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German Pages 159 Year 1999
HERMANN BUTZER
Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 775
Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast Der Halbteilungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts im Spannungsfeld von Globalisierung, Freiheitsrechten und Sozialstaatlichkeit
Von Hermann Butzer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Butzer, Hermann:
Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast : der Halbteilungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts im Spannungsfeld von Globalisierung, Freiheitsrechten und Sozialstaatlichkeit/ von Hermann Butzer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 775) ISBN 3-428-09726-2
Alle Rechte vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09726-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Für Kristin
Vorwort Etwa dreieinhalb Jahre, nachdem ihn der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am 22. Juni 1995 kreiert hat, befindet sich der Halbteilungsgrundsatz erneut in aller Munde. Das verdankt er einem Beschluß des VI. Senats des Bundesfinanzhofs vom 17. Juli 1998 (ζ. B. abgedruckt in: DB 1998, S. 1798 f.), dessen - in einem obiter dictum getroffenen - Ausführungen vermuten lassen, daß die verfassungsrechtliche Existenz eines derartigen Grundsatzes in Frage gestellt wird. Die Berichte und Kommentare aller großen deutschen Tageszeitungen und Wochenmagazine zu diesem BFH-Beschluß haben erneut offenbart, daß verfassungsrechtliche Existenz, einfachgesetzliche Umsetzung und gerichtliche Handhabbarkeit des Halbteilungsgrundsatzes immer noch weithin ungeklärt sind. Kürzlich ist der Halbteilungsgrundsatz gar mit dem Yeti im fernen Tibet verglichen worden: "Es soll ihn geben. Die, die ihn gesehen haben (wollen), konnten nur schemenhaft seine Umrisse erkennen, und seine Spuren hinterläßt er - wenn überhaupt - nur in großer Höhe und auf flüchtiger Materie" (DStR 1998, Heft 39, Auf einen Blick). Vor diesem aktuellen Hintergrund widmet sich die vorliegende Untersuchung der Rechtfertigung des Halbteilungsgrundsatzes im Spannungsfeld von Freiheitsrechten und Sozialstaatlichkeit. Außerdem wird versucht, die bisherige Fixierung der Diskussion auf die Äewerbelastung von Bürgern und Unternehmen zu verlassen und das Bewußsein dafür zu schärfen, daß auch Sozialabgaben, insbesondere Sozialversicherungsbeiträge, und Sonderabgaben in die Gesamtbelastungsrechnung einbezogen werden müssen. Vielleicht vermag die Studie auf diese Weise ein Stück weit mitzuhelfen, das "Rätsel der Hälfte" (Elke Bohl, FAZ vom 12.9.1998, Nr. 212, S. 13) zu enträtseln. Mein ganz besonderer Dank gilt Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp, der das Manuskript gelesen und viele wichtige Anregungen gegeben hat. Wertvolle Hinweise hat auch Privatdozent Dr. Volker Epping beigesteuert. Zu danken habe ich ferner dem Eigentümer des Verlags Duncker & Humblot, Herrn Prof. Dr. iur. h. c. Norbert Simon, der binnen weniger Tage eine Entscheidung darüber herbeigeführt hat, die Untersuchung in die Reihe "Schriften zum Öffentlichen Recht" aufzunehmen. Düsseldorf, im Oktober 1998
Hermann Butzer
Inhaltsverzeichnis
Α. Einführung
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Β. Der aktuelle Bezug: Die Globalisierung der Güter- und Faktormärkte
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I. Die Höhe der Steuern und Sozialabgaben als wesentlicher Aspekt der Standortdiskussion
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II. Globalisierte Ökonomie - Standortwettbewerb - nationale Handlungsmöglichkeiten 25 C. Der Grundrechtsschutz gegenüber der Belastung durch Steuern und (Sozial-)Abgaben
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I. Die restriktive Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (bis 1995).... 1. Belastungsgrenzen aus Art. 14 Abs. 1 GG a) Die "Erdrosselung" als alleinige Verfassungsgrenze b) Kritik und Gegenpositionen in der Staatsrechtslehre 2. Belastungsgrenzen aus Art. 12 Abs. 1 GG 3. Belastungsgrenzen aus Art. 2 Abs. 1 GG 4. Belastungsgrenzen aus Art. 3 Abs. 1 GG
29 31 32 34 39 42 44
II. Die Abgabenplafondierung nach den Einheitswert-Beschlüssen 22. Juni 1995 1. Die Effektivierung des Art. 14 GG 2. Steuerverschonung bei Existenzgefahrdung 3. Der Halbteilungsgrundsatz
49 49 52 55
vom
D. Politische und verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Halbteilungsgrundsatzes I. Der Streit um die verfassungspolitische Bewertung der Einheitswert-Beschlüsse II. Der verfassungsrechtliche Einwand: Verstoß gegen das Prinzip der Sozialstaatlichkeit 1. Die These von der Abgabenplafondierung als sozialstaatswidriger Verfassungsauslegung
59 59 64 65
Inhaltsverzeichnis
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2. Freiheitsrechte versus Sozialstaatlichkeit: Zum Für und Wider der These von der Verfassungswidrigkeit a) Sozialstaatsziel - Mehrheitsprinzip - Grenze des "Unabstimmbaren" . b) Die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen sozialstaatlichem und rechtsstaatlichem Handlungsauftrag aa) Der Maßstab des Art. 14 Abs.2 Satz 2 GG bb) Andere Wertungsgesichtspunkte (1) Funktion der Eigentumsgarantie und Subsidiaritätsprinzip .. (2) Chancengleichheit und (rechts-)staatliche Teilhabe £. Der Halbteilungsgrundsatz im einfachgesetzlichen Steuer- und Sozialrecht
67 68 73 74 77 77 83 87
I. Bemerkungen zur Operationalisierung des Halbteilungsgrundsatzes im Abgabenrecht 88 1. Die ganzheitliche Betrachtung hoheitlicher Abgabenlasten 88 2. Die Probleme bei der Berechnung der Abgabenquote 91 a) Die Quantifizierung der individuellen und der unternehmensbezogenen Gesamtsteuerbelastung 91 aa) Die Gesamtsteuerlast von Einzelpersonen 93 bb) Die Gesamtsteuerlast von Unternehmen 95 b) Die Berücksichtigung von Sozialversicherungsabgaben und sonstigen Sozialkosten 99 c) Die Berücksichtigung von Sonderabgaben 107 d) Der Aspekt eigennütziger Steueranteile 108 3. Tendenzaussagen zur Gesamtabgabenlast 109 Π. Exkurs: Zum Anspruch von Unternehmen auf Steuerverschonung wegen Grundrechtsgefährdung 111 1. Die Grundrechtsgefährdung speziell durch das Erbschaftsteuervolumen . 112 2. Die Grundrechtsgefährdung durch zu hohe Steuer- und Sozialabgabenlasten 118 ΠΙ. Bemerkungen zur bisherigen Umsetzung des Halbteilungsgrundsatzes de lege ferenda 121 1. Zur Erforderlichkeit der Senkung der Grenzsteuersätze 121 2. Zur Verminderung der Sozialabgabenlast 126 F. Schlußbemerkung: Der "freiheitliche Sozialstaat" - zwischen Laissez faire und Leviathan 131 Zusammenfassung
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Literaturverzeichnis
138
Sachregister
154
Abkürzungsverzeichnis
BDI BMWi BR-Drs. BT-Drs. BV CDU CSU DJT FAZ F. D. P. IW KOM
LegPer QA PDS PrGS RT-StenBer SPD VCI VDR VPr WP WRT-StenBer
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Bundesministerium für Wirtschaft Drucksache des Bundesrats Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassung (Schweiz) Christlich-Demokratische Union Christlich-Soziale Union Deutscher Juristentag Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Institut der deutschen Wirtschaft Köln Kommissionsdokumente (Europäische Union) Legislaturperiode Quadragesimo Anno, Enzyklika Partei des Demokratischen Sozialismus Preußische Gesetzessammlung Stenographische Berichte des Reichstags von 1871 - 1918 Sozialdemokratische Partei Deutschlands Verband der Chemischen Industrie Verband deutscher Rentenversicherungsträger Vorprüfungsausschuß (BVerfG) Wahlperiode Stenographische Berichte des Weimarer Reichstages von 1919 - 1933
Soweit die Abkürzungen hier nicht besonders erläutert sind, wird verwiesen auf: Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993.
Α. Einführung "Die Bundesrepublik Deutschland" - so heißt es in Art. 20 Abs. 1 GG "ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat". Die in dem Wort "sozial" steckende Staatszielbestimmung fordert vom Gesetzgeber u. a. Hilfe für sozial Schwächere, die Herstellung erträglicher Lebensbedingungen, die Förderung der Chancengleichheit und die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins1 . Eine der wichtigsten Emanationen von Sozialstaatlichkeit ist ferner der Auftrag an den Gesetzgeber, soziale Sicherungssysteme gegen die Wechselfälle des Lebens zu schaffen 2. Selbstredend sind alle diese Elemente der Sozialstaatlichkeit3 nicht zum Nulltarif zu haben. Die Bundesrepublik Deutschland kann und darf daher kein Steuerparadies sein. Im Gegenteil: Mit der Entscheidung für den Sozialstaat hat der Parlamentarische Rat dem Gesetzgeber einen Titel zur Verfügung gestellt, mit dessen Hilfe die Steuerkraft der Bevölkerung und der Wirtschaft nachhaltig abgeschöpft werden kann. So klar diese Feststellung ist, so eindeutig ist aber auch eine andere Bestimmung des Grundgesetzes, nämlich Art. 1 Abs. 3 GG: "Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht". Aus dieser Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt folgt wiederum, daß dem Gesetzgeber hinsichtlich seiner Besteuerungs- und Abgabenerhebungsgewalt kein "Freifahrtschein" erteilt werden kann. Er hat vielmehr bei seiner (Steuer-)Gesetzgebung die grundgesetzlichen Freiheitsrechte unmittelbar zu beachten. Auch diese These ist nicht neu. Sie referiert eine Position des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Rechtsprechung dem Umfang der Belastungen der Bürger und der Unternehmen durch hoheitliche Abgaben stets eine Schranke gesetzt hat, die von ihm selbst mit dem Stichwort der (unzulässigen) "erdrosselnden Wirkung" einer Abgabe 1 Vgl. BVerfGE 40, 121 (133); BVerfGE 43, 13 (19); BVerfGE 44, 352 (375); BVerfGE 45, 187 (228); BVerfGE 82, 60 (85). 2 Das Bundesverfassungsgericht spitzt diese Aussage noch stärker auf soziale Vorsorge speziell durch die Sozialversicherung zu. Siehe BVerfGE 28, 324 (348 ff.: "Sozialversicherung als besonders prägnanter Ausdruck des Sozialstaatsprinzips"); BVerfGE 45, 376 (387); BVerfGE 68, 193 (209). 3 Hans F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 2. Auflage 1995 (Nachdruck), § 25, Rdn. 25, Rdn. 48 ff., nennt als weiteren sozialstaatlichen Handlungsauftrag noch die Aufgabe, den Wohlstand aller zu heben und auszubreiten.
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Α. Einführung
markiert wurde. Jedoch blieb diese äußerste Grenze bloß eine theoretische, da sich der zwar plastische, aber ebenso un-juristische wie un-wirtschaftswissenschaftliche Begriff der Erdrosselung jahrzehntelang als eine leere Worthülse ohne rechtliche Wirkung erwiesen hat - das Bundesverfassungsgericht hat bis in die jüngste Zeit in keinem einzigen Fall hoheitliche Abgabenbelastungen gleich welcher Art an den Freiheitsrechten scheitern lassen4. Das lag wesentlich daran, daß sich das Gericht trotz des bundesdeutschen Vielsteuersystems mit derzeit etwa 40 Steuerarten immer nur zu einer isolierten Betrachtung einzelner Abgabepflichten bereitfand, die je für sich genommen nie eine grundrechtskritische Höhe erreichten. Vermutlich wird das unübersichtliche Vielsteuersystem mit Subjekt- und Objektsteuern, direkten und indirekten Steuern, periodischen und nichtperiodischen Steuern, Fiskalzwecksteuern und Lenkungsteuern vom Gesetzgeber nicht zuletzt deshalb aufrechterhalten, weil damit die Gesamtlast vor dem Bürger besser kaschiert werden kann. Es nimmt schließlich nicht wunder, daß auch die etwas versteckte Regelung des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG, die im Zusammenhang mit der Aufteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern u. a. die Forderung aufstellt, "eine Überbelastung der Steuerpflichtigen" zu vermeiden, nicht zu einer wirksamen Bremse gegen steigende Abgabenbelastungen geworden ist, obwohl sie mitunter als Grundsatz für die Gestaltung der Finanzpolitik im ganzen gewertet wird 5 . Diese isoliert auf Einzelabgaben gerichtete Betrachtungsweise scheint das Bundesverfassungsgericht {Zweiter Senat) in seinen Beschlüssen vom 22. Juni 1995 zum Einheitswert für Grundvermögen bei der Veranlagung zur Vermögen· und Erbschaftsteuer 6 jetzt aber aufgegeben zu haben zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung der Abgabenbelastung des Bürgers und der Unternehmen, also zugunsten einer Summation aller Abgabeverpflichtungen 7, die 4 Siehe die Auflistung der einschlägigen Entscheidungen zu Art. 12 GG bei Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 1993, S. 438, Fn. 59. Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 GG kamen nach der bisherigen Rechtsprechung mangels Schutzbereichsverletzung von vornherein nicht in Betracht. 5 Beispielsweise von Herbert Fischer-Menshausen, in: Ingo v. Münch / Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 1996, Vorbemerkung zu Art. 104 a - 109, Rdn. 4 a (m. w. Ν.), Art. 106, Rdn. 26, Rdn. 26 d; Roman Herzog, VVDStRL 39 (1981), S. 390 (Aussprache); Klaus Vogel, VVDStRL 39 (1981), S. 414 f. (Aussprache). 6 BVerfGE 93, 121 ff. und BVerfGE 93, 165 ff. 7 Paul Kirchhof, Die Kunst der Steuergesetzgebung, NJW 1987, S. 3217 (3223); Walter Leisner, Steuer- und Eigentumswende - die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591 (2593); Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 1993, S. 439; tendenziell für eine Betrachtung der Gesamtbelastung wohl auch schon BVerfGE 40, 109 (118 f.).
Α. Einführung
Bürgern und Unternehmen durch Bund, Länder, Gemeinden und öffentlichrechtliche Körperschaften und Anstalten auferlegt sind. In concreto hat das Bundesverfassungsgericht im Vermögensteuer-Beschluß ausgesprochen, daß die steuerliche Gesamtbelastung des Bürgers bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen "in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand"8 verbleiben müsse; obschon dieser Schlüsselsatz wegen des Entscheidungsthemas des Beschlusses auf die steuerliche Belastung der Bürger gemünzt ist, dürfte das Gericht nicht nur an steuerliche Abgabenbelastungen gedacht haben, als es diese Abgabenplafondierung statuierte. Das läßt sich aus dem parallel ergangenen Erbschaftsteuer-Beschluß 9 schlußfolgern. Hier formuliert der Senat zwar keine Belastungsgrenze im Sinne einer Halbteilung, führt jedoch aus, daß bei der Gestaltung der Erbschaftsteuerlast berücksichtigt werden müsse, "daß die Existenz von bestimmten Betrieben - namentlich von mittelständischen Unternehmen - durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer auftreten, gefährdet werden kann ... Die Erbschaftsteuerlast muß hier so bemessen werden, daß die Fortführung des Betriebes steuerlich nicht gefährdet wird". Zu den ohnehin bestehenden Belastungen, zu denen die Erbschaftsteuerlast "zusätzlich" hinzutrete, rechnet der Senat ausdrücklich auch die "Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern", womit die den Unternehmern entstehenden Sozialkosten gemeint sein dürften. Dieser speziell mit Blick auf die seinerzeitigen Regelungen zur Erbschaftsteuer betrachtete Aspekt der Grundrechtsgefährdung durch eine (zu hohe) Abgabenbelastung flankiert und stützt überdies den Halbteilungsgrundsatz. Beide Beschlüsse, die allgemein als juristischer Paukenschlag empfunden und in ihrem Rang bereits den bekanntesten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gleichgestellt worden sind10, haben darüber hinaus zu Art. 14 Abs. 1 GG und - weniger gewichtig - zu Art. 12 Abs. 1 GG dogmatische Positionen aufgegeben, die das Gericht vorher über Jahrzehnte gegen heftige Kritik aus dem Schrifttum zäh verteidigt hatte. Die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts sind folglich wie diese wenigen einführenden Bemerkungen bereits zeigen - nicht nur ein 8 BVerfGE 93, 121 (138). 9 BVerfGE 93, 165 (175 f.). 10 Nach Klaus Vogel, Anmerkung zu BVerfG, Beschlüsse v. 22.06.1995 - 2 BvL 37/91 und 2 BvR 552/91, JZ 1996, S. 33 ff., JZ 1996, S. 43 (44) handelt es sich um "Feststellungen, die an Rang und Gewicht hinter dem der 'klassischen' großen Entscheidungen des BVerfG etwa zur Berufsfreiheit ('Apotheken-Urteil'), zur Meinungsfreiheit ('Erich Lüth'), zur Enteignung ('Naßauskiesung') oder zur Bundestreue ('Deutschland-Fernsehen-GmbH') nicht zurückstehen".
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Α. Einführung
Meilenstein für das Steuerrecht. Dieser Befund legt einen weitergefaßten Untersuchungsansatz nahe, der neben den (verfassungs-)rechtlichen auch die wirtschafts- und sozialpolitischen Implikationen des Themas mit in den Blick nimmt11. Deshalb wird zunächst auf die aktuelle wirtschafts- und sozialpolitische Diskussion um die Globalisierung der Märkte mit ihren Folgen für den "Wirtschaftsstandort Deutschland" eingegangen, in deren Kontext die beiden Beschlüsse wichtige Impulse geben (unter B.). Sodann widmet sich die Untersuchung der Grundrechtsposition des Bürgers und des Wirtschaftsunternehmens gegenüber Steuer- und (Sozial-)Abgabenlasten (unter C.). Sie schildert zunächst die frühere Meinungslage in Rechtsprechung sowie Literatur und analysiert die beiden Beschlüsse des Zweiten Senats vom 22. Juni 1995. Insbesondere die im Vermögensteuer-Beschluß aufgestellte Halbteilungsthese wird dabei von Wissenschaft und Politik als weitreichend und folgenreich eingestuft. Ein weiterer Abschnitt der Untersuchung (unter D.) setzt sich deshalb mit den verfassungspolitischen und den verfassungsrechtlichen Einwänden gegen den Halbteilungsgrundsatz auseinander. Im letzten Hauptabschnitt (unter E.) geht es um das schwierige Problem der Operationalisierung des Halbteilungsgrundsatzes, konkret: um die Schwierigkeiten bei der Quantifizierung der Gesamt-Abgabenbelastung aus Steuern, Sozialabgaben und sonstigen Abgaben (dazu L). Eines der Ergebnisse besteht darin, daß die Gesamtlast zumindest bei Unternehmen durchgängig über der 50-Prozent-Marke liegt. Insoweit rückt die weitere Aussage des Bundesverfassungsgerichts in das Blickfeld, daß Betriebe und Unternehmen, die durch das Erbschaftsteuervolumen existenzgefahrdet sind, einen Anspruch auf steuerliche Entlastung besitzen. Dieser - wie in einem Exkurs (unter IL) gezeigt werden soll: verallgemeinerungsfahige - Aspekt eines Anspruchs auf Abgabenverschonung im Fall einer vorhersehbaren Grundrechtsverletzung fordert - ebenso wie der Halbteilungsgrundsatz - legislatorische Maßnahmen zur Senkung der Abgabenbelastung von Unternehmen. Am Schluß der Untersuchung (unter III.) stehen deshalb Überlegungen zur bisherigen legislativen Umsetzung dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. ιι Diese Implikationen sind noch kaum erkannt worden. Soweit ersichtlich hat sie bislang allein Walter Leisner aufgegriffen, und zwar in einem zur Monographie ausgeweiteten Gutachten für den Bayerischen Handwerkstag (Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen dargestellt am Beispiel der Personalzusatzkosten, 1996). Die wesentlichen Ergebnisse finden sich auch in den folgenden Aufsätzen Leisners: Steuer- und Eigentumswende - die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, S. 2591 ff.; Personalzusatzkosten - Belastungen der Betriebe ohne Grenzen?, GewArch 42 (1996), S. 129 ff.; Verfassungsschranken der Unternehmensbelastungen. Personalzusatzkosten und "finanzielle Leistungsfähigkeit" (BVerfG), NJW 1996, S. 1511 ff. Aus der o. a. Monographie sind ferner hervorgegangen: Fremdlasten der Sozialversicherung - ein schwerwiegender Verfassungsverstoß, NZS 1996, S. 97 ff.; Umbau des Sozialstaates. Besinnung auf die Grundlagen der Sozialversicherung, BB 1996, Beilage 6 zu Heft 13/1996 vom 28.3.1996, S. 1 ff.
Β. Der aktuelle Bezug: Die Globalisierung der Güter- und Faktormärkte Zu den schönen Zufällen des Untersuchungsthemas gehört, daß der heutige Bundespräsident Roman Herzog 1 bereits auf der Innsbrucker Staatsrechtslehrertagung vom 1. bis 4. Oktober 1980, die dem Thema Besteuerung und Eigentum gewidmet war, prophezeit hat, der Gesetzgeber werde die weitgehende Gestaltungsfreiheit im Bereich des einfachgesetzlichen Steuerrechts, die ihm die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts faktisch zugebilligt hatte, verlieren - und zwar mit der treffsicheren Bemerkung: "Wir wollen 1995 wieder drüber reden". Allerdings hat wohl weniger die fristgemäße Erfüllung dieser Prophezeiung als die generelle Bedeutung des Entscheidungsthemas dazu beigetragen, daß die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, vor allem der mit ihnen nachhaltig in die Diskussion eingeführte Halbteilungsgrundsatz, nicht nur unter Steuerjuristen und Verfassungsrechtlern, sondern auch in den Medien und damit in der breiten Öffentlichkeit ein großes Echo gefunden haben. Beide Beschlüsse fallen nämlich in eine Zeit, in der sich - zumindest bei einem Teil der Bürger - der Eindruck zu verfestigen beginnt, daß sich der Steuer- und Abgabenstaat in zunehmendem Maße gegen den Rechtsstaat und seine grundrechtlichen Gewährleistungen wende. Von seismologischer Aussagekraft sind insoweit zwei Zahlen: Die Staatsquote2 in der Bundesrepublik Deutschland, die die Ausgaben des Staates in Relation zum Bruttoinlandsprodukt setzt und damit näherungsweise angibt, welchen Anteil des Sozialprodukts der Staat für produktive, konsumtive und distributive Zwecke in Anspruch nimmt, hat zuletzt eine Größenordnung von 48,8 Prozent des Bruttoinlands1 VVDStRL 39 (1981), S. 368. Roman Herzog, damals Innenminister von BadenWürttemberg, war ab 1983 Bundesverfassungsrichter und seit 1987 (bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten im Jahre 1994) Präsident des Bundesverfassungsgerichts und durchgängig Vorsitzender des Ersten Senats. 2 Dazu Alfred Boss, Alarmzeichen: Zahlen und Fakten zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen, in: Frankfurter Institut - Stiftung für Marktwirtschaft und Politik (Hrsg.), Schranken gegen Staatsverschuldung und Steuerlast, 1996, S. 13, S. 15, S. 27, der sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Deutschen Bundesbank stützt. Siehe ferner Ralph Brügelmann / Winfried Fuest, Die Staatsquote in der Bundesrepublik Deutschland. Definitionen und Langfrist-Trends, IW-Trends 1/98, S. 76 (79). 2 Butzer
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Β. Der aktuelle Bezug
Produkts (1997)3 erreicht 4. Sieht man auf die historische Entwicklung, betrug die Staatsquote 1960 noch 32,9 Prozent5. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahrzehnten die Schere zwischen Nettoverdiensten und Bruttoeinkommen der Bürger weit geöffnet. Die Nettoverdienste betrugen 1996 nur noch 52,4 Prozent der Bruttoeinkommen6. Vor diesem Hintergrund werden immer häufiger Forderungen vernehmbar, die Abgabenbelastung nicht weiter ansteigen zu lassen. Leistung "lohne" sich nicht mehr; es müsse endlich "irgendwo" für Bürger und Unternehmen eine Belastungs-Obergrenze gefunden werden. Derartige Postulate kreuzen sich dabei mit der in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft heftig und kontrovers geführten Debatte um die Folgen der Globalisierung und die damit einhergehende Verschärfung des Standortwettbewerbs der Industrieländer um die mobilen Produktionsfaktoren. Aus der nationalen wirtschafts- und sozialpolitischen Warte geht es in diesem Zusammenhang um die Zukunft des "Wirtschaftsstandortes Deutschland". Dieser Oberbegriff fokussiert dabei seit längerem Themen wie die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland, das zu geringe Wirtschaftswachstum, den Rückstand in Spitzentechnologien wie der Mikroelektronik oder Multimedia, die verbreitete Skepsis gegenüber Zukunftstechnologien (ζ. B. Biotechnologie), den geringer gewordenen Aufwand für Forschung und Entwicklung, den starken Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland, die als negativ eingeschätzten Standortfaktoren wie (Über-)Regulierung und (übermäßige) Bürokratie, ferner Überlegungen hinsichtlich der Höhe der Löhne und Gehälter und hinsichtlich ihrer Struktur (Lohndifferenzierung durch Öffnung der Flä3 Im Vorjahr (1996) betrug die Staatsquote noch exakt 50,0 Prozent, wobei der Rückgang von 1996 nach 1997 (1,2 Prozent) zur Hälfte durch die Umstellung des Kindergelds verursacht ist. 1996 machte der Steueranteil 23,5 Prozent, der Sozialabgaben-Anteil 19,8 Prozent und der Anteil der sonstigen Staatseinnahmen 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Hinzuzurechnen war noch der Budget-Sollsaldo von 3,4 Prozent. Angaben nach Alfred Boss, Alarmzeichen: Zahlen und Fakten zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen, (Nachweis oben S. 17 Fn. 2), S. 13, S. 15, S. 27. 4 Der generelle Befund, daß eine Staatsquote von annähernd 50 Prozent (Höchststand 1993: 51,6 Prozent; informationshalber - Staatsquote jeweils für 1996 Schweiz: 32,0 Prozent; USA: 33,4 Prozent; Irland: 37,0 Prozent; Japan: 39,2 Prozent; Großbritannien: 42,0 Prozent; Niederlande: 50,0 Prozent; Italien: 53,0 Prozent; Frankreich: 54,0 Prozent, Dänemark: 61,2 Prozent) zu hoch ist, ist in Politik und Wissenschaft, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden unbestritten. Anders verhält es hinsichtlich von Überlegungen, wie diese Quote zu senken ist. 5 Der Anstieg geht ganz erheblich auf die Sozialabgabenquote zurück: Die Steuerquote bewegt sich nämlich seit 1960 permanent in einem Korridor von 22,0 bis 25,2 Prozent, während die Sozialabgabenquote im Jahr 1960 erst 10,3 Prozent betrug. Hinzu kam im Jahr 1960 ein Budget-Habensaldo von 3,0 Prozent. 6 Siehe dazu die von der Deutschen Bundesbank genannten Zahlen {Deutsche Bundesbank, Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen seit Anfang der neunziger Jahre, Monatsbericht Oktober 1997, S. 19 [27, mit Anm. 4]).
I. Die Höhe der Steuern und Sozialabgaben
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chentarifverträge) sowie Überlegungen zur Flexibilität und Länge der Arbeitszeiten, schließlich die hohe Staatsverschuldung und die Sorge um die Sicherheit der sozialen Sicherungssysteme. In diesen Kontext gehört nicht zuletzt auch die in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern hohe Abgabenbelastung von Bürgern und Unternehmen.
I. Die Höhe der Steuern und Sozialabgaben als wesentlicher Aspekt der Standortdiskussion Vor allem dieser Bezug des Entscheidungsthemas zur Globalisierungsdiskussion und zur Debatte um den "Wirtschaftsstandort Deutschland" hat den beiden Bundesverfassungsgerichtsbeschlüssen die weit über Fachkreise hinausgehende Aufmerksamkeit gesichert. Der vom Gericht postulierte Halbteilungsgrundsatz spielt dabei einerseits eine Rolle in der Diskussion um eine als "große" gekennzeichnete Reform der Besteuerung mit dem Ziel einer spürbaren Nettoentlastung von Bürgern und Unternehmen (bei Verbreiterung der Bemessungsgrundlage), andererseits aber auch in den permanenten Auseinandersetzungen um Reformen im Sozialleistungsbereich. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts haben insoweit bei Empfängern von Sozialleistungen Befürchtungen hinsichtlich Leistungskürzungen, bei gut verdienenden Steuerzahlern dagegen Hoffnungen auf geringere Steuerund Sozialabgabenbelastungen wachsen lassen7. Vor allem die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, deren Steuerbelastung trotz Wegfalls von Vermögensteuer (1. Januar 1997) und Gewerbekapitalsteuer (1. Januar 1998)8 durchschnittlich noch bei etwa zwischen 55 Prozent und 65 Prozent liegt9, erhoffen sich (weitere) Entlastungen, um auf diesem Weg ihre nationale (gegenüber Billigimporten) ebenso wie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit (bei Exporten) zu verbessern. Es kann nicht überraschen, daß in diesem unternehmensbezogenen Zusammenhang auch die Sozialversicherungsbeiträge in die Diskussion geraten sind: Ausweislich des jüngsten Sozialberichts10 beliefen 7 Zur individuellen Steuerlast siehe ausführlich unten S. 93 ff. 8 Zur Entlastungswirkung dieser Steuerstreichungen für die Unternehmen siehe Otto H. Jacobs / Christoph Spengel / Alexander Wünsche, Auswirkungen der Steuerreform 1999 auf die Belastung von Unternehmen im internationalen Vergleich, IStR 1997, S. 417 ff. (Teil I), S. 455 ff. (Teil II). 9 Zur Unternehmensbesteuerung siehe eingehend unten S. 95 ff. 10 Es wurde wohl nur ein Extrakt dieses Berichts veröffentlicht (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung [Hrsg.], sozialpolitische Informationen, Nr. 6 vom 31.3.1998). Dem Verfasser lag der vollständige Bericht vor.
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Β. Der aktuelle Bezug
sich allein diese Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmer zuletzt auf insgesamt knapp 260 Mrd. DM 1 1 . Diese Debatte um die Höhe der Sozialversicherungsabgaben fugt sich nun wiederum in den umfassenderen sozialpolitischen Streit über die Höhe der den Arbeitgebern in Deutschland entstehenden Personalzusatzkosten, deren wohl wichtigster Einzelfaktor eben der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen ist. Er macht derzeit mehr als ein Viertel des Arbeitsentgelts der Beschäftigten aus - mit steigender Tendenz12. Im einzelnen haben Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft 13 ergeben, daß die Prozentsätze für den Arbeitgeberpflichtbeitrag zur Sozialversicherung (einschließlich Unfallversicherung) im westdeutschen Dienstleistungssektor in 1997 zwischen 25,7 Prozent (Großhandel, Versicherungsgewerbe) und 27,0 Prozent (Einzelhandel, Kreditgewerbe) des Entgelts für geleistete Arbeit lagen. Im westdeutschen Produzierenden Gewerbe betrugen sie 28,5 Prozent, im ostdeutschen 29,7 Prozent. Nimmt man nicht nur die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, sondern die gesamten Personalnebenkosten in den Blick, so beliefen sich diese 1997 im westdeutschen Dienstleistungssektor (Großhandel, Einzelhandel, Kreditgewerbe, Versicherungsgewerbe) auf Prozentsätze zwischen 67,2 Prozent (Einzelhandel) und 98,5 Prozent (Kreditgewerbe) des Entgelts für geleistete Arbeit (Durchschnitt: 76,8 Prozent). Im westdeutschen Produzierenden Gewerbe lagen sie bei 80,1 Prozent (Ostdeutschland: 71,5 Prozent) des Entgelts für geleistete Arbeit. Mit diesen Zahlen steht Deutschland im internationalen Vergleich deutlich an der Spitze. Unter den 20 größten westlichen Industrieländern lag Deutschland im Jahr 1995 mit 45,52 DM Arbeitskosten je Stunde im Produzierenden n Der Sozialbericht 1997 nennt als Sozialabgaben-Belastung des Unternehmenssektors für 1997 insgesamt 352,72 Mrd. DM (Sozialbericht 1997, Übersicht 55, S. 433). Davon betrugen die Leistungen für die Entgeltfortzahlung geschätzt 47,1 Mrd. DM, für die betriebliche Altersversorgung 28,1 Mrd. DM, für die Zusatzversorgung 13,8 Mrd. DM und für sonstige Arbeitgeberleistungen 4,4 Mrd. DM, also insgesamt (geschätzt) 93,4 Mrd. DM (Sozialbericht 1997, Ubersicht 21 a, S. 361). Insgesamt werden zwei Drittel der Sozialleistungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherungen erbracht (1997: 65,2 Prozent) und (nur) ein Drittel als steuerfinanzierter Transfer (Sozialbericht 1997, Übersicht 51, S. 427). 12 Siehe im einzelnen: Edmund Hemmer, Personalzusatzkosten in der Deutschen Wirtschaft, IW-Trends 1/98, S. 76 ff.; der s., Personalzusatzkosten in der Deutschen Wirtschaft, IW-Trends 1/97, S. 44 ff. Siehe ferner Gustav Kucera / Ullrich Kornhardt, Die Bedeutung der Personalzusatzkosten für die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks, Internationales Gewerbearchiv 39 (1991), S. 94 ff. 13 Siehe dazu Edmund Hemmer, Personalzusatzkosten in der Deutschen Wirtschaft, IW-Trends 1/98, S. 76 ff. Alle Zahlen beziehen sich auf Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten und schließen die (alleinigen) Arbeitgeberanteile zur Unfallversicherung und zum Insolvenzgeld nicht ein.
I. Die Höhe der Steuern und Sozialabgaben
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Gewerbe an der Spitze. Der Abstand zur folgenden Schweiz (42,69 DM) betrug etwa 3,- D M / Stunde, zu Japan (35,48 DM) etwa 10,- D M / Stunde. Frankreich erreichte 29,04 D M , die USA 25,18 D M , Italien 24,16 D M und Großbritannien 20,96 D M . Portugal (9,28 DM), ebenso viele osteuropäische und asiatische Länder, lagen bei Arbeitskosten von deutlich unter 10,- D M / Stunde. Die Steigerungstendenz ist im übrigen ungebrochen - im Jahr 1998 werden die Personalzusatzkosten weiter deutlich ansteigen. Wegen der in Deutschland vergleichsweise hohen Wertschöpfung der Arbeit (mit der Folge günstigerer Lohnstückkosten14) und vergleichsweise guter Werte bei den nichtpreislichen Wettbewerbskomponenten wie ζ. B. Produktqualität, Kundenservice und Lieferpünktlichkeit sind diese Kosten hinsichtlich ihrer internationalen Wettbewerbswirkung jedoch etwas zu relativieren. Allerdings droht auch dieser relative Lohnstückkosten-Vorteil derzeit verloren zu gehen. Zwischen 1989 und 1996 hatte Deutschlands verarbeitendes Gewerbe den im Industrieländer-Vergleich stärksten Anstieg der Lohnstückkosten zu verkraften 1 5 . Das liegt weniger an den jährlichen Zuwachsraten, die zuletzt durchaus moderat waren, als am geschärften Kostenbewußtsein der Konkurrenzstaaten und in den Wechselkursverschiebungen durch die Aufwertung der Deutschen Mark gegenüber den wichtigsten anderen Währungen.
Lohnstückkosten sind definiert als das Verhältnis von Lohnkosten aus unselbständiger Arbeit (Einkommen und Personalzusatzkosten) zum Bruttoinlandsprodukt. Sie spiegeln damit das Verhältnis der Arbeitskosten zur Arbeitsproduktivität. Steigen die Lohnstückkosten, sind stets Arbeitsplätze in Gefahr; entweder mittelbar über die Folgen eines verschärften Preisanstiegs oder - bei fehlenden Überwälzungsmöglichkeiten - unmittelbar über verschlechterte Unternehmensrenditen, die zum Abbau unproduktiver Arbeitsplätze führen. Siehe dazu umfassender und weiterführend Claus F. Hofmann, Lohnstückkosten - Deutsche Wettbewerbsvorteile, Bundesarbeitsblatt 1996, Heft 11, S. 5 ff. 15 Die Lohnstückkosten des verarbeitenden Gewerbes sind nach Erhebungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zwischen 1989 und 1997 in Westdeutschland um 15,4 Prozent gestiegen. Schon damit liegt Deutschland im internationalen Industrieländer-Vergleich im oberen Bereich. Höher war der Anstieg der Lohnstückkosten - auf Nationalwährungs-Basis - nur in Großbritannien (23,6 Prozent) und in Italien (25,1 Prozent). Dagegen wiesen die USA (3,3 Prozent) und Japan (1,5 Prozent) deutliche geringere Steigerungen auf. Musterschüler in Europa ist Frankreich, das seine Lohnstückkosten in diesem Zeitraum annähernd konstant (plus 2,5 Prozent) halten konnten, obwohl die Arbeitskosten zwischen 1989 und 1997 auch in Frankreich um 28,8 Prozent gestiegen sind. Betrachtet man den Lohnstückkostenanstieg nicht auf Nationalwährungs-Basis, sondern auf DM-Basis, ist Deutschland wegen der Aufwertung der Deutschen Mark im Verhältnis zu anderen Währungen Spitzenreiter beim Anstieg (plus 15,4 Prozent; im Vergleich Japan: plus 6,9 Prozent, Niederlande: plus 4.0 Prozent, Frankreich: plus 3,3 Prozent, USA: minus 4,7 Prozent, Italien: minus 7.1 Prozent, Großbritannien: minus 14,0 Prozent). Siehe Christoph Schröder, Produktivität und Lohnstückkosten im internationalen Vergleich, IW-Trends 2/98, S. 71 (75, 77); vgl. auch Claus F. Hofmann, Lohnstückkosten - Deutsche Wettbewerbsvorteile, Bundesarbeitsblatt 1996, Heft 11, S. 5 ff.
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Β. Der aktuelle Bezug
Obwohl die heutige Gesamthöhe der Personalzusatzkosten sicherlich multikausal bedingt ist, haben die sozialpolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers einen ganz wesentlichen Einfluß auf ihre Höhe. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man die Personalzusatzkosten stärker als bisher aufschlüsselt und tarifliche / betriebliche und gesetzliche Personalzusatzkosten unterscheidet. Tarifliche / betriebliche Personalzusatzkosten sind vornehmlich Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt, vermögenswirksame Leistungen, Sonderzahlungen und Gratifikationen sowie die betriebliche Altersversorgung. Dagegen umfassen die gesetzlichen Personalzusatzkosten vor allem die bereits erwähnten Sozialversicherungsbeiträge 16 sowie die betrieblichen Ausgaben bei Ausfallzeiten wie Bildungs- und Sonderurlaub, ferner die Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall 17. Die gesetzlichen Personalzusatzkosten haben je nach Branche einen Anteil zwischen etwa 40 Prozent (Industrie) und etwa 60 Prozent (Handwerk) der gesamten Personalzusatzkosten. Der mit Abstand größte Einzelfaktor der gesetzlichen, aber auch der gesamten Personalzusatzkosten, sind - wie erwähnt die Sozial Versicherungsbeiträge. Geht man vom Entgelt für geleistete Arbeit aus, so läßt sich die Höhe dieses Faktors in seiner Relation zu den Nettolöhnen und -gehältern recht genau über die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen ermitteln: Anfang 1998 addierten sich diese Beitragssätze auf (durchschnittlich) 42,1 Prozent des beitragspflichtigen Entgelts (zum Jahresanfang 1997: 41,8 Prozent)18. Die Hälfte dieses Gesamtsozial Versicherungsbeitrags entfällt auf den Arbeitgeber, der zudem noch die Beiträge zur Unfallversicherung und die Umlage für das Insolvenzgeld allein trägt. 16 Nur am Rande sei erwähnt, daß in diesem Zusammenhang auch der heftige Widerstand der Wirtschaft gegen die Einführung der Pflegeversicherung gesehen werden muß, der nach langer politischer Diskussion zu einer Kompensation durch die Streichung eines gesetzlichen Feiertags geführt hat (vgl. § 58 SGB XI). 17 Siehe dazu das "Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgeltes an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz)" v. 26.5.1994 (BGBl. 1994, I, S. 1014, S. 1065). Hinzuweisen ist insbesondere auf §§ 4, 4 a Entgeltfortzahlungsgesetz i. d. F. vom 25.9.1996 und 12.12.1996 (BGBl. 1996, I, S. 1476, S. 1859). Zu den länderrechtlichen Regelungen über sonstige Ausfallzeiten siehe die Nachweise bei Günter Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch. Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 8. Auflage 1996, § 102 A XII, S. 897 ff. (Bildungsurlaub), § 102 A XIII, S. 899 f. (Sonderurlaub). 18 Beide Zahlen berücksichtigen nicht die (alleinigen) Arbeitgeberanteile zur Unfallversicherung (1,1 Prozent) und zum Insolvenzgeld (0,16 Prozent). Die einzelnen Beitragssätze betrugen im April 1998 in der Rentenversicherung 20,3 Prozent, in der Krankenversicherung je nach Krankenkasse zwischen 12,8 Prozent und 14,5 Prozent in den alten Bundesländern (durchschnittlich: 13,60 Prozent) sowie zwischen 9,5 Prozent und 14,3 Prozent in den neuen Bundesländern (Durchschnitt: 14,0 Prozent), in der Arbeitslosenversicherung 6,5 Prozent und in der Pflegeversicherung 1,7 Prozent. Siehe Bundesarbeitsblatt 1998, Heft 9, S. 123 (Tabelle 267), S. 125 (Tabelle 268).
I. Die Höhe der Steuern und Sozialabgaben
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Die Steigerungsdynamik war und ist dabei beträchtlich: Im Jahre 1960 betrug der Gesamtsozialversicherungsbeitrag erst 22,4 Prozent des beitragspflichtigen Entgelts19, im Jahre 1980 32,4 Prozent, 1990 35,6 Prozent und 1998 eben 42,1 Prozent20. Bemerkenswert ist ferner, daß die tariflichen / betrieblichen Personalzusatzkosten durch eine maßvolle Tarifpolitik in den letzten Jahren im wesentlichen konstant geblieben sind21, während sich die gesetzlichen Zusatzkosten im Verhältnis zu den Direktentgelten ständig weiter erhöht haben. Der Anstieg der Sozial Versicherungsbeiträge - und hier schließt
sich der Bogen zum einzelnen Arbeitnehmer und Steuerbürger - hat dabei die tariflich ausgehandelten Lohn- und Gehaltszuwächse weithin konterkariert, da den Beschäftigten durch den synchronen Anstieg der Beitragssätze in der Sozialversicherung sofort das wieder genommen wurde, was ihnen zuvor die Arbeitgeber an Lohn- und Gehaltszuwachs gewährt hatten22. Sozialpolitisch zeitigt das unerwünschte Konsequenzen: Die Arbeitnehmer profitieren wenig oder gar nicht von Lohnzugeständnissen der Arbeitgeber, und die Arbeitgeber profitieren wenig oder gar nicht von einer Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer. Zudem bewegt man sich in einem "Teufelskreis", weil höhere Beitragssätze zur Sozialversicherung zu mehr Arbeitslosigkeit führt und mehr Arbeitslosigkeit wieder zu höheren Beitragssätzen. Hohe und nicht abwälzbare Steuern und Sozialversicherungsabgaben haben - das darf nicht geringgeschätzt werden - auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive unerwünschte Auswirkungen. Einmal bringen sie viele weniger rentable Unternehmen in Existenzgefahr, mit der Folge, daß durch Geschäftsaufgabe, Insolvenz oder Liquidation bzw. durch Verlagerung der Produktion ins Ausland weitere Arbeitsplätze in Deutschland, vor allem im Bereich personalis I960 lagen die Beitragssätze zur Rentenversicherung bei 14,0 Prozent, zur Arbeitslosenversicherung bei 2,0 Prozent und zur Krankenversicherung bei durchschnittlich 6,4 Prozent. 20 1 990 : 35,6 Prozent; 1991: 36,7 Prozent; 1992: 36,7 Prozent; 1993: 37,4 Prozent; 1994: 38,9 Prozent; 1995: 39,3 Prozent; 1996: 40,2 Prozent. Alle Zahlen nach Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Reformen voranbringen, Jahresgutachten 1996/97, S. 224, Ziffer 376, sowie (für 1997) nach Bundesarbeitsblatt 1997, Heft 7-8, Tabelle 239. 21 Der Zuwachs der tariflichen Löhne und Gehälter je abhängig Beschäftigtem betrug zwischen 1994 und dem ersten Halbjahr 1997 auf Monatsbasis in Gesamtdeutschland 11,1 Prozent. 1992 lag er - vor allem wegen der starken Tarifanstiege in Ostdeutschland - allein bei 10,9 Prozent und 1993 bei 6,5 Prozent. Zahlenangaben nach Deutsche Bundesbank, Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen seit Anfang der neunziger Jahre, Monatsbericht Oktober 1997, S. 19 (21). 22 Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen - sofern der Sozialgesetzgeber nicht Einsparungen oder Umfinanzierungen beschließt. Siehe im einzelnen Deutsche Bundesbank, Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen seit Anfang der neunziger Jahre, Monatsbericht Oktober 1997, S. 19 (27).
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Β. Der aktuelle Bezug
und deshalb lohnintensiver Fertigungsbereiche 23, vernichtet werden 24 . Damit verbunden ist ein Steuerausfall und ein Ausfall von Sozialversicherungsbeiträgen 25 , denen substituierende Sozialleistungen an die Arbeitnehmer und das Erfordernis steigender Zuschüsse zu den Sozialversicherungssystemen oder die Notwendigkeit weiterer Einsparungen gegenüberstehen. Des weiteren beeinträchtigt eine dauerhaft hohe Belastung des Ergebnisses von Arbeit auch die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten und die Arbeitsnachfrage der Unternehmen und führt zu Ausfransungen des Arbeitsmarktes - von der sozialversicherungsfreien Beschäftigung über die Scheinselbständigkeit bis hin zu stark ansteigender 26 Schwarzarbeit 27. Schließlich ist eine hohe Abgabenbelastung ein idealer Nährboden für ein weiteres Anwachsen der Steuerverdrossenheit und vor allem für die immer 23 Die deutschen Direktinvestitionen im Ausland beliefen sich im Jahr 1996 auf 38,8 Mrd. DM, gegenüber ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland von 1,1 Mrd. DM (Quelle: Bundesminister für Wirtschaft: Auslandsinvestitionen im Jahre 1996, BMWi-Tagesnachrichten, Nr. 10603 vom 27.5.1997). Freilich dienen diese Beträge nicht nur der Verlagerung von Produktionsstätten, sondern auch der Markterschließung und Marktsicherung sowie der Vermeidung von Wechselkursrisiken. 24 Kapitalinvestitionen im Ausland stehen ferner auch mit dem Ziel der Steuerverringerung in Zusammenhang. Möglichkeiten der Gewinnverlagerung ergeben sich insoweit nicht nur durch die Sitzverlegung, sondern zum Beispiel auch durch konzerninterne Verrechnungspreise (Transfer Pricing) für Vorleistungen aus einem Niedrigsteuerland, die möglichst hoch angesetzt werden, oder durch Kreditbeziehungen mit Hilfe von steuerbegünstigten ausländischen Finanzierungsgesellschaften. 25 Der Verband der Vereine Creditreform schätzt ζ. B. die Höhe der Insolvenzschäden einschließlich der öffentlichen Mindereinnahmen (Steuer- und Beitragsausfälle in der Sozialversicherung) für 1997 auf etwa 65 Mrd. DM, nach 62 Mrd. DM im Jahr 1996. Siehe FAZ v. 28.11.1997. 26 Das quantitative Volumen der Schattenwirtschaft läßt sich naturgemäß nicht direkt messen. Wissenschaftliche Untersuchungen gehen von 5 Prozent bis 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, wobei die Schätzungen ganz überwiegend bei einer Größenordnung von rund 10 Prozent liegen. Danach wäre das Volumen für 1996 auf 177 Mrd. DM bis 354 Mrd. DM zu schätzen (Bruttoinlandsprodukt 1996 [vorläufiges Ergebnis]: 3.541,0 Mrd. DM). Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft hat jüngst eine Summe von 150 Mrd. DM genannt (FAZ v. 22.12.1997). 27 Zu Ursachen und Bestimmungsgrößen der Schattenwirtschaft siehe: Enno Langfeldt, Die Schatten Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, 1984, passim; Hannelore Weck /Werner W. Pommerehne / Bruno S. Frey, Schattenwirtschaft, 1984, passim. Siehe ferner Roland Döhrn, Wie groß ist die Schattenwirtschaft? Versuch einer sektoralen Erklärung, RWI-Mitteilungen 37/38 (1986/87), S. 365 (366, 380 ff.), der (als einziger) auf einen Wert von nur 2,5 bis 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommt; Alexander Karmann, Größe und Formen der Schattenwirtschaft und ihr Verhältnis zur Wirtschaft, in: Peter Gross / Peter Friedrich (Hrsg.), Positive Wirkungen der Schattenwirtschaft?, 1988, S. 87 ff.; Egon Tuchtfeldt, Die Schatten Wirtschaft Ein zweiter Wirtschaftskreislauf, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitische Chronik 33 (1984), S. 13 ff.; Hannelore Weck, Wie groß ist die Schattenwirtschaft? Ein internationaler Vergleich, Wirtschaftsdienst 62 (1982), S. 392 ff.
II. Globalisierte Ökonomie - Standortwettbewerb
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weiter ausgreifende Steuerhinterziehung. Verstößt nämlich eine wachsende Zahl von Bürgern gegen die Steuergesetze, werden Rechtsbewußtsein, Rechtsordnung und staatsbürgerlicher Gemeinsinn geschwächt. Für die Masse der steuerehrlichen Bürger stellt sich dann vermehrt die Frage, ob sie für die steuerunehrlichen Bürger weiterhin mitzahlen oder ob sie nicht auch ihren Steuerpflichten ausweichen sollen. Insoweit leistet eine sich ausbreitende Schattenwirtschaft Reaktionen Vorschub, die ihrerseits die Schattenwirtschaft noch vergrößern und damit wiederum das Aufkommen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen mindern 28.
II. Globalisierte Ökonomie - Standortwettbewerb nationale Handlungsmöglichkeiten Auch wenn die heutige Arbeitskosten-Situation Deutschlands im internationalen Wettbewerb, wie die fortbestehenden Exporterfolge der deutschen Wirtschaft anzeigen, wohl immer noch weitaus besser ist, als es mitunter in der öffentlichen Standortdiskussion behauptet wird, so kann wegen der fortschreitenden Liberalisierung der Währungs- und Finanzmärkte und der allgemeinen Deregulierung (Stärkung des Freihandels) dennoch kein Zweifel daran bestehen, daß sich die Wettbewerbsposition Deutschlands in Zukunft strukturell weiter verschlechtern wird, sofern die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik nicht gegensteuert29. Dieser heute wohl allgemein akzeptierte Befund bildet gewissermaßen den nationalökonomischen Treibsatz der Diskussion um die Höhe der Abgabenlasten bundesdeutscher Unternehmen und damit den weitergefaßten Bezugs- und 28 Siehe auch Rolf Boreil /Lothar Schemmel, Steuern in Deutschland. Zu den Aufgaben der Steuerpolitik nach der Einigung, hrsgg. vom Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e. V., 1991, S. 20 f.
29 Siehe zur volkswirtschaftlichen Diskussion nur Lucas Bretschger, Integration und langfristige Wirtschaftsentwicklung, 1997; Juergen B. Dönges / Johann Eekhoff / Walter Hamm / Wernhard Möschel / Manfred J. M. Neumann / Olaf Sievert, Globalisierter Wettbewerb. Schicksal und Chance, in: Frankfurter Institut - Stiftung für Marktwirtschaft und Politik (Hrsg.), Schranken gegen Staatsverschuldung und Steuerlast, 1998; Ingomar Hauchler /Dirk Messner / Franz Nuscheier (Hrsg.), Globale Trends 1998. Fakten, Analysen, Prognosen, 1997; Oskar Lafontaine / Christa Müller, Keine Angst vor der Globalisierung, 1998; Hans-Peter Martin / Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand, 16. Auflage 1997. Zu den betrieblichen Konsequenzen siehe ζ. B. "Globalisierung und Wettbewerb. In memoriam Alfred Herrhausen", Ergänzungsheft 2 der Zeitschriftßr Betriebswirtschaft (ZfB), 1992; Matthias Haller / Emil Brauchlin /Rolf Wunderer/Knut Bleicher / Hans-Jobst Pleitner / André Zünd (Hrsg.), Globalisierung der Wirtschaft Einwirkungen auf die Betriebswirtschaftslehre, 1993.
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Β. Der aktuelle Bezug
Motivationsrahmen aller Überlegungen zu etwaigen freiheitsrechtlichen Grenzen der Steuer- und Abgabenlast. Die Vehemenz, mit der die verfassungspolitische und die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit den Einheitswert-Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts geführt wird, beruht ganz wesentlich auf dieser Verwobenheit des Entscheidungsthemas mit der an politische Grundüberzeugungen rührenden Debatte um "die" Wege zur Befreiung aus der Globalisierungs"falle". Dieser Gesamtkontext, in dem die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts verschiedentlich als Parteinahme für eines von drei divergenten wirtschaftspolitischen Denkmodellen zu den Globalisierungsfolgen gewertet worden sind, soll deshalb am Ende dieses Einführungskapitels noch in einer kurzen Skizze aufgezeigt werden. Der erste Handlungsentwurf geht davon aus, daß die globalisierte Ökonomie bereits den Primat über die nationale Wirtschafts- und Finanzpolitik gewonnen hat ("global village") und daß deshalb eine nationale Anpassung an globale Sachzwänge unabweisbar ist. Die Entwicklung von Wechselkursen und Zinsen, die dynamischen technologischen Entwicklungen, die Konkurrenzlage für wichtige deutsche Industriebranchen auf dem Weltmarkt, die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland - das alles seien Fragen, die wegen der Mobilität von Waren und Dienstleistungen, Technologie und Kapital, aber auch von qualifizierter Arbeit, nicht mehr oder nur noch zum Teil in nationaler Souveränität entschieden würden. Heute böten nicht nur Industrieländer, sondern auch zahlreiche aufstrebende Schwellenländer Marktchancen und institutionelle Sicherheit. Der bei sinkender Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands fortschreitenden Abwanderung von Kapital und qualifizierter Arbeit lasse sich nur durch eine Unterbindung der Mobilität entgegentreten, was mit dem Gedanken einer freien (Wirtschafts-)Ordnung jedoch unvereinbar sei. Der "Wirtschaftsstandort Deutschland" müsse deshalb eine Politik verfolgen, die durch Verbesserung der Angebotsbedingungen die Wachstumsdynamik wiedergewinne und so die Beschäftigungskrise überwinde. Konkret sei es erforderlich, daß Deutschland durch umfassende Reformen eine Spitzenstellung bei der Qualität der Produkte, bei der Innovationskraft, bei der Flexibilität und beim technologischen Fortschritt, bei der Qualifikation der Beschäftigten, bei den Arbeitskosten und der Produktivität, bei den Standortfaktoren wie Infrastruktur, Bürokratie und Regulierungsdichte, bei den Steuerlasten und den Sozialabgaben und der damit korrespondierenden Rentabilität der Unternehmen behaupte oder zurückgewinne. Diese Anpassungsoption führt jedoch wegen der erforderlichen Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung notwendigerweise (zumindest vorübergehend) zum Abschmelzen sozialer Sicherungs- und Förderungssysteme und möglicherweise auch zur Infragestellung ökologischer Errungenschaften, verbunden mit depressiven Effekten auf
II. Globalisierte Ökonomie - Standortwettbewerb
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die Masseneinkommen und die Beschäftigung. Diese Negativeffekte können (mittel- und längerfristig) nur durch höhere Wettbewerbsfähigkeit sowie höhere Innovationskraft und Spitzenleistungen auf den wirtschaftlichen Zukunftsfeldern und damit einhergehendem Wirtschafts- und Ertragswachstum kompensiert werden, und das auch nur, wenn andere Länder nicht ebenfalls ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen; sonst droht die Anpassungsstrategie zum Nullsummenspiel zu werden. Die zweite Option setzt demgegenüber auf eine Revitalisierung nationaler Handlungsspielräume. Dieser Auffassung liegt eine ökonomische Analyse zugrunde, die die Effekte der Globalisierung wesentlich geringer und damit die nationalen Handlungsmöglichkeiten noch relativ hoch einschätzt. Die hieraus resultierende Strategie geht davon aus, daß Wachstum und Beschäftigung wieder auf ein wesentlich höheres Niveau geführt werden können, wenn Maßnahmen der Nachfragestimulierung ergriffen werden. Dazu gehöre eine gezielte Arbeitsmarktpolitik (Arbeitszeitverkürzung, Lohnzuschüsse, Arbeitsbeschaffung etc.), ferner eine weniger stabilitäts- als beschäftigungsorientierte Geldpolitik, handelspolitische Schutzmaßnahmen und Subventionen sowie eine soziale und investitionsfördernde Steuerpolitik, die ζ. B. die Massenkaufkraft stärkt und Sachinvestitionen gegenüber Finanzanlagen begünstigt. Flankiert werden müsse diese Politik durch eine stärkere Kontrolle von Finanzflüssen und "Kapitalflucht", durch eine gezielte Industrie- und Mittelstandspolitik und gegebenenfalls durch ein konjunkturell gezieltes Deficitspending. Ein derart herbeizuführender höherer Beschäftigungsstand senke die durch die hohe Arbeitslosigkeit stark angestiegenen Sozialkosten, schaffe Wirtschaftswachstum, erhöhe die Staatseinnahmen und gebe so Spielräume, um die derzeit zu beobachtende sozialpolitische Spirale nach unten, das sogenannte "race to the bottom", zu vermeiden. Eine solche Politik diene vor allem auch dem "sozialen Frieden", der unter dem Aspekt des Standortwettbewerbs ebenfalls ein wichtiger Standortfaktor sei. Diese nationale Option verlangt (jedenfalls zunächst) höhere Staatsausgaben und daher erhöhte Steuereinnahmen oder eine noch weiter ausgreifende Staats ver schuldung30. Das würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands kurzfristig weiter verschlechtern. Für den Fall, daß sich die 30 Allerdings Schloß in der jüngsten Vergangenheit (bis 1997) das von Bundesregierung, Regierungskoalition und Opposition übereinstimmend verfolgte Ziel der Teilnahme an der Europäischen Währungsunion eine weitere Erhöhung der Staatsverschuldung aus (siehe Art. 121 EGV i. V. m. Art. 104 Abs. 6 und Abs. 2 EGV). Der Zugang zu der vom 1.1.1999 an vorgesehenen Europäischen Währungsunion stand danach nur denjenigen Ländern offen, die 1997 kein höheres Defizit als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufwiesen und deren Schuldenstand in diesem Referenzjahr in der Regel nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrug. An die Stelle der Maastricht-Kriterien ist jetzt der Europäische Stabilitätspakt getreten.
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Β. Der aktuelle Bezug
Bundesrepublik Deutschland entgegen der wirtschaftspolitischen Prämisse dieser Option doch nicht im erhofften Maß von der Globalisierung und dem damit einhergehenden internationalen Standortwettbewerb abzukoppeln vermag, birgt das die Gefahr, daß es zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage kommt. Um diese zu beheben, wären dann vermutlich um so härtere und tiefgreifendere Anpassungsmaßnahmen erforderlich, die den sozialen Frieden noch stärker berührten. Auch bringt eine weiter erhöhte Staats Verschuldung, wenn keine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und der Lage auf den Arbeitsmärkten eintritt, erhebliche Risiken für Sicherheit und Wohlstand künftiger Generationen, weil Gegenwartskosten in die Zukunft externalisiert werden. Angesichts dieser gravierenden Einwände gegen beide Positionen wird von beiden Seiten häufig eine ergänzende dritte Option ins Spiel gebracht. Diese setzt auf die Verbesserung bilateraler und multilateraler Kooperationsformen. Sie hofft, durch die Stärkung und Reform internationaler Finanz- und Währungsinstitutionen und durch Vertrags- und Konferenzdiplomatie die Nationalstaaten zu gemeinsamem Handeln bewegen zu können ("global government"). Nationale politische Regeln seien dort, wo sie durch Globalisierung ausgehebelt werden, durch internationale ökonomische, technologische und ökologische Standards zu ersetzen. Dadurch sollen ζ. B. die Realzinsen weltweit auf einem niedriges Niveau gehalten, eine Stabilisierung der Wechselkurse erreicht, eine Eindämmung investitionshemmender Spekulation durchgesetzt und eine gezielte Finanzierung globaler Umwelt- und Entwicklungsprogramme ermöglicht werden. Ein vorrangiges Ziel ist es insoweit, die Länder Europas, die ein gemeinsames Erbe teilen und eher gemeinsame politische Ziele im Bereich von sozialer Gerechtigkeit, Umwelt und Kultur verfolgen, schnellstmöglich zu einem politischen Handlungsraum zusammenzuschließen und damit den großen Regionalmarkt "Europa" zu vollenden. Blickt man über Europa hinaus, wo im übrigen auch schon fraglich ist, ob die anderen Mitgliedstaaten der Union zu den genannten Absprachen bereit sind, nur damit die Deutschen oder die Skandinavier sich nicht anpassen müssen, erscheint auch aus anderen Gründen zumindest gegenüber einer alleinigen Verfolgung dieser Option eher Skepsis angebracht. Bislang fehlt es den internationalen Organisationen nämlich an einer ausgewogenen Vertretung aller Weltregionen, an den unabdingbaren Finanzmitteln zur Erledigung der drängenden Aufgaben, an den Sanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung internationalen Rechts (auch gegenüber den großen Wirtschaftsmächten) und vor allem an den Kompetenzen, die notwendig wären, um im Sinne eines "global government" regieren zu können. Voraussichtlich wird deshalb auch in Zukunft die Handlungsfähigkeit der internationalen Institutionen langsamer wachsen als die Probleme, die durch die Globalisierung verursacht werden.
C. Der Grundrechtsschutz gegenüber der Belastung durch Steuern und (Sozial-)Abgaben Es ist also unübersehbar, daß der "Stein der Weisen" zur umfassenden Lösung der Globalisierungsfolgen noch nicht gefunden ist - wenn er sich denn überhaupt finden läßt. In Deutschland liegen allerdings die (wirtschafts-)politischen Grundpositionen hinsichtlich der "richtigen" Antwort auf die Globalisierung derzeit so weit auseinander, daß selbst Teilschritte, über deren Notwendigkeit für sich genommen Konsens besteht, für die bis Oktober 1998 amtierende Bundesregierung politisch nur schwer zu verwirklichen waren; solche Teilschritte wurden zuletzt eher durch die tatsächlichen Entwicklungen auf den Märkten erzwungen als durch die Politik gesteuert. Ein Musterbeispiel hierfür ist die Diskussion um die Senkung der Abgabenlast. Seit Jahren stimmen fast alle politischen Kräfte in Deutschland prinzipiell überein, daß die im internationalen Vergleich hohe Abgabenbelastung von Bürgern und Unternehmen gesenkt werden soll, vor allem die Höhe der Personalzusatzkosten. Jedoch blockierten sich die politischen Lager bei der wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Lösung dieses Problems gegenseitig, so daß weitreichende und über den Wegfall von Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer hinausgehende Schritte zur Senkung der Steuer- und Sozialabgabenhöhe bisher ausgeblieben sind. Im Gegenteil: Gerade nach der Wiedervereinigung Deutschlands ist die Abgabenlast noch weitaus stärker als in den 80er Jahren gestiegen.
I. Die restriktive Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (bis 1995) Gegen diese Tendenz - und damit ist nun die verfassungsjuristische Dimension des Problems erreicht - bot, jedenfalls bis zu den Einheitswert-Beschlüssen vom 22. Juni 1995, auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die schon manches Mal einen untätigen, zerstrittenen oder blockierten Gesetzgeber zu Kurskorrekturen gezwungen hat, keine Handhabe. Eine effektive Verfassungsschranke gegenüber hoheitlichen Abgabenbelastungen gab es nicht. Noch 1994 konnte Hans-Jürgen Papier1 völlig zutreffend bemerken, ι Hans-Jürgen Papier, in: Theodor Maunz / Günter Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Art. 14, Rdn. 179 (Stand der Bearbeitung: Mai 1994).
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C. Grundrechtsschutz gegenüber Abgabenlasten
daß alle juristischen Bemühungen, über die Freiheitsrechte den steigenden Anteil des Staates am Sozialprodukt einzudämmen, in die "Traumfabrik des Staatsrechts" gehörten. Es sei - so hatte Papier 2 bereits bei früherer Gelegenheit geurteilt - "eine große Illusion", "dem politischen Unbehagen gewissermaßen mit der Lanze des Verfassungsrechts und der Verfassungsgerichtsbarkeit Luft machen zu wollen". Hier seien "wohl eher die politischen Einsichten gefordert, eine für den Verfassungsrechtler eher schmerzliche Feststellung"3. Solche Einsichten auf Seiten des Bundestages und des Bundesrates waren aber in der Sicht des Jahres 1994 nicht zu erwarten, wie noch einmal das Schicksal von Vorschlägen des Bundes der Steuerzahler anläßlich der Verfassungsreformdiskussion 1992 gezeigt hatte, die wirkungslos im politischen Raum "verpufften" 4 . Da das Grundgesetz keine Volksbegehren oder Volksentscheide kennt und deshalb in Deutschland vom Volk erzwungene Steuerlastbegrenzungen in der Art der berühmten kalifornischen Steuerzahlerrevolte von 19785 und den ihr folgenden Initiativen in verschiedenen anderen Bundes-
2 Hans-Jürgen Papier, Steuern und Abgaben - Die offene Flanke des Rechtsstaats, KritV 1987, S. 140 (155 f.). 3 Hans-Jürgen Papier, Steuern und Abgaben - Die offene Flanke des Rechtsstaats, KritV 1987, S. 140 (156). 4 Lothar Schemmel / Rolf Boreil, Verfassungsgrenzen für Steuerstaat und Staatshaushalt. Ein Beitrag zur Reform der Finanzverfassung, hrsgg. vom Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V., 1992. Ausweislich der vom Deutschen Bundestag in der Reihe "Zur Sache" 2/1996 (3 Bände) herausgegebenen "Materialien zur Verfassungsdiskussion und zur Grundgesetzänderung in der Folge der deutschen Einigung" wurden Änderungsvorschläge zur Finanzverfassung nicht nur nicht behandelt, sondern sogar in der ansonsten zwei Dutzend Eingaben umfassenden Eingabenliste verschwiegen. Zu den Vorschlägen des Bundes der Steuerzahler erneut: Lothar Schemmel, Zur Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips und anderer Grenzen für den Steuerstaat in das Grundgesetz, StuW 1995, S. 39 ff. 5 Den Steuerzahlerrevolten Ende der 70er Jahre in den USA lag ein Referendum zugrunde, in dem die Wähler Kaliforniens am 6.6.1978 über eine als Proposition 13 registrierte Vorlage zur Steuerbegrenzung entschieden hatten. Das damalige Referendum sah für die Property Tax (eine Art Grundsteuer), die größte Einnahmequelle der Kommunen, eine verfassungsrechtliche Begrenzung des damals im Landesdurchschnitt bei ca. 2,5 Prozent des veranlagten Marktwertes der Immobilien liegenden Steuersatzes auf 1 Prozent vor, ferner eine Begrenzung der Bemessungsgrundlagen und die Bindung der Erschließung alternativer Steuerquellen an eine Zwei-DrittelMehrheit. Das Referendum wurde - trotz des Widerstandes namhafter Politiker und Vertreter des öffentlichen Dienstes - mit einer Mehrheit von ca. 65 Prozent angenommen. Später kam es auch in vielen anderen Bundesstaaten der USA zu Steuerlastbegrenzungen, auch über die Property Tax hinaus. Die Steuerzahlerrevolten trugen im übrigen wesentlich zur Wahl Ronald Reagens zum Präsidenten der USA bei (1980) und veranlaßten diesen zu seiner auf drastische Einkommensteuerreduzierungen gerichteten supply side economics. Reagen hatte im übrigen schon als Gouverneur von Kalifornien (1967 - 1975) ohne Erfolg eine Steuerbegrenzungsmaßnahme durchzusetzen versucht.
I. Restriktive Rechtsprechung (bis 1995)
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Staaten der USA6 ausgeschlossen sind, und auch eine offene und gewalttätige Steuerrebellion wie in den 1920er Jahren beim Winzersturm auf das Finanzamt Bernkastel (Mosel), der damals zur Abschaffung der Reichsweinsteuer führte 7, wenig wahrscheinlich war, schien - jedenfalls über den bundesverfassungsgerichtlichen Hebel - gegen die steigende Abgabenlast keine verfassungsjuristische Gegenwehr zu bestehen. Das hat sich durch den Vermögenund den Erbschaftsteuerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 nunmehr grundlegend geändert.
1. Belastungsgrenzen aus Art. 14 Abs. 1 GG Die mit den Einheitswert-Beschlüssen eingeleitete grundlegende Neuorientierung der Dogmatik des Eigentums-, aber auch des Berufsgrundrechts, wird allerdings nur in Kenntnis der jahrzehntelang in eine andere Richtung gehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend deutlich. Insoweit, das gilt für die gesamte Diskussion und sei deshalb vorweg angemerkt, ist zu beachten, daß grundrechtliche Verfassungsschranken gegenüber Geldleistungspflichten nach Art. 14 Abs. 1 GG ebenso wie Schranken nach Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG (ggf. in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) von vornherein nur für hoheitlich veranlaßte Abgaben bestehen können. Das sind neben den Belastungen durch Steuern auf Einkommen und unternehmerischen Gewinn insbesondere Belastungen durch Sozialversicherungsabgaben oder durch Sonderabgaben wie ζ. B. - um nur zwei von vielen, die insbesondere die Unternehmen treffen, herauszugreifen - die Berufsbildungsabgabe oder die Schwerbehindertenabgabe. Zu diesen öffentlich-rechtlich statuierten Belastungen gehören auch die vom Arbeitgeber zu tragenden gesetzli6 Siehe zu den Steuerzahlerrevolten näher: Wolfgang Benkert, Die Steuerrevolten in den USA - Ablauf, Ursachen und Auswirkungen, WISU 1983, S. 471 ff.; Cay Folkers, Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben in den USA. Eine Untersuchung über Formen, Ursachen und Wirkungen vorgeschlagener und realisierter fiskalischer Restriktionen, 1983, S. 59 ff., S. 135 ff.; Klaus Vogel, Verfassungsgrenzen für Steuern und Staatsausgaben?, Festschrift für Theodor Maunz, 1981, S. 415 ff. Steuerbegrenzende Vorschriften enthalten auch die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Art. 41 ter Abs. 5 lit c. BV) und die Verfassungen mehrerer Kantone der Schweiz. Siehe zuletzt auch Horst Feldmann, Konstitutionelle Grenzen der Steuerbelastung, StuW 1998, S. 114 (119 ff.), der sich für eine ausdrückliche Verfassungsregelung zur maximalen Steuerbelastung ausspricht. 7 Vgl. WRT-StenBer III. WP / Bd. 389 / 170. Sitzung vom 4.3.1926 / S. 5942 f. Die im Juli 1918 eingeführte Reichsweinsteuer von 20 Prozent wurde - wie aus dieser Reichstagsdebatte ersichtlich wird, u. a. wegen dieses Aufruhrs der Winzer mit Wirkung vom 1.4.1926 wieder abgeschafft.
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C. Grundrechtsschutz gegenüber Abgabenlasten
chen Personalzusatzkosten. Diese Kosten stützen sich - anders als die tariflich oder betrieblich und damit privatautonom zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Arbeitnehmern vereinbarten Leistungen - nicht auf einen vertraglichen Konsens und greifen deshalb in die Grundrechtsposition des Abgabenschuldners ein. Dagegen mögen die betrieblich oder tariflich vereinbarten Belastungen, was ihren finanziellen Umfang angeht, zwar betriebswirtschaftlichen Schranken unterliegen, nicht aber rechtlichen. Denn dieser Teil der Personalzusatzkosten ist privatautonom vereinbart, auch wenn die Vereinbarungen über Art und Umfang dieser Leistungen - jedenfalls in der Wahrnehmung der Arbeitgeber - nicht freiwillig, sondern unter "sozialem Druck" der Gewerkschaften zustandegekommen sein mögen. Verfassungsmaßstäben unterliegen allein diejenigen Personalzusatzkosten, die auf normativen und vom Unternehmer unbeeinflußbaren Grundlagen beruhen.
a) Die "Erdrosselung
" als alleinige Verfassungsgrenze
Konkret zu Art. 14 Abs. 1 GG vertrat das Bundesverfassungsgericht 8 bislang die Ansicht, der Steuer- oder sonstige Abgabenzugriff könne das Eigentum grundsätzlich überhaupt nicht verletzen, weil diese Verpflichtung dem Schuldner weder einen gegenständlich bestimmten Geldbetrag entziehe noch aus dem abgabentatbestandlichen Wirtschaftsgut erbracht werde, sondern als Wert-(summen-)schuld aus dem Gesamtvermögen des Schuldners zu erfüllen sei; das Vermögen als solches werde aber - so die ständige Rechtsprechung seit dem Investitionshilfe-Urteil vom 20. Juli 19549 - durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt. Diese anfangs ganz apodiktische Position wurde in den folgenden Jahren dahingehend eingeschränkt, daß die Auferlegung von Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG jedenfalls "grundsätzlich" unberührt lasse10. Ausnahmsweise komme eine Verletzung des Art. 14 GG in Betracht, wenn nämlich "die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend be8 BVerfGE 51, 193 (221 f.); BVerfGE 66, 116 (145); BVerfGE 68, 193 (222 f.); BVerfGE 77, 84 (118); BVerfG (VPr), NJW 1986, S. 1601 (1601). 9 BVerfGE 4, 7 (17); sachlich übereinstimmend ζ. B. BVerfGE 6, 290 (298); BVerfGE 8, 274 (330); BVerfGE 14, 221 (241); BVerfGE 23, 288 (315); BVerfGE 30, 250 (271 f.); BVerfGE 45, 272 (296); BVerfGE 65, 196 (209); BVerfGE 74, 129 (148); BVerfGE 81, 108 (122); BVerfGE 89, 48 (61); BVerfGE 91, 207 (220). Weitere Nachweise zur älteren Rechtsprechung bei Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 1993, S. 444, Fn. 76, zur Literatur ebenda, S. 442. Siehe ferner Jürgen Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, 1996, S. 232 ff. 10 BVerfGE 10, 89 (116) - Urteil vom 29.7.1959.
I. Restriktive Rechtsprechung (bis 1995)
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einträchtigen also eine Konfiskation darstellen"11. Diese - nicht praktisch gewordenen - Ausnahmeerwägungen, eine Art salvatorische Klausel für unverhältnismäßige Abgaben- bzw. Steuerzugriffe, wurden üblicherweise zu der Wendung von der "erdrosselnden Wirkung" gebündelt12. Obwohl sich immer wieder obiter dicta fanden 13, die eine vorsichtige Auflockerung dieser defensiven Rechtsprechungslinie andeuteten, hat das Bundesverfassungsgericht an ihr letztlich doch konsequent festgehalten - bis zu den Einheitswert-Beschlüssen des Zweiten Senats. Darüber hinaus hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung bis 1995 mit Blick auf die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung noch eine zweite Hürde errichtet, indem es nämlich in mehreren Entscheidungen14 ausdrücklich offen ließ, ob nur die im Gewerbebetrieb eingesetzten (einzelnen) Betriebsmittel oder auch das Recht am "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als solches eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition darstellt 15. Diese Indifferenz war vor dem Hintergrund erklärbar, daß es vielfach Schwierigkeiten16 bereitet, einen eigentumsgeschützten Wert des Gewerbebetriebes (wie ζ. B. Kundenstamm oder Marktstellung) von 11 BVerfGE 14, 221 (241) - Urteil vom 24.7.1962; sodann ständige Rechtsprechung, ζ. B. BVerfGE 23, 288 (315); BVerfGE 82, 159 (190). 12 BVerfGE 30, 250 (272); BVerfGE 38, 61 (102); BVerfGE 63, 312 (327); BVerfGE 67, 70 (88); BVerfGE 70, 219 (230); BVerfGE 82, 159 (190). 13 BVerfG, HFR 1969 (Nr. 339), S. 347 - Beschluß vom 21.1.1969; BVerfG (VPr), NJW 1976, S. 101 (101) - Beschluß vom 27.10.1975; BVerfGE 45, 63 (77) Beschluß vom 7.6.1977; BVerfGE 63, 343 (368) - Beschluß vom 22.3.1983. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe die Schilderung bei Karl Heinrich Friauf Eigentumsgarantie und Steuerrecht. Zum zweiten Thema der Staatsrechtslehrertagung 1980, DÒV 1980, S. 480 (484 ff.). 14 BVerfGE 51, 193 (221 f.); BVerfGE 66, 116 (145); BVerfGE 68, 193 (222 f.); BVerfGE 77, 84 (118); BVerfG (VPr), NJW 1986, S. 1601 (1601). 15 Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 67, 93 [96]; BVerwGE 81, 49 [54]) und vor allem der Bundesgerichtshof (BGHZ 23, 157 [162 ff.]; BGHZ 78, 41 [44 f.]; BGH, NJW 1980, S. 387 [387]; BGHZ 111, 349 [355 f., 357 ff.]) haben demgegenüber den Schutz des Rechts am "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" durch Art. 14 Abs. 1 GG bejaht. Der Bundesgerichtshof sieht dabei das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als - richterrechtlich entwickeltes und anerkanntes - "sonstiges Recht" i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB an. 16 Zum Meinungsstand (vor den Erbschaft- und Vermögensteuer-Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts) und zur Rechtsprechungskasuistik siehe insbesondere den Überblick bei Christoph Engel, Eigentumsschutz für Unternehmen, AöR 118 (1993), S. 169 (171 ff., 188 ff.). Siehe ferner Albert Bleckmann, Staatsrecht II - Die Grundrechte, 4. Auflage 1997, § 35, Rdn. 20 ff.; Brun-Otto Bryde, in: Ingo v. Münch / Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 4. Auflage 1992, Art. 14, Rdn. 19 ff.; Rudolf Wendt, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 1996, Art. 14, Rdn. 26, Rdn. 47 ff.; Joachim Wieland, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 1996, Art. 14, Rdn. 42 ff. 3 Butzer
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C. Grundrechtsschutz gegenüber Abgabenlasten
den nicht eigentumsgeschützten "allgemeinen Gegebenheiten und Chancen, innerhalb deren der Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet" (wie ζ. B. günstige Gesetzeslage, Lagevorteil, Höhe der Sozial Versicherungsbeiträge), zu unterscheiden. Zumindest die letztgenannten bloßen Gewinnchancen unterliegen nicht dem Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie - darin liegt der immerhin theoretisch scharf zu markierende Unterschied - keinen Bezug zu einem bestimmten einzelnen Gewerbebetrieb haben, selbst wenn sie für das Unternehmen und seine Rentabilität von erheblicher Bedeutung sind17.
b) Kritik und Gegenpositionen in der Staatsrechtslehre Das Bundesverfassungsgericht sah sich mit seiner Auffassung, Art. 14 Abs. 1 GG schütze nicht vor dem Besteuerungszugriff, es sei denn, dieser habe "erdrosselnde Wirkung", von Anfang an dem Einwand ausgesetzt, daß mit dieser Ansicht ausgerechnet Art. 14 Abs. 1 GG als das Hauptgrundrecht des Vermögensbereichs für die verfassungsrechtliche Überprüfung des bei weitem nachhaltigsten Eingriffs in die private Vermögenssphäre gänzlich ausgeschlossen blieb. Zudem litt das so judizierte Verhältnis von Regel (Nicht-Geltung des Art. 14 GG gegenüber Geldleistungspflichten) und Ausnahme (bei Konfiskation oder Erdrosselung) an einem Grundwiderspruch: Wäre es richtig, daß die Erhebung von Steuern und hoheitlichen Abgaben den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG von vornherein nicht berührt, dann könnte die Eigentumsgarantie auch bei Überschreitung einer - wie auch immer zu bestimmenden - Extremschwelle des Steuer- und Abgabenzugriffs nicht als Grundrechtsschranke relevant werden18. Solche (und andere) dogmatische, aber auch teleologische Einwände (gebündelt in der Wendung von der "offenen Flanke"19 17 BGHZ 78, 41 (44 f.); ähnlich BVerfGE 45, 142 (173); Hans D. Jarass, in: Hans D. Jarass / Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage 1997, Art. 14, Rdn. 19; vorsichtiger Rudolf Wendt, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 1996, Art. 14, Rdn. 47 f. 18 Diese Kritik mag das Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung (BVerfGE 16, 147 [161]) bewogen haben, das Verbot der Erdrosselungswirkung nicht aus der Tangierung grundgesetzlich geschützter Lebensbereiche, sondern aus dem Begriff der Steuer selbst herzuleiten. Wenn der Steuergesetzgeber - so die damalige, später aber nicht wieder aufgenommene (wohl auch mehr pragmatische als dogmatische) These des Gerichts - durch die Schaffung eines Steuertatbestandes eine nachhaltige Einnahmequelle schaffen wolle, sei es rechtsmißbräuchlich, wenn er den Tatbestand so ausgestalte, daß die Steuerquelle sofort zerstört werde und damit versiege. 19 So erstmals wohl Kurt Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, in: Franz Neumann / Hans Carl Nipperdey / Ulrich Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. ΠΙ/1, 1958, S. 1 (39); ebenso ζ. B. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995, Rdn. 447 und in den Vorauflagen.
I. Restriktive Rechtsprechung (bis 1995)
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der Eigentumsordnung) gegen die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung bis 1995 haben die Staatsrechtslehre20 seit langem zur Entwicklung dogmatischer Gegenentwürfe angehalten. In der Literatur lassen sich dabei vier besonders deutlich vertretene Konzeptionen zur Eigentumsdogmatik im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten unterscheiden, deren (Grund-)Strukturen an dieser Stelle freilich nur schlaglichtartig wiedergegeben und gegeneinander abgegrenzt werden können21. Auf Karl Heinrich Friauf 22 geht der Vorschlag zurück, man solle der Unmöglichkeit, die in Form einer Geldwertforderung erhobene Steuerforderung als (entschädigungspflichtige) Enteignung konkreter Vermögensgegenstände zu begreifen, mit einer Interpretation der Funktion des Art. 14 GG als Eigentumswmschutz Rechnung tragen. Nicht nur der Gebrauchswert des Vermögensgegenstandes sei geschützt, sondern auch sein Tauschwert als "Grundlage menschlicher Existenz und menschlicher Selbstentfaltung" 23. Friauf stellt auf diese Weise eine "eigentumsrechtliche Brücke" 24 her zwischen den einzelnen, der Eigentumsgarantie unterfallenden Gegenständen des privaten Vermögens und der abstrakten Gesamtheit dieser Gegenstände, eben dem Vermögen. Die Besteuerung, die zwar nicht auf konkrete Vermögensgegenstände zugreife, wohl aber auf Werteinheiten, auferlege dem Abgabepflichtigen, weil der konkrete Bestand an werthaltigen Vermögensgütern gemindert werde, ein grundrechtsrelevantes Wertopfer; der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG sei mithin beeinträchtigt25. Bei der Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Höhe 20 Dagegen sieht die überwiegende Lehre - wie sogleich darzulegen ist - ebenso wie BVerwG und BGH Art. 14 Abs. 1 GG als Schranke der Besteuerung an. 21 Siehe zum nachfolgenden Meinungsüberblick auch Otto Kimminich, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14, Rdn. 50 f f , Rdn. 55 ff. (Stand der Kommentierung: 1992); Moris Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, 1993, S. 374 ff.; Michael Rodi , Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem. Dargestellt am Beispiel der Gewerbesteuer, 1994, S. 88 ff.; Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 1993, S. 444 ff., alle vier mit umfassenden Nachweisen. 22 Siehe insbesondere Karl Heinrich FriaufSteuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, JurAnalysen 1970, S. 299 (304 ff.); ders., Eigentumsgarantie und Steuerrecht. Zum zweiten Thema der Staatsrechtslehrertagung 1980, DÖV 1980, S. 480 (488); ders., Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 3 (23). Ebenso: Horst Sendler, Die Konkretisierung einer modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, DÖV 1971, S. 16 (22). 23 Karl Heinrich Friauf 1970, S. 299 (307 f.). 24 Karl Heinrich Friauf,
Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, Jur Analysen Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzge-
bung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 3 (22).
25 Karl Heinrich Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, DStJG 12 (1989), S. 3 (23).
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C. Grundrechtsschutz gegenüber Abgabenlasten
der öffentlich-rechtlichen Belastung des Eigentumswertes (noch) verfassungsmäßig sei, müsse der Gesetzgeber vornehmlich die grundgesetzliche Wertentscheidung zugunsten des Privateigentums und seiner privatnützigen Verwendung respektieren. Konkret sei die Belastungsgrenze überschritten, wenn der Zugriff die "Nutzungsmöglichkeit im individuellen Interesse des Eigentümers ausschließt bzw. ihre Erträge nachhaltig vollständig oder bis auf einen relativ bescheidenen Rest abschöpft" 26. Nach einer anderen, besonders von Hans-Jürgen Papier27 entfalteten, aber ζ. B. auch - mit gewissen Nuancierungen - von Wolf-Rüdiger Schenke28 und Rudolf Wendt29 vertretenen Auffassung schützt Art. 14 GG nur mittelbar gegen den steuerlichen Zugriff auf das Vermögen30. Grundrechtsrelevant sei allein die mit der Steuerbelastung gezielt oder ungezielt verbundene Auswirkung auf die Eigentümerfreiheit, die in Form der Innehabung oder der Nutzung von Eigentum im Sinne des Art. 14 GG betroffen sein könne. Auswirkungen für einen allgemeinen Vermögensschutz können sich nach dieser Theorie deshalb erst mittelbar ergeben, nämlich als Folge von eigentumsrechtlichen Beschränkungen der Bestands- oder der Nutzungsgarantie. Öffentlichrechtliche Geldleistungspflichten, die an den Eigentums bestand anknüpften, seien unzulässig, wenn sie nicht aus dem tatsächlichen oder dem normalerweise zu erwartenden Vermögensertrag erbracht werden könnten und folglich zu einem Substanzeingriff führten. Schwächer als diese Bestandsgarantie sei hingegen die Nutzungsgarantie, weil diese der Sozialpflichtigkeit der Eigentumsnutzung Grenzen setze. Die Zugriffsgrenzen auf das Ergebnis einer Eigentumsnutzung seien (erst) überschritten, wenn die prinzipielle Privatnützigkeit
26 Karl Heinrich Friauf\ Substanzeingriff durch Steuer-Kumulation und Eigentumsgarantie. Bemerkungen zum Beschluß des BVerfG vom 27.10.1975, StuW 1977, S. 59 (63). 27 Siehe insbesondere Hans-Jürgen Papier, Besteuerung und Eigentum, DVB1. 1980, S. 787 (789 f., 791 ff.); ders., in: Theodor Maunz / Günter Dürig, Grundgesetz, Art. 14, Rdn. 160 ff., Rdn. 165 ff. (Stand der Kommentierung: 1994). Ähnlich bereits: Jürgen Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, Diss, iur., Hamburg 1965, S. 49 ff., S. 94 ff.; Ulrich Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 141. 28 Wolf-Rüdiger Schenke, Besteuerung und Eigentumsgarantie, Festschrift für Hubert Armbruster, 1976, S. 177 (190 ff.). 29 Rudolf Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, S. 2111 (2113 f.); ders., Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 36 ff., bes. S. 40; ders., in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 1996, Art. 14, Rdn. 38. 30 Im Ansatz ähnlich Hans D. Jarass, in: Hans D. Jarass / Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage 1997, Art. 14, Rdn. 12; BrunOtto Bryde, in: Ingo v. Münch / Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 4. Auflage 1992, Art. 14, Rdn. 24.
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des Eigentums - konkret die gewinnbringende Nutzung für den Eigentümer als eines Elements der Sicherung personaler Freiheit verlorengehe. Einen wiederum anderen dogmatischen Ansatz zur Geltung des Art. 14 GG gegenüber dem Abgabenzugriff haben Wolfgang Rüfner 31 und Peter Selmer32 in die Debatte eingebracht. Sie heben den Charakter des Art. 14 GG als Instituts garantie und wertentscheidende Grundsatznorm hervor 33. Art. 14 GG verlange und gewähre von Verfassungs wegen einen unabdingbaren Normenstand, der Erwerb, Nutzung und Verkehr vermögenswerter Rechte ermögliche und das für das Eigentum kennzeichnende Prinzip der Privatnützigkeit respektiere. Ohne eine derartige "normative Infrastruktur" werde das Eigentum gegenüber dem Gesetzgeber, der nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu seiner inhaltlichen Bestimmung aufgerufen sei, nicht wirksam genug geschützt. Im Zusammenhang mit hoheitlichen Abgabepflichten hat diese dogmatische Konzeption zur Konsequenz, daß der Belastung (zumindest) das objektiv-rechtliche Prinzip der Privatnützigkeit als Kerngehalt der institutionellen Eigentumsgarantie entgegengesetzt werden kann. Nach weitergehender Ansicht34 ist der Gesetzgeber darüber hinaus auch bei der Ausgestaltung individueller, dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallender Rechtsstellungen an den Kerngehalt der Institutsgarantie gebunden. Dem folgend fände der Steuer- und Abgabenzugriff seine Grenze auch an den subjektiv-rechtlichen Konkretisierungen dieses (objektiv-rechtlichen) Prinzips. Schließlich ist der Interpretationsansatz von Paul Kirchhof zu erwähnen, dejt- hier mit Blick auf die von Kirchhof maßgeblich beeinflußten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts 35 zum steuerfreien Existenzminimum und zum Einheitswert für Grundvermögen bei der Veranlagung zur Vermögen- und 31 Wolf gang Rüfner, Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung, DVB1. 1970, S. 881 (882 f.); ders., Eigentumsgarantie und Besteuerung, Festschrift für Johannes Broermann, 1982, S. 349 (352 ff.). 32 Peter Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 313 ff. 33 Vgl. auch die ähnlichen Konzeptionen von Peter Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, 49. DJT 1972, S. Τ 5 (31, mit Anm. 118); Walter Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 1970, S. 76 ff., S. 81, S. 84; Helmut Rittstieg, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Auflage 1989, Art. 14 / 15, Rdn. 248 ff.; Werner Weber, Eigentum und Enteignung, in: Franz Neumann / Hans Carl Nipperdey / Ulrich Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, 1954, S. 331 (360 f.). 34 Wolf gang Rüfner, Eigentumsgarantie und Besteuerung, Festschrift für Johannes Broermann, 1982, S. 349 (350, 356). Enger dagegen Peter Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 306, S. 313 ff., S. 327 ff. (Schranken nur durch das objektivrechtliche Prinzip der Privatnützigkeit). 35 BVerfGE 87, 153 ff. - Existenzminimum; BVerfGE 93, 121 ff. - Vermögensteuer; BVerfGE 93, 165 ff. - Erbschaftsteuer.
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Erbschaftsteuer etwas breiter behandelt sei. Nach Ansicht von Paul Kirchhof 36 definiert Eigentum nicht einen Vermögensgegenstand, der gegen die steuerliche Belastung abzuschirmen wäre, sondern umgrenzt den durch das Vermögen vermittelten ökonomischen Handlungsspielraum des Eigentümers. Die zentrale normative Vorgabe des Art. 14 GG sei die institutionell gewährleistete Privatnützigkeit des Eigentümerhandelns. Diese Verfassungsinterpretation bringt den (sozialen) Steuerstaat in eine Abhängigkeitsrelation zur Freiheit seiner Bürger. Denn der ökonomische Handlungsspielraum des Eigentümers (sein Nutzungsrecht) bleibt nur gewahrt, wenn der Staat seine Nutzungsteilhabe so bemißt, daß die Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs erhalten bleibt. Deshalb müsse - so forderte Kirchhof bereits lange vor den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum und zur Vermögenund Erbschaftsteuer - zumindest ein für den existentiellen Bedarf ausreichendes Einkommen von jeder Besteuerung verschont werden. Im übrigen müsse dem Eigentümer ein Erfolg der Nutzung belassen bleiben, der ihm insbesondere eine Finanzierung seiner Lebensführung und seines Erwerbs erlaube. Kirchhof hat in diesem Zusammenhang aber noch weiter ausgegriffen und ζ. B. darauf hingewiesen, daß zum Inhalt einer privatnützigen, nicht-staatlichen Eigentumsordnung gehöre, daß der Staat seinen Finanzbedarf grundsätzlich nicht durch Erwerb und Nutzung von Produktionseigentum, sondern (allein) durch Besteuerung privaten Eigentums decke. Des weiteren kommt Kirchhof mit seiner Interpretation, daß Art. 14 Abs. 1 GG auch die Freiheit des Eigentümers zur Nutzung seines Eigentums schütze, zu einer für die individuelle Grundrechtsbetroffenheit bedeutsamen Typologie der Steuer- bzw. Zugriffsphasen. Er unterscheidet nämlich eine Phase des Eigentumserwerbs, in der das Einkommen vom steuerlichen Zugriff betroffen sei (Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbeertrag- oder Kirchensteuer), eine Phase des Eigentumsbestandes, in der das Vermögen belastet werde (Vermögensteuer, Grundsteuer, Gewerbekapitalsteuer und Aufwandsteuern wie ζ. B. die Hundesteuer, die Vergnügungsteuer oder die Kraftfahrzeugsteuer) und eine Phase der EigentumsVerwendung, in der es um die Besteuerung der Eigentumsverwendung gehe (Verkehrsteuern, Verbrauchsteuern, Zölle). Ausgehend von dieser Typologie will Kirchhof dann über das Ausmaß des eigentumsrechtlichen 36 Zur Kirchhof sehen Entfaltung des Eigentumsgrundrechts als steuerrechtleitendes Prinzip seit Ende der 70er Jahre siehe vor allem folgende Beiträge: Paul Kirchhof, Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns. Das Besteuern, das Horten und Zuteilen von Finanzvermögen, JZ 1979, S. 153 (156); ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 213 (271 f., 281 - Ls. I. 1.); ders., Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, Gutachten zum 57. DJT 1988, S. F 9 (F 14 ff., F 82); ders., Grundlinien des Steuerverfassungsrechts in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, StbJB 1994/95, S. 5 (8 f.).
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Vermögensschutzes entscheiden. Dazu bewertet er die Phasen des steuerlichen Zugriffs auf den Eigentumserwerb, den Eigentumsbestand und die Eigentumsverwendung am Maßstab der durch Art. 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG angeordneten Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Die dort angelegte Gewichtung führe dazu, daß als Besteuerungsgegenstand primär das neuerworbene Eigentum (Einkommen) und der Eigentumsgebrauch (die Vermögensverwendung) heranzuziehen sei, weniger der Eigentumsbestand. Diese vier nuancenreichen und sich teilweise auch überlagernden Konzeptionen zur Geltung des Eigentumsschutzes gegenüber hoheitlichen Abgabepflichten können hier nicht en detail dargelegt, voneinander abgegrenzt und verfassungsdogmatisch bewertet werden. Ohne daß der durch die Einheitswert-Beschlüsse noch einmal intensivierten Diskussion zur Interpretation des Art. 14 GG vorgegriffen werden soll, steht eines jedenfalls fest: Alle vorgenannten dogmatischen Konzepte - vermutlich auch dasjenige Paul Kirchhofs müssen von der Staatsrechtslehre mit Blick auf die Aussagen der Einheitswert-Beschlüsse, bei deren Abfassung Kirchhof allerdings die Mehrzahl seiner Richterkollegen von den Grundlinien seiner eigentumsdogmatischen Konzeption überzeugen konnte, gründlich hinterfragt, präzisiert und vermutlich weiterentwickelt werden.
2. Belastungsgrenzen aus Art. 12 Abs. 1 GG Der Steuer- und Abgabenzugriff kann ferner durch Art. 12 Abs. 1 GG eine Obergrenze finden, wenn nämlich ein Steuer- oder Abgabengesetz speziell in die Substanz eines Gewerbebetriebs eingreift und dadurch zugleich berufsregelnde Tendenz hat. Insoweit stellt sich allerdings zunächst die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis von Art. 12 GG und Art. 14 GG. Die Schutzbereiche beider Grundrechte sind nämlich prinzipiell verschieden: Gemäß einer von Peter Wittig 37 geprägten Formel schützt Art. 12 Abs. 1 GG "den Erwerb, die Betätigung selbst", Art. 14 Abs. 1 GG hingegen "das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung". Insofern bestehen der Schutz der Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie grundsätzlich überschneidungsfrei nebeneinander. Greift ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit ein, so ist Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht.
37 Peter Wittig, Bundesverfassungsgericht und Grundrechtssystematik, Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 575 (590, Fn. 67).
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Trotz Übernahme der (systematisch ohne Zweifel richtigen) Formel von Wittig hat das Bundesverfassungsgericht 38 die mit ihr ausgedrückte Exklusivität beider Gewährleistungen aber nicht konsequent durchhalten können, sondern in mehreren Entscheidungen39 anerkannt, daß die Reglementierung der Nutzung vermögenswerter Rechte zugleich die (Aufnahme der) Erwerbstätigkeit beschränken kann. Dieser funktionellen Betrachtung ist beizupflichten. Obwohl die faustformelhafte Abgrenzung zwischen Schutz des Erwerbs (Art. 12 GG) und Schutz des Erworbenen (Art. 14 GG) für eine Tendenzaussage sicherlich geeignet ist, erscheint eine strikte Trennung im Sinne eines Exklusivitätsverhältnisses zwischen dem Erwerb einerseits und dem Erworbenen, zu dem namentlich der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb bzw. das Unternehmen selbst zählt, andererseits kaum möglich. Tätigkeit und Unternehmen - so hat es Rupert Scholz40 zusammengefaßt - "bedingen einander vielmehr gegenseitig, sind funktional aufeinander bezogen und gehören damit auch rechtlich zusammen. Gerade in diesem Sinne figuriert der Zusammenhang von Berufs- und Eigentumsfreiheit als allgemeine Verfassungsgewährleistung der ' Wirtschaftsfreiheit ' - verstanden als Einheit und Komplex aller wirtschaftlich relevanten Verhaltens- und Bestandsweisen". Unabhängig von dieser Ausgangsfrage zur Konkurrenz beider Grundrechtsgewährleistungen wäre Art. 12 Abs. 1 GG aber nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts wohlgenausowenig als Grundlage einer Belastungsgrenze durch Steuern und S