Frauen im antiken Judentum und frühen Christentum: Herausgegeben:Frey, Jörg; Rupschus, Nicole 9783161542909, 9783161570513, 3161542908

Der vorliegende Sammelband thematisiert in einem weiten historischen Rahmen die rechtliche und soziale Stellung und Roll

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German Pages 320 [329] Year 2019

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Nicole Rupschus: Einleitung
Beate Ego: Frauengestalten und ihre Religion im Wandel: Von den Überlieferungen der Hebräischen Bibel zu den Apokryphen
Angela Standhartinger: Jüdische Liturginnen zur Zeit des zweiten Tempels
Cecilia Wassén: Purity Laws for Men and Women in the Dead Sea Scrolls: A Comparison of Ideals and Praxis
Nicole Rupschus: Frauen im liturgischen und weisheitlichen Kontext in 4Q502 und 4Q184: Ihr Aussagegehalt über die Gemeinschaft von Qumran und ihr Verhältnis zu den gruppenspezifischen Texten
Kimberley Czajkowski: Law in the Babatha and Salome Komaise Archives: A New Approach
Tal Ilan: Die Frauenarchive aus Elephantine und der Judäischen Wüste: Gesetzestexte und archäologische Funde
Christina M. Kreinecker: Zum Alltagsleben von Frauen in neutestamentlicher Zeit anhand dokumentarischer Papyri
Michael Sommer: Schriftkundige und Weltenbummler? Witwen, Schrifthermeneutik und die »Alltagswelt« der dokumentarischen Papyri
Christfried Böttrich: Zwischen Sensibilität und Konvention: Rollenbilder von Frauen im lukanischen Doppelwerk
Annette Merz: »New« Woman? Bruce W. Winters These und ihre Rezeption in der exegetischen Diskussion kritisch beleuchtet
Stephanie Janz: Characterisation in the Gospel of Mary
Michael Becker: ». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a): Die Frau des Charismatikers in der rabbinischen Literatur
Liste der Autorinnen und Autoren
Stellenregister
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Sachregister
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Frauen im antiken Judentum und frühen Christentum: Herausgegeben:Frey, Jörg; Rupschus, Nicole
 9783161542909, 9783161570513, 3161542908

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament  ·  2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford)  ·  James A. Kelhoffer (Uppsala) Tobias Nicklas (Regensburg)  ·  Janet Spittler (Charlottesville, VA) J. Ross Wagner (Durham, NC)

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Frauen im antiken Judentum und frühen Christentum Herausgegeben von

Jörg Frey und Nicole Rupschus

Mohr Siebeck

Jörg Frey, geboren 1962; Studium der Theologie in Tübingen, Erlangen und Jerusalem; 1996 Promotion; 1998 Habilitation; seit 2010 Professor für Neutestamentliche Wissenschaft mit den Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich; Research Associate der University of the Free State, Bloemfontein / Südafrika. Nicole Rupschus, geboren 1984; 2005 – 12 Studium der Ev. Theologie an der Universität Greifswald; 2013 – 17 Promotionsstudium an den Universitäten in Greifswald und Zürich; 2014 – 17 Projektmitarbeiterin im Rahmen eines SNF-Forschungsprojektes bei Prof. Dr. Jörg Frey an der Universität Zürich; 2017 Promotion; derzeit Editor im Verlag Walter de Gruyter.

ISBN 978‑3‑16‑154290‑9 / eISBN 978‑3‑16‑157051‑3 DOI  10.1628 / 978‑3‑16‑157051‑3 ISSN 0340‑9570 / eISSN 2568‑7484 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati­o­ nal­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen aus der Minion gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt. Es wurde von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Der vorliegende Band geht auf eine Fachtagung zurück, die vom 13. bis 15. Februar 2015 als achte Qumran-Tagung in der Katholischen Akademie Schwerte stattfand. Die Tagung war in Verbindung mit dem Promotionsprojekt von Nicole Rupschus über »Frauen in Qumran« konzipiert worden und sollte einen weiteren Rahmen von Perspektiven und neueren Forschungsarbeiten zur sozialen und religiösen Stellung von Frauen im antiken Judentum und frühen Christentum und ihrer jeweiligen Mitwelt erschließen. Aus den Beiträgen der Tagung ergab sich ein Panorama von exegetischen, historischen und sozialgeschichtlichen Forschungen, in denen historisch-philologische und narrative Ansätze ins wechselseitige Gespräch eintreten und zur Präzisierung der Forschungsfragen beitragen. Gemäß dem Konzept der Schwerter Qumrantagungen sollte damit ein Forum für nachwachsende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden, in dem anhand eines thematischen Schwerpunkts die Vermittlung qumranistischer und judaistischer Kompetenzen und ein offener Austausch über die je eigenen Forschungen erfolgen konnten. Die Katholische Akademie Schwerte mit ihrem stellvertretenden Direktor Dr. Hans-Ulrich Dickmann hat diese Tagung wie schon ihre Vorgängerinnen großzügig unterstützt und durch die freundliche Atmosphäre im Tagungshaus wesentlich zu ihrem Gelingen beigetragen. Finanzielle Unterstützung konnte dankenswerterweise durch Projektmittel des Schweizerischen Nationalfonds sowie durch das Doktoratsprogramm Theologie der Theologischen Fakultät der Universität Zürich gewährt werden. Nicole Rupschus hat die Redaktion und editorische Bearbeitung der Beiträge nach Abschluss ihrer eigenen Dissertation übernommen, Stephanie Janz hat bei der Erarbeitung der Register mitgewirkt, und das Team vom Verlag Mohr Siebeck, namentlich Rebekka Zech, hat die Herstellung des Bandes kompetent und freundlich begleitet. Allen sei hiermit herzlich gedankt. Kurz vor Fertigstellung des Bandes, am 18. April 2018, ist einer der langjährigen Mitarbeiter und Referenten der Schwerter Qumrantagungen, mein früherer Münchner Mitarbeiter PD Dr. Michael Becker, aufgrund einer plötzlichen schweren Erkrankung verstorben. Er war nicht nur in qumranistischen Fragen, sondern v. a. auch im Blick auf apokalyptische und rabbinische Texte immer ein kundiger und auskunftsbereiter Gesprächspartner. Sein Beitrag in diesem Band ist eine seiner letzten publizierten Arbeiten. Der Band soll seinem ehrenden Gedenken gewidmet sein. Zürich, im Juli 2018

Jörg Frey

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Nicole Rupschus Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Beate Ego Frauengestalten und ihre Religion im Wandel: Von den Überlieferungen der Hebräischen Bibel zu den Apokryphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Angela Standhartinger Jüdische Liturginnen zur Zeit des zweiten Tempels . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Cecilia Wassén Purity Laws for Men and Women in the Dead Sea Scrolls: A Comparison of Ideals and Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

Nicole Rupschus Frauen im liturgischen und weisheitlichen Kontext in 4Q502 und 4Q184: Ihr Aussagegehalt über die Gemeinschaft von Qumran und ihr Verhältnis zu den gruppenspezifischen Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kimberley Czajkowski Law in the Babatha and Salome Komaise Archives: A New Approach . . . 107 Tal Ilan Die Frauenarchive aus Elephantine und der Judäischen Wüste: Gesetzestexte und archäologische Funde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Christina M. Kreinecker Zum Alltagsleben von Frauen in neutestamentlicher Zeit anhand dokumentarischer Papyri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Michael Sommer Schriftkundige und Weltenbummler? Witwen, Schrifthermeneutik und die »Alltagswelt« der dokumentarischen Papyri . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

VIII

Inhaltsverzeichnis

Christfried Böttrich Zwischen Sensibilität und Konvention: Rollenbilder von Frauen im lukanischen Doppelwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Annette Merz »New« Woman? Bruce W. Winters These und ihre Rezeption in der exegetischen Diskussion kritisch beleuchtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Stephanie Janz Characterisation in the Gospel of Mary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Michael Becker ». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a): Die Frau des Charismatikers in der rabbinischen Literatur . . . . . . . . . . . . 261 Liste der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung Nicole Rupschus

»Frauen im antiken Judentum und frühen Christentum« versammelt Beiträge, die ausgewählte Textbeispiele aus der griechisch-römischen Welt einer Lektüre unterziehen und so Frauen in ihren antiken sozialen und religiösen Lebenskontexten in das Blickfeld nehmen. Vor einer Einführung in die Beiträge dieses Bandes erfolgt zunächst eine knappe terminologische Klärung und Positionsbestimmung.

1.  Terminologische Klärung und Positionsbestimmung Frauen zum Forschungsgegenstand zu wählen und nach ihren Spuren hinter Texten und Artefakten zu suchen, ist ein vergleichsweise junges Feld, das sich in der Nachkriegszeit des 20. Jh.s als feministische Theologie etabliert hat. Diese hatte dabei zunächst die sich bereits zuvor emanzipierende Frau im Blick (Feminismus), bevor sie sich historischen Fragen zuwandte. Im Mittelpunkt stand die Reflexion des Rechts auf Selbstbestimmung. Ziel war und ist es zuvorderst, Frauen Gleichberechtigung in der Forschung und in jeder Position in Beruf und Gesellschaft zu garantieren. Aus dieser Perspektive fragt feministische Theologie umfassend nach der Rolle der Frau in religiösen Kontexten und macht ihre Erkenntnisse für Gegenwart und Zukunft fruchtbar:1 1  S. dazu C. Halkes, Gott hat nicht nur starke Söhne: Grundzüge einer feministischen Theologie, Gütersloher Taschenbücher Siebenstern 371, Gütersloh 1980. M. Bussmann, Anliegen und Ansatz feministischer Theologie, in: G. Dautzenberg / H. Merklein / K. Müller (Hg.), Die Frau im Urchristentum, QD 95, 339 – 358. C. Lienemann-Perrin, Art. Emanzipation IV. Emanzipation der Frau, 4RGG 2 (1999), 1248. H. Meyer-Wilmes, Art. Feminismus / Feministische Theologie I. Kulturgeschichtlich, 4RGG 3 (2000), 66 – 68. Maßgebliche Produkte von Vorreiterinnen in der Frauenforschung sind »The Women’s Bible Commentary«, herausgegeben von Carol A. Newsom und Sharon H. Ringe (London / Louisville 1992) sowie das von Luise Schottroff und Marie-Theres Wacker herausgegebene »Kompendium Feministische Bibelauslegung« (Gütersloh 1998). In beiden Bänden wird explizit nach der Frau in den androzentrischen Bibeltexten gefragt und ihre Stellung herausgearbeitet. Aufmerksamkeit verdient die neue bei Kohlhammer erscheinende Reihe: »Die Bibel und die Frauen: Eine exegetisch-kulturgeschichtliche Enzyklopädie«. Sie umfasst nicht nur Frauen im Alten und Neuen Testament mit dazugehörigen Genderdiskursen, sondern den gesamten Rahmen mit antikjüdischen Schriften und die nachchristliche Zeit bis ins 20. Jh. (s. https:// www.kohlhammer.de / wms / instances / KOB / appDE / nav_product.php?product=BR465).

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Nicole Rupschus

Der Bezugspunkt feministischer Theologie ist die konkrete Erfahrung der Unterdrückung, der Diskriminierung, der Rechtlosigkeit, die Situation des Be- und Getroffenseins, also ein existentielles, personales Engagiertsein. Der Mensch, seine soziale, emotionale, rationale Dimension als personale Einheit ist Träger und Subjekt feministischer Theologie. Es geht also nicht darum, ›über‹ den Menschen, ›über‹ Gott, ›über‹ theologische Theorien zu spekulieren und den Bezug zum Menschen darüber unter Umständen zu verlieren, sondern Ausgangspunkt feministischer Theologie ist die Situation konkreter Menschen, hier der Frauen.2

Genderforschung hat zumindest ihrem Namen nach nicht mehr die Frau, sondern den Unterschied der Geschlechter in gesellschaftlichen Zusammenhängen in der Geschichte im Blick und den Begriff des Feminismus im internationalen Diskurs mehr und mehr ersetzt. Ihre Wurzeln bleiben der feministischen Forschung dennoch verpflichtet.3 Tatsächlich ist die Frage zu stellen, ob »Gender« nicht den z. T. in Gesellschaft und Wissenschaft anrüchigen Klang des Feministischen ersetzen und »salonfähig« machen möchte. Dabei ist das Konzept Gender aus dem Feminismus erwachsen und darf keineswegs als Gegenentwurf zu den Errungenschaften feministischer Theologinnen verstanden werden: Das Konzept von Gender geht auf die soziologische Rede von Geschlechterrollen zurück, die zwischen Sex / Geschlecht als biologischem Unterschied und Gender / Geschlecht als soziale Klassifikation, die sich auf individuelle und psychologische Differenzen, soziale Rollen und kulturelle Repräsentationen bezieht. Nachdem Gender / Geschlecht eindeutig als sozial erkannt ist, kann die Meinung infrage gestellt werden, dass Sex / Geschlecht biologisch bedingt ist. Doch besteht die Gefahr, dass wir fortfahren, Gender / Geschlecht hinsichtlich Sex / Geschlecht zu verstehen, sodass Zweigeschlechtlichkeit der Behälter und Gender der Inhalt ist, wobei der Behälter Teil der Natur bleibt und sich nicht verändert.4

Gegenüber dem bis heute manchmal noch immer negativ konnotierten Begriff des Feminismus5 scheint der Begriff Gender weniger provokativ, vielmehr seriöser zu wirken. Dabei darf die Genderforschung nicht den Fehler begehen, so zu tun, als seien die Probleme der Gleichberechtigung und Gleichstellung behoben und nun andere Fragestellungen in den Fokus zu stellen. Sie übersähe dabei, 2

  Bussmann, Anliegen (s. Anm. 1), 341.  S. dazu D. Schlenke, Art. Frauenforschung, 4RGG 3 (2000), 285, E.‑M. Bachteler, Art. Genderforschung, 4RGG 3 (2000), 657 f. E. Schüssler Fiorenza, Gender, Sprache und Herrschaft: Feministische The*logie als Kyriarchatsforschung, in: R. Jost / K. Raschzok, Gender – Religion – Kultur: Biblische, interreligiöse und ethische Aspekte (Hg.), Theologische Akzente 6, Stuttgart 2011, 17 – 35 (19 f. + 21 f.). R. Jost, Von altorientalischen Göttinnen zu Marienvorstellungen: Eine feministisch-evangelische Perspektive, in: ebd., 37 – 54 (39). S. weiterhin D. PezzoliOligati, Einführung, in: A.‑K. Höpflinger / A. Jeffers / D. Pezzoli-Oligati (Hg.), Handbuch Gender und Religion, UTB, Göttingen 2008, 11 – 19 (12 – 15), und U. King, Gender-kritische (Ver)Wandlungen in der Religionswissenschaft. Ein radikaler Paradigmenwechsel, in: ebd., 29 – 40 (29 – 32). 4   Schüssler Fiorenza, Gender (s. Anm. 3), 21. 5   Zum Problem der Anerkennung wissenschaftlicher feministisch-theologischer Arbeiten s. Schüssler Fiorenza, Gender (s. Anm. 3), 17. 3

Einleitung

3

dass es auch der feministischen Bewegung um ein ganzheitliches und weltumfassendes Konzept ging und geht, das ungerechtfertigte Bevorteilung verhindern will. Sie nahm und nimmt auch den Mann und das gesellschaftspolitische Umfeld in den Blick.6 Die Gleichberechtigung der Frau ist damit nur der Anfang: Ziel ist es, vergangene Ungleichbehandlungen zu benennen und dabei gegen gegenwärtige und zukünftige anzugehen, was auch Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe, der Nationalität, des Status, des Alters, der körperlichen Verfassung, der sexuellen Orientierung oder des Gender beinhaltet. Ein wesentliches Instrumentarium der feministischen Theologie ist dabei der Blick in die Geschichte, d. h. im Fall des hier im Fokus stehenden Themas: in die Welt der griechisch-römischen Antike.7 Allerdings zeigen sich hierbei spezifische methodologische Probleme. So sind die Perspektiven von Frauen aufgrund der dominanten Stellung männlicher Gelehrter und Tradenten in den Quellen unterrepräsentiert. Auch die Stellung der Frauen in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext ist zu beachten: So lässt sich etwa, mit aller Vorsicht, anhand der griechisch-römischen Oberschicht zeigen, dass es für Frauen höheren Standes leichter war, Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit zu leben.8 Weil gerade für dieses soziale Umfeld die Überlieferungslage vergleichsweise gut ist, besteht allerdings die Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung des Status’ 6

 S. Schüssler Fiorenza, Gender (s. Anm. 3), 18 f. (so auch Bachteler, Art. Genderforschung [s. Anm. 3]). Zu dieser Problematik s. den instruktiven Überblick bei U. E. Eisen / C. Gerber / A. Standhartinger, Einleitung, in: dies. (Hg.), Doing Gender – Doing Religion: Fallstudien zur Intersektionalität im frühen Judentum, Christentum und Islam (WUNT I / 302), Tübingen 2013, 1 – 33 (9 – 17). Dagegen allerdings King, Gender-kritische (Ver)Wandlungen (s. Anm. 3), 31. Zum Problem s. auch K. von Stuckrad, Die Schekhina vom Sohar bis zu Madonna, 158, in: Höpflinger / Jeffers / Pezzoli-Oligati, Handbuch (s. Anm. 3), 157 – 166. Dass Frauen dabei (damals wie heute) nicht zum Instrument der jeweiligen Religion werden dürfen, zeigt erhellend S. Petersen, Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit, in: Eisen / Gerber / Standhartinger, Doing Gender (s. o.), 99 – 126. 7  S. auch Halkes, Gott hat nicht nur starke Söhne (s. Anm. 1), 32 + 47 f. E. Schüssler Fiorenza, Die Frauen gehören ins Zentrum, in: B. Hübener / H. Meesmann (Hg.), Streitfall Feministische Theologie, Düsseldorf 1993, 13 – 22 (15 f.), die klar definiert, dass in einer patriarchalen Gesellschaft, wie dem Oikos-System, Männer auch über Männer, wie Sklaven, Freigelassene, Pächter usw. bestimmen. 8   S. mit reichem Quellenmaterial L. Schottroff, VI. Frauen in der Nachfolge Jesu in neutestamentlicher Zeit, in: dies., Befreiungserfahrungen: Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments, München 1990, 96 – 133 (96 – 100), wobei sie auch Ambivalenzen deutlich macht (100 – 104); über Frauen der Unterschicht erfährt man vergleichsweise wenig (104 – 107). Die Frau in der griechischen und römischen Antike hatte durchaus persönlich, gesellschaftlich, rechtlich oder ökonomisch gewisse Freiheiten und Spielräume und war nicht allein an Haus und Familie gebunden. S. dazu den Überblick bei K. Thraede, Art. Frau, RAC VI (1972), 197 – 267 (197 – 224). Zum literarischen wie archäologischen Nachweis von gebildeten Frauen im Hellenismus s. M. Böhm, Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexandria. Zum Zusammenhang von Kontext, Hermeneutik und Exegese im frühen Judentum, BZNW 128, Berlin / New York 2005, 92 – 98. Vgl. außerdem die Beiträge von C. Kreinecker, C. Böttrich und A. Merz in diesem Band.

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Nicole Rupschus

der Frau in der griechisch-römischen oder gar antiken Gesellschaft insgesamt. Denn was wissen wir über die Lage von Frauen in weniger privilegierten Verhältnissen? Was über das Verhältnis zwischen Ehepartnern oder Frauen innerhalb frühchristlicher Gemeinden?9 Frauen sind, anders gesagt, nicht einfach eine monolithische gesellschaftliche Gruppe, sondern sind ihrerseits in verschiedensten gesellschaftlichen Kontexten mit je verschiedenen Voraussetzungen, Beschränkungen oder auch Privilegien zu verorten. Wie es etwa um die Rechte einer Fremden im Vergleich zu einer Einheimischen bestellt ist, oder eines Mädchens im Vergleich zu einer Volljährigen, einer Witwe gegenüber einer Verheirateten, oder inwiefern geschlechtsspezifische Unreinheit (bei einer Frau in Form von Monatsblutungen oder Geburt) eine Frau ungleich schwerer als einen Mann trifft, müssen wir aus den jeweiligen Texten jeweils neu ermitteln, können es aber nicht verallgemeinern.10 Der vorliegende Band wird auch um diese Problematiken kreisen. Frauenforschung innerhalb des weiten theologischen Feldes heißt auch, gegen eine androzentrische Auslegung auf uns gekommener Texte anzugehen und hinter diesen klar androzentrierten Texten die Frau zu suchen, selbst wenn sie nicht namentlich oder gar nicht in Erscheinung tritt.11 Texte setzen immer Rezipienten voraus, sie gehen von einem Gegenüber aus, das Schriften hört bzw. liest und anwendet – in diesem Prozess der Aneignung, Überlieferung, Tradierung und Anwendung sind stets Frauen zu berücksichtigen. Auch ihre Lebenswirklichkeit ist hinter Texten zu suchen – sie ist stets Teil der Gesellschaft gewesen und wird insofern, wenn auch indirekt, reflektiert.12  9

 S. dazu S. Janz und M. Becker in vorliegendem Band.   Vgl. etwa C. Maier, Die »fremde Frau« in Proverbien 1 – 9: Eine exegetische und sozialgeschichtliche Studie, OBO 144, Göttingen 1995. Zu einer differenzierteren Sicht auf Witwen ist auf den Beitrag von M. Sommer, zu Fragen der Folgen bei Unreinheit auf den Beitrag von C. Wassén in diesem Band zu verweisen. 11  Vgl. L. Schottroff, I. Zur Einführung, in: dies., Befreiungserfahrungen (s. Anm. 8), 7 – 11 (10): »Die Geschichte der Frauen ist eine unterdrückte Geschichte; die Quellen, die uns für die neutestamentliche Zeit zur Verfügung stehen, haben die damals (und heute) übliche androzentrische Perspektive, in der Frauen übersehen werden oder in ganz bestimmte patriarchal definierte Rollen gedrängt werden.« Schüssler Fiorenza, Die Frauen gehören ins Zentrum (s. Anm. 7), 19 f. Zu Frauen hinter dieser androzentrischen Perspektive: U. E. Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum: Epigraphische und literarische Studien, FKDG 61, Göttingen 1996, 9 – 12. 12   Damit ist nicht nur das Kollektiv, wie etwa Söhne Israels (s. E. Schuller / C. Wassén, Art. Women: Daily Life, in: L. Schiffman / J. C. VanderKam (Hg.), Encyclopedia of the Dead Sea Scrolls 2 / 2, Oxford 2000, 981 – 984 [981], oder M. L. Grossman, Reading for Gender in the Damascus Document, in: DSD 11 [2004], 212 – 239, 219 f.222 – 224) oder Brüder (dazu Schottroff, Wie berechtigt ist die feministische Kritik an Paulus? Paulus und die Frauen in den ersten christlichen Gemeinden im Römischen Reich, in: dies., Befreiungserfahrungen [s. Anm. 8], 229 – 246 [229]), angesprochen, sondern auch die bei ders., Frauen in der Nachfolge, ebd., 96 – 133 (105), genannten niederen Arbeiten, die z. T. eine weibliche Form kennen (wie Schnitterin, Helferin am Weinberg) und somit auch bei Sammelbezeichnungen von einem Frauenanteil auszugehen ist. 10

Einleitung

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2.  Zu den Beiträgen dieses Bandes Heutige Maßstäbe von Gleichstellung und Gleichberechtigung, die wir selbstverständlich in unserer Gesellschaft formuliert und auch realisiert finden, dürfen nicht auf Frauen im antiken Judentum und frühen Christentum angewendet werden; das wäre ein Anachronismus. Das patriarchale System der Zeit zwischen dem dritten vorchristlichen und dem dritten nachchristlichen Jahrhundert,13 in dem sich die Frauen in den Beiträgen des Bandes bewegen, kann natürlich nicht negiert werden. Dennoch ist hier ein Zeitraum erfasst, in dem Frauen markanter in Erscheinung treten. In diese Marge fällt die Weisheitsnovelle Joseph und Aseneth (spätes 2. Jh. v. Chr. bis 132 – 135 n. Chr.), die die Geschichte der Ehe Josephs mit der Priestertochter Aseneth erzählerisch ausschmückt.14 In diesem Zusammenhang ist auch das später kanonisierte Buch Rut zu nennen. Wichtig ist bei diesen Werken die gesellschaftliche Relevanz von Frauen, geht es im Falle der Aseneth doch um die Voraussetzungen, die eine »fremde« Frau in der Proselytenehe zu erfüllen hat. Im Buch Rut kommt die Leviratsehe zur Anwendung, wobei auch Rut eine Ausländerin ist, die zudem vorbildlich für die Israelitinnen handelt. Außerhalb des hebräischen Kanons ist auf 2 Makk 7 und Susanna zu verweisen, wobei hier wie auch bei Ester (Zusätze), Judit und Sara aus Tob 3,7 – 9 auffällt, dass sie stets weibliche Tugenden repräsentieren und so als Vorbild für die Frau generell stehen. Solche herausragenden Frauengestalten innerhalb der Septuaginta beschreibt Beate Ego und stellt Sara, Ester und Judit in das breite Frömmigkeitsspektrum, in dem sie als Beterinnen hervorstechen. In ihren Gebeten um Schutz, Zuspruch und Stärke agieren sie vorbildhaft, bleiben aber der ihnen zugewiesenen Rolle verhaftet und dienen als Projektionsflächen für das Volk: Sara steht für die Frau bzw. das Volk in der Diaspora, deren bzw. dessen Identität erhalten bleiben soll. Ester ist ein Beispiel dafür, im Kontext der Unreinheit, in der Diaspora (und für sie speziell: am Hof des persischen Königs), Entsühnung zu erlangen. Judit wird jedoch durchweg positiv und durch ihre vorbildliche Frömmigkeit hervorstechend dargestellt. In der Weisheitsliteratur sind Frauen häufig negativ besetzt (s. Prov, Koh, Sir), ebenso in philosophischen Werken (Aristeasbrief, Philo: Opificio Mundi 59). 13   Wobei die Datierung rabbinischer Texte großzügiger anzusetzen ist – s. dazu nur den Beitrag von M. Becker in diesem Band. 14  S. C. Burchard, Joseph und Aseneth, JSHRZ 2 / 4, Gütersloh 1983, 577 – 736 (591 f. + 614: hellenistischer Liebesroman oder religiöser Proselytenroman?), oder unter ihren verschiedenen Publikationen A. Standhartinger, Das Frauenbild im Judentum der hellenistischen Zeit. Ein Beitrag anhand von ›Joseph und Aseneth‹, AGJU 26, Leiden 1995, die detailliert wie überzeugend die Unterschiede vom Kurz- zum Langtext herausgearbeitet hat (Veränderung zu negativerem und untergeordnetem Bild der Frau, vgl. 206 ff.). Hier ist außerdem auf den von R. Reinmuth herausgegebenen Band: Joseph und Aseneth, SAPERE 15, Tübingen 2009, zu verweisen.

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Nicole Rupschus

Gerade in ihren Essenerdarstellungen zeichnen Philo von Alexandrien und Flavius Josephus ein negatives Frauenbild.15 Grundsätzlich kann eine Frau nicht als Zeugin auftreten, in Qumran jedoch gibt es zwei gegenteilige Beispiele: CD 15 f. und 1QSa 1,11.16 In gottesdienstliche Handlungen sind sie durchaus eingebunden, wobei ihnen der Zugang in die heiligsten Bereiche des Tempels nie gestattet war.17 Jedoch ist zu den drei Hochfesten ihre Teilnahme und Pilgerschaft zum Tempel vorauszusetzen. In weiteren Textfunden Qumrans sind Frauen intensiv in den Reinheitsvorschriften thematisiert. Einen wichtigen Beitrag zu den Reinheitstexten Qumrans und ihrem biblischen Ursprung leistet im vorliegenden Band Cecilia Wassén. Bereits in den Reinheitsvorschriften, speziell in Lev 12 und 15, werden Frauen und Männer in Bezug auf Unreinheit nicht voneinander unterschieden, wenngleich die Frau bei der Geburt eines weiblichen Kindes eine längere Reinigungszeit erwartet. Auch sexuelle Unreinheit ist nicht vermeidbar und betrifft beiderlei Geschlecht. Dies thematisieren auch die Qumrantexte, wie die D‑Texte, die Tempelrolle oder die Tohorot. Sie kennen natürliche und unvermeidbare Unreinheit bei Männern und Frauen, legen einen Fokus darauf, die Übertragung von Unreinheit zu vermeiden, und benennen unterschiedliche Stadien der Verunreinigung. Ein striktes Reinheitsbestreben eint die gruppenspezifischen Qumrantexte und grenzt die Gemeinschaften von anderen ab. Inwieweit Texte aus dem liturgischen und weisheitlichen Bereich helfen, über Frauen in Qumran Aufschluss zu geben, fragt Nicole Rupschus. 4Q502 als liturgische und 4Q184 als weisheitliche nicht-gruppenspezifische Fragmente vermögen keinen unmittelbaren Einblick in die yahad-Gemeinschaften zu geben, ˙ verweisen im Gegenteil auf eine selbstständige Textreflexion und ‑produktion. Für gottesdienstliche Handlungen innerhalb einer Gemeinschaft passt 4Q502 durchaus in den Duktus der D‑Texte und der Gemeinschaftsregel, ein direkter Bezug kann jedoch nicht hergestellt werden. 4Q184 stellt einen wichtigen Tradierungsprozess des in Prov 1 – 9 genannten Prinzips der Torheit dar und hat keinen Bezug mehr zu realen Frauen. Die Rolle von Frauen in der Liturgie beschreibt Angela Standhartinger: Da Frauen in der griechisch-römischen und ägyptischen Antike aktiv in gottesdienstlichen Handlungen waren und dies ebenso in der frühchristlichen Zeit anzunehmen ist, geht sie auch im jüdischen Kontext davon aus. Nicht zuletzt stehen dafür auch liturgische Qumrantexte, doch greift sie speziell zwei Texte, Philos De Vita Contemplativa und das Testament des Hiob, heraus, die eine Beteiligung von Frauen am Gottesdienst nahelegen. Ersteres gibt wohl eine frühe 15

 Vgl. N. Rupschus, Frauen in Qumran, WUNT II / 257, Tübingen 2017, 213 – 261.   S. etwa s. T. Ilan, Jewish Women in Greco-Roman Palestine: An Inquiry into Image and Status (TSAJ 44), Tübingen 1995, 163 – 166. 17   S. jedoch den Beitrag von A. Standhartinger in diesem Band. 16

Einleitung

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Form des Synagogengottesdienstes wieder und stellt den Ägyptern ein vorbildliches Judentum vor. Letzteres scheint die Töchter Hiobs in einen den Engeln nahen Kontext zu stellen; von Hiob selbst entsprechend ausgestattet, nehmen sie verschiedene Funktionen wahr. Beide Textbeispiele werden mit weiteren Überlieferungen des gleichen Zeitraums verglichen. Bewegten wir uns bislang im Bereich der erzählenden, gesetzlichen, weisheitlichen und liturgischen Literatur, deren historischer Gehalt je für sich zu ergründen ist, können dokumentarische Texte generell einen Einblick näher an der Realität von Frauen bieten. In Ägypten bezeugen dies die Elephantine-Papyri. Für Judäa sind die Frauenarchive der Babatha (94 – 132 n. Chr.) und Alexandra Komaïse (125 – 131 n. Chr.) zu nennen, die Kimberly Czaikowski in ihrem Beitrag untersucht. Dabei zeigt sie klar auf, dass die Papyri zwar als offizielle Urkunden erscheinen, die Zuschreibung zu jüdischem oder römischem Recht jedoch nicht ohne Weiteres zu bestimmen ist. Dass nun zwei Archive Frauen zuzuordnen sind, zeigt, dass sie in einem gewissen rechtlichen Rahmen agieren konnten. Jedoch ist dabei festzuhalten, dass Dokumente, wie Schenkungen, Heirats- oder Verzichtsurkunden, nur dann notwendig waren, wenn Besitz vorlag – Frauen aus den unteren Schichten werden auf diese Weise nicht erreicht. Ein weiteres wichtiges Detail dieser Archive spricht der Beitrag von Tal Ilan an, die die Diskriminierung von Frauen gerade anhand der Notwendigkeit der Aufbewahrung relevanter Dokumente aufzeigt. Gerichtlichen Ansprüchen auf Eigentum aus der Verwandtschaft konnten sie nur begegnen, wenn Heiratsurkunden, v. a. aber Schenkungen und Verzichtserklärungen vorlagen. Ilan führt aus, dass rechtliche Ansprüche einer Frau in Frage gestellt wurden und sie Rechte an Haus oder Grundstück materialiter zu belegen hatte. Die Papyri sind demnach beredtes Zeugnis dafür, dass eine Frau um ihr Recht kämpfen musste und von einem den Männern gleichen Status nicht auszugehen ist. Aus ägyptischer Perspektive stellt Christina Kreinecker die Rechte und Möglichkeiten von Frauen anhand dokumentarischer Papyri aus der neutestamentlichen Zeit heraus, die einen direkten Einblick in ihr Alltagsgeschehen, in den familiären, rechtlichen, wirtschaftlichen und religiösen Bereich gewähren. Sie zeigen, dass die Frau in Ägypten zuallererst Ehefrau und Mutter war, jedoch je nach ihren finanziellen Möglichkeiten Rechtsgeschäfte führen konnte. So sind Petitionen von Frauen belegt, die ihr Recht durchzusetzen versuchten. Im Haushalt übernahmen sie durchaus Administrationsaufgaben und konnten auch über Eigentum verfügen. Je höher ihr gesellschaftlicher Stand war, desto freier konnten sie agieren. Ebenfalls mit dokumentarischen Papyri beschäftigt sich Michael Sommer, speziell mit dem Phänomen der Witwen in der frühchristlichen Zeit, die er in den antiken Texten zu Unrecht als schwache Glieder der Gesellschaft dargestellt sieht. Stattdessen plädiert er für ein verstärktes semantisches Lesen der Texte (anhand von Wortkombinationen und Motivclustern), wobei gerade die häu-

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fige Verwendung bestimmter Worte aus dem Bereich Recht und Gerechtigkeit zeige, dass Witwen durchaus im Rahmen des ihnen Möglichen agieren konnten. Zudem müssen sie so weit verbreitet und allgegenwärtig gewesen sein, dass sie in vielen Texten, wenn auch nur standardisiert und zumeist in Bezug auf ihre ärmliche Lage, genannt wurden (Memorialsemantik). Eine materialreiche Übersicht zu Frauen im lukanischen Doppelwerk bietet Christfried Böttrich. Er fragt nach dem Grund für die unklare Positionierung gegenüber Frauen bei Lukas und geht dabei dessen Erzählstrategien nach. Die an Schlüsselpunkten durchaus exponierte Stellung von Frauen steht niemals in Kontrast zu ihrem eigentlichen Status. Lukas zeigt besondere Sensibilität gegenüber Frauen, vermutlich mit Rücksicht auf wichtige finanzielle wie materielle Unterstützerinnen in seiner Gemeinde. Lukas kommt ihnen in seinem Werk entgegen, wendet sich aber nicht gegen die Konventionen der damaligen Gesellschaft. Annette B. Merz befasst sich mit der Kontroverse um Bruce Winters These von der »new (Roman) woman«. Die aktuelle Bedeutung um Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung aus der römischen Antike, die von Winter postuliert wird, hält sie für eine kurzzeitige und nur wenige Frauen betreffende Randerscheinung. Sie macht auf die fundamentalistischen und konservativen wie liberalen und modernen Positionen aufmerksam, die jenseits des akademischen Diskurses geführt werden, und berichtet über die Problematik der Popularisierung wissenschaftlichen Stoffes. Im außerkanonischen Bereich wirft Stephanie Janz im Kontext der Forschungsgeschichte ein neues Licht auf das Mariaevangelium (»Gospel of Mary«). Sie zeichnet die Stellung Maria Magdalenas innerhalb des Jüngerkreises nach, wie sie im 2. Jh. n. Chr. formuliert wurde. Deutlich wird auch hier, wie wichtig es ist, die literarische Überlieferung von der historischen Wirklichkeit zu unterscheiden, aber gleichzeitig in ihr nach historischen Anleihen zu suchen. Gezeichnet wird im Mariaevangelium die deutlich aufgewertete Rolle Maria Magdalenas neben Jesus, die sich in ihrer Gelehrsamkeit und Konflikten um ihre Position innerhalb der Jüngergemeinschaft widerspiegelt. Michael Becker führt ein in den mischnischen und talmudischen Bereich und beendet so das zeitliche Spektrum des Tagungsbandes. Er macht auf die eingangs benannte Problematik aufmerksam, dass auch in rabbinischen Texten nicht Frauen selbst zu Wort kommen, und verweist auf den vielschichtigen Entstehungsprozess des rabbinischen Schrifttums, den es bezüglich der Frauen ebenso zu berücksichtigen gilt. Doch bleiben Frauen im rabbinischen Schrifttum unterrepräsentiert. Passagen, in denen Frauen sich aktiv an der Förderung der Gelehrtenlaufbahn ihres Mannes beteiligen, sind darum umso interessanter. Weiterhin erscheint die Frau in Verbindung mit Magie in einem negativen Licht, wird andererseits aber, als Frau eines Charismatikers, in Wundererzählungen positiv hervorgehoben, weil sie durch ihren Mann in den Kontext besonderer Gottesnähe gestellt wird.

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Die Beiträge zeigen, dass Frauen und Frauenthemen durchaus in der antiken Literatur verhandelt wurden, ob dokumentarisch oder nicht-dokumentarisch. Die Mühe, in biblischen oder außerbiblischen und nachbiblischen Texten Rechten und Pflichten der Frauen auf den Grund zu gehen, ist lohnend, und leistet wichtige Beiträge zur Genderforschung.

Frauengestalten und ihre Religion im Wandel Von den Überlieferungen der Hebräischen Bibel zu den Apokryphen Beate Ego Es ist ein auffälliges Phänomen, dass in alttestamentlichen Apokryphen aus hellenistischer Zeit Frauenfiguren eine prominente Rolle zukommt. An erster Stelle ist hier Judit als die Heldin des gleichnamigen Buches zu nennen, durch deren beherztes und mutiges Eingreifen das Volk Israel von einer militärischen Katastrophe gerettet wird. Des Weiteren kann man auf das Buch Tobit verweisen, in dem nicht nur die Geschichte von der Heilung des blinden und alten Tobit erzählt wird, sondern auch die von der Befreiung Saras von dem bösen Dämon Asmodäus, der bereits sieben ihrer Bräutigame getötet hat. Im Zweiten Makkabäerbuch wiederum leistet die Mutter der sieben Söhne diesen in ihrem Martyrium ihren Beistand und bekräftigt diese so, für den Gott Israels und sein Gebot zu sterben (2 Makk 7). In den sog. »Zusätzen zu Ester« erscheint darüber hinaus die persische Königin Ester als fromme Beterin, die nach ihrer Fürbitte vor dem König die Vernichtung ihres Volkes abwenden kann, und in den »Zusätzen zu Daniel« schließlich wird die fromme Susanna durch Daniels Weisheit von der bösen Verleumdung durch die Lustgreise gerettet. Diese generelle Beobachtung stellt vor die Frage, ob sich für diese antik-jüdischen Überlieferungen aus hellenistischer Zeit ein gemeinsames Profil entdecken lässt, das diese Frauenfiguren mit ihrer Religiosität deutlich von den »älteren« Frauenfiguren unterscheidet. Ist es möglich, hier typisch weibliche Formen der Religiosität zu entdecken, und – wenn ja – wie sind diese näher zu bestimmen? Und schließlich: Wie lassen sich diese Überlieferungen von – ich sage einmal recht plakativ »Frauenfrömmigkeit« – historisch bzw. kultur- bzw. religions- und theologiegeschichtlich kontextualisieren? Es ist ein weites Feld: Wenn auch zahlreiche wichtige Studien vorliegen, die sich mit der konkreten Rolle der Frau im antiken Judentum insgesamt beschäftigen, so stellt die spezifische Thematik der Frauenfrömmigkeit in der antik-jüdischen Literatur doch ein Forschungsfeld dar, das bislang nur ansatzweise aufgearbeitet wurde.1 Da sich die grundlegenden Arbeiten T. Ilans eher auf politische 1   Ganz anders gestaltet sich die Forschungslandschaft im Hinblick auf die Thematik der Frauenfiguren der Hebräischen Bibel, wo diese Zusammenhänge umfassend diskutiert und dar-

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bzw. sozialgeschichtliche und juridische Aspekte antik-jüdischer Frauenfiguren konzentrieren bzw. vornehmlich die rabbinische Literatur im Blick haben,2 ist an dieser Stelle insbesondere auf das Werk von M. McDowell »Prayers of Jewish Women« (2006)3 und auf den Aufsatz von S. Schorch »Genderising Piety« (2010)4 zu verweisen. M. McDowells Arbeit kommt das Verdienst zu, einen großen Überblick zu den Gebeten von Frauen in der Literatur aus der Zeit des Zweiten Tempels gegeben zu haben. Wie der Titel aber zeigt, konzentriert er sich hier ganz auf das Thema des Gebets; andere Formen der Frömmigkeit bzw. die Kontextualisierung der jeweiligen Gebete in der Gesamthandlung werden ausgeblendet. S. Schorchs Studie wiederum ist insofern interessant, da hier ein Gebet einer Frauenfigur, nämlich das Gebet Esters (C 12 – 30), mit dem Gebet eines männlichen Protagonisten, dem Gebet Mordechais (C 1 – 11), verglichen wird. S. Schorch kann auf diese Art und Weise Motive herausarbeiten, die seiner Meinung nach als »typisch weiblich« klassifiziert werden können. Allerdings widmet sich diese Studie nur einer relativ begrenzten Textüberlieferung. Keine dieser Arbeiten schließlich hat den diachronen Aspekt der Fragestellung im Blick. Dass diese Thematik in ihrer Gesamtheit nicht auf wenigen Seiten umfassend aufgearbeitet werden kann, liegt auf der Hand, und so wird sich dieser Beitrag exemplarisch auf das Frauenbild fokussieren, wie es in ausgewählten Texten der antik-jüdischen Literatur zu greifen ist – so in der Figur der Sara aus der Tobitgeschichte bzw. in der Gestalt der Ester und, skizzenhaft, in der Figur der Judit aus den gleichnamigen Erzählungen. An einen kurzen Überblick, der die einzelnen Traditionen etwas detaillierter vorstellt, werden sich sieben Thesen anschließen, die versuchen, die wichtigsten Koordinaten abzustecken, um diese Frauenfiguren der apokryphen Überlieferung mit der ihnen jeweils eigenen Frömmigkeit in einen breiten Rahmen zu stellen. gestellt werden; s. insbesondere H. J. Marsman, Women in Ugarit and Israel. Their Social and Religious Position in the Context of the Ancient Near East, OTS 49, Leiden 2003; zum Ganzen s. a. P. A. Bird, The Place of Women in the Israelite Cultus, in: P. D. Miller u. a. (Hg.), Ancient Israelite Religion. Essays in Honor of Frank Moore Cross, Philadelphia 1987, 397­­ – 419 (408 – 410) (alle mit weiterführenden Literaturangaben). 2   T. Ilan, Mine and Yours are Hers. Retrieving Women’s History from Rabbinic Literature, AGJU 41, Leiden 1997; Dies., Integrating Women into Second Temple History, TSAJ 76, Tübingen 1999; Dies., Silencing the Queen. The Literary Histories of Shelomzion and Other Jewish Women, TSAJ 115, Tübingen 2006. Vgl. in diesem Kontext auch die Studie von G. Mayer, Die jüdische Frau in der hellenistisch-römischen Antike, Stuttgart 1987. Der Autor fokussiert die konkrete soziale Stellung der antik-jüdischen Frau und weniger das Frauenbild, wie es in der einschlägigen Literatur begegnet. Dem Thema der Religion sind nur wenige Seiten gewidmet. Hier verweist der Autor auf die Möglichkeit des Zugangs zum Tempelkult sowie auf die Rolle der Frau in der Synagoge; s. hierzu 88 – 91. 3   M. McDowell, Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period, WUNT II / 211, Tübingen 2006. 4   S. Schorch, Genderising Piety. The Prayers of Mordecai and Esther in Comparison, in: G. Xeravits / J. Zsengellér (Hg.), Deuterocanonical Additions of the Old Testament Books. Selected Studies, Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 5, Berlin / Boston 2010, 30 – 42.

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1.  Die Tobiterzählung Vom Geschick der Sara erfahren wir im Kontext der Tobiterzählung5, die wohl im 3. Jh. v. Chr. in der östlichen Diaspora entstanden ist.6 Aus dem Munde des Erzählers hören wir gleich bei der Einführung dieser Figur in Tob 3,7 – 9, dass Sara, die Tochter eines gewissen Raguel in Ekbatana, schon sieben Männern zur Frau gegeben wurde. Alle aber sind von dem bösen Dämon Asmodäus getötet worden, noch ehe sie zu ihr eingehen konnten. In dieser Situation ist Sara dem Spott ihrer Mägde ausgesetzt, die ihr vorwerfen, dass sie für den Tod der Männer verantwortlich sei. So können die Mägde sagen: Du bist es, die deine Männer tötet. Siehe, du wurdest schon sieben Männern gegeben, und nicht nach einem von ihnen wurdest du benannt. Was züchtigst du uns wegen dieser deiner Männer, da sie gestorben sind? Geh doch mit ihnen, und wir wollen in Ewigkeit nicht Sohn oder Tochter von dir sehen! (Tob 3,8b – G II)

Den Grund für die Aggressivität des Dämons erfahren wir dann erst im späteren Verlauf der Erzählung: Asmodäus liebt Sara und schadet deshalb einem jeden, der sich der jungen Frau nähern möchte (Tob 6,15 – G I). Sara wiederum sieht in dieser Situation der Anfeindung und Schmach keinen anderen Ausweg mehr, als Gott in einem Gebet darum anzuflehen, dass er sie durch ihren baldigen Tod von ihren Schmähungen erlösen oder aber ihr Geschick wenden

5   Das Buch Tobit hat eine komplexe Textgeschichte. Neben den aramäischen und hebräischen Fragmenten aus Qumran liegt es im Wesentlichen in zwei griechischen Rezensionen vor, im sog. Langtext (G II; Ms. Sinaiticus) sowie im Kurztext (G I; Ms. Alexandrinus; Ms. Vaticanus). Da die Qumrantexte in der Regel mit der Langform (G II) übereinstimmen, liegt es nahe – so ein gewisser Forschungskonsens –, dieser Textform eine zeitliche Priorität in der Überlieferung einzuräumen. Die Kurzversion (G I) stellt dann eine sekundäre Fassung dar, die ihre Vorlage paraphrasiert und ggf. auch glättet. Weitere wichtige Überlieferungen des Textes liegen in lateinischer Sprache vor (»Vetus Latina« und »Vulgata«). Zur Textgeschichte des Tobitbuches s. ausführlich M. Hallermeyer, Text und Überlieferung des Buches Tobit, Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 3, Berlin / New York 2008; s. a. J. Fitzmyer, Tobit, in: M. Broshi u. a. (Hg.), Qumran Cave 4: XIV. Parabiblical Texts 2, DJD 19, Oxford 1995, 1 – 76, Tafeln I – X, hier: 3 – 17; R. Hanhart, Text und Textgeschichte des Buches Tobit, AAWG.PH 139 / Mitteilungen des Septua­ginta-Unternehmens 17, Göttingen 1984; C. J. Wagner, Polyglotte Tobit-Synopse. Griechisch – Lateinisch – Syrisch – Hebräisch – Aramäisch. Mit einem Index zu den TobitFragmenten vom Toten Meer, AAWG.PH 258 / Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens 28, Göttingen 2003, XIII – XVI. Die Texte aus der griechischen Tobitüberlieferung werden hier nach folgender Übersetzung des Buches zitiert: W. Kraus / M. Karrer in Zusammenarbeit mit E. Bons u. a., Septuaginta Deutsch, Stuttgart 2009, 635 – 663. 6   Zu Einleitungsfragen s. B. Ego, Das Buch Tobit, in: G. S. Oegema (Hg.), Unterweisung in erzählender Form. Einführung zu den jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, JSHRZ VI / 1,2, Gütersloh 2005, 115 – 150 (130 f.); J. Fitzmyer, Tobit, CEJL, Berlin / New York 2003, 50 – 54; H. Engel, Das Buch Tobit, in: E. Zenger u. a. (Hg.), Einleitung in das Alte Testament, hg.v. C. Frevel, KStTh 1,1, Stuttgart 92015, 350 – 362.

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möge (Tob  3,11 – 15).7 Interessant für unsere Fragestellung nach der Religiosität dieser Frauenfigur ist – abgesehen vom Phänomen des Bittgebets im Allgemeinen – die Tatsache, dass sich Sara bei ihrem Gebet im Obergemach ihres Hauses befindet (Tob 3,10 – G II) und ihre Hände zum Fenster hinstreckt (so Tob 3,11 – G II) bzw. dieses am Fenster verrichtet (Tob 3,11 – G I). Es ist anzunehmen, dass im Hintergrund dieser expliziten Lokalisierung des Gebetsortes die Vorstellung steht, dass man in der Diaspora die Gebete nach Jerusalem hin ausrichtete. Auf ein solches Verständnis dieser Ortsangabe deutet zumindest Dan 6,11 hin, wonach Daniel seine Gebete ebenfalls im Obergemach am offenen Fenster in Richtung Jerusalem vor Gott bringt.8 Wichtig im Rahmen von Saras Gebet ist auch das Element der Unschuldsbeteuerung, mit der die junge und verzweifelte Frau ihrer Bitte Nachdruck verleiht. Sie ist rein von einer jeden Verunreinigung mit einem Mann (καθαρά εἰμι ἀπὸ πάσης ἀκαθαρσίας ἀνδρός; so Tob 3,14 – G II bzw. Tob 3,14 – G I: »von jeder Sünde mit einem Mann« [ἀπὸ πάσης ἁμαρτίας ἀνδρὸς]), und kann zudem darauf verweisen, dass sie weder ihren Namen noch den ihres Vaters im Lande ihrer Gefangenschaft befleckt habe (καὶ οὐκ ἐμόλυνα τὸ ὄνομά μου οὐδὲ τὸ ὄνομα τοῦ πατρός μου ἐν τῇ γῇ τῆς αἰχμαλωσίας – Tob 3,15 G II; ähnlich G I). Das griechische μόλυνω, das ein breites Bedeutungsspektrum hat und sowohl in konkreten9, ethischen10, halakhischen11, kultischen12 und sexuellen13 Zusammenhängen stehen kann, dient hier offensichtlich in erster Linie dazu, um Saras Integrität in sexueller Hinsicht zu umschreiben. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass ihre Unschuldsbeteuerung darüber hinaus Aspekte der rituellen Reinheit einschließt.14 Wie M. McDowell gezeigt hat, enthält Saras Gebet somit ganz deutlich eine weibliche Perspektive. Auf den ersten Blick mag man zudem den Eindruck haben, dass dieses Gebet eine rein private Angelegenheit darstellt. In diesem Sinne argumentiert M. McDowell, wenn er in seinem Werk »Prayers of Jewish Women« formulieren kann:  7   Zu Saras Gebet s. McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 78 – 82; A. di Lella, Two Major Prayers in the Book of Tobit, in: R. Egger-Wenzel / J. Corley (Hg.), Prayer from Tobit to Qumran. Inaugural Conference of the ISDCL at Salzburg, Austria, 5 – 9 July 2003, Deuterocanonical and Cognate Literature. Yearbook 2004, Berlin 2004, 95 – 116 (107 – 113).  8  Hierzu di Lella, Prayers (s. Anm. 7), 109. Zu Dan 6,11 s. D. Bauer, Das Buch Daniel, NSKAT 22, Stuttgart 1996, 134; J. J. Collins, Daniel. A Commentary on the Book of Daniel, Hermeneia – A Critical and Historical Commentary on the Bible, Minneapolis 1993, 268; L. F. Hartman / A. A. Di Lella, The Book of Daniel, The Anchor Bible 23, Garden City 1978, 199; O. Plöger, Das Buch Daniel, Kommentar zum Alten Testament 18, Gütersloh 1965, 98. Zum Ausstrecken der Hände während des Gebets s. a. Ex 9,29.33; Esr 9,5; 1 Kön 8,22.54; Jes 1,15; Ps 44,21; 88,10; 143,6.  9   LXX Gen 37,31; LXX Jer 12,10; LXX Klgl 4,14; LXX Hld 5,3; Sir 13,1. 10   Sir 21,28 [31a]. 11   Vgl. hierzu LXX Jes 65,4. 12   LXX Jer 23,11; LXX 1 Makk 1,39; LXX 2 Makk 6,2; LXX 2 Makk 14,3. 13   LXX Sach 14,2. 14   Zum Ganzen s. F. Hauck, Art. μόλυνω, ThWNT 4 (1942), 744 f.

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Sarah’s prayer, like the prayers of Esther and Judith, contains some female perspectives – especially in her definition of righteousness as connected with chastity. While she begins the prayer in a traditional formula found in men’s and women’s petitionary prayers of the postexilic period, and she stands in a customary position, she does not relate the history of the people of Israel and herself in terms of sin as Tobit does (3.2 – 5). She reminds God of her righteousness – again a common refrain in many prayers in the literature of the period from both men and women – citing that she is »free from defilement with a man« (ἀπὸ πάσης ἁμαρτίας ἀνδρὸς). She also mentions other issues from a female perspective: she has not disgraced her father’s name as a daughter, she is her father’s only daughter (μονογενής εἰμι τῷ πατρί μου), and he has no other child.15

McDowells Beobachtungen zur fehlenden Volksperspektive des Gebet der Sara sind durch die symbolische Dimension zu ergänzen, die sich mit dem Dämon Asmodäus verbindet. Der böse Dämon Asmodäus, der die Männer der Sara tötet, kann als ein Incubus-Dämon beschrieben werden. Da er selbst seinem »Opfer« in Liebe verbunden ist, versucht er mit seinem aggressiven Verhalten – einem eifersüchtigen Liebhaber gleich –, alle potentiellen Konkurrenten unschädlich zu machen und verhindert somit, dass Sara Kinder bekommen kann. Im Gesamtkontext der Tobiterzählung symbolisiert Asmodäus aber nicht nur ein lebensfeindliches Element an sich, sondern auch ganz konkret einen Feind des Volkes Israel, der sich gegen das göttliche Gebot stellt. Sara ist nämlich die einzige Tochter ihrer Eltern, ihre Eheschließung mit Tobias ist »der Bestimmung des Buches des Moses« nach geboten (Tob 6,13; 7,1 – 13: »nach dem Gesetz und nach der Bestimmung, die im Buch des Moses geschrieben steht«) und ist zudem »vom Himmel her [. . .] bestimmt« (Tob 7,11). Vermutlich beziehen sich diese Aussagen auf das Erbtöchtergesetz in Num 36,6 – 9, wo geboten wird, dass eine Tochter, die das einzige Kind ihrer Eltern ist und die als erbberechtigt gilt (s. Num 27,8), einen Mann aus demselben Stamme heiraten soll, damit das Erbteil nicht auf einen anderen Stamm übergeht.16 Spezifisch für die Tobiterzählung ist freilich die Tatsache, dass wir es hier nicht mit einer stammesinternen, sondern einer sippeninternen Endogamie zu tun haben. Da der alte Tobit in seiner Abschiedsrede explizit die Erzeltern als Vorbild für die Endogamie benennt (Tob 4,12 f. – G I), ist anzunehmen, dass er auch die Erz­ elternerzählungen im Blick hat. Sara war nach Gen 20,2 die Schwester Abra15   McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 81 f.; s. a. di Lella, Prayers (s. Anm. 7). Auch Di Lella verweist darauf, dass Saras Gebet kein Sündenbekenntnis enthält. Zudem arbeitet er heraus, dass Sara – im Gegensatz zu dem weinenden Tobit – in ihrem Gebet relativ beherrscht erscheint: »As each begins to pray, what strikes the reader is the contrast between the calm comportment of Sarah, a female and still quite young and impressionable, and the weepy behaviour of Tobit, a much older and presumably experienced male. The reader perhaps would have expected the youngster Sarah to shed tears and carry on, and the older Tobit to be in control of his emotions« (108). 16   Zum Bezug zum Erbtöchtergesetz s. u. a. di Lella, Prayers (s. Anm. 7), 112; Fitzmyer, Tobit (s. Anm. 6), 156.212.

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hams. In Gen 24,3 f. befiehlt Abraham dann seinem Knecht, eine Frau für seinen Sohn Isaak zu freien, die nicht aus dem Stamme der Kanaanäer, sondern aus seiner eigenen Familie ist (s. Gen 24,37 f.). So wurde Isaak mit Rebekka, der Tochter Bethuels, dem Sohn der Milkah, der Frau Nahors, des Bruders Abrahams, verheiratet (Gen 24,15, s. a. Gen 25,20). Auch Jakob wurde von seinem Vater befohlen, keine der kanaanäischen Frauen zu heiraten, sondern nach Paddan-Aram zu gehen und dort eine Frau von den Töchtern Labans, dem Bruder seiner Mutter zu ehelichen (Gen 28,1 f.), so dass er schließlich Lea und Rahel heiratete (Gen  29,15 – 30,24). Das Gebot einer sippeninternen Endogamie ist in der Tobiterzählung auf jeden Fall integraler Bestandteil der Tora.17 Wenn man dieses Gebot im Kontext der Identitätssicherung des Volkes in der Diaspora versteht, so wird deutlich, dass Asmodäus nicht nur der persönliche Gegenspieler des Tobias bzw. der anderen Bräutigame Saras ist und somit eine Art Störenfried darstellt, der für Saras Kinderlosigkeit zur Verantwortung zu ziehen ist. Auf dem Hintergrund der hohen Wertschätzung der Endogamie, die als Element der Identitätssicherung des Volkes in der Diaspora fungiert, kann dieser Dämon geradezu als eine personifizierte Gegenkraft zu diesem Ideal charakterisiert werden. Mit seiner »Besetzung« Saras bewirkt er nicht nur deren individuelle Unfruchtbarkeit, sondern auch eine elementare Gefährdung der Existenz des gesamten Volkes, wobei er gleichzeitig der Realisierung eines torakonformen Handelns entgegen wirkt.18 Saras Gebet kommt in der Tobiterzählung eine herausragende Position zu: Es folgt im Text unmittelbar auf das Bittgebet des alten Tobit, in dem dieser alte und blinde Mann, der zudem von seiner eigenen Frau verhöhnt wird, ebenfalls Gott darum bittet, bald sterben zu dürfen. Unmittelbar im Anschluss an diese Gebete, die zeitgleich erfolgen19, geschieht dann auch der entscheidende 17

  Zur Endogamie in der Tobiterzählung generell T. Hieke, Endogamy in the Book of Tobit, Genesis, and Ezra-Nehemiah, in: G. Xeravits / J. Zsengellér (Hg.), The Book of Tobit. Text, Tradition, Theology. Papers of the First International Conference on the Deuterocanonical Books, Pápa, Hungary, 20 – 21 May, 2004, JSJ.S 98, Leiden 2005, 103 – 120; U. Kellermann, Eheschließungen im frühen Judentum. Studien zur Rezeption der Leviratstora, zu den Eheschließungsritualen im Tobitbuch und zu den Ehen der Samaritanerin in Johannes 4, Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 21, Berlin / Boston 2015, 141 – 150; G. D. Miller, Marriage in the Book of Tobit, Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 10, Berlin / Boston 2011, 53 – 82; T. Nicklas, Marriage in the Book of Tobit: A Synoptic Approach, in: Xeravits / Zsengellér, The Book of Tobit (s. o.), 139 – 145; zum Verwandtschaftssystem s. P. Deselaers, Das Buch Tobit. Studien zu seiner Entstehung, Komposition und Theologie, OBO 43, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1982. Zum Ganzen s. B. Ego, »Nimm dir eine Frau aus dem Geschlecht deiner Väter« (Tob 4,12). Die Rezeption der Erzelternerzählung im Tobitbuch, in: M. G. Brett / J. Wöhrle (Hg.), The Politics of the Ancestors: Exegetical and Historical Perspectives on Genesis 12 – 36, FAT 124, Tübingen 2018, 385 – 399. 18   Vgl. hierzu im Einzelnen B. Ego, »Denn er liebt sie . . .« (Tob 6,15 Ms 319). Zur Rolle des Dämons Asmodäus in der Tobiterzählung, in: A. Lange / H. Lichtenberger / K. F. Römheld (Hg.), Die Dämonen. Demons, Tübingen 2003, 309 – 317. 19   Hierzu u. a. di Lella, Prayers (s. Anm. 7), 108.

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Wendepunkt der Erzählung: Die Gebete dieser beiden Frommen werden von Gott erhört, so dass dieser den Engel Rafael aussendet, »die beiden zu heilen: Tobit, indem er die weißen Flecken von seinen Augen löste, damit er mit den Augen das Licht Gottes sähe, und Sara (die Tochter des) Raguel, indem er sie Tobias, dem Sohn des Tobit, zur Frau gebe und den bösen Dämon von ihr löste« (Tob 3,16 f.  – G II). Bekanntlich gelingt es schließlich Tobias, mit Hilfe des Engels Rafael den Dämon durch den Geruch von Räucherwerk zu vertreiben und im fernen Ägypten zu fesseln. So steht einer glücklichen Verheiratung der beiden Protagonisten dieser Erzählung nichts mehr im Wege, und sie können die Hochzeitsnacht ohne weitere Zwischenfälle verbringen (Tob 8). Saras Bittgebet ist aber nicht ihre einzige religiöse Aktivität. Auch wenn sie insgesamt im Verlaufe der Handlung eher passiv wirkt, so spricht sie doch nach der Vertreibung des Dämons gemeinsam mit ihrem Manne Tobias ein Gebet, in dem sie Gott für seine Rettungstat preisen (Tob 8,4 – 8 G II; in G I betet Tobias allein).20 Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Sara im Kontext der Tobiterzählung vor allem als eine Beterin vorgestellt wird, die ihr Geschick ganz dem Willen Gottes anheimstellt. In ihrer Beteuerung ihrer Reinheit und Unschuld klingt zudem an, dass sie ihr Leben am Willen Gottes und der Tora ausrichtet. Dasselbe Motiv eines torakonformen Handelns ergibt sich zudem – zumindest implizit – auch durch ihre Heirat mit Tobias, wenn sie damit das Endogamiegebot als Teil der göttlichen Tora erfüllt und eine Verbindung eingeht, die vom Himmel her für die beiden bestimmt ist.

2.  Die Figur der Ester in den »Zusätzen zu Ester« Die griechische Version der Estererzählung in der Septuaginta, die spätestens zu Beginn des 1. Jh.s v. Chr. entstanden ist21, unterscheidet sich bekanntermaßen von der Estererzählung der Hebräischen Bibel durch die sog. Zusätze22 sowie durch weitere mehr oder weniger umfängliche Änderungen in der Wiedergabe 20

  S. hierzu auch McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 83 f.   Zu Einleitungsfragen s.  I. Kottsieper, Zusätze zu Ester und Daniel, in: O. H. Steck /  R. G. Kratz / I. Kottsieper (Hg.), Das Buch Baruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel, ATD.A 5, Göttingen 1998, 111 – 207 (121 – 131); U. Mittmann-Richert, Historische und legendarische Erzählungen, JSHRZ VI / I; Supplementa: Einführung zu den Jüdischen Schriften, Gütersloh 2000, 97 – 102; C. A. Moore, Daniel, Esther and Jeremiah. The Additions, The Anchor Yale Bible Commentaries 44, Garden City 1977, 153 – 172. 22   S. hierzu A 1 – 11: der Traum Mordekhais; A 12 – 17: die Aufdeckung der Verschwörung durch Mordekhai; B 1 – 7: das Edikt gegen die Juden; C 1 – 11: das Gebet Mordekhais; C 12 – 30: das Gebet Esters; E 1 – 24: das Edikt zugunsten der Juden; F 1 – 10: die Deutung von Mordekhais Traum; F 11: der Kolophon des griechischen Esterbuches. Zum Ganzen s. Kottsieper, Zusätze (s. Anm.  21), 117 – 121; Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 99. 21

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des hebräischen Texts selbst23. Wenn hier das spezifische Profil der Frömmigkeit Esters besprochen werden soll, so ist an erster Stelle auf Esters Audienz beim König zu verweisen, in der die Königin um das Leben ihres vom Tode bedrohten Volkes bittet. Da jeder, der ohne Einladung beim König erscheint, sterben muss und die Königin bereits seit dreißig Tagen nicht mehr zum König gerufen wurde, riskiert sie mit dieser Aktion ihr Leben. Während die hebräische Version der Estererzählung nur knapp und mit wenigen nüchternen Worten auf diese Zusammenhänge eingeht, fügt der Erzähler der griechischen Version sowohl ein Gebet Esters ein, das durch eine kurze Einführung eingeleitet wird (C 12 – 30)24, als auch eine Erweiterung der Audienzszene in Est 5,1 – 3 (D 1 – 16)25. Typisch für diese Ergänzung des hebräischen Erzählstoffes ist dessen Emotionalisierung, die wohl auf Einflüsse aus der griechischen Tragödie zurückzuführen ist. Die narrative Funktion einer solchen emotionalen Ausgestaltung des Erzählstoffes besteht offensichtlich darin, die Aufmerksamkeit der Leser auf Esters Gebet zu lenken und dieses somit im Gesamtkontext nachdrücklich zu fokussieren.26 Wie I. Kottsieper in seiner Kommentierung der Zusätze festgestellt hat, weist Esters Gebet zwei Stränge auf: Zum einen finden sich Wir-Aussagen, die »mit einer kurzen Anrede Gottes, einem Rückblick auf die heilvolle Geschichte, einer breiten Schilderung der Bedrohung und einer Bitte um Hilfe und Rettung deutliche Elemente zeigen, die in den Volksklagen begegnen. Diese Aussagen ergeben einen in sich geschlossenen, poetischen Text mit deutlichem Parallelismus membrorum« (V. 14 – 23a.30*). Zum anderen spricht Ester aber auch »in Ich-Aussagen von sich und ihrer persönlichen Not. Diese Teile spiegeln die Situa­tion Esters, die sich darauf vorbereitet, unangemeldet vor dem Großkönig zu erscheinen, gut wider« (V. 23b – 29*). Diese Verbindung der beiden Teile in Esters Gebet ist insofern wichtig, da der Redaktor so deutlich macht, »daß Ester für ihr gesamtes Volk Retterin ist und sich nicht auf ihre privaten Nöte zurückzieht. Ester macht sich im wahrsten Sinne des Wortes die Not ihres Volkes zu eigen und wird so zum Mittelpunkt des Geschehens.«27 23   S. z. B. D 1 – 16 mit der Erzählung von Esters Audienz beim König. Eine gute und schnelle Übersicht bietet LXX.Deutsch, wo die Änderungen gegenüber dem hebräischen Text kursiv hervorgehoben werden. 24   Zum Gebet Esters McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 37 – 40; J. Marböck, Das Gebet der Ester. Zur Bedeutung des Gebets im griechischen Esterbuch, in: Egger-Wenzel / Corley, Prayer (s. Anm.  7), 73 – 94; Moore, Additions (s. Anm.  21), 208 – 215; Kottsieper, Zusätze (s. Anm. 21), 166 – 178. 25   Zur Audienzszene s.  Kottsieper, Zusätze (s.  Anm. 21), 179 – 186; Moore, Additions (s. Anm.  21), 216 – 225. 26  S. hierzu B. Ego, Prayer and Emotion in the Septuagint of Esther, in: S. C. Reif / R. EggerWenzel (Hg.), Ancient Jewish Prayers and Emotions. Emotions Associated with Jewish Prayer in and around the Second Temple Period, Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 26, Berlin / Boston 2015, 83 – 93. 27   Kottsieper, Zusätze (s. Anm. 21), 169.

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Wenn wir uns zunächst dem ersten Teil des Gebets zuwenden, so ist festzustellen, dass Ester ihre Bitte, Gott möge ihr in ihrer großen Gefahr zur Hilfe kommen, in mehrfacher Hinsicht unterstützt. So verweist sie auf die Erwählung des Gottesvolkes, von der sie im Rahmen ihrer Erziehung gehört hat (C 16). Durch die Referenz auf die Vermittlung des Glaubenswissens im Kontext der Familie bindet sich Ester explizit in die Geschichte ihres Volkes ein. Daran schließt ein kollektives Sündenbekenntnis, das den Grund für die Auslieferung Israels darin sieht, dass Israel die Götter seiner Feinde verehrt habe (C 17.18a). Nach dem Ausruf »Du bist gerecht, Herr!« (C 18b) folgt ein Klageteil, der Gott wiederum zum Einschreiten bewegen soll. Weil Israel andere Götter angebetet hat, haben nun die Heiden bei ihren Götterbildern geschworen, Gottes Losanteil auszulöschen, das Gotteslob zu unterbinden und den Glanz seines Hauses und seines Brandopferaltars verglimmen zu lassen. Gott aber soll helfend für sein Volk einschreiten, so wie er es auch einst bei ihren Vätern getan hat. Explizit rekurriert Ester hier auf die Zerstörung des Tempels, wobei die Schmach, die Israel dadurch zugefügt wurde, Gott wiederum zur Hilfe motivieren soll (C  19 – 23a). Im zweiten Teil des Gebets, dem »Ich-Teil«, der direkt auf Esters Situation zugeschnitten ist, betet die Königin dann darum, dass Gott sie ermutigen möge, sie vor dem »Löwen«, d. h. also vor dem übermächtig und gefährlich erscheinenden König, das rechte Wort finden zu lassen, und dass er den Sinn des Königs dahingehend wende, ihren Widersacher und seine Gesinnungsgenossen zu bekämpfen (C 23b.24). C 25b leitet dann einen Abschnitt ein, in dem Ester auf die Problematik ihrer Ehe mit dem heidnischen König eingeht. Explizit weist sie darauf hin, dass sie auch am Hofe des fremden Königs die jüdischen Speise­ bestimmungen einhalten kann; außerdem distanziert sie sich auch von dem geschlechtlichen Umgang mit dem unbeschnittenen König, wenn sie sagen kann, dass ihr die Krone ihrer Königsherrschaft so verhasst sei wie eine Monatsbinde. Diesem Vergleich wohnt eine Drastik inne, die sich im Hinblick auf den Ausdruck des Ekels kaum mehr überbieten lässt. Durch die Benutzung dieses drastischen Bildes kann Ester jedem Verdacht, dass sie den Luxus des Königinnen-Daseins genossen hätte, entgegenwirken. Dieses Bild, so I. Kottsieper, eignet sich deshalb zur Beschreibung der Situation Esters so gut, weil es »ein Argument impliziert, das Esters Situation verdeutlichen kann: So wie die Periode eine Frau verunreinigt, ohne daß dies die Schuld der Frau ist und diese dennoch als fromme Jüdin gilt, so wird die Lage der Ester zwar als eine Art Verunreinigung dargestellt, für die sie aber nicht verantwortlich gemacht werden kann. Es ist eben eine unausweichliche Zwangslage, in der sie sich befindet.«28 28

  Zum Ganzen s. Kottsieper, Zusätze (s. Anm. 21), 176: »Kaum überbietbar schildert das Gebet ihren innerlichen Abscheu gegenüber ihrer königlichen Würde (V. 27): die Gewänder, der Schmuck und alles andere Äußere, das sie als Königin auszeichnet und damit auch dem Vorwurf

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So distanziert sich Ester mit dem Hinweis auf ihre Gefühle des Hasses und Ekels hier ganz eindeutig von ihrer Rolle als Königin am persischen Hof und von dem geschlechtlichen Umgang mit einem Unbeschnittenen. Auffällig ist, dass in diesem Kontext gleich zweimal der griechische Begriff βδελύσσομαι verwendet wird, der häufig in der Septuaginta im Kontext mit ritueller Unreinheit steht. Dabei sind es insbesondere pagane Elemente, die von der biblischen Tradition mit dieser Begrifflichkeit in Verbindung gebracht werden.29 Im Gesamtkontext des Gebets dient diese Passage zwar der Entlastung Esters, dennoch hat diese Figur durch ihre Ehe mit dem heidnischen König, so sehr sie sich auch innerlich davon distanzieren vermag, einen ambivalenten Charakter. Von hier aus legt sich eine historisch-theologische Kontextualisierung der Figur Esters im Zusammenhang mit der hellenistischen Krise nahe. Wie U. Mittmann in ihrer Charakterisierung der griechischen Esterversion deutlich gemacht hat, ist die theologische Bearbeitung des hebräischen Stoffes mehr als nur eine Reaktion auf die Tatsache, dass der hebräische Text keine explizite Gottesrede enthält. Vielmehr liegt der theologische Schlüssel zum Verständnis dieser Erzählung in der Erkenntnis, dass die griechische Esterversion aus der besonderen historischen Situation der überstandenen Religionsnot während der Regierung des seleukidischen Königs Antiochus IV. (175 – 164 v. Chr.) heraus zu verstehen ist.30 Aufgrund eines komplexen Zusammenspiels verschiedener politischer und religiöser Faktoren war das palästinische Judentum bekanntermaßen zur Zeit des Königs Antiochus IV. damit konfrontiert, dass die Ausübung seiner Religion unter Todesstrafe gestellt (vgl. 2 Makk 6,1 – 11.18 – 31; 7,1 – 42) und der Jerusalemer Tempel dem Zeus Olympios geweiht wurde (2 Makk 6,2). Damit war dieser nach jüdischem Verständnis unrein und für den Kult, über den der Gotteskontakt hergestellt wurde, unbrauchbar.31 Wie vor allem das 2. Makkabäerbuch deutlich zeigt, wurde diese Notsituation auf den Zorn Gottes (2 Makk 7,38; s. a. 6,12 – 17) und  – so können wir es interpretieren  – auf die Schuld des Volkes zurückgeführt, die wohl darin gesehen wurde, dass sich zumindest Teile aus dem Volk der hellenistischen Lebensart und Vorstellungsdes Stolzes, des Hochmutes aussetzen kann, haben für sie nichts Stolzes oder Auszeichnendes, sondern sind für sie beschmutzend wie eine Monatsbinde«, d. h. sie vergleicht ihr Königsein mit der weiblichen Unreinheit. Zum Bild der Monatsbinde s. Jes 64,5. Zu C 26 – 29 insgesamt s. Marböck, Gebet (s. Anm. 24), 87 f. 29   Hierzu s. W. Foerster, Art. βδελύσσομαι, βδέλυγμα, βδελυκτός, ThWNT 1 (1957), 598 –  600. 30   Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 103. 31   Zu den politischen Ereignissen und möglichen Erklärungen für die sog. »Religionsverfolgung« s. P. Schäfer, Geschichte des Judentums in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander d. Großen bis zur arabischen Eroberung, Tübingen 22010, 42 – 56 (mit Hinweisen auf die ältere Forschungsliteratur); aktuell zum Thema s. B. Eckhardt, Ethos und Herrschaft. Politische Figurationen jüdischer Identität von Antiochus III. bis Herodes I., SJ 72, Berlin 2013, 47 – 59, der sich für eine politische Erklärung der Ereignisse unter Antiochus IV. ausspricht.

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welt geöffnet hatten. Mit der Verfolgung und der Entweihung des Heiligtums hatte Israel also nach seinen eigenen Deutekategorien »die Gottesferne des Zion« erfahren.32 Für die Gestalt der Ester bedeuten diese Zusammenhänge, dass sie in ihrer Schuldverstrickung und ihrem Streben nach Entschuldung als Repräsentantin ihres Volkes verstanden werden kann.33 Als Fazit ist festzuhalten, dass Ester in dieser Erzählung als fromme Beterin erscheint, die ihrem Gebet durch den Selbstminderungsritus des Fastens besonderen Nachdruck verleiht. Wichtig für ihre Frömmigkeit sind zudem ihre Betonung des korrekten halakhischen Handelns und die Tatsache, dass sie durch ihre eigene Schuldverstrickung als Repräsentantin der Schuld ihres Volkes erscheint und sich mit dieser aktiv auseinandersetzt, indem sie Gott um Vergebung und rettende Zuwendung bittet.

3.  Die Juditerzählung Als letztes Beispiel für die spezifische Darstellung der Religiosität von Frauenfiguren in den Apokryphen sei hier auf die Figur der Judit in der gleichnamigen Erzählung verwiesen. Wie in der Estererzählung liegt auch in dieser Erzählung, die in das ausgehende 2. Jh. v. Chr. zu datieren ist und ebenfalls die überstandene Religionsnot zur Zeit des Antiochus IV. widerspiegelt,34 eine Gefährdung 32   Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 103. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass der Erzähler des 2. Makkabäerbuches den Aufstand der Makkabäer gegen die verhasste Fremdherrschaft, der von fast unvorstellbaren militärischen Erfolgen gekennzeichnet war, mit einem Gebet beginnen lässt, in dem Judas, der zunächst den Aufstand anführt, Gott darum bittet, dass er sich seines Volkes wieder erbarmen möge. Wenn hier zudem die Rede davon ist, dass Gott »auf das zu ihm aufschreiende Blut hören möge« (2 Makk 8,3), so wird auch deutlich, dass für das Gelingen des Aufstandes aus theologischer Sicht neben einer dezidierten Gebetsfrömmigkeit auch eine ausgeprägte Märtyrertheologie eine bedeutende Rolle spielte. Zur Märtyrer­ ideologie s. J. W. van Henten, Die Entstehung der jüdischen Martyrologie, StPB 38, Leiden 1989. 33   Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 105: »Esther selbst erkennt in ihrem Gebet die Schuld als die sie in ihrer Stellung am heidnischen Hof ständig bedrängende Gefahr (C 15). Sie nimmt sie auf sich in einer Weise, die das Schuldigwerden kommender Generationen, speziell der Judenschaft des 2. Jh.s v. Chr. miteinschließt (C 17 – 21). Esther erweist sich damit als die wahre Repräsentantin des in die innere und äußere Verstrickung geratenen jüdischen Volkes und in dieser Situation als das Vorbild demütiger Selbsterniedrigung, dem einzigen Weg zur heilvollen Befreiung aus Schuld und Verfolgung. Die sündhafte Verstrickung selbst wird in diesem Zusammenhang subtil als gleichzeitig innerer und äußerer Vorgang dargestellt. Als Quelle aller aktuellen Verfehlung erscheint die heidnische Gemeinschaft und der Drang nach Anteilnahme an ihrem Leben. Da dieses seine eigenen Gesetze hat, muß es zum Konflikt mit dem Gottesgesetz kommen. Esthers innere Distanz ist nur die Kehrseite eines nach fremden Gesetzen und darum in Zwänge geratenen Lebens (C 27 – 29).« 34   Für Einleitungsfragen s. H. Engel / B. Schmitz, Judit, HThKAT 20, Freiburg 2014, 50 – 63; insbes. zur Entstehungszeit ebd. 61 – 63; H. Engel, Das Buch Judit, in: E. Zenger u. a. (Hg.), Einleitung in das Alte Testament (s. Anm. 6), 363 – 377; insbes. zur Entstehung: 371 f.; Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 82 – 89; Zitierung der Texte nach Septuaginta Deutsch (s. Anm. 5).

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vor, die das jüdische Volk in seinen Grundfesten bedroht. Denn es ist nicht nur die Stadt Betulya, die durch das assyrische Heer und den König Nebukadnezar bedroht ist, sondern auch die heilige Stadt Jerusalem selbst und damit der Tempel.35 Dank des Mutes und der List der schönen und klugen Judit, die das Werkzeug der göttlichen Hilfe wird, gelingt es aber, diese elementare Bedrohung von Israel abzuwenden und den Feind zu besiegen. Im Hinblick auf die Frage nach der spezifischen Frömmigkeit der Figur der Judit können hier ganz unterschiedliche Aspekte angeführt werden, die sich am besten durch einen kursorischen Überblick erschließen: Nachdem die Ältesten der Stadt Betulya beschlossen haben, sich dem Feind kampflos zu ergeben, bewegt die schöne Witwe diese zum Umdenken. In einer langen Lehrrede interpretiert sie das gegenwärtige Geschick des Volkes als eine von Gott verhängte Prüfung und leitet daraus die Verantwortung der Ältesten zum Eingreifen ab (Jdt  8,11 – 27).36 Nachdem Usija als Sprecher der Ältesten Judits Weisheit und Gottesfurcht bestätigt hat und er sie darum bittet, für das Volk um Regen zu beten (Jdt 8,28 – 31), kündigt Judit – ohne auf weitere Details einzugehen – an, dass sie mit ihrer Magd aus der belagerten Stadt hinausgehen und Gott innerhalb weniger Tage Israel durch ihre Hand heimsuchen werde (ἐπισκέψεται κύριος τὸν Ισραηλ ἐν χειρί μου – Jdt 8,33). Daraufhin wendet sich Judit zunächst mit einem Bittgebet an Gott, um ihn um seinen Beistand anzurufen (Jdt 9,2 – 14).37 In diesem Kontext erinnert sie zunächst an die Geschichte der Dina, bei der Gott selbst ein Schwert zur Bestrafung der Andersstämmigen in die Hand Simeons gegeben hat (Jdt 9,2). Da die biblische Vorlage in Gen 34 dieses Moment der Aktivität Gottes nicht kennt, wird deutlich, dass hier Judits eigene Interpretation des Geschehens zum Ausdruck kommt.38 Zweimal greift Judit dann in ihrem Gebet um göttliche Hilfe auf das Motiv der Hand zurück, wenn sie zum einen Gott darum anfleht, seinen Zorn auf die Feinde zu schicken und in ihre, »der Witwe Hand, die Kraft« für ihren Plan zu geben (ἀπόστειλον τὴν ὀργήν σου εἰς κεφαλὰς αὐτῶν, δὸς ἐν χειρί μου τῆς χήρας ὃ διενοήθην κράτος – Jdt 9,9) bzw. den Hochmut der Feinde »durch die Hand einer Frau« zu zerschmettern (θραῦσον αὐτῶν τὸ ἀνάστεμα ἐν χειρὶ θηλείας – Jdt 9,10). Diese Referenz sowie auch Judits Verweis auf ihren Status als Witwe bzw. ihre Bitte, dass der Feind durch die Hand einer Frau zu 35   Vgl. hier insbesondere Jdt 4,2 f.11 – 15; 8,21; 9,8. Zur Bedeutung von Tempel und Tempelkult in der Juditerzählung s. B. Schmitz, Gedeutete Geschichte. Die Funktion der Reden und Gebete im Buch Judit, HBS 40, Freiburg i. Br. 2004, 229 – 232; s. a. den E. Juhl Christiansen, Judith: Defender of Israel – Preserver of the Temple, in: G. Xeravits (Hg.), A Pious Seductress. Studies in the Book of Judith, Deuterocanonical and Cognate Literature Studies 14, Berlin / Boston 2012, 70 – 84. 36   Ausführlich zur Rede Judits in Jdt 8,11 – 27, s. Schmitz, Geschichte (s. Anm. 35), 151 – 222. 37   Zum Gebet der Judit McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 47 – 51; Engel / Schmitz, Judit (s. Anm.  34), 267 – 304. 38   Vgl. hierzu Gen 34,25; zum Ganzen s. Engel / Schmitz, Judit (s. Anm. 34), 274 – 278.

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Fall kommen möge, kann dabei als Ausdruck einer weiblichen Gebetsperspektive bezeichnet werden.39 Wenn sich Judit daraufhin in das Lager des Feindes begibt, so ist entscheidend, dass sie dort als fromme und toratreue Jüdin agiert, die auf ihre Reinheit bedacht ist, auf die Kraft des Gebetes vertraut und in einem nationalen Kontext handelt. Sie nimmt ihr eigenes Essen mit (Jdt 10,5) und entsagt jeglicher anderer Speise (Jdt 12,2.19). In der Nacht verlässt sie das Lager, um sich zu reinigen (Jdt 12,7) und um zu Gott zu beten (Jdt 11,17). Im Zusammenhang mit der Tötung Holofernes’ spricht Judit zwei weitere, kurze Gebete, in denen sie Gott um seinen Beistand bittet. Ausdrücklich macht sie hier deutlich, dass ihr Handeln im Horizont der Rettung Jerusalems und ihres Volkes steht (Jdt 13,4 – 7).40 Durch ihre unerschrockene Kampfbereitschaft knüpft Judit an die Vorbilder wie Debora oder Jael an.41 Schließlich, nach erfolgter Tat und nachdem sie das Lager verlassen hat, preist Judit ihren Gott für seine Rettung, wobei sie wiederum betont, dass Holofernes durch ihre Hand zu Fall gekommen sei (Jdt 13,14 – 16).42 Für die gesamte Erzählsequenz ist auffallend, dass Judits Gebete in die Handlung miteinbezogen werden. So gibt Judit gegenüber Holofernes an, dass sie durch die Gebete, die sie des Nachts außerhalb des Lagers verrichtet, von Gott die Kunde über die Verfehlungen ihrer Landsleute bekommen würde und sie ihm dann mitteilen könne, wann der Zeitpunkt gekommen sei, um gegen Jerusalem zu ziehen und es einzunehmen (Jdt 11,18 f.). Da Judit ihr abendliches Gebet außerhalb des Lagers verrichtet, kann sie dieses auch nach der Tötung des Holofernes ohne weitere Probleme verlassen (Jdt 13,10). Der Abschluss der Erzählung kann als ein Diskurs um die Rolle Gottes bei der Rettung des jüdischen Volkes verstanden werden43, der wiederum Konsequenzen für die Charakterisierung der Frömmigkeit Judits hat. Nach dem Sieg über Holofernes und nachdem es den Bewohnern von Betulya gelungen war, das Lager der Assyrer einzunehmen, preisen der Hohepriester Joakim und die Ältestenschaft Judit für ihre Tat, und das Volk bestätigt dies mit »So sei es!« (Jdt 15,8 – 10). 8 Und der Hohepriester Joakim und die Ältestenschaft der Israeliten, die in Jerusalem wohnten, kamen, um das Gute anzuschauen, das der Herr für Israel getan hatte (τοῦ θεάσασθαι τὰ ἀγαθά, ἃ ἐποίησεν κύριος τῷ Ισραηλ), und um Judith zu sehen und sie zu beglückwünschen. 9 Als sie aber bei ihr eintraten, lobten all sie einmütig und sagten zu 39

 S. hierzu McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 48 – 51.   Hierzu knapp McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 51 f. McDowell verweist hier insbesondere auf den Aspekt der rituellen Reinigung. 41  S. hierzu C. Rakel, Judit – über Schönheit, Macht und Widerstand im Krieg. Eine feministisch-intertextuelle Lektüre, BZAW 334, Berlin 2003. 42   Zu diesem Gebet ganz kurz McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 52 f. 43   S. ausführlicher zu diesen Zusammenhängen B. Ego, Der Engel Rafael und die Witwe Judit: Aspekte vermittelter Gottespräsenz in den Apokryphen, in: A. Taschl-Erber / I. Fischer (Hg.), Vermittelte Gegenwart: Konzeptionen der Gottespräsenz von der Zeit des Zweiten Tempels bis Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr., WUNT I / 367, Tübingen 2016, 11 – 30. 40

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ihr: Du bist die Erhöhung Jerusalems, du bist der große Ruhm Israels, du bist der große Stolz unseres Volkes. 10 Du hast dies alles mit deiner Hand getan (ἐποίησας ταῦτα πάντα ἐν χειρί σου, ἐποίησας τὰ ἀγαθὰ μετὰ Ισραηλ), du hast das Gute für Israel getan, und Gott hatte Gefallen daran (καὶ εὐδόκησεν ἐπ᾽ αὐτοῖς ὁ θεός). Sei gesegnet beim Herrn, dem Allmächtigen, für ewige Zeit.

Das Motiv der göttlichen Hilfe wird hier zwar durch die Erzählerstimme formuliert (Jdt 15,8); die Figurenstimmen des Priesters und der Ältesten dagegen schreiben diese Rettungstat allein der Hand Judits zu, wohingegen Gott selbst in der Rolle dessen ist, der diesem Handeln seine Wertschätzung und Zustimmung entgegenbringt (»εὐδόκεω«) (Jdt 15,9 f.). Bezeichnenderweise erscheint das Verb »εὐδόκεω« nur an dieser Stelle in der Juditerzählung, und so kann festgestellt werden, dass es der Erzähler hier offenzulassen scheint, ob der Priester und die Ältesten tatsächlich die göttliche Rettung hinter den Ereignissen sehen oder doch mehr die Aktivität Judits betonen wollen.44 Auch in den Lobgesängen der Männer, die die Reigentänze der Frauen nach der dreißigtätigen Plünderung des Lagers begleiten (Jdt 15,12 f.), wird das Rettungsgeschehen mittels der Figurenstimmen mit Judits eigener Kraft in Verbindung gebracht. Zudem steht diese Szene in einem engen Bezug zum göttlichen Herrscheranspruch Nebukadnezars: Wenn Judit einen Kranz von Ölzweigen auf dem Haupt trägt und die sie begleitenden Frauen Thyrsoszweige in den Händen halten, zeigt sich hier ein Reflex auf den griechischen Herrscherkult. Wie B. Schmitz deutlich gemacht hat, erinnert der Olivenkranz an die Siegerehrung bei den Olympischen Spielen und charakterisiert Judit somit als »Siegerin von Olympia«. Die Thyrsoszweige wiederum, welche die Frauen tragen, spielen beim Dionysoskult eine wichtige Rolle, da Frauen in diesem Kontext mit solchen Zweigen wie die Mainaden ihrem Gott entgegenziehen. Eine solche implizite Aktualisierung des Dionysoskultes ist wiederum im Kontext des hellenistischen Herrscherkultes zu verstehen, da sich gerade die Ptolemäer mit Dionysos identifizierten und sich seinen Namen als Beinamen zulegen konnten. Insofern verweist die Anspielung von Dionysos auf den hellenistischen Herrscherkult und korrigiert diesen: Es war zunächst eben kein griechischer Herrscher, der den Sieg in der Schlacht für sich beanspruchen kann, sondern vielmehr eine jüdische Frau.45 Das folgende Preislied Judits auf den Gott Israels (Jdt 15,14 – 16,17), mit dem Judit die jubelnde Menge zum Jerusalemer Tempel führt, um dort die Beute 44   Vgl. dagegen Engel / Schmitz, Judit (s. Anm. 34), 391, wonach der Hohepriester und die Ältesten die Ereignisse theologisch richtig deuten. Danach ist Gott »kein deus ex machina, der von außen in die geschichtlichen Abläufe eingreift, er handelt ›durch (die Hand von)‹ Menschen. Judit hat bei ihrer Tat allein das volle Risiko getragen und wusste sich dabei vor Gott verantwortlich, sie hat auf biblische Vorbilder geschaut, nach den Geboten Gottes gelebt und von ihm alle Kraft und Gelingen erbeten [. . .] ›und Gott hatte Gefallen daran‹ (Jdt 15,10)«. 45   S. hierzu die Referenzen bei Schmitz, Geschichte (s. Anm. 35), 353. Generell zum Herrscherkult s. H.‑J. Gehrke, Der siegreiche König. Überlegungen zur Hellenistischen Monarchie, AKuG 64 (1982), 247 – 277.

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aus der Schlacht dem Gott Israels zukommen zu lassen (Jdt 16,18 – 20), führt den Diskurs fort. Explizit kann Judit in ihrem Lobpreis dann formulieren, dass Gott es war, der sie der Hand ihrer Verfolger entrissen (Jdt 16,2) und die Feinde durch die Hand einer Frau unwirksam gemacht habe (Jdt 16,5). So findet also eine deutliche Replik auf die Rede des Priesters und der Ältesten in Jdt 15,9 f. bzw. auf den Lobpreis der Frauen in 15,12 statt. Auch das Bild der Judit, die mit den Insignien des vergöttlichten Herrschers dargestellt wird, erfährt dabei eine eindeutige Korrektur, wenn sie nun deutlich macht, dass nur Gott allein die Verehrung und der Dank zukommen soll. Wichtig ist zudem, dass nun am Ende das Motiv des Tempels stark in den Vordergrund gestellt wird. Dabei ist das Heiligtum nicht nur das räumliche Ziel des Triumphzuges, sondern steht vielmehr auch in einem größeren symbolischen Zusammenhang: Durch den »Thyrsos«, der auch Terminus technicus für den Feststrauß des Laubhüttenfestes sein kann, werden im Rahmen der Beschreibung der Prozession zum Tempel Assoziationen an das Laubhüttenfest geweckt.46 Diese sind aber nicht nur allgemeiner Art, sondern intertextuell auch ganz spezifisch auf die Tempelweihe durch Salomo bzw. die Wiedereinweihung des Tempels durch die Makkabäer zu beziehen. Beide fanden nach biblischer Überlieferung an einem Laubhüttenfest statt (2 Makk 10,6; s. a. 1 Kön 8,2.62 – 66; 1 Makk 4,52). Somit kommt Judits Zug zum Tempel in symbolischer Art und Weise einer Neueinweihung des Heiligtums gleich. Im Gesamtkontext der Erzählung korrespondiert dieses Motiv mit der Bedrohung des Tempels, das durch die Aggression Nebukadnezars am Anfang der Geschichte zum Ausdruck gebracht wurde.47 So wird durch diese triumphale Abschlussszene ganz deutlich: Gott ist der wahre Herrscher, und ihm gebührt die Verehrung in seinem Tempel in Jerusalem durch die Darbringung von Opfer- und Weihegaben.48 Wenn Judit den Feind überwältigt und ihr Zug zum Heiligtum auf symbolischer Ebene einer Wiedereinweihung des Tempels gleichkommt, so kann sie – um eine Formulierung U. Mittmanns aufzunehmen – geradezu als eine »Personifikation Israels, die um ihr Schicksal ringende Tochter Zions«, verstanden werden.49 Die engen Beziehungen der Erzählung zu der siegreichen Makkabäer­ zeit, die »in der Rückkehr des jüdischen Gottes auf den Zion kulminierten«, treten da am deutlichsten ans Licht, 46  So z. B. 2 Makk 10,7 oder Flav. Jos. Ant. 13,372; auf diesen Aspekt verweisen Engel /  Schmitz, Judit (s. Anm. 34), 393 f. 47   Zu diesem Aspekt s. Anm. 35. 48   Auch hier in diesem abschließenden Zug spielt das weisheitliche Element wieder eine Rolle, da in Jdt 16,15 f. die Überlegenheit der Gottesfurcht über die Opfer formuliert wird; dies dispensiert aber nicht die Bedeutung des Kultes; zum Verhältnis von Opfer und Gottesfurcht s. Schmitz, Geschichte (s. Anm. 35), 409 – 411. Zur weisheitlichen Dimension Judits s. auch I. Fischer, Gotteslehrerinnen. Weise Frauen und Frau Weisheit im Alten Testament, Stuttgart 2006, 93 – 96. 49  S.  hierzu die treffende Charakterisierung bei U. Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 89.

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wo in der Juditherzählung Jerusalem dann doch als der offizielle Bezugs- und Zielpunkt des Geschehens erscheint, nämlich als der Ort des Tempels und der hochpriesterlichen Weisung (4,2 f.8; 15,8; 16,18 – 20), den zu schützen und zu retten Judiths Tat eigentlich galt (8,21.24; 9,13). Ja, es dürfte kein Zufall sein, daß in Judith sogar namentlich das weibliche Pendant zu Judas erscheint, mit dem sich die Rettung und die Wiedereinweihung des Tempels personhaft verbindet. Aber Judith, »die Jüdin«, ist noch mehr. Sie ist die Personifikation Israels, das Abbild der Tochter Zion (vgl. 15,9; 16,4), die sich selbst aufmacht, ihr verlorenes Volk zu retten. Nicht umsonst erklingt das Siegeslied Judiths auf ihrem Weg zum Zion und findet dort die Übereignung des Kriegsbesitzes statt (vgl. Jes 62,10 – 12).50

Auch in diesem Kontext wird abschließend das weisheitliche Moment noch einmal eingespielt, wenn Judit darauf aufmerksam macht, dass die Opfer von der Gottesfurcht übertroffen werden.51 Möchte man an dieser Stelle ein knappes Fazit ziehen, so lässt sich ganz generell feststellen, dass auch für die Frömmigkeitspraxis der Judit dem Gebet, sei es als Bitte oder als Hymnus, eine ganz entscheidende Rolle zukommt. Neben das Element der Bitte tritt das der weisheitlichen Unterweisung; Judit ist eine Gotteslehrerin, die ganz selbstverständlich Theologumena der göttlichen Prüfung oder der Gottesfurcht in ihre Reden und Gebete einfließen lassen kann. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass auch Judit in halakhischer Hinsicht in idealer Art und Weise dargestellt wird. Sogar im Lager des Feindes scheut sie keine Mühe, die täglichen Waschungen durchzuführen und die Essensbestimmungen einzuhalten. Schließlich – und das ist sicherlich der bedeutendste Aspekt der Juditgestalt – ist festzuhalten, dass Judit als eine Repräsentantin Israels gesehen werden kann. Judit symbolisiert das Gottesvolk: seine Bedrohung, seinen Mut, Gottes Hilfe, seine Bindung an den Zion und seine Beziehung zu seinem Gott. Diese knappen Einzelanalysen lassen nun im Hinblick auf die Darstellung der Religiosität der Frauenfiguren in den Apokryphen folgende Schlussfolgerungen zu. 1. Im Tobitbuch, der griechischen Estergeschichte sowie in der Juditerzählung finden sich ganz unterschiedliche Frauengestalten: Der eher passiv wirkenden Sara stehen die aktiven Retterfiguren Ester und Judit gegenüber. Während aber Ester zum Handeln für ihr Volk überredet werden muss und diese aufgrund ihrer Ehe mit einem heidnischen König eher in einem ambivalenten Licht erscheint, fehlen in der Juditerzählung solche Zwischentöne. Haftet der Figur Esters geradezu etwas Tragisches an, so wird Judit als Retterin und Heldin in einem ungetrübten Licht gezeichnet. 2. Allen drei weiblichen Protagonistinnen, so unterschiedlich sie in ihren jeweiligen Charakteren auch sein mögen, ist gemeinsam, dass das Gebet die am 50

  Mittmann-Richert, Erzählungen (s. Anm. 21), 94.  Hierzu Schmitz, Geschichte (s. Anm. 35), 410.

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deutlichsten zu greifende Form religiöser Praxis darstellt. Hier ist an erster Stelle das Bittgebet zu nennen, in dem Gott um Hilfe in einer extremen und lebensgefährlichen Situation angefleht wird, die auf unterschiedliche Art und Weise die Existenz des gesamten Volkes betrifft. Während bei Sara dieser Zusammenhang eher durch die symbolische Bedeutung des Dämons und durch das der Erzählung inhärente Konzept der Endogamie zum Ausdruck kommt, ist die Bedrohung bei Ester und Judit ganz explizit politischer Art, da die Not des Volkes ein zentrales Thema der Handlung darstellt. Bei Judit und ansatzweise auch bei Sara korreliert dem Bittgebet ein Hymnus, der Gott für seine nunmehr erfolgten Rettungstaten preist. 3. Mit dem Motiv des Gebets knüpfen die apokryphen Überlieferungen eindeutig an die älteren Traditionen aus der Hebräischen Bibel an: Im Hinblick auf Judit erinnert man sich gleich an Mirjam, die nach dem Sieg über die Ägypter zur Pauke greift, ein Loblied auf Gottes Rettungshandeln anstimmt und so einen Reigentanz der anderen Frauen anführt (Ex 15,20 f.),52 oder an die Richterin und Prophetin Deborah, die Barak aus Naftali im Namen Gottes zur Schlacht gegen Sisera aufruft, ihm den Sieg über Sisera verheißt und nach der erfolgreichen Schlacht dann zum Gotteslob auffordert (Ri 4,5). Auch an Hanna wäre hier zu erinnern, die in ihrer Verzweiflung über ihre Kinderlosigkeit JHWH im Heiligtum in Silo aufsucht und das Gelübde ablegt, ihren künftigen Sohn JHWH zu geben (1 Sam 1,11). Wie Mirjam und Debora singt auch sie nach dem glücklichen Ausgang des Geschehens ein Loblied, in dem sie JHWH preist, »der den Armen aus dem Staub erhebt und ihn unter die Fürsten setzt« (1 Sam 2,1 – 10). Auffällig ist die Tatsache, dass sich in den älteren Überlieferungen der Hebräischen Bibel nur Hymnen, aber keine Bitt- oder Klagegebete finden. Andere religiöse Frauenaktivitäten, wie das Einholen eines Gottesbescheids (so die schwangere Rebekka – Gen 25,22), der Umgang mit Teraphim (so Lea und Rahel – Gen 31,34), das Ablegen von Gelübden (so Hanna – 1 Sam 1,11), die Darbringung von Opfern – sei es an JHWH (1 Sam 1,24 f.; 2,19; Ri 13,19; Lev  12; 15,25 – 30)53 oder an andere Gottheiten wie die Himmelskönigin (Jer  44,15 – 30)54 oder Tammuz (Ez 8,14)55 – spielen in den Apokryphen keine Rolle mehr. 4. Typisch für die Gebete der Frauen in den untersuchten Texten ist die Tatsache, dass alle in mehr oder weniger lockerer Verbindung mit dem Tempel stehen. Während Sara ihr Gebet am Fenster verrichtet und vermutet werden kann, 52  S. Engel / Schmitz, Judit (s. Anm. 35), 393; McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 53 – 55. Zur kultischen Bedeutung von Musik und Gesang im Kontext der Frauenfrömmigkeit s. Marsman, Women (s. Anm. 1), 553. 53   Marsman, Women (s. Anm. 1), 600. G. Braulik, Durften auch Frauen in Israel opfern? Beobachtungen zur Sinn- und Festgestalt des Opfers im Deuteronomium, LJ 48 (1998), 222 – 248. 54   Marsman, Women (s. Anm.  1), 599.607 – 609. 55   Marsman, Women (s. Anm. 1), 605.

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dass dieses nach Jerusalem hin orientiert ist, findet sich bei Ester eine Referenz auf die Zerstörung des Tempels, die als Schmach dargestellt wird. Den engsten Bezug zum Tempel weist die Juditerzählung auf, wo die Bedrohung der Leute von Betulya ganz eng mit der Bedrohung des Tempels verbunden ist und der Triumphzug nach der erfolgten Schlacht wiederum zum Tempel und zum Opfer am Tempel führt. Deutlich wird in dieser Erzählung aber auch, dass der Tempelkult allein nicht genügt, um dem Gott Israels Ehre zu erweisen; der Opferkult muss durch Gottesfurcht begleitet werden. Ein solcher Bezug zum Tempel hat ebenfalls eine längere Tradition, wobei sich deutliche Umbrüche feststellen lassen, wenn die biblischen Frauengestalten der Hebräischen Bibel ganz konkret Ortsheiligtümer aufsuchen, um dort zu opfern, ein Orakel JHWHs zu erfragen (so Rebekka), um die Geburt eines Sohnes zu erflehen bzw. Gott im Heiligtum für die Erhörung ihrer Bitte zu danken (Hanna). 5.  Eine weitere wichtige Thematik, die in hier untersuchten Texten erscheint, ist die halakhische Dimension der Religiosität der Frauen. Diese wird in unterschiedliche Richtungen hin entfaltet: Bei Sara sind die Hinweise auf einen solchen Zusammenhang zwar eher hintergründig, aber nichtsdestotrotz greifbar: So klingt das Thema des richtigen halakhischen Verhaltens in Saras Gebet zunächst durch die Begrifflichkeit der »Befleckung« an, die wohl sexuell konnotiert ist; zudem steht die Dimension des Toragehorsams im Hintergrund der Verwirklichung des Endogamiegebotes, da dieses in der Tobiterzählung integraler und bedeutsamer Bestandteil der »Tora des Moses« ist. Für Judit und für Ester wiederum spielt die Einhaltung der Speisegesetze eine wichtige Rolle. Ester betont zudem noch, dass sie die Nidda-Bestimmungen beachtet habe; bei Judit lässt sich diese Dimension des Toragehorsams indirekt durch den Hinweis auf die Waschungen außerhalb des Lagers erschließen. Auch dieser halakhische Aspekt knüpft an ältere Traditionen an. Insbesondere die Erzählung von Rahel und den gestohlenen Teraphim legt es nahe, dass Reinheitsvorstellungen bereits wesentlich zum israelitischen religiösen Symbolsystem gehören und tief in der israelitischen Lebenswelt verwurzelt sind. Auch die Erzählung von David, der Batseba beim Baden beobachtet, weist in diese Richtung (vgl. 2 Sam 11,2.4). Eine systematische Behandlung erfahren diese dann in gesetzlichen Bestimmungen wie Lev 15,19 – 24 oder Ez 18.56 Die Texte führen so ältere Traditionen der Reinheit von Frauen fort, wohingegen der Bezug auf die Speisegebote ein Spezifikum der antik-jüdischen Literatur zu sein scheint, da dieses in den älteren Texten der Hebräischen Bibel noch nicht zu finden ist. 6. Die Frage, ob wir es hier mit einem spezifisch weiblichen Ausdruck von Frömmigkeit zu tun haben, ist differenziert zu betrachten. Zunächst ist festzu56   Marsman, Women (s. Anm. 1), 539 – 543. Insbesondere zu David und Batseba s. M. Garsiel, The Story of David and Bathsheba: A Different Approach, CBQ 55 (1993), 244 – 262 (255).

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stellen, dass die Fokussierung auf das Gebet als solches, wie sie in den oben genannten Beispielen erfolgt, keineswegs eine typische weibliche Frömmigkeitsform darstellt. Sowohl die Tobit- als auch die griechische Estererzählung enthalten ja auch Bittgebete männlicher Figuren; darüber hinaus findet sich am Ende der Tobiterzählung auch ein Lobpreis Tobits, der wiederum mit Judits Lobpreis vergleichbar ist.57 Dieses Bild bestätigt sich, wenn man weitere Überlieferungen aus der Zeit des Zweiten Tempels in die Betrachtung miteinbezieht, in denen männliche Erzählfiguren als Beter auftreten – so z. B. den Gesang der drei Männer im Feuerofen in der griechischen Überlieferung des Danielbuches (Dan  3,24 – 90). Weiterführend ist zu überlegen, inwiefern die Inhalte dieser Gebete frauenspezifische Belange formulieren. In diesem Kontext hat S. Schorch in seinem Aufsatz »Genderising Piety«, in dem er die Gebete Mordechais und Esters miteinander verglichen hat, die These vertreten, dass Esters Gebet typisch weiblich sei, weil es durch den Rückgriff auf die Essensbestimmungen und die Reinheitsgebote eher privater Art sei. Mordechais Gebet aber habe, so Schorch, einen eher männlichen Charakter, da er sich für sein Verhalten direkt auf die Einzigkeit Gottes bezieht. We may thus conclude, preliminarily, and in a somewhat provocative way, that while Mordecai’s domain of Jewishness is the field of theology, Esther’s Jewish identity becomes manifest primarily in kitchen and bed.58

S. Schorch widerspricht damit der These M. McDowells, der in seiner Untersuchung »Prayers of Jewish Women« aus dem Jahre 2006 zu dem Schluss kommt, dass Esters Gebet wie die Frauengebete in der Literatur aus der Zeit des Zweiten Tempels im Wesentlichen keine genderspezifischen Inhalte aufweist.59 Abgesehen von der Frage, ob der Gegensatz »Privat« und »Öffentlich« ohne Weiteres auf die Genderperspektive übertragen werden kann, ist der These S. Schorchs entgegenzuhalten, dass Esters Gebet, selbst wenn es mit den Themen »Kashrut« und »Nidda« eher privaten Charakter zu haben scheint, insgesamt durchaus von öffentlichem Interesse ist, da es ja letztlich der Rettung ihres Volkes dient. Dies lässt sich im Hinblick auf die anderen Frauengebete in den Apokryphen festhalten: Wie oben bereits gesagt wurde, stehen die besagten Frauenfiguren mit ihrer Religiosität und ihrem Handeln in einem kollektiven Kontext. Die Notsituation, die in den jeweiligen Frauengebeten angesprochen wird, ist nicht nur auf frauenspezifische Probleme fokussiert, sondern auf kollektive Belange, da in allen Fällen die Perspektive der Existenz des Volkes insgesamt mitzubedenken ist. Die hier vorgestellten Frauen sind jeweils auf ihre 57

  Schmitz, Geschichte (s. Anm. 34), 480.   Schorch, Piety (s. Anm. 4), 38. 59   Schorch, Piety (s. Anm. 4), 40, verweist hier auf McDowell, Prayers (s. Anm. 3), 39.208. 58

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eigene Art und Weise »frauenspezifisch« in die Gefährdung ihres Volkes involviert und verlassen diesen Rahmen an keiner Stelle. 7. Typisch für diese Frauengestalten ist somit die Tatsache, dass das Handeln der Figuren in einen breiteren kollektiven Horizont eingebunden ist. Dies wird bei Judit und Ester am deutlichsten greifbar, da diese Figuren sich durch ihre Gebete für das Geschick ihres in seiner Existenz bedrohten Volkes einsetzen. Während Ester mit ihrer Fürbitte aus sich selbst heraus handelt, agiert Judit sowohl auf der Ebene der Erzählerstimme als auch auf der Ebene der Personenstimme als Medium der göttlichen Gegenwart und der göttlichen Hilfe. Bei Sara ist diese Dimension nicht ganz so offensichtlich, sie kann aber auf der Basis der Symbolik des Dämons Asmodäus und der Bedeutung der Endogamie herausgearbeitet werden. Gerade im Hinblick auf die politische Wirksamkeit der Frauengestalten knüpfen auch diese Traditionen an ältere Vorbilder an. Insbesondere sei hier auf die Gestalt der Richterin und Prophetin Debora verwiesen, die das Volk im Namen JHWHs zum Krieg gegen den Kanaanäer Sisera aufruft (Ri 4,6 f.), oder auf Jael, die Frau des Keniters Heber, die mit ihrer heimtückischen Ermordung des kanaanäischen Feldherrn Sisera wesentlichen Anteil am Sieg Israels gegen die Kanaanäer hat (Ri 5,24 – 27). Allerdings ist hier die religiöse Dimension der Handlung weniger offensichtlich. Als allgemeines Fazit kann festgestellt werden: Die religiöse Welt der Frauenfiguren konzentriert sich auf das Gebet sowie auf Einhaltung bestimmter halakhischer Bestimmungen, wobei das Motiv des Tempels im weiteren Horizont zu nennen ist. Damit fügt es sich bestens in die allgemein religionsgeschichtliche Entwicklung des antiken Judentums ein, die neben dem Tempelkult insbesondere durch das Gebet Formen privater Frömmigkeit entwickelt.60 Abgesehen von den geschlechtsspezifischen Belangen in Reinheitsfragen haben die Frauen­ figuren keine Sonderreligion. Sie dienen aber eindeutig als eine Art Projektions­ fläche für das Geschick ihres Volkes und stehen damit in einem kollektiven Horizont. Die Untersuchung weiterer Frauenfiguren aus der Literatur der Zeit des Zweiten Tempels hat dieses Bild zu ergänzen und zu vervollständigen.

60  Vgl. J. Newman, Praying by the Book. The Scripturalization of Prayer in Second Temple Judaism, Early Judaism and its Literature 14, Atlanta 1999.

Jüdische Liturginnen zur Zeit des zweiten Tempels Angela Standhartinger

In der Antike meint λειτουργία (gebildet aus λαός und ἒργον) den freiwilligen Dienst der und des wohlhabenden Einzelnen an der Gemeinschaft durch Übernahme einer häufig kostspieligen gemeinnützigen Aufgabe.1 Liturginnen dieser Art sind in der hellenistisch-römischen Antike nicht selten belegt.2 Daneben beschreibt λειτουργία auch den Dienst für eine Gottheit,3 z. B. in der Septuaginta den kultischen Dienst am Tempel.4 Im Folgenden soll es um diese zweite Bedeutung von Liturgie als Gottesdienst gehen. Ich möchte also nach Frauen fragen, die im antiken jüdischen Gottesdienst kultisch aktiv waren. Die Frage erscheint mir in der Qumranforschung aktuell. Zum einen wird seit der Edition der Sabbatopferlieder und der Gesamtedition der Hodayot die Bedeutung der Liturgie für die Frömmigkeit der Gemeinde(n) verstärkt gesehen.5 Vieles deutet darauf hin, dass die Gemeinde am himmlischen Gottesdienst teilnimmt, sei es in Nachahmung des Gottesdienstes der Engel, sei es in 1  Vgl. K. L. Noethlichs, Liturgie I, RAC 23 (2010), 208 – 290. Auch für das jüdische Politeuma ist diese Wortbedeutung belegt, vgl. Noethlichs, ebd., 223 f. 2   Vgl. hierzu E. Stavrianopoulou, »Gruppenbild mit Dame«. Untersuchungen zur rechtlichen und sozialen Stellung der Frau auf den Kykladen im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 42, Stuttgart 2006, 199 – 204. Stavrianopoulou weist dabei auch auf eine Entwicklung zwischen Hellenismus und römischer Zeit hin: »In der hellenistischen Zeit wird eine Frau als Individuum für ihre Taten geehrt, in der Kaiserzeit wurden dafür der gesamten Familie Ehrungen zuteil. Das Bild von der ›Bürgerin‹ der hellenistischen Zeit wird in der Kaiserzeit vom Bild der ›Ehefrau und Mutter‹ überlagert« (204). 3   Ex 37,17; Num 8,22; 16,9; 2 Chr 31,2 u. ö.; vgl. Lk 1,23; Hebr 9,21. Dass dies ohne Kenntnis einer vergleichbaren Entwicklung in der Umwelt geschah, wie Noethlichs, Liturgie (s. Anm. 1), 223, vermutet, scheint mir wenig sicher. Zwar scheint Arist.pol. 7,1330a an die öffentliche Finanzierung von Kulten zu denken, doch bezeugt Diodorus Siculus (1,21,7) im 1. Jh. v. Chr. für Ägypten den Gebrauch von λειτουργία neben θεραπεία als Aufgabe der Priester. 4   Vgl. Lk 1,23; Apg 13,2; Hebr 9,21; 10,11. 5   G. J. Brooke, Aspects of the Theological Significance of Prayer and Worship in the Qumran Scrolls, in: J. Penner / K. M. Penner (Hg.), Prayer and Poetry in the Dead Sea Scrolls and Related Literature (FS Schuller), StTDJ 98, Leiden u. a. 2012, 35 – 54. E. Schuller, Some Reflections on the Function and Use of Poetical Texts among the Dead Sea Scrolls, in: E. G. Chazon (Hg.), ­Liturgical Perspectives. Prayer and Poetry in Light of the Dead Sea Scrolls. Proceedings of the Fifth International Symposium of the Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls and Associated Literature, 19 – 23 January, 2000, StTDJ 48, Leiden u. a. 2003, 173 – 189.

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Gemeinschaft mit diesen.6 Zum anderen wird seit den 90er-Jahren die Präsenz von Frauen in den Höhlentexten gesehen. Frauen erscheinen nicht nur in exegetischen Traditionen wie den Mirjamtexten (4Q365 und 4Q543 – 547), auf die ich noch kurz zu sprechen komme. Immer mehr Referenzen auf Frauen werden inzwischen nicht nur in den Damaskus-Texten (CD und 4Q266 – 273),7 sondern auch z. B. in der Gemeinschaftsregel (Serekh Ha-Edah: 1QSa), der Tempelrolle (11QT) und weisheitlichen Texten (4QInstruction) entdeckt. Frauen erscheinen als Zeuginnen (1QSa 1,11), in Strafbestimmungen (4Q270 7,1; 13,5) und es gibt eine Reihe von Eheregeln (CD 4,20 f.; 5,9 – 11 / 11QT 66,15 – 17 etc.).8 Daher wird auch das für die Essener von Plinius (Naturgeschichte 5.17.4), Josephus (Bell. 2,120) und anderen gezeichnete Bild einer ausschließlichen Männergemeinschaft für Teilgruppen9 oder auch die ganze »Sekte« bezweifelt.10 Verschiedentlich wird reflektiert, mit welchen methodisch kontrollierten Kriterien man männlich grammatische Formen in den gruppenspezifischen Texten inklusiv

 6  1QHa 7,7; 11,20 – 23; 12,21 f.24 f.; 14,2 – 14; 19,10 –14; 23,2.10; 4Q327 7 i 9,13 – 18; 1QS 11,5 –  10; 1QSb 3,25 f., 4,24 – 26; 1QM 12,1 f.7 – 9. Zu dieser Liste vgl. P. S. Alexander, Mystical Texts. [Songs of the Sabbath Sacrifice and Related Manuscripts], Library of Second Temple Studies 61 = Companion to the Qumran Scrolls 7, London u. a. 2006, 101. Zu den Kategorien vgl. E. G. Chazon, Human and Angelic Prayer in Light of the Dead Sea Scrolls, in: dies., Liturgical Perspectives. Prayer and Poetry in Light of the Dead Sea Scrolls (s. Anm. 5), 35 – 47. Vgl. auch D. Dimant, Men as Angels. The Self-image of the Qumran Community, in: History, Ideology and Bible Interpretation in the Dead Sea Scrolls. Collected Studies, FAT 90, Tübingen 2014, 465 – 472. [Erstveröffentlichung: 1996]. P. Schäfer, Die Ursprünge der jüdischen Mystik, Berlin 2011, 163 – 216.  7   C. Wassen, Women in the Damascus Document, Academia biblica 21, Leiden u. a. 2005.  8   E. Schuller, Women in the Dead Sea Scrolls, in: M. O. Wise / N. Golb (Hg.), Methods of Investigation of the Dead Sea Scrolls and the Khirbet Qumran Site. Present Realities and Future Prospects, Annals of the New York Academy of Sciences 722, New York 1994, 115 – 131. Dies., Women in the Dead Sea Scrolls. Research in the Past Decade and Future Directions, in: A. D. Roitman / L. H. Schiffman (Hg.), The Dead Sea Scrolls and Contemporary Culture. Proceedings of the International Conference Held at the Israel Museum, Jerusalem (July 6 – 8, 2008), StTDJ 93, Leiden u. a. 2011, 571 – 588; T. Ilan, Women in Qumran and the Dead Sea Scrolls, in: T. H. Lim / J. J. Collins (Hg.), The Oxford Handbook of the Dead Sea Scrolls, Oxford u. a. 2010, 123 – 147.  9   Vgl. z. B. S. White Crawford, Not according to Rule. Women, the Dead Sea Scrolls and Qumran, in: S. M. Paul / R. A. Kraft (Hg.), Emanuel. Studies in Hebrew Bible, Septuagint and Dead Sea Scrolls (FS Tov), VT.S 94, Leiden u. a. 2003, 127 – 150. 10   Die frühe Identifikation der Autoren (und Autorinnen?) der gruppenspezifischen Texte mit den Essenern wird zunehmend fraglich, auch wegen der inzwischen immer deutlicher werdenden Tendenzen der Essenerdarstellungen bei Plinius, Josephus und in Eusebs Exzerpt (?) aus Philos Apologia pro Judaeis. Zu den ethnographischen und idealisierenden Tendenzen von Josephus’ Darstellung, vgl. W. Bauer, Essener, PRE.S 4 (1924), 386 – 430 und neuerdings S. Mason, Did the Essenes Write the Dead Sea Scrolls? Don’t Rely on Josephus, BArR 34 (2008), 61 – 65.81; Ders., Essenes and Lurking Spartans in Josephus’ »Judean war«. From Story to History, in: Z. Rodgers (Hg.), Making History. Josephus and Historical Method (JSJ.S 110), Leiden u. a. 2007, 219 – 261. Zu den Tendenzen der Evangelicae Praeparationes von Euseb vgl. S. Inowlocki, Eusebius and the Jewish Authors. His Citation Technique in an Apologetic Context (AGJU 64), Leiden u. a. 2006, 254 – 263. Siehe auch unten.

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oder exklusiv verstehen soll.11 Es ist daher wohl an der Zeit, das Bild der qumranischen Gottesdienste auf ihre Geschlechterbalance hin zu überprüfen. Muss man mit Devorah Dimant annehmen, dass sie im himmlischen Gottesdienst nicht repräsentiert waren, weil ihnen das himmlische Gegenstück ebenso fehlte wie das im irdischen Tempel in Jerusalem?12 Oder lassen sich doch liturgische Aktivitäten von Qumranerinnen erschließen?13 Die letzte Antwort auf diese Frage muss ich den Spezialistinnen und Spezialisten auf diesem Gebiet überlassen. Ich möchte stattdessen zwei der sogenannten hellenistisch-jüdischen Texte ins Zentrum stellen, die uns Liturginnen vorstellen: Philos Schrift über die Therapeutinnen und das Testament des Hiob. Bevor ich mich diesen jüdischen Liturginnen zuwende, werde ich zunächst einen knappen Überblick über die übrige Antike geben. Abschließend werde ich noch einmal auf die eingangs gestellte Frage zurückkommen.

1.  Liturginnen in der griechischen und römischen Antike In der griechischen und römischen Antike sind Frauen selbstverständlich in Festen von Göttinnen und Göttern, in Prozessionen und mit Tanz- und Gesangsaufführung aktiv.14 Als ein Beispiel mag die Beschreibung des Kultes Eileithyias in Elis auf dem Peloponnes durch den Geografen Pausanias (115 – 180 n. Chr.) dienen: Im vorderen Teil des Tempels, denn er ist doppelt gebaut, steht ein Altar der Eileithyia (die Göttin der Geburtshilfe) und dorthin dürfen Menschen hineingehen; im inneren Teil hat der Sosipolis (Stadtretter)15 seinen Kult und dort darf niemand hineingehen außer 11   T. Ilan, Reading for Women in 1QSa (Serekh ha-Edah), in: A. Lange / E. Tov (Hg.), The Dead Sea Scrolls in Context. Integrating the Dead Sea Scrolls in the Study of Ancient Texts, Languages, and Cultures I, Leiden u. a. 2011, 61 – 76. M. L. Grossman, Rethinking Gender in the Community Rule. An Experiment in Sociology, in: Roitman / Schiffman, The Dead Sea Scrolls and Contemporary Culture (s. Anm. 8), 497 – 512. J. E. Taylor, Women, Children, and Celibate Men in the Serekh Texts, HThR 104 (2011), 171 – 190. 12   Dimant, Men as Angels (s. Anm. 6), 471. Dimant verweist auf Jub 15,27, wo die Engel die einzigen Lebewesen sind, die bereits beschnitten erschaffen wurden. 13   So im Ansatz: S. White Crawford, Mothers, Sisters, and Elders. Titles for Women in Second Temple Jewish and Early Christian Communities, in: J. R. Davila (Hg.), The Dead Sea ­Scrolls as Background to Postbiblical Judaism and Early Christianity. Papers from an International Conference at St. Andrews in 2001, StTDJ 46, Leiden u. a. 2003, 177 – 191; E. Regev, Cherchez les femmes. Were the yahad Celibates?, DSD 15 (2008), 253 – 284. ˙ J. Quasten, Musik und Gesang in den Kulten der heidnischen Antike 14   Einen Überblick gibt und christlichen Frühzeit, LQF 25, Münster 1930, 111 – 132. Zur Religionsausübung überhaupt vgl. M. Dillon, Girls and Women in Classical Greek Religion, London u. a. 2002; S. A. Takács, Vestal Virgins, Sibyls and Matrons, Austin 2008; D. Šterbenc Erker, Religiöse Rollen römischer Frauen in »griechischen« Ritualen, Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 43, Stuttgart 2013. 15   Die Ätiologie erklärt zu diesem »Stadtretter«, es handele sich um ein neugeborenes Kind, das, von einer Mutter gebracht, sich in eine Schlange verwandelt und ein feindliches Heer vertreibt (Pausanias 6.20,4 f.).

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derjenigen, die dem Gott dient und auf dem Kopf und vor dem Gesicht ein weißes Tuch trägt. Obgleich es nicht üblich ist, Wein zu opfern, singen Jungfrauen im Heiligtum der Eileithyia Hymnen und (verheiratete) Frauen Lieder und opfern vielerlei Räucherwerk.16

Plutarch zitiert eine von Frauen gesungene Anrufung des Dionysos: »Komm, Heros Dionysos, her in Elis heiligen Tempel, samt Chariten in den Tempel stürmend mit des Stieres Fuße!« und er fügt dann noch den Refrain hinzu: »Heiliger Stier, heiliger Stier.«17 Für die römischen Religionen sind Jungfrauen und Frauen­chöre ebenso belegt.18 Die Beispiele zeigen: Es gibt in der antiken Öffentlichkeit liturgischen Gesang von Frauen, und zwar sowohl für Göttinnen als auch für Götter. Pausanias’ Beschreibung unterscheidet dabei zwischen zwei Statusgruppen, παρθένοι (Jungfrauen) und γυναῖκες (verheirateten Frauen).19 Die Unterscheidung zwischen Mädchen, Jungfrauen und (Ehe‑)Frauen und Dichtungen für Jungfrauenchöre (Alkman) lassen Claude Calame als Sitz im Leben Passageriten vermuten, die mit der öffentlichen Aufführung solcher Chorlieder durch Jungfrauen begleitet wurden.20 Eva Stele weist jedoch darauf hin, dass die Aufführung von Chorliedern eine überall präsente religiöse Zeremonie darstellte und in ihrer Vielfalt, etwa in den Liedern Sapphos, auf verschiedene Funktionen schließen lasse.21 Auch wenn die Einteilung dieser Chöre Geschlechterideologie verstärkt 16

  Pausanias, 6.20,3: ἐν μὲν δὴ τῷ ἔμπροσθεν τοῦ ναοῦ – διπλοῦς γὰρ δὴ πεποίηται – τῆς τε Εἰλειθυίας βωμὸς καὶ ἔσοδος ἐς αὐτό ἐστιν ἀνθρώποις·ἐν δὲ τῷ ἐντὸς ὁ Σωσίπολις ἔχει τιμάς, καὶ ἐς αὐτὸ ἔσοδος οὐκ ἔστι πλὴν τῇ θεραπευούσῃ τὸν θεὸν ἐπὶ τὴν κεφαλὴν καὶ τὸ πρόσωπον ἐφειλκυσμένῃ ὕφος λευκόν·παρθένοι δὲ ἐν τῷ τῆς Εἰλειθυίας ὑπομένουσαι καὶ γυναῖκες ὕμνον ᾄδουσι,καθαγίζουσι δὲ καὶ θυμιάματα παντοῖα αὐτῷ ἐπισπένδειν οὐ νομίζουσιν οἶνον. Übersetzung: E. Meyer. 17   Quaestiones Graecae 36 (299A / B): Διὰ τί τὸν Διόνυσον αἱ τῶν Ἠλείων γυναῖκες ὑμνοῦσαι παρακαλοῦσι βοέῳ ποδὶ παραγίνεσθαι πρὸς (B.) αὐτάς; ἔχει δ’ οὕτως ὁ ὕμνος Ἐλθεῖν, ἦρ’, ὦ Διόνυσε, ἅλιον ἐς ναὸν ἁγνὸν σὺν Χαρίτεσσιν ἐς ναὸν τῷ βοέῳ ποδὶ δύων εἶτα δὶς ἐπᾴδουσιν »ἄξιε ταῦρε«. 18   Liv. 37,27 berichtet ausführlich von Prozessionen singender Frauen zum Zweck der Entsühnung nach ungünstigen Vorzeichen. Über eine Bittprozession verschiedener Frauen- und Männergruppen berichtet der spätantike Autor Macrobius (Saturnalia 1.6,14). Vieldiskutiert ist die Bedeutung des beim Lexikonografen Festus (2. Jh. n. Chr.), De verborum significatione 439L, berichteten Brauchs, dass die Saliae virgines, die in ritueller Tracht gottgeweihten jungfräulichen Tänzerinnen, den Waffentanzpriester bei ihren Opfern zur Seite standen. Zur Rolle von Frauen in der römischen Religion vgl. C. E. Schultz, Women’s Religious Activity in the Roman Republic, Chapel Hill 2006; Takács, Vestal Virgins (s. Anm. 14); Šterbenc Erker, Religiöse Rollen (s. Anm. 14). 19   Diese Unterscheidung wird auch von Plato in seinen idealen Gesetzen bestätigt: Er teilt die Stadt in drei Chöre, die die Lehren der Götter öffentlich besingen sollen, ein: die Kinder, die unter Dreißigjährigen und die zwischen Dreißig- und Sechzigjährigen (Leg 66c / b). Die Aufführungen gelten der Erziehung der Jugend. 20   C. Calame, Choruses of Young Women in Ancient Greece. Their Morphology, Religious Role, and Social Function, Lanham 1997 [französisch 1977]. 21   E. Stehle, Performance and Gender in Ancient Greece. Nondramatic Poetry in its Setting, Princeton 1997.

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und öffentlich zur Schau stellt, übten die Frauen dabei eben doch auch eine öffentliche Rolle aus: So far as the evidence goes, it indicates that women performing communal poetry combined the function of providing reflection and model with a staging of their own subordinate status in the community. Yet they did perform. Their self-presentation could not be wholly discredited without jeopardizing the communal function they filled, and they themselves could undermine their words by irony or mocking exaggeration. Dancing is a sensuous activity. Performers cannot in the nature of the event be inhibited from projecting their subjectivity through inflection and body language. The demand that women affirm in their own persons the dominant culture’s self-contradictory meaning of the sign ›female‹ gave women a psychological power that they could always try to reclaim.22

Es gibt also ein Spannungsverhältnis in der Antike zwischen einer öffentlichen Geschlechtermoral, die Frauen allein dem häuslichen Raum zuwies, und einer religiösen Praxis, die Frauen zu Akteurinnen des öffentlichen Raums machte. Oder um es mit den Worten von Barbara Goff zu sagen: Für Frauen sind rituelle Praktiken Räume »in which are staged [. . .] various negotiations between ›ideology‹ and ›agency‹.«23 Kult und religiöse Praxis erweisen sich damit als ein Ort, der die Anwesenheit von Frauen fordert und erwartbar macht.24

2.  Frühchristliche Liturginnen Es verwundert daher nicht, dass auch die frühe Kirche liturgisch aktive Frauengruppen kennt. Für die älteste Zeit lassen sich jedenfalls kaum geschlechtsspezifische Unterscheidungen beobachten. Paulus geht in 1 Kor 11,2 – 16 davon aus, dass sowohl Frauen als auch Männer »beten und prophezeien«. Es ist gleichfalls zu vermuten, dass auch Korintherinnen nach 1 Kor 14,26 durch »einen Psalm, eine Lehre, Offenbarung, Zungenrede oder Interpretation der Zungenrede« zum Gottesdienst beitragen.25 Ebenso werden auch Nympha und ihre Gemeinde aus Kol 4,15 zu denen gehören, die sich einander mit Psalmen, Hymnen und Liedern nach Kol 3,16 / Eph 5,19 lehren und erbauen.26 22

  Stehle, Performance (s. Anm. 21), 113.   B. Goff, Citizen Bacchae. Women’s Ritual Practice in Ancient Greece, Berkeley 2004, 14. 24   Auch Philo von Alexandrien, der nach spec. III.169 den Ort jüdischer Frauen allein im Inneren des Hauses sehen möchte, nimmt nach spec. III.171 den Kult und Tempelbesuch selbstverständlich an. 25   1 Kor 14,33b – 36 wird daher m. E. zu Recht von den meisten Auslegerinnen und Auslegern als spätere Glosse betrachtet. 26   Das Singen frühchristlicher Gemeinden wird in Bezug auf das letzte Mahl (Mk 14,26; Mt 26,30), das Mahl der Jerusalemer Urgemeinde (Apg 2,47) und im Gefängnis von Philippi (Apg 16,25), was hier die Epiphanie des Gottes hervorruft, bezeugt. Weitere Anspielungen auf frühchristlichen Gesang finden sich auch in 1 Kor 13,1; 14,15; Röm 15,6 (?); Jak 5,13; Hebr 13,15 (?); Ign­Eph 4,1 f.; IgnRöm 2,2 (hier zugleich ein Bild der öffentlichen Demonstration von 23

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Explizit christlicher Frauengesang wird erstmals bei Clemens von Alexandrien dem Gesang der Maenaden im Dionysoskult gegenübergestellt. Den Chor bilden die Gerechten; das, was sie singen, ist der Hymnus des Königs von allen. Die Mädchen schlagen die Saiten der Harfe, Engel preisen, Propheten verkündigen, der Klang der Musik zieht ein, sie folgen im Lauf dem Festzug (thiasos), die Erwählten eilen voll Sehnsucht, den Vater zu empfangen.27

Öffentlicher Frauengesang bei großen Festen scheint auch im Antiochien des 3. Jh.s üblich gewesen zu sein.28 Paulus von Samosata ließ Frauenchöre am großen Ostertag in der Kirche auftreten. Im literarischen Symposium des Methodios von Olympos sagt die Jungfrau Agathe: »Ich singe zusammen mit der Versammlung der Engel das allerneuste Lied, um die neue Gnade in der Gemeinde zu verkünden.«29 Seit dem 4. Jh. ist die besonders reiche Tradition liturgischen Wirkens von Frauen durch die syrischen Madraschen bezeugt. Madraschen sind metrische Lieder, die von Jungfrauenchören in den Kirchen vorgetragen wurden.30 Die anonyme Vita Ephraemi beschreibt dies folgendermaßen: [Blessed Ephrem] established and arranged the Daughters of the covenant in opposition to the diversions and popular movements of the deceivers [the Bardaisanites]. He taught them metrical hymns (madrashe) and songs (sblatha) and antiphons (‘onitha) [. . .]. Every day the Daughters of the Covenant gathered in the churches on feasts of the Lord and on Sundays and for the celebration of the martyrs.31 Einheit). Vgl. die Quellensammlung bei J. McKinnon, Music in Early Christian Literature, Cambridge u. a. 1987. Das Tanzlied in den Johannesakten (95 f.) wird von einer weiblichen Personifikation, der Charis, angeführt. 27   Clemens, Protreptikos 12,119,2 f.: Ὁ χορὸς οἱ δίκαιοι, τὸ ᾆσμα ὕμνος ἐστὶ τοῦ πάντων βασιλέως·ψάλλουσιν αἱ κόραι, δοξάζουσιν ἄγγελοι, προφῆται λαλοῦσιν, ἦχος στέλλεται μουσικῆς, δρόμῳ τὸν θίασον διώκουσιν, σπεύδουσιν οἱ κεκλημένοι πατέρα ποθοῦντες ἀπολαβεῖν. 28   So jedenfalls »zitiert« (?) Eus.h.e. 7,30,10 aus dem Verurteilungsschreiben zur Absetzung des Paulus von Samosata in Antiochien: »Die Psalmen auf unsern Herrn Jesus Christus verbot er, weil sie zu neu und erst von neuen Dichtern verfasst waren, lässt auf sich selbst aber auch Frauen inmitten der Kirche am großen Ostertage Lieder singen (ἐν μέσῃ τῇ ἐκκλησίᾳ τῇ μεγάλῃ τοῦ πάσχα ἡμέρᾳ ψαλμῳδεῖν γυναῖκας), bei deren Anhörung man sich entsetzt.« 29   Methodios von Olympos (gest. 311 / 312), Symposium sive Convivium decem virginum 6,5: ἐφυμνῶ τὸ καινότατον μετὰ τῆς ὁμηγύρεως ἆσμα τῶν ἀρχαγγέλων τὴν καινὴν χάριν ἐξαγγέλλουσα τῆς ἐκκλησίας. Ob sich die Kritik gegen den Frauengesang oder gegen die Aufnahme der antiken Kultur öffentlicher Danksagung richtet, bleibt offen, ebenso wie Herkunft und Charakter des bei Eus.h.e. 7,30,2 – 17 zitierten Schreibens einer Synode im 3. Jh. 30   S. A. Harvey, Singing Women’s Stories in Syriac Tradition, IKZ 100 (2010), 171 – 189; Dies., Song and Memory. Biblical Women in Syriac Tradition, Milwaukee 2010; Dies., Performance as Exegesis. Women’s Liturgical Choirs in Syriac Tradition, in: B. J. Groen / S. Alexopoulos / S. Hawkes-Teeples (Hg.), Inquiries into Eastern Christian Worship. Acts of the Second International Congress of the Society of Oriental Liturgy, Eastern Christian Studies 12, Leuven u. a. 2012, 47 – 64. Die Chöre heißen häufig »Töchter des Bundes.« 31   Zitiert nach Harvey, Performance (s. Anm. 30), 49. Dass dies zur Zeit Ephraems tatsächlich stattfand, bezeugt Ephraem, Paschahymnus 2,7; Hymnos on Easter 2,8 f.

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Die überlieferten Madraschen präsentieren dogmatische Lehren32 und dramatische Vertonungen biblischer Stoffe, etwa Gespräche Saras mit Abraham, Marias mit dem Erzengel Gabriel oder der großen Sünderin mit dem Satan.33 Nach Jakob von Seruq soll Ephraem diese Jungfrauenchöre begründet haben, um sich mit ihnen der verführerischen Hymnen der Häretiker zu erwehren.34 Freilich klingt die These apologetisch.35 Sie reagiert, wie Susan Ashbrook Harvey u. a. gezeigt haben, auf die seit dem dritten Jahrhundert zunächst sehr vereinzelt, dann aber immer lauter werdende Kritik an öffentlichem Frauengesang.36

3.  Jüdische Liturginnen Schon in der Bibel sind Frauen im Tempel präsent. Man denke an das Gebet der Hanna im Tempel von Silo und ihr neutestamentliches Gegenstück, die verwitwete Prophetin Hanna im Tempel von Jerusalem nach Lk 2,36 – 38. Das Chronikbuch erwähnt Tempelsängerinnen, die drei Töchter Hamans, die gemeinsam mit ihren Brüdern und ihrem Vater im Haus Gottes und begleitet von Zimbeln, Leiern und Zittern singen.37 Darüber hinaus gibt es Frauen, die am Eingang des Offenbarungszelts ihren Dienst tun, was auch immer damit gemeint war.38 Ein 32   Vgl. aus der gleichen Vita: »[Blessed Ephrem] took arrangments of songs (quale) and melodies (qinyatha) and added true doctrine to them [. . .]. He put in the metrical hymns (madrashe) words with subtle connotation and spiritual understanding concerning the birth and baptism and fasting and the entire plan of Christ: the passion and resurrection and ascension, and concerning the martyrs.« Harvey, Performance (s. Anm. 30), 54. 33  Vgl. Harvey, Singing (s. Anm. 30), 157 – 188; Song (s. Anm. 30), 39 – 92. 34   Harvey, Singing (s. Anm. 30), 175; vgl. Dies., Song (s. Anm. 30), 35 und 45 f. 35   Harvey, Performance (s. Anm. 30), 59 f.; K. McVey, Ephrem the Kitharode and Proponent of Women. Jacob of Serug’s Portrait of a Fourth-Century Churchman for the Sixth-Century Viewer and its Significance for the Twenty-First Century Ecumenist, in: S. T. Kimbrough (Hg.), Orthodox and Wesleyan Ecclesiology, Crestwood 2007, 229 – 253. 36   Mit Bezug auf 1 Kor 14,33b – 35: vgl. Pseudo-Athanasius, Didaskalia der 318 Väter 18. Siehe R. Riedinger / H. Thurn, Die Didaskalia CCCXVIII Patrum Nicaenorum und das Syntagma ad monachos im Codex Parisinus gr. 1115 (a. 1276), JÖB 35 (1985), 75 – 92; Kyrill von Jerusalem, Procatechesis 14; vgl. Quasten, Musik (s. Anm. 14), 121. Gegenüber Quastens vielfach rezipierter These einer generellen Zurückdrängung von Frauengesang seit dem 4. Jh. sammelt Harvey, Performance (s. Anm. 30), 51 f., eine Reihe von Gegenargumenten. Z. B. richtet sich Kyrills Aufforderung an Katechumeninnen und nicht an Getaufte, denen das Singen nicht ausdrücklich verboten wird. Der älteste Beleg für ein solches Verbot scheint mir in Isidor von Pelusium (3. – 4. Jh. n. Chr.), Ep 90 (PG 78.224 f.), vorzuliegen. 37   1 Chr 25,5 f. Die ‫ ְמ ִצלְתַ ּי ִם‬oder das κύμβαλον ist ein Instrument aus zwei metallenen Becken, die aufeinander geschlagen werden. Die ‫ כִּנֹור‬bzw. κινύρα ist ein zehnsaitiges Instrument, das mit einem Plektron geschlagen wird. Die ‫ נֵבֶל‬oder νάβλα ist ein einsaitiges Saiteninstrument oder eine einsaitige Laute. Diese Instrumentalisierung scheint in der persischen und hellenistischen Zeit speziell mit dem Tempelkult in Verbindung gebracht worden zu sein, vgl. z. B. 1 Chr 13,8; 15,20.28; 16,5; 25,1; 2 Chr 5,12; 29,25; Neh 12,27 (Einweihung der Stadtmauer); 1 Makk 13,51. 38   Ex 38,8; 1 Sam 2,22. Zur Diskussion vgl. I. Fischer, Gotteskünderinnen. Zu einer geschlechterfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, 95 – 108. Fischer vermutet hinter den Andeutungen Prophetinnen.

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spezieller Hof für Frauen ist definitiv erst für den von Josephus beschriebenen herodianischen Tempel nachweisbar.39 Die Bibel erwähnt außerdem Frauen, die vor der Stadt Reigen tanzen.40 Aus griechisch-römischer Perspektive betrachtet erinnert dies an die Maenaden des Dionysos. Und so verwundert es nicht, dass mit dem Thysosstab tanzende Frauen im Juditbuch tatsächlich belegt sind. Schließlich gibt es eine Quelle, die einen Gottesdienst schildert, in dem Frauen chorisch den Exodus redramatisieren. Dieser möchte ich mich nun genauer zuwenden. 3.1  Die Therapeutinnen In De vita contemplativa stellt der jüdische Theologe Philo von Alexandrien (gest. nach 41 n. Chr.) eine Gemeinschaft von Philosophinnen und Philosophen vor, die außerhalb von Alexandrien am See Mareotis lebt. Philo nennt die Gruppe Therapeuten und Therapeutinnen (θεραπευταὶ καὶ θεραπευτρίδες).41 Im ersten Teil der Schrift schildert Philo ihre Siedlung, ihr asketisches Leben, ihre allegorischen Studien und ihre Versammlung am siebten Tag. Im zweiten Teil folgt eine detaillierte Beschreibung ihres Festbanketts, bei dem sie u. a. den Exodus aus Ägypten dramatisch inszenieren. Das liturgische Handeln der Therapeutinnen und Therapeuten wird vor allem beim großen Fest des fünfzigsten Tags geschildert.42 Man versammelt sich in einem Triklinium, wobei die Frauen auf der linken Seite zu Tisch liegen.43 Dann beginnt der Vorsitzende mit einem Lehrvortrag, in dem er allegorisch Fragen aus den heiligen Schriften erklärt (Philo cont. 75).44 Die anderen folgen schweigend. Erst beim Zielpunkt der Schriftdeutung klatschen sie Beifall (79).

39   Flav. Jos. Bell.  5,198. S. Grossman, Women and the Jerusalem Temple, in: Dies. / R. Haut (Hg.), Daughters of the King. Women and the Synagogue, Philadelphia u. a. 1992, 15 – 37 (19 f.). 40   Ri 21,21: ‫ מְחֹלָה‬bzw. χορεύειν ἐν τοῖς χοροῖς; vgl. auch Ri 11,34. 41   Philo cont.  1 – 2. 42   Die Beschreibung des Mahls folgt der Karikatur der griechischen Symposiumskultur einschließlich des Modells von Xenophon und Plato in Philo cont. 40 – 63, ist also Teil eines überbietenden Vergleichs (synkresis). Die Natur des Festes, von manchen wegen des Datums als Schavuot, von anderen wegen des Inhalts als Pessach identifiziert, bleibt schwer bestimmbar. Vgl. J. Leonhardt, Jewish Worship in Philo of Alexandria, TSAJ 84, Tübingen 2001, 48 – 50. 43   Cont. 69. Die Teilnahme der Frauen am Symposium wird speziell betont und zur Gelegenheit eines Vergleichs (synkresis) zur übrigen antiken Kultur genommen, wie sie die Schrift überhaupt prägen (cont. 68, vgl. cont. 3 – 9; 24 – 28; 40 – 63 u. ö.). Dabei werden die Therapeutinnen ausdrücklich mit ehelosen Priesterinnen der Griechen verglichen, die sie mit ihrer freiwilligen Reinheit (ἁγνεία) überbieten. 44   Sein Vortragsstil folgt dabei dem rhetorischen Ideal der Schmucklosigkeit einer Rede, die »langsam und mit Wiederholungen voranschreitet, wobei sich die Gedanken in die Seelen einprägen« (76). Zu diesen rhetorischen Idealen vgl. Seneca, Epistulae morales 40; Quintilian, Institutio oratoria, 8,3,41 u. ö.

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Die Schilderung stellt nicht nur die abstrakte Negation des heiteren dialogischen Tischgesprächs im antiken Symposium dar, sie gleicht vor allem Philos Beschreibungen des Synagogengottesdienstes in De specialibus legibus und De vita Mosis.45 Hier wie dort versammelt man sich in »Lehrhäusern« (Philo spec. II.62) oder »Bethäusern« (Mos. II.216), um »in Ordnung und äußerster Stille«46 den Lehrvortrag des »Erfahrensten«47 zu hören, der mit Hilfe der »von den Vätern überlieferten Philosophie«48 in die »Kontemplation der Natur«49 und alle Tugenden einführt.50 Philo hatte schon zu Beginn der Darstellung in § 30 f. die Versammlung der Therapeutinnen und Therapeuten am siebten Tag in ähnlicher Weise geschildert. Dort aber betont er, im gemeinsamen Heiligtum der Gruppe seien die Geschlechter durch eine brusthohe Mauer voneinander getrennt, um »die angemessene Scheu der weiblichen Natur zu bewahren« (33). Dabei ist Philos De vita contemplativa der einzige antike Beleg für eine Geschlechtertrennung in der antiken Synagoge.51 Wie schon erwähnt, nehmen Frauen beim Festbankett am fünfzigsten Tag im gleichen Raum teil (68 f.). Neu ist vor allem, was nach dem schweigend angehörten Lehrvortrag des Vorsitzenden und dem entsprechenden Beifall folgt: Dann erhebt sich der Vorsteher und singt einen gedichteten Hymnus auf Gott, einen neuen, von ihm selbst gedichteten oder einen alten, von den Dichtern der alten Zeit. Sie hinterließen nämlich Lieder in vielen Metren und Melodien; Lieder, Trimeter (ἔπος τρίμετρος), Lieder, die zum Einzug in den Tempel gehören (προσόδιον ὕμνος), Lieder, die bei der Libation gesungen werden (παρασπόνδειος), Altarlieder (παραβώμιος) und Chorlieder (στάσιμος χορικός) mit Strophen und Polystrophen, gut bemessen (στροφαῖς πολυστρόφοις εὖ διαμεμετρημένος). Danach singen auch die anderen der Reihe nach in der gebührenden Ordnung, wobei alle unter tiefem Schweigen zuhören, außer wenn sie 45   M. Niehoff, The Symposium of Philo’s Therapeutae: Displaying Jewish Identity in an Increasingly Roman World, GRBS 50 (2010), 95 – 116, 112 – 116, die den hierarchischen und monologischen Charakter des Therapeutenmahls römischem Geschmack zuweist. Aber auch römische Autoren der Kaiserzeit wissen um den convivialen Charakter des Mahls, das sich für Monologe eben nicht eignet. Vgl. U. Egelhaaf-Gaiser, »Täglich lade ich alle meine Nachbarn zu einem Mahl«. Cicero und das convivium im spätrepublikanischen Rom, in: W. Weiß (Hg.), Der eine Gott und das gemeinschaftliche Mahl. Inklusion und Exklusion biblischer Vorstellungen von Mahl und Gemeinschaft im Kontext antiker Festkultur, BThSt 113, Neukirchen-Vluyn 2011, 76 – 121 (97). 46   Philo spec. II.62: ἐν κόσμῳ καθέζονται σὺν ἡσυχίᾳ; cont. 30 f.: καθ᾽ ἡλικίαν ἑξῆς καθέζονται [. . .] καθ᾽ ἡσυχίαν δὲ οἱ ἄλλοι πάντες ἀκροῶνται; cont. 75: πολλῆς ἁπάντων ἡσυχίας γενομένης [. . .] μᾶλλον ἢ πρότερον, ὡς μηδὲ γρύξαι τινὰ τολμᾶν ἢ ἀναπνεῦσαι βιαιότερον. Vgl. auch Hypoth 7,13: οἱ μὲν πολλοὶ σιωπῇ. 47   Philo spec. II.62; cont. 31: ἐμπειρότατος. Vgl. Hypoth 7,13: τῶν ἱερέων δέ τις ὁ παρὼν ἢ τῶν γερόντων εἷς. 48   Philo cont. 28; Mos. II.216: τὴν πάτριον φιλοσοφίαν. 49   Mos. II.216: ἐπιστήμη καὶ θεωρία τῶν περὶ φύσιν; cont. 64: ἐπιστήμη καὶ θεωρία τῶν τῆς φύσεως πραγμάτων. In cont. ist derjenige, der anleitet, freilich Mose (ὑφηγεῖσθαι) und nicht der Vortragende des Gottesdienstes (Mos. II.215; spec. II.62). 50   Mos. II.216; spec. II.62; cont. 90. 51   Anders z.  B. Lk  13,10 – 17. Vgl. B. Brooten, Women Leaders in the Ancient Synagogue. Inscriptional Evidence and Background Issues, BJS 36, Chico 1982, 133 – 134.

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am Schluss den Refrain (ἀκροτελεύτια καὶ ἐφύμνια) singen müssen. Dann aber erheben alle, Männer und Frauen, ihre Stimme.52

Wie Peter Jeffery herausarbeitet, entstammen die von Philo benannten Liedgattungen zwei spezifischen Kontexten. Ein προσόδιον ὕμνος ist ein zum Einzug in ein Theater oder einen Tempel gesungenes Lied, ein παρασπόνδειος folgt der Libation und ein παραβώμιος wird bei der Annäherung an den Altar gesungen.53 Mit diesen Liedern ist ein Tempelopfer umrahmt. Στάσιμος χορικός ist dagegen das Fachwort für das Chorlied im antiken Drama, wobei der Chor keineswegs stillsteht, sondern sich tanzend bewegt. Hierher gehört auch das ἔπος τρίμετ­ ρος, ein kurzes Metrum, das sich für Solostimmen und Sprechstimmen eignet. Στροφή ist eigentlich die Tanzbewegung des Chores in eine neue Richtung und πολύστροφος weist wiederum auf das Theater hin.54 Philo, der durchaus über musikwissenschaftliches Wissen verfügte, wird die verschiedenen Liedgattungen nicht zufällig gewählt haben.55 Sie drücken nicht nur musikalische Vielfalt, sondern auch die Dramatik und Sakralität der Veranstaltung aus. Das Ganze wird als Wechselgesang inszeniert, wobei die übrige Gruppe jeweils den Versabschluss (ἀκροτελεύτια) und Refrain (ἐφύμνια) singt. Dass Frauen von diesen vielfältigen Gesangsweisen ausgeschlossen sind, deutet sich durch nichts an. Im Gegenteil: Nach dem asketischen, aus gesäuertem Brot und mit Ysop vermischten Salz bestehenden Mahl (81), schreitet man fort zur »heiligen Nachtfeier.« Diese trägt orgiastische Züge und gipfelt in »schöner Trunkenheit«56 und bacchantischer Begeisterung.57 Philo beschreibt es auf folgende Weise: 52

  Philo cont. 80.   P. Jeffery, Philo’s Impact on Christian Psalmody, in: H. W. Attridge / M. E. Fassler (Hg.), Psalms in Community. Jewish and Christian Textual, Liturgical, and Artistic Traditions, SBL. SS 25, Atlanta 2003, 147 – 187 (166). 54   S. Levarie, Philo on Music, The Journal of Musicology 9 (1991), 124 – 230 (129). Levarie vermutet hier die Umdrehung des typischen Wechsels zwischen Solostimme und Chor als Ausdruck der ekstatischen Bewegung. 55   Philo ist für seine musiktheoretischen Überlegungen bekannt. Im Anschluss an Plato schätzt er Musik als wichtiges Instrument zur Ausbildung für die Seele. Sie ermöglicht, sich in die göttliche Harmonie des Kosmos einzuschwingen und Gott angemessen zu preisen. Dabei zieht Philo Gesang der Instrumentalmusik vor. Vgl. L. H. Feldman, Philo’s Views on Music, AGJU 30, Leiden u. a. 1996, 504 – 528. E. Ferguson, The Art of Praise. Philo and Philodemus on Music, in: J. T. Fitzgerald u. a. (Hg.), Early Christianity and Classical Culture (FS Abraham J. Malherbe), NT.S 110, Leiden u. a. 2003, 391 – 426; F. Oertelt, Vom Nutzen der Musik. Ein Blick auf die Funktion der musikalischen Ausbildung bei Philo von Alexandria, in: A. Standhartinger / H. Schwebel / F. Oertelt (Hg.), Kunst der Deutung – Deutung der Kunst. Beiträge zu Bibel, Antike und Gegenwartsliteratur, Ästhetik – Theologie – Liturgik 45, Berlin u. a. 2007, 51 – 62. 56   Philo cont. 89: μεθυσθέντες [. . .] τὴν καλὴν ταύτην μέθην. Zu diesem Begriff, der das philonische Konzept der »nüchternen Trunkenheit« aufgreift, und seiner Verwandtschaft mit der platonischen Idee der »göttlichen Trunkenheit« vgl. H. Lewy, Sobria Ebrietas. Untersuchungen zur Geschichte der antiken Mystik, BZNW 9, Gießen 1929, 1 – 8. 57   Philo vergleicht die Erfahrung ausdrücklich mit den bacchantischen, wenn er sagt, sie haben »gleich wie die Bacchantinnen von dem ungemischten Wein der Gottesliebe getrunken« 53

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Die ganze Menge erhebt sich und in der Mitte des Speisesaals bilden sich zuerst zwei Chöre, der eine Chor aus Männern, der andere aus Frauen. Als Chorleitung wird für jeden der und die Angesehenste und Musikalischste gewählt. Danach singen sie gedichtete Hymnen auf Gott in vielerlei Metren und Melodien, wobei sie teils zusammen singen (συνηχοῦντες), teils aber auch in harmonischem Wechselgesang in die Hände klatschen und tanzen (ἀντιφώνοις ἁρμονίαις ἐπιχειρονομοῦντες καὶ ἐπορχούμενοι) und in göttliche Verzückung geraten (ἐπιθειάζοντες), bald Einzugslieder (προσόδια), bald Standlieder (στάσιμα) mit Bewegung und Gegenbewegung im Chortanz ausführen (στροφάς τε τὰς ἐν χορείᾳ καὶ ἀντιστροφὰς ποιούμενοι). Danach, wenn jeder der Chöre allein für sich bewirtet wurde, gleich wie bei den Bacchusfesten mit dem ungemischten Wein der Gottesliebe gefüllt, vermischen sie sich und werden ein Chor aus beiden, was ein Abbild (μίμημα) des alten Chorlieds beim Roten Meer ist, wegen der dort geschehenen Wunder.58

Jetzt wird das Exodusgeschehen dramatisch inszeniert. Männer und Frauen, je von einem Chorführer und einer Chorführerin angeführt, singen »Einzugslieder« und »Standlieder« und bewegen sich dabei im dramatischen Tanz. Liturgiewissenschaftlich wird diskutiert, ob der Ausdruck ἀντίφωνος ἁρμονία einen mehrstimmigen Chorgesang oder Wechselgesang meint.59 Der Höhepunkt, der sich aus dem Frauen- und dem Männerchor vermischende Gesamtchor, lässt Letzteres vermuten.60 Das Vorbild dieser dramatischen Inszenierung wird von Philo folgendermaßen beschrieben: Denn das Meer wurde durch einen Befehl Gottes geteilt, was den einen zur Ursache der Rettung, den anderen aber des gänzlichen Untergangs wurde. Denn das Meer spaltete sich und wich zurück, und zu beiden Seiten entstanden Mauern. In der Mitte wurde der Zwischenraum zu einem breiten und ganz trockenen Weg, über den das Volk zu Fuß bis zur sicheren Höhe am gegenüberliegenden Ufer geführt wurde. Als das Meer dann aber mit reißender Strömung zurückbrandete und sich von beiden Seiten auf den trockengelegten Grund ergoss, wurden die feindlichen Verfolger von den Fluten hinweggerafft und kamen um.61 Da sie dies gesehen und erfahren hatten – ein Werk, das Vernunft, Denken und Hoffnung übersteigt –, da sangen begeistert Männer gemeinsam mit den Frauen zu einem einzigem Chor geworden die dankbaren Hymnen auf Gott, den Retter; Chorführer bei den Männern war der Prophet Mose, bei den Frauen aber die Prophetin Mirjam. Insbesondere diesen bildet der Chor der Therapeuten und Therapeutinnen ab (ἀπεικο(85) und »Frauen und Männer seien gleichermaßen von Gott besessen« (ἐνθουσιῶντές τε ἄνδρες ὁμοῦ καὶ γυναῖκες, 87). 58   Philo cont. 84 f. 59   Jeffery, Philo’s Impact (s. Anm. 53), 170 – 175; vgl. I. Coleman, Antiphony. Another Look at Philo’s On the Contemplative Life, StLi 36 (2006), 212 – 230. 60   Levarie, Philo on Music (s. Anm. 54), 124 – 130.129, beobachtet hier eine überraschende Umdrehung: »In classical Greek drama, four centuries before Philo, the chorus was governed by an established structure. One half of the entire group made a poetical, musical statement, the strophe or turn. The other half answered with a parallel counterstatement, the antistrophe or counterturn. Then they joined for a crowning summation, the epode or stand (stasimon). Did Philo list the closing stasimon before the strophes to convey a sense of the ›rapt enthusiasm‹ of the feast?« 61   Philo cont. 85 f.

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νίζειν), wobei sich zum Teil durch Widerhall und Wechselgesang zur tiefen Stimme der Männer die hohe der Frauen mischt und die harmonisch zusammenklingende Musik wahrhaft vollendet.62

Die therapeutische Nachtfeier besteht also aus Nachahmung und Abbildung der Gottesgeschichte.63 Die Lieder des Mose und der Mirjam sind den Bibellesenden bekannt (Ex 15,1 – 19.20 – 21), jedoch erhält man dort nicht den Eindruck eines Wechselgesangs, der in einem gemischten Chor aus Männer- und Frauenstimmen gipfelt. Möglicherweise steht dahinter eine exegetische Beobachtung, die jedenfalls Philo auch andernorts in seine Auslegung der Schilfmeerlieder integriert.64 Das Lied des Mose und das Lied der Mirjam beginnen mit jeweils der gleichen Zeile.65 Zumindest heißt es in der weisheitlichen Geschichtserzählung in SapSal 10,20 »und sie sangen einmütig (ᾔνεσαν ὁμοθυμαδόν).« Das Fragment 6aII 1 – 7 aus 4Q365 aus späthasmonäischer Zeit bringt ein über Ex 15,20 hinaus erweitertes Mirjamlied. Es wird von den Editoren als ›reworked Pentateuch‹ klassifiziert,66 inzwischen jedoch auch als älterer Pentateuchtext identifiziert.67 Die meisten Aus62

  Philo cont.  86 – 88.   Vgl. hierzu: I. Nielsen, Cultic Theatres and Ritual Drama. A Study in Regional Development and Religious Interchange between East and West in Antiquity, Aarhus 2002. Vgl. auch V. Gasparini, Staging Religion. Cultic Performances in (and around) the Temple of Isis in Pompeii, in: N. Cusumano u. a. (Hg.), Memory and Religious Experience in the Greco-Roman World, Potsdamer altertumswissenschaftliche Beiträge 45, Stuttgart 2013, 185 – 211. 64   Vgl. Mos. II.256: »Deshalb ehrte Moses, wie billig, den Wohltäter durch Danklieder: er teilt das Volk in zwei Chöre, Männer und Frauen gesondert, übernimmt selbst die Leitung des Männerchors und macht seine Schwester zur Chorführerin der Frauen, und so singen sie Loblieder auf den Vater und Schöpfer, ihre Stimmen in wohlklingenden Akkorden vereinend und in rechter Verbindung von Vortragsweise und Gesang, im Vortrage gleichmäßig einander ablösend und im Gesange tiefe und hohe Stimme zu einheitlichem Wohlklang verbindend. Die Männerstimmen nämlich sind tief, die Frauenstimmen hoch, und aus ihrer Vereinigung, wenn sie in rechter Mischung einander angepasst werden, ergibt sich ein wohltönendes, harmonisches Lied (φθόγγοι γὰρ οἱ μὲν ἀνδρῶν βαρεῖς, ὀξεῖς δ’ οἱ γυναικῶν, ἐξ ὧν, ὅταν ἡ κρᾶσις γένηται σύμμετρος, ἥδιστον καὶ παναρμόνιον ἀποτελεῖται μέλος). Was aber so viele Myriaden zu dem einmütigen Entschluss brachte, ein und dasselbe Lied in demselben Augenblick gemeinsam zu singen (ὁμογνωμονῆσαι καὶ τὸν αὐτὸν ὕμνον ἐν ταὐτῷ συνᾴδειν), das waren jene großartigen Wunder, von denen ich eben gesprochen. In seiner Freude darüber konnte der Prophet, als er auch die große Freude des Volkes sah, die Lust nicht mehr zurückhalten und stimmte das Lied an, jene aber traten, als sie ihn hörten, zu zwei Chören zusammen und sagten seine Worte mit, denn ruhmvoll hat er sich verherrlicht.« (Übersetzung B. Badt) 65   Ex 15,1.21: ‫ׁירה לַיהוָה ִכּי־גָא ֹה גָָּאה סּוס וְרֹכְבֹו ָרמָה ַביָּם‬ ָ ‫ש‬ ִ ‫ ָא‬ᾄσωμεν τῷ κυρίῳ ἐνδόξως γὰρ δεδόξασται ἵππον καὶ ἀναβάτην ἔρριψεν εἰς θάλασσαν. Vgl. Philo agr. 82: »Von beiden Chören wird aber dasselbe Loblied (ἐπῳδὸν) mit wundervollem Kehrvers gesungen, das anzustimmen sich ziemt; es lautet also: ›Singen wir dem Herrn‹« (15,1.21). (Übersetzung I. Heinemann). P. Enns, A Retelling of the Song at the Sea in Wis 10,10 – 21, Bib. 76 (1995), 1 – 24, erklärt die Phrase mit dem überraschenden Wechsel von Singular und Plural in Ex 15,20a und 20b. 66  Vgl. E. Tov / S. A. White, 4QReworked Pentateuch, in: Qumran Cave  4: 8.  Parabiblical Texts I, DJD 13, Oxford 1994, 255 – 308 (269 – 272). 67   M. Segal, 4QReworked Pentateuch or 4QPentateuch?, in: L. H. Schiffman / E. Tov (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Fifty Years after their Discovery. Proceedings of the Jerusalem Congress, July 20 – 25 1997, Jerusalem 2000, 391 – 399 (393 – 395). 63

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legerinnen und Ausleger verstehen den leider sehr fragmentierten Text als Siegeslied in Analogie zu Hannas Lied aus 1 Sam 2,1 – 10 oder dem Magnifikat in Lk  1,46 – 55.68 Hanna Tervanotko hat jedoch auf Parallelen zwischen der Sprache des Liedes und den Hodayot aufmerksam gemacht und weitere Mirjamlieder aus den Targumim hinzugezogen. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Text eine ältere biblische Tradition reflektiere, in der Mirjam als selbstständige Lieddichterin erscheint.69 Die Spuren machen deutlich, dass Frauengesang unter der Leitung Mirjams für antike Jüdinnen und Juden vielfach vorstellbar war. Die Nachtfeier der Therapeutinnen und Therapeuten enthält also eine Inszenierung des Exodusgeschehens, aufgeführt durch zwei sich vermischende Chöre in den Metren und Melodien des antiken Dramas.70 Die Vielfalt der Liedgattungen und Gesangsweisen steigert die hier erlebte Ekstase. Dass eine solche Aufführung historisch durchaus vorstellbar ist, zeigt nicht nur der Blick in die Umwelt, sondern auch das unter dem Namen ›Exagoge des Ezechiel‹ überlieferte Exodusdrama.71 Es fragt sich, ob es sich bei dem hier geschilderten Festgottesdienst um eine im Judentum übliche Praxis oder nur um die einer asketischen Sondergemeinschaft handelt. Die meisten Forscherinnen und Forscher sind von der historischen Existenz dieser Gruppe überzeugt,72 denn der Ort ihrer Siedlung am See Mareotis liegt so nahe bei Alexandrien, dass es den Leserinnen und Lesern leicht möglich war, Philos Angaben zu überprüfen.73 Zugleich bleibt De vita contemplativa jedoch die einzige Quelle für diese Gruppe. Und Philo nimmt keine Stellung zu der

68  Vgl. G. J. Brooke, Power to the Powerless. A Long-Lost Song of Miriam, BArR 20,3 (1994), 62 – 65; S. White Crawford, Traditions about Miriam in the Qumran Scrolls, Studies in Jewish Civilization 14 (2003), 33 – 44 (36 f.). Umstritten ist allerdings die Deutung von ‫ ורוממנה למרומם‬am Beginn von Zeile 6. White Crawford übersetzt: »Extol the one who raises up«; Brooke übersetzt: »and he exalted her to their heights«. Und J. Maier, Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer. Band II: Die Texte der Höhle 4, Paderborn 1995, 310, übersetzt: »Erhebt (ihr Frauen) den Erhabenen«. 69   H. Tervanotko, »The Hope of the Enemy has Perished«. The Figure of Miriam in the Qumran Library, in: A. Lange / M. Weigold (Hg.), From Qumran to Aleppo (FS Tov), FRLANT 230, Göttingen 2009, 156 – 175. 70   Zur musikalischen Gestaltung des antiken Dramas, vgl. P. Wilson, Music, in: J. Gregory (Hg.), A Companion to Greek Tragedy, Malden 2005, 189 – 193. 71   Vgl. das jüdische Drama über den Exodus ›Exagoge des Ezechiel‹. 72   Ausnahmen sind T. Engberg-Pedersen, Philo’s De Vita Contemplativa as a Philosopher’s Dream, JSJ 30 (1999), 40 – 64 und R. S. Kraemer, Unreliable Witnesses. Religion, Gender, and History in the Greco-Roman Mediterranean, Oxford u. a. 2011, 57 – 115. 73  Vgl. F. Daumas / P. Miquel, De Vita Contemplativa, Les Œuvres de Philon D’Alexandrie 29, Paris 1963, 39 – 46; J. E. Taylor / P. R. Davies, The so-called Therapeutae of De Vita Contemplativa. Identity and Character, HThR 91 (1998), 3 – 24 (10 – 14); J. E. Taylor, Jewish Women Philosophers of First-Century Alexandria, Oxford 2003, 74 – 104. Für eine alternative Lokalisierung am Serapistempel von Canopus vgl. G. Moss, The Essenes’ Sister Sect In Egypt. A Meeting Between Paganism and Judaism, Faith and Freedom 52 (1999), 58 – 76.

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Frage, in welcher Beziehung er zu dieser Gruppe steht. Die Schrift ist zudem durchgehend von Philos Gedanken und Diktion durchwirkt.74 Philo lässt die jüdische Identität der Gruppe zunächst völlig in der Schwebe. Die Gruppe heiße Therapeuten und Therapeutinnen, da sie eine Heilkunst verkünde, die nicht nur den Körper, sondern auch die Seele heile, welche von Lust, Begierde und anderen Übeln befallen sei. Zum anderen sei sie von der Natur und heiligen Gesetzen belehrt, das Seiende zu verehren (θεραπεύειν), das besser als das Gute und reiner als die Eins und ursprünglicher als die Einheit ist.75 Natürlich klingt hier der jüdische Monotheismus an, aber ebenso auch stoische Ethik und platonische Gotteslehre. Zwar lässt ihre Versammlung am siebten Tag (30) sowie die Feier des Exodus eine jüdische Identität vermuten, doch kommt der Begriff Hebräer oder Judaioi in De vita contemplativa nicht vor.76 Erst im letzten Drittel der Schrift wird erstmals erwähnt, dass die Gruppe »ihr Leben der Erkenntnis und Kontemplation der Naturwirklichkeiten nach den heiligsten Anleitungen des Propheten Mose widmet« (64). Vorher aber spricht Philo von einem θεραπευτικὸν γένος, einem dienenden Geschlecht (11), das sich überall unter Griechen und Barbaren sowie in »jedem Gau Ägyptens« finden lasse (21). In den Häusern der Gruppe gibt es ein »heiliges Gemach« (οἴκημα ἱερόν), womit es einem Tempel ähnelt (25). Man beschäftigt sich mit Naturbetrachtung (64) und allegorischer Deutung von »heiligen Schriften« (28.75.78), ohne dass diese näher spezifiziert werden.77 Schließlich fällt auch bei der Beschreibung des Exodusgeschehens der Abstraktionsgrad auf. Das Schilfmeerwunder ist entweder »Ursache der Rettung« oder »des Untergangs«. Die Ägypter bleiben unerwähnt. Das Volk zieht aus unbestimmtem Land hinaus und wird ganz allgemein »auf breitem Weg« »sicher zu höher gelegenem Land geleitet«, während seine Feinde untergehen. Neutraler kann man das Geschehen kaum formulieren. Wie ich andernorts zu zeigen versucht habe, bewegt sich Philo mit De vita contemplativa über die Therapeutinnen und Therapeuten im zeitgenössischen 74   Eine extensive Diskussion um die Authentizität der Schrift Ende des 19. Jh.s hat gezeigt, dass De vita contemplativa überall von der Theologie geprägt ist, die Philo in seinem umfangreichen Werk auch sonst bezeugt – einschließlich einer überwältigenden Zahl sich wiederholender Formulierungen. F. C. Conybeare, Philo about the Contemplative Life or the Fourth Book of the Treatise Concerning Virtues, Oxford 1895, 25 – 153 und P. Wendland, Die Therapeuten und die Philonische Schrift vom beschaulichen Leben. Ein Beitrag zur Geschichte des hellenistischen Judentums, Jahrbücher für klassische Philologie. Supplementband 22 (1986), 693 – 772 (720 – 731). Zum Echtheitsdiskurs vgl. S. Al-Suadi, Wechsel der Identitäten. Philos Therapeuten im Wandel der Wissenschaftsgeschichte, Jud. 66 (2010), 209 – 228. 75   Philo cont. 2. 76  Vgl. E. Birnbaum, The Place of Judaism in Philo’s Thought. Israel, Jews, and Proselytes, BJS 290 / Studia Philonica Monographs 2, Atlanta, GA 1996, 119 f. 77   Philo cont. 25: νόμους καὶ λόγια θεσπισθέντα διὰ προφητῶν καὶ ὕμνους καὶ τὰ ἄλλα οἷς ἐπιστήμη καὶ εὐσέβεια συναύξονται καὶ τελειοῦνται.

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ethnografischen Diskurs.78 Ähnlich stellt der Stoiker Chaeremon, ein Zeitgenosse Philos, ägyptische Priester als urtümliche Philosophen und Erfinder der allegorischen Methode vor.79 Diodor (1. Jh. v. Chr.) erklärt im ersten Buch seiner Weltgeschichte, die Ägypter hätten zuerst die Gottesverehrung eingeführt.80 Auch für den etwas jüngeren Plutarch stellen die Mythen und Riten der Isisreligion einen Weg allegorischer Wahrheitsvermittlung dar und er erklärt die asketische Praxis ihrer Priesterinnen und Priester als notwendigen Weg zur Erkenntnis des Göttlichen.81 Wenn Philo in De vita contemplativa eine ägyptische Sondergemeinschaft oder »Sekte« vorstellt, die mit Naturbetrachtung (11.64), allegorischer Schriftauslegung (28.78), bester Symposiumskultur und ekstatischem Gottesdienst alle anderen Formen der antiken Kultur überbietet, so gelingt es ihm, das Judentum als höchste Form religiösen Lebens in Ägypten zu präsentieren. Ich meine daher, dass die Gottesverehrerinnen und ‑verehrer, die Philo hier in dem Gewand einer ägyptischen Priestergemeinschaft vorstellt, tatsächlich recht gewöhnliche Jüdinnen und Juden sind, modelliert zu einer Form ältester und urtümlichster Kultur. Ihr Gottesdienst mag daher durchaus allgemeine jüdische Fest- und Synagogenpraxis spiegeln. 3.2  Hiobs Töchter nach dem Testament des Hiob Unter den Schriftrollen vom Toten Meer ist nicht nur ein ausführliches Mirjamlied erhalten. Mirjam spielt auch in der dort erhaltenen ›Vision of Amram‹ (4Q543 – 548) eine Rolle. In diesem Testament kommt die Formulierung ‫רז מרים‬ (4Q546 12,4), Geheimnis Mirjams, vor. Der fragmentarische Erhaltungszustand lässt leider nicht erschließen, worin das esoterische Wissen Mirjams hier besteht.82 Die zwischentestamentliche Literatur enthält jedoch mindestens ein Bei-

78   So auch schon Bauer, Essener (s.  Anm. 10), 408 f. und 416 f.; Lewy, Sobria Ebrietas (s. Anm. 56), 31, Anm. 4. A. Standhartinger, Philo im ethnografischen Diskurs. Beobachtungen zum literarischen Kontext von De Vita Contemplativa, JSJ 46 (2015), 314 – 344. 78   Chairemon, Fragment 10 = Porphyrius, De abstinentia 4,6 – 8; Diodorus Siculus, Weltgeschichte Buch 1; Plutarch, De Iside et Osiride 32 (363D). 79   M. Frede, Chaeremon der Stoiker, ANRW 36 / 3 (1989), 2067 – 2103 (2079). T. Schneider, Chaeremon, Encyclopedia of Ancient History (2013), 1424 f.2086 – 2092. Vgl. Plutarch, De Iside et Osiride 76 (382C / D). 80   Diodorus Siculus, Weltgeschichte, 1,83 – 90; Plutarch, De Iside et Osiride 70 – 76 (379D –  382A). 81   Plutarch, De Iside et Osiride. Vgl. F. E. Brenk, Isis is a Greek Word. Plutarch’s Allegorization of Egyptian Religion, in: A. Pérez Jiménez / J. García López / R. M. Aguilar (Hg.), Platón y Aristóteles. Actes del V congreso internacional de la IPS. Madrid 1999, 227 – 238; D. S. Richter, Plutarch on Isis and Osiris. Text, Cult, and Cultural Appropriation, TAPhA 131 (2001), 191 – 216. 82   LibAnt 9,10 erzählt von einem Traum Mirjams, der zur Aussetzung des Mosekindes veranlasst. Vgl. Tervanotko, Hope (s. Anm. 69), 157 – 161.

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spiel mit himmlischem Wissen begabter weiblicher Figuren, nämlich die Töchter Hiobs im Testament des Hiob.83 Das Testament des Hiob liegt uns in vier griechischen, einer koptischen und mindestens neun slavischen Handschriften vor.84 Der koptische Papyrus belegt die Existenz des Textes vor dem 4. Jh.85 Gewöhnlich geht man von einer Abfassung zwischen dem 1. Jh. v. und der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. aus.86 Es handelt sich um die Abschiedsrede Hiobs vor seinen Söhnen und Töchtern, die sein aus dem biblischen Hiobbuch bekanntes Leben rekapituliert.87 Im Testament des Hiob wird aber, das ist neu, auch Hiobs Berufung erzählt. In einer Vision wird ihm eröffnet, dass er für die Zerstörung von Götzentempeln vom Satan gequält, aber am Ende auch wieder in seine vorherige Stellung restituiert werden wird. Die aus dem Licht kommende Stimme sagt: »Du wirst wie ein Athlet sein, der Schläge austeilt und Schmerzen aushält und den Siegeskranz empfängt.«88 Das 83  Bereits K. Kohler, The Testament of Job. An Essene Midrash on the Book of Job Reedited and Translated with Introductory and Exegetical Notes, in: G. Kohut (Hg.), Semitic Studies in Memory of Rev. Dr. Alexander Kohut, Berlin 1897, 264 – 338, wollte die Schrift in therapeutischen Kreisen verorten. Vgl. auch M. Philonenko, Le Testament de Job et les Thérapeutes, Sem.  8 (1958), 41 – 53. 84   Der griechische Text wurde ediert von S. P. Brock, Testamentum Jobi, PVTG 2, Leiden 1967, auf der Grundlage des Ms P, die in zwei Abschriften (11. und 16. Jh.) vorliegt. Ein eklektischer Text der Mss S (1307) und V (13. Jh.) wurde von R. A. Kraft, The Testament of Job according to the SV Text, Missoula 1974, ediert. Der koptische Text liegt jetzt in der Edition von G. Schenke / G. Schenke Robinson, Der koptische Kölner Papyruskodex 3221, Teil I: Das Testament des Iob, Paderborn u. a. 2009, vor. Vgl. auch G. Schenke, Neue Fragmente des Kölner Kodex 3221. Textzuwachs am koptischen Testament des Iob, ZPE 188 (2014), 87 – 105. Der Papyrus fällt durch seine gegenüber den griechischen Fassungen elaborierten Hymnen in TestHiob 32 f.43 auf. Eine englischsprachige Edition der slavischen Handschriften bringt M. Haralambakis, The Testament of Job. Text, Narrative and Reception History, London 2012, 191 – 212. 85   Schenke / Schenke Robinson, Der koptische Kölner Papyruskodex (s. Anm. 84), 9, datieren den koptischen Kodex, dem mindestens ein griechischer Textzeuge vorausgeht, auf das 4. Jh. Das Decretum Gelasium (6. Jh.) nennt das Testament Hiobs unter den »übrigen Schriften, welche von Häretikern und Schismatikern zusammengeschrieben oder verkündet sind.« 86   B. Schaller, Das Testament Hiob, JSHRZ III / 3, Gütersloh 1979, 311 f. W. Gruen, Seeking a Context for the Testament of Job, JSPE 18 (2009), 163 – 179, möchte Hiobs Zerstörung des Tempels (TestHiob 5,2) als Reflexion auf den jüdischen Aufstand in Ägypten 115 – 117 lesen und datiert daher ins 2. Jh. n. Chr. Freilich gehört die knappe Notiz hier, wie in Jub 12,12 – 24 bei Abraham, zur Berufungserzählung. 87   Zur Gattung J. J. Collins, Structure and Meaning in the Testament of Job, SBL.SP 1 (1974), 36 – 52 (37 – 39). Die Gattung Testament wurde in der Forschung auf Grund der Unterschiede zu den Testamenten der zwölf Patriarchen in Frage gestellt. Tatsächlich ist die Schrift stärker von Erzählung geprägt und lässt kein Interesse an Zukunftsansagen erkennen. Der ethische Appell steht aber auch hier im Vordergrund. Geduld, Ausdauer und Wachsamkeit gegenüber den Anschlägen des Satans sowie die Frage nach dem ewig währenden Besitz und Status erinnern freilich auch an Martyriumsliteratur. Hier gibt es auch Durchbrechungen von weiblichen und männlichen Rollenzuschreibungen, wie R. Waugh, The Testament of Job as an Example of Profeminine Patience Literature, JBL 133 (2014), 777 – 792, im Vergleich mit älteren Märtyrererzählungen herausgearbeitet hat. 88  TestHiob 4,10: ἔσῃ γὰρ ὡς ἀθλητὴς πυκτεύων καὶ καρτερῶν πόνους καὶ ἐκδεχόμενος τὸν στέφανον (Brock). Vgl. auch TestHiob 27,3 – 6, wo der Satan als Mitkämpfer identifiziert wird.

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Thema des Buches ist also Geduld und Ausdauer89 im Widerstand gegen den Satan, dem es als Verkleidungskünstler gelingt, Hiobs Türhüterin (TestHiob 6 f.) und seine Frau Sitidos (24 f.), zu überlisten, und der am Ende in Gestalt des Freundes Elihu (41 f.) erscheint. Schon dies deutet auf die durchaus humorvolle Erzählweise hin.90 Auffällig ist weiterhin die Betonung der Wohltätigkeit Hiobs gegenüber Fremden, Witwen, Waisen, Sklavinnen und Sklaven.91 Unter anderem motiviert er Witwen mit seinem Harfen- und Lautenspiel zum Lobpreis Gottes.92 Das Testament Hiobs enthält außerdem eine Reihe von Liedern, u. a. ein Chorlied, das das Leiden von Hiobs erster Frau Sitidos beschreibt, und einen Hymnus über die Vergebung der Freunde.93 Dabei fällt auf, dass Rhythmus und Hymnus der Lieder zwischen den Handschriften differieren.94 Dies könnte auf dramatische Aufführungen der Erzählung hinweisen.95 Es folgt der für unser Thema interessanteste Teil. Anders als im biblischen Hiobbuch (Hi 42,15) verteilt Hiob hier sein materielles Erbe ausschließlich an seine sieben Söhne.96 Die Töchter, die wie in der Septuaginta (Hi 42,14 LXX) 89  TestHiob 1,5: ὑπομονή κτλ.; 4,6; 5,1: μακροθυμία κτλ. TestHiob 11,10; 21,4; 26,5; 27,7; 28,5; 34,4. Vgl. hierzu: C. Haas, Job’s Perseverance in the Testament of Job, in: M. A. Knibb / P. W. van der Horst (Hg.), Studies on the Testament of Job, Society for New Testament Studies. Monograph Series 66, Cambridge u. a. 1989, 117 – 154. 90   Zum Humor vgl. Haralambakis, Testament (s. Anm. 84), 174. 91   TestHiob 9 – 15, vgl. 53,1 – 6. Die ethische Botschaft des Vaters Hiob an seine Kinder lautet daher schließlich knapp: »Vergesst nicht den Herrn, tut den Armen Gutes, überseht nicht die Machtlosen (μὴ παρίδητε τοὺς ἀδυνάτους), nehmt euch keine fremden Frauen« (vgl. Tob 4,12; TestLev 9,10; 14,6; Jub 30,11.13; JosAs 7,5). Wie R. P. Spittler, Testament of Job, in: J. Charlesworth (Hg.), OTP I, New York u. a. 1983, 829 – 865 (835), herausstellt, kennt das Testament sechs Worte für »Sklavin«: ἡ παῖς (7,3), δούλη (7,7), θεράπαινα (14,4), παιδίσκη (21,2), δουλίς (21,3) und λάτρις (24,2). Zu den Bezügen zur biblischen Fassung, vgl. J. Dochhorn, Das Testament Hiobs als exegetischer Text. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte der Hiob-Septuaginta, in: W. Kraus / M. Karrer (Hg.), Die Septuaginta-Texte, Theologien, Einflüsse. 2. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 23. – 27.7.2008, WUNT 252, Tübingen 2010, 671 – 688 (681). 92   Hiob spielt auf einer Laute (ψαλμός) und zehnsaitigen Kithara, TestHiob 14,1 f. 93   Der Name wird auch als Sitis interpretiert. Zu Sitidos vgl. P. W. van der Horst, The Role of Women in the Testament of Job, NedThT 40 (1986), 273 – 289 (275 f.), der auch darauf aufmerksam macht, dass vermutlich die Bedeutung »Brotgeberin« hier ausgeführt wird, die in Hi 2,9 (LXX) und TestHiob 21 – 25 erwähnt wird. 94  Vgl. Schenke / Schenke Robinson, Der Kölner Koptische Papyruskodex (s. Anm. 84), 21 – 31. 95   Schaller, Testament (s. Anm. 86), 313, macht darauf aufmerksam, dass »der Wechsel von Dialog zu Monolog und die Einführung von Chorliedern [. . .] an eine dramatische Dichtung [erinnern] und [. . .] in Sonderheit an die entsprechenden Formen der Tragödie denken [lassen]. Die Lieder werden häufig in einer anderen Person als die Rahmenerzählung formuliert, so dass man tatsächlich an einen dramatischen Chor erinnert ist.« 96   P. Machinist, Job’s Daughters and their Inheritance in the Testament of Job and its Biblical Congeners, in: W. G. Dever u. a. (Hg.), The Echoes of Many Texts. Reflections on Jewish and Christian Traditions (FS Silberman), BJS 313, Atlanta, GA 1997, 67 – 80, entdeckt im TestHiob einen Midrasch, der durch die Unvereinbarkeit von Hi 42,15 mit dem biblischen Erbrecht hervorgerufen sei.

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Hemera (Tag), Kasia (Zimtblüte) und Amaltheias Keras (Füllhorn) heißen, beschweren sich: »Sind nicht auch wir deine Kinder?«97 Darauf verspricht Hiob ein besseres Erbe als das ihrer Brüder. Hemera wird beauftragt, drei goldene, gut verwahrte Gefäße zu holen: Und sie [Hemera] ging und brachte sie (die goldenen Gefäße), öffnete und brachte drei [goldene]98 Bänder (χορδή) hervor, die so bunt waren, (8) wie kein Mensch ihr Aussehen beschreiben kann, weil sie nicht von der Erde, sondern vom Himmel stammen, und Feuerfunken sprühen, wie die Strahlen der Sonne. (9) Und er [Hiob] gab [jeder Tochter] ein Band und sagte: Nehmt sie um eure Brust, damit es euch alle Tage eures Lebens gut ergehe. (TestHiob 46,7 – 9)

Die Töchter erhalten also ein himmlisches Erbe, das χορδή genannt wird und sich als Brustband erweist. Seine Attribute, das unbeschreibliche Aussehen und der funkelnde Lichtglanz, weisen auf den himmlischen Ursprung der χορδαί hin. Feuer sprühende und glänzende Gürtel tragen Offenbarungsengel (Dan 10,5) und himmlische Boten (Ez 9,2.10 LXX), wobei sich in späteren Texten anscheinend der Brustgürtel durchsetzt.99 Hier heißt der Gürtel allerdings einmalig χορδή, was eine aus Darm gefertigte Saite, etwa für eine Harfe oder Kithara, beschreibt. Möglichweise wird damit auf eine der folgenden Funktionen der Gürtel vorausgewiesen.100 Der Nutzen der Gürtel ist den Töchtern zunächst nicht einsichtig. Auf Kasias Frage hin gibt Hiob eine Erklärung: »Nicht allein werdet ihr aus ihnen zum Leben erhalten, sondern die χορδαί werden euch in den größeren Äon führen, auf dass ihr in den Himmeln leben werdet« (47,3). Die Gürtel sind also zunächst einmal ein Schlüssel, um in die himmlische Welt zu gelangen. Hiob gibt noch eine zweite Erklärung zum Wert der Gürtel, die er nun Stricke (σπάρτη) nennt:101 Er habe sie von Gott erhalten, als dieser zu ihm sagte: »Steh auf! Gürte wie ein Mann deine Lenden; ich will dich fragen, aber du antworte mir.« Diese Gottesrede an Hiob steht freilich nur in der biblischen Version der Geschichte.102 Nach dem Anlegen der Gürtel seien alle Plagen aus Hiobs Leib und aus seiner Seele entwichen und Gott habe ihm das Gewesene und das Kommende gezeigt (47,6 – 9). Die Gürtel sind also auch ein himmlisches Heilmittel,  97   In den griechischen Handschriften wird von »den Weiblichen« (θήλεια, 46,2) gesprochen. Es geht hier also deutlich um eine Geschlechtertrennung.  98   Ms V und der Kopte lesen »goldene Bänder«.  99   Apk 1,13; 15,6; ApkZeph 6,12 (Wintermute, OTP) = 9,4 (Rießler). Vgl. auch die Taten des Petrus und der zwölf Apostel NHC VI,1 2. Als von Menschen empfangenes himmlisches Attribut erscheint es auch in JosAs 14,12 – 14 (B) / 12 – 16 (Ph). Vgl. auch H. Omerzu, Das bessere Erbe. Die privilegierte Stellung der Töchter Hiobs im Testament Hiobs, in: K. Greschat / H. Omerzu (Hg.), Körper und Kommunikation. Beiträge aus der theologischen Genderforschung, Leipzig 2003, 57 – 93 (80 – 85). 100  Vgl. W. Speier, Gürtel, RAC 12 (1983), 1232 – 1266 (1251). 101   Der Kopte folgt dem Begriffswechsel nicht. 102   TestHiob 47,5; vgl. die erste Rede Gottes in Hi 38,3; 40,7.

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das Menschen ein für alle Mal von somatischen und psychischen Leiden befreit. Dementsprechend stirbt der umgürtete Hiob ohne Schmerz und Qual (52,1). Außerdem lassen die Gürtel direkt mit Gott kommunizieren. Schließlich preist Hiob noch eine vierte Funktion: »Da ihr diese Gürtel jetzt habt, wird euch der Feind nicht entgegentreten noch werden seine Begierden in euer Denken gelangen, denn sie sind ein Schutzmittel (φυλακτήριον) des Herrn« (47,10).103 Die Töchter sind damit vor den Anschlägen des Satans geschützt, der Hiobs Magd und Frau betrogen hatte. Daher heißen sie nun auch φυλακτήριον.104 Schließlich verheißt er ihnen noch, dass sie »umgürtet« (περιζώννυμι 47,11) den Aufstieg seiner Seele betrachten werden. Als Hemera als erste Tochter sich umgürtet, wird dann Folgendes erzählt: (48,2) Und sie empfing ein anderes Herz, um nicht mehr auf das Irdische gesinnt zu sein, (3) sondern verkündete laut in der Sprache der Engel und sandte einen Hymnus zu Gott in der Weise des Gesangs der Engel (κατὰ τὴν τῶν ἀγγέλων ὑμνολογίαν). (4) Und die Hymnen, die sie verkünden ließ, sind auf ihrer Säule aufgeschrieben.105

Der Gürtel gibt Hemera ein anderes Herz106 und das Vermögen, in der Sprache der Engel Gott zu preisen und in den himmlischen Gesang einzustimmen. Spiegelbildliches wird von der zweiten Tochter, Kasia gesagt: Auch sie (49,2) erhielt ein verwandeltes Herz, sodass sie nicht mehr das Weltliche begehrte (3) und ihr Mund empfing die Sprache der Mächte (ἀρχαί) und sie verherrlichte das Werk des himmlischen Ortes.107 (4) Sodass, wer das Werk des Himmels erkennen will, es finden kann in den Liedern der Kasia.108

Der Text ist ganz parallel aufgebaut und wir werden durch die himmlische Geografie und Engelklassen geführt. Die dritte Tochter, Amaltheias Keras,109 erhielt einen »Mund, mit dem sie in der Sprache derer in der Höhe verkündigte« (50,1), 103

  Das Ms. P liest Vater statt Herr.   Anders Mt 23,5. 105   TestHiob 48,2 – 4. Der Kopte liest στήλη statt στολή und bezeugt damit, dass es sich hier nicht, wie Kraft, Testament (s. Anm. 84), 83, annimmt, um das Gewand handelt. Die slavische Überlieferung formuliert anders: »When she completed the angelic song, she rejoiced and stopped.« (Haralambakis, Testament [s. Anm. 84], 210). Der letzte Vers (48,4) ist hier übersetzt nach der Rekonstruktion von Brock mit der Handschrift P. 106   Stärke und Schwäche des Herzens sind die wichtigsten Abwehrmittel, aber auch Einfallstore für den Satan im TestHiob. Vgl. TestHiob 17,1; 24,10. Auch Hiob kann zu den ihn besuchenden Mitkönigen sagen: »Im Himmel steht mein Herz, denn dort gibt es keinen Aufruhr« (TestHiob 36,2). 107   Der Kopte bezeugt hier einen zu 48,3 parallelen und daher m. E. älteren Text: »Ihr Mund redete in der [Sprache] der Mächte (ἀρχή), während er [nach Art der] Erhabenen von der Erschaffung des [erhabenen Ortes] sang.« 108   Wiederum lässt die slavische Tradition den letzten Vers aus. Vers 49,3 heißt hier: »She sang praise to the highest, as no single human can say.« (Haralambakis, Testament [s. Anm. 84], 210). 109  Die slavische Tradition übersetzt Keras als Trompete (Haralambakis, Testament [s. Anm. 84], 210). 104

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und sprach »in der Sprache der Cherubim« und pries den »Herren der Tugenden«, wobei sie ihren Glanz aufzeigte. Auch hier gibt es eine Notiz von der Aufzeichnung ihrer Lieder, jedoch bringt jede der handschriftlichen Versionen eine eigene Textvariante.110 Kaum zu klären ist die Frage, ob das Testament Hiobs bei ἀγγελική διάλεκτος (48,3), διάλεκτος τῶν ἀρχῶν (49,2), διάλεκτος τῶν ἐν ὕψει (50,1) und διάλεκτος τῶν Χερουβιμ vier verschiedene oder ein und dieselbe Sprache meint.111 Dass Amaltheias Keras mit zwei Sprachen begabt wird, lässt Letzteres vermuten. Am Schluss der Erzählung preist jedoch jede Tochter Gott in einer je eigenen Sprache (ἐξαίρετή διάλεκτος, 52,7). Vermutlich ist die Konzeption bewusst offen gelassen. Deutlich ist nur, dass Hiobs Töchter durch das Anlegen der Gürtel / Bänder mit der Sprache der Engel begabt werden. Ob sie (nur) »wie die Engel beten« und den himmlischen Gottesdienst spiegeln oder ob sie am himmlischen Gottesdienst teilnehmen, ist kaum zu entscheiden.112 Auffällig ist, dass sie ihre Hymnen der Mit- und Nachwelt überliefern, wobei bereits die Differenzen in den verschiedenen Textfassungen zeigen, dass diese Nachricht den Abschreibenden Probleme bereitete.113 Vielleicht störte man sich an Schriften, die himmlische Gesänge enthielten, vielleicht an solchen von Frauen. Schließlich haben die Bänder möglicherweise auch hermeneutische Funktion. Der in Kapitel 51 eingeführte Bruder Hiobs, Nereos, hörte, wie die eine der anderen »die großen Dinge« deutete (ὑποσημειοῦσθαι, 51,3).114 110   Brock (P): »Und wer eine Spur der Tage der väterlichen Herrlichkeit erfassen will, wird sie aufgeschrieben finden in den Gebeten der Amaltheias Keras.« Kraft, Testament (s. Anm. 84), 83: »And the one who further wishes to grasp the poetic rhythm of the paternal splendor will find it recorded in the Prayers of Amaltheias Keras.« Kopte: »Wer also von einem Bruchstück (μέρος) der Herrlichkeit des Vaters [erfahren möchte], seht, es steht in den Gebeten (προσευχή) der Unveränderlichkeit geschrieben« (Schenke / Schenke Robinson, Der koptische Kölner Papyruskodex [s. Anm. 84], 185). Slavisch: »Nobody can follow to praise the glory of the father, as we find in the songs of Amaltheia praising God with a horn« (Haralambakis, Testament [s. Anm. 84], 211). 111   Eine spezifische Engelsprache erscheint auch ApkZeph 8,4 (Wintermute) = 13,3 (Rießler). In ApkAbr 17 wird Abraham von einem Engel ein himmlisches Lied gelehrt, das sogar mitgeteilt wird. Sowohl Zephania als auch Abraham befinden sich bei ihrer Anbetung im Himmel. 112   Vgl. die Kategorisierungen von Chazon, Human and Angelic Prayer (s. Anm. 6), 35 – 48. 113   Wie die slavische Überlieferung deutlich macht, ist diese Überlieferung jedoch kritisch. In 51,4 wird von einem weiteren Buch des Nereos berichtet und wiederum gehen die Handschriften auseinander in der Frage, was er dort hineinschreibt: Das hier vorliegende Buch als Hiobs Testament (so Ms S), ein Buch von Hymnen und Deutungen (so Ms V), ein Buch mit den Deutungen der Hymnen durch die Töchter (so Ms P), das Testament Hiobs »mit Ausnahme [der drei Hymnen]«, so der Kopte, alles, was er gesehen hat, weil Hiob / Jobab nicht schreiben kann, so die slavische Tradition. 114   Möglich wäre auch die Übersetzung: »Ich (Nereos) hörte die großen Dinge, zu der die eine der anderen aufschrieb.« ὑποσημειοῦσθαι heißt eigentlich »unterschreiben«. So deutet der Kopte: »Ich höre [die Großartigkeiten, da eine (Tochter)] sie jeweils der anderen niederschrieb« (Schenke, Neue Fragmente [s. Anm. 84], 103). Zur Textgeschichte auch Haralambakis, Testament (s. Anm. 84), 74 f.

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Als Hiobs Seele schließlich auf dem Himmelswagen abgeholt wird, gibt er seinen Töchtern eine Zitter (κιθάρα), ein Rauchfass (θυμιατήριον) und eine Pauke (τύμπανον).115 Die Töchter betätigen sich damit als Musikerinnen und begleiten die Ankunft des Himmelswagens mit ihrer Musik. Das Rauchfass lässt an der Teilnahme am himmlischen Kultgottesdienst denken, die Instrumentalisierung ist allerdings wenig typisch.116 Unter den im Tempel verwendeten Instrumenten kommt nur die Kithara, eine fünf- bis zwölfsaitige Harfe vor.117 Die Handpauke (τύμπανον) ist in der Bibel dagegen vor allem mit Frauen verbunden.118 Möglich wäre auch die Vorstellung einer Prozession. Schließlich führen die Töchter noch den irdischen Zug zum Begräbnis von Hiobs Leib an. Hier singen sie umgürtet die Lieder Gottes.119 Die Gürtel, oder Seiten und Bänder, haben also eine Vielzahl von Funktio­ nen.120 Sie führen in die himmlische Welt (47,3), sind ein Heilmittel gegen Leiden an Körper und Geist (47,6 – 8), ein Mittel zum Offenbarungsempfang (47,9), ein Amulett gegen den Einfluss des Teufels (47,11), sie lassen die Erscheinung des Himmlischen in der Welt erkennen (52,6 – 9), verwandeln das Herz, begaben mit den Sprachen und Gesängen der Engel (48 – 50) und führen zu himmlischem Lobpreis mit und ohne instrumentaler Begleitung (52,3 – 9). Schließlich lassen sie das Göttliche in der Welt repräsentieren (52,12). Diese Vielfalt scheint mir nicht nur auf ein mögliches mündliches und literarisches Wachstum der Erzählung hinzuweisen, sondern absichtsvoll gestaltet zu sein. Bei allem Einblick, den die Bänder in die himmlische Welt verschaffen, bleibt das Himmlische noch numinos und verhüllt, dem direkten Einblick der Lesenden verschlossen. Die Lebenden bleiben auf ihre Erfahrung und auf die Stele, Liedsammlung und Gebete der Töchter verwiesen, auf einen Text, der hinter dem Text verborgen bleibt. Mit den Gürteln verbindet der Text als Prätext die biblische Hiobserzählung, aus der sie entstammen, mit den drei Posttexten, in die die Lieder zumindest fiktiv eingegangen sind.

115   Die Vision von einem Lichtwagen, auf dem eine Lichtgestalt vom Himmel herabkommt einschließlich des Assessors des himmlischen Gottesdienstes, sieht auch Eva in ApkMos 33. 116   Vgl. aber Ps 80,3 (LXX); Jes 5,12; 24,8 lässt eher an gesellschaftliche Anlässe denken und Gen 31,27 an eine Festprozession aus politischem Anlass. 117   2 Chr 9,11; Ps 42,4 (LXX); Dan 3,5 im babylonischen Gottesdienst. Im himmlischen Kult Apk 5,8; 14,2; 15,2. Im nicht-jüdischen Kult scheint sie eine größere Rolle zu spielen, vgl. T. J. Mathiesen, Apollo’s Lyre. Greek Music and Music Theory in Antiquity and the Middle Ages, Lincoln u.  a.1999, 258 – 270. 118   Ex 15,20; Ri 11,34; 1 Sam 18,6; Jer 38,4 (LXX); Jdt 16,1. 119   So Ms SV und slav.; P und Kopte: ὑμνολογουσῶν ἐν ὕμνοις τοῦ πατρός. Zu den Varianten auch Haralambakis, Testament (s. Anm. 84), 72 f. 120   Vgl. auch R. Lesses, Amulets and Angels. Visionary Experience in the Testament of Job and the Hekhalot Literature, in: L. LiDonnici / A. Lieber (Hg.), Heavenly Tablets. Interpretation, Identity and Tradition in Ancient Judaism, JSJ.S 119, Leiden 2007, 49 – 74.

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Viel diskutiert wird die Frage, ob das Testament Hiobs ein emanzipatorisches oder ein anti-emanzipatorisches Frauenbild vertritt.121 Die an der himmlischen Liturgie partizipierenden Töchter haben einige Ausleger des 20. Jh.s dazu angeregt, diesen Teil der Erzählung für einen christlichen Nachtrag zu halten.122 Andere haben zumindest eine große Differenz zwischen der Darstellung der Töchter und der Darstellung von Hiobs Magd und Frau Sitidos entdeckt, die sie entweder auf verschiedene Autoren123 oder aber auf ein Menschenbild zurückführen, das jungfräulich-asexuelle Frauen als Nicht-Frauen versteht.124 Allerdings wird in unserem Text überhaupt nichts über den gegenwärtigen oder zukünftigen Ehestand von Hemera, Kasia und Amaltheias Keras mitgeteilt. Vor allem aber hat Nancy Klancher m. E. überzeugend gezeigt, dass alle fünf in der Erzählung geschilderten Frauen Hiobs Konflikte, Herausforderung und himmlischen Status spiegeln.125 Die Magd, die sich vom als Bettler verkleideten Satan dazu verführen lässt, aus Mitleid die Anweisung ihres Herrn zu missachten, kündigt das Erscheinen des Teufels an. Sitidos, die sich aus Selbstaufopferung für ihren Mann vom Satan die Haare rauben lässt und sich damit selbst entehrt, spiegelt den inneren Kampf Hiobs zwischen Status- und Ehrverlust und Selbstachtung. Vor ihrem von den Tieren beweinten Tod wird Sitidos mit einer himmlischen Vision belohnt (40,3 f.). Die Töchter erhalten also nicht nur Einblick in die himmlische Welt, die Hiob in seinem Lied vor den klagenden Freunden andeutet: »Mein Thron ist über der Welt und sein Glanz und seine Pracht sind zur Rechten des Vaters.«126 Mit den himmlischen Saiten und Bändern werden sie zu Teilnehmerinnen oder zumindest zu Nachahmerinnen im Gottesdienst der Engel.

121   Einen Überblick über die Diskussion gibt M. Haralambakis, ›I am not afraid of anybody, I am the Ruler of this Land‹. Job as Man in Charge in the Testament of Job, in: O. Creangă (Hg.), Men and Masculinity in the Hebrew Bible and Beyond, Sheffield 2010, 127 – 144, 127 – 126 . 122  Vgl. E. von Nordheim, Die Lehre der Alten 1. Das Testament als Literaturgattung im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit, ALGHJ 13, Leiden 1980, 132 – 134; Spittler, Testament (s. Anm. 91), 834, vermutet eine Entstehung der Kapitel in montanistischen Kreisen. 123   van der Horst, Role (s. Anm. 93), 281 – 289. 124   S. R. Garrett, The »Weaker Sex« in the Testament of Job, JBL 112 (1993), 55 – 70; R. A. Kugler / R. L. Rohrbaugh, On Women and Honor in the Testament of Job, JSPE 14 (2004), 43 – 62. 125   N. Klancher, Female Soul in Drag. Women-as-Job in the »Testament of Job«, JSPE 19 (2010), 225 – 245. Vgl. auch E. O. Gravett, Biblical Responses. Past and Present Retellings of the Enigmatic Mrs. Job, Bibl.Interpr. 20 (2012), 97 – 125. Waugh, Testament (s. Anm. 87), 787, meint, die Töchter erben mit den Gürteln die Geduld des Vaters. 126   TestHiob 23,3, vgl. das ganze Kapitel 33.

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4.  Zusammenfassung und Ausblick Ich hoffe gezeigt zu haben, dass antike jüdische Literatur durchaus liturgisch tätige Frauen kennt. Sie sind gleichberechtigt beteiligt an der dramatischen Imitation des Exodusereignisses im von Mirjam angeführten Frauenchor und seiner harmonischen Vermischung mit dem von Mose angeführtem Männerchor in Philos ethnografischer Beschreibung jüdischer Gottesverehrerinnen und Gottesverehrer in Ägypten. Das Testament des Hiob stellt uns Gürtel als ein Medium vor, die den Himmel für Hiobs Töchter aufschließen und sie zu Mitsängerinnen im Gottesdienst der Engel machen. Inwiefern diese zugegebenen exzeptionellen Beispiele auf eine verbreitete Wirklichkeit verweisen, bleibt schwer zu beurteilen. Im Umfeld der griechischen und römischen Kultur, in der gottesdienstliches Wirken von Frauen durchaus üblich war, und im Umfeld frühchristlicher Praxis wäre es freilich durchaus verwunderlich, wenn an Liturgie und Gottesdienst in jüdischen Gruppen ausschließlich Männer beteiligt gewesen wären. Wie gesehen, findet sich unter den in Qumran gelesenen Texten mindestens eine Pentateuchversion mit ausführlicherem Mirjamlied. Ein weiterer liturgischer Text, in dem Frauen jedenfalls eine Rolle spielen, ist 4Q502, der zunächst vermutlich zu Unrecht mit ›Ritual of Marriage‹ beschrieben wurde. Hier gibt es Wahrheitstöchter, Schwestern und weibliche Älteste.127 Eyal Regev hat jüngst diskutiert, inwieweit man 4Q502 als gruppenspezifischen Text lesen kann.128 Das Zeugnis bleibt sicher ambivalent und bedarf weiterer Forschungen. Auf der einen Seite zeigen Strafbestimmungen, wie ein Fragment der DamaskusTexte (4Q270 7 1,14 f.), dass Vergehen gegen Mütter als weniger schwerwiegend gewertet werden, weil ihnen ‫ רוקמה‬fehlt. Cecilia Wassén deutet ‫ רוקמה‬in Analogie zu den Gürteln von Hiobs Töchtern als Kleidungsstück mit besonderer Dignität, das hier von Frauen eben nicht getragen werde.129 Auf der anderen Seite hat bereits 1984 David Flusser einen gemeinsamen mystischen Traditionshintergrund zwischen dem Testament Hiobs und den Sabbatopferliedern aus Qumran entdeckt.130 Andrea Lieber kann sich diese Lieder als Liederbuch in Philos therapeutischen Nachtfeiern vorstellen.131 Und Jennifer Zilm hat jüngst auf eine 127

  White Crawford, Mothers (s. Anm. 13).  Vgl. Regev, Cherchez les femmes (s. Anm. 13), 275 – 282. 129   Wassen, Women (s. Anm.  7), 194 – 196. 130   D. Flusser, Psalms, Hymns and Prayers, in: M. E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus, CRI II,2, Assen 1984, 551 – 577 (563 – 565). 131   A. Lieber, Voice and Vision. Song as a Vehicle for Ecstatic Experience in Songs of the Sabbath Sacrifice, in: C. A. Evans (Hg.), Of Scribes and Sages. Early Jewish Interpretation and Transmission of Scripture II: Later Versions and Traditions, Studies in Scripture in Early Judaism and Christianity 10 = Library of Second Temple Studies 51, London u. a. 2004, 51 – 58. 128

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Parallele zwischen den vielfarbigen Gürteln und dem im 13. Sabbatlied (11Q17 21 – 22) erwähnten vielfarbigen Gewand hingewiesen.132 Ein Argument gegen die liturgische Beteiligung von Frauen in Qumran, das Zeugnis des Philo und Josephus über die Essener, müsste in Zukunft m. E. jedoch kritischer betrachtet werden. Bei genauerem Hinsehen erscheinen nämlich hinter den Zeugnissen für diese These ein ethnografischer und ein apologetischer Diskurs. Philo führt den ethnografischen Vergleich selbst in seiner Schrift »Über die Freiheit des Tüchtigen« ein, wenn er die Essener neben die sieben Weisen der Griechen, persischen Magier und indischen Gymnosophisten stellt.133 Dass keine Frauen zu den Essenern gehören, sagt Philo hier nicht. Josephus nimmt ebenfalls an diesem Diskurs teil, wenn er die Ablehnung der Ehe durch die Essener rahmt mit der Bemerkung: »Ihre Lebensweise weicht in nichts ab, sondern ähnelt in allem den Ktistai bei den Dakern.«134 Mit dieser Bemerkung rezipiert er die These des Posidonius, die auch Strabo (63 v. – 23 n. Chr.) ausführlich diskutiert: Posidonius erzählt, dass die Mysier sich aus Frömmigkeit alles Belebten enthalten [. . .], dass ferner einige der Thraker ohne Frauen leben, welche Ktistai heißen, und aus Verehrung heilig geachtet werden [. . .]. Alle diese nenne der Dichter [gemeint ist Homer] gemeinschaftlich [. . .] verherrlichte Rossmelker und Milchesser und Habelose, die rechtlichsten Menschen.135

Anders gesagt, Posidonius identifiziert die bei Homer erscheinenden Mysier, das gerechteste aller Völker, mit ehelosen Ktistai, was übrigens Strabo mit der Beobachtung bestreitet, frauenlose Völker könnten nicht gerecht sein, weil Frauen frömmer seien als Männer (Strabo 7,3,4). Euseb bringt drei Jahrhunderte später das Zitat aus Philos Apologia pro Judaeis in seiner Praeparatio Evangelii (8,11) als Nachweis seiner These, dass die Christen eine kleine jüdische Elite ablösen. Wenn er im nächsten Buch (9,3) die zustimmende Bewunderung des Porphyrius für sie referiert, so gibt er nichts anders als den Text aus Josephus’ Jüdischem Krieg wieder, unterschlägt aber, dass Porphyrius in De abstentia 4,11 hier ausdrücklich Josephus zitiert.136 Porphyrius schreibt ein Werk über die Enthaltsamkeit, Euseb möchte die Besten der Juden als Vorläufer des Christentums präsentieren, Josephus profiliert lobend seine Essener als die »gerechtesten aller 132   J. Zilm, Multi-Coloured like Woven Works. Gender, Ritual Clothing and Praying with the Angels in the Dead Sea Scrolls and the Testament of Job, in: J. Penner u. a. (Hg.), Prayer and Poetry in the Dead Sea Scrolls and Related Literature (FS Schuller), StTDJ 98, Leiden 2012, 437 – 451 (444 – 449). Und Jennifer Zilm hat darauf hingewiesen, dass bei den in 1QSa 2,3 – 9 und 4Q266 genannten Einlassbedingungen Frauen nicht explizit ausgeschlossen werden (443). 133   Philo prob.  71 – 74. 134   Flav.Jos.Ant. 18,22. 135   Strabo 7,3,3. Übersetzung: C. G. Groskurd. Das Zitat aus Hom.Il. 13,5 f. findet sich u. a. auch bei Philo cont. 17. 136   Vgl. auch Inowlocki, Eusebius (s. Anm. 10), 262 – 267.

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Menschen«, indem er sie mit den von Posidonius als thrakische Ktistai identifizierten legendären homerischen Mysiern gleichsetzt. Diese Beobachtungen lässt die These vom Ausschluss der Frauen aus der Essenergemeinschaft in zwei je spezifische kulturelle und literarische Kontexte des 1. und 4. Jh.s n. Chr. einordnen. Dass sie als historische Analyse der qumranischen Sozialstruktur besonders glaubwürdig ist, wage ich daher zu bezweifeln.

Purity Laws for Men and Women in the Dead Sea Scrolls A Comparison of Ideals and Praxis Cecilia Wassén

How did Jewish men and women live according to the purity laws in Palestine around the turn of the Era and how did purity regulations affect men and women in different ways? It is not unusual for biblical scholars to imply that the purity system was especially limiting for Jewish women compared to Jewish men, since the former were frequently impure, at least according to the common understanding.1 Such general views on female impurities also surface in discussion on the Qumran movement as I will demonstrate below. For my study, I will compare the purity laws for men and women in biblical texts and Qumran documents and draw some conclusions about how purity laws may have affected men and women in both similar and different ways. I will pay special attention to the texts that explicitly outline purity laws concerning male and female discharges: the Damascus Document, D (CD A + B; 4Q266 – 272; 5Q12; 6Q15), the Temple Scroll (11Q19), and Tohorot A (4Q274).2 At the end I will reflect on the 1   In New Testament scholarship, these views frequently appear in discussions in connection to Mark 5:24 – 34, the story about Jesus and the haemorrhaging woman; see e. g., comments by Mary Ann Getty Sullivan, who claims that »women were considered ›less clean‹ than men« and a »perceived threat of pollution to men«; M. A. Getty-Sullivan, Women in the New Testament (Collegeville, MN: Liturgical Press, 2001), 69 – 70; cf. M. E. Boring, Mark: A Commentary (Louisville, KY, USA: Presbyterian Publishing Corporation, 2006), 159 – 160. For a critique of interpretations of Mark 5 that appear anti-Jewish, see C. Fonrobert, »The Woman with a Blood-Flow (Mark 5:24 – 34) Revisited: Menstrual Laws and Jewish Culture in Christian Feminist Hermeneutics,« in Early Christian Interpretation of the Scriptures of Israel: Investigations and Proposals (Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997), 121 – 140. Reacting against scholarly reconstructions of Jewish life in antiquity which emphasize the impurity of women over that of men, Paula Fredriksen states »Impurity is gender-blind. A healthy Jewish adult woman incurs impurity on a regular basis through menses; but she is no more impure than is her husband whose semen is a medium of impurity, after intercourse. During pregnancy, all things being equal, she is pure, while her husband after nocturnal emission, is not.« P. Fredriksen, »Did Jesus Oppose the Purity Laws,« BR Wash. DC 11, no. 3 (1995): 18 – 25, 42 – 47. 2   Other documents that are important for purity issues are e. g., Tohorot B (4Q276 – 277); Miqṣat Ma’aśe ha-Torah (4Q394 – 399; 4Q313); 4QOrdincances  B (4Q513) and C (4Q514); 4QHalakha A (4Q251); and the Rule of the Congregation (1QSa). Additional laws may be found in some very fragmentary texts, e. g., Miscellaneous Rules (4Q265), 4QPurification Liturgy (4Q284), and 4QHarvesting (4Q284a).

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importance of purity regulations for the identity formation of both men and women in the Qumran movement.

1.  Scholarship on the Dead Sea Scrolls Discussions on women in the Dead Sea Scrolls frequently appear in connection to the question of celibacy where impurity is often seen as a key reason for abstention from marriage. Apart from the common assumption that the sectarians avoided marriage for purity reasons in relation to marital sex, scholars will sometimes highlight female bodily impurities, especially menstruation, as a particular worry for the men preoccupied with purity.3 The assumption appears to be that impurity of women would be more threatening for the Qumran community than impurity stemming from men, an assumption that I question. In his article »The Role of Purity in the Essene Sect« from the 1960’s George Buchanan argued that »since women were necessarily unclean at least one fourth of the time, it is not surprising that a meticulous group would not trust them with matters of defilement« and concludes that »the monastic order avoided women for purity reasons.«4 More recently Shaye Cohen highlights the archaeological finds of only a few female skeletons at Qumran, and states »No doubt this exclusion of women would have been justified on the grounds of menstrual impurity.«5 With particular reference to the purity regulations in the Temple Scroll, he adds, »The Qumran Jews who created all male societies and restricted the mobility of women in general and menstruating women in particular were far more rigorous in these matters than the Jewish society as a whole.«6 George Brooke refers to the purity laws of the temple as an explanation for celibacy: »the male orientation of the Qumran community was the direct result of the application of purity laws within the community, purity laws whose main aim was to reflect 3  Already E. Schürer argued that celibacy of the Essenes was the outcome of stringent purity concerns given that marital relations rendered a person unclean; see The Jewish People in the Time of Jesus Christ, II (Edinburgh: T & T Clark, 1885), 211. 4   G. W. Buchanan, »The Role of Purity in the Structure of the Essene Sect,« RevQ  4 (1963 – 64): 397 – 406 (404 – 405). 5   S. JD. Cohen, From the Maccabees to the Mishnah, 3rd edition (Louisville, KY: Westminster John Knox Press, 2014), 77. Also Peter Flint considers menstruation a key factor behind the celibacy of the members of the »Yahad Essenes,« for whom contact with women was forbidden; see P. W. Flint, The Dead Sea Scrolls (Nashville, TN: Abingdon Press, 2013). 6   Cf. the statement by Jodi Magness: »the Essenes’ exclusion of women from aspects of community’s life reflects a concern with ritual purity that is uniquely Jewish« and continues »[they were] limiting contact with those considered unclean or impure, including corpses, women and the diseased.« J. Magness, Debating Qumran (Leuven; Dudley, MA: Peeters Publishers, 2003), 85. In a personal conversation she has explained that the statement is not accurate and should rather refer to the Essenes’ avoidance of marital sex. Her mistake illustrates how easy it is for scholars to associate women with impurity.

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the self-understanding of the community as a spiritual sanctuary living in the last days.«7 It remains unclear why not women could be part of a »spiritual sanctuary« since they were allowed into the actual Temple in Jerusalem. It appears, then, that women in an undefined way are associated with impurity. Joseph Baumgarten, similarly, and rather vaguely, refers to purity concerns related to the presence of women when he attempts to explain the alleged exclusion of women from Passover meals according to his reconstruction of 4Q265 3. Pointing to 1QM 7:3 (where women are excluded from the war camp) he remarks, »Presumably, in both cases their presence was viewed as incompatible with the maintenance of strict purity.«8 Nevertheless, given that the key word ‫אל‬ (»not«) is missing in the text and that the context of this small fragment is lost, we cannot know what the text is saying about women and Passover.9 This does not prevent scholars from drawing far reaching conclusions. Hanna Harrington echoes Baumgarten’s views on this issue, and referring also to 11Q19 17:7 – 9, explains that the concern of the Qumran authors is that the Passover sacrifice will be defiled, presumably because of the possible menstruation of these women. She states, »Clearly, according to these Scroll authors [of 4Q265 and 11Q19], women obstructed the maintenance of holiness.«10 According to Paul Heger, 4Q265 3 3 »explicitly prohibits the participation of both ‫נער זעטוט ואשה‬ youngsters and women.« The reconstructed text serves as the basis for his argument that women and minors were not part of the holy eda.11 Harrington also assumes impurity as a reason why women were excluded from participation in  7   G. J. Brooke, »The Dead Sea Scrolls and New Testament Ecclesiology,« in Holiness and Ecclesiology in the New Testament (ed. K. E. Brower / A. Johnson; Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2007), 1 – 18 (11 – 12).  8   J. M. Baumgarten, »Scripture and Law in 4Q265,« in Biblical Perspectives: Early Use and Interpretation of the Bible in Light of the Dead Sea Scrolls: Proceedings of the First International Symposium of the Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls and Associated Literature, 12 – 14 May, 1996 (ed. M. E. Stone / E. G. Chazon; Leiden: Brill, 1998), 25 – 33 (32). Baumgarten also refers to Jub 49:17, claiming that it restricts the Passover meal to men twenty years and older; J. M. Baumgarten, Qumrân Cave 4. 25, Halakhic Texts, DJD 35 (Oxford: Clarendon Press, 1999), 63. Both the texts in Jubilees and 11Q19 clearly prescribe that men from twenty years of age and upwards must eat the Passover sacrifice, but to my mind no prohibition against women participating is evident.  9   The reconstruction has been questioned by E. Schuller, »Women in the Dead Sea Scrolls,« in The Dead Sea Scrolls after Fifty Years: A Comprehensive Assessment Vol 2 (ed. P. W. Flint / J. C. Vanderkam; Leiden: Brill, 1999), 117 – 144 (139). Schuller notes that the original reading in the Preliminary Concordance was not ‫» ]בזב]ח הפסח‬paschal sacrifice« but ‫]בח]ג הפסח‬ »feast of Passover.« Accordingly, Geza Vermes translates the line (of his fragment 4): »[and why] do a young man and a woman eat [anything leavened during the feast] of Passover?« G. Vermes, ed., The Complete Dead Sea Scrolls in English (London: Allen Lane, 1997), 155. 10   H. K. Harrington, The Purity Texts, Companion to the Qumran Scrolls 5 (T & T Clark, 2004), 101 – 102. 11   P. Heger, Women in the Bible, Qumran, and Early Rabbinic Literature: Their Status and Roles (Leiden: Brill, 2014), 176; see also 166, 170, 176 – 181.

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»the messianic community,« referring to 1QSa 2:5.12 The problem is that women are not mentioned among the excluded ones in the list in 1QSa 2:3 – 9. On the contrary, women appear in column 1 as members in this community (1QSa 1:4, 10 – 11).13 It appears then that some scholars easily ascribe a heightened concern about the impurity of women to these ancient authors even when no such concern is explicit in the text. From a different, gender-neutral perspective, one may instead detect a general concern about impurity of men and women alike. Below I will compare what the Scroll authors are saying about male and female impurity and search for any evidence that female impurities were a special concern in the Qumran movement. First, however, I will consider the purity laws for men and women in the Hebrew Bible.

2.  Biblical Purity Laws: Male and Female Impurities Genital discharges of different kinds, i. e., menstruation, semen, irregular fluxes, and discharges in connection to childbirth, render a person impure. In addition, impurity stems from certain kinds of skin disease (Lev 11:1 – 47) and contact with a human corpse (Lev 21:1 – 4; 22:4; Num 5:2 – 4; 19:1 – 22; 31:19 – 24).14 Dietary laws (Lev 11; Deut 14) are only partly related to the purity system (or systems) since only some of the prohibited animals transmit impurity.15 Importantly, eating or touching some of the animals that transmit impurity are prohibited unlike other forms of attracting ritual impurity (Lev 11:8). It is noteworthy that many kinds of impurity – skin disease, corpses, and carcasses – were part 12

  Harrington, The Purity Texts (see n. 10), 104.  See C. Wassen, Women in the Damascus Document, SBL Academia Biblica (Atlanta: Society of Biblical Literature, 2005), 140 – 156. 14   The laws concerning impurity of corpses appear in late sources from the post-exilic period, including H (the Holiness Code). It is reasonable to trace their origin to Persian influence; see T. Kazen, Scripture, Interpretation, or Authority?: Motives and Arguments in Jesus’ Halakic Conflicts, WUNT 320 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2013), 143 – 145. 15   Jacob Milgrom explains that ‫( שקץ‬an abomination) refers »to animals whose ingestion is forbidden but which do not pollute« whereas ‫ טמא‬refers »to animals that, in addition, pollute by contact.« The former applies to marine creatures (Lev 11:9 – 12), birds (and bats), and insects (11:13 – 23), while the latter applies to prohibited mammals (Lev 11:4 – 8), reptiles, and rodents (11:29 – 31). But Lev 11:43 – 45 confuses the categories in that the lexem ‫ שקץ‬is used for defiling swarmers, which indicates that the passage comes from a later source, i. e., H. See J. Milgrom, Leviticus 1 – 16: A New Translation with Introduction and Commentary, 1. ed., The Anchor Bible 3 (New York: Doubleday, 1991), 656, 685, 695. In addition, carcasses of clean animals also transmit impurity by touch or ingestion if they die naturally (Lev 11:39 – 40), which does not correspond well with the previous laws and is another interpolation according to Milgrom (ibid., 693 – 694). For a critique of Milgrom’s distinction between ‫ שקץ‬and ‫טמא‬, see T. Kazen, »Dirt and Disgust: Body and Morality in Biblical Purity Laws,« in Baruch J. Schwartz et al., Perspectives on Purity and Purification in the Bible (New York: T & T Clark, 2008), 55 – 56. 13

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of the world of both men and women and affected them in the same way. Only with regard to genital discharges were impurities tied to the sex of a person due, of course, to the different nature of the male and female discharges. The focus on this study will therefore be on this category of impurity. Leviticus 15 (P), outlines the laws for transmission and purification of impurity for regular and irregular male and female discharges. The male zav and the female zavah together make up a distinct category compared to the others since they have to offer sacrifices at the end of their purification period (Lev 15:13 – 15, 29 – 30), which also applies to the parturient (Lev 12:6 – 8). The laws are stated in a neutral tone with no directives concerning avoiding sources of impurity. Nevertheless, at the end of the passage (Lev 15:31) there is an exhortation to that effect: »Thus you shall keep the people of Israel separate from their uncleanness, so that they do not die in their uncleanness by defiling my tabernacle that is in their midst.« The verse may well be added by a second priestly source, H (the Holiness source, responsible for Lev 17 – 27), which stresses the importance of preserving holiness of the land and the sanctuary (e. g., Lev 19:30; 20:3; 26:2).16 As noted by commentators, the laws for male and female discharges in Lev 15 are presented in a parallel fashion with analogous terminology and rules.17 All categories are also subsumed under the term hazav, in the summary statement at the end of the chapter, which further demonstrates their close relationship: »This is the ritual for those who have a discharge (hazav) for him who has an emission of semen, becoming unclean thereby, for her who is in the infirmity of her period, for anyone, male or female, who has a discharge, and for the man who lies with a woman who is unclean« (Lev 15:32 – 33). The ways impure men and women transmit impurity are very similar as the niddah,18 the zav, and the zavah all transmit impurity on bed and chairs on which they sit or lie. The pre16

  The verse interrupts the flow of the text since the next two verses provide a summation of the previous laws. It is not obvious either what the antecedent to »separate from their impurity« is. Does the »impurity« here refer to all the impurities listed in Lev 11 – 15 or chapter 15 alone? Since these impurities are mostly unavoidable it is not evident how people should separate from them. In what way the people are threatening the sanctity of the tabernacle for which they will be killed is not clear either. Milgrom points to several features that suggest the verse is added by H; Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 945 – 947. Kathleen O’Gready discusses different interpretations: by focusing on »my tabernacle« some commentators argue that the verse prohibits impurity carriers to enter into sacred space; according to another reading, the verse imposes full segregation on all impurity carriers from others, an interpretation which she prefers; see K. O’Gready, »The Semantics of Taboo: Menstrual Prohibitions in the Hebrew Bible,« in Wholly Woman, Holy Blood: A Feminist Critique of Purity and Impurity (ed. K. De Troyer; Harrisburg, Pa: Trinity Press International, 2003), 1 – 28 (13 – 15). 17   Although there are slight differences, see Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 907 – 926. 18   There are various suggestions as to the etymology behind niddah. Milgrom traces the term to the root ndd (»chase away, expel«) arguing that it originally referred to »the discharge or elimination of menstrual blood, which came to denote menstrual impurity and impurity in general.« Later also, niddah became a term for the menstruants who were secluded, Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 744 – 745.

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cautions concerning furniture imply that the impurity carriers remained at home as Milgrom argues.19 The focus on the seats further suggests that the actual blood and discharge are the main pollutants since anyone touching these items also becomes impure. Also, if a man has intercourse with a menstruant, »her impurity falls on him« (Lev 15:24) and he will subsequently transmit impurity in the same manner as her for seven days.20 Importantly, semen is considered impure and defiles a man through nocturnal emission (Lev 15:16; cf. Deut 23:10) and the cloth or skin with which it comes into contact (Lev 15:17). The difference in length of the impurity – one day for semen emission and seven days for menstruation – is based on the duration of the discharge and the repercussions for women are more severe in that respect. The impurity level of semen is lesser than that of the others since a semen emitter does not defile things on which he sits or lies. This is evidently logical since the emission takes place at a one time while the other types of emission are continuous. At the same time, semen emission may have occurred quite frequently while menstruation was not at all as common of a phenomenon as it is today in the modern world. Milgrom points out that in any premodern society women would mostly be pregnant or nursing a baby – commonly for three years – when menstruation usually does not occur. In other words, women would not be menstruating very often.21 In addition, menopause happened at a younger age, around 35 – 40 years of age. At sexual intercourse, a man and a woman both became impure, i. e., this impurity was something they shared. It is clear that the source of defilement at sexual intercourse is semen, a point that is stressed in Lev 15:18 »If a man lies with a woman and has an emission of semen, both of them shall bathe in water, and be unclean until the evening.« In comparison, one may wonder if sexual intercourse is implied in the prohibition of approaching a woman at the Sinai theophany found in the Elohist tradition (Exod 19:15), or if somehow women are seen as a source of pollution on their own. Exod 19:14b – 15 reads, »He [Moses] consecrated the people, and they washed their clothes. And he said to the people, ›Prepare for the third day; do not go near a woman.‹« Intriguingly, the common verb ‫›( נגש‬go near, approach‹; Exod 19:15) never refers to sexual intercourse in the biblical texts, which Paul Heger notices. Furthermore, the reference to a generic »woman« rather than »wife« suggests that the prohibition 19

  Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 920, 936.   In Lev 15 there is no condemnation of this practice in contrast to Lev 18:19 where intercourse with a menstruating women is prohibited. According to Lev 20:18 such crime is punished by karet, death. O’Gready highlights the common understanding that Lev 20 belongs to a different period than Lev 15 and should be assigned to H; see O’Gready, »The Semantics of Taboo,« (see n. 16) 10. 21   For the time period of three years for nursing, see 1 Sam 1:22 – 24; Isa 7:15; 28:9 – 10; 2 Macc 7:27. See Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 953. 20

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does not imply sexual intercourse. It may instead reflect a fear of contamination from menstrual impurity as Heger suggests.22 Later Jewish authors, however, conflated the two laws and concluded that sexual intercourse rendered a couple impure for three days, as is evident in the Temple Scroll (11Q19 45:7 – 12).23 A difference between male and female impurities concerns washing. Whereas bathing is necessary for male impurity carriers (Lev 15:13, 16) and, by implication, a couple after sex (Lev 15:18), neither the zavah nor the niddah is explicitly required to bathe. But in agreement with Milgrom it is reasonable to assume that the necessary requirements of immersion for the zav also applies to the zavah and the niddah, since the zav is first in the list of categories of impure people.24 In his words, »the cases that follow [the zav], the menstruant and the zābâ . . . abbreviate their contamination rules because they are derivable from the zāb.«25 The same rule applies to the parturient since her condition is compared to that of a menstruant (Lev 12:5). His argument is persuasive, especially given that zav is a collective term for all dischargers, male and female alike, in Lev 15:33. Another difference, on the surface, is that whereas anyone touching a zav is required to wash their clothes, bathe, and wait for the sunset (Lev 15:7), only waiting until the sunset is necessary for the one touching a niddah (Lev 15:19) and the zavah by implication. But Milgrom argues that bathing is always assumed by the phrase »shall be impure until evening,« since ablution is always a basic part of purification. Hence the difference between these purity ablutions concerns laundering only.26 Although the purification procedures required for touching the bed of the impurity carriers are the same (bathing, laundering, and waiting until evening), there is a slight difference in the requirements for touching defiled seats. Whereas as touching the seat / saddle of a zav only requires waiting for the evening (Lev 15:10; the expression includes bathing), also laundering is required concerning touching the seat of a niddah (Lev 15:22). This indicates that purity level of the blood of a niddah and a zavah is slightly elevated compared to that of the mucus of a zav.27 As we will see below, the Qumran sectarian law harmonizes the impurity level of the two (4Q274 1 i 7 – 8). Intriguingly, the zav is presumed to wash his hands (presumably after urination) otherwise he transmits impurity through touching others (Lev 15:11). 22

  Heger, Women in the Bible, Qumran (see n. 11), 133 – 139.  See M. Gruber, »Purity and Impurity in Halakic Sources and Qumran Law,« in Wholly Woman, Holy Blood (see n. 16), 65 – 76 (67). 24   Contra Milgrom who does not consider the visible difference between male mucus and vaginal blood; Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 924. 25  Ibid. 26   Ibid., 919, 935. 27   There is a difference between touching anything on which the zav has sat on compared to carrying such a thing (a saddle) as only the latter act requires laundering; the former require waiting until sunset, which implies bathing; this distinction is not made explicit concerning other impurities (Lev 15:9 – 10); see Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 913 – 919. 23

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Like the laws concerning the bed and seats, the focus appears to be on the actual discharge. According to Kazen it was especially important that the zav washed his hands since his discharge was not as visible as vaginal blood.28 If so, it is reasonable to assume that also female dischargers regularly washed their hands (especially after urination and defecation) in order not to spread impurity through the blood. Actually, Milgrom argues that a menstruant did not transmit impurity through the hands, since the discourse assumes that they stayed at home and performs household chores: »as long as she is scrupulous about rinsing her hands, she [the menstruant] may clean the house, cook, and perform whatever other chores she desires.«29 In his interpretation, her hands do not transmit impurity. Still, since her blood is contagious rinsing hands after urination and defecation may be assumed. The same laws apply to the zavah since she is said to be impure »as in the days of her impurity« (i. e., menstruation; Lev 15:25).30 Rinsing of hands by the dischargers most likely underlies the development of the custom of washing hands for all participants prior to meals, a custom ascribed to the Pharisees in Mark 7:1 – 7. We may conclude that biblical laws treat male and female source impurities in a similar way, although there are minor variances. We may notice that female source impurity does not imply a higher degree of impurity than male ones, and that the irregular dischargers – male and female – make up a more severe form compared to the others. Some of the differences in between the categories may stem from the different quality of the discharge, i. e., the highly visible nature of blood versus the less visible male discharge. Furthermore, the difference in the length of time for impurity stemming from menstruation compared to semen emission is evidently linked to the time periods of the discharges. The rules for the zav are in many respects similar to the zavah, niddah, and the parturient. Semen impurity, however, appears as a lesser form of impurity in comparison, although, as we will see below, the laws concerning this source of impurity will change with time. The one difference between purity rules concerning males and females that stands out is the enigmatic difference in length of time for the periods of impurity and purification depending on the sex of the child (Lev 12), the rationale for which is never explained in the text.31 Nevertheless, this difference does not affect men and women differently. 28   T. Kazen, Issues of Impurity in Early Judaism, CB. NTS 45 (Winona Lake, Ind: Eisenbrauns, 2010), 93. 29   Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 953, cf. 936, »her hands do not transmit impurity.« Still he does not claim that the same law about rinsing hands concerning the zav applies to the menstruant (p. 937). 30   Ibid., 943. 31   The priestly writer does not explain the difference in the length of time for the new mother and scholars have offered various explanations for the discrepancy. One plausible suggestion traces the dissimilarity to the phenomenon that baby girls sometimes will bleed in the vagina at birth (due to hormones from the mother). This would explain why there is a need for a double

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It is important to keep in mind that for many of the impurities, the sex of a person is irrelevant, i. e., corpse impurity, skin disease, and impurity stemming from contact with an impure person. In addition, while female impurity of menstruation and all irregular discharges result in a certain separation between people, impurity stemming from intercourse in a sense brought a couple together in a joint form of impurity.

3.  Biblical Purity Laws: Background and Development Jonathan Klawans points out that all these ritual impurities have in common that (a) they are natural and unavoidable; (b) contracting such impurity is not a sin; (c) this kind of contagion is impermanent.32 Whereas impurity is a common part of life (menstruation, sexual intercourse), the sacred sphere (space and holy food) must be protected.33 The Priestly Source, P, stresses this point in e. g., Lev 7:20, »Those who eat flesh from the Lord’s sacrifice of well-being while in a state of uncleanness shall be cut off from their kin.« The Holiness Source (or Holiness Code), H (Lev 17 – 26; and some interpolations in the Pentateuch), in particular emphasizes the importance of preserving the holiness not only of the sanctuary but also of the people and land; e. g., Lev 20:25 – 26 reads: You shall therefore make a distinction between the clean animal and the unclean, and between the unclean bird and the clean; you shall not bring abomination on yourselves by animal or by bird or by anything with which the ground teems, which I have set apart for you to hold unclean. You shall be holy to me; for I the Lord am holy, and I have separated you from the other peoples to be mine.34

Since impurity threatened the holy nature of things and space it was important to purify oneself after defilement, e. g., »All who touch a corpse, the body of a human being who has died, and do not purify themselves, defile the tabernacle time of purification. More interesting are the different suggestions by ancient writers preserved in Jubilees 3:8 – 14 and Miscellaneous Rules (4Q265) frgm 7 11 – 17, which offer etiologies connecting the levitical law to the creation of Adam and Eve. Their attempts to explain the difference demonstrate that ancient writers were perplexed over the different purity laws based on the sex of the baby. 32   J. Klawans, Impurity and Sin in Ancient Judaism (New York: Oxford University Press, 2000), 23. 33   For the sanctity of holy food (offerings and food for the priests) see Lev 7:6, 19 – 21; 22:1 – 16; Num  18. 34   NRSV. Cf. P’s similar view »Her time of blood purification shall be thirty-three days; she shall not touch any holy thing, or come into the sanctuary, until the days of her purification are completed« (Lev 12:4). I am following Milgrom’s division of Leviticus between P, which he assigns to 1 – 16, and H, chapters 17 – 26. Pointing to interpolations by H (e. g., in Exod 31:12 – 17; Lev 11:43 – 45; 15:31; Num 15:37 – 41), Milgrom concludes that H is the redactor of P. He also argues that H takes the laws of P for granted; Milgrom, Leviticus  1 – 16 (see n. 15), 13 – 17, 947.

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of the Lord; such persons shall be cut off from Israel. Since water for cleansing was not dashed on them, they remain unclean; their uncleanness is still on them« (Num 19:13 cf. 19:20). A more extreme position on segregation of the impure appear in Num 5:2 – 4, which demands that impure people (dischargers, scale diseased, and the corpse impure) remain outside of the camp, with a motivation of the presence of the divine: »you shall put out both male and female, putting them outside the camp; they must not defile their camp, where I dwell among them« (cf. the war camp in Num 31:19, 24). We may note the explicit reference to both sexes; as in Lev 15 it is taken for granted that impurity affected men and women alike. The restrictions imposed on impure people in Numbers likely stem not from the P‑texts, but from the latest redactional layers of the Pentateuch from the Persian period. The rules for »the camp« originally pertained to Jerusalem as a temple state under the Persian rule.35 As is evident from the examples above, biblical purity traditions range from aiming to protect the sanctuary and Jerusalem in particular to limiting the spread of impurity in everyday life for its own sake. Scholars often assume that purity laws are primarily linked to the sacred sphere (temple and sacred food) since this is the view point of the priestly writers. No one disputes that purity was necessary for contact with sancta, and purity laws were practiced by those entering the temple. Still, the spread of miqva’ot and stone vessels all around the land, also in Galilee far from the Jerusalem temple, in the late Second Temple Period certainly indicates that purity was practiced for its own sake, not only in relation to the sacred.36 That purity concerns did not originate in relation to the cult becomes quite obvious if we accept an evolutionary biological model of explanation for the development of purity rules. According to scholars of this approach, in particular Thomas Kazen and Yitzhak Feder, the concept of impurity developed from emotions of disgust.37 Disgust in turn evolved at an even earlier stage in human evolution as an important protection against pathogens and diseases. Kazen explains that the connection between disgust and impurity is evident cross-culturally, even though the »disgust triggers« derive from socialization and which specific items and events that generates emotions of dis35

  Kazen, Issues of Impurity (see n. 28), 6 – 10.   Yonatan Adler counts up to 850 miqva’ot in the country. For their distribution see Y. Adler, »Tosefta Shabbat 1:14 – ›Come and See the Extent to which Purity Had Spread‹ An Archaeological Perspective on the Historical Background to a Late Tannaitic Passage« in Talmuda de-Eretz Israel: Archaeology and the Rabbis in Late Antique Palestine, Studia Judaica 73 (ed. S. Fine / A. Koller; Berlin / Boston: Walter de Gruyter, 2014), 62 – 83. 37   E. g., Kazen, »The Role of Disgust in Priestly Purity Law,« J. Law Relig. State 3, no. 1 (2014): 62 – 92. Kazen, »Evolution, Emotion and Exegesis: Disgust and Empathy in Biblical Texts on Moral and Ritual Issues,« in Linnaeus and Homo Religiosus: Biological Roots of Religious Awareness and Human Identity, Uppsala Studies in Faiths and Ideologies 23 (ed. C.‑R. Bråkenhielm; Uppsala, Sweden: Uppsala University, 2009), 191 – 218. Kazen, Emotions in Biblical Law: A Cognitive Science Approach (Sheffield: Sheffield-Phoenix, 2011). 36

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gust vary between societies.38 From an evolutionary biological perspective then, early informal purity praxis was later developed into laws and provided with an ideological framework: »The notions of pollution which are immediately concerned with danger are historically primary, whereas notions of pollution focusing on social and religious boundaries are secondary derivatives.«39 This model helps explain why purity was practiced by Jews everywhere, both in the land and in the diaspora. Caring about purity and impurity and practicing purifications thus stem from a basic human need and was the norm not only among Jews but in the Greco-Roman society in general. Nevertheless, how Jews observed purity traditions varied between different segments of society. In the late Second Temple Period we may distinguish between a minimalist and a maximalist approach to purity,40 between Jews who actively avoided impurity to some extent to those who did not care that much. It is important to remember that also among Jews in the first category, many sources of impurity were unavoidable. Purity was not always desirable either, e. g., most adults would have had sex and taken care of their diseased family members which brought them into an impure state. Also among those who held a minimalist approach to purity we may take for granted that they would purify before entering the temple, since not to do so was a serious and dangerous transgression. Given the belief in the divine presence in the temple, we may assume that people would not have dared to enter the sacred space without proper purification.

4.  Male and Female Impurities in the Dead Sea Scrolls Among the many texts found at Qumran that regulate various kinds of impurities, there are three documents that deal with female impurities specifically, i. e., the Damascus Document (CD A and B; 4Q266 – 273), the Temple Scroll (11Q19), and the Tohorot A (4Q274). 4.1  The Damascus Document The legal section in D contains a few key passages about male and female impurities. There is a long section on bodily impurities in D (4Q266 6 i 14 – 16; 4Q272 1 ii 3 – 18; 4Q266 6 ii 1 – 13 and parallels) which unfortunately is very fragmentary. Therefore, the conclusions about the specific laws are based on qualified speculations. 38

  Kazen, Issues of Impurity (see n. 28), 19.   Y. Feder, »Defilement and Moral Discourse in the Hebrew Bible: An Evolutionary Framework,« presentation at SBL Atlanta, November 2015. 40   Kazen, Issues of Impurity (see n. 28), 10. 39

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4Q272 1 ii 3 – 17 (parallels 4Q266 6 i 14 – 16 underlined)41 [‫                        [ומש[פט הזב את זו]בו כ[ול איש‬va]cat 3 ‫ ]אשר יזוב מבשרו או אשר יעלה עלו מ]חשבת זמה או אשר‬4 ]‫ ]                                   [מגעו כמגע ה‬5 [                ‫ וכבס בג[ד]יו [ורחץ במים‬6 [‫ בו הנוגע בו ור[חץ           ו]משפט [הזבה כול אשה‬7 [‫ הזבה דם שב[עת ימים תהיה בנד]תה ב[        ת]שב א[ת‬8 [‫ שבעת הימים[                                ]הנדה וכ[ול‬9 [                                            ]‫ ]הנו]גע בה‬10 [                                                 ]‫ ובע‬11 [                                          ‫ תקוץ [דם זובה‬12 [                                                ]‫ המים‬13 ]‫ נו‬14 [‫ ובמי הנדה[                                         המים‬15 [                                            ]‫ החיי[ם] שני‬16 ]‫ ידה‬17

 3   4  5   6   7   8  9 10 11 12 13 14 15 16 17

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va[cat] And the la[w concerning one who has a dis]charge: A[ny man] [with a discharge from his flesh or one who brings upon himself] lustful [th]oughts or who [                    ] his touch is like the touch of h  [ and he shall wash his clo[th]es [and bathe in water] him, who touches him shall ba[the      And] the law [of a woman who has a discharge: Any woman] who has a discharge of blood [shall be in her men]strual impurity   se[ven days] b[     she] shall remain fo[r] the seven days [                  ]the menstruant and a[ll] [tou]ch her[   ] [   ] stir up [the blood of her discharge] the water[   ] [   ] and with the waters of sprinkling[    ] the livin[g water] [    ] her hand[   ]

  See reconstruction by Joseph Baumgarten in J. M. Baumgarten / A. Yardeni / S. J. Pfann, Qumran Cave 4 XIII: The Damascus Document (4Q266 – 273), DJD 18 (Oxford: Clarendon Press, 1996), 189 – 190. I have adjusted his translation slightly.

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The laws deal with the categories of impurity carriers in Lev 15 although in a different order; thus regulations in D concern a zav, seminal emission, sexual intercourse (?), a zavah, and a menstruant. Nevertheless D adds a section on the parturient (cf. Lev 12) which is evident in the subsequent fragment, 4Q266 6 ii 5 – 13. Similar to Leviticus, male and female impurities are compared to each other, although most of the content is unfortunately lost. We may notice a tendency towards harmonization; these discharges are treated together concerning transmission of impurity, this is at least clear concerning the male impurities.42 There is an added stringency compared to Lev 15. Probably »his touch« (line 5) is likened to that of a zav. Thereby these categories of male source impurity likely impart impurity through their hands unless they have rinsed them corresponding to the zav (Lev 15:11). This interpretation is supported by 4QTohorot A (4Q274) 1 i 8 which states that the touch of a man who has had emission of semen is defiling. This is a considerable change towards stringency compared Leviticus which does not include such a regulation. On the contrary, Lev 15:16 explicitly states that semen itself (only) transmits impurity. Thereby according to D, seminal emission brings as high level of contagion as a zav with regard to his touch. The section on female impurities is highly damaged, but it is notable that they are treated together. Baumgarten reconstructs lines 9 – 10, »the menstruant, and all who touch her« parallel to Lev 15:19 which concerns the law that anyone who touches a menstruant is impure unclean until the evening. Possibly the original text clarifies that the zavah and niddah transmit impurity in the same way, but we cannot know.43 The next text to consider is 4Q266 6 ii 1 – 13, which likely follows closely after the previous one.44 The column consists of three fragments. The first part, 4Q266 6 ii 1 – 4, may pertain to sexual relations during the impurity period of a woman; the second part, 4Q266 6 ii 5 – 13, deals with rules for childbirth. 42   In addition, 4QTohorot Bb (4Q277) 1 ii 10 – 11 likely reiterates the law in Leviticus 15 that the zav does not impart impurity if he has rinsed his hands. See D. W. Parry / E. Tov, ed., The Dead Sea Scrolls Reader. 1, Texts Concerned with Religious Law (Leiden: Brill, 2004), 340 – 341. 43   This would clarify what happens if someone touches a zavah, which Leviticus fails to make explicit, although this is likely implicit in the general rule, »as in the days of her (menstrual) impurity she shall be unclean« (Lev 15:25). 44  See Baumgarten, DJD 18 (see n. 41), 55 – 57. I offer a slightly different translation, especially of lines 10 – 11. Baumgarten reconstructs the end of line 10 as ‫תתן את‬, »she shall give,« and translates accordingly: »[let her give the ch]ild to a nurse (who can nurse it) in purity.« He explains, »the mention of a wet nurse for the infant implies that the mother was held to be ineligible for nursing her offspring during the days of purification« (p. 57). In other words, new mothers would not be allowed to nurse their babies until 40 or 80 days after giving birth. For many reasons I find his reconstruction improbable. It is difficult to believe that the sectarians would have a law that would endanger the life of the infants by prohibiting new mothers from nursing; it would be extremely difficult for new mothers to start nursing one or two months after giving birth. There are also practical problems about who would be able to become a wet nurse if no women were allowed to breastfeed their babies immediately after giving birth. For an in-depth discussion of these laws, see Wassen, Women in the Damascus Document (see n. 13), 53 – 60.

70  1.   2.   3.   4.   5.   6.   7.   8.   9. 10. 11. 12. 13.

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[ ]‫ ]         [ ] [ה א[ ]האש[ה ]  [אשר י]קרב‬1 [‫ ]אליה ע]ון נדה עלו ואם ראתה [עו]ד והיאה לו [בעת‬2 [‫ ]נדתה ]שבעת ימים והיאה אל תוכל קודש ואל ת[בו‬3 vacat    ‫ אל המקדש עד בו השמש ביום השמיני‬4 [‫ ואשה אשר [תזרי]ע וילדה זכר [וטמאה א]ת שבעת [הימים‬5 [‫ ]כ]י[מי] נדת [דאותה וביום השמיני ימול בשר] ערלת[ו‬6 [‫ ]ושלושת ושלושים יום תשב בדם טוהרה ואם נקבה תלד‬7 [‫ ]וטמאה שבועים כנדת ד]אותה ו[ששה וששים יום תשב בדם‬8 [‫ ]טוהרה והיאה] לא תוכל [קודש ולא תבו אל המקדש‬9 [                         ‫ ]כי מ]שפט מות הו[אה‬10 [‫ ]הי]לד למנקת בטוה[רה‬11 [‫ ]ו]אם לוא השיגה יד[ה די שה ולקחה בן יונה או תר לעולה‬12 [                          ‫ ]ו]המירה [א]ת ה[שה‬13 [   ] [  ]h  ‘  the wom[an]   [ one who app]roaches [her] [her has the s]in of menstrual impurity upon him. And if she ag[ain] sees (blood), and it is not [at the time of] [her menstruation] of seven days, she shall not eat anything hallowed, nor en[ter] the sanctuary until sunset on the eighth day.   vacat And a woman who [conceiv]es and gives birth to a male child [shall be impure] for seven [days,] [as] in [the day]s of her menstrual [impurity. And on the eighth day the flesh of his] foreskin [shall be circumcised. For] [thirty-three days shall she remain in her blood purification. If she bears a female child] [she shall be impure two weeks as in her menstrual i]mpurity. [For sixty-six days she shall remain in her blood] [purification. And she] shall not eat [anything sacred, nor enter the sanctuary,] [for] it is a capital cr[ime   ] [the i]nfant to a wet-nurse. In pu[rity     ] [And] if she cannot afford [a lamb, she shall take a turtledove or a pigeon for burnt-offering] [and she] shall substitute [it for the lamb   ]

An important halakhic point in this fragmentary passage is likely that the law from Lev 12:4 about the parturient – who is not to touch anything sacred until the purification period is over – also applies to the zavah (lines 3 – 4). Again we see tendency of harmonization, or »homogenization« as Milgrom calls it.45 We 45   J. Milgrom, »The Scriptural Foundations and Deviations in the Laws of Purity of the Temple Scroll,« in Archaeology and History in the Dead Sea Scrolls: The New York University

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may note the emphasis on waiting until sunset until the zavah is considered pure which is not spelled out concerning the parturient (Lev 12:4). The seriousness of the levitical prohibition against touching (here eating) anything sacred or entering the sacred space for the parturient is emphasized by the rule about capital punishment for any transgression (line 10). This law aims at protecting the sacred domain in the spirit of Lev 15:31, which warns about the deadly consequences for those who defile the sanctuary. The law primarily expresses a deep concern for the sanctity of the temple rather than of female impurities per se. In comparison, in the same document men are accused of defiling the temple in various ways including by serious transgressions of sexual laws (CD 4:12 – 5:16), which reflects the same fear. Based on these passages in D we can conclude so far that male and female impurity stemming from genital discharges are treated together as they are in Lev 15 and that they are harmonized to some degree. There is an added stringency concerning the impurity level of semen compared to Leviticus since the touch of a semen emitter is defiling. The added note in 4Q266 ii 4 that a purifying woman is not completely pure until sunset is also stringent compared to Lev 12 and 15. Importantly, there is no evidence that female kinds of genital impurities would be more severe than male forms of impurity. We may also notice that similar to Leviticus 12 and 15 there is no hint that these categories of impure people would have been isolated. Instead, D provides very precise laws about how impure people transmit impurity to others; this indicates that they were not isolated, but rather possibly restricted in their movements to some degree. 4.2  The Temple Scroll In contrast to D, the Temple Scroll46 prescribes isolation and segregation of different categories of impure people, distinguishing between regular cities and ›the Temple city.‹47 The halakhah is based on the rules for the wilderness camp in Num 5:1 – 4, which states that the scale diseased, zavim, and the corpse impure should be put outside of the camp. There is a conflicting view in Num 19:18 by which the corpse impure is purified at home. The temple scroll imposes similar rules on the cities in Israel, distinguishing between ordinary cities and the city of the sanctuary, Jerusalem. Concerning regular cities, the Temple Scroll demands Conference in Memory of Yigael Yadin, JSOT / ASOR 2 (ed. L. H. Schiffman; Sheffield: JSOT Press, 1990), 83 – 99 (91, 95). 46   I do not consider the Temple Scroll as sectarian, but it may well have been an important document within the Qumran movement. 47   I side with those scholars, who, like Yigael Yadin, interpret the expression »the city of the sanctuary« as a reference to the entire city, not only to the Temple building with its courts; Y. Yadin, The Temple Scroll (Jerusalem: Israel Exploration Society, Archaeological Institute of the Hebrew University, Shrine of the Book, 1983).

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that the scale diseased and zavim should be put outside them, like Num 5. But unlike Num 5 it adds the same requirement for menstruants and parturients but does not include the corpse impure (11Q19 48:14 – 17). The impure people are to stay in special places allotted to them. Outside of the Temple city, there should be three separate places for the scale diseased, zavim, and semen emitters (11Q19 46:16 – 18). Since menstruants and parturients are not mentioned, Yigael Yadin suggested that no women are assumed to live in Jerusalem: »the doctrine of the sect deemed it necessary to ban women from permanent residence in the Temple city.«48 This conclusion, however, goes beyond the evidence in the text. It would be more accurate to conclude that neither married couples nor women of childbearing age are assumed to live in the holy city.49 The law that prohibits a man who sleeps with his wife from entering the Temple city for three days reveals that married couples are not assumed to live within the confines of the city (11Q19 45:11 – 12).50 Women are likely included both among the scale diseased and the people with discharge who are put outside the Temple city, as they are concerning regular cities.51 CD 12:1 – 2 similarly prohibits sexual intercourse within the Temple city although it provides no specification concerning the length of time. There is no indication in Tohorot that a three day purification was necessary for semen impurity.52 It is highly significant that the three days purification period after sexual intercourse in the Temple Scroll is prolonged 48   Yadin, The Temple Scroll, 1 (see n. 47), 288 – 289. H. Harrington (The Impurity Systems of Qumran and the Rabbis; Atlanta: Scholars Press, 1993, 89) accepts his views and even claims with reference to Yadin’s study that »according to the Temple Scroll women are not allowed in the Temple City,« which is plainly wrong since there is a court for women and foreigner in the Temple (11Q19 40:6). In her 2004 book, The Purity Texts (p. 104), she restates Yadin’s conclusion »The Temple Scroll author apparently prohibits women to reside in the Temple City since no quarters are provided for them during times of impurity as they are for other impure persons.« Elisha Qimron’s exaggerated claims are also noteworthy: »Since women were barred from the Temple city these men did not take wives and did not beget children«; see E. Qimron, »Celibacy in the Dead Sea Scrolls and the Two Kinds of Sectarians,« in Madrid Qumran Congress: Proceedings of the International Congress on the Dead Sea Scrolls, Madrid, 18 – 21 March, 1991, STDJ 11 (ed. L. Vegas Montaner / J. Trebolle Barrera; Leiden: Brill, 1992), 287 – 294 (291). 49   S. Japhet, »The Prohibition of the Habitation of Women: The Temple Scroll’s Attitude Toward Sexual Impurity and Its Biblical Precedents,« Janes 22 (1993): 69 – 87. 50   The law appears in a collection of laws regulating access to the Temple city for several categories, including a semen emitter (who shall not enter the city for three days), a blind, and a corpse impure person (11Q19 45:7 – 17). Highlighting that the source of impurity at sexual intercourse is semen, Japhet comments »The question regarding Yadin’s claim is clear: if the source of impurity is the man, why should we conclude from this law that residence of women was forbidden?« see Japhet, »The Prohibition of the Habitation of Women,« (n. 49) 72. 51   For regular cities the excluded categories of scale disease, other skin diseases, and people with discharge clearly includes women. The same expression is used for the people with discharge concerning regular cities and the Temple city, i. e., ‫( הזבים‬11Q19 46:18; 48:15). 52   The requirement in 1QSa 1:26 to sanctify for three days prior to special meetings is influenced by the Sinai event, but does not indicate that the sectarians employed a three days purification period for semen emission.

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compared to the one day prescribed in Lev 15:18. This law likely developed as a result of influence from the Sinai narrative and the prescription to the Israelite men to consecrate themselves and »not go near a woman« for three days (Exod 19:11 – 15), as mentioned above.53 A three day period of purification also applies to a semen emitter (11Q19 45:8 – 10), which should be expected since it is the semen that defiles the couple having sex (Lev 15:18). It is noteworthy that the corpse impure are not among the segregated ones.54 The reason for this is likely the acceptance of first day ablution (11Q19 49:16 – 17) whereby the corpse impure would not transmit impurity to profane stuff which is indicated in 11Q19 50:4 – 9. Whereas Numbers 19 prescribes sprinkling with water on the third and seventh day for the corpse impure, as well as immersion and laundering of clothes on the seventh, the Temple Scroll adds a first day immersion (as well as immersion on the third day; 11Q19 49:16 – 21; 50:13 – 16). The praxis of a first day immersion is attested in Ritual of Purification A (4Q414) and the sectarian 4QOrdincancesc (4Q514). This allowed the purifying person to eat, not sacred food, but profane food right away, because his or her degree of impurity was lessened.55 11Q19 50:4 – 9 reads: And every man in the open fields who touches the bone of a dead man, or one who is slain with the sword, or a dead man, or the blood of a dead man, or a grave – he shall cleanse himself according to this statute of ordinance. And if he does not cleanse himself according to the ordinance of this law, he is unclean, his uncleanness is still with him, and every man who touches him shall wash his clothes and bathe, and he will become clean by evening.56

Similarly, according to the Temple Scroll, a man should immerse immediately after a nocturnal emission (11Q19 47:7 – 10; 1QM 14:2). Jacob Milgrom finds evidence that all purifying persons should similarly immerse on the first day, which enabled them to eat regular food (this is evident in 4Q514 1 i – ii 8 – 10) without transmitting impurity. Ablutions, therefore, served to reduce the level of impurity, necessary before eating ordinary food.57 Washing would not help during primary impurity, but only at the purifying stage, which would have

53   Yadin argues cautiously that the Temple city and the Sinai mountain are seen as »a kind of parallel«; The Temple Scroll, 1 (see n. 47), 288. 54   But those impure from a corpse who reside elsewhere are prohibited from entering the city (11Q19 45:17 – 18); such a person »shall not enter it (the city) until he cleanses himself.« 55   Harrington, The Impurity Systems of Qumran and the Rabbis (see n. 48), 76. 56   Translation from Parry / Tov, The Dead Sea Scrolls Reader (see n. 42), 188 – 189. 57   For the sectarian concern about eating ordinary (non-sacrificial food) in purity in general, see J. Milgrom, »First Day Ablutions in Qumran,« in Madrid Qumran Congress (see n. 48), 561 – 570. Baumgarten, DJD 35 (see n. 8), 80. For the view that the sectarians did not eat ordinary communal meals in purity see C. Wassén, »Common Meals in the Qumran Movement with Special Attention to Purity Regulations,« in vol. 1 of The Eucharist – Its Origins and Contexts WUNT 376 (ed. D. Hellholm / D. Sänger; Tübingen: Mohr Siebeck, 2017), 77 – 100.

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been the most common one, e. g., once a corpse was removed from a house, or right after sexual intercourse. Thereby, a first day ablution removes one layer of uncleanness so that the person is pure with regard to profane things, but not to sacred things, i. e., priestly or sacred food. We can conclude that impurity is of great concern in the Temple Scroll that outlines a large number of laws aiming at containing various impurities far from the Temple. In this highly utopian account the author develops various strategies to protect the holiness of the Temple city and the Temple from any defilement. Impure men and women are severely restricted in their movements and married couples are simply assumed not to reside in the future Temple city. At the same time, there is an intriguing mix of leniency and stringency in the interpretation of biblical purity laws. Whereas semen impurity is intensified compared to Lev 15, the innovation of a first day ablution actually reduces the impurity level of impurity carriers, which is a key topic in Tohorot to which we will turn below. 4.3  Tohorot A (4Q274) 4QTohorot A (4Q274) and 4QOrdinancesc (4Q514) provide regulations concerning cases when the impurity level of people who are already impure increase. Thereby the legislation covers gaps in the biblical laws that do not address such cases. The legislation in 4Q274 1 i is particularly revealing for understanding some of the practical aspects of male and female impurities. The fragmentary beginning of the column provides stipulations concerning someone who is to stay away from other impure people and twelve cubits from »the purity« and any dwelling. It is debated what kind of impurity category that is the object of the laws, i. e., whether the laws concern a zav as suggested by Baumgarten, or a scale diseased as Milgrom argues. Kazen instead suggests that the laws pertain to a person purifying from scale disease, which is a reasonable suggestion.58 From line 4b the topic turns to source impurity of men and women.59 58   4Q274 1 – 4 reads: (1) He shall begin to lay down his pleading. He shall recli[ne] on a bed of sorrow [and] dwell in a dwelling of groaning. He shall dwell separate from all the unclean and far from (2) what is pure (‫)הטהרה‬, twelve cubits, in his quarter of mourning, and he shall dwell as far as this distance northwest of any dwelling-house. (3) Anyone of the unclean (‫[ )הטמאים‬wh]o [touches] him shall bathe in water and launder his clothes and afterwards he may eat, for this is as it says: Unclean, unclean (‫)טמא טמא‬, (4) shall he cry all the days [the afflic]tion is [on him]. See J. Milgrom, »4QTohoraa: An Unpublished Qumran Test on Purities« in Time to Prepare the Way in the Wilderness: Papers on the Qumran Scrolls by Fellows of the Institute for Advanced Studies of the Hebrew University, Jerusalem, 1989 – 1990, STDJ (ed. D. Dimant / L. H. Schiffman; Leiden: Brill, 1995), 59 – 68. J. Baumgarten, »The Laws about Fluxes in 4QTohoraa (4Q274)« in ibid., 1 – 8. Kazen, Issues of Impurity (see n. 28), 73. 59   The text follows largely the reconstruction and translation in Kazen, Issues of Impurity (see n. 28), 67 – 68, which is based on the work by e. g., Jacob Milgrom and Joseph Baumgarten: Baumgarten, DJD 35 (see n. 8), 79 – 122. Milgrom, »4QTohoraa,« (see n. 58) 59 – 68.

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4.  . . . And the woman discharging blood (‫ )הזבה דם‬for seven days shall not touch the man discharging (‫ )אל תגע בזב‬or any utensil [t]hat the man discharging (‫)הזב‬ has touched or lain 5.  on or that he has sat on. And if she touched, she shall launder her clothes and bathe, and afterwards she may eat. And with all her strength she shall not mingle during her seven 6. days in order n[o]t to defile the camps of sancti[ties] of Israel (‫)מחני קדו[שי] ישראל‬, and also, she shall not touch any woman [discharg]ing blood (‫ )אשה [זב]ה דם‬for man[y] days. 7. And the one who counts, whether male or female, shall not tou[ch the man discharging [in] his [dischar]ge (‫( )אל יג[ע בזב בזו]בו‬or) the menstruant in her (initial) niddah (bleeding) (‫)בדוה הנדתה‬, unless she is pure from her [nidd]ah (bleeding) (‫)כי אם טהרה מ[נד]תה‬, for behold, 8. niddah blood is considered like a discharge (‫[ )כי הנה דם הנדה כזוב‬to] the one touching it. And [anyo]ne who touches a person from all 9. these unclean ones during the seven days of [his] puri[fication] shall [no]t eat, as if he were defiled by [a human cor]pse, [and he shall b]athe and wash (his clothes) and afterwar[ds] Col ii 1 1.  he shall e[at . . . The prescriptions about purifying before eating resemble those for priests concerning the eating of sacred donations, ‫הקדשים‬, in Lev 22:4 – 7. A key difference, however, is that the priests are not allowed to eat until after they are wholly pure: »when the sun sets, he shall be clean; afterwards he may eat of the sacred donations« (Lev 22:7). In 4Q274 (and 4Q514) eating is allowed once a person has begun the purification, but in this case the food is not sacred, but profane.60 The text reveals much information about how the different types of impurities compare to each other. The basic principle is evident at the end of column 1,8b – 9. Accordingly, if one with a lesser form of impurity – in this case one who is purifying – has contact with someone with a greater level of impurity he / she subsequently has to immerse and launder his or her clothes before eating. Lines 4b – 6 revels that the level of impurity of a menstruant is lesser than that of a zav, since such a woman has to purify herself if she touched a zav. At the same time, the zav and zavah appears to be at the same level of impurity (lines 4 – 6). This distinction between the purity levels of the niddah and the zav / zavah is a bit odd since there is a harmonizing tendency in sectarian halakhah concerning the different types of dischargers, as we have seen above; but 60

  4Q514 1 i – ii. There is a distinction between pure food and profane food; only for eating pure food is whole purity necessary (e. g., 4Q274 2 i 3); see Wassén, »Common Meals« (see n. 57).

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here menstruation is considered a lower form of impurity compared to that of a zav or a zavah. The segment in lines 7 – 8 instructs purifying persons (male or female) not to touch a zav or a menstruant »unless she is pure from her [nidd]ah (bleeding) (‫)כי אם טהרה מ[נד]תה‬,« which is strange. The exception »unless she is pure from her [nidd]ah (bleeding)«, seems redundant; if she would be pure from her niddah-bleeding, then she presumably would not be a menstruant. Thomas Kazen offers an interesting solution to this enigma: he argues that the text concerns a purifying menstruant.61 He takes the phrase as evidence for a one-day form of initial impurity at the onset of menstruation, which is followed by seven days of purification parallel to Samaritan halakhah. In Samaritan halakhah there is a distinction between the first day menstruation, called niddah bleeding, and the following seven days, called davah bleeding. If Kazen is right it would also solve the puzzle why a menstruant can be considered less impure than a zav or a zavah – as is evident in the first part of the text (lines 4 – 5). The continuation: »for behold, niddah blood is considered like a discharge for the one touching it,« hence equals the impurity level of the blood of a niddah in her primary uncleanliness, during her first day of bleeding, with that of the flux of a zav.62 The laws concerning transmission of the two kinds of fluxes are harmonized compared to Lev 15 in which the blood has a slightly higher level of impurity (see above). Nevertheless the harmonization only applies to the initial bleeding, after which the impurity level of the blood is lesser than the mucus of a zav. In lines  5 – 6 a niddah is singled out from other purifying people  – if we accept Kazen’s interpretation – and commanded not to mingle »in order n[o]t to defile the camps of the sanctities of Israel.« Thereby she would be in between the purity levels of other purifying people and those in their primary impurity level; she has be extra careful not to spread her impurity to sacred things, especially foods and utensils as Baumgarten proposes.63 This indicates that according to this scenario menstruants were not held in quarantine, contrary to the prescriptions in the Temple Scroll. The law in line 8b, »And if a semen emission (‫ )שכבת הזרע‬com[es forth from a man] – his touch i[s] defiling,« confirms that a man’s touch is defiling after emission of semen, parallel to the Damascus Document (4Q272 1 ii 5). The topic of the impurity of semen continues in the next column (4Q274) 2 i which indicates that the semen emitter contaminates his bed and seat: »And one who 61   Kazen, Issues of Impurity (see n. 28), 76 – 77. See Kitab al-kafi XIII. For the Samaritan text and analysis, see R. M. Boid, Principles of Samaritan Halachah, SJLA 38 (Leiden: Brill, 1989), 141, 149 – 151, 154, 198 – 205, 235 – 236. 62   For the view that the law refers to the touch of the zav and the niddah which are deemed equivalent, see I. C. Werrett, Ritual Purity and the Dead Sea Scrolls, STDJ 72 (Boston, MA, USA: Brill Academic Publishers, 2007), 247 – 248. 63   Baumgarten, DJD 35 (see n. 8), 102.

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touch[es the b]e[d or the s]eat of one (who emitted semen), if [his] gar[ment] was not in contact with it, [he shall wash (himself)] with water, but if [his garment touched it (the bed or the seat)], he must launder it« (7b – 9).64 Again, the laws concerning a semen emitter has been harmonized in light of those for a zav.65 We can conclude that a semen emitter basically transmits impurity like a zav, which is much more stringent than the regulations in Lev 15.66 In addition, lines 8 – 9 prescribe that anyone touching any of the carriers of source impurity (zav, zavah, niddah [in her primary impurity]) need to purify him- or herself through bathing and washing. Thus the laws in Lev 15:19 concerning touching a niddah, and by implication, a zavah, which did not require laundering, have been harmonized and made equally stringent as those concerning touching a zav in Lev 15:7 (although only with regard to the niddah in her initial impurity). In 4QTohorot as in D, impure women and men are treated in parallel fashion in the text: the same rules apply to them. There is no indication that they were isolated, with the exception of the person purifying from scale disease, who is likely the subject of lines 1 – 4. Instead, the concern is about what happens when mildly impure people – i. e., the purifying ones – touch people in their primary impurity. What is more, the purifying people seem to be eating with other pure individuals; otherwise, the regulations would be entirely redundant. 4.4  First Day Ablution and Isolation The rules of segregation in the Temple Scrolls raise questions about the praxis among the Qumran sectarians. Did they impose isolation on the impure members? To what extent were the people in their primary impurity isolated?67 In the review of the evidence above, there is no trace in the sectarian documents

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  Ibid., 103 – 104.   Ibid., 105. 66   For the stringency of semen impurity in Tohorot compared to Lev 15 and rabbinic halakhah, see Harrington, The Purity Texts (see n. 10), 104 – 106. 67   If, and in what way, impure people may have been isolated or segregated in the Jewish society at the end of the Second Temple period are hotly debated questions. Much of the debate centres on Josephus’ retelling of Moses laws about isolation in Num 5:2 – 3 (Ant.  3.261 – 262) and an enigmatic passage in Mishnah (m. Niddah 7:4). In addition, there is the question of what kind of segregation was practically possible. For the view that menstruating women were not segregated, see S. J. D. Cohen, »Menstruants and the Sacred in Judaism and Christianity,« in Women’s History and Ancient History (ed. S. B. Pomeroy; Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 1991), 273 – 299, 285 – 286 (279); so also E. P. Sanders, Jewish Law from Jesus to the Mishnah: Five Studies (London; Philadelphia: Trinity Press International: SCM, 1990), 159. Thomas Kazen, on the other hands argues that menstruating women if not isolated were secluded in their homes; see Kazen, Jesus and Purity Halakhah: Was Jesus Indifferent to Impurity?, CB. NTS 38 (Stockholm: Almqvist & Wiksell International, 2002), 160 – 161. O’Gready argues for the complete separation of the menstruants; see O’Gready, »The Semantics of Taboo« (see n. 16). 65

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that the impure were quarantined, with the exception of people suffering from scale disease.68 Given that the regulations in Tohorot prescribe an initial purification for mildly impure people before eating they must be eating with others, also wholly pure ones. Similarly, the rules for having certain meetings in purity in 1QSa (e. g., 1QSa 1:25 – 27; 2:4 – 5) indicate that the impure were not kept in quarantine, otherwise there would be no need to state that the impure were prohibited from participating.69 Instead, people in a primary state of impurity were restricted in some of their movements. This applied primarily to special meetings and food. Special meals, called hatohorah required whole purity of the participants (e. g., 1QS 6:13 – 23). Regular meals on the other hand were open to pure and purifying people. Since the members of the Qumran-movement had new ways of dealing with impurities that reduced the transmission of impurity, i. e., a first day ablution, segregation was evidently not necessary for the purifying people.70 Given this practice, it is important to recall that the majority of impure people would then be in the process of purification rather than remaining in their primary uncleanness: i. e., a couple after sex (purification for one day); a man after ejaculation (purification for one day); a corpse-contaminated person (purification for seven days); a woman after childbirth (after her primary impurity of 7 / 14 days, she would be purifying for 33 / 66 days); a menstruating woman after a one-day impurity. Thus, an initial purification would facilitate movement for most of the impure people since they would not transmit impurity within the common, profane sphere. It would not help the zav or the zavah, but it may have reduced the level of impurity for the menstruating woman. As I previously have argued, an initial purification would suffice for purifying people in order to participate at those common meals that were not eaten in whole purity, i. e., regular, everyday meals.71 At these occasions purifying people were accepted, though likely not the menstruating women who are subject to warning about ›mingling‹.

68  Contra Harrington’s Purity Texts (see n. 10), 59, assertion that the impure were banished, while the purifying individuals were not sequestered from the community. 69   »Any man who is afflicted with any one of the human uncleannesses shall not enter into the assembly of God . . . for holy angels are in their council« (1QSa 2:4). 70   The idea of graded impurity and corresponding purification is not confined to Qumran. The book of Tobit describes how Tobit washed himself before eating, after touching a corpse (Tob 2:5). Similarly Philo asserts that the corpse impure should immerse before touching anything; sprinkling was also necessary for a couple after sexual relations. Spec. Leg. 3.206; 3.63; see Sanders, Jewish Law from Jesus to the Mishnah (see n. 67), 265 – 270. Milgrom, »First Day Ablutions in Qumran« (see n. 57). 71   The same view appears in 4QOrdinancesc (4Q514); see Wassén, »Common Meals in the Qumran Movement,« (see n. 57) 55 – 78.

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4.5  Impurity, Identity, and Separation Whereas impurity is commonly associated with the practice of separation of the impure, at another level purity laws and the special restrictions imposed on the impure men and women were crucial in forming and preserving a communal identity against outsiders.72 Observing common purity laws strengthened the ideology of separation from outsiders and supported the cohesion of the sectarian members.73 Regular purifications were something typical of the whole movement. In other words, a concern for purity seems to be something that men and women shared in the Qumran movement. In this context, we may consider Josephus’ note on Essene women in the short paragraph on the married branch: »Now the women go into the baths with some of their garments on, as the men do with something girded about them« (J. W. 2. 160).74 He mentions that both men and women covered parts of their body, which suggests that this was something that distinguished them from others who presumably would mostly be nude when purifying. Such a shared concern for purity is certainly evident in the sectarian texts considered above, i. e., D and 4Q274 (Tohorot A), which provide rules for purification for men and women in a parallel fashion. We may also note among the purification prayers from Qumran the explicit reference to the recital by »a man or a woman« in 4Q512 40 – 41.75 According to Baumgarten these blessings were performed by a person after purification, while still standing in water.76 These texts demonstrate that both sectarian men and women took part in the purification rituals and that they performed the same rituals. Practicing the purification rituals in the same manner would have strengthened the unity of the male and female members while sustaining the separation from others. The separation from outsiders is a hallmark of sectarian ideology, e. g., CD 6:14 – 7:1 the members of the covenant are »to separate (themselves) from 72   For the various ways whereby the sectarian members created a common identity, i. e., a social identity, see J. Jokiranta, Social Identity and Sectarianism in the Qumran Movement, Studies on the texts of the desert of Judah (Leiden: Brill, 2013). See also C. A. Newsom, The Self as Symbolic Space: Constructing Identity and Community at Qumran (Leiden: Brill, 2004). 73   Harrington demonstrates how important purity halakhah was for preserving a sectarian identity; H. K. Harrington, »Keeping Outsiders out: Impurity at Qumran,« in Defining Identities: We, You, and the Other in the Dead Sea Scrolls: Proceedings of the Fifth Meeting of the IOQS in Groningen, STDJ 70 (ed. F. García Martínez / M. Popović; Leiden: Brill, 2008), 187 – 203. 74   In contrast, wearing clothing during immersion would render the purification invalid according to the rabbis; see S. S. Miller, At the Intersection of Texts and Material Finds: Stepped Pools, Stone Vessels, and Ritual Purity among the Jews of Roman Galilee (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 94. 75   The supralinear reference to »a man or a woman« in 4Q512 clarifies that the prayers, composed in third person masculine singular, can be used by men and women. See Parry / Tov, The Dead Sea Scrolls Reader (see n. 42), 470 – 471. 76   J. M. Baumgarten, »The Purification Rituals in DJD 7,« in Dead Sea Scrolls: Forty Years of Research, STDJ 10 (ed. D. Dimant / U. Rappaport; Leiden: Brill, 1992), 199 – 209 (201).

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the sons of the pit« (CD 6:14 – 15); those who get close to outsiders will not be forgiven (CD 5:15). Similarly, 4QMMT C 7 – 8 read »we have separated from the mass of the [people and from all their impurity and] from mixing in these matters and coming together wi]th them (on) this principle« (cf. 1QS 5:1 – 2 »they shall separate themselves from the congregation of the men of deceit«; cf. 5:10 – 11; 8:13). The separation from the outsiders was a key marker of identity.77 In line with an ideology of such separation is the characterization of the members and the community as holy, e. g., 1QS 5:18, 20; 8:5 – 8; 8:20; 9:2 – 8; CD B 20:2; CD A 7:4 – 5.78 Holiness implies separation from impurity and even from the profane, but also being in the realm of the divine.79 Given that holiness is only possible in a pure sphere, purity is an ideal state for the sectarians. Hence metaphors of the community as sanctuary is a common motif which emphasizes the pure and holy character of the community, e. g., »At that time, the men of the Community shall separate themselves (as) a House of Holiness for Aaron, for the Community of the most Holy Ones, and a house of the Community for Israel; (these are) the ones who walk perfectly« (1QS 9:5b – 6).80 On a day to day basis, however, sectarians still became ritually impure like everybody else. This is evident in regulations barring impure members from certain meetings and meals (1QSa 1:26; 2:3 – 4; 4Q266 8 i 6b – 9 / CD 15:15 – 17).81 From a sectarian perspective, however, they maintained their distinctiveness since only the members knew how to deal properly with impurity. The commandment to the priests through Aaron in Lev 10:10 to know the difference between pure and impure is applied to the whole community in CD: (Unless they take care to . . .) distinguish between pure and impure and make known (the difference) between the holy and the profane ‫ולהבדיל בין הטמא לטהור ולהודיע בין הקודש לחול‬ (Lev 10:10; Ezek 44:23), and to observe the Sabbath day in its exact detail, and the appointed times and the day of the fast as it was found by those who entered into the new covenant in the land of Damascus, to offer up holy things in accordance with their 77   See e. g., Jokiranta, Social Identity and Sectarianism in the Qumran Movement; C. Wassen / J. Jokiranta, »Groups in Tension: Sectarianism in the Damascus Document and the Community Rule,« in Sectarianism in Early Judaism: Sociological Advances (ed. D. J. Chalcraft; London: Equinox Pub, 2007), 205 – 245. 78   Harrington describes holiness of God versus humans very well: »Only God is inherently holy. Other persons and items can partake of God’s holiness only by extension and by divine designation. They can never be inherently holy, but they can mirror the divine holiness in various ways«; Harrington, The Purity Texts (see n. 10), 9. 79   Ibid., 9 – 10. 80   On temple metaphors in the Dead Sea Scrolls, see e. g., S. Haber, They Shall Purify Themselves: Essays on Purity in Early Judaism (Atlanta, GA, USA: Society of Biblical Literature, 2008), 93 – 124; C. Wassen, »Do You Have to Be Pure in a Metaphorical Temple?: Sanctuary Metaphors and Construction of Sacred Space in the Dead Sea Scrolls and Paul’s Letters,« in Purity, Holiness, and Identity in Judaism and Christianity: Essays in Memory of Susan Haber (Tübingen: Mohr Siebeck, 2013), 55 – 86. 81   Wassen, »Do You Have to Be Pure in a Metaphorical Temple?« (see n. 79).

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detailed regulations, to love each man his brother as himself, to support the poor, destitute, and proselyte, and to seek each man the peace of his brother. (CD 6:17 – 7:1)82

The importance of practicing the correct laws concerning purity, the Sabbath, holidays, sacrifices, and charity by the members is made explicit by the reference to the founding moment of the New Covenant. Observing the proper purity laws was hence an identity marker of the community that distinguished it from the outsiders, »the sons of the pit.« It should be noted that the key is to »distinguish« correctly between pure and impure, not to avoid impurity, which was impossible.83 The same sentiment is expressed in a blessing of purification in 4Q512 frgs 40 – 41 2 – 3 »[And] when a [ma]n or a woman approaches, [Then he shall bless] and say in response, [›Bl]essed are You, O God of Is[rael and has made a di]stinction for us between the unclean and the clean.‹« The emphasis in D on the correct application of purity laws as part of a communal identity may be compared to the belief in S that only sectarian members were able to be pure, since purification was dependant on a ›pure inner person.‹ 1QS 3:4 – 6 states that an unrepentant sinner cannot become pure by any means: »He cannot be purified by atonement, nor be cleansed by waters of purification, nor sanctify himself in streams and rivers, nor cleanse himself in any waters of ablution. Unclean, unclean is he, as long as he rejects the judgments of God.«84 From this perspective, an outsider could never become pure. Accordingly, purification was not perceived as an automatic process but the work of the Holy Spirit and was only available to those who observed God’s statutes. The next few lines clarify that such purification is only possible within the community: »It is by the Holy Spirit of the Community in his (God’s) truth that he can be cleansed from all his iniquities . . . It is by humbling his soul to God’s statutes, that his flesh may be cleansed, by sprinkling with waters of purification, and by sanctifying himself with waters of purity« (1QS 3:7 – 9).85 Thus only within the community was purification effective.86 82   Translation by J. M. Baumgarten / D. Schwartz, in The Dead Sea Scrolls: Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Translations. Vol. 2, Damascus Document, War Scroll and Related Documents (ed. J. H. Charlesworth; Tübingen: Louisville: Mohr Siebeck; Westminster John Knox Press, 1995). 83   In this context, the commandment, »let him separate himself from all impurities ‫ולהבדיל‬ ‫( «מכל הטמאות כמשפטם‬CD 7:3; cf. 5:7) is not a commandment about avoiding everything that is impure, but specifically refers to sexual wrongdoings; see the discussion by W. R. G. Loader, The Dead Sea Scrolls on Sexuality: Attitudes towards Sexuality in Sectarian and Related Literature at Qumran (Grand Rapids, Mich: Eerdmans, 2009), 128. 84   All citations from 1QS are from the translation by E. Qimron / J. H. Charlesworth, in The Dead Sea Scrolls: Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Translations. Vol. 1, Rule of the Community and Related Documents (ed. J. H. Charlesworth; Tübingen: Louisville: Mohr Siebeck; Westminster John Knox Press, 1994). 85   The same perspective is evident in 1QS 5:13 – 15. 86   For the view that the sectarians labelled outsiders impure which strengthened the sectarian identity, see Harrington, »Keeping Outsiders out« (see n. 73).

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The outsiders are seen as impure also in D, primarily through practicing ›fornication.‹ CD 2:14 – 3:12 outlines the history of humans which is marked by sins caused by »guilty inclination and eyes of fornication« ‫( יצר אשמה ועני זנות‬2:16). While the insiders of the covenant held on to God’s ordinances, the outsiders »wallowed in human sin and the ways of impurity« ‫התגוללו בפשע אנוש ובדרכי נדה‬. In the discourse on the Nets of Belial (CD 4:12 – 5:16) the whole people, i. e., the outsiders, have gotten under the domain of Belial through their sins, spelled out as »fornication,« »wealth,« and »defilement of the temple« (CD 4:17 – 18). Fornication is exemplified by polygyny (CD 4:20 – 5:6). Yet »defilement of the temple« is also caused by sexual transgressions, namely sex with a menstruating woman and uncle-niece marriages, which is considered incest (CD 5:6 – 8). It is possible that the accusation about men sleeping with menstruating women implies a scenario whereby they would defile the temple by entering the area in a defiled state. Nevertheless, this is not necessary the case since grave sexual sins on their own defile the land and ultimately the temple (Lev 18:24 – 30).87 As Jonathan Klawans explains, severe transgressions like incest were considered forms of moral impurity and like ritual impurity held a defiling quality.88 In addition, in CD 5:11 the outsiders are also said to have »polluted their holy spirits« ‫את רוח‬ ‫קדשיהם טמאו‬, which likely refers to the subsequent sins of blasphemy. Regardless of what the pollution of the holy spirits may allude to specifically, it is evident that the outsiders are described as inherently morally and ritually impure. Thus while outsiders are seen as irreversibly impure, purification is available to the members of the community since they live according to proper laws. The current state of fluctuating between purity and impurity would change at the end time, when the members would experience perfect and everlasting purity as 1QS  4:20 – 23 states: By His truth God shall then purify all human deeds, and refine some of humanity so as to extinguish every perverse spirit from the inward parts (21) of the flesh, cleansing from every wicked deed by a holy spirit. Like purifying waters, He shall sprinkle each with a spirit of truth, effectual against all the abominations of lying and sullying by an (22) unclean spirit. Thereby He shall give the upright insight into the knowledge of the Most High and the wisdom of the angels, making wise those following the perfect way. Indeed, God has chosen them for an eternal covenant; (23) all the glory of Adam shall be theirs alone. Perversity shall be extinct, every fraudulent deed put to shame.

The sectarians could look forward to a time when no more impurity would plague the community and they alone, in the glorious angel-like state of Adam, would have real community with angels. 87

  As Paul Heger demonstrates; Heger, Women in the Bible, Qumran (see n. 11), 222 – 225.  In addition to sexual sins, also idolatry (Lev 19:31; 20:1 – 3; Jer 2:23) and murder (Num 35:33 – 34) cause defilement of the land and the temple as the biblical texts state; see Klawans, Impurity and Sin (see n. 32), 26 – 31. 88

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5. Conclusion It is evident that the impurity levels differ between the various categories of people impure from discharges. Thus impurity levels can be divided between minor impurity caused by semen emission and affecting a man only or a couple; mid-range, i. e., menstruation that in rare cases can cause the same impurity to the man (Lev 15:24); and major impurity of the zav and the zavah. The dividing lines are not easily drawn between the sexes but between minor and major impurities and between regular and irregular discharges. Only irregular discharges of men and women require sacrifices at the end of the purification period on the eighth day, which can be compared to the need for sacrifices also after childbirth. Biblical laws as well as laws on purity in the Dead Sea Scrolls treat male and female impurities in an analogous way. Had female impurities been considered especially dangerous, then one would have expected to find evidence of a fear of female impurities in the sectarian literature from Qumran, or a drive towards segregating impure women per se to greater extent than men. This is not the case. Instead, we find a general concern about impurity as it applies to men and women alike in the sectarian literature where the laws concerning impure men and women are harmonized and presented together. We should also recall that married women did not menstruate often and were not associated with impurity in particular. The sectarian halakhah show significant changes compared to Lev 15, both concerning a semen emitter and a niddah. The laws regarding emission of semen have become more stringent concerning transmission of impurity. In the Temple Scroll the duration of impurity has also been prolonged to three days. Still, since the practice of a first day ablution lessened the strength of the impurity level, the practical consequences for people impure from sex or nocturnal emission would be minor. While the impurity stemming from semen emission was intensified, the impurity level of a niddah was decreased in light of the introduction of ablutions after an initial bleeding. If we leave the Temple Scroll aside and look at the community’s own rules there is no evidence that impure men or women were isolated, with the exception of the scale diseased. Rather than isolation, it is more accurate to discuss varies ways in which the impure may have been restricted in their movements, especially with regard to common food. We may conclude that impurity was a common part of life for men and women within the Qumran movement and that they would have shared a concern about impurity in their joint effort for a life in holiness. Although scholars usually associate purity laws with separation between the impure and the pure, on a communal level observing common purity laws would have been an important part in the effort by the sectarians to maintain a distinct identity. The sectarian members saw themselves as experts in observing the proper purity laws and undertaking the correct purification practices. This naturally

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applied both to men and women, e. g., semen emitters as well as menstruating women. Several texts emphasize the importance of distinguishing properly between purity and impurity, which was part of the received knowledge that set the sectarians apart from others. The assurance that only members knew how to perform the correct rituals with regard to purity promoted a common identity and reinforced the separation towards outsiders. Because purification was based on a divine act, which in turn depended on the inner morale of the purifying person, outsiders were not capable of ever becoming pure. The belief that purity was possible only within the sect strengthened the identity of the sectarians as a holy community where the divine presence dwelled. The preoccupation with purity thus filled an important role in supporting a common identity among the male and female members of the sect. Hence rather than perceiving impurity as a female problem, a more fruitful approach is to recognize that impurity was a common part of life for all Qumran sectarians, male and female alike, and that purity observation was a significant identity marker that joined them together. This perspective is important to include in the discussions concerning reconstructing purity ideals and practices of Jewish men and women in general in Palestine in the late Second Temple period.

Frauen im liturgischen und weisheitlichen Kontext in 4Q502 und 4Q184 Ihr Aussagegehalt über die Gemeinschaft von Qumran und ihr Verhältnis zu den gruppenspezifischen Texten1 Nicole Rupschus 1. Einleitung Hatte die Gemeinschaft hinter den Damaskus-Texten zwei völlig verschiedene Frauenbilder? Zieht man liturgische und weisheitliche Texte hinzu, könnte dies naheliegen: Während in 4Q502 Frauen offenbar liturgische Funktionen zukommen, spricht aus 4Q184 eine misogyne Haltung, die auf eine frauenlose Gemeinschaft hinzuweisen scheint.2 Diese Überlegung lässt in Bezug auf Qumran eine ganze Bandbreite von Schlussfolgerungen zu, die von Frauen in Führungspositionen bis zu zurückgezogenen, sogenannten zölibatär lebenden Essenern reicht. Ausgehend von »zölibatären« Essenern ist in den ersten Jahrzehnten der Qumranforschung die Frage nach Frauen in Qumran nicht gestellt worden und wird erst seit den 1990er Jahren systematisch berücksichtigt.3 Dabei ist der 1

  Der vorliegende Beitrag führt Gedanken fort, die im Rahmen des Dissertationsprojekts »Frauen in Qumran« entwickelt wurden. Im Zuge dieses Projekts gewonnene Erkenntnisse über Frauen in den gruppenspezifischen Texten und im archäologischen Kontext fließen maßgeblich in die folgenden Überlegungen ein. Sie können hier nicht im Einzelnen nachgewiesen werden. S. dazu N. Rupschus, Frauen in Qumran, WUNT II / 457, Tübingen 2017. 2  Vgl. M. L. Grossman, Reading for Gender in the Damascus Document, DSD 11 (2004), 212 – 239 (229 f. + 238), sowie die unter 2. u. 3. genannte Literatur. Für Grossman ist die Positionierung gegenüber Frauen Auslegungssache der jeweiligen Gemeinschaft. Demnach lässt sich mit CD die Distanz zu Frauen, ebenso wie die Nähe zu ihnen erklären. Dies kann in verschiedenen, aber auch der gleichen Gemeinschaft geschehen, und muss keiner zeitlichen Entwicklung unterliegen (vgl. ebd., 237 – 239). 3  S. dazu E. Schuller, Women in the Dead Sea Scrolls, in: M. O. Wise / N. Golb / J. J. Collins /  D. G. Pardee (Hg.), Methods of Investigation of the Dead Sea Scrolls and the Khirbet Qumran Site: Present Realities and Future Prospects, Annals of the New York Academy of Sciences 722, New York 1994, 115 – 131 (vgl. auch zuletzt dies., Women in the Dead Sea Scrolls: Past Decade and Future Directions, in: A. D. Roitman / L. H. Schiffman / S. Tzoref (Hg.), The Dead Sea Scrolls and Contemporary Culture: Proceedings of the international Conference held at the Israel Museum, Jerusalem [July 6 – 8, 2008], Leiden / Boston 2011, 571 – 588); L. H. Schiffman, Laws Pertaining to Women in the Temple Scroll, in: D. Dimant / U. Rapport (Hg.), The Dead Sea Scrolls:

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Friedhofsbefund mit den weiblichen Skeletten von Erkenntnissen aus den gruppenspezifischen Texten zu trennen. Ist man im Falle der Archäologie auf die Ausgrabungsbefunde mitsamt den verschiedenen Deutungen des Areals und des Friedhofes angewiesen,4 so gilt es für die Qumrantexte, jeden einzelnen für sich zu lesen und mit entsprechenden Hilfsmitteln auszuwerten, bevor man weitere zum Vergleich heranzieht. Hilfestellung bietet die notwendige Kategorisierung der sehr verschiedenen Texte aus den elf Höhlen in und um Qumran und Vergleiche, die man unter grammatikalischen, inhaltlichen oder theologischen Gesichtspunkten ziehen kann. Die Intention der Sammlung und Herkunft der Texte bleibt letztlich im Dunkeln und muss für jeden Text bzw. seine Fragmente neu bestimmt werden. Qumran steht inmitten eines Prozesses von Textfortschreibung und ‑wachstum und mit der Funktion der einzelnen Texte ist auch jene der Anlage zu bestimmen, vorausgesetzt, dass eine Verbindung mit den Schriftrollen besteht. Schnittstelle beider Bereiche ist die Essener-These, derzufolge die Essener als Autoren und / oder Sammler der gefundenen Qumrantexte sowie als Bewohner des Areals betrachtet werden. Diese These fußt wiederum grundlegend auf externen Texten von Plinius dem Älteren, Philo von Alexandrien und Flavius Josephus. Je nachdem, inwieweit man von den gruppenspezifischen Texten ausgehend genügend Schnittpunkte für eine enthaltsam oder im Familienverband lebende Gemeinschaft oder beides beschrieben sieht, entscheidet sich auch hier die Frauenfrage Qumrans.5 Forty Years of Research, StTDJ 10, Leiden / Jerusalem 1992, 210 – 228, u. Ders., Women in the Scrolls, in: ders., Reclaiming the Dead Sea Scrolls: The History of Judaism, the Background of Christianity, the Lost Library of Qumran, Philadelphia / Jerusalem 1994, 127 – 144; H. Stegemann, The Qumran-Essenes: Local Members of the Main Jewish Union in Late Second Temple Times, in: J. Trebolle Barrera / L. Vegas Montaner (Hg.), The Madrid Qumran Congress: Proceedings of the International Congress on the Dead Sea Scrolls: Madrid 18 – 21 March, 1991, StTJD 11,1, Leiden u. a. 1992, 83 – 166, u. ders., Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus: Ein Sachbuch, Herder Spektrum 4128, Freiburg i. Br. u. a. 91999. Schon in früheren Jahren wurden jedoch vereinzelt kritische Fragen hinsichtlich der Essener-These gestellt, etwa von K. H. Rengstorf, Ḫirbet Qumrân und die Bibliothek vom Toten Meer, Stuttgart 1960, oder H. Hübner, Zölibat in Qumran?, NTS 17 (1970 / 71), 153 – 167. 4   Als wichtige Auswahl seien dazu genannt: J.‑B. Humbert / A. Chambon, Fouilles de Khirbet Qumrân et de Aïn Feshkha I: Album de photographies. Répertoire du fonds photographique. Synthèse des notes de chantier du Père Roland de Vaux, NTOA.SA 1, Fribourg / Göttingen 1994; J.‑B. Humbert / J. Gunneweg, Khirbet Qumrân et ‘Aïn Feshkha  II: Études d’anthropologie, de physique et de chimie. Studies of Anthropology, Physics and Chemistry, NTOA.SA 3, Fribourg / Göttingen 2003; darin besonders: S. Guise Sheridan / J. Ullinger / J. Ramp, Anthropological Analysis of the Human Remains: The French Collection, 129 – 170. O. Röhrer-Ertl /  F. Rohrhirsch / D. Hahn, Über die Gräberfelder von Khirbet Qumran, insbesondere die Funde der Campagne 1956. I: Anthropologische Datenvorlage und Erstauswertung aufgrund der Col­ lectio Kurth, in: B. Mayer (Hg.), Jericho und Qumran: Neues zum Umfeld der Bibel, Eichstätter Studien. NF 45, Regensburg 2000, 165 – 226. 5   Der archäologische Befund ist dabei streng von jenem der Texte zu scheiden. Unter den auszuwertenden Texten können wiederum nur die gruppenspezifischen Texte einen Einblick

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Was sich durch die Texte über ihre historische Situation und das alltägliche Leben in der Antike und zur Zeit der Niederschrift, Tradierung und Sammlung der Texte aussagen lässt, ist speziell für Frauen in Qumran und die Genderforschung interessant, wobei gerade in Bezug auf Frauen nicht nur das von Männern dominierte Umfeld, sondern auch die ausschließlich männliche Autorenschaft nicht zu vergessen ist.6 Exemplarisch sieht man dies in den sogenannten gruppenspezifischen Texten, die auf Grund ihrer gemeinsamen Terminologie in einem Traditionszusammenhang stehen: Nicht überall werden Frauenthemen behandelt und auch da, wo dies geschieht, sind Frauen im Vergleich zu Männern eher unterrepräsentiert. Dies zeigt sich auch in den Damaskus-Texten (D) oder der Gemeinschaftsregel (1QSa), wo sie stets im Spiegel der dort beschriebenen Gemeinschaften definiert werden. In D ist es etwa die Forderung der Einehe (CD 4,20b – 21; par. 6Q15 1,2b – 3) oder die verbotene Verbindung zwischen Tante und Neffe bzw. Onkel und Nichte (CD 4,7b –  8a), die Frauen involviert. Hier sind Heiligkeit und Unzucht eng verzahnt und betreffen natürlich auch die Frau, deren Rechte und Pflichten innerhalb der Gemeinschaft geregelt sein müssen. Denn nur jene, die auf dem Weg heiliger Vollkommenheit wandeln, sind Teil der D‑Gemeinschaft, die sich in Lagern organisiert und in familiären Strukturen lebt (CD 7,6b – 9a; par. 19,2b – 5a). Die Frau ist wie jede und jeder andere in der Bundesgemeinschaft der Tora unterworfen, was ihr Schwur zum Eintritt in die Gemeinschaft zeigt und die Söhne und Töchter ab dem Alter ihrer Reife ebenso betrifft (vgl. CD 15 f. par.). Auch kommt »zuverlässigen und kundigen Frauen« (4Q271 3,13b – 15b) eine gehobene Position unter den Frauen zu, die auch die Mütter innehaben. Murren gegen sie wird zwar nicht mit Ausschluss geahndet, aber doch mit einer temporären Bestrafung (4Q270 7 I,13b – 15a) – weil ihr Status unter dem der Väter und allgemein unter dem der Männer liegt. Frauen sind hier Teil der patriarchal organisierten Gemeinschaft.7 Die in 1QSa beschriebene Gemeinschaft lebt »nach der Ordnung für die ganze Gemeinde« in der bereits angebrochenen Endzeit8 und besteht aus Männern, Frauen

in die Rolle der Frau innerhalb der dort beschriebenen Gemeinschaften gewähren (s. u.). Im Vergleich dazu bilden die Essenertexte, die auf Grund ihrer Verquickung der Höhlen und des Areals in der Qumranforschung zu berücksichtigen sind, keine Innenperspektive auf die Essener und sind so in Bezug auf die gruppenspezifischen Texte auch in ihrem antiken Kontext zu analysieren. 6  Vgl. S. White Crawford, Not according to rule: Women, the Dead Sea Scrolls and Qumran, in: S. M. Paul / R. A. Kraft / L. H. Schiffman / W. W. Fields (Hg.), Emanu­el: Studies in Hebrew Bible, Septuagint, and Dead Sea Scrolls. In Ho­nor of Emanuel Tov, VT.S 94, Leiden / Boston 2003, 127 – 150 (129): »The literature within this corpus is written (composed, redacted, copied) by men for a male audience; therefore what they do have to say about women is primarily prescriptive and presents what is to them the ideal situation. It may have very little to do with the reality of women’s lives in the Second Temple period.« 7   Die grundlegende Monographie zu diesem Komplex ist von C. Wassen, Women in the Damascus Document, Academia Biblica 21, Leiden / Bos­ton 2005. 8   S. dazu H. Stegemann, Die Essener (s. Anm. 3), 160, und A. Steudel, ‫ אחרית הימים‬in the Texts from Qumran, RdQ 16 (1993), 225 – 246 (230 – 233).

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und Kindern, die in den »Satzungen des Bundes« unterrichtet werden (1QSa 1,1 – 5). Die Frau ist durch die Belehrung aller befähigt und verpflichtet, Zeugnis gegen ihren Mann abzulegen, wenn es notwendig ist (Z. 11b). Männer übernehmen ab dem zwanzigsten Lebensjahr Verantwortung innerhalb der Gemeinschaft als »Männer des Namens« oder »der Rat des yahad« und agieren für die gesamte Gemeinde (1,6 – 19a). ˙ sowie körperlich unbeeinträchtigten Mann der EinDabei ist nur dem erwachsenen tritt in den yahad möglich (s. 1,8b – 9a), was familiären Bindungen außerhalb dieses ˙ yahad nicht widerspricht, sondern sie im Gegenteil voraussetzt. ˙

Der yahad (»Einung«) setzt sich demnach aus erwachsenen Männern ohne ˙ Makel zusammen, die verschiedene Aufgaben übernehmen. Es ist von verschiedenen Gemeinschaften, denen der yahad angehört, auszugehen. Diese werden ˙ in einigen gruppenspezifischen Texten näher beschrieben.9 Die gruppenspezifischen Texte, in der englischsprachigen Forschung als »sectarian« bezeichnet, sind nach Devorah Dimant Texte mit »Community Terminology« (CT), was sich in der beschriebenen Struktur der Gemeinschaft, ihrer Geschichte im Spiegel aktueller Ereignisse sowie ihrer Lehre und eigenem Umgang mit biblischen Texten (natürlich ein anachronistischer Begriff) zeigt. Dies trifft auf die Damaskus-Texte (D),10 die Serekh-Texte (S), die Gemeinschafts- und Segensregel (1QSa + Sb), die Kriegsregel (M), die Hodayot (H), die Pescharim, MMT, vielleicht auch MidrEschat zu. In Abgrenzung dazu stehen die »No Community Terminology«-Texte (NCT) und die sog. biblischen Texte.11 Alle CT‑Texte haben wiederum ein eigenes Textwachstum und sind daher ebenso sich verändernden Gemeinschaftsstrukturen zuzuschreiben. Für ein Textstadium, das eine frauenlose Gemeinschaft widerspiegelt, gibt es keinen Hinweis. Wie schon die Gemeinschaftsregel zeigt, sind Frauen nicht aus der  9   Ausgehend von John Collins, der den yahad als »umbrella term« bezeichnet, unter dem ˙ verschiedene Gemeinschaften, die ein gesteigertes Reinheitsbewusstsein und ein selbstkritischer Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eint, zusammengefasst werden können. Eine solche Bewegung kann nicht allein auf einen Ort – wie Qumran – festgelegt werden. Vgl. J. J. Collins, Forms of Community in the Dead Sea Scrolls, in: Paul u. a., Emanu­el (s. Anm. 6), 97 – 111 (98 f.), und dens., Beyond the Qumran Community: The Sectarian Movement of the Dead Sea Scrolls, Grand Rapids u. a. 2010 (spez. 52­ – 87). S. auch E. Regev, Between Two Sects: Differentiating the Yahad and the Damascus Covenant, in: C. Hempel (Hg.), The Dead Sea ˙ StTDJ 90, Leiden / Boston 2010, 431 – 450. ­Scrolls: Texts and Context, 10   Die Zugehörigkeit zu den gruppenspezifischen Texten ist nicht zu bestreiten, nur fehlt eine durchgehende Bezeichnung der Gemeinschaft als yahad wie in der Gemeinde‑, der Gemein˙ schaftsregel oder den Pescharim. In CD 20,1.14 + 32 – nicht in 5QD oder 6QD – findet sich dreimal ‫יחיד‬, mit dem der Lehrer der Gerechtigkeit verbunden ist. Dies ist vermutlich die letzte Redaktionsphase des Dokuments, in der eine Verbindung zum yahad formuliert wird. S. generell zum yahad E. Regev, ‫ יחד‬jahad, ThWQ I (2011), 121 – 130 (124 f.).˙ ˙ teilt die liturgischen und weisheitlichen Texte zwischen CT und 11 ˙   Diese Kategorisierung NCT auf  – s.  D. Dimant, The Qumran Manuscripts: Contents and Significance, in: dies. /  L. H. Schiffman (Hg.), Time to prepare the Way in the Wilderness. Papers on the Qumran Scrolls by Fellows of the Institute for Advanced Studies of the Hebrew University, Jerusalem, 1989 – 1990, StTDJ 16, Leiden u.  a. 1995, 23 – 58 (26 – 29.37 f.40 – 42.43 f. + 47 f.50).

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Gemeinschaft als ganzer auszuschließen, wohl aber in Teilen, wie zum gemeinsamen Mahl, nicht zugangsberechtigt.12 Eine solche temporäre Situation zeichnet auch S. An dieser Stelle ist es ein interessanter Versuch, über die gruppenspezifischen Qumrantexte hinaus im liturgischen und weisheitlichen Bereich eine Innenperspektive auf die Gemeinschaft des Areals und auch der dort gefundenen Texte zu erhalten. In der Forschung ist dies auch über die Fragmente aus 4Q502 und 4Q184 geschehen.

2.  Frauen im liturgischen Kontext: 4Q502 (Rituel de Mariage) Paläographisch werden die 344 Papyrusfragmente von 4Q502 an den Beginn des ersten vorchristlichen Jahrhunderts datiert. Demnach könnte die Abschrift genau in die Zeit der Besiedlung Qumrans fallen, die in der ersten Hälfte des 1. Jh.s v. Chr. erfolgt ist.13 Es handelt sich um Fragmente, die selten über vier Zeilen hinausgehen – und von denen keine Zeile vollständig erhalten ist. Nicht wenige bieten nur noch Wortfetzen oder einzelne Buchstaben.14 Nach dem Erstbearbeiter Maurice Baillet beziehen sich die Fragmente auf eine Hochzeitsfeier, weswegen er sie unter Rituel de Mariage (papRitMar) zusammengefasst hat. Er schreibt sie außerdem der von Flavius Josephus im Bellum Judaicum (Jos.Bell. 2,160)15 genannten zweiten Ordnung der Essener zu. Joseph Baumgarten hingegen votiert für Sukkot als in Frgm. 6 – 10,8 beschriebenen festgesetzten Zeitpunkt »zu unserer Freude« (‫]מברכי]ם שם אל ישראל ֯א[שר נתן‬ ‫)לנו מ]ו֯ עד לשמחתנו‬, auch da der Terminus Freude (‫ שמחה‬/ ‫ )שמח‬mehrfach unter den Fragmenten belegt ist.16 12

  Einen kleinen Ausschnitt aus dieser Gemeindesituation gibt die Gemeinderegel wieder.  Nach J. Magness, The Archaeology of Qumran and the Dead Sea Scrolls, Grand Rapids /  Cambridge 2002, 15 f. + 63 – 66. 14   M. Baillet, 502. Rituel de Mariage, in: ders. (Hg.), Qumrân Grotte 4, Vol. III (4Q482 –  4Q520), DJD 7, Oxford 1982, 81 – 105 mit Tfl. XXIX – XXXIV; J. M. Baumgarten, 4Q502, Marriage or Golden Age Ritual?, JJS 34 (1983), 125 – 135 (125). Für einen kurzen Überblick über die liturgischen Texte in Qumran s. J. R. Davila, Liturgical Works from Qumran, in: J. J. Collins /  D. C. Harlow (Hg.), The Eerdmans Dictionary of Early Judaism, Grand Rapids / Cambridge 2010, 890 – 892. 15   »Es existiert aber auch eine andere Ordnung der Essener, in Lebensart zwar und Ethos (Charakter) und Gesetz mit den anderen einmütig, sich aber (von ihnen) trennend in der Meinung zur Ehe: dass nämlich die abschlagen, meinen sie, des Lebens größten Teil, die Nachkommenschaft, die nicht heiraten, mehr aber, (meinen sie, dass) wenn alle dasselbe dächten, das Geschlecht sehr schnell vergehen würde.« 16   Vgl. 4Q502 4,3; 6 – 10,3.8 + 16; 22,3; 33,2; 35,1; 43,2 + 3; 86,2; 94,3; 96,5; 98,3; 100,3; 105 –  106,2; 307,1. S. weiter Baillet, 502 (s. Anm. 14), 81. Hinweise auf eine Hochzeit sind für ihn u. a. die genannten Frauen als Ehefrauen sowie der Bezug zur Nachkommenschaft in Frgm. 1,3.4 +  7; 309. Die erwähnten Palmenblätter ‫[לו̇לבי֯ [ם‬ ֯ (Frgm. 99,2) verbindet er nach rabbinischen Texten mit Hochzeitsfeiern, Baumgarten hingegen mit dem Bau der Sukkah. Letzterer verweist auf die Bezeichnung Sukkots als Simchat Bet ha-scho’ebah. Zudem zitiere 4Q502 9,3 (‫)שמחה להלל שמו‬ 13

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Unstrittig ist, dass in einem Festakt Männer und Frauen gleichermaßen in einer freudigen Zusammenkunft in Dank und Huldigung zu einem bestimmten Termin eingebunden sind. 4Q502 1917 ‫ וישב עמו֯ בסוד ֯ק[דושים‬1 ֯ ‫ זרע ֯ב ֯רכה‬2 [ ‫זקנים וזק[נות‬ ‫  ו̇בתולות נערים ונע[רות‬3  ]‫בחורים‬ ‫ עם כולנ֯ ו֯ יחד‬4 [ 5  [                  18] ̇‫ואני ת‬ ] ‫ואח[ר ]ידברו אנשי‬ ]‫ ]וענו ]ו֯ ֯אמרו ברוך[ א]ל‬6 [ ] 7 [                ‫ישראל אשר‬ [               ] ֯‫ע]ו֯ ונתם י‬

1 Und er setzte sein Volk in einen / den Rat H[eiliger ] 2 Same des Segens, Greise und Grei[sinnen             junge Männer] 3 und Jungfrauen, Jungen und Mäd[chen ] 4 mit uns allen zusammen. Und ich [                   ]  5  und  dana[ch] werden reden Menschen [                   ] 6 [und sie antworten ]und sagen: Gesegnet (sei)[ der Go]tt [Israels, der          ]      7      ihre [Ver]schuldungen [         ]

2.1  Die Zusammensetzung der Gemeinschaft Trotz des fragmentarischen Charakters der Texte sind Paarungen jeden Alters in einer liturgischen Handlung zu erkennen. Auch laut Frgm. 34,3 segnen Männer und Frauen (‫ומבר[כים‬ ֯ ‫)[אשישים ונשים‬. Baumgarten hebt in Frgm. 19 den »Samen bzw. die Nachkommenschaft des Segens« (Z. 2) hervor, die er auf die Alten bezieht. Weiter zieht er Parallelen von 4Q502 24,3 [‫ עם עולמי[ם‬zu dem »gens aeterna«, als ewigem Geschlecht aus der Notiz des Plinius über die Essener in dessen Naturalis Historia (5.73). Unter den am Leben Ermüdeten (quos vita fessos) vermutet er verheiratete Männer und Frauen, die natürlich auch Kinder haben, sich zum Ende ihres Lebens aber für den Eintritt in den yahad und somit ˙ eine ehelose Gemeinschaft entschieden haben (»Golden Age Ritual«) und nun auf philosophischer Ebene eine »greater spiritual unity of the yahad« bildeten. ˙ Die hier beschriebenen Frauen und Älteren verbindet Baumgarten ebenfalls mit den verheirateten Essenern (s. Jos. Bell. 2,160), genauer mit den in Philos De vita contemplativa genannten Therapeutinnen und Therapeuten, die er als einen Ableger der Essener versteht. Dieser Deutung liegt außerdem die für ihn ebenfalls dem yahad zugeschriebene in CD 7,3b – 9a (par. CD 19,1 – 5a) als vollkom˙ mene »zölibatäre« Lebensweise in Abgrenzung zur familiären zugrunde.19 Ps 113,1b (‫שׁם י ְהוָה‬ ֵ ‫) ַהלְלּו אֶת־‬, was wiederum lt. mSukk 4,8 an jedem Sukkah-Tag rezitiert wird (vgl. noch TSukkah 4,2). Auch Baillets Verweis auf Tobit 8 und einen Hochzeitskontext könne mit dem eigentlichen Fokus auf das hohe Alter nicht übereinstimmen (Baumgarten, 4Q502 [s.  Anm.  14], 128 – 130). 17   Zur Rekonstruktion vgl. Baillet, 502 (s. Anm. 14), 86 f. 18   Baillet, 502 (s. Anm. 14), 86 f., liest hier: ‫»( ת̇[רנן לשוני‬es j[ubelt meine Zunge«). 19   Baumgarten, 4Q502 (s. Anm. 14), 130 – 134 (Zitat: 134), und ders., The Qumran-Essene Restraints on Marriage, in: L. H. Schiffman (Hg.), Archaeology and History in the Dead Sea

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Über die Therapeuten berichtet Philo, dass sie im Gegensatz zu den Essenern ein »theoretisches« (kontemplatives) Leben führen (cont. 1). Zu letzteren zählt er die »alten Jungfrauen« (γηραιαὶ παρθένοι), die allein mit der Weisheit eine symbiotische Beziehung führen und »nicht nach sterblicher Nachkommenschaft, sondern nach unsterblicher« (οὐ θνητῶν ἐκγόνων ἀλλ’ ἀθανάτων ὀρεχθεῖσαι) streben (cont. 68). Von den Jüngeren werden sie zusammen mit den älteren Männern mit Wertschätzung behandelt (72). Bezüglich des gemeinsam mit den Männern gefeierten Gottesdienstes (vgl. 83 – 90) zieht Baumgarten wiederum Parallelen zu Sukkot.20 Im Gegensatz zu den Therapeuten ist Philos Beschreibung der Essener eindeutig: Sie haben Frauen gemieden und keinesfalls in ihrer Gemeinschaft gehabt.21 Er stellt sie den Therapeuten gegenüber, um deutlich zu machen, dass man auf unterschiedliche Weise tugendhaft leben kann, auf dem praktischen ebenso wie auf dem theoretischen Weg. Der Unterschied besteht eben in der frauenlosen und ‑feindlichen essenischen Gemeinschaft, weswegen die Therapeuten nicht als in Judäa oder Qumran lebende Essener verstanden werden sollten, zumal Philo sie in der Nähe Alexandrias situiert (cont. 21 f.). Zudem zeichnet Philo eine idealisierte essenische Gemeinschaft, was ebenso für die Therapeuten anzubringen ist. Für beide Gemeinschaftsformen verfolgt er die Strategie, vorbildliche jüdische Vertreter zu präsentieren. Ein unmittelbarer Bezug zu den gruppenspezifischen oder andern Qumrantexten ist auf diese Weise gerade nicht herzustellen. Ein weiteres Problem stellt die vermeintliche Zweiteilung der Gemeinschaft dar, die nicht zuletzt im Lichte von Flav. Jos. Bell. 2,160 und CD 7 für einen in beiden Texten nicht genannten yahad angenommen wird. Diese Übertragung ˙ auf die zwei Ordnungen der Essener ist wiederum vom Quellenwert der Essenerberichte abhängig. Ferner ist eine Gegenüberstellung der Vollkommenen und derer in Lagern ein unnötiges Konstrukt und wird der beschriebenen Lebensform unter verschiedenen Gemeinschaften nicht gerecht. D spricht klar von einer Gemeinschaft, deren Heiligkeitsanspruch ausnahmslos alle Mitglieder umfasst: Scrolls: The New York University Conference in Memory of Yigael Yadin, JSP.S 8 / JSOT / ASOR 2, Sheffield 1990 13 – 24 [18 – 20]). Für E. Qimron, Celibacy in the Dead Sea Scrolls and the Two Kinds of Sectarians, in: Trebolle Barrera / Vegas Montaner, The Madrid Qumran Congress (s. Anm. 3), 287 – 294 (288), hingegen könne der yahad als temporäres Substitut für den Tempel nur aus »zölibatären« Männern bestehen. Diesem ˙Verständnis widerspricht generell: E. Regev, Cherchez les femmes: Were the yahad Celibates?, DSD 15 (2008), 253 – 284 (259 f.). S. dazu auch ˙ den Beitrag von Angela Standhartinger in diesem Band. 20   Kritisch diskutiert von Collins, Beyond (s. Anm. 9), 163 f., ebenso von M. L. Satlow, 4Q502 a New Year Festival?, DSD 5 (1998), 57 – 68 (59 f.). 21   S. dazu aus Philos Apologia pro Judaeis, die jedoch nur in Eusebs Praeparatio evangelica erhalten ist: Apol 11,14 – 17 – eingebettet im Essenerkontext Apol 11,1 – 18 und im Abgleich mit Quod omnis probus liber sit: Prob  75 – 91.

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Und keiner soll (kultisch) verunreinigen 4 seinen heiligen Geist, weil Gott sie abgesondert hat, alle, die wandeln 5 darin in heiliger Vollkommenheit nach all seinen Verpflichtungen; der Bund Gottes steht fest für sie, 6 dass sie leben (für) tausend Generationen. Und wenn sie (in) Lagern wohnen nach der Ordnung des Landes und nehmen (sich) 7 Frauen und zeugen Söhne, dann wandeln sie nach der Tora vacat und nach dem Recht 8 der Verpflichtungen nach der Ordnung der Tora, wie er gesagt hat: »Zwischen einem Mann (und) seiner Frau und zwischen einem Vater 9 (und) seinem Sohn.« (CD 7,3b – 9a)

Der Wandel in heiliger Vollkommenheit entspricht dem Leben in Lagern mit den Familien und nach der Tora. Frauen werden in die Ausführungen zu Reinheit und Heiligkeit selbstverständlich aufgenommen. Eine Alternative zeigt sich weder hier noch an anderen Stellen innerhalb der D‑Texte und lässt sich so wiederum weder mit frauenlosen Essenern noch mit den Therapeuten verbinden. 2.2  Die Funktion der Gemeinschaft Unter Hinzunahme anderer Fragmente folgert Baumgarten weiter, dass die »(erwachsenen) Männer der Gerechtigkeit« (Frgm. 6 – 10,9: ‫;בתוך אשישי צדק‬22 Frgm. 12,1: ‫ )אשי]שי֯ ֯צ[דק‬in der Funktion der Ältesten in der Gemeinschaft belegt seien.23 Die »Tochter der Wahrheit« (2,3: ‫ )בת אמת‬stünde im übertragenen Sinne in Verbindung mit den »Söhnen der Wahrheit« (‫אמת‬ ֯ ‫ )בני‬aus der Gemeinderegel (1QS 4,6b) und den D‑Texten (4Q266 11,7a: »Söhne seiner Wahrheit«; par. 270 7 I,20). Diese seien mit »spirituellen Qualitäten« ausgestattet und bezeichneten jene Älteren. In diesem Kontext sei das Hervorbringen von Nachkommenschaft (vgl. 4Q502 1,4: ‫)לעשות זרע‬ ֯ figurativ und damit im Sinne von 1QS 4,6 – 8 (Z.  7: ‫ )פרות זרע‬zu verstehen. Auf die Aussicht eines langen Lebens in 1QS 4,7 (‫ )בחיי נצח‬beziehe sich die Nennung von »Greisen und Greisinnen« aus Frgm. 19,2. Diese Älteren oder Erwachsenen wären Geehrte und hätten eine 22   Vgl. auch Z. 4: ‫אשישיהם ונערים‬, was Baillet, 502 (s. Anm. 14), »leurs aînés et des jeunes gens«, also »ihre älteren und junge Leute« (ebenso Z. 9) übersetzt. Dagegen M. L. Satlow, New Year (s. Anm. 20), 65 mit Anm. 33), der sich v. a. gegen Baumgartens Ansatz ausspricht. S. weiterhin S.  White Craw­ford, Mothers, Sisters, and Elders: Titles for Women in Second Temple Jew­ ish and Early Christian Communities, in: J. R. Davila (Hg.), The Dead Sea Scrolls as Background to Postbiblical Judaism & Early Christianity. Papers from an International Conference at St. Andrews in 2001, StTDJ 46, Leiden / Boston 2003, 177 – 191 (181). 23   Baumgarten, 4Q502 (s. Anm. 14), 128. Im Tanach ist für den maskulinen Gebrauch des Adjektivs ‫ זָקֵן‬die bloße Beschreibung eines hohen Alters (z. B. Gen 19,4) und von da ausgehend die Führungsfunktion der Ältesten innerhalb eines Kollektivs (z. B. Ri 11,5) belegt. Als (plurale) Femininform erscheint ‫ זקנות‬nur einmal in Sach 8,4. Dort heißt es von »Greisen und Greisinnen (‫«)זְ ֵקנִים ּוזְקֵנ ֹות‬, dass sie eine Stütze (‫ש ֶענֶת‬ ׁ ְ ‫ ) ִמ‬benötigen »wegen der Menge der Tage (‫«)מֵר ֹב יָמִים‬ – also aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters. Mit V. 5 wird außerdem ein Kontrastbild zur Jugend entworfen (‫)יְלָדִ ים וִילָד ֹות‬.

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entsprechend hohe Stellung innerhalb des hier beschriebenen Festaktes und darüber hinaus in der Gemeinschaft.24 1QS 4,4b – 8; vgl. par. 4Q257 5,1 – 6 ‫ ורוח דעת בכול מחשבת מעשה וקנאת משפטי צדק‬4b ‫ קודש ביצר סמוכ ורוב חסדים על כול בני אמת‬5 ‫ומחשבת‬ ‫ בערמת‬6 ‫וטהרת כבוד מתעב כול גלולי נדה והצנע לכת‬ ‫אמת‬ ֯ ‫ אלה סודי רוח לבני‬vacat ‫כול וחבא לאמת רזי דעת‬ ‫ ורוב שלום באורכ‬7 ‫תבל ופקודת כול הולכי בה למרפא‬ ‫ימים ופרות זרע עם כול ברכות עד ושמחת עולמים בחיי‬ vacat ‫ עם מדת הדר באור עולמים‬8 ‫נצח וכליל כבוד‬

4Q502 16,1 – 4 ] ‫              [מעשה‬1 ‫        [חסדים ע[ל‬2 ] ‫ והצנ]ע לכת̇ בער̇מ̇ת‬3 ]‫ופקו]ד ֯ת ֯כו֯ ֯ל‬ ֯ [‫תב]ל‬ ֯ 4

[. . .] vacat 6b Und diese sind die Ratschläge des Geistes für die Söhne der Wahrheit des Weltkreises. Und die Musterung aller, die darin wandeln, (führt) zur Heilung 7 und viel Heil in der Länge der Tage und fruchtbaren Nachkommen mit allen Segnungen stets und Freude andauernd im ewigen Leben und der Krone der Ehre 8 mit einem Gewand der Herrlichkeit in ewigem Licht.

Für Parallelen zur Zwei-Geister-Lehre (1QS 3,13 – 4,26) müssen die für Baumgarten wichtigen Zeilen 1QS 4,7 f. sowie die »Söhne der Wahrheit« (Z. 6b) rekonstruiert werden. Doch bleibt unklar, welchen Bezug die Zwei-GeisterLehre in 4Q502 herstellen soll und ob der gesamte aus 1QS bekannte Abschnitt vorgelegen hat. In 1QS 4,2 werden in der Zwei-Geister-Lehre die konträren Wege dieser Geister (‫ )רוחות‬aufgezeigt (‫)ואלה דרכיהן בתבל‬, deren rechter Weg u. a. zu »Verstand und Einsicht und mächtiger Weisheit« (Z. 3: ‫)שכל ובינה וחכמת גבורה‬ führt und somit auch weisheitliche Wurzeln aufweist. Die Zwei-Geister-Lehre ist wohl erst später Teil der S‑Texte geworden und als ursprünglich losgelöst von der Gemeinderegel zu betrachten. Damit lässt sich ein ursprünglicher Bezug auf die Essener, den yahad, Qumran oder auf die ganze Gemeinderegel nicht her˙ stellen und so auch nicht die mögliche Verwendung des Textes in 4Q502 bestimmen.25 24   Baumgarten, 4Q502 (s. Anm. 14), 128 – 132. White Crawford, Mothers (s. Anm. 22), 180, unterstützt dies: »[4Q502] clearly belongs to the same group that produced the Community Rule, since it contains a quotation from the Doctrine of the Two Spirits« (ebd., 183). S. auch E. Schuller, Women in the Dead Sea Scrolls, in: P. W. Flint / J. C. VanderKam (Hg.), The Dead Sea Scrolls after Fifty Years: A Comprehensive Assessment, Bd. 2, Leiden u. a., 1999, 117 – 144 (137). 25   S. Metso, Methodological Problems in Reconstructing History from Rule Texts found at Qumran, DSD 11 (2004), 315 – 335 (325 – 328), überlegt, ob 1QS und 4Q502 16 aus einer Quelle schöpfen und somit nur die gleiche Vorlage gebrauchen, oder ob 4Q502 den Abschnitt oder ganzen Text aus 1QS zitiert. Beides verbindet sie mit essenischer Autorenschaft, nur dass bei der ersten Überlegung 4Q502 von außen in die essenische Qumrangemeinde gelangt wäre, s. dazu dies., The Textual Development of the Qumran Community Rule, StTDJ 21, Leiden 1997, 144 – 147, und dies., The Serekh Texts, Companion to the Qumran Scrolls 9 / Library of Second Temple Studies 62, London / New York 2007, 26 – 28. Zur Zwei-Geister-Lehre s. noch J. Frey, Rule of the Community (1QS), in: B. Embry / R. Herms / A. T. Wright (Hg.), Early Jewish Literature: An Anthology, Bd. 2, Grand Rapids / Cambridge 2018, 116 – 127.

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Hinzu kommt, dass die Zuordnung des hier als 4Q502 16 bezeichneten Fragments von Eibert Tigchelaar angezweifelt worden ist. Mit seinen Argumenten erübrigt sich jede Überlegung zu einem direkten textlichen Zusammenhang von 4Q502 und S.26 Da Frgm. 16,1 – 4 den einzigen derartigen Befund der vielen 4Q502-Fragmente darstellen würde und nicht klar ist, wie lang der ursprüngliche Text und in welchem Kontext er eingebettet war, ist die ursprüngliche Zugehörigkeit zu S plausibel. Demnach ist von einem Traditionszusammenhang an dieser Stelle abzusehen. Ebenso ist jede weitere inhaltliche Ausdeutung mit Vorsicht zu sehen: Auf Baumgarten aufbauend hebt Sidnie White Crawford die Titel stärker hervor. Demnach wäre das bereits erwähnte Frgm. 24 unter diesem Gesichtspunkt zu lesen: Laut Z. 4 steht eine Frau im »Rat der Ältesten« – vielleicht sogar »Ältestinnen« (‫)ו]עמד̇ה בסוד זקני̇[ם] ז֯ ֯קנ֯ ו֯ [ת‬. Ältestinnen könnten, wie bereits gesehen, in Frgm. 19,2 belegt sein (‫)זקנים וזק[נות‬, die im Rat der Heiligen (‫ )בסוד ֯ק[דושים‬sind (Z. 1). In diesem Rat sei von einer liturgischen Funktion der Beteiligten auszugehen. Sie sieht dies auch in den Schwestern und Brüdern (96,1: ‫[לאחי̇ו̇ת‬ ֯ u. 9,11: ‫)אחים‬, die gleichsam Titel sein könnten, was demnach nicht ausschließlich auf die Älteren zu übertragen wäre. Wie schon Baumgarten nimmt auch sie die D‑ und S‑Texte zusammen. Demzufolge seien wie die dort belegten »Söhne der Wahrheit« mit der »Tochter der Wahrheit« ebenso die »Väter« und »Mütter« (vgl. 4Q502 19,2 f. u. 14,6 ‫ )בנים וב̇[נות‬Titel, die einen gemeinsamen Dienst jeden Alters suggerieren. »Mütter«, »Schwestern« und »Ältestinnen« wären demnach als gesellschaftlich Geehrte und Führungspersönlichkeiten titular belegt. Von diesem Schluss ausgehend sei auch von einer Vollmitgliedschaft der Frau innerhalb der Gemeinschaft auszugehen.27 Problematisch werden die Thesen dadurch, dass erstens die Fragmente einen Sinn nur durch externe Quellen, nämlich die S‑Texte (eine gemischte spirituelle Gemeinschaft), die Gemeinschaftsregel und die D‑Texte (Frauen in gehobener Stellung) sowie den antiken Essener- und Therapeutenberichten, erhalten, was zweitens auf einen yahad bezogen wird, der in 4Q502, wenn er sich eindeutig ˙ nachweisen ließe, wieder in einem anderen Gruppenkontext stünde: In substantivischem Gebrauch lässt sich yahad, verbunden mit der Freude (‫)שמחה‬, in ˙ 4Q502 4,3: ‫יח[ד‬ ֯ ‫ ש]מחת‬und 105 – 106,2:] ‫ושמחת י֯ [ח]ד‬, nur schwerlich erkennen und kann daher auch nicht als Akteur der Segnung des Gottes Israels verstanden werden (4Q502 105 – 106,1: ]̇‫)יב]רכו את אל י֯ ֯שראל‬. Ferner kann der Gebrauch 26   S. E. Tigchelaar »These are the names of the spirits of . . .«: A Preliminary Edition of 4QCatalogue of Spirits (4Q230) and New Manuscript Evidence for the Two Spirits Treatise (4Q257 and 1Q29a), RdQ 84 (2004), 529 – 547 (539 f.). 27  Vgl. White Crawford, Mothers (s. Anm. 22), 181 – 191. S. dies., According (s. Anm. 6), 137. S. auch Schuller, Women 1999 (s. Anm. 24), 137. P. Heger, Women in the Bible, Qumran and Early Rabbinic Literature: Their Status and Roles, StTDJ 110, Leiden / Boston 2014, 211, dagegen findet für derlei Deutungen keine Anhaltspunkte.

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des Verbs ‫ שמח‬in der zweiten Person Singular nicht ausgeschlossen werden, womit ein eindeutiger Bezug zum yahad nicht gegeben ist. ˙ In 4Q502 5,3; 9,1; 70,2 und 260,2 hat sich ‫ יחד‬ohne erkennbaren Kontext erhalten. Das liegt v. a. in dem Zustand der Fragmente begründet: 4Q502 2,8 etwa bietet nicht genug Text, um einen substantivischen Gebrauch und so eine Gruppenbezeichnung nachzuweisen (]̇‫)י]חד להיות ל‬. Es hebt eher den Gemeinschaftsaspekt hervor, als dass es etwa mit 1QS 5,2a (‫ )להיות ליחד‬in einen Zusammenhang gebracht werden könnte. Vielmehr ist hier eine adverbiale Nutzung vorauszusetzen, wie sie auch in 4Q502 19,4 ‫ יחד‬vorliegt (‫)עם כולנ֯ ו֯ יחד‬, was vermutlich auch auf 4Q502 21,3 zutrifft (‫)יחד בתוך‬. Für Eyal Regev besitzt allerdings auch das Adverb schon gruppenspezifischen Charakter, weshalb er die Fragmente von 4Q502 in diesen Kontext stellt. Und da der yahad in 4Q502 familiäre ˙ Strukturen beschreibe, seien diese auch auf die Gemeinderegel anzuwenden. Mit dem Nachweis des yahad bzw. eines Ablegers in 4Q502 sieht er den Gegen˙ beweis für die vermeintlich ehelose Lebensform erbracht. Damit kommt er zu dem Schluss, dass 4Q502 von Mitgliedern des yahad der Gemeinderegel oder ˙ von einer verwandten Gemeinschaft verfasst wurde. Die in S fehlenden Frauen würden sich demnach in 4Q502 finden.28 Von einer Selbstbezeichnung yahad und einer yahadischen Gemeinschaft ˙ ˙ in S oder 1QSa auszugehen, ist durchaus plausibel (s. o.). Der yahad in S defi˙ niert sich über kultische Reinheit und Kritik am Tempel, sieht sich sogar selbst in der für einen Tempelbesuch vorausgesetzten Heiligkeit (vgl. 1QS VIII,5 f. u. IX,3 – 6). Dies schließt Frauen und Kinder temporär aus. In anderen Bereichen, die etwa wie in D das Eheleben oder die Aufnahme betreffen, sind Frauen wie alle anderen Mitglieder Teil der Gemeinschaft und den gleichen Reinheits- und Heiligkeitsanforderungen unterworfen (s. o.). Die Verbindung zum yahad zeigt ˙ 1QSa 1,8b – 11 auf, wonach der Mann ab seinem zwanzigsten Lebensjahr in den yahad eintritt und gleichzeitig die Ehe und so das intime Verhältnis zu einer ˙ Frau geregelt wird. Sie ist die Zeugin seines Lebens, was wohl v. a. Reinheitsaspekte betrifft. Doch ist der Dienst des Mannes im yahad klar bestimmt und ˙ seine Frau nicht Teil seiner Aufgaben (1QSa 1,6b – 19a). Auch zum hierarchisier-

  Regev, ‫( יחד‬s. Anm. 10), 129. Ausführlich bei dems., Cherchez les femmes, 259 f. + 276 –  278 + 282 – 284 (»Since these documents use both the noun and the adverb yahad, it is more than ˙ sprachliche Paplausible that they are related to the yahad sect.« [278]). Für Regev sind weitere ˙ des yahad (s. Anm. 64 u. 279 – 281: ‫ אמת אנשי‬/ ‫ בת‬/ ‫בן‬, ‫חוקי‬ rallelen Hinweise für eine Gemeinschaft ˙ 4Q502 »a ritual of admission of a married ‫אל‬, ‫ קודש קודשים‬und möglicherweise ‫)תעודה‬, wobei couple into the sect« (ebd., 277) repräsentiere. »This may be the only positive indication of marriage and family life within the yahad.« (282) Seine Grundthese lautet: »4Q502 Ritual of Marri˙ and children, and bears several lexical affinities with 1QS age mentions marriage, reproduction and other compositions of the yahad. Therefore, it should be related to the yahad. Consequently, ˙ the sweeping identification of the˙ yahad with the (mainly celibate) Essenes seems problematic.« ˙ (253) S. dazu auch den Beitrag von Angela Standhartinger in diesem Band. 28

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ten Mahl hat sie keinen Zutritt (1QSa 1,27b – 2,22). Wie in S gibt es auch in 1QSa Gemeinschaftsaspekte um den yahad, die Frauen nicht einbeziehen. ˙ Mit 4Q502 liegt jedoch nicht nur ein anderes Textgenre vor, sondern auch ein stark fragmentarischer Text, der sich nicht ohne Weiteres in den Kontext von S, D oder 1QSa einfügen lässt. Die Fragmente zeugen von keiner Abkehrbewegung innerhalb Israels und bieten keine Deutung der eigenen Situation und Vergangenheit anhand von Zitaten aus dem Tanach (wie in D und S) oder eben ein spezifisches yahad-Verständnis (S und 1QSa). ˙ Nach 4Q502 sind Frauen in liturgische Handlungen eingebunden, wobei dies weder eine generelle Gleichsetzung von Mann und Frau noch die Frau als Teil des yahad voraussetzt.29 Die Spezifik dieses yahad ist jedoch in 4Q502 nicht ˙ ˙ erkennbar. Doch ist es möglich, dass sich die Gesamtgemeinschaft und der yahad ˙ mit den liturgischen Texten identifiziert haben. Der Beginn der Gemeinschaftsregel verweist in der Versammlung aller auf eine ähnliche Zusammensetzung der Gemeinschaft, wie sie 4Q502 zeichnet. Gerade zu den Jahresfesten ist dies anzunehmen. Daher ist auch der Bezug zur Fruchtbarkeit gegeben: Versteht man Frgm. 19 nicht figurativ, sondern in direktem Bezug auf Ehe und Fortpflanzung, fügen sich die Jüngeren und Jüngsten wie von selbst ein. Von möglicherweise einem Mann, sicher aber »seiner Frau« erfährt man in Frgm. 1,3 (]‫)האדם]ו̇אשתו ל‬, in dessen Folge das Hervorbringen von Nachkommen steht (Z. 4: ‫)לעשות זרע‬. ֯ Frgm. 309 bietet immerhin »seine [F]rau«: ֯‫א]ש̇תו‬ – anhand der Possessivsuffixe ist die Frau auch eindeutig dem Mann zugeordnet. 4Q502 28,4 und 311 nennt die »Kleinen« (‫ ז]עטוטי[ם‬/ ]‫)זע]טו֯ טי֯ ם‬. In Frgm. 108,3 findet sich »der [Va]ter der jungen Frau« (‫)א]בי̇ הנ̇ערה‬. »Söhne und Tö[chter]« (‫ )בנים וב̇[נות‬in Frgm. 14,6 können ebenso für eine familiäre Gemeinschaft in einer gottesdienstlichen Handlung stehen. Hinzu kommen die Jungen, die in 4Q502 19 (vgl. ebenso Frgm. 9 +  14) eindeutig genannt werden. Ein Schnittpunkt zu den S‑Texten ist dabei in der Feier des Gottesdienstes. Dies könnte erklären, warum beide Textsammlungen ihren Weg nach Qumran gefunden haben. Doch ist, was in der Gemeinderegel fraglich erscheint, in 4Q502 die Partizipation aller vorausgesetzt. Bei einer Übernahme des Textes würde dies einer bestimmten Gemeindesituation entsprechen. Die Feier, die in 4Q502 wiedergegeben ist, vielleicht ist es Sukkot oder das Neujahrsfest als eine Art Erntefest30, gehen in jedem Fall von einer Mitbeteiligung aller aus und kann sich nicht allein auf den yahad beziehen. Somit ist es durchaus möglich, ˙ hier eine auf den yahad und die Restgemeinde gedeutete (ursprünglich für ganz ˙ Israel gedachte) Gemeinschaft beschrieben ist, die neben den gruppenspezifi29   Grossman, Reading for Gender (s. Anm. 2), 229. T. Ilan, Women in Qumran and in the Dead Sea Scrolls, in: J. J. Collins / T. H. Lim (Hg.), The Oxford Handbook of the Dead Sea Scrolls, Oxford 2010, 124 – 147 (138). 30  So Satlow, New Year (s. Anm. 20), 68.

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schen Texten eine weitere Form des Zusammenlebens bezeugt. In diesem Falle wäre 4Q502 ein weiterer, allerdings nicht-gruppenspezifischer Text, der sich für Frauen außerhalb des yahad, aber innerhalb der Gemeinschaft anführen lässt. ˙

3.  Frauen im weisheitlichen Kontext: 4Q184 (Wiles of the Wicked Woman)31 3.1  Die »Frau« in Prov 1 – 9 und 4Q184 4Q184, von John Allegro unglücklicherweise Wiles of the Wicked Woman genannt, wird in die frühherodianische Zeit (50 – 25 v. Chr.) datiert. Den größten Textanteil bietet Frgm. 1,32 das in der scheinbar negativen Beschrei­bung einer Frau Parallelen zu Prov 2; 5 – 7 und ihre Verbindung mit »Frau Torheit« in Prov 9 aufweist.33 Bedeutend im später kanonisierten Text ist die Übertragung von Lehre und Mahnung auf eine gelungene Lebensführung im Sinne der Weisheit.34 Auffallende wörtliche Parallelen der Proverbia zum Text aus Höhle 4 finden sich in den Passagen mit der Warnung vor einer fremden Frau (Prov 2,16; 7,5: ‫שׁה ז ָָרה‬ ּ ָ ‫ ; ִא‬5,3 + 20: ‫)ז ָָרה‬,35 die in 7,5 zusätzlich als Ausländerin (‫ ;נָכ ְִרי‬vgl. 6,24 + 19), 31

  Einen Überblick über Frauen in weisheitlichen Qumrantexten bietet B. G. Wright III., Wisdom and Women at Qumran, DSD 11 (2004), 240 – 261 (241 – 253). Vgl. auch C. Hempel, The Qumran Sapiential Texts and the Rule Books, in: dies. / A. Lange / H. Lichtenberger (Hg.), The Wisdom Texts from Qumran and the Development of Sapiential Thought, BETL 159, Leuven, 2002, 277 – 295. 32   J. M. Allegro, 184., in: ders. (Hg.), Qumran Cave 4, Vol. I (4Q158 – 4Q186), DJD 5, Oxford 1968, 82 – 85 mit Tfl. XXVIII. Zu den fünf weiteren 4Q184 zugeordneten Fragmenten s. E. Tigchelaar, Constructing, Deconstructing and Reconstructing Fragmentary Manuscripts: Illustrated by a Study of 4Q184 (Wiles of the Wicked Woman), in: M. L. Grossman (Hg.), Rediscovering the Dead Sea Scrolls. An Assessment of Old and New Approaches and Methods, Grand Rapids / Cambridge 2010, 26 – 47 (32­ – 38), auch ders., The Poetry of The Wiles of the Wicked Woman (4Q184), RdQ 25 (2012), 621 – 633. 33  S. dazu B. Schipper, Von der »fremden Frau« zu »Frau Torheit«: Metaphorik in Prov 1 – 9 und in 4Q184, in: M. Witte / S. Behnke (Hg.), The Metaphorical Use of Language in Deuterocanonical and Cognate Literature, DCLY, Berlin / Boston 2015, 233 – 256; M. Goff, Discerning Wisdom: The Sapiential Literature of the Dead Sea Scrolls, VT.S 116, Leiden / Boston 2007, 104 – 121; ders., Hellish Females: The Strange Woman of Septuagint, Proverbs and 4QWiles of the Wicked Woman (4Q184), JSJ 39 (2008), 20 – 45. 34   Vgl. nur den programmatischen Beginn, in Prov 1,1 – 7, die Anrede »mein Sohn« (‫ ) ְ ּבנִי‬mitsamt den Imperativen und Finalsätzen. 35   Wobei jedoch Prov 5,1 – 23 nicht nur vor der Fremden, sondern im größeren Maße vor dem Fremden schlechthin warnt. Der Hintergrund ist hier eine große Angst vor »feindlicher = fremder Übernahme« des eigenen Besitzes, was den Erhalt der Sippe durch innerfamiliäre Heirat gewährleisten soll. Die fremde Frau steht hier generell für den Verlust von Haus und Land sowie die Einkehr fremder Sitten (s. bes. V. 10). Generell können somit sowohl die Fremde als auch die Ausländerin für jene stehen, die nicht zum eigenen Haushalt zählen (s. Goff, Hellish Females [s. Anm. 33], 26 f.).

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in Prov 6,29 als Frau des Nächsten (‫שׁת ֵרעֵהּו‬ ֶ ‫ ֵא‬36) und Hure (s. V. 26: ‫שׁה ז ֹונָה‬ ּ ָ ‫; ִא‬ s. auch 7,10: ‫שׁית ז ֹונָה‬ ִ ‫שׁה ִלק ְָראת ֹו‬ ּ ָ ‫ ) ִא‬bezeichnet wird.37 Von diesen Charakterisierungen findet man ‫זונה‬, ‫ זרה‬oder ‫ נכרי‬nicht unter den Fragmenten von 4Q184.38 Die beschriebene Frau wird weder durch ihre Herkunft noch durch ihren gesellschaftlichen Status kategorisiert, auch ‫»( אשה‬Frau«) kommt nicht ein einziges Mal vor. Dennoch verweisen die verwendeten Verben und Suffixe auf eine Frau: »Sie« bleibt stets das Subjekt, ist als Possessivsuffix Teil des jeweiligen Subjektes oder das Objekt der Handlung.39 Auch ist unter Hinzunahme der Frgm. 3, 5 und 6 eine Handlungsanweisung auszumachen (wie in Prov 5,5 u. 7,2740), wobei jedoch der unmittelbare Kontext fehlt.41 36   In Prov 6,24 ist der Fall nicht ganz klar, da im masoretischen Text ‫שׁת ָרע‬ ֶ ‫ ֵא‬und somit die »Frau des Bösen« zu lesen ist. Die LXX bezeugt die Lesung ‫ר ַע‬:ֵ ὕπανδρος (διαφυλάσσειν σε ἀπὸ γυναικὸς ὑπάνδρου), wobei nicht abwegig ist, dass sie den älteren Textzeugen bietet. S. dazu Goff, Hellish Females (s. Anm. 33), 40 f. Zur Bedeutung des Nächsten in Prov 1 – 9 zieht C. Hempel, Wisdom and Law in the Hebrew Bible and at Qumran, JSJ 48 (2017), 1 – 27 (16 f.), eine interessante Parallele zu 1QS 5,24b – 6,1a. Im Kontext der Ermahnung könnte die Beziehung eines Mitgliedes der S‑Gemeinschaft mithilfe der Vorgabe in Prov ausgedrückt sein. In diesem Vergleich sieht sie beide Texte als Sammelhandschrift (»The point I wish to stress is that there is a clear consciousness of an explicit structure in both works.« Ebd., 10). 37   Für eine ausführlich diskutierte Gegenüberstellung von 4Q184 mit Prov s. T. Ilan, Canonization and Gender in Qumran: 4Q179, 4Q184, 2Q18 and 11QPsalmsa, in: Roitman / Schiffman / Tzoref (Hg.), The Dead Sea Scrolls (s. Anm. 3), 513 – 546 (528 – 539). 38   Die Rekonstruktion von Z. 1: ‫]הזונ[ה‬, durch Allegro, 184 (s. Anm. 32), 82 mit Tfl. XXVIII, ist spekulativ, da die Lesung des ‫ ה‬umstritten ist. Dem folgt dennoch u. a. R. D. Moore, Personification of the Seduction of Evil: »The Wiles of the Wicked Woman«, RdQ 10 (1981), 505 – 519 (507 und passim), was jedoch das gesamte Textverständnis wesentlich beeinflusst (s. jüngst wieder I. Fröhlich, Women as Strangers in Ancient Judaism: The Harlot in 4Q184, in: G. G. Xeravits / J. Dušek (Hg.), The Stranger in Ancient and Mediaeval Jewish Tradition. Papers Read at the First Meeting of the JBSCE, Piliscsaba, 2009 [DCLS 4], Berlin / Boston 2010, 139 – 159). Dabei hat J. Strugnell, Notes en marge du Volume V des »Discoveries in the Judaean Desert of Jordan«, RdQ 26 (1970), 163 – 273 (264), bereits zwei Jahre später diese und auch andere Rekonstruktionen Allegros widerlegt. S. weiter Tigchelaar, Constructing (s. Anm. 32), 34 + 41, und zu weiteren Rekonstruktionsmöglichkeiten ders., The Poetry (s. Anm. 32), 625 f. Daher ist es nur folgerichtig, dass in der neueren Forschung weder White Crawford, Lady Wisdom and Dame Folly at Qumran, DSD 3 (1998), 355 – 366, noch Wright, Wisdom (s. Anm. 31), diese Lesart in ihre Argumentationen einbeziehen. Goff, Discerning Wisdom (s. Anm. 31), 107, ders., Hellish Females, 37 (s. Anm. 33), und Schipper, Von der »fremden Frau« (s. Anm. 33), 235, haben dies endgültig überwunden. 39  S. dazu Hempel, Wisdom and Law (s. Anm. 36), 19. 40   Vgl. bes. Prov  9,1 – 12 mit 2,1 – 11, 3,1 – 26 u. 8,1 – 21. 41  Dazu Tigchelaar, Constructing (s. Anm. 32), 36 – 39.41 – 46: In der Rekonstruktion von Frgm. 1 legt er nahe, dass Frgm. 3 diesem vor‑, nach- oder beigeordnet werden müsste, wodurch Frgm. 1 wie die Ausführungen in Prov Teil einer Ermahnung sein würde, zudem gehörten beide zur selben Schriftrolle (»One can place frag. 3 over the bottom lines of frag. 1 and observe that the distance between the lines in frags. 1 and 3 is identical.« [37]). 4Q184 3 vorangesetzt passte in die Beschreibung der Frau von oben nach unten, die nun mit den Augen beginnt (Z. 5: ‫)[עם אישוני פחז‬, wohingegen Frgm. 1,1 f. den Mund zum Gegenstand hat. Zudem würde nun eine Handlungsanweisung am Beginn stehen: ‫[ת ֯חל̇ץ‬, ֯ gefolgt von Z. 2:‫ ;הבר‬Z. 3: ‫ ;פ]רוש‬mit klar maskulinem Bezug: s. dazu auch Z. 4: ‫ממכה‬. Eine Zuordnung zu Frgm. 1 gelte ebenso für Frgm. 5 + 6,

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Der Aufbau von Frgm. 1 ist stringent: Den Beginn bildet die Beschreibung einer Frau: Jedes genannte Körperteil, vom Kopf bis zu den Füßen, bedeutet Verderben (Z. 1 – 3), nichts anderes ihr Äußeres und ihre Wohnstätte (Z. 4 – 8a). Im zweiten Abschnitt (markiert durch ‫)והיאה‬ ֯ werden die Konsequenzen der Begegnung mit ihr für ihre Umgebung aufgezeigt (Z. 8b – 17): Einmal näher erklärt anhand der Todesmotivik (Z. 8b – 11a, hervorgehoben u. eingeleitet mit ‫ כיא‬in Z. 9b) und dann (wieder: ‫[י]א‬ ֯ ‫)וה‬ ֯ anhand ihrer geradezu perfiden Vorgehensweise (Z.  11b – 17).42 Das Bild des Weges in die Tiefe durchzieht den gesamten Text und bildet die stärkste Parallele zu Prov. Der hier Beschriebenen zu verfallen, bedeutet den Weg in die Unterwelt und ist sowohl in Z. 11 (vgl. a. Z. 3 + 17) als auch in Prov 2,18; 5,5 und 7,27 konsequenterweise mit ‫ ירד‬ausgedrückt. Ein Ausschnitt soll dies verdeutlichen: 4Q184 1,8b – 11a43 ‫דרכי֯ עול הוי הוה‬ ֯ ‫והיאה ראש̇ית כ̇ו̇ל‬ ֯ 8b ‫ תו֯ מכי בה‬9]‫לכול נוחליה ושדדה לכ[ול‬ ‫כיא דרכיה דרכי מות ואורחותיה שבילי‬ ‫ עול‬10 ‫חטאת מעגלותיה משגות‬ ‫שערי‬ ֯ ‫ונתיבו[תי]ה אשמות פשע ֯שעריה‬ ֯ 11 ]‫מות בפתח ביתה תצעד שאו֯ [לה‬ ‫ וכול נוחליה‬44‫[ו]ל[ באיה לוא ]ישובון‬ ֯ ‫֯כ‬ ‫ירדו שחת‬

8b Und sie ist der Anfang aller Wege des Unrechts. Wehe! Ein Absturz all ihren Erben und sie übt Gewalttat an al[len], 9 die sie erreichen. Denn ihre Wege (sind) Wege des Todes und ihre Pfade sind Abstiege der Verfehlung, ihre Bahnen führen ab (in) 10 Unrecht und ihr[e] Steig[e] (in) Verschul­ dungen, Frevel. Ihre Tore sind Tore des Todes. Im Eingang ihres Hauses schreitet sie, [zur] Scheo[l] 11 al[l]e [, die zu ihr kommen, nicht] werden sie zurückkehren und all ihre Erben steigen hinab in die Fallgrube.

vgl. 4Q184 1,3b ‫באשמות‬ ֯ ‫להר̇שיע ירדו וללכת‬ ֯ ̇‫רגליה‬

ihre Füße, um zu freveln, steigen sie hinab und um zu gehen in Verschuldungen

vgl. Prov 2,18 f.; 5,5 f.; 7,25 – 27; 9,18 ‫ֶל־ר ָפאִים‬ ְ ‫שחָה אֶל־ ָמוֶת ֵבּיתָ ּה ְוא‬ ׁ ָ ‫ִכּי‬ ‫ַמ ְעגְֹּלתֶ י ָה‬ ‫ָארח ֹות‬ ְ ‫שׂיגּו‬ ּ ִ ַ ‫ָכּל־ ָ ּבאֶי ָה ֹלא י ְׁשּובּון ְוֹלֽא־י‬ ‫ַחיִּים‬

Denn zum Tod senkt sich ihr Haus und zu (den) Rephaim ihre Bahnen. Alle, die zu ihr kommen, kehren nicht zurück, und nicht erreichen sie die Pfade des Lebens.

jedoch nicht für Frgm. 2 + 4. Eine Ermahnung ließen ebenso die zwei Jussive in Frgm. 5,3 (]‫ )אל תלח‬und 6,2 (‫ )[אל תבוא‬vermuten. Für darüber hinausgehende Vergleiche s. dens., Lady Folly and her House in three Qumran Manuscripts: On the Relation between 4Q525 15, 5Q16, and 4Q184 1, RdQ 91 (2008), 371 – 381. 42  Vgl. Moore, Personification (s. Anm. 38), 508, M. Aubin, Femininity and Metaphor in 4Q184, Women in Judaism: A Multidisciplinary Journal 2 / 2 (2001), 3 – 8, und Schipper, Von der »fremden Frau« (s. Anm. 33), 235 f. 43   Zum Text vgl. Allegro, 184 (s. Anm. 32), 82, u. Tigchelaar, Constructing (s. Anm. 30), 34; Ders., The Poetry, 632 f. (s. Anm. 32). 44   Vermutlich zu rekonstruieren nach Prov 2,19: ‫ָארח ֹות ַחיִּים‬ ְ ‫שׂיגּו‬ ּ ִ ַ ‫ ָכּל־ ָ ּבאֶי ָה ֹלא י ְׁשּובּון וְֹלא־י‬.

100 ‫שׁא ֹול ְצעָדֶ י ָה י ִתְ מ ֹכּו‬ ְ ‫ַרגְלֶי ָה י ְֹרד ֹות ָמוֶת‬ ‫א ַֹרח ַחיִּים ֶפּן־תְ ּ ַפ ֵלּס נָעּו ַמ ְעגְֹּלתֶ י ָה ֹלא‬ ‫תֵ דָ ע‬ ‫ש ְט אֶל־דְ ָּרכֶי ָה ִל ֶבָּך ַאל־תֵ ּתַ ע‬ ׂ ְ ֵ ‫ַאל־י‬ ‫ִ ּבנְתִ יב ֹותֶ י ָה‬ ‫ֽי־ר ִבּים ֲח ָללִים ִה ִפּילָה ַו ֲע ֻצמִים‬ ַ ‫ִ ּכ‬ ‫ָכּל־ה ֲֻרגֶי ָה‬ ‫שׁא ֹול ֵבּיתָ ּה י ְֹרד ֹות אֶל־חַדְ ֵרי־ ָמוֶת‬ ְ ‫דַ ְּרכֵי‬ ‫שׁא ֹול‬ ְ ‫שׁם ְ ּב ִע ְמקֵי‬ ָ ‫ּי־ר ָפאִים‬ ְ ‫וְֹלא־י ָדַ ע ִכ‬ ‫ק ְֻראֶי ָה‬

Nicole Rupschus

Ihre Füße steigen hinab in den Tod, die Scheol ihre Schritte erreichen. Den Pfad des Lebens  – damit du (ihn) nicht erblickst, schwanken ihre Bahnen – du sollst (ihn) nicht erkennen. Nicht weiche dein Herz ab zu ihren Wegen. Irre nicht umher auf ihren Pfaden. Denn viele Erschlagene hat sie zu Fall gebracht und zahlreich (sind) alle, die sie getötet hat. Die Wege der Scheol (sind) ihr Haus, die hinabführen zu den Kammern des Todes. Und er erkennt nicht, dass dort Rephaim (sind), in den Tiefen der Scheol, die von ihr gerufen werden.

Eine weitere Übereinstimmung ist ihr Agieren in der Dunkelheit (vgl. Z. 4 – 8a). So heißt es in Prov 7,7 – 11, dass sie während der Dämmerung, »bei Anbruch der Nacht und bei Dunkelheit« (V. 9: ‫ ; ְ ּבאִיש ֹׁון ַליְלָה ַו ֲא ֵפלָה‬vgl. Z. 4 – 6), um ihr Vorhaben zu verschleiern und sich unbemerkt anschleichen zu können, auflauert (V. 12: ‫ ְו ֵאצֶל ָכּל־ ִ ּפנָּה תֶ אֱר ֹב‬und Z. 11b: ‫ )במסתרים תארוב‬auf den Plätzen (V. 12 und Z. 12a: ‫  ָב ְּרח ֹב ֹות‬/ ‫)ברחובות‬. ֯ Wie bereits erwähnt, spielt in 4Q184 der Weg eine bedeutende Rolle: Neben den Wegen des Unrechts und des Todes (vgl. Z. 8 f.)45 heißt es in Z. 14, dass sie Aufrechte46 vom Weg ablenkt (Inf. hif. ‫)נטה‬, und in Z. 15 f., dass sie einerseits versucht, Elende zum Abfall von Gott zu bringen und »abzulenken (wieder Inf. hif. ‫ )נטה‬ihre Schritte von Wegen der Gerechtigkeit«,47 und andererseits »abzuführen (Inf. hif. ‫ ;ׁשגה‬vgl. a. Z. 9) einen Menschen auf die Wege des Abgrundes«. »Tiefen der Grube« (4Q184 1,6: ‫ )מעמקי בור‬entsprechen dem Bild und verweisen zugleich auf die Scheol (Z. 11) und auf »Frau Torheit« (s. Prov 9,18: ‫שׁא ֹול‬ ְ ‫) ִע ְמקֵי‬.48 In diesem letzten Abschnitt sind auch gleichzeitig die Adressaten der Komposition genannt: die potentiellen Opfer. Dass es schlicht ein »Mensch« und »Männer« (Z. 17) sind, schließt niemanden aus – alle können in ihre Fänge geraten. Dennoch fallen »Standfeste« (Z. 15: ‫)סמוכי‬, auch ein »Gerechter« (‫)צדיק‬, ein »starker Mann« (‫)איש[ ע]צ̇ום‬, ֯ »Aufrechte« (‫)ישרים‬49 und »Ge­rech­tigkeitserwählte« (̇‫ )בחורי צדק‬besonders auf (Z. 14). Damit erweist sie sich als das Gegenteil von dem, was »Frau Weisheit« ausmacht. Diese nämlich wandelt auf dem »Pfad der 45   S. im Vergleich mit 4Q184 1,8b – 9a Prov 3,17 für den, der Weisheit findet: »Ihre Wege sind Wege des Angenehmen und all ihre Steige Frieden.« (‫שֹׁלום‬ ָ ‫)דְ ָּרכֶי ָה דַ ְרכֵי־נֹעַם ְוכָל־נְתִ יב ֹותֶ י ָה‬. »Wer sie erreicht, wird glücklich genannt« (Prov 3,18b: ‫שׁר‬ ּ ָ ‫)וְת ֹ ְמכֶי ָה ְמ ֻא‬. 46   Auch in Z. 15 ist ‫ נטה‬verknüpft mit dem Bewahren des Gebotes (vgl. Prov 6,20). 47   Ebenso versucht sie zu verhindern, auf »Bahnen der Geradheit« (Z. 17) zu gelangen; vgl. Prov 4,11: ‫שׁר‬ ֶ ֹ ‫ ְ ּב ַמ ְעגְּלֵי־י‬. 48   Vgl. außerdem Prov 22,14 u. 23,27 (‫)ׁשּוחָה ֲע ֻמ ֣ ָ ּקה‬, wo der Mund von Fremden (fremden Frauen) und Huren als tiefe Grube bezeichnet wird. 49   Vgl. Prov 9,15: Frau Torheit versucht, die zu rufen, die »ihre Pfade gerade gehen« (‫ש ִׁרים‬ ּ ְ ַ ‫ַה ְמי‬ ‫)א ְֹרח ֹותָ ם‬.

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Gerechtigkeit« und auf »Steigen des Rechts« (Prov 8,20: ‫ְבּא ַֹרח־צְדָ קָה ֲא ַה ֵלּך ְבּת ֹוְך‬ ‫ש ָפּט‬ ׁ ְ ‫)נְתִ יב ֹות ִמ‬.50 Dies ist der Weg, auf den sie Gerechte führen will. 3.2  Hinweise auf einen yahad? ˙ Die noch in Prov durchscheinende Angst vor der fremden Frau, die entweder eine Ausländerin ist oder nicht der eigenen Sippe entstammt, ist in 4Q184 nicht mehr Gegenstand der Überlegung. Auch die Frau als Hure spielt hier keine Rolle mehr. Überhaupt scheint der Qumrantext keine Frau aus Fleisch und Blut zu meinen, sondern sie als Folie aus der weisheitlichen Ermahnung in Proverbia zu gebrauchen. Dabei hat die bereits in Prov 2 + 9 angelegte Übertragung in den Bereich der Unterweltssphäre nun stärkere Konturen erhalten – über einen bloßen Vergleich mit der Scheol ist der Autor nun hinaus und verortet die in 4Q184 beschriebene »Frau« direkt in der Scheol und aus der Scheol kommend. Hier ist eine metaphorische Umdeutung geschehen.51 Die stärkere Beziehung zur Scheol betont gleichzeitig den scharfen Kontrast zwischen Torheit und Weisheit, der bereits in Prov 9 zum Tragen kommt:52 Die nur einmal in Prov 9,13 namentlich genannte »Frau Torheit« (‫שׁת ְ ּכסִילּות‬ ֶ ‫ ) ֵא‬sitzt im Eingang ihres Hauses (Prov 9,14: ‫שבָה ְלפֶתַ ח ֵבּיתָ ּה‬ ׁ ְ ָ ‫) ְוי‬, wo sie ebenfalls in 4Q184 1,10 lauert (‫)בפתח ביתה תצעד‬, um andere vom Weg abzubringen. Anders als die im Vergleich relativ breite Entfaltung der »Frau Weisheit« in Prov 8 + 9,1 – 12 hat sich im Qumranfragment nur noch die Torheit erhalten. Im ganzen Fragment erscheint sie als Gegenprinzip zur Weisheit.53 50

  Vgl. Prov  1,15 + 19.   J. Maier, Wiles of the Wicked Woman, EncDSS II (2000), 976. Grossman, Reading for Gender (s. Anm. 2), 230. Wright, Wisdom (s. Anm. 31). Einer Deutung als »dämonische Figur«, identifiziert mit dem Nachtdämon Lilit, nach J. Baumgarten, On the Nature of the Seductress in 4Q184, RdQ 15 (1991), 133 – 143 (140), und White Crawford, Lady Wisdom (s. Anm. 38), 361, widersprechen Goff, Hellish Females (s. Anm. 33), 33 f., und Schipper, Von der »fremden Frau« (s. Anm. 33), 251 mit Anm. 78. 52   Schipper, Von der »fremden Frau«, 249. 53   Dieser Antagonismus habe, so White Crawford, Lady Wisdom (s. Anm. 38), 359 f., in 4Q184 als Frau Torheit und 4Q185 als Frau Weisheit Aufnahme gefunden. Schipper, Von der »fremden Frau« (s. Anm. 33), plausibilisiert eine textliche Entwicklung, nach der die Frauengestalt in Prov 1 – 9 im letzten Stadium bereits metaphorisch (»ontologische Metapher«) angelegt war und 4Q184 damit als Grundlage dient – dort nun unter gänzlichem Verzicht auf die Gegenüberstellung zu Frau Weisheit. Die Frau in 4Q184 steht der Scheol nicht nur nahe, sondern ist Teil von ihr (s. auch Goff, Discerning Wisdom [s. Anm. 33], 111). Sie ist auch weniger die verführende Frau aus Prov 7, sondern »abstrakter« (Ders., Hellish Females [s. Anm. 33], 28, Schipper, Von der »fremden Frau«, 239 f.). Die Frau als Metapher, die in eine ganz andere Welt, nämlich die Unterwelt, verweist, noch als eine leibliche Frau verstehen zu wollen, ginge schon im letzten Textwachstum von Prov fehl, wie zuletzt Prov 9 mit Frau Torheit zeige (ebd., 248 f.). S. auch Goff, Discerning Wisdom, der damit schließt: »4Q184 transforms the Strange Woman from an alluring but dangerous married woman into a mythological figure of evil« (121). 51

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In den Höhlen Qumrans wurden viele Weisheitstexte gefunden, was ein breites Interesse an diesem Genre vermuten lässt. Ausgehend von einer dem yahad angehörigen Gemeinschaft in Qumran stellt sich die Frage nach dem ˙ Verhältnis dieser Texte zu den gruppenspezifischen Texten. Speziell für 4Q184 sei dies mit Z. 2 kurz skizziert, da hier auch die Frauenfrage in Qumran angesprochen ist: »Und (mit) Spott [macht] sie glatte (Worte), um zu lästern zusammen mit den Li[ppen] des Unrechts, ihr Herz stellt auf (plant) Leichtsinn [. . .]« (‫ עול לבה יכין פחיז‬54]‫תחל[י]ק ולהליץ יחד בש[פתי‬ ֯ ‫)וקלס‬. Für Maxine Grossman ist in 4Q184 1 eine Verkörperung der Frau zu sehen, die die Bundesgemeinschaft der D‑Texte und 1QSa zu meiden hätte. Auf die Frauen in der Gemeinde übertragen, entsprächen jene dem »Idealbild«, wohingegen die »Frevelhafte« aus 4Q184 für die Frauen außerhalb des Bundes und der Gemeinschaft stünde. Inhaltliche und terminologische Parallelen scheinen dies zu bestätigen:55 Dem gruppenspezifischen Kontext kann neben ‫ יחד‬auch ‫חלקה‬56 zugeordnet werden. In 4Q184 1,2 erscheint ‫ חלק‬als Verb, in Z. 17 als Nomen. Beide Male geht es um glatte bzw. schmeichelnde Rede, die das Gegenüber vom Weg abbringen soll. In CD 1,18 (par. 4Q266 2 I,21b) ist mit jenen, die »glatte Dinge suchen« (‫דרשו‬ ‫)בחלקות‬, eine von der D‑Gemeinschaft abzugrenzende Gruppe belegt. Die von John Strugnell erwogene Lesung ‫פחין‬, eine aramäische Pluralform von ‫פָח‬ (»Falle«) würde sich mit den drei Netzen des Belial aus Jes 24,17 in CD 4,14 (‫פחד‬ ‫ )ופחת ופח‬verbinden lassen,57 die wiederum im übertragenen Sinne als Unzucht, Besitz und Verunreinigung des Heiligtums gedeutet werden (Z. 17b – 19a). Für Grossman jedoch wird die in 4Q184 dargestellte Frau zum Inbegriff der Unzucht, wogegen das Damaskusdokument klar Stellung einnehme. Die Kluft zwischen jener Frau und den gerechten Männern sei hier besonders groß, dem folgend könnten »alle, die Gerechtigkeit erkennen« (CD 1,1), auf Männer und Abweichler »von den Pfaden der Gerechtigkeit« (Z. 15 f.) auf Frauen bezogen werden. Dies wiederum zeige eine klare Rollenverteilung – und lässt eine Frau vermuten, die unbedingter Kontrolle bedarf.58   Die Lesung [‫ בש[פתי‬anstelle von [‫ בש[וא‬folgt Strugnell, Notes (s. Anm. 38), 264.  Vgl. Grossman, Reading for Gender (s. Anm. 2), 230 – 234. 56   S. nur Dimant, Qumran Manuscripts (s. Anm. 2), 27 mit Anm. 11. 57   Grossman, Reading for Gender (s. Anm. 2), 230 – 233, nach Strugnell, Notes (s. Anm. 38), 264, wobei ‫ פחין‬im Textbestand ein Hapaxlegomenon ist. Zu ‫ פחוז‬s. Allegro, 184 (s. Anm. 32), 82 mit Tfl. XXVIII, u. Tigchelaar, The Poetry (Anm. 32), 632. 58  Vgl. Grossman, Reading for Gender (s. Anm. 2), 233 f., die das Weg-Motiv der Zwei-Geister-Lehre in 1QS 3 f. auf den »Weg der Finsternis« in 4Q184 und so auf das Verhalten einer Frau bezieht: »The Wiles text makes clear that among the wicked woman’s most significant attributes is an insatiable and inappropriate sexual desire« (dies., Reading for Gender, 232). 4Q184 beschreibe dabei eine dunkle unentrinnbare Präsenz in CD 2,16 – 3,16, gegen die Männer nichts aufbieten könnten (vgl. ebd., 234). Demnach steht allein das Weibliche für einen Fehltritt, so als ob es in dessen Natur liege. S. auch White Crawford, Lady Wisdom (s. Anm. 38), 361. Vgl. 54 55

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Auch in den Hodayot (1QHa 10,17b + 34a), MidrEschat 9,12 und 4QpNah 3 – 4  1,2b + 7a erscheinen die ‫דורשי החלקות‬, als Gegner des Kreises hinter den gruppenspezifischen Texten. Dies lässt sich mit einem Wortspiel erklären, wonach diese eben nicht nach der Tora wandeln und sich an gesetzlichen Dingen, den Halakhot (‫ ;הלכות‬sg. ‫)הלכה‬, orientieren (bzw. sie suchen / erforschen: ‫)דרש‬.59 In dem Pescher liegt eine historische Situierung nahe, die vielleicht auch den Hintergrund der D‑Texte erhellen kann, was die spezifische Verbindung von ‫ דרש‬und ‫ הלכות‬vermuten lässt. Hier geht es um die Abgrenzung von einer Gemeinschaft aus dem Umfeld des Tempels wegen Uneinigkeit über die Inhalte der Tora, aber auch um die Bildung einer neuen Vereinigung, wie sie sich etwa im yahad wiederfindet. An dieser Stelle gibt es wiederum Anknüpfungspunkte ˙ zu den S‑Texten (s. u.). Zwar beziehen sich in 4Q184 1,2 + 17 ‫ חלק‬und ‫ חלקה‬jeweils auf die werbende, aber falsche Rede der dargestellten Frau, was sich auch als Indiz für die Warnung vor dem Abfall von der Tora lesen lässt.60 Doch liegt der Fokus hier generell auf der Verführung und leichten Verführbarkeit und es fehlt ein eindeutiger Verweis auf die historische Einordnung sowie die klare Bestimmung des Gegners, die mit ‫ דרש בחלקות‬gegeben ist. Im Kontext von 4Q184 1 bleibt ‫ חלק‬aus Prov entnommen, wo die Rede der Frau bereits als glatt bezeichnet wird (vgl. hif. ‫ חלק‬in Z. 2 mit Prov 2,16; 7,5 sowie ‫ ֶח ְלקָה‬in Z. 17 mit Prov 6,24; 7,21 [‫ ] ֵחלֶק‬u. 5,3 [‫)] ָחלָק‬. Als Kriterium für den gruppenspezifischen Kontext sollte hier dezidiert der Terminus ‫ דרש בחלקות‬oder zumindest die eindeutige Bezeichnung eines Gegenübers erwartet werden. Eine dahingehende Bedeutung kann 4Q184 1 nicht unterstellt werden.

ebenso Wright, Wisdom (s. Anm. 31), 244 – 246 + 256, der für einen direkten Transfer auf eine Person oder Situation keine textliche Basis, aber durch die Verbindung zur weiblich personifizierten Torheit in Prov die Themenkreise Apostasie und Ehebruch angeschnitten sieht. Moore, Personification, 505 f., spricht sich für ein allegorisches Verständnis der »Hure« als einer Darstellung des Bösen aus: »The poem, we might say, is an exercise in hamartiology.« (507) Vgl. dazu die Deutung bei Fröhlich, Women as Strangers (s. Anm. 38), 151 – 156. 59   Auch in Jes 30,10 wird ‫ חלק‬auf falsche Rede bezogen (vgl. Ez 12,24 o. Dan 11,32). Zu den verschiedenen Deutungen des Textes s. Moore, Personification (s. Anm. 38), 505 – 507, spez. zu ‫חלק‬: 511 f. S. ferner J. H. Charlesworth, The Pesharim and Qumran history: Chaos or consensus?, Grand Rapids 2002, 97 f. Ein Bezug zu den Pharisäern könnte sich in 4QpNah 3 – 4 2,1 f. + 4 (+ 3,3 + 7) finden (»Wehe der Stadt der Bluttaten, ihr Ganzes (ist) Verlogenheit, Raub ihre Fülle!«): »Seine Deutung ist: Sie (ist) die Stadt Ephraim, die suchen glatte Dinge an den letzten Tagen, die in Verlogenheit und Lüge wandeln« (‫פשרו היא עיר אפרים דורשי החלקות לאחרית הימים אשר בכחש‬ ‫)ושקר[י]תהלכו‬. ֯ Ephraim steht ebenfalls für die Pharisäer – hierzu und zur weiteren Identifizierung mit den »Trennwandbauern«, den Polygamisten, also jenen, gegen die sich auch die D‑Texte wenden (vgl. CD 4,12b – 5,15a), s. z. B. L. H. Schiffman, The Pharisees and their Legal Traditions according to the Dead Sea Scrolls, DSD 8 (2001), 262 – 277 (265 – 270). J. C. VanderKam, Those who look for Smooth Things, Pharisees, and Oral Law, in: Paul u. a., Emanu­el (s. Anm. 6), 465 – 477 (467). 60   S. Schipper, Von der »fremden Frau« (s. Anm. 33), 239.245 f. + 249.

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Auch bei ‫ פחוז‬bleiben Zweifel: Die drei Fallen (‫ ;פחד ופחת ופח‬CD  4,14b – 15a) werden im Damaskusdokument breit entfaltet, um dem zentralen Anspruch nach Reinheit und Heiligkeit in der Gemeinschaft Ausdruck zu verleihen. Diese Brücke lässt sich weder in noch nach 4Q184 1 schlagen, da hier die metaphorische Beschreibung der weiblichen Figur als fataler Weg in die Torheit und ins Verderben, nicht auf eine menschliche Person oder Frau zielt. In ebenjenem Kontext wird auch das Nomen ‫ פחז‬in Z. 13 + 15 gebraucht – innerhalb eines ermahnenden Lehrstücks. Es gibt keinen Hinweis, dass auf einer Metaebene eine Frau außerhalb der D‑Gemeinschaft angesprochen ist. Zuletzt weist die einmalige Verwendung von ‫ יחד‬nicht über ein Adverb hinaus und kann hier nicht als Gruppenidentität wie in einigen gruppenspezifischen Texten verstanden werden. Stehen ‫ חלק‬und ‫ פחז‬für zwei signifikante Eigenschaften der verleitenden Torheit, ist ‫ יחד‬lediglich zur Hervorhebung ihrer lästerlichen Rede gebraucht. Im gruppenspezifischen Kontext hingegen ist der determinierte Gebrauch, aber auch die klare Zuschreibung als Träger einer Handlung im gemeinschaftlichen Verband mit dem yahad gekennzeichnet. ˙ Begegnet es zwar auch dort als Adverb, ist es dennoch nicht mit 4Q184 1,2 in Einklang zu bringen.61 Ausgehend von Proverbia scheinen die Fragmente von 4Q184 eine Weiterentwicklung weisheitlichen Denkens, die sich an Prov 1 – 9 orientiert, vorzulegen. Der Fokus allein auf die Torheit in einem breiteren kosmologischen Zusammenhang beweist die Textüberlieferung und selbstbewusste Textbearbeitung, die möglicherweise wiederum Auswirkungen auf die Redaktion von Prov hatte62 – ein Text inmitten eines Tradierungsprozesses, was sich in den breiten literarischen Befund Qumrans einpasst. Da die Datierung von 4Q184 in die erste Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts und so in vor-qumranitische verweist, bleibt der sozio-historische Kontext im Dunkeln, was jedoch ein generelles Problem in der Situierung von Texten spiegelt. Erfährt man durch dieses Fragment nichts über die realen Begebenheiten von Frauen in dieser Zeit und in diesem Trägerkreis, kann doch das Sammeln weisheitlicher Texte in Qumran auf eine Identifizierung mit den Inhalten hindeuten.63 Wiederum eine Sammlerintention ist über die weisheitliche Ausrichtung in D und S herzustellen. Beide Textkonglomerate richten sich an solche, die Gottes Wegen folgen (1QS 1,1 – 15 par.; vgl. CD 2,15b – 16a par. o. 4Q266 2 I,4b par.), auch wenn in S dezidiert der yahad angesprochen ist. Das Finden des rechten ˙ Weges ist jeweils Voraussetzung für die Teilhabe am Bund (1QS 2,25b – 3,12; 61  Vgl. Moore, Personification, 511 f., der trotz der Verwendung als Adverb für eine Selbstbezeichnung plädiert (so dann auch Regev – s. Anm. 28). S. dazu Wright, Wisdom (s. Anm. 31), 245 f. Dagegen argumentiert z. B. Schipper, Von der »fremden Frau« (s. Anm. 33), 235. Vgl. zum Bestand Dimant, Qumran Manuscripts (s. Anm. 11), 27, mit Anm. 10 + 11. 62   Ilan, Canonization and Gender in Qumran (s. Anm. 37), 538 f. 63  Vgl. Goff, Discerning Wisdom (s. Anm. 33), 117.

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CD 2,1 – 3) und die Separation von jenen, die diesen Schritt nicht vollziehen. Die Gründung des yahad und der dazugehörigen D‑Gemeinschaft basiert auf ˙ der Abgrenzung von allen Frevlern, deren Leben und Tun als unrein und nicht den Heiligkeitsanforderungen entsprechend angesehen wird. Die weisheitliche Terminologie beider Texte,64 mit der stets die Abgrenzung zum Umfeld formuliert wird, zeigt nicht nur den Zusammenhang von D und S, sondern auch einen Grund für ein Interesse an weisheitlichen Texten. Dabei ist zu beachten, dass in S Frauen nicht wie in Prov 1 – 9 vornehmlich negativ beschrieben,65 sondern überhaupt nicht genannt werden.66 Frauen sind nicht Teil des yahad, aber Teil der Gesamtgemeinschaft, die durch D und auch ˙ 1QSa definiert wird. Eine wie in Prov 1 – 9 genannte Frau spielt in den gruppenspezifischen Texten keine Rolle. Und 4Q184 meint keine Frau, die sich außerhalb der Gemeinschaft bewegt. Ein mit D oder S gemeinsamer Herkunfts- und Schreiberkreis ist somit auszuschließen, jedoch nicht die Aufnahme von 4Q184 in eine Textsammlung.

4. Ergebnis Die Fragmente aus 4Q502 und 4Q184 sind nicht den Verfassern der gruppenspezifischen Texte zuzuordnen. 4Q502 stellt einen Ausschnitt einer Liturgie dar, der einem Aspekt der yahad-Gemeinschaft entgegenkommt, darüber hinaus ˙ aber spezifische Gemeindeterminologie, wie das Verhältnis des yahad zum Rest ˙ Israels und seines eigenen Gottesdienstverständnisses, vermissen lässt. Dabei lässt sich über Frauen in 4Q502 sagen, dass sie in einer Festgemeinschaft agieren, ihre Position vielleicht sogar titular hervorgehoben ist. Dieses Frauenbild deckt sich mit den D‑Texten und der Gemeinschaftsregel, die auf eine mit dem yahad verbundene Gemeinschaft in einem strengen Heiligkeitsbewusstsein und ˙ 64   Vgl. für D nur die Höraufrufe (4Q266 1 a – b,5b; CD 1,1; 2,2 u. 2,14). Doch auch die Verweise auf Zurechtweisung (s. 1QS 9,16b par. u. CD 9,18a) oder den Wandel in Vollkommenheit (vgl. 1QS 8,20a u. CD 7,4b – 5a) – s. dazu Hempel, Wisdom and Law (s. Anm. 36), 15 f. + 20 f. Insgesamt stellt sie terminologische und thematische Zusammenhänge zwischen Prov 1 – 9 und S heraus (11 – 22) und bezeichnet 4Q184 sogar als missing link zwischen Prov 1 – 9 und S (19). Vgl. grundsätzlich die Zusammenfassung: »In sum, both in S and in Proverbs, including Prov 1 – 9, those responsible for the literature are acutely conscious that their purpose in writing is frequently to sway individuals and groups faced with choices at pivotal moments of decision in their lives.« (22). 65   Ausnahme ist Prov 5,18 f. im Vergleich zu 5,20 – 23 und ebenso die Voraussetzung eines letzten Textstadiums in Prov 1 – 9 nach Schipper (s. Anm. 53), wonach keine reale Frau mehr angesprochen war. 66   Vgl. auch die Differenzen, die Hempel, Wisdom and Law (s. Anm. 36), 23 – 25, herausstellt. Dass der Bezug auf Frauen in Prov den Unterschied zu S darstellt, zeigt sie auf S. 24 f.; dazu die Zusammenfassung: »[. . .] we note a lack of concern in S for either the dangers or pleasures associated with women as in Prov 1 – 9« (26).

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in Abgrenzung zum Judentum seiner Zeit schließen. Von einem vermeintlich essenischen Ableger: den Therapeuten, als Trägerkreis der Fragmente auszugehen, ist eine harmonisierende, auf die Berichte des Philo und auch Josephus zurückgehende Leseweise, die einen Teil des yahad im Blick hat, der keinesfalls ˙ »zölibatär« zu beschreiben ist. Dass dieser yahad temporär in bestimmten gottesdienstlichen Situationen ˙ vorübergehend sexuell enthaltsam gelebt hat, schließt dies nicht aus. Formen solcher Askese können – ebenso für Frauen – mit einem gesteigerten Heiligkeitsbedürfnis verbunden werden, sollten jedoch nicht als dauerhafte sexuelle Enthaltsamkeit missverstanden werden. Damit aber misogyne Tendenzen in S zu verbinden und so zu einer isoliert lebenden Männergemeinde zu gelangen, verfehlt den Text und kann auch durch 4Q184 nicht untermauert werden – die dazugehörigen Fragmente sind nicht in einen Rezeptionszusammenhang mit dem yahad zu bringen. Sie warnen auch nicht vor einer Frau, sondern vor der ˙ Gefahr, sich auf den Weg der Torheit zu begeben. Dass die Umschreibung jenes Prinzips, das in die Unterwelt führt, weiblich ist, sollte nicht auf genuin weibliche Merkmale zurückgeführt werden, da dieses Abstraktum schlicht mit weiblichen Attributen versehen wird – dies trifft auf die Weisheit gleichermaßen zu. Die Herkunft von 4Q502 und 4Q184 ist bis auf ihre Situierung im liturgischen und weisheitlichen Bereich unklar (immerhin gibt es Anhaltspunkte in D und S). Vorausgesetzt, diese Texte in Qumran wurden von der dort lebenden Gemeinschaft gesammelt, so ist es auch wahrscheinlich, dass sie als Referenzmaterial der eigenen Anschauungen benutzt wurden. Über diese vermeintlichen Sammler wissen wir jedoch nur so viel, wie wir aus den gruppenspezifischen Texten herauslesen, die letztlich auch nur durch ihren Fundort mit Qumran verbunden sind. Für 4Q502 und 4Q184 gibt es jeweils thematische Bezüge zu den gruppenspezifischen Texten, für die aber nicht mehr als ein Sammlerinteresse angenommen werden sollte. Doch die Funktion von zwei gegensätzlichen Polen innerhalb des yahad oder der Gemeinschaften der gruppenspezifischen Texte ˙ kann ihnen nicht zugesprochen werden.

Law in the Babatha and Salome Komaise Archives A New Approach1 Kimberley Czajkowski

The papyrological evidence from the Near East has provided a wealth of new information for students of the ancient world.2 Among the many finds that have emerged in the last century, two women’s archives from the Judaean Desert documentary corpus have attracted particular attention. These are those of Babatha and Salome Komaise. Babatha’s archive consists of thirty-six papyri which date from c. 94 to 132 C. E.,3 just before the outbreak of the Bar Kokhba revolt. They were found during the second series of controlled excavations led by Yigael Yadin in 1960 – 1961, and the documents were still carefully wrapped up in the leather purse in which Babatha had stored them.4 Salome Komaise’s archive is comprised of considerably fewer documents – only eight – but dates from the same period.5 The two archives document the legal transactions of these 1   The following article was given as a project summary at the 2015 conference, and gives a brief overview of the subject matter and approach of my doctoral thesis, now revised and published as a monograph: K. Czajkowski, Localized Law: The Babatha and Salome Komaïse Archive (Oxford: Oxford University Press, 2017). 2   For a summary of some of these finds, see H. M. Cotton / W. E. G. Cockle / F. G. B. Millar, »The papyrology of the Roman Near East: A Survey,« JRS 85 (1995): 214 – 235. 3   The number of thirty-six papyri is if we include P. Yadin 36 (= P. Starcky) in the Babatha archive, even though it was not found in the leather purse. A palm grove mentioned in this papyrus can be identified with the garden of Nikarchos in P. Yadin 21 and 22, which belonged by that point to the estate of Babatha’s second husband Judah, son of Eleazar; it is on this basis that I tentatively include it in the count of the Babatha documents, contra A. Yardeni, »The Decipherment and Restoration of Legal Texts from the Judaean Desert: A Reexamination of Papyrus Starcky (P. Yadin 36),« SCI 20 (2001): 121 – 137; H. Eshel, »Another Document from the Archive of Salome Komaise Daughter of Levi,« SCI 21 (2002): 169 – 171 (171), suggested the papyrus may have belonged to the Salome Komaise archive. 4  See N. Lewis, ed., The Documents from the Bar Kokhba Period in the Cave of Letters: Greek Papyri (Jerusalem: The Hebrew University of Jerusalem, 1989) for the Greek documents within this archive; Y. Yadin et al., eds., The Documents from the Bar Kokhba Period in the Cave of Letters. Hebrew, Aramaic and Nabataean-Aramaic Papyri (Jerusalem: The Israel Exploration Society, 2002) for the Aramaic papyri. 5   We do not have the same luxury of unity of find for this archive as for that of Babatha. Six of the documents were first put together as an archive by H. M. Cotton, »The archive of Salome Komaise Daughter of Levi: Another Archive from the ›Cave of Letters,‹« ZPE 105 (1995):

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two Jewish women, their families and their contacts, who lived in the village of Maoza on the south coast of the Dead Sea, an area which was part of the newly created province of Roman Arabia from 106 C. E. The papyri are administrative and legal documents, including deeds of sale, marriage contracts, deeds of gift, loans, census returns and at least two disputes that appear to have been aimed at the court of the Roman governor. The papyri offer us insight into a multitude of subjects: legal history, provincialization, the daily lives of Jews in Roman Arabia, and of course the ways in which women could manage their affairs in the ancient world. Yet the legal diversity of the archives is particularly remarkable. Explicit reference is made to Jewish and Hellenistic law or custom, and Roman legal formulae are frequently in evidence. Such a plurality of »laws« has meant that the two archives have deservedly received a large amount of scholarly attention. Hannah Cotton in particular dedicated a great many articles throughout the 1990s and early 2000s to studying the law(s) of the documents.6 Other notable contributions are Ranon Katzoff and David Schaps’ 2005 edited volume, and the most recent and so far only monograph on the documents by Jacobine Oudshoorn that was published in 2007.7 These works on the law(s) of the archives have typically been characterized by the same general approach, even if this has yielded very different conclusions. This normally involves a careful consideration of individual legal formulae and their possible parallels in various bodies of law, be that Roman, rabbinic or the »law of the papyri« in Egypt. The assumption which lies behind all this is that we may detect the »operative law« or »legal system« of the documents from such a close examination of their phrasing, legal substance and diplomatics. The vast majority of this previous work is both detailed and careful, illuminating the complexity of the papyri and the sheer diversity of legal phraseology, spheres and traditions which could and did combine even within a single contract. However, this traditional methodology has also led to a great deal of controversy over the »operative law« or »legal system« that prevailed in the archives 171 – 208, who later updated this to seven in 1997: see H. M. Cotton / A. Yardeni, eds., Aramaic, Hebrew and Greek Documentary Texts from Nahal Hever and Other Sites: with an appendix con˙ ˙ DJD 27 (Oxford: Clarendon Press, 1997); taining alleged Qumran texts (The Seiyâl Collection II), one further has now been added by Eshel, »Another Document« (see n. 3). 6   Among the many examples, see H. M. Cotton, »Deeds of Gift and the Law of Succession in the Documents from the Judaean Desert,« in Akten des 21. Internationalen Papyrologenkongresses, Berlin, 13. – 19.8.1995, Vol. 1 (ed. B. Kramer, et al.; APF 3; Stuttgart: B. G. Teubner, 1997), 179 – 186; idem, »The guardian (ἐπίτροπος) of a woman in the documents from the Judaean Desert,« ZPE 118 (1997): 267 – 273; idem, »The Law of Succession in the Documents from the Judaean Desert Again,« SCI 17 (1998): 115 – 123. 7   R. Katzoff / D. Schaps, eds., Law in the Documents of the Judaean Desert (Leiden: Brill, 2005); J. G. Oudshoorn, The relationship between Roman and Local Law in the Babatha and Salome Komaise Archives: General Analysis and Three Case Studies on Law Of Succession, Guardian­ ship, and Marriage, STDJ 69 (Leiden: Brill, 2007).

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and a consensus is yet to be reached. Certain individual documents have been the subject of particularly fierce debate. The marriage contract of Babatha’s stepdaughter, Shelamzion, for example (P. Yadin 18), and that of Salome Komaise (P. Hever 65) have been interpreted within both a Greek and Jewish legal frame˙ work, with staunch advocates on both sides.8 This typifies the current position, which has become something of a stalemate between those who see the archives as operating under Jewish law, notably Oudshoorn and Katzoff, and those who opt for non-Jewish of some kind; Cotton is a staunch advocate of a non-Jewish legal framework in many cases.9 I am not suggesting that such issues should not be tackled, but it is possible to stake a different approach. In doing so, we step back from an attempt to determine the operative law of the archives, and focus more the way law operated from the explicit perspective of the people involved in using it. This yields a more subjective, perspective-based picture of the operation of law in the archives; it is certainly, at any rate, a determinedly »ground-up« or »bottom-up« approach to the papyri. This in turn involves a more overt consideration of the practicalities of how the papyri were drawn up and used, and what influences were involved in this process. The emphasis then shifts to how people understood »law« and their own legal activities, if indeed they properly understood them at all. People’s motivations for going to law in the first place and how they went about doing so become the priority. Agency, situation and context are therefore key. This approach has become increasingly influential in studies of the operation of law in the Roman Empire, particularly in the past decade. The influence of socio-legal studies and anthropology on Roman law scholarship has left its mark, and studies in this area are increasingly looking towards legal pluralism and multi-legalism to think about the functioning of law in the Roman Empire.10 The result of such studies is that we have begun to move away from  8   See, for example, the views of Katzoff in the initial publication of P. Yadin 18 in N. Lewis, R. Katzoff / J. C. Greenfield, »Papyrus Yadin 18,« IEJ 37 (1987): 229 – 250; A. Wasserstein, »A Marriage Contract from the Province of Arabia Nova: Notes on Papyrus Yadin 18,« JQR 80 (1989): 93 – 130, was one of the earliest objectors, who dedicated much of his article to a refutation of Katzoff ’s reading. See also Katzoff ’s response: R. Katzoff, »Papyrus Yadin 18 Again: A Rejoinder,« JQR 82 (1991): 171 – 176. On P. Hever 65, see Lewis, Greek Papyri (see n. 4), 130; ˙ Hebrew and Greek Documentary Texts (n. 5), cf. the discussion in Cotton / Yardeni, Aramaic, 227 – 229; T. Ilan, »Premarital Cohabitation in Ancient Judea: The Evidence of the Babatha Archive and the Mishnah (Ketubbot 1.4),« HTR 86 (1993): 247 – 264, offers an early overview of typical reactions to these documents; Katzoff later defended the reading he suggested to Lewis in R. Katzoff, »On P. Yadin 37 = P. Hever 65,« in Law in the Documents of the Judaean Desert (see n.  7), 133 – 144.  9   See, for example, her article on Babatha’s conflict with her son’s guardians: H. M. Cotton, »The Guardianship of Jesus son of Babatha: Roman and Local Law in the Province of Arabia,« JRS 83 (1993): 94 – 108. 10   There is a wealth of literature on legal pluralism theory. A few good starting points are: W. Twining, »Normative and Legal Pluralism: A Global Perspective,« Duke Journal of Compar-

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concepts of law solely as a body of rules or system imposed from above in favour of a more socially-situated approach. The work of Adrian Kelly and Ari Bryen on Egypt is of particular note here,11 as is Caroline Humfress’ understanding of law as a social construction.12 Indeed, in taking such an approach, to employ the latter’s phrase, we are turning from a study of intersecting legal systems to »law within lived experience.«13 This seemed to me to be an extremely productive way of approaching these two archives anew, since they could serve as a case study for such ideas of law as a social construction, which is influenced to a remarkable degree by its local situation and the individuals involved. The two archives therefore become the basis for considering how small communities in the ancient world interacted and dealt with a legally complex situation. Such an appraisal allows us to adopt a different starting point from most previous studies on the archives. The concentration within this approach is primarily on agency rather than legal systems. So, for example, we might productively consider the following questions: who was involved in drawing up these documents? Who used them? How did these various agents influence the way the documents were used and interpreted? The aim becomes less that of identifying the legal system(s) of the documents, and more mapping out the legal culture of this community: that is, the attitudes, ideas and opinions that generally relate to »law«. It was this kind of approach that I chose to adopt.14 As a starting point for such an investigation, we should begin with the people who actually wrote the documents themselves: the scribes. I use this designation advisedly and it is ative & International Law 20 (2010): 473 – 517; P. S. Berman, »The new legal pluralism,« Annual Review of Law and Social Science 5 (2009): 225 – 242; I. Shahar, »State, Society and the Relations Between Them: Implications for the Study of Legal Pluralism,« Theoretical Inquiries in Law 9 (2008): 417 – 441. The article by M. Galanter, »Justice in Many Rooms. Courts, Private Ordering, and Indigenous Law,« Journal of Legal Pluralism 19 (1981): 1 – 47 has proved particular influential. With regards to the application of this literature to the ancient world, J. Pölönen, »The case for a sociology of Roman law« in Law and Sociology (ed. M. D. A. Freeman; Oxford: OUP, 2006), 398 – 408, summarizes the relevant literature well. 11   A. Bryen, Violence in Roman Egypt: A Study in Legal Interpretation (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2013); idem, »Judging Empire: Courts and Culture in Rome’s Eastern Provinces,« Law and History Review 30 (2012): 771 – 811; B. Kelly, Petitions, Litigation, and Social Control in Roman Egypt (OSAD; Oxford: OUP, 2011); see also more generally A. Bryen, »Law in Many Places,« CP 109 (2014): 346 – 365. 12   See, for example, C. Humfress, »Laws’ Empire: Roman Universalism and Legal Practice,« in New Frontiers Law and Society in the Roman World (ed. P. J. du Plessis; Edinburgh: Edinburgh University Press), 73 – 101; idem, »Law and Custom under Rome,« in Law, custom, and justice in late antiquity and the early middle ages: proceedings of the 2008 Byzantine Colloquium (ed. A. Rio; London: Centre for Hellenic Studies, 2011), 23 – 47 at 43 – 46 on the importance of a »ground-up« approach. 13   C. Humfress, »Lex and the City: Roman law, local law and the case of Dionysia (P. Oxy. II.237 c. 186 CE),« (Unpublished draft): 1 – 26, at 8. 14   See n. 1 for details of the dissertation and the monograph.

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meant as a neutral term, with no reference to the γραμματεῖς of the New Testament or the ‫ ספרים‬of rabbinic literature. These people are a surprisingly overlooked group when it comes to the legal spheres of these documents:15 it is extremely common for the literature to discuss the parties’ intentions with regard to the operative law of the archives as though this were a straightforward matter. Babatha, however, was illiterate – this is explicitly stated in the documents – as were many others of the people we find in the archives, who often have a ὑπογραφεύς or χειροχρήστης, as they are sometimes called here, write for them.16 As such, the parties’ agency in expressing their legal claims and desires is mediated through a third person and we have to acknowledge this layer of mediation and its potential effects. What were the skills that these writers brought to the documents? Did they have any legal knowledge? Why were they employed? The switch in languages – more or less permanently to Greek about sixteen years after the annexation of the area (between 122 and 124 C. E.) – might have had an influence here. Greek was perceived as the language of the administration and the language of authority; its use is extremely interesting in this societal context, and cannot be written off as purely down to the Roman presence. Of course, this was an influential factor but others are also involved: perceived status of certain languages, bids for power and questions of how one presents oneself to the new authorities all play a part. Language choice, especially choosing to have legal documents written in a language in which the principals were probably not fluent, is therefore an extremely complex factor to consider.17 The result of these considerations, coming back to the scribes, is that these writers may have been employed primarily for linguistic skills and not necessarily for any special legal expertise. This, it would seem fairly evident, has marked repercussions when discussing the law(s) of the documents. Furthermore, the literacy-levels – in various languages – of the people mentioned in these papyri 15   Though there have been studies of these writers integrated into wider considerations of either the Dead Sea document scribes or Jewish scribes more generally: see especially E. Tov, Scribal Practices and Approaches Reflected in the Texts Found in the Judean Desert, STDJ 54 (Leiden: Brill, 2004) and C. Schams, Jewish Scribes in the Second-Temple Period (JSOSS 291; Sheffield: Sheffield Academic Press, 1998). 16   These documents contain the first attestation of the word χειροχρήστης in the Greek language where the meaning is that of a person who performs the function of writing for another: see Cotton / Yardeni, Aramaic, Hebrew and Greek Documentary Texts (see n. 5), 144; cf. H. M. Cotton, »Subscriptions and Signatures in the Papyri from the Judaean Desert: The Χειροχρήστης,« JJP 25 (1995): 29 – 40. 17   Language choice is a popular subject in modern socio-linguistics, which is increasingly being applied to ancient contexts. Here, the preference rules given by B. Spolsky, »Jewish Multilingualism in the First Century: An Essay in Historical Sociolinguistics,« in Readings in the sociology of Jewish languages, CSJL 1 (ed. J. A. Fishman; Leiden: Brill, 1985): 35 – 50, are of particular relevance; cf. D. Langslow, »Approaching Bilingualism in Corpus Languages,« in Bilingualism in ancient society: language contact and the written word (ed. J.  N. Adams / M.  Janse / S.  Swain; Oxford: OUP, 2002) 23 – 51 (40 – 41) for further comments on their application.

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is a key factor in considering their input into the documents’ final form. Ultimately, this will also affect how we interpret the parties’ understanding of and attitudes towards the legal framework of their own transactions. There was, of course, legal expertise available in the province, as is shown very clearly by the presence of P. Yadin 28 – 30 in Babatha’s purse. These papyri are three copies of a Roman formula that have been the subject of extensive speculation ever since their early publication.18 They are commonly compared to that on deposit found in Gaius’ Institutes 4.47, though here they refer to an action on guardianship. These three papyri are written in Greek, though appear to have been copied from a Latin original at some point and deal with the translation of technical terms into Greek with apparent proficiency: ξενοκρίται, for example, appears in the papyri and is thought to be used to represent either recuperatores or iudices peregrini.19 Someone in the area must have been available to locate and copy, possibly also translate, these documents for Babatha, probably from provincial archives or a handbook of formulas. These provincials thus had access to advice. Whether the advice was »correct« or not is another matter, as indeed is what we even mean by »correct.« From the point of view of codified Roman law, Babatha has no right to use this actio in her litigation,20 meaning that the more »situated« approach to law may be helpful in trying to understand the story behind the actio’s presence in the archives. Rather than thinking about how the formula should fit in to the systematic regulations, we could concentrate instead on the possible ways in which these people in particular might have used it and how they would have viewed such a document. So, for example, could this formula have been used in a more informal situation to worry opponents? Did such a »Roman« legal form look intimidating to provin18   These were published earlier than most of the other documents by H. J. Polotsky, »Three Greek Documents from the Family Archive of Babatha,« (In Hebrew) Eretz-Israel 8 (1967): 46 – 51. On P. Yadin 28 – 30, see inter alia M. Lemosse, »Le procès de Babatha,« The Irish Jurist 3 (1968): 363 – 376; E. Seidl, »Ein Papyrusfund zum Klassischen Zivilprozeßrecht,« in Studi in onore di Giuseppe Grosso 2 (Torino: G. Giappichelli, 1968), 345 – 361; A. Biscardi, »Nuove testimonianze di un papiro Arabo-Giudaico per la storia del processo provinciale Romano,« in Studi in onore di Gaetano Scherillo 1 (Milan: Istituto Editoriale Cisalpino – La Goliardica, 1972), 111 – 152. 19   On this subject, see D. Nörr, »Zu den Xenokriten (Rekuperatoren) in der römischen Provinzialgerichtsbarkeit,« in Lokale Autonomie und römische Ordnungsmacht in den kaiserzeitlichen Provinzen vom 1. bis 3. Jahrhundert, Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 42 (ed. W.  Eck / E.  Müller-Luckner; Munich: R.  Oldenbourg Verlag, 1999), 257 – 301; idem, »Prozessuales aus dem Babatha-Archiv,« in Hommage à la mémoire de André Magdelain (ed. A. Magdelain / M.  Humbert / Y.  Thomas; Paris: Editions Panthéon-Assas, 1998), 317 – 341; idem, »The xenokritai in Babatha’s archive (Pap. Yadin 28 – 30),« ILR 29 (1995): 83 – 94. 20   According to codified Roman law, the actio tutelae could only be brought at the end of a guardianship: see Ulpian, Edict, Book 25 (Dig. 27.3.9.4). This was usually done by the ward himself when he had come of age, though the action could sometime be taken by a new or co-guardian against one who had been removed: see Oudshoorn, The relationship between Roman and Local Law (see n. 7), 334 – 336 on this possibility in this case.

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cials? Was it meant to indicate a threatened recourse to the Roman authorities without meaning that Babatha truly wanted to have the case ultimately decided by them? The very high limit set on damages – equivalent to 10,000 sesterces, which was a standard set-figure – would therefore become key if this was meant to be used as part of an intimidation tactic, even though this was a formulaic fixed sum. I would therefore suggest that the importance of the actio lies not in its exact legal relevance to the case in hand but in the information it provides us about the presence of legal experts in the area, Babatha’s willingness to have recourse to them and thus the potential attitude of litigants to such legal instruments. We also need to explicitly consider the kind of influence that the parties themselves could have on the documents. This should not be reduced to nothing: despite the fact that we must be careful not to overstate the parties’ intentions when we discuss the finalized form of the documents, to reduce them to mere passive bystanders in their own transactions is equally misleading. Instead, a more nuanced negotiation process must be conceived, in which the parties are able to express certain desires that are then mediated through their scribes. Primarily, the main areas the litigants dictated were language choice and choice of legal forum, which, indeed, differs from choice of »law.«21 A litigant could then, for instance, state to the scribe or advisor that they wanted a document drawn up in Greek – perhaps because they thought the Romans liked Greek – which would be enforceable in a Roman legal forum, and leave the exact details to their scribe. Scribes could read back documents and litigants request amendments. The process of drawing up these documents therefore becomes a collaborative one, in which a balance of agencies and influences is involved.22 All this concerns the documents’ formulation. The next stage is to think about their use. No court is mentioned in the documents apart from that of the Roman governor. There is of course the aforementioned reference to ξενοκρίται in P. Yadin 28 – 30, though we do not know whether these judges were ever actually used; there is also a possible reference to a iudex datus in P. Yadin 14 but this is somewhat uncertain.23 To imagine, however, that the governor’s court was the only available legal forum would be something of a mistake. Indeed, 21   Picking a legal forum is a phenomenon sometimes referred to as »forum-shopping,« on which see C. Humfress, »Thinking through Legal Pluralism: ›Forum shopping‹ in the Later Roman Empire« in Law and Empire: Ideas, Practices, Actors, Rulers & elites 3 (ed. J. Duindam et al.; Leiden: Brill, 2013), 225 – 250. 22   The comments by Bryen, Violence (see n. 11), 63, on this subject in the Egyptian papyri should be noted: »There are good reasons for thinking that there is an interactive process going on when petitions are composed, and that the interface between the scribe and the speaker is a dynamic one.« 23  See H. M. Cotton / W. Eck, »Roman Officials in Judaea and Arabia and Civil Jurisdiction,« in Law in the Documents of the Judaean Desert (see n.  7), 23 – 44 (42 – 44).

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certain documents within the archives suggest alternative forms of dispute resolution. P. Hever 63, for example, is a renunciation of claims by Salome Komaise, ˙ in which she acknowledges that she has no claims against her mother, Salome Grapte, regarding the estate of her father and that of her brother. This document suggests some sort of resolution processes outside of the governor’s court were possible in this area.24 This is perhaps supported by the existence of P. Yadin 19, which is an acknowledgement that Shelamzion, Babatha’s stepdaughter, owns a courtyard in Engedi. This was made by two guardians, Julia Crispina and Besas, son of Jesus, who were otherwise contesting the ownership of various property that had formerly belonged to Babatha’s husband, Judah, after his death. While this is not the same kind of agreement as P. Hever 63, it does indicate a resolu˙ tion to a conflict outside of a courtroom space. Moreover, there are even hints in the documents ostensibly destined for the governor’s court that negotiation between the parties was going on behind the scenes. There are references, for example, to offers previously made and threats are posed that litigation will continue unless certain demands are met. The most obvious example of this is in P. Yadin 15, where Babatha offers to manage her son’s property in return for a hypothec on an equivalent amount of her own property, and implies that she will drop her litigation case that is aimed at the governor’s court if they comply.25 The implications of this, and other indications in the documents, are twofold: first, that there were various methods of dispute resolution available in this province – whether religious, localized, social or extremely informal remains open to speculation; secondly, that the attitude of the provincials to the Roman governor’s court and their use of it is much more nuanced than mere appeal in the hope of judgment. The almost constant barrage of »summonses« we find in certain documents – for example, P. Yadin 25, a summons and counter-summons – might then be reinterpreted in terms of the personal desire of each litigant to gain the upper hand over their opponents. In 24   H. M. Cotton, »Jewish Jurisdiction under Roman rule: prolegomena,« in Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36 (ed. M. Labahn / J. Zangenberg; Tübingen: Francke, 2002), 13 – 28, has suggested that this agreement was the result of arbitration. I am inclined to agree, though we should be prepared to open up our understanding of the processes involved under the heading of »arbitration.« On the formal process of arbitration in Egypt, see J. Mélèze-Modrzejewski, »Private Arbitration in the Law of Greco-Roman Egypt,« JJP 6 (1952): 239 – 256; on arbitration in late antiquity, see J. Harries, Law and Empire in Late Antiquity (Cambridge: CUP, 1999), 175 – 184 and T. Gagos / P. Van Minnen, Settling a Dispute: Towards a Legal Anthropology of Late Antique Egypt, NTAC 1 (Ann Arbor: University of Michigan Press, 1994). 25   T. J. Chiusi, »Babatha vs. the Guardians of Her Son: A Struggle for Guardianship – Legal and Practical Aspects of P. Yadin 12 – 15, 27,« in Law in the Documents of the Judaean Desert (see n. 7) 105 – 132, has observed that similar solutions occur over a century later in Roman legal texts; this does not prove that »Roman law« is being applied here, as Chiusi herself observes, but does provide a fascinating glimpse into how local practice could interact with the imperial legal system.

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this particular document, each side appears to try to trump the other in their summoning to control both the place and time when the parties were supposed to appear before the governor. The end goal in all this is therefore not necessarily to actually get the governor to decide the case but to exert control over the proceedings and to make sure that your opponent knows you are the one in control. This is meant, in part, as an intimidation tactic and one that is intended to cause the maximum amount of trouble for the opponent. Indeed, it is possible that the litigants use the presence of the Roman court and the threat of recourse to it in order to try to force their opponents to come to terms: it is as much of a bargaining chip in negotiations as it is an end in and of itself.26 Where does this all leave us? Essentially, this alternative approach to the archives, conducted through a study of each of these different »agent« groups, helps us to go further in understanding this community’s legal culture than just concentrating on the various legal systems that are evidenced in the documents. Examining the archives through this lens also suggests that they fit extremely well with newer ideas about the operation of law in the Roman Empire, which emphasize the importance of localized power and dynamics in its conception and operation. The focus on individuals helps understand the choices made in this community. While these are in some ways incredibly personal they also demonstrate a range of interactions in ideas and knowledge between the various groups and individuals involved. If the operation of law is locally dependent and locally situated, this might have wider implications for its workings in antiquity and also in Jewish communities more broadly in this period. But the primary value of such a study of the archives is that it aids us in understanding the way that legal business was conducted and disputes settled in small, face-to-face communities such as this. To return briefly to the theme of this volume, this includes how women handled their business within such communities; in this case, it should be noted that they appear to have done so with both drive and capability. Indeed, this socially-situated approach to the archives shows how Babatha, Salome Komaise and the other parties in these papyri negotiated their options and pursued their litigation in ways that go beyond simply appealing to the Roman governor: they interacted, negotiated and bargained along the way. Thus, the »socially-situated« approach can help to clarify for us how these provincial, Jewish women availed themselves of the options and expertise available to them in the dogged pursuit of their legal goals.

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  This behaviour bears comparison to that exhibited by couples in modern divorce settlements, on which see the classic study by R. H. Mnookin / L. Kornhauser, »Bargaining in the Shadow of the Law: The Case of Divorce,« YLJ 88 (1979): 950 – 997.

Die Frauenarchive aus Elephantine und der Judäischen Wüste Gesetzestexte und archäologische Funde1 Tal Ilan 1. Einleitung Im Jahre 1997 fand im Israel-Museum eine Konferenz statt, um den 50. Jahrestag der Qumran-Funde zu feiern. Dort sprach ich zum ersten Mal über die Beziehungen zwischen dem Babatha-Archiv und den jüdischen Dokumenten aus Elephantine.2 Das Babatha-Archiv wurde von einem Archäologen-Team – unter der Leitung Yigael Yadins  – im Zusammenhang mit dem Salome-KomaiseArchiv in einer Höhle in Nahal Hever entdeckt. Ich erörterte auf dieser Konfe˙ ˙ renz, dass man anhand des Babatha-Archives erkennen könne, wie ein Justizarchiv der Frau in dieser Zeit ausgesehen habe. Es bestand aus drei erkennbaren Dokumenten: 1. einem Ehevertrag, 2. einer Schenkungsurkunde und 3. einer Verzichtsurkunde. Die Funktion des ersten Dokumentes ist eindeutig und es bedarf im Gegensatz zu den beiden Letztgenannten keiner genaueren Erläuterung. Nach jüdischem Recht beerbt eine Tochter ihren Vater nicht automatisch. Daher war die Schenkungsurkunde als rechtliches Mittel notwendig, wenn ein Vater seiner Tochter etwas vererben wollte. Diese Schenkungsurkunde wurde in der Regel zur Zeit der Eheschließung der Tochter abgefasst. Beide Dokumente, d. h. der Ehevertrag und die Schenkungsurkunde, sind somit sehr oft zeitnah datiert. Die Verzichtsurkunde war notwendig, damit die Tochter, die das Eigentum besaß, ihren Besitzanspruch gegen weitere natürliche Erben des Vaters behaupten konnte – allen voran ihre Brüder oder deren Söhne. Waren diese nicht zugegen, musste sie sich mit den Brüdern ihres Vaters oder deren

1   Dies ist die übersetzte Fassung meines Vortrags »Women’s Archives from Elephantine and the Judean Desert: Law Codes and Archaeological Finds«, den ich im Oriental Institute Chicago, März 2015 gehalten habe. Der Band unter dem Titel »Stuctures of Power: Law and Gender across the Near East and Beyond«, herausgegeben von Ilan Peled, erschien 2018, für den Beitrag dort S. 171 – 179. Ich danke Christian Scheifler für seine Übersetzung. 2   T. Ilan, Women’s Archives in the Judaean Desert, in: L. H. Schiffman / E. Tov / J. C. VanderKam (Hg.), The Dead Sea Scrolls: Fifty Years after their Discovery, Jerusalem 2000, 755 – 760.

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Söhnen auseinanderzusetzen. Am unwahrscheinlichsten war die Konfrontation mit einer anderen Tochter oder der Frau des Mannes.3 Um meinen Standpunkt zu untermauern, zog ich damals die ElephantinePapyri heran: Ich bin der Meinung, dass man über den Inhalt von Frauenarchiven allgemeine Aussagen treffen kann, da Eheverträge, Schenkungs- und Verzichtsurkunden über Jahrhunderte die übliche Ausstattung an Privatdokumenten einer jüdischen Frau bildeten. Eine solche Behauptung auf der Grundlage zweier Archive zu äußern, die beide aus einer jüdischen Siedlung stammen und zudem in der Provinz Arabia unter römischer Herrschaft standen, ist natürlich sehr gewagt. Daher denke ich, dass es notwendig ist, meinen Fall an anderer Stelle zu beweisen. Bevor man die Dokumente in der Judäischen Wüste entdeckte, war das jüdische Sozialleben in der Antike nur durch die aramäischen Papyri aus Elephantine / Ägypten dokumentiert. Ich interessiere mich für zwei private Archive, die in Assuan entdeckt wurden. Eines davon ist das der Mivtahiah, der Tochter Mahsiahs. Das Archiv besteht aus einem Ehevertrag, einer Schenkungsurkunde und mehreren Verzichtsurkunden von unterschiedlichen Nachbarn. Das zweite Archiv wurde von den Herausgebern als das Anani-Archiv bezeichnet, obwohl sich darin ein komplexes Beziehungsgeflecht mehrerer Personen offenbart: der Jude Anani heiratet Tamat, die Magd eines jüdischen Sklavenhalters. Tamat und Anani hatten eine gemeinsame Tochter – Yehoyishma. Im Archiv finden wir Eheverträge und Schenkungsurkunden – beide Dokumente sind von Anani – und eine Verzichtsurkunde für Tamat und Yehoyishma. Die aramäischen Papyri aus Elephantine wurden im 5. Jh. v. d. Z. in Ägypten auf aramäisch verfasst und 600 Jahre später wurden im griechischen und arabischen Maoza das Babatha-Archiv und das Salome-Komaise-Archiv eingerichtet. Ich finde die grundlegende Übereinstimmung bei den Inhalten ganz offensichtlich. Sowohl jüdische Frauen aus dem persischen Elephantine in Ägypten als auch jüdische Frauen aus dem römischen Maoza in Arabien tragen, obwohl sie 600 Jahre voneinander getrennt sind, ihre Eheverträge, ihre Schenkungsurkunden und ihre Verzichtsurkunden mit sich herum. Daran lässt sich sehr gut die Allgemeingültigkeit des ›Papierkrames‹ der jüdischen Frau über Generationen hinweg ablesen.4

Angesichts dieser Argumentation möchte ich jetzt die Frage stellen, inwieweit sich die beiden Dokumentensammlungen ähneln. Im Gegensatz zu meinem Vortrag aus dem Jahre 2000, bei dem ich mit den Dokumenten aus der Judäischen Wüste begann, auf welche ich damals auch mein Hauptaugenmerk richtete, werde ich diesmal mit den Funden aus Elephantine beginnen. Zudem hat sich mein Standpunkt seitdem etwas verändert. 3   S. H. M. Cotton / J. Greenfield, Babatha’s Property and the Law of Succession, ZPE 104 (1994), 211 – 224; und leicht verändert in H. M. Cotton, Courtyard(s) in Ein-Gedi: Papyrus Yadin 11, 19 and 20 of the Babatha Archive, ZPE 112 (1996), 197 – 201; Deeds of Gift and the Law of Succession in the Papyri from the Judaean Desert, Eretz Israel 25 (1996), 410 – 414 [Hebräisch]; s. außerdem: R. Katzoff, Papyrus Yadin 19: A Gift after Death from the Judaean Desert, in: D. Assaf (Hg.), Proceedings of the Tenth World Congress of Jewish Studies, Bd. C / 1, Jerusalem 1990, 1 – 8 [Hebräisch]. R. Yaron, Acts of Last Will in Jewish Law, in: Transactions of the Jean Bodin Society for Comparative Institutional History 59 (1992), 29 – 45. 4   Ilan, Women’s Archives (s. Anm. 2), 760.

Die Frauenarchive aus Elephantine und der Judäischen Wüste

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Zwei Archive aus Elephantine nehmen Bezug auf Frauen. Eines beschäftigt sich mit Mivtahiah, der Tante von Gamariah ben Yedaniah – Führer der jüdischen Gemeinde in Elephantine. Mivtahiah war dreimal verheiratet. Das andere Archiv befasst sich mit den zwei Ex-Sklavinnen Tamat und Yehoyishma (Mutter und Tochter). Tamat heiratete noch als Sklavin Anani und gebar Yehoyishma. Letztgenannte wurde also in der Sklaverei geboren und einige Jahre später mit ihrer Mutter befreit.5 Zweifellos wurden die Dokumente der Mivtahiah, und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die der Tamat bzw. Yehoyishma, am jeweiligen Wohnsitz der Frauen aufbewahrt, womöglich sogar unter friedlichen Umständen.6 Obwohl zu beachten gilt, dass das letzte Dokument im Mivtahiah-Archiv auf den Februar 410 v. d. Z. datiert wird – ein paar Monate, bevor der jüdische Tempel in Elephantine durch einen wütenden Mob und auf Veranlassung der Priester des ägyptischen Widder-Gottes Khnum zerstört worden war.7 Das Haus von Tamat und Yehoyishma grenzte an den jüdischen Tempel und wurde wahrscheinlich bei den Aufständen teilweise zerstört.8 Trotzdem wird das letzte Dokument des Tamat / Yehoyishma-Archives auf das Jahr 402 v. d. Z. datiert, d. h. acht Jahre nach den soeben beschriebenen Ereignissen.9 Es gibt keinen direkten Hinweis darauf, dass es genau dieses Ereignis oder irgendeine andere Katastrophe war, die jene Familien dazu nötigte, ihre Häuser und die Dokumente darin zu verlassen. Aufgrund dieser Tatsache konnten die Dokumente in den Archiven über die Zeit weiter anwachsen. Das Mivtahiah-Archiv deckt 61 Jahre (471 – 410 v. d. Z.) ab und besteht aus 11 Dokumenten. Das Tamat / YehoyishmaArchiv umfasst 54 Jahre (456 – 402 v. d. Z.) und enthält 13 Dokumente. Die Besitzer der Archive waren Frauen, genau wie in der Judäischen Wüste. Der führende Wissenschaftler der Elephantine-Papyri, Bezalel Porten, versäumte es, auf den genderspezifischen Aspekt der Archive hinzuweisen. Er schrieb über das Mivtahiah-Archiv, das in einem Haus, womöglich das ihres Neffen, in Elephantine gefunden wurde: In his publication, E. Sachau divided the material [d. h. die aramäischen Papyri, die in Elephantine gefunden wurden – T. I.] into four categories: (1) letters, (2) lists, (3) legal documents, and (4) literary documents. The main personality in the first category was clearly Yedaniah ben Gemariah, nephew of Mivtahiah and leader of the Jewish community in the last decade of the century [. . .]. The absence of any private documents belonging to Yedanyah ben Gemariah indicates that all of these were public papers. [. . .] there

5   B. Porten, Archives from Elephantine: The Life of an Ancient Jewish Military Colony, Berkeley u. a. 1968, 200 – 263. 6   Porten, Archives (s. Anm. 5), 262 f. 7   Für eine Liste der Dokumente und deren Daten, s. B. Porten / A. Yardeni, Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt 2: Contracts, Winona Lake, IN 1989, 15. 8   Für eine Landkarte s. Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 176. 9   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 52.

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are several possible explanations of why Mivtahiah’s private archive, which was passed to her son Yedaniah ben Ashor, was found adjacent to the public papers of Yedaniah’s namesake, Yedaniah son of Gemariah, Mibtahiah’s brother.10

Porten fährt mit seinen Spekulationen fort und legt sogar nahe, dass das Archiv genau an diesem Punkt ende, da spätere Dokumente in einem anderen Gefäß aufbewahrt worden sein könnten – dieses Gefäß vielleicht nur noch nicht entdeckt worden sei.11 Mit anderen Worten: Es wäre durchaus möglich, dass es noch ein weiteres, angrenzendes Archiv mit Zeugnissen aus dem Privatleben Yedaniahs, dem Sohn des Gemariah, gibt, aber noch nicht gefunden wurde. Dies könnte natürlich der Fall sein; dennoch bleibt es Spekulation. Fakt ist, dass die einzigen Sammlungen privater jüdischer Dokumente, die bis heute gefunden wurden, die Sammlungen von Frauen sind. Sogar das ägyptische Archiv, das Porten für einen Vergleich mit den Mivtahiah- und YehoyishmaArchiven heranzieht, ist das Archiv einer Frau aus Achimanid, Theben in Ägypten (Tsenenhor).12 Porten nimmt an, man habe die Archive der Männer nur noch nicht gefunden. Dieser Annahme stimme ich nicht zu. Vielmehr gehe ich davon aus, dass die Männer solche Dokumente überhaupt nicht besaßen: Es wäre falsch zu behaupten, man habe in den Höhlen der Judäischen Wüste keine Archive von Männern gefunden – und in der Tat können wir drei Archive Männern zuordnen: zwei im Nahal Hever und eines im Wadi Muraba’at. Der Inhalt dieser Archive ˙ ˙ sich jedoch jeweils beträchtlich. Im Nahal Hever hat Yadin bzgl. der Frauen unterscheidet die Privatkorrespondenz eines gewissen Jonathan bar Bains, General˙ Bar˙ Kokhbas und jüdischer Offizier aus Ein Gedi, entdeckt. Diese Privatkorrespondenz stammt aus der Höhle, aus der die Nahal Hever-Flüchtlinge geflohen sind. Jonathan bar Bain brachte ˙ seine militärische und˙administrative Korrespondenz zwischen Bar Kokhba und ihm mit in die Höhle, ebenso seine Korrespondenzen mit anderen Militärangehörigen. Die Dokumente sind sehr unpersönlich. Wir wissen also nicht, ob Jonathan verheiratet war, ob er Kinder hatte oder aber Eigentum (z. B. Immobilien) in Ein Gedi besaß. Das zweite Archiv wurde, nach Yadin, in der Ledertasche einer Frau gefunden und umfasst die Dokumente eines gewissen Eleazar ben Shmuel. Eleazar war wesentlich geschäftsorientierter. Davon konnte man ausgehen, da man in dem Archiv entsprechende Papyri fand, die eine solche Vermutung nahelegen. Es handelt sich dabei um Pachtverträge, die er mit verschiedenen Bauern in Ein Gedi unterzeichnet hatte. Und wieder sind die gefunden Papyri geschäftlich und nicht privat. Wir können auch hier nicht sagen, ob Eleazar verheiratet war, und haben keinerlei Informationen über sein Privatleben. Das dritte Archiv wurde im Wadi Muraba’at entdeckt. Das Archiv wird Jesus ben Galgula zugeschrieben, der offenbar Bar Kokhbas Militärbefehlshaber in Herodium war und von dort später in das Wadi Muraba’at floh. Jesus ben Galgula bewahrte ebenfalls seine militärische Korrespondenz mit Bar Kokhba auf. Das einzige persönliche Detail, das wir 10

  Porten, Archives (s. Anm. 5), 263.   Porten, Archives (s. Anm. 5), 262 f. 12   Porten, Archives (s. Anm. 5), 258 f. 11

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von ihm wissen, ist, dass seine Schwester sich offensichtlich ebenfalls in der Höhle versteckt hatte, da man ihren Ehevertrag bei den Ausgrabungen fand. Wenn wir nach den Gründen für die unterschiedliche Zusammensetzung von Frauen- und Männer-Archiven suchen, so liegt die Antwort nach meinem Dafürhalten in der sozialen und rechtlichen Stellung der Frau zu jener Zeit. Eine Frau wurde durch ihre Beziehung zu einem Mann (oder mehreren Männern) definiert und trug Papiere bei sich, die diese Beziehungen unter Beweis stellten. Ein Mann hingegen war niemandem zugehörig und musste nicht beweisen, wer er war. Hieran lässt sich, wie auch an anderen alten Quellen, sehr gut der Unterschied von privat und öffentlich erkennen, der zwischen Frauen und Männern bestand. Während uns die Dokumente der Männer Informationen über das öffentliche Leben und die Politikgeschichte liefern, bieten die Frauen-Archive reichhaltige Informationen über das Privatleben und die Sozialgeschichte.13

2.  Die drei wichtigen Dokumente aus den Frauen-Archiven Bei den Gemeinsamkeiten der Archive habe ich mich bisher auf ihren einheitlichen Bezug zur sozialen Wirklichkeit konzentriert. Jetzt möchte ich auf die Einzelphänomene kommen, die den Dokumenten aller Archive gemein sind. 2.1 Eheverträge Beginnen wir mit den Frauen aus Elephantine: Obwohl Mivtahiah dreimal verheiratet war, hat sie nur den Ehevertrag ihres dritten Mannes, Ashor, Architekt des Königs, aus dem Jahre 458 v. d. Z. aufbewahrt.14 Bezüglich ihrer ersten Ehe konstatierte Porten, dass kein Ehevertrag für diese Verbindung gefunden worden und aus dieser Ehe keine Kinder hervorgegangen seien. Yezaniah sei von der Bildfläche verschwunden – und vermutlich gestorben.15 Mit anderen Worten: Porten nimmt an, dass das Fehlen des ersten Ehevertrages erklärt werden müsse. Später, als es um eine Klage der Neffen ihres ersten Ehemannes gegen die Söhne aus ihrer dritten Ehe ging, spekulierte Porten, dass der Ehevertrag, der dazu gedient hatte, das Erbe zu klären, zu diesem Zeitpunkt (bereits) beseitigt worden sei. Eine solche Rekonstruktion würde auch das Fehlen des Dokumentes in Mivtahiahs Archiv erklären.16 Er schreibt auch, dass Mivtahiah einige Zeit nach dem Tod ihres ersten Ehemannes wieder geheiratet habe und aus dieser Verbindung kein Ehevertrag erhalten geblieben sei.17 Porten fügt später jedoch hinzu: 13

  Ilan, Women’s Archives (s. Anm. 2), 758 f.   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 30 – 32. 15   Porten, Archives (s. Anm. 5), 244. 16   Porten, Archives (s. Anm. 5), 257. 17   Porten, Archives (s. Anm. 5), 245. 14

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[T]he couple was divorced and [. . .] since he (d. i. der Ehemann, T. I.) allowed her to remove her dowry, she may have had to surrender to him the marriage contract which stipulated her right to it. This would explain the absence of the marriage contract from the archive.18

Ich würde behaupten, dass es das Fehlen des ersten Ehevertrages besser erklärt. Das Gleiche gilt für Babathas ersten Ehevertrag in dem gleichnamigen BabathaArchiv: Es ist an dieser Stelle unnötig, sich mit der Funktion des Ehevertrages aufzuhalten. Es genügt festzustellen, dass er eine ähnliche Funktion wie die Urkunden hatte, nämlich den Beweis einer Schuld, die sie ihm eines Tages vorbringen könnte. Eheverträge waren keine zeremoniellen Dokumente, wie man sie heute kennt. Sie wurden bezahlt. Hannah Cotton hat einen aufgelösten Ehevertrag aus der Judäischen Wüste veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass die dort genannte Summe gezahlt worden sei. Es ist daher aufschlussreich, das Folgende zu wissen: Obwohl Babathas Ehemann im Jahre 130 starb und sie im Jahre 135 in die Nahal Hever-Höhle fliehen konnte, war ihr Ehevertrag immer noch gül˙ ˙wahrscheinlich nicht bezahlt. Es sollte daher nicht überraschen, tig. Die Summe wurde dass Babathas erster Ehevertrag im Archiv nicht auffindbar war. Wir haben also Grund zu der Annahme, dass er eingezogen wurde.19

Dies ist ein weiterer Fall, bei dem wir die Praxis aus der Judäischen Wüste in Elephantine beobachten können. Aus dem anderen Archiv in Elephantine sind beide Eheverträge erhalten, d. h. sowohl derjenige der Sklavin Tamat, die den Tempel-Offiziellen Anani geheiratet hatte, als auch jener ihrer Tochter Yehoyishma.20 Tamats Ehevertrag ist aus dem Jahre 449 v. d. Z. Der ihrer Tochter ist 29 Jahre jünger, aus dem Jahre 420 v. d. Z. Das letzte Dokument des Archives wird auf das Jahr 402 v. d. Z. datiert. Vielleicht waren beide Paare zu dieser Zeit immer noch verheiratet und ihre Ehemänner noch am Leben. Es gab weder einen Grund, die Mitgift einzuziehen, noch die Dokumente zu annullieren. Genau aus diesem Grund sind sie im Archiv erhalten geblieben. 2.2 Schenkungsurkunden Die zwei Schenkungsurkunden, die Mivtahiah besaß, wurden ihr von ihrem Vater übergeben. Eine Urkunde über die Schenkung eines Hauses aus dem Jahre 18

  Porten, Archives (s. Anm.  5), 245 – 247.   Ilan, Women’s Archives (s. Anm. 2), 758. Hier ist zu verweisen auf H. M. Cotton, A Canceled Marriage Contract from the Judaean Desert, JRS 84 (1994), 94 – 86. Zum Babatha-Archiv s. N. Lewis (mit Y. Yadin), The Documents from the Bar-Kokhba Period in the Cave of Letters: Greek Papyri, Judean Desert Studies 2, Jerusalem 1989; A. Yardeni / B. Levine (mit Y. Yadin /  J. Greenfield), The Documents from the Bar-Kokhba Period in the Cave of Letters: Hebrew, Aramaic and Nabatean-Aramaic Papyri, Judean Desert Studies 3, Jerusalem 2002. 20   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm.  7), 60 – 63, 78 – 83. 19

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460 v. d. Z. – der exakte Zeitpunkt ihrer ersten Hochzeit21 – befindet sich im Anhang eines weiteren Dokumentes. Es ist auf den gleichen Tag (oder 20 Tage später) datiert, an dem Mivtahiah durch ihren Vater ihr frisch vermählter Ehemann vorgestellt wurde. Darin wurden seine Rechte an dem Haus und dem Grundstück geklärt, da das Haus eindeutig im Besitz seiner Frau war.22 Die zweite Urkunde befasst sich ebenfalls mit der Schenkung eines Hauses und ist aus dem Jahre 446 v. d. Z., also acht Jahre nach der Hochzeit mit ihrem dritten Mann.23 Hier sind keine bestimmten Muster erkennbar. Nur das erste Haus wurde zur Ehe geschenkt. Tamat erhielt zu ihrer Hochzeit keine Schenkungsurkunde, da sie eine Sklavin war, und sicherlich nicht von ihrem Vater, der in keinem Dokument erwähnt wird. Im Jahre 434 v.d.Z. jedoch (15 Jahre nach ihrer Hochzeit) bekam sie von ihrem Mann Anani eine Schenkungsurkunde über Teile seines Hauses.24 Dies könnte darauf hindeuten, dass die Ehe gut funktionierte und es eine Wechselwirkung gab, die Dankbarkeit und vielleicht sogar Liebe entstehen ließ. Interessanterweise finden wir auch in dem Babatha-Archiv einen Mann, der seiner Frau eine Schenkung machte: Babathas Mutter Miriam bekam von ihrem Mann Menahem im Jahre 120, nachdem Babatha bereits verheiratet war, eine solche Urkunde.25 In Bezug auf Ananis Tochter, Yehoyshima, gibt es Parallelen zum MivtahiahFall. Yehoyshima heiratete im Oktober 420 v. d. Z. Drei Monate zuvor wurde ihr von ihrem Vater eine Schenkungsurkunde übergeben, die ihr einen Teil seines Hauses zusprach.26 Offensichtlich wurde die Schenkung in Verbindung mit der bevorstehenden Hochzeit vollzogen, was an die Schenkung des Hauses in der ersten Ehe Mivtahiahs erinnert (s. o.). Im Babatha-Archiv finden wir etwas Ähnliches vor: Der Ehevertrag und die Schenkungsurkunde Shelamzion, Babathas Stieftochter, trennen bei der Datierung im Jahre 128 zehn Tage.27 Dieser Fall ähnelt Mivtahiahs erster Ehe und der Hochzeit Yehoyishmas, in welchen beide Schenkungsurkunden von ihren Vätern erhielten. Dies schien sowohl in den Dokumenten aus Elephantine als auch in denen aus der Judäischen Wüste die übliche Vorgehensweise gewesen zu sein. Im Gegensatz dazu wurde die Schenkungsurkunde des Salome-KomaiseArchives von der Mutter an die Tochter gegeben – zwei Jahre vor ihrer zweiten Ehe.28 Offenbar gab es ein standardisiertes Prozedere für Schenkungsurkun21

  Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 22 – 25.   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 26 – 28. 23   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 34 – 37. 24   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 68 – 71. 25   Yardeni / Levine, Documents, 2002 (s. Anm. 19), 73 – 88. 26   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 74 – 77. 27   Lewis, Documents, 1989 (s. Anm. 19), 76 – 87. 28   H. M. Cotton / A. Yardeni, Aramaic, Hebrew and Greek Documentary Texts from Nahal ˙ Hever and Other Sites, with an Appendix Containing Alleged Qumran Texts (The Seiyâl Collec˙ tion II), DJD 27, Oxford 1997, 203 – 223. 22

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den und zahlreiche davon abweichende Verfahren, die durch das Rechtssystem akzeptiert wurden. Die Schenkungsurkunden (der Ehemänner) an Tamat und Babathas Mutter weisen auf die übliche Form hin. Dennoch steht es außer Frage, dass sie alle, in beiden Ortschaften, eher den Frauen als den Männern präsentiert wurden. Die Verknüpfung zwischen der ersten Ehe und einer Schenkungsurkunde, vom Vater an die Braut überreicht, ist ebenfalls ganz deutlich zu erkennen und wurde in den jüdischen Gemeinden weitere 600 Jahre fortgeführt. 2.3 Verzichtsurkunden Wie bereits erwähnt, beinhaltet das Mivtahiah-Archiv auch mehrere Verzichtsurkunden. Die erste beschreibt die exakte Position, auf der Mivtahiahs Haus steht. Vier Jahre zuvor wurde es vom Nachbarn des Vaters an den selbigen übergeben.29 Hatte ihr Vater die Verzichtsurkunde beschafft, um das Haus für seine Tochter zu sichern? Dies bleibt reine Vermutung. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass die Verzichtsurkunde aus einem Grundstücksstreit zwischen dem Nachbarn und dem Vater hervorging (s. u.). Die zweite Verzichtsurkunde, die sich auf ein Haus bezieht, ist aus dem Jahre 416 v. d. Z.  – 44 Jahre, nachdem Mivtahiah das erste Haus von ihrem Vater geschenkt bekam.30 Die Urkunde ist zu Gunsten der Söhne Mivtahiahs von den Neffen ihres ersten Ehemannes ausgestellt worden. Wahrscheinlich warteten sie eine geraume Zeit, um die Anteile ihres Onkels an dem besagten Haus einzufordern. Mivtahiahs Vater hatte ihrem ersten Ehemann eine Urkunde übergeben, die ihm Wohn- und Nutzrecht des Hauses bzw. des Grundstückes zusprach, während er Mivtahiah das gesamte Haus übertrug. Das Gericht entschied sich gegen die Neffen und zwang sie, eine Verzichtsurkunde auszustellen. Doch was sagt die Klage der Neffen gegen die natürlichen Erben Mivtahiahs über das ›Recht auf Eigentum‹ einer Frau aus? Porten rekonstruiert die Ereignisse folgendermaßen: »[. . .] the marriage contract with Yezaniah [i. e. Mivtahiahs erster Ehemann] was opened to see what term was employed to describe Mivtahiah’s rights to her husband’s property. It must have been discovered that Mivtahiah was to inherit her husband, and he her«.31 Bis zu einem solchen Ereignis war es keineswegs selbstverständlich, dass eine Frau überhaupt Anspruch auf derartiges Eigentum hat. Sie brauchte einen Nachweis, um ihren Anspruch zu beweisen. Da ihre Söhne in diesem Fall von ihr (und nicht von ihrem Vater) erbten, benötigten sie ebenfalls einen solchen Nachweis.

29

  Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 20 f.   Porten / Yardeni, Textbook (s. Anm. 7), 44 – 47. 31   Porten, Archives (s. Anm. 5), 257. 30

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Das ist dem oben erwähnten Verzicht auf Ansprüche durch Shelamzion, der Stieftochter Babathas, nicht unähnlich. Im Juni 130 verstarb ihr Vater (nur zwei Jahre nach ihrer Hochzeit) und sofort wurde sie von den Söhnen seines Bruders vor Gericht gebracht, damit sie ihnen ihr Eigentum übergebe.32 Hannah Cotton und Jonas Greenfield haben über den Ablauf der Ereignisse folgendes geschrieben: The gift apparently did not go undisputed by the guardians of Yehudah’s nephews and orphaned sons of his brother Yeshu‘a [. . .]. The very drawing of a deed of gift to ensure that the daughter would come to possess her father’s property after his death strongly suggests that this property would not have become hers automatically.33

Sie war also in der Lage eine Schenkungsurkunde vorzulegen, die sie von ihrem Vater erhalten hatte. Das führte zu einer Verzichtsurkunde ihrer Cousins, die sie von nun an benutzen konnte, um ihren Anspruch auf ihr Eigentum zu beweisen und damit geltend zu machen. In der Judäischen Wüste fand man eine weitere Verzichtsurkunde. Sie gehört zu dem Salome-Komaise-Archiv, das wir bis jetzt nur am Rande erwähnt haben. Bei diesem handelt es sich nicht um ein klassisches Archiv. Das letzte Dokument wird auf das Jahr 131 datiert, während das Datum der Einlagerung mit dem Ende des Bar Kokhba-Aufstandes im Jahre 135 zusammenfällt. Salome Komaise war zu der Zeit, als man das Archiv deponierte, bereits verwitwet oder geschieden (der erste Ehevertrag wurde nicht gefunden) und heiratete ein zweites Mal. Sie war auch verwaist und hatte einen Bruder verloren. Im Jahre 127 schrieb sie ihrer Mutter eine Verzichtsurkunde über das Eigentum ihres toten Bruders.34 Diese ungewöhnliche Situation könnte möglicherweise durch den Tod aller männlichen Familienmitglieder entstanden sein. Mutter und Tochter sind somit die einzigen Überlebenden. Es scheint, als hätte Salome Komaise nach dem Tod der männlichen Familienangehörigen (Vater und Bruder) ihre Mutter auf das Eigentum verklagt. Jacobine Oudshoorn behauptet allerdings, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Mutter Rechte bzgl. der gesetzlichen Erbfolge hatte, also weder auf das Eigentum ihres Mannes noch auf das ihres Sohnes. Die Rechte, die hier bestätigt werden, basierten also höchstwahrscheinlich auf einer Schenkung.35 Eine Schenkungsurkunde wurde aber nicht gefunden. Das könnte jedoch daran liegen, dass es das Archiv von Salome und nicht das von ihrer Mutter war. In dem Dokument heißt es: »der Streit ist nun beigelegt«. Hieraus lässt sich ableiten, dass es einen Streit gab und die Verzichtsurkunde aufgesetzt wurde, nachdem die Angelegenheit geregelt war. 32

  Lewis, Documents, 1989 (s. Anm. 19), 88 – 93.   Cotton / Greenfield, Babatha’s Property (s. Anm. 3), 218. 34   Cotton / Yardeni, Documentary Texts (s. Anm. 28), 193 – 202. 35   J. G. Oudshoorn, The Relationship between Roman and Local Law in the Babatha and Salome Komaise Archives, Studies on the Texts of the Desert of Judah 69, Leiden 2007, 234. 33

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Anders, als ich im Jahre 2000 noch meinte, wurden nur in drei der vier Frauen-Archive Verzichtsurkunden gefunden, die uns zur Verfügung stehen: Mivtahiahs, Babathas und Salome Komaises.36 Tamat und Yehoyishma trugen keine Dokumente mit sich, die diesbezüglich interessant wären, da offensichtlich niemand ihr Eigentum anzufechten schien. Vielleicht waren Tamats und Yehoyishmas Ehemänner noch am Leben, als man die Archive der Frauen deponierte. Im Gegensatz zu meiner damaligen Argumentation denke ich nicht, dass Verzichtsurkunden beweisen, dass jede Frau eine Schenkungs- und Verzichtsurkunde für ihr Eigentum hatte, um ihr Recht darauf beweisen zu können. Es zeigt vielmehr an, wie stark ihr ›Recht auf Eigentum‹ von anderen (meist männlichen) potentiellen Erben angefochten wurde – häufig kurz nach dem Tod eines männlichen Verwandten. Dies galt sowohl für Elephantine als auch für die Judäische Wüste: In Elephantine waren es die Neffen von Mivtahiahs erstem Mann, die das ›Recht auf Eigentum‹ von Mivtahiahs Söhnen angriffen; und in der Judäischen Wüste kamen die Neffen von Babathas zweitem Ehemann, um ihrer Stieftochter Shelamzion ihr ›Recht auf Eigentum‹ streitig zu machen. Beide Archive scheinen also auf etwas hinzudeuten, das zuerst von Hannah Cotton behauptet und anschließend – hinsichtlich des Erbrechtes – von Jacobine Oudshoorn begründet wurde. Für die Dokumente aus der Judäischen Wüste bedeutet dies: [T]he son is legal heir to the father’s estate and in his absence the brother of the deceased is legal heir. Whether there is a son or not, the wife never has any claims based on the law of succession. The daughter does not inherit even in the absence of a son.37

Sowohl Hannah Cotton als auch Jacobine Oudshoorn hatten Probleme damit, dieses Gesetz als eindeutig jüdisches Gesetz zu identifizieren. Cotton und Greenfield schrieben: In denying the claims of the wife to her husband’s property, this law seems to have been not unlike the Jewish law of succession. It differs from Jewish law in the claims of the man’s brother or his brother’s sons to those of the daughter. Jewish law prefers the claim of children, whatever their sex, to those of the man’s brother or brother’s sons.38

Oudshoorn, die diesbezüglich an einer noch größeren Nähe zum jüdischen Gesetz interessiert war, sagt, dass die Tochter aber nur dann als Erbin akzeptiert worden wäre, wenn sie exogam geheiratet habe: »If my assumptions above are 36   Es gibt eine Verzichtsurkunde in der Urkundensammlung von Tamat und Yehoyishma. Allerdings ist sie keiner von beiden zugeschrieben, sondern ihrem Vater, und es geht nicht um Grundbesitz, der dann beider Eigentum wäre, sondern um ein Objekt, dass als hiyra bezeichnet wird. Porten meinte dazu, dass der in dem ersten Dokument beschriebene Fall und der dort angegebene Grund für die Aufnahme in die Dokumentensammlung von Ananiah (in das AnaniahArchiv) vollkommen unklar seien (Porten, Archives [s. Anm. 5], 202). 37   Oudshoorn, Relationship (s. Anm. 35), 237. 38   Cotton / Greenfield, Babatha’s Property (s. Anm. 3), 220.

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true, the law of succession at the time would not deny the daughter the right to inherit her father’s estate, as long as she was unmarried or married to the next of kin.«39 Diese Annahme lässt sich nicht beweisen.

3. Fazit Dieser Beitrag hat zu zeigen versucht, dass ein Vergleich der Archive aus Elephantine und der Judäischen Wüste unsere Diskussion in eine andere Richtung lenken sollte – weg von der Frage, inwieweit diese Praktiken dem biblischen Gesetz folgen. Es ist faszinierend zu sehen, dass Juden, die Jahrhunderte voneinander getrennt leben, auf die gleiche Art und Weise mit den Schriftstücken von Frauen umgehen. Man zwang die Frauen (und nicht die Männer) dazu, Dokumente bei sich zu tragen, die ihren Personenstand, im Besonderen ›ihr Recht auf Eigentum‹, bewiesen. Waren sie nicht in der Lage, diese Dokumente vorzuzeigen, so wurde ihr Besitz sofort von den Männern in Frage gestellt, die ohnehin schon gesetzlich privilegiert waren, da man sie als natürliche Erben anerkannte. So sah die Realität im 5. Jh. v. d. Z. in Elephantine / Ägypten und im 2. Jh. in der römischen Provinz Arabia aus – unabhängig davon, was man zu diesem Thema in der Bibel lesen kann. Ich denke, dass dieser Beitrag ein herausragendes Beispiel für die Untersuchung dauerhafter (longue durée) Formen geschlechtsbezogener Diskriminierung innerhalb einer vorgegebenen Kultur, über zeitliche und örtliche Grenzen hinweg, liefern kann.

39

  Oudshoorn, Relationship (s. Anm. 35), 245.

Zum Alltagsleben von Frauen in neutestamentlicher Zeit anhand dokumentarischer Papyri Christina M. Kreinecker Die Frage nach dem Alltagsleben von Frauen anhand dokumentarischer Papyri1 mag auf den ersten Blick gekünstelt erscheinen und feministischen Anliegen unserer Zeit geschuldet sein. Was lässt sich über das »schwache« Geschlecht aus einer Zeit sagen, die doch so weit zurück liegt, von patriarchalen Strukturen geprägt und darüber hinaus quellentechnisch schwer erschließbar ist? Eine Position wie die folgende scheint es auf den Punkt zu bringen: When trying to reconstruct the lives of women in historical contexts we are confronted with the perennial problems caused by lack of direct evidence from women themselves. Their history comes to us from men’s writings and from the perspective of men.2

Diese Pauschalvorstellung mag für einen großen Teil der erhaltenen Zeugnisse stimmen, dokumentarische Papyri, Texte aus dem Alltag, die nie dazu gedacht waren, 2.000 Jahre später noch gelesen zu werden, sprechen aber auch eine andere Sprache und lassen Differenzierungen zu.3 Denn aus den Alltagstexten der Antike sind sowohl solche über als auch solche von Frauen erhalten. Direkte Zeugnisse von Frauen gibt es also doch, und zwar vorrangig in Form von Briefen privaten Charakters, aber auch in Form von offiziellen Dokumenten, Verträgen, Petitionen u. Ä. Zugleich ist die Frage, was denn »direct evidence« in einer Kultur bedeutet, die sich häufig der Schreiber bedient, von Bedeutung. Faktum oder Ironie ist es, dass »those most capable of writing [. . .] are least likely to do so; like wealthy people of other periods, they tend to limit their own writing to 1   Papyri werden im vorliegenden Beitrag nach der von John F. Oates und William H. Willis begründeten Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic Papyri, Ostraca, and Tablets (http://papyri.info / docs / checklist) abgekürzt. Der Hinweis BL bei Papyri verweist auf die Berichtigungsliste der Griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten, Bd. 1 – 12, hg.v. Friedrich Preisigke u. a., Berlin u. a. 1922 – 2009. 2   D. F. Sawyer, Women and Religion in the First Christian Centuries, Religion in the First Christian Centuries, London / New York 1996, 2. Weiter schreibt Sawyer: »Ancient historians wishing to reconstruct a women’s history are challenged to look beyond the usual annals of history to more unconventional sources that give reflecitons and glimpses of the lives of women in antiquity« (2). 3   Darüber hinaus wäre auch nach der »direkten Stimme« bei weiblichen Schriftstellerinnen zu fragen, deren literarische Tätigkeit sich erhalten hat.

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greetings and signatures on letters prepared by others from dictation«4. Zwar gilt dies für Männer ebenso wie für Frauen5, doch lässt sich das Heranziehen eines Schreibers ohnehin nur in den Fällen eindeutig feststellen, wo ein Wechsel in der Schrift zwischen Text und Unterschrift feststellbar ist oder wo im Text explizit auf die Schreibertätigkeit Bezug genommen wird. Selbst dort, wo ein Schreiber herangezogen wurde, ist die Vorstellung, dass es daher immer nur die Stimme der Schreiber wäre, die man in den Texten »hört«, überzogen.6 Vor allem Privatbriefe scheinen das Spontane und die direkte persönliche Kommunikation zwischen Senderin und Sender sowie Adressatin und Adressaten wiederzugeben. Frauen sprechen mit eigener Stimme in dokumentarischen Papyri, wenn auch seltener als Männer – zumindest im uns erhaltenen Textbestand.7 Für die Frage nach dem Alltagsleben von Frauen in der Antike sind dokumentarische Papyri eine echte Fundgrube. Dennoch muss betont werden, dass dokumentarische Texte nicht die gesamte Wirklichkeit von Frauen beleuchten. Die dokumentarisch belegte Welt zeigt Momentaufnahmen, die für die Lebenswirklichkeit von Frauen Typisches erkennen lassen. Papyri sind wie Puzzleteile, die das Gesamtbild erahnen lassen und helfen, bestimmte Aspekte antiken Lebens zu erhellen und zu verstehen. Die Untersuchung des dokumentarischen Materials mit der Konzentration ausschließlich auf Frauen ist dabei ein einschränkender Faktor, der den Blick auf das Ganze zusätzlich verengt. Denn es gibt in den Papyri kein Textgenre, das ausschließlich Frauen vorbehalten wäre. Im Gegenteil: Frauen finden sich sowohl in offiziellen wie privaten Texten vertreten, direkt wie indirekt. Selbst wenn es Berufe gibt, die naturgemäß von Frauen ausgeführt werden (z. B. Ammentätigkeit), so ist doch die allgemeine Vertragsform eines Ammenvertrages vergleichbar mit anderen Arbeitsverträgen, die Tätigkeiten von Männern einschließen.

4  So R. S. Bagnall / R. Cribiore, Women’s Letters from Ancient Egypt, 300 BC – AD 800, with contributions by Evie Ahtaridis, Ann Arbor 2006, 6. 5   Zur Schreib- und Lesefähigkeit von Frauen in Ägypten vgl. E. Kutzner, Untersuchungen zur Stellung der Frau im römischen Oxyrhynchos, EHS. Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 392, Frankfurt / Bern u. a. 1989, 149 – 151. 6  Vgl. Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 7 f.: »In the widespread habit of producing drafts of letters, it is not likely that secretaries normally took down rough copy and then rewrote it as a polished composition. Rather, the more polished compositions are probably the result either of a highly educated writer, deliberately dictating with great care, or (more commonly) of a professional secretary told to write a letter to a particular person with specified content, then left to compose the letter himself. It should follow that those letters that display more oral style are the product of direct reproduction by the amanuensis of the author’s dictation, with only a relatively modest degree of neatening and correcting«. 7   Die Zahl der Briefe, die von Frauen verfasst wurden, hält sich konstant vom ersten bis vierten Jahrhundert n. Chr. bei ca. 1 % aller dokumentarischen Texte, siehe Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 19.

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Der Grat zwischen Über- und Unterbetonung der Stellung der Frau ist ein schmaler. Ein allgemeiner Blick auf das dokumentarische Material zeigt, dass die Trennlinie nicht so sehr zwischen Frau und Mann verläuft, denn beide sind sowohl in offiziellen wie auch in privaten Texten direkt und indirekt vertreten. Die Trennlinie verläuft vielmehr horizontal als eine Trennung der sozialen Schichten. Dennoch hat die bewusste Fokussierung auf das Thema »Frau und ihr Alltagsleben« eine Stärke. Denn sie deckt, so meine These, insbesondere moderne Vorurteile (und romantische Vorstellungen?) von Frauen ohne Stimme, Frauen ohne Rechte und Frauen ohne Möglichkeiten auf. Die Realität, die aus den antiken Alltagstexten spricht, ist eine andere: Frauen waren nie per se stimmlos, rechtlos oder ohne Möglichkeiten. Zwar zeigen die Texte einen größeren Gestaltungsspielraum wie auch eine größere aktive Präsenz wohlhabender Frauen gegenüber sozial schlechter gestellten Frauen, doch ist dies ein Phänomen, das sich schwerlich auf die Antike beschränken lässt. Im Folgenden wird die Auswahl der Texte und die Blickrichtung der Untersuchung auf vier Aspekte des Alltagslebens fokussiert: familiäre (1.), rechtliche (2.), wirtschaftliche (3.) und religiöse (4.) Aspekte. Alle vier Bereiche werden exemplarisch auf Auskünfte von und zu Frauen in dokumentarischen Papyri untersucht.

1.  Familiäre Aspekte Die grundlegendste Frage zum Alltagsleben von Frauen in der Antike ist zunächst die nach den allgemeinen Rahmenbedingungen des Lebens einer Frau, d. h. statistische Daten zu Leben und Familienstand. Aufgrund der römischen Zensusbestimmungen in Ägypten, die im Gegensatz zu anderen Gebieten Auskünfte über Frauen miteinschließt, lässt sich zumindest für diesen Bereich und die römische Provinz in Ägypten aussagekräftig Auskunft über die Verhältnisse von Frau und Mann geben. In ihrer umfassenden Monographie haben Bagnall und Frier8 diese Deklarationen ausgewertet und interpretiert. In Summe liegen den Analysen ca. 300 solcher Deklarationen aus der Zeit von 12 – 259 n. Chr. zu Grunde, und zwar spätestens ab dem Jahr 33 / 34 n. Chr. im regelmäßigen Abstand von 14 Jahren.9 Von den über 1.000 gemeldeten Personen sind ca. ein Drittel Frauen. Die erhaltenen Deklarationen lassen ein Ergebnis von erstaun-

8   R. S. Bagnall / B. W. Frier, The Demography of Roman Egypt, Cambridge Studies in Population, Economy and Society in Past Time 23, Cambridge 1994. 9  Vgl. F. Mitthof, Junge Heirat, viele Geburten, frühe Verwitwung oder Scheidung. Demographische Aspekte des Frauenlebens im römischen Ägypten, in: H. Froschauer / H. Harrauer (Hg.), Emanzipation am Nil. Frauenleben und Frauenrecht in den Papyri, Nilus. Studien zur Kultur Ägyptens und des Vorderen Orients 11, Wien 2005, 65 – 73 (67).

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lich hoher demographischer Qualität zu, die in dieser Form erst wieder in der Neuzeit erreicht wird.10 Die Deklarationen zeigen, dass die Lebenserwartung von Frauen und Männern nicht übermäßig divergiert.11 Zur Zeit ihrer Geburt hat eine Frau im besagten Zeitraum eine Lebenserwartung von 22,5 Jahren, während ein Mann eine Lebenserwartung von 25 Jahren hat. Sind erst einmal die schwierigen Jahre der Kindheit überstanden, steigt die Lebenserwartung drastisch an. Eine Frau mit 15 Jahren hat bereits eine Lebenserwartung von weiteren 38 Jahren, kann also damit rechnen, rund 53 Jahre alt zu werden. Bei Männern ist diese Erwartung nur um ein halbes Jahr geringer (37,5 Jahre). Weitere 15 Jahre später steigt die Lebenserwartung entsprechend den Berechnungen der Zensusdeklarationen zunehmend: sowohl Frau als auch Mann haben mit 30 eine weitere Lebenserwartung von 25 Jahren, mit 45 die Aussicht auf 17,5 Jahre (Frau) und 17 Jahre (Mann). Wer einmal 60 Jahre alt geworden ist, hat eine weitere Lebenserwartung von 10 Jahren. Hinsichtlich des Familienstandes von Frauen lässt sich aus den Zensusdeklarationen erschließen, dass 95 % aller Frauen zumindest einmal im Leben eine Ehe eingegangen sind.12 Von diesen 95 % ist bei 65 % die erste Heirat zwischen dem 13. und 21. Lebensjahr geschlossen worden. Im Alter von 12 – 16 Jahren schließen 35 % der Frauen ihre Ehe, in der Altersklasse von 16 – 20 Jahren schließen 30 % der Frauen ihre Ehe. 17 % schließen ihre Ehe in der Altersspanne von 20 – 24 Jahren, 10 % in der Zeit von 24 – 28 Jahren. Über 28 Jahre sind drei Prozent der Frauen bei ihrer Eheschließung.13 Der Altersunterschied zwischen den Eheleuten ist ebenfalls erwähnenswert, denn im Durchschnitt war der Mann 7,5 Jahre älter als seine Frau.14 So wurden Frauen nicht selten in ihren 30ern zu Witwen.15 Um eine Reproduktionsrate von 2 halten zu können, d. h. zwei Kinder großzuziehen, die das Erwachsenenalter erreichen, bedarf es den Deklarationen zufolge mindestens sechs Lebendgeburten.16 D. h. die Fertilitätsrate muss in 10

 Vgl. Mitthof, Heirat (s. Anm. 9), 66.  Vgl. Bagnall / Frier, Demography (s. Anm. 8), 75 – 90 (Lebenserwartung von Frauen); 91 – 110 (Lebenserwartung von Männern). 12  Vgl. Bagnall / Frier, Demography (s. Anm. 8), 110 – 134. 13   Wenig erfährt man in Papyri über jene 5 % der Frauen, die nie geheiratet haben. Dass es sie gegeben hat, und zwar auch in eigenständig geführten Haushalten, ist ein nachweisbares Faktum, aber offensichtlich keine Angelegenheit, die der näheren Erklärung in den Papyrustexten bedurft hätte. 14   Bagnall / Frier, Demography (s. Anm. 8), 118 – 121. 15  Vgl. Mitthof, Heirat (s. Anm. 9), 72: »Die meisten dieser alleinstehenden Frauen suchten Aufnahme im Haushalt ihrer Kinder oder Geschwister; nur wenige hingegen führten einen eigenen Haushalt und zogen ihre minderjährigen Kinder, sofern vorhanden, alleine auf«. 16   Fälle von Empfängnisverhütung sind aus Papyri bekannt, v. a. aus Rezeptsammlungen, vgl. H. Froschauer, Gynäkologie in Wiener Papyri, in: Froschauer / Harrauer, Emanzipation am Nil (s. Anm.  9), 83 – 93 (91 f.). 11

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der römischen Zeit der Provinz Ägypten mit mindestens 6 angegeben werden. »Sollte jedoch, was wahrscheinlich ist, ein geringes Wachstum der Population zu verzeichnen sein, wäre die Fertilitätsrate sogar noch höher anzusetzen; dann hätte man einen Mindestwert von sieben oder acht Schwangerschaften pro Frau anzunehmen.«17 Die meisten Geburten fallen dabei in das Alter von 20 – 25 Jahren, das durchschnittliche Fertilitätsalter beträgt 25,7 Jahre.18 Aus diesen rein statistischen Daten lassen sich bereits erste Rückschlüsse auf das Alltagsleben von Frauen erschließen, und zwar sowohl für das Leben von Mädchen als auch das von Frauen. Gilt es zunächst, die Kindheit mit Krankheiten und anderen Gefahren zu überstehen, ist das Leben der Frau in 95 % der Fälle von Eheleben und in Folge Schwangerschaften, Geburten und Kindern bestimmt. Dokumentarische Belege, in denen diese Ereignisse erwähnt werden, gibt es viele, wenngleich Schwangerschaft und Geburt selten im Zentrum stehen, sondern »Randbemerkungen« darstellen, d. h. Hinweise auf tatsächlich »Alltägliches« sind. Nicht selten werden Schwangerschaften etwa im Kontext von Reisen erwähnt.19 Ein Beispiel ist das etwas kryptische Ostrakon SB XIV 11580 (Mitte bis Ende 2. Jh. n. Chr.), das die schwangere Didyme wahrscheinlich an ihre Mutter schreibt, die sie indirekt bittet, sie für ihre Geburt aufsuchen zu dürfen: Θέσιδι Διτύμη (l. Διδύμη) χαίρειν. | ἑτεμάκην (l. ἡτοιμάκειν) αἰματὴν (l. ἐμαυτὴν) ἐρθῖν (l. ἐλθεῖν).  | Ἀπολλῶς ἀδὼς (l. αὐτὸς) ἤρηγέ (l. εἴρηκέ) μοι  | ἐρθὼν (l. ἐλθὼν) μεθ᾽ ὑγείας ἔρθου (l. ἔλθου) | εἰζ (l. εἰς) οἶκόν σου ὡς δέκῃς (l. τέκῃς). | ἠὰν (l. ἐὰν) θέλῃς, γράψον | ἐπὶ μαὶ (l. μὲ) καὶ ἐρχον | μαι. (l. ἐρχομαι) ὁ τίτων (l. δίδων) σοι | τὸ ὄστρακον δοῦ | το (l. τοῦτο) αὐτός μοι | ἤρηγαι (l. εἴρηκε) μεῖ | νον ἐκεῖ | ν (l. ἐκεῖ) ˙ ˙ An Thesis von Didyme, Gruß. Ich hatte mich vorbereitet zu kommen. Apollos selbst hat zu mir gesagt, als er ging: »Solange du bei Gesundheit bist, geh in dein Haus, damit du gebierst!« Wenn du willst, schreib mir und ich komme! Derjenige, der dir das Ostrakon gibt, hat gesagt: »Bleib dort!«20

Auch der Tod der Mutter im Kindbett ist in den Alltagstexten Thema. So schreibt etwa eine gewisse Thaubas an ihren Vater in P. Fouad I 75 (15. Oktober 64  n.  Chr.) – Z.  3 – 15: καλῶς ποιήσεις λαβὼν τὴν ἐπιστολήν | μου ἐξαυτῆς εἰσελθὼν διὰ τὸ τὴν | ταλαίπωρον θυγατέρα σου Ἑρεννίαν | τετηλευτηκέναι (l. τετελευτηκέναι) καὶ ἤδηι (l. ἤδη) εὐτη | χυῆ˙˙ 17

  Mitthof, Heirat (s. Anm. 9), 72.  Vgl. Bagnall / Frier, Demography (s. Anm. 8), 135 – 159. 19   Zu Reisen von Frauen halten Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 81 – 83, fest, dass von allen Briefen, die Reisen von Frauen erwähnen, die Hälfte keinen Grund angeben und die andere Hälfte sich drei verschiedenen Kategorien zuordnen lässt: Reisen im Zusammenhang von Geburten, Reisen im Zusammenhang mit Besitzungen und Reisen für Familienbesuche (81). 20   Die Interpunktion und Übersetzung folgt P. Arzt-Grabner, 2. Korinther, Unter Mitarbeit von Ruth E. Kritzer, PKNT 4, Göttingen 2014, 173 – 175. 18

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σθαι (l. εὐτυ | χῆσθαι) τῷ Φαῶφι τῆι ἐνάτηι ἀπ’ ὠ | μοτοκητοῦ (l. ὠ | μοτοκετοῦ) · ἔτεκεν γὰρ ὀκτὼι (l. ὀκτὼ) | μηνῶν παιδίον νεκρὸν καὶ τέσσαρας | ἡμέρας ἐπέζωσε καὶ μετὰ ˙ ταῦτα | τετηλεύτηκεν (l. τετελεύτηκεν) καὶ περιεσταληι (l. περιεστάλη) | ὑφ’ ἡμῶν καὶ τοῦ ἀνδρὸς αὐτῆς ὡς | ἔδι (l. ἔδει) καὶ ἐτεθηι (l. ἐτέθη) εἰς Ἀλαβανθίδα ἵνα | ἐὰν ἔ[λ]θῃς καὶ θέλῃς δύνηι αὐτὴν |˙ἰδε[ῖν] ˙ Du wirst gut daran tun, nach Erhalt meines Briefes sogleich zu kommen, da deine arme Tochter Herennia gestorben ist. Und sie hat am 9. Phaophi schon eine Missgeburt gut durchstanden. Sie brachte nämlich ein totes Achtmonatebaby zur Welt, überlebte vier Tage, danach starb sie. Und sie wurde von uns und von ihrem Mann zur Bestattung hergerichtet, wie es sich schickt, und nach Alabanthis gebracht, damit du, wenn du kommst und es willst, sie sehen kannst.

Als »Beleg« dafür, dass die Geburt von Mädchen weniger geschätzt gewesen sei als die von Buben, wird häufig der in seiner Bedeutung umstrittene Brief P. Oxy. IV 744 (17. Juni 1 v. Chr.) angeführt. Darin schreibt Hilarion an seine Frau Alis von Alexandria aus – Z. 6 – 10 (mit BL VII 130 und IX 181): ἐρωτῶ σε καὶ παρακαλῶ σε ἐπιμελη | θι (l. ἐπιμελήθι) τῷ παιδίῳ καὶ ἐὰν εὐθὺς ὀψώνι | ον λάβωμεν ἀποστελῶ σε (l. σοι) ἄνω. ἐὰν | πολλὰ πολλῶν τέκῃς ἐὰν ἦν ἄρσε | νον ἄφες, ἐὰν ἦν θήλεα ἔκβαλε Ich bitte und ersuche dich, sorge dich um das Kind, und sobald ich meinen Lohn bekomme, werde ich ihn dir hinaufschicken. Und wenn du niederkommst, was nun höchstwahrscheinlich ist: wenn es männlich ist, lass es leben; wenn es weiblich ist, setz es aus.

Über die Bedeutung dieses Briefes ist in der Literatur viel diskutiert worden, die vorrangige Interpretation des Textes lautet schlicht: »Hilarion quite simply told his wife to throw her new baby out if it was a girl«21. Die Aussetzung ist aus literarischen Texten bekannt, wo das ausgesetzte Kind meist eine Rettung erfährt, doch selbst wenn manche Ammenverträge eine derartige Überlebenschance ausgesetzter Kinder bestätigen (s. u.), bietet die Aussetzung keine Garantie auf ein Überleben und sollte daher nicht als milde Geste der Eltern missverstanden werden.22 Einer Geringschätzung von Mädchen, wie sie aus dem Brief des Hilarion ohne explizite Nennung von Gründen23 erschlossen werden kann, stehen Beispiele von besonderer Wertschätzung von Mädchen bereits bei ihrer Geburt gegenüber, z. B. bei der nach römischen Vorgaben nur für die Geburt von 21   P. McKechnie, An Errant Husband and a Rare Idiom (P. Oxy. 744), ZPE 127 (1999), 157 – 161 (161). Die dort geführte Diskussion steht in Auseinandersetzung mit S. West, Whose Baby? A Note on P. Oxy. 744, ZPE 121 (1998), 167 – 172. 22   Bagnall / Frier, Demography (s. Anm. 8), 151 f.: »Exposure differs from infanticide in that an exposed child may be taken in by strangers and then raised either as a fosterchild or (more frequently) as a slave.« 23   McKechnie, Husband (s. Anm. 21), 158 f., geht von Armut als Grund für die Weglegung aus.

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Buben vorgesehenen Registrierung. Solche Registrierungen für Mädchen finden sich etwa mit P. Petaus 1 und 2 (14. Februar 185 n. Chr.), P. Corn. 18 (24. Juli 291 n. Chr.), P. Oxy. XLIII 3136 (21. Juni 292 n. Chr.) und auf Latein mit P. Mich. III S. 152 – 154 (3. November 148 n. Chr.). In Bedeutung und Zweck nach wie vor umstritten stellen diese Anzeigen bisher eine Besonderheit dar.24 Affektion zur eigenen Tochter lässt sich aus der Geburtstagseinladung eines Vaters zur Feier des ersten Geburtstags seiner Tochter schließen, wie sie in P. Oxy. XXXVI 2791 (2. Jh. n. Chr.) erhalten ist. Dort schreibt Diogenes: ἐρωτᾷ σαι (l. σε) Διογένης διπνῆσαι (l. δειπνῆσαι) | εἰς πρωτογενέσιον τῆς θυ | γατρὸς αὑτοῦ ἐν τῷ Σαραπείῷ | αὔριον ἥτις ἐστὶν Παχ[ὼ]ν | [ ]ς ἀ[π]ὸ ὥρ(ας) η ˙ Diogenes lädt dich zum Essen anlässlich des ersten Geburtstags seiner Tochter in das Sarapeum morgen ein, das ist der 16. [oder 26.] Pachon, von der 8. Stunde an.

Zum Eheleben finden sich in dokumentarischen Texten vor allem rechtlich relevante Texte wie Eheverträge und Scheidungsurkunden.25 In römischer Zeit waren in Ägypten verschiedene Rechtsformen gültig, nach denen eine Ehe geschlossen werden konnte, und zwar das ägyptische Recht (als Auslaufmodell), das griechische Recht und die auf die römischen Bürger und Bürgerinnen beschränkte römische Rechtsform. In allen Formen gibt es unterschiedliche Rechte für Frauen. Dennoch muss allgemein festgehalten werden, dass gerade Eheverträge häufig Güterregelungen darstellen.26 Für die Mehrheit antiker Menschen wird man von »ungeschriebenen Ehen« ausgehen müssen,27 d. h. offizielle und gültige Eheschließungen, die jedoch ohne schriftlichen Vertrag sind (ἄγραφος γάμος).28 Im vorliegenden Beitrag soll jedoch weniger auf die rechtlichen Verhältnisse von Eheverträgen und Scheidungen, als vielmehr auf Beispiele aus dem ehelichen Alltagsleben eingegangen werden, die das Leben einer Frau beleuchten können.29 Eine solche »banale« Alltagsszene scheint sich zwischen den Eheleuten Lucia und Kasullatis in P. Lond. III 988 (S. 243) (3. Jh. n. Chr.) abzuspielen. Lucia 24

  Vgl. etwa die Diskussion in P. Petaus (s. Anm. 1), 67 – 70.  Vgl. S. B. Pomeroy, Women in Hellenistic Egypt. From Alexander to Cleopatra, New York 1984, 83 – 124. 26   Zur Erwähnung darüber hinaus von Ehepflichten vorwiegend in griechischen Verträgen vgl. Kutzner, Untersuchungen (s. Anm. 5), 26. 27  Vgl. Kutzner, Untersuchungen (s. Anm. 5), 64. 28   Ein solches Beispiel ist etwa P. Oxy. II 267 (22. Mai 37 n. Chr.), wo eine vertragslose Ehe zwischen Tryphon und Saraeus erwähnt ist, die sich in ihrem Bestand noch mindestens weitere 23 Jahre dokumentarisch nachweisen lässt (siehe Grenfell / Hunt in P. Oxy. II [s. Anm. 1], 244). Bezeugt sind Umwandlungen von vertragslosen Ehen in solche mit Heiratsurkunde, wie etwa P. Hamb. III 220 (223 – 224 n. Chr.), weitere Beispiele dazu finden sich von Kramer / Hagedorn in P. Hamb. III (s. Anm. 1), 138, aufgelistet (mit Literaturhinweisen). 29   Literatur zu diesem Thema, besonders den Regelungen der Mitgift, ist v. a. im Bereich der juristischen Papyrologie umfassend, einen Überblick im Vergleich der verschiedenen Rechtsformen im römischen Oxyrhynchos bietet Kutzner, Untersuchungen (s. Anm. 5). 25

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reagiert auf die offensichtliche Aufforderung ihres Mannes, bestimmte Schriftstücke (möglicherweise in einer Rechtsangelegenheit) an öffentlicher Stelle einzureichen, folgendermaßen – Z. 3 – 6 mit BL I 293: γράφις (l. γράφεις) μοι ὅτι καταχώρισον τὰ | βυβλεία (l. βιβλία) Πάιτος. πῶς δύναμαι | ὅπερ σὺ [[β]] αὐτὰ ἔχις (l. ἔχεις). πέμψον οὖν | μοι αὐτά ˙ Du schreibst mir: »Hinterlege die Schriftstücke von Pais.« Wie kann ich das, wenn Du sie hast? Schick sie mir also!

Ein wiederkehrendes Motiv in Briefen privaten Charakters – und zwar unabhängig vom Geschlecht der empfangenden und sendenden Person – ist der Hinweis oder besser die Kritik, keine Nachricht erhalten zu haben, obwohl man doch darauf warte. Eine solche Kritik formuliert Sarapion in einem Brief an seine Schwester und Frau – BGU IV 1078,3 – 6 mit BL I 95 (20. Oktober 38 n. Chr.): οὐ καλῶς δὲ ἐπόησας (l. ἐποίησας) | ἐκπορευομένων πολλῶν φίλων μὴ σημᾶ | ναί μοι μηδὲ ἓν εἰδότος σου, ὅτι ἀγωνιῶ | περὶ ὑμῶν Du hast aber nicht gut gehandelt, mir – obwohl viele Freunde herausreisen – keine Nachricht zu geben, nicht eine einzige, obgleich du weißt, dass ich um euch besorgt bin.

Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, dass der statistisch rekonstruierbare Alltag einer Frau rund um Familie, Geburt und Kinder sich in vielen kleinen Notizen und Individualgeschichten belegen und »beleben« lässt.

2.  Rechtliche Aspekte Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass Frauen in der Antike keine Rechtsgeschäfte abwickeln konnten ohne einen männlichen Vormund. Dies ist allerdings nur in bestimmten Fällen tatsächlich so, vor allem herrschen, wie Alltagsdokumente belegen, zwischen Theorie und Praxis große Unterschiede.30 Zwar gilt, dass Frauen nach römischem Recht nicht vor Gericht aussagen und nur schwerlich Bürgschaften übernehmen können (einige Fälle sind in den Papyri dennoch belegt, besonders von Ehefrauen, die in den Verträgen ihrer Männer als Mitbürgin auftreten)31, im Fall von Römerinnen in Italien gelten auch erbrecht30   Einen Überblick mit Beispielen aus Oxyrhynchos für Rechtsgeschäfte mit und ohne kyrios gibt Kutzner, Untersuchungen (s. Anm. 5), 79 – 99. Zu Frauen und ihrer (un)möglichen Ausübung öffentlicher Ämter vgl. v. a. die offensichtliche Existenz von Steuereintreiberinnen: P. J. Sijpesteijn, A Female Tax Collector, ZPE 61 (1985), 71 – 73; Ders., Another Female Tax Col­ lector, ZPE 64 (1986), 121 f. 31   C. Kreuzsaler, Der Rechtsalltag von Frauen im Spiegel der Wiener Papyri, in: Froschauer /  Harrauer, Emanzipation am Nil (s. Anm. 9), 1 – 17 (3), räumt ein, dass es sich dabei aber wahrscheinlich lediglich um eine »Möglichkeit des Zugriffes auf Vermögenswerte aus der Mitgift« für die Gläubiger handelt.

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liche Einschränkungen. Doch die Papyri zeigen ein wesentlich differenzierteres Bild der Rechtsmöglichkeiten von Frauen. Für die Zeit des römischen Ägyptens muss man festhalten, dass mehrere Rechtsformen gleichzeitig Anwendung finden und Gültigkeit haben. So ist die Frau dem ägyptischen Recht nach voll vermögensfähig (inklusive Erbschaft) und rechtlich voll handlungsfähig, und zwar ohne männlichen Beistand. Das ägyptische Recht kommt jedoch in römischer Zeit zunehmend ab, da demotische Verträge von den römischen Behörden nicht anerkannt werden und griechische Verträge dem griechischen Recht unterliegen.32 Nach dem griechischen Recht bedürfen Frauen stets eines männlichen Rechtsbeistandes (κύριος), und zwar im Regelfall eines männlichen Verwandten. Ein Beispiel für viele ist eine gewisse Taorseus, die ihren Hausanteil aus väterlichem Erbe mit ihrem Bruder als Rechtsbeistand – μετὰ κυρίου – verkauft – P. Mich. V 296,1 – 5 (1. Jh. n. Chr.): [Τ]αορσεῦς Ὀρσενοῦφις (l. Ὀρσενούφιος) μητρὸς Θαησις (l. Θαήσιος) μετὰ κυρίου τοῦ ˙ ὁμοπατρίου καὶ ὁμομητρίου ἀδελφοῦ Ὀρσεῦτος ὁμολογ [ῶ πεπρα] | κέναι κατὰ Αἰγυπτί˙ ας συνγραφὰς Ψοσνεῦτος (l. Ψοσνεῦτι) Ἀνδρονίκου μητρὸς Θαήσιος τὸ ὑπάρχον μο[ι] ˙˙ ˙ ἡμυσον (l. ἥμισυ) μέρος πατρικῆς οἰκ[ίας διστέ | γου] ˙˙ ˙˙˙ Ich, Taorseus, Tochter des Orsenouphis, von der Mutter Thaesios, mit meinem Vormund Orseus, Bruder vom selben Vater und derselben Mutter, bestätige, gemäß den ägyptischen Verträgen an Psosneus, Sohn des Andronikos, von der Mutter Thaesis, die mir gehörende Hälfte des väterlichen zweigeschossigen Hauses verkauft zu haben.

Der Rechtsbeistand nimmt jedoch eine rein formale Rolle ein und die Praxis in den Papyri zeigt, dass Frauen ihre Geschäfte auch ohne Rechtsbeistand abwickeln, selbst in den Fällen, in denen theoretisch einer vorgeschrieben ist. Dies gilt jedoch auch umgekehrt: die Papyri bezeugen ebenso Fälle, in denen Frauen einen Rechtsbeistand hinzuziehen, obwohl dieser rechtlich gesehen nicht nötig wäre.33 Das römische Recht, von dem lediglich römische Bürgerinnen Gebrauch machen können, kennt das Prinzip der tutela mulieris. Der Geschlechtsvormund, tutor, ist für bestimmte Rechtsgeschäfte vorgesehen, wie etwa Testamente, Deklarationen, Aufnahme von Schulden, Sklavenfreilassungen etc. Die Frau ist auch nach römischem Recht völlig frei bei Scheidungen, Verkäufen u. Ä. Die römische Praxis, keinen Verwandten der Frau als tutor einzusetzen, vermischt sich in Ägypten, sodass auch bei einem »κύριος nach römischem Brauch« häufig ein männlicher Verwandter eingesetzt wird. Das Privileg, Rechtsgeschäfte ohne Geschlechtsvormund abwickeln zu können, wurde in der Lex Iulia de maritandis ordinibus (18 v. Chr.) und der Lex Papia Poppae (9 n. Chr.) geregelt. Um von diesem Privileg als Frau Gebrauch machen zu können, bedarf es eines offiziel32

 Vgl. C. A. La’da, Die wirtschaftliche Stellung der Frau im hellenistischen, römischen und byzantinischen Ägypten (332 v. Chr. – 642 n. Chr.), in: Froschauer / Harrauer, Emanzipation am Nil (s. Anm. 9), 35 – 49 (45).

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len Ansuchens sowie der Verrichtung einer Gebühr. Ansuchen um einen tutor ergehen direkt an den Präfekten Ägyptens. Doch selbst in den wenigen Fälle, in denen eine römische Frau einen tutor benötigt, kann sie selbstständig agieren, wenn sie eine freigeborene Frau mit mindestens drei Kindern (Lebendgeburten) oder eine Freigelassene mit mindestens vier Kindern (Lebendgeburten) ist. Wenn man diese Zahl noch einmal mit der Statistik aus dem ersten Punkt vergleicht, wird deutlich, dass eine Anzahl von drei Kindern keine Seltenheit ist. Ein Beispiel für eine Römerin, die aufgrund ihrer Kinderanzahl ohne κύριος agiert, findet sich in der Zensusdeklaration SB  VI 9573 (175 n. Chr.) einer gewissen Petronia Gaia. Mit dem Jahr 212 n. Chr. und der Constitutio Antoniniana unter Caracalla verändert sich die Stellung der Frau noch einmal, da mit einem Mal das römische Recht für alle freien Frauen im Imperium Romanum gültig ist. Aus dieser Zeit liegt ein weiteres Beispiel mit PSI IX 1067 (10. Dezember 236 n. Chr.) vor, wo ein gewisser Marcus Aurelius Ammonas, auch bekannt als Sarapion, und seine Frau Aurelia Hieraciaena, die »ohne Kyrios entsprechend dem Recht der Kinder nach römischem Brauch« agiert, eine Geburtsbestätigung für ihre Tochter Eudaemonis beantragen (Z. 9 – 11: χωρὶς κυρίου [χρη] | [ματι] ζ [ούσ]ης δι[κα]ίῳ τέκνων κατὰ τ[ὰ] | [Ῥωμ]αίων ἔθη).34 ˙ ˙ ˙ Für die Frage nach dem Alltagsleben bedeutet dies zunächst, dass Frauen weitaus weniger »unmündig« waren, als dies mitunter für die Antike geglaubt wird. Sie können selbstverständlich Rechtsgeschäfte abwickeln, in den meisten Fällen unabhängig von einem Mann. Selbst in den Fällen, wo ein Mann herangezogen wird, scheint dies häufig lediglich formaler Art zu sein. Die Frage ist also weniger, ob eine Frau ein Rechtsgeschäft rechtlich abwickeln kann, als vielmehr, ob sie dazu überhaupt aufgrund ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Lage u. Ä. im Stande ist. Tiefen Einblick in das Alltagsleben von Frauen lassen Petitionen zu, d. h. Eingaben oder Klagen. Diese werden, wie die Praxis zeigt, sowohl von Frauen als auch gegen Frauen eingebracht. Ein methodischer Hinweis zum Alltagsleben und dem Wert von Petitionen ist an dieser Stelle nötig. Petitionen haben einen klaren Amtsweg: sie werden an einen hohen Beamten, nicht selten den Präfekten oder Strategen, gerichtet und stellen eine eigene Textsorte mit bestimmten Motiven und Wendungen dar. So gehören etwa Übertreibungen in der Darstellung – man wurde selten »nur« geschlagen, man ist meistens fast daran gestor33   Vgl. dazu mit Beispielen Kutzner, Untersuchungen (s. Anm. 5), 97 – 99, der explizit auf dieses Phänomen hinweist: »Das Handeln mit κύριος [hatte] eine geringe Bedeutung im öffentlich-rechtlichen Bereich. Die römische Verwaltung legte offensichtlich nur wenig Wert auf das Mitwirken eines Vormundes«, was allerdings »auf die gräko-ägyptische Bevölkerung kaum Einfluss hatte« (98). 34   Der Text ist zusätzlich erwähnenswert, weil am Ende der Schreiber Aurelius Xanthippus erwähnt, für Aurelia Hieraciaena geschrieben zu haben, da sie des Schreibens unkundig sei – Z. 26 f.: ἔγραψα ὑπὲρ αὐτῆς μὴ ἰδ[υίης] (l. εἰδυίας) | [γρά]μματα.

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ben35 – sowie Schmeicheleien an den Beamten, der als Wohltäter bezeichnet wird und als letzte Möglichkeit, doch noch Recht zu erfahren, gepriesen wird, zum Genre. Zudem tauchen Motive auf, die sich außerhalb von Petitionen nicht finden, wie etwa das Motiv der »Schwäche« der Frau. Ein solches Beispiel für die »Schwäche« einer Frau liegt mit P. Oxy. L 3555 (2. – 3. Jh. n. Chr.) vor. Thermouthion schreibt in ihrer Eingabe an den Strategen, dass ihr Sklavenmädchen Peina auf dem Weg zur ihrer Musikstunde von einem gewissen Polydeukes in einem Eselkarren angefahren worden ist und an der Hand verletzt wurde. Begleitet wurde Peina auf ihrem Weg von der Freigelassenen des Longinus, Eucharion. Offensichtlich ist die Wunde unheilbar und das Leben der Peina scheint in Gefahr (eine Übertreibung?). Dies ist für die Verfasserin, die sich die Sklavin als Absicherung für ihr Alter großziehen wollte, eine Bedrohung. Dabei bedient sich die Verfasserin auch noch anderer Motive, wie etwa der Hilflosigkeit und Schwäche von Frauen. Thermouthion »flüchtet« sich nun also zum Strategen um Rechtsschutz. Sie schreibt in Z. 4 – 10: θεραπαινίδιόν μου οἰκογενέ[ς], | οὗ ἔστιν ὄνομα Πεῖνα, ἠγάπη | σα καὶ ἐτημέλησα ὡς θυγάτριο(ν) | ἐπ’ ἐλπίδι τοῦ ἡλικίας γενόμε | νον ἔχειν με γηροβοσκόν, | γυναῖκα ἀβοήθητον οὖσαν | καὶ μόνην Ich liebte und pflegte mein hausgeborenes Sklavenmädchen, dessen Name Peina ist, wie ein Töchterlein in der Hoffnung, dass sie mich, wenn sie volljährig ist, im Alter pflegen wird, da ich eine hilflose Frau bin und allein.

Dieser Text enthält Hinweise für das Alltagsleben über das eigentliche Anliegen des Textes hinaus, wie etwa der Musikunterricht für Sklavinnen oder die Tatsache, dass Frauen offensichtlich zum alltäglichen »Straßenbild« gehörten. Eine Vielzahl von Entwürfen zu Petitionen, die sich in den Papyri erhalten hat, weist zudem darauf hin, dass Petitionen wohl überlegt wurden und sicherlich nicht zuletzt Sache von routinierten Schreibern waren. Es ist nicht unplausibel anzunehmen, dass man als Petent, sei es als Frau oder Mann, dem Schreiber das eigene Anliegen geschildert hat und dieser es dann in die entsprechende »Gattungssprache« gefasst hat. Anders als etwa bei Alltagsbriefen privaten Charakters wird daher die Stimme von Frauen in Petitionen wohl weniger »direkt« sein, dennoch handelt es sich in der Sache natürlich um konkrete Anliegen von Frauen in der Antike.36 Aus den Petitionen lassen sich vielfältige Alltagsbegebenheiten von Frauen erschließen, unabhängig davon, in welchem Umfang jedes Detail der Schilderung den Tatsachen entsprochen hat.

35   Gleichzeitig belegen ärztliche Atteste, dass Hinweise auf physische Gewalt und Verletzungen durchaus ernst zu nehmen sind und auch tatsächlich vorgelegen haben, vgl. etwa M. Hirt in P. Oxy. LXXX (s. Anm. 1), 159, und die ärztlichen Atteste P. Oxy. LXXX 5254 (ca. 89 – 94 n. Chr.); 5255 (118 – 121 oder 166 – 168 n. Chr.); 5256 (25. September 190 n. Chr.) und 5257 (312 n. Chr.). 36  Vgl. Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 10.

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Klagegründe gibt es viele und unterschiedliche. Dazu gehören u. a. Familien­ streitereien, Einbruch, Diebstahl, Betrug (v. a. in Erbschaftsangelegenheiten), Streitereien bei Darlehen, Schwierigkeiten bei Vertragseinhaltung, Gewalt usw.37 Es muss betont werden, dass die Klagen nicht nur von Frauen berichten oder stammen, denen Unrecht getan wurde, sondern dass auch Frauen selbst angeklagt werden, die z. B. gewalttätig wurden. Nicht selten wird in den Petitionen erwähnt, dass schwangere Frauen verletzt wurden, so etwa im körperlichen Übergriff von zwei Frauen auf die schwangere Heros und ihre Schwester in P. Hamb. IV 240 (119 – 120 n. Chr.). Die schwangere Saraeus, Frau des Webers Tryphon, soll von der früheren Frau des Tryphon, Demetrous, so schwer verletzt worden sein, dass es zu einer Fehlgeburt kam, wie Tryphon in seiner Klage SB X 10239 (25. Juni – 24. Juli 37 n. Chr.) berichtet. Ein weiterer Angriff auf die Frau des Tryphon wird in seiner Petition SB X 10244 vom 7. November 50 n. Chr. erwähnt. Möglicherweise eine Vergewaltigung seiner Frau Taamois, jedenfalls aber ein Übergriff auf sie durch den betrunkenen Apollos ist der Anlass für die Petition P. Oxy. XXXVI 2758 (ca. 110 – 112 n. Chr.) eines gewissen Heraclas. Der kurze Streifzug durch unterschiedliche rechtliche Aspekte zeigt, dass Frauen in der Antike an unterschiedlichsten Stellen aktiv wie passiv mit dem Recht in Berührung gekommen sind. In der Praxis zeigt sich, dass Frauen selbst in den Fällen, in denen sie von einem Rechtsbeistand Gebrauch zu machen haben, nicht davon eingeschränkt werden, ihren Geschäften nachzugehen.38 Zahlreiche Petitionen belegen zudem den Einsatz von Frauen, sich zu ihrem Recht zu verhelfen. Doch auch dort, wo Frauen in Petitionen von (ihren) Männern erwähnt werden, lassen sich Rückschlüsse auf die Alltagsrealität von Frauen ziehen.

3. Wirtschaftliche Aspekte Wie eingangs erwähnt, ermöglichen dokumentarische Papyri blinde Flecken der eigenen »Vorannahmen« über das Leben der Frauen in der Antike zu erhellen. Im Bereich der Wirtschaft bringen Papyruszeugnisse eine echte Wissenserweiterung mit sich: »The documentary evidence of the papyri tells us far more about the economic lives of women than we can deduce from any literary evidence.«39 Frauen haben in der Antike eindeutig eine bedeutende wirtschaftliche 37

  Beispiele finden sich u. a. bei Kutzner, Untersuchungen (s. Anm. 5), 102 – 107.  Vgl. J. Rowlandson, Women and Society in Greek and Roman Egypt. A Sourcebook, Cambridge 1998, 245 – 246. 39   Rowlandson, Women (s.  Anm. 38), 218. Vgl. auch Pomeroy, Women (s.  Anm. 25), 148 – 173. 38

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Rolle gespielt, wenn auch keine dem Mann gleichgestellte. Dabei lassen sich die Tätigkeiten der Frauen in solche innerhalb des Hauses und solche außerhalb des Hauses unterteilen. Innerhalb des Hauses üben Frauen vor allem die Weberei aus und sind für die Konservierung von Lebensmitteln zuständig. Zu dem kommen Managementaufgaben wie die Beaufsichtigung von Tagelöhnerinnen und Taglöhnern, Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern sowie Haussklavinnen und Haussklaven. Außerhalb des Hauses finden sich Frauen in der Landwirtschaft und in anderen Gewerben, wie Handel, Dienstleistungen usw.40 Die Gewerbetätigkeit von Frauen ist in den Papyri schon früh belegt, so findet sich etwa im 3. Jh. v. Chr. eine Tänzerin namens Olympias, die sich einen Flötenspieler engagiert (CPR XVIII 1). Zumindest eine Tätigkeit kann ausschließlich von Frauen ausgeübt werden, nämlich die Ammentätigkeit. Eine Amme wird vertraglich hauptsächlich für zur Sklaverei vorgesehene Babies eingesetzt, d. h. für solche Kleinkinder (meist Mädchen), die von der Müllhalde aufgehoben wurden, seltener für freigeborene Kinder. Im Ammenvertrag P. Rein. II 103 (21. Mai 26 n. Chr.) bestätigt Taseus, die Tochter des Peteeus, mit ihrem Mann Petsiris von einem gewissen Paapes »vom 17. Tag des laufenden Monats Pachon ab einen weiblichen Säugling erhalten zu haben, den er [Paapes] vom Abfallhaufen mit der Bestimmung zur Sklaverei aufgehoben und dem er den Namen Thermoutharion gegeben hat; Taseus soll den Säugling aufziehen, mit ihrer eigenen Milch nähren und für ihn (als Amme) sorgen, für einen Zeitraum von zwei Jahren, gerechnet vom selbigen 17. Pachon an«41 (Z.  5 – 9). παρει[λ]ηφέναι παρ’ αὐτοῦ ἔτι ἀπὸ ἑπτακαιδεκάτης τοῦ | [ἐ]νεστῶτος [μ]ηνὸς Π[α]χὼν ὃ ἀνείρηται (l. ἀνῄρηται) ἀπὸ κοπρίας εἰς δουλείαν θηλυκὸν | [σ]ωμάτιον ˙ὧ[ι ἐ]πέθηκεν ˙ ˙ ˙θηλ[ά]σαι ˙ ὄνομ[α] Θερμουθάριον ὥστε τὴν ὁμολογοῦσαν τοῦτο | [θρέψαι] καὶ τῶι ἰδίωι αὐτῆς γάλακτι, ἔτι δὲ καὶ τιθηνῆσαι ἐπὶ χρον ἔτη | [δύο ἀπὸ] τῆς αὐτῆς ἑπτακαιδε[κ]άτης τοῦ Παχών.

Zu den üblichen Klauseln in Ammenverträgen gehört, dass die Amme während der Vertragslaufzeit weder andere Kinder stillt noch selbst welche bekommt (Verbot der Schwangerschaft), ansonsten sind Strafzahlungen vorgesehen. Im Falle des Todes des Kindes durch einen fremdverschuldeten Unfall bleibt die Amme schuldlos. Darüber hinaus muss die Amme für die Ernährung und Kleidung des Kindes aufkommen und das Kind verlässlich nach Ablauf der Vertragszeit zurückgeben. Im Gegenzug dazu bekommt die Amme eine jährliche Summe ausbezahlt, im Fall von P. Rein. II 103 handelt es sich um 60 Drachmen pro Jahr. Neben dieser speziellen Form der Ammenverträge finden sich weitere Ausbildungs- und Lehrlingsverträge, in denen Frauen eine Rolle spielen, und zwar auf beiden Seiten der Vertragsparteien: sei es, dass sie für ein Gewerbe ausgebil40

 Vgl. La’da, Stellung (s. Anm. 32), 35 – 49.   Für die Übersetzung vgl. W. Eck / J. Heinrichs, Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit, TzF 61, Darmstadt 1993, 19. 41

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det werden, sei es, dass sie selbst für ihre Kinder oder Sklavinnen und Sklaven Verträge abschließen.42 Frauen, die ausgebildet werden, sind hauptsächlich Sklavinnen für die Weberei. Mit einer derartigen Ausbildung ist im Regelfall eine »Wertsteigerung« verbunden, da ausgebildete Sklavinnen und Sklaven anschließend entweder im Haushalt des Besitzers oder der Besitzerin eingesetzt oder weiter vermietet werden können. Ein Beispiel für die Vermietung einer Sklavin findet sich in P. Wisc. I 5 (11. September 185 n. Chr.). Ein gewisser Glaukios vermietet für ein Jahr seine Sklavin Tapontos für die Arbeit im Weberhandwerk an einen gewissen Achillas. Dabei wird vereinbart, dass Achillas sowohl für Lebensmittel als auch Unterhalt aufkommen muss, während Glaukios für die Kleidung seiner Sklavin Sorge trägt. Achillas zahlt Glaukios in Teilzahlungen jeweils am Monatsende. Für Tapontos werden acht freie Tage für nicht näher bestimmte Feste festgelegt, jeden weiteren Ausfalltag muss Glaukios finanziell entschädigen. Darüber hinaus wird geregelt, dass Tapontos im Haus des Achillas bleiben muss, es sei denn, dass ihr Besitzer Glaukios sie in der Nacht zum Brotbacken holt – Z.  31 – 34: ἐὰν δὲ πάθῃ διὰ νυκτὸς χρ [ε]ί[α]ν αὐ | τῆς ὁ δεσπότης πρὸς ἀρτοποιίαν | μεταπέμψεται ˙˙ ˙ ˙ ˙˙ διὰ | τοῦτο˙ ὑπολογουμένου ˙ ˙ αὐτὴν οὐδενὸς ἀπὸ τῶν μισθῶ[ν] ˙ ˙ Bedarf der Herr ihrer aber zur Nachtzeit zum Brotbacken, so darf er sie kommen lassen, ohne dass deswegen etwas von den Lohnzahlungen abgezogen wird.

Eine derartige Bestimmung lässt durchaus Rückschlüsse auf eine enorme Arbeitsbelastung im alltäglichen Leben von Sklavinnen und der sozialen Unterschicht zu. Alltagstexte zeigen, dass Frauen nicht nur über Besitz verfügen, sondern diesen sowohl verwalten als auch Steuern dafür bezahlen. Der Besitz von Frauen wird in Papyri in verschiedenen Dokumentformen sichtbar, z. B. in Besitzdeklarationen, in Kaufverträgen und Verkäufen, in Pacht- und Mietverträgen, in Darlehensaufnahmen und Kreditvergaben sowie bei Steuerangaben und Abgabelisten. Besitz, den Frauen in Besitzdeklarationen aufweisen, umfasst Tierbestand wie Schafe, Ziegen und Kamele, aber auch Geld, Getreide, Sklavinnen und Sklaven sowie Hausbesitz (zumindest prozentuell), Landbesitz (im Durchschnitt von 2,5 ha), diverse Luxusgüter, Schmuck, aber auch ein Schiff, Mühleanlagen, Bewässerungsanlagen u. Ä.43 An Besitz kommen Frauen vorwiegend durch Erbe oder Mitgift und dieser Besitz kann in einzelnen Fällen beträchtlichen Umfang erreichen.44 Statistische Auswertungen gehen für Ägypten in römischer Zeit davon aus, dass von allen Grundbesitzerinnen und Grundbesitzern zwischen 42   Ein Beispiel für einen Weberlehrvertrag, in dem eine Frau, eine gewisse Segathis, ihre Sklavin Taorsenouphis zur Ausbildung schickt, ist Stud. Pal. XXII 40 (20. Oktober 150 n. Chr.). 43  Vgl. Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 70 f. 44  Vgl. Kreuzsaler, Rechtsalltag (s. Anm. 31), 3.

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einem Fünftel und einem Drittel Frauen waren. Insgesamt befinden sich lediglich ca. 16 – 25 % der Landfläche in ihren Händen.45 Über ihren Besitz können Frauen frei verfügen, auch testamentarisch. Selbst wenn diese Art der Besitzungen einer gewissen Oberschicht vorbehalten ist, gilt doch, dass zumindest diese Frauen eine beträchtliche Eigenständigkeit hatten. Ein Beispiel für die eigene Verwaltung und eine Frau als Arbeitgeberin lässt sich mit P. Oxy. VI 932 (spät. 2. Jh. n. Chr.) anführen. Darin schreibt Thais an ihren Verwalter: Thais an ihren eigenen Tigrius, Gruß. Ich habe an Apolinarius geschrieben, dass er nach Petne kommen soll zum Ausmessen. Apolinarius wird dir aber sagen, wie die Guthaben und Steuern (stehen). Der Name (wird sein), welchen auch immer er selbst dir sagt. Wenn du kommst, nimm sechs Artaben Gemüsesamen und versiegle sie in die Säcke, damit sie bereit sind, und wenn du kannst, komm herauf, um (Näheres über) den Esel zu erfahren. Es grüßt dich Sarapodora und Sabinos. Die Schweinchen verkaufe nicht ohne mich! Leb wohl! Θαῒς Τιγρίῳ τῶι ἰδίῳ χαίρειν. | ἔγραψα Ἀπολιναρίῳ ἵνα γένηται ἐν τῇ | Πέτνη ἵνα μ[ε] τρήσηι. ἐρῖ (l. ἐρεῖ) σοι δὲ Ἀπολινάριος  | πῶς τὰ θέματα καὶ τὰ δημόσια· τὸ ὄνο | μα ὃ ἂν αὐτός σοι εἴπῃ. ἂν ἔρχῃ ἄφες ἀρ | τάβας ἓξ ἰς (l. εἰς) τοὺς σάκκους σφραγίσας λαχα | νοσπέρμου ἵνα πρόχιροι (l. πρόχειροι) ὦσι, καὶ ἐὰν | δύνῃ ἀναβῆναι ἵνα ἐπιγνοῖς τὸν ὄνον. | ἀσπάζεταί σε Σαραποδώρα κ(αὶ) Σαβῖνος. τὰ | χοιρίδια χωρὶς μοῦ μὴ πώλι (l. πώλει). | ἔρρωσο.

Frauen, so lassen dokumentarische Texte deutlich erkennen, stellen einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar, und zwar entlang des gesamten Spektrums an Möglichkeiten von Arbeitnehmerin (freiwillig oder auferlegt) und Arbeitgeberin.

4.  Religiöse Aspekte Die Frage nach Frauen und ihrem religiösen Alltagsleben lässt sich vor dem Hintergrund dokumentarischer Papyri – wie auch bei den anderen Aspekten dieser Untersuchung der Fall – nicht systematisch beantworten.46 Weder gibt es systematische Abhandlungen noch lassen sich religiöse Alltagssituationen ohne Weiteres aus den Texten erschließen. Vielfach ist ein umfassendes Vorwissen nötig, um Andeutungen, Berufsbezeichnungen und erwähnte Praktiken richtig einordnen zu können. Wer bewusst nach Frauen und religiösen Aspekten sucht, wird zunächst in den Frauennamen selbst fündig. So sind etwa 63 % aller auf Papyri belegten Frauennamen in römischer Zeit theophore Namen, wie z. B. Taosiris (»die 45

  La’da, Stellung (s. Anm. 32), 46.   H. Harrauer, Die Frau in Religion und Magie, in: Froschauer / Harrauer, Emanzipation am Nil (s. Anm. 9), 51 – 58. 46

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[Frau] von Osiris«) oder Isidora (»Geschenk der Isis«). Doch wird man sich zu Recht fragen dürfen, inwiefern die Namensgebung auch tatsächlich religiöse Praxis zum Ausdruck bringt.47 Obwohl es natürlich einschlägige Texte aus dem religiösen Kontext gibt, wie etwa Listen von Opfergaben im Tempel, z. B. P. Oxy. XII 1449 (213 – 217 n. Chr.) mit der Erwähnung von gestifteten Statuetten, Armreifen (Kinder), Kinderring und Lampen, oder Orakeltexte und Traumdeutungen, die genrebedingt zumeist auf Demotisch verfasst sind, lässt sich daraus wohl selten Eindeutiges über das Alltagsleben von Frauen erschließen. Wenn z. B. eine gewisse Nike in P. Oxy. VIII 1149 (2. Jh. n. Chr.) das Orakel befragt, ob sie von einer gewissen Tasarapion einen Sklaven kaufen soll oder nicht, lässt sich daraus noch nicht per se auf eine Alltagsfrömmigkeit schließen, es könnte sich schließlich auch um eine gängige, ortsübliche Praxis handeln. Die Orakelanfrage ist in P. Oxy. VIII 1149 (2. Jh. n. Chr.) erhalten und lautet folgendermaßen: Διὶ Ἡλίωι μεγάλωι | Σεράπ[ι]δι καὶ τοῖς | συννάοις. ἐρωτᾷ | Νίκη εἰ σ[υ]μφέρει | μοι ἀ[γο] ράσει παρὰ | Τασαρ[α]πίωνος ὃν | ἔχει δοῦλον Σαραπί | ωνα τ[ὸ]ν κα[ὶ Γ]αίωνα. | [τοῦτό ˙ ˙ ˙ μ]οι δός ˙˙ An Zeus Helios, den großen Serapis, und die im gleichen Tempel verehrten Götter. Nike fragt: Wenn es mir nützt von Tasarapion den Sklaven, den sie hat, Sarapion, der auch Gaion (heißt), zu kaufen, gib mir diesen (Zettel zur Antwort).48

Im Folgenden soll der Schwerpunkt auf Hinweisen in Briefen privaten Charakters liegen, um dem religiösen Alltag von Frauen nachzuspüren. Dazu ist eine methodische Vorbemerkung nötig. Selbstverständlich gehört es zum Briefanfang, einen Gesundheitswunsch zu äußern und dies eventuell mit einem Erinnerungsmotiv (Gebetsbericht) zu verbinden. Was jedoch an standardisierten Formulierungen für die tatsächlich gelebte Frömmigkeit gelernt werden kann, darf als gering eingeschätzt werden. Dies gilt auch für erweiterte Formeln, wie dem Wunsch, dass Adressat oder Adressatin vom »bösen Blick« verschont bleiben möge. Dies ist z. B. in P. Würzb. 21 (2. Jh. n. Chr.) der Fall. Eine gewisse Antonia schreibt an ihren Vater – Z. 3 – 7: πρὸ μὲν πάντων | εὔχομαί σε ὑγιένιν (l. ὑγιαίνειν) καὶ εὐ | τυχῖν (l. εὐτυχεῖν) μετὰ τῶν ἀβασκά | ντων μου ἀδελφῶν καὶ | τῶν ἡμῶν πάντων Vor allem bete ich, dass du gesund und glücklich bist zusammen mit meinen Brüdern, unversehrt vom bösen Blick, und all den Unsrigen. 47  Vgl. Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 84 f. Wenn auch außerhalb des Untersuchungsumfeldes dieses Beitrags, so sind doch die Überlegungen zur Namensgebung von christlichen Frauen und dem langsamen Übergang von paganen zu christlichen Namen erwähnenswert, die sich bei L. H. Blumell, Lettered Christians. Christians, Letters, and Late Antique Oxyrhynchus, NTTSD 39, Leiden / Boston 2012, 269 – 274, finden. 48   Zur Formulierung von Orakelanfragen vgl. L. Papini, Struttura e prassi delle domande oracolari in greco su papiro, Analecta Papyrologica 2 (1990), 11 – 20.

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Auch der Hinweis, dass man täglich vor der Gottheit (Sarapis, Isis, Zeus und diverse lokale Gottheiten) das Gebet im Gedenken für den Adressaten bzw. die Adressatin verrichte, kann noch nicht als ein Tatbestand gelesen werden. Ganz von der Hand zu weisen ist eine Verehrung jedoch ebenso wenig. Formeln und Floskeln dienen insbesondere als Platzhalter, die in festgesetzter Weise dennoch die Nähe zwischen Adressat bzw. Adressatin und Empfänger bzw. Empfängerin zum Ausdruck bringen. Auch andere, kurz eingestreute »religiöse« Bemerkungen in Briefen werden wohl nur mit Vorsicht als Auskunft über tatsächliche Frömmigkeit gelesen werden können. So findet sich etwa die in den Papyri häufig auftretende Aufforderung zu einem Besuch in P. Mich. VIII 464 (16. März 99 n. Chr.) mit dem Gedanken »so die Götter wollen« verknüpft. Apollonous schreibt an ihren Bruder Terentianus in den Zeilen 21 f.: καὶ θεῶν θελόντων ἐὰν δυνησ | θῇ (l. δυνηθῇ) παραβαλῖν (l. παραβαλεῖν) πρὸς ἡμᾶς (»und so die Götter wollen, wenn du kannst, komm49 zu uns«). Aufgrund des Kontextes eher wie eine Kritik liest sich die Aufforderung, Gott um sein Erbarmen zu bitten, in SB XVI 12326 (spätes 3. Jh. n. Chr.). Hier zeigt sich die Verfasserin Heliodora ihrer Mutter Isidora gegenüber unmutig, da diese ihr bis jetzt nicht geschrieben habe, insbesondere, da sie viel unter ihrer Tochter zu leiden habe, die sich offensichtlich mit ihrem Vermieter und dessen Nachbarn angelegt hat. Darüber hinaus erwähnt Heliodora, dass ihre Tochter ihr Goldschmuck und Ohrringe entwendet habe. Schließlich ersucht sie die Mutter – Z. 11 f.: παρ [ακ]άλεσον [ὑπὲρ ἐμοῦ τὸ]ν ˙ ˙ ˙ θεὸν ἵνα | με ἐλεήσῃ (»bitte den Gott für mich, damit er sich meiner erbarmt!«). ˙ ˙˙ ˙ In P. Oxy. XXXVI 2782 (nach 217 n. Chr.) schreibt ein Priester an Nesmeimis, die als Kalathephoros (»Trägerin eines Korbes«) bezeichnet wird: [Μ]άρκος Αὐρήλιος Ἀπολλώνιος Markus Aurelius Apollonios, [ἱ]εροφάντης καλατηφόρῳ (l. καλαθηφόρῳ) Hierophantes, an die Kalathephoros ˙ μείμεως ˙ ˙ χαίρειν. [Νε]σ von Nesmeimis, Gruß. ˙ [κ]αλῶς ποιήσεις ἀπελθοῦσα Du wirst gut daran tun nach Sinkepha  5 [ε]ἰς Σινκέφα εἰς τὸ τῆς Δή- zu gehen in den Tempel der ˙ [μ]ητρος ἱερὸν καὶ ἐπιτε- Demeter und die gewohnten [λο]υμέν[η τὰ]ς συνή[θε]ις Opfer zu verrichten ˙ ˙ ˙ ˙ ὑπ[ὲ]ρ˙ τῶν ˙ ˙ ˙ ˙[κυρί]ω ˙˙ ν [θ]υσίας für unsere Herren ˙ ˙ [ἡ]μῶν αὐτοκρατόρ[ω]ν καὶ Imperatoren und 10 [ν]ί˙κης αὐτῶν καὶ Νείλου ihren Sieg und für das Anschwellen ˙ β[ά]σεως καὶ καρπῶν αὐ- ἀ[ν]α des Nils und für das Wachstum der ˙ ˙ καὶ ἀέρων εὐκρασίας. ˙˙ ξ˙ήσεως Früchte und günstige Wetter˙˙ ˙ bedingungen. ἐ[ρ]ρῶσθ(αι) εὔχομ(αι) Ich wünsche, dass es dir gut geht.

49   Zur imperativen Verwendung des Infinitivs siehe den Kommentar von H. Youtie / J. G. Winter in P. Mich. VIII (s. Anm. 1), 5, Anmerkung zu Zeile 22, sowie 159, Anmerkung zu Zeile 6.

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Die Hinweise, die dieser Text enthält, sind aufschlussreich, aber dennoch nicht eindeutig verständlich. Die Orte, die im Brief erwähnt werden, befinden sich alle im Oxyrhynchites. Hierophantes ist der Titel des Priesters. Der Kalathos, den die Priesterin in ihrem Beinamen trägt, ist ein Blumenkorb der Persephone, der im Kult der Demeter eine Rolle spielt. Die Bitte um den Anstieg des Nils ist ortsüblich, die Bitte um gutes Gedeihen der Ernte und günstiges Wetter hingegen universal. Die erwähnten Opfer werden für die römischen Kaiser und ihre Siege dargebracht, was ein eindeutig römisches Element darstellt. Da Kaiser im Plural erwähnt werden, lässt sich rätseln, ob damit tatsächlich eine Doppelregentschaft gemeint ist, wie etwa unter Marcus und Verus (161 – 169 n. Chr.) oder Marcus und Commodus (176 – 180 n. Chr.), oder ob nicht viel mehr eine umfassende Bezeichnung für alle »Herrscher einst und jetzt« gemeint ist. Der Text gibt nicht zuletzt Rätsel auf, weil der hier erwähnte Hierophant noch einmal in P. Oxy. LVIII 3920 (nach 214 n. Chr.?) vorkommt. Doch lässt sich über den Titel »Hierophant« wenig sagen, geschweige denn über seinen Aufgabenbereich.50 Insgesamt lässt dieser Text für moderne Leserinnen und Leser trotz der zahlreichen religiösen Hinweise wenig über das religiöse Alltagsleben der Priesterin erkennen, denn weder erfahren wir, was eine Kalathephoros tatsächlich ist, noch, was ein Hierophantes tut. Ebenso wenig wird klar, ob die Priesterin von Nesmeimis nach Sinkepha gehen soll, weil dort ein Fest ist, oder ob sie hingehen soll als Aushilfe.51 Ein letztes Beispiel für Frauen und ihre Frömmigkeit sind Texte aus dem Familienarchiv rund um den Strategen Apollonios aus der Zeit der Jüdischen Revolte in Ägypten zu Beginn des 2. Jh.s n. Chr. Als Stratege gehört Apollonios selbstverständlich zur sozialen Oberschicht des Landes. Archive – wie diese Sammlung von Briefen rund um Apollonios und seine Familie – sind für papyrologische Auswertungen besonders interessant, da sich in ihnen nicht nur völlig unzusammenhängende Momentaufnahmen finden, sondern sich gewisse familiäre Themen oder Entwicklungen über einen bestimmten Zeitraum verfolgen und beobachten lassen. In P. Giss.  I 17 (113 – 120 n. Chr.) schreibt eine gewisse Teeus  (?), möglicherweise eine Sklavin oder eine Freigelassene der Familie, an Apollonios, wie sehr sie sich um ihn sorgte, als sie von seiner Krankheit hörte – Z. 3 – 11 (mit P. Giss. Apoll. 13): πρὸ τῶν ὅλων ἀσπάζομαί σε, δέσποτα, | καὶ εὔχομαι πάντοτε περὶ τῆς ὑγιείας σου. | ˙ ˙ ˙ θεοῖς πᾶσι | ἠγωνίασα, κύριε, οὐ μετρίως, ἵνα ἀκούσω | ὅτι ἐνώθρευσας, ἀλλὰ χάρις τοῖς ὅτι σε διαφυλάσσουσι ἀπρόσκοπον. πα | ρακαλῶ σε, κύριε, ἐάν σοι δόξῃ, καὶ˙ πέμ | ψαι ἐφ’ ˙˙ ˙ 50  Vgl. J. R. Rea in P. Oxy. LVIII (siehe Anm. 1), 16 f., wo P. Oxy. XXXVI 2782 bei den Anmerkungen zu den Zeilen 16 f. besprochen wird. Vgl. weiters N. Lewis, Life in Egypt under Roman Rule, Classics in Papyrology 1, Atlanta 1999, 84 – 86. 51  Siehe J. R. Rea in P. Oxy. XXXVI (s. Anm. 1), 79.

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ἡμᾶς, ε[ἰ] δὲ μή, ἀποθνήσκομεν | ὅτι οὐ βλέπομέν σε καθ’ ἡμέραν. ὤφελον | εἰ ἐδυνάμεθα ˙ σ˙ε πετᾶσθαι καὶ ἐλθεῖν καὶ προσ | κυνῆσαί σε· ἀγωνιῶμεν γὰρ μὲ (l. μὴ) [βλ]έπου | [σ]αί ˙˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙˙ Vor allem grüße ich dich, Gebieter, und bete allezeit für deine Gesundheit. Ich sorgte mich nicht wenig, Herr, zu hören, dass du krank wurdest. Aber allen Göttern sei Dank, dass sie dich unversehrt bewahren. Ich bitte dich, Herr, wenn es dir recht scheint, schick uns auch einen Brief, wenn aber nicht, sterben wir, weil wir dich nicht täglich sehen. Wenn wir doch fliegen und kommen und dich grüßen könnten. Denn wir sorgen uns, dich nicht zu sehen.

Hier wird man fragen dürfen, inwiefern der »Dank an die Götter« der Verfasserin angesichts der Gesundung ihres (früheren?) Herrn als tatsächlicher Ausdruck der Frömmigkeit gewertet werden kann und damit über die Formulierungskonvention hinausgeht. In einem weiteren Brief aus dem Archiv, P. Giss.  I 22 (113 – 120 n. Chr.), schreibt Eudaimonis, die Mutter des Apollonios, an ihren Sohn – Z. 3 – 10 (mit P. Giss. Apoll. 2): [πρὸ π]άν[τ]ων εὔχομ[α]ί σε | [τὸν ἀγ]αθ[ὸν] ἀσπ[άσ]ασθαι [καὶ] τὴν | [γλυκυ]τάτην ˙ προσκυ | [νῆσαι] ˙ ˙ ˙ |˙ ˙[ἤδη]˙τῆς εὐσεβείας μου ἀ | [πολ]αμσου ὄψιν νῦν ὄντως ἀμοιβ[ὴ]ν ˙βανούσ \ ης / σε ἀπρόσ | [κοπ]ο ˙ ν ˙καὶ ˙ ἱλαρώτατον.˙ταῦ | [τά μ]οι ἡ πᾶσα εὐχή ἐστι | [καὶ˙ μ] ˙ ˙ κε[ι] έριμνα. ταῦτα καὶ θεοῖς | [ἀρέ]σ ˙ Vor allem wünsche ich, dich, den Guten, zu grüßen und dein süßestes Angesicht zu küssen, da ich dich nun wirklich als Belohnung für meine Frömmigkeit endlich gut behütet und fröhlich empfangen werde. Dies ist mein ganzer Wunsch und meine Sorge. Das gefällt auch den Göttern.

Die Abwesenheiten des Strategen (und seine Rückkehr wohl von Memphis) hängen möglicherweise mit der jüdischen Revolte am Ende der Regierungszeit Trajans und zu Beginn der Regierungszeit Hadrians zusammen.52 Dabei stellt die Mutter die Aussicht auf ein gutes Wiedersehen mit ihrem Sohn in ein kausales Verhältnis mit ihrer Frömmigkeit. In einem weiteren Brief schreibt Eudaimonis an ihren Sohn am 30. Juni 115  (?) n. Chr., als er noch immer in den Auseinandersetzungen mit jüdischer Bevölkerung verwickelt ist – P. Giss. I 24,1 – 4 (mit P. Giss. Apoll. 7 und BL XII 77): [τ]ῶν θεῶν | [οὖ]ν θελόντων καὶ μάλιστα | τοῦ ἀνικήτου Ἑρμοῦ οὐ ˙ ˙ ˙˙ ˙ ˙ μή | σε ἡττήσωσι{σι} (»wenn also die Götter und insbesondere der unbesiegbare ˙ Hermes gewogen sind, mögen sie [= die Juden] dich nicht besiegen«53). Dieselbe Eudaimonis schreibt in P. Brem. 63 (16. Juli 116 n. Chr.) an ihre Tochter und Frau des Apollonios, die schwanger ist – Z. 3 – 6: εὔχομαί σε πρὸ πάντων εὐ | καίρως ἀποθέσθαι τὸ βάρος | καὶ λαβεῖν φάσιν ἐπὶ ἄρρε | ν[ο]ς (»ich 52  Vgl. Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s.  Anm. 4), 155 f. Vgl. E. Kornemann in P. Giss. I (s. Anm. 1), 71. 53   Hinweise auf Grausamkeiten auf beiden Seiten in der jüdischen Revolte finden sich bei Eusebius, HE 4.2.3 f. erwähnt, jüdische Grausamkeiten erwähnt v. a. Cassius Dio 68.32.

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Christina M. Kreinecker

wünsche vor allem, dass du zu guter Zeit niederkommst und dass ich die Botschaft bekomme, dass es ein Junge ist«). Einige Zeilen später äußert sie sich über ihre Enkelin, Heraïdus, die offensichtlich unterrichtet wird (Unterricht von Mädchen war also, zumindest in der Oberschicht, durchaus üblich), wenn sie schreibt – Z. 24 – 28 mit BL V 19: ἀσπάζεταί σε ἡ μεικρὰ (l. μικρὰ) καὶ προσ | καρτεῖ (l. προσκαρτεῖ) τοῖς μαθήμασι. ἴσθι δὲ | ὅτι οὐ μέλλω θεῶι σχολάζειν, | εἰ μὴ πρότερον ἀπαρτίσω τὸν | υἱόν μου Es grüßt dich die Kleine und sie ist ausdauernd bei ihren Schularbeiten. Wisse aber, dass ich mich um Gott nicht kümmern will, wenn ich nicht vorher meinen Sohn durchbringe.

Dahinter steckt offensichtlich »die Vorstellung, dass die Gottheit, wenn sie nach richtigem Ritus gebeten wird, auch verpflichtet ist, das Gebet zu erhören, so dass der Gläubige, wenn die Gottheit sich ihm versagt, sich berechtigt fühlt, sich zu revanchieren«54. So gesehen liegt auch hier der Verstehensspielraum zwischen gelebter Alltagsfrömmigkeit und kulturell bedingter Ausdrucksweise. Darüber hinaus lassen sich natürlich andere Hinweise über das Leben von Frauen in der Antike aus diesem Text ableiten: zum einen wird deutlich, dass Unterricht für Mädchen zumindest in der Oberschicht praktiziert wurde. Zum anderen ist der Brief von Eudaimonis mit dem Schlussgruß versehen und zeigt, dass sie schrei­ ben konnte. Auch wenn es sich »nur« um einen Schlussgruß handelt,55 so ist hier doch eine ganz direkte Stimme aus der Antike bewahrt und erhalten.

Ein abschließender Blick Die selektiven Untersuchungen zum Alltagsleben von Frauen anhand dokumentarischer Papyri haben gezeigt, dass das Leben von Frauen zunächst vom Familienalltag dominiert ist. Dabei finden sich sowohl »banale« Ereignisse wie die alltäglichen Sorgen und Freuden mit Kindern, Ehepartnern, der Familie und Freundinnen bzw. Freunden als auch »Höhepunkte« wie Hochzeiten, Todesfälle und andere Schicksalsschläge in Papyri bezeugt. Dennoch bleibt ein methodisches Caveat zu beachten: dokumentarische Papyri liefern »Schnapp54   L. Mitteis / U. Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, Bd. 1: Historischer Teil, 1. Hälfte: Grundzüge, von Ulrich Wilcken, Leipzig 1912 (Nachdr. Hildesheim 1963), 124 f. Weiters heißt es: »Porphyrius [Epist. ad Aneb. 29] wundert sich darüber, dass die Ägypter in ihren Gebeten den Göttern bisweilen drohen, und Plutarch, de Iside et Osir. 73 erzählt, dass die Priester in gewissen Fällen Drohungen gegen die heiligen Tiere ausstoßen, eventuell sie töten.« Vgl. A. Fuks in C. Pap. Jud. II (s. Anm. 1), 246: »The angry exclamation of Eudaimonis that she will pay no attention to the god unless she has her son perfectly well back is characteristic both of her dealings with the gods and of some religious tendencies of the age.« 55   Zur Unmöglichkeit, »männliche« und »weibliche« Schreibstile zu unterscheiden, vgl. Bagnall / Cribiore, Women’s Letters (s. Anm. 4), 6 – 8 und 48.

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schüsse« antiker Wirklichkeit. Gerade Briefe privaten Charakters weisen einen hohen Anteil an Begebenheiten auf, die den modernen Lesenden unbekannt sind und bleiben. Der Versuch, ein Gesamtbild zu erschließen, muss sich seiner Lückenhaftigkeit bewusst bleiben. Im Bereich der Rechtspraxis hat sich gezeigt, dass Frauen teilweise völlig frei, im Großen und Ganzen aber sehr frei und eigenständig rechtliche Geschäfte unterschiedlichster Art abwickeln konnten und dies auch taten. Im wirtschaftlichen Bereich belegen dokumentarische Texte wesentlich stärker als literarische Zeugnisse, dass Frauen je nach sozialer Schicht entweder völlig frei agieren, was z. B. Besitz, Verwaltung, Verpachtung und diverse gewerbliche Tätigkeiten betrifft, oder eingesetzt werden, z. B. in der Landwirtschaft oder für gewerbliche Tätigkeiten wie Weberei usw. Im religiösen Bereich lassen sich für Frauen – wie auch für Männer – religiöse Alltagshandlungen belegen, die als orts- und kulturüblich betrachtet werden können, wie z. B. die Befragung von Orakeln. Der Bereich der Alltagsfrömmigkeit von Frauen wird jedoch nicht systematisch thematisiert. In Summe vermitteln die hier dargestellten Texte den Eindruck, dass Frauen in ihren Möglichkeiten weniger durch ihr Geschlecht, als vielmehr durch ihre soziale Stellung bestimmt waren. Die Texte haben auch gezeigt, dass der Unterschied zwischen – oft literarisch erhaltener – Theorie und der Alltagspraxis gravierendes Ausmaß aufweisen kann. Dokumentarische Papyri, die durch Zufall und als Abfallprodukte aus der Antike erhalten geblieben sind, zeigen ein vielfältiges Alltagsleben von Frauen und einen hohen Grad an aktiver Beteiligung von Frauen in Rechtsgeschäften und der Wirtschaft. Vor allem aber sind Papyri für die Frage nach dem antiken Alltagsleben von Frauen deshalb von unschätzbarem Wert, weil sich in ihnen direkte Stimmen von Frauen erhalten haben.

Schriftkundige und Weltenbummler? Witwen, Schrifthermeneutik und die »Alltagswelt« der dokumentarischen Papyri Michael Sommer 1. Der Forschungshorizont Auch wenn die Rolle von Witwen in frühchristlichen Texten sehr häufig untersucht worden ist, ist die Auslegung von einer schwerpunkthaften Quellenauswahl geprägt gewesen. Dazu tritt eine sehr einseitige Fragestellung, die vielen Ansätzen gemeinsam ist. Schon deshalb ist es angebracht, die Forschung zu »biblischen« Witwen zu rekapitulieren und die Breite der frühchristlichen Quellen, die von Witwen sprechen, erneut Revue passieren zu lassen. Die bisherige Auslegungsgeschichte zu »biblischen« Witwen spaltet sich im Grunde genommen in drei Linien auf. Ohne Zweifel lassen sich ganz unterschiedliche Ansätze zu einer großen Übergruppe einer sozialgeschichtlich orientierten Forschung zusammenfassen. Diese beinhaltet klassisch-historische Untersuchungen genauso wie rechtsgeschichtliche Überlegungen sowie spezielle Arbeiten zur neutestamentlichen Zeitgeschichte.1 Davon grenzt sich eine

1   M. Tsuji, Zwischen Ideal und Realität. Zu den Witwen in 1 Tim 5.3 – 16, NTS 47 (2001), 92 – 104; W. Schottroff, Die Armut der Witwen, in M. Crüsemann / W. Schottroff, Schuld und Schulden. Biblische Traditionen in gegenwärtigen Konflikten, KT 121, München 1992, 54 – 89; W. Schottroff, Die Armut der Witwen, in: F. Crüsemann / R. Kessler (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Beiträge zur biblischen Sozialgeschichte, ThB 94, Gütersloh 1999, 134 – 164; J.‑U. Krause, Die gesellschaftliche Stellung von Witwen im Römischen Reich, Saec 45 (1994), 71 – 104; D. Horell, Disciplining performance and ›placing‹ the church: Widows, elders and slaves in the household of God (1 Tim 5,1 – 6,2), in: K.‑P. Donfried (Hg.), 1 Timothy reconsidered, COP 18, Leuven 2008, 109 – 134; B. Heininger, Die fromme Witwe. Hanna und das lukanische Frauenideal (Lk 2,36 – 38), in: T. Franz / H. Sauer (Hg.), Glaube in der Welt von heute. Theologie und Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 2: Diskursfelder, Würzburg 2006, 139 – 168; auch publiziert in B. Heininger, Die Inkulturation des Christentums. Aufsätze und Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, WUNT I / 255, Tübingen 2010, 311 – 337; C. Urban, Der Mensch in seinen sozialen Bezügen. Alltag in Haus und Familie. Hochzeit, Ehe und Witwenschaft, in: K. Scherberich u. a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 2: Familie – Gesellschaft – Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 255 – 272; C. Methuen, The »Virgin Widow«: A problematic social role for the early church, HThR (1990), 285 – 298.

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sicherlich nahe Verwandte ab, die Texte über Witwen gender-orientiert betrachtet hat. Gedanken über spiritualitätsgeschichtliche Entwicklungslinien innerhalb des frühen Christentums treten dort neben nicht unproblematische Christologien der frühen feministischen Exegese.2 Ausleger dieses Paradigmas versuchten, antike Geschlechterrollen neu zu definieren und fragten dabei gezielt nach Emanzipations- und Beteiligungsmöglichkeiten von Frauen innerhalb antiker Welten.3 Beide Linien vereinen sich in einer dritten Sektion, die sicherlich nicht aufgrund ihrer wissenschaftlichen Qualität, sondern vielmehr wegen ihrer Quantität genannt werden muss. Eine nicht unerhebliche Zahl von popularwissenschaftlichen Untersuchungen, religiöser Erbauungsliteratur und Predigthandreichungen beschäftigt sich ebenso mit Witwen-Texten. Sicherlich liegt dies unter anderem daran, dass Witwen als Motiv verwendet auch in den kulturellen Gedächtnissen der Gegenwart als trostbedürftig gelten und Mitleid bei Rezipienten auszulösen vermögen – passgenau für pathetische Predigtansätze.4 2   J. Kügler, Junge »Witwen« als Bräute Christi (1 Tim 5,11 f.). Der Gender-Impuls der Jesus Tradition und seine Umsetzung in paulinischen Gemeinden vor dem religionsgeschichtlichen Hintergrund religiös motivierter Ehelosigkeit von Frauen, in: U. Busser / M. Reichardt / M. Theobald (Hg.), Erinnerung an Jesus. Kontinuität und Diskontinuität in der neutestamentlichen Überlieferung. Festschrift für Rudolf Hoppe zum 65. Geburtstag, BBB 166, Göttingen 2011, 483 – 497; R. G. Branch, Biblical widows. Groveling grannies or teaching tools?, BArR 39 (2013), 28; M. Bjelland Kartzow, Female gossipers and their reputation in the pastoral epistles, Neotext 39 (2005), 255 – 272; J. M. Basser, Limits and differentiation: The calculus of widows in 1 Timothy 5.3 – 16, in: A.‑J. Levine (Hg.), A feminist companion to the Deutero-Pauline Epistles, London / New York 2003, 122 – 146. 3   Z. B. A. Standhartinger, Verlorene Frauenämter. Witwen im frühen Christentum, BiKi 65 (2010), 218 – 222; S. Wetzlaugk, »Schaffe mir Recht . . .!« – eine Witwe kämpft um ihr Recht. Lukas 18, 1 – 8, JK 62 (2001), 55 – 58. 4   Vgl. hierfür C. G. Müller, Das Gleichnis vom Richter und der Witwe. 29. Sonntag im Jahreskreis (C): Lk 18,1 – 18, in: C. G. Müller (Hg.), Lukas als Erzähler und Charakter-Zeichner. Gesammelte Studien zum lukanischen Doppelwerk, HBS 69, Stuttgart 2012, 281 – 291; R. Deines, Eine gewaltbereite Witwe und was man dennoch von ihr lernen kann. Eine Bibelarbeit zu Lukas  18,1 – 8, ThBeitr 45 (2014), 74 – 84; G. Häfner, Die Schrift. Pastoralbriefe. Witwen in der Seelsorge, Christ in der Gegenwart 60 (2008), 235; B. Eltrop, Selbstbewusst und bedrohlich. Bibelarbeit zu den starken Witwen in der frühen Kirche (1 Tim 5,3 – 16), in: B. Eltrop (Hg.), Frauenstärke, FrauenBibelArbeit 7, Düsseldorf 2001, 68 – 72; B. Wehn, Begegnungen mit dem Tod. Bibelarbeit zur (Über‑)Lebensgeschichten von Witwen, in: B. Eltrop (Hg.), Frauenleben, FrauenBibelArbeit 2, Düsseldorf 1999, 51 – 56; E. Butzer, Die Witwen der Pastoralbriefe, TeKo 21 (1998), 25 – 52; M. Korenhof, 1. Timotheus 5,3 – 15: Witwen. Betschwester, Klatschbase, Ketzerin, in: E. R. Schmidt (Hg.), Feministisch gelesen. Bd. 2. Ausgewählte Bibeltexte für Gruppen u. Gemeinden, Gebet für den Gottesdienst 2, Stuttgart 1989, 238 – 250; S. Bieberstein, Alles Leben ist Beziehung. Frauen in der Apg: Tabita und die Witwen von Joppe (Apg 9,36 – 43), in: Katholisches Bibelwerk e. V., Entdecken: Apostelgeschichte. Lese- und Arbeitsbuch zur Bibel, Stuttgart 2004, 90 – 99; E. Reuter, Besser arm und fromm als reich und böse. Elija und die Witwe von Sarepta (1 Kön 17), BiKi 66 (2011), 202 – 207. A. Wuckelt, Die Witwe von Sarepta. 1 Könige 17, in: M. Keuchen u. a. (Hg.), Die besten Nebenrollen. 50 Porträts biblischer Randfiguren, Leipzig 2006, 139 – 141.

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Gemeinsam ist ihnen allen eine bestimmte Perspektive auf Witwen und auf die Text, die von Witwen erzählen. Zudem besitzen sie allesamt, angefangen von den differenzierten und hochreflektierten Arbeiten bis hin zu den etwas einfacher kommunizierten Gedanken, ein ganz spezifisches Verständnis von Geschichte. Lektürewinkel und Geschichtsbilder geben sich dabei sogar die Hand und lassen sich als kleinster gemeinsamer Nenner der Forschungsgeschichte fixieren. Um auf den Punkt zu kommen: Arbeiten haben oft und vorschnell Quellentexte über Witwen als einen (fast) ungebrochenen Spiegel der Realgeschichte gelesen, ohne Gespür für narratives Labeling, die Funktion von Erzählkategorien, die Pragmatik von Bildern und ihre Fähigkeit, Vorkenntnisse und Prägungen hinterfragbar zu machen5. Auch fanden die natürlichen Grenzen der Quellenlage, besonders in Hinsicht auf die Texte des frühen Christentums, kaum Berücksichtigung. Das deutliche Signal, dass frühchristliche Texte größtenteils nur äußerst kurze, sehr ähnlich klingende sprachliche Bemerkungen über Witwen enthalten, übersahen die meist nur auf eine Handvoll von Texten beschränkten Arbeiten. Gerade die Sozialgeschichte hat nichtsdestotrotz aus Witwen-Texten häufig eine Summe von Einzelindividuen herausgelesen, um einen Randbereich der antiken Gesellschaftsstrukturen zu beschreiben. Undifferenziert, ob nun in Rom, Alexandrien, Palästina, Syrien oder Kleinasien, konstruierten diese Fragestellungen eine historische Kulisse, in denen Witwen eine Randgruppe der sozialen Unterschicht waren und von daher besonders schutzbedürftig gewesen sind. Ich nenne diese Art des Geschichtsdenkens Witwen-zentrierte Forschung, da sie meist einzig und allein Witwen fokussierten und deren kulturelle Stellung beschreiben wollten. Im Konkreten steckt diese Form der Lektüre hinter nahezu allen bisherigen Arbeiten: – Spiritualitätsgeschichtlich6 betrachtet hätten sich besonders arme Frauen durch ihre Rolle als Witwen aktiv in die Gesellschaft einbringen und innerhalb eines Machtdiskurses Verantwortung übernehmen können. Zumal Witwen eine besonders intensive Gottesbeziehung zugeschrieben wurde, hätten sie die Möglichkeit gehabt, aus den sozialen Randbereichen auszubrechen.7 Diese frömmigkeitsgeschichtlichen Ansätze 5   Denkt man als Neutestamentler an Witwen, kommen sofort die Pastoralbriefe in den Sinn. 1 Tim 5, vielleicht auch noch 1 Kor 7 und Apg 6 sind hierfür sicherlich Loci Classici. Dagegen sind Texte, die nur beiläufig und in Form von Halbsätzen oder kurzen Phrasen von Witwen sprechen, nur randständig untersucht worden. Zu Witwen in den Pastoralbriefen vgl. ausführlicher M. Sommer, Witwen in 1 Tim 5. Eine subkulturelle Annäherung aus der Perspektive der Schriften Israels und ihrer Auswirkungen auf das frühe Christentum, M. Sommer, ASE 32 (2015), 287 – 307. Zu Witwen in 1 Kor vgl. H. Külling, Ehe- und Ehelosigkeit bei Paulus. Eine Auslegung zu 1. Korinther 6,12 – 7,40, Zürich 2008, v. a. 177 – 184. Von seiner Auslegung, die versucht Paulus in gewisser Weise von seiner Umwelt zu lösen, distanziere ich mich. 6   Die ausführlichere Arbeit von S. Elm, The Virgins Of God. The Making Of Asceticism in Late Antiquity, Oxford 1994, fokussiert erst die Zeit der Reichskirche. 7   Vgl. dazu Standhartinger, Judith (s. Anm. 7), 123; Ferner Schottroff, Armut (s. Anm. 2), 87.

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reduzierten die breite Quellenlage meist auf 1 Tim 5 und Lk 2.8 Teilweise las man die Pastoralbriefe so, als würde 1 Tim 5 versuchen, diese realgeschichtliche Emanzipa­ tionsbewegung einzudämmen. Rechtsgeschichtlich wurde ein Erb- und Besitzrecht von Witwen nachgewiesen. Vor allem die alttestamentliche Forschung legte die Erbtora von Num 27 vermögensrechtlich aus,9 vernetzte sie mit epigraphischen Funden aus dem Vorderen Orient und folgerte, dass es Witwen mit Besitz gab, der ihnen ihren Lebensunterhalt am Rande des Existenzminimums sicherte.10 Neutestamentler schlossen sich dort an und glaubten, hinter 1 Tim 5 stünden besonders reiche Witwen. Dabei wurde übersehen, dass die breite Masse der frühchristlichen Quellen relativ wenig, bzw. überhaupt nichts über den Besitz von Witwen verrät. Politikgeschichtlich sah man die lukanische Gemeinde unter Einfluss der augustinischen Ehegesetzgebung. Ohne auch nur den Hauch eines sprachlichen, inhaltlichen oder ideellen Ansatzpunktes wurde die These vertreten, die lukanischen Witwen hätten sich hoheitsstaatlichen Anforderungen widersetzt.11 Eine Reihe von Sozial- und Zeitgeschichten betont den karitativen Charakter des frühen Christentums. Dabei wird ein frühchristliches Selbstverständnis rekonstruiert, zu dem die Hinwendung zu Randgruppen und Armen untrennbar gehört. Dass Witwen dort als Paradebeispiel für soziale Randgruppen genannt werden, liegt auf der Hand. Schottroffs Standpunkt zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die Auslegungsgeschichte. Oftmals verbindet sich diese Sicht mit einer Christologie der Menschenfreundlichkeit, bei denen Ausleger die wohltätige Gesinnung des Messias unterstrichen.12 In

 8   Vgl. dazu A. Standhartinger, »Wie die verehrteste Judith und die besonnenste Hanna.« Traditionsgeschichtliche Beobachtungen zur Herkunft der Witwengruppen im entstehenden Christentum, in: F. Crüsemann / M. Crüsemann / C. Janssen (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel. Festschrift für Luise Schottroff zum 70. Geburtstag, Gütersloh 2004, 103 – 126.  9   Etwas ferner A. Schellenberg, Hilfe für Witwen und Waisen. Ein gemein-altorientalisches Motiv in wechselnden alttestamentlichen Diskussionszusammenhängen, ZAW 124 (2012), 180 – 200. 10   E. Bons, Konnte eine Witwe die nahalāh ihres verstorbenen Mannes erben? Überlegun˙ gen zum Ostrakon 2 aus der Sammlung Moussaïeff, ZAR 4 (1998), 197 – 208; N. Steinberg, Romancing the Widow: The Economic Distinctions between the ‘almānā, the ’iššā-‘almānā and the ’ešet-hammet, in: D. L. Ellens / J. H. Ellens / I. Kalimi, R. Knierim (Hg.), God’s word for our world. Volume I: Biblical studies in honor of Simon John de Vries, JSOT.S, Sheffiled 2004, 327 – 346. B. Becking, Plead for the poor and the widow. The ostracon of Khirbet Qeiyafa as expression of social consciousness, ZAR 17 (2011), 133 – 148. U. Kellermann, Die Klage der Witwe. Anmerkungen zu möglichen sozialen und rechtlichen Hintergründen von Lukas 18,2 – 5, BN 142 (2009), 105 – 117 kann hierfür als Paradigma genannt werden. Allerdings haben viele Orientalisten ebenso versucht, eine Sozialgeschichte nachzuzeichnen. Vgl. dazu T. Kämmerer, Zur sozialen Stellung der Frau in Emār und Ekalte als Witwe und Waise, UF 26 (1994), 169 – 208. 11   Vgl. dazu Heininger, Hanna (s. Anm. 2), 159. Dagegen kritisch die Einschränkungen von H. Omerzu, Der Prozess des Paulus. Eine exegetische und rechtshistorische Untersuchung der Apostelgeschichte, BZNW 115, Berlin u. a. 2002, 19, die berücksichtigen, dass eine Rechtsgeschichte des Römischen Reiches nur äußerst schwer auf christliche Texte übertragen werden kann, insofern zu wenig Hintergrundinformationen zum Bürgerrecht in den Provinzen erhalten sind. 12  Vgl. Kügler, Witwen (s. Anm. 3), 483; G. Theissen, Die Witwe als Wohltäterin. Beobachtungen zum urchristlichen Sozialethos anhand von Mk 12,41 – 44, in: M. Küchler / P. Reinl (Hg.),

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diesem Bereich liegt auch die Schnittstelle zwischen den wissenschaftlichen und den praxisorientierten Veröffentlichungen. – J.‑U. Krauses »profangeschichtliche« Arbeit soll aufgrund seines Umfangs und seiner Methode gesondert betrachtet werden. Sein historischer und nicht-neutestamentlicher Ansatz, der eine breite Masse von Quellen vor Augen hat, stilisiert Witwen zu einer gesellschaftlichen Randgruppe par excellence.13 Sein Teilband über Witwen und Waisen im Christentum übergeht allerdings stillschweigend eine ganze Gruppe von Texten, die m. E. gerade für frühchristliche Identitätsbildungsprozesse entscheidend waren. Die ersten beiden Jahrhunderte betrachtet er nur im Schnelldurchlauf.14 Darüber hinaus verwendet er eine sehr uniforme und geschlossene Definition eines homogenen Christentums, die selbst für die Zeit der Reichskirche – seinem Hauptaugenmerk15 – historisch wohl wenig plausibel gewesen ist.

2.  Problemindikation, Übersicht über die Quellenlage und ein Plädoyer für einen Perspektivenwechsel 2.1  Die natürlichen Grenzen der sozialgeschichtlichen Witwen-Forschung Überblickt man die breite Masse der sog. christlichen Quellen, werden unreflektierte und naive sozialgeschichtliche Ansätze sofort gezügelt und drastisch eingeschränkt.16 Bereits bei einer ersten Sichtung des Textmaterials bündeln sich eine Reihe von Beobachtungen, die eine differenziertere Konzeption von Geschichte erfordern, um sie erklären zu können. Am deutlichsten sticht sofort ins Auge, dass viele »christliche« Texte des ersten und zweiten Jahrhunderts von Witwen sehr ähnlich sprechen.17 Die meisten Schriften, die zum Kanon des Neuen Testaments zusammengefasst worden sind, und ein großer Teil der

Randfiguren in der Mitte. Hermann-Josef Venetz zu Ehren, Luzern 2003, 171 – 182. J. Beutler, Die Gabe der armen Witwe, in: J. Hainz (Hg.), Den Armen eine frohe Botschaft. Festschrift für Bischof Franz Kamphaus zum 65. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1997, 125 – 136; Ferner Schottroff, Armut (s. Anm.  1), 62 – 87; Urban, Mensch (s. Anm. 2), 30; Kellermann, Witwe (s. Anm. 9), 109. 13  Vgl. J.‑U. Krause, Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. I – IV, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien, Stuttgart 1994 f. Ferner U. Wagner, Die Ordnung des Hauses Gottes. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT II / 65, Tübingen 1994, 128. 14  Vgl. J.‑U. Krause, Witwen und Waisen im frühen Christentum. Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. IV, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 19, Stuttgart 1995, 6 – 8. 15   Vgl. dazu Krause, Christentum (s. Anm. 12), 1 f. 16   Selbst Vgl. J.‑U. Krause, Witwen und Waisen im frühen Christentum. Verwitwung und Wiederverheiratung, Bd. I, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 18, Stuttgart 1994, 45, ist für den griechisch-lateinischen Quellenbereich äußerst zurückhaltend. 17   Wahrscheinlich erklärt das die Fehlinterpretation von B. B. Thurston, The Widows, A Women’s Ministry in the Early Church, Minneapolis 1989, 72, die davon ausgeht, dass Witwen in der Literatur nahezu identisch verwendet werden.

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patristischen Literatur des zweiten Jahrhunderts verwenden ein gemeinsames Sprachspiel, eine scheinbar gleichartige Semantik und oftmals auch übereinstimmende Motive und Motivcluster, wenn sie Witwen in ihren Erzählwelten einführen. Besonders virulent sind die Thematiken von Recht und Gerechtigkeit. Der δικ-Stamm, der κρι-Stamm, νόμος oder ἐντολή und auch damit verbundene Intertexte (meist Jes 1 [oft auch Sach 7 oder Jer 7] inklusive der dazugehörigen Motivcluster) gesellen sich zu Geboten, Witwen nicht zu unterdrücken.18 Es scheint hierbei in vielen Texten darum zu gehen, ein gemeinsames Sprachspiel unterschiedlich zu kontextualisieren. Man erhält bei der Lektüre den Eindruck, als hätte sich eine Memorialsemantik gebildet; damit meine ich ein Sprachspiel, das bei der Ausdifferenzierung verwandter, aber dennoch heterogener Gruppen zu beobachten ist. Fünf Beispiele aus unterschiedlichen Kontexten sollen den Befund im Groben zum Ausdruck bringen: 1 Klem  8,4

κρίνατε ὀρφανῷ καὶ δικαιώσατε χήρα

Barn 20,2

οὐ κρίσει δικαίᾳ χήρᾳ

5 Esr  2,20

viduam iustifica, pupillo iudica

Pol 6,1

μὴ ἀμελοῦντες χήρας ἢ ὀρφανοῦ [. . .] ἀπεχόμενοι πάσης ὀργῆς προσωποληψίας κρίσεως ἀδίκου

ApkPetr  f. 10v

καὶ κακῶς εἰπόντες τὴν ὁδὸν τῆς δικαιοσύνης [. . .] καὶ μὴ ἐλεήσαντες ὀρφανοὺς καὶ χήρας, ἀλλ’ ἀμελήσαντες τῆς ἐντολῆς τοῦ θ(εο)ῦ.

Dazu tritt noch, dass ein Großteil der Quellen die sozialen Umstände der Witwen nicht genauer ausmalt. Witwen werden meist nur in ganz kurzen Nebensätzen erwähnt. Vielmehr setzen diese Texte im Grunde genommen bereits voraus, dass diese narrativen Figuren eine prekäre gesellschaftliche Lebenssituation zum Ausdruck bringen. Als wären Schwäche, Armut und Schutzbedürftigkeit Inbegriffe der Semantik um das Wortfeld χήρα. Witwen und Armut und / oder Schwäche ist ein nicht hinterfragbarer, geradezu holzschnittartiger Zusammenhang all dieser Texte, ohne den sie nicht funktionieren würden. Im Gegenzug benötigt man auch nur dieses Minimum an Vorwissen, um die Texte selbst zu verstehen, so simpel sind sie gestrickt. Blickt man auf verschiedenste »Genres« der griechisch-römischen Literatur, so fällt sofort auf, dass diese Stereotype an ganz verschiedenen Orten fest zum kulturellen Gedächtnis der Spätantike gehören. Dort finden sich genau genommen sechs Muster:

18   Einen wenn auch sehr knappen und inzwischen in einigen Punkten zu korrigierenden Überblick gibt Sommer, Witwen (s. Anm.  1), 299 – 302.

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Witwen der lateinischen Textwelten [exemplarische Auswertung] Armut

Wiederheirat Treue zum Verstorbenen // Spiritualität

Tacitus, HisPlinius, der Jüngere, torien 1,13 Briefe, 4,6 Sueton, Cicero, Staat, Kaiserviten, 2,36 Galba, 6 Martial, Epigrammata, 1,49

Ovid, Liebesbriefe, Penelope an Ulixes, 80

Schande und Wiederheirat Zügellosigkeit als beSchmerz ist schwierig denkenswert

Ovid, Tristia, Sueton, 5,5 Kaiserviten, Galba, 6 Ovid, Liebesbriefe, Cicero, Für Penelope an M. Caelius, 16 Ulixes, 80

Tacitus, His- Juvenal, torien 1,13 Satieren 1,4 Ovid, Tristia, 5,5

Ovid, Fasti, 1

Petron, Satyricon, 95 Juvenal, Satiren 1,4 Horaz, Briefe 1,1 Ovid, Fasti, 1

Das Satyrikon (Petron, Satyricon, 95) arbeitet mit der Stereotype ganz ähnlich wie Livius’ Geschichtswerk (historia romana 24, 29, 34), Suetons Kaiserviten, Catulls Carmina, Tacitus, Annales (12,6) und seine Historien (1,13) oder Ciceros Orationes (M. Tullius Cicero, pro caelio, 5, 38). Auch in der griechischen Sprachwelt finden wir Ähnliches in Plutarchs Doppelbiographien (Romulus, 29; Aristides, 27; Marcus Cato, 21; Alexander, 21; Crassus, 1) und Teilen seiner Moralia (de tranquilitate animi, 13).19 Selbst nicht-christliche und nicht-jüdische Texte, die etwas mehr über reale antike Witwen verraten (entweder weil sie von Witwen oder ihren Verwaltern stammen oder über Konflikte mit ihnen berichten), spiegeln Teile dieser Stereotypen wider. Auch Texte aus dem »Alltagsleben«, die von reichen Witwen handeln oder stammen (von Witwen mit Geld und / oder Macht), stilisieren Witwen künstlich als arm, schwach und hilfsbedürftig. Mit BGU 2 522 und P. Oxy. I 71 col. 2 1 – 16 sollen nur zwei Beispiele genannt werden. Mit der erst genannten römisch-hellenistischen Literatur kann man ganz sicher Teilaspekte von 1 Tim 5 etwas differenzierter verstehen. Ähnlich dem Ansatz von K. Zamfir,20 verraten sie etwas über römisch-hellenistische Fröm19   Weitere Teile der griechischen Literatur (Pausanias; Strabo; Diogenes Laertius; Dio Cassius; Aelius Aristides; Aelian) sowie Vergil und Terenz sind noch nicht ausgewertet. 20   Vgl. dazu K. Zamfir, Men and Women in the Household of God. A Contextual Approach to Roles and Ministries in the Pastoral Epistles, NTOA / STUNT 103, Göttingen 2013, xiv.

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migkeitsideale,21 Ideale der Wiederheirat von Witwen; Negativskizzen von zügellosem Verhalten junger Witwen und somit fast im Nebenbei über nahezu alle Aspekte, die in 1 Tim 5 begegnen. Doch bei einem Großteil der restlichen frühchristlichen Quellen helfen sie nur bedingt weiter. Diese Texte bedienen sich eigentlich nur der stereotypen Vorstellung von schwachen oder armen Witwen, ohne weiter zu differenzieren. Ich gehe sogar so weit, dass ich von einem Label spreche. Witwen sind m. E. nach eine, gelinde gesagt, recht plumpe, ziemlich undifferenzierte und sehr einfach gestrickte Kategorie, mit der zunächst nur eine Ethik kreiert wird. Zumindest wird dieser Anschein bei einer oberflächlichen (!) Lektüre erweckt. Dementsprechend wird die sozial prekäre Situation der Witwen nicht wirklich beschreiben, sondern stereotypisch vorausgesetzt, damit Texte zu einer Verhaltensweise oder einer ethischen Gesinnung auffordern können. Doch der erste Eindruck täuscht. 2.2  Die Wurzeln des Sprachspiels und die Funktionalität der Witwen-Semantik Ohne vorschnell zu interpretieren, zeigen sich deutliche semantische Parallelen mit frühjüdischen Diskursen. Die Memorialsemantik des frühen Christentums bildet deren Sprache mit einer unterschiedlichen Zielsetzung in gewisser Weise ab – bewusst oder unbewusst. Allerdings offenbart eine breitere Quellenauswahl ebenso, dass die Schrifthermeneutik der Texte eine Sprache über Witwen erzeugte, die sich dem Sprachgebrauch einer römisch-hellenistischen »Alltagswelt« zumindest sehr stark ähnelt. Es berühren sich Welten. 2.2.1  Die frühjüdischen Wurzeln der Witwen-Semantik um den δικ- und den κρι-Stamm Ein Blick auf die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte des Witwen-Motivs in den Schriften Israels verdeutlicht, dass es dort eine größere Funktion hatte als nur eine Gesinnungsethik zu erzeugen.22 Mit Witwen erinnern Texte an semantische Zusammenhänge aus der Tora (oft an das Deuteronomium). Dies geschieht oftmals dann, wenn die grundlegenden Funktionen des Rechtsverständnisses der fünf Bücher Mose in neue Kontexte übertragen werden soll. In der Tora selbst sollen semantische Verbindungen mit Witwen im Grunde genommen einen Geltungsbereich oder einen Rahmen für die Staats- und Gesellschaftsordnung erläutern. Sie erscheinen häufig in Verbindung mit ‫משפט‬ und sind dort Kerngegenstand der Rechtstheologie und des Verfassungsrechts.23 21

  Vgl. dazu ausführlicher J.‑U. Krause, Verwitwung (s. Anm. 16), 102.   Zum Motiv ausführlicher: T. Krapf, Traditionsgeschichtliches zum Deuteronomischen Fremdling-Waise-Witwe-Gebot, VT 34 (1984), 87 – 91. 22

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Mit ihnen soll zum Ausdruck kommen, dass die von Gott geoffenbarte Rechtsund Kultordnung für alle Teil der Gesellschaft gleichermaßen gilt (Ex 22,16 – 30; Dtn 10,12 – 22; 14,29; 16,11.14; 24,17; 27,19).24 Dtn 10,18      [. . .]  ‫עשה משפט יתום ואלמנה‬

Sie erklären letztendlich, wie offenbartes Recht funktioniert und wer Anspruch auf diese Rechtsordnung hat. Dieser Rahmen der ‫ משפט‬Gottes, der im Deuteronomium selbst Aspekte der Kultzentralisation, die Wallfahrtstheologie, die Sozialordnung und die Bundes- und Erwählungsvorstellung enthält,25 hat eine lange Nachgeschichte erfahren. Genau dort liegt nun auch die Wurzel des semantischen Clusters um χήρα, den δικ- und den κρι-Stamm, das auch in den Textwelten des zweiten Jahrhunderts n. Chr. begegnet. Seine Genese ist allerdings etwas komplexer: Die Geschichte des Witwen-Motivs in den Schriften Israels überlagerte sich mit der facettenreichen Entstehungsgeschichte eines Gerechtigkeitsbegriffs, bei dem eine Torahermeneutik eine ausschlaggebende Rolle spielt. Vor allem außerhalb der Tora hat sich Gottes Rechtsordnung mit dem Gedanken der Gerechtigkeit auf unterschiedliche Art und Weise verbunden. Während ‫ משפט‬und eine Form der Wortfamilie um ‫ צדקה‬in der Tora nur äußerst lose miteinander assoziiert werden können,26 sind beide in der prophetischen Literatur und der Weisheitsliteratur stark miteinander verschmolzen. ‫ משפט‬und ‫( צדקה‬paradigmatisch) Gen 18,25; Dtn 25,1; Hi 34,17; Ps 37,30; 119,137; Prov 18,5; 21,15; Jer 12,1; 23,15; Ez 18,5.9; Hab 1,4; Zeph 3,5 ‫ משפט‬und ‫צדקה‬ 2 Sam 8,15; 1 Kön 10,9; 1 Chr 18,14; Hi 37,23; Ps 33,5; 99,4; 106,3; Prov 8,20; 16,8; 21,3; Jes 1,27; 5,7.16; 9,6; 28,17; 32,16; 33,5; 56,1; 58,2; 59,9.14; Jer 4,2; 9,23; 22,3.15; 23,5; 33,15; 45,9; Am 5,7.24; 6,12 23   Eine Auseinandersetzung mit der Rechtstheologie findet sich bei E. Otto, Nach welchen Gesichtspunkten wurden Rechtssätze in keilschriftlichen und biblischen Rechtssammlungen zusammengestellt? Zur Redaktionsgeschichte keilschriftlicher und biblischer Rechtssatzsammlungen, ZAR 18 (2012), 63 – 77. 24   Zur Rechtsterminologie des Dtn vgl. G. Braulik, Die Ausdrücke für »Gesetz« im Buch Deuteronomium, in: G. Braulik, Studien zur Theologie des Deuteronomiums, SBAB 2, Stuttgart 1988, 11 – 38. Zur Rechtstheologie des Bundesbuches vgl. W. Oswald, Die Exodus-GottesbergErzählung als Gründungsurkunde der judäischen Bürgergemeinde, in: K.‑P. Adam / F. Avemarie / N. Wazana (Hg.), Law and Narrative in the Bible and in Neighbouring Ancient Cultures, FAT II / 54, Tübingen 2012, 35 – 51. 25   Zur Verbindung zwischen dem Zehnten und den Witwen vgl. M. D. Matlock, Obeying the first part of the tenth commandment: Applications from the levirate marriage law, in: JSOT 31 (2007), 295 – 310, hier 304. 26   Die Wortfamilie selbst ist in der Tora verhältnismäßig gering belegt (Gen 6,9; 7,1; 15,6; 18,19.23.24.25.28; 20,4; 30,33; 38,26; 44,16; Ex 9,27; 23,7.8; Lev 19,15.36; Dtn 1,16; 4,8; 6,25; 9,4.5.6; 16,18.19.20; 24,13; 25,1.15; 32,4; 33,19.21).

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Obwohl die Entwicklung von Gerechtigkeitskonzeptionen äußerst kompliziert ist, ist der Gedanke von ‫ צדקה‬in den meisten dieser Stellen im Grunde genommen ziemlich einfach. Gerecht ist der, der sich dem Recht Gottes entsprechend verhält. Was konkretes Recht allerdings beinhaltet, wird von Text zu Text unterschiedlich definiert. Die Old Greek-Version hat diese Verbindung zwischen Recht und Gerechtigkeit sogar nochmals verstärkt, indem sie eine Form des δικ-Stammes bei der Übersetzung vom Wortcluster um ‫משפט‬, das dabei meist mit κρίμα / κρίσις übersetzt wurde, verwendet hat.27 Direkte Kombinationen innerhalb eines Verses κρίμα und δίκαιος Ode 3,10; Prov 21,15; Hi 34,5; 40,8; PsSal 2,32; 4,8; Zef 3,5; Sach 7,9; Jer 23,5; Ez 18,5.8 κρίνω und δίκαιος Dtn 25,1; 1 Kön 8,32; 2 Chr 6,23; Tob 3,2; 1 Makk 2,3; 3 Makk 2,3; Ps (LXX) 57,12; Ode 3,10; Prov 17,15; 29,7; 30,12; Koh 3,17; Hi 8,3; 37,23; Sir 35,18; PsSal 2,32; Sach 7,9; Jer 11,20 κρίσις und δίκαιος Gen 18,25; Dtn 16,18.19; 21,1; 32,4; Est 8,12; Tob 3,2; 2 Makk 7,36; 3 Makk 2,22; Ps (LXX) 1,5; 36,30; 119,137; Ode 2,24; 7,27; Prov 18,5; Koh 3,16; Hi 35,2; Sir 35,18; Jes 32,1; 54,17; 58,2; 59,4; Dan 3,27 κρίνω und δικαιοσύνη Lev 19,5; 1 Sam 2,10; 1 Kön 3,9; 8,32; 2 Chr 6,23; Ps (LXX) 7,9; 9,5.9; 34,24; 57,52; 71,2; 95,13; 97,9; OdSal 3,10; SapSal 1,1; 9,3; Sir 45,26; PsSal 8,24.26; 17,26.29; Jes 16,5; Dan 9,25 κρίσις und δικαιοσύνη Gen 18,19; Lev 19,15; Dtn 33,21; Ps 9,5; 71,2; 93,15; 98,4; 105,3; Ode 10,7; SapSal 5,18; 9,3; Jes 1,21; 5,7; 33,5.15; 56,1; 58;2; 59,9.14; 63,1; Jer 4,2; 22,3

27   Selbst die Old Greek-Version der Tora, in dessen hebräischer Gestalt ‫ משפט‬und die Wortfamilie um ‫ צדקה‬nur lose verbunden waren, signalisiert das Zusammenwachsen des δικ- und κρι-Stamms: Übersetzung von ‫ משפט‬mit κρίσις / κρίμα und Kom- Ex 15,25; Lev 25,18; Dtn 4,5.8.14.45; bination mit δικαίωμα (Übersetzung von ‫ חק‬// ‫ )חקה‬5,1.31; 6,1; 6,20; 7,11; 11,1; 26,16.17; 30,6 Direkte Übersetzung von ‫ משפט‬mit δικαίωμα Ex 21,1.9.31; 24,3; Num 15,6; 36,13; Dtn 7,12; 33,10 Genetivverbindungen δικαίωμα κρίσεως oder Num 27,11; 35,29 δικαίωμα κρίματος als Übersetzung von ‫לחקת משפט‬ Adjektivverbindung zwischen κρίσις und δίκαιος Dtn 4,8; 16,18 als Übersetzung von ‫ משפטים צדיקם‬oder ‫משפט־צדק‬ κρίσις als Übersetzung von in einer inhaltlichen Lev 19,15; Dtn 33,21 Verbindung mit δικαιοσύνη δικαιόω als Übersetzung von ‫ שפט‬in Verbindung Dtn 25,1 mit ‫משפט‬

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Nun füllten verschiedene Gerechtigkeitskonzeptionen die offenbarte Rechtsordnung mit unterschiedlichen Inhalten, griffen aber dabei sehr häufig auf Witwen zurück, um an die Funktion und den Geltungsbereich des geoffenbarten Rechtsrahmen der Tora zu erinnern.28 Ein spezielles semantisches Cluster, zu dem Witwen gehören, ruft nicht selten rechtstheologische Zusammenhänge der Tora (insb. des Dtn) wach (z. B. 1 Kön 17; Hi 22 – 24; Ps 68; 94; 146; Tob 1; Jes 1; Jer 7; 22; Ez 22; Sach 7; Mal 3), die von Text zu Text unterschiedlich interpretiert werden.29 Hierbei erscheint im Gesamtzusammenhang der Old Greek-Versionen dieser Texte χήρα sehr häufig neben dem κρι-Stamm und dem δικ-Stamm: Exemplarisch: Jes 1,17: κρίνατε ὀρφανῷ καὶ δικαιώσατε χήραν Sach  7,9 – 10: Τάδε λέγει κύριος παντοκράτωρ κρίμα δίκαιον κρίνατε καὶ ἔλεος καὶ οἰκτιρμὸν ποιεῖτε ἕκαστος πρὸς τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ καὶ χήραν καὶ ὀρφανὸν καὶ προσήλυτον καὶ πένητα μὴ καταδυναστεύετε Jer 22,3: Τάδε λέγει κύριος Ποιεῖτε κρίσιν καὶ δικαιοσύνην καὶ ἐξαιρεῖσθε διηρπασμένον ἐκ χειρὸς ἀδικοῦντος αὐτὸν καὶ προσήλυτον καὶ ὀρφανὸν καὶ χήραν μὴ καταδυναστεύετε καὶ μὴ ἀσεβεῖτε καὶ αἷμα ἀθῷον μὴ ἐκχέητε ἐν τῷ τόπῳ τούτῳ Sir  35,14 – 18: [. . .] οὐ μὴ ὑπερίδῃ ἱκετείαν ὀρφανοῦ καὶ χήραν, ἐὰν ἐκχέῃ λαλιάν [. . .] καὶ κρινεῖ δικαίοις καὶ ποιήσει κρίσιν

Es handelt sich hierbei auch um wesentlich mehr als um eine blanke ToraRezeption. Dies ist vielmehr eine Form der Rechtsgeschichte; eine Form der Rechtstheologie, die eine Tora-Hermeneutik etabliert und zeitgleich gesellschaftliche Verfassungsrahmen kreiert und adaptiert – ich stütze mich hier auf E. Otto.30 An dieser Stelle verbindet sich nun die Frage nach Witwen im frühen Christentum mit zentralen Gedanken der Debatte um frühchristliche Identität und natürlich nicht zuletzt mit der »The Parting of the ways / the ways that never parted«-Debatte! Die großen Arbeiten widmen dem Verbleib von Israels heiligen Texten und ihren Autoritätsansprüchen ganze Kapitel,31 jedoch fehlt bislang 28

  Vgl. dazu Sommer, Witwen (s. Anm.  1), 292 – 298.  Gegen H.‑J. Zobel, Das Recht der Witwen und Waisen, in: P. Mommer / W. Schmidt / H. Strauß (Hg.), Gottes Recht als Lebensraum. Festschrift für Hans Jochen Boecker, Neukirchen-Vluyn 1993, 33 – 38, der Recht vor dem Hintergrund eines modernen Gerechtigkeits- und Barmherzigkeitsverständnisses auslegt. 30   Zur Funktion des Erzählens und zum Zusammenspiel zwischen dem Erzählstrang der Tora und ihrer Rechtstheologie vgl. E. Otto, Biblische Rechtsgeschichte als Fortschreibungsgeschichte. Eine kritische Diskussion mit B. M. Levinson, in: E. Otto (Hg.), Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte. Gesammelte Studien, BZAR 8, Wiesbaden 2008, 497 – 506. Ferner D. Markl, Narrative Rechtshermeneutik als methodische Herausforderung des Pentateuch, ZAR 11 (2005), 107 – 121. 31   Vgl. hierzu auch die Arbeit I. W. Oliver, Torah Praxis after 70 CE. Reading Matthew and Luke-Acts as Jewish texts, WUNT II / 355, Tübingen 2013. 29

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ein Ausblick auf den Verbleib von Gerechtigkeitskonzeptionen.32 Sicher muss dieser in meinem Zusammenhang auf Texte eingeschränkt bleiben, die von Witwen sprechen, denn die breite und umfangreiche Rezeptionsgeschichte von δικαιοσύνη im frühen Christentum kann in einer einzigen Untersuchung sicher nicht nachgezeichnet werden. Dennoch glaube ich, zeigen zu können, dass die kurzen Phrasen, Bemerkungen, Randnotizen etc. über Witwen in frühchristlichen Texten gezielt platziert wurden, um damit verschiedenste Hermeneutiken eines Gerechtigkeitsverständnisses zu initiieren, dessen Wurzeln in frühjüdischen Diskursen liegen; Hermeneutiken der Abstreifung und Ablehnung, aber auch der Neuformierung, der positiven Evaluation bis hin zur bewussten Okkupation!33 2.2.2  Die Semantik der dokumentarischen Papyri Es lässt sich gewiss nicht leugnen, dass viele der Witwen-Quellen mit Witwen eine Schrifthermeneutik kreierten, vor allem dann, wenn man in die Texte des ersten und zweiten Jahrhunderts blickt, doch erzeugten sie damit ebenso (bewusst oder unbewusst) eine Sprache, die genau in die Alltagswelt der Spätantike passte. Denn schon ein flüchtiger Blick auf die dokumentarischen Papyri aus Ägypten und (vereinzelt) auf Funde aus Kleinasien offenbart eine ganze Reihe von Quellen, die Witwen zwar in einem komplett unterschiedlichen Zusammenhang erwähnten, allerdings dabei eine Semantik benutzen, die nicht weit von der Nachgeschichte der Schriften entfernt ist. Der δικ-Stamm, der κριStamm und / oder νόμος zusammen mit κύριος findet sich dort in erstaunlich vielen Quellen. Dabei sind es nun gerade eben nicht die konkreten Inhalte der Quellen, sondern ihre Sprachgestalt, ihre Semantik, die mir helfen, die christlichen Entwürfe zu verstehen. 32   Vgl. dazu exemplarisch J. Lieu, Neither Jew nor Greek. Constructing Early Christianity, Edinburgh 2002, 117 – 170. Auch das zweite Kapitel: Text and Identity von J. Lieu, Christian Identity in the Jewish and Graeco-Roman World, Oxford 2004; Ferner M. Hengel, The Septuagint as a Collection of Writings claimed by Christians: Justin and the Church Fathers before Origin, in: J. D. G. Dunn (Hg.), Jews and Christians. the parting of the ways A. D. 70 to 135; the Second Durham-Tübingen Research Symposium on Earliest Christianity and Judaism (Durham, September, 1989), WUNT I / 66, Tübingen 1992, 39 – 84. T. Nicklas, Jews and Christians? Second Century ›Christian‹ Perspectives on the ›Parting of the Ways‹ (Annual Deichmann Lectures 2013), Tübingen 2014, 116 – 164. 33   Die frühen Christen entfalteten eine Debatte, die innerhalb der narrativen Kultur unter anderem mit der literarischen Figur der Witwe betrieben wurde. Den Ausdruck Diskussionskultur halte ich sogar für nicht zu hoch gegriffen. Schon die Lukas-Kommentierung in Iren. adv. haer, die Witwen immer wieder mit der Nachgeschichte des ‫משפט‬-Verständnisses der Tora in Verbindung bringt, indem sie lukanische Witwen-Texte mit Witwen-Passagen aus Jes; Jer und Sach verknüpft, zeigt dies an.

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Die Papyri lassen inhaltlich zunächst erkennen, dass – es reiche und einflussreiche Witwen gab. (P. Oxy. I 71 col. 2 1 – 16) – Witwen sich von der Rechtsinstanz Schutz vor Übergriffen (z. B. auf ihr Vermögen) erhofften und / oder Verbrechen anzeigen wollten.34 (P. Lugd. Bat. 25 34; P. Oxy. VIII; P. Oxy 1 71; P. Sakaon 36 1120; P. Strasb. 4 241; SB 24 16285; entfernter BGU 2 522) – eine Witwe den Tod ihres Gatten eintragen ließ, um von seiner Steuerpflicht loszukommen. (SB XIV 11587) – eine Witwe sich gegen widerrechtliche Steuereinnahmen beschwert. (SB 14 11904) – eine Witwe ihre Mitgift zurückzahlte. (P. Coll. Youtie 2 67) – manche Witwen ihr Vermögen zu Lebzeiten ihren Kindern überschrieben. (P. Coll. Youtie 2 83; SB VIII 9642 [I]) – manche Witwen (auch pro forma) Verwalter einsetzten, um unter deren Deckmantel weiterhin Geschäfte führen zu können. (P. Oxy 22 2342; ferner P. Enteux. 22) – eine Witwe Kultgegenstände stiftete. (OGIS II 675) – eine unter ihrer Schwangerschaft verwitwete Frau einen Verwalter für ihr Baby wollte, damit es das Vermögen des verstorbenen Vaters erben konnte. (P. Gen. II 103 Kol. II 11 – 30 + Kol III) Eine Semantik um Recht und Gerechtigkeit begegnet häufig. Viele Texte betten χήρα in ein sprachliches Umfeld ein, zu dem der δικ-Stamm und der κρι-Stamm gehören. Zwei der Papyri sollen kurz zu Wort kommen, um zumindest einen Eindruck dieses Phänomens zu hinterlassen: HGV: P. Euphr. 15

HGV: SB 24 16285

Fundort: Beth Phuraia Syria Coele Datierung: 235 n. Chr.

Fundort: Krokodilopolis Ägypten Datierung: 200 n. Chr.

ἐπὶ ὑπάτων Κλ(αυδίων) Σεουήρου καὶ Κουιντιανοῦ, ἔτους πρώτου τῆς τοῦ κυρίου ἡμῶν Αὐτοκρά(τορος) Καίσαρος Γαίου Ἰουλίου Οὐήρου Μαξιμείνου(*) Εὐσεβ(οῦς) Εὐτυχ(οῦς) Ἀνεικήτου(*) Σεβ(αστοῦ) ἡγε‑ μονίας κατὰ δὲ τὸν πρότερον ἀριθμὸν ζμφ(*) μηνὸς Ἀπελλαίου δωδεκάτῃ ἐν Βηθφουραιων κώμῃ. Αὐρηλία

Ἀετῶι στρατηγῶι ˙ παρὰ Θάσιτος˙τῆς Ὡρου τῶν ἐκ Κρ ο‑ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙πόλεως. ˙ ˙ κοδίλων(*)

ἀδικοῦμαι ὑπὸ Ἀγχῆτος μελιτο‑ ˙ ἐκ˙τ[ῆς] πώλιος τῶν ˙ ˙πόλεως· αὐτῆς τοῦ γὰρ γ (ἔτους) Ἐπεὶφ α ἐπαγαγοῦσα Ἀλέξαν‑ ˙ ˙˙

34   Oftmals wird hierbei in Form einer Captatio Benevolentiae an die Menschenfreundlichkeit des Amtsinhabers appelliert, der sich bes. schwachen Witwen und Frauen zuwenden würde.

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HGV: P. Euphr. 15

HGV: SB 24 16285

Βαραβους Αβεδσαυτου κώμης Βηθφουραιων οὖσα χήρα δίκαιον τέκνων

δρον τῶν παρὰ σοῦ \ὑπηρέ[τ]ην / , ἐπελ[θοῦ]σα [οἰ]κίαι μου ˙ κέν ˙ ˙ ˙με ˙˙ ˙˙ ˙ ˙ [ ἐγκέκλε(?)]ι ˙ ἄκριτον εἰς τὸ ˙˙ ἐφημερευτήριον [καὶ (?)] ἐπικατα‑ [ ]αμένης μου ˙˙˙˙˙ τη γαγεν ˙ ˙˙ ˙ ˙ ˙

[[κατ]] ˙

καταφρονήσασα ὅτι χήρα εἰμὶ καὶ ἀβοήθητος, αὐτὴ δὲ ἰσχύουσα τοῖς ἰδίοις. ἀξιῶ οῦν σε ἀνακαλε‑ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ ˙ν με ἐκ τῆς [σάμεν]ό φυλακῆς˙ καὶ˙Ἀγχῆν ˙ ˙ διακοῦσαι ἡμῶν, ἵνα μὴ καταφθείρω‑ μαι ἐν τῆι φυλακῆι, ἀλλὰ διὰ σὲ τύχω ˙˙˙ εὐτύχει. ˙ ˙˙ βοηθείας.

Mit dem δικ-Stamm, dem κρι-Stamm wird meist eine Situation des Unrechts zum Ausdruck gebracht, um deren Linderung meist bei der zuständigen Rechtsinstanz gebeten wird. Inhaltlich unterscheiden sich die »christlichen« Texte davon allerdings doch recht stark. Schließlich signalisieren sie in den meisten Fällen keinen differenzierten Unrechtszustand, der Witwen betrifft. Semantisch hingegen überschneiden sich beide Welten. 2.2.3  Kurzüberblick über die Quellen Ein Kurzdurchgang durch die Quellen des frühen Christentums soll die Berührung beider Welten anzeigen: Das Lukasevangelium spricht von den synoptischen Evangelien am häufigsten von Witwen (Lk 2,37; 4,25.26; 7,12; 18,3.5; 20,47; 21,2.3; Apg 6,1; 9,39.41). Es gebraucht das Motiv dabei, um ein Verständnis von δικαιοσύνη zu kreieren, das sich von den Rechtsordnungen jener Schriften unterscheidet, zu denen es eine Text-Text-Relation herstellt. Es lässt sich zeigen, dass die Witwen-Texte ein Rechtsverständnis korrigieren wollen, das sich Lukas durch die Mahl-Rezeption im Sondergut einkauft. Auswirkungen davon sind selbst in Apg 6 noch zu spüren.35 Auch 35   Diese Idee wird in einem separaten Aufsatz von mir entfaltet. Das Manuskript befindet sich im Abschluss. Ich danke T. Nicklas für sein ermutigendes Feedback.

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in Mk 12,38 – 44 oder aber in Jak 1,19 – 27 ist ein ähnlicher Zusammenhang zu beobachten. Vor allem Jak 1 kreierte eine Relation zwischen νόμος, δικαιοσύνη und χήρα, um damit ein Werkeverständnis zum Ausdruck zu bringen – nach D. Allison handelt es sich hierbei um Schriftrezeption.36 Dieses Sprachspiel, das die Texte des Neuen Testaments größtenteils konserviert haben, hatte eine Funktion in der Rezeptionsgeschichte von frühjüdischen Gerechtigkeitskonzepten, deren Wurzeln im frühen Christentum sich veränderten oder unterschiedlich stark verblassten. Parallel dazu bildeten sich immer mehr Überschneidungen zur römisch-hellenistischen Sprachwelt. Innerhalb dieser Sprachentwicklung entstanden »christliche« Kategorien der Tugenden, in denen das Verhalten gegenüber von Witwen ein bloßes Evaluationskriterium geworden ist. Die Übergangsprozesse dahin verliefen schleichend, aber einzelne Phasen oder Etappen lassen sich sehr gut rekonstruieren. Dabei zeigen sich unterschiedliche Facetten von Schrifthermeneutiken und die Entstehung einer identitätsstiftenden remembered language innerhalb einer facettenreichen Subkultur. Grob lassen sich die Quellen in vier Stadien kategorisieren: A) Okkupationsbewegungen Die Apologie des Aristides (Kap. 15) und Barn 20 greifen bewusst Kategorien frühjüdischer Rechtsordnungen auf, lösen sie von ihren Wurzeln, um sie christlich zu okkupieren. Dass Witwen eine rechtstheologische Funktion in deuteronomischen Zusammenhängen hatten, scheint diesen Texten nicht nur bewusst zu sein, sondern sie machen dies explizit kenntlich. Auf diese Schriften deutet χήρα zusammen mit dem δικ- und dem κρι-Stamm in Kombination mit anderen Signalen hin.37 B)  Typologie und aktive Kategoriebildung // Rezeption von Jes 1 und Jer 7 Bei der Herausbildung einer christlichen Umkehr- und Taufpraxis spielte eine aktive Rezeption von Jes 1 eine große Rolle.38 In 1Klem, Justin, Ad Autolycum 36

  Dass auch Offb 18,7 mit dem Witwen-Motiv Schriften rezipiert liegt auf der Hand. Ein ähnlicher Motivstrang wie in Offb 18,7 findet sich auch in den SybOr. Wahrscheinlich geht dieser Traditionsstrang auf Bar und Klgl zurück. 37   Zur Schrifthermeneutik in beiden Texten vgl. weiterführend Nicklas, Jews (s. Anm. 32), 67 – 73; 85 – 88. Ausführlicher zur Apologie des Aristides W. C. Rutherford, Reinscribing the Jews. The story of Aristides’ Apology 2.2 – 4 and 14.1b – 15.2, HThR 106 (2013), 61 – 91. 38   Ausführlicher zur Entwicklung der Taufpraxis vgl. A. Lindemann, Zur frühchristlichen Taufpraxis. Die Taufe in der Didache, bei Justin und in der Didaskalia, in: D. Hellholm (Hg.), blution, initiation, and baptism. Late antiquity, early Judaism, and early Christianity / Waschungen, Initiation und Taufe. Spätantike, Frühes Judentum und Frühes Christentum. II, BZNW 176 / 2, Berlin 2011, 767 – 815.

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und Irenäus wird direkt Schrift zitiert, wobei χήρα zusammen mit dem δικStamm, dem κρι-Stamm und / oder mit νόμος verwendet wird. Jes 1 und sein Gerechtigkeitsideal ist nebenbei auch ein locus classicus der Rezeptionsgeschichte des deuteronomischen Witwen-Textsignals und seiner Verbindung mit einem Gerechtigkeitsverständnis um den δικ- und den κριStamm. Jes 1,17: μάθετε καλὸν ποιεῖν, ἐκζητήσατε κρίσιν, ῥύσασθε ἀδικούμενον, κρίνατε ὀρφανῷ καὶ δικαιώσατε χήραν· Jes 1,21: Πῶς ἐγένετο πόρνη πόλις πιστὴ Σιων, πλήρης κρίσεως, ἐν ᾗ δικαιοσύνη ἐκοιμήθη ἐν αὐτῇ, νῦν δὲ φονευταί

1 Klem 8 und Justin (Just. apol. 1 44; 61; dial. 27)39 reduzieren Jes 1 allerdings auf die Kernaussage, dass Gott zur Umkehr und zur Reinigung aufruft. Vor allem das Bild des Waschens und Reinigens (Jes 1,16) ist in beiden Texten typologisch mit einer Umkehrpraxis (und der menschlichen Handlungsfreiheit) verknüpft worden. Jes 1,16: λούσασθε, καθαροὶ γένεσθε, ἀφέλετε τὰς πονηρίας ἀπὸ τῶν ψυχῶν ὑμῶν ἀπέναντι τῶν ὀφθαλμῶν μου, παύσασθε ἀπὸ τῶν πονηριῶν ὑμῶν

Die Schrifttypologie beider zerriss die traditionsgeschichtlichen Funktionszusammenhänge des Intertexts, so dass Witwen bzw. die Verbindung zwischen κρίνω / δικαιόω und χήρα im Rezeptionskontext als bloße Exempel »christlicher« guter Werke erscheinen40 (vgl. auch Jes 1 in Iren. adv. haer IV 2,6).41 Auch Ad Autolycum (Autol. 12), dessen Jes 1‑Rezeption die von 1 Klem und Justin inhaltlich kontrastiert, zeigt, dass die Wurzel von χήρα, dem δικ-Stamm, dem κρι-Stamm und / oder mit νόμος in der Nachgeschichte des Rechtsverständnisses der Tora liegt. Irenäus versucht dagegen jüdische Opfer- und Shabbatpraxis mit Hilfe der Schrift zu widerlegen. Dabei trennt er bewusst die Witwen von einer Kulttheologie, die innerhalb der ‫משפט‬-Rezeption fest mit ihnen verknüpft war. Indem er (Jer 7), Sach 7 und Jes 1 (Iren. adv. haer. IV 17,1.3) auslegt, schafft er zugleich eine Lukashermeneutik (Iren. adv. haer. IV 18). Hierbei erkennt und bestätigt er, inwiefern die lukanischen Witwen-Texte vom Sprachspiel der Schriften geprägt sind. Dass sich auch Spuren einer Jer 7 und / oder Jes 1-Rezeption in den WitwenVersen von 5 Esr 2 finden lassen, wird im Moment im Dissertationsprojekt von 39   Zu Justin vgl. ausführlicher B. Chilton, Justin and Israelite Prophecy, in: S. Pravis / P. Foster (Hg.), Justin Martyr and his Worlds, Minneapolis 2007, 77 – 87. 40   Dies war ein entscheidender Schritt für die Herausbildung einer frühchristlichen remembered language. 41   Dass diese neue Form der Funktionalisierung des dtn Witwen-Motivs ein bewusster Akt gewesen ist, wird auch im realgeschichtlichen Zeugnis bei Justin angezeigt (siehe unten).

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V. Hirschberger nachgewiesen. Sie plädiert im Moment dafür, dass 5 Esr stark Motive aus Jer 7 verarbeitet.42 C)  Zeugnisse einer »remembered language« Ignatius und Polykarp, deren Texte eine deutliche Distanz zu Israels Schriften einnehmen, zeugen davon, dass ihre Witwen-Sprache zwar deutliche Reste einer ursprünglichen Verwurzelung in der Schrift enthält, sie sich aber bereits stark davon gelöst hat. Polykarps Witwen (EpPolyk 6,1) stehen in einem Zusammenhang mit seiner Idee von δικαιοσύνη in EpPolyk 5,2 (vgl. auch den Zusammenhang zwischen δικαιοσύνη und χήρα in HermMand VIII und von χήρα, ἐντολή und ἔργον in HermSim I 1,7 / 8 und HermSim V 3). EpPolyk 6,1 gebraucht dazu noch das Syntagma κρίσεως ἀδίκου direkt nach den Witwen. In Ignatius’ Brief nach Smyrna evaluieren Witwen in Kap. 6 eine doketische Gegnergruppierung, die in Kap. 5 und 7 als nicht schriftkonform skizziert wird.43 Beide signalisieren in diesen Punkten eine fortgeschrittene Stufe eines Abspaltungsprozesses, bei dem aber noch Spuren einer Wurzel zu erkennen sind. D)  Realgeschichtliche Zeugnisse als Zeugnisse der schrifthermeneutischen Vorgänge? Die Zahl jener Texte, die ein realgeschichtliches Zeugnis über Witwen im Christentum oder über ihre Spiritualitätsgeschichte zu geben scheinen, ist äußerst gering. Zudem glaube ich, dass auch diese direkt oder indirekt die großen schrifthermeneutischen Zusammenhänge, in die das Witwen-Motiv involviert ist, reflektieren. Das liturgiegeschichtliche Zeugnis bei Justin bildet z. B. Sozialkategorien ab, die sich auch in der ‫ משפט‬von Ps 146 finden. Dort begegnen sich Jes 42 und 47 und deuteronomisches Denken, woraus der Psalm eine Idee vom Königtum Gottes kreiert, die für Lukas später wichtig werden soll. Justins Witwen in Just. apol. 67 werden in einem Atemzuge mit Waisen und Fremden, die – anders als in der Nachgeschichte der dtn Festtheologie – nicht im Stadtbereich (Dtn 5,14, 14,29; 16,11.14; 24,14; 26,11.12.13; 28,43), sondern in der Gemeinde wohnen, genannt und mit Hungernden und Gefangenen parallelisiert. Ps 146,7 – 9: Recht verschafft er den Unterdrückten, / den Hungernden gibt er Brot; der Herr befreit die Gefangenen [. . .] Der HERR behütet die Fremdlinge und erhält Waisen und Witwen; aber die Gottlosen führt er in die Irre. 42

  Ich danke V. Hirschberger für die anregenden Diskussionen.   Zu den Gegnern bei Ignatius vgl. W. Uebele: »Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen.« Die Gegner in den Briefen des Ignatius von Antiochien und in den Johannesbriefen, BWANT 151, Stuttgart 2001. 43

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Selbst bei Γραπτή, die nach Hermas die Witwen und Waisen unterweisen soll (HermVis II 4,3), ist eine Verbindung mit γραφή nicht von der Hand zu weisen.44 Auch wenn wir viele semantischen Verbindungen dieser Texte – viele basieren auf χήρα, dem δικ-Stamm, dem κρι-Stamm und / oder mit νόμος – mit einer sich entfaltenden Schrifthermeneutik und Abspaltungsbestrebungen erklären können, so ist es doch bemerkenswert, dass man sich dabei auf einer Ebene der alltäglichen Verkehrssprache bewegt, wie sie die dokumentarischen Papyri anzeigen.

3.  Ein subkultureller Zugang zum antiken Christentum und die Rolle einer remembered language bei Identitätsformungsprozessen 3.1 Modelle von Realgeschichte Für die Textwelten des frühen Christentums, die von Witwen handeln, kann ein simpler sozialgeschichtlicher Ansatz nicht funktionieren, da deren Fiktion die Lebenswelt eigentlich nur indirekt abbildet. Das Quellenbild sträubt sich eindeutig gegen eine zu optimistische sozialgeschichtliche Auswertung. Bereits das Faktum, dass Texte, die aus ganz unterschiedlichen Situationen stammen, eine ähnliche Semantik benutzen, vergleichbare Szenarien kreieren und nicht weit voneinander entfernte Kulissen beschreiben, deutet darauf hin. Realität ist schließlich Disparität, Divergenz und Heterogenität par excellence und identische Geschichtsbilder kann es nicht geben. Die Sprache der christlichen Quellentexte über Witwen aus der Zeit der intensiven Identitätsformierung ist für eine ausschließlich sozialgeschichtliche Arbeit zu wenig heterogenitätssensibel. Von der Knappheit ihrer Worte ganz zu schweigen. Stattdessen haben Witwen vielerorts eine schrifthermeneutische Funktion, für die die Texte unhinterfragt gesellschaftliche Stereotypen narrativ inszenieren. Die Realgeschichte hinter diesen Texten ist eine andere, als ihre narrativen Welten und die darin enthaltenen Kategorien vermuten lassen. Deswegen kritisiere ich das Geschichtsbild der bisherigen Witwen-Forschung und spreche mich dafür aus, Realgeschichte neu zu justieren.45 44   Dass Apg 6 als nur im Zusammenhang mit den lukanischen Witwen-Texten zu lesen ist, liegt auf der Hand, und bei diesen handelt es sich ausschließlich um Korrektive eines bestimmten δικαιοσύνη-Konzeptes. Etwas anders H. Braun, Geschichte des Gottesvolks und christliche Identität. Eine kanonisch-intertextuelle Auslegung der Stephanusepisode Apg 6,1 – 8,3, WUNT II / 279, Tübingen 2010, 98 – 129. Selbst in 1 Tim 5 findet sich dies betreffend ein kleiner Hinweis, denn dieses Kapitel scheint implizit Dtn 24 f. in den Verstehenszusammenhang einfließen zu lassen, um sich davon abzugrenzen. 45   Eine Methode, nach der aus den Texten direkt auf die soziale Stellung einer Personengruppe geschlossen werden kann, wird weder der Literarität der Quellen noch der narrativen Funktion der Witwen in ihnen gerecht. Die bisherige rekonstruierte Sozialgeschichte von christ-

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Realgeschichtlich sind die Witwen-Texte, insofern sie versuchten, die realgeschichtliche Umwelt ihrer Rezipienten zu steuern.46 Es ist der Sinn und Zweck vieler frühchristlicher Texte, durch das semantische Signal χήρα zumindest lose Text-Text-Relationen zu den Identitätsentwürfen der Schriften Israels und ihren Traditionen herzustellen. Ein realgeschichtliches Bild lässt sich daraus konstruieren, wenn man dies begreift und versucht daraus eine Diskussionskultur um die Entstehung unterschiedlicher »christlicher« Konzepte von Gerechtigkeit zu rekonstruieren. 3.2  Ein gemeinsames Sprachspiel in heterogenen Texten – Ein Hinweis auf eine antike Subkultur? Gerade weil viele der frühchristlichen Quellentexte sich in ihrer sprachlichen Inszenierung von Witwen sehr stark ähneln und dazu noch auf die Schriften zurückgeführt werden können, ergibt sich automatisch die nahezu klassische Frage nach Abhängigkeitsverhältnissen. Doch ich zweifle dennoch daran, ob ein solches Denken zumindest im Falle der Witwen-Texte disparate Identitätsbildungsprozesse vollständig erfassen kann.47 Dafür sind viele Quellen, die eine ähnliche Semantik aufweisen, doch zu weit voneinander entfernt.48 Ich suche von daher nach einem geeigneten Modell, mit dem man Gemeinsamkeiten von disparaten Texten erklären kann.

lichen Witwen und die Realitätsgeschichte der frühchristlichen Witwen-Texte liegen m. E. auf zwei völlig verschiedenen Ebenen, die allenfalls miteinander verwandt sind, letztendlich aber dennoch voneinander getrennt werden müssen. 46   Konkret heißt dies, dass Texte über Witwen den Leser zu einer Reflexion seines Rollenund Selbstverständnisses anregen. Natürlich setzen sie dafür voraus, dass jeder einzelne Rezipient eine gewisse Vorstellung oder eine Stereotype über die Realität von Witwen hat. Dies streite ich gar nicht ab und stimme dem auch zu, dass Witwen in der Spätantike größtenteils sicherlich kein einfaches Leben hatten; natürlich abgesehen von einigen Ausnahmen. Doch dies setzten alle Texte unhinterfragt voraus. Sie implizieren diese Info sogar textimmanent, weswegen man dieses Minimum an Vorverständnis beim antiken Leser voraussetzen kann. Das genügt, damit die Erzählwelt funktioniert. Auch jemand, der nicht dem Kulturkreis dieser Texte entstammt, merkt recht schnell, dass sie in vielen Erzählwelten künstlich die Rolle der Bedürftigen spielen. Damit schrieben die Texte aber noch lange keine Sozialgeschichte, sondern inszenieren nur eine literarische Rolle. 47   An seinem Ende steht rein methodisch schließlich nur eine Suche danach, ob sich Texte kennen oder nicht. Das führt m. E. zu einem ziemlich mechanischen Weltbild und damit lässt sich mein Quellenbefund nicht erklären. 48   Ich glaube, dass uns die Text-Text-Relationen meiner Quellen mehr verraten als einen direkten Ideen- oder Informationsaustausch. Vielleicht lässt sich das poststrukturalistische Erbe, dass Intertextualität mehr ist nur »Zitat«, »Anspielung« oder eben »Abhängigkeit« und »gemeinsame Tradition«, für historische Forschung gangbar machen. Text-Text-Relationen können über kulturellen Austausch Aufschluss geben, doch sind für mich genauso Zeugnis einer sich verbreitenden Spracheigenheit, deren Auswirkungen sich in Texten niedergeschlagen haben.

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Meines Erachtens lassen sich die Quellen am besten mit einer für ein historisches Paradigma und seine Quellenlage erschlossenen Subkulturtheorie erklären. Mit einer entsprechend entwickelten methodischen Form lassen sich meine Quellen systematisieren und verstehen. Ihre recht einfachen Kinderschuhe, die von A. K. Cohen,49 J. M. Yinger50 und L. Yablonsky51 stammen und von R. Schwendter zu einer »ahistorischen« Modellvorstellung entwickelt worden sind, schaffen es zudem sehr treffend, die Ergebnisse der Identitätsforschung zum frühen Christentum zu bündeln. Eine Subkultur52 ist zunächst im wertneutralen Sinne eine methodische Hilfe, um kulturelle Vollzüge zeitübergreifend zu erklären.53 Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie Gesellschaftsordnungen – egal wie man diese definiert und / oder rekonstruiert – unterteilt und Begegnungsräume unterschiedlicher Denkhorizonte und Machtkonstellationen ermöglicht. Teilweise losgelöst, teilweise in gesellschaftlichen Vollzügen verankert ist sie eine Art Sonderdiskurs mit eigenen Regeln, Strukturen und Matchverhältnissen. Sie ist in sich heterogen, lokal unterschiedlich ausgeprägt, von inneren Konflikten zersplittert und greift doch auf gemeinsame, allerdings unterschiedlich realisierte semantische Memorialien zurück,54 durch deren verbindende Elemente sie gekennzeichnet ist; ohne natürlich dabei die genauen Austauschwege rekonstruieren zu können. 49

  A. K. Cohen, Kriminelle Jugend. Zur Soziologie jugendlichen Bandenwesens, Hamburg 1961. 50   J. M. Yinger, Contraculture and Subculture, ASR 25 (1960), 625 – 635. 51   L. Yablonsky, The Violent Gang, New York 1962. 52   Sozialwissenschaftlich und kulturanthropologisch werden Subkulturen verschiedenartig definiert. Es finden sich Ansätze bei W. Ziegenfuss, Handbuch der Soziologie, Stuttgart 1956, 882; A. Klose / W. Mantl / V. Zsifkovits, Katholisches Soziallexikon, Graz u. a. 21980, 588. Der größte Unterscheidungspunkt ist allerdings weniger der, wie Subkultur beschrieben wird, sondern, wie der übergeordnete Kulturkreis abgesteckt wird. Zwei Denkmöglichkeiten einer Verhältnisbestimmung finden sich in der Literatur. Entweder denkt man Kultur als Summe von Subkulturen oder man unterscheidet zwischen einem übergeordneten kulturellem Überbau und untergeordneten Kategorien. Ich finde erstere Variante treffender. Für mich allerdings stellt die Definition von R. Schwendter, Theorie der Subkultur. Neuausgabe mit einem Nachwort. Sieben Jahre später, Frankfurt a. M. 21978, auch wenn sie einige gravierende Schwächen hat, den größten Ansatzpunkt zum Weiterdenken dar. Er unterscheidet zwischen progressiven und regressiven Subkulturen, die er je nachdem trennt, wie stark sie eine Begegnung von »Welten« zulassen. 53   Vgl. dazu Schwendter, Subkultur (s. Anm. 54), 38 – 40. 54   Mit semantischen Erinnerungsmedien meine ich nur bedingt eine Kontinuität zwischen historischen und erzählten Personen. Ich unterscheide mich von daher von dem Konflikt, den jüngst P. Foster und S. E. Porter über die Erinnerungskultur in der Leben-Jesu-Forschung anzeigten. Zu dessen Wurzeln zähle ich auch die Ansätze von J. Schröter, W. Amelig, T. Schmeller, R. Hoppe und R. Zimmermann. Erinnerungsmedien sind für mich auch mehr als rhetorische Strategien der Kommunikation, wie sie S. Schreiber auffasst. Sie sind für mich im Anschluss an J. Assmann die grundlegendste anthropologische Voraussetzung sowohl für kollektive als auch für individuelle Identitätsbildungs- und ‑reflexionsprozesse, die aufgrund einer Summierung und einer Dialogizität von gespeicherten Informationen überhaupt erst ermöglicht werden. M. E. zählt hierzu nicht nur die Kommunikation von historisch Erlebten, das als Erinnerung gespei-

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Exkurs: Die Nicklas’sche »Welt« und ein subkulturelles Geschichtsmodell Dieses Denken vermag es m. E. ebenso, die großen Stärken des Geschichtsdenkens von T. Nicklas zu nutzen und zeitgleich einen terminologischen und definitorischen Schwachpunkt zu umgehen. Die in seinem Œuvre häufig begegnenden »Welten« versuchen terminologisch ein anthropologisches Moment in eine historische Re-Konstruktion einzutragen. »Welten« signalisieren in seinem Denken kulturelle Begegnungs- und Austauschräume.55 T. Nicklas wendet sich mit dieser Terminologie m. E. völlig berechtigt gegen eine vereinfachte diskursive Erschließung antiker Quellen, die dazu neigt, Texte zu kategorisieren und in mehr oder weniger abgeschlossene Genres einzuteilen. Obwohl er kategoriales Denken nicht komplett aufgibt, möchte er ein Bewusstsein dafür schaffen, dass künstlich gebildete Kategorien einer antiken Lebenswelt schon allein aus anthropologischen Gründen nicht gerecht werden können. Die Nicklas’sche »Welt« soll genau diese Offenheit zum Ausdruck bringen, die vereinfacht diskursive Kategorien nicht besitzen, hat allerdings eine Schwäche, die fest in der Intention des Denkens verankert ist. Diese kann auch nicht ohne Weiteres beseitigt werden, ohne dabei etwas von der Stärke des Ansatzes aufzugeben. Sein Denken ist sicher attraktiv und wichtig, aber es hinterlässt gewollt eine Leerstelle. Schließlich lässt sich methodisch nicht vollständig bestimmen, was eine »Welt« ist, ohne ihre Offenheit aufzugeben. Sie ist bei T. Nicklas eben mehr als ein abgeschlossener Diskurs oder ein bestimmbares Genre. Eine Subkulturtheorie knüpft nun genau hier an, weil Subkulturen als Begegnungsraum von unterschiedlichen Denkformen und Lebens-»Welten« begriffen werden können und dennoch als Konstrukt oder als Summe diskursiv bestimmbar sind.56

chert wurde, sondern die Herausbildung einer remembered language, einer memorialen Enzy­ klopädie oder einer nach E. Tulving semantic memory, eines gemeinsamen Sprachspiels, das die Grundvoraussetzung für die Herausbildung von Gruppen und Subkulturen ist. A. Assmans Unterscheidung zwischen einer aktiven Erinnerungsbildung und eine Erinnerungskonservierung lässt sich hierfür recht treffend anwenden, da die Herausbildung von Subkulturen automatisch mit einer aktiven semantischen Neuidentifikation einhergehen. 55   Z. B. T. Nicklas, Staunen über Natur – Wunder des Glaubens. Die »Welten« des Physiologus, in: J. E. Spittler / T. Nicklas (Hg.), Credible, Incredible: The Miraculous in the Ancient Mediterranean World, WUNT I / 321, Tübingen 2014, 228 – 251. Ferner Nicklas, Jews (s. Anm. 32), 62; 89 ff.; 189 f. Auch T. Nicklas New Testament Manuscripts: Every Fragment Tells a Story, Keneth Clark Lectures I, 2014; T. Nicklas, Jewish, Christian, Greek? The Apocalypse of Peter as a Witness of Early Second Century Christianity in Alexandria [Veröffentlichung in Vorbereitung]. Ich danke T. Nicklas für die anregenden Diskussionen. 56   Will man sich antikes Christentum in der Art einer Subkultur vorstellen, kommt allerdings eine intertextuelle Methode, die nur zwei Kategorien kennt (literarische Abhängigkeit und gemeinsame Traditionen), relativ bald an ihre Grenzen. Schließlich zeichnet sich subkulturelle Identität durch eine sich herausbildende Memorialkultur oder Memorialsemantik aus. Identitätsformung wird von einer Semantikproduktion begleitet. Sprachbildung ist allerdings ein anthropologischer Prozess, der so komplex ist, dass er einen bloßen direkten oder indirekten Traditionsaustausch klar überschreitet. Dennoch hinterlässt er deutliche Spuren, die eine Rekonstruktion erlauben, ohne die Gesamtheit der ablaufenden Prozesse überblicken zu können; i. e. Text-Text-Relationen. Ein memorialsemantischer Ansatz, bei dem Intertextualitäten nicht darauf reduziert werden, ob sich Texte kannten oder nicht, zeigt uns wesentlich mehr über antikes Christentum. Texte, die wohl nicht miteinander verwandt sind, dennoch nahezu identische semantische Idiome unterschiedlich verwenden, lassen sich erklären. Trotz deren Eigenständig-

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Begreift man Witwen als einen Teilaspekt einer semantischen Erinnerungskultur, die abhängig von ihrem subkulturellen Standort durchaus unterschiedliche Funktionen erfüllte, erschließt sich m. E. ein größerer Teilaspekt des frühen Christentums, als wenn man sprachliche Überschneidungen nur in Hinsicht auf Abhängigkeits- und Traditionsverhältnisse auflöst. Vielleicht waren Witwen im frühen Christentums auch subkulturelle »must haves«; Idiome, die Texte einfach nennen mussten, egal ob sie sich untereinander kannten und egal ob sie diese Motive unterschiedlich einsetzten. Die semantische Ähnlichkeit vieler Texte, die unabhängig von den Thesen ihrer Abhängigkeitsverhältnisse zu beobachten ist, deutet genau darauf hin.

4. Zusammenfassung Ein Aufsatz allein kann sicher nicht der Komplexität der Thematik gerecht werden, dennoch möchte ich zumindest einige Linien aufzeigen, die in Quellentexten über Witwen begegnen. Ich begreife den Aufsatz zeitgleich als einen Impuls für meine weitere Forschung und stelle implizit auch eine Frage nach einem geeigneten Sozialmodell, das die großen Linien der Identitätsforschung zum frühen Christentum zu bündeln und meine Quellen zu ordnen vermag. Es konnte gezeigt werden, dass es neben Lk 2, Apg 6 und 1 Tim 5 eine breite Menge an Quellen aus ganz unterschiedlichen Kontexten gibt, die vergleichbare Wortkombinationen und Motivcluster verwenden, wenn sie von Witwen sprechen. Diese Texte stellen nebenbei bemerkt die Mehrzahl der frühchristlichen Quellen über Witwen dar. Zudem lässt sich ein sprachlicher Zusammenhang zwischen ihnen und dem Verständnis von Gerechtigkeit in den Schriften ­Israels ausmachen. Viele frühchristliche Texte, die Gerechtigkeit erklären wollen, benutzen Witwen als intertextuelles Signal, um sich dabei entsprechend zu den Schriften zu positionieren. Ich begreife aber Witwen nicht nur als Medien der Schrifthermeneutik, sondern glaube auch, dass eine frühe Phase der Schriftkultur Witwen betreffend eine Memorialsemantik geschaffen hat, die Texte einer späteren Generation einfach aufgreifen mussten. Ich bin der Meinung, dass die Sprache über Witwen, denen semantischen Wurzeln in den Schriften Israels liegen, zur remembered language der facettenreichen Subkultur des frühen Christentums geworden ist. Natürlich ist es dabei äußerst spannend, dass die Schriftrezeption vieler Texte nun keinen Gegendiskurs zu einer wie auch immer zu definierenden Mainstrekeit lassen sie sich aber dennoch als ein integrativer Bestandteil größerer kultureller Diskurse begreifen. Es zeigt sich, wie sich innerhalb verschiedenster Subkulturen Sprachspiele jenseits von Christologien entwickelten und zu Idiomen der Identität geworden sind, die trotzdem eine ideelle Eigenständigkeit behalten haben.

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amkultur oder Gesellschaft eröffnet hat, sondern Schriftrezeption und Schrifthermeneutik mit einer Semantik kommuniziert wurde, die ebenso in anderen Bereichen der kulturellen Öffentlichkeit angesiedelt war und zeitgleich gesellschaftliche Stereotypen voraussetzt, zu der die dokumentarischen Papyri aus Oxyrynchus eine Tür aufschließen.57

57   χήρα im Zusammenhang mit dem δικ-Stamm, dem κρι-Stamm und / oder νόμος signalisiert, dass sich Welten berühren. Ich glaube von daher, dass das Witwen-Motiv im frühen Christentum einen Blick auf die identitätsstiftende Sprachentwicklung einer sich ausdifferenzierenden Subkultur erlaubt – auf eine subkulturelle Memorialsemantik.

Zwischen Sensibilität und Konvention Rollenbilder von Frauen im lukanischen Doppelwerk Christfried Böttrich

Mehr als die anderen Evangelisten hat Lukas die Lebenswirklichkeit von Frauen in den Blick genommen. Das ist von jeher aufgefallen. In zahlreichen Episoden und narrativen Konstellationen bildet der dritte Evangelist das Miteinander der Geschlechter ab und bietet sich damit im Besonderen als ein Gesprächspartner für die heutigen Genderdiskurse an.1 Doch je mehr man sich in seine große, doppelzügige Erzählung vertieft, um so ratloser wird man. Diese Ratlosigkeit steigert sich, wenn man dazu noch die längst uferlos gewordene exegetische Literatur der letzten dreißig Jahre hinzunimmt.2 Es scheint, als ob Lukas seinem Lesepublikum mit großem Nachdruck ein Thema ans Herz lege – ohne jedoch selbst dazu Position beziehen zu wollen. Er präsentiert die Geschlechterbeziehung als solche in auffälliger Balance, enthält sich dann aber weitgehend der Profilierung von Rollenbildern oder gar der theologischen Begründung ihrer Zuordnung.3 1   Es ist vor allem die feministische Exegese, die das lukanische Doppelwerk ganz neu als »a source for women’s history« entdeckt; vgl. für viele andere M. R. d’Angelo, Women in LukeActs. A Redactional View, JBL 109 (1990), 441 – 461, spez. 442. 2   Vgl. zur älteren Literatur I. M. Lindboe, Women in the New Testament. A Selected Bibliography, Oslo 1990; seither vgl. vor allem d’Angelo, Women in Luke-Acts (s. Anm. 1); I. Richter-Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas. Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992; J. Blank, Frauen in der Jesusüberlieferung, in: Die Frau im Urchristentum, QD 95, 1992, 39 – 68 (= 5. Aus der Lukasüberlieferung); J. Schaberg, Luke, in: Women’s Bible Commentary, hg.v. C. A. Newsom / S. H. Ringe, Louisville 1992, 275 – 292; T. K. Seim, The Double Message. Patterns of Gender in Luke-Acts, Edinburgh 1994; B. E. Reid, Choosing the Better Part? Women in the Gospel of Luke, Collegevill / Minnesota 1996; H. Melzer-Keller, Jesus und die Frauen. Eine Verhältnisbestimmung nach den synoptischen Evangelien, Freiburg u. a. 1997 (Teil III: Jesus und die Frauen in der Redaktion des Lukas, 187 – 329); A.‑J. Levine, A Feminist Companion to Luke, Feminist Companion to the New Testament and Early Christian Writings 3, London / New York 2002; L. Schottroff / M.‑Th. Wacker, Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 21999, 32007; F. S. Spencer, Salty Wives, Spirited Mothers, and Savvy Widows. Capable Women of Purpose and Persistence in Luke’s Gospel, Grand Rapids / Cambridge 2012; M. Perroni, Jüngerinnen, nicht aber Apostolinnen. Das lukanische Doppelwerk, in: Die Bibel und die Frauen 2.1, Stuttgart 2012, 167 – 205. 3   Aus einem ganz anderen Holz ist hier Paulus geschnitzt: in Gal 3,28 reflektiert er die Geschlechterbeziehung auf der Basis des neuen »Seins in Christus« (unter Rückgriff auf Gen 1,27) theologisch fundamental – und versucht dann in verschiedenen Alltagssituationen die Ausführungsbestimmungen zu diesem neuen Sein zu klären (z. B. 1 Kor 7 und 11; Phil 4,1 – 3; Röm 16).

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Entsprechend kontrovers stellt sich die Diskussion um Lukas als einen Frauenfreund oder Frauenfeind dar. Sein Doppelwerk ist in der jüngeren Exegese in ein Kreuzverhör geraten, für das es auf beiden Seiten offensichtlich ausreichend Indizien gibt.4 Mit quantitativen Argumenten lässt sich dabei nicht viel ausrichten. Auf die Bewertung der einzelnen Episoden kommt es an. Aber genau da entziehen sich die lukanischen Erzählfiguren und Schlüsseltexte immer wieder einem brauchbaren Geständnis. Man bekommt sie mit philologischen oder sozialgeschichtlichen Untersuchungen allein nicht zu fassen. Daran wird auch der folgende Beitrag nichts ändern können. Die Beweisaufnahme ist längst abgeschlossen, und neue Be- oder Entlastungszeugen sind nicht in Sicht. Ich möchte deshalb den lukanischen Zugriff auf das Thema gerade in seiner Unbestimmtheit noch einmal skizzieren und dabei vor allem nach der Funktion einer solchen literarischen Strategie fragen. Das kann nur in exemplarischer Weise geschehen. Nach einem Überblick über den Textbefund im Ganzen soll die Problematik an einigen prominenten Erzählfiguren und rollenspezifischen Konstellationen überprüft werden, um dann zum Schluss ein kurzes theologisches Fazit zu versuchen.

1.  Statistische Beobachtungen In der beliebten Etikettierung, das dritte Evangelium sei »the Gospel for women«,5 spiegelt sich zunächst nur der Eindruck einer ersten, flüchtigen Lektüre wider. Lukas enthält über Markus und Matthäus hinaus in der Tat eine Reihe von markanten Episoden, bei denen Frauenfiguren im Mittelpunkt stehen. Diese Episoden springen ins Auge und verleihen der lukanischen Erzählung ein besonderes Profil. Evangelium LkS 1 f.: Frauen als Adressatinnen der Verheißung und Akteurinnen des Geschehens LkS 7,11 – 17: Auferweckung des Jünglings zu Nain – Rechtsschutz der Mutter LkS 7,36 – 50: Salbungsgeschichte – emotionale und erotische Töne LkS 8,1 – 3: wohlhabende Frauen um Jesus – Nachfolge und Unterstützung LkS 10,38 – 41: Maria und Marta – hörende / lernende Frauen sowie Rollendisput LkS 11,27 f.: eine Frau aus dem Volk preist die Mutter Jesu selig – Solidarisierung der Mütter LkS 13,10 – 17: Heilung der gekrümmten Frau am Sabbat – Konfliktsituation LkS 18,1 – 8: bittende Witwe – eine kühne Bildgeschichte LkS 23,27 – 32: Jesus tröstet auf dem Kreuzweg die weinenden Frauen 4   Eine gute Übersicht bietet R. J. Karris, Women and Discipleship in Luke, CBQ 56 (1994), 1 – 20; Nachdr. in: Levine, A Feminist Companion to Luke (s. Anm. 2), 23 – 43. 5   Vgl. z. B. A. Plummer, Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to S. Luke, Edinburgh 51928, xlii.

Zwischen Sensibilität und Konvention

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Apostelgeschichte Act 1,14: die Frauen und Maria im Kreis der Elf – ein Bild der Kerngemeinde Act 5,1 – 11: Saphira – eine in Schuld verstrickte Mitwisserin in Jerusalem Act 9,36 – 42: Tabita – eine Jüngerin / μαθήτρια (Hapaxlegomenon im NT) in Joppe Act 12,12: Maria, die Mutter des Johannes Markus – eine Hausbesitzerin in Jerusalem Act 12,13 – 15: Rhode – eine Frau aus der Jerusalemer Gemeinde Act 16,1: die Mutter des Timotheus – eine Jüdin in Ehe mit einem Griechen in Lystra Act 16,14 f.40: Lydia – eine selbständige Geschäftsfrau in Philippi Act 16,16 – 21: eine Sklavin in Philippi – ein gewinnbringendes Medium Act 17,34: Damaris – eine der ersten Christinnen in Athen Act 18,1 – 3 / 19,26: Priszilla – eine Missionarin in Korinth und Ephesus Act 21,9: die vier jungfräulichen Töchter des Philippus in Cäsarea – Prophetinnen

Zu diesen auffälligen Episoden kommt noch ein charakteristischer Sachverhalt hinzu: Immer wieder schenkt Lukas seine Aufmerksamkeit gerade Frauen der gesellschaftlichen Oberschicht – sei es verschiedenen Gruppen von Frauen im Allgemeinen oder prominenten Figuren im Besonderen.6 Wohlhabende Frauen Lk 8,1 – 3: Gruppe um Jesus, die ihm mit ihrer Habe (ὑπάρχοντα) dient Act 13,50: vornehme (εὐσχήμων) Frauen im pisidischen Antiochia Act 17,4: nicht wenige von den angesehensten (τῶν πρώτων) Frauen in Thessaloniki Act 17,12: nicht wenige von den vornehmen (εὐσχήμων) Frauen in Beröa Frauen in der Rolle des Oikodespotes Lk 10,38: Marta – nimmt Jesus auf [in ihr Haus] Act 9,36: Tabita – sie scheint ihre Sozialfürsorge aus eigenem Aufkommen im eigenen Haus zu bestreiten Act 12,12: Maria, Mutter des Johannes Markus – die Gemeinde versammelt sich in ihrem Haus Act 16,14 f.: Lydia – sie und ihr Haus lassen sich taufen, sie lädt ein in ihr Haus Gottesfürchtige (σεβόμεναι) Frauen Act 13,50: Antiochia in Pisidien Act 16,13 f.: Philippi Act 17,4: Thessaloniki Herrscherinnen Act 8,27: Kandake – die äthiopische Königin, hier nur erwähnt Act 24,24 ff.: Drusilla – die Schwester Agrippas II., Frau des Festus Act 25 f.: Berenike  – die Schwester Agrippas II., in Begleitung ihres Bruders, später Geliebte des Titus

6   Dieses Phänomen untersucht in monographischer Breite S. Matthews, First Converts. Rich Pagan Women and the Rhetoric of Mission in Early Judaism and Christianity, Stanford 2001. Die Aufgeschlossenheit von Frauen der gesellschaftlichen Elite gegenüber neuen / fremden Religionen erscheint als ein apologetischer Topos, der sich z. B. auch bei Josephus im Blick auf das Judentum breit belegen lässt.

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1.1  Narrative Gewichtung von Frauen und Männern Die Jesus-Christus-Geschichte7 des Lukas spielt in einer von Männern beherrschten Welt. Deshalb kann es auch kaum überraschen, dass unter ihren Erzählfiguren Männer deutlich in der Überzahl sind. Prüft man diesen Sachverhalt jedoch genauer, dann relativiert sich das Gefälle in mehrfacher Hinsicht. Bei Lukas stehen im Ganzen zunächst ca. 110 Männer ca. 40 Frauen gegenüber, wenn man die Überschneidungen in beiden Teilen des Doppelwerkes abzieht. Im Evangelium beträgt das Verhältnis 100:21, in der Apostelgeschichte 137:17.8 Dabei fällt auf, dass namentlich genannte und anonyme Figuren einander ungefähr die Waage halten9 – sowohl bei den Frauen (Lk 10:11 / Act 10:7) als auch bei den Männern (Lk 59:41 / Act 101:26).10 Männer werden demnach nicht weniger häufig anonymisiert als Frauen. Anonymität erscheint mit stereotyper Regelmäßigkeit vor allem in Wundererzählungen und Gleichnissen, bei der Erwähnung von Gruppen (Boten, Begleitern, Ordonnanzen, Verwandten), bei Statisten (Wachposten, Soldaten), bei Inhabern öffentlicher Ämter (Beamte, Politiker, Funktionsträger) oder bei Gestalten, die im Rahmen von Visionen auftreten. Männer können ebenso über eine Bezugsperson definiert werden wie Frauen.11 Lukasevangelium a)  namentlich genannte Frauen: 10 Elisabet, Frau des Zarachias 1,5.7.13.24.36.40.41.57 Maria, Mutter Jesu 1,27.30.34.38.39.46.56; 2,5.16.19.34 Hanna 2,36 Herodias, Frau des Herodes Antipas 3,19 Maria von Magdala 8,2; 24,10 Johanna, Frau des Chuza 8,3; 24,10  7   Zum Begriff vgl. E. Reinmuth, Hermeneutik des Neuen Testaments, UTB 2310, Göttingen 2002, 11 – 38.  8   Seim, Double Message (s. Anm. 2), 259, betrachtet die »masculinisation« als einen besonderen Zug der Act, weil es hier nun vor allem um strukturelle Fragen der Gemeindeleitung sowie um öffentliche Aktivitäten wie die Evangeliumsverkündigung geht.  9   Zum Phänomen vgl. grundlegend S. Pellegrini, Frauen ohne Namen in den kanonischen Evangelien, in: Die Bibel und die Frauen (s. Anm. 2), 383 – 420. 10   Weil in Act weniger Wunder und gar keine Gleichnisse erzählt werden, treten auch anonyme Figuren so deutlich zurück; diese Verschiebung gleicht sich indessen durch männlich dominierte Figurengruppen (wie Pharisäer, Sadduzäer, Älteste, Beamte, Funktionsträger usw.) wieder aus, die hier jedoch nicht mitgezählt sind. Hinzu kommen Listen, wie die erneute Aufzählung der 11 Schüler Jesu (1,13), die 7 Jerusalemer Diakone (6,5) oder die 4 Mitglieder der Kollektendelegation (20,4); dazu 17 Figuren aus Israels Geschichte in den großen heilsgeschichtlichen Rückblicken. 11   Mann über den Vater: Lk 3,2.23; 4,22; 5,10; 6,15.16; Mann über die Mutter: Lk 7,12; Mann über beide Eltern: Act 16,1; Mann über den Sohn: Act 28,8; Frau über den Vater: Lk 1,5; 7,21; Frau über den Ehemann / Verlobten: Lk 1,27; 3,19; 8,3; 17,32; Frau über den Sohn / das Kind: 8,51; 24,10 (?); Act 1,14; 12,12; Frau über den Schwiegersohn: Lk 4,38.

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Susanna 8,3 Marta 10,38.40.41 Maria, Schwester der Marta 10,39.42 Maria, die des Jakobus 24,10 b)  anonyme Frauen Erzählfiguren: 11 die Schwiegermutter des Simon 4,38 f. eine Witwe in Nain 7,11 – 17 eine Frau, eine Sünderin 7,36 – 50 einige Frauen / viele weitere 8,1.3 die Tochter des Jairus 8,40 – 42.49 – 56 (Anrede als »Kind!«) die Mutter der Jairus-Tochter 8,51 eine am Blutfluss leidende Frau 8,43 – 48 eine Frau, die Jesu Mutter selig preist 11,27 eine seit 18 Jahren verkrümmte Frau 13,10 – 17 eine Witwe am Opferkasten im Tempel 21,1 – 4 eine Magd im Hof des Hohenpriesters 22,56 f. Beispielfiguren: 3 die Witwe von Sarepta 4,26 die Königin des Südens 11,31 die Frau des Lot 17,32 Figuren in Gleichnissen: 4 eine Frau, die Sauerteig knetet 13,20 f. eine Frau, die geheiratet wird 14,20 eine Frau, die ihre Drachme sucht 15,8 – 10 eine Frau, die nacheinander sieben Brüder heiratet 20,17 – 40 Figurengruppen: Mutter, Tochter, Schwiegermutter, Schwiegertochter 12,53 Witwen, die um ihre Häuser gebracht werden 20,47 Schwangere und Stillende 21,23 klagende Frauen auf dem Kreuzweg 23,27 – 31 Frauen, die von Galiläa an nachgefolgt sind 23,49.55 f. Frauen am Ostermorgen 24,1 – 12 (in 24,10 teilweise benannt)

Für die männliche Seite lässt sich die Statistik folgendermaßen zusammenfassen: a)  namentlich genannte Männer: 59 Erzählfiguren: 39 Figuren in Gleichnissen: 1 Figuren aus Israels Geschichte: 15 mythologische Figuren: 4 b)  anonyme Männer: 41 (46) Erzählfiguren: 41 Figuren in Gleichnissen: zahlreich und männlich dominiert Figurengruppen: zahlreich und männlich dominiert mythologische Figuren: 5

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Apostelgeschichte a)  namentlich genannte Frauen: 12 Erzählfiguren: 10 Maria, Mutter Jesu 1,14 Saphira, Frau des Hananias 5,1 Tabita / Dorkas 9,36.39.40 Maria, Mutter des Johannes Markus 12,12 Rhode, Magd im Haus der Maria 12,13 Lydia, Purpurhändlerin in Philippi 16,14.40 Damaris, eine Christin in Athen 17,34 Priszilla, Frau des Aquila 18,2.18.26 Drusilla, Frau des Felix 24,24 Berenike 25,13.23; 26,30 mythologische Figuren: 2 Artemis von Ephesus 19,24.27.28.34.35 Dike, die Rachegöttin 28,4 b)  anonyme Frauen: 7 Erzählfiguren: 7 Kandake, Königin der Äthiopier 8,27 die Mutter des Timotheus 16,1 eine Sklavin, die in Philippi als Medium arbeitet 16,16 vier jungfräuliche Töchter des Philippus 21,9 Figurengruppen »Männer und Frauen« 5,14; 8,3.12; 9,2; 13,50; 17,4.12; 21,5; 22,4

Für die männliche Seite lässt sich die Statistik folgendermaßen zusammenfassen: a)  namentlich genannte Männer: 101 Erzählfiguren: 84 Figuren aus Israels Geschichte: 17 b)  anonyme Männer: 36 Erzählfiguren: 26 Figurengruppen: zahlreich und männlich dominiert mythologische Figuren: 10

Im Stammbaum Jesu (Lk 3,23 – 38), der aus dieser Statistik herausgenommen ist, listet Lukas zwar ausnahmslos Männer auf – insgesamt 77 an der Zahl.12 Dafür aber lässt er dann die folgende Geburtsgeschichte Jesu ausnahmslos über die Mutter laufen. Die hohe Zahl der namentlich genannten Männer verdankt sich vor allem der Tatsache, dass Lukas besonders an Herrschergestalten und an Vorbildern aus der Glaubensgeschichte Israels interessiert ist; letztere allein machen schon ca. 1 / 5 aller Namen aus. Unbestimmt bleiben Größen wie das Volk, die Volksmenge oder die gelegentlich genannten Kinder. 12

  Mt 1,2 – 15 listet 42 Namen (mit den Zwillingen Perez und Serach) auf.

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Die ungleichen Proportionen verdanken sich den Vorgaben des Stoffes, den Lukas gestaltet. Doch die Art und Weise, wie er seinen Figuren dann Identität verleiht und sie als Subjekte des erzählten Geschehens auftreten lässt, offenbart eine erstaunliche Balance. Auch Männer werden unsichtbar gemacht – und auch Frauen bringen die Erzählung voran. Aufschlussreich ist hier vor allem der Vergleich mit den anderen Evangelisten:13 Markus: ca. 18 Frauen (4 : 14) und ca. 87 Männer (37 : 50) Matthäus: ca. 16 Frauen (4 : 12) und ca. 92 Männer (46 : 46) Johannes: ca. 8 Frauen (4 : 4) und ca. 60 Männer (24 : 36)

Bei Mk / Mt sind anonyme Frauen deutlich in der Überzahl; nur bei Joh ist das Verhältnis ausgeglichen.14 Bei den Männern hat allein Mt ein ausgewogenes Verhältnis, während Mk / Joh deutlich mehr anonyme Männerfiguren präsentieren. Den größten Anteil an weiblichen Figuren insgesamt aber bietet Lukas, gefolgt von Markus, Matthäus und Johannes (in absteigender Reihenfolge). Solche statistischen Beobachtungen ergeben freilich nur ein sehr ungenaues Bild. Natürlich wäre hier auch die Häufigkeit, mit der einzelne Figuren auftreten, zu berücksichtigen, ebenso ihre Redeanteile oder ihre Platzierung im Gesamtaufbau der Erzählung. Doch von allen diesen Überlegungen bleibt unberührt: Die deutlich größere Präsenz von Frauenfiguren im lukanischen Doppelwerk ist schon mit bloßem Auge zu erkennen. Für Lukas stellt die Wahrnehmung von Frauen, ihre Rolle in der Erzählung und ihre Beziehung zu den männlichen Akteuren ein bewusst gestaltetes Thema dar. 1.2  »Geschlechtssymmetrische Paarbildungen« Noch auffälliger als die rein zahlenmäßige Verteilung von Männer und Frauen ist die Verknüpfung, die Lukas immer wieder zwischen männlicher und weiblicher Lebenswirklichkeit herzustellen versucht. In der Literatur hat es sich inzwischen eingebürgert, dieses Phänomen mit dem Begriff der »geschlechtssymmetrischen Paarbildungen« zu bezeichnen.15 Der entsprechende Befund findet sich verstreut über verschiedene Textsorten und Textbereiche.16 Dabei sind nicht 13   Diese Statistik ist hier etwas grobflächiger als bei Lk / Act durchgeführt und macht nur die Tendenz sichtbar. Für präzisere Aussagen müsste sie noch einmal nachgezählt werden. 14   Das liegt wohl daran, dass Joh die wenigsten Frauenfiguren überhaupt auftreten lässt; selbst die Mutter Jesu fügt sich bei ihm in die Gruppe der anonymen Figuren ein. 15   Vgl. z. B. G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 32001, 204. Seim, Double Message (s. Anm. 2), 13 – 15, spricht von »gender pairs« und stellt in kritischer Auseinandersetzung mit älteren Auflistungen ihrerseits eine Liste von 13 Paaren auf; Kriterium ist für sie vor allem die formale Entsprechung der jeweiligen Perikopen. 16   D’Angelo, Women in Luke-Acts (s. Anm. 1), 443 – 448, unterscheidet zwischen »pairs« im Sinne einer Einheit zweier Stories mit identischer Pointe und Funktion sowie solchen, die man als »architectural pairs« bezeichnen könnte, also Stories in unterschiedlichen Kontexten, die das große Erzählwerk zusammenhalten.

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nur konkrete Erzählfiguren aufeinander bezogen, sondern auch »Lebenswelten« oder Personengruppen. Geburtsgeschichten Ankündigungen an Zacharias (1,5 – 25) und Maria (1,26 – 38) Hymnen der Maria (1,46 – 55) und des Zacharias (1,68 – 79) Auftreten von Simeon (2,25 – 35) und Hanna (2,36 – 38)17 Bildworte Gewandflicken (5,36) und Weinschlauch (5,37 – 39) Feldarbeit (12,24) und Textilherstellung (12,27) Bett und Mühle bzw. Mühle und Feld (17,34 – 36)18 Gleichnisse Senfkorn (13,18 f.) und Sauerteig (13,20 f.) verlorenes Schaf (15,1 – 7) und verlorene Drachme (15,8 – 10) bittender Freund (11,5 – 8) und bittende Witwe (18,1 – 8) Predigtbeispiele Witwe von Sarepta (4,25 f.) und Feldhauptmann Naaman (Lk 4,27) Königin des Südens (11,31) und Männer von Ninive (11,32) Heilungsgeschichten Mann mit der verkrüppelten Hand (6,6 – 11) und gekrümmte Frau (13,10 – 17) – beide am Sabbat in der Synagoge Auferweckung des Jünglings zu Nain (7,11 – 17)19 und der Tochter des Jairus (8,40 – 56) – beide sind Jugendliche Auferweckung der Tabita durch Petrus (Act 9,36 – 42) und des Eutychus durch Paulus (Act 20,7 – 12) – beide Wunder parallelisieren zugleich die Tätigkeit der beiden maßgeblichen Protagonisten in Act Heilung des Äneas (Act 9,32 – 35) und Auferweckung der Tabita (Act 9,36 – 42) – beide in Joppe Schwiegermutter des Petrus (Lk 4,38 f.) und Vater des Publius (Act 28,8) – beide leiden an Fieber Umkehrgeschichten Umkehr der salbenden Sünderin (7,36 – 50) und Umkehr des Zöllners Zachäus (19,1 – 10)

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  Diese Entsprechung hat eine gewisse Asymmetrie darin, dass von Simeon Worte überliefert werden, von Hanna aber nicht. Reden halten bei Lukas generell nur die Männer. 18   Dieses Bildwort behält einige Unklarheiten: die Zwei auf einem Bett sind offensichtlich kein Ehepaar – ὁ εἷς / ὁ ἕτερος bezeichnet Männer; ἡ μία / ἡ δὲ ἑτέρα an der Mühle bezeichnet hingegen Frauen. Die beiden Männer auf dem Feld, die in dem textlich sekundären Vers 17,36 hinzugefügt werden und dabei die ursprüngliche Symmetrie stören, verdanken sich einer Parallelangleichung an Mt 24,40. 19   Von der Auferweckung des Jünglings zu Nain aus ergibt sich auch eine Entsprechung zur Auferweckung der Tabita – in beiden Fällen kommt die Rückkehr ins Leben hinterbliebenen Witwen zugute, deren Existenz durch den Todesfall ihres Rechtsbeistandes und Ernährers bzw. ihrer Wohltäterin bedroht war.

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Abrahamskindschaft verkrümmte Frau »Tochter Abrahams« (13,16) und Zachäus »Sohn Abrahams« (19,19) Formel »dein Glaube hat dich gerettet« adressiert zweimal an Frauen (7,50; 8,48) und zweimal an Männer (17,19; 18,42) Karfreitag und Ostermorgen Männer / »alle die ihm Bekannten« und Frauen beobachten die Grablegung am Karfreitag von Ferne (Lk 23,49) Frauen und Männer besuchen das Grab am Ostermorgen (die Frauengruppe Lk 24,1 – 8 /  Petrus Lk 24,12) Erinnerungsarbeit an die Leidensankündigungen erinnert werden die Frauen (24,6 f.) und die Emmausjünger (24,26) »Männer und Frauen« werden in ausdrücklicher Parallelität genannt20 als Ausdruck des Gemeindewachstums (Act 5,14) als Opfer der Nachstellungen durch Saulus (Act 8,3; 9,2, 22,4) als von Philippus Getaufte in Samarien (Act 8,12) als aufgehetzter Mob im pisidischen Antiochia (Act 13,50) als Gruppe, die von Paulus und Silas gewonnen wird (Act 17,4 – Thessaloniki; 17,12 – Beröa) als Geleit des Paulus aus der Stadt Cäsarea hinaus  – »sie mit Frauen und Kindern« (Act 21,5) (Ehe‑)Paare Zacharias und Elisabet (Lk 1,5 u. ö.); Joseph und Maria (Lk 1,27; 2,4 f.16 u. ö.); Herodes und Herodias (3,19 f.); Johanna und Chuza (8,3) Hananias und Saphira (Act 5,1); Priszilla und Aquila (Act 18,2.18.26); Felix und Drusilla (Act 24,24); Agrippa und Berenike (Act 25,13)

Durch solche »Paarbildungen« entsteht ein Netz intratextueller Verweise, das selbst ungeübten Leserinnen und Lesern kaum verborgen bleiben kann. Markus und Matthäus haben hier auch nicht ansatzweise irgendetwas Vergleichbares zu bieten. In den meisten Fällen stellt Lukas diese Parallelitäten erst her, indem er die ihm vorliegenden Markus- oder Q‑Stoffe zu Paaren ergänzt. Dass ihm eine solche Erzählstrategie gleichsam aus Versehen in die Feder geflossen wäre, kann man ausschließen. Der umfangreiche Befund solcher Paarbildungen in seiner gleichmäßigen Verteilung über das gesamte lukanische Erzählwerk lässt sich nur als Teil einer reflektierten Konzeption verstehen. Wer einen solchen Aufwand betreibt, will damit auch etwas erreichen. Der vordergründige Effekt besteht darin, dass Frauen sichtbarer werden. Lukas erwirbt sich den Ruf, in seiner Erzählung Frauen in einem größeren Umfang wahrzunehmen als seine Evangelistenkollegen, jedenfalls zu Recht. 20

  In den verschiedenen Heilungssummarien bleibt es indessen durchgängig beim Maskulinum; vgl. 4,40 f. (Abschluss des Kafarnaumtages); 6,17 – 19 (Auftakt zur Feldrede); 7,18 – 23 (Antwort auf die Täuferanfrage).

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2.  Prominente Erzählfiguren An der Statistik allein lässt sich die Position des Lukas freilich nicht ausreichend erfassen. Dazu bedarf es vor allem einer Bewertung jener Überlieferungen selbst, mit denen bei ihm die Lebenswirklichkeit von Frauen ins Bild gesetzt ist. Einige seiner prominenten Erzählfiguren versprechen hier weitere Aufschlüsse. Die folgenden Beispiele können dabei nur repräsentativen Charakter haben. 2.1  Maria, die Mutter Jesu Unter allen lukanischen Frauengestalten kommt Maria aus Nazaret die größte Bedeutung zu. Das Profil, das Lukas ihr verleiht, lässt sich zudem im Vergleich mit den anderen Evangelisten deutlich präziser erfassen als bei anderen Figuren.21 Schon in den Geburtsgeschichten läuft die Handlung im wesentlichen über die beteiligten Frauen.22 Im Fall des Kindes Johannes bleiben die Anteile dabei noch auf die Eltern Zacharias und Elisabet verteilt. Hinsichtlich der Geburtsgeschichte Jesu aber steht ausschließlich Maria im Fokus der Erzählung: sie ist die Adressatin der Geburtsankündigung und begegnet dem Engel bei wachem Bewusstsein (Lk 1,26 – 38); sie sucht Elisabet auf und wird von ihr »selig« gepriesen (Lk 1,42 – 45); sie spricht mit dem Magnifikat einen theologisch gehaltvollen Hymnus (Lk 1,46 – 55); sie gibt dem Kind seinen Namen (Lk 1,31; 2,21); sie wird von dem greisen Simeon mit bedeutenden Worten bedacht (Lk 2,34 f.); sie ergreift schließlich die Initiative in der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus (Lk 2,41 – 52). Ihr Verlobter Josef spricht während dessen kein einziges Wort und fungiert lediglich als Statist. Dass man da auch ganz anders verfahren konnte, zeigt Matthäus. Obwohl Josef bei ihm zunächst nur als »Mann der Maria« (Mt 1,16)23 eingeführt wird, handelt in der Folge doch nur er allein: seine Frömmigkeit und Fürsorge werden eigens berichtet (Mt 1,19); ihm kündigt der Engel im Traum die Geburt des Kindes an und warnt ihn vor Herodes (Mt 1,20 – 23 /  2,13.19 f.); er ergreift die Initiative, reist nach Bethlehem (Mt 1,24), flieht nach 21

  Vgl. grundlegend H. Räisänen, Die Mutter Jesu im Neuen Testament, Helsinki 1969, Nachdr. 1989; R. E. Brown u. a., Maria im Neuen Testament. Eine ökumenische Untersuchung, Stuttgart 1981; B. Gaventa, Mary. Glimpses of the Mother of Jesus, Columbia 1995; J. Becker, Maria. Mutter Jesu und erwählte Jungfrau, BG 4, Leipzig 2001; J. Schaberg, The Illegitimity of Jesus. A Feminist Theological Interpretation of the Infancy Narratives, Sheffield 1995; C. Bött­ rich / B. Ego / F. Eissler, Jesus und Maria in Judentum, Christentum und Islam, Göttingen 2009; S. Petersen, Maria aus Nazaret. Eine Geschichte der Verwandlung, in: Die Bibel und die Frauen (s. Anm.  2), 320 – 339. 22   W. Radl, Der Ursprung Jesu. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu Lukas 1 – 2, HBS 7, Freiburg 1996. 23   Immerhin wird er dann dezidiert in Mt 1,20 als Davidide gekennzeichnet (vgl. auch Lk 1,27).

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Ägypten und kehrt wieder zurück (2,21 – 23); er gibt dem Kind seinen Namen (Mt 1,25). Währenddessen folgt die matthäische Maria stumm und fügsam ihrem Verlobten, wohin er auch geht. Lukas erzählt die Ankündigung der Geburt Jesu in Gestalt einer regelrechten Berufungsgeschichte. Über die Mutter wird nicht einfach nur verfügt. Der Engel tritt ihr auch nicht nur im Traum gegenüber, sondern zieht sie direkt und unmittelbar ins Gespräch. Er gesteht ihr sogar – anders als im Falle des Zacharias – eine verwunderte Rückfrage zu. Zum Schluss akzeptiert Maria die Ankündigung (Lk 1,38): »Siehe, ich bin des Herrn Sklavin. Mir geschehe nach deinem Spruch.« Mehrfach zeichnet Lukas Maria durch Segensworte oder Seligpreisungen aus. Der Engel begrüßt sie mit den Worten: »Sei gegrüßt, Begnadete (κεχαριτωμένη), der Herr ist mit dir!« (Lk 1,28). Elisabet, vom Geist Gottes erfüllt, segnet sie und preist sie selig (Lk 1,41 – 45); das nimmt Maria in ihrem Hymnus auch noch einmal dezidiert auf: »Siehe, von jetzt an werden mich seligpreisen alle Geschlechter.« (Lk 1,48) Unüberhörbar formuliert Elisabet mit der Wendung »Mutter meines Herrn (μήτηρ τοῦ κυρίου μου)« auch schon einen ersten Würdetitel, der dazu einlädt, weiter meditiert zu werden.24 Simeon segnet beide Eltern, spricht dann aber die Mutter im Besonderen an. Was er ihr zu sagen hat, zielt schon auf künftige Konflikte und wehrt damit allen romantischen Verklärungen, mit denen die bisherige Erzählung vielleicht hätte missverstanden werden können. Die Mutter jedenfalls ist nun auch darüber im Bilde. Noch während der galiläischen Wirksamkeit Jesu setzt sich die Linie der auszeichnenden Worte fort, wenn Lukas eine namenlose Frau aus dem Volk angesichts des Sohnes die Mutter selig preisen lässt: »Es geschah aber, als er diese Dinge sagte, da erhob eine Frau aus der Volksmenge die Stimme und sprach zu ihm: ›Selig der Leib, der dich getragen, und die Brüste, an denen du gesogen!‹« (Lk 11,27 f.). Diese Solidarisierung der Mütter, die zugleich in betont gynozentrischer Perspektive formuliert ist, wird von Jesus auch nicht zurückgewiesen, sondern lediglich erweitert oder präzisiert. Niemand käme hier auf den Gedanken, dass die soeben selig gepriesene Mutter etwa nicht (wie in Mk 3,20 f.31 – 35) zu jenen gehören könnte, »die das Wort Gottes hören und bewahren«! In das Bild der familia dei ist Maria bei Lukas von vornherein und durchgängig eingeschlossen. Mit dem Magnifikat legt Lukas der Maria als einer einfachen jungen Frau aus dem unbedeutenden Ort Nazaret einen der theologisch gehaltvollsten hymnischen Texte des Neuen Testaments in den Mund.25 Die Frage, ob er dabei einen 24   Möglicherweise steht diese Titulierung Pate für den späteren Titel der »Gottesmutter«. Von da aus ist es dann nur noch ein kleiner Schritt bis zum Titel der »Gottesgebärerin (θεοτόκος)«, der auf dem Konzil von Ephesus (431) nach längeren Auseinandersetzungen schließlich autorisiert wird. 25   U. Mittmann-Richert, Magnifikat und Benediktus. Die ältesten Zeugnisse der judenchristlichen Tradition von der Geburt des Messias, WUNT II / 90, Tübingen 1996.

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bereits vorliegenden Text aus anderen Zusammenhängen aufgreift oder selbst ein komprimiertes christologisches Konzept in hymnischer Form entwirft, muss hier nicht aufgenommen werden. Schon bei einer flüchtigen Lektüre springt die Tatsache ins Auge, dass diese Worte die in der Erzählung vorausgesetzte Lebenssituation der Maria bei weitem übersteigen. Die junge Frau aus Nazaret thematisiert nicht mehr und nicht weniger als Gottes Heilshandeln in der Geschichte, seine Verheißungen an die Väter, seine Gerechtigkeit und Fürsorge wie überhaupt das Geschick »seines Knechtes Israel«. Das ist Theologie pur, deren Höhenlage den Worten des Zacharias in nichts nachsteht. Noch bevor das Kind geboren wird, vermag seine Mutter die Dimension des Geschehens schon kompetent zu beurteilen. Betont lässt Lukas Maria als eine Frau erscheinen, die von Anfang an mit wachen Sinnen an den Ereignissen beteiligt ist. Zweimal notiert er, Maria habe »alle diese Dinge« in ihrem Herzen »bewahrt (συν‑ / διατηρέω)« und »bedacht (συμβάλλω)« (Lk 2,19.51). Allein den Spruch des Zwölfjährigen vermag sie nicht zu verstehen (Lk 2,50), doch das Kind leistet den Eltern dennoch den schuldigen Gehorsam. Vor diesem Hintergrund muss Lukas dann folgerichtig auch jenen späteren Familienkonflikt übergehen, von dem Mk 3,20 f. berichtet. Wie könnte die Mutter, die mit ihren Erinnerungen lebt, den großen Sohn für »verrückt« halten? Sie weiß ja, worum es geht. Auch Lukas überliefert die Worte von der familia dei (Lk 8,19 – 21) – setzt aber Mutter und Brüder dazu in eine positive Beziehung.26 Besonders die Mutter gehört ohne Zweifel zu denen, die wie in dem Gleichnis vom vierfachen Acker »hörend das Wort in einem guten und tüchtigen Herzen bewahren und Frucht bringen in Geduld« (Lk 8,15) – was nach Lk 8,21 das Kennzeichen der »wahren« Verwandten Jesu ist, nämlich »das Wort Gottes hören und tun«. Schon früh thematisiert der Evangelist auch den künftigen Schmerz der Mutter. Der greise Simeon sagt ihr voraus: »Auch durch deine eigene Seele wird ein Schwert dringen!« (Lk 2,35). Damit bietet er für das Bild der mater dolorosa einen ersten Haftpunkt, der auch ohne eine spätere Platzierung der Maria unter dem Kreuz (wie in Joh 19,25 – 27) als Ausdruck künftiger mütterlicher Trauer gelesen werden kann. In der Passionsgeschichte findet Maria keine Erwähnung mehr – es sei denn, man würde sie unter die Frauengruppe um Maria Magdalena subsumieren.27 Aber nach der Himmelfahrt taucht sie dann ganz unvermittelt im inner circle der Jerusalemer Gemeinde wieder auf (Act 1,14): »Diese alle (die elf Apostel) 26   Die abweisend-konfrontative Rückfrage (»Wer sind meine Mutter und meine Brüder?«) lässt er aus; die Antwort Jesu klingt dann auch vielmehr wie eine Einladung an die Seinen, sich der familia dei anzuschließen. 27  Vgl. T. Reiprich, Das Mariageheimnis. Maria von Nazareth und die Bedeutung familiärer Beziehungen im Markusevangelium, FRLANT 223, Göttingen 2008, der genau das anhand der Markus-Erzählung auf überzeugende Weise unternimmt.

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waren einmütig beieinander im Gebet mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern.« Im Blick auf Lukas muss man hier keine Umkehr oder späte Zuwendung zu Jesus vermuten. Auch wenn er kaum etwas davon erzählt, betrachtet der Evangelist die Mutter durchgängig als eine unerschütterliche Anhängerin ihres Sohnes. Lukas entwirft mit seiner Darstellung der Maria das Bild einer außergewöhnlichen Frau. Von dem Kind, das sie empfängt, entbindet und großzieht, fällt sehr viel Licht auch auf sie selbst zurück. Wenn die Mariologie, die sich vom 2. Jh. an entwickelt,28 nach biblischen Haftpunkten sucht, dann wird sie zuerst bei Lukas fündig. Eine regelrechte »Heiligenverehrung« kann man bei ihm zwar noch nicht finden. Aber er baut einer solchen mit seiner Hochschätzung Marias schon eine ganze Reihe von goldenen Brücken. Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage, wie das Profil der Maria im Blick auf die Rollenbilder von Frauen zur Zeit des Lukas zu bewerten ist. Was bedeutet es genau, dass Maria als eine weibliche Identifikationsfigur in solcher Prägnanz vorgestellt wird? Lässt sich ihr Profil tatsächlich mit der Formel »spirited agent and actor« im Sinne einer Figur, die selbstbestimmt agiert und entscheidet, beschreiben?29 Oder zeichnet nicht auch Lukas letztlich nur das Bild einer Frau, die zwar Fragen stellt und mitdenkt, sich dann aber relativ schnell fügt? Gilt ihre Seligpreisung nicht eigentlich nur der Tatsache, dass sie in den göttlichen Plan einstimmt und ihre Berufung zu einer ganz besonderen Mutterschaft annimmt? Ihre ganze Bedeutung bezieht sie ausschließlich aus der Rolle, »Mutter des Kyrios« zu sein. Das Bild der Mutter bestimmt ihr gesamtes Auftreten. Die Art und Weise, wie sie sich von Anfang an in den Dienst ihres Sohnes stellt und sich seinem Auftrag unterwirft – das allein macht ihre Größe aus. Zur Verkündigerin ihres Sohnes wird sie jedoch trotz ihrer besonderen Kompetenzen nicht. Die Souveränität etwa, mit der die Mutter Jesu in Joh 2,5 auftritt (»Was er euch sagt, das tut!«), sucht man bei Lukas vergebens. Ihr Eigenleben kommt nirgends in den Blick. Das muss auch nicht weiter verwundern, denn Lukas erzählt die Geschichte Jesu Christi, nicht die der Maria aus Nazaret. Immerhin erzählt er sie so, dass die Mutter nicht in Spannungen zu ihrem Sohn gerät, sondern sein Leben vorbehaltlos begleitet. Ansonsten hält Lukas die Dinge in der Schwebe. Das Rollenbild einer Frau, die sich unterordnet, bleibt auch im Blick auf Maria bestehen. Nur ist es hier nicht der Verlobte und spätere Ehemann Josef, sondern Gott selbst, dem sie sich unterstellt. Der Erzähler lässt sie das, was mit ihr geschieht, selbst begreifen und deuten. Sie ist nicht das stumme Gefäß, das den Gottessohn lediglich austrägt.30 28

  Vgl. dazu umfangreich: Marienlexikon 1 – 6, St. Ottilien 1988 – 1994.   So pointiert F. S. Spencer, A Women’s Right to Choose? Mother Mary as Spirited Agent and Actor (Luke 1 – 2), in: ders., Salty Wives (s. Anm. 2), 55 – 100. 30   Damit steht sie in schroffem Gegensatz etwa zur Figur der Sopanima, die in 2 Hen 71 f. den Melchisedekknaben auf wunderbare Weise empfängt und zur Welt bringt: Sopanima stirbt 29

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Vielmehr nimmt sie aktiv teil an seinem Geschick und begleitet seinen Weg mit Anteilnahme und kluger Wahrnehmung. Das ist im Kontext des 1. Jh.s schon auffällig genug. Die lukanische Maria führt vor Augen, wie Frauen theologische Fragen reflektieren, thematisieren und kommentieren können, ohne zwangsläufig aus ihrer vorgegebenen Rolle fallen zu müssen. 2.2  Lydia, die Hausherrin Lydia, die Purpurhändlerin aus Philippi, fungiert bei Lukas als Symbolfigur einer bemerkenswerten Gruppe selbständig agierender und offensichtlich auch wohlhabender Frauen. So marginal die Episode von ihrer Bekehrung in Act 16,11 – 15 zunächst erscheint, so aussagekräftig ist sie auf den zweiten Blick. Sie spiegelt die Situation zur Zeit des Lukas wider, in der sich die christusgläubigen Gemeinden zunehmend ausbreiten, aber noch immer hausweise organisieren. Dafür bedarf es weniger der Bereitschaft, alles zu verlassen, als vielmehr der Bereitschaft, alles für den Aufbau der Gemeinde zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang spielen Frauen offensichtlich eine wichtige Rolle. An Lydia demonstriert Lukas dieses Phänomen auf besonders anschauliche Weise.31 Heute wird Lydia gern als »die erste Christin Europas« apostrophiert. In der Antike lassen sich die Grenzen weniger eindeutig ziehen.32 Dennoch bleibt unbestritten: Mit dem Schritt von Kleinasien nach Griechenland markiert Lukas eine wichtige Zäsur. Lydia steht am Beginn eines neuen Abschnitts auf dem Weg der Evangeliumsverkündigung nach Westen. Mit der römischen Kolonie Philippi rückt Rom als Zielort der Apostelgeschichte ein großes Stück näher. Das ist Lukas wiederum die Symmetrie zweier Episoden wert, die einander korrespondieren. Lydia, die für die Gruppe der »Gottesfürchtigen« steht, wird namentlich eingeführt; der Gefängnisaufseher, der die Staatsmacht vertritt, bleibt anonym. Ansonsten gibt es nur noch jenen Exorzismus zu berichten, bei dem wiederum eine namenlose Sklavin im Mittelpunkt steht (Act 16,16 – 18).33 Der kurze Aufenthalt in Philippi setzt vor allem Frauenfiguren in Szene. unter der Entbindung, von ihrem Ehemann Nir verstoßen und ohne auch nur die leiseste Aufklärung über ihre rätselhafte Schwangerschaft erhalten zu haben; für den Autor fungiert sie lediglich als Vehikel eines übernatürlichen Geschehens. Vgl. dazu C. Böttrich, Die vergessene Geburtsgeschichte. Mt 1 – 2 / Lk 1 – 2 und die wunderbare Geburt des Melchisedek in slHen 71 – 72, in: Jüdische Schriften in ihrem antik-jüdischen und urchristlichen Kontext, in: H. Lichtenberger / G. S. Oegema (Hg.), JSHRZ-St 1, Gütersloh 2002, 222 – 249. 31   Vgl. vor allem J.‑P. Sterck-Degueldre, Eine Frau namens Lydia. Zu Geschichte und Komposition in Apostelgeschichte 16,11 – 15.40, WUNT II / 176, Tübingen 2004; E. Ebel, Lydia und Berenike. Zwei selbständige Frauen bei Lukas, BG 20, Leipzig 2009; dazu Richter-Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte (s. Anm. 2), 91 – 161. 32   Vgl. dazu ausführlich Sterck-Degueldre, Lydia (s. Anm. 31), 200 – 203. 33  Vgl. Richter-Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte (s. Anm. 2), 162 – 201.

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Lukas gibt der Geschichte von Lydias Bekehrung durch die Art ihrer Platzierung und die kundige Beschreibung von Philippi Gewicht.34 Im Blick auf die Figur der Lydia aber bleibt er auffällig ungenau. Mit seinem Porträt dieser Frau deutet er mehr an, als er tatsächlich sagt. Die Fragen beginnen schon beim Ort der Begegnung. Handelt es sich bei der »Gebetsstätte (προσευχή)« vor dem Flusstor35 überhaupt um ein ordentliches Synagogengebäude – oder soll man sich dabei einen Gebetsort open air vorstellen?36 Warum verwendet Lukas nur hier diesen altertümlichen Begriff?37 Und warum erwähnt er lediglich Frauen, die dort versammelt sind? Für einen Synagogengottesdienst am Sabbat waren Männer auch in der Antike unverzichtbar. So aber entsteht der Eindruck, als suche Paulus mit seinen männlichen Gefährten (d. h. mindestens mit Silas) eine reine Frauengruppe auf. Wie sollte eine solche Runde aus jüdischen und nichtjüdischen (»gottesfürchtigen«) Frauen am Sabbat aussehen? Wer stünde ihr vor? Wie wäre ihre Zusammenkunft strukturiert? Und wie erhielten fremde Männer Zutritt zu dieser Versammlung? Lydia, die Nichtjüdin, ist dabei zunächst nur eine Randfigur. Sie hört zu und öffnet sich der christlichen Verkündigung. Wann und wo aber findet dann ihre Taufe sowie die ihres Hauses statt? Die Erwähnung des Flusstores suggeriert, dass dies im unmittelbaren Zusammenhang jener denkwürdigen Begegnung und gleichsam in situ geschähe. Aber davon sagt Lukas nichts. Auch den vieldiskutierten sozialen Status der Lydia hält er offen:38 aus ihrem Namen könnte man ein vergangenes Sklavenschicksal schließen – zwingend ist das jedoch nicht; als Purpurhändlerin geht sie mit Luxusgütern um, was einen gewissen Wohlstand voraussetzt; die Taufe »mit ihrem Haus« und die Einladung der fremden Missionare präsentieren sie als Vorsteherin eines Oikos, insofern ein Mann keine Erwähnung findet. Auch während der folgenden »vielen Tage« (Act 16,18) scheinen Paulus und Silas weiterhin von Lydia beherbergt zu werden; nach ihrer Inhaftierung und wunderbaren Errettung kehren sie noch einmal zu ihr zurück, treffen dort »die Brüder«, trösten sie 34   In Philippi scheint er sich besonders gut auszukennen, weshalb man ihn gelegentlich auch dort beheimaten möchte; vgl. dazu P. Pilhofer, Lukas als ἀνὴρ Μακεδών: Zur Herkunft des Evangelisten aus Makedonien, in: ders., Die frühen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufsätze 1996 – 2001, WUNT 145, Tübingen 2002, 106 – 112. 35   Zu dieser Interpretation vgl. die ausführlichen archäologischen Nachweise bei P. Pilhofer, Philippi. I: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, 165 – 174. 36   Dazu verleitet heute vor allem die – eindeutig falsch platzierte – »Taufstelle« der Lydia, deren idyllische Anlage sich aber vermutlich nur einer spezifischen Lektüre des offenen, missverständlichen Textes verdanken dürfte. 37   Ansonsten gebraucht Lukas konsequent συναγωγή (Lk 15‑mal / Act 19‑mal); der Terminus προσευχή für einen Gebetsort findet sich ausschließlich in Act 16,13.16. Vgl. zur Terminologie ausführlich M. Hengel, Proseuche und Synagoge. Jüdische Gemeinde, Gotteshaus und Gottesdienst in der Diaspora und in Palästina, in: G. Jeremias / H.‑W. Kuhn / H. Stegemann (Hg.), Tradition und Glaube (FS K. G. Kuhn), Göttingen 1971, 157 – 184. 38   Vgl. ausführlich Sterck-Degueldre, Lydia (s. Anm. 31), 133 – 159; Ebel, Lydia und Berenike (s. Anm.  31), 25 – 33.

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und nehmen Abschied (Act 16,40). Im Haus des Gefängnisaufsehers halten sie sich stattdessen nicht länger als jene eine dramatische Nacht auf. Man kann diese Darstellung nur so verstehen, dass Lydia ihren Oikos und seine Infrastruktur für die Gründung einer Hausgemeinde zur Verfügung stellt.39 Sie erscheint eindeutig als »Erstling / ἀπαρχή« der Christusgläubigen in Makedonien, auch wenn Lukas den Begriff nicht verwendet.40 Es liegt deshalb nahe, dass sie in ihrer Hausgemeinde auch Leitungsverantwortung übernimmt.41 Lukas aber belässt es dabei, lediglich ihre Gastgeberrolle zu notieren. Nichts verlautet darüber, wer nun die »Brüder« (Act 16,40) in ihrem Haus sind oder ob es zwischen der Frauengruppe vom Anfang und der späteren Hausgemeinde der Lydia eine mehr oder minder große Schnittmenge gibt. Die Sichtbarkeit engagierter Frauen steht in dieser Geschichte in einem eigenartigen Gegensatz zur Profillosigkeit ihres Engagements. Lukas begnügt sich damit, eine Frau als Erstling Makedoniens vorzustellen und die Präsenz von Frauen als solche zu unterstreichen. Diese Beobachtungen lassen sich an einigen weiteren, vergleichbaren Episoden bestätigen. So wie Lydia als Frau einen fremden Wandermissionar einlädt, hatte einst schon Marta den Wanderprediger Jesus aus Nazaret eingeladen.42 Auch sie erscheint dabei in der Rolle der Hausherrin.43 Wie aber soll man sich diesen merkwürdigen Oikos denken, dem Marta vorsteht?44 Das Bild einer Wohngemeinschaft zweier weiblicher Singles, das Lukas durch die Kargheit seiner Erzählung entwirft, lässt sich gerade in einem jüdischen ländlichen Kontext im 1. Jh. kaum unterbringen. Auch in Lk 10,38 – 42 entwirft Lukas ein ausschließlich von Frauen bestimmtes Szenario, bei dem alle weiteren, die Sache komplizierenden Figuren ausgeblendet sind.45 Auch hier kann man vermuten, 39  Vgl. Richter-Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte (s. Anm. 2), 137 – 157. Ob man Lydias Haus deshalb jedoch gleich als eine »Gegengesellschaft« in der röm. Kolonie Philippi verstehen muss (ebd. 156 f.), mag dahingestellt bleiben; Frauen in der Rolle des Oikodespotes sind sicher Ausnahmen von einer vorherrschenden Regel, jedoch auch nichts völlig Außergewöhnliches; allein Lukas deutet diese Situation schon mehrfach an (Lk 10,38; Act 9,36; 12,12; 16,14 f.). 40   1 Kor 16,15 nennt Stephanas den »Erstling (ἀπαρχή) von Achaja«; nach Röm 16,5 ist Epainetos der »Erstling (ἀπαρχή) der Asia«. Im Falle des Stephanas und seines Hauses fordert Paulus die Gemeinde zur Unterordnung unter seine Autorität auf. Eine ähnliche Bedeutung kommt der Lydia hier als »Erstling« Makedoniens zu. 41   Vgl. die Vorstellung in 1 Clem 42,4 f.: »In Ländern und Städten also predigend setzten sie ihre Erstlinge (τὰς ἀπαρχὰς αὐτῶν) ein, nachdem sie sie im Geist geprüft hatten, zu Episkopen und Diakonen derer, die künftig glauben würden.« 42   Dass Jesus nicht alleine Herberge bezieht, wird durch den Kontext nahegelegt; immerhin vermeidet es der Erzähler, diese delikate Situation deutlich auszumalen, und hält die große Männergruppe der Zwölf dezent im Hintergrund (während »sie« alle gemeinsam weiterzogen, ging »er selbst« in das Dorf hinein – 10,38). Im Falle der Lydia besteht das »wir« ihrer männlichen Gäste mindestens aus Paulus und Silas. 43  Vgl. B. Escaffre, Marta, in: Die Bibel und die Frauen (s. Anm. 2), 340 – 361. 44   Vgl. ausführlich Melzer-Keller, Jesus und die Frauen (s. Anm. 2), 230 – 241. 45   Johannes fügt bei diesem Schwesternpaar immerhin noch einen Bruder hinzu (vgl. Lazarus in Joh 11,1 – 46).

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dass diese Episode die Erinnerung an eine bestimmte Hausgemeinde der Frühzeit bewahrt. Doch die Hausherrin, der man darin dann auch Leitungsverantwortung zugestehen müsste – was ihre energische Intervention ja auch deutlich genug signalisiert –, wird wiederum auf die Rolle der Gastgeberin reduziert und selbst darin noch einmal einer Kritik unterzogen. Noch verschwommener sind die Konturen im Falle der Tabita.46 Ihre Bezeichnung als »Schülerin / μαθήτρια« (Act 9,36) zeichnet sie nur vordergründig aus; bei näherem Hinsehen ist dieser Begriff von Lukas schon längst aus der exklusiven Lehrer-Schüler-Beziehung gelöst und zu einer allgemeinen Kennzeichnung von Christusgläubigen überhaupt nivelliert worden.47 Ihr Name und ihre Wohltätigkeit charakterisieren Tabita als fromme Judenchristin. Damit ist aber noch nichts über ihren sozialen Status gesagt. Die Erzählung legt zwar nahe, dass die guten Werke der Tabita, die Witwen mit Kleidung versorgt, auch entsprechende materielle Möglichkeiten voraussetzen.48 Aber ist das Haus, in dem sie aufgebahrt wird, auch das ihre, in dem sie einst als Hausherrin agierte?49 Wieder beherrscht eine reine Frauengruppe – in diesem Falle von Witwen – die Szene.50 Muss man dabei Tabita selbst als eine von ihnen betrachten? Steht sie etwa einem Oikos vor, dem auch die Empfängerinnen ihrer Wohltaten angehören – oder bezieht sich das »μετ’ αὐτῶν οὖσα« (Act 9,39) lediglich auf die Zeit, als Tabita noch »unter den Lebenden« war? Ist Tabita selbst Teil einer Gemeinschaft von Witwen,51 oder engagiert sie sich nur in begrenztem Umfang bei einer besonders bedürftigen Zielgruppe?52 Als Leiterin einer christlichen Hausgemeinde lässt sich Tabita jedenfalls vom Text her nicht eindeutig ausmachen. Lukas erwähnt nur, dass durch ihre Auferweckung »viele« in Joppe zum Glauben gekommen seien. Geschieht das lediglich durch das Wunder ihrer Auferweckung, oder hat 46

  Vgl. ausführlich Richter-Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte (s. Anm. 2), 55 – 90.   Schlüsselcharakter hat in dieser Hinsicht Act 6,1 f.: »In diesen Tagen, als die Zahl der Schüler (μαθηταί) zunahm [. . .]. Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Schüler (μαθηταί) zusammen [. . .]«; nach Ostern erfolgt eine Ausweitung des Begriffes auf alle Glaubenden; in Act wird er fortan flächendeckend (28x) verwendet. 48   Wohltätigkeit und Opferbereitschaft lässt sich auch mit geringen Mitteln praktizieren, wie die Episode vom »Scherflein« der Witwe Lk 21,1 – 4 zeigt. Die Ethik des Teilens, die Lukas gerade in Act  2,42 – 47 / 4,32 – 35 präsentiert, betrifft konkrete Alltagssituationen. 49   Sie könnte auch schlicht im Schoß einer größeren Familie verstorben sein, in der sie nur eine Nebenrolle spielt. 50   Zur Rolle der Witwen im Ganzen vgl. M. Leineweber, Lukas und die Witwen. Eine Botschaft an die Gemeinden in der hellenistisch-römischen Gesellschaft, EHS 23 / 915, Frankfurt u. a. 2011. 51   Das Viduat, wie es zum ersten Mal in 1 Tim 5,3 – 16 in den Blick kommt, wird hier jedenfalls nicht angedeutet; dafür fehlen alle Hinweise auf ein geistliches Profil der Gruppe. Alles Interesse liegt ausschließlich auf Wohltätigkeit und Sozialfürsorge. 52   Hier drängt sich die Assoziation zu der Anweisung in 1 Tim 5,16 auf: »Wenn eine Gläubige (Frau) Witwen hat, dann soll sie für sie sorgen, und die Gemeinde soll nicht belastet werden, damit sie (die Gemeinde) für die wirklichen Witwen sorgen kann.« 47

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Tabita selbst aktiven Anteil an diesem neuen Schub von Gemeindewachstum? So sichtbar der Autor Tabita in dieser Episode auch präsentiert, in der christlichen Gemeinde schreibt er ihr keine erkennbare Funktion zu. Mit ihrer Rückkehr ins Leben kehrt Tabita lediglich zu ihrer früheren, sowohl an der Tora als auch an der urchristlichen Ethik des Teilens orientierten Wohltätigkeit zurück. Auch über Maria, die Mutter des Johannes Markus, sagt Lukas nur, dass »viele« in ihrem Haus in Jerusalem beisammen waren und beteten (Act 12,12). Es geht erneut um das Haus einer alleinstehenden Frau und damit um »ihre« Hausgemeinde. In welcher Weise aber Maria dabei selbst Verantwortung trägt, bleibt offen. Mehr als die Rolle der Gastgeberin deutet Lukas nicht an. Dass Frauen Leitungsfunktionen in der Synagoge wie in frühchristlichen Gemeinden innehatten, lässt sich anhand der Quellen ausreichend sicher belegen.53 Für Frauen wie Lydia, Marta, Tabita oder Maria aber bleibt das aufgrund der lukanischen Unschärfe nur eine Vermutung.

3.  Rollenspezifische Konstellationen Die Art und Weise, wie Lukas seine Frauenfiguren in Szene setzt, lässt eine auffällige Vorsicht erkennen. Sie sind zwar immer dabei und erwecken den Eindruck, Trägerinnen der Handlung zu sein. Doch im entscheidenden Moment scheut Lukas davor zurück, sie den Männern in unmissverständlicher Symmetrie auch als Nachfolgerinnen und Schülerinnen Jesu zur Seite zu stellen. Seine androzentrische Perspektive offenbart er immer wieder da, wo er sich abseits konzeptioneller Bahnen bewegt. Wenn es um die Konkurrenz zweier unterschiedlicher Erzählstrategien geht, tritt die Wahrnehmung von Frauen wieder zurück. Allein im Rahmen des Ostertages schreibt er den Frauen dann plötzlich eine Rolle zu, die weit über alles andere hinausgeht. 3.1  Nachfolgerinnen und Sympathisantinnen Eine der Schlüsselfragen an die lukanische Erzählung lautet: Sieht der Evangelist Frauen in der Nachfolge Jesu – d. h. in der Rolle von Schülerinnen – oder nicht? Teilen auch Frauen denselben radikalen Lebensstil Jesu und lernen ebenso wie die Männer, um später dann an der Aussendung und Evangeliums­ verkündigung teilzunehmen? Sind die »nachfolgenden« Frauen um Maria Magdalena »Nachfolgerinnen« oder nur sympathisierende Festpilgerinnen, die 53

  B. Brooten, Women leaders in the ancient synagogue. Inscriptional evidence and background issues, Atlanta 1982; K. Madigan / C. Osiek, Ordained Women in the Early Church. A Documentary History, Baltimore u. a. 2005.

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Jesus mehr oder weniger zufällig auf dem Weg zum Pessachfest nach Jerusalem begleiten?54 Die pauschale Rede bei Markus und Matthäus von den Frauen, die Jesus »von Galiläa an nachgefolgt« seien, gibt darauf noch keine ausreichende Antwort. Die Nachfolgeterminologie allein bleibt doppeldeutig.55 Lukas aber scheint mit jener kurzen Szene in LkS 8,1 – 3 mehr zu diesem Thema sagen zu wollen.56 Es springt ins Auge, wie sorgfältig der Evangelist gerade hier die Frauengruppe um Jesus mit dem Zwölferkreis zu koordinieren versucht. Vorausgesetzt ist die Situation der Wanderschaft »Stadt für Stadt und Dorf für Dorf«, noch lange bevor die Festpilger zielgerichtet nach Jerusalem aufbrechen. Die im Folgenden genannten Frauen haben demnach ihren Oikos ebenso verlassen wie die Zwölf. Sie sind auf dieselbe Weise »σὺν αὐτῷ (mit Jesus)« unterwegs. Probleme bereitet allein der Schluss, wo von den »vielen anderen (Frauen)« die Rede ist, die »ihnen (αὐτοῖς) / ihm (αὐτῷ)«57 mit ihrer Habe dienten. Gehören diese vielen zu der Dreiergruppe um Maria Magdalena hinzu, oder sind sie davon zu unterscheiden? Leisten nur die »vielen anderen« Unterstützung oder auch die drei zuerst genannten Frauen? Da Johanna, die Frau des Chuza, offensichtlich der gesellschaftlichen Oberschicht angehört58 und somit sicher über Mittel verfügt, möchte man die ersten drei Frauen enger mit den »vielen anderen« zusammenschließen. Vom Beginn des Abschnittes her liegt es jedoch näher, die zwölf Männer und die drei 54   Vgl. dazu M. Hengel, Maria Magdalena und die Frauen als Zeugen, in: O. Betz (Hg.), Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (FS O. Michel), AGSU 5, Leiden 1963, 243 – 256; L. Schottroff, Frauen in der Nachfolge Jesu in neutestamentlicher Zeit, in: W. Schottroff / W. Stegemann (Hg.), Traditionen der Befreiung  2, München 1980, 91 – 133; C. Ricci, Mary Magdalene and Many Others. Women who Followed Jesus, Minneapolos 1994; E. A. de Boer, The Lukan Mary Magdalene and the Other Women Following Jesus, in: Livine, A Feminist Companion to Luke (s. Anm. 2), 140 – 160; M. Perroni, Jüngerinnen, nicht aber Apostolinnen. Das lukanische Doppelwerk, in: Die Bibel und die Frauen (s. Anm. 2), 167 – 205, spez. 170 – 172. 55   Das Verb ἀκολουθέω fungiert zwar vorzugsweise als terminus technicus der »Nachfolge« – vgl. Lk 5,11.27.28; 9,23.49.57.59.61; 18,22.28.43; 22,39(.54); gelegentlich kann damit aber auch ein eher planloses und befristetes »Hinterherlaufen«, meist einer neugierigen Menschenmenge, bezeichnet werden – vgl. z. B. Lk 7,9; 9,11; 22,10; 23,27. Dieselbe Gewichtung wie Ambivalenz lässt sich bei Mk / Mt beobachten. 56   T. Zahn, Das Evangelium des Lucas, KNT 3, Leipzig u. a. 41920, Nachdr. Wuppertal 1988, 338, schreibt zur Stelle ganz unbekümmert: »Auch die Frauen würdigt er [Jesus] seiner Belehrung und erzieht sie zu dienenden Gehilfinnen seiner Berufsarbeit.« 57   Dieses textkritische Problem hat erhebliche Konsequenzen: gilt die Unterstützung der »vielen anderen« Jesus allein oder ihm und seinen Schülern oder ihm und beiden hervorgehobenen Schülerkreisen? 58   Der Begriff ἐπίτροπος bezeichnet einen Verwalter, Aufseher, Vormund oder sogar Statthalter. Johannas Mann Chuza ist demnach ein Beamter am Hof des Herodes Antipas; damit gehört er zur gesellschaftlichen Elite – gleichgültig, ob er eher im wirtschaftlichen oder im politischen Bereich tätig ist. H. W. Hoehner, Herod Antipas, Cambridge 1972, 303 f., sieht aufgrund der Parallelen bei Josephus in Chuza eine Art Finanzminister des Antipas und rechnet ihn zu den in Mk 6,21 genannten μεγιστᾶνες und πρῶτοι τῆς Γαλιλαίας an dessen Hof.

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Frauen als zwei parallele Schülerkreise zu verstehen. Dazu rät schon die konkrete Zahl und namentliche Nennung gegenüber der unbestimmten Größe der »anderen« zum Schluss. Sind diese drei Frauen demnach Nachfolgerinnen – so wie die Zwölf Nachfolger sind? Berufungsgeschichten gibt es von ihnen nicht.59 Stattdessen wird auf Heilungserfahrungen angespielt. Die Frauen sind wie die Zwölf mit unterwegs und werden zu Ohrenzeuginnen der Worte und Augenzeuginnen der Taten Jesu. Das stellt sie seinen Schülern gleich. Wo genau aber verläuft dann die Grenze zwischen Nachfolgerinnen und Sympathisantinnen? Setzen nicht auch die Männer ihre materiellen Möglichkeiten für die Gruppe ein – etwa wenn Petrus immer wieder sein Haus in Kafarnaum als Quartier zur Verfügung stellt?60 Auf welche Tätigkeiten erstreckt sich der Terminus »dienen«?61 Je nach Vorverständnis und Phantasie kann man hier unterschiedlich votieren. Lukas jedenfalls lässt sein Lesepublikum dabei allein. Er setzt diese bemerkenswerte Frauengruppe unübersehbar ins Bild, parallelisiert sie deutlich mit dem Zwölferkreis, den er erst kurz zuvor in besonderer Weise ausgezeichnet hatte,62 deutet eine enge persönliche Beziehung der drei Frauen zu Jesus an – und dabei bleibt es. Lukas unterlässt es, diese Frauen dezidiert als Schülerinnen zu bezeichnen.63 Diesen Begriff gesteht er erst sehr viel später und nur ein einziges Mal der Tabita in Joppe zu – in einem Kontext allerdings, in dem μαθητής / μαθήτρια längst schon alle spezifischen Züge verloren hat. Er lässt diese Frauengruppe im weiteren Erzählverlauf von der Bühne verschwinden und erst in der Passions- und Ostergeschichte wieder sichtbar werden. Im Rückblick suggeriert er, dass sie dennoch während der ganzen Zeit in der Begleitung Jesu präsent waren. Eine konkrete Aufgabe jenseits materieller Unterstützung aber mag er ihnen nicht zuschreiben.64 In beiden Aussendungserzählungen, in denen die Schüler gleichsam ihr missionarisches Praktikum absolvieren (9,1 – 6 / 10,1 – 12), spielen sie keine Rolle – obwohl es doch sicher auch Frauen zu gewinnen gäbe. 59   Die gibt es jedoch auch von der Mehrzahl männlicher Nachfolger nicht; aus dem Zwölferkreis können nur fünf eine regelrechte »Berufung« vorweisen (die beiden Brüderpaare und Levi). 60   Lk 4,38 f. Das Haus des Petrus in Kafarnaum wird vor allem bei Matthäus als Stützpunkt der Jesusbewegung vorgestellt: nach Mt 4,13 zieht Jesus regelrecht um und »wohnt (κατοικέω)« dort; deshalb muss er nach Mt 17,24 in Kafarnaum auch die Tempelsteuer zahlen. 61   Vgl. dazu die Untersuchungen von J. N. Collins, Diakonia. Re-interpreting the Ancient Sources, New York u. a. 1990; A. Hentschel, Diakonia im Neuen Testament. Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen, WUNT II / 226, Tübingen 2007, spez. 217 – 235. 62   In Lk 6,12 – 16 waren die Zwölf aus der größeren Schar der »Schüler« ausgewählt und ausdrücklich bzw. ausschließlich als »Apostel« deklariert worden. 63   Dass sie aufgrund seines Konzeptes keine Apostelinnen sein können, ist klar – aber in dem weiteren Kreis der Schüler hätte er sie ohne weiteres unterbringen können, vgl. etwa Lk 6,13.17. 64   Reid, Choosing the Better Part, 1991, 21 – 54, listet ausführlich und detailliert alle jene Bereiche auf, in denen Gelegenheit bestanden hätte, die Teilnahme von Frauen an der »Schülerschaft« Jesu zumindest zu erwähnen – mit negativem Ergebnis.

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Es scheint, als habe Lukas bei seiner Schilderung plötzlich Angst vor der eigenen Courage bekommen. Oder versucht er nur, es verschiedenen Seiten recht zu machen? Der gleiche Eindruck stellt sich auch bei der viel zitierten und viel geschundenen Episode von Maria und Marta (Lk 10,38 – 42) ein.65 Auf der einen Seite stehen zwei starke Frauenfiguren. Marta lädt ein in der Rolle der Hausherrin und nimmt sofort das Heft in die Hand. Maria aber sitzt in der Pose eines Schülers zu Füßen des Lehrers. Wenn sie aber so deutlich als Schülerin gezeichnet wird – dann hört sie »sein Wort« auch nicht nur zum Zeitvertreib oder zur guten Unterhaltung. Schüler und Schülerinnen lernen deshalb, damit sie das Gelernte später selbst weitergeben können. Auf der anderen Seite aber kommen beide Figuren nicht über diese verheißungsvollen Ansätze hinaus, mit denen die Geschichte beginnt. Marta wird getadelt für das, was sie in eigener Verantwortung zum Besten des Gastes tut. Maria, obgleich belobigt und bestätigt, bleibt, wo sie ist (nämlich im Haus), rührt sich nicht und sagt kein einziges Wort. Der Gruppe um ihren Lehrer schließt sie sich nicht an – was zu erzählen durchaus vorstellbar wäre. Vor allem aber wird nun rückblickend das »Dienen« der Frauengruppe aus Lk 8,3 durch das »Dienen« der Marta nicht nur auf das Format rückwärtiger Dienste reduziert,66 sondern gleichzeitig auch noch in ein zweifelhaftes Licht gerückt: wer zu viel von einem solchem Dienst »hin- und hergerissen« wird, verliert das gute Teil – was auch immer das genau sein mag. Mit diesem »guten Teil« oder jenem »einen, das nötig ist«, bleiben vor allem die Leserinnen nun einigermaßen ratlos zurück. Gibt es auch Schülerinnen, die im Haus bleiben? Und ist das Dienen vielleicht eher unterwegs vonnöten? Um als Identifikationsfiguren fungieren zu können, müssten Marta und Maria in Lk 10,38 – 42 klarer profiliert sein. Dafür gibt Lukas zwar bedeutungsvolle Fingerzeige. Doch die Konturen beider Frauen zu ermitteln überlässt er wiederum seiner Leserschaft. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass nun gerade die Auslegungsgeschichte dieser kleinen, offenen Episode zur Hochform aufläuft.67 Jetzt erst macht man beide Figuren zu Typen, definiert ihre Handlungsweisen, verleiht ihnen unterscheidbare Charaktere und unterstellt ihnen nachvollziehbare Intentionen. Die Rollen, die sie dabei übernehmen, entstammen nun eindeutig den Vorstellungen ihrer Auslegerinnen und Ausleger. Der Erzähler Lukas aber hält sich bei alledem weiterhin dezent im Hintergrund. Er hat das Thema platziert. Und das scheint ihm zu genügen. 65   V. Koperski, Women and Discipleship in Luke 10.38 – 42 and Acts 6.1 – 7: the Literary Context of Luke-Acts, in: Livine, A Feminist Companion to Luke (s. Anm. 2), 161 – 196. 66   Dem hat bereits die Episode von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus in Lk 4,38 f. vorgebaut: ihr »dienen« lässt sich von der Erzähllogik her nur als Versorgung der Gäste im Haus verstehen; ihre Heilung erfolgt hier durchaus nicht ganz uneigennützig. 67   Vgl. ausführlich J. Brutschek, Die Maria-Marta-Erzählung. Eine redaktionskritische Untersuchung zu Lk 10,38 – 42, BBB 64, Bonn 1986.

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3.2 Androzentrische Perspektiven Überraschenderweise verschweigt Lukas die Anwesenheit von Frauen an einer ganzen Reihe von Stellen. Er wird seiner ansonsten zu beobachtenden Sensibilität immer wieder untreu und nimmt eine androzentrische Perspektive ein, ohne dass dafür auch in jedem Falle ein besonderer Grund ersichtlich wäre. In der Nazaret-Episode übergeht Lukas die Frauen in der Familie Jesu mit Stillschweigen. In Mk 6,3 und Mt 13,55 f. fragt sich die erstaunte Zuhörerschaft, ob dies denn nicht »der Sohn des Zimmermanns« sei – und fügt als weitere verwandtschaftliche Beziehungen auch gleich noch seine Mutter Maria sowie seine Brüder und Schwestern hinzu. In Lk 4,22 bleibt es indessen bei der lapidaren Frage: »Ist dieser nicht ein Sohn Josefs?« Mutter, Brüder und Schwestern werden nicht erwähnt – und das, obwohl Jesus doch in Lk 1 f. gerade mit großem Nachdruck als Sohn der Maria eingeführt worden war.68 Ähnlich steht es mit der Definition der familia dei. Als die Mutter mit den Brüdern (und Schwestern) den predigenden Sohn aufsuchen, relativiert er – wenngleich verhalten – seine biologische Familie (Mk  3,31 – 35 / Mt  12,46 – 50 /  Lk 8,19 – 21): Wer immer den Willen Gottes tut, »der ist mir Bruder und Schwester und Mutter«. Lukas aber lässt erneut die Schwestern aus. Schon eingangs hatte er nur die Mutter und die Brüder erwähnt.69 Sind Schwestern in der familia dei etwa nicht der Rede wert? Genau andersherum verfährt Lukas dann in zwei Nachfolgeworten, in denen es um das Verlassen der Familie geht. In LkS 14,26 werden alle Personengruppen des Oikos aufgezählt, die davon betroffen sind: »der Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern«. In vergleichbarer Vollständigkeit wiederholt sich die Aufzählung in Lk 18,28 – 30. Dort allerdings wissen die Parallelen in Mk 10,28 – 30 / Mt 19,27 – 29 gerade nichts von der Ehefrau. Nur Lukas betont hier, dass selbst Ehepaare in der Nachfolge getrennt werden. Er formuliert diesen Sachverhalt aber nur aus der Sicht des Mannes. Dass umgekehrt auch Frauen ihre Männer verlassen, kann man immerhin aus Lk 8,3 schließen, ohne dass dies jedoch explizit erwähnt würde. In der Frage der Ehescheidung tritt Lukas erneut aus seinem geschlechtssymmetrischen Schema heraus. Jenes Streitgespräch, das die Ehescheidung als eine Art Notlösung thematisiert (Mk  10,1 – 12 / Mt  19,1 – 12), übergeht er ganz. Er spricht das Problem lediglich in einem einzelnen Logion an (Lk 16,18), das 68   Natürlich kann man das auch als gesteigerten Ausdruck von Unverständnis betrachten – die Nazarener sehen in Jesus noch nicht einmal den Sohn der Maria, geschweige denn den Sohn Gottes. Auf der Erzählebene aber bleibt die nüchterne Definition über den Vater, der bislang nahezu keine Rolle gespielt hatte, auffällig. 69   Allerdings verfahren auch Mk / Mt an dieser Stelle uneinheitlich; nur in Mk 3,31 werden die Schwestern in der einleitenden Erzählung erwähnt; übereinstimmend stehen sie dann in Mk 3,35 / Mt 12,50 in dem Wort Jesu, was ihre Anwesenheit voraussetzt.

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der Parabel vom Reichen und dem armen Lazarus (16,19 – 31) vorausgeht. Darin entscheidet er sich für das Ehescheidungsverbot in seiner drastischsten Fassung. Für den bei Markus aus dem römischen Recht übernommenen Grundsatz, dass auch eine Frau ihrem Mann einen Scheidebrief ausstellen kann (Mk 10,12),70 hat Lukas keinen Raum. Eine eigenwillige Perspektive offenbart auch die lukanische Umdeutung der Salbungsgeschichte (Lk 7,36 – 50). Aus dem Kontext der Passionsereignisse hat sie der Evangelist weit nach vorn in den Galiläateil gezogen und zu einer exemplarischen Sünder- bzw. Umkehr-Geschichte gemacht.71 Damit ist aber auch schon die entscheidende Veränderung benannt: Die Frau, die bei Mk / Mt / Joh nach Art einer prophetischen Zeichenhandlung die Begräbnissalbung Jesu vorwegnimmt,72 tritt nun bei Lukas als eine »Sünderin« auf. Jene Frau, deren Andenken fortan unlösbar mit der Verkündigung des Evangeliums verbunden bleiben sollte,73 wird von Lukas als ungebetener Gast und als skandalträchtige Person eingeführt; dass die Auslegung in ihr schließlich eine stadtbekannte Prostituierte sieht, kommt nicht ganz von ungefähr und verdankt sich der hintergründigen Art, mit der Lukas sie darstellt. Unübersehbar gibt er der ganzen Szene eine erotische Tönung und spielt mit der beziehungsreichen Andeutung, die Frau habe »viel gesündigt« und »viel geliebt«.74 Kompositorisch kann man diese neue Fassung als geschlechtssymmetrisches Gegenstück zur Umkehr des Zollpächters Zachäus (Lk 19,1 – 10) lesen. Zollpächter und Prostituierte gelten als Sünder par excellence. Dass sich die Rollen dabei genau so und nicht anders verteilen, liegt an den vorgeprägten Stereotypen. Allein die Tatsache, dass Lukas dazu eben gerade die Salbungsgeschichte umfunktioniert, anstatt sie an ihrem angestammten Ort zu bewahren, fällt auf. Er, der viel Sinn für prophetische Zeichenhandlungen hat,75 verzichtet auf diese Geschichte im Kontext seiner Passionserzählung und zieht es vor, die Frau als eine mit sexuellen Verfehlungen konnotierte Sünderin zu präsentieren.76 70   Vgl. auch Paulus in 1 Kor 7,10 f.12 – 16; dazu den Gedanken einer wechselseitigen Verpflichtung in 1 Kor 7,2 – 6; zum Ganzen B. Brooten, Konnten Frauen im alten Judentum die Scheidung betreiben? Überlegungen zu Mk 10,11 – 12 und 1 Kor 7,10 – 11, EvTh 42 (1982), 65 – 79. 71   R. von Bendemann, Liebe und Sündenvergebung. Eine narrativ-traditionsgeschichtliche Analyse von Lk 7,36 – 50, BZ 44 (2000), 161 – 182. 72   Mk  14,3 – 9 / Mt  26,6 – 13 / Joh  12,1 – 8. 73   In dieser Perspektive ist sie zur Symbolfigur der feministischen Exegese geworden; vgl. den programmatischen Titel von E. Schüssler Fiorenza, In Memory of Her. A Feminist Theological Reconstruction of Christian Origins, New York 1983; dt. Zu ihrem Gedächtnis . . .: Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München u. a. 1988. 74   Diese wirklichen oder vermeintlichen Haftpunkte reflektiert T. J. Hornsby, The Woman is a Sinner / The Sinner is a Woman, in: Livine, A Feminist Companion to Luke (s. Anm. 2), 121 – 139. 75  Vgl. C. Böttrich, Ideal oder Zeichen? Besitzverzicht bei Lukas am Beispiel der ›Ausrüstungsregel‹, NTS 49 (2003), 372 – 392. 76   D’Angelo, Women in Luke-Acts (s.  Anm. 1), 452 – 453, meint: »[. . .]  the exclusion of women from prophecy in the Gospel is primarily related to the Christology of Luke.« Immerhin

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Dass die Osterbotschaft der Frauen auf wenig Zutrauen rechnen konnte, verdankt sich dem geltenden Zeugenrecht. Doch keiner der Evangelisten hat die Herablassung der Männer in dieser Szene derart ungeschminkt formuliert wie Lukas: »Und es erschienen diese Worte vor ihnen wie Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht.« (Lk 24,11) Vom Fortgang der Ereignisse werden die Männer dann zwar beschämt, doch darüber geht der Erzähler mit vornehmer Zurückhaltung hinweg. Der Topos vom »Frauengeschwätz«77 ist ihm da viel leichter zur Hand als der Gedanke an eine Richtigstellung. Die charakteristisch lukanische Sensibilität vermisst man auch da, wo es sprachlich um die Bezeichnung der Gotteskindschaft geht. Bei der genealogisch begründeten Abrahamskindschaft, die in der Täuferrede gegenüber »den Scharen« abgewiesen wird, gebraucht Lukas traditionsgebunden noch zutreffend die pauschale Nennung der »τέκνα / Kinder« (Lk  3,8 / Mt  3,9); ebenso werden die Bewohner Jerusalems (Act 2,39) oder die Empfänger der Väterverheißungen (Act 13,33) »Kinder« genannt.78 Ansonsten aber spricht Lukas vorzugsweise von »Söhnen / υἱοί«: LkS 6,35: diejenigen, die ihre Feinde lieben, werden »Söhne des Höchsten« sein Lk 10,6: der Friedensgruß der Missionare trifft im Erfolgsfall auf einen »Sohn des Friedens« (nach Mt 9,13 geht es nur um ein Haus, das des Friedens wert ist) Lk 11,11: der »Sohn« bittet den Vater um die tägliche Nahrung (vgl. ebenso Mt 7,9) LkS 14,5: der Unglücksfall am Sabbat wird am Beispiel eines »Sohnes« oder eines Ochsen diskutiert LkS 16,8: die »Söhne dieses Äons« sind verständiger als die »Söhne des Lichts« Lk 20,34.36: die »Söhne dieses Äons« heiraten und werden geheiratet; diejenigen, die des kommenden Äons gewürdigt werden, sind »Söhne Gottes«, indem sie »Söhne der Auferstehung« sind Act 3,25: in seiner Tempelrede bezeichnet Petrus das Volk als »Söhne der Propheten«

In der Feldrede (Lk 6,20 – 49) wie in der Tempelrede des Petrus (Act 3,12 – 26) wird die Volksmenge angesprochen;79 konsequenterweise wäre deshalb auch von »Kindern des Höchsten« bzw. »Kindern der Propheten« zu sprechen.80 Dass die Hausmission zunächst auf den Hausherrn zielt (Lk 10,6) und dass »die präsentiert er Hanna als prophetische Gestalt (Lk 2,36) und lässt Maria das Magnifikat sprechen (Lk 1,46 – 55); in Act 21,9 trägt er die vier prophetischen Töchter des Philippus nach. 77   Vgl. z. B. in den Pastoralbriefen 1 Tim 1,6 (ματαιολογία); 6,20 und 2 Tim 2,16 (κενοφωνία); 1 Tim 5,13 unterstellt den jungen Witwen ungebührliche Reden. Lk 24,11 verwendet den Begriff λῆρος. 78   Aus der Logienquelle übernimmt er den Topos, dass jeder Mensch von einer Frau geboren wird (Lk 7,28 / Mt 11,11); das entspricht gutem biblischen Sprachgebrauch – vgl. Hi 14,1; 15,14; 25,4. 79   Von Lk 6,17 an erscheint die Gruppe seiner Schüler lediglich als der Kern einer großen Menschenmenge aus verschiedenen Gegenden. In Act 3,12 wendet sich Petrus an das »Volk (λαός)«, das in der – allen zugänglichen – Halle Salomos versammelt ist. 80   Schlichter Konvention folgt die Rede von den »Söhnen Israels«, wenn das Volk im Ganzen gemeint ist; vgl. z. B. Lk 1,16; Act 5,21 u. ö.

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Söhne dieses Äons / des Lichts« eher in der männlich dominierten Geschäftswelt zu suchen sind (Lk 16,8), mag man Lukas noch zugestehen. Aber hat etwa nur die Rettung von Söhnen und nicht die von Kindern überhaupt auch am Sabbat oberste Priorität (Lk 14,5)? Bitten etwa nur Söhne um die tägliche Nahrung – und ist für eine solche Bitte nicht eigentlich die Mutter die zuständige Adresse (Lk 11,11)? Diese Ungereimtheit, die von der Logienquelle schon vorgegeben war, hat Lukas ohne Veränderung übernommen. Vollends falsch wird es dann im Zusammenhang der Sadduzäerfrage (Lk 20,27 – 40): Heiraten und geheiratet werden nimmt ausdrücklich beide Seiten in den Blick und erzwingt den Begriff »Kinder« gerade hier um der Erzähllogik willen; die neue Existenzweise in der Auferstehung betrifft dann natürlich Männer und Frauen gleichermaßen, deren Geschlechtlichkeit als »Engelsgleiche / ἰσάγγελοι« gerade aufgehoben ist. Genau andersherum aber müsste es in Act 21,21 heißen, dass die »Söhne« und nicht die »Kinder« beschnitten werden. Festgefügter Konvention folgt der Erzähler Lukas, wenn er in der Apostelgeschichte am Beginn einer Rede den Redner immer nur Männer ansprechen lässt. Das Arsenal an entsprechenden stereotypen Formeln variiert und wird auch der jeweiligen Erzählsituation angepasst. Die männliche Perspektive bleibt jedoch konsequent bestehen. ἄνδρες ἀδελφοί: 1,16; 2,29.37; 13,26; 15,7.13; 22,1; 23,1.6; 28,17 ἄνδρες Ἰουδαῖοι: 2,14 ἄνδρες Ἰσραηλῖται: 2,22; 3,12; 5,35; 13,16 ἄνδρες Ἀθηναῖοι: 17,22

Dieser Sprachgebrauch hat durchaus sein Recht, wenn es auf der Erzählebene um reine Männerversammlungen geht – wie etwa in Ephesus, wo der Goldschmied Demetrios (Act 19,25) oder der Stadtschreiber (Act 19,28) den versammelten Demos mit »Männer!« ansprechen; ebenso Paulus, der sich bei der Überfahrt nach Rom an die Seeleute wendet (Act 27,10.21.25). Unter den aufgeführten Stellen betrifft das: die Szene der Nachwahl (Act 1,16), die als interne Verständigung der Elf erscheint; die Reaktion des Volkes gegenüber den Elf nach der Pfingstpredigt (Act 2,37); Ansprachen an das Synedrion (Act 5,35; 23,1.6) und vielleicht auch an das Leitungsgremium der jüdischen Gemeinde in Rom (Act 28,17). Auf dem Apostelkonvent in Jerusalem (Act 15,7.13) kommt zwar zunächst die ganze Gemeinde zusammen, die maßgebliche Beratung setzt sich dann jedoch im kleineren Kreis der »Apostel und Ältesten« fort. Immerhin bleiben nach Abzug dieser rein männlich besetzten Situationen noch vier Szenen übrig, in denen Frauen ganz selbstverständlich vorauszusetzen sind: die Pfingstpredigt des Petrus (Act 2,14.22.29); die Tempelrede des Petrus (Act 3,12); die Predigt des Paulus in der Synagoge von Antiochien in Pisidien (Act 13,16.26); die Verteidigungsrede des Paulus im Tempelvorhof (Act 22,1). Lukas, der über eine sehr genaue Kenntnis des Synagogengottesdienstes und des Tempelkultes

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verfügt, formuliert hier wider besseres Wissen. In allen diesen Fällen wird das Volk als Gruppe von Männern und Frauen durch den erzählerischen Kontext deutlich genug in den Blick genommen.81 Im Falle von Act 17,22 sind zunächst nur die Philosophen im Blick; aber dann erwähnt Lukas sogar ausdrücklich, dass sich im Anschluss auch eine Frau namens Damaris der Predigt zugewandt habe (Act 17,34). Nach Act 18,18 verabschiedet sich Paulus in Korinth allein von den »Brüdern«; Frauen bleiben auch zuvor schon als Zuhörerinnen unerwähnt und unsichtbar.82 Hier folgt Lukas immer wieder ganz schlicht und unreflektiert den herrschenden sprachlichen Konventionen, ohne sie an die erzählte Situation anzupassen. Geschlechtergerechte Sprache ist für ihn – bei allem Sinn für symmetrische Paarbildungen – natürlich ein Fremdwort.83 3.3  Konkurrenz um die Protophanie Die Ereignisse des Ostertages sind von den Evangelisten aus verschiedenen Perspektiven erzählt worden. Erst aus der Fülle solcher unterschiedlichen Sichtweisen setzt sich allmählich ein Bild zusammen, das die unerwartete, verstörende und anfangs nur schwer zu deutende Botschaft von der Auferstehung des Gekreuzigten zu verstehen hilft. In diesem Klärungsprozess spielen auch jene Zeugen, die von Erscheinungen des Auferstandenen zu berichten wissen, eine wichtige Rolle. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei die Frage nach der Protophanie von erheblichem Gewicht sein musste. Bekanntlich gibt es hier zwei konkurrierende Überlieferungen. Paulus, der in 1 Kor 15,5 – 7 eine alte Liste von Zeugen des Auferstandenen überliefert, führt Kephas / Petrus an erster Stelle. Matthäus erzählt von einer Erscheinung vor Maria Magdalena und »der anderen Maria« auf dem Rückweg vom Grab (Mt 28,9 f.); Johannes behält diese Ehre Maria Magdalena ganz allein vor (Joh 20,11 – 18); eine Erscheinung vor den Frauen im Zusammenhang ihrer Entdeckung des leeren Grabes hat auch erzähllogisch die größte Stimmigkeit. Beide Überlieferungen stehen somit unausgeglichen nebeneinander. Petrus als 81   Das korrespondiert mit solchen Aussagen, in denen das Wachstum der Gemeinden ausdrücklich auf »Männer und Frauen« bezogen wird: Act 5,14; 8,12; 17,4.12. 82   Der 1 Kor zeigt, welche Rolle Frauen gerade in der Gemeinde von Korinth spielten; in der lkn. Darstellung des Korinthaufenthaltes Act 18,1 – 18 werden Frauen jedoch mit keinem Wort erwähnt – abgesehen von Priszilla, die in Act 18,2 f. als Gastgeberin und Arbeitskollegin des Paulus erscheint. 83   Der Codex D (5. Jh.) hat die androzentrische Perspektive namentlich in Act noch einmal verschärft: in Act 1,14 fügt er zu den Frauen noch die Kinder hinzu und macht so aus der Gruppe von Schülern und Schülerinnen Familien; in Act 17,4.12 werden aus den »vornehmen Frauen« die »Frauen der vornehmen Männer«; in Act 17,34 fällt Damaris weg, so dass nur der Mann Dionysios in Athen genannt wird; in Act 18,26 wird in D und vielen anderen Hss die Reihenfolge der Namen umgedreht, so dass nun Aquila statt Priszilla voransteht; vgl. dazu B. Witherington, The Anti-Feminist Tendencies of the »Western« Text in Acts, JBL 103 (1984), 82 – 84.

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Exponent des Zwölferkreises und Maria Magdalena als Exponentin der Frauengruppe sind freilich ungleiche Konkurrenten, wenn es um die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses in einer patriarchalen Gesellschaft geht.84 Gerichtsfest war allein die Aussage eines Mannes – was die despektierliche Äußerung der Männer über das »Geschwätz« der Frauen am Ostermorgen (Lk 24,11) auch noch deutlich genug widerspiegelt.85 Wenn man die Zuschreibung der Protophanie an Maria Magdalena jedoch selbst gegen Ende des 1. Jh.s noch aufrechterhielt, dann musste sie in der Überlieferung fest genug verankert sein, um nicht einfach übergangen werden zu können. Der akribisch recherchierende Lukas (Lk 1,3) hatte hier jedenfalls die Wahl. Angesichts seiner breit gefächerten Wahrnehmung weiblicher Lebenswirklichkeit könnte man erwarten, dass auch Lukas den Frauen in Sachen Protophanie den Vortritt lässt. Dafür wäre bereits gut vorgebaut gewesen. Denn bei ihm betritt Maria Magdalena die Bühne der Erzählung nicht erst in der Passionsgeschichte, sondern schon früh im Galiläateil (Lk 8,2). Lukas weiß von ihr deutlich mehr als nur den Namen zu berichten86 und unterstreicht ihre Bedeutung als Repräsentantin der Frauengruppe um Jesus. In der Grabgeschichte ist sie wiederum diejenige, die (wie in den anderen Evangelien auch) zuerst genannt wird (Lk 24,10). Nichts spräche dagegen, die Protophanie mit ihr zu verbinden, zumal auch Lukas offensichtlich keine andere Geschichte zur Verfügung hatte. Dennoch entscheidet er sich für Petrus. Ganz unbetont und gleichsam nebenbei referiert er im Schlussrahmen der Emmausgeschichte die Entgegnung der Elf auf die Mitteilung der beiden Rückkehrer: »Der Kyrios ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen!« (Lk 24,34).87 Damit wird – erzählchronologisch nachgeholt – die Erscheinung vor Petrus zur ersten gemacht. Sie müsste sich dann irgendwann zwischen der zunächst noch abgewiesenen Mitteilung der Frauen am Morgen und der Rückkehr der Emmausjünger am späten Abend ereignet haben. Die Chance, sie mit dem »Kontrollgang« des Petrus zum Grab (Lk 24,12) zu verbinden, hat Lukas jedenfalls nicht genutzt. 84   Vgl. zur Rolle der Maria Magdalena im Kontext der Osterereignisse A. Taschl-Erber, Maria von Magdala – erste Apostolin?, in: Die Bibel und die Frauen (s. Anm. 2), 362 – 382. 85   Vgl. etwa die Äußerung bei Josephus, Ant. 4,219, der als Kommentar zu Dtn 19,15 das Zeugnis von Frauen ausdrücklich abweist; damit stand er in seiner Zeit sicher nicht allein. Der heidnische Philosoph Kelsos (2. Jh.) z. B. denkt hier nicht anders und moniert, der Auferstandene habe sich nur »einer Frau und seinen Vereinsgesellen« (2,7) gezeigt; vgl. Die wahre Lehre des Kelsos, übers. und erklärt von H. E. Lona, Freiburg u. a. 2005, 165. Nach römischem Recht waren Frauen indessen vor Gericht sehr wohl zeugnisfähig; vgl. die Belege bei Melzer-Keller, Jesus und die Frauen (s. Anm. 2), 270 f. 86   Immerhin deutet er eine dramatische Heilungsgeschichte an, die in Lk 8,2 als Relikt weiterer biographischer Erinnerungen erscheint; vgl. zum Ganzen S. Petersen, Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte, BG 23, Leipzig 2011. 87   Das klingt nicht nach einer ganzen Geschichte, die Lukas hier zur Verfügung gestanden hätte, sondern eher nach einem redaktionellen Nachtrag.

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Für diese Entscheidung spielt die Genderfrage freilich keine Rolle. Vielmehr geht es hier um den Vorrang eines anderen Konzeptes, auf dessen Ausarbeitung Lukas sehr viel Sorgfalt verwendet hat. In der Anlage seiner Erzählfiguren ist alles auf Petrus ausgerichtet.88 Er ist für ihn der Erstapostel, der Garant der Überlieferung, der Sprecher des Schülerkreises, der Impulsgeber und Initiator. Ihm vertraut Jesus in den Turbulenzen der Passionsereignisse seinen Schülerkreis an. Petrus ist an allen Schlüsselereignissen beteiligt; er spricht als Erster das gewichtige Messiasbekenntnis aus und wagt sich bis in den Hof des Hohenpriesters vor; nach Ostern leitet er die Jerusalemer Gemeinde und vollzieht schließlich den Durchbruch zur Völkermission. Aus diesem Konzept, das für die gesamte Erzählung ein tragendes Gerüst darstellt, konnte Lukas mit Blick auf die Protophanie nicht ausbrechen – bei aller Wertschätzung für die Frauen am Ostermorgen. 3.4  Theologinnen am Ostermorgen Eine der bedeutsamsten Konstellationen konstruiert Lukas in seiner Ostergeschichte. Erstaunlicherweise ist sie in der Exegese von Lk 24,1 – 12 bislang noch kaum ausreichend gewürdigt worden.89 Die Frauengruppe, die am Ostermorgen zum Grab kommt, kennt man schon seit Lk 8,1 – 3. Es handelt sich um Maria Magdalena, Johanna und »die übrigen«, zu denen nun auch noch eine weitere Maria gehört. Während der Passionsereignisse beobachten sie die Kreuzigung und die Grablegung (23,49.55). Mit der Absicht einer erneuten Behandlung des Leichnams brechen sie dann nach Ablauf des Sabbats im ersten Morgengrauen auf (Lk 24,1 – 10). Was sie am Grab erleben, unterscheidet sich auf markante Weise von den entsprechenden Erzählungen bei Markus und Matthäus. Nicht allein, dass ihnen statt einem zwei Gottesboten entgegentreten, fällt auf. Viel wichtiger ist, wie diese ihre Botschaft formulieren. Schon in die einleitende Frage fügen sie die Auferstehungsbotschaft ein: »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?« 88   C. Böttrich, Das Vermächtnis des Erstapostels. Petrus in lukanischer Perspektive, in: E. D. Schmidt / H. Omerzu (Hg.), Paulus und Petrus. Geschichte – Theologie – Rezeption (FS F. W. Horn), Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 48, Leipzig 2016, 219 – 246. 89   M.‑L. Rigato, ›»Remember«  . . . Then they Remembered‹: Luke 24.6 – 8, in: Levine, A Feminist Companion to Luke (s. Anm. 2), 269 – 280, thematisiert die Erinnerung, ohne da­raus jedoch die besondere Rolle der Frauen in dieser Szene abzuleiten; Ricci, Mary Magdalene (s. Anm. 54), 182 – 187, betont die Verbindung zu den Leidensankündigungen und stellt sie noch einmal in das Licht von Lk 8,10 (»Euch ist es gegeben, die Geheimnisse der Königsherrschaft Gottes zu erkennen, den übrigen aber in Gleichnissen [. . .]«); Reid, Choosing the Better Part (s. Anm. 1), 198 – 204, belässt es in ihrer Analyse des Ostertags bei einer Klage über den Vorwurf des »Geschwätzes«; Seim, Double Message (s. Anm. 2), 147 – 153, betont die Schülerinnenschaft der Frauen sowie ihre Eigenständigkeit und reflektiert die Bedeutung des »Erinnerns«; MelzerKeller, Jesus und die Frauen (s. Anm. 2), 265 – 271, stellt immerhin die entscheidenden Weichen.

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Daran knüpfen sie ohne alle Umschweife die Proklamation der Auferstehung an: »Er ist nicht hier, sondern er ist auferweckt!« An Stelle des Auftrags, diese Botschaft (wie bei Markus und Matthäus) an die Schüler Jesu zu überbringen, ziehen die Gottesboten nun aber die kleine Frauengruppe selbst ins Gespräch: »Erinnert euch, wie er zu euch geredet hat, als er noch in Galiläa war!« Die Erinnerung gilt den Leidensankündigungen, die Jesus seinen Schülern im engsten Kreis mitgeteilt hatte (9,22.44; 18,32 f.).90 Mit der Wendung »zu euch geredet« setzen die beiden Gottesboten somit schlicht voraus, dass die Frauen schon in Galiläa zu diesem engsten Kreis gehört haben und damit auch Adressatinnen dieser Worte gewesen sein müssen. Deshalb brauchen sie auch nicht erst von den Männern in der Stadt eine Erklärung einzuholen, sondern können schon jetzt, in der Situation dieser ersten Mitteilung, die Bedeutung der Auferstehungsbotschaft begreifen. Ein Auftrag an die Männer fällt aus. Den Frauen bleibt es selbst überlassen, wie sie mit dieser Botschaft weiter verfahren wollen. Lukas präsentiert die Frauen am Grab nicht als Botinnen. Vielmehr macht er sie zu eigenständigen Adressatinnen der Auferstehungsbotschaft.91 Der Appell an ihre Erinnerung spricht sie als Nachfolgerinnen bzw. Schülerinnen Jesu an. Sie sind selbst in der Lage, dank dieses einen wichtigen Fingerzeigs den entsprechenden Zusammenhang herzustellen. Lukas weiß das, und sein Lesepublikum auch. Nur die Männer auf der Erzählebene weisen die Mitteilung der Frauen, die ihnen von ihrer Erfahrung berichten, ab: »Und es erschienen diese Worte vor ihnen wie Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht.« Wie aber könnte man im weiteren Erzählverlauf übersehen, dass sich die Elf mit ihrer Herablassung nicht nur im Ton, sondern auch in der Sache gründlich vergreifen? Petrus immerhin läuft noch einmal zum Grab, um die Worte der Frauen zu überprüfen. Aber er wundert sich nur über das, was er sieht. Die Erinnerung setzt bei ihm noch nicht ein – was für die Frauen indessen ausdrücklich vermerkt wird (Lk 24,8). Alles Gewicht liegt in dieser Szene auf der Erinnerung an die Worte Jesu. Speziell geht es dabei um die Leidensankündigungen. Waren sie schon bei Markus eine Art Wegmarkierung vom Messiasbekenntnis bis hin zur Passion, so sind sie nun bei Lukas zu dem entscheidenden Bezugspunkt geworden, um das Geschehen von Tod und Auferstehung Jesu zu verstehen. Über Markus hinaus hat er diese komprimierten »Summarien des Passions- und Ostergeschehens«92 90   Die ersten beiden Leidensankündigungen finden noch in Galiläa statt; die dritte ist auf dem Weg nach Jerusalem platziert. In 9,22 wird von vornherein eine intime Situation vorgestellt (Jesus allein beim Gebet mit seinen Schülern); in 9,44 wendet sich Jesus nach der Heilung eines besessenen Knaben erneut an seine Schüler. In 18,32 nimmt er »die Zwölf« auf dem Weg nach Jerusalem eigens zur Seite, um ihnen die dritte Leidensankündigung zu übermitteln. Eine größere Gruppe von Ohrenzeugen, unter die sich auch die Frauen gemischt haben könnten, gibt es in diesen erzählten Situationen nicht. 91   Das erscheint fast wie eine Kompensation der nicht zugestandenen Protophanie. 92   Vgl. dazu J. Roloff, Neues Testament, Neukirchen-Vluyn 71999, 242. In diesen »Summarien« ist die heilsgeschichtliche Deutung des Todes Jesu bereits in komprimierter Form enthalten.

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auch noch in einigen anderen Zusammenhängen platziert. Damit eröffnet sich ein diffiziles intratextuelles Spiel. Leidensankündigungen (LA) bei Lukas a)  Lukas nach Markus I 9,22 (Mk 8,31 / Mt 16,21) – im Kontext des Messiasbekenntnisses bei Cäsarea Philippi II 9,44 (Mk 9,31 / Mt 17,22) – gegen Ende des Galiläateils III 18,32 f. (Mk 10,33 f. / Mt 20,18 f.) – auf dem Weg kurz vor Jericho b)  zusätzlich allein bei Lukas LkS 17,25: im Kontext der »kleinen Endzeitrede« (17,20 – 18,8) LkS 24,6 f.: die Gottesboten am Grab an die Adresse der Frauen LkS 24,26: der Auferstandene an die Adresse der Emmausjünger LkS 24,44 – 46: der Auferstandene an die Adresse des Schülerkreises in Jerusalem Act 3,18: Petrus im Kontext seiner Tempelrede an die Adresse der Jerusalemer (3,12 – 26) Act 17,2 f.: Paulus während seines missionarischen Aufenthaltes in Thessaloniki (17,1 – 10) Act 26,22 f.: Paulus im Kontext seiner Verteidigungsrede vor Festus, Agrippa und Berenike (26,1 – 32)

Verstärkend wird die Leidensthematik noch einmal in der »kleinen Endzeitrede« zwischen die zweite und dritte LA eingeschoben, um Jesu Tod und Auferstehung als Teil der endzeitlichen Bedrängnisse darzustellen. Alle weiteren Zitate blicken dann bereits zurück. Dieser Rückbezug wird in 9,44 (zweite LA) schon explizit vorbereitet: »Prägt euch in eure Ohren diese Worte ein: [. . .]!« Sowohl das Gewicht der jeweiligen Szenen als auch diese ausdrückliche Aufforderung sind am Ostermorgen sofort abrufbar. Zur Erinnerung werden die Frauen am Grab aufgefordert, die Emmausjünger auf dem Weg angeleitet und die Schüler Jesu in Jerusalem schließlich noch einmal motiviert. Darin liegt für Lukas der Schlüssel zum Verständnis von Karfreitag und Ostern. Deshalb kann er später auch Petrus und Paulus erneut auf die Leidensankündigungen als knappe, stringente Zusammenfassungen der christlichen Verkündigung zurückgreifen lassen. Wenn man die intellektuelle Bewältigung von Tod und Auferstehung Jesu als die Ausgangssituation der christlichen Theologie betrachtet, dann markiert Lukas mit der Erinnerung der Frauen am Grab genau diesen Punkt. Ausdrücklich stellt er fest, dass die Aufforderung der beiden Gottesboten auf offene Ohren stößt (Lk 24,8): »Und sie erinnerten sich an seine Worte.« Konsequenterweise müssen für Lukas die Frauen um Maria Magdalena auch die ersten Theologinnen sein. Auf dem Weg stellen sie die entscheidenden Zusammenhänge her,93 während die Männer noch immer in ihrer Deckung verharren, Jerusalem verlassen oder sich bestenfalls wundern. Weil die Frauen Jesus »von Galiläa an 93   Sie erscheinen darin als symmetrisches Gegenstück zu den Emmausjüngern, deren Erinnerung ebenfalls unterwegs geweckt wird; vgl. K. Backhaus, Christologia Viatorum. Die Emmaus-Episode als christologisches Programm der Apostelgeschichte, in: M. Bär u. a. (Hg.), König und Priester. Facetten neutestamentlicher Christologie (FS C.‑P. März), Würzburg 2012, 137 – 148.

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nachgefolgt« (Lk 23,49.55) sind, haben sie längst schon seine Botschaft von der Königsherrschaft Gottes vernommen und verinnerlicht. Jetzt sind sie auch imstande, damit die Dimension des Leidens zu verbinden. Zumindest ist das ein Prozess, der nun beginnt und bei dem Lukas den Auferstandenen selbst noch die nötige Anschub-Exegese liefern lässt (Lk 24,25 – 27.44 – 49; Act 1,2 f.). Lukas vermeidet es freilich sorgsam, diese Konstellation gar zu plakativ herauszustellen. Die Erinnerung wird bei den Frauen lediglich von Gottesboten angestoßen, während sie bei den Männern dann durch den Auferstandenen selbst in Gang gebracht und weiter begleitet wird. In der Folge erfährt man auch nichts mehr davon, dass die Frauengruppe um Maria Magdalena weiterhin theologisch aktiv wäre. Der Ostermorgen bleibt Episode.

4.  Theologische Schlussfolgerungen Im Blick auf das Thema »Frauen bei Lukas« bleibt der Eindruck bestehen, Lukas sage nicht alles, was er weiß – und halte mit Absicht die Konsequenzen offen, die man aus seinen Erzählungen ziehen könnte. Diese eigentümliche Ambivalenz scheint gewollt zu sein. Lukas setzt starke Signale und weckt hohe Erwartungen – aber gleichzeitig rührt er die Konventionen seiner Zeit nicht an. Er begnügt sich damit, das Thema zu präsentieren und seinem Lesepublikum immer wieder vor Augen zu halten. In seiner Darstellungsweise fühlt sich Lukas wohl vor allem an Überlieferungen gebunden. Er, der »von Anfang an allem sorgfältig nachgegangen« ist (Lk 1,3), nimmt auch Traditionen auf, die wesentlich von Frauen geprägt und geformt sein dürften. Im »Kompendium Feministische Bibelauslegung« wird deshalb in Frage gestellt, ob es den männlichen Autor Lukas, der sein Evangelium allein zusammenstellt, in dieser Form überhaupt gegeben habe.94 Hinter dieser Frage steht die Überzeugung, dass Männer und Frauen gleichermaßen als eine Art Autorenkollektiv für das lukanische Doppelwerk verantwortlich zeichneten. Ich persönlich bin hier sehr skeptisch. Meine Schulzeit in der DDR stand unter der Parole, dass der Einzelne nichts, das Kollektiv aber alles sei. Ich habe gelernt, dieser Parole zu misstrauen. Kollektive schaffen keine Texte – zumal keine von einer solchen literarischen Qualität. Dazu bedarf es der Gestaltungskraft einer einzelnen Persönlichkeit. Das könnte grundsätzlich auch eine Frau sein.95 Doch der fiktive Autor »Lukas« verrät seine androzentrische Perspek94   L. Schottroff / M.‑Th. Wacker, Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 21999, 32007, 516 f. 95  Dieser Vorschlag ist mehrfach unterbreitet worden; vgl. dazu die Literatur bei M. R. d’Angelo, The ANHP Question in Luke-Acts: Imperial Masculinity and the Development of Women in the Early Second Century, in: Livine, A Feminist Companion to Luke (s. Anm. 2), 44 – 69, spez. 45 Anm.  2.

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tive immer wieder so deutlich,96 dass man ihm wohl seinen Platz als Mann im Kreise der Evangelistenkollegen belassen muss. Die Stärke von Kollektiven liegt im Prozess der Überlieferung.97 In Erzählgemeinschaften, die mündliche Traditionen bewahren, formen und weitergeben, haben die Frauen der ersten Generation ohne Frage eine maßgebliche Rolle gespielt. Bei ihnen hat sich Lukas bedient. Dass er – namentlich wohlhabende – Frauen immer wieder in seiner Erzählung auftreten lässt, kann man sicher auf den Einfluss von eben solchen Frauen in seinem unmittelbaren Umfeld zurückführen. Sie will er mit seiner Erzählung bewusst ansprechen, gewinnen und bestärken. Deshalb bemüht er sich um jene Sensibilität, die sein Werk gerade in dieser Hinsicht auszeichnet. Die Frage, ob sich unter diesen von Frauen geprägten Überlieferungen auch so etwas wie frauenspezifisches Insiderwissen nachweisen lässt,98 ist schwieriger zu beantworten. Gelegentlich hat man versucht, etwa in den lukanischen Geburtsgeschichten gynäkologische Sachkenntnisse auszumachen.99 Doch was dort über Schwangerschaftsfristen oder Kindsbewegungen im Mutterleib zu lesen ist, geht nicht über das hinaus, was auch jeder halbwegs aufgeweckte Mann über die Frau in seinen Armen wissen konnte.100 Allein – dass die Lebenswirklichkeit von Frauen immer wieder thematisiert wird, dass Frauen sichtbar werden und als theologisch aktive Mitglieder der christlichen Gemeinde in Erscheinung treten, verrät die Präsenz einer Gruppe, die ihren Einfluss geltend macht.101 Der restriktive Zug, den Lukas bei aller Sensibilität dennoch erkennen lässt, spiegelt wohl die Zeitumstände wider, unter denen er schreibt. Noch sind die Erinnerungen an jene Aufbrüche der ersten Generation, wie sie sich etwa in den paulinischen Gemeinden beobachten lassen, lebendig. Ihre Trägerinnen könn 96   Vgl. außer den unter 3.2 aufgeführten androzentrischen Perspektiven auch das maskuline Partizip παρηκολουθηκότι, das der Autor in seinem Vorwort (Lk 1,3) auf sich bezieht; vgl. dazu d’Angelo, ebd. 46.  97   Vgl. z. B. S. Byrskog, Story as history – history as story. The gospel tradition in the context of ancient oral history, WUNT 123, Tübingen 2000, spez. 73 – 82 und 190 – 197.  98   Spekulativ bleibt die These, das gesamte lkn. Sondergut sei auf die Überlieferung einer Frauengruppe zurückzuführen; so z. B. T. Boman, Die Jesus-Überlieferung im Lichte der neueren Volkskunde, Göttingen 1967, 129 – 137: es könne kein Zweifel bestehen, »daß der Urheber der lukanischen Kindheitsgeschichten eine Frau gewesen« sei (130); der Sitz im Leben dieser Quelle im Ganzen war »ein Kreis von Frauen« (131); sie ist insgesamt »eine Frauenquelle« (136); es sind »Jüngerinnen«, die hinter ihr stehen (137).  99   Vgl. z. B. C. Janssen, Elisabeth und Hannah – zwei widerständige alte Frauen in neutestamentlicher Zeit. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, Mainz 1998, 226. 100   Ähnlich steht es mit anderen Bereichen von Fachwissen: medizinische, juristische, philosophische oder nautische Kenntnisse verraten lediglich eine solide Allgemeinbildung des Lukas. Interessanter sind die Kenntnisse, über die Lukas hinsichtlich der Samaritaner verfügt und die sicher auf entsprechende Kontakte zurückzuführen sind. Ganz sicher aber hatte Lukas nicht nur Gewährsmänner, sondern eben auch Gewährsfrauen. 101   Zur Methodologie vgl. A. Brenner, Women’s Traditions Problematized. Some Reflections, in: B. Becking / M. Dijkstra (Hg.), On Reading Prophetic Texts, Leiden u. a. 1996, 53 – 66.

Zwischen Sensibilität und Konvention

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ten gerade im Umfeld des Lukas jene Frauen sein, die als Unterstützerinnen eine wichtige Rolle spielen. Die gesamtkirchliche Entwicklung aber geht inzwischen in eine völlig andere Richtung. Mit dem rasanten Wachstum der christlichen Gemeinden und ihrer zunehmenden Wahrnehmung in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit werden auch Frauen wieder auf ihre traditionellen Rollen verpflichtet. Diese Rücknahme einer theologisch begründeten Freiheit102 verdankt sich jedoch nicht nur pragmatischen Überlegungen. Sie geht Hand in Hand mit jener Karriere, die das Leitbild von der Gemeinde / Kirche als dem »Haus Gottes« gegen Ende des 1. Jh.s beginnt.103 Die hierarchische Ordnung des Oikos gewinnt von Neuem die Oberhand. Lukas schreibt etwa zeitgleich mit der Entstehung der Pastoralbriefe.104 Beide Korpora reagieren auf dieselben Entwicklungen, gelangen dabei jedoch zu unterschiedlichen Lösungen. Für Lukas wie für die Pastoralbriefe ist das Rollenverständnis von Männern und Frauen ein Problem, das der Klärung bedarf: sie sehen sich mit Gruppen aktiver Frauen konfrontiert, die außerhalb des Oikos agieren; sie müssen sich um soziale Belange kümmern, die ganz besonders die Witwenversorgung betreffen; sie wissen um die Bedeutung von Hausgemeinden, die strukturell den Konventionen ihrer nichtchristlichen Umgebung entsprechen; sie suchen nach neuen Formen der Leitungsverantwortung sowie der Stabilisierung in einer Umbruchssituation. Der oder die Autoren der Pastoralbriefe greifen hier zu einer radikalen Lösung: die Rolle von Frauen wird ohne Wenn und Aber auf das vorherrschende Modell zurückgenommen; der Ort von Frauen ist im Haus und bei der Kindererziehung; Lehre steht ihnen nicht zu; die Figur der Unterordnung trägt den Ton.105 Lukas hingegen votiert hier sehr viel moderater: er erkennt vielfältige unkonventionelle Aktivitäten von Frauen an; er stellt Frauenfiguren ins Licht seiner Erzählung, anstatt sie im Schatten des Hauses verschwinden zu lassen; er gibt ihnen immer wieder Namen, Stimme und Gesicht; er schreibt ihnen schließlich unübersehbar auch theologische Kompetenz zu. Doch gleichzeitig lässt er erkennen, wo er Frauen dann letztlich doch 102   Vgl. oben Anm. 2; dazu S. Petersen, Nicht mehr »männlich und weiblich« (Gen 1,27). Die Rede von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz im frühen Christentum, in: I. Fischer / C. Heil (Hg.), Geschlechterverhältnisse und Macht, Exegese in unserer Zeit 21, Wien u. a. 2010, 78 – 109. 103   Vgl. z. B. J. Roloff, Die Kirche im Neuen Testament, NTD.E 10, Göttingen 1993, 250 – 267. 104   Die Gemeinsamkeiten beider Textkorpora sind unübersehbar. Deshalb hat man immer wieder einmal Lukas als Autor der Past sehen wollen – kritisch bei N. Brox, Lukas als Verfasser der Pastoralbriefe?, JAC 13 (1970), 62 – 77; gelegentlich hat man sogar die Past als Abschluss des lkn. Doppelwerkes verstanden – so etwa J. D. Quinn, The Last Volume of Luke. The Relation of Luke-Acts to the Pastoral Epistles, in: C. H. Talbert (Hg.), Perspectives on Luke-Acts, Edinburgh 1978, 62 – 75. Es genügt jedoch vollkommen, vergleichbare Zeitumstände und Problemsituationen anzunehmen. 105   Vgl. zum Ganzen U. Wagener, Die Ordnung des »Hauses Gottes«. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT II / 65, Tübingen 1994.

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am liebsten sieht: im Haus; bei Werken der Wohltätigkeit und der Unterstützung des Gemeindelebens; in bescheidener Zurückhaltung; in der Rolle vorbildlicher Mütter. Auch Lukas kann sich den Entwicklungen seiner Zeit nicht entziehen. In dieser Dilemmasituation versucht er, dem Erbe der Anfangszeit ebenso wie den Erfordernissen seiner Gegenwart gerecht zu werden.106 Das lukanische Erzählwerk schreibt seinem Lesepublikum die Sensibilität für das Miteinander von Männern und Frauen als eine fundamentale, seit den Anfängen von Jesusbewegung und früher Christenheit gegebene Aufgabe nachdrücklich ins Stammbuch. Die konkrete Gestaltung der Geschlechterbeziehung aber überlässt Lukas den Gemeinden selbst – wohl wissend, dass sich die jeweiligen gesellschaftlichen und sozialen Situationen dabei nicht einfach überspielen lassen. Sensibilität trifft auf Konvention. Mit dieser Spannung muss jede Zeit selbst lernen, auf kreative Weise umzugehen.

106   M. R. d’Angelo, ANHP Question in Luke-Acts (s. Anm. 95), vermutet, dass Lukas vor allem dem römischen Ideal familiärer Werte zu entsprechen versuche. Seim, Double Message (s. Anm. 2), sieht in diesem Doppelaspekt einer Bewahrung der Anfänge einerseits und einer Anpassung an neue Entwicklungen andererseits das entscheidende Charakteristikum der lkn. Botschaft – und endet mit dem Satz: »The double message nurtures a dangerous remembrance.«

»New« Woman? Bruce W. Winters These und ihre Rezeption in der exegetischen Diskussion kritisch beleuchtet Annette Merz

2003 erschien Bruce W. Winters Buch »Roman Wives, Roman Widows. The Appearance of New Women and the Pauline Communities«.1 Der in evangelikalen Kreisen und darüber hinaus als Kenner der griechisch-römischen Umwelt des Neuen Testaments anerkannte langjährige Editor des Tyndale Bulletin2 vertritt darin eine äußerst weitreichende sozialgeschichtliche These, die er selbst in der Einleitung folgendermaßen zusammenfasst: Roman Wives, Roman Widows [. . .] aims to show that where the poets and other literary observers in the late Republic and early Empire, Augustus in his marriage legislation, the Stoic and the Neo-Pythagorean philosophical schools in their deliberations and the letters to the Pauline communities discuss the behaviour of a certain type of women, they were all dealing with one and the same phenomenon. It is what some ancient historians have recently designated the ›new woman‹ who was contrasted with the modest wife and widow. From ancient literary, legal, and non-literary sources it will be argued that the appearance of the »new woman« can be identified. (xi, Hervorhebung A. M.)

Hier wird eine Art Generalschlüssel angeboten, der nicht nur die bekannt schwierigen paulinischen und deuteropaulinischen Texte über das Verhalten von Frauen in der Gemeinde, sondern auch römische poetische Texte, antike philosophische Diskurse und römische Ehegesetzgebung von einem einzigen Phänomen (der »new woman«) her zu erschließen verspricht. Handelt es sich dabei um eine dubiose These oder um ein seriös zu berücksichtigendes neues 1

  B. W. Winter, Roman Wives, Roman Widows: The Appearance of New Women and the Pauline Communities, Grand Rapids / Cambridge 2003. 2   B. W. Winter (geb. 1939) war 1987 – 2006 Leiter am Tyndale House (Cambridge) und Direktor des dortigen »Institute of Early Christianity in the Graeco-Roman World«, Fellow des St. Edmund’s College und Mitglied der Divinity Faculty an der Universität Cambridge. 2006 – 2011 war er Principal des Queensland Theological College, wo er seitdem als Emeritus lehrt. Wichtige Buchveröffentlichungen: Seek the Welfare of the City: Christians as Benefactors and Citizens (First-Century Christians in the Graeco-Roman World), Grand Rapids / Carlisle 1994; Paul and Philo Among the Sophists: Alexandrian and Corinthian Responses to a JulioClaudian Movement, Cambridge 1997; After Paul Left Corinth: The Influence of Secular Ethics and Social Change, Grand Rapids 2001.

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Paradigma? Die Meinungen darüber sind auffällig geteilt, was mich zu der vorliegenden Untersuchung inspirierte. Winters Vorschlag ist, wie ich zu zeigen hoffe, vor allem interessant, wenn man ihn ideologie- und diskurskritisch im Kontext der gegenwärtigen Forschungslandschaft betrachtet.

1.  Überblick über Winters Buch und die Notwendigkeit eines diskurs- und ideologiekritischen Zugangs Winters Buch hat drei Hauptteile. Im ersten Teil entfaltet er seine Hauptthese: Es gab in der späten Römischen Republik und frühen Kaiserzeit eine Emanzipationsbewegung von Frauen, der sogenannten »new women«. Dabei handelt es sich um finanziell unabhängige Frauen aus der römischen Oberschicht, die ostentativ sexuelle Freizügigkeit praktizieren und demonstrativ die traditionellen restriktiven Verhaltensregeln für Frauen brachen, indem sie aufreizende Kleidung und viel Schmuck trugen. Diese Bewegung erfasste auch die provinzialen Oberschichten im Osten. Literarisch fassbar ist diese Bewegung nach Winter in der römischen Liebeselegie und bei anderen literarischen Beobachtern, damit meint er Satiriker wie Martial, Horaz und Juvenal, die neue Komödie, aber auch Anwälte wie Cicero und römische Geschichtsschreiber, dann vor allem im philosophischen Diskurs über die Tugenden der Frauen bei Stoikern und Neopythagoreern und in der Augusteischen Ehe- und Ehebruchgesetzgebung sowie in diversen Formen imperialer Propaganda mit denen ein traditionelles, konservatives Frauenbild befördert wurde. Dann folgt in Teil 2 in vier Kapiteln die Behandlung zentraler paulinischer (und deuteropaulinischer3) Texte, die sich Winter zufolge reaktiv und präventiv mit den »neuen Frauen« auseinandersetzen: In 1 Kor 11 gehe es um Frauen, die den Schleier der verheirateten Frau von sich werfen und damit ihre Abkehr von der traditionell geforderten Keuschheit in der Ehe demonstrieren. 1 Tim 2,9 – 15 wolle vor allem präventiv unpassendes Verhalten ausschließen, nämlich kostbare und aufreizende Aufmachung, dominierendes verbales Verhalten und zum Zwecke der Selbstentfaltung gewählte Kinderlosigkeit, wobei 1 Tim 2,15 (Gerettet werden durch Kindergebären) sich als Antithese auf die angeblich weit verbreitete Praxis der Abtreibung bezieht. 1 Tim 5,11 – 15 betrifft sexuell promiskuitiv lebende junge Witwen, die in den Bann der Bewegung der »neuen Frau« geraten sind, und Tit 2,3 – 5 bespricht den Umgang mit jungen kretischen Frauen, die unter dem 3   Winter setzt voraus, dass die Pastoralbriefe paulinisch sind und begründet diese Entscheidung nicht. Er verweigert damit die diskursive Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen exegetischen Mainstream und »belastet« seine Leserinnen und Leser nicht mit dieser im evangelikalen Milieu sehr aufgeladenen Diskussion. Wir werden im Laufe dieser Untersuchung sehen, dass dieses Diskursverhalten als typisch für Winter gelten kann.

»New« Woman?

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Einfluss der Emanzipationsbewegung ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter vernachlässigen und »zur Besinnung gebracht« werden müssen, wie σωφρονίζειν in Tit 2,4 zu übersetzen sei. Danach folgt noch ein dritter Teil unter dem Titel »The Appearance of Women in the Public Sphere«, in dem andere Quellen, nämlich Inschriften, Graffiti u. ä. im Vordergrund stehen und in denen Frauen besprochen werden, die als Anwältinnen arbeiteten (die berühmte Carfania), die im Osten Magistrats- und Gymnasiarchenämter innehatten und als Wohltäterinnen und Patroninnen auftraten, wobei Junia Theodora aus Korinth ausführlicher behandelt wird. Auf dieser Folie werden dann die Möglichkeiten von frühchristlichen Frauen, sich in der Gemeinde zu engagieren, besprochen, wobei alles auf Phoebe (Röm 16,1 – 2) konzentriert wird und die zuvor im Buch behandelten Texte nicht in die Diskussion einbezogen werden. So weit eine kurze Beschreibung des Inhalts. Ein gutes Dutzend Jahre nach Erscheinen des Buches hat sich die These von der »appearance of the ›new woman‹« in der neutestamentlichen Wissenschaft nicht auf breiter Front durchgesetzt und sie gehört auch nicht zu den Themen, die etwa auf internationalen Kongressen intensiv diskutiert würden. Warum meine ich dennoch, dass eine Beschäftigung mit Bruce W. Winters Buch sinnvoll ist? Relativ unbeachtet von exegetischen Mainstreamdiskursen übt die These von der »new woman« in evangelikalen Kreisen einen enormen Einfluss aus. Einige meiner niederländischen Kolleginnen und Kollegen sind große Befürworter von Winter und im Gespräch mit ihnen wurde mir deutlich, dass für sie die These von der »neuen Frau« eine wichtige sozialgeschichtliche Grundüberzeugung geworden ist, die als Generalschlüssel zur Lösung verschiedener Probleme funktioniert.4 Sie hilft nicht nur, als problematisch empfundene Texte über Frauen aus der paulinischen Tradition zu interpretieren, sondern erweist sich auch als äußerst »hilfreich« für die Applikation dieser Texte im Umgang mit der modernen Welt und ihren Frauenbildern. Angeregt von dieser biographisch-kontextuellen Beobachtung fand ich bald weitere Beispiele von Exegeten, für die Winters These als neues Paradigma funktioniert. Eine Durchsicht der erstaunlich zahlreich erschienenen Besprechungen zeigt eine deutliche Polarisation. Von manchen wird das Buch überschwänglich gelobt,5 von anderen als deutlich defizitär angewiesen.6 4

  Siehe Beispiel 2 im zweiten Abschnitt dieses Aufsatzes.   Überwiegend positive Besprechungen: K. E. Corley, Interp. 58 / 3 (2004), 318; E. Adams, ET 116 / 3 (2004), 95 f.; S. A. Calef, TS 66 / 4 (2005), 930 f.; R. R. Clark Jr., RestQ 47 / 3 (2005), 194; P. Bolt, Reformed Theological Review 64 / 3 (2005), 172 f.; C. B. Smith II, JAOS 125 / 1 (2005), 152 f.; R. Holst, Concordia Journal 32 / 2 (2006), 245 – 247; I. H. Marshall, EvQ 80 / 1 (2008), 83 – 85; O. Wischmeyer, ThLZ 134 / 7 – 8 (2009), 810 – 813. 6   Überwiegend bis sehr kritische Besprechungen: S. Matthews, CBQ 67 / 1 (2005), 162 f.; M. R. D’Angelo, JR 85 / 3 (2005), 480 f.; A. J. Batten, Religious Studies Review 31 / 3,4 (2005), 206; S. Dixon, JThS 56 / 2 (2005), 558 – 561; T. A. J. McGinn, Paul’s Women, The Classical Review 55 / 2 (2005), 645 – 647; J. Murphy-O’Connor, »Pauline Studies«, RB 112 (2005), 147 – 149; J. R. Wi5

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Von führenden konservativen Autoren wird seine fachliche Qualität ausdrücklich hervorgehoben, wie ein Zitat von I. Howard Marshall exemplarisch zeigt:7 [. . .] Winter is mediating to New Testament students a picture of Roman imperial society and responses to it that are familiar and uncontested among classical scholars. (83) Overall this book provides fresh evidence from an expert for the interpretation of important New Testament passages [. . .] Most of what is developed stands on solid foundations and helps to refute some misunderstandings of the New Testament material. (Hervorhebung A. M.)

Ronald R. Clark Jr. möchte das Buch gar in jeder Studierstube der Leserinnen und Leser von Restoration Quaterly stehen sehen:8 All teachers, ministers, and students should have this book in their library. Everyone working in Pauline studies should be aware of this argument and be prepared to address it.

Während dieser Rezensent es ungeachtet seiner Begeisterung an der nötigen Sachkenntnis fehlen lässt,9 stehen auf Seiten der positiven Rezensionen auch Kolleginnen, die als Kennerinnen von antiker und frühchristlicher Frauengeschichte ausgewiesen sind, wie Susan Calef und Kathleen E. Corley. Letztere betont nachdrücklich, dass ihrer Meinung nach Winters Hauptthese richtig sei und dass die Punkte, über die man diskutieren müsse, »quibbles«, also Spitzfindigkeiten, seien, über die unter ehrenwerten Wissenschaftlern gestritten werden dürfe.10 Winters These ist also offensichtlich für manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler plausibel. Man muss auch konstatieren, dass das Buch in bestimmten Teilgebieten der Exegese erheblichen Einfluss ausübt, vor allem, wo vielgelesene Kommentare (zu den Pastoralbriefen) Winter zu ihrem Kronzeugen erheben.11 Andererseits wird Winters Buch in großen Teilen der exegetischen und sicher in der deutschsprachigen Diskussion kaum rezipiert. Angesichts der Problematik seiner Thesen und Exegesen geschieht dies vielleicht auch zu Recht. Einen cker, Southwestern Journal of Theology 47 / 2 (2005), 252; E. Krentz, Currents in Theology and Mission 34 / 3 (2007), 217; P. T. Massey, Is There a Case for Elite Roman ›New Women‹ Causing Division at Corinth?, RB 118 / 11 (2011), 76 – 93.  7   EvQ, 80 / 1 (2008), 83 – 85 (Zitat: 83 – 84).  8   RestQ 47 / 3 (2005), 194.  9   Clark Jr. stellt das Entstehen der »new woman« als Reaktion auf die augusteischen Sittenreformen dar, während Winter, ganz im Einklang mit den Althistorikerinnen und Althistorikern Fantham u. a. (s. u. Anm. 23), auf die er sich beruft, die Entstehung des Phänomens in der späten Republik verortet und die augusteischen Reformen als einen Teil der Reaktion gegen die neuen Frauen beurteilt! 10   Interp. 58 / 3 (2004), 318. Mich erstaunt diese Einschätzung. Ich erkläre sie mir so, dass für Corley vor allem der Bestandteil der Hypothese wichtig ist, nach dem Frauen in der römischen Kaiserzeit größere Freiheiten zur Gestaltung ihres Lebens genossen als in früheren Epochen. 11   Siehe unten Beispiel 1 im zweiten Abschnitt meines Beitrags.

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Diskussionsbeitrag mit Schweigen zu übergehen, ist natürlich eine wirkungsvolle Diskursstrategie, die Winter im Übrigen selbst virtuos praktiziert, indem er Veröffentlichungen aus dem feministischen Spektrum und dem kritischen Genderdiskurs komplett ignoriert.12 Doch weist eine solche gespaltene Rezeption auf ein Problem, dem nachzugehen sich lohnt. Der vorliegende Beitrag widmet sich daher Winters Buch und seiner Rezeption als Diskursphänomen. Wie präsentiert es die antiken Diskurse über Frauen und wie funktioniert es gegenwärtig in den verschiedenen Diskursen über Frauen in der Antike und im Neuen Testament? Besonders Vernon K. Robbins hat in seinen Veröffentlichungen »The Tapestries of Early Christian Discourse« (1996) und »Exploring the Texture of Texts« (1996) auf die Notwendigkeit hingewiesen, die »ideological texture«13 bei der Auslegung von biblischen Texten zu berücksichtigen. Die von ihm geforderte ideologische Analyse muss sowohl die im Quellentext feststellbaren ideologischen Elemente berücksichtigen, also die Weise des Partizipierens an bestimmten ideologischen Diskursen der Zeit seiner Entstehung, als auch die Diskurse, in denen sich seine Interpretinnen und Interpreten befinden und zu denen sie mit Hilfe ihrer Auslegung auch beitragen. Weil Rezensionen eine literarische Gattung sind, die auf einer Metaebene direkt Einfluss auf die Wirkung eines Buches im Wissenschaftsdiskurs ausüben (oder auszuüben versuchen), indem sie Lektüreempfehlungen aussprechen, pointiert bestimmte Thesen hervorheben, nuancieren oder auf Schwächen hinweisen, stellen Rezensionen zu Winters Buch eine Hauptquelle meiner Ausführungen dar. Zunächst aber möchte ich an einigen ausgewählten Beispielen zeigen, wie Winters These in nach 2003 erschienener Literatur zu den Pastoralbriefen Verwendung findet.

2.  Die Rezeption der These von Bruce Winter in neuerer exegetischer Literatur zu den Pastoralbriefen Philip H. Towner publizierte 1989 eine Monographie mit dem Titel »The Goal of our Instruction. The Structure of Theology and Ethics in the Pastoral Epistles« und 2006 einen Kommentar zu den Pastoralbriefen in der von Eerdmans herausgegebenen Serie: New International Commentary on the New Testament.14 12   Meine Einordnung und Bewertung dieser Diskursstrategie ist im vierten Hauptteil dieser Untersuchung zu finden. 13   Die ideologische Dimension des Textes tritt als selbständige Untersuchungsgröße neben die regelmäßig berücksichtigten Dimensionen (oder Texturen) der »inner texture« (Bedeutungsaufbau durch textuelle Binnenstrukturen), »intertexture« (Bedeutungsaufbau durch intertextuelle Verweise) und die »social and cultural texture« (die Einbindung in den Kontext). 14   P. H. Towner, The Goal of our Instruction. The Structure of Theology and Ethics in the Pastoral Epistles, JSNT.S 34, Sheffield 1989; ders., The Letters to Timothy and Titus, NIC.NT, Grand Rapids / Cambridge 2006.

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Dies ermöglicht einen Vergleich seiner Positionen vor und nach der Lektüre von Winters Buch. 1989 hatte Towner das Lehrverbot für Frauen aus 1 Tim 2,12 im Rahmen einer präsentisch-eschatologisch Interpretation des Gleichheitsgrundsatzes von Gal 3,28 durch Irrlehrer erklärt: [Those] false teachers [. . .] might have led some community members to the conclusion that the equality tradition was »now« to be implemented. (212) [. . . P]rogress towards this realization must, because of the priority of mission, be tempered by the ability of society to accept the changes in the social equilibrium that the equality tradition implies. Thus on this understanding the house code encourages respectability and requires the Church to touch base constantly with the world about it. [. . .] So, there is good reason to think that because of society’s »rules« the author would have felt it necessary to prohibit women from teaching and having authority over men. (211)

Eine externe und eine interne Erklärung werden hier kombiniert: Die umgebende Gesellschaft war noch nicht reif für die volle, vom christlichen Gleichheitsgrundsatz geforderte gleichberechtigte Partizipation von Frauen am Gemeindeleben und: Irregeleiteter präsentisch-eschatologischer Enthusiasmus führte zu dem vom Apostel als Irrlehre gebrandmarkten Wunsch der Realisierung von Gleichheit im Hier und Jetzt durch Frauen, die von diesen (offenbar ausschließlich männlich gedachten) Irrlehrern verführt worden waren. Externe wie interne Erklärung bieten weit »offene Flanken« für Kritik: Einerseits nahm in den 80er und 90er Jahren die Zahl der Veröffentlichungen ständig zu, die sehen ließen, dass viele gesellschaftliche und religiöse Gruppen gerade in Kleinasien eine hohe Präsenz von Frauen in öffentlichkeitswirksamen Positionen selbstverständlich fanden.15 Andererseits ist die Plausibilität des Labels »Irrlehrer« für Christen, die Gal 3,28 verwirklichen wollten, indem sie Frauen das Lehren zugestanden, nicht gerade selbstevident. 2006 finden wir dann auch eine andere Erklärung für den Umgang des Autors der Pastoralbriefe mit der Frauenfrage, wobei Winter als vornehmster Kronzeuge fungiert.16 In both Corinth and Ephesus there was more at stake, and indeed more on Paul’s mind, than the public speaking in which some women were engaged. As mentioned, Winter has assembled the evidence pointing to the emergence in the Roman Empire of the first century of a »new« kind of woman. This innovative paradigm expressed itself in 15

  Als Beleg hierfür genügt im vorliegenden Zusammenhang der Verweis auf den dritten Teil von Winters Buch selbst, der unter dem Titel steht: »The Appearance of Women in the Public Sphere« (Roman Wives, 173 – 211). Neben der von Winter genannten Literatur sei für den jüdischen Bereich noch verwiesen auf P. Trebilco, Jewish Communities in Asia Minor, SNTSMS 69, Cambridge 1991, 104 – 126, und stellvertretend für die vielen von Winter ignorierten Beiträge aus dem feministischen Spektrum auf das grundlegende Werk von B. J. Brooten, Women Leaders in the Ancient Synagogue: Inscriptional Evidence and Background Issues, BJS 36, Chico 1982. 16  S. Towner, The Letters to Timothy and Titus (s. Anm. 14), 195 – 197. Neben den zitierten Seiten finden sich nach Ausweis des Autorenregisters Bezugnahmen auf Winter auf den Seiten 39, 48 f., 51, 188, 190 f., 205 – 209, 214 – 216, 218 – 224, 234 f., 334 f., 338 f., 344, 350, 353, 354 f., 417, 670, 696, 770 u. passim.

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an extremely negative stereotype constructed of various kinds of generally prohibited behaviour. Some women of means and position (married and widowed), supported in some cases by free-thinking males flouted traditional values governing adornment and dress and sexual propriety. The emergence of this movement was so disturbing to the status quo that Augustus issued legislation against it. Associated with the new paradigm was behaviour that gave it the look of an ancient sexual revolution, with wealthy women displaying themselves in permissive clothing and hairstyles and seeking the sexual freedoms normally reserved for men. The Roman Imperial women had greater access to the public sphere of life (in contrast to that of women under Greek conventions), increased presence in certain public speaking situations, and occasional roles in the legal setting and in commerce. And this mobility made the presence and impact of the »revolution« impossible to ignore. The practice of contraception and abortion by the new women, although condemned by numerous writers and an offense against the traditional value placed on the household / family, became increasingly widespread because of this new woman’s desire to pursue the free life unencumbered. (Hervorhebung A. M.)

Drei Bemerkungen zum Umgang mit Winters Buch und seinen Thesen sind hier am Platze. Erstens entbindet der Autor sich mit der Aussage »Winter has assembled the evidence« selbst von der Verpflichtung, für die folgenden, sehr weitreichenden Behauptungen Quellenbelege anzubringen und kritisch zu besprechen. Das geschieht dann auch nicht. Lesende dieses Kommentars, der im Editorial zur Serie durch das Label »faithful criticism« charakterisiert wird und einen »authoritative guide to the biblical text« bieten will, müssen Winters Analyse für wahr annehmen.17 Zweitens ist das Bild, das Towner von Winters »new woman« zeichnet, gegenüber dem Original nochmals vergröbert. Den Ausdruck »ancient sexual revolution« beispielsweise verwendet Winter nicht. Auch die Behauptung (geschweige denn einen Beweis) einer erkennbaren Zunahme von Kontrazeption und Abtreibungen liefert Winter keineswegs. Er suggeriert sie, indem er diese Praxis anhand einiger weniger Quellen als typisch für die »neue Frau« behauptet, doch er kann selber nicht für Towners historisch unbeweisbare generalisierende Behauptung verantwortlich gemacht werden. Drittens finde ich angesichts des unten noch ausführlicher zu besprechenden, mit extrem negativen stereotypen Frauenbildern arbeitenden Charakters der Quellen, auf die sich Winter für seine These stützt, die oben zitierte Bemerkung von Towner vielsagend, »[. . . t]his innovative paradigm expressed itself in an extremely negative stereotype constructed of various kinds of generally prohibited behaviour.« Dass Stereotypen im Raum stehen, ist unübersehbar. Doch es sind nicht etwa die männlichen Autoren – antik wie gegenwärtig –, die ein Stereotyp benutzen bzw. ihm aufsitzen, vielmehr die Frauen selbst, die sich selbst massenhaft (denn wir sprechen über eine Bewegung, eine Revolution) als Antityp des gewünschten Frauenideals stilisiert haben sollen. Im folgenden Absatz werden 17   S.  https://www.eerdmans.com / Products / CategoryCenter.aspx?CategoryId=SE!NICNT (zuletzt besucht am 25.04.2016).

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die exegetischen Früchte der sozialgeschichtlichen Konstruktion der Bewegung der »neuen Frauen« geerntet: Given the existence of the »new woman« in Roman society, it is not surprising that Christian women would also be drawn to the movement. Perhaps the most notable symbol of the movement was outer adornment and apparel, and that of the new woman transgressed the traditional dress code of respectability. Winter plausibly maintains that this was precisely the issue in 1 Corinthians 11. New women / wives removed the veil – the symbol of the faithful Roman wife – and appeared in public (especially in what would be regarded as a religious ceremony), endangering the church’s reputation in the process. 1 Tim 2:9 – 10 (v. 15) also belongs to this stream of teaching (cf. 5:11 – 15; Titus 2). This text addresses a group of wealthy women [. . .] for whom respectability and regard for an approved dress code (apparel, hairstyles, jewelry, respectable demeanor) were apparently not high on the agenda. [. . .] [. . . A]n enlarged public profile would expose them to the same secular critical eye that looked with suspicion and disdain on the antitraditional new woman. Paul would not want Christian women to be typed as »new« women since that would bring the church’s witness and mission into jeopardy. In Paul’s churches Spirit-gifting undoubtedly forced some innovation in the public roles of women. But inappropriate behaviour (rude or disrespectful use of a teaching position) that could be linked with the dangerous image of the new woman would necessitate temporarily curtailing these activities, and extreme abuses would not unreasonably call forth teaching in the form of prohibitions (196 – 197).

Den Beweis der Existenz des Typus der »neuen Frau« voraussetzend wird eine weitere, keineswegs selbstverständliche Schlussfolgerung angeschlossen: christliche Frauen werden sich von der »Bewegung« angezogen gefühlt und damit Kritik auf sich und die Gemeinde gezogen haben. Die Schmuckparänese von 1 Tim 2,9 – 10 und die paulinischen Redeverbote aus 1 Kor und 1 Tim werden nun ausschließlich als (verständliche) Reaktion des Apostels auf unangemessenes Auftreten von christlichen Frauen im Stile der gefährlichen (!) »neuen Frauen« interpretiert, es wird konjiziert, dass extremer (!) Missbrauch der durch die Geistbegabung eröffneten Freiheit durch die Frauen stattgefunden haben muss, die den Apostel verständlicherweise (!) dazu zwangen, Lehraktivitäten zeitweilig zu unterbinden. Diese historische Konstruktion führt demnach dazu, die Verantwortung für die restriktive paulinische Frauenparänese den Frauen selber zuzuschreiben. Zusammenfassend hält Towner fest: The effect of Winter’s research is to place the activity of teaching in this passage [1 Tim 2:8 –  15] within the more dominant framework of Paul’s response to a group of well-to-do Christian wives / women flirting with the image of the new women. (197, Hervorhebung A. M.)

Dem ist voll und ganz zuzustimmen, allerdings ist sich der Autor vermutlich der Doppeldeutigkeit seiner Aussage nicht bewusst. Erweist sich nämlich die »neue Frau« in der von Winter rekonstruierten Form als zweifelhaftes historisches Konstrukt – wofür in den folgenden Abschnitten Argumente präsentiert werden sollen –, dann handelt es sich bei der genannten »Platzanweisung« im Rah-

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men einer übergeordneten paulinischen Diskursstrategie um ein willkürliches Verfahren des Exegeten ohne hinreichende historische Basis, jedoch mit hoher intuitiver Plausibilität für den Exegeten selbst und sein intendiertes Publikum. Ein zweites Beispiel betrifft einen niederländischen Kommentar zu den Pastoralbriefen von Rob van Houwelingen.18 Nachdem Winters These von der »freien Frau« zuvor bereits ohne kritische Reserve eingeführt wurde,19 lesen wir über 1 Tim 2,15: Dazu kommt noch der kulturelle Faktor der »freien Frau« mit »mein Bauch gehört mir«-Einstellung, die Schwangerschaft vermeiden oder notfalls durch Abtreibung beenden wollte. Winter (2003:111) versteht τεκνογονία in dieser speziellen Bedeutung: »the Christian wife would be preserved by continuing in her pregnant condition (and thereby bearing a child) instead of terminating her pregnancy.«20

Zwar wird im nächsten Satz hinzugefügt, dass diese Interpretation nicht zu beweisen sei. Aber van Houwelingen hat sie prominent und ausführlich genannt, wobei die Weise der Präsentation für einen wissenschaftlichen Kommentar auffallend aktualisierend genannt werden muss. Er hat nämlich innerhalb des ersten Halbsatzes das Winter’sche Konstrukt mit einem gegenwärtigen Feindbild konservativer Christinnen und Christen überblendet, indem er der römischen »freien Frau« den niederländischen Slogan des Rechts auf freie Entscheidung zur Abtreibung in den Mund legt (»baas in eigen buik« – »mein Bauch gehört mir«). Eine solche Applikation liegt natürlich umso näher, als das Konzept der »new woman« selbst in seiner Namensgebung auf die erste feministische Bewegung im 19. und frühen 20. Jh. anspielt (s. u.). Man kann dies leicht als rhetorisch wirkungsvolles Ablenkungsmanöver durchschauen. Statt eine hochproblematische theologische Aussage zu diskutieren (die Frau »wird gerettet werden durch Kindergebären«), wird an das christliche Gewissen appelliert, das in der gesell-

18   P. H. R. van Houwelingen, Timoteüs en Titus, Kampen 2009, 82 f., vgl. auch ders., Macht, onmacht en volmacht in 1 Timoteüs 2:8 – 15, HTS 68 / 1 (2012) (9 Seiten). Man könnte einwenden, dass ein solcher Kommentar wenig Gewicht hat, doch das stimmt nur bedingt. In einem kleinen Land wie den Niederlanden gibt es nicht viele Kommentarreihen und innerhalb der vorhandenen kaum aktuelle Neuerscheinungen. Ein im Jahr 2009 erschienener Kommentar zu den Pastoralbriefen wird daher von vielen niederländischen Pfarrerinnen und Pfarrern und Theologiestudentinnen und ‑studenten gelesen werden und damit im niederländischen Sprachraum zwangsläufig eine gewisse Bedeutung erlangen. 19   Auch die bei Van Houwelingen entstandene Dissertation von M. Klinker-De Klerck, Herderlijke regel of inburgeringscursus? Een bijdrage aan het onderzoek naar de ethische richtlijnen in 1 Timotheüs en Titus, 2013, macht nach meiner Einschätzung zu unkritisch Gebrauch von Winters Konzept, siehe S. 41, 46, 48 f., 60, 65, 145 f., 148, 220, 223. 20   Übersetzung A. M. Originalzitat: »Daarbij komt nog de culturele factor van de ›vrije vrouw‹, baas in eigen buik, die zwangerschap wilde voorkomen of desnoods afbreken door middel van een abortus. Winter (2003:111) leest τεκνογονία in deze specifieke betekenis: ›the Christian wife would be preserved by continuing in her pregnant condition (and thereby bearing a child) instead of terminating her pregnancy.‹«

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schaftlich umstrittenen Abtreibungsfrage emotional zuverlässig funktioniert. Wenn Abtreibung zur Diskussion steht, kann man es dem Apostel wirklich nicht übel nehmen, wenn er starke Worte gebraucht! Dass Abtreibung die implizit mitgedachte Alternative zu der im Text genannten τεκνογονία sein soll, ist ein (wahrscheinlich) durch Winter bedachter und jedenfalls durch ihn in die exegetische Diskussion eingebrachter Gedanke des 21. Jh.s,21 der des Konstruktes von der aus Gründen der Selbstverwirklichung bzw. der Erhaltung eines schlanken Körpers abtreibenden »neuen Frau« bedarf, das Winter vor allem unter Berufung auf Senecas Brief an seine Mutter erarbeitet. Ein Vorbild für in höchstem Maße unkritische Quellenverwendung, das im vierten Hauptteil noch etwas genauer betrachtet werden soll. Hier genügt vorläufig der Hinweis darauf, dass eine erst im 21. Jh. gefundene Interpretation natürlich nicht falsch sein muss. Doch sollte die Tatsache Anlass zum Nachdenken geben, dass diese Interpretation von 1 Tim 2,15 keine einzige explizite frühchristliche Quelle für dementsprechende Diskussionen nennen kann, aber auffallend gut passt als Argument im Arsenal der Positionen, die konservative Christen und Pro-Life-Aktivisten in der modernen Abtreibungsdebatte gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen anführen. Diesen beiden ausgeführten Beispielen könnten weitere hinzugefügt werden, etwa K. P. Donfrieds Abwertung neuerer, vom Genderdiskurs beeinflusster wissenschaftlicher Beiträge zu den Pastoralbriefen unter Berufung auf Winter als Gewährsmann. Dies geschieht ohne eine seriöse Diskussion mit Austausch und Abwägen von Argumenten.22 Meine Bewertung der Inanspruchnahme von Winter stelle ich zunächst noch zurück (siehe hierzu unter 4), da erst der selbst behaupteten altertumswissenschaftlichen Absicherung seiner These nachgegangen werden soll.

21

  M. W. erstmals geäußert von B. W. Winter, The ›New‹ Roman Wife and 1 Timothy 2:9 – 15: The Search for a Sitz im Leben, TynB 51 / 2 (2000), 285 – 294, hier S. 293 ohne Nennung von Vorgängern dieser Interpretation. Siehe auch Winter, Roman Wives (s. Anm. 1), 109 – 112. 22   K. P. Donfried, »Rethinking Scholarly Approaches to 1 Timothy«, in: ders. (Hg.), 1 Timothy Reconsidered, Leuven, 2008, 153 – 182. Unter den Beiträgen, die keiner ernsthaften Diskussion für würdig befunden werden, ist der ausgezeichnete Beitrag von M. Mitchell im selben Band sowie die Monographie zu den Pastoralbriefen von der Hand der Autorin dieses Beitrags, siehe: M. M. Mitchell, Corrective Composition, Corrective Exegesis: The Teaching on Prayer in 1 Tim 2,1 – 15, in: Donfried, 1 Timothy Reconsidered, 41 – 62, und A. Merz, Die fiktive Selbstauslegung des Paulus. Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe, NTOA 52, Göttingen / Fribourg 2004.

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3.  Bruce Winters These von den »new women« 3.1 Herkunft und Hauptkritikpunkte Zunächst ist in diesem Abschnitt nach der Herkunft von Winters Konzept der »new« Roman woman zu fragen. Er beruft sich dafür auf einen Exkurs in einem 1994 von fünf führenden Professorinnen und Professoren für klassische Sprachen, Kunst- und Frauengeschichte (Elaine Fantham, Helene Peet Foley, Natalie Boymel Kampen, Sarah B. Pomeroy und H. Alan Shapiro) herausgegebenen Quellenband mit dem Titel »Women in the Classical World. Image and Text«.23 Darin befindet sich ein dreizehnseitiger Exkurs mit dem Titel »The ›New Woman‹: Representation and Reality«24, der wie alle einleitenden Kapitel und Exkurse unter der Verantwortung der Autorinnen und des Autors steht, obwohl er nicht von allen fünf verfasst wurde (s. u.). Bei dem Werk handelt es sich um eine in thematischen Abschnitten und chronologisch gegliederte ausführlich kommentierte Quellensammlung, die die wichtigsten Text- und Bildquellen zum Leben von Frauen in der griechischen und römischen Antike in ihrem historischen und kulturellen Kontext erschließt. Die akademischen Meriten der vier Autorinnen und des Autors stehen außer Frage, jedoch ist zu beachten, dass der Band als solcher kein Forschungsbeitrag ist, sondern sich an die breite Öffentlichkeit richtet. Er ist laut Vorwort erwachsen aus der Zusammenarbeit von vier der Herausgebenden im Kontext des »National Endowment for the Humanities Summer on ›Women in Classical Antiquity‹« am Hunter College 1983 und in der Entwicklung von Unterrichtsmaterial für universitäre Kurse die weltweit großen Absatz fand (mehr als 2000 Exemplare der Draftversion wurden weltweit versandt). Das Buch will im besten Sinne Forschung popularisieren und stellt deutlich eine Frucht der in den 70er und 80er Jahren überall aufblühenden akademischen Frauenforschung dar. Über die Autorinnen und den Autor des uns interessierenden Exkurses gibt es keine explizite Information, doch bestätigte mir Elaine Fantham auf Anfrage, was man nach der allgemeinen Aussage dazu im Vorwort vermuten durfte, nämlich dass sie selbst und Natalie Boymel Kampen gemeinsam hierfür hauptverantwortlich sind.25 Wichtig ist die Aussage über die Exkurse im Vorwort, dass diese speziellen, vom Nor23   E. Fantham / H. Peet Foley / N. Boymel Kampen / S. B. Pomeroy / H. A. Shapiro, Women in the Classical World. Image and Text, New York / Oxford 1994. 24   Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 280 – 293. 25   Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), viii: »Nathalie B. Kampen and Elaine Fantham were responsible for most of the Roman material«. Siehe auch Fantham’s Erinnerung in ihrem Artikel: In Memoriam Natalie Boymel Kampen, Classical World, 104 / 4 (2013), 691 f.: »the chief delight was learning from Tally new ways of seeing the women of the Roman and imperial worlds: we rented an apartment in Umbria, planning our shared chapters in a charming hill-town founded two thousand years ago by Augustus himself.«

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malen abweichenden Aspekten des antiken Frauenlebens gewidmet sind. Der uns interessierende Exkurs wird hier beschrieben als »the ›new woman‹ represented by the love poetry of the late Republic and Augustan Age, emancipated and outside respectable society«.26 Wir sehen hier eine sehr enge Definition, die stark abweicht von dem generalisierenden Konzept, das Winter bevorzugt (s. u.). Allerdings lassen die Autorinnen in ihrem Beitrag weithin in der Schwebe, wie sie sich das Verhältnis von Literatur und Realität und vor allem den gesellschaftlichen Stellenwert des in der Liebeselegie beschriebenen Phänomens vorstellen. Sie schreiben einleitend: To judge from our sources in the last years of the republic, the more independent women of good family were now beginning to decide for themselves what kind of social occasion they enjoyed. Both in ostensibly factual texts and in imaginative writing a new kind of women appears precisely at the time of Cicero and Caesar: a woman in high position, who nevertheless claims for herself the indulgence in sexuality of a woman of pleasure. The theme of this chapter is this new pattern of female behaviour and its influence on the celebration of love and submission to women in Roman poetry between the time of Catullus (85 ? – 54  B. C. E.) and Ovid (42  B. C. E. – 17  C. E.). This period coincides with the rise of Caesar and first thirty years of Augustus’s long principate. [. . . R]ealistic prose reportage and the emerging genre of personal love elegy offer glimpses of glamorous and assertive women, living a life of parties and self-gratification and choosing their own lovers. They are portrayed both inside elite society and in a more shadowy undefined half-world. Two of these women, at least, named by Cicero and Sallust, were historical figures [scil. Clodia und Sempronia, A. M.], though male prejudice has surely distorted the record of their lives.27

Die Quellen, die dann im Exkurs zitiert werden, bestehen zum überwiegenden Teil aus Auszügen von Gedichten der Elegiker Catull, Propertius, Tibull, Horaz, Ovid, in denen die raffinierte Mischung aus dichterischer Stilisierung und (behaupteter) Wirklichkeitsnähe die Güte des literarischen Produktes ausmacht. Hinzu kommen Ciceros Rede für Caelius, in der dieser als Opfer der notorisch promiskuitiven Clodia hingestellt wird, und Sallusts Ausführungen über die Verschwörung des Catilina, in der er der gebildeten, aber skrupellosen und (angeblich) allen Lastern zugetanen Sempronia ein zweifelhaftes literarisches Denkmal setzt. Wie der letzte Satz des obigen Zitats zeigt, sind die Autorinnen vorsichtig, was Rückschlüsse auf den Realitätsgehalt der besprochenen Texte angeht, doch sehen sie einen klaren Zusammenhang zwischen dem Aufkommen der neuen römischen Liebeselegie und realen Veränderungen im Verhalten römischer Oberschichtsfrauen und betrachten die Augusteischen Ehegesetze zumindest teilweise als eine Reaktion darauf.

26

  Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), vii.   Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 280 f. (Hervorhebung A. M.).

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We shall never know to what extent women of established family endorsed the life of pleasure described by the elegists, or the degree to which the poets’ own actions matched their professions of enslavement to love. As we shall see in Chapter 11, Octavian seems to have been sufficiently alarmed by the decline of marriage and reproductivity among the privileged classes to use legislation to reinforce its appeal; at the same time he made both adultery and the condoning of adultery by an »injured« husband offenses open to criminal persecution and punishable by expulsion from society. Ordinary anonymous citizens might continue to be chaste or promiscuous unnoticed, but respectability was now enforced on those in the public eye.28

Es muss darauf hingewiesen werden, dass die hier vertretene Position der mindestens partiellen Auswertbarkeit der genannten Quellen als Indikatoren eines veränderten Umgangs der Geschlechter miteinander innerhalb der altertumswissenschaftlichen Forschung nicht unumstritten ist. Andere Autorinnen und Autoren bestreiten die Möglichkeit, aus den erotischen Mahlszenen der Dichter direkt historische Schlussfolgerungen auf die Lebenswelt von Frauen zu ziehen, energisch.29 So schließt Elke Stein-Hölkeskamp den Abschnitt über »Damen beim Dinner« in ihrer eindrucksvollen Kulturgeschichte des römischen Gastmahls mit folgenden Überlegungen ab: Es bleibt die unerläßliche Frage nach dem Quellenwert dieser Texte. Geben die Geschichten und Gedichte über Lesbia und Livia, Cynthia und Calpurnia tatsächlich Einblick in die konkrete weibliche Lebenswelt im 1. Jahrhundert n. Chr.? Erlauben die zitierten Passagen wirklich Rückschlüsse auf einen Wandel der Rolle der Frauen beim Gastmahl? Denn immerhin wurden diese Texte ja samt und sonders von Männern geschrieben und spiegeln somit den »männlichen« Blick, die Vorstellungen und Wünsche, Träume und Phantasien von Männern wider. Diese schlichte Tatsache zwingt zu einer »Radikalisierung der Quellenkritik«, da der Diskurs der Männer über die Frauen schließlich stets auch Teil ihrer kollektiven Selbstvergewisserung ist. In bezug auf die die hier behandelten Phänomene heißt das konkret: Natürlich können wir die vorliegenden Zeugnisse zunächst einmal nicht zum Nennwert nehmen. Wir können keine Veränderung der tatsächlichen »lebensweltlichen« Rolle der Frauen beim Gastmahl konstatieren; wir können daher auch nicht behaupten, daß gemeinsame Tafelfreuden zur Zeit von Delia und Cynthia generell erotischer ausfielen als zur Zeit von Pilia und Pomponia.30

Suzanne Dixon und Thomas A. J. McGinn, zwei führende Wissenschaftler im althistorischen Genderdiskurs, die beide von Winter – allerdings einseitig – rezipiert werden, lassen in ihren Besprechungen erkennen, dass sie das Konzept der »neuen Frau« keinesfalls für unbestritten und seine Anwendung durch Winter für wenig überzeugend halten. McGinn schreibt: 28

  Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 290 (Hervorhebung A. M.).   S. Dixon äußert ihr Bedauern darüber, dass die love elegists »have unfortunately formed the views of generations of students about the ›status‹ of Roman women.« (JThS [s. Anm. 6], 558). 30   E. Stein-Hölkeskamp, Das Römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005, 85, die S. 296 f. wiedergegebenen Fußnoten 45 und 46 enthalten viele Hinweise auf methodische Beiträge zur althistorischen Geschlechterforschung, die diese Sichtweise stützen und unterbauen. 29

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Success in scouting the territory of an alien field depends in part on choosing the right guides. [. . . I]n his reliance on the idea of the »New Woman«, a modern construct concocted largely out of Latin lyric and elegy by scholars decades ago and still favored by a few, W[inter] in my view risks taking the representation of Roman women for the reality.31

Dixon bemerkt: I had greater reservations about his use of Roman legal discussions and the piecemeal approach to classical scholars’ works. This [. . .] leads him [. . .] to characterize approaches which are not generally accepted (such as the »new woman« concept) as »not in question« (p. 32). [. . .] [. . .] I remain unconvinced of his central thesis about the existence of a »new woman« and of the impact of such a concept on the whole Mediterranean Roman empire. Views will always differ on such topics. It is the quality of the debate that matters. [. . .] for all his disclaimers, it seems that he is serving up a more sophisticated twenty-first-century version of the old »emancipated woman« moral discourse which Crook and even Balsdon rightly scorned in the 1960s. Yet again the relative abundance of surviving literature from the first century BCE is claimed as »evidence« for some definable change in reality. Winter piously asserts from time to time (e. g. p. 38) the difference between »reality« and stereotype, but too often he slides into credulity in his treatment of clearly moralizing, rhetorical texts.32

Die beiden hier angeschnittenen Punkte, der Vorwurf der unkritischen Identifikation von (oft stereotypen) Repräsentationen von Frauen in Texten und gelebter historischer Wirklichkeit und die Frage, ob die Quellenlage die These einer signifikanten Verbesserung des Status von Frauen im 1. Jh. v. Chr. wirklich erhärten kann, bezeichnen zwei der schwierigsten methodischen Themenkreise in der antiken (und damit auch der frühchristlichen) Genderdebatte. Wie Dixon zurecht betont, ist niemand in der Lage, hier einen objektiven Standpunkt einzunehmen. Den Autorinnen und dem Autor des Exkurses kann man den Vorwurf machen, dass sie mit dem gewählten Titel »The ›New Woman‹: Representation and Reality« eine problematische Gleichung suggerieren, die sie zwar im Text durch diverse »disclaimers« abschwächen, aber nirgends grundsätzlich diskutieren, wodurch der Eindruck entstehen kann, dass literarische Repräsentation und historische Wirklichkeit doch weithin übereinkommen. Dixons Eindruck, dass Winter in seiner Rezeption des Konzepts der »neuen Frau« wie auch in seiner eigenen Quellenlektüre einer prinzipiell methodisch fragwürdigen Leichtgläubigkeit bezichtigt werden kann, lässt sich durchgängig erhärten. In der Schlussreflexion werde ich die These entfalten, dass sein unkritischer Umgang mit den antiken Quellen und sein konservatives Schriftverständnis nicht zufällig konvergieren.

31

  McGinn, Paul’s Women (s. Anm. 6), 646 (Hervorhebung A. M.).   S. Dixon, JThS (s. Anm. 6), 560.

32

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Die Validität des Konzepts der »neuen Frau« zur Beschreibung eines historisch nachweisbaren Phänomens wird, wie gesehen, von führenden Vertreterinnen und Vertretern der althistorischen Genderforschung bestritten. Hinzu kommt, dass Winter das Konzept selbst stark verändert, indem er es einerseits auf hochinteressante Weise in seinem Kern beschneidet, es andererseits enorm ausweitet und in seiner Bewertung stark zum Negativen hin verändert, wie in den folgenden Abschnitten gezeigt werden soll. 3.2 Verkürzung Nach Fantham u. a. ist das Konzept der »neuen Frau« eigentlich ein Konzept einer neuen Genderkonstellation, »a different kind of partnership«:33 But whatever the basis in society for this new model of woman, the literary figure sets a fashion. Corresponding with this »new woman« is what one might call a »new man,« the poet-lover characterized by a voluntary and quite un-Roman subordination to her dominant personality.34 What social forces led freeborn women of good family to reject their protected respectability and claim the sexual license of the outsider? What changed the values of well-brought-up young men, that they should openly exalt the kind of affair that had once been transitional and surreptitious – acceptable only in the interstices between reaching manhood and contracting marriage? For while the poet-lovers still represent themselves as unmarried men, it is also part of their persona that they postpone indefinitely the duty of marriage and reproduction.35

Dieser neue Mann wird von Winter berücksichtigt in den Passagen, die der antiken Dichtung gewidmet sind (S. 24 – 30). Er ist jedoch verdächtig abwesend in allen Abschnitten von Winters Buch, in denen christliche Texte behandelt werden. Da es kaum plausibel ist, anzunehmen, dass christliche Frauen sich von dem neuen Lebensstil anstecken ließen, christliche Männer aber nicht, muss man daraus entweder schließen, dass Paulus in seiner Wahrnehmung des Problems extrem einseitig die Frauen beschuldigte, oder dass die »neue Frau« und der »neue Mann« in der von Fantham und Boymel Kampen porträtierten Spielart der römischen Poesie eben doch nicht präsent waren in Korinth und Ephesus, wo nach Thomas A. J. McGinn »Catullus and the elegists are unlikely to have loomed very large.«36 Dies bringt uns zur zweiten großen Veränderung, die Winter am Konzept der »neuen Frau« vorgenommen hat.

33

  Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 292.   Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 282. 35   Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 288 f. 36   McGinn, Paul’s Women (s. Anm. 6), 646. 34

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3.3 Geographische, inhaltliche und zeitliche Ausweitung Fantham und Boyel Kampen beschreiben die »neue Frau« als ein innerhalb der stadtrömischen Elite angesiedeltes Nischenphänomen, dessen Nachweis in der realen Welt sie auf einige wenige historische Exemplare beschränken. Bei Winter wird daraus eine Bewegung die das ganze Römische Reich erfasste und einen »imperial progaganda ›war‹ against the trends of the new Roman wife« entfachte,37 einen »Propagandakrieg« in Gestalt der imperialen Zurschaustellung traditioneller Frauentugenden in den allgegenwärtigen Statuen von Frauen der imperialen Elite, die die in tugendsamer Haltung, schlichter Kleidung und Abwesenheit von Schmuck die Werte der weiblichen sophrosyne verkörpern. Neben diesem Diskurs der (Stand‑)Bilder ist es vor allem der moral-philosophische Genderdiskurs der bei Winter die Beweislast für die allgegenwärtige Gefahr durch die »neue Frau« tragen muss in einem Kapitel, das den bezeichnenden Titel trägt: »New Wife and Philosophical Responses« (S. 59 – 74). Die Problematik der hier zugrundeliegenden Methode in der Interpretation von Quellen (jedes positive Ideal wird als Reaktion auf moralische Missstände gedeutet und jede Beschreibung von Missständen als getreue Abspiegelung der Realität) ist hier durchgängig mit Händen zu greifen. Darüber hinaus ist mit Thomas A. J. McGinn darauf hinzuweisen, dass Winter ein zu simples, historisch nicht plausibles Schema der Romanisierung des Ostens voraussetzt, das teilweise explizit im Widerspruch steht zu den frühchristlichen Quellen: W. might have taken greater care all the same to set forth the how and why of Roman influence on women’s status and role in the eastern part of the Empire, where Catullus and the elegists are unlikely to have loomed very large. More exploration is needed of both the mechanisms of cultural influence and the reasons behind Greek acceptance of Roman mores, traditional or not. W. leaves unexamined an alternative explanation of moral developments in the eastern and western parts of the Roman world, namely that some at least took place independently of each other. When the author of the pastoral epistle addressed to Titus invokes Epimenides to illustrate the bad character of the Cretans (1:12), this implicitly excludes a theory of Roman influence, at least for the worse. By the same token, the coincidence in some aspects of Roman and Christian morality does not guarantee the strength of the connection that W. wishes to draw between them.38

Eine weitere Folge der Ausweitung des Konzepts durch Winter ist ein Verlust an Bestimmtheit über dessen inhaltlichen Kern und zeitliche Ausdehnung. Fantham und Boyel Kampen konzentrieren in ihrem Exkurs alles auf den Punkt der demonstrativen sexuellen Autonomie von Frauen und Männern im Gegenüber zur herrschenden Moral. Sie beschreiben die Weigerung von Frauen, sich traditionellen Frauentugenden, insbesondere dem Gebot der unbedingten ehe37

  Winter, Roman Wives (s. Anm. 1), 35.   McGinn, Paul’s Women (s. Anm. 6), 646.

38

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lichen Treue (das nicht für den Ehemann galt), zu unterwerfen, und die Weigerung von Männern, verheiratete Frauen von Stand als Tabu zu betrachten und die ihnen als Männer zugestandenen Freiheiten nur mit nicht respektablen Frauen auszuüben, sowie die Neigung, sich zugunsten von selbst gewählten, nicht standesgemäßen Liebesverbindungen der traditionellen Ehe zu entziehen. Die Autorinnen deuten dies Verhalten seitens der Männer als Reaktion auf die gesellschaftliche Destabilisierung in der Zeit der Bürgerkriege die mit Statusverlusten der politischen Elite, einem generellen Verlust allgemein anerkannter Werte und einem Rückzug ins Private einherging. Demgemäß kam dieses Phänomen ihnen zufolge auch mit der politischen Stabilisierung unter Augustus, seinen rigiden Ehegesetzen und den Maßnahmen gegen seine Tochter Julia und den Dichter Ovid, die ein Exempel statuierten, zu einem Ende: These imperial acts could and did signal the end of open acknowledgement of adultery, ensuring that men and women in the next generation would not again proclaim their real or imaginary loves in prose or verse. Perhaps caution rather than virtue was all that Augustus restored, but when the circumstances that had undermined family and class stability receded, it is likely that the impetus to glamorize a different kind of partnership receded also. The new woman and the new love poetry were banished [. . .].

Winter hingegen verschweigt diese zeitliche Einschränkung des durch Fantham u. a. beschriebenen Phänomens und weitet es, wie bereits festgestellt, auf das ganze Römische Reich und Diskurse aus, die Fantham u. a. nicht explizit damit in Verbindung bringen. Damit einher geht auch eine zeitliche Ausdehnung, die es ihm erlaubt, die christlichen Moraldiskurse ebenfalls als Reaktion auf die »new women« zu deuten. Die von ihm zitierten Gewährsleute für den philosophischen Kampf gegen die »neue Frau« bestehen sogar zu einem erheblichen Teil aus Autoren des zweiten Jahrhunderts und danach (Plutarch, Plinius, Tacitus, Sueton, Dio Cassius, Aulus Gellius, Soranus, Pseudo-Pythagoreica). 3.4  Umwertung des Konzepts Ein letzter, nicht unwesentlicher Punkt betrifft die im Namen »new woman« implizierte Bewertung. Ganz am Ende ihres Exkurses machen die Autorinnen deutlich, dass der Name »new woman« eine Referenz an das Konzept der »new woman« in Literatur und Gesellschaft des 19. Jh.s darstellt: The new woman and the new love poetry were banished (scil. unter Kaiser Augustus), until they returned, first in the heavy disguise of medieval troubadour songs of courtly love, then in the full flush of Romantic and »decadent« nineteenth-century poetry and fiction.39 39   Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), 292. Man beachte die Anführungszeichen bei »decadent«.

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Leider findet sich über diese kurze Aussage hinaus keine weitere Reflexion der Autorinnen zur Wahl des vielschichtigen Begriffes, doch bestätigt sie in jedem Fall, dass eine Anknüpfung an die »neue Frau« als Ideal der ersten feministischen Bewegung des 19. Jh.s beabsichtigt war.40 Das wiederum impliziert eine im Grundansatz positive Bewertung des Konzepts, die im Übrigen im Exkurs durchgehend fühlbar ist und sich auch in der Widmung des Buches »to the fine women who pioneered in the fields of ancient history, classics, art history, and archaeology without whom our work, and our participation in these fields, would be unlikely at best« niederschlägt. Gegenwärtige wissenschaftliche Beschäftigung mit Frauen in der Antike ist hier in eine Geschichte von Vorkämpferinnen für gesellschaftlich umstrittene Frauenrollen gestellt, die sich auch den »new Roman women« im Geiste verwandt weiß. Wie anders Winter, dessen Darstellung Zweifel aufkommen lässt, ob ihm der Ursprung des Begriffs bekannt ist, und der jedenfalls voraussetzt, dass es sich um einen pejorativen Ausdruck handelt: 41 The term »new woman« may seem to be something of a pejorative one but it has been adopted by some ancient historians in order to describe this latter group of women. For want of another term I have used it to describe the wives and widows who embraced new social mores.42

Während Winter sich jeder expliziten Aussage zu den möglichen aktuellen Implikationen seiner Untersuchung enthält, ist seine Darstellung der römischen »new woman« im Buch teils subtil, teils offenkundig negativ, ganz besonders

40  Siehe M. H. Patterson, Beyond the Gibson Girl: Reimagining the American New Woman, 1895 – 1915, Urbana 2005; dies., The American New Woman Revisited, New Brunswick 2008. 41   Massey, Case (s.  Anm. 6), 80 Anm. 15 weist auf die Verwendung des Terminus »new woman« durch W. W. Fowler, Social Life at Rome in the Age of Cicero, London 1965, 148 hin, enthält sich aber jeglicher Bewertung und Einordnung seines interessanten Fundes. Fowler vergleicht die Oberschichtsfrauen der Ära Ciceros mit den im Bacchanalienskandal verurteilten Frauen, von denen er schreibt: »the evidence for the Bacchanalian conspiracy of 186 B. C., in which women played a prominent part, is explicit, and shows that there was a ›new woman‹ even then, who had ceased to be satisfied with the austere life of the family and with the mental comfort supplied by the old religion, and was ready to break out into recklessness even in matters which were the concern of the State.« Drei Bemerkungen sind hier am Platze: die Verwendung des Terminus bei Fowler ist wie bei Winter pejorativ, wobei Fowler durch die Anführungszeichen zu erkennen gibt, dass er sich der Tatsache bewusst ist, sich eines anderweitig (nämlich durch die Frauenbewegung des 19. Jh.s) besetzten Ausdrucks zu bedienen. Wie Winter weitet Fowler das Konzept zeitlich aus, allerdings in die Frühgeschichte der Römischen Republik. Ebenfalls wie Winter ist er sich der stark rhetorischen Prägung der seiner Argumentation zugrundeliegenden Quellen nicht bewusst. Livius’ Darstellung der politischen Gefahr, die u. a. von der angeblichen Unterminierung von Sexualnormen und Standesgrenzen in der Gruppe der Bacchusanhänger ausging, muss m. E. aufgrund ihrer deutlichen Anklänge an die Moralphilosophie des augusteischen Zeitalters in ihrem Quellenwert für das 2. Jh. v. Chr. stark relativiert werden. 42   Winter, Roman Wives (s. Anm. 1), 5, unter Verweis auf Fantham u. a., Women (s. Anm. 23), Kapitel 10.

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dort, wo er in restriktiven Aussagen des Paulus über das angemessene Verhalten von christlichen Frauen »präventive Maßnahmen« gegen den Einfluss der »neuen Frau« vermutet.

4.  Zusammenfassung und ideologie- und diskurskritische Reflexion: Winters Rezeption der wissenschaftlichen Diskurse und die Rezeption von Winter in Wissenschaft und kirchlicher Praxis Die Untersuchung der Ursprünge des von Winter verwendeten Konzepts der »neuen Frau« hat einige auffällige Ergebnisse gebracht. Es handelt sich nicht, wie von ihm suggeriert, um ein in den Altertumswissenschaften unumstrittenes und vielverwendetes Konzept zur Beschreibung eines reichsweit nachweisbaren Aufbegehrens von Elitefrauen gegen traditionelle Frauenrollen in der späten Republik und frühen Kaiserzeit. Die ursprüngliche (und soweit mir bekannt auch einzige) ausführliche Darstellung des Konzepts findet sich in einer für ein breites akademisch gebildetes Publikum, nicht aber für den wissenschaftlichen Kontext bestimmten Band. Es beschreibt ein auf die stadtrömische Elite und eine relativ kurze Periode (ca. 44 v. – 9 n. Chr.) beschränktes literarisches Phänomen v. a. in der lateinischen Elegie, von dem die Autorinnen allerdings annehmen, dass es eine literarisch gebrochene (!) Spiegelung bewusster Verletzung der Sexualnormen durch eine unbekannte Zahl von Frauen und Männer der Elite reflektiert. Es handelt sich nach Vorstellung der Autorinnen nicht um ein Massenphänomen und es wurde durch Augustus’ Ehegesetzgebung und seine radikalen Maßnahmen gegen Schriftsteller (Ovid) und verdächtige Frauen (seine eigene Tochter Julia) als öffentlich wahrnehmbares Phänomen erfolgreich beendet. Die Benennung als »new woman« knüpft bewusst an die literarische Figur der »new woman« in der ersten Frauenbewegung des 19. Jh.s an und kennzeichnet das Konzept damit als eine Frucht der ersten großen Welle der akademischen Frauenforschung, die eingebettet in die feministischen Aufbrüche des 19. und 20. Jh.s dem männerzentrierten akademischen Diskurs eine Geschichte der Frauen gegenüberstellte, welche die männliche Perspektive der Quellen kritisch diskutiert. In dieser Geschichte genießt die »new Roman woman« die heimliche Sympathie der Autorinnen. Bei Winter wird daraus etwas komplett anderes. Das halte ich v. a. darum für problematisch, weil er es mit keinem Worte erwähnt. Er nimmt das hohe Ansehen der Autorinnen und Autoren des Bandes »Women in the Classical World« in Anspruch für ein Konzept, das mit dem ihrigen wenig gemein hat. Es kann nach seiner Auffassung für das ganze Römische Reich der Kaiserzeit und den gesamten literarischen Genderdiskurs Geltung beanspruchen. Dabei gilt seine Sympathie den Moralisten, die den staatsgefährdenden »Ausschweifungen« der »neuen Frauen« entgegentreten. Es sollte also zunächst festgestellt werden, dass Winter entgegen seiner eigenen Darstellung das Kon-

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zept der »new woman« so sehr verändert hat, dass die behauptete Kontinuität mit der althistorischen Forschung in meinen Augen kaum mehr existent ist. Die folgenden weiterführenden Überlegungen sind darum ausschließlich der Winter’schen Spielart des Konzepts und ihrer Anwendung in seinem Buch gewidmet. Winters Umgang mit wissenschaftlicher Literatur ist generell wenig transparent zu nennen. Er verschleiert, wie gezeigt, die Tatsache, dass sein Konzept der »neuen Frau« ganz erheblich abweicht von der Konzeption der Altertumswissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftler, von deren Renommee er (in meinen Augen auf unredliche Weise) Gebrauch macht. Dieses Vorgehen hat Methode, wie ich an einem anderen, besonders krassen Beispiel im Umgang mit der bereits erwähnten australischen Grande Dame des römischen Genderdiskurses Suzanne Dixon zeigen möchte.43 Ich wähle dieses Beispiel, weil es den Zusammenhang zwischen unkritischer Quellenlektüre und nachweisbar bewusst selektivem Umgang mit der Sekundärliteratur illustriert. Winter zitiert Dixon mehrmals in seinen Fußnoten, ohne inhaltlich allzu spezifisch zu werden, und demonstriert damit seine Vertrautheit mit der neueren Frauenforschung und mit dieser allgemein als Koryphäe anerkannten Forscherin und ihren zwei wichtigsten Büchern.44 Doch in den Abschnitten, die der von Winter behaupteten geläufigen Praxis der Abtreibung zum Zwecke der Erhaltung der weiblichen Attraktivität gewidmet sind, findet sich kein Verweis auf die einschlägigen Ausführungen von Dixon. Betrachten wir zunächst die Quelle, in der Winter einen seiner Hauptbeweise für die Existenz der neuen römischen Frau finden will, Senecas Trostbrief an seine Mutter, Ad Helviam, 16,3 f.: (16:3) Dich hat die schlimmste Krankheit unserer Zeit, die Schamlosigkeit (impudicitia), nicht angesteckt wie die meisten; weder Edelsteine noch Perlen haben dich beeindrucken können. Vom Reichtum hast du ich nicht blenden lassen, als sei er das höchste Gut der Menschheit. Du hast dich, da du in einem altehrwürdigen und strengen Haus eine gute Erziehung erhalten hattest, nicht zu einer auch für anständige Menschen gefährlichen Nachahmung schlechter Beispiele verleiten lassen. Niemals hast du dich deiner Schwangerschaften geschämt, als gehörten sie sich in deinem Alter nicht mehr; niemals hast du 43   Denselben Nachweis könnte man führen für die Rezeption der Arbeiten von Thomas A. J. McGinn. M. R. D’Angelo bemerkt in ihrer Besprechung im Journal of Religion (s. Anm. 6), 480: »Winter quotes liberally from a wide variety of Roman period writings. His bibliography of recent works on gender and politics in Roman studies is substantial but strangely selective, and larger arguments of the studies he uses often seem to differ from, even contradict, the conclusions he draws from them. Most classicists seem rather chary of claiming that adultery remained (or ever was) a social sport in any significant sector of the Roman aristocracy.« 44   Z. B. Winter, Roman Wives (s. Anm. 1), 8 (Verweis auf Dixon’s Forschungsgeschichtlichen Überblick im ersten Kapitel ihres Buches Reading Roman Women, 2001), 125, Fußnote 10 (Verweis auf einen Abschnitt aus The Roman Mother »for the complex legal situation that applied [scil. die Wiederverheiratungspflicht von Witwen betreffend, A. M.])«, 176 (Verweis auf ein weiteres Kapitel von Dixons Reading Roman Women).

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wie andere, die ihren ganzen Ehrgeiz in eine schlanke Figur setzen, deine Leibesfülle verborgen, als sei sie eine unanständige Last, und hast auch niemals das in deinem Körper keimende Leben abgetötet. (4) Dein Gesicht hast du nicht mit Schminke und anderen Reizen der Verführung verunstaltet. Niemals hast du an einem Kleid Gefallen gefunden, das nichts mehr zu enthüllen hatte, wenn man es ablegte. Die Keuschheit (pudicitia) hieltest du für den einzig möglichen Schmuck, für die wahre Schönheit, die niemals altert, für die größte Zierde.45

Winter versteht diesen Text Stück für Stück als wirklichkeitsgetreue Schilderung des tugendsamen Lebensstils von Senecas Mutter im Gegensatz zum – weithin durch mirror reading erschlossenen! – Lebensstil der »new women«: The importance of his letter for our purposes lies in the comments about his mother’s modesty which starkly contrasted with that of other wives of her day. He describes the alternative lifestyle of the Julio-Claudian married women as lavish with jewellery and pearls and the over-use of cosmetics, vainly putting great store on physical beauty, immoral dressing immodestly after the fashion of the »new« Roman woman, using contraceptives to avoid pregnancy (and, if not successful, aborting the child), pursuing wealth, and pressuring others to embrace the trendy way of life.46

Winter verantwortet seine Interpretation, die den rhetorischen Gestus des Autors vollkommen außer Acht lässt, nicht, auch Hinweise auf Auslegungen anderer Autorinnen und Autoren oder Diskussionen abweichender Interpretationen sucht man vergebens. Stattdessen wird dieselbe unkritische Paraphrase, die aus Senecas polemischer Darstellung des verdorbenen weiblichen Geschlechts zur höheren Ehre der Tugendhaftigkeit seiner Mutter einen faktengetreuen Bericht macht, an mehreren Stellen im Buch mit leichten Variationen wiederholt.47 Suzanne Dixon bespricht Senecas Text im Kontext eines Kapitels ihres Buches »Reading Roman Women«, das dem Nachweis eines geläufigen rhetorischen Topos der Kaiserzeit gewidmet ist, nämlich des Verständnisses der Gegenwart als Zeit der Dekadenz und der Verworfenheit der Frauen als Symbol dieser Dekadenz. Sie schreibt: 45  Übersetzung: U. Blank-Sangmeister, Römische Frauen. Ausgewählte Texte. Lateinisch /  Deutsch, Stuttgart 2001, 124 – 125. 46   Winter, Roman Wives (s. Anm. 1), 60. 47   Ein ähnliches Zitat findet sich z. B. auch S. 99: »His mother’s virtues which he summarises so succinctly contrast sharply with the alternative lifestyle of the new Roman woman. [. . .] He also notes the social pressures on married women not to have children and, in particular, the pitfalls for the chaste wife because of the ease with which adultery had become a way of life. [. . .]« Wenig später wird nochmals der Gedanke des sozialen Drucks wiederholt: »Seneca also bears witness to the great social pressure that these new mores exerted on his mother and other modest wives in the time of Claudius.« (99) Nichts in Seneca’s Text rechtfertigt es, diesen Aspekt so dominant hervor zu heben. Vermutlich spielt hierbei eine Rolle, dass Winter für seine fragwürdige Erklärung von 1 Tim 2,15a als gegen Vermeidung und Abbruch von Schwangerschaften gerichtete Verheißung eine diesbezügliche gesellschaftliche Stimmungslage postulieren muss, um seiner (in meinen Augen absurden) Idee Plausibilität zu verleihen.

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Moralists bewailing the degeneracy of women might praise individuals who served, like Juvenal’s lower-class women, to highlight the vices of the targeted group. Seneca, honouring his own mother, contrasted her with her contemporaries who, he claimed, avoided pregnancy for fear of spoiling their figures (Ad Helviam 16.3) This is the classic mark of a stereotype: counter-examples are treated as exceptions, while transgressive women are cited with some relish as confirmation. The secrecy of abortion, its disreputability and its strong association with adultery make it highly improbable that any of Seneca’s women friends actually told him (or anyone else) that she had had an abortion to preserve her looks.48

Auf den folgenden Seiten beschreibt Dixon detailliert, was man ihrer Meinung nach historisch verantwortet über die Praxis der Abtreibung wissen kann49 und welchen rhetorischen Zwecken die einzelnen Hinweise auf angeblich leichtfertige Abtreibung und egoistisch gewählte Kinderlosigkeit dienen. Ob man Dixons Analyse überzeugend findet, ist hier nicht der entscheidende Punkt. Zu diskutieren ist vielmehr das angesichts der Kenntnis von Dixons Buch unbestreitbar bewusste Verschweigen dieser ausführlich begründeten alternativen Interpretation einer für Winters Argumentation zentralen Quelle seitens einer Wissenschaftlerin, die er immer dann gerne zitiert, wenn er ihre Ausführungen in seinem Sinne verwenden kann. Dixon hat das in ihrer Besprechung noch relativ freundlich als »piecemeal approach to classical scholars’ works« bezeichnet. Ich finde, dass es schärfere Kritik verdient und komme darauf zurück, nachdem ich den korrespondierenden Befund im Bereich der urchristlichen Genderforschung dargestellt habe. In ihrer Besprechung von Winters Buch in Catholic Biblical Quarterly stellt Shelly Matthews die berechtigte Frage: Where would the field of women, gender, and Pauline studies be without Elisabeth Schüssler Fiorenza, Antoinette Wire, Bernadette Brooten, Elizabeth Castelli, Luise Schott­ roff, Mary Rose D’Angelo, Dennis Ronald MacDonald, Daniel Boyarin, and Jouette Bassler [. . .]? Bruce Winter answers this question by writing a book on women and Pauline communities that makes no reference to any of these scholars.50

Andere Rezensentinnen und Rezensenten machen vergleichbare Feststellungen und Mary Rose D’Angelo koppelt den Befund m. E. zu Recht direkt an die auffällig unkritische Quellenverwendung des Autors, die literarische Darstellungen 48  S. Dixon, Reading Roman Women. Sources, Genres and Real Life, London: Duckworth, 2001, 57, das Kapitel (S. 56 – 65) trägt den Titel »Woman as symbol of decadence«. 49  Nach Dixon stand Abtreibung fast immer im Kontext der Verheimlichung von Ehebruch, Vergewaltigung oder Inzest. Sie bespricht interessante Quellen, die man bei Winter vergeblich sucht, beispielsweise die Anklage versuchter Abtreibung zur Verdeckung von Ehebruch bei Neros Frau Octavia, die zu deren Hinrichtung führte, ein Vorgang der nach Tacitus Einschätzung als Justizmord beurteilt werden muss (Annales 14,63). Sueton, Domitian 22 berichtet von Gerüchten, nach denen Flavia Julia infolge eines Schwangerschaftsabbruchs starb, der ihr von ihrem Onkel Domitian aufgezwungen wurde, um ihr inzestuöses Verhältnis zu verschleiern. 50  S. Matthews (s. Anm. 6), 163.

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ungeachtet offenkundiger rhetorischer Interessen ungeprüft und unverkürzt mit historischer Wirklichkeit gleichsetzt.51 Winters Strategie im Umgang mit wissenschaftlichen Beiträgen, die einen kritischen Umgang mit den Genderkonstruktionen in den Quellen praktizieren, ist demnach eine doppelte. Im Falle des exegetischen Diskurses werden sie nahezu komplett verschwiegen, im Falle des altertumswissenschaftlichen Diskurses extrem selektiv und verzeichnend rezipiert. Wie ist dieser verschiedene Umgang mit den beiden in Methodik und Ergebnissen doch sehr vergleichbaren wissenschaftlichen Genderdiskursen zu erklären? Der Grund liegt m. E. in beiden Fällen in der anvisierten Leserschaft des Buches, die in konservativ christlichen und evangelikalen Kreisen zu suchen ist, in denen eine kritische Hermeneutik und Quellenlektüre, die als Kritik an der Bibel verstanden werden kann, nicht vermittelbar ist. Durch das selektive Zitieren altertumswissenschaftlicher Literatur unter Auslassung kritischer Quellenreflexion versucht Winter seine (dubiose) These von der Allgegenwart der »neuen« Frau, die sich bewusst provozierend kleidete und demonstrativ sexuell promiskuitiv lebte, wissenschaftlich abzusichern. Da seine Leserinnen und Leser in der Regel am klassischen Altertum nur beiläufig interessiert sind, kann er mit seiner zweifelhaften Zitationsstrategie Erfolg haben, wie die vielen positiven Rezensionen zeigen, die ihn als Kenner und zuverlässigen Wegweiser durch ein unbekanntes Forschungsgebiet anpreisen. Zugleich praktiziert Winter in seiner Lektüre der althistorischen Quellen dieselbe unkritische Haltung gegenüber stereotypen und polemischen Frauenbildern, die auch seine Exegesen prägt. Das ist von seinem Standpunkt her gesehen als konsequent zu beurteilen. Wer Seneca oder Juvenal kritisch liest, wird bei (Pseudo‑)Paulus nicht mehr Halt machen, der Gebrauch macht von denselben traditionellen misogynen Stereotypen. Das strenge Zitierkartell gegenüber der feministischen Exegese und dem exegetischen Genderdiskurs dient m. E. dem »Schutz« von Winters Leserschaft vor der »Infektion« mit exegetischen Methoden und Ergebnissen, die er vermutlich aus tiefstem Herzen ablehnt. Er bietet eine alternative Erklärung aller unter dem Namen des Paulus stehenden Texte, in denen restriktiv und polemisch über Frauen geschrieben wird. Die Schuld wird ganz klassisch bei den Frauen gefunden, die es nicht lassen konnten, mit dem Lebensstil der »neuen Frauen« zu sympathisieren und daher zur Ordnung gerufen werden mussten.52 Winters Buch erweist sich als 51   D’Angelo, 481, bemerkt: »Winter has chosen to ignore the vast array of studies on this material by New Testament scholars, especially, though not exclusively, feminist scholars of the New Testament. Closer attention to this work might have reminded him that ancient Roman and Christian women virtually never speak for themselves: ›values‹ attributed to them are deduced from literary, legal, and epigraphic representations. As it stands, Winter leaves ancient women as heavily veiled as ever.« (s. Anm. 6) 52   Matthews merkt hierzu zutreffend das Folgende an (163): »[A]s one sees the contours of W.’s New Woman emerge, one finds that she is really the ›Old Woman‹ – as old as Eve herself,

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alternative Sozialgeschichte der Geschlechterfrage für den evangelikalen exegetischen und kirchlichen Diskurs, die bewusst jegliche Berührung mit den »mainstream« Autorinnen und Autoren der Sozial- und Geschlechtergeschichte vermeidet. Er ist nicht an Diskussion und Austausch von Argumenten interessiert, was in meinen Augen sicher kein Zeichen von Stärke ist. Er leistet damit einen Beitrag zu einem diskursiven Paralleluniversum, in dem »bibeltreue« Exegeten (und manchmal auch Exegetinnen) für Leserinnen und Leser schreiben, die sich noch stets sagen lassen (müssen), dass zeit- und kulturabhängige Negativstereotypen über Frauen unverkürzt als Gottes Wort gelten sollen und die in dieser Meinung nicht verunsichert werden sollen. Wir sahen im zweiten Hauptabschnitt, wie der von Winter selbst eingeschlagene Weg der Selbstabschottung vom exegetischen Gesamtdiskurs, in den die kritische Genderforschung dank der von Winter nicht zitierten Autorinnen und Autoren gegenwärtig gehört, von seinen Rezipienten weiterverfolgt wird, etwa in Towners Kommentar zu den Pastoralbriefen. Die These wird nochmals vergröbert, Quellenbelege entfallen oft ganz, Winter wird als alternativlose wissenschaftliche Autorität präsentiert. Ein letztes Zitat aus einer Rezension von Robert Holst belegt, welche aktuellen praktisch-theologischen Konsequenzen sich für den Autor »in unserer eigenen dekadenten Kultur« aus der Lektüre von Winters Buch ergeben: Winter’s monograph is important because he argues that the rights, privileges, responsibilities, opportunities and [often immoral] behavior of the »new woman« provide the sitz im leben for pastoral care concerning women in the letters to the Pauline communitities (xi). [. . .] For this reviewer, the book serves as a thought-provoking reminder that Christian morality is part of the Biblical message and important for Christian witness in our own decadent culture. I think that this book will encourage mission-minded Christians to seek moral links in non-Christian cultures that are parallel to Christian morality. Recognizing the influence of both good and bad people of the Graeco-Roman culture in which the Christian church was planted and grew will encourage contemporary Christians to be both faithful and hopeful in our proclamation as well as (sic) the importance of the public morality supportive of »Christian lifestyle evangelism«.53

or at least as old as the many misogynist interpreters of Genesis 2 who blame all the world’s ills on Eve / Woman’s aggressive, dangerously sexual, desire. [. . .] The fault lies squarely with the Woman herself, who either always is or has threatened to one day become, sexually promiscuous. [. . .] The discussion of Junia Theodora and Romans 16 in part 3 is particularly engaging. If only W. had integrated this section more carefully into his entire argument. Then he could not have assumed that proscriptions against women in early Christianity are sufficiently explained as the fault of the sexually promiscuous woman. He would rather have been required to ask how such proscriptions would have unfairly restricted women as the minister Phoebe and the apostle Junia.« (s. Anm. 6). 53   Holst (s. Anm.  5), 245 – 247.

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Es wäre im Lichte dieser Aussage sicher reizvoll, zu untersuchen, wie Winters Buch und die These von der »neuen Frau« in Predigten, Bibelarbeiten, Blogs, kirchlichen Strategiepapieren usw. zum Tragen kommen, doch würde das den gegebenen Rahmen sprengen.54 Es leidet nach dem hier gegebenen Überblick keinen Zweifel, dass Winter ein Buch geschrieben hat, das in bestimmten evangelikalen Kreisen großen Einfluss ausübt und von einer nicht zu unterschätzenden Gruppe von Exegetinnen und Exegeten des evangelikalen Spektrums als »Geheimwaffe« zur Lösung der Frauenfrage hoch geschätzt wird. Dabei handelt es sich eher um gemäßigt Konservative, denn das Feindbild der »neuen Frau« als Folie der paulinischen Frauenparänesen bietet natürlich die Möglichkeit, moralisch einwandfrei lebende Frauen von den drastischen paulinischen Maßnahmen zu entbinden. Ultrakonservative Kritiker haben Winter dann auch vorgeworfen, das klare Zeugnis der Schrift zu verdunkeln [by] »bending the knee to pagan secular scholarship«.55 Dass die inhaltlichen und methodischen Anfragen, die an das Konzept der »neuen Frau« und ihre exegetische Anwendung auf paulinische Texte gestellt werden können, zahlreich und überaus schwerwiegend sind, dürfte nach den hier vorgelegten Überlegungen außer Frage stehen, wenn auch in diesem Beitrag nur auf einen Bruchteil der möglichen Kritikpunkte eingegangen wurde.56 Es kam mir vor allem darauf an, Winters Buch als Diskursphänomen zu untersuchen, zu zeigen, wie er mit wissenschaftlichen Diskursen umgeht und wie mit ihm bzw. seinem Buch umgegangen wird. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass Winter ein populärwissenschaftlich Konzept aus der Altertumswissenschaft tiefgreifend neu definiert hat (ohne jedoch darüber Rechenschaft abzulegen), den wichtigen wissenschaftlichen feministisch-exegetischen Diskurs strategisch ignoriert und als Alternative zu der (bewusst nicht thematisierten) kritischen Genderforschung eine einfache Lösung aller Probleme der restriktiven und polemischen paulinischen Texte über Frauen bietet. Diese Lösung kombiniert unkritische / buchstabentreue Quellenlektüre mit dem ­Konstrukt 54   Eine Google-Suche bringt reichlich Ergebnisse, die direkt erkennen lassen, dass eine populäre pastorale Rezeption von Winters These tatsächlich besteht. 55   C. Truglia, Historical Context, the »New Roman Woman,« and Biblical Interpretation, Blog geposted in: Christian Antinomiansm (2.8.2014), https://orthodoxchristiantheology.com /  2014 / 08 / 02 / historical-context-the-new-roman-woman-and-biblical-interpretation / (zuletzt besucht am 7.6.2017). 56   Jedes einzelne Kapitel zu den paulinischen und deuteropaulinischen Texten erforderte eine ausgearbeitete exegetische Einzelkritik, die hier nicht geleistet wurde. Für Winters Behandlung von 1 Kor 11 vgl. Massey, Case (s. Anm. 6), zu seiner Behandlung der Texte aus den Pastoralbriefen finden sich wichtige Bemerkungen in der ausgezeichneten Studie A. Bourland Huizenga, Moral Education for Women in the Pastoral and Pythagorean Letters. Philosophers of the Household, Supplements to Novum Testamentum 147, Leiden / Boston 2013 (s. im Autorenindex unter Winter). Speziell zur Schmuckparänese siehe A. J. Batten, Neither Gold nor Braided Hair (1 Timothy 2.9; 1 Peter 3.3): Adornment, Gender and Honour in Antiquity, NTS 55 (2009), 484 – 501.

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der allgegenwärtigen Gefahr der promiskuitiven »neuen« Frauen, die Paulus dazu zwang, rigorose Maßnahmen zu ergreifen, als präventive Maßnahme allen Frauen das Schweigen und den Schleier aufzuerlegen und das Ablegen von Schmuck zu erzwingen. Ist die »new woman« ein evangelikaler Forschungsmythos oder ein historisch plausibles Phänomen? Der Standpunkt der Autorin dieses Beitrags dürfte klar sein. Das Faszinierende jedoch ist die durch die vorgelegte Untersuchung vergrößerte Einsicht in die Standortgebundenheit der eigenen Einsicht, die niemand je hinter sich lassen kann. Gerade darum ist die Offenheit über den eigenen Standpunkt im Konnex mit ideologiekritischer Reflexion auf die Interessen eines Autors / einer Autorin und den anvisierten Kreis der Lesenden in meinen Augen eine notwendige Voraussetzung der angemessenen Rezeption wissenschaftlich-exegetischer Literatur.57

57   Einen eklatanten Mangel an solcher ideologiekritischer Lesefähigkeit enthüllt die Rezension von Winters Buch durch O. Wischmeyer. Sie bescheinigt ihm: »W.s kleine Monographie pflegt den eleganten angelsächsischen gelehrten Stil, der mit viel Quellenevidenz arbeitet, ohne Vollständigkeit anzustreben, und die Leser und Leserinnen mit leichter Hand und ohne Belehrungsabsichten auf neue Interpretationsmöglichkeiten hinweist« ([s. Anm. 5], 812 f., Hervorhebung A. M.).

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Many early Christian texts sought to give their teachings authority by claiming a direct connection to Jesus’ first disciples. Some such texts introduced new (diverse) teachings by identifying them as Jesus’ secret revelation to the inner circle of the disciples.2 The Gospel of Mary (hereafter Gos. Mary), the only known εὐαγγέλιον ascribed to a woman, is one such text. It did not become part of the Christian canon and was forgotten until its rediscovery in the late 19th century. Its publication in the 20th century was greeted with widespread interest at the prospect of learning new intimate details about Jesus’ life and his special relationship with Mary Magdalene. Upon examination, Gos. Mary does not give new information about historical figures but portrays Mary – a woman – as someone whom Jesus loved especially, a role normally occupied by the beloved disciple. Mary is presented as a spiritual visionary, who receives special teachings from the ›Saviour,‹ which she imparts to the other disciples in his absence.3 This raises questions about her role in the text, her relationship to the Saviour, and her relationship to the other (male) disciples.4 This study intends to examine characterisation in Gos. Mary claiming that a figure’s portrayal is not only directly achieved by ›telling,‹ i. e. by remarks of the narrator and the other figures in the text, but also indirectly by ›showing‹ through the character’s own words, their environment, and their actions, including their interactions with the other characters. I will particularly focus on the figure of Mary because of the central role she plays in the text. The overarching method will be a literary approach to gospel literature with a focus on the literary features of Gos. Mary. In this context, the readers and their prior knowledge are of crucial importance, since they are part of the character reconstruction in the reading process. Since all the characters are already known from other texts,

1   I would like to thank Francis Watson, Tobias Nicklas, and Jörg Frey for their helpful suggestions and comments. 2   S. Petersen, »Zerstört die Werke der Weiblichkeit!«: Maria Magdalena, Salome und andere Jüngerinnen Jesu in christlich-gnostischen Schriften (Leiden / Boston: Brill, 1999), 1 – 2. 3   E. A. de Boer, The Gospel of Mary: Beyond a Gnostic and a Biblical Mary Magdalene (London / New York: T & T Clark, 2004), vi – vii. 4   De Boer, Gospel (see n. 3), 10.

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Gos. Mary does not completely re-create the figures,5 but adapts and develops existing material, thereby making it part of its own representation. Before turning to the analysis of the characters, I will begin by looking at characterisation in biblical narrative and so-called apocryphal literature. I will then offer a brief background to Gos. Mary, including its textual history and literary content. In addition, I will also outline an approach to characterisation, highlighting its contextual and relational nature. Finally, I will offer a close analysis of characterisation in Gos. Mary followed by some concluding thoughts.

1.  Characterisation in Biblical Narrative and ›Apocrypha‹ Before examining the portrayal of Mary in Gos. Mary, some general remarks on characterisation need to be made. This is all the more important since there is no »consensus on method – neither in contemporary literary theory nor in biblical studies.«6 It seems reasonable to consult different narrative theories (›narratology‹) since characters are part of the narrative and essential to the plot. Narratology is the technique and theory of storytelling.7 To understand what a text means is to understand how a text constructs what it wants to represent, i. e. »how it tells its stories.«8 Shlomith Rimmon-Kenan, who deals with ›narrative fiction,‹ identifies three basic aspects, which she calls ›story,‹ i. e. »the narrated events,« ›text,‹ »their verbal representation,« and ›narration,‹ »the act of telling or writing.«9 Figures and their representation are both, part of the ›story‹ and part of the ›text.‹ As part of the ›story‹ they drive the plot and are thus important for the content of the narrative. Their characterisation, i. e. the way they are portrayed, takes place in the ›text.‹10 Rimmon-Kenan understands character as a construct, »which can be described in terms of a network of character-traits.«11 She makes a distinction between (1) ›direct definition‹ and (2) ›indirect representation.‹ The former refers to the direct attribution of character traits or qualities using adjectives or other nominal expressions. In this context, it is important to note whether these attributions originate from a reli 5   The terms ›figure‹ and ›character‹ will be used synonymously to refer to the representation of persons in a narrative.  6   C. Bennema, »Character Reconstruction in the New Testament (1): The Theory,« The Expository Times 127 (2016): 356 – 374 (365).  7   M. Bal, Narratology: Introduction to the Theory of Narrative (Toronto: University of Toronto Press, 2009), 3.  8   A. Berlin, Poetics and Interpretation of Biblical Narrative (Sheffield: Almond, 1983), 15.  9   S. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction: Contemporary Poetics (London: Routledge, 2002), 3. 10   J. Hartenstein, Charakterisierung im Dialog: Die Darstellung von Maria Magdalena, Petrus, Thomas und der Mutter Jesu im Kontext anderer frühchristlicher Traditionen (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007), 34. 11   Rimmon-Kenan, Narrative Fiction (see n. 9), 61.

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able source like an authoritative narrator or not. Indirect presentation is done in various ways. A trait can be indicated by a character’s actions, their speech, their external appearance, and their social and physical environment. Furthermore, analogies or contrasts to other characters can contribute to a character’s representation.12 This is generally also true regarding characterisation in biblical texts. In line with other scholars who have engaged with biblical characterisation, Adele Berlin notes it is important to understand the »basics of biblical narratives – its structure, its conventions, its compositional techniques«13 when interpreting the biblical text. Characterisation is achieved through various techniques, which are also used in non-biblical texts. The reader creates their own portrayal of the biblical figure using information provided by the narrator, by self-statements, or by other characters.14 In terms of characterisation, there is a difference between the historic individual and its narrative representation in the biblical texts – »representations of reality do not always correspond in every detail to reality.«15 Moreover, within the context of ancient art forms, Berlin notes the difficulties that may arise as a result of some of the conventions not being accessible anymore.16 However, Berlin’s approach is mainly based on the intrinsic qualities of the individual text itself without considering external factors like the reader of the text or its historical context. Judith Hartenstein broadens this »text-centred, narratological approach by including the readers«17 and their prior knowledge.18 Hartenstein is not concerned with the 21st‑century readers and their contemporary interests even though she admits that the approaches and her questions are indeed related to the 21st century.19 In her approach the prior knowledge 12   Rimmon-Kenan, Narrative Fiction (see n. 9), 62 – 72. Another crucial factor when it comes to characterisation is what Rimmon-Kenan calls ›focalisation,‹ i. e. the angle or perspective through which the story is presented in the text. Focalisation influences the way the reader responds to the characters and their actions, see Rimmon-Kenan, Narrative Fiction, 73 – 87. 13   Berlin, Poetics (see n. 8), 13. 14   Berlin, Poetics (see n. 8), 24. 15   Berlin, Poetics (see n. 8), 14. 16   Berlin, Poetics (see n. 8), 13. 17   Hartenstein, Charakterisierung (see n. 10), 295 (author’s translation). The German original reads: »Methodisch ist dies eine Erweiterung eines textzentrierten narratologischen Vorgehens durch die Einbeziehung der LeserInnen.« 18   Hartenstein is interested in the first readers and tries to read John in its literary historical context. In order to achieve a new perspective on characterisation, she compares the portrayal of certain figures in the Gospel of John to their portrayal in other early Christian texts. In this context, she chooses texts that were written around the same time and share a similar context with John. Since many of the characters that appear in John are already known from other texts, the evangelist does not completely re-create the figures but rather makes use of traditions already existing. By modifying and developing these traditions, they become part of the Johannine representation, see Hartenstein, Charakterisierung (see n. 10), 295 – 300. 19   »Die Perspektive und die Fragen sind meine aus dem 21. Jahrhundert,« Hartenstein, Charakterisierung (see n. 10), 15.

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of the readers is not only assumed but it supplements the characterisation of the figures, gives them a new interpretation, and puts them into a new context. As a result, the different ways of representation enter into a dialogue with each other, which can lead to both the confirmation and disappointment of reader expectations.20 Hypertextuality is a defining feature of so-called ›apocryphal‹ (from Greek ἀπόκρυφος ›obscure,‹ ›hidden‹) or noncanonical texts. As such, they are characterised by their relationship to the texts which later became part of the Christian Bible and can be read as hypertexts to them. Thus, »die christliche Bibel selbst bildet dann einen ›privilegierten Hypotext‹ des entsprechenden Hypertextes.«21 Due to analogies, parallelism, and similarities to the biblical texts, it can be assumed that most (or perhaps all) of these texts like Gos. Mary require the readers’ acquaintance with some canonical22 texts or the broader Christian tradition to understand them. This is not to say that similarities to biblical texts have to be explained by literary dependency.23

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 See Hartenstein, Charakterisierung (see n. 10), 295 – 300. The literary theorist Julia Kristeva was the first to call this phenomenon ›intertextuality.‹ According to her, every text is related to other texts. Some of the relationships are intentional, others are unintentional. Common features between texts do not necessarily refer to literary dependency. They can be due to texts »react[ing] to the same cultural, historical, or social circumstances or [. . .] us[ing] the same common formulations or common motifs,« J. Wöhrle, »So Many Cross-References! Methodological Reflections on the Problem of Intertextual Relationships and Their Significance for Redaction Critical Analysis,« in Perspectives on the Formation of the Book of the Twelve: Methodological Foundations, Redactional Processes, Historical Insights (ed. R. Albertz et. al.; Berlin / Boston: De Gruyter, 2012), 3 – 20 (5 – 6). Furthermore, even in the case of intentional interrelatedness there are different kinds of literary dependency. Texts are open systems. As such, they refer to things beyond themselves. Meaning is created in the process of reading; a reader is needed to fill in the gaps left by the text itself by either using his imagination or making connections to other texts, known as ›hypotexts,‹ »whose form and / or content inspires – or is reflected in – a later text or hypertext,« B. Marin / F. Ringham, Key Terms in Semiotics (New York: Continuum, 2006), 99. Therefore, hypertexts »allude, derive from or relate to the hypotext,« Marin / Ringham, Key Terms, 100. Hypertextuality does not necessarily refer to the chronology of the texts. It is rather about texts existing side by side and having shared traditions, see T. Nicklas, »Semiotik – Intertextualität – Apokryphität: Eine Annäherung an den Begriff ›christlicher Apokryphen‹,« Apocrypha 17 (2006): 55 – 78 (68). 21   Nicklas, Semiotik (see n. 20), 74. 22   Dieter Lührmann aptly describes the texts that became apocryphal or became canonical: »Es geht einerseits um apokryph gewordene Evangelien, die denselben Rang wie die kanonisch geworden einnehmen sollten (das gilt für die ältesten Texte), andererseits um Evangelien, die die kanonisch gewordenen in irgendeiner Weise ergänzen sollten,« D. Lührmann, Die apokryph gewordenen Evangelien: Studien zum Neuen Testament und zu Neuen Fragen (Leiden: Brill, 2004), 4. 23   Nicklas, Semiotik (see n. 20), 72.

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2.  The Gospel of Mary: Manuscripts, Date and Content Forgotten until its rediscovery at the end of the 19th century, Gos. Mary survived in three incomplete manuscripts. It is neither mentioned by any of the patristic authors nor included in any canon list.24 The longest preserved version of Gos. Mary is found in the Codex Berolinensis Gnosticus (BG) 8502, a Coptic manuscript from the early fifth or late fourth century AD.25 Beside the Coptic version there are two Greek fragments from the third century AD, which were discovered in the 20th century near the ancient city of Oxyrhynchus:26 Papyrus Rylands (PRyl) 463 and Papyrus Oxyrhynchus (POxy) 3525.27 Even though the Coptic text of Gos. Mary is a translation from the Greek, »neither fragment is likely to have been [its] Vorlage.«28 Dating the composition of Gos. Mary is difficult. While scholars like Karen King hold that it was written at the beginning of the second century, others date it to either the middle (e. g. Annti Marjanen) or the end (e. g. Esther de Boer) of the second century.29 Nevertheless, Christopher Tuckett convincingly argues 24

  C. Tuckett, The Gospel of Mary (Oxford: Oxford University Press, 2007), 3 – 4.  Alongside Gos. Mary, BG contained three other texts written in the Sahidic dialect of Coptic: the Apocryphon of John, the Sophia of Jesus Christ, and the Act of Peter, see De Boer, Gospel (see n. 3), 12. According to the numbering of the pages, Gos. Mary covered the first nineteen pages of the codex. Unfortunately, only nine of them have survived (7:1 – 10:23; 15:1 – 19:5), the beginning of the text and parts of Mary’s speech are missing. Apart from that, the codex is in an excellent condition, see K. King, The Gospel of Mary Magdala: Jesus and the First Woman Apostle (Santa Rosa, CA: Polebridge Press, 2003), 7. 26   As all three gospel fragments were discovered in Egypt, some scholars think Gos. Mary was originally composed there, but this may instead be due to the Egyptian climate. This suggestion is furthermore »based on the Gnostic myth that, according to most exegetes, lies behind the text,« de Boer, Gospel (see n. 3), 13. Additionally, most Christian literature found in Oxyrhynchus was produced outside of Egypt. De Boer locates the gospel in Asia Minor because of similarities to the Pauline letters and to John, see de Boer, Gospel, 13 – 14. Due to Levi’s prominent role in Gos. Mary, Judith Hartenstein believes it to be written in Syria. This is based on other writings like the Gospel of Peter and the Didascalia Apostolorum, which are localised in Syria and contain the tradition about Levi being one of the first persons to see the risen Lord, see J. Hartenstein, Die zweite Lehre: Erscheinungen des Auferstandenen als Rahmenerzählung frühchristlicher Dialoge (Berlin: Akad.-Verl., 2000), 132. 27   PRyl covers the material from 17:4 – 19:5 of the Coptic version, POxy contains the material from 9:1 – 10:14, see Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 7 – 8. Both fragments originate from different manuscripts and are badly preserved. Furthermore, they do not contain any material to reconstruct the gaps in the Coptic text, see King, The Gospel (see n. 25), 11 – 12. Even so, the existence of these early papyri underlines the strong attestation of Gos. Mary, which »shows that the gospel must have been copied relatively extensively in an early period,« Tuckett, The Gospel of Mary, 10. 28   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 10. 29   The third century Greek fragments provide an absolute terminus ad quem for the gospel, the terminus a quo is given by its relationship to the gospels which later became ›canonical‹ since Gos. Mary seems to presuppose some of the material contained in them, see A. Marjanen, The Woman Whom Jesus Loved: Mary Magdalene in the Nag Hammadi Library and Related 25

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that a »date at some time in the second century CE [. . .] seems very probable; any greater precision is difficult to attain with any certainty, but [. . .] a date in the first half of the second century might fit [. . .] slightly better.«30 Gos. Mary consists of two parts, which is why scholars such as Walter Till31 think that Gos. Mary is the later redaction of two writings: (1) The dialogue between the Saviour and his disciples and (2) Mary’s speech. In spite of this, de Boer emphasises the »unity in form and content throughout the Gospel as we have it,«32 which makes Till’s suggestion rather unlikely. Gos. Mary shares characteristics with other texts that Pheme Perkins identifies as ›gnostic revelation dialogues.‹33 Therefore, it seems likely that the lost beginning of Gos. Mary Documents (Leiden / New York / Köln: Brill, 1996), 97 – 98. Further indications on the dating of Gos. Mary can be taken from its content, see Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 11. Some scholars refer to the nature of the debate in the text, which could reflect a real early second century debate over women’s leadership. Others believe it to contain a developed gnostic myth »that only appeared fully in the second half of the second century,« K. King, »The Gospel of Mary: Beyond a Gnostic and a Biblical Mary Magdalene,« in Searching the Scriptures, vol. 2: A Feminist Commentary (ed. E. Schüssler Fiorenza; New York: Crossroad, 1994), 601 – 634 (628). However, ›Gnosticism‹ and related terms have been problematised in recent years since this designation is imprecise and ambiguous. ›Gnosticism‹ itself is a modern term, which refers to a multidimensional (religious) phenomenon in late Antiquity. Therefore, its use has been limited to those groups which employed it as a self-designation and caution is required when applying it to Gos. Mary, see M. A. Williams, Rethinking »Gnosticism«: An Argument for Dismantling a Dubious Category (Princeton: Princeton University Press, 1996). Furthermore, Gos. Mary – at least in its extant form – lacks the most typical second century characteristics; there is neither a creation myth nor an evil or ignorant creator god (›demiurge‹) nor a negative evaluation of the creation as a whole, see de Boer, Gospel (see n. 3), 30. Tuckett refers to the widespread scholarly opinion that at least the first part of Gos. Mary makes use of ideas known from Greek philosophy. He then claims »any philosophical ideas which may be presupposed here have almost certainly been filtered through a considerable development and time (perhaps space) from their originators; and in the philosophical ›mix‹ of second-century CE ›popular‹ culture, many ideas which we today might wish to distinguish and separate mentally (e. g. ›Stoic‹ or ›Platonic‹) were almost certainly held together by many at the time in a heterogeneous mixture. Moreover, in so far as the Gospel of Mary is a ›Gnostic‹ text [. . .], it is widely accepted that Gnosticism generally takes up and develops language and ideas from Greek philosophy,« Tuckett, The Gospel of Mary, 137. Additionally, it is not clear that such a myth only appeared in the second century (see Irenaeus, Haer.  I.29 – 30; Apocryphon of John). The Apocryphon of John may contain the earliest extant version of a gnostic myth. Since it was mentioned by Irenaeus (Haer.  I.29 – 30), it must have been written well before 180AD, see J. Leonhardt-Balzer, »Apokalyptische Motive im Johannes-Apokryphon,« in Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie (ed. M. Becker / M. Öhler; Tübingen: Mohr Siebeck, 2006), 235 – 263. 30   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 12. 31   W. C. Till / H.‑M. Schenke, Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Berolinensis 8502 (Berlin: Akad.-Verl., 1972), 26. 32   De Boer, Gospel (see n. 3), 15. 33   P. Perkins, The Gnostic Dialogue: The Early Church and the Crisis of Gnosticism (New York: Paulist Press, 1980). Following P. Perkins / H. Koester, Ancient Christian Gospels: Their History and Development (Philadelphia: Trinity Press International, 1990), Hartenstein calls these texts ›Dialogevangelien‹ including other texts like the Apocryphon of John, the Sophia of Jesus Christ, etc. As a literary genre, they are distinguished by three main features: (1) Jesus is the leading

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reported a resurrection appearance,34 forming the setting for the following dialogue.35 Since the beginning of Gos. Mary is lost, the extant portion starts with the end of the Saviour’s dialogue. (1) Jesus answers questions posed by his disciples concerning the dissolution of matter and the origin of sin (7:1 – 8:4). After some final instructions, the Saviour departs leaving his disciples in grief and despair (8:15 – 9:12). At which time, Mary stands up comforting them and »turn[ing] their hearts (ϩⲏⲧ)«36 (9:21) or ›minds (νοῦς)‹ according to the Greek text (POxy l. 13) so that they begin to dispute about the meaning of »the words of the Saviour« (9:20 – 24). (2) In the following, Peter invites Mary to share with them some of the teachings of the Saviour they do not know, and Mary recounts a conversation she had seeing the Saviour in a vision (10:1 – 17:7). Mary is presented as having a privileged position among the disciples similar to the status of the ›beloved disciple‹ referenced in John. After saying these things, Mary falls silent (17:8). However, Andrew doubts that these words were spoken by the Saviour claiming they »seem to be (giving) different ideas« (17:10 – 15). Furthermore, Peter asks »surely, he [the Saviour] did not speak secretly with a woman but not openly to us? [. . .] Did he prefer her to us?« (17:18 – 22). Mary weeps and Levi intercedes on her behalf saying, »the Saviour made her worthy« (18:11). Finally, Levi invites the disciples to follow the instructions of the Saviour and to preach the gospel. Consequently, they all – according to PRyl only Levi (PRyl verso l. 15) – go out to proclaim and to preach (BG 19:1 – 2).37 Gos. Mary ends with its title »The Gospel according to Mary« (19:3 – 5).

3.  Characterisation in the Gospel of Mary On reading Gos. Mary, it is striking that Mary is neither described by her outer appearance nor by remarks about her personal history – it is not even certain if she can be identified with Mary Magdalene. Consequently, the text does not partner in the dialogue and therefore of central importance for the text, (2) Jesus appears after his resurrection at the beginning of the text, (3) the dialogue characterises the whole text, see Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 1 – 2. Petersen calls Gos. Mary ›Erscheinungsdialog,‹ see Petersen, Werke (see n. 2), 134. Unfortunately, there is no room here to discuss the genre question in more depth. 34   Resurrection appearances are present in all canonical gospels (Matt 28, Mark 16, Luke 24, John 20 – 21) and in Acts 1, where they serve as proof of the resurrection of Jesus’ physical body. Additionally, here Jesus is said to teach, instruct, and commission his disciples, see King, The Gospel of Mary (see n. 29), 602. 35   Petersen, Werke (see n. 2), 133 – 134. 36   I am generally following the wording of Tuckett’s English translation checked against the Coptic and sometimes modified. 37   W. Schneemelcher, Evangelien (vol. 1 of Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Über­setzung; Tübingen: Mohr Siebeck, 1999), 313 – 315.

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allow any conclusions about her as a historical figure. Nonetheless, Gos. Mary is still of historic value. Since it uses characters known from the Jesus tradition and reinterprets them within a certain social and historical context, it can help answer questions concerning the group from which it originates.38 Furthermore, Mary is characterised in the course of the narrative. It becomes obvious that the context in which she is presented, and especially her interactions with the male characters play an important role. Within this context, special attention is given to Mary’s relationship to Jesus, who is called ›the Saviour‹ in the text, Peter, Andrew, and Levi as her characterisation is inseparable from theirs. As a result, the following analysis will be based on a literary approach to gospel literature, putting special emphasis on the relations between the characters and trying to include the prior knowledge of the readers (›intertextuality‹). It must be remembered that due to the extant versions of Gos. Mary being incomplete and most of it being a Coptic translation of a Greek original, caution is required in any discussion of characterisation.39 The characters in Gos. Mary are well known from the Christian tradition, which could explain why the author does not further introduce them to his readers.40 It is also possible that these characters were introduced in the missing part of Gos. Mary, though this theory is unlikely. Gos. Mary rather seems to be a second category text, i. e. its characters, the basic plot of the canonical gospels, and the narrated world are presupposed.41 The text is intertextually related to other (biblical) texts and »weis[t] [als ›offenes System‹] über sich selbst hinaus.«42 The (intended) reader or audience is well acquainted with the Christian tradition and updates and actualises »die angedeuteten intra- und intertextuellen Verflechtungen.«43 Thus, meaning is produced by creating related understanding to another text. The reader’s prior knowledge is essential for understanding. Consequently, the question arises as to which texts the author of Gos. Mary makes use of and whether the text of Gos. Mary itself contains textual signals explicitly referring to other texts or not. Intertextuality is not always intentional, so one 38   Petersen thinks that texts like Gos. Mary can provide information on existing problems or current issues within these communities (e. g. the role of women), which is why they are impor­ tant for historical women’s studies, see Petersen, Werke (see n. 2), 2 – 3. 39   Nicklas rightly points out »[d]ie Tatsache, dass das Evangelium nach Maria nur in fragmentarischer Form überliefert ist [. . .], macht es schwierig, den Text in angemessener Weise zu analysieren; immerhin könnte selbst ein einziger wieder entdeckter Satz der Schrift inhaltlich eine neue Wendung geben,« T. Nicklas, »Petrus als Gegenspieler der Maria von Magdala im Evangelium nach Maria,« in Gegenspieler: Zur Auseinandersetzung mit dem Rivalen in frühjüdischer und urchristlicher Literatur, WUNT (ed. U. Mell / M. Tilly; Tübingen: Mohr Siebeck, forthcoming). 40   This is also true for other ›dialogue gospels,‹ see n. 33. 41   Nicklas, Semiotik (see n. 20), 59. 42   Nicklas, Semiotik (see n. 20), 59. 43   Nicklas, Semiotik (see n. 20), 59.

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can wonder which other texts come to the reader’s mind without the author giving any explicit references.44 Gos. Mary contains a number of different characters. Among the Saviour’s disciples, both male and female, five individuals are specifically mentioned: the Saviour, Mary, Peter, Andrew, and Levi. Even though ›the Saviour‹ (Coptic: ⲡⲥ͞ⲱ͞ⲣ cf. 7:2; Greek: σωτηρ cf. POxy l. 14) is neither explicitly mentioned by name nor addressed as ›Christ‹ his identification with Jesus is clear. The setting displays features known from the NT transmission scenes – especially to Matt 28:16 – 20 – and the remark »they did not spare (ϯⲥⲟ) him« (9:11) seems to refer to the suffering and death of Christ. The Saviour is also called ›the Blessed One‹ (ⲡⲙⲁⲕⲁⲣⲓⲟⲥ cf. 8:12) or ›the Lord‹ (Coptic: ⲡϫ̅͞ⲥ cf. 10:11; Greek: κυριος cf. POxy l. 20). The disciples Peter, Andrew, and Levi are not introduced further in the extant text. Their portrayals seem to correspond to those in the canonical gospels even though they do not occur as a group of three in the NT.45 According to Matthew (4:18 – 22) and Mark (1:16 – 20), the brothers Peter and Andrew are the first-called amongst the apostles. They are members of the Twelve and are frequently mentioned in the canonical gospels. The fact that Peter and Andrew appear together in Gos. Mary as well as Peter’s primacy correspond to the overall picture drawn in canonical gospels.46 Peter’s role in Gos. Mary is similar to his role in the NT. He is presented in his usual spokesman role, speaking out on behalf of the other disciples and posing a question to the Saviour (7:10). He is also the one who initiates the dialogue between Mary and the other disciples. He acknowledges Mary’s special »status as the woman whom the Saviour favored«47 and asks her to recount any words of the Saviour the others do not know (10:1 – 6). He later speaks on their behalf, reacting to Mary’s account of her vision (17:18 – 22). This reaction seems to be determined by jealousy and personal offence. He suddenly doubts Mary’s advanced state of knowledge since he does not accept her superiority.48 Peter clings to earthly ideals – »an seiner Argumentation mit dem Frau-Sein Marias [zeigt sich], daß er die im EvMar mehrfach vertretene Vorstellung vom wahren Menschsein jenseits geschlechtlicher Differenzierungen nicht begriffen hat.«49 Peter’s behaviour results in Levi stepping on the scene. Levi compares Peter to the adversaries (ⲛⲓⲁⲛⲧⲓⲕⲉⲓⲙⲉⲛⲟⲥ; 18:10)50 and calls him a ›wrathful per44

  Wöhrle, Cross-References (see n. 20), 6.   All three of them occur in the Gospel of Peter 14:58 – 60, see Petersen, Werke (see n. 2), 131. 46   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 131. 47   King, The Gospel of Mary (see n. 29), 611. 48   Petersen, Werke (see n. 2), 165. 49   Petersen, Werke (see n. 2), 165. 50   Petersen points to the possible translation of the Greek singular noun ἀντικείμενος as ›Teufel‹ (Engl. devil) which she thinks to find in PRyl verso l. 4. According to her, the plural refers to the Powers, see Petersen, Werke (see n. 2), 167. 45

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son‹ (ⲛⲣⲉϥⲛⲟⲩⳓⲥ; 18:7 – 8), a term that has been used earlier to describe the ›wrathful wisdom‹ (ⲧⲥⲟⲫⲓⲁ [ⲛ̅]ⲣ̣ⲉϥⲛⲟⲩⳓⲥ; cf. 16:12) trying to stop the soul from ascending.51 This fits with Peter’s characterisation in the canonical gospels where he is presented as an impulsive and sometimes impetuous person showing a tendency to act before thinking.52 Nonetheless, his portrayal in Gos. Mary is more negative than in the canonical gospels, which present him as an ambiguous character showing both positive and negative character traits. Andrew is the first to react to Mary’s vision by making a negative comment on the content of her speech (17:10 – 15). In contrast to Peter he does not attack Mary as a woman or a person in general but rather focuses on the ›strangeness‹ of her teaching. However, his objection remains undiscussed, neither Mary nor Levi respond to it.53 Andrew thus plays a minor but important role. »He appears in close conjunction with Peter and is quickly overshadowed by his brother’s presence,«54 which coheres with his portrayal in the canonical gospels. In contrast to Peter and Andrew who are frequently mentioned in the NT, the former tax collector Levi only appears in Mark 2:13 – 17 and Luke 5:27 – 32, where he is called to follow Jesus. Just like Mary, Levi is not included in the group of the Twelve.55 Furthermore, Matt 9:9 – 13 contains a story about a tax collector, though he is not called Levi but Matthew, who is, according to Matt 10:3, one of the Twelve. This sometimes led to the identification of the two as references to the same character. However, according to Petersen this is not attested in the second century, which makes their identification in Gos. Mary unlikely.56 Furthermore, Levi and Mary appear together in other writings like the Gospel of Philip (NHC II,3; 54 and 55) and the Syriac Didascalia (11).57 Gos. Mary mentions Levi defending Mary against Peter’s attack. He justifies Mary’s special status referring to the Saviour »loving (ⲟⲩⲱϣ) her [Mary] more« (18:14 – 15), which will be later discussed in greater detail. After attacking Peter’s character and thereby »undermin[ing] the validity of Peter’s criticism,«58 Levi turns to the whole group of the disciples. He takes up some of the ideas mentioned earlier in Gos. Mary. His request to »put on the perfect man (ⲡⲣⲱⲙⲉ ⲛⲧⲉⲗⲓⲟⲥ)« (18:16) is reminiscent of the Saviour’s command to follow the »Son of Man« (ⲡϣⲏⲣⲉ ⲙⲡⲣⲱⲙⲉ; 8:18 – 19) and refers to Mary’s words about being »made [. . .] into human beings (ⲛ̅ⲣⲱⲙⲉ)« (9:20). Moreover, Levi’s words show further simi51

  Petersen, Werke (see n. 2), 168 – 169.   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 19. 53   King, The Gospel (see n. 25), 137. 54   King, The Gospel (see n. 25), 137. 55   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 19 – 21. 56   Petersen refers to Clement (Strom. IV.71.3) and Origen (Cels. I.63), who mention Matthew and Levi as two different persons, see Petersen, Werke (see n. 2), 166. 57   Petersen, Werke (see n. 2), 166 – 167. Gos. Pet. 60 mentions »Levi, the son of Alphaeus.« 58   King, The Gospel of Mary (see n. 29), 616. 52

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larities to the Saviour’s speech. He repeats the Saviour’s exhortation to proclaim and his command not to make any further rules (18:18 – 21). Gos. Mary ends with the fulfilment of the commission. It should be noted that there is a distinct difference between the Coptic and the Greek text. BG speaks of them going out to preach (19:1 – 2), whereas PRyl only mentions Levi (ηρχεν κηρυσσειν; verso l. 15). This obviously gives him a special position.59 Therefore, Tuckett suggests »that Levi plays a far more important role in the narrative than perhaps some have credited«60 – the significance of his role is comparable with Mary’s. The disciples as a character group are to be distinguished from the individual characters mentioned in the text. They refer to each other as ›brother‹ (ⲥⲟⲛ) and ›sister‹ (ⲥⲱⲛⲉ) and appear to be present throughout the story. Even though Mary is the only woman mentioned by name, the group of the disciples likely includes both men and women.61 They are part of the Saviour’s dialogue, asking questions and listening to his teaching. They are ›greeted‹ (ⲁⲥⲡⲁⲍⲉ; 8:13 – 14) and exhorted (8:14 – 18) by the Saviour. They are promised and invited to receive his ›peace‹ (ⲉⲓⲣⲏⲛⲏ; 8:14 – 15). The ›Son of Man‹ (ⲡϣⲏⲣⲉ ⲙⲡⲣⲱⲙⲉ; 8:18 – 19) is said to be within them and they are sent to go and preach the ›gospel of the kingdom‹ (ⲡⲉⲩⲁⲅⲅⲉⲗⲓⲟⲛ ⲛ̅ⲧⲙⲛⲧⲉⲣⲟ; 8:21 – 22). However, after the Saviour’s departure they are portrayed as ›grieved‹ (ⲣ̅ⲗⲩⲡⲉⲓ) and ›weeping‹ (ⲣⲓⲙⲉ; 9:6). They are helpless and afraid and thus unable to carry out the Saviour’s commission for »if they did not spare him, how will they spare us?« (9:10 – 12). It is interesting to note, that this situation only appears after the Saviour’s appearance and departure – »[d]ie Furcht und Ratlosigkeit sind hier nicht wie sonst Vorbereitungen für eine Erscheinung des Auferstandenen, sondern für das Eingreifen Marias.«62 Mary is eventually able to »turn[ ] their hearts (ϩⲏⲧ)63 to the Good (ⲁⲅⲁ̣ⲑⲟⲛ)« so that they ›dispute‹ (ⲣ̅ⲅ̣ⲩ̣ⲙ̣[ⲛ]ⲁⲍ̣ⲉ)64 about the meaning of the words of the Saviour (9:21 – 24). This might explain why Peter later asks Mary

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  Petersen, Werke (see n. 2), 168 – 169.   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 195. 61   There are two options: one single female disciple or a group of women is present. In the Dialogue of the Saviour, Mary is the only woman named. She is mentioned along with Judas (Thomas) and Matthew (NHC III,5; cf. 134:24 – 25). In the Sophia of Jesus Christ, Mary is one of seven women and twelve men being taught by the Saviour after his resurrection (BG,3; cf. 77:12 – 14; NHC III,4; cf. 90:16 – 18). 62   Petersen, Werke (see n. 2), 135. 63   POxy l. 13 has νοῦς (Engl. mind) instead. 64   The Greek word γυμνάζω has a wide range of meanings. According to Liddell Scott the basic meaning is to train naked, train in gymnastic exercise: generally, train, exercise, see H. G. Liddell / R. Scott, »γυμνάζω,« in A Greek-English Lexicon (Oxford: Claredon Press, 1996), 362. In addition, Lampe gives the meaning to dispute, discuss, examine, explain, mediate on, investigate legally, see G. W. H. Lampe, »γυμνάζω,« in A Patristic Greek Dictionary (Oxford: Clarendon Press, 1996), 324. In this context, this word may imply that they are disputing the meaning of the Saviour’s words, since γυμνάζω is later used bearing a strong element of disagreement (18:9 – 10). 60

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for her opinion by inviting her to tell them the words of the Saviour (10:4 – 6) to bring them into agreement. Moreover, the disciples are the recipients of Mary’s teaching (cf. 10:9). In addition, they are afterwards directly addressed by Andrew, who mentions his doubts about the validity of this teaching (17:11 – 14). Even though Levi’s statement in 18:14 – 15 characterises Mary as someone being especially or even more loved than the rest of the disciples, this implies that they are loved by the Saviour. At the end, they are exhorted by Levi to preach the gospel (18:15 – 21), which is what they – at least according to the Coptic version – eventually do (19:1 – 2).

4.  Mary in the Gospel of Mary ›Mary‹ was a common name in ancient Palestine. Even though her character is not further described in Gos. Mary, there is much to indicate that she is intended to be Mary Magdalene. This is indicated by the spelling of her name as Μαριάμμη (Coptic: ⲙⲁⲣⲓϩⲁⲙ[ⲙ]) instead of Μαρία (Coptic: ⲙⲁⲣⲓⲁ). Nonetheless, this has been questioned by scholars such as Stephen Shoemaker, who argues that some Greek fragments also use Μαριάμμη to refer to Mary, the mother of Jesus.65 Other scholars such as Antti Marjanen, in contrast, maintain »that at least in the so-called second- and third-century gnostic texts it is much more common to style the mother of Jesus maria than mariham(mē), whereas the latter form of the name is used relatively often for Mary Magdalene.«66 Furthermore, since the other disciples are portrayed as being jealous of Mary’s special status, her identification with the mother of Jesus seems rather unlikely. Additionally, the fact that Mary appears as the most important (female) disciple in line with the NT tradition is a strong argument for her identification with Mary Magdalene. Moreover, Hartenstein suggests that Mary’s starting her speech with the words »I saw the Lord in a vision« (10:10 – 11), is an allusion to John 20:18, where Mary Magdalene announces Jesus’ resurrection to the disciples saying, »I have seen the Lord.«67 Aside from these descriptions, there are similarities between Mary in Gos. Mary and the portrayal of Mary Magdalene in some so-called ›gnostic‹ writings. This particularly refers to those texts which 65   S. J. Shoemaker, »Rethinking the ›Gnostic Mary‹: Mary of Nazareth and Mary of Magdala in Early Christian Tradition,« Journal of Early Christian Studies 9 (2001): 555 – 595 (559 – 560). 66   A. Marjanen, »The Mother of Jesus or the Magdalene? The Identity of Mary in the SoCalled Gnostic Christian Texts,« in Which Mary? The Marys of Early Christian Tradition (ed. F. S. Jones; Atlanta: Society of Biblical Literature, 2002), 31 – 41 (34). 67   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 130 – 131. Shoemaker draws attention to the ancient Syrian tradition of Christ first appearing to his mother after his resurrection, which »almost certainly dates back at least as far as Tatian’s Diatesseron,« S. J. Shoemaker, »A Case of Mistaken Identity? Naming the Gnostic Mary,« in Which Mary? (see n. 66), 5 – 30 (25).

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display a conflict between Mary and Peter and to a remark in the Gospel of Philip about Jesus’ loving Mary Magdalene more than the other disciples (NHC II,3; cf. 63:34 – 37).68 Additionally, Shoemaker provides another possibility: Mary is a composite figure combining »elements of both the Magdalene’s and the Virgin’s identities.«69 Despite these suggestions, Mary in Gos. Mary most likely refers to the Magdalene.70 Mary undoubtedly occupies a special position in Gos. Mary. This is already obvious by the fact that the gospel is named after her. The title »The Gospel according to Mary« (ⲡ̣[ⲉⲩ]ⲁⲅⲅⲉⲗⲓⲟⲛ71 ⲕⲁⲧⲁ ⲙⲁ̣ⲣⲓϩⲁⲙⲙ), which is found in the colophon, shows similarities to the titles of the canonical gospels.72 In contrast to them Gos. Mary refers to the name of a woman instead of the name of a man. Furthermore, in the case of the canonical gospels the names used refer to the ascribed authors of the texts who for the most part are not part of the narrative themselves. Gos. Mary in contrast does not claim to be written by Mary. She is rather one of the main characters in the text and functions as the »guarantor of the reliability of the teaching contained in the gospel.«73 Furthermore, besides the Saviour, Mary seems to be the most active character.74 She first enters the narrative in 9:12. Nonetheless, it seems likely that she was already mentioned in the first part of Gos. Mary. Unfortunately, due to the fragmentary condition of Gos. Mary nothing can be said about the role she plays in the dialogue between the Saviour and his disciples. Hartenstein assumes that she or a group of women were mentioned when the Saviour first appeared, and that Mary was asking questions herself at this point.75 Apart from her name, Mary is not further introduced in the extant version of the text. To create Mary’s portrayal, the author makes use of several different techniques. On the one hand, through 68

  Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 16.   Shoemaker, »Gnostic Mary« (see n. 65), 560. 70   Even though Mary in Gos. Mary seems initially to have been developed out of Mary Magdalene, it is still likely that readers in the 2nd century were not particularly concerned with keeping the historical persons of Mary of Magdalene and the mother of Jesus separate. They might also have thought of Mary of Nazareth when reading the text. 71   Gos. Mary’s use of εὐαγγέλιον differs from the titles added to the canonical gospels (cf. Mark 1:1). Here, it is possible that the term characterises both Gos. Mary’s literary form and its content. Thus, the text presents and is the ›saving message,‹ see Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 33. 72   Whether the title was added by the author of Gos. Mary or by a later redactor is dependent on the dating of the text. The titles of the canonical gospels (»the gospel according to . . .«) first appeared in Irenaeus (Haer. III) at the end of the second century, see F. Watson, Gospel Writing: A Canonical Perspective (Grand Rapids, Mich.: Eerdmans, 2013), 461, n. 35. Consequently, the earlier the text of Gos. Mary the more likely it is to be anonymous. Thus, since an early dating is plausible (see section 2) the title of Gos. Mary seems to be a secondary addition. 73   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 205. 74   De Boer, Gospel (see n. 3), 60. 75   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 135 – 136. 69

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›telling,‹ she is directly characterised by remarks by the narrator, the Saviour, and the other disciples, through which the author is able to present her from many different angles. On the other hand, through ›showing,‹ Mary is indirectly presented through her words, actions, and environment. She is not portrayed in isolation but in interaction with others. Consequently, Mary’s relationship to the Saviour and to the other disciples makes an important contribution to her characterisation. Furthermore, allusions to other biblical texts – especially to John – contribute to her portrayal in Gos. Mary. Since characters are produced within the reader’s mind and since characterisation is based on his or her prior knowledge, these allusions – whether they are intentional or unintentional – need to be properly understood. Drawing a distinction between direct and indirect characterisation in an adequate manner can be a difficult task, since it can be hard to decide where ›telling‹ stops and ›showing‹ begins. However, it is not necessary to draw a sharp dividing line between these categories. In Gos. Mary, they are not opposed but complement each other. Consequently, Mary and the other figures in Gos. Mary are not only characterised directly through ›telling‹ but also indirectly through ›showing.‹ Nonetheless, as King notes, these figures »were historical people as well as literary figures.«76 Thus, they are not only literary creations serving the author’s goals but bear certain historical traits as well.77 4.1  Direct Presentation: ›Telling‹ Direct statements about Mary’s character are given by the narrator, Jesus, and the other disciples (›telling‹). The narrator78 refers to Mary four times during the narrative. While 9:12 – 13 (Mary stands up to comfort the disciples) and 18:1 (Mary weeps) are more general observations describing Mary’s behaviour, 9:20 – 23 and 18:1 seem to allow conclusions about the narrator’s view of Mary. After Mary has comforted the grieving disciples, she is said to have »turned their hearts to the Good« (9:21 – 22). Thus, according to the narrator, Mary has advanced spiritual skills; she knows how to change »the hearts and minds of the disciples, removing their anxiety and establishing the ›peace‹ within them which the Saviour had announced.«79 After finishing her speech, Mary falls silent »since the Saviour had spoken with her (ⲛⲙ̅ⲙⲁⲥ)80 up to now« (17:8 – 9). 76

  King, The Gospel (see n. 25), 136.   King, The Gospel (see n. 25), 136. 78  This presupposes a reliable and trustworthy narrator. This is not self-evident; in A True Story, Lucian of Samosata gives an example for an unreliable narrator in Antiquity, see A. D. Myers, Characterizing Jesus: A Rhetorical Analysis on the Fourth Gospel’s Use of Scripture in its Presentation of Jesus (London / New York: T & T Clark, 2012), 26, n. 13. 79   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 168. 80   PRyl recto l. 3 – 5 has no equivalent to the Coptic ›with her.‹ 77

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Hereby, the narrator refers to Mary’s reliability as she communicates the words of the Saviour who spoke them to or maybe even through her.81 Additionally, by falling ›silent‹ (ⲕⲁ ⲣⲱⲥ) at the end of her vision, she herself serves as a demonstration of the soul having reached the final goal of its journey which is ›silence‹ (ⲕⲁⲣⲱϥ; 17:7). Consequently, »Mary shows here that she too has reached this longed-for final destiny herself and shown herself to be a true follower of the Saviour.«82 Altogether, the narrator sides with Mary. He himself believes that Mary is trustworthy and important for transmitting the gospel message since she remembers words of the Saviour the other disciples have not heard, and she knows how to comfort the disciples and turn their hearts.83 The Saviour is said to speak to Mary in her vision (10:10 – 17:7). He praises Mary saying »[b]lessed (ⲛⲁⲓ̈ⲁⲧⲉ) are you, for you did not waver (ⲕⲓⲙ) when you saw me« (10:14 – 15). Tuckett believes this to refer to Mary’s high »spiritual status and virtues.«84 Hartenstein adds »[d]as ist ein hohes Lob, denn nicht zu wanken ist ein Kennzeichen der wahren GnostikerInnen.«85 Apart from the narrator and the Saviour, the disciples Peter, Andrew, and Levi give their views on Mary. Gos. Mary mentions Peter speaking twice about her. He is first said to speak to Mary in 10:1 – 6. After she has comforted the disciples and turned their hearts to dispute over the meaning of the words of the Saviour, he invites her to tell them the »words (ⲛ̅ϣⲁϫⲉ) of the Saviour [. . .] [they] have not heard« (10:4 – 6). Peter addresses Mary as ›sister‹ (ⲥⲱⲛⲉ), which suggests that he sees her as a fellow believer – »they are brother and sister [. . .], they are both disciples of the Lord.«86 Saying »we [the disciples] know (ⲥⲟⲟⲩⲛ) that the Saviour loved (ⲟⲩⲱϣ) you [Mary] more than the rest of women (ⲛⲥ̅ϩⲓ̈ⲙⲉ)« (10:2 – 3), Peter acknowledges and accepts her special position. Thus, Peter is initially presented as responding positively to her.87 This corresponds to his earlier attitude towards her when he gladly accepted Mary’s consolation.88 However, Peter »compares the Saviour’s love for her not with that for the other disciples, but with that for the other women.«89 Thus, Peter does not see her as an equal but above all as a female disciple. Furthermore, the meaning of ›love more‹ in this context seems unclear. Because Peter invites Mary to share the ›words of the Saviour‹ with the others, de Boer assumes a spiritual loving, though it is not clear which words Mary is asked to share.90 Hartenstein suggests that this refers to the 81

  De Boer, Gospel (see n. 3), 64.   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 185. 83   De Boer, Gospel (see n. 3), 64 – 65. 84   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 171. 85   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 154. 86   De Boer, Gospel (see n. 3), 61. 87   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 168. 88   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 202. 89   De Boer, Gospel (see n. 3), 61. 90   De Boer, Gospel (see n. 3), 61. 82

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words of the earthly Jesus rather than to the words of the risen Jesus.91 Furthermore, this invitation to »tell [. . .] the words of the Saviour [. . .] which we have not heard« (10:4 – 6) seems striking. Other writings that contain Peter and Mary either do not mention Peter talking to Mary or only mention him rebuking her (cf. Gos. Thom. 114). The second time Peter talks to Mary is in 17:16 – 22, after Andrew has mentioned his doubts about the content of her speech. Even though he had invited Mary to speak earlier, he now agrees with Andrew saying »surely, he did not speak secretly with a woman but not openly (ⲟⲩⲱⲛϩ) to us?« (17:18 – 20). His argument is based on two different reasons. First, it seems to be about the fact that Mary has received the teaching secretly and not openly.92 Second, it seems related to the fact that Mary is a woman. In Peter’s eyes, it seems impossible that the Saviour would have given his teaching to a woman, preferring her to the male disciples. Furthermore, men should not listen to her as a woman (cf. 17:21). Yet it is not Peter but rather Mary herself who carries Peter’s accusation to the extreme by saying »do you think I thought this up in my heart (ϩⲏⲧ), or that I am lying (ϫⲓ ⳓⲟⲗ) about the Saviour?« (18:3 – 5). As a result, Peter’s view of Mary seems inconsistent.93 On the one hand, he acknowledges her as a fellow believer and assumes that she remembers certain words of the Saviour the other disciples do not know. On the other hand, he seems to believe that Mary as a woman is inferior to the rest of the (male) disciples.94 In 17:10 – 15, Andrew is said to mention his doubts about Mary’s teachings.95 He himself does not believe that they are from the Saviour »for these teachings seem to be (giving) different ideas (ϩⲛⲕⲉⲙⲉⲉⲩⲉ).«96 However, he does not discuss the matter with Mary directly but turns to his ›brothers.‹ Additionally, he does not refer to her by name, and instead uses the pronoun ›she.‹ In contrast to Peter, his argument is not gender related but rather based on the content and novelty of Mary’s teaching. Consequently, Andrew’s objection has nothing to do

91

  Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 148.   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 188. 93   Tuckett suggests that this represents a ›plot development‹ and that »the earlier positive portrayal may be a hint to the reader that any subsequent negative features in the portrayal of Peter have to be tempered by the earlier more favourable picture,« Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 202. 94   Petersen, Werke (see n. 2), 142. 95   Petersen assumes that this may reflect a second-century controversy about the authenti­ city of the sayings attributed to Jesus, see Petersen, Werke (see n. 2), 164. 96   PRyl recto l. 9 – 10 has [ετε]ρογνωμονειν. According to Rudolf Bultmann, during the apo­ stolic and post-apostolic periods the prefix ἑτερο- (›of a different kind‹) was used »to designate false teaching, heresy,« e. g. ἑτεροδιδασκαλέω in 1 Tim 1:3; 6:3, see R. Bultmann, Theology of the New Testament (Waco: Baylor University Press, 2007), 136. This implies that Mary’s teaching does not just give different but false and potentially dangerous or even heretical ideas. The community behind Gos. Mary obviously seemed to know that their teaching was regarded as ›heretical‹ by other groups. 92

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with the person of Mary herself.97 Furthermore, Tuckett rightly refers to the fact that Mary does not simply introduce some ›new‹ teaching but rather reports a vision of the Lord (cf. 10:10 – 12). In addition, it is noted that it was the Saviour himself speaking with or through Mary (17:8 – 9). Consequently, Mary’s words are authorised by the Saviour; »[i]f there is ›new‹ teaching here, it comes with the authority of the Saviour and cannot thus be challenged.«98 Just like Peter, Andrew’s opinion of Mary appears to have transitioned from favourable to negative.99 Levi reacts to Peter’s and Andrew’s attack defending Mary and her special status (18:6 – 20). In contrast to Andrew and Peter, he neither questions Mary’s teaching nor her authority. Since Mary has been chosen by the Saviour who made her worthy (ⲁⲝⲓⲟⲥ) she is not to be rejected (18:10 – 12). He supposes that »Jesus dafür auch Gründe hatte, was beinhaltet, dass Maria den anderen substantiell überlegen ist.«100 Thus, his argument is not based on Mary’s own character but on the »free action of the Saviour,«101 who seems to be accepted as an authority by all. In contrast to Peter, Levi admits that the Saviour »loved her more than us« (including men) since he »certainly [. . .] knows (ⲥⲟⲟⲩⲛ) her very well« (18:12 – 15). Levi takes up Peter’s statement but slightly modifies it. It is not about the disciples knowing of Mary’s special status anymore but about the Saviour knowing Mary as »das Erkennen eines Menschen.«102 Nonetheless, just like Peter, Levi calls Mary ›the woman‹ (ⲧⲉⲥϩⲓ̈ⲙⲉ; 18:9). He seems to accept the fact that Peter and Andrew have not addressed her directly, since they clearly want her account of the Saviour’s words discussed in an exclusively male context. Even Levi’s defence of Mary is based on an appeal to the Saviour and his freedom of choice, rather than on her character. Mary’s question to Peter remains unanswered. In sum, the disciples Mary, Levi, Peter, and Andrew seem to form two groups which are separated from each other by their different views of Mary’s status. On one side of the debate, Peter and Andrew attack Mary. On the other side are Mary and Levi, who, in contrast, does not question Mary’s position. However, the situation is a little more complex. In another sense, even Levi is going back to the idea of an exclusively male discussion of Mary’s contribution. He does not bring Mary into the conversation, and Mary’s question to Peter is never  97   De Boer claims even though Mary’s teaching could be ›new,‹ it does not significantly differ from the Saviour’s teaching presented on the extant pages of the first part, which is probably why his objection is not further discussed. Andrew’s accusation must therefore be based on other sources for the teaching of Jesus, see de Boer, Gospel (see n. 3), 62.  98   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 188.  99   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 168. 100   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 151. 101   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 191. 102   Petersen, Werke (see n. 2), 143.

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answered. At the end of the text, Mary remains isolated from the other disciples, even though she is elevated by her relationship with the Saviour. 4.2  Indirect Presentation: ›Showing‹ Mary’s words, actions, and the environment in which she is presented contribute to her characterisation. Moreover, Mary is indirectly characterised by her interpersonal relationships. Consequently, her character is developed through interaction with the Saviour and the other disciples. Four passages in Gos. Mary provide information on Mary’s view of herself.103 First, when comforting the other disciples, she says »he [the Son of Man] has prepared (ⲥⲟⲃⲧⲉ) us and made us into human beings« (9:19 – 20). Thus, she counts herself among the group of the disciples. As such, just like the other disciples, she was made fully human by the Saviour and was prepared by him to »preach the gospel of the kingdom of the Son of Man« (9:9 – 10). Second, when Peter invites Mary to share the words »which we [the other disciples] have not heard« (10:6), she confidently replies »what is hidden from you, I will proclaim to you« (10:8). The Greek version slightly differs from the Coptic – »what is to you unknown ([οσα υμ]ας λανθανει) and I remember, I will tell you« (POxy ˙ l. 18). There is no reference to Mary’s remembering in BG since it is already in Peter’s question. Even though there is no significant difference in meaning, Hartenstein claims that Mary »drückt  [. . .] zumindest nach der koptischen Fassung im Unterschied zur Petrus-Anfrage den Anspruch aus, als Offenbarerin zu wirken.«104 This is further underscored by the fact that Mary talks about sharing ›secret‹ teaching105 whereas Peter seems to think she will just share any teaching the others have not heard. She obviously knows that she possesses certain knowledge the other disciples do not have. Nonetheless, she does not want to keep this knowledge to herself but is willing to share it with them. Third, when talking about her encounter with the Lord »[s]he tells this simply and plain and without boasting, but also without false modesty.«106 She does not forget to mention that the Saviour called her blessed. Neither does she omit the fact that it was she who started the conversation.107 Fourth, Mary shows her view of herself when responding to Peter’s and Andrew’s attacks. Although she 103

  De Boer, Gospel (see n. 3), 63.   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 148 – 149. 105   Petersen emphasises »[g]nostisches Wissen wird häufiger als geheime Überlieferung an einen begrenzten Personenkreis dargestellt. Dies erklärt die Tatsache, daß die Lehren nicht allgemein bekannt waren, und erlaubt gleichzeitig die Rückbindung an bekannte Personen,« Petersen, Werke (see n. 2), 141. This idea is already to be found within the NT (e. g. Mark  4:11 – 12 parr.), see Petersen, Werke, 141. 106   De Boer, Gospel (see n. 3), 63. 107   De Boer, Gospel (see n. 3), 63. 104

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is weeping she stays self-confident asking »my brother Peter, what do you think? Do you think that I thought this up in my heart, or that I am lying about the Saviour?« (18:2 – 5). Mary reminds Peter of their common basis, of them being brother and sister. She apparently wishes to remain in dialogue with her brothers, but they refuse to engage in further dialogue with her by not answering her question. Furthermore, Mary is characterised by her own behaviour and her interactions with the other figures in the texts. She is one of the disciples present at the Saviour’s appearance after his resurrection. After his departure, she arises (9:13) which emphasises the meaning of her words and at the same time establishes a parallel to the rising of the Saviour, i. e. his resurrection. Just like the Saviour, Mary greets (ⲁⲥⲡⲁⲍⲉ) the disciples (9:13; cf. 8:13). She asks them not to weep (ⲣⲓⲙⲉ̣), not to grieve (ⲣ̅ⲗⲩⲡⲉⲓ), and not to be ›double-minded‹ (ⲣ̅ ϩⲏⲧ̣ ⲥⲛⲁⲩ; 9:15 – 16), »wobei die Imperative parallel zu Jesu Art der Äußerung sind.«108 Furthermore, Mary explains these requests saying that »his [the Saviour’s] grace (ⲭⲁⲣⲓⲥ) will be wholly with you and will protect (ⲣ̅ⲥⲕⲉⲡⲁ) you« (9:16 – 17). The use of the second person plural is striking. It may be a continuation of the imperatives in 9:15 – 16 or it may be that Mary does not include herself because she herself does not doubt.109 In opposition to the other disciples, she is neither anxious nor depressed. As Tuckett writes, she »is implicitly contrasted with [the male disciples] as displaying the inner ›peace‹ which they should be showing, and which is ›within‹ them if they would recognize it.«110 After criticising the disciples’ current behaviour, Mary invites them (now including herself) to »praise (ⲥⲙⲟⲩ) his [the Saviour’s] greatness (ⲙⲛ̅ⲧⲛⲟⳓ), for he has prepared us and made us into human beings« (9:19 – 20). Hereby she presents an alternative to the disciples’ mourning.111 She does not focus on the Saviour’s suffering and death but on his greatness. Furthermore, Mary promotes equality and unity between herself and the disciples when she also includes them in the troops of those who have »[been] made [. . .] into human beings« (9:20). However, this unity is short-lived once the disciples begin to question the legitimacy of her teaching and status.112 Mary’s words and actions bring about a change for the better, and the disciples begin to dispute the meaning of the ›the words of the Saviour‹ (cf. 9:21 – 24), but Mary herself does not seem to be part of this discussion. By comforting, encouraging and (later) teaching the disciples. Mary takes a role otherwise occupied only by the Saviour. She moves into his place during his absence and takes a mediating role.113 Even though it is Mary’s words that have a 108

  Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 146 – 147.   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 146 – 147. 110   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 166. 111   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 147. 112   King, The Gospel of Mary (see n. 29), 611. 113   Petersen, Werke (see n. 2), 139. 109

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positive effect on the disciples, she directs them to the Saviour, who is still at the centre of the narrative. Though she is their contact person, she does not speak for herself but for Jesus and points to him.114 She helps the disciples to deal with the feeling of abandonment by reminding them of the words of the Saviour.115 As already seen, Mary’s teaching takes up the most space in the text; it originally covered eight pages of Gos. Mary, four of which are unfortunately lost.116 At Peter’s request, Mary presents the private teaching she received from the Saviour. Apparently, she was taught by the Saviour and received special teaching which had been withheld from the other disciples.117 The source of her knowledge is a vision of the Saviour and a conversation she had with him. Mary starts the conversation with the Saviour saying »Lord, I saw you today in a vision (ϩⲟⲣⲟⲙⲁ)«118 (10:12 – 13), whereupon the Saviour calls her ›blessed‹ (ⲛⲁⲓ̈ⲁⲧⲉ). This establishes a connection to the Saviour who was earlier called ›the Blessed One‹ (ⲡⲙⲁⲕⲁⲣⲓⲟⲥ cf. 8:12).119 The dialogical form recalls the first part of Gos. Mary in that the Saviour imparts teaching to his disciples in response to their questions, but here it is only Mary talking to him.120 Both parts display a structure which places Jesus and Mary in parallel, in the first part Jesus teaches the disciples, in the second part it is Mary. Nonetheless, both times Jesus’ words are taught. Consequently, the Saviour is at the centre of the narrative.121 After four missing pages, the extant text resumes in 15:1 as Mary is recounting her vision of the journey of a soul. She describes the ascent of the soul past hostile powers, who are trying to prevent the soul from passing, until it reaches its eternal goal of silence (17:5 – 7).122 Thus, Mary alone has received instructions from the Saviour on how to endure the adversaries and achieve stability.123 After finishing her speech, Mary falls silent (17:8). There is a difference between the Coptic and the Greek text. The Coptic has ›since the Saviour had spoken with her [Mary] up to now‹ (17:8 – 9), whereas the Greek omits the Coptic’s ›with her.‹ The Greek version thus suggests that Mary and the Saviour have become 114

  Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 148.   Petersen, Werke (see n. 2), 139. 116   De Boer, Gospel (see n. 3), 65. 117   De Boer, Gospel (see n. 3), 98. 118   This led to a discussion about the chronology of these events. Petersen believes that the vision and the conversation occur simultaneously. She understands the use of the perfect in the opening statement as an allusion to John 20 and therefore thinks of it as a post-Easter event, see Petersen, Werke (see n. 2), 152. Hartenstein, in contrast, thinks about the vision and the conversation as separate events happening on the same day. She believes it to happen at the time of the earthly Jesus, see Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 153. 119   ⲛⲁⲓ̈ⲁⲧⲉ is the normal equivalent for the Greek μακάριος, see Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 171, n. 139. 120   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 173. 121   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 129. 122   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 173. 123   De Boer, Gospel (see n. 3), 98. 115

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almost identical, for it is not Mary speaking anymore but the Saviour (through her).124 However, Tuckett argues that this interpretation is somewhat dependent on whose soul is being referenced in the vision. Even though he admits that Mary takes the place of the Saviour in many respects, he claims that here Mary can be seen as the medium for the transmission of the Saviour’s words to others through the account of her vision. Nonetheless, this does not imply that Mary takes a less important role in the Coptic text. Rather, both versions picture Mary as a mediator between the Saviour’s teaching and his disciples and / or the readers of Gos. Mary. In response to Peter’s criticism, Mary starts weeping (ⲣⲓⲙⲉ; 18:1). This does not fit with the otherwise overall positive picture of Mary in the text. The same verb (ⲣⲓⲙⲉ) that has been used earlier to describe the apparently negative behaviour of the disciples in reaction to the Saviour’s words (cf. 9:6) is now used to portray Mary’s reaction.125 Her weeping could be a further allusion to John 20:11 even though the context is different.126 Furthermore, there are several other possible reasons for her behaviour. Mary could be upset at Peter’s and Andrew’s lack of understanding, or her weeping could be the natural reaction of one who has been unjustifiably attacked.127 Considering the negative use of the verb in 9:6, it most likely represents »Mary herself [. . .] here showing the fallibility and weakness displayed by the other (male) disciples earlier.«128 Furthermore, Mary neither defends herself nor forces her way back into the group. It is rather Levi who intervenes (cf. 18:6 – 21) even though Mary initially replies in 18:2 – 5. This (passive) behaviour could simply be Mary adopting what has been thought to be an appropriate female role at that time, though it does not match her earlier (active) behaviour. Therefore, Tuckett suggests that »Mary’s ›character‹ is not quite as perfect as some have suggested: she too can display the weakness which the other disciples showed earlier.«129 Moreover, it is not clear whether Mary herself is pictured as actively preaching the gospel.130 Even though 19:1 – 2 uses the plural form ⲁⲩⲣ̅ⲁⲣⲭⲉⲓ (»they began«), nothing can be said about whether Mary is included in the group of the preaching disciples or not.131 Furthermore, PRyl verso l. 22:15 only speaks of Levi going out to preach (ηρ χεν κη[ρυσ][σειν]). Nonetheless, this does not exclude the possibility of the ˙˙ ˙˙ other disciples (including Mary) joining him at a later point of time.

124

  Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 186.   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 198. 126   Petersen, Werke (see n. 2), 165. 127   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 189. 128   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 189. 129   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 189. 130   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 198. 131   Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 193 – 194. 125

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Gos. Mary is »at least in part designed for a Christian readership whom we might except to be acquainted in some degree with the Jesus tradition.«132 There are several textual allusions to biblical texts in Gos. Mary which indirectly pertain to the character of Mary.133 Concerning her figure, the similarities between Gos. Mary and John are striking. The dialogue form of Gos. Mary is reminiscent of Jesus’ conversations during his earthly ministry in John. Furthermore, Gos. Mary reflects some major themes of the Johannine farewell discourse including the Saviour’s peace greeting134 in 8:14 – 15 (cf. John 14:27), the grief of his disciples in 9:6 (cf. John 16:20), and the connection between the Saviour and the suffering of his followers in 9:10 – 12 (cf. John 15:20). In John 14:27 it is Jesus comforting and encouraging (μὴ ταρασσέσθω ὑμῶν ἡ καρδία μηδὲ δειλιάτω) his disciples, whereas in BG 9:14 – 16 it is Mary taking over his role (cf. POxy l. 10; [μη δακρυετε μη λυπ]εισθε μηδε δισταζετει). Additionally, the phrase »I ˙˙ saw (ὁράω) the Lord, and said (λέγω)« (POxy l. 18 – 20; cf. BG 10:10 – 12;) is reminiscent of John 20:18: »›I have seen (ὁράω) the Lord;‹ and she told them the things he had said (λέγω) to her.« Moreover, the idea of Mary having unique knowledge (10:4 – 6) is present in John and some other canonical traditions (John  20:17 – 18; cf. Matt  28:5 – 7).135 Just like the anonymous disciple in John, Mary is said to be loved by the Saviour (cf. John 13:23; BG 10:2 – 3; 18:14 – 15) and portrayed in rivalry with Peter (cf. John 20:3 – 10; BG 17:16 – 18:5). Furthermore, BG 18:1 as well as John 20:11 picture Mary as weeping (Coptic ⲣⲓⲙⲉ; Greek κλαίω), even though this is caused by different reasons. As a result, the second part of Gos. Mary appears to tell the situation, which is envisaged in the Johannine farewell discourse.136 These similarities suggest that Mary’s special role in Gos. Mary could have be derived from her importance in John, especially in the context of Jesus’ death and resurrection: She is among the people standing beneath the cross (John 19:25 – 27), she is the first to see the empty tomb (20:1) and to meet the risen Lord (20:14 – 17), and she is the one who carries out the task given to her by Jesus to tell the disciples about his resurrection (20:18). Nonetheless, even though Gos. Mary gives a distinctive interpretation to some of the NT material, it does not contradict but rather re-interprets the Christian message. In this context, Mary plays a significant role. Petersen notes »Motive, die im Joh auf verschiedene Personen und Kontexte verteilt sind, begegnen im

132

  King, The Gospel of Mary (see n. 29), 608.   Due to the limits of this paper, it is not possible to analyse all the biblical allusions in Gos. Mary, but only those which clearly contribute to Mary’s characterisation. 134   In contrast to John, where peace is qualified as Jesus’ gift for his disciples and the world, Gos. Mary characterises peace as something that should be created by his disciples, see Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 144. 135   De Boer, Gospel (see n. 3), 25. 136   Petersen, Werke (see n. 2), 141. 133

Characterisation in the Gospel of Mary

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EvMar alle im Zusammenhang mit Maria Magdalena.«137 Mary as a literary character displays traits of the paraclete and the anonymous disciple (›beloved disciple‹) in John. By representing the Saviour after his departure and by teaching and comforting the other disciples (cf. 1:14 – 23), she fulfils the functions of the promised paraclete (cf. John 14:26).138 And just like the ›beloved disciple,‹ Mary seems to embody true discipleship.139 In sum, Mary’s position among the disciples is ambiguous. On the one hand, they accept her as a representative of women and invite her to speak. On the other hand, her teaching causes displeasure and disagreement among them since it appears to contradict their expectations. Therefore, she is attacked by Andrew and Peter who disagree with both the content of her teaching and the way it has been received. Levi, in contrast, defends the reliability of Mary’s message by referring to the authority of the Saviour. This could reflect a community, which is familiar with the idea of a single disciple having received ›secret‹ revelations from the Saviour in visions and accept this disciple being a woman. Nonetheless, they are aware of the fact that their Christian message is regarded as strange or even ›heretical‹ by others. This other – so-called ›orthodox‹ – Christian opinion is represented by Peter and Andrew, who were recognised as leading figures within the mainstream Christian movement. Even though this conflict appears to be aggressive, Hartenstein highlights that Peter is not exclusively portrayed in a negative way and points out the ›common basis‹ underlying the conflict.140 This suggests that the debate reflected in Gos. Mary is still at a relatively early stage, where the two opposing groups are still aiming to communicate.141 Yet Gos. Mary takes sides with Mary and Levi against Peter and Andrew and therefore validates post resurrection revelation and vision as authoritative sources for salvation and the Christian life.

137   Petersen, Werke (see n. 2), 142. »Maria hat die Funktion, an Jesu Worte zu erinnern, die im Joh für den Parakleten vorausgesagt wird. Wie in Joh 20 hat Maria auch im EvMar eine eigene Begegnung mit Jesus, von der sie den JüngerInnen berichtet. Maria wird von Jesus besonders geliebt, im Joh steht an dieser Stelle der Lieblingsjünger. Im Joh wird mehrfach der Konflikt zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger erwähnt, im EvMar gibt es einen Konflikt zwischen Petrus und Maria,« Petersen, Werke, 142. 138   H.‑J. Klauck, Apocryphal Gospels: An Introduction (London / New York: T & T Clark, 2008), 163. 139   King, The Gospel (see n. 25), 56. 140   Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 134 – 135. 141   This may support Tuckett’s suggestion of an earlier rather than a later date for Gos. Mary, see section 2 and Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 203.

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5. Conclusion As an early Christian text, employing similar characters and themes as those discovered in the canonical texts, Gos. Mary can be used to reexamine and question the biblical portrayal of Mary Magdalene. Nonetheless, one must bear in mind that the figures contained in Gos. Mary are literary creations and as such not historical figures themselves. The author did not create them himself but rather took them from the Christian tradition, which is why they are – apart from their names – not further introduced. Therefore, in examining their portrayal in Gos. Mary, I have chosen a literary approach considering both the methods of characterisation used in the text while including the reader and their prior knowledge. Nonetheless, the fragmentary nature of the text calls into question any conclusions about characterisation. As noted above, scholars suggested that the literary conflict between the disciples in Gos. Mary to reflect historical controversies in second century Christianity.142 The nature and causes of these debates, Gos. Mary’s relationship or intention to influence any such debates remain issues of academic contention difficult to answer definitely. The fact that Mary as a woman – her gender is mentioned several times within the course of the narrative – is at the centre of this conflict points to a discussion about the position and function of women in the communities. Furthermore, it is significant that it is precisely Mary who is characterised in conflict with Peter and Andrew while at the same time being singled out as Jesus’ most beloved disciple and recipient of his teaching.143 In summary, the title accurately reflects the subject matter, Mary and her teaching. This explains Mary’s important role in the text. She is characterised in parallel to the Saviour and replaces him after his departure. By teaching, exhorting, and guiding the other disciples, she fulfils the functions of the promised paraclete known from John. She comforts the disciples, turning their hearts to the Good, at a time when they are anxious and distressed, since they fail to understand the Saviour’s message. By treating the others as her equals, Mary strengthens the sense of solidarity among the group of the disciples, which is later destroyed as they question her status and the validity of her teaching. This leads to Levi defending Mary’s teaching and her special status. As someone who is especially loved by the Saviour, she is presented as a figure similar to that of the beloved disciple in John. However, Levi’s defence is not based on Mary’s character but rather on the Saviour’s authority and his freedom of action. 142

  See n. 29 and section 4.2.   For a more detailed study of these issues not directly dealt with here see Tuckett, The Gospel of Mary (see n. 24), 196 – 197; K. King, »Why All the Controversy? Mary in the Gospel of Mary,« in Which Mary? (see n. 66), 53 – 74; Hartenstein, Zweite Lehre (see n. 26), 133 – 135; Petersen, Werke (see n. 2), 182 – 188; de Boer, Gospel (see n. 3), 205 – 6; Marjanen, Woman (see n.  29), 114.119 – 121. 143

Characterisation in the Gospel of Mary

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Additionally, Levi appears to comply with the request of the others to discuss Peter’s (and Andrew’s) objections in an exclusively male context. Although Mary tries to remain in dialogue with the brothers, they do not show any interest in answering her question to Peter or discussing the matter with her. Nonetheless, even though Mary is presented more positively than the other disciples, she is not the perfect disciple herself. Her weeping is a sign of weakness, similar to the negative behaviour shown by the other disciples after the Saviour’s departure. In addition, Mary is not explicitly described as preaching the gospel. In the end, it is Levi who follows the initial instructions of the Saviour and carries out his task to go out and preach – he is just as important as Mary for the narrative in spreading the ›saving message‹ presented in the Saviour’s teaching and Mary’s account of her vision. As a result, characterisation in Gos. Mary is obtained through direct description by the narrator or the other characters. In addition, speech, actions, and relationships to other characters, as well as Gos. Mary’s intertextual connections with other texts such as John, contribute to their portrayal, bringing in the reader’s judgment and his prior knowledge. Thus, the characters in Gos. Mary are not only directly portrayed through ›telling‹ but also indirectly through ›showing.‹

». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a) Die Frau des Charismatikers in der rabbinischen Literatur Michael Becker

In diesem Beitrag wird ein schmaler Ausschnitt aus der rabbinischen Literatur im Kontext der Gender-Thematik in den Blick genommen. Es geht dabei – im Gegenüber zu den Frauen der Rabbinen – primär um die Frau eines »Charismatikers«. Hierbei ist der Singular recht präzise zu verstehen, insofern im Prinzip nur einige Geschichten zur Frau Hanina ben Dosas – und in abgeleiteter Weise ˙ zu dessen Tochter – in Frage kommen. Als »Charismatiker« werden hier Gestalten bezeichnet, welche durch ihre Frömmigkeit sowie häufig auch durch die von ihnen gewirkten Wunder hervortreten und die dabei auch in einer gewissen Konkurrenz zu den Rabbinen stehen.1 Es handelt sich hierbei im Kontext der rabbinischen Literatur um ein sehr begrenztes und bislang kaum wahrgenommenes Phänomen.2 Freilich kann dies nicht ohne eine Einordnung in das größere Ganze der rabbinischen Tradition verstanden werden. Dies macht es notwendig, etwas auszuholen, um einige Grundlagen und auch verschiedene Bereiche daneben wahrzunehmen, damit sich die Konturen der Phänomene besser profilieren lassen. Allerdings ist hier weder der Raum für eine umfassende Einführung in die rabbinische Literatur,3 noch besteht die Möglichkeit, die vielfältigen Studien 1   Zur Definition und Phänomenologie im Blick auf die Rabbinen sowie bereits einer zeitlichen Differenzierung vgl. M. Becker, Wunder und Wundertäter im frührabbinischen Judentum, WUNT II / 144, Tübingen 2002, 288 f.; s. auch C. Hezser, The Social Structure of the Rabbinic Movement in Roman Palestine, TSAJ 66, Tübingen 1997, 289 – 298. 2   Auch wenn sich gewiss noch weitere Charismatiker benennen ließen, so fehlen in deren Umfeld doch die Frauen, so dass nur die Erzähltraditionen zur Frau Hanina ben Dosas übrigbleiben. ˙ 3   Für den deutschsprachigen Raum bietet hierzu G. Stemberger, Einleitung in Talmud und 9 Midrasch, München 2011, den Standard, der im englischsprachigen Raum durch diverse Veröffentlichungen von Jacob Neusner ergänzt werden kann. Im Blick auf die hier angesprochenen Phänomene bleibt jedoch zu beachten, dass es sich für das rabbinische Verständnis allenfalls um randständige Erscheinungen handelt. Insofern wird man sowohl aus der Perspektive feministischer Analysen Überlegungen zu einer Zensur beachten müssen, wie sie in vielfältiger Weise von T. Ilan insbesondere in ihrem Beitrag: Mine and Yours are Hers. Retrieving Women’s History from Rabbinic Literature, AGJU 41, Leiden u. a. 1997, dargelegt wurde, als auch traditionsgeschichtliche Überlegungen, wie ich selbst sie im Kontext meiner Untersuchung zu den Wundern und Charismatikern angestellt habe; s. Becker, Wunder (s. Anm.  1), 32 – 49.

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aufzunehmen und zu würdigen, welche sich in den letzten Jahren mit der Frau im Judentum und speziell im rabbinischen Judentum beschäftigt haben.4 Dennoch erscheinen einige weitere Vorbemerkungen sinnvoll. Zunächst stellen die Mishna, die Tosefta, die (frühen) Midrashim und die Talmudim die weithin einzigen rabbinischen Quellen dar, die für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung stehen. Sie spiegeln jedoch nicht nur einen durch die Auslegung der Tora geregelten Kosmos, sondern der Diskurs findet zugleich dadurch eine Grenze, dass es stets und so gut wie ausschließlich Rabbinen sind, die diese Diskussionen führen. Alle Darstellungen, Nachrichten und Bemerkungen über Frauen in den Schriften des rabbinischen Judentums sind deshalb durch Voraussetzungen und Prämissen bedingt, geprägt und begrenzt, die es oft unmöglich machen, einen Blick auf das eigentliche Phänomen – das Leben der Frauen in rabbinischer Zeit – zu erlangen. Die Rabbinen bringen nämlich vorzüglich ihre Ansichten zur Anwendung, und dies in einem sehr dezidierten Vorstellungskontext. Frauen selbst kommen hier nicht bzw. kaum zu Wort. Man spricht über sie oder verfasst halakhische Regelungen, die aus rabbinischer Perspektive für ein Zusammenleben notwendig sind. So korrekt das aus rabbinischer Sicht ist, es kommt dadurch nur ein begrenzter Sektor zeitgenössischer Wirklichkeit in den Blick. Heute ist man sich zwar vielfach der damit verbundenen Probleme bewusst, da es neben den erwähnten Gender-Studien noch eine Reihe von Untersuchungen zur Sozialgestalt des rabbinischen Judentums sowie zu den literarischen Produkten im Grundsatz gibt.5 Aber im Detail bestehen immer noch Fragen, die nicht einfach beantwortet werden können. Leicht fallen die Antworten schon deshalb nicht, weil die Vielfalt der in den Texten zu Wort kommenden Meinungen eine Pluralität suggeriert, die aber keineswegs (immer) so verstanden wurde. Welche Überzeugung zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort als normativ angesehen wurde, geht nicht immer klar und eindeutig hervor. Häufig existieren zudem literarische Kürzel, und es fehlt eine vollständige Zitation von Belegen, wobei das wirklich Wichtige mitunter gar nicht dasteht, sondern im 4   Einen aktuellen Überblick zur Frauenforschung im Hinblick auf das Judentum bieten T. Ilan, Jewish Women’s Studies, in: M. Goodman (Hg.), The Oxford Handbook of Jewish Studies, Oxford, 2002, 770 – 796 und J. R. Baskin, Art. Women in Judaism, in: J. Neusner / A. J. AveryPeck / W. S. Green (Hg.), The Encyclopaedia of Judaism. Second Edition – Vol. IV, Leiden / Boston 2005, 2792 – 2817. Einen kritischen Einblick insbesondere in die Positionen des rabbinischen Judentums gibt T. Ilan, Art. Woman – Post-Biblical and Talmudic Period, in: F. Skolnik / M. Berenbaum (Hg.), Encyclopaedia Judaica. Second Edition – Vol. XXI, Detroit u. a. 2007, Sp. 161r – 165r, sowie in ihren umfangreichen Studien: Jewish Women in Greco-Roman Palestine. An Inquiry into Image and Status, TSAJ 44, Tübingen 1995, Mine (s. Anm. 3) und Integrating Women into Second Temple History, TSAJ 76, Tübingen 1999. 5   Vgl. z. B. Hezser, Social Structure (s. Anm. 1). Hezser konzentriert sich dabei auf die Frühzeit und geht meist nur implizit auf die familiären Strukturen oder die Rolle von Frauen in diesem Kontext ein.

». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a)

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Zitat ergänzt werden muss. Es entsteht ein verschlüsseltes Wissen, zu dem über einen sehr langen Zeitraum ausschließlich die Rabbinen selbst einen Zugang hatten. Dies betrifft u. a. auch eine geschlechtsspezifische Verteilung der Möglichkeiten, lesen (und schreiben) zu lernen bzw. überhaupt unterrichtet zu werden.6 Die religiöse Erziehung gilt zunächst als die Domäne der Eltern, wobei die Väter und auch die Mütter entsprechend tätig werden konnten. Doch wird man davon einen regulären Unterricht oder den Unterricht im Lehrhaus, der den Kernbereich der Tätigkeit der Rabbinen ausmacht, unterscheiden müssen. Freilich dürfte jedwede schulische Erziehung meist eher die Ausnahme als die Regel gewesen sein. Oft wurde eine schulische Elementar-Erziehung nur den Jungen zuteil.7 Wie schwierig ein Unterricht der Töchter selbst für einige Rabbinen gewesen ist, deutet darüber hinaus der Überlieferungsprozess eines Diktums der Mishna an, das dort zudem nur einen Beispielaspekt für eine ganz andere Lehre darstellt. Es heißt dort im Blick auf das, was ein Mann trotz eines Gelübdes, das einen Vorteil durch einen Nachbarn verbietet, u. a. tun darf: ». . . und er darf ihn Midrasch, Halakhot und Haggadot lehren, aber er darf ihn nicht die Schrift lehren, aber er darf seine Söhne und seine Töchter (fehlt in div. Hss.8) die Schrift lehren« (mNed 4,3).9 Freilich muss es Ausnahmen gegeben haben, denn selbst einige Rabbinen scheinen auch die Töchter in die entsprechende Erziehung – ja sogar in das Studium der Tora – eingebunden zu haben, obwohl das eigentlich ausgeschlossen gewesen ist.10 Hinsichtlich der zeitlichen Faktoren ist zu beachten, dass man sich mit den Traditionen, die in den zuvor genannten Texten verhandelt werden, bereits in einem Zeitraum bewegt, der von der frühjüdischen Zeit – zumindest den beiden Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung – bis zum frühen Mittelalter und  6

  Nach bBer 17a besteht das Verdienst einer Frau gerade darin, dass sie ihre Kinder zum Lernen in die Synagoge schickt und ihrem Mann die Freiheit ermöglich, bei den Rabbinen zu studieren. S. dazu Baskin, Art. Women (Anm. 4), 2796. Die umfassendste Studie zum Themenbereich bietet derzeit C. Hezser, Jewish Literacy in Roman Palestine, TSAJ 81, Tübingen 2001. Sie umfasst freilich einen weitaus größeren Bereich als nur das rabbinische Judentum.  7   T. Ilan, Erziehung und Bildung von Frauen im antiken Judentum, ZNT 11 H. 21 (2008), 38 – 44; dies., Jewish Women (s. Anm. 4), 190 – 197. Zur schulischen Bildung s. Hezser, Literacy (s. Anm.  6), 39 – 109.  8   Die Ergänzung und die geteilte Überlieferung zeugt von unterschiedlichen Auffassungen unter den Rabbinen. Auch wenn die Erwähnung der Töchter dem Handschriftenbefund zufolge sicher nicht ursprünglich war, so ist sie doch sehr bemerkenswert. Auch bei einer Ergänzung bleibt jedoch gewiss, dass ein regelrechtes Studium der Tora außerhalb der Möglichkeit einer Frau steht. Davon zeugen weitere rabbinische Dicta, welche einen Toraunterricht für eine Tochter für Nonsens erklären oder verbieten (mSot 3,4 und SifDev 46). S. dazu Ilan, Mine (s. Anm. 3), 166 f.  9   Vgl. zum Text Ilan, Mine (s. Anm. 3), 82 – 84. 10   S. dazu weiter unten die Ausführungen zu Berurja, die als Tochter des R. Hanania ben Teradion und Ehefrau von R. Meir und insofern mitunter als ein locus classicus für˙ eine solche Ausnahme gilt.

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noch danach reicht.11 Selbst wenn man sich auf die frührabbinischen Quellen beschränkt, geht es um Texte, deren Entstehung sich über mehr als ein halbes Jahrtausend erstreckt. Es lassen sich Entwicklungen wahrnehmen und man wird an vielen Stellen die Traditionen in den Schriften keinesfalls ohne ihren jeweiligen Kontext verstehen können. Weiterhin sind unterschiedliche Kulturräume betroffen. Denn die Zentren des rabbinischen Judentums sind mit verschiedenen Standorten und daher mit unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten verbunden: angefangen beim judäischen Raum mit dem Zentrum in Jerusalem und dem Leben im Umfeld des Tempels (was auch nach dessen Zerstörung weitergewirkt hat) über die Phasen des Aufbaus der rabbinischen Bewegung (vor allem nach den beiden gescheiterten jüdischen Aufständen gegen die Römer), der sowohl in Javne als auch in Tiberias und Galiläa stattfand, bis hin zu den großen Sammlungen der Traditionen in den Talmudim in Palästina und der babylonischen Diaspora. Dass hierbei ganz unterschiedliche soziale, religiöse und kulturelle Welten angesprochen sind, erscheint evident – und dies hat natürlich unmittelbare Auswirkungen sowohl auf das Selbstverständnis der Rabbinen wie auf das Verständnis der Frau im Kontext der rabbinischen Bewegung. Bereits hier fällt jedoch auf, dass es ein »Davor« wie ein »Daneben« gegeben haben muss und gegeben hat.12 Nicht nur, dass das rabbinische Judentum auf die vielfältigen Traditionen der Schriften Israels zurückgreift – auch und gerade das frühe Judentum zeigt sich als ein Kulturraum, in welchem sich das jüdische Leben auf ebenso vielfältige Art und Weise weiterentwickelt hat. Allerdings haben die Rabbinen hierauf kaum direkt zurückgegriffen. Insofern zeigt sich hier bereits das »Daneben«. Denn das plurale jüdische Leben, das sich ab dem dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in einer Fülle von Texten, Relikten und Zeugnissen zeigt, ist in keinem Fall mit dem so homogen, ja geradezu erratisch wirkenden rabbinischen Judentum zur Deckung zu bringen. Dies gilt nicht allein für die Zeit vor den beiden Aufständen, sondern wohl auch noch eine geraume Zeit in der Periode danach, da sich die rabbinische Dominanz erst nach und nach durchzusetzen begann. Darüber hinaus hat auch die hellenistisch-römische Kultur – nicht allein in der Diaspora – auf die jüdische Bevölkerung gewirkt und deutliche Spuren hinterlassen. Dies belegen Funde von Urkunden, die sowohl für das Personenstandsrecht als auch für die Besitz11

 S. dazu Becker, Wunder (Anm.  1), 9 – 15.   Dem Umstand wird man zunächst dadurch Rechnung tragen müssen, dass man den frühjüdischen Bereich immer wieder in die Untersuchung mit einbezieht. Dies hat Tal Ilan in Hinsicht auf die Frauen-Frage immer wieder getan (vgl. Women und Integrating [s. Anm. 4]). Im Hinblick auf das hier fokussierte Thema der Frau eines Charismatikers ist das freilich nicht möglich, da es sich um ein spezifisch rabbinisches Phänomen handelt, das allenfalls in einigen Heiligenviten verwandte Erzählungen besitzt. Umso wichtiger erscheint es jedoch, die Phänomene auch in ihrem Umfeld gebührend wahrzunehmen. 12

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verhältnisse auf einen viel größeren Einfluss hellenistischer Kultur schließen lassen, was auch für Fragestellungen zur Frau von Bedeutung ist.13 Von grundsätzlicher Relevanz für das Verständnis des rabbinischen Judentums sind darüber hinaus einige strukturelle Aspekte. So beruht die Theologie bzw. Philosophie rabbinischer Texte insbesondere auf der durch die Mishna eingeführten Strukturierung. Diese Grundschrift des rabbinischen Judentums wurde etwa um das Jahr 200 u. Z. fertiggestellt. Sie gilt traditionell als von Rabbi Jehuda ha Nasi redigiert, doch hat sie im Blick auf ihre Entstehung vermutlich eine wesentlich komplexere Geschichte. Der Name bedeutet soviel wie das »Lernen« bzw. das mündliche »Lehren« – im Sinne von »Wiederholen«. Es geht dabei vor allem um mündliche Lehre, deren Inhalt bereits als am Sinai offenbart gilt. Dass hiermit keineswegs eine einlinig-homogene Sichtweise vertreten wurde, zeigt sich einerseits an der Tatsache, dass immer wieder Alternativmeinungen festgehalten werden, die es für Außenstehende schwer machen, eine autoritative Position auf Anhieb zu erkennen. Ebenso irritierend erscheint bisweilen die Existenz einer Parallelsammlung, der Tosefta (»Hinzufügung, Ergänzung«), die nicht nur weitere Alternativmeinungen bietet und neue Fragen und Probleme ergänzt, sondern mitunter auch redigierend und korrigierend gegenüber den Texten der Mishna eingreift. Erkennbar wird dabei nicht nur ein Wandel und eine Dynamik, sondern eine Vielfalt, die aber keineswegs als plurale Egalität missverstanden werden darf, sondern detaillierte Unterscheidungen nach sich ziehen muss. Formal umfasst die rabbinische Tradition drei Bereiche: Halakhot, rechtliche Satzungen, die unabhängig von der Schrift, wenn auch im weitesten Sinne als Auslegung der Sinai-Tora formuliert und verstanden sind, Midrashim als Auslegungen biblischer Texte und schließlich die Haggadot, die alles nicht-halakhische Material – insbesondere Erzähltraditionen – umfassen, wobei dieses Material oft erst in den beiden Talmudim und den späteren Schriften aufgenommen wurde und dann sprunghaft anwächst. Die Struktur der Mishna ist in sechs Ordnungen (Sedarim) gegliedert. Sie folgt darin aber nicht dem Aufbau einer Dogmatik, wie er in der christlichen Theologie für die Gliederung entsprechender Werke zur Anwendung kommt. Die Rabbinen und ihre Theologie in ein solches Denkraster – und sei es nur: Schöpfung / Heil / Eschatologie – hineinpressen zu wollen, kann nicht fruchten. Dementsprechend gewinnt die Einteilung der Ordnungen und Traktate eine sehr große Bedeutung, weil hierdurch etwas von der theologisch-philosophischen Grundstruktur der rabbinischen Texte erkennbar wird.14 13   Insbesondere zeigen sich Differenzen zwischen dem rabbinischen Erb- und Eherecht (vgl. z. B. yBB 8,1 16a) und einigen an verschiedenen Orten in der judäischen Wüste gefundenen Urkunden. Vgl. dazu z. B. Ilan, Integrating (s. Anm. 4), 215 – 262, sowie ihren Beitrag in diesem Sammelband. 14  Vgl. Stemberger, Einleitung (s. Anm. 3), 123 – 166.

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Zu Beginn der Mishna steht die Ordnung Zera’im (Samen / Saaten), in der es primär um die religiösen Abgaben der Ernteerträge geht. Dies deutet auf eine agrarisch ausgerichtete Lebensweise, die das Leben in der rabbinischen Gesellschaft bestimmt. Allerdings hat hier auch das Gebet seinen festen Platz am Beginn der Mishna. Konsequenterweise folgt dann mit der Ordnung Mo’ed (Festzeiten) eine Abteilung über die großen jüdischen Feste. Damit sind Alltag und Festzeit behandelt. Nashim (Frauen) nimmt die dritte Position danach ein. Dies ist umso erstaunlicher, als die drei darauf folgenden Ordnungen: Neziqin (Beschädigungen), Qodashim (Heiliges) und Toharot (Reinheiten) sich hauptsächlich mit dem Rechtssystem – einerseits dem Strafrecht und andererseits den Opfern und Reinheitsgeboten – beschäftigen. Auch in diesen Ordnungen existieren verstreut Regelungen, die Frauen betreffen. Insbesondere wird in der sechsten Ordnung unter den Reinheitsfragen im Traktat Nidda die Unreinheit im Kontext von Geburt und Menstruation behandelt. Diese Unreinheit zieht eine Fülle von Vorschriften und Vorkehrungen nach sich, deren Einhaltung eine Frau weithin als nicht kultfähig erscheinen lässt. Das Interesse an der Unreinheit der Frau besteht jedoch eher mittelbar, insofern es weniger um die Frau an sich geht als vielmehr um die Bedeutung der Unreinheit aus einer priesterlichen Perspektive und so um die Relevanz für die Rabbinen.15 Die Rabbinen versahen ihr Torastudium im Sinne einer priesterlichen Tätigkeit, was es notwendig machte, sich entsprechend rein zu halten. Man übertrug daher viele priesterliche Ideale – vor allem im Blick auf die Reinheit – auf den Rabbi, was dann natürlich auch Auswirkungen auf das Verhältnis zur Frau impliziert. Die Ordnung Nashim gliedert sich weiterhin in folgende sieben Traktate16: 1) Yevamot (Schwägerinnen): Hier geht es um die Schwagerehe (Dtn 25,5 – 10) und die Entpflichtung davon, aber auch um Fragen wie: Wen darf ein (Hohe‑) Priester heiraten? Weiterhin wird die Aufnahme von Fremden und die Stellung der Proselyten behandelt sowie die Bezeugung des Todes eines Ehemanns.17 2) Ketubbot (Hochzeitsverschreibungen): Hier geht es um den Ehevertrag sowie um Fragen wie: Was passiert bei einer Scheidung? Welche Strafgelder werden bei einer Vergewaltigung fällig? Und es werden die Pflichten der Eheleute, der Besitz einer Frau sowie das Erb- und Witwenrecht verhandelt.18 3) Nedarim (Gelübde): Der Traktat behandelt Gelübde und deren Aufhebung, ungültige Gelübde und das, was einer Frau überhaupt auferlegt werden kann. 15  Vgl. Hezser, Social Structure (s. Anm. 1), 69 – 71; zum Phänomen s. Ilan, Jewish Women (s. Anm.  4), 100 – 105; dies., Art. Woman (s. Anm. 4), Sp. 162 l. u. r. 16   Zum Aufbau s. Stemberger, Einleitung (s. Anm. 3), 129 – 130. 17  Vgl. Ilan, Jewish Women (s. Anm. 4), 152 – 157. 18  Vgl. Ilan, Jewish Women (s. Anm. 4), 89 – 94.

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4) Nazir (Naziräer): Hier wird das Naziräats-Gelübde besprochen, z. B. wie lange es dauert, sowie die Zeit des Scherens, Verbote, Verunreinigendes und das Naziräats-Gelübde von Frauen. 5) Sota (die des Ehebruchs verdächtige Frau): Im Anschluss an Num 5 wird das Eifersuchtsordal und dessen Durchführung vor dem Gerichtshof thematisiert (obwohl es bereits in frühjüdischer Zeit abgeschafft wurde); weiterhin geht es um Erläuterungen zu Dtn 20 und 21 sowie in einem Anhang um die Vorzeichen des Messias.19 6) Gittim (Scheidebriefe): Der Traktat verhandelt die Übersendung, Beglaubigung und die Zurücknahme von Scheidebriefen; es geht auch um die Wiederaufnahme einer entlassenen Frau, die Scheidung in Krankheitsfällen, die Gültigkeit mündlicher Anordnungen sowie um die Scheidungsgründe.20 7) Qiddushim (Antrauung, Verlobung [im Unterschied zur Heimführung, der eigentlichen Eheschließung]): Geklärt wird, wie der Erwerb einer Frau erfolgt: durch Geld, per Urkunde, durch Beischlaf sowie der Erwerb von anderen Gütern; weiterhin geht es um Sonderfälle einer Verlobung (via eines Abgesandten), um ebenbürtige Heiraten und Sittenregeln.21 Aus dieser Übersicht geht hervor, dass es primär sozial-ökonomische Aspekte sind, die hier in der Mishna eine rechtlich bindende Gestalt erhalten. Das ist insofern interessant, als Frauen häufig nicht nur mit der Haushaltsführung betraut waren, sondern mitunter auch eine Art von Kleingewerbe betrieben, indem sie z. B. handwerklich tätig waren oder Handel trieben.22 Ein solches Einkommen trug in nicht unwesentlicher Weise zur Finanzierung einer Familie bei, und hierdurch wurde es manchem Rabbi erst ermöglicht, einem Torastudium nachzugehen. Dennoch werden die Frauen stets aus der Perspektive des Mannes (mitunter auch die eines Priesters bzw. eines Rabbis) wahrgenommen, und ihr Handel­ treiben hat als rein privat zu gelten. Öffentliche Ämter blieben ihnen vorenthalten. Andererseits gibt es darüber hinaus einige Aspekte, die man auch als theologisch relevant ansehen kann. Denn es geht nicht nur um »natürliche« Dinge, sondern mitunter auch um Regelungen mit einer darüber hinaus gehenden Relevanz, wenn z. B. Rechte betroffen waren, die die Schrift gebietet, wie etwa die Leviratsehe. Auch solche verordneten Regeln bedürfen einer Klärung. Die Frau wird dabei stets in Relation zu einem Mann gesehen, sei es dem Vater vor einer Heirat oder dem Ehemann danach. Sie sind diejenigen, welche die Verantwortung für eine Frau tragen, insbesondere auch für die Gelübde und die rechtlichen Verpflichtungen. Es sind demnach neben den Übertretungen von Tora-Geboten primär die sozialen Übergänge, die geregelt werden. 19

 Vgl. Ilan, Jewish Women (s. Anm. 4), 136 – 141.  Vgl. Ilan, Jewish Women (s. Anm. 4), 141 – 147. 21  Vgl. Ilan, Jewish Women (s. Anm. 4), 88 f. 22  Vgl. Baskin, Art. Women (Anm. 4), 2796; Ilan, Erziehung (Anm. 7), 40. 20

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Die Rolle einer Frau ist zudem primär von einer schöpfungsmäßig verstandenen Bestimmung als Mutter geprägt, wobei – und das scheint signifikant für die einseitig männlich orientierte rabbinische Wertordnung – das Fortpflanzungsgebot zwar nur dem Mann auferlegt war, aber die Frau allein für die Unfruchtbarkeit einer Ehe verantwortlich gemacht wurde. Dort, wo eine Ehe freilich in dieser Form »funktionierte«, genoss eine Frau gerade als Mutter ein sehr hohes Sozialprestige. Im Blick auf vermögensrechtliche Aspekte bot ein Ehevertrag zwar auch die Möglichkeit, Regelungen zugunsten einer Frau zu treffen, doch betraf das nur einen geringen Teil der Frauen, da man meist arm war. Es besteht auch ein gewisser Freiraum im Blick auf Geschiedene und Witwen, die nicht mehr unter der Vormundschaft eines Mannes standen, was aber in den meisten Fällen eher ein Problem darstellt, da die Frauen nur selten eigenes Vermögen hatten, das ein Auskommen und vor allem Unabhängigkeit ermöglichte. Nichtsdestoweniger kennt die rabbinische Tradition auch solche Besonderheiten. Eine schwierige Frage ist dabei freilich immer, wie realistisch die rabbinischen Angaben sind. Es ist nämlich keineswegs klar, ob und inwiefern die Texte nur einen schmalen rabbinischen Bereich repräsentieren. Spielen hier utopische Erwartungen eine Rolle, oder sind die Ansätze doch realistisch? Wie repräsentativ sind die Positionen? Und in welchem Verhältnis stehen die Aussagen zu anderen Bereichen, etwa der Diaspora oder dem in nicht-rabbinischen Quellen sichtbar werdenden Umfeld? Derartige Fragen sind oft kaum eindeutig zu beantworten, zumal sie einer zeitlichen wie lokalen Differenzierung bedürfen. Pauschale Urteile – sei es in die eine wie die andere Richtung – treffen darum häufig die Wirklichkeit nicht.23 In das rabbinische Frauenbild gehört noch ein weiterer Aspekt, der an ganz verschiedenen Stellen und daher weit verbreitet in den Texten behandelt wird. Dennoch wurde seine Relevanz und Bedeutung immer wieder sehr kontrovers diskutiert. Es geht hierbei um den Magievorwurf, der von Seiten der Rabbinen in vielfältiger Weise gegenüber Frauen erhoben worden ist.24 Hier lassen sich zahlreiche Beispiele anführen; stellvertretend sei ein Hillel zugeschriebenes Diktum zitiert, indem er sagt: 23

  Einen kurzen und dennoch zeitlich differenzierten Einblick in das jüdische Familienleben bietet G. Stemberger, Jüdische Religion, München 1995, 88 – 100. 24   Neben den klassischen Studien von L. Blau, Das altjüdische Zauberwesen, Budapest 1898, 2 1914, bes. 23 – 26; J. Trachtenberg, Jewish Magic and Superstition. A Study in Folk Religion, Philadelphia 1939 und E. E. Urbach, The Sages. Their Concepts and Beliefs (Vol. I – II), Jerusalem 1975, 97 – 134, bes. 100 f., sind vor allem die Studien von J. Goldin, The Magic of Magic and Superstition, in: E. Schüssler-Fiorenza (Hg.), Aspects of Religious Propaganda in Judaism and Early Christianity, Notre Dame 1976, 115 – 147; M. Fishbane, Aspects of Jewish Magic in the Ancient Rabbinic Period, in: N. Stampfer (Hg.), The Solomon Golman Lectures. Perspectives in Jewish Learning 2, Chicago 1979, 29 – 38; M. Bar-Ilan, Witches in the Bible and in the Talmud, in: H. W. Basser / S. Fishbane (Hg.), Approaches to Ancient Judaism. New Series V, SFSHJ 82, At-

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Viel Fleisch – viel Maden, viele Güter – viel Sorge, viele Frauen – viel Zauberei, viele Mägde – viel Unzucht, viele Knechte – viel Raub, viel Tora – viel Leben, viel Sitzen – viel Weisheit, viel Beratung – viel Einsicht, viel Almosen – viel Friede. (mAv 2,7)

Allerdings ist die Interpretation dieses Diktums keineswegs einfach. Es ist Teil einer katalogartigen Zusammenstellung von laster- und tugendhaften Konsequenzen, die sich aus einer Ballung in einer bestimmten Sozialsituation ergeben. Der Hinweis auf die Frauen wird teilweise auch dahingehend gedeutet, dass es ursprünglich um Ehefrauen ging: Je mehr Frauen ein Mann hat, desto größer ist der Neid einer Frau auf die Fruchtbarkeit der anderen, desto größer ist auch der Einsatz »magischer« Mittel.25 Wie auch immer der Ausspruch interpretiert werden kann, er ist Teil eines sehr umfassenden Konzepts. Denn nach verbreiteter biblischer (Ex 22,17; Ez 13,17 – 23) und auch frühjüdischer (1 Hen; TestRub 4 f.) Auffassung nimmt die Frau in Bezug auf »Magie« eine Sonderstellung ein. Sie gilt als besonders gefährdet bzw. ansprechbar für die negative Seite von »Magie« und »Zauberei«. Diese Auffassung spiegeln auch die frührabbinischen Texte. Sie nährt sich substantiell z. T. durch die zuvor angesprochenen Tätigkeiten u. a. im medizinischen Bereich. Wenn eine Frau etwa als Hebamme tätig war, so hatte sie auf diesem Gebiet oft weitaus größere Kenntnisse als die Rabbinen, und das gilt auch für die Pharmakologie und Kunde von Heilmitteln. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Frauen fast immer auf eine sehr allgemeine Weise auf »Zauberei« angesprochen werden, denn es ist kaum speziell von »Hexen« bzw. »Zauberinnen« oder von konkreten Personen die Rede.26 Auch entsprechende Erzählungen sind rar und häufig erst in jüngeren Textsammlungen zu finden. Der bekannteste Text ist die legendarische »Hexenerzählung«27 mit Shimon ben Sheṭah. In ihr geht es um die Hinrichtung von ˙ 80 Hexen in Asqalon, was eigentlich in direktem Gegensatz zu der Beschränkung in der Mishna steht, wonach keine zwei Todesurteile an einem Tag gefällt und vollstreckt werden dürfen.28 Schlussfolgerungen im Blick auf einen historilanta 1993, 7 – 32; S. Fishbane, Most Women Engage in Sorcery: An Analysis of Female Sorceresses in the Babylonian Talmud, in: ebd., 143 – 165; Ilan, Jewish Women (s. Anm. 3), 221 – 225; B. (R.) Kern-Ulmer, The Depiction of Magic in Rabbinic Texts: The Rabbinic and Greek Concept of Magic, JSJ 27 (1996) 289 – 303; G. Veltri, Magie und Halakha. Ansätze zu einem empirischen Wissenschaftsbegriff im spätantiken und frühmittelalterlichen Judentum, TSAJ 62, Tübingen 1997, bes. 65 – 72; Becker, Wunder (Anm.  1), 135 – 138; M. Murray, The Magical Female in Graeco-Roman Rabbinic Literature, RT 14 (2007), 284 – 309; G. Bohak, Ancient Jewish Magic. A History, Cambridge 2008, bes. 392 – 398, zu nennen. 25  Vgl. Bar-Ilan, Witches (s. Anm. 24), 11. Zu weiteren Traditionen s. auch SifDev 52 sowie yQid 4,11 (66c); yAZ 1,9 (40a); yDem 3,3 (23c); bBer 53a; bEr 64b; bSan 67ab; 100b; bGit 45a; bQid 81a; bHul 105b. 26   S. z. B. bPes 110a; weitere Belege bei Veltri, Magie (s. Anm. 24), 67 Anm. 198. 27   yHag 2,2 [77d] par. ySan 6,8 [23c]; vgl. die Andeutungen in mSan 6,5; SifDev 221. 28   Zum Text s. J. Neusner, The Rabbinic Traditions About the Pharisees Before 70, Bd. I, Leiden 1971, 90 f.92 f.131 – 133; M. Hengel, Rabbinische Legende und frühpharisäische Geschichte. Schimeon b. Schetach und die achtzig Hexen von Askalon, AHAW.PH 1984 / 2, Heidel-

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schen Kern sind umstritten; vor allem wird man die Erzählung weder als Beweis für die Anfälligkeit der Frau noch für die Verbreitung von »Magie« zur Zeit des Shimon ben Sheṭah heranziehen können, sondern allenfalls für entsprechende ˙ Vorurteile zur Zeit der Redaktion des Yerushalmi.29 Dies entspricht freilich einem auch im paganen Bereich zu beobachtenden Muster, da auch dort ein Hiat zwischen literarischen Darstellungen und Vorwürfen einerseits und realen Prozessen etc. andererseits besteht. Über tatsächliche Gerichtsverfahren oder gar Hinrichtungen wegen »Zauberei« wissen wir aus dem jüdischen Bereich jedenfalls so gut wie nichts. Feststehen dürfte, dass die Legende mehr über die »magischen« Vorstellungen und Motive der talmudischen Zeit sowie deren Verständnis der vorrabbinischen Zeit aussagt.30 Das generelle Urteil wird man auch im Zusammenhang mit einem (dämonisch‑)»magischen« Verständnis weiblicher Sexualität sehen müssen, da die Gebärfähigkeit wie der weibliche Zyklus stets rätselhaft blieben und dennoch eine besondere Rolle gespielt haben. Hierfür steht auch die enge Verbindung zum Unzuchts-Vorwurf. Diesen fasst ein den Weisen zugeschriebener Ausspruch zusammen: »Die Prostitution und die Zauberei vernichteten alles!«, was hier in einem Geschichtsüberblick im Rückblick auf die Zerstörung Jerusalems und des Tempels formuliert ist.31 Solchen und ähnlichen sehr massiven Verdächtigungen und Allgemeinplätzen steht allerdings gegenüber, dass es in den frührabbinischen Texten eigentlich kaum Indizien dafür gibt, dass eine derartige Beurteilung von Frauen irgendeinen Anhalt in den tatsächlichen Verhältnissen hatte. So spricht vieles gegen eine geschlechtsspezifische Verteilung der »Zauberei«, zumal nicht nur in den Talmudim die weitaus meisten Belege zu »Zauberpraktiken« Rabbinen bzw. Männern beigelegt werden. Überhaupt sind entsprechende spezifisch weibliche Verbalformen in den Texten gegenüber Aussagen mit männlichen Formen in der Minderzahl.32 berg 1984; J. Efron, The Deed of Simeon ben Shatah in Ascalon, in: A. Kasher (Hg.), Jews and Hellenistic Cities in Eretz-Israel. Relations of the Jews in Eretz-Israel with the Hellenistic Cities during the Second Temple Period (332 BCE – 70 CE), TSAJ 21, Tübingen 1990, 318 – 341; Ilan, Jewish Women (s. Anm. 4), 161 f.; Veltri, Magie (s. Anm. 24), 69 – 72; Murray, Magical Female (s. Anm.  24), 294 – 296; Bohak, Magic (s. Anm. 24), 393 – 395. 29   Insbesondere Martin Hengels »Verschlüsselungstheorie« hat in Bezug auf im Hintergrund stehende historische Ereignisse ein geteiltes Echo gefunden (skeptisch z. B. Veltri, Magie [s. Anm. 24], 69 f.; Bohak, Magic [s. Anm. 24], 394 f.). 30   Dies haben u. a. Hengel, Efron und Veltri gezeigt. 31   Rabbi Shimon ben Elazar sagt: [Als] die Reinheit [aufhörte,] nahm [sie] Geschmack und Geruch weg, [als] die Zehnten [aufhörten,] nahmen [sie] die Kraft des Getreides weg, aber die Gelehrten sagen: Die Hurerei und die Zauberei vernichteten alles. (mSot 9,13) 32  Vgl. Ilan, Mine (s. Anm. 3), 232 f. Dies gilt auch für die sog. Amoriterbräuche, womit im Wesentlichen magische Praktiken bezeichnet werden. Auch hier ist der Anteil weiblicher Formulierungen wesentlich geringer als der männlicher. Zu den Amoriterbräuchen vgl. Veltri, Magie (s. Anm.  24), 93 – 183 bzw. – 220; Becker, Wunder (s. Anm.  1), 121 – 127.

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Allerdings wird das Problem einer geschlechtsspezifischen Verteilung von »Zauberei« auch in der halakhischen Diskussion behandelt. Insofern in Ex 22,17 nur von einer »Zauberin« die Rede ist, ergibt sich die Frage nach dem »Zauberer«, der wiederum im Prophetengesetz in Dtn 18,10 allein genannt wird, was die Grundlage für die rabbinische Rechtsauffassung in mSan 7,4 ff. darstellt.33 Hier sah man in frührabbinischer Zeit offenbar noch kein Problem. Auch die Tosefta (tSan 11,6) signalisiert dies dadurch, dass Ex 17,12 als Äquivalent an der Stelle zitiert wird, an der eigentlich von mSan 7,11 her von einem »Zauberer« nach Dtn 18,10 die Rede sein müsste. Implizit wird damit beides miteinander identifiziert. Dagegen wird in MekhY Ne 17 (Ex 22,17) die geschlechtsspezifische Nennung als Problem gesehen und durch die Ergänzung »sowohl Mann als auch Frau« erläutert. Dies wird zudem mit Lev 20,27 und der dortigen Nennung von Mann und Frau begründet. Auch hier wird kein Unterschied betont. Ähnlich gilt dies sogar für den Yerushalmi (ySan 7,19 [25d]), da die Identifikation der MekhY übernommen wird. Dies macht in ähnlicher Weise zwar auch der Bavli (bSan 67a), doch erfolgt dort eine andere Begründung als im Yerushalmi. Der Bavli begründet die Nennung der »Zauberin« frauenspezifisch: »Weil sich die Mehrheit der Frauen der Zauberei hingibt« und bringt als einziges Beispiel eine Erzählung mit einer Frau. Deutlich wird damit vor allem ein zeitliches Gefälle, doch spielt auch der babylonische Kulturraum eine besondere Rolle. An dieser Stelle besteht in der akademischen Diskussion freilich ein Problem bei der Beurteilung des Befunds. Möchte ein Teil der Beiträge eine gewisse Furcht der Rabbinen vor der Macht der Frau auch im religiösen Bereich belegt sehen, so versuchen andere Darstellungen, eine differenziertere Interpretation der Phänomene zu geben,34 was wohl den Vorzug verdient, zumal auch zeitliche und lokale Veränderungen berücksichtigt werden müssen. Dass jedoch das familiäre Rollengefüge an manchen Stellen Lücken aufweist, die nicht durch halakhische Regelungen aufgefangen werden, deutet sich darüber hinaus in einigen Texten an. So spielen nämlich in einigen späteren rabbinischen Texten ältere, alleinstehende – evtl. verwitwete – Frauen, die keine familiären Verpflichtungen mehr haben oder nicht mehr unter einer Vormundschaft stehen, eine besondere Rolle. Hinzu kommt, dass diese Frauen z. T. so geschildert werden, dass sie ein Auskommen hatten bzw. finanziell unabhängig erscheinen. Dies dürfte zwar bei älteren Witwen die Ausnahme darstellen, doch wo dies der Fall war, ist keineswegs auszuschließen, dass es zu Problemen mit der männlich dominierten Sicht der Aufgaben dieser Frauen kommen konnte, wenn keine internen Diszipli33  Vgl. Veltri, Magie (s.  Anm. 24), 26 – 92; Ilan, Jewish Women (s.  Anm. 3), 221 – 225; ­Becker, Wunder (s. Anm.  1), 136 – 138. 34   So jüngst wieder Murray, Magical Female (s. Anm. 24), 299 – anders z. B. Veltri, Magie (s. Anm. 24), 66 f.

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nierungsmöglichkeiten durch Ehemänner, Väter oder Brüder mehr bestanden. In ähnlicher Weise gelten derartige Voraussetzungen auch für manche der als »Matronen« bezeichneten Frauen, die gleichfalls aus den soziologischen Rollenkonzeptionen der patriarchal dominierten rabbinischen Texte herausfallen und dadurch möglicherweise auch eine Gefährdung für das Autoritätsgefüge der rabbinischen Gesellschaftskonstruktion darstellen konnten. Dies illustriert eine Erzählung aus dem Bavli eindrücklich: Ferner sagte Abajje: Früher glaubte ich, man esse Kräuter von einem Gärtnerbündel deshalb nicht, weil dies den Anschein der Gefräßigkeit hat, der Meister aber erklärte mir, weil dies wegen Zauberei schädlich ist. Einst reisten R. Hisda und Rabba b. R. Hona zu Schiff. Da sprach eine Matrone zu ihnen: Nehmt mich mit. Sie nahmen sie aber nicht mit. Da sprach sie etwas und bannte das Schiff. Hierauf sprachen sie etwas, und machten es flott. Da sprach sie zu ihnen: Was kann ich gegen euch, die ihr euch nicht mit einer Scherbe reinigt, keine Laus auf den Gewändern tötet, und nicht Kräuter von einem Gärtnerbündel esset. (bHul 105b)

Bemerkenswert ist einerseits, dass die Rabbinen hier nicht halakhisch zu argumentieren versuchen, sondern sie greifen ihrerseits zum Gegenzauber, da Gleiches nur mit Gleichem bekämpft werden kann. Allerdings rekurriert der Text mit der Erwähnung der Kräuter ebenfalls auf magisches Repertoire und bringt dies mit anderen Eigenschaften der Rabbinen in Zusammenhang, wobei auch dabei die Halakha keine Rolle spielt. Der Rabbi verwandelt sich in talmudischer Zeit schleichend auch zu einem Magus. Dennoch fruchtet auch der implizit durch die Geschichte gegenüber der Matrone erhobene Magievorwurf. Sollte dies zutreffen, so bestünde hierin ein deutlicher Ausdruck dafür, dass über einen Magievorwurf auch eine gewisse Sozialkontrolle ausgeübt wurde, was eine problematische Pointe freilich darin hat, dass die Rabbinen eigentlich nichts anderes tun als die Matrone. Die sich hier andeutende Entwicklung im Bild eines Rabbis ist umso erstaunlicher, als in frührabbinischer Zeit die Magievorwürfe sehr viel expliziter eingesetzt wurden. Diese betrafen auch keineswegs nur Frauen, wohl aber meist Randgruppen. Man grenzt sich dabei nach innen gegenüber den Minim35 wie nach außen gegenüber den Bräuchen der Amoriter36 ab. Darüber hinaus war durchaus ein »kritisches« Bewusstsein vorhanden, wenn man zwischen Augentäuscherei und »echten Taten« unterschied.37 Zumindest wurde versucht, biblische Traditionen (z. B. der »ehernen Schlange« oder der Hände Moses in der Amalekiterschlacht38) vor einer »magischen Interpretation« zu schützen.

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  Becker, Wunder (s. Anm.  1), 127 – 132.   Veltri, Magie (s. Anm.  24), 93 – 183 bzw. – 220; Becker, Wunder (s. Anm.  1), 121 – 127. 37   Becker, Wunder (s. Anm.  1), 116 – 119. 38   Becker, Wunder (s. Anm.  1), 133 – 135. 36

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Interessant erscheint nun einerseits die Frage, ob es neben solchen Auseinandersetzungen auch noch weitere Erscheinungen gibt, die näher an den spezifisch rabbinischen Bereichen liegen, und andererseits, ob es in diesem Kontext auch relevante Äußerungen über die Frauen der Rabbinen bzw. aus dem rabbinischen Bereich gibt. Das bekannteste und daher häufig angeführte Beispiel stellt Berurja dar.39 Sie gilt traditionell als Tochter des R. Hanania ben Teradion und Ehefrau von ˙ R. Meir – was aber durchaus skeptisch gesehen werden kann. Über sie wird u. a. berichtet, dass sie sich mit der Auslegung genealogischer Texte beschäftigt habe (bPes 62b), sich auch an halakhischen und anderen Diskussionen beteiligte (bBer 10a; bErub 53b – 54a) und sogar in ihrem Tun von Rabbinen gelobt wurde (tKelBM 1,6).40 Freilich ist keineswegs sicher, dass das entsprechende Material authentisch ist, so dass allein gewiss erscheint, dass man in talmudischer Zeit Berurja als eine schlagfertige und in der Exegese beschlagene Frau verehrte, was Rashi seinerseits aber mit Argwohn kommentierte. Über die historischen Umstände lässt sich darum kaum etwas sagen, zumal hier auch vertraute Topoi hellenistischer Gelehrtenbiographien41 bei der Ausgestaltung der nahen verwandtschaftlichen Beziehungen der Rabbinen untereinander eine Rolle gespielt zu haben scheinen. Bemerkenswert bleibt, dass es einerseits kontroverse Kommentierungen gab, und dass andererseits dennoch das hier zu Tage tretende Frauenbild durchaus mit anderen Äußerungen kongruiert, auch wenn es weithin um einen Sonderfall geht. Ein weiteres, wenn auch vollkommen anders angelegtes Beispiel dafür, was die Rabbinen über eine Frau, vor allem über das Verhältnis eines Rabbis zu seiner Frau, dachten, bietet die Tradition über R. Akiva und seine Frau, die in der späteren Überlieferung Rachel heißt.42 Neben den Traditionen in beiden Talmudim (yShab 6,1 [7d]; ySot 9,16 [24c]; bNed 50a; bKet 62b – 63a) existieren auch noch verschiedene Fassungen in ARN A 6 und B 12. Bleiben diese wie die Yerushalmi-Versionen fragmentarisch, so entfalten die beiden Bavli-Traditionen das Geschehen sehr breit und ausführlich. 39   S. dazu und zu Problemen mit der Rekonstruktion historisch zuverlässiger Information zu Berurja Ilan, Jewish Women (s. Anm. 3), 197 – 200; dies., Mine (s. Anm. 3), 68 – 73; dies., Integrating (s. Anm.  4), 175 – 194. 40   Die einschlägigen Traditionen zu Berurja und ihrer Beurteilung durch die Rabbinen – bis hin zur Kommentierung durch Rashi – bespricht T. Ilan, Integrating (s. Anm. 4), 175 – 194, ausführlich. 41  Vgl. Stemberger, Einleitung (s. Anm. 3), 77. 42  Vgl. Ilan, Mine (s. Anm. 3), 38 – 48 passim. Tal Ilan macht die Rachel-Tradition geradezu zum Paradebeispiel und Testfall für ihre exegetisch-methodischen Ansätze und Überlegungen, so dass die Texte und Aussagen immer wieder aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Hier finden sich ausführliche Kommentierungen zu allen Versionen der Erzähltradition. S. darüber hinaus auch S. Plietzsch, Verführung zur Tora: das Konzept idealer Weiblichkeit in der rabbinischen Überlieferung zu Rabbi Akiba und seiner Frau, lectio difficilior 1 (2011), 1 – 15.

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In den Yerushalmi-Versionen steht das Geschenk im Mittelpunkt des Interesses. Es handelt sich um ein Diadem, das dem Prospekt der befestigten Stadt Jerusalem nachempfunden scheint, welches nach der Zerstörung der Stadt nicht mehr angefertigt wurde. Dies Diadem erweckt den Neid der Frau R. Gamliels.43 Dieser ist nicht irgendwer, sondern der Vorsitzende des Sanhedrins. Und dieser R. Gamliel entgegnet mit einem Verweis auf das Handeln der Frau des R. Akiva, nämlich, dass deren Verzicht – letztlich durch den Verkauf der Haarspangen eine Art Mäzenatentum – dessen Torastudium erst ermöglicht hat. Diese Pointe bietet die Legitimation dafür, ein solches Diadem zu tragen, nicht die soziale Position der Gattin des Vorsitzenden des Sanhedrins. Doch bleibt diese Kritik durch die auf ein Minimum reduzierten Aussagen sehr subtil. Erst die BavliVersionen lösen die Probleme auf, indem sie diverse Leerstellen füllen. Von besonderem Interesse ist dort sowohl das Verhalten Akivas – der einfach nochmals zwölf Jahre im Lehrhaus verbringt, weil er meint, die Erlaubnis seiner Frau zu haben – als auch das Verhalten seiner Frau, die entgegen aller Anfeindungen, Widrigkeiten und der Armut, weil sie enterbt wurde, ihren Mann zum Studium ermuntert und finanziell wie ideell freistellt. Das wird mit verschiedenen Motiven angereichert: der Enterbung durch Rachels Vater, der dennoch bleibenden innigen Beziehung, dem Auftreten Elijas, eines advocatus diaboli und Versuchers, weisheitlicher und schöpfungstheologischer Aspekte. All dies spielt in unterschiedlicher Weise eine Rolle. Jedenfalls gilt diese Frau aufgrund ihres Verhaltens, das den Gatten zum Torastudium freistellt, als Musterbeispiel der treu sorgenden Gattin eines Rabbis. Sie wirkt in der Ketubbot-Erzählung geradezu wie ein Antityp zu Eva. Diese verführte Adam quasi zur Gebotsübertretung, während Rachel ihren Akiva dazu verleitet, Tora zu studieren.44 Auch die Rolle des Schwiegervaters ist hier konsistenter gezeichnet, insofern das Motiv, weshalb er Akiva nicht zum Schwiegersohn haben wollte – nämlich dessen Unwissenheit –, hier eine Auflösung findet. Bemerkenswert ist schließlich das stets latent mitschwingende Vertrauensverhältnis der Eheleute, das sich entgegen allen Einreden – wie die angespielten Nachbarinnen mit ihrem Rat, sich herauszuputzen – durchsetzt. Rachel selbst zitiert sogar die Schrift, wobei dadurch die Demutsgeste gegenüber ihrem Mann nochmals interpretiert zu werden scheint, indem sie auf ein souveränes Wissen deutet, das sich deshalb aber gerade dem Rabbi und Ehemann unterordnen kann.

43   Dies Motiv tritt nicht nur in dieser Erzählung auf, sondern scheint eine feste Größe im Repertoire vor allem solcher Geschichten zu sein, in denen eine rabbinische Führungsgestalt durch das Verhalten eines rangniederen Rabbis herausgefordert scheint – wobei es allerdings nie um die rabbinische Kernkompetenz, sondern um aus rabbinischer Sicht sekundäre Aspekte wie eine bestimmte Frömmigkeit oder Großzügigkeit geht. 44   Diese Motivparallele hat S. Plietzsch, Verführung (s.  Anm. 42), 6 – 11, sehr prägnant ­herausgearbeitet.

». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a)

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Gewiss ist aufgrund der in dieser Erzähltradition entfalteten Idealisierung nicht alles zum Verhältnis eines Rabbis und seiner Frau gesagt, aber es wird doch eine Reihe wichtiger Aspekte genannt. Es fällt allerdings auf, dass neben dieser Mustererzählung zum Verhältnis eines Rabbis und dessen Frau auch weitere Erzählungen in der rabbinischen Literatur kursieren, die in ähnlicher Weise ebenfalls das Verhältnis von Eheleuten betreffen, nur dass es nicht die Rabbinen sind, sondern Paare, die man am ehesten mit den eingangs genannten »Charismatikern« identifizieren kann.45 Diese firmieren unter verschiedenen Bezeichnungen in den Texten: z. B. als Hassidim (Fromme) oder Männer der Tat bzw. ˙ der Wahrheit.46 Im Mittelpunkt steht dabei die Darstellung des Hanina ben Dosa und sei˙ ner Frau, wobei bereits auffällt, dass in den ältesten Traditionen nirgends von einer Frau die Rede ist. Hanina kann als Musterbeispiel eines solchen Wunder˙ charismatikers gelten, dessen Frömmigkeit die vieler Rabbinen übertrifft und der deshalb, d. h. aufgrund seiner Gottesnähe, immer wieder Wunder erfährt. Hierbei zeigt sich deutlich, dass diese Gestalten in der Regel nicht in das Raster eines rabbinischen Selbstverständnisses passen. Freilich wird ihnen von den Rabbinen ihre Frömmigkeit auch nicht in Abrede gestellt, was eine Tolerierung andeutet, auch wenn es durchaus noch Indizien gibt, welche darauf hindeuten, dass die Akzeptanz nicht überall gleichermaßen erfolgte. Deutlich erkennbar ist auch eine Veränderung der Darstellung, die diese Gestalten mit der Zeit erfuhren und die insbesondere ihre Rabbinisierung – d. h. eine Angleichung an rabbinische Verstehensmuster – mit sich brachte. Allerdings lässt sich auch ein komplementärer Effekt beobachten, durch den charismatische Aspekte einfacher in das Darstellungsmuster der Rabbinen selbst eingepasst werden konnten. Insgesamt handelt es sich um einen hochkomplexen Prozess, bei dem ebenfalls die lokalen Unterschiede eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Zeichnen die frühesten Traditionen (mBer 5,5) Hanina beispielsweise als ˙ einen Gesundbeter mit prognostischen Fähigkeiten, der Erkenntnis über das Geschick eines Menschen besitzt, so wird das nicht nur um Heilungen und andere Wunder ergänzt,47 sondern er wird schon bald mit Aspekten versehen, die ihn auch mit weisheitlichen Aussprüchen verbinden und damit einem genuin rabbinischen Verständnis annähern.48 Als gesichert kann gelten, dass es sich um eine historische Gestalt handelt, die im Galiläa des ersten Jahrhunderts u. Z. gelebt hat, was natürlich immer wieder zu Vergleichen mit Aspekten der

45   Im Zentrum des rabbinischen Interesses stehen Honi der Kreiszieher und Hanina ben ˙ ˙ Becker, Dosa sowie einige weitere Gestalten, die nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten. Vgl. Wunder (s. Anm.  1), 290 – 378 bzw. – 405. 46   Becker, Wunder (s. Anm.  1), 368 – 375. 47   Becker, Wunder (s. Anm.  1), 347 – 361. 48   Becker, Wunder (s. Anm. 1), 364 f.

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Jesus-Tradition Anlass gegeben hat. Das ist aber hier nicht das Anliegen. Vielmehr sollen die Traditionen in den Blick genommen werden, die von seiner Frau sprechen. Sie sind größtenteils als Anhang an eine Sammlung von Wundererzählungen zu ihrem Mann zusammengestellt und in ihrer Pointe teilweise durchaus ähnlich zu diesen Geschichten. So wird zunächst ein Wunder berichtet, bei dem das Erscheinen von Brot bzw. Teig die Frau Haninas davor bewahrt, ˙ schamhaft ihre Armut vor ihrer Nachbarin eingestehen zu müssen: An jedem Vorabend des Sabbats pflegte seine Frau den Ofen zu heizen und etwas Rauchendes hineinzuwerfen, weil sie sich schämte. Sie hatte aber eine böse Nachbarin, und diese sagte einst: Ich weiß, dass sie nichts hat, was soll dies nun!? Da ging sie und klopfte an ihre Tür, und jene schämte sich und flüchtete in eine Kammer. Es geschah aber ein Wunder, und sie sah den Ofen voll Brot und die Mulde voll Teig. Da rief sie: Du, du, hole eine Schaufel, dein Brot brennt an. Jene erwiderte: Dazu ging ich eben. Es wird gelehrt, sie ging auch wirklich eine Schaufel holen, weil sie an Wunder gewöhnt war. (bTaan  24b – 25a)

Die Armut des Paares spielt auch in der darauffolgenden Erzählung eine wichtige Rolle, ist sie doch der Anlass dafür, um Abhilfe zu bitten: Einst sprach seine Frau zu ihm: Wie lange noch werden wir uns so quälen! Dieser erwiderte: Was sollen wir tun!? – Flehe um Erbarmen, dass man dir etwas gebe. Hierauf flehte er um Erbarmen. Da ragte eine Art Hand hervor und überreichte ihm den Fuß eines goldenen Tisches. Darauf sah sie im Traume: dereinst werden die Frommen an goldenen Tischen mit drei Füßen essen, du aber an einem Tisch mit zwei Füßen. Da sprach sie zu ihm: Ist es dir denn recht, dass alle Welt an einem ganzen Tisch esse, wir aber an einem defekten!? Dieser erwiderte: Was sollen wir nun tun!? – Flehe um Erbarmen, dass man ihn dir abnehme. Darauf flehte er um Erbarmen, und man nahm ihn ihm ab. Es wird gelehrt: Das zweite Wunder ist größer als das erste, denn es ist überliefert, dass man wohl gibt, aber nicht zurücknimmt. (bTaan 25a)

Bemerkenswert ist, dass Hanina zwar derjenige ist, der bittet und dem ein Wun˙ der geschieht, doch ist es seine Frau, die sensibel genug ist, das Problem der Hilfe zu erkennen. Ihr Traum malt aus, wie lächerlich es sein wird, wenn man krampfhaft einen zweibeinigen Tisch festhalten muss, weil er das dritte Bein, das dem Tisch einen stabilen Stand verleihen würde, schon erhalten hat. Dass die Rücknahme eines Wunders für größer als das Wunder selbst erachtet wird, ist darüber hinaus ein verbreiteter Topos. Beim nächsten Wunder steht Haninas Tochter im Zentrum. Sie vertauscht Öl ˙ mit Essig beim Befüllen einer Öllampe: Einst sah er an einem Freitag, dass seine Tochter traurig war, und fragte sie, weshalb sie traurig sei. Diese erwiderte: Mir ist die Ölkanne mit der Essigkanne vertauscht worden, und ich habe aus dieser die Sabbatleuchte gefüllt. Dieser erwiderte: Meine Tochter, was geht dich dies an; wer dem Öl zu brennen befohlen hat, kann auch dem Essig zu brennen befehlen. Es wird gelehrt: Die Leuchte brannte dann den ganzen Tag, und man verwandte sie noch beim Unterscheidungssegen. (bTaan 25a)

». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a)

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Das Wunder, das hier geschieht, besteht somit in einer Veränderung der schöpfungsmäßigen Ordnung und ist in diesem konzeptionellen Bestandteil geradezu »modern« gedacht. Es spielt mit der göttlichen Allmacht, für die kein Ding unmöglich ist – schon gar nicht, wenn es um Hanina und seine Familie geht. ˙ Die letzte Geschichte der Sammlung beginnt mit einer kritischen Anmerkung, die sowohl die Armut als auch die Toratreue Haninas zu beweisen sucht: ˙

Woher hatte R. Hanina b. Dosa Ziegen, wo er doch so arm war!? Ferner sagten ja die Weisen, man dürfe im Israellande kein Kleinvieh halten!? R. Pinhas erwiderte: Einst war jemand an seiner Tür vorübergegangen und hatte da Hühner zurückgelassen; die Frau des R. Hanina b. Dosa fand sie, er aber verbot ihr, von den Eiern zu genießen. Als Eier und Hühner sich vermehrten und sie ihm lästig wurden, verkaufte er sie, und für den Erlös kaufte er Ziegen. Eines Tages ging der Mann vorüber, der die Hühner verloren hatte, und sagte zu seinem Genossen: Hier ließ ich die Hühner zurück. Als R. Hanina b. Dosa dies hörte, fragte er ihn: Hast du an diesen ein Zeichen? Dieser erwiderte: Jawohl. Darauf sagte er ihm das Zeichen und erhielt die Ziegen. Das sind die Ziegen, die auf ihren Hörnern die Bären heimbrachten. (bTaan 25a)

Die Geschichte bildet den Abschluss der Sammlung und trägt stark legendarische Züge. Dennoch steht nicht ein Wundergeschehen im Mittelpunkt, sondern die Frömmigkeit. Allenfalls angedeutet ist auch das Verhalten der Frau Haninas. ˙ Trotz der bekannten Armut des Paares verbietet Hanina, etwas von den Eiern zu ˙ genießen. Da sich aber Eier und Hühner vermehren, bleibt nur der Verkauf und Tausch gegen Ziegen. Diese gibt Hanina jedoch an den rechtmäßigen Besitzer, ˙ was Haninas Ehrlichkeit und Toratreue trotz seiner Armut bestätigt. ˙ Ganz aus dem üblichen Rahmen fällt schließlich die separat überlieferte Erzählung zu der kostbaren Kiste, welche der Frau Haninas gehören soll und ˙ deren Besitz und besondere Bewandtnis erst durch eine Bat Qol geklärt wird. Die kostbare Gestalt der Kiste steht zwar in direktem Gegensatz zur sonst geschilderten Armut des Paares, aber die Kiste wird offenbar mit einer eschatologischen Funktion versehen, insofern in sie die Purpurfäden für die Frommen gelegt werden sollen: R. Johanan erzählte: Einst reisten wir auf einem Schiff und sahen eine Kiste, die mit Edelsteinen und Perlen besetzt war, und sie war von einer Fischart umgeben, die Karsa heißt. Da stieg ein Taucher hinab und wollte sie holen, [ein Fisch] merkte es aber und wollte ihn in den Schenkel beißen; da warf er nach ihm einen Schlauch Essig, und er sank hinab. Hierauf ertönte eine Hallstimme und sprach zu uns: Was wollt ihr von der Kiste der Frau des Hanina b. Dosa; sie wird dereinst in diese die Purpurfäden für die Frommen legen. (bBB 74ab)

Da inhaltlich nicht erläutert wird, was Letzteres bedeuten soll – ob hier beispielsweise eine eschatologische Belohnung ähnlich den goldenen Tischen vorliegt –, bleibt manches unklar. Deutlich wird jedoch, dass Haninas Frau gegen˙ über den Frommen eine besondere Stellung einnimmt, da sie offenbar für die Frommen die kostbare Belohnung aufbewahrt.

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Fast alle diese Geschichten dokumentieren einerseits ein Interesse an Hanina ˙ und seiner Frau; andererseits zeigt sich, dass es literarische Motive und Tradi­ tionen sind, welche die Ausgestaltung der Traditionen maßgeblich geprägt haben, die jetzt auch auf seine Frau übertragen werden. Ein zentrales Motiv stellt auch hier die Armut dar sowie die Hilfe, die den Frommen gewährt wird. Die Erzählung über die »wunderbare Brotvermehrung« hat gar kein Problem damit, den erzähllogischen Widerspruch durch die Steigerung des Wunderbaren zu lösen. Deutlich ist zugleich, dass es hier nicht um Wundertätigkeit geht, sondern um die Erfahrung von Wundern, die in diesem Fall geradezu als etwas Alltägliches wirken. Eigentümlich bleibt freilich, dass es eigentlich gar nicht um die Beseitigung des objektiven Mangels und des Hungers geht, sondern um das Überspielen des Schamgefühls, was erst durch die neugierige Nachbarin entsteht. Bei der zweiten Wundererzählung geht es wiederum um die Armut, wobei Haninas Frau hier die treibende Kraft im Blick auf eine Veränderung darstellt. ˙ Die Ironie, mit der das geschilderte Geschehen spielt, hat Unterhaltungswert, doch ist auch der Vorschuss auf das himmlische Verdienst Haninas theologisch ˙ bemerkenswert, zumal daran das Paar insgesamt partizipiert. Die weiteren Geschichten zur Vertauschung von Essig und Öl und zu den Ziegen Haninas fallen dagegen ab, da einerseits Haninas Frau keine bedeutende ˙ ˙ Rolle spielt und andererseits das Wunder wie der Erzählinhalt fast groteske Züge erhält. Die Tradition zu der Kiste seiner Frau ist dagegen nicht nur außergewöhnlich: sie deutet auch Aspekte in der Darstellung der Frau Haninas an, die ˙ aufgrund der eschatologischen Implikationen weit über das hinausgehen, was die anderen Geschichten – auch die zu Hanina allein – vermitteln. ˙ Abschließend sei noch eine Heilungsgeschichte angesprochen, in welcher Hanina den Sohn von R. Johanan ben Zakkai heilt. In ihr kommt zwar nicht ˙ ˙ Haninas Frau zu Wort, sondern die Frau des hier als Lehrer Haninas geschilder˙ ˙ ten Johanan ben Zakkai. Auf ihre Weise setzt die Erzählung aber nochmals eine ˙ bedeutsame Pointe, welche die Bedeutung der Charismatiker in ganz besonderer Weise hervorhebt49: Abermals ereignete es sich mit R. Hanina b. Dosa, dass er zu R. Johanan b. Zakkai die ˙ erkrankte, sprach Tora studieren ging, und da gerade ˙der Sohn des R. Johanan b. Zakkai ˙ dieser zu ihm: Hanina, mein Sohn, flehe doch für ihn um Erbarmen, dass er genese! Da ˙ zwischen seine Knie und flehte für ihn um Erbarmen und jener genas. legte er sein Haupt Hierauf sprach R. Johanan b. Zakkai: Hätte der Sohn Zakkais den ganzen Tag seinen Kopf zwischen seine ˙Knie geschlagen, man würde ihn nicht beachtet haben. Da sprach seine Frau zu ihm: Ist denn Hanina bedeutender als du? Er erwiderte ihr: Nein; allein, er ist wie ein Diener vor dem˙König, ich aber wie ein Fürst vor dem König. (bBer 34b)

49

  Becker, Wunder (s. Anm.  1), 355 – 364.

». . . denn sie war an Wunder gewöhnt« (bTaan 25a)

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Neben zahlreichen Details – insbesondere dem Gestus50 –, auf die hier nicht eingegangen werden soll, ist wieder die Konkurrenzsituation im Blick, die wie bei der Geschichte zu R. Aqiva durch die Ehefrau des Rabbi initiiert ist. Auch hier geht es um das Ansehen, aber mittelbar auch um die Heilungsgabe, die außerhalb der Handlungsoptionen der Rabbinen liegt. Die keineswegs einfache Situation wird durch eine paradoxe Aussage gerettet, bei welcher der oberflächlich gesehen höhere Status des R. Johanan b. Zakkai sich in Wirklichkeit als der ˙ geringere erweist. Denn nur scheinbar ist der Fürst der wichtigere Mann, da nur der Diener einen permanenten Zugang zu seinem Herrn hat, womit eine metaphorische Umschreibung für die unmittelbare Gottesnähe Haninas zum ˙ Ausdruck gebracht wird. Bemerkenswert ist, dass sich die rabbinische Literatur zahlreicher Idealbilder und typenhafter Zeichnungen bedient, nicht nur, wenn sie über die Frauen spricht. Das gilt für den Charismatiker und seine Frau wie auch für den Rabbi. Angesichts der sonst oftmals eingesetzten Magievorwürfe gerade gegenüber den Frauen ist es jedoch erstaunlich, dass hier sowohl gegenüber der Frau wie gegenüber Hanina selbst die gleiche Zurückhaltung geübt wird. Das mag mit der spä˙ ten Entstehungszeit wie dem kulturellen Kontext in Babylonien als dem mutmaßlichen Entstehungsort der Geschichten zusammenhängen, doch liegt darin auch die enorme Kraft, welche die Integration solcher Geschichten ermöglichte. Das nahm den Erzählungen zwar auch einen Teil ihres eigentlich kritischen Potentials, doch zeigen sich davon auch immer wieder Reste, insofern sie trotz der Rabbinisierung der Gestalten auch noch eine Dynamik offenbaren, welche keiner Anpassung zum Opfer fiel. Damit bleibt das spezielle »Gewöhntsein an Wunder« eine keineswegs vernachlässigbare Dimension des Charismatikertums in der rabbinischen Literatur, was die Frommen – Mann wie Frau – in besonderer Weise auszeichnet und was auch von den Rabbinen mitunter neidvoll, mitunter bewundernd anerkannt werden musste, da hier eine Gottesnähe angedeutet wurde, die selbst vielen Toragelehrten versagt war.

50

 S. dazu Becker, Wunder (s. Anm. 1), 359 f.

Liste der Autorinnen und Autoren Michael Becker (†) war Privatdozent für Neues Testament und Studienkoordinator an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Christfried Böttrich, Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald. Kimberley Czajkowski, DPhil, ist Lecturer in Ancient History an der School of History, Classics, and Archaeology der University of Edinburgh. Beate Ego, Dr. theol. habil., ist Professorin für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Jörg Frey, Dr. theol. habil., ist Professor für Neutestamentliche Wissenschaft mit Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich und Research-Associate an der Uniersity of the Free State in Bloemfontein. Tal Ilan, PhD, ist Professorin am Institut für Judaistik an der Freien Universität Berlin. Stephanie Janz, MA, ist Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich. Christina M. Kreinecker, Dr. phil. Dr. theol., ist Assistenzprofessorin für Neutestamentliche Wissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Annette Merz, Dr. theol., ist Professorin für Neues Testament an der Protestantisch-Theologischen Universität der Niederlande, Campus Groningen. Nicole Rupschus, Dr. theol., war bis 2017 Projektmitarbeiterin in einem SNF-Forschungsprojekt an der Universität Zürich und ist seither Editor im Verlag Walter de Gruyter in Berlin. Michael Sommer, Dr. theol., ist Juniorprofessor für Bibelwissenschaft am Institut für Katholische Theologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und derzeit Vertretungsprofessor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der KatholischTheologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Angela Standhartinger, Dr. theol. habil., ist Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg. Cecilia Wassén, PhD, ist Senior Lecturer in New Testament am Department of Theology der Universität Uppsala.

Stellenregister 1. Altes Testament (Hebräische Bibel und Septuaginta) Genesis 1,27 175n.3, 207n.102 2 232n.52 6,9 159n.26 7,1 159n.26 15,6 159n.26 18,19 159n.26 18,19 OG 160 18,23 159n.26 18,24 159n.26 18,25 159, 159n.26 18,25 OG 160 18,28 159n.26 19,4 92n.23 20,2 15 20,4 159n.26 24,3 f. 15 24,15 16 24,37 f. 16 25,20 16 25,22 27 28,1 f. 16 29,15 – 30,24 16 30,33 159n.26 31,27 51n.116 31,34 27 34 22 34,25 22n.38 37,31 LXX 14n.9 38,26 159n.26 44,16 159n.26 Exodus 9,27 159n.26 9,29 14n.8 9,33 14n.8 15,1 – 19 42 15,1 42n.65 15,20 f. 27, 42

15,20 42, 51n.118, 42n.65 15,20a 42n.65 15,20b 42n.65 15,21 42n.65 15,25 OG 160n.27 17,12 271 19,11 – 15 73 19,14b – 15 62 19,15 62 21,1 OG 160n.27 21,9 OG 160n.27 21,31 OG 160n.27 22,16 – 30 159 22,17 269, 271 23,7 159n.26 23,8 159n.26 24,3 OG 160n.27 31,12 – 17 65n.34 37,17 31n.3 38,8 37n.38 Leviticus 1 – 16 65n.34 7,6 65n.33 7,20 65 10,10 80 11 – 15 61n.16 11 60 11,1 – 47 60 11,4 – 8 60n.15 11,8 60 11,9 – 12 60n.15 11,13 – 23 60n.15 11,29 – 31 60n.15 11,39 f. 60n.15 11,43 – 45 60n.15, 65n.34 12 6, 27, 64, 69, 71 12,4 65n.34, 70 f. 12,5 63

284 12,6 – 8 15

Stellenregister

61 6, 61, 61n.16, 62n.20, 66, 69, 69n.42, 71, 74, 76 f., 77n.66, 83 15,7 63, 77 15,9 f. 63n.27 15,10 63 15,11 63, 69 15,13 – 15 61 15,13 63 15,16 62 f., 69 15,17 62 15,18 62 f., 73 15,19 – 24 28 15,19 63, 77 15,22 63 15,24 62, 83 15,25 – 30 27 15,25 64, 69n.43 15,29 – 30 61 15,31 61, 65n.34, 71 15,32 f. 61 15,33 63 17 – 27 61 17 – 26 65, 65n.34 18,19 62n.20 18,24 – 30 82 19 – 21 65n.33 19,5 OG 160 19,15 159n.26 19,15 OG 160, 160n.27 19,30 61 19,31 82n.88 19,36 159n.26 20 62n.20 20,1 – 3 82n.88 20,3 61 20,18 62n.20 20,25 f. 65 20,27 271 21,1 – 4 60 22,1 – 16 65n.33 22,4 – 7 75 22,4 60 22,7 75 25,18 OG 160n.27 26,2 61

Numeri 5 72, 267 5,1 – 4 71 5,2 – 4 60, 66 5,2 f. 77n.67 8,22 31n.3 15,6 OG 160n.27 15,37 – 41 65n.34 16,9 31n.3 18 65n.33 19 73 19,1 – 22 60 19,13 66 19,18 71 19,20 66 27 154 27,8 15 27,11 OG 160n.27 31,19 – 24 60 31,19 66 31,24 66 35,29 OG 160n.27 35,33 f. 82n.88 36,6 – 9 15 36,13 OG 160n.27 Deuteronomium 1,16 159n.26 4,5 OG 160n.27 4,8 159n.26 4,8 OG 160n.27 4,14 OG 160n.27 4,45 OG 160n.27 5,1 OG 160n.27 5,14 167 5,31 OG 160n.27 6,1 OG 160n.27 6,20 OG 160n.27 6,25 159n.26 7,11 OG 160n.27 7,12 OG 160n.27 9,4 159n.26 9,5 159n.26 9,6 159n.26 10,12 – 22 159 10,18 159 11,1 OG 160n.27 14 60

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14,29 159, 167 16,11 159, 167 16,14 159, 167 16,18 159n.26, 160n.27 16,18 OG 160 16,19 159n.26 16,19 OG 160 16,20 159n.26 18,10 271 19,15 201n.85 20 267 21 267 21,1 OG 160 23,10 62 24 f. 168n.44 24,13 159n.26 24,14 167 24,17 159 25,1 159, 159n.26 25,1 OG 160, 160n.27 25,5 – 10 266 25,15 159n.26 26,11 167 26,12 167 26,13 167 26,16 OG 160n.27 26,17 OG 160n.27 27,19 159 28,43 167 30,6 OG 160n.27 32,4 159n.26 32,4 OG 160 33,10 OG 160n.27 33,19 159n.26 33,21 159n.26 33,21 OG 160, 160n.27 Richter 4,5 27 4,6 f. 30 5,24 – 27 30 11,5 92n.23 11,34 38n.40, 51n.118 13,19 27 21,21 38n.40 Rut 5

1 Samuel 1,11 27 1,22 – 24 62n.21 1,24 f. 27 2,1 – 10 27, 43 2,10 OG 160 2,19 27 2,22 37n.38 18,6 51n.118 2 Samuel 8,15 159 11,2 28 11,4 28 1 Könige 3,9 OG 160 8,2 25 8,22 14n.8 8,32 OG 160 8,54 14n.8 8,62 – 66 25 10,9 159 17 161 1 Chronik 13,8 37n.37 15,20 37n.37 15,28 37n.37 16,5 37n.37 18,14 159 25,1 37n.37 25,5 f. 37n.37 2 Chronik 5,12 37n.37 6,23 OG 160 9,11 51n.117 29,25 37n.37 31,2 31n.3 Esra 9,5 14n.8 Nehemia 12,27 37n.37

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286 Ester 5,1 – 3 8,12 OG

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18 160

Ester (griechische Version LXX): Zusätze 5, 11 A  1 – 11 17n.22 A  12 – 17 17n.22 B  1 – 7 17n.22 C  1 – 11 12, 17n.22 C  12 – 30 12, 17n.22, 18 C 15 21n.33 C 16 19 C  17 – 21 21n.33 C 17 19 C 18a 19 C 18b 19 C  19 – 23a 19 C 23b 19 C 24 19 C 25b 19 C  26 – 29 20n.28 C  27 – 29 21n.33 C 27 19n.28 D  1 – 16 18, 18n.23 E  1 – 24 17n.22 F  1 – 10 17n.22 F 11 17n.22 Gebet Ester V.14 – 23a.30 V.23b – 29

18 18

Judit 38 4,2 f. 22n.35, 26 4,8 26 4,11 – 15 22n.35 8,11 – 27 22, 22n.36 8,21 22n.35, 26 8,24 26 8,28 – 31 22 8,33 22 9,2 – 14 22 9,2 22 9,5 23 9,8 22n.35 9,9 22

9,10 22 9,13 26 11,17 23 11,18 f. 23 12,2 23 12,7 23 12,19 23 13,4 – 7 23 13,10 23 13,14 – 16 23 15,8 – 10 23 15,8 24, 26 15,9 f. 24 f. 15,9 26 15,10 24n.44 15,12 f. 24 15,12 25 15,14 – 16,17 24 16,1 51n.118 16,2 25 16,4 26 16,5 25 16,15 25n.48 16,18 – 20 25, 26 Tobit 11 1 161 2,5 78n.70 3,2 – 5 15 3,2 OG 160 3,7 – 9 5, 13 3,8b – 9 13 3,11 – 15 14 3,15 14 4,12 16n.17, 47n.91 6,13 15 6,15 16n.18 7,12 f. 15 7,12 15 8 17, 90n.16 Tobit G1 3,11 14 3,14 14 4,12 f. 15 6,15 13

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Tobit G2 3,10 14 3,11 14 3,14 14 3,16 f. 17 8,4 – 8 17 1 Makkabäer 1,39 LXX 14n.12 2,3 OG 160 4,52 25 13,51 37n.37 2 Makkabäer 11, 20 6,1 – 11 20 6,2 20 6,2 LXX 14n.12 6,12 – 17 20 6,18 – 31 20 7 5, 11 7,1 – 42 20 7,27 62n.21 7,36 OG 160 7,38 20 8,3 21n.32 10,6 25 10,7 25n.46 14,3 LXX 14n.12 Psalmen 1,5 LXX 160 7,9 LXX 160 9,5 LXX 160 9,5 OG 160 9,9 LXX 160 33,5 159 34,24 LXX 160 36,30 LXX 160 37,30 159 42,4 LXX 51n.117 44,21 14n.8 56,1 159 57,12 LXX 160 57,52 LXX 160 58,2 159 59,9 159 59,14 159

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68 161 71,2 LXX 160 71,2 OG 160 80,3 LXX 51n.116 88,10 14n.8 93,15 OG 160 94 161 95,13 LXX 160 97,9 LXX 160 98,4 OG 160 99,4 159 105,3 OG 160 106,3 159 113,1b 90n.16 119,137 159 f. 143,6 14n.8 146 161, 167 146,7 – 9 167 Oden 2,24 OG 160 3,10 160 7,27 OG 160 10,7 OG 160 Proverbien 1 – 9

6, 97, 98n.36, 98n.37, 101n.53, 104 f., 105n.64 – 66 1,1 – 7 97n.34 1,15 101n.50 1,19 101n.50 2 97, 101 2,1 – 11 98n.40 2,16 97, 103 2,18 f. 99 2,18 99 2,19 99n.44 3,1 – 26 98n.40 3,17 100n.45 3,18b 100n.45 4,11 100n.47 5 – 7 97 5,1 – 23 97n.35 5,3 97, 103 5,5 f. 99 5,5 98 f. 5,10 97n.35

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5,18 f. 105n.65 5,20 – 23 105n.65 5,20 97 6,19 97 6,20 100n.46 6,24 97, 98n.36, 103 6,24 LXX 98n.36 6,26 98 6,29 98 7 101n.53 7,5 97, 103 7,7 – 11 100 7,9 100 7,10 98 7,11b 100 7,12 100 7,21 103 7,25 – 27 99 7,27 98 f. 8,1 – 9,12 101 8,1 – 21 98n.40 8,20 101, 159 9 97, 101, 101n.53 9,1 – 12 98n.40 9,13 101 9,14 101 9,15 100n.49 9,18 99 f. 16,8 159 17,15 OG 160 18,5 159 18,5 OG 160 21,3 159 21,15 159 21,15 OG 160 22,14 100n.48 23,27 100n.48 29,7 OG 160 30,12 OG 160 Kohelet 3,16 OG 3,17 OG

160 160

Hoheslied 5,3 14n.9

Hiob 2,9 LXX 47n.93 8,3 OG 160 14,1 198n.78 15,14 198n.78 22 – 24 161 25,4 198n.78 34,17 159 35,2 OG 160 27,23 159 37,23 OG 160 38,3 48n.102 40,7 48n.102 42,14 LXX 47 42,15 47, 47n.96 Weisheit Salomos 1,1 OG 160 5,18 OG 160 9,3 OG 160 10,20 42 Sirach 13,1 14n.9 21,31 14n.10 35,14 – 18 161 35,18 OG 160 45,26 OG 160 Amos 5,7 159 5,24 159 6,12 159 Habakuk 1,4 159 Zephania 3,5 159 3,5 OG 160 Sacharja 7 156, 161, 166 7,9 f. 161 7,9 OG 160 8,4 92n.23 8,5 92n.23 14,2 LXX 14n.13

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Maleachi 3 161 Jesaja 1 156, 161, 165 f. 1,15 14n.8 1,16 OG 166 1,17 OG 161, 166 1,21 OG 160, 166 1,27 159 5,7 159 5,7 OG 160 5,12 51n.116 5,16 159 7,15 62n.21 9,6 159 16,5 OG 160 24,8 51n.116 24,17 102 28,9 f. 62n.21 28,17 159 30,10 103n.59 32,1 OG 160 32,16 159 33,5 159 33,5 OG 160 33,15 OG 160 42 167 47 167 54,17 OG 160 56,1 159 56,1 OG 160 58,2 159 58,2 OG 160 59,4 OG 160 59,9 159 59,9 OG 160 59,14 159 59,14 OG 160 62,10 – 12 26 63,1 OG 160 64,5 20n.28 65,4 LXX 14n.11 Jeremia 2,23 82n.88 4,2 159 4,2 OG 160

7 156, 161, 165 f., 167 7,15 62n.21 9,23 159 11,20 OG 160 12,1 159 12,10 LXX 14n.9 22 161 22,3 159 – 161 22,3 OG 160 22,15 159 23,5 159 23,5 OG 160 23,11 LXX 14n.12 23,15 159 28,9 – 10 62n.21 33,15 159 38,4 LXX 51n.118 44,15 – 30 27 45,9 159 Baruch 165n.36 Klagelieder 4,14 LXX

14n.9

Ezechiel 8,14 27 9,2 LXX 48 9,10 LXX 48 12,24 103n.59 13,17 – 23 269 18 28 18,5 159 18,5 OG 160 18,8 OG 160 18,9 159 22 161 44,23 80 Daniel 3,5 51n.117 3,24 – 90 29 3,27 OG 160 6,11 14, 14n.8 9,25 OG 160 10,5 48 11,32 103n.59

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2.  Literatur des Antiken Judentums 2.1  Jüdische Schriften aus hellenistischrömischer Zeit Apokalypse Abrahams 17 50n.111 Apokalypse Moses 33 51n.115 Apokalypse Zephanjas 6,12 48n.99 8,4 50n.111 Aristeasbrief 5 5 Esra 167 2 166 2,20 156 1 Henoch 269 2 Henoch 71 f.

187n.30

Joseph und Aseneth 5 7,5 47n.91 14,12 – 14 (B) /  12 – 16 (Ph) 48n.99 Jubiläenbuch 59n.8 3,8 – 14 65n.31 12,12 – 24 46n.86 15,27 33n.12 30,11 47n.91 30,13 47n.91 49,17 59n.8 Liber Antiquitatum Biblicarum (Pseudo-Philo) 9,10 45n.82

3 Makkabäer 2,3 OG 2,22 OG

160 160

Oden Salomos 3,10 OG

160

Psalmen Salomos 2,32 OG 4,8 OG 8,24 OG 8,26 OG 17,26 OG 17,29 OG

160 160 160 160 160 160

Sibyllinische Orakel 165n.36 Testamente der Zwölf Patriarchen TestXII Levi 9,10 47n.91 TestXII Levi 14,6 47n.91 TestXII Ruben 4 f. 269 Testament Hiobs

6, 46 f., 47n.96, 49n.106, 50 1,5 47n.89 4,6 47n.89 4,10 46n.88 5,1 47n.89 5,2 46n.86 6 f. 47 7,3 47n.91 7,7 47n.91 9 – 15 47n.91 11,10 47n.89 14,1 f. 47n.92 14,4 47n.91 17,1 49n.106 21 – 25 47n.93 21,2 47n.91 21,3 47n.91 21,4 47n.89 23,3 52n.126 24 f. 47 24,2 47n.91

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24,10 49n.106 26,5 47n.89 27,3 – 6 46n.88 27,7 47n.89 28,5 47n.89 32 f. 46n.84 33 52n.126 34,4 47n.89 34,5 OG 160 36,2 49n.106 40,3 f. 52 40,8 OG 160 41 f. 47 43 46n.84 46,2 48n.97 46,7 – 9 48 47,3 48, 51 47,5 48n.102 47,6 – 9 48 47,6 – 8 51 47,9 51 47,10 49 47,11 49, 51 48 – 50 51 48,2 – 4 49, 49n.105 48,3 49n.107, 50 49,2 – 4 49 49,2 50 49,3 49n.108 50,1 49 f. 51 50 51,3 50 51,4 50n.113 52,1 49 52,3 – 9 51 52,6 – 9 51 52,7 50 52,12 51 53,1 – 6 47n.91 2.2  Hellenistisch-jüdische Autoren Flavius Josephus Antiquitates Judaicae 3,261 f. 77n.67 4,219 201n.85 13,372 25n.46 18,22 54n.134

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Bellum Judaicum 2,120 32 2,160 79, 89 – 91 5,198 38n.39 Philo Apologia pro Judaeis 32n.10, 54, 91n.21 11,1 – 18 91n.21 11,14 – 17 91n.21 De agricultura 82 42n.65 De opificio mundi 59 5 De specialibus legibus 39 2,62 39, 39n.46f.49 f. 3,63 78n.70 3,169 35n.24 3,171 35n.24 3,206 78n.70 De vita contemplativa 6, 38, 43 – 45, 44n.74, 90 1 – 2 38n.41 1 91 2 44n.75 3 – 9 38n.43 11 44 f. 17 54n.135 21 f. 91 21 44 24 – 28 38n.43 25 44, 44n.77 28 39n.48, 44 f. 30 f. 39, 39n.46 30 44 31 39n.47 33 39 40 – 63 38n.42.43 64 39n.49, 44 f. 68 f. 39 68 38n.43, 91 69 38n.43

292 72 91 75 38, 39n.46, 44 76 38n.44 78 44 f. 79 38 80 40n.52 81 40 83 – 90 91 84 f. 41n.58 85 f. 41n.61 85 41n.57 86 – 88 42n.62 87 41n.57 89 40n.56 90 39n.50 De vita Mosis 39 2,215 39n.49 2,216 39, 39n.48 – 50 2,256 42n.64 Hypothetica 7,13 39n.46.47 Quod omnis probus liber sit 54 71 – 74 54n.133 75 – 91 91n.21 2.3  Schriften aus Qumran Damaskusdokument CD 32, 80, 85n.2 CD A 57, 67 CD B 57, 67 I,1 102, 105n.64 I,15 f. 102 I,18 82, 102 II,1 – 3 105 II,2 105n.64 II,14 – III,12 82 II,14 105n.64 II,15b – 16a 104 II,16 – III,16 102n.58 II,16 82 IV,7b – 8a 87 IV,12 – V,16 71, 82

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IV,12b – V,15a 103n.59 IV,14 102 IV,14b – 15a 104 IV,17 f. 82 IV,17b – 19a 102 IV,20 f. 32 IV,20 – V,6 82 IV,20b – 21 87 V,6 – 8 82 V,7 81n.83 V,9 – 11 32 V,11 82 V,15 80 VI,14 f. 80 VI,14 – VII,1 79 VI,17 – VII,1 81 VII 91 VII,3 81n.83 VII,3b – 9a 90, 92 VII,4 – 5 80 VII,4b – 5a 105n.64 VII,6b – 9a 87 IX,18a 105n.64 XII,1 – 2 72 XV f. 6, 87 XV,15 – 17 80 XIX,1 – 5a 90 XIX,2b – 5a 87 XX,1.14 + 32 88n.10 XX,2 80 Gemeinderegel 1QS 81n.84, 93, 93n.25, 95n.28 I,1 – 15 104 II,25b – III,12 104 III f. 102n.58 III,4 – 6 81 III,7 – 9 81 III,13 – IV,26 93 IV,2 93 IV,3 93 IV,4b – 8 93 IV,6 – 8 92 IV,6b 92 f. IV,7 f. 93 IV,7 92 IV,20 – 23 82

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V,24b – VI,1a 98n.36 V,1 f. 80 V,2a 95 V,10 – 12 80 V,10 f. 80 V,13 – 15 81n.85 V,18 80 V,20 80 VI,13 – 23 78 VIII,5 – 8 80 VIII,5 f. 95 VIII,13 80 VIII,20 80 VIII,20a 105n.64 IX,2 – 8 80 IX,3 – 6 95 IX,5b – 6 80 IX,16b 105n.64 XI,5 – 10 32n.6 Gemeinschaftsregel 1Q28 (1QSa) 32, 57, 87, 95 f., 102, 105 I,1 – 5 88 I,4 60 I,6 – 19a 88 I,6b – 19a 95 I,8b – 11 95 I,8b – 9a 88 I,10 – 11 60 I,11 6, 32 I,11b 88 I,25 – 27 78 I,26 72n.52, 80 I,27b – II,22 96 II,3 – 9 54n.132, 60 II,3 – 4 80 II,4 f. 78 II,4 78n.69 II,5 60 Segensregel 1Q28b (1QSb) III,25 f. 32n.6 IV,24 – 26 32n.6 Kriegsregel 1Q33 (1QM) VII,3 59 XII,1 f. 32n.6

XII,7 – 9 32n.6 XVI,2 73 Hodayot 1QHa VII,7 32n.6 X,17b + 34a 103 XI,20 – 23 32n.6 XII,21 f. 32n.6 XII,24 f. 32n.6 XIV,2 – 14 32n.6 XIX,10 – 14 32n.6 XXIII,2 + 10 32n.6 4Q169 (4QpNah) 3 – 4 I,2b + 7a 3 – 4 II,1 f. + 4 (+ 3,3 + 7)

103 103n.59

4Q184 (4QWiles of the Wicked Woman) 6, 85, 89, 97, 97n.32, 98, 98n.37, 100 f., 101n.53, 102, 102n.58, 104 f., 105n.64, 106 I 97, 98n.41, 99, 102 – 104 I,1 – 3 99 I,1 f. 98n.41 I,1 98n.38 I,2 98n.41,102 – 104 I,2 + 17 103 I,3 98n.41 I,3 + 17 99 I,3b 99 I,4 – 8a 100 I,4 – 6 100 I,4 98n.41 I,6 100 I,8 f. 100 I,8b – 17 99 I,8b – 11 99 I,8b – 11a 99 I,8b – 9a 100n.45 I,9 100 I,9b 99 I,10 101 I,11 99 f. I,11b – 17 99

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I,11b 100 I,12a 100 I,13 + 15 104 I,14 100 I,15 f. 100 I,15 100, 100n.46 I,17 100, 100n.47, 102, 103 II + VI 99n.41 III 98, 98n.41 III,4 – 8a 99 III,5 98, 98n.41 III,6 98 V 98 V + VI 98n.41 V,3 99n.41 VI 98 VI,2 99n.41 4Q185 (4QSapiential Work) 101n.53 4Q251 (4QHalakha A) 57n.2 4Q257 (4QSc) V,1 – 6

93

4Q265 (4QMiscRules) 57n.2, 59 Frgm. 3 59 Frgm. 3 3 59 Frgm. 4 59n.9 Frgm.  7 11 – 17 65n.31 4Q266 (4QDa) 54n.132 1 a – b,5b 105n.64 2 I,4b 104 2 I,21b 102 6 I,14 – 16 67, 68 6 II,1 – 13 67, 69 6 II,1 – 4 69 6 II,3 f. 70 6 II,4 71 6 II,5 – 13 69 6 II,5 69 6 II,9 – 10 69

6 II,10 f. 69n.44 6 II,10 69n.44, 71 8 I,6b – 9 80 11,7a 92 4Q270 (4QDe) 7,1 32 7 I,13b – 15a 87 7 I,14 f. 53 7 I,20 92 13,5 32 4Q271 (4QDf) 3,13b – 15b

87

4Q272 (4QDg) 57 1 II,3 – 18 67 1 II,3 – 17 68 1 II,5 76 4Q274 (Tohorot A) 57, 67, 74 f., 79 1 – 4 74n.58 1,4 – 6 75 1,4 f. 76 1,4b – 6 75 1,5 f. 76 1,7 f. 76 1,8b – 9 75 1,8b 76 1 I 74 1 I,4b 74 1 I,7 – 8 63 1 I,8 69 2 I 75 f. 2 I,1 – 4 77 2 I,3 75n.60 2 I,7b – 9 77 2 I,8 f. 77 4Q276 – 277

57n.2, 77

4Q277 (Tohorot Bb) 1 II,10 f. 69n.42

295

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4Q284 (4QPurification Liturgy) 57n.2 4Q284a (4QHarvesting) 57n.2 4Q313 (4QcryptA Miqṣat Maʿaśê ha-Torahg) 57n.2 4Q327 7 I 9 + 13 – 18

32n.6

4Q365 (RPc) 32 6a II 1 – 7 6a II 6

42 43n.68

4Q394 – 399 (4QMMTa – f) 57n.2 4QMMT C 7 – 8

80

4Q414 (4QRitual of Pur A) 73 4Q502 (4QpapRitMar) 6, 53, 85, 89, 93, 93n.24 f., 94 f., 95n.28, 96 f., 105 f. 1,3.4 + 7 89n.16 1,3 96 1,4 92, 96 2,3 92 2,8 95 4,3 89n.16, 94 5,3 95 6 – 10,9 92, 92n.22 6 – 10,8 89 6 – 10,4 92n.22 6 – 10,3.8 + 16 89n.16 9 + 14 96 9,1 95 9,3 89n.16 9,11 94 12,1 92 14,6 94, 96 16 93n.25, 94

16,1 – 4 93 f. 19 90, 96 19,1 – 7 96 19,1 94 19,2 f. 94 19,2 90, 92, 94 19,4 95 21,3 95 22,3 89n.16 24 94 24,3 90 24,4 94 28,4 96 33,2 89n.16 34,3 90 35,1 89n.16 43,2 + 3 89n.16 70,2 95 86,2 89n.16 94,3 89n.16 96,1 94 96,5 89n.16 98,3 89n.16 99,2 89n.16 100,3 89n.16 105 – 106,2 89n.16, 94 105 – 106,1 94 108,3 96 260,2 95 307,1 89n.16 309 89n.16, 96 311 96 4Q512 (4QpapRitual of Pur B) 79n.75 40 – 41 79 40 – 41 2 – 3 81 4Q513 (4QOrdb) 57n.2 4Q514 (4QOrdc) 1,I – II 1,I – II 8 – 10 4 – 7

57n.2, 74 f., 78n.71 75n.60 73 73

296

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4Q543 – 547 (Visions of Amrama – e ar) 32 4Q543 – 548 (Visions of Amrama – f ar) 45 4Q546 (Visions of Amramd ar) 12,4 45 5Q12 (5QD) 57, 88n.10 6Q15 (6QD) 57, 88n.10 1,2b – 3

87

11Q17 (11QShirShabb) 57 21 – 22 54 11Q19 (11QTemplea) 32, 57, 59, 59n.8, 67, 71, 72n.48, 74 XVII,7 – 9 59 XL,6 72n.48 XLV,7 – 17 72n.50 XLV,7 – 12 63 XLV,8 – 10 73 XLV,11 f. 72 XLV,17 f. 73n.54 XLVI,16 – 18 72 XLVI,18 72n.51 XLVII,7 – 10 73 XLVIII,14 – 17 72 XLVIII,15 72n.51 XLIX,16 – 21 73 XLIX,16 f. 73 L,4 – 9 73 L,13 – 16 73 LXVI,15 – 17 32 2.4  Rabbinische Literatur Mischna mAv 2,7

269

mBer 5,5

275

mNed 4,3

263

mNiddah 7,4

77n.67

mSan 6,5 mSan 7,4 ff. mSan 7,11

269n.27 271 271

mSot 3,4 mSot 9,13

263n.8 270n.31

mSukk 4,8

90n.16

Tosefta tKelBM 1,6

273

tSan 11,6

271

tSuk 4,2

90n.16

Palästinischer Talmud yAZ 1,9 (40a)

269n.25

yBB 8,1 16a

265n.13

yDem 3,3 (23c)

269n.25

yHag 2,2 (77d)

269n.27

ySan 6,8 (23c) ySan 7,19 (25d)

269n.27 271

yShab 6,1 (7d)

273

ySot 9,16 (24c)

273

yQid 4,11 (66c)

269n.25

Babylonischer Talmud bBB 74ab

277

bBer 10a bBer 17a bBer 34b bBer 53a

273 263n.6 278 269n.25

297

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bEr 64b

269n.25

bErub 53b – 54a

273

bGit 45a

269n.25

bHul 105b

269n.25, 272

bKet 62b – 63a

273

bNed 50a

273

bPes 62b bPes 110a

273 269n.26

bSan 67a bSan 67ab bSan 100b

271 269n.25 269n.25

bTaan 24b – 25a bTaan 25a

276 276 f.

bQid 81a

269n.25

Halachische Midraschim MekhY Ne 17

271

MidrEschat 9,12

103

SifDev 46 SifDev 52 SifDev 221

263n.8 269n.25 269n.27

Andere rabbinische Werke ARN A 6 ARN B 12

273 273

3.  Neues Testament Matthäus 1,2 – 15 180n.12 1,16 184 1,19 184 1,20 – 23 184 1,20 184n.23 1,24 184 1,25 185 2,13 184 2,19 f. 184 2,21 – 23 185 3,9 198 4,13 194n.60 4,18 – 22 243 7,9 198 9,9 – 13 244 9,13 198 10,3 244 11,11 198n.78 12,46 – 50 196 12,50 196n.69 13,55 f. 196 16,21 204 17,22 204

17,24 194n.60 19,1 – 12 196 19,27 – 29 196 20,18 f. 204 23,5 49n.104 24,40 182n.18 26,6 – 13 197n.72 26,30 35n.26 28 241n.34 28,5 – 7 256 28,9 f. 200 28,16 – 20 243 Markus 1,1 247n.71 1,16 – 20 243 2,13 – 17 244 3,20 f. 185 f. 3,31 – 35 185, 196 3,31 196n.69 3,35 196n.69 4,11 f. parr. 252n.105 5 57n.1 5,24 – 34 57n.1

298

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6,3 196 6,21 193n.58 7,1 – 7 64 8,31 204 9,31 204 10,1 – 12 196 10,12 197 10,28 – 30 196 10,33 f. 204 12,38 – 44 165 14,3 – 9 197n.72 14,26 35n.26 16 241n.34 Lukas 1 f. 176, 196 1,3 201, 205, 206n.96 1,5 – 25 182 1,5 178, 178n.11, 183 1,7 178 1,13 178 1,16 198n.80 1,23 31n.3.4 1,24 178 1,26 – 38 184 1,26 182 1,27 178, 178n.11, 183 f., 184n.23 1,28 185 1,30 178, 178n.11 1,31 184 1,34 178 1,36 178 1,38 178, 182, 185 1,39 178 1,40 178 1,41 – 45 185 1,41 178 1,42 – 45 184 1,46 – 55 43, 182, 184, 198n.76 1,46 178 1,48 185 1,56 178 1,57 178 1,68 – 79 182 2 154, 172 2,4 f. 183

2,5 178 2,16 178, 183 2,19 178, 186 2,21 184 2,25 – 35 182 2,34 f. 184 2,34 178 2,35 186 2,36 – 38 37, 182 2,36 178, 198n.76 2,37 164 2,41 – 52 184 2,50 186 2,51 186 3,2 178n.11 3,8 198 3,19 f. 183 3,19 178, 178n.11 3,23 – 38 180 3,23 178n.11 4,22 178n.11, 196 4,25 f. 182 4,25 164 4,26 164, 179, 182 4,27 182 4,38 178n.11 4,38 f. 179, 182, 194n.60, 195n.66 4,40 f. 183n.20 5,1 183 5,10 178n.11 5,11 193n.55 5,27 – 32 244 5,27 193n.55 5,28 193n.55 5,36 182 5,37 – 39 182 6,6 – 11 182 6,12 – 16 194n.62 6,13 194n.63 6,15 178n.11 6,16 178n.11 6,17 – 19 183n.20 6,17 194n.63, 198n.79 6,20 – 49 198 6,35 198 7,9 193n.55 7,11 – 17 176, 179, 182

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7,12 164, 178n.11 7,18 – 23 183n.20 7,21 178n.11 7,28 198n.78 7,35 – 50 197 7,36 – 50 176, 179, 182 7,50 183 8,1 179 8,1 – 3 176 f., 193, 202 8,2 178, 201, 201n.86 8,3 178, 178n.11, 179, 183, 195 f. 8,10 202n.89 8,15 186 8,19 – 21 186, 196 8,21 186 8,40 – 56 182 8,40 – 42 179 8,43 – 48 179 8,48 183 8,49 – 56 179 8,51 178n.11, 179 9,1 – 6 194 9,11 193n.55 9,22 203, 203n.90, 204 9,23 193n.55 9,44 203, 203n.90, 204 9,49 193n.55 9,57 193n.55 9,59 193n.55 9,61 193n.55 10,1 – 12 194 10,1 178 10,6 198 10,38 – 42 190, 195 10,38 – 41 176 10,38 177, 179, 190n.39.42 10,39 179 10,40 179 10,41 179 10,42 179 11,5 – 8 182 11,11 198 f. 11,27 f. 176, 185 11,27 179 11,31 179, 182 11,32 182 12,24 182

299

12,27 182 12,53 179 13,10 – 17 39n.51, 176, 179, 182 13,16 183 13,18 f. 182 13,20 f. 179, 182 14,5 198 f. 14,20 179 14,26 196 15 189 15,1 – 7 182 15,8 – 10 179, 182 16,8 198 f. 16,18 196 16,19 – 31 197 17,19 183 17,20 – 18,8 204 17,25 204 17,32 178n.11, 179 17,34 – 36 182 17,36 182n.18 18,1 – 8 176, 182 18,2 183 18,3 164 18,5 164 18,18 163 18,19 183 18,22 193n.55 18,26 183 18,28 – 30 196 18,28 193n.55 18,32 f. 203 f. 18,32 203n.90 18,42 183 18,43 193n.55 19,1 – 10 182, 197 19,19 183 19,27 – 29 196 20,17 – 40 179 20,27 – 40 199 20,34 198 20,36 198 20,47 164, 179 21,1 – 4 179, 191n.48 21,2 164 21,3 164 21,23 179

300

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22,10 193n.55 22,39 193n.55 22,44 – 46 204 22,54 193n.55 22,56 f. 179 23,27 – 32 176 23,27 – 31 179 23,27 193n.55 23,49 179, 183, 202, 205 23,55 f. 179 23,55 202, 205 24 241n.34 24,1 – 12 179, 202 24,1 – 10 202 24,1 – 8 183 24,6 f. 183, 204 24,8 203 f. 24,10 178, 178n.11, 179, 201 24,11 198, 198n.77, 201 24,12 183, 201 24,24 183 24,25 – 27 205 24,26 183, 204 24,34 201 24,44 – 49 205 24,44 – 46 204 25,13 183 Johannes 2,5 187 11,1 – 46 190n.45 12,1 – 8 197n.72 13,23 256 14,26 257 14,27 256 15,20 256 16,20 256 19,25 – 27 186, 256 20 – 21 241n.34 20 254n.118, 257n.137 20,1 256 20,3 – 10 256 20,11 – 18 200 20,11 255 f. 20,14 – 17 256 20,17 f. 256 20,18 246, 256

Apostelgeschichte 1 241n.34 1,2 f. 205 1,13 178n.10 1,14 177, 178n.11, 180, 186, 200n.83 1,16 199 2,14 199 2,22 199 2,29 199 2,37 199 2,39 198 2,42 – 47 191n.48 2,47 35n.26 3,12 – 26 198, 204 3,12 198n.79, 199 3,16 199 3,18 204 3,25 198 3,26 199 4,32 – 35 191n.48 5,1 – 11 177 5,1 180 5,14 180, 183, 200n.81 5,21 198n.80 5,35 199 6 153n.5, 164, 168n.44, 172 6,1 f. 191n.47 6,1 164 6,5 178n.10 8,3 180, 183 8,12 180, 183, 200n.81 8,27 177, 180 9,2 180, 183 9,32 – 35 182 9,36 – 42 177, 182 9,36 177, 180, 190n.39, 191 9,39 164, 180, 191 9,40 180 9,41 164 12,12 177, 178n.11, 180, 190n.39, 192 12,13 – 15 177 12,13 180 13,2 31n.4 13,16 199

301

Stellenregister

13,26 199 13,33 198 13,50 177, 180, 183 15,7 199 15,13 199 16,1 177, 178n.11, 180 16,11 – 15 188 16,13 f. 177 16,13 189 16,14 f. 177, 190n.39 16,14 180 16,16 – 21 177 16,16 – 18 188 16,16 180, 189 16,18 189 16,25 35n.26 16,40 177, 180, 190 17,1 – 10 204 17,2 f. 204 17,4 177, 180, 183, 200n.81.83 17,12 177, 180, 183, 200n.81.83 17,22 199 f. 17,34 177, 180, 200, 200n.83 18,1 – 18 200n.82 18,1 – 3 177 18,2 f. 200n.82 18,2 180 18,18 180, 200 18,26 180, 200n.83 19 189 19,24 180 19,25 199 19,26 177 19,27 180 19,28 180, 199 19,34 180 19,35 180 20,4 178n.10 20,7 – 12 182 21,5 180, 183 21,9 177, 180, 198n.76 21,21 199 22,1 199 22,4 180, 183 23,1 199

23,6 199 24,24 ff. 177 24,24 180 25 f. 177 25,13 180 25,23 180 26,1 – 32 204 26,22 f. 204 26,30 180 27,10 199 27,21 199 27,25 199 28,4 180 28,8 178n.11, 182 28,17 199 Römer 15,6 35n.26 16 175n.3, 232n.52 16,1 f. 211 16,5 190n.40 1 Korinther 7 7,2 – 6 7,10 f. 7,12 – 16 11

153n.5, 175n.3 197n.70 197n.70 197n.70 175n.3, 210, 216, 233n.56 11,2 – 16 35 11,15 216 13,1 35n.26 14,5 35n.26 14,26 35 14,33b – 36 35n.25 14,33b – 35 37n.36 15,5 – 7 200 16,15 190n.40 Galater 3,28

175n.3, 214

Epheser 5,19 35 Philipper 4,1 – 3

175n.3

302

Stellenregister

Kolosser 3,16 35 4,15 35 1 Thessalonicher 2,9 – 10 216 2,15 216 1 Timotheus 1,3 250n.96 1,6 198n.77 2,8 – 15 216 2,9 – 15 210 2,9 – 11 216 2,9 f. 216 2,12 214 2,15 210, 217 f. 2,15a 229n.47 5 153n.5, 154, 157 f., 168n.44, 172 5,3 – 16 191n.51 5,11 – 15 210, 216 5,13 198n.77 5,16 191n.52 6,3 250n.96 6,20 198n.77

2 Timotheus 2,16 198n.77 Titus 1,12 224 2 216 2,3 – 5 210 2,4 211 Hebräer 9,21 31n.3.4 10,11 31n.4 13,15 35n.26 Jakobus 1 165 1,19 – 27 165 5,13 35n.26 Offenbarung 1,13 48n.99 5,8 51n.117 14,2 51n.117 15,2 51n.117 15,6 48n.99 18,7 165n.36

4.  Frühchristliche Autoren und Werke Aristides 15 165 Barnabasbrief 20 165 20,2 156 1 Clemens 165 f. 8 166 8,4 156 42,4 f. 190n.41 Clemens von Alexandrien Protreptikos 12,119,2 f. 36n.27 Stromata 4,71,3 244n.56

Didascalia Apostolorum 239n.26 11 244 Ephraem Osterhymnus 2,8 f. 36n.31 Paschahymnus 2,7 36n.31 Eusebius Historia Ecclesiastica 4,2,3 f. 147n.53 7,30,2 – 17 36n.29 7,30,10 36n.28 Praeparatio Evangelica 8,11 54 9,3 54

303

Stellenregister

Hermas Mandata VIII 167 Similitudines I 1,7 / 8 167 V 3 167 Visiones II 4,3 168

61 166 67 167 Dialogus cum Tryphone 27 166

Ignatius An die Epheser 4,1 f. 35n.26 An die Smyrnäer 5 167 6 167 7 167 An die Römer 2,2 35n.26

Origenes Contra Celsum 1,63 244n.56

Irenäus Adversus Haereses 162n.33 I 29 – 30 240n.29 III 247n.72 IV 2,6 166 IV 17,1 166 IV 17,3 166 IV 18 166 Isidor von Pelusium Epistulae 90 (PG 78.224 f.) 37n.36 Justin 1 Apologia 44 166

Kyrill von Jerusalem Procatechesis 14 37n.36

Petrusapokalypse (P. Cair.  10759) f. 10v 156 Petrusevangelium (P. Cair.  10759) 239n.26 14,58 – 60 243n.45 60 244n.57 Polycarp An die Philipper 5,2 167 6,1 156, 167 Pseudo-Athanasius Didaskalia der 318 Väter 18 37n.36 Tatian Diatessaron 246n.67 Vita Ephraemi

36, 37n.32

5.  Nag Hammadi Corpus und Verwandtes Thomasevangelium (NHC II,2) 114 250 Philippusevangelium (NHC II,3) 244, 247 54 244 55 244 63,34 – 37 247

Sophia Jesu Christi (NHC III,4) 90,16 – 18 245n.61 Dialog des Erlösers (NHC III,5) 123,24 f. 245n.61 Die Taten des Petrus und der zwölf Apostel (NHC VI,1) 2 48n.99

304 Mariaevangelium (BG,1) 1,14 – 23 257 7,1 – 8,4 241 7,2 243 7,10 – 10,23 239n.25 7,10 243 8,12 243, 254 8,13 245, 253 8,14 – 18 245 8,14 f. 245, 256 8,15 – 9,12 241 8,18 f. 244 f. 8,21 f. 245 9,1 – 10,14 239n.27 9,6 245, 255 f. 9,9 f. 252 9,10 – 12 245, 256 9,11 243 9,12 f. 248 9,12 247 9,13 253 9,14 – 16 256 9,15 f. 253 9,16 f. 253 9,19 f. 252 f. 9,20 – 24 241 9,20 – 23 248 9,20 244, 253 9,21 – 24 245, 253 9,21 f. 248 9,21 241 10,1 – 17,7 241 10,1 – 6 243, 249 10,2 f. 249, 256 10,4 – 6 246, 249 f., 256 10,6 252 10,8 252 10,9 246 10,10 – 17,7 249 10,10 – 12 251, 256 10,10 f. 246 10,11 243 10,12 f. 254 10,14 f. 249 15,1 – 19,5 239n.25

Stellenregister

15,1 254 16,12 244 17,4 – 19,5 239n.27 17,5 – 7 254 17,7 249 17,8 f. 248, 251, 254 17,8 241, 254 17,10 – 15 241, 244, 250 17,11 – 14 246 17,16 – 18,5 256 17,16 – 22 250 17,18 – 22 241, 243 17,18 – 20 250 17,21 250 18,1 248, 248, 255 f. 18,2 – 5 253, 255 18,3 – 5 250 18,6 – 21 255 18,6 – 20 251 18,7 f. 244 18,9 f. 245n.64 18,9 251 18,10 – 12 251 18,10 243 18,11 241 18,12 – 15 251 18,14 f. 244, 246, 256 18,15 – 21 246 18,16 244 18,18 – 21 245 19,1 f. 241, 246, 255 19,2 245 19,3 – 5 241 Johannesapokryphon (BG,2) 239n.25, 240n.29, 240n.33 Sophia Jesu Christi (BG,3) 239n.25, 240n.33 77,12 – 14 245n.61 Actus Petri (BG,4) 239n.25

305

Stellenregister

6.  Griechische und römische Literatur Aristoteles Politica 7,1330a 31n.3 Cassius Dio Historia Romana 68.32 147n.53 Catull Carmina 157 Chairemon Frgm. 10

45n.78

Cicero Pro Caelio 220 5,38 157 16 157 De Re Publica 2,36 157 Diodorus Siculus Bibliotheca Historica 45 1 45n.78 1,21,7 31n.3 1,83 – 90 45n.80 Gaius Institutiones 4,47 112 Homer Ilias 13,5 f.

54n.135

Horaz 1,1 157 Juvenal 1,4 157 Kelsos 2,7 201n.85

Livius Historia Romana 24 157 29 157 34 157 37,27 34n.18 Lukian von Samosata Verae Histroiae 248n.78 Macrobius Saturnalia 1.6,14 34n.18 Martial Epigrammata 1,49 157 Methodius von Olympus Symposium sive Convivium decem virginium 6,5 36n.29 Ovid Fasti 1 157 Penelope 80 157 Tristia 5,5 157 Pausanias 6.20,3 24n.16 6.20,4 f. 33n.15 Petronius Satyricon 95 157 Plato Leges 66c / b

34n.19

306 Plinius der Ältere Naturalis Historia 5.17.4 32 5.73 90 Plinius der Jüngere Briefe 4,6 157 Plutarch Alexander 21 157 Aristides 27 157 Crassus 1 157 De Iside et Osiride 45n.81 32 (363 D) 45n.78 70 – 76 (379D – 382A) 45n.80 73 148n.54 76 (382C / D) 45n.79 Marcus Cato 21 157 Moralia (De Tranquilitate Animi) 13 157 Questiones Graecae 36 (299A / B) 34n.17 Romulus 29 157 Porphyrius De abstinentia 4,6 – 8 45n.78 4,11 54 Epistula ad Anebonem 29 148n.54 Sallust De coniuratione Catilinae 220

Stellenregister

Seneca Ad Helviam 16,3 320 16,3 f. 228 f. Epistulae morales 40 38n.44 Sextus Pompeius Festus De verborum significatione 439L 34n.18 Strabo Geographica 7,3,3 54n.135 7,3,4 54 Sueton Domitianus 22 230n.49 Galba 157 6 157 Tacitus Annales 12,6 157 14,63 230n.49 Historiae 1,13 157 Theophilus Ad Autolycum 165 12 166 Ulpian Edictum 25 112n.20 Quintillian Institutio oratoria 8,3,41 38n.44

307

Stellenregister

7.  Papyri und Ostraka BGU II 522 BGU IV 1078,3 – 6

157, 163 136

CPR XVIII 1

141

OGIS II 675

163

PBrem 63 Z.  3 – 6 Z.  24 – 28

147 148

PCollYoutie 2 67 PCollYoutie 2 83

163 163

PCorn 18

135

PEnteux 22

163

PEuphr 15

163 f.

PFouad I 75 Z. 3 – 15 133 PGen II 103 Kol. II 11 – 30 163 PGen II 103 Kol. III 163

PMich III S.  152 – 154 135 PMich V 296,1 – 5 137 PMich VIII 464 Z.21 f. 145 POxy I 71 POxy II 267 POxy IV 744 Z.  6 – 10 POxy VI 932 POxy VIII POxy VIII 1149 POxy XXI 2342 POxy XII 1449 POxy L 3555 POxy XXXVI 2758 POxy XXXVI 2782 POxy XXXVI 2791 POxy XLIII 3136 POxy LVIII 3920 POxy LXXX 5254 POxy LXXX 5255 POxy LXXX 5256

157, 163 135n.28

239, 239n.27 256 241, 245n.63 243 256 252 243

134 143 163 144 163 144 Z.  4 – 10 139 140 145, 146n.50 135 135 146 139n.35 139n.35 139n.35

PGiss I 17 Z. 3 – 11 PGiss I 22 Z. 3 – 10 PGiss I 24,1 – 4

146 147 147

POxy 3525 POxy 3525 Z. 10 POxy 3525 Z. 13 POxy 3525 Z. 14 POxy 3525 Z.  18 – 20 POxy 3525 Z. 18 POxy 3525 Z. 20

PGissApoll 2 PGissApoll 7 PGissApoll 13

147 147 146

PPetaus 135n.24 PPetaus 1 135 PPetaus 2 135

PHamb III 220 PHamb IV 240

135n.28 140

PRein II 103 141 PRein II 103 Z. 5 – 9 141

PḤever 65

109n.8

PLond III 988 Z.  3 – 6

135 f.

PLugdBat 25 34

163

PRyl 463 PRyl 463 recto Z.  3 – 5 PRyl 463 recto Z. 9 f. PRyl 463 verso Z. 4 PRyl 463 verso Z. 15

239, 239n.27 248n.80 250n.96 243n.50 241, 245, 255

308

Stellenregister

PSakaon 36 1120

163

StudPal XXII 40

142n.42

PStrasb 4 241

163

XḤev 63 XḤev 65

114 109

PWisc I 5 Z. 31 – 34 142 PWürzb 21 Z.  3 – 7

144

PYadin 14 113 PYadin 15 114 PYadin 18 109, 109n.8 PYadin 19 114 PYadin 21 107n.3 PYadin 22 107n.3 PYadin 25 114 PYadin 28 – 30 112, 112n.18, 113 PYadin 36 (= PStarcky) 107n.3

PSI IX 1067 138 PSI IX 1067 Z. 9 – 11 138 PSI IX 1067 Z. 26 f. 138n.34 SB 14 11904 163 SB 24 16285 163 f. SB VI 9573 138 SB VIII 9642 [I] 163 SB X 10239 140 SB X 10244 140 SB XIV 11580 133 SB XIV 11587 163 SB XVI 12326 Z.11 f. 145

Autorenregister Adams, E.  211 Adler, Y.  66 Alexander, P. S.  32 Allegro, J. M.  97, 98, 99, 102 Al-Suadi, S.  44 Arzt-Grabner, P.  133 Aubin, M.  99 Bachteler, E.‑M.  2, 3 Backhaus, K.  204 Bagnall, R. S.  130 – 134, 139, 142, 144, 147 f. Baillet, M.  89 f., 92 Bal, M.  236 Bar-Ilan, M.  268 f. Baskin, J. R.  262 f., 267 Basser, J. M.  152 Batten, A. J.  211, 233 Bauer, D.  14 Bauer, W.  32, 45 Baumgarten, J. M.  59, 68 f., 73 f., 76, 79, 81, 89 f., 92 f., 101 Becker, J.  184 Becker, M.  261, 264, 269 – 272, 275, 278 f. Becking, B.  154 von Bendemann, R.  197 Bennema, C.  236 Berlin, A.  236 f. Berman, P. S.  110 Beutler, J.  155 Bieberstein, S.  152 Bird, P. A.  12 Birnbaum, E.  44 Biscardi, A.  112 Bjelland Kartzow, M.  152 Blank, J.  175 Blank-Sangmeister, U.  229 Blau, L.  268 Blumell, L. H.  144 Böhm, M. 3 Bohak, G.  269 f.

Boid, R. M.  76 Bolt, P.  211 Boman, T.  206 Bons, E.  154 Boring, M. E.  57 Bourland Huizenga, A.  233 Boymel Kampen, N.  219, 224 Böttrich, C.  184, 188, 197, 202 Branch, R. G.  152 Braun, H.  168 Braulik, G.  27, 159 Brenk, F. E.  45 Brenner, A.  206 Brock, S. P.  46 Brooke, G. J.  31, 43, 59 Brooten, B.  39, 192, 197, 214 Brown, R. E.  184 Brox, N.  207 Brutschek, J.  195 Bryen, A.  110, 113 Byrskog, S.  206 Burchard, C.  5 Buchanan, G. W.  58 Bultmann, R.  250 Bussmann, M.  1, 2 Butzer, E.  152 Calame, C.  34 Calef, S. A.  211 Chambon, A.  86 Charlesworth, J. H.  81, 103 Chazon, E. G.  32, 50 Chilton, B.  166 Chiusi, T. J.  114 Clark Jr., R. R.  211 f. Cockle, W. E. G.  107 Cohen, A. K.  170 Cohen, S. J. D.  58, 77 Coleman, I.  41 Collins, J. J.  14, 46, 88, 91 Collins, J. N.  194

310

Autorenregister

Conybeare, F. C.  44 Corley, K. E.  211 f. Cotton, H. M.  107 – 109, 111, 113 f., 118, 122 f., 125 f. Cribiore, R.  130, 133, 139, 142, 144, 147 f. Czajkowski, K.  107 d’Angelo, M. R.  175, 181, 197, 205 f., 208, 211, 228, 230 f. Daumas, F.  43 Davies, P. R.  43 Davila, J. R.  89 de Boer, E. A.  193, 235, 239 f., 247, 249, 251 f., 254, 256, 258 Deines, R.  152 Deselaers, P.  16 Dillon, M.  33 Dimant, D.  32 f., 88, 102, 104 di Lella, A.  14 – 16 Dixon, S.  211, 221 f., 228, 230 Dochhorn, J.  47 Donfried, K. P.  218 Ebel, E.  188 f. Eck, W.  113, 141 Eckhardt, B.  20 Efron, J.  270 Egelhaaf-Gaiser, U.  39 Ego, B.  13, 16, 18, 23, 184 Eisen, U. E.  3 f. Eissler, F.  184 Elm, S.  153 Eltrop, B.  152 Engberg-Pedersen, T.  43 Engel, H.  13, 21 f., 24 f., 27 Enns, P.  42 Escaffre, B.  190 Eshel, H.  107 f. Fantham, E.  212, 219 – 221, 223 – 226 Feder, Y.  66 f. Feldman, L. H.  40 Ferguson, E.  40 Fischer, I.  25, 37 Fishbane, M.  268 f. Fitzmyer, J.  13, 15 Flint, P. W.  58 Flusser, D.  53

Foerster, W.  20 Fonrobert, C.  57 Fowler, W. W.  226 Frede, M.  45 Fredriksen, P.  57 Frey, J.  93 Frier, B. W.  131 – 134 Froschauer, H.  132 Fröhlich, I.  98, 103 Fuks, A.  148 Gagos, T.  114 Galanter, M.  110 Garrett, S. R.  52 Garsiel, M.  28 Gasparini, V.  42 Gaventa, B.  184 Gehrke, H.‑J.  24 Getty-Sullivan, M. A.  57 Gerber, C.  3 Goff, B.  35 Goff, M.  97 f., 101, 104 Goldin, J.  268 Gravett, E. O.  52 Greenfield, J. C.  109, 118, 122, 125 f. Grossman, M. L.  4, 33, 85, 96, 101 f. Grossmann, S.  38 Gruber, M.  63 Gruen, W.  46 Guise Sheridan, S.  86 Gunneweg, J.  86 Haas, C.  47 Haber, S.  80 Häfner, G.  152 Hahn, D.  86 Halkes, C.  1, 3 Hallermeyer, M.  13 Hanhart, R.  13 Haralambakis, M.  46 f., 49 – 52 Harrauer, H.  143 Harries, J.  114 Harrington, H. K.  59, 60, 72 f., 77 f., 79 – 81 Hartenstein, J.  236 – 239, 241, 243, 246 f., 249 – 254, 256 – 258 Hartman, L. F.  14 Harvey, S. A.  36 f.

Autorenregister

Hauck, F.  14 Heger, P.  59, 62 f., 82, 94 Heininger, B.  151, 154 Heinrichs, J.  141 Hempel, C.  97 f., 105 Hengel, M.  162, 189, 193, 269 f. van Henten, J. W.  21 Hentschel, A.  194 Hezser, C.  261 – 263, 266 Hieke, T.  16 Hirt, M.  139 Hoehner, H. W.  193 Holst, R.  211, 232 Horell, D.  151 van der Horst, P. W.  47, 52 Houward Marshall, I.  212 van Houwelingen, P. H. R.  217 Hornsby, T. J.  197 Humbert, J.‑B.  86 Humfress, C.  110, 113 Ilan, T.  6, 12, 32 f., 96, 98, 104, 109, 117 f., 121 f., 261 – 264, 265 – 267, 269 – 271, 273 Inowlocki, S.  32, 54 Janssen, C.  206 Japhet, S.  72 Jeffery, P.  40 f. Jokiranta, J.  79 f. Jost, R.  2 Juhl Christiansen, E.  22 Kämmerer, T.  154 Karris, R. J.  176 Katzoff, R.  108 f., 118 Kazen, T.  60, 64, 66 f., 74, 76 f. Kellermann, U.  16, 154 f. Kelly, B.  110 Kern-Ulmer, B. (R.)  269 Kohler, K.  46 King, K.  239 – 241, 243 f., 248, 253, 256 – 258 King, U.  2 f. Klancher, N.  52 Klauck, H.‑J.  257 Klawans, J.  65, 82 Klinker-De Klerck, M.  217 Klose, A.  170

Koester, H.  240 Koperski, V.  195 Korenhof, M.  152 Kornemann, E.  147 Kornhauser, L.  115 Kottsieper, I.  17 – 19 Kraemer, R. S.  43 Kraft, R. A.  46, 49 f. Krapf, T.  158 Krause, J.‑U.  151, 155, 158 Krentz, E.  212 Kreuzsaler, C.  136, 142 Kügler, J.  152, 154 Külling, H.  153 Kugler, R. A.  52 Kutzner, E.  130, 135 f., 138, 140 La’da, C. A.  137, 141, 143 Langslow, D.  111 Leineweber, M.  191 Lemosse, M.  112 Leonhardt-Balzer, J.  38, 240 Lesses, R.  51 Levarie, S.  40 f. Levine, B.  122 f. Lewis, N.  107, 109, 122 f., 125, 146) Lewy, H.  40, 45 Lieber, A.  53 Lienemann-Perrin, C.  1 Lieu, J.  162 Lindboe, I. M.  175 Levine, A.‑J.  175 Lindemann, A.  165 Loader, W. R. G.  81 Lührmann, D.  238 Machinist, P.  47 Madigan, K.  192 Magness, J.  58, 89 Maier, C.  4 Maier, J.  43, 101 Mantl, W.  170 Mathiesen, T. J.  51 Mayer, G.  12 Marböck, J.  18, 20 Marin, B.  238 Marjanen, A.  239, 246, 258 Markl, D.  161

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Autorenregister

Marshall, I. H.  211 Marsman, H. J.  12, 27 f. Mason, S.  32 Massey, P. T.  212, 226, 233 Matlock, M. D.  159 Matthews, S.  177, 211, 230 f. McDowell, M.  12, 14 f., 17 f., 22 f., 27, 29 McGinn, T. A. J.  211, 221 – 224, 228 McKechnie, P.  134 McKinnon, J.  36 McVey, K.  37 Mélèze-Modrzejewski, J.  114 Melzer-Keller, H.  175, 190, 201 f. Merz, A.  181, 218 Methuen, C.  151 Metso, S.  93 Meyer-Wilmes, H.  1 Miquel, P.  43 Milgrom, J.  60 – 65, 70, 73 f., 78 Millar, F. G. B.  107 Miller, G. D.  16 Miller, S. S.  79 Mitchell, M. M.  218 Mitteis, L.  148 Mitthof, F.  131 – 133 Mittmann-Richert, U.  17, 20 f., 25 f., 185 Mnookin, R. H.  115 Moore, C. A.  17 f. Moore, R. D.  98 f., 103 f. Moss, G.  43 Müller, C. G.  152 Murphy-O’Connor, J.  211 Murray, M.  269 – 271 Myers, A. D.  248 Neusner, J.  [261], 269 Newman, J.  30 Newsom, C. A.  79 Nicklas, T.  16, 162, 165, 171, 238, 242 Niehoff, A.  39 Niehoff, M.  39 Nielsen, I.  42 Noethlichs, K. L.  31 Nörr, D.  112 von Nordheim, E.  52 Oertelt, F.  40 O’Gready, K.  61 f., 77

Oliver, I. W.  161 Omerzu, H.  48, 154 Osiek, C.  192 Oswald, W.  159 Otto, E.  159, 161 Oudshoorn, J. G.  108, 112, 125 – 127 Papini, L.  144 Patterson, M. H.  226 Peet Foley, H.  219 Pellegrini, S.  178 Perkins, P.  240 Perroni, M.  175, 193 Petersen, S.  3, 184, 201, 207, 235, 241 – 245, 250 – 258 Pezzoli-Oligati, D.  2 Pfann, S. J.  68 Philonenko, M.  46 Pilhofer, P.  189 Plietzsch, S.  273 f. Plöger, O.  14 Plummer, A.  176 Polotsky, H. J.  112 Pomeroy, S. B.  135, 140, 219 Porten, B.  119 – 124, 126 Pölönen, J.  110 Qimron, E.  72, 81, 91 Quasten, J.  33, 37 Quinn, J. D.  207 Radl, W.  184 Räisänen, H.  184 Rakel, C.  23 Ramp, J.  86 Rea, J. R.  146 Regev, E.  33, 53, 88, 91, 95, 104 Reid, B. E.  175, 194, 202 Reinmuth, E.  178 Reinmuth, R.  5 Reiprich, T.  186 Rengstorf, K. H.  86 Reuter, E.  152 Ricci, C.  193, 202 Richter, D. S.  45 Richter-Reimer, I.  175, 188, 190, 191 Riedinger, R.  37 Rigato, M.‑L.  202

Autorenregister

Rimmon-Kenan, S.  236 – 237 Ringham, F.  238 Robbins, V. K.  213 Rohrbaugh, R. L.  52 Rohrhirsch, F.  86 Roloff, J.  203, 207 Rowlandson, J.  140 Röhrer-Ertl, O.  86 Rupschus, N.  6, 85 Rutherford, W. C.  165 Sachau, E.  119 Shahar, I.  110 Sanders, E. P.  77 f. Satlow, M. L.  91 f., 96 Sawyer, D. F.  129 Schaberg, J.  175, 184 Schaller, B.  46 f. Schams, C.  111 Schaps, D.  108 Schäfer, P.  20, 32 Schellenberg, A.  154 Schenke, G.  46 f., 50 Schenke, H.‑M.  240 Schenke Robinson, G.  46 f., 50 Schiffman, L. H.  85 f., 103 Schipper, B.  97 – 99, 101, 104 Schipper, S.  103 Schlenke, D.  2 Schmitz, B.  21 f., 24 – 27, 29 Schneemelcher, W.  241 Schneider, T.  45 Schorch, S.  12, 29 Schottroff, L.  3 f., 175, 193, 205 Schottroff, W.  151, 153, 155 Schuller, E. M.  4, 31 f., 59, 85, 93 f. Schultz, C. E.  34 Schürer, E.  58 Schüssler Fiorenza, E.  2, 3, 4, 197 Schwartz, D.  81 Schwendter, R.  170 Segal, M.  42 Seidl, M.  112 Seim, T. K.  175, 178, 181, 202, 208 Shapiro, H. A.  219 Shoemaker, S. J.  246 f. Sijpesteijn, P. J.  136 Smith, C. B. II.  211

Sommer, M.  153, 156, 161 Speier, W.  48 Spencer, F. S.  175, 187 Spittler, R. P.  47, 52 Spolsky, B.  111 Standhartinger, A.  3, 5, 45, 152 – 154 Stegemann, H.  86 f. Stehle, E.  34 f. Steinberg, N.  154 Stein-Hölkeskamp, E.  221 Stemberger, G.  261, 265 f., 268, 273 Šterbenc Erker, D.  33 f. Sterck-Degueldre, J.‑P.  188 f. Steudel, A.  87 Stavrianopoulou, E.  31 Strugnell, J.  98, 102 von Stuckrad, K.  3 Takács, S. A.  33 f. Taschl-Erber, A.  201 Taylor, J. E.  33, 43 Tervanotko, H.  43, 45 Theissen, G.  154, 181 Thraede, K.  3 Tigchelaar, S. E.  94, 97 – 99, 102 Thurn, H.  37 Thurston, B. B.  155 Till, W. C.  240 Tov, E.  42, 111 Towner, P. H.  213 – 216, 232 Trachtenberg, J.  268 Trebilco, P.  214 Tsuji, M.  151 Tuckett, C.  239 f., 244 f., 247 – 251, 253 – 255, 257 f. Twining, W.  109 Uebele, W.  167 Ullinger, J.  86 Urbach, E. E.  268 Urban, C.  151, 155 Van Minnen, P.  114 VanderKam, J. C.  103 Veltri, G.  269 – 272 Vermes, G.  59 Wacker, M.‑T.  175, 205

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Autorenregister

Wagener, U.  207 Wagner, C. J.  13 Wagner, U.  155 Wassén, C.  32, 53, 60, 69, 73, 75, 78, 80, 87 Wasserstein, A.  109 Watson, F.  247 Waugh, R.  46, 52 Wehn, B.  152 Wendland, P.  44 Werrett, I. C.  76 Wetzlaugk, S.  152 West, S.  134 White, S. A.  42 White Crawford, S.  32 f., 43, 53, 87, 92 – 94, 98, 101 f. Wicker, J. R.  211 f. Wilcken, U.  148 Williams, M. A.  240 Wilson, P.  43 Winter, B. W.  209 – 234

Winter, J. G.  145 Wischmeyer, O.  211, 234 Witherington, B.  200 Wöhrle, J.  238, 243 Wright, B. G. III.  97 f., 101, 103 f. Wuckelt, A.  152 Yablonsky, L.  170 Yadin, Y.  71 – 73, 122 Yardeni, A.  68, 107, 109, 111, 119, 121 – 125 Yaron, R.  118 Yinger, J. M.  170 Youtie, H.  145 Zahn, T.  193 Zamfir, K.  157 Ziegenfuss, W.  170 Zilm, J.  54 Zobel, H.‑J.  161 Zsifkovits, V.  170

Sachregister Abtreibung / abortion  210, 215, 217 f., 228 – 230 Ägypten / Egypt / Ägypter  6 f., 17, 27, 31, 38, 44 – 46, 53, 108, 110, 118 – 120, 127, 129 – 131, 133, 135, 137 f., 142, 146, 148, 162 f., 185, 239 – siehe auch Papyri – Recht, ägyptisches  7, 135 Alltag / alltäglich / daily lives  7, 87, 108, 129 – 131, 133, 135 f., 138 – 140, 142 – 144, 146, 148 f., 151, 157 f., 168, 175, 191, 266, 278 Altar  19, 33, 39 f. Älteste / Ältestinnen  22 – 25, 53, 92, 94, 178, 199 Amme / (wet‑)nurse  62, 69 f., 133 f., 141, 179 – Ammenvertrag  130, 134, 141 androzentrisch  1, 4, 192, 196, 200, 205 f. Antike, griechisch-römische / GrecoRoman society  1, 3 f., 6, 8, 31, 33, 67, 209, 219 Antiochia  36, 177, 183, 199 Antiochus IV.  20 f. Anwältinnen  211 Apokryphen / apokryph / apocryphal  11 f., 21, 26 f., 29, 236, 238, 240 Apostel / Apostelin / Jünger / Jüngerin /  Schüler / Schülerin  175, 177 f., 186, 191 – 195, 198 f., 200 – 204, 206, 214, 216, 218, 232, 235, 257; siehe auch Nachfolge, Zwölf Archiv der / archive of Babatha  7, 107 – 115, 117 f., 122 – 126 Archiv der Mivtahiah  118 – 124, 126 Archiv der / archive of Salome Komaise  7, 107 – 115, 117 f., 123, 125 f. Archiv der Yehoyishma (des Anani)  118 – 120, 122 f., 126 Archive von Männern  120, 122

Arme / Armut  27, 47, 134, 153 f., 156 – 158, 197, 274, 276 – 278 asexuell  52 Aussetzung  45, 134 Bar Kokhba  107, 120, 125 Berufung  46, 185, 187 Besitz / Vermögen  7, 46, 49, 97, 102, 117, 119, 123, 127, 133, 136 f., 142 f., 149, 154, 163, 264, 266, 268, 277 Beter / Beterin  5, 11, 17, 21, 29; siehe auch Gebet Brief / e / letter / s  119, 129 f., 133 f., 136, 144 – 149, 157, 167, 209, 218, 229, 232 Bund / covenant  36, 79 f., 82, 87 f., 92, 102, 104, 159 Christentum, frühes / frühchristlich  1, 4 – 7, 35, 53, 151 – 155, 158, 161 f., 164 – 166, 168 – 170, 172 f., 192, 207 f., 211 f., 218, 222, 224 Damaskus Dokument / Damscus Document / Damaskus-Texte (CD / D)  32, 53, 57, 67, 69, 71, 76 f., 79, 81 f., 85, 87 f., 91, 95 f., 102, 104 – 106 Dämon Asmodäus  11, 13, 15 – 17, 30 davah  76; siehe auch niddah Dead Sea Scrolls  45, 57 f., 67, 83; siehe auch Qumrantexte Deklarationen von Frauen  131 f., 137 f., 142 Diaspora  5, 13 f., 16, 67, 264, 268 Dokument / document, siehe Papyri, Urkunde, Vertrag Ehe / marriage  5, 19 f., 26, 32, 54, 89, 95 f., 121, 123 f., 132 f., 135, 177, 209 f., 220, 225, 227, 265 f., 268 – siehe auch frauenlos, Scheidung, zölibatär

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Sachregister

– Ehebruch / adultery  103, 210, 221, 225, 228 – 230, 267 – Ehefrau / en  4, 7 f., 31, 34, 47, 52, 89, 92, 95 f., 123, 132, 134, 136, 138, 140, 187 f., 196, 210, 225, 263, 269, 273 – 276, 278 f. – Eheleute / ‑paar  4, 132, 135, 148, 182 f., 196, 266, 274 f. – Ehelosigkeit / ehelos  38, 54, 89 f., 95, 152 f. – Ehemann / ‑männer  8, 17, 52, 88, 121 – 124, 126, 134, 140 f., 178, 187 f., 197, 225, 263, 266 f., 272, 274, 276 – Eheschließung / Heirat / Hochzeit / Verheiratung  15 – 17, 89, 97, 117 f., 119 – 123, 125 f., 132, 135, 148, 155, 157 f., 179, 198 f., 228, 266 f. – Ehevertrag  7, 117 f., 120 – 123, 125, 135, 266, 268 Eingabe / Klage  138 f. Elephantine-Papyri, siehe Papyri Elite  54, 177, 193, 224 f., 227 Eltern  15, 134, 178, 184 – 186, 263 Emanzipation  1, 52, 131 f., 136 f., 143, 152, 154, 210 f. Endogamie  15 – 17, 27 f., 30 Engel / angel / s  31, 33, 36, 49 – 53, 78, 82, 184 f., 199 Essener / Essenes  6, 32, 54 f., 58, 79, 85 – 87, 89 – 95, 106 Essens‑ / Speisebestimmungen  26, 28 f., 64 exclusion of women  58 – 60, 72, 197 Exodus / ‑geschehen  38, 41, 43 f., 53 Familie / family  3, 16, 19, 31, 67, 86, 92, 95, 108, 112, 119, 125, 131 – 133, 136, 140, 146, 148, 186, 191, 196, 200, 215, 220 f., 223, 225 f., 267 f., 277 Feind  15, 19, 22 f., 25 f., 44, 49, 198, 217, 233 Feminismus / feministisch  1 – 4, 129, 175, 197, 205, 213 f., 217, 226 f., 231, 233 Fest / ‑akt  6, 25, 27, 33, 36, 38 f., 41, 43, 51, 90, 93, 96, 105, 142, 146, 167, 192 f., 201, 266 – Festpilger / Festpilgerinnen  192 f. Fortpflanzung / reproduction  95 f., 130, 132, 221, 223, 268

Frauenarchive in der Judäischen Wüste, siehe Archiv der Babatha / Salome Komaise Frauenarchive in Elephantine, siehe Archiv der Mivtahiah / der Yehoyishma Frauengesang / Frauenchor / Chor  34, 36 – 43, 47, 53 frauenlos  54, 85, 88, 91 f.; siehe auch Ehelosigkeit, zölibatär Freigelassene / Freigelassener  3, 138 f., 146 Fremde / Fremder / Ausländer / Ausländerin  4 f., 19, 47, 72, 97, 100 f., 167, 177, 189 f., 266 Frömmigkeit / fromm / piety / pious  5, 11 f., 16, 18 f., 21 – 23, 26 – 31, 54, 144 – 149, 153, 184, 191, 222, 261, 274 – 279 Fruchtbarkeit / Fertilität  93, 96, 132 f., 269 f. Gebet / prayer  5, 12 f., 14 – 23, 26 – 30, 37, 50 f., 79, 144 f., 148, 187, 189, 203, 266 Geburt / childbirth / Gebären / parturient  4, 6, 28, 33, 37, 60 f., 63 f., 69 – 72, 78, 83, 132 – 136, 138, 140, 210, 217, 266 – Geburtsgeschichte Jesu  180, 182, 184 f., 188, 206 Gemeinschaftsregel  6, 32, 87 f., 94, 96, 105 Gender / Geschlecht / sex  1 – 4, 9, 12, 29 f., 35, 57, 60 f., 64 – 66, 83, 87, 119, 126 f., 152, 175, 181, 200, 202, 213, 218, 221 – 224, 227 f., 230 – 233, 250, 258, 261 – 263, 270 f. Gerechtigkeit / gerecht / righteousness  8, 15, 19, 36, 54, 88, 91 f., 100 – 102, 156, 159 – 163, 165 f., 168 f., 171 f., 186, 208 Geschiedene  125, 268; siehe auch Ehe, Scheidung Gleichnis  178 f., 182, 186, 202 gnostisch / gnostic / Gnosticism  239 f., 246, 249, 275 Gospel of Mary  8, 235 – 259 Gottesdienst  6 f., 31, 33, 35, 38 f., 43, 45, 50 – 53, 91, 96, 105 f., 189, 199 gruppenspezifische Texte / sectarian texts  6, 32, 53, 71, 73, 77, 79, 83 f., 85 – 89, 91, 95 – 97, 102 – 106

Sachregister

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Haggadot  263, 265 Halakha / halakhah / Halakhot /  halakhisch / halakhic  14, 21, 26, 28, 30, 70 f., 75 – 77, 79, 83, 103, 262 f., 265, 271 – 273 Hausfrau  211 Hausgemeinde / n  190 – 192, 207 Hausherrin  188, 190 f., 195 Hebamme  269; siehe auch Amme Hebräische Bibel / Hebrew Bible  11, 17, 27 f., 60; siehe auch Tanach heidnisch / pagan  19 – 21, 26, 43, 144, 201, 233, 270 Heiligkeit / heilig / holiness / holy  6, 22, 34, 38, 40, 44, 54, 59 – 61, 65, 72, 74, 78, 80 – 84, 87, 91 f., 94 f., 104 – 106, 148, 161, 266 Heilung  11, 93, 176, 182 f., 194 f., 201, 203, 275, 278 f. hellenistische Zeit  11, 31, 37 Hoherpriester  23 f., 26, 179, 202 Hodayot  31, 43, 88, 103 Hymnus  26 f., 34 – 37, 39, 41, 46 f., 49 f., 182, 184 f.; siehe auch Lied / er

Jünger, siehe Apostel Jungfrau / en  34, 52, 177, 180

illiterate  111 inklusiv  32, 72 Inzest / incest  82, 230 Irrlehre  214

Mädchen / female child  34, 36, 70, 90, 133 – 135, 141, 148 Magie, siehe Zauberei Magnifikat  43, 184 f., 198 Makkabäer / ‑buch  11, 20 f., 25 Maoza  108, 118 Mareotis  38, 43 Mariologie  187 Martyrium / Märtyrer  11, 21, 36 f., 46 Memorialkultur / ‑semantik  8, 156, 158, 170 – 173 menopause  62 Menstruation / menstruation  4, 19 f., 57 – 66, 68 – 72, 75 – 78, 82 – 84, 266; siehe auch niddah, zavah Messias  154, 202 – 204, 267 Midrasch / Midrash / Midrash / im  47, 262 f., 265 Mishna  77, 262 f., 265 – 267, 269 misogyn  85, 106, 231 f. Musik  27, 36, 40 – 43, 51, 139 Mutter / Mütter / mother / s  7, 11, 16, 31, 33, 53, 64, 69, 87, 94, 114, 119,

Jerusalem  14, 20, 22 – 26, 28, 33, 35, 37, 59, 66, 71 f., 177 f., 186, 192 f., 198 f., 202 – 204, 264, 270, 274 – Jerusalemer Gemeinde  35, 177, 186, 202 Judäische Wüste / Judaean Desert  107, 117 – 120, 122 f., 125 – 127, 265 Judentum – antikes Judentum / antik-jüdisch  1, 5, 11, 30 f., 43, 53, 118 – frühes Judentum / frühjüdisch  16, 158, 162, 165, 263 f., 267, 269 – Gesetz, jüdisches / Jewish law  109, 126 – rabbinisches Judentum  262 – 265 – Recht, jüdisches  7, 117 Jugend  34, 92, 96, 182 Junge / n / Buben / male child  70, 90, 96, 134 f., 148, 263

Karfreitag  183, 204 keusch  15, 210, 229 Kind / er / child / ren  6, 15, 33 f., 47 f., 64, 70, 72, 88, 90, 95, 120 f., 126, 132 – 134, 136, 138, 141 f., 144, 148, 163, 178 – 180, 183 – 187, 196, 198 – 200, 206 f., 210, 217, 229, 263 – Kinderlosigkeit  16, 27, 230 Kirche / church  35 f., 207, 214, 216, 232 Krankheit / disease  58, 60, 65 – 67, 71 f., 74, 77 f., 83, 133, 146 f., 228, 267, 278 Kult / cult  20, 25, 31, 33, 35, 51, 66, 146, 159, 163, 166 levitical  65, 71 Lied / er  34 – 36, 39 f., 42 f., 47, 49 – 53; siehe auch Hymnus Liturgie / liturgisch  6 f., 31, 33 – 38, 41, 52 – 54, 85, 88 – 90, 94, 96, 105 f., 167 Liturginnen  31, 33, 35, 37 Logienquelle  198 f.

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Sachregister

123 – 125, 133, 137, 145, 147, 176 – 181, 184 – 187, 192, 196, 199, 206, 208, 211, 218, 228 – 230, 246 f., 263, 268 Mysier  54 f. Nachfolge / Nachfolgerin  3 f., 176, 192 – 194, 196, 203; siehe auch Apostel Nachkommen / offspring  69, 89 – 93, 96 Naḥal Ḥever  117, 120, 122 niddah  61, 63 f., 69, 75 – 77, 82 f.; siehe auch Menstruation, zavah Opfer / sacrifice  25 – 28, 34, 59, 61, 65, 70, 73, 81, 83, 144 – 146, 166, 179, 191, 266 Ostern  191, 202, 204 Papyri – ägyptische Papyri  7, 107 – 109, 111 – 113, 115, 118, 120, 129 – 132, 135 – 137, 139 – 146, 148 f., 151, 162 f., 173 – Elephantine-Papyri  7, 117 – 119, 121 – 123, 126 f. – koptische Papyri  46 f., 50, 239 Paraklet / paraclete  257 f. patriarchal  3 – 5, 87, 129, 201, 272 paulinische / deuteropaulinische Texte  209 – 211, 233 Pentateuch  42, 53, 65 f.; siehe auch Tora Pessach / Passa  38, 193 Petition / Bittende / r  7, 15, 113, 129, 138 – 140, 176, 182 Polygamisten  103 polygyny  82 Priester / Priesterin  5, 24 f., 31, 34, 38, 45, 66, 74, 119, 145 f., 148, 204, 266 f. Priestly Source (P)  61, 64 f. promiskuitiv  210, 220 f., 231 f., 234 Proselyt / proselyte  5, 81, 266 Prostituierte / Prostitution / Hure / Hurerei  98, 100 f., 103, 197, 270 Psalmen  35 f., 167; siehe auch Hymnus, Lied Qumran  6, 31, 58 f., 63, 78 f., 85 f., 88 f., 91, 93, 104 – siehe auch Dead Sea Scrolls

– Qumran movement / community /  Gemeinschaft / sectarians  6, 33, 54 f., 57 – 60, 69, 71 – 73, 77 – 84, 85 f., 93, 102 – Qumrantexte / Qumran texts  6, 13, 32, 53, 57, 59, 67, 83, 86 f., 89, 91, 96, 101 f., 104, 106, 117, 120 Rabbi / Rabbinen  79, 261 – 275, 279 – siehe auch Judentum – rabbinische Texte / rabbinic literature  5, 8, 12, 89, 108, 111, 261 f., 264 f., 268 – 272, 275, 279 Recht  7, 92, 101, 123 – 127, 131 – Recht und Gerechtigkeit  8, 156, 160, 163 – Rechtsbeistand  137, 140, 182 – Rechtsgeschäft  7, 136 – 138, 149 reich / wohlhabend / wealthy  31, 129, 131, 154, 157, 163, 176 f., 188, 197, 206, 215 f. Reinheit / purity / pure  6, 14, 17, 23, 28 – 30, 38, 44, 57 – 60, 63 – 67, 69, 71, 73 – 84, 88, 92, 95, 104, 266, 270 Reinigung / purification / cleansing  6, 23, 26, 28, 61, 63 – 67, 69 – 79, 81 – 84, 166, 272 Religiosität  1, 7, 11, 14, 17, 20 f., 26 – 30, 34 f., 45, 131, 143 – 146, 149, 152, 214, 263 f., 266, 271 Retter / Retterin  18, 26, 33, 41 Rettung  17 f., 23 f., 26 f., 29, 41, 44, 184, 189, 199 Römische Zeit / Römisches Reich  8, 31, 34, 39, 109, 115, 118, 133, 135, 137 f., 142 f., 209 f., 212, 214 – 216, 219 f., 222, 224 – 229 Sabbat  80 f., 176, 182, 189, 198 f., 202, 276 Sabbatopferlieder  31, 53 f. Satan / Teufel  37, 46 f., 49, 51 f., 243 Saviour  235, 240 – 259 Scheidung / divorce  115, 122, 196 f. Schenkungsurkunde  117 f., 122 – 126 Scheol / Unterwelt  100 f., 106 Schmuckparänese  216, 233 Schuld / guilty  19 – 21, 82, 90, 99, 122, 177, 231

Sachregister

Schwangerschaft / schwanger / pregnancy /  pregnant  27, 57, 62, 133, 140 f., 147, 163, 179, 188, 206, 217, 228 – 230 Selbstbestimmung  8, 218 semen / emission  57, 60 – 62, 64, 69, 71 – 74, 76 f., 81, 83 f.; siehe auch zav separation  61, 65, 72, 74, 77, 79 – 81, 83 f., 105, 164, 240, 247, 251, 254 Septuaginta / LXX  5, 17 f., 20, 31, 47, 98 Serekh-Texte (S)  81, 88 f., 94 – 96, 104 – 106 Sexualität / sexual intercourse  3, 6, 14, 28, 58, 62 f., 65, 67, 69, 71 – 74, 78, 81 – 83, 102, 106, 197, 210, 215, 220, 223 f., 226 f., 231 f., 270; siehe auch Verunreinigung Sklave / Sklavin / Knecht / Magd  3, 13, 16, 22, 47, 49, 52, 118 f., 122 f., 134, 137, 139, 141 f., 144, 146, 177, 179 f., 185 f., 188, 189, 269 Sohn / son  4, 11, 13, 16, 27 f., 46 f., 87, 92 – 94, 96 f., 114, 117 f., 120 f., 124 – 126, 137, 147 f., 178, 183, 185 – 187, 196, 198 f., 244, 263, 278 Son of Man  244 f., 252 Sons of the pit  80 f. Sondergut  164, 206 Sukkot / Laubhüttenfest  25, 96 Synagoge  7, 12, 39, 45, 182, 189, 192, 199, 263 Talmud / im  8, 262, 264 f., 270 – 274 Tanach  92, 96; siehe auch Hebräische Bibel Tempel / temple / Heiligtum / sanctuary  7, 19, 20 – 22, 24 – 28, 30, 31, 33 – 35, 37 – 40, 43 f., 46, 51, 58 f., 61, 65 – 67, 70 – 74, 80, 82, 91, 95, 102 f., 119, 122, 144 f., 179, 194, 199, 264, 270 – Tempelrede  198 f., 202 – Tempelrolle / Temple Scroll  6, 32, 57 f., 63, 67, 71 – 74, 76 f., 83 Therapeuten / Therapeutinnen  33, 38 f., 41 – 44, 46, 53, 90 – 92, 94, 106 Tochter / daughter  5, 7, 13, 15 – 17, 25 f., 36 f., 45 – 53, 87, 92, 94, 96, 117 – 119, 122 – 126, 134 f., 137 – 139, 141, 145, 147, 177, 179 f., 182 f., 198, 225, 227, 261, 263, 273, 276

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Tora  16, 17, 28, 87, 92, 103, 158 – 162, 166, 192, 262 f., 265 – 267, 269, 273 f., 277 – 279; siehe auch Pentateuch Torheit  6, 97, 100 f., 103 f., 106 Tosefta  262, 265, 271 Tugend / tugendhaft  5, 39, 50, 91, 165, 210, 224 f., 229, 249, 269 Umkehr  165 f., 182, 187, 197 Unfruchtbarkeit  16, 268 Unrecht  99 f., 102, 140, 164 Unreinheit / impurity  4 – 6, 15, 20, 57 – 84, 105, 266 Unzucht / fornication  82, 87, 102, 269 f. Urkunde  7, 122 – 124, 126, 159, 264 f., 267; siehe auch Ehe‑, Schenkungs‑, Verzichtsurkunde, Vertrag Vater / father  14 – 16, 19, 36 f., 39, 42, 47, 50, 52, 87, 92, 94, 114, 117, 122 – 127, 133, 135, 137, 144, 163, 178, 182, 186, 196, 198, 263, 267, 272, 274 Vergewaltigung  140, 230, 266 Vertrag / Verträge  129 f., 134, 136 f., 140 – 142; siehe auch Urkunde Verunreinigung / defilement / pollution  14 f., 19, 42, 57 – 60, 62 f., 65 – 67, 71, 73 – 76, 82, 92, 102 f., 267; siehe auch Menstruation, niddah, semen, Sexualität, zav Verwalter  143, 157, 163, 193 Verzichtsurkunde  7, 117 f., 124 – 126 Vorbild / vorbildlich  5, 7, 15, 21, 23 f., 30, 41, 91, 180, 208, 218 Vormund / tutor  136 – 138, 193, 268, 271 Wadi Murabaʾat  120 Waisen  47, 125, 154 f., 158, 161, 167 f. Weisheit / weisheitlich / wisdom  5 – 7, 11, 22, 25 f., 32, 42, 82, 85, 88 f., 91, 93, 97, 100 – 102, 104 – 106, 159, 244, 269, 274 f. Witwe / n / widow / s  4, 7 f., 22 f., 37, 47, 125, 132, 151 – 159, 161 – 169, 172 f., 176, 179, 182, 191, 198, 207, 209 f., 215, 226, 228, 266, 268, 271 Wohltäter / Wohltäterin  42, 139, 182, 211 Wohltätigkeit  47, 191 f., 208

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Sachregister

Wunder  8, 41 f., 178, 182, 191, 195, 261, 275 – 279 yaḥad  6, 88, 90 f., 93 – 97, 101 – 106 Zauberei / Magie / Zauberin / Hexe  8, 54, 268 – 272, 279 zav / zavim / flux / male discharge  57, 60 f., 63 f., 66, 68 f., 71 f., 74 – 78, 83; siehe auch semen zavah / female discharges / flux  60 f., 63 f., 69 – 71, 75 – 78, 83; siehe auch Menstrua­tion, niddah

Zeit des zweiten Tempels / Second Temple Period  12, 29 f., 66 f., 77, 84, 87 Zeuge / Zeugin / witness  6, 32, 95, 198, 200, 216, 229, 232 Zion  21, 25 f. zölibatär / celibate / celibacy  38, 54, 58, 85 f., 90 f., 106; siehe auch Ehelosigkeit, frauenlos Zwölf / zwölf Jünger / Twelve  8, 48, 178, 183, 186, 190 – 194, 201, 202 – 204, 235, 240 f., 243 – 245; siehe auch Apostel