Die ErheblUlgen bei den Polizei behörden
38
die 24 Fälle der K 2b (Drohung mit Anschlägen - ebenfalls zumeist Anrufe, die oft mit Beleidigungen gepaart sind) hinzu, so liegt hier mit insgesamt 49 Verfahren oder einem Anteil von 24,7 % ein Schwerpunkt; läßt man K 10 außer Betracht, machen diese Taten sogar 30,8 % aus. Relativ hoch sind auch die Anteile von K I (Verwendung von Nazi-Parolen, -Symbolen und entsprechende Schmierereien) mit 21 Fällen und K 3 (Beleidigungen und Bedrohungen unter Anwesenden - 16 Fälle).
Schaubild 3a: Verteilung der Ermittlungsverfahren auf einzelne Kategorien bei der Kölner Stichprobe und dem Wuppertaler Gesamtaufkommen (in % - im Jahre 1993)
.Köln : %·Anteil 30
25
/
- - - - - - - - -
/
Dwupp.: %·Anteil
/
20
15
10
K 1 K 3 K 1ObK 4a K 4b K 8 K 9 Köln Stichprobe (abs.) Köln: %-Anteit %-Anleit (ohne KlO) Wupp. gesamt (abs.) Wupp.: %-Antell ·"'-Antell (ohne KlO)
26 13,1 16,4 27
I9
25 12,6 15,7 20 6,6 7,8
24 12,1 15,1 37 12,3 14,5
22 11,1 13,8 20 6,6 7,8
21 10,6 13,2 86 28,6 33.6
16 14 8 7 10,1 8,8 19 18 6,3 6 7.4
13 6,5 8,2 10 3,3 3,9
12 6 7,5 11 3,7 4,3
K6 K7
11 4 8 5,5 4 2 6,9 5 2,5 6 32 15 2 10,6 5 2,3 12,5 5,9
1~5 ! 1,81
o
~
I
I
Im Bereich der Gewaltdelikte wurden bei den zumeist ungeplant erscheinenden Taten der K 4 recht wenige Vorfalle ermittelt. Bezüglich der Gewalt gegen Personen, erfaßt in K 4a (§§ 223 ff. StGB), sind dies 13 Fälle, 12 Delikte unterfallen K 4b (Gewalt gegen Sachen - § 303 StGB). Häufiger vertreten ist mit 22 Vorgängen jedoch K 5: hier handelt es sich um Taten, die eine konflikthafte Vorgeschichte haben. Brandanschläge - K 6 - sind "nur" viermal zu verzeichnen. In 3 weiteren Fällen wurden Diebstähle gegenüber Ausländern festgestellt (K 7). Bei den Streitigkeiten unter Ausländern (K 8) wurden 11 Fälle ermittelt, wobei es sich in der Regel um Auseinandersetzungen in Asylbewerberunterkünften handelt.
n. Auswertung der Befunde
39
bb) Die Wuppertaler Verfahren Die Struktur des Fallaufkommens in Wuppertal ist in vieler Hinsicht mit der Kölner Verteilung vergleichbar, wenn auch die einzelnen Gruppenanteile teilweise recht deutlich unter den Kölner Vergleichskategorien liegen. Insbesondere Fälle wie bedrohende Anrufe (K 2b), die dort den zweitgrößten Gruppenanteil aufweisen und Geschehnisse der K lOb, liegen eng bei den Kölner Werten. Auf die meisten anderen Gruppen entfallen in Wuppertal geringere Anteile, jedoch entsprechen auch hier die Relationen der Gruppen untereinander der in Köln ernlittelten Verteilung. Dies gilt beispielsweise für Körperverletzungen (K 4a), gewalttätige Sachbeschädigungen (K 4b) und tätliche Streitereien (K 5), also Gewalttaten. In dieser Deliktsgruppe ist allerdings bei den Brandanschlägen eine deutlich höhere Belastung festzustellen. Deren Anteil liegt in Wuppertal gut doppelt so hoch wie in Köln. 25 Die teilweise geringeren Gruppenanteile in Wuppertal werden durch eine extrem hohe Quote der K I ausgeglichen, auf die dort mit 28,6 % aller Ermittlungsvorgänge das Gros entfällt. Schmierereien von Nazi-Parolen und die Verwendung entsprechender Symbole prägen zumindest in quantitativer Hinsicht das Bild fremdenfeindlicher Straftaten in Wuppertal und Umgebung. Auffällig erscheint auch der relativ hohe Anteil der K 9 in Wuppertal. Ursächlich ist, wie aus den Fällen ersichtlich, eine nicht unerhebliche Anzahl von Protesttaten - Vorfallen, die sich im Konflikt zwischen der rechten und einer breiten linken Szene als Reaktion auf vorangegangene ausländerfeindliche Taten (Solingen-Anschlag) ereignet haben. Demgegenüber konnten Diebstahlstaten an Ausländern (K 7) in Wuppertal nicht festgestellt werden. Die internen Streitigkeiten der K 8 treten in Wuppertal seltener auf als in Köln. Sie spielen sich auch nicht wie in Köln überwiegend in Unterkünften für Asylbewerber ab, sondern betreffen andere Konfrontationen unter Ausländern. 26 Im Gesamt-Vergleich geben die in Köln und Wuppertal registrierten fremdenfeindlichen Delikte ein recht ähnliches Bild ab. Am deutlichsten treten Unterschiede bei Taten der K I hervor, die in Wuppertal viel häufiger als in Köln Ernlittlungen veranlaßt haben. Dies kann zum einen auf einer tatsächlich häufigeren Begehung dieser Taten beruhen oder aber auf einer konzentrierteren Wahrnehmung, also einem anderen Ermittlungsverhalten der betreffenden 25 Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß es sich ganz überwiegend wn wlaufgeklärte Geschelmisse handelt, die nur unsicher mit Fremdenteindlichkeit in Verbindung gebracht werden konnten, dazu siehe unten S. 95. 26 Siehe dazu unten S. 85, Fallbeispiele 45 und 46.
40
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
Beamten. Für die erste Auslegung spricht wenig, weil der Fundus dieser Taten - insbesondere Hakenkreuzschmierereien - nahezu unbegrenzt ist und daher bei keiner der beiden Vergleichsgruppen auch nur annähernd vollständig erfaßt worden sein dürfte. Ein unterschiedlicher Anteil dieser Delikte kann dann nur auf einer größeren Aufmerksamkeit und Zuwendung der Wuppertaler Polizei zu diesen Fällen basieren. Dafür sprechen auch die relativ vergleichbaren - wenn auch auf einem niedrigeren Niveau als in Köln angesiedelten - Anteile der anderen Gruppen, die eine kontrolltechnische Verschiebung in Wuppertal hin zu Taten der K I andeuten. Diese Erkenntnis bestätigt aber, daß auch die registrierten Vorkommnissc in "Hochburgcn" fremdenfeindlicher Aktionen (siehe Solingen) überwiegend durch eher leichte Delikte geprägt werden bzw. durch eine insoweit wachsamerc Kontrollc erst zu ihrem Umfang heranwachsen. Ruft man sich in Erinnerung. daß die zcitlichen Verteilungen der Fälle in den verschiedenen Regionen nahezu idcntisch waren. dann spricht angesichts ebenfalls ähnlicher registrierter Fallkonstellationen vieles dafür, daß die Arbeitsauslastungen weitgehend an den cigenen und den öffentlichen Einschätzungen von Kriminalität und Kriminalitätsschauplätzen orientiert und diese maßgeblich für das einheitliche Fallaufkommen sind. Es ist kaum mehr zufällig, wenn sich die Fallstrukturen in den verschiedenen Untersuchungsgebieten derart gleichen. Vielmehr dürftcn Effektivitätsenvägungen bei der Fallabwicklung und entsprechende Tätigkeitsnachweisc in der Öffentlichkeit27 ihren Einfluß auf die Kontrollpraxis entfalten. Scheinbar werden in Zeiten einer regen Diskussion übcr fremdcnfcindlichc Vorfcille die Arbeitskapazitäten bis an eine recht einheitliche Belastungsgrcnze ausgedehnt. Vereinzelte Unterschiede bei den Ermittlungsergebnissen werden in diesem Budget anderenorts - über die "frei verfügbare" Massc leichtcrcr Tatcn - ausgcglichen. Es macht den Eindruck, als würdcn dic jcwciligcn Fallzahlcn nach eincm "Baukastenprinzip" zu vergleichbaren Resultatcn zusammcngcsctzt. cc) Das Kölncr Gcsamtaufkommen Zur Prüfung dcr Rcpräsentanz dcr Kölncr Stichprobe haben wir cinen Vcrgleich mit den dortigen Gcsamtdaten vorgcnommcn (sichc Schaubild 3b). Die die Grundgesamthcit betrcffcndcn Zahlen wciscn im Vcrhältnis zu den randomisierten Fällcn kcinc crhcblichen Abwcichungcn auf. Zu berücksichtigen 27 Arzt, Ruf nu\:h Redll und Ordnung, 1976, S. 28: zur "Empirie der Kriminalpolitik" siehe audl Cremer-Schäjer,Sleillerl, KrimJ 1986, I. Beihell, S. 77 Ir. (99).
II. Auswertung der Befunde
41
ist dabei freilich, daß zunächst die polizeiliche Kategorienaufteilung unverändert übernommen werden mußte. Eine abrundende Zuordnung aller Verfahren zu den hier gebildeten Fallgruppen war jedoch ohne größere Probleme möglich. Auch das Kölner Gesamtaufkommen wird angeführt von Vorgängen, die sich im Ergebnis als strafrechtlich nicht relevant erweisen. Bei den Geschehnissen, die KIOentsprechen, geht es vor allem um Hinweise der Bevölkerung auf nicht tatbestandliehe Verhaltensweisen und insoweit befundlose Personenfeststellungen. Mit 236 Fällen macht die Gruppe einen Anteil von immerhin 32,5 % aller 726 Ermittlungsverfahren aus und liegt damit deutlich über den vorliegend ermittelten 20,1 %, die insgesamt aufK 10 bei der Stichprobe entfallen sind. Maßgeblich dürften insoweit die fließenden Grenzen zwischen einer "Nichttat" und einer jedenfalls nicht fremdenfeindlichen Tat sein. Während bei den näher untersuchten Verfahren zunächst nur auf deren Tatbestandlichkeit und einen irgendwie gearteten Ausländerbezug geachtet wurde, gehen bei den zur Verfügung stehenden polizeilichen Angaben für die Kölner Gesamtauszählung teilweise schon Motivbewertungen in die Unterscheidung ein. 28 Dies erklärt den hohen Anteil der dort ausgemusterten, weil jedenfalls nicht fremdenfeindlichen Fälle. Hinsichtlich der anderen - strafrechtlich relevanten - Fälle sind die Häufigkeitsverteilungen durchaus vergleichbar. Bei den telefonischen Bedrohungen ist der Anteil mit 12,1 % gleich hoch wie der von K 2b. Ebenso entsprechen die 81 (11,2 %) Fälle der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen fast genau den 10,6 % der K 1. Gewisse Vergleichsprobleme ergeben sich bei den Beleidigungen, die insgesamt nur in 4,4 % aller Fälle festgestellt wurden. Unter den ausgewählten Verfahren sind jedoch allein 25 telefonische Beleidigungen der K 2a sowie weitere offene Beleidigungen der K 3. Bei den Gesamtzahlen sind allerdings noch nicht die 46 (6,3 %) Volksverhetzungen berücksichtigt, die ganz überwiegend mit der Verwendung von Nazi-Symbolen (K 1) und vor allem mit beleidigenden Anrufen einhergehen und daher vorliegend zumeist in K 2a einbezogen wurden, sofern sich die Taten gegen eine konkrete Person richteten. Bei einer Addition der Beleidigungen und der Volksverhetzungen sind dann auch die 10,7 % für die gesamten Verfahren durchaus mit den Werten der K 2a (12,6 %) vergleichbar. Körperverletzungen und Sachbeschädigungen mit einem Anteil von jeweils 8,5 % wurden hingegen insgesamt häufiger registriert als bei der Stichprobe (6,5 % bei K 4a bzw. 6,0 % bei K 4b). Dies beruht auf der hier vorgenommenen zusätzlichen Differenzierung
28
Siehe auch lllllell bei der Motivbewcrluug S. 59.
32,5 236 20,1 40
N ; CI"IU.t. "
",
12,1 88 12,1 24
11,2 81 10,6 21 8,5 62 6 12
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8,5 62 6,5 13
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ll. Auswertung der Befunde
43
nach gewalttätigen Streitereien der K 5. deren Anteil von 11,1 % bei dem Defizit gegenüber den Gesamtzahlen zu berücksichtigen ist. Diebstahlsdelikte sind mit 11 Fällen (1,5 %) anteil mäßig ebenso häufig vertreten wie bei K 7 (1,5 %). Schließlich setzt sich die Gruppe "Sonstiges" mit 27 Vorgängen (3,7 %) aus 18 verschiedenen Delikten zusammen, die jeweils I oder 2 Verfahren betreffen. Fälle der K 8 (Streit unter Ausländern) sind hingegen bei den eigenen polizeilichen Erhebungen grundsätzlich nicht als Straftat berücksichtigt. Alles in allem bestätigt sich aber der Eindruck. den die Kategorienverteilung in der Stichprobe ergeben hat. dd) Kontrast mit Bundes- und Landeswerten hinsichtlich der Deliktsverteilung Größere Schwierigkeiten bereitet ein Vergleich der Kölner und Wuppertaler Daten mit landes- und bundesweiten Fallzahlen, da in den dortigen Statistiken weitgehend tatbestandlich orientierte Einordnungen und oft auch andere Kategorisierungen zu finden sind. Auch untcr dieser Einschränkung lassen sich jedoch Parallelen zu den vorliegenden Zahlen erkennen. Schaubild 4a liefert zunächst einen Überblick über die am häufigsten vertretenen Deliktsgruppen im Kölner und Wuppertaler Bereich einerseits und in NRW sowie im Bund andererseits. Unter den 2347 1993 in NRW verzeichneten fremdenfeindlichen Delikten29 sind beispielsweise 247 Sachbeschädigungen (10,6 %). 840 (12,5 %) der 6721 Taten30 entfallen im Bund auf dieses Delikt. In Köln liegt der Anteil bei 7,5 % (K 4b), in Wuppertal gar nur bei 4,3 %. Die Differenzen sind folglich nicht unbeachtlich. Körperverletzungen machen im Land bei 263 Fällen 11,2 % und im Bund mit 727 Fällen 10,8 % aus, in Köln hingegen 8,2 % bzw. nur 3,9 % in Wuppertal. Die 61 (2,5 %) in NRW verübten Brandstiftungen entsprechen dann wieder dem in Köln registrierten Anteil (ebenfalls 2,5 %). 284 Brandanschläge auf nationaler Ebene machen demgegenüber mit 4,2 % einen deutlich höheren Anteil aus. Insgesamt liegen dic hiesigen Werte bei mittelschweren
29
LalldesverJassulIgsschutzbericht 1994, S. 18, dort sind auch die Vergleichswerte
fllr 1993 ausgewiesen.
30 Die BWldeswerte sind dem Velfassllllgsschutzbericht 1993, S. 79, zu entnehmen. Ein Überblick über die bundesweiten Werte findet sich auch bei Mischkowitz, Fremdenfeindliche Gewalt und Skinheads, BKA-ForsclllUlgsreihe Bd. 30, 1993, S. 10.
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
44
und schweren Delikten - abgesehen von den Brandanschlägen in Wuppertal und Umgebung (5 %) - teilweise deutlich unter überregionalen Quoten. 3l Schaubild 4a: Anteile ausgewählter Deliktsgruppen fremdenfeindlicher Straftaten im Vergleich Kötner und Wuppertaler Verfahren mit Landes- und Bundeswerten (in % - im Jahre 1993)
• Köln Stichprobe Owuppertal
50
rn Land OSund
40 30
Kliln Slichprobe Wuppertel Land Bund
2,5 5 2,5 4,2
8,2 3,9 11,2 10,8
7,5 4,3 10,6 12,5
13,2 33,6 19,9 21,4
39,9 29,7 23,7 21
Dia Kölne, und Wuppertaler Anteile wurden hier ohne K 10 berechnet. K 5 wurde bei den Körperverletzungen nient berücksichtigt. da imioweit keine klar. Trennung möglich war.
Bei den leichteren und vor allem bei sog. "sonstigen" Delikten werden die Vergleiche erheblich durch unterschiedliche statistische Zuordnungskriterien erschwert. 32 Die im Land begangenen 557 (23,7 %) Beleidigungen und Nötigungen sind daher nur unter gewissen Vorbehalten mit den zusammengefaßten Kölner Werten von K 2a und K 2b (39,9 %) oder den insgesamt 29,7 % dieser Gruppe in der Wuppertaler Region vergleichbar. Die Werte des Bundes liegen mit 21,0 % (1414 Fälle) deutlich darunter, hier sind jedoch Beleidigungen nicht einbezogen, die dort als "sonstige Gesetzesverletzungen" in einer weiteren Kategorie registriert werden. Demgegenüber machen die Anteile der Verwendung verfassungswidriger Zeichen landesweit 19,9 % (bei 469 Fällen) 31 Aufschlußreich wären insoweit auch differenzierte Daten aus den "neuen" BWldesländem gev.'esen. Den verfügbaren Materialien warcn jedoch nur Gcsamtwerte zu entne1unen. 32 Dazu Tielemallll, Bürgerrechte & Polizei, cilip44, 1/1993, S. 46 fr
II. Auswertung der Bet1.lllde
45
bzw. 21,4 % (bei 1437 Fällen) auf Bundesebene aus und übertreffen sogar den vorliegenden Köhler Wert von 13.2 %. Anders verhält es sich in Wuppertal, wo der Wert mit 33.6 % noch höher liegt (jeweils ohne K 10). Scheinbar werden insbesondere die zahlenmäßigen Hauptgruppen - relativ leichter - fremdenfeindlicher Straftaten bei der statistischen Aufbereitung recht unterschiedlich behandelt. Im Ergebnis hinterlassen die Vergleichswerte jedoch unabhängig von regionalen Grenzen einen weitgehend homogenen Eindruck in bezug auf die tatbestandliehe Typisierung und dem damit verbundenen Unwertgehalt fremdenfeindlicher Straftaten. Auch wenn dabei zahlreiche Unebenheiten den Kontrast verzerren, so ist übereinstimmend eine Tendenz zu leichteren Delikten festzustellen. Angesichts eines Anteils der Gewaltdelikte (darunter fallen Totschlag, Körperverletzung, Brandstiftung. Landfriedensbruch und die sog. Sachbeschädigung mit Gewaltanwendung 33 ) von 20,8 % (489 von 2347 Taten) im Land34 und 23,9 % (1609 von 6721 Taten) im Bund35 mag diese Einschätzung zunächst sehr zweifelhaft anmuten. insbesondere vor dem Hintergrund, daß diese Delikte auf Bundesebene (2,4 %) wie auch im Land (2,5 %) nur einen Bruchteil der klassischen Kriminalität ausmachen. 36 Schaubild 4b greift daher noch einmal die jeweiligen Anteile dieser in der Öffentlichkeit immer wieder als Gradmesser für den Charakter fremdenfeindlicher Delikte herangezogenen Gruppe der Gewalttaten auf. Danach übertreffen die hiesigen Kölner Zahlen mit einem Anteil der Gewaltkriminalität an fremdenfeindlichen Straftaten von 32,0 % sogar noch die überregionalen Werte. In Wuppertal entspricht der Anteil mit 21,9 % hingegen ungefähr den Bundes- und Landeswerten. Derartige Vergleiche sind allerdings nur dort angebracht, wo der Ralunen der kontrastierten Kriminalitätssektoren auch vergleichbar ist. Man dreht sich im Kreise, wenn mit fremdenfeindlichen Delikten ohnehin vorrangig nur die schweren Gewalttaten gemeint sind37 und damit zugleich die Brisanz des Phänomens angesichts des so definierten qualitativen Unwertgehaltes hervorgeho33 Gemeint sind Sachbeschädigungen unter Aufwendung körperlicher Anstrengungen, z.B. durch Schlagen, Treten, Werfen u.a., vgl. BKA-Lagebericht 1993, S. 8. Diese fallen hier unter K 4b, während leichtere Fälle der Sachbeschädigwlg, die bei ScIunierereien mitbegangen werden, allein von K I erfaßt werden. 34 Lalldesveifassullgsschutzbericht 1994, S. 18. 35 Veifassullgsschutzbericht 1993, S. 79. 36 Siehe PKS 1993, S. 16; PKS NRW 1993, S. 13. 37 So etwa die Statistik des Bundesamtes fUr Verfassungsschutz, die ursprünglich nur ausgesprochene Gewalttaten erfaßte; dazu Tiefen/will, Bürgerrechte & Polizei, ciIip 44, 111993, S. 46 fT. (52).
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
46
ben wird. Im übrigen relativieren sich die dargelegten Überbelastungen auf den zweiten Blick recht stark. Allein ein Drittel der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte entfallen im Land ebenso wie im Bund auf sog. Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung38 (157 bzw. 539) und damit auf Delikte, deren Unwertgehalt relativ betrachtet nicht so hoch einzuschätzen sein dürfte. In Köln betreffen diese Taten immerhin rund ein Viertel aller Gewaltdelikte. Auch dabei handelt es sich ganz überwiegend um Geschehnisse, die wenig dramatisch verlaufen. 39 Schaubild 4b: Vergleich der Anteile an der Gewaltkriminalität bei der Kölner Stichprobe und den Wuppertaler Verfahren mit Landes- und Bundeswerten (in % - im Jahre 1993)
o Gewaltkriminalität
-----------------------~
o~--------L-------~~------~~----
Köln Stichprobe
GewaltkriminalItät
I
32
I
Wuppertal
NRW
Bund
21,9
20,8
23,9
__~
/
Es wurden tur Köln und Wupperlal die K 4-6 addiert.
Auf der anderen Seite haben Beleidigungen und Bedrohungen nach den vorliegenden Ergebnissen einen Anteil von 39,9 % in Köln (Stichprobe) und 29,7 % in Wuppertal bzw. 23,7 % auf Landesebene (vgl. Schaubild 4a). Sie stellen damit das Gros fremdenfeindlicher Aktionen, bei der Gesamtkriminalität fallen diese Tatbestände demgegenüber kaum ins Gewicht (Bund 1,5 %; 38
39
Zur Fragwürdigkeit des BegritTs siehe unten S. 77. Siehe dazu unten Fallbeispiel 27, S. 76.
II. Auswertung der Befunde
47
Land 0,9 %40). Auffällig ist dabei, daß sich bei der Registrierung "sonstiger Delikte" zahlreiche Unwägbarkeiten abzeichnen. Denn gerade aus dieser Straftatengruppe erschließt sich anscheinend der Bedeutungsgehalt der politischen Kriminalität. 41 Wie man sieht, kommt es bei einer Beurteilung des Gefahrdungspotentials fremdenfeindlicher Straftaten ganz entscheidend auf den Vergleichsmaßstab an. Wer dem die "allgemeine Kriminalität" gegenüberstellt, sollte beispielsweise bedenken, daß diese vor allem von Taten wie dem Diebstahl (61,5 % Anteil im Bund und 65,0 % im Land42 ) und auch der Leistungserschleichung getragen wird, also von Delikten, die im Bereich der fremdenfeindlichen Kriminalität keinen Platz haben. Vor diesem Hintergrund sind einzelne Globaldaten besser zu verstehen. Die im Jahr 1993 bundesweit registrierten 6721 fremdenfeindlichen Straftaten machen im Verhältnis zum nationalen Kriminalitätsaufkommen von insgesamt 6750613 Straftaten43 rund ein Promille aus, folglich ist (nur) jede tausendste registrierte Straftat fremdenfeindlich orientiert. 44 Vergleiche dieser Art sollen das gemessene Potential keineswegs verharmlosen, können aber doch zur realitätsangemessenen Einschätzung der Daten beitragen. Selbst wenn die angegebenen Werte lediglich die "Spitze des Eisberges" ausmachen45 - es ist z.B. kaum anzunehmen, daß innerhalb eines Monates bundesweit nur einige Dutzend "fremdenfeindliche Beleidigungen" begangen werden -, dürften gravierende Delikte jedoch zumeist zur Anzeige gelangen46 , so daß wahrscheinlich überwiegend leichtere Taten unentdeckt bleiben. Während der Diebstahl "das" Massendelikt der klassischen Kriminalität ist, bilden "die Beleidigung" und "die Bedrohung" sowie Taten nach § 86a StGB den Kembereich fremdenfeindlicher Taten und nicht etwa Brandstiftungen oder Mordanschläge. Schließlich ist zu bedenken, daß 1993 der absolute Höhepunkt der fremdenfeindlichen "Welle" war. Gegenwärtig gehen die Zahlen erheblich zurück. 47 PKS 1993, S. 16; PKS NRW 1993, Anhang, Tabelle 102, Blatt 20, II 56. Ebenso Sack, in Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Auf}. 1993, S. 383 ff. (391). 42 PKS 1993, S. 17; PKS NRW 1993, S. 13. 43 PKS 1993, S. 16. 44 Zur "relativ marginalen Größe" insoweit auch 9. Jugelldbericht, BT-Drucks. 13/70, DVJJ-JouruaI2/1995 (Nr. 149), S. 192 ff. (209). 45 Zu hohen Dunkelziffem bei lremdenfeindlichen Taten vgl. Tielemallll, Bürgerrechte & Polizei, cilip 44, 1/1993, S. 46 ff. (52). 46 Für die Anzeigenbereitschall sind insoweit vor allem die Einschätzung der Höhe und des Ausmaßes des Schadens sowie die Verarbeitungsmöglichkeiten des Opfers relevant, Walter, Jugendkriminalität, 1995, S. 122; auch Schwilld u.a., DwlkelfeldforschWlg in Göttingen 1973/74, 1975, S. 218. 47 LalldesverJassuIIgsschutzbericht 1994, S. 18. 40
41
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
48
c) Kategorienverteilung im Zeitverlauf Weiteren Aufschluß über die polizeiliche Erfassung fremdenfeindlicher Straftaten gibt ein Blick auf den Anteil der Deliktsgruppen in der zeitlichen Verteilung. Betrachtet man die Kategorienverteilung bezogen auf die einzelnen Monate (Tabelle la), bestätigt sich der schon beschriebene Eindruck. Tabelle Ja
Verteilung der Kötner Stichprobe differenziert nach Kategorie und Monat (im Jahre 1993) ,ä\ "Bteg. (Ge,ani
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober NovenDer Dezember Gesamt
1 ' 2a
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1 1 2 1 1
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1 4 3 8· 26 1 ~
14
11
12 7 12 5 199
Für Köln lassen sich kaum besondere Häufungen feststellen, vielmehr sind die Anteile pro Delikt und Monat weitgehend gleichbleibend, wobei die Werte in der ersten Jahreshälfte durchweg etwas über denen der zweiten liegen. Eine deutliche Konzentration erfolgt jedoch für den Juni bei den Kategorien 2a und 2b sowie lOa und lOb. Von den 51 Fällen entfallen allein 19 (37,3 % aller Fälle dieses Monats) auf Drohanrufe (K 2b: 11 Fälle) und Beleidigungsschreiben bzw. -anrufe (K 2a: 8 Fälle). 12 Vorgänge bleiben im Ergebnis strafrechtlich nicht relevant (K 10); dies sind immerhin 23,5 % des Juniaufkommens. Insgesamt machen die genannten Kategorien gut 60 % aller im Juni eingeleiteten Verfahren aus. Steigende Fallzahlen betreffen in erster Linie die leichteren Delikte. Wenn man demzufolge von "Mobilisierungswellen" fremdenfeindlicher Kriminalität ausgeht48 , darf man treffender und bescheidender von Beleidigungs- bzw. Bedrohungswellen oder Schüben von Scheintaten sprechen. 48 Willems/WartziEckert, in: BMI (Hrsg.), Analyse fremdenfeindlicher Straftäter, 1994, S. 16.
ll. AuswertlUlg der BeflUlde
49
Ebenso gestaltet sich der Eindruck hinsichtlich der Wuppertaler Geschehnisse. Auch hier konzentriert sich die Aufmerksamkeit überwiegend auf den Juni, mit entsprechenden Deliktsschwerpunkten bei K 2b und den Nichttaten. Tabelle Jb
Verteilung der Wuppertaler Verfahren differenziert nach Kategorie und Monat (im Jahre 1993) tz.~\KaIegorien (0csInt)
panuar
Februar Miez
April Mai uni Juli August
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27 8 9 1 16 2 3 15 1 76 10 4 4 41 5 2 32 ---'._-- ---- - - - 17 2 ---1 -1 --,-'.- ----_._--19 r'-1 22 - r---- ... _--- 1 3 19 27 18 301 ---------
-----------
Allerdings liegen die Fälle der K 1 - wie insgesamt ab der zweiten Jahreshälfte und auch schon im Januar - ganz deutlich über den Anteilen in Köln. Entsprechende Delikte bestimmen das Bild der fremdenfeindlichen Tat in der Wuppertaler Region. Die Einordnung der Geschehnisse scheint also nicht einheitlich zu verlaufen, die Selektion schwerpunktmäßig verdeckte leichtere Taten zu betreffen. Wie dargelegt, dürfte der Blickwinkel der Ermittlungsbeamten dabei eine entscheidende Rolle spielen. d) Zeitliche Verteilung der Kategorien differenziert nach dem Kölner und Wuppertaler Stadtgebiet und dem jeweiligen Umfeld Die Schaubilder 5a und 5b unterteilen den Untersuchungsbereich in das jeweilige Kölner und Wuppertaler Kerngebiet und das entsprechende Umfeld. Dazu gehören in Köln die Bezirke Bergheim, Bergisch-Gladbach, Gummersbach und Leverkusen. Das Wuppertaler Umfeld umfaßt Remscheid und vor allem Solingen sowie andere, ländliche Regionen. Diese Aufschlüsselung geschieht vor dem Hintergrund, daß in städtischen Regionen für gewöhnlich hö4 Kubink
50
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
here Kriminalitätsbelastungen zu verzeichnen sind. 49 Vermutlich herrscht auf engerem Raum eine höhere Kontrolldichte, auch die Anonymität der Großstadt ist dabei bedeutsam. Nach Informationen des BKA wurden dementsprechend im Jahr 1993 39,5 % aller fremdenfeindlichen Straftaten im Großstadtbereich (über 100.000 Einwohner) verübt. 27,4 % der fremdenfeindlichen Fälle ereigneten sich in sog. Mittelstädten (20.000 bis 100.000 Einwohner), weitere 32,9 % wurden in Kleinstädten oder ländlichen Gemeinden (unter 20.000 Einwohner) begangen. 50 Bei den außerhalb des Kerngebietes verübten Delikten geht es um Taten, die in den betreffenden Regionen begangen und auch zunächst von den dortigen Polizeidienststellen aufgenommen werden. Sofern man einen fremdenfeindlichen Bezug annimmt, werden diese Vorflille an die jeweilige EG-FFS weitergeleitet, die dann die Ermittlungen übernimmt und insoweit eine zentrale Zuständigkeit für den Bereich fremdenfeindlicher Straftaten besitzt. Zunächst werden in Schaubild 5a die Zahlen der Kölner Gesamtauswertung betrachtet. 416 der insgesamt 726 Ermittlungsvorgänge entfallen auf das Kölner Stadtgebiet. Dies entspricht einem Anteil von 57,3 %. Die 310 Fälle aus dem Kölner Umfeld machen demgegenüber 42,7 % aus. Bei einer Bevölkerungszahl der beiden Regionen von jeweils etwa 1 Mio. Einwohnern liegt folglich insgesamt eine Überrepräsentation des Kerngebietes vor. Hinsichtlich der monatlichen Verteilung fallt auf, daß der Anteil beider Regionen bei zunächst noch recht hohen Fallzahlen (mögliche Auswirkung von Mölln - 23.11.1992, s.o.) fast gleichbleibend und im Verhältnis zueinander ausgeglichen ist, in diesem Zeitraum wurden Fälle aus dem Kölner Umfeld zeitweise sogar häufiger verfolgt (vgl. März). In den nächsten Monaten sind die jeweiligen Anteile recht schwankend, es ist jedoch eine allgemeine Beruhigung der Lage festzustellen. Augenscheinlich ist auch, daß der Juni-Höhepunkt von beiden Gebieten fast gleichmäßig getragen wird. Erst in der Folgezeit verflachen die Kurven in unterschiedlichem Maße. Während die Zahlen im Kölner Umfeld erheblich zurückgehen, werden im Stadtgebiet nunmehr deutlich mehr Fälle ermittelt.
49 Zur Bedeutung sozialräumlicher Prozesse vgl. Göppinger, Kriminologie, 4. Aufl 1980, S. 277 f., 576 ff. 50 BKA-Lagebericht 1993, S. 12.
n. Auswertlll1g der Beflll1de
51
Schaubild 5a: Zeitliche Verteilung aller Ermittlungsverfahren differenziert nach dem Kölner Stadtgebiet und dem Kölner Umfeld (im Jahre 1993) 100,----------------------------------.--------, - Killn Stadt
+ KOln Umfeld 80
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-------------
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Jan. Feb. Mär.
Mai
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Jul.
Okt. Nov. Dez.
Anders sieht die Entwicklung in Wuppertal aus, wie sich aus Schaubild 5b ergibt. Während auch dort zunächst bis zum Mai die Fallzahlen im Kemgebiet über denen der äußeren Bezirke liegen, wendet sich die betreffende Verteilung ab Juni. Insgesamt wurden im Wuppertaler Umfeld sogar mehr Fälle (158 = 52,5%) als im Stadtbereich (143 = 47,5%) registriert. Dies kann nicht verwundern. Der Solinger-Brandanschlag hat sicherlich urunittelbare Impulse gezeitigt, die im Wuppertaler Umfeld als der direkt betroffenen Region zu einem längerfristigen Anstieg der registrierten Ermittlungsvorgänge geführt haben. Die Induktionswirkung dramatischer Vorbildtaten auf dem Sektor fremdenfeindlicher Kriminalität bzw. dortiger Wahrnehmungen wird dadurch deutlich belegt.
4*
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
52
Schaubild 5b: Zeitliche Verteilung aller Ermittlungsverfahren differenziert nach dem Wuppertaler Stadtgebiet und dem Wuppertaler Umfeld (im Jahre 1993) 50,--------------------------,-----------, .... Wuppe,lel Sl.dr
+ Wupportal Umfold
30 - - - - - - - - - - - -
OL-------------------------------------~
Jan. Feb. Mär.
Mai Jun. Jul.
Wuppertal Stadt Wuppertal Umfeld
Auch im Hinblick auf die Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Kategorien in den jeweiligen Regionen werden die bisherigen Ergebnisse bestätigt. Aus dem folgenden Schaubild 6a geht zunächst hervor, daß Fälle der K 2a und 2b (verdeckte Beleidigungen und Bedrohungen) und lOb ("Nichttaten") im Kölner Umfeld prozentual besonders häufig anzutreffen sind. Interne Streitigkeiten der K 8 kommen sogar öfter als im Stadtgebiet vor. Auf der anderen Seite wurden nur 2 aller 16 offenen Konflikte der K 3 außerhalb Kölns registriert. Vorsichtig läßt sich dieser Befund dahingehend interpretieren, daß jenseits des städtischen Kerngebietes noch im stärkeren Maße leichtere Taten erfaßt werden. Dabei spielt sicherlich der regelmäßig niedrige ausländische Bevölkerungsanteil in ländlichen Regionen51 eine maßgebliche Rolle. Wie die geringen Anteile der K 3 und K 5 belegen, kommt es dort kaum zu privaten Konflikten. Möglicherweise bestehen daher auch bessere - oder aber gar keine Kontakte der heimischen und ausländischen Bevölkerung, so daß sich dramatische Vorfälle seltener ereignen. Die vorhandenen ErmittIungskapazitäten werden dann durch die verbleibenden unspektakulären Fälle "aufgeftillt".
51
Dazu Traulsen, Mschrkrim 1988, S. 28 ff. (32).
II. AuswertWlg der BefWlde
53
Schaubild 6a: Verteilung der Stichprobe auf einzelne Kategorien differenziert nach dem Kölner Stadtgebiet und dem Kölner Umfeld (im Jahre 1993)
20
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Die regionalen Verteilungen im Wuppertaler Bezirk bestätigen ebenso, daß die hohen Belastungen im Umfeld vor allem durch weniger gravierende VorfiUle zustandekommen und damit zugleich auch wesentlich an den steigenden Gesamtzahlen beteiligt sind. Die Anteile an K 1 und K 2b sind nach Schaubild 6b recht hoch und liegen zudem deutlich über den Fallzahlen in WuppertalStadt. Auch die Nichttaten der KIOwerden außerhalb häufiger verfolgt. Im Ergebnis lassen sich jedoch keine klaren Tendenzen im Hinblick auf ein vermutetes Stadt-Land-Gefalle feststellen. Bei der allgemeinen Kriminalität anzutreffende Konzentrationen auf städtische Gebiete liegen bei den uns interessierenden Taten nicht vor. Während in Köln nach dem Solinger Brandanschlag im städtischen Bereich heftigere Reaktionen wahrzunehmen waren als in der Umgebung, sieht das Bild in Wuppertal umgekehrt aus. Allerdings dürfte hier die direkte Konfrontation mit den Solinger Geschehnissen maßgeblich sein. Vor allem der räumliche Bezug scheint daher entscheidend für das jeweilige Volumen erfaßter fremdenfeindlicher Delikte. Möglicherweise beruht die weitgehende Einheitlichkeit der Verteilungen innerhalb der Bezirke aber gerade auch auf der besonderen Ermittlungsstruktur fremdenfeindlicher Taten, die von dem herkömmlichen Stadt-Land-Verteilungsmuster der Kriminalität wenig übrigläßt. Aufgrund der Sonderzuständig-
54
A. Die ErhebWlgen bei den Polizeibehörden
keit der EG-FFS verlassen die Fälle schnell den örtlichen Kompetenzbereich. Auf dem Lande dominierende "kleinere" Delikte und mit deren Aufnahme verbundene statistische Ausgleichsmöglichkeiten legen es nahe, daß der Ermittlungsetat in den Händen der Spezialisten erst seine uniforme Gestalt erhält. Schaubild 6b: Verteilung der Ermittlungsverfahren auf einzelne Kategorien differenziert nach dem Wuppertaler Stadtgebiet und dem Wuppertaler Umfeld (im Jahre 1993) .Wupp. Stadt OWupp. Umfeld
50 /
/
40 /
/
30
/
------------------ I /
3. Die Definition derfremdenfeindlichen Straftat - Motivbewertungen bei den einzelnen Kategorien
Aus der Sicht des Etikettierungsansatzes ist insbesondere zu klären, wie die vorgenannten Fallgruppen von den Ermittlungsbeamten mit Fremdenfeindlichkeit in Verbindung gebracht werden. Nachdem wir bisher sozusagen die äußere Erscheinung mutmaßlich fremdenfeindlicher Taten aus einem Blickwinkel betrachtet haben, der sich den Beamten auf der Straße bietet, wenden wir uns jetzt den definitorischen Maßstäben oder der Attribution subjektiver Momente zu. Diese Beurteilung umreißt den eigentlichen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der EG-FFS und spiegelt damit den Kern der Ermitt-
II. AuswertWlg der BefWlde
55
lungsstrukturen wider. Zugleich liegt hier der Interpretationsschwerpunkt im Hinblick auf den polizeilichen Umgang mit fremdenfeindlichen Straftaten. Die Polizeien der Länder und das BKA haben eine gemeinsame Definition der fremdenfeindlichen Straftat entwickelt, die bundesweit verwendet wird. In dieser Begrifllichkeit geht es um Delikte, die ''gegen Personen begangen werden, denen der Ttiter (aus intoleranter Haltung heraus) aufgrund ihrer Nationa/ittit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres tiußeren Erscheinungsbildes ein Bleibe- oder Aufenthaltsrecht in seiner Wohnumgebung oder in Deutschland bestreitet. " 52 Maßgeblich für Fremdenfeindlichkeit ist demnach die Tatmotivation. Ausgehend von dieser Vorgabe wird unterschieden, ob von den Ermittlungsbeamten eine Angabe zur fremdenfeindlichen Motivation des Täters gemacht wurde - und sofern dies der Fall war - ob diese bejaht oder verneint wurde. a) Motivbewertung im Vergleich der Kölner Stichprobe und der Wuppertaler Verfahren Zum Vergleich mit den Wuppertaler Fällen wird ein Blick auf die Kölner Stichprobe geworfen, da die dortigen Daten detaillierter waren als die Angaben rur alle registrierten fremdenfeindlichen Delikte. Eine Übersicht über entsprechende Motivbewertungen liefert Schaubild 7. Demzufolge fehlt bei 54,8 % der ausgewählten Verfahren (109 der 199 Fälle) eine Angabe zur Tatmotivation bzw. wird diese als "unbekannt" bezeichnet. 53 In 20,6 % der Fälle (41) wird eine fremdenfeindliche Ausrichtung der Tat - selten mit (wechselnden) Begründungen - verneint und bei 24,6 % (49 Fälle) bejaht. Insbesondere rur das Kölner Stadtgebiet herrschen unklare Wertungen und negative Beurteilungen vor.
52 Polizei gegen fremdenfeindliche Gewalt, Infonnationsbroschüre des Landesinneruninisteriwns NRW, 2. Aufl 1995, S. 1. 53 Ein leitender EnnittlWlgsbeamter wies darauf hin, daß bezüglich der abschließenden BewertWlg der Vorfälle noch ein nachträglicher Abgleich der Fälle erfolgte. AufzeichnWlgen über dieses Abschlußergebnis Wld entsprechende BegründWlgen existieren aber nicht. Daher kann nur auf die knappen Ausführungen zur Tatmotivation in den jeweiligen EnnittlWlgsakten Bezug genommen werden. Freilich erscheint dieser Ausgangspunkt besonders aufschlußreich, da die ersten StellWlgnahmen eine besonders transparente EinschätzWlg widerspiegeln. Sie werden daher im folgenden wenn möglich wortgetreu übernommen; siehe auch Wlten bei der DarstellWlg authentischer Fälle, S. 65 tT.
56
A. Die Erhebwlgen bei den Polizeibehörden
Schaubild 7: Motivbewertung bei der Kölner Stichprobe und den Wuppertaler Ermittlungsverfahren differenziert nach dem Stadtgebiet und dem jeweiligen Umfeld (in % - im Jahre 1993) .K61n Siedl
o Köln Umfeld
35
OWuPp. Siedt OWuPp. Umleld
- - - - - -'-------i
o~------------~----------~~----------~
Köln Stadt Köln Umfeld Gesamt Wupp. Stadt Wupp. Umfeld Gesamt
FFS belaht
keine Angabe
FFS verneint
13,1 11,6 24,6 17,6 14,6 32,2
33,7 21,1 54,8 23,4 29,6 52,8
14,6 6 20,6 6,6 8,3 15
Zur Vermeidung von Wiederholungen wurde zugleich nach dem jeweiligen Stadtgebiet und dem Umfeld differenziert.
Die Motivbestimmung durch die Wuppertaler Ermittlungsbeamten unterscheidet sich davon teilweise. Während auch hier die neutralen Bewertungen mit 52,8 % (159 Fälle) aller Stellungnahmen das Gros ausmachen und ebenfalls hinsichtlich des Anteils sehr nahe bei den Kölner Werten liegen, weichen die anderen Einschätzungen doch nicht unerheblich davon ab. Die Tendenz geht hin zu einer häufigeren Annahme einer fremdenfeindlich motivierten Tat. Mit einem Anteil von 32,2 % (97 Fälle) wird eine entsprechende Tatausrichtung um rund ein Viertel öfter bejaht als in Köln. Demgegenüber wird ein fremdenfeindlicher Bezug nur in 15,0 % (45) aller Verfahren ausdrücklich verneint, was wiederum deutlich seltener als in Köln der Fall ist. Das insoweit vorliegende Minus entspricht fast genau dem höheren Anteil an Fällen bejahter Fremdenfeindlichkeit. Dabei fallt angesichts Schaubild 8a(1) ins Auge, daß in Köln insbesondere bei K 1, also dem Grölen und Schmieren von Nazi-Parolen (16 von 21 Fällen = 71,4 %), der Anteil der Nichtangaben zum fremdenfeindlichen Charakter der Tat sehr hoch ist, was mit der seltenen Täterermittlung in diesen Fällen zusammenhängen dürfte. 54
57
II. Auswertwlg der BefWlde
Schaubild 8a(I): Angaben zur Tatmotivation bei den einzelnen Kategorien bezüglich der Kölner Stichprobe (im Jahre 1993) .Bejahung . . on FFS DVernelnung von FFS Okelne Angabe
25
20 15
10
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K 2.
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5
K 15
K7
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K 10a K 10b
Auf der anderen Seite werden in Wuppertal gerade hinsichtlich dieses - dort sehr oft registrierten - Deliktes zahlreiche Fälle als fremdenfeindlich bewertet (37,6 % - vgl. Schaubild 8a(2». Bei den beiden anderen häufig vertretenen Gruppen (K 2a und K 2b) - telefonische Beleidigungen und Bedrohungen - halten sich in Köln die Fälle einer Nichtangabe (12 v. 25 bzw. 14 v. 24) und die Bejahungen einer fremdenfeindlichen Straftat (13 v. 25 bzw. 10 v. 24) fast die Waage. In Wuppertal wurden telefonische Bedrohungen hingegen in 59,5 % aller Ereignisse (22 von 37 Fällen), also häufiger, als fremdenfeindlich beurteilt. Die Vorfalle trugen sich in Köln insbesondere im Juni zu, wobei .im Stadtgebiet zahlreiche Drohanrufe zu verzeichnen sind, die nicht näher hinsichtlich der zugrundeliegenden Motivation bewertet wurden. Im Kölner Umfeld wurden fast ebenso viele Bedrohungen festgestellt, dabei aber zumeist eine frem-
54
Siehe unten S. 99 f.
58
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
denfeindliche Motivation angenommen. Dort gelangen oftmals auch "Nichttaten" zur polizeilichen Kenntnis. 55 Schaubild 8a(2): Angaben zur Tatmotivation bei den einzelnen Kategorien bezüglich der Wuppertaler Ermittlungsverfahren (im Jahre 1993) •
50
Bejahung von FFS OVerneinung von FFS oMBlne Angabe
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40
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20 10
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K 1
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K 28 K 2b
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K ". K 4b
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K 15
K7
K8
K 98 K 9b K 10. K 10b
In Wuppertal dauert die Konjunktur fremdenfeindlich definierter Taten länger an. Der zeitliche Schwerpunkt erstreckt sich von Juni bis August, wobei der Anteil der "positiven" Bewertungen allerdings nicht über durchschnittlichen Quoten liegt. Auffällig ist jedoch, daß gerade im Umfeld viele bedrohende Anrufe als fremdenfeindlich angesehen werden. Insoweit besteht wieder eine Parallele zu Köln. b) Motivbewertung bezogen auf das Kölner Gesamtaufkommen Das Kölner Gesamtaufkommen wird nunmehr gesondert betrachtet, da die dortigen polizeilichen Einordnungen das Bild widerspiegeln, das letztlich auch den von der Polizei veröffentlichten Statistiken zugrundeliegt. Diese Analyse läßt weniger Neutralität bei der Motivzuordnung erkennen als noch 55
Die Daten beruhen auf weiteren Differenzierungen, die hier nicht abgebildet sind.
II. Auswertung der Befunde
59
bei der eigenen Betrachtung der aktenkundigen Fälle feststellbar. Wie bereits dargelegt, wurden von den insgesamt 726 Ermittlungsvorgängen 490 als Straftat bewertet, folglich 236 Fälle (32,5 %) als "Nichttat" beurteilt. Bei den Straftaten wurde dann allerdings ganz überwiegend ein fremdenfeindlicher Bezug gesehen. Nur 41 Fälle, bei denen man von einer strafrechtlichen Relevanz ausging, ordneten die Ermittlungsbeamten als nicht fremdenfeindlich ein, so daß im Ergebnis 449 fremdenfeindliche Delikte registriert wurden. 56 Bezogen auf sämtliche Ermittlungsvorgänge machen die fremdenfeindlichen Straftaten einen Anteil von erheblichen 61,8 % aus. Diese Werte stehen in einem krassen Widerspruch zu den vorliegend ermittelten Verteilungen bei den randomisierten Kölner Verfahren. Der Anteil der ausdrücklich als fremdenfeindlich angesehenen Fälle betrug hier lediglich 24,6 %. Hintergrund dieser Unstimmigkeiten ist nach eigenem Bekunden verschiedener Ermittlungsbeamter die Tatsache, daß bei der Weiterleitung der Verfahren an das Staatsschutzdezernat der Staatsanwaltschaft ein sehr niedriger Maßstab an die Bewertung fremdenfeindlicher Motive angelegt wird. Daher sind in den Gesamtzahlen - die dann auch in die Statistiken eingehen zahlreiche Fälle enthalten, bei denen in den Ermittlungsakten keine genaueren Angaben zur fremdenfeindlichen Motivation aufzufinden sind. Auch Zweifelsfälle werden dort durchweg einbezogen. Wie form- und dehnbar dabei "Fremdenfeindlichkeit" ist, zeigt sich bei weiteren Detailanalysen. Schaubild 8b( 1) verdeutlicht zunächst in bezug auf die zeitliche Fallverteilung sehr anschaulich, wie sich der Kölner Definitionsrahmen hinsichtlich fremdenfeindlicher Geschehnisse im Anschluß an den Solingen-Anschlag verschoben hat. Während bis zur lahresmitte die Anteile der als fremdenfeindlich beurteilten Taten (FFS = fremdenfeindliche Straftat) die der anders motivierten Ereignisse (NFFS = nicht fremdenfeindliche Straftat) um fast genau das Vierfache übersteigen (Ausnahme April), dominieren diese anderen Delikte, die sich von
56 Dieses Ergebnis basiert auf Auswertungen der erwähnten Abstracts. Dort wurde rein schematisch - ohne jede weitere Stellungnahme nach fremdenfeindlichen und nicht fremdenfeindlichen Taten differenziert. Verwunderlich ist dabei, daß die auf diesem Wege ermittelten 449 fremdenfeindlichen Taten wiederum von den 342 fremdenfeindlichen Delikten abweichen, die nach Angaben des Landeskriminalamtes von der Kriminalhauptstelle Köln filr das Jahr 1993 gemeldet wurden; vgl. Polizei gegen fremdenfeindliche Gewalt, Informationsbroschüre des Landesinnenministeriums NRW, 1. Aufl 1994, S. 17.
60
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
ihrem äußeren Gepräge kaum von den zuvor registrierten fremdenfeindlichen Taten unterscheiden, im Juli und August sogar. Schaubild Sb(1): Verteilung aller Kölner Ermittlungsverfahren differenziert nach fremdenfeindlichen Straftaten und nicht fremdenfeindlichen Vorgängen (im Jahre 1993) 140,------------------------------------,---------, -FFS +NFFS
1~
---------------
100 - - - - - - - - - - - - - -
--
-----------------
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-----------------
60
20
o~~~~~~--------------~ Jan. Feb. Mär.
Apr.
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Jul.
Aug.
Okt. Nov. Dez.
Es hat offenbar - bei zunächst noch hohen absoluten Fallzahlen - ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der sich anband der im Juli nachfolgenden Welle als nicht fremdenfeindlich bewerteter Geschehnisse deutlich ablesen läßt. Ruft man sich dabei zugleich in Erinnerung, daß gerade im Zeitraum ab Juli die Fallzahlen im Kölner Stadtgebiet vergleichsweise erheblich über denen des Umfeldes lagen (s.o. Schaubild 5a), macht es den Eindruck, als würden die Ermittlungsbeamten vor allem Vorfälle im Kerngebiet nunmehr in einem anderen Lichte betrachten. Dies gilt insbesondere für die leichten, verdeckt begangenen Taten, die sich ohnehin schwer beurteilen lassen und möglicherweise auch als lästig empfunden werden. Scheinbar ist insoweit eine gewisse Sättigung eingetreten.
11. Auswertung der Befunde
61
In Wuppertal ist eine derartige Verschiebung im Verhältnis von fremdenfeindlichen zu nicht fremdenfeindlichen Delikten bzw. entsprechenden Bewertungsmaßstäben nicht festzustellen (siehe Schaubild 8b(2».57 Schaubild 8b(2): Verteilung der Wuppertaler Ermittlungsverfahren differenziert nach fremdenfeindlichen Straftaten und nicht fremdenfeindlichen Vorgängen sowie Fällen ohne Angabe zum Tatmotiv (im Jahre 1993) 60,--------------------------,-----------, -FFS .. NFFS+keine Angabe 50 40 30 20 10 OL-------------------------------------~
Jan. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
FFS NFFS keine Angabe NFFS+keine Angabe
7 3 17 20
4 1 3 4
4 2 3 5
4 5
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11
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Die ausdrücklich als fremdenfeindlich benannten Taten und die als andersartig motiviert bewerteten Vorfälle folgen einem durchaus sehr aneinander angeglichenen Verlauf. Beide Gruppen unterliegen nahezu simultanen Schüben. Im Gegensatz zu Köln ist der Anteil fremdenfeindlicher Taten im Juli beispielsweise sogar - bei hohen absoluten Zahlen - besonders groß. Eine "Umdefinition" der Vorfälle hat hier also nicht stattgefunden. Das kann bedeu57 Dabei sind allerdings die schon erwälmten Vergleichsprobleme im Verhältnis zum Kölner Gesamtaufkommen zu berucksichtigen. Während dort nur nach fremdenfeindlichen und nicht fremdenfeindlichen Geschehnissen unterschieden werden konnte, wurde bei der eigenen Analyse noch die erhebliche Zahl neutraler Beurteilungen gesondert erfaßt. Daher liegen die Werte fremdenfeindlicher Taten im Verhältnis zu den Kölner Gesamtzahlen erheblich niedriger. Gleichwohl dürfte die zeitliche Verteilung im Hinblick auf eine Relationierung dieser Bewertungsgruppen dadurch nicht beeinträchtigt sein.
62
A. Die ErhebWlgen bei den Polizei behörden
ten, daß zeitweilig tatsächlich mehr fremdenfeindliche Taten in Wuppertal und vor allem der brisanten Umgebung verübt wurden oder aber, daß die Ermittlungsbeamten angesichts der angespannten Lage - anders als in Köln keine Notwendigkeit sahen, ihre Wertungen zukünftig zu überdenken. Definitionsschemata lassen sich - wieder mit Blick auf das Kölner Gesamtaufkommen - nicht nur in zeitlicher und örtlicher Hinsicht ablesen, sondern auch in bezug auf die Grenzziehung einzelner Tatbestände. In Schaubild 8c werden die Hauptfallgruppen der gesamten Kölner Verfahren unterteilt nach Konstellationen mit einem fremdenfeindlichen und nicht fremdenfeindlichen Hintergrund sowie Nichttaten. 58 Besonders bemerkenswert erscheint, daß in erster Linie brisante Geschehnisse und schwere Taten recht häufig als nicht fremdenfeindlich bewertet werden. Im Bereich der Körperverletzungsdelikte wurden immerhin 20 der 82 Vorfalle (24,4 %) als nicht tatbestandiich eingeordnet, weitere 11 Fälle sahen die Ermittler jedenfalls als nicht fremdenfeindlich an. Vor allem aber erstaunt die Verteilung bei der Brandstiftung, die gemeinhin als "das fremdenfeindliche Delikt" imponiert. Von 35 Fällen gingen nur 12 als fremdenfeindlich in die Statistiken ein, die anderen 23 Fälle wurden entweder als strafrechtlich irrelevant (15) angesehen oder mit "klassischen" Motivzuschreibungen (8) aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich herausgehalten. Demgegenüber fällt es anscheinend leichter, weniger schwerwiegenden Vorfällen einen fremdenfeindlichen Charakter zuzuweisen. Insbesondere bei telefonischen Bedrohungen und der Verwendung verfassungswidriger Zeichen tut man sich nicht so schwer mit der Etikettierung der Tat als fremdenfeindlich, obwohl gerade hier angesichts häufig unbekannter Täter weite Informationslücken klaffen. Bei der Registrierung fremdenfeindlicher Straftaten scheinen verschiedene Tendenzen ineinanderzugreifen. Angesichts einiger spektakulärer Vorbildtaten werden zeitweilig möglicherweise tatsächlich vermehrt fremdenfeindliche Delikte verübt. Allerdings deuten die einheitlichen Ergebnisse in Köln und Wuppertal mehr auf eine verstärkte Kontrolle durch die Ermittlungsbeamten hin. Die vorgefundenen hohen Fallzahlen im Juni lassen sich jedenfalls kaum 58 Beispiel aus der Kategorie BrandstiftWlg: Ein Brand kann aus fremdenfeindlichen Motiven (dann FFS) oder anderen Beweggründen (dann NFFS) gelegt worden sein oder sich selbständig entzündet haben (Nichttat). Für Wuppertal wurde eine derartige ZuordnWlg nicht übernommen, da es nicht sinnvoll erschien, strafrechtlich völlig irrelevante Geschehnisse in eine deliktische Kategorie einzuordnen. All diese Fälle wurden K 10 zugeordnet. Anders bei der Kölner Gesamtauswahl, wo die knappe FallbeschreibWlg der Polizei nur eine PauscllaliefWlg zuließ.
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Schaubild 12b: Altersstruktur Kölner und Wuppertaler Tatverdächtiger im Vergleich zur Landes- und Bundesstruktur (im Jahre 1993)
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124
A. Die ErhebWlgen bei den Polizeibehörden
Zu bedenken ist darüber hinaus, daß die Belastung junger Täter bei einigen der speziell für den fremdenfeindlichen Bereich relevanten Delikte auch generell stark ist. Jugendliche und Heranwachsende haben beispielsweise einen Anteil von zusammen 29,6 % aller gefahrlichen und schweren Körperverletzungen an der allgemeinen Kriminalität. l60 Schaubild 12c vergleicht die Anteile Jugendlicher und Heranwachsender an der Gesamtkriminalität mit denen an der (allgemeinen) Gewaltkriminalität und den Belastungen bei fremdenfeindlichen Delikten (in Wuppertal, in Köln, im Land und im Bund). Dem Schaubild ist eine nahezu lineare Erhöhung der Kriminalitätsanteile über die verschiedenen Bereiche hinweg zu entnehmen. Die Gleichzeitigkeit der Bedrohungen - Kriminalität, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit - scheint geradewegs zu jungen Menschen zu führen. Sollten sie tatsächlich "die Schlimmsten", "die Bösen" sein? Verwunderlich ist insbesondere, daß die Kombination dieser Momente vor allem bei den politischen Delikten zu hohen Überbelastungen führt, also dort - im Politischen -, wo sich Jugendliche und Heranwachsende in aller Regel nicht "auskennen". Aus der kriminologischen Forschung weiß man zwar, daß abweichende Verhaltensweisen für junge Menschen generell eine hohe Attraktivität besitzen, während diese mit zunehmenden Alter schwindet. 161 Gleichwohl sollte man daraus nicht folgern, den Kreis fremdenfeindlicher Täter auf die Jugend einzugrenzen, sondern sich mehr den Zuschreibungsmechanismen widmen, die auf einzelnen Kriminalitätsfeldern zu deren Höchstbelastungen führen. 162 Abweichungen der hiesigen Zahlen von den Landes- und Bundeswerten sind - wieder mit Blick auf Schaubild 12b - insbesondere bei der Gruppe der Erwachsenen festzustellen. Während etwa die 21-30jährigen in Köln einen Anteil von 21,1 % an allen Tatverdächtigen haben, sind es im Land 27,6 % und im Bund 26,0 %. Die in Wuppertal ermittelten 29,1 % stimmen damit eher überein. Demgegenüber machen die über 30jährigen auf Landesebene 24,6 % aus, auf Bundesebene gar nur 20,8 %. In Köln entfällt mit erheblichen 36,6 % im Vergleich dazu ein Mehranteil von 12 % bzw. gut 15 % auf die "Älteren".
PKS 1993, S. 77. Vgl. etwa Walter, Jugendkriminalität, 1995, S. 148, dortiges Schaubild 2a; auch Eisenberg, Kriminologie, 3. Aufl. 1990, S. 755. Zur Episodenhaftigkeit von Jugendkriminalität vgl. auch Wlten S. 196 f. 162 Auch Brockhaus, KrimJ 1994, S. 2 (3); zur strategischen Nutzbarkeit derartiger PauschalierWlgen siehe auch Wlten S. 239. 160 161
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25
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Heranwachsende
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Schaubild 12c: Vergleich der Kriminalitätsanteile Jugendlicher und Heranwachsender an der Gesamtkriminalität und an Gewalttaten sowie an fremdenfeindlichen Taten (in % - im Jahre 1993)
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126
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
Auch rur Wuppertal ergibt sich bei dieser Gruppe mit 29,8 % ein - wenn auch niedrigerer - "Altersgipfel".163 Näheren Aufschluß gibt die Altersverteilung bezogen auf die einzelnen Kategorien (Tabellen 6a und 6b). Tabelle 6a
Merkmale der Tatverdächtigen in Köln (im Jahre 1993) 11I_,KIlCSoricn
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Jugendliche tun sich in Köln vor allem bei Wandbemalungen mit NSSymbolen und lautstarken Parolen (K 1) hervor. Dies bestätigt die Erkenntnis, daß junge Menschen vennehrt spontan-ungeplante Taten begehen, aber ebenso den kontrollpolitischen Aspekt einer besseren Sichtbarkeit und Auffillligkeit ihres Verhaltens. l64 Die 21-30jährigen sind ebenfalls mehrfach in dieser Gruppe anzutreffen, die 40jährigen begehen am häufigsten Beleidigungen unter Anwesenden (K 3). Demgegenüber ziehen Heranwachsende scheinbar ge163 Die hiesigen Werte scheinen einen Trend vorwegzunehmen, der sich nunmehr auch auf Landesebene durchgesetzt hat. Nach Zahlen filr das Jahr 1994 ist der Anteil Tatverdächtiger aus der Altersgruppe der über 30jährigen von 1993 24,6 % auf 31,8 % im Jahre 1994 angestiegen. Dazu: Polizei gegen fremdenfeindliche Gewalt, Informationsbroschüre des Landesinneruninisteriwns NRW, 2. Auf}. 1995, S. 10 f. 164 Siehe BlankenburgiSteffeniSessar, Die Staatsanwaltschaft im Prozeß strafrechtlicher Sozialkontrolle, 1978, S. 308 f.
23
II. AuswertWlg der BefWlde
127
walttätige Streitereien (K 5) vor. Die Gruppen der über 21jährigen sind in dieser Kategorie insgesamt sehr gleichmäßig vertreten. Tabelle 6b Merkmale der Tatverdächtigen in Wuppertal (im Jahre 1993) \ Kat,!orien
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Für Wuppertal ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede. Ebenso verteilen sich dort Taten der K 5 recht einheitlich auf alle Altersgruppen. Auch die Belastung der Älteren bei Taten der K 3 entspricht durchaus dem in Köln erstellten Bild. Anscheinend sind fremdenfeindliche Fälle doch erheblich von alltäglichen Spannungen im engeren Umfeld aller Altersgruppen geprägt und nicht allein von jugendtümlichen Strebungen. Auffallig ist, daß auch die in Wuppertal festgestellten Protesttaten der K 9 von Älteren getragen werden. Über alle Altersgruppen verstreut sind dann wieder Täter der K l. Eine deutliche Alterskonzentration ist jedoch nicht zu verzeichnen, jedenfalls handelt es sich keineswegs nur um jüngere Beschuldigte. Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß in Köln lediglich in 7 Fällen (12,7 %) bzw. in Wuppertal in 21 Fällen (20,0 %) mehrere Täter oder Tatbeteiligte ermittelt, also sog. Gruppentaten begangen wurden. Fast die Hälfte der Wuppertaler Vorfalle (10 Fälle) betrifft allerdings Taten der K 1 und damit Geschehnisse, die sich leicht anhand gruppendynamischer Prozesse entwik-
3 15
128
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
keln l65 , ohne dabei zwingend ein besonders hohes Gefahrdungspotential aufzuweisen. Nur in einem einzigen Kölner Fall war den Akten eine rechtsextremistische Organisationsstruktur zu entnehmen, in Wuppertal waren es auch nur drei Fälle. Diese Befunde stehen im Widerspruch zu denen der Trierer Untersuchung von Willems, der 93,8 % aller registrierten fremdenfeindlichen Taten Gruppentätern zuordnet, während nur 6,8 % der Delikte von Einzeltätern verübt würden. l66 Mit organisierten Tatstrukturen aber und einer planenden Kaltblütigkeit der Täter wird in der öffentlichen Diskussion das erhebliche Bedrohungspotential fremdenfeindlicher Straftaten begründet, obwohl das Bild dieser Delikte offenbar sehr weit gefächert ist und ebensowenig eine durchgängige strukturelle Verfestigung aufweist. 167 Nur in wenigen Fällen kam es beispielsweise zu - überdies weitgehend friedfertigen und auch undramatischen - Versammlungen VOr Asylbewerberunterkünften. Außerdem waren 15 Kölner Täter selbst Ausländer (vorwiegend zu K 9 gehörend).I68 Die weiteren Sozialdaten sind recht blaß, da in dieser Hinsicht zumeist Auskünfte unterblieben. 169 Zu erwähnen ist allerdings, daß 23 der 71 Kölner Tatverdächtigen vorbestraft waren (32,4 %), überwiegend jedoch nicht aufgrund einschlägiger ErfahrungenYo Gar nur 15 der 141 Wuppertaler Tatverdächtigen (10,6 %) waren laut der polizeilichen Ermittlungsakten vorbestraft. l7l Betroffen sind in Köln vor allem Täter offener Beleidigungen (K 3) und Verdächtige der K 1, bei denen in jeweils 7 Fällen vorangegangene Auffalligkeiten festzustellen waren. Auch in bezug auf die Vorbelastungen sind die Resultate von Willems weitaus krasser. Danach lagen bei 18,1 % aller Tatverdächtigen polizeiliche Vorerkenntnisse wegen politischer Straftaten vor; 6,2 % wurden bereits einmal aus diesem Grunde verurteilt. Nahezu die Hälfte aller Tat165
Wahl, in: Dn (Hrsg.), Gewalt gegen Fremde, 1993, S. 11 ff. (20 f); auch Osten-
dorf, BewHi 1993, S. 162 tT.
Willems, Fremdenfeindliche Gewalt, 1993, S. 134 f. Zachert, Die Polizei 1992, S. 268 (270). 168 Diese Informationen wurden nicht abgebildet. 169 Zu weiteren Sozialdaten - Familienstand, Bildungsabschluß, Berufsstatus - fremdenfeindlich motivierter Täter vgl. Willems/WürtziEckert, in: BMI (Hrsg.), Analyse fremdenfeindlicher Straftäter, 1994, S. 31 ff. 170 Zu relativ geringen Vorbelastungen dieser Tätergruppe s. auch Schumann, StV 1993, S. 324 ff. (329). 171 Dabei muß beIilcksichtigt werden, daß die Angaben hierzu sehr unvollständig waren und häufig auch von bewußt unzutreffenden Stellungnahmen der Beschuldigten ausgegangen werden kann. Auch bei der späteren Betrachtung der Justizakten fehlten vielfach die Bundeszentralregisterauszüge. Das tatsächliche Ausmaß der Vorbelastungen mag daher höher liegen, dürfte aber keinesfalls die von Willems festgestellten Dimensionen annehmen. 166 167
ll. Auswertung der Befwlde
129
verdächtigen (47,1 %) waren polizeilich wegen "sonstiger" Delikte registriert, 23,9 % sogar gerichtlich sanktioniert worden. 172 Maßgeblich für diese abweichenden Befunde dürften die soeben dargestellten Tatstrukturen sein. Gruppenmitglieder sind häufig bereits enger in die Szene eingebunden und weisen dann auch vielfach - nicht zuletzt gerade wegen des empfundenen Gruppendrucks - ein besser gefülltes Straftatenkonto auf. Gleichwohl muß auch an dieser Stelle auf die Ambivalenz fremdenfeindlicher Straftaten hingewiesen werden. Es kann keineswegs von einem einheitlichen Trend zu gruppendynamischen Prozessen gesprochen werden, vielmehr scheint es Grauzonen zu geben, die ebenso eine eher amorphe, oft chamäleonartige Struktur fremdenfeindlicher Taten spiegeln. I 73 Vor allem können Vorbelastungen nur im Vergleich mit anderen Tätergruppen Auskünfte über die Kriminalitätsneigung gerade fremdenfeindlicher Straftäter geben. So ermittelte Frävel bei einer Untersuchung von Gefangenen einer Justizvollzugsanstalt des Landes Sachsen-Anhalt bei wegen ausländerfeindlicher Taten einsitzenden Gefangenen im Vergleich zu "herkömmlichen" Inhaftierten eine deutlich geringere Vorbelastung. Während die anderen Straftäter eine Vorbelastungsquote von 50,0 % aufwiesen, waren lediglich 27,3 % aller fremdenfeindlichen Straftäter bereits vorbestraft. 174 Dieser Wert kommt unseren Befunden nahe. Man muß bei den jeweiligen Vergleichswerten freilich noch die Selektion der Strafart und die der Anstalt berücksichtigen. Frävelleitet aus seinen Befunden die Frage ab, ob diese Täter ohne die fremdenfeindliche Motivationslage überhaupt straffallig geworden wären. 175 b) Opfermerkmale Schließlich wurde versucht, etwas über die Opfer der Taten herauszufinden. In 164 der insgesamt 199 Fälle der Kölner Stichprobe und in 288 der 301 Wuppertaler Fälle waren geschädigte Rechtsgüter genauer bestimmbar, wobei zwischen menschlichen Opfern, Institutionen (z. B. Asylbewerberunterkünften, sonstigen öffentlichen Einrichtungen) und der "Allgemeinheit" unterschieden wurde. Tabelle 7a befaßt sich zunächst mit dem Geschlecht und Alter einzelner Opfer.
Willems, Fremdenfeindliche Gewalt, 1993, S. 131. Dazu siehe insbesondere die Fälle der K 10, oben S. 871'. 174 Frövel, DVJJ-Joumal, 1/1994 (Nr. 145), S. 45 1'. (46). 175 Ebenda. 172
173
9 Kuhink
A. Die Erhebungen bei den Polizeibehörden
130
Tabelle 7a (1)
Alter und Geschlecht einzelner Opfer in Köln (im Jahre 1993) borennertanalt\ Klltgoritll
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Nach Tabelle 7a(1) konnten in Köln in 53 Fällen IEinzelopfer" 176 ermittelt werden. Von diesen waren 41 männlich und 12 weiblich. 17 waren unter 21 Jahren, 21 zwischen 21 und 40 und 15 über 40 Jahre. In Wuppertal waren von 91 Opfern 64 männlich und 27 weiblich. 19 waren unter 21 Jahre, 34 zwischen 21 und 40 und weitere 38 über 40 Jahre alt (Tabelle 7a(2». Eine besondere Tendenz, etwa dergestalt, daß nur schwächere Personen (Frauen oder Ältere) betroffen wären, läßt sich dem nicht entnehmen. Auch hier liegt viel176 Ansonsten war hiiutig von der "vierköpligcn türkischen Familie" etc. die Rede, deren Mitglieder im Hinblick auf Altcr lind Gcschlccht nicht bestinunt werden konnten.
II. Auswertwlg der Befwlde
131
mehr eher eine Durchschniusverteilung vor. l77 Die Opferstrukturen scheinen in mancher Hinsicht den Täterstrukturen zu gleichen. Zwar sind die Opfer fremdenfeindlicher Taten im Schnitt älter als deren Täter, betrachtet man jedoch einzelne Fallgruppen, relativiert sich dieser Eindruck. So werden z.B. bei Streitereien der K 5 und anderen Körperverletzungen (K 4a), ebenso wie bei den offenen Bedrohungen gemäß K 3 eher Jüngere zum Tatopfer. Jedenfalls für die Fälle mit direktem Sozialkontakt scheint ein gewisser Zusammenhang von Viktimisierung und Täterschaft zu bestehen. Täter- Wld Opferseite verbinden sich zu einem gemeinsamen Problem. 178 Dies vermag bei genauerer Betrachtung nicht zu verwundern, wenn man etwa bei Nachbarschaftsstreitereien ein gemeinsames Lebensstilkonzepe 79 von Tätern und Opfern annimmt. Danach hängt das Risiko, Opfer von Straftaten - insbesondere Gewalttaten - zu werden, maßgeblich von der alltäglichen Umgebung, den üblichen Umgangsformen und den Lebensgewohnheiten eines Menschen ab. In den genannten Fällen, die sich unabhängig von der jeweiligen Nationalität in einem einheitlichen Milieu abspielen, ist ein derartiger Kontext gegeben. Anders ist dies etwa bei verdeckten Taten, wie Drohanrufen oder nächtlichen Wandbemalungen. Hier scheint die Opferwahl eher zufallig. Zur VerdeutlichWlg der Konfliktrichtung wird des weiteren eine Aufschlüsselung nach den Nationalitäten der Geschädigten vorgenommen. Die entsprechenden VerteilWlgen sind Tabelle 7b zu entnehmen. An der Spitze stehen in Köln ganz eindeutig die Türken, die allein in 53 von 115 (46,1 %) Fällen zum Opfer wurden (Einzelopfer und auch Familien).180 Die Opfererfahrungen verteilen sich dabei auf alle Deliktsgruppen (K 1-7), beleidigende und bedrohende Anrufe (K 2a und 2b) bei Türken sind gleichwohl am häufigsten. "Asylanten"181 wurden in 12 Fällen (10,4 %) geschädigt, wobei dieser wenig aussagekräftige Status auch bei vielen Angehörigen der aufgelisteten Nationa177 Zur Alters- und Geschlechtsstruktur von Verletzten auf BWldesebene, vgl. BKALagebericht 1993, S. 16. Danach waren von insgesamt 906 Opfem 81 Kinder, 177 männliche Jugendliche Wld Heranwachsende, 30 weibliche Jugendliche und Heranwachsende, 532 mämIiichc Erwachsene und 86 weibliche Erwachsene. Der Schwerpunkt lag also ebenso wie bei der vorliegenden UntersucillUlg enniUelt, bei den männlichen Erwachsenen als Tatopfem. 178 Sessar, in: Festschritl für Schüler-Springorum, 1993, S. 111. 179 Siehe Sessar, in: Festschrill ftir Jescheck, 1993, S. 1137 fT. (1141). 180 Hinsichtlich der Nationalitäten der Opfer waren - im Gegensatz zu Alter und Geschlecht - fast durchweg Feststellungen möglich. 181 Einigen Ennittlungsvorgängen war die Nationalität des Opfers nicht zu entnehmen. Vielmehr wurde dort nur auf den - prägnanteren - Aufenthaltsstatus des Ausländers abgestellt.
9*
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
132
Tabelle 7b(l)
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Iitäten gegeben sein dürfte. 11 Ereignisse (9,6 %) richteten sich auch gegen Deutsche, vor allem durch Schmierereien an Privathäusern. Noch zu nennen sind "Aussiedler" (6), Araber (5), ehemalige Jugoslawen (4), Menschen jüdischer Herkunft (4), "Schwarze,,182 (3) und zahlreiche weitere Gruppen mit 1-3 Opfererfahrungen. Die "Allgemeinheit" war in 15 Fällen betroffen (vorwiegend K I - Grölen von Nazi-Parolen). Ebenfalls sehr häufig - in 30 Fällen wurde mit Anschlägen gegen Einrichtungen für Asylbewerber gedroht (K 2b) oder wurden diese beschädigt (K 4b). IX2 Allein die Begrilllichkeit ist hier bezeic1mend, da die Person insoweit nicht als Individuum, sondem als Teil einer Kategorie erfaßt wird, siehe LöscJrper, Krim] 1994,
S 170 Ir. (172).
11. Auswertung der Befunde
133
Im Zentrum fremdenfeindlicher An- und Übergriffe stehen anscheinend Menschen und deren Eigenschaften, die weniger direkt mit Aspekten des Asyls als allgemein mit Überfremdung in Verbindung gebracht werden, die man Ausländern zuschreibt. I 83 Aversionen gegenüber Türken sind besonders häufig, vermutlich, weil sie mit rund 1,85 Mio. Menschen l84 die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland repräsentieren und damit zugleich Überfremdung symbolhaft personifizieren. Im Vergleich zum abstrakten Status des Asylanten/Asylbewerbers weist das Merkmal "Türke" vermutlich eine konkretere Gestalt auf. Andere Ausländergruppen, die unseren kulturellen Vorstellungen eher entsprechen - wie etwa Holländer, Engländer, Franzosen oder Nordeuropäer -, werden hingegen sehr selten angegriffen. Die türkische Volksgruppe gibt demgegenüber ein "klassisches" Feindbild ab, sie muß als Verkörperung "des Ausländers" herhalten. Öffentliche Diskussionen über Aspekte des Asylsl85, aber auch solche zur Ausländerkriminalitäe 86, dürften hier nicht ohne Folgen geblieben sein. Nach Brosius könnte insoweit eine spezifische Art der medialen Berichterstattung Einfluß auf die Hinwendung zu den Türken gehabt haben. Da es sich bei den Opfern des Solingen-Anschlages um Menschen türkischer Nationalität handelte, konzentrierte sich nach seinen Feststellungen nunmehr auch das Interesse der Medien auf diese Ausländer. Während noch im Anschluß an die Ereignisse in Hoyerswerda und Rostock - denen Asylbewerber zum Opfer fielen - 66 % bzw. 59 % aller Beiträge dieser Gruppe galten, sank der Anteil der diesbezüglichen Publikationen nach Solingen auf 18 %.187 Meldungen über Anschläge an anderen Ausländern, insbesondere Türken, betrafen hingegen 64 % der Veröffentlichungen. 18s Tabelle 7b (2) zufolge weichen in Wuppertal die Opferstrukturen deutlich von den Kölner Verhältnissen ab.
183 Dazu auch Erb, in: Lanll1ek (Hrsg.), Jugend und Gewalt, 1995, S. 39 tT. (44), hinsichtlich zur Opferselektion führender Opferzeichen. 184 Statistisches Jahrbuch 1994, S. 72. 185 Siehe Kerstell, NK 1/1995, S. 22 (24). 186 Kubillk, Verständnis und Bedeutung von Ausländerkriminalität, 1993, S. 90 1L 122 f. 187 Insoweit geht Rolillski davon aus, daß die Personengmppe der Asylbewerber "den Ausländer" repräsentiere, für die einheimische Bevölkemng würden sie "als Fremde" am deutlichsten sichtbar. RolillSki, in: KühnelMiyazawa (Hrsg.), Neue Strafrechtsentwicklungen im deutsch-japanischen Vergleich, 1995, S. 364. 188 Brosius/Eps, RuF 1993, S. 5121T. (524).
134
A. Die Erhebwlgen bei den Polizei behörden
Tabelle 7b(2)
Nationalitäten der Opfer und andere geschädigte Rechtsgüter in Wuppertal (im Jahre 1993)
Opf...-.\"""'''''''''
I
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Von 155 menschlichen Opfern waren zwar auch hier 52 (33,5 %) türkischer Nationalität, insbesondere bei Drohanrufen, aber auch offenen Bedrohungen der K 3. Allerdings wurden sogar in 53 (34,2 %) Fällen Deutsche geschädigt. Bei den anderen 137 Verfahren ging es in 72 Fällen um eine Beeinträchtigung der Allgemeinheit. vor allem durch das Singen von Nazi-Liedern oder durch die Vorflihrung entsprechender Grüße. Öffentliche Einrichtungen waren
11. AuswertlUlg der Befwlde
135
38mal Ziel der Taten, 27 Fälle betrafen Asylbewerberunterkünfte, jedoch stellten sich 10 dieser Vorfltlle als rechtlich irrelevant (K 10) heraus. Die zunächst verblüffend hoch anmutende Quote deutscher Opfer hängt mit der Vielzahl von Wandbemalungen der K 1 zusammen, die teils wahllos am Eigentum von Deutschen wie Ausländern verübt wurden. Zugleich belegt dieser Befund aber auch, wie willkürlich und oft auch wenig zielgerichtet gerade die "leichten" politischen Delikte begangen werden. Eine alleinige Ausrichtung der Aggression auf bestimmte Nationalitätengruppen ist folglich nicht festzustellen. Vielmehr dürften gerade die genannten Fälle des Vandalismus Niederschlag einer allgemeinen Frustration und daraus erwachsender Aggressionen seinl89 , die eben nicht nur spezifisch gegen Ausländer gerichtet, aber dennoch mit dem betreffenden sozialen Konflikt verschmolzen sind. Umgekehrt artikulieren zahlreiche Delikte gegen Ausländer auch Konflikte mit Einheimischen (bzw. der eigenen Gesellschaft), denen man durch eine Verlagerung auf Sündenböcke aus dem Weg zu gehen versucht. 190 Der Blick auf die Opferseite fremdenfeindlicher Straftaten offenbart verschiedene Konfliktrichtungen. Ebenso wie deren Täter sind auch die Geschädigten fremdenfeindlicher Delikte überwiegend männlich, darunter viele Jüngere. Einiges spricht rur den Konkurrenzcharakter dieser sich ähnelnden Gruppen. Denn Verdrängungsmechanismen werden vor allem dann in Gang gesetzt, wenn gesellschaftliche Positionen durch (ebenbürtige) Mitstreiter in Gefahr scheinen. Wendet man sich den Nationalitäten der Opfer zu, so sind insbesondere Türken betroffen. Folglich geht es nicht allein um aktuelle Fragen des Asylrechts, sondern vermutlich um schon lange schwelende Minderheitenprobleme, die anläßlich fortwährender öffentlicher Diskussionen zum Grundthema der AusländersteIlung in Deutschland ihren Siedepunkt erreicht haben. 191 Die Feinddefinitionen "Ausländer" (Türke) und "Asylbetrüger" haben die Legitimation rur Angriffe gegen Fremde erheblich gesteigert, weil sie eine Dehumanisierung begünstigen. 192 Von den nachfolgenden Eruptionen sind dann auch zahlreiche Deutsche als Geschädigte betroffen. Merkmale der Opferselektion müssen nicht physischer Natur sein. Wie man weiß, erhöhen auch Abweichungen vom gängigen sozialen Status das Opfer189 Wahl, in: Dn (Hrsg.), Gewalt gegen Fremde, 1993, S. 11 fT.; allgemein Kaiser, Kriminologie, 2. Aufl. 1988, S. 613 f. 190 KrtJupl, BewHi 1993, S. 245 tI (253). 191 Dazu auch AschwalIdelI, Jugendlicher Rechtsextremismus als gesamtdeutsches Problem, 1995, S. 44. 192 So Kerstell, NK. 1/1995, S. 22 (24); auch Sehe,.,., KrimJ 1994, S. 162 f (163).
136
A. Die ErheblUlgen bei den Polizei behörden
risiko. Neben Türken und Asylbewerbern sind Zielscheibe von Gewalt "die Obdachlosen", "die Alkoholiker" oder "die Schwulen".193 Diskrimminierungsbereitschaft trifft also vor allem Menschen, die als "Trittbrettfahrer des Sozialstaats,,194 oder andenveitig am Rande der Gesellschaft stehen. Diese Zielgruppen von Gewalt dürften relativ austauschbar sein. 195 Interessanterweise bestehen solche Rangordnungen Eillstellungsforschungen zufolge ebenso innerhalb der verschiedenen Fremdengruppen - Asylbewerber. Aussiedler und Gastarbeiter, wobei die Asylbewerber die allseits Ungeliebten sind. 196 Auch diese ambivalenten "Feindausrichtungen" belegen die oft mangelnde Finalität und das Motivationsgeflecht fremdenfeilldlicher Taten und von Gewalttaten allgemein. Nicht zu vergessen ist, daß all die genannten Hintergründe fremdenfeindlicher Straftaten bekannte Klischees widerspiegeln. die nicht zuletzt auch in den Köpfen der Kontrollbeamten ihren Platz haben. Wäre es pure Phantasie zu mutmaßen, daß neben den Täterstrukturen auch die Opferstrukturen und damit die Gestalt der Szene insgesamt maßgeblich von (Wahrnehmungs-) Vorstellungen der Ermittlungsbeamten abhängen? Es fallen eben insbesondere solche Streitigkeiten von (jungen) Deutschen und Türken und andere offensichtliche Fälle von Schmierereien auf, die man ohnehin erwartete und deren Registrierung zudem kaum Schwierigkeiten bereitet. Breymann weist aus der Sicht eines Jugendstaatsanwaltes auf ein entsprechendes Labeling-Problem hin. Beispielsweise würden Skinheads, die durch Uniformierung, Parolen, Symbolik und Verhaltensweisen bewußt an den Nationalsozialismus erinnerten, als "Neonazis" identifiziert. Eine rechte Untenvanderung und Organisationsstruktur würden unterstellt. obwohl man es ganz überwiegend mit "informellen Spontangruppen" zu tun habe. 197 Derartige Kriminalitätsbilder sind in vielen Nuancen das Resultat einer self-fulfilling-prophecy .198
193 Erb, in : Lanlllck (llrsg.), Jugend und Gewalt, 1995, S. 31) Ir. (44). SchiilerSpri/lgomm, KrimJ 191)5, S. 162 Ir., stcllt "rcchtsradikalc" Tatcn insoweit in einen gemcinsamen Kontext von Randständigcnkriminalität; auch Möller, in: OttolMerten (Hrsg.), Rechtsradikale Gcwalt im vereinigtcn Deutschland, 1993, S. 334 II (335). 194 Scherr, in: OttolMertcn (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vcrcinigten Deutschland, 1993, S. 325 Ir. (330). 195 Auch Brockhaus, KrimJ 1994, S. 2 Ir. (5). 196 Dazu FllchslLanmek, SP 211992, S. 154 Ir. (169 n, insoweit haben intemc Streitigkeiten (siehe ohen K 8), die polizeilich kaum verl()lgt wcrdcn, scheinbar eine ganz reale Beziehung zu Ausgrenzungsstratcgicn.
II. Auswertung der Beflmde
137
c) Innere Tatgenese aa) Täter-Opfer-Beziehungen Die soeben angesprochenen Hintergründe der Entstehung fremdenfeindlicher Straftaten sollen durch Stellungnahmen ermittelter Tatverdächtiger verdeutlicht werden, die im Rahmen polizeilicher Vernehmungen näher auf ihre Tatmotivation hin befragt worden sind. Eine derartige Nahaufnahme der Tatgenese bringt ganz vielfältige Auslöser fremdenfeindlicher Taten an den Tag und sagt zugleich einiges über die Täter aus. Diese Momente reichen vom trivialen Anlaß eines störenden, weil lärmenden Nachbarn, über die Eifersucht eines deutschen Tatverdächtigen gegenüber einem türkischen Opfer, das ihm die Ehefrau "ausgespannt" hat. Zwischen Jugendgruppen geht es häufig um alltägliche praktische Gebrauchsvorteile, wie Konflikte um die Nutzung von Jugendzentren etc. l99 Ein in Wuppertal wegen einer Körperverletzung festgenommener Tatverdächtiger bekundete, daß er Ausländer nicht leiden könne, da er oftmals von ihnen angepöbelt und geschlagen worden sei. Nach Kalinowsky handelt es sich um sog. Provokationstäter mit verschwommenen Kenntnissen und einem diffusen rechtsextremistischen Gedankengue oo, das bei tatgeneigter Gelegenheit - oftmals aus nichtigem Grund - hervorbricht. In der Nähe solcher Fälle liegen weitgehend unbedachte und situationsabhängige Taten junger Menschen. Beispielhaft sind beleidigende Anrufe - mit Gelächter im Hintergrund - zu nennen. Auch leichtere Sachbeschädigungen und mutwillige Schmierereien fallen darunter. Derartige Vorfälle lassen sich zwar nicht auf Dumme-Jungen-Streiche reduzieren, einen gesteigerten Gesinnungsunwert spiegeln sie aber ebensowenig wider. Kriminalität nimmt ihren Verlauf im Rahmen der Persönlichkeitsreifung, es kommt zu partiellen Ein-
197 Breymal/I/, in: OltolMertcn (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vereullgten Deutschland, 1993, S. 294; auch Möller, in: OltolMerten (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland, 1993, S. 334. 198 Zum BegriflschonMertol/, in: Topitsch (Hrsg.), Logik der Sozialwissenschaften, 1971, S. 144 fr.; auch Hohmeier, in: HoluueierlBrusten (Hrsg.), Stigmatisienmg, Bd. I, 1975, S. 15; Kühl/ei, in: Hcitmeyer (Hrsg.), Das Gewalt-Dilenllua, 1994, S. 138 fT. (153), spricht von symbolischen Walmlelullungsfonnen. 199 Nach Leggewie geht es hier um "Raumkämpfe" mit ethnischen Minderheiten, vor allem türkischen Jugendlichen und Asylbewerbem, in: OttolMerten (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland, 1993, S. 120 fr. (122). 200 Kalil/owst.y, in: BMJ (Hrsg.), Rechtsextremismus und Strafrechtspflege, 1985, S. 199.
138
A. Die Erheblmgen bei den Polizei behörden
brüchen des Sozialverhaltens durch irregeführte Jugendliche. 201 Jugendliche dieser Couleur sind in der Regel "normale Täter".202 Vereinzelt wurden auch ausländische Geschäftsleute als Konkurrenten empfunden, die sich "zu Unrecht" auf den deutschen Markt drängten. Ökonomisch-psychologische Gründe des Sozialneides waren im übrigen bei allen Alters- und Berufsschichten recht häufig zu finden. Hier tauchte erwartungsgemäß auch das Klischee des Sozialleistungen erschleichenden Ausländers auf, der "mit dem dicken Benz vorfahrt". 203 Aufschlußreich ist, daß aus dieser Richtung geleitete Tatverdächtige aufkommende Spannungen als "normalen Konflikt" beurteilten, der "auf gewaltsamer Basis" zu lösen sei. Wil/em;04 beschreibt diese Tätergruppe als" Ausländerfeind" , der häufig aus sozial benachteiligten und beengten Verhältnissen komme, seine Gewaltbereitschaft sei diffus und ebensowenig politisch diszipliniert. Übergänge zum Typus des Schlägers205 , der Gewalttätigkeiten als selbstverständliches Konfliktlösungsmodell - nicht nur gegenüber Ausländern - ansieht, sind dabei fließend. In dieser Logik sind sogenannte fremdenfeindliche Handlungen häufig Ausdruck eines Wettbewerbs benachteiligter Schichten, der aber gerade die Normalität bestätigt, die viele Täter mit einem solchen "Konkurrenzkampf' verbinden. Ebenso heben einzelne Tatverdächtige auf unterschiedliche moralische und kulturell abweichende Verständnisse der ausländischen Bevölkerung ab. Es handelt sich um soziale Kategorisierungsprozesse zur Herstellung von Gruppen206, die sicherlich vieles mit Ausgrenzungsvorstellungen zu tun haben. Konkreter ist in dieser Hinsicht die Aussage eines drogenabhängigen Tatverdächtigen, der seine Beleidigung - "Türkenschweine" - damit rechtfertigte, von türkischen und arabischen Dealern ins Milieu gezogen worden zu sein.
201
G6ppinger, Angewandte Kriminologie, 1985, S. 124 f.
Siehe dazu uuten bei den Sanktionsvorschlägen, S. 197. Im betreffenden Fall ging es wu die Beleidigwlg eines türkischen Lebensmittelhändlers durch einen jWlgen Deutschen. ÄIUllich auch die Erfahnmgen von Kräupl, BewHi 1993, S. 245 ff. (251), im Rahmen von Interviews mit Beschuldigten fremdenfeindlicher Straftaten. Dort dominieren hlhalte wie: "gegen Wirtschaftsflüchtlinge, für ein sauberes Deutschland". 204 Willems, Fremdenfeindliche Gewalt, 1993, S. 204 f; zu dessen Tätergruppeneinteilwlg vgl. auch ders., in: BM! (Hrsg.), Extremismus wld Gewalt, Bd. 11, 1994, S. 35 ff. (44-48). Vergleichbare Täterprofile sind auch bei Heitmeyerllvfüller, Fremdenfeindliche Gewaltjuuger Menschen, BMJ (Hrsg.), 1995, S. 59 ff, zu fmden. 205 Willems, Fremdenfeindliche Gewalt, 1993, S. 201. 206 Löschper, KrimJ 1994, S. 170 fI (183). 202 203
II. Auswertung der Befunde
139
Glaubenskonflikte - dann zumeist unter Ausländern - sind gleichfalls vereinzelt Anlaß von Straftaten, die beleidigende Auseinandersetzung zwischen einem christlichen und einem moslemischen Türken dokumentiert dies anschaulich. Demgegenüber sind genuin fremdenfeindliche Haltungen und ideologisch untermauerte Verblendungen sehr selten auszumachen; der politisch motivierte Überzeugungstäter mit einem entsprechend festgefügten Weltbild ist die absolute Ausnahme. Selbst wenn die Anlässe und oberflächlichen Beweggründe der Taten nicht mit den tieferen Motivationen identisch sein müssen, so wird das ideologische Potential fremdenfeindlicher Delikte doch erheblich überschätzt. Eigentlich geht es nicht um rechtsextremistische Taten, sondern um Fälle, die aus der Sicht politisch bewußter Erwachsener als solche klassifiziert werden. 207 Ebenso sind die Gründe und Rechtfertigungen, die Jugendliche formulieren, wenn sie nach ihrer Tatmotivation gefragt werden, Kreationen der öffentlichen Meinung. 208 Dies vor allem, weil ihnen "der Staat" und "die Ausländer" regelmäßig weitgehend unbekannt sind. Von diesem Standpunkt der Unkenntnis halten sie der Gesellschaft einen Spiegel vor Augen, denn Jugendliche agieren so, wie sie es im Elternhaus und im sozialen Nahraum gelernt haben. 209 In einem Fall wies ein Tatverdächtiger aus der Skinhead-Szene darauf hin, prinzipiell nichts gegen Ausländer zu haben, sofern diese ihn "in Ruhe" ließen. Dies täten sie aber nicht, was ja auch jeder wisse. Außerdem, so seine pragmatische Ergänzung, würden Gewalttaten, die man der Szene zuschreibe, der "rechten Sache ohnehin schaden". Bezeichnend für die aktuelle Lage ist die Aussage eines türkischen Schülers, der einen beleidigenden Brief erhielt. Er vermutete dahinter die Tat eines Mitschülers, ohne dies konkret beweisen zu können. Im übrigen seien die Mitschüler aber generell nicht fremdenfeindlich, allerdings habe sich die Lage in den letzten Jahren allmählich verschärft. Diese Beurteilung dürfte einige der Entstehungszusammenhänge fremdenfeindlicher Straftaten bei all ihrer Komplexität im Ergebnis recht anschaulich wiedergeben.
Frehsee, KrimJ 1993, S. 260 tI (266). Seherr, KrimJ 1994, S. 162 f. (163). 209 Wellmer, NP 3/1994, S. 282 fT. (286). 207 208
140
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
bb) Entstehungs- und Thematisicrungsbedingungen - vom Fremdenhaß zur "Fremdenfeindlichkeit" Die folgenden Gedanken wenden sich zunächst kausalen Erklärungen für das Phänomen ausländerfeindlicher Straftaten zu und bringen sie mit der dieser Untersuchung zugrundeliegenden Perspektive in Verbindung. Sie spiegeln die Vorverständnisse und damit gewissermaßen den Weg, auf dem aus Fremdenhaß polizeilich definierte "Fremdenfeindlichkeit" wird. Im Fremdwort für Fremdenhaß, Xenophobie, schwingt sie noch mit, die Angst vor dem Fremden. 210 Die Hintergründe dieser Angst sind ebenso vielfaltig wie die darauf beruhenden Erklärungen für die Entstehung deliktischer Reaktionen. Mal geht es um Situationen der meist wirtschaftlichen Konkurrenz, oft auch um die Bewahrung der einheimischen Werte. Wer weniger situationsabhängig argumentiert, stellt beispielsweise auf die generellen Versuchungen der Gewalt und entsprechende Frustrations-Aggressionsmuster bei Jugendlichen ab?11 Während noch in den 70er Jahren linksextremistischterroristische Aktionen den Protest gegen den Staat und das Wirtschaftssystem symbolisierten, haben sozialistische Weltbilder spätestens mit Beginn der 90er Jahre an Attraktivität verloren. 212 Auch entsprechende Kriminalitäts- und Gewaltschauplätze sind damit verloren gegangen und durch rechtsextremistische "Veranstaltungen" und Thematisierungen abgelöst worden. In der Aggression gegen Fremde offenbare sich ein anti soziales Verhaltenspotential, das von den politischen Rahmenbedingungen geprägt werde. 213 Die Konstellationen von Verunsicherungen verschieben sich, die im Kontext von politischen Strategien und Ideologisierungen reale Gewalt wahrscheinlicher machen. 214 Bereits Sutherland hat auf das Zusammenspiel von personalen und situativen Momenten bei der Entstehung sozialer Konflikte hingewiesen. 215 Steigende Kriminalitätszahlen insgesamt, insbesondere auch zu Lasten von Minder210 So auch fVahl, in: Dn (Hrsg.), Gewalt gegen Fremde, 1993, S. 11 tT. (17); siehe auch Lanlllek, in: Festschrift für Schüler-Springorum, 1993, S. 91 fI (106 tT.). 211 ZUsaIlUuenfassend Kalmel, in: hlfonuationszentnuu Sozialwissenschaften der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher hlstitute e.V. BOlUl (Hrsg.), Jugend und Gewalt, 1995, S. 9 tT., zu allgemeinen Entstelmngshintergründen; auch Wahl, in: Dn (Hrsg.) Gewalt gegen Fremde, 1993, S. 11 tr . 212 Walter, Jugendkriminalität, 1995, S. 88. 213 Mischkowitz, Fremdenfeindliche Gewalt und Skinheads. BKA-Forschungsreihe, Bd. 30, 1994, S. 37. 214 Bielefeld, in: Otto/Merten (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland, 1993, S. 34 ß'. (35). 215 Sutherlalld, in: SackIKönig (Hrsg.), Kriminalsoziologie, 2. Aufl. 1974, S. 395 tT.
II. AuswertlUlg der Befunde
141
heiten und Randgruppen, sind in der Regel dann zu verzeichnen, wenn Gesellschaften Zeiten eines raschen sozialen Wandels und einer politischen Instabilität ausgesetzt sind. 216 Spannungslagen, wie sie durch die Asyldebatte öffentlich geschaffen wurden, bedingen auf beiden Seiten des Kulturkonfliktes Täter und Opfer; die noch vor kurzem aufbrandende Diskussion zur Ausländerkriminalität hat dies hinlänglich offenbart. 217 Fremdenfeindliche Gewalt muß von daher im Kontext nicht nur politischer und rechtlicher, sondern ebenso soziostruktureller und -kultureller Bedingungen unserer Gesellschaft, wie auch allgemeiner menschlicher Grundbedingungen verstanden werden. 218 Buford hat sehr eindrucksvoll dargelegt, wie eng Gewalt mit der Natur des Menschen219 verbunden ist. 220 Fremdenhaß und die ihm korrespondierende Kriminalität sind kein nationales Phänomen. Vielmehr sind entsprechende Erscheinungen (systemübergreifend) und ebenso vergleichbare kriminologische Erkenntnisse andernorts durchaus geläufig. 221 Im postsozialistischen Osteuropa lassen sich beispiels-
216 Zur Korrespondenz einer KriminalisienUlgspolitik zu sozialpolitischen Entwicklungen vgl. Pilgram, Kriminalität in Österreich, 1980, S. 175 tl; dazu auch SchalerSprillgornm, KrimJ 1995, S. 162 tl~ 217 Siehe Kubillk, Verständnis und BedeutlUlg von Ausländerkrill1inalität, 1993. 218 Frehsee, Krill1J 1993, S. 260 fr. (267), sieht es angesichts einer rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und emotionalen Ausgrenzung und Abdrängwlg von Ausländern durch die heimische Bevölkenmg wld politischer Forderungen nach einer EindänulUmg des Ausländerstroms als geradezu zwangsläufig an, daß vorhandene Gewaltbereitschaften insbesondere gegenüber Ausländern ausgelebt werden. Zu entsprechenden Thesen im Überblick auch Murck, in: ders. u.a. (Hrsg.), Inuner dazwischen, 1993, Einftlhcwlg, S. 19 f.; ebenso Pfahl-Trallghber, in: BM! (Hrsg.), Extremismus wld Gewalt, Bd. IlI, 1994, S. 51 ff. 219 Siehe Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, 1976. 220 Buford, Unter Hooligans, 1992, S. 132 f., 234, befaßt sich insbesondere mit der englischen Hooligan-Szene und den dort anzutreffenden Gewaltstrukturen, die er in erster Linie auf die fortwährende ökonomisch-soziale Depression in Großbritamlien zurückfUhrt; ebenso Sc/mmalm, StV 1993, S. 324 (327); zu den psychologischen VerlokkWlgen wld Entstehwlgsgründen von Gewalt siehe insbesondere auch Brockhaus, KrimJ 1994, S. 2 (5 f.). 221 Siehe Klillk, Die Polizei 1992, S. 272; auch Zachert, Die Polizei 1992, S. 268 ff. (272). So bereits in einzelnen Bereichen Kerstell, der im Ralunen einer kulturvergleichenden Studie an Jugendgangs die Gewaltbereitschatl als ein l111iversell anzutreffendes Handlungsmuster der MälUllichkeitsdarstellung identifiziert hat, in: OttolMerten (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland, 1993, S. 227 ff.; ders. zur rassistischen Feindbildkonstruktion "des Pakistani" durch die englischen OriginalSkinheads, in: Bergmann/Erb (Hrsg.), Neonazismus und rechte Subkultur, 1994, S. 125 ff.; zu Gewaltberichten aus Großbritamlien ebenso EckertiWillms/Wolf, in:
142
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
weise fremdenfeindliche Übergriffe verzeichnen, die einen Zusammenhang von innerer Stabilität und der Entstehung von Feindbildern herstellen. In der US-amerikanischen Forschung spricht man von "Hate Crime". Dahinter verbergen sich zusammengefaßt verschiedene Kriminalitätskategorien, die auf unterschiedlichen Vorurteilen basieren. 222 Differenziert wird zwischen Taten, die aufgrund von ethnischen Vorurteilen oder solchen gegenüber der Rasse sowie auf religiösen bzw. sexuellen Motiven beruhen. Anders als bei den hiesigen Definitionen wird in einem übergreifenden Sinne auf Kriminalität gegenüber Minderheiten abgestellt, wobei Ausgrenzung umfassend verstanden wird. 70 % der Taten entfielen davon im Jahre 1993 auf Handlungen mit rassistischem oder ethnischem Bezug. Ein Blick auf die registrierten Taten offenbart dann wieder vertraute Deliktsverteilungen. 35 % der "Hate Crime" betreffen Bedrohungen, 25 % vandalistische Taten, 16 % werden als "aggraved assault" bezeichnet, also körperliche Angriffe. 223 Leichtere Taten - Bedrohungen und Vandalismus - sind auf diesem Gebiet scheinbar auch in der globalen Perspektive eine feste Größe und zugleich gewissermaßen Verschiebemasse bei der statistischen Erfassung. Im Ergebnis decken die Erklärungsansätze, mit denen diese Zahlen gedeutet werden, angefangen von lerntheoretischen über anomie- und subkulturtheoretische Begründungen fast das gesamte Spektrum ätiologischer Kriminalitätstheorien ab. 224 Vieles davon klingt plausibel und konnte durch die vorliegenden Ergebnisse auch im Einzelfall bestätigt werden. Freilich erfährt man nicht, wie die genannten Gesichtspunkte ineinandergreifen und welche Wertigkeit die betreffenden Aspekte bei der Genese fremdenfeindlicher Kriminalität tatsächlich haben, soll deren (objektives) Wesen erklärt werden. "Fremdenfeindlichkeit" im Sinne der polizeilichen "Zauberformel" scheint dieses Hindernis zu überwinden, indem sie aus der Komplexität von Fremdenhaß einzelne Punkte selektiv herausgreift. Geprägt durch die innenpolitische Großwetterlage ist auch der kontrollpolitische Zeitgeist an Störungen orientiert, die sich scheinbar aus Integrations- und Zuwanderungsproblemen Fremder ergeben. Die objektive Unbestimmbarkeit derartiger sozialer Konflikte SchwindIBaWllatUl u.a. (Hrsg.), Ursachen, PräventionWld Kontrolle von Gewalt, Son(Gewaltkonuuission), Bd. m, 1990, S. 5 t1 2 2 Zu einem Vergleich dieser Kategorisiecwlg im Sinne einer symbolischen Ausgrenzwlg von Ratldgruppen wld Minderheiten vgl. Sessar, in: Festschrift flir SchülerSpringocwll, 1993, S. 111 tT. (117). 223 CrimillaJ Justice Illfomtatioll, V.S. Departement of Justice (Hrsg.), 1994, S. 1. 224 Vgl. Rzepka. in: PA AlbrechUJäger (Hrsg.), Frankfurter kriminalwissenschaftliche Studien, Bd. 50, 1995, S. 245 tT. (257). der~utachten
n. Auswertung der Befunde
143
lehrt dabei nicht nur Bescheidenheit bei der Suche nach den letzten Wahrheiten, sondern fördert zugleich ein wissenschaftliches Interesse an kontrollinstanzlichen Selektionsmustern. Eine solche Kurskorrektur führt hin zu der registrierten und als fremdenfeindlich definierten Kriminalität. Fremdenfeindlichkeit meint von diesem Etikettierungsansatz her diejenigen Delikte, die - beruhend auf den dargelegten Rahmenbedingungen - aus dem Pool mannigfaltiger Kriminalitätserscheinungen ausgewählt, aber teilweise auch erst in diesen hineingesogen werden. Die Selektion wird von einer kontrollpolitischen Institutionalisierung und Spezialisierung begleitet, die nicht nur hierzulande im Wege der Einrichtung von Sonderdezernaten (siehe EG-FFS) geläufig ist. Auch die soeben geschilderten US-amerikanischen "Hate crimes" treten vor allem dort in Erscheinung, wo - differenziert nach Bundesstaaten eine große Zahl von "Hate Crime Agencies" bestand bzw. errichtet wurde. 225 Die Zahlen der Kontrollierten (und dann Verdächtigten) und der Kontrolleure stehen anscheinend überall in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Vor allem den Massenmedien wird dabei in strukturell differenzierten Gesellschaften durch Einwirkung auf Akteure226 wie auf Kontrolleure eine weitreichende Vermittlerfunktion beigemessen?27 Anschaulich drückte diesen Effekt ein junger Tatverdächtiger aus, der vor einem Solinger Kaufhaus NaziSprüche sowie die Forderung "Ausländer raus" intonierte. Er bekundete, er fühle sich zu derartigen Äußerungen beauftragt, allerdings nicht durch die Beeinflussung anderer gleichgesinnter Gruppenmitglieder, sondern "durch solche Scheiß-Zeitungen, wie von den Republikanern, die wir zu Hause haben".228 Dabei ist das Aufkommen neuer Themen und Probleme nicht primär Crimillal Justice IIIjom/Otioll, U.S. Departement of Justice (Hrsg.), 1994, S. 2. Mertell, in: OttolMerten (Hrsg.), Rechtsradikale Gewali im vereinigten Deutschland, 1993, S. 126 tT. (134). Die Berichterstattung unterliegt insoweit einer doppelten Verzcmmg. Einerseits werden bevorzugt Gewaltde1ikte geschildert - unter VemachlässigWlg unspektakulärer Fälle, die tatsächlich die absolute Mehrzahl fremdenfeindlicher Taten bilden. ZWll anderen werden die Sachverhalte vollcnds aus ihren Zusammenhängen gerissen. Die Forschungsergebnisse sind hier freilich sehr widersprüchlich wld können im Ralullen der vorlicgenden Untersuchung nur im SillllC von Hypothesen angeboten werden; zur Theorienvielfalt hinsichtlich der Wirkwlgsanalyse massellllledialer Einflüsse siehe auch KUllczik, in: BM! (Hrsg.), Extremismus wld Gewalt, Bd. IV, 1994, S. 41 tT. 227 NowOtllY, in: Matthes (Hrsg.), Soziale Probleme, 1981, S. 169; zu diesem Zusanullenhang sichc auch schon obcn S. 33. 228 Auch in den Interviews von Krällpl, BewHi 1993, S. 245 tT. (254), waren entsprcchende Stellungnalullen zu verzeic1ll1en. Dort hieß es beispielsweise, "Medicn kriminalisieren WIS". 225 226
144
A. Die Erhebungen bei dcn Polizcibehördcn
durch reale Veränderungen bestimmt, sondern vor allem durch veränderte journalistische Selektions- und Verarbeitungskriterien. 229 Es hat den Anschein, als sei die Polizei als Instanz sozialer Kontrolle gegen diese medialen Techniken und auch Anschauungen der öffentlichen Meinung nicht immunisiert. Der Ausschnitt, der aus der Gesamtheit als fremdenfeindlich definierbarer Taten in das Hellfeld übertragen wird, gehorcht einer spezifischen kontrollpolitischen Logik. Ins Netz gehen insbesondere die politischen Delikte (§§ 86a, 130 StGB), die schon rein äußerlich "ein Zeichen setzen", ohne dabei allerdings in der Praxis auf einen konkreten Täter rückführbar zu sein. Diese Informationslücken bieten einen Definitionsrahmen für das Merkmal der Fremdenfeindlichkeit, der eine flexible Reaktion auf konjunkturelle Entwicklungen und Bedrohungsszenarien zuläßt. 230 Die Definition und Zuschreibung von Fremdenfeindlichkeit wird damit zum sozialen Reaktionsprogramm.
8. Tauglichkeit des Merkmals ''fremdenfeindliche'' Straftat a) Begriffliche Ungenauigkeit Was vermag - polizeilich-interpretierte - Fremdenfeindlichkeit nach allem zu leisten? Die aufgezeigten Fälle und der damit dokumentierte Umgang der Ermittlungsbeamten belegen, daß es sich um ein Merkmal mit wenig Trennschärfe handelt. Fremdenfeindlichkeit manifestiert sich selten in einel schwerlich bestimmbaren - Reinkultur, sondern geht in aller Regel in einem Bündel von Motiven auf oder wird erst durch andere Gegebenheiten erweckt. Die polizeilichen Ermittlungsergebnisse beinhalten lediglich eine erste ungenaue Prognose über den Hintergrund einer Tat. Denn angesichts der Unschuldsvermutung im Ermittlungsverfahren231 wissen wir ja gerade nicht, ob wir es mit einem "Fremdenfeind" zu tun haben. Die vorliegenden Befunde ergaben gleichwohl, daß sich dabei im regionalen Kontrast sehr ähnliche Tataufnahmen abzeichnen. Hinsichtlich der einzelnen Delikte sind zwar verschiedene Unterschiede zwischen Köln und Wuppertal erkennbar, die auf eine größerer AufmerksaInkeit gegenüber leichteren Taten in Wuppertal hindeuten. 229 Brosius/Eps, Ruf 1993/4, S. 512 fr (516); siehe schon oben S. 33 f., 133 f., zu veränderten Berichterstattwlgsstrukturen angesichts einzelner spektakulärer Brandanschläge, ohne eine tatsächlich gesteigerte Häufwlg solcher Delikte. 230 Siehe oben S. 64. 231 Roxill, Strafverfahrensrecht, 23. Aufl 1993, § 11 II, Rdnr. 3 tT.
II. Auswertung der Befunde
145
Erstaunlicherweise gleichen sich die Ergebnisse dann allerdings wieder, wenn es um die jeweiligen Aufklärungsquoten, spezifische Ermittlungsstrategien und auch die Verfolgungsinitiative geht. Die teilweise unterschiedliche Definition einzelner Taten und Delikte ändert also wenig an der weitgehend übereinstimmenden Ermittlungsstruktur. All dies spricht für ein kontrollpolitisches Produkt von Fremdenfeindlichkeit. Während dem Merkmal der Fremdenfeindlichkeit insoweit eine sehr geringe rechtliche Bedeutung zukommen dürfte, können entsprechende Alarmmeldungen auf diesem Kriminalitätssektor bei kriminalpolitischen Diskussionen mit erheblichem Gewicht in die Waagschale geworfenen werden. Die polizeiliche "Asylformel" verrät sich selbst. "Das Boot ist voll", im Rettungsboot der inneren Sicherheitskräfte scheint hingegen noch reichlich Platz für bestimmte Tätergruppen. Hartes Durchgreifen der Polizei als Träger des staatlichen Gewaltmonopols symbolisiert zugleich politische Entschlossenheit. Eine solche Politik, die zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zuerst auf Instrumente der inneren Sicherheit setzt, politisiert nicht nur polizeiliche Aufgaben, sondern "verpolizeilicht" auch die Politik. 232 Nicht die Angst vor den Fremden, sondern der öffentliche gesellschaftliche Konflikt um sie wird institutionalisiert. 233 Unter dem Strich ist allen gedient: gesteigerter Handlungsbedarf füllt nicht nur die Budgets der Polizei, sondern verschleiert ebenso die Hintergründe von Fremdenfeindlichkeit - soziale Spannungslagen, Migrationsprobleme. 234 Polizeilich registrierte Fremdenfeindlichkeit führt so zur Akzentverschiebung und Ablenkung von den Kernproblemen. Der Begriff der Fremdenfeindlichkeit wird damit selbst zu einem (legitimatorischen) sozialen Konstrukt, bereits mit der Nomenklatur wird Politik gemacht. 235 Vor allem die mediendramatische Aufbereitung ist für eine solche Politik nützlich, denn sie schürt soziale Konflikte und rechtfertigt damit politische Reaktionen im Bereich der Kriminal- und auch der Ausländerpolitik.
232 Jaschke, in: Heitmeyer (Hrsg.), Das Gewalt-Dilemma, 1994, S. 305 tr (331 tT.); ders. auch in: Murck u.a. (Hrsg.), IIlilller dazwischen, 1993, S. 135 tr (149 f.). 233 Hiefe/eid, in: OttolMerten (Hrsg.), Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland, 1993, S. 34 tT. (38). 234 Siehe dazu auch unten im Ralunen kriminalpolitischer Fordemngen im Justizbereich, S. 239 f. 235 Dazu Hassen/er, StV 1995, S. 483 Ir (487). 10 Kuh,",
146
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
b) Verzicht auf "Fremdenfeindlichkeit" - Einbußen bei der Strafverfolgung? In Konsequenz der dargelegten Ungenauigkeiten, die der Umgang mit "Fremdenfeindlichkeit" mit sich bringt, ist auf dieses kontrollinstanzliehe Selektionsmerkmal entweder zu verzichten oder aber eine Neudefinition erforderlich. Das Bestreiten des Aufenthaltsrechtes von Ausländern ist nur ein vager Maßstab von Fremdenhaß; die Verweigerung ökonomischer und kultureller Teilhaberechte sowie sonstiger "Bürgerrechte" oder gar des Lebensrechtes dürfte ebenso degradierend wirken. Schon dieser kurze Gedanke verdeutlicht nicht nur erneut die geringe Zweckmäßigkeit der geltenden Definition, sondern auch die Problematik, einen Definitionsrahmen zu schaffen, der beispielsweise - noch weiter gefaßt - alle Erscheinungsformen der Delinquenz gegenüber Ausländern generell als fremdenfeindlich bewertet. Offenbar wird zugleich, auf welches Glatteis man sich begibt, wenn "Fremdenfeindlichkeit" als Ausgangspunkt der Strafverfolgung verwendet wird. Fremdenfeindliche Straftaten beinhalten gewissermaßen eine Umkehrung des Etiketts "Ausländerkriminalität", mit einer entsprechenden Stigmatisierung?36 Solche Zuschreibungen sind auch bei alternativen Definitionsvorschlägen nicht zu vermeiden. Was wäre mit dem Verzicht auf "Fremdenfeindlichkeit" verloren? Es konnte in keiner Weise belegt werden, daß dieses Merkmal eine bessere Selektion der polizeilich ohnehin schwer selektierbaren Täterkreise ermöglicht hat, der Blick der Kontrolleure wurde keineswegs geschärft. Auch haben sich die Ermittlungsstrategien im Hinblick auf die betreffenden Taten als Routineprogramm dargestellt, das keine Abweichung von den üblichen polizeilichen Vorgehensweisen erkennen ließ. Ermittlungsnachteile wären folglich nicht zu erwarten. Verloren ginge jedoch die Symbolik, welche anscheinend mit mitmenschlichen Verständnissen und Bemühungen verbunden ist, die sich in der Suche nach "Fremdenfeindlichkeit" manifestiert. Eine solche Symbolik scheint aber nur legitim, wenn sie Realitäten spiegelt, aber nicht dort, wo neue Wahrheiten geschaffen werden. Im übrigen sind gerade bei der strafrechtlichen Behandlung junger Menschen symbolträchtige kriminal politische Ausstrahlungen zu vermeiden. 237
Dazu auch unlen bei den Sanktionen S. 19ü. Siehe dazu auch bei gcncralprävcntiven Momenlen jugendstratrcchtlicher Sanktionen, unten S. 231 f. 236
237
TI. Auswertwlg der Befunde
147
Soweit es um die Durchsetzung eines staatlichen Strafanspruches geht, kommt es insbesondere im Jugendrecht zuerst darauf an, im Einzelfall die Täterpersönlichkeit treffend einzuordnen und dabei Merkmale zu bestimmen, die sie zur Tat bewogen haben. Die quasi-aufenthaltsrechtliche Interpretation von Fremdenfeindlichkeit, der sich die Polizei verschrieben hat, mag Ausdruck eines gesellschaftlichen Handlungsbedarfs in Reaktion auf ein soziales Problem sein, mag die Aktivierung des Krisenmanagements demonstrieren238 , hat jedoch recht wenig mit Maßstäben des (Jugend-)Strafrechts zu tun. Während es dort um gesellschafts-politische Lenkungsprozesse geht, ist hier die Individualität des Täters maßgebend, die durch den äußeren Anschein der Fremdenfeindlichkeit nur sehr spärlich beleuchtet wird. Die polizeiliche Ermittlungstätigkeit beschränkt sich in diesem Gefiige vorrangig auf eine Art von Kompetenzfilter und ersten Baustein im Rahmen eines übergreifenden justiziellen Geschäftsverteilungsplanes. Inhaltlich haben sich hingegen die Gerichte mit der Bedeutung fremdenfeindlicher Motive auseinanderzusetzen, sofern diese überhaupt näher kristallisierbar sind. 239 c) Kooperationsbedürfnisse Voraussetzung einer effektiven Sozialkontrolle von jugendlichen Straftätern sind vor allem Verbindungen der polizeilichen Errnittlungsbeamten zur Jugendgerichtshilfe und zu Jugendämtern, um soziale wie auch "rechtliche Betreuung" zu koordinieren. Mitarbeiter der Ermittlungsgruppen gestanden in Interviews zu, daß es an einer solchen Kooperation praktisch vollends fehle. 240 Der Schutz von Ausländern ist darüber hinaus vor allem in einem präventiven Sinne bei der Gefahrenabwehr zu berücksichtigen. 241 Das bedeutet etwa eine vermehrte Beobachtung und bessere technische Sicherung von Asylbewerberunterkünften oder anderen brisanten Objekten, Kontaktaufnahmen mit Mitgliedern der Skinhead-Szenen und auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den sozialen Hilfsinstanzen. 242 Insgesamt geht es mehr um faktische Vorkehrungen. um eine bessere Vgl. Pilgram, Kriminalität in Österreich, 1980, S. 193. Dazu unten S. 187 f. 240 Zu dieser Alltagswirklichkeit siehe auch Best, DVJJ-Journal 1/1994 (Nr. 145), S. 55 Ir. (57). 241 Siehe im einzelnen Klillk, Die Polizei 1992, S. 272 (273 f. ). 242 Zu entsprechenden polizeilichen Handlwlgskonzepten auch Afurck, in: ders. u.a. (Hrsg.), hnmer dazwischen, 1993, Einführung, S. 30,40 f.: ebenso Fricke, in: BM! (Hrsg.), Extremismus wld Gewalt, Bd. m, 1994, S. 89 Ir (97). 238
239
10*
148
A. Die Erhebungen bei den Polizei behörden
organisatorische Prävention, als um neue rechtliche Instrumente. 243 Des Begriffes der "Fremdenfeindlichkeit" bedarf es für die genannten Maßnahmen nicht. Zur Konfliktvermittlung könnte auch eine Rekrutierung von Polizeibeamten aus ethnischen Minderheiten dienen. 244 Schulllal111 sieht in der Intensivierung von Tataufdeckung und Aufklärung zugleich ein konfrontatives Element, das potentielle Täter abschrecke. 245 Ebenso gefragt ist die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise durch intensivere Rückkopplungen mit den Medien, denen ihre Verantwortung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Gewaltkriminalität vor Augen geführt werden muß. 246 Förderlich sind dabei sicherlich nicht die üblichen Sensationsberichte, sondern aufklärende Darstellungen sozialer und kultureller Hintergründe und Rahmenbedingungen. 247
243 Dazu siehe Hassemers Fordenmgcn nach einem "Interventionsrecht anstelle von Stralrecht" im Sinne einer neucn kriminalpolitischen Perspektive, StV 1995, S. 483 fr. (489). 244 IVillemsIIVür/zIEcker/, in: SM! (Hrsg.), Analyse lrellldenfeindlicher Straftäter, 1994, S. 78. 245 Sc/lllmWIII, StV 1993, S. 324 Ir (328). 240 Auch Jaschke, in: Heitlllcyer (Hrsg.), Das Gewalt-Dilenuna, 1994, S. 305 tT. (309). 247 Die soebcn gcgründctc "Frciwilligc Selbstkontrolle Femschen" der privaten Femsehunbieter und entsprechendc Restriktionen der ötTentlichen Sendcr gegenüber Gewaltdurstellungcn sind hier beispielhall anzuführcn, dazu Speck, in: 13M! (Hrsg.), Extremismus und Gcwalt, Ud. W, 1'.194, S. 81 Ir. (86).
B. Die Erhebungen bei den Justizbehörden I. AufgabensteIlung und Methodik Anliegen der Untersuchung ist ein umfassender Überblick über den Umgang der Rechtspflege mit fremdenfeindlichen Straftaten. Analysiert werden soll der Prozeß der Fallkonstitution und Sachverhaltsrekonstruktion bis hin zur Einleitung und Durchführung der Rechtsfolgen. Dadurch gerät zugleich das Zusammenwirken der verschiedenen Instanzen in den Blick (Polizei. JugendamtlJugendgerichtshilfe, Staatsanwaltschaft, Gericht). Die Analyse polizeilich registrierter Daten konnte bereits Erkenntnisse zur Konstitution fremdenfeindlicher Taten aus der Perspektive polizeilicher Kontrolle liefern. Die folgenden Untersuchungen und Überlegungen widmen sich den justiziellen Reaktionen. Sie beinhalten nicht nur eine Ergänzung und Überprüfung der bisherigen Ergebnisse, sondern stellen sich als deren Fortschreibung dar. Interessant ist dabei vor allem, inwieweit Staatsanwälte und Richter die Lükken, die die polizeiliche Ermittlungstätigkeit hinterläßt. schließen und in welcher Weise sie selbst bei der Konstruktion fremdenfeindlicher Straftaten mitwirken. In der Vergangenheit wurde nicht selten gerügt, daß sich die kriminalrechtlich initiierten Erziehungsbcmühungen vor allem auf diejenigen bczögen, die im Grunde kaum Hilfe benötigten. Im Hinblick auf die fragliche Problemgruppe fremdenfeindlich motivierter Täter ist zu untersuchen. welche Reaktionsmodelle die Richter und Staatsanwälte zur Anwendung bringen. Insbesondere ist zu fragen, ob die bisher entwickelten sozialpädagogischen Ansätze den Gerichten nahegebracht werden konnten. wie sich Richter solchen Stellungnahmen gegenüber verhalten haben und ob bei dcr betreffenden Tätergruppe der Erziehungsgedanke umgesetzt werden konnte. Damit ist zugleich die Vorarbeit für den abschließenden dritten Teil geleistet. der sich mit dieser justiziellen Praxis unter dogmatischen und rechtspolitischen Gesichtspunkten auseinandersetzt. Im Zentrum stehen zunächst jedoch weniger die Täter selbst. vielmehr geht es um die Aufarbcitung der justiziellen Arbeitsweise. Methodische Grenzen ergeben sich aufgrund der geringen Zahl ermittelter Täter und auch angesichts der Deliktsstruktur der registrierten fremdenfeindlichen Straftaten, die nach dem bisherigen Eindruck weitgehend von weniger
150
B. Die Erhebwlgen bei den Justizbehörden
gravierenden Taten gekennzeichnet sind. Beides führt dazu, daß die Gerichte nicht sehr häufig mit der fraglichen Klientel befaßt oder aber bereits Entscheidungen vorgegeben sind, die eine intensive Befassung mit der Motivation des Täters "wegen Geringfügigkeit" von vornherein verhindern. Viele Verfahren werden daher durch den Staatsanwalt gemäß §§ 153, 153a StPO, 45 JGG eingestellt oder scheitern schon am Tatnachweis mit der Folge einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO.
11. Auswertung der Befunde Gegenstand der Untersuchung sind im Hinblick auf die justizielle, d.h. staatsanwaltliehe und richterliche Bearbeitung, 56 Kölner Verfahren, bei denen Entscheidungen gegenüber 78 Beschuldigten ergingen. Diese Fälle beinhalten allerdings nur zu einem geringen Teil Fortschreibungen der Kölner Stichprobe bei der dortigen Polizeibehörde, weil von den ohnehin recht selten aufgeklärten Vorgängen (55 von 199)248 wiederum nur ein kleiner Teil zur Verfügung gestellt werden konnte. 249 Daher mußte, was die Kölner Justizverfahren betrifft, im Wege einer erweiterten Stichprobe auch auf andere Fälle des polizeilichen Gesamtaufkommens zurückgegriffen werden, die zuvor nicht in die Detailanalyse der Polizeiakten eingegangen waren. Dieses Manko dürfte bei der inhaltlichen Untersuchung gleichwohl nicht allzu schwer wiegen, da die betreffenden Fälle von ihrcm Gepräge her keinen anderen Eindruck machen. als die zuvor im Rahmcn der polizeilichen Stichprobe untersuchten Verfahren. In Wuppertal war hingegen eine Verfahrensfortschreibung auf der Basis einer Vollerhebung möglich. wenn auch einzelne laufende Vcrfahren nicht zur Verfügung standen. Dort ergingen in 55 Verfahren Entscheidungen gegenüber 91 Beschuldigten. J. Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft - "Werdegang" der Verfahren
Nach §§ 152 Abs. 2 und 160 Abs. 1 StPO ist der Staatsanwaltschaft die Verpflichtung zur Sachverhaltscrforschung auferlegt, gemäß § 161 StPO kann sic zu diesem Zweckc Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen oder durch die Polizei vornehmen lasscn. Danach überträgt die StPO der StaatsanSiehe oben S. 96. Nur IlIr die aufgeklärten Fälle lolmte eine nähere Untersuchung. Bei den Unbekalmt-Fällen, die stichprobenartig ebenfalls betrachtet wurden, erfolgte lediglich eine knapp gehaltene Einstellungsverlugung unter Hinweis auf § 170 Abs. 2 StPO. 248 249
II. Auswertung der Befunde
151
waltschaft die Verantwortung für die Verpflichtung zur Sachverhaltserforschung. 25o Zunächst stellt sich daher die Frage. inwieweit die polizeilichen Ermittlungen durch staatsanwaltliche Maßnahmen verdichtet oder auch nur fortgesetzt werden. Trotz der dargelegten rechtlichen Funktionsverteilung sind eigene Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch bei der Verfolgung fremdenfeindlicher Straftaten251 die absolute Ausnahme. Nur in einem einzigen Kölner Fall, bei dem der Beschuldigte nicht zur polizeilichen Vernehmung erschien, wurde diese durch einen Staatsanwalt nachgeholt. Auch in Wuppertal waren keine weiteren Maßnahmen zu registrieren. Ansonsten beschränken sich die Handlungen auf verfahrensleitende Maßnahmen, die schon formell einer staatsanwaltlichen Initiative bedürfen. Insbesondere geht es um die Beantragung von gerichtlichen Durchsuchungsbeschlüssen. Weitere Schritte erfolgen in aller Regel nicht. Die Ermittlungen liegen also ganz überwiegend in den Händen der Polizei, sie ist praktisch die "Herrin des Ermittlungsverfahrens", die bestimmt, wann, wo und wie intensiv ermittelt wird. 252 Während es in der polizeilichen Praxis zur "Tataufklärung" ausreicht, daß eine namentlich benennbare Person "irgendwie" (vermeintlich) in das Tatgeschehen verwickelt scheint253 , setzt der in § 170 Abs. I StPO geforderte hinreichende Tatverdacht eine mit Wahrscheinlichkeit zu erwartende Verurteilung des Beschuldigten voraus. 254 Die Latte liegt hier deutlich höher, was zu einer weiteren erheblichen Selektion der ohnehin schon polizeilich selten aufgeklärten fremdenfeindlichen Taten führt. 255 Das Filtermodell des folgenden Schaubildes Ba zeigt, wie die Summe der registrierten Delikte über alle Ebenen der formellen Sozialkontrolle mehr und mehr ausgedünnt wird. Dieses Modell konnte nur für Wuppertal erstellt werden, weil - wie bereits erwähnt nur dort wirkliche Verlaufsdaten gewonnen werden konnten.
250 Döllillg, Polizeiliche Ennittlwlgstätigkeit wld Legalitätsprinzip, Erster Halbband, 1987, S. 298 f. 251 Dies ist auch bei der allgemeinen Kriminalität die gängige Praxis. 252 Siehe auch Steifen, Analyse polizeilicher Ennittlwlgstätigkeit aus der Sicht des späteren Strafverfillrrens, 1976, S. 292 f. 253 Zur Definition der aufgeklärten Tat vgI. PKS 1993, S. 7, siehe bereits oben Fn. 112, S. 93. 254 Kleill/mechtlAlever, StPO, 42. Au!l 1995, § 170, Rn. 1. 255 Diese Erkemül;is ist auch tUr den Bereich der allgemeinen Kriminalität nicht neu, vgI. Walter, Jugendkriminalität, 1995. S. 144, dortiges Schaubild I.
B. Die Erhebungen bei den .lustizbchärdcn
152
Schaubild 13a: Kontrollinstanzlicher FilterprozelJ bei Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen hinsichtlich fremdenfeindlicher Straftaten in Wuppertal (im Jahre 1993)
301
Verfahren der
EGFFS (301)
Tatverdächtigte (135)
Beschuldigte Staatsschutzabteilung (86)
I
Erw.
Her.
83
36
\ Verurteilte (28)
Jug.
I
/
/
II. AuswerilUlg der 13cfunde
153
Von den ehemals 301 Verfahren der EG-FFS-Wuppertal des Jahrgangs 1993 wurden 105 aufgeklärt, miL 141 registrierten Beschuldigten, von denen wiederum 135 strafmündig waren. ~56 55 dieser Fälle wurden - wie erwähnt - vom Staatsschutzdezernat der Staatsanwaltschaft weiterbearbeitet wobei gegen 86 (strafmündige) der insgesamt 91 Beschuldigten ermittelt wurde. Auffällig ist dabei, daß insbesondere gegen Erwachsene gerichtete Verfahren durch interne Verweisungen an andere Abteilungen der Staatsanwaltschaft "ausgemustert" wurden, hingegen Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende fast ausnahmslos beim Staatsschutzdezernat verblieben. Auch auf diesem Wege ist eine fast unbemerkte Ausfilterung festzustellen. Während die dort geführten Verfahren gegen 62 der Beschuldigten eingestellt wurden, erfolgte eine Verurteilung nur in 28 Fällen~5°. also nicht einmal in 10 % aller polizeilichen Ausgangsverfahren. Darunter waren 16 formelle Sanktionen nach dem JGG. 258 Eine Jugendstrafe (zur Bewährung) wurde in einem einzigen Fall ausgesprochen. Als nächstes wird aufgezeigt wie sich die ehemalige Zahl der 105 polizeilich aufgeklärten Fälle auf dem Weg zur staatsschutzrelevanten Behandlung durch die Staatsanwaltschaft verringert hat. Schaubild 13b bildet den Reduktionsprozeß bis hin zu den übriggebliebenen 55 Verfahren ab. Immerhin 31 Verfahren, also fast ein Drittel aller von der EG-FFS Wuppertal aufgeklärten Fälle, wurden innerhalb der Staatsanwaltschaft an andere Abteilungen geleitet und damit nachträglich dem Zuständigkeitsbereich fur fremdenfeindliche Straftaten entzogen. Bemerkenswerterweise wurden aber nur 5 der "Unbekannt-Fälle" an ein anderes Dezernat verwiesen. 259 Während also bei Fällen ohne einen konkreten Tatverdächtigen eine Vermutung der Fremdenfeindlichkeit vorzuherrschen scheint wird diese bei Fällen mit bekannten Tatverdächtigen recht häufig verneint. Definitionsmaßstäbe zeitigen also nicht erst bei der materiellen Subsumtion ihre Wirkungen, sondern sind oft schon bei der vorgelagerten Zuständigkeitsbegründung ausschlaggebend für den Umfang fremdenfeindlicher Kriminalität.
256 Siehe oben S. 120 C flinf Verlilhrenseinstdlungen erfolgten insoweit nach § 170 Abs. 2 StPO aus rechtlichen Gründen gegenüber Kindem. Im Hinblick auf ein sechstes Kind, das noch von der Polizei verlolgt wurde (siehe oben Tabelle 6b), lag hier keine Akte der Staatsanwaltschall vor. 257 In einem Fall kam es zu einer Einweisung in eine psychiatrische Anstalt. 258 Ein Fall des richterlichen Absehens von einer Strafe nach §§ 47 Abs. I, 45 Abs. 2 .IGG wird dabei als inlonnelle Sanktion gewertet. lSQ Die entsprechenden Verteilungen sind hier nicht abgebildet.
B. Die Erhebungen bei den .Iustizbehörden
154
Schaubild 13b: Justizieller "Werdegang" der polizeilich aufgeklärten Fälle in Wuppertal
I 0105 poli.
Verl.
80
50
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30
20
10
I 105 poli. Ver!. I
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31
9
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3
Wie Schaubild l3c - das die weiterverfügten Verfahren nach Kategorien aufschlüsselt - zeigt. wird die Kompetenz des Staatsschutzdezernates insbesondere bei Fällen der K 3 bestritten. obwohl die zugrundeliegenden Geschehnisse und auch die mutmaßlichen Motivationen der Täter denen der polizeilich als fremdenfeindlich bewerteten Vorfalle zumeist stark ähneln. In die allgemeine Zuständigkeit geraten aber vor allem auch Fälle. die zuvor noch in die polizeilichen Statistiken eingegangen waren und dort das Bild fremdenfeindlicher Taten wesentlich mitgeprägt hatten. Das betrifft die Streitigkeiten der K 5 und ebenso Körperverletzungen (K 4a) und Sachbeschädigungen (K 4b), aber erst recht Brandstiftungen der K 6. insgesamt also vorwiegend Gewaltdelikte. Hintergrund dieser Verschiebungen dürfte zum einen der als privat definierte Rahmen von Nachbarschaftsstreiten sowie auf der anderen Seite die vielfaltige Interpretationsmöglichkeit der Motive von schweren Taten sein. 260
260 Siehe dazu bereits oben im Ralunen der polizeilichen Beurteilwlgen. Fallbeispiele 37 und 38, S. 81.
II. Auswertung der Befunde
155
Schaubild 13c: "Zuständigkeitsverneinungen" des Staatsschutzdezernates der Staatsanwaltschaft Wuppertal differenziert nach Kategorien
0 31 Verfahren
10
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8
/
6
K 3
I 31
Verfahren
I
K 5
K 4a
K 4b
K 8
K6
K 1
K9
K 2a
K 2b
9
2. Staatsanwaltschaft als Anklage- und Erledigungsbehörde
Die rechtliche Funktion der Staatsanwaltschaft liegt vor allem in ihrer Eigenschaft als Anklagebehörde gemäß § 152 Abs. 1 StPO begründet. Auf der anderen Seite wächst ihr Einfluß angesichts der fortwährenden Erweiterung von Opportunitätsentscheidungen nach §§ 153 ff. StPO, 45 ff. JGG auch im Rahmen von informellen Verfahrenserledigungen. Die folgenden Tabellen 8a und 8b liefern einen Gesamtüberblick über die
Art der Entscheidungen, wobei es hier zunächst auf die Verfahrenserledigun-
gen ankommen soll. Insgesamt wurde das Verfahren gegen 68 (87,2 %) der 78 Kölner Beschuldigten eingestellt, während 9 der zunächst 15 Angeklagten (11,5 %) abgeurteilt wurden. 261 Es erfolgten zwei Freisprüche, so daß die verbleibenden 7 Verurteilungen einen Anteil von 9,0 % aller Entscheidungen ausmachen. Die Wuppertaler Justiz reagierte zum Teil abweichend auf die 261 In den anderen 6 Fällen erging die EinstelltUlgsverfügung in der HauptverhandlWlg, siehe auch wüen S. 179. In einem Fall wurde das Verfahren an die Staatsanwaltschaft eines anderen Bezirks weiterverfügt.
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reisJ:rupielen." Der Richter "entgegnet" dem in seiner Urteilsbegründung: "Es (das Gericht) hat dabei insbesondere berücksichtigen müssen, daß dieser, wie er auch bei seinem geringen Lebensalter ohne weiteres erkennen konnte, besonders heimtückisch und verwerflich gehandelt hat, indem er, bedenkenlos und ungeachtet der derzeitigen Zei/strömungen, mit seiner Tat politische Emotionen mit entsprechender Empörung aber den oder die angeblichen Täter aus dem rechtsextremen Lager hervorrufen wollte, nur um seinen eigenen gegen diese Richtung gerichteten Gedankengut mehr Gehör zu verschaffen ... Eine geringere Reaktion als die Verhängung von sechzig gemeinnützigen Arbeitsstunden... würde nicht ausrei-
Dazu Walter/Kubillk, GA 1995, S. 51 ff. Zur Schutzrichtung von § 86a StGB vgl. fVassemwlIlI, in: BMI (Hrsg.), Extremismus wld Gewalt, Bd. m, 1994, S. 105 ff. (115). 293 294
II. Auswertung der Befunde
177
chen. dem Angeklagten mit dem gebotenen Nachdruck klar zu machen. daß er erhebliche Schuld auf sich geladen hat. " Aufschlußreich ist hier, daß der - sicherlich mit falschen Mitteln verfolgte Protest scheinbar stärker angeprangert wird als das angegriffene Gedankengut, gegen das dieser sich richtete. Insbesondere verwundert die in recht martialischer Weise dem Mordtatbestand entliehene Begriftlichkeit "heimtückisch und verwerflich", die der vorliegenden Tat kaum gerecht wird. Ebensowenig sollten "Zeitströmungen", also das kollektive Rechtsempfinden, bei der Auferlegung von Weisungen - als erzieherischen Maßnahmen - eine Rolle spielen. Staatsanwaltschaft und Gericht sind sich dann jedoch wieder (fast) einig im Hinblick auf die Sanktion. Allerdings hatte der Staatsanwalt im Gegensatz zur vom Richter ausgesprochenen Arbeitsweisung eine Arbeitsaujlage in entsprechender Höhe gefordert. Beides wird in der gemeinten Logik vermutlich synonym verwendet. 295 In einem Fall wurde eine Jugendstrafe verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugrunde lagen zwei verbundene Verfahren. Der beschuldigte Jugendliche hatte zunächst in Wuppertal verschiedene Grabsteine auf einem Friedhof beschmiert (§§ 168, 304 StGB) und ferner über eine längere Zeit hinweg ein behindertes griechisches Kind im Alter von 13 Jahren wiederholt gequält. Daraufhin wurde der Beschuldigte einstweilig in einem Heim der Jugendhilfe untergebracht. In dem gerichtlichen Beschluß im Rahmen des vorläufigen Verfahrens heißt es: "Gemäß § 71 Abs. 2 JGG war auf
Antrag der Staatsanwaltschaft die einstweilige Unterbringung des Beschuldigten in einem Heim der Jugendhilfe anzuordnen. Der Beschuldigte wohnt zwar im elterlichen Haushalt. ist jedoch der erzieherischen Beeinjlussung durch seine Eltern völlig entglitten. indem er sich mehr oder weniger herumtreibt und regelmäßig die Schule schwänzt. Auch haben die Eltern offensichtlich wenig Interesse am Tun und Lassen ihres Sohnes. " Bereits der Jugendgerichtshelfer hatte auf die mangelnde Erziehbarkeit und die allgemeine Verweigerungshaltung des Beschuldigten hingewiesen. Er kam zu der Schlußfolgerung, daß "schädliche Neigungen" vorliegen und daher eine "6-monatige Jugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung" verhängt werden solle. Als Bewährungsauflage solle der Aufenthalt in einem Jugendheim erfolgen. Das Jugendschöffengericht Wuppertal verhängte gegen den Angeklagten eine Strafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Es fuhrt aus: "... diese Tat räumt der Angeklagte unumwunden ein. Er bemerkt dazu je295
Dazu auch wlten bei den Sanktions vorschlägen S. 200.
12 Kuhink
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B. Die Erhebwlgen bei den Justizbehörden
doch. daß er den behinderten griechischen Jungen nicht deshalb immer wieder attackiert hat. weil es sich um einen Griechen. also um einen Ausländer gehandelt habe. Vielmehr habe er dessen Nationalität anfangs überhaupt nicht gekannt... lnsgesamt habe er keine Aversionen gegen Ausländer... Was die Ahndung der Taten anbetr!ffi. so reichten bloße Erziehungsmaßregeln und auch Zuchtmittelnicht aus. Vielmehr sind bei dem Angeklagten ganz erhebliche schädliche Neigungen festzustellen. so daß auf eine spürbare Jugendstrafe erkannt werden mußte. Auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld war eine Jugendstrafe unumgänglich. .. Da sich der Angeklagte seit knapp 3 Monaten im Wege der einstweiligen Unterbringung gemäß § 71 Abs. 2 JGG in einem Heim der Jugendhilfe bejindet.... hat das Gericht die vollstreckung der erkannten Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. /I
Auch diese Begründungen sind nicht frei von Widersprüchen. Zum einen sind die Ausführungen zur Einstellung gegenüber Ausländern, die das Gericht anführt, nur schwerlich geeignet, den Schuldspruch zu legitimieren. Sie wirken aufgesetzt und ohne jeden Bezug zur Persönlichkeitsbeurteilung des Angeklagten, die wohl allein ausschlaggebend für die Verurteilung war. Die Kooperation mit der JGH scheint auch hier nicht besonders eng. Auffallig ist zum anderen die Begründung der Strafaussetzung zur Bewährung. Die Heimunterbringung wird recht offenkundig als Surrogat für die Vollstreckung der Jugendstrafe verwendet. Ebenso wie in Köln sind auch die gerichtlichen Sanktionen in Wuppertal von einer weitgehenden Pauschalierung und Automatisierung bei der Behandlung fremdenfeindlicher Taten und deren Tätern gekennzeichnet. Weder die individuellen Motive und Gesinnungen werden thematisiert noch wird die jeweilige Tat in einen allgemeinen politischen oder besonderen - auf die Ausgrenzung von Ausländern konzentrierten - Kontext gestellt. Auch im Hinblick auf die Anwendung des Jugendstrafrechts sind keine tiefgreifenden Argumentationen und Erwägungen festzustellen, was sich in recht ideenlosen Sanktionen widerspiegelt. Eine Besonderheit im Vergleich zu Köln ist, daß in Wuppertal solche Fälle zumindest vereinzelt vor Gericht kommelt. 5. Anklageerhebung. EräfJilllngsbeschluß und Veljahrensdauer
Von einer mehr formalen Perspektive aus wurden einzelne Parameter beleuchtet, die näheren Einblick in Verfahrensfragen bei der Bearbeitung fremdenfeindlicher Delikte gewähren. Prägnantes ergibt sich dabei freilich nicht.
n. Auswertwlg der Befwlde
179
Zunächst ist festzuhalten, daß in 15 Kölner Fällen ein Anklage erfolgte bzw. diese durch einen Strafbefehlsantrag ersetzt wurde. 6 der angeklagten Fälle wurden vor Gericht durch eine Verfahrenseinstellung beendet, bei 5 Verfahren wurde § 153a StPO angewandt, in einem Fall § 153 StPO. Die anderen 9 Verfahren wurden durch Urteil abgeschlossen. 296 Sofern es zu einem Schuldspruch kam, entsprach dieser durchweg dem Anklagevorwurf. Nur in einem Fall beurteilte der Richter eine als Volksverhetzung angeklagte Tat nach § 185 StGB als bloße Beleidigung, was er zuvor durch einen Hinweis nach § 265 StPO verdeutlichte. In Wuppertal wurden 30 Anklagen erhoben. Dabei kam bei 6 Verurteilungen zu einer Geldstrafe das Strafbefehlsverfahren zur Anwendung. Neben den 28 Aburteilungen297 erging eine Einstellungsverfügung gemäß § 153 StPO vor dem Gericht. In einem anderen Fall wurde das Verfahren gemäß §§ 47 Abs. 1 i. Y.m. 45 Abs. 2 JGG nach Anklageerhebung richterlich eingestellt. Bei sämtlichen Kölner und Wuppertaler Fällen entsprach der anschließende gerichtliche Eröffnungsbeschluß den Beschuldigungen in der Anklageschrift. Das Zwischenverfahren ist sehr rudimentär ausgestaltet und daher schon aus praktischen Gründen nicht mehr als eine bloße Bezugnahme auf die staatsanwaltliehe Einschätzung. Auch im Hinblick auf die Abwicklung des Verfahrens scheint der Umgang mit fremdenfeindlichen Straftaten eher ein Routineprogramm zu enthalten. Man ist sich offenbar einig bei der tatbestandlichen Beurteilung der Vorfälle, Verfahrenshemmnisse werden tunliehst vermieden, was mit dem Wunsch nach einer möglichst beschleunigten Abwicklung und Bestrafung zusammenhängen könnte. 298 Dafiir spricht auch die Dauer der Verfahren. Nur in einem Kölner Fall wurde ein zweiter Verhandlungstag benötigt; dies auch nur. weil das Verfahren durch Berufung der Staatsanwaltschaft in die zweite Instanz gelangt war. In Wuppertal wurden sämtliche Verfahren an einem Verhandlungstag abgewickelt. Nach absoluten Zeiträumen - von Beginn der polizeilichen Ermittlungen, bis zum justiziellen Abschluß - erstreckten sich die Verfahren in Köln und Wuppertal einheitlich über eine Phase von rund 2 bis 4 Monaten bei Verfahrenseinstellungen. Verfahren, die in die Hauptverhandlung gelangten, dauerten ca. 6 bis 8 Monate. Die betreffenden Verfahren beruSiehe schon oben S. 155. Siehe schon oben S. 158. 298 Zu den Forderwlgen und präventiven Wirkwlgen einer Verfahrensbeschlewligwlg im Verfahren gegen fremdenfeindlich motivierte Beschuldigte vgl. Scheiter, in: BMI (Hrsg.), Extremismus wld Gewalt, Bd. IV, 1994, S. 7 tr. (14). 296 297
12"
180
B. Die Erhebungen bei den Justizbehörden
hen folglich nicht gerade auf ("standgerichtlichen") ad-hoc-Entscheidungen, die Verfahrensdauern entsprechen weitgehend den üblichen Fristen bei justizieller Bearbeitung der allgemeinen Kriminalität. Dort erstreckt sich die Hauptverhandlung ebenso in gut der Hälfte aller Verfahren auf lediglich einen Verhandlungstag. 299 Auch im Hinblick auf die Anhängigkeit der Verfahren überwiegen Zeiträume von bis zu maximal 6 Monaten. 300 Möglicherweise ist aber eine beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung dennoch ein wesentlicher Grund für die recht oberflächlich anmutende Bearbeitungsweise, den die untersuchten Entscheidungen hinterließen. Solche Auswirkungen dürften mit den Ansprüchen eines Strafverfahrens - auch gegenüber fremdenfeindlichen Tätern301 - nicht vereinbar sein. 6. Entscheidungsgrilnde - Berilcksichtigung von Täterpersön/ichkeit und Tatmotiv
Der Umgang mit fremdenfeindlichen Straftaten wird durch eine nähere Betrachtung der Entscheidungsgründe erhellt. Zu erwarten wäre, daß die Richter und Staatsanwälte zumindest in inhaltlicher Hinsicht vom "Standardprogramm" ihrer Begründungen abweichen, sofern sie in diesen Verfahren "etwas Besonderes" sehen. Daher wurden die Strafzumessungsaspekte ermittelt, vor allem die jeweiligen Bezugnahmen auf die Täterpersönlichkeit und inwieweit das Tatmotiv bei der Bewertung eine Rolle gespielt hat. Natürlich mußten die 35 Kölner und 33 Wuppertaler Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO außer Betracht bleiben, da in diesen Fällen eine Straftat im Ergebnis gerade verneint wurde. Grundlage sind die anderen 43 Entscheidungen (Einstellungen nach § 153 ff. StPO sowie Urteile) in Köln und die 57 entsprechenden Verfahren in Wuppertal. Die Tabellen 9a und 9b spiegeln ein sehr tristes Bild von der justiziellen Praxis in der Auseinandersetzung mit leichteren fremdenfeindlichen Straftaten. Wie bereits vereinzelt angedeutet. richten die Begründungen staatsanwaltlicher und gerichtlicher Sanktionsentscheidungen kein besonderes Augenmerk auf die Entstehungsgeschichte dieser Delikte. Allenfalls bezüglich 2"" Dazu IVidmaier, NStZ 1994, S. 414, der einen entsprechenden Anteil von 51,2 % von Verliilrren, die an einem HauplverhandhUlgstag abgewickelt wurden, für das Jalrr 1990 angibl. 300 Rechtspflegestatistik, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 10, Reihe 2, Zivilgerichte wld Strafgerichte, 1991, S. 134, fllr das Jalrr 1990. :101 Zum rechtsstaatlich wlbedingten Anspruch eines fairen Verfalrrens auch gegenüber dieser Tätergruppe vgl. lIamm, DV.IJ-Joumal 1/1994 (Nr. 145), S. 65 (66).
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• Die Buchstaben betreffen die jeweiligen Altersgruppen: J=Jugendliche, H=Heranwachsende, E=Erwachsene.
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Strafzumessungsaspekte justizieller Entscheidungen in Köln
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• Die Buchstaben betretfen die jeweiligen Altersgruppen: J=Jugendliche, H=Heranwachsende. E=Erwachsene.
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Neigungen Schuldschwere
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I,Jmschreibung a!s "Nachban;chaftsstreitigkeiten"
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Einsicht d.:s Beschuldigten s.:zugnahme auf Alkoholeinwirkung
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Berücksichtigung von Geständnis
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B. Die Erhebungen bei den Justizbehörden
Von Opfern und Tätern werden Auseinandersetzungen anscheinend dann ernst genommen, wenn sie sich im sozialen Nahbereich abspielen. In den anderen Fällen wurde, selbst wenn ein Urteil drohte, selten nach Unterstützung gesucht. Insbesondere junge Beschuldigte wurden kaum einmal rechtlich beraten. 303 In Wuppertal ist die Beteiligung eines Strafverteidigers ähnlich selten (in 13 Verfahren - vgl. Tabelle lOb). Allerdings kommt hier angesichts der deutlich größeren Anzahl jugendstrafrechtlicher Entscheidungen zusätzlich noch die Jugendgerichtshilfe als Beteiligte ins Spiel. 304 Tabelle lOe
Beteiligung der Jugendgerichtshilfe in Wuppertal ~l